Strafrechtlicher Bildnisschutz in Modernen Darstellungsszenarien (German Edition) 3161622944, 9783161622946


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Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft
A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet
I. Personenbilder bilden Meinungsbilder – Kommunikation durch Bilder
II. Personenbilder bilden Persönlichkeitsbilder – Selbstdarstellung
III. Ausblick – Fortwährender Trend zu bildhaften Kommunikationsformen
B. Moderne Darstellungstechniken
I. Die Digitalfotografie als Wegbereiter moderner Darstellungstechnik
II. Dreidimensionale Rekonstruktionsmethoden
1. Scanning
2. Photogrammetrie
III. Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen als Ausgangspunkt für weitere neue bildhafte Darstellungsformen
IV. Ausblick – Augmented Reality und imaginärer Fotorealismus
C. Problemaufriss und weiterer Gang der Darstellung
I. Renaissance des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild
II. Zielsetzung und weitere Vorgehensweise
Kapitel 1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild im Zeitalter moderner Darstellungsszenarien
A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern
I. Die Unmittelbarkeit menschlicher Bildrezeption
1. Relationsspektrum, Informationsgehalt und Informationsdichte von Bildern
2. Hohe Geschwindigkeit der Rezeption
3. Wirklichkeitssuggestion isomorph-realistischer Darstellungen
4. Hohes Emotionalisierungspotential
5. Bildüberlegenheitseffekt
6. Hohe Aufmerksamkeitsrate
7. Multimediale Kombinationsaffinität bildlicher Darstellungen
II. Charakteristika des konkreten Bildobjekts Mensch
1. Nonverbale Kommunikationsdimensionen von Personenbildern
a) Rezipient: Generalisierende Urteile über das Wesen der dargestellten Person
b) Dargestellter: Selbstdarstellung als conditio humana
c) Verifikation
2. Schlussfolgerungen für das Veröffentlichen von Personenaufnahmen gegen den Willen des Abgebildeten
III. Zwischenergebnis für die Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern
B. Die Entwicklung des Rechts am eigenen Bild
I. Das Verbreiten von Personendarstellungen im frühen Altertum
1. Frühes Bestehen von Sensibilität für das Zeigen von Personenabbildungen
2. Schlussfolgerungen zur Verbreitung von Personenaufnahmen im frühen Altertum
II. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der Antike
1. Das Aufkommen von Herrscherbildnissen in Form von Idealen
2. Schutz individueller Personendarstellungen im antiken Theater
3. Das Aufkommen römischer Portraitskulpturen
4. Das Ius Imaginum
5. Schlussfolgerungen für das Verbreiten von Personendarstellungen in der Antike
III. Das Verbreiten von Personendarstellungen im Mittelalter
1. Christliche Bildzensur und „Erster Bilderstreit“
2. Verbreitung von Wallfahrtsbildern
3. Das Wappen und das Wappenrecht
4. Das Siegel und das Siegelrecht
5. Entstehung des Bildnisses im kunsthistorischen Kontext
6. Executio in effigie und Schandgemälde
7. Erfindung neuer Bildmedien
8. Schlussfolgerung zum Verbreiten von Personendarstellungen im Mittelalter
IV. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der Neuzeit
1. Reformatorischer Bildersturm ab Mitte des 16. Jahrhunderts
2. Folgen des Bildersturms für die Bildwahrnehmung nach der Renaissance
3. Erfindung der analogen Fotografie 1816
a) Frühe Entwicklungen in Deutschland
b) Entwicklung der Portraitfotografie in Deutschland
c) Massen- und Amateurfotografie in Deutschland
d) Fotomechanische Druckverfahren
4. Erste Normierungsbemühungen zum Schutz des Abgebildeten in Deutschland
a) Gesetzesentwurf des Börsenvereins deutscher Buchhändler 1857
b) Petitionen der Berufsfotografen zum Schutz vor Nachbildung in den 1860er Jahren
c) Das bayrische Urhebergesetz vom 28. Juni 1865 – G 1865
d) Erste Erwägungen zur schutzwürdigen Position des Abgebildeten – NBE I (1868)
e) Urheberrechtsgesetze v. 9. und 10. Januar 1876
5. Frühe Triebe des Eigenbildschutzes in der Rechtswissenschaft
6. Resultierende Problemfälle der Rechtsprechung um die Jahrhundertwende
a) Dame im Badekostüm – RG vom 29. November 1898
b) Bismarck auf dem Totenbett – RGZ 45, 170 vom 28. Dezember 1899
c) Damenportrait – RGSt 33, 295 vom 26. Mai 1900
d) Privatdetektiv – OLG Hamburg vom 20. November 1900
e) Haarfärbemittel Unter den Linden – LG Berlin vom 21. Februar 1902
f) Reklameplakat für Hoffriseur – Kammergericht vom 27. Mai 1902
7. Wissenschaftlicher Diskurs um die Jahrhundertwende zum Recht am eigenen Bild
a) Keyßner – Das Recht am eigenen Bilde 1896
b) Gareis – Gutachten zum 26. Deutschen Juristentag 1902
c) Cohn – Neue Rechtsgüter 1902
d) Kohler – Das Eigenbild im Recht 1903
e) Rietschel – Das Recht am eigenen Bilde 1903
8. Schlussfolgerungen für das Verbreiten von Personenaufnahmen in der Neuzeit
V. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der neuesten Geschichte bis zur Genese des Rechts am eigenen Bild
1. Entwurf und Begründung zu einem Gesetz betreffend an Werken der Fotografie 1902
2. Zusammenführung von Kunst- und Photographieschutzgesetz in einem Entwurf 1904
3. Der Folgeentwurf von 1905 und dessen Begründung
4. Erste Beratung des Gesetzesentwurfs am 25. Januar 1906
5. Beratungen der X. Kommission
6. Zweite und dritte Beratung des resultierenden Gesetzentwurfs 1906
7. Schlussfolgerungen aus der Schaffensphase bis zur Genese des Rechts am eigenen Bild
C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild
I. Die Repräsentation der abgebildeten Person
1 „Anwesenheitsmachung“ einer abwesenden Person beim Rezipienten
2. Kongruenz der visuellen Wahrnehmung von Personenbild und abgebildeter Person
3. Fortbestand der Zuschreibung der Informationsentäußerung
4. Verhältnis von Ehrschutz- und Persönlichkeitsschutz bei der Repräsentation
5. Erkennungsmerkmale einer Repräsentation
6. Die Repräsentation der Angehörigen
II. Fazit
1. Das Ob der Präsentation
2. Das Wann, Wo und Wie der Präsentation
3. Grenzen
Kapitel 2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung
A. Vorzeichnung des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
I. Ausgangspunkt: Das Recht am eigenen Bild als besonderes Persönlichkeitsrecht
II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „Mantelrecht“ des Rechts am eigenen Bild
1. „Spätheimkehrer“ – BGH v. 10.05.1957
2. „Vor unserer eigenen Tür“ – BGH v. 16.09.1966
B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz
I. Die verfassungsgerichtliche Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
1. Schutz eines absolut geschützten Persönlichkeitskerns seit der „Elfes“-Entscheidung
2. Abschichtung geschützter Persönlichkeitsbereiche seit der „Mikrozensus“-Entscheidung
3. Ausdrückliche Anerkennung mit der „Soraya“-Entscheidung
II. Verfassungsrechtlicher Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Einbettung des Rechts am eigenen Bild
1. Verschiedene Gewährleistungsdimensionen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
2. Ausgangspunkt der zwei Dimensionen des Persönlichkeitsschutzes
3. Möglichkeiten zur Sicherung einer Garantie individueller Identitätsbildung
a) Garantie von Raum zur Persönlichkeitsentfaltung
aa) Die Garantie räumlicher Rückzugsorte ohne räumlichen Sozialbezug
bb) Systematisierung der Rückzugsräume in Sphären der Privatheit
cc) Thematische Durchbrechungen des streng-örtlichen Sphärenkonzepts
(1) Erweiterungen des räumlichen Sozialbezugs in den §§ 22, 23 KUG
(a) Die Zeitgeschichtlichkeit einer Bildnisveröffentlichung als primäre Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in § 23 I Nr. 1 KUG
(b) Bilder einer Landschaft oder Örtlichkeit mit Personen als Ausprägung des räumlichen Sphärenkonzepts in § 23 I Nr. 2 KUG
(c) Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen als gewandelte thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in § 23 I Nr. 3 KUG
(d) Höheres Interesse der Kunst als thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in § 23 I Nr. 4 KUG
(e) Die berechtigten Interessen des Abgebildeten in 23 II KUG als thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts
(2) Zwischenergebnis zu den §§ 22, 23 KUG als thematische Durchbrechungen des räumlichen Sphärenkonzepts
b) Die Garantie einer Selbstbestimmung zur Persönlichkeitsentfaltung
aa) Garantie der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit
(1) BVerfGE 34, 238 – „Tonband“ vom 31. Januar 1973
(2) BVerfGE 35, 202 – „Lebach“ vom 5. Juni 1973
(3) BVerfGE 101, 361 – „Caroline von Monaco II“ vom 15. Dezember 1999
bb) Garantie der informationellen Selbstbestimmung
(1) Schnittmengen des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild in den §§ 22, 23 KUG mit der informationellen Selbstbestimmung
(a) Die Erkennbarkeit im Bildnisbegriff der §§ 22 ff. KUG als Hürde des einfachgesetzlichen Bildnisrechts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung
(b) Die Veröffentlichungshandlungen in § 22 ff. KUG als Hürde des einfachgesetzlichen Bildnisrechts zur informationellen Selbstbestimmung
(2) Neujustierung der informationellen Selbstbestimmung – „Recht auf Vergessen I“
III. Zwischenergebnis zur Rolle des Rechts am eigenen Bild für die verfassungsrechtlich garantierte Persönlichkeitsentfaltung
IV. Das „postmortale Recht am eigenen Bild“ als besondere Konstellation
