Substanzverletzung und Herstellung: Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz für Material und Produkt 9783161579363, 3161478614

Beate Gsell behandelt einen der umstrittensten Problemkreise der Produzentenhaftung: den deliktsrechtlichen Schutz des E

115 57 32MB

German Pages 416 [421] Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Grundlegendes zur Fragestellung und zum Gang der Untersuchung
A. Das Problem der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache
B. Das Problem der Verletzung des Eigentums am Material
C. Getrennte Prüfung der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache und der Verletzung des Eigentums am Material
D. Trennung der Tatbestands- von der Konkurrenzfrage
E. Zugrundelegung der gesetzlichen Konzeption des Deliktsrechts
Teil 1 Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache nach § 823 Abs. 1 BGB
Kapitel 1: Keine Verletzung des Eigentums an einer Sache durch deren bloße Herstellung und Übereignung als fehlerhafte
A. Die Präexistenz der Sache als Voraussetzung der Eigentumsverletzung entspricht herrschender Rechtsprechung und Literatur
B. An der Präexistenz der Sache als Voraussetzung der Eigentumsverletzung ist festzuhalten
I. Die Präexistenz der Sache ist nicht aus formal-logischen Gründen zwingend erforderlich
II. Der Schutz der Aussicht auf natürliche Entwicklung eines Menschen taugt nicht als Parallele
III. Ein Verzicht auf die Präexistenz der Sache widerspräche der gesetzlichen Ausgestaltung des Eigentums als Recht an einer Sache
IV. Die Erhebung von Sachverschaffungsansprüchen in den Rang absoluter Rechte widerspräche dem deliktsrechtlichen System des BGB
V. Die von Mertens für einen Verzicht auf die Präexistenz des Verletzungsobjekts angeführten Gründe überzeugen nicht
Kapitel 2: Die Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen in Rechtsprechung und Literatur
A. Die „Stoffgleichheits“-Formel der Rechtsprechung
B. Kritik an der „Stoffgleichheits“-Rechtsprechung
I. Eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache kann nicht durch deren Herstellung oder Inverkehrgabe begangen werden
1. Die fehlerhafte Sache ist taugliches Objekt einer Eigentumsverletzung, ihre Selbstbeschädigung möglicher Verletzungserfolg
2. Herstellung oder Inverkehrbringen der fehlerhaften Sache scheidet als Verletzungshandlung aus
a) Notwendige Voraussetzungen des Eigentumserwerbs verletzen nicht das erworbene Eigentum
b) Werden Teile der Sache beschädigt, an denen selbständiges Eigentum möglich ist, gilt nichts anderes
c) Die unzutreffende Parallele zu Fällen, in denen eine Verletzung des Eigentums am Material in Betracht kommt
d) Ergebnis
II. Die Rechtsprechung kann nicht erklären, warum der nicht-„stoffgleiche“ Schaden Voraussetzung der Eigentumsverletzung sein soll
III. Die Rechtsprechung kann nicht erklären, warum die Behebbarkeit des Fehlers maßgeblich sein soll für die Eigentumsverletzung
IV. Die „Stoffgleichheits“-Formel taugt nicht zur Schadensberechnung
1. Die Ersatzfähigkeit des anfänglichen Mangelunwerts ist mit dem BGH abzulehnen
2. Der Vergleich zwischen geltend gemachtem Schaden und anfänglichem Mangelunwert ist verfehlt
3. Auch die Interpretationen der „Stoffgleichheits“-Formel in der Literatur helfen nicht weiter
4. Ergebnis
V. Die Rechtsprechung erweckt den Eindruck, die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB seien nur unter Rückgriff auf Vertragsrecht bestimmbar
VI. Gegen die Eigentumsverletzung läßt sich nicht einwenden, daß der Sache keine Gefahr von außen drohe
1. Die fehlerbedingte Selbstbeschädigung erfolgt nur selten ohne Einwirkung von außen
2. Die Abhängigkeit der Sachintegrität von substanzerhaltenden Umwelteinflüssen ist kein auf die Weiterfresser-Fälle beschränktes Problem
a) Substanzveränderungen infolge unterbrochener Zufuhr sacherhaltender Stoffe aus der Sachumwelt
b) Substanzverschlechterungen infolge des Einsatzes eines vermeintlich wirksamen sacherhaltenden Mittels aus der Sachumwelt
c) Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung eines Grundstücks infolge sogenannter negativer Einwirkungen
aa) Herrschend ist die grundsätzliche Ablehnung einer Eigentumsverletzung
bb) Über die Figur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses werden Ausnahmen anerkannt
d) Zusammenfassung
3. Das Fehlen einer Einwirkung von außen schließt eine Eigentumsverletzung nicht aus
a) Fraenkels Argumentation mit dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit
b) Der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit macht keine Einwirkung von außen erforderlich
c) Daß die bloße Fähigkeit zur Erfolgsabwendung keine entsprechende Pflicht begründet, macht keine Einwirkung von außen erforderlich
d) Die Einwirkung von außen ist häufig nicht abgrenzbar von sonstigen Gefahren für die Sachsubstanz
4. Ergebnis
VII. Gegen die Eigentumsverletzung läßt sich nicht einwenden, Verkehrspflichten schützten nur sonstige Rechtsgüter des Käufers
VIII. Gegen die Eigentumsverletzung läßt sich nicht einwenden, der Hersteller reparabler Sachen hafte zu streng
IX. Zusammenfassung der Kritik
C. Keine überzeugenden sonstigen Ansätze zur Begründung einer Eigentumsverletzung
I. Eigentumsverletzung nur bei Selbstbeschädigung der Sache auf bestimmte Weise
1. Umweltgefährdung und -schädigung, unfallartige und gewaltsame Beschädigung als Voraussetzungen der Verkehrspflichtverletzung
2. Keine sachliche Rechtfertigung der Forderung nach entsprechenden qualifizierenden Umständen
II. Gedankliche Aufspaltung der fehlerhaften Sache in einen mangelhaften und einen mangelfreien Teil
III. Einordnung jeder fehlerbedingten Selbstbeschädigung einer Sache als Eigentumsverletzung
Kapitel 3: Die unterlassene Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung als unerlaubtes Verhalten im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB
A. Die bisherige Verkennung des Begleitverhaltens bei der Inverkehrgabe
I. Stellungnahmen im Zusammenhang mit der Problematik eines Rückrufes fehlerhafter Produkte
II. Sonstige Stellungnahmen
B. Die Bestimmung des gemäß § 823 Abs. 1 BGB unerlaubten Verhaltens nach der herrschenden Verkehrspflichtenlehre
I. Die Zurechnung mittelbarer Erfolgsbedingungen und Unterlassungen als Verkehrspflichtverletzungen
II. Die Verkehrspflichten als Gefahrsteuerungsgebote
III. Die Verkehrspflichten des Produzenten
IV. Die Reichweite der Verkehrspflichten als Wertungsfrage
C. Eingrenzung der möglichen Verletzungshandlung auf die unterlassene Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung
I. Die Behauptung der Fehlerfreiheit der Sache scheidet regelmäßig als Verletzungshandlung aus
II. Durch ein aktives Tun des Herstellers ließe sich die Gefahr der Selbstbeschädigung häufig abwenden
III. Die unterlassene Warnung vor der Gefahr der Fehlerausbreitung kommt als Verletzungshandlung in Betracht
1. Die Fehlerbeseitigung führt zu einer dem Eigentümer obliegenden Verbesserung der Sachsubstanz
2. Die Warnung vor der Fehlerausbreitung dient dem Erhalt der Sachsubstanz, ohne sie zu verbessern
3. Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache rechtfertigt keine Rückrufpflicht
D. Die Anknüpfung von Verkehrspflichten an eine rechtmäßige Gefahrverursachung als Fortbildung des § 823 Abs. 1 BGB contra legem?
I. Die Grenzen des § 823 Abs. 1 BGB nach von Bar
1. Die These von der Verkehrspflichtenlehre als contra legem erfolgte Entwicklung einer allgemeinen Unterlassenshaftung
2. Die Widersprüchlichkeit der These von Bars
3. Keine gesetzliche Vorgabe, Handlungspflichten allein aus Gesetz, Vertrag oder Ingerenz zu begründen
a) Beispiele für die Anknüpfung von Verkehrspflichten an die bloße Sachherrschaft aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB
b) Keine Sperrwirkung des § 836 BGB gegenüber § 823 Abs. 1 BGB
c) Nach den Gesetzgebungsmaterialien keine zwingende Anknüpfung an Gesetz, Vertrag oder Ingerenz
4. Ergebnis
II. Die Grenzen des § 823 Abs. 1 BGB nach Fraenkel
1. Die Lehre von der Tatbestandsmäßigkeit allein der letzten erfolgsbedingenden Handlung
2. Keine Widerlegung der Lehre Fraenkels durch den Nachweis der Existenz einer Unterlassenshaftung aus § 823 Abs. 1 BGB
3. Die unbefriedigenden Ergebnisse der Lehre Fraenkels
a) Allgemeine Ablehnung der Lehre Fraenkels
b) Keine Bewertung der mittelbaren Verursachungsbeiträge
c) Keine Bewertung der unmittelbaren Verursachungsbeiträge
4. Nach den Gesetzgebungsmaterialien keine Beschränkung der Verletzungshandlung auf die letzte erfolgsbedingende Handlung
a) Der Vorentwurf von Kübels
b) Der Erste Entwurf
c) Der Zweite Entwurf und das weitere Gesetzgebungsverfahren
5. Ergebnis
E. Die Begründung einer Pflicht zur Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung parallel zur sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers
I. Vergleichbarkeit der sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers hinsichtlich der Inverkehrgabe als gefahrschaffender Handlung
1. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter dienende Pflicht zur Warnung bei Inverkehrgabe
2. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter dienende Pflicht zur nachträglichen Warnung vor erst nachträglich erkennbaren Gefahren
3. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter dienende Pflicht zur nachträglichen Warnung vor erst nachträglich entstandenen Gefahren
4. Die Silokipper-Entscheidung als Beispiel für die dem Schutze des Eigentums am Produkt selbst dienende Pflicht zur Warnung bei Inverkehrgabe
5. Die Angemessenheit des Verzichtes auf eine rechtswidrige Vorhandlung bei der sonstigen Instruktionshaftung
6. Ergebnis
II. Vergleichbarkeit der sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers hinsichtlich anderer Verkehrspflichten rechtfertigender Umstände
1. Hinsichtlich der meisten zur Begründung von Verkehrspflichten herangezogenen Umstände bestehen keine Unterschiede
2. Die derzeitige Versicherungssituation rechtfertigt keine Ablehnung von Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache
3. Das ProdHaftG hindert nicht die Annahme von Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache
Exkurs: Das ProdHaftG läßt die Haftung aufgrund anderer Vorschriften unberührt
a) Teile der Gesamtsache sind keine „andere Sache“ i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ProdHaftG
b) Aus § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ProdHaftG läßt sich keine Einschränkung der Eigentumsverletzung gem. § 823 Abs. 1 BGB herleiten
4. Ergebnis
III. Mangelnde Abgrenzbarkeit der unter unzureichender Instruktion erfolgenden Inverkehrgabe fehlerfreier Sachen von derjenigen fehlerhafter Sachen
1. Die gängige Abgrenzung der Instruktions- von Konstruktions- und Fabrikationsfehlern ist auf den Schutz sonstiger Rechtsgüter zugeschnitten
2. Konstruktions- und Fabrikationsfehler lassen sich häufig als Instruktionsfehler verstehen
IV. Keine unzulässige Umgehung der mangelnden Vorwerfbarkeit der Inverkehrgabe
V. Ergebnis
F. Voraussetzungen und Umfang der Pflicht zur Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung im einzelnen
I. Die Reichweite der Warnpflicht bestimmt sich grundsätzlich parallel zu den sonstigen Instruktionspflichten des Herstellers
II. Die Frage nach der Gleichbehandlung beweglicher und unbeweglicher Sachen weist bei fehlerbedingter Selbstbeschädigung keine Besonderheiten auf
III. Die Warnpflicht besteht nicht, wenn die Sachverschlechterung voraussichtlich trotz Warnung eintreten würde
IV. Die Warnpflicht kann nur unter der Prämisse fortbestehenden Eigentums an der Sache bestimmt werden
V. Die Warnpflicht kann nur unter der Prämisse einer Entstehung der fehlerhaften Sache bestimmt werden
VI. Die warnpflichtigen Personen
1. Die Haftung des Endherstellers
2. Die Haftung des Zulieferers
3. Die Haftung des Händlers
Kapitel 4: Die Reichweite der Instruktionshaftung bei Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen
A. Die haftungsbegründende Kausalität
B. Grundsätze für die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens
I. Schadensberechnung auf der Grundlage der Differenzhypothese
II. Berücksichtigung der hypothetisch für den Sacherhalt getätigten Aufwendungen, erlittenen Einbußen und entgangenen Vorteile
III. Keine Einschränkung des Ersatzes von Folgeschäden
IV. Kein Ersatz von Einbußen, die bei isoliertem Hinwegdenken der Selbstbeschädigung ebenso eingetreten wären
V. Niemals Ersatz des anfänglichen Mangelunwerts
C. Beispiele für die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens
I. Der Eigentümer hätte die fehlerhafte Sache durch Reparatur erhalten
1. Ausgangsbeispiel
2. Abwandlung
3. Ergebnis
II. Der Eigentümer hätte auf eine sachverschlechternde Nutzung verzichtet
1. Beispiel für einen völligen Nutzungsverzicht
2. Beispiel für eine schonendere Nutzung
3. Ergebnis
D. Die Beweislast
Kapitel 5: Die BGH-Rechtsprechung im Lichte der Einordnung einer Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen als Fall der Instruktionshaftung
A. Die Unstimmigkeiten der „Stoffgleichheits“-These sind beseitigt
I. Die Verletzungshandlung ist keine notwendige Bedingung für die Entstehung der fehlerhaften Sache
II. Der Eintritt eines Schadens wird nicht zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung erhoben
III. Bei Unvermeidbarkeit der Fehlerausbreitung fehlt es an einer Warnpflicht
IV. Der ersatzfähige Schaden wird ohne Rückgriff auf den anfänglichen Mangelunwert ermittelt
B. Der BGH verdient Anerkennung in seinem Bemühen um einen Eigentumsschutz der fehlerhaften Sache unter Berücksichtigung des Fehlers
I. Die meisten Entscheidungen beurteilen die Frage der Eigentumsverletzung im Ergebnis richtig
II. In einigen Entscheidungen werden die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches wegen Eigentumsverletzung verkannt
Teil 2 Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums am Material nach § 823 Abs. 1 BGB
Einleitung
Kapitel 1: Die Beschädigung oder Zerstörung des Materials als Eigentumsverletzung
A. Die Rechtsprechung
I. Die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung entspricht gefestigter Rechtsprechung
II. Unklar ist, was bei Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit des Materials gilt
1. Vereinzelt wird eine Eigentumsverletzung unter Verweis auf fehlende sachenrechtliche Selbständigkeit verneint
2. In der Transistoren-Entscheidung wird auf sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung verzichtet
3. Die Transistoren-Entscheidung liefert keine tragfähige Begründung für den Verzicht auf sachenrechtliche Selbständigkeit
4. Die Schlacke-Entscheidung korrigiert die widersprüchliche Haltung zur sachenrechtlichen Selbständigkeit nicht
B. Die Literatur
I. Die herrschende Literatur bejaht die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung
II. Der Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit wird uneinheitlich beurteilt
C. Zusammenfassung
D. Keine Verletzung des Eigentums an Material, das seine sachenrechtliche Selbständigkeit verloren hat
Kapitel 2: Die unerwünschte Veränderung der Materialsubstanz als Eigentumsverletzung
A. Die Frage der Einordnung der fehlerhaften Verarbeitung als Verletzungserfolg
B. Die Rechtsprechung
I. Früher wurde die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung überwiegend abgelehnt
II. Heute wird bei Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeit des Materials eine Eigentumsverletzung zunehmend anerkannt
III. Zusammenfassung
C. Die Literatur
I. Grundsätzlich wird in der Substanzmehrung keine Substanzbeeinträchtigung gesehen
II. Teile der Literatur halten die Verschmutzung oder Verunstaltung für eine eigentumsverletzende Substanzbeeinträchtigung
III. Überwiegend wird die Substanzmehrung als Beeinträchtigung der Sachverwendungsmöglichkeit verstanden
D. Die gegen den Willen des Eigentümers erfolgende Veränderung der Materialsubstanz als Substanzbeeinträchtigung
I. Die fehlerhafte Verarbeitung betrifft die Substanz des Materials, nicht nur die Verwendungsmöglichkeit
II. Das Eigentum umfaßt das Recht, über die Sachsubstanz zu bestimmen
III. Die Herrschaftsmacht über die Sachsubstanz umfaßt auch das Recht, über deren sachenrechtliches Schicksal zu bestimmen
Kapitel 3: Stimmige Ergebnisse bei Anerkennung der Substanzveränderung als Eigentumsverletzung
A. Einheitliche Ergebnisse unabhängig vom sachenrechtlichen Schicksal des Materials
B. Keine Privilegierung des Verletzers bei Eigentümerwechsel nach der Verarbeitung
C. Bewältigung der Fälle einer sukzessiven Verarbeitung
Kapitel 4: Die Bestimmung der Verletzungshandlung
A. Geltung der allgemeinen Grundsätze
B. Eigentumsverletzung auch bei Eigenvornahme der Verarbeitung durch den Materialeigentümer
I. Die Rechtsprechung fordert keine Fremdvornahme der Verarbeitung
II. Nach Foerste liegt bei Eigenvornahme ein unbeachtlicher Motivirrtum vor
III. Wer unerkannt-fehlerhafte Zutaten verarbeitet, ist (auch) darüber im Irrtum, wie er die Materialsubstanz verändert
Kapitel 5: Die Schadensberechnung
A. Grundsätzliches
B. Kein Ersatz der Erwerbskosten der fehlerhaften Zutat
I. Keine Kausalität des Verletzungserfolgs für die Erwerbskosten der fehlerhaften Zutat
II. Ein Beispiel: Die Gewindeschneidemittel-Fälle
C. Kein Ersatz der Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung
I. Keine Kausalität des Verletzungserfolgs für die Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung
II. Insbesondere: Kein Ersatz des für die fehlerhafte Verarbeitung bezahlten Werklohns
III. Beispiele
1. Der Kondensatoren-Fall
2. Der Achsaggregat-Fall
D. Auch Ersatz von Folgeschäden
I. Ersatz von Folgeschäden trotz mangelnder Verkehrspflicht zur Vertragserfüllung
II. Die Schadensberechnung im Transistoren-Fall
E. Ergebnis und abschließendes Beispiel
Teil 3 Das Verhältnis zwischen der Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 BGB und der Haftung aus Kauf- oder Werkvertrag
Einleitung
Kapitel 1: Die Rechtsprechung folgt dem Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz
A. Grundsätzlich kein Vorrang der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken
B. Keine Rechtfertigung für eine Durchbrechung der freien Anspruchskonkurrenz
Kapitel 2: Die Rechtsprechung verdient prinzipiell Zustimmung
A. Der Hinweis auf die drohende Rechtlosstellung des Vertragspartners ist irreführend
B. Der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB wird nicht unzulässig ausgeweitet
C. Die freie Anspruchskonkurrenz ist selbstverständlicher Ausgangspunkt für die Lösung der Konkurrenzfrage
D. Die parallele deliktsrechtliche Haftung läßt die vertragsrechtlichen Haftungsgrenzen nicht leerlaufen
I. Kein Ersatz der Differenz zwischen Ist- und vertraglichem Sollzustand von Kaufsache oder Werk aus § 823 Abs. 1 BGB
II. Kein drohender Leerlauf des werkvertraglichen Nacherfüllungsrechts im Spundwand-Fall
1. BGH und herrschende Lehre dehnen den Nacherfüllungsvorrang aus auf den Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB
2. Die Begründung der Ausdehnung des Nacherfüllungsvorrangs überzeugt nicht
a) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung durch unzureichende Erdarbeiten
b) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung durch fehlerhafte Erdarbeiten
c) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung trotz einwandfreier Erdarbeiten
3. Ergebnis
III. Kein drohender Leerlauf der kaufrechtlichen Haftungsgrenzen im zweiten Weinkorken-Fall
IV. Kein drohender Leerlauf des § 477 BGB (a.F.) im Jungprimelerde-Fall
E. Ein Vorrang der vertragsrechtlichen Haftungsgrenzen würde den geschädigten Vertragspartner unangemessen benachteiligen
I. Keine Ausdehnung vertragsrechtlicher Haftungsschranken um den Preis deliktsrechtlicher Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle
II. Kein generelles Verbot einer Sonderordnung von Delikten, die im Zusammenhang mit bestimmten Verträgen auftreten
III. Ungleichbehandlung von Vertragsbeteiligten und Dritten bei Vorrang der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken
IV. Keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Vertragsbeteiligten und Dritten durch vertraglichen Haftungsverzicht
V. Keine Ausdehnung der vertragsrechtlichen Haftungsschranken auf alle Geschädigten
Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Entscheidungsregister
Sachregister
Recommend Papers

Substanzverletzung und Herstellung: Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz für Material und Produkt
 9783161579363, 3161478614

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 80

Beate Gsell

Substanzverletzung und Herstellung Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz für Material und Produkt

Mohr Siebeck

Beate Gsell, geboren 1967; Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen, Aix-en-Provence und Tübingen; Promotion in Tübingen; 2001 Habilitation in Bonn; Inhaberin eines Lehrstuhles für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Europäisches Privatrecht und Internationales Privatrecht an der Universität Augsburg.

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

978-3-16-157936-3 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

ISBN: 3-16-147861-4 ISSN: 0940-9610 (Jus Privatum)

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detallierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2003 J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen aus der Garamond-Antiqua belichtet, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Xum Andenken an meine Oma Marie Ebert, geb. Spahmann 1903-1995

Vorwort Inwieweit fehlerhaft hergestellte Sachen deliktsrechtlichen Eigentumsschutz genießen, gehört zu den umstrittensten Fragen des deutschen Deliktsrechts. Gleiches gilt hinsichtlich vergeudeter Materialien, aus denen die fehlerhafte Sache gefertigt wurde. Die Kritik an der Anerkennung deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche durch den BGH ist erst jüngst anläßlich der Schuldrechtsmodernisierung neu aufgeflammt. Die vorliegende Arbeit verfolgt vor allem drei Ziele: Erstens sollen die Weiterfresser-Fälle auf ein neues und solides dogmatisches Fundament gestellt werden, indem gezeigt wird, daß es sich hier um eine Fallgruppe der Instruktionshaftung handelt. Zweitens soll nachgewiesen werden, daß die gegen den Willen des Eigentümers vorgenommene Verarbeitung von Material eine Eigentumsverletzung in Gestalt einer Substanzverletzung darstellt. Drittens soll dargelegt werden, daß ein freies Nebeneinander von delikts- und vertragsrechtlicher Haftung in keiner der beiden Fallgruppen eine Aushöhlung der vertragsrechtlichen Haftungsgrenzen bewirkt. Die Arbeit ist im Wintersemester 2001/2002 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Habilitationsschrift angenommen worden. Später veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur sind überwiegend bis November 2002 eingearbeitet. Auch wurde die Schuldrechtsmodernisierung berücksichtigt. Herzlich danken möchte ich vor allem meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Ernst, der die Arbeit angeregt und in vielfältiger Weise gefördert hat. Herrn Prof. Dr. Gerhard Wagner danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Für Rat, Tat und geduldigen Zuspruch während der Zeit der Entstehung der Arbeit schulde ich vor allem Elisabeth Knöller, Dr. Klaus-Rainer Brintzinger und Dr. Thomas Mehring meinen herzlichen Dank. Für Hilfe bei der Erstellung des Literaturverzeichnisses bin ich Diana Marquardt zu Dank verpflichtet. Für die Korrekturlektüre des Manuskriptes danke ich Rainer Kallert, Jochen Naumann und Dr. Thomas Rüfner, letzterem außerdem für wertvolle technische Hilfe. Zu danken habe ich außerdem meinen Mitarbeitern Isabell Conrad, Sebastian Dötterl, Benedikt Huesmann (München) sowie Wolfgang Vogelsang (Augsburg) für tatkräftige Unterstützung bei der Drucklegung einschließlich der Erstellung von Entscheidungs- und Sachregister. Schließlich danke ich der

VIII

Vorwort

Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses und dem Verlag Mohr Siebeck für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe Jus Privatum. München, im April 2003

Beate Gsell

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis

XI

Grundlegendes zur Fragestellung und zum Gang der Untersuchung Teill: Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums an der hergestellten Sache nach §823 Abs. 1 BGB

fehlerhaft

1 17

Kapitel 1: Keine Verletzung des Eigentums an einer Sache durch deren bloße Herstellung und Ubereignung als fehlerhafte

19

Kapitel 2: D i e Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen in Rechtsprechung und Literatur

29

Kapitel 3: D i e unterlassene Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung als unerlaubtes Verhalten im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B

95

Kapitel 4: D i e Reichweite der Instruktionshaftung bei Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen

208

Kapitel 5: D i e B G H - R e c h t s p r e c h u n g im Lichte der Einordnung einer Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen als Fall der Instruktionshaftung .

Teill: Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums am Material nach §823 Abs. 1 BGB Einleitung

230

241 241

Kapitel 1: D i e Beschädigung oder Zerstörung des Materials als Eigentumsverletzung

243

Kapitel 2: D i e unerwünschte Veränderung der Materialsubstanz als Eigentumsverletzung

261

Kapitel 3: Stimmige Ergebnisse bei Anerkennung der Substanzveränderung als Eigentumsverletzung

286

Kapitel 4: D i e Bestimmung der Verletzungshandlung

294

Kapitel 5: D i e Schadensberechnung

300

Teil3: Das Verhältnis zwischen der Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 BGB und der Haftung aus Kauf- oder Werkvertrag Einleitung

319 319

Kapitel 1: D i e Rechtsprechung folgt dem Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz

324

Kapitel 2: D i e Rechtsprechung verdient prinzipiell Zustimmung

327

Ergebnisse

359

Literaturverzeichnis

367

X

Entscheidungsregister Sachregister

Inhaltsübersicht

Inhaltsverzeichnis Grundlegendes zur Fragestellung und zum Gang der Untersuchung A. Das Problem der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache

1

B. Das Problem der Verletzung des Eigentums am Material

5

C. Getrennte Prüfung der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache und der Verletzung des Eigentums am Material . .

8

D. Trennung der Tatbestands- von der Konkurrenzfrage

12

E. Zugrundelegung der gesetzlichen Konzeption des Deliktsrechts . . . .

13

Teil 1 Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache nach § 823 Abs. 1 BGB Kapitell: Keine Verletzung des Eigentums an einer Sache durch deren bloße Herstellung und Übereignung als fehlerhafte A. Die Präexistenz der Sache als Voraussetzung der Eigentumsverletzung entspricht herrschender Rechtsprechung und Literatur

19

B. An der Präexistenz der Sache als Voraussetzung der Eigentumsverletzung ist festzuhalten

21

I. Die Präexistenz der Sache ist nicht aus formal-logischen Gründen zwingend erforderlich II. Der Schutz der Aussicht auf natürliche Entwicklung eines Menschen taugt nicht als Parallele III. Ein Verzicht auf die Präexistenz der Sache widerspräche der gesetzlichen Ausgestaltung des Eigentums als Recht an einer Sache

22 23

24

XII

Inhaltsverzeichnis

IV. Die Erhebung von Sachverschaffungsansprüchen in den Rang absoluter Rechte widerspräche dem deliktsrechtlichen System des B G B V. Die von Mertens für einen Verzicht auf die Präexistenz des Verletzungsobjekts angeführten Gründe überzeugen nicht . . .

Kapitel2:

Die Selbstbeschädigung fehlerhafter in Rechtsprechung und Literatur

26 27

Sachen

A. Die „Stoffgleichheits"-Formel der Rechtsprechung

29

B. Kritik an der „Stoffgleichheits"-Rechtsprechung

31

I. Eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache kann nicht durch deren Herstellung oder Inverkehrgabe begangen werden

34

1. D i e fehlerhafte S a c h e ist taugliches O b j e k t einer E i g e n t u m s v e r l e t z u n g , ihre S e l b s t b e s c h ä d i g u n g m ö g l i c h e r Verletzungserfolg

36

2. H e r s t e l l u n g o d e r I n v e r k e h r b r i n g e n der fehlerhaften Sache scheidet als V e r l e t z u n g s h a n d l u n g aus

39

a) N o t w e n d i g e V o r a u s s e t z u n g e n des E i g e n t u m s e r w e r b s verletzen n i c h t das e r w o r b e n e E i g e n t u m

39

b ) W e r d e n Teile der S a c h e beschädigt, an denen selbständiges E i g e n t u m m ö g l i c h ist, gilt n i c h t s anderes

42

c) D i e u n z u t r e f f e n d e Parallele zu F ä l l e n , in denen eine V e r l e t z u n g des E i g e n t u m s am M a t e r i a l in B e t r a c h t k o m m t d) E r g e b n i s

II. Die Rechtsprechung kann nicht erklären, warum der nicht-„stoffgleiche" Schaden Voraussetzung der Eigentumsverletzung sein soll III. Die Rechtsprechung kann nicht erklären, warum die Behebbarkeit des Fehlers maßgeblich sein soll für die Eigentumsverletzung IV. Die „Stoffgleichheits"-Formel taugt nicht zur Schadensberechnung

44 45

46

48 50

1. D i e E r s a t z f ä h i g k e i t des anfänglichen M a n g e l u n w e r t s ist mit d e m B G H a b z u l e h n e n

52

2. D e r Vergleich z w i s c h e n geltend g e m a c h t e m S c h a d e n u n d a n f ä n g l i c h e m M a n g e l u n w e r t ist verfehlt

53

3. A u c h die I n t e r p r e t a t i o n e n der „ S t o f f g l e i c h h e i t s " - F o r m e l in der L i t e r a t u r helfen n i c h t w e i t e r 4. Ergebnis

56 58

Inhaltsverzeichnis

XIII

V. D i e R e c h t s p r e c h u n g e r w e c k t d e n E i n d r u c k , die V o r a u s s e t z u n g e n des § 8 2 3 A b s . 1 B G B seien n u r u n t e r R ü c k g r i f f auf V e r t r a g s r e c h t b e s t i m m b a r

59

V I . G e g e n die E i g e n t u m s v e r l e t z u n g l ä ß t s i c h n i c h t e i n w e n d e n , d a ß der S a c h e k e i n e G e f a h r v o n a u ß e n d r o h e

60

1. Die fehlerbedingte Selbstbeschädigung erfolgt nur selten ohne Einwirkung von außen

60

2. Die Abhängigkeit der Sachintegrität von substanzerhaltenden Umwelteinflüssen ist kein auf die Weiterfresser-Fälle beschränktes Problem

62

a) Substanzveränderungen infolge unterbrochener Zufuhr sacherhaltender Stoffe aus der Sachumwelt b) Substanzverschlechterungen infolge des Einsatzes eines vermeintlich wirksamen sacherhaltenden Mittels aus der Sachumwelt c) Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung eines Grundstücks infolge sogenannter negativer Einwirkungen . . . . aa) Herrschend ist die grundsätzliche Ablehnung einer Eigentumsverletzung bb) U b e r die Figur des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses werden Ausnahmen anerkannt d) Zusammenfassung 3. Das Fehlen einer Einwirkung von außen schließt eine Eigentumsverletzung nicht aus a) Fraenkels Argumentation mit dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit b) D e r Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit macht keine Einwirkung von außen erforderlich c) D a ß die bloße Fähigkeit zur Erfolgsabwendung keine entsprechende Pflicht begründet, macht keine Einwirkung von außen erforderlich d) Die Einwirkung von außen ist häufig nicht abgrenzbar von sonstigen Gefahren für die Sachsubstanz 4. Ergebnis

63

65 67 67

68 70 70 71 74

77 80 81

V I I . G e g e n die E i g e n t u m s v e r l e t z u n g läßt sich n i c h t e i n w e n d e n , V e r k e h r s p f l i c h t e n s c h ü t z t e n n u r s o n s t i g e R e c h t s g ü t e r des Käufers

82

V I I I . G e g e n die E i g e n t u m s v e r l e t z u n g läßt s i c h n i c h t e i n w e n d e n , der Hersteller reparabler Sachen hafte zu streng I X . Zusammenfassung der Kritik

84 85

C . Keine überzeugenden sonstigen Ansätze zur Begründung einer Eigentumsverletzung

86

XIV

Inhaltsverzeichnis I. Eigentumsverletzung nur bei Selbstbeschädigung der Sache auf bestimmte Weise 1. Umweltgefährdung und -Schädigung, unfallartige und gewaltsame Beschädigung als Voraussetzungen der Verkehrspflichtverletzung . 2. Keine sachliche Rechtfertigung der Forderung nach entsprechenden qualifizierenden Umständen II. Gedankliche Aufspaltung der fehlerhaften Sache in einen mangelhaften und einen mangelfreien Teil

86 86 88 92

III. E i n o r d n u n g jeder fehlerbedingten Selbstbeschädigung einer Sache als Eigentumsverletzung

94

Kapitel3: Die unterlassene Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung als unerlaubtes Verhalten im Sinne des §823 Abs. 1 BGB A. D i e bisherige Verkennung des Begleitverhaltens bei der Inverkehrgabe

95

I. Stellungnahmen im Zusammenhang mit der P r o b l e m a t i k eines R ü c k r u f e s fehlerhafter P r o d u k t e II. Sonstige Stellungnahmen

96 100

B . D i e B e s t i m m u n g des gemäß § 823 A b s . 1 B G B unerlaubten Verhaltens nach der herrschenden Verkehrspflichtenlehre

103

I. D i e Zurechnung mittelbarer Erfolgsbedingungen und Unterlassungen als Verkehrspflichtverletzungen II. D i e Verkehrspflichten als Gefahrsteuerungsgebote

104 106

I I I . D i e Verkehrspflichten des P r o d u z e n t e n

109

IV. D i e Reichweite der Verkehrspflichten als Wertungsfrage

110

C . Eingrenzung der möglichen Verletzungshandlung auf die unterlassene Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung

112

I. D i e Behauptung der Fehlerfreiheit der Sache scheidet regelmäßig als Verletzungshandlung aus

113

II. D u r c h ein aktives Tun des Herstellers ließe sich die G e f a h r der Selbstbeschädigung häufig abwenden

115

I I I . D i e unterlassene Warnung vor der G e f a h r der Fehlerausbreitung k o m m t als Verletzungshandlung in Betracht 1. Die Fehlerbeseitigung führt zu einer dem Eigentümer obliegenden Verbesserung der Sachsubstanz 2. Die Warnung vor der Fehlerausbreitung dient dem Erhalt der Sachsubstanz, ohne sie zu verbessern

116 116 118

Inhaltsverzeichnis 3. Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache rechtfertigt keine Rückrufpflicht

XV

119

D . D i e A n k n ü p f u n g v o n Verkehrspflichten an eine rechtmäßige Gefahrverursachung als F o r t b i l d u n g des § 8 2 3 A b s . 1 B G B contra legem? I. D i e G r e n z e n des § 8 2 3 A b s . 1 B G B nach von Bar 1. Die These von der Verkehrspflichtenlehre als contra legem erfolgte Entwicklung einer allgemeinen Unterlassenshaftung 2. Die Widersprüchlichkeit der These von Bars 3. Keine gesetzliche Vorgabe, Handlungspflichten allein aus Gesetz, Vertrag oder Ingerenz zu begründen a) Beispiele für die Anknüpfung von Verkehrspflichten an die bloße Sachherrschaft aus der Zeit vor Inkrafttreten des B G B . . b) Keine Sperrwirkung des § 836 B G B gegenüber § 823 Abs. 1 BGB c) Nach den Gesetzgebungsmaterialien keine zwingende Anknüpfung an Gesetz, Vertrag oder Ingerenz 4. Ergebnis II. D i e G r e n z e n des § 8 2 3 A b s . 1 B G B nach Fraenkel 1. Die Lehre von der Tatbestandsmäßigkeit allein der letzten erfolgsbedingenden Handlung 2. Keine Widerlegung der Lehre Fraenkels durch den Nachweis der Existenz einer Unterlassenshaftung aus §823 Abs. 1 B G B . . . . 3. Die unbefriedigenden Ergebnisse der Lehre Fraenkels a) Allgemeine Ablehnung der Lehre Fraenkels b) Keine Bewertung der mittelbaren Verursachungsbeiträge c) Keine Bewertung der unmittelbaren Verursachungsbeiträge . . . 4. Nach den Gesetzgebungsmaterialien keine Beschränkung der Verletzungshandlung auf die letzte erfolgsbedingende Handlung . a) Der Vorentwurf von Kübels b) Der Erste Entwurf c) Der Zweite Entwurf und das weitere Gesetzgebungsverfahren . 5. Ergebnis

121 122 122 124 125 126 127 130 132 133 133 137 138 138 140 141 143 144 147 152 154

E . D i e Begründung einer Pflicht zur Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung parallel zur sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers

155

I. Vergleichbarkeit der sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers hinsichtlich der Inverkehrgabe als gefahrschaffender Handlung

155

1. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter dienende Pflicht zur Warnung bei Inverkehrgabe

156

XVI

Inhaltsverzeichnis

2. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter dienende Pflicht zur nachträglichen Warnung vor erst nachträglich erkennbaren Gefahren 3. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter dienende Pflicht zur nachträglichen Warnung vor erst nachträglich entstandenen Gefahren 4. Die Silokipper-Entscheidung als Beispiel für die dem Schutze des Eigentums am Produkt selbst dienende Pflicht zur Warnung bei Inverkehrgabe 5. Die Angemessenheit des Verzichtes auf eine rechtswidrige Vorhandlung bei der sonstigen Instruktionshaftung 6. Ergebnis

158

161

163 164 165

II. Vergleichbarkeit der sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers hinsichtlich anderer Verkehrspflichten rechtfertigender U m s t ä n d e 1. Hinsichtlich der meisten zur Begründung von Verkehrspflichten herangezogenen Umstände bestehen keine Unterschiede 2. Die derzeitige Versicherungssituation rechtfertigt keine Ablehnung von Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache 3. Das ProdHaftG hindert nicht die Annahme von Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache Exkurs: Das ProdHaftG läßt die Haftung aufgrund anderer Vorschriften unberührt a) Teile der Gesamtsache sind keine „andere Sache" i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ProdHaftG b) Aus § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 ProdHaftG läßt sich keine Einschränkung der Eigentumsverletzung gem. § 823 Abs. 1 B G B herleiten 4. Ergebnis

166 166

168 172 174 176

181 182

I I I . Mangelnde A b g r e n z b a r k e i t der unter unzureichender I n s t r u k t i o n erfolgenden Inverkehrgabe fehlerfreier Sachen v o n derjenigen fehlerhafter Sachen

183

1. Die gängige Abgrenzung der Instruktions- von Konstruktionsund Fabrikationsfehlern ist auf den Schutz sonstiger Rechtsgüter zugeschnitten 2. Konstruktions- und Fabrikationsfehler lassen sich häufig als Instruktionsfehler verstehen

183 185

IV. Keine unzulässige U m g e h u n g der mangelnden Vorwerfbarkeit der Inverkehrgabe V. Ergebnis

187 189

F. Voraussetzungen und U m f a n g der Pflicht zur Warnung v o r der sachinternen Fehlerausbreitung im einzelnen

189

Inhaltsverzeichnis

I. Die Reichweite der Warnpflicht bestimmt sich grundsätzlich parallel zu den sonstigen Instruktionspflichten des Herstellers II. Die Frage nach der Gleichbehandlung beweglicher und unbeweglicher Sachen weist bei fehlerbedingter Selbstbeschädigung keine Besonderheiten auf III. Die Warnpflicht besteht nicht, wenn die Sachverschlechterung voraussichtlich trotz Warnung eintreten würde IV. Die Warnpflicht kann nur unter der Prämisse fortbestehenden Eigentums an der Sache bestimmt werden V. Die Warnpflicht kann nur unter der Prämisse einer Entstehung der fehlerhaften Sache bestimmt werden VI. Die warnpflichtigen Personen 1. Die H a f t u n g des Endherstellers 2. Die H a f t u n g des Zulieferers 3. Die H a f t u n g des Händlers

XVII

189

193 194 198 200 201 202 204 205

Kapitel4: Die Reichweite der Instruktionshaftung hei Selhstheschädigung fehlerhafter Sachen A. Die haftungsbegründende Kausalität

208

B. Grundsätze für die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens

209

I. Schadensberechnung auf der Grundlage der Differenzhypothese II. Berücksichtigung der hypothetisch für den Sacherhalt getätigten Aufwendungen, erlittenen Einbußen und entgangenen Vorteile III. Keine Einschränkung des Ersatzes von Folgeschäden IV. Kein Ersatz von Einbußen, die bei isoliertem Hinwegdenken der Selbstbeschädigung ebenso eingetreten wären V. Niemals Ersatz des anfänglichen Mangelunwerts C. Beispiele für die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens I. Der Eigentümer hätte die fehlerhafte Sache durch Reparatur erhalten 1. Ausgangsbeispiel 2. A b w a n d l u n g 3. Ergebnis

209

213 214 216 217 218 219 219 221 222

XVIII

Inhaltsverzeichnis

II. Der Eigentümer hätte auf eine sachverschlechternde Nutzung verzichtet 1. Beispiel f ü r einen völligen Nutzungsverzicht 2. Beispiel f ü r eine schonendere N u t z u n g 3. Ergebnis

D. Die Beweislast

222 222 224 225

226

Kapitell: Die BGH-Rechtsprechung im Lichte der Einordnung einer Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen als Fall der Instruktionshaftung A. Die Unstimmigkeiten der „Stoffgleichheits"-These sind beseitigt . . . I. Die Verletzungshandlung ist keine notwendige Bedingung für die Entstehung der fehlerhaften Sache II. Der Eintritt eines Schadens wird nicht zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung erhoben III. Bei Unvermeidbarkeit der Fehlerausbreitung fehlt es an einer Warnpflicht IV. Der ersatzfähige Schaden wird ohne Rückgriff auf den anfänglichen Mangelunwert ermittelt B. Der B G H verdient Anerkennung in seinem Bemühen um einen Eigentumsschutz der fehlerhaften Sache unter Berücksichtigung des Fehlers I. Die meisten Entscheidungen beurteilen die Frage der Eigentumsverletzung im Ergebnis richtig II. In einigen Entscheidungen werden die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches wegen Eigentumsverletzung verkannt

230 230 231 231 233

233 234

238

Inhaltsverzeichnis

XIX

Teil 2 Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums am Material nach §823 Abs. 1 BGB Einleitung

241

Kapitell: Die Beschädigung oder Zerstörung des Materials als Eigentumsverletzung A. Die Rechtsprechung I. Die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung entspricht gefestigter Rechtsprechung II. Unklar ist, was bei Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit des Materials gilt 1. Vereinzelt w i r d eine Eigentumsverletzung unter Verweis auf fehlende sachenrechtliche Selbständigkeit verneint 2. In der Transistoren-Entscheidung w i r d auf sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung verzichtet 3. Die Transistoren-Entscheidung liefert keine tragfähige B e g r ü n d u n g f ü r den Verzicht auf sachenrechtliche

Selbständigkeit 4. Die Schlacke-Entscheidung korrigiert die w i d e r s p r ü c h l i c h e H a l t u n g z u r sachenrechtlichen Selbständigkeit nicht

B. Die Literatur I. Die herrschende Literatur bejaht die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung II. Der Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit wird uneinheitlich beurteilt

244 244 248 248

250

251 253

254 254 257

C. Zusammenfassung

258

D. Keine Verletzung des Eigentums an Material, das seine sachenrechtliche Selbständigkeit verloren hat

258

XX

Inhaltsverzeichnis

Kapitel2: Die unerwünschte Veränderung der Materialsubstanz als Eigentumsverletzung A. Die Frage der Einordnung der fehlerhaften Verarbeitung als Verletzungserfolg

261

B. Die Rechtsprechung

262

I. Früher wurde die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung überwiegend abgelehnt II. Heute wird bei Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeit des Materials eine Eigentumsverletzung zunehmend anerkannt III. Zusammenfassung C. Die Literatur I. Grundsätzlich wird in der Substanzmehrung keine Substanzbeeinträchtigung gesehen II. Teile der Literatur halten die Verschmutzung oder Verunstaltung für eine eigentumsverletzende Substanzbeeinträchtigung III. Uberwiegend wird die Substanzmehrung als Beeinträchtigung der Sachverwendungsmöglichkeit verstanden D. Die gegen den Willen des Eigentümers erfolgende Veränderung der Materialsubstanz als Substanzbeeinträchtigung I. Die fehlerhafte Verarbeitung betrifft die Substanz des Materials, nicht nur die Verwendungsmöglichkeit II. Das Eigentum umfaßt das Recht, über die Sachsubstanz zu bestimmen III. Die Herrschaftsmacht über die Sachsubstanz umfaßt auch das Recht, über deren sachenrechtliches Schicksal zu bestimmen . .

263

267 271 272 272

274 275

278 279 280 283

Kapitel3: Stimmige Ergebnisse bei Anerkennung der Substanzveränderung als Eigentumsverletzung A. Einheitliche Ergebnisse unabhängig vom sachenrechtlichen Schicksal des Materials

286

B. Keine Privilegierung des Verletzers bei Eigentümerwechsel nach der Verarbeitung

289

C. Bewältigung der Fälle einer sukzessiven Verarbeitung

292

Inhaltsverzeichnis

Kapitel4: Die Bestimmung der

XXI

Verletzungshandlung

A. Geltung der allgemeinen Grundsätze B. Eigentumsverletzung auch bei Eigenvornahme der Verarbeitung durch den Materialeigentümer I. Die Rechtsprechung fordert keine Fremdvornahme der Verarbeitung II. Nach Foerste liegt bei Eigenvornahme ein unbeachtlicher Motivirrtum vor III. Wer unerkannt-fehlerhafte Zutaten verarbeitet, ist (auch) darüber im Irrtum, wie er die Materialsubstanz verändert . . . .

Kapitel 5: Die

294 295 295 296 297

Schadensberechnung

A. Grundsätzliches

300

B. Kein Ersatz der Erwerbskosten der fehlerhaften Zutat

302

I. Keine Kausalität des Verletzungserfolgs für die Erwerbskosten der fehlerhaften Zutat II. Ein Beispiel: Die Gewindeschneidemittel-Fälle C. Kein Ersatz der Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung I. Keine Kausalität des Verletzungserfolgs für die Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung II. Insbesondere: Kein Ersatz des für die fehlerhafte Verarbeitung bezahlten Werklohns III. Beispiele

302 303

305 306 307 308

1. D e r Kondensatoren-Fall 2. Der Achsaggregat-Fall

308 311

D. Auch Ersatz von Folgeschäden

312

I. Ersatz von Folgeschäden trotz mangelnder Verkehrspflicht zur Vertragserfüllung II. Die Schadensberechnung im Transistoren-Fall E. Ergebnis und abschließendes Beispiel

312 314 316

XXII

Inhaltsverzeichnis Teil 3

Das Verhältnis zwischen der Schadensersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 BGB und der Haftung aus Kauf- oder Werkvertrag Einleitung

319

Kapitell: Die Rechtsprechung folgt dem Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz A. Grundsätzlich kein Vorrang der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken

324

B. Keine Rechtfertigung für eine Durchbrechung der freien Anspruchskonkurrenz

325

Kapitel2: Die Rechtsprechung verdient prinzipiell

Zustimmung

A. Der Hinweis auf die drohende Rechtlosstellung des Vertragspartners ist irreführend

327

B. Der Tatbestand des §823 Abs. 1 BGB wird nicht unzulässig ausgeweitet

331

C. Die freie Anspruchskonkurrenz ist selbstverständlicher Ausgangspunkt für die Lösung der Konkurrenzfrage

332

D. Die parallele deliktsrechtliche Haftung läßt die vertragsrechtlichen Haftungsgrenzen nicht leerlaufen

334

I. Kein Ersatz der Differenz zwischen Ist- und vertraglichem Sollzustand von Kaufsache oder Werk aus § 823 Abs. 1 BGB . . II. Kein drohender Leerlauf des werkvertraglichen Nacherfüllungsrechts im Spundwand-Fall 1. B G H u n d herrschende Lehre dehnen den NacherfüllungsVorrang aus auf den A n s p r u c h aus §823 Abs. 1 B G B 2. Die Begründung der A u s d e h n u n g des Nacherfüllungsvorrangs überzeugt nicht a) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung d u r c h unzureichende Erdarbeiten b) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung durch fehlerhafte Erdarbeiten c) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung trotz einwandfreier Erdarbeiten 3. Ergebnis

336 337 338 339 340 342 343 344

Inhaltsverzeichnis

XXIII

III. Kein drohender Leerlauf der kaufrechtlichen Haftungsgrenzen im zweiten Weinkorken-Fall IV. Kein drohender Leerlauf des §477 BGB (a.F.) im Jungprimelerde-Fall E. Ein Vorrang der vertragsrechtlichen Haftungsgrenzen würde den geschädigten Vertragspartner unangemessen benachteiligen I. Keine Ausdehnung vertragsrechtlicher Haftungsschranken um den Preis deliktsrechtlicher Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle II. Kein generelles Verbot einer Sonderordnung von Delikten, die im Zusammenhang mit bestimmten Verträgen auftreten . . . III. Ungleichbehandlung von Vertragsbeteiligten und Dritten bei Vorrang der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken IV. Keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Vertragsbeteiligten und Dritten durch vertraglichen Haftungsverzicht V. Keine Ausdehnung der vertragsrechtlichen Haftungsschranken auf alle Geschädigten

344 346 348

349 349

351

353 354

Ergebnisse

359

Literaturverzeichnis

367

Entscheidungsregister

383

Sachregister

389

Grundlegendes zur Fragestellung und zum Gang der Untersuchung Angenommen, eine Sache ist vom Hersteller fehlerhaft konstruiert oder fabriziert 1 worden. Steht ihrem Erwerber ein Schadensersatzanspruch nach §823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung zu, wenn sich die Sache fehlerbedingt beschädigt oder zerstört? Und gilt etwas anderes, wenn der Geschädigte bereits Eigentümer ursprünglich fehlerfreier Materialien war, aus denen die fehlerhafte Sache hergestellt wurde? Unter welchen Voraussetzungen ist er dann berechtigt, Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB zu verlangen? A. Das Problem der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache Hinter den Eingangsfragen verbirgt sich zunächst das sogenannte „Weiterfresser"-Problem 2 , das in Deutschland seit der Schwimmerschalter-Entscheidung des VIII. BGH-Senats vom 24.11. 19763 wohlbekannt ist: Das Unternehmen D erwarb vom Hersteller eine Reinigungs- und Entfettungsanlage im Wert von ca. 20.000,- DM. Wenige Wochen nach Inbetriebnahme geriet in der Anlage befindliches Schmutzöl in Brand, weil ein defekter Schwimmerschalter die Heizdrähte nicht rechtzeitig abschaltete, die Anlage also nicht vor Überhitzung schützte. Der Versicherer des D verlangte aus übergegangenem Recht unter anderem Ersatz der Kosten für die Reparatur der durch den Brand beschädigten Anlage. Anders als das Berufungsgericht bejahte der VIII. Senat des BGH nach dem Vortrag der Klägerin einen Anspruch aus §823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Eigentums an der Reinigungs- und Entfettungsanlage 4 . Er ging dabei vom 1 Gemeint ist ein Konstruktions- oder Fabrikationsfehler im Sinne der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung, siehe dazu näher unten Teil 1, Kapitel 3, B.III, u. E.III. 2 Der Begriff des „Weiterfresserschadens" geht auf Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972,315ff., 325 zurück; vom Mangel, der sich weiterfrißt, spricht Schlechtriem auch in J Z 1971, 451. Wenngleich sich die sachinterne Fehlerausbreitung im Einzelfall auf eine Weise vollziehen mag, die sich u . U . nur schwer unter das Verb „weiterfressen" fassen läßt, soll das Bild des sich weiterfressenden Fehlers wegen seiner Anschaulichkeit und seines weit verbreiteten Gebrauchs im folgenden ü b e r n o m m e n werden. 3 B G H VersR 1977, 358. 4 Der Senat verwies w e g e n der N o t w e n d i g k e i t weiterer Sachaufklärung zur anderweitigen

2

Grundlegendes

Grundsatz echter Anspruchskonkurrenz aus und nahm an, der Geschädigte sei nicht gehindert, auf die Haftung aus unerlaubter Handlung zurückzugreifen, wenn vertragliche Ansprüche nicht mehr bestünden. Im Streitfall waren vertragliche Ansprüche nach § 4 7 7 B G B (a.F.) verjährt. Was die Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 B G B anbelangt, so führte der B G H aus, D sei Eigentum an einer Anlage verschafft worden, die im übrigen einwandfrei gewesen sei und lediglich ein - funktionell begrenztes - schadhaftes Steuerungsgerät enthalten habe, dessen Versagen nach der Eigentumsübertragung einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorgerufen habe. Die in der Mitlieferung des schadhaften Schalters liegende Gefahrenursache habe sich erst nach Eigentumsübergang zu einem über diesen Mangel hinausgehenden Schaden realisiert und dadurch das im übrigen einwandfreie Eigentum des Erwerbers an der Anlage insgesamt verletzt. Die Grundsätze dieser Entscheidung hat der B G H seither mehrfach bestätigt. 5 Seit der Gaszug-Entscheidung des V I . Senats aus dem Jahre 1983 6 greift Verhandlung und Entscheidung zurück. Es fehlte der Nachweis, daß der Brandschaden durch einen defekten Schwimmerschalter verursacht worden war, vgl. B G H VersR 1977, 358f. 5 Siehe B G H N J W 1978, 2241 (Hinterreifen, V I I I . Senat): Der Erwerber eines gebrauchten Sportwagens erlitt einen Unfall, weil ein Hinterreifen platzte, der vor dem Verkauf anstelle des vorgeschriebenen Reifentyps montiert worden war. Der B G H bejahte einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung; B G H N J W 1983, 810 (Gaszug, VI. Senat): D e r vom Kläger gekaufte Pkw war mit einem fehlerhaften Gaszug ausgestattet, der einen Unfall verursachte. Der B G H hielt ebenfalls die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung für gegeben; auch in den folgenden Fällen bejahte der B G H jeweils die Voraussetzungen eines Anspruches aus § 823 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung: B G H N J W 1985, 2420 (Kompressor, VI. Senat): Ein Kompressor, den der Kläger gekauft hatte, war konstruktionsfehlerhaft und verursachte deshalb eine Beschädigung des ihn antreibenden Dieselmotors; B G H N J W 1 9 9 2 , 1 6 7 8 (Nockenwelle, VI. Senat): Die unterlassene Anbringung einer Befestigungsschraube des Nockenwellensteuerrades bei einer Generalüberholung, die dem Kauf des Motors durch den Kläger vorausgegangen war, führte zu Motorschäden; B G H N J W 1993, 655 (Handbremse, VI. Senat): Die vor Übereignung eines Pkw an den klagenden Käufer vorgenommene fehlerhafte Einstellung einer Handbremse verursachte ein Bremsversagen, das zu einem Unfall führte; B G H N J W 1996,2224 (Spezialschmierfett, VI. Senat): Ein Schiff verlor auf einer Seefahrt ein der Einsparung von Energie dienendes „Grim'sches Leitrad", weil dessen Lager mit einem Schmierfett befüllt worden waren, das bei niedrigen Temperaturen nur eine unzureichende Schmierfähigkeit aufwies; verneint wurde eine Eigentumsverletzung dagegen in B G H N J W 1983, 812 (Hebebühne, VI. Senat): Der Führungsschlitten einer Hebebühne, die ihr Eigentümer aus gekauften Einzelteilen zusammengebaut hatte, verschob sich aufgrund eines angeblichen Konstruktions- oder Fabrikationsfehlers seitlich, drückte auf das vorher intakte Spindelgewinde und verformte dieses, wodurch schließlich das Muttergewinde in der Führungs- und Sicherheitsmutter ausgefräst wurde. Dadurch verlor die ausgefahrene Säule ihren Halt. Das aufgeladene Kundenfahrzeug stürzte ab, ohne daß weitere Schäden an der Hebebühne entstanden. D e r B G H lehnte wegen „Stoffgleichheit" des geltend gemachten Schadens, nämlich der Reparaturkosten für den Pkw, der Kosten für die Zurverfügungstellung eines Leihwagen sowie des Nutzungsausfalls der Hebebühne, die Voraussetzungen einer Verletzung des Eigentums an der Hebebühne ab; „Stoffgleichheit" des geltend gemachten Schadens, im Streitfall Bausanierungskosten, bejahte der B G H auch in N J W 2 0 0 1 , 1 3 4 6 (Schlacke, VI. Senat): Ein Grundstück war von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit nicht raumbeständiger Schlacke aufgefüllt worden, die

Grundlegendes

3

das G e r i c h t allerdings z u r B e s t i m m u n g d e r V o r a u s s e t z u n g e n e i n e r E i g e n t u m s v e r l e t z u n g in d e n W e i t e r f r e s s e r - F ä l l e n a u f die s o g .

„Stoffgleichheits"-Formel

z u r ü c k . D a n a c h s o l l eine E i g e n t u m s v e r l e t z u n g w e g e n „ S t o f f g l e i c h h e i t " z u v e r n e i n e n sein, w e n n s i c h d e r g e l t e n d g e m a c h t e S c h a d e n m i t d e m U n w e r t d e c k t , welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit s c h o n beim E r w e r b anhaftete.7 D i e Rechtsprechung zur deliktsrechtlichen Herstellerhaftung bei Selbstbes c h ä d i g u n g o d e r - Z e r s t ö r u n g f e h l e r h a f t h e r g e s t e l l t e r S a c h e n hat viel K r i t i k e r f a h r e n u n d w i r d in d e r L i t e r a t u r a u s g e s p r o c h e n k o n t r o v e r s d i s k u t i e r t . N e b e n e i n e r fast u n ü b e r s c h a u b a r e n Z a h l an A u f s ä t z e n u n d U r t e i l s a n m e r k u n g e n , S t e l l u n g n a h m e n in K o m m e n t a r e n , H a n d - u n d L e h r b ü c h e r n s i n d m i t t l e r w e i l e a u c h mehrere ausführliche U n t e r s u c h u n g e n und Einzeldarstellungen der P r o b l e m a t i k e r s c h i e n e n . Sie g e l a n g e n ü b e r w i e g e n d z u d e m E r g e b n i s , d a ß ein d e l i k t s r e c h t l i c h e r A n s p r u c h , w i e i h n die R e c h t s p r e c h u n g seit d e r S c h w i m m e r s c h a l t e r - E n t s c h e i d u n g u n t e r b e s t i m m t e n V o r a u s s e t z u n g e n f ü r m ö g l i c h hält, w e g e n V o r r a n g s des V e r t r a g s r e c h t s z u v e r s a g e n sei 8 o d e r z u m i n d e s t n u r in e n g e r e n als d e n von der Rechtsprechung gezogenen G r e n z e n A n e r k e n n u n g finden dürfe.9

es zur Bebauung ungeeignet machte. Die Erwerber des bereits verfüllten Grundstücks errichteten Gebäude und asphaltierten den Hof. Nach Ubereignung des Grundstücks an die Klägerin traten durch die Ausdehnung der Schlacke an den Bauten und am Asphalt Risse, Wölbungen und sonstige Verformungen auf. Die Voreigentümer traten der Klägerin ihre Ansprüche gegen die Beklagte ab. Der B G H verneinte eine Eigentumsverletzung hinsichtlich der fertiggestellten Bauwerke; vgl. ferner den Nichtannahme-Beschluß des B G H in VersR 1990,1283 (Baustromverteiler, VI. Senat): An einem Baustromverteiler kam es zu einem mangelbedingten Kurzschluß, der auf der Baustelle der Erwerber des Verteilers zu einer Überflutung führte. Der B G H verneinte die Voraussetzungen eines Anspruches aus §823 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung mit der Begründung, daß Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung nur hinsichtlich solcher Schäden hätte beansprucht werden können, die an dem Baustromverteiler durch den Kurzschluß eingetreten wären sowie wegen etwaiger Folgeschäden. Die Uberflutungsschäden, die vor allem aus den Aufwendungen für das Herauspumpen des Wassers sowie einem sechswöchigen Betriebsausfall bestanden, hielt der B G H für keine solchen ersatzfähigen Schäden. Der Senat bejahte jedoch die Verletzung eines sonstigen Rechts i.S.d. § 823 Abs. 1 B G B wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; vgl. außerdem bereits B G H VersR 1978, 722 (Radaufhängung, VI. Senat): Die Radaufhängung des vom Käufer erworbenen gebrauchten Pkw war vor dem Verkauf mit einem falschen Ersatzteil ausgestattet worden, was zu einem Unfall führte. Der B G H hielt einen Anspruch aus §823 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung für gegeben, ohne mit einem Wort darauf einzugehen, daß es sich um die Selbstbeschädigung einer vom Käufer bereits in fehlerhaftem Zustand erworbenen Sache handelte. 6 Siehe B G H NJW 1983, 810. 7 Siehe B G H NJW 1983, 810 (811 f.). 8 So D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 174ff.; Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 I BGB, 1984, S. 84ff.;/. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, 1996, S. 27ff.; ebenso Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 175 ff. 9 So Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S. 179ff., der einen deliktsrechtlichen Anspruch nur gewähren möchte, wenn das in Verkehr gebrachte fehlerhafte Produkt einen Unfall im weitesten Sinn verursacht hat; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 187ff., 232ff., der grundsätzlich von einer vertraglichen Sonderordnung der Problematik aus-

4

Grundlegendes

In jüngster Zeit war die Schuldrechtsmodernisierung 10 Anlaß für eine Neuauflage der gegen die Weiterfresser-Rechtsprechung erhobenen Bedenken. Wenngleich durch die Reform weder die Tatbestandsgrenzen des § 823 Abs. 1 BGB noch das Verhältnis zwischen Delikts- und Vertragsrecht modifiziert wurden 11 , ist der Ruf laut geworden nach einer Abkehr von der Anerkennung deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche. 12 Dies vor allem mit Blick auf die Verlängerung der kauf- und werkvertraglichen Gewährleistungsfristen von (prinzipiell) sechs Monaten (§§477,638 BGB (a.F.)) auf (regelmäßig) zwei Jahre (§§438 Abs. 1 Nr. 3, 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB (n.F.)) Dennoch hat sich bisher keine Ansicht eindeutig durchsetzen können. Resigniert zog vor einigen Jahren Brüggemeier die Bilanz, es seien unzählige Versuche gescheitert, dem vertrackten Problem der Weiterfresser-Schäden beizukommen. 13 Dieser aktuelle Stand der Diskussion ist unbefriedigend, zumal Weiterfresser-Fälle nach wie vor jederzeit praktisch werden können. Insbesondere ist das Problem durch die Einführung der neuen vertraglichen Gewährleistungsfristen nicht beseitigt worden. Zwar werden durch deren großzügigere Bemessung dem Käufer oder Besteller bei Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen häufiger als bislang noch durchsetzbare Mängelrechte gegen den Vertragspartner zustehen. Doch bleiben Verjährungsdivergenzen gegenüber dem Deliktsrecht, weil die Verjährung vertraglicher Mängelrechte, anders als die Regelverjährung, weiterhin prinzipiell kenntnisunabhängig ausgestaltet ist (§§438 Abs. 2,634a Abs. 2 BGB (n.F.)) und letztere außerdem nicht nur zwei, sondern drei Jahre beträgt (§§ 195,199 BGB (n.F.)).14 Auch mag der Geschädigte, ungeachtet etwaiger vergeht und nur in begrenztem Umfang zu deren Korrektur auf die Haftung aus unerlaubter Handlung zurückgreifen möchte. Ahnlich der vom BGH im Rahmen des (alten) Werkvertragsrechts praktizierten Unterscheidung zwischen unmittelbaren Mangelfolgeschäden einerseits und entfernten Mangelfolgeschäden andererseits will er eine deliktsrechtliche Haftung nur bei „entfernten Mangelschäden" zulassen. Dafür soll entscheidend sein, daß der Teildefekt der Sache sich nicht zwangsläufig schädigend auf die Restsache auswirkt, sondern nur situationsbedingt und erst bei Hinzutreten besonderer Umstände zu deren Zerstörung führt. 10 Siehe das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11. 2001, BGBl. I, S.3138. 11 Vgl. dazu noch ausführlicher unten Teil3. 12 In dieserm Sinne Foerste, ZRP 2001, 342; AnwKomm./Mansel, BGB, 2002, §195 Rz.54; S. Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, Rz. 582 a.E.; Grigoleit, ZGS 2002, 79f.; Haas u.a./Haas, SchuldR., 2002, Kap. 5 Rz.255; Honseil, DNotZ 2001,374ff.; anders dagegen die Begründung zum Regierungsentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BTDrucks. 14/6040 vom 14.5. 2001, S.229, wo explizit die Möglichkeit in Betracht gezogen wird, daß die deliktsrechtliche Weiterfresser-Rechtsprechung fortgeführt wird; zurückhaltend ferner Haas u. a./Medicus, SchuldR., 2002, Kap. 3 Rz. 135; P. Huber/Faust/P. Huber, SchuldR., 2002, S. 390f.; Scbaub, VersR 2001, 947; Staudinger, ZGS 2002, 145f. 13 Siehe JZ 1995, 883. 14 Daraufweisen zu Recht hin etwa Haasu. a./Medicus, SchuldR., 2002, Kap. 3 Rz. 135; P. Huber/Faust/P. Huber, SchuldR., 2002, S.390f.; Schaub, VersR 2001, 947; Staudinger, ZGS 2002, 145 f.

Grundlegendes

5

traglicher R e c h t e , ein Interesse daran haben, den Hersteller in Anspruch zu nehmen, namentlich weil dieser finanzkräftiger erscheint als der eigene Vertragspartner. M i t der vorliegenden A r b e i t soll deshalb ein neuer Anlauf u n t e r n o m men werden, Voraussetzungen und Reichweite der H a f t u n g aus § 8 2 3 A b s . l B G B bei Selbstbeschädigung fehlerhaft hergestellter Sachen zu klären.

B. Das Problem der Verletzung des Eigentums am Material D e r dem Schwimmerschalter-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt zeichnete sich dadurch aus, daß der E r w e r b e r D die Reinigungs- und Entfettungsanlage als Gesamtanlage erwarb. D war also nicht bereits Eigentümer der Materialien, aus denen die Anlage gefertigt wurde. Diese gehörten vielmehr einem anderen, vermutlich dem Hersteller der Anlage. E s war deshalb ausgeschlossen, daß D eine Verletzung des Eigentums an den Materialien erlitten hatte, aus denen die Reinigungs- und Entfettungsanlage bestand. D e n n selbstverständlich kann eine Eigentumsverletzung nur der E i g e n t ü m e r erleiden. 1 5 Weil D nicht bereits die zur Herstellung verwendeten Materialien gehörten, kam nur eine Verletzung des Eigentums an der von D zu Eigentum e r w o r b e n e n Gesamtanlage in B e tracht. Anders lag der 1983 entschiedene H e b e b ü h n e n - F a l l , in dem es ebenfalls u m die Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache ging. 1 6 H i e r hatte der Inhaber einer K f z - R e p a r a t u r w e r k s t a t t bei einem G r o ß h ä n d l e r die zur Herstellung einer Z w e i - S ä u l e n - K f z - H e b e b ü h n e erforderlichen Einzelteile gekauft und zusammengebaut. Infolge eines K o n s t r u k t i o n s - oder Fabrikationsfehlers sank die H e b e b ü h n e ab. Bei dieser Fallkonstellation läßt sich, anders als im S c h w i m m e r schalter-Fall, eine mehrfache Verwirklichung des Tatbestands der E i g e n t u m s verletzung denken: Z u m einen war zu prüfen, o b - parallel zur Verletzung des Eigentums an der Gesamtanlage im Schwimmerschalter-Fall - das E i g e n t u m an der H e b e b ü h n e verletzt w o r d e n war. Gefragt werden k o n n t e darüber hinaus aber auch, o b nicht eine Verletzung des Eigentums an den Materialien eingetreten war, aus denen die H e b e b ü h n e zusammengebaut wurde. D e n n der E r w e r ber der H e b e b ü h n e war ja nicht erst E i g e n t ü m e r der H e b e b ü h n e als Endsache, sondern bereits ihrer Einzelteile. Tatsächlich prüfte der V I . Senat (auch) diese Frage 1 7 , verneinte sie j e d o c h mit der Begründung, der Kläger habe aus allen E i n -

15 Wer etwa einen Unfallwagen oder ein Grundstück kauft, auf dem zuvor ein Haus abgebrannt ist, der kann gegenüber dem Unfallverursacher bzw. dem Brandstifter keine Ansprüche aus der Verletzung seines Eigentums geltend machen. D e r unversehrte Wagen oder das bebaute Grundstück standen im Eigentum eines anderen. 16 Vgl. B G H N J W 1983, 812 (Hebebühne, V I . Senat), siehe bereits Fußn. 5. 17

Siehe B G H N J W 1983, 812 (813).

6

Grundlegendes

zelteilen eine neue Sachgesamtheit geschaffen, eben die Hebebühne, die von A n f a n g an mangelhaft gewesen sei. Damit ist das zweite eingangs angedeutete u n d in der vorliegenden U n t e r s u chung zu behandelnde Problem angesprochen: U n t e r welchen Voraussetzungen steht d e m Eigentümer von Material nach § 823 Abs. 1 B G B ein Schadensersatzanspruch w e g e n Eigentumsverletzung zu, w e n n dieses Material mit fehlerhaften Sachen bzw. mit fehlerfreien Materialien unsachgemäß verarbeitet w i r d . Der Begriff des „Materials" ist hier in einem weiten Sinne gemeint. Erfaßt w e r den Sachen jeglicher Art, etwa auch Grundstücke. Die Bezeichnung als „Material" soll veranschaulichen, daß es u m die Problematik einer möglichen Verletzung des Eigentums an Sachen geht, die Gegenstand eines w i e auch i m m e r gearteten Verarbeitungsvorganges werden. Für den Begriff „Material" soll deshalb w e d e r erheblich sein, ob die betreffende Sache bereits selbst das Ergebnis eines Herstellungsvorgangs ist, noch ob die beabsichtigte Veränderung als qualitative Verbesserung oder gar als Endstufe der Fertigung zu bewerten ist. Ferner soll keine Rolle spielen, ob die Sache durch die Verarbeitung ihre sachenrechtliche Selbständigkeit verliert. Das Grundstück, das Gegenstand einer Bebauung w i r d , ist also genauso „Material" im hier gemeinten Sinne w i e das bebaute Grundstück, auf dem ein Gebäude abgerissen wird. Das Korn, aus d e m M e h l hergestellt w i r d , soll ebenso unter diese Bezeichnung fallen w i e das Mehl, aus dem Brot gebacken w i r d . In einem ähnlich weiten Sinn w i r d hier der Begriff der „Verarbeitung" verwendet. Gemeint ist jeder denkbare Verarbeitungs-, Verbindungs-, Vermischungs- oder Vermengungsprozess sowie jeder sonstige beliebige Bearbeitungsvorgang, dem Material unterzogen w i r d . In den Weiterfresser-Fällen, in denen es ja zur Selbstbeschädigung der fehlerhaft hergestellten Sache k o m m t , tritt die Problematik der Verletzung des Eigentums am Material - w i e bereits durch die Gegenüberstellung von S c h w i m m e r schalter- u n d Hebebühnen-Fall illustriert - nur dann auf, w e n n derjenige, der bereits Eigentümer des Materials war, A n s p r ü c h e geltend macht. N u r w e r Eigentümer des Materials war, k a n n hinsichtlich des Materials eine Eigentumsverletzung erlitten haben. Allerdings ist die Frage der Verletzung des Eigentums an Material, aus d e m eine fehlerhafte Sache hervorgeht, nicht auf die WeiterfresserFälle beschränkt. Sie stellt sich vielmehr i m m e r dann, w e n n bei einem Herstellungs- oder Bearbeitungsvorgang, der zur Entstehung einer fehlerhaften Sache führt, fehlerfreie Materialien „geopfert" w e r d e n u n d der Eigentümer dieser M a terialien A n s p r ü c h e geltend macht, mag sich der Fehler anschließend in der fehlerhaft hergestellten Sache weiterfressen oder nicht. 1 8 Die Material-Problematik

18 Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 18 u. dies., VersR 2001, 941 ff. unterscheidet zwischen „Weiterfresserschäden im engeren Sinne", nämlich Fällen, in denen sich das erworbene fehlerhafte Produkt selbst beschädigt oder zerstört, und „Weiterfresserschäden im weiteren Sinne", die dann gegeben sein sollen, wenn nach

Grundlegendes

7

ist also typischerweise dann gegeben, wenn aufgrund eines Werkvertrages M a terialien des Bestellers unsachgemäß verarbeitet werden, sowie dann, wenn der Käufer oder Besteller die aufgrund K a u f - , W e r k - oder Werklieferungsvertrages erworbene fehlerhafte Zutat zusammen mit eigenen Materialien weiterverarbeitet. A u c h diese Frage ist schon vielfach Gegenstand der Rechtsprechung gewesen und erfreut sich in der Literatur kontroverser Diskussion. Allerdings ist die einschlägige Rechtsprechung wesentlich unübersichtlicher und uneinheitlicher als die Entscheidungen, die zur Frage der Verletzung des Eigentums an Sachen ergangen sind, die sich selbst beschädigt oder zerstört haben. A n dieser Stelle seien zur Illustration nur zwei vieldiskutierte Entscheidungen aus jüngerer Zeit genannt, die zum Teil heftig kritisiert wurden: D e r K o n d e n s a t o r e n - E n t s c h e i d u n g des V I I I . Senats 1 9 aus dem J a h r e 1992 lag folgender Sachverhalt zugrunde: U n t e r Verwendung fehlerhafter K o n d e n s a t o ren waren unbrauchbare Regler hergestellt w o r d e n , aus denen die K o n d e n s a t o ren nicht wieder ausgebaut werden k o n n t e n , o h n e daß bis dahin fehlerfreie Teile der Regler beschädigt wurden. D e r V I I I . Senat nahm an, sofern einwandfreie Teile mit mangelhaften Teilen verbunden und dabei durch den Mangel bisher unversehrte Teile beschädigt oder unbrauchbar werden, erleide derjenige, in dessen E i g e n t u m bisher die einzelnen unversehrten Teile standen, eine Verletzung des Eigentums an diesen Teilen. 2 0 D a b e i blieb ausdrücklich offen 2 1 , o b die Eigentumsverletzung erst mit dem A u s b a u oder bereits mit der Verbindung der K o n d e n s a t o r e n mit den fehlerfreien Teile eingetreten sei. E i n e n ähnlichen Fall hatte die 1998 ergangene Transistoren-Entscheidung des V I . Senats 2 2 zum Gegenstand. H i e r waren in Steuergeräte fehlerhafte Transistoren eingebaut worden. D e r e n Ausbau war unwirtschaftlich, hätte außerdem zu einer Beschädigung bisher fehlerfreier Teile der Steuergeräte geführt und ist des-

der Verarbeitung mangelhafter Einzelteile durch den Käufer ein mangelhafter neuer Gegenstand geschaffen worden ist. Diese Differenzierung erscheint mir nicht sinnvoll. Die Herstellung einer fehlerhaften Sache unter Verwendung fehlerfreien Materials kann zwar, muß aber eben keineswegs zu einer anschließenden Fehlerausbreitung innerhalb des Endproduktes führen. W o jedoch eine solche Selbstbeschädigung oder -Zerstörung fehlt, da paßt der Begriff des „Weiterfressens" nicht. D i e Herstellung einer fehlerhaften Sache als solche sollte aber auch deshalb nicht als Weiterfresserschaden im weiteren Sinne bezeichnet werden, weil damit verschleiert wird, daß zwischen einer möglichen Verletzung des Eigentums an der Endsache einerseits und am Material andererseits zu unterscheiden ist. Während bei der Opferung fehlerfreien Materials (auch) eine Verletzung des Eigentums am Material in Betracht kommt, steht bei Verschlechterung einer in fehlerhaftem Zustand erworbenen Sache eben allein eine Verletzung des Eigentums an dieser Endsache in Frage. 19 20 21 22

Siehe Siehe Siehe BGH

BGH BGH BGH NJW

ZIP 1992,485. Z I P 1992, 485 (489). Z I P 1992, 485 (489). 1998, 1942 (1943).

8

Grundlegendes

halb unterblieben. Der VI. Senat nahm an, das Eigentum an den fehlerfreien Einzelteilen sei bereits dadurch verletzt worden, daß sie mit den fehlerhaften Transistoren unauflöslich zusammengefügt worden sind. In der Literatur wurde von vielen das Vorliegen einer Eigentumsverletzung in diesen beiden Fällen bestritten und dem B G H vorgehalten, er schütze hier reine Vermögensinteressen. 2 3 Die Entscheidungen fanden aber auch Zustimmung. 2 4 Insgesamt ist es wohl nicht übertrieben, zu konstatieren, daß beide Urteile in der Literatur große Verunsicherung über die Reichweite des deliktsrechtlichen Eigentumsschutzes bei der Herstellung fehlerhafter Sachen hervorgerufen haben.

C. Getrennte Prüfung der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache und der Verletzung des Eigentums am Material Die Verunsicherung in der Literatur rührt z u m Teil sicherlich daher, daß die Frage einer Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache einerseits und die Frage einer Eigentumsverletzung hinsichtlich der Materialien, aus denen sie gefertigt wurde, andererseits selten klar auseinandergehalten werden. Ob die fehlerhafte Endsache als mögliches Objekt einer Eigentumsverletzung angesprochen sein soll oder aber Material, das dem Anspruchsteller bereits vor der Verarbeitung gehörte und durch diese eine Veränderung seiner Beschaffenheit erfahren hat, wird häufig nicht deutlich. Dies gilt sowohl für die Rechtsprechung als auch für so manche Stellungnahme in der Literatur 2 5 : Eine klare Trennung beider Fragen läßt etwa die vor einigen Jahren ergangene Chefbüro-Entscheidung des VI. Senats des B G H vermissen: Es waren Möbel von der Möbelherstellerin mit fehlerhaftem Lack bearbeitet worden und daraufhin bei der Endabnehmerin Schäden an den Möbeloberflächen eingetreten. Im Hinblick darauf, daß die Endkundin ihre möglichen Ansprüche der Möbelherstellerin abgetreten hatte, ließ der B G H offen, ob die Lackherstellerin das Eigentum der Endkundin an den lackierten Möbeln oder aber bereits das Eigen23 In diesem Sinne etwa Brüggemeier/Herbst, JZ 1992, 802ff.; Brüggemeier, JZ 1999, 99; Hinscb, VersR 1992, 1056; Bremenkamp/Buyten, VersR 1996, 1066f.; Graf von Westpbalen, MDR 1998, 808; Lenz, MDR 1998, 843; Schmidt-Salzer, LM § 823 BGB (Ac) Nr. 53; ablehnend auch Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.l4ff.; ders., NJW 1998, 2877f., u. JZ 1999, 1046f., Anmerkung zu Franzen, JZ 1999, 702ff.; ferner Franzen, JZ 1999, 709.; S.Lorenz, JZ 2001, 880; Honseil, DNotZ 2001, 376. 24 Der Transistoren-Entscheidung stimmt zu Kullmann, LM §823 (Ac) BGB Nr.66, ders., NJW 1999,97, u. PHI 1999,19f.; im Ergebnis auch Schöpflin, JR 1999, 30f.; die KondensatorenEntscheidung erfährt Zustimmung bei Dunz, JR 1992, 471, sowie bei Soergel/Zeuner, vor § 823 Rz. 49 Fußn. 11; Kondensatoren- und Transistoren-Entscheidung werden gebilligt von Staud./J. Hager, §823 Rz. B 87. 25 Vgl. bereits die Kritik an Schaub in Fußn. 18.

Grundlegendes

9

tum der Möbelherstellerin an den zunächst unlackierten Möbeln verletzt hatte. 26 Dabei fehlt jede Differenzierung zwischen den Voraussetzungen der Verletzung des Eigentums an den unlackierten Möbeln einerseits - als Material im hier verwendeten Sinne, das Gegenstand der Bearbeitung mit dem fehlerhaften Lack wurde - und andererseits der Eigentumsverletzung hinsichtlich der fehlerhaft lackierten Möbel, so wie sie von der Endkundin erworben wurden. O b wohl die Endkundin erst Eigentümerin der fehlerhaft lackierten Möbel wurde, ihr also nicht schon die unlackierten Möbel gehörten, obwohl also die Endkundin eine Eigentumsverletzung nur hinsichtlich der fehlerhaft lackierten Möbel erlitten haben konnte, verlor der B G H in Bezug auf deren mögliche Ansprüche kein Wort über die fehlende „Stoffgleichheit" 2 7 des geltend gemachten Schadens, die er doch seit der Gaszug-Entscheidung zur Voraussetzung einer Eigentumsverletzung in einem solchen Weiterfresser-Fall macht, wie er aus der Sicht der Endkundin hier vorlag. N o c h weitergehend wird zuweilen von der Verletzung des Eigentums am Material ohne weiteres auf eine Verletzung des Eigentums auch hinsichtlich der fehlerhaft hergestellten Sache geschlossen. So nehmen eine Reihe von Autoren an, die Fälle, in denen jemand eine bereits fehlerhafte Sache erwerbe, die sich fehlerbedingt verschlechtere, dürften nicht anders behandelt werden als die Fälle, in denen dem Anspruchsteller die Sache schon vor Einbau des fehlerhaften Teiles gehörte und in denen das Vorliegen einer Eigentumsverletzung weitgehend anerkannt sei. 28 Damit wird ohne nähere Begründung davon ausgegangen, bei Verletzung des Eigentums am Material, also der Ausgangssache, die Gegen-

26 Siehe B G H N J W 1996, 2507 (Chefbüro); dagegen äußerte sich der VI. Senat in seinem Nichtannahmebeschluß B G H N J W - R R 1992, 283 (Küchenmöbel), der einen ähnlichen Fall betrifft, in dem allerdings lediglich Rechte der lackierenden Möbeleigentümerin in Frage standen, klar dahin, daß die Eigentumsverletzung bereits mit der Verbindung zwischen fehlerhaftem Lack und Restsache eingetreten sei. Im Ergebnis verneinte der B G H hier dennoch wegen fehlender Verkehrspflichtverletzung die Haftung der beklagten Lackherstellerin. 27 Vgl. dazu die Nachweise in Fußn. 5 u. 6. 28 In diesem Sinne Löwe, B B 1978,1496, der annimmt, es dürfe „für den Eigentümer einer Sache und dessen Deliktsschutz [...] vernünftigerweise keinen Unterschied machen, ob er mit der Ware eine Gesamtheit erwirbt, von der einzelne Bestandteile mangelhaft sind, oder ob er zunächst eine mangelfreie Ware hat, die später erst durch den Einbau von fehlerhaften Teilen oder Ersatzteilen mangelhaft und gefahrenbehaftet wird"; ähnlich Ganter, JuS 1984, 594, der es als „selbstverständlich" bezeichnet, daß dem Enderwerber die gleichen Rechte zustehen müßten wie demjenigen, dem bereits die Ausgangssache gehörte; ferner Schlechtricm, Gutachten, 1981, S. 1665; Mayer, BB 1984, 569; Merkel, N J W 1987, 360; Nickel, VersR 1984, 319; Kulimann, BB 1985, 410; Steffen, VersR 1988, 978; ähnlich auch der B G H in der Hinterreifen-Entscheidung, vgl. N J W 1978, 2241 (2242), der aus Sicht des Herstellers argumentiert und annimmt, es sei kein Grund ersichtlich, diesen bei Lieferung einer fehlerhaften Sache besser zu stellen, als er stünde, wenn er erst nach Eigentumserwerb durch den Käufer in die Sache ein fehlerhaftes Teil einbaue; daß beide Fallgruppe unterschieden werden, fordern dagegen etwa Schmidt-Salzer, B B 1979, 8f.; Brüggemeier, J Z 1995, 883.

10

Grundlegendes

stand der fehlerhaften Verarbeitung wurde, müsse auch eine Verletzung des Eigentums an der Endsache vorliegen. Oder es wird umgekehrt mit einer Verletzung des Eigentums an der Endsache ohne weitere Begründung auch eine Verletzung des Eigentums an den bei ihrer Herstellung veränderten Materialien abgelehnt: Ein Beispiel dafür liefert die Kalk-Entscheidung des Reichsgerichts 29 : Auf einem Grundstück wurde unter Verwendung fehlerhaften Kalkes ein unbrauchbares Gebäude errichtet. Das Reichsgericht erwog, ob nicht das Eigentum des Bauherrn dadurch verletzt worden sei, daß sein Grundstück mit einem unbenutzbaren Gebäude besetzt worden sei. Es verneinte dies vor allem mit der Begründung, der Bauherr habe ein unbenützbares Gebäude als Bestandteil seines Grundstücks erhalten, das Haus also in mangelhaftem Zustand zu Eigentum erworben. Es könne keine Rede davon sein, daß §823 Abs. 1 B G B überall da anwendbar sei, wo jemand infolge des Erwerbs oder der Verwendung fehlerhafter Stoffe ein schlechtes Erzeugnis gewinne.30 Aus dem Umstand, daß der Grundstückseigentümer niemals Eigentümer eines brauchbaren Gebäudes wurde, mag man folgern, daß die unsachgemäße Grundstücksbebauung keine Verletzung des Eigentums am bebauten Grundstück darstellt.31 Noch nicht beantwortet ist damit aber die Frage, warum das Eigentum, so wie es sich zunächst auf das unbebaute Grundstück erstreckte, nicht dadurch verletzt wurde, daß die Grundstückssubstanz entgegen dem Willen des Eigentümers mit einem fehlerhaften Bauwerk verbunden wurde. Es fehlt also eine nachvollziehbare Begründung für die Ablehnung einer Eigentumsverletzung auch hinsichtlich des unbebauten Grundstücks als Material im hier verwendeten weiten Sinne, das durch die Bebauung eine den Vorstellungen des Grundstückseigentümers widersprechende Veränderung erfahren hat. Ahnlich argumentierte der VII. Senat des B G H in der Ortbeton-Entscheidung32: In einen im übrigen fehlerfrei errichteten Neubau wurden über das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß fehlerhafte Decken eingebaut, die eine Einsturzgefahr des Gebäudes begründeten. Obwohl der B G H davon ausging, das Eigentum der Klägerin habe sich mit dem Fortschreiten des Baus auf den jeweils vollendeten Gebäudeteil erstreckt, verneinte er eine Verletzung des Eigentums an Grund und Boden wie auch am bebauten Grundstück mit der Begründung, das bebaute Grundstück habe nie in mangelfreiem Zustand im Eigentum der

29

Vgl. R G J W 1 9 0 5 , 3 6 7 .

Darüber hinaus spricht sich das R G allerdings auch dagegen aus, „daß derjenige, der mittelbar durch die von irgend einem Dritten in Verkehr gebrachten Gegenstände geschädigt worden ist, den mit ihm in keiner Rechtsbeziehung stehenden Lieferanten auf Schadensersatz in A n spruch nehmen dürfte". Insoweit ist die Ansicht des R G durch die seit Jahrzehnten praktizierte deliktsrechtliche Produzentenhaftung überwunden. 30

31 32

Vgl. dazu sogleich unten T e i l l , Kapitel 1. B G H N J W 1963, 1827.

Grundlegendes

11

Klägerin gestanden. Unter Verweis auf die Kalk-Entscheidung des Reichsgerichts betonte er, die Verschaffung eines mit Mängeln behafteten Bauwerkes sei keine Verletzung schon vorhandenen Eigentums. Eine Begründung dafür, warum das Grundstückseigentum, das sich vor dem Einziehen der fehlerhaften Decken auf das teilweise bebaute Grundstück erstreckte, durch diesen zu einer Einsturzgefährdung führenden Einbau nicht verletzt worden sein soll, läßt die Entscheidung dagegen vermissen. Auch hier wird also die Verneinung einer Eigentumsverletzung hinsichtlich des teilweise bebauten Grundstücks als Material, das Gegenstand einer Verarbeitung wird im hier verwendeten weiten Sinne, nicht schlüssig dargetan. Die beiden Fragen, erstens: unter welchen Voraussetzungen Herstellung und Inverkehrgabe einer fehlerhaften Sache zu einer Verletzung des Eigentums an dieser fehlerhaften Sache führen, und zweitens: wann das Eigentum am Material verletzt wird, aus dem die fehlerhafte Sache gefertigt wird, sollen im folgenden gedanklich klar auseinandergehalten und deshalb getrennt behandelt werden. Dabei wird nicht verkannt, daß ein Verarbeitungsvorgang keineswegs stets nach §§946ff. i.V.m. §§93ff. B G B eine neue Sache im sachenrechtlichen Sinne hervorbringt. Wird etwa so wie im Kalk- oder im Ortbeton-Fall ein Grundstück bebaut, so entsteht kein neues Eigentum am bebauten Grundstück. Werden wie im Chefbüro-Fall Möbel lackiert, so entstehen regelmäßig keine neuen Möbel im sachenrechtlichen Sinne. Dennoch gilt: Hat der Anspruchsteller erst die lakkierten Möbel erworben, so kommt von vornherein nur eine Verletzung des Eigentums an den bereits lackierten Möbeln in Betracht, nicht aber eine Verletzung des Eigentums an den unlackierten Möbeln. Selbst dann, wenn Material und fehlerhafte Sache sachenrechtlich identisch sind, wenn also mit der Unterscheidung zwischen Material und fehlerhafter Sache lediglich zwei verschiedene Sachzustände derselben Sache zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten bezeichnet werden, ist ohne weiteres möglich, daß derjenige, der eine Eigentumsverletzung geltend macht, die Sache erst nach ihrer Verarbeitung erworben hat. Weil er dann als Noch-nicht-Eigentümer hinsichtlich der Sache, wie sie ursprünglich bestand, keine Eigentumsverletzung erlitten haben kann, ist die Differenzierung zwischen Material und fehlerhaft hergestellter Sache auch hier notwendig. Dementsprechend wird im ersten Teil dieser Arbeit zunächst allein die Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache behandelt und damit vor allem die spezifische Weiterfresser-Problematik. Sie tritt - wie die Rechtsprechung seit der Schwimmerschalter-Entscheidung belegt 33 - isoliert typischerweise dann auf, wenn es zur Selbstbeschädigung oder -Zerstörung einer Sache kommt, nachdem deren Käufer oder Besteller das Eigentum an ihr erlangt 3 3 Vgl. die Nachw. in Fußn. 3 u. 5. Außer im Hebebühnen-Fall B G H N J W 1983, 812 (VI. Senat) hatte der anspruchstellende Eigentümer jeweils erst die fehlerhafte Gesamtsache erworben, ohne bereits Eigentümer des Materials zu sein, aus dem diese gefertigt worden war.

12

Grundlegendes

hat. Erst anschließend wird im zweiten Teil die Frage untersucht, was gilt, wenn Material unter Verwendung fehlerhafter Zutaten oder auf unsachgemäße Weise verarbeitet wurde. Dabei sei noch das folgende klargestellt: Wenn hier die Eigentumsverletzung hinsichtlich der fehlerhaft hergestellten Sache einerseits und des Materials andererseits getrennt untersucht werden, weil der Erwerber der fehlerhaften Sache, dem kein Material gehörte, eine Verletzung allein des Eigentums an der fehlerhaften Sache erlitten haben kann, so darf dies nicht zu dem umgekehrten Schluß verleiten, eine Eigentumsverletzung hinsichtlich der fehlerhaften Sache setze voraus, daß am Material noch kein Eigentum bestand. Damit ist vielmehr nur gesagt, daß die Voraussetzungen einer Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache unabhängig vom Materialeigentum zu bestimmen sind. Denn das Eigentum an der fehlerhaften Sache wird selbstverständlich nicht dadurch zu „schlechterem" Eigentum, daß dem Eigentümer bereits Materialien gehörten, die zur Herstellung verwendet wurden.

D. Trennung der Tatbestands- von der

Konkurrenzfrage

Anders als dies in der Literatur zuweilen geschieht34, sollen im folgenden strikt getrennt werden einerseits die Frage, unter welchen Voraussetzungen der 34 Eine klare Scheidung der Tatbestands- von der Konkurrenzproblematik lassen diejenigen Autoren vermissen, die eine Begrenzung oder Verneinung deliktsrechtlicher Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums am Produkt mit dem Gewährleistungsrecht begründen, so etwa G. Hager, AcP 184 (1984), S. 415ff. (S.419), der ausdrücklich annimmt, eine Grenze für den deliktsrechtlichen Sachgüterschutz folge aus dem Vorrang des Vertragsrechts, ähnlich ders., B B 1987, 1750; ausdrücklich wird das Konkurrenzproblem auf die Tatbestandsebene verlagert auch von Scbwenzer, J Z 1988, 525ff. (S.531), wenn sie fordert, die Differenzierung zwischen deliktischer und vertraglicher Haftungsordnung durch eine sachgerechte Eingrenzung deliktischer Verkehrspflichten vorzunehmen; ähnlich Diederichsen N J W 1 9 7 8 , 1285f., der einfach behauptet, die Produktehaftpflicht verfolge ausschließlich den Schutz vor Mangelfolgeschäden, verstanden als Schäden an sonstigen Rechtsgütern jenseits des Produktes; Erman/Schiemann, §823 Rz.27 möchte bei der Zurechnung einer Verkehrspflichtverletzung und damit ebenfalls auf der Tatbestandsebene berücksichtigen, ob ein Schaden gewährleistungsrechtlich erfaßt ist; ähnlich Erman/ Grunewald, vor §459 Rz.45; auch Kellam/Wesch, PHI 1996, 191 f. wollen offenbar schon den Tatbestand des §823 Abs. 1 B G B im Hinblick auf die Reichweite der vertraglichen Gewährleistung eingrenzen; vgl. außerdem Schubert, J R 1977, 458f., der den Tatbestand des §823 Abs. 1 B G B bei Teilmangel verneint, weil andernfalls die Bestimmungen über Schadensersatz wegen Nicherfüllung (§463 B G B (a.F.)) leicht umgangen werden könnten; Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 146, der annimmt, daß sich das Vertrauen des Käufers in die Sachintegrität der Kaufsache primär in den Bahnen des geschlossenen Vertrags bewegt, und der deshalb die deliktische Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich „zurücktreten" läßt, wobei nicht klar wird, ob damit schon der Tatbestand einer Verkehrspflichtverletzung verneint werden soll; ferner Lieb,JZ 1977,345, der die wohl in dieser Allgemeinheit heute kaum noch anzutreffende Ansicht vertritt, ein Eingreifen der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung setze stets den Nachweis einer Regelungslücke voraus.

13

Grundlegendes

Tatbestand des §823 Abs.l BGB erfüllt ist, und andererseits das Problem der möglichen Verdrängung eines tatbestandlich an sich zu bejahenden deliktsrechtlichen Anspruches durch Annahme eines Vorrangs oder einer Einwirkung vertraglicher Haftungsregeln. 35 Dies zum einen schon der Vollständigkeit der Untersuchung halber. Denn ließe man die durchaus nicht einfache Tatbestandsfrage unter Verweis auf einen wie auch immer begründeten Vorrang des Vertragsrechts dahinstehen 36 , so bliebe doch ungeklärt, ob sich die Konkurrenzfrage nicht möglicherweise erübrigt, weil die Tatbestandsgrenzen des § 823 Abs. 1 BGB die Bejahung eines deliktsrechtlichen Anspruches vielleicht gar nicht erlauben. Vor allem aber halte ich es für wichtig, das Problem der Konkurrenz zwischen vertraglicher und deliktsrechtlicher Haftungsordnung klar als solches einzuordnen. Es ist methodisch gefährlich, schon den Tatbestand eines deliktsrechtlichen Anspruches allein mit Rücksicht auf die Geltung eines konkurrierenden vertraglichen Haftungssystems einzuschränken oder gar auszuschließen. Mit dieser Rücksicht wird nämlich - in welchem Umfang auch immer - ein Vorrang vertraglicher Haftungsvorschriften bzw. eine Einwirkung der vertraglichen Haftungsordnung auf das deliktsrechtliche Haftungssystem behauptet. Dem BGB läßt sich aber - dies dürfte unstreitig sein - keine allgemeine Regel entnehmen, nach der Tatbestandsmerkmale deliktsrechtlicher Ansprüche bei Überschneidungen mit vertraglichen Haftungsgrundlagen grundsätzlich eng auszulegen oder gar regelmäßig zu verneinen sind. Ein Vorrang des Vertragsrechts vor der Haftung aus unerlaubter Handlung muß deshalb jedenfalls - und sei es nur mit einer Konkurrenzregel - begründet werden. Mit anderen Worten: Tatbestands- und Konkurrenzfrage sollten klar getrennt werden, weil eine unter Verweis auf die vertragliche Haftungsordnung erfolgende Beschränkung der Deliktstatbestände die Gefahr birgt, daß in der bloßen Benennung der Konkurrenzsituation bereits die Rechtfertigung dieser Beschränkung gesehen wird. Entsprechend diesen Überlegungen wird die Konkurrenzfrage erst im dritten Teil der Arbeit behandelt und damit im Anschluß an die Tatbestandsvoraussetzungen einer Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache sowie der Materialien, aus dem diese geschaffen wurde.

E. Zugrundelegung

der gesetzlichen Konzeption

des

Deliktsrechts

Nach dem Wortlaut des §823 BGB setzt ein Schadensersatzanspruch nach Abs. 1 voraus, daß ein dort genanntes absolut geschütztes Recht bzw. Rechtsgut verletzt wurde, während ein Schadensersatzanspruch nach Abs. 2 die Verlet35 In diesem Sinne auch etwa von Bar, Probleme der Haftpflicht, 1992, S. 20, u. Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.66ff. 36 So letztlich D. Koch, Produkthaftung, 1995, S.245f.

Katzenmeier,

14

Grundlegendes

zung eines Schutzgesetzes verlangt. Diese gesetzliche Konzeption, nach der ein deliktsrechtlicher Ersatz primärer Vermögensschäden jenseits des §826 B G B von der Verletzung eines bereits anderweitig normierten Schutzgesetzes abhängt, wurde und wird von vielen als unzureichend empfunden sowie als unzeitgemäß gegenüber Rechtsordnungen, die, wie etwa das französische Recht 3 7 , über eine einheitliche deliktsrechtliche Generalklausel verfügen, wonach jeder Schadensersatz schuldet, der einen anderen rechtswidrig und schuldhaft schädigt. Nicht wenige Stimmen in der Literatur fordern deshalb, auch primäre Vermögensinteressen grundsätzlich unter den Schutz des Deliktsrechts zu stellen, indem Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens anerkannt werden. 38 Die Rechtsprechung hat sich dem bisher widersetzt und hält daran fest, deliktsrechtliche Verkehrspflichten allein auf die von § 823 Abs. 1 B G B erfaßten absoluten Rechte und Rechtsgüter zu beziehen. 39 Auch in der Literatur stoßen deliktsrechtliche Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens bei vielen auf Ablehnung. 40 Eingewendet wird vor allem, daß ihre Anerkennung einer Preis-

Vgl. Artt. 1382f. code civil. Für eine Anerkennung von Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens vor allem K. Huber, FS von Caemmerer, 1978, S.377ff.; Leser, AcP 183 (1983), 585f.; Mertens, AcP 178 (1978), 227ff., ders., VersR 1980, 400, u. MünchKommJ Mertens,S 823 Rz.475ff.; Brüggemeier, AcP 182 (1982), 423, u. ders., WM 1982,1303; von Bar, Verkehrspflichten, 1980,154ff., 204ff.; im Zusammenhang mit dem Weiterfresser-Problem Merkel, NJW1987,360, der so weit geht, zu behaupten, die Ausdehnung des legislativen Konzepts durch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und die Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens führe dazu, daß ein „zusätzliches Argument" nötig sei, warum Hersteller-Verkehrspflichten nicht auch den Schutz vor primären Vermögensschäden erfassen. 3 9 Vom B G H selbst wird dies in B G H NJW 1987,2671 (2672) als „ständige Rechtsprechung" bezeichnet; in der Sache ebenso etwa B G H M D R 1976, 134; B G H NJW-RR 1990, 789 (790); B G H VersR 1990,1289; B G H N J W 1991, 921; B G H LM §823 B G B (De) Nr. 188; allerdings hat bekanntlich auch die Rechtsprechung die gesetzliche Haftungskonzeption in vielen Bereichen ausgeweitet. Jenseits der Anerkennung eines Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sowie eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts geschah dies jedoch vor allem über vertragliche und vertragsähnliche Haftungskonstruktionen wie etwa die c.i.c. - jetzt kodifiziert in §311 B G B (n.F.) - und den Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte; auf diese „Wandlungen des Deliktsrechts" hat früh schon von Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1960, S. 49ff. hingewiesen. 4 0 Vgl. nur die deutliche Kritik von Stoll, Richterliche Fortbildung und gesetzliche Überarbeitung des Deliktsrechts, 1984, S.42f.: „Die Anerkennung von ,Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens', unabhängig von irgendeiner subjektiven Berechtigung des Verletzten und ohne Anlehnung an eine Gesetzesvorschrift außerhalb des Deliktsrechts, ist nichts weiter als die autonome Statuierung deliktischen Unrechts ohne gesetzliche Grundlage."; vgl. aus der Fülle ablehnender Stellungnahmen ferner auch Steffen, VersR 1980, 409; Canaris, FS Larenz, 1983, S. 81 ff., u. Larenz/Canaris, SchuldR. II/2, §76 III 2 c; Picker, AcP 183 (1983), 496, u. ders., JZ 1987, 1051; Kreuzer, AcP 184 (1984), 86; Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 34f.; Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997; S.43ff.; Erman/Schiemann, §823 Rz.76; Soergel/Zeuner,%%2i Rz.47; Staud./J. Hager, §823 Rz. E 9; im Zusammenhang mit dem Weiterfresser-Problem der Selbstbeschädigung bzw. -Zerstörung fehlerhafter Sachen weiter Reinicke/Tiedtke, KaufR., Rz.801; D. Koch, Pro37 38

Grundlegendes

15

gäbe des gesetzlichen Systems gleichkäme, die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten würde und die Gefahr einer unbestimmt weiten Haftung nach sich zöge. Die in der Dreiteilung der deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen (§ 823 Abs. 1, Abs. 2 und 826 BGB) zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzes, primäre Vermögensschäden grundsätzlich nur bei sittenwidriger Schädigung zu ersetzen oder wenn die besondere Schutzbedürftigkeit durch ein Schutzgesetz anerkannt ist, wird also de lege lata für verbindlich gehalten. Wäre man bereit, einen allgemeinen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch zum Schutz reiner Vermögensinteressen anzuerkennen, dann verlöre die Verletzung eines absoluten Rechts(guts) als Tatbestandsmerkmal des §823 Abs. 1 BGB ihre Bedeutung. Dies würde selbstverständlich auch für die hier in Frage stehende Problematik der Herstellung fehlerhafter Sachen gelten. Auf das Erfordernis einer Eigentumsverletzung käme es nicht mehr an. Dennoch soll im folgenden der Frage einer Korrektur der deliktsrechtlichen Konzeption des BGB nicht weiter nachgegangen werden. Dies geschieht aus der Überlegung heraus, daß die Diskussion um eine Preisgabe der gesetzlichen Haftungsschranken nur dort ihre wirkliche Berechtigung hat, wo erwiesen ist, daß und inwieweit das Gesetz zu eng ist. Das Bedürfnis nach einer Überschreitung der vorgesehenen Haftungsgrenzen kann sinnvollerweise erst dann beurteilt werden, wenn diese Grenzen abgesteckt sind. Für die Herstellung fehlerhafter Sachen fehlt es aber genau daran: An einer klaren Bestimmung der Voraussetzungen und der Grenzen einer Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache wie auch an den Materialien, aus denen sie gefertigt wurde. Die vorliegende Untersuchung hat allein diese Fragestellungen im Blick. Deshalb wird hier die gesetzliche Konzeption des Deliktsrechts zugrunde gelegt. Zentral bleibt damit der Tatbestand der Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB.

d u k t h a f t u n g , 1995, S. 175; Katzenmeier, 75ff.

Vertragliche u n d deliktische H a f t u n g , 1994, S.66ff. u.

Teill

Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache nach § 823 Abs. 1 B G B Entsprechend den vorstehenden Ausführungen soll die Prüfung einer Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache - am Produkt als Produktions- oder Verarbeitungsergebnis - strikt getrennt werden von der Frage, ob das Eigentum am Material verletzt wurde, aus dem die fehlerhafte Sache gefertigt wurde. Weil der Eigentümer der fehlerhaften Sache nicht notwendig auch bereits Eigentümer der Materialien war, aus denen diese hergestellt wurde, muß zwischen der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache und der Eigentumsverletzung hinsichtlich des Materials unterschieden werden. Zunächst soll deshalb isoliert die Frage geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen die Herstellung bzw. Inverkehrgabe einer fehlerhaften Sache zu einer Verletzung des Eigentums an dieser fehlerhaften Sache führen kann und eine Haftung nach § 823 Abs. 1 B G B auslöst. Dagegen bleibt die Verletzung des Eigentums am Material dem zweiten Teil der Arbeit vorbehalten. Dies geschieht, indem im folgenden unterstellt wird, daß der anspruchstellende Eigentümer erst die fehlerhafte Sache erworben hat, ihm also nicht bereits Materialien gehörten, aus denen diese gefertigt wurde. Damit ist Gegenstand dieses ersten Teils der vorliegenden Arbeit hauptsächlich die typische Weiterfresser-Problematik der Selbstbeschädigung oder -Zerstörung einer in fehlerhaftem Zustand erworbenen Sache, wie sie die Rechtsprechung seit dem Schwimmerschalter-Fall verschiedentlich 41 beschäftigt hat. Bevor geprüft wird, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei einer solchen Selbstbeschädigung einer fehlerhaft hergestellten und in Verkehr gebrachten Sache eine Eigentumsverletzung liegen kann, muß aber vorab die grundsätzlichere Frage geklärt werden, ob nicht unter Umständen schon mit der Herstellung einer konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaften Sache als solcher eine Verletzung des Eigentums an dieser fehlerhaften Sache verwirklicht werden kann. Denn wäre diese Frage zu bejahen, so käme es auf die sachinterne Ausbreitung des Konstruktions- oder Fabrikationsfehlers, auf dessen anschließendes Weiterfressen innerhalb der fehlerhaften Sache möglicherweise gar nicht mehr an. Zu fragen ist also zunächst, ob das Eigentum an einer fehlerhaf41

Siehe die Nachw. in Fußn. 3 u. 5.

18

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

ten Sache bereits dadurch verletzt werden kann, daß die Sache in anderem Zustand geschaffen und übereignet wird, als dies den Vorstellungen des Erwerbers entspricht.

Kapitel 1

Keine Verletzung des Eigentums an einer Sache durch deren bloße Herstellung und Ubereignung als fehlerhafte Die Frage, ob nicht schon mit der Herstellung und Verschaffung einer konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaften Sache eine Verletzung des Eigentums an dieser Sache vollendet werden kann, unabhängig davon, ob sie anschließend eine fehlerbedingte Selbstbeschädigung erleidet, läßt sich auch anders formulieren: Kann nur eine bereits existierende Sache, so wie sie tatsächlich zu Eigentum erworben wird, Objekt einer Eigentumsverletzung sein, oder ist es denkbar, daß das Eigentum an einer Sache dadurch verletzt wird, daß diese Sache anders zur Entstehung gelangt, in anderem Zustand erworben wird, als dies den Vorstellungen ihres (späteren) Eigentümers entspricht?

A. Die Präexistenz der Sache als Voraussetzung der Eigentumsverletzung entspricht herrschender Rechtsprechung und Literatur Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Eigentumsverletzung nicht schon darin liegen, daß eine Sache anders zur Entstehung gelangt, in anderem Zustand zu Eigentum verschafft wird, als dies den Vorstellungen des (späteren) Eigentümers entspricht. Als mögliches Objekt einer Eigentumsverletzung kommt danach nur eine existierende und zu Eigentum erworbene Sache in Betracht. 42 Da42 Vgl. R G J W 1905,367 (Kalk, VI. Senat): keine Eigentumsverletzung durch Herstellung fehlerhaften Mörtels und Bau eines unbrauchbaren Gebäudes; B G H NJW 1963, 1827 (Ortbeton, VII. Senat): „Die Verschaffung eines mit Mängeln behafteten Bauwerks zu Eigentum ist [...] keine Verletzung schon vorhandenen Eigentums"; B G H NJW 1978, 1051 (Lotsand, VIII. Senat): Die Lieferung von mangelhaftem Sand ist keine Verletzung des Eigentums am Sand; die Herstellung von Außenputz stellt keine Verletzung des Eigentums am Außenputz dar; B G H NJW 1981, 2248 (2249f.) (Dämmelemente, VIII. Senat): keine Eigentumsverletzung hinsichtlich des errichteten Hauses durch Verwendung fehlerhafter Dämmelemente; BGHZ 96, 221 (228) (Spundwand, VII. Senat): Allein die mangelhafte Ausführung von Erdarbeiten (zu geringe Verdichtung des Erdreiches) auf einem Baugrundstück stellt für sich genommen keine Eigentumsverletzung dar; B G H NJW 1998,1942 (Transistoren, VI. Senat): keine Verletzung des Eigentums an Steuergeräten durch deren Herstellung unter Verwendung defekter Transistoren; vgl. allerdings B G H ZIP 1992, 485 (489) (Kondensatoren), wo der VIII. Senat die bisherige Rechtsprechung unzutreffend dahingehend wiedergibt, daß eine Verletzung des Eigentums an der unter Verarbeitung fehlerhaften Materials entstandenen unbrauchbaren neuen Sache durch die ständige Rechtspre-

20

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

mit stimmt es überein, daß sich der B G H in den entschiedenen Fällen der Selbstbeschädigung von Sachen, die der Anspruchsteller bereits in fehlerhaftem Zustand erworben hatte, - jedenfalls verbal - auf den Standpunkt stellte, Gegenstand der Eigentumsverletzung sei die bereits existierende fehlerhafte Sache, so wie sie im Eigentum des Anspruchstellers stand. Deutlich wurde dies bereits in der Schwimmerschalter-Entscheidung, in welcher der B G H betonte, es sei „das im übrigen43 mangelfreie Eigentum des Erwerbers an der Anlage insgesamt" verletzt worden. 44 Damit zeigte der B G H , daß er als Verletzungsobjekt nicht eine hypothetische fehlerfreie Sache ansah, sondern die konkrete fehlerhafte Sache, die abgesehen vom fehlerhaften Schwimmerschalter vor ihrer Selbstbeschädigung völlig intakt war.45 Daß nur eine bereits existierende und zu Eigentum erworbene Sache von einer Eigentumsverletzung betroffen werden kann, ist auch herrschende Lehre. 46

chung bejaht werde. Tatsächlich hält aber die ständige Rechtsprechung eine Verletzung des Eigentums am Endprodukt nur bei dessen nachträglicher Substanzveränderung für gegeben und auch dann nur unter den Voraussetzungen der „Stoffgleichheits"-Formel. Beim Wort genommen widerspräche diese Interpretation der bisherigen Urteile darüber hinaus auch den eigenen Ausführungen des Senates einige Absätze weiter oben, vgl. B G H ZIP 1992,485 (488), wo gerade ausführlich dargelegt wird, daß es nur einen „stoffgleichen" und damit deliktsrechtlich nicht ersatzfähigen Schaden darstelle, wenn infolge der Verarbeitung mangelhafter Kondensatoren funktionsuntüchtige Regler entstanden seien. Im Ergebnis wird denn auch - insoweit zutreffend keine Eigentumsverletzung hinsichtlich der fertigen, aber funktionsuntüchtigen Regler als neuen Sachen angenommen, so daß vermutet werden kann, daß der VIII. Senat seine Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung nur ungenau formulierte, ohne tatsächlich schon darin eine Verletzung des Eigentums an einer Sache sehen zu wollen, daß diese anders geschaffen wird, als dies den Vorstellungen des künftigen Eigentümers entspricht. 43 Hervorhebung nur hier. 4 4 Siehe B G H VersR 1977, 358 (360). 45 Ähnlich deutlich auch B G H N J W 1978, 2241 (2242) (Hinterreifen), wo auf den „zusätzlichen Schaden an der sonst mangelfreien Sache" abgestellt und betont wird, daß der falsch bereifte Wagen „als Ganzes ein wertvolles Vermögensstück" gewesen sei; B G H N J W 1983, 810 (811) (Gaszug), wo von der „Beschädigung oder Zerstörung der vom Hersteller geschaffenen Sache" die Rede ist; B G H N J W 1985, 2420 (Kompressor), wo darauf hingewiesen wird, daß „zunächst nicht der Kompressor als Ganzes und auch nicht der Motor durch vorzeitigen Verschleiß bedroht [waren], sondern allein das Olablaßrohr"; B G H VersR 1990, 1283 (Baustromverteiler), wo angenommen wird, ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung habe Schäden „an Geräteteilen, die vorher einwandfrei waren" zur Voraussetzung; B G H N J W 1996,2224 (2225) (Spezialschmierfett), wo unterstrichen wird, daß „sich das Leitrad, als es ins Eigentum der Schiffseignerin überging, als eine zunächst im wesentlichen funktionsfähige Sache von eigenem Wert darfstellte]". 4 6 Vgl. nur aus der Fülle der Stellungnahmen Produkthaftungshandbuch l/Foerste, §21 Rz. 87; RGRK/Steffen, vor §823 Rz.38; Staud./J. Hager, §823 Rz. B 109; Erman/Schiemann, §823 Rz.28; Emmerich, JuS 1985, 232; von Bar, Probleme der Haftpflicht, 1992, S.21•,Jagenburg, FS Locher, 1990, S.94; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.250 u. mit umfangreichen Nachweisen der Literatur S.258 Fußn. 54; Hinsch, VersR 1992,1053; Nickel, VersR 1984, 320; Schauh, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S . l l .

Keine Eigentumsverletzung

durch bloße

Herstellung

21

Einige Stimmen in der Literatur haben dagegen bezweifelt, daß ausnahmslos am Grundsatz festgehalten werden könne, die Verletzung des Sacheigentums setze stets dessen vorheriges Bestehen voraus. Hier ist vor allem Mertens47 zu nennen48, der zu dem Schluß gelangt, daß dann, wenn ein der Unfallvermeidung und dem Umweltschutz dienender Sicherheitsstandard verletzt worden sei49, ein Anspruch aus §823 Abs. 1 B G B unabhängig davon zu gewähren sei, ob das bestehende Produktionsgut verletzt worden sei oder ein neues Erzeugnis nicht bestimmungsgemäß zustande komme. Bedarf es also zur Begründung einer Eigentumsverletzung einer vorherigen Existenz der Sache oder, wie Katzenmeier in Anlehnung an E. Wolf0 und die Diskussion um deliktischen Schadensersatz bei präkonzeptionellen Schädigungen des Menschen formuliert51, einer „Präexistenz des Objekts"?

B. An der Präexistenz der Sache als Voraussetzung der Eigentumsverletzung ist festzuhalten Meines Erachtens ist die Frage, ob eine Eigentumsverletzung die Präexistenz der Sache voraussetzt, mit der herrschenden Lehre zu bejahen. Wie sogleich näher ausgeführt werden soll, würde die gesetzliche Konzeption des Eigentumsrechts als Recht an einer Sache preisgegeben, wenn man auf die vorherige Existenz der Sache als Voraussetzung einer Eigentumsverletzung verzichten würde. Auch gibt es für eine solche Ausdehnung des deliktsrechtlichen Schutzes keine hinreichende Rechtfertigung, da nicht zu erkennen ist, warum derjenige, der eine Aussicht bzw. einen Anspruch auf Sachverschaffung hat, absoluten Rechtsschutz genießen und damit deliktsrechtlich besser gestellt werden soll als

Vgl. MünchKommJMertens, § 823 Rz. 99f. Die Voraussetzung des vorherigen Bestehens des Verletzungsobjekts wurde auch bereits in Frage gestellt von Frotz, VersR 1965,212 f.; Wilts, VersR 1967,819 unter Verweis auf den weiteren Sachschadensbegriffes im Haftpflichtversicherungsrecht; ihm folgen Freund/Barthelmess, NJW 1975,281 ff., u. dies., N J W 1977,438f.; einen ausdrücklichen Verzicht auf die Präexistenz des Verletzungsobjekts erklärte jüngst Schöpflin, J R 1999, 30; daß das Fehlen eines unversehrten Verletzungsobjekts nicht sehr schwer wiege, vertritt Erman/Schiemann, §823 Rz. 124 unter Verweis auf die Rechtsprechung zu vorgeburtlichen Schädigungen des Menschen, vgl. dazu sogleich unter B.I., II. u. III. 49 Vgl. zu dieser Begrenzung der nach Mertens als Verkehrspflichtverletzungen in Betracht kommenden Verhaltensweisen sogleich unten Kapitel 2, C.I. 50 Vgl. E. Wolf/Naujoks, Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit des Menschen, 1955, S. 169, wobei E. Wolf allerdings davon ausgeht, Entstehung und Beeinträchtigung des Verletzungsobjekts könnten zeitlich zusammenfallen. 51 Vgl. Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.88ff., wo die Rechtsprechung und der Stand der wissenschaftlichen Diskussion dieser Problematik umfassend dargestellt werden; einen ausführlichen Uberblick darüber gibt auch bereits Stand./Schäfer, 12. Aufl., §823 Rz.30ff. 47 48

22

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

derjenige, dessen sonstige, nicht auf Sachverschaffung gerichteten relativen Rechte und Erwartungen unerfüllt bleiben.

I. Die Präexistenz

der Sache ist nicht aus formal-logischen zwingend erforderlich

Gründen

Zunächst möchte ich allerdings festhalten, daß formal-logische Einwände einem solchen Verständnis des Eigentums nicht entgegenstehen. 52 Zwar ist es zweifellos logisch zwingend, daß die Beschädigung einer Sache, verstanden als Beeinträchtigung der Sachsubstanz, voraussetzt, daß die Sache zuvor ohne diese Beeinträchtigung existierte. Ebensowenig wie man etwa von der Verletzung eines Menschen sprechen kann, wenn dieser Mensch niemals ohne diese Verletzung existiert hat. 53 Damit ist jedoch nicht gesagt, daß in den Eigentumsschutz unter keinen Umständen die Aussicht oder Erwartung einbezogen werden kann, daß eine Sache mit bestimmten Eigenschaften zur Entstehung gelangt und erworben wird, oder daß man den Lebens- und Gesundheitsschutz so eng ziehen müßte, daß eine Störung einer naturgemäßen Entwicklung von den Betroffenen keinesfalls als Verletzung ihres Lebens bzw. ihrer Gesundheit geltend gemacht werden dürfte. Es ist deshalb Katzenmeier''' zu widersprechen, der annimmt, die Bejahung einer Gesundheitsbeschädigung im Fall einer präkonzeptionellen Schädigung des Menschen durch den B G H 5 5 könne auf die Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache deshalb nicht übertragen werden, weil sich das Gericht über Bedenken hinweggesetzt habe, die der natürlichen Logik und der wissenschaftlichen Erkenntnis des Rechts entsprängen. Es sind nicht logische Gründe, die gegen die Annahmen sprechen, die Aussicht auf Erwerb einer den Verkehrsstandards entsprechenden Sache genieße Eigentumsschutz und deshalb begehe der Hersteller mit der Produktion bzw. Inverkehrgabe fehlerhafter Sachen eine Eigentumsverletzung.

So auch Schöpflin, J R 1999, 30. So zu Recht etwa Laufs, NJW 1965, 1055, u. Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.92ff. m. w. Nachw. 54 Vgl. Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 103; ähnlich nimmt Staud./Schäfer, 12. Aufl., vor Rz. 30 an, bei den Fällen der vorgeburtlichen Schädigung gehe es um die normative Begründung bzw. Begrenzung des Haftungsgrundes im Kampf mit Widerständen aus Gesetzeswortlaut oder formaler Logik. 55 Vgl. die Lues-Entscheidung BGHZ 8,243 (246f.), wo der II. Senat des B G H von einer präkonzeptionellen Schädigung durch Lues-Erreger ausging und dennoch einen Schadensersatzanspruch des vorgeburtlich geschädigten Kindes aus § 823 Abs. 1 B G B bejahte. Den Ausführungen der Revision, §823 Abs. 1 B G B setze mit Denknotwendigkeit voraus, daß nur derjenige Schadensersatz verlangen könne, der einmal unverletzt gewesen sei, folgte der Senat nicht; anders noch B G H J Z 1951, 758, wo der III. Senat im Fall einer präkonzeptionellen Lues-Infektion gegenteilig entschieden hatte; auf Anfrage des II. Senats hielt der III. Senat an dieser Auffassung jedoch nicht fest, vgl. BGHZ 8, 243 (246). 52

53

Keine Eigentumsverletzung

durch bloße

Herstellung

23

II. Der Schutz der Aussicht auf natürliche Entwicklung eines Menschen taugt nicht als Parallele Allerdings ist Katzenmeier im Ergebnis zuzustimmen, wenn er annimmt, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu präkonzeptionellen Schädigungen des Menschen könne nicht herangezogen werden, um in den Fällen der Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen eine Eigentumsverletzung zu begründen. Der II. Senat des B G H rechtfertigte den ausnahmsweisen Verzicht auf das Erfordernis der Präexistenz 56 des Verletzungsobjekts in seiner Lues-Entscheidung damit, daß dieses Erfordernis dem besonderen Wesen der Lebensgüter nicht gerecht werde 57 . Damit wird deutlich, daß der deliktsrechtliche Schutz der natürlichen Entwicklung des Menschen Ausdruck des hohen, grundgesetzlich verankerten Stellenwertes menschlichen Lebens in unserer Gesellschaftsordnung ist. Er erfolgt im Interesse des Menschen als Individuum, seines Lebens als wertvollstem Gut und Rechtsgut. Die Schutzbedürftigkeit des Menschen, der von den Folgen einer Schädigung seiner Erbanlagen unentrinnbar und existenziell betroffen wird, ist nicht zu vergleichen mit der Lage des in seinem Wunsch nach Fehlerfreiheit enttäuschten Sacherwerbers. Die Aussicht, als gesunder Mensch geboren zu werden, hat eine ganz andere Qualität als die Erwartung, Eigentümer einer den Verkehrserwartungen entsprechende Sache zu werden. Ein Rückschluß von der Lues-Rechtsprechung auf einen deliktsrechtlichen Eigentumsschutz hinsichtlich der Entstehung von Sachen verbietet sich schon aus diesem Grunde 58 . Dies gilt selbst dann, wenn organische Erzeugnisse in Frage stehen, die dem Menschen vergleichbar einen genetischen Plan aufweisen.59 Denn parallel zum Schutze des ungeborenen oder ungezeugten Menschenlebens wäre allenfalls an einen Schutz von Tieren und Pflanzen um ihrer selbst willen zu denken, an ein Recht auf naturgemäße Entwicklung, dessen Träger Tiere und Pflan-

56 Dagegen bedeutet ein Schutz des nasciturus keinen Verzicht auf die Präexistenz des Verletzungsobjekts, weil die Leibesfrucht ab der Empfängnis existiert; so zu Recht Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 90ff. m. Nachw. der Rechtsprechung und der Literatur zu dieser Frage. 57 Siehe BGHZ 8, 243 (247). 58 Ahnlich wie hier bereits Stoll, FS Nipperdey, 1965, S. 752f., u. Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 I BGB, 1984, S. 141; auf die Voraussetzungen und Grenzen einer Gesundheitsbeschädigung bei präkonzeptioneller Schädigung des Menschen ist deshalb hier nicht weiter einzugehen, vgl. zum Stand der Diskussion dieser Problematik die Nachw. in Fußn. 51. 59 Zumindest mißverständlich deshalb Stoll, FS Nipperdey, 1965, S. 752f., u. ihm folgend Selb, AcP 166 (1966), 95, sowie von Bar, Gutachten, 1981, S. 1697, die jeweils unter Verweis auf die Bruteier-Entscheidung B G H J Z 1964, 457 (VI. Senat) annehmen, die Störung des organischen Wachstums einer Sache oder die Verhinderung der organischen Entstehung einer neuen Sache könne eine Eigentumsverletzung sein. Im Streitfall waren wegen Unterbrechung der Stromzufuhr aus den Eiern in einem Brutapparat keine gesunden Küken geschlüpft. Zur Begründung einer Eigentumsverletzung bedarf es hier jedoch gar keines Verzichts auf das Erfordernis der Präexistenz des Objekts, da bereits existierende Eier verdarben.

24

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

zen selbst wären. Ein solches, theoretisch vorstellbares Recht findet aber in § 823 Abs. 1 B G B keine Stütze, da das Leben von Tieren und Pflanzen dort nicht als Schutzgut erfaßt ist. Die Grenzen des Eigentumsrechts würde dies im übrigen unangetastet lassen bzw. allenfalls zu Lasten des Tier- bzw. Pflanzeneigentümers verschieben, dessen grundsätzlich unbegrenzter Verfügungsbefugnis Schranken gesetzt würden. Schließlich sei hier noch angemerkt, daß die präkonzeptionellen Schädigungen des Menschen auch insofern nicht ohne weiteres mit der Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache vergleichbar sind, als sich letztere häufig dadurch auszeichnet, daß bei rechtzeitigem Erkennen durchaus die Möglichkeit bestanden hätte, die Ausbreitung des zunächst beschränkten Fehlers durch Unterlassen der Benutzung, Nutzungsänderung oder Reparatur aufzuhalten. Eher vergleichbar wären insofern Fälle, in denen ein Mensch von einer Krankheit oder Verletzung betroffen ist, die zunächst nur eine bestimmte Körperpartie ergreift, die sich dann aber aufgrund unzureichender Behandlung auf den ganzen K ö r per ausdehnt, so etwa, wenn jemand das O p f e r einer bösartigen Krebsart wird, die sich bei rechtzeitiger Erkennung hätte behandeln lassen, deren Anzeichen jedoch bei einer ärztlichen Untersuchung fahrlässig übersehen wurden. 6 0

III. Ein Verzicht auf die Präexistenz der Sache widerspräche der gesetzlichen Ausgestaltung des Eigentums als Recht an einer Sache Gegen die Einbeziehung einer Aussicht oder auch eines Anspruches auf eine Sache in den Eigentumsschutz ist jedoch vor allem einzuwenden, daß sie der gesetzlichen Ausgestaltung des Eigentums als Recht an einer konkreten und damit notwendig bestehenden Sache widerspricht. D e r Charakter des Eigentums als Recht an einer bestehenden Sache wird im Gesetz an vielen Stellen unmißverständlich zum Ausdruck gebracht: So vor allem durch § 903 S. 1 B G B , wenn es dort heißt, der Eigentümer könne mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Hier wird die Existenz der Sache, auf die sich die Eigentümerbefugnisse beziehen, unzweifelhaft vorausgesetzt. Deutlich ergibt sich das Wesen des Eigentums als Recht an einer bestehenden Sache aber auch aus den Regeln über Erwerb und

60 Daß es eine Gesundheitsverletzung darstellt, wenn ein Arzt vermeidbaren Verschlechterungen der Gesundheit seines Patienten nicht entgegenwirkt, entspricht herrschender Ansicht, vgl. Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 23, u. MünchKomm./Mertens, § 823 Rz. 74 u. 403 m. w. Nachw.; allerdings ist auch dieser Fall nicht völlig vergleichbar mit den „klassischen" Weiterfresser-Fällen, in denen der Hersteller ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr bringt und anschließend in keinerlei Kontakt (mehr) zum Abnehmer tritt. Ganz parallel läge der geschilderte Sachverhalt nur mit einem Fall, in dem der Eigentümer einer - etwa infolge eines Unfalls - fehlerhaften Sache zu einer Werkstatt geht und dort eine sachgemäße Reparatur unterbleibt, was später zu einer Zerstörung der Sache führt.

Keine Eigentumsverletzung

durch bloße Herstellung

25

Verlust des Eigentums, § § 9 2 5 f f . B G B . Ü b e r g e b e n werden etwa kann nur eine reale Sache, nicht aber die Aussicht auf E r w e r b einer solchen. M i t dieser gesetzlichen Ausgestaltung des Eigentumsrechts als R e c h t an einer bestehenden Sache ließe sich ein Schutz der Erwartung auf E r w e r b einer fehlerfreien Sache nur dann vereinbaren, w e n n man ihn auf eine reale Sache beziehen würde, wenn man also etwa den E r w e r b der fehlerhaften Sache als bestehender Sache, an der ein R e c h t existieren kann, zur Voraussetzung des Schutzes der Aussicht auf Fehlerfreiheit machen würde, so daß nur der Eigentümer fehlerhaften

Sache

einer

geltend machen dürfte, seine berechtigte Erwartung auf

Fehlerfreiheit sei verletzt worden. E i n e solche A n k n ü p f u n g des Schutzes der Aussicht auf E r w e r b einer intakten Sache an den E i g e n t u m s e r w e r b einer fehlerhaften Sache erscheint aber nicht sachgerecht. D e n n wenn es beim Schutz der Aussicht auf Fehlerfreiheit gerade nicht um den Schutz der realen Sache geht, so wie sie eben beschaffen ist, sondern um die deliktsrechtliche Absicherung einer b l o ß e n jenseits der tatsächlichen Beschaffenheit realer Sachen liegenden Erwartung, dann ist auch nicht einzusehen, warum der Schadensersatzanspruch v o m E r w e r b einer dinglichen Rechtsposition an einer realen Sache abhängen soll. Derjenige, der etwa die v o m Verkäufer angebotene mangelhafte Sache zurückweist und deshalb überhaupt keine Sache erwirbt, wird ja in seiner Erwartung einer fehlerfreien Sache nicht weniger enttäuscht als derjenige, der sie annimmt. E s leuchtet nicht ein, warum die Erwartung der Fehlerfreiheit erst dadurch schutzwürdig werden soll, daß die fehlerhafte Sache zu E i g e n t u m erw o r b e n wird. D a r i n liegt übrigens ein weiterer U n t e r s c h i e d zu den Fällen präkonzeptioneller Schädigungen des M e n s c h e n : W ä h r e n d es hinsichtlich der Aussicht auf E r w e r b einer fehlerfreien Sache ohne weiteres denkbar ist, daß derjenige, der in dieser E r w a r t u n g enttäuscht wird, gar kein Eigentum an der fehlerhaften Sache erwirbt, etwa weil er sie als vertragswidrig zurückweist, steht der einzelne M e n s c h als Rechtsträger seiner Rechtsgüter L e b e n und Gesundheit unveränderbar fest. D i e Aussicht auf die eigene naturgemäße E n t w i c k l u n g ist anders als die Erwartung, ein fehlerfreies P r o d u k t zu erwerben, zwingend an eine einzige individuelle Person als möglichen Rechtsträger geknüpft. D i e Lebensgüter L e ben und Gesundheit sind untrennbar mit ihrem Inhaber verbunden. L e b e n und Gesundheit k ö n n e n nicht von einer dritten P e r s o n erworben werden. E s läßt sich also allein gegen die E i n b e z i e h u n g der Aussicht auf E r w e r b einer fehlerhaften Sache

einwenden, diese Erwartung sei unabhängig von einem späteren E i -

gentumserwerb. G e g e n die B e j a h u n g einer Gesundheitsbeschädigung bei S t ö rung der natürlichen E n t w i c k l u n g des M e n s c h e n kann dagegen Vergleichbares nicht geltend gemacht werden. Als Zwischenergebnis ist also folgendes festzuhalten: E i n grundsätzlicher Verzicht auf die Existenz der Sache als Voraussetzung des Eigentums und damit auch einer Eigentumsverletzung wäre mit der de lege lata verbindlichen gesetz-

26

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

liehen Konzeption des Eigentums als Recht an einer Sache unvereinbar. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn man annehmen würde, eine Eigentumsverletzung durch Enttäuschung der Aussicht auf fehlerfreien Erwerb könne allein derjenige erleiden, der tatsächlich Eigentum an der fehlerhaften Sache erlangt. Dies wäre aber insofern wenig überzeugend, als es beim Schutz der Erwartung einer bestimmten Sachbeschaffenheit gerade nicht um die Bewahrung eines realen Sachzustandes geht. Es leuchtet dann aber nicht ein, warum der Erwerb der Sache Voraussetzung sein soll für den Schutz der Aussicht auf fehlerfreien Sacherwerb.

IV. Die Erhebung von Sachverschaffungsansprücken absoluter Rechte widerspräche dem deliktsrechtlichen

in den Rang System des BGB

Völlig offen ist auch, welche Qualität eine Erwartung haben müßte, um als eigentumsfähig eingeordnet zu werden. Wann soll sich jemand darauf berufen können, seine Aussicht, eine Sache bestimmter Beschaffenheit zu erwerben, sei verletzt worden? Soll dafür genügen, daß der Betreffende den bloßen Wunsch hatte, ein Produkt zu erwerben, das nach der Verkehrserwartung bestimmte Merkmale, einen gewissen Qualitätsstandard aufweist? Oder soll dafür erforderlich sein, daß eine entsprechende Qualität vertraglich vereinbart, vielleicht sogar garantiert war? Die Erhebung einer bloßen ungesicherten Erwerbsaussicht in den Rang des absoluten Eigentumsrechts würde ersichtlich zu einem konturenlos ausufernden Eigentumsbegriff führen. Deshalb müßte man für die Eigentumsfähigkeit einer Erwerbserwartung wohl jedenfalls mehr verlangen. Selbst wenn man jedoch einen Sachverschaffungsanspruch als rechtliche Verfestigung der bloßen Aussicht hin zum schützenswerten Vermögensgut für erforderlich halten würde, ginge auch dies noch viel zu weit. Damit würde man das relative Recht, sofern es nur auf Verschaffung einer Sache bestimmter Qualität ginge, zum absoluten Recht machen. Dies widerspräche der gesetzlichen Konzeption eines nur eingeschränkten deliktsrechtlichen Ersatzes primärer Vermögensschäden, der nicht zuletzt durch eine Ausklammerung beliebiger relativer Rechte aus §823 Abs. 1 BGB erreicht wird. Wo Ansprüche auf Sachverschaffung betroffen wären, könnte die Verletzung eines absoluten Rechts als Tatbestandsmerkmal des §823 Abs. 1 BGB keinen Ausschluß der Haftung mehr bewirken für bisher als reine Vermögensschäden verstandene Einbußen. Für die Begründung des Deliktsanspruches wäre ausreichend, daß der Hersteller durch das Inverkehrbringen der fehlerhaften Sache schuldhaft die Enttäuschung einer Vertragserwartung bewirkt hätte. Selbst wenn man hinsichtlich bestimmter Fallgruppen eine Korrektur des gesetzlichen Systems auch de lege lata nicht grundsätzlich für ausgeschlossen halten wollte, so erschiene dies doch als zu weitgehender Bruch mit der Systematik des Gesetzes. Die haftungsbegrenzen-

Keine Eigentumsverletzung

durch bloße

Herstellung

27

de Funktion, die dem Tatbestandsmerkmal der Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB zukommen soll, wäre weitgehend beseitigt. 61 Darüber hinaus wäre aber auch zu fragen, warum eigentlich gerade der Anspruch auf Verschaffung einer Sache bestimmter Qualität einen besseren Deliktsschutz verdient als sonstige relative Rechte. Warum soll etwa ein Anspruch auf Abtretung einer Forderung, auf Leistung vertragsgemäßer Dienste, auf Ausgleich einer Bereicherung usw. nicht ebenfalls gegenüber jedermann geschützt werden? Es ist nicht ersichtlich, warum der Inhaber eines Sachverschaffungsanspruches eines stärkeren deliktsrechtlichen Schutzes bedürfte als sonstige, bisher nur relativ Berechtigte. V. Die von Mertens für einen Verzicht auf die Präexistenz des Verletzungsobjekts angeführten Gründe überzeugen nicht Gegen diese grundlegenden Einwände vermögen auch die in der Literatur für eine Ausdehnung des Eigentums auf die Erwartung fehlerfreier Herstellung angeführten Gründe nichts auszurichten: Wenn von Mertens62 Probleme der Abgrenzung zwischen der Beschädigung eines Produktionsgutes und dem Mißlingen der Herstellung eines neuen Gutes geltend gemacht werden, so ist dem entgegenzuhalten, daß es - einmal abgesehen von Beweisschwierigkeiten im konkreten Fall, die es immer geben kann durchaus objektiver Feststellung zugänglich ist, ob eine vorhandene Sache eine Substanzveränderung erfahren hat oder nicht. Allerdings kann eine solche Veränderung einer bereits existierenden Sache selbstverständlich auch beim Mißlingen der Herstellung eines neuen Gutes eintreten. Der von Mertens63 angeführte Vergleich zwischen einer Pflanze, die krank wird, und einem Baum, der keine Früchte ausbildet, stellt deshalb nur dann zwei unterschiedliche Fallgruppen gegenüber, nämlich erstens die Verletzung einer existierenden Sache und zweitens die bloße mißglückte Schaffung einer neuen Sache, wenn der mangelnden Fruchtausbildung am Baum keine Substanzveränderung desselben vorausging. Wo aber, was regelmäßig der Fall sein wird, der mangelnden Fruchtausbildung eine biologisch-chemische Veränderung des Baumes vorausgegangen war, etwa indem vorhandene Blüten abstarben, die reale Sache „Baum" also sehr wohl eine Beeinträchtigung erfahren hat, da braucht man nicht auf das Erfordernis der Präexistenz des Verletzungsobjekts zu verzichten, wenn man eine Eigentumsverletzung bejahen möchte.64 61 Ahnlich im Ergebnis bereits Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.lOOf. 62 Vgl. MünchKomm./Mertens, § 823 Rz. 99. 63 MünchKomm./Mertens, §823 Rz.99. 64 Vgl. dazu bereits Fußn. 59; mißverständlich insofern der Jungprimelerde-Nichannahmebeschluß BGH NJW-RR 1993, 793 des VI. Senats: Die Lieferung mangelhafter Erde hatte ein

28

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Schließlich ist entgegen Mertens65 nicht ersichtlich, warum ein Verzicht auf die Präexistenz des Verletzungsobjekts notwendig sein soll, um eine Eigentumsverletzung an den bei mißlungener Herstellung vergeudeten Produktionsgütern zu begründen. Denn die Materialien, die Gegenstand einer Verarbeitung werden, existieren ja vor ihrer Weiterverarbeitung. Sie kommen deshalb selbstverständlich als mögliches Objekt einer Eigentumsverletzung in Betracht. 66 Es bleibt also dabei: Von einer Eigentumsverletzung kann nur eine bereits existierende und zu Eigentum erworbene Sache betroffen werden. Die vertraglich oder anderweitig begründete Aussicht auf Erwerb einer fehlerfreien Sache genießt keinen Eigentumsschutz.

Wachstum der Primeln des Käufers verhindert. Der B G H bejahte eine Eigentumsverletzung und begründete sie mit der Hemmung des Wachstums der Pflanzen, wobei sich die Literatur dem teilweise angeschlossen hat, vgl. etwa Soergel/Zeuner, § 823 Rz. 42; Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 84. Zu Recht weist Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 127 Fußn. 451 darauf hin, daß die Pflanzen hier wohl auch chemisch verändert waren. Ahnlich dürfte der Torf-Fall B G H N J W 1999, 1028 (VI. Senat) gelegen haben, wo der B G H ebenfalls die Eigentumsverletzung bejahte: Fehlerhafter Torf führte zu einem stark gehemmten Wachstum von Azaleen-Stecklingen und -Pflanzen; auch hier würde es an einer Beeinträchtigung bereits bestehender Substanz der Pflanzen nur dann fehlen, wenn die von der Wachstumsstörung betroffenen Stecklinge nach wie vor so beschaffen wären, daß sie sich im Falle ihrer Verbringung in neue, fehlerfreie Erde, nunmehr normal entwickeln würden; in diesem Sinne auch Heiderhoff, J A 1999, 618; Foerste, EWiR 1999,316; auf die Störung des organischen Wachstums stellt dagegen in seiner Anmerkung zur Torf-Entscheidung ab Kulimann, LM § 823 (Ac) B G B Nr. 67. 6 5 Vgl. MünchKommJMertens, §823 Rz.99. 6 6 Dies übersieht offenbar auch Trotz, VersR 1965, 214, wenn er behauptet, die herrschende Ansicht zwinge zu der Konsequenz, daß außervertragliche unvorsätzliche Schädigungen bei der Herstellung einer Sache rechtlich überhaupt nicht geahndet werden könnten; vgl. zu den Voraussetzungen einer Verletzung des Eigentums am Material bei dessen fehlerhafter Verarbeitung ausführlich Teil 2 der vorliegenden Untersuchung.

Kapitel 2

Die Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen in Rechtsprechung und Literatur Kann darin, daß eine Sache fehlerhaft hergestellt und zu Eigentum verschafft wird, noch keine Verletzung des Eigentums an dieser Sache liegen, so muß nun geklärt werden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache in Betracht kommt, wenn diese sich selbst beschädigt oder zerstört. Weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ist es meines Erachtens bisher gelungen, eine dogmatisch befriedigende Antwort auf die Frage zu finden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 B G B vorliegt, wenn sich die Substanz einer bereits in fehlerhaftem Zustand erworbenen Sache aufgrund des Fehlers verschlechtert. Wie sogleich unter A. bis C . näher ausgeführt werden soll, kann weder der Versuch der Rechtsprechung überzeugen, die Eigentumsverletzung zu begründen, noch halten die verschiedenen in der Literatur vorgeschlagenen Konstruktionen einer näheren Uberprüfung stand. Daraus darf aber nicht voreilig der Schluß gezogen werden, eine Eigentumsverletzung scheide deshalb zwingend aus, zumal die gegen die Rechtsprechung geäußerte Kritik, wie ebenfalls zu zeigen sein wird, keineswegs durchweg berechtigt ist. Weiter unten sollen deshalb in einem dritten Kapitel die Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung in den Fällen der Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache erneut geprüft werden.

A. Die „ Stoffgleicbheits"-Formel

der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung nimmt an, in Herstellung und Inverkehrbringen einer Sache, die mit einem Konstruktions- oder Fabrikationsfehler behaftet sei, liege eine Verkehrspflichtverletzung, die auch hinsichtlich dieser Sache selbst eine Eigentumsverletzung bewirken könne. Allerdings soll dies nur gelten, soweit das im übrigen mangelfreie Eigentum des Erwerbers der Sache beeinträchtigt werde. 6 7 6 7 Seit der Schwimmerschalter-Entscheidung B G H VersR 1977, 358 ständige Rechtsprechung, vgl. die Nachweise in Fußn. 5.

30

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

In der insofern wegweisenden Schwimmerschalter-Entscheidung stellte der VIII. Senat des B G H zur Begründung der Eigentumsverletzung darauf ab, daß die übereignete Anlage lediglich ein „funktionell begrenztes" schadhaftes Steuerungsgerät enthalten habe, dessen Versagen nach dem Eigentumsübergang einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorgerufen habe. 68 Außerdem betonte der B G H den großen Wertunterschied zwischen dem defekten Schwimmerschalter und der Gesamtanlage. 69 In der Gaszug-Entscheidung entwickelte der VI. Senat dann das seither in Weiterfresser-Fällen ständig praktizierte Kriterium der „Stoffgleichheit" 70 des Schadens, mit dem das von §823 Abs. 1 B G B allein geschützte Interesse, „nicht in seinem Eigentum oder Besitz verletzt zu werden (das Integritätsinteresse)" von den bloßen, „auf den Erwerb einer mangelfreien Kaufsache gerichteten Vertragerwartungen, insbesondere Nutzungs- und Werterwartungen [...] (das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse)" abgegrenzt werden soll. 71 Dabei ließ der B G H ausdrücklich offen, ob die ursprünglich herangezogenen Gesichtspunkte der „funktionellen Begrenztheit" des schadhaften Teils sowie dessen Wertverhältnis zur Gesamtsache über das Schwimmerschalter-Urteil hinaus allgemein tragfähig seien. 72 Eine Eigentumsverletzung soll wegen „Stoffgleichheit" des Schadens ausscheiden, wenn sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit schon bei ihrem Erwerb anhaftete, dem sog. Mangelunwert, deckt. 73 Dabei schloß sich der VI. Senat des B G H in der Kompressor-Entscheidung 74 dem Vorschlag von NickeF5 an, der den Mangelunwert nach den Grundsätzen der kaufrechtlichen Minderung Siehe B G H VersR 1977, 358 (360). Vgl. B G H VersR 1977, 358 (360), ähnlich der B G H in der Hinterreifen-Entscheidung, vgl. B G H N J W 1978, 2241 (2242). 70 Der Begriff der „Stoffgleichheit" taucht allerdings schon in der Hinterreifen-Entscheidung auf, vgl. N J W 1978,2241 (2243) und bereits in der Schwimmerschalter-Entscheidung, vgl. VersR 1977, 358 (360); in beiden Urteilen verwies der B G H auf Dunz/Kraus, Haftung für schädliche Ware, 1966, S.66, von denen er die „Stoffgleichheits"-Terminologie übernommen hat. 71 Siehe B G H N J W 1983, 810 (811); eine ähnliche Unterscheidung zwischen „Aquivalenzinteresse" und „Integrationsinteresse" hatte zuvor der VIII. Senat des B G H getroffen, um die Anwendungsbereiche der Sachmängelgewährleistung und der positiven Forderungsverletzung beim Kauf voneinander abzugrenzen, vgl. B G H N J W 1980, 1950 (1951) (Spanplatten); außerdem hatte auch der VI. Senat den Begriff des „Integritätsinteresses" bereits verwendet: In der Derosal-Entscheidung umschrieb er damit das Interesse des Verbrauchers oder Benutzers, nicht durch die Wirkungslosigkeit eines Produktes in seinem Eigentum beeinträchtigt zu werden, vgl. B G H VersR 1981, 639 (640). 72 B G H N J W 1983, 810 (812). Allerdings stellt der B G H in der Kompressor-Entscheidung wiederum darauf ab, daß der Mangel zunächst nur „auf einen Teil des Produkts beschränkt" war, wobei jedoch gleichzeitig die Behebbarkeit des Mangels als Voraussetzung einer Eigentumsverletzung betont wird, vgl. B G H N J W 1985,2420; ähnlich B G H N J W 1992,1678 (Nockenwelle). 73 Siehe B G H N J W 1983, 810 (811). 74 Siehe B G H N J W 1985, 2420. 75 Siehe Foerste, VersR 1984, 319f., u. ders., Produzentenhaftung beim Verkauf mangelhafter Halbfabrikate, 1986, S.94ff., 68

69

Die Weiterfresser-Frage in Rechtsprechung und Literatur

31

( § 4 7 2 B G B (a.F.) bzw. § 4 4 1 B G B (n.F.)) berechnen möchte. V o m M a n g e l u n wert scheidet der B G H den Schaden, der nicht mit der im Mangel verkörperten E n t w e r t u n g der Sache für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse

„stoff-

gleich" sei, sondern (auch) das verletzte Integritätsinteresse des Eigentümers, zu dessen S c h u t z der Hersteller nach den U m s t ä n d e n verpflichtet sei, verletzen k ö n n e . 7 6 D i e B e s t i m m u n g der „Stoffgleichheit" soll sich im k o n k r e t e n Fall nach einer ,,natürliche[n] bzw. wirtschaftliche[n] B e t r a c h t u n g s w e i s e " 7 7 richten. I m übrigen sollen berücksichtigt werden 7 8 : A r t und A u s m a ß des geltend gemachten Schadens und des diesem zugrunde liegenden Mangels, die Bedeutung des Mangels für den Erhalt der Gesamtsache, der Inhalt der Verkehrspflichten des Herstellers, die sich auch nach dem V e r w e n d u n g s z w e c k der Sache und der Verbrauchererwartung, unter U m s t ä n d e n sogar nach dem Kaufpreis richten. 7 9 U n erheblich soll dagegen sein, ob der Schaden erst durch das H i n z u t r e t e n b e s o n derer U m s t ä n d e eintritt, o b er sich unfallartig bzw. gewaltsam verwirklicht, o b auch andere Rechtsgüter des P r o d u k t b e n u t z e r s oder D r i t t e r gefährdet wurden, o b die Gesamtsache durch ein fehlerhaftes Teil oder durch das Fehlen eines sie schützenden Teils gefährdet war 8 0 und o b der Mangel bei einem normalen L a u f der D i n g e entdeckt w o r d e n wäre 8 1 . G e g e n das Vorliegen von „Stoffgleichheit" soll namentlich sprechen, daß eine B e h e b u n g des Mangels wirtschaftlich vertretbar und ohne Beschädigung anderer Teile der Sache möglich ist 8 2 , ferner daß die Sache sich n o c h über einen längeren Zeitraum hinweg als funktionstauglich erwies. 8 3 F ü r „Stoffgleichheit" soll dagegen neben fehlender wirtschaftlich vertretbarer B e h e b b a r k e i t des Mangels streiten, daß die Gesamtsache für den bestimmungsgemäßen Einsatz von A n f a n g an dauerhaft ungeeignet ist 8 4 und daß der Mangel auch nach Schadensbeseitigung weiterbesteht. 8 5

B. Kritik an der

„Stoffgleichheits"-Rechtsprechung

D i e Begründung einer Eigentumsverletzung unter Zuhilfenahme des Kriteriums der „Stoffgleichheit" wird in der Literatur überwiegend heftig kritisiert. 8 6 BGH NJW 1983, 810 (811). BGH NJW 1983, 810 (812). 78 Vgl. zu den vom BGH und den OLG in den einzelnen Entscheidungen herangezogenen Gesichtspunkten die sehr detaillierte Übersicht bei D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 137ff. 79 BGH NJW 1983, 810 (812). 80 So die Kompressor-Entscheidung, vgl. BGH NJW 1985, 2420 (2421). 81 So die Nockenwelle-Entscheidung BGH NJW 1992, 1678 (1678f.). 82 BGH NJW 1983, 810 (812); ebenso BGH NJW 1985,2420 (Kompressor); BGH NJW 1992, 1678 (Nockenwelle); BGH NJW 2001, 1346 (1347) (Schlacke, VI. Senat). 83 BGH NJW 1992, 1678 (1679) (Nockenwelle). 84 BGH NJW 1983, 812 (Hebebühne); bestätigt durch BGH NJW 1992,1678 (Nockenwelle). 85 BGH NJW 1983, 812 (Hebebühne). 86 Gegen diese Kritik Steffen, VersR 1988, 977ff.; dem BGH grundsätzlich zustimmend auch 76 77

32

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Sofern in diesem Z u s a m m e n h a n g i m m e r wieder herauszustellen

versucht

w i r d , daß die S c h w i m m e r s c h a l t e r - E n t s c h e i d u n g eine grundlegende A b k e h r v o n der bis d a h i n p r a k t i z i e r t e n R e c h t s p r e c h u n g s l i n i e b e d e u t e t h a b e 8 7 , ist dies z u mindest ungenau. D e n n bis z u r S c h w i m m e r s c h a l t e r - E n t s c h e i d u n g w a r die W e i terfresser-Frage -

soweit ersichtlich -

w e d e r d u r c h das R e i c h s g e r i c h t

noch

durch den B G H klar formuliert, geschweige denn eingehend problematisiert w o r d e n . D a ß eine E i g e n t u m s v e r l e t z u n g dadurch eintreten kann, daß sich eine fehlerhafte Sache selbst beschädigt, w a r also bis zur S c h w i m m e r s c h a l t e r - E n t scheidung z w a r nicht bejaht, aber auch nicht grundsätzlich u n d in W i d e r s p r u c h zur späteren Weiterfresser-Rechtsprechung verneint worden.88 /. Hager, VersR 1984 805, u. Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 114ff.; Merkel, N J W 1987, 358ff.; Rauscher, JuS 1987,14ff.; Schlechtriem, J A 1983,255ff.; Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S. 61 ff.; Rettenheck, Die Rückrufpflicht in der Produkthaftung, 1994, S. 61; ferner das ehemalige Mitglied des VI. Senats Kullmann, B B 1985,413; ders., PHI 1999,16ff.; die Rechtsprechung befürwortend unter eigener Ausgestaltung des Kriteriums der „Stoffgleichheit" Nickel, VersR 1984, 318ff., u. ders., VersR 1987,32f.; Zustimmung zur BGH-Linie vor Erlaß der Gaszug-Entscheidung bei Löwe, B B 1978, 1497f.; Schlechtriem, N J W 1977, 1820; dem B G H folgt für die Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen, die im Rahmen eines Werkvertrags hergestellt wurden, Jagenburg, FS Locher, 1990,97f.; „hingenommen" wird die Rechtsprechung auch von Kniffka, ZfBR 1991, 4. 8 7 So etwa Reinicke/Tiedtke, N J W 1986, 11; Kötz/Wagner, DeliktsR., Rz.63ff.; Graf von Westphalen, M D R 1998, 805; Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S. 59; Anderle, Haftungsumfang des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 135 unter Verweis auf B G H N J W 1963, 1827 (Ortbeton); Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 I B G B , 1984, S. 113; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.24 Fußn. 62 u. 63, der als Belege ebenfalls die Ortbeton-Entscheidung sowie O L G Karlsruhe B B 1964, 740 (Gemüselaster) und O L G Köln M D R 1973, 848 (Lenksystem) nennt; auf die Ortbeton-Entscheidung sowie auf R G J W 1905,367 (Kalk) u. O L G Karlsruhe N J W 1956, 913 (Siedlungsgesellschaft) verweist auch Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 71, allerdings unter ausdrücklicher Betonung der vom B G H in der Schwimmerschalter-Entscheidung unternommenen Abgrenzungsbemühungen zu dieser früheren Rechtsprechung; dennoch nennt Katzenmeier in N J W 1997, 486 die SchwimmerschalterEntscheidung ein „Abrücken" von den früheren Judikaten; von einem „Richtungswechsel" spricht D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 178f., der zum Beleg dafür auf O L G Karlsruhe BB 1964, 740 (Gemüselaster) und O L G Köln M D R 1973, 848 (Lenksystem) verweist; er vermutet den Grund für die „Erweiterung des Rechtsschutzes", vgl. S. 184f., im Sekuritätstrieb der Wertewelt des postindustriellen Zeitalters; Brüggemeier, VersR 1983, 506 nimmt an, es seien in einem Kernbereich zivilen Haftungsrechts tradierte dogmatische Besitzstände relativ gewaltsam neu arrangiert worden, um bestimmte ökonomische Ergebnisse zu erzielen; Steinmeyer, D B 1989, 2157 Fußn. 4 verweist auf die Abweichung von R G J W 1905,367 (Kalk) u. B G H N J W 1963,1827 (Ortbeton). 88 So taugen meines Erachtens insbesondere die Entscheidungen R G J W 1905, 367 (Kalk); O L G Karlsruhe N J W 1956, 913 (Siedlungsgesellschaft), B G H N J W 1963, 1827 (Ortbeton) und O L G Karlsruhe B B 1964, 740 (Gemüselaster) nicht als Belege gegen die spätere WeiterfresserRechtsprechung; in R G J W 1905, 367 (Kalk) ging es um die Herstellung eines unbrauchbaren Gebäudes infolge Verwendung fehlerhaften Kalkes. O b sich die Substanz dieses Gebäudes nachträglich verschlechterte, behandelt die Entscheidung nicht; ebensowenig das Urteil O L G Karlsruhe N J W 1956, 913 (Siedlungsgesellschaft), wo gleichfalls Schadensersatz wegen Errichtung eines mangelhaften Gebäudes in Frage stand; in B G H N J W 1963, 1827 (Ortbeton) waren fehler-

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

33

Zutreffend ist jedoch, daß es dem B G H in den Weiterfresser-Entscheidungen nicht gelungen ist, das Vorliegen einer Eigentumsverletzung überzeugend zu begründen. Welcher Kritik sich seine „Stoffgleichheits"-These ausgesetzt sieht und inwieweit diese Kritik tatsächlich berechtigt ist, soll im folgenden dargestellt werden. Dabei werden Einwände, die allein die Frage der Konkurrenz zwischen Vertrags- und Deliktsrecht betreffen, ausgeklammert und erst im Zusammenhang mit der eigenständigen Behandlung der Konkurrenz-Problematik im dritten Teil der Arbeit behandelt. Nicht weiter einzugehen ist auch auf die beiden vom B G H in der Schwimmerschalter-Entscheidung zur Begründung einer Eigentumsverletzung herangezogenen Kriterien des krassen Mißverhältnisses zwischen Wert des fehlerhaften Einzelteils und Wert der Gesamtsache sowie der funktionellen Begrenztheit des fehlerhaften Teils. Zu Recht werden beide heute fast einhellig abgelehnt und auch vom B G H nicht mehr herangezogen. Das Wertverhältnis zwischen zerstörendem und zerstörtem Teil vermag zur Beantwortung der Frage, ob die nach Eigentumserwerb an der Sache eingetretene Substanzverschlechterung dem Hersteller als Eigentumsverletzung zuzurechnen ist, nichts beizutragen, sondern spielt nur für das Ausmaß des Schadens eine Rolle. 8 9 U n d was die funktiohafte Decken über das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß eines Neubaus eingezogen worden. Sie begründeten eine Einsturzgefahr des Gebäudes. Der B G H verneinte eine Eigentumsverletzung unter anderem auch hinsichtlich des bebauten Grundstücks, wobei er annahm, der mögliche „Sachschaden", der durch den befürchteten Einsturz der Decke verursacht werden könnte, berühre nur das Vermögen der Klägerin. Hier wird also in der Tat die Frage aufgeworfen, ob die nachträgliche Verschlechterung der Gebäudesubstanz durch Einsturz eine Verletzung des Eigentums am fehlerhaft bebauten Grundstück darstellt. Allerdings zieht der B G H - mag dies auch verwunderlich sein - als drohende Einsturzfolge offenbar gerade nicht eine gemäß der späteren Terminologie des B G H nicht-„stoffgleiche", nämlich über eine Zerstörung der von Anfang an unbrauchbaren Decken hinausreichende Verschlechterung des Gebäudes in Betracht, was deutlich darin zum Ausdruck kommt, daß er den drohenden „Sachschaden" so umschreibt, daß dieser „durch Neuherstellung der Decke beseitigt werden müßte", was doch bei einer weiterreichenden Zerstörung des Gebäudes ganz unzureichend wäre. Daß hier im übrigen auch ganz unabhängig vom Ausmaß der drohenden Selbstzerstörung des Gebäudes eine Verletzung des Eigentums am fertig bebauten Grundstück verneint werden müßte, wird weiter unten noch zu zeigen sein, vgl. dazu Kapitel 3, F. 1.1.; im Gemüselaster-Fall O L G Karlsruhe B B 1964, 740 war aufgrund eines Konstruktionsfehlers die Lenkung eines Gemüselasters ausgefallen. Das Transportgut (Gemüse) verdarb. D e r Sachverhalt enthält jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß der Laster aufgrund der fehlerhaften Lenkung eine Beschädigung erlitten hätte; abgelehnt wurde eine deliktsrechtliche Haftung auf Schadensersatz allerdings in einem Weiterfresser-Fall in B G H BauR 1 9 7 2 , 3 7 9 (Kreisförderanlage, VII. Senat): Die Ergänzung einer Kreisförderanlage um eine fehlerhafte Erweiterungsanlage hatte zu Verschleißschäden an der Ausgangsanlage geführt. D e r B G H verneinte eine Verletzung des Eigentums an der Ausgangsanlage mit der Begründung, es sei eine neue einheitliche Gesamtanlage geschaffen worden, in der die alte Anlage aufgegangen sei. Eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Endanlage, so wie sie vor Eintritt der Verschleißschäden bestand, prüfte der B G H nicht; deutlicher gegen die Möglichkeit einer Verletzung des Eigentums an einer fehlerhaften Sache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigt, O L G Köln M D R 1973, 848 (Lenksystem): Keine Haftung des Pkw-Herstellers aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B , wenn der Wagen aufgrund fehlerhaften Lenksystems einen Totalschaden erleidet.

34

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

nelle Begrenztheit des fehlerhaften Teils anbelangt, so muß bezweifelt werden, daß eine zuverlässige Abgrenzung zwischen Teilen mit und ohne selbständiger Funktion getroffen werden kann. Denn ohne jede Funktion wird kaum einmal ein Stoff oder Teil sein. Es hängt dann aber regelmäßig davon ab, wie genau man differenziert, ob sich eine Funktion als Zusatz-, Teil- oder Unterfunktion vom Haupt- bzw. Gesamtzweck der Sache isolieren läßt. Im übrigen wäre kein sachlicher Grund ersichtlich, eine Zurechnung der nachträglichen Substanzverschlechterung als Eigentumsverletzung nur wegen mangelnder selbständiger Funktion des fehlerhaften Teils zu verneinen. 90 I. Eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache kann nicht durch deren Herstellung oder Inverkehrgabe begangen werden Von vielen wird dem BGH entgegengehalten, daß die fehlerhafte Sache in den Weiterfresser-Fällen niemals mangelfrei im Eigentum des Erwerbers gestanden habe. Deshalb könne, wenn sich allein der Fehler realisiere, keine Eigentumsverletzung vorliegen. 91 Je nachdem, ob man die Eigentumsverletzung vom Verletzungserfolg her betrachtet, also rechtsgutsbezogen, oder aber mit Blick auf die Verletzungshandlung, das vorwerfbare Verhalten, kann man diese Kritik unterschiedlich interpretieren: So wird sie von manchen dahin präzisiert, daß bei Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache kein Eigentumsschutz genießendes Verletzungsobjekt beeinträchtigt werde, weil nur eine Substanzveränderung an einer fehlerhaften Sache eintrete und diese Sache niemals mangelfrei existiert habe. Es fehle deshalb

89 So zutreffend Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 11; ablehnend gegenüber diesem Kriterium auch etwa Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.227; Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S. 171 f. 90 Ablehnend auch Diederichsen, VersR 1984, 799; Rengier, JZ 1977, 347; Schubert, JR 1977, 459; Schwark, AcP 179 (1979), 80; Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S.168ff.;/. Hager, VersR 1984,805;Reinicke/Tiedtke, NJW 1986,11, u. dies., KaufR., Rz. 804 m. w. Nachw.; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 226, wendet sich lediglich dagegen, daß dem fehlerhaften Teil eine bestimmte Funktion zukommen muß; dagegen auch Steinmeyer, DB 1989,2159. Zur ebenfalls verfehlten Literaturansicht, eine Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen setze zwar keine eigenständige Funktion des fehlerhaften Teils voraus, jedoch dessen Abgrenzbarkeit von der im übrigen fehlerfreien Sache, vgl. unten unter C.II. 91 Vgl. bereits Diederichsen, VersR 1971,1094, Harrer J u r a 1984, 82 f.; Honseil,]uS 1995,215; Reinicke/Tiedtke, NJW 1986,15, u. ¿¿es., KaufR., Rz. 807; Steinmeyer, DB 1989,2158; zweifelnd auch Soergel/U. Huber, vor §459 Rz.268; ähnlich LG Karlsruhe JZ 1987, 828 (Lkw), das entgegen der Rechtsprechung des BGH bei fehlerbedingter Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen, im Streitfall eines Lkw, die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung ablehnte; ebenso das OLG Bamberg als Berufungsgericht in der Hinterreifen-Entscheidung, mitgeteilt in BGH NJW 1978, 2241 (2242).

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

a m Verletzungserfolg einer Eigentumsverletzung, an einer trächtigung.92

35

Rechtsgutsbeein-

93

A n d e r e A u t o r e n z i e l e n m i t d e r K r i t i k , e i n e E i g e n t u m s v e r l e t z u n g sei w e g e n der bereits bei E i g e n t u m s e r w e r b v o r h a n d e n e n Mangelhaftigkeit der Sache ausgeschlossen, w o h l eher auf das F e h l e n einer V e r l e t z u n g s h a n d l u n g , w o b e i dieser E i n w a n d i n s o f e r n a u f d e n e r s t g e n a n n t e n B e z u g n i m m t , als s i c h das V o r l i e g e n e i ner Verletzungshandlung selbstverständlich n u r in A b h ä n g i g k e i t v o m Verletz u n g s o b j e k t b e s t i m m e n l ä ß t . B e z w e i f e l t w i r d , d a ß in H e r s t e l l u n g u n d I n v e r k e h r g a b e d e r f e h l e r h a f t e n S a c h e e i n e d a s E i g e n t u m an d i e s e r S a c h e v e r l e t z e n d e H a n d l u n g liegen k ö n n e 9 4 . B e i d e E i n w ä n d e , deren B e r e c h t i g u n g i m f o l g e n d e n ü b e r p r ü f t w e r d e n soll, m ü n d e n in die S c h l u ß f o l g e r u n g , daß die V o r a u s s e t z u n g e n der E i g e n t u m s v e r l e t z u n g gar n i c h t vorlägen. In W a h r h e i t h a b e der B G H m i t d e m K r i t e r i u m der „ S t o f f g l e i c h h e i t " d i e T a t b e s t a n d s f r a g e d e r E i g e n t u m s v e r l e t z u n g a u f die R e c h t s folgenseite verlagert u n d letztlich v o n der Feststellung eines S c h a d e n s auf die Eigentumsverletzung geschlossen.95

92 So Reinicke/Tiedtke, KaufR., Rz. 811: „[...] auch eine Sache, die den Keim der Zerstörung von vornherein in sich trägt, ist im Verhältnis des Endabnehmers kein Objekt, das nach §823 Abs. 1 B G B geschützt wird." Ähnlich bereits Reinicke/Tiedtke, N J W 1986, 15; Erman/Schiemann, § 823 Rz. 124; in diesem Sinne wohl auch Schubert, J R 1977, 459, der es allerdings in J R 1979, 202 als zweifelhaft bezeichnet, ob es in den Weiterfresser-Fällen bereits am Tatbestand einer Eigentumsverletzung fehlt. 93 Dagegen verneint Weitnauer, ArztR 1978, 38, 42 zwar nicht die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung. Er leugnet aber, daß dem Eigentümer der mangelhaften Sache ein Schaden entstehen könne, weil der Wert der mangelhaften Sache von Anfang an Null betrage; zurückhaltender aber ders., FS zur 600-Jahr-Feier der Universität Heidelberg, 1986, 279 ff. 9 4 Vgl. Schmidt-Salzer, B B 1979, 8f., der diese Zweifel auf den Punkt bringt: „Das Problem stellt sich vielmehr in dem Sinn, ob ein Hersteller im gleichen Moment eine neue Sache herstellen und diese neue Sache beschädigen kann"; vgl. auch bereits Stoll, FS Nipperdey, 1965, S. 753 Fußn. 48; Plum, AcP 181 (1981), 126f.; Keihel, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 I B G B , 1984, S. 101; Steinmeyer, D B 1989, 2158; wohl auch Rengier, J Z 1977, 347; Walter, KaufR., § 9 IV 4 a; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.30, zurückhaltender die Vorauflage, anders auch noch ders., VersR 1989, 455, wo der Autor die Problematik der Verletzungshandlung übersieht und deshalb der Bejahung einer Eigentumsverletzung durch den B G H zuneigt; Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 142f.; Klingmüller, K F 1964, 28; Kraft, JuS 1980, 411 nimmt dagegen zum Hinterreifen-Fall, vgl. B G H N J W 1978, 2241, an, die Ubereignung der mangelhaften Sache komme nicht als Verletzungshandlung in Betracht, weil sie in Erfüllung eines kaufvertraglichen Anspruches erfolge und der Vertragsschuldner zur Erfüllung rechtlich verpflichtet sei. Das kann schon im Hinblick darauf nicht überzeugen, daß der Verkäufer seine Kaufvertragspflicht selbstverständlich durch Übereignung einer mangelfreien Sache erfüllen könnte. 95 So Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 145 unter Verweis auf Stoll, J Z 1983, 502, der anmerkt, das Abstellen des B G H auf die anfängliche Wertlosigkeit der Sache sei eine rein rechnerische Betrachtungsweise, die allein bei der Schadensbemessung angezeigt sei; ähnlich D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 184ff., 188, der kritisiert, daß die Frage einer Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B immer weiter in den Hintergrund ge-

36

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

1. Die fehlerhafte Sache ist taugliches Objekt Eigentumsverletzung, ihre Selbstbeschädigung Verletzungserfolg

Sache

einer möglicher

O b e n 9 6 wurde ausführlich dargelegt, daß eine Eigentumsverletzung die Präexistenz des Verletzungsobjekts voraussetzt. Unterstellt man, daß dem Eigentümer nicht bereits das Material gehörte, aus dem die fehlerhafte Sache gefertigt wurde, so steht damit fest, daß bei deren Selbstbeschädigung allein eine Eigentumsverletzung in Betracht kommt hinsichtlich der fehlerhaft entstandenen und so zu Eigentum erworbenen Sache. Fraglich sein kann also lediglich, ob die Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache als Verletzungserfolg hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache auszuscheiden hat, weil niemals Eigentum an einer fehlerfreien Sache bestand. Hier ist jedoch der Fehlvorstellung zu begegnen, es bedürfe, wie zuweilen behauptet wird, einer „Unversehrtheit" des Verletzungsobjekts. 9 7 Selbstverständlich genügt Versehrbarkeit. Das Eigentum erfaßt nicht nur intakte Sachen, sondern besteht an Sachen beliebiger Beschaffenheit. Das Gesetz knüpft den Sachschutz nicht an weitere Voraussetzungen wie etwa das Erreichen einer bestimmten Sachqualität oder eines Mindestwertes. Es genügt vielmehr das bloße Vorhandensein einer Sachsubstanz, die (weiter) beeinträchtigt werden kann. Diese Voraussetzung ist aber praktisch immer gegeben, wenn eine Sache nicht nur in der Vorstellung - etwa der Vertragsparteien - existiert, sondern tatsächlich vorhanden ist. Denn auch die Substanz eines noch so mangelhaften Gegenstandes kann (weiter) verändert werden. Wenn etwa jemand die Windschutzscheibe eines P k w einschlägt, so käme wohl kaum jemand auf die Idee, nur wegen dessen Motorschaden eine Eigentumsverletzung zu verneinen. Wenn aber die fehlerhafte Sache noch Gegenstand weiterer Beeinträchtigungen sein kann, dann ist nicht begründbar, warum die Sache nur vor Verletzungen von Seiten Dritter, nicht aber gegenüber dem Hersteller geschützt sein soll. 9 8 Auch die fehlerhafte Sache scheidet also als Verletzungsobjekt, das durch den Hersteller beschädigt worden sein könnte, nicht aus. 99

treten sei und der deshalb von einer „Verlagerung der Diskussion von der Tatbestandsebene auf die Ebene der Schadensberechnung" spricht. 9 6 Vgl. Kapitel 1. 9 7 Der Begriff der „Unversehrtheit" ist deshalb mißverständlich und wird tatsächlich auch mißverstanden, vgl. nur Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 81 ff., 83, u. N J W 1997, 486ff., 489, der daraus folgert, die Abgrenzbarkeit des schadhaften Einzelteils sei in den Weiterfresser-Fällen unabdingbare Voraussetzung dafür, daß der Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B als erfüllt angesehen werden könne; siehe dazu noch unten unter C.II. 9 8 So aber Reinicke/Tiedtke, N J W 1986, 15, u. dies., KaufR., Rz. 811. 9 9 So zu Recht bereits Engels, D B 1977,618f.; Schlechtriem, J A 1983,256; Steffen, VersR 1988, 978; Foerste, VersR 1989,455; Ganter, JuS 1984,593; Löwe, BB 1978,1496 ferner]. Hager, VersR 1984, 805; MünchKomm./Mertens, §823 Rz. 106.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

37

Dies muß auch dann gelten, wenn ein bereits schadhaftes Einzelteil sich schwer oder gar nicht abgrenzen läßt. 100 Wenn jemand beispielsweise mit einem schlecht lackierten fremden Auto schuldhaft einen Unfall verursacht, dann kann die Eigentumsverletzung nicht davon abhängen, ob der Lack hätte entfernt werden können oder nicht. Schließlich kommt selbst dann, wenn die Sache von Anfang an völlig wertlos ist, etwa bei nur unter unwirtschaftlichem Aufwand möglichem Austausch des fehlerhaften Teils, eine weitere Beeinträchtigung ihrer Substanz in Betracht. Auch dann scheidet sie als Verletzungsobjekt im Sinne des §823 Abs. 1 BGB nicht aus. 10 ' Vom Eigentumsschutz werden nicht nur wertvolle Sachen erfaßt. Allerdings mag es dann an einer Werteinbuße fehlen. 102 Im übrigen läßt sich aber nicht einmal sagen, die von dem Mangel ergriffene Sache sei stets von Anfang an wertlos 103 oder ihre Benutzbarkeit zwischen Erwerb und Beschädigung sei schadensrechtlich gesehen nicht mehr als ein „Geschenk auf Zeit". 104 Zu Recht macht Löwe105 geltend, daß bei Gleichsetzung der Mangelhaftigkeit einer Sache mit ihrer Wertlosigkeit gewährleistungsrechtlich niemals Minderung in Frage kommen dürfte und daß ein Bereicherungsschuldner, der den Untergang einer solchen Sache zu vertreten hätte, keinen Wertersatz zu leisten bräuchte. 106 Auch daß, wie manche behaupten 107 , ein begrenzter Mangel, solange er nicht erkannt worden sei, den Wert der Sache nicht nur um den möglicherweise geringfügigen Betrag, den seine Behebung koste, sondern nach Maßgabe des Zerstörungsrisikos mindere, überzeugt nicht. Der Wert einer Sache muß objektiv bestimmt werden. Dabei spielt es zweifellos eine Rolle, ob ein eventueller Fehler nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik erkennbar ist und welchen Aufwand seine Entdeckung erfordert. Nicht aber ist die Kenntnis des Eigentümers von dem Mangel entscheidend. Andernfalls müß100 So zu Recht Harrer, Jura 1984, 85; Rauscher, JuS 1987, 15f.; Ganter, JuS 1984, 594; Schmidt-Salzer, BB 1983, 539; Nickel, P r o d u z e n t e n h a f t u n g beim Verkauf mangelhafter H a l b f a brikate, 1986, S.90f., 104; a.A. Katzenmeier, N J W 1997, 489, u. ders., Vertragliche und deliktische H a f t u n g , 1994, S.225f.; vgl. dazu auch u n t e n C.II. 101 A.A. Reinicke/Tiedtke, N J W 1986, 15, u. dies., KaufR., Rz. 811; Rauscher, JuS 1987, S. 18. 102 Ähnlich Schmidt-Salzer, BB 1979, 9; ihm folgend Lang, Z u r H a f t u n g des Warenlieferanten, 1981, S. 164; siehe dazu auch Kullmann, BB 1985, 413 u n d Stoll, J Z 1983, 502. 103 Vgl. zu dieser These Weitnauers bereits F u ß n . 93. 104 So Schmidt-Salzer, BB 1983, 536. 105 Vgl. BB 1978, 1496. 106 Diese A b l e h n u n g der These von der Wertlosigkeit der fehlerhaften Sache entspricht ganz herschender Meinung, vgl. Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 I B G B , 1984, S. 53; Lang, Z u r H a f t u n g des Warenlieferanten, 1981, S. 163 f.; Schlechtriem, J A 1983,256; Schmidt-Salzer, BB 1979, 9, u. ders., BB 1983, 539; Reinicke/Tiedtke, N J W 1986,14, u. dies., KaufR., Rz. 807 f e r n e r J . Hager, VersR 1984, 805; Rauscher, JuS 1987,18; Steffen, VersR 1988, 978; Katzenmeier, Vertragliche u n d deliktische H a f t u n g , 1994, S. 86 u. S. 107f., sowie ders., N J W 1997,487; auch der B G H w a n d t e sich bereits in der Hinterreifen-Entscheidung, vgl. B G H N J W 1978, 2241 (2242) gegen die A n n a h m e , ein Mangel mache die gesamte Sache wertlos. 107 So MünchKommJMertens, §823 Rz. 106; ähnlich Tiedtke, Z I P 1992, 1448.

