Studien zur Südamerikanischen Mythologie: Die ätiologischen Motive [Reprint 2022 ed.] 9783112678848, 9783112678831


176 74 67MB

German Pages 212 [220] Year 1939

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Inhaltsübersicht
Vorbemerkungen
Homo, im allgemeinen
Die einzelnen Stämme
Fauna, im allgemeinen
Säugetiere
Vögel
Reptilien, Amphibien
Fische
Kopffüßler, Mollusken
Gliederfüßler
Flora, im allgemeinen
Im besonderen
Gaea, im allgemeinen
Im besonderen
Benutzte Literatur
Recommend Papers

Studien zur Südamerikanischen Mythologie: Die ätiologischen Motive [Reprint 2022 ed.]
 9783112678848, 9783112678831

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

STUDIEN ZUR SÜDAMERIKANISCHEN MYTHOLOGIE DIE Ä T I O L O G I S C H E N

MOTIVE

VON

ROBERT LEHMANN-NITSCHE t

HAMBURG

F R I E D E R I C H S EN, DE GRUYTER & CO. 1939

C o p y r i g h t 1 9 3 9 by F r i e d e r i c h s e n , de G r u y t e r & Co., H a m b u r g D r u c k v o n W a l t e r de G r u y t e r & Co., B e r l i n W 3 5 P r i n t e d in G e r m a n y

Inhaltsübersicht Vorbemerkungen

Y

Homo, im allgemeinen

1

,,

die einzelnen Stämme

Fauna, im allgemeinen „

Säugetiere Vögel

15 25 26 62



Reptilien, Amphibien

110



Fische

129



Kopffüßler, Mollusken

133

Gliederfüßler

134

Flora, im allgemeinen ,,

im besonderen

Gaea, im allgemeinen „

im besonderen

Benutzte Literatur

153 153 160 163 193

Vorbemerkungen Die unerhörte Kraft der schaffenden Phantasie, welche die Naturvölker zu den wunderbarsten Ursprungserklärungen der für sie auffälligen Besonderheiten ihrer Umgebung, j a ihrer eigenen sowohl körperlichen wie sonstigen Eigentümlichkeiten treibt, ist wohl auch in ethnologischen Fachkreisen nicht immer genügend erkannt, geschweige denn gewürdigt worden. Die außerhalb derselben stehenden Wissenschaftler und gebildeten Laien trauen sogar den „Wilden" überhaupt nicht derartige Vorstellungen und Deutungsversuche zu, welche wegen ihrer einschlagenden Wucht und oftmals ausgreifenden Weite die dichterischen Konzeptionen der sog. Kulturwelt um das vielfache übertreffen. Diese Äußerungen einer denkenden Phantasie entsprechen offenbar dem seelischen Bedürfnis, die Ursachen aller, den Menschengeist beschäftigenden Besonderheiten, zunächst seiner Umwelt, zu erklären; mit anderen Worten, es handelt sich um die Befriedigung des Kausalitätsbedürfnisses des menschlichen Denkens. Da dieser Trieb nun auch bei den primitivsten Vertretern des Homo sapiens und gleich in ziemlich starkem Grade auftritt, muß er eben dem Menschengeschlechte urtümlich sein. Wir gehen nicht fehl, darin die Anfänge philosophischer Spekulationen zu erblicken; also auch bei den Primitiven wie bei den höchsten Vertretern der Menschheit dieses „Rerum cognoscere causas". Freilich geschieht das auf ihre Weise, da das Bestehende aus m y t h i s c h e n Begebenheiten erklärt wird 1 . Die ältesten uns überlieferten Deutungen von Umwelt-Besonderheiten finden sich im Gilgamesch-Epos und im Alten Testament. In jener altbabylonischen Dichtung werden die Gründe dafür angegeben, daß ein (zoologisch soviel ich weiß noch nicht bestimmter) Vogel namens Käppi (scheinbar) gebrochene Flügel aufweist: Einstens war er ein Schäfer und Geliebter der Göttin Ischtar, welche ihn wie bereits seinen Vorgänger zu Grunde richtete; nun flötet er als Vogel kläglich im Walde: „ K ä p p i ! " , d . h . „Mein F l ü g e l ! " 2 . Daß Genesis 3 , 1 4 erklärt wird, warum unter den Tieren allein die Schlange auf dem Bauche kriecht und (angeblich), wie es weiter heißt, „Erde i ß t " , wußte man lange 3 , aber erst Franz Dornseiff 4 hat noch eine ganze Menge anderer ätiologischer Motive, die in der Genesis auftreten, erkannt und festgestellt: „Aitia auf Grund von Namendeutungen 'volksetymologischer' Art hat man in keinem Buch der Weltliteratur so zahl1 So Krickeberg, Indianermärchen aus Nordamerika, p. II, cf. p. V, J e n a 1 9 2 4 ( = Die Märchen der Weltliteratur). 2 Ungnad und Gressmann, Das Gilgamesch-Epos, p. 117, 126 (cf. T e x t VI 48—50), Göttingen 1911. 3 Über das Weiterleben und die Entwicklung dieses Themas bei Juden, Arabern, Maltesern, Franzosen und Ungarn s. Dähnhardt, Natursagen . . . I, p. 216—217, 207, 223, 116. 4 Dornseiff, Antikes zum Alten Testament 1. Genesis. Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft und die Kunde des nachbiblischen Judentums, N. F . X I , p. 5 7 — 7 5 , Gießen 1934.