C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild
I. § 33 KUG in der Fassung vom 01. Januar 1975
II. § 201a StGB in der Fassung vom 22.09.2021
1. Die erste Fassung des § 201a StGB vom 06.08.2004
2. Erste Novelle und zweite Fassung des § 201a StGB vom 27.01.2015
3. Zweite Novelle und dritte Fassung von § 201a StGB vom 01.01 2021 sowie angepasste Fassung vom 22.09.2021
III. § 184k StGB in der Fassung vom 01.01.2021
IV. Exkurs: § 238 I Nr. 6 StGB in der Fassung vom 01.10.2021
V. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur aktuellen Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild
1. Andauernde Unwägbarkeiten durch unterschiedlichen Rechtsgüterbezug
2. Verknüpfung der bisherigen Erkenntnisse anhand der Ausrichtung des strafrechtlichen Schutzes vor Bildaufnahmen am Recht am eigenen Bild
D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) auf das Recht am eigenen Bild
I. Sinn und Zweck der DS-GVO und die übergeordnete Problematik zur Auswirkung auf das deutsche Bildnisrecht
II. Durchführung der DS-GVO anhand deren Einbettung in andere Regelwerke
III. Das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild als paralleles Altgesetz zur DS-GVO
1. Die Kontroverse um die Einpassung des KUG in die Öffnungsklauseln der DS-GVO als bisheriger Dreh- und Angelpunkt für die weitere Anwendbarkeit der §§ 22 ff. KUG
a) Art. 85 II DS-GVO als Einfallstor für das KUG
b) Art. 85 I DS-GVO als Einfallstor für das KUG
2. Stellungnahme zur weiteren Anwendbarkeit des KUG
a) Zu den Öffnungsklauseln der DS-GVO und deren Durchlässigkeit für das KUG
aa) Zu Art. 84 I DS-GVO
bb) Zu Art. 85 DS-GVO
b) Zum bislang vernachlässigten Verhältnis von DS-GVO und KUG
aa) Eigener Anwendungsbereich des KUG bei Verstorbenen
bb) Kein eigener Anwendungsbereich des KUG aufgrund der Haushaltsausnahme in sozialen Netzwerken
cc) Eigener Anwendungsbereich des KUG aufgrund der Verdrängung der informationellen Selbstbestimmung durch die Kommunikationsfreiheiten
3. Zwischenergebnis zum Einfluss des Europäischen Datenschutzes (DS-GVO) auf das Recht am eigenen Bild
E. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung
Kapitel 3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien de lege lata
A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des § 22 KUG
I. Menschliches Erscheinungsbild
1. Fragen zum personalen Anwendungsbereich
a) Kein Recht am eigenen Bild juristischer Personen oder Sachen
b) Kein pränatales Recht am eigenen Bild
c) Abbildungen Verstorbener zu Lebzeiten
d) Abbildungen von Leichen
2. Fragen zum sachlichen Anwendungsbereich
a) Reduzierung auf unmittelbar rezipierbare Abbildungen
b) Mindestvoraussetzung eines menschlichen Körperteils
c) Mindestanforderungen an die Beschaffenheit des menschlichen Erscheinungsbilds
d) Kein Ausschluss des Anwendungsbereichs bei „Bildern“ im Sinne des § 23 KUG
e) Äußerlichkeit des menschlichen Erscheinungsbilds
f) Echtheit des menschlichen Erscheinungsbilds am Beispiel von Deepfakes
g) Unmenschliche Gesamterscheinungsbilder
II. Erkennbarkeit der abgebildeten Person
1. Erkennungskriterien für ein Bildnis im Sinne des § 22 KUG
a) Darstellung des Meinungsstands
b) Eigene Erwägungen zur Heranziehbarkeit von Merkmalen für die Erkennbarkeit
aa) Wortlaut und Bildnishistorie
bb) Systematische Erwägungen
cc) Teleologische Aspekte
dd) Schlussfolgerung für die Heranziehbarkeit von Merkmalen für die Erkennbarkeit im Sinne des § 22 KUG: Universaler Erkennbarkeitsbegriff
2. Relevanter Bezugspunkt für die Erkennbarkeit
a) Parallelität des Erkennbarkeitsmaßstabs von Wort- und Bilddarstellungen
b) Der „mehr oder minder große Bekanntenkreis“ als relevanter Maßstab
c) Eigene Erwägungen zum „mehr oder minder großen Bekanntenkreis“
III. Resultierende Schlussfolgerungen für umstrittene Konstellationen
1. Divergenz zwischen „Identifizierbarkeit“ und „Erkennbarkeit“ im Rechtssinne
2. Sukzessive Erkennbarkeit von menschlichen Erscheinungsbildern
3. Keine Differenzierung zwischen Erkennbarkeit und Erinnerung oder einer sonstigen Rekonstruktion der Zuordenbarkeit
4. Ablehnung einer Wechselbeziehung zwischen der Erkennbarkeit und der Intensität des Abbildungsinhalts
5. Mehrdeutige Bildnisse
a) Schauspieler, Doppelgänger und look-alikes in der Rechtsprechung
b) Eigene Erwägungen zu mehrdeutigen Bildnissen
aa) Trennbarkeit des Rechts am eigenen Bild in einem menschlichen Erscheinungsbild
bb) Das optische Urbild als Maßstab des Rechts am eigenen Bild
cc) Relativierung des Typus und der Absolutheit der Namensnennung als Erkennungsmerkmale
dd) Offensichtliche Manipulationen des menschlichen Erscheinungsbilds am Beispiel von sogenannten face blends und face swaps
IV. Zusammenfassende Abschlusserwägungen zum Tatobjekt
B. Die Tathandlungen von § 33 KUG
I. Das Verbreiten im Sinne des § 33 I Var. 1 KUG
1. Die Körperlichkeitsdimension des bildnisrechtlichen Verbreitungsbegriffs
a) Das klassische Begriffsverständnis medienstrafrechtlicher Vorschriften nach presserechtlichem Vorbild
b) Der internetspezifische Verbreitungsbegriff der Rechtsprechung
c) Kritik am internetspezifischen Verbreitungsbegriff durch die Literatur
d) Reaktion des Gesetzgebers durch die Neujustierung des § 11 III StGB durch das 60. StrÄndG vom 30. November 2020
e) Zur Übertragbarkeit des strafrechtlichen (Inhalts-)Verbreitens- begriffs auf § 33 KUG
2. Mindestanforderung an das Verbreiten im Sinne einer Adressatenmehrheit
a) Orientierung der bildnisrechtlichen Literatur am kernstrafrechtlichen Verbreitungsbegriff
b) Rechtsprechung zum kernstrafrechtlichen Verbreiten: Ketten- und Mengenverbreitung unter korrigierender Anknüpfung an ein finales Element
c) Erwägungen des Gesetzgebers zur Reformierung der Schriftenverbreitungsdelikte
d) Rechtsprechung zu § 22 ff. KUG: Tendenz zur einzelfallbezogenen Auslegung des Verbreitensbegriffs
aa) Vorlage bei Gericht
bb) Presseinterne Verbreitungen
e) Zusammenfassende Schlussfolgerungen
3. Problematische Konstellationen bei Heranziehung des Verbreitensbegriffs der kernstrafrechtlichen Inhaltsdelikte
a) Vollendung des Verbreitens
aa) Ausbleibende Speicherung auf dem Rechner
bb) Verbreiten eines digitalen Schlüssels oder digitalen Pfads
cc) Rückholmöglichkeiten des Absenders durch Löschfunktionen und Einmalansichten
dd) Eigener Vorschlag: Kontrollmöglichkeit des Absenders als maßgebliches Kriterium
b) Verbreiten an einzelne Personen
aa) Zu presseinternen Verbreitungen
bb) Zur teleologischen Reduktion des Verbreitensbegriffs bei der Vorlage an Gerichte
cc) Finale Anforderungen für Einzelverbreitungen
II. Das öffentliche Zurschaustellen im Sinne des § 33 I Var. 2 KUG
1. Allgemeine Grundsätze des öffentlichen Zurschaustellens in § 33 I Var. 2 KUG
a) Mehrzahl von Personen
b) Finales Element der Bestimmung innerhalb der Handlung
c) Einschränkung der Öffentlichkeitszugehörigkeit durch das Merkmal der Verbundenheit
d) Unionsrechtliche Einflüsse auf diese Grundsätze
e) Resümee und weitere Stellungnahme
2. Das öffentliche Zurschaustellen durch internetspezifische Handlungen
a) Das Verweisen auf Bildnisinhalte im Internet
aa) Herkömmliches Verständnis von Verlinkungen in Anlehnung an die öffentliche Wiedergabe im Urheberrecht
bb) Unionsrechtliche Einflüsse auf die Bewertung von Verlinkungen
cc) Differenzierung zwischen Verbreitens- und Äußerungsdelikten
dd) Teile der Literatur: Keine Täterschaft aufgrund fehlender Tatherrschaft/Herrschaftsmacht über den verlinkten Inhalt
ee) Weitere Literaturansätze: Übertragung des Kriteriums des Zueigenmachens auch auf Verbreitensdelikte
ff) Vereinzelte Literaturstimmen: Strenge Orientierung am isolierten Wortlaut des Sichtbarmachens
gg) Resümee und weitere Stellungnahme
hh) Eigener Vorschlag für eine einschränkende Auslegung: Bildnisrechtliches Zueigenmachen und visuelle Tatherrschaft
(1) Sichtbarmachung eines Bildnisses
(2) Kein Verweis auf bereits bestehende Veröffentlichung
(3) Strafbare (sukzessive) Beihilfe i. S. d. . .§ 27 I StGB durch Verweis auf eine öffentliche Zurschaustellung
b) Übertragung der Ergebnisse auf Handlungen in sozialen Netzwerken im Internet
c) Öffentliches Zurschaustellen durch Unterlassen
aa) Unterlassungstat durch Nichtlöschen einer mittlerweile rechtswidrigen Bildnisveröffentlichung
(1) Grundkonstellation: Nachträglicher Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 I Var. 2 KUG
(2) Nachträglicher Eintritt von Rechtswidrigkeit und Schuld
bb) Beihilfe (durch Unterlassen) des Verweisenden durch Nichtlöschen seines Verweises
(1) Garantenstellung des Verweisenden bei nachträglich eingetretener Rechtswidrigkeit des Zielinhalts
(2) Garantenstellung des Verweisenden bei unvorsätzlichem Verweis auf rechtswidrigen Zielinhalt und nachträglichem Hinzutreten des Vorsatzes
cc) Nichtlöschen fremder Inhalte auf eigenen Pinnwänden oder Gruppen in sozialen Netzwerken
III. Kurze Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse zu den Tatvariaten
C. Die Einwilligung nach § 22 S. 1 KUG
I. Die rechtliche Entfaltungsebene der bildnisrechtlichen Einwilligung
II. Zur Rechtsnatur der bildnisrechtlichen Einwilligung
1. Die bildnisrechtliche Einwilligung nicht Geschäftsfähiger
a) Die bildnisrechtliche Einwilligung einsichtsfähiger Minderjähriger