38

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

te man auch bei einer dem Eigentümer unbekannten Bedrohung fehlerfreier Sachen stets eine Wertsenkung auf den Restwert annehmen, wie er voraussichtlich nach Verwirklichung der drohenden Gefahr gegeben sein wird. Niemand würde aber wohl so weit gehen wollen, den Wert eines riskant überholenden Fahrzeugs so lange mit dem Schrottwert zu beziffern, wie der Fahrer die Möglichkeit zum Einscheren (noch) nicht nutzt, weil ihm die drohende Gefahr (noch) verborgen bleibt. In den Fällen der Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache fehlt es nach all dem nicht an einem tauglichen Verletzungsobjekt. Und dieses Objekt, die fehlerhafte Sache, erleidet auch eine beeinträchtigende Veränderung. Durch die sachinterne Fehlerausbreitung wird die Substanz der fehlerhaften Sache im herkömmlichen Sinne beschädigt oder gar zerstört. Damit unterscheiden sich die Weiterfresser-Fälle klar von denjenigen Fällen, in denen eine Sache lediglich anders zur Entstehung gelangt ist, als dies den Vorstellungen des (späteren) Eigentümers entspricht, ohne daß sie sich später selbst beschädigt oder zerstört. In diesen Fällen erfährt die entstandene Sache keine Beeinträchtigung, so daß es bereits am Verletzungserfolg einer Eigentumsverletzung fehlt. Es besteht deshalb kein Widerspruch zwischen einerseits der vom B G H bejahten Möglichkeit einer Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen und andererseits der ständigen und billigenswerten Rechtsprechung 108 , wonach in der bloßen Schaffung einer fehlerhaften Sache keine Verletzung des Eigentums an dieser fehlerhaften Sache liegt. Wie bereits ausgeführt109 wird der Verletzungserfolg in den Weiterfresser-Fällen auch von der Rechtsprechung nicht in der fehlerhaften Beschaffenheit der entstandenen Sache gesehen, sondern in deren nachträglicher, einen nicht-„Stoffgleichen" Schaden verursachenden Substanzverschlechterung. Die Eigentumsverletzung ist folglich auch nach der Rechtsprechung gerade nicht bereits damit vollendet, daß die Sache fehlerhaft zur Entstehung gelangt. Der Verletzungserfolg betrifft vielmehr die fehlerhafte Sache, so wie sie tatsächlich bestanden hat und Gegenstand des Eigentumsrechts war, also ein präexistierendes Objekt. 1 1 0 108

Vgl. die Nachweise in Fußn. 42.

Vgl. die Nachweise in Fußn. 44 u. 45. In Fällen der Herstellung einer fehlerhaften Sache, die sich nicht anschließend selbst verschlechtert, stellt der B G H zuweilen fest, daß mit der Herstellung der fehlerhaften Sache nur ein „stoffgleicher Schaden" verursacht worden sei, vgl. B G H Z I P 1992, 485 (488) (Kondensatoren, V I I I . Senat), w o die „Stoffgleichheits"-Formel bemüht wird, um zu begründen, daß in der Schaffung funktionsuntüchtiger Regler unter Verwendung fehlerhafter Kondensatoren keine Eigentumsverletzung hinsichtlich dieser Regler vorliegt; ferner B G H N J W 1998, 1942 (Transistoren, V I . Senat): Keine Verletzung des Eigentums an Steuergeräten durch deren Herstellung unter Verwendung fehlerhafter Transistoren: „Hinsichtlich der Steuergeräte ist [...] der bei der Kl. eingetretene Schaden mit der im Mangel verkörperten Entwertung dieser Geräte ,stoffgleich'." Darin liegt zwar das berechtigte Bemühen, die Weiterfresser-Fälle, die sich durch eine nachträgliche Substanzverschlechterung auszeichnen, von den Fällen der bloßen Herstellung einer fehlerhaften Sache abzugrenzen. D a ß eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache in den Wei109

110

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

2. Herstellung oder Inverkehrbringen als Verletzungshandlung aus

und

39

Literatur

der fehlerhaften Sache scheidet

Ist also nicht ausgeschlossen, daß in einer nach Eigentumserwerb eingetretenen Substanzveränderung trotz bereits zuvor gegebener Fehlerhaftigkeit der Sache ein das Eigentum beeinträchtigender Verletzungserfolg liegt und wird dem B G H deshalb zu Unrecht vorgeworfen, es fehle in den Weiterfresser-Fällen an einem tauglichen Verletzungsobjekt, so ist als nächstes die Frage zu klären, ob dem B G H widersprochen werden muß, wenn er annimmt, das dem Hersteller vorwerfbare Verhalten, also die Verletzungshandlung, liege in der Herstellung bzw. dem Inverkehrbringen der fehlerhaften Sache.

a) Notwendige Voraussetzungen des Eigentumserwerbs nicht das erworbene Eigentum

verletzen

Die deliktsrechtliche Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB knüpft an ein menschliches Verhalten an. Es werden nicht Erfolge an sich zugerechnet, sondern allein auf einem vorwerfbaren Handeln oder Unterlassen beruhende Rechtsgutsverletzungen. Auch für den Bereich der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung gilt nichts anderes 111 , mag auch die mit der üblichen Unterteilung in Konstruktions-, Fabrikations- sowie Instruktionsfehler verbundene Betonung des Produktfehlers dies zuweilen vergessen machen. Dementsprechend muß auch in den Weiterfresser-Fällen die Annahme einer Eigentumsverletzung ausscheiden, wenn die nach Eigentumserwerb eintretende Selbstbeschädigung der Sache dem Hersteller nicht zurechenbar ist, weil sie nicht als das Ergebnis eines ihm vorwerfbaren Verhaltens - Tun oder Unterlassen - erscheint. Die Kritiker des B G H haben meines Erachtens Recht, wenn sie bezweifeln, daß in der Herstellung oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache gleichzeitig die Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache gesehen werden kann. Es handelt sich bei diesen Zweifeln, wie nun gezeigt werden soll, keineswegs nur um „formale Argumente". 1 1 2 terfresser-Fällen möglicherweise in Betracht kommt, in den Fällen einer bloß fehlerhaften H e r stellung dagegen von vornherein ausgeschlossen ist, kann jedoch klarer und präziser damit begründet werden, daß die Verletzung von Eigentum die Präexistenz des Verletzungsobjekts voraussetzt: Die fehlerhafte Sache kann von einem Verletzungserfolg erst ab dem Zeitpunkt betroffen werden, in dem sie entstanden und zu Eigentum erworben w o r d e n ist. 111 Dies w i r d in der Lehre zu Recht auch betont, vgl. etwa Pfeifer, Produktfehler oder Fehlverhalten des Produzenten, 1987, S. 74f., ferner Brüggemeier, W M 1982, 1302; Meyer, Instruktionshaftung, 1992, S. 19f.; den „verhaltensorientierten A n s a t z " der deutschen Produkthaftungsrechtsprechung unterstreicht auch Änderte, H a f t u n g s u m f a n g des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 155. 112 So sber Schlechtriem, Gutachten 1981, 1665, u. ders.,]K 1983, 256.

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

40

Sache

N i m m t der P r o d u z e n t davon Abstand, die fehlerhafte Sache herzustellen oder in V e r k e h r zu bringen, so kann ein D r i t t e r kein E i g e n t u m an der fehlerhaften Sache erwerben. Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache sind also notwendige

Bedingungen

eines Eigentumserwerbs an der fehlerhaften Sa-

che. Wenn aber ein Verhalten conditio

sine qua non dafür ist, daß die Sache in ei-

ner bestimmten Beschaffenheit entsteht und zu E i g e n t u m e r w o r b e n wird, dann kann nicht der Schutz der Sache in der entsprechenden Beschaffenheit es erfordern, genau dieses Verhalten mit einer Sanktion zu belegen. Wenn das E i g e n t u m die E x i s t e n z der Sache voraussetzt und deshalb Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache notwendige Bedingungen dafür sind, daß E i g e n t u m an der fehlerhaften Sache e r w o r b e n werden kann, was wiederum Voraussetzung dafür ist, daß die fehlerhafte Sache als O b j e k t einer Eigentumsverletzung in B e tracht k o m m t , dann kann nicht z u m Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache verlangt werden, Herstellung oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache zu unterlassen. E i n e solche Verhaltensanweisung wäre paradox. Sie würde sich an den Hersteller mit dem V e r b o t der Herstellung bzw. Inverkehrgabe wenden, o b w o h l dann, w e n n der Hersteller dieser Anweisung n a c h k o m m e n würde, die fehlerhafte Sache, die als O b j e k t einer Eigentumsverletzung in Frage steht, gar nie entstanden wäre und damit auch gar nie Gegenstand eines Eigentumsrechts hätte werden k ö n n e n . Z u m vermeintlichen Schutz des künftigen E r w e r b e r e i gentums an der fehlerhaften Sache würde v o m Hersteller gerade verlangt, für deren N i c h t e n t s t e h u n g zu sorgen. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, dem Hersteller werde in Wirklichkeit gar nicht vorgeworfen, die Sache überhaupt in Verkehr gebracht zu haben. Vielmehr liege die Verkehrspflichtverletzung allein darin, daß er sie mit einem Fehler behaftet in Verkehr gebracht habe. D a s Eigentum erfaßt, wie bereits ausgeführt, i m m e r nur reale Sachen in ihrer k o n k r e t e n Gestalt. D i e b l o ß e Vorstellung, der Plan, wie eine Sache nach dem Willen ihres künftigen Eigentümers möglichst aussehen soll, gehören dagegen nicht z u m Eigentum. H y p o t h e tische Sachen werden nicht nach § 823 A b s . 1 B G B geschützt. E s kann deshalb nicht argumentiert werden, die Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache sei gar keine notwendige Voraussetzung dafür, daß die k o n k r e t e Sache O b j e k t einer E i gentumsverletzung sein k ö n n e , weil der Hersteller diese ja auch als fehlerfreie hätte in Verkehr bringen k ö n n e n , mit der Folge, daß dann ebenfalls an der k o n kreten Sache, nur eben als fehlerfreier Sache, Eigentum erworben w o r d e n wäre. Wirft man dem Hersteller vor, daß er die k o n k r e t e Sache nicht anders geschaffen hat, als sie tatsächlich zur Entstehung gelangte 1 1 3 , so übersieht man, daß für den 1 1 3 In diesem Sinne argumentierte der V I . Senat in der Spezialschmierfett-Entscheidung, vgl. B G H N J W 1 9 9 6 , 2 2 2 4 (2225): Ein Schiff war mit einem energiesparenden „Grim'schen Leitrad" ausgestattet, das auf einer Seefahrt verloren ging, weil seine Lager mit einem Schmierfett befüllt waren, das bei niedrigen Temperaturen keine ausreichende Schmierfähigkeit mehr aufwies. D e r B G H bejahte eine durch die Produzentin des Schmierfettes begangene Eigentumsverletzung:

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

41

Eigentumsschutz, der sich nun einmal nur auf eine tatsächlich vorhandene Sache in ihrer konkreten Beschaffenheit erstreckt, die Hypothese der konkreten Sache als fehlerfreie irrelevant ist, wenn die Sache tatsächlich niemals fehlerfrei existierte und im Eigentum des Anspruchstellers stand. Als Objekt einer Eigentumsverletzung kommt dann, wenn der Sacherwerber niemals Eigentümer einer fehlerfreien Sache war, allein die fehlerhafte Sache in Betracht, und damit sind eben die vorherige Entstehung der fehlerhaften Sache in ihrer konkreten Gestalt samt Erwerb des Eigentums an genau dieser Sache zwingende Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung. Daran kann die Vorstellung eines fiktiven Verletzungsobjekts „fehlerfreie Sache" nichts ändern. Zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache kann die Verwirklichung der Hypothese „fehlerfreie Sache" nicht gefordert sein. Denn dies hätte die Entstehung des Verletzungsobjekts „fehlerhafte Sache", dessen Schutz in Frage steht, gerade verhindert. Die Fehlerhaftigkeit darf also nicht einfach hinweggedacht werden, der Erwerb der realen Sache nicht durch die Hypothese des Erwerbs einer intakten Sache ersetzt werden. Es bleibt vielmehr dabei: Daß die fehlerhafte Sache Objekt einer Eigentumsverletzung werden konnte, ist nicht denkbar ohne deren vorherige Herstellung und Inverkehrgabe. Diese Handlungen können dem Hersteller deshalb nicht als Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache vorgeworfen werden. Die Einsicht, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache keine Verletzung an dieser Sache sein können, wird ferner nicht durch den zutreffenden Hinweis erschüttert, die Ursache einer Sachbeschädigung könne auch vor der Entstehung einer Sache gelegt werden. 114 Denn daß ein bestimmtes Verhalten zu einem Zeitpunkt erfolgte, in dem eine später davon betroffene Sache noch gar nicht existierte, macht dieses Verhalten keineswegs zur notwendigen Bedingung der Entstehung dieser Sache. Herstellung oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache müssen aber nicht deshalb als Verletzungshandlung hinsichtlich dieser Sache ausscheiden, weil sie ihrer Entstehung vorausgehen, sondern weil sie ihre Entstehung bedingen.

Das Eigentum der Schiffseignerin an der Leitradeinheit sei jedenfalls dadurch verletzt worden, daß die Herstellerin des Leitrades durch den Einsatz des Schmierfettes davon abgehalten worden sei, die Lager des Leitrades mit einem anderen, wirksameren Schmierfett zu befüllen. Dabei verkennt der B G H , daß die Schiffseignerin zu keinem Zeitpunkt Eigentum an einer mit einem anderen, wirksamen Schmierfett befüllten Leitradeinheit erlangt hatte. Er wirft also letztlich der Schmierfett-Produzentin ihren Kausalbeitrag dazu vor, daß das Leitrad nicht als ein anderes, nämlich mit tauglichem Schmierfett befülltes, hergestellt wurde. 1 , 4 Vgl. etwa Nickel, VersR 1984, 319; Rauscher, JuS 1987, S. 16; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.84.

42

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

b) Werden Teile der Sache beschädigt, an denen Eigentum möglich ist, gilt nichts anderes

Sache

selbständiges

N u n k ö n n t e man sich allerdings fragen, o b nicht etwas anderes gelten muß, w e n n das fehlerhafte Teil keinen wesentlichen Bestandteil der Sache nach §§ 9 3 f . B G B darstellt, so daß am fehlerhaften Teil einerseits und an der Restsache andererseits jeweils selbständiges E i g e n t u m begründet werden könnte, oder wenn der Fehler zwar einem wesentlichen Bestandteil der Sache anhaftet, von der sachinternen Fehlerausbreitung j e d o c h auch Teile der Sache betroffen sind, die selbst keine wesentlichen Bestandteile der Sache geworden sind, und an denen deshalb selbständiges E i g e n t u m begründet werden könnte. N i m m t man etwa an, daß eine Sache nicht nur aus zwei wesentlichen Bestandteilen A und B besteht, von denen A fehlerhaft ist, sondern daneben auch aus dem unwesentlichen Bestandteil C , so k ö n n t e man sich auf den Standpunkt stellen wollen, in Herstellung und Inverkehrgabe der Gesamtsache mit dem fehlerhaften Teil A liege eine Verletzungshandlung hinsichtlich des Eigentums am Teil C , weil sich aus dem E i g e n t u m an der Gesamtsache gedanklich selbständiges E i g e n t u m am Teil C herauslösen lasse und es keineswegs notwendige Voraussetzung für einen E i g e n t u m s e r w e r b am Teil C gewesen sei, daß die Gesamtsache mit einem fehlerhaften Teil A ausgestattet wurde. Tatsächlich wurde v o n Ebeln5

die A n s i c h t vertreten, eine Eigentumsverlet-

zung k ö n n e bei Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache dann vorliegen, wenn der fehlerhafte Teil, der die Substanzverschlechterung der Gesamtsache bedingte, unwesentlicher Bestandteil dieser Gesamtsache gewesen sei. N u r w e n n die beschädigte Restsache im Verhältnis zur Fehlerquelle Gegenstand selbständigen Eigentums hätte sein können, soll danach eine Verletzung des E i gentums an der Restsache möglich sein. D i e A n s i c h t Ebels

ist in der Literatur auf allgemeine A b l e h n u n g gestoßen.

Dagegen wurde vor allem eingewendet, Sinn und Z w e c k der A b g r e n z u n g zwischen wesentlichen und unwesentlichen Bestandteilen liege allein darin, eine unwirtschaftliche Zerschlagung einheitlicher Sachen aus rechtlichen G r ü n d e n zu verhindern. Deshalb dürfe diese A b g r e n z u n g nicht darüber entscheiden, o b eine deliktsrechtlich erhebliche Eigentumsverletzung vorliege oder nicht. 1 1 6 Vgl. Ebel, NJW 1978, 2494f. Ablehnend Graf von Westphalen, NJW 1979, 838; Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S. 175; Brüggemeier, VersR 1983, 505; Harrer, Jura 1984, 84; Nickel, VersR 1984, 319; Kullmann, BB 1985, 414; Mayer, BB 1984, 572; Rauscher, JuS 1987, 17; Steinmeyer, DB 1989, 2160; D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 176; Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 89f.; vgl. auch Keihel, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 Abs. 1 BGB, 1984, S.66ff., der Ebels Vorschlag zwar als „auf dogmatischer Grundlage als konstruktiv möglich" bezeichnet, ihn jedoch für „rechtspolitisch ungeeignet" hält, weil sich die Einordnung der Fehlerquelle als wesentlicher Bestandteil im Laufe der Zeit ändern könne und es dann Schwierigkeiten bereite, den maßgeblichen Zeitpunkt zu ermitteln. 115

116

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

43

Dieser Kritik ist insofern zuzustimmen, als es für die Frage, ob der Produzent durch Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache das Eigentum an der Sache verletzt hat, tatsächlich nicht darauf ankommt, ob der Fehler zunächst auf einen unwesentlichen Bestandteil beschränkt war oder nicht. Der Grund dafür liegt aber schon darin, daß auch bei einem unwesentlichen Bestandteil als Fehlerquelle Herstellung und Inverkehrgabe als notwendige Bedingungen eines Eigentumserwerbs an der fehlerhaften Sache als Verletzungshandlungen hinsichtlich der fehlerhaften Sache einschließlich ihrer unwesentlichen Bestandteile ausscheiden müssen: Selbst wenn man einmal zur besseren Veranschaulichung der aufgeworfenen Frage unterstellt, in dem genannten Beispiel sei an Teil C selbständiges Eigentum begründet worden, etwa weil der Erwerber der Gesamtsache dieses wertvolle Teil einem Dritten zur Sicherheit übereignet hat, so ändert dies doch nichts daran, daß Teil C zu diesem Zeitpunkt nicht als selbständige, unverbundene Sache isoliert existierte. Weil sich das Eigentum als Recht an einer Sache nur auf reale Sachen erstrecken kann, so wie sie wirklich entstanden sind, ist die tatsächliche Beschaffenheit von Teil C für den Inhalt des Eigentums am Teil C maßgeblich. Teil C ist nun aber so beschaffen, daß es in die fehlerhafte Restsache integriert ist. 117 Teil C steht nicht selbständig neben der Restsache, sondern es bilden die Sachsubstanzen sämtlicher Teile der Gesamtsache eine physische Einheit. Das Eigentum des Dritten an Teil C hatte stets nur einen Sachbestandteil der fehlerhaften Gesamtsache zum Gegenstand, niemals eine davon unabhängig bestehende Sache. Dabei werden isoliert nebeneinander stehende Sachen einerseits und integrierte einfache Bestandteile andererseits nicht nur sachenrechtlich unterschieden. Vielmehr wird mit dieser Differenzierung die Verkehrsanschauung nachvollzogen. 118 Mit der Unterscheidung in selbständige Sachen und Sachbestandteile wird dem Umstand Rechnung getragen, daß ein Teil erst wieder als selbständige Sache wahrgenommen wird, wenn es aus der Gesamtsache herausgelöst wird. Und dies bedarf stets eines gewissen, mehr oder weniger großen Aufwandes. Wer etwa eine Schraube, einen Reifen oder einen Fensterrahmen zu Eigentum erwerben möchte, dem wird es regelmäßig nicht gleichgültig sein, ob er eine isoliert bestehende Sache erhält oder ob er den gewünschten Gegenstand erst aus einer Gesamteinheit herauslösen muß. Daß dieser Aufwand im Einzelfall - etwa bei einer Schublade, die zu einem Tisch gehört - sehr gering sein kann, ist zuzugeben. Dies ändert aber nichts daran, daß es für die Sachbeschaffenheit und damit auch für das an der Sache bestehende Eigentum von Be117 Darauf, daß der Erwerber einer Sache nicht Bestandteile, sondern die Gesamtsache erwirbt, weisen zutreffend hin Reinicke/Tiedtke, N J W 1986, 12; ähnlich Steinmeyer, D B 1989, 2159; Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 176. 118 O b eine Sache sachenrechtlich als Bestandteil einer anderen Sache anzusehen ist, bestimmt sich denn auch in erster Linie nach der Verkehrsanschauung, vgl. statt aller MünchKommJ Holch, §93 Rz.2ff.

44

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

deutung ist, ob sie selbständig existiert oder ob sie in eine andere Sache integriert ist. Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Gesamtsache sind nun aber sehr wohl notwendige Bedingungen dafür, daß Eigentum erworben werden kann an einem Teil als unwesentlichem Bestandteil der fehlerhaften Gesamtsache. Dafür, daß Teil C die konkrete Gestalt eines mit der fehlerhaften Restsache verbundenen Bestandteils annehmen konnte, dafür also, daß eine Eigentumsposition an Teil C als eines in die fehlerhafte Restsache integrierten einfachen Bestandteils erworben worden konnte, war genauso wie hinsichtlich der wesentlichen Bestandteile der Gesamtsache notwendige Voraussetzung, daß neben Teil C auch die Restsache hergestellt und in Verkehr gebracht wurde. Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Gesamtsache müssen deshalb selbst dann als Verletzungshandlung einer Eigentumsverletzung ausscheiden, wenn von der sachinternen Fehlerausbreitung Teile der Sache betroffen sind, an denen im Verhältnis zur Fehlerquelle selbständiges Eigentum begründet werden könnte.

c) Die unzutreffende Parallele zu Fällen, in denen eine des Eigentums am Material in Betracht kommt

Verletzung

Wie bereits oben ausgeführt 119 , werden in Literatur und Rechtsprechung Fälle, in denen der Anspruchsteller erst die fehlerhafte Sache erworben hat und deshalb nur eine Verletzung des Eigentums an dieser fehlerhaften Sache in Betracht kommt, nicht selten gleichgestellt mit den vermeintlich parallel gelagerten Fällen einer nachträglichen Verbindung fehlerhafter Zutaten mit bereits im Eigentum des Anspruchstellers stehenden intakten Materialien 120 , in denen eine Verletzung (auch) des Eigentums am Material in Betracht kommt. Ohne hier die - dem zweiten Teil vorbehaltenen - Voraussetzungen der Verletzung des Eigentums am Material vorwegnehmen zu wollen, sei doch auf folgendes hingewiesen: Mit der Feststellung, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache das Eigentum an dieser Sache nicht verletzen können, ist eine deutliche Grenzlinie gezogen zu den Voraussetzungen der Verletzung des Eigentums am Material, aus dem die fehlerhafte Sache gefertigt wurde. Denn hinsichtlich der Materialien stellen Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Endsache keine notwendigen Bedingungen der Entstehung und des Eigentumserwerbs dar. Wo Materialeigentum bereits erworben worden war, beVgl. oben vor Teil 1, unter C. Es sei hier nochmals daran erinnert, daß der Begriff des „Materials" hier in einem weiten Sinne gebraucht wird und zum Ausdruck bringen soll, daß Sachen Gegenstand eines wie auch immer gearteten Be- oder Verarbeitungsvorgangs werden; auch die Maschine, bei der einige Schrauben ausgewechselt werden sollen, ist also „Material" im hier verstandenen Sinne, vgl. bereits oben vor Teil 1, unter B. 119 120

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und Literatur

45

vor die fehlerhafte Sache zur Entstehung gelangte, da w a r die Fertigung der fehlerhaften Sache ersichtlich keine conditio sine qua non für den E r w e r b des Eigentums am Material. Für eine Verletzung des Eigentums am Material müssen also Herstellung u n d Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache oder einer fehlerhaften Zutat nicht von vornherein als Verletzungshandlungen im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B ausscheiden. Es erscheint vielmehr durchaus denkbar, daß derjenige, der etwa in ein fremdes A u t o eine fehlerhafte Bremse einbaut, w a s anschließend zu einem Unfall führt, das Eigentum am A u t o , so w i e es vor dem Einbau bestand, verletzte. Lediglich das Eigentum am bereits in fehlerhaftem Zustand erworbenen, nämlich mit einer fehlerhaften Bremse ausgestatteten A u t o kann nicht durch den Einbau der fehlerhaften Bremse verletzt w o r d e n sein, eben weil der Eigentumserwerb den Einbau zur n o t w e n d i g e n Voraussetzung hatte. Schon in Bezug auf die mögliche Verletzungshandlung verbietet sich also eine Gleichsetzung der Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache, die erst in fehlerhaftem Zustand e r w o r b e n w u r d e , mit d e m Fall, daß bereits Materialien des A n spruchstellers fehlerhaft verarbeitet w u r d e n . d)

Ergebnis

Der gegen die Rechtsprechung erhobene Einwand, es fehle in den Weiterfresser-Fällen an einer Eigentumsverletzung, weil sich nur ein bereits bei Eigentumserwerb vorhandener Mangel realisiere, ist unberechtigt, soweit damit gesagt w e r d e n soll, die fehlerhafte Sache könne nicht Gegenstand (weiterer) Beeinträchtigung sein, weil sie bereits von A n f a n g an mangelhaft sei. Er ist dagegen berechtigt, soweit dem B G H v o r g e w o r f e n w e r d e n soll, in der Herstellung bzw. dem Inverkehrbringen als conditio sine qua non des Eigentumserwerbs an der fehlerhaften Sache k ö n n e keine das Eigentum an dieser Sache verletzende H a n d l u n g liegen. Denn die fehlerhafte Sache genießt z w a r i m Gegensatz z u m Sachverschaffungsanspruch oder gar einer bloßen Aussicht des Käufers auf Erw e r b einer fehlerfreien Sache Eigentumsschutz. Das Eigentum an ihr kann aber nicht durch ein Verhalten verletzt w o r d e n sein, d e m die Sache und damit auch das auf sie bezogene Eigentumsrecht erst ihre Existenz verdanken. Wichtig erscheint es mir an dieser Stelle noch, ein mögliches Mißverständnis auszuräumen. A u s den Bedenken gegen die A n n a h m e , der Hersteller verletze durch Herstellung oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache das Eigentum an dieser Sache, darf selbstverständlich nicht gefolgert werden, daß Herstellung u n d Inverkehrgabe einer fehlerhaften Sache schlechthin keine Verletzung eines durch § 823 Abs. 1 B G B geschützten Rechts(gutes) darstellen könnten. Als Verletzungshandlung scheiden sie nur hinsichtlich des Eigentums an der fehlerhaften Sache selbst aus. Werden dagegen andere Rechtsgüter bedroht, sonstiges Eigentum etwa oder Leben u n d Gesundheit des Erwerbers oder Dritter, so mag der Vorwurf, der Hersteller hätte die fehlerhafte Sache mit Rücksicht auf diese

46

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Rechtsgüter nicht in Verkehr bringen dürfen, - je nach den U m s t ä n d e n - sehr w o h l berechtigt sein. D e n n für den E r w e r b sonstiger Rechtsgüter ist die H e r stellung bzw. Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache eben nicht zwingende Voraussetzung, so daß es nicht paradox ist, v o m Hersteller zu verlangen, z u m Schutz dieser sonstigen Rechtsgüter auf die Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache zu verzichten.

II. Die Rechtsprechung kann nicht erklären, warum der nicht-,,stoffgleiche" Schaden Voraussetzung der Eigentumsverletzung sein soll D i e Rechtsprechung wurde soeben kritisiert, weil sie in Herstellung bzw. I n verkehrgabe der fehlerhaften Sache die maßgebliche Verletzungshandlung sieht, o b w o h l dieses Verhalten conditio

sine qua

non des Eigentumserwerbs an der

fehlerhaften Sache ist. D e r B G H m u ß sich also den V o r w u r f gefallen lassen, o h ne Feststellung eines als Verletzungshandlung in Betracht k o m m e n d e n vorwerfbaren Verhaltens und damit letztlich v o m b l o ß e n nicht-„stoffgleichen" Schaden auf die Eigentumsverletzung zu schließen. Kritik ist aber auch in umgekehrter R i c h t u n g angebracht. Wenn der B G H in den Weiterfresser-Fällen die Eigentumsverletzung an die Voraussetzung der Schadensentstehung knüpft, dann ist damit gleichzeitig gesagt, daß bei „Stoffgleichheit" eine Eigentumsverletzung ausscheiden muß. D e r B G H macht den nicht-„stoffgleichen" Schaden also nicht nur zur hinreichenden, sondern auch zur notwendigen Bedingung einer Eigentumsverletzung. D a r a n wurde zu R e c h t kritisiert, daß die Frage der Integritätsverletzung v o n der Schadensentstehung andererseits zu trennen sei und - wie bereits ausgeführt - auch die Integrität einer von Anfang an wertlosen Sache verletzbar im Sinne des § 823 A b s . 1 B G B sei. 121 W e r beispielsweise unvorsichtig auf ein altes und wegen der Verschrottungskosten wertloses A u t o auffährt, begeht zweifellos eine E i g e n t u m s verletzung, mag auch keine Wertminderung des Wagens eingetreten sein. B e deutsam ist das für den E r s a t z eines etwaigen Vermögensfolgeschadens, im genannten Beispiel etwa des Nutzungsausfallschadens, der nur über das „Nadelö h r " der Verletzung eines absoluten R e c h t s ersetzt werden kann. 1 2 2 W e n n die Rechtsprechung annimmt, der Hersteller begehe bereits durch Herstellung bzw. Inverkehrbringen der fehlerhaften Sache eine unerlaubte Handlung, dann m ü ß t e sie eigentlich der Ansicht sein, daß jede Integritätsveränderung der fehlerhaften Sache, mag diese nun bei Eigentumserwerb bereits wertlos gewesen sein oder nicht, einen das E i g e n t u m beeinträchtigenden Verletzungserfolg darstellt. Sie hätte im G r u n d e in jedem Weiterfresser-Fall eine E i 121 122

Vgl. Stoll, JZ 1983, 502; Schmidt-Salzer, BB 1979, S.9. Vgl. Stoll, JZ 1983, 502; Schmidt-Salzer, BB 1979, S.9.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

47

gentumsverletzung zu bejahen. Denn warum soll gerade in den WeiterfresserFällen der Eintritt einer Eigentumsverletzung vom Entstehen eines nicht„stoffgleichen" Schadens abhängen? Warum soll der Hersteller hier anders zu behandeln sein als ein Dritter, der die Integrität der Sache verändert, ohne sie zu entwerten? Die Rechtsprechung beantwortet diese Frage nicht. 123 Daß es unstimmig ist, bei weiterfressenden Mängeln einen nicht-„stoffgleichen" Schaden zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung zu machen, während es darauf bei sonstigen Sachbeschädigungen nicht ankommen soll, wurde im Baustromverteiler-Fall 124 deutlich: Unsorgfältig montierte Leitungstrenner und lockere Anschlüsse hatten einen Kurzschluß in einem Baustromverteiler verursacht, was zur Überflutung einer Baustelle mit der Folge einer sechswöchigen Bauunterbrechung führte. Mangels Schäden „an Geräteteilen, die vorher einwandfrei waren", verneinte der VI. Senat in seinem Nichtannahme-Beschluß eine Eigentumsverletzung. Dagegen hat Foerste125 zutreffend eingewendet, daß das Gericht bei Verursachung des Kurzschlusses durch einen außenstehenden Dritten sicherlich nicht gezögert hätte, eine Eigentumsverletzung zu bejahen, bedeutet es doch durchaus eine Substanzbeeinträchtigung des Baustromverteilers im herkömmlichen Sinne, wenn sich „eine schlecht angelötete starre Drahtbrücke durch Zurückfedern vom Kontakt löst" 126 . Dabei soll hier gar nicht bestritten werden, daß der B G H Recht hat, wenn er sich weigert, in sämtlichen Weiterfresser-Fällen eine Eigentumsverletzung anzuerkennen. Gezeigt werden soll vielmehr nur: Aus der unzutreffenden Annahme, die Verletzungshandlung liege bereits in der Herstellung oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache, obwohl ein solches Verhalten erstens das Eigentum an der fehlerhaften Sache gar nicht verletzen kann und zweitens in allen Weiterfresser-Fällen vorliegt, ergibt sich für den B G H die Notwendigkeit einer Eingrenzung der Haftungsvoraussetzung „Eigentumsverletzung", die sich auf dem eingeschlagenen Weg nicht widerspruchsfrei bewältigen läßt.

123 Sie wird auch nicht, wie Rauscher, JuS 1987, 18 meint, dadurch beantwortet, daß der B G H die Frage der Schadensentstehung in Verbindung setzt zur Frage eines anfänglichen Mangelunwerts. Denn ob die Wertlosigkeit einer Sache einem vertraglichen Versprechen widerspricht oder nicht, ist ohne jede Bedeutung für die Frage, ob ihre körperliche Integrität verletzbar ist oder nicht. 124 Siehe B G H VersR 1990, 1283. 125 Vgl. Foerste, VersR 1991, 966 Fußn. 3, u. ders., N J W 1992, 28 Fußn. 5. 126 Vgl. die Beschreibung des Falles bei Foerste, N J W 1992, 28.

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

48

Sache

III. Die Rechtsprechung kann nicht erklären, warum die Behebbarkeit des Fehlers maßgeblich sein soll für die Eigentumsverletzung D a ß die fehlende B e s t i m m u n g einer tauglichen Verletzungshandlung F o l g e p r o b l e m e mit sich bringt, wird auch an den Schwierigkeiten der R e c h t s p r e chung deutlich, die Frage der B e h e b b a r k e i t des Fehlers bzw. der Vermeidbarkeit einer späteren Substanzveränderung stimmig in die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 2 3 A b s . 1 B G B zu integrieren: Z u r Erinnerung: F ü r das Vorliegen einer Eigentumsverletzung soll nach A n sicht des B G H sprechen, daß eine B e h e b u n g des Mangels wirtschaftlich vertretbar und o h n e Beschädigung anderer Teile der Sache möglich ist. 1 2 7 U.

Huber128

bezeichnet dies zu R e c h t als „paradox". W e n n die Verletzungshandlung bereits in der Herstellung oder Inverkehrgabe liegen soll, w a r u m kann es dann für die Bejahung eines ersatzfähigen Schadens darauf a n k o m m e n , o b sich die spätere Zerstörung durch Reparatur hätte abwenden lassen? Diese Frage läßt sich auch nicht mit der Überlegung beantworten, über die B e h e b b a r k e i t des Mangels bestimme der B G H in Wirklichkeit und ganz in U b e r e i n s t i m m u n g mit der „ S t o f f g l e i c h h e i t s " - F o r m e l , o b das Weiterfressen des Fehlers zu einer Wertminderung der Sache geführt habe. D e n n dies wäre nur zutreffend, w e n n bei einem irreparablen Mangel der Anfangswert der Sache N u l l betragen würde mit der F o l g e , daß die später eintretende Substanzveränderung zu keiner E n t w e r t u n g der Sache führen könnte. M a g j e d o c h eine irreparable Sache auch in vielen Fällen wertlos sein, etwa dann, wenn ihre B e n u t z u n g auch für andere Rechtsgüter gefährlich ist und deshalb von j e d e m vernünftigen Eigentümer unterlassen würde, so ist dies d o c h keineswegs zwingend. M a n stelle sich beispielsweise vor, im H e b e b ü h n e n - F a l l 1 2 9 hätte der irreparable K o n s t r u k t i o n s fehler der K f z - H e b e b ü h n e darin bestanden, daß sie nur eine verminderte Tragfähigkeit aufgewiesen hätte, so daß sie für bestimmte große und schwere F a h r zeuge ungeeignet gewesen wäre. E s ist durchaus denkbar, daß eine solche H e b e bühne mit nur verminderter Tragfähigkeit dennoch einen beträchtlichen M a r k t wert aufweisen würde, etwa weil genügend K f z - W e r k s t ä t t e n existierten, die auf Wagentypen spezialisiert wären, für die eine stabilere B ü h n e gar nicht benötigt Vgl. die Nachw. in Fußn. 82. Vgl. Soergel/U. Huber, vor § 459 Rz. 268; dies kritisieren ferner Harrer, Jura 1984, 85; Reinicke/Tiedtke, NJW 1986,13; Foerste, VersR 1989, 456; Schmidt-Salzer, BB 1983, 539; vgl. auch Stall,}Z 1983,502, der zu Recht darauf hinweist, daß lediglich zuzugeben sei, daß der durch Zerstörung der Sache unmittelbare Schaden „Null" betrage, wenn die Sache wegen eines Gesamtfehlers wertlos sei; Tiedtke, ZIP 1992, 1448 stört sich daran, daß der BGH für die Vermeidbarkeit des Schadenseintritts in der Nockenwelle-Entscheidung, vgl. NJW 1992,1678, nicht auf den normalen Lauf der Dinge abstellt, sondern darauf, ob der Mangel bei gezielter Suche hätte aufgespürt werden können. 129 Siehe BGH NJW 1983, 812. 127 128

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

49

w ü r d e . Von der mangelnden Behebbarkeit eines Fehlers, der bei bestimmer Ben u t z u n g zu einer Beschädigung der fehlerhaften Sache führt, darf also nicht ohne weiteres auf deren Wertlosigkeit geschlossen w e r d e n . Davon abgesehen ist aber auch gar nicht einzusehen, w a r u m etwa in dem Hebebühnen-Beispiel bei Zerstörung der vermindert tragfähigen H e b e b ü h n e eine Eigentumsverletzung verneint w e r d e n sollte, nur weil es ausgeschlossen war, durch Reparatur eine höhere Belastbarkeit zu erzielen. N u n könnte man allerdings auf die Idee k o m m e n , den B G H ein wenig zu korrigieren u n d statt auf die Behebbarkeit des Fehlers darauf abzustellen, ob die nach Eigentumserwerb eingetretene Substanzveränderung der Sache nur überhaupt mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand vermeidbar war. Im soeben gebildeten Beispiel einer nur mit einer geringeren Tragfähigkeit ausgestatteten H e bebühne w ä r e dies zu bejahen, da eine schonendere u n d damit Zerstörungsvermeidende N u t z u n g der H e b e b ü h n e durchaus wirtschaftlich gewesen wäre. A u c h eine solche Korrektur der B G H - R e c h s p r e c h u n g könnte jedoch nicht erklären, w a r u m die Vermeidbarkeit der nachträglichen Substanzveränderung Voraussetzung des nicht-„stoffgleichen" Schadens sein sollte. D a ß die Zerstörung bei einem wirtschaftlichen U m g a n g mit der Sache unvermeidbar war, heißt nicht z w a n g s l ä u f i g , daß die Sache im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs wertlos w a r oder nur noch einen ihrer tatsächlich verbleibenden N u t z u n g s d a u e r entsprechenden Wert hatte. 1 3 0 So sind etwa Fälle denkbar, in denen die Sache durch den Fehler mit einer Verschlechterungswahrscheinlichkeit belastet ist, die unter Berücksichtigung der drohenden Schadenssumme und der Reparaturkosten eine Reparatur unwirtschaftlich erscheinen läßt. Ist etwa eine Maschine in fehlerhaftem Zustand 95 statt 100 wert, weil ein - sonstige Rechtsgüter nicht gefährdendes - geringes Selbstzerstörungsrisiko von 5 % besteht u n d erscheint eine Reparatur unwirtschaftlich, weil mit Kosten von 40 verbunden, dann erleidet der Eigentümer einen Schaden von 95, w e n n sich das geringe Risiko w i d e r Erwarten doch realisiert und die Sache bei Ausbleiben der Fehlerausbreitung nach wie vor einen Wert von 95 hätte. M a n kann hier auch nicht einfach sagen, die nachträgliche Zerstörung habe eben gezeigt, daß das Verschlechterungsrisiko beim Eigentumserwerb tatsächlich höher w a r als veranschlagt 1 3 1 . Vielmehr w i r d der Fall häufig so liegen, daß auch der Eintritt des Schadensfalles keine Korrektur der anfänglichen Wertbestimmung der Sache rechtfertigt. Dies vor allem dann, w e n n das Sachverschlechterungsrisiko von äußeren Faktoren mitbestimmt w u r d e , Faktoren also, die jenseits der Sachbeschaffenheit liegen und etwa bei einer Verschiebung von

130 Das erkennt zutreffend Merkel, NJW 1987, 359, wenn er sagt, daß der „Verkäuflichkeitswert" der Sache vor der Zerstörung nicht durch die Tatsache, sondern nur durch das Risiko der Zerstörung geschmälert wird. 131 So aber Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz. 31.

50

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Zeit oder Ort des Einsatzes der Sache keine zerstörerische Wirkung hätten entfalten können. 132 Der B G H vermag keine Erklärung dafür zu liefern, warum es in solchen Fällen auf die Unvermeidbarkeit der Fehlerausbreitung ankommen soll, obwohl das Weiterfressen des Fehlers genau auf dem Verhalten beruht, das der B G H dem Hersteller als Verletzungshandlung vorwirft und obwohl es zu einem echten, ersichtlich nicht mit dem anfänglichen Mangelunwert identischen Schaden geführt hat. Hinsichtlich dieser Fälle ist die zuweilen geäußerte Kritik, es gebe Sachverhalts-Konstellationen, in denen eigentlich keine „Stoffgleichheit" vorliege, die aber dennoch nicht den Tatbestand einer Eigentumsverletzung erfüllen dürften, weil die Anwendung des Deliktsrechts nicht geboten sei, nur allzu berechtigt. 133 Weil nach der Rechtsprechung dunkel bleibt, warum eine Eigentumsverletzung nur bei Vermeidbarkeit der Sachverschlechterung zu bejahen sein soll, kann es auch keine nachvollziehbaren Kriterien dafür geben, von welchem Maßstab für diese Vermeidbarkeit ausgegangen werden muß. Vom gewöhnlichen Verlauf der Dinge, von einem fiktiven aufmerksamen oder gar optimalen Beobachter? Der B G H hat sich in der Nockenwelle-Entscheidung 134 dafür entschieden, daß es nicht auf die subjektive Erkennbarkeit des Eigentümers ankomme, sondern darauf, ob von objektiv technischer Warte aus der Mangel und sei es auch erst bei gezielter Suche - hätte aufgespürt werden können. Wie überhaupt für die Vermeidbarkeit, so gibt es jedoch auch für diesen Präzisierungsversuch keine wirkliche Anbindung an das Erfordernis einer „Stoffgleichheit" zwischen Mangelunwert und geltend gemachtem Schaden.

IV. Die „Stoffgleichheits"-Formel taugt nicht zur Schadensberechnung Es ergibt sich bereits aus dem bisher Gesagten, daß die „Stoffgleichheits"Formel ungeeignet ist zur Klärung der Frage, ob hinsichtlich des Eigentums an fehlerhaften Sachen, die sich selbst beschädigen, eine Eigentumsverletzung eingetreten ist. Selbst wenn man jedoch einmal davon absieht, daß der B G H in den Weiterfresser-Fällen die Entstehung eines nicht-„stoffgleichen" Schadens irrtümlich zur hinreichenden und notwendigen Bedingung einer Eigentumsverletzung macht, und wenn man sich einmal ausschließlich der Frage zuwendet, wie die Rechtsprechung den zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung erhobe132 Ein Beispiel: Einer mangelhaft geschützten Anlage droht Zerstörung durch Eindringen von Insekten, die jedoch in der betreffenden Gegend selten sind und sich üblicherweise nicht nähern. 133 So D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 186, der bedauerlicherweise die Fälle, die er im Auge hat, nicht nennt; ähnlich Münch Komm./Mertens, §823 B G B Rz. 108. 134 Vgl. N J W 1992, 1678 (1678f.).

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

51

nen, durch das Weiterfressen des Fehlers verursachten Schaden ermittelt, so muß auch diese Betrachtung der „Stoffgleichheits"-Formel zu ihrer Ablehnung führen. D e m B G H w i r d v o n vielen v o r g e w o r f e n , das „Stoffgleichheits"-Kriterium sei zu unpräzise, um eine praktikable Abgrenzung zu erlauben zwischen deliktsrechtlich erheblichen und deliktsrechtlich unerheblichen WeiterfresserFällen 1 3 5 . Die „natürliche bzw. wirtschaftliche Betrachtungsweise" 1 3 6 stelle eine Leerformel dar 1 3 7 , so daß der Ausgang v o n Gerichtsentscheidungen nur noch schwer prognostizierbar sei. Im übrigen deute die Vielzahl wechselnder Kriterien auf Unsicherheit hin. 1 3 8 Die Kritik greift allerdings zu kurz, w e n n sie sich auf die Unbestimmtheit der „Stoffgleichheits"-Formel und die mangelnde Prognostizierbarkeit der durch sie erzielbaren Ergebnisse konzentriert. Z w a r soll gar nicht bestritten werden, daß die ,,natürliche[n] bzw. wirtschaftliche[n] Betrachtungsweise" die nötige Präzision vermissen läßt und letztlich beliebige A n t w o r t e n auf die Frage ermöglicht, ob im Einzelfall „Stoffgleichheit" vorliegt oder nicht. Für wesentlich gravierender halte ich es jedoch, daß der B G H unter dem Etikett der „Stoffgleichheit" einen ungeeigneten Berechnungsansatz verfolgt, w e n n er ermittelt, inwieweit die Beschaffenheit der realen Sache, so wie der 135 In diesem Sinne Stoll, JZ 1983,502; Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 175ff., 182, die behauptet, in den Weiterfresser-Fällen seien die Erfolgsaussichten einer auf § 823 Abs. 1 BGB gestützten Schadensersatzklage nicht voraussehbar; Deutsch, JZ 1984,311, der dem BGH vorwirft, dem Praktiker würden Steine statt Brot gegeben; Steinmeyer, DB 1989, 2159 kritisiert die fehlende Trennschärfe des Kriteriums; Erman/Schiemann, §823 Rz. 124; MünchKommJMertens, §823 Rz. 106; Esser/Weyers, SchuldR. IUI §6 III 2; D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 199ff.; Medicus, BürgR. Rz.650b; Littbarski, FS Korbion, 1986, S.273, geht gar so weit zu behaupten, es sei der „Damm zu einer reinen Wertungsjurisprudenz gebrochen"; Kellam/Wesch, PHI1996,194, halten die Stoffgleicheit für „weder interessengerecht noch praktikabel"; zurückhaltender Schubert, JR1983,327; Schlechtriem,]A 1983,258 befürchtet hinsichtlich werkvertragsrechtlicher Fälle, daß die wertende Abgrenzung des BGH den Ausgang eines konkreten Rechtsstreits schwer berechenbar machen könne. „Abgrenzungsunsicherheit" wird ferner geltend gemacht vom LG Karlsruhe, JZ 1987, 828 (829) (Lkw), das auch den erheblichen Mehraufwand kritisiert, der künftig auf die Gerichte in Weiterfresser-Fällen zukomme; „große Abgrenzungsschwierigkeiten" wurden bereits nach Erlaß der Schwimmerschalter-Entscheidung befürchtet von Emmerich, JuS 1977, 472; Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 12f. sind der Ansicht, die Erwägungen des BGH zur Bestimmung der Stoffgleichheit führten nicht weiter. Gleichwohl soll das Kriterium nicht an der „praktischen Verwertbarkeit" scheitern, wobei im Widerspruch dazu dann aber behauptet wird, der BGH hätte ebenso sagen können, er lasse offen, wie verbleibende Abgrenzungsschwierigkeiten zu lösen seien; für „praktikabel" hält das Kriterium auch G. Hager, BB 1987,1749; ebenso Kullmann, BB 1985,414; ferner Graf von Westphalen, NJW 1990, 84, während ders., Jura 1983, 67 noch einräumt, daß verläßliche Abgrenzungskriterien bislang nicht entwickelt worden seien. 136 Siehe BGH NJW 1983, 810 (812) (Gaszug). 137 Stoll,JZ 1983,502; Katzenmeier, NJW 1997,487; ähnlich Foerste, VersR 1989, S. 455; gegen den Vorwurf der Leerformel Kullmann, PHI 1999, 17. 138 So etwa Weick, Haftung für Schäden durch Produkte und Produktionsprozesse, 1987, S. 99.

52

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Käufer sie erworben hat, hinter der vertraglich geschuldeten Soll-Beschaffenheit zurückbleibt und diese A b w e i c h u n g mit dem v o m Kläger geltend gemachten Schaden vergleicht. D i e allein unter Zuhilfenahme des Kaufvertrags feststellbare D i f f e r e n z zwischen Ist- und Soll-Beschaffenheit ist für die E i n b u ß e , die durch die Verschlechterung der Sache nach Eigentumserwerb eingetreten ist, genauso irrelevant wie der geltend gemachte Schaden als v o m Kläger beliebig bezifferbare Klageforderung. A u c h wenn man also einmal davon absieht, daß der B G H in den Weiterfresser-Fällen den Schaden zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung macht, so ist die „ S t o f f g l e i c h h e i t s " - F o r m e l d e n n o c h zu verwerfen, weil sie, wie sogleich näher ausgeführt werden soll, nicht einmal geeignet ist zur B e r e c h n u n g des Schadens, den der E i g e n t ü m e r einer von Anfang an fehlerhaften Sache durch die nachträgliche Fehlerausbreitung erleidet. 1 3 9

1. Die Ersatzfähigkeit des anfänglichen ist mit dem BGH abzulehnen

Mangelunwerts

Wenn der B G H es unter dem Schlagwort der „Stoffgleichheit" für entscheidend hält, o b sich „der geltend gemachte Schaden" mit dem Mangelunwert deckt, welcher der Sache schon bei ihrem E r w e r b anhaftete 1 4 0 , dann ist dies lediglich insoweit nachvollziehbar, als entscheidend für das Vorliegen einer nach dem E i g e n t u m s e r w e r b durch den Käufer eingetretenen Eigentumsbeinträchtigung nicht

die bereits bei E i g e n t u m s e r w e r b vorhandene A b w e i c h u n g der Ist-

Beschaffenheit der Sache von der vertraglichen Soll-Beschaffenheit sein kann, und zwar auch dann nicht, wenn es nur dieses Z u r ü c k b l e i b e n der Sache hinter dem vertraglichen Versprechen ist, das der Kläger als Schaden geltend macht. D i e bereits bei Eigentumserwerb gegebene A b w e i c h u n g der Ist- von der vertraglichen Soll-Beschaffenheit ist keinesfalls ersatzfähiger Schaden, schon weil sie der Eigentumsverletzung vorausgeht und folglich nicht auf dieser beruhen kann. Dies gilt auch dann, wenn man wie der B G H - zu U n r e c h t - annimmt, Verletzungshandlung sei die Herstellung bzw. Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache. B e i einer solchen Betrachtung ist zwar die VcActzungsbandlung

kausal für den

Mangelunwert, weil bei Herstellung einer fehlerfreien Sache die nachträgliche sachinterne Fehlerausbreitung ausgeblieben wäre. Dies ändert j e d o c h nichts daran, daß der Mangelunwert als zum Zeitpunkt des Sacherwerbs gegebene D i f ferenz zwischen dem tatsächlichen Wert der Sache und ihrem vertraglichen Sollw e r t eine E i n b u ß e darstellt, die der E r w e r b e r der fehlerhaften Sache vor Eintritt

Vgl. zur korrekten Berechnung dieses Schadens ausführlich unten Kapitel 4, B . Vgl. die Gaszug-Entscheidung, B G H N J W 1983, 810 (811); ähnlich bereits die Schwimmerschalter-Entscheidung, B G H VersR 1977, 358 (360), wo gefragt wurde, ob sich der Mangel mit dem geltend gemachten Schaden deckt. 139

140

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

53

des Verletzungserfolgs, der nachträglichen durch das Weiterfressen des Fehlers bedingten Substanzveränderung erleidet, und die deshalb unmöglich durch diesen Verletzung erfolg verursacht sein kann. Einbußen aber, die zwar auf der Verletzungs handlung, nicht hingegen auf dem Verletzung erfolg beruhen, stellen keine nach § 8 2 3 A b s . l B G B ersatzfähigen Schäden dar. Denn daß bestimmte Handlungen verboten sind und eine Haftung aus dieser N o r m nach sich ziehen, dient nur dem Zwecke, einen Schutz der dort genannten Rechte und Rechtsgüter zu gewährleisten. Damit verträgt es sich nicht, Ersatz zu gewähren für Einbußen, die unabhängig vom Verletzungserfolg, vom Schicksal des jeweiligen Rechts(gutes), eingetreten sind. Das Zivilrecht kennt keine der Versuchshaftung im Strafrecht vergleichbare Haftung für die bloße Verletzungshandlung.

2. Der Vergleich zwischen geltend gemachtem und anfänglichem Mangelunwert ist verfehlt

Schaden

So richtig es also ist, daß der B G H den Mangelunwert nicht aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B ersetzen möchte, sowenig verständlich ist es, daß das Gericht zur Klärung der Frage, ob der Erwerber der fehlerhaften Sache durch das Weiterfressen des Fehlers einen Schaden erlitten hat, entsprechend § 4 7 2 B G B (a.F.) den allein unter Zuhilfenahme des Vertrages bestimmbaren Mangelunwert berechnet 1 4 1 und anschließend diesen Mangelunwert mit dem „geltend gemachten Schaden" vergleicht 142 : O b hinter der Klageforderung ein aus einer Eigentumsverletzung resultierender Schaden steckt, ein in der Terminologie des B G H verletztes „Integritätsinteresse" 1 4 3 , läßt sich doch nur feststellen, indem man die Lage nach Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache vergleicht mit der Situation, wie sie bestehen würde, wenn das Weiterfressen des Fehlers ausgeblieben wäre. Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn der Verdacht besteht, daß mit der Klageforderung eine deliktsrechtlich nicht interessierende Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit geltend gemacht wird. Für die Frage, ob und in welchem Umfang die Sache eine nach § 8 2 3 Abs. 1 B G B erhebliche Beschädigung erfahren hat, kann deren vertraglich geschuldete fiktive Beschaffenheit genauso wenig eine Rolle spielen wie die geforderte Klagesumme 1 4 4 , hinter der sich alle 141 So ausdrücklich die Kompressor-Entscheidung B G H N J W 1985, 2420, (2420f.), wo eine Berechnung des Mangelunwerts entsprechend §472 B G B (a.F.) erfolgt. 142 Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.44 merkt an, es sei nicht einsichtig, warum bei einer Orientierung der Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung an §472 B G B (a.E) nicht der dort maßgebliche Zeitpunkt des Gefahrenübergangs entscheidend sein soll. Diese Kritik verkennt meines Erachtens jedoch, daß eine Berücksichtigung vertragsrechtlicher Maßstäbe bei der Bestimmung einer Eigentumsverletzung überhaupt verfehlt ist. 143 Vgl. dazu Fußn. 71. 144 Bemerkenswerterweise stellt der B G H nicht durchgängig auf einen Vergleich zwischen „geltend gemachtem" Schaden und anfänglichem Mangelunwert ab. Zwar gebraucht er in den Entscheidungen B G H VersR 1977, 358 (360) (Schwimmerschalter); B G H N J W 1978, 2241

54

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

möglichen berechtigten und unberechtigten Schadensposten verbergen k ö n nen. Deutlich wird dies ohne weiteres, wenn man sich vorstellt, man würde den Inhalt des Vertrages und damit die vertraglich geschuldete Qualität gar nicht kennen. Auch dann läßt sich der durch die nachträgliche Substanzveränderung der Sache eingetretene Schaden berechnen, sofern man nur weiß, wie der G e schädigte dastehen würde, wenn der Verletzungserfolg, die nachträgliche, durch das Weiterfressen des Fehlers bedingte Substanzveränderung, ausgeblieben wäre. Allerdings liegt der hypothetische Wert der fehlerhaften Sache in dem Zustand, in dem diese sich bei Hinwegdenken der sachinternen Fehlerausbreitung nach wie vor im Vermögen des Geschädigten befände, meist nicht offen zu Tage. U m beziffern zu können, wie der Geschädigte ohne das Weiterfressen des Fehlers dastünde, muß man den hypothetischen Sachwert vielmehr erst einmal bestimmen. Weil regelmäßig ein Markt für fehlerhafte Sachen fehlt, mag es sich in vielen Fällen anbieten, vom Marktpreis einer fehlerfreien Sache auszugehen und den Fehler durch einen angemessenen, etwa an den Reparaturkosten orientierten Abschlag zu berücksichtigen. Würde der B G H bei der Ermittlung der hypothetischen Vermögenslage des Geschädigten auf den Wert einer vergleichbaren fehlerfreien Sache rekurrieren, so wäre dies also durchaus nachvollziehbar. Unverständlich bleibt jedoch, warum die Grundsätze der kaufrechtlichen Minderung einschlägig sein sollen. Denn weder kann die verkehrsübliche Beschaffenheit mit dem vertraglich geschuldeten Sollzustand gleichgesetzt werden, noch braucht der Marktpreis einer fehlerfreien Sache sich mit dem individuellen Kaufpreis zu decken. D a ß der anfängliche vertragliche Mangelunwert kein Maßstab ist für die Berechnung des nachträglich durch die sachinterne Fehlerausbreitung verursachten Schadens, gilt sowohl in den Fällen, in denen die Selbstbeschädigung zu einer Entwertung der Sache führt, wie auch dann, wenn eine Wertminderung ausbleibt. Zur Illustration ein Beispiel: Man stelle sich vor, der Erwerber hätte eine irreparabel fehlerhafte Maschine erworben, die im einen Fall den Materialwert 5 (2242) (Hinterreifen); B G H N J W 1983, 810 (811) (Gaszug); B G H N J W 1983, 812 (813) (Hebebühne); B G H N J W 1985,2420 (2420) (Kompressor), u. B G H N J W 2 0 0 1 , 1 3 4 6 (1347) (Schlacke) entsprechende Formulierungen. Nach einer anderen in der Kompressor-Entscheidung verwendeten Umschreibung soll hingegen entscheidend sein, „ob sich der Schaden mit dem Unwert deckt, welcher dem Kompressor wegen seiner Mangelhaftigkeit von Anfang an anhaftete" und in der Nockenwelle-Entscheidung, vgl. B G H N J W 1992,1678, ist vom „geltend gemachten" Schaden überhaupt nicht mehr die Rede, sondern nur noch vom „Schaden" oder vom „später eingetretenen Schaden". Indes rücken auch diese abweichenden Formulierungen die „Stoffgleichheits"-Formel nicht in ein milderes Licht: Was der B G H mit dem „Schaden" meint - den geltend gemachten Schaden, den anfänglichen Mangelunwert zuzüglich Endschaden im Sinne des durch die nachträgliche Substanzveränderung der anfänglich fehlerhaften Sache eingetretenen Schadens oder nur diesen Endschaden - , bleibt unklar und ein „später eingetretener Schaden" kann, gerade weil er im Gegensatz zum schon anfänglich bestehenden Mangelunwert später eintritt, niemals „stoffgleich" mit diesem sein.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

55

hat, während sie im anderen Fall wegen der teuren Entsorgung einzelner B e standteile nicht einmal Materialwert besitzt. N a c h Inbetriebnahme gerät die Maschine aufgrund des Fehlers in Brand und wird völlig zerstört. Will man hier feststellen, ob und ggf. welcher Schaden durch die Sachverschlechterung nach Eigentumserwerb eingetreten ist, so bedarf es keinerlei Rückgriffes auf die vertragliche Soll-Beschaffenheit der Sache. Wäre also in dem genannten Beispiel jeweils davon auszugehen, daß der Erwerber der fehlerhaften Maschine dann, wenn ein Weiterfressen des Fehlers ausgeblieben wäre, nach wie vor Eigentümer einer Maschine mit dem Wert 5 bzw. Null wäre, so wäre ein Schaden von 5 zu bejahen bzw. - im zweiten Fall - ein Schaden zu verneinen. O b dagegen der Kläger, der irrtümlich davon ausging, er könne die beim Erwerb bestehende A b weichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit aus § 823 Abs. 1 B G B ersetzt verlangen, diese Abweichung zutreffend berechnet hat, hier etwa statt eines wirklichen Mangelunwerts von 95 bzw. 100, einen unrichtigen Wert von 1 2 0 , 2 0 0 oder einen beliebigen anderen Betrag angibt, vermag die Schadensberechnung nicht zu beeinflussen. Fordert der Kläger tatsächlich zu viel, weil er auch den Mangelunwert in die Klageforderung einstellt, dann wird das ohne weiteres ersichtlich, wenn man den tatsächlich durch das Weiterfressen des Fehlers eingetretenen Schaden korrekt berechnet und mit der begehrten Summe vergleicht. Zu fragen, ob der Kläger den ihm aus Deliktsrecht gar nicht zustehenden Mangelunwert wenigstens zutreffend berechnet hat, ist überflüssig. Eine Addition des durch die Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache tatsächlich eingetretenen Schadens zum vertragsrechtlich zu bestimmenden anfänglichen Mangelunwert kann allein dem wenig sinnvollen Zweck dienen, diesen Mangelunwert als nach § 823 Abs. 1 B G B nicht ersatzfähigen Schaden sogleich wieder von der errechneten Summe abzuziehen. 1 4 5 Wie der B G H dazu kommt, bei der Feststellung einer Eigentumsverletzung den geltend gemachten Schaden mit dem anfänglichen Mangelunwert zu vergleichen, darüber kann nur spekuliert werden. Zum Rückgriff auf das Vertragssoll haben möglicherweise die Schwierigkeiten beigetragen, den hypothetischen Wert zu beziffern, den die fehlerhafte Sache bei Hinwegdenken der Fehlerausbreitung noch immer aufweisen würde. Was ferner das Ausgehen vom „geltend gemachten" 1 4 6 Schaden anbelangt, so lag dieses in den entschiedenen Fällen vielleicht deshalb nahe, weil der Kläger nach Eindruck des Gerichts nur tatsächlich erlittene Vermögenseinbußen geltend machte. Man mag deshalb übersehen haben, daß sich hinter der Klagesumme in anderen Fällen durchaus unberechtigte Forderungen verbergen können und daß in den Weiterfresser-Fällen zu keinem 145 Dies ist auch Steffen, VersR 1988, 979, entgegenzuhalten, wenn er erklärt, der B G H suche die wirtschaftlichen Niederschläge des schon beim Erwerb enttäuschten Käuferinteresses als „stoffgleich" mit dem schon anfänglichen Mangelunwert herauszufiltern. 146 Siehe B G H N J W 1983, 810 (811) (Gaszug); B G H N J W 1983, 812 (813) (Hebebühne), B G H N J W 1985, 2420 (2421) (Kompressor).

56

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Zeitpunkt ein einheitlicher Gesamtschaden manifest wird, der in ersatzfähige und nicht ersatzfähige Teile zerlegt werden müßte, sondern sich vielmehr ein „Herausfiltern" 147 des nicht aus §823 Abs.l BGB ersatzfähigen vertraglichen Mangelunwerts erübrigt, wenn man ihn erst gar nicht zu dem allein interessierenden Schaden hinzurechnet, der durch die nachträgliche Ausbreitung des Fehlers entsteht.

3. Auch die Interpretationen der in der Literatur helfen nicht weiter

„Stoffgleichheits"-Formel

Es ist nicht verwunderlich, daß eine Bestimmung der Eigentumsverletzung, die sich an der - beliebiger Disposition des Klägers unterliegenden - Klagesumme orientiert und zur Berechnung des kaufvertraglichen Minderwertes auffordert, obwohl dieser Minderwert für den erst nach Erwerb der minderwertigen Sache eintretenden Schaden gerade keine Rolle spielt, auf Anwendungsschwierigkeiten stößt und Mißverständnisse provoziert. Sehr schön illustrieren läßt sich dieser Befund an den zahlreichen in der Literatur unternommenen erfolglosen Versuchen, die „Stoffgleichheits"-These des BGH in konkrete Berechnungen umzusetzen: FoersteHS etwa faßt die „Stoffgleichheits"-Berechnung des BGH, die er unzutreffend als „erfreulich präzise Abgrenzungsmethode" bezeichnet unter der Kurzformel „Integritätsinteresse = Endschaden minus Minderungsbetrag" zusammen. Worin aber soll der „Endschaden" bestehen, von dem der Minderungsbetrag abgezogen werden soll? Soll er mit dem in der Klagesumme geltend gemachten Betrag gleichgesetzt werden, der auch grundlose Forderungen und falsch berechnete Schadensposten enthalten kann? 149 Oder soll mit „Endschaden" gemeint sein der gesamte vom Käufer durch den Mangel erlittene Schaden, also der anfängliche Mangelunwert, d.h. die Abweichung der gelieferten Sache von der Soll-Beschaffenheit als Vermögensschaden, zuzüglich dem nach Eigentumsübergang eingetretenen Schaden? Dieser „Endschaden" müßte dann aber erst einmal berechnet werden, und diese Berechnung ist, was die Schadenskomponente des vertraglichen Mangelunwerts anbelangt, ersichtlich überflüssig, wenn sie doch nur dazu dient, diesen mühsam ermittelten Mangelunwert anschließend gleich wieder abzuziehen.

So die Formulierung von Steffens, VersR 1988, 979. VersR 1989, 456. 149 Ersichtlich falsch ist deshalb die Berechnungsmethode von Ganter, JuS 1984,595, dem zufolge sich die „über § 823 I regulierbare Eigentumsverletzung" in der Weise ermitteln läßt, daß durch eine hypothetische Berechnung zunächst der Schaden festgestellt wird, der dem Käufer bei Anwendung der §§459ff. BGB (a.F.) ersetzt worden wäre und dann diese Schadenspositionen vom jetzt geltend gemachten Schaden abgezogen werden. Danach könnte der Kläger durch Erhöhung der Klageforderung seinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB beliebig in die Höhe treiben. 147 148

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

57

Auch in der sonstigen Literatur finden sich allenthalben Formulierungen zur Umschreibung der „Stoffgleichheit", die unklar oder widersprüchlich sind und zeigen, daß eine Berechnung des durch die Substanzveränderung nach Eigentumserwerbs eingetretenen Schadens unter Zuhilfenahme des Mangelunwerts mißlingen muß. 150 So verwickelt sich schließlich auch Nickel, auf den der vom B G H übernommene Rückgriff auf die Grundsätze der kaufrechtlichen Minderung zurückgeht, mit seiner Berechnungs-Methode in Ungereimtheiten. Er führt aus:

150 Vgl. etwa Schlechtriem, FS für Hyung-Bae Kim, 1995, S.289, wo formuliert wird: „Der Käufer oder Werkbesteller kann zwar bei der Berechnung seines Schaden vom Wert der Gesamtsache ausgehen, muß sich aber den Mangelunwert abrechnen lassen, den er bereits aufgrund der Vertragsverletzung des Verkäufers oder Werkunternehmers erlitten hatte." Weil der Wert der realen Gesamtsache sich unabhängig von einem etwaigen vertraglichen Mangelunwert bestimmt, kann der Abzug nicht richtig sein; vgl. ferner ders., ZfBR 1992,103 Fußn. 72, wo es heißt: „Zerstört der ,weiterfressende' Mangel, der zugleich eine Verkehrspflichtverletzung des Werkunternehmers oder Lieferanten darstellt, die hergestellte Sache nach Gefahrübergang völlig, dann muß für die Berechnung des Schadens aus der deliktischen Eigentumsverletzung der Minderwert, den die Sache aufgrund des Mangels bereits bei Erwerb hatte, abgezogen werden." Wovon der Minderwert abgezogen werden soll, bleibt dunkel. Vgl. auch J A 1983, 257, wo Schlechtriem zu bedenken gibt, wegen der Eigenschaft weiterfressender Schäden, sich zu entwickeln, müßte ein Zeitpunkt festgehalten werden, bis zu dem der Schaden stoffgleich mit dem Mangel sei und von dem ab bis dahin unversehrte Integritätsinteressen verletzt würden. Beim Werkvertrag hält er die Abnahme für die maßgebliche Grenze, vgl. Schlechtriem, ZfBR 1992, 102, u. bereits ders., Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972, S.325. Der Zeitpunkt, der für die Berechnung des vom Eigentümer erlittenen, d.h. des infolge Beeinträchtigung seiner realen Sache eingetretenen Schadens entscheidend ist, kann aber doch nicht beliebig festgelegt werden. Der Käufer oder Besteller muß vielmehr zwingend ab dem Zeitpunkt seines Eigentumserwerbs als Eigentümer behandelt werden, vgl. dazu auch noch unten Fußn. 707. Unklar auch die „Stoffgleichheits"Berechnungen von Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.231, u. ders., N J W 1997,490. Katzenmeier kritisiert, daß sich der Unwert einer teilmangelbehafteten Sache im Eigentumsübergang niemals vollständig decken könne mit dem später entstandenen Schaden. Er argumentiert dabei jedoch mit der bis zur Selbstzerstörung vorhandenen Nutzungsmöglichkeit als Wertfaktor, ohne zu erkennen, daß der „später entstandene Schaden" als Einbuße durch Verschlechterung der fehlerhaften Sache notwendig jenseits der anfänglichen Differenz zwischen Ist- und vertraglicher Soll-Beschaffenheit liegt und deshalb eine Identität ausscheidet; Zustimmung findet Katzenmeier bei Bungert, AcP 195 (1995), 479; daß kaum jemals „wirkliche Stoffgleichheit" bestehen könne, wird auch bezweifelt von Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 145, der jedoch, wenn er von „Stoffgleichheit zwischen dem anfänglichen Mangelunwert und dem Endschaden" spricht, im Unklaren läßt, ob er mit „Endschaden" den nach Eigentumserwerb eintretenden Schaden meint oder den aus diesem Schaden zuzüglich dem anfänglichem Mangelunwert berechneten Gesamtschaden. Tiedtke, ZIP 1992,1447 behauptet, „Stoffgleichheit" im Sinne der BGH-Rechtsprechung liege vor, wenn „der Mangelunwert der Sache bei ihrer Auslieferung objektiv so groß wie der später eingetretene Schaden" sei. Dies ergibt keinen Sinn, weil der später tatsächlich eingetretene Schaden - anders als der geltend gemachte Schaden - niemals mit der anfänglichen Abweichung der Sache zur vertraglichen Soll-Beschaffenheit identisch sein kann; vgl. zum uneinheitlichen Abstellen des B G H auf einerseits den „geltend gemachten Schaden" und andererseits den „Schaden" oder „später eingetretetenen Schaden" Fußn. 144.

58

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

„ D e r durch plötzliche Ausdehnung an der Gesamtsache entstehende Schaden ist bis zur H ö h e des Gesamtwertes der Kaufsache abzüglich des ursprünglichen Mangelbetrages tatbestandliche Eigentumsverletzung." 1 5 1

Oder: „Hat man den [...] Mangelunwert beziffert, ergibt sich der tatbestandsmäßige Schadensunwert gem. § 8 2 3 I B G B durch die Gegenüberstellung des sachimmanenten M a n gelfolgeschadens mit dem Mangelunwert. D i e Differenz zwischen beiden Beträgen ist die tatbestandsmäßige Eigentumsverletzung." 1 5 2

Beide Berechnungsvorschläge führen zu einem unterschiedlichen und gleichermaßen unsinnigen Ergebnis: Beim Abzug des ursprünglichen Mangelbetrages vom Gesamtwert der Sache wird übersehen, daß der Mangelbetrag als A b weichung von einer fiktiven Soll-Beschaffenheit gerade kein subtrahierbarer Teilposten des Gesamtwertes der realen Sache ist. Hält man hingegen die Differenz zwischen dem durch die nachträgliche Substanzveränderung eingetretenen Schaden und dem anfänglichen Mangelunwert für maßgeblich, so schmälert man den infolge der sachinternen Fehlerausbreitung eingetretenen Schaden ohne jede Rechtfertigung um einen Vermögenseinbuße, welche dem Eintritt des Verletzungserfolgs voraus geht. 1 5 3

4.

Ergebnis

Zusammenfassend kann man also sagen: An der Formel von der „Stoffgleichheit" ist zwar richtig, daß ein „stoffgleicher" Schaden, verstanden als anfänglicher Mangelunwert, nicht nach § 823 Abs. 1 B G B ersetzt werden kann. E r stellt keine Einbuße dar, die durch eine Verschlechterung der nach § 8 2 3 Abs. 1 B G B allein geschützten fehlerhaften Sache verursacht wird, mag auch der Kläger auf diesem Standpunkt stehen. Gerade weil der Mangelunwert nicht nach § 8 2 3 Abs. 1 B G B ersetzt werden kann, muß und darf er aber bei einer Schadensberechnung im Rahmen des § 8 2 3 Abs. 1 B G B auch nicht berücksichtigt und mit der Klageforderung verglichen werden. Für die Frage, ob das deliktsrechtlich geschützte Interesse an der Bewahrung der Sache in ihrer tatsächlich einmal vorhanden gewesenen Beschaffenheit verletzt wurde, spielt die vertraglich geschuldete Soll-Beschaffenheit keine Rolle. Man könnte deshalb sagen: Die „Stoffgleichheits"-Formel ist zur Berechnung des infolge Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache eingetretenen Schadens unbrauchbar, weil sie zum einen die Klagesumme zur Grundlage der Schadensermittlung macht, obwohl diese vom Kläger frei bestimmt werden kann und weil sie zum anderen zur Berechnung des vertraglichen Mangelunwerts auffordert, obwohl sein Hinzufügen zu den 151 152 153

VersR 1984, 320. VersR 1987, 32. Auf letzteres weist zu Recht hin Rauscher, JuS 1987, 19.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und Literatur

59

Einbußen, die durch das Weiterfressen des Fehlers eingetreten sind, doch nur einen anschließenden Abzug dieses Mangelunwerts notwendig macht.154

V. Die Rechtsprechung erweckt den Eindruck, die Voraussetzungen des §823 Abs. 1 BGB seien nur unter Rückgriff auf Vertragsrecht bestimmbar Sieht man einmal davon ab, daß ein Vergleich des geltend gemachten Schadens mit dem anfänglichen Mangelunwert ungeeignet ist zur Berechnung des Schadens, der dem Erwerber durch das Weiterfressen des Fehlers entstanden ist, so begegnet ein solches Vorgehen auch in anderer Hinsicht Bedenken: Die Rechtsprechung gibt vor, bei der Entscheidung der Weiterfresser-Fälle vom Grundsatz „echter Anspruchskonkurrenz" auszugehen, „mit der Folge, daß jeder Anspruch der ihm eigenen Regelung folgt". 155 Indem der BGH dennoch annimmt, die Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung könnten nur festgestellt werden über eine Berechnung des vertraglichen Mangelunwerts entsprechend §472 BGB (a.F.), erweckt das Gericht den Eindruck, es selbst stehe auf dem Standpunkt, in den Weiterfresser-Fällen lasse sich die Frage der Verwirklichung des Deliktstatbestands gar nicht ohne Rückgriff auf das vertragliche Gewährleistungsrecht bestimmen. Mag der BGH auch den Mangelunwert tatsächlich nur beziffern, um ihn nicht zu ersetzen, um ihn also gedanklich von dem infolge der nachträglichen Fehlerausbreitung entstandenen Schaden zu scheiden, so ist doch nicht verwunderlich, daß die überflüssige Berechnung des vertragsrechtlichen Mangelunwerts dahingehend gedeutet wird, der BGH lasse das Gewährleistungsrecht über die Grenzen des § 823 Abs. 1 BGB entscheiden. So ist der Rechtsprechung vorgeworfen worden, es seien gar nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des §823 Abs. 1 BGB, die mit dem Erfordernis der „Stoffgleichheit" näher bestimmt würden. In Wahrheit versuche man vielmehr, die Frage der Konkurrenz zwischen Delikts- und Vertragsrecht zu lösen.156 Weil jedoch Eigentum Eigen154 Diese Kritik wird auch nicht dadurch entkräftet, daß man wie S t e f f e n , VersR 1988, 979 in der Berücksichtigung des Minderwertes keine „Rechenformel", sondern nur einen „Bewertungsmaßstab" zur Kontrolle dafür sieht, „ob und inwieweit die Faktoren des geltend gemachten Schadens ihre Wurzeln in der mangelbedingten Störung des Aquivalenzinteresses beim Erwerb der Sache haben." Abgesehen davon, daß die Grenzen einer solchen bloßen Berücksichtigung als „Bewertungsmaßstab" ziemlich unklar sind, ist sie bereits im Ansatz verfehlt, weil nun einmal der kaufvertragliche Minderwert für die Berechnung des durch das Weiterfressen des Fehlers eingetretenen Schadens schlicht ohne Belang ist. 155 So ausdrücklich bereits die Hinterreifen-Entscheidung BGH NJW 1978, 2241 (2242); vgl. aber vor allem BGH NJW 1983, 810 (811) (Gaszug); zum Konkurrenzproblem siehe ausführlich unten Teil 3. 156 D. Koch, Produkthaftung, 1995, S.218 merkt zu Recht an, daß das Tatbestandsmerkmal „Eigentumsverletzung" mit einer Klärung der Konkurrenzenfrage überfrachtet und überlastet

60

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

tum sei, habe das Deliktsrecht kein Sensorium zur Unterscheidung von „stoffgleichen" und anderen Eigentumsverletzungen 1 5 7 . Die „Stoffgleichheits"-These ist also auch deshalb zu verwerfen, weil ihr U m weg über den vertragsrechtlich zu bestimmenden Mangelunwert einer klaren gedanklichen Trennung der Tatbestandsfrage nach Eigentumsverletzung und Schaden von der Konkurrenzfrage selbst dann abträglich ist, wenn sich hinter der Klageforderung tatsächlich einmal der korrekt berechnete Mangelunwert zuzüglich des nachträglich entstandenen Schadens verbirgt.

VI. Gegen die Eigentumsverletzung läßt sich nicht einwenden, daß der Sache keine Gefahr von außen drohe D e r Rechtsprechung wird ferner entgegengehalten, eine Eigentumsverletzung müsse in den Weiterfresser-Fällen schon deshalb ausscheiden, weil die Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache von innen gedroht habe und nicht das Ergebnis einer Einwirkung auf bzw. eines Eingriffs in die Sache von außen

1. Die fehlerbedingte Selbstbeschädigung Einwirkung von außen

erfolgt nur selten ohne

In Bezug auf diesen Einwand ist zunächst klarzustellen, daß die Behauptung, der Substanzverschlechterung sei keine Einwirkung auf bzw. kein Eingriff in die Sache von außen vorausgegangen, auf die Mehrzahl der entschiedenen Weiterfresser-Fälle nicht zutrifft.

werde; er wirft dem B G H vor, er vermische die Frage einer Abgrenzung der Eigentumsverletzung mit der Frage nach der Zuordnung eines Sachverhalts in die vertragliche bzw. die deliktische Haftungsordnung. 157 Vgl. Esser/Weyers, SchuldR. \\/2, §55a II 3. 1 5 8 So Rengier, J Z 1977, 347: „Dieses [das Deliktsrecht] schützt in § 823 Abs. 1 B G B nur das sogenannte Integritätsinteresse, d.h. das Interesse am Schutz der vorhandenen Rechtsgüter vor Eingriffen von Außen"; Stoll, J Z 1983, 504: „Die Verletzung deliktsrechtlicher Pflichten durch den Hersteller ist in solchen Fällen vor allem deswegen zweifelhaft, weil die Herrschaftssphäre des Eigentümers grundsätzlich nur räumlich geschützt ist gegen von außen kommende Eingriffe. Jene Fälle werden aber dadurch gekennzeichnet, daß die Schadensursache von Anfang an gleichsam in der Sache eingeschlossen ist und in der geschützten Sphäre intern weiterwirkt." Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 Abs. 1 B G B , 1984, S. 101: „Zuzugeben ist, daß auch die Verletzung von bereits beschädigtem Eigentum eine Eigentumsverletzung darstellen kann. Dazu muß jedoch von außen auf das Objekt eingewirkt werden und sich nicht etwa der Mangel über die inneren Funktionszusammenhänge fortsetzen"; Plum, AcP 181 (1981), S. 93 Fußn. 104: „Entscheidend ist nur, daß ,von außen' nachteilig auf (integre) Substanz eingewirkt wird."; L G Karlsruhe J Z 1987, 828 (Lkw): „Bei den deliktischen Schäden ist es dagegen so, daß die Rechtsgutsverletzung von außen kommt".

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

61

Überwiegend fraß sich der Fehler vielmehr erst durch eine bestimmte Benutzung der Sache weiter, bei der sehr wohl von außen auf die Sache eingewirkt wurde im Sinne eines durch menschliche Handlung verursachten Uberschreitens der Sachgrenzen von außen, einer physischen Inanspruchnahme der Sache: Die mit dem fehlerhaften Schwimmerschalter ausgestattete Anlage wurde in B e trieb genommen, die mangelhaft konstruierte Hebebühne beladen, das falsch bereifte K f Z in Gang gesetzt usw. 1 5 9 In all diesen Fällen wäre die Zerstörung oder Beschädigung der Sache jeweils ausgeblieben, wenn der Eigentümer sie unangetastet gelassen hätte, wenn er etwa nicht den Schalter zur Inbetriebnahme der Reinigungs- und Entfettungsanlage gedrückt oder nicht den Anlasser des mit einem fehlerhaften Reifen versehenen K f z betätigt hätte, wenn er also nicht von außen auf die Sache eingewirkt hätte. Eine Besonderheit besteht hier lediglich darin, daß die unmittelbar die Sachgrenzen von außen überschreitende Handlung vom Eigentümer selbst und nicht vom Hersteller vorgenommen wurde. Ein solches Dazwischentreten des Sachbenutzers schließt aber auch jenseits der Weiterfresser-Fälle eine Eigentumsverletzung jedenfalls dann nicht ohne weiteres aus, wenn der handelnde Eigentümer die Fehlerhaftigkeit der Sache nicht kannte oder kennen mußte. Das wird deutlich, wenn man sich vorstellt, die in Brand geratene Reinigungsund Entfettungsanlage oder das falsch bereifte K f z hätten Schäden an sonstigen Rechtsgütern ihres Eigentümers verursacht. Auch in solchen, sozusagen klassischen Fällen der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung wird die unmittelbar zur Einwirkung auf die sonstigen Rechtsgüter führende Handlung von deren Eigentümer selbst vorgenommen. Selbstverständlich läßt sich daraus nicht folgern, daß eine durch den Produzenten begangene Eigentumsverletzung auszuscheiden hätte. D a ß eine Substanzveränderung erst durch eine Inanspruchnahme der Sache eintritt im Sinne eines durch menschliches Verhalten verursachten Uberschreitens der Sachgrenzen von außen, erscheint aber in der Tat nicht für alle Fälle des Weiterfressens eines Sachfehlers zwingend. Denkbar ist vielmehr auch, daß sich eine Sache ohne Benutzung oder sonstige physische Inanspruchnahme verschlechtert: So könnte man sich beispielsweise vorstellen, daß eine K f Z - H e b e bühne eine so geringe Tragfähigkeit aufweist, daß schon die bloße Dauerbelastung der Säulen mit dem ruhenden Schlitten zum Einsturz führen muß, oder daß Teile einer Maschine von Rost befallen sind, der auf die übrige Anlage überzugreifen droht.

1 5 9 Siehe B G H VersR 1977, 358 (Schwimmerschalter); B G H VersR 1978, 722 (Radaufhängung, VI. Senat); B G H N J W 1978, 2241 (Hinterreifen); B G H N J W 1983, 810 (Gaszug); B G H N J W 1983, 812 (Hebebühne); B G H N J W 1985, 2420 (Kompressor); B G H N J W 1992, 1678 (Nockenwelle); B G H N J W 1993, 655 (Handbremse); B G H N J W 1996, 2224 (Spezialschmierfett); vgl. fernerden Nichtannahme-Beschluß des B G H in VersR 1990,1283 (Baustromverteiler).

62

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

D a s Schicksal der Sache hängt hier - sofern eine A b w e n d u n g der G e f a h r m ö g lich ist - davon ab, daß M a ß n a h m e n z u m E r h a l t der Sachsubstanz ergriffen w e r den. A u s Sicht des E n d a b n e h m e r s lag so etwa der C h e f b ü r o - F a l l 1 6 0 : D i e v o m E n d abnehmer e r w o r b e n e n M ö b e l waren zuvor mit fehlerhaftem L a c k behandelt worden, was z u m Vergilben des H o l z e s führte, w o h l ohne daß der E r w e r b e r H a n d an die Stücke legte. Allerdings wurde der Hersteller nicht v o m E n d a b n e h m e r in A n s p r u c h g e n o m m e n , sondern v o n der Möbelherstellerin, die den L a c k selbst aufgebracht hatte und die aus eigenem sowie aus abgetretenem R e c h t ihres K u n d e n klagte. D e r B G H ließ offen, o b das E i g e n t u m der Klägerin oder das ihres A b n e h m e r s verletzt wurde. O f f e n b a r störte sich das G e r i c h t also nicht daran, daß der Hersteller keine E i n w i r k u n g von außen auf die fehlerhaften M ö b e l , so wie sie in das E i g e n t u m des E n d a b n e h m e r s gelangt waren, verursacht hatte.

2. Die Abhängigkeit der Sachintegrität von substanzerhaltenden Umwelteinflüssen ist kein auf die Weiterfresser-Fälle beschränktes Problem D i e Frage, o b eine Eigentumsverletzung auch dann in Betracht k o m m t , wenn aus der Beschaffenheit der Sache selbst bzw. deren Zusammenspiel mit v o n niemandem zu beherrschenden Natureinflüssen eine Sachverschlechterung droht, so daß die Sache nur durch - allgemein gesprochen - rettende Einflüsse aus der Sachumwelt, sacherhaltende M a ß n a h m e n v o n außen, seien es Handlungen oder auch die Z u f u h r bestimmter Substanzen, in ihrem Bestand gesichert werden könnte, ist keine auf die Weiterfresser-Schäden beschränkte Frage. Sie taucht vielmehr ganz allgemein i m m e r dann auf, wenn die Integrität einer Sache, ohne daß ihr durch menschliches Verhalten verursachte G e f a h r e n drohen, abhängig ist von bestimmten U m w e l t b e d i n g u n g e n , die ausbleiben oder ausfallen. In der R e c h t s p r e c h u n g sind neben den Weiterfresser-Schäden vor allem drei - ebenfalls viel diskutierte - weitere Fallkonstellationen aufgetreten. 1 6 1 Sie sollen im 1 6 0 Siehe B G H N J W 1996, 2507; dagegen waren die infolge fehlerhafter Lackierung an K ü chenmöbeln eingetretenen Nässeschäden, welche zu dem Nichtannahmebeschluß B G H N J W R R 1 9 9 2 , 2 8 3 (Küchenmöbel) führten, wohl erst infolge einer Benutzung der M ö b e l eingetreten. 1 6 1 Sehr umstritten ist darüber hinaus die Behandlung von Fällen, in denen eine Veränderung bestimmter Umweltbedingungen zwar keine Verschlechterung der Sachsubstanz bewirkt, der Eigentümer die Sache jedoch nicht mehr so verwenden kann wie zuvor. Vgl. als Paradebeispiel die Fleet-Entscheidung, B G H N J W 1971, 886, in welcher der B G H eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des Eigentums an einem Schiff bejahte, das durch den Einsturz einer mangelhaft instandgehaltenen Ufermauer in einem Fleet eingeschlossen wurde, ohne einen Substanzschaden zu erleiden. Anders als in den Weiterfresser-Fällen geht es dort also um eine bloße Beeinträchtigung der Verwendungsfähigkeit der Sache, wobei sich auch die wissenschaftliche Diskussion vor allem um diesen Aspekt dreht. A u f die Fälle einer bloßen Beeinträchtigung der Verwendungsfä-

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

63

folgenden betrachtet werden, wobei ausschließlich gefragt werden soll, ob es einem deliktsrechtlichen Eigentumsschutz grundsätzlich entgegensteht, daß die Substanz der Sache durch das Ausbleiben von Umwelteinflüssen verschlechtert wurde. 162

a) Substanzveränderungen infolge unterbrochener sacherhaltender Stoffe aus der Sachumwelt

Zufuhr

Die erste Fallgruppe bilden Fälle, in denen bestimmte Güter Dritter, von deren Zuführung oder Vorhandensein die Integrität einer Sache abhängig ist, nicht - oder nicht mehr - zur Verfügung gestellt werden. Ein Beispiel dafür ist die Bruteier-Entscheidung 163 : Die Arbeitnehmer eines Bauunternehmen hatten einen Straßenbaum gefällt, der auf die Freileitung eines Energieversorgers stürzte, was zu einem Stromausfall auf dem Nachbargrundstück führte. Die dort in einem Brutapparat befindlichen Eier wurden durch den Stromausfall vernichtet bzw. schwer beschädigt, so daß nur einige verkrüppelte Tiere ausschlüpften. Der B G H bejahte eine Eigentumsverletzung an den Eiern mit der Begründung, es rechtfertige sich keine abweichende Beurteilung des Abschneidens der nötigen Stromzufuhr vom Fall einer fehlerhaften Zufuhr. Nach Ansicht des Gerichts stand es der Annahme einer Eigentumsverletzung also nicht entgegen, daß der Erhalt der Eier von Anfang an von bestimmten Umweltzuflüssen abhängig war, ihnen also bei Versagung einer solchen Zufuhr die Zerstörung von innen drohte. Diese Rechtsprechung findet in der Literatur überwiegend Zustimmung. 164 Es ist aber auch Kritik dagegen vorgebracht worden, mit der vor allem geltend hlgkeit einer Sache soll im folgenden deshalb nicht näher eingegangen werden. Eine ausführliche Ubersicht über die Rechtsprechung und den Stand der Diskussion gibt Boecken, Deliktsrechlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, insb. S. 52ff.; vgl. aus der jüngeren Literatur außerdem Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 61 ff. 162 Anderen im Zusammenhang mit diesen Fallgruppen auftretenden Fragen, so insbesondere nach der Reichweite möglicher Erfolgsabwendungspflichten und der Konkurrenz zwischen Vertrags- und Deliktsrecht, kann und soll an dieser Stelle dagegen nicht weiter nachgegangen werden. 163 Siehe B G H J Z 1964, 457; vgl. auch BGHZ 64, 355, wo infolge einer Stromunterbrechung zahlreiche Hühner auf einer Hühnerfarm verendeten, deliktsrechtliche Ansprüche jedoch von einer Haftungsausschlußklausel erfaßt wurden. 164 Vgl. etwa MünchKomm./Mertens, §823 Rz. 96; Soergel/Zeuner, § 823 Rz.43 u. \10; Kötz/ Wagner, DeliktsR., Rz. 61 f.; Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 358; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, S.252f.; Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 127 bezeichnet es im Zusammenhang mit den Stromkabel-Fällen unzutreffend als unstreitig, daß bei Beschädigung der Sachsubstanz der Schutzbereich des Eigentums verletzt sei. Umstritten sei lediglich, ob die eingetretenen Schäden in den Schutzbereich der verletzten Verkehrspflicht fielen.

64

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

g e m a c h t w i r d , d i e S t ö r u n g v e r t r a g l i c h v e r s p r o c h e n e r L e i s t u n g e n sei a l l e i n d e m Vertragsrecht zu u n t e r w e r f e n . 1 6 5 A u c h hier m ü s s e n j e d o c h die T a t b e s t a n d s v o r aussetzungen der Eigentumsverletzung klar getrennt werden von der Frage, o b bei einer gleichzeitigen Vertragsverletzung d e m Vertragsrecht der V o r r a n g geb ü h r t . S e l b s t v e r s t ä n d l i c h w i r d aus § 8 2 3 A b s . l B G B n i c h t f ü r die V e r l e t z u n g v e r t r a g l i c h e r P f l i c h t e n g e h a f t e t . D a m i t ist a b e r n i c h t d a r g e t a n , d a ß die V e r l e t zung einer Vertragspflicht nicht zusammenfallen kann mit einem Delikt. D a ß s i c h die m ö g l i c h e V e r w i r k l i c h u n g des § 8 2 3 A b s . 1 B G B n i c h t e i n f a c h m i t d e m H i n w e i s b e i s e i t e s c h i e b e n l ä ß t , h i e r g e h e es in W i r k l i c h k e i t u m d i e V e r l e t z u n g vertraglicher Pflichten166, wird ohne weiteres deutlich, w e n n man etwa den S t r o m k a b e l - F a l l dahin abwandelt, daß die u n t e r b r o c h e n e V e r s o r g u n g n i c h t auf vertraglicher G r u n d l a g e beruhte, s o n d e r n etwa auf Gefälligkeit o d e r auf N a t u r g e w a l t e n o d e r a b e r d i e V e r s o r g u n g aus a l l g e m e i n z u g ä n g l i c h e n

öffentlichen

Q u e l l e n erfolgte. M a n stelle sich etwa vor, j e m a n d h a b e seiner verreisten N a c h barin v e r s p r o c h e n , abends die F u t t e r n ä p f e der H a u s t i e r e aufzufüllen. Weil er dies j e d o c h vergißt, v e r d u r s t e n u n d v e r h u n g e r n die Tiere.

165 Vgl. etwa Plum, AcP 181 (1981), 120, der den eingetretenen Substanzsschaden für einen vertraglichen Nichterfüllungsschaden hält, welcher unmittelbar auf eine Verfügung des Geschädigten zurückgehe. Diese Verfügung, die nach Plum eine Einwilligung in naheliegende Schäden bewirken soll, vgl. S. 80ff., ist jedoch nicht mehr als Fiktion; siehe ferner Schwenzer, J Z 1988,529 Fußn. 58, die eine Verkehrspflichtverletzung regelmäßig verneint, weil die Einwirkung Dritter auf sachschützende Vertragsleistungen in der Regel jenseits des Schutzzwecks der verletzten Norm liege; vgl. aber auch G. Hager, J Z 1979, 56ff., der die Verkehrspflicht des Bauunternehmers in den Stromkabel-Fällen dahin einschränken möchte, daß eine Ersatzfähigkeit für Schäden ausscheidet, die regelmäßige Folge einer Versorgungsstörung sind; ebenfalls ablehnend Wiethölter, KJ 1970,130 mit der Begründung, §823 Abs. 1 B G B decke nicht den Vermögensverlust infolge Produktionsausfalls, warum Wiethölter trotz Substanzveränderung der Eier nur einen reinen Vermögensschaden annimmt, bleibt unklar; zur Kritik von Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 148ff., sogleich ausführlich unter 3. " 6 So aber dezidiert und ohne nähere Begründung A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 142: „[...] das Ausbleiben oder die Verzögerung eines wirksam schenkweise versprochenen Gegenstande begründet keinen konkurrierenden Deliktsanspruch. Wenn ein Schenker z.B. verspricht, Tierfutter unentgeltlich zu liefern, das aber nicht tut, so daß ein vom Beschenkten gehaltenes Tier stirbt, ist richtigerweise der Tatbestand des Delikts zu verneinen." Hier wird aus der selbstverständlich zutreffenden Behauptung, daß die Vertragverletzung als solche kein Delikt darstellt, ohne weiteres gefolgert, daß mit der Vertragsverletzung kein Delikt einhergegangen sein kann. Daß dies in dieser Allgemeinheit nicht stimmen kann, wird plastisch, wenn man den Fall dahin abwandelt, daß keine Eigentumsverletzung, sondern eine Gesundheitsbeschädigung in Frage steht: Eine private Kindertagesstätte verpflichtet sich vertraglich, die Kinder täglich mit einem Mittagessen zu bewirten. Kurze Zeit später erkranken einige Kinder, weil sie, wie sich herausstellt, tagsüber nichts zu essen erhalten haben.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

65

b) Substanzverschlechterungen infolge des Einsatzes eines vermeintlich wirksamen sacherhaltenden Mittels aus der Sachumwelt Die zweite Fallgruppe betrifft das Inverkehrbringen wirkungsloser Produkte, die der Sacheigentümer im Vertrauen auf ihre sachschützende Funktion einsetzt, mit der Folge einer Beschädigung oder Zerstörung, die durch Einsatz eines Alternativproduktes vermeidbar gewesen wäre. Hierher gehören zunächst die beiden Apfelschorf-Entscheidungen 167 : Obstbauern hatten als früher einmal wirksame Spritzmittel Benzimidazole verwendet, gegen die sich jedoch Resistenzen gebildet hatten, so daß sich der Apfelschorf an den behandelten Bäumen stark ausbreiten konnte. Der B G H bejahte in beiden Fällen die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung. Der Benutzer könne durch die vom Hersteller geweckten Gebrauchserwartungen davon abgehalten worden sein, andere Maßnahmen zum Schutz seines Eigentums zu ergreifen. Weil aber beide Mittel ursprünglich durchaus zur Pilzbekämpfung geeignet waren, kam nach Ansicht des B G H jeweils nur eine Instruktionsverletzung durch Unterlassen eines Hinweises auf das mögliche Auftreten entsprechender Resistenzen in Betracht, wobei der B G H in beiden Fällen zum Ergebnis kam, nach den konkreten Umständen habe kein ausreichender Anlaß für eine solche Warnung bestanden. Ferner ist vor allem die Dachfolien-Entscheidung 168 zu nennen, in welcher der B G H die Apfelschorf-Rechtsprechung bestätigte: Der Eigentümer eines Grundstükkes, der eine als wasserdichte Abdeckung in den Verkehr gebrachte Folie zum Dachaufbau verwendet habe, könne eine Eigentumsverletzung erlitten haben, wenn die unteren Schichten des Dachaufbaus durch eindringendes Wasser beschädigt worden seien. Auch in diesen Fällen hält also der B G H eine Eigentumsverletzung für möglich, obwohl die Sachsubstanz nicht von einer durch menschliches Verhalten verursachten Einwirkung von außen bedroht wird, sondern die Sachbeschaffenheit selbst oder Natureinflüsse schützende Maßnahmen erforderlich machen. Diese Rechtsprechung hat in der Literatur ebenfalls überwiegend Zustimmung erfahren 169 , wobei jedoch wiederum auch Ablehnung geäußert wurde. Siehe BGH VersR 1981, 636 (Benomyl), u. BGH VersR 1981, 639 (Derosal). Siehe BGH VersR 1984, 1151. Bestätigt wurde diese Rechtsprechung ferner durch den Nichtannahmebeschluß BGH NJW RR 1993, 1113 (Jungprimelerde): Die Verwendung fehlerhafter Erde führte bei Jungprimeln zu einer Wachstumshemmung. 169 Vgl. RGRK/Steffen, §823 Rz.277; Erman/Schiemann, §823 Rz.114; Esser/Weyers, SchuldR. II/2, §55a II 2, der darin einen Fall „psychisch vermittelter Kausalität" sieht, die von §823 miterfaßt werde; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.80ff., unter zutreffendem Verweis darauf, daß es sich um eine Art Instruktionshaftung handelt; MiincbKommJMertens, § 823 Rz. 276; Soergel/U. Huber, vor § 459 Rz. 262; Soergel/Zeuner, § 823 Rz. 177; v. Bar, Probleme der Haftpflicht für deliktsrechtliche Eigentumsverletzungen, 1992, S.27; Deutsch, JZ 1984, 311 unter Einordnung als Instruktionshaftung; Diederichsen, VersR 1984, 798f.; Littbarski, FS 167

168

66

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Parallel zu den Bedenken gegen die Bruteier-Rechtsprechung wird die Kritik beherrscht von Überlegungen zu einem möglichen Vorrang vertragsrechtlicher Regelungen 170 , die jedoch ähnlich wie dort nicht geeignet sind, die allgemeinere, nämlich auch jenseits eines Sacherhalts auf vertraglicher Grundlage auftretende

Korbion, 1986, S.274; Pfeifer, Produktfehler oder Fehlverhalten des Produzenten, 1987, S. 115; Stoll,JL 1983,504 Fußn. 17, unter Einordnung als Instruktionshaftung; Walter, KaufR., § 9 IV b; Anderle, Haftungsumfang des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 154 ff., der sie als Instruktionshaftung versteht und auch einen Fehler im Sinne des § 3 ProdHaftG annimmt; Graf von Westphalen, M D R 1998, 807f., vgl. jedoch ders., Jura 1983,66, wo er einschränkend verlangt, daß der Schutz eines in §823 Abs. 1 genannten Rechtsgutes der entscheidende Verwendungszweck des gekauften Produktes sei. 170 Vgl. G. Hager, B B 1987, 1749f., u. ders., AcP 184 (1984), 415ff., der die Parallele zu den Fällen einer Unterbrechung der Stromzufuhr zieht und behauptet, der Schaden beruhe in beiden Fällen nicht darauf, daß eine gefährliche Kausalkette in Gang gesetzt werde, sondern auf dem Versagen einer Erhaltungsmaßnahme. Die Fälle der Substanzschäden durch wirkungslose Produkte seien nicht anders zu behandeln als diejenigen Fälle, in denen das Produktversagen schon die Entstehung einer fehlerfreien Sache beim Benutzer verhindere und über das Vertragsrecht zu lösen; das überzeugt nicht. Wenn eine Erhaltungsmaßnahme bereits in die Wege geleitet wurde, kann eine Maßnahme zu deren Abbruch sehr wohl als In-Gang-Setzen einer gefährlichen Kausalkette bezeichnet werden, weil damit die Gefahr einer Vereitelung des Sacherhalts geschaffen wird. Darüber hinaus unterscheidet sich die Substanzverschlechterung einer Sache von deren fehlerhafter Herstellung grundlegend dadurch, daß allein im ersten Fall die Präexistenz des Verletzungsobjekts als notwendige Voraussetzung einer Eigentumsverletzung gegeben ist; vgl. auch D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 273ff., der das Deliktsrecht nicht für das geeignete Instrument hält, um an die Produktbeilagen und Funktions- sowie Tauglichkeitsbeschreibungen des Herstellers Folgen zu knüpfen. Die Enttäuschung der erweckten Erwartungen stelle kein deliktisches Unrecht dar, sondern eine Abweichung von der vertraglichen Leistungszusage; KötzlWagner DeliktsR., Rz.68ff., meinen, hier sei nur eine Vertragserwartung enttäuscht worden; vgl. auch Brüggemeier, Z H R 1988, 513, der die wirkungslosen Produkte als Fallgruppe anführt, bei der vertraglicher Leistungsschutz auch deliktsrechtlich gewährleistet werde; ähnlich Schwark, J Z 1990, 376. Tönnies, PHI 1985, 44; Schwenzer, ] Z 1988, 528f., die sachschützende Vertragsleistungen aus dem Bereich deliktischer Verkehrspflichten herausnehmen möchte. Raum für die Anwendung des § 823 Abs. 1 B G B soll nur bleiben, wo nicht der Kern des besonderen vertraglichen Versprechens betroffen ist; vgl. ferner die widersrpüchlichen Ausführungen von Plum, AcP 181 (1981), S. 114f.: Er verneint die Existenz einer Verkehrspflicht in Bezug auf die zu schützende Sache. Der Versuch, die Verminderung des Vermögens durch äußere Einflüsse zu verhindern, sei ein Akquisitionsversuch, ein Vermögenserweiterungsversuch. Diese These schränkt er allerdings auf S. 121 f. ein, wo er darauf hinweist, daß der „Akquisitionsbereich" nicht überdehnt werden dürfe und „rechtzeitig" die Grenze zum bloßen „Funktionsbereich" gezogen werden müsse. Es folgt die Behauptung, es gebe auch „Funktionen ohne speziellen Akquisitionsbereich" und unter Verweis auf B G H N J W 1962,388; B A G AP §611 (H) B G B Nr. 78 und L G Mülhausen D R 1943, 902 als Beispiele die Funktionen eines Wachmannes oder Kesselwärters nennt. Warum in den letztgenannten Fällen ein deliktsrechtlicher Ersatz möglich sein soll, bleibt dunkel. Wenn die Gefahrenabwehr von Plum im Hinblick auf den dafür notwendigen Aufwand als Vermögenserweiterung qualifiziert wird, warum dann nicht auch hier? Siehe aber auch Schauh, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 108, die das Vorliegen einer Eigentumsverletzung gerade mit der Überlegung in Frage stellt, es fehle an einer durch den Schädiger verursachten Einwirkung auf das zu schützende Eigentum.

Die Weiterfresser-Frage in Rechtsprechung und

Literatur

67

Frage zu beantworten, ob der Tatbestand einer Eigentumsverletzung zwingend verneint werden muß, wenn die Substanz einer Sache nur deshalb Schaden nimmt, weil sacherhaltende Umwelteinflüsse versagt oder gestoppt werden. c) Beeinträchtigung der Substanz oder der Nutzung eines Grundstücks infolge sogenannter negativer Einwirkungen Schließlich sind hier noch die Fälle der sogenannten „negativen Einwirkungen" auf Grundstücke zu nennen. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß durch eine bestimmte Grundstücksnutzung natürliche oder sonstige Zuflüsse wie Licht, Luft, Grundwasser, Funkwellen usw. vom Nachbargrundstück teilweise oder sogar völlig abgehalten werden und dadurch dessen Substanz beeinträchtigt oder seine Nutzbarkeit 171 eingeschränkt wird. Dabei deutet die Charakterisierung solcher „Einwirkungen" als „negative" schon an, daß es gerade nicht zu einem Uberschreiten der Sachgrenzen von außen, einer Inanspruchnahme des Grundstücks oder wie Steffen172 formuliert, einem ,,stoffliche[n] Hinüberwirken" kommt. Vielmehr entsteht auch hier die Beeinträchtigung allein durch Verweigerung bzw. Entzug von Vorteilen aus der Sachumwelt. aa) Herrschend ist die grundsätzliche einer Eigentumsverletzung

Ablehnung

Unter Billigung der herrschenden Literatur 173 lehnt es der B G H wie schon das Reichsgericht 174 grundsätzlich ab, in den negativen Einwirkungen eine Eigentumsverletzung zu sehen und verweigert deshalb regelmäßig sowohl Ansprüche unmittelbar aus §§ 1004, 906 BGB wie auch aus §823 Abs. 1 BGB wegen Eigentumsverletzung oder Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. 175 Nach Ansicht des Gerichts gehören die negati171 Auf die Frage, ob die bloße Beeinträchtigung der Nutzung einer Sache Eigentumsverletzung sein kann, soll hier nicht weiter eingegangen werden, vgl. bereits Fußn. 161. 172 Vgl. RGRK/Steffen, §823 Rz.22. 173 Im Grundsatz ablehnend gegenüber der Annahme einer Eigentumsverletzung etwa MünchKomm./Säcker, §906 Rz.28; MünchKomm./Medicus, §1004 Rz.28f.; RGRK/Steffen, §823 Rz.22; RGRK/Augustin, §906 Rz.7f.; Staud./Gursky, §1004 Rz.65f.; Staud./H. Roth, § 906 Rz. \2bi.-,Jauernig, JZ 1986,609f.; daß negative Einwirkungen eine Eigentumsbeeinträchtigung darstellen können, wird dagegen bejaht etwa von Heck, SachenR., 1930, S.218f.; F. Baur, BB 1963, 486f.; Deneke, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, 1987, S. 66f.; M. Wolf, SachenR., Rz.308ff. u. 353ff.; Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine N u t zungsbeeinträchtigungen, 1995, S.230ff. m. w. Nachw. insb. in Fußn. 336. 174 Vgl. etwa RGZ 51,251, wo ein Grundstückseigentümer sich zu Veränderungen an seinem Haus veranlaßt sah, weil die Gemeinde eine anliegende Straße erhöhte; ferner RG JW 1913, 267, wo an einem Grundstück infolge Grundwasserentnahme auf dem Nachbargrundstück Austrocknungsschäden entstanden. 175 Siehe B G H LM § 903 BGB Nr. 1 u. Nr. 2, wo jeweils dem Grundstück durch Baumaßnahmen des Nachbarn Licht entzogen wurde und der B G H einen Unterlassungsanspruch aus

68

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

ven Einwirkungen nicht zu den nach § § 9 0 3 , 905, 906, 907, 1004 verbietbaren Einwirkungen. D e r B G H argumentiert dabei vor allem wie folgt176: § 9 0 3 B G B b e s a g e n i c h t s d a r ü b e r , w a s als G r u n d s t ü c k s e i n w i r k u n g v e r b o t e n w e r d e n k ö n n e und was nicht. D e r notwendige Interessenausgleich zwischen den

Grund-

s t ü c k s n a c h b a r n w e r d e v i e l m e h r e r s t d u r c h die n a c h b a r r e c h t l i c h e n B e s t i m m u n gen, insbesondere § 9 0 6 B G B geschaffen. U n t e r „ähnlichen E i n w i r k u n g e n " i m Sinne dieser Vorschrift seien nur den gesetzlichen Beispielen gleichartige, d.h. a l l e i n p o s i t i v die G r e n z e ü b e r s c h r e i t e n d e , i m a l l g e m e i n e n s i n n l i c h w a h r n e h m bare W i r k u n g e n zu verstehen. Hinsichtlich der negativen E i n w i r k u n g e n wolle es d a s G e s e t z b e i d e r E i g e n t u m s f r e i h e i t b e l a s s e n . I n n e r h a l b d e r G r e n z e n s e i n e s Grundstückes dürfe eben jedermann grundsätzlich mit seinem Eigentum nach Belieben

verfahren

und

bedürfe

keiner

Rechtfertigung

nach

§906

Abs. 1

BGB.177 bb)

Uber

werden

die Figur

Ausnahmen

des nachbarlichen

Gemeinschaftsverhältnisses

anerkannt

Allerdings verfolgt der B G H

diese grundsätzliche

Linie nicht

uneinge-

s c h r ä n k t . I m Einzelfall billigt er d e m b e t r o f f e n e n G r u n d s t ü c k s e i g e n t ü m e r d o c h e i n e n S c h u t z g e g e n n e g a t i v e E i n w i r k u n g e n z u u n d z w a r ü b e r die F i g u r d e s nachbarlichen oder nachbarrechtlichen

Gemeinschaftsverhältnisses.178

§§903, 906, 907,1004 B G B verneinte; BGHZ 70, 212, wo dem Grundstücksbesitzer und Betreiber eines Friseursalons infolge von städtischen Baumaßnahmen in der Umgebung schwere Umsatzeinbußen entstanden waren und das Gericht einen Entschädigungsanspruch unmittelbar aus §906 Abs. 2 S.2 B G B verneinte; BGHZ 88, 344, wo ein Hochhaus Funkwellen vom Nachbargrundstück abschattete und Ansprüche aus §§ 1004, 906 B G B sowie §906 Abs.2 S.2 B G B abgelehnt wurden; in B G H N J W 1991,1671, wo eine Zwischendeponie für Erdaushub den Kaltluftabfluß vom Weinberg des Nachbarn behinderte, wurden Ansprüche aus § 823 Abs. 1 i.V.m. §907 und §1004 B G B verneint. Einen Anspruch aus §823 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung sowie wegen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb lehnte der B G H ab in BGHZ 69,1: Von einem Grundstück in der Umgebung war Grundwasser abgepumpt worden. Infolgedessen hatte sich die Wasser-Qualität des von der Klägerin aus ihrem Brunnen gewonnenen Wassers verschlechtert. Der B G H war in diesem aus der Zeit vor der Naßauskiesungs-Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 58,300) stammenden Urteil - wie auch das Reichsgericht in der in Fußn. 174 zitierten Entscheidung R G J W 1 9 1 3 , 2 6 7 - n o c h davon ausgegangen, daß das Grundstückseigentum auch das Grundwasser umfasse und dem Grundstückseigentümer deshalb vorbehaltlich wasserrechtlicher Beschränkungen eine ausschließliche Verfügunsbefugnis über das auf seinem Grundstück vorgefundene Grundwasser zustehe; in BGHZ 62, 361 wurde der vom Grundstücksbesitzer und Betreiber einer Drogerie nach Umsatzeinbußen infolge von Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück geltend gemachte Anspruch aus § 823 Abs. 1 B G B wegen Eingriffes in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb verneint. Ebenfalls abgelehnt wurde in dieser Entscheidung ein Anspruch unmittelbar aus §906 Abs.2 S.2 B G B . 176 Vgl. die ausführliche Begründung in BGHZ 88, 344 (346f.). 177 Der B G H verweist an dieser Stelle auf MünchKommJMedicus, 2. Aufl., § 1004 Rz.29. 178 Im Ergebnis zustimmend Staud./Gursky, § 1004 Rz.67; Staud./H. Roth, §906 Rz. 126ff., der allerdings einen Rückgriff auf die Grundsätze des Rücksichtnahmegebots für vorzugswürdig hält, wie sie das BVerwG insbesondere für das öffentliche Baurecht entwickelt hat; Inkonse-

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

69

Bereits in einer aus dem Jahre 1951 stammenden Entscheidung 1 7 9 erklärte der B G H unter Verweis vor allem auf RGZ 167, 14, daß er an der reichsgerichtlichen Rechtsprechung festhalte, wonach aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis als Anwendung der Regeln von Treu und Glauben auf den besonderen Fall des nachbarlichen Zusammenlebens zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen eine Rechtspflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme entspringe, welche die Ausübung eines bestehenden Rechts des Grundstückseigentümers u.U. als unzulässig erscheinen lasse. Gleichzeitig betonte der B G H , daß der Gedanke des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses nicht dazu führen dürfe, die bestehende gesetzliche Regelung außer acht zu lassen. Daher müsse die Beschränkung an sich bestehender Eigentümerrechte aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis die durch zwingende Gründe erforderte Ausnahme sein. Im konkreten Fall, in dem ein Anbau an das Nachbarhaus dem Grundstück der Kläger Licht entzog, verneinte das Gericht diese Voraussetzungen. Zu einem anderen Ergebnis gelangte der B G H hingegen knapp zwei Jahre später in einem Fall, in dem ebenfalls durch Bebauung des Nachbargrundstücks Fenster auf dem Grundstück der Beklagten verdunkelt wurden, die geplante Baumaßnahme aber zum einen ungewöhnlich schwere Belastungen für die Beklagte mit sich brachte und zum andern die Möglichkeit bestand, den Bauzweck auf andere Weise ohne oder mit geringer Mehrbelastung zu erreichen. 180 Hier könne, so nahm der B G H an, der Klägerin zugemutet werden, von der ursprünglich geplanten Bauausführung abzusehen und die andere, das Nachbargrundstück weniger belastende Bauausführung zu wählen. Allerdings unterstrich das Gericht ausdrücklich, daß damit kein allgemeiner Satz aufgestellt werde, ein Grundstückseigentümer habe beim Bestehen verschiedener gleichwertiger Möglichkeiten für die Nutzung seines Grundstücks stets diejenige zu wählen, die seinen Nachbarn nicht schädige. Auf der Grundlage des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses gewährte der B G H später auch einen Ausgleichsanspruch entsprechend §906 Abs. 2 S.2 BGB bei Störung des „Kontakts nach außen", die ein Grundstück durch Baumaßnahmen in der Umgebung erlitt: Beeinträchtige die zeitweilige Sondernutzung des Gehsteigs vor dem Nachbargrundstück die ortsübliche Benutzung oder den Ertrag eines Grundstücks durch nachhaltige Behinderung des Kontakts nach außen über das zumutbare Maß hinaus, so sei, wie bei der unmittelbaren Einwirkung vom Nachbargrundstück her, ein angemessener Ausgleich in Geld geboten. 181 Der B G H führte diese Rechtsprechung später im Weinberg-

quenz w i r d dem B G H dagegen vorgeworfen von AK-BGB/Kohl, § 1004 R z . 4 7 ; Boecken, liktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, S. 126. 179 Siehe B G H L M § 9 0 3 B G B Nr. 1. 180 Siehe B G H L M § 9 0 3 B G B Nr. 2. 181 Siehe BGHZ 62, 361 (367); bestätigt durch BGHZ 70, 212 (220f.).

De-

70

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Fall 1 8 2 weiter. E r nahm an, daß der E i g e n t ü m e r eines Weinbergs, der aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis Unterlassung der E r r i c h t u n g einer zu einem Kaltluftstau auf seinem G r u n d s t ü c k führenden Zwischendeponie hätte verlangen k ö n n e n , daran aber faktisch gehindert war, berechtigt sei, aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis gem. § 2 4 2 B G B einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch geltend zu machen. D a b e i ließ das G e richt ausdrücklich offen, o b nicht auch in den Fällen des beeinträchtigten K o n taktes nach außen der Ausgleichsanspruch präziser mit einem unmittelbaren D u r c h g r i f f auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis zu begründen wäre, anstatt über die analoge A n w e n d u n g des § 9 0 6 Abs. 2 S. 2 B G B . D a r ü b e r hinaus sollte der E i g e n t ü m e r des Weinbergs berechtigt sein, den infolge des Kaltluftstaus an seinen R e b s t ö c k e n eingetretenen Substanzschaden v o m N a c h b a r n w e gen Eigentumsverletzung aus § 823 A b s . 1 B G B ersetzt zu verlangen. D e r B G H machte hier also die unmittelbar aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitete Rücksichtnahmepflicht zur Grundlage der Schadensersatzhaftung nach § 8 2 3 A b s . l B G B .

d)

Zusammenfassung

Festgehalten werden kann also: D i e R e c h t s p r e c h u n g lehnt - insoweit unter Billigung der herrschenden L e h r e - eine Eigentumsverletzung auch jenseits der Weiterfresser-Fälle nicht grundsätzlich schon deshalb ab, weil die eingetretene Substanzverschlechterung Folge eines Ausfalls bestimmter

sacherhaltender

Umwelteinflüsse war, ohne daß der Sache eine durch menschliches Verhalten verursachte E i n w i r k u n g von außen drohte. Vielmehr soll ein Verhalten, das zu einem solchen Ausfall beigetragen hat, etwa indem die von dritter Seite eingeleitete Z u f u h r sacherhaltender Substanzen u n t e r b r o c h e n oder der E i g e n t ü m e r durch das Versprechen der Leistung wirksamer Substanzen davon abgehalten wurde, andere sacherhaltende M a ß n a h m e n zu ergreifen, durchaus als Verletzungshandlung einer Eigentumsverletzung in Betracht k o m m e n . Allerdings soll eine Eigentumsverletzung grundsätzlich nicht schon dann vorliegen, wenn ein Grundstückseigentümer seinem N a c h b a r n die Z u f u h r v o n Licht, Luft, Wasser oder ähnlichen E i n w i r k u n g e n abschneidet.

3. Das Fehlen einer Einwirkung von außen eine Eigentumsverletzung nicht aus

schließt

D i e herrschende Ansicht, eine Eigentumsverletzung sei bei Substanzverschlechterung einer Sache nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil keine durch menschliches Verhalten verursachte E i n w i r k u n g drohte, verdient Zustimmung. 182

In BGH NJW 1991, 1671 (1672f.).

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

71

Dies soll im folgenden näher ausgeführt werden. Man mag daran zweifeln, daß in den Weiterfresser-Fällen ein Verhalten des Herstellers gegeben ist, das die Qualität einer rechtswidrigen Verletzungshandlung aufweist. Der Umstand, daß sich der Fehler innerhalb der Sache ausbreitet, ist jedoch nicht per se geeignet, eine Eigentumsverletzung auszuschließen. Zunächst ist dabei festzuhalten, daß die Autoren, die im Zusammenhang mit den Weiterfresser-Fällen für eine Beschränkung des Eigentumsschutzes auf die Abwehr von außen kommender Einwirkungen plädieren, eine nähere Begründung dieser These vermissen lassen.183 Stollm etwa schränkt sie gar sogleich wieder ein: Der Eigentumsschutz sei von der Rechtsprechung über den ursprünglichen Kern hinaus weiterentwickelt worden. In gewissen Grenzen sei der Eigentümer auch dagegen geschützt, daß ein anderer ihn zu einem die Sache gefährdenden Verhalten oder zum Unterlassen notwendiger Schutzmaßnahmen veranlasse.185 Eine ausführliche Begründung seiner grundsätzlichen Ablehnung einer Eigentumsverletzung in Fällen, in denen der Bestand einer Sache von sachschützenden Umwelteinflüssen abhängt, gibt dagegen Fraenkel186, der allerdings nicht speziell die Weiterfresser-Fälle im Blick hat.

a) Fraenkels Argumentation Handlungsfreiheit

mit dem Schutz der

allgemeinen

Fraenkel argumentiert auf zweifache Weise mit dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit. Einmal wendet er sich dagegen, daß die Hinderung der Vornahme sacherhaltender Handlungen eine Eigentumsverletzung sein könne: Dabei geht er davon aus, daß die tatsächliche Möglichkeit, Handlungen vorzunehmen, zu deren Vornahme der Inhaber eines subjektiven Rechts befugt sei, als solche nicht mehr zum absoluten Schutzbereich des Rechts gehöre, sondern nur zur tatbestandlich nicht geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit.187 Da Inhalt der allgemeinen Handlungsfreiheit das beliebige Handeln-Können und die Freiheit des Handeln-Wollens seien, sei jede - positive wie negative - Ausübung einer durch Vgl. die Nachweise in Fußn. 158. J Z 1983, 504. 185 Wie bereits oben dargelegt, hält Stoll, J Z 1983, 504, allerdings bei der Annahme solcher Verkehrspflichten zu produktschützender Instruktion Zurückhaltung für geboten, da dem Erwerber im allgemeinen zuzumuten sei, selbst für die Erhaltung des Produktes Vorsorge zu treffen bzw. einen das Produkt gefährdenden Umgang zu vermeiden. Soweit hierzu Informationen nötig seien, verlasse sich der Erwerber hauptsächlich auf die Angaben des Verkäufers, wobei die vertraglichen Informations- und Belehrungspflichten als speziellere Regelungen nach Stoll den gesetzlichen vorgehen sollen. 186 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.33ff., 65, 127ff. 187 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 127, 132. 183

184

72

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

ein subjektives R e c h t zugewiesenen ausschließlichen Handlungsbefugnis immer zugleich auch A u s ü b u n g der allgemeinen Handlungsfreiheit. Soweit die tatsächliche A u s ü b u n g eines subjektiven R e c h t s behindert werde, sei deshalb i m m e r auch die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt. D i e Ausdehnung des Inhalts subjektiver R e c h t e auf ihre tatsächliche Ausübbarkeit wäre daher nach Ansicht von Fmenkel

gleichbedeutend mit der Einbeziehung eines Teils

der allgemeinen Handlungsfreiheit in das subjektive R e c h t . E i n e solche hält Fraenkel

für unzulässig, da seiner Ansicht nach das subjektive R e c h t dadurch

partiell seine wichtigste F u n k t i o n verlöre, „die G r e n z e des Rechtskreises des einzelnen, die zugleich die G r e n z e der allgemeinen Handlungsfreiheit D r i t t e r ist, zu b e z e i c h n e n . " 1 8 8 Weil also „befugte Rechtsausübung und Betätigung der allgemeinen Handlungsfreiheit [...] ununterscheidbar" seien, „da es kein Verhalten gibt, das sich nicht zugleich als A u s ü b u n g irgendeines subjektiven Rechts oder eines Rechtsguts und sei es auch nur der körperlichen Bewegungsfreiheit begreifen l i e ß e " 1 8 9 , deshalb soll die H i n d e r u n g der Rechtsausübung und damit auch die H i n d e r u n g oder Störung sacherhaltender M a ß n a h m e n keine Eigentumsverletzung darstellen k ö n n e n : „Die Hinderung der Rechtsausübung beeinträchtigt ein Recht erst dann, wenn und soweit sich der Inhalt eines subjektiven Rechts auch auf die Möglichkeit erstreckt, daß der Rechtsinhaber die allein ihm vorbehaltenen Handlungen vornehmen kann und vornehmen wollen kann. Mit einer derartigen Ausdehnung des Rechtsinhalts wäre jedoch die Grenze zwischen den einzelnen subjektiven Rechten einerseits und der allgemeinen Handlungsfreiheit beseitigt." 190 U b e r t r a g e n auf die Weiterfresser-Konstellationen müßten diese Grundsätze zu dem Ergebnis führen, daß in denjenigen (seltenen) Fällen, in denen die Substanzveränderung unabhängig von einer bestimmten N u t z u n g der Sache bereits dann eintritt, wenn keine E r h a l t u n g s m a ß n a h m e n ergriffen werden, eine Eigentumsverletzung von vornherein verneint werden müßte. D i e Vornahme v o n E r haltungsmaßnahmen wäre als A u s ü b u n g der nach § 9 0 3 B G B dem E i g e n t ü m e r gewährten Freiheit zu verstehen, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, und das V o r n e h m e n - K ö n n e n dieser Handlung würde nicht v o m Eigentumsschutz erfaßt. Hinsichtlich der Fälle, in denen die Erhaltung der Sachsubstanz oder ihrer Verwendungsmöglichkeit - so wie im Bruteier-Fall 1 9 1 - nicht (nur) v o n der Vornahme einer sacherhaltenden Handlung, sondern (auch) v o m Zur-VerfügungStehen oder der Zuführung eines Gegenstandes von außen abhängt, argumentiert Fraenkel

gegen die B e j a h u n g einer Eigentumsverletzung außerdem wie

folgt: 188 189 190 191

Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 132. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 133. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 132. Siehe B G H J Z 1964, 457 (VI. Senat).

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

73

„Wenn ein Gegenstand für einen anderen Gegenstand die Funktion einer den Eintritt eines verletzenden Erfolges hindernden Bedingung hat, dann gehört nicht schon deshalb die Aufrechterhaltung dieser Funktion zu dem Inhalt der an dem anderen, solcher Art geschützten Gegenstand bestehenden Rechte." 1 9 2

Abgesehen von denjenigen Rechten, die ihrem Inhaber in irgendeiner Form eine Teilhabe am Recht eines anderen gewähren, gehörten das Vorhandensein, die Unversehrtheit und die Funktionsfähigkeit einer Sache oder eines sonstigen Gegenstandes niemals zum Inhalt des Rechts an einem anderen Gegenstand. Sie seien lediglich Teil der Umwelt, auf deren Gestaltung sich die besondere Rechtsmacht des Rechtsinhabers nicht mehr erstrecke. 193 Und weiter: „Eine Durchbrechung des Grundsatzes, daß niemand allgemein, d.h. soweit nichts anderes gesetzlich bestimmt ist, dazu verpflichtet ist, Dritte vor Schaden zu bewahren, die eigenen Rechte und Rechtsgüter im Interesse Dritter einzusetzen, hätte dieselben Konsequenzen wie eine Erweiterung des Rechtsschutzes auf einzelne Rechtsausübungshandlungen." 1 9 4

Aus diesen Überlegungen folgert Fraenkel, daß ein Nachteil, der in der Entziehung eines Vorteils bestehe, immer nur eine Verletzung desjenigen Rechts sei, zu dessen Inhalt die Gewährung des entzogenen Rechts gehöre 195 , und er kommt weiter zu dem Ergebnis, daß die Beseitigung eines ein Recht schützenden Zustandes auch nicht dadurch zu einer tatbestandsmäßigen, an sich widerrechtlichen das Recht verletzenden Handlung werde, daß statt des Inhabers des schützenden Gegenstandes ein Dritter die Handlung begehe. 196 Im BruteierFall hätte folglich nach Fraenkel die Frage, ob der Kläger schon kraft seines Eigentums die Aufrechterhaltung der Stromzufuhr verlangen konnte, gestellt und verneint werden müssen. Verletzt worden sei dort nur Eigentum des Elektrizitätswerks sowie das dem Tatbestand des §823 Abs.l BGB gerade nicht mehr unterfallende relative Recht des Klägers auf Stromlieferung. 197

Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 139. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 140. 194 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 141. 195 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 141. 196 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 143. 197 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 148f. Allerdings will auch Fraenkel - leider ohne darauf näher einzugehen - nicht ausschließen, daß die Verhinderung eines das Rechtsgut eines Dritten schützenden Zustandes ausnahmsweise gegen eine besondere Erfolgsabwendungspflicht verstößt und den Tatbestand eines Unterlassungsdelikts verwirklichen kann. Er nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf das Reichsgericht, das in RGZ 75, 80 eine Eigentumsverletzung verneint hatte, als jemand zum Schutze des eigenen Schiffes die Trosse zu zwei kleineren Prähmen losgeworfen und diese dadurch dem zerstörenden Einfluß des Sturmes preisgegeben hatte, wobei das Reichsgericht betont hatte, eine Rechtspflicht zur Rücksichtnahme auf das Eigentum des Dritten könne in einer solchen Situation durchaus bestehen, nur seien dafür „nicht Inhalt und Umfang der dem Eigentümer nach § 903 BGB zustehenden Ausschließungsrechte [...] der entscheidende Gesichtspunkt." Fraenkel versteht also eine entsprechende Erfolgsabwen192

193

74

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Sofern also in einem Weiterfresser-Fall die Bewahrung der Sache von der Zuführung eines Gegenstandes abhängt, etwa eine fehlerhaft konstruierte Hebebühne schon in unbeladenem Zustand einsturzgefährdet ist, jedoch durch Einbau einer zusätzlichen Säule gestützt werden könnte, wäre eine Eigentumsverletzung von vornherein deshalb zu verneinen, weil jede mögliche zusätzliche Säule Teil der Sachumwelt wäre, auf deren Gestaltung sich das Eigentum an der Hebebühne nicht erstreckt.

b) Der Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit macht keine Einwirkung von außen erforderlich Fraenkels Versuch zu begründen, daß Eigentumsschutz grundsätzlich schon dann zu versagen ist, wenn eine Sache durch das Scheitern sacherhaltender Maßnahmen beeinträchtigt wird, vermag nicht zu überzeugen: Der dahinter stehenden Grundannahme, subjektive Rechte dürften weder Rechtsausübungshandlungen schützen noch eine Rechtsmacht über andere Gegenstände bewirken, weil man andernfalls die Grenzen zwischen subjektivem Recht und allgemeiner Handlungsfreiheit beseitige, wird von Fraenkel selbst der Boden entzogen, indem er sich gezwungen sieht, sie für bestimmte Fälle zu durchbrechen. Dabei wird die vorgeschlagene Reichweite dieser Durchbrechung weder überzeugend begründet noch führt sie zu billigen Ergebnissen: So soll die Beseitigung eines schützenden Gegenstandes ausnahmsweise doch eine Eigentumsverletzung begründen können, wenn sie zu einer durch menschliches Verhalten verursachten Einwirkung auf die Sache führt, etwa dann, wenn ein Grundstück durch Immissionen aus einer Anlage beeinträchtigt wird, nachdem eine entsprechendende Schutzvorrichtung beseitigt wurde. Hier soll sowohl demjenigen, der die Anlage in Betrieb genommen hat, als auch jedem Dritten eine Beseitigung der Schutzvorrichtung verboten sein. 198 Als Gegenbeispiel nennt Fraenkel die Entscheidung RGZ 75, 80, in der das Reichsgericht eine Eigentumsverletzung verneint hatte, als jemand zum Schutze des eigenen Schiffes die Trosse zu zwei kleineren Prähmen losgeworfen und diese dadurch dem zerdungspflicht offenbar nicht als Inhalt des subjektiven Eigentumsrechts. Er denkt damit wohl gerade nicht an eine Verwirklichung des § 823 Abs. 1 B G B , sondern des § 823 Abs. 2 B G B . Neben ,,besondere[n] Schutz- und Fürsorgepflichten, die auf besonderen Rechtsbeziehungen zwischen dem Verpflichteten und dem Geschützten beruhen", vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 142f., nennt er als Beispiele die §§904 B G B , 34, 330c StGB, wobei er §330c StGB - der dem heutigen § 323c StGB entspricht - an anderer Stelle aus seiner Sicht folgerichtig als Schutzgesetz einordnet, siehe Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.284. Um kein verzerrtes Bild von Fraenkels Lehre zu vermitteln, sei noch darauf hingewiesen, daß Fraenkel durchaus annimmt, daß eine tatbestandsmäßige Handlung unter bestimmten Voraussetzungen, etwa nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft oder bei Vorliegen einer Garantenpflicht auch einem Dritten zurechenbar sein kann, vgl. zu den dafür seiner Ansicht nach in Frage kommenden Zurechnungsgründen Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 69, 268ff. 198 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.289ff.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

75

störenden Einfluß des Sturmes preisgegeben hatte. 199 Hier hätte nach Fraenkel also auch ein unbeteiligter Dritter die Trosse loswerfen dürfen, ohne eine Eigentumsverletzung zu begehen. Ahnlich soll von der mangelnden Einbeziehung der Rechtsausübungsfreiheit in das subjektive Recht die folgende Ausnahme gelten: Wenn eine physische Einwirkung auf das materielle Substrat einer Sache drohe, die durch das Handeln des Rechtsinhabers verhindert werden könne und der Rechtsinhaber an der Vornahme einer solchen Rettungshandlung gehindert werde, dann sei ausnahmsweise diese Hinderung der Rechtsausübung als die zeitlich letzte erfolgsbedingende Handlung in Form des Ausschaltens eines rettenden Kausalverlaufes eine tatbestandsmäßige Verletzungshandlung.200 Hier soll also doch die Vornahme der rettenden Handlung durch den Eigentümer unter den Eigentumsschutz fallen, mithin die Hinderung der Rechtsausübung eine Eigentumsverletzung begründen. Es wird nicht ganz klar, was Fraenkel in diesem Zusammenhang mit ,,physische[r] Einwirkung" meint. Allein auf menschlichem Verhalten beruhende Einwirkungen auf die Sache von außen?201 Dafür spricht vor allem, daß Fraenkel den Parallelfall der Vereitelung eines Sacherhalts durch die Beseitigung eines sachschützenden Gegenstandes ausdrücklich nur dann, wenn eine auf menschlichem Verhalten beruhende Einwirkung droht, für deliktsrechtlich relevant hält. Dies würde bedeuten, daß beispielsweise eine Eigentumsverletzung zu bejahen wäre, wenn der Eigentümer daran gehindert würde, seine auf dem Balkon stehenden Topfpflanzen vor Regenwasser in Sicherheit zu bringen, das infolge eines Chemieunfalls verseucht ist, während eine Eigentumsverletzung zu verneinen wäre, wenn er davon abgehalten würde, sie vor einem natürlichen Sturm zu retten.

Siehe dazu bereits Fußn. 197. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 135. Nach Fraenkels Grundthese wird der Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B allein durch die zeitlich letzte, den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs bedingende Handlung verwirklicht, vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S . 2 6 f f , 33,53,247ff. Dabei verwendet Fraenkel den Begriff der tatbestandlichen Handlung ersichtlich nicht als Oberbegriff für menschliches Verhalten unter Einschluß der Unterlassung. Vielmehr wird an verschiedenen Stellen deutlich, daß er damit nur ein aktives Tun meint, vgl. etwa Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 53: „Den Tatbestand eines reinen Erfolgsdelikts erfüllt danach nur eine, aber auch jede Handlung, durch deren Vornahme der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges in der Weise bedingt ist, daß er eintreten kann, ohne daß eine weitere Handlung vorgenommen werden muß." Vgl. ferner etwa S. 38, 58, 76,142,190, 291, 297, 299, 304, wo jeweils deutlich wird, daß Fraenkel dann, wenn er (auch) ein Unterlassen meint, ausdrücklich von einem solchen spricht. 201 Fraenkel verwendet den Begriff der Einwirkung zwar in diesem Sinn, vgl. etwa Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 128 u. 130, jedoch nicht durchgängig, vgl. etwaS. 290, wo ersieh zu den Fällen, in denen Integrität oder Nutzbarkeit der Sache von der Zufuhr bestimmter Güter von außen abhängt, die dann unterbrochen wird, wie folgt äußert: „Die verletzende Einwirkung beschränkt sich hier darauf, daß gerade nicht mehr auf den verletzten Gegenstand eingewirkt wird oder werden kann." 199

200

76

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Indem Fraenkel sich selbst gehindert sieht, bei Vereitelung sacherhaltender Maßnahmen im Interesse einer klaren Trennung von subjektivem Recht und allgemeiner Handlungsfreiheit die Eigentumsverletzung konsequent zu verneinen, wohl weil er erkannt hat, daß dies zu kaum tragbaren Ergebnissen führt, offenbart er die Fragwürdigkeit seiner These. Wenn Ausnahmen möglich sind, ohne daß die Grenze zwischen allgemeiner Handlungsfreiheit und subjektivem Recht beseitigt wird, dann drängt sich die Frage auf, warum dazu nicht auch Fälle rechnen können, in denen es an einer durch menschliches Verhalten verursachten und von außen drohenden Einwirkung fehlt? Wenn es etwa dem Eigentümer gelungen ist, durch entsprechende Organisation seiner Umwelt für den Erhalt der Sachintegrität zu sorgen, indem er sich bzw. eigene Güter schützend vor sie stellte oder indem er - vor allem über den Abschluß von Verträgen - Dritte dazu bewegen konnte, ihre Güter oder ihre persönliche Einsatzkraft zur Verfügung zu stellen, warum soll dann ein unbeteiligter Dritter diese Schutzbemühungen vereiteln dürfen, wenn Gefahren aus der Beschaffenheit der Sache oder Naturgefahren drohen, nicht aber, wenn durch menschliches Verhalten verursachte Einwirkungen bevorstehen? Warum sollte durch die Annahme einer Eigentumsverletzung im einen Fall die Grenze zwischen allgemeiner Handlungsfreiheit und subjektivem Recht preisgegeben werden, im anderen Fall dagegen nicht? Es ist nicht ersichtlich, inwiefern eine solche zu ganz unbilligen Ergebnissen führende Unterscheidung einer sinnvollen Grenzziehung zwischen subjektivem Recht und allgemeiner Handlungsfreiheit dienlich wäre. Fraenkel ist also zuzustimmen, wenn er nicht ausschließen mag, daß eine Sachverschlechterung als Eigentumsverletzung zugerechnet werden kann, die durch Ausbleiben sacherhaltender Maßnahmen eingetreten ist. Dies bedeutet in der Tat weder eine Preisgabe der allgemeinen Handlungsfreiheit noch wird damit den Rechtsausübungshandlungen des Eigentümers stets oder wenigstens grundsätzlich der Vorrang eingeräumt vor den Handlungen Dritter. Auch wird damit gar nicht die Hinderung von Rechtsausübungshandlungen als solche zur Eigentumsverletzung erhoben. Vielmehr wird wie bei jeder sonstigen Eigentumsverletzung eine bestimmte Herbeiführung eines rechtsgutsbeeinträchtigenden Erfolges verboten bzw. dessen Abwendung geboten. Daß nicht Rechtsausübungshandlungen als solchen deliktsrechtlicher Schutz zukommt, gilt aber auch dann, wenn von einem entsprechenden Verbot bzw. Gebot Fälle erfaßt werden, in denen eine aus der Beschaffenheit der Sache oder aus Natureinflüssen resultierende Gefahr droht.

Die Weiterfresser-Frage

c) Daß die bloße entsprechende von außen

Fähigkeit

Pflicht

in Rechtsprechung

und

zur Erfolgsabwendung

begründet,

macht

keine

Literatur

77

keine Einwirkung

erforderlich

Allerdings verdient Fraenkel uneingeschränkten Beifall, wenn er betont, daß erstens nicht schon die bloße Möglichkeit der Erfolgsabswendung eine Erfolgsabwendungspflicht begründet, daß zweitens grundsätzlich kein Eigentümer verpflichtet ist, im Interesse Dritter, die seine Güter zum Schutz ihres Eigentums in Anspruch nehmen wollen, die eigene Rechtsausübung so einzuschränken, daß eine fremde Inanspruchnahme ermöglicht wird 202 und daß beides - ab2 0 2 Der Grundsatz, daß die Erfolgsabwendungsfähigkeit noch keine Erfolgsabwendungspflicht begründet und daß grundsätzlich niemand seine Güter in den Dienst Dritter zu stellen hat, entspricht ganz herrschender Ansicht und Rechtsprechung, vgl. nur MiinchKomm./Mertens, §823 Rz. 204; Palandt/Thomas, §823 Rz.7; RGRK/Steffen, §823 Rz. 135; Soergel/Zeuner, SchuldR. II/2, § 76 III 4; RGZ 97,11 (Wasserrohrbruch); RGZ102, § 823 Rz. 39; Larenz/Canaris, 77; BGHZ 9, 301 (307) (Diebstahl); B G H N J W 1987, 2510 (Wachmann). Ihm wird allerdings in der Literatur nicht immer ausreichend Rechnung getragen: So gelangte jüngst Boecken in einer ausführlichen Untersuchung der Fälle einer bloßen Nutzungsbeeinträchtigung von Sachen, vgl. Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, insbesondere S. 162ff., zu der These, jede unabhängig von der Person des Eigentümers aufgrund einer Veränderung des Verhältnisses zwischen Sache und Außenwelt eintretende Beeinträchtigung der Sachnutzung stelle eine Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B dar, wobei er lediglich dahingehend einschränkt, daß er § 906 B G B als gesetzlicher Wertung eine allgemeine Relativierung des Nutzungsschutzes entnimmt. Diese Schranke soll auf der Rechtswidrigkeitsebene in der Weise berücksichtigt werden, daß auf der Grundlage einer einzelfallorientierten Interessenabwägung unter Einbeziehung aller für die jeweiligen Eigentümer- und Drittinteressen bedeutsamen Gesichtspunkte bestimmt werden soll, inwieweit der Eigentümer zur Duldung einer solchen Eigentumsbeeinträchtigung verpflichtet sei. Hier bleibt ersichtlich unberücksichtigt, daß es keine allgemeine Pflicht gibt, Dritten drohende Beeinträchtigungen abzuwenden. Es wird von der bloßen Annahme eines eigentumsbeeinträchtigenden Erfolges und der Fähigkeit einer Person, durch entsprechende Gestaltung der Sachumwelt eine Erfolgsabwendung zu bewirken, auf die Tatbestandsverwirklichung durch diese Person geschlossen. Wenn aber beispielsweise B keinen Fernseher besitzt, dann muß nicht A seinen Apparat zur Verfügung stellen. Und wenn A dies freundlicherweise bisher getan hat, kann er sein Gerät selbstverständlich grundsätzlich zurückverlangen und zwar auch dann, wenn damit die Fernsehantenne auf dem Dach von Bs Haus mangels Gerätes nicht mehr benutzt werden kann. Es ist hier ersichtlich kein Raum für eine einzelfallorientierte Interessenabwägung, bei der sich womöglich herausstellen würde, daß A ein nur als geringer zu bewertendes Interesse an dem Gerät geltend machen kann, weil er nur ganz selten fernsieht oder ein Zweitgerät besitzt. Die Verwirklichung der Gefahr einer Unbenutzbarkeit der Antenne bei nicht vorhandenem Endgerät kann A nicht allein deshalb zugerechnet werden, weil er zur Gefahrenvermeidung in der Lage wäre. Zu Unrecht stützt sich Boecken bei der Begründung seines weiten Verständnisses der Eigentumsverletzung bei bloßen Nutzungsbeeinträchtigungen auf einen angeblich entsprechend weitreichenden Substanzsschutz, den er belegt mit der von der herrschenden Literatur befürworteten Annahme einer Eigentumsverletzung in Fällen wie dem Bruteier-Fall ( B G H J Z 1964, 457 (VI. Senat)), vgl. Boecken, Deliktsrechtlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, S. 11 Off., 195, 250ff., 266ff., 385. So meint Boecken, in Fällen der Sachbeschädigung oder Sachzerstörung werde ein Verbietungsrecht aus §903 B G B „ohne weiteres bejaht, obwohl auch dies mittelbar zur Folge hat, daß letzten Endes Änderungen des status quo der Außenwelt (nämlich solche die zu Substanzbeein-

78

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

gesehen von besonderen Eingriffsrechten wie §§227,228, 904,909,1005 BGB prinzipiell auch dann gilt, wenn Substanzverschlechterungen einer Sache eintreten. Beim Rückschluß von der bloßen Vermeidungsfähigkeit auf die Vermeidungspflicht wäre in der Tat die allgemeine Handlungsfreiheit beseitigt, weil jeder stets alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen bzw. zu unterlassen hätte, um die Rechtsgüter eines jeden anderen zu schützen und zwar auch vor Gefahren, mit denen ihn nicht mehr verbindet als die Fähigkeit, sie abzuhalten. Und nähme man an, daß in der bloßen Versagung eigener Güter 203 regelmäßig eine unzulässige Beeinträchtigung fremder Rechte läge, dann würde man die Idee des subjektiven Rechts als dem einzelnen verliehene Rechtsmacht unterminieren. Der Eigentümer könnte gerade nicht mehr gem. § 903 BGB mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, sondern hätte sich stets zu überlegen, ob seine Sache nicht zum Schutz fremder Rechtsgüter eingesetzt werden könnte. Aus diesen Grundsätzen kann aber keineswegs gefolgert werden, daß ein Verhalten erlaubt sein muß, solange es nicht zu einer Einwirkung auf ein fremdes Rechtsgut von außen führt. Sie tragen vielmehr nur den Schluß, daß die bloße Fähigkeit zur Erfolgsabwendung bzw. die Weigerung eines Einsatzes eigener Güter nicht genügen kann, jemandem einen Verletzungserfolg als Rechtsverletträchtigungen f ü h r e n ) verhindert oder jedenfalls sanktioniert werden." D e m m u ß - insoweit in Ü b e r e i n s t i m m u n g mit den A u s f ü h r u n g e n Fraenkels - entgegnet werden, daß ein entsprechend weitreichendes Verbietungsrecht von Substanzbeeinträchtigungen nicht existiert. A u c h hier gilt, daß die bloße Fähigkeit, Sachen Dritter durch den Einsatz eigener G ü t e r vor Substanzbeeinträchtigungen zu bewahren, keine entsprechende Verpflichtung begründet und deshalb etwa die Weigerung, einen Sacheigentümer mit Strom zu beliefern, auch w e n n sie zu Substanzschäden f ü h r t , als solche nicht den Vorwurf einer Eigentumsverletzung begründen kann. So lag aber der Bruteier-Fall gerade nicht. Vielmehr hatte hier ein Dritter f r e m d e B e m ü h u n g e n z u m Erhalt der Eier vereitelt. Vgl. auch MünchKomm./Mertens, §823 Rz. 113 F u ß n . 230, nach dessen Ansicht die Verlegung der G r e n z e n des deliktischen Schutzes gegen Nutzungsbeeinträchtigungen in eine im R a h m e n der Rechtswidrigkeitsprüfung v o r z u n e h m e n d e Interessenabwägung dazu führe, daß der Eigentumsschutz prinzipiell ü b e r z o g e n u n d die Rechtssicherheit nicht verbessert werde; darauf, daß mit der E i n o r d n u n g sämtlicher d u r c h Veränderung des Verhältnisses zwischen Sache u n d A u ß e n w e l t eingetretener Nutzungsbeeinträchtigungen als Eigentumsverletzung u n d einer Interessenabwägung entsprechend §906 B G B „vielerlei Unsicherheiten verbunden sind", weist zu Recht hin Soergel/Zeuner, § 823 Rz. 34. 203 Die Weigerung, den rechtsgutsbeeinträchtigenden Erfolg d u r c h einen Einsatz eigener G ü ter abzuwenden, m u ß übrigens keineswegs immer ein Unterlassen darstellen, s o n d e r n kann auch in einem aktiven Tun liegen. Z u r Illustration ein Beispiel: D e r Supertanker des A liegt vor den Uferanlagen des B. Als ein Sturm a u f k o m m t , bewegt A den Tanker fort mit der Folge, daß die Anlagen des B Sturmschäden erleiden. D a ß grundsätzlich niemand seine eigenen G ü t e r z u m Schutz Dritter bereitstellen m u ß , bedeutet, daß auch in einem entsprechendem aktiven Tun als solchem grundsätzlich keine Verletzungshandlung einer Eigentumsverletzung liegt. Dies gilt selbst dann, w e n n sich dadurch z u m Schaden der f r e m d e n Sache eine dieser von außen d r o h e n d e und durch menschliches Verhalten verursachte G e f a h r realisieren kann, also w e n n etwa in d e m genannten Beispiel der Sturm die Folge menschlicher Klimaveränderungen wäre.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

79

zung zuzurechnen. Es steht damit lediglich fest, daß die Fähigkeit zur Erfolgsabwendung bzw. die Versagung eigener Güter als solche grundsätzlich nicht haftungsbegründend ist. Damit ist jedoch nicht gesagt, wodurch sich ein Handeln oder Unterlassen darüber hinaus auszeichnen muß, um ge- bzw. verboten zu sein. Es ist also zwar zutreffend, daß etwa die bloße Verweigerung der Zufuhr sacherhaltender Substanzen als solche keine Eigentumsverletzung darstellt, weil die bloße Fähigkeit, durch Einsatz der eigenen Güter Substanzschäden an den Sachen Dritter zu verhindern, keine Erfolgsabwendungspflicht begründet. Dem widerspricht es aber nicht, eine Pflicht zur Erfolgsabwendung etwa dann zu bejahen, wenn der Inanspruchgenommene über die Versagung eigener Güter hinaus Maßnahmen vereitelt, die andere eingeleitet haben oder die von anderen eingeleitet worden wären, um eine aus der Beschaffenheit der Sache drohende Gefahr zu verhindern. 204 Zu den Grundsätzen, daß die Erfolgsabwendungsfähigkeit als solche keine Erfolgsabwendungspflicht begründet und daß niemand seine Rechtsgüter in den Dienst Dritter stellen muß, steht es also nicht in Widerspruch, wenn die Rechtsprechung in Fällen wie dem Bruteier-Fall oder auch der Lieferung wirkungsloser Produkte eine Eigentumsverletzung bejaht. Soweit die Bemühungen Dritter zur Erfolgsabwendung gestört oder gar verhindert werden, geht das Verhalten des Schädigers jeweils über die bloße Verweigerung der Zufuhr sacherhaltender Güter hinaus. 205 Ganz in Einklang mit dem bisher Gesagten steht es deshalb auch, wenn die Rechtsprechung unter Zustimmung der herrschenden Literatur bei negativen Einwirkungen auf Grundstücke eine Eigentumsverletzung mit der Begründung verneint, innerhalb der Grenzen seines Gründstücks dürfe jedermann grundsätzlich mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren und brauche keine Rechtfertigung nach § 906 B G B 2 0 6 . Daß der Eigentümer einer bestimmten Sache 2 0 4 In dem in der vorhergehenden Fußn. genannten Beispiel könnte eine Eigentumsverletzung danach etwa dann in Frage kommen, wenn der A dem B angekündigt hätte, der Tanker bleibe auch bei Sturm vor dem Ufer liegen und ihn so davon abgehalten hätte, für einen alternativen Schutz seiner Anlagen zu sorgen. 2 0 5 Dies bedeutet allerdings keineswegs, daß in jeder Leistungsverweigerung bzw. Leistung wirkungsloser Produkte, welche die Verschlechterung fremder Sachen zur Folge hat, eine Eigentumsverletzung liegen würde. Eine Vereitelung eines anderweitigen Sachschutzes ist etwa dann zu verneinen, wenn für den Sacheigentümer auch nach der Weigerung oder Unterbrechung der zugesagten Zufuhr noch ausreichend Gelegenheit besteht, einen alternativen Sachschutz zu organisieren. In diesem Fall hat eine Eigentumsverletzung auszuscheiden, weil der Eigentümer ab dem Zeitpunkt, in dem er weiß, daß die angekündigte Leistung ausbleibt, nicht mehr durch das Vertrauen auf diese Leistung vom Schutz seiner Sache abgehalten wird. Dasselbe muß grundsätzlich dann gelten, wenn außer demjenigen, der sich zum Sacherhalt bereit erklärt hat, von Anfang an niemand zur Verfügung stand, der eine Verschlechterung der Sache hätte verhindern können. Denn dann wären alternative Bemühungen um einen Sacherhalt erfolglos geblieben, so daß doch die Weigerung des Inanspruchgenommen, seine Güter zur Verfügung zu stellen, als solche und nicht die Vereitelung sacherhaltender Maßnahmen durch Dritte den Erfolg herbeigeführt haben. 2 0 6 So BGH2 88, 344 (346f.).

80

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

imstande ist, durch eine entsprechende Nutzung dieser Sache den Zufluß substanzerhaltender Stoffe zur Sache eines Dritten zu gewährleisten, reicht eben grundsätzlich nicht aus, eine Pflicht zu einem entsprechenden Verhalten zu begründen. Allerdings sind gerade benachbarte Grundstücke wegen ihrer unveränderlichen geographischen Lage in ganz besonders enger Weise aufeinander bezogen, so daß in diesem Sonderfall die Annahme einer ausnahmsweisen gegenseitigen Beschränkung des benachbarten Eigentums bzw. dessen eigennütziger Rechtsausübung und die Forderung nach einem höheren M a ß an gegenseitiger R ü c k sichtnahme, durchaus angemessen erscheinen. Insofern hat die Idee des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses ihren guten Sinn, wobei der Frage ihrer dogmatischen Anbindung hier nicht nachgegangen werden soll. 2 0 7 Aus all dem folgt für die Weiterfresser-Fälle: Eine Pflicht des Herstellers zur Verhinderung der sachinternen Fehlerausbreitung darf zwar nicht schon deshalb bejaht werden, weil er dazu in der Lage gewesen wäre. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, daß Zurechnungsgründe vorliegen, die es rechtfertigen, vom Hersteller einen bestimmten Beitrag zur Verhinderung der Sachverschlechterung zu verlangen.

d) Die Einwirkung von außen ist häufig nicht von sonstigen Gefahren für die Sachsubstanz

abgrenzbar

Die Ansicht, eine Eigentumsverletzung sei notwendig schon dann ausgeschlossen, wenn es an einer auf menschlichem Verhalten beruhenden Einwirkung von außen fehle, ist schließlich aber auch deshalb abzulehnen, weil sich Einwirkungen, die durch menschliches Verhalten von außen drohen, häufig gar nicht abgrenzen lassen von Gefahren, die der Sachsubstanz wegen ihrer B e schaffenheit, ihrer Abhängigkeit von sacherhaltenden Umwelteinflüssen oder durch von niemandem zu beherrschende Natureinflüsse drohen. O f t kann vielmehr auch eine Sachbeschädigung, die der Sache bei oberflächlicher Betrachtung von innen bzw. von natürlichen äußeren Einflüssen droht, sehr wohl als durch menschliches Verhalten verursachte Einwirkung von außen beschrieben werden. So ist, von Grundstücken einmal abgesehen, bereits der O r t , an dem sich eine Sache befindet, regelmäßig das Ergebnis menschlichen Handelns. Wenn gerade die dort herrschenden Bedingungen eine Sachverschlechterung herbeiführen, dann erscheint selbst das Wirken einer Naturgewalt als durch menschliches Verhalten verursachte Einwirkung von außen. Als Beispiel sei hier nochmals auf den Prähmen-Fall 2 0 8 verwiesen, in dem jemand zum Schutze des eigenen Schif2 0 7 Vgl. zum nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis näher Deneke, meinschaftsverhältnis, 1987. 2 0 8 Vgl. RGZ 75, 80 (Prähme).

Das nachbarliche G e -

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

81

fes die Trosse zu zwei kleineren Prähmen losgeworfen u n d diese dadurch d e m Sturm preisgegeben hatte. Fraenkel hielt eine Eigentumsverletzung schon deshalb für ausgeschlossen, weil die S t u r m e i n w i r k u n g , die durch die Beseitigung des schützenden Gegenstandes freigesetzt w o r d e n sei, nicht auf einem menschlichen Verhalten beruht habe. 2 0 9 Das ist insofern unzutreffend, als der Sturm nur auf die Prähmen einwirken konnte, weil jemand sie zu Wasser gelassen hatte. Der Sturm läßt sich also sehr w o h l als auf menschlichem Verhalten beruhende E i n w i r k u n g von außen begreifen. Sicherlich hätte auch Fraenkel eine Eigentumsverletzung dann nicht verneint, w e n n jemand die Prähmen v o m U f e r losgemacht u n d in den tobenden Sturm geschickt hätte. A b e r auch die jeweilige Sachumwelt ist regelmäßig das P r o d u k t menschlicher H a n d l u n g e n . M a n stelle sich etwa vor, in dem Prähmen-Fall w ä r e der Sturm die Folge menschlich verursachter Klimaveränderungen. Oder in den ApfelschorfFällen 2 1 0 hätte die B e k ä m p f u n g eines natürlichen Feindes des Apfelschorfes überhaupt erst zu dessen massiver Verbreitung geführt. A u c h dann müßte man jeweils eine menschlich verursachte E i n w i r k u n g von außen bejahen. Schließlich stellt auch die Vorstellung, die Substanz einer Sache habe sich nur von innen verschlechtert, weil ihr nicht die n o t w e n d i g e n erhaltenden Stoffe zugeführt w o r d e n seien, nicht aber weil Einflüsse von außen schädigend auf sie eingewirkt hätten, in der Regel nur ein schiefes Bild dar. Tatsächlich finden, w e n n sich die Substanz einer Sache ohne weiteres Zutun, „von innen", verschlechtert, sehr w o h l physikalische, chemische oder biologische Reaktionen zwischen der Sachsubstanz u n d ihrer U m w e l t statt, bei denen U m w e l t e i n f l ü s s e w i r k e n u n d die deshalb nicht darauf verkürzt w e r d e n können, der Sache fehle etwas, ohne daß von außen auf sie eingewirkt werde. Vergilbende Möbel, vertrocknende Pflanzen, rostende Maschinen oder im unbeheizten Brutkasten verderbende Eier sind bei genauer Betrachtung ebenso (auch) das Ergebnis der W i r k u n g e n ihrer U m w e l t , w i e die durch einen Steinwurf zerberstende Fensterscheibe.

4.

Ergebnis

Die Zurechnung einer Substanzverschlechterung als Eigentumsverletzung scheidet nicht schon deswegen aus, weil es an einer durch menschliches Verhalten verursachten E i n w i r k u n g von außen fehlt. Eine solche Begrenzung des Eigentumsschutzes ist w e d e r zur Gewährleistung der allgemeinen H a n d l u n g s f r e i heit erforderlich, noch ist sie notwendig, u m den Grundsätzen Rechnung zu tragen, daß die bloße tatsächliche Fähigkeit, einen rechtsgutsbeeinträchtigenden 209 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 290 Fußn. 57 u. bereits oben Fußn. 197 u. unter b). 210 Vgl. Siehe B G H VersR 1981, 636 (Benomyl), u. B G H VersR 1981, 639 (Derosal).

82

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Erfolg zu vermeiden, noch keine Erfolgsabwendungspflicht begründet und daß grundsätzlich n i e m a n d seine R e c h t s g ü t e r D r i t t e n zur Verfügung stellen m u ß . S i e f ü h r t a u ß e r d e m z u u n b i l l i g e n E r g e b n i s s e n u n d ist s c h l i e ß l i c h i n s o f e r n b e d e n k l i c h , als s i c h d i e e i n e r S a c h e a u g e n s c h e i n l i c h v o n i n n e n d r o h e n d e S u b s t a n z v e r s c h l e c h t e r u n g b e i g e n a u e r B e t r a c h t u n g h ä u f i g d o c h als d u r c h m e n s c h l i c h e s Verhalten (mit)verursachte E i n w i r k u n g von außen beschreiben läßt.211 F ü r die W e i t e r f r e s s e r - F ä l l e b e d e u t e t d i e s , d a ß e i n e E i g e n t u m s v e r l e t z u n g a u c h d a n n n i c h t v o n v o r n h e r e i n a u s g e s c h l o s s e n ist, w e n n s i c h d i e f e h l e r h a f t e S a c h e o h n e w e i t e r e s Z u t u n s e l b s t b e s c h ä d i g t o d e r z e r s t ö r t . D a m i t ist a l l e r d i n g s n o c h n i c h t gesagt, o b u n d u n t e r w e l c h e n V o r a u s s e t z u n g e n ein Verhalten des H e r s t e l l e r s g e g e b e n ist, d a s es e r l a u b t , i h m d i e s a c h i n t e r n e F e h l e r a u s b r e i t u n g als E i g e n tumsverletzung zuzurechen.

VII. Gegen die Eigentumsverletzung läßt sich nicht einwenden, Verkehrspflichten schützten nur sonstige Rechtsgüter des Käufers W e n n der B G H in den Weiterfresser-Fällen eine E i g e n t u m s v e r l e t z u n g bejaht, dann wird i h m v o n m a n c h e n entgegengehalten, V e r k e h r s p f l i c h t e n des P r o d u z e n t e n b e s t ü n d e n n u r z u m S c h u t z e der sonstigen R e c h t s g ü t e r des E r w e r b e r s d e r f e h l e r h a f t e n S a c h e . 2 1 2 I m G e g e n s a t z z u f e h l e r b e d i n g t e n S c h ä d e n an s o n s t i g e n R e c h t s g ü t e r n , die n i c h t n o t w e n d i g b e i m K ä u f e r e i n z u t r e t e n b r ä u c h t e n , s o n -

211 An dieser Stelle sei noch ausdrücklich klargestellt, daß die mangelnde Beschränkung des deliktsrechtlichen Eigentumsschutzes auf Einwirkungen von außen keineswegs notwendig einher geht mit der Anerkennung einer möglichen Eigentumsverletzung bei bloßer Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeiten einer Sache durch Veränderung der Umweltbedingungen. Die Verneinung einer Eigentumsverletzung in diesen Fällen hängt vielmehr auch bei Verzicht auf das Erfordernis einer Einwirkung von außen davon ab, ob man in einer bloßen Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeiten der Sache unter denselben Voraussetzungen einen Verletzungserfolg im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B sieht wie in einer Substanzveränderung. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn das Interesse an der Aufrechterhaltung bestehender Verwendungsmöglichkeiten der Sache in gleicher Weise vom Eigentumsschutz erfaßt würde wie das Interesse am Erhalt ihrer substanziellen Integrität; vgl. dazu bereits Fußn. 161 u. 202 sowie unten Fußn. 784 bis 786. 2 1 2 Vgl. Diederichsen N J W 1978, 1285f., der einfach behauptet, die Produkthaftpflicht verfolge ausschließlich den Schutz vor Mangelfolgeschäden, verstanden als übrige Schäden an Rechtsgütern jenseits des Produktes; ähnlich Vogt, VersR 1979, 896; Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 I B G B , 1984, S. 115; Reinicke/Tiedtke, N J W 1986,10f., werfen dem B G H vor, er habe mit der Weiterfresser-Rechtsprechung dem durch die Produzentenhaftung geschützten Integritätsinteresse einen anderen Inhalt gegeben; daß der Weiterfresserschaden vom Schutzzweck der Verkehrspflichten des Produzenten erfaßt wird, bestreitet auch Erman/Schiemann, §823 Rz. 125; siehe ferner Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 146, der ähnlich wie Kötz, DeliktsR., 8. Aufl., 1998, Rz. 66, annimmt, daß sich das Vertrauen des Käufers in die Sachintegrität der Kaufsache primär in den Bahnen des geschlossenen Vertrags bewegt, und der deshalb die deliktische Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich „zurücktreten" läßt, wobei nicht klar wird, ob damit schon der Tatbestand einer Verkehrspflichtverletzung verneint werden soll.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

83

denn jeden treffen könnten, der mit der Sache in Berührung komme, könne Weiterfresserschäden nur der Käufer erleiden. 213 Auch diese Kritik vermag nicht zu überzeugen. 214 Wie noch zu zeigen sein wird, ist zwar durchaus nicht einfach zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen ein Verhalten nach §823 Abs. 1 BGB unerlaubt ist und wodurch der Hersteller in den Weiterfresser-Fällen ein ihm im Interesse des Produkteigentümers obliegendes Ver- oder Gebot verletzt haben könnte. 215 Die nackte These jedoch, für Substanzverschlechterungen des Produktes habe der Hersteller nach § 823 Abs. 1 niemals einzustehen, weil diese jenseits des Schutzzwecks der Norm lägen, ist bloße Behauptung. §823 Abs. 1 BGB kennt nur Eigentum, nicht aber ein wie auch immer gegenüber dem Hersteller und/oder inhaltlich beschränktes „Eigentum an der Kaufsache". Das Eigentum an der fehlerhaften Sache ist also nicht schlechter oder schwächer als das Eigentum an sonstigen Sachen. Wenn aber der Erwerber vollwertiges, gegenüber jedermann wirksames Eigentum erlangt hat, warum soll dann dieses Eigentum im Verhältnis zum Hersteller grundsätzlich jenseits des Schutzzwecks des §823 Abs. 1 BGB liegen? Bereits oben wurde gezeigt, daß es nicht sinnvoll ist, das Konkurrenzproblem auf die Tatbestandsebene zu verlagern. 216 Letztlich geschieht nichts anderes, wenn mit Rücksicht auf einen erwünschten Vorrang der vertragsrechtlichen Haftungsregeln die Weiterfresser-Fälle einfach ohne nähere Begründung vom Schutzzweck des §823 Abs.l BGB ausgenommen werden. Es wird damit der Tatbestand des §823 Abs. 1 BGB aus konkurrenzrechtlichen Erwägungen beschnitten. Davon abgesehen ist es offensichtlich unzutreffend, daß nur der Käufer einen Weiterfresser-Schaden erleiden kann. Vielmehr wird von der sachinternen Fehlerausbreitung immer derjenige betroffen, der Eigentümer der Sache ist. Das ist aber keineswegs zwangsläufig der Käufer. Die Sache kann ja durch viele Hände gehen. So mag den Weiterfresser-Schaden etwa derjenige Eigentümer erleiden, der die fehlerhafte Sache als Schadensersatz akzeptiert, der sie geschenkt bekommt, sie findet, sie im Tausch, als arbeitsrechtliche Gratifikation oder als ehebedingte Zuwendung erhält usw.; der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt.

213 214 215 216

Rengier, JZ 1977, 347. Dagegen auch Brüggemeier, WM 1982, 1303. Vgl. dazu Kapitel 3. Vgl. oben vor Teil 1, unter D.

84

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

VIII.

an der fehlerhaften

Sache

Gegen die Eigentumsverletzung läßt sich nicht einwenden, der Hersteller reparabler Sachen hafte zu streng

Die Gewährung eines deliktsrechtlichen Anspruches bei nicht-,,stoffgleichem" Schaden wird ferner von einigen Autoren deshalb als ungerechtfertigt empfunden, weil sie zu einer Haftung des Herstellers führe, der eine Sache mit behebbarem Mangel in Verkehr bringe, während der Produzent eines von Anfang an völlig wertlosen Produktes mangels Eigentumsverletzung von einer deliktsrechtlichen Haftung verschont bleibe. Reinicke/Tiedtke217 bringen diese Kritik auf den Punkt: „Je kleiner der Vorwurf ist, der dem Hersteller zu machen ist, umso größer soll seine Haftung sein."

Der Einwand kann nicht durchgreifen und ist auch bereits zutreffend widerlegt worden: So hat G. Hager218 zu Recht darauf hingewiesen, daß die Differenzierung zwischen einerseits dem Fall der Ubereignung einer von Anfang an völlig unbrauchbaren und irreparablen Sache und andererseits der Verschlechterung einer zunächst nur teilweise mangelhaften Sache durch das Deliktsrecht vorgezeichnet sei, auch wenn die durch das Erfordernis der Rechtsgutsverletzung in § 823 Abs. 1 BGB gezogene Scheidelinie im Einzelfall roh und pauschal sein könne. 219 In der Tat hat die vermeintliche Widersprüchlichkeit der Verneinung einer Eigentumsverletzung im erstgenannten Fall ihre Ursache nur darin, daß eine Eigentumsverletzung ohne Präexistenz der Sache eben nicht denkbar ist.220 Die Verschaffung einer Sache, die von Anfang an hinter den vertraglichen Anforderungen zurückbleibt und sich auch nicht weiter verschlechtert, kann eben niemals das Eigentum als Recht an dieser Sache, so wie sie tatsächlich ist, verletzen, während im Fall der nachträglichen Substanzveränderung eine Eigentumsverletzung durchaus in Betracht kommt. Daß der Hersteller es in der Hand gehabt 2,7 Vgl. N J W 1986, 13f., 14, ähnlich dies., KaufR., S.271; vgl. auch bereits Harrer, Jura 1984, 85; ferner Weick, H a f t u n g f ü r Schäden durch P r o d u k t e und Produktionsprozesse, 1987, S. 99, d e m D. Koch, P r o d u k t h a f t u n g , 1995, S. 187 u. S.206 folgt; ähnlich Diederichsen, Probleme der P r o d u z e n t e n h a f t u n g , 1988, S.30; vgl. auch MünchKomm./Mertens, §823 Rz. 108 F u ß n . 207, der es für kaum verständlich hält, daß der Verkäufer nach Ablauf der Gewährleistungsfrist f ü r ein Tier, das infolge eines H a u p t m a n g e l s stirbt, nicht haftet, w o h l aber nach §823 Abs. 1 B G B , w e n n das Tier eine unentdeckt gebliebene leichte Infektion hatte, die seine A b w e h r k r a f t gegenüber einer weiteren z u m Tode f ü h r e n d e n Krankheit schwächte; ferner L G Karlsruhe J Z 1987, 828 (829) (Lkw). 218 G. Hager, BB 1987,1749; gegen den Vorwurf, die Weiterfresser-Rechtsprechung statuiere bei geringerem Vorwurf eine weitreichendere H a f t u n g auch Merkel, N J W 1987,360; Katzenmeier, Vertragliche u n d deliktische H a f t u n g , 1994, S. 244, der diese A r g u m e n t a t i o n als „suggestiv" bezeichnet. 219 U n t e r Verweis auf von Caemmerer, Z H R 127 (1965), S.247. 220 Vgl. dazu ausführlich bereits oben Kapitel 1, B.

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und Literatur

85

hätte, d e m Käufer statt einer nur teilweise mangelhaften Sache ein völlig unbrauchbares Stück zu liefern, macht den Käufer ihm gegenüber nicht zu einem Eigentümer minderen Rechts. Das Käufereigentum erfaßt die Sache, so w i e sie ist. Daß sie auch anders hätte geschaffen w e r d e n können, beeinträchtigt die Rechtsstellung des Eigentümers nicht. Die Kritiker des B G H vergleichen hier also letztlich Apfel mit Birnen. Dies w i r d deutlich, w e n n man den von ihnen angeführten Vergleich etwas abwandelt: M a n stelle sich vor, der Hersteller liefert dem Käufer eine intakte Garagentür. Bei einem privaten Besuch wenige Tage später stößt der Hersteller mit seinem Fahrzeug leicht fahrlässig gegen die gelieferte Tür, deren Griff dabei zerstört w i r d . H i e r w ü r d e wohl k a u m jemand auf die Idee k o m m e n , eine deliktsrechtliche H a f t u n g mit der B e g r ü n d u n g zu verneinen, der Produzent stünde damit schlechter, als w e n n er eine von A n f a n g an mit einem unbrauchbaren Türgriff versehene Garagentür geliefert hätte, obw o h l dies selbstverständlich auch in diesem Fall zutrifft und man auch hier sagen könnte, dem Hersteller, der sich schon von A n f a n g an vertragsbrüchig verhalten habe, sei doch jedenfalls kein geringerer Vorwurf zu machen als dem, der erst nachträglich die zunächst pflichtgemäß geleistete Sache beschädige.

IX. Zusammenfassung

der Kritik

Die vorstehenden A u s f ü h r u n g e n haben ergeben, daß es nicht überzeugen kann, w i e der B G H in den Weiterfresser-Fällen die Eigentumsverletzung begründet: Zu U n r e c h t sieht das Gericht in der Herstellung bzw. Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache eine Verletzungshandlung hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache selbst. Z w a r kann die fehlerhafte Sache taugliches O b j e k t einer Eigentumsverletzung sein, weil sie - w i e praktisch jede Sache - versehrbar ist. Jedoch müssen Herstellung u n d Inverkehrgabe als Verletzungshandlungen ausscheiden, weil sie notwendige Bedingungen der Entstehung der fehlerhaften Sache u n d des Eigentumserwerbs sind. Ein Recht kann nicht durch ein Verhalten verletzt werden, d e m es überhaupt erst seine Existenz verdankt. Weil der B G H es also an der Feststellung einer tauglichen Verletzungshandlung fehlen läßt, m u ß er sich den Vorwurf gefallen lassen, er schließe letztlich von der bloßen Schadensverursachung auf die Eigentumsverletzung. Der B G H ist aber auch insofern zu kritisieren, als er das Vorliegen einer Eigentumsverletzung davon abhängig macht, daß ein mit dem anfänglichen M a n gelunwert der Sache nicht-„stoffgleicher" Schaden geltend gemacht w i r d . Läge tatsächlich bereits in der Herstellung oder Inverkehrgabe der Sache eine das Eigentum verletzende H a n d l u n g , dann müßte man folgerichtig bei jeder fehlerbedingten Selbstverschlechterung der Sache eine Eigentumsverletzung bejahen. Rechtsgutsbeeinträchtigung einerseits u n d Schadensverursachung andererseits w ä r e n - w i e auch sonst - zu trennen.

86

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Schließlich ist die „Stoffgleichheits"-Formel aber nicht einmal zur Schadensberechnung geeignet. Durch einen Vergleich des geltend gemachten Schadens mit dem anfänglichen Mangelunwert der Sache kann der Schaden, der durch die sachinterne Fehlerausbreitung entstanden ist, nicht ermittelt werden. Denn zum einen ist der Kläger frei, einen beliebig hohen Betrag geltend zu machen. Und zum andern ist das vereinbarte Vertragssoll ohne Bedeutung für die Frage, welche Einbußen aus der Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache entstanden sind.