VI

Vorbemerkungen

reich wie im Pentateuch", und der erste Abschnitt des Schöpfungsberichtes laufe auf ein Aition des Sabbaths hinaus (p. 60). Weiterhin folgten lauter Aitia (p. 61): „Begründung für die Sünde, das Übel, den Tod 2 16—3 24, die Sprache 19—20, weibliches Geschlecht und das Wort ischa 20—24, eheliche Gemeinschaft (etwas mutterrechtlich), [vermeintliche] Rippenzahl des Mannes elf, der Frau zwölf, geschlechtliches Erwachen, Scham und Bekleidung 2 35 . 3 7 . 3 21, für das Kriechen der Schlange und ihr Beißen [in die Ferse der Frau] 3 14—15, die Wehen und die unterdrückte Stellung des Weibes 3 16, die Plagen des Ackerbaues 3 17—19, die Klugheit der Menschen 3 22" (betr. einiger weiterer Aitia s. Original). Da auch noch Herodot, lesen wir auf p. 64, sein Geschichtswerk mit aitiologischen Mythengeschichten (über die Kriegsschuldfrage zwischen Asien und Europa) beginnt, haben wir „also hier altvorderasiatische Erzählungsform zu erkennen", natürlich, füge ich hinzu, soweit Genesis und Herodot in Frage kommen. Daß Kallimachos' Aitia und Ovids Metamorphosen eine große und großartige dichterische Bearbeitung sicherlich zum großen Teil volkstümlicher ätiologischer Motive darstellen, daran mag kurz erinnert werden. In der Neuzeit hat man wieder begonnen, diesem Stoffe wissenschaftliches Interesse entgegenzubringen. Eine große Materialsammlung ätiologischer Motive aus der ganzen Welt liegt in den vier Bänden vor, welche wir dem Fleiße Oskar Dähnhardts verdanken und welche unter dem Titel „Natursagen" (Leipzig und Berlin 1907—1912) bequem zugänglich sind 1 . Als besonderer Wert derselben sei betont, daß die betreffenden Texte ungekürzt, und so weit sie es nicht schon waren, in deutscher Sprache wiedergegeben werden. Süd- und Mittelamerika einschließlich Mexiko sind darin freilich mehr wie stiefmütterlich davongekommen; mit rund dreißig Nummern ist alles erledigt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: wohl keine völkerkundliche Literatur ist so unbekannt, zersplittert und unauffindbar wie gerade die, welche sich auf das iberische Amerika bezieht. Ich habe mir daher vorgenommen, diese empfindliche Lücke, und zwar gleich möglichst vollständig auszufüllen und glaube, mit den rund 1100 Nummern, welche ich jetzt vorlegen kann, dem Ziele verhältnismäßig nahe gekommen zu sein. Die wirtschaftliche Ungunst der Zeit verhinderte einen ungekürzten Abdruck der Originale, jedoch dürfte eine Inhaltsangabe mit den Hauptzügen für die Zwecke unserer Sammlung vollständig ausreichend sein, ja manchesmal ist sie direkt vorzuziehen, weil viel Ballast fortbleiben kann; außerdem läßt eine gekürzte deutsche Überarbeitung 1

Als Vorläufer derselben ist die von verschiedenen Autoren zusammengebrachte Sammlung zu betrachten, welche unter dem Titel „Les pourquoi" in der „Revue des traditions populaires", Band 2—29 passim, Paris 1887—1914 erschienen ist; sie umfaßt 150 Nummern, deren bequemes Studium durch die Spärlichkeit der Zeitschrift und die ^häufigen Irrtümer in der Nummerierung der einzelnen Texte recht erschwert ist. Ob die Zeitschrift noch Band 30ff. erlebt hat, habe ich nicht feststellen können; jedenfalls sind auf der Berliner Staatsbibliothek nur Band 1—29 vorhanden.

Vorbemerku ngen

VII

namentlich indianischer Texte sofort die Hauptsachen erkennen und prägt sie besser dem Gedächtnisse des Mythenforschers ein. Nur wo es sich um seltene und unbekannte südamerikanische Drucke handelte, war ich ausführlicher, sodaß sich niemand mehr mit dem gewöhnlich erfolglosen Suchen nach dem Originale abzuquälen braucht. Bemerkt sei schließlich noch, daß Mexiko ebenfalls in den Begriff Mittelamerika miteinbezogen wurde. Im Titel vermerkte ich indes nur Südamerika, da Mittelamerika auch in dem hier angewandten weiteren Sinne doch nur eine bescheidene Rolle spielt. Vorliegende Arbeit begann ich am 1. Januar 1922 in La Plata und schließe sie nun nach etwas mehr als fünfzehnjährigem Sammeln ab. Für den Zweck, zu dem sie a priori geeignet erschien, nämlich gewissermaßen Leitfossilien für die verschiedenen mythologischen Zonen zu liefern, konnte sie freilich, wie es sich allmählich herausstellte, nicht dienen. Dagegen wird sie, ich hoffe es, für vergleichend mythologische Studien, welche die gesamte Erde umfassen und vorläufig noch Zukunftsmusik bilden, gute Dienste leisten können; es scheint, als ob unter den hier zusammengestellten ätiologischen Motiven sich mancherlei ,,Urgedanken" der gesamten primitiven Menschheit finden, welche nicht auf Übertragung zurückzuführen sind, wie z. B. die Vorstellung und Erklärung über das Warum des Todes (vgl. Tiere — einige —• häuten sich). Zur Aufrollung dieser so wichtigen Frage findet sich nun sicherlich in folgendem Corpus brauchbares Material. Die Deutung der vom Indianer beachteten Besonderheiten der Umwelt erfolgt gewöhnlich innerhalb eines Mythus und auch da nur meistens recht nebenbei; vielfach ist sie in die Vorstellung vom Weltbilde, von der Entstehung der Erde u. dgl. gelegentlich hineingewebt. Direkt zur Erklärung einer Besonderheit erfundene Fabeln sind spärlich; man darf solche wohl als spätere Schöpfungen der Phantasie ansehen, welche bereits den Eindruck von beginnender „Kunstliteratur" hinterlassen. Der gleiche Text, mag er nun der ersten, rein mythologischen oder der mehr fabel- und märchen-, wohl auch anekdotenartigen Form angehören, bringt öfters die Deutung für gleich zwei, ja mehrere Besonderheiten. Daß es sich um beabsichtigte Erklärungen handelt, wird vielfach nicht ausdrücklich hervorgehoben, etwa durch den in europäischen Erzählungen beliebten Zusatz: Seitdem oder deswegen (hat z. B. das Rotkehlchen einen großen roten Fleck auf der Brust, fliegt die Eule nur nachts auf Raub usw.). Ich habe den Eindruck, daß dieses etwas schulmeisterliche Finale nicht ursprünglich ist, und mehr für den nicht landeskundigen Hörer der betr. Geschichte ein- bzw. angefügt wurde, denn der Eingeborene selber, der ja die kleinsten Einzelheiten seiner heimatlichen Natur aufs genaueste kennt, weiß ja ohne weiteres, ob überhaupt und worauf angespielt wird. Der auswärtige Hörer (bzw. Leser von Aufzeichnungen) ist daher oft außer Stande zu erkennen, ob ein ätiologisches Motiv vorliegt oder nicht, falls nicht etwa darauf aufmerksam gemacht wird, und auch dem Sammler des in diesem