b) Übertragung der Grundsätze auf das Phänomen des sogenannten sharenting
2. Bindungswirkung der bildnisrechtlichen Einwilligung
a) Allgemeine Grundsätze zur Nichtigkeit einer bildnisrechtlichen Einwilligung
b) Übertragung der Anfechtungsregeln auf die bildnisrechtliche Einwilligung
c) Widerruf der bildnisrechtlichen Einwilligung bei Annahme eines wichtigen Grundes
III. Zu den Anforderungen und der Reichweite einer bildnisrechtlichen Einwilligung
1. Zur ausdrücklichen Einwilligung in modernen Darstellungsszenarien nach § 22 KUG
a) Vorgaben zur Einbeziehung von AGB für eine bildnisrechtliche Einwilligung
b) Vorgaben hinsichtlich überraschender Klauseln für eine bildnisrechtliche Einwilligung
c) Vorgaben zum Transparenzgebot für eine bildnisrechtliche Einwilligung
2. Zur konkludenten Einwilligung in modernen Darstellungsszenarien nach § 22 KUG
a) Die Zustimmung zur Bildnisaufnahme als Einwilligung in ihre Veröffentlichung
b) Die Einwilligung durch das Einstellen eines Bildnisses ins Internet
IV. Das Verhältnis der bildnisrechtlichen Einwilligung zur rechtfertigenden Einwilligung in § 33 I KUG
D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach § 23 KUG
I. Einordnung von § 23 KUG als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund
II. Das Zeitgeschehen als zentrales Kriterium für zulässige einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach § 23 I Nr. 1 KUG
1. Die historische Entwicklung des Begriffsverständnisses des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 I Nr. 1 KUG
a) Die Person der Zeitgeschichte und das Veranlassungsprinzip
b) Die frühe Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
c) Die absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte
d) Rezeption in der Rechtsprechung und in der Literatur
e) Verhaltene Rezeption des Bundesverfassungsgerichts bis 1999
f) Zäsur durch die sogenannte Caroline-Rechtsprechung der deutschen Instanzgerichte
g) Die Caroline II-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1999
h) Die Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004
i) Unmittelbare Auswirkungen der EGMR-Entscheidung auf die nationale Rechtsprechung
j) Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts
k) Die „neue“ Person des öffentlichen Interesses
l) Fortbestehende Relevanz des Bekanntheitsgrads der abgebildeten Person im Rahmen des abgestuften Schutzkonzepts
m) Entscheidende Bedeutung des Informationswerts der Berichterstattung neben dem Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person
n) Fortbestehende Ungewissheit über das Verhältnis von § 23 I Nr1 und § 23 II KUG
o) Zwischenergebnis zur Ermittlung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte
2. Das Kriterium der Bekanntheit des Abgebildeten für das Zeitgeschehen
3. Das Kriterium des Informationswerts für die Öffentlichkeit für die Ermittlung des Zeitgeschehens
a) Der Informationswert von Bildnissen mit Bezug zur Politik
b) Der Informationswert von Bildnissen mit Wirtschafts- und Berufsstandsbezug
c) Der Informationswert von Bildnissen bei kulturellen/ gesellschaftlichen Ereignissen
d) Zum Informationswert von Bildnissen im Zusammenhang mit Straftaten
e) Der Informationswert von Bildnissen mit Bezug zu sozialschädlichem Verhalten
f) Zum abgeleiteten Informationswert und der sogenannten Begleiterrechtsprechung
aa) Zum Fortbestand der Begleiterrechtsprechung unter dem abgestuften Schutzkonzept
bb) Zum abgeleiteten Informationswert aus anderen Personen
g) Der Informationswert von Bildnissen mit Kunst- und Satirebezug
aa) Zum Verhältnis von § 23 I Nr. 1 KUG und § 23 I Nr. 4 KUG
bb) Zu satirischen Bildnisveröffentlichungen
cc) Resümee und Stellungnahme zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Kunst
h) Der Informationswert von wissenschaftlichen Bildnissen
aa) Analoge Anwendung des § 23 I Nr. 4 KUG bei rein wissenschaftlichen Zwecken
bb) Grundsätzlich strenge Maßstäbe bei wissenschaftlichen Bildnisveröffentlichungen
i) Der Informationswert von zeittypischen Zustände und Lebenslagen und der Kernbereich der Privatsphäre
j) Der Informationswert von Bildnissen Minderjähriger und sogenannten Eltern – Kind Beziehungen
aa) Abbildungen von Momenten der elterlichen Hinwendung
bb) Abbildungen von Begleitsituationen
cc) Niederschlag der Grundsätze auf das räumliche Sphärendenken
dd) Grenze der bewussten Zuwendung Minderjähriger
ee) Strengere Maßstäbe für Wort-Bild Kombinationen bei Bildnissen Minderjähriger
ff) Resümee und Stellungnahme zu Veröffentlichungen von Bildnissen Minderjähriger
(1) Zur Ablehnung der Zeitgeschichtlichkeit von Minderjährigenbildnissen
(2) Zum Verhältnis der bewussten Zuwendung zur konkludenten Einwilligung
k) Der Informationswert höchstpersönlicher Bildnisse
aa) Abbildungen von Momenten der Unkontrolliertheit
bb) Abbildungen im Zusammenhang mit krankhaften Zuständen
cc) Abbildungen mit Bezug zur Nacktheit und Sexualität
l) Der Informationswert peinlicher oder bloßstellender Bildnisse
m) Der Einfluss des Veröffentlichungskontexts auf den Informationswert
aa) Die Kombination eines Personenbildes mit (Sprach-)Text
(1) Die erste Verfahrensserie über Caroline von Hannover
(2) Die zweite Verfahrensserie über Charlotte Casiraghi
(3) Divergenzen von höchstrichterlicher und verfassungsrichterlicher Rechtsprechung
(4) Eigener Vorschlag zur Funktionalität von Bild und (Sprach-)Text
bb) Einfluss des Wahrheitsgehalts einer Bildnisveröffentlichung auf den Informationswert
(1) Fortwährende Unsicherheiten mit Bildnismanipulationen
(2) Eigene Erwägungen zum Wahrheitsgehalt von Bildnisveröffentlichungen
cc) Werbender Kontext der Bildnisveröffentlichung
(1) Die Ausnutzung des Image- und Werbewerts des Abgebildeten
(2) Der Einfluss des Schutzes vermögenswerter Persönlichkeitsrechtsbestandteile
(3) Resümee und eigene Erwägungen zu werbenden Bildnisveröffentlichungen
(a) Ablehnung des normhierarchischen Arguments des BGH
(b) Kritik an der Abbildendenmotivation mittels der Schwerpunktlösung
(c) Kritik an einer Differenzierung anhand verschiedener Rezipientenmotivationen
(d) Die Stigmatisierungswirkung als entscheidendes Kriterium
dd) Der Geheimhaltungswille des Abgebildeten
n) Einfluss des Herstellungskontexts auf den Informationswert
III. Verhältnis der anderen Nummern des § 23 KUG zu § 23 I Nr. 1 KUG
1. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen gem. § 23 I Nr. 3 KUG
a) Bilder von Demonstrationen und Bildnisse von Demonstranten
b) Bildnisse von Polizeibeamten
2. Bilder, auf denen Personen als Beiwerk erscheinen gem. § 23 I Nr 2 KUG
IV. Die Selbstöffnung bzw. -begebung des Abgebildeten durch mediales Vorverhalten
1. Allgemeine Erwägungen zur Verortung des medialen Vorverhaltens in § 23 II KUG
2. Niederschlag des Selbstöffnungsgedankens in den Normen des Bildnisrechts
3. Das öffentliche Vertrauen als Maßstab für die Reichweite des widersprüchlichen Vorverhaltens im Bildnisrecht
4. Rückgriff auf den venire contra factum proprium-Grundsatz zur Ermittlung von Kriterien zur Ermittlung des öffentlichen Vertrauens
5. Eingeschränkte Übertragbarkeit vertrauensschützender Erwägungen aus dem venire contra factum proprium in das (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild
6. Abwägungskriterien zur Ermittlung eines Vertrauenstatbestandes für die Selbstöffnung im Bildnisrecht
a) Eigene Veranlassung und nach außen erkennbare Motivation des Abgebildeten als Indizien einer freien Selbstdarstellung
b) Vertrauensbildung anhand erkennbarer Kontrollmöglichkeiten des Abgebildeten
c) Konsistenz und Kontinuität des Vorverhaltens
d) Die Privatheit als Maßstab für die Anforderungen des selbstöffnenden Vorverhaltens
e) Erkennbare Grenzziehung durch den Abgebildeten
7. Resümee der Erkenntnisse zur Selbstöffnung
8. Das öffentliche Interesse am Widerspruch
9. Folgen einer Selbstöffnung im Bildnisrecht
a) Ablehnung einer individuellen Sphärenverschiebung für den strafrechtlichen Bildnisschutz
b) Ungültigkeit der Geltendmachung widersprüchlicher Interessen im Einzelfall
V. Resümee und Schlussfolgerungen zu einwilligungslosen Bildnisveröffentlichungen
1. Kritik am abgestuften Schutzkonzept des BGH
2. Vorschlag eines Drei-Stufen-Modells zur Ermittlung des Informationswerts
Kapitel 4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien de lege ferenda
A. Unzulänglichkeiten des geltenden strafrechtlichen Bildnisschutzes in § 33 KUG
B. Eigener Vorschlag
I. Tatobjekt: Wirklichkeitsnahe Bilddarstellung
II. Tathandlung: Zugänglichmachen gegenüber einer dritten Person
III. Kausale Verletzung des persönlichen Lebensbereichs
IV. Streichung des Erfordernisses einer kausalen erheblichen Ansehensschädigung
V. Anknüpfung an überwiegende berechtigte Interessen im Sinne des § 201a IV StGB
VI. Anknüpfungsmöglichkeit für widersprüchliches Vorverhalten als Selbstöffnung
VII. Hinreichend klares Verhältnis zum Datenschutzrecht
VIII. Sonstige Vorzüge im Hinblick auf das Cyberstalking
Schluss
A. Rekapitulation der gewonnenen Erkenntnisse
B. Ausblick zur Notwendigkeit des strafrechtlichen Repräsentationsschutzes
Literatur
Sachregister
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Studien und Beiträge zum Strafrecht Band 41