C. Keine

überzeugenden

zur Begründung

sonstigen

einer

Ansätze

Eigentumsverletzung

Auf die unzureichende Bestimmung der Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung durch den B G H haben Teile der Literatur mit der Entwicklung anderer Ansätze reagiert, mit denen die deliktsrechtlich irrelevanten von den deliktsrechtlich relevanten Weiterfresser-Fällen geschieden werden sollen. Auch diese im folgenden dargestellten Versuche der Begründung einer Eigentumsverletzung können jedoch nicht überzeugen. I. Eigentumsverletzung

nur bei

der Sache auf bestimmte

Selbstbeschädigung Weise

Eine ganze Reihe von Autoren bejaht in den Weiterfresser-Fällen die Eigentumsverletzung nur, wenn die Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache auf ganz bestimmte Weise eingetreten ist. Allein bei Vorliegen gewisser qualifizierender Umstände soll der Hersteller durch die Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache eine Verkehrspflichtverletzung begangen haben. Entwickelt wurde diese Lehre vor allem von Lang, Mertens, Schlechtriem und Stoll. 1. Umweltgefährdung Beschädigung

und -Schädigung,

als Voraussetzungen

der

unfallartige

und

gewaltsame

Verkehrspflichtverletzung

In Anlehnung an Beispiele aus der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur wollen Langln und Schlechtriem222 bei Weiterfresserschäden einen Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S. 176ff. Schlechtriem, Gutachten, 1981, S. 1666; weitergehend noch ders., Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972, S. 99f., wo die deliktische Haftung bei Weiterfresserschäden grundsätzlich bejaht wird und nur eine Abgrenzung zum vertraglichen Minderwert im Zeitpunkt des Gefahrübergangs erfolgt; gegen ein Eingreifen des Deliktsrechts allerdings ders., VersR 1973, 589 mit der Begründung, das kaufvertragliche Mängelrisiko schließe auch die Zerstörung der gekauften Sache ein; einen Deliktsanspruch dagegen wiederum befürwortend ders., N J W 1977, 1820. 221

222

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

87

deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch nur dann geben, wenn das fehlerhafte, gefährliche Produkt einen Unfall im weitesten Sinn verursacht hat. Dann sei es häufig Zufall, daß der Schaden „nur" am Gesamtprodukt, und nicht auch an Leben, Gesundheit oder an anderen Sachen eingetreten sei.223 Das Inverkehrbringen einer mangelhaften Sache, die potentiell Rechtsgüter wie Leben, Eigentum oder Gesundheit von Menschen gefährde, falle nicht mehr in den Bereich dessen, was man als „normales Vertragsrisiko" bezeichnen könne. Es sei dann vielmehr in den meisten Fällen eine Verkehrspflicht verletzt. Als Gegenbeispiel wird die allmähliche Verschlechterung einer Sache genannt, etwa die Zerstörung einer Sache durch Rost oder das Verenden eines Tieres. 224 Ahnlich möchte Mertens225 die deliktsrechtlichen Verkehrspflichten auf den Bereich der Sicherheitsgewährleistung unter Ausschluß des Bereichs der Qualitätssicherung beschränken. Entscheidend soll sein, ob ein der Unfallvermeidung und dem Umweltschutz dienender Sicherheitsstandard verletzt worden ist.226 Diese an die Produktgefahr für die Umwelt anknüpfende Verkehrspflicht brauche nicht auf den Bestandsschutz der sonstigen Güter des Abnehmers beschränkt zu werden. Ihr Inhalt sei allerdings nicht die Mängelfreiheit im allgemeinen, sondern nur die Abwendung solcher in dem Produkt liegenden Gefahren, die infolge mangelnder Produktsicherheit zu dessen unzeitiger, mehr oder minder gewaltsamer Selbstzerstörung führen könnten, wobei der Begriff „gewaltsam" nicht sehr eng zu verstehen sei. Allein die Verkürzung der Lebensdauer des Gegenstandes könne aber die deliktsrechtliche Haftung nicht begründen.227 StolP2S schließlich unterscheidet „umweltschützende" Verkehrspflichten einerseits und „produktschützende oder produkterhaltende" Verkehrspflichten andererseits. Erstere sollen dadurch gekennzeichnet sein, daß sie hinsichtlich einer vom Produkt ausgehenden Umweltgefahr und damit gegenüber beliebigen Personen bestehen. Nach Ansicht von Stoll stehen diese umweltschützenden Verkehrspflichten ganz im Vordergrund der Produzentenhaftung und reichen 223 Zurückhaltender dagegen Schlechtriem, ZfBR 1992,101, ders., EWiR 1993, 250, ferner FS für Hyung-Bae Kim, 1995, S. 286ff. (288), wo es heißt: „In der Auslegung des Begriffs »berechtigte Sicherheitserwartungen' und der danach zu erfolgenden Konkretisierung von außervertraglichen Verkehrspflichten muß auch entschieden werden, ob Eigenschaften einer in Verkehr gebrachten Sache, die nur zur Zerstörung der Sache selbst führen können, noch als Verkehrspflichtverletzung gesehen werden können"; eine etwas andere Bedeutung mißt Schlechtriem in FS für Hyung-Bae Kim, 1995, S.290 auch dem Unfall-Kriterium bei: Weil der Erwerber wegen §254 B G B die Selbstbeschädigung bei Erkennbarkeit verhindern müsse, komme in den WeiterfresserFällen eine Haftung regelmäßig nur bei sich unfallartig auswirkenden Fehlern in Betracht. 224 Vgl. Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S. 179; Schlechtriem, Gutachten, 1981, S. 1666. 225 MünchKommJMertens, §823 Rz.97ff.; ähnlich auch bereits ders., VersR 1980, 406. 226 Vgl. MünchKommJ Mertens, § 823 Rz.100. 227 MünchKommJ Mertens, §823 Rz.108. 228 Sto//,JZ 1983, 503.

88

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

deshalb weiter als die produktschützenden oder produkterhaltenden Verkehrspflichten, die sich dadurch auszeichnen sollen, daß sie nur dem Eigentümer gegenüber bestehen und ihn vor einer internen, d.h. nur für das Produkt selbst bestehenden Gefahr bewahren sollen. D a es aber „seltsam" wäre, den für einen Unfall schlechthin verantwortlichen Hersteller für den außerhalb des Produktes entstandenen Schaden haften zu lassen, während Schäden an der Kaufsache selbst nicht ersetzt zu werden bräuchten, soll im Falle eines „Zurückschlagens" 2 2 9 der Gefahr auf das Produkt die Verletzung einer „umweltschützenden Verkehrspflicht" die Haftung des Produzenten auch für Weiterfresserschäden nach sich ziehen. Zusammenfassend kann man also sagen, daß nach diesen Ansätzen zur L ö sung der Weiterfresserproblematik die beiden folgenden qualifizierenden U m stände - je nach Autor mit unterschiedlicher Formulierung und Gewichtung für eine Eigentumsverletzung entscheidend sein sollen: Hat der Hersteller Sicherheitsstandards verletzt, die dazu führten, daß eine Umweltgefahr bestand oder ein Umweltschaden eintrat? Ist die teilweise oder völlige Zerstörung der Sache gewaltsam oder unfallartig eingetreten? Mittlerweile haben sich nicht wenige Stimmen in der Literatur dieser Lehre mehr oder minder weitgehend angeschlossen. 2 3 0

2. Keine sachliche Rechtfertigung qualifizierenden Umständen

der Forderung nach

entsprechenden

Zu Recht ist jedoch dieser Lösungsversuch, die Eigentumsverletzung von qualifizierenden Umständen abhängig zu machen, heftig kritisiert und auch von der Rechtsprechung abgelehnt worden: 2 3 1 2 2 9 Im Gaszug-Fall, vgl. N J W 1983,810, hatte das Berufungsgericht von einem „Zurückschlagen" der Gefahr gesprochen. 2 3 0 So G. Hager, AcP 184 (1984), 417f., u. ders., BB 1987, 1749f.; Schwenzer, J Z 1988, 528; Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 146; Pfeifer, Produktfehler oder Fehlverhalten des Produzenten, 1987, S. 113f.; Wesch, Die Produzentenhaftung im internationalen Rechtsvergleich, 1994, S. 154ff.; Kellam/Wesch, PHI 1996,192; vgl. auch SchmidtSalzer, BB 1983, 537ff., der zwar die unfallartige Schadensverwirklichung als Voraussetzung der Eigentumsverletzung ablehnt, selbst aber ähnliche Kriterien bestimmt: Eine Eigentumsverletzung soll danach vorliegen, wenn der Schadenseintritt „situationsbedingt ist und nur bei bestimmten hinzukommenden Ereignissen eintritt, bei deren Fehlen aber ausbleibt", so daß kein zwangsläufiges Inerscheinungtreten des Mangels vorliege; ähnlich Mayer, BB 1984, 573, der fordert, daß die Beschädigung oder Zerstörung auf das „Hinzutreten zusätzlicher Faktoren zurückzuführen ist, die dem technischen Geschehensablauf einen richtungsändernden, das Integritätsinteresse verletzenden Charakter verleihen". Für einen solchen „irregulären" Geschehensablauf sei entscheidend, ob er bei rechtzeitigem Erkennen hätte ausgeschlossen werden können, wofür ein plötzlicher oder gewaltsamer Schadenseintritt nicht erforderlich, jedoch ein Indiz sei; beiden Autoren stimmt zu Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 234. 231 Die folgende Kritik wendet sich allerdings nicht grundsätzlich gegen die herrschende Verkehrspflichtenlehre. Auf deren Eignung zur Bestimmung des nach § 823 Abs. 1 B G B unerlaubten

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

89

Gegen das Kriterium einer Umweltgefährdung bzw. eines Umweltschadens hat vor allem Rauscher21'2 zu Recht geltend gemacht, die vorgeschlagene U n t e r scheidung sei willkürlich: Bestehe die Verkehrspflicht nur gegenüber dritten Rechtsgütern, so sei, selbst wenn die Gefahr „zurückschlägt", nicht verständlich, warum sie eine Haftung bei Schäden am O b j e k t begründen solle. Bestehe sie auch gegenüber dem Erwerber der Sache, so fehle es an einer Begründung, warum sie nur greifen könne, wenn eine Fremdgefahr vorhanden gewesen sei. D e m kann nur zugestimmt werden. § 8 2 3 A b s . l B G B schützt Eigentum, nicht die Umwelt. Indem man den Begriff der Umwelt an die Stelle des Eigentums setzt, umschreibt man letztlich nur die Behauptung, die fehlerhafte Sache selbst werde bei weiterfressenden Fehlern im Gegensatz zu anderen Rechtsgütern grundsätzlich nicht oder weniger weitreichend geschützt. Ebenso könnte man annehmen, mit der Inverkehrgabe verlasse das Produkt den Herrschaftsbereich des Herstellers und werde damit im Verhältnis zu diesem „Umwelt", mit der Konsequenz, daß es bei Eigentumserwerb durch einen Dritten, etwa den Käufer, ein ungeschmälert dem Eigentumsschutz des § 823 Abs. 1 unterfallendes fremdes Rechtsgut darstelle. D a ß das Erfordernis einer Umweltgefahr oder eines Umweltschadens nicht schlüssig begründet wird, zeigen etwa die Unterscheidungsbemühungen Stolls, wonach „umweltschützende" Verkehrspflichten gegenüber beliebigen Personen bestehen sollen, „produktschützende oder produkterhaltende" Verkehrspflichten hingegen nur dem Eigentümer gegenüber. 2 3 3 Wo es um die Beschädigung oder Zerstörung von Sachen geht, da sind jedoch niemals beliebige Personen deliktsrechtlich geschützt, sondern immer nur beliebige Eigentümer. U m gekehrt kann, etwa über eine Kette von Verträgen, jede beliebige Person Eigentümer der fehlerhaften Sache werden. Es ist aber auch gar nicht einzusehen, warum das Eigentum am Produkt selbst weniger geschützt sein soll als das Eigentum an der „Umwelt" im Sinne sonstiger Rechtsgüter. Damit würde man im Verhältnis des Produkteigentümers zum Produzenten ein Zweiklassen-Eigentum einführen. 2 3 4 Zu Recht führte der B G H schon in der Gaszug-Entscheidung 2 3 5 gegen die Voraussetzung einer U m Verhaltens muß im vorliegenden Zusammenhang deshalb nicht näher eingegangen werden, vgl. dazu jedoch ausführlich unten Kapitel 3, D. 232 Rauscher, JuS 1987, 17; dagegen auch Brüggemeier, W M 1982, 1303; Reinicke/Ttedtke, N J W 1986, 11; Grunewald,JZ 1987, 1099;/. Hager, VersR 1984, 805; Steffen, VersR 1988, 980; Foerste, VersR 1989, 456; Steinmeyer, D B 1989, 2160; Anderle, Haftungsumfang des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S.130. 2 3 3 Vgl. Stoll,]Z 1983, 503. 2 3 4 Siehe dagegen bereits oben unter B.VII. 2 3 5 Siehe B G H N J W 1983, 810 (811), ebenso das Kompressor-Urteil B G H N J W 1985, 2240 (2241); siehe auch Steinmeyer, D B 1989, 2160, der darauf hinweist, es mache aus der Sicht des Käufers keinen Unterschied, ob nur die Kaufsache selbst oder auch andere Sachen beschädigt oder zerstört würden.

90

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

weltgefährdung an, das Interesse, die erworbene Sache vor Beschädigung oder Zerstörung zu bewahren, sei nicht weniger schutzwürdig als das Integritätsinteresse an sonstigen Rechtsgütern. Im übrigen ist auch ganz unklar, wie im Einzelfall abgegrenzt werden soll. Genügt die winzigste Umweltgefahr, der geringste Umweltschaden? 2 3 6 U n d was soll etwa gelten, wenn der Erwerber das Produkt zerlegt und anschließend wieder zusammenbaut? Ist damit der mangelhafte Sachteil zur Umwelt geworden? Nicht viel besser ist es um das Kriterium eines unfallartigen oder gewaltsamen Geschehensverlauf bestellt, das zu Recht als ein den allgemeinen Prinzipien des Deliktsrechts fremdes Element bezeichnet wurde. 2 3 7 Es ist nicht einzusehen, warum das Eigentum gegen Unfallbeeinträchtigungen besser geschützt sein soll als gegen sonstige Beschädigungen. Auch ein Verständnis der Produkthaftung als „Produktsicherheitshaftung" 2 3 8 hilft hier nicht weiter. D e n n die „Sicherheit" einer Sache kann nur dann allein durch unfallartige Geschehnisse beeinträchtigt werden, wenn man den Begriff der „Sicherheit" nicht allgemein als Sicherheit vor Beschädigung und Zerstörung, sondern eben entsprechend enger definiert. D i e Ablehnung einer Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen mit dem Schlagwort der „Produktsicherheitshaftung" stellt also in Wahrheit einen Zirkelschluß dar. Außerdem bringt auch dieses Kriterium erhebliche A b grenzungsschwierigkeiten mit sich. Was etwa gilt, wenn die allmähliche Verschlechterung einer Sache erst nach Jahren zu einem Unfall führt? Hier auf die gewöhnliche Nutzungsdauer des Produktes abzustellen, die anhand von steuerrechtlichen Abschreibungstabellen ermittelt werden soll 2 3 9 , findet keinerlei Stütze im Gesetz und nimmt ältere Sachen ohne Rechtfertigung vom Deliktsschutz aus. 2 4 0

2 3 6 Zutreffend erkennt Stoll, J Z 1983, 503, daß auf der Grundlage der Umweltgefährdungshypothese eine Zurechnung des am Produkt entstandenen Schadens „um so zweifelhafter ist, je geringer diese" - gemeint ist die Umweltgefahr - „ist im Vergleich zur Gefärdung des Produktes selbst". 2 3 7 So Schmidt-Salzer, B B 1983, 539; dem folgte der B G H in der Kompressor-Entscheidung, B G H N J W 1985,2420 (2421), nachdem er es in der Gaszug-Entscheidung, B G H N J W 1983, 810 (812) noch offengelassen hatte, ob es auf eine gewaltsame, unfallartige Zerstörung ankommen könne; gegen diese Voraussetzung auch Rauscher, JuS 1987, 18; Mayer, B B 1984, 573; Reinicke/ Tiedtke, N J W 1986,11 f., u. dies., KaufR., Rz. 814;/. Hager, VersR 1984,805, der zu Recht darauf hinweist, daß die vom Teilmangel ausgehende Gefahr sich auch schleichend verwirklichen kann; ferner Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 146; Steinmeyer, D B 1989, 2160; D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 175; kritisch auch Brüggemeier, VersR 1983, 510. 2 3 8 So MünchKomm./Mertens, §823 Rz. 108. 2 3 9 So Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S. 185f.: Nach Ablauf der gewöhnlichen Nutzungszeit soll eine deliktsrechtliche Haftung nicht mehr gerechtfertigt sein. 2 4 0 Wenn man schon davon ausgeht, der deliktsrechtliche Schutz einer Sache hänge von ihrem Alter ab, dann leuchtet im übrigen nicht ein, daß dies nur bei allmählichem Verschleiß gelten soll,

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

91

Von diesen Kritikpunkten einmal abgesehen, ist die Lösung des Weiterfresserproblems über die Begrenzung der deliktsrechtlichen Haftung auf Fälle einer umweltgefährdenden bzw. -schädigenden oder unfallartigen, gewaltsamen Sachverschlechterung aber vor allem deshalb zu verwerfen, weil sie sich im wesentlichen denselben Einwänden ausgesetzt sieht wie die Rechtsprechung: Auch hier fehlt eine überzeugende Antwort auf die Frage, worin denn eigentlich die unerlaubte Handlung des Herstellers liegen soll. 241 Hält man daran fest, daß ein Anspruch aus §823 Abs. 1 BGB die Verletzung eines absolut geschützten Rechts voraussetzt, dann erübrigt sich diese Frage keineswegs durch die Annahme, eine Verkehrspflichtverletzung sei nur zu bejahen, soweit es auch zur Gefährdung sonstiger Rechtsgüter komme oder eine plötzliche, gewaltsame oder unfallartige Beschädigung drohe. Neben dem Vorwurf, den Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB ungerechtfertigt einzuengen, weil das Eigentum an gekauften Sachen nur in beschränktem Umfang unter den Schutz der Vorschrift gestellt wird, müssen die dargestellten Lösungsansätze sich also auch den gerade entgegengesetzten Einwand gefallen lassen: Sie begründen nicht nachvollziehbar, worin hinsichtlich des Eigentums am fehlerhaften Produkt selbst die Verletzungshandlung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB liegen soll. Ebenso wie in der Rechtsprechung wird auch hier übersehen, daß der Hersteller das Eigentum an der fehlerhaften Sache nicht durch deren Herstellung oder Inverkehrgabe verletzt haben kann, weil diese Handlungen notwendige Voraussetzungen dafür sind, daß Eigentum am fehlerhaften Produkt erworben werden und damit das fehlerhafte Produkt als Objekt einer Eigentumsverletzung überhaupt erst in Betracht kommen kann. 242 Im übrigen ergeben sich, wenn die Verletzungshandlung hier ebenfalls bereits in Herstellung oder Inverkehrgabe des fehlerhaften Produktes gesehen wird, auch dieselben Folgeprobleme wie aus der „Stoffgleichheits"-These der Rechtsprechung: Wo die Voraussetzungen einer umweltbedrohenden oder gewaltsamen Substanzveränderung gegeben sind, da müßte eine Eigentumsverletzung konsequenterweise sowohl dann bejaht werden, wenn ein Schaden ausbleibt als auch in den Fällen, in denen die Substanzverschlechterung bereits im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs unvermeidbar ist.

nicht aber, wenn die Unfallursache in einem schon anfänglich defekten Teil liegt, das vor dem Unfall keine allmähliche Verschlechterung bewirkt hat. 241 Dies kritisiert zu Recht Steinmeyer, DB 1989,2160, der anmerkt, die Frage nach dem Vorliegen einer Eigentumsverletzung werde auch hier wieder damit begründet, daß ein Schaden vorliege, für den es einen Ausgleich geben müsse. 242 Im Ergebnis ist damit D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 175 beizupflichten, der gegen die Lösungsansätze durch Bestimmung der Reichweite der Verkehrspflichten einwendet, sie ließen das Erfordernis der Rechtsgutsverletzung im § 823 Abs. 1 BGB wegfallen und schafften eine allgemeine deliktische Generalklausel.

92

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

II. Gedankliche Aufspaltung der fehlerhaften in einen mangelhaften und einen mangelfreien

Sache Teil

Die Begründung einer Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen wurde und wird ferner versucht über den Weg einer gedanklichen Aufspaltung der fehlerhaften Sache in einerseits den von Anfang an mangelhaften Teil und andererseits die zunächst unversehrte und erst durch die spätere Substanzveränderung beeinträchtigte Restsache. In dieser Weise verfuhr zunächst auch der B G H , als er in der Schwimmerschalter-Entscheidung für eine Eigentumsverletzung verlangte, daß ein „funktionell begrenztes" Einzelteil die spätere Substanzveränderung der Gesamtsache verursachte. 243 Wie bereits oben dargelegt, wurde dieser Abgrenzungsversuch schon deshalb einhellig abgelehnt, weil nicht ersichtlich ist, warum es für die Eigentumsverletzung darauf ankommen soll, ob dem fehlerhaften Teil in der Gesamtsache eine eigenständige Funktion zukommt oder nicht. 2 4 4 Eine gedankliche Aufspaltung der fehlerhaften Sache steckt auch hinter dem allgemein abgelehnten 245 Ansatz von Ebel246, der eine Eigentumsverletzung nur bei anfänglicher Beschränkung des Mangels auf einen unwesentlichen Bestandteil bejahen möchte. Unter Verzicht auf eine eigenständige Funktion des fehlerhaften Teils bzw. dessen sachenrechtliche Einordnung als unwesentlicher Bestandteil, begründet neuerdings Katzenmeier2*7 die Eigentumsverletzung mittels einer gedanklichen Aufspaltung der Gesamtsache in mangelhaften Teil und intakte Restsache: „Bei einer Differenzierung innerhalb der Gesamtsache zwischen mangelhaftem E i n zelteil und im übrigen intakter Restsache kann letztere verletzt werden, wenn und weil sie einmal unversehrt bestanden h a t . " 2 4 8

An anderer Stelle bezeichnet er noch deutlicher „die Abgrenzbarkeit des schadhaften Einzelteils" als „unabdingbare Voraussetzung dafür, daß der Tatbestand des § 8 2 3 I B G B als erfüllt angesehen werden kann." 2 4 9 Die gedankliche Zerlegung der fehlerhaften Sache kann jedoch nicht helfen, eine Eigentumsverletzung hinsichtlich dieser Sache zu begründen, und zwar unabhängig davon, ob man annimmt, es müsse sich bei der Fehlerquelle um einen unwesentlichen Bestandteil handeln oder um ein Einzelteil, dem eine eigenständige Funktion innerhalb der Gesamtsache zukomme. Allerdings ist zuzu243 244 245 246 247

487. 248 249

Siehe B G H VersR 1977, 358 (360). Siehe dazu oben B., vor I. Siehe bereits Fußn. 116. Siehe Fußn. 115. Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.77ff., 82, u. ders., N J W 1997, J W 1 9 9 7 ; 4 8 7 . ähnlich ders., Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 82. Vgl. Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.289.

N

Die Weiterfresser-Frage

in Rechtsprechung

und

Literatur

93

geben, daß sich bei einem Verzicht auf eine eigenständige Funktion des fehlerhaften Teils wohl in vielen Fällen eine Abgrenzung zwischen diesem und der fehlerfreien Restsache gedanklich treffen ließe. Ob dies ausnahmslos gilt, kann allerdings dahinstehen. Eine Eigentumsverletzung wäre dennoch nicht schlüssig dargetan. Zunächst ist die gedankliche Zerlegung der Sache unnötig, soweit damit der Einwand widerlegt werden soll, es fehle in den Weiterfresser-Fällen an einem für eine Eigentumsverletzung in Betracht kommenden tauglichen Verletzungsobjekt. Das Eigentumsrecht schützt nicht nur unversehrte Sachen, sondern wie bereits ausgeführt250 - selbstverständlich auch bereits Versehrte, aber weiter versehrbare Sachen. Auch eine nur unter großem Aufwand und unter Zerstörung ihrer Bestandteile aufspaltbare Sache, die bereits fehlerhaft ist, kann weiter beeinträchtigt werden.251 Vor allem jedoch vermag auch die gedankliche Aufspaltung der Sache in einen mangelfreien und einen mangelhaften Teil nicht die Frage zu beantworten, worin denn die unerlaubte Handlung liegen soll. Katzenmeier sieht die Verletzungshandlung im Einbau des fehlerhaften Teils. 252 Auch er verkennt also, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache als notwendige Voraussetzungen eines Eigentumserwerbs an der fehlerhaften Sache das Eigentum an dieser Sache nicht verletzen können. Dem entgeht man - wie ebenfalls bereits ausgeführt253 - auch nicht mit der Vorstellung, für einen isoliert betrachteten Eigentumserwerb an der intakten Restsache sei ein Eigentumserwerb an der davon zu unterscheidenden Fehlerquelle keine conditio sine qua non. Denn eine intakte Restsache als eigenständige Sache existierte zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs gar nicht, und deshalb fand auch kein entsprechender selbständiger Eigentumserwerb statt, der gedanklich isoliert werden könnte vom Eigentumswechsel hinsichtlich des fehlerhaften Teils. Der Erwerber hat nicht jeweils an fehlerhaften und fehlerfreien Teilen, sondern an einer einheitlichen Gesamtsache bestimmter Beschaffenheit Eigentum erlangt. Wenn man die Ubereignung der fehlerhaften Gesamtsache gedanklich zerlegt in die jeweils unabhängig von einem sonstigen Erwerb denkbare Verschaffung von Eigentum an den einzelnen Teilen, dann setzt man sich also über die in Wirklichkeit gerade fehlende isolierte Existenz der Einzelteile hinweg. Daß die fehlende isolierte Existenz der einzelnen Sachteile sehr wohl für das daran bestehende Eigentum von Bedeutung ist und deshalb nicht einfach ignoriert werden darf, wird um so deutlicher,

Siehe dazu oben B . I . l . Insofern ist auch denjenigen Autoren zu widersprechen, die meinen, die Annahme einer Eigentumsverletzung setze eine solche Zerlegung der Sache voraus, diese dann aber als gekünstelt ablehnen, so Brüggemeier, VersR 1983, 502; ebenso Steinmeyer, D B 1989,2161; ebenso das L G Karlsruhe J Z 1987, 828 (Lkw). 252 Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 83 f. 2 5 3 Siehe oben B.I.2.b. 250 251

94

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

je enger man sich die Verbindung zwischen Fehlerquelle und Restsache vorstellt. Wer beispielsweise ein Gerät erwirbt, aus dem unter erheblichem technischen und finanziellen Aufwand ein undichter Behälter entfernt werden muß, der auszulaufen und andere Teile zu zerstören droht, der wird kaum behaupten wollen, er stehe genauso da, wie wenn ihm Behälter und Restsache getrennt voneinander übereignet worden wären.

III. Einordnung jeder fehlerbedingten Selbstbeschädigung einer Sache als Eigentumsverletzung Schließlich halten manche Stimmen in der Literatur die Feststellung einer Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen für ganz unproblematisch, wobei für genügend erachtet wird, daß die nach Eigentumserwerb eintretende Substanzverschlechterung auf eine vom Hersteller in Gang gesetzte Kausalreihe zurückgeht. 254 Auch diese Ansicht übersieht, daß Produktion oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache dem Hersteller hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache nicht vorgeworfen werden können. Auch hier wird also das Problem der Verletzungshandlung übergangen.

254 von Bar, Problem der Haftpflicht, 1992, 20ff.; ähnlich Engels, D B 1977, 617f., der allerdings widersprüchlich argumentiert, wenn er einerseits annimmt, auf die funktionelle Begrenztheit des mangelhaften Teils wäre es in der Schwimmerschalter-Entscheidung zur Begründung einer Eigentumsverletzung gar nicht angekommen, andererseits aber die „bemerkenswerte Schärfe" lobt, mit welcher der B G H dieses Kriterium herausgearbeitet habe; kein Problem bei der Begründung einer Eigentumsverletzung sieht auch Soergel/Zeuner, vor § 823 Rz. 49; Rolland, Produkthaftungsrecht, 1990 Rz. II 101.

Kapitel 3

Die unterlassene Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung als unerlaubtes Verhalten im Sinne des §823 A b s . l B G B Wenn es in den Weiterfresser-Fällen bisher nicht gelungen ist, ein Verhalten zu benennen, das dem Hersteller hinsichtlich des Eigentums an der fehlerhaften Sache als Verletzungshandlung vorgeworfen werden könnte, so steht damit doch noch längst nicht fest, daß diejenigen falsch liegen, die das Interesse des Erwerbers an der Bewahrung seiner Sache vor Zerstörung nicht allein deshalb für geringer halten, „weil die Zeitbombe nicht neben ihr, sondern in ihr tickt." 2 5 5 O b die Bejahung der Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 B G B tatsächlich eine unzulässige Erweiterung der Gewährleistungsrechte 256 , eine nichtberechtigte Haftungserweiterung 257 , eine „Ausweitung" 258 oder „Ausdehnung" 259 des Deliktsrechts darstellt, der „systemsprengende Wirkung" 2 6 0 zukommt, die „rechtspolitisch und dogmatisch fragwürdig" ist und mit der in Wahrheit ein „zusätzlicher Gewährleistungsrechtsbehelf" geschaffen wird 2 6 ', ist damit noch nicht erwiesen. Denn daß Herstellung und Inverkehrgabe als solche keine deliktsrechtliche Haftung des Herstellers begründen können, bedeutet nicht, daß auch jedes andere Herstellerverhalten als Verletzungshandlung einer Eigentumsverletzung ausscheidet.

A. Die bisherige Verkennung des Begleitverhaltens bei der Inverkehrgabe Für diejenigen, die dem B G H zu Recht vorwerfen, das Eigentum an der fehlerhaften Sache könne durch deren Herstellung oder Inverkehrgabe nicht verSo Steffen, VersR 1988, 978. So Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.32. 2 5 7 Vgl. Diedenchsen, VersR 1984, 799; Derleder/Meyer, AcP 195 (1995), 138. 2 5 8 Vgl. G. Hager, B B 1987,1748; Schwark, J Z 1990, 379; Steinmeyer, D B 1989,2161; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 57; Honsell, D N o t Z 2001,374; A Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 96, der einige Zeilen weiter unten von einer „problematischen Erweiterung des Delikts" spricht. 2 5 9 Vgl. Esser/Weyers, SchuldR. I I / l , § 6 III 2; Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 58. 2 6 0 Vgl. Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, §21 Rz.36. 261 Vgl. Rengier, J Z 1977, 347. 255

256

96

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

letzt werden 2 6 2 , hätte also eine Untersuchung des sonstigen Herstellerverhaltens eigentlich auf der Hand liegen müssen. Man hätte prüfen müssen, ob nicht das Verhalten, das Herstellung und Inverkehrgabe begleitet bzw. diesen Handlungen nachfolgt 2 6 3 , die Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache im Sinne einer zurechenbaren Verletzungshandlung herbeigeführt hat. U m so erstaunlicher ist, daß trotz der fast unüberschaubaren Fülle an Stellungnahmen zur Weiterfresser-Frage eine Würdigung des Hersteller-Begleitverhaltens doch nur am Rande stattfindet. Viele Autoren befassen sich damit lediglich im Zusammenhang mit der allgemeinen, nicht auf die Fälle sachinterner Fehlerausbreitung beschränkten Problematik einer Pflicht zum Rückruf fehlerhafter Produkte. Dabei wird die Rückruf-Problematik hinsichtlich der Weiterfresser-Fälle überwiegend als ein Folgeproblem verstanden, das sich überhaupt erst stellt, weil die Rechtsprechung seit der Schwimmerschalter-Entscheidung bei Selbstbeschädigung des fehlerhaften Produktes die Möglichkeit einer Verletzung des Eigentums an diesem Produkt bejaht. Allgemein verkennt man, daß nur dann, wenn das Begleitverhalten als unerlaubte Handlung eingeordnet werden kann, überhaupt eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache in Betracht kommt.

I. Stellungnahmen im Zusammenhang eines Rückrufes fehlerhafter

mit der Problematik Produkte

O b den Produzenten jenseits von Herstellung und Inverkehrgabe gewisse Pflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache treffen, wird am häufigsten im Zusammenhang mit der Frage diskutiert, unter welchen Voraussetzungen der Hersteller verpflichtet ist, ein bereits in den Verkehr gebrachtes fehlerhaftes Produktes gegen Erstattung des Kaufpreises oder Reparatur zurückzurufen. D a ein Produktfehler nicht nur zur Selbstzerstörung führen, sondern schädigende Auswirkungen auf alle möglichen sonstigen Rechtsgüter haben kann, ist die Rückruf-Frage keine auf die Weiterfresser-Fälle begrenzte Problematik. Vielmehr wird ganz allgemein diskutiert, wann und zum Schutz welcher Rechtsgüter der Hersteller als Gefahrverursacher zur Vermeidung einer deliktsrechtlichen Haftung verpflichtet ist, ein fehlerhaftes Produkt vom Markt zurückzurufen, wobei mit dieser Frage einige weitere einhergehen, so vor allem diejenige nach dem Umfang der geforderten Maßnahmen und der Reichweite der Kostentragungspflicht sowie die Frage, ob der Pflicht ein Beseitigungsan-

Siehe die Nachweise oben in Fußn. 94. Das Herstellung und Inverkehrgabe begleitende bzw. diesen Handlungen nachfolgende Verhalten des Herstellers soll im folgenden vereinfachend „Begleitverhalten" genannt werden. 262

263

Die unterlassene

"Warnung als unerlaubtes

97

Verhalten

s p r u c h d e r b e t r o f f e n e n P r o d u k t e r w e r b e r o d e r gar gefährdeter D r i t t e r

ent-

spricht.264 L ä ß t m a n die Fälle der Selbstbeschädigung fehlerhafter P r o d u k t e einmal außer B e t r a c h t , so k a n n einer R ü c k r u f p f l i c h t haftungsbegründende

Bedeutung

vor allem im Bereich der sogenannten Entwicklungsfehler z u k o m m e n , d.h. derj e n i g e n P r o d u k t r i s i k e n , die n a c h d e m S t a n d v o n W i s s e n s c h a f t u n d T e c h n i k z u m Z e i t p u n k t der I n v e r k e h r g a b e n i c h t e r k e n n b a r w a r e n , s o n d e r n erst nachträglich z u t a g e t r e t e n . 2 6 5 D e n n h i e r l i e g t m a n g e l s F e h l v e r h a l t e n s des H e r s t e l l e r s a u c h dann, w e n n sonstige Rechtsgüter Schaden nehmen, im Inverkehrbringen n o c h keine haftungsauslösende Verkehrspflichtverletzung.266 In

Literatur und Rechtsprechung

haben

sich bisher keine

einheitlichen

V o r a u s s e t z u n g e n u n d G r e n z e n e i n e r R ü c k r u f p f l i c h t des H e r s t e l l e r s gebildet. D i e Bandbreite der vertretenen M e i n u n g e n reicht v o n

heraus-

Zurückhal-

tung, insbesondere bei E n t w i c k l u n g s f e h l e r n 2 6 7 , ü b e r eine grundsätzliche

Be-

j a h u n g u n t e r i m e i n z e l n e n stark v a r i i e r e n d e n V o r a u s s e t z u n g e n 2 6 8 bis z u r v e r 2 6 4 Auf Rückrufpflichten, die sich aus dem Gesetz zur Regelung der Sicherheitsanforderungen an Produkte und zum Schutze der CE-Kennzeichnung (Produktsicherheitsgesetz ProdSG) vom 22.4. 1997 (BGBl. I, S. 943) ergeben, das in Umsetzung der EG-Richtlinie 92/59/ E W G über allgemeine Produktsicherheit vom 29.6. 1992, vgl. ABl. E G vom 11.8. 1992, Nr. L 228, S.24ff., geschaffen wurde, braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht näher eingegangen werden, da von diesem Gesetz nur Gefahren für Personen erfaßt werden (vgl. §6 Abs. 1 S. 1 ProdSG) und diese für die Frage nach der Reichweite des Eigentumsschutzes hinsichtlich des fehlerhaften Produktes keine Rolle spielen. 2 6 5 Darauf wird in der Literatur zu Recht immer wieder hingewiesen, vgl. Schmidt-Salzer, BB 1972, 1435, u. ders., B B 1981, 1043; ferner etwa Löwe, D A R 1978, 288f.;/. Hager, VersR 1984, 801; Michalski, BB 1998, 964; Bodewig, Der Rückruf fehlerhafter Produkte, 1999, S. 183 f. 2 6 6 Vgl. zu den Entwicklungsfehlern auch noch unten E.I.2. 2 6 7 Grundsätzlich zurückhaltend gegenüber einer Rückruf-Pflicht des Herstellers Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §24 Rz.258ff., der die Zumutbarkeit eines Rückrufes bei unverschuldeten Produktgefahren regelmäßig verneinen möchte und im übrigen eine Rückrufpflicht nur im Interesse der Allgemeinheit und bei drohender Verkennung der Produktgefahr für möglich hält; Schwenzer, J Z 1987,1063f., will eine Rückrufpflicht überhaupt nur bei drohenden Personenschäden bejahen; insoweit folgen ihr Bodewig, D A R 1996,343f., ders., Der Rückruf fehlerhafter Produkte, 1999, S. 274ff., u. Michalski, BB 1998, 965 ; bei Entwicklungsfehlern, wenn also das Produkt beim Inverkehrbringen dem damaligen Stand von Wissenschaft und Technik entsprach und Risiken erst später erkennbar wurden, soll nach Schwenzer, J Z 1987,1063f. lediglich eine Pflicht zur Warnung der Benutzer bestehen; für die letztgenannte Einschränkung bereits G. Hager, AcP 184 (1984), 424, ebenso Mayer, D B 1985, 324; Ulmer, Z H R 152 (1988), 572, u. Rettenbeck, Die Rückrufpflicht in der Produkthaftung, 1992, S. 79; nur geringen Raum für Rückrufpflichten bei Entwicklungsfehlern sieht Pieper, BB 1991, 988. 2 6 8 Vgl. Schmidt-Salzer, B B 1972, 1435, u. ders., BB 1981, 1043; Graf von Westphalen, BB 1971,156 Fußn. 40; Löwe, D A R 1978,290;/. Hager, VersR 1984,799ff., u. Staud./J. Hager, § 823 Rz. F 25ff.; Sack, BB 1985, 815; Herrmann, B B 1985,1804ff.; Kullmann, B B 1987,1957; Link, BB 1985, 1424; Pfeifer, Produktfehler oder Fehlverhalten des Produzenten, 1987, S. 93; MünchKomm./Mertens, §823 Rz.289; Soergel/Zeuner,$ 823 Rz. 177; Erman/Schiemann,% 823 Rz. 119; Esser/Weyers, SchuldR. II/2, §55a II 1; Birkmann, D A R 1990, 125; Grote, VersR 1994, 1269; Dietrich, Produktbeobachtungspflicht, 1994, S. 170ff.; vgl. ferner die ausführliche Ubersicht über den Stand der Literatur bei D. Koch, Produkthaftung, 1995, S.287ff.

98

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

einzelten sehr großzügigen Annahme von Rückrufpflichten des Produzenten. 269 Im vorliegenden Zusammenhang interessiert allein, daß eine Rückrufpflicht von manchen Autoren auch zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache selbst bejaht wird 270 , während andere eine solche ablehnen 271 . Allerdings wird die Rückruf-Diskussion überwiegend nur mit Rücksicht auf die B G H -

2 6 9 So nahm der B G H in der Strafrechtsentscheidung B G H N J W 1 9 9 0 , 2 5 6 0 (Lederspray) ohne weiteres an, es bestehe gegenüber den Verbrauchern eine Rückrufpflicht, wenn der Verdacht aufkomme, ein Lederspray sei gefährlich für die Gesundheit; ebenso weitgehend die vom VI. Zivilsenat des B G H mit Beschluß vom 4.10. 1994 bestätigte Entscheidung O L G Karlsruhe NJWR R 1995, 594; kritisch zur Lederspray-Entscheidung unter Verweis darauf, daß eine öffentliche Warnung zur Gefahrabwendung wohl genügt hätte Produkthaftungshandbuch VFoerste, §24 Rz.263. 2 7 0 Vgl./. Hager, VersR 1984, 804f., u. Staud./J. Hager, §823 Rz. F 26, für den Fall, daß die fehlerhafte Sache noch einen Wert hat; G. Hager, AcP 184 (1984), 424 bei Umweltgefährdung; befürwortend auch Graf von Westphalen, N J W 1979, 845; Dietrich, Produktbeobachtungspflicht, 1994, S. 165ff.; einen deliktischen Beseitigungsanspruch zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt bejaht MiinchKommJMertens, § 823 Rz. 97,103,110, der Anspruch soll allerdings grundsätzlich nur auf die Beseitigung der von dem Fehler ausgehenden Gefahr, nicht jedoch auf eine mängelfreie Herstellung gehen, es sei denn, die Gefahr ist auf andere Weise praktisch nicht auszuräumen; ebenfalls einen Gefahrbeseitigungsanspruch hinsichtlich der fehlerhaften Sache bejaht Mayer, D B 1985, 322; etwas weniger entschieden bereits ders., B B 1984, 571. Weil Mayer in den Fällen, in denen in der Inverkehrgabe selbst noch keine Pflichtverletzung liegt, eine bloße Warnpflicht bejaht, dürfte er in den Weiterfresser-Schäden richtigerweise über eine solche ebenfalls nicht hinausgehen; ferner Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S. 186f. bei unfallartiger Gefahrverwirklichung; unklar Löwe, D A R 1978,289ff., der zwar allgemein eine Rückrufpflicht bejaht, jedoch einen Rückrufanspruch verneint, weil der Endabnehmer sonst im Wege der Mangelbeseitigung Ersatz für den Mangel selbst erhalten würde; unklar auch Rettenheck, Die Rückrufpflicht in der Produkthaftung, 1992, S. 53 ff., der zwar Gefahrabwendungspflichten auch zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt bejaht, jedoch dahinstehen läßt, ob in den Weiterfresser-Fällen bereits in Herstellung oder Inverkehrgabe eine Verkehrspflichtverletzung zu sehen ist. Weil Rettenbeck, vgl. S. 79, bei bloßer Gefährdung des Produktbenutzers eine Warnpflicht für genügend hält, eine Rückrufpflicht aber ausschließt, wenn der Produzent zuvor alle Herstellerpflichten beachtet hat, bleibt damit der Umfang der zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache geforderten Gefahrabwendungsmaßnahmen offen. 2 7 1 Dagegen lehnen eine Rückrufpflicht zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache ab Brüggemeier, VersR 1983, 510f. mit dem konkurrenzrechtlichen Argument, daß nur so eine Abgrenzung zur vertraglichen Nachbesserung möglich sei; in Z H R 152 (1988), S. 526 macht Brüggemeier geltend, es handle sich bei dem deliktischen Produktrückruf „re vera [...] um die Einführung einer gewährleistungsrechtlichen action directe in das deutsche Zivilrecht."; ablehnend mit konkurrenzrechtlicher Argumentation auch Harrer, Jura 1984, 86f., sowie Produkthaftungshandbuch VFoerste, §21 Rz.65, §24 Rz.276, 284, u. D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 361, der an anderer Stelle, vgl. S. 346f., mit der fehlenden direkten Einflußmöglichkeit des Herstellers auf die in fremdem Eigentum stehende Sache argumentiert; ablehnend grundsätzlich bei Sachschäden Schwenzer, JZ 1987, 1062, die jedoch eine Warnpflicht bejaht; ähnlich Bodewig, D A R 1996, 343 f., ders., Der Rückruf fehlerhafter Produkte, 1999, S.274, u. Michalski, B B 1998, 9 6 5 ; vor einem Mängelbeseitigungsanspruch bei bloßer Bedrohung der fehlerhaften Sache selbst warnt Schlechtriem, J A 1983, 258;

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

Verhalten

99

Rechtsprechung zu den Weiterfresser-Fällen auf diese Fälle ausgedehnt. 272 Damit wird aber eine Rückrufpflicht zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache gerade auf der Grundlage der verfehlten Annahme diskutiert, schon in Herstellung bzw. Inverkehrgabe habe eine das Eigentum an der fehlerhaften Sache verletzende Handlung gelegen. Eine davon unabhängige Prüfung des begleitenden und nachfolgenden Herstellerverhaltens, bei der untersucht würde, ob nicht überhaupt erst die unterlassene Gefahrabwendung bei oder nach Inverkehrgabe den Vorwurf der Eigentumsverletzung begründet, findet man dagegen kaum. 273 Der B G H selbst verneinte in einem Nichtannahme-Beschluß aus dem Jahre 198 6 2 7 4 den vom Endabnehmer von Milchkühlmaschinen gegen den Zulieferer fehlerhafter Kondensatoren geltend gemachten Anspruch auf Rückruf und Austausch von Thermostaten, die unter Verwendung dieser Kondensatoren gefertigt und in die Milchkühlmaschinen eingebaut worden waren. Dabei sprach sich der B G H jedoch nicht grundsätzlich gegen Rückrufpflichten zum Schutze 2 7 2 So deutlich Schwenzer, J Z 1987,1062, wenn sie gegen eine Rückrufpflicht bei bloßer Sachschadensgefahr argumentiert, der B G H habe mit der Weiterfresser-Rechtsprechung den Begriff des Eigentumsschadens sehr stark ausgedehnt, was letztlich auch auf den Umfang der Rückrufpflicht durchschlagen würde; ähnlich Brüggemeier, VersR 1983,510f., der es für konsequent hält, daß man bei Bejahung einer Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen auch einen negatorischen Mängelbeseitigungsanspruch nach § § 8 2 3 Abs. 1 , 1 0 0 4 B G B gewährt und der in der Vermeidung eines solchen gerade einen Vorteil einer ausschließlich vertragsrechtlichen Lösung dieser Fälle sieht; in diesem Sinne auch Harrer, Jura 1984, 86; vgl. ferner D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 299 der im Rahmen der Erörterung der Rückrufproblematik fragt, „inwieweit die Erweiterung des Eigentumsbegriffs durch die Haftung für ,weiterfressende Mängel' Auswirkungen auf die Rückrufverpflichtung des Herstellers hat"; an die Rechtsprechung zur Selbstbeschädigung bzw. - Zerstörung fehlerhafter Produkte knüpfen auch an Produkthaftungshandbuch l/Foerste, § 2 1 R z . 6 5 u. § 2 4 R z . 2 7 6 , 284; Löwe, D A R 1978, 293; Bodewig, D e r Rückruf fehlerhafter Produkte, 1999, S.249; vgl. ferner Pieper, B B 1991, 988: „Eine Ausweitung durch Hinzunahme deliktischer Ansprüche, die aus der nicht unumstrittenen Rechtsprechung zur Haftung für weiterfresende Mängel folgt, kommt - wenn überhaupt - nur in engen Grenzen in Betracht"; von den Befürwortern einer Rückrufpflicht zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt gehen von der Rechtsprechung aus J. Hager, VersR 1984, 804f., der es ausdrücklich als Voraussetzung seiner Einordnung der Weiterfresser-Fälle in die Rückruf-Problematik bezeichnet, daß man sich der Ansicht des B G H zu diesen Fällen anschließt, sowie Dietrich, Produktbeobachtungspflicht, 1994, S. 165: „Fraglich ist, ob ein Rückruf auch zum Schutz vor solchen Gefahren durchzuführen ist, die mangelfreien Teilen der fehlerhaften Sache selbst drohen. Anlaß zu Uberlegungen in diese Richtung gibt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Schäden durch sog.,weiterfressende Mängel'", ferner G. Hager, A c P 184 (1984), 424, u. Mayer, D B 1985,322, u. ders., B B 1984, 571. 2 7 3 Vgl. aber Rettenbeck, Die Rückrufpflicht in der Produkthaftung, 1992, S.53ff., der auf S. 55 ausdrücklich betont, es gehe ihm nicht um die Frage, ob in den Weiterfresser-Fällen dem Produzenten bereits bei Herstellung und Inverkehrgabe Schadensabwendungspflichten oblägen und der aus der „herstellerischen Verantwortlichkeit" für die vom Produzenten gesetzte Gefahr, den weiterfressenden Mangel, eine „Garantenstellung" folgert, die bei fehlender „Stoffgleichheit" im Sinne der BGH-Rechtsprechung zu einer Gefahrabwendung verpflichten soll, vgl. dazu auch bereits Fußn. 270. 2 7 4 Siehe B G H VersR 1986, 1125 (Milchkühlmaschinen, VI. Senat).

100

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

des Eigentums am fehlerhaften Produkt aus. Vielmehr bestätigte er das Berufungsgericht 2 7 5 in der Argumentation, es habe im Streitfall lediglich die Gefahr bestanden, daß die Rührwerksmotoren der Kühlmaschinen stehenbleiben würden, ohne daß jedoch Schäden an den Motoren oder der Milch drohten. Ein Integritätsinteresse der Abnehmer sei deshalb nicht betroffen. O b den Hersteller zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache tatsächlich unter Umständen auch eine Pflicht zum Rückruf treffen kann, auf diese Frage soll sogleich weiter unten 2 7 6 genauer eingegangen werden im Rahmen der Prüfung, welches die Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache begleitende Verhalten als Verletzungshandlung hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache in Betracht kommt. A n dieser Stelle gilt es lediglich festzuhalten: Diejenigen, die eine Rückrufpflicht zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache bejahen, erkennen genauso wenig wie die Gegner einer solchen Pflicht, daß in den Fällen der Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache überhaupt nur ein vorwerfbares Begleitverhalten des Herstellers eine Eigentumsverletzung hinsichtlich dieser fehlerhaften Sache zu begründen vermag.

II. Sonstige

Stellungnahmen

Auch jenseits der Rückruf-Problematik finden sich hie und da Stellungnahmen, die in den Fällen der Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache - wenigstens beiläufig - das Begleitverhalten des Herstellers würdigen. Die Bedeutung der Frage, ob den Hersteller jenseits von Herstellung und Inverkehrgabe Verkehrspflichten zum Schutze des Erwerbereigentums an der fehlerhaften Sache treffen, wird jedoch auch hier durchweg verkannt. So rücken manche Autoren die Weiterfresser-Konstellationen in die Nähe von Fällen, in denen der Hersteller eines fehlerfreien Produktes den Verkehr unzureichend instruiert. Die Frage, ob nicht auch bei der fehlerbedingten Selbstbeschädigung des Produktes die Verletzungshandlung überhaupt erst in einer mangelnden Instruktion liegen könnte, wird dabei jedoch nicht gestellt 2 7 7 . Vgl. O L G Karlsruhe VersR 1986, 1125 (1127). Vgl. unter C.III.3. 277 Steffen, VersR 1988,978; ihm folgend Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, 85; vgl. auch Meyer, Instruktionshaftung, 1992, S. 20, der von ,,eine[r] instruktionsrelevante[n] Haftungsausdehnung im Bereich der sogenannten weiterfressenden Mängel" ausgeht, dann aber ausschließlich den Fall erörtert, daß ein intaktes Produkt durch fehlerhafte Instruktion zerstört wird, wobei er grundsätzlich eine Eigentumsverletzung verneint, weil eine Abgrenzung zwischen Produkt und Instruktion nicht getroffen werden könne, Produkt und Instruktion als Einheit zu betrachten seien. Es realisiere sich dann nur wegen der unzureichenden Gefahrsteuerung durch Instruktion das Risiko, das dem Produkt insgesamt von Anfang an innewohne. Meyer will hier die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung ausnahmsweise bejahen, wenn sich die unzureichende Instruktion nur auf ein abgrenzbares Teil und nicht auf die ganze Sache bezieht oder wenn es sich nicht lediglich um eine unzureichende, sondern um eine falsche Instruktion handelt, durch die das sonst tatsächlich intakte Produkt zerstört oder beschädigt werde, wobei er 275 276

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

101

Oder es wird eine entsprechende Instruktionspflicht mit unzutreffender Begründung verneint: So wenden Reinicke/Tiedtke27S gegen die Berücksichtigung der Vermeidbarkeit des Schadens in der Weiterfresser-Rechtsprechung ein, daß diese nur gerechtfertigt wäre, „wenn der Hersteller dafür verantwortlich wäre, daß der Fehler, der entdeckt werden kann, auch entdeckt wird," wenn ihn also eine Warnpflicht treffen würde. Eine Warnpflicht dürfe jedoch nicht zu einer strengeren Haftung führen als dies der Fall wäre, wenn der Produzent bereits bei der Herstellung und Auslieferung der Ware seine Verkehrspflichten schuldhaft verletzt hätte. Auch wenn man Reinicke/Tiedtke gegen den B G H darin folgt, daß die bloße Herstellung und Inverkehrgabe keine Haftung hinsichtlich des Eigentums am Produkt selbst begründet, so vermag doch das Argument, der Hersteller dürfe für eine verkehrspflichtwidrig unterlassene Warnung bei bloßer Fahrlässigkeit nicht haften, weil er für die verkehrspflichtwidrige Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache unter dieser Voraussetzung ebenfalls nicht einzustehen hätte, nicht zu überzeugen. Denn bei ihrem Vergleich übersehen Reinicke/Tiedtke, daß das Inverkehrbringen der fehlerhaften Sache im Hinblick auf das Eigentum an dieser Sache selbst niemals eine Verkehrspflichtverletzung darstellen kann und deshalb der unterlassenen Warnung gerade keine vorwerfbare Handlung des Herstellers vorausgeht. Bemerkenswert sind auch die Ausführungen von Meyer-Lindemann, der zunächst feststellt, ein der Kaufsache anhaftender Sachmangel könne vor Ubereignung noch keine Eigentumsverletzung sein, während es danach regelmäßig an einer Verletzungshandlung fehle279, dann jedoch im Widerspruch dazu einige Seiten später zu dem Schluß gelangt, es bestehe auch in den Weiterfresser-Fällen eine Verkehrssicherungspflicht des Verkäufers, den Käufer bei bewußter oder fahrlässiger Verkennung einer sich aus der Sache heraus ergebenden Umweltgefahr aufzuklären.280 Weiter wird von manchen die Frage einer Eigentumsverletzung durch ein Herstellung und Inverkehrgabe begleitendes Verhalten nur für den Fall eines Hinzutretens besonderer Umstände, nicht aber allgemein behandelt.281

das Beispiel bringt, daß ein schädliches Pflegemittel empfohlen wird oder überflüssige und schadensstiftende Hinweise zur Aufstellung oder Montage eines Gerätes gegeben werden; vgl. ferner Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 115, der u.a. die Bejahung einer Eigentumsverletzung bei Verletzung einer Instruktionspflicht, die zur Beschädigung bzw. Zerstörung des Produktes selbst führt, als Beleg dafür anführt, daß auch die mangelhafte Sache Eigentumsschutz genießt. 278 Vgl. N J W 1986.S.13. 279 Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 142f. 280 Meyer-Lindemann, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung, 1987, S. 146. 281 So führt Schlechtriem, VersR 1973, 589 aus, der Verkäufer könne das Weiterfressen des Mangels durch „zusätzliche Pflichtverletzungen" begünstigen oder fördern, wobei er als Beispiele nennt, daß der Händler die bei einer späteren Inspektion entdeckten Mängel einer Radfelge dem Käufer nicht meldet oder daß der Verkäufer eine ihm mögliche und zumutbare Benachrichtigung der Käufer einer bestimmten Serie von inzwischen festgestellten Fehlern unterläßt.

102

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Zuweilen verhindern schließlich konkurrenzrechtliche Erwägungen eine eingehendere Beschäftigung mit der Frage des Begleitverhaltens: So stellt Foerste2S2 in einem Vergleich der Weiterfresser-Fälle mit der seiner Ansicht nach unproblematischen Haftung bei Beschädigung einer fehlerfreien Sache infolge unzureichender Gebrauchs- oder Warnhinweise die Überlegung an, daß sich entsprechend auch dem Hersteller mangelhafter Ware die Pflicht auferlegen ließe, auf die Gefahr einer Schadenserweiterung und die Notwendigkeit einer Reparatur hinzuweisen. Bereits im nächsten Satz und ohne nähere Differenzierung etwa nach der unterschiedlichen Pflichtenstellung von Hersteller und Händler verwirft er jedoch diesen Ansatz mit der Begründung, dies würde auf eine generelle Verschuldenshaftung für Sachmängel hinauslaufen, die vom deutschen Kaufrecht abgelehnt werde und es daher aushöhlen würde. Einer möglichen Verwirklichung des § 823 Abs. 1 BGB begegnet Foerste hier also mit dem bloßen Verweis auf die angebliche Vorrangigkeit des Vertragsrechts, der außerdem ziemlich pauschal ausfällt und insofern etwas überrascht, als der Autor bei Mangelfreiheit der Kaufsache eine Deliktshaftung des Herstellers wegen unzureichender Instruktion auch dann bejaht, wenn eine Beschädigung der Sache selbst in Frage steht. Weiter unten im Text283 stellt Foerste dann nur noch lapidar fest, daß ein weiterfressender Mangel zwar mit der Sachqualität auch das Eigentum verschlechtere, dies jedoch dem Hersteller nicht zurechenbar sei. Das Produkt sei so beschaffen gewesen, daß es sich habe selbst zerstören müssen, und diese Lage habe der Hersteller nicht verschlimmert. Ob nicht eine Eigentumsverletzung vielleicht darin liegen könnte, daß der Hersteller bei Inverkehrgabe unzureichende Angaben über die Qualität des Produktes gemacht hat, wird nicht weiter erörtert. Ähnlich wirft Stolpe im Zusammenhang mit den Weiterfresserschäden die Frage nach „Verkehrspflichten zu produktschützender Instruktion" auf. Er nimmt dabei ausdrücklich an, daß es einem Instruktionsfehler, der mit einem Mangel der gefährlichen Sache an sich nichts zu tun habe, gleichstehe, wenn der Hersteller durch die Inverkehrgabe des Produktes den Eigentümer oder Besitzer dazu veranlasse, das Produkt in einer Weise zu gebrauchen, die für das Produkt wegen des ihm anhaftenden Mangels gefährlich sei. Weiter hält er es für 282 Vgl Produkthaftungshandbuch I, § 21 Rz. 27 unter Verweis auf BGH NJW 1992,2016 (Silokipper), wo die unzureichende Instruktion eine Beschädigung des Silokippers selbst verursacht hatte. 283 Vgl. Produkthaftungshandbuch I, §21 Rz.30. 284 In einer Anmerkung zur Spezialschmierfett-Entscheidung, vgl. LM §823 BGB (M) Nr. 1 unter 2.a., trifft Foerste ebenfalls die Feststellung, daß sich in den Weiterfresser-Fällen die drohenden Schäden bei pflichtgemäßer Instruierung über den Fehler regelmäßig vermeiden ließen. Doch auch hier weicht er der Prüfung entsprechender Verkehrspflichten des Herstellers mit dem bloßen Verweis auf „die Aushöhlung der eng begrenzten Verkäuferhaftung durch das Deliktsrecht" aus. 285 JZ 1983, 504.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

103

möglich, daß dem Gebrauchen des Produktes unter gewissen Voraussetzungen schon das Unterlassen einer wegen des Mangels notwendigen Schutzmaßnahme gleichgestellt werde. Sogleich mahnt er jedoch Zurückhaltung an und behauptet, der Käufer verlasse sich in den Weiterfresser-Fällen hauptsächlich auf die Angaben des Verkäufers, weswegen das Vertragsrecht Vorrang genießen soll. Das dann von ihm genannte, der österreichischen Rechtsprechung entstammende Beispiel 286 vermag diese These jedoch kaum zu stützen. Daß nämlich bei „Auftreten eines Risses an dem Kessel wegen des Bruchs fehlerhaft geschweißter Stehbolzen" der Käufer sich stärker vom Händler enttäuscht fühlt als vom Hersteller, ist äußerst zweifelhaft. Schließlich weiß jeder, daß der Herstellerund nicht der Händler den Produktionsprozeß organisiert und beherrscht. Im folgenden soll nun das Begleitverhalten des Herstellers, das hinsichtlich des Eigentums an der fehlerhaften Sache allein den Vorwurf einer Verletzungshandlung begründen könnte, in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt werden: Es soll gefragt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Herstellung und Inverkehrgabe begleitendes bzw. diesen Handlungen nachfolgendes Verhalten des Herstellers das Eigentum an der fehlerhaften Sache verletzt, wenn es zu deren fehlerbedingter Selbstbeschädigung oder -Zerstörung führt.

B. Die Bestimmung des gemäß §823 Abs. 1 BGB unerlaubten Verhaltens nach der herrschenden Verkehrspflichtenlehre Dem äußerst knappen Wortlaut des § 823 Abs. 1 BGB kann nicht ohne weiteres entnommen werden, unter welchen Voraussetzungen für die Verursachung oder Nichtabwendung einer Beeinträchtigung der dort genannten Rechte oder Rechtsgüter gehaftet wird, welche dem Eintritt eines rechts(guts)verletzenden Erfolges vorausgehenden Handlungen oder Unterlassungen also unerlaubt sind im Sinne dieser Vorschrift. Das Deliktsrecht ist gekennzeichnet durch das Bemühen, einen gerechten Ausgleich zu finden zwischen dem Schutz bestehender Rechte und Rechtsgüter einerseits und andererseits der Wahrung der allgemeinen Handlungsfreiheit als notwendiger Voraussetzung für die Verwirklichung und Entfaltung jedes einzelnen. 287 Entsprechend charakterisierte die Zweite Vgl. OGHJB1. 1979,483. Vgl. dazu Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, 21 f., der zutreffend darauf hinweist, daß auch die Rechte und Rechtsgüter nicht um ihrer selbst willen geschützt werden, sondern als objektive Voraussetzungen der Freiräume, die sie ihren Inhabern gewähren. Daß der Bestandsschutz sich insofern ebenfalls als Freiheitsschutz verstehen läßt, ändert aber nichts daran, daß das Bestandsinteresse eines Rechtsinhabers regelmäßig im Widerstreit steht zur Handlungsfreiheit sonstiger Teilnehmer des Rechtsverkehrs; vgl. zu diesem Grundkonflikt des Deliktsrechts ferner etwa Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 286

287

104

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Kommission die deliktsrechtlichen N o r m e n als „Vorschriften [...], welche dazu bestimmt sind, die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb deren diese ihre individuelle Freiheit entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, von einander abzugrenzen." 288 In einer Fülle von Entscheidungen und unter begleitenden Systematisierungsversuchen der Literatur hat die Rechtsprechung sich über Jahrzehnte hinweg bemüht, die Grenzen des erlaubten Verhaltens über ein komplexes und an den Gegebenheiten der einzelnen Gefahrenbereiche orientiertes System der Verkehrspflichten auszuloten, so auch im Bereich der Produzentenhaftung.

I. Die Zurechnung mittelbarer Erfolgsbedingungen Verkehrspflichtverletzungen und Unterlassungen als Wie §823 Abs. 1 BGB richtig verstanden werden muß, ist noch immer umstritten: Fast einhellig wird grundsätzlich von einer Äquivalenz sämtlicher adäquat zu einem tatbestandsmäßigen Erfolg führenden bzw. zur Vermeidung eines solchen Erfolgs geeigneten Bedingungen ausgegangen, mit der Folge, daß kein Tun oder Unterlassen, das diese Voraussetzungen erfüllt, von vornherein als möglicherweise rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung außer Betracht bleiben kann. 289 Nach wie vor gibt es allerdings vor allem zu der Frage, ob und in welchem Umfang die Rechtswidrigkeit bereits durch Verursachung bzw. Nichtabwendung des tatbestandlichen Erfolgs indiziert wird oder sich erst aus einer Verletzung von Verhaltenspflichten ergibt, unterschiedliche Auffassungen. Jenseits der sog. unmittelbaren Eingriffe 290 hat sich mehr und mehr die Ansicht durch1986, S. 93 ff.; Steffen, VersR 1980, 409f., und den jüngst von Gruber, Freiheitsschutz als ein Zweck des Deliktsrechts, 1998, u n t e r n o m m e n e n „Versuch einer methodengerechten Begründ u n g " des Freiheitsschutzes als eines deliktsrechtlichen Zweckes. 288 Vgl. Prot. II/2, S.567. 289 Vgl. n u r Münch.KommfMertens, § 823 Rz. 15, u. Staudinger/J. Hager, § 823 Rz. A 9f.; z u m abweichenden, von Fraenkel in Tatbestand u n d Zurechnung, 1979 entwickelten Ansatz, mit welchem dieser, wie Rosenbach, Eigentumsverletzung d u r c h Umweltveränderung, 1997, S. 39, zutreffend formuliert, „den allseits akzeptierten G r u n d s a t z der Äquivalenz aller den Erfolg verursachenden Bedingungen [durchbricht]" siehe sogleich unter D.IV. 290 Je nachdem, welcher der in der Literatur vertretenen Definitionen man folgt, liegt ein u n mittelbarer Eingriff etwa dann vor, w e n n „ H a n d l u n g e n [...],final' auf die Verwendung von G ü tern oder die A u s ü b u n g von Befugnissen abzielen, die d u r c h das Herrschaftsrecht einem anderen zugewiesen sind", vgl. von Caemmerer, K F 1961, S. 19f., „wenn der Erfolg so nahe bei der H a n d lung liegt, daß er f ü r die A n s c h a u u n g des Lebens von ihr nicht zu trennen ist, oder w e n n er lediglich sichtbar macht, was die H a n d l u n g ihrer objektiven N a t u r nach von Anfang an w a r " , vgl. Larenz, FS Dolle, 1963, S. 193, oder w e n n „die schädliche W i r k u n g bei objektiv-natürlicher Wertung des Handlungsgeschehens u n a b t r e n n b a r e r Bestandteil der H a n d l u n g [ist]", vgl. Stall, A c P 162 (1962), 226f.; vgl. zur Unmittelbarkeitslehre Fraenkels ausführlich u n t e n D.II.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

105

Verhalten

gesetzt, d a ß die b l o ß e E r f o l g s v e r u r s a c h u n g auch bei F e h l e n v o n

Rechtferti-

g u n g s g r ü n d e n keine u n e r l a u b t e H a n d l u n g darstellt291. W a s die U n t e r l a s s u n g der A b w e n d u n g eines tatbestandsmäßigen E r f o l g e s d u r c h aktives T u n a n b e l a n g t , s o i s t u n s t r e i t i g 2 9 2 , d a ß sie n u r z u e i n e r H a f t u n g f ü h r e n k a n n , w e n n e i n e entsprechende Handlungspflicht besteht. O b eine n u r mittelbar zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führende H a n d l u n g o d e r e i n e U n t e r l a s s u n g u n e r l a u b t e H a n d l u n g i m S i n n e des § 8 2 3 A b s . 1 B G B ist, b e s t i m m e n R e c h t s p r e c h u n g s o w i e h e r r s c h e n d e L e h r e d a n a c h , o b g e g e n e i n e V e r k e h r s p f l i c h t v e r s t o ß e n w u r d e . D a s gilt a u c h f ü r d e n B e r e i c h d e r d e liktsrechtlichen Produzentenhaftung. T a t s ä c h l i c h w ä r e d i e H a n d l u n g s f r e i h e i t l e t z t l i c h b e s e i t i g t , w e n n es e i n a l l g e meines Verbot der Verursachung von Beeinträchtigungen fremder Rechte und R e c h t s g ü t e r gäbe bzw. ein allgemeines G e b o t z u r V e r h i n d e r u n g s o l c h e r B e e i n t r ä c h t i g u n g e n . 2 9 3 W e n n b e i s p i e l s w e i s e d e r N a c h b a r des A k r a n k w ü r d e u n d s e i ne B l u m e n nicht m e h r gießen könnte, wäre A zur Vermeidung einer delikstrechtlichen

Haftung

aus

Eigentumsverletzung

verpflichtet,

einzuspringen.

A u c h hätte etwa der B e t r e i b e r eines S t a h l w e r k s deliktsrechtlich für die F o l g e n

291 Für die Handlungsunrechtslehre traten vor allem ein Nipperdey, N J W 1957, 1777ff.; Wiethölter, Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, i960, S. 15ff.; Münzberg, Verhalten und Erfolg als Grundlage der Rechtswidrigkeit und Haftung, 1966, S. 176ff.; Brüggemeier, DeliktsR, Rz. 101; die zwischen einer reinen Erfolgsunrechtslehre einerseits und einer reinen Verhaltensunrechtslehre andererseits vermittelnde und herrschende Ansicht, nach der die Rechtswidrigkeit nur bei unmittelbarer Rechtsgutsverletzung indiziert sein soll, wird vertreten von von Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1960, S.126ff., ders., K F 1961, 19ff.; Larenz, FS Dölle, 1963, S. 169ff.; Stoll, AcP 162 (1962), 203 ff.; Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, 1995, S.440f.; U. Huber, FS E.R. Huber, 1973, S.274ff.; von Bar, Verkehrpflichten, 1980, S.154ff.; Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 175f.; RGRK/ Steffen, § 823 Rz. 109, der diese Ansicht als „Lehre von der Erheblichkeit der Eingriffsqualität" bezeichnet; Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S.23ff. mit weiteren Nachweisen, Rogge, Selbständige Verkehrspflichten bei Tätigkeiten im Interesse Dritter, 1997, S. 23ff.; Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, 1998, S. 203 ff.; an der Erfolgsunrechtslehre wollen grundsätzlich festhalten Staudinger/Schäfer, 12. Aufl., §823 Rz. 8; Palandt/Thomas, §823 Rz.34f., und Palandt/Heinrichs, §276 Rz. 8, die beiden Letztgenannten allerdings nur, sofern nicht die Zurechnung einer Unterlassung in Frage steht; vgl. außerdem zu Entwicklung und Meinungsstand des Streits zwischen Erfolgs- und Verhaltensunrechtslehre die ausführliche Ubersicht bei Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 21 ff., der sich, vgl. S. 57f. der vermittelnden Lehre anschließt, wonach nur bei unmittelbaren Handlungen, die „ohne wesentliche Zwischenakte" zu einem Verletzungserfolg führen, die Rechtswidrigkeit indiziert werde. 292 Vgl. statt aller nur Soergel/Zeuner, § 823 Rz. 157; Erman/Schiemann, § 823 Rz. 13; RGRK/ Steffen, §823 Rz. 135; vgl. aus der Rechtsprechung etwa RGZ 97, 11 (12) (Wasserrohrbruch); RGZ 102, 372 (374) (Milzbrand); BGHZ 9, 301 (307) (Diebstahl); B G H N J W 1979,1248 (1249) (Arzt); B G H N J W 1987, 2510 (Wachmann). 293 Siehe dazu bereits oben Kapitel 2, B.VI.3.c). Auch durch Begrenzung der Zurechnung nach dem Adäquanzgedanken ließe sich die Handlungsfreiheit dann nicht mehr hinreichend wahren, vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, 193 ff.

106

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

von Verkehrsunfällen einzustehen, wenn er seine Produkte an Autohersteiler liefert und einige der damit hergestellten Fahrzeuge - wie vorauszusehen - später verunglücken.294 Dies käme einem uneingeschränkten Vorrang des Rechtsgüterschutzes vor der Handlungsfreiheit gleich und würde damit den einzelnen unübersehbaren Haftungsfolgen aussetzen. II. Die Verkehrspflichten

als

Gefahrsteuerungsgebote

Hinter dem Begriff der Verkehrspflichten verbergen sich an den potentiellen Schädiger gerichtete Gefahrsteuerungsgebote, Verhaltensprogramme, die von Rechtsprechung und Rechtslehre in Bezug auf Gefahrenquellen aller Art entwickelt und ausgestaltet wurden mit dem Ziel, unter den verschiedenen, adäquat zum Eintritt eines Verletzungserfolgs im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B beitragenden Handlungen und Unterlassungen diejenigen auszumachen, die eine Haftung auslösen sollen. Weil die bloße Erfolgsvermeidungsfähigkeit zur Begründung der Haftung nicht genügen kann, werden darüber hinausgehende, eine besondere Nähe des Inanspruchgenommenen zur in Frage stehenden Gefahr begründende Gesichtspunkte bestimmt, die eine Verantwortung für diese Gefahr rechtfertigen, soweit das Interesse des Opfers an einem erfolgsvermeidenden Verhalten die Handlungsfreiheit des Inanspruchgenommenen überwiegt. Die zentralen Anknüpfungspunkte für Verkehrspflichten bilden dementsprechend die Schaffung, Erhöhung oder Unterhaltung einer Gefahr. 295 Darüber hinaus werden zur Begründung von Verkehrspflichten und zur Bestimmung ihrer Reichweite auch andere Gesichtspunkte herangezogen, so vor allem die Herrschaftsmacht über den Bereich, dem die Gefahr entstammt und damit eng verbunden die Möglichkeit zu überlegener Gefahrsteuerung 296 , die Vorteilsziehung aus dem Gefahrenbereich, das Vertrauen des Verkehrs auf Gefahrabwendung und die faktische Übernahme einer Verkehrspflicht, wobei in der Literatur vielfältige und durchaus unterschiedliche Versuche zur Aufarbeitung

2 9 4 Ähnliche Beispiele, welche die Absurdität eine solchen Haftungssystems verdeutlichen, finden sich etwa bei von Bar, Verkehrspflichten, 1980,154 f. und ders., Gutachten, 1981, S. 1701 f. 2 9 5 Vgl. aus der reichhaltigen Rechtsprechung etwa BGHZ 5, 378 (380f.) (Treppengeländer); B G H N J W 1955, 1025; BGHZ 34, 206 (209) (Grabstein); BGHZ 60, 54 (55) (Soldaten); B G H N J W 1980, 223 (Flugtag). 2 9 6 Dieser Gesichtspunkt wird zuweilen verkürzt als „Beherrschbarkeit der Gefahr" oder „Gefahrbeherrschung" bezeichnet, vgl. nur von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 122, u. ders., JuS 1988, 170. Das ist mißverständlich, weil die Gefahr von jedem beherrscht wird, der in der Lage ist, sie abzuwenden, die bloße Fähigkeit zur Erfolgsabwendung jedoch gerade nicht genügt, eine Erfolgswabwendungspflicht zu begründen. Nötig ist vielmehr auch hier eine besondere Gefahrennähe des Inanspruchgenommenen, die seine Verantwortlichkeit rechtfertigt; in diesem Sinne auch folgende Umschreibung des „Gefahrbeherrschungs"-Gedankens durch von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 122: „Verkehrspflichtig ist, wer eine in seiner Sphäre bestehende Gefahr beherrschen kann."

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

107

und Systematisierung des reichhaltigen Rechtsprechungsmaterials unternommen wurden. 297 Der Begriff der Verkehrspflichten entwickelte sich aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts zur deliktsrechtlichen Verantwortlichkeit für Gefahren eines räumlich-gegenständlichen Bereichs 298 . Danach hat derjenige, welcher sein Grundstück zum öffentlichen Verkehr bestimmte, die Pflicht, für Verkehrssicherheit zu sorgen. 299 In der Folgezeit wurden von der Rechtsprechung auch hinsichtlich aller möglichen sonstigen Gefahren Verkehrssicherungspflichten bzw. Verkehrspflichten ausgeformt 300 , so etwa im Hinblick auf Gefahren, die beim Umgang mit gefährlichen Geräten oder Stoffen entstehen, aus der Teilnahme am Straßenverkehr, am Sport, an Massenveranstaltungen oder aus der Inverkehrgabe von Produkten. 301

297 Vgl. aus der Fülle der Literatur etwa von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 113ff., u. zusammenfassend ders., JuS 1988, 170, der als wesentliche Entstehungsgründe für Verkehrspflichten nennt: die Schaffung oder Unterhaltung einer Gefahr; den Schutz berechtigter Vertrauenserwartungen; die Beherrschbarkeit der Gefahr und den Aspekt der Vorteilsziehung aus der Gefahr; Larenz/Canaris, SchuldR. II/2, § 76 III 3, unterscheidet eine Bereichshaftung, in der sich aus der Eröffnung oder Duldung eines Verkehrs eine Einstandspflicht für die Sicherheit eines bestimmten Bereichs ergebe, ferner eine Ubernahmehaftung, bei der sich die Gefahrabwendungspflicht aus der Übernahme einer Aufgabe ergebe und schließlich in Gefahrabwendungspflichten aus vorangegegangenem Tun, die allerdings nur dann entstehen sollen, wenn die hervorgerufene Gefahr besonders groß ist; Mertens, VersR 1980,402, zählt als Zurechnungskriterien für Verkehrspflichten auf die unter Berücksichtigung des Verursachungs- sowie des Nutzen-/Nachteilsprinzips zu ermittelnde rechtliche oder faktische Sachzuständigkeit für den Gefahrenherd, die rechtliche oder faktische Verantwortungs- und Fürsorgeübernahme, die Gefahrbeherrschung, die Verkehrseröffnung, die Ingerenz und die auf Gefahrvermeidung abzielenden professionellen Standards ordentlichen Berufsverhaltens; als Anknüpfungspunkte für Verkehrssicherungspflichten nennt er die Beherrschung eines bestimmten Sachbereichs, die Eröffnung eines Verkehrsbereichs und die Veranstaltung eines Verkehrs sowie das Inverkehrbringen von Sachen, die Schaffung einer besonderen Gefahrenlage; vgl. ferner Deutsch/Ahrens, Unerlaubte Handlungen, Rz. 262ff.; Medicus, BürgR., Rz.648ff. 298 Vgl. zur Ableitung des „Verkehrs"-Gedankens aus §367 Nr. 12 RStGB (a.F.), wonach bestraft wurde, „wer auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen, auf Höfen, in Häusern und überhaupt an Orten, an welchen Menschen verkehren, Brunnen, Keller, Gruben, Offnungen oder Abhänge dergestalt unverdeckt oder unverwahrt läßt, daß daraus Gefahr für andere entstehen kann" von Bar, J Z 1979, 333. Die Begriffe der Verkehrssicherungspflicht einerseits und der Verkehrspflicht andererseits werden nicht durchweg einheitlich voneinander abgegrenzt: So will etwa von Bar, JuS 1988, 169 nur dann weiterhin von Verkehrssicherungspflichten sprechen, wenn Gefahren von der unsicheren Beschaffenheit von Immobilien drohen, während Münch.Komm/Mertens, § 823 Rz. 209 in einem weiteren Sinne, nämlich hinsichtlich der Verantwortung für die Vermeidung der Gefahren, die einer Sache oder einem sozialen Sachbereich immanent sind, von Verkehrssicherungspflichten sprechen. 299 Vgl. die noch vor Inkrafttreten des B G B zum preußischen Recht ergangene Entscheidung R G Z 33, 225 (228f.) (Beleuchtung) m. w. Nachw. 300 Eine Ubersicht über die verschiedenen Gefahrbereiche gibt von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S.43ff. 301 Vgl. aus der älteren Rechtsprechung etwa RGZ 87, 1 (Brunnensalz); RGZ 163,21 (Bremsen I); R G D R 1940,1293 (Bremsen II); B G H VersR 1952,357 (Rungenverschluß); B G H VersR

108

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

In der Literatur wird in der Verkehrspflichtverletzung überwiegend eine Voraussetzung der Rechtswidrigkeit des in Frage stehenden Verhaltens gesehen 302 . Die Rechtsprechung geht grundsätzlich von der Erfolgsunrechtslehre aus 303 , unterscheidet jedoch im Bereich der Produzentenhaftung zwischen objektiver Pflichtverletzung, die sie jedenfalls neuerdings zur Rechtswidrigkeit rechnet 304 , und dem Verschulden. Eine objektive Pflichtwidrigkeit der Herstellung und Inverkehrgabe eines Produktes soll ausscheiden, wenn das Produkt nach dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Inverkehrgabe als einwandfrei anzusehen war, sich später jedoch als gefährlich erweist. 305

1956,410 (Fahrrad); B G H VersR 1956,625 (Karussel); B G H VersR 1959,104 (Seilschloß); B G H VersR 1960, 1095 (Kühlanlage); siehe dazu sogleich unter III. 3 0 2 Soweit man der Lehre vom Verhaltensunrecht folgt, vgl. dazu die in Fußn. 291 genannten Nachweise, ist diese Einordnung folgerichtig; keine klare Zuordnung zur Rechtswidrigkeit aber etwa bei RGRK/Steffen, § 823 Rz. 124, der anmerkt, in den Verkehrspflichten würden sich Verschuldens- und Rechtmäßigkeitselemente verbinden und überschneiden; Esser/Weyers, SchuldR. II/2, §55 II 3 c. 3 0 3 Vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung etwa BGHZ 90, 255; B G H N J W 1993, 2614; einen Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens, wie ihn der B G H in BGHZ 24,21 angenommen hatte, um die seiner Ansicht nach durch den rechtsgutsbeeinträchtigenden Erfolg indizierte Rechtswidrigkeit bei verkehrsrichtigem Verhalten dennoch verneinen zu können, wird vom B G H heute nicht mehr herangezogen. Er stieß in der Literatur zu Recht überwiegend auf deutliche Ablehnung; vgl. die Nachweise bei Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S.27f. Fußn. 45, der die Konstruktion als „augenfällige Künstlichkeit" verurteilt. 3 0 4 Unmißverständlich deutlich wird dies in B G H N J W 1996,2507 (Chefbüro), wo angenommen wird, eine Beweislastumkehr bestehe bei feststehendem Produktmangel nicht nur hinsichtlich des Verschuldens, sondern auch hinsichtlich der „objektiven Pflichtwidrigkeit". Damit kann mit der objektiven Pflichtwidrigkeit keine Verschuldensvoraussetzung gemeint sein; uneindeutig dagegen beispielsweise noch die Schwimmerschalter-Entscheidung, B G H VersR 1977, 358 (359), wo zwar ebenfalls von „objektiver Pflichtverletzung" die Rede ist, jedoch nicht klar wird, ob die Feststellung einer solchen Teil der Verschuldensprüfung sein soll; bereits in der Apfelschorf-Entscheidung B G H VersR 1981, 636 (638) (Benomyl) betonte der B G H allerdings ausdrücklich die Verhaltensbezogenheit der Verkehrspflichten und stellte klar, daß aus einem verkehrsgefährlichen Zustand noch nicht ohne weiteres eine objektive Pflichtverletzung abgeleitet werden könne. Aus den Ausführungen zur Reichweite der Beweislastumkehr im Parallel-Urteil B G H VersR 1981, 639 (642) (Derosal) ergeben sich weitere Anhaltspunkte dafür, daß der B G H in der objektiven Pflichtwidrigkeit schon damals eine Voraussetzung der Rechtswidrigkeit sah. So unterscheidet er dort zwischen der Nichteinhaltung der „äußeren" Sorgfalt als „objektivem Pflichtenverstoß" einerseits, wobei er einmal auch vom „objektiven Tatbestand einer Pflichtverletzung" spricht und andererseits der „inneren" Sorgfalt. Dementsprechend ist die objektive Pflichtverletzung im Sinne der Apfelschorf-Entscheidungen auch als Rechtswidrigkeits-Voraussetzung verstanden worden, vgl. etwa Schmidt-Salzer, Produkthaftung I I I / l , Rz. 4.1103. 3 0 5 Vgl. die Apfelschorf-Entscheidungen B G H VersR 1981, 636 (638) (Benomyl), u. B G H VersR 1981, 639 (641) (Derosal); für nur fehlendes Verschulden bei Entwicklungsfehlern Palandt/Thomas, §823 Rz.209.

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

Verhalten

109

III. Die Verkehrspflichten des Produzenten Auch für den Bereich der Herstellerhaftung wird in erster Linie an die G e fahrschaffung - in Gestalt der Inverkehrgabe des Produktes - angeknüpft, w o bei die den Hersteller treffenden Verkehrspflichten allgemein wie folgt umschrieben werden: Derjenige, der eine Sache in Verkehr bringt, soll verpflichtet sein, die ihm möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um Schäden an Rechtsgütern Dritter abzuwenden, die sich aus einer Fehlerhaftigkeit oder Gefährlichkeit des Produktes ergeben können. 3 0 6 Dabei hat sich eine Fallgruppenbildung durchgesetzt 3 0 7 , die Konstruktionsfehler, Fabrikationsfehler und Instruktionsfehler unterscheidet. Diese begriffliche Anknüpfung an den Produktfehler ändert jedoch nichts daran, daß es für die Haftung jeweils entscheidend auf das vom Hersteller geforderte Verhalten ankommt. 3 0 8 Ein Konstruktionsfehler liegt danach vor, wenn ein Produkt in Verkehr gebracht wird, das in einer Weise konstruiert wurde, die den nach dem gegenwärtigen Stand von Wissenschaft und Technik berechtigten Sicherheitserwartungen widerspricht. 3 0 9 Bei einem Fabrikationsfehler entsprechen dagegen nur einzelne Stücke nicht diesen berechtigten Sicherheitserwartungen. 3 1 0 Zur Vermeidung von Fabrikationsfehlern soll der Hersteller gehalten sein, den Fertigungsablauf hinsichtlich jedes einzelnen Stückes so zu überwachen, daß Fehlerquellen nach Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen sind. Auch wird von ihm verlangt, für Qualitätskontrollen des fertigen Produktes zu sorgen. 3 1 1 Bei bekannten erheblichen Produktgefahren, die typischerweise aus dem Herstellerbereich stammen, fordert die Rechtsprechung, daß der Hersteller über die üblichen Warenendkontrollen hinaus durch entsprechende Prüfverfahren gewährleistet, daß der Zustand jedes Stückes ermittelt wird und so - im Rahmen des technisch Möglichen - eine In-

3 0 6 In diesem Sinne bereits RGZ 8 7 , 1 (Brunnensalz); RGZ 163,21 (Bremsen I); R G D R 1940, 1293 (Bremsen II); besondere Bedeutung kommt dem Hühnerpest-Urteil B G H VersR 1969,155 (159) (VI. Senat) zu, weil der B G H hier erstmals dem Hersteller die Beweislast dafür auferlegt hat, daß der Produktfehler nicht auf einer Verkehrspflichtverletzung beruht. 3 0 7 Kritisch aber etwa Steindorff, AcP 170 (1970), 98ff., mit dem Argument, diese entsprächen nicht den wirklichen technischen und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten, sowie Leßmann, JuS 1978, 436, der eine isolierte Betrachtungsweise moniert, die nicht den technischen und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten entspreche. 3 0 8 Siehe dazu bereits oben Kapitel 2, B.I.2. 3 0 9 Vgl. etwa RGZ 163, 21 (Bremsen I); R G D R 1940, 1293 (Bremsen II); B G H VersR 1952, 357 (Rungenverschluß); B G H VersR 1 9 6 0 , 1 0 9 5 (Kühlanlage); B G H N J W 1988,2611 (Limonadenflasche); B G H VersR 1992, 96 (Kindertee I). 3 1 0 Vgl. etwa B G H N J W 1968,247 (Schubstrebe), wo der Fehler auf einem Materialfehler beruhte, u. B G H VersR 1956, 259 (Motorroller), sowie B G H VersR 1956, 410 (Fahrrad), wo das Gabelrohr eines Fahrrades bzw. eine Motorollerlenkung falsch montiert worden waren. 3 1 1 Siehe B G H VersR 1959, 104 (Seilschloß); B G H VersR 1960, 855 (Kondenstopf); B G H VersR 1972, 559 (Förderkorb); B G H N J W 1988, 2611 (Limonadenflasche); B G H N J W 1993, 528 (Mineralwasser I).

110

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

verkehrgabe fehlerhafter Exemplare verhindert wird. 312 Von einem Instruktionsfehler spricht man, wenn trotz einwandfreier Konstruktion eine gefahrlose Verwendung für den Durchschnittsbenutzer nicht gewährleistet ist und das Produkt dennoch ohne zureichende Warnung in den Verkehr gebracht wird. 313 Die Pflichten des Herstellers sollen aber nicht darauf beschränkt sein, die Inverkehrgabe eines konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaften Produktes zu unterlassen bzw. ein gefährliches Produkt nicht ohne die notwendigen Instruktionen in Verkehr zu bringen. Vielmehr sollen den Hersteller auch für die Zeit nach Inverkehrgabe des Produktes Produktbeobachtungs- und Reaktionspflichten treffen. 314 Er soll sein Produkt am Markt zu beobachten und ggf. die erforderlichen und zumutbaren Gefahrabwendungsmaßnahmen zu treffen haben. Dabei ist - wie bereits oben ausgeführt 315 - die Frage der Reichweite dieser Pflichten umstritten und wird insbesondere kontrovers diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen der Hersteller verpflichtet ist, ein fehlerhaftes Produkt zurückzurufen.

IV. Die Reichweite der Verkehrspflichten als Wertungsfrage Es ist nicht zu leugnen, daß es der Verkehrspflichtenlehre an einem formalen Kriterium fehlt, welches wenigstens für das Gros der Fälle eine problemlose Grenzziehung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten, zwischen Bestandsschutz und Handlungsfreiheit erlaubt. O b und in welchem Umfang den zur Erfolgsvermeidung Fähigen eine entsprechende Verkehrspflicht trifft, ist vielmehr in erheblichem Maße zu einer Frage der Bewertung und Gewichtung der sich gegenüberstehenden Interessen durch Rechtsprechung und Rechtswissenschaft geworden, zu einer Abwägungsfrage also. Insofern stellen die einzel-

3 1 2 B G H N J W 1988,2611 (Limonadenflasche); B G H N J W 1993,528 (Mineralwasser I); beide Entscheidungen betrafen die Gefahr des Zerberstens schadhafter Getränkeflaschen; indem der B G H die Verkehrspflicht des Herstellers als Pflicht zur „Statussicherung" bzw. „Befundsicherung" bezeichnete, bot er Anlaß zu Kritik und Mißverständnissen, vgl. Foerste, VersR 1988, 959f., u. ders., J Z 1993, 681f.; Brüggemeier, VuR 1988, 345ff.; Winkelmann, M D R 1989, 16ff.; Kunz, BB 1994, 454; gegen diese Kritik unter zutreffender Interpretation der „Statussicherungs"- oder „Befundsicherungspflicht" als Pflicht des Herstellers zur Organisation seines Betriebes in der Weise, daß nach Möglichkeit keine fehlerhaften Stücke aus dem Haus gehen Staudinger/]. Hager, §823 Rz. F 40. 3 1 3 Vgl. etwa B G H VersR 1955, 765 (Insektenvernichtungsmittel); B G H VersR 1960, 342 (Fußboden-Klebemittel); B G H VersR 1975, 538 (Haartonikum); B G H VersR 1981, 957 (Sniffing); B G H VersR 1987,102 (Zinkspray); B G H VersR 1992, 96 (Kindertee I); B G H N J W 1992, 2016 (Silokipper); B G H N J W 1994, 932 (Kindertee I I ) ; B G H N J W 1999, 2815 (Reißwolf). 3 1 4 So bereits RGZ 163, 21 (Bremsen I) und R G D R 1940, 1293 (Bremsen II); in der B G H Rechtsprechung waren wegweisend für die Anerkennung von Produktbeobachtungs- und Reaktionspflicht die beiden Apfelschorf-.Entscheidungen B G H VersR 1981, 636 (638) (Benomyl), u. B G H VersR 1981, 639 (641) (Derosal). 3 1 5 Vgl. dazu bereits oben A.I. und noch unten C.III.3.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

111

nen Verletzungstatbestände des § 823 Abs. 1 BGB nach dem heute herrschenden Verständnis durchaus Generalklauseln dar: Die Generalklausel der Gesundheitsverletzung, die Generalklausel der Eigentumsverletzung usw. Dem Ergebnis der Abwägung sind zwar Grenzen vorgegeben. Vor allem setzt die Bejahung einer Verkehrspflicht stets die sorgfältige Begründung einer besonderen Gefahrennähe voraus, die es rechtfertigt, gerade dem Inanspruchgenommenen eine Verantwortung für die betreffende Gefahr aufzuerlegen. Wie bereits ausgeführt 316 , spielt hier die größte Rolle das Maß des vom Schädiger gesetzten Gefahrenpotentials. Andernfalls würde doch die bloße Erfolgsabwendungsfähigkeit als solche eine Haftung begründen, womit die allgemeine Handlungsfreiheit praktisch beseitigt wäre. Dennoch ist nicht zu verkennen, daß innerhalb dieser Grenzen die jeweilige Reichweite der Verkehrspflichten, so wie sie von der Rechtsprechung für die einzelnen Gefahrenbereiche entwickelt wurde, das Ergebnis von Wertungen ist. Welche Bedeutung man in der jeweiligen Fallkonstellation etwa dem Vertrauen des Verkehrs, dem Ausmaß der Beherrschbarkeit der Gefahr oder dem Aspekt der Vorteilsziehung aus der Gefahr 317 beimißt, liegt nicht immer klar auf der Hand. Angesichts dieser Unsicherheiten bei der Eingrenzung des unerlaubten Verhaltens mag es nicht verwundern, daß - worauf noch näher einzugehen sein wird - verschiedentlich Zweifel laut geworden sind, ob die Rechtsprechung sich mit der Verkehrspflichtenlehre noch auf einem Weg bewegt, der innerhalb der vom Gesetz in §823 Abs. 1 BGB vorgegebenen Grenzen verläuft. Die Frage nach einer möglichen Verletzungshandlung des Herstellers in den Weiterfresser-Fällen stellt sich vor diesem Hintergrund auf zwei Ebenen. Einmal kann gefragt werden, ob mit der Verkehrspflichtenlehre im allgemeinen oder wenigstens mit der Bejahung von Verkehrspflichten des Herstellers in den Weiterfresser-Fällen im besonderen die Grenzen der zulässigen Rechtsanwendung bzw. -fortbildung überschritten werden. Denn ein die Substanzverschlechterung der fehlerhaften Sache herbeiführendes Herstellerverhalten darf selbstverständlich nur innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen Grenzen als tatbestandsmäßig im Sinne des §823 Abs.l BGB qualifiziert werden. Nur wenn und soweit die dem Rechtsanwender nach §823 Abs.l BGB für die Bestimmung von Ver- und Geboten vorgegebenen Grenzen gewahrt werden, kann eine deliktsrechtliche Haftung aus dieser Norm bejaht werden. Fällt die Antwort auf diese Frage positiv aus, dann bleibt immer noch zu prüfen, ob aus dem Verkehrspflichtensystem, so wie es Rechtsprechung und Rechtslehre jenseits der Weiterfresser-Fälle für den Gefahrenbereich der Herstellung und Inverkehrgabe von Produkten entwickelt und im einzelnen ausdifferenziert haben, folge-

Siehe unter II. Vgl. zu den verschiedenen, neben der Gefahrenschaffung zur Begründung einer Verkehrspflicht herangezogenen, Gesichtspunkten bereits Fußn. 297. 316 317

112

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

richtig Pflichten des Herstellers auch zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache abgeleitet werden müssen. Denn wenn es kein gesetzlich vorgegebenes einheitliches und formales Kriterium zur Abgrenzung des erlaubten vom unerlaubten Verhalten gibt, kann die Frage nach Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache sinnvollerweise nur beantwortet werden im Zusammenhang der deliktsrechtlichen Verkehrspflichten, so wie sie jenseits der Weiterfresser-Fälle im Bereich der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung begründet und begrenzt werden. Zu fragen ist, wie jenseits der Weiterfresser-Fälle die Grenzziehung zwischen Rechtsgüterschutz und allgemeiner Handlungsfreiheit vorgenommen wird, wie weitreichend die Pflichten sind, die dabei dem Hersteller auferlegt werden, ob dieser Grenzziehung gefolgt werden kann und zu welchem Ergebnis man ggf. bei ihrer Übertragung auf die Weiterfresser-Fälle gelangt. Entsprechend diesen Überlegungen soll bei der Prüfung, ob und unter welchen Voraussetzungen der Hersteller in den Weiterfresser-Fällen das Eigentum an der fehlerhaften Sache verletzt hat, im folgenden vorgegangen werden: In einem ersten Schritt ist zu untersuchen, ob mit der Bejahung von Verkehrspflichten des Produzenten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache die vom Gesetz gezogenen Grenzen für die Zurechnung eines Verhaltens als unerlaubter Handlung im Sinne des §823 Abs. 1 B G B überschritten würden. Anschließend soll dann in einem zweiten Schritt gefragt werden, inwieweit sich im System der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung, so wie es von Rechtsprechung und Rechtslehre jenseits der Weiterfresser-Fälle ausgestaltet wurde, Pflichten des Herstellers zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache schlüssig begründen lassen. Bevor jedoch diese beiden Untersuchungsschritte (unter D . und E.) vorgenommen werden, soll vorweg (sogleich unter C.) das als mögliche Verletzungshandlung in Erwägung zu ziehende Begleitverhalten des Herstellers noch näher eingegrenzt werden.

C. Eingrenzung der möglichen Verletzungshandlung auf die unterlassene Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung Die Zurechnung eines bestimmten Verhaltens als Eigentumsverletzung setzt nach allgemeiner Ansicht jedenfalls voraus, daß das betreffende aktive Tun den Verletzungserfolg verursacht hat bzw. die unterlassene Handlung geeignet gewesen wäre, ihn abzuwenden. Als Beitrag des Herstellers, der in diesem Sinne kausal wird für die Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache, kommt jenseits der Herstellung und Inverkehrgabe, die als Verletzungshandlungen ausscheiden müssen, regelmäßig nur ein Unterlassen in Betracht.

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

113

I. Die Behauptung der Fehlerfreiheit der Sache scheidet regelmäßig als Verletzungshandlung aus Fragt man sich, wie derjenige, der eine fehlerhafte Sache herstellt und in Verkehr bringt, jenseits dieser Handlungen durch aktives Tun zu der späteren Selbstbeschädigung der Sache beigetragen haben könnte, so fällt eine positive Antwort nicht ganz leicht. Der Hersteller gibt seine Produkte in Verkehr und kommt dann für gewöhnlich nicht mehr mit ihnen in Kontakt. Immerhin mag man an die im Zusammenhang mit der Inverkehrgabe aufgestellte ausdrückliche oder konkludente Behauptung denken, die Sache entspreche einer bestimmten Qualität, sei fehlerfrei und werde den an sie gerichteten berechtigten Sicherheitserwartungen gerecht. Eine solche Behauptung könnte unmittelbar gegenüber dem Erwerber abgegeben worden sein oder diesen über eine Produktwerbung oder Gebrauchsanweisung erreicht haben. Daß die hergestellte Sache bestimmte wesentliche Grundfunktionen erfüllt, wird derjenige, der sie in Verkehr bringt, tatsächlich häufig zumindest konkludent behaupten. Wer beispielsweise einen Stuhl in den Handel gibt, der bringt damit klar zum Ausdruck, daß die Sache als Sitzgelegenheit tauglich sei. Ob er damit gleichzeitig erklärt, der Stuhl entspreche den im Verkehr üblichen Sicherheits- und Haltbarkeitsstandards, ist jedoch bereits zweifelhaft. Erst recht fraglich ist, ob bei Inverkehrgabe einer komplexen Anlage die Fehlerfreiheit der einzelnen Teile und deren reibungsloses Zusammenwirken schlüssig behauptet wurde. Erklärt etwa der Hersteller einer Reinigungs- und Entfettungsanlage bei deren Inverkehrgabe konkludent, ein Schwimmerschalter schütze die Anlage vor Uberhitzung? Bejahen läßt sich dies allenfalls dann, wenn in Betriebsanleitungen oder Werbeanzeigen die Funktionen der Einzelteile des Produktes im Detail beschrieben werden. Man stelle sich etwa vor, im Schwimmerschalter-Fall hätte die von der Herstellerin mitgelieferte Betriebsanleitung den Hinweis enthalten, ein Schwimmerschalter schütze gegen drohende Uberhitzung der Anlage. Wo es jedoch an solchen genauen Angaben fehlt, stellt die Annahme einer schlüssigen Behauptung der Fehlerfreiheit wohl häufig nicht mehr als eine Fiktion dar.318 Aber selbst wenn man einmal davon ausgeht, es sei wenigstens konkludent die Fehlerfreiheit einer Sache behauptet worden, so stellt sich als nächstes die 318 Darin unterscheiden die Weiterfresser-Fälle sich übrigens von einer ähnlichen, ebenfalls kontrovers diskutierten und in anderem Zusammenhang bereits erwähnten Fallgruppe. Gemeint sind die Fälle des wirkungslosen Produktes, das der Käufer erfolglos zum Schutz seiner sonstigen Rechtsgüter einsetzt, welche bei Verwendung eines alternativen Schutzmittels hätten vor Schaden bewahrt werden können, vgl. dazu oben Kapitel 2, B.VI.2.b). Eine N ä h e der Weiterfresser-Fälle zu Fällen wirkungsloser Produkte besteht vor allem dann, wenn die Selbstzerstörung der fehlerhaften Sache auf dem Versagen einer internen Schutzvorrichtung beruht. Während jedoch ein Produkt, das gegen bestimmte Schäden schützen soll, typischerweise unter Hinweis auf diese, seine wesentliche Funktion in den Verkehr gelangt, wird es an einer konkludenten Erklärung über die Wirksamkeit sachinterner Schutzmechanismen meist fehlen.

114

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Frage, o b diese Behauptung typischerweise kausal wird für die spätere fehlerbedingte Selbstbeschädigung der Sache b e i m Erwerber. D a s k ö n n t e nur dann bejaht werden, wenn der Käufer bei Ausbleiben der Behauptung die Fehlerausbreitung verhindern würde, sei es durch einen Verzicht auf B e n u t z u n g der Sache, sei es durch Reparatur. D a m i t fehlt es jedenfalls dann an der Kausalität des Hinweises auf Fehlerfreiheit, wenn eine Reparatur unmöglich oder wenigstens unwirtschaftlich ist und auch eine schonendere B e n u t z u n g bzw. ein völliger Verzicht auf B e n u t z u n g ungeeignet ist, das Weiterfressen zu stoppen oder sich, gemessen an der Schadensgefahr, als unwirtschaftlich erweist. D e n n w o dies bejaht werden m u ß , würde auch ein Eigentümer, der den Fehler kennt, nichts gegen die drohende F e h l e r ausbreitung unternehmen. D e r Fehler würde sich also auch dann weiterfresssen, wenn der Hersteller darauf verzichtete, die Fehlerfreiheit der Sache zu behaupten. Regelmäßig gilt w o h l aber selbst dann nichts anderes, wenn der Fehler mit wirtschaftlichem A u f w a n d beseitigt werden k ö n n t e oder eine schonendere B e nutzung die Fehlerausbreitung stoppen würde. D e n n auch wenn keine A n g a ben zur Fehlerfreiheit der Sache gemacht w o r d e n sind, wird sich der E r w e r b e r üblicherweise darauf verlassen und verlassen müssen, daß sie intakt ist. Wer beispielsweise eine Kaffeemaschine einer unbekannten M a r k e kauft, v o n deren Hersteller er nie gehört hat und die man ihm versehentlich ohne Bedienungsanleitung liefert, der wird d e n n o c h in der Regel keine Veranlassung sehen, das P r o dukt erst einmal einer gründlichen Fehlersuche zu unterziehen und bis zur U b e r p r ü f u n g auch der letzten Schraube von einer B e n u t z u n g A b s t a n d zu nehmen. D i e Erwartung, daß ein P r o d u k t keine selbstzerstörerische Fehlerquelle enthält, nährt sich regelmäßig w o h l nicht in erster Linie aus einer entsprechenden Behauptung des Herstellers oder Händlers, sondern aus den verkehrsüblichen Standards selbst. O f t wird der E r w e r b e r zu einer Prüfung der Qualität auch gar nicht in der Lage sein, weil ihm die nötigen Kenntnisse fehlen oder er nicht über das notwendige Instrumentarium verfügt. U n d selbst wenn er im Einzelfall eine U b e r p r ü f u n g v o r n e h m e n k ö n n t e , so wäre diese M a ß n a h m e d o c h jedenfalls mit einem mehr oder weniger großen A u f w a n d verbunden. K a u m j e mand wird aber diesen A u f w a n d nur deshalb tätigen wollen, weil es an einer B e hauptung der Fehlerfreiheit fehlt. I m Regelfall wird man darin als E r w e r b e r n o c h kein A n z e i c h e n für eine Fehlerhaftigkeit der Sache sehen. 3 1 9

3 1 9 H i e r liegt meines Erachtens ein weiterer Unterschied der typischen Weiterfresser-Konstellation zum „ N o r m a l " - F a l l des Erwerbs eines wirkungslosen Produktes - vgl. dazu bereits die vorhergehende F u ß n . - , wobei dieser Unterschied auch dann gegeben ist, wenn der sich weiterfressende Fehler in einer fehlenden Schutzvorrichtung besteht: Wer ein Mittel oder eine Vorrichtung zum Schutz sonstiger Rechtsgüter vor bestimmten Schäden sucht, der kennt die drohende Gefahr und wird oft gerade anhand der Hersteller- oder Händlerangaben zu bestimmen versuchen, ob einem auf dem Markt angebotenen Produkt die gewünschte Schutzfunktion zukommt.

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

115

Festzuhalten bleibt also: M a g bei Inverkehrgabe einer Sache auch zuweilen, etwa ü b e r Gebrauchsanweisungen oder Werbung, zumindest konkludent behauptet werden, sie entspreche verkehrsüblichen Standards, so kann doch nicht davon ausgegangen werden, daß dies regelmäßig der Fall ist. V o r allem bei k o m plexeren Anlagen erscheint die A n n a h m e einer konkludenten Behauptung der Fehlerfreiheit jedes Einzelteiles in vielen Fällen als reine F i k t i o n . D a r ü b e r hinaus m u ß aber auch bezweifelt werden, daß eine solche Behauptung typischerweise kausal ist für eine später beim E r w e r b e r eintretende fehlerbedingte Selbstzerstörung der fehlerhaften Sache. In der Regel wird vielmehr auch ein unterlassener H i n w e i s auf Fehlerfreiheit dem E r w e r b e r keinen ausreichenden Anlaß für eine genaue Inspektion des e r w o r b e n e n Produktes bieten.

II. Durch ein aktives Tun des Herstellers ließe sich die Gefahr der Selbstbeschädigung häufig abwenden D a m i t k o m m t als Verhalten, durch das der Hersteller zur Substanzverschlechterung der fehlerhaften Sache beigetragen haben könnte, regelmäßig nur das Unterlassen einer H a n d l u n g in Betracht, die geeignet gewesen wäre, die sachinterne Fehlerausbreitung abzuwenden. Z u denken ist an das Unterlassen der Fehlerbeseitigung oder auch nur eines Hinweises auf die Weiterfresser-Gefahr. So kann man sich ohne weiteres Fälle vorstellen, in denen sich das Weiterfressen des Fehler dadurch verhindern ließe, daß der Hersteller Reparatur der Sache anbietet. Häufig k ö n n t e der P r o d u z e n t die Fehlerausbeitung aber auch schon durch eine b l o ß e Warnung vermeiden helfen. D e n n die Produktgefahr zeichnet sich (auch) in den Weiterfresser-Fällen typischerweise dadurch aus, daß sie dem Sacherwerber u n b e k a n n t ist. I m Schwimmerschalter-Fall etwa hätte sicherlich ein Hinweis auf den defekten Schalter und die dadurch bedingte Brandgefahr genügt, u m den Käufer der Anlage z u m Einbau eines fehlerfreien Ersatzteils zu veranlassen. Erst recht hätte dieser w o h l nichts einzuwenden gehabt gegen eine v o m Hersteller angebotene Reparatur. D i e Frage nach einer v o m Hersteller hinsichtlich des Eigentums an der fehlerhaften Sache begangenen Verletzungshandlung läßt sich somit für den Regelfall wie folgt präzisieren: K a n n dem Hersteller im H i n b l i c k auf das E i g e n t u m an der Wer etwa weiß, daß seine O b s t b ä u m e von Pilzbefall bedroht sind, der wird nicht irgendein Schädlingsbekämpfungsmittel kaufen, sondern eines, das gerade als zum Einsatz gegen Pilze tauglich in den Verkehr gebracht wurde. Dagegen weiß der Erwerber einer Gesamtsache häufig gar nicht, welches Einzelteil welches andere Einzelteil vor welcher Gefahr schützen soll und deshalb wird er auch dann, wenn von niemandem die Fehlerfreiheit sämtlicher Teile behauptet worden ist, keine Veranlassung sehen, sich um Alternativschutz zu bemühen. Wer - um nochmals das Schwimmerschalter-Beispiel zu bemühen - gar nicht weiß, daß ein Uberhitzungsschutz notwendig ist, der wird auch dann, wenn ein Hinweis auf den Schwimmerschalter fehlt, wohl kaum auf die Idee k o m m e n , andere Maßnahmen gegen ein I n - B r a n d - G e r a t e n der erworbenen Anlage zu treffen.

116

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

fehlerhaften Sache vorgeworfen werden, daß er es bei oder nach Herstellung und Inverkehrgabe unterlassen hat, die anschließende fehlerbedingte Verschlechterung der Sache abzuwenden? Oder mit anderen Worten: Trifft den Hersteller unbeschadet dessen, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache nicht rechtswidrig sind, eine Pflicht, in irgendeiner Weise aktiv zu werden, um das Weiterfressen des Fehlers zu verhindern?

III. Die unterlassene Warnung vor der Gefahr der Fehlerausbreitung kommt als Verletzungshandlung in Betracht Der Inhalt der den Hersteller möglicherweise treffenden Handlungspflicht kann indessen noch weiter eingegrenzt werden. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, müßte eine dem Hersteller auferlegte Verkehrspflicht zur Abwendung der Weiterfresser-Gefahr jedenfalls beschränkt sein auf eine bloße Pflicht zur Warnung.

1. Die Fehlerbeseitigung führt zu einer dem Eigentümer Verbesserung der Sachsubstanz

obliegenden

Das Eigentumsrecht gewährt Bestandsschutz gegenüber jedermann. Gleichzeitig beschränkt es sich aber - wie bereits mehrfach betont - auf den Schutz der Sache in ihrer konkreten Beschaffenheit. Erwirbt jemand eine fehlerhafte Sache, so erfaßt der Eigentumsschutz nach §823 Abs. 1 B G B nur diese Sache, nicht aber eine fiktive fehlerfreie Sache. Daraus folgt, daß der Eigentümer kraft seines Eigentums grundsätzlich nicht berechtigt ist, eine Verbesserung der fehlerhaften Sache zu verlangen. Er hat nun einmal lediglich das Eigentum an dieser fehlerhaften Sache erworben. Für eine Verbesserung von deren Substanz wie auch seines sonstigen Güterbestandes ist grundsätzlich er alleine „zuständig". Insoweit wird durch sein Eigentum an der fehlerhaften Sache die Handlungsfreiheit Dritter prinzipiell nicht beschränkt. Die Weiterfresser-Fällen zeichnen sich nun durch die Besonderheit aus, daß die fehlerhafte Sache zugleich gefährlich und gefährdet ist und daß deshalb der Erhalt der Sachintegrität durch Fehlerbeseitigung oder Reparatur zwangsläufig zu einer substantiellen Verbesserung der Sache führt. Darin unterscheiden sich die Weiterfresser-Fälle von der Bedrohung einer Sache durch andere fehlerhafte Sachen. Repariert man letztere, so wird die Substanz der bedrohten Sache regelmäßig nicht verändert. Dagegen muß in den Weiterfresser-Fällen die Behebung des Fehlers die Sachsubstanz notwendig verbessern und somit dazu führen, daß der Eigentümer anschließend mehr in Händen hält als zuvor mit der fehlerbehafteten Sache. Die Bewahrung der Sache durch Reparatur bedingt gleichzeitig

Die unterlassene

Tarnung

als unerlaubtes

Verhalten

117

deren Verbesserung. Dies sei anhand einer leichten Abwandlung des Schwimmerschalter-Falles kurz illustriert: Nimmt man an, es wären beim Brand der fehlerbehafteten Anlage auch sonstige Güter des Erwerbers, beispielsweise Maschinen und Geräte, bedroht gewesen, so wären diese Güter durch die rechtzeitige Reparatur der fehlerhaften Anlage von der Zerstörungsgefahr befreit worden, ohne sich in ihrem Bestand zu verändern, ohne also eine Verbesserung ihrer Substanz zu erfahren. Dagegen wäre die Reinigungs- und Entfettungsanlage selbst durch die Ausstattung mit einem neuen, nunmehr funktionsfähigen Schwimmerschalter verbessert worden. Daß in den Weiterfresser-Fällen eine Beseitigung des Fehlers zu einer Verbesserung der gefährlichen und zugleich gefährdeten Sache führt, gilt selbst dann, wenn die Reparatur keinen Austausch der fehlerhaften Teile erfordert, sondern diese lediglich entfernt werden müssen. Man stelle sich beispielsweise vor, es werde eine durch Verschmutzung zerstörungsbedrohte Maschine gereinigt oder man befreie ein teilweise befallenes Auto von Rost. Denkbar ist allerdings, daß die zu entfernenden Teile trotz ihrer Gefährlichkeit für die Gesamtsache einen so hohen Wert besitzen, daß die Restsache nach ihrer Entfernung weniger wert ist als zuvor. Dann ist zwar die Restsache nach der Zerlegung nicht besser als zuvor die Gesamtsache. Jedoch hat auch hier der Eigentümer mit der Restsache zuzüglich den entfernten Teilen mehr als ihm zuvor gehörte. Weil also in den Weiterfresser-Fällen eine Reparatur zwar die Zerstörungsoder Beschädigungsgefahr beseitigt, die Sache aber gleichzeitig auch verbessert, würde man mit der Annahme einer Verkehrspflicht zur Entfernung gefährlicher Teile oder gar zu deren Austausch vom Hersteller eine Güterverbesserung verlangen, die grundsätzlich über den Respekt des Eigentums an der Sache hinausgeht, die nun einmal nur als fehlerhafte erworben wurde. Damit soll allerdings nicht gesagt sein, daß es die Achtung fremden Eigentums nicht ausnahmsweise doch einmal gebieten kann, sachverbessernde Aufwendungen zu erbringen, um den Erhalt gefährdeter Sachen zu sichern. So ist an Konstellationen zu denken, in denen der Schädiger etwa durch das Versprechen, er werde die Sache reparieren, den Eigentümer daran hindert, den möglichen Sacherhalt selbst vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen. Hier ist vorstellbar, daß der bloße Widerruf des Versprechens so spät kommt, daß dem Eigentümer nicht mehr genügend Zeit bleibt, den Sachschutz selbst zu organisieren. Man mag hier vom Schädiger mehr verlangen als den Widerruf. Der typische Weiterfresser-Fall liegt jedoch anders. Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache stellen keine Handlungen dar, durch die der Hersteller den Erwerber der fehlerhaften Sache von einem rechtzeitigen Sacherhalt abhält. Weiter kann offen bleiben, ob vom Grundsatz, daß für eine Verbesserung der fehlerhaften Sache grundsätzlich ihr Eigentümer „zuständig" ist, Ausnahmen dann zuzulassen sind, wenn bereits eine Eigentumsverletzung begangen wor-

118

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

den ist, die aber - etwa mangels Verschuldens - keine Haftung ausgelöst hat. Ahnlich wie man im Bereich der Haftungsausfüllung im Interesse des Geschädigten vom Grundsatz der Vorteilsausgleichung abweicht 320 und mehr als den vollen Schadensausgleich gewährt, mag es dann, wenn bereits eine rechtswidrige Rechtsgutsbeeinträchtigung feststeht, auch im Bereich der Haftungsbegründung unter Umständen gerechtfertigt sein, im Interesse eines effektiven Rechtsgüterschutzes die Handlungsfreiheit des Schädigers, der rechtswidrig gehandelt hat, zurücktreten zu lassen und von diesem die Verbesserung fremder Güter zu verlangen, denen andernfalls eine (weitere) Verschlechterung droht. Auch ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor: Wie bereits vielfach betont, liegt in Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache gerade kein Delikt.

2. Die Warnung vor der Fehlerausbreitung der Sachsubstanz, ohne sie zu verbessern

dient dem

Erhalt

Ginge es also über die deliktsrechtlich geschuldete Achtung des Eigentums an der fehlerhaften Sache hinaus, wenn man vom Hersteller verlangen würde, sie durch Verbesserung zu erhalten, so bleibt als mögliche Verletzungshandlung die Unterlassung einer Warnung vor der Gefahr der fehlerbedingten Selbstbeschädigung. Der Hersteller könnte allenfalls gehalten sein, über den Fehler und das Risiko seiner möglichen Ausdehnung aufzuklären. Ähnlich wie sich die Eigentümer fehlerfreier Sachen durch den Hinweis auf Gefahren, die aus unsachgemäßer Benutzung drohen, regelmäßig zu einer pfleglichen Behandlung veranlaßt sehen werden, würde die Warnung vor dem Sachfehler den Eigentümer sicherlich in vielen Fällen in die Lage versetzen, die fehlerhafte Sache entweder durch Nutzungsverzicht oder durch Reparatur zu erhalten. Die Instruktion würde es in die Hand des informierten Eigentümers legen, sich für oder gegen einen Sacherhalt und ggf. für oder gegen die Reparatur bzw. Fehlerbeseitigung samt dem damit verbundenen Aufwand zu entscheiden. Folglich stellt die Warnung immer dann, wenn der Eigentümer sie beachten und die Selbstbeschädigung der Sache abwenden würde, ein Verhalten dar, das der Bewahrung der fehlerhaften Sache dient, ohne diese gleichzeitig zu verbessern.

3 2 0 Vgl. zur Vorteilsausgleichung etwa Staud./Schiemann, vor §249 Rz.205ff.

§249 Rz. 132ff.;

Soergel!Mertens,

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

Verhalten

119

3. Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache rechtfertigt keine Rückrufpflicht Indem vorstehend eine Verkehrspflicht des Herstellers zur Verbesserung der fehlerhaften Sache abgelehnt wurde, ist zugleich die bereits oben 321 angesprochene Frage einer möglichen Rückrufpflicht des Herstellers insoweit beantwortet, als es um den Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache selbst geht. Der in der Literatur von manchen geäußerten Ansicht, es bestehe eine Rückrufpflicht des Herstellers (auch) zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt selbst 322 , ist zu widersprechen. 323 Das Interesse des Eigentümers an der Bewahrung des erworbenen Produktes vermag keine Pflicht des Herstellers zu begründen, dieses vom Markt zurückzurufen und dabei den Kaufpreis zu erstatten bzw. unentgeltlichen Austausch oder Reparatur anzubieten. Während Rücknahme gegen Kaufpreiserstattung oder Ersatzlieferung schon deshalb außer Betracht zu bleiben haben, weil der Erwerber dadurch gerade das als Schutzgut in Frage stehende Eigentum an der fehlerhaften Sache verlieren würde, stellt die Reparatur eine Verbesserung der Sache dar, deren Vornahme grundsätzlich über den Respekt des Eigentums an der fehlerhaften Sache hinausgeht und deshalb allein Sache des Eigentümers ist. Wenn dagegen als Argument für eine Rückrufpflicht zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache geltend gemacht wird, die Annahme einer bloßen Warnpflicht würde es dem Produzenten erlauben, „seine Verkehrssicherungspflicht auf Kosten der Dispositionsfreiheit des Produkterwerbers [zu] erfüllen" 324 oder „die deliktische Pflicht auf die Kunden abzuwälzen" 325 , so ist diese Erwägung von einen Zirkelschluß getragen. Eine Verkehrspflicht kann nur dann auf Kosten eines Dritten unerfüllt bleiben bzw. auf diesen Dritten abgewälzt werden, wenn sie überhaupt mit entsprechendem Inhalt besteht. Gerade dies ist hier aber zu verneinen. Allerdings sind die zitierten Äußerungen insofern nachvollziehbar, als die Rückruf-Diskussion in der Literatur - wie bereits oben erwähnt 326 - auf der Grundlage der Weiterfresser-Rechtsprechung geführt wird, die zu Unrecht bereits im Inverkehrbringen der fehlerhaften Sache eine Verkehrspflichtverletzung sieht. Wäre dies tatsächlich der Fall, dann erschiene ein Rückruf als Erfüllung einer Obliegenheit des Herstellers: Der Rückruf könnte trotz des rechtswidrigen und schuldhaften Vorverhaltens eine Haftung verhindern, wenn er noch rechtzeitig vor dem Weiterfressen des Mangels käme, wenn er also die feh321 322 323 324 325 326

Siehe oben A.I. Siehe oben die Nachweise in Fußn. 270. Im Ergebnis deshalb richtig der Milchkühlmaschinen-Beschluß des B G H , vgl. Fußn. 274. So G. Hager, AcP 184 (1984), S.424. So ]. Hager, VersR 1984, 804. Siehe oben A.I.

120

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

lerbedingte Selbstbeschädigung abwenden würde. Ob der pflichtwidrig Handelnde einer solchen haftungsvermeidenden Obliegenheit schon dadurch nachkommen kann, daß er rechtzeitig zu einem schadensvermeidenden Umgang mit dem bedrohten Rechtsgut auffordert oder ob man im Falle einer bloßen Warnung das anschließende schadensverursachende Handeln des Rechtsgutsträgers nur im Rahmen des § 254 BGB berücksichtigt, darüber mag man durchaus streiten. 327 In Wirklichkeit stellt sich dieses Problem aber nur jenseits der Weiterfresser-Problematik, wenn nämlich von einem fehlerhaften Produkt andere Rechtsgüter bedroht werden, also nicht (nur) die fehlerhafte Sache selbst. Weil die Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache nur hinsichtlich sonstiger Rechtsgüter als rechtswidrige Handlung in Betracht kommt, kann auch nur hinsichtlich sonstiger Rechtsgüter die Frage auftauchen, was dem Hersteller zur Abwendung der Haftung obliegt. Selbst wenn man in diesen Fällen eine Warnung für ungenügend hielte und eine Obliegenheit zum Rückruf unter Reparatur oder Austausch des gefährlichen Produktes bejahte, führte die Erfüllung dieser Obliegenheit gerade nicht zu einer Verbesserung der bedrohten sonstigen Rechtsgüter, sondern nur zu deren Bewahrung. Selbst aus der Bejahung einer Rückrufpflicht in diesen Fällen der Bedrohung sonstiger Rechtsgüter ergäbe sich also kein Widerspruch zu der Annahme, zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache selbst müsse allenfalls gewarnt werden. Nachdem sich nun also ergeben hat, daß eine rechtswidrige Verletzungshandlung des Herstellers hinsichtlich des Eigentums an der fehlerhaften Sache allein darin liegen könnte, daß er es unterlassen hat, vor der Gefahr einer Fehlerausdehnung zu warnen, muß sich die oben bereits angedeutete 328 zweigliedrige Prüfung der zentralen Frage dieses ersten Teils anschließen. Erstens: Werden mit der Verkehrspflichtenlehre im allgemeinen oder wenigstens mit der Bejahung von Warnpflichten des Herstellers zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache die in §823 Abs. 1 BGB vorgegebenen Grenzen für die Bestimmung der unerlaubten Handlung überschritten? Und zweitens: Müssen im System der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung, so wie es von Rechtsprechung und Rechtslehre jenseits der Weiterfresser-Fälle ausgestaltet wurde, folgerichtig Warnpflichten auch zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache selbst angenommen werden?

327 Daß ein haftungsausschließendes Handeln auf eigene Gefahr nicht schon dann ausscheidet, wenn die Gefahr pflichtwidrig geschaffen wurde, wird ausdrücklich vertreten von Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §24 Rz. 274; anders neben den in Fußn. 324 u. 325 Zitierten auch Rettenbeck, Die Rückrufpflicht in der Produkthaftung, 1992, S.76ff. 328 Siehe B.IV.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

121

D. Die Anknüpfung von Verkehrspflichten an eine rechtmäßige Gefahrverursachung als Fortbildung des §823 Abs. 1 BGB

contra legem?

Die Bestimmung der Reichweite des nach § 823 Abs. 1 B G B verbotenen Verhaltens über die Verkehrspflichtenlehre ist verschiedentlich als „aus wilder Wurzel entsprungen[e]" 329 Entwicklung charakterisiert worden, welche die Grenzen der gesetzlichen Konzeption des §823 Abs. 1 B G B überschreite. Dahinter steht die Vorstellung, der Tatbestand des §823 Abs. 1 B G B erfasse nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nur - wie auch immer einzugrenzende 330 - unmittelbare Eingriffe in die dort genannten Rechte und Rechtsgüter, wohingegen eine Haftung für nur mittelbar zu einem Verletzungerfolg führende Handlungen sowie für die Unterlassung einer Gefahrenabwehr in §823 Abs. 1 B G B nicht oder nur ganz eingeschränkt vorgesehen sei. Die Verkehrspflichten wurden dementsprechend als Rechtsfigur verstanden, welche erst von der Rechtsprechung in den §823 Abs. 1 B G B eingefügt worden sei, wobei die judizielle Konzeption des Delikts als Verkehrspflichtverletzung die legislative Konzeption nicht nur ergänzt, sondern auch gesprengt habe.331 Für die nähere Begründung dieser Sichtweise stehen - wie sogleich näher auszuführen sein wird - vor allem die Namen von Bar und Fraenkel, wobei beide Autoren sich allerdings grundlegend dadurch unterscheiden, daß von Bar die Verkehrspflichten für gewohnheitsrechtlich verfestigt hält und mit der ganz herrschenden Lehre die von der Rechtsprechung eingeschlagene Richtung billigt, während Fraenkel diese Entwicklung ablehnt. Uberschreitet die von der Rechtsprechung bei mittelbaren Verletzungshandlungen sowie Unterlassungen über die Verkehrspflichtenlehre begründete Haf329 So die Formulierung von Esser, J Z 1953, 132; vgl. auch die heftige und polemische Kritik von Hofacker, Die Verkehrssicherungspflicht, 1929, S. 7ff., die in folgender „Gleichung" der Verkehrssicherungspflichten gipfelt, S. 50: „Integral (Summe) = falsche Begriffe + falsche Dogmen + Quacksalbereien + Fehler - Gegenfehler + Gänsebeinlogik + Hexeneinmaleins. Ein Faktor, der mit dem Recht etwas zu tun hätte, läßt sich in die Gleichung nicht einsetzen." 330 z u j e n verschiedenen Versuchen, die unmittelbare von der mittelbaren Rechtsverletzung abzugrenzen, bereits oben Fußn. 290 u. zum Fraenkelscben Verständnis der Unmittelbarkeit ausführlich unten II. 331 Vgl. Mertens, VersR 1980, 398; ähnlich auch MüncbKommJMertens, §823 Rz.2ff., wo allerdings eingeräumt wird, daß der Gesetzgeber die Frage der mittelbaren Tatbestandsverwirklichung durch Unterlassung von Vorkehrungen zum Schutze Dritter vor einer durch positives Tun geschaffenen Gefahrenlage der Rechtsprechung überlassen habe, ohne eine eigene Konzeption zu entwickeln; vgl. ferner Brüggemeier, DeliktsR, Rz. 174, der „das Prinzip des geltenden Deliktsrechts" einerseits und das „historisch bedingte legislative Konzept" andererseits unterscheidet; daß das deliktsrechtliche System des B G B „im Grunde gesprengt" worden sei, nahm bereits von Caemmerer, Wandlungen des Deliktsrechts, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1960, S. 69, an, der jedoch andererseits, vgl. S. 49, die Verkehrspflichtenlehre weniger scharf als bloße „Ergänzung des deutschen Deliktssystems" charakterisierte.

122

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

tung tatsächlich die vom Gesetzgeber vorgegebenen Grenzen, dann könnte auch die Bejahung einer Warnpflicht in den Weiterfresser-Fällen eine unzulässige Ausweitung des § 823 Abs. 1 B G B darstellen. Dabei könnte insbesondere der Umstand, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache hinsichtlich des Eigentums an der fehlerhaften Sache nicht rechtswidrig sind, der Anknüpfung einer Warnpflicht des Herstellers an diese, die Gefahr der späteren Selbstbeschädigung oder -Zerstörung mitbegründenden Handlungen, entgegenstehen.

I. Die Grenzen des §823 Abs. 1 BGB nach von Bar 1. Die These von der Verkehrspflichtenlehre als contra legem Entwicklung einer allgemeinen Unterlassenshaftung

erfolgte

von Bar hat versucht, den Nachweis zu führen, daß die Verkehrspflichten zur Begründung einer umfassenden Verantwortlichkeit für Nicht-Tun erst von der Rechtsprechung und zwar contra legem entwickelt worden seien. 332 Er geht davon aus, daß 823 Abs. 1 B G B die nach gemeinem Recht herrschende Lehre zugrundeliege, wonach eine Pflicht zum Handeln nur aus Gesetz, Vertrag oder aus einem vorhergehenden gefahrerhöhenden Tun entstehen könne 333 , bzw. daß eine Haftung für Unterlassen dem B G B nur in Spezialtatbeständen, den §§823 Abs. 2, 831-838 B G B , bekannt sei, die der Gesetzgeber nicht als Ausdruck eines allgemeinen Prinzips, sondern als singuläre Vorschriften gedeutet habe. 334 Mit den Entscheidungen RGZ 52, 373 und RGZ 54, 53 habe nun das Reichsgericht den wesentlich neuen Gedanken aufgeworfen, daß Gefahrsteuerungspflichten auch dann angenommen werden könnten, wenn sie nicht aus Gesetz, Vertrag oder einem vorhergehenden gefahrerhöhenden Tun begründbar seien. 335 In RGZ 52, 373 hielt das Reichsgericht den beklagten preußischen Fiskus für schadensersatzpflichtig aus §823 Abs. 1 B G B , nachdem ein auf einem öffentlichen Wege stehender morscher Baum umgefallen war und Schäden am Grundstück des Klägers angerichtet hatte. Zur Begründung wird auf §836 B G B verwiesen und ausgeführt, diese Regelung sei „keine singuläre Norm, sondern [...] insofern nur eine einzelne Anwendung eines dem einseitigen römischrechtlichen entgegengesetzten Grundsatzes [...], als jetzt ein jeder auch für Beschädigung durch seine Sachen insoweit aufkommen solle, als er dieselben bei billiger Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen hätte verhüten müssen" 336 . Und So ausdrücklich von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S.25. So von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 6ff.; vgl. ferner ders., J Z 1979, 332ff., u. ders., Gutachten, 1981, S. 1699ff. 3 3 4 Vgl. von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S.25. 3 3 5 Vgl. von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 15ff. 3 3 6 Vgl. RGZ 52, 373 (379) (Baum). 332

333

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

123

in RGZ 5 4 , 5 3 bejahte das Reichsgericht die Haftung einer Gemeinde, die es unterlassen hatte, eine dem öffentlichen Verkehr dienende Treppe, auf welcher der Kläger zu Fall kam und sich verletzte, instandzuhalten, zu beleuchten und bei Schneeglätte zu bestreuen. Nach von Bar137 liegt darin eine Loslösung der Handlungspflichten von dem einschränkenden Terzett der gemeinrechtlichen Entstehungsgründe Gesetz, Vertrag und Ingerenz, wodurch die Verkehrspflichten zur Heimstätte der deliktsrechtlichen Haftung für Unterlassen überhaupt geworden seien. Verkehrspflichtigkeit erscheine damit als das umfassende Moment, die Haftung aus vorangegangenem Tun lediglich als eine Erscheinungsform der Verkehrspflichten. Diese grundlegende Erweiterung zivilrechtlicher Handlungsgebote lasse sich, so sehr sie rechtspolitisch zu begrüßen sei, weder mit dem Willen des Gesetzgebers noch mit der Konzeption des Gesetzes selbst vereinbaren. Entgegen dem Reichsgericht geht von Bar davon aus, § 8 3 6 B G B sei kein Anwendungsfall eines allgemeinen Prinzips, sondern ein nicht verallgemeinerungsfähiger Spezialtatbestand, der sich wie auch die übrigen in §§ 831 ff. B G B statuierten Regelungen dadurch auszeichne, daß hier Abweichungen von der gemeinrechtlichen Lehre der Haftung für Unterlassungen sowie eine Umkehr der Beweislast festgeschrieben worden seien. Durch die vom Reichsgericht im Rahmen des § 823 Abs. 1 B G B vorgenommene Schaffung eines umfassenden Grundsatzes für die Unterlassenshaftung würden jene Bestimmungen überflüssig. Außerdem lasse sich bei einem Verständnis des § 836 B G B als Anwendungsfall eines allgemeinen Grundsatzes der Verkehrspflichtigkeit die in § 8 4 0 Abs. 3 B G B für den Ausgleich zwischen mehreren Schädigern vorgesehene Privilegierung des nach § 836 B G B Haftenden gegenüber dem nach § 823 Abs. 1 B G B Verantwortlichen nicht erklären. Der Charakter des § 836 B G B als singuläre Bestimmung kommt nach von Bar in den Motiven zu § 7 3 5 E I, dem Vorbild des § 8 3 6 B G B , klar zum Ausdruck, wenn es dort heißt 3 3 8 : „Wird durch eine bewegliche Sache ein Schaden angestiftet, dessen Ersatz dem Besitzer billigerweise und im Interesse der öffentlichen O r d n u n g zur Pflicht gemacht werden darf, so wird regelmäßig ein Handeln des Besitzers vorausgegangen sein, welches ihn nach den sonstigen Grundsätzen über Schadensersatz aus unerlaubten Handlungen verantwortlich macht. N u r in Ansehung der Grundstücke, bei welchen ein solches Handeln nach der N a t u r der Dinge in vielen und überaus wichtigen Fällen nicht angenommen werden kann, verhält es sich anders."

Vgl. von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 16ff. Vgl. Motive, Bd. 2, 1888, S. 816; fast wortlautgleich findet sich diese Äußerung als Stellungnahme der Kommissionsmehrheit bereits in den Protokollen der Ersten Kommission, vgl. Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S.987. 337 338

124

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

2. Die Widersprüchlichkeit

Sache

der These von Bars

von Bars These weist schon im Ansatz Widersprüche auf. Zunächst läßt sich die Behauptung von Bars, das B G B kenne eine Unterlassenshaftung nur in Spezialtatbeständen kaum in Einklang bringen mit seiner Annahme, eine Unterlassenshaftung aus § 823 Abs. 1 B G B entspreche durchaus dem Willen des Gesetzgebers, jedoch nur soweit gegen eine Handlungspflicht aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenem gefahrerhöhendem Tun verstoßen werde. Erfaßt § 823 Abs. 1 B G B bestimmte Handlungsgebote, dann geht die deliktsrechtliche Unterlassenshaftung des B G B - wie eng begrenzt diese Handlungsgebote auch immer sein mögen - jedenfalls über die Spezialnormen der §§823 Abs. 2, 831-838 B G B hinaus. 339 Ferner ist die Behauptung, die Rechtsprechung habe mit den Verkehrspflichten eine „umfassende Verantwortlichkeit für Nicht-Tun" 3 4 0 entwickelt, zumindest mißverständlich. Denn nach der Verkehrspflichtenlehre soll ein Unterlassen doch nur dann eine Haftung nach sich ziehen, wenn sich eine Pflicht zum Handeln, eben eine Verkehrspflicht, begründen läßt. Eine umfassende Unterlassenshaftung in dem Sinne, daß schon bloßes Nichthandeln bei Möglichkeit der Erfolgsabwendung die Haftung auslöst, wird auch von der Rechtsprechung gerade nicht verfochten, und eine solche umfassende Unterlassenshaftung kann es auch gar nicht geben, weil damit die Handlungsfreiheit beseitigt wäre, jeder einzelne ständig zu überlegen hätte, ob er nicht zum Schutze fremder Rechtsgüter tätig werden könnte und müßte. 341 Ein für den vorliegenden Zusammenhang bedeutsamer Widerspruch besteht aber vor allem in Folgendem: von Bar bezweifelt nicht, daß Gefahrschaffung und -erhöhung bei der Begründung von Verkehrspflichten durch Rechtsprechung und herrschende Lehre eine zentrale Rolle spielen. Vielmehr nennt er selbst als Entstehungsgründe für Verkehrspflichten an erster Stelle die Schaffung oder Unterhaltung einer Gefahr: „Im Mittelpunkt von Gefährdungshaftung und Verkehrspflichten steht die Verantwortlichkeit für eine außergewöhnliche Gefahr. Jeder, der im Verkehr eine Gefahrenquelle hervorruft oder andauern läßt, [...], hat alle nach Lage der Dinge erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zum Schutze anderer Personen zu treffen. Haftung für Verkehrspflichtwidrigkeit ist also Haftung für Gefahrerhöhung." 3 4 2

3 3 9 Ähnlich bereits Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S.265f., wenn er gegen von Bar einwendet, das Gesetz könne nicht in vollem Umfang an die gemeinrechtliche Lehre angeknüpft haben, wenn es eine Unterlassenshaftung nur in Spezialtatbeständen kenne. 340 von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S.25. 341 Siehe bereits oben Kapitel 2, VI.3.c) sowie vor u. mit Fußn. 293. 342 von Bar, Verkehrspflichten, 1980, S. 113.

Die unterlassene

"Warnung als unerlaubtes

Verhalten

125

Wie oben 343 ausgeführt, war auch von Bar zufolge genau dieser Gefahrerhöhungsgedanke, der Ingerenzgedanke eben, schon nach Vorstellung der Gesetzesverfasser durchaus zur Begründung einer Unterlassenshaftung geeignet. Wenn nun aber der Ingerenzgedanke tragende Säule des heutigen Verkehrspflichtenkonzepts ist und dieser Ingerenzgedanke schon den Gesetzesverfassern vor Augen stand, dann entspricht die Unterlassenshaftung aus Verkehrspflichtverletzung doch jedenfalls dann, wenn der Unterlassung ein gefahrerhöhendes Tun vorausgeht, genau dem Willen der Gesetzesverfasser. Und das dürfte die große Mehrzahl ihrer Anwendungsfälle sein, während Sachgefahren ohne vorausgehendes gefahrerhöhendes Tun nur einen kleinen Teilbereich, einen Ausschnitt aus der heutigen Verkehrspflichtenlehre darstellen. Produzentenhaftungs-Fälle etwa - und so auch die Weiterfresser-Konstellationen - zeichnen sich regelmäßig dadurch aus, daß der Hersteller durch Inverkehrgabe des gefährlichen Produktes Gefahren für fremde Rechtsgüter schafft. 344 Selbst wenn man also von Bar einmal darin folgen würde, daß der Gesetzgeber nur Handlungspflichten aus Gesetz, Vertrag oder Ingerenz anerkennen wollte, dann ließe dies lediglich den Schluß zu, daß die bloße Sachherrschaft als Entstehungsgrund für eine Verkehrspflicht abzulehnen wäre. Keinesfalls erschiene damit hingegen die Haftung für ein verkehrspflichtwidriges Unterlassen allgemein oder wenigstens in ihrem Kernbereich als gesetzeswidrige Rechtsentwicklung.

3. Keine gesetzliche Vorgabe, Handlungspflichten Vertrag oder Ingerenz zu begründen

allein aus

Gesetz,

Zu widersprechen ist aber auch der These, jenseits von Spezialtatbeständen sei der gesetzlich für die Unterlassenshaftung vorgegebene Rahmen beschränkt auf Handlungspflichten aus Gesetz, Vertrag und Ingerenz. Vor allem Kleindiek345 hat dies jüngst überzeugend widerlegt. Mit der Baum 346 - und mit der Siehe unter 1. Dies gilt selbst für die Fälle der Inverkehrgabe eines nur wirkungslosen Produktes, wenn man Gefahrerhöhung definiert als Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung bzw. eines Schadens, in diesem Sinne etwa Deutsch, FS Larenz, 1973, S. 887ff., und man demzufolge keinen Unterschied macht zwischen der Schaffung einer eigenständigen Gefahrenquelle und der Vereitelung anderweitiger Gefahrabwendung, vgl. dazu Christensen, Verkehrspflichten in arbeitsteiligen Prozessen, 1995, S. 127. 3 4 5 Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 41 ff.; gegen die These, für die Verkehrspflichten sei nach dem gesetzlichen Konzept in § 823 Abs. 1 B G B kein Raum mit im einzelnen unterschiedlicher Begründung auch bereits Steffen, VersR 1980, 409ff.; Stoll, RabelsZ 46 (1982), 592f. u. ders., Richterliche Fortbildung und gesetzliche Überarbeitung des Deliktsrechts, 1984, S. 13; leuner, K F 1983, 197ff. u. Soergel/Zeuner, §823 Rz.208ff.; Canaris, FS Larenz, 1983, S. 77f. u. Larenz!Canaris, SchuldR. II/2, §76 III 2; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 1986, S. 528; Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S.254ff.; Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 43 ff. 3 4 6 Vgl. RGZ 52, 373 (Baum). 343

344

126

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Treppen 347 -Entscheidung hat das Reichsgericht keineswegs eine die gesetzlichen Grenzen des § 823 Abs. 1 BGB sprengende Rechtsentwicklung eingeleitet, sondern lediglich die ihm als Rechtsanwender zukommende Aufgabe erfüllt, die Vorschrift in zulässiger Weise auszulegen.

a) Beispiele für die Anknüpfung von Verkehrspflichten an die bloße Sachherrschaft aus der Zeit vor Inkrafttreten des BGB Kleindiek kann auf Entscheidungen verweisen, die noch unter Geltung des gemeinen Rechts ergangen sind und dennoch bereits in Richtung einer Verantwortlichkeit des Eigentümers für Sachgefahren weisen, die er nicht verursacht hat: 348 In einer Entscheidung des OLG Hamburg aus dem Jahre 189 0 349 ist die Haftung einer Hauseigentümerin bejaht worden, die Kenntnis von einem schadhaften Fenster hatte, dessen Pfosten sich schließlich löste, auf die Straße fiel und eine Passantin schwer verletzte. Das Gericht nahm an, die Eigentümerin habe, „sobald sie Kenntnis von irgend welcher dem öffentlichen Verkehr durch ihr Eigentum drohenden Gefahr erlangte", die Verpflichtung gehabt, dieser nach ihren Kräften zu begegnen. Und in einer Entscheidung des Appellationsgerichts Celle von 187 9 350 hielten die Richter, nachdem sich auf der Baustelle des Staatsbahnhofs in Hannover eine Tür im Bauzaun gelöst hatte, auf die Straße geschleudert worden war und einen Passanten verletzt hatte, eine Unterlassenshaftung der beklagten Eisenbahndirektion für möglich, obwohl sie eine Verantwortlichkeit aus vorhergehendem gefahrerhöhenden Tun ausdrücklich mit der Begründung abgelehnt hatten, die Errichtung eines Bauverschlags mit Tür bilde keine an sich gefährliche Handlung. Entscheidend war nach Ansicht des Gerichts, ob die Beklagte von der gefahrdrohenden Beschaffenheit der Tür Kenntnis erlangt hatte. In diesem Fall sei sie zu Schutzmaßnahmen verpflichtet gewesen, „nicht minder, als wenn sie eine von Haus aus gefährliche Anlage unterVgl. RGZ 54, 53. Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 66ff.; ob man allerdings wie Kleindiek, vgl. Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 63 ff., darüber hinaus auch Entscheidungen, die Handlungspflichten aus dem Gesichtspunkt der Verkehrseröffnung begründeten, zum Beleg dafür nehmen kann, daß die Unterlassungshaftung im gemeinen Recht über die Ingerenz hinausreichte, erscheint fraglich. Die frühe reichsgerichtliche Rechtsprechung, nach der eine Pflicht zur Beleuchtung von Treppen und Zugängen eines Mietshauses wegen Eröffnung eines Verkehrs davon abhängig war, daß Treppen und Zugänge auch von Fremden vielfach betreten wurden, vgl. RGZ 33, 225 (228f.) (Beleuchtung) mit Zusammenfassung der einschlägigen Rechtsprechung, läßt sich meines Erachtens durchaus mit dem Gedanken der Ingerenz erklären. Daß der unbeleuchtete Treppenflur nicht dadurch gefährlicher werde, daß er in größerem Umfang auch von fremden Benutzern genutzt werde, so Kleindiek, vgl. Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S.66, ist zwar im Hinblick auf Leben und Gesundheit der Mieter zutreffend. Für potentielle fremde Benutzer entsteht aber die Gefahr eines Sturzes doch erst in dem Augenblick, indem das betreffende Gebäude für sie zugänglich wird. 349 OLG Hamburg SeuffArch 46 Nr. 17. 350 Appellationsgericht Celle SeuffArch 35 Nr. 287. 347 348

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

127

Verhalten

nommen hätte". Mag das Reichsgericht mit dem Baum-Urteil auch insofern über diese Entscheidungen hinausgegangen sein, als es die Bedrohung eines einzelnen Grundstücksnachbarn genügen ließ und keine Bedrohung des öffentlichen Verkehrs als einer typischerweise unbestimmt großen Zahl von Rechtsgutsträgern forderte 351 , so sprechen sie doch gegen die These, RGZ 52, 373 stelle den Ausgangspunkt einer gänzlich neuen Rechtsentwicklung dar.

b) Keine Sperrwirkung des $ 836 BGB gegenüber § 823 Abs. 1 BGB Vor allem aber ist der Einwand von Bars widerlegt worden, die Interpretation des § 836 B G B durch das Reichsgericht im Baum-Urteil als Anwendungsfall eines allgemeineren Gedankens der Verkehrssicherungspflicht sei nicht in Einklang zu bringen mit dem Ausgleichsprivileg des §840 Abs. 3 B G B und dem Charakter des § 836 B G B als Spezialtatbestand: Sieht man den Zweck des § 840 Abs. 3 B G B in einer Bevorzugung desjenigen Verantwortlichen, der aus vermutetem Verschulden oder einem Tatbestand der Gefährdungshaftung schadensersatzpflichtig ist und versagt man dementsprechend mit der heute ganz herrschenden Ansicht 352 eine Berufung auf dieses Privileg bei Haftung aus nachgewiesenem Verschulden, dann erscheint § 840 Abs. 3 B G B durchaus vereinbar mit einem Verständnis des §836 B G B als Anwendungsfall eines allgemeiner verstandenen Verkehrspflichtenprinzips. Gegenüber einem aus Verkehrspflichtverletzung nach §823 Abs. 1 B G B Ersatzpflichtigen wird der gem. §836 B G B Haftende nach §840 Abs. 3 B G B im Innenverhältnis allein mit Rücksicht auf sein bloß vermutetes Verschulden besser gestellt. 353 Man mag also § 840 Abs. 3 B G B als Beleg dafür nehmen, daß die Reichweite der Beweislastumkehr, wie sie heute von der Rechtsprechung bei Verkehrspflichtverletzungen vor allem im Bereich der Produzentenhaftung angenommen wird 354 , über das hinausreicht, was die Gesetzesverfasser sich vorstellten. Eine Beschränkung der Unterlassenshaftung nach § 823 Abs. 1 B G B auf den Verstoß gegen Handlungspflichten aus Gesetz, Vertrag oder Ingerenz läßt sich daraus aber jedenfalls nicht ableiten. Aus dem Wesen des § 836 B G B ergibt sich nichts anderes. § 836 B G B kommt keine so weitreichende Sperrwirkung zu, daß es die Grenzen zulässiger Auslegung des §823 Abs. 1 B G B überschreiten würde, die unterlassene Abwendung von Gefahren, die von beweglichen Sachen ausgehen, ausschließlich bei Bestehen einer Handlungspflicht aus Ingerenz, Vertrag oder Gesetz als Delikt anzu351 352

Darauf verweist Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 108. Vgl. die Nachweise bei Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 90 Fußn.

44. Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S.89ff. Vgl. dazu etwa Münch Komm./Mertens, §823 Rz.297ff.; Soergel/Zeuner, u. noch unten Kapitel 4, D. 353

354

§823 Rz. 178ff.

128

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

erkennen. 355 Dabei ist allerdings zutreffend, daß die Erste Kommission eine generelle Verpflichtung des Eigenbesitzers, auch seine beweglichen Sachen so instandzuhalten, daß Dritte nicht geschädigt werden können, ausdrücklich ablehnte. 356 Insofern war § 836 B G B durchaus als Sondervorschrift gedacht, die hinsichtlich der von Grundstücken ausgehenden Gefahren eine besonders weitreichende Haftung begründen sollte. Dennoch ist dem Reichsgericht zu folgen, wenn es annimmt, nicht einmal aus einer Bestimmung wie § 735 E I, die als Vorläufer des schließlich Gesetz gewordenen § 836 B G B noch keine Beweislastumkehr enthielt und der folglich neben §823 Abs. 1 B G B nicht schon als Beweislastregelung selbständige Bedeutung zukäme, „wäre mit Notwendigkeit ein argumentum a contrario dafür zu entnehmen, daß der Besitzer einer anderen Sache, insbesondere eines Baumes, unter keinen Umständen für einen von dieser angerichteten Schaden wegen Vernachlässigung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt haften solle; denn in jenem §735 war die durchgreifende positive Vorschrift gegeben, daß der Besitzer des Gebäudes oder sonstigen Werkes schlechtweg verpflichtet sein solle, für die Abwendung einer drohenden Gefahr zu sorgen, also hierauf eine besondere Aufmerksamkeit zu verwenden, somit doch immerhin eine Vorschrift singulärer Natur." 357 Daß der Grundstückseigentümer anders als der Eigentümer beweglicher Sachen schlechthin zur sorgfältigen Errichtung und Unterhaltung verpflichtet ist, vermag in der Tat nicht ohne weiteres den Schluß zu rechtfertigen, letzteren dürften überhaupt keine Gefahrabwendungspflichten treffen. Daraus läßt sich vielmehr lediglich folgern, daß nach dem Willen der Gesetzesverfasser die Gefahrabwendungspflichten des Grundstückseigentümers weiter reichen sollten als diejenigen des Eigentümers beweglicher Sachen. Dieser Absicht entspricht die erste Überlegung, welche sich in den Protokollen der Ersten Kommission für die Ablehnung einer generellen Pflicht zur Instandhaltung beweglicher Sachen findet. Die Kommission befürchtete, daß sich aus einer solchen Bestimmung „eine schwerwiegende, in ihren Folgen kaum zu übersehende Eigent355 Ahnlich wie hier ausführlich bereits Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 91 ff.; ebenso im Ergebnis mit im einzelnen unterschiedlicher Begründung ferner Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S.258ff.; 2euner, K F 1983, S. 199; Soergel/Zeuner, §823 Rz.213; Canaris, FS Larenz, 1983, S. 77f. u. Larenz/Canaris, SchuldR. II/2, §76 III 2; Christensen, Verkehrspflichten in arbeitsteiligen Prozessen, 1995, S. 110f.; dafür, daß §836 auch nach heute herrschendem Verständnis des §823 Abs. 1 B G B noch eine selbständige Bedeutung zukommt Mull, Die Haftung für Einsturzschäden, 1996,181, siehe dort, S.39ff., auch ausführlich zur Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. 356 Die Mehrheit der Kommission sprach sich gegen den von Johow gestellten Antrag aus, die folgende Bestimmung in das B G B aufzunehmen: „Wenn Jemand durch eine fremde Sache in Folge mangelhafter Beschaffenheit derselben Schaden erlitten hat, und derjenige, welcher die Sache als seine eigene besitzt, bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Hausvaters den Schaden hätte verhüten können, so ist dieser dem Beschädigten zum Schadensersatz verpflichtet." Vgl. dazu Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S. 985 ff. 357 Vgl. R G Z 52, 373 (377) (Baum).

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

129

humsbeschränkung" 3 5 8 ergeben würde. Daß eine generelle Pflicht zur sorgfältigen Instandhaltung das Eigentum an beweglichen Sachen über Gebühr einschränken würde, läßt sich auch auf dem Boden der heutigen Verkehrspflichtenlehre und der grundsätzlichen Anerkennung von - eben nicht derart weitreichenden - Pflichten des Eigentümers zur Abwendung von Mobiliargefahren ohne weiteres vertreten. Eine Auslegung des § 836 BGB als „einzelne A n w e n dung eines [...] Grundsatzes", dem zufolge „ein jeder auch für Beschädigung durch seine Sachen insoweit aufkommen solle, als er dieselben bei billiger Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen hätte verhüten müssen" 3 5 9 , verträgt sich also durchaus mit der Ablehnung völlig paralleler Verkehrspflichten zur Abwendung von Grundstücksgefahren einerseits und von beweglichen Sachen drohenden Gefahren andererseits. Allerdings ist zuzugeben, daß den Mitgliedern der Ersten Kommission ein solcher allgemeiner Grundsatz wohl nicht vor Augen stand. Dies zeigt der zweite Teil der Begründung, den die Erste Kommision für die Ablehnung einer generellen Instandhaltungspflicht für bewegliche Sachen gab. Mit der folgenden Erwägung nahm sie an, daß lediglich im Hinblick auf Grundstücke ein Bedürfnis für eine Vorschrift wie den späteren §836 BGB bestehe: „Werde durch eine bewegliche Sache ein Schaden angestiftet, dessen Ersetzung dem Besitzer billigerweise und im Interesse der öffentlichen Ordnung zur Pflicht gemacht werden dürfe, so werde regelmäßig ein Handeln des Besitzers vorausgegangen sein, welches ihn nach den allgemeinen Grundsätzen über die culpa ex lege Aquilia verantwortlich mache. N u r in Ansehung der Grundstücke, bei welchen ein solches Handeln nach der Natur der Dinge in vielen und überaus wichtigen Fällen nicht angenommen werden könne, verhalte es sich anders." 3 6 0

Bei ihren Überlegungen, wie die Haftung bei Nichterlaß der beantragten Vorschrift aussehen würde, zog die Erste Kommission also eine Haftung des Eigentümers aus §704 Abs. 2 E I 361 , der Vorläufernorm des §823 Abs. 1 BGB, nur als Folge eines aktiven Tuns in Betracht. Dagegen dachte sie, anders als später das Reichsgericht in der Baum-Entscheidung, nicht an die Möglichkeit, daß den Grundstückseigentümer schon im Rahmen dieses allgemeinen Haftungstatbestands Gefahrabwendungspflichten treffen könnten, die zwar weniger weitreichend wären als nach der geplanten Sondernorm, die aber gleichwohl ohne vorhergehende Handlung entstanden sein könnten. Dies ändert aber nichts daran, daß es an ausreichenden Anhaltspunkten für eine gesetzgeberische Absicht fehlt, mit der Ablehnung einer § 836 BGB entsprechenden N o r m für bewegliche Sachen generell auszuschließen, daß aus

358 359 360 361

Vgl. Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S.987. Vgl. RG2 52, 373 (379) (Baum). Vgl. Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S.987. Zum Wortlaut der Norm vgl. Fußn. 370.

130

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

§ 823 Abs. 1 B G B bzw. dessen Vorläufernormen für die unterlassene A b w e n dung von Mobiliargefahren gehaftet würde, die nicht durch vorhergehendes aktives Tun entstanden sind. Zusammenfassend läßt sich § 836 B G B , ebenso wie die übrigen Spezialtatbestände der § § 8 3 1 ff. mit Kleindiek

als Vorschrift charakterisieren, die „den B e -

darf für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung [dokumentieren], wie ihn der Gesetzgeber seinerzeit s a h . " 3 6 2 Dagegen gehört z u m Regelungsgehalt dieser S o n d e r n o r m e n keine Sperrwirkung, welche die F o r t e n t w i c k l u n g der H a n d lungspflichten im R a h m e n des § 8 2 3 A b s . 1 B G B jenseits der Entstehungsgründe Gesetz, Vertrag oder Ingerenz verbieten würde.

c) Nach den Gesetzgebungsmaterialien Anknüpfung an Gesetz, Vertrag oder Schließlich ist Kleindiek

keine zwingende Ingerenz

auch zu folgen, soweit er gegen von Bar

annimmt,

anhand der Gesetzgebungsmaterialien zu § 823 A b s . 1 B G B lasse sich nicht belegen, daß die Unterlassenshaftung habe beschränkt werden sollen auf Fälle, in denen eine Handlungspflicht aus Gesetz, Vertrag oder vorhergehendem gefahr e r h ö h e n d e m Tun abgeleitet werden k ö n n e 3 6 3 : D e r V o r e n t w u r f von Kübels364

sieht ausdrücklich eine Deliktshaftung auch

für ein widerrechtliches Unterlassen vor. § 1 A b s . 1 T E lautet: „Hat jemand durch eine widerrechtliche Handlung oder Unterlassung aus Absicht oder aus Fahrlässigkeit einem Andern einen Schaden zugefügt, so ist er diesem zum Schadensersatz verpflichtet." In den M o t i v e n z u m Teilentwurf wird dazu ausgeführt, es mache im H i n b l i c k auf die Schadensersatzpflicht keinen Unterschied, o b der Schaden durch eine Begehungs- oder eine Unterlassungshandlung verursacht w o r d e n sei; entscheidend sei in beiden Fällen die Widerrechtlichkeit der Handlung. D i e R e c h t s w i d rigkeit der Unterlassung gründe darin, daß durch die Unterlassung eine Pflicht Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 106. Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S.96ff.; darauf, daß die Gesetzgebungsgeschichte des § 823 Abs. 1 BGB nicht geeignet ist, von Bars These zu stützen, hat auch bereits Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 255ff. hingewiesen, der allerdings, vgl. S. 262ff., 267, zu dem meines Erachtens unzutreffenden Ergebnis gelangt, § 823 Abs. 1 BGB knüpfe immer an ein positives Tun an. Es ist zwar richtig, daß eine besondere Gefahrennähe, die eine Verantwortlichkeit für die Gefahr und damit die Entstehung von Verkehrspflichten rechtfertigt, regelmäßig durch positives Tun, insbesondere durch Gefahrschaffung entsteht. Wenn sich jedoch den Gesetzesmaterialien keine Beschränkung der Entstehungsgründe für Handlungspflichten auf die Trias Gesetz, Vertrag und Ingerenz entnehmen läßt, dann ist nicht überzeugend, warum nicht auch ohne ein positives Tun des Inanspruchgenommenen Verkehrspflichten entstehen können sollen, so namentlich aufgrund der Sachherrschaft als Eigentümer, vgl. RGZ 52, 373 (Baum). 364 Vgl. Teilentwurf „Unerlaubte Handlungen" des Vorentwurfs zu einem BGB, von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., der im folgenden „TE" genannt wird. 362

363

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

131

zum Handeln verletzt worden sei.365 Die Gründe für die Entstehung einer Handlungspflicht finden sich auch in den Motiven zum Teilentwurf nicht abschließend aufgezählt. Darin rückt von Kübel?66 aber ausdrücklich mit Rücksicht auf die „Bedürfnissefn] der Gegenwart" von der seiner Ansicht nach im gemeinen Recht herrschenden Ansicht ab, der zufolge eine Unterlassung die Haftung nur auslöse, wenn das Tun durch eine vorhergehende oder begleitende Tätigkeit geboten sei. Außerdem begründet von Kübel seinen Verzicht auf eine gesetzliche Bestimmung der Voraussetzungen der widerrechtlichen Unterlassung gerade mit der Vielfalt möglicher Gründe für die Entstehung von Handlungspflichten, deren abschließende Festlegung in einer Norm er offenbar nicht für möglich hielt: „ D e r gegenwärtige Entwurf hat eine solche Bestimmung nicht aufgenommen, da aus dem Begriffe der Widerrechtlichkeit von selbst folgt, daß eine widerrechtliche Unterlassung die Verpflichtung z u m positiven Handeln voraussetzt, dies daher nicht besonders bestimmt zu werden braucht, etwas Weiteres aber doch nicht wohl bestimmt werden könnteibl. Die Verpflichtung zum Handeln kann die verschiedensten Gründe haben, und gehört hierher insbesondere auch der Fall des römischen Rechts, wenn das Thun durch eine eigene vorhergehende oder begleitende Thätigkeit geboten war. Einer besonderen Bestimmung bedarf es auch hierüber nicht." 3 6 8

Kleindiek zieht daraus zu Recht den Schluß, nach dem Konzept des Teilentwurfs habe die Konkretisierung der „verschiedensten Gründe", aus denen Handlungspflichten entstehen konnten, in der Hand des Richters liegen sollen: „ D a s Tor zur Entwicklung richterrechtlicher Handlungsgebote wurde damit weit geöffnet."369

Daß man von dieser Offenheit des Gesetzes hinsichtlich der deliktsrechtlichen Unterlassungshaftung im weiteren Gesetzgebungsverfahren wieder abgerückt wäre, ist nicht ersichtlich. Zwar findet sich eine Definition der widerrechtlichen Handlung als die Unterlassung einschließender Oberbegriff für menschliches Verhalten nur noch im Ersten Entwurf 370 , während die Unterlassung in den betreffenden Vorschriften des Zweiten Entwurfes wie auch im heutigen Vgl. von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S. lOf. Vgl. von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S.9. 367 Hervorhebung nur hier. 368 Siehe von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S.9. 369 Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S.99. 370 §§704, 705 E I lauten: §704: „Hat jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung - Thun oder Unterlassen - einem Anderen einen Schaden zugefügt, so ist er dem Anderen zum Ersätze des durch die Handlung verursachten Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens vorauszusehen war oder nicht. Hat Jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht eines Anderen verletzt, so ist er den durch die Rechtsverletzung dem Anderen verursachten Schaden diesem zu ersetzen verpflichtet, auch wenn die Entstehung eines Schadens nicht voraus365

366

132

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

B G B unerwähnt bleibt.371 Nichts deutet aber darauf hin, daß die Zweite Kommission damit die Unterlassenshaftung einschränken oder gar ausschließen wollte.372 Naheliegend ist vielmehr, daß man die im Ersten Entwurf noch enthaltene Klarstellung für selbstverständlich hielt. Denn die andernfalls hinsichtlich der Unterlassenshaftung anzunehmende Richtungsänderung wäre doch sicherlich Gegenstand der Beratungen geworden und müßte sich dementsprechend in den Protokollen der Zweiten Kommission dokumentiert finden, was nicht der Fall ist.373

4.

Ergebnis

Entgegen von Bar stellt die Verkehrspflichtenlehre keine contra legem erfolgte Entwicklung einer allgemeinen Unterlassenshaftung dar. Auch nach der Verzusehen war. Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und der Ehre anzusehen." § 705: „Als widerrechtlich gilt auch die kraft der allgemeinen Freiheit an sich erlaubte Handlung, wenn sie einem anderen zum Schaden gereicht und ihre Vornahme gegen die guten Sitten verstößt." 371 Die maßgeblichen Vorschriften des Zweiten Entwurfes lauten: § 746: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Recht eines anderen widerrechtlich verletzt oder wer gegen ein dem Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist dem anderen zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet." § 749: „Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet." 372 Vgl. Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 100f.; ebenso im Ergebnis Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S.262; Christensen, Verkehrspflichten in arbeitsteiligen Prozessen, 1995, S. 102f. ; a.A. wohl Altmeppen, ZIP 1995, 882, wenn er davon ausgeht, die Zweite Kommission habe die im Ersten Entwurf enthaltene Gleichstellung von Tun und Unterlassen fallen gelassen, wobei seiner Ansicht nach vermutlich eine Rolle gespielt hat, daß man geglaubt habe, nach dem römischen und dem gemeinen Recht habe es keine Gleichstellung zwischen positivem Tun und Unterlassen gegeben; mißverständlich Bilstein, Das deliktische Schadensersatzrecht der L E X A Q U I L I A in der Rechtsprechung des R G , 1994, S. 118, die aus der entfallenen Nennung der Unterlassung im Text des Zweiten Entwurfes den Schluß zieht, ein Unterlassen verpflichte danach nur, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestehe. Selbstverständlich sollte dies jedoch auch nach Vorentwurf und Erstem Entwurf gelten. 373 So zu Recht Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 101, der außerdem auf die folgende, der Diskussion des Verschuldensprinzips in der Zweiten Kommission entstammende Protokollstelle hinweist, die ebenfalls nahelegt, daß sich die Kommissionsmehrheit die unerlaubte Handlung allgemein als widerrechtliche Handlung oder Unterlassung vorstellte: „Die Aufstellung des Grundsatzes, daß die Schadensersatzpflicht eine Verschuldung voraussetze, entbehre nicht der inneren Begründung, sondern sei das Ergebniß einer höheren Kulturentwickelung. Es sei von entscheidender Bedeutung für die Abgrenzung der Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb deren sie ihre Individualität entfalten könnten. Man brauche bei seinem Thun und Lassen auf die rechtlich geschützten Interessen der Anderen nur soweit zu achten, als man bei Anwendung ordnungsgemäßer Sorgfalt erkennen müsse, daß dieselben dadurch gefährdet werden würden." Vgl. Mugdan, Prot. II/2, 1899, S. 1074.

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

133

Verhalten

kehrspflichtenlehre ergibt sich aus der bloßen Fähigkeit zur Erfolgsabwendung keine Handlungspflicht. Ging man, wie von Bar einräumt, bei Erlaß des BGB davon aus, daß Handlungspflichten aus vorhergehendem gefahrerhöhendem Tun entstehen können, so steht das wesentliche Fundament der Verkehrspflichtenlehre völlig in Einklang mit dem Willen des Gesetzgebers. Denn wichtigster Anknüpfungspunkt für Verkehrspflichten war und ist die Gefahrschaffung oder -erhöhung. Schließlich trifft es aber auch nicht zu, daß §823 Abs. 1 BGB dahin beschränkt ist, daß Handlungspflichten nur aus Gesetz, Vertrag oder Ingerenz begründet werden dürften. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, welche Voraussetzungen denn nun gegeben sein müssen, damit eine Handlungspflicht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ausgelöst wird. Insbesondere ist nicht entschieden, ob nach den Vorgaben des Gesetzes auch ein rechtmäßiges Vorverhalten eine Verkehrspflicht nach sich ziehen kann, so wie es bei den Weiterfresser-Konstellationen der Fall wäre, wenn man an die Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache die Pflicht des Herstellers knüpfen würde, vor der Gefahr einer fehlerbedingten Selbstbeschädigung der Sache zu warnen. II. Die Grenzen

des §823 Abs. 1 BGB nach Fraenkel

1. Die Lehre von der Tatbestandsmäßigkeit erfolgsbedingenden Handlung

allein der

letzten

Daß zur Begründung einer zivilrechtlichen Handlungspflicht aus vorangegangenem gefährdendem Tun grundsätzlich 374 eine widerrechtliche Ausgangshandlung notwendig sei, wird von Fraenkel behauptet. 375 Fraenkel zieht mit dieser Behauptung eine Schlußfolgerung aus der „frontal gegen die herrschende Auffassung vom Unrechtstatbestand des §823 Abs.l BGB" 376 gerichteten Hauptthese seiner vielbeachteten und viel kritisierten Untersuchung 377 , wo374 Fraenkel m ö c h t e davon n u r eine einzige hier nicht einschlägige A u s n a h m e zulassen f ü r den Fall einer seiner Ansicht nach zunächst n u r „bedingt rechtmäßigen H a n d l u n g " vgl. Fraenkel, Tatbestand u n d Zurechnung, 1979, S.305 u. S.291. 375 D a ß auch eine nicht rechtswidrige Vorhandlung zur B e g r ü n d u n g einer Handlungspflicht genügen kann, wird dagegen ausdrücklich betont etwa von Soergel/Zeuner, §823 Rz. 158; Staud./J. Hager, §823 Rz. H 12 u . ] . Hager. VersR 1984, 806; Erman/Schiemann, §823 Rz.77; Deutsch, AllgHaftungsR., 2. Aufl., 1996, Rz. 105; Larenz/Canaris, SchuldR. II/2, § 86 II 2 a; Esser/Schmidt, SchuldR. 1/2, §25 III 2 a; Christensen, Verkehrspflichten in arbeitsteiligen Prozessen, 1995, S. 105; Kleindiek, Deliktshaftung u n d juristische Person, 1997, S. 103. 376 So Kramer, AcP 180 (1980), 523, in einer Rezension von Fraenkel, Tatbestand u n d Z u r e c h nung, 1979. 377 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979. Auf die U n t e r s u c h u n g Fraenkels stützt sich insbesondere Mertens, VersR 1980, 398 u. Münch Komm./Mertens, §823 Rz. 2ff., der allerdings offen läßt, ob Fraenkel die Grenzlinie zwischen unmittelbarer u n d mittelbarer Rechtsgutsverletzung aus historischer sowie dogmatischer Sicht richtig gezogen hat u n d der dem engen Tat-

134

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

nach die nur mittelbar zu einem Verletzungserfolg führenden Handlungen den Tatbestand des §823 Abs. 1 B G B nicht erfüllten. Nach Ansicht von Fraenkel ist im Rahmen des § 823 Abs. 1 B G B nicht von einer grundsätzlichen Äquivalenz sämtlicher erfolgsverursachender Bedingungen auszugehen. Die von ihm als „Lehre vom Erfolgsverursachungsverbot" 3 7 8 bezeichnete herrschende Meinung 3 7 9 lehnt Fraenkel ab, weil sie der gesetzlichen Konzeption widerspreche und deren maßgebenden rechtspolitischen Zweck, die Garantie eines umfassenden Bestandsschutzes einerseits und die Sicherung eines freien Verhaltensspielraumes jedes einzelnen andererseits, verfehle: 380 Weil sich nicht eine Handlung benennen lasse, die völlig ungefährlich sei, müsse die herrschende Meinung, um dem einzelnen einen Spielraum erlaubten Verhaltens überhaupt zu ermöglichen, die Haftungsbegründung generell unter den Vorbehalt der in jedem Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung stellen. Einerseits sei dadurch der Kreis der haftungsbegründenden unerlaubten Handlungen unbestimmt, weshalb es dem Zufall überlassen bleibe, ob der einzelne wirklich vor jeder unerlaubten Handlung gleichermaßen geschützt sei. Andererseits erschienen dadurch Bestands- und Freiheitsschutz einseitig nur als gegenläufige, einander ausschließende Interessen, obwohl die Rechte und Rechtsgüter nicht um ihrer selbst willen geschützt würden, sondern als objektive Voraussetzungen der Freiräume, die sie ihren Inhabern gewährten. D e r Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit durch den formellen Schutz der Rechtsgüter und Rechte finde seine notwendige Ergänzung in der zweiten Art des formellen Freiheitsschutzes, der genauen Bestimmung und klaren Begrenzung der haftungsbegründenden unerlaubten Handlungen. Die Rechtsgüter und Rechte beschrieben keinen gesicherten Rechtskreis, solange ungewiß bliebe, welche Handlungen der einzelne unter Einsatz seiner Güter von Rechts wegen vornehmen dürfe. In dem Maße, in dem die Rechtsausübung des einzelnen mit unkalkulierbaren Haftungsrisiken belastet sei, wie es sich notwendig aus der herrschenden Lehre ergebe, verliere auch der formelle Bestandsschutz seinen Sinn, werde er relativiert. Weiter nimmt Fraenkel an, das B G B habe entgegen der herrschenden Auslegung des § 8 2 3 Abs. 1 B G B gerade nicht den Schaden als Anknüpfungspunkt bestandsverständnis Fraenkels für die Gegenwart nicht folgen möchte; als Analyse des historischen Gesetzeskonzepts, an dem in heutiger Zeit jedoch nicht festgehalten werden könne, wird Fraenkels Lehre zugrunde gelegt von von Bar, Gutachten, S. 1703; außerdem von Schmidt-Salzer, Produkthaftung I I I / l , Rz.4.156; ferner von Karollus, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung, 1992, S.21, 38, 124 Fußn. 4, der allerdings trotz der Annahme, der Gesetzgeber habe nur unmittelbar erfolgsbedingende Handlungen erfassen wollen, die Verkehrspflichtenlehre für einen „nicht besonders begründungsbedürftige[n] Akt der Rechtsfortbildung" hält. 3 7 8 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 15 ff. 3 7 9 Vgl. dazu oben Fußn. 289. 380 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.21 f.

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

135

und Grund für die Unerlaubtheit eines Verhaltens gewählt, sondern die widerrechtliche Handlung, ein Verhalten, das als solches von der Rechtsordnung verboten sei, sei es nach dem Inhalt der dem einzelnen ausschließlich zugewiesenen subjektiven Rechte und Rechtsgüter, sei es nach dem Inhalt der bestimmte Handlungen ge- und verbietenden Rechtsnormen. 381 Aus dieser gesetzgeberischen Entscheidung, die deliktische Haftung nicht schon bei bloßer Schadensverursachung eingreifen zu lassen, sondern sie an die Voraussetzung eines widerrechtlichen Verhaltens zu knüpfen, folgert FraenkePn, daß der Tatbestand der Eigentumsverletzung gem. § 823 Abs. 1 BGB nur durch eine Handlung verwirklicht werden könne, die als solche, d.h. bei einer isolierten Bewertung allein dieser Handlung, im Widerspruch zum Inhalt des verletzten Rechts(guts) stehe. Diese Voraussetzung erfülle „nur eine, aber auch jede Handlung, durch deren Vornahme der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges in der Weise bedingt ist, daß er eintreten kann, ohne daß noch irgendeine weitere Handlung vorgenommen werden muß." 383 Allein die letzte, erfolgsbedingende Handlung soll also tatbestandsmäßig im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sein. Von der Tatbestandsfrage trennt Fraenkel streng die Frage, wem die allein tatbestandsmäßige unmittelbare Erfolgsverursachung als Delikt zugerechnet werden könne. Neben der eigenhändigen Tatbestandsverwirklichung sollen nur vier weitere Zurechnungsgründe anzuerkennen sein, die eine Haftung gegenüber dem Verletzten rechtfertigen: „1. die gemeinschaftliche Tatbestandsverwirklichung, Mittäterschaft u n d Teilnahme, § 830 1 1, II B G B , 2. die Tatbestandsverwirklichung mittels einer rechtmäßig oder einer z u m i n d e s t partiell schuldlos handelnden - Person, die mittelbare Täterschaft also, 3. [...] die Nebentäterschaft d u r c h Schutzgesetz- oder Garantenpflichtverletzung, § 8 3 0 I 2 B G B u n d schließlich 4. die eine Tatbestandsverwirklichung mitverursachende Beeinträchtigung der Erfolgsvermeidungsfähigkeit eines anderen: eine F o r m der N e b e n t ä t e r schaft d u r c h Verletzung einer Garantenpflicht aus v o r a n g e g a n g e n e m T u n . " 3 8 4

Nach dieser Konzeption Fraenkels bliebe in den Weiterfresser-Konstellationen kein Raum für die Annahme einer Pflicht zur Warnung vor der Ausbreitung des Fehlers innerhalb der Sache: Allerdings könnte man in Fällen, in denen das Weiterfressen des Fehlers erst dadurch eintreten kann, daß der Eigentümer eine bestimmte Handlung vornimmt, insbesondere die Sache benutzt, etwa die Reinigungs- und Entfettungslanlage einschaltet oder die Hebebühne belädt, an eine Zurechnung dieses gemäß Fraenkel als letzte erfolgsbedingende Handlung tatbestandsmäßigen Verhaltens des Eigentümers nach den Grundsätzen der mittelbaren Täterschaft 381 382 383 384

Fraenkel, Tatbestand und Vgl. Fraenkel, Tatbestand Fraenkel, Tatbestand und Fraenkel, Tatbestand und

Zurechnung, 1979, S. 37f. und Zurechnung, 1979, insbesondere S.53ff. Zurechnung, 1979, S.53. Zurechnung, 1979, S.69.

136

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

denken. Eine mittelbare Täterschaft soll nach Fraenkel auch in Betracht kommen, wenn der Verletzte selbst den Tatbestand verwirklicht.385 Jedoch betont Fraenkel, daß die mittelbare Täterschaft nicht die Funktion habe, das Risiko der Verletzung durch schuldlos Handelnde generell vom Verletzten auf einen erfolgsvermeidungsfähigen Dritten zu verlagern und deshalb voraussetze, daß die Erfolgsvermeidungsunfähigkeit des tatbestandsmäßig Handelnden ihren Grund gerade in dem Verhalten des mittelbaren Täters finde. Dieser hafte nicht, weil er die Tatbestandsverwirklichung vermeiden konnte, sondern weil die Erfolgsvermeidungsunfähigkeit des unmittelbaren Täters auf seinem Verhalten beruhe.386 Als wichtigsten Anwendungsfall der mittelbaren Täterschaft durch Schaffung einer unerkennbaren Gefahr bezeichnet Fraenkel das Inverkehrbringen von Gegenständen, deren Gefährlichkeit auf Grund verborgener Mängel oder unzureichender Bedienungsanleitungen für die Abnehmer nicht erkennbar sind. Hier werde die deliktische Verantwortlichkeit auf denjenigen als mittelbaren Täter verlagert, der durch sein widerrechtliches Verhalten387 die für den unmittelbaren Täter nicht erkennbare Gefahr der Tatbestandsverwirklichung geschaffen habe. 388 In den Weiterfresser-Fällen fehlt es aber gerade an einer solchen Widerrechtlichkeit des Inverkehrbringens der fehlerhaften Sache. Weil das Inverkehrbringen notwendige Voraussetzung dafür ist, daß Eigentum an der fehlerhaften Sache erworben werden kann, gebietet dessen Schutz kein Unterlassen der Inverkehrgabe. Was nun die Voraussetzungen der Garantenpflicht nach dem Fraenkelschen System anbelangt, so stellt Fraenkel ausdrücklich klar, daß nach seiner Auffassung die Möglichkeit verschlossen sei, durch die „willkürliche Annahme von Erfolgsabwendungspflichten aus vorangegangenem gefährdendem Tun" die Unterlassungsdelikte zu einer Einbruchsteile für eine reine Verursachungshaftung zu machen. Wer nicht verpflichtet sei, seine Handlung zu unterlassen, um die Verursachung eines tatbestandsmäßigen Erfolgs zu vermeiden, könne grundsätzlich nicht, nachdem er gehandelt habe, verpflichtet sein, den Eintritt der kausalen Folgen seines Handelns zu verhindern.389 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.289. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.293. 387 Hervorhebung nur hier. 388 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.295. 389 Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 305; mag auch die Unterlassenshaftung nicht gerade im Zentrum der Untersuchung Fraenkels stehen, so zeigen diese sehr deutlichen Worte zur Reichweite möglicher Garantenpflichten aus Ingerenz doch, daß der von manchen gegenüber Fraenkel erhobene Vorwurf, seine Konzeption vernachlässige die Frage der Haftung für ein Unterlassen, vgl. Schröder, AcP 179 (1979), S. 591 Fußn. 71; Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S.40; MünchKommJMertens, §823 Rz. 13 Fußn. 15; Erman/ Schiemann, § 823 Rz. 11, nicht berechtigt ist; dagegen bereits Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S.35. 385 386

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

137

Fraenkels Beschränkung der Handlungspflichten aus Ingerenz auf die Fälle einer rechtswidrigen Ausgangshandlung ist auf der Grundlage seiner These von der Tatbestandsmäßigkeit allein der letzten erfolgsbedingenden Handlung nachvollziehbar. Die von Fraenkel beabsichtigte möglichst weitgehende Gewährleistung der Haftungs- und damit Handlungsfreiheit des mittelbaren Verursachers würde in dem Maße geschmälert, wie man an mittelbar zu einem Verletzungserfolg führende Handlungen Handlungspflichten knüpfen würde. Lehnt man dagegen mit der ganz herrschenden Ansicht die von Fraenkel dem Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB gezogenen engen Grenzen ab, so entfällt auch die daraus abgeleitete Annahme einer gesetzlichen Beschränkung der Ingerenzhaftung. Es ist deshalb notwendig, im folgenden die Tragfähigkeit des Fraenkelschen Verständnisses vom Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB zu überprüfen.