VIII

Vorbemerkungen

Werke vorgelegten Materials wird selbstverständlicherweise aus diesem Grunde mancherlei entgangen sein1. Eine weitere Schwierigkeit bietet die Definition und Abgrenzung der ätiologischen oder, wie die Angelsachsen sagen, explanatorischen Motive. Koch-Grünberg hatte wohl erkannt, daß es da Übergänge gibt. Er faßt z. B. die Erklärung der Taulipang vom Ursprung des Geschwürs als ein solches auf (diesen Indianern zufolge verwandelte sich eine magische Angel, die selbsttätig den ganzen Körper eines Menschen durchdrang und ihn verfaulen ließ, in das Geschwür, cf. Vom Roroima . . . II, p. 27, Text dazu p. 96). Ich hatte lange Zeit Bedenken, ob man dem verdienstvollen Forscher beipflichten darf, glaube nun aber, daß er Recht hat. In anderen Fällen spricht er von einem „stark explanatorischen Charakter", speziell was die Taulipang-Sage von Mai'uäg und Korötoikö anbelangt: „Mai'uäg stürzt sich auf der Flucht vor seinen Schwägern in das Wasser, taucht unter und verwandelt sich in die nach ihm benannte Ente. Der faule Korötoikö, der am Tag in seiner Pflanzung, anstatt zu arbeiten, auf einem Baumstamme sitzt und schläft, verwandelt sich in die Eule, die seinen Namen trägt. Der Name ist onomatopoetisch. Die bösen Schwäger, die auf der Verfolgung des Mai'uäg über Bäume klettern, werden zu Affen. Auch die selbsttätigen Ackergeräte verwandeln sich in Tiere, die Axt in den Specht, das Grabscheit in den Ameisenlöwen, der im Fußboden der Häuser und in den Sandbänken unzählige kleine Gruben aufwühlt, das Messer in den Prionus cervicornis, jenen merkwürdigen Käfer des Guayana-Waldes, der mit seinen sägeartigen Mandibeln einen Zweig bis zur Stärke eines Handgelenkes packt und dann mit der Schnelligkeit einer Windmühle im Kreise um ihn herum fliegt, bis er den Zweig in kurzer Zeit durchgesägt hat" (Vom Roroima . . . II, p. 27—28). Auch hier handelt es sich nicht nur um einen „stark explanatorischen Charakter", sondern direkt um eine S e r i e solcher Motive. Übrigens zeigt gerade dieser Text, wie versteckt mitunter die ätiologischen Motive sind: dem doch so erfahrenen Auf Zeichner und Bearbeiter ist es entgangen, daß ja auch der Ruf der beiden Taubenarten erklärt wird (vgl. unten 1 W i e vorsichtig m a n sein muß, um aus irgendeinem T e x t e ein nicht direkt als solches bezeichnetes ätiologisches Motiv herauszulesen, bezeuge folgender M y t h u s der Mundurukti v o m Oberen Tapajoz (Amazonasgebiet): E s kam eine Feuersglut daher u n d verbrannte alle Menschen. Der J a p i m v o g e l (Cacicus sp. u n d Ostinops decumanus) warf die gewaltige S o n n e herunter. Zweimal s e t z t e er sie auf seinen Kopf. A l s die glühende Sonne v o m F i r m a m e n t auf die brennende Erde fiel, da starben alle Kinder (Strömer, Die Sprache . . . p. 137). Man sollte nun meinen, daß dem Vogel nach einem derartigen U n t e r f a n g e n auf seinem Scheitel irgendein Anzeichen zurückgeblieben wäre, doch ist das nicht der Fall, w i e ich m i t Hilfe v o n Herrn Dr. N i e t h a m m e r im Berliner Zoologischen M u s e u m feststellen konnte. Daselbst wurde mir auch v o n anderen Herren, insbesondere v o n Herrn Professor N e u m a n n , und Prof. Dr. Stresemann durch Vorzeigen der B ä l g e vielfach A u f k l ä r u n g zuteil. Ü b e r h a u p t erkennt m a n das Arbeiten der primitiven P h a n t a s i e eigentlich erst recht, w e n n man namentlich bei exotischen Lebensformen sich z u n ä c h s t einmal g e n a u m i t den v o n der N a t u r gegebenen Vorlagen b e k a n n t m a c h t .

Vorbemerkungen

IX

s u b : Menschen, Leben schwer), sonst h ä t t e er das an der eben wiedergegebenen Stelle e r w ä h n t u n d in der Ausgabe seiner „ I n d i a n e r m ä r c h e n " (p. 136) die n u r der Karaibensprache entsprechenden R u f d e u t u n g e n nicht ins Deutsche übersetzt, wo sie keinen Sinn h a b e n . Die Erzählung von Mai'uäg u n d Korötoikö ist aber auch deswegen lehrreich, weil m a n wohl selten einen Fall findet, in welchem eine solche Menge ätiologischer Motive zu kurzem T e x t e verarbeitet w u r d e n : ein wunderbares Beispiel d a f ü r , wie es die primitive Phantasie vers t e h t , eine große Zahl innerlich zusammenhangloser biologischer Tatsachen zu einem großartigen Bilde zu vereinigen, das die E n t s t e h u n g der Arbeit u n d der Mühen des Menschengeschlechts erklärt. Wie logisch sind auch die Eigens c h a f t e n der beiden feuerländischen K o r m o r a n a r t e n von den Y ä m a n a zu einer ätiologischen E r z ä h l u n g kombiniert worden I Die Einzelheiten der N a t u r , welche die A u f m e r k s a m k e i t des primitiven Menschen erregen, gehören in der übergroßen Mehrzahl dem Tierreiche an u n d sind hier last ausschließlich körperlicher A r t . Interessant ist es, daß öfters der Ged a n k e von der Vererbung erworbener Verletzungen zum Ausdruck k o m m t . A u c h an seinem eigenen Körper u n d bei den N a c h b a r s t ä m m e n findet der Indianer m a n c h e s , was eine E r k l ä r u n g auslöst; dazu gehört die von uns sicher k a u m e r w a r t e t e Frage, w a r u m wir sterblich sind, schon zu den Äußerungen höherer geistiger Tätigkeit. Die Flora als nicht sinnfällig belebt und, wohl ebendeshalb, auffällige Bildungen der Erdoberfläche t r e t e n weniger in den Bannkreis der menschlichen Sinnessphäre. I n besagter Reihe w u r d e n daher die einzelnen ätiologischen Motive im folgenden Corpus a u f g e f ü h r t . Betr. der engeren Ano r d n u n g erschien die einfache alphabetische Aufzählung a m geeignetsten, nachd e m erst einmal die größere Gruppierung nach den natürlichen, ohne weiteres gegebenen Abteilungen (Säugetiere, Vögel usf.) vorgenommen w a r ; alles Nähere ersieht m a n ohne Schwierigkeit aus der S a m m l u n g selber, doch sei auf Folgendes a u f m e r k s a m gemacht. T e x t e zweifellos altweltlichen bzw. europäischen Ursprungs w u r d e n anstandslos m i t a u f g e n o m m e n , jedoch bei Beginn mit einem Sternchen versehen; dazu gehört z. B. die E r k l ä r u n g , w a r u m das Maultier u n f r u c h t b a r ist. Auf amerikanischem Boden aber n a c h der Gonquista e n t s t a n d e n ist der Schluß der Fabel, w a r u m das Fell des J a g u a r s ringförmige Kringel h a t , denn der Lasso, der hierbei eine Rolle spielt, ist j a aus Spanien eingeführt worden. I m übrigen ist der T e x t amerikanisch. Derartige Geschichtchen kursieren zwar wohl f a s t ausschließlich in der einheimischen Bevölkerung einer b e s t i m m t e n Gegend, doch h a t diese von den indianischen Vorgängern nicht n u r m e h r oder weniger Blut, sondern auch geistiges K u l t u r g u t a u f g e n o m m e n u n d dieses n a c h Verschwinden der indianischen Schöpfer am Leben erhalten u n d uns überliefert; gerade die argentinische Volksk u n d e bietet in ihren verschiedenen Zweigen mancherlei Belege d a f ü r . E s erschien daher r a t s a m , ü b e r h a u p t a l l e s einschlägige Material vor- u n d durch Markieren m i t einem Sternchen das ohne weiteres als altweltlich erkennbare festzulegen, b