Roman Schneider

Strafrechtlicher Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Mohr Siebeck

Roman Schneider, geboren 1988; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Tübingen; Erste juristische Staatsprüfung; 2022 Promotion; Akademischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht der Universität Tübingen. orcid.org/0000-0001-9425-0753

D 21 ISBN  978-3-16-162294-6 / eISBN  978-3-16-162366-0 DOI 10.1628/978-3-16-162366-0 ISSN  2364-267X / eISSN  2568-7468 (Studien und Beiträge zum Strafrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nati­onalbib­ liographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2024  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Meiner Mamma

Vorwort Die Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen im Sommersemester 2022 als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 18.11.2022 statt. Literatur und Rechtsprechung konnten bis Anfang Juni 2022 berücksichtigt werden. Besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Bernd Heinrich, an dessen Lehrstuhl ich während der Promotion als akademischer Mit­ arbeiter beschäftigt war. Er hat mich – beginnend mit der Themenwahl bis hin zur Veröffentlichung – jederzeit in fachlicher sowie persönlicher Hinsicht in heraus­ ragender Weise unterstützt und betreut. Seine stets offene Tür, seine (mitunter kritischen) Anregungen und die vielen gemeinsamen Gespräche am Lehrstuhl waren für die Erstellung der Arbeit prägend. Weiteren Dank schulde ich Herrn Professor Dr. Jörg Eisele für die zügige Zweitbegutachtung. Herzlicher Dank gilt meinen Eltern, Peter und Rosemarie Schneider, die mich nach allen Kräften in meiner Promotionszeit unterstützt haben. Besonderen Dank verdient dabei meiner Mutter Rosemarie, welche mir nicht nur bei der Fertigstellung des Manuskripts unermüdlich zur Seite stand, sondern mich darüber hinaus immer und bedingungslos unterstützt. Ihr widme ich diese Arbeit. Ganz besonderer Dank gilt auch meiner Frau Dr. Tamara Schneider. Sie stand mir nicht nur als Lebens-, sondern darüber hinaus als fachkompetenter Gesprächspartner mit Rat und Tat zur Seite, diskutierte mit mir – nicht selten zu den unmöglichsten Zeiten – über die noch so kleinsten Verästelungen, gab mir oftmals kritische Anmerkungen und bot mir dabei trotz allem den notwendigen persönlichen Rückhalt. Hab Dank von Herzen, Tamara. Meinem besten Freund Sebastian Selg danke ich für sein stets offenes Ohr sowie die Unterstützung bei der Erstellung der Grafiken für die Arbeit. Schließlich möchte ich mich bei all meinen Lehrstuhlkollegen, insbesondere Herrn Fabian Saupe, für die vielen Gespräche, Diskussionen und Anregungen am Lehrstuhl bedanken. Unsere gemeinsame Zeit wird mir stets in guter Erinnerung bleiben. Für die tatkräftige Unterstützung bei der Formatierung bedanke ich mich bei Maria Vrettou und Uwe Geis-Schroer. Vielen Dank Euch allen. Tübingen, im Februar 2023

Roman Schneider

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII

Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen ­Medienlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet . 2 B. Moderne Darstellungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 C. Problemaufriss und weiterer Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . 24

Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild im Zeitalter moderner Darstellungsszenarien . . . . . . . . . . . . . 29 A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern . . . 31 B. Die Entwicklung des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . 53 C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild . . . . . . 121

Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 A. Vorzeichnung des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen ­Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz . . . . . . . . . . 141 C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild 196 D. D  er Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) auf das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 E. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . 246

X

Inhaltsübersicht

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen ­Darstellungsszenarien de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG . . . . . . . . . . . 250 B. Die Tathandlungen von §  33 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG . . . . . . . . . . 459

Kapitel  4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen ­Darstellungsszenarien de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 A. Unzulänglichkeiten des geltenden strafrechtlichen Bildnisschutzes in §  33 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 B. Eigener Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 A. Rekapitulation der gewonnenen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . 675 B. Ausblick zur Notwendigkeit des strafrechtlichen Repräsentationsschutzes 676

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII

Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen ­Medienlandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet . . 2 I. Personenbilder bilden Meinungsbilder – Kommunikation durch Bilder 6 II. Personenbilder bilden Persönlichkeitsbilder – Selbstdarstellung . . . . 8 III. Ausblick – Fortwährender Trend zu bildhaften Kommunikationsformen 12 B. Moderne Darstellungstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 I. Die Digitalfotografie als Wegbereiter moderner Darstellungstechnik . 14 II. Dreidimensionale Rekonstruktionsmethoden . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Scanning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Photogrammetrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 III. Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen als Ausgangspunkt für weitere neue bildhafte Darstellungsformen . . . . . . . . . . . . . . . 18 IV. Ausblick – Augmented Reality und imaginärer Fotorealismus . . . . . 23 C. Problemaufriss und weiterer Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . 24 I. Renaissance des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild 26 II. Zielsetzung und weitere Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild im Zeitalter moderner Darstellungsszenarien . . . . . . . . . . . . . 29 A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern . . . 31 I.

Die Unmittelbarkeit menschlicher Bildrezeption . . . . . . . . . . . . 32 1. Relationsspektrum, Informationsgehalt und Informationsdichte von Bildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Hohe Geschwindigkeit der Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Wirklichkeitssuggestion isomorph-realistischer Darstellungen . . . 35

XII

Inhaltsverzeichnis

4. Hohes Emotionalisierungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 5. Bildüberlegenheitseffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6. Hohe Aufmerksamkeitsrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 7. Multimediale Kombinationsaffinität bildlicher Darstellungen . . . . 43 II. Charakteristika des konkreten Bildobjekts Mensch . . . . . . . . . . . 45 1. Nonverbale Kommunikationsdimensionen von Personenbildern . . 45 a) Rezipient: Generalisierende Urteile über das Wesen der dargestellten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 b) Dargestellter: Selbstdarstellung als conditio humana . . . . . . 49 c) Verifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Schlussfolgerungen für das Veröffentlichen von Personenaufnahmen gegen den Willen des Abgebildeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Zwischenergebnis für die Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 B. Die Entwicklung des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . 53 I.

Das Verbreiten von Personendarstellungen im frühen Altertum . . . . 53 1. Frühes Bestehen von Sensibilität für das Zeigen von Personenabbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Schlussfolgerungen zur Verbreitung von Personenaufnahmen im frühen Altertum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 II. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der Antike . . . . . . . . 57 1. Das Aufkommen von Herrscherbildnissen in Form von Idealen . . 57 2. Schutz individueller Personendarstellungen im antiken Theater . . 58 3. Das Aufkommen römischer Portraitskulpturen . . . . . . . . . . . 60 4. Das Ius Imaginum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Schlussfolgerungen für das Verbreiten von Personendarstellungen in der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 III. Das Verbreiten von Personendarstellungen im Mittelalter . . . . . . . 63 1. Christliche Bildzensur und „Erster Bilderstreit“ . . . . . . . . . . . 63 2. Verbreitung von Wallfahrtsbildern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Das Wappen und das Wappenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Das Siegel und das Siegelrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Entstehung des Bildnisses im kunsthistorischen Kontext . . . . . . 68 6. Executio in effigie und Schandgemälde . . . . . . . . . . . . . . . . 69 7. Erfindung neuer Bildmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 8. Schlussfolgerung zum Verbreiten von Personendarstellungen im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 IV. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der Neuzeit . . . . . . . 74 1. Reformatorischer Bildersturm ab Mitte des 16.  Jahrhunderts . . . . 74 2. Folgen des Bildersturms für die Bildwahrnehmung nach der Renaissance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76