2. Keine Widerlegung der Lehre Fraenkels durch den Nachweis der Existenz einer Unterlassenshaftung aus §823 Abs. 1 BGB Die Auseinandersetzung mit der Konzeption Fraenkels erübrigt sich nicht etwa schon mit Blick darauf, daß - wie oben gezeigt wurde - nach dem Willen des Gesetzgebers auch ein Unterlassen eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB begründen können soll. Entgegen Kleindiek390 verträgt sich die Bejahung einer - dann allerdings eng begrenzten - Unterlassenshaftung durchaus mit der These Fraenkels, der Gesetzgeber habe als tatbestandsmäßig nach §823 Abs.l BGB allein die eigenhändige und unmittelbare Rechtsverletzung anerkennen wollen. Kleindiek argumentiert wie folgt: Die Entstehungsgeschichte des BGB lasse keinen Zweifel daran, daß auch eine Erfolgsverursachung durch Unterlassen die Haftungsfolge des § 823 Abs. 1 BGB auslösen könne. Die Fälle des Unterlassens seien jedoch zugleich solche der mittelbaren Erfolgsverursachung, weil auch hier die letzte erfolgsbedingende Ursache nicht vom Untätigbleibenden gesetzt werde, sondern vielmehr durch einen Dritten, durch den Verletzten selbst oder durch Naturgewalten. Es sei nun aber nicht vorstellbar, daß der Gesetzgeber zwar mittelbare Erfolgsverursachungen durch Unterlassen, nicht aber solche durch ein positives Tun habe sanktionieren wollen. Diese Begründung vermag nicht zu überzeugen. Die pauschale Einordnung der unterlassenen Erfolgsabwendung als mittelbare Erfolgsverursachung wird der Fraenkelschen Konzeption nicht gerecht. Fraenkel definiert die unmittelbare Rechtsverletzung als letzte erfolgsverursachende Handlung. Mittelbare aktive Handlungen sind bei einem solchen Verständnis der Unmittelbarkeit dadurch gekennzeichnet, daß der rechtsverletzende Erfolg erst nach einem weiteren menschlichen positiven Tun eintreten kann. Bei einer unterlassenen Erfolgs390

Vgl. Kleindiek,

Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 102f. u. 35f.

138

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

anwendung kann dies, es muß aber keineswegs der Fall sein. Denn es ist zwar denkbar, daß der Vorwurf der Untätigkeit hinsichtlich einer Zeitspanne erhoben wird, bei deren Ablauf ein für den Eintritt des Erfolgs notwendiges positives Tun noch ausstand. Möglich ist aber auch, daß zu dem Zeitpunkt, in dem die Erfolgsabwendung hätte erfolgen sollen, die letzte erfolgsbedingende und nach Fraenkel allein tatbestandsmäßige aktive Handlung bereits begangen war. Nur im erstgenannten Falle ist das Unterlassen in seinem Verhältnis zur unmittelbaren Erfolgsverursachung im Fraenkelscben Sinne mit der aktiven mittelbaren Erfolgsverursachung vergleichbar. Deshalb läßt sich aus der gesetzlichen Anerkennung einer Unterlassenshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB nicht ohne weiteres auf das Bestehen einer Haftung auch für mittelbare aktive Erfolgsverursachung schließen. Es wäre ja schließlich denkbar, daß die gesetzliche Reichweite der Haftung für ein Nichttun auf diejenigen Fälle beschränkt wäre, in denen zum maßgeblichen Handlungszeitpunkt die unmittelbar erfolgsbedingende aktive Handlung bereits begangen wurde, auf Fälle also, in denen das Unterlassen eine andere Struktur aufweist als die aktiven mittelbaren Kausalbeiträge. Eine so eingegrenzte Unterlassenshaftung würde nicht in Widerspruch stehen zur mangelnden Tatbestandsmäßigkeit des mittelbar kausalen aktiven Tuns.391 Der von Kleindiek gezogene Erst-recht-Schluß wäre mithin erst dann gerechtfertigt, wenn feststünde, daß die Unterlassenshaftung aus §823 Abs. 1 BGB auch dann einzugreifen hätte, wenn ein Untätigbleiben in Frage stünde, welches erst nach einem weiteren menschlichen Tun zum rechtsverletzenden Erfolg führen könnte. Jedenfalls jenseits der auch von Fraenkel akzeptierten Fälle mittelbarer Täterschaft müßte man bei folgerichtiger Fortführung seiner Konzeption aber wohl gerade verneinen, daß eine nach §823 Abs. 1 BGB haftungsbegründende Pflicht zum Handeln besteht, obwohl es in der Hand des potentiellen (aktiven) unmittelbaren Verursachers liegt, den Erfolg zu vermeiden.

3. Die unbefriedigenden a) Allgemeine

Ablehnung

Ergebnisse

der Lehre Fraenkels

der Lehre Fraenkels

Fraenkels Tatbestandsbeschränkung auf die letzte erfolgsbedingende Handlung wird - soweit ersichtlich - als für die Gegenwart taugliches Konzept einhellig abgelehnt.392 Daß man eine entsprechende Begrenzung des deliktsrechtli391 Allerdings wäre ein solches Unterlassen nach Ansicht von Fraenkel selbst nicht tatbestandsmäßig. Es könnte aber nach dem Fraenkelschen Verständnis des § 823 Abs. 1 BGB bei Bestehen einer Garantenpflicht zur Zurechnung des Verletzungserfolgs führen, der infolge der von wem auch immer begangenen - unmittelbar erfolgsbedingenden aktiven Verletzungshandlung eingetreten ist. 392 Vgl. Kramer, AcP 180 (1980), 523ff.; ihm schließt sich an Staud./Schäfer, 12. Aufl., §823 Rz. 8; S t e f f e n , VersR 1980,409f.; vgl. ferner Schröder, AcP 179 (1979), S. 591 Fußn. 71 ;Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 21 Off.; Fezer, Teilhabe

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

139

chen Schutzes absoluter Rechte für offensichtlich unzureichend hält, wird in Äußerungen, die Fraenkels Konzept als für die heutige Zeit „untragbar" 393 , „unerträglich" 394 , „unhaltbar" 395 oder „unrealistisch" 396 verwerfen, überdeutlich zum Ausdruck gebracht. Dazu ist zunächst anzumerken, daß das Ausmaß befürchteter Haftungslükken, das den Kritikern vor Augen steht, dem Konzept Fraenkels zuweilen nicht gerecht wird. So darf nicht übersehen werden, daß Fraenkel zwar den Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B auf unmittelbar erfolgsbedingende Handlungen beschränkt, jedoch eine Haftung Dritter, so vor allem über die Figur der mittelbaren Täterschaft, durchaus nicht ausschließt. 397 Zu widersprechen ist etwaJ. Hager, der jüngst behauptet hat, nach Fraenkels Gesetzesverständnis „wäre nahezu die gesamte deliktische Produkthaftung Makulatur, jedenfalls soweit nach der Auslieferung noch die Handlung eines Dritten vorliegt. D i e selbst grob fehlerhafte Konstruktion von Bremsen eines A u t o s bliebe folgenlos, weil erst die Benutzung des Kraftfahrzeugs zur Körperverletzung f ü h r t " 3 9 8

]. Hager verkennt, daß die Produzentenhaftung als ,,wichtigste[r] Anwendungsfall der mittelbaren Täterschaft durch Schaffung einer unerkennbaren Gefahr" 3 9 9 auch im System Fraenkels ihren festen Platz hat, mit Ausnahme aller-

und Verantwortung, 1986, S.511, 522ff.; Erman/Schiemann, §823 Rz. 11; Soergel/Zeuner, §823 Rz.5f., 207; Staud./Hager, §823 Rz. A 10; Schmidt-Salzer, Produkthaftung I I I / l , Rz.4.157; Christensen, Verkehrspflichten in arbeitsteiligen Prozessen, 1995, S. 105f.\Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 22; Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 38ff.; Rogge, Selbständige Verkehrspflichten bei Tätigkeiten im Interesse Dritter, 1997, S. 28ff.; Hasselblatt, Grenzziehung zwischen verantwortlicher Fremd- und eigenverantwortlicher Selbstgefährdung, 1997, S.93ff.; Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, 1998, S. 56f.; dies gilt auch für diejenigen Autoren, die Fraenkel in seiner Interpretation des gesetzgeberischen Willens folgen, vgl. dazu bereits Fußn. 377. 3 9 3 So Kramer, AcP 180 (1980), 526. 3 9 4 So Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 1986, S. 522. 3 9 5 So von Bar, Gutachten, 1981, S. 1703. 3 9 6 So MünchKommJMertens, §823 R z . 2 Fußn. 4. 3 9 7 Siehe dazu bereits oben unter 1., insb. Fußn. 384; zutreffend weist Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 39, darauf hin, daß über die Täterschaft ein gewisser Ersatz für die Haftungslücken geschaffen wird, die sich aus der Beschränkung des Tatbestandes auf die letzte erfolgsbedingende Handlung ergeben. 3 9 8 Vgl. Staud./J. Hager, § 823 Rz. A 10; auch die von Rogge, Selbständige Verkehrspflichten bei Tätigkeiten im Interesse Dritter, 1997, S. 30 gegen Fraenkels Unmittelbarkeitslehre angeführten Beispiele gehen mit keiner Silbe auf Fraenkels Verständnis der mittelbaren Täterschaft ein. Für die Frage, ob es Bedenken begegnet, daß - wie Rogge gegen Fraenkel einwendet - etwa eine unmittelbare Körperverletzung durch Verabreichung vergifteter Nahrungsmittel praktisch niemals möglich wäre, wenn man erst im Schlucken die letzte erfolgsbedingende Handlung sehen würde, ist aber doch von entscheidender Bedeutung, wie weit die Haftung des mittelbaren Täters reicht. 3 9 9 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.295.

140

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

dings derjenigen Fälle, in denen - wie in den Weiterfresser-Fällen - die Inverkehrgabe selbst keine rechtswidrige Handlung darstellt 400 . Ebensowenig taugt das von Steffen401 gegen die Tatbestandsmäßigkeit allein der unmittelbaren Handlung angeführte Beispiel als Beleg für gravierende Haftungslücken im Fraenkelschen System: Stürzt ein Kleinkind auf die Autobahn, nachdem eine Werkstatt es versäumt hat, den Defekt an der Tür des elterlichen Wagens zu beheben, dann muß eine Haftung des Werkstattinhabers auch nach Fraenkel nicht ausscheiden. Außer bei einem offensichtlichen Defekt brauchen die Eltern nach Rückerhalt ihres Wagens als angeblich repariert wohl nicht mehr damit zu rechnen, daß sich dessen Tür plötzlich öffnet. In der Rückgabe des unreparierten Wagens kann mithin die rechtswidrige Schaffung einer sowohl für die Eltern wie auch für andere Verkehrsteilnehmer unerkennbaren Gefahr gesehen werden, die, wenn man Fraenkel folgt, zu einer Haftung des Werkstattinhabers als mittelbarem Täter führt.

b) Keine Bewertung der mittelbaren

Verursachungsbeiträge

Dennoch ist die Kritik berechtigt, Fraenkel nehme den mittelbaren Verursacher zu weitgehend von der Haftung aus und verkürze dadurch den Rechtsgüterschutz unzulässig 402 : Fraenkels Argumentation, für einen ausreichenden Rechtsgüterschutz genüge es regelmäßig, die zeitlich letzte erfolgsbedingende Handlung zu verbieten, weil mit deren Unterlassung der rechtsgutsbeeinträchtigende Erfolg sicher vermieden werden könne, kann nicht gefolgt werden. Es besteht vielmehr auch jenseits der Fälle der mittelbaren Täterschaft, die nach Fraenkel403 voraussetzt, daß der Vordermann selbst nicht - oder jedenfalls nicht in vollem Umfang - verantwortlich ist, ein dringendes und legitimes Bedürfnis, mittelbar gefährliche Handlungen zu verbieten bzw., sofern dies ausreichend erscheint, durch Begleit- und Folgepflichten zu flankieren. Der einfache Grund dafür liegt darin, daß trotz Erfolgsvermeidungsfähigkeit des unmittelbaren Verursachers die Rechtsverletzung in vielen Fällen wesentlich zuverlässiger oder gar überhaupt erst zuverlässig vermieden werden kann, wenn eine - vielleicht sogar ohne größeren Aufwand mögliche - Gefahrsteuerung durch den Hintermann verlangt wird. Dies wird ohne weiteres schon dann Vgl. den Nachw. in Fußn. 388. Vgl. Steffen, VersR 1980,409, wobei Steffen sich dabei allerdings nicht ausdrücklich gegen Fraenkel wendet. 4 0 2 Besonders treffend formuliert Soergel/Zeuner, §823 Rz.5 gegen Fraenkel: „Indem diese Konzeption die Verantwortlichkeit für die Vermeidung von Rechts- und Rechtsgüterverletzungen grundsätzlich allein dem letzten in der Reihe möglicher Verursacher aufbürdet und damit jede weitergehende Berücksichtigung von Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten der Gefahrenbeherrschung abschneidet, gibt sie jedoch der vermeidbaren Schaffung von Gefahren für Rechte und Rechtsgüter anderer in nicht gerechtfertigter Weise Raum." 4 0 3 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.288ff. 400 401

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

141

deutlich, wenn man sich klarmacht, daß es für den einzelnen Menschen praktisch unmöglich ist, sich ständig und ohne Unterbrechung sorgfaltsgemäß zu verhalten. Vermutlich gibt es keinen Autofahrer, der nicht schon einmal fahrlässig Rechtsgüter sonstiger Verkehrsteilnehmer gefährdet hat. Auch wenn etwa bei sorgfältigem Umgang mit bestimmten Fahrzeugen, Maschinen, Geräten, Gebrauchsgütern usw. die Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter sicher vermieden wird, ist es deshalb unentbehrlich, vom Hersteller eine Konstruktion zu verlangen, mit der selbst Gefahren, die sich bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht realisieren, minimiert werden. Eine solche Gefahrsteuerung dient nicht nur dem Schutz der gefährdeten Rechtsgüter, sondern auch der Handlungsfreiheit der potentiellen unmittelbaren Verursacher, die den Gebrauch einer Sache viel eher riskieren können, wenn nicht schon die geringste Unaufmerksamkeit gravierende Folgen nach sich zieht. Erst die mögliche Tatbestandsmäßigkeit auch mittelbarer Verursachungsbeiträge erlaubt es also, zwischen dem Interesse am Bestand gefährdeter Rechtsgüter einerseits und der Handlungsfreiheit sämtlicher Beteiligter andererseits einen angemessenen Ausgleich herzustellen. Nur wenn mittelbar erfolgsbedingende Handlungen in den Tatbestand einbezogen werden, kann dem unterschiedlich großen Gefahrenpotential der einzelnen Verursachungsbeiträge Rechnung getragen und ferner berücksichtigt werden, in welchem Umfang dem einzelnen Verursacher zumutbare Möglichkeiten der Gefahrsteuerung zur Verfügung stehen. Sofern die Pflichten zur Gefahrsteuerung dabei nicht überspannt werden, sondern sich im Rahmen dessen halten, was vernünftig und zumutbar erscheint, ist entgegen Fraenkel auch nicht ersichtlich, daß die Handlungsfreiheit des mittelbaren Verursachers unannehmbar beschnitten würde. 404

c) Keine Bewertung

der unmittelbaren

Verursachungsbeiträge

Das Kriterium der Unmittelbarkeit ist meines Erachtens aber nicht nur insofern ungeeignet, das tatbestandsmäßige vom nicht tatbestandsmäßigen Verhalten zu scheiden, als danach die mittelbare Verursachung regelmäßig weder verboten ist, noch zur Entstehung von Handlungspflichten führen kann und damit die Haftung des mittelbaren Verursachers zu weitgehend einschränkt wird. Die rein formale Unterscheidung zwischen Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit der Erfolgsverursachung im Sinne Fraenkels ist auch deshalb abzulehnen, weil sie eine Bewertung der im Sinne Fraenkels unmittelbaren Verursachung ausschließt und diese in viel zu pauschaler Weise mit dem Urteil der Rechtswidrigkeit belegt. Indem Fraenkel jedes Handeln, das geeignet ist, ohne weitere 404 Zu Recht weist Rosenbach, Eigentumsverletzung durch Umweltveränderung, 1997, S. 40 darauf hin, daß auch bei Erfassung mittelbarer Verursachungsbeiträge als möglicherweise tatbestandsmäßig eine vernünftige Haftungsbegrenzung des mittelbaren Verursachers nicht ausgeschlossen ist.

142

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache

menschliche Zwischenakte eine Rechts(guts)verletzung zu bewirken, stets schon dann für rechtswidrig hält, wenn es nicht ausnahmsweise durch ein dem Handelnden zugewiesenes subjektives Recht oder einen im Gesetz vorgesehenen Rechtfertigungsgrund gestattet wird 405 , schießt er weit über das Ziel eines angemessenen Rechtsgüterschutzes hinaus. Ein solches Unmittelbarkeitsverständnis erlaubt es in keiner Weise, den nach Vornahme der unmittelbar erfolgsbedingenden Handlung oft weiterhin vorhandenen Möglichkeiten einer Gefahrsteuerung Rechnung zu tragen. Daß dies unannehmbar ist, machen insbesondere diejenigen Fälle deutlich, in denen eine solche Gefahrsteuerung genau dem entspricht, was der Handelnde bei Vornahme der unmittelbaren Handlung üblicher- und vernünftigerweise beabsichtigt. Folgte man der Fraenkelschen Unmittelbarkeitslehre, dann müßte man es beispielsweise regelmäßig für rechtswidrig halten, wenn jemand seinen Herd einschaltet oder den Wasserhahn der Badewanne aufdreht. Sofern nur das ohne weiteren menschlichen Zwischenakt mögliche Inbrandgeraten des Herdes bzw. Überlaufen der Badewanne geeignet ist, Rechtsgüter der Nachbarn zu schädigen, lägen die Voraussetzungen einer unmittelbaren Handlung vor. Daß sich der Herd rechtzeitig abschalten bzw. sich der Wasserhahn rechtzeitig zudrehen läßt und dies in der Regel auch dem Willen des Handelnden entspricht, bliebe unberücksichtigt. Es stellt aber eine unannehmbare Beschränkung der Handlungsfreiheit dar, wenn gefahrschaffende Handlungen, die in ihren Folgen ohne größeren Aufwand kontrollierbar sind, pauschal für rechtswidrig erachtet werden. Es besteht hier keinerlei Notwendigkeit, bereits die Gefahrenverursachung zu verbieten. Dem Schutz fremder Rechtsgüter wird ersichtlich schon dadurch Genüge geleistet, daß man an die gefahrschaffende, jedoch als solche rechtlich nicht zu mißbilligende Handlung die Pflicht zur anschließenden Gefahrensteuerung knüpft, vom Handelnden also verlangt, daß er den Herd rechtzeitig wieder abschaltet, bzw. den Wasserhahn rechtzeitig wieder zudreht. Im übrigen würde eine entsprechende Rechtsordnung den einzelnen dazu zwingen, tagtäglich das Gesetz zu übertreten, da entsprechende Gefährdungen im Alltag praktisch unvermeidlich sind. Verboten wäre es etwa, jede Art von Gerät oder Maschine zu starten, die bei fehlender anschließender Steuerung durch den Menschen Rechtsgutsverletzungen bewirken könnte. Verboten wäre aber auch jede andere Einleitung eines Kausalverlaufes, der zur Vermeidung von Schäden wenigstens langfristig der menschlichen Kontrolle bedürfte. So müßte wohl selbst der lege artis erfolgende Hausbau regelmäßig für unzulässig erachtet werden, weil kaum einmal ausgeschlossen sein dürfte, daß sich Jahrzehnte später vom mittlerweile renovierungsbedürftigen Dach ein Ziegel löst und auf dem Nachbargrundstück Schäden anrichtet.

405

So ausdrücklich Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 60.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

143

Man mag es bedauern, daß zur angemessenen Bewältigung des Interessenkonflikts zwischen Bestandsschutz und Handlungsfreiheit häufig eine Interessenbewertung notwendig erscheint, die - wie jede Abwägung - mit mancherlei Unsicherheiten behaftet ist. Fraenkels

formales Abgrenzungskriterium der U n -

mittelbarkeit jedenfalls bietet keinen brauchbaren Ersatz, sondern ist in seiner grundsätzlichen Billigung sämtlicher mittelbarer Verursachungsbeiträge genauso wie in seiner prinzipiellen Ächtung sämtlicher unmittelbarer Verletzungsbedingungen „viel zu g r o b " 4 0 6 für eine taugliche Abgrenzung zwischen Recht und Unrecht.

4. Nach den Gesetzgebungsmaterialien keine Beschränkung der Verletzungshandlung auf die letzte erfolgsbedingende Handlung Fraenkels Lehre von der Tatbestandsmäßigkeit nur der unmittelbaren E r folgsverursachung ist aber nicht nur ihrer Ergebnisse wegen zu mißbilligen. Darüber hinaus verlangt entgegen Fraenkel auch der Respekt vor den vom G e setzgeber statuierten Grenzen des § 8 2 3 B G B keine entsprechende Gesetzesinterpretation. Vielmehr stellt die Einbeziehung der mittelbaren Verletzungshandlungen in den Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B eine zulässige Auslegung der Vorschrift dar. Dies soll im folgenden anhand der Gesetzesmaterialien dargelegt werden 4 0 7 . Dabei wird zu zeigen sein, daß Fraenkels Deutung der gesetzgeberischen A b sicht nur insoweit zuzustimmen ist, als deliktsrechtliche Ansprüche und damit auch der Anspruch aus § 823 Abs. 1 B G B sich nicht aus der bloßen Schadensverursachung ergeben, sondern eine widerrechtliche Handlung voraussetzen sollten 4 0 8 . In der Tat offenbaren die Gesetzgebungsmaterialien, daß kein allgemeines Schadensverursachungsverbot geschaffen werden sollte, sondern die Verpflichtung zum Schadensersatz an eine Handlung geknüpft wurde, deren Widerrechtlichkeit sich nicht aus der bloßen Schadensverursachung ergab. Dagegen wird sich erweisen, daß der Gesetzgeber die nur mittelbar zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führende Handlung nicht aus dem Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B ausgeklammert hat. Vielmehr ließ er die Frage, wie hier zwischen erlaubtem und unerlaubtem Handeln zu unterscheiden sei, weitgehend offen. Die Rechtsprechung war deshalb gehalten, die Grenze zwischen Bestands- und

So der Vorwurf Kramers, vgl. AcP 180 (1980), 527. Vgl. gegen Fraenkels Interpretation der Gesetzgebungsgeschichte bereits Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 97ff.; Erman/Scbiemann, § 823 Rz. 11; Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 70ff.; vgl. ferner Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 36, der zu Recht daraufhinweist, daß die „einzelnen Bruchstücke aus den Protokollen [...] in hohem Maße interpretationsbedürftig [sind]"; zweifelnd auch Kramer, AcP 180 (1980), 524. 408 V g | Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.97ff. 406 407

144

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

F r e i h e i t s s c h u t z in A u s l e g u n g des § 8 2 3 A b s . 1 B G B s e l b s t a u s z u l o t e n , w i e sie es mit der E n t w i c k l u n g der Verkehrspflichtenlehre denn tatsächlich auch getan hat.

a) Der Vorentwurf

von Kübels

D e r V o r e n t w u r f von Kübels409

läßt allerdings hinsichtlich der Frage, o b s c h o n

die b l o ß e V e r u r s a c h u n g eines schädigenden E r f o l g s ausreichen sollte, den V o r w u r f einer widerrechtlichen H a n d l u n g zu begründen, gewisse Zweifel offen: § 1 A b s . 1 T E lautet: „Hat jemand durch eine widerrechtliche Handlung oder Unterlassung aus Absicht oder aus Fahrlässigkeit einem Andern einen Schaden zugefügt, so ist er diesem zum Schadensersatz verpflichtet." E i n i g ist m a n s i c h i n s o w e i t , als m a n d a v o n a u s g e h t , d e r V o r e n t w u r f h a b e s i c h mit dieser Vorschrift in b e w u ß t e r A b k e h r v o m r ö m i s c h e n u n d v o m gemeinen R e c h t u n d in A n l e h n u n g an das p r e u ß i s c h e , f r a n z ö s i s c h e u n d ö s t e r r e i c h i s c h e R e c h t s o w i e „ s ä m m t l i c h e n n e u e r e n E n t w ü r f e n " 4 1 0 d a f ü r a u s g e s p r o c h e n , das aus einer Vielzahl b e s o n d e r e r D e l i k t e b e s t e h e n d e E n u m e r a t i o n s p r i n z i p a b z u s c h a f f e n u n d s t a t t d e s s e n e i n e a l l g e m e i n e H a f t u n g s r e g e l an die S p i t z e d e s D e liktsrechts zu stellen.411 W e l c h e V o r a u s s e t z u n g e n d a m i t an d i e W i d e r r e c h t l i c h k e i t d e r H a n d l u n g g e s t e l l t w e r d e n s o l l t e n , ist j e d o c h s t r e i t i g : Schwitanski

g e h t d a v o n aus, d a ß w i d e r r e c h t l i c h d a n a c h bereits die b l o ß e

S c h a d e n s z u f ü g u n g als s o l c h e s e i n s o l l t e , w e n n sie n i c h t d u r c h e i n e n R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d l e g i t i m i e r t w o r d e n s e i . 4 1 2 I h m i s t j e d o c h s c h o n v o n Börgers4li

zu-

Vgl. den Nachw. in Fußn. 364. Vgl. von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S. 5. 411 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.98; Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S.99; Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 70. 4 1 2 Vgl. Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 98ff.; ähnlich Spickhoff, Gesetzesverstoß und Haftung, 1998, S. 12; vagen Anhalt für die Deutung Schwitanskis hält ohne Begründung Foerste, AcP 194 (1994), S.518, für gegeben. 4 1 3 Vgl. Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 74f.; Börgers eigene Deutung des Vorentwurfs, dessen Schweigen zu den Voraussetzungen der Widerrechtlichkeit müsse bewußt und gewollt gewesen sein und sei als Verweis auf außerdeliktische Maßstäbe zu verstehen, weil eine gesetzliche Präjudizierung dieser Frage die vorrangige Entscheidung zugunsten der allgemeinen Haftungsregel konterkariert hätte, vgl. Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 72ff., vermag aber ebenfalls nicht zu überzeugen. Sie beruht vielmehr, wieFoerste, vgl. AcP 194 (1994), 518, zu Recht anmerkt, auf einem „verengten Verständnis von ,Enumeration', dem von Kübel gewiß nicht verpflichtet war." Tatsächlich stehen Enumeration und allgemeines Prinzip keineswegs in einem Ausschließlichkeitsverhältnis. So kann ein Prinzip auch mittels Enumeration seiner sämtlichen Anwendungsfälle zum Ausdruck gebracht werden und ist umgekehrt denkbar, daß Einzeltatbe409 410

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

145

treffend entgegengehalten worden, daß diese Deutung des Vorentwurfs auf zwei unvollständigen Prämissen beruhe: Die erste Annahme Schwitanskis, der Vorentwurf habe selbst das allgemeine Rechtsgebot aufgestellt, die Rechtssphäre einer anderen Person zu achten und nicht zu verletzen, übergeht in der Tat den Umstand, daß der Vorentwurf es nur als „allgemeines Rechtsgebot" bezeichnet, „daß Jedermann die Rechtssphäre Anderer zu achten und sich jedes widerrechtlichen Eingriffs in dieselbe zu enthalten habe." 414 Berechtigt ist ferner Börgers' Hinweis, aus Schwitanskis zweiter Annahme, jede Schädigung habe nach dem Vorentwurf bereits eine objektive Rechtsverletzung dargestellt, folge noch nicht, daß jede Schadenszufügung zugleich auch gegen das genannte „allgemeine Rechtsgebot" verstoße, weil dieses eben nach dem Vorentwurf nur dann verletzt sein sollte, wenn der Schädiger widerrechtlich handelte.415 Zuzugeben ist der Ansicht Schwitanskis allerdings, daß manche Stelle in den Motiven des Vorentwurfes durchaus ein Verständnis in Richtung eines allgemeinen Schadensverbotes nahelegt.416 Demgegenüber nimmt Fraenkel wohl zu Recht an, schon der Vorentwurf enthalte den im weiteren Gesetzgebungsverfahren unverändert gebliebenen Grundsatz, daß eine Handlung niemals schon im Hinblick auf die Herbeiführung eines Schadens widerrechtlich sei, wobei er jedoch selbst zugesteht, daß die Motive zum Vorentwurf keine genaue inhaltliche Bestimmung des Begriffs der Widerrechtlichkeit geben.417 Zur Begründung verweist Fraenkel auf die Gleich-

stände auf ein Prinzip zurückgeführt werden, ohne daß damit der Anwendungsbereich für dieses Prinzip ausgeweitet wird. 4 , 4 Vgl. von Kübel, SchuldR. 1,1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S. 5; Hervorhebung nur hier. 415 Fehl geht auch Schwitanskis Hinweis, vgl. Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 100f., auf die Regelung des Notwehrrechts in § 5 T E . Daß dort nur vom Ausschluß der Haftung für eine Schadenszufügung, nicht aber für eine widerrechtliche Handlung die Rede ist, läßt sich schon damit erklären, daß die Notwehrsituation die Widerrechtlichkeit gerade beseitigt, bedeutet aber nicht, daß damit auch jede schadensstiftende Handlung jenseits der Notwehrlage als widerrechtlich eingeordnet werden sollte. 416 Vgl. etwa von Kübel, SchuldR. 1, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S. 4, wo es in Bezug auf die Schadensersatzpflicht heißt: „Letztere beruht darauf, daß eine Person widerrechtlich eine andere Person in einem von der Rechtsordnung als schutzwürdig und schutzbedürftig anerkannten Interesse verletzt und dadurch geschädigt hat. Schadensersatz ist also ein selbständiger Begriff. Damit, daß ein Interesse von der Rechtsordnung als des privatrechtlichen Schutzes würdig anerkannt wird, ist auch im Falle seiner Verletzung und dadurch herbeigeführter Beschädigung der Anspruch auf Schadensersatz gegeben, wenn nicht für einen bestimmten Fall aus besonderen Gründen eine positive Ausnahme gemacht wird. Mit der widerrechtlichen (schuldhaften) Verletzung und Beschädigung und aus derselben entsteht der Anspruch auf Schadensersatz [...]"; vgl. ferner von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S.6, wo ausgeführt wird: „Der Entwurf hält in Ubereinstimmung mit dem gemeinen Recht [...] und der modernen Gesetzgebung [...] für die Regel an dem Grundsatze fest, daß nicht der Schaden, sofern er nur auf Jemandens Verhalten als seine äußere Ursache zurückzuführen ist, zum Ersatz verprflichtet, sondern vielmehr das Verschulden." 417 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S.98ff., 100: „Über das Verhältnis zwi-

146

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Stellung v o n Handlungen und Unterlassungen in § 1 A b s . 1 T E . 4 1 8 In der Tat scheint es k a u m plausibel, daß von Kübel

davon ausging, auch jede einen Scha-

den nicht abwendende Unterlassung sei rechtswidrig. W e n n aber das M e r k m a l der Widerrechtlichkeit in § 1 A b s . 1 T E hinsichtlich der Unterlassung nötig war, u m aus den schadenstiftenden Unterlassungen die unerlaubten herauszufiltern, dann leuchtet nicht ein, w a r u m ihm hinsichtlich der Handlungen keine solche haftungsbegrenzende F u n k t i o n z u k o m m e n sollte, o b w o h l es d o c h grammatikalisch eindeutig auch auf diese b e z o g e n ist. N a c h dem V o r e n t w u r f von Kübels

k o n n t e auch eine nur mittelbar zu einem

rechtsgutsbeeinträchtigenden E r f o l g führende H a n d l u n g widerrechtlich im Sinne des § 1 T E sein. D i e mögliche Tatbestandsmäßigkeit der mittelbar erfolgsverursachenden H a n d l u n g ergibt sich aus § 2 T E , der lautet: „Die Haftpflicht tritt ein ohne Unterschied, ob die Handlung oder Unterlassung unmittelbar oder mittelbar den Schaden bewirkt hat."

Fraenkel

glaubt, diese Vorschrift betreffe nur den haftungsausfüllenden K a u -

salzusammenhang, also die Frage, o b zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden unterschieden werden solle. Z u r Begründung dieser T h e s e vermag er sich aber lediglich auf die in den M o t i v e n zu § 2 T E zitierten Literaturhinweise stützen, die tatsächlich nur den U m f a n g des ersatzfähigen Interesses betreffen. 4 1 9 Aus den M o t i v e n zu § 10 T E 4 2 0 , welcher u.a. die im gemeinen R e c h t u m strittene H a f t u n g des Anstifters vorsieht, ergibt sich j e d o c h , daß von Kübel

§2

T E nicht verengt auf die im heutigen Sinne haftungsausfüllende Kausalität verstanden wissen wollte. 4 2 1 D o r t wird nämlich ausgeführt: „Denn wenn man davon ausgeht, daß die Haftpflicht wegen Beschädigung durch eine unerlaubte Handlung auch dann begründet ist, wenn die Handlung auch nur mittelbar den Schaden bewirkt hat, so ist vom Standpunkt des heutigen Rechtes kein Grund vorhanden, den Anstifter anders zu behandeln, als den Thäter, da die Anstiftung, indem sie

sehen dem geschützten Interesse und der dasselbe verletzenden Handlung fehlt eine klare Aussage-" 4 1 8 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 103f. 4 1 9 Vgl. von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S. 12. 4 2 0 Die Vorschrift lautet: „Haben Mehrere durch gemeinsames Handeln, sei es als Anstifter, Thäter oder Gehilfen, den Schaden verursacht, so haften sie als Gesammtschuldner. Dieselbe Haftung tritt ein, wenn der Schaden durch das Zusammentreffen widerrechtlicher Handlungen Mehrerer, welche nicht gemeinsam gehandelt haben, verursacht worden ist und der Antheil des Einzelnen an dem verursachten Schaden sich nicht ermitteln läßt." 421 Ebenso wie von Fraenkel wurde §2 T E wohl von der Ersten Kommission verstanden, die eine Streichung der Vorschrift beschloß mit der Begründung, vgl. Prot I, S. 990,Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S. 884, die darin enthaltene Bestimmung sei „selbstverständlich, ihre Aufnahme aber auch [...] bedenklich, einmal, weil sie nöthige, in allen Fällen, in welchen Schadensersatz vorgeschrieben werde, die Bestimmung zu wiederholen, sodann, weil der Begriff von unmittelbarem und mittelbarem Schaden ein dunkeler bleibe und es daher rathsam sei, im Gesetze davon nicht zu reden."

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

147

den letzteren zur Verübung der unerlaubten Handlung bestimmt hat, eben damit die Ursache geworden ist, daß der Schaden durch den Thäter herbeigeführt wurde, und somit die Beschädigung durch die Anstiftung mittelbar bewirkt ist." 4 2 2 D i e H a f t u n g des Anstifters wird hier also gerade als schlüssige K o n s e q u e n z begriffen aus einer Auslegung des § 2 T E in dem Sinne, daß auch der nur mittelbare Verursacher der Rechts(guts)beeinträchtigung haftet.

b) Der Erste

Entwurf

I m Ersten E n t w u r f wird die deliktsrechtliche H a f t u n g ebenfalls an die B e g e hung einer an sich widerrechtlichen Handlung geknüpft. Es gibt also wiederum kein Schadensverursachungsverbot. U n d auch hier wird die nur mittelbar rechtsverletzende H a n d l u n g nicht v o m möglicherweise

tatbestandsmäßigen

Verhalten ausgenommen: § § 7 0 4 , 705 E I lauten: § 704: „Hat jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung - Thun oder Unterlassen - einem Anderen einen Schaden zugefügt, so ist er dem Anderen zum Ersätze des durch die Handlung verursachten Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens vorauszusehen war oder nicht. Hat Jemand aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit durch eine widerrechtliche Handlung das Recht eines Anderen verletzt, so ist er den durch die Rechtsverletzung dem Anderen verursachten Schaden diesem zu ersetzen verpflichtet, auch wenn die Entstehung eines Schadens nicht vorauszusehen war. Als Verletzung eines Rechtes im Sinne der vorstehenden Vorschrift ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und der Ehre anzusehen." § 705: „Als widerrechtlich gilt auch die kraft der allgemeinen Freiheit an sich erlaubte Handlung, wenn sie einem anderen zum Schaden gereicht und ihre Vornahme gegen die guten Sitten verstößt." In den Beratungen der Ersten K o m m i s s i o n wurde die Möglichkeit, die H a f tung bereits an die Schadensverursachung zu knüpfen, ausführlich diskutiert. D r e i Abänderungsanträge zielten auf eine Streichung des Erfordernisses der Widerrechtlichkeit und wollten die b l o ß e Schadensbegründung ausreichen lassen. 4 2 3 N a c h d e m man in der Beratung erkannt hatte, daß ein Schadensverursachungsverbot zu einer H a f t u n g auch in solchen Fällen führen würde, „in welchen der Handelnde nicht allein kein G e s e t z verletzt, sondern in A u s ü b u n g seiner natürlichen Freiheit sowohl v o m Standpunkt des R e c h t s als der M o r a l vorwurfsfrei oder sogar löblich gehandelt h a t " 4 2 4 und daß die B e s c h r ä n k u n g eines Schadensverursachungsverbotes durch das Erfordernis der W a h r n e h m u n g be-

Vgl. von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883, Abschn. 1, Tit. 2, III., S.48f. Vgl. die Anträge von Windscheid, Kurlbaum und Planck, Prot. I, S. 963f.,Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S.873f. 424 Vgl. Prot. I, S.966,Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S.874f. 422 423

148

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

rechtigter Interessen „aus einem doppelten Grund bedenklich" sei, erstens weil „nach ihr auch derjenige zum Schadensersatz verpflichtet sein [würde], der nicht in Ausübung der natürlichen Freiheit, sondern kraft eines besonderen Rechts gehandelt hat", und zweitens weil nicht zum Ausdruck komme, „daß bei Ausübung der natürlichen Freiheit nur dann Verantwortung eintreten kann, wenn illoyal, gegen den Anstand und die guten Sitten, gehandelt ist" 425 , einigten sich die drei Antragsteller auf einen Vorschlag, der diesen Bedenken Rechnung trug und von der Mehrheit gebilligt wurde: „Wer (wissentlich oder fahrlässig) einem anderen Schaden zufügt, ist diesem zum Schadensersatz verpflichtet, es sei denn, daß er in Ausübung eines besonderen Rechts oder in einer mit den guten Sitten übereinstimmenden Ausübung der natürlichen Freiheit gehandelt habe." 4 2 6

Vor allem von Schmiedel ist die Ansicht vertreten worden, mit diesem Beschluß, der „mit den §§ 704, 705 des Ersten Entwurfs gleichsam nur in zwei Bestimmungen auseinandergezogen worden" sei, habe sich die Erste Kommission doch dafür entschieden, die bloße Schadensverursachung zum Anknüpfungspunkt der deliktsrechtlichen Haftung zu machen. 427 Diese Interpretation ist bereits mehrfach widerlegt worden, wobei gezeigt wurde, daß sich aus den Protokollen der Beratungen der Ersten Kommission unmißverständlich ergibt, daß eine Widerrechtlichkeit der schädigenden Handlung Haftungsvoraussetzung sein sollte. 428 So hatte die Erste Kommission, die sich in den folgenden Sitzun425

Prot. I, S . 9 6 6 J a k o b s / S c h u b e r t , Beratung, SchuldR. III, 1983, S.874f. Prot. I, S . 9 6 6 f . J a k o b s / S c h u b e r t , Beratung, SchuldR. III, 1983, S.875. 427 Vgl. Schmiedel, Deliktsobligationen nach deutschem Kartellrecht, 1974, S.20ff., ebenso Deutsch, AllgHaftungsR., 2. Aufl., 1996, Rz. 55 u. w o h l auch Löwisch, D e r Deliktsschutz relativer Rechte, 1970, S.7 F u ß n . 33, S.59. 428 Vgl. Fraenkel, Tatbestand u n d Zurechnung, 1979, S. 11 Off.; ferner Schwitanski, Deliktsrecht, U n t e r n e h m e n s s c h u t z u n d Arbeitskampfrecht, 1986, S. 112ff., der ähnlich wie Fezer, Teilhabe u n d Verantwortung, 1986, S. 476ff., annimmt, der Erste Entwurf unterscheide sich grundlegend v o m Vorentwurf durch den Versuch, die Voraussetzungen einer deliktsrechtlichen H a f t u n g in drei Kategorien präzise u n d eingrenzend zu umschreiben; dies ist insofern mißverständlich, als die Erste Kommission w o h l nicht die Absicht verfolgte, die Fälle der widerrechtlichen H a n d l u n g in drei Einzeltatbeständen zu normieren, was sich deutlich daran zeigt, daß die Gesetzesverletz u n g als Fall der widerrechtlichen H a n d l u n g in §704 Abs. 1 E I gerade nicht genannt wird u n d die ausdrückliche N e n n u n g der Verletzung des Rechtes eines anderen in § 704 Abs. 2 E I nicht zur Präzisierung der widerrechtlichen H a n d l u n g erfolgte, sondern vielmehr notwendig w u r d e , weil hier nach d e m Willen der Ersten Kommission zur B e g r ü n d u n g des Verschuldens die Vorhersehbarkeit des Schadens ausnahmsweise nicht erforderlich sein sollte, vgl. Prot. I, S.969, Jakobs/ Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S. 876; insoweit zutreffend Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 82ff.; vgl. dazu auch bereits Schmiedel, Deliktsobligationen nach deutschem Kartellrecht, 1974, S.22f., u. Westhoff, Die Entstehung grundlegender Vorschriften des B G B über Voraussetzungen und Inhalt deliktischer H a f t u n g , 1974, S. 46; es ist allerdings entgegen Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 82ff. sehr wohl a n z u n e h m e n , daß die Erste Kommission davon ausging, die widerrechtliche H a n d l u n g umfasse abschließend die Fälle der Gesetzesverletzung, der Rechtsverletzung u n d der von der Ersten Kommission selbst ausdrücklich als widerrechtlichen 426

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

149

gen mit der Frage befaßte, worauf das Verschulden zu beziehen sei, zunächst angenommen, bei den zum Schadensersatz verpflichtenden illoyalen Handlungen müsse der Schaden gewollt bzw. erkennbar gewesen sein.429 Sie korrigierte jedoch diese Entscheidung später zu Gunsten eines Verschuldensbezugs auch in diesen Fällen auf die „objektiv rechtswidrige Handlung" 430 , wobei sie den oben erwähnten, von Schmiedel als Schadensverursachungsverbot interpretierten Be-

Handlung statuierten sittenwidrigen Schadenszufügung. Daß in § 704 Abs. 1 E I das Prinzip der Widerrechtlichkeit, nicht aber die Gesetzesverletzung als möglicher Anwendungsfall genannt wird, ist damit durchaus in Einklang zu bringen. Dies zum einen deshalb, weil die Kommission die Widerrechtlichkeit der Gesetzesverletzung offenbar für selbstverständlich erachtete und damit ohne weiteres von § 704 Abs. 1 E I für erfaßt halten mußte. Die folgende, den Beginn der Beratung des § 1 T E dokumentierende Protokollstelle zeigt dies deutlich, vgl. Prot I, S. 9 6 5 J a k o b s / Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S.874: „Wird mit dem Entwürfe die Widerrechtlichkeit der Handlung für nöthig erachtet, so muß die letztere, damit die Verpflichtung zum Schadensersatze begründet werde, entweder durch eine Rechtsnorm verboten oder es muß durch die Handlung ein von dem Handelnden nach den Vorschriften der Rechtsordnung zu respektierendes Recht des Beschädigten verletzt und hieraus der Schaden erwachsen sein." Zum andern aber auch, weil sie die Reichweite der Haftung für ein weder gesetzeswidriges noch ein subjektives Recht verletzendes Verhalten erklärtermaßen auf den Fall der sittenwidrigen Schädigung begrenzen wollte, vgl. Prot. I, S. 967, Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S. 875, so daß aus ihrer Sicht schon § 705 E I als abschließender Regelung der Widerrechtlichkeit der bloßen Schadensverursachung im Umkehrschluß entnommen werden konnte, daß sich eine Auslegung des § 704 Abs. 1 E I im Sinne einer über die Fälle rechts- oder gesetzeswidrigen Verhaltens hinausreichenden Generalklausel selbstverständlich verbieten mußte. Die Richtigkeit der in den Motiven, vgl. Motive, Bd. 2,1888, S. 725f., zum Ausdruck kommenden und etwa von Rödig, Erfüllung des Tatbestandes des § 823 Abs. 1 B G B durch Schutzgesetzverstoß, 1973, S. 55 Fußn. 133; Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 1986, S. 478; Schmiedel, Deliktsobligationen nach deutschem Kartellrecht, 1974, S. 13f.; Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 112, sowie Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 36 geteilten Ansicht, § 704 Abs. 1 E I sei abweichend von seinem Wortlaut auf die gesetzeswidrigen Handlungen zu beschränken, kann deshalb letztlich dahinstehen. Sie ist entgegen Börgers nicht Voraussetzung für die Richtigkeit der von Börgers bekämpften Einschätzung, schon der Erste Entwurf lasse „die heutige Aufgliederung des Deliktsrechts in die drei Grundtatbestände der Anlage nach erkennen", so Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 116; ähnlich Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 1986, S. 476ff. und Westhoff, Die Entstehung grundlegender Vorschriften des B G B über Voraussetzungen und Inhalt deliktischer Haftung, 1974, S. 46. Daß die Erste Kommission nicht die Absicht verfolgte, die Fälle der Widerrechtlichkeit in Einzeltatbeständen zu normieren, ändert eben nichts daran, daß sie mit ihrem Verständnis der Widerrechtlichkeit die schließlich Gesetz gewordene Aufspaltung in drei Grundtatbestände vorzeichnete; im übrigen ist Börgers auch zu widersprechen, wenn er annimmt, die Erste Kommission habe die Absicht, den Begriff der Widerrechtlichkeit mit der Verbindlichkeit einer „politischen" Entscheidung gesetzlich zu konkretisieren, gar nicht haben können, weil sie sonst ihrer eigenen vorrangigen Entscheidung zugunsten des allgemeinen Prinzips zuwidergehandelt hätte, vgl. Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 86. Sie beruht ebenso wie seine Interpretation des Vorentwurfes auf einem unzutreffenden Verständnis des Verhältnis von allgemeinem Prinzip und Enumeration bestimmter Fälle, siehe dazu bereits Fußn. 413; 429 430

Vgl. Prot. I, S . 9 7 0 J a k o b s / S c h u b e r t , Beratung, SchuldR. III, 1983, S.876. Vgl. Prot. I, S.981 Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S.879.

150

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Schluß, der die sittenwidrige Handlung als möglicherweise haftungsbegründend erfaßte 431 , wie folgt charakterisierte: „Wenn derselbe denjenigen, der vorsätzlich oder fahrlässigerweise den Schaden anstifte, zu dessen E r s a t z verpflichte - anscheinend also Vorsatz oder Fahrlässigkeit für die Schadensanstiftung fordere - so seien d o c h A u s n a h m e n h i n z u g e f ü g t , w o r a u s klar erhelle, daß zur B e g r ü n d u n g der Ersatzpflicht d e m E r f o r d e r n i s s e der Schadensentstehung noch ein zweites Erforderniß hinzutreten müsse, nämlich das der Widerrechtlichkeit der H a n d l u n g , s o daß - auf den wesentlichen Inhalt gesehen - sich d o c h die R e c h t s n o r m ergebe: nur die widerrechtliche H a n d l u n g verpflichte z u m Schadensersatze. D e r in A n s e hung der sogenannten illoyalen H a n d l u n g e n gefaßte Beschluß stehe damit nicht im Widerspruche, s o n d e r n in vollem Einklänge. D i e fraglichen H a n d l u n g e n seien d u r c h jenen Beschluß f ü r widerrechtlich erklärt u n d sei d a d u r c h nur der allgemeine R e c h t s g r u n d s a t z eingeführt: die betreffende H a n d l u n g s w e i s e sei nicht minder verboten, wie die Verletz u n g der absoluten R e c h t e . " 4 3 2

Im weiteren Verlauf der Beratungen entschloß sich die Erste Kommission schließlich zwar doch, das Verschulden, mit Ausnahme des Falles der Verletzung eines subjektiven Rechts, auf den Schaden zu beziehen. Dies geschah jedoch allein aus der Einschätzung heraus, daß es zu „unerträglichen Härten" führe, wenn der widerrechtlich Handelnde auch dann stets unbedingt für den entstehenden Schaden einzustehen habe, wenn dieser weder erkannt noch erkennbar gewesen sei. 433 Auch die Erste Kommission verband mit ihrer Absage an ein Schadensverursachungsverbot, ihr Bekenntnis zum Erfordernis der Widerrechtlichkeit, keine Beschränkung der rechtsverletzenden Handlungen auf unmittelbar einen Verletzungserfolg bedingende Handlungen: Entgegen Fraenkel434 kann den Materialien nicht entnommen werden, daß die Erste Kommission die Tatbestandsmäßigkeit mittelbarer Erfolgsbedingungen verneinte: Auf ein enges Verständnis der tatbestandsmäßigen Rechtsverletzung im Fraenkelschen Sinne scheint allerdings eine Stelle der Protokolle der Ersten K o m mission hinzudeuten, die übrigens bei Fraenkel unerwähnt bleibt. So begründete die Erste Kommission den schließlich allein für den Fall der Verletzung subVgl. die Nachweise in Fußn. 426 u. Fußn. 427. Vgl. Prot. I, S . 9 8 2 J a k o b s / S c h u b e r t , Beratung, SchuldR. III, 1983, S.880. In der Diskussion um den Verschuldensbezug spielte eine große Rolle, daß die Erste Kommission hinsichtlich solcher Schäden, die infolge von Gesetzesverletzungen enstehen, noch keine Einschränkung der Haftung nach dem Schutzzweck der N o r m vornahm, vgl. etwa Prot. I, S. 974, Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S. 877, wo die Befürworter eines Verschuldensbezugs auf den Schaden zitiert werden mit dem Argument, es führe zu unerträglichen Härten, „wenn eine an sich indifferente oder keine Rechtsverletzung enthaltende Handlung verboten oder für rechtswidrig erklärt, gleichwohl begangen und nun in Anlaß derselben ein Schaden entstanden sei, der in einem nicht vorherzusehenden Zufalle sich gründe (z.B. bei Ausführung eines nicht erlaubten Baues verunglücke durch Zufall ein Arbeiter)." 4 3 3 Vgl. Prot. I, S . 9 8 2 J a k o b s / S c h u b e r t , Beratung, SchuldR. III, 1983, S.880. 4 3 4 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 106ff. 431

432

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

Verhalten

151

jektiver Rechte beschlossenen Verzicht auf ein auch den Schaden umfassendes Verschuldenserfordernis 435 damit, daß bei der Verletzung eines subjektivens Rechts in des Geschädigten „Rechtskreis unmittelbar in schuldhafter Weise eingegriffen sei" 4 3 6 . Diese Formulierung könnte man durchaus dahin verstehen wollen, daß § 704 Abs. 2 E I nur die unmittelbare Rechtsverletzung erfaßt habe. Zutreffend hat jedoch bereits Kleindiek437 darauf hingewiesen, daß die Äußerung der Ersten Kommission mehrdeutig ist, deshalb kaum als Beleg für Fraenkels Tatbestandslehre taugt und tatsächlich auch bereits anders interpretiert wurde. Ebenfalls plausibel ist etwa Löwischsiis Auslegung, der annimmt, die Erste Kommission habe jede Beeinträchtigung eines Rechts oder Rechtsguts als unmittelbar gegen dasselbe gerichtet angesehen. Fraenkel räumt im übrigen selbst ein, daß aufgrund der Verweisung in § 704 E I auf den Inhalt der subjektiven Rechte bei den Beratungen „ungeklärt bleiben [konnte und mußte], welche Voraussetzungen im einzelnen an die verschiedenen wegen der Verletzung eines Rechts widerrechtlichen Handlungen zu stellen sind." 4 3 9 Er glaubt jedoch, aus der Ablehnung einer Anknüpfung der Deliktshaftung an ein Schadensverursachungsverbot könne gefolgert werden, daß nur unmittelbar zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung führende Handlungen tatbestandsmäßig sein sollten. Daß sich die Erste Kommission zum Erfordernis einer Rechtsverletzung als Voraussetzung eines Schadensersatzanspruches bekannte, gibt aber keinen Aufschluß darüber, welche Vorstellung sie von der Reichweite der einzelnen Rechte hatte. 440 Fraenkel hat sicherlich Recht, wenn er es für ausgeschlossen hält, daß nach Ansicht der Ersten Kommission jede erfolgsverursachende Handlung eine Rechtsverletzung darstellen sollte. Diese Einschätzung trägt jedoch nicht den Schluß, die Erste Kommission müsse dann wohl Fraenkels Auffassung geteilt und nur die letzte erfolgsbedingende Handlung für tatbestandsmäßig gehalten haben. Auch die von Fraenkel zum Beleg für seine These angeführte sprachliche Differenzierung der Ersten Kommission zwischen Handlungen, die eine Rechtsverletzung enthalten und Handlungen, die eine Rechtsverletzung bzw. einen Schaden nur verursachen 441 , läßt lediglich erkennen, daß die Erste Kommission nicht sämtliche erfolgsverursachenden Handlungen für verboten hielt. Sie legt aber gerade nicht offen, wie die erlaubten

Vgl. den Nachw. in Fußn. 433. Vgl. Prot. I, S . 9 8 6 J a k o b s / S c h u b e r t , Beratung, SchuldR. III, 1983, S.882. 437 Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S.37. 438 Vgl. Löwisch, D e r Deliktsschutz relativer Rechte, 1970, S. 60. 439 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 113. 440 Zutreffend bereits Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S. 112 Fußn. 81, ferner Kleindiek, Deliktshaftung und juristische Person, 1997, S. 36. 441 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 1 1 6 u . Prot. I, S . 9 6 9 J a k o b s / S c h u b e r t , Beratung, SchuldR. III, 1983, S.876. 435

436

152

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Handlungen von den widerrechtlichen Rechts(guts)verletzungen

unterschie-

den werden sollten.442

c) Der Zweite Entwurf und das weitere

Gesetzgebungsverfahren

I m Z w e i t e n E n t w u r f w u r d e e b e n s o w e n i g wie im weiteren Verfahren an der E n t s c h e i d u n g gerüttelt, die w i d e r r e c h t l i c h e H a n d l u n g u n d nicht die Schadensverursachung

bloße

z u m A n k n ü p f u n g s p u n k t der deliktsrechtlichen

Haf-

t u n g z u m a c h e n . A u c h in d i e s e m V e r f a h r e n s s t a d i u m k a m es f e r n e r z u k e i n e m Ausschluß der Tatbestandsmäßigkeit nur mittelbar rechtsverletzender H a n d lungen: N a c h w e l c h e n K r i t e r i e n j e d o c h bei der B e e i n t r ä c h t i g u n g eines

ge-

s c h ü t z t e n R e c h t s die G r e n z e z w i s c h e n e r l a u b t e m u n d v e r b o t e n e m Verhalten gezogen w e r d e n sollte, blieb weiterhin unausgesprochen: D i e m a ß g e b l i c h e n V o r s c h r i f t e n des Z w e i t e n E n t w u r f e s l a u t e n 4 4 3 : § 746: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig ein R e c h t eines anderen widerrechtlich verletzt oder wer gegen ein dem Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt, ist dem anderen zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens verpflichtet." § 7 4 9 : „Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet." E r s t im Z w e i t e n E n t w u r f findet sich also die schließlich G e s e t z g e w o r d e n e ausdrückliche

Aufgliederung

der

widerrechtlichen

Handlung

in

die

drei

G r u n d t a t b e s t ä n d e der R e c h t s v e r l e t z u n g , der G e s e t z e s v e r l e t z u n g u n d der sitt e n w i d r i g e n Schädigung, die n u n allerdings vorsätzlich sein m u ß . 4 4 4 V o m E r s t e n E n t w u r f unterscheidet sich der Zweite außerdem dadurch, daß auch beim G e setzesverstoß kein B e z u g des Verschuldens auf den S c h a d e n gefordert wird, w o b e i j e d o c h n u r d e r j e n i g e e r s a t z b e r e c h t i g t s e i n s o l l , d e s s e n I n t e r e s s e n d u r c h das verletzte Gesetz geschützt werden sollen.445 4 4 2 Auf die sonstigen Stellen in den Protokollen, die nach Ansicht Fraenkels, vgl. Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 113 ff., gegen die Annahme sprechen, die Erste Kommission habe jede erfolgsverursachende Handlung für verboten gehalten, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Selbst wenn sie von Fraenkel zutreffend interpretiert wurden, vermögen sie den Gegenschluß einer Tatbestandsmäßigkeit nur der unmittelbaren Verursachung nicht zu rechtfertigen. 4 4 3 Vgl. dazu Mugdan, Prot. II/2, 1899, SA072H.; Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, S. 894ff., siehe dort, S. 898ff., auch zum weiteren Verfahren, das keine hier interessierenden Veränderungen mehr mit sich brachte. 4 4 4 Nur mit knapper Mehrheit wurde ein Antrag abgelehnt, statt der beiden Absätze des § 704 E I den Grundsatz zu normieren: „Wer einem anderen widerrechtlich Schaden zufügt, sei es aus Vorsatz, sei es aus Fahrlässigkeit, ist ihm zum Ersätze verpflichtet." vgl. Mugdan, Prot. 11/2,1899, S. 1073. Mag bei der Diskussion dieses Antrags auch die Frage nach der Anspruchsberechtigung nur mittelbar geschädigter Personen im Vordergrund gestanden haben, so spricht seine Ablehnung doch gegen die These von Börgers, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts, 1993, S. 91 ff., der Zweite Entwurf habe keine verbindliche Entscheidung über die Arten rechtswidriger Handlungen treffen wollen; dagegen bereits Foerste, AcP 194 (1994), 519f. 4 4 5 Vgl. zu diesen Änderungen etwa Schwitanski, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht, 1986, S.117ff., Fezer, Teilhabe und Verantwortung, 1986, S.482.

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

Verhalten

153

Entgegen Fraenkel kommt jedoch auch im Zweiten Entwurf keine Beschränkung der widerrechtlichen Rechtsverletzung auf nur unmittelbar einen rechtsbeeinträchtigenden Erfolg verursachende Handlungen zum Ausdruck. Wenn Fraenkel argumentiert, nach der von der Zweiten Kommission widerspruchslos akzeptierten und als §§ 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 840 Abs. 1 in das B G B übernommenen Regelung des §714 S. 1 E I kenne das B G B nur das bewußte Mitwirken an einer rechtswidrigen Handlung als den einzigen Fall, in dem mehreren Personen ihr jeweils widerrechtliches Verhalten gegenseitig haftungsbegründend zugerechnet werde, während im übrigen die von einem anderen begangene unerlaubte Handlung einem Dritten nur zugerechnet werden könne, wenn dieser selbst zusätzlich eine haftungsbegründende andere widerrechtliche Handlung begangen habe 4 4 6 , so läßt sich daraus für die Tatbestandsmäßigkeit von mittelbar kausalen Handlungen gar nichts folgern. Denn soweit die mittelbare Verursachung - unter welchen Voraussetzungen auch immer - als tatbestandsmäßig anerkannt wird, haftet der Handelnde selbstverständlich für seine eigene - dann widerrechtliche - Handlung, so daß im Verhältnis zu einem unmittelbaren Verursacher genau die Voraussetzungen der Nebentäterschaft vorliegen, wie Fraenkel sie umschreibt: Gegeben ist „der selbständige, von dem früheren, gleichzeitigen oder späteren Handeln des jeweils anderen unabhängige Verstoß gegen eine Rechtspflicht" 4 4 7 . Schließlich überzeugt es auch nicht, wenn Fraenkel seine Deutung der Gesetzgebungsgeschichte durch §831 B G B bestätigt sieht. 448 Daß hier in einem Spezialtatbestand besondere Auswahl- und Leitungspflichten des Geschäftsherrn statuiert sind, rechtfertigt nicht die Annahme einer Sperrwirkung in dem Sinne, daß mittelbar erfolgsbedingende Handlungen vom Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B bzw. seiner Vorläufer ausgeschlossen werden sollten. Die §§831 ff. B G B mögen belegen, daß die Gesetzesverfasser die Fortentwicklung des Deliktsrechts, wie sie mittlerweile erfolgt ist, noch nicht im Blick hatten. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Erfassung auch mittelbarer Erfolgsbedingungen durch die Verkehrspflichtenlehre über eine zulässige Ausgestaltung des gesetzlichen Rahmens hinausgeht. 449

Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 123. Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 123, wobei Fraenkel dort in Fußn. 251 bezeichnenderweise einräumt, selbst bei Auslegung des § 823 Abs. 1 B G B als Kausierungsverbot verbleibe für die § § 8 3 0 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 B G B noch ein Anwendungsbereich. 4 4 8 Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 123f., wobei Fraenkel insoweit zu folgen ist, als er betont, die Haftung des Geschäftsherren sei von der Zweiten Kommission nicht an die bloße Schadensverursachung geknüpft worden. 4 4 9 Vgl. gegen die ähnliche, vor allem auf § 836 B G B gestützte Argumentation von Bars oben I.3.b. 446 447

154

5.

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Ergebnis

D e r Gesetzgeber hat sich zwar gegen ein Schadensverursachungsverbot und für das Erfordernis der Widerrechtlichkeit entschieden, so daß Fraenkel

zuge-

stimmt werden kann, soweit er das aus § 8 2 3 A b s . 1 B G B erwachsende Auslegungsproblem wie folgt umschreibt: „Es müssen diejenigen Handlungen bestimmt werden, die widerrechtlich sind, weil sie im Widerspruch zum Inhalt der nach §823 Abs. 1 B G B geschützten Rechtsgüter und subjektiven Rechte stehen." 4 5 0 Welche aber von all den etwa einen eigentumsbeeinträchtigenden E r f o l g herbeiführenden Handlungen im Widerspruch z u m Inhalt des Eigentums stehen, dazu schweigt das Gesetz, genauso wie es weitgehend im D u n k e l n läßt, in welc h e m U m f a n g Unterlassungen als widerrechtlich eingeordnet werden müssen. § 823 Abs. 1 B G B nennt lediglich die geschützten R e c h t e und Rechtsgüter sowie das Erfordernis der Widerrechtlichkeit. W o genau die G r e n z e n zwischen Eigentumsrechts und Handlungsfreiheit verlaufen, bleibt dagegen offen. D i e L e h r e Fraenkels,

die zu grob unbilligen Ergebnissen führt, weil sie alle mittelbaren

Verursachungsbeiträge gleich behandelt und darüber hinaus eine differenzierende B e w e r t u n g der unmittelbaren Erfolgsbedingungen ausschließt, gibt also keineswegs das legislative K o n z e p t des § 8 2 3 Abs. 1 B G B wieder. D a m i t steht fest, daß die herrschende Verkehrspflichtenlehre sich sehr w o h l innerhalb der v o m G e s e t z g e b e r vorgegebenen G r e n z e n des § 823 A b s . 1 B G B bewegt und zwar auch, soweit sie es erlaubt, an die rechtmäßige Gefahrschaffung Pflichten zur Gefahrsteuerung anzuknüpfen. D i e Verkehrspflichtenlehre ist keine Rechtsfortbildung contra

legem, sondern zulässige Rechtsanwendung.

In Ausfüllung des mit § 8 2 3 A b s . 1 B G B nur grob abgesteckten R a h m e n s dient sie einem gerechten Ausgleich zwischen dem Bestandsschutzinteresse

des

Rechtsträgers und der Handlungsfreiheit Dritter. Folglich würde auch die A n n a h m e einer Warnpflicht des Herstellers z u m Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache die G r e n z e n des § 823 A b s . 1 B G B nicht grundsätzlich überschreiten. Zu klären bleibt damit die Frage, o b nach dem System der Verkehrspflichten, so wie es R e c h t s p r e c h u n g und R e c h t s lehre in den vergangenen J a h r z e h n t e n zur Ausfüllung der Generalklausel der Eigentumsverletzung in § 823 Abs. 1 B G B ausgebildet haben, folgerichtig eine Verkehrspflicht des Herstellers bejaht werden m u ß , v o r der sachinternen A u s breitung von K o n s t r u k t i o n s - oder Fabrikationsfehlern zu warnen.

450

Vgl. Fraenkel, Tatbestand und Zurechnung, 1979, S. 126.

Die unterlassene Warnung ah unerlaubtes Verhalten

155

E. Die Begründung einer Pflicht zur Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung parallel zur sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers E s wurde bereits h e r v o r g e h o b e n 4 5 1 , daß die B e s t i m m u n g der konkreten Reichweite von Verkehrspflichten als Wertentscheidung über eine b l o ß e S u b sumtion unter klar konturierte Tatbestandsmerkmale hinausgeht und daß dies auch für die Behandlung der Weiterfresser-Fälle bedeutsam ist. D i e maßgebliche Frage, o b - und w e n n ja: in welchem U m f a n g - den Hersteller Verkehrspflichten treffen, das Weiterfressen, die Verschlechterung der fehlerhaften Sache durch eine die Inverkehrgabe begleitende Warnung zu verhindern, kann nur aus dem K o n t e x t der R e i c h w e i t e der Herstellerpflichten jenseits der WeiterfresserFälle beantwortet werden. Inwieweit v o m Hersteller ein Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache gefordert werden kann, hängt entscheidend von dem M a ß an Verantwortung ab, das man dem P r o d u z e n t e n im übrigen auferlegt. G e prüft werden m u ß deshalb, wie weit die W a r n - und Hinweispflichten des H e r stellers jenseits der Weiterfresser-Fälle reichen, o b die betreffenden Fallgruppen parallel liegen zu den Fällen der Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen und o b sich daraus folgerichtig auch Warnpflichten des Herstellers z u m Schutze des E i gentums an der fehlerhaften Sache ableiten lassen. D a b e i ist insbesondere zu berücksichtigen, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache zwar die G e f a h r eines Weiterfressens des Fehlers (mit)verursachen, diese H a n d l u n gen gleichzeitig aber notwendige Voraussetzung des Eigentumserwerbs an der fehlerhaften Sache und deshalb hinsichtlich dieses Eigentums nicht rechtswidrig sind.

I. Vergleichbarkeit der sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers hinsichtlich der Inverkehrgabe als gefahrschaffender Handlung W i e in allen anderen Fallgruppen der deliktsrechtlichen Herstellerhaftung setzt der P r o d u z e n t auch in den Weiterfresser-Fällen mit der Inverkehrgabe des Produktes eine Bedingung dafür, daß dieses P r o d u k t Rechtsgüter des E r w e r bers beeinträchtigen kann, wobei die Weiterfresser-Konstellationen sich dadurch auszeichnen, daß beeinträchtigtes Rechtsgut das E i g e n t u m am P r o d u k t selbst ist. D e r Hersteller hat also auch hier die G e f a h r (mit)geschaffen. H ä t t e der P r o d u z e n t die fehlerhafte Sache nicht in Verkehr gebracht, dann hätte der A b nehmer daran kein E i g e n t u m erwerben k ö n n e n und es hätte folglich dieses E i gentum nicht durch die spätere sachinterne Fehlerausbreitung beeinträchtigt werden k ö n n e n .

451

Siehe oben B.IV.

156

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

A u c h wenn die Gefahrschaffung regelmäßig herangezogen wird, u m eine Verantwortung für die G e f a h r e n a b w e h r zu rechtfertigen, so ist doch fraglich, o b dies auch in den Weiterfresser-Fällen gelten kann. Weil hier die Inverkehrgabe notwendige Bedingung ist für den E r w e r b des Eigentums an der fehlerhaften Sache, erscheint zweifelhaft, o b sie mit der gefahrschaffenden Inverkehrgabe vergleichbar ist, wie sie jenseits der Weiterfresser-Fälle maßgebliche Voraussetzung ist für die Entstehung v o n Instruktionspflichten. D i e s e Vergleichbarkeit soll im folgenden geprüft werden. Bei einer Betrachtung der Instruktionshaftung des Herstellers unter diesem Blickwinkel, unter dem Blickwinkel der Q u a lität der gefahrschaffenden H a n d l u n g also, an die eine Hinweispflicht des H e r stellers geknüpft werden soll, lassen sich in der R e c h t s p r e c h u n g im wesentlichen die folgenden vier Fallgruppen einer Instruktionshaftung des Herstellers unterscheiden.

1. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter zur Warnung bei Inverkehrgabe

dienende

Pflicht

Bereits o b e n wurde dargelegt, daß R e c h t s p r e c h u n g und Rechtslehre den H e r steller für verpflichtet halten, bei Inverkehrbringen eines einwandfreien P r o duktes z u m Schutz sonstiger Rechtsgüter über die gefahrlose Verwendung zu informieren, wenn das dafür notwendige Wissen bei einem D u r c h s c h n i t t s b e nutzer nicht vorausgesetzt werden kann. 4 5 2 B e i V e r s t o ß gegen diese Pflicht spricht man v o n einem Instruktionsfehler. D i e Instruktionspflicht wird in ihrer Reichweite je nach dem voraussichtlichen Benutzerkreis des Produktes abgestuft und soll im R a h m e n des Z u m u t b a r e n auch die Warnung vor einem naheliegenden Fehlgebrauch umfassen. 4 5 3 Weil der Hersteller nur über Gefahren informieren kann, die er kennt, soll er ferner verpflichtet sein, das P r o d u k t ausreichenden Sicherheitsprüfungen zu unterziehen. Lediglich hinsichtlich solcher Gefahren, v o n denen er auf zumutbare Weise keine Kenntnis erlangen kann, soll die Warnpflicht entfallen. 4 5 4 Diese z u m Schutz sonstiger Rechtsgüter eingreifende Pflicht des Herstellers, bei Inverkehrgabe vor Verwendungsgefahren zu warnen, läßt sich nicht ohne weiteres auf die Weiterfresser-Fälle übertragen. A u c h wenn man dem Hersteller in diesen „klassischen" Fällen der Instruktionshaftung vorwirft, daß er den P r o 452 Vgl. die Nachweise in Fußn. 313; ferner aus der Lit. statt aller Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §24 Rz.l76ff. 453 Vgl. etwa BGH VersR 1972, 1075 (Estil); BGH VersR 1981, 957 (Sniffing); BGH NJW 1992; 96 (Kindertee I); BGH NJW 1992, 2016 (Silokipper); BGH NJW 1999, 2815 (Reißwolf); Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §24 Rz.231ff. 454 Produkthaftungshandbuch 1/Foerste, §24 Rz. 198 bezeichnet die Pflicht zur Untersuchung des Produktes auf Gefahren wegen ihrer Eigenschaft als Voraussetzung einer entsprechenden Instruktion als „Vorpflicht".

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

157

dukterwerber nur unzureichend informiert hat, so verdeckt doch eine isolierte Betrachtung dieser Pflichtverletzung als Unterlassung ihre Nähe zu den anderen beiden „klassischen" Fallgruppen der Produzentenhaftung, die sich dadurch auszeichnen, daß eine erkennbar unzureichend konstruierte oder fehlerhaft fabrizierte Sache in Verkehr gebracht wird und zu Schäden an sonstigen Rechtsgütern führt. Hier wie dort ist tragender Gesichtspunkt für die Annahme einer Verkehrspflichtverletzung, daß der Hersteller mit der Inverkehrgabe des Produktes nicht hinnehmbare und durch entsprechende Konstruktion, Fabrikation bzw. Instruktion vermeidbare Gefahren für sonstige Rechtsgüter geschaffen hat. Entsprechend werden die Pflichten des Herstellers, Konstruktions-, Fabrikations- und Instruktionsfehler zu vermeiden, nicht selten zusammenfassend umschrieben als einheitliche Pflicht des Herstellers, ein Produkt nur fehlerfrei auf den Markt zu bringen.455 So betrachtet läßt sich die unterlassene Warnung vor Gefahren, die sonstigen Rechtsgütern aus einer bestimmten Produktverwendung drohen, als Modalität der Inverkehrgabe des fehlerfrei konstruierten und fabrizierten Produktes begreifen. Wie in den Fällen, in denen ein Konstruktions- oder Fabrikationsfehler Schäden an anderen Rechtsgütern bewirkt hat, könnte man auch hier den gegen den Hersteller erhobenen Vorwurf dahin formulieren, daß er sein Produkt nicht so hätte in Verkehr bringen dürfen, wie er es getan hat. Damit erscheint nicht isoliert die unterlassene Warnung als Verkehrspflichtverletzung, sondern die Inverkehrgabe der Sache ohne entsprechende Warnung. Die Handlungsanweisung an den Hersteller lautet: Du sollst das gefahrenträchtige Produkt entweder gar nicht auf den Markt bringen oder mit einer ausreichenden Warnung versehen. Auf diese Weise wird deutlich, wodurch sich die „klassischen" Fälle der Instruktionshaftung des Produzenten wesentlich von den Weiterfresser-Fällen unterscheiden. Für diese ist - wie bereits vielfach betont - charakteristisch, daß die Inverkehrgabe des Produktes gerade keine rechtswidrige Verkehrspflichtverletzung darstellt, eben weil sie conditio sine qua non ist für den Erwerb des Eigentums am Produkt, um dessen Bewahrung es geht. Will man dennoch zum Schutze des Eigentums am Produkt selbst eine Warnpflicht bejahen, so kann die Handlungsanweisung an den Hersteller nicht lauten: Bringe das Produkt nur unter Warnung in den Verkehr oder gar nicht, sondern lediglich: Warne! Nimmt man also in den Weiterfresser-Fällen eine Verkehrspflicht zur Warnung an, so erscheint die unterlassene Warnung nicht als Modalität einer Gefahrschaffung, die gerade durch die unterlassene Warnung unzulässig wird. Vielmehr wird die Warnpflicht an eine erlaubte Gefahrschaffung geknüpft. 455 Vgl. nur Soergel/Zeuner, § 823 Rz. 176; Michalski, BB 1998,961; siehe auch G. Hager, AcP 184 (1984), 424, der die Verkehrspflicht des Herstellers wie folgt charakterisiert: „Diese gebietet im Fall der Herstellung eines umweltgefährdenden Produktes, das Produkt entweder nicht in den Verkehr zu bringen oder aber den gefährlichen Mangel vorher zu beseitigen."

158

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Scheitert somit eine Vergleichbarkeit der „klassischen" Instruktionshaftung des Produzenten mit den Weiterfresser-Fällen daran, daß bei diesen die Warnpflicht durch eine Handlung ausgelöst würde, die auch bei Unterbleiben der Warnung als verkehrsgerecht anzusehen ist, so muß nun geklärt werden, ob jenseits der Weiterfresser-Konstellationen Fallgruppen existieren, in denen Warnpflichten bejaht werden, obwohl in der Inverkehrgabe des Produktes selbst kein Pflichtenverstoß des Herstellers liegt. 2. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter nachträglichen

dienende

Warnung vor erst nachträglich

Pflicht zur

erkennbaren

Gefahren

Nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG scheidet eine Haftung aus, wenn der Konstruktions-, Fabrikations- oder Instruktionsfehler nach dem Stand von Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. Für die Produzentenhaftung nach B G B gilt dies so uneingeschränkt nicht. Auch nach § 823 Abs. 1 B G B vermag zwar das bloße Inverkehrbringen einer mit einem solchen Entwicklungsfehler behafteten Sache nach allgemeiner Ansicht keine Haftung des Herstellers auszulösen. 456 Wo eine Gefahr gar nicht steuerbar war, muß ein haftungsauslösender Verstoß gegen eine als Gefahrsteuerungsgebot verstandene Verkehrspflicht folgerichtig ausscheiden. Obwohl dem Hersteller also das Inverkehrbringen einer mit einem Entwicklungsfehler behafteten Sache nicht nach § 823 Abs. 1 B G B vorwerfbar ist, bejahen Rechtsprechung 457 und herrschende Lehre 458 gleichwohl Produktbeobachtungs- und Reaktionspflichten, deren

4 5 6 Siehe B G H VersR 1969, 155 (159) (Hühnerpest) und aus der Literatur statt aller MünchKomm./Mertens, §823 Rz.288; Soergel/Zeuner, §823 Rz.177. 4 5 7 Siehe B G H VersR 1981, 636 (Benomyl); B G H VersR 1981, 639 (Derosal); B G H VersR 1987,312 (Honda); B G H VersR 1989,1307 (Pferdebox); B G H N J W 1994,517 (Gewindeschneidemittel I); B G H N J W 1994, 3349 (Atemüberwachungsgerät); B G H N J W - R R 1995, 343 (Gewindeschneidemittel II) u. bereits RGZ 163,21 (26) (Bremsen I), wo ein Kfz in Verkehr gebracht worden war, welches mit einer konstruktionsfehlerhaften Bremse ausgestattet war: „Aber auch dann, wenn er" - gemeint ist hier der Hersteller oder der Verkäufer - „von einem Fehler dieser Art, den das Fahrzeug zur Zeit des Inverkehrbringens gehabt hat, nachträglich erfährt, ist er verpflichtet, der dadurch von ihm gesetzten Gefahr nach Kräften zu steuern. Wer, wenn auch vielleicht unwissend, eine Gefahr für den allgemeinen Verkehr gesetzt hat, muß, sobald er die Gefahr erkennt, alles tun, was ihm den Umständen nach zugemutet werden kann, um sie abzuwenden." 4 5 8 Vgl. Schmidt-Salzer, B B 1972,1435 u. ders., B B 1981,1041; Graf von Westphalen, B B 1971, 156; Löwe, D A R 1978,290; G. Hager, AcP 184 (1984), 424; Mayer, D B 1985,324; Sack, B B 1985, 815; Herrmann, B B 1985, 1804f.; J. Hager, VersR 1984, 799ff. u. Staud./J. Hager, §823 Rz. F 20ff.; Schwenzer, J Z 1987,1061; Ulmer, Z H R 152 (1988), 570; Kullmann, BB 1 9 8 7 , 1 9 5 7 ; R e m i k ke/Tiedtke, N J W 1986,14; Brüggemeier, Z H R 152 (1988), 520; Birkmann, D A R 1990,125; Pieper, B B 1991,987; Rettenheck, Die Rückrufpflicht in der Produkthaftung, 1992, S. 33 ff.; Dietrich, Produktbeobachtungspflicht, 1994, S.21ff.; Grote, VersR 1994,1269; Kunz, B B 1994, 450f.; Michalski, BB 1998,964; Produkthaftungshandbuch VFoerste, §24 Rz.242ff.; MünchKommJMer-

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

159

Verletzung dazu führen soll, daß der Hersteller auch für Schäden haftet, die infolge eines Entwicklungsfehlers an anderen Rechtsgütern entstehen. Danach ist der Produzent zunächst verpflichtet, seine Produkte auf etwaige Gefahren hin zu beobachten und sich über die Verwendungsfolgen zu informieren, wobei er die organisatorischen Vorkehrungen dafür zu treffen hat, daß in seinem Unternehmen die Entwicklung von Wissenschaft und Technik laufend verfolgt wird. Auf Gefahren, die er bei ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Produktbeobachtungspflicht kennen müßte, hat er angemessen zu reagieren. Dabei ist - wie bereits dargelegt 459 - die Reichweite der Reaktionspflichten des Herstellers, insbesondere die Frage einer Pflicht zum Produktrückruf gegen Erstattung des Kaufpreises, Reparatur oder Lieferung einer intakten Ersatzsache streitig. Weil jedoch in den Weiterfresser-Fällen ohnehin keine solche Rückrufpflicht in Betracht kommt 4 6 0 , sondern lediglich eine Pflicht zur Warnung des Erwerbers vor der sachinternen Ausbreitung des Fehlers, kann die Frage einer bei Entwicklungsfehlern zum Schutz sonstiger Rechtsgüter eingreifenden Rückrufpflicht dahinstehen. Im vorliegenden Zusammenhang interessiert alleine die Frage der Warnpflichten. Eine Pflicht zur Warnung, die hinsichtlich Inhalt, Umfang und Zeitpunkt vom jeweils gefährdeten Rechtsgut und vor allem von der Intensität der Gefahr abhängig sein soll 461 , wird aber sowohl von der Rechtsprechung 462 als auch von der ganz herrschenden Lehre bejaht 463 und hier selbst von denjenigen, die einer Rückrufpflicht bei Entwicklungsfehlern zurückhaltend gegenüberstehen oder sie sogar ablehnen. 464 Anders als dann, wenn schon bei Inverkehrgabe des Produktes eine Instruktionspflicht besteht, kann man die unterlassene Warnung hier nicht als Modalität der Inverkehrgabe betrachten, welche diese zum Pflichtverstoß macht. Die tens, §823 Rz.289; Erman/Schiemann,% 823 Rz. 119; Esser/Weyers, SchuldR. II/2, §55a II 1; Soergel/Zeuner, §823 Rz. 177. 459 Siehe oben A.I. 460 Vgl. dazu oben C.III.3. 461 Ausgeführt in BGH VersR 1981, 639 (641) (Derosal). 462 Siehe BGH VersR 1981, 636 (Benomyl); BGH VersR 1981, 639 (Derosal); BGH VersR 1987, 312 (Honda); BGH NJW 1994, 517 (Gewindeschneidemittel I); BGH NJW 1994, 3349 (Atemüberwachungsgerät); BGH NJW-RR 1995, 343 (Gewindeschneidemittel II). 463 Vgl. Birkmann, DAR 1990,125; Brüggemeier, ZHR 152 (1988), 520; Dietrich, Produktbeobachtungspflicht, 1994, S.170ff.; Grote, VersR 1994, 1269; /. Hager, VersR 1984, 799ff. u. Staud./J. Hager, §823 Rz. F 20ff.; Herrmann, BB 1985,1804f.; Kullmann, BB 1987,1957; Kunz, BB 1994, 450f.; Löwe, DAR 1978, 290; Münch Komm. /Mertens, §823 Rz.289; Michalski, BB 1998, 964; Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 14; Sack, BB 1985, 815; Erman/Schiemann, §823 Rz. 119; Schmidt-Salzer, BB 1972,1435, u. ders., BB 1981, 1041; Graf von Westphalen, BB 1971, 156; Esser/Weyers, SchuldR. II/2, § 55a II 1; Soergel/Zeuner, § 823 Rz.177. 464 Vgl. Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §24 Rz.242, 261; Schwenzer, JZ 1987,1061; G. Hager, AcP 184 (1984), 424; Mayer, DB 1985, 324; Ulmer, ZHR 152 (1988), 570 u. Rettenbeck, Die Rückrufpflicht in der Produkthaftung, 1992, S. 34f.; Pieper, BB 1991, 987; siehe auch bereits Fußn. 267.

160

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

später unterlassene Warnung vermag nichts mehr daran zu ändern, daß der Hersteller im Zeitpunkt des Inverkehrbringens den Produktfehler nicht erkennen konnte und deshalb nicht verkehrspflichtwidrig handelte. Die Warnpflicht knüpft also hier, genauso wie dies bei Annahme einer Warnpflicht in den Weiterfresser-Konstellationen der Fall wäre, an eine Gefährdung an, die dem Hersteller nicht vorgeworfen werden kann. Ein Unterschied zwischen beiden Fallgruppen besteht allerdings darin, daß bei Entwicklungsfehlern die Inverkehrgabe des konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaften Produktes bzw. die ohne ausreichende Warnung erfolgte Inverkehrgabe des fehlerfreien Produktes, vom gefährdeten Rechtsgut her betrachtet, zwar nicht ex ante, aber doch wenigstens ex post als unerwünscht erscheint. Hätte man damals schon gewußt, daß das Produkt an einem Konstruktions- oder Fabrikationsfehler litt bzw. nur bei ausreichender Instruktion gefahrlos verwendbar war, so hätte die Inverkehrgabe bzw. die Inverkehrgabe ohne entsprechende Information über die Verwendungsgefahren eine unerlaubte Handlung dargestellt. 465 Dagegen erscheint die Inverkehrgabe der mit dem Weiterfresser-Mangel behafteten Sache, vom Schutz des Erwerbereigentums her betrachtet, auch ex post als uneingeschränkt wünschenswert, weil ohne diese Inverkehrgabe Eigentum an der fehlerhaften Sache gar nicht hätte erworben werden können. Die Ausgangshandlung des Inverkehrbringens, an welche die Verkehrspflicht als Warnpflicht geknüpft wird, hat also, obwohl in beiden Fallkonstellationen dem Hersteller nicht vorwerfbar, jeweils eine andere Qualität. Dieser Unterschied zwischen beiden Fallgruppen kommt etwa in Folgendem zum Ausdruck: Würde man sich entgegen herrschender Lehre und Rechtsprechung (auch) bei nur mittelbar rechts(guts)beeinträchtigenden Handlungen grundsätzlich der Erfolgsunrechtslehre anschließen und dementsprechend die Verkehrspflichten als Verschuldensvoraussetzungen qualifizieren 466 , so könnte man die Inverkehrgabe des entwicklungsfehlerhaften Produktes, wenn auch für unverschuldet, so doch für rechtswidrig halten. 467 Dagegen wäre in den Weiterfresser-Fällen eine solche Einordnung auch bei prinzipieller Anerkennung der Erfolgsunrechtslehre ausgeschlossen. Weil die Inverkehrgabe notwendige Voraussetzung des Eigentumserwerbs ist, kann sie nicht um dessen Schutz Willen verboten sein. 465 In diesem Sinne etwa J. Hager, VersR 1984,801, wenn er annimmt, bei der Pflicht des Herstellers, die Produktentwicklung im Auge zu behalten, handle es sich um eine „Fortsetzung der Pflicht, das Produkt ordnungsgemäß zu konstruieren, zu fabrizieren und den Verbraucher hinreichend zu instruieren"; in diesem Sinne wohl auch Pieper, BB 1991,987, wenn er von einem „ex post-Mangel" spricht. 466 Vgl. zum Meinungsstand oben B.II. 467 So wohl Palandt/Thomas, §823 Rz.209, wenn er annimmt, bei Entwicklungsfehlern entfalle das Verschulden des Herstellers.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

161

Die von Rechtsprechung und herrschender Lehre in Bezug auf Entwicklungsfehler angenommenen Produktbeobachtungs- und Reaktionspflichten lassen sich damit als gewisser Ausgleich interpretieren für die expost wegen der Gefährdung sonstiger Rechtsgüter zu bejahende Mißbilligung der Inverkehrgabe. Weil dies in den Weiterfresser-Fällen nicht möglich ist, erscheint eine Ubertragbarkeit der bei nachträglich erkennbaren Entwicklungsfehlern angenommenen Warnpflicht zumindest fraglich.

3. Die dem Schutze sonstiger Rechtsgüter dienende Pflicht zur nachträglichen Warnung vor erst nachträglich entstandenen Gefahren Die Rechtsprechung nimmt jedoch, ohne daß gerade dieser Umstand auf Kritik gestoßen wäre, Produktbeobachtungs- und Warnpflichten bei erst nachträglich zu Tage tretenden Fehlern selbst dann an, wenn die Inverkehrgabe des Produktes trotz späterer Gefährdung sonstiger Rechtsgüter auch ex post als billigenswert erscheint. Produktbeobachtungs- und Reaktionspflichten sollen nicht nur vor Gefahren schützen, die bereits bei Inverkehrgabe drohen, jedoch erst nachträglich erkennbar werden. Die Rechtsprechung hat Verkehrspflichten des Herstellers vielmehr auch hinsichtlich nachträglich erst entstehender Produktrisiken bejaht.468 So ging der VI. Senat des BGH in den beiden Apfelschorf-Entscheidungen davon aus, daß der Hersteller von Spritzmitteln gegen Apfelschorf vor einer nachträglich entstandenen Gefahr der Resistenzbildung hätte warnen müssen, wenn sie rechtzeitig vor der in Frage stehenden Spritzperiode nach den damaligen Erkenntnissen von Wissenschaft und Praxis vorhersehbar gewesen wäre.469 Und in der Honda-Entscheidung bejahte der VI. Senat eine Pflicht des Produzenten zur Warnung vor der drohenden Instabilität der hergestellten Motorräder bei höheren Geschwindigkeiten, die sich aus der Anbringung einer Lenkerverkleidung ergab, die erst nach Inverkehrgabe der verunglückten Maschine entwickelt wurde.470 Das Inverkehrbringen des künftig gefährlich werdenden Motorrades ohne entsprechende Warnung erscheint aber vom Interesse der später gefährdeten Rechtsgüter her betrachtet, insbesondere des Lebens und der Gesundheit der Fahrer, selbst expost nur dann als unerwünscht, wenn trotz der erst nachträgli468 In der Literatur finden die nach Inverkehrgabe erst entstehenden Gefahren bei der Erörterung der Produktbeobachtungs- und Reaktionspflichten meist keine besondere Erwähnung, vgl. aber etwa Produkthaftungshandbuch l/Foerste, §24 Rz.242, der ausdrücklich die Fallgruppe nennt: „Das ausgegebene Produkt wird durch Hinzutreten neuer Umstände, z.B. wegen Unverträglichkeit mit einem später entwickelten Arzneimittel, gefährlich." 469 Siehe BGH VersR 1981, 636 (638) (Benomyl) u. BGH VersR 1981, 639 (640f.) (Derosal), wobei der BGH jedoch jeweils das Vorliegen dieser Voraussetzungen der Warnpflicht verneinte. 470 Siehe BGH VersR 1987, 312.

162

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

chen Entstehung der Gefahr die zu diesem Zeitpunkt möglichen Gefahrsteuerungsmaßnahmen nicht mehr ausgereicht hätten, Unfälle zuverlässig zu vermeiden. Sofern dies dagegen der Fall gewesen sein sollte, ist die ohne Warnung vor der künftigen Gefahr erfolgte Inverkehrgabe auch rückblickend uneingeschränkt als billigenswert anzusehen. An einer wenigstens expost sich ergebenden Unerwünschtheit der Inverkehrgabe fehlt es jedenfalls in den Apfelschorf-Fällen. So hat der B G H im DerosalUrteil ausdrücklich betont, daß eine verfrühte Warnung vor der später eintretenden Resistenzgefahr der Apfelschorf-Erreger gegen das systemische Fungizid Derosal die Verbraucher hätte verunsichern können und sie möglicherweise dazu veranlaßt hätte, völlig auf den Einsatz der systemischen Fungizide zu verzichten und nur noch die herkömmlichen Kontaktfungizide einzusetzen, mit der möglichen Folge, daß eine Resistenz der Apfelschorferreger gegen diese herkömmlichen Spritzmittel beschleunigt worden wäre. 471 Damit hat der B G H klar zum Ausdruck gebracht, daß die Inverkehrgabe von Derosal ohne entsprechende Warnung auch rückblickend und auch mit Rücksicht auf die später durch die Resistenzbildung drohenden Schäden vom gefährdeten Schutzgut, dem Eigentum an den Obstplantagen her betrachtet, uneingeschränkt wünschenswert war. Daß der Hersteller das Spritzmittel ohne Warnung vor der Resistenzbildung auf den Markt gebracht hat, erscheint auch bei Berücksichtigung des Wissensstandes der expost-Betrachtung nicht als Verkehrspflichtverletzung hinsichtlich der später bedrohten Rechtsgüter. Bemerkenswerterweise ließ der B G H in der Derosal-Entscheidung eine spätere Pflicht des Herstellers zur Warnung nicht daran scheitern, daß die Inverkehrgabe selbst aus der ex posi-Betrachtung billigenswert war und daß an eine solche, nicht einmal aus der ex prwi-Bctrachtung kritikwürdige Inverkehrgabe keine Verkehrspflicht geknüpft werden dürfte. Vielmehr stellte er lediglich darauf ab, daß die Erkennbarkeit einer unmittelbar bevorstehenden Resistenz und damit ein hinreichender Anlaß zur Warnung nicht erwiesen sei. 472 Der Hersteller soll also auch dann, wenn die Inverkehrgabe selbst rückblickend hinsichtlich des später gefährdeten Rechtsgutes nicht pflichtwidrig erscheint, zur Produktbeobachtung und Warnung vor erkennbaren Gefahren verpflichtet sein. Die Inverkehrgabe des Produktes als gefahrverursachendes Verhalten soll auch in einem solchen Fall geeignet sein, Verkehrspflichten und damit eine besondere Verantwortlichkeit des Herstellers für die Gefahrabwendung zu begründen. Die Fallgruppe der nachträglich entstehenden Produktgefahren weist damit, soweit wie im Derosal-Fall die später auftretende Gefahr an der Beurteilung der Inverkehrgabe nichts ändert, eine große Ähnlichkeit mit den Weiterfresser-Fällen auf. Hier wie dort ist die Inverkehrgabe des Produktes zwar kausal für die 471 472

Siehe B G H VersR 1981, 639 (641). Siehe B G H VersR 1981, 639 (642).

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

163

drohende Gefahr, es ist aber - weil die Inverkehrgabe nicht einmal rückblickend als objektiv pflichtwidrig, nämlich dem Interesse am Schutz des in Frage stehenden Rechtgutes zuwiderlaufendes Verhalten erscheint - jeweils ausgeschlossen, in einer daran anknüpfenden Warnpflicht eine Art Ausgleich für die Erlaubnis zu diesem gefahrbringenden Verhalten zu sehen. Wenn aber für die Begründung von Produktbeobachtungs- und Reaktionspflichten bei nachträglich entstehenden Produktgefahren an die Inverkehrgabe keine weitergehenden Anforderungen gestellt werden, als daß diese (mit)ursächlich geworden sein muß für die in Frage stehenden Gefahren und dies - wie im Derosal-Fall angenommen - auch bei bloßen Sachgefahren gelten soll, dann ist nicht ersichtlich, warum eine Verantwortlichkeit des Herstellers für die Weiterfresser-Gefahr daran scheitern sollte, daß die Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache als notwendige Bedingung des Eigentumserwerbs an der fehlerhaften Sache keine Pflichtwidrigkeit hinsichtlich dieses Eigentums darstellt. Die Qualität der Inverkehrgabe des Spritzmittels im Derosal-Fall als zwar selbst nicht pflichtwidrige, aber möglicherweise dennoch Warnpflichten auslösende Handlung erscheint also durchaus vergleichbar mit der Inverkehrgabe des fehlerhaften Produktes in den Weiterfresser-Fällen.

4. Die Silokipper-Entscheidung als Beispiel für die dem Schutze des Eigentums am Produkt selbst dienende Pflicht zur Warnung hei Inverkehrgabe Daß eine Pflicht des Herstellers zur Warnung vor Produktgefahren im aktuell praktizierten System der Verkehrspflichten nicht zur Voraussetzung hat, daß die Inverkehrgabe des Produktes wenigstens ex post pflichtwidrig erscheint, diese These findet sich bestätigt durch die Silokipper-Entscheidung des VI. Senats des BGH 473 . Auch hier war die Inverkehrgabe des Produktes, vom in Frage stehenden Rechtsgut, dem Eigentum des Käufers her betrachtet, nicht einmal rückblickend zu mißbilligen. Anders als die Derosal-Entscheidung liegt dieses Urteil aber sogar insofern parallel zu den Weiterfresser-Fällen, als es dabei ebenfalls um eine Beschädigung des Produktes selbst ging. Die Inverkehrgabe des später beschädigten Silokippers war also wie in den Weiterfresser-Fällen gerade Voraussetzung dafür, daß der Geschädigte Eigentum an diesem Silokipper erwerben konnte. Der Silokipper-Entscheidung 474 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der für den Erwerber eines intakten Sattelaufliegers mit Silokipper tätige Fahrer kippte den bereits teilweise beladenen Silobehälter beim Beladen zu stark an. Dabei brach die vierte Zylinderstufe der Fronthebepresse, so daß der Silobehälter auf 473 474

Siehe BGH NJW 1992, 2016. Siehe BGH NJW 1992, 2016.

164

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

das Fahrgestell des Aufliegers fiel und dieses beschädigte, ebenso wie Teile der Sattelzugmaschine, die mit dem Anhänger verbunden war. Der B G H bejahte in seinem Urteil ausdrücklich die Möglichkeit deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche wegen Schäden an einem einwandfreien Produkt, die infolge unzureichender Instruktion durch den Hersteller entstehen. Was die Voraussetzungen und den Umfang der Instruktionspflichten des Herstellers hinsichtlich des Eigentums am Produkt selbst, hier des Silokippers, anbelangt, so machte der B G H keinerlei Andeutungen, daß er sie anders bestimmen wollte als die Reichweite der zum Schutze sonstiger Rechtsgüter eingreifenden Informations- und Warnpflichten. Im konkreten Fall verneinte der B G H in Übereinstimmung mit seiner bisherigen, den Schutz sonstiger Rechtsgüter betreffenden Instruktions-Rechtsprechung 475 die Verletzung einer Warnpflicht, weil die Silokipper nur von Fachpersonal bedient wurden und ein Fachmann nach Ansicht des B G H den Bedienungshinweisen zum Entleerungsvorgang entnehmen konnte, daß auch beim Beladen des Silos die Fronthebepresse nicht weiter als bis zur zweiten Stufe ausgefahren werden durfte. Obwohl also das Inverkehrbringen des Silokippers notwendige Voraussetzung des Eigentumserwerbs durch den Käufer war und deshalb hinsichtlich dessen Eigentum am Silokipper nicht pflichtwidrig sein konnte, hielt es der B G H für möglich, an dieses Verhalten Instruktionspflichten des Herstellers zu knüpfen, die dem Schutze des Käufereigentums am Silokipper dienen sollten.

5. Die Angemessenheit des Verzichtes auf eine rechtswidrige Vorhandlung bei der sonstigen Instruktionshaftung Wenn die Rechtsprechung die wenigstens nachträgliche Mißbilligung der Inverkehrgabe des gefährlichen Produktes nicht zur Voraussetzung für die Entstehung von Warn- und Hinweispflichten des Produzenten macht, sondern sogar eine Inverkehrgabe als Anknüpfungspunkt genügen läßt, die conditio sine qua non für den Erwerb des in Frage stehenden Rechtsgutes war, so ist damit noch nicht gesagt, daß diese Ansicht zu billigen ist. Allerdings fand selbst die Silokipper-Entscheidung in der Literatur Zustimmung und zwar erstaunlicherweise auch bei erklärten Gegnern der Weiterfresser-Rechtsprechung 476 . Soweit ersichtlich sind keine Stimmen dagegen laut geworden, daß die Instruktionspflicht hier an die Inverkehrgabe der Sache geknüpft wird, ohne die der Käufer das später als verletzt in Frage stehende Eigentum an eben dieser Sache gar nicht

Siehe B G H VersR 1986, 653 (Überrollbügel); B G H VersR 1987, 102 (Zinkspray). Vgl. Tiedtke, ZIP 1992, 1450ff., u. Reimcke/Tiedtke, KaufR., Rz.820; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.27; Soergel/Zeuner, vor §823 Rz. 50; zustimmend ferner Pfister, EWiR 1992,777f.; Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 115; als unproblematisch wird die Haftung in diesem Fall auch bezeichnet von Geigel/Schlegelmilch, Haftpflichtprozeß, Kap. 14, Rz.283. 475 476

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

165

hätte erwerben können. Dies läßt eine doch breite Akzeptanz der Rechtsprechung vermuten. Meines Erachtens ist diese Akzeptanz berechtigt. Im Widerstreit von Handlungsfreiheit und Rechtsgüterschutz dient der Verzicht auf eine Mißbilligung der gefahrenträchtigen Handlung als Voraussetzung von Verkehrspflichten einem gerechten Ausgleich. Es ist unübersehbar, daß eine Vielzahl von Handlungen zwar sozial erwünscht sind, jedoch Gefahren nach sich ziehen, die, von den bedrohten Rechtsgütern her betrachtet, eine gewisse Steuerung durch den Handelnden angebracht erscheinen lassen. Dies gilt im übrigen nicht nur für den Bereich der Warn- und Hinweispflichten. Zur Illustration sei nur erinnert an zwei bereits in anderem Zusammenhang erwähnte Beispiele aus dem Alltag 477 : Wenn jemand seinen Herd einschaltet oder sich ein Bad einlaufen läßt, so stellt dies auch im Hinblick auf mögliche künftige Brände bzw. Überschwemmungen regelmäßig keine mißbilligenswerte Handlung dar, weil die drohende Gefahr durch nachträgliches Ausschalten des Herdes bzw. Zudrehen des Wasserhahns problemlos gebannt werden kann. Selbst wenn es dessen ungeachtet tatsächlich einmal zum Brand oder zur Überschwemmung kommt, so erscheint mißbilligenswert doch allein die unterlassene Gefahrsteuerung. Wo eine solche Steuerung dem Handelnden möglich und zumutbar ist, da ist nicht ersichtlich, warum es eine unangemessene Beschneidung der Handlungsfreiheit darstellen soll, sie ihm zur Pflicht zu machen. Es ist hier vielmehr angemessen, in der bloßen Gefahrverursachung die maßgebliche Rechtfertigung für eine besondere Verantwortung des Handelnden zu sehen. Denn auch wenn - um zu den Fällen der Instruktionshaftung zurückzukehren - gegen die Inverkehrgabe von Derosal und Benomyl oder von Silokippern nicht das Geringste einzuwenden ist, so ändert dies doch nichts daran, daß der Hersteller als Gefahrenverursacher der Gefahr, daß Obstbauern auf einen rechtzeitigen Einsatz anderer Mittel verzichten oder Silokipper falsch befüllt werden, näher steht als ein beliebiger Dritter.

6.

Ergebnis

Festzuhalten ist also: Nach dem aktuell praktizierten und insoweit billigenswerten System der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung muß die Inverkehrgabe des Produktes als gefahrschaffende Handlung, an die Verkehrspflichten zur Gefahrabwendung geknüpft werden, nicht so beschaffen sein, daß sie, vom Schutz des in Frage stehenden Rechts(guts) her betrachtet, wenigstens ex post als unerwünscht erscheint. Eine Mißbilligung von Herstellung und Vertrieb der Sache in ihrer konkreten Beschaffenheit ist nicht Voraussetzung der Verkehrspflicht des Herstellers, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu warnen vor drohenden, nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik er477

S i e h e D.III.2.C).

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

166

Sache

kennbaren Gefahren, mit denen der D u r c h s c h n i t t s b e n u t z e r nicht rechnet. I n s o fern steht also der Bejahung einer - in Voraussetzungen und U m f a n g allerdings n o c h näher zu bestimmenden - Warnpflicht des P r o d u z e n t e n in den Weiterfresser-Fällen nichts im Wege und es m u ß eine solche Verkehrspflicht innerhalb des herrschenden Systems der Produzentenhaftung sogar als folgerichtig bezeichnet werden. Wenn der Hersteller vor G e f a h r e n warnen m u ß , die sich aus dem fehlerfreien P r o d u k t für das E i g e n t u m an diesem P r o d u k t ergeben, w a r u m soll dann im H i n b l i c k auf die fehlerhaft hergestellte Sache etwas anderes gelten? W a r u m soll nicht auch hier der P r o d u z e n t die voraussichtlichen E i g e n t ü m e r mit den Instruktionen versehen müssen, die diese für den Erhalt der Sachsubstanz benötigen? N a c h d e m sich also in den Weiterfresser-Fällen aus der Eigenart der Inverkehrgabe als Voraussetzung des E r w e r b s der fehlerhaften Sache im Verhältnis zu den sonstigen Fallgruppen einer W a r n - und Hinweispflicht des Herstellers keine besondere Behandlung ableiten läßt, soll nun geprüft werden, o b E n t s p r e chendes auch gilt hinsichtlich der sonstigen, neben der Gefahrschaffung für maßgeblich erachteten G r ü n d e für die Entstehung v o n Verkehrspflichten des Herstellers.

II. Vergleichbarkeit der sonstigen Instruktionshaftung des Herstellers hinsichtlich anderer Verkehrspflichten rechtfertigender Umstände E s wurde bereits o b e n ausgeführt, daß die Schaffung, E r h ö h u n g oder U n t e r haltung einer G e f a h r zwar den wichtigsten A n k n ü p f u n g s p u n k t für die E n t s t e hung von Verkehrspflichten darstellt, daneben j e d o c h auch anderen E r w ä g u n gen Bedeutung beigemessen wird, w o b e i diese sonstigen Kriterien im einzelnen unterschiedlich gewichtet und systematisiert werden. 4 7 8

1. Hinsichtlich der meisten zur Begründung herangezogenen Umstände bestehen keine

von Verkehrspflichten Unterschiede

Hinsichtlich der meisten zur Begründung v o n Verkehrspflichten herangezogenen Gesichtspunkte ist nicht ersichtlich, inwiefern ihnen bei drohender Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen eine andere Bedeutung beigemessen werden k ö n n t e als in den sonstigen Fallgruppen der Produzentenhaftung. Dies gilt zunächst für das Kriterium der Herrschaftsmacht über den Bereich, dem die G e f a h r entstammt und die daraus resultierende M ö g l i c h k e i t des H e r stellers zu überlegener Gefahrsteuerung. F ü r die potentielle und aktuelle Kenntnis des Herstellers v o n der Beschaffenheit seines Produktes spielt es keine R o l l e , o b sich aus dieser Beschaffenheit Gefahren allein für den Bestand des 478

Vgl. die Nachweise oben in Fußn. 297.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

16 7

Produktes selbst oder auch für sonstige Rechtsgüter des Abnehmers ergeben. Daß es nicht in die Verantwortung jedes einzelnen Produkterwerbers gestellt sein soll, sich - gegebenenfalls unter Hinzuziehung geeigneter Fachliteratur oder gar der Konsultation von Fachleuten - über verborgene Gefahren des Produktes zu informieren, sondern man vom Produzenten verlangt, sich im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren über die Beschaffenheit seiner Erzeugnisse Kenntnis zu verschaffen, läßt sich in den Weiterfresser-Fällen genauso rechtfertigen wie in Fällen, in denen sonstige Rechtsgüter Schaden zu nehmen drohen. Hier wie dort liegen Organisation und Überwachung des Herstellungsprozesses in den Händen des Herstellers. Genausowenig wie es sinnvoll oder auch nur praktikabel erscheint, daß etwa Käufer von Kfz ihre Neuerwerbung erst einmal auseinandernehmen und untersuchen, ob sich aus deren Zustand Gefahren für Leib und Leben ergeben, sowenig gilt dies hinsichtlich der drohenden Beschädigung oder Zerstörung der Fahrzeuge selbst. Weil es im Hightech-Zeitalter wohl die Ausnahme darstellt, daß die Beschaffenheit eines Gutes für den Erwerber ohne weiteres erkennbar ist, deshalb erscheint hier wie dort der Hersteller als derjenige, der sich am zuverlässigsten über die Produktqualität Klarheit verschaffen kann und der deshalb regelmäßig wie kein anderer in der Lage sein wird, etwaige Gefahren durch Warnungen und Hinweise zu minimieren. Auch was den Gedanken einer besonderen Verantwortung desjenigen anbelangt, der aus der Gefahrenschaffung Vorteile zieht, ergeben sich in den Weiterfresser-Fällen keine Besonderheiten. Ob dieser Erwägung im Bereich der Produzentenhaftung überhaupt Gewicht beigemessen werden sollte, erscheint allerdings zweifelhaft. Denn es ist zwar sicherlich richtig, daß der Hersteller regelmäßig aus der Produktion und Inverkehrgabe seiner Erzeugnisse Profit erwirtschaftet. Die Inverkehrgabe gereicht jedoch auch dem Produkterwerber zum Vorteil, der sein - aus welchen Gründen auch immer resultierendes - Nachfragebedürfnis zu stillen vermag. 479 Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre der Herstellervorteil, aus dem eine besondere Verantwortung für das Eigentum der Abnehmer abgeleitet würde, in den Weiterfresser-Fällen kein anderer als in sonstigen Fällen der Schadensträchtigkeit in Verkehr gebrachter Produkte. Entsprechendes gilt schließlich für das Vertrauen des Verkehrs auf Gefahrabwendung. Auch insofern kann dahinstehen, welches Gewicht man diesem Gesichtspunkt einräumen möchte, eine Frage, die nicht zuletzt deshalb schwer zu beantworten ist, weil sich das Vertrauen bestimmter Verkehrskreise kaum einmal völlig isoliert von den konkreten Umständen bilden wird und zu diesen Umständen auch das jeweils geltende Haftungsregime zählt. Die Verkehrserwartung, daß Produkte bestimmte Qualitäts- und Sicherheitsstandards aufwei475 So zu Recht etwa Diederichsen, NJW 1978,1281, der aber dennoch daran festhält, daß nach dem Nutzen-Nachteil-Prinzip das Produkterisiko eher dem Produzenten zuzuweisen sei.

168

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

sen und daß der Hersteller auf drohende Gefahren hinweist, mag je nach Schadenswahrscheinlichkeit und zu befürchtendem Schadensausmaß unterschiedlich hoch sein. Bedenkt man aber, daß selten feststehen wird, daß ein Produktfehler ausschließlich das Produkt selbst gefährdet, so kann man wohl kaum einen strukturellen Unterschied ausmachen zwischen dem Vertrauen der Produktbenutzer auf das Ausbleiben einer Schädigung sonstiger Rechtsgüter und der Erwartung, es werde nicht zu einer Substanzbeeinträchtigung der erworbenen Sache selbst kommen.

2. Die derzeitige Versicherungssituation rechtfertigt keine Ablehnung von Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache N a c h herrschender Ansicht wird von der Deckung einer Betriebshaftpflichtversicherung auch dann, wenn sie nach dem Produkthaftpflicht-Modell 4 8 0 abgeschlossen wird, derjenige Schaden nicht erfaßt, der aus der bloßen Selbstzerstörung oder -beschädigung des fehlerhaften Produktes entsteht, ohne daß dieses vom Abnehmer weiterverarbeitet wurde 4 8 1 oder Personen bzw. andere Sachen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Gemäß § 1 Ziff. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung ( A H B ) 4 8 2 wird zwar Versicherungsschutz grundsätzlich auch für den Fall gewährt, daß der Versicherungsnehmer wegen eines Schadensereignisses, das „die Beschädigung oder Vernichtung von Sachen (Sachschaden) zur Folge hatte, für diese Folgen auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts von einem Dritten auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird". N a c h der Ausschlußklausel des § 4 Ziff. II 5 A H B , die nach Ziff. 6.2.3 des Produkthaftpflicht-Modells auch dort gilt, sind jedoch von der Deckung ausgenommen: „ H a f t p f l i c h t a n s p r ü c h e w e g e n Schäden, die an den v o m Versicherungsnehmer (oder in seinem A u f t r a g e o d e r für seine R e c h n u n g v o n Dritten) hergestellten oder gelieferten A r 4 8 0 Vgl. zur Entwicklung des Produkthaftpflicht-Modells, das seit 1973 eine Erweiterung des traditionellen Deckungsumfangs der AHB-Betriebshaftpflicht ermöglicht, Schmidt-Salzer, Produkthaftung, IV/1, Rz.7.148ff. 4 8 1 Dagegen sind in den Versicherungsschutz nach dem Produkthaftpflicht-Modell bestimmte Verbindungs-, Vermischungs- und Verarbeitungsschäden (Ziff. 4.2), Weiterver- oder -bearbeitungsschäden (Ziff. 4.3), Aus- und Einbaukosten (Ziff. 4.4) sowie (fakultativ) Schäden durch mangelhafte Maschinen (Ziff. 4.5) einbezogen. 4 8 2 Bei den A H B handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die von der Versicherungswirtschaft entwickelt wurden und Haftpflichtversicherungsverträgen zugrundegelegt werden, sofern die Parteien nicht ausnahmsweise Abweichendes vereinbaren. Ihre Genehmigungsbedürftigkeit durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen ist im Zuge der E G Harmonisierung entfallen, vgl./. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, 1996, S. 36 Fußn. 137 m. w. Nachw.

Die unterlassene

Warnung ah unerlaubtes

Verhalten

169

beiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung liegenden Ursache entstehen und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden." 4 8 3 D e r Z w e c k d e r A u s s c h l u ß k l a u s e l w i r d d a r i n g e s e h e n , die e i g e n t l i c h e U n t e r n e h m e r l e i s t u n g v o m V e r s i c h e r u n g s s c h u t z a u s z u n e h m e n u n d d e m B e r e i c h des unversicherbaren Unternehmerrisikos zuzuweisen. Die ordnungsgemäße

Er-

b r i n g u n g seiner eigentlichen g e w e r b l i c h e n L e i s t u n g soll Sache des V e r s i c h e rungsnehmers bleiben.484 N u r e i n i g e w e n i g e A u t o r e n g e h e n d a v o n a u s , d e r B e g r i f f „ S a c h e " in § 4 Z i f f . I I 5 A H B k ö n n e so ausgelegt w e r d e n , d a ß d a v o n n u r das fehlerhafte E i n z e l t e i l erf a ß t w i r d , n i c h t a b e r d a s G e s a m t p r o d u k t , d a s s i c h d u r c h A u s b r e i t u n g des F e h lers s e l b s t z e r s t ö r t o d e r b e s c h ä d i g t . 4 8 5 D a m i t w ü r d e d e r P r o d u z e n t w e n i g s t e n s i n d e n j e n i g e n F ä l l e n e i n e r S e l b s t z e r s t ö r u n g o d e r - b e s c h ä d i g u n g des f e h l e r h a f t e n P r o d u k t e s V e r s i c h e r u n g s s c h u t z g e n i e ß e n , in d e n e n s i c h das f e h l e r h a f t e T e i l i n n e r h a l b d e r G e s a m t s a c h e a b g r e n z e n l ä ß t . D e m g e g e n ü b e r h ä l t die h e r r s c h e n d e A n s i c h t den W o r t l a u t des § 4 Ziff. 115 A H B für eindeutig. E i n e gedankliche Z e r l e g u n g d e r S a c h e sei n i c h t v o r g e s e h e n u n d a u ß e r d e m g e k ü n s t e l t . B e i b l o ß e r Selbstzerstörung oder -beschädigung einer v o m Versicherungsnehmer p r o d u zierten fehlerhaften Sache bestehe folglich kein Versicherungsschutz.486 4 8 3 § 4 Ziff. II 5 A H B ist ebenso wie § 4 Ziff. I 6 lit. a und b A H B in Reaktion auf die zum Ausschlußtatbestand des §4 Ziff. I 6 lit. b A H B ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, der zufolge nur unmittelbare Sachschäden vom Ausschluß erfaßt waren, nicht aber daraus resultierende Folgeschäden, vgl. B G H N J W 1984, 370 (371); B G H VersR 1998, 228 (229) und B G H VersR 1999, 748 (749), ergänzt worden. Die Deckung ist nun auch hinsichtlich ,,alle[r] sich daraus ergebende[r] Vermögensschäden" ausgeschlossen. 4 8 4 Vgl. statt vieler Schmidt-Salzer/Thürmann, Produkthaftung, III/1, Rz. 8.171, wo auch die Nähe zur Ausschlußklausel des § 4 Ziff. 16 lit. b a.E. A H B betont wird, die lautet: „Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllungsleistung tretende Ersatzleistung ist nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung, auch dann nicht, wenn es sich um gesetzliche Ansprüche handelt, desgleichen nicht der Anspruch aus der gesetzlichen Gefahrtragung (für zufälligen Untergang und zufällige Verschlechterung)". Nach dieser Klausel käme ein Deckungsausschluß bei Haftung gegenüber dem Erwerber einer fehlerhaften Sache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigt oder zerstört, von vorneherein allenfalls dann in Betracht, wenn eine vertragliche Beziehung zwischen Hersteller und Erwerber existiert. Denn nur in diesem Fall bestehen Erfüllungspflichten, vgl. Schmidt-Salzer/Thürmann, Produkthaftung, IV/1, Rz. 8.168. Aber selbst dann, wenn eine vertragliche Beziehung zwischen Hersteller und Eigentümer existiert, stellt eine bei fehlerbedingter Selbstbeschädigung oder -Zerstörung des Produktes eingreifende Haftung aus § 823 Abs. 1 B G B kein Einstehenmüssen für das vertragliche Erfüllungsinteresse dar, da auch nach der „Stoffgleichheits"-Formel der Rechtsprechung der vertragliche Mangelunwert als Abweichung der tatsächlichen Ist- von der vertraglichen Soll-Beschaffenheit davon gerade nicht erfaßt wird. Die Ausschlußklausel des §4 Ziff. I 6 lit. b a.E. A H B kann folglich keinesfalls zur Anwendung kommen, so zutreffend Produkthaftungshandbuch I / G r a f von Westphalen, §58 Rz.41 gegen Schmidt-Salzer/Thürmann, Produkthaftung, IV/1, Rz. 8.244 u. Späte, Haftpflichtversicherung, 1993, §4 Rz.264. 4 8 5 Vgl. Produkthaftungshandbuch I / G r a f von Westphalen, §58 Rz.37ff.; für vertretbar hält eine solche Auslegung auch Littbarski, FS Korbion, 1986, S. 281 f. 4 8 6 Vgl. Löwe, BB 1978, 1497; Vogt, VersR 1979, 897; Nickel, VersR 1989, 879; Grote, VersR 1995, 513;/. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungs-

170

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Es fragt sich, ob sich aus dieser versicherungsrechtlichen Sonderstellung der Weiterfresser-Fälle ein Einwand gegen die Annahme einer deliktsrechtlichen Warnpflicht zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt herleiten läßt. Man könnte argumentieren wollen, daß insofern eben doch ein Unterschied zwischen dem Eigentum am fehlerhaften Produkt und sonstigem Eigentum bestehe und daraus folgern, daß es mit Rücksicht auf diesen Unterschied nicht angehe, den Hersteller parallel zu sonstigen Fallgruppen der Instruktionshaftung im Interesse des Eigentums am fehlerhaften Produkt zur Warnung vor Produktfehlern zu verpflichten. Tatsächlich ist vereinzelt unter Verweis auf die bestehende Versicherungslücke die Forderung erhoben worden, die bisherige Rechtsprechung in den Weiterfresser-Fällen aufzugeben. 4 8 7 Die Überlegung, dem Eigentum am fehlerhaften Produkt mit Rücksicht auf die derzeitige Deckungslücke in der Haftpflichtversicherung deliktsrechtlichen Schutz zu versagen, vermag jedoch nicht zu überzeugen. Vielmehr erscheint umgekehrt zweifelhaft, ob es wirklich sinnvoll ist, die Haftung wegen Verletzung des Eigentums am fehlerhaften Produkt selbst weiterhin von der Deckung auszuschließen: Mittlerweile ist weitgehend anerkannt, daß der Begriff des U n ternehmerrisikos wegen seiner Unbestimmtheit und uneinheitlichen Interpretation kaum geeignet ist zur Abgrenzung des versicherbaren Risikos. 4 8 8 Dieser Frage kann hier nicht im einzelnen nachgegangen werden. Es soll vielmehr der Hinweis genügen, daß keine Rechtfertigung ersichtlich ist, warum die unterlassene Warnung, die im Hinblick auf das Eigentum am Produkt selbst verkehrspflichtwidrig ist, eher dem unversicherbaren Unternehmerrisiko, der ordnungsgemäßen Erbringung der gewerblichen Leistung zuzuordnen sein sollte als etwa die Inverkehrgabe fehlerhafter Produkte, die wegen der Gefährdung sonstigen Eigentums unerlaubt ist und die Haftung aus §823 A b s . l BGB begründet. 4 8 9 Wenn die letztgenannte Verkehrspflichtverletzung vom Versicherungsschutz erfaßt wird, dann sollte dies für die erstgenannte ebenso gelten. recht, 1996, S.79ff.; Lang, Zur Haftung des Warenlieferanten, 1981, S.197f.; Schmidt-Salzer/ Thürmann, Produkthaftung, IV/1, Rz. 8.215ff., allerdings mit der Einschränkung (Rz. 8.185) ein Versicherungsschutz sei dann nicht völlig ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer Zulieferer sei. Werde er nach der Selbstzerstörung oder -beschädigung des Endproduktes aus § 823 Abs. 1 BGB inAnspruch genommen, dann greife §4 Ziff. II 5 AHB nur hinsichtlich der Schäden am Zulieferprodukt, nicht aber hinsichtlich der Schäden an der Restsache ein; ohne klare Position dagegen Späte, Haftpflichtversicherung, 1993, §4 Rz.265. 487 So J. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, 1996, S. 116. 488 So auch der BGH, vgl. BGH NJW 1966, 1073 (1074f.); vgl. zur Diskussion um die Versicherbarkeit des Unternehmerrisikos die ausführliche Ubersicht beiJ. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, 1996, S. 39ff. 489 Vgl. bereits Nickel/Teufl, VersR 1991,1231 f., die das Risiko einer Haftung wegen Selbstbeschädigung oder -Zerstörung des fehlerhaften Produktes ebenfalls für vergleichbar halten mit anderen vom Versicherungsschutz umfaßten Risiken und die deshalb von einer ,,strukturelle[n] Identität mit heute schon gedeckten Sachverhalten" sprechen.

Die unterlassene

Warnung ais unerlaubtes

Verhalten

171

Hier wie dort geht es um ein Fehlverhalten im Kernbereich dessen, was die H e r stellertätigkeit ausmacht: Herstellung und Inverkehrgabe von Produkten entsprechend der Verkehrserwartung. U n d hier wie dort handelt es sich um die B e einträchtigung absolut geschützter fremder Rechtsgüter und daraus erwachsende Schäden. Wenn der eine Fall jenseits des unversicherbaren Unternehmerrisikos liegt, dann ist kein Grund ersichtlich, warum dies im andern Fall anders zu beurteilen sein sollte. Wenn demgegenüber eingewendet wird, der Versicherbarkeit des Risikos der Selbstbeschädigung des Produktes stehe entgegen, daß sie geeignet sei, den Produzenten zur Senkung seiner Qualitätsstandards zu veranlassen 490 , so vermag auch dies einen isolierten Ausschluß gerade dieses Risikos aus der Versicherung kaum zu rechtfertigen. D e n n mit demselben Argument könnte man sich gegen eine Versicherbarkeit von fehlerbedingten Schäden an sonstigen Rechtsgütern wenden. In Bezug auf die Weiterfresser-Fällen spricht also mehr dafür, daß sich die Haftpflichtversicherung nach der Haftung richten sollte als umgekehrt die Haftung nach der Versicherung. 491 492 Weil das Eigentum an der fehlerhaft hergestellten Sache kein Eigentum zweiter Klasse darstellt, sondern genauso schutzwürdig ist wie das Eigentum an sonstigen Sachen, darf die Anerkennung von Verkehrspflichten zu seinem Schutz nicht von der Entscheidung der Versicherer und potentiellen Versicherungsnehmer abhängen, diesen Schutz in den B e dingungen der Haftpflichtversicherung nachzuvollziehen oder nicht. Ein Ver-

490 So ]. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, 1996, S 102; auch dessen weitere Argumente gegen eine Versicherung des Weiterfresser-Risikos (S.105ff.) überzeugen kaum: Anders als bei Schädigung sonstiger Rechtsgüter sei in den Fällen der bloßen Selbstbeschädigung des fehlerhaften Produktes der Eintritt des Schadensfalles allein vom Versicherungsnehmer abhängig und stehe der Umfang des möglichen Schadens von vornherein der Höhe nach fest. Tatsächlich hängt auch die bloß sachinterne Fehlerausbreitung in den meisten Fällen davon ab, ob und wie der Erwerber das Produkt benutzt. Wie die Beeinträchtigung sonstiger Rechtsgüter kann sie zu Vermögensfolgeschäden führen, die im voraus kaum absehbar waren. 491 Daß sich - jedenfalls grundsätzlich - die Haftpflichtversicherung an der Haftung auszurichten habe, nicht aber umgekehrt die Haftung an der Versicherung, ist wohl noch immer herrschende Ansicht, vgl. Prölss/Martin/Voit, § 149 W G Rz. 39ff. mit einer Ubersicht über Ausnahmen in der Rechtsprechung; dagegen aber etwa von Bar, AcP 181 (1981), 289ff., 311 ff., 324ff.; vgl. auch J. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, 1996, S.32ff. m. w. Nachw. 492 Zur Herstellung von Kongruenz zwischen deliktsrechtlicher Haftung - so wie sie seit dem Schwimmerschalter-Urteil von der Rechtsprechung bejaht wird - und Versicherungsschutz haben Nickel/Teufl eine sogenannte Sachmängelergänzungsdeckung vorgeschlagen, welche die Deckung abweichend von §4 Ziff. II 5 A H B erweitert, vgl. Nickel/Teufl, VersR 1991, 1228ff. Grote, VersR 1995, 513, berichtet immerhin von einem in Deutschland aktiven Industrieversicherer, der eine entsprechende Deckung -allerdings mit hohen Selbstbehalten und entsprechend angepaßter Prämie - anbiete.

172

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

zieht auf einen deliktsrechtlichen Schutz des Eigentums am fehlerhaften Produkt ist aus der Versicherungslücke nicht ableitbar.

3. Das ProdHaftG hindert nicht die Annahme von Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache Nach § 1 Abs. 1 S. 1 P r o d H a f t G ist der Hersteller verpflichtet, dem Geschädigten den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, daß durch den Fehler eines Produktes eine Sache beschädigt wird. Gem. § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 P r o d H a f t G gilt dies im Falle der Sachbeschädigung jedoch nur, wenn „eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird". Mit dem P r o d H a f t G vom 15. Dezember 1989, das am 1. Januar 1990 in Kraft getreten ist, wurde die EG-Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte vom 25. Juli 198 5 4 9 3 umgesetzt. Die in § 1 A b s . l S.2 Hs. 1 P r o d H a f t G festgelegte Beschränkung der Ersatzpflicht auf Fälle, in denen „eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird" entspricht Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 der EG-Produkthaftungs-Richtlinie. D a nach umfaßt der Begriff des Schadens im Sinne des Art. 1 der Richtlinie „die B e schädigung oder Zerstörung einer anderen Sache als des fehlerhaften Produktes". Vereinzelt ist behauptet worden, aus § 1 Abs. 1 S.2 P r o d H a f t G folge, daß bei bloßer Selbstbeschädigung oder -Zerstörung eines fehlerhaften Produktes die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches nach § 8 2 3 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung künftig zu verneinen sei. So hat Diederichsen™ geltend gemacht, daß sich diese Rechtsprechung mit Inkrafttreten des P r o d H a f t G , welches seiner Ansicht nach gegenüber der gewohnheitsrechtlichen Produzentenhaftung eine teilweise derogierende lex specialis darstellt, „nur unter Desavouierung [...] des aktualisierten eindeutigen rechtspolitischen Willens des Gesetzgebers aufrechterhalten" ließe. § 1 Abs. 1 S . 2 P r o d H a f t G enthalte in Umsetzung von Art. 9 S. 1 lit. b Produkthaftungs-Richtlinie die eindeutige und auch im Rahmen der deliktsrechtlichen Haftung nach B G B zu berücksichtigende Wertung, daß die Fälle der Selbstbeschädigung fehlerhafter Produkte von der Ersatzpflicht ausgenommen sein sollten. Diederichsen stützt sich dabei auf die Begründung zum Entwurf des P r o d H a f t G . Darin wird die Beschränkung der E r satzpflicht in § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 P r o d H a f t G - E n t w u r f mit der Überlegung gerechtfertigt, daß „Schäden am Produkt selbst [...] durch die Spezialregelungen

Vgl. ABl. E G vom 7.8. 1985, Nr. L 210, S.29ff. Vgl. Diederichsen, Probleme der Produzentenhaftung, 1988, S.27, 30f.; ihm folgt Esser/ Weyers, SchuldR. II, 7. Aufl., 1991, §55 V 4 b, zurückhaltender jedoch Esser/Weyers, SchuldR. II/2, 8. Aufl., 2000, §55 III 2. 493 4,4

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

Verhalten

173

der Gewährleistung insbesondere des Kauf- und Werkvertragsrechts zufriedenstellend reguliert" würden. 4 9 5 Andere Autoren gehen zwar nicht davon aus, daß das ProdHaftG als lex specialis ganz oder teilweise Vorrang vor §823 Abs. 1 B G B beanspruche. Dennoch meinen sie, sein Erlaß sollte zum Anlaß genommen werden, bei bloßer Selbstbeschädigung des Produktes, Ansprüche aus § 823 Abs. 1 B G B künftig zu verweigern. 496 Damit ist also die Frage aufgeworfen, welche Konsequenzen sich aus dem Inkrafttreten des ProdHaftG und insbesondere aus §1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 ProdHaftG für die Anwendung des § 823 Abs. 1 B G B bei bloßer Selbstbeschädigung oder -Zerstörung fehlerhaft hergestellter Sachen ergeben. Wie durch die erwähnten Stellungnahmen bereits angedeutet, kann diese Frage sowohl auf der Konkurrenzebene als auch auf der im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Ebene der tatbestandlichen Anspruchsvoraussetzungen gestellt werden. Selbst wenn man einen vollständigen oder teilweisen Vorrang des ProdHaftG verneint, bleibt denkbar, daß § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 ProdHaftG die Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Eigentumsverletzung" in § 8 2 3 Abs. 1 B G B beeinflußt. Im folgenden wird darzulegen sein, daß § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 ProdHaftG der hier für den Tatbestand des §823 A b s . l B G B entwickelten These, es müßten parallel zur Haftung jenseits der Weiterfresser-Fälle Verkehrspflichten auch zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt bejaht werden, nicht entgegensteht. Wegen des engen Sachzusammenhangs soll diesen Ausführungen zunächst ein kurzer Exkurs vorausgeschickt werden, in dem gezeigt wird, daß das ProdHaftG keine lex specialis gegenüber §823 A b s . l B G B darstellt. Zu Recht nimmt die herrschende Meinung vielmehr an, daß Ansprüche aus § 823 Abs. 1 B G B weder auf Konkurrenz- noch auf Tatbestandsebene durch das ProdHaftG beschnitten werden. 4 9 7 495

Vgl. BT-Drucks. 11/2447 vom 9.6. 1988, S. 13 ferner B R - D r u c k s . 101/88 vom 29.4. 1988,

S. 28. 4 9 6 In diesem Sinne Marburger, AcP 192 (1992), 10; ähnlich Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 181 ff.; vgl. auch Erman/Schiemann, § 1 ProdHaftG Rz. 3, der davon ausgeht, die bewußte Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, Weiterfresserschäden im Rahmen des ProdHaftG nicht zu ersetzen, sei zugleich ein Argument gegen die problematische Rechtsprechung zu § 823 B G B ; auch Cahn, Z I P 1990,484 glaubt, von einer zweifelsfreien Grenzziehung im Bereich des ProdHaftG, die er selbst in der Weise vornimmt, daß bereits ursprünglich zu einer Gesamtsache verbundene Teilprodukte stets als eine einzige fehlerhafte Sache anzusehen und folglich Ansprüche nach §1 A b s . l S.2 ProdHaftG ausgeschlossen wären, könnten Impulse für die Fortentwicklung des nationalen Deliktsrechts hinsichtlich der Weiterfresser-Fälle ausgehen; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 63 meint, es müsse untersucht werden, ob die Zwecksetzung des ProdHaftG sich so weit von der des § 823 Abs. 1 B G B unterscheide, daß eine unterschiedliche Behandlung der Weiterfresser-Fälle nach beiden Regelungskomplexen gerechtfertigt erscheine. 4 9 7 Vgl. Hollmann, D B 1985, 2439, 2441; Brüggemeier/Reich, W M 1986, 155; Sack, VersR 1988, 446f.; Buchner, D B 1988, 36f.; Landscheidt, N Z V 1989, 171, der annimmt, es müßte dem deutschen Verbraucher wie H o h n in den Ohren klingen, wenn die Gerichte gerade das dem bes-

174

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

Exkurs: Das ProdHaftG Vorschriften unberührt

an der fehlerhaften

läßt die Haftung

Sache

aufgrund

anderer

Art. 13 der Produkthaftungs-Richtlinie bestimmt ausdrücklich, daß „die Ansprüche, die ein Geschädigter aufgrund der Vorschriften über die vertragliche und außervertragliche Haftung oder aufgrund einer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Richtlinie bestehenden besonderen Haftungsregelung geltend machen kann, [...] durch diese Richtlinie nicht berührt [werden]." Damit wird unmißverständlich der Charakter der EG-Produkthaftungs-Richtlinie als Maßnahme der Mindestvereinheitlichung zum Ausdruck gebracht, die den Verbraucher begünstigen soll. Das Ziel einer möglichst weitgehenden Harmonisierung wurde dem Ziel des Verbraucherschutzes untergeordnet, so daß weiterreichende nationale Schutzstandards bestehen bleiben dürfen. 498 In §15 Abs. 2 ProdHaftG findet sich die Umsetzung dieser Vorgabe: „Eine H a f t u n g a u f g r u n d anderer Vorschriften bleibt u n b e r ü h r t . "

Man mag bedauern, daß der deutsche Gesetzgeber die Produkthaftungsrichtlinie nicht zum Anlaß genommen hat, ein einheitliches System der Produzentenhaftung zu schaffen. Das Nebeneinander von ProdHaftG und deliktsrechtlicher Produzentenhaftung nach dem BGB bedeutet sicherlich eine wenig übersichtliche Vielfalt von Anspruchsgrundlagen. 499 Angesichts des klaren Wortlautes von §15 Abs. 2 ProdHaftG kann aber keine Rede davon sein, daß die Beschränkung des Eigentumsschutzes in §1 Abs.l S. 2 Hs. 1 ProdHaftG bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie auf andere Sachen als das fehlerhafte Produkt als lex specialis die Anwendung von § 823 Abs. 1 BGB teilweise verdrängt, mit der Folge, daß das Eigentum am fehlerhaften Produkt nunmehr vom Anwendungsbereich der N o r m ausgenommen wäre. Auch aus den Gesetzgebungsmaterialien zum ProdHaftG läßt sich nicht auf einen gesetzgeberischen Willen zu einem vollständigen oder teilweisen Vorrang des ProdHaftG vor § 823 Abs. 1 BGB schließen. Entgegen Diederichsen werden seren Verbraucherschutz dienende P r o d H a f t G z u m Anlaß nähmen, den d u r c h die bisherige Rechtsprechung gewährten Rechtsschutz empfindlich zu beschneiden; Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz u n d EG-Produkthaftungsrichtlinie, 1990, §1 P r o d H a f t G Rz. 40; Anderle, H a f t u n g s u m f a n g des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 139; Katzenmeier, NJW 1997,492; Soergel/U. Huber, vor §459 Rz.273; Staud./Oechsler, § 15 P r o d H a f t G Rz. 16, der betont, daß die N o r m e n des P r o d H a f t G „keine Leitbilder bei der Konkretisierung der P r o d u z e n tenhaftung nach §823 Abs. 1 B G B " seien. 498 So zu Recht etwa Staud./Oechsler, § 15 P r o d H a f t G Rz. 14; Hohloch, Z E u P 1994,26f.; vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 13 der Produkthaftungsrichtlinie, w o es heißt: „ N a c h den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten kann der Geschädigte aufgrund einer vertraglichen H a f t u n g oder aufgrund einer anderen als der in dieser Richtlinie vorgesehenen außervertraglichen H a f t u n g A n s p r u c h auf Schadensersatz haben. Soweit derartige Bestimmungen ebenfalls auf die Verwirklichung des Ziels eines wirksamen Verbraucherschutzes ausgerichtet sind, dürfen sie von dieser Richtlinie nicht beeinträchtigt werden." 499 Vgl. statt vieler die Kritik von Staud./Oechsler, § 15 P r o d H a f t G Rz. 15f.

Die unterlassene

"Warnung als unerlaubtes

Verhalten

175

darin A n s p r ü c h e aus § 8 2 3 A b s . l B G B w e g e n V e r l e t z u n g des E i g e n t u m s a m P r o d u k t s e l b s t k e i n e s w e g s k l a r a b g e l e h n t . D i e b l o ß e in d e r B e g r ü n d u n g z u m G e s e t z e n t w u r f geäußerte E i n s c h ä t z u n g , daß „Schäden am P r o d u k t selbst [...] d u r c h die Spezialregelungen der G e w ä h r l e i s t u n g i n s b e s o n d e r e des K a u f - u n d Werkvertragsrechts zufriedenstellend reguliert" würden500, reicht dafür sicherlich nicht aus.501 Z u m a l , w e n n m a n b e d e n k t , daß ihr ein Verweis auf die K o m p e tenz

der

Rechtsprechung

zur

Klärung

verbleibender

Abgrenzungsfragen

f o l g t 5 0 2 u n d d a ß d i e s e r V e r w e i s z u e i n e m Z e i t p u n k t e r g i n g , als d i e S c h w i m m e r schalter-Rechtsprechung bereits d u r c h m e h r e r e E n t s c h e i d u n g e n fest etabliert w a r . I m ü b r i g e n s t e h t d e r z i t i e r t e n S t e l l e e i n e k l a r e Ä u ß e r u n g des R e c h t s a u s schusses des Bundestages gegenüber, nach w e l c h e r „der vorliegende G e s e t z e n t w u r f den aufgrund der Rechtsprechung insoweit erreichten Stand der deliktsrechtlichen Produkthaftung nicht berührt."503 I s t d a m i t e i n V o r r a n g d e s P r o d H a f t G v o r § 8 2 3 A b s . 1 B G B a b g e l e h n t , s o gilt es n u n z u d e r h i e r i m V o r d e r g r u n d s t e h e n d e n F r a g e z u r ü c k z u k o m m e n , o b s i c h n i c h t d e n § 1 A b s . 1 S. 2 H s . 1 P r o d H a f t G b z w . A r t . 9 S. 1 lit. b H s . 1 P r o d u k t h a f t u n g s - R i c h t l i n i e V o r g a b e n f ü r d i e A u s l e g u n g des § 8 2 3 A b s . 1 B G B e n t n e h m e n

Vgl. den Nachw. in Fußn. 495. Zu Recht ist von Sack, VersR 1988, 443f., darauf hingewiesen worden, daß es im Widerspruch zur nahezu einhelligen Meinung in der Literatur steht, von einer zufriedenstellenden Regelung durch das - damals noch unreformierte - deutsche Gewährleistungsrecht auszugehen. 502 Yg] j e n N a c h w . in Fußn. 495, wobei die Begründung wie folgt fortfährt: „Was im Verhältnis zur schadensauslösenden fehlerhaften Sache die andere Sache ist, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung. Nicht maßgeblich ist dabei die zwar technisch denkbare oder mögliche Trennung des schadensauslösenden Teils von den anderen Teilen einer Sache, des Endproduktes aus der Sicht des Geschädigten. Eine solche Betrachtung würde dazu führen, daß - ausgehend vom kleinsten fehlerhaften Teilprodukt - ein möglichst großer Bereich des ,Rest-Produktes' als andere Sache anzusehen wäre und für diesen bestehende und eventuell eingreifende gewährleistungsrechtliche Regelungen ausgehöhlt würden. Nach der Verkehrsauffassung wird sich vielmehr in aller Regel das komplette Endprodukt - so wie es der Geschädigte erworben hat oder wie es aus sonstigen Gründen bei ihm vorhanden ist - als die eine Sache darstellen, die eine andere Sache des Geschädigten beschädigt hat. Die Qualifizierung eines Teils einer Sache als andere Sache im Verhältnis zu den restlichen Teilen wird aber jedenfalls dann zutreffend sein, wenn dieses Teil erst später als Ersatz vom oder beim Geschädigten in die restlichen Teile einer Sache eingefügt worden ist. Im Einzelfall auftretende Abgrenzungsprobleme müssen letztlich aber der Rechtsprechung überlassen bleiben." 503 yg] Begründung zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, BT-Drucks. 11/5520 vom 31.10. 1989, S. 13, wobei wie folgt fortgefahren wird: „Er" - gemeint ist der Ausschuß - „vertritt die Auffassung, daß das fehlerhafte Produkt allerdings selbst grundsätzlich nicht Gegenstand von Schadensersatzansprüchen nach diesem Gesetz sein könne, da sonst die Unterscheidung zwischen vertraglicher Gewährleistung und Produkthaftung in nicht tragbarer Weise verwischt würde. Die bei Auslegung des Begriffs ,andere Sache' voraussichtlich auftretenden Abgrenzungsfragen sollen der Rechtsprechung überlassen bleiben; eine nähere gesetzliche Definition erscheint nicht notwendig und auch nicht möglich." Im vorhergehenden Absatz stellt der Rechtsausschuß ausdrücklich klar, „er habe sich im Zusammenhang mit der Beschränkung" - gemeint ist § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ProdHaftG-Entwurf - „eingehend mit der Frage befaßt, ob dadurch in die Rechtsprechung zum ,weiterfressenden Mangel' eingegriffen werde." 500 501

176

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

lassen, die der Annahme von Verkehrspflichten zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt entgegenstehen. Auch dies ist zu verneinen:

a) Teile der Gesamtsache S. 2 Hs. 1 ProdHaftG

sind keine „andere Sache" i.S.d. § 1 Abs. 1

Dabei ist allerdings einzuräumen, daß § 1 A b s . l S . 2 Hs. 1 P r o d H a f t G wie auch Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie wohl nur in der Weise sinnvoll ausgelegt werden kann, daß die Beschädigung einer „anderen Sache" stets zu verneinen ist, wenn lediglich eine Substanzverschlechterung des vom Anspruchsteller zu Eigentum erworbenen Produktes vorliegt und zwar selbst dann, wenn vom Zulieferer stammende Einzelteile des Gesamtproduktes die Restsache beschädigen. Dies sei im folgenden kurz erläutert. Die Auslegung des Begriffes der „anderen Sache" in § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 ProdH a f t G und Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie ist umstritten. Die Schwierigkeiten rühren daher, daß nach § 2 S . l P r o d H a f t G ebenso wie nach Art. 2 S. 1 der Produkthaftungs-Richtlinie unter Produkt jede bewegliche Sache zu verstehen ist, „auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet". Daraus hat eine ganze Reihe von Autoren gefolgert, bei Anwendung des § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 P r o d H a f t G bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie sei eine Zerlegung des sachenrechtlich einheitlichen fehlerhaften Gesamtproduktes möglich. Als „fehlerhaftes Produkt" dürfe unter bestimmten Voraussetzungen das fehlerhafte Einzelteil angesehen werden, mit der Konsequenz, daß die Restsache auch dann, wenn sie keine eigenständige Sache im sachenrechtlichen Sinne darstelle, nach § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 P r o d H a f t G und A r t . 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie als „andere Sache" in Betracht k o m me. 5 0 4 Für die Zulässigkeit einer Zerlegung der Gesamtsache werden dabei vor allem die folgenden Kriterien genannt: Von manchen wird eine Zerlegung immer dann befürwortet, wenn das fehlerhafte Teil nicht vom Endhersteller stammt, sondern von einem Zulieferer. 5 0 5 Andere Stellungnahmen gehen noch

5 0 4 Für möglich halten eine solche Auslegung Sack, VersR 1988, 444f.; Buchner, D B 1988, 36; Landscheidt, N Z V 1989,171; H. Koch, Z H R 152 (1988), 547f.; Schlechtriem, VersR 1986, 1041 f.; Schwenzer, Die Umsetzung der EG-Richtlinie zur Produkthaftpflicht in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S.21; Mayer, VersR 1990,697f.; Steinmeyer, D B 1989,2162; Schmidt-Salzer/ Hollmann, EG-Richtlinie Produkthaftung I, 1986, Art. 9 Rz.28; Anderle, Haftungsumfang des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 142ff.; Graf von Westphalen, Jura 1992, 513 f.; Wieckhorst, Recht und Ökonomie des Produkthaftungsgesetzes, 1994, S. 122f; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.285f. u. ders., N J W 1997, 492f.; Staud./Oechsler, §1 ProdHaftG Rz.lOff. 5 0 5 So etwa Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Richtlinie Produkthaftung I, 1986, Art.9 Rz.28; Magnus, J Z 1990,1105; Mayer, VersR 1990,697f.; Anderle, Haftungsumfang des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 142ff.

Die unterlassene

Warnung

als unerlaubtes

Verhalten

177

weiter und halten selbst die Zerlegung des von einem einheitlichen Gesamthersteller stammenden Produktes für denkbar: Darüber, ob die Restsache eine andere Sache als das fehlerhafte Teil darstellt, soll nach einer Ansicht die Verkehrsauffassung entscheiden 5 0 6 , entsprechend der Begründung zum Entwurf des deutschen P r o d H a f t G , wo es heißt: „Was im Verhältnis z u r schadensauslösenden fehlerhaften Sache die andere Sache ist, entscheidet sich n a c h der V e r k e h r s a u f f a s s u n g . " 5 0 7 .

Andere halten gar eine Übertragung des Kriteriums der funktionellen B e grenztheit des fehlerhaften Teils, wie es sich in der zu § 823 Abs. 1 B G B ergangenen Schwimmerschalter-Entscheidung 5 0 8 findet, für möglich. 5 0 9 Demgegenüber geht die übrige Literatur davon aus, die Beschädigung einer anderen Sache im Sinne der § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 P r o d H a f t G bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie sei generell zu verneinen, wenn lediglich das vom Anspruchsteller erworbene Gesamtprodukt bzw. Teile desselben Schaden nehmen. 5 1 0 Die letztgenannte Ansicht verdient den Vorzug, obwohl zuzugeben ist, daß der Wortlaut von § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 P r o d H a f t G bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie mit Rücksicht auf die Definition des Produktes in § 2 S. 1 P r o d H a f t G bzw. Art. 2 S. 1 der Produkthaftungs-Richtlinie mehrdeutig ist. Zwar deutet die Formulierung „andere Sache" darauf hin, daß nicht Teile derselben Sache gemeint sind. Zwingend ist diese Auslegung jedoch angesichts der Einbeziehung unselbständiger Sachteile in die Definition des Produktes in § 2 S. 1 P r o d H a f t G bzw. Art. 2 S. 1 Produkthaftungs-Richtlinie nicht. Auch der Zweck, den Richtliniengeber und deutscher Gesetzgeber mit der Haftungsbeschränkung auf die Beschädigung einer „anderen Sache" verfolgten, führt nicht zu einem eindeutigen Auslegungsergebnis. Mit Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie war beabsichtigt, Schäden am Produkt selbst der

5 0 6 So Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz und EG-Produkthaftungsrichtlinie, 1990, § 1 ProdHaftG Rz. 39; Staud./Oechsler, § 1 ProdHaftG Rz. 20, der dieses Kriterium dahin präzisiert, es sei entscheidend, ob der Bestandteil aus Sicht der Betroffenen als eigenständige Ware auf dem Markt gehandelt werde. 5 0 7 Vgl. den Nachw. in Fußn. 502. 5 0 8 Vgl. dazu oben Fußn. 68. 5 0 9 So etwa Schwenzer, Die Umsetzung der EG-Richtlinie zur Produkthaftpflicht in der Bundesrepublik Deutschland, 1991, S.21; H. Koch, Z H R 152 (1988), 547f.; Buchner, D B 1988, 36. 5 1 0 Vgl. Cahn, Z I P 1990, 483f. u. MünchKomm./Cahn, §1 ProdHaftG R z . 1 0 ; Foerste, J A 1990, 182; Tiedtke, N J W 1990, 2964; Marburger, AcP 192 (1992), S.8f.; Landfermann, RIW 1980, S. 168; Rolland, Produkthaftungsrecht, 1990, Rz. I 101; Brüggemeier/Reich, W M 1986, 151, die von einer „Anti-Schwimmerschalter-Doktrin" sprechen; W. Lorenz, Z H R 151 (1987), S. 16; Larenz/Canaris, SchuldR. II/2, § 84 V I 1 c; Reinelt, D A R 1988, 87; Erman/Schiemann, §1 ProdHaftG Rz. 3; Honseil, JuS 1995,215; Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 128ff.

178

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

kaufvertraglichen Gewährleistung zu überlassen.511 Diese Intention erscheint z w a r - j e d e n f a l l s aus d e u t s c h e r S i c h t - k r i t i k w ü r d i g . D a s v e r t r a g l i c h e I n t e r e s s e a n d e r L e i s t u n g e i n e r S a c h e d e r v e r s p r o c h e n e n B e s c h a f f e n h e i t ist d u r c h a u s n i c h t deckungsgleich mit dem Interesse am Fortbestand einer zu E i g e n t u m erworbenen fehlerhaften Sache.512 Als europarechtlich vorgegebener Regelungszweck m u ß diese I n t e n t i o n bei der g e b o t e n e n a u t o n o m e n A u s l e g u n g 5 1 3 des Begriffs d e r a n d e r e n S a c h e in § 1 A b s . 1 S. 2 H s . 1 P r o d H a f t G a b e r d e n n o c h b e r ü c k s i c h t i g t w e r d e n . S i e f i n d e t s i c h a u ß e r d e m - w i e b e r e i t s e r w ä h n t - a u c h in d e r B e g r ü n d u n g des G e s e t z e n t w u r f e s des d e u t s c h e n P r o d H a f t G w i e d e r . 5 1 4 J e d o c h l ä ß t s i c h d e n M a t e r i a l i e n z u r R i c h t l i n i e n i c h t e n t n e h m e n , in w e l c h e m U m f a n g g e n a u die B e s c h ä d i g u n g des f e h l e r h a f t e n E n d p r o d u k t e s v o m A n w e n d u n g s b e reich der R i c h t l i n i e a u s g e n o m m e n sein soll. U n d a u c h die M a t e r i a l i e n

zum

d e u t s c h e n P r o d H a f t G ziehen keine eindeutige G r e n z e . W e n n darin die g e d a n k liche Aufspaltung einheitlicher Sachen zwar nicht völlig ausgeschlossen wird, m a n z u r A b g r e n z u n g des fehlerhaften P r o d u k t e s v o n anderen S a c h e n j e d o c h a u f d i e V e r k e h r s a u f f a s s u n g v e r w e i s t 5 1 5 , s o s c h a f f t dies w e n i g K l a r h e i t . D e n n es

511 Die Regelung war bereits im ersten - kurz vor Erlaß der Schwimmerschalter-Entscheidung des B G H veröffentlichten - Vorschlag der Kommission für eine Produkthaftungs-Richtlinie vom 9.9. 1976 in Art.6 lit. b Hs. 1 enthalten, vgl. ABl. E G vom 14.10. 1976, Nr. C 241, S. 11. In Ziff. 20 der Erläuterungen zu diesem Vorschlag - vgl. Bulletin der E G , Beilage 11/76 und zu deren Charakter als Erkenntnishilfen für die Auslegung der endgültigen Richtlinie Schmidt-Salzer/ Hollmann, EG-Richtlinie Produkthaftung 1,1986, Einl. Rz. 93f. - heißt es: „Die Haftung für die Qualität eines neu erworbenen Gegenstandes, seiner Gebrauchsfähigkeit für den vereinbarten Zweck einschließlich seiner Fehlerfreiheit in dem Sinne, daß er durch Fehler eines Teils nicht in seiner Gesamtheit beschädigt oder zerstört wird [Hervorhebung nur hier], regelt sich in den Rechten aller Mitgliedstaaten gewöhnlich nach Kaufrecht. In dieses wird durch die Richtlinie nicht eingegriffen. Besteht aus Gründen des Verbraucherschutzes ein Bedürfnis, die Rechtsstellung des Käufers einer mangelhaften Sache gegenüber seinem Verkäufer oder auch dessen Rückgriffsansprüche gegen den Hersteller zu verbessern, so ist hierfür Raum in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, in denen also ein solches Bedürfnis empfunden wird." In Übereinstimmung mit dieser Sicht forderte der Wirtschafts- und Sozialausschuß in seiner Stellungnahme zum ersten Richtlinienvorschlag die Kommission auf, „rasch einen Richtlinienvorschlag über die Gewährleistung und den Kundendienst vorzulegen", vgl. ABl. E G vom 7.5. 1979, Nr. C 114, S. 18 Ziff. 2.8.1. 512 Wie bereits ausgeführt, siehe oben Kapitel 2, B.IV.l., erfaßt das Interesse an der Bewahrung des fehlerhaften Endproduktes insbesondere nicht den vertraglichen Mangelunwert als Abweichung der vertraglichen Soll- von der tatsächlichen Ist-Beschaffenheit der gelieferten Sache; siehe dazu auch noch unten Kapitel 4, B.V.; zur Konkurrenz zwischen Vertrags- und Deliktsrecht vgl. unten Teil 3 dieser Arbeit. 5 1 3 Vgl. zur Notwendigkeit, das ProdHaftG als angeglichenes nationales Recht im Lichte von Wortlaut und Zweck der transformierten EG-Richtlinie auszulegen etwa Sack, VersR 1988, 439f.; MünchKomm./Cahn, ProdHaftG Einl. Rz. 8; Graf von Westphalen, N J W 1990, 84; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 272ff. 5 1 4 Vgl. den Nachw. in Fußn. 495. 5 1 5 Vgl. den Nachw. in Fußn. 502; etwas anders und ebenfalls ohne klare Grenzziehung die Begründung zur Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestages, siehe bereits Fußn. 503.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

179

ist ja gerade die Verkehrsauffassung maßgebliches Kriterium dafür, ob in sachenrechtlicher Hinsicht mehrere Sachen vorliegen oder ob bestimmte Stoffe und Materialien ihre sachenrechtliche Selbständigkeit verloren haben mit der Folge, daß sie als Bestandteile einer einheitlichen Gesamtsache anzusehen sind. 516 Daß sich dennoch innerhalb sachenrechtlich einheitlicher Sachen selbständige Teile nach der Verkehrsauffassung als „andere Sachen" von weniger selbständigen Teilen unterscheiden ließen, ist deshalb kaum vorstellbar 5 1 7 , zumal völlig unklar ist, welches Maß an Selbständigkeit denn erforderlich sein müßte, damit die sachenrechtliche Unselbständigkeit ignoriert werden dürfte. Auch die Herkunft des fehlerhaften Teiles vom Zulieferer stellt keinen brauchbaren Maßstab dar für eine Zerlegung des sachenrechtlich einheitlichen Endproduktes. 5 1 8 Damit ließe sich zwar eine klare Abgrenzung des fehlerhaften Produktes von anderen Sachen erreichen. Andere Sachen wären immer diejenigen Produktteile, die nicht vom Hersteller des fehlerhaften Teils stammen. Eine solche Interpretation von § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ProdHaftG bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie würde jedoch dazu führen, daß bei identischer Beschaffenheit des Endproduktes die Haftung im Fall der Herstellung durch einen einzigen Gesamthersteller zu verneinen wäre, bei Arbeitsteilung zwischen Endhersteller und Zulieferer dagegen hinsichtlich des Zulieferers zu bejahen wäre. Diese Differenzierung ist aus Sicht des Anspruchstellers durch nichts zu rechtfertigen. Er erleidet jeweils vollkommen identische Schäden. Aber auch aus Herstellersicht erscheint sie wenig sinnvoll. Warum soll der Zulieferer haften für ein Verhalten, für das ein Hersteller, der sämtliche Teile eines Produktes fertigt, nicht einzustehen hätte? Eine solche im Verhältnis zur Einstandspflicht des Endherstellers schärfere Haftung des Zulieferers kann auch nicht mit der Überlegung gerechtfertigt werden, aus dessen Sicht seien die übri5 1 6 Vgl. dazu bereits oben die Nachw. in Fußn. 118. Zu Unrecht w i r d die Verkehrsauffassung von Anderle, H a f t u n g s u m f a n g des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 141 als Leerformel bezeichnet, dem folgt Graf von Westphalen, J u r a 1992, 513. 5 1 7 Es kann deshalb nicht verwundern, daß die Begründung des Entwurfes des P r o d H a f t G zu dem Schluß gelangt, nach der Verkehrsauffassung w e r d e sich in aller Regel das komplette Endprodukt als eine Sache darstellen, vgl. den Nachw. in Fußn. 507. Das im Anschluß an diese Feststellung als A u s n a h m e genannte Beispiel eines nachträglichen, beim oder vom Geschädigten vorgenommenen Einbaus fehlerhafter Teile ist tatsächlich gar keine Ausnahme. Denn zur Verarbeitung bestimmten Materialien k o m m t vor ihrem Einbau regelmäßig sachenrechtliche Selbständigkeit zu, so daß sie zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres andere Sachen im Sinne von § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 P r o d H a f t G bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie darstellen. A u c h nach der Verkehrsauffassung verlieren sie ihre Selbständigkeit aber gerade mit dem Einbau, so daß ab diesem Zeitpunkt das Kriterium der Verkehrsaufassung nicht weiterhelfen kann, u m ihre Eigenschaft als selbständige Sachen zu begründen. A u s diesem Grund ist auch die von Staud./ Oechsler, § 1 P r o d H a f t G Rz. 20, siehe oben Fußn. 506, vorgeschlagene Präzisierung des Kriteriums der Verkehrsauffasung zu verwerfen: Ein ursprünglich selbständig auf dem M a r k t gebändeltes Einzelteil ist ohne weiteres eine selbständige Sache, verliert aber eben diese Qualität regelmäßig, w e n n es in eine Gesamtsache eingefügt w i r d . 518 Vgl. dagegen bereits Cohn, ZIP 1990, 484; Tiedtke, N J W 1990, 2964.

180

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

gen Teile des Endproduktes eine andere Sache, ihre Beschädigung die Verursachung von Mangelfolgeschäden. 5 1 9 D e n n dies läßt sich auch hinsichtlich des Endherstellers sagen. E r verbindet das fehlerhafte Teil, das er, anstatt es vom Zulieferer zu beziehen, selbst gefertigt hat, bei der Gesamtherstellung mit anderen Materialien - also anderen Sachen - zum Endprodukt. D a ß er dabei selbstverständlich dann nicht haftet, wenn diese Materialien ihm selbst gehören, kann für die Haftung gegenüber dem Erwerber der Endsache keinen Unterschied machen. Denn der Enderwerber hat unabhängig davon, ob ein Zulieferer am H e r stellungsprozeß beteiligt war oder o b die Fertigung vom Endhersteller alleine vorgenommen wurde, stets nur Eigentum an demselben - fehlerhaften - Endprodukt erworben. Schließlich ist auch sonst kein tauglicher Maßstab für eine Zerlegung des fehlerhaften Endproduktes in Fehlerquelle und Restsache als andere Sache ersichtlich. Bei einer Selbstbeschädigung oder -Zerstörung der fehlerhaften Gesamtsache kommt es stets zur Veränderung von deren Sachsubstanz. Damit läßt sich jedoch, wenn man das fehlerhafte Teil nur eng genug bestimmt, praktisch immer eine Beschädigung ursprünglich fehlerfreier Sachsubstanz feststellen. Wenn beispielsweise in einer großen Anlage ein defekter Schwimmerschalter versagt und infolgedessen die Kunststoffumhüllung eines Stückchen Drahtes in diesem Schalter anschmort, so kann man ohne weiteres sagen, es sei ein fehlerfreies Teil - die zuvor intakte Kunststoffumhüllung - beschädigt worden. Eine solche regelmäßige Zerlegung des Endproduktes würde aber dazu führen, daß § 1 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 P r o d H a f t G bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie leer liefe, und kann deshalb nicht gewollt sein. 5 2 0 Andererseits fehlt es an sachlichen Kriterien, innerhalb der Restsache zu unterscheiden. Warum sollen bestimmte Teile der Restsachsubstanz unter den Schutz des P r o d H a f t G fallen, andere dagegen nicht? Weder das P r o d H a f t G noch die Produkthaftungs-Richtlinie liefern Anhaltspunkte für eine nachvollziehbare Differenzierung, für eine Bevorzugung bestimmter, von der Selbstbeschädigung betroffener Teile der Restsache. Aus diesen Gründen ist auch die vorgeschlagene Zerlegung des einheitlichen Endproduktes in Fehlerquelle und Restsache nach dem Kriterium der funktionellen Begrenztheit des fehlerhaften Teils abzulehnen. 5 2 1 Irgendeine Funktion kann wohl fast jedem Teil oder Stoff innerhalb der Gesamtsache zuge5 1 9 In diesem Sinne etwa Schmidt-Salzer/Hollmann, EG-Richtlinie Produkthaftung I, 1986, Art. 9 Rz. 28; Anderle, Haftungsumfang des harmonisierten Produkthaftungsrechtes, 1990, S. 142. 5 2 0 Vgl. dazu, daß eine regelmäßig Aufteilung der Sache dem Sinn und Zweck von § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 ProdHaftG bzw. Art. 9 S. 1 lit. b Hs. 1 Produkthaftungs-Richtlinie nicht entspricht, auch Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.280; Cahn, ZIP 1990, 484; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S.49. 521 Vgl. gegen das Kriterium der funktionellen Begrenztheit zur Bestimmung der Eigentumsverletzung im Rahmen des §823 Abs. 1 B G B bereits oben Kapitel 2, B. vor u. mit Fußn. 90.

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

181

ordnet werden. O b sich diese F u n k t i o n von anderen F u n k t i o n e n der Sache abgrenzen läßt, ist dann aber regelmäßig eine Frage der Präzision der Betrachtung. N i m m t man etwa einen Pkw, so erfüllen alle Teile zusammen die F u n k t i o n eines Transportfahrzeuges für Personen. T r o t z d e m k ö n n e n , je nachdem, wie genau man hinschaut, Zusatz-, Teil- und U n t e r f u n k t i o n e n der einzelnen Fahrzeugteile isoliert werden. Weil es also je nach Betrachtung unterschiedliche Ergebnisse erlaubt und dabei jeder M a ß s t a b für eine sachliche Differenzierung fehlt, ist das Kriterium der funktionellen Begrenztheit untauglich als einigermaßen einheitlicher und verläßlicher M a ß s t a b für eine Zerlegung der Gesamtsache. N i c h t ohne G r u n d hat die deutsche R e c h t s p r e c h u n g von ihrem entsprechenden A b g r e n zungsversuch im R a h m e n des § 8 2 3 A b s . 1 B G B rasch Abstand g e n o m m e n . 5 2 2 So bleibt als sinnvolle Auslegung der „anderen S a c h e " in § 1 A b s . 1 S . 2 H s . 1 P r o d H a f t G bzw. A r t . 9 S. 1 lit. b H s . 1 Produkthaftungs-Richtlinie allein die folgende: Was „andere S a c h e " ist, m u ß aus der Sicht des Anspruchstellers bestimmt werden. H a t er ein sachenrechtlich einheitliches P r o d u k t erworben, so sind Teile desselben keine anderen Sachen. 5 2 3 D u r c h diese Auslegung wird auch nicht etwa die Einbeziehung von Teilprodukten in den Produktbegriff nach § 2 S. 1 P r o d H a f t G bzw. A r t . 2 S. 1 Produkthaftungs-Richtlinie bedeutungslos. Ihr k o m m t vielmehr die F u n k t i o n zu, dem Geschädigten bei Beeinträchtigung anderer Rechtsgüter als der fehlerhaften Sache gegebenenfalls einen zusätzlichen Verantwortlichen zu verschaffen. 5 2 4 D e r Geschädigte kann in diesem Fall nicht nur gegen den Endhersteller vorgehen, sondern auch gegen den P r o d u z e n t e n fehlerhafter Einzelteile.

b) Aus § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 ProdHaftG läßt sich keine Einschränkung der Eigentumsverletzung gem. §823 Abs. 1 BGB herleiten A u c h w e n n Teile des E n d p r o d u k t e s keine „anderen S a c h e n " im Sinne von i.S.d. § 1 Abs. 1 S . 2 H s . 1 P r o d H a f t G sein k ö n n e n , weil es an sachlichen Kriterien fehlt, bestimmte Teile der Restsache besser zu schützen als andere, eine regelmäßige Zerlegung der Gesamtsache die B e s c h r ä n k u n g auf „andere S a c h e n " jedoch leerlaufen ließe, so folgt daraus doch nicht, daß der Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B verneint werden m ü ß t e oder auch nur dürfte, wenn lediglich das Vgl. den Nachweis oben in Fußn. 72. Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei angemerkt, daß es dazu nicht in Widerspruch steht, wenn man - so auch die Begründung zum Entwurf des ProdHaftG, vgl. den Nachweis in Fußn. 502 - eine Ersatzpflicht aus dem ProdHaftG bejaht, falls Sachen des Anspruchstellers erst nachträglich mit dem erworbenen fehlerhaften Produkt verbunden werden. Denn in diesem Fall wird nicht erst die Gesamtsache beeinträchtigt, sondern bereits das Material, das zunächst sachenrechtlich selbständig im Eigentum des Erwerbers stand, siehe dazu auch Fußn. 517. Vgl. zu den Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung hinsichtlich des Materials, aus dem ein fehlerhaftes Produkt gefertigt wird, ausführlich Teil 2 dieser Arbeit. 524 Vgl. dazu etwa Cahn, ZIP 1990, 484 u. MünchKomm./Cahn, § 1 ProdHaftG Rz. 10. 522

523

182

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Produkt selbst eine Substanzverschlechterung erleidet, nicht aber andere Sachen Schaden nehmen. D e r Grund dafür liegt einfach darin, daß die Haftung aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B andere Tatbestandsvoraussetzungen hat als diejenige aus § 1 Abs. 1 P r o d H a f t G . Die Rechtsfolge des § 8 2 3 Abs. 1 B G B knüpft anders als die Schadensersatzpflicht aus § 1 Abs. 1 P r o d H a f t G an die Verletzung von Eigentum an und nicht an die Beschädigung anderer, vom fehlerhaften Produkt zu unterscheidenden Sachen. § 8 2 3 Abs. 1 B G B schützt nicht „andere Sachen" des Geschädigten, denen - im Gegensatz zum fehlerhaften Produkt selbst - durch das Gesetz im Verhältnis zum Produzenten besonderer Schutz zukommen soll, sondern ganz allgemein und einheitlich Eigentum. Eigentum besteht aber auch am fehlerhaften Produkt. Die Voraussetzung der Beschädigung einer anderen Sache in § 1 Abs. 1 S.2 Hs. 1 P r o d H a f t G kann deshalb nicht als Präzisierung des Tatbestandsmerkmals der Eigentumsverletzung verstanden werden, wie es sich in § 823 Abs. 1 B G B findet. Wird das Eigentum am fehlerhaften Produkt beeinträchtigt, dann kann eine Eigentumsverletzung nicht einfach geleugnet werden. Daran vermag der Erlaß des P r o d H a f t G nichts zu ändern. Mit der Anknüpfung der Schadensersatzpflicht an die Eigentumsverletzung in § 8 2 3 Abs. 1 B G B fehlt jeglicher Ansatzpunkt für eine Differenzierung zwischen Produkt und sonstigen G ü tern. Das B G B kennt keine verschiedenen Eigentumsklassen, die unterschiedlichen Schutz genössen. Das Eigentum am Produkt wird nicht etwa dadurch zu einem Eigentum zweiter Klasse, daß das Produkt vom Hersteller stammt oder daß es fehlerhaft ist. Es ist vielmehr vollwertiges Eigentum, das seine Wirkungen gegenüber jedermann und damit auch gegenüber dem Produzenten entfaltet. Die Tatbestände der Beeinträchtigung anderer Sachen einerseits und der Verletzung von Eigentum andererseits lassen sich also nicht zur Deckung bringen. D e r Begriff der Eigentumsverletzung in § 8 2 3 Abs. 1 B G B darf folglich nicht entsprechend dem Tatbestandsmerkmal der Beschädigung anderer Sachen in § 1 Abs. 1 P r o d H a f t G ausgelegt werden. Aus all dem folgt: Soweit im Rahmen des § 823 Abs. 1 B G B Verkehrspflichten des Herstellers zum Schutze anderer Sachen bejaht werden, darf dem Eigentum am Produkt selbst ein paralleler Schutz nicht mit der Begründung versagt werden, aus dem P r o d H a f t G ergebe sich, daß nur andere Sachen als das fehlerhafte Produkt von der außervertaglichen Produzentenhaftung erfaßt werden sollen.

4.

Ergebnis

Nicht nur hinsichtlich der Inverkehrgabe als gefahrschaffender Handlung, sondern auch in Bezug auf die weiteren Umstände, die zur Begründung der Verkehrspflichten des Produzenten ergänzend herangezogen werden, weisen die Weiterfresser-Fälle keine Besonderheiten auf, die es rechtfertigen würden, sie anders zu behandeln als die sonstigen Fallgruppen der Instruktionshaftung des

Die unterlassene

Tarnung

als unerlaubtes

Verhalten

183

Herstellers. Es erscheint deshalb folgerichtig, auch in den Weiterfresser-Fällen entsprechend weitreichende Verkehrspflichten des Herstellers zu bejahen. Weil auch hier einem nach § 823 Abs. 1 B G B absolut geschützten Rechtsgut Gefahren drohen, mit denen der voraussichtliche Benutzerkreis nicht rechnet, muß der Produzent im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren warnen.

III. Mangelnde Abgrenzbarkeit der unter unzureichender Instruktion erfolgenden Inverkehrgabe fehlerfreier Sachen von derjenigen fehlerhafter Sachen Für die hier vertretene These, daß sich Pflichten des Herstellers zur Warnung vor der produktinternen Ausbreitung von Konstruktions- oder Fabrikationsfehlern aus der Reichweite der Instruktionshaftung ergeben, wie sie jenseits der Weiterfresser-Fälle angenommenen wird, spricht schließlich die folgende Ü b e r legung: D i e „klassischen" Weiterfresser-Fälle, in denen ein Konstruktions- oder Fabrikationsfehler zu nachträglichen Substanzveränderungen an der Sache führt, lassen sich gar nicht sinnvoll abgrenzen von Fällen wie dem oben dargestellten Silokipper-Fall 5 2 5 , in denen eine einwandfrei konstruierte und fabrizierte Sache ohne hinreichende Bedienungshinweise in Verkehr gebracht wird und sich bei einer unsachgemäßen Benutzung selbst beschädigt oder zerstört. Auch daran zeigt sich: Die Annahme von Warnpflichten in den Weiterfresser-Fällen stellt keine Haftungserweiterung dar, mit welcher der Boden der bisherigen deliktsrechtlichen Produzentenhaftung verlassen würde, sondern nur einen A n wendungsfalll des anerkannten Grundsatzes, daß der Hersteller vor Produktgefahren warnen muß, die absolut geschützten Rechten und Rechtsgütern drohen und mit denen der durchschnittliche Benutzer nicht rechnet.

1. Die gängige Abgrenzung der Instruktions- von Konstruktionsund Fabrikationsfehlern ist auf den Schutz sonstiger Rechtsgüter zugeschnitten Die gängige Abgrenzung der Konstruktions- und Fabrikationsfehler von Fällen, in denen der Produzent lediglich unzureichend instruierte, das Produkt jedoch einwandfrei hergestellt wurde, ist auf die Verletzung sonstiger Rechtsgüter zugeschnitten und erweist sich deshalb hier, w o es um eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache selbst geht, als untauglich: So soll der Hersteller seine Verkehrspflichten durch bloße Instruktion erfüllen dürfen, also ein (reiner) Instruktionsfehler gegeben sein, wenn eine Warnung ausreichend erscheint, die Gefahr zu beseitigen, und keine Umgehung der

525

Siehe BGH NJW 1992, 2016.

184

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Pflicht zu einer technisch möglichen und zumutbaren gefahrfreien Konstruktion oder Fabrikation vorliegt. 5 2 6 Ist dies zu verneinen, soll der Hersteller schon zu einer gefahrmindernden Konstruktion und Fabrikation oder, wo das nicht möglich ist, zur Unterlassung von Konstruktion und Fabrikation der gefährlichen Sache verpflichtet sein. O b der Produzent im Rahmen des Zumutbaren instruiert hat, kann in diesen letztgenannten Fällen folglich dahinstehen. E r haftet jedenfalls aus der Konstruktions- oder Fabrikationspflichtverletzung. Weil das Eigentum die Sache nur in der Beschaffenheit erfaßt, wie sie tatsächlich erworben wurde, gibt es nun aber zum Schutze des Eigentums an der von Selbstbeschädigung bedrohten Sache weder eine Verkehrspflicht zur Unterlassung der Herstellung noch eine solche zur Herstellung der Sache als sicherer Sache. 5 2 7 Konstruktions- und Fabrikationspflichten, die eine bestimmte gefährliche Beschaffenheit der Sache verhindern sollen und die durch eine bloße Instruktion möglicherweise umgangen werden, können nur zum Schutze sonstiger Rechtsgüter bestehen. Wo es um Gefahren für das Eigentum am Produkt selbst geht, ergibt die herkömmliche Unterscheidung folglich keinen Sinn. Mangels Konstruktions- und Fabrikationspflichten zum Schutze des Eigentums am Produkt selbst vermag es hier nicht einzuleuchten, einen Instruktionsfehler mit Rücksicht darauf zu verneinen, daß eine fehlerhafte Konstruktion oder Fabrikation gegeben sei. Die Abgrenzung des Instruktionsfehlers vom Konstruktions- oder Fabrikationsfehler ist nur insoweit sinnvoll, als entsprechende Konstruktions- oder Fabrikationspflichten des Herstellers existieren, die es erlauben, eine Haftung bereits an die fehlerhafte Konstruktion oder Fabrikation zu knüpfen. N u r in diesen Fällen erübrigt sich die (zusätzliche) A n nahme eines Instruktionsfehlers. Soweit ein Verstoß gegen die Pflicht zu einwandfreier Konstruktion oder Fabrikation vorliegt, ist eben bereits dieser Verstoß hinreichend für die Haftungsbegründung. Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß immer dann, wenn die Sache fehlerhaft sei, ein Instruktionsfehler verneint werden müsse. D a ß es auf die Unterlassung einer Instruktion nicht ankommt, soweit den Hersteller bereits der Vorwurf einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation trifft, liefert keinerlei Rechtfertigung dafür, die Instruktion in den Weiterfresser-Fällen, in denen die fehlerhafte Beschaffenheit des Produktes als solche keine Haftung begründet, für verzichtbar zu halten. D e n n die Instruktion wird dadurch, daß die Sache fehlerhaft konstruiert oder fabriziert wurde, in ihrer Eignung, die Gefahr abzuwenden, nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich des Eigentums am Produkt selbst kann deshalb stets nur entscheidend sein, ob die Sache, sei es aufgrund einer dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik widersprechenden Beschaffenheit, sei es auf-

5 2 6 Vgl. nur Schmidt-Salzer, Produkthaftung, I I I / l , Rz.4.1016; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §30 Rz.97ff.; MünchKomm./Mertens, % 823 Rz.285. 5 2 7 Siehe dazu ausführlich oben Kapitel 1 u. Kapitel 2, B.I.2.

Die unterlassene

Warnung ah unerlaubtes

185

Verhalten

grund bestimmter naheliegender Verwendungsmöglichkeiten, Gefahren birgt, mit denen die maßgeblichen Verkehrskreise nicht rechnen und denen durch einen entsprechenden Hinweis mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg begegnet werden kann. Was den Schutz des Eigentums am P r o d u k t selbst anbelangt, so ist also der „klassische" Weiterfresser-Fall mangels Herstellerpflichten zu fehlerfreier K o n s t r u k t i o n oder Fabrikation letztlich gleich gelagert wie der Silokipper-Fall 5 2 8 : Entscheidend ist jeweils der unterlassene Hinweis auf Gefahren der Selbstbeschädigung der Sache, mit denen die maßgeblichen

Benutzerkreise

nicht zu rechnen brauchten.