L e h m a n n - N i t s c h e t> Südamerika!!. Mythologie

X

Vorbemerkungen

Zur Feststellung der Verteilung der einzelnen Komponenten (europäisch, amerikanisch, event. afrikanisch oder Mischformen), welche das Sagen- und Fabelgut einer bestimmten Gegend bilden, ist eben die Einsicht des gesamten Materials notwendig. Soweit Argentinien in Frage kommt, konnte ich die vielen handschriftlichen Aufzeichnungen ausziehen, welche von dem Nationalen Erziehungsrat zu Buenos Aires veranlaßt wurden und sobald nicht veröffentlicht werden dürften; manch einer wird für die hier gebrachten Regesten dankbar sein. Der Nachweis des Woher bei dem eingeschleppten Fabelgute war meistens nicht möglich; Dähnhardts „Natursagen" geben nicht immer Auskunft. Das liegt in erster Linie daran, daß die betr. Mittelmeerländer, wo ein bestimmter Text herstammt, also vor allem Spanien (für Brasilien Portugal), volkskundlich eben noch nicht genügend durchforscht sind. Manch einer wird sich wundern, daß ich den aus Surinam, Westindien usw. stammenden Fabeln der dort lebenden Neger 1 einen so großen Platz eingeräumt habe. Einerseits entsprach das der Anlage dieses Werkes, überhaupt alles südund mittelamerikanische Material vorzulegen; andererseits jedoch spielt gerade in den Fabeln der afrogenen Bevölkerung Guayanas die Spinne eine so ausschlaggebende Rolle, daß fast der gesamte, ätiologische Motive bietende Stoff unter dieser Rubrik in ununterbrochenem Zusammenhange steht und eine geschlossene Vorstellung von der grotesken Phantasie der „schwarzen" Seele bietet, welche von der amerikanisch-autochthonen so ganz grundverschieden ist. Nun noch etwas über ein hier fortgelassenes, die Phantasie anregendes Umweltmotiv. Der Kosmos und seine Einwirkungen auf die menschlichen Vorstellungszentren nehmen bekanntlich einen wichtigen Raum im Geistesleben gerade der Primitiven ein, und auch in dem hier gewählten riesigen Gebiete unserer Erde können wir die interessantesten Erklärungen z. B. der Eklipsen, des Mondumlaufs mit seiner Beziehung zum Lauf der Sonne, des Wärmeunterschiedes beider Großgestirne u. dgl. aufzeigen, jedoch erschien es ratsam, diesen Stoff abzusondern und mit den Ansichten der Indianer über die anderen astralen Körper und Vorgänge zusammenzubringen, so daß alles vielleicht einmal später im Rahmen einer besonderen Studie vorgelegt werden kann. Erörtern wir nun die vorher nur gestreifte Frage, welche Stellung die ätiologischen Motive innerhalb der süd- und mittelamerikanischen Mythologie einnehmen. Als ich mich an die recht mühsame und zeitraubende Kärrnertätigkeit heranmachte, schwebte mir, ich weiß nicht warum, der Gedanke vor, daß diese 1 Diesbezüglich äußern sich die beiden Penard (Surinam folk-tales . . . p. 240) folgendermaßen: „As may be expected, many of the stories may be traced to African sources, naturally influenced by the New-World surroundings. A number are of undoubted European origin, retold with characteristic alterations and additions. There are also some which seem to have no exact counterpart elsewhere."

Vorbemerkungen

XI

Motive gewissermaßen Leitfossilien darstellen könnten, um mythologische Zonen besser abzugrenzen und deren Ausläufer aufzuzeigen. Diese a priori gefaßte Ansicht hat sich nicht bestätigt. Gewiß, und das ist ganz natürlich, findet sich ein bestimmtes Motiv gelegentlich auch in der geographischen Nachbarschaft seines Habitat, das ist aber auch alles (man vgl. z. B. weiter unten die in das Gebiet der Tierfabel gehörige Erklärung dafür, warum der Hase lange Ohren hat, usw.). Was die Beziehungen der ätiologischen Motive zu den Mythen oder Erzählungen, in welchen sie sich finden anbelangt, so sind selbstverständlich die betr. Besonderheiten der Umwelt usw., das P r i m ä r e und haben erst V e r a n l a s s u n g zu einer Erklärung gegeben. Diese ist dann aber, wenigstens in der mittel- und südamerikanischen Mythologie, so geschickt ausgestaltet und vielfach in die kosmogonische Vorzeit verlegt, daß die, eine Deutung herausfordernden Elemente n u n mehr oder weniger in den Hintergrund treten und eine durchaus s e k u n d ä r e Rolle spielen, ja ganz fortfallen können. Falls vorhanden und vor allem, falls extra als solche hervorgehoben, bilden sie gewissermaßen die Rosinen im Kuchen oder die Gewürzkörner, welche ein Gericht durchsetzen; daß die Würze auf dieses abgestimmt sein muß, ist selbstverständlich. So paßt es z. B. vollkommen in den Gang der Handlung vom Fällen des Weltbaumes (wie die Gatios glauben), wenn das Eichhorn hinaufgeschickt wird, um die Lianen zu durchnagen, welche die Baumkrone festhalten, so daß der Baum nicht zur Erde stürzen konnte. Wenn dieser nun, als dies endlich geschieht, dem Eichhorn den Rücken krumm schlägt, so ist das nur ein schmückender Zusatz, der ruhig fortbleiben könnte, ohne die weiteren Folgen des Baumsturzes — das Hervorkommen großer Wasserfluten und die Veränderung der Erdoberfläche mit allem Zubehör — zu beeinflussen. Schaltete man jedoch diesen Zug aus, so ginge damit zweifellos eine dekorative Einzelheit verloren, welche ein Glanzlicht in dem wundersamen Phantasiebilde der primitiven Seele darstellt. Meine Ansichten hinsichtlich der Beziehung der ätiologischen Motive zu den Mythen, in welche sie eingesprengt sind, decken sich also fast vollkommen mit denen des Ethnologen Waterman, welcher hinsichtlich Nordamerikas zu folgenden Resultaten kam 1 : ,,We saw t h a t the interest of primitive man really centres in the things immediately around him in his environment. This is rendered fairly certain both by a consideration of what is explained and who are the actors and characters. Even where nature does enter into mythologies, the desire for e x p l a i n i n g does not seem to be the moving factor. The explanations, on the contrary, seem to be purely secondary to the story-plots. Explanatory tales do exist, and some tales may be based on the desire to explain. Such tales, however, do not by any means 1 Waterman, The explanatory element in folk-tales of the North-American Indians. The Journal of American Folk-Lore, XXVII, p. 40—41, Lancaster & New York 1914.