Inhaltsverzeichnis

XIII

3. Erfindung der analogen Fotografie 1816 . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Frühe Entwicklungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Entwicklung der Portraitfotografie in Deutschland . . . . . . . . 78 c) Massen- und Amateurfotografie in Deutschland . . . . . . . . . 80 d) Fotomechanische Druckverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4. Erste Normierungsbemühungen zum Schutz des Abgebildeten in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Gesetzesentwurf des Börsenvereins deutscher Buchhändler 1857 82 b) Petitionen der Berufsfotografen zum Schutz vor Nachbildung in den 1860er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Das bayrische Urhebergesetz vom 28. Juni 1865 – G 1865 . . . . 83 d) Erste Erwägungen zur schutzwürdigen Position des Abgebildeten – NBE I (1868) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 e) Urheberrechtsgesetze v. 9. und 10. Januar 1876 . . . . . . . . . . 85 5. Frühe Triebe des Eigenbildschutzes in der Rechtswissenschaft . . . 86 6. Resultierende Problemfälle der Rechtsprechung um die Jahrhundertwende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Dame im Badekostüm – RG vom 29. November 1898 . . . . . . 88 b) Bismarck auf dem Totenbett – RGZ 45, 170 vom 28. Dezember 1899 89 c) Damenportrait – RGSt 33, 295 vom 26. Mai 1900 . . . . . . . . 92 d) Privatdetektiv – OLG Hamburg vom 20. November 1900 . . . . 93 e) Haarfärbemittel Unter den Linden – LG Berlin vom 21. Februar 1902 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 f) Reklameplakat für Hoffriseur – Kammergericht vom 27. Mai 1902 96 7. Wissenschaftlicher Diskurs um die Jahrhundertwende zum Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Keyßner – Das Recht am eigenen Bilde 1896 . . . . . . . . . . . 98 b) Gareis – Gutachten zum 26. Deutschen Juristentag 1902 . . . . 99 c) Cohn – Neue Rechtsgüter 1902 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 d) Kohler – Das Eigenbild im Recht 1903 . . . . . . . . . . . . . . 101 e) Rietschel – Das Recht am eigenen Bilde 1903 . . . . . . . . . . 103 8. Schlussfolgerungen für das Verbreiten von Personenaufnahmen in der Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 V. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der neuesten Geschichte bis zur Genese des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Entwurf und Begründung zu einem Gesetz betreffend an Werken der Fotografie 1902 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Zusammenführung von Kunst- und Photographieschutzgesetz in einem Entwurf 1904 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Der Folgeentwurf von 1905 und dessen Begründung . . . . . . . . 112 4. Erste Beratung des Gesetzesentwurfs am 25. Januar 1906 . . . . . . 114 5. Beratungen der X. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

XIV

Inhaltsverzeichnis

6. Zweite und dritte Beratung des resultierenden Gesetzentwurfs 1906 117 7. Schlussfolgerungen aus der Schaffensphase bis zur Genese des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild . . . . . . 121 I.

Die Repräsentation der abgebildeten Person . . . . . . . . . . . . . . 122 1 „Anwesenheitsmachung“ einer abwesenden Person beim Rezipienten 122 2. Kongruenz der visuellen Wahrnehmung von Personenbild und abgebildeter Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Fortbestand der Zuschreibung der Informationsentäußerung . . . . 123 4. Verhältnis von Ehrschutz- und Persönlichkeitsschutz bei der Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5. Erkennungsmerkmale einer Repräsentation . . . . . . . . . . . . . 125 6. Die Repräsentation der Angehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Das Ob der Präsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Das Wann, Wo und Wie der Präsentation . . . . . . . . . . . . . . . 127 3. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 A. Vorzeichnung des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen ­Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I.

Ausgangspunkt: Das Recht am eigenen Bild als besonderes ­ ersönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 P II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „Mantelrecht“ des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. „Spätheimkehrer“ – BGH v. 10.05.1957 . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. „Vor unserer eigenen Tür“ – BGH v. 16.09.1966 . . . . . . . . . . . 139 B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz . . . . . . . . . . 141 I.

Die verfassungsgerichtliche Anerkennung des allgemeinen ­ ersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 P 1. Schutz eines absolut geschützten Persönlichkeitskerns seit der „Elfes“-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Abschichtung geschützter Persönlichkeitsbereiche seit der „Mikrozensus“-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Ausdrückliche Anerkennung mit der „Soraya“-Entscheidung . . . . 146 II. Verfassungsrechtlicher Gewährleistungsgehalt des allgemeinen ­Persönlichkeitsrechts und die Einbettung des Rechts am eigenen Bild . 148 1. Verschiedene Gewährleistungsdimensionen des allgemeinen ­Persönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Inhaltsverzeichnis

XV

2. Ausgangspunkt der zwei Dimensionen des Persönlichkeitsschutzes 152 3. Möglichkeiten zur Sicherung einer Garantie individueller Identitätsbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 a) Garantie von Raum zur Persönlichkeitsentfaltung . . . . . . . . 156 aa) Die Garantie räumlicher Rückzugsorte ohne räumlichen ­Sozialbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 bb) Systematisierung der Rückzugsräume in Sphären der Privatheit 157 cc) Thematische Durchbrechungen des streng-örtlichen ­Sphärenkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (1) Erweiterungen des räumlichen Sozialbezugs in den §§  22, 23 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (a) Die Zeitgeschichtlichkeit einer Bildnisveröffentlichung als primäre Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  1 KUG . . . . . . . . . 165 (b) Bilder einer Landschaft oder Örtlichkeit mit Personen als Ausprägung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  2 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (c) Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen als gewandelte thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  3 KUG 170 (d) Höheres Interesse der Kunst als thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  4 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (e) Die berechtigten Interessen des Abgebildeten in 23 II KUG als thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (2) Zwischenergebnis zu den §§  22, 23 KUG als thematische Durchbrechungen des räumlichen Sphärenkonzepts . . . 173 b) Die Garantie einer Selbstbestimmung zur Persönlichkeitsentfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Garantie der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit . . . . . 174 (1) BVerfGE 34, 238 – „Tonband“ vom 31. Januar 1973 . . . 175 (2) BVerfGE 35, 202 – „Lebach“ vom 5. Juni 1973 . . . . . . 176 (3) BVerfGE 101, 361 – „Caroline von Monaco II“ vom 15. Dezember 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Garantie der informationellen Selbstbestimmung . . . . . . 180 (1) Schnittmengen des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild in den §§  22, 23 KUG mit der informationellen Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . 184 (a) Die Erkennbarkeit im Bildnisbegriff der §§  22 ff. KUG als Hürde des einfachgesetzlichen Bildnisrechts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . 184

XVI

Inhaltsverzeichnis

(b) Die Veröffentlichungshandlungen in §  22 ff. KUG als Hürde des einfachgesetzlichen Bildnisrechts zur ­informationellen Selbstbestimmung . . . . . . . . . . 186 (2) Neujustierung der informationellen Selbstbestimmung – „Recht auf Vergessen I“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 III. Zwischenergebnis zur Rolle des Rechts am eigenen Bild für die ­verfassungsrechtlich garantierte Persönlichkeitsentfaltung . . . . . . . 189 IV. Das „postmortale Recht am eigenen Bild“ als besondere Konstellation 192 C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild 196 I. §  33 KUG in der Fassung vom 01. Januar 1975 . . . . . . . . . . . . . 196 II. §  201a StGB in der Fassung vom 22.09.2021 . . . . . . . . . . . . . . 199 1. Die erste Fassung des §  201a StGB vom 06.08.2004 . . . . . . . . . 200 2. Erste Novelle und zweite Fassung des §  201a StGB vom 27.01.2015 . 203 3. Zweite Novelle und dritte Fassung von §  201a StGB vom 01.01.2021 sowie angepasste Fassung vom 22.09.2021 . . . . . . . . . . . . . . 207 III. §  184k StGB in der Fassung vom 01.01.2021 . . . . . . . . . . . . . . 211 IV. Exkurs: §  238 I Nr.  6 StGB in der Fassung vom 01.10.2021 . . . . . . . 214 V. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur aktuellen Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild . . . . . . . 219 1. Andauernde Unwägbarkeiten durch unterschiedlichen Rechtsgüterbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Verknüpfung der bisherigen Erkenntnisse anhand der Ausrichtung des strafrechtlichen Schutzes vor Bildaufnahmen am Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) auf das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 I.

Sinn und Zweck der DS-GVO und die übergeordnete Problematik zur Auswirkung auf das deutsche Bildnisrecht . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Durchführung der DS-GVO anhand deren Einbettung in andere Regelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 III. Das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild als paralleles Altgesetz zur DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Die Kontroverse um die Einpassung des KUG in die Öffnungsklauseln der DS-GVO als bisheriger Dreh- und Angelpunkt für die weitere Anwendbarkeit der §§  22 ff. KUG . . . . . . . . . . 233 a) Art.  85 II DS-GVO als Einfallstor für das KUG . . . . . . . . . 233 b) Art.  85 I DS-GVO als Einfallstor für das KUG . . . . . . . . . . 234 2. Stellungnahme zur weiteren Anwendbarkeit des KUG . . . . . . . 236 a) Zu den Öffnungsklauseln der DS-GVO und deren Durchlässigkeit für das KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Zu Art.  84 I DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

Inhaltsverzeichnis

XVII

bb) Zu Art.  85 DS-GVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Zum bislang vernachlässigten Verhältnis von DS-GVO und KUG 240 aa) Eigener Anwendungsbereich des KUG bei Verstorbenen . . 240 bb) Kein eigener Anwendungsbereich des KUG aufgrund der ­Haushaltsausnahme in sozialen Netzwerken . . . . . . . . . 241 cc) Eigener Anwendungsbereich des KUG aufgrund der Verdrängung der informationellen Selbstbestimmung durch die Kommunikationsfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3. Zwischenergebnis zum Einfluss des Europäischen Datenschutzes (DS-GVO) auf das Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . 245 E. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 246

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen ­Darstellungsszenarien de lege lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG . . . . . . . . . . . 250 I.