2. Konstruktions- und Fabrikationsfehler als Instruktionsfehler verstehen

lassen sich häufig

Selbst wenn man einmal darüber hinwegsieht, daß die A b g r e n z u n g des Instruktionsfehlers v o m K o n s t r u k t i o n s - oder Fabrikationsfehler nur sinnvoll ist, w o entsprechende K o n s t r u k t i o n s - und Fabrikationspflichten

bestehen,

so

bleibt i m m e r n o c h festzuhalten, daß sich die Fälle, in denen bereits die Beschaffenheit der Sache dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik widerspricht, häufig gar nicht klar trennen lassen von den Fällen, in denen eine Sache zwar einwandfrei konstruiert und fabriziert wurde, diese Sache j e d o c h Verwendungsgefahren birgt, denen durch entsprechende Instruktionen begegnet w e r den muß. D e n n o b eine Sache n o c h als fehlerfrei konstruiert oder fabriziert gelten kann, hängt maßgeblich davon ab, für welche A r t der Verwendung sie geeignet sein soll. U n d für die Frage, welche Verwendungseignung von einem durchschnittlichen B e n u t z e r zugrunde gelegt werden darf, sind die A n g a b e n des H e r stellers von erheblicher Bedeutung. W o eine bestimmte B e n u t z u n g der Sache die G e f a h r der Selbstzerstörung mit sich bringt und ein entsprechender H i n weis auf diese G e f a h r unterbleibt, da ist es in vielen Fällen eine Frage der B e trachtung, o b man annimmt, die Sache sei im H i n b l i c k auf diesen Verwendungsmodus fehlerhaft konstruiert bzw. fabriziert oder o b man im H i n b l i c k auf die M ö g l i c h k e i t einer sonstigen, gefahrlosen Verwendung davon ausgeht, sie sei fehlerfrei und es hätte lediglich darauf hingewiesen werden müssen, daß sie für eine andere gefahrenträchtige N u t z u n g ungeeignet sei. D a ß eine zuverlässige A b g r e n z u n g kaum gelingen kann, läßt sich sehr schön an der Spezialschmierfett-Entscheidung des B G H zeigen. 5 2 9 D i e Herstellerin von Schmierfett, mit dem ein Grim'sches Leitrad befüllt w o r d e n war, bevor es von der E n d a b n e h m e r i n zu E i g e n t u m e r w o r b e n wurde, hatte es versäumt, darauf hinzuweisen, daß bei einer speziellen Verwendung des Leitrades, wie sie v o n der E r w e r b e r i n geplant war, bei sehr niedrigen Temperaturen eine hinreichende 528 529

Siehe B G H NJW 1992, 2016. Siehe B G H NJW 1996, 2224 (VI. Senat).

186

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

Ö l a b g a b e m e n g e problematisch werden und so eine Zerstörung der Lager des Leitrades verursacht werden konnte. J e nachdem, o b man den Einsatz bei niedrigen Temperaturen zu den Verwendungen zählt, für welche das Leitrad nach der berechtigten Verkehrserwartung geeignet zu sein hatte, m u ß man einen Konstruktionsfehler des befüllten Leitrades bejahen oder verneinen. D a ß im Streitfall mit einer Eignung des Schmierfettes auch bei niedrigen Temperaturen gerechnet wurde und werden durfte, war aber gerade mit R ü c k s i c h t darauf anzunehmen, daß die Schmierfett-Herstellerin diesen k o n k r e t e n Verwendungsz w e c k der Produzentin des Leitrades mitgeteilt hatte, ohne daß diese einer solchen Verwendung widersprochen hatte. Ahnliche Schwierigkeiten wirft die A b g r e n z u n g im K a r t o n m a s c h i n e n - F a l l auf 5 3 0 , in dem der B G H eine Eigentumsverletzung allerdings schon wegen eines wirksamen Haftungsausschlusses verneinte: Z u r Ergänzung einer vorhandenen K a r t o n m s c h i n e wurde eine T r o c k e n g r u p p e montiert, w o b e i vier Rollenlager versehentlich ohne Schmierfett geliefert wurden. Z u R e c h t hielt das Berufungsgericht einen K o n s t r u k t i o n s - oder Fabrikationsfehler ebenso für denkbar wie einen Instruktionsfehler. A u c h hier läßt sich trefflich darüber streiten, o b eine fehlerhafte Anlage geliefert wurde oder o b lediglich ein H i n w e i s hätte erfolgen müssen, daß die Anlage für eine sofortige Inbetriebnahme ohne vorheriges E i n fetten der Rollenlager ungeeignet war. D i e Schwierigkeit einer klaren Unterscheidung beider Fallgruppen mag schließlich die folgende - rein fiktive - A b w a n d l u n g des Silokipper-Falles 5 3 1 illustrieren: A n g e n o m m e n der Silokipper wäre so beschaffen, daß anders als bei solider gebauten sonstigen Modellen ein starkes A n k i p p e n zu seiner Beschädigung führen k ö n n t e , allerdings nur bei Beladung mit bestimmten, besonders schweren, j e d o c h häufig transportierten Stoffen, w o b e i diese G e f a h r weder in den Bedienungshinweisen erwähnt wäre n o c h als bekannt vorausgesetzt w e r den dürfte. H i e r k ö n n t e man annehmen, der Silokipper sei fehlerfrei, weil er sich - wenn man ihn nur bei schweren Stoffen nicht zu sehr ankippt - entsprechend der Verkehrserwartung zum Transport der verschiedensten, auch schweren Stoffe eignet. R e c h n e t man hingegen auch das starke A n k i p p e n beim Beladen mit schweren Stoffen zu den der Verkehrserwartung entsprechenden Verwendungen, weil in der Bedienungsanleitung nicht darauf hingewiesen wird, daß das k o n k r e t e Modell dafür ungeeignet ist, dann könnte man auch sagen, der Silokipper sei konstruktionsfehlerhaft und es liege ein gewöhnliches Weiterfressen dieses Konstruktionsfehlers vor, wenn es bei Beladung mit schweren Stoffen unter starkem A n k i p p e n zur Selbstbeschädigung des Fahrzeugs k o m men würde.

530

531

Siehe B G H N J W 1979, 2148 (VIII. Senat). Siehe B G H N J W 1992, 2016.

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

Verhalten

187

Die Schwierigkeit besteht also darin, daß sich das Vorliegen einer fehlerhaften Konstruktion oder Fabrikation nur im Hinblick auf eine bestimmte Verwendung bestimmen läßt, die Verkehrserwartung jedoch abhängig ist von den erteilten bzw. unterlassenen Hinweisen des Herstellers. Je nachdem, wie weitgehend man die Möglichkeiten des Herstellers berücksichtigt, den Verwendungszeck der Sache durch Hinweise einzuschränken bzw. auszuweiten, gelangt man zu einem Konstruktions- bzw. Fabrikationsfehler oder zur Bejahung der Fehlerfreiheit der Sache. Lassen sich aber Fälle, in denen vor den Verwendungsgefahren einer einwandfreien Sache nur unzureichend gewarnt wird, gar nicht zuverlässig abgrenzen von den „klassischen" Weiterfresser-Fällen, in denen ein Konstruktionsoder Fabrikationsfehler die Sache nachträglich verschlechtert, dann erscheint es schon deswegen verfehlt, in Fällen wie dem Silokipper-Fall eine Warnpflicht zu bejahen, sie dagegen zu verneinen, wenn eine Warnung zwar die Selbstbeschädigung des Produktes verhindert hätte, jedoch die Annahme eines Konstruktionsoder Fabrikationsfehlers naheliegt.

IV. Keine unzulässige Umgehung der mangelnden Vorwerfbarkeit der Inverkehrgabe Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß der „klassische" Weiterfresser-Fall, in dem sich eine fehlerhaft konstruierte oder fabrizierte Sache selbst beschädigt oder zerstört, in Bezug auf den Schutz des Eigentums an dieser Sache parallel gelagert ist zu dem Fall, daß sich aus einer einwandfreien Sache Verwendungsgefahren ergeben, mit denen der Verkehr nicht rechnet, so etwa dem Silokipper-Fall 532 : Obwohl dem Hersteller hinsichtlich der Inverkehrgabe der Sache als solcher kein Vorwurf zu machen ist, diese vielmehr rechtmäßig ist und sogar eine notwendige Bedingung für den Eigentumserwerb darstellt, muß der Hersteller vor Gefahren warnen, mit denen der Verkehr nicht rechnet und die zu einer Selbstbeschädigung oder -Zerstörung der Sache führen können. Diese Parallele soll nun noch dazu genutzt werden, die mangelnde Berechtigung eines Einwandes darzutun, der gegen die hier vorgeschlagene Einordnung der Weiterfresser-Fälle in die Instruktionshaftung möglicherweise naheliegend erscheinen mag: Wohl die Mehrzahl der Weiterfresser-Fälle dürfte so beschaffen sein, daß der Hersteller, wenn er die unzureichende Konstruktion oder Fabrikation erkannt hätte, sein Produkt nicht in fehlerhaftem Zustand ausgeliefert, sondern - schon aus Angst vor Folgeschäden - zuvor für eine Behebung des Fehlers gesorgt oder von einer Inverkehrgabe überhaupt Abstand genommen hätte. Zunächst ist zu betonen, daß ein solcher hypothetischer Geschehensverlauf keinesfalls ausnahmslos angenommen werden kann, zumal wenn man bedenkt, 532

Siehe B G H NJW 1992, 2016.

188

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

daß vom Zeitpunkt der Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache bis zum Beginn der Selbstbeschädigung häufig einige Zeit verstreichen wird, so daß auch eine nachträgliche Warnung noch geeignet sein kann, das Weiterfressen des Fehlers zu verhindern. Denkbar ist etwa, daß der Hersteller erst nach Inverkehrgabe durch Reklamationen auf eine fehlerhafte Produktserie aufmerksam wird und nun erfolgreich warnt. Immerhin wird man wohl in den meisten Fällen annehmen können, daß es bei sorgfaltsgemäßer Produktion vermutlich zu keiner Inverkehrgabe des fehlerhaften Produktes gekommen wäre, die von Warnungen vor dem Defekt hätte begleitet werden müssen. Wenn dies zutrifft, so kann man sich allerdings fragen, ob mit dem an den Hersteller gerichteten Gebot, auf den Produktfehler hinzuweisen, nicht in Wahrheit doch versucht wird - sozusagen auf dem Umweg einer Instruktionspflicht - eine Haftung für die Inverkehrgabe des fehlerhaften Produktes zu begründen, obwohl diese Inverkehrgabe als den Eigentumserwerb bedingende Handlung im Hinblick auf das Eigentum am fehlerhaften Produkt als Verletzungshandlung notwendig ausscheiden muß. Zu klären ist also, ob mit dem Abstellen auf die unterlassene Warnung als Verletzungshandlung nicht der unzulässige Versuch unternommen wird, die mangelnde Vorwerfbarkeit der Inverkehrgabe zu umgehen. Daß dies nicht der Fall ist, wird deutlich, wenn man sich klarmacht, daß die Pflicht zur Warnung vor Produktgefahren, mit denen der Verkehr nicht rechnet, gerade (auch) dann besteht, wenn das Produkt einwandfrei beschaffen ist. Daran zeigt sich, daß die Warnpflicht keine Ersatzkonstruktion zur Ahndung einer eigentlich unerwünschten Inverkehrgabe darstellt. Vielmehr werden dem Hersteller ganz unabhängig davon, ob die Produktgefahr aus einer fehlerfreien oder fehlerhaften Beschaffenheit der Sache resultiert, Informationspflichten auferlegt. Weil es im Hightech-Zeitalter weder sinnvoll noch möglich ist, daß jeder Produkterwerber sich selbständig über die Produktbeschaffenheit und deren Gefahren vergewissert, soll derjenige, der den Produktionsprozeß kennt und beherrscht, die notwendigen Instruktionen erteilen. Der Umstand, daß diese Erwägungen auch bei fehlendem Konstruktions- oder Fabrikationsfehler greifen, belegt, daß mit der Warnpflicht nicht in Wirklichkeit ein ganz anderer Zweck verfolgt wird, nämlich die Unterdrückung von Konstruktions- oder Fabrikationsfehlern. Es bleibt vielmehr dabei: Was den Schutz des Eigentums am Produkt selbst anbelangt, genießt der Hersteller zwar die volle Handlungsfreiheit, diesem Produkt eine beliebige Beschaffenheit zu geben. Daß er bei sorgfältiger Organisation des Produktionsprozesses von dieser Freiheit vermutlich in der Weise Gebrauch gemacht hätte, daß er entweder die Sache fehlerfrei hergestellt oder die Inverkehrgabe unterlassen hätte, liefert jedoch keine Rechtfertigung dafür, die Instruktionspflicht entfallen zu lassen. Die Warnpflicht wird dadurch, daß der Hersteller sich einer Haftung nicht nur durch die geforderte Instruktion, sondern auch auf andere Weise, nämlich durch Unterlassung der In-

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes

189

Verhalten

verkehrgabe des fehlerhaften Produktes hätte entziehen können, weder sinnlos n o c h unerfüllbar n o c h entbehrlich.

V. Ergebnis Zusammenfassend läßt sich also festhalten: W e n n man, wie es der jenseits der Weiterfresser-Fälle anerkannten deliktsrechtlichen Produzentenhaftung entspricht, den Hersteller für verpflichtet hält, im R a h m e n des M ö g l i c h e n und Z u mutbaren v o r Produktgefahren zu warnen, mit denen der durchschnittliche B e nutzer nicht rechnet, so besteht kein G r u n d , diese Instruktionspflichten auf Fälle zu beschränken, in denen sonstigen Rechtsgütern G e f a h r droht oder sich das einwandfreie P r o d u k t durch unsachgemäße B e n u t z u n g

zu

verschlechtern

droht. E s ist dann vielmehr folgerichtig, eine solche Warnpflicht auch zu bejahen, w e n n sich aus der fehlerhaft konstruierten oder fabrizierten Sache G e f a h ren für deren Bestand ergeben. D e n n die maßgeblichen, jenseits der Weiterfresser-Fälle zur Rechtfertigung der Instruktionspflicht herangezogenen G r ü n d e greifen auch bei drohender Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache. D i e Weiterfresser-Fälle, die sich im übrigen kaum zuverlässig v o n der ohne ausreichende Verwendungshinweise erfolgenden Inverkehrgabe einwandfreier Sachen abgrenzen lassen, stellen mithin nur einen Anwendungsfall der allgemeinen Verkehrspflicht des P r o d u z e n t e n dar, z u m Schutze der in § 823 A b s . 1 B G B genannten Rechtsgüter und damit ggf. auch zum Schutze des Eigentums am P r o d u k t selbst, vor verborgenen Produktgefahren zu warnen.

F. Voraussetzungen und Umfang der Pflicht zur Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung im einzelnen N a c h d e m sich aus der vergleichenden Betrachtung der Instruktionshaftung des Herstellers jenseits der Weiterfresser-Fälle ergeben hat, daß es folgerichtig ist, an die Inverkehrgabe einer fehlerhaften Sache W a r n - und Hinweispflichten auch z u m Schutze des Eigentums an dieser Sache selbst zu knüpfen, m u ß nun n o c h genauer geklärt werden, unter welchen Voraussetzungen und in welchem U m f a n g solche Pflichten zur Warnung vor der Ausbreitung eines P r o d u k t f e h lers eingreifen und welche Personen zur Warnung verpflichtet sind.

I. Die Reichweite der Warnpflicht bestimmt sich grundsätzlich parallel zu den sonstigen Instruktionspflichten des Herstellers Ausgehend von der These, daß sich eine Warnpflicht in den WeiterfresserFällen parallel zur im übrigen geltenden Instruktionshaftung begründen läßt, ist

190

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

auch die Reichweite dieser Warnpflicht entsprechend der im übrigen geltenden Instruktionshaftung zu bestimmen. Deshalb soll zunächst die gängige U m schreibung der Pflicht des Herstellers zur Warnung vor Gefahren, die aus der Benutzung seines fehlerfreien Produktes für sonstige Rechtsgüter entstehen und damit der „klassische" Instruktionshaftungs-Fall ins Gedächtnis gerufen werden: Der Hersteller muß beim Inverkehrbringen über eine sichere Benutzung seines Produktes informieren, wenn das dafür notwendige Wissen bei einem Durchschnittsbenutzer nicht vorausgesetzt werden kann und Gefahren für sonstige Rechtsgüter drohen. Weil er nur vor Gefahren warnen kann, die er kennt, muß der Produzent ausreichende Sicherheitsprüfungen vornehmen. Lediglich hinsichtlich solcher Gefahren, von denen er auf zumutbare Weise keine Kenntnis erlangen kann, entfällt die Warnpflicht. 533 Weil es keinen Grund gibt, die Instruktionspflichten zum Schutze des vollwertigen Eigentums am fehlerhaften Produkt weniger weit reichen zu lassen als diejenigen zur Bewahrung sonstiger, durch die Inverkehrgabe des Produktes bedrohter Rechtsgüter, ist es folgerichtig, die genannte Formel über Voraussetzungen und Reichweite der Instruktionshaftung des Produzenten auf die Weiterfresser-Fälle zu übertragen. Daraus folgt: Grundsätzlich muß ein Hersteller, der eine fehlerhaft konstruierte oder fabrizierte Sache in Verkehr bringt, zum Schutze des Eigentums an dieser Sache vor dem Fehler und der Gefahr seiner Ausbreitung warnen. Er muß auf die Voraussetzungen hinweisen, unter denen sich die Sachsubstanz zu verschlechtern droht. Parallel zur Instruktionshaftung jenseits der Weiterfresser-Fälle muß der Hersteller aber nur vor solchen Gefahren der Ausbreitung eines Produktfehlers innerhalb des Produktes warnen, mit denen Durchschnittsbenutzer nicht rechnen. Ebenso wie die Sicherheitserwartungen, die an ein Produkt hinsichtlich seiner Gefährlichkeit für sonstige Rechtsgüter gerichtet werden, orientieren sich die Sicherheitsvorstellungen des maßgeblichen Benutzerkreises auch in den Weiterfresser-Fällen in aller Regel an dem, was dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Folglich ist eine Gefahr, mit der nicht gerechnet zu werden braucht, grundsätzlich dann zu bejahen, wenn die Sache nicht fachgerecht konstruiert oder fabriziert wurde. Sind etwa Reinigungs- und Entfettungsanlagen üblicherweise gegen Uberhitzung geschützt, dann wird der durchschnittliche Benutzer unterstellen, daß die von ihm erworbene Anlage auch bei längerem Betrieb nicht in Brand gerät. Insbesondere kann auch vom kundigen Erwerber nicht erwartet werden, daß er das Produkt auf verborgene Fehler untersucht. In Ermangelung anderer Anzeichen darf auch er davon ausgehen, daß es den üblichen Verkehrsstandards entspricht. Erst dann, wenn dem Erwerber förmlich ins Auge springen muß, daß die Sache einen Fehler aufweist, 533

Vgl. dazu die Nachweise in Fußn. 313.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

191

der sich weiterzufressen droht, bedarf er keiner Instruktion über den Zustand der Sache. Wandelt man also etwa den Schwimmerschalter-Fall 5 3 4 dahin ab, daß für den mit Reinigungs- und Entfettungsanlagen vertrauten Käufer ohne weiteres ersichtlich gewesen wäre, daß kein Uberhitzungsschutz bestand, so wäre eine Pflicht zum Hinweis auf den defekten Schwimmerschalter ausnahmsweise zu verneinen. Aus diesem Grund war in der Ortbeton-Entscheidung 5 3 5 eine Verletzung des Eigentums am fertig bebauten Grundstück zu verneinen: Das Einziehen fehlerhafter Decken über das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß eines Neubaus begründete nach der Behauptung der klagenden Eigentümerin dessen Einsturzgefahr. D e r Eigentümerin war also die Einsturzgefahr bekannt. Dann aber brauchte sie nicht mehr gewarnt zu werden. 5 3 6 Auch hinsichtlich der Frage, ob vom Hersteller - als notwendige Voraussetzung einer Warnung - die Kenntnis der Gefahr einer Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache verlangt werden kann, sind grundsätzlich dieselben Maßstäbe anzulegen wie dann, wenn es um die Warnung vor Produktgefahren geht, die sonstige Rechtsgüter bedrohen. Dabei kommt es hier genausowenig wie dort darauf an, ob der Hersteller die Produktgefahr tatsächlich kennt. Entscheidend ist vielmehr, ob diese Gefahr bei einem verkehrsgerechten Verhalten erkennbar ist. Dabei entscheidet wie stets ein rollen- und situationsspezifischer objektivierter Maßstab über die Reichweite der Verkehrspflicht. 5 3 7 Aus dem Umstand, daß in den Weiterfresser-Fällen ausnahmsweise weder Herstellung noch Inverkehrgabe des fehlerhaften Produktes eine vorwerfbare Handlung darstellen, ergeben sich hier keine Besonderheiten. D e n n für die Frage, ob der Hersteller, der auf eine Weise konstruiert oder fabriziert, die hinter der Verkehrserwartung zurückbleibt, erkennen kann, daß seine Produkte möglicherweise Gefahren bergen, mit denen der Verkehr nicht rechnet, ist es ohne Belang, daß ihn der Schutz des Eigentums am Produkt selbst zu einer anderen Produktionsweise nicht verpflichtet. Insofern liegen die Weiterfresser-Fälle wiederum völlig parallel zu den Instruktionshaftungs-Fällen, in denen es um die Warnung vor Produktgefahren fehlerfreier Produkte geht. O b w o h l auch dort keine Pflicht zu einer Änderung der Produktionsweise besteht, muß der H e r steller doch im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren überprüfen, ob sich gemessen an der durchschnittlichen Gebrauchserwartung Gefahren aus seinen Produkten ergeben, denen er durch entsprechenden Hinweis begegnen kann. Zum Schutze des Eigentums am Produkt selbst trifft den Hersteller also zwar

Siehe B G H VersR 1977, 358. B G H N J W 1963, 1827. 5 3 6 Der B G H hatte die Verneinung einer Eigentumsverletzung am fehlerhaft bebauten Grundstück allerdings nicht auf entsprechende Überlegungen gestützt, vgl. dazu bereits oben vor Teil 1, unter C. 5 3 7 Vgl. dazu MünchKomm./Mertens, vor §§ 823-853 Rz. 56ff. Umstände, die gerade den Hersteller daran hindern, den Fehler zu erkennen, können jedoch das Verschulden entfallen lassen. 534 535

192

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

keine Pflicht zu fehlerfreier Produktion. Dies hindert ihn aber nicht daran, die mangelnde Ubereinstimmung seiner Produktionsweise mit der Verkehrserwartung zu erkennen und vor Gefahren, die daraus möglicherweise resultieren und mit denen der Verkehr nicht rechnet, zu warnen. Wer etwa als Hersteller von Reinigungs- und Entfettungsanlagen regelmäßig ungeprüft läßt, ob der konstruktionsmäßig vorgesehene Uberhitzungsschutz auch tatsächlich eingebaut wurde, der muß damit rechnen, daß Anlagen sein Werk verlassen, die eine für den ahnungslosen Benutzer unerkennbare Brandgefahr bergen. Ebenso gilt dies für denjenigen Hersteller, der - entgegen dem, was technisch möglich ist - bei der Konstruktion schon gar keinen Uberhitzungsmechanismus vorsieht. Auch in den Weiterfresser-Fällen darf sich der Hersteller jedoch darauf berufen, daß ein sog. „Ausreißer" vorliegt, ein Fabrikationsfehler, der trotz ausreichender Qualitätskontrollen unbemerkt geblieben ist. Dabei sind an den U m fang der Qualitäts- und Warenausgangskontrollen - wie bereits oben dargelegt 5 3 8 - besonders strenge Maßstäbe anzulegen, wenn der Herstellungsprozeß bekanntermaßen das Risiko von Fehlern birgt, die erhebliche Schadensfolgen nach sich ziehen können. Ferner kann der Hersteller geltend machen, es sei bislang nicht bekannt gewesen, daß die gewählte Konstruktion zur Selbstbeschädigung des Produktes führen würde. Wie auch sonst werden solche Fälle jedoch die Ausnahme darstellen, die Dinge regelmäßig so liegen, daß bei fachmännischer Herstellung hätte erkannt werden müssen, daß das Produkt seiner Konstruktion oder Fabrikation nach nicht dem aktuell zu fordernden Standard entspricht. Schließlich ist auch hinsichtlich der Gefahr einer Selbstbeschädigung des Produktes denkbar, daß sie zwar zum Zeitpunkt der Inverkehrgabe unerkennbar ist oder noch gar nicht existiert, jedoch im Laufe der Zeit offenbar wird. Parallel zu den sonstige Rechtsgüter bedrohenden Entwicklungsfehlern greifen auch hier Produktbeobachtungs- und Hinweispflichten des Herstellers ein, deren Inhalt sich hier wie dort am Möglichen und Zumutbaren orientiert. 5 3 9 Weil jedoch der Hersteller nicht zur Verbesserung der vom aktuellen Eigentümer bereits in fehlerhaftem Zustand erworbenen Sache verpflichtet ist, kann zur Vermeidung von deren Selbstbeschädigung - wie schon an anderer Stelle ausgeführt 5 4 0 - niemals verlangt werden, daß der Hersteller einen Rückruf durchführt unter Erstattung des Kaufpreises oder gegen Reparatur bzw. Ersatzlieferung. Auch dann, wenn die Gefahr einer Fehlerausbreitung innerhalb des Produktes erst nach Inverkehrgabe erkennbar wird, muß der Hersteller nicht mehr tun, als vor dieser G e fahr zu warnen.

538 539 540

Vgl. die Nachweise in Fußn. 312. Siehe oben B.III, sowie E.I.2. u. 3. Siehe oben C.III.3.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

II. Die Frage nach der Gleichbehandlung und unbeweglicher Sachen weist bei fehlerbedingter keine Besonderheiten auf

193

beweglicher Selbstbeschädigung

In der Literatur findet sich zuweilen die Ansicht, unbewegliche Sachen seien keine Produkte. Bei fehlerhaft errichteten Bauwerken sollen von der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung deshalb nur solche Bauwerksschäden erfaßt werden, die durch den Einbau fehlerhafter beweglicher Sachen verursacht worden sind. 541 Baue etwa der Rohbauunternehmer in ein Gebäude einen tragenden Betonbalken ein, welcher der Belastung nicht standhalte und einstürze, so ständen dem Bauherrn kein Anspruch aus der Produzentenhaftung gegen den Bauunternehmer zu, wohl aber unter Umständen gegen den Hersteller des Betonbalkens. 542 In der Spundwand-Entscheidung äußerte sich auch der B G H zurückhaltend gegenüber einer deliktsrechtlichen Gleichbehandlung von unbeweglichen und beweglichen Sachen. D e r V I I . Senat ließ es ausdrücklich dahinstehen, „inwieweit die von der Rechtsprechung zur Produkthaftung entwickelten Grundsätze [...] überhaupt auf die Errichtung von Bauten angewendet werden können." 5 4 3 Dagegen hatte der V I . Senat in der Schlacke-Entscheidung keine Bedenken gegen die Anwendung der „Stoffgleichheits"-Rechtsprechung auch auf Bauwerksschäden, die im Streitfall durch die Ausdehnung fehlerhafter Schlacke verursacht wurden, mit welcher der Baugrund verfüllt worden war. 544 Bei eingeschränkter Geltung der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung wäre denkbar, daß den Hersteller von Bauwerken weniger weitreichende Warnpflichten treffen als den Produzenten beweglicher Sachen und daß dies folglich auch in den Weiterfresser-Fällen zu gelten hätte. So etwa dann, wenn jemand ein bebautes Grundstück erworben hat und das Bauwerk fehlerbedingt einstürzt,

541 Vgl. Soergel, FS Locher, 1990, S.238; dem folgt Locher, BauR., Rz.463a; weniger dezidiert Rolland, Produkthaftungsrecht, 1990, Rz. II 60, der zwar einerseits davon ausgeht, daß die Verhältnisse bei gefahrträchtigen nichtbeweglichen Sachen nicht ohne weiteres mit denen bei beweglichen Sachen zu vergleichen seien und daß es keine hinreichenden Anhaltspunkte gebe, die Grundsätze über die Produkthaftung auf nichtbewegliche Sachen zu übertragen, der aber andererseits keinen grundsätzlichen Einwand gegen die Einbeziehung von nichtbeweglichen Sachen in die Produzentenhaftung sieht. 542 So eines der Beispiele von Soergel, FS Locher, 1990, S.238. 543 Siehe BGHZ 96, 221 (229); vgl. zu dieser Entscheidung noch ausführlich unten Teil 3, Kapitel 2, D.H. 544 Siehe B G H N J W 2001,1346 (1347); prinzipiell begrüßt wird diese einheitliche Behandlung der Produkt- und der Bauwerkshaftung von Schaub,\L 2001,941,947; demgegenüber tritt Honseil, D N o t Z 2001, 374ff. zwar grundsätzlich für eine Gleichbehandlung der Immobilien-Fälle ein, lehnt jedoch die in der Schlacke-Entscheidung vorgenommene Erstreckung der „verunglücktefn]" „Stoffgleichheits"-Rechtsprechung auf Grundstücksfälle ab; vgl. zur jüngst ergangenen Schlacke-Entscheidung ferner die Anmerkungen von Emmerich, JuS 2001, 710f.; Krauss, J A 2001, 617ff.; S. Lorenz, JZ 2001, 878ff.; Spickhoff, LM §823 B G B (Ac) Nr. 68, Bl. 847f.

194

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

weil der Erwerber mangels Kenntnis vom Fehler keine schonendere Nutzung vornehmen konnte. Anders als § 2 P r o d H a f t G enthält § 8 2 3 A b s . l B G B kein Tatbestandsmerkmal, das eine Schadensverursachung durch bewegliche Sachen vorschreiben würde. Es leuchtet deshalb nicht ohne weiteres ein, warum die Instruktionshaftung aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B bei Bauwerken weniger weit reichen soll als bei beweglichen Sachen. 5 4 5 Ebenso wie der Warenhersteller den Herstellungsprozeß beherrscht und steuert, gilt dies auch für den Bauunternehmer. U n d ebensowenig wie der durchschnittliche Benutzer beweglicher Sachen Sachgefahren erkennen kann, mit denen der Verkehr typischerweise nicht rechnet, vermag dies der Grundstückserwerber. O b dessen ungeachtet und namentlich hinsichtlich der für die Haftung oft ganz entscheidenden Beweislast 5 4 6 die Fälle fehlerhaft erstellter Immobilien abweichend von der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung zu behandeln sind, soll hier jedoch nicht weiter geprüft werden. Es genügt vielmehr festzuhalten, daß die Instruktionshaftung in den Weiterfresser-Fällen sich auch dann an dem zu orientieren hätte, was bei Gefahren gilt, die sich für den Bestand der fehlerfreien Immoblie ergeben oder die sonstigen Rechtsgütern aus fehlerhaften G e bäuden drohen. Denn für die Frage, ob auch unbewegliche Sachen als Produkte im Sinne der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung aus § 8 2 3 A b s . l B G B in Betracht kommen, ergeben sich aus dem Umstand, daß dem Bauwerk die fehlerbedingte Selbstbeschädigung droht, keinerlei Besonderheiten gegenüber den genannten sonstigen Fallgruppen der Instruktionshaftung.

III. Die Warnpflicht besteht nicht, wenn die Sachverschlechterung voraussichtlich trotz Warnung eintreten würde Auf die Reichweite der Pflicht zur Warnung vor der sachinternen Ausbreitung von Fehlern bleibt es allerdings nicht ohne jeden Einfluß, daß Eigentum an einer fehlerhaften, möglicherweise gar bereits völlig wertlosen Sache erworben wurde. Auch in den Weiterfresser-Fällen ist Voraussetzung der Instruktionshaftung des Herstellers die Eignung der Warnung zur Gefahrenabwehr. Das Unterlassen einer Warnung kann deshalb nur dann zur Haftung des Produzenten führen, wenn ein warnender Hinweis überhaupt tauglich erschien, zur Verhinderung des drohenden Verletzungserfolges beizutragen. G e m ä ß der gesetzlichen Ausgestaltung der Deliktshaftung als Haftung für vorwerfbares Verhalten und einem entsprechenden Verständnis der Verkehrspflichten als grundsätzlich er5 4 5 Dafür, daß unbewegliche Sachen unter die deliktsrechtliche Produzentenhaftung fallen auch Stand./]. Hager, §823 Rz. F 6; Schmidt-Saher, Produkthaftung, I I I / l , Rz. 4.490ff. 5 4 6 Vgl. dazu unten Kapitel 4, D.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

195

füllbare Gefahrsteuerungsgebote ist dabei nicht die ex /wi-Sicht, sondern die (objektivierte) ex ¡zwie-Perspektive des Handelnden maßgeblich. Wäre also die am Produkt später eingetretene Substanzveränderung aus der ex ante-Sicht des Herstellers voraussichtlich auch dann nicht ausgeblieben, wenn vor der Gefahr der Fehlerausbreitung gewarnt worden wäre, dann darf dem Hersteller der unterlassene Hinweis nicht zum Vorwurf gemacht werden. Eine auf Warnung gehende Verkehrspflicht muß verneint werden. Ein solcher Fall liegt vor, wenn die nachträgliche Substanzveränderung auch dann eingetreten wäre, wenn auf eine Benutzung der Sache verzichtet worden und eine Reparatur unmöglich oder unwirtschaftlich gewesen wäre. Es hätte dann eine Warnung vielleicht dazu geführt, daß der Eigentümer von einer Verwendung der Sache Abstand genommen hätte. Der Fehler hätte sich aber dennoch weitergefressen, so daß eine Warnung zur Verhinderung der Fehlerausbreitung nichts hätte beitragen können. Eine Warnpflicht besteht dann nicht. Man stelle sich etwa vor, es würde jemand ein Gerät in Verkehr bringen, bei dem einzelne Teile von Rost befallen wären, der sich auszubreiten drohte. Würden hier bei einer Reparatur unverhältnismäßige Kosten entstehen oder wäre eine Beseitigung des Rosts mangels Zugänglichkeit der befallenen Teile unmöglich, so würde auch der informierte Eigentümer die Zerstörung nicht aufhalten. Aber auch dann, wenn die sachinterne Ausbreitung des Fehlers durch einen Gebrauchsverzicht abgewendet werden kann, ist denkbar, daß eine Warnung ungeeignet wäre, ein Weiterfressen zu verhindern. Dies kann der Fall sein, wenn eine Reparatur der fehlerhaften Sache unmöglich oder unwirtschaftlich ist, es aber nicht wirtschaftlich vernünftig erscheint, die drohende Substanzveränderung durch eine andere Art und Weise der Benutzung oder einen Benutzungsverzicht abzuwenden. Beträgt etwa der Verkehrswert eines fehlerhaften Gerätes Null, weil es irreparabel ist, seine baldige Selbstzerstörung bevorsteht und die Teile, aus denen es besteht, nur schwer verwertet werden können, so mag es sein, daß auch eine Warnung vor der Weiterfresser-Gefahr den Eigentümer weder zu einer Reparatur noch zu einem Nutzungsverzicht veranlassen würden. Selbst dann, wenn die Sache beim Erwerb noch einen Wert hat, ist es in solchen Fällen denkbar, daß eine Warnung ungeeignet wäre, den Sacherwerber zu einem sacherhaltenden Nutzungsverzicht zu bewegen. So mag es bei hohen Reparaturkosten wirtschaftlicher sein, auf eine Instandsetzung zu verzichten und die Sache bis zum Eintritt der Selbstzerstörung weiter zu gebrauchen. Liegt der Fall so, dann würde der Eigentümer die Weiterfresser-Gefahr voraussichtlich auch bei Kenntnis sämtlicher Umstände nicht abwenden. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Beschädigungs- oder Zerstörungsrisiko gemessen an den Kosten einer Reparatur bzw. den mit einer schonenderen Nutzung verbundenen Gewinneinbußen als so gering einzuschätzen ist, daß es vernünftig erscheint, dieses Risiko zu ignorieren. Würde hier eine Warnung voraussieht-

196

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

lieh nicht zum Erhalt der Sachsubstanz führen, so muß eine Warnpflicht auch dann verneint werden, wenn sich die Gefahr - etwa aufgrund eines Zusammentreffens unglücklicher Umstände - später doch realisiert. Bringt etwa ein Hersteller Gartentische in Verkehr, die mit einem Lack überzogen sind, der keinen den Verkehrsstandards entsprechenden Feuchtigkeitsschutz aufweist, und ist der Produktfehler so unwesentlich, daß er nur bei äußerst selten vorkommendem Dauerregen zur Beschädigung des Holzes führen kann, so trifft den Hersteller keine Pflicht zur Warnung vor der Feuchtigkeitsgefahr, wenn die Tische angesichts des geringen Schadensrisikos sowie des verhältnismäßig niedrigen Wertes auch bei erfolgter Warnung aller Voraussicht nach ohne erneute Lackierung benutzt würden. Wenn es dann tatsächlich zu einem Jahrhundertregen kommt, ist eine Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 B G B zu verneinen, weil die Holzschäden auch bei erfolgter Warnung vermutlich nicht verhindert worden wären. Dennoch wird es in solchen Fällen, in denen das Weiterfressen des Mangels durch einen Gebrauchsverzicht verhindert werden könnte, die Ausnahme darstellen, daß eine Warnung vor der Fehlerausbreitung tatsächlich unbeachtet bleiben und die Veränderung der Substanz des Produktes trotzdem eintreten würde. Dies hat seine Ursache darin, daß die Substanzveränderung eines fehlerhaften Produktes fast immer Folgeschäden nach sich zieht und es regelmäßig im Interesse des Eigentümers auch einer wertlosen, irreparablen oder nur unter unwirtschaftlichem Aufwand reparablen Sache liegt, diese Folgeschäden zu vermeiden. Wer etwa vom Hersteller darauf aufmerksam gemacht wird, daß die gelieferte K f z - H e b e b ü h n e den üblichen Belastungen voraussichtlich nicht standhalten kann, der wird sie kaum weiterbenutzen, bis sie den Dienst versagt. Weil er befürchten muß, daß bei einem Einsturz der Hebebühne Menschen, Fahrzeuge und Arbeitsgeräte in Mitleidenschaft gezogen werden, vielleicht auch der gute Ruf der Werkstatt, so daß Auftragseinbußen drohen, der wird die Zerstörung der Hebebühne in jedem Fall vermeiden wollen. Die Eignung der Warnung, die nachträgliche Fehlerausbreitung innerhalb des Produktes zu verhindern, entfällt hier also nur unter der Voraussetzung, daß keine Folgeschäden drohen. N u n könnte man dagegen einwenden wollen, es sei unangemessen, dem H e r steller eine Warnpflicht zum Schutze des Eigentums am Produkt selbst aufzuerlegen, wenn das Interesse des Eigentümers am Erhalt der Substanz des Produktes sich in der Vermeidung von Folgeschäden erschöpfe. Eine solche Argumentation stände jedoch im Widerspruch dazu, daß § 8 2 3 Abs. 1 B G B die dort genannten Rechtsgüter unabhängig davon schützt, o b im Verletzungserfolg selbst ein Schaden liegt oder o b die Rechtsgutsbeeinträchtigung nur zu mittelbaren Schäden führt. Entsprechend sind nach herrschender Ansicht Vermögensfolgeschäden aus einer Eigentumsverletzung selbst dann zu ersetzen, wenn sie den Sachwert um ein Vielfaches übersteigen. Würde beispielsweise jemand eine Maschine durch Zerstörung eines winzigen, aber wichtigen Teiles zum Stillstand

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

197

bringen, so würde man den durch Betriebsausfall, entgangene Aufträge usw. e n t s t e h e n d e n V e r m ö g e n s s c h a d e n als F o l g e s c h a d e n d e r

Eigentumsverletzung

a u c h dann n a c h § 823 A b s . 1 B G B ersetzen, w e n n die M a s c h i n e selbst gar k e i n e n W e r t v e r l u s t e r l i t t e n h ä t t e , e t w a d e s h a l b , w e i l sie m i t e i n e r i h r e v o r a u s s i c h t l i c h e L e b e n s d a u e r übersteigenden A n z a h l v o n Ersatzteilen geliefert w o r d e n war.547 I s t a b e r d a s I n t e r e s s e des E i g e n t ü m e r s a m E r h a l t d e r S u b s t a n z s e i n e r S a c h e n a c h § 8 2 3 A b s . 1 B G B a u c h d a n n g e s c h ü t z t , w e n n es s i c h in d e r V e r m e i d u n g v o n F o l g e s c h ä d e n e r s c h ö p f t , s o h a t dies f o l g e r i c h t i g a u c h in d e n W e i t e r f r e s s e r - F ä l l e n z u g e l t e n . A n d e r n f a l l s w ü r d e m a n das E i g e n t u m a m f e h l e r h a f t e n P r o d u k t z u e i n e m minderwertigen, zweitklassigen E i g e n t u m machen. M u ß also der Hersteller dav o n ausgehen, daß der A b n e h m e r des P r o d u k t e s ein Weiterfressen des M a n g e l s v o r a u s s i c h t l i c h v e r h i n d e r n w ü r d e u n d sei es n u r , w e i l F o l g e s c h ä d e n d r o h e n , s o ist e r v e r p f l i c h t e t , v o r d e r G e f a h r d e r F e h l e r a u s b r e i t u n g z u w a r n e n . U m M i ß v e r s t ä n d n i s s e n v o r z u b e u g e n , sei j e d o c h i n aller D e u t l i c h k e i t d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß die B e j a h u n g e i n e r W a r n p f l i c h t a u c h in F ä l l e n , in d e n e n d e r i n f o r m i e r t e E i g e n t ü m e r die F e h l e r a u s b r e i t u n g n u r z u r V e r m e i d u n g v o n F o l g e s c h ä d e n v e r h i n d e r n w ü r d e , k e i n e s f a l l s z u e i n e r E r s a t z f ä h i g k e i t des v o n d e r R e c h t s p r e c h u n g sog. anfänglichen M a n g e l u n w e r t s führt. D i e anfängliche A b weichung der zu E i g e n t u m e r w o r b e n e n Sache von der vertraglich geschuldeten Soll-Beschaffenheit besteht bereits vor der nachträglichen Selbstbeschädigung u n d stellt s c h o n deshalb keinen F o l g e s c h a d e n dar.548

547 Nach der Lehre vom Schutzzweck der verletzten Norm wird allerdings ausnahmsweise ein solcher Schaden nicht ersetzt, dessen Verhinderung mit dem Schutz des verletzten Rechtsgutes gar nicht bezweckt war, vgl. nur BGHZ 27,137 (Motorradunfall); BGHZ 32,194; BGHZ 107, 359 (363f.) (Schlaganfall); über eine Ausdehnung dieser Lehre ist versucht worden, auch den Ersatz von Vermögensfolgeschäden bei Eigentumsverletzung einzudämmen. So will etwa Freiherr Marschall von Bieberstein, vgl. FS von Caemmerer, 1978, S. 431 ff. bei Eigentumsverletzung nur einen entgangenen Gewinn ersetzen, der unmittelbar durch den Ausfall einer beschädigten oder zerstörten Sache eintritt, nicht aber den insgesamt im Betrieb des Geschädigten dadurch entstehenden Gewinnausfall. Dies ist schon deshalb abzulehnen, weil gar nicht erkennbar ist, wie ein in der Terminologie Freiherr Marschall von Biebersteins - unmittelbarer vom nur mittelbar eintretenden Gewinnentgang klar abgegrenzt werden soll. Wenn beispielsweise ein Unternehmen immer nur ein Werk nach dem anderen herstellt, etwa große Industrieanlagen, soll dann bei Zerstörung eines winzigen, aber für die Produktion unverzichtbaren Teils, welche zur Folge hat, daß der Betrieb stillsteht und im laufenden Jahr eine Anlage weniger als geplant produziert wird, ein unmittelbarer oder ein mittelbarer Gewinnentgang vorliegen? Auch ist nicht erkennbar, warum bestimmte Teilposten des infolge Sachzerstörung entgangenen Gewinns jenseits des mit dem Eigentumsschutz verfolgten Zweckes liegen sollen; Kritik gegen diesen Versuch einer Haftungsbegrenzung auch bei Soergel/Zeuner, §823 Rz.41, sowie MünchKommJMertens, §823 Rz.88ff.; Staudinger/]. Hager, § 823 Rz. H 24; ebensowenig zu überzeugen vermag die von Giesen, VersR 1979,389ff., vorgenommene Einschränkung, wonach bei Beschädigung eines Pkw ein Ersatz des entgangenen Gewinns jenseits des mit dem Eigentumsschutz verfolgten Zweckes liegen soll; ablehnend auch MünchKommJ Mertens, §823 Rz.88 Fußn. 154 u. Staudinger/J. Hager, §823 Rz. H 24; vgl. zur Ersatzfähigkeit von Folgeschäden auch unten Kapitel 4, B.III. 5 4 8 Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, B.IV.l. u. noch unten Kapitel 4, B.V.

198

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

IV. Die Warnpflicht kann nur unter der Prämisse fortbestehenden Eigentums an der Sache bestimmt werden D e r U m s t a n d , daß die Sache von Anfang an fehlerhaft und vielleicht gar bereits völlig wertlos ist, bringt für die B e s t i m m u n g der Voraussetzungen der Warnpflicht auch folgende Schwierigkeit mit sich: D i e Warnpflicht soll dem Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache dienen. Stellt man nun die F r a ge, was der E r w e r b e r bei Kenntnis der wahren Sachbeschaffenheit getan hätte, so wird die A n t w o r t darauf nicht selten lauten: E r hätte von seinen vertraglichen Gewährleistungsrechten G e b r a u c h gemacht, hätte vielleicht Ersatzlieferung verlangt ( § § 4 3 7 N r . 1, 4 3 9 B G B (n.F.)) oder wäre v o m Vertrag zurückgetreten (§§ 4 3 7 Nr. 2 , 4 4 0 , 3 2 3 , 3 2 6 Abs. 5 B G B (n.F.)), so daß er jetzt gar nicht mehr E i gentümer der fehlerhaften Sache wäre. E i n e Warnung hätte also in so m a n c h e m Fall gerade eine Preisgabe des Eigentums durch denjenigen nach sich gezogen, der aktuell eine Verletzung seines Eigentums geltend macht. Fraglich ist, o b dies der A n n a h m e einer Warnpflicht entgegensteht. D a s ist meines Erachtens nicht der Fall. E s darf hier nicht argumentiert werden, eine Eigentumsverletzung scheitere daran, daß der E r w e r b e r nach dem h y pothetischen Kausalverlauf das E i g e n t u m verloren hätte und er deshalb hinsichtlich dieses Eigentums jedenfalls nicht besser dastehen würde als aktuell als E i g e n t ü m e r der beschädigten Sache. A u c h k o m m t es nicht darauf an, wie der hypothetische E r w e r b e r der Sache mit dieser verfahren wäre. D e r für das B e s t e hen einer Warnpflicht maßgebliche Vergleich zwischen aktuellem und h y p o t h e tischem Zustand der Sache tümerposition durch

deren

des Erwerbers,

des Erwerbers Selbstbeschädigung

die Frage nämlich, ob sich die

Eigen-

hinsichtlich der fehlerhaften Sache auch dann verschlechtert hätte, wenn eine Warnung er-

folgt wäre, m u ß unter der Prämisse angestellt werden, daß der E r w e r b e r am E i gentum an der Sache festgehalten hätte. F ü r die Klärung der Haftungsvoraussetzung, ob der Hersteller im Interesse desjenigen, der zum Zeitpunkt der fehlerbedingten Selbstbeschädigung E i g e n t ü m e r war, vor der sachinternen Fehlerausbreitung hätte warnen müssen, ist deshalb zu prüfen, welches Schicksal die Sache g e n o m m e n hätte, wenn der aktuell von der Substanzveränderung betroffene E i g e n t ü m e r die Sache behalten hätte. Fragt man, o b der E i g e n t ü m e r bei erfolgter Warnung eine Handlung vorgen o m m e n hätte, die ebenfalls zu einer Verschlechterung seiner Eigentümerposition geführt hätte, etwa indem er die Sache dem Verkäufer zurückgegeben hätte, so stellt dies eine Frage nach einer Reserveursache dar. Diese Reserveursache ist unbeachtlich. In Fällen, in denen anzunehmen ist, daß die Sache bei erfolgter Warnung veräußert, aber d o c h in der H a n d des hypothetischen E r w e r b e r s erhalten geblieben wäre, folgt dies schon daraus, daß der hypothetische Eigentümer mangels tatsächlichen Eigentumserwerbs keine Rechtsgutsverletzung erlitten hat. Bei Beachtlichkeit der Reserveursache k ö n n t e folglich niemand die Ver-

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

199

letzung seines Eigentums geltend machen, obwohl feststeht, daß die unterlassene Warnung die Selbstbeschädigung der Sache bedingt hat. Aber auch dann, wenn der hypothetische Erwerber nicht für den Erhalt der Sachintegrität gesorgt hätte, gilt nichts anderes, wenn nur der tatsächliche Eigentümer bei Festhalten an seinem Eigentum die nachträgliche Substanzveränderung vermieden hätte. Der Grund dafür liegt darin, daß der Eigentümer nicht mit den Nachteilen einer hypothetischen Bedingung belastet werden darf, die möglicherweise auch Vorteile mit sich gebracht hätte, die ihm tatsächlich versagt geblieben sind, weil diese Bedingung in Wirklichkeit nun einmal nicht eingetreten ist. So steht dem Eigentümer, nur weil er die fehlerhafte Sache bei Kenntnis ihrer Beschaffenheit verkauft oder zurückgegeben hätte, aktuell doch kein Anspruch auf Kaufpreiszahlung bzw. auf Rückzahlung des Kaufpreises zu. Nach dem tatsächlichen Geschehensverlauf hat er eben weder weiterveräußert noch ist er vom Kaufvertrag zurückgetreten. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß sich dieses Problem einer hypothetischen Eigentumsentäußerung bei Hinwegdenken der Verletzungshandlung auch jenseits der Weiterfresser-Fälle stellt, und zwar immer dann, wenn das Ausbleiben der Verletzungshandlung dazu geführt hätte, daß der aktuell von der Sachbeschädigung betroffene Eigentümer das Eigentum an der Sache aufgegeben hätte. Es ist dort ebenso zu lösen: Man stelle sich etwa vor, es hätte jemand zur Herstellung eines Modellfahrzeuges einen Modellbaukasten gekauft sowie einen Motor, wobei der Hersteller des Modellbaukastens in der Modellanleitung den Zusammenbau als „kinderleicht" beschrieben hätte, obwohl dafür Fachkenntnisse erforderlich sind. Wenn hier der Zusammenbau durch den Käufer aufgrund dessen mangelnder Modellbauerfahrung zu einer Beschädigung des Motors führt, liegt eine Verletzung des Eigentums am Motor durch Instruktionspflichtverletzung vor. Dies gilt auch dann, wenn feststeht, daß der Käufer bei Kenntnis der wirklichen Anforderungen den Baukasten samt Motor an einen Freund verkauft hätte, den er zu Unrecht für ausreichend kompetent hält, und wenn sich ferner nachweisen läßt, daß dieser Freund sich niemals um Gebrauchs- und Betriebsanleitungen schert und deshalb auch eine entsprechende Herstellerinformation nicht gelesen hätte, so daß erstens der Erstkäufer jetzt gar nicht mehr Eigentümer des Motors und zweitens der Motor jetzt in gleicher Weise beschädigt wäre. Die Frage, ob das Eigentum des Erstkäufers im Falle einer Instruktion nun ebenfalls einen beschädigten Motor zum Gegenstand hätte oder sich vielmehr auf einen intakt gebliebenen Motor erstrecken würde, kann sinnvollerweise nur beantwortet werden, wenn man unterstellt, der Erstkäufer hätte am Eigentum festgehalten. Entscheidend für die Haftungsbegründung kann folglich auch hier nur sein, daß dann, wenn der Hersteller den Erstkäufer ausreichend informiert hätte und dieser Eigentümer des Motors geblieben wäre, die Beschädigung ausgeblieben wäre, weil der Erstkäufer seine Unfähigkeit erkannt und von einem Bauversuch Abstand genommen hätte.

200

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

V. Die Warnpflicht kann nur unter der Prämisse einer Entstehung der fehlerhaften Sache bestimmt werden Ein ähnliches Problem tritt dann auf, wenn das fehlerhafte Teil nicht vom Hersteller der Endsache stammt, sondern vom Hersteller eines Einzelteils und die Warnpflicht dieses Zulieferers in Frage steht. Stellt man sich hier vor, der Zulieferer hätte sein eigenes Produkt mit einer Warnung über deren Beschaffenheit versehen, so wird man häufig zu dem Schluß gelangen müssen, daß der Endhersteller das fehlerhafte Teil dann nicht für seine Produktion verwendet hätte und damit die fehlerhafte Endsache gar nicht entstanden wäre, so daß sich das Eigentum des Endabnehmers bei Warnung des Endherstellers durch den Hersteller des fehlerhaften Einzelteils niemals auf die fehlerhafte Sache bezogen hätte, um deren nachträgliche Selbstbeschädigung es aktuell alleine geht. Auch diese hypothetische Nichtentstehung der fehlerhaften Sache bei erfolgter Warnung hat für die Frage, ob das Eigentum an dieser fehlerhaften Sache verletzt wurde, außer Betracht zu bleiben. Weil der Endabnehmer nun einmal tatsächlich niemals Eigentümer einer fehlerfreien Sache geworden ist und ihm deshalb Eigentumsrechte hinsichtlich dieser (hypothetischen) fehlerfreien Sache versagt bleiben müssen, darf ihm nicht entgegengehalten werden, daß er nach dem hypothetischen Geschehensverlauf gar nicht Eigentümer der fehlerhaften Sache geworden wäre und er deshalb hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache noch schlechter dastünde als er aktuell dasteht. O b das Eigentum, das sich tatsächlich nur auf die fehlerhafte Sache erstreckte, auch dann beeinträchtigt worden wäre, wenn der Hersteller des fehlerhaften Teils auf dessen Beschaffenheit hingewiesen hätte, kann nur beantwortet werden unter der Prämisse, daß die fehlerhafte Sache dennoch entstanden wäre. Zur Klärung der Frage, ob den Hersteller eines fehlerhaften Einzelteiles zum Schutz künftigen Eigentums am Endprodukt die Pflicht traf, bei Inverkehrgabe des Einzelteils auf dessen Beschaffenheit hinzuweisen, ist deshalb wie folgt vorzugehen: Es ist zu unterstellen, daß der Endhersteller das fehlerhafte Einzelteil auch bei erfolgter Warnung zur Herstellung des Endproduktes verwendet hätte. Sodann ist zu fragen, ob er bei Kenntnis von dem Fehler den Hinweis auf die Beschaffenheit an den Abnehmer weitergeleitet hätte. Ist dies zu bejahen, was regelmäßig der Fall sein wird, weil der Endhersteller andernfalls selbst eine Instruktionspflichtverletzung begangen hätte, so muß geklärt werden, ob der Zulieferer damit rechnen mußte, daß der informierte Erwerber des Endproduktes die sachinterne Fehlerausbreitung vermieden hätte. Ist diese Frage ebenfalls positiv zu beantworten, dann bestand eine Warnpflicht. Wer etwa fehlerhafte Schwimmerschalter in Verkehr bringt, der muß damit rechnen, daß Erwerber von Anlagen, die mit diesen Schaltern ausgestattet werden, bei Kenntnis der Funktionsuntauglichkeit die Inbetriebnahme unterlassen würden.

Die unterlassene

'Warnung als unerlaubtes

Verhalten

201

An dieser Stelle sei noch auf folgendes hingewiesen: Geht man bei der Prüfung der Warnpflicht des Zulieferers von der Prämisse aus, daß die fehlerhafte Endsache auch bei Warnung zur Entstehung gelangt wäre, so steht dies nicht in Widerspruch zur oben gegebenen Begründung für ein Ausscheiden von Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache als Verletzunghandlungen hinsichtlich des Eigentums an dieser fehlerhaften Sache. Zur Erinnerung: Dort 549 wurde argumentiert, es könne vom Hersteller zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache nicht die Unterlassung einer Handlung gefordert werden, die gerade notwendige Bedingung dafür ist, daß die Sache überhaupt entstehen und Objekt einer Eigentumsverletzung werden kann. Die Fallkonstellation, daß ein bestimmtes Verhalten notwendige Bedingung für die Entstehung des geschützten Rechtsgutes ist, darf jedoch nicht gleichgesetzt werden mit Fällen, in denen die Entstehung des Schutzobjekts zwar auch bei Beachtung des Verbotes theoretisch möglich bleibt, aber tatsächlich unwahrscheinlich wird, insbesondere weil Dritte das normgemäße Verhalten des Verbotsadressaten zum Anlaß nehmen, das fragliche Rechtsgut doch nicht zur Entstehung gelangen zu lassen. Eine Verhaltensanforderung, mit der dem Hersteller zum Schutze der fehlerhaften Sache aufgegeben würde, die fehlerhafte Sache nicht herzustellen bzw. in Verkehr zu bringen, wäre paradox, weil damit die Entstehung der geschützten Rechtsposition zwingend verhindert würde. Bleibt hingegen bei normgemäßem Verhalten die Entstehung des geschützten Rechtsguts möglich, so fehlt es an einer solchen Widersprüchlichkeit der Verhaltenspflicht. Gibt man dem Zulieferer fehlerhafter Teile auf, im Interesse künftiger Erwerber des Endproduktes über die Beschaffenheit der Teile aufzuklären, so stellt dies auch dann keine widersprüchliche Verhaltensanforderung dar, wenn es die geforderte Instruktion mit sich bringt, daß kaum noch jemand die fehlerhaften Teile verwendet. Solange nicht überhaupt ausgeschlossen ist, daß bei erfolgter Warnung fehlerhafte Endprodukte hergestellt werden, wird vom Normadressaten nichts verlangt, was dem geschützten Rechtsgut gar nicht dienen kann, weil es dessen Entstehung zwingend vereitelt. 550

VI. Die warnpflichtigen

Personen

Bisher war - mit wenigen Ausnahmen - meist vom „Hersteller" oder „Produzenten" als Adressaten der Warnpflicht die Rede. An Herstellung und Vertrieb des fehlerhaften Produktes sind aber regelmäßig mehrere Personen beteiligt. Neben dem Hersteller des Endproduktes wirken vor allem auch Zulieferer und Händler daran mit, daß die fehlerhafte Sache entsteht und in den Händen des Vgl. oben Kapitel 2, B.I.2. Die Warnpflicht stellt auch keine unzulässsige Umgehung der mangelnden Vorwerfbarkeit der Inverkehrgabe dar, vgl. dazu oben E.IV. 549 550

202

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

E r w e r b e r s eine Selbstbeschädigung oder -Zerstörung erleiden kann. I m folgenden gilt es deshalb darzulegen, w e r genau als Adressat von Warnpflichten z u m Schutze des Eigentums am fehlerhaften P r o d u k t in B e t r a c h t k o m m t . So richtete sich etwa im Spezialschmierfett-Fall die Klage gegen den Zulieferer des für den Einsatz bei niedrigen Temperaturen ungeeigneten Schmierfettes, mit dem das G r i m ' s c h e Leitrad befüllt w o r d e n war. 5 5 1 U n d im Hinterreifen-Fall war Beklagter nicht derjenige, der die ungeeigneten R e i f e n aufgezogen hatte, sondern die Vertragshändlerin, bei welcher der Kläger den Wagen gekauft hatte. 5 5 2 Was diese Frage der persönlichen R e i c h w e i t e der Warnpflicht anbelangt, so ergeben sich aus dem U m s t a n d , daß es u m den Schutz des Eigentums am fehlerhaften P r o d u k t selbst geht, keinerlei Besonderheiten. Ausgehend v o n der Prämisse, daß das E i g e n t u m am fehlerhaften P r o d u k t als vollwertiges E i g e n t u m ebenso schutzwürdig ist wie das Eigentum am fehlerfreien P r o d u k t oder an sonstigen Rechtsgütern, ist auch die persönliche Reichweite der dem S c h u t z dieses Eigentums am fehlerhaften P r o d u k t dienenden Warnpflicht parallel zu bestimmen zu den Grundsätzen, die sich jenseits der Weiterfresser-Fälle in R e c h t s p r e chung und Rechtslehre durchgesetzt haben.

1. Die Haftung des Endherstellers D i e Verantwortung des Herstellers des E n d p r o d u k t e s erstreckt sich auf die Warnung vor Fehlern, die in seinem P r o d u k t i o n s b e r e i c h entstanden sind. H i n weisen m u ß er ferner auf solche Fehler, die aus einer unsorgfältigen Auswahl von Lieferanten und Material oder aus unzureichenden Wareneingangskontrollen resultieren. A u ß e r d e m m u ß der Endhersteller vor Fehlern durch f r e m d b e zogene Vorprodukte warnen, wenn diese nach seinen Plänen oder A n w e i s u n gen gefertigt wurden. D e n n auch jenseits der Weiterfresser-Fälle ist in R e c h t sprechung und L e h r e anerkennt, daß der Endhersteller für seine eigene P r o d u k tionstätigkeit verantwortlich ist und sich darüber hinaus über die Qualität der v o n ihm verwendeten Vorprodukte vergewissern m u ß . 5 5 3 In der Schwimmerschalter-Entscheidung n a h m der B G H dementsprechend an, die beklagte Endherstellerin müsse für einen K o n s t r u k t i o n s - oder F a b r i k a tionsfehler des v o m Zulieferer bezogenen Schwimmerschalters einstehen, wenn es ihr nicht gelinge, sich hinsichtlich des Verschuldens zu entlasten. D e n n nachdem die Beklagte den Schalter nach eigener K o n s t r u k t i o n bestellt und eingebaut habe, habe die Verantwortung für ein fehlerfreies Arbeiten des Schalters ausschließlich in ihrem Bereich gelegen. Sie allein habe die Ausführung und den Siehe BGH NJW 1996, 2224. Siehe BGH NJW 1978, 2241. 553 Vgl. etwa BGH VersR 1972, 559 (560) (Förderkorb); BGH NJW 1968, 247 (248) (Schubstrebe); BGH NJW 1988, 2611 (2612) (Limonadenflasche); Staud./J. Hager, §823 Rz. F 27, u. MünchKomm./Mertens, §823 Rz. 278, jeweils m. w. Nachw. 551

552

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes Verhalten

203

E i n b a u des Schalters kontrollieren können. 5 5 4 G e h t man abweichend v o m B G H davon aus, daß die Verletzungshandlung allein in der unterlassenen Warnung vor dem defekten Schalter liegen kann, so gilt: Weil die Endherstellerin hätte erkennen können, daß der Schalter fehlerhaft konstruiert oder fabriziert w o r d e n war, hätte sie die E r w e r b e r i n der Anlage vor diesem Fehler warnen müssen. Entsprechend wäre eine dem Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache dienende Verkehrspflicht des Endherstellers zur Warnung vor einem nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik erkennbaren K o n s t r u k t i o n s oder Fabrikationsfehlers auch im H e b e b ü h n e n - 5 5 5 , im G a s z u g - 5 5 6 , im K o m p r e s sor- 5 5 7 und im Baustromverteiler-Fall 5 5 8 zu bejahen gewesen. Hersteller ist aber auch derjenige, der ein P r o d u k t verändert und danach wieder in Verkehr gibt. A u c h dieser ist verantwortlich für Produktfehler, die aus seinem Tätigkeitsbereich resultieren oder auf einer unzureichenden Prüfung der Ausgangssache beruhen. 5 5 9 Z u m Schutze des Eigentums am fehlerhaften P r o d u k t selbst m u ß folglich auch ein solcher Hersteller vor Produktfehlern warnen, die ihm bei sorgfältigem, dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechendem Vorgehen nicht hätten unterlaufen bzw. die nicht hätten u n b e merkt bleiben dürfen und mit denen der Verkehr deshalb nicht rechnet. D a m i t stimmt es überein, daß der B G H im Radaufhängungs-Urteil die H a f tung der Betreiberin einer K f z - W e r k s t a t t für gegeben hielt, in welcher der später verunglückte P k w unter Verwendung eines falschen Ersatzteils repariert w o r den war. 5 6 0 Ähnlich bejahte der B G H in der N o c k e n w e l l e n - E n t s c h e i d u n g unter der Prämisse, daß bei dem verkauften P k w - M o t o r die stirnseitige Befestigungsschraube des Nockenwellensteuerrades tatsächlich fehlte, die Verantwortung der Beklagten, die den M o t o r generalüberholt und als „ A u s t a u s c h m o t o r " veräußert hatte. D i e Beklagte habe jedenfalls den Z u s a m m e n b a u der hergerichteten Teile in Eigenverantwortung vorgenommen. 5 6 1 E b e n s o steht es mit den genannten G r u n d s ä t z e n zur B e s t i m m u n g des Verantwortlichen in Einklang, daß der B G H in der H a n d b r e m s e n - E n t s c h e i d u n g in B e z u g auf die Bremseinstellung eines gewarteten und instandgesetzten P k w eine Verkehrspflicht des Inhabers der Reparaturwerkstatt bejahte. 5 6 2 Was den Schutz des Eigentums am fehlerhaft reparierten Pkw, am M o t o r ohne Befestigunggschraube bzw. am mit falsch eingestellter H a n d b r e m s e versehenen P k w anbelangt, so k o n n t e allerdings die VerletSiehe BGH VersR 1977, 358 (359). Siehe BGH NJW 1983, 812. 556 Siehe BGH NJW 1983, 810. 557 Siehe BGH NJW 1985, 2420. 558 Siehe BGH VersR 1990, 1283. 559 Siehe BGH VersR 1963, 951; BGH VersR 1985, 268 (269); Produkthaftungshandbuch VFoerste, §25 Rz.3 m. w. Nachw. 560 Siehe BGH VersR 1978, 722 (723). 561 Siehe BGH NJW 1992, 1678. 562 Siehe BGH NJW 1993, 655 (656). 554

555

204

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

zungshandlung entgegen dem B G H nicht im Setzen einer Bedingung für den fehlerhaften Zustand der Endsache liegen 5 6 3 , sondern jeweils wiederum nur in der unterlassenen Warnung vor deren verkehrswidriger Beschaffenheit.

2. Die Haftung des Zulieferers Auch der Zulieferer kommt als möglicher Adressat von Verkehrspflichten in Betracht. In Rechtsprechung und Lehre ist überwiegend anerkannt, daß ihm hinsichtlich der von ihm produzierten Teile die volle Herstellerverantwortung obliegt. 5 6 4 Außerdem wird eine Instruktionspflicht des Zulieferers gegenüber dem Endhersteller angenommen hinsichtlich typischer Gefahren des ZulieferProduktes sowie insoweit, als der Zulieferer wegen Kenntnis des Zwecks der Verwendung seines Vorproduktes auf weitere Risiken schließen kann. 5 6 5 Die Berechtigung dieser Haftung wurde allerdings mit Rücksicht darauf in Frage gestellt, daß der Wert des Zulieferteils oft in keinem Verhältnis zum Wert des Endproduktes stehe und kleine Zulieferer häufig wirtschaftlich wesentlich schwächer seien als die Endhersteller. 5 6 6 Diese Einwände überzeugen nicht. 5 6 7 Auch sonst kommt es bei der Produzentenhaftung nicht darauf an, in welchem Wertverhältnis die fehlerhafte Sache zum drohenden Schaden steht. Darüber hinaus treten nicht selten Großunternehmen als Zulieferer von kleinen und mittleren Unternehmen auf, so daß durchaus nicht immer der Zulieferer der wirtschaftlich Schwächere sein muß. Jedenfalls ist aber nicht ersichtlich, warum gerade im Hinblick auf den Schutz des Eigentums am Endprodukt die Verantwortlichkeit des Zulieferers eingeschränkt werden sollte. 5 6 8 Es handelt sich dabei ebenso wie beim Eigentum an sonstigen Rechtsgütern um vollwertiges Eigentum. 5 6 3 In der Radaufhängungs-Entscheidung bejahte der B G H in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht eine Organisationspflichtverletzung, vgl. B G H VersR 1978, 722 (723): Die technische Betriebsleitung der beklagten Betreiberin der Kfz-Werkstatt sei verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, daß die Herstellerhinweise auf eine drohende Verwechslung bestimmter Ersatzteile dem für die Schlußabnahme zuständigen Kfz-Meister bekannt gemacht und so Verwechslungen vermieden würden. Was den Schutz des Eigentums am fehlerhaft reparierten Kfz betrifft, kann die Organisationspflichtverletzung richtigerweise jedoch nur darin liegen, daß die Werkstatt nicht so organisiert war, daß das Aufdecken einer fehlerhaften Montage gewährleistet war. 5 6 4 Siehe B G H VersR 1972,559 (560) (Förderkorb); B G H N J W 1968,247 (248) (Schubstrebe); Staud./J. Hager, § 823 Rz. F 28 u. MünchKomm./Mertens, §823 Rz.278, jeweils m. w. Nachw. 5 6 5 Siehe B G H VersR 1970, 469 (Arbeitsbühne); Produkthaftungshandbuch l/Foerste, §25 Rz. 95 m. w. Nachw. 5 6 6 Vgl. Diederichsen, N J W 1978, 1286; Lemppenau, D B 1980, 1680; kritisch, jedoch im Ergebnis für eine Haftung des Zulieferers Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §25 Rz. 84. 5 6 7 Dagegen auch Link, B B 1985, 1425 und hinsichtlich des Eigentums am Endprodukt Staud./J. Hager, § 823 Rz. F 29; für eine Haftung des Zulieferers ferner Schmidt-Salzer, BB 1983, 535; Kulimann, BB 1985, 410; Steffen, VersR 1988, 978. 5 6 8 So aber Erman/Schiemann, §823 Rz.125 mit der Behauptung, nach der Rechtsprechung des B G H in den Weiterfresser-Fällen müsse der Zulieferer umfassender haften als der Endher-

Die unterlassene Warnung als unerlaubtes Verhalten

205

D e m e n t s p r e c h e n d m u ß der Zulieferer zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften E n d p r o d u k t vor Fehlern der Einzelteile warnen sowie vor solchen F e h lern, die sich für ihn erkennbar daraus ergeben, daß die Endsache durch Verwendung des Zulieferteils fehlerhaft wird. Von diesen Grundsätzen ist der B G H in der Spezialschmierfett-Entscheidung tatsächlich auch ausgegangen. E r nahm an, die Herstellerin des Schmierfettes sei verpflichtet gewesen, die Produzentin der Leitradeinheit, die später bei der E n d a b n e h m e r i n infolge mangelhafter Eignung des Schmierfettes auf See verloren ging, darauf hinzuweisen, daß bei der geplanten speziellen Verwendung des Schmierfettes eine hinreichende O l a b g a b e m e n g e bei sehr niedrigen Temperaturen problematisch werden könnte. 5 6 9 Allerdings stellte der B G H

-

wie bereits ausgeführt 5 7 0 - zu U n r e c h t darauf ab, daß durch den unterlassenen Hinweis die Endherstellerin davon abgehalten w o r d e n sei, die Leitradeinheit mit anderem F e t t zu befüllen. D a b e i verkannte der Senat, daß hinsichtlich der E r w e r b e r i n des mit fehlerhaftem F e t t befüllten Leitrades nur eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Endsache in Frage stand und für die E r l a n gung dieses Eigentums die Befüllung mit fehlerhaftem F e t t notwendig war. Richtigerweise hätte der B G H also unter Zugrundelegung des E r w e r b s der mit fehlerhaftem F e t t befüllten Leitradeinheit 5 7 1 die Eigentumsverletzung darin sehen müssen, daß der unterbliebene H i n w e i s des Zulieferers auf die mangelnde Eignung des Schmierfettes die E n d a b n e h m e r i n davon abgehalten hatte, das Leitrad mit anderem Schmiermittel zu befüllen, bevor sie es in Betrieb nahm.

3. Die Haftung des Händlers H ä n d l e r sind grundsätzlich nicht verpflichtet, die vertriebenen P r o d u k t e auf gefahrenfreie Beschaffenheit zu untersuchen. 5 7 2 Regelmäßig sind sie nicht in den P r o d u k t i o n s p r o z e ß einbezogen und verfügen deshalb weder über die n o t wendigen Kenntnisse n o c h über das erforderliche Instrumentarium, um die Qualität der gehandelten P r o d u k t e zu kontrollieren. D e m e n t s p r e c h e n d rechnet der Verkehr im allgemeinen auch gar nicht damit, daß der N u r - H ä n d l e r die G e fahrenfreiheit der Ware überprüft. Eine entsprechende Verkehrserwartung richtet sich vielmehr lediglich an denjenigen, der den P r o d u k t i o n s p r o z e ß planen steller, nämlich auch für das Aquivalenzinteresse. D a jedoch auch nach der ständigen Rechtsprechung des B G H der Mangelunwert des fehlerhaften Endproduktes als Abweichung zwischen tatsächlicher Ist- und vertraglich geschuldeter Soll-Beschaffenheit niemals von der Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 1 B G B umfaßt sein soll, leuchtet mir nicht ein, inwiefern danach der Zulieferer für das Aquivalenzinteresse einzustehen hätte. 569

Siehe B G H N J W 1996, 2224 (2226).

570

Vgl. dazu bereits oben Fußn. 113. Vgl. zur Notwendigkeit, die Entstehung der fehlerhaften Sache zugrundezulegen, oben

571

1.4. 572

Vgl. B G H N J W 1981, 1269 (1270) (Klebeband); B G H VersR 1981, 779 (Asbestzement).

206

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

und steuern kann. Vom Händler wird im allgemeinen nur erwartet, daß er keine ersichtlich fehlerhaften Sachen in Verkehr bringt. Es wäre in einer arbeitsteiligen Gesellschaft auch ganz ineffizient, vom Händler zu verlangen, sich hinsichtlich jedes Postens seines Sortiments über den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu informieren. Der dafür erforderliche Aufwand wäre immens und kaum zu rechtfertigen, wenn man bedenkt, daß der Verkehr durch entsprechende Verkehrspflichten der einzelnen Hersteller, die viel besser in der Lage sind, ihren Produktionsprozeß zu kontrollieren, ausreichend geschützt werden kann. Daß den Händler mangels Verantwortung für den Herstellungsprozeß keine Pflichten zur Uberprüfung der vertriebenen Ware treffen, gilt allerdings nicht ausnahmslos. Vielmehr werden Ausnahmen dann angenommen, wenn sich dem Händler deutliche Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Qualitätsprüfung bieten, was um so eher der Fall ist, je genauer der Händler aufgrund seiner Spezialisierung die gehandelte Ware kennt. 573 Außerdem können sich gerade aus dem Tätigkeitsbereich des Händlers Gefahren ergeben, so vor allem dann, wenn er über eine bestimmte Verwendung der Ware berät. Eine unrichtige Darstellung der Gebrauchseignung der Kaufsache kann hier eine Haftung nach §823 Abs. 1 BGB begründen. 574 Weiterreichende Verkehrspflichten als den einfachen Händler sollen schließlich Importeure, Quasi-Hersteller, die das Produkt mit dem eigenen Namen oder Markenzeichen versehen, Vertragshändler und Vertriebsgesellschaften des Herstellers treffen: So soll der Alleinimporteur, der das Produkt im Inland vertreibt, aufgrund seiner Monopolstellung zur Produktbeobachtung verpflichtet sein. 575 Und wer ein fremdes Produkt mit seinem Namen versieht, soll damit unter Umständen die konkludente Übernahme einer eigenen Pflicht zur Prüfung der Produktsicherheit zum Ausdruck bringen. 576 Bei Vertragshändlern und Vertriebsgesellschaften des Herstellers schließlich sollen strengere Verkehrspflichten ggf. aus einer engeren Beziehung zum Hersteller resultieren. 577

573 Vgl. BGH VersR 1960, 855 (856) (Kondenstopf); BGH VersR 1980, 380 (381) (Klappfahrrad); BGH VersR 1981, 779 (Asbestzement); Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §26 Rz.5f.; Soergel/Zeuner, §823 Rz. 184 m. w. Nachw. 574 Vgl. BGH NJW 1976, 1505 (Frostschutzmittel): Der Verkäufer hatte dem Käufer, der für seine Lkw Frostschutzmittel einer bestimmten Zusammensetzung benötigte, ausdrücklich zugesichert, das verkaufte Mittel entspreche dieser Zusammensetzung, was jedoch nicht der Fall war. Auch können den Händler Verkehrspflichten hinsichtlich einer sachgemäßen Lagerhaltung, Verpackung oder des Transportes der Ware treffen, vgl. Staud./J. Hager, §823 Rz. F 32. 575 Vgl. BGH NJW VersR 1987, 312 (313) (Honda); BGH NJW 1994, 517 (519) (Gewindeschneidemittel I); vgl. zur Haftung des Importeurs ausführlich Produkthaftungshandbuch 1/ Foerste, % 26 Rz.55ff. 576 Siehe BGH NJW-RR 1995, 342 (343) (Gewindeschneidemittel II); Münch Komm./Mertens, §823 Rz.279. 577 Vgl. Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §26 Rz.42ff.

Die unterlassene

Warnung als unerlaubtes

Verhalten

207

Auf die sich danach ergebende, je nach den Umständen unterschiedliche Reichweite der Händlerhaftung braucht hier nicht weiter eingegangen zu werden. Entscheidend ist, daß sich die dargelegten Grundsätze, ebenso wie dies bereits hinsichtlich Endhersteller und Zulieferer angenommen wurde, ohne weiteres übertragen lassen auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen den Händler eine Warnpflicht zum Schutze des Eigentums am Produkt selbst trifft: Da er in den Produktionsprozeß regelmäßig nicht eingebunden ist, kann von ihm im allgemeinen nicht erwartet werden, daß er die Ware auf Konstruktions- oder Fabrikationsfehler hin untersucht. Dementsprechend trifft ihn grundsätzlich keine Pflicht, zum Schutze des Eigentums am fehlerhaften Produkt vor solchen Fehlern zu warnen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz war im Hinterreifen-Fall wegen der Spezialisierung der Vertragshändlerin und ihrer engen Beziehung zum Hersteller anzunehmen: Der BGH hatte hier die Vertragshändlerin für verpflichtet gehalten, den zum Verkauf bestimmten Gebrauchtwagen dahin zu überprüfen, ob er den Zulassungsvorschriften entsprach und insbesondere in Einzelteilen nicht so verändert war, daß die Betriebserlaubnis erloschen war. 578 Da zum Schutze des Eigentums am fehlerhaft bereiften Sportwagen jedoch nur eine Pflicht zur Warnung vor der Bereifung in Betracht kam, ist die Entscheidung dahin zu korrigieren, daß die Vertriebshändlerin, weil sie aufgrund ihrer speziellen Fachkenntnisse und ihrer Verbindung zum Hersteller die fehlerhafte Bereifung kennen mußte, den Abnehmer darauf hinzuweisen hatte.

578

Siehe B G H NJW 1978, 2241 (2243).

Kapitel 4

Die Reichweite der Instruktionshaftung bei Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen Nachdem im vorhergehenden Kapitel dargelegt wurde, daß Verkehrspflichten zur Warnung vor der fehlerbedingten Selbstbeschädigung von Produkten sowohl in zulässiger Weise den Rahmen ausfüllen, den der Gesetzgeber mit §823 Abs. 1 BGB für die Haftung aus Eigentumsverletzung vorgegeben hat, als auch aus der aktuell praktizierten deliktsrechtlichen Produzentenhaftung jenseits der Weiterfresser-Fälle ableitbar sind, soll im folgenden gezeigt werden, daß man bei Zugrundelegung solcher Warnpflichten zu einer angemessenen Reichweite der Herstellerhaftung gelangt. Geht man davon aus, daß der Hersteller grundsätzlich vor der sachinternen Ausbreitung eines Fehlers warnen muß, wenn eine solche Warnung erkennbar geeignet erscheint, den Eigentümer zur Vermeidung der Substanzverschlechterung zu veranlassen, so ist damit doch nur ein - wenngleich maßgeblicher - Teil der Frage beantwortet, wie weit die Haftung des Herstellers bei Selbstbeschädigung fehlerhafter Produkte reicht. Denn selbstverständlich kann auch dann, wenn feststeht, unter welchen Voraussetzungen eine Verkehrspflichtverletzung vorliegt, die Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB aus verschiedenen Gründen zu verneinen sein, so etwa wegen Fehlens eines ersatzfähigen Schadens oder weil es nicht gelingt, den notwendigen Beweis einer Anspruchsvoraussetzung zu führen. Es soll nun dargelegt werden, in welcher Weise es sich in den WeiterfresserFällen auf den Umfang der Haftung auswirkt, daß man als möglicherweise verkehrspflichtwidriges Verhalten allein die unterlassene Warnung in Betracht zieht.

A. Die haftungsbegründende

Kausalität

Wie bereits oben ausgeführt 579 , scheidet eine Warnpflicht aus, wenn bei Inverkehrgabe des fehlerhaften Produktes nicht erkennbar war, daß eine Warnung den Eigentümer zum Erhalt der Sachsubstanz veranlassen würde. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Substanzverschlechterung auch bei einem Ge579

Siehe Kapitel 3, F.III.

Die Reichweite

der

209

Instruktionshaftung

brauchsverzicht eingetreten wäre und die Sache irreparabel war oder eine Reparatur jedenfalls unwirtschaftlich gewesen wäre. In diesen Fällen beruht die nachträgliche Substanzveränderung der Sache nicht auf der unterlassenen Warnung. An der Kausalität zwischen der Unterlassung einer Warnung und der nachträglichen Substanzbeeinträchtigung kann es aber auch dann fehlen, wenn das Bestehen einer Warnpflicht bejaht werden muß. So mag sich die Situation aus Sicht des Herstellers zwar so dargestellt haben, daß eine Warnung voraussichtlich befolgt werden würde. Die Kausalität mag aber dennoch fehlen, weil gerade der konkrete Produkteigentümer in seiner individuellen Situation die Ausbreitung des Produktfehlers auch dann nicht verhindert hätte, wenn er informiert worden wäre. Vielleicht mußte gerade er nicht mit Folgeschäden rechnen und war es in seiner spezifischen Lage - beispielsweise wegen einer ohnehin geplanten baldigen Einstellung der Nutzung des Produktes - das wirtschaftlich Vernünftigste, gegen die Substanzverschlechterung nichts zu unternehmen. D e n k t man sich hier die Warnung hinzu, so ändert sich an dem weiteren Geschehen nichts. Die Verschlechterung oder Zerstörung der Sache wäre in gleicher Weise eingetreten, wenn der Hersteller gewarnt hätte.

B. Grundsätze für die Bestimmung des ersatzfähigen

Schadens

Steht erst einmal fest, daß die nachträgliche Substanzveränderung auf einer Verletzung der Warnpflicht des Herstellers beruht, weil eine Warnung den Eigentümer zum Erhalt der Sachintegrität veranlaßt hätte, und ist ferner nicht ersichtlich, daß der Anspruch aus § 823 Abs. 1 B G B ausnahmsweise am Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes oder am fehlenden Verschulden des Herstellers scheitert, so stellt sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein ersatzfähiger Schaden bejaht werden kann.

I. Schadensberechnung

auf der Grundlage der

Differenzhypothese

Nach § 2 4 9 Abs. 1 B G B soll der Geschädigte durch den Schadensersatz so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Allerdings definiert das Gesetz nicht, was unter einem Schaden zu verstehen ist. Insbesondere bleibt offen, ob für den Vergleich mit dem hypothetischen Zustand auf das Gesamtvermögen oder auf das einzelne Vermögensgut abzustellen ist. Nach der auf F. Mommsen5S0 zurückgehenden, in Rechtsprechung und Rechtslehre vielfältig re580 Vgl. F. Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, II, 1855, S. 3, der allerdings nicht vom „Schaden" spricht, sondern den Begriff des Interesses verwendet; vgl. zur uneinheitlichen Verwendung des Interessebegriffs H. Lange, Schadensersatz, §11; Brinker, Die Dogmatik zum Vermögensschadensersatz, 1982, S. 183f.

210

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

lativierten, aber wohl noch immer herrschenden 5 8 1 Differenzhypothese 5 8 2 soll für das Vorliegen eines Schadens der Saldo entscheidend sein, der sich aus dem tatsächlichen Gesamtvermögen des Geschädigten bei einem Vergleich mit dessen hypothetischem Gesamtvermögen ergibt, so wie es ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. A n der Forderung nach einer solchen Gesamtsaldierung ist viel Kritik geübt worden, wobei insbesondere geltend gemacht wurde, daß sie die Möglichkeit einer einheitlichen Schadensbestimmung suggeriere, die jedoch nicht einmal von ihren Anhängern einschränkungslos durchgehalten werde. 5 8 3 Allerdings ist bislang auch kein anderer Schadensbegriff gefunden worden, der eine Lösung weisen würde für sämtliche mit der Bestimmung des ersatzfähigen Schadens zusammenhängenden Probleme. 5 8 4 Insbesondere kann auch eine Betrachtung, die stärker auf das Schicksal der individuellen Vermögensgüter ausgerichtet ist, nicht umhin zu fragen, wie sich das Schadensereignis auf das Gesamtvermögen des Geschädigten ausgewirkt hätte, wenn nicht schon bei der Feststellung des Schadens, so doch spätestens bei der Bestimmung der Reichweite der Ersatzpflicht 5 8 5 . Dies machen die Weiterfresser-Fälle besonders deutlich: Für diese Fallkonstellationen ist kennzeichnend, daß die Verletzung des Eigentums an einer Sache in Frage steht, die schon im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs nicht so beschaffen war, daß sie den Verwendungszwecken standhalten konnte, für die sie nach der Erwartung des Eigentümers geeignet sein sollte. Diese Eigenart der Weiterfresser-Fälle bringt es häufig mit sich, daß die fehlerbedingte Selbstbeschädigung der Sache nur ausgeblieben wäre, wenn der Eigentümer die Sache repariert hätte oder wenn er auf eine das Weiterfressen des Mangels bedingende Nutzung der Sache verzichtet hätte. D e r Vergleich des tatsächlichen Vermögensbestandes des Eigentümers nach der Substanzveränderung der Sache mit der hypothetischen Lage, wie sie bei Warnung bestünde, ergibt deshalb in den Weiterfresser-Fällen typischerweise, daß der Eigentümer im Interesse des Sacherhalts hätte Aufwendungen tätigen müssen, die er tatsächlich Vgl. dazu MünchKomm./Oetker, §249 Rz. 17 m. w. Nachw. Der Begriff der Differenzhypothese wird allerdings zuweilen in einem weiteren Sinn gebraucht, zur Umschreibung des Schadens als Differenz zwischen einer tatsächlichen und einer hypothetischen Güterlage, vgl. dazu Brinker, Die Dogmatik zum Vermögensschadensersatz, 1982, S. 189ff.; daß die Schadensbestimmung einen solchen Vergleich voraussetzt, dürfte ganz überwiegender Ansicht entsprechen, so auch SoergeUMertens, vor §249 Rz.43. 583 ygi etwa MünchKomm./Oetker, §249 Rz. 19 m. w. Nachw. u. Beispielen. 5 8 4 Vgl. zu den Versuchen einer abweichenden Bestimmung des Schadensbegriffes die Ubersichten bei H. Lange, Schadensersatz, §1 II u. bei Staud./Schiemann, Vorbem zu §§249ff. Rz.37ff. 585 Vg] etwa Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 236ff., für die auf der Grundlage eines am individuellen Vermögensgut ansetzenden Schadensbegriffs das Interesse des Ersatzgläubigers zum Maßstab für die Bestimmung des Inhalts der Ersatzpflicht wird. Wie weit nach dem „Inhalt des in casu verletzten Rechts", vgl. S.251, dieses Interesse im konkreten Fall reicht, ist häufig und so auch in den Weiterfresser-Fällen gerade fraglich. 581

582

Die Reichweite

der

Instruktionshaftung

211

nicht getätigt hat, daß er also hätte Einbußen hinnehmen müssen, die ihm nun erspart geblieben sind, oder er sich hätte Vorteile entgehen lassen müssen, die er tatsächlich aus Unkenntnis der Selbstzerstörungsgefahr realisiert hat. Es mag der Fall etwa so liegen, daß die zum Sacherhalt notwendige und wirtschaftliche Reparatur einer Maschine neben Material- und Arbeitskosten auch einen mit Gewinneinbußen verbundenen vorübergehenden Nutzungsausfall mit sich gebracht hätte, weil die Maschine zur Durchführung der Reparatur hätte abgeschaltet werden müssen. Der Hersteller hätte dann also Material- und Arbeitsaufwendungen tätigen müssen, und es wären ihm vorübergehend die aus dem Gebrauch der Maschine resultierenden Vorteile entgangen. Möglich ist ferner, daß andere Geräte von der mangelhaften Maschine abhängig waren, so daß auch deren Betrieb während der Reparatur geruht hätte, für den Hersteller also auch die aus der Nutzung dieser sonstigen Geräte erzielbaren Vorteile (vorübergehend) ausgeblieben wären. Denkbar ist sogar, daß die Reparatur eine Zerstörung sonstiger Güter des Sacheigentümers mit sich gebracht hätte, so etwa dann, wenn zu Testzwecken Versuchsmaterial hätte verbraucht werden müssen. Bei erfolgter Warnung hätte der Eigentümer diese Einbuße an seinen sonstigen Gütern im Interesse eines Sacherhalts in Kauf genommen. Will man nun all diese hypothetischen Aufwendungen, Einbußen und entgangenen Vorteile bei der Schadensberechnung nicht von vornherein ignorieren, so führt kein Weg daran vorbei, das hypothetische Vermögen des Geschädigten in seiner Gesamtheit zu erfassen und dem tatsächlichen Gesamtvermögen nach der sachinternen Fehlerausbreitung gegenüberzustellen. Zum Ansatz der Differenzhypothese besteht deshalb meines Erachtens keine Alternative. Verständlich sind allerdings die Zweifel daran, daß ein bestimmter Schadensbegriff den Schlüssel zur Lösung sämtlicher schadensrechtlichen Probleme liefern kann 586 : Es wird heute kaum jemand ernsthaft bestreiten wollen, daß in die Schadensberechnung rechtliche Wertungen einfließen und daß eine Offenlegung der jeweiligen Wertung, die im konkreten Fall dazu führen soll, die Einordnung einer Einbuße oder eines entgangenen Vorteils als ersatzfähigen Schaden zu verneinen, die Verrechnung mit einem Vorteil zuzulassen oder zu verweigern, eine Reserveursache anzuerkennen oder nicht, unverzichtbar ist. N u r so können für tragfähig befundene Begründungen verallgemeinert 587 und Wi-

586 Vgl. nur MünchKomm./Oetker, §249 Rz. 20; Selb, AcP 173 (1973), S. 367 bezeichnet es gar als „Jugendsünde", von einem „Schadens-,begriff'" zu sprechen, dem folgt Staud./Schiemann, Vorbem zu §§ 249ff. Rz. 42; dagegen hält Soergel/Mertens, vor § 249 Rz. 12, die Vorstellung eines einheitlichen und normübergreifenden Schadensbegriffs noch immer für den maßgeblichen und im Regelfall zutreffenden Ausgangspunkt unserer Rechtsordnung. 587 Darauf, daß dies zur Herstellung eines Mindestmaßes an Rechtssicherheit unerläßlich ist, verweist zu Recht Staud./Schiemann, Vorbem zu §§249ff. Rz. 42.

212

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

dersprüche bei der Behandlung verschiedener Fallgruppen vermieden werden. 5 8 8 D e r Ansatz der Differenzhypothese, die H ö h e des ersatzfähigen Schadens zu bestimmen durch einen Vergleich der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögensentwicklung ohne das Schadensereignis steht jedoch einer Berücksichtigung solcher Wertungen nicht im Wege, sondern liefert gerade den Rahmen dafür. Ein Gesamtsaldo kann ja doch nur ermittelt werden, wenn feststeht, welche einzelnen Nachteile und Vorteile für den jeweiligen Vermögensstand zu berücksichtigen sind. 5 8 9 Bei der Ermittlung des aktuellen und des hypothetischen G e samtvermögens bleibt folglich Raum für die Wertung, daß bestimmte Belastungen oder Vermögenswerte nicht in die Berechnung des Gesamtvermögens einfließen sollen. Auch wenn also die Differenzhypothese die Summe der tatsächlichen Vermögensposten der Summe der hypothetischen Vermögensposten gegenüberstellt, so ist damit doch keineswegs gesagt, daß sich bei der Bildung dieser Summen eine Bewertung der einzelnen Positionen verbieten würde. Deshalb läßt sich eine von der Differenzhypothese ausgehende Schadensberechnung selbst mit dem in § 249 Abs. 1 B G B niedergelegten Grundsatz der N a turalrestitution in Einklang bringen. D e r Ansatz der Differenzhypothese verhindert es nicht, die Differenz etwa zwischen dem Wert einer beschädigten oder zerstörten Sache und deren hypothetischem Wert als Einzelposten aus dem G e samtschaden herauszunehmen und insoweit als Schadensersatz nach § 2 4 9 Abs. 1 B G B einen Anspruch auf Reparatur zu gewähren, bzw. nach § 2 4 9 Abs. 2 B G B anstatt der Wertdifferenz die Reparaturkosten in den Gesamtsaldo einzustellen. 5 9 0

5 8 8 Daß mit Schlagworten wie dem vom „normativen Schaden" nicht viel gewonnen ist, weil sich letztlich beliebige Wertungen dahinter verbergen können, dürfte sich mittlerweile durchgesetzt haben, vgl. nur H. Lange, Schadensersatz, § 1 III \\Staud./Schiemann, Vorbem zu §§249ff. Rz.41. 5 8 9 Darauf weist zutreffend hin Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S.25. 5 9 0 Dabei ist selbstverständlich auch in den Weiterfresser-Fällen §251 B G B zu beachten. Eine Anwendung des §251 Abs. 2 B G B kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Reparaturkosten den Wert, den die Sache bei hypothetischer Vermeidung der Fehlerausbreitung hätte, deutlich übersteigen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Sache bereits von Anfang an ganz oder nahezu wertlos war und der Eigentümer die nachträgliche Selbstbeschädigung durch einen bloßen Nutzungsverzicht vermieden hätte. So ist beispielsweise dann, wenn eine Kfz-Hebebühne einstürzt, die wegen eines irreparablen Konstruktionsfehlers von Anfang an unbrauchbar war und die der Eigentümer bei Kenntnis dieser Beschaffenheit zur Vermeidung von Folgeschäden nicht mehr benutzt hätte, die Differenz zwischen tatsächlichem und hypothetischem Sachzustand gemäß §251 Abs. 2 S. 1 B G B mit Null anzusetzen, wenn der tatsächliche wie auch der hypothetische Wert der Bühne dem Materialwert entspricht. Die Kosten für die Herstellung einer so fehlerhaften Bühne, wie sie ursprünglich bestand und infolge des hypothetischen Nutzungsverzichts nach wie vor bestehen würde, dürfen wegen UnVerhältnismäßigkeit hier nicht verlangt werden.

Die Reichweite der

Instruktionshaftung

213

II. Berücksichtigung der hypothetisch für den Sacherhalt getätigten Aufwendungen, erlittenen Einbußen und entgangenen Vorteile Ist also für die Schadensberechnung in den Weiterfresser-Fällen grundsätzlich ein Vergleich anzustellen zwischen dem tatsächlichen G e s a m t v e r m ö g e n des Geschädigten nach Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache und dessen hypothetischem G e s a m t v e r m ö g e n , wie es aussehen würde, wenn die nachträgliche Fehlerausbreitung durch rechtzeitige Warnung verhindert w o r d e n wäre, so ist damit n o c h nicht gesagt, inwieweit es gerechtfertigt ist, die typischerweise in den Weiterfresser-Fällen mit dem hypothetischen Sacherhalt verbundenen h y pothetischen A u f w e n d u n g e n , E i n b u ß e n und entgangenen Vorteile in die B e rechnung der hypothetischen Gesamtvermögenslage einzustellen. Diese hypothetischen Aufwendungen, E i n b u ß e n und entgangenen Vorteile sind bei der Ermittlung des hypothetischen Gesamtvermögens grundsätzlich in vollem U m f a n g zu berücksichtigen. D e r G r u n d dafür liegt darin, daß ein Sacherhalt durch Reparatur oder schonende B e n u t z u n g samt all den damit verbundenen Nachteilen und entgangenen Vorteilen im ureigenen Interesse des E i gentümers gelegen hätte und nicht etwa Inhalt einer Verkehrspflicht des H e r stellers war. D e r S c h u t z des Eigentums erstreckte sich nur auf die Sache, so wie sie tatsächlich beschaffen war. Entsprechend traf den Hersteller zu keiner Zeit die Pflicht, die Sache in mangelfreien Zustand zu versetzen oder auch nur die mit einem Sacherhalt verbundenen K o s t e n , Nachteile und entgangenen Vorteile zu tragen. 5 9 1 Weil es grundsätzlich über den deliktsrechtlich geforderten R e spekt fremden Eigentums hinausginge, wenn man dem Hersteller eine Pflicht zur Sachverbesserung auferlegen würde, kann man zur A c h t u n g des Eigentums an der fehlerhaften Sache v o m Produzenten nicht mehr verlangen als zu warnen. U n d selbst diese Warnung ist entbehrlich, w e n n sie den E i g e n t ü m e r aller Voraussicht nach nicht z u m Sacherhalt bewegen wird. W a r aber der Hersteller z u m Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache nur verpflichtet, die für den Erhalt der Sachsubstanz notwendigen I n f o r m a t i o nen zu liefern, so darf man ihn nun nicht über den Weg der Schadensberechnung so stellen, als hätte d o c h eine Pflicht zur P r o d u k t i o n einer mangelfreien Sache bestanden oder als hätte er dafür zu sorgen gehabt, daß der E r w e r b e r in den G e nuß v o n Gebrauchsvorteilen gelangt, die ein an der B e w a h r u n g der Sache interessierter E i g e n t ü m e r nur dann realisiert hätte, wenn die Sache von einer B e schaffenheit gewesen wäre, die sie tatsächlich gar nicht hatte. D e r ersatzfähige Schaden ist in den Weiterfresser-Fällen folglich in der Weise zu berechnen, daß die tatsächliche Vermögenslage des Geschädigten nach der sachinternen Ausbreitung des Fehlers saldiert wird mit der hypothetischen Vermögenslage bei erfolgter Warnung und Ausbleiben der nachträglichen Sachbe591

Siehe dazu oben Kapitel 3, C . III.

214

Teil 1: Der Schutz

des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Schädigung, wobei grundsätzlich sämtliche Aufwendungen, Einbußen und entgangenen Vorteile zu berücksichtigen sind, um die das Vermögen des Eigentümers geschmälert wäre, wenn er über die Beschaffenheit der Sache informiert worden wäre und er die Warnung zum Anlaß genommen hätte, die Sachsubstanz zu bewahren. Für die Weiterfresser-Fälle wird damit der häufig vertretenen Ansicht widersprochen, bei Zerstörung einer Sache könne stets deren gemeiner Wert als Mindestschaden verlangt werden. 5 9 2 Es kann hier dahinstehen, ob diese Lehre jenseits der Weiterfresser-Fälle zur Bewältigung von Problemen wie dem der obligatorischen Gefahrentlastung oder der Beurteilung hypothetischer Schadensursachen taugt. Soweit jedoch für den Erhalt der Sachsubstanz ein Verzicht auf bestimmte Gebrauchsvorteile bzw. eine mit Aufwendungen und möglicherweise gar der Inkaufnahme von Einbußen verbundene Reparatur notwendig gewesen wäre, hätte sich der Eigentümer den objektiven Wert der Sache eben nur erhalten können, wenn er sich eine entsprechende Minderung seines Vermögens im übrigen hätte gefallen lassen. Man würde ihn ohne nachvollziehbaren Grund bereichern, ließe man diese hypothetische Vermögensentwicklung unberücksichtigt. 5 9 3

III. Keine Einschränkung des Ersatzes von Folgeschäden E. Lorenz594

hat in einer Anmerkung zum Baustromverteiler-Beschluß des

B G H 5 9 5 vorgeschlagen, in den Weiterfresser-Fällen die Ersatzfähigkeit von F o l geschäden aus § 8 2 3 A b s . l B G B zu beschränken: Anders als wenn ein „Drittschädiger" von außen auf eine Sache einwirke, ein Teilstück beschädige und da5 9 2 Den Weg bereitet hat dieser Ansicht vor allem R. Neuner, A c P 133 (1931), 277ff., der sie in erster Linie auf eine rechtsverfolgende Funktion des Schadensersatzes stützt und für Schäden, die über den Objektschaden hinausgehen, an der Differenzhypothese festhalten möchte; vgl. aus der jüngeren Literatur Steindorff, J Z 1967, 361 ff.; Lange/Hagen, Wandlungen des Schadensersatzrechts, 1987, S.79ff.; Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 194ff., Stoll, Begriff und Grenzen des Vermögensschadens, 1973, S. 12f.; Larenz, SchuldR. I, § 2 9 I b); Soergel/Mertens, vor § 2 4 9 R z . 5 4 f . ; k r i t i s c h / / . Lange, Schadensersatz, § 6 1 ; StaudJMedicus, 12. Aufl., § 2 4 9 Rz. 134ff.; Büdenbender, N J W 2000, 988. 5 9 3 Daß die These vom gemeinen Wert der Sache als Mindestschaden an den Besonderheiten der Weiterfresser-Fälle vorbeigeht, zeigt etwa die Begründung, die Keuk, Vermögensschaden und Interesse, 1972, S. 195f., dafür gibt, daß sich der Eigentümer Vorteile, die er infolge der Substanzbeeinträchtigung erworben hat, nicht anrechnen lassen muß: „Wenn wir daran festhalten wollen, daß es der Schädiger ist - und nicht irgend ein anderer - , der den Zustand der Unversehrtheit des Rechts herbeizuführen und die dazu erforderlichen Vermögensvorteile zu vergüten hat, so verbietet sich derartiges." In den Weiterfresser-Fällen ist jedoch die Verkehrspflicht des Herstellers klar begrenzt. Er muß eben nicht alles Mögliche tun, um die Unversehrtheit der fehlerhaften Sache zu erreichen, sondern lediglich den Eigentümer mit den notwendigen Informationen versorgen. 5 9 4 Vgl. VersR 1990, 1284f. 5 9 5 Siehe B G H VersR 1990, 1283.

Die Reichweite

der

Instruktionshaftung

215

durch einen Funktionsausfall herbeiführe, sollten dann, wenn es fehlerbedingt zur Selbstbeschädigung der Sache komme und diese ebenfalls einen Funktionsausfall verursache, durch den Funktionsausfall bedingte Folgeschäden nur ersetzt werden, wenn sie auf eine durch den Funktionsausfall eingetretene Verletzung eines Rechts im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B zurückzuführen seien. Durch den Funktionsausfall bedingte Vermögensschäden, die nicht durch eine solche weitere Verletzung eines absolut geschützten Rechts(guts) vermittelt sind, blieben damit unersetzt. E. Lorenz begründet diese Einschränkung der Ersatzfähigkeit von Folgeschäden damit, daß bei der Zurechnung der durch den Funktionsausfall eines fehlerhaften Produktes entstandenen Folgeschäden nicht danach differenziert werden könne, ob der Fehler des Produktes den Funktionsausfall unmittelbar oder erst infolge der Beschädigung eines zunächst einwandfreien Produktteils verursacht habe. D a ß Folgeschäden aus der fehlerbedingten Selbstbeschädigung einer Sache trotz Bejahung einer Eigentumsverletzung nur dann aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B ersetzt werden sollen, wenn sie auf einer weiteren Verletzung eines absolut geschützten Rechts oder Rechtsgutes beruhen, ist nicht einzusehen. Das Eigentum an der fehlerhaften Sache ist vollwertiges Eigentum. Wenn die Eigentumsverletzung jenseits der Weiterfresser-Fälle ein Nadelöhr für die Ersatzfähigkeit von Folgeschäden darstellt, unabhängig davon, ob die Folgeschäden in einem angemessenen Wertverhältnis zum unmittelbaren Sachschaden stehen oder nicht 5 9 6 , dann kann in den Weiterfresser-Fällen nichts anderes gelten. Dabei leuchtet auch nicht ein, warum es nicht möglich sein soll, festzustellen, ob ein Funktionsausfall erst auf einer fehlerbedingten Selbstbeschädigung der Sache beruht oder bereits unmittelbar auf dem Konstruktions- oder Fabrikationsfehler der Sache. 5 9 7 Tatsächliche Beweisschwierigkeiten im konkreten Einzelfall taugen dabei genauso wenig wie sonst als Argument gegen die grundsätzliche Anerkennung einer Ersatzfähigkeit. Richtig ist allerdings, daß für einen F u n k tionsausfall, der - so wie etwa im Hebebühnen-Fall 5 9 8 - auch dann eingetreten wäre, wenn der Eigentümer über die wahre Sachbeschaffenheit informiert worden wäre und die Fehlerausdehnung bis zu einer Reparatur durch Nutzungsverzicht verhindert hätte, kein Ersatz verlangt werden kann. Es fehlt insoweit an der haftungsausfüllenden Kausalität, da auch das hypothetische Gesamtvermögen des Geschädigten bei Warnung mit dem Nutzungsausfall belastet wäre.

Vgl. zur Ersatzfähigkeit von Folgeschäden bereits oben Kapitel 3, F.I.2., insb. Fußn. 547. Vgl. auch Foerste, N J W 1992,28, der die von E. Lorenz vorgeschlagene Einschränkung im Sinne eines Vorrangs des Vertragsrechts deutet. Diese sei zwar „zu erwägen", dem B G H aber wohl versperrt, da das Gericht nicht einmal Folgeschäden an der Kaufsache einem Vorrang des Deliktsrechts unterwerfe und deshalb erst recht keine entfernteren Folgeschäden vom Anwendungsbereich des Deliktsrechts ausnehmen könne. 5 9 8 B G H N J W 1983, 812. 596 597

216

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

IV. Kein Ersatz von Einbußen, der Selbstbeschädigung

die bei isoliertem ebenso eingetreten

Sache

Hinwegdenken wären

Bei der B e r e c h n u n g des ersatzfähigen Schadens ist ferner zu bedenken, daß die haftungsausfüllende Kausalität zu verneinen ist, soweit eine E i n b u ß e in F r a ge steht, die zwar fehlen würde, wenn der E i g e n t ü m e r über die WeiterfresserG e f a h r informiert w o r d e n wäre, die j e d o c h bei isoliertem H i n w e g d e n k e n des Verletzungserfolgs, der nachträglichen Substanzverschlechterung, in gleicher Weise eingetreten wäre. E i n e solche Negativabweichung des aktuellen v o m h y pothetischen Vermögen beruht zwar auf der V e r l e t z u n g s h a n d l a n g , der unterlassenen Warnung, sie ist aber nicht durch den Verletzungs erfolg

verursacht

worden. D a m i t kann sie nicht nach § 823 Abs. 1 B G B ersetzt werden. 5 9 9 D e n n daß bestimmte Handlungen als Verkehrspflichtverletzungen verboten werden und eine H a f t u n g aus dieser N o r m nach sich ziehen, dient allein dem Z w e c k , einer Beeinträchtigung der dort genannten R e c h t e und Rechtsgüter zu wehren. D a m i t verträgt es sich nicht, Ersatz zu gewähren für Schäden, die unabhängig v o m Verletzungserfolg, v o m Schicksal des jeweiligen Rechts(guts) eingetreten sind. Das Zivilrecht kennt keine der Versuchshaftung im Strafrecht vergleichbare Haftung für die bloße Verletzungshandlung. Eine solche Haftung für die b l o ße Vornahme der verbotenen Handlung wäre auch mit B l i c k auf die Rechtsfolge des § 823 A b s . 1 B G B ganz unangemessen. D i e N o r m verhängt eben keine Strafen, sondern gewährt E r s a t z der Schäden, die aus der Rechts(guts)verletzung erwachsen. A u f die Kausalität der Rechts(guts)verletzung für den Schaden als notwendiges Bindeglied

zwischen Verletzungshandlung

und

Ersatzpflicht

kann deshalb nicht verzichtet werden. D e r Vergleich der aktuellen mit der hypothetischen Vermögenslage des G e schädigten darf folglich keine E i n b u ß e n ausweisen, die sich bei b l o ß e m H i n wegdenken der nachträglichen Substanzveränderung ebenso ergäben. Dies erreicht man, indem man bei B e s t i m m u n g der hypothetischen Vermögenslage den Verletzungserfolg isoliert hinwegdenkt. E s m u ß also angenommen werden, der Verletzungserfolg wäre trotz Verletzungshandlung ausgeblieben. D e n n nur so läßt sich feststellen, o b wirklich der Verletzungserfolg kausal geworden ist für eine bestimmte Folge. Als besonders bedeutsam sind im vorliegenden Zusammenhang diejenigen Nachteile zu nennen, die sich daraus ergeben, daß eine rechtzeitige G e l t e n d m a chung vertraglicher Gewährleistungsrechte nur deshalb unterblieben ist, weil der E i g e n t ü m e r die fehlerhafte Beschaffenheit der Sache nicht kannte. Findet etwa der Käufer einer Reinigungs- und Entfettungsanlage in der Betriebsanleitung einen Hinweis des Herstellers, daß der U b e r h i t z u n g s s c h u t z vor Inbetriebnahme unbedingt auf einen möglicherweise defekten Schwimmerschalter über-

599

Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, B . I V . l .

Die Reichweite der

Instruktionshaftung

217

prüft werden müsse, so wird er, wenn ihm v o m Verkäufer eine intakte Anlage versprochen wurde, ggf. Nacherfüllung, (teilweise) R ü c k z a h l u n g des Kaufpreises oder gar Schadensersatz verlangen ( § 4 3 7 B G B (n.F.)). Fehlt ein solcher H i n weis und gerät die Anlage nach Verjährung der Vertragsrechte in Brand, dann kann folglich typischerweise a n g e n o m m e n werden, daß der Käufer die vertraglichen Gewährleistungsansprüche rechtzeitig geltend gemacht hätte, falls er vor der Weiterfresser-Gefahr gewarnt w o r d e n wäre. D e n k t man sich jedoch allein die Ausbreitung des Fehlers innerhalb der Sache hinweg, nicht aber die U n t e r lassung der Warnung, so wäre auch in diesem Fall der Käufer durch seine U n kenntnis des Sachmangels an der G e l t e n d m a c h u n g der kaufrechtlichen A n s p r ü che gehindert gewesen. E s fehlt folglich an der Kausalität des Brandes der A n l a ge für den Verlust der Vorteile einer rechtzeitigen G e l t e n d m a c h u n g der vertraglichen Gewährleistungsrechte. E i n e Ersatzpflicht aus § 823 Abs. 1 B G B scheidet insoweit aus.

V. Niemals Ersatz des anfänglichen

Mangelunwerts

E s soll nun n o c h gezeigt werden, daß eine Schadensberechnung in den Weiterfresser-Fällen entsprechend den vorstehenden Grundsätzen, d.h. durch Vergleich der hypothetischen Gesamtvermögenslage des Geschädigten bei A u s bleiben der nachträglichen Sachverschlechterung mit der tatsächlichen V e r m ö genssituation nach der Fehlerausbreitung, weder einen R ü c k g r i f f auf den vertraglichen Mangelunwert erfordert n o c h zu dessen Ersatz führt. 6 0 0 D e r Mangelunwert ergibt sich als anfängliche A b w e i c h u n g der Ist- von der vertraglichen Soll-Beschaffenheit schon vor dem Weiterfressen des Sachmangels. D a m i t ist ausgeschlossen, daß er durch die nachträgliche Verschlechterung der Sache verursacht wurde. F ü r seine Ersatzfähigkeit fehlt es folglich an der haftungsausfüllenden Kausalität. D i e reale Sache n i m m t durch die anfängliche A b w e i c h u n g der Ist- von der vertraglichen Soll-Beschaffenheit keinerlei Schaden. Ihre tatsächliche Beschaffenheit wird durch das Zurückbleiben hinter der vertraglich geschuldeten Qualität nicht beeinträchtigt. E b e n s o w e n i g stellt aber der Mangelunwert einen durch die nachträgliche Substanzveränderung der mangelhaften Sache verursachten Folgeschaden im sonstigen V e r m ö g e n des G e schädigten dar. E s kann deshalb nicht überraschen, daß bei einer Ermittlung des ersatzfähigen Schadens durch Gegenüberstellung der tatsächlichen Vermögenslage des Geschädigten nach dem Weiterfressen des Mangels und der hypothetischen Vermögenssituation, wie sie bestünde, wenn der E i g e n t ü m e r gewarnt w o r d e n wäre und die Integrität der Sache erhalten hätte, niemals der Mangelunwert als ersatzfähige D i f f e r e n z erscheint: 600

Siehe dazu bereits oben Kapitel 2, B . I V . l .

218

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Hätte der Eigentümer die Ausbreitung des Fehlers durch schonendere N u t zung oder Nutzungsverzicht vermieden, so wäre die Sache zwar in seinem hypothetischen Vermögen noch vorhanden, jedoch mit dem Fehler, der ihr von Anfang an innewohnte. D e r Vergleich der für die Schadensberechnung maßgeblichen Vermögenslagen würde also die Differenz zwischen vertraglich geschuldetem und tatsächlichem Zustand nach der Selbstbeschädigung gar nicht ausweisen. Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn der Eigentümer die Sache bei erfolgter Warnung instandgesetzt hätte. Dann entspräche ihr hypothetischer Zustand ohne das schädigende Ereignis zwar möglicherweise dem, was vom Verkäufer als vertragliche Soll-Beschaffenheit geschuldet war. Das ist dann der Fall, wenn die Sache nach Reparatur die vertraglich geschuldete Beschaffenheit hätte. Auch dies ändert jedoch nichts daran, daß für die Schadensberechnung die Beschaffenheit der Sache nach der Selbstbeschädigung mit der Beschaffenheit zu vergleichen ist, welche die Sache hätte, wenn der Eigentümer gewarnt worden wäre und nicht etwa mit deren vertraglicher Soll-Beschaffenheit. Es wäre nur eben in diesem Fall der für die Schadensberechnung maßgebliche hypothetische Zustand der Sache identisch mit der vertraglichen Soll-Beschaffenheit. Gleichzeitig wäre allerdings das hypothetische Vermögen des Geschädigten gemindert durch die Reparaturaufwendungen sowie sämtliche durch die Reparatur verursachten sonstigen Einbußen und entgangenen Vorteile, die wie dargelegt - in die Berechnung des hypothetischen Vermögens einzustellen sind. Folglich würde selbst hier die als Schaden zu ersetzende Differenz zwischen tatsächlicher und hypothetischer Vermögenslage den Mangelunwert nicht umfassen. Schließlich vermag der Geschädigte auch dadurch keinen Ersatz des vertraglichen Mangelunwerts zu erlangen, daß er geltend macht, er hätte bei erfolgter Warnung seine vertraglichen Gewährleistungsrechte rechtzeitig durchgesetzt, während diese nun aktuell verjährt seien. D e n n daß dem Geschädigten die vertraglichen Mängelrechte verjährungsbedingt abgeschnitten sind, mag zwar auf der unterbliebenen Warnung beruhen, ist jedoch nicht durch den Verletzungserfolg der Eigentumsverletzung bedingt und stellt deshalb keinen ersatzfähigen Schaden dar. Denkt man sich allein die sachinterne Fehlerausbreitung hinweg, nicht aber die unterlassene Warnung als Verletzungshandlung, so wären die Gewährleistungsrechte ebenfalls mangels rechtzeitiger Kenntnis des Geschädigten verjährt.

C. Beispiele für die Bestimmung

des ersatzfähigen

Schadens

Im folgenden sollen nun die vorstehend ausgeführten Grundsätze der Schadensberechnung anhand von Beispielen für die beiden möglichen Konstellationen eines hypothetischen Erhaltes der Sache durch den informierten Eigentü-

Die Reichweite

der

Instruktionshaftung

219

mer, nämlich erstens einer Bewahrung der Sachsubstanz durch Reparatur und zweitens einer Gefahrenabwendung durch Nutzungsverzicht oder Einschränkung der Nutzung, noch etwas veranschaulicht werden. Dabei gilt es einmal mehr deutlich zu machen, daß es bei einer derartigen Schadensberechnung keinesfalls zu einem Rückgriff auf den vertraglichen Mangelunwert kommt, weil dieser jenseits des ersatzfähigen Schaden liegt. Allerdings soll nicht verhehlt werden, daß die folgenden Beispiele insofern eine starke Vereinfachung darstellen, als sie mit Daten arbeiten, die als feststehend und vollständig unterstellt werden. Selbstverständlich ist die Schadensberechnung in der konkreten Rechtsanwendung sehr viel komplexer und schwieriger, vor allem weil die Ermittlung des tatsächlichen Vermögensstandes des Geschädigten und erst recht des hypothetischen Geschehensverlaufs und der danach bestehenden Vermögenssituation häufig mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist. 601

I. Der Eigentümer hätte die fehlerhafte 1.

Sache durch Reparatur

erhalten

Ausgangsbeispiel

Angenommen werden soll zunächst, daß eine zum Preis von 100 erworbene fehlerhafte Maschine vor ihrer Selbstbeschädigung 80 wert war, daß die Maschine danach nur noch einen Materialwert von 10 hat, ihr in repariertem Zustand ein Wert von 100 zukommen würde und daß der Erwerber zur Vermeidung der Selbstverschlechterung 22 für eine Reparatur aufgewendet hätte. Außerdem soll davon ausgegangen werden, daß dessen Vermögen aktuell Gewinne von 3 ausweist, die ihm im Falle einer hypothetischen Instandsetzung der fehlerhaften Maschine durch deren reparaturbedingten Ausfall entgangen wären und daß die Reparatur den Verbrauch von Testmaterial im Wert von 1 mit sich gebracht hätte. Weiter soll unterstellt werden, daß eine Neubeschaffung der Maschine zum Preis von 100 möglich wäre, es dagegen 95 kosten würde, die beschädigte M a schine in den Zustand zu versetzen, den sie hätte, wenn der Eigentümer vor dem Sachfehler gewarnt worden wäre und die Sache repariert hätte. Ferner soll angenommen werden, daß dem Geschädigten Gewinne im Umfang von 7 entgehen werden, weil die Maschine bis zur Reparatur oder Neubeschaffung einige Tage ausfallen muß und dieser Ausfall ausgerechnet in eine Zeitspanne überdurchschnittlicher Nachfrage fällt. Schließlich soll davon ausgegangen werden, daß vertragliche Gewährleistungsrechte des Geschädigten verjährt sind und daß nach einer Reparatur der Maschine wiederum Testmaterial des Geschädigten im Wert von 1 verbraucht werden muß.

601 Zur Schwierigkeit, den hypothetischen Wert zu berechnen, den die fehlerhafte Sache bei Ausbleiben der Fehlerausbreitung hätte, siehe oben Kapitel 2, B.IV.2.

220

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache

Damit ergibt sich für die Schadensberechnung das folgende Bild: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - 100 Kaufpreis - 095 Reparaturkosten - 001 Testmaterial zusammen: - 196 Vermögenswerte: + 100 Wert der reparierten Maschine + 003 Gewinne aus der N u t z u n g der fehlerhaften Maschine zusammen: + 103 Gesamtbetrag: -093 Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - 100 Kaufpreis - 022 Reparaturkosten - 001 Testmaterial zusammen: - 123 Vermögenswerte: + 100 Wert der reparierten Maschine + 007 Gewinne aus der N u t z u n g der reparierten Maschine zusammen: + 107 Gesamtbetrag: -016

Ersatzfähiger

Schaden (= Differenz

aus beiden Gesamtbeträgen):

77

Einige Erläuterungen: In die aktuelle Vermögenslage dürfen die Reparaturkosten als Belastung eingestellt werden. Denn auch bei Berücksichtigung des mit einer Instandsetzung notwendig verbundenen Verbrauches von Testmaterial im Wert von 1 ist ein Aufwand von 95 zur Erzielung einer Wertsteigerung der beschädigten Sache um 90 nicht unverhältnismäßig im Sinne von § 251 Abs. 2 BGB. Damit steht der hypothetischen Vermögenslage von - 1 6 ein aktueller Vermögensbestand von - 9 3 gegenüber. Als Schadensersatz kann die Differenz, also 77 verlangt werden. Daß der Geschädigte bei rechtzeitiger Warnung wahrscheinlich von seinen vertraglichen Gewährleistungsrechten Gebrauch gemacht hätte, während diese nun aktuell verjährt sind, beeinflußt den Vermögensvergleich nicht: Dies liegt daran, daß der Geschädigte seine Gewährleistungsrechte auch dann nicht geltend gemacht hätte, wenn der Verletzungserfolg ausgeblieben wäre. Einbußen, die nur auf der Verletzungshandlung, nicht aber auf dem Verletzungserfolg beruhen, können jedoch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB ersetzt werden.

Die Reichweite

2.

der

221

Instruktionshaftung

Abwandlung

Das Beispiel sei nun geringfügig dahin abgewandelt, daß die Selbstbeschädigung der Maschine sich erst nach einer gewissen Laufzeit ereignet hat und zu diesem Zeitpunkt die Maschine auch dann, wenn der Eigentümer auf den Sachfehler aufmerksam gemacht worden wäre und diesen beseitigt hätte, infolge gewöhnlicher Abnutzung nurmehr einen Wert von 95 gehabt hätte. Nimmt man weiter an, daß die Maschine aktuell nach Reparatur wegen Einbaus neuer Teile 100 wert wäre, so ergibt sich das folgende Bild: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - 100 Kaufpreis - 095 Reparaturkosten - 001 Testmaterial zusammen: - 196 Vermögenswerte: + 100 Wert der reparierten Maschine + 003 Gewinne zusammen: + 103 Gesamtbetrag: -093 Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - 100 Kaufpreis - 022 Reparaturkosten - 001 Testmaterial zusammen: - 123 Vermögenswerte: + 095 Wert der reparierten Maschine + 007 Gewinne zusammen: + 102 Gesamtbetrag: -021

Ersatzfähiger

Schaden (= Differenz

aus beiden Gesamtbeträgen):

72

Dabei zeigt sich, daß ein Vergleich der beiden Gesamtvermögenslagen ohne weiteres einen Abzug „neu für alt" 602 ausweist: Der Geschädigte erhält gegenüber dem Ausgangsfall einen um 5 verminderten Schadensersatz, weil die be602 Vgl. dazu etwa Staud./Schiemann, §249 Rz. 175ff.; Soergel/Mertens, §249 R z . 7 8 u. MünchKomm./Oetker, §249 Rz.332ff., jeweils m. w. N a c h w . auch der Rechtsprechung.

222

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

schädigte Maschine nach der Reparatur den Wert der Maschine in hypothetischem Zustand um 5 übersteigt. Ein solcher Abzug „neu für alt" ist angemessen, soweit dadurch eine Bereicherung des Geschädigten vermieden wird. Die könnte im vorliegenden Beispiel etwa darin liegen, daß die Reparatur der Maschine es dem Eigentümer erlaubt, die Kosten für den Austausch von Teilen aufzuschieben, die er nach dem hypothetischen Geschehensverlauf mit Blick auf die A b nutzung der Maschine in naher Zukunft hätte vornehmen müssen. Soweit es aber ausnahmsweise einmal für den individuellen Geschädigten ohne jeden realisierbaren Vorteil ist, daß er nun über eine höherwertige Maschine verfügt, liegt eine Art aufgedrängte Bereicherung vor und ist ein Abzug „neu für alt" unbillig. D e m kann dadurch Rechnung getragen werden, daß man in die aktuelle Vermögensübersicht statt dem objektiven Wert der Maschine in repariertem Zustand nur deren niedrigeren hypothetischen Wert einsetzt, wie er bei Ausbleiben der Selbstbeschädigung gegeben wäre. Damit wird berücksichtigt, daß der subjektive Wert beider Maschinen für den Geschädigten gleich hoch ist.

3.

Ergebnis

Das Beispiel samt seiner Abwandlungen zeigt deutlich: Weder wird die Differenz zwischen tatsächlicher Beschaffenheit der Sache vor ihrer Beschädigung und vertraglich geschuldeter Soll-Beschaffenheit für die Schadensberechnung gebraucht, noch führt eine korrekte Schadensberechnung zum Ersatz dieses anfänglichen Mangelunwerts. Selbst wenn die Sache nach dem Kaufvertrag genau so beschaffen sein sollte, wie sie aktuell beschaffen wäre, falls der Käufer gewarnt worden wäre und repariert hätte, so wird aus § 8 2 3 A b s . l B G B doch nicht die Differenz ersetzt zwischen dem vertraglichen Sollwert der Sache und ihrem tatsächlichen Wert nach der Selbstbeschädigung, im Beispielsfall also 90 (100 abzüglich des Restmaterialwerts von 10). D e r Eigentümer erlangt vielmehr lediglich einen dahinter zurückbleibenden Betrag, der sich ohne Rückgriff auf den Mangelunwert berechnet und bei dessen Ermittlung berücksichtigt wird, daß die hypothetische Vermögenslage des Eigentümers durch Aufwendungen und möglicherweise auch Einbußen gekennzeichnet wäre, die der Erhalt der Sachintegrität notwendig mit sich gebracht hätte.

II. Der Eigentümer hätte auf eine sachv erschlecht er nde Nutzung verzichtet 1. Beispiel für einen völligen

Nutzungsverzicht

Zur Veranschaulichung der Schadensberechnung in den Weiterfresser-Fällen nun ein Beispiel für einen hypothetischen Sacherhalt, der durch Nichtbenutzung der fehlerhaften Sache erreicht worden wäre: Man stelle sich zunächst vor,

Die Reichweite der

223

Instruktionshaftung

eine zum Kaufpreis von 100 erworbene Maschine wäre irreparabel fehlerhaft konstruiert, weswegen ihr nur ein Materialwert von 5 zukäme. Eine fehlerfrei konstruierte Anlage würde 100 kosten. Die Maschine wird vom nichtsahnenden Eigentümer benutzt, gerät infolge des Fehlers in Brand und wird dadurch völlig wertlos. Vertragliche Gewährleistungsansprüche sind verjährt. Eine Wiederherstellung des ursprünglichen (fehlerhaften) Zustandes ist nicht möglich. Die Neubeschaffung dauert mehrere Wochen. In dieser Zeit hätte der Eigentümer mit einer fehlerfreien Maschine einen (durchschnittlichen) Gewinn von 50 erzielen können. Außerdem entstehen dem Eigentümer durch den Brand Kosten in Höhe von 10 für die Prüfung, ob sich die Brandfolgen tatsächlich auf die fehlerhafte Maschine beschränken und nicht auch andere Maschinen und Geräte erfaßt haben. Die aktuelle Vermögenssituation stellt sich danach wie folgt dar: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - 100 Kaufpreis - 010 Schadensermittlungskosten zusammen: - 110 Vermögenswerte: keine Gesamtbetrag: - 110 A n d e r s dagegen die hypothetische Vermögenslage: Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - 100 Kaufpreis Vermögenswerte: + 005 M a t e r i a l w e r t der unreparierten M a s c h i n e Gesamtbetrag: -095 Ersatzfähiger

Schaden (= Differenz

aus beiden Gesamtbeträgen):

15

Auch dazu einige Erläuterungen: Nach dem hypothetischen Kausalverlauf hätte der Eigentümer eine Maschine mit dem Wert von 5, während deren tatsächlicher Wert nach dem Brand Null beträgt. Eine Naturalrestitution ist nicht möglich und wäre wohl auch nicht im Interesse des Geschädigten, der ja nur Herstellung der Maschine in der Beschaffenheit verlangen dürfte, wie sie bei erfolgter Warnung gegeben wäre, d.h. Herstellung der irreparabel fehlerhaft konstruierten Maschine mit einem Materialwert von 5. Folglich ist gem. §251 BGB im Rahmen der Gesamtschadensberechnung die Wertdifferenz zwischen tatsächlichem und hypothetischem Sachzustand anzusetzen, also 5. Darüber hinaus weist das hypothetische Vermögen des Eigentümers gegenüber dem tatsächlichen Vermögensstand ein Plus von 10 auf, weil der Eigentümer keine A u f w e n -

224

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

düngen zur Feststellung der Brandfolgen hätte tätigen müssen. Dagegen hätte der Eigentümer selbst dann, wenn er die Sachverschlechterung vermieden hätte, die bereits irreparabel fehlerhaft konstruierte Maschine nicht einsetzen können zur Erzielung von Gewinnen in H ö h e von 50, die mit einer fehlerfreien Maschine zu erwirtschaften gewesen wären. Insofern stünde der Eigentümer also auch nach dem hypothetischen Kausalverlauf nicht besser da, als es tatsächlich der Fall ist. Sowenig wie im ersten Beispiel werden außerdem diejenigen Vermögensnachteile als Schaden ausgewiesen, die dem Geschädigten aus der Verjährung seiner Gewährleistungsrechte erwachsen sind. Es fehlt hier wiederum an der Kausalität der fehlerbedingten Sachverschlechterung. Damit beträgt der Gesamtschaden 15.

2. Beispiel für eine schonendere

Nutzung

Zum Abschluß noch ein Beispiel für die Fälle, in denen der Eigentümer, wäre er über die wahre Beschaffenheit der Sache informiert worden, eine schonendere, sacherhaltende Nutzung vorgenommen hätte. Man nehme an, eine zum Kaufpreis von 100 erworbene Maschine wäre zwar für einen bestimmten, von den maßgeblichen Verkehrskreisen vorausgesetzten Zweck irreparabel fehlerhaft konstruiert, der Fehler bliebe jedoch ohne Auswirkung auf eine andere mögliche Nutzung, weswegen der Maschine immer noch ein (Verkaufs-)Wert von 80 zukäme, während eine fehlerfrei konstruierte Maschine 100 wert wäre. Wiederum gerät die Maschine, nachdem sie vom ahnungslosen Eigentümer in Betrieb genommen wird, in Brand und wird völlig zerstört. Bei Kenntnis der Gefahr wäre der Eigentümer auf die schonendere Nutzung ausgewichen. Maschinen, die nur für diese eingeschränkte Nutzung taugen, sind nicht erhältlich. Die Neubeschaffung einer fehlerfreien Maschine dauert mehrere Wochen und kostet 100, wobei der Eigentümer in dieser Zeit mit einer fehlerfreien Maschine einen Gewinn von 50 hätte erwirtschaften können. Bei schonenderer Nutzung der fehlerhaften Maschine wären dagegen lediglich 40 erzielbar gewesen. Es ergibt sich folgendes Bild: Aktuelle

Vermögenslage:

Belastungen: - 100 Kaufpreis der fehlerhaften Maschine - 100 Kaufpreis einer fehlerfreien Ersatzmaschine zusammen: -200 Vermögenswerte: + 100 Wert der fehlerfreien Ersatzmaschine Gesamtbetrag: - 100

Die Reichweite der

225

Instruktionshaftung

Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - 100 Kaufpreis der fehlerhaften Maschine Vermögenswerte: + 080 Wert der fehlerhaften Maschine + 040 Gewinn aus der Nutzung der fehlerhaften Maschine zusammen: + 120 Gesamtbetrag: + 020 Ersatzfähiger

Schaden (= Differenz

aus beiden Gesamtbeträgen):

120

Z u r Erklärung: D i e Maschine, so wie sie bei erfolgter Warnung nach wie vor beschaffen wäre, nämlich fehlerhaft und nur eingeschränkt nutzungstauglich, kann hier nicht wiederhergestellt werden, w o b e i mangels eines entsprechenden Marktes auch die N e u b e s c h a f f u n g einer solchen fehlerhaften Maschine ausscheiden m u ß . D a s Interesse des Geschädigten, die vor der Zerstörung bedingt einsatzfähige Maschine ersetzt zu erhalten, kann j e d o c h durch Beschaffung einer besseren, nämlich fehlerfreien Maschine, die uneingeschränkt nutzungstauglich ist, erfüllt werden. D a n n allerdings befindet sich im aktuellen V e r m ö gen des Geschädigten eine Maschine im Wert von 100, während sein h y p o t h e t i sches V e r m ö g e n nur einen Maschinenwert von 80 aufweist. B e d e n k t man, daß der Geschädigte eine intakte Maschine durchaus mit entsprechend höheren G e winnaussichten einsetzen könnte, ist ein A b z u g „neu für alt" von 20 gerechtfertigt. I m R a h m e n des Gesamtvermögensvergleichs ergibt er sich wiederum ohne weiteres. D e n n dem hypothetischen Wert der fehlerhaften Maschine steht im tatsächlichen V e r m ö g e n der höhere Wert der Ersatzmaschine gegenüber. D a ß der Geschädigte mit einer fehlerfreien Maschine bis zur Neubeschaffung einen G e w i n n von 50 hätte erwirtschaften k ö n n e n , ist dagegen erneut unerheblich, da ihm auch dann, wenn er vor der Weiterfresser-Gefahr gewarnt w o r d e n wäre, der G e w i n n aus dem Einsatz einer solchen fehlerfreien Maschine entgangen wäre. Weil er j e d o c h aus der eingeschränkt möglichen N u t z u n g der nach dem h y pothetischen Kausalverlauf unverändert einsatzfähigen (fehlerhaften) Maschine einen G e w i n n von 40 erzielt hätte, der nun infolge des Brandes ausbleibt, erhöhen diese hypothetischen E i n n a h m e n seinen Schaden.

3. Ergebnis A u c h diese beiden Beispiele zeigen, daß die B e r e c h n u n g des ersatzfähigen Schadens weder unter R ü c k g r i f f auf den vertraglichen Mangelunwert erfolgt n o c h zu einem Ersatz dieses Mangelunwerts führt. Selbst wenn der E i g e n t ü m e r ausnahmsweise Interesse an Wiederbeschaffung einer fehlerhaften Sache hat, dieses Interesse j e d o c h nur durch Beschaffung einer wertvolleren fehlerfreien

226

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

Sache befriedigt werden kann, so wird der Schaden doch nicht durch Vergleich des tatsächlichen Sachzustandes mit dem Vertragssoll bestimmt und wird auch im Ergebnis kein Ersatz des Mangelunwerts erreicht. Vielmehr weist dann der Gesamtvermögensvergleich ohne weiteres einen Abzug „neu für alt" aus.

D. Die

Beweislast

Für die Erfolgsaussichten einer Inanspruchnahme des Herstellers aus § 823 Abs. 1 BGB ist von erheblicher Bedeutung, wie die Beweislast zwischen Hersteller und Geschädigtem verteilt ist. Weil es dem Anspruchsteller regelmäßig verwehrt ist, in die betriebsinternen Produktionsabläufe des Produzenten Einblick zu nehmen, weicht die ständige Rechtsprechung seit dem Hühnerpest-Urteil 603 von der allgemeinen Regel ab, nach welcher der Geschädigte alle rechtsbegründenden Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches beweisen muß. Ausgehend von der These, daß angesichts der Verkehrspflichten des Herstellers, wie sie jenseits der Weiterfresser-Fälle angenommen werden, folgerichtig auch Warnpflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache bejaht werden müssen, soll nun gezeigt werden, inwieweit sich die von der Rechtsprechung für die deliktsrechtliche Produzentenhaftung entwickelten Beweislastregeln auf die Fallgruppe des Verstoßes gegen Warnpflichten zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache übertragen lassen. Bei Konstruktions- und Fabrikationfehlern muß der Geschädigte nach Rechtsprechung und herrschender Lehre grundsätzlich den Fehler des Produktes beweisen, ebenso die Rechts(guts)verletzung und den Schaden sowie die Kausalität des Fehlers für Rechts(guts)verletzung und Schaden. 604 Außerdem trifft ihn die Beweislast dafür, daß der Fehler aus dem Bereich des Herstellers stammt, wobei allerdings die neuere Rechtsprechung hier ausnahmsweise Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast annimmt, wenn der Verletzte nachweist, daß der Produzent der Pflicht zur Überprüfung des Zustandes seiner Produkte vor deren Inverkehrgabe, der sog. Befundsicherungspflicht, nicht nachgekommen ist. 605 Dagegen muß der Hersteller nach Rechtsprechung Vgl. BGH VersR 1969, 155 (159) (VI. Senat), siehe dazu auch schon oben Fußn. 306. Vgl. BGH VersR 1969, 155 (159) (Hühnerpest); BGH VersR 1981, 639 (642) (Derosal); ebenso die Schwimmerschalter-Entscheidung BGH VersR 1977, 358 (360), was folgerichtig ist, wenn man wie der BGH von der unzutreffenden Annahme ausgeht, es werde für die Inverkehrgabe der konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaften Anlage gehaftet; siehe auch Produkthaftungshandbuch l/Foerste, §30 Rz.21ff.; Staud./J. Hager, § 823 Rz. F 39 m. Nachw. auch zur vereinzelt in der Literatur vertretenen Ansicht, dem Produzenten sei die Beweislast für die Fehlerfreiheit des Produktes aufzuerlegen. 605 Vgl. BGH NJW 1988,2611 (2612) (Limonadenflasche); BGH NJW 1993,528 (529) (Mineralwasser I); BGH NJW 1995, 2162 (2164f.) (Mineralwasser II); BGH NJW 1999, 1028 (1029) (Torf); kritisch gegenüber dieser Rechtsprechung Produkthaftungshandbuch l/Foerste, §30 603

604

Die Reichweite

der

Instruktionshaftung

22 7

und herrschender Lehre beweisen, daß ihm hinsichtlich des Fehlers keine objektive Pflichtwidrigkeit und kein Verschulden zur Last fällt. 606 Nach der üblichen Fehlerterminologie liegt in den Weiterfresser-Fällen zwar ein Konstruktions- oder Fabrikationsfehler vor. Weil jedoch die Haftung richtigerweise allein an die unterlassene Warnung vor der Fehlerausbreitung anknüpft, hat sich die Beweislastverteilung an dem zu orientieren, was bei sonstigen Instruktionspflichtverletzungen des Herstellers angenommen wird. Die dort geltenden Grundsätze lassen sich weitgehend auf die Weiterfresser-Fälle übertragen: Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre soll bei Instruktionsfehlern der Geschädigte die Beweislast dafür tragen, daß aus der Verwendung des Produktes Gefahren drohten und deshalb die betreffende Instruktion notwendig war. 607 Vergleicht man die Instruktionshaftung bei Selbstbeschädigung eines fehlerhaften Produktes mit der Instruktionshaftung bei Inverkehrgabe eines fehlerfreien Produktes, so steht in den Weiterfresser-Fällen der verborgene Konstruktions- oder Fabrikationsfehler in seiner Bedeutung für die Haftungsbegründung denjenigen Eigenschaften des fehlerfreien Produktes gleich, aus denen sich Verwendungsgefahren ergeben, mit denen der Durchschnittsbenutzer nicht rechnet. Der Konstruktions- oder Fabrikationsfehler, mit dem der Erwerber nicht rechnet, weil er eine Abweichung der Produktqualität vom verkehrsgerechten Standard darstellt, entspricht also den gefährlichen Eigenschaften des fehlerfreien Produktes, die eine Instruktion nötig erscheinen lassen. Ebenso wie der Verletzte zu beweisen hat, daß das fehlerfreie Produkt Gefahren barg, mit denen er nicht zu rechnen brauchte und die bei entsprechender Instruktionen hätten gebannt werden können, obliegt deshalb in den Weiterfresser-Fällen dem Geschädigten die Beweislast dafür, daß die Sache mit einem Konstruktions- oder Fabrikationsfehler behaftet war und daß eine Warnung geeignet gewesen wäre, zur Verhinderung der Selbstbeschädigung beizutragen. Gelingt der Nachweis eines Konstruktions- oder Fabrikationsfehlers nicht, so muß damit die Haftung allerdings nicht zwangsläufig verneint werden. Denkbar bleibt in diesem Fall vielmehr immer noch der Nachweis, daß von dem möglicherweise fehlerfreien Produkt dennoch Verwendungsgefahren ausgingen, die für den Durchschnittsbenutzer nicht erkennbar waren und die infolge mangelnden Hinweises zur Beschädigung oder Zerstörung der Sache führten. N u r läge Rz.41; Rolland, Produkthaftungsrecht, 1990, Rz. II 42ff.; befürwortend etwa Staud./J. Hager, §823 Rz. F40. 606 Vgl. nur BGH VersR 1969,155 (159) (Hühnerpest); BGH VersR 1981,639 (642) (Derosal); ebenso BGH NJW 1983, 810 (812) (Gaszug) u. der Nichtannahme-Beschluß des BGH in VersR 1990,1283 (1284) (Baustromverteiler), - wobei der BGH zu Unrecht eine Haftung für einen Fabrikationsfehler prüft; siehe ferner Staud./J. Hager, § 823 Rz. F 39 u. Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §30 Rz.43ff., jeweils m. w. Nachw. 607 Vgl. BGH VersR 1992, 96 (99) (Kindertee I); BGH VersR 1981, 639 (642) (Derosal); Soergel/Zeuner, §823 Rz. 180; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §30 Rz. 12ff.

228

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

dann eben kein „klassischer" Weiterfresser-Fall vor, sondern eine Fallkonstellation, die dem Silokipper-Fall 6 0 8 entspricht: Eine einwandfreie Sache birgt bei bestimmter Verwendung das Risiko der Selbstbeschädigung oder -Zerstörung. 609 Nach der Rechtsprechung soll der Geschädigte bei Instruktionsfehlern ferner beweisen müssen, daß Verletzungserfolg und Schaden auf die unterlassene Instruktion zurückzuführen sind. 610 Allerdings gibt es Entscheidungen, in denen der Anscheinsbeweis zugelassen 611 bzw. von einer tatsächlichen Vermutung ausgegangen wird, daß dann, wenn auf die Gefahr deutlich hingewiesen, diese Warnung auch beachtet worden wäre. 6 1 2 Dagegen will die überwiegende Literatur dem Geschädigten noch weitere Beweiserleichterungen gewähren bis hin zur Beweislastumkehr. 6 1 3 Orientiert man die Beweislastverteilung in den Weiterfresser-Fällen an dem, was bei sonstigen Instruktionspflichtverletzungen gilt, so kommt dieser Streit zwischen Rechtsprechung und herrschender Lehre auch hier zum Tragen und zwar hinsichtlich der Frage, ob bei Warnung vor dem Produktfehler die Fehlerausbreitung verhindert worden wäre. Parallel zur Instruktionshaftung bei Inverkehrgabe fehlerfreier Produkte müßte der Rechtsprechung zufolge grundsätzlich der Geschädigte beweisen, daß er auf eine Warnung hin die Selbstbeschädigung des Produktes abgewendet hätte. Der herrschenden Literaturansicht entspräche es dagegen, wenn der Produzent die Beweislast dafür trüge, daß sich das fehlerhafte Produkt auch bei erfolgter Warnung verschlechtert hätte. Die in der Literatur zugunsten einer Beweislastumkehr genannten Gründe überzeugen: So wird zu Recht geltend gemacht, die Unklarheit, ob der Verbraucher das mit dem Gebrauch des Produktes verbundene Risiko eingegangen wäre, sei bei unterlassener Warnung Folge eines Fehlverhaltens des Produzenten. Dies rechtfertige es, ihm die Beweislast für den hypothetischen Geschehensablauf aufzuerlegen 6 1 4 . Dasselbe gilt in den Weiterfresser-Fällen. Die Unklarheit, ob der Erwerber die Selbstbeschädigung der feh608 609

Vgl. B G H N J W 1992, 2016. Zur Schwierigkeit, beide Fallgruppen voneinander abzugrenzen, siehe oben Kapitel 3,

E.III. 6 1 0 Vgl. B G H VersR 1987, 312 (315) (Honda); B G H VersR 1992, 96 (99) (Kindertee I); B G H N J W 1994, 517 (520) (Gewindeschneidemittel I); B G H N J W - R R 1995, 342 (343) ( G e w i n d e schneidemittel II); B G H N J W 1999, 2273 (2274) (Kindertee IV). 611 Vgl. B G H N J W - R R 1995, 342 (343) (Gewindeschneidemittel II). 612 Vgl. B G H VersR 1992, 96 (99) (Kindertee I); B G H N J W 1994, 517 (520) (Gewindeschneidemittel I); vgl. auch B G H N J W 1999, 2273 (2274) (Kindertee IV): Für die tatsächliche Vermutung fehlt es an der erforderlichen Grundlage, w e n n konkrete U m s t ä n d e des Sachverhalts für das Gegenteil sprechen. 613 Vgl. Produkthaftungshandbuch I/Foerste, § 3 0 R z . 107; Erman/Schiemann, § 8 2 3 Rz. 122; Staudinger/J. Hager, § 823 Rz. F 42; Otto, M D R 1990, 590; Tiedtke, P H I 1992,144f., u. ders., FS Gernhuber, 1993, S.485ff.; Michalski/Riemenschneider, BB 1993, 2103; Stoll, A c P 176 (1976), 171. 614 Vgl. nur Erman/Schiemann, § 823 Rz. 122; Staudinger/J. Hager, § 823 Rz. F 42; Michalski/ Riemenschneider, BB 1993,2103; ähnlich Produkthaftungshandbuch I¡Foerste, § 3 0 R z . 107, der eine „partielle A u s h ö h l u n g der P r o d u k t h a f t u n g " befürchtet.

Die Reichweite

der

Instruktionshaftung

229

lerhaften Sache zugelassen hätte, wenn er über deren Beschaffenheit informiert worden wäre, bestünde nicht, wenn die Warnung pflichtgemäß erfolgt wäre. Zustimmung verdient ferner das folgende, für die Beweislastumkehr angeführte Argument: In dem Einwand, daß der Verletzungserfolg auch bei Erfüllung der Warnpflicht eingetreten wäre, liege die Berufung auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten. Daß dafür grundsätzlich der Schädiger die Beweislast trage, sei anerkannt. 6 1 5 Berücksichtigt man allerdings die Beweiserleichterungen, welche auch von der Rechtsprechung gewährt werden 6 1 6 , so wird man häufig zu ähnlichen Ergebnissen wie nach der Literatur gelangen. Den Hersteller trifft schließlich nach Rechtsprechung und herrschender Lehre auch bei Instruktionsfehlern die Beweislast dafür, daß er sich weder objektiv pflichtwidrig noch schuldhaft verhalten hat. 617 Davon abweichend verlangt die Rechtsprechung allerdings bei Warnpflichten, die erst nach Inverkehrgabe entstehen, vom Geschädigten auch den Beweis für die objektive Pflichtwidrigkeit, wenn sich dieser Nachweis mit Hilfe allgemein zugänglicher Quellen führen läßt. Eine Beweisnot soll dann ausnahmsweise nicht vorliegen. 618 Uberträgt man diese grundsätzliche Beweislastumkehr auf die Weiterfresser-Fälle, so bedeutet dies, daß sich der Hersteller, der es unterlassen hat, auf die bereits bei Inverkehrgabe bestehende fehlerbedingte Gefahr der Produktverschlechterung hinzuweisen, hinsichtlich der objektiven Pflichtwidrigkeit und des Verschuldens entlasten muß. Dabei ist wieder zu bedenken, daß der Konstruktions- oder Fabrikationsfehler eine Voraussetzung für die Notwendigkeit der Warnung darstellt. Dementsprechend kann sich der Hersteller insbesondere damit entlasten, daß ein Entwicklungsfehler oder ein Ausreißer vorlag und es deshalb nach dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nicht möglich war, die Fehlerhaftigkeit des Produktes zu erkennen und vor ihr zu warnen.

Vgl. Erman/Schiemann, §823 Rz. 122; Michalski/Riemenschneider, BB 1993, 2103. Vgl. die Nachw. in Fußn. 611 u. 612. 617 Vgl. BGH VersR 1992,96 (99) (Kindertee I); BGH NJW 1995,1286 (1288) (Kindertee III); BGH NJW 1999, 2815 (2816) (Reißwolf); Staud./J. Hager, § 823 Rz. F 43 f. u. Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §30 Rz. 78ff., jeweils m. w. Nachw. 618 Vgl. BGH VersR 1981,639 (642) (Derosal); BGH VersR 1992,96 (99) (Kindertee I). In der Literatur wird von vielen die Berechtigung dieser Einschränkung der Beweislastumkehr bei nachträglichen Instruktionsfehlern zu Recht bezweifelt, vgl. Tiedtke, FS Gernhuber, 1993, S.481 ff.; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §30 Rz.85; Staud./J. Hager, §823 Rz. F 44; MünchKomm./Mertens, § 823 Rz. 299. Tatsächlich liefert der Soll-Zeitpunkt der Instruktion keinen brauchbaren Maßstab für die Beweisnot des Geschädigten. So ist ohne weiteres denkbar, daß sich die anfängliche Notwendigkeit einer Warnung ausnahmsweise aus allgemein zugänglichen Quellen ergibt. Umgekehrt kann man sich Fälle vorstellen, in denen die Pflichtwidrigkeit der Unterlassung einer nachträglichen Warnung ohne Einblick in die Ergebnisse betriebsinterner Produktbeobachtung kaum beweisbar ist. Akzeptabel erscheint es deshalb allenfalls, die Beweislastumkehr unabhängig von der Art der Pflichtverletzung und deren Zeitpunkt zu versagen und zwar immer dann, wenn der Geschädigte sich ausnahmsweise nicht in Beweisnot befindet, ähnlich bereits Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §30 Rz.85. 615

616

Kapitel 5

Die BGH-Rechtsprechung im Lichte der Einordnung einer Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen als Fall der Instruktionshaftung Die mangelnde Tragfähigkeit der „Stoffgleichheits"-Formel, die von der Rechtsprechung entwickelt wurde, um in den Weiterfresser-Fällen die Voraussetzungen der Eigentumsverletzung und den ersatzfähigen Schaden zu bestimmen, ist bereits oben eingehend dargelegt worden. 619 Im Anschluß daran wurde gezeigt, daß eine deliktsrechtliche Haftung des Produzenten bei Selbstbeschädigung fehlerhaft hergestellter Sachen nur über eine Pflicht zur Warnung vor der Fehlerausbreitung begründet werden kann. 620 Nachdem weiter ausgeführt worden ist, in welchem Umfang eine solche Warnpflicht parallel zur im übrigen geltenden deliktsrechtlichen Instruktionshaftung des Produzenten bejaht werden muß 621 und wie weit die deliktsrechtliche Produzentenhaftung danach in den Weiterfresser-Fällen reicht 622 , sollen im folgenden (unter A.) nochmals die wesentlichen gegen die Rechtsprechung erhobenen Kritikpunkte kurz rekapituliert werden. Dabei wird zu zeigen sein, daß sich entsprechende Einwände gegen ein Verständnis der Weiterfresser-Fälle als Fälle der Instruktionshaftung nicht erheben lassen. Abschließend soll dann (unter B.) geprüft werden, wie die vom BGH entschiedenen Weiterfresser-Fälle bei Anwendung der vorstehend entwickelten Grundsätze zu lösen gewesen wären.

A. Die Unstimmigkeiten

der „Stoffgleichheits"-These

I. Die Verletzungshandlung für die Entstehung

sind

beseitigt

ist keine notwendige Bedingung der fehlerhaften Sache

Ein oben erhobener Einwand richtete sich gegen die Annahme der Rechtsprechung, die unerlaubte Handlung liege in Herstellung oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache. 623 Weil ein Eigentumserwerb an der fehlerhaften Sache gar nicht hätte erfolgen können, wenn diese nicht hergestellt und in Verkehr gebracht 619 620 621 622 623

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

Kapitel 2, A . Kapitel 3, A. Kapitel 3, D. Kapitel 4. oben Kapitel

u. B. bis C . bis F. 2, B.I.2.

Die Weiterfresser-Recbtsprecbung

231

neu beleuchtet

w o r d e n wäre, Herstellung und Inverkehrgabe also notwendige Bedingungen des Eigentumserwerbs sind, k ö n n e n diese Handlungen dem Hersteller nicht als Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache vorgeworfen werden. Diese Kritik, die sich auch dahin formulieren läßt, daß die Rechtsprechung ohne nachvollziehbare Begründung eines vorwerfbaren Verhaltens v o m Vorliegen eines Schadens auf die Eigentumsverletzung schließe, kann der hier entwikkelten L ö s u n g der Weiterfresser-Fälle nicht entgegengehalten werden. D i e unterlassene Warnung, in der hier die Verkehrspflichtverletzung gesehen wird, stellt keine notwendige Bedingung für den Eigentumserwerb an der fehlerhaften Sache dar. Eine Übertragung des Eigentums an der fehlerhaften Sache kann vielmehr auch dann stattfinden, w e n n der Hersteller auf deren Beschaffenheit hinweist.

II. Der Eintritt eines Schadens wird nicht zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung

erhoben

Weiter wurde der Rechtsprechung vorgeworfen, daß sie in den WeiterfresserFällen, anders als sonst, den Schaden zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung macht, indem sie eine Eigentumsverletzung nur bei Vorliegen eines nicht" s t o f f g l e i c h e n " Schadens bejaht. 6 2 4 A u c h dieser E i n w a n d kann gegen die hier vertretene L ö s u n g nicht erhoben werden. Sieht man das dem Hersteller vorwerfbare Verhalten darin, daß er eine Warnung vor der sachinternen Ausbreitung des Fehlers unterlassen hat, so ist die Entstehung eines Schadens genausowenig wie jenseits der Weiterfresser-Fälle Voraussetzung der Eigentumsverletzung. E s ist vielmehr ohne weiteres m ö g lich, daß zwar eine Eigentumsverletzung vorliegt, weil der informierte Eigentümer die Substanzverschlechterung verhindert hätte - und sei es nur aus Angst vor Folgeschäden - , daß ein Vermögensschaden aber dennoch zu verneinen ist, etwa weil die Sache schon vor dem Weiterfressen des Fehlers wertlos war und Folgeschäden tatsächlich ausgeblieben sind.

III.

Bei Unvermeidbarkeit fehlt es an einer

der Fehleraushreitung Warnpflicht

N u n zu dem weiteren, gegen die Rechtsprechung erhobenen Vorwurf, sie k ö n n e nicht begründen, warum trotz Kausalität von Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache für die sachinterne Fehlerausbreitung und t r o t z Vorliegens eines v o m Mangelunwert zu unterscheidenden Schadens eine Eigentumsverletzung zu verneinen sein soll, wenn das Weiterfressen des Fehlers sich

624

Vgl. oben Kapitel 2, B . I I .

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

232

Sache

gar nicht oder d o c h nur mit einem unwirtschaftlichen A u f w a n d hätte verhindern lassen. 6 2 5 G e h t man davon aus, der Hersteller sei allenfalls zur Warnung verpflichtet gewesen, auch dies aber nur dann, wenn sein Hinweis auf die fehlerhafte B e s c h a f fenheit der Sache den E i g e n t ü m e r z u m Erhalt der Sache veranlaßt hätte, so wird ohne weiteres deutlich, w a r u m eine Eigentumsverletzung regelmäßig ausscheiden muß, w e n n die nachträgliche sachinterne Fehlerausdehnung mit wirtschaftlichem A u f w a n d nicht zu vermeiden war: W ä r e es für den Eigentümer u n m ö g lich oder unwirtschaftlich gewesen, die Sache zu reparieren oder durch N u t zungsverzicht zu retten, so war die Warnung ungeeignet, z u m Erhalt der Sachsubstanz beizutragen. E s fehlt damit bereits an einer Warnpflicht und folglich an einer Verletzungshandlung. U m die Haftungsbegründung zu verneinen, bedarf man also nach dem hier entwickelten Verständnis der Weiterfresser-Fälle keiner besonderen Tatbestandsvoraussetzung der Unvermeidbarkeit der Fehlerausbreitung. D i e mangelnde H a f t u n g ergibt sich vielmehr zwanglos aus dem auch jenseits der Weiterfresser-Fälle geltenden Grundsatz, daß eine Unterlassung nur dann die Z u r e c h n u n g eines Erfolges rechtfertigt, wenn die unterlassene H a n d lung geeignet gewesen wäre, diesen E r f o l g abzuwenden. Allerdings werden solche Fälle wegen der regelmäßig mit einer Selbstbeschädigung der Sache verbundenen G e f a h r von Folgeschäden eher die A u s n a h m e darstellen. A u c h dann, wenn eine Sache irreparabel fehlerhaft ist, läßt sich eine Substanzverschlechterung in den meisten Fällen durch Verzicht auf weitere B e nutzung vermeiden. W o Folgeschäden drohen, wird der informierte Sacheigentümer sich in aller Regel entsprechend verhalten. Versäumt in einem solchen Fall der Hersteller die Warnung und frißt sich der Fehler weiter, dann gibt es keine Rechtfertigung dafür, die Eigentumsverletzung zu verneinen. I m übrigen sei hier aber nochmals daran erinnert, daß selbst bei Bestehen einer Warnpflicht die H a f t u n g des Herstellers zu verneinen sein kann. So ist denkbar, daß gerade der k o n k r e t e Sacheigentümer keinesfalls gegen die Sachverschlechterung eingeschritten wäre und es deshalb an der haftungsbegründenden Kausalität fehlt. 6 2 6 M ö g l i c h ist aber auch, daß durch die nachträgliche Fehlerausbreitung kein Vermögensschaden entstanden ist, so namentlich weil die fehlerhafte Sache von Anfang an wertlos war und die Selbstbeschädigung wider E r warten keine Folgeschäden mit sich gebracht hat. 6 2 7

625 626 627

Vgl. oben Kapitel 2, B . I I I . Vgl. dazu bereits oben Kapitel 4, A. Vgl. dazu bereits unter II.

Die Weiterfresser-Rechtsprechung

neu beleuchtet

233

IV. Der ersatzfähige Schaden wird ohne Rückgriff auf den anfänglichen Mangelunwert ermittelt G e g e n die „Stoffgleichheits"-These der Rechtsprechung ist oben ferner geltend gemacht worden, daß sie den ersatzfähigen Schaden berechnet unter R ü c k griff auf den anfänglichen Mangelunwert, also die A b w e i c h u n g der tatsächlichen ursprünglichen Sachbeschaffenheit von der vertraglich vereinbarten SollBeschaffenheit. Weil das Vertragssoll für den Zustand der nach § 823 Abs. 1 B G B allein geschützten realen Sache irrelevant ist, kann dies nicht richtig sein, A u ß e r d e m wird dadurch der unzutreffende E i n d r u c k erweckt, in den Weiterfresser-Fällen ließen sich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 B G B nur unter R ü c k g r i f f auf das vertragliche Gewährleistungsrecht bestimmen. 6 2 8 I m Zusammenhang mit den Grundsätzen, die bei einem Verständnis der Weiterfresser-Problematik als Fallgruppe der Instruktionshaftung für die Schadensberechnung gelten müssen, wurde bereits ausführlich dargelegt, daß der M a n g e lunwert weder zum ersatzfähigen Schaden zählt, n o c h zu dessen B e r e c h n u n g benötigt wird. 6 2 9 D a r a n sei hier nochmals in aller K ü r z e erinnert: W ä r e die F e h lerausbreitung durch b l o ß e n N u t z u n g s v e r z i c h t vermieden w o r d e n , so wäre die Sache nach dem hypothetischen Kausalverlauf zwar n o c h vorhanden, aber nur als fehlerhafte. D e r vertragliche Sollzustand taucht folglich beim Vergleich der für die Schadensberechnung maßgeblichen Vermögenslagen nirgendwo auf. Dasselbe gilt selbst dann, wenn der E i g e n t ü m e r die Sache bei erfolgter Warnung in den vertraglichen Sollzustand versetzt hätte. F ü r die Schadensberechnung bleibt maßgeblich die hypothetische Vermögenslage des Anspruchstellers und damit (unter anderem) der hypothetische Zustand der Sache. D a ß dieser h y p o thetische Zustand im k o n k r e t e n Fall einmal der vertraglichen Soll-Beschaffenheit entsprechen mag, macht diese nicht zum Parameter der Schadensberechnung.

B. Der BGH verdient Anerkennung in seinem Bemühen um einen Eigentumsschutz der fehlerhaften Sache unter Berücksichtigung des Fehlers M a c h t man sich unter Zugrundelegung des hier entwickelten Verständnisses der fehlerbedingten Sachverschlechterung an eine neuerliche U b e r p r ü f u n g der v o m B G H entschiedenen Weiterfresser-Fälle, so stellt man fest, daß die meisten Urteile jedenfalls im Ergebnis Z u s t i m m u n g verdienen. Mag der B G H auch verkannt haben, daß es um Fälle unterlassener Instruktion geht, so ist doch sein 628

Vgl. oben Kapitel 2, B.IV.

629

Vgl. oben Kapitel 4, B.V.

234

Teil 1: Der Schutz

des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

doppeltes und berechtigtes Bemühen anzuerkennen, einerseits zwar der fehlerhaften Sache den nötigen Eigentumsschutz zukommen zu lassen, auch wenn „die Zeitbombe nicht neben ihr, sondern in ihr tickt" 6 3 0 , andererseits aber dem Umstand Rechnung zu tragen, daß der Geschädigte niemals Eigentümer einer fehlerfreien Sache war und deshalb nicht berechtigt sein kann, vom Produzenten die Herstellung einer solchen fehlerfreien Sache zu verlangen. In einigen wenigen Fällen wurde dem B G H allerdings die mangelnde Schlüssigkeit, Tragfähigkeit und Präzision der „Stoffgleichheits"-These zum Verhängnis mit der Folge, daß die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B wegen Eigentumsverletzung auch im Ergebnis unrichtig beurteilt wurden.

I. Die meisten Entscheidungen beurteilen die Frage der Eigentumsverletzung im Ergebnis richtig I m wesentlichen richtig entschieden ist der Schwimmerschalter-Fall 6 3 1 . Die Klägerin hatte das Vorliegen eines Konstruktions- oder Fabrikationsfehlers behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt. 6 3 2 Bei einer dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechenden Produktion hätte ein solcher Fehler nicht unbemerkt bleiben dürfen. D a der Abnehmer der Anlage diese bereits in fehlerhaftem Zustand erworben hat, steht nur der Schutz des Eigentums an der mit einem defekten Schalter ausgestatteten Anlage in Frage. Zum Schutz dieses Eigentums oblag dem Hersteller nicht mehr - aber auch nicht weniger - als eine Warnung. Dagegen wäre es Sache des Erwerbers gewesen, die Substanz der Anlage durch eine die Anlage verbessernde Reparatur zu erhalten. D a ß der Hersteller die Anlage vermutlich gar nicht in defektem Zustand ausgeliefert hätte, wenn er den Fehler bemerkt hätte, ist unerheblich. D e n n die Warnung wird allein dadurch, daß der Produzent die Inverkehrgabe der fehlerhaften Anlage hätte unterlassen können, nicht entbehrlich. 6 3 3 Wäre der Erwerber der Anlage vom Hersteller auf den defekten Schwimmerschalter hingewiesen worden, so hätte er diesen aller Wahrscheinlichkeit nach ausgewechselt, bevor er die Anlage in Betrieb genommen hätte. Damit wäre der Brand der Anlage vermieden worden, der durch den Brand entstandene Schaden ausgeblieben. D a ß es im Streitfall ausnahmsweise an einer objektiven oder subjektiven Pflichtwidrigkeit des Herstellers fehlte, etwa weil dieser aufgrund besonderer Umstände So Steffen, vgl. den Nachw. in Fußn. 630. Siehe B G H VersR 1977, 358. 6 3 2 B G H VersR 1977, 358 (359, 361); insoweit bedurfte der Rechtsstreit noch weiterer Sachaufklärung. 633 y g ] d a z U ; d a ß die Warnpflicht nicht verneint werden darf, nur weil der Hersteller sich der Haftung auch anders als durch Warnung hätte entziehen können und bei Kenntnis des Produktfehlers vermutlich auch entzogen hätte, bereits oben Kapitel 3, E.IV. 630 631

Die Weiterfresser-Rechtsprechung

neu

beleuchtet

235

davon ausgehen durfte, seine Warnung würde unbeachtet bleiben, ist nicht ersichtlich. Vom geforderten Schadensersatz hätte der BGH allerdings korrekterweise die Kosten für einen neuen Schwimmerschalter abziehen müssen. Wenn eine Warnung erfolgt wäre, wäre das hypothetische Vermögen des Geschädigten um diesen Betrag geschmälert. Im übrigen zeigt der Schwimmerschalter-Fall sehr schön, daß es tatsächlich denkbar ist, daß der Produzent lediglich eine Warnung ausspricht. 634 Man stelle sich etwa vor, es hätte der Zulieferer des Schwimmerschalters dem Endhersteller einige Zeit nach Auslieferung der Anlage an den Endabnehmer mitgeteilt, daß eine bestimmte Schalterserie Mängel aufweist. Hier ist durchaus vorstellbar, daß der Endhersteller die Information weitergeleitet hätte und der Enderwerber sich wegen der zu vernachlässigenden Reparaturkosten damit zufrieden gegeben hätte. Im Ergebnis verdienen Zustimmung auch das Radaufhängungs-, das Hinterreifen- und das Gaszug-Urteil. 635 Wäre der Enderwerber hingewiesen worden auf die fehlerhafte Radaufhängung, die unvorschriftsmäßige Bereifung bzw. die defekte Gaszuganlage 636 , die der Reparaturwerkstatt, der Vertragshändlerin bzw. dem Kfz-Hersteller bei sorgfältiger Reparatur, Uberprüfung oder Herstellung des Wagens hätte auffallen müssen, so hätte der Enderwerber das Fahrzeug aller Voraussicht nach jeweils erst nach Austausch der defekten Teile in Betrieb genommen. Damit beruht der Unfallschaden auf einer Eigentumsverletzung durch verkehrspflichtwidrig unterlassene Warnung vor dem tatsächlichen Sachzustand. Er war dementsprechend aus § 823 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Die Kosten für eine fehlerfreie Radaufhängung, für einwandfreie Reifen bzw. eine intakte Gaszuganlage hätten allerdings auch das hypothetische Vermögen des Geschädigten belastet und waren damit nicht ersatzfähig. Auch im Kompressor- 637 , im Nockenwelle- 638 sowie im HandbremsenFall 639 hat der BGH im Ergebnis zutreffend eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache bejaht 640 , die sich, bedingt durch den Defekt, selbst beschädigte. Bei einem Hinweis auf die fehlerhafte Beschaffenheit bzw. Einstellung des Kompressors, des Pkw-Motors oder der Handbremse hätte der Eigentümer die Substanzverschlechterung auch hier aller Voraussicht nach jeweils vermieden. Allerdings war im Nockenwelle-Fall von der Beklagten, die den Motor generalüberholt hatte, geltend gemacht worden, daß das Fehlen der NokSiehe zu solchen Konstellationen auch bereits oben Kapitel 3, E.IV. Siehe B G H VersR 1978, 722 (Radaufhängung); B G H N J W 1978,2241 (Hinterreifen) und B G H N J W 1983, 810 (Gaszug). 636 Die Fehlerhaftigkeit der Gaszuganlage war in der Revisionsinstanz zu unterstellen. 637 Siehe B G H N J W 1985, 2420. 638 Siehe B G H N J W 1992, 1678. 639 Siehe B G H N J W 1993, 655. 640 Die Fehlerhaftigkeit wurde in der Revisionsinstanz jeweils zugrundegelegt. 634

635

236

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften

Sache

kenwellenschraube bei ordnungsgemäßer Ausführung der laut Serviceheft des Herstellers vorgeschriebenen üblichen Wartungsarbeiten nicht aufgefallen wäre. 6 4 1 Daraus k ö n n t e man den Schluß ziehen wollen, der Beklagten sei die von ihr unterlassene A n b r i n g u n g der Schraube ohne Verstoß gegen die verkehrsgemäßen Sorgfaltsstandards verborgen geblieben, weswegen in der unterlassenen Warnung keine Verkehrspflichtverletzung liege. D i e s e r Schluß ist aber w o h l nicht gerechtfertigt. D e n n daß ein D e f e k t bei einer über das Ü b l i c h e nicht hinausgehenden Wartung voraussichtlich u n b e m e r k t bleiben würde, heißt nicht, daß der Herstellungsprozeß bzw. hier die Generalüberholung nur so organisiert werden k o n n t e und deshalb auch so organisiert werden durfte, daß der D e f e k t unerkannt blieb. Widerspricht die Beschaffenheit eines M o t o r s der Verkehrserwartung, wenn eine bestimmte Schraube fehlt, dann verlangt es der S c h u t z des Eigentums am M o t o r , daß derjenige, der den M o t o r herstellt oder generalüberholt, diesen Vorgang im R a h m e n des M ö g l i c h e n und Z u m u t b a r e n so organisiert, daß es ihm auffällt, w e n n die A n b r i n g u n g der Schraube unterbleibt. A u c h hier war also w o h l durch unterlassene Warnung vor der verkehrswidrigen B e schaffenheit der Sache eine Eigentumsverletzung verwirklicht worden. D e r daraus resultierende Schaden m u ß t e nach § 8 2 3 Abs. 1 B G B ersetzt werden. I m Ergebnis Z u s t i m m u n g verdient weiter der

Milchkühlmaschinen-Be-

schluß 6 4 2 , in dem der B G H eine R ü c k r u f p f l i c h t des Zulieferers fehlerhafter Kondensatoren, die in Milchkühlmaschinen eingebaut w o r d e n waren und die G e f a h r eines Motorenstillstandes schufen, verneinte. Allerdings ist zu bedauern, daß der B G H offen ließ, unter welchen Voraussetzungen E n d a b n e h m e r n gegen Zulieferer deliktsrechtliche A n s p r ü c h e auf R ü c k r u f und Austausch zustehen, wenn die E n d s a c h e sich aufgrund von Mängeln des Einzelteils zu verschlechtern droht. Weil der R e s p e k t fremden Eigentums es nicht gebietet, die Sache eines andern zu verbessern, obliegt es grundsätzlich allein dem Eigentümer, die fehlerhafte Sache z u m Z w e c k e des Substanzerhalts zu reparieren. I m Interesse des Eigentums an der fehlerhaften Endsache ist der Zulieferer deshalb niemals zu R ü c k r u f und Austausch des Zulieferteils verpflichtet, sondern allenfalls zur Warnung vor der drohenden Selbstbeschädigung. A u c h eine solche Warnung erübrigt sich, w o die Endabnehmer, wie dies offenbar im Streitfall geschehen war, bereits v o m Endhersteller auf den Fehler hingewiesen w o r d e n sind. I m Ergebnis richtig entschieden wurde außerdem der SpezialschmierfettFall 6 4 3 : W i e bereits an anderer Stelle dargelegt 6 4 4 , k o n n t e das Eigentum an dem Leitrad, das s c h o n mit ungeeignetem Schmierfett befüllt war, als es von der Schiffseignerin erworben wurde, nicht dadurch verletzt werden, daß dieses 641 642 643 644

Siehe Siehe Siehe Siehe

B G H N J W 1992, 1678 (1679). B G H VersR 1986, 1125. B G H N J W 1996, 2224. dazu oben Fußn. 113.

Die Weiterfresser-Rechtsprechung

neu

beleuchtet

237

nicht als anderes, nämlich mit tauglichem Schmierfett befülltes Leitrad, hergestellt wurde. Vielmehr war der Herstellerin des Schmierfettes vorzuwerfen, daß sie nicht auf dessen mangelnde Eignung für Niedrigtemperaturen hingewiesen hatte. Bei entsprechender Instruktion hätte die Erwerberin des befüllten Leitrades dieses aller Wahrscheinlichkeit nach entweder nur bei höheren Temperaturen eingesetzt oder mit anderem Schmiermittel befüllt, so daß es nicht verloren gegangen wäre. Zustimmung verdient im Ergebnis schließlich auch die jüngst ergangene Schlacke-Entscheidung, soweit der V I . Senat darin eine Verletzung des Eigentums an den fertiggestellten Bauwerken ablehnt, die infolge der Ausdehnung fehlerhafter Schlacke im Baugrund Risse und Verformungen erlitten hatten. 645 Der klagenden Grundstückseigentümerin waren zwar von den Voreigentümern deren Ansprüche gegen die Beklagte (bzw. die Rechtsvorgänger der Beklagten) abgetreten worden. Auch die Voreigentümer hatten das Grundstück jedoch erst erworben, nachdem die Beklagte (oder deren Rechtsvorgänger) die fehlerhafte Schlacke bereits aufgebracht hatten. Mangels Eigentum am unverfüllten Grundstück konnten folglich weder die Klägerin noch die Voreigentümer eine Verletzung des Eigentums am unverfüllten Grundstück erlitten haben. Weil sich die von den Voreigentümern errichteten Gebäude durch die Ausdehnung der Schlacke selbst beschädigten, kam jedoch eine Verletzung des Eigentums am mit Schlacke verfüllten und bebauten Grundstück in Betracht, das sich gem. § 94 Abs. 1 B G B auf die Gebäude erstreckte. Insofern scheidet allerdings das Aufbringen der Schlacke als Verletzungshandlung aus. D e n n dafür, daß das Eigentum der Voreigentümer ebenso wie anschließend das Eigentum der Klägerin das mit Schlacke verfüllte und bebaute Grundstück zum Gegenstand haben konnte, war die Verfüllung des Grundstücks mit der fehlerhaften Schlacke notwendige Bedingung. Eine Verletzung des Eigentums am mit Schlacke verfüllten und bebauten Grundstück konnte die Klägerin ebenso wie die Voreigentümer folglich nur dadurch erlitten haben, daß die Beklagte (bzw. deren Rechtsvorgänger) nicht vor der Gefahr drohender Risse und Verformungen gewarnt hatte. Dabei ist zu unterstellen, daß das Grundstück trotz Warnung bebaut worden wäre, da sich die Voraussetzungen einer Verletzung des Eigentums am verfüllten und bebauten Grundstück nur bestimmen lassen, wenn dessen Existenz zugrunde gelegt wird. 6 4 6 Auch eine Warnung hätte jedoch allem Anschein nach die Klägerin

645 „Stoffgleichheit" des Schadens will in Bezug auf das Grundstück und die errichteten Gebäude auch S. Lorenz, J Z 2001,880 bejahen; dagegen hält Schaub, VersR 2001,941 f. die Annahme von „Stoffgleichheit" nicht für zwingend; zweifelnd auch Spickhoff \ LM § 823 B G B (Ac) Nr. 68, Bl. 848, der annimmt, die Entscheidung lasse sich nicht recht in die bisherige Handhabung des „Stoffgleichheits"-Kriteriums einfügen; vgl. zur Frage der Verletzung des Eigentums an den verarbeiteten Baumaterialien unten Teil 2, Kapitel 1, A.II.4., Kapitel 2, B.II., Kapitel 3, A. u. Kapitel 5, E. 646 Vgl. dazu oben Kapitel 3, F.I.5.

238

Teil 1: Der Schutz des Eigentums

an der fehlerhaften

Sache

bzw. die Voreigentümer nicht in die Lage versetzt, die Ausdehnung der Schlacke und damit auch die Risse und Verformungen an den Gebäuden abzuwenden. D e n n der Sachverhalt enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß eine Bearbeitung des mit Schlacke verfüllten und bebauten Grundstücks möglich gewesen wäre, durch welche die Schlacke hätte raumbeständig gemacht werden können. Lag der Fall so, dann verneinte der B G H zu Recht eine Verletzung des Eigentums am bebauten Grundstück. Die Beklagte traf keine Warnpflicht.