XII

Vorbemerkungen

constitute the bulk o! traditional literature to-day. In attempting, moreover, to decide which part of mythology, the explanatory or the non-explanatory, is the older and 'original' part, we must be governed by the consideration that many explanatory tales are not so by nature, but through accident and re-interpretation . . . In other words, as far as the present form of our mythical tales in North America is concerned, the story is the original thing, the explanation an after-thought".

Homo Im allgemeinen Menschen, After, Entstehung; Iiaraiben (Stamm Taulipáng), Brasilien (Roroimagebiet): s. Tiere, After vorhanden 1 . —, —; Maya, Guatemala (Dorf Gomalapa): Ein Mann, der sich vor einem Tiere, dessen zwei Junge er getötet hatte, auf einen Baum rettete, sichtete von dort ein Maisfeld. Er stieg hinunter und pflückte einen Kolben; da schrie das Maisfeld, der Besitzer kam und der Mann wurde zur Bestrafung in das Dorf geschleppt. Hier aß er die lange aufgehäuften Maisfladen auf; das konnten nämlich die Leute dort nicht, weil sie keinen After zur Entleerung hatten. Sie baten ihn nun, jedem von ihnen einen solchen herzustellen; er wollte das aber nur gegen geldliche Entschädigung tun und wenn man ihm gestattete, die geeignete Medizin aus seinem Dorfe zu holen. Er öffnete nun (erst dem König vom Dorf der Lakandonen und dann den Übrigen ein wenig den Hintern und fuhr dann auf einer Kalebasse in sein Dorf zurück. — Schoembs, Material . . . p. 223-224, No. XV. —, altern und werden häßlich; Karaiben (Stamm Arekuná), Venezolanisch Guayana: Da der junge und hübsche Akalapiiéima sich mit den Töchtern des Aasgeiers eingelassen hatte statt eine der Sonnentöchter zu heiraten, verließen ihn diese und er blieb unter den Aasgeiern alt und häßlich zurück. — KochGrünberg, Vom Roroima . . . II, p. 53. —, arm bzw. reich; Tepecanos, México (Azqueltán, Staat Jalisco): Der in der Arche vor der großen Flut gerettete Mann heiratete ein Mädchen, das er als 1

Das uns so befremdende Motiv, wonach früher Menschen und Tiere keinen After hatten, findet sich auch sonst in der mittel- und südamerikanischen Mythologie. Von den mythologischen Figuren der Uitoto in Columbien wird das Fehlen und die Herstellung eines Anus genau geschildert (Preuß, Religion . . . p. 95f., 599—602, dazu die lunare Erklärung p. 119). Nach den Catio Columbiens hatten die Leute des Jenseits, wohin der Weltbaum (mit dem Heros im Gipfel) stürzte, keinen After und ernährten sich nur von dem Dunste der gekochten Chontaduros (Nociones . . . p. 101). Die Cakchiquel von San Juan Sacatepequez in Guatemala fabeln von den sagenhaften Ch'oli; das „sind Menschenfresser, sie töten ihre Kinder und braten sie im Frijol. Sie kommen in hohlen Bäumen zur Welt, ihre Hautfarbe ist die der Indianer und es gibt bei ihnen ein männliches und weibliches Geschlecht. Statt der Hunde halten sie die Chompipes (zahme Truthühner). Ihre hervorstechendste Eigenschaft aber ist der Mangel eines Afters, sie werden demgemäß nicht als rechte Menschen betrachtet" (Stoll, Guatemala, Reisen und Schilderungen aus den Jahren 1878—1883, p. 212, Leipzig 1886). Verwandt mit der Vorstellung von dem ursprünglich fehlenden After ist die vom ursprünglichen Fehlen der Geschlechtsteile. Das erzählten die Taino auf Haiti, vgl. u. a. Frauen, Geschlechtsteil vorhanden. 1

Lehmann-Nitschet»

Südamerika!!. Mythologie

2

Homo

Hündchen in seinem Hause traf und dessen Fell er verbrannte. Die beiden hatten vierundzwanzig Kinder. Die ersten zwölf brachte der Vater zu Gott, damit er ihnen Kleider gäbe, die übrigen zwölf mußten zu Hause bleiben. Von der ersten Gruppe stammen die reichen Leute, von der zweiten die armen; diese mußten arbeiten, um sich Kleidung zu verschaffen. — Mason, Folk-tales . . . p. 164. —, Finger und Zehen mit Gelenken versehen; Kariri, Brasilien (nördlich vom Rio Säo Francisco, Pernambuco): Als nach der Fällung des Weltbaumes (s. Kröte, R ü c k e n h a u t . . .) die auf ihm vorher in den Himmel gekletterten Menschen nicht wieder auf die Erde zurück konnten, ließen sie sich an einem Seile herunter; doch das war zu kurz, sie stürzten ab und zerbrachen sich die Knochen. Seitdem haben wir die Finger und Zehen „rompus en tant d'endroits", und „plionsle corps". — Martin de Nantes, Histoire . . . p. 174; auch abgedruckt von Wassén, Cuentos . . . p. 126. —, Fingernägel kurz; Toba, östlicher Chaco: Als die Menschen die in die Erdtiefe gestürzte Frau ausgruben, verbrauchten sich ihre Nägel, die früher ganz lang gewesen waren; so ist wenigstens aus dem Texte zu erschließen. — Lehmann-Nitsche, Mitología . . . VI, p. 284. —, nicht gefressen von der Schlange Boa; Mosetene, Bolivien: s. Schlange Boa, frißt keine Menschen. —, fürchten sich vor dem Regen; Karaiben (Stamm Taulipáng), Brasilien (Roroimagebiet): s. Jaguar, nicht gefürchtet von den Menschen. —, fürchten sich nicht vor dem Jaguar; Karaiben (Stamm Taulipáng), Brasilien (Roroimagebiet): s. Jaguar, nicht gefürchtet von den Menschen. —, Haare rot (bei einigen); Gaxinauá, Brasilien (Rio IbuaQü): Der Tuxáua (Stammvater) der Blitzleute hatte einen kahlen, roten Kopf; daher sind seine Kinder rothaarig. (Offenbar handelt es sich hier um Fälle von Albinismus, bei welchen das Haar, da so wie so äußerst pigmentreich — Indianer! — nicht farblos, d. h. weiß, sondern schmutzig gelb ist). — Abreu, A lingua . . . No. 4917—19. —, Haut braun (bei den Indianern); Caxinauá, Brasilien (Rio Ibuacjú): Seitdem die Frauen menstruiert haben, was früher nicht der Fall war (s. Frauen, Menstruation), coaguliert sich nach den Menses das Blut und die Kinder sind infolgedessen braun (also werden die Kinder als coaguliertes Menstruationsblut aufgefaßt). Bei der weißen Rasse coaguliert das Semen virile zu Kindern. — Abreu, A lingua . . . No. 5400—01, 5181. —, —; Emerillon, Französisch-Guayana (Arana, Zufluß des Oberen Masoni): s. w. u. Neger, Haut schwarz. —,—; Jívaro (Stamm Muratos), Perú: s. w. u. Neger, Haut schwarz. —, •—; Ona, Feuerland; erste Erklärung: Der Heros Kenós hatte aus zwei moorigen, dunklen Erdklumpen mit Wurzelgeflecht usw. ein genitale masculinum und ein genitale femininum gemacht und diese zeugten jede Nacht einen der