Menschliches Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 1. Fragen zum personalen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 253 a) Kein Recht am eigenen Bild juristischer Personen oder Sachen . 254 b) Kein pränatales Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . 255 c) Abbildungen Verstorbener zu Lebzeiten . . . . . . . . . . . . . 255 d) Abbildungen von Leichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 2. Fragen zum sachlichen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 260 a) Reduzierung auf unmittelbar rezipierbare Abbildungen . . . . . 261 b) Mindestvoraussetzung eines menschlichen Körperteils . . . . . 263 c) Mindestanforderungen an die Beschaffenheit des menschlichen ­Erscheinungsbilds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Kein Ausschluss des Anwendungsbereichs bei „Bildern“ im Sinne des §  23 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 e) Äußerlichkeit des menschlichen Erscheinungsbilds . . . . . . . 268 f) Echtheit des menschlichen Erscheinungsbilds am Beispiel von ­Deepfakes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 g) Unmenschliche Gesamterscheinungsbilder . . . . . . . . . . . . 273 II. Erkennbarkeit der abgebildeten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 1. Erkennungskriterien für ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG . . . . 276 a) Darstellung des Meinungsstands . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) Eigene Erwägungen zur Heranziehbarkeit von Merkmalen für die Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 aa) Wortlaut und Bildnishistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 bb) Systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 cc) Teleologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

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dd) Schlussfolgerung für die Heranziehbarkeit von Merkmalen für die Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG: Universaler ­Erkennbarkeitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. Relevanter Bezugspunkt für die Erkennbarkeit . . . . . . . . . . . 290 a) Parallelität des Erkennbarkeitsmaßstabs von Wort- und ­Bilddarstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Der „mehr oder minder große Bekanntenkreis“ als relevanter Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Eigene Erwägungen zum „mehr oder minder großen Bekanntenkreis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 III. Resultierende Schlussfolgerungen für umstrittene Konstellationen . . 296 1. Divergenz zwischen „Identifizierbarkeit“ und „Erkennbarkeit“ im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 2. Sukzessive Erkennbarkeit von menschlichen Erscheinungsbildern . 298 3. Keine Differenzierung zwischen Erkennbarkeit und Erinnerung oder einer sonstigen Rekonstruktion der Zuordenbarkeit . . . . . . . . . 298 4. Ablehnung einer Wechselbeziehung zwischen der Erkennbarkeit und der Intensität des Abbildungsinhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 5. Mehrdeutige Bildnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 a) Schauspieler, Doppelgänger und look-alikes in der Rechtsprechung 300 b) Eigene Erwägungen zu mehrdeutigen Bildnissen . . . . . . . . 305 aa) Trennbarkeit des Rechts am eigenen Bild in einem menschlichen Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . 305 bb) Das optische Urbild als Maßstab des Rechts am eigenen Bild 306 cc) Relativierung des Typus und der Absolutheit der Namensnennung als Erkennungsmerkmale . . . . . . . . . . 308 dd) Offensichtliche Manipulationen des menschlichen Erscheinungsbilds am Beispiel von sogenannten face blends und face swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 IV. Zusammenfassende Abschlusserwägungen zum Tatobjekt . . . . . . . 311 B. Die Tathandlungen von §  33 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 I.

Das Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG . . . . . . . . . . . . . 313 1. Die Körperlichkeitsdimension des bildnisrechtlichen Verbreitungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Das klassische Begriffsverständnis medienstrafrechtlicher Vorschriften nach presserechtlichem Vorbild . . . . . . . . . . . 318 b) Der internetspezifische Verbreitungsbegriff der Rechtsprechung 321 c) Kritik am internetspezifischen Verbreitungsbegriff durch die Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 d) Reaktion des Gesetzgebers durch die Neujustierung des §  11 III StGB durch das 60. StrÄndG vom 30. November 2020 . . . . . 323

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e) Zur Übertragbarkeit des strafrechtlichen (Inhalts-)Verbreitensbegriffs auf §  33 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 2. Mindestanforderung an das Verbreiten im Sinne einer Adressatenmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 a) Orientierung der bildnisrechtlichen Literatur am kernstrafrechtlichen Verbreitungsbegriff . . . . . . . . . . . . . 327 b) Rechtsprechung zum kernstrafrechtlichen Verbreiten: Kettenund Mengenverbreitung unter korrigierender Anknüpfung an ein finales Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 c) Erwägungen des Gesetzgebers zur Reformierung der Schriftenverbreitungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 d) Rechtsprechung zu §  22 ff. KUG: Tendenz zur einzelfallbezogenen Auslegung des Verbreitensbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . 331 aa) Vorlage bei Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 bb) Presseinterne Verbreitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 e) Zusammenfassende Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . 334 3. Problematische Konstellationen bei Heranziehung des Verbreitensbegriffs der kernstrafrechtlichen Inhaltsdelikte . . . . . 335 a) Vollendung des Verbreitens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 aa) Ausbleibende Speicherung auf dem Rechner . . . . . . . . . 337 bb) Verbreiten eines digitalen Schlüssels oder digitalen Pfads . . 338 cc) Rückholmöglichkeiten des Absenders durch Löschfunktionen und Einmalansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 dd) Eigener Vorschlag: Kontrollmöglichkeit des Absenders als maßgebliches Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 b) Verbreiten an einzelne Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 aa) Zu presseinternen Verbreitungen . . . . . . . . . . . . . . . 342 bb) Zur teleologischen Reduktion des Verbreitensbegriffs bei der Vorlage an Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 cc) Finale Anforderungen für Einzelverbreitungen . . . . . . . . 345 II. Das öffentliche Zurschaustellen im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG . . . . 347 1. Allgemeine Grundsätze des öffentlichen Zurschaustellens in §  33 I Var.  2 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 a) Mehrzahl von Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 b) Finales Element der Bestimmung innerhalb der Handlung . . . . 351 c) Einschränkung der Öffentlichkeitszugehörigkeit durch das Merkmal der Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 d) Unionsrechtliche Einflüsse auf diese Grundsätze . . . . . . . . . 355 e) Resümee und weitere Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . 357 2. Das öffentliche Zurschaustellen durch internetspezifische Handlungen 361 a) Das Verweisen auf Bildnisinhalte im Internet . . . . . . . . . . 362

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aa) Herkömmliches Verständnis von Verlinkungen in Anlehnung an die öffentliche Wiedergabe im Urheberrecht . . . . . . . 363 bb) Unionsrechtliche Einflüsse auf die Bewertung von Verlinkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 cc) Differenzierung zwischen Verbreitens- und Äußerungsdelikten 369 dd) Teile der Literatur: Keine Täterschaft aufgrund fehlender ­Tatherrschaft/Herrschaftsmacht über den verlinkten Inhalt . 373 ee) Weitere Literaturansätze: Übertragung des Kriteriums des ­Zueigenmachens auch auf Verbreitensdelikte . . . . . . . . 374 ff) Vereinzelte Literaturstimmen: Strenge Orientierung am isolierten Wortlaut des Sichtbarmachens . . . . . . . . . . . 375 gg) Resümee und weitere Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . 377 hh) Eigener Vorschlag für eine einschränkende Auslegung: Bildnisrechtliches Zueigenmachen und visuelle Tatherrschaft 380 (1) Sichtbarmachung eines Bildnisses . . . . . . . . . . . . . 382 (2) Kein Verweis auf bereits bestehende Veröffentlichung . . 383 (3) Strafbare (sukzessive) Beihilfe i. S. d. . . §  27 I StGB durch Verweis auf eine öffentliche Zurschaustellung . . . . . . 387 b) Übertragung der Ergebnisse auf Handlungen in sozialen Netzwerken im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 c) Öffentliches Zurschaustellen durch Unterlassen . . . . . . . . . 393 aa) Unterlassungstat durch Nichtlöschen einer mittlerweile ­rechtswidrigen Bildnisveröffentlichung . . . . . . . . . . . . 394 (1) Grundkonstellation: Nachträglicher Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen des §  33 I Var.  2 KUG 394 (2) Nachträglicher Eintritt von Rechtswidrigkeit und Schuld 401 bb) Beihilfe (durch Unterlassen) des Verweisenden durch Nichtlöschen seines Verweises . . . . . . . . . . . . . . . . 405 (1) Garantenstellung des Verweisenden bei nachträglich ­eingetretener Rechtswidrigkeit des Zielinhalts . . . . . . 407 (2) Garantenstellung des Verweisenden bei unvorsätzlichem Verweis auf rechtswidrigen Zielinhalt und nachträglichem Hinzutreten des Vorsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 cc) Nichtlöschen fremder Inhalte auf eigenen Pinnwänden oder Gruppen in sozialen Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . 409 III. Kurze Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse zu den Tatvariaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 I. Die rechtliche Entfaltungsebene der bildnisrechtlichen Einwilligung . 412 II. Zur Rechtsnatur der bildnisrechtlichen Einwilligung . . . . . . . . . . 414 1. Die bildnisrechtliche Einwilligung nicht Geschäftsfähiger . . . . . 419