II. In einigen Entscheidungen werden die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches wegen Eigentumsverletzung verkannt Falsch entschieden wurde dagegen der Hebebühnen-Fall 6 4 7 . Eine Verletzung des Eigentums an der fertigen Hebebühne 6 4 8 hätte bejaht werden müssen, wenn es tatsächlich - wie vom Kläger behauptet - zutraf, daß sich der Führungsschlitten der Bühne aufgrund eines Konstruktions- oder Fabrikationsfehlers seitlich verschoben, auf das vorher intakte Spindelgewinde gedrückt, dieses verformt und dadurch das Muttergewinde in der Führungs- und Sicherheitsmutter ausgefräst hatte. Denn selbst wenn die Hebebühne von Anfang an „für den bestimmungsgemäßen Einsatz auf Dauer nicht geeignet" 6 4 9 war, so ändert dies doch nichts daran, daß der Erwerber wahrscheinlich bei Kenntnis des Defekts schon aus berechtigter Angst vor einer Beschädigung aufgeladener Fahrzeuge, die ja dann auch tatsächlich eintrat, eine Benutzung der Hebebühne unterlassen und damit deren Substanzverschlechterung verhindert hätte. Durch eine Warnung des Herstellers wäre also das Absinken der Hebebühne vermieden worden. Richtig ist allerdings, daß sich aus der Verletzung des Eigentums an der H e b e bühne kein Anspruch ergibt auf Ersatz des Nutzungsausfalles der Hebebühne bis zur Reparatur. 6 5 0 Insofern verdient die Entscheidung des B G H im Ergebnis Zustimmung. D e n n der informierte Eigentümer hätte die Gefahr eines Absinkens der Hebebühne dadurch abgewendet, daß er bis zur Reparatur auf deren Benutzung verzichtet hätte, so daß der geltend gemachte Nutzungsausfall auch bei Ausbleiben der Eigentumsverletzung eingetreten wäre. Als Folgeschäden der Substanzverschlechterung der Hebebühne wären aber richtigerweise die Reparaturkosten für den P k w sowie die Kosten für die Bereitstellung eines E r satzwagens auszugleichen gewesen. Nicht zu überzeugen vermag auch die Verneinung eines Schadensersatzanspruches aus Eigentumsverletzung im Baustromverteiler-Beschluß 6 5 1 . D a ß der Siehe B G H N J W 1983, 812. Vgl. zum Problem einer Verletzung des Eigentums an den Einzelteilen der Hebebühne unten Teil 2, insb. Kapitel 3, A. 6 4 9 So der B G H , vgl. B G H N J W 1983, 812 (813). 6 5 0 Vgl. dazu bereits oben Kapitel 4, B.III. 651 Siehe B G H VersR 1990, 1283. 647 648

Die Weiterfresser-Rechtsprechung

neu

beleuchtet

239

fehlerbedingte Kurzschluß, bei dem sich „eine schlecht angelötete starre Drahtbrücke durch Zurückfedern vom Kontakt löst[e]" 652 , eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz des Baustromverteilers darstellt, ist wohl kaum zu leugnen. Man stelle sich nur vor, jemand hätte gewaltsam die Drahtbrücke gelöst. Dann käme wohl kaum jemand auf die Idee, eine das Eigentum verletzende Beschädigung des Baustromverteilers zu bestreiten. 653 Es gibt keinen Grund, warum diese Substanzverschlechterung als Erfolg einer Eigentumsverletzung auszuscheiden hätte. Führte der Kurzschluß zu einer Überflutung der Baustelle, so ist ferner nicht ersichtlich, warum der daraus resultierende sechswöchige Betriebsausfall sowie die Aufwendungen für das Herauspumpen des Wassers keine Folgeschäden der Substanzverletzung des Baustromverteilers sein sollen. Wenn der BGH hier annimmt, es seien nur Folgeschäden aus einer Beschädigung zuvor einwandfreier Geräteteile ersatzfähig, an der es jedoch fehle, so verkennt er, daß auch fehlerhafte Sachen vollwertiges Eigentum darstellen, das den ungeschmälerten Schutz des §823 Abs. 1 BGB genießt. Auch der Eigentümer eines Autos mit verbeulter Tür muß sich nicht gefallen lassen, daß in diese Tür weitere Dellen gedrückt werden. Für die Frage der Eigentumsverletzung kommt es nicht darauf an, daß die Türe bereits zuvor fehlerhaft war. Ebensowenig kann ein Verletzungserfolg hinsichtlich des Eigentums am Baustromverteiler mit der Begründung verneint werden, von der Substanzverschlechterung seien nur fehlerhafte Teile betroffen worden. Dieser Umstand kann allerdings für die Schadensberechnung eine Rolle spielen. Hatte der Baustromverteiler nach dem Kurzschluß keinen geringeren Wert als er bei dessen hypothetischem Ausbleiben hätte, so fehlt es insofern an einem Vermögensschaden. An der Ersatzfähigkeit von Folgeschäden ändert dies jedoch nichts. Da auch jenseits der WeiterfresserFälle Folgeschäden ersetzt werden, welche die Substanzeinbuße um ein Vielfaches überschreiten, kann bei Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen nichts Abweichendes gelten. Richtigerweise wäre also im Streitfall zu prüfen gewesen, ob und wie die Eigentümer des Baustromverteilers dessen Selbstverschlechterung verhindert hätten, wenn sie vom Hersteller auf den Fabrikationsfehler hingewiesen worden wären. Voraussichtlich hätten sie den Baustromverteiler dann nicht oder jedenfalls nicht ohne vorherige Reparatur in Betrieb genommen, so daß der Kurzschluß wie auch die daraus resultierenden Folgeschäden ausgeblieben wären. Damit hat der Hersteller das Eigentum am fehlerhaften Baustromverteiler durch unzureichende Aufklärung über dessen verkehrswidrige Beschaffenheit verletzt. Ein Anspruch aus §823 Abs. 1 BGB auf Ersatz auch der Folgeschäden war zu bejahen.

652 653

So die Erläuterung des Geschehens durch Foerste, N J W 1992, 28. Vgl. dazu bereits oben Kapitel 2, B.II.

240

Teil 1: Der Schutz des Eigentums an der fehlerhaften Sache

B e d e n k e n begegnet schließlich die C h e f b ü r o - E n t s c h e i d u n g 6 5 4 , soweit der B G H dahinstehen ließ, o b das E i g e n t u m der Möbelherstellerin oder aber das Eigentum der E n d a b n e h m e r i n verletzt w o r d e n sei. D i e A n n a h m e des Gerichts, der Möbelherstellerin, die aus eigenem und abgetretenem R e c h t der E n d a b n e h merin klagte, k ö n n t e n in beiden Fällen die geltend gemachten A n s p r ü c h e zustehen, ist unzutreffend. Z u m Schutze des Eigentums der E n d a b n e h m e r i n an den bereits fehlerhaft lackierten M ö b e l n traf die Lackherstellerin allenfalls eine Pflicht zur Warnung. O b ein H i n w e i s auf den fehlerhaften L a c k allerdings geeignet gewesen wäre, die an den M ö b e l o b e r f l ä c h e n eingetretenen Schäden zu verhindern, hängt davon ab, o b eine Neulackierung wirtschaftlich sinnvoll gewesen und von der E n d a b n e h m e r i n auch tatsächlich v o r g e n o m m e n w o r d e n wäre. Selbst wenn dies - nach den k o n k r e t e n Sachumständen - zu bejahen gewesen wäre, so hätten doch die als Schadensersatz begehrten K o s t e n des Austausches der Einrichtung saldiert werden müssen mit den hypothetischen K o s t e n einer Neulackierung, welche die E n d a b n e h m e r i n im Falle einer Warnung hätte tragen müssen, u m sich die M ö b e l schadensfrei zu erhalten. Keinesfalls bestand also wegen einer Verletzung des Eigentums an den fehlerhaften M ö b e l n , wie sie von der E n d a b n e h m e r i n e r w o r b e n wurden, ein Anspruch auf vollständigen E r s a t z der K o s t e n für den Austausch der Einrichtung.

654

BGH NJW 1996, 2507.

Teil 2

Der deliktsrechtliche Schutz des Eigentums am Material nach §823 Abs. 1 BGB

Einleitung Im ersten Teil der Arbeit wurde die Verletzung des Eigentums an fehlerhaft konstruierten oder fabrizierten Sachen behandelt. Nachdem gezeigt wurde, daß in der bloßen Herstellung keine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache liegen kann 655 , stand die spezifische Weiterfresser-Problematik im Zentrum der Betrachtung. 6 5 6 Geklärt wurde, wann bei sachinterner Fehlerausbreitung der Tatbestand des § 823 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Dabei blieb das Eigentum am Material, aus dem die Sache hergestellt wurde, außer Betracht. Bisher nicht untersucht wurden also die Voraussetzungen, unter denen dem Eigentümer von Material ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zusteht, wenn das Material mit fehlerhaften Sachen oder auf unsachgemäße Weise verarbeitet wurde. Diese Frage ist Gegenstand des vorliegenden Teils. Wie bereits oben ausgeführt 6 5 7 , taucht das Problem der Verletzung des Eigentums am Material häufig nicht isoliert auf, sondern kommt daneben oft eine Eigentumsverletzung hinsichtlich der Endsache in Betracht. Zur Illustration sei etwa an die Sachverhalte erinnert, die den beiden Möbellack-Entscheidungen des B G H zugrunde liegen 658 : Eine Möbelherstellerin bezieht fehlerhaften Lack, mit dem sie ihre Produkte bearbeitet. Die fehlerhafte Lackierung führt zu Schäden an den Möbeln, die erst beim Endabnehmer eintreten. Blendet man hier die Person der Möbelherstellerin aus und fragt man zunächst nur nach den deliktsrechtlichen Ansprüchen des Endabnehmers, so ist man mit der gewöhnlichen Weiterfresser-Problematik konfrontiert, weil der Endkunde zu keiner Zeit Eigentümer einzelner Teile der erworbenen Möbel war. Insoweit kommt also leSiehe Teil 1, Kapitel 1. Siehe Teil 1, Kapitel 2 bis 5. 657 Siehe oben vor Teil 1, unter B. 658 Siehe B G H N J W 1996, 2507 (Chefbüro), sowie den Nichtannahmebeschluß B G H NJWR R 1992, 283 (Küchenmöbel). 655 656

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

242

diglich eine H a f t u n g wegen unterlassener Warnung vor der G e f a h r einer Verschlechterung der fehlerhaften M ö b e l in B e t r a c h t . 6 5 9 Inwiefern dagegen (auch) das E i g e n t u m der Möbelherstellerin an den zunächst unlackierten M ö b e l n beeinträchtigt wurde, läßt sich erst dann beurteilen, w e n n geklärt ist, unter welchen Voraussetzungen eine Eigentumsverletzung gegenüber dem Materialeigentümer vorliegt. U n t e r s u c h t man die höchstrichterliche R e c h t s p r e c h u n g zu diesem P r o b l e m , so stößt man auf eine Fülle v o n Entscheidungen. D e r e n D u r c h s i c h t ergibt jedoch - wie n o c h im einzelnen zu zeigen sein wird - in vielerlei H i n s i c h t U n s t i m migkeiten und Widersprüche. E i n e präzise und befriedigende A b g r e n z u n g der Voraussetzungen, unter denen eine Verletzung des Eigentums an verarbeitetem Material zu bejahen ist, sucht man vergeblich. Ein wesentlicher G r u n d dafür liegt sicherlich darin, daß in den Urteilen - wie o b e n ausgeführt 6 6 0 - oft darauf verzichtet wird, eine klare Trennung v o r z u n e h m e n zwischen der Frage, o b durch die Verarbeitung eine Eigentumsverletzung am zuvor bereits vorhandenen Material eingetreten ist und der Prüfung, ob erst das E i g e n t u m an der E n d sache, so wie sie durch die Verarbeitung entstanden ist, eine Verletzung erfahren hat. Entsprechendes gilt für die Literatur. 6 6 1 Wenn im folgenden die Voraussetzungen geprüft werden, unter denen das E i gentum am Material verletzt wird, so geschieht dies unter strikter gedanklicher Trennung der P r o b l e m a t i k v o n der im ersten Teil der A r b e i t untersuchten Frage der Eigentumsverletzung hinsichtlich der fehlerhaften Endsache. Z u r Verdeutlichung der zu behandelnden Fragestellung sei zunächst an das bereits o b e n erläuterte weite Verständnis sowohl des Material- wie auch des Verarbeitungsbegriffs erinnert 6 6 2 : „Material" meint jede beliebige Sache, die Gegenstand einer Verarbeitung wird, w o b e i „Verarbeitung" alle möglichen B e - und Verarbeitungsvorgänge umfaßt, ebenso wie jeden denkbaren Verbindungs-, Vermischungs- und Vermengungsprozeß.

659 660 661 662

Siehe dazu oben T e i l l , Kapitel 5, B . I I . Siehe oben vor Teil 1, unter C . Vgl. dazu oben vor Teil 1, unter C m. Nachw. in Fußn. 18 und 28. Siehe dazu oben vor Teil 1, unter B .

Kapitel 1

Die Beschädigung oder Zerstörung des Materials als Eigentumsverletzung D a ß eine dem Willen des Eigentümers widersprechende Verarbeitung von Material zu einer Verletzung des Eigentums an diesem Material führen kann, ist am ehesten dann anerkannt, wenn eine Beschädigung oder Zerstörung im herkömmlichen Sinne eintritt. Dabei lassen sich zwei Grundkonstellationen unterscheiden, die jedoch bei einem einzigen Verarbeitungsvorgang gemeinsam auftreten können. Einmal gibt es den Fall, daß dem Material zu dem Zeitpunkt, in dem die Substanzverschlechterung eintritt, noch immer sachenrechtliche Selbständigkeit zukommt, das Eigentum am Material also fortbesteht. Zum andern ist denkbar, daß das Material gem. § § 9 4 6 f f . i.V.m. § § 9 3 f f . B G B durch den Verarbeitungsvorgang so in der Endsache aufgegangen ist, daß nur noch Eigentum an der Endsache besteht, das Eigentum am Ausgangsmaterial dagegen untergegangen ist. Ein Fall, in dem beide Varianten gemeinsam auftreten, liegt etwa dann vor, wenn zu R e paraturzwecken in die Maschine A ein Teil B in der Weise eingebaut wird, daß dieses Teil B zum wesentlichen Bestandteil der Maschine A wird. Wenn nun einige Zeit später sowohl an Teil B als auch an der Restmaschine A Substanzschäden auftreten und sich herausstellt, daß diese auf einem unsachgemäßen Einbau beruhen, dann ist zu fragen, ob das Eigentum, das an der reparaturbedürftigen Maschine A bestand 6 6 3 , durch deren Verbindung mit Teil B und die anschließende Substanzverschlechterung verletzt wurde. Dieselbe Frage ist hinsichtlich des Eigentums an Teil B zu stellen, wobei geklärt werden muß, welche Rolle hier der durch die Verarbeitung eingetretene Untergang des an Teil B bestehenden Eigentums spielt.

6 6 3 Dagegen wäre mit der Frage, ob die Maschine A in ihrem Zustand als reparierte Maschine von einer Eigentumsverletzung betroffen wurde, das oben im ersten Teil behandelte Problem der Eigentumsverletzung hinsichtlich der fehlerhafte Endsache angesprochen. Insofern gilt: Derjenige, der nicht bereits Eigentümer der reparaturbedürftigen Maschine A war, kann eine Eigentumsverletzung allein durch Instruktionspflichtverletzung erlitten haben und auch dies nur dann, wenn er bei Kenntnis des unsachgemäßen Einbaus die nachträgliche Substanzverschlechterung der reparierten Maschine A verhindert hätte.

244

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

A. Die

am

Material

Rechtsprechung

I. Die Möglichkeit einer entspricht gefestigter

Eigentumsverletzung Rechtsprechung

Trotz gewisser Widersprüche kann es wohl mittlerweile als gefestigte Rechtsprechung des B G H gelten, daß eine Eigentumsverletzung grundsätzlich vorliegt, wenn Material entgegen dem Willen des Eigentümers so verarbeitet wird, daß es eine Substanzverschlechterung im Sinne einer Beschädigung oder Zerstörung erleidet. Diese Fallkonstellation tritt typischerweise dann auf, wenn sich ein Unternehmer im Rahmen eines Werkvertrags an Sachen des Bestellers zu schaffen macht und deren Substanz entgegen den Vorgaben des Werkvertrags beschädigt. Dabei ist es für die hier einschlägigen Urteile überwiegend kennzeichend, daß sie sich nur oberflächlich damit auseinandersetzen, welche sachenrechtliche Entwicklung die Materialien während der Verarbeitung genommen haben und was genau Verletzungsobjekt der Eigentumsverletzung gewesen sein soll. So wird die Frage, ob die Substanzverschlechterung möglicherweise als E r folg einer Eigentumsverletzung auszuscheiden hat, weil das Materialeigentum bei ihrem Eintritt längst nach §§ 946ff. B G B untergegangen war, meist nicht aufgeworfen, geschweige denn diskutiert. Dementsprechend fehlt es an einer klaren Unterscheidung der beiden eingangs 6 6 4 beschriebenen Fallkonstellationen: So bejahte der V I I . Senat des B G H zunächst in der Achsaggregat-Entscheidung 6 6 5 eine Verletzung des Eigentums der Beklagten, in deren Pritschensattelaufleger vom Kläger ein fehlerfreies Achsaggregat unsachgemäß eingebaut worden war, mit der Folge, daß Risse und Brüche an den Längsträgern des Auflegers entstanden. 6 6 6 D e r B G H nahm allerdings erstaunlicherweise nicht einfach eine Verletzung des Eigentums am sachenrechtlich selbständig gebliebenen „Pritschensattelaufleger" an, sondern an den „der Beklagten gehörenden anderen Fahrzeugteilen" 6 6 7 . Inwieweit diese Fahrzeugteile unter § 9 3 B G B fielen, folglich gar nicht Gegenstand selbständigen Eigentums sein konnten und deshalb möglicherweise auch nicht O b j e k t einer eigenständigen Eigentumsverletzung, wird in der Entscheidung nicht erörtert. Eine Eigentumsverletzung bejahte der V I I . Senat auch im Olfeuerungsanlagen-Urteil 6 6 8 : Ein Unternehmer hatte in eine Ölfeuerungsanlage des Bestellers Siehe vor A. Siehe B G H VersR 1971, 639. 6 6 6 Zuvor war der V I I . Senat in B G H VersR 1957, 804 (Betonbalken) davon ausgegangen, daß durch die Lieferung fehlerhafter Betonbalken, die von einem Unternehmer für den Einbau einer Dachdecke verwendet wurden und anschließend das Gebäude zum Einsturz brachten, das Besitzrecht des - erst später als Eigentümer eingetragenen - Klägers am Grundstück verletzt worden sei. 6 6 7 Siehe B G H VersR 1971, 639 (640). 6 6 8 Siehe B G H VersR 1972, 274. 664 665

Beschädigung

oder Zerstörung als Eigentumsverletzung

245

Leckanzeigesicherungsgeräte eingebaut und dabei die Entlüftungsleitung der Anlage beschädigt, aus der anschließend O l auslief. D e r Senat nahm an, es sei das Eigentum an der zuvor intakten Ölfeuerungsanlage verletzt worden. Zu einem entsprechenden Ergebnis gelangte derselbe Senat auch in der Raster-Entscheidung 669 : Im Streitfall hatte der Unternehmer Raster der Bestellerin lackiert und dabei verformt. Einige Jahre bevor diese Urteile ergingen, hatte der V I I . Senat allerdings die Ortbeton-Entscheidung erlassen 670 , die nicht ohne weiteres in die aufgezeigte Rechtsprechungslinie paßt: In einen Neubau waren über das Erdgeschoß und das erste Obergeschoß fehlerhafte Decken eingebaut worden, die eine Einsturzgefahr des Gebäudes begründeten. D e r B G H verneinte eine Verletzung des Eigentums an Grund und Boden wie auch am bebauten Grundstück. Dabei betonte er, daß der mögliche „Sachschaden", der durch den befürchteten Einsturz der D e c k e verursacht werden könnte, nur das Vermögen der Klägerin berühren würde. Zur späteren Achsaggregat-Entscheidung steht dies nur dann nicht in Widerspruch, wenn man annimmt, es sei auszuschließen gewesen, daß das teilweise bebaute Grundstück, wie es vor Einbau der fehlerhaften Decken vorhanden war, durch den drohenden Einsturz eine Substanzbeeinträchtigung im Sinne einer Beschädigung erfahren würde. Dies ist zwar tatsächlich kaum denkbar, entsprach aber möglicherweise dennoch der Vorstellung des B G H . Denn der Senat beschrieb den drohenden Sachschaden als einen Schaden, „der durch Neuherstellung der D e c k e beseitigt werden müßte". Ein Schaden an den übrigen Gebäudeteilen hätte sich jedoch durch ein bloßes Auswechseln der Decken nicht beseitigen lassen. 671 Als Urteil, das möglicherweise nicht in Einklang zu bringen ist mit der Rechtsprechung im Achsaggregat-, im Ölfeuerungsanlagen- und im Raster-Fall ist außerdem die Dämmelemente-Entscheidung des V I I I . Senats zu nennen. 6 7 2 Hier waren ungeeignete Dach-Dämmelemente eingebaut worden, was später zu Rissen in der Dachhaut führte. D e r B G H nahm an, das Eigentum der Klägerin „an dem von ihr errichteten H a u s " sei nicht verletzt worden. Die Dämmelemente seien in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit der Herstellung der Dachbahnen verlegt worden. D e r Mangel habe dem Gebäude also bereits seit dem Einbau der Platten angehaftet, so daß die Klägerin zu keiner Zeit Eigentümerin eines schadenfreien Hauses gewesen sei. Die Dämmelemente und 669 Siehe B G H N J W 1977, 1819; der VIII. Senat erklärte später in B G H ZIP 1992, 485 (489) (Kondensatoren) in einem obiter dictum ausdrücklich seine Billigung dieser Rechtsprechung. 670 B G H N J W 1963, 1827. 671 Vgl. bereits oben Fußn. 88. 672 Siehe B G H N J W 1981, 2248; zuvor hatte der VIII. Senat in der Entscheidung B G H N J W 1979, 2148 (Kartonmaschine) offengelassen, ob eine Eigentumsverletzung vorliege, wenn eine mangelfreie Kartonmaschine durch eine Zusatzanlage erweitert wird, deren Rollenlager unzureichend geschmiert sind, so daß die Anlage in Brand gerät. Der Senat nahm an, es liege jedenfalls eine wirksame Freizeichnung von der Haftung aus unerlaubter Handlung vor.

246

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

die D a c h b a h n e n stellten nach ansieht des Senats eine „bautechnische E i n h e i t " dar. A u c h hier fällt - wie schon bei der Achsaggregat-Entscheidung - auf, daß der B G H den Fall in sachenrechtlicher H i n s i c h t nur sehr oberflächlich würdigt. D i e s wird schon deutlich, w e n n das G e r i c h t eine Verletzung des Eigentums der Klägerin „an dem von ihr errichteten H a u s " prüft. D i e Frage, o b hinsichtlich des teilweise bebauten und im E i g e n t u m der Klägerin stehenden G r u n d s t ü c k s eine Eigentumsverletzung dadurch eingetreten sein k ö n n t e , daß der E i n b a u der

Dämmelemente zu einer Beeinträchtigung der vor diesem Einbau bereits handenen

Gebäudesubstanz

vor-

führte, wird nicht einmal klar formuliert, ge-

schweige denn, daß diese Frage mit dem Verweis auf den unmittelbaren zeitlichen Z u s a m m e n h a n g des E i n b a u s beantwortet wäre. Wenn infolge des Einbaus der D ä m m e l e m e n t e Bausubstanz des bereits vor dem E i n b a u vorhandenen unfertigen Gebäudes beschädigt wurde, dann hätte entsprechend den drei eingangs zitierten Urteilen eine Verletzung des Eigentums am G r u n d s t ü c k , so wie dieses vor E i n b a u der D ä m m p l a t t e n bestand, bejaht werden müssen. D e r V I I I . Senat hat denn auch J a h r e später in der K o n d e n s a t o r e n - E n t s c h e i d u n g ausdrücklich erklärt, soweit dem D ä m m p l a t t e n - U r t e i l e n t n o m m e n werden k ö n n te, daß eine Eigentumsverletzung zu verneinen sei, w e n n in einen mangelfreien R o h b a u mangelhafte Teile eingefügt würden, wolle er daran nicht festhalten. 6 7 3 E i n e gewisse Aufhellung der Unklarheiten, welche durch die D ä m m e l e m e n te-Entscheidung entstanden waren, brachte aber bereits das D a c h a b d e c k f o l i e n U r t e i l des V I . Senats aus dem J a h r e 1984 6 7 4 : H i e r war ein G e b ä u d e mit einer D a c h a b d e c k f o l i e versehen w o r d e n , die ihre wasserabweisende W i r k u n g verlor, mit der Folge, daß Wasser in das G e b ä u d e eindrang und Schäden an den unteren Schichten des D a c h a u f b a u s verursachte. 6 7 5 D e r V I . Senat beantwortete die F r a ge der Eigentumsverletzung positiv. E r nahm an, daß sich der zu entscheidende Fall v o m der D ä m m p l a t t e n - E n t s c h e i d u n g zugrunde liegenden Sachverhalt dadurch unterscheide, daß die unteren D a c h s c h i c h t e n bereits vor A u f b r i n g u n g der fehlerhaften F o l i e in das E i g e n t u m der Klägerin gelangt seien. Dieses Eigentum sei durch die eindringende Feuchtigkeit beschädigt worden. M i t h i n interpretierte der V I . Senat den in der D ä m m p l a t t e n - E n t s c h e i d u n g v o m V I I I . Senat konstatierten „unmittelbaren zeitlichen Z u s a m m e n h a n g " der Herstellung dahin, daß sich damals das Grundstückseigentum erst mit dem Einbau der D ä m m platten auf die später beschädigte Bausubstanz erstreckt habe. Wenn dies zutraf, dann hatte damals das teilweise bebaute G r u n d s t ü c k , so wie es der Klägerin vor E i n b a u der D ä m m e l e m e n t e und der später beschädigten D a c h h a u t gehörte, tatsächlich keine Beschädigung im h e r k ö m m l i c h e n Sinne erlitten. A u c h beim 673

Siehe B G H Z I P 1992, 485 (489).

Siehe B G H VersR 1984, 1151. 6 7 5 D e r Dachabdeckfolien-Fall zeichnet sich also dadurch aus, daß die Substanzbeeinträchtigung infolge Wirkungslosigkeit einer verarbeiteten Bausubstanz eintrat, vgl. dazu oben Teil 1, Kapitel 2, B . V I . 2 . b . 674

Beschädigung

oder Zerstörung als Eigentumsverletzung

247

Dachabdeckfolien-Urteil fällt auf, daß der B G H - ähnlich unpräzise wie in der Achsaggregat-Entscheidung - nicht von einer Verletzung des Eigentums am Grundstück spricht, wie es bereits vor Verlegen der Dachabdeckfolie vorhanden war, sondern auf das Eigentum an den unteren Dachschichten abstellt, obwohl sich auf diese gem. § 9 4 B G B das einheitliche Grundstückseigentum erstreckte. In Widerspruch zu den Urteilen, die auf der Linie der Achsaggregat-Entscheidung liegen, steht dagegen die 1986 ergangene Ölwechsel-Entscheidung 6 7 6 des X . Senats, soweit der B G H hier deliktsrechtliche Ansprüche überhaupt nicht prüfte: Nach mangelhafter bzw. unterlassener Durchführung eines vom Eigentümer in Auftrag gegebenen Ölwechsels entstanden Schäden am M o t o r eines Pkw. D e r X . Senat hielt die werkvertraglichen Ansprüche für verjährt. E t waige deliktsrechtliche Ansprüche wurden nicht einmal erwogen. Die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung bei einer Verarbeitung, die zur Beschädigung des Materials führt, wurde dann wieder klar bejaht vom V I . Senat in der zweiten Weinkorken Entscheidung 6 7 7 : Es waren hier Weinflaschen mit mangelhaften Korken verschlossen worden. D e r Senat nahm an, daß es für eine Eigentumsverletzung am Wein ausreiche, wenn der Wein wegen eines Oxidationstones, der infolge der minderwertigen Verkorkung in den Flaschen entstanden sei, die amtliche Prüfnummer verliere. Es sei dann der Wein durch die mangelhafte Verkorkung in seiner Beschaffenheit nachteilig verändert worden. Diese Rechtsprechung, nach der die Verarbeitung von Material eine Verletzung des Eigentums am Material darstellt, wenn sie entgegen dem Willen des Eigentümers eine Beschädigung oder Zerstörung des Materials verursacht, ist vom B G H - soweit ersichtlich - seither nicht mehr in Frage gestellt worden. 6 7 8 Siehe BGHZ 98, 45. Siehe B G H N J W 1990,908; vgl. auch bereits B G H VersR 1988,52 ("Weinkorken I, VIII. Senat): Die Klägerin verkorkte Wein mit minderwertigen Korken. Kurze Zeit später wurde der Wein trüb und schmeckte bitter. Der Senat hielt - ohne dies näher auszuführen - eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des Weines für möglich, vermißte jedoch (u.a.) Feststellungen dazu, daß die Mangelhaftigkeit der Korken die Veränderung der Beschaffenheit des Weins verursacht habe. 678 Sie findet sich über die bereits genannten Entscheidungen hinaus bestätigt in B G H ZIP 1992, 485 (489) (Kondensatoren, VIII. Senat); im Nichtannahmebeschluß B G H N J W - R R 1992, 283 (Küchenmöbel, VI. Senat): Der Senat bejahte die Verletzung des Eigentums einer Möbelherstellerin an Möbeln, die mit fehlerhaftem Lack bearbeitet wurden, was nach Auslieferung der Möbel an einen Kunden zu Holzschäden führte; siehe aber auch B G H N J W 1996,2507 (Chefbüro, VI. Senat): Eine Möbelherstellerin lackierte ihre Möbel mit fehlerhaftem Lack, was später zu Schäden an der Oberfläche der Möbel führte. Der Senat ließ offen, ob eine Verletzung des Eigentums der Herstellerin oder des Kunden vorlag; vgl. ferner den Nichtannahmebeschluß B G H N J W - R R 1993, 1113 (Jungprimelerde, VI. Senat): Blumenerde, die angeblich zur Aufzucht von Primel-Jungpflanzen geeignet war, verursachte bei den Pflanzen, die in diese Erde gesetzt wurden, eine starke Wachstumshemmung. Der B G H nahm an, in der Verursachung der Wachstumshemmung könne eine Eigentumsverletzung liegen. Er prüfte allerdings deren Voraussetzungen nicht näher, da er §852 B G B (a.F.) ausnahmsweise durch §477 B G B (a.F.) für verdrängt hielt und deshalb Verjährung bejahte; siehe außerdem B G H N J W - R R 1995, 684 (Tankanzeige, X . Senat): 676 677

248

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Allerdings wird der Frage, worin genau das O b j e k t der Eigentumsverletzung gesehen werden soll und welche Bedeutung ggf. dem vor Verwirklichung der Substanzverschlechterung eingetretenen Verlust dessen sachenrechtlicher Selbständigkeit zukommt, auch heute meist keine große Aufmerksamkeit geschenkt: Deutlich belegen dies zwei in jüngerer Zeit ergangene Entscheidungen: So zunächst die Tieflader-Entscheidung 6 7 9 des X . Senats: Bei einem Tieflader wurde der Triebkopf ausgewechselt, wobei eine fehlerhafte Winkelstellung der Gelenkwellen beim Zusammenbau später zu Schäden an bisher fehlerfreien Teilen führte. D e r Senat bejahte unter Verweis auf die Achsaggregat-Entscheidung eine Eigentumsverletzung. Dabei ließ er allerdings im Dunkeln, o b seiner A n sicht nach das Eigentum am Tieflader verletzt war und/oder das Eigentum am Triebkopf. Mangels Stellungnahme dazu blieb auch die Frage ungeklärt, ob der Triebkopf mit dem Einbau wesentlicher Bestandteil des Tiefladers geworden war, geschweige denn, daß geprüft worden wäre, ob in diesem Fall eine spätere Substanzbeeinträchtigung als Verletzungserfolg hinsichtlich des dann ja untergegangenen Eigentums am Triebkopf auszuscheiden hätte. Ferner ist die TorfEntscheidung 6 8 0 des VI. Senats zu nennen: Fehlerhafter Torf führte bei Azaleenstecklingen und -pflanzen zu verzögerter Wurzelbildung und stark gestörtem Wachstum. D e r V I . Senat bejahte eine Verletzung des Eigentums an den zuvor gesunden Stecklingen und Jungpflanzen, ohne zu prüfen, ob sie nach der Verbindung mit dem Torf als selbständige Sachen fortexistierten. 6 8 1

II. Unklar ist, was bei Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit des Materials gilt 1. Vereinzelt wird eine Eigentumsverletzung auf fehlende sachenrechtliche Selbständigkeit

unter Verweis verneint

Wenn die Rechtsprechung die Frage des sachenrechtlichen Schicksals der verarbeiteten Materialien regelmäßig ungeprüft läßt, so trifft dies doch nicht durchweg zu. Vielmehr gibt es vereinzelte Entscheidungen, in denen der B G H die sachenrechtlichen Folgen des Verarbeitungsvorganges genauer betrachtete und es gerade mit dem Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit begründete, daß in der verarbeitungsbedingten Beschädigung von Material keine Verlet-

In ein Flugzeug wurde ein fehlerhaftes Tankanzeigegerät eingebaut. Infolge der fehlerhaften Anzeige war das Flugzeug zu einer Notlandung gezwungen, bei der es Schaden nahm. Der Senat stellte knapp fest, daß eine unerlaubte Handlung auch darin liegen könne, daß infolge schlechter Ausführung eines Werkvertrags die Sache, die den Gegenstand der Werkleistung bilde, beschädigt werde. 6 7 9 B G H Z I P 1998, 1073. 6 8 0 Siehe B G H N J W 1999, 1028. 6 8 1 Vgl. dazu bereits Fußn. 64.

Beschädigung oder Zerstörung als Eigentumsverletzung

249

zung des Eigentums an diesem Material zu sehen sei: So n a h m der V I I . Senat in der Kreisförderanlage-Entscheidung 6 8 2 an, in der Ergänzung einer Kreisförderanlage u m eine fehlerhafte Erweiterungsanlage, die nach einiger Zeit zu Verschleißschäden an der Ausgangsanlage führte, k ö n n e keine Verletzung des E i gentums an der Ausgangsanlage liegen. M i t der Erweiterung sei eine neue einheitliche Gesamtanlage geschaffen w o r d e n , in der die alte Anlage aufgegangen sei. E b e n s o verneinte der V I . Senat 1983 in der H e b e b ü h n e n - E n t s c h e i d u n g , daß eine im A n s c h l u ß an die Verarbeitung eintretende Substanzverschlechterung eine Verletzung des Eigentums am Material bedeute 6 8 3 : D e r fehlerhafte F ü h r u n g s schlitten der H e b e b ü h n e , die v o m Kläger aus Einzelteilen montiert w o r d e n war, hatte das vorher intakte Spindelgewinde verformt, was zu einer Ausfräsung des Muttergewindes in der F ü h r u n g s - und Sicherheitsmutter führte. D a ß der K l ä ger ursprünglich E i g e n t ü m e r mehrerer einwandfreier Teile war, hielt das G e richt für bedeutungslos, weil er aus allen diesen Teilen ihrer B e s t i m m u n g gemäß eine neue Sachgesamtheit, die H e b e b ü h n e geschaffen habe, diese jedoch von Anfang an mit Mängeln behaftet gewesen sei. 6 8 4 Diese Entscheidungen werden ergänzt u m Urteile, die Sachverhalte betrafen, in denen die Verarbeitung keine „klassische" Beschädigung von Materialien bedingte, sondern Material lediglich unbrauchbar und wertlos wurde. A u c h in solchen Fällen wurde vereinzelt eine Verletzung des Materialeigentums (u.a.) mit dem A r g u m e n t abgelehnt, es sei ein Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit eingetreten, das ursprünglich vorhandene Material in einer anderen Sache aufgegangen. So hatte bereits der V I . Senat des Reichsgerichts in der K a l k - E n t scheidung 6 8 5 unmißverständlich z u m A u s d r u c k gebracht, daß er eine Verletzung des Materialeigentums für ausgeschlossen halte, wenn es bei der Verarbeitung seine sachenrechtliche Selbständigkeit eingebüßt habe. N a c h dem zugrunde liegenden Sachverhalt war salzhaltiger K a l k mit anderen Stoffen zu M ö r t e l verarbeitet und anschließend mit Mauersteinen zu einem unbrauchbaren G e bäude vermauert worden. D a s Reichsgericht verneinte eine Eigentumsverletzung sowohl an den Mauersteinen wie auch an den Stoffen, die mit dem Kalk zu M ö r t e l verarbeitet wurden. D a b e i ist besonders aufschlußreich die hinsichtlich der Mauersteine gegebene Begründung: „ D i e schädigende E i n w i r k u n g traf die Steine n i c h t m e h r als selbständige, d e m K l ä g e r gehörige S a c h e n " .

Siehe B G H BauR 1972, 379 (380). Siehe B G H N J W 1983, 812 (813). 6 8 4 Vgl zur Frage der Verletzung des Eigentums an der fertigen, fehlerhaften Hebebühne oben Teil 2, Kapitel 5, B.II. 6 8 5 Vgl. R G J W 1905, 367 Nr. 6. 682

683

250

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Ähnlich argumentierte der VIII. Senat des B G H im Lotsand- Urteil 6 8 6 : Ein Haus war unter Verwendung verunreinigten Sandes verputzt worden. Dies warf unter anderem die Frage auf, „ob der Kläger dadurch in seinem Eigentum geschädigt worden ist, daß die ursprünglich ihm gehörigen und mit dem gelieferten mangelhaften Sand zu Außenputz verarbeiteten sonstigen Baustoffe (Kalk, Zement) infolge der Verarbeitung wertlos geworden sind." Der B G H verneint dies in Ubereinstimmung mit dem Berufungsgericht: „Der Kläger übersieht, d a ß mit der Herstellung des A u ß e n p u t z e s sein ursprüngliches Eigentum an den von i h m beigesteuerten Baustoffen d u r c h Vermischung ( § 9 4 8 B G B ) u n d Verarbeitung (§ 950 B G B ) u n t e r g e g a n g e n w a r und er neues, w e n n auch mit M ä n g e l n behaftetes E i g e n t u m an d e m Verputzmaterial e r w o r b e n hatte."

Auch der B G H ging hier also davon aus, daß eine Verletzung des ursprünglich am Material bestehenden Eigentums nicht mehr möglich sei, wenn dieses seine sachenrechtliche Selbständigkeit verloren habe.

2. In der Transistoren-Entscheidung wird auf sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung verzichtet Der vereinzelten ausdrücklichen Ablehnung der Möglichkeit einer Eigentumsverletzung trotz Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit steht allerdings ein obiter dictum gegenüber, das der VI. Senat des B G H in der 1998 ergangenen Transistoren-Entscheidung ausgesprochen hat. 687 Danach soll es für die Verletzung des Eigentums am Material durch Verarbeitung nicht auf dessen sachenrechtliche Selbständigkeit ankommen. Im Streitfall waren fehlerhafte Transistoren in Steuergeräte eingebaut worden. Ein Ausbau war unwirtschaftlich und hätte außerdem zu einer Beschädigung bisher fehlerfreier Teile der Steuergeräte geführt. Er unterblieb deshalb, so daß die Substanz der Materialien, aus denen die Steuergeräte bestanden, keine Verschlechterung im Sinne einer Beschädigung oder Zerstörung erfuhr. Der VI. Senat nahm an, es sei das Eigentum an den fehlerfreien Einzelteilen bereits durch deren unauflösliches Zusammenfügen mit den fehlerhaften Transistoren verletzt worden. 6 8 8 Er hätte deshalb an sich nicht zur Frage Stellung nehmen müssen, ob eine Sache auch dann noch Objekt einer Eigentumsverletzung sein kann, wenn sie ihre sachenrechtliche Selbständigkeit verloren hat. Folgt man nämlich dem B G H darin, daß der Verletzungserfolg bereits mit der Verbindung eingetreten ist, ohne daß eine anschließende Substanzverschlechterung im Sinne einer Beschädigung erforderlich war, dann wurden die Materialien als eigenständige Sachen von der EigenSiehe BGH N J W 1978, 1051. BGH N J W 1998, 1942 (1943). 688 Dazu, daß darin in der Tat bereits eine Verletzung des Eigentums am Material liegt, sogleich Kapitel 2. 686 687

Beschädigung

oder Zerstörung als Eigentumsverletzung

251

tumsverletzung betroffen. Denn Gegenstand der Verbindung waren nicht erst die fertigen (fehlerhaften) Steuergeräte als deren Ergebnis, sondern die verschiedenen Materialien als Sachen, an denen zunächst selbständiges Eigentum bestand. Dennoch betont der Senat 689 : „Eine Eigentumsverletzung der Klägerin würde zudem nicht einmal dann ausgeschlossen sein, wenn den beschädigten Sachen bereits im Zeitpunkt der auf sie erfolgten Einwirkung keine sachenrechtliche Selbständigkeit mehr zugekommen wäre. Wie der erkennende Senat bereits ausgeführt hat, müssen sachenrechtliche Zuordnungsvorschriften für das Schadensrecht nicht unbedingt maßgeblich sein [...]."

Es folgt ein Verweis auf die Entscheidung B G H N J W 1988, 1835, bevor der Senat weiter anmerkt: „Aus diesem G r u n d wird von der Rechtsprechung, wie sich u.a. aus der Entscheidung BGHZ

117, 183 ( 1 8 8 f f . ) 6 9 0 ergibt, bei der Frage nach einer Verletzung des Eigentums an

Einzelteilen einer Sache auch nicht entscheidend auf deren sachenrechtliche Selbständigkeit abgestellt [...]. Maßgeblich ist vielmehr die im Wege einer wertenden Ausgrenzung zu beantwortende Frage, o b durch die Beschädigung oder Zerstörung solcher Einzelteile das Integritäts- oder allein das Aquivalenzinteresse des Eigentümers beeinträchtigt w o r den ist [...]."

Im Anschluß daran verweist das Gericht noch auf die Gaszug-Entscheidung 691 sowie auf eine Kommentierung der Kondensatoren-Entscheidung von Schlechtriem692, in welcher die Frage der Eigentumsverletzung hinsichtlich fehlerhafter Endsache und Material als „Wertungsfrage" bezeichnet wird.

3. Die Transistoren-Entscheidung liefert keine tragfähige Begründung für den Verzicht auf sachenrechtliche Selbständigkeit Betrachtet man den im Transistoren-Urteil geäußerten Verzicht auf sachenrechtliche Selbständigkeit näher, so fällt auf, daß die zum Beleg zitierten Entscheidungen kaum geeignet sind, die These des VI. Senats zu stützen: So lagen nach dem Sachverhalt der Entscheidung B G H N J W 1988, 1835 die Voraussetzungen einer Verletzung des Eigentums am bebauten Grundstück unzweifelhaft vor. Dieses war vom Freund einer Mieterin fahrlässig in Brand gesetzt worden. Problematisch war lediglich, ob für die Möglichkeit einer Wiederherstellung nach §249 B G B auf die Zerstörung der Sache „Haus" oder auf die Beschädigung der Sache „Hausgrundstück" abzustellen war. Der VI. Senat nahm an, die Frage sei nicht durch § 94 B G B entschieden, weil der sachenrechtlichen Zu689 690 691 692

Siehe B G H N J W 1998, 1942 (1943). = B G H ZIP 1992, 485 (Kondensatoren, VIII. Senat). Siehe B G H N J W 1983, 810. Vgl. EWiR 1992, 347 (348).

252

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Ordnungsvorschrift in erster Linie für die Sonderrechts(un)fähigkeit Bedeutung zukomme und sie deshalb für das Schadensrecht nicht unbedingt maßgeblich sein müsse. Das Problem, ob eine Sache auch nach Verlust ihrer sachenrechtlichen Selbständigkeit von einer Eigentumsverletzung betroffen werden kann, trat im Streitfall also gar nicht auf. Ebensowenig ist der Verweis auf die Gaszug-Entscheidung 693 geeignet, die Möglichkeit einer Verletzung des Eigentums an Material zu untermauern, das seine sachenrechtliche Selbständigkeit bereits verloren hat. Zur Erinnerung: Es klagte der Käufer eines bereits mit defektem Gaszug ausgestatteten Pkw. Gegenstand der Entscheidung war also eine Verletzung des Eigentums an einer in fehlerhaftem Zustand erworbenen Sache und nicht etwa des Eigentums an den Materialien, aus denen das Fahrzeug gefertigt wurde. Entsprechend bejahte der B G H eine Verkehrspflichtverletzung in Bezug auf den Eigentümer „des Fahrzeugs". In dieser Entscheidung ging es also um die typische Weiterfresser-Problematik einer Verletzung des Eigentums an einer fehlerhaften Sache durch deren nachträgliche Verschlechterung infolge sachinterner Fehlerausbreitung. Noch am ehesten vermag der Verweis auf die Kondensatoren-Entscheidung694 zu belegen, daß auch die frühere Rechtsprechung einem Verzicht auf die sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung einer Verletzung des Eigentums an Material zugeneigt war: Ahnlich wie im Transistoren-Fall der VI. Senat sah sich der VIII. Senat des B G H bereits in der Kondensatoren-Entscheidung mit der besonderen Fallkonstellation konfrontiert, daß nicht schon die Verarbeitung von Material dessen Beschädigung bedingte, sondern erst die Trennung des Materials von den fehlerhaften Teilen, mit denen es verbunden worden war. Allerdings war im Gegensatz zum Transistoren-Fall tatsächlich eine Trennung erfolgt: Unter Verwendung fehlerhafter Kondensatoren waren Regler hergestellt worden, aus denen diese Kondensatoren nicht wieder ausgebaut werden konnten, ohne daß bis dahin fehlerfreie Teile der Regler beschädigt wurden. Der VIII. Senat entnahm zunächst der bisherigen Rechtsprechung zur Verarbeitung von Material den Grundsatz, daß wenn einwandfreie Teile mit mangelhaften Teilen verbunden würden und dabei durch den Mangel bisher unversehrte Teile beschädigt oder unbrauchbar würden, darin für denjenigen, in dessen Eigentum bisher die einzelnen unversehrten Teile standen, eine Eigentumsverletzung an diesen Teilen liege.695 Von dieser Regel einer Verletzung des Eigentums an Sachen, die fehlerhaft verarbeitet wurden und dadurch Schaden nahmen, machte der VIII. Senat nun in der Tat keine Ausnahme für den Fall, daß diese zu dem Zeitpunkt als die Substanzveränderung eintrat, bereits ihre sachenrechtliche Selbständigkeit verloren hatten. Allerdings ließ er ausdrücklich offen 696 , ob im 693 694 695 696

Siehe Siehe Siehe Siehe

BGH BGH BGH BGH

N J W 1983, 810. ZIP 1992, 485. ZIP 1992, 485 (489). ZIP 1992, 485 (489).

Beschädigung oder Zerstörung als Eigentumsverletzung

253

konkreten Fall die Eigentumsverletzung erst mit dem Ausbau oder bereits mit der Verbindung der Kondensatoren mit den fehlerfreien Teilen eingetreten sei. Nimmt man - wie später der VI. Senat in der Transistoren-Entscheidung - an, die Eigentumsverletzung werde bereits mit der Verbindung vollendet, dann w ä re das Material von der Eigentumsverletzung nicht erst als unselbständiger weil mittlerweile in die Gesamtsache integrierter - Sachteil betroffen worden, sondern es hätte schon das zunächst sachenrechtlich selbständige Material eine beeinträchtigende Veränderung - eben die Verarbeitung - erfahren. Das Ergebnis, zu dem der VIII. Senat in der Kondensatoren-Entscheidung gelangte, kann also sehr wohl auch begründet werden, ohne daß auf die sachenrechtliche Selbständigkeit des Materials als Voraussetzung der Eigentumsverletzung verzichtet werden müßte. Schließlich läßt der in der Transistoren-Entscheidung geäußerte Verzicht auf die sachenrechtliche Selbständigkeit von Material als Voraussetzung einer Verletzung des Eigentums an diesem Material auch eine nähere Auseinandersetzung mit den Entscheidungen 6 9 7 vermissen, in denen Reichsgericht und B G H vom Gegenteil ausgegangen waren. Lediglich gegenüber dem Hebebühnen-Urteil wird in der Transistoren-Entscheidung eine Abgrenzung versucht, wobei darauf abgestellt wird, daß im Hebebühnen-Fall kein Ersatz für Schäden an der Hebebühne selbst oder an ihren Bestandteilen verlangt worden sei, daß darauf gerichtete Ansprüche aber „an sich" möglich gewesen wären. 6 9 8 Auf diese Weise kann jedoch offensichtlich keine Ubereinstimmung erzielt werden. Indem es der VI. Senat im Hebebühnen-Urteil für entscheidend hielt, daß durch den Zusammenbau eine neue Sachgesamtheit geschaffen worden sei, beschränkte er sich gerade nicht auf die bloße Ablehnung eines ersatzfähigen Schadens, sondern verneinte er wegen fehlenden selbständigen Fortbestands der Einzelteile die Voraussetzungen einer Verletzung des Eigentums an diesen Teilen.

4. Die Schlacke-Entscheidung Haltung zur sachenrechtlichen

korrigiert die Selbständigkeit

widersprüchliche nicht

In welche Widersprüche sich die Rechtsprechung verwickelt hat, indem sie in der Transistoren-Entscheidung die sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung ausdrücklich für verzichtbar erklärte, obwohl frühere Entscheidungen die Eigentumsverletzung gerade mit deren Verlust abgelehnt hatten, zeigt deutlich die Schlacke-Entscheidung 6 9 9 , die unlängst - ebenfalls vom VI. Senat - erlassen wurde: Vgl. oben unter 1. Siehe BGH N J W 1998, 1942 (1943f.). 699 Siehe BGH N J W 2001,1346; siehe ferner Fußn. 544 m. Nachw. der zu dieser Entscheidung erschienenen Anmerkungen. 697 698

254

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Der B G H prüfte u.a. 7 0 0 eine Verletzung des Eigentums an Baumaterialien, die zur Bebauung eines Grundstücks verwendet wurden, das mit fehlerhafter Schlacke verfüllt worden war. Diese dehnte sich später aus, was Risse und Verformungen an den Bauwerken verursachte. 7 0 1 Unklar war bereits, o b die Baumaterialien überhaupt den Voreigentümern des Grundstücks gehört hatten, die ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten hatten. Davon abgesehen, sprach nach Ansicht des VI. Senats gegen die Eigentumsverletzung, daß die Baumaterialien von der schädigenden Einwirkung nicht mehr als selbständige und daher einer Eigentumsverletzung zugängliche Sachen betroffen worden waren. Dabei legte der B G H ausdrücklich die entsprechende Argumentation des Reichsgerichts in der Kalk-Entscheidung zugrunde, die - wie ausgeführt - nur als klares Bekenntnis zur sachenrechtlichen Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung verstanden werden kann. Nach diesen Ausführungen wäre an sich zu erwarten gewesen, daß der V I . Senat den Versuch unternommen hätte, das Verhältnis der Kalk-Entscheidung zur entgegengesetzten Stellungnahme in der Transistoren-Entscheidung zu klären. Das Gericht entzog sich jedoch dieser Aufgabe, indem es einfach dahinstehen ließ, ob die Transistoren-Rechtsprechung eine andere Beurteilung rechtfertigte, „weil die schadensrechtliche B e trachtungsweise nicht in allem an die sachenrechtliche gebunden ist" 7 0 2 . D a die Klägerin ersichtlich keinen Anspruch geltend gemacht habe, der auf Ersatz des ursprünglich verwendeten Baumaterials gerichtet sei 7 0 3 , bedürfe diese Frage keiner abschließenden Entscheidung. Die Schlacke-Entscheidung hat folglich keine Klarheit gebracht, wie die widersprüchlichen Urteile in Einklang gebracht werden sollen und in welchem Umfang die Rechtsprechung die sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung preisgeben möchte.

B. Die Literatur I. Die herrschende Literatur bejaht die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung Auch in der Literatur ist überwiegend anerkannt, daß der Tatbestand einer Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 B G B grundsätzlich zu bejahen ist, wenn fremdes Material so verarbeitet wird, daß es entgegen dem Willen des Eigentümers beschädigt oder zerstört wird. 7 0 4 7 0 0 Vgl. zur Frage der Verletzung des Eigentums am bebauten Grundstück oben Teil 1, Kapitel 5, B.I. 701 Siehe B G H N J W 2001, 1346 (1349). 7 0 2 Siehe B G H N J W 2001, 1346 (1349). 7 0 3 Vgl. zu dieser Frage nach dem ersatzfähigen Schaden unten Kapitel 5, E. 704 Wilts, VersR 1967, 818; Rietschel, LM §638 B G B Nr. 17 in einer Anmerkung zur Achsag-

Beschädigung

oder Zerstörung als Eigentumsverletzung

255

Erfolgt die Beschädigung oder Zerstörung in Ausführung eines Werkvertrags, so wird allerdings vereinzelt eine rechtswidrige Eigentumsverletzung mit der Begründung verneint, der Besteller/Eigentümer habe mit Abschluß des Werkvertrags in die Minderung der Substanz seines Materials eingewilligt. 705 Eine solche Einwilligung ist jedoch reine Fiktion. Zu Recht stellte der B G H bereits im Olfeuerungsanlagen-Urteil klar, daß das Einverständnis des Bestellers nur vertragsgemäße Eingriffe in die Sachsubstanz abdeckt, nicht aber eine unsachgemäße, mangelhafte Bearbeitung. 7 0 6 Weil eine rechtfertigende Einwilligregat-Entscheidung; Schlechtriem, J Z 1971, 451 in einer Anmerkung zur Achsaggregat-Entscheidung B G H VersR 1971,639, allerdings zunächst mit der konkurrenzrechtlichen Einschränkung, deliktsrechtliche Ansprüche infolge der Verarbeitung von Material würden vom Vertragsrecht verdrängt, soweit das Material Gegenstand einer Werkvertragsleistung sein sollte. Schlechtriem gab diese Ansicht jedoch später wegen der Schwierigkeit der Abgrenzung auf, vgl. Schlechtriem, N J W 1977,1820 in einer Anmerkung zur Raster-Entscheidung B G H N J W 1977,1819 und ders., Gutachten, 1981, S.1668f.; Möschel, JuS 1977, 5; Grunewald, J Z 1987, 1100; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz. 68ff., 94; Soergel/Zeuner, vor §823 Rz.49; Jagenburg, FS Locher, 1990, S. 94f.; von Bar, Probleme der Haftpflicht, 1992, S. 18f.; B. Klein, Produkthaftung bei Baustoffen und Bauteilen, 1990, S. 9ff.; Hinsch, VersR 1992,1055 in einer Anmerkung zur Nokkenwelle- und zur Kondensatoren-Entscheidung; Graf von Westphalen, ZIP 1992, 532 in einer Anmerkung zur Kondensatoren-Entscheidung; Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S. 71 f.; Derleder/Meyer, AcP 195 (1995), 145; Brüggemeier, BB 1995, 2489; Tiedtke, EWiR 1998, 594 in einer Anmerkung zur Tieflader-Entscheidung. 705 SoPlum, AcP 181 (1981), 84ff.: Ein Eingriff und damit auch die Restitution eines Nachteils im Wege des deliktsrechtlichen Schuldverhältnisses scheide aus, wenn der Nachteil unmittelbar auf eine „Verfügung" zurückgehe. In diesem Sinne aber verfüge der Leistungsempfänger im Verhältnis zum Waren- oder Werkleistenden in allen Fällen, in denen er unter dem Dach des Austauschvertrages die Erfüllungs(handlungen) des Leistenden hinnehmen müsse. Dabei nimmt Plum an, der Leistungsempfänger dürfe dem Leistenden nicht aus §1004 B G B verbieten, schlecht zu leisten, sondern müsse die Schlechtleistung abwarten und könne sich dann nur mit einem vertraglichen Anspruch wegen Nichterfüllung wehren; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 85, 87f.; Schlechtriem, ZfBR 1992, 98, vgl. allerdings ders., Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972, S.328, wo die Vorstellung einer Einwilligung des Bestellers in die Verschlechterung seiner Sachen abgelehnt wird; vgl. auch Möschel, JuS 1977, 5, der für die Bebauung eines Grundstücks annimmt, eine von der Einwilligung nicht mehr gedeckte Eigentumsverletzung liege nur bei Berührung sozialtypischer Eigentumsfunktionen vor, nicht aber, wenn vom Eigentümer beliebig gesetzte Akzidentia berührt würden. Dabei soll das „ob" einer Bebauung stets eine sozialtypische Eigentumsfunktion sein, das „wie" dagegen ein vom Eigentümer gesetztes Akzidens; siehe weiter Staud./F. Peters, §635 Rz. 70f., der zwar für den Fall des Bestehens eines Werkvertrages davon ausgeht, die Einwilligung decke nur solche Einwirkungen auf das Eigentum des Bestellers, die zur sachgerechten Erbringung der Werkleistung erforderlich seien, der aber dennoch annimmt, das Verdikt der Rechtswidrigkeit sei erst möglich, wenn und soweit sich der Besteller nicht mehr auf eine Nachbesserung des Unternehmers einzulassen brauche; die Ansicht, daß mit Vertragsschluß auch in nicht vertragsgemäßes Verhalten eingewilligt werde und insoweit kein Delikt vorliegt, findet sich jedoch vor allem in der älteren Literatur, vgl. dazu die umfangreichen Nachw. bei A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S.64 Fußn. 211. 706 Siehe B G H VersR 1972,274 (275); siehe auch B G H N J W 1977,1819 (Raster), wo der B G H Schlechtriem, N J W 1972,1554 entgegnet, die Beschädigung von Eigentum des Bestellers gehöre nicht zum typischen Werkvertragsrisiko; dafür, daß die Einwilligung nur die vertragsgemäße Be-

256

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

gung in vertragswidrige Beschädigungen von Bestellermaterial nicht einfach unterstellt werden darf, ist auch die Ansicht abzulehnen, wegen einer solchen mit Abschluß des Werkvertrags erteilten Einwilligung gelte die allgemeine Haftungsordnung im Verhältnis zwischen Besteller und Unternehmer erst wieder ab der Abnahme des Werkes. 7 0 7 Ferner gehen manche - parallel zur Bestimmung der Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung hinsichtlich fehlerhafter Sachen, die sich selbst beschädigen oder zerstören - davon aus, auch bei anderen Produktionsschäden sei eine haftungsbegründende Verkehrspflichtverletzung nur zu bejahen, wenn ein der Unfallvermeidung und dem Umweltschutz dienender Sicherheitsstandard verletzt worden sei. 7 0 8 Dieser Ansicht wurde bereits im ersten Teil dieser Arbeit im Zusammenhang mit der Weiterfresser-Problematik widersprochen. Zur Erinnerung 7 0 9 : Die Forderung nach entsprechend qualifizierenden Umständen als Voraussetzung der Eigentumsverletzung findet weder im Gesetz eine Stütze noch ist sie sachlich gerechtfertigt. Es gibt keine überzeugenden Gründe dafür, Eigentum nur gegen unfallartige Gefahren oder Umweltrisiken zu schützen. Davon abgesehen sind die Begriffe des „Unfalls" und der „ U m w e l t " für eine präzise Abgrenzung ungeeignet. So lassen sich etwa fremde Materialien aus Sicht des Schädigers ohne weiteres als „ U m w e l t " qualifizieren.

bauung erfaßt, auch Freund/Barthelmess, N J W 1975, 286; Grunewald, J Z 1987, 1099, die zu Recht gegen Plum, AcP 181 (1981), 84ff. einwendet, zum nach § 1004 B G B „unvertretbaren Erfüllungsbereich" könnten allenfalls mangelfreie Leistungen zählen; Derleder/Meyer, AcP 195 (1995), 166; Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 108; A Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 104; ferner bereits Dietz, Anspruchskonkurrenz, 1934, S. 222ff., 229, 236. 707 So Schlechtriem, ZfBR 1992, 102 u. bereits ders., Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972, S.325; für deliktsrechtlichen Eigentumsschutz erst ab Abnahme auch Kaiser, Mängelhaftungsrecht, Rz. 161b; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 266; Keihel, Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 I B G B , 1984, S. 176; dagegen Möschel, JuS 1977, 6 ; J a g e n b u r g , FS Locher, 1990, S.95 Fußn. 15; Staud./J. Hager, §823 Rz. B 109; Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S.68; ferner Stoll,JZ 1986, 401, der es zutreffend für ausgeschlossen hält, das durch einen Unternehmer zustande gekommene Teilwerk bis zum Abschluß des Bauwerks von den „schon vorhandenen Rechtsgütern" des Auftraggebers, denen der deliktsrechtliche Mindestschutz zukomme, auszunehmen. Zu Recht weist Stoll darauf hin, daß ein selbständig beauftragter Unternehmer auch im Verhältnis zu anderen am Bau beteiligten Unternehmern nach Deliktsrecht hafte, sofern er deren Gewerk noch vor Ubergang des Eigentums an den Auftraggeber beschädige und daß nicht angenommen werden könne, der Erwerb des Eigentums am Gewerk durch den Auftraggeber beseitige die deliktsrechtlichen Pflichten der anderen am Bau beteiligten Unternehmen. 7 0 8 Vgl. MünchKomm./Mertens, §823 Rz.101; ähnlich Schwenzer, J Z 1988, 529f.; G. Hager, AcP 184 (1984), 418 u. Schlechtriem, ZfBR 1992, 101 f., ders., EWiR 1992, 348 (Anmerkung zur Kondensatoren-Entscheidung), der darauf abstellen möchte, ob berechtigte Sicherheitserwartungen verletzt sind; gegen diese Ansicht im Zusammenhang mit dem Problem fehlerhafter Werkleistungen Grunewald, J Z 1987, 1099. 7 0 9 Vgl. dazu oben Teil 1, Kapitel 2, C.I.

Beschädigung

oder Zerstörung als Eigentumsverletzung

257

II. Der Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit wird uneinheitlich beurteilt Auch in der Literatur wird die Frage, ob Eigentum an Material, das seine sachenrechtliche Selbständigkeit bereits verloren hat, noch verletzt werden kann, uneinheitlich beantwortet: Während eine Reihe von Autoren darauf beharrt, daß sachenrechtliche Selbständigkeit bei Eintritt des Verletzungserfolgs noch vorliegen müsse 710 , wird von anderen bezweifelt, daß die in den § § 9 4 6 f f . i.V.m § § 9 3 f f . B G B vorgenommene sachenrechtliche Differenzierung für das Deliktsrecht passe, letztere halten es nicht für gerechtfertigt, daß etwa bei Entstehung einer neuen Sache nach § § 9 4 7 , 948 B G B eine Verletzung des Eigentums an den Zutaten ausgeschlossen sei, während das Eigentum am Grundstück wegen § 9 4 6 B G B auch nach einer Bebauung beeinträchtigt werden könne. 7 1 1 Die Umschreibung und Zuordnung der Eigentumsverhältnisse an unversehrten Teilen, so wird geltend gemacht 712 , könne nicht der dogmatisch und in der rechtspolitischen Wertung ausschlaggebende Grund für die Bejahung eines Deliktsanspruches sein; es sei wenig fruchtbar, darauf abzustellen, ob bereits Eigentum des Bauherrn gewordene bzw. gewesene Teile beeinträchtigt worden seien. Das Abstellen auf die sachenrechtliche Selbständigkeit der Zutaten nach dem Verarbeitungsvorgang führe zu willkürlichen Ergebnissen. 7 1 3 D e r Zweck der Vorschriften über die Sachbestandteile gehe nur dahin zu verhindern, daß wirtschaftlich wertvolle Wertschöpfungsvorgänge wegen sachenrechtlicher Auseinandersetzung vernichtet würden.

710 Produkthaftungshandbuch VFoerste, §21 Rz. 14, 88ff.; ders., N J W 1994, 911 in einer Besprechung der ersten Gewindeschneidemittel-Entscheidung; ders., N J W 1998,2878 in einer Anmerkung zur Transistoren-Entscheidung; ders., J Z 1999,1046 in Erwiderung gegen Franzen, 1999, 702ff., u. Foerste, EWiR 1999, 316 in einer Anmerkung zur Torf-Entscheidung: Wenn die Setzlinge durch die Verbindung mit dem fehlerhaften Torfsubstrat wesentliche Bestandteile einer neuen Sache geworden seien, dann könne eine Verschlechterung ihres Entwicklungspotentials durch den Torf keine Verletzung des Eigentums an den Setzlingen darstellen; für ein Festhalten an der sachenrechtlichen Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung auch Schmidt-Salzer, LM §823 B G B (Ac) Nr. 53, Bl. 2033 in einer Anmerkung zur KondensatorenEntscheidung; Plum, AcP 181 (1981), 109; Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S. 71 f.; im Regelfall wollen auch Bremenkamp/Buyten, VersR 1998,1068, auf das Erfordernis der sachenrechtlichen Selbständigkeit nicht verzichten. 711 So Thürmann, VersR 1985,693 in einer Anmerkung zur Dachabdeckfolien-Entscheidung; ähnliche Beispiele auch bei Franzen, J Z 1999, 707. 712 Vgl. Schlechtriem, ZfBR 1992, 100f., 103; ähnlich ferner Schwenzer, J Z 1988, 529 u. wohl auch Staud./J. Hager, §823 Rz. B 108, wenn er gegen die Lotsand-Entscheidung einwendet, von der „sachenrechtlichen Besonderheit", ob durch die Verbindung bzw. Verarbeitung der Baumaterialien das Eigentum an diesen untergegangen sei, könne nicht die Entscheidung darüber abhängen, ob bislang unbeschädigtes Eigentum verletzt worden sei. 713 So Franzen, JZ 1999, 707.

258

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Diese Vorschriften hätten also eine sachenrechtliche und keine haftungsrechtliche Funktion.

C.

Zusammenfassung

Zusammenfassend kann also festgehalten werden: Es entspricht herrschender Rechtsprechung und Literatur, daß in der Verarbeitung von Material, die zu dessen Beschädigung oder Zerstörung führt, weil es mit fehlerhaften Teilen oder auf unsachgemäße Weise verarbeitet wurde, eine Verletzung des Eigentums am Material liegt. Uneinheitlich ist die Rechtsprechung allerdings im Hinblick auf die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn die Beschädigung zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem das Material infolge der Verarbeitung bereits seine sachenrechtliche Selbständigkeit verloren hat. Während vereinzelte Entscheidungen eine Verletzung des Eigentums am Material gerade mit der Begründung ausschließen, das Material sei zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits unselbständiger Teil einer anderen Sache gewesen, ist für viele der einschlägigen Entscheidungen kennzeichnend, daß sie sich mit der Frage der sachenrechtlichen Selbständigkeit der Materialien, die verarbeitet wurden, gar nicht befassen. Darüber geht der VI. Senat des BGH in der Transistoren-Entscheidung noch hinaus, indem er wenngleich nur in einem obiter dictum - ausdrücklich auf sachenrechtliche Selbständigkeit verzichtet. Die dabei zum Beleg zitierten Entscheidungen vermögen den Verzicht allerdings nicht zu stützen. Wie dieser in Einklang zu brngen ist mit den früheren Bekenntnissen der Rechtsprechung zur sachenrechtlichen Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung, wird weder in der Transistoren- noch in der späteren Schlacke-Entscheidung geklärt. Auch in der Literatur wird bestritten, daß sachenrechtliche Selbständigkeit Voraussetzung dafür ist, daß Material von einer Eigentumsverletzung betroffen werden kann. Nach dieser Ansicht sind die sachenrechtlichen Wertungen, die den §§946ff. i.V.m §§93ff. BGB zugrunde liegen, für die deliktsrechtliche Abgrenzung der Eigentumsverletzung ungeeignet.

D. Keine Verletzung das seine sachenrechtliche

des Eigentums an Material, Selbständigkeit verloren hat

Die vom VI. Senat des BGH in der Transistoren-Entscheidung und ähnlich auch in der Literatur vertretene Ansicht, eine Verletzung des Eigentums am Material sei auch dann nicht ausgeschlossen, „wenn den beschädigten Sachen bereits im Zeitpunkt der auf sie erfolgten Einwirkung keine sachenrechtliche Selbständigkeit mehr zu[ge]kommen" 714 sei, ist abzulehnen. Vielmehr ist notwendi714

Siehe BGH N J W 1998, 1942 (1943).

Beschädigung

oder Zerstörung

als Eigentumsverletzung

259

ge Voraussetzung der Eigentumsverletzung, daß die sachenrechtliche Selbständigkeit des Verletzungsobjekts bis zum Eintritt des Verletzungserfolgs fortbesteht. Genauso wenig, wie eine Sache Objekt einer Eigentumsverletzung werden kann, bevor sie besteht 715 , ist dies möglich, nachdem sie aufgehört hat, selbständig zu existieren. Das Deliktsrecht verweist in § 823 Abs. 1 BGB auf das absolute Recht „Eigentum", ohne dessen Inhalt, Entstehung und Erlöschen selbst zu definieren. Diese Fragen sind Regelungsgegenstand des Sachenrechts. Ein eigenständiger deliktsrechtlicher Eigentumsbegriff ist weder im Gesetz vorgesehen - oder auch nur angedeutet - , noch ist ersichtlich, wie dafür einigermaßen präzise faßbare Abgrenzungskriterien geschaffen werden könnten. Für die Bejahung der Verletzbarkeit von Eigentum jenseits der sachenrechtlich gezogenen Grenzen fehlt folglich jede Grundlage. Sie würde zu nicht hinnehmbarer Rechtsunsicherheit führen. Es muß deshalb die sachenrechtliche Zuordnung der Materialsubstanz gem. §§ 946ff. i. V.m. §§ 93 ff. BGB darüber entscheiden, ob das Material als solches im konkreten Fall taugliches Objekt für eine Eigentumsverletzung nach §823 Abs. 1 BGB war. Diese Zuordnung ist eindeutig. Die Annahme etwa, daß an Material, das zum wesentlichen Bestandteil einer Sache geworden ist, selbständig verletzbares Eigentum fortbestehe, verstieße klar gegen § 9 3 BGB. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß Sinn und Zweck der §§93 ff. BGB vor allem darin gesehen werden, wirtschaftliche Werte zu erhalten. 716 Soweit ein einheitliches sachenrechtliches Schicksal der Gesamtsache und ihrer wesentlichen Bestandteile als zwingendes Recht im BGB festgelegt ist, scheidet eine selbständige Verletzung des Eigentums an Teilen derselben aus. Die Verletzung von Eigentum hat nun einmal Eigentum zur notwendigen Voraussetzung. Wo dieses erloschen ist, sei es nun, daß die betreffende Sache untergegangen ist, sei es, daß sie zum wesentlichen Bestandteil einer anderen Sache geworden ist, da ist eine Verletzung des Eigentums an der Ausgangssache nicht mehr denkbar. Die Bejahung einer Verletzung des Eigentums an Material, das seine sachenrechtliche Selbständigkeit bereits verloren hat, ist darüber hinaus auch deshalb abzulehnen, weil damit ein und dieselbe Sachsubstanz gleichsam zum Gegenstand eines doppelten Eigentumsrechts gemacht würde: Des gegenwärtig an der Gesamtsache bestehenden Eigentums und des erloschenen, aber trotzdem verletzbaren und damit aktuell deliktsrechtlich wirkenden Eigentums an den ursprünglich selbständigen Einzelteilen. Die Unterwerfung von Material unter ein solches gleichsam doppeltes Eigentumsrecht widerspricht dem Charakter des Eigentums als einem umfassenden Herrschaftsrecht 7 1 7 über eine bestimmte Vgl. dazu oben Teil 1, Kapitel 1. Vgl. dazu bereits die Nachw. in Fußn. 116 u. MünchKomm./Holch, §93 R z . l m. Nachw. aus der Rechtsprechung. 717 Vgl. dazu nur statt vieler Soergel/J.F. Baur, §903 Rz.5f.; MünchKomm./Säcker, §903 Rz. 4ff. 715 716

260

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am

Material

Sache. Ein doppeltes umfassendes Herrschaftsrecht an ein und derselben Sache ist nicht denkbar. Vor allem aber ist die Behauptung unzutreffend, der sachenrechtliche Eigentumsbegriff führe bei der Anwendung des § 823 Abs. 1 B G B in Fällen, in denen Material einer Verarbeitung unterzogen wird, zu willkürlichen Ergebnissen und erlaube keinen ausreichenden Schutz des Eigentums am Material. 718 Ein Festhalten am Eigentum als Voraussetzung der Eigentumsverletzung bedeutet keineswegs, daß regelmäßig eine Verletzung des Eigentums am Material verneint werden muß, wenn dieses in Folge der Verarbeitung seine sachenrechtliche Selbständigkeit verliert. Vielmehr ist damit nur gesagt, daß als Verletzungserfolg Veränderungen, die erst die Gesamtsache nach Untergang des selbständigen Eigentums am Material betreffen, auszuscheiden haben. Gerade in der Transistoren-Entscheidung hat jedoch der VI. Senat den Verletzungserfolg nicht erst in einer nachträglichen Verschlechterung der Sachsubstanz im Sinne einer Beschädigung gesehen - die ja auch tatsächlich gar nicht eingetreten war, weil die fehlerhaften Transistoren nicht wieder ausgebaut wurden sondern bereits in der Verbindung fehlerfreier mit fehlerhaften Teilen, also in einem Vorgang, welchem die sachenrechtlich zunächst selbständigen Ausgangsmaterialien unterworfen wurden. Im folgenden wird darauf noch ausführlich einzugehen und darzulegen sein, daß die Fälle der Verarbeitung von Material eine deliktsrechtliche Erweiterung der sachenrechtlichen Grenzen des Eigentums keineswegs erforderlich machen. An dieser Stelle gilt es festzuhalten: Eine Beschädigung oder Zerstörung, die erst nach Untergang des Eigentums am Material nach §§946ff. i.V.m. §§93ff. B G B eingetreten ist, muß als Verletzungserfolg hinsichtlich des Eigentums am Material zwingend ausscheiden. Eine Eigentumsverletzung ohne Eigentum kann es nicht geben. In dem eingangs719 genannten Beispiel kann also eine Verletzung des Eigentums an Teil B nicht damit begründet werden, daß Teil B nach dem Einbau in die Maschine A eine Beschädigung erlitten habe. Denn verletzungsfähiges Eigentum an Teil B existierte zu dem Zeitpunkt, in dem die Substanzveränderung eintrat, nicht mehr.

718 719

Vgl. die Nachw. in Fußn. 711 bis 713. Vgl. oben, vor A.

Kapitel 2

Die unerwünschte Veränderung der Materialsubstanz als Eigentumsverletzung A. Die Frage der Einordnung der fehlerhaften Verarbeitung als Verletzungserfolg Kommt als Verletzungserfolg einer Eigentumsverletzung keine Substanzverschlechterung des Materials im Sinne einer Beschädigung oder Zerstörung in Betracht, so herrscht erst recht Unsicherheit über die Voraussetzungen, unter denen die Verarbeitung zu einer Verletzung des Eigentums am Material führt. Die Frage, die es dabei zu beantworten gilt, lautet: Unter welchen Vorraussetzungen begründet bereits die Verarbeitung von Material als solche, als Vorgang, von dem das Material und nicht erst eine ggf. aus der Verarbeitung entstehende Sache betroffen wird, den Vorwurf der Eigentumsverletzung? Wenn etwa fehlerhafter Sand mit anderen Baustoffen zu Außenputz verarbeitet wird, so ist fraglich, ob bereits dadurch das Eigentum an den anderen - vergeudeten - Baustoffen verletzt wird. 7 2 0 Es geht also darum, inwieweit die bloße Veränderung der Materialsubstanz, soweit sie vom Einverständnis des Eigentümers nicht gedeckt ist, als Erfolg einer Eigentumsverletzung anzuerkennen ist. Bevor diese Frage beantwortet wird, sei zunächst betont, daß sie sich nicht nur dann stellt, wenn man davon ausgeht, Material könne nach Verlust seiner sachenrechtlichen Selbständigkeit nicht mehr von einer Eigentumsverletzung betroffen werden, so daß eine der Verarbeitung nachfolgende Selbstbeschädigung der Endsache, in welcher das Material aufgegangen ist, als Erfolg einer Verletzung des Eigentums am Material zwingend auszuscheiden hat. Auch in Fällen, in denen Material ohne Verlust seiner sachenrechtlichen Eigenständigkeit verarbeitet wird, kann die Frage auftauchen, ob nicht schon in der Verarbeitung selbst eine Verletzung des Eigentums am Material liegt: Dies zum einen dann, wenn die verarbeitungsbedingte Beschädigung erst eintritt, nachdem die verarbeitete Sache an einen Dritten übereignet wurde. Hier kann der ursprüngliche Materialeigentümer nur dann eine Eigentumsverletzung erlitten haben, wenn das Eigentum am Material bereits durch die Verarbei720 Siehe B G H N J W 1978, 1051 (Lotsand, VIII. Senat); ähnlich bereits RG J W 1905, 367 (Kalk, VI. Senat).

262

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am

Material

tung als solche verletzt wurde. N i m m t man etwa an, im Tieflader-Fall 7 2 1 sei was aus der Entscheidung nicht hervorgeht - der Triebkopf kein wesentlicher Bestandteil des Tiefladers geworden und wandelt man den Fall dahin ab, daß das bearbeitete Fahrzeug vor Eintritt der Selbstbeschädigung an einen Dritten übereignet worden ist, dann wäre im Hinblick auf den ursprünglichen Eigentümer zu fragen, ob sein Eigentum am Triebkopf ebenso wie sein Eigentum am Tieflader durch deren unsachgemäße Verbindung verletzt wurde. Die Frage, inwieweit die unsachgemäße Verarbeitung von Material als solche eine Verletzung des Eigentums an diesem Material begründet, muß zum andern im Hinblick auf solche Verarbeitungsfälle geklärt werden, in denen es zu einer Substanzeinbuße im Sinne einer Beschädigung oder Zerstörung gar nicht kommt. So mag zwar das Material bei der Verarbeitung eine selbständige Sache geblieben sein, seine Beeinträchtigung sich jedoch in der Zusammenfügung mit anderen Stoffen oder Teilen erschöpfen. U b e r derartige Fälle mußte etwa in den beiden Gewindeschneidemittel-Urteilen 7 2 2 entschieden werden: R o h r e - Material im hier verwendeten Sinne - wurden unter Verwendung eines Gewindeschneidemittels bearbeitet, welches schwer lösbare Rückstände an den Rohren hinterließ. D e n genannten Fallkonstellationen ist gemeinsam, daß die Grenzen der Sachsubstanz jeweils verändert werden durch deren Erweiterung oder Integration in eine andere Sache. Zur Substanz des Materials wird etwas hinzugefügt mit dem Ergebnis, daß die Materialsubstanz erweitert ist bzw. das Material nicht mehr unverbunden neben anderen Sachen steht, sondern Teil einer anderen Sache geworden ist. So gehört beispielsweise zur Substanz eines Autos nach der Neulakkierung auch der neue Lack. U n d wird in eine Maschine eine Schraube eingebaut, dann existiert die Schraube danach nur noch als in die Maschine integriertes Teil.

B. Die

Rechtsprechung

Wenn keine Beschädigung oder Zerstörung als Verletzungserfolg in Betracht kommt, stellt sich die Frage, ob bereits mit der Verarbeitung als solcher - namentlich durch Hinzufügung unerkannt fehlerhafter Teile zur Materialsubstanz oder unsachgemäße Verbindung fehlerfreier Materialien - eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des Materials eingetreten ist. Untersucht man, wie die Verletzung des Materialeigentums von der Rechtsprechung beurteilt wird, so ergibt sich ein uneinheitliches und in sich wenig schlüssiges Bild.

Siehe B G H ZIP 1998, 1073 (X. Senat) Siehe B G H N J W 1994, 517 (Gewindeschneidemittel I, VI. Senat); B G H N J W - R R 1995, 342 (Gewindeschneidemittel II, VI. Senat). 721

722

Substanzveränderung

als

Eigentumsverletzung

263

I. Früher wurde die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung überwiegend abgelehnt Das Reichsgericht lehnte es im Kalk-Urteil 7 2 3 ab, in der Bebauung eines Grundstücks unter Verwendung fehlerhaften Kalkes, wodurch ein unbrauchbares Gebäude entstand, eine Verletzung des Eigentums an den Baumaterialien oder am Grundstück zu sehen. Was das verbaute Material anbelangt, so berief sich das Reichsgericht, wie bereits oben erwähnt 7 2 4 , auf den Untergang dessen sachenrechtlicher Selbständigkeit. Es ist dem Gericht zwar insofern zuzustimmen, als eine Sache nach Verlust ihrer sachenrechtlichen Selbständigkeit nicht mehr O b j e k t einer Eigentumsverletzung sein kann. Damit ist jedoch nicht erklärt, warum nicht bereits mit der Verarbeitung als solcher, deren Gegenstand die sachenrechtlich selbständigen Baumaterialien waren, eine Eigentumsverletzung eingetreten ist. Warum der Verarbeitungsvorgang keine Verletzung des Eigentums am sachenrechtlich zunächst selbständigen Material darstellt, obwohl dieses entgegen dem Willen des Eigentümers mit fehlerhaften Teilen verbunden wurde, wird vom Reichsgericht nicht näher begründet: Das Gericht führt lediglich aus, es sei undenkbar, daß in der Verarbeitung eine „Beschädigung" des Materials liegen könne. 7 2 5 Es vermißte also offenbar die Substanzverschlechterung im Sinne einer Sachbeschädigung oder -Zerstörung als Verletzungserfolg einer Eigentumsverletzung am Material. Was hingegen die Eigentumsverletzung am Grundstück anbelangt - ebenfalls Material im hier verwendeten weiten Sinne - , so liest sich die ablehnende B e gründung des Reichsgerichts wie ein grundsätzliches Plädoyer gegen die deliktsrechtliche Produzentenhaftung, dem heute wohl keine Bedeutung mehr zukommen kann 7 2 6 : Es könne keine Rede davon sein, daß derjenige, der mittelbar durch die von irgendeinem Dritten in Verkehr gebrachten Gegenstände geschädigt worden sei, den mit ihm in keiner Rechtsbeziehung stehenden Lieferanten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen dürfe. O b etwas anderes gelten müsse, wenn Gegenstände mit gemeingefährlicher Wirkung in Verkehr gebracht würden, sei nicht zu erörtern, da ein solcher Fall nicht vorliege. In Bezug auf die Rechtsprechung des B G H ist zunächst festzuhalten, daß eine Eigentumsverletzung durch bloße Verarbeitung von Material, ohne daß dieses beschädigt oder zerstört wird, in einer bestimmten Fallgruppe anerkannt ist. Gemeint sind Fälle, in denen jemand nach §§ 946ff. B G B den Verlust des Eigentums an fremdem Material veranlaßt hat, wobei der Materialeigentümer mit der Verarbeitung als solcher nicht einverstanden war, mithin auch die sachgemäße Hinzufügung fehlerfreier Zutaten zur Substanz des Materials mißbilligte. In 723 724 725 726

Vgl. R G J W 1905, 367 (368). Siehe Kapitel 1, A.II.l. Vgl. R G J W 1905, 367 (368). Siehe dazu bereits oben Fußn. 30.

264

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am

Material

d e n b e t r e f f e n d e n E n t s c h e i d u n g e n ging es j e w e i l s u m die M i ß a c h t u n g eines v e r l ä n g e r t e n E i g e n t u m s v o r b e h a l t s des L i e f e r a n t e n v o n B a u m a t e r i a l i e n . 7 2 7 A n d e r s b e u r t e i l t der B G H d a g e g e n F ä l l e , in d e n e n d e r E i g e n t ü m e r z w a r durchaus eine Verarbeitung wollte, j e d o c h nur unter Verwendung fehlerfreier Z u t a t e n u n d auf s a c h g e m ä ß e A r t u n d W e i s e . F ü r diese F a l l g r u p p e ist v o r a b auf eine R e i h e v o n E n t s c h e i d u n g e n h i n z u w e i s e n , in d e n e n erst gar n i c h t i n E r w ä g u n g g e z o g e n w u r d e , d a ß b e r e i t s in d e r V e r a r b e i t u n g f e h l e r f r e i e n M a t e r i a l s m i t f e h l e r h a f t e n S a c h e n eine V e r l e t z u n g des E i g e n t u m s a m f e h l e r f r e i e n M a t e r i a l liegen k ö n n t e , o h n e d a ß es e i n e r B e s c h ä d i g u n g o d e r Z e r s t ö r u n g b e d ü r f t e . 7 2 8 Z u e r w ä h n e n ist s o d a n n die O r t b e t o n - E n t s c h e i d u n g 7 2 9 , in w e l c h e r d e r V I I . S e n a t a u s d r ü c k l i c h a u s f ü h r t e , das E i n z i e h e n f e h l e r h a f t e r D e c k e n stelle k e i n e V e r l e t z u n g des E i g e n t u m s „ a m G r u n d u n d B o d e n " dar, w e i l dieses E i g e n t u m „ d u r c h die m a n g e l h a f t e B a u w e i s e k e i n e M i n d e r u n g g e g e n ü b e r s e i n e m v o r h e r i gen Z u s t a n d e r f a h r e n h a t " . W a s n a c h A n s i c h t des z u s t ä n d i g e n V I I . S e n a t s f ü r ein e s o l c h e „ M i n d e r u n g " e r f o r d e r l i c h w a r , o b d a m i t w o m ö g l i c h eine M i n d e r u n g d e r G r u n d s t ü c k s s u b s t a n z g e m e i n t sein s o l l t e o d e r o b eine W e r t m i n d e r u n g f ü r genügend erachtet wurde, wird nicht erläutert.

727 Siehe B G H BB 1970, 514 (Eternit-Platten, VIII. Senat): Einbau von Eternit-Platten gegen den Willen der Lieferantin; BGHZ 109, 297 (300) (VI. Senat, Baumaterialien) und B G H LM § 823 (Ac) B G B Nr. 52 (II. Senat, Kläranlage): jeweils abredewidrige Verarbeitung von Baumaterial; in der letztgenannten Entscheidung wird allerdings eine Haftung des Bauherrn, der den Einbau nur duldet, abgelehnt, ebenso bereits BGHZ 56, 228 (VII. Senat) u. BGHZ 102, 293 (309) (VII. Senat). 728 Siehe B G H JZ 1971, 138 (Noppen, VIII. Senat): Die Beklagte hatte der Klägerin DiolenNoppen geliefert, aus denen diese unter Verwendung anderer Materialien Garn herstellte. Weil die gelieferten Noppen eine Fremdfaserbeimischung von Polyacrylfasern enthielten, ließ sich das hergestellte Garn nur teilweise einfärben, weswegen die Kundin der Klägerin Wandlung verlangte. Der VIII. Senat prüfte nur vertragliche Ansprüche und nahm an, es sei nicht rechtzeitig nach §377 H G B gerügt worden; vgl. ferner B G H BauR 1972, 379 (Kreisförderanlage, VII. Senat): Der Senat prüfte nicht, ob bereits dadurch, daß die ursprüngliche Kreisförderanlage durch eine fehlerhafte Anlage erweitert wurde, eine Verletzung des Eigentums an der Ausgangsanlage eingetreten sein könnte; siehe außerdem die Dämmelemente-Entscheidung B G H NJW 1981, 2248 (2250, VIII. Senat): Obwohl die Klägerin - anders als etwa im Ortbeton-Fall B G H NJW 1963, 1827 (VII. Senat) und im Dachabdeckfolien-Fall B G H VersR 1984, 1151 (VI. Senat) - offenbar schon vor der Errichtung des Daches Eigentümerin des dafür vorgesehenen Materials war, nahm der VIII. Senat an, in Betracht komme nur eine Verletzung des Eigentums am errichteten Haus. Daß durch die Verwendung der fehlerhaften Dämmplatten das Eigentum an Dach-Materialien verletzt worden sein könnte, die unter Verlust ihrer sachenrechtlichen Selbständigkeit in die fehlerhafte Dachkonstruktion eingebaut wurden, zog das Gericht also nicht in Erwägung; auch in der Hebebühnen-Entscheidung, B G H NJW 1983, 812 (813, VI. Senat), prüfte der B G H nicht, ob schon mit der Verbindung der fehlerhaften mit den fehlerfreien Teilen der Hebebühne eine Verletzung des Eigentums an letzteren eingetreten sein könnte; ebensowenig erwog der VI. Senat im Nichtannahmebeschluß B G H VersR 1986,1003 (1004), der den Einbau einer nur unzureichend gegen Wasser schützenden Folie in ein Schwimmbad betraf, eine Verletzung des Eigentums an den Bodenfliesen, die auf die fehlerhafte Folie aufgebracht wurden. 729 Siehe B G H NJW 1963, 1827.

Substanzveränderung

als Eigentumsverletzung

265

K u r z e Zeit später entschied hingegen der V. Senat des B G H 7 3 0 , daß in der B e schmutzung der N e u b a u - S t r a ß e n f r o n t eines G r u n d s t ü c k s durch R a u c h - und R u ß z u f u h r v o m benachbarten Krankenhaus eine rechtswidrige Beeinträchtigung fremden Eigentums liege. H i e r wurde also bejaht, daß bereits mit der unerwünschten M e h r u n g der Substanz des Hauses, der Ablagerung v o n R a u c h und R u ß , eine Eigentumsverletzung eingetreten sei. Allerdings handelte es sich nicht um einen Fall der Verarbeitung v o n Material. A h n l i c h sah der V I . Senat in einer 1965 ergangenen Entscheidung in der B e s c h m u t z u n g v o n Häuserfronten durch Lastkraftwagen, die mit Erdaushub beladen eine enge O r t s s t r a ß e durchfuhren, eine Verletzung des Eigentums der Anlieger. 7 3 1 Einige J a h r e später verneinte dagegen der V I I I . Senat des B G H in der L o t sand-Entscheidung 7 3 2 im Fall eines Wohnhauses, das mit mangelhaftem A u ß e n putz verputzt w o r d e n war, der nun abgeschlagen werden mußte, eine Verletzung des Eigentums am bebauten G r u n d s t ü c k wie auch an den Baustoffen, die durch die Verarbeitung zu mangelhaftem P u t z wertlos geworden waren. H i n sichtlich des Grundstückeigentums hielt es der V I I I . Senat für entscheidend, daß „das bisher nicht verputzte W o h n h a u s des Klägers durch das Aufbringen des mangelhaften Putzes weder in seiner Substanz n o c h in seiner G e b r a u c h s f ä higkeit ( B e n u t z b a r k e i t ) eine Wertminderung gegenüber seinem bisherigen Z u stand erfahren hat." N a c h Ansicht des V I I I . Senats begründete dieses Fehlen einer Wertminderung im L o t s a n d - F a l l einen entscheidenden Unterschied z u m Sachverhalt der Krankenhaus-Entscheidung 7 3 3 , w o die Häuserfassaden durch R a u c h - und R u ß z u f u h r verschmutzt w o r d e n waren und der V. Senat eine E i g e n tumsverletzung bejaht hatte. Damals - im Krankenhaus-Fall - sei das betroffene H a u s in seinem Wert beeinträchtigt worden. A u ß e r d e m habe es sich um ein fertiggestelltes, bereits verputztes H a u s gehandelt. D i e finanzielle Belastung hingegen, die dadurch entstehe, daß mangelhafter P u t z abgeschlagen werden müsse, stelle nur einen Vermögensschaden dar, betreffe also kein nach § 8 2 3 A b s . 1 B G B geschütztes Rechtsgut. Dieser Abgrenzungsversuch zur KrankenhausEntscheidung vermag schwerlich zu überzeugen. Zunächst bleibt dunkel, was mit dem Fehlen einer „ W e r t m i n d e r u n g " im L o t s a n d - F a l l genau gemeint sein soll. Stellt man auf den M a r k t - oder Verkaufswert des Hauses ab, so erscheint immerhin möglich, daß das fehlerhaft verputzte H a u s trotz der N o t w e n d i g k e i t , den P u t z kostenaufwendig zu beseitigen, nicht nennenswert an Wert verloren hatte. W a r u m aber überhaupt der Wertverlust - anders als im Fall einer Beschädigung oder Zerstörung im h e r k ö m m l i c h e n Sinne - Voraussetzung der E i g e n tumsverletzung sein soll und nicht erst für den U m f a n g des ersatzfähigen Schadens eine R o l l e spielt, ist damit nicht erklärt. D a v o n abgesehen ist auch nicht er730 731 732 733

Siehe Siehe Siehe Siehe

BGH BGH BGH BGH

VersR 1964, 293 (Krankenhaus). LM §823 (De) B G B Nr. 75 (Erdaushub). N J W 1978, 1051. VersR 1964, 293.

266

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

sichtlich, warum erheblich sein soll, daß das Haus im Krankenhaus-Fall bereits verputzt war. D e r Schutz des § 823 Abs. 1 B G B erstreckt sich auf die Sache in ihrem jeweiligen Zustand. Auch ein unverputztes Haus - oder genauer gesagt: ein mit einem unverputzten Haus bebautes Grundstück - genießt also Eigentumsschutz. Was schließlich die verarbeiteten Baustoffe anbelangt, so lehnte der V I I I . Senat, obwohl es insofern gerade zu einer Entwertung gekommen war, wie bereits das Reichsgericht in der Kalk-Entscheidung die Eigentumsverletzung unter Verweis auf den Verlust der sachenrechtlicher Selbständigkeit der Materialien ab. 7 3 4 Hier wie dort ist diese Begründung unschlüssig. Von der Verarbeitung als möglichem Verletzungserfolg wurden die Baustoffe als sachenrechtlich selbständige Sachen betroffen. Seine Lotsand-Entscheidung bestätigte der V I I I . Senat in einer 1981 ergangenen Entscheidung. 7 3 5 Die Verblendung der Außenwände eines Fertighauses mit fehlerhaften Klinkern, die sich später verfärbten und abbröckelten, konnte nach Ansicht des Gerichts nicht anders behandelt werden. Dabei fällt auf, daß der Senat sich jeder Auseinandersetzung mit den Bemühungen der Lotsand-Entscheidung um eine Abgrenzung vom Krankenhaus-Urteil und insbesondere auch einer Stellungnahme zur Bedeutung des Kriteriums der Wertminderung enthält. Ebenfalls 1981 entschied dann allerdings der V I . Senat des B G H , daß eine E i gentumsverletzung vorliege, wenn die Verkleidung von Häusern mit Asbestzement-Platten dazu führe, daß sich an den Fenstern weißliche Beläge absetzten, die sich aus der Verkleidung herausgelöst hatten. 7 3 6 Eine Minderung des Wertes der Häuser, wie sie der V I I I . Senat in der Lotsand-Entscheidung verlangt hatte, wurde dabei nicht - jedenfalls nicht ausdrücklich - gefordert. Allerdings erscheint es durchaus nicht unwahrscheinlich, daß die Häuser durch Ablagerungen auf den Fensterscheiben eine Minderung ihres Verkaufswertes erfahren haben. In den Folgejahren ergingen zwei BGH-Entscheidungen, das Dämmelemente-Urteil des V I I I . Senats 7 3 7 und der Nichtannahmebeschluß des V I . Senats zum Einbau einer undichten Folie in ein Schwimmbad 7 3 8 , in denen in der Verbindung fehlerhafter Dämmelemente bzw. undichter Folie mit dem bereits teilweise bebauten Grundstück jeweils keine Verletzung des Eigentums am Grundstück gesehen wurde. Anders als nach der Betonung des Kriteriums der Wertminderung durch den V I I I . Senat in der Lotsand-Entscheidung zu vermuten ge-

Siehe B G H N J W 1978, 1051. Siehe B G H B a u R 1981, 491 (493) (Klinker). 7 3 6 Siehe B G H VersR 1981, 779 (Asbestzement). 7 3 7 Siehe B G H N J W 1981,2248. Zur Erinnerung: Es waren hier bei der Deckung eines Daches fehlerhafte Dämmelemente verwendet worden, was zu Rissen in der Dachhaut führte. 7 3 8 Siehe B G H VersR 1986,1003: Die Eigentümerin hatte die undichte Folie ersetzt, was auch einen Austausch von Bodenfliesen notwendig machte, die „in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang" mit der Verlegung der Folie eingebaut worden waren. 734 735

Substanzveränderung

als

Eigentumsverletzung

267

wesen wäre, wurde dabei nicht gefragt, ob das teilweise bebaute Grundstück durch den Einbau der fehlerhaften Dämmelemente bzw. der fehlerhaften Folie einen Wertverlust erlitten hat. Im Schwimmbad-Beschluß unterstreicht der V I . Senat, daß die Klägerin im Zeitpunkt des Einbaus der Folie „bereits an einem Teil des Gebäudes, nämlich dem Fundament und der Warmwasserfußbodenheizung, mangelfreies Eigentum erworben" hatte. E r geht jedoch davon aus, daß eine Eigentumsverletzung nur in Betracht komme, wenn „daran ein Schaden eingetreten" wäre. Einen solchen Schadenseintritt habe die Klägerin jedoch durch Herausnahme und Ersatz der Folie sowie der zeitgleich damit verlegten Bodenfliesen gerade abwenden können. Für die Verletzung des Eigentums am teilbebauten Grundstück hielt der V I . Senat hier also offenbar eine Beschädigung der bereits vor Einbau der fehlerhaften Folie vorhandenen Bausubstanz für erforderlich.

II. Heute wird bei Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeit des Materials eine Eigentumsverletzung zunehmend anerkannt Mit dem zweiten Weinkorken-Urteil des V I . Senats 739 wurde die Abkehr von der strengen Rechtsprechungslinie eingeleitet, nach der bei fehlender Beschädigung oder Zerstörung allenfalls in Ausnahmefällen eine Verletzung des Eigentums am Material bejaht worden war: D a ß Weinflaschen mit fehlerhaften Korken verschlossen wurden, die undicht waren und an denen sich Schimmel bildete, begründete nach Ansicht des B G H nur insofern eine Eigentumsverletzung, als ein Oxidationston in den Flaschen verursacht wurde und der Wein dadurch seine Prüfnummer verlor, was das G e richt als nachteilige Beeinflussung der Beschaffenheit des Weines, also als Substanzverschlechterung wertete. Dagegen betonte der Senat, daß es für einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Eigentums am Wein weder ausreiche, daß dieser durch die Verkorkung ohne erneute Abfüllung unverkäuflich geworden sei, noch daß er dadurch „so gut wie wertlos" geworden sei. 740 Dabei ging er allerdings davon aus, daß die Verletzung des Eigentums keine „Beeinträchtigung der Sachsubstanz" 7 4 1 voraussetze, sondern auch durch eine Einwirkung auf die Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit der Sache erfolgen könne. Zum

B G H N J W 1990, 908. Zu Unrecht nimmt Kullmann in einer Anmerkung zur Transistoren-Entscheidung, vgl. LM § 823 (Ac) B G B , Nr. 66, sowie ders., N J W 1999, 97 u. P H I 1999,20 an, der Wein habe seinen Wert behalten und sei lediglich unverkäuflich geworden. Flaschenwein, der unverkäuflich ist, weil er sich in Flaschen mit mittlerweile schimmelbefallenen Korken befindet und nur unter unwirtschaftlichem Aufwand umgefüllt werden kann, kommt solange kein Verkehrswert zu, wie eine solche Umfüllung nicht erfolgt ist. 741 Siehe B G H N J W 1990, 908 (909). 739

740

268

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Beleg verwies das Gericht auf die Fleet-Entscheidung 742 , in welcher der II. Senat eine Verletzung des Eigentums an einem Schiff bejaht hatte, das durch den Einsturz einer mangelhaft instandgehaltenen Ufermauer in einem Fleet eingeschlossen worden war. 743 Indes drücke sich, so der Senat weiter, soweit die Unverkäuflichkeit des Weins allein auf der Unwirtschaftlichkeit eines Korkenwechsels beruhe, in der Beeinträchtigung des Eigentums der Mangelunwert der Korken derart aus, und sei das Integritätsinteresse des Klägers von einem durch die §§ 823ff. BGB nicht geschützten, sondern der Vertragsordnung vorbehaltenen Äquivalenzinteresse an der Belieferung mit tauglichen Korken derart überlagert, daß nach Auffassung des Senats insoweit das Deliktsrecht von dem vertraglichen Gewährleistungsrecht verdrängt werde. An dieser Entscheidung ist Verschiedenes bemerkenswert: Zunächst ist festzuhalten, daß der VI. Senat die Verkorkung der Weinflaschen als solche nicht für eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz hält. Darin, daß die Substanz der Sache „Weinflasche" vor der Verkorkung aus Wein und Glasflasche, danach aber aus Wein, Glas und Korken bestand, lag also nach Ansicht des VI. Senats keine Beeinträchtigung der Substanz der Weinflaschen. Dennoch hält das Gericht den Tatbestand des §823 Abs. 1 BGB an sich für verwirklicht, weil der Wein nach der Verkorkung nicht mehr zu gebrauchen war und auch die bloße Einwirkung auf die Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit einer Sache als Eigentumsverletzung anzuerkennen sei. Es glaubt jedoch, die deliktsrechtliche Haftung dürfe aus konkurrenzrechtlichen Gründen nicht durchgreifen. Ohne daß an dieser Stelle auf das Problem der Konkurrenz deliktsrechtlicher und vertragsrechtlicher Ansprüche näher eingegangen werden soll 744 , läßt sich doch festhalten, daß jedenfalls die vom VI. Senat in der Weinkorken-Entscheidung angestellten Konkurrenzüberlegungen unschlüssig sind. So soll davon nur der Anspruch aus Eigentumsverletzung durch Beeinträchtigung der Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit des Weines betroffen werden. Der Anspruch aus Eigentumsverletzung durch Substanzbeeinträchtigung - in Gestalt der einen Verlust der Prüfnummer bedingenden nachteiligen Veränderung der Beschaffenheit des Weines - soll dagegen unberührt bleiben. Warum aber deliktsrechtliche Ansprüche nur insoweit vom Vertragsrecht verdrängt werden sollen, als sie sich aus dem mit der Verkorkung eingetretenen Verlust der Verkäuflichkeit des Weines bzw. dessen Wertlosigkeit ergeben, nicht aber, soweit sie aus der anschließenden Veränderung der Beschaffenheit des Weines durch Entstehung eines Oxidationstones resultieren, wird nicht nachvollziehbar begründet. Beide Veränderungen wurden gleichermaßen durch die Lieferung der mangelhaften Korken verursacht. Es leuchtet nicht ein, warum sich der vertragliche „Mangelunwert der Korken" in der UnBGH N J W 1971, 886. Im Anschluß daran zitierte der Senat seine eigene Fischfutter-Entscheidung BGH N J W 1989, 707. 744 Vgl. dazu unten Teil 3. 742

743

Substanzveränderung als Eigentumsverletzung

269

verkäuflichkeit des Weines stärker „ausdrückt" als in der Veränderung seiner Beschaffenheit. W a r u m also soll das nach Ansicht des V I . Senat v o m Tatbestand des § 8 2 3 A b s . l B G B erfaßte „Integritätsinteresse" am F o r t b e s t a n d von werthaltigen und verkaufsfähigen (verschließbaren) Weinflaschen, so wie sie v o r der V e r k o r k u n g vorhanden waren, stärker „überlagert" werden v o m „der Vertragsordnung vorbehaltenen Äquivalenzinteresse an der Belieferung mit tauglichen K o r k e n " als das „Integritätsinteresse" am F o r t b e s t a n d der Weinqualität? E s verwundert deshalb nicht, daß derselbe Senat einige J a h r e später, als er mit zwei weiteren Fällen einer unerwünschten M e h r u n g von Materialsubstanz durch Verarbeitung konfrontiert wurde, den in der zweiten W e i n k o r k e n - E n t scheidung behaupteten Vorrang des Vertragsrechts nicht bestätigte. G e m e i n t sind die beiden Gewindeschneidemittel-Entscheidungen 7 4 5 , in denen jeweils eine Verletzung des Eigentums an R o h r e n , die mit einem Gewindeschneidemittel bearbeitet wurden, das Rückstände hinterließ, die sich nur durch aufwendige Spülungen mit Chemikalien 7 4 6 bzw. gar nicht völlig 7 4 7 beseitigen ließen, bejaht wurde. F o l g t e man den K o n k u r r e n z ü b e r l e g u n g e n der zweiten W e i n k o r k e n Entscheidung, dann m ü ß t e man auch hier einen Vorrang des Vertragsrechts annehmen, da die R o h r e durch die Rückstände des Schneidemittels genauso u n brauchbar und vermutlich auch entwertet wurden wie die Weinflaschen durch das Verschließen mit den mangelhaften K o r k e n . D e r V I . Senat verneinte jedoch in der ersten Gewindeschneidemittel-Entscheidung ausdrücklich einen Vorrang des Vertragsrechts. U m die A b w e i c h u n g v o n der zweiten W e i n k o r k e n Entscheidung zu rechtfertigen, behauptete er dabei - ersichtlich zu U n r e c h t - , damals sei es nur um Schäden am P r o d u k t selbst, den W e i n k o r k e n , gegangen und nicht um Schäden an anderen Sachen. 7 4 8 Was die im vorliegenden Zusammenhang vor allem interessierenden tatbestandlichen Voraussetzungen der E i gentumsverletzung anbelangt, so ist bemerkenswert, daß beide G e w i n d e s c h n e i demittel-Entscheidungen parallel zum zweiten W e i n k o r k e n - U r t e i l die M ö g lichkeit der Eigentumsverletzung durch Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeit einer Sache anerkannten und dabei wiederum an erster Stelle auf die Fleet-Entscheidung 7 4 9 verwiesen. Entsprechend wurde der Verletzungserfolg in der Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der R o h r e gese-

745 Siehe B G H N J W 1 9 9 4 , 5 1 7 (Gewindeschneidemittel I); B G H N J W - R R 1 9 9 5 , 3 4 2 (Gewindeschneidemittel II). 746 Siehe B G H N J W 1994, 517 (Gewindeschneidemittel I). 7 4 7 B G H N J W - R R 1995, 342 (Gewindeschneidemittel II). 748 Diese Argumentation ist ziemlich verwunderlich, wenn man bedenkt, daß sich in den E n t scheidungsgründen der zweiten Weinkorken-Entscheidung, siehe B G H N J W 1 9 9 0 , 9 0 8 , im A n schluß an die knappe Verneinung einer Verletzung des Eigentums an den K o r k e n eine um vieles ausführlichere Prüfung der „Verletzung des Eigentums an dem W e i n " anschließt und diese - wie ausgeführt - wegen Verlustes der Prüfnummer auch bejaht wird. 749

B G H N J W 1971, 886.

270

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

hen. 7 5 0 U n d in der ersten Gewindeschneidemittel-Entscheidung wurde genauso wie bereits in der zweiten W e i n k o r k e n - E n t s c h e i d u n g verneint, daß im unerwünschten H i n z u f ü g e n des fehlerhaften Schneidemittels bzw. der fehlerhaften K o r k e n zur ursprünglichen Sachsubstanz eine „Beeinträchtigung der Sachsubs t a n z " gelegen habe. 7 5 1 In der zweiten Gewindeschneidemittel-Entscheidung glaubte man immerhin offen lassen zu k ö n n e n , o b eine Substanzbeeinträchtigung eingetreten war. 7 5 2 Schließlich fällt auf, daß - anders als in der L o t s a n d Entscheidung 7 5 3 - in keiner der beiden Entscheidungen eine Wertminderung als Voraussetzung der Eigentumsverletzung gefordert wurde, w o b e i j e d o c h wahrscheinlich ist, daß die R o h r e einen Wertverlust erlitten hatten. Zu erwähnen ist weiter der 1991 ergangene N i c h t a n n a h m e b e s c h l u ß des V I . Senats 7 5 4 , der die Bearbeitung v o n M ö b e l n mit fehlerhaftem L a c k betraf, was beim E n d k u n d e n zu Nässeschäden am H o l z geführt hatte. H i e r ging der V I . Senat ohne weitere Begründung davon aus, das E i g e n t u m der Möbelherstellerin sei „schon in dem Zeitpunkt, als die M ö b e l mit dem L a c k behandelt w o r d e n s i n d " , verletzt worden. U n e r h e b l i c h sei, „daß diese Eigentumsverletzung sich erst in der später entstandenen Gewährleistungsverpflichtung gegenüber ihren K u n d e n konkretisiert h a t " . F e r n e r sind aus der neueren R e c h t s p r e c h u n g die K o n d e n s a t o r e n 7 5 5 - und die Transistoren-Entscheidung 7 5 6 zu nennen: In der K o n d e n s a t o r e n - E n t s c h e i d u n g stellte der V I I I . Senat die Ü b e r l e g u n g an, o b nicht s c h o n mit der Verbindung fehlerhafter K o n d e n s a t o r e n mit fehlerfreien Teilen zu Reglern, die nur unter Beschädigung oder Zerstörung fehlerfreier Teile wieder auseinander gebaut werden k o n n t e n , eine Verletzung des Eigentums an den fehlerfreien Teilen eingetreten sein könnte. E r ließ diese Frage j e d o c h offen. 7 5 7 Anders dagegen der V I . Senat in der Transistoren-Entscheidung. Sie wurde o b e n insoweit kritisiert, als der B G H darin einen Verzicht auf die sachenrechtliche Selbständigkeit einer Sache als Voraussetzung einer Verletzung des Eigentums an dieser Sache erklärte. 7 5 8 D i e s e r Verzicht war j e d o c h nicht entscheidungserheblich. Vielmehr n a h m

Siehe B G H NJW 1994, 517 (518); B G H NJW-RR 1995, 342. Siehe B G H N J W 1994, 517 (518). 7 5 2 Siehe B G H NJW-RR 1995, 342. 753 B G H NJW 1978, 1051; siehe dazu oben 1. 754 Siehe B G H NJW-RR 1992, 283 (Küchenmöbel); dagegen ließ es derselbe Senat in einem Parallelfall einige Jahre später offen, ob bereits das Eigentum der Möbelherstellerin oder erst das ihres Kunden, des Endabnehmers der Möbel, verletzt worden war, vgl. B G H N J W 1996, 2507 (Chefbüro). 7 5 5 Siehe B G H ZIP 1992, 485. 7 5 6 Siehe B G H N J W 1998, 1942. 7 5 7 Siehe B G H ZIP 1992, 485 (489). 7 5 8 Vgl. oben Kapitel 1, A.II.2. u. 3. 750 751

Substanzveränderung

als

Eigentumsverletzung

271

der VI. Senat unter Verweis auf die beiden Möbellack-Entscheidungen759 an, bereits mit dem Zusammenbau der fehlerfreien Teile mit den fehlerhaften Transistoren zu Steuergeräten sei eine Verletzung des Eigentums an den fehlerfreien Teilen eingetreten. Während in der zweiten Weinkorken- wie auch den beiden Gewindeschneidemittel-Entscheidungen als Verletzungserfolg einer Eigentumsverletzung jeweils die Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit einer Sache für genügend erachtet wurde, sah der VI. Senat in der Transistoren-Entscheidung in der über die bloße Beeinträchtigung der Verwendbarkeit hinausgehenden Entwertung des fehlerfreien Materials einen der Sachzerstörung vergleichbaren Verletzungserfolg: „Sind nämlich [...] z u v o r unversehrt i m E i g e n t u m des Herstellers der Gesamtsache stehende Einzelteile d u r c h ihr unauflösliches Z u s a m m e n f ü g e n mit fehlerhaften anderen Teilen nicht n u r in ihrer Verwendbarkeit, sondern erheblich in ihrem Wert beeinträchtigt w o r d e n , hier sogar gänzlich wertlos g e w o r d e n , so ist bereits dadurch, ebenso w i e bei der Zerstörung ihrer Substanz eine Eigentumsverletzung eingetreten." 7 6 0

Nicht ganz in diese neuere Rechtsprechungslinie, nach der bereits mit der fehlerhaften Verarbeitung als solcher eine Verletzung des Materialeigentums durch Nutzungsbeeinträchtigung bzw. Wertminderung vollendet werden kann, fügt sich allerdings die Schlacke-Entscheidung.761 Die Voraussetzungen einer Verletzung des Eigentums durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung bzw. Wertminderung wurden vom VI. Senat hier nicht erörtert. Daran, daß hinsichtlich der Baumaterialien eine Eigentumsverletzung bereits mit deren bloßem Einbau in die auf fehlerhaftem Grund errichteten Gebäude vollendet worden sein könnte, dachte das Gericht offenbar nicht, vielleicht weil es die Eigentumsverletzung letztlich dahinstehen ließ.762 Die bereits oben dargelegte763 Überlegung des VI. Senats, die Materialien seien von der schädigenden Einwirkung nicht mehr als selbständige Sachen getroffen worden, stimmt nur im Hinblick auf die später an den Bauten eingetretenen Risse und Verformungen. Gegenstand des Einbaus waren dagegen sehr wohl die Baumaterialien als selbständige Sachen. III.

Zusammenfassung

Die vorstehende Ubersicht kann wie folgt zusammengefaßt werden: In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine Eigentumsverletzung vorliegt, wenn 759 Vgl. den Nichtannahmebeschluß BGH NJW-RR 1992, 283 (Küchenmöbel), sowie BGH N J W 1996, 2507 (Chefbüro), wobei es der BGH allerdings in der letztgenannten Entscheidung gerade offen gelassen hatte, ob bereits das Eigentum der Möbelherstellerin oder aber erst das der Endabnehmerin verletzt worden war, siehe dazu bereits Fußn. 754. 760 Siehe BGH N J W 1998, 1942 (1943). 761 Siehe BGH N J W 2001, 1346. 762 Siehe zu den Gründen dafür Kapitel 1, A.II.4. 763 Vgl. Kapitel 1, A.II.4.

272

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

der Verlust fremden E i g e n t u m s nach § § 9 4 6 f f . i.V.m § § 9 3 f f . B G B verursacht wurde und die Verarbeitung unabhängig von ihrer Qualität als solche dem W i l len des Eigentümers widersprach. Anders dagegen die Rechtsprechung zu Fällen, in denen der Materialeigentümer mit einer einwandfreien Verarbeitung einverstanden war: D i e ältere Rechtsprechung erkannte hier bei fehlerhafter Verarbeitung nur in Ausnahmefällen an, daß die M e h r u n g der Materialsubstanz, die keine Substanzverschlechterung im Sinne einer Beschädigung oder Zerstörung mit sich brachte, eine Verletzung des Eigentums am Material war. Zuweilen wurde dabei gegen das Vorliegen einer Eigentumsverletzung mit dem Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit des Materials argumentiert, o b w o h l dieser Verlust erst das Ergebnis der Verarbeitung darstellte. Gegenstand der substanzvermehrenden Verarbeitung waren also sehr w o h l sachenrechtlich selbständige Materialien, die O b j e k t einer Eigentumsverletzung sein k o n n t e n . In der neueren Rechtsprechung des V I . Senats wird die Verarbeitung, durch welche die Substanz des Materials erweitert wird, ausdrücklich von der Substanzbeeinträchtigung unterschieden. D i e substanzerweiternde Verarbeitung soll nur dann den Tatbestand der Eigentumsverletzung erfüllen können, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung der Sache beeinträchtigt wird. U n k l a r ist dabei, welche Bedeutung es für die Eigentumsverletzung hat, o b durch den Verarbeitungsvorgang eine Wertminderung des Materials eingetreten ist oder nicht.

C. Die Literatur Bei aller insbesondere gegenüber der K o n d e n s a t o r e n - und der TransistorenEntscheidung geäußerten Kritik 7 6 4 finden sich in der Literatur für die F a l l k o n stellationen der Verarbeitung von Material im wesentlichen dieselben Lösungsmuster wie in der Rechtsprechung.

I. Grundsätzlich wird in der Substanzmehrung keine Substanzbeeinträchtigung gesehen D i e herrschende Literatur bejaht eine Eigentumsverletzung, w e n n jemand nach §§ 9 4 6 f f . i.V.m §§ 93 ff. B G B den Verlust fremden Eigentums veranlaßt, o h ne daß der E i g e n t ü m e r überhaupt mit einer zum Eigentumsverlust führenden Behandlung seiner Sache einverstanden war. 7 6 5 Wiederum parallel zur R e c h t Vgl. bereits oben die Nachw. in Fußn. 23. Vgl. etwa MünchKommJMertens, § 823 Rz. 94; Staud./J. Hager, § 823 Rz. B Jakobs, JuS 1973, 154; Sundermann, WM 1989, 1201; manche wollen entgegen der Rechtsprechung diese Haftung auf den die Verarbeitung duldenden Bauherrn erstrecken, so etwa U. Huber, NJW 1968, 1907; Klamroth, BB 1984, 1844; vgl. zum Streitstand Staud./J. Hager, §823 Rz. B 68 m. w. Nachw. 764

765

Substanzveränderung

als

Eigentumsverletzung

273

s p r e c h u n g h e r r s c h t d a g e g e n U n s i c h e r h e i t bei d e r B e u r t e i l u n g d e r E i g e n t u m s v e r l e t z u n g in d e n j e n i g e n F ä l l e n , in d e n e n e r s t e n s d e r M a t e r i a l e i g e n t ü m e r eine V e r a r b e i t u n g d u r c h a u s m ö c h t e , er j e d o c h n i c h t d a m i t e i n v e r s t a n d e n ist, d a ß sein M a t e r i a l m i t f e h l e r h a f t e n Z u t a t e n o d e r auf u n s a c h g e m ä ß e W e i s e v e r a r b e i t e t w i r d , u n d i n d e n e n z w e i t e n s eine B e s c h ä d i g u n g o d e r Z e r s t ö r u n g des M a t e r i a l s i m h e r k ö m m l i c h e n S i n n e a u s b l e i b t . E b e n s o w i e in d e r R e c h t s p r e c h u n g w i r d eine solche unerwünschte bloße M e h r u n g bzw. Erweiterung der Materialsubstanz u m fehlerhafte oder unsachgemäß hinzugefügte Zutaten ganz überwiegend

nicht

als

eigentumsverletzende

D e u t l i c h f o r m u l i e r t e n e t w a Freund/

Substanzbeeinträchtigung

Barthelmess

angesehen.

in e i n e m 1 9 7 5 e r s c h i e n e n e n

Aufsatz mit d e m Titel „Eigentumsverletzung durch B a u m ä n g e l ? " diese T h e s e : „[...] jede Errichtung eines Bauwerks, auch die mangelhafte, [ist] eine Vermehrung der Sachsubstanz, also keine Verletzung derselben." 7 6 6 Sie w u r d e i n d e n l e t z t e n J a h r e n v o r a l l e m 7 6 7 in k r i t i s c h e n R e a k t i o n e n auf die K o n d e n s a t o r e n - s o w i e a u c h a u f die T r a n s i s t o r e n - E n t s c h e i d u n g v o n vielen b e stätigt. D e m B G H w u r d e v o r g e w o r f e n , er h a b e hier, i n d e m e r eine E i g e n t u m s v e r l e t z u n g b e j a h t e , o b w o h l die u r s p r ü n g l i c h f e h l e r f r e i e n T e i l e d e r R e g l e r b z w . Vgl. Freund/Barthelmess, NJW 1975, 283. Vgl. aber auch etwa B. Klein, Produkthaftung bei Baustoffen und Bauteilen, 1990, S. 10f., der zur Lotsand-Entscheidung, B G H NJW 1978,1051, anmerkt: „Die Produkthaftung ist ausgeschlossen, solange nicht durch die mangelhafte Sache auf andere von dieser Sache unterschiedene Sachen des Bauwerkseigentümers eingewirkt und diese zerstört oder beschädigt werden [...]"; Erman/Schiemann, §823 Rz.28, wo unter Verweis auf B G H VersR 1963, 1827 (Ortbeton) festgestellt wird, ein mangelhaftes Bauwerk stelle keine Beschädigung des Grundstücks dar und damit eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des Grundstücks abgelehnt wird; Soergel/U. Huber, vor §459 Rz. 263, der für den Fall, daß der Käufer die mangelhafte Kaufsache zusammen mit eigenen Materialien zu einer neuen Sache verarbeitet oder sie mit eigenen Materialien mit dem Bauwerk eines Dritten verbindet, eine Verletzung des Eigentums an den Materialien verneint; anders aber Wilts, VersR 1967,818, der annimmt, bei der Vermischung fehlerfreien mit fehlerhaften Materials werde das Eigentum an den Bestandteilen der Mischung durch ihre mangelhafte Zusammensetzung beschädigt. Wo die Mischung selbst nicht zu beanstanden sei, werde das Eigentum an dieser durch ihre unsachgemäße Einfügung in ein Bauwerk verletzt. Dabei verlangt Wilts allerdings eine „wertmindernde Einwirkung auf die Sachsubstanz". Er geht ausdrücklich davon aus, daß „die Verletzung des Eigentums an den beweglichen Sachen bereits in dem Vermischungs- oder Verbindungsvorgang liegt", so daß der nachfolgende Untergang des Eigentums an den Materialien an der vorhandenen Eigentumsverletzung nichts mehr ändern könne. Parallel dazu erblickt er auch im fehlerhaften Einbau einer Teilleistung eine Verletzung des bereits vorher fertiggestellten Teilwerks; vgl. ferner Kaiser, Mängelhaftungsrecht, Rz. 161c, der recht allgemein formuliert, der Auftragnehmer verletze das Eigentum des Auftraggebers jedenfalls dann, „wenn er an den bestellereigenen Sachen bzw. am Bauwerk, mit denen bzw. an dem er seine Leistung ausführen soll, Veränderungen [Hervorhebung nur hier] vornimmt, denen der Auftraggeber nicht zugestimmt hat", wobei er allerdings auf die Raster-Entscheidung B G H NJW 1977, 1819 verweist, also auf einen Fall, in dem es zu einer Beschädigung im herkömmlichen Sinne gekommen war; vgl. auch A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 104, der zu bedenken gibt, daß grundsätzlich jede Bebauung eines Grundstücks ein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum sei, soweit es an einer Einwilligung des Geschädigten fehle. 766 767

274

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Steuergeräte durch den Z u s a m m e n b a u mit fehlerhaften Kondensatoren

bzw.

Transistoren w e d e r beschädigt n o c h zerstört w o r d e n w a r e n , die V e r u r s a c h u n g reiner Vermögensschäden zur Eigentumsverletzung erhoben.768 D i e grundsätzliche A b l e h n u n g einer eigentumsverletzenden Substanzbeeinträchtigung in Fällen b l o ß e r u n e r w ü n s c h t e r Z u s a m m e n f ü g u n g v o n Material mit anderen Z u t a t e n o h n e Z e r s t ö r u n g o d e r B e s c h ä d i g u n g des Materials, bedeutet allerdings - w i e d e r u m parallel zur R e c h t s p r e c h u n g - nicht, daß die M ö g l i c h k e i t e i n e r E i g e n t u m s v e r l e t z u n g in d e r L i t e r a t u r d u r c h g ä n g i g v e r n e i n t w ü r d e .

II. Teile der Literatur halten die Verschmutzung oder Verunstaltung für eine eigentumsverletzende Substanzbeeinträchtigung M a n c h e S t i m m e n in der L i t e r a t u r w o l l e n solche S u b s t a n z e r w e i t e r u n g e n , die s i c h als V e r s c h m u t z u n g e n o d e r V e r u n s t a l t u n g e n q u a l i f i z i e r e n l a s s e n , B e s c h ä d i gungen gleichstellen. D e m e n t s p r e c h e n d w u r d e der Rechtsprechung769

entgegengehalten,

Gewindeschneidemittel-

mit den Ablagerungen

des

Gewinde-

s c h n e i d e m i t t e l s a n d e n R o h r e n sei s e h r w o h l e i n e als S u b s t a n z b e e i n t r ä c h t i g u n g z u w e r t e n d e V e r l e t z u n g d e s E i g e n t u m s an d e n R o h r e n e i n g e t r e t e n . 7 7 0 E i n e B e 7 6 8 So sehen Brüggemeier/'Herbst, J Z 1992, 802ff. im Kondensatoren-Fall den „Schutzbereich der deliktischen Verkehrspflichten des Herstellers nach § 823 Abs. 1 B G B " nicht betroffen und verneinen das Vorliegen eines „Integritätsschadens"; Brüggemeier, J Z 1999, 99 konstatiert ausdrücklichem Transistoren-Fall gehe es nicht um Substanzschäden; Hinsch, VersR 1992,1056 hält im Kondensatoren-Fall einen reinen Vermögensschaden für gegeben; ähnlich Bremenkamp/ Buyten, VersR 1996, 1066f., die außerdem auch hinsichtlich der Transistoren-Entscheidung bedauern, daß der VI. Senat des B G H der Versuchung einer Ausdehnung des Eigentumsschutzes nicht habe widerstehen können; Graf von Westphalen, M D R 1998, 808, merkt zur TransistorenEntscheidung an, sie betreffe den Fall eines „klassischen Vermögensschadens", der von §823 Abs. 1 B G B nunmehr in Folge der Rechtsfortbildung durch den B G H erfaßt werde; von einer Rechtsfortbildung spricht im Zusammenhang mit der Transistoren-Entscheidung auch Lenz, M D R 1998, 843; dagegen bejaht Dunz, J R 1992,471, im Kondensatoren-Fall eine Eigentumsverletzung, weil schon mit dem Einbau der Kondensatoren eine wertmindernde physische Veränderung der Sache eingetreten sei, so daß für die Erwägung des VIII. Senats, der Schaden sei jedenfalls mit dem Ausbau eingetreten, kein Raum bleibe; vgl. auch bereits Fußn. 23 und 24. 7 6 9 B G H N J W 1994, 517 (Gewindeschneidemittel I); B G H N J W - R R 1995, 342 (Gewindeschneidemittel II). 7 7 0 So Brüggemeier, JZ 1994, 578, der dem B G H vorwirft, in der ersten Gewindeschneidemittel-Entscheidung, B G H N J W 1994,517, ohne Not den „problematischen Rückgriff auf eine Gebrauchsbeeinträchtigung" vorgenommen zu haben; ähnlich Foerste, N J W 1994, 910, der zur ersten Gewindeschneidemittel-Entscheidung anmerkt, das Gewindeschneidemittel, das sich an den Rohren ablagerte, habe nicht anders gewirkt als schwer lösliche Klebereien und Schmierereien, die man seit jeher als substanzverletzend betrachtet habe; dagegen Kulimann, N J W 1994, 1698, der darauf besteht, es sei in diesem Fall nicht geklärt gewesen, ob eine Substanzbeeinträchtigung vorgelegen habe und der damit zu erkennen gibt, daß er unter Substanzbeeinträchtigung nur die Beschädigung oder Zerstörung im Sinne einer Substanzeinbuße versteht; an anderer Stelle rückt Foerste, vgl. Produkthaftungshandbuch I, § 21 Rz. 10, die Verunstaltung allerdings in die Nähe der Herabsetzung der Gebrauchseignung; entscheidend für die Eigentumsverletzung sollen danach der Sachzweck und - in Grenzen - auch der zur Reinigung erforderliche Aufwand

Substanzveränderung

als

Eigentumsverletzung

275

gründung dafür, warum dies in sonstigen Fällen einer dem Gestaltungswillen des Eigentümers widersprechenden Erweiterung oder Mehrung der Sachsubstanz nicht gelten soll, wird dabei allerdings nicht gegeben. Bestätigt mag man ein solches Verständnis der eigentumsverletzenden Substanzbeeinträchtigung durch die bereits zitierten Entscheidungen des Krankenhaus- 771 , des Erdaushub- 772 und des Asbestzement-Falles 773 sehen. Diesen Urteilen, in denen jeweils im Aufbringen von Schmutzstoffen auf fremde Sachen eine Verletzung des Eigentums an diesen Sachen gesehen wurde, stehen allerdings, wie ebenfalls bereits ausgeführt, die Lotsand- 774 und die Klinkerentscheidung 775 gegenüber, in denen eine Eigentumsverletzung verneint wurde, obwohl die Verkleidung von Außenwänden mit fehlerhaftem Putz bzw. mit sich später verfärbenden und abbröckelnden Klinkern sicherlich ebenfalls als verunstaltende Erweiterung der Substanz des Hauses eingeordnet werden kann.

III. Überwiegend, wird die Substanzmehrung als Beeinträchtigung der Sachverwendungsmöglichkeit verstanden Abgesehen von der Tendenz, Verschmutzungen oder Verunstaltungen als eigentumsverletzende Substanzbeeinträchtigungen und damit wie Beschädigungen oder Zerstörungen zu behandeln, wird auch in der Literatur - im Gleichlauf mit der jüngeren Rechtsprechung - die bloße unerwünschte Substanzmehrung infolge Verarbeitung vielfach als Problem der Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeiten des betroffenen Materials eingeordnet. Ausgehend von dem Grundsatz, daß die Substanzerweiterung oder -mehrung mangels Substanzeinbüße keine eigentumsverletzende Substanzbeeinträchtigung sein könne, sucht man eine Lösung der Fälle fehlerhafter Verarbeitung ohne Beschädigung oder Zerstörung des Materials über die Figur der Eigentumsverletzung durch bloße Beeinträchtigung der Verwendbarkeit. Dies gilt zunächst wiederum für die Fälle der Verschmutzung oder Verunstaltung, in denen offenbar ein besonders starkes Bedürfnis nach Anerkennung einer Eigentumsverletzung besteht. So verweist eine Reihe von Autoren zur Begründung einer Verletzung des Eigentums an der verschmutzten oder verun-

sein, ästhetische Gesichtspunkte dagegen nur in Ausnahmefällen; vgl. ferner Franzen, JZ 1999, 708, der davon ausgeht, daß bei der Anbringung von Klebereien und Schmierereien auf Hauswänden die Sachsubstanz dann als verletzt zu betrachten sei, wenn diese sich nur mit erheblichem Aufwand beseitigen ließen. 771 Siehe B G H VersR 1964, 293. 772 Siehe B G H L M § 8 2 3 ( D e ) B G B Nr. 75. 773 B G H VersR 1981, 779. 7 7 4 Siehe B G H N J W 1978. 1051. 775 Siehe B G H B a u R 1981, 491.

276

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

stalteten Sache auf die Beeinträchtigung von deren Verwendungsfähigkeit. 776 D o c h auch jenseits der Fälle der Verschmutzung oder Verunstaltung wird diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen die verarbeitungsbedingte Beeinträchtigung der Nutzungsfähigkeit von Material als Eigentumsverletzung anzuerkennen sei. Ahnlich wie für die Einschätzung, daß in der unerwünschten Substanzmehrung keine eigentumsverletzende Substanzbeeinträchtigung liege, kann auch für den Versuch, die fehlerhafte Verarbeitung über die Annahme einer eigentumsverletzenden Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Materials zu lösen, der Aufsatz von Freund/Barthelmess aus dem Jahre 1975 als anschauliches Beispiel dienen 777 : Nachdem die Autoren die Eigentumsverletzung in Gestalt der Substanzbeeinträchtigung beschränkt haben auf die Fälle der Beschädigung oder Zerstörung einer Sache, betonen sie, daß „bezüglich der Nutzbarkeit einer Sache nur die ordnungsgemäße Bauerrichtung ein Mehr, die mangelhafte dagegen ein Weniger" darstelle. Entsprechend sehen sie die Verschmutzung einer Hausfront durch Rauch und Ruß, wie sie Gegenstand der KrankenhausEntscheidung 778 war, als Fall der „Beeinträchtigung der Nutzbarkeit einer Sache" an und nennen diese in einem Atemzug mit der Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit eines eingesperrten Schiffes, wie sie in der Fleet-Entscheidung 779 gegeben war. Parallel dazu soll in Fällen mangelhafter Bauleistung eine Eigentumsverletzung immer auch dann angenommen werden, wenn ohne Substanzverletzung der Wert oder die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit eines Bauwerks durch die mangelhafte Bauleistung beeinträchtigt worden ist. Dagegen stellten bloße Schönheitsfehler keine Beeinträchtigung der Nutzbarkeit und damit auch keine Eigentumsverletzung dar. In den letzten Jahren ist diese Einordnung der fehlerhaften, aber nicht zu einer Beschädigung oder Zerstörung führenden Materialverarbeitung als Problem der beeinträchtigten Verwendungsfähigkeit des Materials vor allem in 776 Vgl. etwa Soergel/Zeuner, §823 Rz. 32 u. Rz.42, der hinsichtlich der beiden Gewindeschneidemittel-Entscheidungen auf die Beinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Rohre abstellt; ähnlich Locher, BauR., Rz.461; ferner MünchKommJMertens, §823 Rz. 112, der annimmt, Verunreinigungen und Verunstaltungen einer Sache seien auch dann als Eigentumsverletzung zu qualifizieren, wenn es sich noch nicht um eine Substanzverletzung handle; als Fall der Gebrauchsbeeinträchtigung wird der dem ersten Gewindeschneidemittel-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt auch von Fuchs, BauR 1995, 750 angesehen; vgl. dagegen Plum, AcP 181 (1981), 93 ff., der den Fall des Uberklebens von (Im-)mobiliar mit Plakaten zwar unter der Uberschrift „Funktionsverlust ohne Substanzverletzung" einordnet, jedoch eine Eigentumsverletzung durch Aufbringung fehlerhafter Stoffe auf eine Sache ablehnt, wenn „Reversibilität des Aufbringungsvorgangs ohne Substanzverletzung möglich bleibt, z.B. durch Sandstrahlen, Abbeizen oder Abschleifen, namentlich also in Fällen von Aufbringung mangelhafter Substanzen auf Metall", AcP 181 (1981), 113. 777 Vgl. Freund/Barthelmess, N J W 1975, 282ff. und bereits Fußn. 766, ähnlich dies., N J W 1977, 439. 778 Siehe B G H VersR 1964, 293. 779 Siehe B G H N J W 1971, 886.

Substanzveränderung

als

Eigentumsverletzung

277

Stellungnahmen zur Kondensatoren- und zur Transistoren-Entscheidung zum Ausdruck gekommen. 780 781 7 8 0 So nimmt Hinsch, VersR 1998, 1353ff. an, der Transistoren-Fall habe die Frage zum Gegenstand gehabt, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der Verwendbarkeit der sonstigen Bestandteile der Steuergeräte eine Eigentumsverletzung begründete. Er selbst verneint dies in erster Linie mit der wenig einleuchtenden Begründung, daß dadurch Manipulationsmöglichkeiten geschaffen würden zugunsten des Geschädigten, weil sich die Voraussetzungen der Trennbarkeit und damit das Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung häufig erst nach Abschluß der Verbindung erweise. Warum gerade die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Vollendung der Verbindung eine Trennung fehlerhafter und fehlerfreier Teile mit wirtschaftlichem Aufwand vorgenommen werden kann, mit besonderen Unsicherheiten verbunden sein soll, ist nicht ersichtlich; gegen diesen Einwand Hinschs bereits Kulimann, NJW 1999,97; auch Kulimann selbst, vgl. NJW 1999, 97, ders., LM § 823 (Ac) B G B Nr. 66 u. PHI 1999, 19f. geht jedoch davon aus, die TransistorenEntscheidung beruhe auf einer vom B G H immer weiter ausgebauten Anerkennung von Beeinträchtigungen der Verwendungsmöglichkeit einer Sache ohne Substanzbeeinträchtigung als Eigentumsverletzung; ähnlich prüft Brüggemeier, JZ 1999, 99f., ob im Transistoren-Fall eine Eigentumsverletzung durch Gebrauchsbeeinträchtigung vorlag. Er verneint dies mit der Begründung, die fehlerfreien Bestandteile hätten durch die Verarbeitung planmäßig ihre funktionelle Selbständigkeit verloren, wobei sich die Eigentümerin mit der Fertigung selbst alternativer Nutzungsmöglichkeiten begeben habe; vgl. gegen diese Argumentation, die mit gewissen Nuancen vor allem von Foerste vertreten wird, ausführlich unten Kapitel 4, B. u. die Nachw. in Fußn. 824; Franzen, J Z 1999, 707f., ders., JZ 1999, 1047, geht unter Berufung auf die Kondensatoren- und die Transistoren-Entscheidung davon aus, in Fällen der Verbindung und Vermischung von fehlerfreien und fehlerhaften beweglichen Sachen werde der Schutzbereich des Eigentums dann betroffen, wenn und soweit die Verwendungsmöglichkeiten der guten Zutaten nach dem Verarbeitungsvorgang vollständig beseitigt wurden. Dies solle allerdings nur gelten, wenn der vor Verarbeitung bestehende Zustand nicht mehr hergestellt werden könne. Eine Verkehrspflichtverletzung des Herstellers hinsichtlich des Eigentums am Material will Franzen dann aber gegen die Kondensatoren- und die Transistoren-Entscheidung nur bejahen, wenn die fehlerhafte Zutat eine über die bloße Verarbeitung hinausgehende Substanzbeeinträchtigung verursache, vgl. JZ 1999, 709f. Franzen stützt sich dabei auf die Funktion der Verkehrspflichten, Gefahren abzuwehren, wobei er annimmt, daß dann, wenn die Verarbeitung des Materials lediglich zu dessen Unbrauchbarkeit führe, von der fehlerhaften Zutat keine Gefahr für das Eigentum am Material ausgegangen sei. Damit widerspricht Franzen allerdings seiner eigenen Grundannahme, es gehe bei der Verarbeitung fehlerfreien mit fehlerhaften Materials um Eigentumsschutz als Nutzungsschutz. Denn für die Brauchbarkeit des Materials stellte die Inverkehrgabe der fehlerhaften Zutaten sehr wohl eine Gefahr dar; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 15 Fußn. 10 zählt die Transistoren-Entscheidung zu den Urteilen, in denen das Eigentum vor Beeinträchtigungen der Verwertungsmöglichkeit geschützt worden sei; ähnlich Emmerich, JuS 2001, 710 vor u. mit Fußn. 3, in einer Anmerkung zur SchlackeEntscheidung B G H N J W 2001, 1346 (VI. Senat); Staud./J. Hager, §823 Rz. B 121 geht für den Kondensatoren- und den Transistoren-Fall davon aus, daß mit dem Einbau der fehlerhaften Teile eine Eigentumsverletzung eingetreten sei, wobei er den Verletzungserfolg in der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit bzw. Entwertung der fehlerfreien Teile sieht. 781 In diesem Sinne aber auch bereits Möschel, JuS 1977,5f., der grundsätzlich eine Verletzung des Eigentums am Material bejaht, wenn dieses durch die Verarbeitung mit fehlerhaften Zutaten völlig unbrauchbar geworden ist. Auch bei der unerwünschten Bebauung eines Grundstücks sieht er immer eine zentrale Verwendungsfunktion und damit das Eigentum betroffen. Dies soll aber nur für das „Ob" der Bebauung gelten, während das gegen den Willen des Eigentümers verstoßende „Wie" keine typische Verwendungsfunktion tangiere, sondern allein die Vertragsebene berühre; dagegen Grunewald, JZ 1987, 1100 mit der Begründung, eine Differenzierung passe

278

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

D. Die gegen den Willen des Eigentümers erfolgende Veränderung der Materialsubstanz als Substanzbeeinträchtigung Die von jüngerer Rechtsprechung und herrschender Lehre v e r f o c h t e n e T h e s e , die fehlerhafte Materialverarbeitung o h n e

gleichermaßen Beschädigung

o d e r Z e r s t ö r u n g des M a t e r i a l s w e r f e d i e F r a g e n a c h d e m E i g e n t u m s s c h u t z b e i b l o ß e r B e e i n t r ä c h t i g u n g d e r G e b r a u c h s m ö g l i c h k e i t e n e i n e r S a c h e a u f , ist u n z u treffend. Tatsächlich liegt bei der fehlerhaften M a t e r i a l v e r a r b e i t u n g i m G e g e n satz zu Fällen der b l o ß e n B e e i n t r ä c h t i g u n g der V e r w e n d u n g s m ö g l i c h k e i t e n einer Sache wie im Fleet-Fall782 sehr w o h l eine Veränderung der Materialsubstanz v o r . D i e s e i s t als S u b s t a n z b e e i n t r ä c h t i g u n g z u q u a l i f i z i e r e n , w e n n sie g e g e n d e n W i l l e n d e s E i g e n t ü m e r s v o r g e n o m m e n w u r d e , d . h . in W i d e r s p r u c h z u d e s s e n Vorstellungen fehlerhafte Zutaten verwendet bzw. fehlerfreie Zutaten unsachg e m ä ß v e r a r b e i t e t w u r d e n . D a g e g e n ist die F r a g e , o b die V e r a r b e i t u n g eine W e r t m i n d e r u n g des Materials o d e r eine sonstige V e r m ö g e n s e i n b u ß e verursacht hat, e b e n s o w i e i m Falle der Z e r s t ö r u n g o d e r B e s c h ä d i g u n g f r e m d e r S a c h e n , allein für d e n U m f a n g des S c h a d e n s e r s a t z e s v o n B e d e u t u n g . A l l d i e s s o l l i m f o l g e n d e n ( u n t e r I. u n d I I . ) n ä h e r a u s g e f ü h r t w e r d e n , w o b e i a n s c h l i e ß e n d ( u n t e r I I I . ) z u z e i g e n s e i n w i r d , d a ß die f e h l e r h a f t e , a b e r b e s c h ä d i -

nicht ins Deliktsrecht, weil üblicherweise auch für kleine Schäden nach §823 Abs. 1 B G B gehaftet werde; Grunewald selbst, vgl. J Z 1987,1100, geht offenbar ebenfalls davon aus, daß bei Verarbeitung von Material mit fehlerhaften Sachen regelmäßig eine Gebrauchsbeeinträchtigung vorliege. Zur Begründung einer Eigentumsverletzung beim Einbau einsturzgefährdeter Decken verweist sie darauf, daß bis zu deren Abriß nicht ordnungsgemäß weitergebaut werden könne und daß auch sonst eine Eigentumsverletzung bejaht werde, wenn der Eigentümer daran gehindert werde, von seiner Sache so wie geplant Gebrauch zu machen; auch Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S.262 Fußn. 80, bejaht grundsätzlich eine Eigentumsverletzung, wenn Material durch Verarbeitung oder Vermischung unbrauchbar geworden ist; ähnlich will Mertens, vgl. MünchKomm./Mertens, §823 Rz. 112, in jeder physischen Einwirkung auf die Sache, die ihre Verwendbarkeit im Sinne der Zwecke des Eigentümers herabsetzt, eine Eigentumsverletzung sehen; vgl. weiter Erman/Seiler, §635 Rz. 32: Verarbeite der Unternehmer das vom Besteller gelieferte Material so mangelhaft, daß es nicht mehr zu gebrauchen sei, liege eine Eigentumsverletzung vor;/. Hager, vgl. Staud./J. Hager, §823 Rz. B 108, wendet gegen die LotsandEntscheidung, B G H N J W 1978, 1051, ein, eine Eigentumsverletzung liege schon darin, daß die fehlerfreien Baumaterialien nicht mehr bestimmungsgemäß verwendet werden konnten; vgl. ferner Schlechtriem, der es in einer Anmerkung zur ersten Gewindeschneidemittel-Entscheidung, siehe EWiR 1994, 136, für gesichert hält, daß der außervertragliche Schutz des Eigentums nicht erst bei der Substanzverletzung ansetze, sondern bereits bei der Beeinträchtigung des üblichen oder bestimmungsgemäßen Gebrauchs als Ausschnitt des Eigentums(rechts). Nach Ansicht Schlechtriems soll außerdem bei einer Verarbeitung, die zur Entwertung einer Sache führe, das Eigentum an dieser Sache verletzt sein, vgl. ZfBR 1992,98; u. bereits ders., Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972, S. 318 Fußn. 126; allerdings will Schlechtriem heute eine Eigentumsverletzung grundsätzlich nur annehmen, wenn mit der Inverkehrgabe fehlerhafter Sachen berechtigte Sicherheitserwartungen enttäuscht wurden, siehe dazu Fußn. 250. 782 Siehe B G H N J W 1971, 886.

Substanzveränderung

als Eigentumsverletzung

279

gungsfreie Verarbeitung nicht nur in Fällen, in denen das Eigentum am Material bestehen bleibt, den Vorwurf der Eigentumsverletzung begründen kann, sondern auch dann, wenn nach §§946ff. i.V.m §§93ff. B G B ein Verlust des Eigentums am Material eintritt.

I. Die fehlerhafte Verarbeitung des Materials, nicht nur die

betrifft die Substanz Verwendungsmöglichkeit

Wenn Rechtsprechung und herrschende Literatur die fehlerhafte Verarbeitung parallel zu Fällen wie dem Fleet-Fall 7 8 3 behandeln möchten, so werden grundlegende Unterschiede zwischen beiden Fallgruppen mißachtet: Fälle der bloßen Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeiten einer Sache wie der Fleet-Fall zeichnen sich gerade dadurch aus, daß die Sachsubstanz unberührt bleibt. Wenn beispielsweise ein Schiff eingeschlossen wird, dann verändert sich seine materielle Beschaffenheit dadurch nicht. Die für die Sachgrenzen maßgebliche Verkehrsanschauung unterscheidet nach wie vor zwischen dem Schiff und den dieses Schiff umgebenden Mobilien sowie Immobilien und nimmt nicht etwa an, das Schiff sei nun Teil des Gewässers geworden, das es nicht mehr verlassen kann oder bestehe jetzt auch aus diesem Gewässer. Vielmehr wird die Kontinuität der Sachsubstanz in keiner Weise betroffen. Die stoffliche Zusammensetzung des Schiffes bleibt unverändert. Die Beeinträchtigung, die der Schiffseigentümer erfährt, betrifft allein die Nutzbarkeit des Schiffes, ohne sich in einer Modifikation der Sachsubstanz bemerkbar zu machen. Ganz anders bei der fehlerhaften Verarbeitung: Auch dann, wenn es nicht zu einer Beschädigung oder Zerstörung des Materials im herkömmlichen Sinne kommt, wird in diesen Fällen sehr wohl die Sachsubstanz betroffen. Die Substanz des verwendeten Materials besteht nach Abschluß des Verarbeitungsvorgangs aus mehr Stoffen bzw. Teilen als zuvor, oder es wird dem Material die selbständige Existenz genommen, so daß die ursprünglich isoliert vorhandene Stoffmasse nur noch als integrierte Substanz, etwa als einfacher Bestandteil, fortbesteht. Damit erfährt die materielle Beschaffenheit der Sache ebenso eine Veränderung wie wenn diese im herkömmlichen Sinne zerstört oder beschädigt wird. Hier wie dort gilt: Die Sache ist nach der Verarbeitung eine andere als zu-

vor. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß Sachbeschädigung und bloße Sacherweiterung häufig gar nicht klar abgrenzbar sind. Wo eine körperliche Verbindung zwischen Materialien hergestellt wird, ist es oft eine Frage der Genauigkeit der Betrachtung, ob man zum Ergebnis gelangt, die bisherige Sachsubstanz sei lediglich erweitert oder darüber hinaus auch modifiziert worden. Hätte man etwa in den Gewindeschneidemittel-Fällen die Rohre unter dem Mikroskop be783

Siehe BGH NJW 1971, 886.

280

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am

Material

trachtet, dann wäre vielleicht durchaus feststellbar gewesen, daß an der Oberfläche der Rohre chemische Reaktionen stattgefunden hatten, welche die stoffliche Zusammensetzung der Rohre über die bloße Ablagerung der Rückstände des Gewindeschneidemittels hinaus verändert hatten. Der Streit darüber, ob und inwieweit die Verwendungsmöglichkeiten von Sachen unabhängig von einer Beeinträchtigung der Sachsubstanz Eigentumsschutz genießen, dauert bis heute an. 784 Dabei herrscht Einigkeit wohl lediglich insoweit, als der Nutzungsschutz für weniger weitreichend gehalten wird als der Schutz gegen Beschädigung und Zerstörung. 785 Den gegen die Einbeziehung der bloßen Nutzungsbeeinträchtigung in den Eigentumsschutz erhobenen Bedenken braucht hier sowenig nachgegangen zu werden wie den verschiedenen Ansätzen zur sinnvollen Begrenzung einer solchen Einbeziehung. 786 Weil bei den hier allein interessierenden Fällen der fehlerhaften Verarbeitung ebenso wie bei der Sachzerstörung oder -beschädigung die Sachsubstanz betroffen ist, hilft die Diskussion über die Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter. Vielmehr ist zu fragen, in welchem Umfang das Eigentum Substanzschutz gewährt. Ist es gerechtfertigt, bei einer dem Willen des Eigentümers widersprechenden Mehrung der Sachsubstanz die Bejahung einer Eigentumsverletzung vom Eintritt bestimmter Einbußen, namentlich der Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeiten oder auch eines Wertverlustes der Sache abhängig zu machen? II.

Das Eigentum

umfaßt

über die Sachsubstanz

zu

das

Recht,

bestimmen

Gem. §903 B G B darf der Eigentümer jenseits gesetzlicher Beschränkungen und jenseits der Rechte Dritter grundsätzlich andere von jeder Einwirkung auf die Sache ausschließen. Eine Unterscheidung zwischen Einwirkungen, welche die Sache beschädigen oder zerstören und solchen, welche die Beschaffenheit der Sache auf andere Weise verändern, wird dabei nicht getroffen. Der Eigentümer genießt vielmehr - im Rahmen der genannten Schranken - die umfassende Herrschaftsmacht über die Sachsubstanz. Er besitzt hinsichtlich der Sachsubstanz „eine ausschließliche Zuständigkeit" 787 .

Vgl. dazu die Nachw. in Fußn. 161. Vgl. Boecken, Deliktsrechlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, S.99ff., 141 ff., 263 ff. 7 8 6 Vgl. zu beidem ausführlich Boecken, Deliktsrechlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, 1995, vor allem S. 118ff., 99ff., 141 ff. u. 281 ff., der selbst den reinen Nutzungsschutz bejaht, ihn jedoch unter Heranziehung des § 906 B G B begrenzt, siehe dazu bereits Fußn. 202. 7 8 7 So Wilhelm, SachenR., Rz 679. 784 785

Substanzveränderung

als

Eigentumsverletzung

281

Es ist nun aber nicht einsichtig, warum das Recht des Eigentümers, über die Sachsubstanz zu bestimmen und andere von jeder Einwirkung auszuschließen, nur bei einer Beschädigung oder Zerstörung im herkömmlichen Sinn beeinträchtigt sein soll, nicht aber bei einer sonstigen Substanzveränderung, die dem Willen des Eigentümers zuwiderläuft. Wenn zum Eigentum das Recht gehört, über beliebige Veränderungen der Sachsubstanz zu bestimmen, dann müßte erst ein Grund dafür gefunden werden, warum sich der deliktsrechtliche Eigentumsschutz auf Beschädigungen oder Zerstörungen beschränken sollte. §823 Abs. 1 BGB enthält für eine solche Beschränkung keinerlei Anhaltspunkte. 788 Hinter der herrschenden Meinung steckt vermutlich die Überlegung, daß bei einer Substanzmehrung dem Eigentümer nichts weggenommen, sondern etwas Zusätzliches gegeben werde und man eine solche Gabe kaum als Rechtsgutsbeeinträchtigung ansehen könne. 789 Die Vorstellung, die Substanzmehrung könne keine Beeinträchtigung der Sachintegrität sein, weil alles, was vorher da gewesen sei, auch hinterher noch bestehe, ignoriert jedoch, daß ein Plus an Masse für den Eigentümer keinesfalls stets eine Verbesserung seiner Sache darstellt. Das wird ohne weiteres deutlich in Fällen, in denen die Sache durch die Substanzmehrung einen Wert- oder wenigstens einen Tauglichkeitsverlust erleidet. Würde beispielsweise jemand einen fremden Pkw mit Beton ausgießen, so käme man wahrscheinlich kaum auf die Idee, eine Eigentumsverletzung mit der Begründung abzulehnen, daß ja zur Substanz des Wagens lediglich etwas hinzugefügt worden sei und somit eine Substanzbeeinträchtigung zu verneinen sei. Insofern ist es auch kein Zufall, daß Rechtsprechung und Lehre in Fällen der Verschmutzung oder Verunstaltung, in denen die Sache typischerweise einen Wertverlust erleidet, eher geneigt sind, eine Eigentumsverletzung zu bejahen. Aber selbst dann, wenn es zu keiner Wert- oder Gebrauchsminderung der betroffenen Sache kommt, liegt meines Erachtens in der gegen den Willen erfolgenden Substanzmehrung eine Eigentumsverletzung. Die absoluten Rechte und Rechtsgüter werden nicht um ihrer selbst willen geschützt. Ihr Schutz dient vielmehr dem Ziel, die ihren Rechtsinhabern durch diese Rechte eingeräumten Freiräume zu sichern. 790 Indem ihm die „Zuständigkeit" über die Sachsubstanz eingeräumt wird, genießt der Eigentümer die Freiheit, grundsätzlich nach seinem Belieben über die Gestaltung der Sache zu bestimmten. Er ist nicht etwa beschränkt darauf, mit der Sachsubstanz so zu verfahren, wie es ökonomisch sinnvoll wäre oder dem verkehrsüblichen Verhalten entsprechen würde. Umgekehrt bedeutet dies für Dritte, daß ihnen jede Art von Sachveränderung verboten ist. Ebensowenig wie der Eigentümer eines schrottreifen und deshalb wertlosen Autos schutzlos gestellt ist, wenn Dritte den Lack mit dem Schlüssel zerEnger aber das Strafrecht: § 3 0 3 StGB erfaßt nur Beschädigungen und Zerstörungen. Freund/Barthelmess, In diese Richtung deutet e t w a die oben zitierte Stellungnahme von vgl. Fußn. 766. 790 Vgl. dazu bereits oben Fußn. 287. 788

789

282

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

kratzen oder mit dem Fuß gegen den Wagen treten, hat der Liebhaber nostalgischen Wohnens eine Renovierung seines alten Hauses hinzunehmen. Für die Verwirklichung einer Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist im einen wie im anderen Fall unerheblich, ob eine Wert- oder Gebrauchsminderung eingetreten ist. Entscheidend ist allein, daß die Herrschaftsmacht des Eigentümers über die Sachsubstanz mißachtet wurde. Ebenso wie bei einer Zerstörung oder Beschädigung im herkömmlichen Sinne sind auch in den Fällen der Substanzmehrung Haftungsbegründung und Haftungsausfüllung zu trennen und darf deshalb nicht der Eintritt eines Vermögensschadens in Gestalt einer Wert- oder Gebrauchsminderung zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung erhoben werden. Weil also nach §903 BGB jenseits gesetzlicher Beschränkungen und jenseits der Rechte Dritter allein der Eigentümer darüber bestimmen darf, was mit der Sache geschieht, ist jede dem Willen des Eigentümers widersprechende Veränderung der Sachsubstanz eine Substanzverletzung und damit tauglicher Erfolg einer Eigentumsverletzung. 791 Es ist allein die Sache des Eigentümers, über eine Modifikation des Sachzustandes zu entscheiden, mag diese Modifikation einen Vermögensschaden mit sich bringen oder nicht. Dies gilt nicht nur hinsichtlich des „Ob", sondern auch hinsichtlich des „Wie". Der Eigentümer darf also nicht nur bestimmen, ob sein Material verarbeitet wird, sondern auch, von welcher Beschaffenheit die Zutaten sein sollen, mit denen das Material verbunden wird. Sind diese entgegen der Vorstellung des Eigentümers fehlerhaft oder erfolgt die Verarbeitung auf andere Weise als der Eigentümer dies möchte, so etwa dann, wenn Teile verschraubt anstatt verschweißt werden, dann wird das Eigentum am Material bereits mit der Verarbeitung beeinträchtigt, ohne daß es darauf ankommt, ob eine Beschädigung im herkömmlichen Sinne, eine Nutzungsbeeinträchtigung oder ein Wertverlust eintritt. Die Rechtsprechung hätte folglich in allen geschilderten Fällen, in denen die Materialsubstanz entgegen dem Willen des Eigentümers vermehrt bzw. als einfacher Bestandteil in eine andere Sache integriert wurde, den Eintritt eines das Materialeigentum beeinträchtigenden Verletzungserfolgs bejahen müssen. Das Grundstückseigentum wird durch die Bebauung mit einem unbrauchbaren Gebäude genauso beeinträchtigt wie das Eigentum an Rohren, an denen sich infolge Verwendung eines fehlerhaften Gewindeschneidemittels Rückstände bilden. Ob das Material dadurch unbrauchbar geworden ist oder nicht, ob es entwertet wurde oder nicht, spielt allein für die Schadensberechnung eine Rolle. 791 In diese Richtung auch Wilts, VersR 1967, 818, der zutreffend annimmt, daß bei der Vermischung fehlerfreien und fehlerhaften Materials das Eigentum an den Bestandteilen der Mischung beeinträchtigt werde bzw. daß, wenn die Mischung selbst fehlerfrei sei, das Eigentum an dieser Mischung durch deren unsachgemäße Einfügung in ein Bauwerk verletzt werde. Einschränkend verlangt Wilts dann aber doch eine „ w e r t m i n d e r n d e [Hervorhebung nur hier] Einwirkung auf die Sachsubstanz" als Voraussetzung der Eigentumsverletzung, vgl. dazu bereits Fußn. 767.

Substanzveränderung

als

283

Eigentumsverletzung

III. Die Herrschaftsmacht über die Sachsubstanz umfaßt auch das Recht, über deren sachenrechtliches Schicksal zu bestimmen Das bisher Gesagte gilt ebenso in Fällen, in denen durch den Verarbeitungsvorgang nach § § 9 4 6 f f . i.V.m. § § 9 3 f f . B G B ein Verlust des Eigentums am M a t e rial eintritt. D i e Transistoren-Entscheidung 7 9 2 verdient Zustimmung, soweit sie wenigstens im Ergebnis von der früheren Rechtsprechung abweicht, nach der in einer Verarbeitung, die zum U n t e r g a n g des E i g e n t u m s am Material führt und bei der das Material entgegen dem Willen des Eigentümers mit fehlerhaften Teilen oder auf unsachgemäße Weise mit anderen Sachen verbunden wurde, keine Eigentumsverletzung liegen soll. D e r gegen die K o n d e n s a t o r e n 7 9 3 - und die Transistoren-Entscheidung von manchen erhobene Vorwurf, es sei hier der E i gentumsschutz in den Bereich des Ersatzes reiner Vermögensschäden ausgedehnt worden 7 9 4 , ist haltlos: Ausgangspunkt der Begründung eines entsprechend weitreichenden E i g e n tumsschutzes m u ß auch hier wieder § 9 0 3 B G B sein, w o n a c h grundsätzlich der E i g e n t ü m e r H e r r über die Sache ist und andere von jeder E i n w i r k u n g ausschließen darf. Weil danach der E i g e n t ü m e r über die Sachsubstanz bestimmen darf, ist es allein seine Sache, zu befinden, o b diese Sachsubstanz eine Verarbeitung erfahren soll, die zum - gesetzlich bestimmten - Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit führen soll oder nicht. G e n a u s o wie der E i g e n t ü m e r bestimmen darf, o b die Sache beschädigt oder gar zerstört wird, ist grundsätzlich er allein befugt, über eine Veränderung der Sachsubstanz zu entscheiden, die einen U n tergang seines Eigentums nach § § 9 4 6 f f . i.V.m. § § 9 3 f f . B G B zur Folge hat. Dieses Verfügungsrecht des Eigentümers über die Sachsubstanz umfaßt genauso wie dessen Herrschaftsmacht über eine Beschädigung oder Zerstörung der Sache nicht nur das „ O b " , sondern auch das „ W i e " des U m g a n g s mit der Sache. W e r etwa als Betreiber eines Restaurants Lebensmittel z u m Verzehr bereitgestellt hat, dem kann von einem Brandstifter nicht entgegengehalten werden, er sei doch mit dem Untergang der verbrannten Lebensmittel einverstanden gewesen. D e r E i g e n t ü m e r darf als H e r r über die Sachsubstanz vielmehr auch über die A r t und Weise der Zerstörung seiner Sachen bestimmen, so daß auch dann eine Eigentumsverletzung vorliegt, w e n n die Substanz der Sache anders

beschä-

digt oder zerstört wird, als der E i g e n t ü m e r es vorgesehen hatte. Gleiches m u ß gelten, wenn die Sachsubstanz nicht beschädigt oder zerstört, sondern in eine andere Sache integriert wird. A u c h hier darf der E i g e n t ü m e r nicht nur entscheiden, ob die Sache so verarbeitet wird, daß ihre sachenrechtliche Selbständigkeit verloren geht, sondern auch wie diese Verarbeitung v o r sich gehen soll, mit welchen Stoffen, Zutaten, Teilen und auf welche Weise sein M a 792 793 794

Siehe BGH NJW 1998, 1942. Siehe B G H ZIP 1992, 485. Vgl. die Nachw. in Fußn. 23 u. Fußn. 768.

284

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am

Material

terial unselbständiger Teil einer anderen Sache werden soll. Genauso wie etwa der Eigentümer von Lebensmitteln bestimmen darf, daß diese gegessen und nicht verbrannt werden sollen, umfaßt das Eigentumsrecht auch die Entscheidung, mit welchen Stoffen welcher Qualität und auf welche Weise die einzelnen Zutaten zu welchen Speisen verarbeitet werden. Werden verdorbene Stoffe zugegeben, dann scheitert die Eigentumsverletzung genauso wenig wie beim Verbrennen der Lebensmittel daran, daß der Eigentümer überhaupt mit einem Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit einverstanden war.795 Folglich liegt in der fehlerhaften Verarbeitung fremder Materialien auch dann, wenn der Eigentümer grundsätzlich mit einem Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit einverstanden war, diese Einwilligung sich jedoch - wie regelmäßig - nur auf die fehlerfreie Verarbeitung bezog 796 , eine Eigentumsverletzung. Fehl geht deshalb der gegen die Kondensatoren-Entscheidung 797 erhobene Vorwurf, der unter Beschädigung mangelfreier Teile erfolgte Ausbau der fehlerhaften Kondensatoren sei freiwillig erfolgt, weswegen es an einer Eigentumsverletzung fehle. Es könne nicht sein, daß der Eintritt der Eigentumsverletzung vom Willen des betroffenen Eigentümers abhänge. 798 Die Verletzung des Eigentums an den für die Herstellung der Regler verwendeten Zutaten war bereits mit dem Einbau der Kondensatoren vollendet. Denn der Eigentümer der fehlerfreien Materialien wollte keinen Verlust deren sachenrechtlicher Selbständigkeit durch eine Verarbeitung unter Verwendung fehlerhafter Kondensatoren. 799 Im anschließenden Ausbau der Kondensatoren aus den mittlerweile sachenrechtlich unselbständigen Teilen der Regler lag lediglich eine Beseitigung der Folgen dieser Eigentumsverletzung. Die Transistoren-Entscheidung 800 ist allerdings insofern zu kritisieren, als sie zur Begründung einer Verletzung des Eigentums am Material auf die durch den Zusammenbau mit den fehlerhaften Transistoren bewirkte Entwertung der Ein795 Dies verkennt Plum, AcP 181 (1981), 109, wenn er annimmt, bei Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit des Materials könne der Materialeigentümer, sofern er selbst über sein Eigentum verfügt habe, indem er den Verarbeitungsvorgang und damit die kraft Gesetz eintretende Zuweisungsänderung veranlaßt habe, denkgesetzlich niemals eine Diminuierung seines Herrschaftsrechts erleiden. Die Verfügung des Eigentümers geht tatsächlich nur dahin, das Material mit fehlerfreien Zutaten zu verarbeiten. 796 Siehe dazu bereits oben Kapitel 1, B.I. 797 Siehe B G H ZIP 1992, 485. 798 Vgl. Hinsch, VersR 1992, 1056; Graf von Westpbalen, ZIP 1992, 533; Bremenkamp/Buyten, VersR 1998,1066f.; Schmidt-Salzer, LM § 823 B G B (Ac) Nr. 53, Bl. 2034; auch Brüggemeier/ Herbst, JZ 1992, 804 sprechen von einer „Selbstschädigung", die reiner Vermögensschaden sei; Kullmann, N J W 1992,2671, sieht darin, daß der B G H in der Kondensatoren-Entscheidung eine Eigentumsverletzung bejaht, obwohl der Schaden auf der eigenen Entscheidung des Regler-Herstellers beruhe, den Mangel zu beseitigen, eine „neue deliktsrechtliche Haftungsdimension". 799 Vgl. dazu, daß der Eigentümer die Verarbeitung hier in Unkenntnis der Fehlerhaftigkeit der Kondensatoren selbst vorgenommen hat, ausführlich sogleich unter Kapitel 4, B. 800 Siehe B G H N J W 1998, 1942.

Substanzveränderung als Eigentumsverletzung

285

zelteile abstellt. Wie bei der Beschädigung oder Zerstörung einer Sache ist auch hier die Frage der Entstehung eines ersatzfähigen Vermögensschadens von den Voraussetzungen der Eigentumsverletzung, die Haftungsbegründung von der Haftungsausfüllung zu trennen. D e r E i g e n t ü m e r m u ß sich einen seinem Willen widersprechenden Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit seiner M a t e rialien auch dann nicht gefallen lassen, wenn daraus brauchbare und wertvolle Sachen entstehen.

Kapitel 3

Stimmige Ergebnisse bei Anerkennung der Substanzveränderung als Eigentumsverletzung Wenn in Rechtsprechung und Lehre lediglich die Beschädigung und Zerstörung als Verletzung des Eigentums am Material weithin anerkannt sind, man in sonstigen Fällen fehlerhafter Verarbeitung dagegen eine Lösung über die Figur der Eigentumsverletzung durch Nutzungsbeeinträchtigung versucht, so ist dieser Lösungsansatz nicht nur zu kritisieren als Mißachtung der Herrschaft des Eigentümers über die Sachsubstanz. Eine solche Einordnung der fehlerhaften Verarbeitung bringt es vielmehr mit sich, daß die Eigentumsverletzung im Einzelfall davon abhängt, ob das Material seine sachenrechtliche Selbständigkeit verloren hat oder auch davon, ob ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat. Beides ist unangemessen und führt insbesondere in Fällen sukzessiver Herstellung zu Schwierigkeiten. Im folgenden soll dies näher ausgeführt und gezeigt werden, daß unstimmige Ergebnisse allein dann vermieden werden, wenn man in jeder unerwünschten Veränderung fremder Materialsubstanz eine Eigentumsverletzung sieht, die bereits mit der Substanzveränderung vollendet wird, so daß es auf eine anschließende Beschädigung oder Zerstörung des Materials nicht mehr ankommt.

A. Einheitliche Ergebnisse unabhängig vom sachenrechtlichen Schicksal des Materials Wie bereits ausgeführt, kann es eine Eigentumsverletzung ohne Eigentum nicht geben und ist deshalb die deliktsrechtliche Beurteilung der Eigentumsverletzung an die sachenrechtlichen Voraussetzungen des Eigentums gebunden. 8 0 1 Wenn der B G H dennoch in der Transistoren-Entscheidung einen ausdrücklichen Verzicht auf die sachenrechtliche Selbständigkeit des Materials als Voraussetzung der Eigentumsverletzung erklärte und auch in der Literatur immer wieder gefordert wird, eine Eigentumsverletzung selbst dann zu bejahen, wenn das fehlerhaft verarbeitete Material bei Eintritt des Verletzungserfolgs bereits in ei-

801

Vgl. oben Kapitel 1, D.

Stimmigkeit

der

Ergebnisse

287

ner anderen Sache aufgegangen ist 802 , so läßt sich dies damit erklären, daß es wie ebenfalls bereits dargelegt 803 - als ungerecht empfunden wird, wenn die Eigentumsverletzung vom sachenrechtlichen Schicksal des Materials abhängt. Tatsächlich müssen Rechtsprechung und herrschende Lehre auf der Grundlage ihres verengten Begriffs der Substanzverletzung zu solchen unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, die sich dann nurmehr durch einen - inakzeptablen Verzicht auf den Fortbestand des Eigentums als Voraussetzung der Eigentumsverletzung korrigieren lassen: D e n n lehnt man die Eigentumsverletzung durch bloße Substanzmehrung ab und unterwirft man gleichzeitig den eigentumsrechtlichen Schutz gegen bloße Nutzungsbeeinträchtigungen engeren Grenzen als den Eigentumsschutz gegen Beschädigung und Zerstörung 8 0 4 , so entscheidet immer dann, wenn wegen dieser engeren Grenzen eine Eigentumsverletzung durch Nutzungsbeeinträchtigung zu verneinen ist, das sachenrechtliche Schicksal des Materials darüber, ob überhaupt eine Eigentumsverletzung in Betracht kommt, die dann eben nur Beschädigung oder Zerstörung sein kann. Als Beispiele sollen der Hebebühnen-Fall 8 0 5 und der Schlacke-Fall 8 0 6 dem Achsaggregat-Fall 8 0 7 gegenübergestellt werden. Zur Erinnerung: Im Hebebühnen-Fall sah der B G H im Zusammenbau der Einzelteile wegen des Verlusts deren sachenrechtlicher Selbständigkeit keine Verletzung des Eigentums an diesen Teilen. 808 D i e Möglichkeit einer Eigentumsverletzung durch bloße Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeit, welche bereits die einzelnen Teile als Verarbeitungsgegenstand betroffen hätte und nicht erst die Hebebühne als Verarbeitungsergebnis, ließ der B G H dabei unerwähnt. 8 0 9 Dies mag daran liegen, daß der Senat im Zusammenbau der H e bebühne gerade die „ihrer Bestimmung gemäße" Verwendung der Einzelteile verwirklicht sah und vielleicht deshalb eine Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung für ausgeschlossen hielt 810 . O b sich auf diese Weise die Eigentumsverletzung durch bloße Verwendungsbeeinträchtigung vernünftig begrenzen läßt, soll hier dahinstehen. Teilt man jedoch diese Einschätzung und folgt man der herrschenden Meinung - entgegen der hier vertretenen A n sicht - darin, daß eine Substanzveränderung grundsätzlich nur dann eine Eigentumsverletzung darstellt, wenn es sich um eine Beschädigung oder Zerstörung im herkömmlichen Sinne handelt, dann scheidet eine Verletzung des Eigentums

802 803 804 805 806 807 808 809 810

Vgl. oben Kapitel 1,.A.II.2. u. B.II. Siehe Kapitel 1, B.II. So die ganz herrschende Ansicht, vgl. bereits Fußn. 784. Siehe B G H N J W 1983, 812. Siehe B G H N J W 2001, 1346. Siehe B G H VersR 1971, 639. Vgl. Kapitel 1, A . I . l . Siehe bereits Fußn. 728. Siehe B G H N J W 1983, 812 (813).

288

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

an den Einzelteilen der Hebebühne aus, weil und soweit diese sachenrechtlich in der neu entstandenen Hebebühne aufgegangen sind. Die anschließende fehlerbedingte Verformung und Ausfräsung einzelner Teile der Hebebühne, die ohne weiteres eine Beschädigung im herkömmlichen Sinne darstellt, betrifft als möglicher Erfolg einer Eigentumsverletzung nurmehr die Hebebühne als neu entstandene Sache. Es kann eben nur Materialeigentum, das fortbesteht, beschädigt werden. Entsprechendes gilt im Schlacke-Fall hinsichtlich der Baumaterialien, aus denen Gebäude hergestellt wurden, die später infolge Ausdehnung der fehlerhaften Schlacke im Baugrund Risse und Verformungen aufwiesen. Auch hier hatte der B G H mit Rücksicht auf den einbaubedingten Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit Zweifel, ob eine Verletzung des Eigentums an den Baumaterialien eingetreten war. 811 Ebensowenig wie im Hebebühnen-Fall ging das Gericht auf die Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung durch bloße Verwendungsbeeinträchtigung ein, vielleicht deshalb, weil es die Verletzung des Materialeigentums letztlich dahinstehen ließ. 812 N i m m t man wiederum an, daß erstens die Schwelle einer Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung verfehlt wurde und zweitens die Substanzbeeinträchtigung eine Beschädigung oder Zerstörung im herkömmlichen Sinne voraussetzt, so scheitert die Verletzung des Eigentums genauso wie im Hebebühnen-Fall am Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit des Materials. Denn die Gebäuderisse und -Verformungen betrafen die Baumaterialien nicht mehr als selbständige Sachen. Zur Bejahung einer Eigentumsverletzung gelangt man dagegen - und gelangte der B G H ja auch tatsächlich 813 - im Achsaggregat-Fall. Geht man hier davon aus, daß der Pritschensattelaufleger trotz Einbaus des Achsaggregats sachenrechtlich fortbestand, so läßt sich in den späteren einbaubedingten Rissen und Brüchen an den Längsträgern der Erfolg einer Verletzung des Eigentums am Aufleger sehen. Im Gegensatz zu den Einzelteilen der Hebebühne existierte der Pritschensattelaufleger bei Eintritt der Beschädigung nach wie vor als eigenständige Sache. Anders als im Hebebühnen- und im Schlacke-Fall kommt man hier also auch dann zu einer Eigentumsverletzung hinsichtlich des Materials ^ P r i t schensattelaufleger), wenn man die durch den unsachgemäßen Einbau des Achsaggregats eingetretene Nutzungsbeeinträchtigung für nicht tatbestandsmäßig hält. Nimmt man hingegen Abschied vom herrschenden, zu Unrecht verengten Begriff der Substanzbeeinträchtigung, so wird diese sachlich kaum zu rechtfertigende unterschiedliche Lösung der geschilderten Fälle problemlos vermieden Siehe oben Kapitel 1, A.I.4. Vgl. dazu bereits Kapitel 1, A.II.4. u. Kapitel 2, B.II. Zweifelhaft war schon, ob die Materialien überhaupt den Voreigentümern des Grundstücks gehört hatten, die ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten hatten. Das soll im folgenden unterstellt werden. 813 Siehe BGH VersR 1971, 639. 811

812

Stimmigkeit

der

Ergebnisse

289

und zwar auch dann, wenn man nicht bereit ist, den sachenrechtlichen Eigentumsbegriff preiszugeben. Es gilt das folgende: Werden fehlerfreie Materialien entgegen dem Willen ihres Eigentümers mit fehlerhaften Zutaten zu einer neuen Gesamtsache zusammengefügt oder werden fehlerfreie Materialien unter Verlust ihrer sachenrechtlichen Selbständigkeit in eine fehlerhafte Sache integriert, so wird die Verletzung des an den fehlerfreien Materialien bestehenden Eigentums bereits mit dem Verarbeitungsvorgang vollendet. Entgegen der herrschenden Ansicht liegt in der Hinzufügung fehlerhafter Zutaten zur Substanz der zunächst sachenrechtlich selbständigen fehlerfreien Teile eine Mißachtung der Herrschaftsmacht des Eigentümers über die Substanz dieser Teile. Der Einwand, es sei vor dem Zeitpunkt der Beschädigung ein Verlust der sachenrechtlichen Selbständigkeit eingetreten, geht mithin ins Leere. 814 Im Hebebühnenund im Schlacke-Fall wurde demnach ebenso wie im Achsaggregat-Fall die Verletzung des Materialeigentums bereits mit der Substanzmehrung, also dem Zusammen- bzw. Einbau des Materials vollendet. Ob die fehlerhafte Verarbeitung anschließend zur Beschädigung der Endsache führt oder nicht, ist auf die bereits vollendete Verletzung des Eigentums an den fehlerfreien Materialien ohne Einfluß. Eine Beschädigung der neuen Sache gewinnt als möglicher Erfolg einer Eigentumsverletzung lediglich in anderer Hinsicht Bedeutung und damit schließt sich der Kreis zum ersten Teil dieser Arbeit: Während über die Frage der Verletzung des Eigentums am Material bereits mit Vollendung des Verarbeitungsvorgangs entschieden ist, wirft eine anschließende Substanzverschlechterung des Verarbeitungsproduktes die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen in der Selbstbeschädigung der durch Verarbeitung hergestellten fehlerhaften Sache eine Verletzung des Eigentums an dieser Sache liegt.