Im allgemeinen

3

Ahnen, welche daher dunkel sind. Später formte Kenös irgendwo im Norden aus weißer, am Strande gefundener Erde zwei Gegenstände der gleichen Art und diese zeugten die weißen Menschen. — Gusinde, Die Feuerland-Indianer . . . I p. 574—575. —, —; — zweite Erklärung: Ursprünglich waren die Indianer weiß, da sie aber sehr böse wurden, sandten Sonne und Mond, ihre Wohltäter, den Riesen Czeskel oder Khaskel, der die Kinder in einen großen Sack steckte und wegschleppte, damit sie nicht wie die Alten würden, sie aber später aus Hunger verzehrte. Sonne und Mond schickten nun den Kuanip, der — um zunächst einmal die Schuld des Riesen zu sühnen — aus Stücken schwarzer (wohl dunkler!) Erde Knaben herstellte und dann aus roter (die nicht so häufig vorkommt) Mädchen. Dann kämpfte Kuanip mit dem Riesen, welcher floh. Wenn er nun dabei einen Fluß überschreiten wollte, verbreiterte diesen Kuanip, um den Riesen zu ertränken (Motiv: „magische Verfolgung"). Dieser entwischte aber bei seiner Größe jedesmal, bis er einmal doch hinfiel und von Kuanip mit einem Berge zugedeckt wurde. Kuanip selber ging darauf in den Himmel, wo er den Planeten Mars darstellt. — Lahille, Matériaux . . . p. 86—87. Der hier interessierende Zug ist offenbar so aufzufassen, daß die ursprünglich weißen Menschen nach und nach starben und durch farbige ersetzt wurden. —, •—; Payaguâ, Paraguay: Der Stammvater der Payaguâ ist der Fisch Pacü, der der Spanier der Fisch Dorado und der der Guarani die Kröte. Daher sind die Payaguâ braun, die Spanier heller und schöner und die Guarani lächerlich und verachtet wie die Kröten. — Azara, Voyage . . . II p. 139. —, —; Uitoto, Columbien: „Wir essen Juka, Canagucke und die Früchte der Milpesosbäume. Daher sind wir dunkel." — Preuß, Religion . . . p. 624. —, häuten sich nicht; Aruak, Britisch Guayana: s. Menschen, sterblich; Aruak. —, —; Caxinauâ, Brasilien (Rio Ibuaçû): s. Menschen sterblich; Caxinauâ. —, —; Sipâia, Brasilien (Rio Curuâ): s. Menschen, sterblich; Sipâia, zweiter Mythus. —, •—; Tamanako, Guayana: s. Menschen, sterblich; Tamanako. — , — ; Tupi, Brasilien (Rio Solimöes): s. Menschen, sterblich; Tupi. —, Körper biegsam; Kariri, Brasilien (nördlich vom Rio Sâo Francisco, Pernambuco): s. Menschen, Finger und Zehen mit Gelenken versehen. —, Körpergröße klein; Azteken (Mexiko): Tezcatlipuca und Ehecatl beschlossen, einen Menschen als Besitzer der Erde zu schaffen. Der zweitgenannte stieg also in die Unterwelt und bat Mictlantecùtli um Totenasche, um hieraus einen neuen Menschen herzustellen. Der Unterweltgott gab ihm auch einen Knochen „de largeur de une aulne", bereute aber dann seine Freigebigkeit und wollte ihn wieder haben. Doch Ehecatl floh; hierbei entfiel ihm der Knochen und zerbrach, weshalb der später daraus geschaffene Mensch kleiner wurde, car, ils disent que les hommes du premier monde estoynt fort grands comme géans". — Histoyre . . . p. 26—27. î*

4

Homo

—, Körpergröße verschieden; Azteken (Mexikaner): Die Götter beschlossen Menschen zu schaffen, um eine Bedienung zu haben, und Xolotl stieg in die Unterwelt; hier nahm er von Mictlan Tecutli Asche und den Knochen eines Toten in Empfang und floh damit, der Übergeber aber hinter ihm her. Xolotl stürzte und der klafterlange Knochen zerbrach in mehrere, verschieden lange Stücke ,,por lo cual dicen, los hombres ser menores unos que otros". Xolotl sammelte die Stücke auf und daraus schufen dann die Götter das erste Menschenpaar. — Mendieta, Historia . . . p. 78. Vgl. dazu Krickeberg, Märchen n. p. 10—12, 316. Unsere Deutung, daß der betr. Passus des Mendieta sich auf die Verschiedenheit der menschlichen Körpergröße bezieht, teilt auch Orozco y Berra, Historia . . . I, p. 27. Seier, Gesammelte Abhandlungen . . . IV, p. 55 schreibt: „Dieser Unfall muß für die Verschiedenheiten und Unvollkommenheiten der Menschen eine Erklärung geben", und meint V, p. 185, es handele sich um mehrere u. z. Männer- wie Weiberknochen. Ich kann weder in der „Histoyre" noch bei Mendieta diese Fassungen herauslesen. —, Krankheiten : Geschwüre; Karaiben (Stamm Taulipäng), Brasilien (Roroimagebiet): Etetö machte einen Angelhaken und gebot ihm, in die Hand seines Schwagers einzudringen, wenn dieser ihn erproben wollte. Der Schwager fragte auch, ob die Angel gut sei und probierte sie an seiner Handfläche. „Da drang die Angel ein. Der Schwager schrie laut. Die Angel zog ihn in die Höhe über die Tür des Hauses und fraß ihn auf". Sie drang durch die verschiedenen Teile des Körpers und machte ihn voll Wunden. Der Schwager verfaulte und starb. Die Angel verwandelte sich in ein Geschwür". — Koch-Grünberg, Vom Roroima . . . II p. 96, cf. p. 27. —, — Husten; Cucules, Guatemala: Der Sonnengott Xbalamke stellt der Tochter des Tzultacä nach und es gelingt ihm, in Gestalt des Kolibri sich ihr zu nähern und mit ihr zu entfliehen. Vorher aber schüttelte er in das Blasrohr des Vaters Chilestaub (Paprika). Wie der es ansetzte, sog er den Chilestaub ein, worauf er furchtbar husten mußte: ochö, ochö, ochö, und daraus entstand der Husten. — Dieseldorff, Kunst und Religion . . . p. 5. — Die gleiche Erzählung bei den Kekchi von Britisch Honduras; der Gott heißt hier Kin, das Mädchen X't'actani, der Vater T'actani; das ätiologische Motiv ist nicht angegeben. Thompson, Ethnology . . . p. 127—128. —, —; Kekchi, Guatemala: Der Sonnenmann stellt der Tochter eines Kaziken nach und entführt sie. Der Vater läßt sich nun ein besonderes Blasrohr herstellen, um auf den Sonnenmann zu schießen, aber wie er sich dazu anschickt und die Brust aufbläht, schüttelt dieser in das Blasrohr roten Pfeffer, der vom Schützen in die Kehle eingezogen wird und einen furchtbaren Husten verursacht. Auf diese Weise kam der Husten in die Welt. (Die Fortsetzung kommt hier nicht in Betracht). — G[ordon], Guatemala myths . . . p. 116—117. — (eine Anzahl), bresthaft; Apinage, Brasilien (Oberer Tocantins): Mebapame, der Sonnenmann, und Brubure, der Mondmann, schufen aus selbstge-