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a) Die bildnisrechtliche Einwilligung einsichtsfähiger Minderjähriger 420 b) Übertragung der Grundsätze auf das Phänomen des sogenannten sharenting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 2. Bindungswirkung der bildnisrechtlichen Einwilligung . . . . . . . 427 a) Allgemeine Grundsätze zur Nichtigkeit einer bildnisrechtlichen Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 b) Übertragung der Anfechtungsregeln auf die bildnisrechtliche ­Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 c) Widerruf der bildnisrechtlichen Einwilligung bei Annahme eines wichtigen Grundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 III. Zu den Anforderungen und der Reichweite einer bildnisrechtlichen ­Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 1. Zur ausdrücklichen Einwilligung in modernen Darstellungsszenarien nach §  22 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 a) Vorgaben zur Einbeziehung von AGB für eine bildnisrechtliche Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 b) Vorgaben hinsichtlich überraschender Klauseln für eine bildnisrechtliche Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 c) Vorgaben zum Transparenzgebot für eine bildnisrechtliche Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 2. Zur konkludenten Einwilligung in modernen Darstellungsszenarien nach §  22 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 a) Die Zustimmung zur Bildnisaufnahme als Einwilligung in ihre ­Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 b) Die Einwilligung durch das Einstellen eines Bildnisses ins Internet 451 IV. Das Verhältnis der bildnisrechtlichen Einwilligung zur rechtfertigenden Einwilligung in §  33 I KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG . . . . . . . . . . 459 I. Einordnung von §  23 KUG als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund . 459 II. Das Zeitgeschehen als zentrales Kriterium für zulässige einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 I Nr.  1 KUG 460 1. Die historische Entwicklung des Begriffsverständnisses des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 a) Die Person der Zeitgeschichte und das Veranlassungsprinzip . . 461 b) Die frühe Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs . . . . . . . . 464 c) Die absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte . . . . . 466 d) Rezeption in der Rechtsprechung und in der Literatur . . . . . . 469 e) Verhaltene Rezeption des Bundesverfassungsgerichts bis 1999 . 471 f) Zäsur durch die sogenannte Caroline-Rechtsprechung der deutschen Instanzgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473

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g) Die Caroline II-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 h) Die Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004 . . . . . . . . . 478 i) Unmittelbare Auswirkungen der EGMR-Entscheidung auf die nationale Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 j) Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts . . . . . . . . . . . 483 k) Die „neue“ Person des öffentlichen Interesses . . . . . . . . . . 485 l) Fortbestehende Relevanz des Bekanntheitsgrads der abgebildeten Person im Rahmen des abgestuften Schutzkonzepts . . . . . . . 487 m) Entscheidende Bedeutung des Informationswerts der Berichterstattung neben dem Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 n) Fortbestehende Ungewissheit über das Verhältnis von §  23 I Nr.  1 und §  23 II KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490 o) Zwischenergebnis zur Ermittlung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 2. Das Kriterium der Bekanntheit des Abgebildeten für das Zeitgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 3. Das Kriterium des Informationswerts für die Öffentlichkeit für die ­Ermittlung des Zeitgeschehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 a) Der Informationswert von Bildnissen mit Bezug zur Politik . . . 498 b) Der Informationswert von Bildnissen mit Wirtschafts- und ­Berufsstandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 c) Der Informationswert von Bildnissen bei kulturellen/ gesellschaftlichen Ereignissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 d) Zum Informationswert von Bildnissen im Zusammenhang mit Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 e) Der Informationswert von Bildnissen mit Bezug zu sozialschädlichem Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 f) Zum abgeleiteten Informationswert und der sogenannten ­Begleiterrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 aa) Zum Fortbestand der Begleiterrechtsprechung unter dem abgestuften Schutzkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 bb) Zum abgeleiteten Informationswert aus anderen Personen . . 519 g) Der Informationswert von Bildnissen mit Kunst- und Satirebezug 522 aa) Zum Verhältnis von §  23 I Nr.  1 KUG und §  23 I Nr.  4 KUG . 526 bb) Zu satirischen Bildnisveröffentlichungen . . . . . . . . . . . 530 cc) Resümee und Stellungnahme zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 h) Der Informationswert von wissenschaftlichen Bildnissen . . . . 536 aa) Analoge Anwendung des §  23 I Nr.  4 KUG bei rein ­wissenschaftlichen Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . . . 537

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bb) Grundsätzlich strenge Maßstäbe bei wissenschaftlichen ­Bildnisveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538 i) Der Informationswert von zeittypischen Zustände und Lebenslagen und der Kernbereich der Privatsphäre . . . . . . . 541 j) Der Informationswert von Bildnissen Minderjähriger und sogenannten Eltern – Kind Beziehungen . . . . . . . . . . . . . 542 aa) Abbildungen von Momenten der elterlichen Hinwendung . . 543 bb) Abbildungen von Begleitsituationen . . . . . . . . . . . . . 544 cc) Niederschlag der Grundsätze auf das räumliche Sphärendenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 dd) Grenze der bewussten Zuwendung Minderjähriger . . . . . 546 ee) Strengere Maßstäbe für Wort-Bild Kombinationen bei Bildnissen Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 ff) Resümee und Stellungnahme zu Veröffentlichungen von Bildnissen Minderjähriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 (1) Zur Ablehnung der Zeitgeschichtlichkeit von ­Minderjährigenbildnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 (2) Zum Verhältnis der bewussten Zuwendung zur konkludenten Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . 553 k) Der Informationswert höchstpersönlicher Bildnisse . . . . . . . 556 aa) Abbildungen von Momenten der Unkontrolliertheit . . . . . 558 bb) Abbildungen im Zusammenhang mit krankhaften Zuständen 558 cc) Abbildungen mit Bezug zur Nacktheit und Sexualität . . . . 559 l) Der Informationswert peinlicher oder bloßstellender Bildnisse . 562 m) Der Einfluss des Veröffentlichungskontexts auf den Informationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564 aa) Die Kombination eines Personenbildes mit (Sprach-)Text . . 564 (1) Die erste Verfahrensserie über Caroline von Hannover . 565 (2) Die zweite Verfahrensserie über Charlotte Casiraghi . . 568 (3) Divergenzen von höchstrichterlicher und verfassungsrichterlicher Rechtsprechung . . . . . . . . . 570 (4) Eigener Vorschlag zur Funktionalität von Bild und (Sprach-)Text . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572 bb) Einfluss des Wahrheitsgehalts einer Bildnisveröffentlichung auf den Informationswert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 (1) Fortwährende Unsicherheiten mit Bildnismanipulationen 585 (2) Eigene Erwägungen zum Wahrheitsgehalt von ­Bildnisveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 586 cc) Werbender Kontext der Bildnisveröffentlichung . . . . . . . 587 (1) Die Ausnutzung des Image- und Werbewerts des Abgebildeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590

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(2) Der Einfluss des Schutzes vermögenswerter ­Persönlichkeitsrechtsbestandteile . . . . . . . . . . . . . 594 (3) Resümee und eigene Erwägungen zu werbenden ­Bildnisveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 597 (a) Ablehnung des normhierarchischen Arguments des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 (b) Kritik an der Abbildendenmotivation mittels der ­Schwerpunktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 (c) Kritik an einer Differenzierung anhand verschiedener Rezipientenmotivationen . . . . . . . . . . . . . . . . 603 (d) Die Stigmatisierungswirkung als entscheidendes Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 dd) Der Geheimhaltungswille des Abgebildeten . . . . . . . . . 608 n) Einfluss des Herstellungskontexts auf den Informationswert . . 609 III. Verhältnis der anderen Nummern des §  23 KUG zu §  23 I Nr.  1 KUG . 610 1. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen gem. §  23 I Nr.  3 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 a) Bilder von Demonstrationen und Bildnisse von Demonstranten . 612 b) Bildnisse von Polizeibeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 2. Bilder, auf denen Personen als Beiwerk erscheinen gem. §  23 I Nr.  2 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 IV. Die Selbstöffnung bzw. -begebung des Abgebildeten durch mediales ­Vorverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616 1. Allgemeine Erwägungen zur Verortung des medialen Vorverhaltens in §  23 II KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 628 2. Niederschlag des Selbstöffnungsgedankens in den Normen des ­Bildnisrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 3. Das öffentliche Vertrauen als Maßstab für die Reichweite des ­widersprüchlichen Vorverhaltens im Bildnisrecht . . . . . . . . . . 631 4. Rückgriff auf den venire contra factum proprium-Grundsatz zur Ermittlung von Kriterien zur Ermittlung des öffentlichen Vertrauens 637 5. Eingeschränkte Übertragbarkeit vertrauensschützender Erwägungen aus dem venire contra factum proprium in das (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 6. Abwägungskriterien zur Ermittlung eines Vertrauenstatbestandes für die Selbstöffnung im Bildnisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 a) Eigene Veranlassung und nach außen erkennbare Motivation des Abgebildeten als Indizien einer freien Selbstdarstellung . . . 640 b) Vertrauensbildung anhand erkennbarer Kontrollmöglichkeiten des Abgebildeten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 c) Konsistenz und Kontinuität des Vorverhaltens . . . . . . . . . . 646

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d) Die Privatheit als Maßstab für die Anforderungen des selbstöffnenden Vorverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 e) Erkennbare Grenzziehung durch den Abgebildeten . . . . . . . 650 7. Resümee der Erkenntnisse zur Selbstöffnung . . . . . . . . . . . . 653 8. Das öffentliche Interesse am Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . 656 9. Folgen einer Selbstöffnung im Bildnisrecht . . . . . . . . . . . . . . 657 a) Ablehnung einer individuellen Sphärenverschiebung für den ­strafrechtlichen Bildnisschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 b) Ungültigkeit der Geltendmachung widersprüchlicher Interessen im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 659 V. Resümee und Schlussfolgerungen zu einwilligungslosen Bildnisveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . 659 1. Kritik am abgestuften Schutzkonzept des BGH . . . . . . . . . . . 660 2. Vorschlag eines Drei-Stufen-Modells zur Ermittlung des Informationswerts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661

Kapitel  4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen ­Darstellungsszenarien de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 A. Unzulänglichkeiten des geltenden strafrechtlichen Bildnisschutzes in §  33 KUG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 666 B. Eigener Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 I. II. III. IV.