B. Keine Privilegierung des Verletzers bei Eigentümerwechsel nach der Verarbeitung von Bar hat gegen die Verneinung einer Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen eingewendet, sie müsse falsch sein, weil der bloße Umstand des Eigentümerwechsels nicht zu einer haftungsrechtlichen Privilegierung des Täters führen könne. 815 Dahinter steckt die Überlegung, daß bei Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache die Haftung gegenüber deren Erwerber nicht verneint werden dürfe, wenn man bei Unterbleiben der Veräußerung eine Eigen814 Treffend bereits Wilts, VersR 1967, 818: „Geht man [...] davon aus, daß die Verletzung des Eigentums an den beweglichen Sachen bereits in dem Vermischungs- oder Verbindungsvorgang liegt, so vermag die nachfolgende Neubegründung des Eigentums an der vorhandenen Eigentumsverletzung nichts mehr zu ändern." Zu Unrecht verlangt Wilts allerdings eine Wertminderung als Voraussetzung der Eigentumsverletzung, vgl. bereits Fußn. 767 u. 791. 815 Vgl. von Bar, Probleme der Haftpflicht, 1992, S.22f.

290

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

tumsverletzung gegenüber dem ursprünglichen Eigentümer bejaht hätte, die nun mangels Fortbestand von dessen Eigentum abgelehnt werden muß. Denn damit würde der Schädiger durch bloßen Eigentümerwechsel der Haftung entgehen. Im ersten Teil dieser Arbeit wurde die Möglichkeit einer Eigentumsverletzung bei Selbstbeschädigung oder -Zerstörung einer fehlerhaften Sache zwar weder abgelehnt noch den Beschränkungen der „Stoffgleichheits"-Lehre unterworfen. Dennoch ist entgegen der Forderung von Bars auch nach der hier vertretenen Ansicht in den Weiterfresser-Fällen keinesfalls regelmäßig oder auch nur prinzipiell eine Eigentumsverletzung zu bejahen. Ausgehend von dem Grundsatz, daß das Eigentum an der fehlerhaften Sache nicht durch Herstellung oder Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache verletzt werden kann, kommt eine Verletzung des Eigentums nur unter besonderen Voraussetzungen in Betracht: Die anschließende Selbstverschlechterung muß auf dem Verstoß gegen eine Verkehrspflicht zur Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung beruhen. Folgt man nun dem von der herrschenden Meinung befürworteten verengten Begriff der Substanzverletzung und sieht man - wiederum im Einklang mit der herrschenden Meinung - in der bloßen Nutzungsbeeinträchtigung nur unter einschränkenden Voraussetzungen eine Eigentumsverletzung, so wird tatsächlich, auch bei Zugrundelegung der hier vertretenen Qualifikation der Weiterfresser-Fälle als Fallgruppe der Instruktionshaftung, eine Verletzung des Eigentums am Material unter Umständen durch Veräußerung „beseitigt": Dies in Fällen, in denen erstens das fehlerhaft verarbeitete Material sachenrechtlich selbständig geblieben ist, in denen zweitens die fehlerhafte Verarbeitung nicht die Schwelle einer Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung des Materials erreicht hat, in denen sich drittens die verarbeitete Sache nach der Verarbeitung fehlerbedingt selbst beschädigt und in denen schließlich viertens diese Verschlechterung der fehlerhaften Sache nicht auf der Verletzung einer Warnpflicht beruht. Zur Illustration ein Beispiel: A baut in die Maschine des B ein fehlerhaftes Teil ein, mit der Folge, daß bestimmte andere - geringwertige und leicht austauschbare - Teile der Maschine übermäßig beansprucht und infolgedessen beschädigt werden. Ist jedoch die dadurch eingetretene Entwertung der Maschine immer noch wesentlich geringer als die Kosten für ein Auswechseln des schwer zugänglichen fehlerhaften Teiles, dann könnte eine Warnung den C, der die - bereits mit dem fehlerhaften Teil ausgestattete - Maschine erworben hat, wahrscheinlich nicht veranlassen, deren Selbstbeschädigung zu stoppen. Denn es wäre wirtschaftlich unvernünftig, das fehlerhafte Teil zu ersetzen. Eine Warnpflicht besteht also nicht und folglich auch keine Haftung des A gegenüber C wegen Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Maschine. Verneint man nun entsprechend der herrschenden Meinung eine Verletzung des ursprünglichen Eigentums des B mit der Begründung, daß eine

Stimmigkeit

der

Ergebnisse

291

Beschädigung der Maschine im herkömmlichen Sinne erst stattgefunden habe, nachdem B die Maschine an C veräußert habe und daß in der fehlerhaften Reparatur auch keine Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung gelegen habe, dann entgeht A nur deshalb dem Vorwurf der Eigentumsverletzung, weil die Maschine den Eigentümer gewechselt hat: B hat keine Eigentumsverletzung erlitten, da er nicht mehr Eigentümer der Maschine war, als die fehlerfreien Teile beschädigt wurden. Das Eigentum des C an der fehlerhaften Maschine ist ebenfalls nicht verletzt worden, da er die Substanzverschlechterung der fehlerhaften Maschine auch bei erfolgter Warnung nicht verhindert hätte. Hätte B dagegen die Maschine behalten, so könnte man annehmen, daß A durch den Einbau des fehlerhaften Teils in die fehlerfreie Maschine des B deren Selbstbeschädigung und damit eine Verletzung des Eigentums des B herbeigeführt habe. Der Schädiger wird also durch den Eigentümerwechsel privilegiert. Diese unterschiedliche Beurteilung der Haftung gegenüber dem Materialeigentümer, hier gegenüber B, je nachdem, ob die fehlerhafte Sache vor ihrer Selbstbeschädigung veräußert wird oder nicht, bietet keinen Anlaß, die für die Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache im ersten Teil dieser Arbeit gefundene Lösung zu korrigieren. Verantwortlich für dieses inakzeptable Ergebnis einer Privilegierung des Schädigers durch Eigentümerwechsel ist allein die unzutreffende Beurteilung der Verletzung des Eigentums am Material, hier der Maschine als Gegenstand der fehlerhaften Reparatur. Die vermeintliche Haftungsbefreiung durch Veräußerung entfällt ohne weiteres, wenn man anerkennt, daß A bereits mit dem Einbau des fehlerhaften Teils in die Maschine des B, mit dieser dem Willen des B widersprechenden Veränderung der Substanz der Maschine, eine Verletzung des Eigentums an der Maschine vollendet hat. Daß B die Maschine anschließend veräußert, vermag diese Eigentumsverletzung nicht mehr zu beseitigen, auch wenn B dadurch eine weitere Verschlechterung seiner Sache erspart bleibt. Die nach Vollendung der Verletzung des Eigentums des B erfolgende Veräußerung kann sich allenfalls auf die Höhe des Schadens auswirken, der B aus der Eigentumsverletzung erwächst. Daß dieses Ergebnis allein sachgerecht ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß die fehlerhafte Sache eben nicht erst nach ihrer Selbstbeschädigung, sondern bereits nach Vollendung der Verarbeitung - hier: der Reparatur - eine andere war als zuvor und daß B, der selbstverständlich eine sachgemäße Behandlung seiner Maschine wollte, mit dieser Substanzveränderung nicht einverstanden war. Auch wenn also mangels Warnpflicht des A eine Verletzung des Eigentums des C an der fehlerhaften Sache verneint werden muß, so ändert dies doch nichts daran, daß A aus der Verletzung des Eigentums von B haftbar bleibt. Der Eigentümerwechsel läßt die Haftung hier ebensowenig entfallen wie etwa die Veräußerung eines Unfallwagens, der bei einem Unfall im herkömmlichen Sinne beschädigt wurde.

292

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

C. Bewältigung

am

Material

der Fälle einer sukzessiven

Verarbeitung

In der Literatur wird von manchen der Fall einer über einen längeren Zeitraum erfolgenden schrittweisen Errichtung eines Bauwerkes oder Herstellung einer Sache für problematisch gehalten. Es soll hier schwierig sein zu bestimmen, wann das teilweise errichtete Werk, die noch unfertige Sache, Eigentumsschutz genießt und zum Gegenstand einer Eigentumsverletzung wird. So führt Mertens816 aus, zwischen den Fällen, in denen sich ein Mangel allein als Defizit des herzustellenden Werks darstelle und solchen Sachverhalten, in denen die Beschädigung einer bereits vorhandenen unversehrten Teilsache durch eine mangelhafte Werkleistung ohne weiteres als Eigentumsverletzung angesehen werden könne, liege eine Skala von Fällen, bei denen sich die Frage stelle, von welchem Augenblick an der Teil eines in schrittweiser Errichtung befindlichen Werks bereits als solcher deliktsrechtlichen Eigentumsschutz genieße. Soweit sich in diesem Zusammenhang Probleme aus der These ergeben, bei Erfüllung eines Werkvertrages sei wegen Einwilligung des Bestellers eine rechtswidrige Eigentumsverletzung durch den Unternehmer erst ab Abnahme möglich, kann auf oben verwiesen werden. 817 Der Verzicht auf deliktsrechtlichen Schutz gegenüber dem Vertragspartner ist reine Fiktion. Eine rechtswidrige Eigentumsverletzung kann bereits vor der Abnahme verwirklicht werden. Auch im übrigen lassen sich in den Fällen sukzessiver Herstellung die Voraussetzungen der Eigentumsverletzung ohne größere Schwierigkeiten bestimmen, wenn man den in der vorliegenden Arbeit entwickelten Grundsätzen folgt und insbesondere anerkennt, daß in jeder dem Willen des Eigentümers zuwiderlaufenden Substanzveränderung eine Eigentumsverletzung liegt: Zunächst ist zu beachten, daß das Eigentumsrecht allein an die Sachqualität anknüpft und nicht danach differenziert, ob eine Sache üblicherweise noch weiter verarbeitet wird oder nicht, ob sie also ein Vorprodukt oder ein Endprodukt darstellt. Keinesfalls kommt es deshalb, wie Mertenssls annehmen möchte, darauf an, ob einem Werkteil bereits eine gewisse Abgeschlossenheit und Eigenfunktion zukommt und ob selbständige wirtschaftliche Verwertbarkeit zu bejahen ist. Jede Sache ist vielmehr solange mögliches Objekt einer Eigentumsverletzung, wie sie ihre sachenrechtliche Selbständigkeit bewahrt hat. Zur Feststellung, welche Eigentumsverletzung verwirklicht wurde, muß der Herstellungsvorgang in seine einzelnen Schritte zerlegt und geprüft werden, welche Sachen zu welchem Zeitpunkt als potentielle Objekte einer Eigentumsverletzung existierten und wem sie gehörten. Bei der weiteren Prüfung kommt der Grundsatz zum Tragen, daß jede dem 8 1 6 Vgl. MünchKommJMertens, § 823 Rz. 104, Schwierigkeiten sehen ferner Staud./J. §823 Rz. B 109; Schlechtriem ZfBR 1992, 102. 8 1 7 Vgl. die Nachw. in Fußn. 705. 8 1 8 Vgl. MünchKommJ Mertens, §823 Rz. 104.

Hager,

Stimmigkeit

der

Ergebnisse

293

Sachgestaltungswillen des Eigentümers widersprechende Mehrung der Materialsubstanz Eigentumsverletzung ist. D e n n dies bedeutet, daß es für den Tatbestand der Eigentumsverletzung am Ausgangsmaterial keine Rolle spielt, welches weitere Schicksal das Zwischen- oder Endprodukt genommen hat, ebenso wie es für die Eigentumsverletzung hinsichtlich eines Zwischenproduktes unerheblich ist, was aus der Endsache wurde. Zu berücksichtigen ist schließlich, daß die Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache das Eigentum an dieser Sache nur dann verletzt, wenn sie auf der Verletzung einer Instruktionspflicht beruht. Daraus ergibt sich nämlich umgekehrt, daß die Verletzung des Eigentums an einem fehlerhaften Zwischen- oder Endprodukt, welches sich selbst beschädigt, unabhängig vom sachenrechtlichen Schicksal der Ausgangsmaterialien bestimmt wird, mag nun das Eigentum an diesen Ausgangsmaterialien verletzt worden sein oder nicht. D a ß sich auf diese Weise auch komplexere Sachverhalte einer sukzessiven Herstellung in die einzelnen Verletzungsvorgänge auffächern lassen, sei mit dem folgenden Beispiel demonstriert: Aus den Materialien A und B wird unter Beigabe der fehlerhaften Sache C gem. § 950 B G B die neue Sache D hergestellt. In diese Sache D wird E eingebaut und anschließend aus D und F wiederum nach § 950 B G B die neue Sache G geschaffen. Unterstellt man hier, der Hersteller H C habe sein Produkt C in Verkehr gebracht, obwohl er hätte erkennen können, daß dieses einen Konstruktions- oder Fabrikationsfehler aufwies, so hat H C die folgenden Eigentumsverletzungen begangen: Eine Verletzung des Eigentums an A und B, vollendet mit deren Verarbeitung zu D . Eine Verletzung des Eigentums an E, vollendet mit dem Einbau von E in D sowie an F, vollendet mit der Herstellung von G . Das Eigentum an der Endsache G kann dagegen nicht bereits durch die Inverkehrgabe von C verletzt worden sein, da diese Handlung notwendige Bedingung der Entstehung von G war. Das Eigentum an G kann nur durch die unterlassene Warnung vor der fehlerbedingten Selbstbeschädigung von G verletzt worden sein. Insofern haben wird es also mit der im ersten Teil dieser Arbeit ausführlich erörterten Weiterfresserproblematik zu tun. Wandelt man nun den Fall dahin ab, daß eine Herstellung von D unter Verwendung der fehlerhaften Sache C erst erfolgt, nachdem aus A, B und X entsprechend dem Willen der Eigentümer von A, B und X nach § 947 oder 948 B G B das Vorprodukt Y als neue Sache hergestelllt wurde, so fehlt es an einer Verletzung des Eigentums an A, B und X . Diese existierten nicht mehr als sachenrechtlich selbständige Sachen, als die Verarbeitung mit C erfolgte. Es ist aber das nach §§ 947, 948 B G B von den Eigentümern der Sachen A, B und X erworbene Miteigentum bzw. das vom Eigentümer der Hauptsache erlangte Alleineigentum an Y verletzt worden durch die unter Verwendung von C erfolgende Verarbeitung zu D . Was die Verletzung des Eigentums an E, F und G anbelangt, so ändert sich nichts gegenüber dem Ausgangsbeispiel.

Kapitel 4

Die Bestimmung der Verletzungshandlung Die bisherigen Ausführungen zur Verletzung des Eigentums am Material durch dessen fehlerhafte Verarbeitung haben sich ganz auf die Probleme der Bestimmung des Verletzungserfolgs konzentriert. Demgegenüber wirft die Verlety.ungsbandlung keine vergleichbar schwierigen Probleme auf:

A. Geltung der allgemeinen

Grundsätze

Bei der Bestimmung der Verletzungshandlung gemäß der Verkehrspflichtenlehre, in der ein taugliches Konzept zur Bestimmung der rechtswidrigen Verletzungshandlung im Sinne des §823 A b s . l BGB liegt 819 , gelten die gleichen Grundsätze wie auch sonst jenseits der Fälle fehlerhafter Verarbeitung von Material. Als Verkehrspflichtverletzung, die zur Substanzveränderung fremden Materials führt, kommt danach zunächst die Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung in Betracht, wie sie vor allem im Rahmen eines Werkvertrages erfolgen kann: Der Unternehmer verarbeitet die Materialien des Bestellers auf unsachgemäße Weise oder er fügt ihnen Zutaten hinzu, die er fehlerhaft gefertigt hat oder deren Fehlerhaftigkeit bzw. mangelnde Eignung er bei Anstrengung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt erkennen könnte. Eine solche verkehrspflichtwidrige Vornahme der Verarbeitung fremden Materials lag beispielsweise im Achsaggregat-Fall 820 vor. Zur Erinnerung: Im Rahmen eines Reparaturauftrags brachte der Unternehmer auf unsachgemäße Weise ein Doppelachsaggregat am Pritschensattelaufleger des Bestellers an. Häufig mißlingt die Verarbeitung allerdings nicht deshalb, weil derjenige, der sie vornimmt, unfachmännisch arbeitet, sondern weil Zutaten verwendet werden, die ein anderer konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaft produziert bzw. unter unzureichenden Hinweisen über ihre Verarbeitungstauglichkeit in Verkehr gebracht hat. Es stellt sich dann die Frage, ob der Produzent der fehlerhaften oder untauglichen Zutat eine Eigentumsverletzung begangen hat. Anders als bei der im ersten Teil dieser Arbeit behandelten Frage einer Verletzung des 819 820

Siehe die ausführliche Begründung oben Teil 1, Kapitel 3, D. Siehe B G H VersR 1971, 639.

Die Bestimmung der

295

Verletzungshandlung

Eigentums am P r o d u k t der Verarbeitung, am Verarbeitungsresultat, das sich selbst beschädigt oder zerstört, scheidet hinsichtlich der Verletzung des E i g e n tums am Material die Inverkehrgabe fehlerhafter oder untauglicher Zutaten nicht als mögliche Verletzungshandlung aus. D e n n Herstellung und Inverkehrgabe der Teile und Stoffe, die mit dem Material zusammengefügt werden, sind nur notwendige Bedingungen der Entstehung des Verarbeitungsproduktes, der fehlerhaften Sache, nicht aber des Materials. Das Material existiert vielmehr schon vor der fehlerhaften Verarbeitung; es ist Gegenstand dieser Verarbeitung und nicht deren Ergebnis. D e s h a l b gilt: E b e n s o w e n i g wie der Hersteller fehlerhafte P r o d u k t e fertigen und in V e r k e h r bringen darf, die fremde Rechtsgüter zu beschädigen oder zu zerstören drohen, sind ihm P r o d u k t i o n und Inverkehrgabe fehlerhafter Zutaten erlaubt, welche die G e f a h r bergen, eine Eigentumsverletzung in Gestalt einer unerwünschten Substanzmehrung fremden Materials zu verursachen.

B. Eigentumsverletzung auch bei Eigenvornahme der Verarbeitung durch den Materialeigentümer In den Fällen der Verwendung unerkannt fehlerhafter oder unbrauchbarer Zutaten wird die Verarbeitung nicht selten v o m Materialeigentümer selbst vorgenommen.

I. Die Rechtsprechung fordert keine Fremdvornahme

der

Verarbeitung

D e r B G H sieht in der E i g e n v o r n a h m e der Verarbeitung offenbar keinen H i n derungsgrund für die A n n a h m e einer durch den Hersteller der fehlerhaften Z u taten begangenen Eigentumsverletzung. In mehreren Entscheidungen, namentlich im K o n d e n s a t o r e n 8 2 1 - und im Transistoren-Urteil 8 2 2 bejahte er eine Verletzung des Eigentums am Material, o b w o h l der Materialeigentümer in U n k e n n t nis der wahren Beschaffenheit der fehlerhaften Zutaten die Verarbeitung selbst durchführte. 8 2 3

Siehe B G H ZIP 1992, 485 (Kondensatoren). Siehe B G H NJW 1998, 1942 (Transistoren). 823 Siehe B G H VersR 1988,52 (Weinkorken I); B G H N J W 1990,908 (Weinkorken II); Nichtannahmebeschluß B G H NJW-RR 1992, 283 (Küchenmöbel); B G H NJW 1994, 517 (Gewindeschneidemittel I); B G H NJW-RR 1995, 342 (Gewindeschneidemittel II); B G H N J W 1996,2507 (Chefbüro). 821

822

296

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

II. Nach Foerste liegt bei Eigenvornahme ein unbeachtlicher Motivirrtum vor Die Rechtsprechung des BGH erscheint insofern folgerichtig, als sich die Fälle der Produzentenhaftung typischerweise dadurch auszeichnen, daß der Geschädigte - oder einer der Geschädigten - die unmittelbar schadensauslösende Handlung in Unkenntnis des Produktfehlers selbst vornimmt: Es wird etwa der fehlerhafte und deshalb unfallträchtige Pkw vom Käufer in Gang gesetzt, die explosionsgefährdete Mineralwasserflasche aus dem Kasten genommen usw. Daß dabei eine „Selbstschädigung" vorliegt, kann angesichts der Ahnungslosigkeit des Geschädigten den Hersteller selbstverständlich nicht vom Vorwurf der Eigentumsverletzung oder Gesundheitsbeschädigung befreien. Dennoch ist die Rechtsprechung des BGH in den Verarbeitungs-Fällen auf Kritik gestoßen. Nach einer vor allem von Foerste824 vertretenen Ansicht soll der Produzent der fehlerhaften Zutaten keine Eigentumsverletzung begangen haben, wenn die Verarbeitung vom Materialeigentümer selbst vorgenommen wurde, jedoch keine Beschädigung oder Zerstörung sachenrechtlich selbständig gebliebenen Materials eingetreten ist. Wo der Eigentümer sein Material bei einem Verarbeitungsvorgang bewußt „opfert" im Vertrauen auf die Eignung sonstiger Substanzen, da hält Foerste einen bloßen unbeachtlichen Motivirrtum (Kalkulationsirrtum) über die Rentabilität der Aufwendung des Materials für gegeben. Der Motivirrtum sei zwar möglicherweise vom Hersteller fahrlässig erregt oder unterhalten worden. Eine Haftung für die Verursachung einer freiwilligen und vorsätzlichen Selbstverletzung komme jedoch nicht in Betracht, da dies jenseits des Schutzzwecks der Pflicht läge, fremdes Eigentum zu achten. Denn damit würde für die Richtigkeit der Kalkulation, d.h. für reine Vermögensschäden gehaftet. Eine solche Haftung müßte zudem, so Foerste weiter, auf jede sinnlose Investition ausgedehnt werden. Entsprechend behandelt werden müßte etwa die falsche Auskunft durch einen Anlageberater, wenn sie jemanden dazu bringe, seine Goldmünzensammlung zu verkaufen und den Erlös zu inve824 Vgl. Produkthaftungshandbuch \lfoerste, §21 Rz. 14, 86ff.; ders., NJW 1994,911, Besprechung der ersten Gewindeschneidemittel-Entscheidung BGH NJW 1994, 517; EWiR 1996, 788, Kurzkommentar zum Chefbüro-Urteil BGH NJW 1996,2507; NJW 1998,2877f., Besprechung der Transistoren-Entscheidung BGH NJW 1998,1942; JZ 1999,1046f., Anmerkung zu Franzen, JZ 1999,702ff.; zustimmend Bremenkamp/Buyten,VersR 1998,1068; ähnlich auch Brüggemeier, JZ 1999, 100, wenn er gegen das Vorliegen einer Eigentumsverletzung durch Gebrauchsbeeinträchtigung im Transistoren-Fall anmerkt, die fehlerfreien Bestandteile hätten durch die Verarbeitung planmäßig ihre funktionelle Selbständigkeit verloren, wobei sich die Eigentümerin selbst alternativer Nutzungsmöglichkeiten begeben habe. Deshalb sei für eine tatbestandsmäßige Gebrauchsbeeinträchtigung durch Dritte kein Raum; ähnlich auch MünchKommJMertens, §823 Rz. 102, der die Lotsand-Entscheidung, BGH NJW 1978, 1051, mit der Überlegung billigt, daß dann, wenn der Eigentümer die Putzarbeiten gestattet habe, in der Aufbringung des fehlerhaften Putzes keine über den gestatteten Eingriff hinausreichende Substanzverletzung oder Beeinträchtigung der Benutzbarkeit liege; Franzen, JZ 1999, 704f., kritisch dagegen ders.,JZ 1999, 1047.

Die Bestimmung

der

Verletzungshandlung

297

stieren, und er anschließend alles verliere. Gleiches hätte zu gelten für den Fall, daß die Aussicht auf Qualitätswaren einen Unternehmer dazu veranlasse, eine Fabrikwand zu beseitigen, um solche Maschinen unterbringen zu können 8 2 5 . Dies laufe auf eine Haftung für falsche Auskünfte hinaus, die nicht mit § 6 7 6 B G B (a.F.) 826 zu vereinbaren sei. Nach Foerste

ist deshalb eine Eigentumsverletzung im Transistoren-Fall ge-

nauso zu verneinen 827 wie etwa dann, wenn jemand seinen guten Wein mit verdorbenem verschneidet, Fleisch mit sandigem Pfeffer würzt, Apfelmus mit toxischen Konservierungsmitteln, Beton mit schlechtem Stahl oder Klinker mit schlechtem Zement verarbeitet. 828

III. Wer unerkannt-fehlerhafte Zutaten verarbeitet, ist (auch) darüber im Irrtum, wie er die Materialsubstanz verändert Foerstes Argumentation vermag kaum zu überzeugen. Wenn er behauptet, in der Verwendung von Zutaten, deren Beschaffenheit verkannt wird, liege ein bloßer unbeachtlicher Motivirrtum, so übersieht er, daß der Materialeigentümer sich in einem solchen Fall nicht nur hinsichtlich der Vermögensfolgen irrt, welche die Verarbeitung der Sache mit sich bringt. D a ß eine Zutat im Sinne der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung fehlerhaft ist, bedeutet, daß sie eine Beschaffenheit aufweist, die der Erwartung der maßgeblichen Verkehrskreise widerspricht. 8 2 9 Erkennt jemand diesen Fehler nicht, so irrt er sich nicht (nur) in Bezug auf einen möglichen Gewinn, der sich aus der Zutat erwirtschaften läßt, sondern (auch) hinsichtlich deren Beschaffenheit. Für die Verarbeitung unerkannt fehlerhafter Teile mit eigenem fehlerfreien Material bedeutet dieser Irrtum, daß der Verarbeitende eine unzutreffende Vorstellung davon hat, was mit seinem fehlerfreien Materials passiert. E r irrt sich nicht erst hinsichtlich der Vermögensfolgen der veränderten Materialsubstanz, sondern er ist sich schon im Unklaren darüber, daß der Substanz seines Materials eine Sache von fehlerhafter Beschaffenheit hinzugefügt wird, daß die Substanz seines Materials um die Substanz einer fehlerhaften Zutat erweitert wird. Ein Irrtum besteht also bereits insofern, als der Verarbeitende nicht weiß, welcher Veränderung genau er die Materialsubstanz tatsächlich unterzieht. Entgegen Foerste wird der Produzent folglich nicht für einen reinen Vermögensschaden verantwortlich gemacht, sondern für eine Eigentumsverletzung, nämlich

825 826 827 828 829

Vgl. insb. Foerste, N J W 1998, 2877. Die Regelung entspricht weitgehend §675 Abs. 2 BGB(n.E). Vgl. Foerste, N J W 1998, 2877f.; ders., J Z 1999, 1046. Vgl. Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz. 14. Siehe zum Fehlerbegriff oben Teill, Kapitel 3, B. III.

298

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

für seinen Beitrag dazu, daß die Sache ein anderes Schicksal nimmt, als es dem Willen des Eigentümers entspricht. 8 3 0 Anders als Foerste annimmt, kann die Verarbeitung von Material mit unerkannt fehlerhaften Zutaten sehr wohl unterschieden werden von der bloßen Fehlinvestition, bei welcher der Eigentümer in Erwartung eines bestimmten Vermögensvorteils, aber ohne Irrtum darüber, was mit der Sachsubstanz bzw. seiner Eigentümerposition geschieht, die Sache bewußt zerstört, beschädigt, verändert oder weggibt. 831 Derjenige, der seine Goldmünzensammlung verkauft, weil er auf steigende Aktienkurse spekuliert, der weiß ganz genau, daß und auf welche Weise er das Eigentum am Gold verliert. Und derjenige, der in der Aussicht einer Lieferung hochwertiger Ware, eine Fabrikwand beseitigt, ist sich voll und ganz darüber im klaren, was er der Sachsubstanz auf welche Weise antut. Auch wenn die Entscheidung zur Aufgabe des Eigentums bzw. zur Verschlechterung der Sachsubstanz in einem solchen Fall veranlaßt wurde durch eine unzutreffende Rentabilitätserwartung, so ist darin in der Tat nicht ohne weiteres eine Eigentumsverletzung zu sehen. 832 Denn der Eigentümer hat dann über die Sache bzw. die Sachsubstanz in vollem Bewußtsein dessen verfügt, was mit der Sache bzw. dem Eigentum geschieht. Gerade dies unterscheidet ihn vom Materialeigentümer, der ahnungslos seinen guten Wein mit schlechtem mischt oder seine guten Klinker mit schlechtem Zement verbindet. Fälle eines bloßen Irrtums hinsichtlich der Rentabilität einer bestimmten Verfügung über die Sache oder die Sachsubstanz können allerdings durchaus die Verarbeitung von Material zum Gegenstand haben. So etwa dann, wenn jemand guten Wein bewußt mit schlechtem mischt, weil er den Marktpreis für den daraus gewonnenen Verschnitt überschätzt, wenn jemand seine Rohre willentlich mit einem billigen Gewindeschneidemittel bearbeitet, das schwer lösbare Rückstände hinterläßt, weil er die Kosten für die dann notwendigen Spülungen zu niedrig ansetzt, wenn jemand hochwertige Edelsteine mit fabrikmäßig hergestellten Schmuckfassungen versieht, weil er zu Unrecht annimmt, sie seien dann mit einer größeren Gewinnspanne abzusetzen usw.

8 3 0 Im Ergebnis zutreffend erwidert Kulimann, N J W 1999, 97 auf die Kritik Foerstes, der B G H lasse nicht für sinnlose Investitionen haften, vielmehr sei entscheidend, „ob erworbene Sachen bei ihrer Verbindung mit eigenen Sachen negative Auswirkungen auf letztere haben", wobei Kulimann allerdings verkennt, daß es sich bei den Fällen der Verarbeitung fehlerhaften Materials um Fälle der Substanzbeeinträchtigung handelt. 831 Eine klare Trennung beider Fallgruppen läßt auch Staud./J. Hager, §823 Rz. B 87 vermissen, der allerdings im Gegensatz zu Foerste jeweils eine Eigentumsverletzung bejahen möchte. 832 Ebenso Larenz/Canaris, SchuldR. II/2, §76 II 3f; Stoll, J Z 1988, 153, in einer Anmerkung zur Nierenspenden-Entscheidung B G H JZ 1988,150; vgl. aber Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 87, der darauf hinweist, daß in den sog. Herausforderungs-Fällen, in denen jemand durch einen anderen zur bewußten Selbstschädigung herausgefordert wird, so etwa die Mutter der verletzten Tochter zur Spende einer Niere, der Tatbestand des § 823 Abs. 1 B G B als erfüllt angesehen wird, obwohl der Rechts(guts)träger genau weiß, was er tut.

Die Bestimmung

der

Verletzungshandlung

299

Dabei ist Foerste zuzugeben, daß der bloße (irrelevante) Irrtum über die Vermögensfolgen eines bestimmten Verarbeitungsvorgangs einerseits und die erhebliche Fehlvorstellung über die Beschaffenheit der Zutaten, mit denen eigenes Material verbunden wird, andererseits, zuweilen recht nah beieinander liegen. Dies hängt damit zusammen, daß die Bezeichnung einer Sache im Verkehr, an die sich die für das Vorliegen eines Produktfehlers entscheidende Verkehrserwartung knüpft, meist nicht oder jedenfalls nicht genau die Beschaffenheit der Sache wiedergibt. Entsprechend unpräzise ist regelmäßig die Vorstellung und ggf. auch die Fehlvorstellung, welche im Verkehr über die Eigenschaften einer Sache herrscht. Wer seine Klinker mit unerkannt fehlerhaftem Zement verarbeitet, hat sich vielleicht noch nie Gedanken darüber gemacht, woraus fehlerfreier Zement besteht und welche Eigenschaften ihm genau zukommen müssen, damit er seine Funktion erfüllt. Dennoch läßt sich sagen: Wem ein Produktfehler verborgen bleibt, der irrt sich (auch) in dem, was nach der Verkehrsauffassung für die Beschaffenheit des Produktes wesentlich ist. Das gilt selbst dann, wenn die Vorstellung von der Fehlerfreiheit ohne Detailkenntnisse der Chemie, Physik oder des Maschinenbaus gebildet wurde. Wird aber die Beschaffenheit einer Zutat verkannt, dann liegt notwendig ein Irrtum darüber vor, welche Veränderung das Material durch das Hinzufügen dieser Zutat erlangt. Ließe man den Materialeigentümer die Beschaffenheit des erstrebten Verarbeitungsresultats beschreiben, so ergäbe sich eine Abweichung von der aktuellen Beschaffenheit der gefertigten Endsache. Anders als beabsichtigt sind die Weinflaschen mit undichten Korken verschlossen, die Möbel mit untauglichem Lack beschichtet, die Rohre durch schwer lösliche Rückstände verschmutzt, die Reglerteile mit nicht funktionierenden Kondensatoren verbunden, die Steuergeräte mit untauglichen Transistoren ausgestattet usw. Schon der bloße Irrtum über die Fehlerfreiheit einer Zutat ist deshalb auch dann, wenn ihm keine konkrete Fehlvorstellung über deren materielle Zusammensetzung zugrunde liegt, ausreichend für die Annahme, der Materialeigentümer habe nicht gewußt, welcher Veränderung er die Materialsubstanz unterwerfen würde. Bei der Verbindung unerkannt fehlerhaften Zements mit fehlerfreien Klinkern etwa ist eine Verletzung des Eigentums an den Klinkern also selbst dann anzunehmen, wenn deren Eigentümer nicht wußte, woraus fehlerfreier Zement besteht. Foerstes Befürchtung, über die Annahme einer Eigentumsverletzung bei Verarbeitung unerkannt fehlerhafter mit eigenen fehlerfreien Zutaten müsse man letztlich zu einer Auskunftshaftung für reine Vermögensschäden gelangen, ist deshalb unbegründet. Es bleibt vielmehr dabei, daß die Verletzung des Eigentums am fehlerhaft verarbeiteten Material ebenso wie bei einer Sachbeschädigung, an welcher der ahnungslose Eigentümer - etwa als Benutzer eines gefährlichen Produktes - mitwirkt, nur bejaht wird, weil und soweit die Sachsubstanz entgegen dem Willen des Eigentümers verändert wird.

Kapitel 5

Die Schadensberechnung In den vorhergehenden Kapiteln wurde geklärt, daß derjenige, der durch Verkehrspflichtverletzung die fehlerhafte Verarbeitung fremden Materials verursacht, eine Eigentumsverletzung begeht, die bereits mit der Verarbeitung als solcher vollendet wird, ohne daß es noch auf eine anschließende Beschädigung oder Zerstörung des verarbeiteten Materials ankäme. Nun soll gezeigt werden, wie in diesen Fällen der aus § 823 Abs. 1 BGB ersatzfähige Schaden zu ermitteln ist. A.

Grundsätzliches

Für die Berechnung des ersatzfähigen Schadens ist von der Differenzhypothese auszugehen und ein Vergleich der tatsächlichen Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenssituation des Geschädigten bei Ausbleiben der Eigentumsverletzung vorzunehmen. 833 Der Geschädigte ist also so zu stellen, wie er stehen würde, wenn die Verletzung seines Eigentums am Material unterblieben wäre. Dabei sei nochmals daran erinnert, daß die Eigentumsverletzung bereits mit der fehlerhaften Verarbeitung, d.h. mit der Hinzufügung fehlerhafter Zutaten oder der unsachgemäßen Erweiterung der Materialsubstanz durch fehlerfreie Zutaten vollendet wird. Ein Gesamtvermögensvergleich ist notwendig, weil nur so der ersatzfähige Schaden ohne weiteres durch Vermögensnachteile geschmälert wird, die der Geschädigte bei Ausbleiben der Eigentumsverletzung hätte in Kauf nehmen müssen, um so dazustehen, wie er nun tatsächlich dasteht.834 Hätte etwa der Geschädigte sich bei Hinwegdenken der Verarbeitung der fehlerhaft gelieferten Zutaten aus anderen Quellen mit (fehlerfreien) Teilen der gelieferten Art eingedeckt, dann stehen den tatsächlich erlittenen Einbußen hypothetische Aufwendungen gegenüber, die der Geschädigte für eine solche alternative Beschaffung hätte erbringen müssen und die deshalb sein hypothetisches Vermögen belasten würden. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese

833 834

Vgl. d a z u bereits oben Teil 1, Kapitel 4, B.I. Vgl. d a z u oben Teil 1, Kapitel 4, B.II.

Die

Schadensberechnung

301

hypothetischen Kosten den ersatzfähigen Schaden nicht prinzipiell mindern sollten. Wie bereits ausgeführt 8 3 5 , liegt die Verkehrspflichtverletzung je nachdem, ob der Schädiger selbst verarbeitete oder aber fehlerhafte Teile in Verkehr brachte, in der Vornahme der Verarbeitung oder in der vorausgehenden Inverkehrgabe der fehlerhaften Teile. Fragt man nun nach dem hypothetischen Geschehensverlauf, so ist zu bedenken, daß der Schädiger - jedenfalls deliktsrechtlich - nicht gezwungen war, die Verkehrspflichtverletzung durch sachgemäße Vornahme des Verarbeitungsvorgangs bzw. durch Inverkehrgabe fehlerfreier Teile zu vermeiden. D i e Verletzung des Eigentums am Material hätte er vielmehr auch schon dadurch verhindern können und dürfen, daß er die Verarbeitung unterlassen bzw. von der Inverkehrgabe der später mit fremdem Material verarbeiteten fehlerhaften Teile Abstand genommen hätte. Mithin darf für die hypothetische Vermögenslage des Geschädigten nicht unterstellt werden, daß ihm v o m Schädiger ein einwandfreies Werk verschafft worden wäre oder der Schädiger mangelfreie Teile in Verkehr gebracht hätte. 8 3 6 A n z u n e h m e n ist vielmehr lediglich, daß der Schädiger die Verletzungshandlung schlicht unterlassen hätte. Ausgehend von diesem hypothetischen Geschehensverlauf sind dann aber grundsätzlich alle E i n b u ß e n zu ersetzen, die sich gegenüber der hypothetischen Vermögenslage des Geschädigten bei unterstelltem Ausbleiben der Eigentumsverletzung ergeben. K a n n also etwa angenommen werden, daß der Geschädigte die für die Verarbeitung benötigten Zutaten bei einem Konkurrenten des Schädigers bezogen und auf diese Weise aus seinem Material ein einwandfreies Verarbeitungsprodukt erzeugt hätte, so gehört zum ersatzfähigen Schaden auch ein Minderwert des Verarbeitungsproduktes oder ein Nutzungsausfall. E b e n s o wird ein entgangener G e w i n n kompensiert, der sich daraus ergibt, daß die hergestellte Sache nicht so einsatzfähig ist, wie sie es gewesen wäre, wenn die Verletzung des Eigentums am Material ausgeblieben und es zu dessen einwandfreier Verarbeitung g e k o m m e n wäre. Bei der Schadensberechnung ist schließlich zu bedenken - wie bereits hinsichtlich der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache ausgeführt 8 3 7 - , daß solche Einbußen ohne Ersatz bleiben, die zwar bei H i n w e g denken der Verletzungshandlung

ausgeblieben wären, die der Geschädigte aber

bei b l o ß e m Nichteintritt des V e r l e t z u n g s e r f o l g s ebenso erlitten hätte. D e n n eine Verletzungshandlung im Sinne des § 8 2 3 A b s . l B G B ist nicht um ihrer selbst willen verboten, sondern allein zur Vermeidung von Beeinträchtigungen der dort genannten Rechte bzw. Rechtsgüter und der daraus resultierenden Schäden.

835 836 837

Siehe Kapitel 4, A. So aber Freund/Barthelmess, N J W 1975, 286f. Siehe oben Teill, Kapitel 4, B.IV.

302

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

I m folgenden sollen diese Grundsätze zur B e r e c h n u n g des nach § 823 Abs. 1 B G B ersatzfähigen Schadens im einzelnen vertieft und anhand v o n Beispielen aus der jüngeren Rechtsprechung veranschaulicht werden. D a b e i wird vor allem zu zeigen sein, daß die A n e r k e n n u n g der unerwünschten Substanzmehrung als Eigentumsverletzung nicht dazu führt, daß der Geschädigte über den deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch so gestellt wird, wie er stehen würde, w e n n die Verarbeitung fehlerfrei

erfolgt wäre. Aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B werden

vielmehr nur die Schadensfolgen der Eigentumsverletzung ersetzt. Diese sind mit dem - möglicherweise vertragsrechtlich geschützten Interesse - an einer fehlerfreien

Verarbeitung nicht deckungsgleich.

B. Kein Ersatz der Erwerbskosten

der fehlerhaften

Zutat

I. Keine Kausalität des Verletzungserfolgs für die Erwerbskosten der fehlerhaften Zutat H a t der Geschädigte die fehlerhafte Zutat, mit der sein Material z u s a m m e n gefügt wurde, vor der Verarbeitung gekauft, per W e r k - , Werklieferungsvertrag oder sonst gegen Entgelt erworben, so ist mit R ü c k s i c h t darauf, daß nur E i n b u ßen ersetzt werden, die auf dem Verletzungserfolg beruhen, bei der B e s t i m mung der hypothetischen Vermögenslage folgendes zu beachten: W ä r e die fehlerhafte Verarbeitung unterblieben, so hätte der Geschädigte, der die fehlerhafte Zutat entgeltlich erworben hat, eine fehlerfreie Verarbeitung seines Materials nur erreicht, w e n n er fehlerfreie Zutaten beschafft hätte, die er dann selbstverständlich hätte bezahlen müssen. D i e Belastung des hypothetischen Vermögens mit den K o s t e n für eine solche Ersatzeindeckung darf nun nicht etwa saldiert werden mit dem tatsächlich für die fehlerhaften Zutaten bezahlten Entgelt. Vielm e h r gehört die Belastung des aktuellen Vermögens mit den K o s t e n der fehlerhaften Zutaten, die bei mittlerweile vollendeter Verjährung der kauf- oder werkvertraglichen Gewährleistungsrechte nicht (mehr) durch ein durchsetzbares G e g e n r e c h t ausgeglichen wird, zu den allein auf der V e r l e t z u n g s h a n d l u n g beruhenden E i n b u ß e n . Z w a r wird sich in der Tat häufig annehmen lassen, daß der Geschädigte die Einrede des nichterfüllten Vertrages erhoben und die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zurückgehalten hätte, wenn der Schädiger die Inverkehrgabe der fehlerhaften Zutaten - und damit die Verletzungshandlung der Eigentumsveretzung - einfach unterlassen hätte. Ahnliches gilt, w e n n der Geschädigte sich nicht beim Schädiger/Hersteller direkt, sondern bei einer Zwischenperson eingedeckt hat. W ä r e die Lieferung der fehlerhaften Zutat durch den Schädiger unterblieben, so hätte die Zwischenperson ihren mit dem Geschädigten geschlossenen Vertrag entweder mit anderen - und so darf unterstellt werden - einwandfreien Zutaten erfüllt oder ihre Leistung verweigert,

Die

Schadensberechnung

303

worauf der Geschädigte auch hier zumindest mit dem Zurückhalten der Gegenleistung reagiert hätte. Die Belastung allein des aktuellen Vermögens mit den Kosten der fehlerhaften Zutaten beruht jedoch nicht auf dem Verl etzungserfolg, der unerwünschten Substanzveränderung des Materials des Geschädigten, sondern allein auf der Verletzungshandlung. Das wird deutlich, wenn man sich vorstellt, daß zwar eine Lieferung der fehlerhaften Zutaten an den Geschädigten erfolgt wäre, diese jedoch eingelagert worden wären und die Verarbeitung mit dem Material des Geschädigten unterblieben wäre. Auch dann wären die fehlerhaften Teile bezahlt worden und hätte die Verjährung der vertraglichen Gewährleistungsrechte ihren Lauf genommen. U m zu vermeiden, daß solche lediglich auf der Verletzungshandlung beruhende Einbußen zum ersatzfähigen Schaden gerechnet werden, ist das isolierte Ausbleiben des Verletzungserfolgs zu unterstellen. 838 Es findet sich dann auch das hypothetische Vermögen des Geschädigten mit den Kosten der fehlerhaften Zutaten belastet. Damit zeigt sich deutlich: Ebensowenig wie bei der Eigentumsverletzung hinsichtlich der fehlerhaft hergestellten Sache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigt, gehört bei der Verletzung des Eigentums am Material, das mit fehlerhaften Zutaten verarbeitet wurde, die per Kauf-, Werklieferungs- oder Werkvertrag erworben wurden, das Interesse an einer der vertraglich versprochenen Gegenleistung äquivalenten Leistung zum deliktsrechtlich ersatzfähigen Schaden. Weil das hypothetische Vermögen des Geschädigten sowohl mit den Kosten der fehlerhaften Zutaten als auch mit den Kosten der Ersatzbeschaffung fehlerfreier Zutaten belastet wäre, bleibt der vom BGH in den WeiterfresserFällen so genannte 839 anfängliche Mangelunwert als Zurückbleiben der fehlerhaften Zutat hinter der vertraglich geschuldeten Soll-Beschaffenheit ohne Ersatz.

II. Ein Beispiel: Die

Gewindeschneidemittel-Fälle

Zur Veranschaulichung der vorstehend dargelegten Grundsätze soll der folgende, den beiden Gewindeschneidemittel-Entscheidungen 840 zugrunde liegende Sachverhalt dienen: Der Geschädigte hatte beim Händler ein fehlerhaftes Gewindeschneidemittel bezogen und seine Rohre damit bearbeitet. An den Rohren setzten sich schwer lösliche Rückstände ab. 841 Der Geschädigte verlangte

Siehe dazu bereits oben Teil 1, Kapitel 4, B.IV. Siehe B G H N J W 1983, 810 (811) (Gaszug). 840 Siehe B G H N J W 1994,517 (Gewindeschneidemittel I); B G H N J W - R R 1995,342 ( G e w i n deschneidemittel II). 841 Im zweiten Gewindeschneidemittel-Fall, vgl. B G H N J W - R R 1995, 342, hatten sich die Rückstände durch die Spülung der Rohre nicht völlig beseitigen lassen. Da sich der Entscheidung 838

839

304

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

v o m I m p o r t e u r des Schneidemittels die K o s t e n der Reinigungsmaßnahmen ersetzt. Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - Kaufpreis des fehlerhaften Gewindeschneidemittels - Arbeitskosten des Schneidens und der Installation der Rohre - Kosten der Reinigungsmaßnahmen Vermögenswerte: + einwandfreie Wasserleitungen Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - Kaufpreis des fehlerhaften Gewindeschneidemittels - Arbeitskosten des Schneidens und der Installation der Rohre - Kaufpreis eines fehlerfreien Gewindeschneidemittels Vermögenswerte: + einwandfreie Wasserleitungen Ersatzfähiger Schaden (= Differenz aus beiden Vermögenslagen): Kosten der Reinigungsmaßnahmen abzüglich des Kaufpreises eines fehlerfreien Gewindeschneidemittels. Z u r Erläuterung: W ä r e die Lieferung des fehlerhaften Gewindeschneidemittels unterblieben, dann hätte der Geschädigte sich anderweitig eindecken müssen. E r hätte dann zwar vermutlich die Bezahlung des fehlerhaften G e w i n d e schneidemittels gegenüber dem Verkäufer verweigert. Weil jedoch die - bei Verjährung der Gewährleistungsrechte endgültige - Kaufpreiszahlung nicht auf dem Verletzungser/o/g beruht, der Kaufpreis vielmehr auch dann bezahlt w o r den wäre, w e n n der Geschädigte das gelieferte Gewindeschneidemittel einfach nicht benutzt hätte, finden sich die K o s t e n für die fehlerhafte Zutat ebenso im hypothetischem V e r m ö g e n wieder. Folglich k ö n n e n die tatsächlichen K o s t e n für die fehlerhafte Zutat die hypothetischen K o s t e n der Ersatzbeschaffung nicht ausgleichen. Diese mindern vielmehr den ersatzfähigen Schaden. D a s kaufvertragliche

Interesse

an

einem

mangelfreien

Gewindeschneidemittel

bleibt also auch hier wieder ohne Ersatz. V o n dem als Schaden geltend gemachten Reinigungsaufwand hätten korrekterweise die K o s t e n der Ersatzeindekkung mit einem einwandfreien Schneidemittel abgezogen werden müssen. W e n n dennoch keine der beiden Entscheidungen des B G H Anhaltspunkte für einen solchen A b z u g enthält, mag dies daran liegen, daß die K o s t e n eines einwandfreien Gewindeschneidemittels im Verhältnis zu den vier- 8 4 2 bzw. fünfstelligen 8 4 3 Reinigungskosten als vernachlässigenswert gering erschienen.

des B G H nicht entnehmen läßt, welcher Schaden daraus noch drohte, soll dieser Umstand im folgenden außer Betracht bleiben. 8 4 2 Siehe B G H N J W 1994, 517 (Gewindeschneidemittel I). 8 4 3 Siehe B G H N J W - R R 1995, 342 (Gewindeschneidemittel II).

Die

Schadensberechnung

305

Parallel zu diesem Beispiel muß auch in allen anderen Fällen vorgegangen werden, in denen der Geschädigte fehlerhafte Zutaten erwirbt und verarbeitet und dadurch eine Verletzung des Eigentums an seinen Materialien eintritt. Entsprechend hätte der B G H bzw. das Berufungsgericht, an das zurückverwiesen wurde, etwa in den beiden Weinkorken-Fällen 844 und im Chefbüro-Fall 845 verfahren müssen. 846 Das hypothetische Vermögen und folglich der ersatzfähige Schaden wäre jeweils um die Kosten der Beschaffung fehlerfreier Zutaten, also dichter Korken bzw. einwandfreien Möbellacks, vermindert. Der Anspruch aus § 823 Abs. 1 B G B korrigiert eben nicht die enttäuschte Erwartung auf Empfang der vertraglich versprochenen Leistung.

C. Kein Ersatz der Kosten der Vornahme der fehlerhaften

Verarbeitung

In den Gewindeschneidemittel-Fällen brachte der Verarbeitungsvorgang, wenn man von den schwer löslichen Rückständen einmal absieht, durchaus den gewünschten Erfolg: Aus den Rohren wurden Wasserleitungen. Häufig liegt der Fall dagegen so, daß der mit der Verarbeitung bezweckte Erfolg durch die fehlerhafte Zutat überhaupt vereitelt wird: Es sind etwa die unter Einbau fehlerhafter Kondensatoren oder Transistoren hergestellten Regler bzw. Steuergeräte unbrauchbar. Hier stellt sich die Frage, ob zu dem aus der Verletzung des Eigentums am Material resultierenden Schaden auch die Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung gehören. So mag der Geschädigte etwa verpflichtet sein, Arbeiter oder Angestellte seines Betriebs für die Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung zu entlohnen. Oder er hat die fehlerhafte Verarbeitung gar nicht selbst vorgenommen, sondern im Rahmen eines Werkvertrages vom Schädiger oder einem Dritten ausführen lassen und dafür den vereinbarten Werklohn bezahlt.

844 Siehe B G H VersR 1988, 52 (Weinkorken I) u. B G H N J W 1990, 908 (Weinkorken II): Die Revision führte jeweils zur Aufhebung und Zurückverweisung, ohne daß der B G H Ausführungen zur Schadensberechnung machte. 845 Siehe B G H N J W 1996, 2507: Auch hier führte die Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung, ohne daß der B G H auf die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens näher einging; keinen Anlaß zu Ausführungen über die Schadensberechnung bot der erste Möbellack-Fall B G H N J W - R R 1992, 283 (Küchenmöbel), da hier die Haftung der beklagten Lackherstellerin wegen fehlender Verkehrspflichtverletzung im Ergebnis verneint wurde. 846 Vgl. auch sogleich unter C . I I I . 1. zur Kondensatoren-Entscheidung B G H ZIP 1992, 485 und unter D.II, zum Transistoren-Urteil B G H N J W 1998, 1942.

306

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

I. Keine Kausalität des Verletzungserfolgs der Vornahme der fehlerhaften

für die Kosten Verarbeitung

Bei unbefangener Anwendung der conditio-sine-qua-non-¥orme\ könnte man auf die Idee kommen, auch die Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung, etwa die im Betrieb des Geschädigten entstandenen Lohnkosten, für einen Folgeschaden der Substanzveränderung des Materials und damit der Eigentumsverletzung zu halten. War die Erweiterung der Materialsubstanz als Verletzungserfolg notwendige Folge der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung, dann kann man sich diese Rechtsgutsbeeinträchtigung nicht hinwegdenken, ohne gleichzeitig zu unterstellen, daß auch die Verarbeitungshandlung unterblieben wäre. Wäre aber die Verarbeitungshandlung unterlassen worden, dann hätte der Geschädigte in der Tat die Kosten für die Vornahme dieser Handlung erspart. Weil es also tatsächlich unvorstellbar ist, daß die Eigentumsverletzung ausgeblieben wäre, ohne daß zugleich auch die Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung unterlassen worden wäre, könnte man geneigt sein, auch die Folgen der Verarbeitungshandlung für Folgen der Eigentumsverletzung zu halten. Denkt man mit der Eigentumsverletzung die damit notwendig verbundene Verarbeitungshandlung hinweg, so entfallen selbstverständlich sämtliche Folgen der Verarbeitungshandlung. Dennoch werden die Kosten für die Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung nicht durch die Verletzung des Eigentums am Material verursacht. Daraus daß ein Umstand A, hier: die Verarbeitungshandlung, sowohl kausal ist für die Folge B, hier: den Verletzungserfolg der Eigentumsverletzung, als auch für die Folge C, hier: die Bezahlung der Arbeiter oder Angestellten, läßt sich nämlich nicht schließen, daß auch B für C kausal ist, daß also die Eigentumsverletzung die Belastung des Vermögens des Geschädigten mit den Lohnkosten verursacht hat. Vielmehr ist denkbar, daß B und C über die gemeinsame Ursache A lediglich in der Weise verbunden sind, daß, wenn sich B ereignet, immer auch C eintritt, ohne daß jedoch B eine Ursache von C ist. Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: Das Thermometer auf dem Balkon zeigt unter Null Grad. Das Wasser in der dort abgestellten Flasche gefriert. Auch hier kann man sich das Fallen des Thermometers nicht hinwegdenken, ohne sich gleichzeitig den Kälteeinbruch als ungeschehen vorzustellen, was dann notwendig auch das Gefrieren des Wassers entfallen läßt. Umgekehrt gilt dasselbe. Stellt man sich vor, das Wasser wäre nicht zu Eis geworden, so setzt dies voraus, daß das Wetter freundlicher geblieben wäre. Selbstverständlich hätte sich dann auch die Quecksilbersäule nicht nach unten bewegt. Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, daß das Fallen der Temperaturanzeige die Eisschicht in der Flasche verursacht habe oder umgekehrt. Wie aber kann man bei der Anwendung der conditio-sine-qua-non-YormtA Umstände, die ein bestimmtes Geschehen bloß implizieren, von den kausalen

Die

Schadensberechnung

307

Bedingungen scheiden? Dies ist möglich, indem man den Umstand, dessen Kausalität in Frage steht, isoliert hinwegdenkt und zwar auch dann isoliert hinwegdenkt, wenn ein solcher Geschehensverlauf tatsächlich ausgeschlossen ist, weil der fragliche Umstand in Wirklichkeit die zwingende Folge bestimmter anderer Handlungen oder Ereignisse ist. Um festzustellen, ob die Veränderung der Temperaturanzeige kausal ist für die Eisschicht in der Flasche, darf man sich also bei Anwendung der conditio-sine-qua-non-Yormel nur das Fallen des Thermometers hinwegdenken, nicht auch den Kälteeinbruch als dessen Voraussetzung. Daß die Bewegung der Quecksilbersäule tatsächlich nicht hätte ausbleiben können, ohne daß zuvor der Kälteeinbruch entfallen wäre, hat also außer Betracht zu bleiben. Hätte aber das Thermometer trotz fallender Temperaturen einen unveränderten Wert angezeigt, so wäre das Wasser in der Flasche dennoch zu Eis geworden. Umgekehrt hätte sich die Anzeige des Thermometers auch dann nach unten bewegt, wenn man sich allein das Gefrieren des Wassers in der Flasche hinwegdenkt, nicht aber den dieses bedingenden Kälteeinbruch. Damit hat sich gezeigt, daß weder die Bewegung der Quecksilbersäule für die Eisschicht in der Flasche noch umgekehrt das Gefrieren des Wassers für die veränderte Temperaturanzeige kausal ist. Genau dasselbe gilt hinsichtlich der Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung im Verhältnis zur Verletzung des Eigentums am verarbeiteten Material. Denkt man sich die Substanzveränderung der Materialien des Geschädigten isoliert hinweg, unterstellt man also, es wäre trotz Vornahme der Verarbeitungshandlung kein Verletzungserfolg eingetreten, obwohl dieser tatsächlich nur bei Unterlassen der ihn bedingenden Verarbeitungshandlung hätte ausbleiben können, so wären auch nach diesem hypothetischen Geschehensverlauf Lohnkosten für die Vornahme der Verarbeitung angefallen. Damit gelangt man zu dem Ergebnis: Die Lohnkosten sind nicht durch die Substanzveränderung der Materialien verursacht worden und deshalb nicht nach § 823 Abs. 1 BGB ersatzfähig. II. Insbesondere: Kein Ersatz des für die fehlerhafte Verarbeitung bezahlten Werklohns Oben 847 wurde bereits ausführlich dargelegt, daß dann, wenn der Geschädigte die fehlerhafte Zutat im Rahmen eines entgeltlichen Vertrages erworben hat, das vertragliche Interesse an der Erlangung einer der versprochenen Gegenleistung äquivalenten Leistung nicht aus §823 Abs. 1 BGB ersetzt wird. Weil die ganz oder teilweise frustrierte Aufwendung der Gegenleistung nicht auf dem Verletzungserfolg, der Rechtsgutsbeeinträchtigung, beruht, fehlt es insoweit an der haftungsausfüllenden Kausalität. 847

Vgl. oben B.

308

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Hat der Geschädigte die fehlerhafte Verarbeitung durch den Schädiger oder einen Dritten im Rahmen eines Werkvertrages ausführen lassen, so gelangt man hinsichtlich des Werklohns zum selben Ergebnis. Der Grund dafür ist soeben dargetan worden: Die Kosten der Vornahme der Verarbeitungshandlung beruhen nicht auf der Verletzung des Eigentums an den fehlerhaft verarbeiteten Materialien. Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn für die Verarbeitung kein Arbeits-, sondern Werklohn bezahlt werden muß. Hier wie dort ist bei A n w e n dung der conditio-sine-qua-non-Formel ein isoliertes Hinwegdenken der Rechtsgutsbeeinträchtigung notwendig, weil andernfalls Umstände als füreinander kausal erfaßt werden, die lediglich durch eine gemeinsame Ursache miteinander verbunden sind und die deshalb notwendig entfallen, wenn man sich auch diese gemeinsame Ursache als ungeschehen vorstellt. Denkt man sich aber die Substanzveränderung der verarbeiteten Materialien isoliert hinweg, so wäre der Werklohn als A u f w a n d für die Vornahme der Verarbeitungshandlung ebenso angefallen. Der Werklohn ist also keine durch die Verletzung des Eigentums am Material des Geschädigten verursachte Einbuße und kann deshalb nicht nach § 823 Abs. 1 BGB ersetzt werden. Damit zeigt sich auch in diesen Fällen, in denen die fehlerhafte Verarbeitung im Rahmen eines Werkvertrags erfolgt und das Werk hinter dem Vertragssoll zurückbleibt: Die enttäuschte Vertragserwartung, für die versprochene Gegenleistung - hier: den Werklohn - eine äquivalente Leistung zu erhalten - hier: eine fehlerfreie Verarbeitung des Materials - , wird über den Schadensersatzanspruch nach §823 Abs. 1 BGB nicht ausgeglichen.

III.

Beispiele

Es soll nun anhand des Kondensatoren- und des Achsaggregat-Falles illustriert werden, wie die Schadensberechnung konkret aussieht, wenn man die Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung nicht für ersatzfähig hält.

1. Der

Kondensatoren-Fall

Zur Erinnerung: Im Kondensatoren-Fall 8 4 8 hatte die Herstellerin/Verkäuferin fehlerhafte Kondensatoren geliefert, die von der Käuferin in Regler eingebaut wurden, die daraufhin Funktionsstörungen aufwiesen. Die Käuferin ersetzte die Kondensatoren durch solche eines anderen Herstellers. Beim Ausbau der fehlerhaften Kondensatoren aus den Reglern wurden andere Teile der Regler beschädigt. Diese mußten ersetzt werden. Die Käuferin machte gegen die Herstellerin der fehlerhaften Kondensatoren aufrechnungsweise einen Schadensersatzanspruch geltend. Vertragliche Ansprüche waren verjährt. 848

Siehe BGH ZIP 1992, 485 (489).

Die Schadensberechnung

309

Im Ergebnis völlig zutreffend zählte der B G H zum nach § 823 Abs. 1 B G B ersatzfähigen Schaden allein den Sachschaden, der durch den Ausbau der fehlerhaften Kondensatoren an den bisher mangelfreien Teilen der Regler entstanden war sowie die anteiligen Lohnkosten für diesen Ausbau. 8 4 9 Dagegen verweigerte er einen Ersatz der Kosten für die an den Reglern vorgenommenen „Nachbesserungsarbeiten", d.h. der Aufwendungen für die Beschaffung und den Einbau fehlerfreier Kondensatoren. Diese Kosten seien vom Schutzzweck der dem Hersteller obliegenden Verkehrssicherungspflicht nicht umfaßt. 8 5 0 Tatsächlich weist ein Vergleich der aktuellen mit der hypothetischen Vermögenslage der Geschädigten bei Ausbleiben der Verletzung des Eigentums an den Materialien als Negativabweichungen genau die vom B G H für ersatzfähig erachteten Schadenspositionen aus: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - Kaufpreis der fehlerhaften Kondensatoren - Lohnkosten für den Einbau der fehlerhaften Kondensatoren - Lohnkosten für den Ausbau der fehlerhaften Kondensatoren - Kosten für den Ersatz bzw. die Reparatur der beim Ausbau der Kondensatoren beschädigten Reglerteile - Kaufpreis der Ersatz-Kondensatoren - Lohnkosten für den Einbau der Ersatz-Kondensatoren Vermögenswerte: + einwandfreie Regler Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - Kaufpreis der fehlerhaften Kondensatoren - Lohnkosten für den Einbau der fehlerhaften Kondensatoren - Kaufpreis der Ersatz-Kondensatoren - Lohnkosten für den Einbau der Ersatz-Kondensatoren Vermögenswerte: + einwandfreie Regler Ersatzfähiger Schaden (= Differenz aus beiden Vermögenslagen): Lohnkosten für den Ausbau der fehlerhaften Kondensatoren, Kosten für den Ersatz bzw. die Reparatur der beim Ausbau der Kondensatoren beschädigten Reglerteile.

8 4 9 Die Berechnung des ersatzfähigen Schaden in der Kondensatoren-Entscheidung wird gebilligt von Derleder/Meyer, A c P 195 (1995), 157; zustimmend auch Dunz, J R 1 9 9 2 , 4 7 1 ; dagegen nehmen Brüggemeier/Herbst, vgl. J Z 1 9 9 2 , 8 0 4 an, daß der Schadensersatz auf die Kosten der B e seitigung der Substanzschäden an den Reglern zu beschränken gewesen wäre und kein Ersatz der Ausbaukosten hätte gewährt werden dürfen. Dabei gehen sie allerdings ausdrücklich von der unzutreffenden Annahme aus, die Verletzung des Eigentums am Material sei erst mit dem Ausbau eingetreten; ähnlich Hinsch, VersR 1992, 1058. 850

Siehe B G H Z I P 1992, 485 (489).

310

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Zur Erläuterung: Hätte die Geschädigte die fehlerhaften Kondensatoren nicht eingebaut, so hätte sie sich anderweitig eingedeckt und unter Verwendung der anderweitig bezogenen Kondensatoren einwandfreie Regler hergestellt. Sie hätte die anderweitig bezogenen Kondensatoren dann aber bezahlen müssen. Dabei gilt auch hier wieder: Die hypothetischen Kosten der ersatzweisen Beschaffung fehlerfreier Zutaten werden durch die tatsächlich erfolgte Zahlung des Kaufpreises für die fehlerhaften Zutaten nicht ausgeglichen. Die Verjährung der Gewährleistungsrechte und damit die endgültige Minderung des aktuellen Vermögens um den Kaufpreis ist unabhängig von der Verarbeitung der fehlerhaften Zutaten eingetreten und beruht somit nicht auf dem Verletzungserfolg, der Rechtsgutsbeeinträchtigung. Trägt man dem Rechnung, indem man bei der Bestimmung der hypothetischen Vermögenslage allein den Verletzungserfolg hinwegdenkt, so ist das hypothetische Vermögen genauso wie das aktuelle Vermögen mit den doppelten Kosten der Beschaffung von Kondensatoren belastet. Nun zu den Kosten des Einbaus der fehlerhaften Kondensatoren und des Einbaus fehlerfreier Kondensatoren: Obwohl es in der Wirklichkeit undenkbar ist, daß die Substanzveränderung der verwendeten Materialien ausbleibt, ohne daß zuvor die sie bedingende Einbauhandlung unterlassen wird, muß die Rechtsgutsbeeinträchtigung isoliert hinweggedacht werden. Andernfalls würden Einbußen ersetzt, die allein auf der Verarbeitungshandlung, nicht aber auf dem Verarbeitungserfolg, der Eigentumsverletzung beruhen. Unterstellt man allein das Ausbleiben der Substanzveränderung der verarbeiteten Materialien, so wären die Lohnkosten für die Einbauhandlung ebenso angefallen. Da die Geschädigte auch in diesem Fall an fehlerfreie Regler nur gelangt wäre, wenn sie fehlerfreie Kondensatoren eingebaut hätte, ist ihr hypothetisches Vermögen ebenso wie ihr tatsächliches Vermögen mit doppelten Lohnkosten des Einbaus belastet. Anderes gilt dagegen hinsichtlich der Kosten des Ausbaus der fehlerhaften Kondensatoren und der an den verarbeiteten Materialien beim Ausbau eingetretenen Schäden: Wäre die Erweiterung der Materialsubstanz unterblieben, wären selbstverständlich weder Lohnkosten angefallen für die Rückgängigmachung dieser Erweiterung noch wären - mangels Ausbaus - an anderen Teilen der Regler ausbaubedingte Schäden eingetreten. Der BGH verdient also im Ergebnis Zustimmung. Allerdings ist der Verweis auf den Schutzzweck der Verkehrspflichten des Herstellers, mit dem der BGH die Begrenzung des Schadensersatzes begründet 851 , zumindest ungenau. 852 Er muß dahin klar- bzw. richtiggestellt werden, daß aus §823 Abs. 1 BGB nur solche Schäden ersetzt werden, die auf einer Beeinträchtigung der dort genanntendem Rechte und Rechtsgüter beruhen. Bei einer dementsprechenden Bestim851 852

Vgl. den Nachw. in der vorhergehenden Fußn. Kritisch auch Graf von Westpbalen, ZIP 1992, 534.

Die Schadensberechnung

311

mung der hypothetischen Vermögenslage des Geschädigten ergibt sich die mangelnde Ersatzfähigkeit der Kosten des Einbaus der fehlerhaften Kondensatoren wie auch der Kosten einer Ersatzbeschaffung fehlerfreier Kondensatoren ohne weiteres daraus, daß der Vergleich zwischen hypothetischem und aktuellem Vermögen insoweit keine Differenz ausweist.

2. Der Achsaggregat-Fall N u n zum Achsaggregat-Fall 8 5 3 als Beispiel für die Vornahme der Verarbeitungshandlung durch den Schädiger als Werkunternehmer: Auch hier nochmals der Sachverhalt zur Erinnerung: Die Klägerin hatte im Rahmen eines Reparaturauftrags am Pritschensattelaufleger der Beklagten ein Doppelachsaggregat angebracht. Infolge unsachgemäßen Einbaus kam es an den Längsträgern des Fahrgestells zu Brüchen und Rissen. Die Beklagte machte wegen der Reparaturkosten gegen die Werklohnforderung der Klägerin aufrechnungsweise einen Schadensersatzanspruch geltend. Einzelheiten zur Schadenshöhe enthält das Urteil nicht. 854 Unterstellt man, daß Pritschensattelaufleger und Doppelachsaggregat für die Reparatur getrennt werden mußten und daß Instandsetzung bzw. Austausch der beschädigten Längsträger erforderlich war ebenso wie der anschließende erneute Zusammenbau von Aufleger und Aggregat, so ergibt sich das folgende Bild: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - Werklohn - Kosten der Trennung von Aufleger und Aggregat - Kosten der Reparatur bzw. des Austauschs der Längsträger - Kosten des korrekten Zusammenbaus von Aufleger und Aggregat Vermögenswerte: + Aufleger mit einwandfrei montiertem Aggregat Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - Werklohn - Kosten des korrekten Zusammenbaus von Aufleger und Aggregat Vermögenswerte: + Aufleger mit einwandfrei montiertem Aggregat Ersatzfähiger Schaden (= Differenz aus beiden Vermögenslagen): Kosten der Trennung von Aufleger und Aggregat und Kosten der Reparatur bzw. des Austauschs der Längsträger Siehe B G H VersR 1971, 639. D e r B G H bejahte die Voraussetzungen der Eigentumsverletzung auf der Grundlage des als wahr unterstellten Sachverhalts und verwies deshalb zurück, vgl. B G H VersR 1971, 639 (641). 853 854

312

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

Auch hier ist wieder zu beachten: Die Erweiterung der Substanz des Auflegers um das Aggregat und umgekehrt dessen Integration in den Aufleger, müssen isoliert hinweggedacht werden. Stellt man sich vor, es wären nur diese Rechtsgutsbeeinträchtigungen unterblieben, nicht aber die Einbauhandlung, so würde die Beklagte den Werklohn genauso schulden, wie dies tatsächlich der Fall ist. Das Interesse, diesen Werklohn nur im Austausch gegen eine äquivalente Werkleistung aufzuwenden, wird vom Schadensersatzanspruch aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B wiederum nicht erfaßt. Auch könnte die Geschädigte, wenn Aufleger und Aggregat nach wie vor unverbunden vorhanden wären, deren Zusammenbau nur erreichen gegen Bezahlung der dafür erforderlichen Kosten. Die Kosten der korrekten Anbringung des Aggregats rechnen folglich ebenfalls nicht zum ersatzfähigen Schaden. Dagegen wäre das hypothetische Vermögen der Geschädigten weder mit den Kosten der Trennung von Aufleger und Aggregat noch mit dem Reparaturaufwand für die Längsträger belastet. Diese Einbußen werden also ersetzt.

D. Auch Ersatz von

Folgeschäden

I. Ersatz von Folgeschäden trotz mangelnder Verkehrspflicht zur Vertragserfüllung Es wurde bereits darauf hingewiesen 8 5 5 , daß der Schädiger in den Fällen fehlerhafter Verarbeitung deliktsrechtlich nicht dazu verpflichtet ist, eine fehlerfreie Zutat in Verkehr zu geben bzw. die Verarbeitung sachgemäß auszuführen. Die Eigentumsverletzung hinsichtlich des Materials kann der Schädiger vielmehr schon dadurch abwenden, daß er die Lieferung der fehlerhaften Zutat bzw. die Vornahme der Verarbeitungshandlung schlicht unterläßt. Deshalb darf man für die hypothetische Geschehensentwicklung nicht davon ausgehen, daß der Schädiger eine einwandfreie Zutat geleistet oder ein fehlerfreies Werk geschaffen hätte. Zu unterstellen ist lediglich, daß die unerwünschte Veränderung der verarbeiteten Materialien einfach ausgeblieben wäre. Entgegen der Rechtsprechung des B G H im Transistoren-Fall 8 5 6 und so mancher Stellungnahme in der Literatur 8 5 7 bedeutet dies jedoch nicht, daß aus der Siehe oben unter A. Vgl. dazu sogleich unter II. 8 5 7 So merkt Staud./J. Hager, § 823 Rz. B 121 im Zusammenhang mit der Kondensatoren- und der Transistoren-Entscheidung an, beschädigt und zu ersetzen seien bislang funktionsfähige und zur Weiterverarbeitung verwendbare Teile, die jetzt repariert werden müßten, um wieder benutzt werden zu können oder die gar wertlos seien. Er hält also offenbar Folgeschäden, wie sie im Transistoren-Falle eingetreten waren - vgl. dazu sogleich unter II. —, nicht für ersatzfähig; Kniffka, ZfBR 1991,3 geht davon aus, daß weder der Bauherr noch Dritte nach §823 B G B Ersatz dafür verlangen könnten, daß sie das Bauwerk infolge der baumängelbedingten Schäden nicht nut855

856

Die

Schadensberechnung

313

Veränderung der Materialsubstanz resultierende Folgeschäden vom Schadensersatz nach §823 Abs. 1 BGB ausgeklammert bleiben müßten. Aus dem U m stand, daß keine Verkehrspflicht zur Vertragserfüllung besteht, darf nicht gefolgert werden, die Verletzung des Eigentums am Material könne keine ersatzfähigen Folgeschäden nach sich ziehen. Vielmehr ist ohne weiteres denkbar, daß bei bloßem unterstelltem Nichteintritt der unerwünschten Erweiterung der Materialsubstanz bestimmte tatsächlich eingetretene Folgeschäden vermieden worden wären. Dazu kann etwa ein Schaden aus der vertraglichen Haftung des Geschädigten gegenüber dem Abnehmer des Verarbeitungsproduktes zählen, ebenso wie ein entgangener Gewinn aus dem geplanten Weiterverkauf oder ein N u t zungsausfall: Wäre die fehlerhafte Verarbeitung unterblieben, so hätte der Geschädigte sein unverändertes Material zur freien Verfügung gehabt. Er hätte ohne Beteiligung des Schädigers bzw. ohne Verwendung der von diesem gelieferten fehlerhaften Zutaten eine fehlerfreie Verarbeitung des Materials organisieren und so die genannten Einbußen verhindern können. Daß diese Schäden auch bei vertragsgemäßem Verhalten des Schädigers ausgeblieben wären, liefert keine Rechtfertigung, sie aus dem Ersatz nach §823 Abs. 1 BGB auszuklammern. Dies vermag nichts daran zu ändern, daß die Folgeschäden aus §823 Abs. 1 BGB nur ersetzt werden, weil und soweit sie auf einer Verletzung des Eigentums an den Materialien des Geschädigten beruhen. Die Voraussetzungen der Eigentumsverletzung werden durch eine gleichzeitige Verletzung vertraglicher Pflichten nicht beseitigt. Es bleibt vielmehr dabei: Hätzen könnten. D e r Schutzbereich des §823 umfasse n u r das Integritätsinteresse, nicht aber das Nutzungsinteresse; kritisch gegenüber einem deliktsrechtlichen Ersatz des Nutzungsausfalls auch Schaub, H a f t u n g u n d K o n k u r r e n z f r a g e n bei mangelhaften P r o d u k t e n u n d Bauwerken, 1999, S. 15f.; B. Klein, P r o d u k t h a f t u n g bei Baustoffen u n d Bauteilen, 1990, S. 18 n i m m t an, bei konsequenter Weiterentwicklung der Rechtsprechung des B G H müsse damit gerechnet werden, daß der Hersteller fehlerhaften Baumaterials sämtliche Schäden an anderen Bauteilen und Baumaterialien, die d u r c h den P r o d u k t f e h l e r verursacht w o r d e n seien, zu ersetzen habe; weitergehend Jagenburg, FS Locher, 1990, S. 97: Wo eine Eigentumsverletzung vorliege, seien auch M ä n gelbeseitigungskosten, die vorbereitende u n d nachfolgende Arbeiten „auf dem Wege" zur Beseitigung des eigentlichen Mangels beträfen u n d die erforderliche seien, u m diesen zu beseitigen, ersatzfähig; vgl. ferner Wilts, VersR 1967, 319f., der zwar die Voraussetzungen des §823 Abs. 1 B G B hinsichtlich des gesamten aus der Eigentumsverletzung verursachten Schadens f ü r gegeben hält, dann aber über den G e d a n k e n der Spezialität einen Vorrang der vertraglichen Gewährleistungsrechte annimmt; ähnlich Fuchs, BauR 1995,750, der aus konkurrenzrechtlichen E r w ä g u n gen keinen Ersatz für die Kosten der H e r a u s n a h m e und Beseitigung eines fehlerhaft eingebauten Bauelements aus § 823 Abs. 1 B G B gewähren möchte; vgl. weiter Schlechtriem, Gutachten, 1981, S. 1669 u. ähnlich ders., N J W 1977, 1820 in einer A n m e r k u n g zur Raster-Entscheidung B G H N J W 1977, 1819: Mit außervertraglichen A n s p r ü c h e n wegen Verschlechterung des Materials k ö n n t e n n u r die Kosten zur Wiederherstellung des Materials, nicht aber etwa der Verlust eines Verkaufsgewinns, der mit d e m richtig hergestellten Werk hätte erzielt werden können, liquidiert werden; dem folgt Katzenmeier, Vertragliche u n d deliktische H a f t u n g , 1994, S. 269: Es sei darauf zu achten, daß ü b e r § 823 Abs. 1 B G B nicht im Ergebnis der ausgebliebene Werkerfolg außerhalb der Voraussetzungen der §§633ff. B G B liquidierbar gemacht werde. D e r Besteller könne deshalb n u r Ersatz der Kosten zur Wiederherstellung des Materials verlangen.

314

Teil 2: Der Schutz des Eigentums

am

Material

te der Geschädigte bestimmte Einbußen nicht erlitten, wenn die unerwünschte Substanzerweiterung des Materials schlicht unterblieben wäre, so liegt ein nach §823 Abs. 1 BGB ersatzfähiger Schaden vor. Ob dem Schädiger gleichzeitig die Verletzung vertraglicher Pflichten vorgeworfen werden kann, ist darauf ohne Einfluß. Dabei sei ausdrücklich betont, daß die Anerkennung der Ersatzfähigkeit von Folgeschäden nicht dazu führt, daß der Geschädigte im Ergebnis so gestellt wird, als wäre der Schädiger seinen vertraglichen Pflichten nachgekommen. Vielmehr hat sich gezeigt, daß der Geschädigte weder in den Fällen, in denen er die fehlerhafte Zutat im Rahmen eines entgeltlichen Vertrags erworben hat noch dann, wenn die Verarbeitung selbst vertraglich geschuldet war, deliktsrechtlichen Ersatz erhält für sein Interesse an einer der vertraglichen Gegenleistung äquivalenten Leistung. Auch das hypothetische Vermögen bei Ausbleiben der Eigentumsverletzung wäre jeweils mit den doppelten Kosten der Beschaffung der Zutat bzw. der Vornahme der Verarbeitung belastet. Ein Vergleich der aktuellen Vermögenslage des Geschädigten mit der hypothetischen Vermögenssituation weist also keine dem enttäuschten Vertragsinteresse entsprechende Differenz aus.

II. Die Schadensberechnung

im

Transistoren-Fall

Als Beispiel für die Ersatzfähigkeit von Folgeschäden soll der TransistorenFall 858 dienen: Ganz ähnlich wie im Kondensatoren-Fall waren fehlerhafte Transistoren von der Käuferin/Klägerin in Steuergeräte von Pkw-Zentralverriegelungen eingebaut worden, die wegen des Fehlers Funktionsstörungen aufwiesen. Ein Austausch der Transistoren war unwirtschaftlich, vielleicht sogar unmöglich. Deshalb leistete die Klägerin an die Abnehmerin der Steuergeräte Ersatzgeräte. Diese machte gegen die Klägerin außerdem Ansprüche auf Ersatz von Kosten für den Aus- und Einbau der Steuergeräte und für die Bearbeitung des Schadensfalles geltend. Die Klägerin verlangte vom Hersteller der fehlerhaften Transistoren Schadensersatz aus Eigentumsverletzung. Der B G H erkannte lediglich den Materialwert der durch den Zusammenbau mit den fehlerhaften Transistoren wertlos gewordenen fehlerfreien Komponenten der Steuergeräte als ersatzfähigen Schaden an: 859 Dem ist zu widersprechen. Unterstellt man, daß die Klägerin ihrer Abnehmerin tatsächlich im geltend gemachten Umfang haftbar geworden ist, so gilt für den Vergleich des aktuellen mit dem hypothetischen Vermögen der Geschädigten bei Ausbleiben der Eigentumsverletzung das folgende:

858 859

Siehe BGH N J W 1998, 1942. Siehe BGH N J W 1998, 1942 (1943f.).

Die

Schadensberechnung

315

Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - Kaufpreis der fehlerhaften Transistoren - Lohnkosten für die Herstellung der fehlerhaften Steuergeräte - Kaufpreis der Ersatz-Transistoren - Kosten der Ersatzmaterialien für die fehlerfreien Steuergeräte - Lohnkosten für die Herstellung der fehlerfreien Steuergeräte - Kosten des Ausbaus der fehlerhaften Steuergeräte - Kosten des Einbaus der fehlerfreien Steuergeräte - Kosten der Bearbeitung des Schadensfalls Vermögenswerte: + Veräußerungserlös bzw. Werklohn für die Herstellung der Steuergeräte Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - Kaufpreis der fehlerhaften Transistoren - Kaufpreis der Ersatz-Transistoren - Lohnkosten für die Herstellung der fehlerhaften Steuergeräte - Lohnkosten für die Herstellung der fehlerfreien Steuergeräte Vermögenswerte: + Veräußerungserlös bzw. Werklohn für die Herstellung der Steuergeräte Ersatzfähiger Schaden (= Differenz aus beiden Vermögenslagen): Kosten der sonstigen Materialien der fehlerfreien Steuergeräte, Kosten des Ausbaus der fehlerhaften Steuergeräte, Kosten des Einbaus der fehlerfreien Steuergeräte, Kosten der Bearbeitung des Schadensfalls. Zur Erläuterung: Parallel zum Kondensatoren-Fall gilt auch hier: Bei isoliertem Hinwegdenken des Verletzungserfolges, der Substanzveränderung der verarbeiteten Materialien, wäre das hypothetische Vermögen der Geschädigten gleichfalls mit den doppelten Kosten der Beschaffung von Transistoren belastet. Das kaufvertragliche Interesse der Klägerin an einer Leistung der versprochenen Beschaffenheit liegt damit auch hier wieder jenseits des deliktsrechtlich ersatzfähigen Schadens. Die Geschädigte erhält keinen Ausgleich dafür, daß sie mit den fehlerhaften Transistoren keine äquivalente Gegenleistung für ihren Kaufpreis erhalten hat. N a c h der hypothetischen Geschehensentwicklung hätten außerdem - wiederum entsprechend der Schadensberechnung im Kondensatoren-Fall - auch die Kosten für den Einbau der Transistoren zweifach aufgewendet werden müssen. 8 6 0 Entgegen dem B G H leuchtet es jedoch nicht ein, den Schadensersatz auf den Wert der sonstigen bei Herstellung der Steuergeräte verwendeten Materialien 860 p y r begründbar hält die Verweigerung eines Ersatzes der „frustrierten reinen Herstellungskosten" auch Hinsch, VersR 1998, 1355f. Diese seien nicht als Folge, sondern gleichzeitig mit der Eigentumsverletzung als deren Ursache aufgewendet worden. Allerdings wären die Kosten der Beschaffung und des Einbaus der Transistoren mangels haftungsausfüllender Kausalität auch dann nicht ersatzfähig, wenn sie erst nach der Verletzung des Eigentums am Material entstanden wären.

316

Teil 2: Der Schutz des Eigentums am Material

zu beschränken. Vielmehr ist auch der Haftungsschaden der Klägerin F o l g e der Substanzmehrung der bei der Herstellung der Steuergeräte verwendeten M a t e rialien und damit der Verletzung des Eigentums an diesen Materialien. D e n n wäre das Material der Geschädigten nicht mit den fehlerhaften Transistoren verbunden w o r d e n , so hätte sie daraus aller Voraussicht nach unter Verwendung fehlerfreier Transistoren einwandfreie Steuergeräte hergestellt. Sie hätte dann nicht gegenüber ihrer eigenen A b n e h m e r i n haften müssen. Diese A b n e h m e r i n hätte weder einen Schadensfall zu bearbeiten gehabt n o c h fehlerhafte Steuergeräte ausbauen und Ersatzsteuergeräte einbauen müssen.

E. Ergebnis und abschließendes Beispiel D i e vorstehenden Ausführungen haben gezeigt: Bei k o r r e k t e r Schadensberechnung wird der Geschädigte in den Fällen der fehlerhaften Verarbeitung von Material auch dann, wenn man entgegen der herrschenden Ansicht in der b l o ßen unerwünschten Substanzmehrung eine Eigentumsverletzung sieht und w e n n man Folgeschäden ohne E i n s c h r ä n k u n g für ersatzfähig hält, über den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 B G B nicht so gestellt, wie er stehen würde, wenn die Verarbeitung/eWer/rez erfolgt wäre. D e n n für die B e s t i m m u n g des ersatzfähigen Schadens ist nicht maßgeblich, wie der Geschädigte bei einwandfreier Verarbeitung stünde, sondern wie es bei schlichtem Ausbleiben der Eigentumsverletzung u m sein Vermögen bestellt wäre. Sehr schön läßt sich dies auch an der jüngst ergangenen S c h l a c k e - E n t s c h e i dung 8 6 1 demonstrieren, was abschließend k u r z erfolgen soll: W i e bereits dargelegt 8 6 2 , hatte der V I . Senat die Voraussetzungen einer Verletzung des E i g e n t u m s an den Baumaterialien u.a. 8 6 3 mit der Begründung dahinstehen lassen, daß im Streitfall kein Ausgleich für die verwendeten Baumaterialien verlangt w o r d e n war. Vielmehr hatte die Klägerin E r s a t z der K o s t e n für die Sanierung der G e b ä u d e begehrt, die auf dem mit fehlerhafter Schlacke verfüllten G r u n d s t ü c k errichtet w o r d e n waren und an denen infolge Ausdehnung der Schlacke Risse und Verformungen auftraten. Wie ebenfalls bereits ausgeführt 8 6 4 , hatte die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger durch die Verfüllung des G r u n d s t ü c k s eine Verletzung des Eigentums an den Baumaterialien begangen, die mit deren E i n b a u vollendet wurde. Aus § 823 A b s . 1 B G B k o n n t e die KlägeSiehe B G H NJW 2001, 1346. Vgl. oben Kapitel 1, A.II.4., Kapitel 2, B.II. u. Kapitel 3, A. 8 6 3 Die Unsicherheit darüber, ob die Baumaterialien vor der Bebauung überhaupt im Eigentum der Voreigentümer des Grundstücks standen, die ihre Ansprüche an die Klägerin abtraten, soll hier zur Vereinfachung ignoriert werden, so daß im folgenden davon ausgegangen wird, es hätten die Baumaterialien ursprünglich der Klägerin gehört. 864 Vgl. oben Kapitel 3, A. 861

862

Die

Schadensberechnung

317

rin aber nur verlangen, so gestellt zu werden, wie sie bei Ausbleiben des Verletzungserfolgs, also der unerwünschten Substanzmehrung stehen würde. D e r B G H verweigerte der Klägerin deshalb völlig zu R e c h t die Berufung auf einen hypothetischen Geschehensverlauf, dem zufolge sich im Vermögen der Klägerin das fehlerhaft verfüllte G r u n d s t ü c k mit sanierten G e b ä u d e n befinden w ü r den. D e n n bei H i n w e g d e n k e n der Eigentumsverletzung, also bei Ausbleiben einer Hinzufügung der Baumaterialien z u m fehlerhaften G r u n d s t ü c k wären diese gerade nicht auf dem fehlerhaften G r u n d s t ü c k verbaut worden, sondern ständen der Klägerin nach wie vor zur anderweitigen Verwendung zur Verfügung. Aus der Verletzung des Materialeigentums k o n n t e die Klägerin also tatsächlich nur E r s a t z für die vergeudeten Materialien verlangen. Allerdings wäre zu erwägen gewesen, o b sich hinter den geltend gemachten Sanierungskosten nicht auch K o s t e n für Materialien verbargen, die wenigstens z u m Teil den vergeudeten M a terialien entsprachen.

Teil 3

Das Verhältnis zwischen der Schadensersatzpflicht aus §823 Abs. 1 B G B und der Haftung aus Kauf- oder Werkvertrag

Einleitung Eigentum an einer Sache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigt, kann ebenso wie Eigentum an fehlerhaften Zutaten, die mit eigenem Material verarbeitet werden und so eine Verletzung des Eigentums an diesem Material bedingen, aufgrund unterschiedlichster Tatbestände erworben werden: Der Erwerber mag die fehlerhafte Sache oder Zutat geschenkt bekommen, sie finden, sie als Naturalunterhalt, als ehebedingte Zuwendung oder als Entgelt für eine Dienstleistung erhalten usw. Uberwiegend und typischerweise erfolgt der Erwerb von Sachen jedoch infolge Kaufes bzw. aufgrund eines dem Kaufrecht unterstehenden Werklieferungsvertrags oder im Zusammenhang mit der Erfüllung einer werkvertraglichen Herstellungspflicht. K o m m t es hier zu einer fehlerbedingten Selbstbeschädigung der erworbenen Sache oder zu einer Verletzung des Eigentums an Materialien des Käufers/Bestellers, weil diese fehlerhaft verarbeitet wurden, so sind neben einem etwaigen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf Schadensersatz wegen Eigentumsverletzung aus § 823 Abs. 1 B G B kaufrechtliche bzw. werkvertragsrechtliche Mängelansprüche gegen den Verkäufer oder Besteller in Betracht zu ziehen. Dabei unterliegen die vertraglichen Ansprüche Beschränkungen, die im Deliktsrecht keine Parallele finden: So war nach altem Schuldrecht der kaufrechtliche Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, dem nach der Rechtsprechung auch mängelbedingte Schäden an der Kaufsache selbst unterfielen 865 , gem. §§463, 480 B G B (a.F.) an die Vor8 6 5 Siehe B G H N J W 1 9 8 3 , 8 1 0 ( 8 1 1 ) ( G a s z u g ) unter Verweis auf B G H N J W 1 9 8 0 , 1 9 5 0 ( S p a n platten): N u r S c h ä d e n an anderen R e c h t s g ü t e r n als der K a u f s a c h e selbst sollten, o h n e daß es der A r g l i s t o d e r einer Z u s i c h e r u n g d e s V e r k ä u f e r s b e d u r f t e , einen S c h a d e n s e r s a t z a n s p r u c h w e g e n positiver F o r d e r u n g s v e r l e t z u n g a u s l ö s e n k ö n n e n ; in der Literatur hingegen w a r die vertragsrechtliche E i n o r d n u n g der Weiterfresserschäden heftig umstritten: F ü r eine A n e r k e n n u n g der E r s a t z f ä h i g k e i t aus positiver F o r d e r u n g s v e r l e t z u n g etwa Lieb, J Z 1977, 345f.; G. Hager, A c P

320

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts-

und

Vertragshaftung

aussetzungen der Z u s i c h e r u n g bzw. der Arglist g e b u n d e n . Seit Inkrafttreten des S c h u l d r e c h t s m o d e r n i s i e r u n g s g e s e t z e s 8 6 6 ist d i e s e B e s o n d e r h e i t z w a r e n t f a l l e n u n d g e l t e n d i e g e w ö h n l i c h e n M a ß s t ä b e des V e r t r e t e n m ü s s e n s ( § § 4 3 7 N r . 3 , 2 8 0 A b s . 1 , 2 7 6 B G B (n.F.)). J e d o c h setzt der A n s p r u c h auf S c h a d e n s e r s a t z statt der L e i s t u n g n e u e r d i n g s e b e n s o w i e die G e l t e n d m a c h u n g des R ü c k t r i t t s - o d e r M i n derungsrechtes grundsätzlich den erfolglosen A b l a u f einer Nachfrist voraus ( § § 4 3 7 N r . 2 u n d Nr. 3, 3 2 3 , 2 8 1 B G B (n.F.)). Wesentlich sind auch verjährungsrechtliche Unterschiede: W ä h r e n d deliktsrechtliche Ansprüche der dreijährigen und kenntnisabhängigen V e r j ä h r u n g der §§ 195, 199 B G B (n.F.)867 unterlieg e n , gilt f ü r d i e k a u f r e c h t l i c h e n M ä n g e l r e c h t e r e g e l m ä ß i g e i n e d e u t l i c h k ü r z e r e und außerdem kenntnisunabhängige Verjährung. N a c h neuem Schuldrecht bet r ä g t die V e r j ä h r u n g s f r i s t i m a l l g e m e i n e n z w e i J a h r e ( § 4 3 8 A b s . 1 N r . 3 B G B ( n . F . ) ) 8 6 8 , w ä h r e n d sie f r ü h e r b e k a n n t l i c h s o g a r n u r s e c h s M o n a t e l a n g w a r ( § 4 7 7 B G B ( a . F . ) ) . D i e k u r z e V e r j ä h r u n g gilt n a c h d e r k l a r e n A n o r d n u n g i n § § 4 3 8 A b s . 1, 4 3 7 N r . 1 u n d N r . 3 B G B ( n . F . ) f ü r a l l e 8 6 9 m ä n g e l b e d i n g t e n k a u f 184 (1984), 434f.; Ganter, JuS 1984, 594; Nagel, D B 1993, 2471; Esser/Weyers, SchuldR. I I / l §6 III 2; Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S.63f.; Steinmeyer, D B 1989, 2162 unter Verweis auf die von U. Huber in AcP 177 (1977), 343f. vertretene These, daß es nicht einleuchtend sei, ein und dieselbe Regelung bei den Mangelfolgeschäden als ergänzungsbedürftige Teilregelung, bei den Mangelschäden dagegen als abschließende Spezialregelung anzusehen; für eine Qualifizierung als Mangelschaden, der allein aus § 463 B G B (a.F.) ersetzt werden konnte, etwa Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 I B G B , 1984, S. 115; D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 240f.; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 124 u. S. 1 lOff. m. w. Nachw. sowie ausführlicher Darstellung des Streitstandes zur Abgrenzung von Mangel- und Mangelfolgeschäden. Infolge der Schuldrechtsmodernisierung ist dieser Streit überholt. Neuerdings gilt folgendes: Soweit der aus der Verschlechterung der mangelhaften Sache resultierende Schaden sich durch Nacherfüllung beseitigen bzw. vermeiden läßt und nicht ausnahmsweise §275 B G B (n.F.) eingreift, gilt grundsätzlich das Fristerfordernis des §281 B G B (n.F.), eingeschränkt allerdings durch §440 B G B (n.F.). Insoweit kommt also nur Schadensersatz statt der Leistung nach §§437 Nr.3, 440, 280 Abs. 1, Abs. 3,281 B G B (n.F.) in Betracht. Hingegen werden Weiterfresserschäden, die durch die geschuldete Nacherfüllung nicht mehr verhindert werden können, ohne Nachfristerfordernis gem. §§437 Nr. 3,280 Abs. 1 B G B (n.F.) ersetzt. Ist der Anspruch auf Nacherfüllung ausnahmsweise nach §275 B G B (n.F.) ausgeschlossen, so ist der gesamte Weiterfresserschaden aus §280 Abs. 1, Abs. 3,283 B G B (n.F.) bzw. § 31 la B G B (n.F.) ersatzfähig. In welchem Umfang eine Schadensabwendung durch Nacherfüllung in Betracht kommt, hängt maßgeblich davon ab, ob man das Nachbesserungsrecht auf die Weiterfresserschäden an der Kaufsache selbst erstreckt oder nicht. Dagegen spricht der Wortlaut von §434 Abs. 1 B G B (n.F.), der für den Sachmangel auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs abstellt mit der Folge, daß spätere Verschlechterungen an sich keine (nachbesserungsfähigen) Sachmängel darstellen. Für eine Ausdehnung des Nachbesserungsrechts streitet jedoch der Gleichlauf mit der Ersatzlieferung als alternativer Nacherfüllungsmodalität. Denn bei Ersatzlieferung schuldet der Käufer regelmäßig keinen Wertersatz für mängelbedingte Verschlechterungen der Kaufsache (§346 Abs.3 Nr.2 oder 3 B G B (n.F.)). Die Frage kann hier nicht abschließend geklärt werden. 8 6 6 Siehe BGBl. I, S.3138. 8 6 7 Ähnlich nach altem Recht die Verjährung gem. §852 B G B (a.F.). 8 6 8 Siehe dazu bereits oben vor Teil 1, unter A. 8 6 9 Vgl. dazu Gsell, J Z 2002,1089ff. gegen Wagner,]Z 2002,475ff., 1092ff., der bei Verletzung

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen

Delikts-

und

Vertragshaftung

321

rechtlichen Ansprüche 8 7 0 . 8 7 1 Außerdem ist die vertragliche Haftung beim H a n delskauf durch die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten des § 377 H G B begrenzt. Ahnlichen Beschränkungen unterlag und unterliegt auch die werkvertragliche Haftung: Für alle Rechte aus § 6 3 4 Nr. 1 , 2 und 4 B G B (n.F.) 8 7 2 gilt die kurze und kenntnisunabhängige Verjährung nach § 6 3 4 a B G B (n.F.) 8 7 3 . Schließlich war und ist auch den werkvertraglichen Mängelrechten gem. §§ 634 Nr. 2—4, 323, 281 B G B (n.F.) bzw. § 6 3 4 B G B (a.F.) prinzipiell ein Nacherfüllungsrecht des Werkunternehmers vorgeschaltet. Ist nun der Schädiger, der wegen Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache oder am fehlerhaft verarbeiteten Material aus § 823 Abs. 1 B G B haftet, gleichzeitig Kauf- oder Werkvertragspartner des Geschädigten, so ist fraglich, ob die geschilderten Grenzen der vertraglichen Haftung auch die deliktsrechtliche Einstandspflicht beschränken. Nachdem in den vorhergehenden Teilen dieser Arbeit geklärt wurde, wann die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nach § 8 2 3 A b s . l B G B vorliegen, wenn sich eine fehlerhaft hergestellte Sache fehlerbedingt selbst beschädigt oder wenn Material entgegen dem Willen des Eigentümers fehlerhaft verarbeitet wird, soll nun die Frage nach dem Verhältnis des deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruches wegen Eigentumsverletzung zum System der kaufund werkvertraglichen Haftung behandelt werden. Dabei soll darauf verzichtet werden, die Gesetzgebungsgeschichte auf das Verhältnis von kauf- bzw. werkvertraglicher und deliktsrechtlicher Haftung zu untersuchen. Auch soll die Entwicklung der Konkurrenzlehre hin zur herrschenden, wenn auch von zahlreichen Ausnahmen durchbrochenen und von manchen grundsätzlich in Frage gestellten These von der freien Anspruchskonkurrenz nicht im einzelnen nachgezeichnet werden. Insoweit kann auf die A r -

von Integritätsinteressen im Sinne von § 823 Abs. 1 B G B die vertragsrechtlichen Schadensersatzansprüche der längeren und kenntnisabhängigen Regel Verjährung unterwerfen möchte. 8 7 0 Über § § 4 3 8 Abs.4, Abs.5, 218 B G B (n.F.) wird für Rücktritt und Minderung als unverjährbare Gestaltungsrechte eine im Ergebnis parallele Verfristung erreicht. 8 7 1 Nach der Rechtsprechung zum alten Recht erstreckte sich die kurze Verjährung des § 477 B G B (a.F.) zwar auf den Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung, wie er von der Rechtsprechung bei pflichtwidriger und schuldhafter Beeinträchtigung sonstiger Rechtsgüter des Käufers anerkannt war. Dies galt jedoch nur, sofern sich die geltend gemachten sog. Mangelfolgeschäden unmittelbar auf einen Sachmangel gründeten, vgl. nur BGHZ 60, 9 (12) (Gewächshaus, V I I I . Senat); B G H N J W 1980, 1950 (1951) (Spanplatten). 8 7 2 Auch hier wird wiederum eine parallele Verfristung des Rücktritts- und des Minderungsrechtes über § 2 1 8 B G B (n.F.) erreicht, auf den §634a Abs.4 und 5 B G B (n.F.) verweisen. 8 7 3 Nach der Praxis zum alten Recht erfaßte die kurze Verjährung lediglich mängelbedingte Schäden am Werk selbst sowie sog. enge Mangelfolgeschäden. Für die aus positiver Forderungsverletzung ersatzfähigen sog. entfernten Mangelfolgeschäden sollte hingegen die 30jährige R e gelverjährung des § 195 B G B (a.F.) gelten, vgl. etwa BGHZ 6 7 , 1 (5ff.) (Grundstücksbewertung); BGHZ 98, 45 (46f.) (Ölwechsel); BGHZ 115, 32 (34ff.) (Juweliergeschäft); B G H N J W 1997, 50 (51) (Stapelvorrichtung).

322

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts- und

Vertragshaftung

beiten anderer Autoren verwiesen werden. 8 7 4 Als sicher vorausgesetzt werden soll nur, daß das B G B nach wie vor keine non-cumul-Vorschrift enthält, die kauf- und werkvertragsrechtlichen Regelungen bei Überschneidungen mit dem Deliktsrecht grundsätzlich den Vorrang einräumt. 875 Die folgenden Ausführungen sollen vielmehr darauf konzentriert werden, zu begründen, warum es bei Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache oder am Material ihrer Herstellung richtig erscheint, in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der Rechtsprechung die deliktsrechtliche mit der kauf- bzw. werkvertraglichen Haftung frei konkurrieren zu lassen und warum die in der Literatur dagegen erhobenen Einwände nicht überzeugen können. So wird vor allem zu zeigen sein, daß die vertragsrechtlichen Haftungsschranken entgegen weit verbreiteter Meinung bei paralleler Anwendung des Deliktsrechts nicht 874 Wegweisend für die Durchsetzung der Lehre von der freien Anspruchskonkurrenz war Dietz, Anspruchskonkurrenz, 1934, der annahm, konkurrierende Ansprüche stünden völlig selbständig nebeneinander; dagegen vor allem Helm, Haftung für Schäden an Frachtgütern, 1966, S. 294 ff., der bezweifelt, daß alle zwischen Vertrags- und Deliktsrecht auftretenden Konflikte einheitlich entschieden werden könnten und eine Lösung jeweils durch offene und nachprüfbare Interessenwertung befürwortet; ähnlich Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, 1972, S. 46, 60f.; kritisch gegenüber einer solchen Interessenbewertung A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 73 ff. m. w. Nachw., der selbst (S. 18 ff.) in Anlehnung an Qaga, Konkurrenz deliktischer und vertraglicher Ersatzansprüche nach deutschem und schweizerischem Recht unter Berücksichtigung des gemeinen Rechts, 1939, die Konkurrenzfrage durch Auslegung zu lösen versucht, indem er prüft, ob vertragsrechtliche Normen einen deliktsrechtlichen Gehalt aufweisen; zu weiteren Lösungsansätzen und zur Entwicklung der Konkurrenzlehre vgl. die Ubersichten bei A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S.44ff., D. Koch, Produkthaftung, 1995, S.219ff.; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 138ff.; zur Gesetzgebungsgeschichte vgl. A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 33ff. m. w. Nachw.; A. Klein widerlegt anhand der Gesetzgebungsmaterialien die weit verbreitete, auf eine Stelle in den Motiven, vgl. Motive, Bd. 2, 1888, S. 278, gestützte These, die Gesetzesverfasser hätten sich einer Regelung der Konkurrenzfage bewußt enthalten und die Wissenschaft beauftragt, alle Probleme auf dem Gebiet der Konkurrenzlehre selbständig und frei zu lösen. 875 Abweichend aber der Entwurf der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts von 1991, siehe Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S.284, dessen §200 wie folgt lautet: „Treffen gesetzliche mit vertraglichen oder vertragsähnlichen Schadensersatzansprüchen zusammen, so gelten für die Verjährung die Vorschriften des Zweiten Titels." Der in Bezug genommene „Zweite Titel" regelt die Verjährung vertraglicher und vertragsähnlicher Ansprüche. Die Norm ist jedoch nicht in das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138, übernommen worden. Nicht realisiert wurde auch der in der Konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfes des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes enthaltene §202 B G B , nach dessen Abs.2 die Verjährung von „Ansprüchen gleich welcher Art wegen eines Mangels 1. einer gekauften Sache oder 2. eines Werks, das in der Herstellung oder Veränderung einer Sache besteht" grundsätzlich kenntnisunabhängig ausgestaltet werden sollte, zum Text der Norm im übrigen siehe Canaris, Schuldrechtsreform 2002, S. 352. Ob mit dieser Regelung ebenfalls eine parallele Verjährung deliktsrechtlicher und vertragsrechtlicher Ansprüche statuiert worden wäre, darf bezweifelt werden. Denn die Ansprüche der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung sind keine solchen „wegen eines Mangels der gekauften Sache oder eines Werks", sondern wegen Beeinträchtigung absolut geschützter Rechte und Rechtsgüter qua Verkehrspflichtverletzung.

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts- und

Vertragshaftung

323

leer zu laufen drohen und daß ein vollständiger oder teilweiser Vorrang der kauf- bzw. werkvertraglichen Haftung zu Brüchen im Gesamtsystem der D e liktshaftung führen würde, die eine unangemessene Ungleichbehandlung parallel gelagerter Fälle zur Folge hätte. Dabei sei betont, daß diese - meines Erachtens für die Fälle fehlerhafter Herstellung oder Verarbeitung entscheidenden Erwägungen selbst bei einer R e f o r m des Schuldrechts, die einen Vorrang des Vertragsrechts statuieren würde 8 7 6 , nichts an Uberzeugungskraft einbüßen würden. Ausgangspunkt der folgenden Überlegung soll eine kurze Darstellung der Rechtsprechung sein, deren These vom grundsätzlich unabhängigen Nebeneinander von deliktsrechtlichen Ansprüchen einerseits und kauf- oder werkvertraglichen Rechten andererseits jedenfalls im Ergebnis zu folgen ist.

876

Vgl. zu entsprechenden Überlegungen die Nachw. in der vorhergehenden Fußn.

Kapitel 1

Die Rechtsprechung folgt dem Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz A. Grundsätzlich kein Vorrang der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, daß kauf- und werkvertragliche Mängelrechte mit deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen grundsätzlich frei konkurrieren, so daß jeder Anspruch den ihm eigenen Regelungen folgt. 8 7 7 In zahlreichen Entscheidungen lehnte der B G H eine Ausdehnung der kurzen Verjährungsfristen nach § 4 7 7 B G B (a.F.) und § 6 3 8 B G B (a.F.) auf deliktsrechtliche Ansprüche ab 8 7 8 . Ebenso versagte das Gericht eine Erstreckung der Rügeobliegenheit des § 3 7 7 H G B auf den Anspruch nach § 8 2 3 Abs. 1 B G B 8 7 9 . Schließlich hielt der B G H auch die Beweislastgrundsätze der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung trotz unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zwischen Hersteller und Geschädigtem für anwendbar. 8 8 0 N i c h t wenige dieser höchstrichterlichen Bekenntnisse zur Anspruchskonkurrenz betrafen eine Verletzung des Eigentums an fehlerhaft verarbeitetem Material. Aber auch Entscheidungen, die Weiterfresser-Fälle -

also Fälle einer fehlerbedingten

Selbstbeschädigung von Sachen - zum Gegenstand hatten, sind darunter: G e langte der B G H erst einmal unter Anwendung der „Stoffgleichheits"-Formel Vgl. zu den vom B G H bejahten Ausnahmen sogleich unter B.II.2.-4. Für §477 B G B (a.F.) vgl. B G H N J W 1976, 1505 (1506) (Frostschutzmittel); B G H VersR 1977, 358 (359) (Schwimmerschalter); B G H N J W 1978, 2241 (Hinterreifen); B G H W M 1985, 1145 (1147) (Forellen); ferner B G H N J W 1978, 1051 (Lotsand) und B G H BauR 1981, 491 (493) (Klinker), jeweils in einem obiter dictum; daß kein Vorrang der Verjährungsregelung des §477 B G B (a.F.) vor §852 B G B besteht, legte der B G H als selbstverständlich zugrunde etwa in B G H N J W 1990,908 (909) (Weinkorken II), B G H ZIP 1992,485 (488f.) (Kondensatoren); vgl. aber zu tatsächlichen und vermeintlichen Ausnahme-Entscheidungen unten Fußn. 977 u. 978; umgekehrt hatte sich bereits das Reichsgericht geweigert, beim arglistigen Verschweigen von Mängeln der Kaufsache die kürzere Verjährung des §852 B G B (a.F.) auf den Anspruch aus §463 B G B (a.F.) auszudehnen, vgl. RGZ 66, 86 (87f.) (Hausschwamm); gegen einen Vorrang des §638 B G B (a.F.) sprechen sich aus B G H VersR 1971, 639 (640) (Achsaggregat); B G H N J W 1977,1819 (Raster); B G H ZIP 1998, 1073 (1074f.) (Tieflader). 8 7 9 Siehe B G H VersR 1988, 53 (54f.) (Weinkorken I). 8 8 0 Siehe B G H VersR 1977, 358 (359) (Schwimmerschalter) unter Bestätigung von B G H VersR 1971, 80 (81 f.) (Mercedes, VHI.Senat). 877

878

Die Rechtsprechung

folgt freier

Anspruchskonkurrenz

325

zu einer Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache, sah er keinen A n laß, vom Grundsatz der Anspruchskonkurrenz abzugehen. 881

B. Keine Rechtfertigung für eine Durchbrechung der freien Anspruchskonkurrenz D e r B G H geht zwar in ständiger Rechtsprechung vom Grundsatz der freien Konkurrenz deliktsrechtlicher Ansprüche mit kauf- und werkvertraglichen Rechten aus. Dennoch hat er immer wieder betont, daß Ausnahmen dann gefordert seien, wenn andernfalls der Zweck einer besonderen vertragsrechtlichen Regelung vereitelt und diese im Ergebnis ausgehöhlt würde. 882 Sowohl für § 477 B G B (a.F.) als auch für § 638 B G B (a.F.) und §§ 3 7 7 , 3 7 8 H G B (a.F.) kam das G e richt jedoch zu dem Schluß, daß die Regelungen auch bei freier Konkurrenz deliktsrechtlicher Anprüche ihren guten Sinn behalten würden. Dies vor allem deswegen, weil Sach- oder Werkmängel denkbar seien, die nicht zu einer Rechtsgutsbeeinträchtigung nach § 823 Abs. 1 B G B führten 8 8 3 und weil aus dieser Anspruchsgrundlage nur für die Verletzung des Integritätsinteresses, nicht aber für die bloße enttäuschte Vertragserwartung Ersatz geleistet werde 8 8 4 . Auch in den Weiterfresser-Fällen gelangte der B G H zu keiner anderen Einschätzung: In der Schwimmerschalter-Entscheidung machte er zugunsten der freien Anspruchskonkurrenz geltend, daß der Käufer ohne deliktsrechtliche Ansprüche weitgehend rechtlos gestellt wäre, wenn er - etwa im Interesse der Aufrechterhaltung der Produktion - die fehlerhafte Sache behalten müsse und lediglich Ersatz seiner Reparaturkosten begehre. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch stehe ihm insoweit von vornherein deswegen nicht zu, weil § 463 B G B (a.F.) über den Sonderfall der Eigenschaftszusicherung hinaus keinen Schadensersatz gewähre und Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung we881 Seit der Gaszug-Entscheidung, in der sich der B G H nochmals ausdrücklich zur Anspruchskonkurrenz bekannte, vgl. B G H N J W 1983, 810 (811), wurde dieser Grundsatz in Weiterfresser-Fällen, in denen direkte vertragliche Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem bestanden, als selbstverständlich zugrunde gelegt, siehe B G H N J W 1985, 2420 (Kompressor); B G H VersR 1990, 1283 (Baustromverteiler). 882 Vgl. insbesondere B G H N J W 1976, 1505 (1506) (Frostschutzmittel); ferner B G H VersR 1971, 639 (640f.) (Achsaggregat); BGHZ 96, 221 (229) (Spundwand); B G H VersR 1988, 53 (54) (Weinkorken I); B G H N J W - R R 1994, 1113 (1114) (Jungprimelerde); für die Konkurrenz zwischen deliktsrechtlichem Schadensersatzanspruch und Ersatzansprüchen wegen entfernter Mangelfolgeschäden aus der V O B (B) B G H N J W 1973, 1752 (Schmutzwasserkanal). 883 Vgl. für §477 B G B (a.F.) B G H N J W 1976,1505 (1506) (Frostschutzmittel); für §638 B G B (a.F.) siehe B G H VersR 1971, 639 (640) (Achsaggregat), wo u.a. darauf hingewiesen wird, daß viele Werkvertragsverhältnisse auf unkörperliche Werke gerichtet sind; ferner B G H N J W 1977, 1819 (Raster); für §377 H G B siehe B G H VersR 1988, 53 (54f.) (Weinkorken I). 884 Siehe B G H VersR 1988, 53 (54f.) (Weinkorken I) unter Verweis auf B G H N J W 1983, 810 (Gaszug) u. B G H N J W 1983, 346 (Hebebühne).

326

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen Delikts-

und

Vertragshaftung

gen Lieferung einer mangelhaften Sache nur auf Ersatz des an anderen Rechtsgütern, nicht aber des an der Kaufsache selbst entstandenen Schadens gingen. 8 8 5 U n d im Gaszug-Urteil wandte sich der B G H gegen die in der Literatur 8 8 6 geäußerte Annahme, die deliktsrechtliche Haftung erfasse parallel zur vertragsrechtlichen Schadensersatzpflicht wegen sogenannter Mangelfolgeschäden allein Schäden an anderen Schutzgütern als der gekauften Sache. Es sei Anliegen dieser Rechtsprechung, so der B G H , „durch eine Haftung aus Sonderverbindung den deliktischen Integritätsschutz zu verstärken, nicht ihn auszuschließen". 8 8 7 D i e Gefahr, daß „die Vertragshaftung aus den Angeln" gehoben würde, erklärte der B G H in derselben Entscheidung durch seine „Stoffgleichheits"-Formel zur Abgrenzung der Eigentumsverletzung von der bloßen Beeinträchtigung des vertraglichen „Nutzungs- und Aquivalenzinteresses" für gebannt. 8 8 8 Sein grundsätzliches Beharren auf der freien Konkurrenz der deliktsrechtlichen mit der kauf- oder werkvertraglichen Haftung hat der B G H darüber hinaus damit begründet, daß es eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Käufers/Bestellers darstellen würde, wenn seine deliktsrechtlichen Ansprüche vertragsrechtlichen Grenzen unterworfen wären, während Dritte, die durch das mangelhafte G u t bzw. Werk ebenfalls zu Schaden gekommen seien, deliktsrechtliche Ansprüche ohne diese Beschränkungen gegen den Schädiger geltend machen könnten. 8 8 9 Auch verglich die Rechtsprechung zuweilen den Schädiger, der zugleich Kauf- oder Werkvertragspartner ist, mit sonstigen potentiellen D e liktstätern. Eine Besserstellung des Schädigers aufgrund seines Vertragsschlusses mit dem Geschädigten sei nicht gerechtfertigt. 8 9 0

Siehe B G H VersR 1977, 358 (360). In diesem Sinne etwa Diederichsen, N J W 1978,1286; Vogt, VersR 1979, 896; vgl. gegen diese Erwägung bereits oben Teil 1, Kapitel 2, VII. u. die w. Nachw. in Fußn. 212. 8 8 7 Siehe B G H N J W 1983, 810 (811). 8 8 8 Siehe B G H N J W 1983, 810 (811): „Bei richtiger Beschränkung der Deliktshaftung auf die Integritätsinteressen und gegebenenfalls deren wertender Ausgrenzung gegenüber dem Nutzungs- und Äquivalenzinteresse ist das aber hier" - gemeint ist das Aus-den-Angeln-Heben der Vertragsordnung - „nicht der Fall." 8 8 9 Siehe B G H N J W 1976,1505 (1506) (Frostschutzmittel); ähnlich B G H VersR 1988,52 (55) (Weinkorken I), wo betont wird, daß die Gewährleistungsrechte nach §§459ff. B G B (a.F.) dem Verkäufer - gemeint ist offenbar der Käufer - zusätzliche Rechte gewährten und deshalb nicht zu einer Einschränkung seines allgemeinen Rechtsgüterschutzes herangezogen werden könnten; in diesem Sinne auch B G H N J W - R R 1994,1113 (1114) (Jungprimelerde). 8 9 0 Siehe B G H N J W 1977,1819 (Raster); B G H N J W 1978, 2241 (2242) (Hinterreifen); B G H VersR 1988, 52 (55) (Weinkorken I). 885 886

Kapitel 2

Die Rechtsprechung verdient prinzipiell Zustimmung Sowohl für die Fälle der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigt, als auch für die Konstellationen der Eigentumsverletzung hinsichtlich fehlerhaft verarbeiteten Materials des Geschädigten verdient die Lösung des Konkurrenzproblems durch den B G H - jedenfalls im Ergebnis - prinzipiell Zustimmung. Jedoch kommen die Erwägungen, die meines Erachtens dafür maßgeblich sind, daß die deliktsrechtliche mit der kauf- oder werkvertraglichen Haftung frei konkurrieren muß, in den Entscheidungen des B G H nicht immer mit der nötigen Deutlichkeit zum Ausdruck.

A. Der Hinweis auf die drohende Rechtlosstellung des Vertragspartners ist irreführend So ist zunächst die im Schwimmerschalter-Urteil angestellte Überlegung, dem Geschädigten dürften deliktsrechtliche Ansprüche nicht abgeschnitten werden, weil er andernfalls „weitgehend rechtlos" gestellt würde 8 9 1 , in doppelter Hinsicht geeignet, Mißverständnisse zu provozieren: Zwar traf es zu, daß dem Käufer einer Sache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigte, dann, wenn es an den Voraussetzungen des § 4 6 3 B G B (a.F.) fehlte, mit den vertraglichen Rechtsbehelfen unter Umständen kaum gedient war. Weder Wandelung 8 9 2 noch Minderung führten zu einem Ersatz der Folgeschäden, die aus der fehlerbedingten Beschädigung der Sache resultierten. So mochte die Wandelung in der Tat unattraktiv erscheinen, weil aus der Rückgabe ein Pro-

891

Siehe B G H VersR 1977, 358 (359) und bereits F u ß n . 885.

N a c h § § 4 6 7 S. 1, 350 B G B (a.F.) konnte nur dann noch gewandelt werden, wenn die Kaufsache infolge eines Umstandes beschädigt wurde oder untergegangen war, den der Käufer nicht zu vertreten hatte. Dazu war auch die fehlerbedingte Selbstbeschädigung der Sache zu rechnen. Dies jedenfalls dann, wenn - was wohl ganz überwiegend der Fall sein dürfte - die WeiterfresserGefahr für den Käufer nicht offensichtlich war und er deshalb davon ausgehen durfte, die Sache entspreche dem vertraglich versprochenen Zustand und sei auch entsprechend einsatzfähig. N a c h neuem Schuldrecht schließt die Beschädigung oder Zerstörung der Kaufsache den R ü c k tritt generell nicht mehr aus. Die Pflicht zum Wertersatz entfällt in den Weiterfresser-Fällen regelmäßig nach § 3 4 6 Abs. 3 Nr. 2 oder 3 B G B (n.F.). 892

328

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts-

und

Vertragshaftung

duktionsausfall drohte. Es blieb dann allein die Minderung, die allerdings nicht einmal den durch das Weiterfressen des Fehlers verursachten Wertverlust der Kaufsache ausgleicht. D e n n gemäß § 4 7 2 B G B (a.F.) ist - ebenso wie nach § 4 4 1 Abs. 3 B G B (n.F.) - für den Vergleich zwischen realem Wert und vertraglichem Sollwert der Kaufsache auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen. 8 9 3 War im Schwimmerschalter-Fall der Wert der Anlage vor dem Brand nahezu identisch mit dem Kaufpreis, weil der defekte Schwimmerschalter für einen Pfennigbetrag hätte ausgewechselt werden können, so wäre der Geschädigte bei Geltendmachung von Minderung tatsächlich weitgehend leer ausgegangen. An dieser Stelle sei daran erinnert, daß auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes die deliktsrechtliche Herstellerhaftung nach § 823 Abs. 1 B G B in mancher Hinsicht weiterreicht als die Vertragshaftung des Verkäufers oder Werkunternehmers. 8 9 4 Namentlich verjähren die vertraglichen Mängelrechte früher als deliktsrechtliche Ansprüche ( § 4 3 8 B G B (n.F.) bzw. § 6 3 4 a B G B (n.F.) gegenüber § § 1 9 5 , 1 9 9 B G B (n.F.)). U n d was die Schadensersatzhaftung des Verkäufers anbelangt, so wird es häufig am erforderlichen Vertretenmüssen des Mangels ( § § 4 3 7 N r . 3 , 280 A b s . l , 276 B G B (n.F.)) fehlen. D e n n vom Händler kann man anders als vom Hersteller grundsätzlich nicht verlangen, daß er über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes Bescheid weiß. 8 9 5 Scheidet danach etwa in einem Weiterfresser-Fall mangels Verschuldens ein Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer aus, so bleiben jeden-

8 9 3 Darauf weisen zu Recht hin Ganter, JuS 1984, 594; Merkel, N J W 1987,359; Nickel, VersR 1984,320;Staud./J. Hager, §823 Rz. B 119; unzutreffend ist dagegen die Annahme, es könne eine mögliche spätere Zustands- und Wertänderung der mangelhaften Sache im Rahmen der Minderung sehr wohl durch einen entsprechenden Risikoabschlag bei der Wertbestimmung berücksichtigt werden, so etwa Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz. 31, siehe bereits oben Fußn. 131. Richtig ist zwar, daß es auf den Verkehrswert einer Sache durchaus von Einfluß sein kann, ob sie mit einem tatsächlichen, vielleicht nicht genau bezifferbaren oder gar mit einem nur zu vermutenden Zerstörungsrisiko behaftet ist. Damit ist aber nur gesagt, daß der Sachmangel wegen der Gefahr seiner Ausbreitung den Sachwert möglicherweise schon vor Eintritt dieser Sachverschlechterung mindert. Soweit der Verkehrswert der Sache im Hinblick auf das Mängelausbreitungs-Risiko bereits vor dem tatsächlichen Weiterfressen des Mangels gemindert ist, fehlt es jedoch gerade an einer durch das Weiterfressen des Fehlers bedingten Entwertung der Sache, während umgekehrt ein erst durch die sachinterne Fehlerausbreitung bedingter Wertverlust schon^er definitionem notwendig über einen solchen anfänglichen Mindertwert hinausgeht. Mit anderen Worten: Nur ein wertmindernder Faktor, der - wenn auch als (vermutetes) Risiko einer späteren Selbstzerstörung - bereits zum Verkaufszeitpunkt besteht, wird bei der Minderung berücksichtigt. Dabei kann es sich jedoch niemals um einen Weiterfresser-Schaden handeln, der sich gerade dadurch auszeichnet, daß er erst durch die Ausbreitung des Fehlers innerhalb der Sache eintritt. Es bleibt also dabei: Weiterfresser-Schäden werden bei der Minderung nicht berücksichtigt. 894 Vgl. dazu bereits die Einleitung. 8 9 5 So die bisherige Rechtsprechung, die ihre Gültigkeit auch unter dem neuen Recht behält, vgl. die Nachw. in Fußn. 572 u. 573.

Die Rechtssprechung

verdient

prinzipiell

Zustimmung

329

falls 896 die Folgeschäden der Selbstbeschädigung auch nach neuem Recht trotz Nacherfüllung (§§437 Nr. 1, 439 BGB (n.F.)) bzw. trotz Rücktritt oder Minderung (§§437 Nr.2, 440, 323, 326 Abs. 5, 441 BGB (n.F.)) ohne vertragsrechtlichen Ausgleich. Jedoch wird durch den Verweis des BGH auf die Unzulänglichkeit des vertraglichen Haftungssystems der unzutreffende Eindruck erweckt, die Anerkennung einer (möglichen) Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen lasse sich allein mit der Absicht des Gerichtes erklären, Beschränkungen der vertraglichen Haftung auszuhebein und so zu einem als angemessen empfundenen Ergebnis zu gelangen. Davon abgesehen ist die Argumentation mit der drohenden Rechtlosstellung des Käufers aber auch insofern mißverständlich, als sie den Schluß nahelegt, die Ausdehnung vertraglicher Haftungsschranken auf deliktsrechtliche Ansprüche stelle den Grundsatz dar, von dem lediglich ausnahmsweise dann abgewichen werden dürfe, wenn damit für den Geschädigten eine nicht hinnehmbar erscheinende Rechtsverkürzung verbunden wäre. In der Literatur werden denn auch immer wieder entsprechende Vorwürfe gegen den BGH erhoben: Viele unterstellen, die Weiterfresser-Rechtsprechung diene nur dazu, Schwächen des Vertragsrechts, insbesondere die kurze Verjährungsfrist des §477 BGB (a.F.) auszugleichen. 897 Die Anwendung des Deliktsrechts in den Weiterfresser-Fällen wird als „dogmatisch [...] unhaltbar" 898 , als „Notnagel" 899 , als „Schleichweg" 900 , als „Flucht aus der kurzen Verjährungsfrist des §477 BGB [(a.F.)]" 901 bezeichnet. In der Bejahung der Voraussetzungen eines Anspruches aus § 823 Abs. 1 BGB sieht man eine unzulässige Erweiterung der Gewährleistungsrechte 902 , eine nichtberechtigte Haftungserweiterung 903 ,

896 Je nachdem, ob man das Nachbesserungsrecht entsprechend dem Wortlaut von §434 Abs. 1 BGB (n.F.) auf die bei Gefahrübergang vorhandenen Mängel beschränkt oder nicht, werden darüber hinaus u.U. auch die an der Kaufsache selbst eingetreten Weiterfresserschäden nicht aus Vertragsrecht kompensiert, vgl. dazu oben Fußn. 865. 897 Vgl. nur Schubert, JR 1977,459; Rengier, JZ 1977,347; Evans-von Krbek, MDR 1977, 834; Littbarski, FS Korbion, 1986, S.274; Steinmeyer, DB 1989, 2161; Nagel, DB 1993, 2471; Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S.97; A Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 100; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 57; MünchKommJMertens, §823 Rz. 100; D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 182f., der unterstellt, es könne mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß nahezu alle Weiterfresser-Fälle anders entschieden worden wären, wenn dem Kaufvertragsrecht eine andere Verjährungsregel zugrundeläge. 898 So Brüggemeier, VersR 1983, 507. 899 So Brüggemeier, EWiR 1992, 776. 900 Vgl. Rengier, JZ 1977, 347; Honseil, DNotZ 2001, 374. 901 Vgl. Nagel, DB 1993,2471. 902 So Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.32, siehe auch bereits oben Fußn. 256. 903 Vgl. Diederichsen, VersR 1984, 799; Derleder/Meyer, AcP 195 (1995), 138, siehe auch bereits oben Fußn. 257.

330

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts- und

Vertragshaftung

eine „Ausweitung" 904 oder „Ausdehnung" 9 0 5 des Deliktsrechts, die „rechtspolitisch und dogmatisch fragwürdig" sei und mit der in Wahrheit ein „zusätzlicher Gewährleistungsrechtsbehelf" geschaffen werde 906 , eine „Öffnung des Tatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB für Schäden an der gelieferten Sache selbst" 907 , eine „Durchbrechung der Abgrenzung zwischen vertraglichem und deliktischem Haftungsbereich" 9 0 8 , der „systemsprengende Wirkung" 909 zukomme. Man behauptet, daß das Gewährleistungsrecht die Weiterfresser-Fälle abschließend regle 910 und daß durch die Rechtsprechung das wohl abgewogene System der Gewährleistungsrechte aus den Angeln gehoben werde 911 . Selbst gegen die jüngere Rechtsprechung des B G H im Kondensatoren- und im Transistoren-Fall sind ähnliche Einwände erhoben worden, obwohl es hier gar nicht um die Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Kaufsache ging, sondern die Verletzung des Eigentums an Material, also an sonstigen Rechtsgütern des Käufers in Frage stand. Dem B G H wird vorgeworfen, er habe den „Begriff der Eigentumsverletzung sogar noch weiter ausgedehnt" 912 , oder auch, er habe eine Rechtsfortbildung vorgenommen, deren Motiv „unverkennbar nicht delikts-

904

Vgl. G. Hager, BB 1987, \748; Schwark,]Z 1990, 379; Steinmeyer, DB 1989,2161; Schauh, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 57; Honseil, D N o t Z 2001,374; A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 96, der einige Zeilen weiter unten von einer „problematischen Erweiterung des Delikts" spricht, siehe auch bereits oben Fußn. 258. 905 Vgl. Esser/Weyers, SchuldR. I I / l , §6 III 2; Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S. 58, siehe auch bereits oben Fußn. 259. 906 Vgl. Rengier, JZ 1977, 347, siehe auch bereits oben Fußn. 261. 907 Vgl. D. Koch, Produkthaftung, 1995, S.232; vgl. auch S.229 zur Entwicklung des „Stoffgleichheits"-Kriteriums durch den B G H in der Gaszug-Entscheidung: „Diese Ausführungen im ,Gaszug-Fall' sind geprägt von der Intention, eine Begründung dafür zu schaffen, daß auch Schäden an der gelieferten Sache in den Schutzbereich der deliktischen Produzentenhaftung fallen können." 908 Vgl. Evans-von Krhek, M D R 1977,834; ähnlich auch Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 135, der über eine „Durchbrechung der in den §§459ff. BGB geregelten Sonderordnung für Mangelschäden" spekuliert. 909 Vgl. Produkthaftungshandbuch l/Foerste, § 21 Rz. 36; ähnlich unterstellt Bälz, Zum Strukturwandel des Systems zivilrechtlicher Haftung, 1991, S. 8 dem B G H , er verfolge das „kaum verhüllte^] Ziel", den „als zu eng empfundenen Rahmen" des Vertragsrechts „zu sprengen"; siehe auch bereits oben Fußn. 260. 910 Vgl. nur Schuhen, JR 1979, 203 u. Stoll, JZ 1983, 504, die Spezialität der kaufrechtlichen Regelungen annehmen; Steinmeyer, DB 1989, 2161 spricht von „Exklusivität des Vertragsrechts"; siehe ferner Schwark, AcP 179 (1979), 80f. u. ders., JZ 1979, 379; Diederichsen, VersR 1984, 798; im Ergebnis auch Ebel, NJW 1978, 2494; Soergel/Zeuner, vor §823 Rz.49; Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz.32 Fußn. 88 m. w. Nachw. 911 Vgl. Rengier, JZ 1977, 347. 912 So Brinkmann, Weiterfressende Mängel und Produkthaftungsgesetz, 1994, S.99 zur Kondensatoren-Entscheidung; ähnlich Hinsch, VersR 1992, 1058 zur Kondensatoren-Entscheidung und ders., VersR 1998, 1356 zum Transistoren-Urteil; Bremenkamp/Buyten, VersR 1998, 1069 kritisieren die Transistoren-Entscheidung als „Ausweitung der deliktischen Zuliefererhaftung".

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

331

rechtliche Wertungen" gewesen seien913. Man könne sich „des Eindrucks nicht erwehren, daß in der Praxis bisweilen sogar Chancen ergriffen werden, mit Hilfe vordergründiger Plausibilität Ziele (der Haftungserweiterung) durchzusetzen, die vom Gesetz nicht mehr getragen sind"914, was „rechtsethisch bedenklich" 915 erscheine. Angesichts dieser harschen Kritik verwundert es nicht, daß die jüngst verwirklichte Schuldrechtsmodernisierung von vielen zum Anlaß genommen wird, eine Korrektur der Weiterfresser-Rechtsprechung zu fordern916. Nachdem die kauf- und die werkvertragsrechtlichen Gewährleistungsfristen deutlich verlängert wurden (§§438,634a BGB (n.F.)), neuerdings auch der (Stück)käufer grundsätzlich Nacherfüllung verlangen darf (§§437 Nr. 1, 439 BGB (n.F.)) und schließlich die kaufrechtliche Beschränkung des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung - bzw. statt der Leistung - auf Zusicherungs- und Arglistfälle beseitigt wurde (§§437 Nr.3, 440, 280, 281, 283, 311a BGB (n.F.))917, verneint man ein Bedürfnis für die deliktsrechtliche Haftung. Dabei wird die Forderung nach einem Kurswechsel von manchen sogar auf die Verarbeitungsfälle erstreckt.918

B. Der Tatbestand des $ 823 Abs. 1 BGB wird nicht unzulässig ausgeweitet Es soll hier gar nicht bestritten werden, daß sich die Frage nach deliktsrechtlichen Ansprüchen sicherlich in so manchem Fall der Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen oder der fehlerhaften Verarbeitung von Material erübrigt hätte, wenn ein (unverjährter) vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer oder Werkunternehmer zu bejahen gewesen wäre. Das ändert aber nichts daran, daß sich die Verkehrspflichtenlehre allgemein wie auch die Anerkennung von Verkehrspflichten des Produzenten im Besonderen klar innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Grenzen des § 823 Abs. 1 BGB bewegt. Dies ist oben ausführlich dargelegt worden.919 Es liegt keine Rechtsfortbildung contra legem vor, sondern zulässige Rechtsanwendung.

9 1 3 So Schmidt-Salzer, LM § 823 B G B (Ac) Nr. 53, Bl. 2033 zur Kondensatoren-Entscheidung, allerdings unter unzutreffender Einordnung des Sachverhalts als Weiterfresser-Fall. 9 1 4 So Produkthaftungshandbuch I/Foerste, §21 Rz. 13 mit Verweis auf die KondensatorenEntscheidung. 9 1 5 Vgl. den Nachw. in der vorhergehenden Fußn. 9 1 6 Vgl. die Nachw. in Fußn. 12 m. Nachw. auch der zurückhaltenden Stellungnahmen. 9 1 7 Siehe zu diesen Neuerungen bereits die Einleitung sowie vor Teil 1, unter A. 9 1 8 In diesem Sinne Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, 2002, Rz.582 a.E. 9 1 9 Vgl. Teil 1, Kapitel 3, D.

332

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts-

und

Vertragshaftung

Weiter ist oben eingehend begründet w o r d e n , daß in den Weiterfresser-Fällen wie auch in den Fällen der fehlerhaften Verarbeitung v o n Material die Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung vorliegen können. Etwaige Schwächen des Vertragsrechts spielten dabei keine Rolle. Vielmehr hat sich erstens gezeigt, daß die Pflicht zur Warnung v o r der sachinternen Fehlerausbreitung nur einen Anwendungsfall der allgemeinen Instruktionspflicht des Herstellers darstellt, zum Schutze der v o n § 8 2 3 Abs. 1 B G B erfaßten R e c h t e und Rechtsgüter über Risiken seiner P r o d u k t e zu informieren, mit denen die maßgeblichen Verkehrskreise nicht rechnen. 9 2 0 E s gibt nun einmal keine Rechtfertigung dafür, eine Instruktion nur deshalb für entbehrlich zu halten, weil die Gefährlichkeit der Sache auf einem K o n s t r u k t i o n s - oder Fabrikationsfehler beruht. D i e weit verbreitete A n n a h m e , mit der Weiterfresser-Rechtsprechung sei eine grundsätzliche A b k e h r vollzogen w o r d e n v o m zuvor herrschenden Verständnis des § 8 2 3 A b s . 1 B G B 9 2 1 , ein „Richtungswechsel" 9 2 2 , der „in einem Kernbereich zivilen Haftungsrechts tradierte dogmatische Besitzstände relativ gewaltsam neu arrangierte, u m bestimmte ö k o n o m i s c h e Ergebnisse zu erzielen" 9 2 3 , hat sich damit als substanzlos erwiesen. Zweitens ist dargelegt w o r d e n , daß dann, w e n n durch fehlerhafte Verarbeitung die Substanz verwendeter Materialien entgegen dem Willen des Eigentümers erweitert bzw. vermehrt wird, eine Substanzbeeinträchtigung vorliegt, so daß es gerade keiner Ausweitung des § 8 2 3 A b s . 1 B G B hin zur Erfassung der b l o ß e n Nutzungsbeeinträchtigung bedarf, damit die Voraussetzungen der Eigentumsverletzung bejaht werden k ö n n e n . 9 2 4 D a m i t steht fest, daß der Schädiger weder in den Weiterfresser-Fällen n o c h bei der fehlerhaften Verarbeitung von Material aus § 823 A b s . 1 B G B haftet,

er eine Vertragspflicht verletzt hat.

weil

Eine Ausweitung des Deliktsrechts hinein

ins Terrain des Vertragsrechts liegt nicht vor. N i c h t anders als etwa dann, wenn durch ein gefährliches P r o d u k t Sachen eines

casual bystanders beschädigt

wer-

den, ist G r u n d der H a f t u n g allein die Eigentumsbeeinträchtigung durch Verkehrspflichtverletzung.

C. Die freie Anspruchskonkurrenz ist selbstverständlicher Ausgangspunkt für die Lösung der Konkurrenzfrage Liegen die Voraussetzungen einer R e c h t s n o r m vor, so müssen grundsätzlich die v o m G e s e t z für diesen Fall angeordneten Rechtsfolgen eintreten. Zu R e c h t

920 921 922

923 924

Vgl. Teil 1, Kapitel 3, E. u. F. Vgl. bereits oben die Nachw. in Fußn. 87. Vgl. D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 179.

Vgl. Brüggemeier, VersR 1983, 506. Vgl. Teil 2, insb. Kapitel 2 u. Kapitel 4.

Die Rechtssprechung

verdient

prinzipiell

Zustimmung

333

ist betont worden, daß dieser schon früh als „juristische Kausalität" 9 2 5 bezeichnete Grandsatz dem gesamten Recht zugrunde liegt und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, ja Banalität darstellt 926 : Wenn die Voraussetzungen des §823 Abs. 1 BGB erfüllt sind, dann muß der Schädiger dem Geschädigten den aus der Beeinträchtigung des Rechtsguts resultierenden Schaden ersetzen. Wenn etwa der Tatbestand der §§433 Abs. 1 S.2, 434, 437 Nr.3, 440, 280, 281 BGB (n.F.) verwirklicht wurde, dann schuldet der Verkäufer dem Käufer Ersatz des gesamten aus der mangelhaften Leistung entstandenen Schadens. U n d weiter ist auch bereits zutreffend erkannt worden, daß sich aus dieser „juristischen Kausalität", verstanden als „logisches, konditionales Verhältnis oder Gesetzmäßigkeit von (abstraktem) Tatbestand und Rechtsfolge" 9 2 7 ebenfalls selbstverständlich der Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz als Ausgangspunkt jeder Rechtsanwendung ergibt. 928 Wenn etwa gleichzeitig die Tatbestände einer deliktsrechtlichen und einer vertragsrechtlichen N o r m erfüllt sind, so liegen an sich die im Gesetz vorgesehen Voraussetzungen für die Anwendung beider Normen vor. Daß sich die Rechtsfolgen überschneiden, vermag für sich genommen nichts daran zu ändern, daß die jeweilige Rechtsfolge nur an den jeweiligen Tatbestand anknüpft. Will man dennoch einen Vorrang der einen N o r m vor der anderen annehmen, so muß man also die „juristische Kausalität" von Tatbestand und Rechtsfolge durchbrechen. 9 2 9 Damit soll nicht etwa behauptet werden, daß es keine Ausnahmen von der freien Anspruchskonkurrenz geben kann. Es ist durchaus denkbar, daß das Gesetz ausdrücklich Abweichungen vorsieht oder daß es Wertungen enthält, die deutlich gegen eine parallele Anwendung sich teilweise deckender Vorschriften sprechen. Vielmehr ist damit nur gesagt, daß die Begründungslast diejenigen trifft, die einen wie auch immer begrenzten Vorrang des Kauf- oder Werkvertragsrechts vor dem Deliktsrecht behaupten. Fehlt wie im BGB eine ausdrückliche Konkurrenzregel, so bedarf nicht der Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz der Rechtfertigung, sondern müssen die Ausnahmen von diesem Grundsatz begründet werden. 9 3 0 Dies gilt auch für die hier interessierenden Fäl925

S.5f.

Vgl. Zitelmann,

Irrtum und Rechtsgeschäft, 1879, S.200ff.; von Tuhr, ATII/1,1914, §43 I,

Vgl. A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 18f. So A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 19. 928 Vgl. A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 18 unter Hinweis auf die Annahme der Beratung, AT II, 1985, S. 1246, es sei Ersten Kommission, vgl. Prot. I, S.462f., Jakobs/Schubert, eine ausdrücklichen Festschreibung des Grundsatzes der freien Anspruchskonkurrenz im BGB entbehrlich, weil der Gedanke, daß bei Erfüllung eines weniger weitgehenden von mehreren Ansprüchen die weitergehende Leistung noch auf Grund der weitergehenden Ansprüche nachgefordert werden könne, „richtig verstanden, selbstverständlich" sei. 929 In diesem Sinne bereits Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzungen und Delikt, 1934, S.44, ebenso A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 19f., jeweils m. w. Nachw. 930 So bereits Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzungen und Delikt, 1934, S.44, ebenso A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 20, jeweils m. w. Nachw. 926 927

334

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts-

und

Vertragshaftung

le der Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen und der fehlerhaften Verarbeitung von Material. Mit dem Hinweis auf die Existenz einer Sonderordnung des Vertragsrechts, in der die Rechte des Geschädigten angeblich abschließend geregelt seien, ist es nicht getan. Mögen Kauf- und Werkvertragsrecht die Rechte des Käufers bzw. Bestellers auch detailliert regeln, so stehen die deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen doch mit grundsätzlich gleichem Rang daneben. Ihre ausnahmsweise Verdrängung muß besonders begründet werden.

D. Die parallele deliktsrechtliche Haftung läßt die vertragsrechtlichen Haftungsgrenzen nicht leerlaufen Es ist bereits ausgeführt worden, daß die höchstrichterliche Rechtsprechung Ausnahmen von der freien Anspruchskonkurrenz dann für gerechtfertigt hält, wenn andernfalls der Zweck einer besonderen vertragsrechtlichen Regelung vereitelt würde. 9 3 1 Während jedoch der B G H grundsätzlich annahm, daß weder die § § 4 7 7 , 638 B G B (a.F.) noch § § 3 7 7 , 378 H G B (a.F.) bei paralleler deliktsrechtlicher Haftung leerliefen 9 3 2 , wird in der Literatur von vielen ein - im einzelnen unterschiedlich weitreichender - Vorrang des Kauf- und Werkvertragsrechts gerade mit dem Argument gerechtfertigt, die vertragsrechtlichen Regelungen würden andernfalls in Frage gestellt 9 3 3 , überspielt 9 3 4 , entwertet 9 3 5 , durchkreuzt 9 3 6 , durchlöchert 9 3 7 , umgangen 9 3 8 , entleert 9 3 9 , unterlaufen 9 4 0 , ausgehöhlt 9 4 1 usw. Besonders in Bezug auf die Weiterfresser-Fälle ist diese Ansicht weit verbreitet. 9 4 2 Von manchen wird sie aber auch für die Fälle einer Verletzung Vgl. die Nachw. in Fußn. 882. Vgl. die Nachw. in Fußn. 883 u. 884. 9 3 3 So D. Koch, Produkthaftung, 1995, S.236. 9 3 4 So Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 190. 9 3 5 So Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 191. 9 3 6 So Schlechtriem, JZ 1971, 451; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 191. 9 3 7 So Erman/Grunewald, vor §459 Rz.45. 9 3 8 So Schubert, J R 1977, 459. 9 3 9 So von Bar, Probleme der Haftpflicht, 1992, 24. 9 4 0 So Rengier, J Z 1977, 347; Foerste, VersR 1989, 456. 941 So Rengier, JZ 1977, 347; Schwark, JZ 1990, 380. 9 4 2 Vgl. Rengier, J Z 1977, 347; Schubert, J R 1977, 459; Kraft, JuS 1980, 412; Köhler, J A 1982, 164; Brüggemeier, VersR 1983, 507ff., der, S.508, einen ,,genuine[n] Anwendungsbereich von Vertragsrecht" annimmt; Keibel, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 I B G B , 1984, S.84ff.; Foerste, VersR 1989, 456, ders., Produkthaftungshandbuch I, §21 Rz.31ff.; von Bar, Probleme der Haftpflicht, 1992,24; Erman/Grunewald, vor §459 Rz.45; Erman/Schiemann,% 823 Rz. 124; Soergel/Zeuner, vor § 823 Rz. 49; D. Koch, Produkthaftung, 1995, S. 233 ff.;/. Schmidt, Der „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, 1996, S. 27ff.; Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung, 1994, S. 135ff., 191 m. w. Nachw. u. ders., N J W 1 9 9 7 , 4 8 7 f . , a.A. aber etwa Rauscher, JuS 1987, 15; Steffen, VersR 1988, 980; Soergel/U. Huber, vor §459 931

932

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

335

des Eigentums an fehlerhaft verarbeiteten Materialien vertreten, die der Geschädigte per Kauf- oder Werkvertrag erworben hat. 943 Es erscheint durchaus denkbar, daß der Sinn und Zweck haftungsbegrenzender Regelungen verfehlt wird, wenn daneben Vorschriften zur Anwendung gelangen, die parallele Rechtsfolgen anordnen, ohne sie entsprechenden Schranken zu unterwerfen. Inwieweit ein solcher drohender Leerlauf einer Regelung hinreichende Rechtfertigung dafür sein kann, andere an sich gleichrangige Normen ganz oder teilweise zurücktreten zu lassen, muß hier 944 nicht weiter untersucht werden. 945 Denn entgegen der in der Literatur immer wieder aufgestellten Behauptung führt die Anerkennung einer parallelen Geltung des DeRz.268; Staud./J. Hager, §823 Rz. B 116; A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S.95f., 99f., U8L; Franzen, J Z 1999, 706. 9 4 3 Sehr weitgehend etwa Wilts, VersR 1967, 820: Um zu verhindern, daß werkvertragsrechtliche Regelungen ihre Bedeutung verlieren, sollen „Deliktsansprüche bei konkurrierenden Gewährleistungsansprüchen des Werkvertragsrechts weder sachlich noch zeitlich weiter gehen können, als es die vertragliche Regelung vorsieht"; ähnlich Schwark, AcP 179 (1979), 63ff., 83, der zur Vermeidung einer Entwertung des Vertragsrechts allgemein annimmt, daß dann, wenn Ansprüche mit sich deckenden Anspruchsvoraussetzungen im Vertrags- und im Deliktsrecht zu finden seien, der vertraglichen Regelung der Vorzug gebühren solle, vgl. auch ders., J Z 1990, 374ff., gegen die Weigerung des B G H in der ersten Weinkorken-Entscheidung, VersR 1988, 52, §377 H G B auf den deliktsrechtlichen Anspruch wegen Eigentumsverletzung auszudehnen; für eine Erstreckung der Rügeobliegenheit auf deliktsrechtliche Ansprüche auch bereits ders., AcP 179 (1979), 76ff.; Produkthaftungshandbuch VFoerste, §21 Rz. 77 will deliktsrechtliche Ansprüche nicht ohne Rücksicht auf die Verjährung werkvertraglicher Ansprüche zuerkennen, es sei denn, es stehe ein entfernter Mangelfolgeschaden in Frage, für dessen Ersatz aus positiver Forderungsverletzung die dreißigjährige Regelverjährung gelte; Schlechtriem, J Z 1971, 451, wollte bei der Beschädigung bestellereigener Sachen, die Gegenstand werkvertraglicher Bearbeitung werden, in gewissem Umfang der „Sonderordnung für Werkmängel" Vorrang einräumen, gab diese Ansicht aber später auf, vgl. ders., Gutachten, 1981, S. 1667ff.; daß nach Lage des Falls bestimmte werkvertragliche Regelungen Vorrang genießen, weil sie ansonsten ausgehöhlt werden könnten, hält für nicht ausgeschlossen Soergel/Zeuner, vor §823 Rz.51; für einen Vorrang der kurzen werkvertraglichen Verjährung Ganten, N J W 1971, 1805; zur herrschenden Ansicht einer Ausdehnung des werkvertraglichen Nacherfüllungsvorrangs auf den Anspruch aus § 823 Abs. 1 B G B , vgl. sogleich unter II. 9 4 4 Siehe aber dazu, daß der sachlichen Angemessenheit des Haftungsregimes Priorität einzuräumen ist vor dem Ziel, bestimmte Norm gegen Leerlauf zu schützen, sogleich unter E. 9 4 5 Grundsätzlich ablehnend A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 53 ff. m. w. Nachw., insb. S.58f.; A. Klein kritisiert die Begründung des Vorrangs einer Regelung mit deren drohendem Leerlauf als Anwendung einer „Metanorm", der gerade in den Fällen Geltung eingeräumt werde, in denen offen sei, ob ihre Voraussetzungen erfüllt seien. So stelle die Prämisse, daß der Gesetzgeber jeder (beinahe) leerlaufenden Norm den Vorrang habe einräumen wollen, wenn er ihren drohenden Leerlauf erkannt hätte, nur eine unbewiesene Annahme dar. Außerdem wäre ein Verbot leerlaufender Normen zugleich ein Verbot deklaratorischer Normen, für die doch ein erheblicher Bedarf bestehe. Die Berechtigung dieser Kritik erscheint zweifelhaft. Meines Erachtens geht es nicht um eine Metanorm des Verbots leerlaufender Gesetze, sondern allenfalls um eine Auslegungsregel, der zufolge gesetzliche Regelungen auch in ihrem gegenseitigen Zusammenspiel möglichst so ausgelegt werden sollen, daß ihr Sinn und Zweck erreicht wird. Der Verweis A. Kleins auf die Berechtigung deklaratorischer Normen geht deshalb fehl. Denn daß der Leerlauf einer Norm mit deren Sinn und Zweck unvereinbar sein kann, läßt sich nicht mit dem Nachweis

336

Teil 3: Das Verhältnis zwischen

Delikts- und

Vertragshaftung

liktsrechts nicht zu einer Entwertung, Aushöhlung oder gar einem Leerlaufen der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken.

I. Kein Ersatz der Differenz zwischen Ist- und vertraglichem Sollzustand von Kaufsache oder Werk aus §823 Abs. 1 BGB Eine Entwertung der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken durch die parallele Geltung des Deliktsrechts ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil es Sach- oder Werkmängel geben kann, die gar keine Rechtsgutsbeeinträchtigung nach § 823 Abs. 1 BGB mit sich bringen 946 . Nicht nur in diesen Fällen, in denen eine Uberschneidung zwischen Vertragsrecht und § 823 Abs. 1 BGB überhaupt ausbleibt, behalten die Grenzen der vertraglichen Haftung trotz frei konkurrierender deliktsrechtlicher Ansprüche ihren guten Sinn. Dies gilt vielmehr gerade auch in den hier interessierenden Fällen, in denen eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache oder am fehlerhaft verarbeiteten Material sehr wohl zu bejahen ist. Zu Recht weist der B G H darauf hin, daß aus §823 Abs. 1 BGB für die bloße enttäuschte Vertragserwartung kein Ersatz geleistet wird 9 4 7 . Das Interesse, im Austausch für die eigene vertraglich geschuldete Leistung die versprochene Gegenleistung zu erhalten, bleibt bei der Schadensberechnung nach §823 Abs. 1 BGB unberücksichtigt. Oder um es in der Terminologie der Weiterfresser-Rechtsprechung auszudrücken 9 4 8 : Das „Integritätsinteresse" verstanden als Interesse, nicht in seinem Eigentum oder Besitz verletzt zu werden", schließt das „ Aquivalenzinteresse" als die „auf den Erwerb einer mangelfreien Sache gerichteten Vertragserwartungen" keineswegs vollständig oder weitgehend in sich ein. Sowohl für die Fälle der Selbstbeschädigung einer fehlerhaften Sache als auch für die Konstellationen der Verletzung des Eigentums an fehlerhaft verarbeitetem Material ist dies oben - jeweils im Rahmen der Ausführungen zur Berechnung des aus §823 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schadens - ausführlich dargelegt worden. 9 4 9 Dabei hat sich gezeigt: Die Abweichung, welche die Ist-Beschaffenheit der Kaufsache oder des Werkes im Leistungszeitpunkt von der vertraglichen Soll-Beschaffenheit aufweist, wird weder dann, wenn sich Kaufsache bzw. Werk selbst beschädigen noch dann, wenn es zu einer fehlerhaften Verarbeitung mit Material des Geschädigten

der Existenz von Vorschriften widerlegen, die trotz fehlenden eigenständigen Anwendungsbereichs sinnvoll sind, etwa weil ihnen deklaratorische Bedeutung zukommt. 946 Vgl. zu dieser Argumentation des BGH die Nachw. in Fußn. 883; dagegen Schlechtriem, JZ 1971,451 u. ders., Gutachten, 1981, S. 1667 mit dem überzeugenden Einwand, daß es nicht einzusehen sei, die Häufigkeit der Verwirklichung eines bestimmten Risikos über die Lösung des Konkurrenzproblems entscheiden zu lassen. 947 Vgl. die Nachw. in Fußn. 884. 948 Vgl. dazu oben Fußn. 71. 949 Vgl. oben Teil 1, Kapitel 4, B.V. u. Teil2, Kapitel 5.

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

337

kommt, durch die Eigentumsverletzung verursacht. Für den Anspruch aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B fehlt es deshalb hinsichtlich dieses sog. anfänglichen Mangelunwerts stets an der haftungsausfüllenden Kausalität. E r verkörpert tatsächlich die bloße Enttäuschung der Vertragserwartung. D e r Geschädigte wird durch den Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 B G B nur so gestellt, wie er ohne die Eigentumsverletzung stehen würde, nicht aber wird der Zustand hergestellt, der bestehen würde, wenn Kaufsache oder Werk einwandfrei gewesen wären. Weil aber der anfängliche Mangelunwert als bloße Beeinträchtigung der vertraglichen Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung nur von der vertragsrechtlichen Haftung erfaßt wird, kommt deren Schranken auch neben einem frei konkurrierenden § 823 Abs. 1 B G B wesentliches Gewicht zu: Dies gilt für die kurzen kenntnisunabhängigen Verjährungsfristen nach § § 4 3 8 , 634a B G B ( n . E ) bzw. § § 4 7 7 , 6 3 8 B G B (a.F.) ebenso wie für die Untersuchungs- und Rügeobliegenheiten gem. § 3 7 7 H G B und schließlich für den Nacherfüllungsvorrang nach § § 4 3 7 N r . 2 , Nr. 3, 440, 323, 441, 280, 281 B G B (n.F.) und § § 6 3 4 N r . 2 - 4 , 636, 323, 6 3 8 , 2 8 0 , 2 8 1 B G B (n.F.) bzw. § 6 3 4 B G B (a.F.). Das Einstehenmüssen für die ureigene Vertragsstörung einer Abweichung der tatsächlich erbrachten Leistung vom versprochenen Sollzustand wird selbst dann durch die kauf- und werkvertraglichen Haftungsschranken begrenzt, wenn eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Kaufsache, dem unzulänglichen Werk oder an fehlerhaft verarbeiteten Materialien bejaht werden muß. N u n hat der B G H allerdings in einigen wenigen Entscheidungen Ausnahmen vom Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz anerkannt und das Deliktsrecht doch hinter Regelungen des Werk- und Kaufvertragsrechts zurücktreten lassen. Weil aber die Differenz zwischen Ist- und vertraglicher Soll-Beschaffenheit der Leistung vom Schadensersatz aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B ausgeklammert bleibt, drohte in Wirklichkeit - wie nun gezeigt werden soll - auch in diesen Fällen kein Leerlauf vertragsrechtlicher Regelungen.

II. Kein drohender Leerlauf des werkvertraglichen Nacherfüllungsrechts im Spundwand-Fall Im Spundwand-Fall 9 5 0 hatte die beklagte Unternehmerin auf dem Grundstück des Bestellers, eines Landschaftsverbands, Erdarbeiten ausgeführt und dabei den Raum zwischen einer von einem anderen Unternehmen errichteten Spundwand und der Böschung verfüllt sowie verdichtet. Infolge zu geringer Verdichtung des Erdreiches und/oder aufgrund von Schlagbeanspruchung durch den Flächenrüttler der Beklagten rissen die Ankerstäbe der Spundwand. O h n e der Beklagten Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben, ließ der Land-

950

Siehe BGHZ

96, 221 (VII. Senat).

338

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen

Delikts-

und

Vertragshaftung

schaftsverband die Schäden beseitigen. 951 U m an die beschädigten Ankerstäbe heranzukommen, war es notwendig, das hinterfüllte Material zu entfernen. Neben der Wiederherstellung der Anker mußte außerdem eine erneute Hinterfüllung und Verdichtung vorgenommen werden. Fraglich war, ob die Beklagte zum Ersatz der Kosten der Schadensbeseitigung verpflichtet war.

1. BGH und herrschende Lehre dehnen den aus auf den Anspruch aus §823 Abs. 1 BGB

Nacherfüllungsvorrang

Der B G H nahm an, daß sich das vertragliche Nachbesserungsrecht der Beklagten aus §13 Nr. 5 Abs. 1 VOB/B 9 5 2 nur auf ihr eigenes Gewerk, nicht aber auf die Spundwand erstreckte. 953 Daß der Beklagten keine Nachbesserungsfrist gesetzt worden war, stand nach Ansicht des Gerichts dem Schadensersatzanspruch aus § 13 Nr. 7 Abs. 1 V O B / B daher nur insoweit entgegen, als es um die Kosten der erneuten Erdarbeiten ging, die Mängelbeseitigung am eigenen Gewerk der Beklagten gewesen seien, nicht dagegen hinsichtlich der Schäden an der Spundwand. 954 Der B G H ließ sodann offen, ob wegen Verletzung des Eigentums des Landschaftsverbandes an der Spundwand ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB entstanden war. Er konnte so verfahren, weil er annahm, daß die allein noch interessierenden Kosten für die erneuten Erdarbeiten auch aus Deliktsrecht auf keinen Fall ersetzt werden mußten. Zur Begründung führte der B G H aus, daß das werkvertragliche Nachbesserungsrecht und die dieses Recht sichernde Regelung des § 13 Nr. 5,7 Abs. 1 VOB/B, wonach der Auftragnehmer grundsätzlich erst einmal unter Fristsetzung zur Beseitigung der Mängel seines Werkes aufgefordert werden muß, „vereitelt" und „praktisch außer Kraft gesetzt" würde, wenn innerhalb eines deliktsrechtlichen Anspruches auf Ersatz der Kosten für die Wiederherstellung der Spundwand die Aufwendungen für die dazu erforderlichen Erdarbeiten verlangt werden könnten ohne Rücksicht darauf, ob die Beklagte Gelegenheit erhalten habe, diese Arbeiten erneut und dieses Mal mängelfrei auszuführen. 955 Daß einem deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch das werkvertragliche Nacherfüllungsrecht vorgeschaltet werden müsse, weil andernfalls dessen Zweck vereitelt werde, ist aber nicht nur die Meinung des B G H , sondern wird 951 Zur Vereinfachung der Darstellung wird hier unterstellt, daß die Kosten f ü r die Schadensbeseitigung beim Landschaftsverband angefallen sind, so daß das P r o b l e m der Drittschadensliquidation ausgeklammert bleibt. Tatsächlich lag der Fall so, daß das U n t e r n e h m e n , das den Schaden beseitigt hatte, v o m Landschaftsverband keinen Ersatz seiner A u f w e n d u n g e n erhalten hatte und deshalb die Beklagte aus abgetretenem Recht des Landschaftsverbandes in A n s p r u c h nahm. 952 Die Entscheidung enthält keinerlei A n h a l t s p u n k t e dafür, daß der B G H bei einem N a c h besserungsrecht aus §634 B G B (a.E) anders entschieden hätte. 953 Siehe BGHZ 96, 221 (224). 954 Siehe BGHZ 96, 221 (227f.). 955 Siehe BGHZ 96, 221 (229f.).

Die Rechtssprechung

verdient

prinzipiell

Zustimmung

339

auch in der Literatur von vielen vertreten. 956 Seit Geltung des Nacherfüllungsvorranges auch im Kaufrecht (§§437 Nr. 1, 439 BGB (n.F.)) erstrecken manche Autoren diese Argumentation auf die Weiterfresser-Fälle. Gegen die Anerkennung eines deliktsrechtlichen Anspruches spreche, daß auf diese Weise der kaufrechtliche Nacherfüllungsvorrang umgangen werde. Deshalb müsse bei Beibehaltung der Weiterfresser-Rechtsprechung zumindest das Nachfristerfordernis auf den Anspruch aus §823 Abs. 1 BGB übertragen werden. 957 2. Die Begründung überzeugt nicht

der Ausdehnung

des

Nacherfüllungsvorrangs

Der Zweck des werkvertraglichen Nacherfüllungsrechts wird vor allem darin gesehen, dem Unternehmer, der die Nacherfüllung häufig preiswerter als andere durchführen kann, eine Kostenersparnis zu ermöglichen. 958 Entgegen der Einschätzung von BGH und herrschender Lehre wird dieser Zweck jedoch durch frei konkurrierende deliktsrechtliche Ansprüche weder „vereitelt" noch „praktisch außer Kraft gesetzt". Denn auch hier gilt: Durch einen frei konkurrierenden deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch wird der Geschädigte nicht etwa so gestellt, wie er bei Erbringung einer mangelfreien Werkleistung stehen würde. Ersetzt wird nur der aus der Eigentumsverletzung resultierende Schaden, nicht aber die Negativabweichung der Werkleistung vom Vertragssoll als bloße Beeinträchtigung der vereinbarten Äquivalenz von vertraglicher Leistung und Gegenleistung. Deren Ausgleich vermag der Geschädigte nur über das Vertragsrecht zu erreichen. Weil also der Geschädigte nur aus Vertragsrecht und damit eben nur unter Beachtung des vorgeschalteten Nacherfüllungsrechts verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er bei einwandfreier Werkherstellung stehen würde, behält das Nacherfüllungsrecht auch dann seinen guten Sinn, wenn eine parallele Eigentumsverletzung zu bejahen ist. Das läßt sich gerade anhand des Spundwand-Falles zeigen. Wie ausgeführt 959 ging der BGH davon aus,

956 Vgl. Grunewald, JZ 1987, 1103f.; Derleder/Meyer, AcP 195 (1995), S. 152ff.; Soergel/Zeuner, vor § 823 Rz. 51; Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S. 74; im Ergebnis auch A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 122; a.A. aber Stoll,]Z 1986,400f.; Schlechtriem, Gutachten, 1981, S. 1667ff. in Abweichung von ders., JZ 1971,449ff., wo Schlechtriem eher geneigt war, bei der Beschädigung bestellereigener Sachen, die Gegenstand werkvertraglicher Bearbeitung werden, in gewissem Umfang der „Sonderordnung für Werkmängel" Vorrang einzuräumen; vgl. auch Staud./Peters, § 635 Rz. 71, der annimmt, von einer im deliktischen Sinne rechtswidrigen Handlung könne nicht gesprochen werden, solange eine werkvertragliche Nachbesserungsbefugnis bestehe. 957 So Foerste, ZRP 2001, 342; ähnlich Grigoleit, ZGS 2002, 79 vor u. mit Fußn. 7; AnwKommJMansel, BGB, 2002, § 195 Rz. 54. 958 Vgl. etwa Derleder/Meyer, AcP 195 (1995), 153; Grunewald, JZ 1987, 1103;A Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 122. 959 Siehe oben vor 1.

340

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts-

und

Vertragshaftung

daß die Verformung der Spundwand infolge zu geringer Verdichtung des Erdreiches und/oder aufgrund von Schlagbeanspruchung durch den Flächenrüttler der Beklagten eingetreten war. Hinter dieser unpräzisen Angabe der Schadensursache verbergen sich mehrere mögliche Sachverhalts-Konstellationen, in denen sich bei genauerem Hinsehen ein jeweils unterschiedlich weitreichender Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 B G B ergibt. Anhand dieser möglichen Sachverhaltsvarianten läßt sich sehr schön illustrieren, welche Bedeutung dem werkvertraglichen Nacherfüllungsvorrang trotz freier Anspruchskonkurrenz zukommt. Bevor dies im folgenden näher ausgeführt wird, sei noch darauf hingeweisen, daß in Bezug auf den neu eingeführten kaufrechtlichen Nacherfüllungsvorrang ( § § 4 3 7 Nr. 1 , 4 3 9 B G B (n.F.)) dasselbe gilt. Die Furcht, er werde durch Deliktsansprüche umgangen oder seiner Funktion beraubt 9 6 0 , ist hier genauso unberechtigt und zwar unabhängig davon, ob der Käufer fehlerhaftes Material bezog, das er mit einwandfreien Sachen verarbeitete oder ob er eine Endsache erwarb, die sich infolge unterlassener Warnung vor der verkehrswidrigen B e schaffenheit selbst beschädigte. Weil der deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch niemals den anfänglichen Mangelunwert der Kaufsache erfaßt 9 6 1 , bleibt der kaufrechtliche Nacherfüllungsvorrang auch bei freier Konkurrenz des D e liktsrechts von Bedeutung. Mißachtet der Käufer den Nacherfüllungsvorrang, indem er beispielsweise die Kaufsache durch einen Dritten reparieren läßt, so verliert er trotz Deliktsanspruches die Möglichkeit, Ersatz zu erlangen für den anfänglichen Mangelunwert als bloßer Beeinträchtigung des vertraglichen Aquivalenzinteresses.

a) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung durch unzureichende Erdarbeiten Die im Spundwand-Urteil enthaltene Umschreibung des (möglichen) Werkmangels als „zu geringe Verdichtung des Erdreiches" 9 6 2 legt nahe, daß die Verdichtungsarbeiten, soweit sie erfolgt sind, auftragsgemäß waren, daß also die von der Beklagten vorgenommene Veränderung der Grundstückssubstanz sehr wohl dem Willen des Landschaftsverbandes entsprach, daß jedoch weiter hätte verdichtet werden müssen, um die Spundwand vor einer Verformung zu schützen. Legt man diese Auslegung des Sachverhalts zugrunde, so stellten die durchgeführten Erdarbeiten keine Verletzung des Grundstückseigentums dar, sondern waren von der Einwilligung des Landschaftsverbandes gedeckt. Es war dann ein Weiterfresser-Fall gegeben. D e n n lag in den von der Beklagten vorgenommenen Erdarbeiten keine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums, so 960 961 962

Siehe die Nachw. in Fußn. 957. Vgl. oben Teil 1, Kapitel 4, B.V. u. Teil2, Kapitel 5. Siehe BGHZ 96, 221 (223).

Die Rechtssprechung verdient prinzipiell Zustimmung

341

kann das G r u n d s t ü c k erst anschließend und in dem Zustand O b j e k t einer E i gentumsverletzung geworden sein, den es durch die unzureichenden E r d a r b e i ten erhalten hat. D a b e i gilt auch hier der Grundsatz, daß aus Deliktsrecht keine Verpflichtung besteht, fremde Sachen zu verbessern. D i e Verletzungshandlung besteht deshalb bei dieser Sachverhalts-Interpretation nicht etwa in der U n t e r lassung einer weiterreichenden Verfüllung, sondern im unterlassenen

Hinweis

auf den unzureichenden Schutz der Spundwand. D e r Landschaftsverband hätte bei entsprechender Instruktion aller Wahrscheinlichkeit nach D r i t t e mit der E r gänzung der unzureichenden Verdichtung beauftragt und so eine Verformung der Spundwand vermieden. E r hätte diese dann allerdings auch bezahlen müssen. D e r Schaden des Landschaftsverbandes ist damit wie folgt zu berechnen: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - Werklohn für die Erdarbeiten der Beklagten - Kosten der Entfernung des hinterfüllten Materials - Kosten der erneuten Hinterfüllung und Verdichtung - Kosten der Wiederherstellung der Anker Vermögenswerte: + einwandfreie Erdarbeiten und intakte Spundwand Vermögenslage: Hypothetische Belastungen: - Werklohn für die Erdarbeiten der Beklagten - Kosten der ergänzenden Hinterfüllung und Verdichtung Vermögenswerte: + einwandfreie Erdarbeiten und intakte Spundwand Ersatzfähiger Schaden (= Differenz aus beiden Vermögenslagen): Kosten der Wiederherstellung der Anker sowie der Entfernung des hinterfüllten Materials und der erneuten Hinterfüllung und Verdichtung abzüglich der Kosten, die zur Ergänzung der unzureichenden Erdarbeiten der Beklagten hätten aufgewendet werden müssen. Es zeigt sich also: D e r B G H hat übersehen, daß der deliktsrechtliche A n spruch die zur N a c h b e s s e r u n g der Werkleistung erforderlichen K o s t e n gar nicht erfaßt und deshalb das R e c h t des Werkunternehmers, diese N a c h b e s s e rung (kostengünstig) selbst durchzuführen, keineswegs vereitelt. E r s a t z für das Z u r ü c k b l e i b e n der Werkleistung hinter dem Vertragssoll hätte der Landschaftsverband nur aus Vertragsrecht erhalten können. Insoweit hätte aber das vorgeschaltete Nacherfüllungsrecht als Haftungsschranke voll gegriffen. 9 6 3 Aus § 823 9 6 3 Dieser Schadensberechnung läßt sich auch nicht etwa entgegenhalten, daß der Landschaftsverband bei entsprechendem Hinweis auf die Unzulänglichkeit der Erdarbeiten der B e klagten deren Werklohn entsprechend gekürzt hätte und sich deshalb doch die vollständigen K o sten der Hinterfüllung und Verdichtung als Negativabweichung zwischen hypothetischer und tatsächlicher Vermögenslage ergeben würden. Die Werklohnzahlung mag auf der unterlassenen

342

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen

Delikts-

und

Vertragshaftung

Abs. 1 B G B werden eben nur Schadensfolgen der Eigentumsverletzung ausgeglichen.

b) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung durch fehlerhafte Erdarbeiten Das werkvertragliche Nacherfüllungsrecht wird aber auch dann nicht vereitelt, wenn man den Sachverhalt so interpretiert, daß die Werkleistung der B e klagten nicht nur unvollständig war und um weitere Verdichtungsmaßnahmen hätte ergänzt werden müssen. Unterstellt man vielmehr, daß die Erdarbeiten auch als teilweise Verdichtung unsachgemäß und damit mangelhaft waren, so wird das werkvertragliche Nachbesserungsrecht ebenfalls nicht durch einen parallelen deliktsrechtlichen Anspruch entwertet. Weil unsachgemäße Erdarbeiten nicht vom Werkvertrag und damit von der Einwilligung des Landschaftsverbandes gedeckt waren, ist in diesem Fall bereits mit den Erdarbeiten als unerwünschter Veränderung der Grundstückssubstanz die Eigentumsverletzung hinsichtlich des Grundstücks vollendet worden. Die Schadensberechnung sieht dann folgendermaßen aus: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - Werklohn für die Erdarbeiten der Beklagten - Kosten der Entfernung des hinterfüllten Materials - Kosten der erneuten Hinterfüllung und Verdichtung - Kosten der Wiederherstellung der Anker Vermögenswerte: + einwandfreie Erdarbeiten und intakte Spundwand Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - Werklohn für die Erdarbeiten der Beklagten 964 - Kosten der Hinterfüllung und Verdichtung Vermögenswerte: + einwandfreie Erdarbeiten und intakte Spundwand Ersatzfähiger Schaden (=Differenz aus beiden Vermögenslagen): Kosten der Entfernung des hinterfüllten Materials sowie der Wiederherstellung der Anker. Auch bei dieser Sachverhaltsvariante zeigt sich: Mit dem Anspruch aus § 823 Abs. 1 B G B wird kein Ausgleich dafür geschaffen, daß die geschuldete WerkleiWarnung als Verletzungshandlung beruhen. Sie wurde jedoch nicht durch den Verletzungserfolg, die Rechtsgutsbeeinträchtigung, verursacht und belastet deshalb in gleichem Umfang das hypothetische Vermögen des Geschädigten, vgl. dazu oben Teil2, Kapitel 5, C . I I . 9 6 4 Auch hier gilt wieder: Soweit an die Beklagte Werklohn bezahlt wurde, ist auch das hypothetische Vermögen entsprechend belastet. Denn die Werklohnzahlung ist keine durch die Eigentumsverletzung verursachte Einbuße, vgl. dazu bereits die vorhergehende Fußn. und oben Teil 2, Kapitel 5, C.II.

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

343

stung ausgeblieben ist. Für diese ureigene Vertragstörung bleibt es bei der vertragsrechtlichen Haftung, die durch das vorgeschaltete Nacherfüllungsrecht beschränkt wird.

c) Kein drohender Leerlauf des Nacherfüllungsrechts bei Schadensverursachung trotz einwandfreier Erdarbeiten Möglich war schließlich, daß sich die Spundwand allein aufgrund von Schlagbeanspruchung durch den Flächenrüttler der Beklagten verformt hatte. Lag der Fall so, dann hatte die Beklagte das Erdreich einwandfrei hinterfüllt und verdichtet, dabei jedoch durch unsachgemäßen Einsatz ihres Flächenrüttlers die Spundwand beschädigt. Hier ergibt sich folgende Schadensberechnung: Aktuelle Vermögenslage: Belastungen: - Werklohn für die Erdarbeiten der Beklagten - Kosten der Entfernung des hinterfüllten Materials - Kosten der erneuten Hinterfüllung und Verdichtung - Kosten der Wiederherstellung der Anker Vermögenswerte: + einwandfreie Erdarbeiten und intakte Spundwand Hypothetische Vermögenslage: Belastungen: - Werklohn für die Erdarbeiten der Beklagten Vermögenswerte: + einwandfreie Erdarbeiten und intakte Spundwand Ersatzfähiger Schaden (= Differenz aus beiden Vermögenslagen): Kosten der Entfernung des hinterfüllten Materials, der erneuten Hinterfüllung und Verdichtung des Erdreiches sowie der Wiederherstellung der Anker.

In diesem Fall ist zwar der gesamte Schaden ersatzfähig. Dennoch kann von einem Leerlauf des werkvertraglichen Nachbesserungsrecht keine Rede sein. Daß der deliktsrechtliche Schadensersatzanspruch hier sämtliche Schadensbeseitigungskosten einschließlich der Erdarbeiten umfaßt, liegt einfach daran, daß durch die erneute Bearbeitung des Erdreichs gar keine Mängel der ursprünglichen Erdarbeiten nachgebessert wurden. Die Hinterfüllung und Verdichtung des Erdreichs mußte nicht etwa deshalb wiederholt werden, weil sie unzureichend war, sondern weil an die beschädigte Spundwand erst nach Entfernung der bereits fertigen Hinterfüllung heranzukommen war. Weil also eine Negativabweichung der Erdarbeiten der Beklagten vom Vertragssoll gar nicht vorlag 965 ,

9 6 5 Zutreffend formuliert Stoll, JZ 1986, 400, daß bei dieser Sachverhaltsvariante die Schäden an der Spundwand „nur bei Gelegenheit der Erdarbeiten" hervorgerufen worden sind.

344

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen

Delikts-

und

Vertragshaftung

wird auch hier das der Korrektur einer solchen Negativabweichung dienende Nacherfüllungsrecht durch die parallele Anwendung des Deliktsrechts nicht unterlaufen.

3. Ergebnis Weil stets gewährleistet bleibt, daß für das Zurückbleiben der Werkleistung hinter dem Vertragssoll Schadensersatz erst verlangt werden kann, nachdem der Unternehmer Gelegenheit zur Nacherfüllung erhalten hat, behält das werkvertragliche Nacherfüllungsrecht auch bei freier Konkurrenz des Deliktsrechts seinen guten Sinn. Entsprechendes gilt für den kaufrechtlichen Nacherfüllungsvorrang. Eine Ausnahme von der freien Anspruchskonkurrenz, wie sie der BGH im Spundwand-Urteil in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre anerkennt, ist deshalb abzulehnen. In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, daß auch ein weiteres, in der Literatur zugunsten einer Ausdehnung des werkvertraglichen Nacherfüllungsrechts auf das Deliktsrecht angeführtes Argument nicht zu überzeugen vermag. Weil der Besteller dem Unternehmer die Vermögensobjekte, an denen die Werkleistung zu erbringen war, anvertraut habe, soll die Wertung des §249 Abs. 2 BGB (n.F.) bzw. des §249 S. 2 BGB (a.F.) nicht gelten, der zufolge es für den Geschädigten unzumutbar ist, die beschädigte Sache ausgerechnet dem Schädiger noch einmal zu überlassen. 966 Meines Erachtens wird dabei übersehen, daß der Besteller sich den Werkunternehmer allein zur Erbringung der Werkleistung ausgesucht hat, nicht aber zur Beseitigung der Folgen einer Eigentumsverletzung. Ein erneutes Handanlegen des Unternehmers an den Werkgegenstand muß sich der Besteller deshalb nur gefallen lassen, soweit er die Herstellung der verfehlten Soll-Beschaffenheit der Werkleistung verfolgt, was jedoch - wie ausgeführt - über § 823 Abs. 1 BGB gar nicht möglich ist.