Im allgemeinen

5

züchteten Wassermelonen (Goroni) dadurch Menschen, daß sie die Früchte in den Fluß taten. Die von Mebapame hergestellten Menschen gerieten alle gut, die Geschöpfe des Bruhuré aber waren mit allerlei Gebresten behaftete, verkrüppelte und blinde Neger. Beide Gruppen vermischten sich nicht, hatten auch verschiedene Sprachen. Dann kam die große Flut durch Ansteigen des Tocantins. Die Kinder des Mebapame retteten sich z. T. auf einem Floß und blieben später an Ort und Stelle; andere kletterten auf die Bäume und wurden später in Bienen, Baumameisen u. dgl. verwandelt; die letzte Gruppe schließlich vereint mit den Kindern des Bruburé wurde flußabwärts getrieben, aber gerettet. Daher gibt es sowohl bresthafte Leute wie Apinagé in verschiedenen Gegenden. — Oliveira, Uma lenda t a p u y a . . . —, Krankheiten der Kinder: Karaiben, Britisch G u a y a n a ; erste Fassung: Ein Waldgeist Y u r o k o n 1 verkehrte freundschaftlich mit den Menschen, bis einmal bei einem seiner Besuche eine Indianerin sein Kindchen ohne jede Veranlassung in einem kochenden Kaschiritopfe tötete. Yurokon sandte daraufhin Kindersterblichkeit, Entbindungsschwierigkeit für die Frauen, und Plackerei beim Fischen (durch Vergiften des Wassers) für die Männer. — Roth, An inquiry . . . p. 179. —, —; — zweite Fassung: Die Frau eines Waldgeistes sammelte herabgefallene Früchte unter einem Heuschreckenbaum, auf dem ein Indianer auf dem Anstand saß. Aus Bosheit schoß dieser auf das Kindchen der Frau, so daß es schrie. Die Mutter konnte keinen Grund dafür erkennen, erst der Zauberarzt, der den Pfeil herauszog. Die Mutter erklärte daraufhin, daß ihr Mann von nun an auf die Indianerkinder schießen und daß sie weinen würden, ohne daß jemand die Ursache erkenne. — Roth, An inquiry . . . p. 181. —, Leben schwer; Jívaro, Ecuador: Ungucha, die Indianerin, bittet die Urmutter Nungüi um Maniok usw. und bekommt deren Tochter zur Verfügung. Wenn diese die von Ungucha gesagten Worte wiederholte, waren die betr. pflanzlichen oder tierischen Nahrungsmittel usw. zur Stelle, die Tiere allerdings ohne Kopf. Als sich Ungucha auf komplette Exemplare kaprizierte und das Mädchen ihr das Gewünschte nicht verschaffen konnte, rieb sie ihr die Augen mit Asche, worauf die Gequälte als dichter Rauch in der Erde verschwand; hier weilt sie seitdem in Gesellschaft ihrer Mutter. Seit dieser Zeit haben die Jívaro zwar a l l 1 Der Name ,, Yurokon" ist gleich dem des mittelamerikanischen Quiché-Gottes „Hunrakan" = „Einbein", welcher auf das als ein solcher aufgefaßte Ursa majorSternbild zurückgeht; in der deutschen Sprache erscheint das Wort als „Orkan", vgl. meine Studie: Mitología sudamericana IX. La constelación de la Osa mayor y su concepto como huracán o dios de la tormenta en la esfera del Mar Caribe. Revista del Museo de La Plata, X X V I I I , p. 103—145, Buenos Aires 1924 (1925). Eine kurze deutsche Übersicht („Das Sternbild des Orkans") gab ich in: Atti del X X I I Congresso internazionale degli Americanisti, Roma 1926, II, p. 201—206, Roma 1928, und in: Forschungen und Fortschritte, VII, p. 51—52, Berlin 1931.

6

Homo

diese Pflanzen und Tiere, aber ihr Anbau [bzw. die Jagd] ist sehr mühsam. — Karsten, Mitos . . . p. 330—332; The head-hunters . . . p. 513—515. — , — ; Karaiben (Stamm Taulipäng), Brasilien (Roroimagebiet): Mai'uäg und Korötoikö waren mit zwei Schwestern verheiratet; Korötoikö war faul und schlief in der Pflanzung, Mai'uäg arbeitete, allerdings von wundertätigen Werkzeugen unterstützt: Sein Waldmesser schlug er in einen Strauch und dieses arbeitete allein weiter, hieb viel Unterholz nieder und kehrte dann zu seinem Herrn zurück; seine Axt schlug er in einen Baum, sie arbeitete allein weiter und kehrte dann von selbst zurück; das Grabscheit stieß er in die Erde, es arbeitete allein weiter und kehrte um Mittag zurück. Als Mai'uägs Schwiegermutter und Frau einmal die Pflanzung besichtigten, erstaunten sie über den prächtigen Zustand; erstere rief vor Staunen: e . . . ! e . . . ! e . . . ! und wurde zur Taube (yuruti in der Lingoa geral), die nun immer so ruft; die Tochter rief: ämai . . . ämai ( = Mutter, Mutter), aber diese hörte nicht mehr und die Tochter verwandelte sich dann in eine andere Taubenart (die kleine braune) [die nun diesen Ruf wiederholt]. Korötoikö, zu faul, einen erlegten Hirsch auf die andere Seite des Flusses zu bringen, rief dazu seine Schwäger, die aber nicht antworteten und verwandelte sich in die träge Eule. Die beiden Schwäger machten sich nämlich inzwischen mit Mai'uägs Wundergeräten zu schaffen, kannten aber nicht die Zauberworte, und die Geräte entschlüpften: Das Waldmesser wurde zum Käfer Prionus cervicornis, „der mit seinen sägeartigen Mandibeln einen Zweig bis zur Stärke eines Handgelenkes packt und dann mit der Schnelligkeit einer Windmühle im Kreise um ihn herumfliegt, bis er den Zweig in kurzer Zeit durchgesägt hat". Die Axt verwandelte sich in den Specht, das Grabscheit in den Ameisenlöwen (brasilianisch paquinha), der im Fußboden der Häuser und in den Sandbänken trichterförmige Löcher aufwirft. Die Schwäger, aufgebracht wegen des Verlustes ihrer Mutter und dem Mai'uäg die Schuld daran gebend, verfolgten ihn, der aber ließ sie durch eine kleine Palme umschließen (magische Flucht), und als sie einen Baum erstiegen um über die Stacheln hinwegzukommen, wurden sie in die Affen Iwälekä (Cebus fatuellus) verwandelt. Dann verfolgten sie den Mai'uäg wieder weiter, der sich in einen Fluß stürzte und zur Ente wurde [die Ente ist hurtig], „Wenn sich Korötoikö nicht mit Mai'uäg gestritten hätte, und wenn die Schwäger nicht so schlecht gewesen wären, so wären die Axt, das Waldmesser und das Grabscheit für uns geblieben bis auf den heutigen Tag, und wir brauchten nicht so viel zu arbeiten!" — Koch-Grünberg, Vom Roroima . . . II p. 124—128. — Man vgl. dazu unsere Ausführungen in der Vorrede. —, schlafen; Karaiben (Stamm Arekunä), Venezolanisch Guayana: E'morön — pödole ist Herr des Schlafes, den die Menschen aber erst erhielten, nachdem der Zauberarzt drei früher in dessen Besitz befindliche Eier gegessen hatte. —• Koch-Grünberg, Vom Roroima . . . I I p . 62. —, schlafen nachts; Caxinauä, Brasilien (Rio IbuaQÜ): Früher gab es keine Dunkelheit und man schlief am hellen Tag, bis Manä die Mücken, Mosquitos,