III. Kein drohender Leerlauf der kaufrechtlichen Haftungsgrenzen im zweiten Weinkorken-Fall Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt 967 , wich der VI. Senat auch im zweiten Weinkorken-Urteil 968 vom Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz ab. Zur Erinnerung: Ein Weinhersteller hatte Korken gekauft und damit seine Weinflaschen verkorkt. Die Korken erwiesen sich als undicht; außerdem bildete sich Schimmel an ihnen. Der BGH hielt die Voraussetzungen eines Anspruches aus §823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Eigentums am 966 967 968

Vgl. Grunewald, JZ 1987, 1104; A. Klein, Vgl. oben Teil 2, Kapitel 2, B.II. B G H N J W 1990, 908.

Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 122.

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

345

Wein nur insofern für gegeben, als ein Oxidationston in den Flaschen verursacht worden war und der Wein dadurch seine Prüfnummer verloren hatte, was das Gericht als nachteilige Beeinflussung der Beschaffenheit des Weines, also als Substanzverschlechterung wertete. Dagegen gelangte der B G H zu dem Schluß, daß eine Haftung wegen Eigentumsverletzung nicht schon dadurch ausgelöst werde, daß der Wein durch die Verkorkung unverkäuflich geworden sei. 969 Zwar kann nach Ansicht des Senats die Verletzung des Eigentums an einer Sache nicht nur durch eine Beeinträchtigung der Sachsubstanz verwirklicht werden, sondern auch durch eine Einwirkung auf die Nutzungs- und Verkaufsfähigkeit einer Sache. Jedoch drücke sich, soweit die Unverkäuflichkeit des Weins allein auf der Unwirtschaftlichkeit eines Korkenwechsels beruhe, in der Beeinträchtigung des Eigentums der Mangelunwert der Korken derart aus, und sei das „Integritätsinteresse des Klägers von einem durch die §§823ff. BGB nicht geschützten, sondern der Vertragsordnung vorbehaltenen Aquivalenzinteresse an der Belieferung mit tauglichen Korken derart überlagert, daß nach Auffassung des Senats insoweit das Deliktsrecht von dem vertraglichen Gewährleistungsrecht verdrängt wird". 9 7 0 Oben ist bereits ausgeführt worden, daß der in der jüngeren Rechtsprechung wie auch in der Literatur zu findende Ansatz, die Fälle der fehlerhaften Verarbeitung von Material über die Figur einer Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung zu lösen, verfehlt ist. 971 Tatsächlich wird auch bei einer bloßen Substanzmehrung, die keine Beschädigung oder Zerstörung der Sache im herkömmlichen Sinne mit sich bringt, die Sachsubstanz verändert. Geschieht dies gegen den Willen des Eigentümers, liegt eine Beeinträchtigung der Herrschaftsmacht des Eigentümers über die Sachsubstanz vor und gibt es deshalb keinen Grund, eine Eigentumsverletzung zu verneinen. Folgt man aber einmal dem Ansatz des B G H und hält man hinsichtlich des Verlusts der Verkäuflichkeit des Weines die Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung an sich für gegeben, so leuchtet nicht ein, w a r u m hier ausnahmsweise das „Integritätsinteresse" in besonderer Weise von dem „der Vertragsordnung vorbehaltenen Äquivalenzinteresse" „überlagert" sein soll. Auch hier ist das „Integritätsinteresse", als Interesse, nicht in seinem Eigentum oder Besitz verletzt zu werden, mit dem „Aquivalenzinteresse", verstanden als die „auf den Erwerb einer mangelfreien Sache ge-

969 Zu U n r e c h t nimmt Kulimann, L M § 823 ( A c ) BGB, Nr. 66 ( A n m e r k u n g zur TransistorenEntscheidung), sowie ders., N J W 1999, 97 u. P H I 1999,20, an, der Wein habe seinen Wert behalten und sei lediglich unverkäuflich geworden. Flaschenwein, der mit schimmelanfälligen Korken verschlossen wurde, deshalb unverkäuflich ist und nur unter unwirtschaftlichem A u f w a n d u m gefüllt w e r d e n kann, k o m m t solange kein Verkehrswert zu, w i e die U m f ü l l u n g noch aussteht. 9 7 0 Siehe B G H N J W 1990, 908 (909). 971 Vgl. oben Teil 2, Kapitel 2, D.

346

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen

Delikts-

und

Vertragshaftung

richteten Vertragserwartungen" keineswegs deckungsgleich. 9 7 2 Vielmehr gilt wiederum: Von der Eigentumsverletzung und deren Schadensfolgen kann die anfängliche Differenz zwischen dem Ist-Zustand der Kaufsache und der vertraglich geschuldeten Soll-Beschaffenheit klar unterschieden werden. Der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gewährt für die Abweichung der Korken vom Vertragssoll keinen Ausgleich. Der Käufer wird nicht so gestellt, als wäre er mit einwandfreier Ware beliefert worden. So hatte der Weinhersteller im Streitfall zwar Ersatz des gesamten ,,Flaschenpreis[es]" 973 der verdorbenen Weinflaschen verlangt. Davon wären aber bei korrekter Schadensberechnung die Kosten der Eindeckung mit einwandfreien Korken abzusetzen. 9 7 4 Denn w ä re die Verkorkung mit den fehlerhaften Korken ausgeblieben, dann hätte der Weinhersteller zwar wahrscheinlich aus anderer Quelle Korken bezogen, diese dann aber auch bezahlen müssen. 975 Die vom B G H behauptete „Uberlagerung" des Interesses an der Bewahrung der Verkaufsfähigkeit des Weines durch das kaufvertragliche Interesse, im Austausch gegen den Kaufpreis Korken der geschuldeten Qualität zu erhalten, lag also in Wirklichkeit gar nicht vor, weshalb auch weder Leerlauf noch Aushöhlung kaufrechtlicher Regelungen drohte. Schließlich fehlt es - wie bereits oben ausgeführt 9 7 6 - an jeglicher Begründung dafür, daß die angebliche Uberlagerung des „Integritätsinteresses" nur hinsichtlich der vom B G H bejahten Eigentumsverletzung in Gestalt der Nutzungsbeeinträchtigung vorliegen soll, d.h. des Verlusts der Verkaufsfähigkeit des Weines, nicht aber in Bezug auf die Eigentumsverletzung durch Substanzbeeinträchtigung, also die ebenfalls durch die mangelhaften Korken verursachte Qualitätsverschlechterung des Weines.

IV. Kein drohender Leerlauf des §477 BGB (a.F.) im Jungprimelerde-Fall Ahnlich wie der VI. Senat des B G H im zweiten Weinkorken-Urteil angenommen hatte, das „Integritätsinteresse" werde vom „Aquivalenzinteresse" überlagert, argumentierte er auch im Jungprimelerde-Beschluß 9 7 7 : Vgl. zum Begriffspaar „Integritätsinteresse" und „Äquivalenzinteresse" oben Fußn. 71. Siehe BGH NJW1990,908; gemeint ist damit vermutlich der hypothetische Verkaufspreis. 974 Der BGH verwies zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück; Ausführungen zur Schadensberechnung enthält das Urteil nicht 975 Vgl. dazu ausführlich oben Teil2, Kapitel 5, B.; abzuziehen vom als Schadensersatz geltend gemachten hypothetischen Verkaufserlös wären außerdem die Kosten der Verkorkung mit den fehlerhaften Korken, denn diese Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung sind zwar durch die Verletzungshandlung, die Inverkehrgabe der fehlerhaften Verkorkung, verursacht worden, nicht aber durch die Rechtsgutsbeinträchtigung, die Verletzung des Eigentums an den Weinflaschen, vgl. dazu oben Teil 2, Kapitel 5, C. 976 Vgl. oben Teil2, Kapitel 2, B.II. 977 Siehe BGH NJW-RR 1993, 1113. 972

973

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

347

Nachdem die Klägerin Jungprimeln in die bei der Beklagten gekaufte und angeblich zur Aufzucht von Primel-Jungpflanzen geeignete Blumenerde gesetzt hatte, trat bei den Pflanzen eine starke Wachstumshemmung ein, welche die Pflanzen schließlich unverkäuflich machte. Kaufvertragliche Ansprüche waren bereits nach §477 BGB (a.F.) verjährt. Der BGH ging zwar davon aus, daß in der Störung des organischen Wachstums einer Sache eine Eigentumsverletzung liegen könne. Ob der Beklagten eine Verkehrspflichtverletzung vorzuwerfen war, ließ der VI. Senat jedoch dahinstehen, da er annahm, etwaige deliktsrechtliche Ansprüche der Klägerin verjährten ausnahmsweise nicht nach §852 BGB (a.F.), sondern unterlägen ebenfalls der kurzen Verjährungsfrist des §477 BGB (a.F.).978 Dabei hielt das Gericht im Grundsatz daran fest, daß sich beim Kaufvertrag die durch Sachmängel oder infolge einer positiven Vertragsverletzung des Verkäufers enttäuschte Vertragserwartung nicht mit dem durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Integritätsinteresse decke. Jedoch sei im Streitfall ausnahmsweise das Intregritätsinteresse der Klägerin „völlig deckungsgleich mit ihrem Äquivalenzinteresse, dem Interesse an einer Blumenerde, welche die Aufzucht von Primel-Jungpflanzen hätte fördern können". Würde bei einer solchen Sachlage, so das Gericht weiter, ein etwaiger Deliktsanspruch erst nach §852 BGB (a.F.) verjähren, dann würden damit die Regeln über die kurzen vertraglichen Verjährungsfristen ausgehöhlt. In diesem Sonderfall werde daher §852 BGB (a.F.) durch §477 BGB (a.F.) verdrängt. Tatsächlich zeigt sich auch hier wieder: „Integritäts"- und „Aquivalenzinteresse" sind keineswegs deckungsgleich 979 , weshalb §477 BGB (a.F.) durch ein freies Nebeneinander von Kaufrecht und Deliktsrecht nicht ausgehöhlt worden 978 A n d e r s als Engels, vgl. D B 1977, 617 meint, w u r d e der Grundsatz der freien Anspruchsk o n k u r r e n z dagegen w o h l nicht durchbrochen in den Entscheidungen R G J W 1904, 59 (60) (Sackkalk), sowie B G H BB 1971, 287 (288) (Dichtungsmaterial, VIII. Senat): In der SackkalkEntscheidung hatte das Reichsgericht angenommen, § 4 7 7 Abs. 1 B G B (a.F.) finde auf alle A n sprüche „wegen Mängel der abgelieferten Kaufsache" A n w e n d u n g , „mögen sie auf Gesetz Wandelung oder M i n d e r u n g - oder auf besonderer Vereinbarung - Zusicherung einer Eigenschaft - beruhen". Die Gegenüberstellung der Ansprüche aus W a n d l u n g und M i n d e r u n g einerseits sowie aus zugesicherter Eigenschaft andererseits zeigt, daß das Reichsgericht mit A n s p r ü chen, die auf Gesetz beruhen, Ansprüche des dispositiven Vertragsrechts meinte, die ohne weitere Vereinbarung eingreifen, nicht aber deliktsrechtliche Ansprüche, die im Streitfall auch gar nicht geprüft w o r d e n w a r e n und im übrigen keine Ansprüche w e g e n Mängel der Kaufsache w ä ren, sondern w e g e n Eigentumsverletzung durch Verkehrspflichtverletzung. Dementsprechend ist auch die Bestätigung dieser Rechtsprechung durch den B G H in der Dichtungsmaterial-Entscheidung zu verstehen, in der ebenfalls keine deliktsrechtlichen Ansprüche geprüft w u r d e n und in der es unter ausdrücklichem Verweis auf die Sackkalk-Entscheidung heißt: „Es entspricht insoweit einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum, daß § 477 Abs. 1 B G B über seinen Wortlaut hinaus auf alle Ansprüche des Käufers A n w e n d u n g findet, die unmittelbar aus der Mangelhaftigkeit der gelieferten Ware hergeleitet werden, mögen diese Ansprüche auf Gesetz oder auf Vereinbarung beruhen." 9 7 9 Ebenso im Ergebnis A. Klein, K o n k u r r e n z und Auslegung, 1997, S. 93 ff.

348

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen

Delikts-

und

Vertragshaftung

wäre: Die Abweichung der fehlerhaften Kaufsache (Blumenerde) vom Vertragssoll wurde nicht durch die Eigentumsverletzung verursacht und stellt folglich keinen nach § 823 Abs. 1 B G B auszugleichenden Schaden dar. Die Klägerin wird mit dem Schadensersatzanspruch aus § 8 2 3 Abs. 1 B G B gerade nicht so gestellt, wie sie stehen würde, wenn ihr von der Beklagten einwandfreie Erde geliefert worden wäre. D e n n hätte die Beklagte über die Unbrauchbarkeit der gekauften Erde für die Primelaufzucht informiert, so hätte sich die Klägerin zwar aller Wahrscheinlichkeit nach anderweitig eingedeckt und so die Pflanzen unversehrt erhalten 9 8 0 . Sie hätte die Ersatzerde dann aber auch bezahlen müssen, so daß sie als Schadensersatz nicht die volle Differenz zwischen dem hypothetischen Verkaufswert der Pflanzen und deren (eventuellem) tatsächlichen (Rest)wert erhält, sondern nur einen um die Kosten der Ersatzeindeckung mit tauglicher Erde verminderten Betrag.

E. Ein Vorrang der vertragsrechtlichen Haftungsgrenzen würde den geschädigten Vertragspartner unangemessen benachteiligen Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß die vertragsrechtlichen Haftungsschranken - entgegen weit verbreiteter Meinung - weder in den Verarbeitungs- noch in den Weiterfresser-Fällen durch konkurrierende Deliktsansprüche entwertet werden und es deshalb bereits an einem sachlichen Bedürfnis fehlt für eine Verdrängung des Deliktsrechts. Aber selbst dann, wenn im Vertragsrecht Haftungsgrenzen existierten, denen man durch eine parallele A n wendung des Deliktsrechts ihre wesentliche Bedeutung nähme, spräche gegen einen Vorrang doch folgende Erwägung, die vom B G H immerhin gelegentlich zur Stützung der Anspruchskonkurrenz angestellt wurde: Gemeint ist die Überlegung, daß es eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Käufers/Bestellers darstellen würde, wenn seine deliktsrechtlichen Ansprüche den Schranken des Vertragsrechts unterworfen wären, während Dritte, die gleichfalls durch das mangelhafte G u t oder Werk zu Schaden kämen, unbegrenzte deliktsrechtliche Ansprüche gegen den Schädiger erheben könnten. 9 8 1 O d e r die entsprechende Argumentation aus der Perspektive des Schädigers: Es sei nicht gerechtfertigt, den Schädiger nur wegen seines Vertragsschlusses mit dem Geschädigten deliktsrechtlich zu privilegieren. 9 8 2 Auch in der Literatur wurde und wird dieses

9 8 0 Vgl. dazu, daß bei Verursachung einer Wachstumsstörung in der bloßen Verhinderung der Entstehung einer neuen Sache keine Rechtsgutsbeeinträchtigung liegt, eine solche vielmehr nur gegeben ist, soweit die Beschaffenheit der bereits existierenden Sache verändert wird, oben Fußn. 59 und 64. 9 8 1 Vgl. die Nachw. in Fußn. 889. 9 8 2 Vgl. die Nachw. in Fußn. 890.

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

349

Argument von vielen zu Gunsten der freien Anspruchskonkurrenz geltend gemacht. 9 8 3

I. Keine Ausdehnung vertragsrechtlicher Haftungsschranken um den Preis deliktsrechtlicher Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle Man mag es in bestimmten Fällen für zulässig halten, N o r m e n des Deliktsrechts einzuschränken oder gar zurücktreten zu lassen, um eine Aushöhlung, einen Leerlauf vertragsrechtlicher Regelungen zu vermeiden. Keinesfalls darf jedoch auf diesem Weg die Anwendung des Deliktsrechts so beschnitten werden, daß in dessen Regelungsgehalt sachlich nicht zu rechtfertigende innere Brüche entstehen. Würde eine Einschränkung oder gar Verdrängung des Deliktsrechts dazu führen, daß gleich gelagerte Fälle nunmehr ungleich behandelt werden müßten, so hat sie meines Erachtens zu unterbleiben. Kann ein in sich stimmiges deliktsrechtliches Haftungsregime nur durch ein freies Nebeneinander von Vertragsrecht und Deliktsrecht gewahrt werden, so müssen sich die - grundsätzlich gleichrangigen - deliktsrechtlichen N o r m e n neben dem Vertragsrecht behaupten. Selbst wenn man also einmal unterstellt, es existierten vertragsrechtliche Haftungsschranken, deren Regelungsziel sich nur verwirklichen ließe bei gleichzeitiger, bestimmte Vertragssituationen erfassender Begrenzung der deliktsrechtlichen Haftung, so müßte ein Vorrang des Vertragsrechts dennoch verneint werden, soweit er unlösbare Widersprüche innerhalb der deliktsrechtlichen Haftung produzieren würde.

II. Kein generelles Verbot einer Sonderordnung von Delikten, die im Zusammenhang mit bestimmten Verträgen auftreten Die Erwägung, daß Abweichungen von der Anspruchskonkurrenz nicht zu einer unangemessenen Ungleichbehandlung von Vertragspartnern und Dritten führen dürfen, kann allerdings nicht dahin verkürzt werden, daß die deliktsrechtliche Haftung keinesfalls durch den Abschluß eines Vertrages beeinflußt werden dürfte. Eine allgemeine Regel des Inhalts, daß bei unerlaubten Handlungen zwischen Vertragspartnern niemals andere deliktsrechtliche Haftungs-

9 8 3 Vgl. Dietz, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzungen und Delikt, 1934, S. 102; Fromherz, AcP 108 (1912), 450; U. Huber, AcP 177 (1977), 321ff. u. Soergel/U. Huber, vor §459 Rz.259 u. 268-Staud./J. Hager, %823 Rz. B 106; MünchKomm./Kramer,%241 Rz.33; Esser/Weyers, SchuldR. I I / l , §6 III 1; Rengier,JZ 1977,347; Rauscher,]uS 1987,15; H. Roth,]aS 1988,940; Schubert, N J W 1975,1230; Schlosser, Jura 1982,477f.; Schreiber, Produkthaftung bei arbeitsteiliger Produktion, 1990, S. 84; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S.57.

350

Teil 3: Das Verhältnis zwischen

Delikts- und

Vertragshaftung

regelungen gelten dürfen als bei Delikten, die von oder gegenüber Dritten begangen werden, existiert sicherlich nicht. 984 Denn zum einen sind ohne weiteres Verträge denkbar, deren Abschluß gerade darauf zielt oder die doch wenigstens nach dem typischen Willen der Vertragsparteien zum Inhalt haben, daß der allgemein bestehende deliktsrechtliche Schutz begrenzt wird. Und zum andern ist der Umfang einer angemessenen deliktsrechtlichen Haftung nicht in der Weise absolut vorgegeben, daß man den Schädiger begünstigende Abweichungen von den aktuellen gesetzlichen Regelungen - und insbesondere von §§ 195,199 BGB (n.F.) - stets für eine unzulässige Verkürzung des Schutzes gegen unerlaubte Handlungen halten müßte. Der Gesetzgeber ist deshalb durchaus frei, spezifische Risiken der Verwirklichung etwa des § 823 Abs. 1 BGB, die typischerweise nur zwischen Beteiligten eines bestimmten Vertrags bestehen, einer speziellen deliktsrechtlichen Haftung zu unterwerfen. Beispiele dafür sind die kurze Verjährung von Ansprüchen des Vermieters oder Verpächters gegen den Mieter bzw. Pächter wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der überlassenen Sache (§548 BGB (n.F.) bzw. §558 BGB (a.F.), §591b BGB), welche die ständige Rechtsprechung in Übereinstimmung mit der ganz herrschenden Lehre grundsätzlich auf deliktsrechtliche Ansprüche ausdehnt 985 . Weiter können genannt werden die Haftungsbeschränkungen des Transportrechts bei Verlust bzw. Beschädigung des Gutes oder bei Überschreitung der Lieferfrist, die seit der Transportrechtsreform 986 nun ausdrücklich auch außervertragliche Ansprüche erfassen. 987 Die Beeinträchtigung des Eigentums an Sachen, die dem Schädiger aufgrund eines dem Geschädigten zurechenbaren Ver-

984 Zu allgemein deshalb RGZ 88, 433 (434f.) (Kegelbahn): Der Mieter einer Kegelbahn war auf einer „gefährlich glatten Aststelle" ausgeglitten und hatte sich dabei verletzt. Das Reichsgericht nahm an, die allgemeine Rechtspflicht, niemanden körperlich zu verletzen, könne nicht dadurch beseitigt werden, „daß es ein Vertrag war, durch den die Möglichkeit der Einwirkung auf den Körper des anderen gegeben wurde". Das allgemeine Verbot widerrechtlicher Körperverletzung werde durch eine entsprechende vertragliche Pflicht nur „individualisiert und verstärkt"; ähnlich pauschal etwa H. Roth, JuS 1988, 940; Schlosser, Jura 1982, 477f. 985 Vgl. nur RGZ 62, 329 (331); BGH NJW 1976, 1505; BGH NJW 1993, 2797 (2798) m. w. Nachw.; Staud./Emmerich, §558 Rz. 10 u. A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S.86ff., jeweils m. w. Nachw.; auf Ansprüche aus §826 BGB soll sich die vertragsrechtliche Haftungsgrenze jedoch nicht erstrecken, so BGH NJW 2001, 2253 (2254). 986 Vgl. das Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz) vom 25.6. 1998, BGBl. I, S. 1588. 987 Vgl. §434 Abs. 1 HGB (n.F.) für das in §§407ff. HGB (n.F.) geregelte Frachtgeschäft zu Lande, auf Binnengewässern und mit Luftfahrzeugen; siehe dazu Canaris, HandelsR., §33, Rz.25ff.; gem. §461 Abs. 1 HGB (n.F.) ist §434 HGB (n.F.) auf die Haftung des Spediteurs für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des in seiner Obhut befindlichen Gutes entsteht, entsprechend anwendbar; vgl. zur früheren Rechtslage und der dem heutigen §434 HGB (n.F.) entgegengesetzten Rechtsprechung Helm, Haftung für Schäden an Frachtgütern, 1966, A. Klein, Konkurrenz und Auslegung, 1997, S. 153ff., jeweils m. w. Nachw.

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

351

träges zur Benutzung oder zum Transport überlassen sind988, stellt ein spezifisch umgrenztes Delikt dar. Daß der Geschädigte dem Schädiger sein Eigentum anvertraut hat, unterscheidet diese Fälle von anderen Fällen der Eigentumsverletzung. Es führt deshalb zu keinem Bruch im Gesamtsystem der deliktsrechtlichen Haftung, wenn zum Zwecke einer beschleunigten Klärung der Verhältnisse989 oder einer Privilegierung des für besonders schutzwürdig erachteten Schädigers990 besondere Regeln gelten.

III. Ungleichbehandlung von Vertragsbeteiligten und Dritten bei Vorrang der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken Anders ist die Situation dagegen dann, wenn Opfer des Delikts auch Dritte werden können, die selbst keinen Vertrag mit dem Schädiger geschlossen haben und auch nicht in einem weiteren Sinne als Beteiligte des Vertrages erscheinen.991 Wo es um unerlaubte Handlungen geht, die auch gegenüber unbeteiligten Dritten begangen werden können, da fehlt es an einem spezifischen, auf Schädiger- und Geschädigtenseite gerade an die Vertragsbeteiligung geknüpften Deliktsrisiko. Dehnt man hier dennoch im Konkurrenzfall die vertraglichen Haftungsschranken auf das Deliktsrecht aus, so unterliegen identische unerlaubte Handlungen einer unterschiedlichen Haftung, je nachdem, ob sie im Verhältnis von Vertragsbeteiligten zueinander begangen werden oder nicht. Solche Haftungsunterschiede trotz parallel gelagerter unerlaubter Handlungen würden sich auch in den Weiterfresser-Fällen ergeben sowie in den meisten Konstellationen der Verletzung des Eigentums am fehlerhaft verarbeiteten Material: Von der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigt, kann nicht nur derjenige betroffen werden, der die Sache vom Hersteller kauft, sondern jeder beliebige künftige Eigentü-

988 Weder für die Anwendung der miet- bzw. pachtrechtlichen Sonderverjährung noch der transportrechtlichen Haftungsbeschränkungen ist es notwendig, daß der Geschädigte den Vertrag selbst geschlossen hat. Es genügt vielmehr, daß ein Grund besteht, dem Geschädigten die Haftungsbeschränkung so zuzurechnen, als hätte er den Vertrag selbst geschlossen. Nach §434 Abs. 2 H G B (n. F.) ist dies dann zu verneinen, wenn entweder dem Geschädigten das Gut abhanden gekommen ist oder seine mangelnde Zustimmung zur Beförderung dem Frachtführer bekannt sein mußte. Grundsätzlich erscheint es richtig, dem Geschädigten den Vertragsschluß dann zuzurechnen, wenn er wirtschaftlich an dem Vertrag teilnimmt, so Rücke, Haftungsbeschränkungen zugunsten und zu Lasten Dritter, 1995, S.205ff. u. A Klein, J Z 1997,393 ff., jeweils m. w. Nachw. auch der abweichenden Ansichten. 989 Vgl. zu diesem Zweck von §558 B G B (a.F.) bzw. §548 B G B (n.F.) Staud./Emmerich, % 558 Rz. 2 u. Soergel/Heintzmann, §558 Rz. 1, jeweils m. w. Nachw. auch der Rechtsprechung. 990 Vgl. zu diesem Zweck der transportrechtlichen Haftungsbegrenzungen Canaris, HandelsR., §33, Rz.25ff. 991 Vgl. dazu Fußn. 988.

352

Teil 3: Das Verhältnis zwischen

Delikts- und

Vertragshaftung

mer.992 Bis sich der Fehler weiterfrißt, geht die Sache möglicherweise durch viele Hände. Nähme man dennoch einen Vorrang des Kauf- oder Werkvertragsrechts an, so wäre der Geschädigte dann, wenn er die Sache direkt vom Hersteller bezogen hat, schlechter gestellt als bei einem Erwerb über dritte Personen. Hat er die Sache beim Händler gekauft, vom Erstkäufer geschenkt bekommen, als arbeitsrechtliche Gratifikation erhalten usw., so gibt es keine Konkurrenzsituation, da der Geschädigte in keiner vertraglichen Verbindung zum Hersteller steht.993 Die deliktsrechtlichen Ansprüche des Geschädigten unterlägen keiner vertragsrechtlichen Beschränkung. Der Hersteller würde also für das einheitliche Delikt der unterlassenen Warnung vor der fehlerbedingten Selbstbeschädigung seiner Produkte in unterschiedlichem Umfang haften, je nachdem, ob er diese direkt an die Geschädigten vertrieben hat oder nicht. Gleiches gilt grundsätzlich hinsichtlich der Verletzung des Eigentums an fehlerhaft verarbeiteten Materialien des Geschädigten. Auch die fehlerhafte Zutat kann durch viele Hände gehen, bevor die Verarbeitung erfolgt. Auch hier können nicht nur Vertragspartner, sondern auch Dritte die Zutat erwerben und infolgedessen eine Beeinträchtigung des Eigentums an den Materialien erleiden, die mit der fehlerhaften Zutat verarbeitet werden. Die unerlaubte Handlung des Herstellers gegenüber dem Vertragspartner unterscheidet sich dann in nichts von derjenigen gegenüber Dritten. Mit einer Ausnahme allerdings: Nimmt der Hersteller die fehlerhafte Verarbeitung im Rahmen eines Werkvertrags selbst vor, so läßt sich die Eigentumsverletzung, die in der fehlerhaften Verarbeitung des fremden Materials liegt, von Eigentumsverletzungen gegenüber Dritten abgrenzen. Die Situation ist dann ähnlich wie bei den oben genannten Beispielen aus dem Miet- bzw. Pachtrecht und dem Transportrecht 994 : Eine unerwünschte Substanzmehrung der Materialien, die dem Schädiger zur Verarbeitung anvertraut worden sind, kann nicht jeder beliebige Dritte erleiden. 995 In diesem Fall würde also ein Vorrang der werkvertraglichen Haftungsschranken keine deliktsrechtliche Ungleichbehandlung gleich gelagerter Fälle bedeuten. 996 Daß hier eine deliktsrechliche Sonderregelung möglich wäre, heißt aber nicht, daß eine solche tatsächlich besteht. Ein Vorrang des Vertragsrechts ist vielmehr auch hier zu verneinen, weil Sinn und Zweck der werkvertragsrechtlichen HaftungsVgl. dazu bereits oben Teil 1, Kapitel 2, B.VII. Darauf weisen zutreffend hin etwa Soergel/Huber, vor §459 Rz.268; Rauscher, JuS 1987, 15; Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 57. 994 Vgl. oben II. 995 So auch bereits Baronin von Bilderling, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln, 1992, S. 73. 996 Das verkannte meines Erachtens der BGH, als er in der Raster-Entscheidung, vgl. BGH NJW 1977,1819, betonte, der Vertragspartner dürfe nicht besser gestellt werden als jeder andere Dritte. Von der Verformung der zur Bearbeitung anvertrauten Raster konnte ein beliebiger Dritter nicht betroffen werden. 992

993

Die Rechtssprechung

verdient prinzipiell

Zustimmung

353

schranken trotz Festhalten am Grundsatz der freien Anspruchskonkurrenz verwirklicht werden. Weil die Abweichung der tatsächlich erbrachten Werkleistung vom Vertragssoll nicht aus § 823 Abs. 1 B G B ersetzt wird, droht keine Vereitelung von Sinn und Zweck der werkvertragsrechtlichen Regelungen und bedarf es deshalb nicht deren Ausdehnung auf das Deliktsrecht. Im übrigen würde gegen einen solchermaßen begrenzten Vorrang des Werkvertragsrechts auch sprechen, daß er die Rechtsanwendung erheblich verkomplizieren würde. D e n n er wäre jedenfalls auf die Verletzung des Eigentums am Material zu beschränken und dürfte nicht auf die Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Endsache erstreckt werden. Weil das fertiggestellte Werk ohne weiteres den Eigentümer wechseln kann, bevor sich der Fehler weiterfrißt, kann nicht nur der Werkbesteller von der Fehlerausdehnung betroffen werden, sondern jeder künftige Eigentümer. Damit würde ein begrenzter Vorrang des Werkvertragsrechts aber dazu zwingen, selbst dann eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des Verarbeitungsproduktes, der fehlerhaft hergestellten Sache, zu prüfen, wenn der geschädigte Unternehmer schon Eigentümer der fehlerhaft verarbeiteten Materialien war. Wären Ansprüche wegen Verletzung des Eigentums am verarbeiteten Material etwa wegen Ubergreifens der kurzen vertraglichen Verjährung undurchsetzbar, so wäre immer noch zu fragen, ob der Geschädigte nicht eine Eigentumsverletzung hinsichtlich des fertigen Werks erlitten hat, deren O p f e r auch ein Dritter hätte werden können und die deshalb in ihren Folgen dem allgemeinen Deliktsrecht unterliegen muß. Schließlich brächte ein solcher begrenzter Vorrang des Werkvertragsrechts die Schwierigkeit mit sich, die anvertrauten Materialien von sonstigen Sachen des Geschädigten zu unterscheiden. 997

IV. Keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Vertragsbeteiligten und Dritten durch vertraglichen Haftungsverzicht Eine Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung gleich gelagerter Delikte ist bei Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Sache ebensowenig ersichtlich wie bei Eigentumsverletzungen hinsichtlich verarbeiteter Materialien. Insbesondere kann regelmäßig nicht angenommen werden, der Käufer oder Besteller habe mit dem Vertragsschluß einer Beschränkung der deliktsrechtlichen Haftung seines Vertragspartners zugestimmt, so daß sich diese als Folge des Parteiwillens erklären lasse. 998 997 Vgl. zu diesen Schwierigkeiten Schlechtriem, Gutachten, 1981, S. 1667ff., der die Abgrenzung allerdings in J Z 1971, 449ff. noch für möglich gehalten hatte. 998 In diesem Sinne aber die Begründung, die der Abschlußbericht der Schuldrechtskommission von 1991 für §200 des Kommissionsentwurfs gibt, vgl. Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 74: „Soweit es den Parteien überlassen bleibt, ihre Rechtsverhältnisse privatautonom zu regeln, wäre nicht einzusehen, warum der allgemeine de-

354

Teil 3: Das Verhältnis

zwischen

Delikts-

und

Vertragshaftung

Sowenig wie der Annahme gefolgt werden kann, der Geschädigte willige mit seiner Vertragserklärung auch in ein nicht vertragsgemäßes schädigendes Verhalten des Verkäufers oder Werkunternehmers ein999, überzeugt die Vorstellung, der Käufer oder Werkbesteller verzichte vertraglich auf seinen allgemeinen deliktsrechtlichen Schutz. Weder der Kauf- noch der Werkvertrag stellen Vertragstypen dar, bei denen es üblicherweise dem Willen der Beteiligten entspricht, die Deliktshaftung zu modifizieren. Im Regelfall werden sich die Parteien bei Vertragsschluß über Existenz und Reichweite der deliktsrechtlichen Haftung keine Gedanken machen. Die Annahme entsprechender Einwilligungsoder Verzichtserklärungen ist eine bloße Unterstellung. V! Keine Ausdehnung Haftungsschranken

der vertragsrechtlichen auf alle Geschädigten

Die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gleich gelagerter unerlaubter Handlungen ließe sich allerdings dadurch beseitigen, daß man einen Vorrang der kauf- und werkvertraglichen Haftungsschranken annähme, der sich über das Verhältnis zwischen den Vertragspartnern hinaus auch auf Dritte erstrecken würde. In der Literatur wird eine solche Ausdehnung des Vertragsvorrangs auf Dritte vereinzelt bejaht.1000 Tatsächlich würde dadurch verhindert, daß der Geschädigte unterschiedlich weitreichende Ansprüche geltend machen könnte, je nachdem, ob er mit dem Schädiger einen Kauf- bzw. Werkvertrag geschlossen liktsrechtliche S c h u t z die individuelle vertragliche R i s i k o z u w e i s u n g u n t e r l a u f e n sollte." Im R e gelfall fehlt es aber gerade an einer vertraglichen R e g e l u n g des Deliktsschutzes, vgl. die ü b e r z e u gende Kritik bei A. Klein, K o n k u r r e n z u n d Auslegung, 1997, S. 64; siehe zu §200 des K o m m i s s i o n s e n t w u r f s auch bereits o b e n F u ß n . 875; vgl. f e r n e r Bäh, Z u m S t r u k t u r w a n d e l des Systems zivilrechtlicher H a f t u n g , 1991, S. 52, d e r ganz allgemein a n n i m m t : „Wer Ware liefert, z u m Transp o r t ü b e r l ä ß t o d e r einlagert, sein H a u s vermietet o d e r Wertpapiere v e r p f ä n d e t , u n d ebenso, w e r f ü r d e n Bezug, die B e f ö r d e r u n g o d e r E i n l a g e r u n g v o n Ware zahlt, ein Entgelt als M i e t e r leistet o d e r einen Kredit ausreicht, gibt d a m i t den deliktischen P r i m ä r s c h u t z dieser V e r m ö g e n s g ü t e r auf"; dagegen Staud./J. Hager, § 8 2 3 R z . B 107, der a n h a n d des Beispiels des A r z t v e r t r a g s zeigt, d a ß diese T h e s e sich in einer b l o ß e n B e h a u p t u n g e r s c h ö p f t : D i e A n n a h m e , der Patient verzichte regelmäßig auf den D e l i k t s s c h u t z , ist offensichtlich eine bloße U n t e r s t e l l u n g . 999 D a g e g e n bereits o b e n Teil2, Kapitel 1, B.I. 1000 Y g j P r o d u k t h a f t u n g s h a n d b u c h I / F o e r s t e , § 2 1 R z . 38; in diesem Sinne auch von Bar, P r o b l e m e der H a f t p f l i c h t , 1992, S. 24; als G e g e n s t ü c k z u m Vertrag mit S c h u t z w i r k u n g f ü r D r i t t e hält Schaub, H a f t u n g u n d K o n k u r r e n z f r a g e n bei m a n g e l h a f t e n P r o d u k t e n u n d B a u w e r k e n , 1999, S. 58, eine solche A u s d e h n u n g f ü r „theoretisch d e n k b a r " ; im E r g e b n i s steht Schaub der Einbezieh u n g D r i t t e r d a n n aber d o c h eher a b l e h n e n d gegenüber, weil die a n s p r u c h s b e s c h r ä n k e n d e Vert r a g s w i r k u n g n u r auf einen eindeutig e i n g r e n z b a r e n P e r s o n e n k r e i s erstreckt w e r d e n d ü r f t e u n d d a d u r c h erstens Schwierigkeiten der A b g r e n z u n g e n t s t ü n d e n u n d zweitens die U n g l e i c h b e h a n d lung v o m Verhältnis z w i s c h e n E r s t k ä u f e r u n d D r i t t e m auf das Verhältnis zwischen m e h r e r e n E r w e r b e r n v e r s c h o b e n w ü r d e . D a ß sich n u r ü b e r eine A u s d e h n u n g des Vertragsrechtsvorrangs auf D r i t t e eine H a f t u n g des Herstellers ausschließlich nach vertragsrechtlichen G r u n d s ä t z e n erreichen ließe, b e t o n t Schlechtriem, G u t a c h t e n , 1981, S. 1666.

Die Rechtssprechung verdient prinzipiell

Zustimmung

355

hat oder nicht. Dennoch ist eine Erstreckung der vertragsrechtlichen Haftungsschranken auf vertragsfremde Dritte abzulehnen. Ein alle Geschädigten erfassender Vorrang des Vertragsrechts ist - ganz zu schweigen vom fehlenden sachlichen Bedürfnis - aus dem geltenden Recht nicht ableitbar: So könnte man zunächst daran denken wollen, die Ausdehnung der kaufund werkvertraglichen Haftungsschranken auf alle Geschädigten als Vertragswirkungen zugunsten Dritter zu konstruieren. Der Hersteller als Dritter käme in den Genuß der Haftungsschranken, die sich aus dem Werk- oder Kaufvertrag ergeben, den der Geschädigte mit einem Händler oder Werkunternehmer geschlossen hat. Jedoch ist nicht ersichtlich, warum der Geschädigte und sein Vertragspartner den rechtsgeschäftlichen Willen haben sollten, die deliktsrechtliche Haftung des Herstellers zu schmälern. Davon abgesehen spricht auch folgende Überlegung dagegen, in Vertragswirkungen zugunsten des Produzenten als Drittem eine Basis zu sehen für die parteiübergreifende Erstreckung vertragsrechtlicher Haftungsschranken auf das Deliktsrecht. Zwar wird regelmäßig sowohl die fehlerhafte Sache, die sich selbst beschädigt, als auch die unbrauchbare Zutat, die mit einwandfreien Materialen verarbeitet wird, vom Geschädigten aufgrund eines wirksamen Kauf- oder Werkvertrags erworben. Zwingend ist dies jedoch nicht. So mag dem Eigentumserwerb ausnahmsweise eine andere oder gar keine - causa zugrunde liegen. Es fehlt dann an kauf- oder werkvertraglichen Haftungsgrenzen, die sich der Geschädigte von seinem Vertragspartner entgegenhalten lassen müßte und die eine erweiterte Anwendung zugunsten des Herstellers als Schädiger finden könnten. Auch aus diesem Grund erscheint die Konstruktion einer Verdrängung des Deliktsrechts über die Annahme von Vertragswirkungen zugunsten Dritter kaum tragfähig. Zu denken wäre weiter an die Möglichkeit, den Vertrag, den der Hersteller mit seinem Abnehmer geschlossen hat, als Grundlage zu nehmen für die Ausdehnung vertraglicher Haftungsschranken auf sämtliche Geschädigte. Dann aber würde sich der vom Hersteller als Verkäufer oder Unternehmer geschlossene Vertrag zu Lasten sämtlicher Geschädigter auswirken. Es würde nicht der Hersteller als Schädiger aus einem zwischen dem Geschädigten und einem Dritten geschlossenen Vertrag begünstigt, sondern es würde der Geschädigte mit den vertraglichen Haftungsschranken aus dem Vertrag zwischen dem Hersteller und einem Dritten heiastet. Eine Ausdehnung vertraglicher Haftungsschranken zu Lasten Dritter ist jedoch nur zulässig, wenn ausnahmsweise ein Grund besteht, dem Dritten die vertraglichen Haftungsbeschränkungen wie beim eigenen Vertragsschluß zuzurechnen, was vor allem bei wirtschaftlicher Beteiligung am fremden Vertrag in Betracht kommt. 1001 Abgesehen von solchen Ausnahmefällen, in denen der „Dritte" in Wirklichkeit gar kein Dritter im Sinne

1001

Vgl. dazu bereits Fußn. 988 mit Nachw.

356

Teil 3: Das Verhältnis zwischen Delikts-

und

Vertragshaftung

eines wirtschaftlich Unbeteiligten ist 1 0 0 2 , verbietet der Grundsatz der Privatautonomie die Belastung Außenstehender mit nachteiligen Vertragswirkungen. 1003 Wer an einem Vertrag unbeteiligt ist, darf grundsätzlich nicht mit dessen Wirkungen belastet werden. 1 0 0 4 Deshalb wäre auch in den Fällen der Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache oder am Material, aus dem sie gefertigt wurde, eine Ausdehnung kauf- oder werkvertragsrechtlicher Haftungsschranken auf geschädigte Dritte regelmäßig unzulässig. Typischerweise fehlt es an einem besonderen Grund, der es erlauben würde, dem Geschädigten die zwischen dem Hersteller und dessen Abnehmer geltenden vertragsrechtlichen Haftungsbeschränkungen zuzurechnen. So ist etwa der Endabnehmer in der Lieferkette für gewöhnlich an den vorangehenden Vertragsschlüssen - auch in wirtschaftlicher Hinsicht - völlig unbeteiligt. Eine über die Vertragspartner hinausreichende Geltung der im Vertragsrecht vorgesehenen Haftungsschranken ließe sich schließlich deliktsrechtlich konstruieren. Es wären dann nicht bestimmte Verträge mit deliktsrechtlichen Wirkungen zu Gunsten oder zu Lasten Dritter ausgestattet. Vielmehr würden die gewünschten Haftungsgrenzen unmittelbar an die Verwirklichung bestimmter, im Zusammenhang mit gewissen Verträgen auftretender Delikte anknüpfen und auf diese Weise zu einer deliktsrechtlichen Privilegierung des Schädigers führen. So wäre etwa denkbar, daß gesetzliche Regelungen geschaffen würden, die für die deliktsrechtliche Produzentenhaftung ebenso kurze Verjährungsfristen vorsähen, wie sie im Kauf- und Werkvertragsrecht gelten. Solche Regelungen würden dann selbstverständlich die Haftung gegenüber sämtlichen Geschädigten beschränken, unabhängig davon, ob sie in Vertragsbeziehung zum Schädiger stünden oder nicht. De lege lata existiert jedoch eine solche Sonderordnung der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung nicht. Weder findet sie sich ausdrücklich im Gesetz statuiert, noch läßt sie sich aus dem Sinn und Zweck der kauf- und werkvertragsrechtlichen Haftungsschranken ableiten. Weil das vertragliche Aquivalenzinteresse an der mangelfreien Leistung jenseits des Schadensersatzes aus § 823 Abs. 1 B G B liegt, behalten diese Schranken auch bei frei konkurrierendem Deliktsrecht ihren guten Sinn. Es fehlt deshalb an einer sachlichen Rechtfertigung, die Einheit des Deliktsrechts aufzubrechen und den Produzenten besserzustellen als sonstige Deliktstäter. Daran hat auch die Schuldrechtsmodernisie1002 Zu Recht betont A. Klein, J Z 1997, 393, daß die Frage nicht dahin gehe, ob die Belastung des Dritten zulässig sei, sondern ob die betreffende Person überhaupt ein Dritter sei, der mit dem Vertragsschluß in keinem Zusammenhang stehe. 1003 Vgl. A. Klein, J Z 1997, 393; Räcke, Haftungsbeschränkungen zugunsten und zu Lasten Dritter, 1995, S. 152ff., jeweils m. w. Nachw. 1004 Entgegen Schaub, Haftung und Konkurrenzfragen bei mangelhaften Produkten und Bauwerken, 1999, S. 58, rechtfertigt die bloße Erkennbarkeit der Vertragsbeziehung für den Dritten keine Ausnahme von diesem Grundsatz, stellt sie doch keinerlei Ersatz dar für die fehlende privatautonome Einigung.

Die Rechtssprechung

verdient

prinzipiell

Zustimmung

357

rung nichts geändert. Vielmehr blieb das Verhältnis zwischen kauf- oder werkvertragsrechtlicher Gewährleistung einerseits und Deliktsrecht andererseits unangetastet. 1005 Doch auch de lege ferenda begegnet eine deliktsrechtliche Privilegierung des Produzenten ernsthaften Bedenken: Zwar ließen sich so die (bislang) vertragsrechtlichen Haftungsschranken auf das Deliktsrecht ausdehnen, ohne für Vertragsbeteiligte und Dritte ein unterschiedliches Haftungsregime zu schaffen. Jedoch bliebe zweifelhaft, wie die Abschwächung der außervertraglichen Produzentenhaftung, die durch den Gleichlauf mit dem Vertragsrecht erzielt würde, sachlich zu rechtfertigen wäre. Die deliktsrechtliche Haftung des Herstellers hat ihren Grund nun einmal nicht in der Mißachtung vertraglicher Leistungspflichten, sondern in der Verletzung von Verkehrspflichten. 1 0 0 6 Dabei sei nochmals betont, daß dies nicht nur in den Verarbeitungs-Fällen gilt, sondern ebenso in den Weiterfresser-Konstellationen. Der Produzent haftet nicht aus §823 Abs. 1 BGB, weil er eine vertragswidrige Sache geleistet hat (§433 A b s . l S.2 BGB (n.F.)), sondern weil er es unterlassen hat, zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache über deren verkehrswidrige Beschaffenheit aufzuklären. In unserer hochgradig technisierten wie auch arbeitsteiligen Gesellschaft bleibt dem einzelnen aber regelmäßig gar nichts anderes übrig, als sich darauf zu verlassen, daß Güter, mit denen er in Kontakt gerät, den Verkehrsstandards entsprechen. 1007 Die Gefahren, die dem Verkehr aus Nachlässigkeiten des Herstellers bei Produktion und Produktinformation drohen, sind infolgedessen enorm. Auch im Lichte vertragsrechtlicher Haftungsschranken erscheint es deshalb rechtspolitisch verfehlt, gerade den Produzenten fehlerhafter Sachen einer besonders milden deliktsrechtlichen Haftung zu unterwerfen.

1005 Namentlich wurde der im Abschlußbericht der Schuldrechskommission von 1991 enthaltene Vorschlag eines Vorrangs der vertraglichen Verjährung nicht in das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz aufgenommen, siehe dazu bereits oben Fußn. 875. Im übrigen wäre ausgesprochen zweifelhaft gewesen, ob §200 KE, wenn er denn Gesetz geworden wäre, den Vorrang der vertragsrechtlichen Verjährung auf Dritte erstreckt hätte. Denn nach dem Wortlaut der Regelung ist unklar, ob ein „Zusammentreffen" vertraglicher und gesetzlicher Ansprüche Identität des Anspruchsgegners voraussetzt. 1006 j ) a ß jgj. deliktsrechtliche Integritätsschutz längst qua Bejahung vertraglicher Nebenpflichten ins Vertragsrecht „gespiegelt" wird, so die Formulierung von Wagner, JZ 2002, 1094, mag dies zuweilen verschleiern, ändert daran aber nichts. Deutlich zum Ausdruck kommt diese Spiegelung neuerdings in §241 Abs. 2 BGB (n.F.). Zu Recht hat der B G H - n o c h in Bezug auf das alte Schuldrecht - darauf hingewiesen, daß die Anerkennung vertragsrechtlicher Schadensersatzansprüche bei sogenannten Mangelfolgeschäden der Verstärkung des Deliktsschutzes dient und nicht etwa dessen Beschränkung, vgl. bereits vor u. mit Fußn. 887. 1007 Siehe dazu oben Teil 1, Kapitel 3, E.II.l.

Ergebnisse 1. Die Verletzung des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache ist zu trennen von der Eigentumsverletzung hinsichtlich des Materials, aus dem die Sache gefertigt wurde. Da derjenige, der erst das fertige Produkt erworben hat, keine Verletzung des Eigentums am Material erlitten haben kann, ist dies selbst dann erforderlich, wenn aus dem Verarbeitungsvorgang keine neue Sache im sachenrechtlichen Sinne entstanden ist. 2. Aus dem Charakter des Eigentums als einem Recht an bestehenden Sachen folgt, daß Objekt einer Eigentumsverletzung nur eine bereits existierende und zu Eigentum erworbene Sache sein kann. Die Aussicht auf Erwerb einer fehlerfreien Sache genießt keinen Eigentumsschutz. Allein darin, daß eine Sache fehlerhaft hergestellt und in dieser Beschaffenheit übereignet wird, liegt deshalb keine Eigentumsverletzung. 3. Die fehlerhaft hergestellte Sache ist taugliches Objekt einer Eigentumsverletzung, ihre fehlerbedingte Beschädigung möglicher Verletzungserfolg. Jedoch kann die Verletzungshandlung weder in der Herstellung noch in der Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache gesehen werden. Denn Handlungen, die notwendige Voraussetzungen dafür sind, daß die fehlerhafte Sache überhaupt erst entsteht und zu Eigentum erworben werden kann, verletzen nicht das Eigentum an der fehlerhaften Sache. Ein an den Hersteller gerichtetes Gebot, zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaften Sache deren Herstellung und Inverkehrgabe zu unterlassen, wäre widersprüchlich, da seine Beachtung die Entstehung des Rechtsguts, um dessen Bewahrung es geht, gerade verhindern würde. Das wird von der Rechtsprechung verkannt, wenn sie annimmt, bei fehlender „Stoffgleichheit" des geltend gemachten Schadens mit dem anfänglichen Mangelunwert liege in Herstellung bzw. Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache eine Eigentumsverletzung. Aber auch die sonstigen Ansätze zur Begründung einer Eigentumsverletzung in den Weiterfresser-Fällen übersehen, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache hinsichtlich des Eigentums an dieser Sache notwendig als Verletzungshandlungen ausscheiden müssen. 4. Die Bestimmung der Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung nach der „Stoff gleichheits"-Formel ist außerdem insofern abzulehnen, als offen bleibt, warum der Hersteller nicht bei jeder fehlerbedingten Selbstbeschädigung seiner Produkte durch Herstellung oder Inverkehrgabe eine Eigentumsverletzung begangen hat, sondern nur dann, wenn es zu einem nicht-„stoffgleichen" Schaden gekommen ist. Dabei ist insbesondere unklar, warum die Unvermeidbarkeit der sachinternen Fehlerausbreitung die Eigentumsverletzung ausschließen soll.

360

Ergebnisse

5. Die „Stoffgleichheits"-Formel der Rechtsprechung liefert im übrigen nicht einmal einen tauglichen Ansatz zur Berechnung des Schadens, der aus der fehlerbedingten Selbstbeschädigung der Sache entsteht. Durch einen Vergleich zwischen anfänglichem Mangelunwert und geltend gemachtem Schaden kann dieser Schaden nicht ermittelt werden. Denn zum einen steht es im Belieben des Anspruchstellers, welchen Schaden er geltend macht, und zum andern ist die vereinbarte Sollbeschaffenheit ohne Bedeutung für die Einbußen, die aus der nachträglichen Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache resultieren. 6. Eine Eigentumsverletzung wird bei fehlerbedingter Selbstbeschädigung von Sachen nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß es an einer durch menschliches Verhalten verursachten Einwirkung von außen fehlt. Genauso wenig wie in anderen Fallgruppen einer Abhängigkeit der Sachintegrität von substanzerhaltenden Umwelteinflüssen erfordert die Gewährleistung der allgemeinen Handlungsfreiheit eine solche Beschränkung des Eigentumsschutzes. Diese würde auch zu ganz unbilligen Ergebnissen führen und ist außerdem insofern abzulehnen, als sich von außen drohende Risiken gar nicht klar von sonstigen Gefahren für den Bestand der Sache abgrenzen lassen. 7. Eine Eigentumsverletzung wird bei fehlerbedingter Selbstbeschädigung von Sachen nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß es an einer gewaltsamen, unfallartigen, umweltgefährdenden oder umweltschädigenden Ausbreitung des Sachfehlers fehlt. D e r deliktsrechtliche Eigentumsschutz des B G B kennt keine entsprechenden Beschränkungen, die im übrigen auch kaum hinreichend präzise abgrenzbar wären. 8. Daraus, daß Herstellung und Inverkehrgabe der fehlerhaften Sache ungeeignet sind, das Eigentum an dieser Sache zu verletzen, weil sie deren Entstehung und damit auch den Eigentumserwerb überhaupt erst ermöglichen, folgt nicht, daß auch jedes sonstige Verhalten des Produzenten, das Herstellung und Inverkehrgabe begleitet oder diesen Handlungen nachfolgt, als Verletzungshandlung außer Betracht bleiben muß. D a ß der Hersteller es unterläßt, M a ß nahmen zu ergreifen, um die sachinterne Fehlerausbreitung abzuwenden, ist keine notwendige Bedingung für den Eigentumserwerb an der fehlerhaften Sache und scheidet deshalb nicht von vornherein als Verletzungshandlung aus. Allerdings ist der Hersteller keinesfalls verpflichtet, die fehlerhafte Sache zum Schutze des daran bestehenden Eigentums zurückzurufen und den Fehler zu beseitigen. D a sich das Eigentum nun einmal nur auf die fehlerhafte Sache erstreckt, kann der Eigentümer von Dritten grundsätzlich nicht verlangen, die Sache durch Reparatur oder Fehlerbeseitigung zu verbessern. Als Verhalten, das dem Substanzerhalt dient, ohne die Sache gleichzeitig zu verbessern, k o m m t jedoch die Warnung vor der sachinternen Fehlerausbreitung in Betracht, sofern sie im konkreten Fall geeignet ist, den Eigentümer zu veranlassen, die Sachsubstanz durch Nutzungsverzicht oder Reparatur zu bewahren.

Ergebnisse

361

9. Die Bestimmung der gem. § 823 Abs. 1 B G B rechtswidrigen Handlung nach der herrschenden Verkehrspflichtenlehre füllt den gesetzlich vorgegebenen Rahmen in zulässiger Weise aus. Dies gilt auch insoweit, als Verkehrspflichten an gefahrschaffende Handlungen angeknüpft werden, die in Bezug auf das zu schützende Recht oder Rechtsgut nicht rechtswidrig sind. Eine solche A n knüpfung ist sachlich angemessen, da auch Handlungen, welche die N o t w e n digkeit nachfolgender Gefahrsteuerung mit sich bringen, häufig uneingeschränkt sozial billigenswert sind. Es können dann nicht schon diese Handlungen verboten werden. Die Anerkennung von Warnpflichten des Herstellers zum Schutze des Eigentums an fehlerhaft hergestellten Sachen bewegt sich deshalb klar innerhalb der gesetzlichen Grenzen. 10. Aus der Instruktionshaftung des Herstellers, wie sie jenseits der Weiterfresser-Fälle anerkannt und praktiziert wird, müssen folgerichtig Warnpflichten des Herstellers auch zum Schutze des Eigentums an der fehlerhaft hergestellten Sache abgeleitet werden. Ebenso wie der Hersteller verpflichtet ist, zum Schutze des Eigentums am fehlerfreien Produkt vor Gefahren zu warnen, mit denen der Verkehr nicht rechnet, gilt dies auch hinsichtlich des Eigentums an der fehlerhaften Sache. So sind die Fälle der Selbstbeschädigung fehlerfreier Sachen

aufgrund unerkannter Beschaffenheits-

und Benutzungsrisiken

in Bezug auf die

wesentlichen zur Rechtfertigung einer Instruktionspflicht herangezogenen Umstände den Fällen einer fehlerbedingten Selbstbeschädigung, die vom informierten Eigentümer abgewendet worden wäre, völlig gleich gelagert. Hier wie dort liegen in Herstellung und Inverkehrgabe notwendige Bedingungen für Sachentstehung und Eigentumserwerb. Hier wie dort ist der Hersteller, der den Produktionsprozeß organisiert und beherrscht, zu überlegener Gefahrsteuerung in der Lage, während es weder durchweg möglich noch praktikabel wäre, daß jeder Benutzer selbst das Produkt auf eine eventuelle verkehrswidrige B e schaffenheit hin überprüft. D a ß bei konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaften Sachen die Verkehrspflichtverletzung in Bezug auf den Schutz sonstiger Rechtsgüter bereits in Herstellung und Inverkehrgabe liegt und es deshalb insoweit auf eine Instruktionspflicht nicht mehr ankommt, liefert keine Rechtfertigung dafür, die Pflicht zur Instruktion entfallen zu lassen, wenn der Schutz der fehlerhaften Sache selbst in Frage steht und deshalb Herstellung und Inverkehrgabe als Verletzungshandlungen ausscheiden müssen. Im übrigen ist die gängige Abgrenzung der Instruktions- von den Konstruktions- und Fabrikationsfehlern auf den Schutz sonstiger Rechtsgüter zugeschnitten. Steht der Schutz des Produktes selbst in Frage, so läßt sich die unter unzureichender Instruktion erfolgte Inverkehrgabe fehlerfreier Sachen nicht zuverlässig abgrenzen von der Inverkehrgabe fehlerhafter Sachen. 11. Weil die Pflicht des Herstellers zur Warnung vor der fehlerbedingten Selbstbeschädigung seiner Produkte nur einen Anwendungsfall der allgemeinen, dem Schutz der Rechte und Rechtsgüter des § 8 2 3 Abs. 1 B G B dienenden

362

Ergebnisse

Produzentenpflicht darstellt, vor Gefahren zu warnen, mit denen die maßgeblichen Verkehrskreise nicht rechnen, bestimmt sich ihre sachliche und persönliche Reichweite parallel zur jenseits der Weiterfresser-Fälle geltenden Instruktionshaftung. Danach entfällt eine Warnpflicht insbesondere dann, wenn sie ungeeignet wäre, den Eigentümer zu einem sacherhaltenden Umgang zu veranlassen, etwa weil Reparatur oder Nutzungsverzicht unwirtschaftlich oder ungeeignet wären, die Fehlerausbreitung abzuwenden. 12. Hat der Hersteller durch unterlassene Warnung vor der Gefahr der sachinternen Fehlerausbreitung die Voraussetzungen einer Eigentumsverletzung nach §823 Abs. 1 B G B erfüllt, so sind bei der Schadensberechnung im Rahmen eines Gesamtvergleichs der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage (bei Ausbleiben der Rechtsgutsbeeinträchtigung) sämtliche nach dem hypothetischen Geschehensverlauf vom Geschädigten zum Sacherhalt getätigten Aufwendungen, erlittenen Einbußen und entgangenen Vorteile zu berücksichtigen. Denn auch bei erfolgter Warnung hätte der Geschädigte die Selbstbeschädigung der fehlerhaften Sache nur um den Preis einer entsprechenden Belastung seines Vermögens verhindern können. Bei einer solchen Schadensberechnung gehört der anfängliche Mangelunwert der Sache nicht zum ersatzfähigen Schaden. 13. Die Einordnung der Weiterfresser-Fälle als Fälle der Instruktionshaftung beseitigt die Unstimmigkeiten der „Stoffgleichheits"-These. Insbesondere wird weder die Verletzungshandlung in einer notwendigen Bedingung der Sachentstehung und des Eigentumserwerbs gesehen noch der Schadenseintritt zur Voraussetzung der Eigentumsverletzung gemacht. Auch muß zur Schadensberechnung nicht auf den - nur unter Zuhilfenahme des jeweiligen Vertrags bestimmbaren - anfänglichen Mangelunwert der Sache zurückgegriffen werden. 14. Wird Material gegen den Willen des Materialeigentümers unsachgemäß oder mit fehlerhaften Zutaten verarbeitet, so liegt darin eine Verletzung des Eigentums am Material. D e m Eigentümer kommt grundsätzlich uneingeschränkte Herrschaftsmacht über die Sachsubstanz zu. Er kann frei bestimmen, was mit der Sachsubstanz geschieht und auf welche Weise. Wird sie gegen seinen Willen erweitert oder vermehrt, so liegt bereits darin eine vollendete Eigentumsverletzung, ohne daß es noch darauf ankommt, ob anschließend eine Beschädigung oder Zerstörung im herkömmlichen Sinne eintritt. Bei fehlerhafter Verarbeitung von Material wird die Eigentumsverletzung deshalb bereits mit der dem Willen des Eigentümers widersprechenden Hinzufügung fehlerhafter Zutaten bzw. der unsachgemäßen Zusammenfügung der Materialien vollendet. Einer anschließenden Beschädigung oder Zerstörung der Materialsubstanz bedarf es nicht. 15. Auch ist es für die Eigentumsverletzung unerheblich, ob die fehlerhaft verarbeiteten Materialien eine Verwendungsbeeinträchtigung erleiden oder einen Wertverlust. Entgegen neuerer Rechtsprechung und herrschender Lehre

Ergebnisse

363

wirft die fehlerhafte Verarbeitung von Material nicht das Problem auf, wie weit der Eigentumsschutz gegen bloße Nutzungsbeeinträchtigungen reicht. Weil bei Verarbeitung einer Sache deren Sachsubstanz betroffen wird, die Sache hinterher eine andere Beschaffenheit aufweist als vorher, stellt die unerwünschte Substanzerweiterung genauso wie die Sachzerstörung oder -beschädigung im herkömmlichen Sinne eine Substanzverletzung dar. 16. Anders als beim Eigentum an der fehlerhaft hergestellten Sache scheiden in Bezug auf das Eigentum am Material Herstellung und Inverkehrgabe fehlerhafter Zutaten oder die Vornahme einer fehlerhaften Verarbeitung als Verletzungshandlungen nicht aus. Diese Handlungen sind keine notwendigen Bedingungen für die Entstehung des Materials und die Möglichkeit, daran Eigentum zu erwerben. Genauso wie es dem Hersteller im Interesse eines Schutzes fremder Sachen vor Beschädigungen und Zerstörungen verboten ist, fehlerhafte Produkte herzustellen und in Verkehr zu bringen, ist ihm ein solches Verhalten untersagt, wenn die Gefahr droht, daß dadurch eine dem Willen der Eigentümer widersprechende Erweiterung der Substanz fremder Materialien verursacht wird. 17. Eine Verletzung des Eigentums an fehlerhaft verarbeitetem Material scheidet auch dann nicht aus, wenn der Geschädigte in Unkenntnis der wahren Beschaffenheit fehlerhafter Zutaten die Verarbeitung selbst vorgenommen hat. Weil der Geschädigte sich im Irrtum darüber befindet, welcher Veränderung er die Materialsubstanz unterzieht, ist eine Eigentumsverletzung genausowenig abzulehnen wie in sonstigen Fällen, in denen der ahnungslose Geschädigte die unmittelbar rechtsgutsverletzende Bedingung selbst setzt. 18. Die Einordnung der unerwünschten Erweiterung der Materialsubstanz als substanzbeeinträchtigende Eigentumsverletzung erlaubt eine stimmige Bewältigung auch derjenigen Fälle, in denen Material durch die Verarbeitung seine sachenrechtliche Selbständigkeit verliert. Weil von der Substanzmehrung nicht erst das Verarbeitungsergebnis, sondern bereits das Material als Gegenstand der Verarbeitung betroffen wird, kann eine Verletzung des Materialeigentums bejaht werden, ohne daß die sachenrechtlichen Grenzen des Eigentums preisgegeben werden. Ein Verzicht auf die sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung, wie er von neuerer Rechtsprechung und Literatur auf der Grundlage einer unzutreffenden Einordnung der Substanzmehrung als Fall der Eigentumsverletzung durch bloße Nutzungsbeeinträchtigung gefordert wird, ist inakzeptabel. Eine Eigentumsverletzung ohne Eigentum kann es nicht geben. 19. Weil von der Substanzmehrung bereits das Material betroffen wird (und nicht erst das Produkt der Verarbeitung), können mit ihrer Anerkennung als Eigentumsverletzung die Fälle einer Veräußerung des fehlerhaften Verarbeitungsproduktes stimmig gelöst werden. Die mit dem Verarbeitungsvorgang vollendete Verletzung des Materialeigentums kann durch die Ubereignung der Endsache

364

Ergebnisse

nicht mehr beseitigt werden. Daß deren Erwerber bei Weiterfressen des Fehlers innerhalb der Endsache nurmehr eine Verletzung des Eigentums an der fehlerhaften Endsache erleiden kann, hinsichtlich derer Herstellung und Inverkehrgabe als notwendige Bedingungen des Eigentumserwerbs ausscheiden, ist auf die bereits vollendete Eigentumsverletzung gegenüber dem Materialeigentümer ohne Einfluß. 20. Die Einordnung der bloßen Substanzmehrung als substanzbeeinträchtigende Eigentumsverletzung ermöglicht es, selbst komplexe Fälle einer sukzessiven Herstellung ohne größere Schwierigkeiten zu lösen. Es muß nur der Herstellungsvorgang in seine einzelnen Schritte zerlegt und geprüft werden, welche Sachen zu welchem Zeitpunkt als potentielle Objekte einer Eigentumsverletzung existierten, und w e m sie gehörten. Die Verletzung des Eigentums am Ausgangsmaterial läßt sich dann unabhängig von der weiteren Entwicklung des Zwischen- oder Endproduktes feststellen. Umgekehrt wird die Eigentumsverletzung hinsichtlich der fehlerhaften Zwischen- oder Endsache, die sich fehlerbedingt selbst beschädigt hat, ohne Rücksicht auf das sachenrechtliche Schicksal der Ausgangsmaterialien bestimmt. 21. In Fällen der Verletzung des Eigentums am Material ist für die Berechnung des aus § 823 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Schadens zu beachten, daß der Geschädigte nicht so zu stellen ist, wie er bei fehlerfreier Verarbeitung stünde, sondern nur so, wie er bei Ausbleiben des Verletzungserfolgs, der unerwünschten Mehrung der Materialsubstanz, stünde. Die Rechtsgutsbeeinträchtigung ist weder für die Erwerbskosten der fehlerhaften Zutat noch für die Kosten der Vornahme der fehlerhaften Verarbeitung kausal. Damit führt der Schadensersatzanspruch aus §823 Abs. 1 BGB auch bei Verletzung des Materialeigentums nicht zu einem Ausgleich des anfänglichen Mangelunwerts als Abweichung der Beschaffenheit einer Zutat bzw. Werkleistung vom Vertragssoll. 22. Bei fehlerhafter Verarbeitung von Material ebenso wie bei Selbstbeschädigung fehlerhaft hergestellter Sachen konkurriert das Deliktsrecht frei mit den Regelungen des Kauf- und Werkvertragsrechts. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, die Normen des Deliktsrechts, die im Gesetz gleichrangig neben den Vorschriften des Kauf- und Werkvertragsrechts stehen, zurücktreten zu lassen. Ansprüche aus §823 Abs. 1 BGB gleichen niemals die Abweichung der geleisteten Kaufsache oder des hergestellten Werks vom Vertragssoll aus und sind deshalb ungeeignet, die vertragsrechtlichen Haftungsbeschränkungen auszuhöhlen. 23. Ein Vorrang des Kauf- und Werkvertragsrechts ist aber selbst de lege f e renda abzulehnen, soweit er zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung führt, weil Delikte erfaßt werden, von denen nicht nur Vertragsbeteiligte, sondern auch Dritte betroffen sein können. Die Eigentumsverletzung durch unterlassene Warnung vor der fehlerbedingten Selbstbeschädigung ist ein solches Delikt, da sie nicht notwendig denjenigen trifft, der die Sache aufgrund Kauf- oder Werkvertrages direkt vom Hersteller erhalten hat, sondern möglicherweise erst

Ergebnisse

365

einen späteren Erwerber. Gleiches gilt im Grundsatz für die Verletzung des Eigentums an Materialien, die fehlerhaft verarbeitet werden. Mit Ausnahme der Eigentumsverletzung hinsichtlich derjenigen Materialien, die dem Schädiger vom Geschädigten zur Werkherstellung anvertraut wurden, kann eine solche unerlaubte Handlung auch ein Materialeigentümer erleiden, der mit dem Hersteller in keinerlei vertraglicher Verbindung steht. Insoweit würden bei einem Vorrang des Vertragsrechts ebenfalls Vertragsbeteiligte und Dritte ohne sachliche Rechtfertigung deliktsrechtlich ungleich behandelt. Dieses Ergebnis ließe sich lediglich dadurch vermeiden, daß die Grenzen der deliktsrechtlichen Produzentenhaftung nicht nur im Verhältnis der Vertragspartner zueinander, sondern zu Lasten aller Geschädigten an die Schranken der vertraglichen Haftung angepaßt würden. Eine solche generelle deliktsrechtliche Privilegierung des Produzenten gegenüber sonstigen Deliktstätern existiert jedoch weder de lege lata noch ist sie rechtspolitisch wünschenswert.

Literaturverzeichnis Abschlußbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, herausgegeben vom Bundesminister der Justiz, Bundesanzeiger 1992. Altmeppen, Holger, Haftung der Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft für Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, ZIP 1995, 881 ff. Anderle, Christoph, Der Haftungsumfang des harmonisierten Produkthaftungsrechtes. Der Schadensbegriff der EG-Richtlinie Produkthaftung und des deutschen Transformationsgesetzes, Heidelberg 1990. Bälz, Ulrich, Zum Strukturwandel des Systems zivilrechtlicher Haftung, Mangelschaden, Mangelfolgeschaden und weiterfressender Schaden - eine Aufgabe für den Gesetzgeber? Tübingen 1991. von Bar, Christian, Das „Trennungsprinzip" und die Geschichte des Wandels der Haftpflichtversicherung, AcP 181 (1981), 289ff. Deliktsrecht. Empfiehlt es sich, die Voraussetzungen der Haftung für unerlaubte Handlungen mit Rücksicht auf die gewandelte Rechtswirklichkeit und die Entwicklungen in Rechtsprechung und Lehre neu zu ordnen? Wäre es insbesondere zweckmäßig, die Grundtatbestände der §§ 823 Absätze 1 und 2, 826 BGB zu erweitern oder zu ergänzen? Gutachten und Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 2, herausgegeben vom Bundesminister der Justiz, Köln 1981, S. 1681 ff. (zit.: von Bar, Gutachten, 1981). - , Entwicklung und rechtsstaatliche Bedeutung der Verkehrs(sicherungs)pflichten, JZ 1979, 332ff. - , Entwicklungen und Entwicklungstendenzen im Recht der Verkehrs(sicherungs)pflichten, JuS 1988, 169ff. - , Probleme der Haftpflicht für deliktsrechtliche Eigentumsverletzungen, Mannheimer Vorträge zur Versicherungswissenschaft, herausgegeben im Institut für Versicherungswissenschaft der Universität Mannheim von Peter Albrecht und Egon Lorenz, Bd. 55, Karlsruhe 1992. - , Verkehrspflichten: Richterliche Gefahrsteuerungsgebote im deutschen Deliktsrecht, Köln u.a. 1980. - , Vertragliche Schadensersatzpflichten ohne Vertrag? JuS 1982, 637ff. Baur, Fritz, Die Flächenwerbung unter dem Aspekt des Wege- und Nachbarrechtes, BB 1963, 433 ff. von Bieberstein, Freiherr Marschall, Schadensersatz für Gewinnentgang bei Eigentumsverletzung, Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Hans Claudius Ficker u.a., Tübingen 1978, S. 411 ff. (zit.:, Freiherr Marschall von Bieberstein, FS von Caemmerer, 1978). von Bilderling, Irene Baronin, Die Verjährung konkurrierender Schadensersatzansprüche wegen Sachmängeln - zum Anwendungsbereich der §§477 und 638 BGB - , Diss. Marburg 1992. Bilstein, Ruth, Das deliktische Schadensersatzrecht der LEX AQUILIA in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, Münster - Hamburg 1994. Birkmann, Andreas, Produktbeobachtungspflicht bei Kraftfahrzeugen - Entwicklung und Weiterentwicklung der Produktbeobachtungspflicht durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, DAR 1990, 124 ff.

368

Literatur

Bodewig, Theo, Der Rückruf fehlerhafter Produkte - Eine Untersuchung der Rückrufpflichten und Rückrufansprüche nach dem Recht Deutschlands, der Europäischen Union und der USA, Tübingen 1999. - , Zivilrechtliche Probleme des Rückrufs fehlerhafter Produkte in der Automobilindustrie, DAR 1996, 341 ff. Boecken, Winfried, Deliktsrechlicher Eigentumsschutz gegen reine Nutzungsbeeinträchtigungen, Berlin 1995. Börgers, Michael, Von den „Wandlungen" zur „Restrukturierung" des Deliktsrechts? Berlin 1993. Bremenkamp, Holger/Buyten, Rüdiger, Deliktische Haftung des Zulieferers für Produktionsschäden? - Zugleich Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 31.3. 1998 (VI ZR 109/97) VersR 98, 855 (Transistoren) - , VersR 1998, 1064ff. Brinker, Jürgen, Die Dogmatik zum Vermögensschadensersatz, Differenzierungsdefizite, Ressourcenverwendungspläne und das Wertproblem, Berlin 1982. Brinkmann, Marlies, Zur Problematik der sogenannten weiterfressenden Mängel nach dem allgemeinen Deliktsrecht und dem Produkthaftungsgesetz, Frankfurt am Main u.a. 1994. Brüggemeier, Gert, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 7.6.1988 - VI ZR 91/87 (Frankfurt), VuR 1988, 345ff. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 7.12. 1993 VI ZR 74/93 (München), JZ 1994, 578ff. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 31.3. 1998 - VI ZR 27/94 (Karlsruhe/Freiburg), JZ 1999, 99ff. - , Besprechung von Christian Katzenmeier: Vertragliche und deliktische Haftung in ihrem Zusammenspiel - dargestellt am Problem der „weiterfressenden Mängel", Berlin 1994, JZ 1995, 883f. - , Deliktsrecht, Baden-Baden 1986. - , Die vertragsrechtliche Haftung für fehlerhafte Produkte und der deliktsrechtliche Eigentumsschutz nach §823 Abs. 1 BGB - Zwei Urteile des VI. Zivilsenats des BGH zur sogenannten Schwimmerschalterproblematik - VersR 1983, 501 ff. - , Gesellschaftliche Schadensteilung und Deliktsrecht, AcP 182 (1982), 385ff. - , Kurzkommentar zum Urteil des BGH vom 24.3. 1992 - VI ZR 210/91, EWiR 1992, 775 f. - , Produkthaftung und Produktsicherheit, ZHR 152 (1988), 511ff. - , Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB, Bestandsaufnahme und Perspektiven weiterer judizieller Rechtsentwicklung, WM 1982, 1294ff. - , Reparatur und Folgeschaden. Von der Unübersichtlichkeit des Haftungsrechts für die Praxis, BB 1995, 2489ff. Brüggemeier, Gert/Herbst, Ulrich K., Anmerkung zum Urteil des BGH vom 12.2. 1992 VIII ZR 276/90 (Frankfurt), JZ 1992, 802ff. Brüggemeier, Gert/Reich, Norbert, Die EG-Produkthaftungs-Richtlinie 1985 und ihr Verhältnis zur Produzentenhaftung nach §823 Abs. 1 BGB, WM 1986, 149ff. Buchner, Herbert, Neuorientierung des Produkthaftungsrechtes? Auswirkungen der EGRichtlinie auf das deutsche Recht, DB 1988, 32ff. Büdenbender, Ulrich, Drittschadensliquidation bei obligatorischer Gefahrentlastung - eine notwendige oder überflüssige Rechtsfigur? NJW 2000, 986ff. Bungert, Hartwin, Besprechung von Christian Katzenmeier, Vertragliche und deliktische Haftung in ihrem Zusammenspiel - dargestellt am Problem der „weiterfressenden Mängel", Berlin 1994, AcP 195 (1995), 474ff. von Caemmerer, Ernst, Das Problem des Drittschadensersatzes, ZHR 127 (1965), 241 ff.

Literatur

369

- , Die absoluten Rechte in §823 Abs. 1 BGB, Karlsruher Forum 1961, Referate und Diskussionen zum Thema Grundprobleme der Haftung in §823 Abs. 1 BGB, S. 19ff. (zit.: von Caemmerer, KF 1961). - , Wandlungen des Deliktsrechts, Hundert Jahre deutsches Rechtsleben, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1860-1960, im Auftrage der ständigen Deputation des Deutschen Juristentages herausgegeben von Ernst von Caemmerer, Ernst Friesenhahn, Richard Lange, Bd. 2, Karlsruhe 1960, S.49ff. (zit.: von Caemmerer, FS zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages, 1960). Qaga, Tahir, Konkurrenz deliktischer und vertraglicher Ersatzansprüche nach deutschem und schweizerischem Recht unter Berücksichtigung des gemeinen Rechts, Aarau 1939. Cabn, Andreas, Das neue Produkthaftungsgesetz - ein Fortschritt? ZIP 1990, 482ff. Canaris, Claus-Wilhelm, Handelsrecht, ein Studienbuch, 23.Aufl., München 2000 (zit.: Gzwims/HandelsR.). - , Schutzgesetze - Verkehrspflichten - Schutzpflichten, Festschrift für Karl Larenz zum 80. Geburtstag am 23. April 1983, herausgegeben von Claus-Wilhelm Canaris, Uwe Diederichsen, München 1983, S.27ff. (zit.: Canaris, FS Larenz, 1983). - , Schuldrechtsreform 2002, München 2002. Christensen, Guido, Verkehrspflichten in arbeitsteiligen Prozessen, Frankfurt am Main u.a. 1995. Dauner-Lieb, Barbara u.a. (Hrsg.), Schuldrecht, Erläuterungen der Neuregelungen zum Verjährungsrecht, Schuldrecht, Schadensersatzrecht und Mietrecht, Bonn 2002 (zit.: AnwKomm./Bearbeiter, BGB, 2002). Deneke, Dorothea, Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis - Ein Beitrag zur Lösung von Interessenkonflikten im privaten Nachbarrecht, Köln u.a. 1987. Derleder, Peter/Meyer, Thomas, Deliktshaftung für Werkmängel, AcP 195 (1995), 137ff. Deutsch, Erwin, Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl., München 1996 (zit.: Deutsch, AllgHaftungsR., 2. Aufl., 1996). - , Die neuere Entwicklung der Rechtsprechung zum Haftungsrecht, JZ 1984, 308ff. - , Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt: eine privatrechtliche Untersuchung, 2., um das Thema Fahrlässigkeit und Rechtswidrigkeit, eine Bestandsaufnahme an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, ergänzte Aufl., Köln u.a. 1995. - , Gefahr, Gefährdung, Gefahrerhöhung, Festschrift für Karl Larenz zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Gotthard Paulus, Uwe Diederichsen, Claus-Wilhelm Canaris, München 1973, S. 884ff. (zit.: Deutsch, FS Larenz, 1973). Deutsch, Erwin/Ahrens, Hans-Jürgen, Unerlaubte Handlungen, Schadensersatz und Schmerzensgeld, 4. Aufl., Köln u.a. 2001 (zit.: Deutsch/Ahrens, Unerlaubte Handlungen). Diederichsen, Uwe, Die Deckung des Produktehaftpflichtrisikos im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung, VersR 1971, 1077ff. - , Die Entwicklung der Produzentenhaftung, VersR 1984, 797ff. - , Die Haftung des Warenherstellers, München - Berlin 1967. - , Zur Dogmatik der Produkthaftung nach Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes, Probleme der Produzentenhaftung unter besonderer Berücksichtigung des Straßenverkehrs, Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft der Verkehrsrechtsanwälte im Deutschen Anwaltverein, Berlin 1988, S. 9ff. (zit.: Diederichsen, Probleme der Produzentenhaftung, 1988). - , Wohin treibt die Produzentenhaftung? NJW 1978, 1281ff. Dietrich, Martin, Produktbeobachtungspflicht und Schadensverhütungspflicht der Produzenten, Frankfurt am Main u.a. 1994. Dietz, Rolf, Anspruchskonkurrenz bei Vertragsverletzung und Delikt, Bonn - Köln 1934.

370

Literatur

Dunz, Walter, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 12.2.1992 - VIIIZR 276/90, JR 1992, 470f. Dunz, Walter/Kraus, Irene, Haftung für schädliche Ware, Bad Homburg vor der Höhe u.a. 1969. Ebel, Hermann, Produzentenhaftung und kaufrechtliche Gewährleistung, NJW 1978, 2494f. Emmerich, Volker, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 24.11. 1976 - VIII ZR 137/75 (Stuttgart), JuS 1977, 472. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 18.9. 1984 - VI ZR 51/83 (KG), JuS 1985, 231 f. - , Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.12.2000 - VI ZR 242/99 (Karlsruhe), JuS 2001, 710f. Engels, Ulfert, Konkretisierung der Produzentenhaftung, DB 1977, 617. Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, herausgegeben von Harm Peter Westermann, Bd. 1 (§§1-853, HausTWG, ProdHaftG, SchuldRAnpG, VerbrKrG), 10. Aufl., Münster Köln 2000. Esser, Josef, Die Zweispurigkeit unseres Haftpflichtrechts, JZ 1953, 129ff. Esser, Josef/Schmidt, Eike, Schuldrecht, Bd. 1, Allgemeiner Teil, Teilbd. 2: Durchführungshindernisse und Vertragshaftung, Schadensausgleich und Mehrseitigkeit beim Schuldverhältnis, 8. Aufl., Heidelberg 2000 (zit.: Esser/Schmidt, SchuldR 1/2). Esser, Josef/Weyers, Hans-Leo, Schuldrecht, Bd. 2, Besonderer Teil, 7. Aufl., Heidelberg 1991 (zit: Esser/Weyers, SchuldR. II, 7. Aufl., 1991), Bd. 2, Besonderer Teil, Teilbd. 1: Verträge, 8. Aufl., Heidelberg 1998 (zit: Esser/Weyers, SchuldR. II/l), Bd. 2, Besonderer Teil, Teilbd. 2: Gesetzliche Schuldverhältnisse, 8. Aufl., Heidelberg 2000 (zit: Esser/Weyers, SchuldR. II/2). Evans-von Krbek, Franziska-Sophie, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 24.11. 1976 VIII ZR 137/75 (Stuttgart), MDR 1977, 834. Fezer, Karl-Heinz, Teilhabe und Verantwortung. Die personale Funktionsweise des subjektiven Privatrechts, München 1986. Foerste, Ulrich, Änderung der englischen Rechtsprechung zu den „Weiterfresser"-Schäden, VersR 1991, 966ff. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 7.6.1988 - VI ZR 91/87 (Frankfurt a.M.), VersR 1988, 958ff. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 8.12. 1992 - VI ZR 24/92 (München), JZ 1993, 678ff. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 14.5.1996 - VI ZR 158/95 (München), LM § 823 (M) BGB Nr. 1. - , Besprechung von Michael Börgers: Von den „Wandlungen" zur Restrukturierung des Deliktsrechts? AcP 194 (1994), 516ff. - , Deliktische Haftung für Fehlinvestitionen, Besprechung von BGH, Urt. vom 31.3. 1998 - VI ZR 109/97 (Karlsruhe), NJW 1998, 1942, NJW 1998, 2877f. - , Deliktische Haftung für Schlechterfüllung? NJW 1992, 27f. - , Erwiderung - Nochmals: Deliktische Haftung für Produktionsschäden? Zu Martin Franzen, JZ 1999, 702ff., JZ 1999, 1046f. - , Kurzkommentar zum Urteil des BGH vom 11.6. 1996 - VI ZR 202/95, EWiR 1996, 787f. - , Kurzkommentar zum Urteil des BGH vom 2.2.1999 - VI ZR 392/97, EWiR 1999,315f. - , Neues zur Produkthaftung - Passive Beobachtungspflicht und Äquivalenzinteresse, NJW 1994, 909f. - , Unklarheit im künftigen Schuldrecht: Verjährung von Kaufmängel-Ansprüchen in zwei, drei oder 30 Jahren? ZRP 2001, 342f.

Literatur

371

Zur juristischen Akzeptanz und Abgrenzung der „Weiterfresserschäden" - Zugleich eine Stellungnahme zu dem Aufsatz von Steffen VersR 88, 977 - VersR 1989, 455ff. Fraenkel, Michael, Tatbestand und Zurechnung bei §823 Abs. 1 BGB, Berlin 1979. Franzen, Martin, Deliktische Haftung für Produktionsschäden, JZ 1999, 702 ff. - , Schlußwort zu: Deliktische Haftung für Produktionsschäden, JZ 1999, 1047. Freund, Ferdinand/Barthelmess, Jochen, Anmerkung zu OLG München, Urteil vom 06.10. 1976 - 15 U 4854/75, NJW 1977, 438f. - , Eigentumsverletzung durch Baumängel? NJW 1975, 281 ff. Fromherz, Peter, Haftet der Arzt auf Schmerzensgeld? Ein Beitrag zu der Lehre von der Anspruchskonkurrenz, AcP 108 (1912), 435ff. Frotz, Gerhard, Regreßverlust durch Gläubigerhandeln, VersR 1965, 212ff. Fuchs, Maximilian, Die deliktsrechtliche Haftung für fehlerhafte Bauprodukte, BauR 1995, 747ff. Ganten, Hans, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 4.3. 1971 - VII ZR 40/70 (Düsseldorf), NJW 1971, 1804f. Ganter, Alexander, Die Anwendung von Deliktsrecht neben kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüchen - BGHZ 86, 256, JuS 1984, 592ff. Geigel, Reinhart/Schlegelmilch, Günter, Der Haftpflichtprozeß mit Einschluß des materiellen Haftpflichtrechts, 23. Aufl., München 2001 (zit.: Geigel/'Schlegelmilch, Haftpflichtprozeß). Giesen, Dieter, Der große Preis oder über den Anreiz zu großzügigem Umgang mit Schadensposten aus entgangenem Gewinn bei Kfz-Totalschäden, VersR 1979, 389ff. Grote, Dirk, Der Herstellerregreß beim Produktrückruf - Haftung und Versicherung - , VersR 1994, 1269ff. Grigoleit, Hans Christoph, Weiterfresserschäden und Mangelfolgeschäden nach der Schuldrechtsreform: Der mangelhafte Traktor, ZGS 2002, 78ff. Gruher, Markus, Freiheitsschutz als ein Zweck des Deliktsrechts. Versuch einer methodengerechten Begründung, Berlin 1998. Grunewald, Barbara, Eigentumsverletzungen im Zusammenhang mit fehlerhaften Werkleistungen, JZ 1987, 1098 ff. Gsell, Beate, Erwiderung, Gespaltene Verjährung kaufvertraglicher Ansprüche auf Ersatz mängelbedingter Schäden? Zu Gerhard Wagner, JZ 2002, 475ff., JZ 2002, 1089ff. Haas, Lothar/Medicus, Dieter/Rolland, Walter/Schäfer, Carsten/Wendtland, Holger, Das neue Schuldrecht, München 2002 (zit.: Haas u. a./Bearbeiter, SchuldR., 2002). Hager, Günter, Einstandspflicht des Produzenten für das Äquivalenz- und Nutzungsinteresse des Produkterwerbers, BB 1987, 1748ff. - , Haftung bei Störung der Energiezufuhr, JZ 1979, 53 ff. - , Zum Schutzbereich der Produzentenhaftung, AcP 184 (1984), 413ff. Hager, Johannes, Die Kostentragung bei Rückruf fehlerhafter Produkte, VersR 1984, 799ff. Harrer, Friedrich, Die besondere Entscheidung. Deliktische Haftung für Schäden an der Sache bei „weiterfressenden" Mängeln, Jura 1984, 80ff. Hasselblatt, Gordian N., Die Grenzziehung zwischen verantwortlicher Fremd- und eigenverantwortlicher Selbstgefährdung im Deliktsrecht, Bonn 1997. Heck, Philipp, Grundriß des Sachenrechts, Tübingen 1930 (zit.: Heck, SachenR., 1930). Heiderhoff, Bettina, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 2.2. 1999 - VI ZR 392/97, JA 1999, 616ff. Helm, Johann Georg, Haftung für Schäden an Frachtgütern, Studien zur Schadensersatzpflicht und zur Konkurrenz vertraglicher und außervertraglicher Ersatzansprüche, Karlsruhe 1966.

372

Literatur

Herrmann, Harald, Die Rückrufhaftung des Produzenten, BB 1985, 1801 ff. Hinsch, Christian, Ausweitung der deliktsrechtlichen Zuliefererhaftung durch das Transistor-Urteil? - Zugleich Anmerkung zum Urteil des BGH vom 31.3. 1998 (VI ZR 109/ 97) VersR 98, 855 - , VersR 1998, 1353ff. Eigentumsverletzung an neu hergestellten und an vorbestehenden Sachen durch mangelhafte Einzelteile - Zugleich Anmerkung zu den Urteilen des BGH vom 24.3. 1992 (VI ZR 210/91) VersR 92, 758 „Nockenwellensteuerrad" und vom 12.2.1992 (VIII ZR 276/ 90) VersR 92, 837 „Kondensator" - , VersR 1992, 1053ff. Hofacker, Wilhelm, Die Verkehrssicherungspflicht, Stuttgart 1929. Hohloch, Gerhard, Produkthaftung in Europa, Rechtsangleichung und nationale Entwicklungen im zehnten Jahr nach der Produkthaftungsrichtlinie, ZEuP 1994, 408 ff. Hollmann, Hermann, Die EG-Produkthaftungsrichtlinie, DB 1985, 2389ff. u. 2439ff. Honseil, Heinrich, Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.12. 2000 - VI ZR 242/99 (Karlsruhe), DNotZ 2001, 373ff. - , Produkthaftungsgesetz und allgemeine Deliktshaftung, JuS 1995, 211 ff. Huber, Konrad, Verkehrspflichten zum Schutz fremden Vermögens, Festschrift für Ernst von Caemmerer zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Hans Claudius Ficker u.a., Tübingen 1978, S. 359ff. (zit.: K. Huber, FS von Caemmerer, 1978). Huber, Peter/Faust, Florian, Schuldrechtsmodernisierung, Einführung in das neue Recht, München 2002 (zit.: P. Huber/Faust/Bearbeiter, SchuldR., 2002). Huber, Ulrich, Gefahren des vertraglichen Abtretungsverbots für den Schuldner der abgetretenen Forderung, NJW 1968, 1905 ff. - , Zivilrechtliche Fahrlässigkeit, Festschrift für Ernst Rudolf Huber zum 70. Geburtstag am 8. Juni 1973, herausgegeben von Ernst Forsthoff, Werner Weber, Franz Wieacker, Göttingen 1973, S.267ff. (zit.: U. Huber, FS E.R. Huber, 1973). - , Zur Haftung des Verkäufers wegen positiver Vertragsverletzung, AcP 177 (1977), 281 ff. Jagenburg, Walter, Deliktshaftung auf dem Vormarsch. Zur Haftung des Werkunternehmers wegen Eigentumsverletzung durch Baumängel, Festschrift für Horst Locher zum 65. Geburtstag am 20. Oktober 1990, herausgegeben von Peter Löffelmann und Hermann Korbion, Düsseldorf 1990, S.93ff. (zit.: Jagenburg, FS Locher, 1990). Jakobs, Horst Heinrich, Die Verlängerung des Eigentumsvorbehalts und der Ausschluß der Abtretung der Weiterveräußerungsforderung - BGHZ 56, 228, JuS 1973, 152ff. Jakobs, Horst Heinrich/Schubert, Werner (Hrsg.), Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, systematische Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Bd. 2, Allgemeiner Teil, Teilbd. 2, §§ 1 bis 240, Berlin - New York 1985 (zit.: Jakobs/Schubert, Beratung, AT II, 1985, und soweit auf die Protokolle der Ersten Kommission Bezug genommen wird: Prot. I, Jakobs/Schubert, Beratung, AT II, 1985); Bd. 3, Recht der Schuldverhältnisse, Teilbd. 3, §§ 652 bis 853, Berlin - N e w York 1983 (zit.: Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983, und soweit auf die Protokolle der Ersten Kommission Bezug genommen wird: Prot. I, Jakobs/Schubert, Beratung, SchuldR. III, 1983). Jauernig, Othmar, Zivilrechtlicher Schutz des Grundeigentums in der neueren Rechtsentwicklung, JZ 1986, 605ff. Kaiser, Gisbert, Das Mängelhaftungsrecht in Baupraxis und Bauprozeß. Ein systematisches Handbuch, 7. Aufl., Heidelberg 1992. Karollus, Martin, Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung, zugleich ein Beitrag zum Deliktssystem des ABGB und zur Haftung für casus mixtus, Wien 1992. Katzenmeier, Christian, Produkthaftung und Gewährleistung des Herstellers teilmangelhafter Sachen, NJW 1997, 486ff.

Literatur

373

- , Vertragliche und deliktische Haftung in ihrem Zusammenspiel - dargestellt am Problem der „weiterfressenden Mängel", Berlin 1994. Keibel, Jörg, Eigentumsverletzung im Sinne des §823 I B G B bei kauf- und werkvertraglichen Mängeln, Frankfurt am Main u.a. 1984. Kellam, Jocelyn/Wescb, Susanne, Produkthaftung und Schäden am Produkt selbst. Eine vergleichende Analyse der Rechtslage in England, Australien und Deutschland, PHI 1996, 184ff. Keuk, Brigitte, Vermögensschaden und Interesse, Bonn 1972. Klamroth, Sabine, Abtretungsverbote in allgemeinen Geschäftsbedingungen, BB 1984, 1842ff. Klein, Andreas, Haftungsbeschränkungen zugunsten und zu Lasten Dritter und ihre Behandlung in der Schuldrechtsreform, JZ 1997, 390ff. - , Konkurrenz und Auslegung. Der deliktsrechtliche Gehalt vertragsrechtlicher Normen, Berlin 1997. Klein, Bernhard, Produkthaftung bei Baustoffen und Bauteilen unter Einbeziehung der Rechtsverhältnisse des Baustoffhandels, 2. Aufl., Düsseldorf 1990. Kleindiek, Detlef, Deliktshaftung und juristische Person. Zugleich zur Eigenhaftung von Unternehmensleitern, Tübingen 1997. Klingmüller, Ernst, Grundlagen und Methoden der Schadensberechnung - Bemerkungen und Betrachtungen zur neueren Entwicklung - , Karlsruher Forum 1964, Schaden und Schädiger, S.21ff. (zit.: Klingmüller, KF 1964). Kniffka, Rolf, Die deliktische Haftung für durch Baumängel verursachte Schäden, ZfBR 1991, lff. Koch, Detlef, Produkthaftung. Zur Konkurrenz von Kaufrecht und Deliktsrecht, Berlin 1995. Koch, Harald, Internationale Produkthaftung und Grenzen der Rechtsangleichung durch die EG-Richtlinie, ZHR 152 (1988), 537ff. Köhler, Helmut, Das Verhältnis der Gewährleistungsansprüche zu anderen Rechtsbehelfen des Käufers,JA 1982, 157ff. Kotz, Hein, Deliktsrecht, 8. Aufl., Neuwied - Kriftel 1998 (zit.: Kötz, DeliktsR., 8. Aufl., 1998). Kötz, Hein/Wagner, Gerhard, Deliktsrecht, 9. Aufl., Neuwied - Kriftel 2001 (zit.: Kötz/ Wagner, DeliktsR.). Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch in sechs Bänden, Reihe Alternativkommentare, Bd. 4, Sachenrecht, Neuwied - Darmstadt 1983 (zit.: AK-BGB/Bearbeiter). Kraft, Alfons, Der geplatzte Hinterreifen - BGH, NJW 1978, 2241, JuS 1980, 408ff. Kramer, Ernst A., Besprechung von Michael Fraenkel: Tatbestand und Zurechnung bei §823 Abs. 1 BGB, AcP 180 (1980), 523ff. Krauss, Martin, Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.12. 2000 - VI ZR 242/99 (Karlsruhe), JA 2001, 617ff. Kreuzer, Karl, Besprechung von Christian von Bar: Verkehrspflichten. Richterliche Gefahrsteuerungsgebote im deutschen Deliktsrecht, Köln u.a. 1980, AcP 184 (1984), 81ff. von Kübel, Franz Philipp, Recht der Schuldverhältnisse , Teil 1. Allgemeiner Teil, Die Vorlagen der Redaktoren für die ersten Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches, herausgegeben von Werner Schubert, unveränderter photomechanischer Nachdruck der als Manuskript vervielfältigten Ausgabe aus den Jahren 1876-1883, Berlin - New York 1980 (zit. von Kübel, SchuldR. I, 1876-1883). Kulimann, Hans Josef, Anmerkung zum Urteil des B G H vom 31.3. 1998 - VI ZR 109/97 (Karlsruhe), LM §823 (Ac) B G B Nr. 66.

374

Literatur

- , Anmerkung zum Urteil des B G H vom 2.2.1999 - VI ZR 392/97 (Düsseldorf), LM § 823 (Ac) BGB Nr. 67. Die Produktbeobachtungspflicht des Kraftfahrzeugherstellers im Hinblick auf Zubehör, BB 1987, 1957ff. - , Die Rechtsprechung des B G H zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1991/92, NJW 1992, 2669ff. - , Die Rechtsprechung des B G H zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1992-1994, NJW 1994, 1698 ff. - , Die Rechtsprechung des B G H zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1994-1995, NJW 1996, 18 ff. - , Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Produkthaftpflichtrecht in den Jahren 1997/1998, N J W 1999, 96ff. - , Die Rechtsprechung des B G H zur deliktischen Haftung des Herstellers für Schäden an der von ihm hergestellten Sache, BB 1985, 409ff. - , Problemfälle der Eigentumsverletzung bei der deliktischen Produzentenhaftung - Zugleich Anmerkung zum Urteil des B G H vom 31.3.1998 (VI ZR 109/97), PHI1999,16ff. Kunz jürgen, Die Produktbeobachtungs- und die Befundsicherungspflicht als Verkehrssicherungspflichten des Warenherstellers, BB 1994, 450ff. Landfermann, Hans-Georg, Der geänderte Richtlinienvorschlag der EG-Kommission zur Produkthaftung. Kritische Würdigung zum Beginn der Verhandlungen im Rat der Europäischen Gemeinschaften, RIW 1980, 161 ff. Landscheidt, Christoph, Die Produkthaftung für Kraftfahrzeuge und Zubehör. Aktuelle Fragen zur Haftung des Herstellers bei Verkehrsunfällen wegen Produktfehlern nach dem Inkrafttreten des Produkthaftungsgesetzes, VersR 1989, 169ff. Lang, Herbert, Zur Haftung des Warenlieferanten bei „weiterfressenden" Mängeln im deutschen und anglo-amerikanischen Recht, Düsseldorf 1981. Lange, Hermann, Schadensersatz, Handbuch des Schuldrechts in Einzeldarstellungen, herausgegeben von Joachim Gernhuber, Bd. 1, 2. Aufl., Tübingen 1990. Lange, Hermann/Hagen, Horst, Wandlungen des Schadensersatzrechts, Heidelberg 1987. Larenz, Karl, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 1, Allgemeiner Teil, 14. Aufl., München 1987 (zit.: Larenz, SchuldR. I). - , Rechtswidrigkeit und Handlungsbegriff im Zivilrecht, Vom deutschen zum europäischen Recht, Festschrift für Hans Dölle, Bd. 1, Deutsches Privat- und Zivilprozeßrecht, Rechtsvergleichung, herausgegeben von Ernst von Caemmerer, Arthur Nikisch, Konrad Zweigert, Tübingen 1963, S. 169ff. (zit.: Larenz, FS Dölle, 1963). Larenz, Karl/Canaris, Claus-Wilhelm, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd.2, Besonderer Teil, Halbbd. 2, 13. Aufl., München 1994 (zit.: Larenz/Canaris, SchuldR. II/2). Laufs, Adolf, Haftung für Nachkommenschaftsschäden nach §823 BGB, NJW 1965, 1053 ff. Lehmann, Heinrich, Anmerkung zum Urteil des B G H vom 9.12. 1958 - VI ZR 199/57 (Hamm), NJW 1959, 670. Lemppenau, Joachim, Die Haftung des Zulieferer-Unternehmens nach den Grundsätzen der Produzentenhaftung, DB 1980, 1679ff. Lenz, Tobias, Anmerkung zum Urteil des B G H vom 31.3. 1998 - VI ZR 109/97 (Karlsruhe), MDR 1998, 842 f. Leser, Hans G., Zu den Instrumenten des Rechtsgüterschutzes im Delikts- und Gefährdungshaftungsrecht, AcP 183 (1983), 568ff. Leßmann, Herbert, Produzentenhaftung im deutschen Recht - Kritische Analyse der Rechtsprechung in den dogmatischen Ansätzen, JuS 1978, 433 ff.

Literatur

375

Lieb, Manfred, Anmerkung zum Urteil des BGH vom 24.11.1976 -VIIIZR137/75 (Stuttgart), JZ 1977, 345 f. Link, Klaus-Ulrich, Gesetzliche Regreßansprüche bei Produzentenhaftung gegenüber dem Zulieferer, Inanspruchnahme des Herstellers aus unerlaubter Handlung oder in Höhe der Kosten eines Rückrufs, BB 1985, 1424. Littbarski, Sigurd, Die Auswirkungen der Rechtsprechung zu den „weiterfressenden Mängeln" auf das Haftpflicht- und Haftpflichtversicherungsrecht, Festschrift für Hermann Korbion zum 60. Geburtstag am 18. Juni 1986, herausgegeben von Walter Pastor, Düsseldorf 1986, S.269ff. (zit.: Littbarski, FS Korbion). Locher, Horst, Das private Baurecht, 6. Aufl., München 1996 (zit.: Locher, BauR.). Löwe, Walter, Erhebliche Erhöhung des Produzentenhaftungsrisikos durch den Bundesgerichtshof, BB 1978, 1495 ff. - , Rückrufpflicht des Warenherstellers, DAR 1978, 288ff. Löwisch, Manfred, Der Deliktsschutz relativer Rechte, Berlin 1970. Lorenz, Egon, Anmerkung zum Beschluß des BGH vom 24.4. 1990 - VI ZR 358/89 (Karlsruhe), VersR 1990, 1284f. Lorenz, Stephan, Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.12.2000-VI ZR 242/99 (Karlsruhe), JZ 2001, 878ff. Lorenz, Stephan/Riehm, Thomas, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, München 2002 (zit.: S. Lorenz/Riehm, SchuldR., 2002). Lorenz, "Werner, Europäische Rechtsangleichung auf dem Gebiet der Produzentenhaftung: Zur Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Juli 1985, ZHR 151 (1987), lff. Magnus, Ulrich, Zweispurigkeit im Binnenmarkt - Probleme des neuen Produkthaftungsr e c h t s - , J Z 1990, llOOff. Marburger, Peter, Grundsatzfragen des Haftungsrechts unter dem Einfluß der gesetzlichen Regelungen zur Produzenten- und zur Umwelthaftung, AcP 192 (1992), lff. Mayer, Kurt, Produkthaftung und Gefahrbeseitigungsanspruch (Stichwort: „Rückrufpflicht"), DB 1985, 319ff. - , Produkthaftung und Gewährleistung: BB 1984, 568ff. Medicus, Dieter, Bürgerliches Recht, 19. Aufl., Köln u.a. 2002 (zit.: Medicus, BürgR.). Merkel, Karl-Heinz, „Weiterfressende Mängel" ohne Ende? Zur Kritik an der Rechtsprechung des BGH, NJW 1987, 358ff. Mertens, Hans-Joachim, Deliktsrecht und Sonderprivatrecht - Zur Rechtsfortbildung des deliktischen Schutzes von Vermögensinteressen, AcP 178 (1978), 227ff. - , Verkehrspflichten und Deliktsrecht - Gedanken zu einer Dogmatik der Verkehrspflichtverletzung-, VersR 1980, 397ff. Meyer, Justus, Instruktionshaftung - Eine Analyse aus der Sicht der Rechts-, Wirtschaftsund Verhaltenswissenschaften-, Bielefeld 1992. Meyer-Lindemann, Hans Jürgen, Die Bedeutung der Schadensersatzhaftung des Verkäufers für unterlassene Aufklärung von Sachmängeln. Eine rechtsvergleichende Untersuchung des Rechts der USA und der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des Auto- und Immobilienkaufes, Frankfurt am Main 1987. Michalski, Lutz, Produktbeobachtung und Rückrufpflicht des Produzenten, BB 1998, 961 ff. Michalski, Lutz/Riemenschneider, Markus, Die zivilrechtliche Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums für den Verbraucher, BB 1993, 2097ff. Möschel, Wernhard, Der Schutzbereich des Eigentums nach §823 I BGB, JuS 1977, lff. Mommsen, Friedrich, Beiträge zum Obligationenrecht, Bd. 2, Zur Lehre von dem Interesse, Braunschweig 1855 (zit. Mommsen, Beiträge zum Obligationenrecht, II, 1855).

376

Literatur

Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Bd. 2, Recht der Schuldverhältnisse, Berlin - Leipzig, 1888 (zit.: Motive, Bd.2, 1888). Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, herausgegeben von Kurt Rebmann, Franz Jürgen Säcker, Roland Rixecker, Bd. 1, Einleitung und Allgemeiner Teil, §§1-240, ABG-Gesetz, 4. Aufl., München 2001; Bd.2, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, §§241^32, FernAbsG, 4. Aufl., München 2001; Bd. 5, Schuldrecht, Besonderer Teil III, §§705-853, PartGG, ProdHaftG, 3.Aufl., München 1997; Bd.6, Sachenrecht, §§8541296, WEG, ErbbauVO, SachenRBerG, SchuldRÄndG, 3. Aufl., München 1997 (zit.: MünchKommJBearbeiter). Münzberg, Wolfgang, Verhalten und Erfolg als Grundlagen der Rechtswidrigkeit und Haftung, Frankfurt am Main 1966. Mugdan, Benno, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd.2, Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1899 (zit.: Mugdan, Prot. II/2, 1899). Mull, Wencke, Die Haftung für Einsturzschäden nach den §§836-838 BGB in der Rechtsprechung des Reichsgerichts, Frankfurt am Main u.a. 1996. Nagel, Bernhard, Die Produkt- und Umwelthaftung im Verhältnis von Herstellern und Zulieferern, DB 1993, 2469 ff. Neuner, Robert, Interesse und Vermögensschaden, AcP 133 (1931), 277ff. Nickel, Friedhelm G., Deliktsrechtliche Haftung und kaufrechtliche Gewährleistung des Herstellers teilmangelbehafteter Sachen - Zugleich Anmerkung zu BGH VersR 83, 344ff. „Gaszug-Fall" und BGH VersR 83, 346ff. „Hebebühnen-Fall" - VersR 1984, 318ff. - , Gewährleistungsansprüche in der Betriebshaftpflichtversicherung - Europa 1992: Abschied vom Unternehmerrisiko - , VersR 1989, 873 ff. - , Produzentenhaftung beim Verkauf mangelhafter Halbfabrikate, 2. Aufl., Pfaffenweiler 1986. - , Sachinterne Mangelfolgen als Anwendungsfall des §823 I BGB - Zugleich Anmerkung zu BGH VersR 85, 837, VersR 1987, 32f. Nickel, Friedhelm G./Teufl, Manfred, Der Schwimmerschalterfall in der Betriebshaftpflichtversicherung - Das Konzept der Sachmangel-Ergänzungsdeckung - , VersR 1991, 1228ff. Nipperdey, Hans Carl, Rechtswidrigkeit, Sozialadäquanz, Fahrlässigkeit, Schuld im Zivilrecht, NJW 1957, 1777ff. Otto, Dirk, Verbesserter Verbraucherschutz oder bittere Pille? Anmerkung zum Urteil des BGH vom 24.1. 1989 - VI ZR 112/88, MDR 1990, 588ff. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Aufl., München 2002. P f e i f e r , Axel, Produktfehler oder Fehlverhalten des Produzenten. Das neue Produkthaftungsrecht in Deutschland, den USA und nach der EG-Richtlinie, Berlin 1987. Pfister, Bernhard, Kurzkommentar zum Urteil des BGH vom 5.5. 1992 - VI ZR 188/91, EWiR 1992, 777f. Picker, Eduard, Positive Forderungsverletzung und culpa in contrahendo - Zur Problematik der Haftungen „zwischen" Vertrag und Delikt, AcP 183 (1983), 371ff. - , Vertragliche und deliktische Schadenshaftung - Überlegungen zu einer Neustrukturierung der Haftungssysteme - , JZ 1987, 1041 ff. Pieper, Helmut, Verbraucherschutz durch Pflicht zum „Rückruf" fehlerhafter Produkte? Zu den Grenzen einer Rechtsfortbildung, BB 1991, 985ff. Plum, Werner, Zur Abgrenzung des Eigentums- vom Vermögensschaden, AcP 181 (1981), 69ff.

Literatur

377

Prölss, Erich RJMartin, Anton, Versicherungsvertragsgesetz, 26. Aufl., M ü n c h e n 1998 (zit: Prölss/Martin/Bearbeiter). Protokolle der Kommission f ü r die zweite Lesung des E n t w u r f s des Bürgerlichen Gesetzbuchs, im Auftrag des Reichs-Justizamts bearbeitet von Achilles, Gebhard, Spahn, Bd. 2, Recht der Schuldverhältnisse, Abschn. II, Tit. 2-20, Abschn. III, IV, Berlin 1898 (zit.: Prot. II/2). Rücke, Günter, Haftungsbeschränkungen zugunsten und zu Lasten Dritter, Karlsruhe 1995. Rauscher, Thomas, Deliktshaftung des Herstellers f ü r Beschädigung der Kaufsache B G H , N J W 1985, 2420, JuS 1987, 14ff. Reinicke, Dietrich/Tiedtke, Klaus, Kaufrecht einschließlich Abzahlungsgeschäfte, A G B Gesetz, Eigentumsvorbehalt, Factoring, finanzierte Kaufverträge, Haustürgeschäfte, Leasing, Pool-Vereinbarungen, P r o d u z e n t e n h a f t u n g , Time-sharing, U N - K a u f r e c h t u n d Verbraucherkreditgesetz, 6. Aufl., N e u w i e d - F r a n k f u r t am Main 1997 (zit.: Reinicke/ Tiedtke, KaufR.). - , Stoffgleichheit zwischen Mangelunwert und Schäden im Rahmen der P r o d u z e n t e n h a f tung, N J W 1986, lOff. Rengier, Bernhard, A n m e r k u n g zum Urteil des B G H v o m 24.11. 1976 - VIII Z R 137/75 (Stuttgart), J Z 1977, 346f. Rettenbeck, Stephan, Die Rückrufpflicht in der P r o d u k t h a f t u n g . Zugleich ein Beitrag zur EG-Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit v o m 29. Juni 1992, Baden-Baden 1994. RGRK, Das Bürgerliche Gesetzbuch: mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und der Bundesgerichtshof, Kommentar, herausgegeben von den Mitgliedern d. Bundesgerichtshofes, Bd. II/5 §§812-831,12. Aufl., Berlin - N e w York 1989, Bd. I I I / l §§854-1011, 12. Aufl., Berlin u.a. 1979 (zit.: RGRK/Bearbeiter). Rietschel, A n m e r k u n g z u m Urteil des B G H v o m 4.3. 1971 - VII Z R 40/70 (Düsseldorf), L M §638 B G B Nr. 17. Rödig, Jürgen, Erfüllung des Tatbestandes des § 823 Abs. 1 BGB durch Schutzgesetzverstoß. Zugleich ein Beitrag zum Deliktsschutz verkörperter relativer Rechte, Bielefeld 1973. Rogge, Ingo, Selbständige Verkehrspflichten bei Tätigkeiten im Interesse Dritter, Köln u.a. 1997. Rolland, Walter, Produkthaftungsrecht, Kommentar, Teil I: Produkthaftungsgesetz, Teil II: Deliktisches Produkthaftungsrecht, Teil III: Materialien, M ü n c h e n 1990. Roth, Herbert, Vertragsordnung, außervertragliche H a f t u n g und Rügeversäumnis (§377 II H G B ) - B G H Z 101, 337, JuS 1988, 938ff. Rosenbach, Arnim, Eigentumsverletzung d u r c h Umweltveränderung. Zugleich ein Beitrag zur D o g m a t i k des §823 BGB, M ü n c h e n 1997. Sack, Rolf, Das Verhältnis der Produkthaftungsrichtlinie der E G z u m nationalen P r o d u k t haftungsrecht, VersR 1988, 439ff. - , P r o d u z e n t e n h a f t u n g u n d Produktbeobachtungspflicht, BB 1985, 813 ff. Schaub, Renate, A n m e r k u n g z u m Urteil des Bundesgerichtshofs v o m 12.12. 2000 - VI Z R 242/99 (Karlsruhe), J Z 2002, 940ff. - , H a f t u n g u n d K o n k u r r e n z f r a g e n bei mangelhaften P r o d u k t e n u n d Bauwerken im deutschen und englischen Recht, Düsseldorf 1999. Schlechtriem, Peter, Abgrenzungsfragen bei der positiven Vertragsverletzung, VersR 1973, 581 ff. - , Angleichung der P r o d u k t e h a f t u n g in der E G . Z u r Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 25.7. 1985, VersR 1986, 1033 ff.

378

Literatur

- , A n m e r k u n g z u m Urteil des B G H v o m 24.03. 1977 - VII Z R 319/75 (KG), N J W 1977, 1819f. - , Außervertragliche H a f t u n g f ü r Bearbeitungsschäden u n d weiterfressende Mängel bei Bauwerken, Z f B R 1992, 95ff. - , D e r sogenannte Weiterfresserschaden - ein A l p t r a u m der deutschen Rechtsdogmatik? Arbeitsrecht u n d Zivilrecht in Entwicklung, Festschrift f ü r H y u n g - B a e Kim, herausgegeben gemeinsam mit einem koreanischen Kollegium von H a n s G. Leser, Berlin 1995, S.281 ff. (zit.: Schlechtriem, FS H y u n g - B a e Kim). - , Gewährleistung und allgemeine Verantwortlichkeit des Werkunternehmers, Besprechung des Urteils des B G H v. 4.3. 1971 - V I I Z R 40/70, J Z 1971, 449ff. - , H a f t u n g bei „weiterfressendem" Mangel - B G H , VI Z R 310/79 v o m 18.1.1983, J A 1983, 255ff. - , K u r z k o m m e n t a r z u m Urteil des B G H v o m 12.2. 1992 - VIII Z R 276/90, EWiR 1992, 347f. K u r z k o m m e n t a r zum Urteil des B G H v o m 15.12. 1992 - VI Z R 115/92 (Koblenz), EWiR 1993, 249f. - , K u r z k o m m e n t a r z u m Urteil des B G H v o m 7.12. 1993 - VI Z R 74/93, EWiR 1994, 135f. - , Regreß u n d Gewährleistung - Z u r Entscheidung BGHZ 58, 85 = N J W 72, 625, N J W 1972, 1554ff. - , Vertragliche u n d außervertragliche H a f t u n g . Empfiehlt es sich, das Verhältnis von vertraglicher u n d außervertraglicher H a f t u n g durch den Gesetzgeber neu zu ordnen, die Bereiche beider Haftungsarten neu abzugrenzen u n d ihre Ausgestaltung einander anzugleichen? Gutachten u n d Vorschläge zur Überarbeitung des Schuldrechts, Bd. 2, herausgegeben v o m Bundesminister der Justiz, Köln 1981, S. 1591 ff. (zit.: Schlechtriem, G u t achten, 1981). - , Vertragsordnung und außervertragliche H a f t u n g , F r a n k f u r t am Main 1972. Schlosser, Peter, K o n k u r r e n z e n im bilateralen Verhältnis, Jura 1982, 477ff. Schmidt, Jens, D e r „weiterfressende Mangel" nach Zivil- und Haftpflichtversicherungsrecht, Karlsruhe 1996. Schmidt-Salzer, Joachim, A n m e r k u n g zum Urteil des B G H v o m 12.2.1992 - V I I I Z R 2 7 6 / 90, L M §823 B G B (Ac) Nr. 53. - , Deliktshaftung des Herstellers f ü r Schäden an der gelieferten Sache - Bestätigung und Weiterentwicklung der Schwimmerschalter-Entscheidung, BB 1983, 534ff. - , Die Bedeutung der Entsorgung- und der Schwimmerschalter-Entscheidung des Bundesgerichtshofs f ü r das Produkthaftungsrecht, BB 1979, l f f . - , K o m m e n t a r EG-Richtlinie P r o d u k t h a f t u n g , Bd. 1 Deutschland, l . A u f l . , Heidelberg 1986 (zit.: Schmidt-Salzer/Bearbeiter, EG-Richtlinie P r o d u k h a f t u n g I, 1986). - , P r o d u k t h a f t u n g , Bd. 3, Teil 1, Deliktsrecht, 2. Aufl., Heidelberg 1990 (zit.: Schmidt-Salzer, P r o d u k t h a f t u n g I I I / l ) Bd. 4, Produkthaftpflichtversicherung, Teil 1, unter Mitarbeit von Christian Hinsch u.a., 2. Aufl., Heidelberg 1990 (zit: Schmidt-Salzer/Bearbeiter, P r o d u k t h a f t u n g , IV/1). - , P r o d u k t h a f t u n g , Produkthaftpflichtversicherung, Betriebsorganisation u n d risk management, BB 1972, 1430ff. - , Rechtliche u n d tatsächliche Aspekte der Produktbeobachtungshaftung. Zu den Apfelschorf-Urteilen des B G H v o m 17.3. 1981 - VI Z R 191/79 (Derosal) und VI Z R 286/78 (Benomyl), BB 1981, 104lff. Schmiedel, Burkhard, Deliktsobligation nach deutschem Kartellrecht, Teil 1, zivilrechtsdogmatische Grundlegung: U n t e r s u c h u n g e n zu §823 Abs. 2 BGB, Tübingen 1974. Schöpflin, Martin, A n m e r k u n g z u m Urteil des B G H vom 31.3. 1998 - VI Z R 109/97 (Karlsruhe), JR 1999, 30f.

Literatur

379

Schreiber, Friedrich, Produkthaftung bei arbeitsteiliger Produktion, Prüfungs- und Hinweispflichten von Endherstellers und Zulieferern, Karlsruhe 1990. Schröder, Jan, Verkehrssicherungspflicht gegenüber Unbefugten, AcP 179 (1979), 567ff. Schubert, Werner, Anmerkung zum Urteil des OLG Düsseldorf vom 14.10.1974-6 U 88/ 74, NJW 1975, 1230. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 24.11. 1976 - VIII ZR 137/75 (Stuttgart), JR 1977, 458 ff. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 5.7. 1978 - VIII ZR 172/77 (Bamberg), JR 1979, 201 ff. Anmerkung zum Urteil des BGH vom 18.1. 1983 - VI ZR 310/79, JR 1983, 326f. - , Anmerkung zum Urteil des BGH vom 20.11. 1984 - IVa ZR 104/83, JR 1985, 324ff. Schmarls, Eberhard, Auswirkungen einer Verletzung der Rügeobliegenheit des § 377 HGB auf deliktische Ansprüche - Nachbetrachtung zu BGHZ 101, 337 - , JZ 1990, 374ff. - , Kaufvertragliche Mängelhaftung und deliktsrechtliche Ansprüche, AcP 179 (1979), 57ff. Schwenzer, Ingeborg, Die Umsetzung der EG-Richtlinie zur Produkthaftpflicht in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden 1991. - , Rückruf- und Warnpflichten des Warenherstellers, JZ 1987, 1059ff. - , Sachgüterschutz im Spannungsfeld deliktischer Verkehrspflichten und vertraglicher Leistungspflichten, JZ 1988, 525ff. Schwitanski, Heinz-Georg, Deliktsrecht, Unternehmensschutz und Arbeitskampfrecht. Versuch einer systemorientierten Harmonisierung, Berlin 1986. Selb, Walter, Schädigung des Menschen vor Geburt - ein Problem der Rechtsfähigkeit? AcP 166 (1966), 76ff. - , Besprechung von Brigitte Keuk, Vermögensschaden und Interesse, AcP 173 (1973), 366ff. Soergel, Carl, Bauvertragliche Gewährleistung und Produkthaftung, Festschrift für Horst Locher zum 65. Geburtstag am 20. Oktober 1990, herausgegeben von Peter Löffelmann und Hermann Korbion, Düsseldorf 1990, S.235ff. (zit.: Soergel, FS Locher). Soergel, Hans Theodor/Siebert, Wolfgang, Bürgerliches Gesetzbuch, herausgegeben von W. Siebert, Jürgen F. Baur u.a., Bd. 2, Schuldrecht I (§§241-432), 12. Aufl., Stuttgart u.a. 1990; Bd. 3, Schuldrecht II (§§433-515), AGB-Gesetz, AbzG, EAG, EKG, UNKaufAbk, 12. Aufl., Stuttgart u.a. 1991; Bd.4/1, Schuldrecht III/l (§§516-651), Gesetz zur Regelung der Miethöhe, Verbraucherkreditgesetz, 12. Aufl., Stuttgart u.a. 1998; Bd. 5/2, Schuldrecht IV/2 (§§ 823-853), Produkthaftungsgesetz, Umwelthaftungsgesetz, 12. Aufl., Stuttgart u.a. 1998; Bd. 14, Sachenrecht 1 (§§854-984), 13. Aufl., Stuttgart 2002 (zit.: Soergel/Bearbeiter). Späte, Bernd, Haftpflichtversicherung, Kommentar zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpfichtversicherung (AHB), München 1993. Spickhoff, Andreas, Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.12. 2000 - VI ZR 242/99 (Karlsruhe), LM §823 (Ac) BGB Nr. 68, Bl. 847f. - , Gesetzesverstoß und Haftung, Köln u.a. 1998. ]. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§249-254,12. Aufl., Berlin 1980 (mit Aufl. zit.), u. 13. Bearbeitung, Berlin 1998; Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§535-563, 13. Bearbeitung, Berlin 1995; Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§631-651, Neubearbeitung, Berlin 2000; Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§823-825, 12. Aufl., Berlin 1986 (mit Aufl. zit.), u. 13. Bearbeitung, Berlin 1999; Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, §§826-829, Produkthaftungsgesetz, 13. Bearbeitung, Berlin 1998; Drittes Buch, Sachenrecht, §§903-924, Neubearbeitung 2002, Berlin 2002; Drittes Buch, Sachenrecht, §§985-1011, Neubearbeitung, Berlin 1999 (zit.: Staud./Bearbeiter).

380

Literatur

Staudinger, Ansgar, Das Schicksal der Judikatur zu „weiterfressenden Mängeln" nach der Schuldrechtsreform, ZGS 2002, 145f. Steffen, Erich, Die Bedeutung der „Stoffgleichheit" mit dem „Mangelunwert" für die Herstellerhaftung aus Weiterfresserschäden, VersR 1988, 977{f. - , Verkehrspflichten im Spannungsfeld von Bestandsschutz und Handlungsfreiheit, VersR 1980, 409ff. Steindorff Ernst, Anmerkung zum Urteil des B G H vom 2.12. 1 9 6 6 - V I ZR 72/65 (Schleswig), JZ 1967, 361 ff. - , Repräsentanten- und Gehilfenversagen und Qualitätsregelung in der Industrie, AcP 170 (1970), 93 ff. Steinmeyer, Hans-Dietrich, Deliktische Eigentumsverletzung bei weiterfressenden Mängeln an der Kaufsache? D B 1989, 2157ff. Stoll, Hans, Anmerkung zum Urteil des B G H vom 18.01. 1983 - VI ZR 310/79 (Braunschweig), J Z 1983, 501 ff. - , Anmerkung zum Urteil des B G H vom 7.11.1985 - VII Z R 270/83 (Köln), J Z 1986,400f. - , Anmerkung zum Urteil des B G H vom 30.6. 1987 - VI ZR 257/86 (Schleswig), J Z 1988, 153 ff. - , Begriff und Grenzen des Vermögensschadens, Karlsruhe 1973. - , Besprechung von von Bar: Verkehrspflichten, Richterliche Gefahrsteuerungsgebote im deutschen Deliktsrecht, Köln u.a. 1980, RabelsZ 46 (1982), 591ff. - , Haftungsverlagerung durch beweisrechtliche Mittel, AcP 176 (1976), 145ff. - , Richterliche Fortbildung und gesetzliche Überarbeitung des Deliktsrechts, Heidelberg 1984. Unrechtstypen bei Verletzung absoluter Rechte, AcP 162 (1962), 203ff. - , Zur Deliktshaftung für vorgeburtliche Gesundheitsschäden, Festschrift für Hans Carl Nipperdey zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Rolf Dietz und Heinz Hübner, Bd. 1, München - Berlin 1965, S.739ff. (zit.: Stoll, FS Nipperdey, 1965). Sundermann, Werner, Geschäftsführerhaftung beim ermächtigungswidrigen Einbau von Vorbehaltsmaterial - Zugleich eine Besprechung des Urteils des O L G Koblenz vom 11.1.1989 = W M 1989, 535, WM 1989, 1197ff. Taschner, Hans Claudius/Frietsch, Edwin, Produkthaftungsgesetz und EG-Produkthaftungsrichtlinie, 2. Aufl., München 1990. Thürmann, Dagmar, Anmerkung zum Urteil des B G H vom 18.9. 1984 - VI ZR 51/83 (Berlin), VersR 1985, 692f. Tiedtke, Klaus, Deutschland - Die Beweislast bei Instruktionsfehlern, PHI 1992, 138ff. - , Die Haftung des Produzenten für die Verletzung von Warnpflichten, Festschrift für Joachim Gernhuber zum 70. Geburtstag, herausgegeben von Hermann Lange, Tübingen 1993, S. 471 ff. (zit.: Tiedtke, FS Gernhuber, 1993). - , Kurzkommentar zum Urteil des B G H vom 03.02.1998 - X ZR 27/96, EWiR 1998,593f. - , Produkthaftung des Herstellers und Zulieferers für Schäden an dem Endprodukt seit dem 1. Juli 1990, N J W 1990, 2961 ff. - , Zur Haftung des Herstellers eines fehlerhaften Produktes bei Schäden an der gelieferten Sache, ZIP 1992, 1446ff. Tönnies, Ralf, Produkthaftung wegen wirkungsloser Produkte, PHI 1985, 41 ff. von Tuhr, Andreas, Der allgemeine Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, Bd. 2, Die rechtserheblichen Tatsachen, insbesondere das Rechtsgeschäft, Hälfte 1, München Leipzig 1914 (zit: von Tuhr, A T II/l). Ulmer, Peter, Produktbeobachtungs-, Prüfungs- und Warnpflichten eines Warenherstellers in bezug auf Fremdprodukte? Delikts-, Wettbewerbs- und kartellrechtliche Bemerkungen zum Honda-Urteil B G H Z 99, 167, Z H R 152 (1988), 564ff.

Literatur

381

Vogt, Peter, Mängelfolgeschäden bei der Produkthaftpflicht, VersR 1979, 896f. Wagner, Gerhard, Gespaltene Verjährung kaufrechtlicher Ansprüche auf Ersatz mängelbedingter Schäden? J Z 2002, 475ff. - , Schlußwort zu: Gespaltene Verjährung kaufrechtlicher Ansprüche auf Ersatz mängelbedingter Schäden? J Z 2002, 1092ff. Walter, Gerhard, Kaufrecht, Handbuch des Schuldrechts, Bd. 6, Tübingen 1987. Weick, Günter, Haftung für Schäden durch Produkte und Produktionsprozesse, Entwicklung des Deliktsrechts in rechtsvergleichender Sicht, Evolution de la responsabilité délictuelle en droit comparé. Herausgegeben von Günter Weick, Frankfurt am Main 1987, S. 75ff. Weitnauer, Hermann, Produktenhaftung und Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, Anmerkung zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.11. 1976 - VIII ZR 137/75 - , ArztR 1978, 3 8 ff. - , Zur Entwicklung im Schadensrecht, Richterliche Rechtsfortbildung: Erscheinungsformen, Auftrag und Grenzen, Festschrift der Juristischen Fakultät zur 600-Jahr-Feier der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, herausgegeben von den Hochschullehrern der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg, Heidelberg 1986, S.279ff. (zit.: Weitnauer, FS zur 600-Jahr-Feier der Universität Heidelberg,1986). Wesch, Susanne, Die Produzentenhaftung im internationalen Rechtsvergleich. Eine rechtsvergleichende Untersuchung ihrer Strukturen in den Ländern Deutschland, England, Frankreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, Tübingen 1994. Westhoff, Reinhard, Die Entstehung grundlegender Vorschriften des B G B über Voraussetzungen und Inhalt deliktischer Haftung, Diss. Bielefeld 1974. von Westphalen, Friedrich Graf, Das neue Produkthaftungsgesetz, N J W 1990, 83 ff. - , Das Kondensator-Urteil des B G H - Mangelbeseitigungsaufwendungen und Versicherungsschutz, ZIP 1992, 532 ff. - , Grundtypen deliktsrechtlicher Produzentenhaftung, Jura 1983, 57ff. - , Neue Gesichtspunkte für die Produzentenhaftung, B B 1971, 152ff. - , Neue Aspekte der Produzentenhaftung, M D R 1998, 805 ff. - , Produkthaftung - Haftungsfreizeichnung und Haftungsfreistellung nach dem A G B Gesetz, N J W 1979, 838ff. - , (Hrsg.), Produkthaftungshandbuch, Bd. 1: Vertragliche und deliktische Haftung, Strafrecht und Produkt-Haftpflichtversicherung, verfaßt von Ulrich Foerste u.a., 2. Aufl., München 1997 (zit.: Produkthaftungshandbuch I/Bearbeiter). - , „Weiterfressende" Schäden und kein Ende? - Anmerkung zur Interpretation von §1 Abs. 1 Satz 2 ProdHaftG, Jura 1992, 511 ff. Wieckhorst, Thomas, Recht und Ökonomie des Produkthaftungsgesetzes: Eine an den rechtlichen Zielvorgaben und am Effizienzkriterium orientierte Analyse, Baden-Baden 1994. Wiethölter, Rudolf, Der Rechtfertigungsgrund des verkehrsrichtigen Verhaltens - Eine Studie zum zivilrechtlichen Unrecht, Karlsruhe 1960. - , Zur politischen Funktion des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, KJ 1970, 121 ff. Wilhelm jan, Sachenrecht, 2. Aufl., Berlin - New York 2002 (zit.: Wilhelm, SachenR.). Wiks, Walter, §635 B G B und Deliktsansprüche, VersR 1967, 817ff. Winkelmann, Thomas, Die Befundsicherungspflicht des Herstellers - Ein erster Schritt zur Beweislastumkehr beim Kausalitätsnachweis im Produzentenhaftungsrecht, M D R 1989, 16ff. Wolf, Ernst/Naujoks, Hans, Anfang und Ende der Rechtsfähigkeit des Menschen, Frankfurt am Main 1955.

382

Literatur

Wolf, Manfred, Sachenrecht, 18. Aufl., München 2002 (zit.: M. Wolf, SachenR.). Zeuner, Albrecht, Historische Linien in der Entwicklung des Rechts am Gewerbebetrieb, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Verkehrssicherungspflichten, 25 Jahre Karlsruher Forum, Jubiläumsausgabe 1983, Beiträge zum Haftungs- und Versicherungsrecht, S. 196ff. (zit.: Zeuner, K F 1983). Zitelmann, Ernst, Irrtum und Rechtsgeschäft. Eine psychologisch-juristische Untersuchung, Leipzig 1879.

Entscheidungsregister Datum

Aktenzeichen

Fundstellen

Fußnoten

Stichwort

BVerfG 15.07. 1981

1 BvL 77/78

BVerfGE 58, 300

175

Naßauskiesung

RG 12.02. 1894 30.04. 1902 30.10. 1902

VI 290/93 V 52/02 VI 208/02

RGZ 33, 225 RGZ 51, 251 RGZ 52, 373

Beleuchtung

23.02. 1903 27.11. 1903

VI 349/02 II 159/03

27.04. 1905

VI 598/04

RGZ 54, 53 RGZ 56, 166 = JW 1904, 59 ] W 1905, 367

299, 348 174 336, 346, 357, 359, 363 337, 347 978

Kalk

26.01. 1906 26.04. 1907 19.12. 1910 07.12. 1912

III 258/05 II 25/07 I137/10 V280/12

RGZ 62, 329 RGZ 66, 86 RGZ 75, 80 JW 1913, 267

29, 30, 42, 87, 88, 685, 720, 723, 725 985 878 197, 199,208 174, 175

25.02. 13.10. 24.10. 05.04. 19.09. 17.01.

VI 526/14 III 145/16 II 151/19 VII 384/20 VI 191/21 II 82/39

RGZ RGZ RGZ RGZ RGZ RGZ

03.04. 1940

II 148/39

DR 1940, 1293

BGH 14.06. 1951 15.06. 1951

III ZR 156/50 V ZR 55/50

55 175, 179

28.04. 23.06. 20.12. 10.04.

1952 1952 1952 1953

III ZR 118/51 III ZR 168/51 II ZR 141/51 V Z R 115/51

28.04. 1953 18.04. 1955 05.11. 1955

I ZR 47/52 III ZR 3/54 VI ZR 199/54

JZ 1951, 758 LM § 903 BGB Nr. 1 B G H Z 5, 378 VersR 1952, 357 B G H Z 8, 243 LM §903 BGB Nr. 2 B G H Z 9,301 NJW 1955, 1025 VersR 1955, 765

15.03. 1956 21.04. 1956 13.07. 1956

II ZR 284/54 VI ZR 36/55 VI ZR 223/54

VersR 1956, 259 VersR 1956, 410 VersR 1956, 625

310 301,310 301

1915 1916 1919 1921 1921 1940

87, 1 88, 433 97, 11 102, 77 102,372 163,21

301,305 985 202, 292 202 292 301,305, 309,314, 457 301,305, 309,314

Baum Treppen Sackkalk

Hausschwamm Prähme Grundwasserentnahme Brunnensalz Kegelbahn Wasserrohrbruch Milzbrand Bremsen I Bremsen II

295 301,309 55,57 175, 180

Treppengeländer Rungenverschluß Lues

202,292 295 313

Diebstahl Insektenvermchtungsgsmittel Motorroller Fahrrad Karussel

384

Entscheidungsregister

Datum

Aktenzeichen

Fundstellen

Fußnoten

Stichwort

04.03. 14.03. 22.04. 28.10. 20.10.

1957 1957 1958 1958 1959

GSZ 1/56 VII ZR 268/56 VI ZR 65/57 VI ZR 176/57 VI ZR 152/58

B G H Z 24,21 VersR 1957, 804 B G H Z 27, 137 VersR 1959, 104 VersR 1960, 342

303 666 547 301,311 313

21.04. 05.07. 18.10. 30.01. 07.12. 30.05.

1960 1960 1960 1961 1961 1963

II ZR 21/58 VI ZR 130/59 VI ZR 8/60 III ZR 225/59 VII ZR 134/60 VII ZR 236/61

B G H Z 32, 194 VersR 1960, 855 VersR 1960, 1095 B G H Z 34, 206 NJW 1962,388 B G H Z 39, 366 = N J W 1963, 1827 VersR 1964,293 B G H Z 41, 123 = JZ 1964, 457 LM §823 (De) B G B Nr. 75 N J W 1966, 1073 N J W 1968, 247 B G H Z 51, 91 = VersR 1969, 155 BB 1970,514 JZ 1971, 138 B G H Z 55, 153 = NJW 1971, 886 BB 1971,287 B G H Z 55, 393 = VersR 1971, 639

547 311, 573 301,309 295 169 32, 42, 87, 88, 535, 670, 728, 729, 767 730, 733, 771, 778 59, 163, 191,202

06.11. 1963 04.02. 1964

V ZR 53/62 VI ZR 25/63

30.11. 1965

VI ZR 145/64

03.03. 1966 17.10. 1967 26.11. 1968

II ZR 244/63 VI ZR 70/66 VI ZR 212/66

07.01. 1970 14.10. 1970 21.12. 1970

VIII ZR 106/68 VIII ZR 156/68 II ZR 133/68

27.01. 1971 04.03. 1971

VIII ZR 180/69 VII ZR 40/70

27.05. 1971 25.11. 1971 16.02. 1972

VII ZR 85/69 VII ZR 82/70 VI ZR 111/70

25.05. 1972 11.07. 1972

VII ZR 165/70 VI ZR 194/70

29.11. 1972 18.12. 1972 12.07. 1973

VIII ZR 233/71 III ZR 121/70 VII ZR 177/72

31.05. 1974 19.02. 1975

V ZR 114/72 VIII ZR 144/73

04.06. 1975 24.05. 1976

VIII ZR 55/74 VIII ZR 10/74

16.09. 1975 10.06. 1976

VI ZR 156/74 VII ZR 129/74

B G H Z 56, 228 VersR 1972, 274 B G H Z 55, 392 = VersR 1972, 559 BauR 1972,379 B G H Z 59, 172 = VersR 1972, 1075 B G H Z 60, 9 B G H Z 60, 54 B G H Z 61, 203 = NJW 1973, 1752 B G H Z 62, 361 B G H Z 64, 46 = VersR 1975, 538 B G H Z 64, 355 B G H Z 66,315 = NJW 1976, 1505 M D R 1976, 134 B G H Z 67, 1

731, 772 488 310, 553, 306, 456, 606 727 728 161,742, 782, 783 978 665, 667, 813, 820, 878, 882, 946 727 668, 706 311,553,

Betonbalken Motorradunfall Seilschloß Fußboden-Klebemittel Kondenstopf Kühlanlage Grabstein Ortbeton Krankenhaus Bruteier Erdaushub

564 603, 604,

Schubstrebe Hühnerpest

749, 779,

Eternit-Platten Noppen Fleet

704, 807, 853, 854, 883, 932,

564

Dichtungsmaterial Achsaggregat

Ölfeuerungsanlage Förderkorb

88, 682, 728 453

Kreisförderanlage Estil

871 295 882

Gewächshaus Soldaten Schmutzwasserkanal

175, 181 313 163 574, 878, 882, 883, 889, 932, 946, 981 39 873

Haartonikum Strom Frostschutzmittel

Grundstücksbewertung

Entscheidungsregister

385

Datum

Aktenzeichen

Fundstellen

Fußnoten

Stichwort

24.11. 1976

VIII Z R 137/75

B G H Z 67, 359 = VersR 1977, 358

Schwimmerschal-

22.12. 1976

III ZR 62/74

B G H Z 69, 1

3, 4, 44, 67, 68, 69, 70, 87, 140, 144, 159, 243,304,511, 534, 554, 604, 631, 632, 878, 880, 885, 891 175

24.03. 1977

VII Z R 319/75

N J W 1977, 1819

Raster

10.11. 1977 11.01. 1978

III ZR 157/75 VIII Z R 1/77

B G H Z 70,212 N J W 1978, 1051

30.05. 1978

VI ZR 113/77

VersR 1978, 722

05.07. 1978

VIII Z R 172/77

N J W 1978, 2241

07.02. 20.02. 11.12. 02.06.

VIII Z R 305/77 VI ZR 48/78 VI ZR 141/78 VIII ZR 78/79

N J W 1979, 2148 N J W 1979, 1248 VersR 1980, 380 B G H Z 77,215 = N J W 1980, 1950 N J W 1981, 1269 BauR 1981,491 B G H Z 80, 186 = VersR 1981, 636 B G H Z 80,199 = VersR 1981, 639

669, 704, 706, 767, 857, 878, 883, 890, 932, 946, 982, 996 175,181 42, 686, 712, 720, 732, 734, 753, 767, 774, 781,824, 878 5, 159,560, 563, 635 5,28, 45,69, 70, 91, 94, 106, 144, 155, 159, 552, 578,635, 878, 890, 982 530, 672 292 573

1979 1979 1979 1980

18.02. 1981 11.03. 1981 17.03. 1981

VIII ZR 14/80 VIII ZR 16/80 VI Z R 286/78

17.03.1981

VI ZR 191/79

05.05. 24.06. 07.07. 18.01.

VI ZR 280/79 VIII Z R 96/80 VI ZR 62/80 VI ZR 310/79

VersR 1981, 779 N J W 1981,2248 VersR 1981, 957 B G H Z 86, 256 = N J W 1983, 810

VI ZR 270/80

N J W 1983, 812

1981 1981 1981 1983

18.01.1983

71,865, 871,948 569 735, 775, 878 167,210,304,305, 314, 457, 462, 469 71, 167,210,304, 305,314, 457, 461, 462, 469,471,472, 604, 606, 607,618, 948 572, 573, 736, 773 42, 672, 728, 737 313,453 5, 6, 7, 45, 71,72, 73, 76, 77, 82, 146, 155, 159, 229, 235, 237, 556, 606, 635, 691,693, 839, 865, 881, 884, 887, 888, 932, 947, 948, 1006 5,16, 17, 33, 84, 85, 159, 129, 136, 140, 144, 146, 555, 583, 647, 648, 683, 728, 810, 884, 932, 947

Lotsand

Radaufhängung Hinterreifen

Kartonmaschine Arzt Klappfahrrad Spanplatten Klebeband Klinker Benomyl Derosal

Asbestzement Dämmelemente Sniffing Gaszug

Hebebühne

386

Entscheidungsregister

Datum

Aktenzeichen

Fundstellen

Fußnoten

21.09. 1983

IVaZR 165/81

483

02.03. 18.09. 18.12. 14.05. 03.07. 07.11.

V Z R 54/83 VI ZR 51/83 VI ZR 56/83 VI ZR 168/83 VIII ZR 152/84 VII ZR 270/83

BGHZ 88, 228 = N J W 1984, 370 BGHZ 90, 255 VersR 1984, 1151 VersR 1985, 268 N J W 1985, 2420 W M 1985, 1145 BGHZ 96, 221

04.02. 1986 18.03. 1986

VI ZR 179/84 VI ZR 289/85

VersR 1986, 653 VersR 1986, 1125

13.05. 20.05. 07.10. 09.12.

X ZR 35/85 VI ZR 127/85 VI ZR 187/85 IV ZR 65/86

BGHZ 98, 45 VersR 1986, 1003 VersR 1987, 102 BGHZ 99, 167 = VersR 1987, 312 N J W 1987, 2671 N J W 1987, 2510 BGHZ 101, 337 = VersR 1988, 52

1984 1984 1984 1985 1985 1985

1986 1986 1986 1986

Stichwort

303 728 559 881 878 42, 543, 882, 950, 953, 954, 955, 962 475 274, 323, 642 873 728, 738 313,475 457, 462, 470, 610 39 202, 292 677, 823, 844, 882, 883, 884, 890, 932, 943, 947,981,982 727 309,311, 312, 605 743

575,

Dachabdeckfolie Kompressor Forellen Spundwand Uberrollbügel Milchkühlmaschinen Ölwechsel Schwimmbad Zinkspray Honda

27.02. 1987 16.06. 1987 16.09. 1987

VI ZR 114/86 IX ZR 74/86 VIII ZR 334/86

03.12. 1987 07.06. 1988

VII ZR 374/86 VI ZR 91/87

25.10. 1988

VI ZR 344/87

06.06. 1989 17.10. 1989 21.11. 1989

VI ZR 241/88 VI ZR 258/88 VI ZR 350/88

BGHZ 102, 293 BGHZ 104, 323 = N J W 1988, 2611 BGHZ 105, 346 = N J W 1989, 707 BGHZ 107,359 VersR 1989,1307 N J W 1990, 908

05.12. 1989 24.04. 1990

VI ZR 335/88 VI ZR 358/89

BGHZ 109, 297 VersR 1990, 1283

12.06. 1990 06.07. 1990 09.07. 1990

VI ZR 297/89 2 StR 549/89 II ZR 10/90

30.10. 1990 22.02. 1991

VI ZR 40/90 V ZR 308/89

26.02. 1991

VI ZR 226/90

12.11. 1991

VI ZR 7/91

25.06. 1991

X ZR 4/90

VersR 1990, 1289 N J W 1990, 2560 Lederspray LM § 823 (Ac) Kläranlage BGB Nr. 52 N J W 1991, 921 39 BGHZ 113, 384 175, 182 = N J W 1991, 1671 NJW-RR 1992, 283 22, 160, 658, 678, Küchenmöbel 754, 759, 823, 845 309, 313,453, 607, Kindertee I BGHZ 116, 60 = VersR 1992, 96 610,612,617,618 BGHZ 115, 32 873 Juweliergeschäft

879, 889, 946,

553,

547 457 677, 739, 741,748, 823, 844, 878, 968, 970, 973 727 5, 45, 124, 159, 558, 595, 606, 651,881 39 269 727

Wachmann Weinkorken I

Limonadenflasche Fischfutter Schlaganfall Pferdebox Weinkorken II

Baumaterialien Baustromverteiler

387

Entscheidungsregister Datum

Aktenzeichen

Fundstellen

Fußnoten

Stichwort

12.02.1992

VII ZR 276/90

BGHZ 117, 183 = ZIP 1992, 485

Kondensatoren

24.03. 1992

VI ZR 210/91

N J W 1992, 1678

05.05.1992

VI ZR 188/91

N J W 1992, 2016

08.12. 1992 15.12. 1992 17.12. 1992

VI ZR 24/92 VI ZR 115/92 III ZR 99/90

19, 20,21,42, 110 669, 673, 678, 690 694, 695, 696, 704 755, 757, 768, 780 793,797, 821,846 848, 850, 857, 878 912,913,914 5, 72, 81,82, 83, 128, 134, 144, 159, 561,638,641,704. 282, 313,453,473 474, 525, 528, 531 532, 608 311,312, 605 5,159, 562, 639 39

16.02.1993

VI ZR 252/92

N J W 1993,528 N J W 1993, 655 LM §823 (De) BGB Nr. 188 NJW-RR 1993, 793 64

16.02.1993

VI ZR 252/92

22.06. 1993 07.12. 1993

VI ZR 190/92 VI ZR 74/93

NJW-RR 1993, 1113 N J W 1993,2614 N J W 1994,517

11.01. 1994 27.09. 1994

VI ZR 41/93 VI ZR 150/93

N J W 1994, 932 N J W 1994,3349

06.12. 1994

VI ZR 229/93

17.01. 1995 31.01. 1995 09.05. 1995

X ZR 88/93 VI ZR 27/94 VI ZR 158/94

14.05. 1996

VI ZR 158/95

11.06. 1996

VI ZR 202/95

26.09. 1996 12.11. 1997 03.02. 1998

X ZR 33/94 IV ZR 338/96 X ZR 27/96

NJW-RR 1995, 342 457, 462, 576, 610, 611,722, 745, 747, 750, 752, 769, 776, 823, 840, 841, 843 NJW-RR 1995, 684 678 N J W 1995, 1286 617 BGHZ 129,353 605 = N J W 1995,2162 5, 45, 113, 159, 284, N J W 1996, 2224 529, 551,569, 643 26, 160, 304, 654, N J W 1996, 2507 658, 678, 754, 759, 823,845 873 NJW 1997, 50 VersR 1998,228 483 679,704,721,878 ZIP 1998, 1073

168, 678,882, 889, 977, 981 303 457, 462,575,610, 612, 710, 722, 745, 746, 750, 751, 769, 770, 776, 781, 823, 840, 842 313 457, 462

Nockenwelle

Silokipper

Mineralwasser I Handbremse

Jungprimelerde (Nichtannahmebeschluss) Jungprimelerde

Gewindeschneidemittel I

Kindertee II Atemüberwachungsgerät Gewindeschneidemittel II

Tankanzeige Kindertee III Mineralwasser II Spezialschmierfett Chefbüro

Stapelvorrichtung Tieflader

388

Entscheidungsregister

Datum

Aktenzeichen

Fundstellen

Fußnoten

Stichwort

31.03.1998

VI ZR 109/97

BGHZ 138, 230 = N J W 1998, 1942

Transistoren

02.02. 02.03. 17.03. 18.05. 12.12.

VI VI IV VI VI

N J W 1999, 1028 N J W 1999, 2273 VersR 1999, 748 N J W 1999, 2815 N J W 2001, 1346

22, 42, 110, 687, 689, 698, 710, 714, 756, 760, 768, 780, 792, 800, 822, 824, 846, 857, 858, 859, 912 64,605,680,710 610,612 483 313,453,617 5, 82, 144, 544, 699, 701, 702, 761, 806, 811, 861 985

1999 1999 1999 1999 2000

ZR ZR ZR ZR ZR

392/97 175/98 89/98 192/98 242/99

27.04.2001

LwZR 6/00

N J W 2001, 2253

BAG 11.09.1975

3 AZR 561/74

AP §611 (H) BGB Nr. 78

169

N J W 1956, 913

87, 88

BB 1964, 740 NJW-RR 1995, 594

87, 88 269

OLG Karlsruhe 07.03.1956 5 W 226/55 04.03.1964 02.04.1993

1 U 154/63 15 U 293/91

OLG Hamburg 29.03. 1890 OLG Köln 02.05. 1973

Torf Kindertee IV Reißwolf Schlacke

Siedlungsgesellschaft Gemüselaster

SeuffArch 46 Nr. 17 349

16 U 169/72

MDR 1973, 848

LG Karlsruhe 22.07.1987 O 20/87 KfH III JZ 1987, 828

87, 88

Lenksystem

91, 135, 158,217, 251

Lkw

LG Mülhausen 30.04.1943 KMs 7/43

DR 1943,902

Appellationsgericht 14.02. 1879

SeuffArch 35 Nr. 287350

169

Celle

OGH (Österreich) 28.11.1978 5 Ob 707/78

Jbl. 1979, 483

286

Sachregister Achsaggregat-Fall 244f, 247, 287ff, 294, 31 lf Allgemeine Handlungsfreiheit 71 ff, 109ff, 134 A n s p r u c h k o n k u r r e n z s. K o n k u r r e n z zwischen vertraglicher u n d deliktischer Haftung Apfelschorf-Fälle 65, 161 Äquivalenzinteresse 30, 268f, 336, 345ff, 356 Asbestzement-Fall 275 A u f w e n d u n g e n 213 f A u s d e h n u n g vertraglicher H a f t u n g s s c h r a n ken auf alle Geschädigten 354ff Austauschpflicht s. R ü c k r u f p f l i c h t Baustromverteiler-Fall 47, 203, 214, 238 Bauwerk 193f Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen V e r w e n d u n g 262ff, 271, 275ff Begleitverhaltendes Herstellers 95f, 112ff Behebbarkeit des Fehlers 48ff Beschädigung oder Z e r s t ö r u n g der Sachsubstanz s. Material Bestandteil 42, 44 Beweislast 226ff, 324 Beweislastumkehr 228f Bruteier-Fall 63, 72, 79 Casual bystander 332 Chefbüro-Fall 7,11,62,240,305 C o n d i t i o - s i n e - q u a - n o n - F o r m e l 306f Dachfolien-Fall 65, 246f Dämmelemente-Fall 245, 266 Deliktsrechtliche K o n z e p t i o n des B G B 14f Deliktsrisiko 351 ff Derosal-Fall 162 D i f f e r e n z h y p o t h e s e 209ff, 300ff Dritte 351 ff Eigentum - an fehlerhaft hergestellter Sache 17 - am Material 12, 17 Eigentumsverletzung am Material - u n d sachenrechtliche Selbständigkeit als

Voraussetzung der Eigentumsverletz u n g 250f, 292f - d u r c h bloße Verarbeitung 261ff,292f - d u r c h Beeinträchtigung der Verwendungsmöglichkeit 267ff, 271 ff - u n d Vertragsverletzung 313f, 319ff Eigentumsverletzung an der fehlerhaften Sache - d u r c h deren Herstellung oder Inverkehrgabe 34f, 36, 40f, 47 Eigentumsverletzung o h n e Eigentum? s. Eigentumsverletzung am Material u n d sachenrechtliche Selbständigkeit als Voraussetzung der Eigentumsverletzung Einheit des Deliktsrechts 356f Einwilligung 255 f E i n w i r k u n g von außen 62ff, 70f Endhersteller 202ff E n d p r o d u k t 292, 353 Entgangene Vorteile 213 f Erdaushub-Fall 275 Erfolgsabwendungsfähigkeit 77ff Erfolgsabwendungspflicht 77ff Ersatzfähigkeit des anfänglichen Mangelunwerts 52ff, 217f, 233 Erwerbsaussicht 19f Fabrikationsfehler 109, 156, 183ff, 203, 226 Fähigkeit zur E r f o l g s a b w e n d u n g 77ff Fehlerbeseitigung s. Reparatur Fehlerhaft hergestellte Sache 17ff, 41, 114 - als Verletzungsobjekt 36ff Fleet-Fall 261 ff, 278 Folgeschäden 214f, 312ff, 326 F u n k t i o n des fehlerhaften Teils 5ff, 92, 181 Gaszug-Fall 7, 30, 203, 235, 2 5 l f , 326 G e b ä u d e s. Bauwerke Gebrauchsanweisung 113, 115 G e b r a u c h s m i n d e r u n g s. N u t z u n g s b e e i n trächtigung G e f a h r 60ff, 106, 124, 155f, 166, 190 Gefahrsteuerung 106, 141f, 154, 158, 166 Gefahrsteuerungsgebot 106, 195 Gesamtsache 42ff, 92, 169, 181

390

Register

Gesetzgebungsmaterialien 143ff Gewährleistungsrecht 95, 320f, 329f, 357 Gewindeschneidemittel-Fälle 262, 268, 270, 274f, 279, 303 Grundstück 67, 80, 193f, 237, 264 Haftungsausfüllung s. Kausalität Haftungsbegründung s. Kausalität Haftungserweiterung 95, 329ff Haftungsgrenzen, vertragliche und deliktische Haftung s. Konkurrenz zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung Haftungsverzicht 353f Handbremsen-Fall 203, 235 Handelskauf 321 Händler 20 l f , 205 ff Handlungspflicht 125 ff, 133 Hebebühnen-Fall 48, 203, 238, 249, 253, 287ff Herrschaftsmacht über die Sachsubstanz s. Sachsubstanz Herstellung einer konstruktions- oder fabrikationsfehlerhaften Sache s. Inverkehrgabe einer konstruktions-oder fabrikationsfehlerhaften Sache Hinterreifen-Fall 202, 207, 235 Honda-Fall 161 Hühnerpest-Fall 226 Importeur 203 Ingerenz 123, 125 ff, 130, 137 Instruktionsfehler 109, 156 Instruktionshaftung 155ff, 164f, 182f, 190, 332 - und Bauwerke 193 f - und Beweislast 227f - Pflicht zur Warnung bei Inverkehrgabe 156ff - Pflicht zur nachträglichen Warnung vor erst nachträglich erkennbaren Gefahren 158ff - Pflicht zur nachträglichen Warnung vor erst nachträglich entstandenen Gefahren 161 ff - Reichweite der ~ bei Selbstbeschädigung fehlerhafter Sachen 208 ff Instruktionspflicht lOOf, 118, 155ff, 164, 188f Integritätsinteresse 30, 53, 268f, 325, 336, 345 ff Integritätsverletzung 46 Inverkehrgabe einer konstruktions- oder

fabrikationsfehlerhaften Sache 19ff, 40f, 44, 95ff, 122, 155, 183, 187ff - und Produkthaftungsgesetz s. Produkthaftungsgesetz - und Material 295 - als Verletzungshandlung 39ff, 45f, 187 - und Warnpflicht vor sachinterner Fehlerausbreitung 189ff Ist-Beschaffenheit 52, 336ff Jungpriemelerde-Fall 346ff Kalk-Fall 10, 11, 249, 254, 263 Kalkulationsirrtum s. Motivirrtum Kartonmaschinen-Fall 186 Kausalität l l O f f - der Behauptung der Fehlerfreiheit 114 - haftungsausfüllende ~ 215ff, 282, 285, 307 - haftungsbegründende - 208f, 232, 282, 285 - hypothetischer Kausalverlauf 198 ff - juristische 333 - des Verletzungserfolgs für die Kosten der fehlerhaften Verarbeitung 306ff Klinker-Fall 275 Kompressor-Fall 30, 203, 235 Kondensatoren-Fall 7, 246, 251 ff, 270f, 273, 277, 283ff, 295, 308f, 330 Konkurrenz zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung 13, 64, 102, 268f, 319ff, 334ff - Ausnahmen 334, 337 - Begründungslast für den Vorrang vertraglicher Haftung 333 f - freie Anspruchskonkurrenz 324ff, 332ff, 351 ff - Leerlauf der vertraglichen Haftung 334ff, 349 - Nacherfüllungsvorrang s. dort - Rechtsfortbildung contra legem? 331 ff - unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners gegenüber Dritten bei Vorrang des Vertragsrechts 348ff, 351 ff - Verbot einer Sonderordnung von Delikten im Zusammenhang mit bestimmten Verträgen 349ff Konkurrenzfrage 12f, 83, 268, 319ff Konstruktionsfehler 109, 156, 183 ff, 203, 226 Krankenhaus-Fall 264f, 275 Kreisförderanlage-Fall 249, 270, 276 Lotsand-Fall 250, 265, 275

391

Register M a n g e l f o l g e s c h a d e n s. F o l g e s c h ä d e n

P r o d u k t h a f t u n g 39, 9 0 , 104, 112, 155, 165,

M a n g e l u n w e r t 3 0 , 52, 59, 2 1 7 f , 2 3 3 , 2 6 8 ,

190

303, 337, 340

Produkthaftungsgesetz

Material 6 f , 9, 11, 241 ff, 2 6 1 ff, 2 9 4 f f -

und H a f t u n g aufgrund anderer V o r s c h r i f -

-

und Selbstschädigung des fehlerhaften

ten 174 ff, 1 8 2 f

B e s c h ä d i g u n g oder Z e r s t ö r u n g (als E i g e n tumsverletzung) 2 4 3 f f , 2 5 5 , 2 6 1 , 2 7 3 , 2 8 3 Grundstück

172ff

-

P r o d u k t s 1 7 2 f , 176 ff

10

- fehlerhafte - V e r a r b e i t u n g o h n e B e s c h ä d i gung o d e r Z e r s t ö r u n g des ~ s 2 7 8 f f , 2 8 1 ff,

Produkthaftungs-Richtlinie

173 ff

P r o d u z e n t e n h a f t u n g s. P r o d u k t h a f t u n g

286ff M e h r u n g bzw. E r w e i t e r u n g der - s u b -

Qualitätskontrolle

192

stanz 2 6 3 ff, 2 7 2 f f

Qualitätssicherung

87

-

sachenrechtliche Selbständigkeit des

Quasi-Hersteller 206

-

Substanzerweiterung oder -meh-

Radaufhängungs-Fall 203, 235

rung 2 6 3 f f , 2 7 1 ff, 2 7 6 f

Raster-Fall

u n e r w ü n s c h t e Veränderung des ~ s als

Rentabilitätserwartung

E i g e n t u m s v e r l e t z u n g 261 ff, 2 7 8 f f

R e p a r a t u r (der fehlerhaften Sache)

-

~ 2 4 8 ff

-

Milchkühlmaschinen-Fall Minderung

244 297f 116ff,

209, 291

236

Reserveursache

54

M i t t e l b a r k e i t des Verursachungsbeitrags s.

198,211

R e s t s a c h e 4 2 f f , 9 2 f f , 169, 177, 180

U n m i t t e l b a r k e i t des V e r u r s a c h u n g s b e i -

R ü c k r u f eines fehlerhaften P r o d u k t s

trags

-

Motivirrtum

Rückrufpflicht

96ff

97ff

R ü c k r u f p f l i c h t 110, 1 1 9 f , 2 3 6

296ff

Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis Nacherfüllungsvorrang

68f

Sachintegrität 62, 6 5 , 76, 2 8 0 f f S a c h s u b s t a n z 80, 2 7 9 f f

338ff

Negative Einwirkungen 67

Sachverschaffungsanspruch 2 6 , 4 5

N o c k e n w e l l e - F a l l 50, 2 0 3 , 2 3 5

Sachverschlechterung s. S u b s t a n z b e e i n t r ä c h -

Non-cumul

tigung

322

N u t z u n g s - und Verkaufsfähigkeit einer

S a c h v e r w e n d u n g s m ö g l i c h k e i t s. B e e i n t r ä c h -

Sache 2 6 7 f , 3 4 5

tigung der b e s t i m m u n g s g e m ä ß e n V e r w e n dung

N u t z u n g s b e e i n t r ä c h t i g u n g 261 ff, 2 7 3 f f , 2 8 2 ,

Schaden

287, 313, 345f Nutzungsverzicht

194f

O b j e k t einer E i g e n t u m s v e r l e t z u n g

19f, 2 8 ,

-

mittelbarer ~

-

unmittelbarer-

196

-

und sachenrechtliche Selbständig-

196

keit 2 2 4 8 f f

36, 4 0 , 41 Olfeuerungsanlagen-Fall 244f, 255

Schadensberechnung 209ff, 282, 300ff

Ölwechsel-Fall

S c h a d e n s b e s t i m m u n g s. S c h a d e n s b e r e c h -

Ortbeton-Fall

247

nung

10, 11, 191, 2 4 5 , 2 6 4

Schadensentstehung P r ä e x i s t e n z der Sache als V o r a u s s e t z u n g der E i g e n t u m s v e r l e t z u n g 21 ff, 2 7 , 3 6

Schlacke-Fall

P r ä h m e n - F a l l 7 4 , 80

S c h u l d r e c h t s m o d e r n i s i e r u n g s g e s e t z 3 1 9 ff,

des Verletzers durch E i g e n t ü m e r w e c h sel 2 8 9 f f

-

P r o d u k t f e h l e r 109, 168, 2 0 3 P r o d u k t g e f a h r 1 8 8 f , 191

331, 356f Schwimmbad-Fall 266f, 325

deliktsrechtliche ~ des Schädigers

Produktbeobachtungspflicht

143 ff, 152

193, 2 3 7 , 2 5 3 f , 2 7 1 , 2 8 7 f f ,

316f

Privilegierung -

46

Schadensverursachungsverbot

356f

110, 158, 192

Schwimmerschalter-Fall

1 1 , 2 0 , 3 0 , 32, 113,

1 9 1 , 2 0 2 , 232, 328 Selbstbeschädigung o d e r -Zerstörung einer (fehlerhaften)Sache 1 1 , 2 3 , 2 4 , 2 9 f f , 3 2 f , 38, 6 0 , 100, 192, 198, 2 1 0 , 2 3 9 , 3 2 7

392

Register

- auf eine bestimmte Weise 86ff Selbstzerstörung einer (fehlerhaften) Sache s. Selbstbeschädigung Sicherheitsgewährleistung 87 Sicherheitsstandard 88, 90 - Produktsicherheit 90 Silokipper-Fall 163, 183, 186f, 227 Soll-Beschaffenheit 52, 336ff Sonderordnung des Vertragsrechts 334 Sperrwirkung 130, 153 Spezialschmierfett-Fall 185f, 201, 205, 237 Spundwand-Fall 193, 337f Stoffgleichheit 29ff, 46ff,50ff, 58, 193, 230, 324 ff - und Schadensberechnung 50ff - Interpretation in der Literatur 56ff Stromkabel-Fall 64 Substanzbeeinträchtigung 60,65, 67, 70, 76, 80f, 91, 196, 208, 242ff, 248, 250, 261, 263, 267, 273, 278ff, 286ff, 292ff, 302, 345f, 352ff Substanzeinbuße s. Substanzbeeinträchtigung Substanzmehrung 263 ff, 271 ff, 2474f, 280f, 345, s. auch Substanzbeeinträchtigung Substanzveränderung s. Substanzbeeinträchtigung Substanzverletzung s. Substanzbeeinträchtigung Tatbestandsfrage 12f, 135 ff Tieflader-Fall 248,261 Torf-Fall 348 Transistoren-Fall 7, 250ff, 270f, 273, 277, 283ff, 295f, 312, 314ff, 330 Umwelt 87, 89 Umweltgefahr 88ff Unbewegliche Sache als Produkt 193f Unfall 87ff Unkenntnis des Geschädigten von der wahren Beschaffenheit fehlerhafter Zutaten s. Motivirrtum Unmittelbarkeit des Verursachungsbeitrags 133 ff, 141 ff Unterlassen 122, 124,130ff Unversehrtheit des Verletzungsobjekts 36 Verarbeitung 6, 242, 263ff, 271 ff, 292ff, 294ff - Eigenvornahme der ~ durch den Materialeigentümer 295 ff - Ersatz der Kosten fehlerhafter ~ 305ff

- Ersatz des für die fehlerhafte ~ bezahlten Werklohns 307f - sukzessive ~ 292 ff Verbesserung der fehlerhaften Sache s. Reparatur Verjährung 320f, 328, 350, 353 Verkehrspflichten 14, 82, 87, 100, 121ff, 155, 191 - als contra legem erfolgte Rechtsfortbildung 122 ff, 154 - Begründung von ~ 166ff - des Produzenten 109ff, 119 - und bloße Sachherrschaft 126f - und Materialverarbeitung 294ff Verkehrspflichtverletzung 29, 89, 104ff, 294ff, 301,332, 357 Verletzung des Eigentums - an fehlerhaft hergestellter Sache 17,59 - hinsichtlich des Materials 17,44 - durch Herstellung einer fehlerhaften Sache 17ff Verletzungserfolg 5 3 , 2 1 6 , 2 6 1 - fehlerhafte Verarbeitung als ~ 261 ff Verletzungshandlung 39ff, 53, 71, 85, 91, 95, 111, 188f, 203 f, 216, 230f, 294ff, 301 mittelbare - 121 ff Vermeidbarkeit der nachträglichen Substanzveränderung 49f Vermögensschaden 273, 283 f, 297ff Verschmutzung 263ff, 274f Versicherungsschutz 168ff - und Inverkehrgabe fehlerhafter Produkte 170 Vertrag zu Lasten Dritter 355f Vertrag zugunsten Dritter 355f Vertragshändler 206 Vertragstörung, ureigene 337, 343 Vertriebsgesellschaft 206 Verunstaltung s. Verschmutzung Verwendbarkeit s. Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung Verwendungsbeeinträchtigung s. Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung Vorprodukt 292 Vorrang der kauf- bzw. werkvertraglichen Haftung s. Konkurrenz zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung Vorteilsausgleichung 211 Warnpflicht 100, 155ff, 187ff, 232f - bei voraussichtlicher Sachverschlechterung trotz Warnung 194 ff

Register - U m f a n g der Warnpflicht vor sachinterner Fehlerausbreitung 189ff - warnpflichtige Personen (Adressaten) 201 ff Warnung - und Einbußen 213f - und Inverkehrgabe eines fehlerhaften Produkts 187 ff, 191 f - unterlassene ~ 95 - vor der Gefahr der Fehlerausbreitung 116ff, 155, 157, 159, 190ff Weinberg-Fall 70 Weinkorken-Fälle 247, 267, 270f, 305, 344ff Weiterfresser-Fälle 2ff und s. Baustromver-

393

teiler-, Gaszug-, Hebebühnen-, Hinterreifen-, Kompressor-, Nockenwelle-, Schlakke-, Spezialschmierfett-Fall Weiterfresser-Problem l f f , 19ff, 29ff, 95ff, 155ff, 183ff, 208ff, 230ff Werklohn 307f Wertminderung 261 ff, 273ff Widerrechtlichkeit 144ff Zulieferer 179f, 201f, 204f Zutaten 257, 264, 273, 278, 284, 297, 302f, 312,352, 355 - Ersatz der Erwerbskosten fehlerhafter ~ 302f

Jus Privatum Beiträge zum Privatrecht - Alphabetische Übersicht Adolphsen, Jens: Internationale Dopingstrafen. 2003. Band 78. Assmann, Dorothea: Die Vormerkung (§ 883 BGB). 1998. Band 29. Bayer, Walter: Der Vertrag zugunsten Dritter. 1995. Band 11. Beater, Axel: Nachahmen im Wettbewerb. 1995. Band 10. Beckmann, Roland Michael: Nichtigkeit und Personenschutz. 1998. Band 34. Berger, Christian: Rechtsgeschäftliche Verfügungsbeschränkungen. 1998. Band 25. Berger, Klaus: Der Aufrechnungsvertrag. 1996. Band 20. Bittner, Claudia: Europäisches und internationales Betriebsrentenrecht. 2000. Band 46. Bodewig, Theo: Der Rückruf fehlerhafter Produkte. 1999. Band 36. Braun, Johann: Grundfragen der Abänderungsklage. 1994. Band 4. Brors, Christiane: Die Abschaffung der Fürsorgepflicht. 2002. Band 67. Bruns, Alexander: Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung. 2003. Band 74. Busche, Jan: Privatautonomie und Kontrahierungszwang. 1999. Band 40. Dauner-Lieb, Barbara: Unternehmen in Sondervermögen. 1998. Band 35. Dethlojf, Nina: Europäisierung des Wettbewerbsrechts. 2001. Band 54. Dreier, Thomas: Kompensation und Prävention. 2002. Band 71. Drexl, Josef: Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers. 1998. Band 31. Eberl-Borges, Christina: Die Erbauseinandersetzung. 2000. Band 45. Einsele, Dorothee: Wertpapierrecht als Schuldrecht. 1995. Band 8. Ekkenga, Jens: Anlegerschutz, Rechnungslegung und Kapitalmarkt. 1998. Band 30. Ellger, Reinhard: Bereicherung durch Eingriff. 2002. Band 63. Escher-Weingart, Christina: Reform durch Deregulierung im Kapitalgesellschaftsrecht. 2001. Band 49. Giesen, Richard: Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb. 2002. Band 64. Gotting, Horst-Peter: Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte. 1995. Band 7. Gsell, Beate: Substanzverletzung und Herstellung. 2003. Band 80. Habersack, Mathias: Die Mitgliedschaft - subjektives und 'sonstiges' Recht. 1996. Band 17. Haedicke, Maximilian: Rechtskauf und Rechtsmängelhaftung. 2003. Band 77. Heermann, Peter W.: Drittfinanzierte Erwerbsgeschäfte. 1998. Band 24. Heinrich, Christian: Formale Freiheit und materielle Gerechtigkeit. 2000. Band 47. Henssler, Martin: Risiko als Vertragsgegenstand. 1994. Band 6. Hergenröder, Curt Wolfgang: Zivilprozessuale Grundlagen richterlicher Rechtsfortbildung. 1995. Band 12. Hess, Burkhard: Intertemporales Privatrecht. 1998. Band 26. Hof er, Sibylle: Freiheit ohne Grenzen. 2001. Band 53. Huber, Peter: Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung. 2001. Band 58. Jänich, Volker: Geistiges Eigentum - eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum? 2002. Band 66. Jansen, Nils: Die Struktur des Haftungsrechts. 2003. Band 76. Jung, Peter: Der Unternehmergesellschafter als personaler Kern der rechtsfähigen Gesellschaft. 2002. Band 75. Junker, Abbo: Internationales Arbeitsrecht im Konzern. 1992. Band 2. Kaiser, Dagmar: Die Rückabwicklung gegenseitiger Verträge wegen Nicht- und Schlechterfüllung nach BGB. 2000. Band 43. Katzenmeier, Christian: Arzthaftung. 2002. Band 62.

Jus Privatum

- Beiträge zum

Privatrecht

Kindler, Peter: Gesetzliche Zinsansprüche im Zivil- und Handelsrecht. 1996. Band 16. Kleindiek, Detlef: Deliktshaftung und juristische Person. 1997. Band 22. Krause, Rüdiger: Mitarbeit in Unternehmen. 2002. Band 70. Luttermann, Claus: Unternehmen, Kapital und Genußrechte. 1998. Band 32. Looschelders, Dirk: Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht. 1999. Band 38. Lipp, Volker: Freiheit und Fürsorge: Der Mensch als Rechtsperson. 2000. Band 42. Merkt, Hanno: Unternehmenspublizität. 2001. Band 51. Möllers, Thomas M.J.: Rechtsgüterschutz im Umwelt- und Haftungsrecht. 1996. Band 18. Muscheler, Karlheinz: Die Haftungsordnung der Testamentsvollstreckung. 1994. Band 5. - Universalsukzession und Vonselbsterwerb. 2002. Band 68. Oechsler, Jürgen: Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag. 1997. Band 21. Oetker, Hartmut: Das Dauerschuldverhältnis und seine Beendigung. 1994. Band 9. Ohly, Ansgar: „Volenti non fit iniuria" Die Einwilligung im Privatrecht. 2002. Band 73. Oppermann, Bernd H.: Unterlassungsanspruch und materielle Gerechtigkeit im Wettbewerbsprozeß. 1993. Band 3. Peifer, Karl-Nikolaus: Individualität im Zivilrecht. 2001. Band 52. Peters, Frank: Der Entzug des Eigentums an beweglichen Sachen durch gutgläubigen Erwerb. 1991. Band 1. Raab, Thomas: Austauschverträge mit Drittbeteiligung. 1999. Band 41. R e i f f , Peter: Die Haftungsverfassungen nichtrechtsfähiger unternehmenstragender Verbände. 1996. Band 19. Repgen, Tilman: Die soziale Aufgabe des Privatrechts. 2001. Band 60. Rohe, Mathias: Netzverträge. 1998. Band 23. Sachsen Gessaphe, Karl August Prinz von: Der Betreuer als gesetzlicher Vertreter für eingeschränkt Selbstbestimmungsfähige. 1999. Band 39. Saenger, Ingo: Einstweiliger Rechtsschutz und materiellrechtliche Selbsterfüllung. 1998. Band 27. Sandmann, Bernd: Die Haftung von Arbeitnehmern, Geschäftsführern und leitenden Angestellten. 2001. Band 50. Schäfer, Carsten: Die Lehre vom fehlerhaften Verband. 2002. Band 69. Schur, Wolfgang: Leistung und Sorgfalt. 2001. Band 61. Schwarze, Roland: Vorvertragliche Verständigungspflichten. 2001. Band 57. Sieker, Susanne: Umgehungsgeschäfte. 2001. Band 56. Stadler, Astrid: Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion. 1996. Band 15. Stoffels, Markus: Gesetzlich nicht geregelte Schuldverhältnisse. 2001. Band 59. Taeger, Jürgen: Außervertragliche Haftung für fehlerhafte Computerprogramme. 1995. Band 13. Trunk, Alexander: Internationales Insolvenzrecht. 1998. Band 28. Wagner, Gerhard: Prozeßverträge. 1998. Band 33. Waltermann, Raimund: Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung zwischen Privatautonomie und Tarifautonomie. 1996. Band 14. Weber, Christoph: Privatautonomie und Außeneinfluß im Gesellschaftsrecht. 2000. Band 44. Wendehorst, Christiane: Anspruch und Ausgleich. 1999. Band 37. Wiehe, Andreas: Die elektronische Willenserklärung. 2002. Band 72. Würthwein, Susanne: Schadensersatz für Verlust der Nutzungsmöglichkeit einer Sache oder für entgangene Gebrauchsvorteile? 2001. Band 48.

Einen Gesamtkatalog erhalten Sie gerne vom Verlag Mohr Stebeck, Postfach 2040, D-72010 Tübingen. Aktuelle Informationen im Internet unter http://www.mohr.de