Im allgemeinen

7

Wespen und in einer kleinen Flasche die Nacht den Menschen brachte, welche er von anderen Tieren erhalten hatte (die Nacht von der Spinne). — Abreu, A lingua . . . No/5451—59. —, —; — Arua, Brasilien, Matto Grosso. Parikut und Parikap holten vom Besitzer der Nacht ein Stückchen Dunkelheit, weil das anfangs auf der Erde herrschende Tageslicht ihren Schlaf störte. Als es noch nicht genügte, erbaten sie sich ein weiteres. —• Snethlage. Atiko-y, S. 129. —, nicht schußfest; Sipaia, Brasilien (Rio Curuä): Akäkänf hatte die Menschen durch Versetzen des Herzens an die jetzige Stelle etwas widerstandsfähig gegen den Tod gemacht, wollte sie nun auch noch schußfest machen und befahl ihnen, sich am Tage vor der betr. zauberischen Veranstaltung des Geschlechtsverkehrs zu enthalten, was jedoch einer nicht befolgte. Bei der Schußprobe wurde dieser Mann infolgedessen durchbohrt, dadurch aber der Zauber auch bei den übrigen, welche bereits die Probe überstanden hatten, unwirksam, und deshalb sind die Menschen heute nicht schußfest. — Nimuendajü, Bruchstücke . . . p. 385—386. —, —; Maya (Kekchi), Britisch Honduras: In der Urzeit wurde Kin zum Sonnengestirn, sein älterer Bruder zum Morgen-, sein jüngerer zum Abendstern; X't'actani, seine Frau, zum Mond. Sie leuchtete damals eben so hell wie ihr Mann und beobachtete nun, daß die Menschen nachts nicht schlafen konnten und unzufrieden waren. Kin nahm ihr daher ein Auge fort,; seitdem ist ihr Licht milde und die Leute können schlafen. — Thompson, Ethnology . . . p. 132. —, Schwanz fehlt; Uitoto, Kolumbien: s. Kröte, Schwanz fehlt. —, Sprachen verschieden; §ipäia, Brasilien (Rio Curuä): Als alle Menschen noch die gleiche Sprache redeten, benachrichtigte der Piawä die Leute, sie sollten wach bleiben und einen Dämon erwarten, der Nachts kommen würde. Das taten aber nur die Christen; diese begrüßten den Dämon, die Indianer aber schliefen und verstanden am Morgen dann nicht mehr die Sprache der anderen. — Nimuendajü, Bruchstücke . . . p. 386. —, sterblich: Aruak, Britisch Guayana: „Nach ihnen sind Mann und Frau von zwei verschiedenen höheren Wesen erschaffen worden. Den Schöpfer des Mannes nennen sie Kururumany, den der Weiber Kulimina . . . Als Kururumany einst auf die Erde kam, um zu sehen, was die Menschen machten, waren diese so böse geworden, daß sie ihn umbringen wollten, weswegen er ihnen das fortdauernde Leben nahm und es den Tieren, die sich häuten, z. B. den Schlangen, Eidechsen und auch den Blatten (Schaben) verlieh." (Danach häuteten sich also früher die Menschen und den genannten Tieren wurde erst durch die Gabe des Häutens die angebliche Unsterblichkeit verliehen.) — Schomburgk, Reisen . . . II p. 319. —, —; Catio, Columbien (Urabä): Caragabi, Gott der Oberwelt (entstanden aus dem Speichel des nicht mehr erwähnten Tatzitzetze) wurde von Tutruicä, dem Gotte der Armucurä genannten Unterwelt, verachtet, da letztere ja „ewig"

8

Homo

und Caragabí aus jemand anderem hervorgegangen wäre. Darüber w ü t e n d fing Caragabi den Tutruicá mit dem Lasso und wollte ihn erwürgen („empezó a correr el lazo"), u m Herr beider Welten zu werden, aber Tutruicá leistete so kräftig Widerstand, daß die Lage beider gleich blieb. Hätte damals Tutruicá gesiegt, wären die Menschen unsterblich. Nach dieser Lassoprobe blieben die beiden Götter zunächst von ihrer Gleichwertigkeit überzeugt. Dann aber veranstalteten sie in einem Ofen die Feuerprobe. Sechs Tage lang wurde Holz gehackt und am siebenten in den Ofen gepackt und angezündet; Caragabi ging hinein, kam aber bei Sonnenuntergang unversehrt, schön und gut gekleidet wieder heraus. Aber auch Tutruicá bestand die gleiche Probe ebenso. Nun vereinbarten die beiden eine Wasserprobe: Caragabi fuhr aufs Meer, u m neben einem Felsen zu fischen. Diesen erschütterte Tutruicá mit einer aus einer Palme hergestellten Stange (palanca de una palma que llaman betrú). Caragabís Kanu geriet in die Tiefe, er aber verwandelte sich in eine Schlange, dann in einen Wurm, in eine Ameise usw. und schließlich in Wasser (!) und bestand siegreich die schwere Probe. Sonst wäre es mit der Welt zu Ende gewesen. Dann bestand auch Tutruicá die (nicht weiter geschilderte) Kanuprobe. So blieben nun beide Götter gleichwertig. Hätte Tutruicá gesiegt, wären wir unsterblich, alterten nie und erkrankten nie; so leben nämlich die Leute des Tutruicá. Dieser gießt ihnen, wenn sie alt werden, blaues Wasser über den Kopf und sie werden wieder jung. — Severino de Santa Teresa, Creencias . . . p. 2—4. Schilling, der die Lage kurz exerpiert, bemerkt dazu (Religion . . . p. 281), daß das Karibische M