Tatobjekt: Wirklichkeitsnahe Bilddarstellung . . . . . . . . . . . . . . 667 Tathandlung: Zugänglichmachen gegenüber einer dritten Person . . . 669 Kausale Verletzung des persönlichen Lebensbereichs . . . . . . . . . 669 Streichung des Erfordernisses einer kausalen erheblichen ­Ansehensschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 671 V. Anknüpfung an überwiegende berechtigte Interessen im Sinne des §  201a IV StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 VI. Anknüpfungsmöglichkeit für widersprüchliches Vorverhalten als ­Selbstöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 VII. Hinreichend klares Verhältnis zum Datenschutzrecht . . . . . . . . . 674 VIII. Sonstige Vorzüge im Hinblick auf das Cyberstalking . . . . . . . . . 674

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 675 A. Rekapitulation der gewonnenen Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . 675 B. Ausblick zur Notwendigkeit des strafrechtlichen Repräsentationsschutzes 676

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 733

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: E  inbettung am eigenen Bild in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Abbildung 2: E  inbettung des Rechts am eigenen Bild in das Allgemeine P ­ ersönlichkeitsrecht im Lichte der strafrechtlichen Schutzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Abbildung 3: Bestandteile des Bildnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Abbildung 4: Bildnisschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Abbildung 5: Einwilligungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 Abbildung 6: Einwilligungsformen im Lichte des Bildnisrechts . . . . . . . 632 Abbildung 7: Selbstöffnung im Bildnisrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 Abbildung 8: Drei-Stufen-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662

Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft Die Möglichkeit, das optische Erscheinungsbild eines Menschen von diesem los­ gelöst in einem Medium festzuhalten, um es an verschiedenen Orten in den unter­ schiedlichsten Zusammenhängen zu zeigen, ist zu einem der bedeutendsten Charak­ teristika der Postmoderne geworden. Schon seit langer Zeit ist es zur gesellschaft­ lichen Norm und damit für uns normal geworden, andere Personen optisch wahrzunehmen, ohne dass diese in Fleisch und Blut vor uns stehen. So wird man auch unabhängig vom pandemiebedingten sog. Social Distancing annehmen dürfen, dass uns heute an einem Tag mehr Menschen über ein vergegenständlichtes Mittel  – ein Medium – als in wahrhaftiger Präsenz vor Augen treten. Medien tragen damit im wahrsten Sinne des Wortes Menschenbilder. Heute ermöglicht uns die Fotografie in kürzester Zeit, ein portables, isomorphes Duplikat des optischen Erscheinungsbilds eines Menschen zu erschaffen. So hat sich der Begriff des Fotorealismus etabliert, welcher objektiv fassbare Wirklichkeit mit dem gleichsetzt, was wir tagtäglich auf unserer Netzhaut wahrnehmen. Dabei „sieht“ die moderne Fotografietechnik bereits heute weit mehr, als das bloße menschliche Auge, da Bilder in solch hohen Auflösungen gefertigt werden können, welche der menschliche Sehapparat nicht mehr zu erfassen vermag. Dies befähigt uns etwa, an hochaufgelöste Abbildungen im digitalen Raum „heranzutreten“, wie es uns bei an­ deren Personen allein die Etikette in der analogen Welt verbieten würde. Ferner geht mit der sog. Digitalisierung des Bildes verbaliter dessen Zerlegung in Einzelteile einher, was es uns ermöglicht, das Bild für jeden sichtbar zu machen, der mittels ­eines endsprechenden Endgeräts imstande ist, die zerlegten Einzelteile wieder zur Ausgangsinformation zusammenzusetzen. Die Infrastruktur für die Wahrnehmung von Personenbildern liefert heute neben den fortbestehenden analogen – kontinuier­ lichen und damit unzerlegten – Präsentationsformen, wie etwa den Druckerzeugnis­ sen, maßgeblich das Internet.1 Die hierdurch erfolgte weltweite Vernetzung von Per­ sonen hat damit bestehende Formen sozialer Interaktion erheblich verändert und 1  Ausgangspunkt ist maßgeblich der Ausbau des Internets in Deutschland ab den 1990er Jahren; ausführlich hierzu Lang, PROKLA 2017, S.  8 ff. Die ARD/ZDF-Online-Studie 2020 geht davon aus, dass 94  % der deutschsprachigen Bevölkerung zumindest gelegentlich online sind; vgl. hierzu Beisch/Schäfer, Media Perspektiven 2020, S.  462 ff.; im Jahr 2017 ging diese Studie bereits davon aus, dass neun von zehn Deutschen online sind; vgl. Koch/Frees, Media Perspektiven 2017, S.  434 f.; im Jahr 2014 ging man von 79  % aus; vgl. van Eimeren/Frees, Media Perspektiven 2014, S.  378.

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

neuartige Wege der Kommunikation entstehen lassen.2 Dies gilt insbesondere für die Persönlichkeitsdarstellung durch das Zeigen eines Menschenbildes. Glaubt man ak­ tuellen Schätzungen, entstehen heute in unter einer Minute im Durchschnitt mehr Fotos als im gesamten 19.  Jahrhundert.3 Bedenken monetärer Art hinsichtlich der Anfertigung einer Fotografie unter Einsatz teurer Filmrollen gehören der Vergan­ genheit an, da Bilder beliebig oft hergestellt und gelöscht oder anderweitig digital archiviert werden können.4 Dies wirkt sich auch auf den Kontext der Bildherstellung aus: War in analogen Zeiten das Genre der Bilderstellung gesellschaftlich relativ klar umrissen – etwa bei der Erstellung eines Portraits oder analogen Urlaubs- und Fest­ fotografien – ist die Bilderstellung heute zumindest ein Stück weit von ursprünglich bestehenden gesellschaftlichen Konventionen entkoppelt worden.5 Bildhafte Kom­ munikation kann somit stets stattfinden. Bei modernen Darstellungsszenarien im hier thematisierten Sinne handelt es sich also um die Verquickung aktueller Kommunikationsplattformen mit aktuellen Dar­ stellungstechniken. Dabei definieren sich moderne Darstellungsszenarien durch den technischen Fortschritt stets neu.

A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet Eine zentrale Rolle spielen im Zeitalter der Digitalisierung hierbei die sog. sozialen Netzwerke im Internet.6 Diese gehören heute nicht nur für die nachwachsende Gene­ 2 Vgl.

Di Fabio, S.  12. Schätzung basiert auf einer Angabe bei https://www.brandwatch.com/blog/instagram-­ stats/ aus dem Jahr 2019 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), wonach alle zwei Minuten mehr Fotos als im gesamten 19.  Jahrhundert aufgenommen werden würden. Diese Schätzung fand aber tatsäch­ lich bereits im Jahr 2012 statt; vgl. https://fstoppers.com/other/stats-how-many-photos-have-everbeen-taken-5173 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Hilfsweise geht Statista davon aus, dass im Jahr 2013 weltweit 660  Mrd. Fotos hergestellt wurden; vgl. https://de.statista.com/infografik/10908/ weltweit-gemachte-fotos/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Setzt man jedenfalls diese Zahlen ins Verhältnis mit aktuellen Zahlen der aufgenommenen Fotos 2021 (1,44 Billionen im Jahr 2021 und 1,56 Billionen erwartet für das Jahr 2022), ergibt sich die Schätzung, wonach heute bereits in weni­ ger als einer Minute mehr Fotos aufgenommen werden als im gesamten 19.  Jahrhundert; vgl. https:// focus.mylio.com/tech-today/how-many-photos-will-be-taken-in-2021 (zuletzt aufgerufen am 01.06.­­ 2022) 4  Herbort, S.  24. 5 Vgl. Krafka, S.  222. 6  Auch ein soziales Netzwerk im Internet definiert sich im Grunde wie ein analoges Netzwerk, nämlich durch Knotenpunkte – die Nutzer – und ihre Verbindungen untereinander. Bei einem sozia­ len Netzwerk im Internet stellt die Verbindung zu anderen Akteuren die zentrale Motivation der Nutzer dar. Die Beweggründe für eine Verbindung können hierbei vielseitiger Natur sein und er­ fordern kein bestimmtes Motiv; vgl. Determann, BB 2013, S.  181; Ebersbach/Glaser/Heigl, S.  94; ­Leffler, S.  142; Tausch, S.  32; Wittek, S.  29. Seit 2017 existiert in §  1 NetzDG eine Legaldefinition von sozialen Netzwerken als Plattformen im Internet, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen. 3  Diese

A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet

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ration7 – die sog. Digital Natives – auf verschiedenen Ebenen zum Alltäglichen; für viele Menschen sind sie generationsübergreifend zu einem integralen Lebensbe­ standteil geworden. Ging man beispielsweise im Jahre 2008, vier Jahre nach Grün­ dung der Internetplattform Facebook8, von etwa 100 Millionen monatlich aktiven Nutzern aus, bezifferte das Unternehmen zu Beginn des Jahres 2017 einen weltwei­ ten Nutzerkreis von 1.93 Milliarden monatlich aktiven Personen.9 Somit dauerte es gerade einmal 13 Jahre, bis sich ein Viertel der Weltbevölkerung bei Facebook regis­ triert hatte. Mittlerweile sollen neun von zehn Internetnutzer in sozialen Netzwerken angemeldet sein.10 Im Januar 2021 nutzten täglich 2,6 Milliarden Menschen weltweit die Dienste von Facebook – inklusive der hierzu gehörigen Unternehmen wie Whatsapp und Instagram.11 Soziale Netzwerke sind damit zu einer dominierenden Sozial­ gestalt geworden, die einen Habitus der „vernetzten Individualität“12 zu einem ge­ sellschaftlich-kulturellen Ideal geformt haben.13 Die Begründung hierfür dürfte das menschliche Grundbedürfnis14 nach Kommunikation liefern.15 Es vergeht kein Tag, 7  GlobalWebIndex schätzt bspw. den Anteil der 16–24-jährigen Nutzer von Facebook im Jahr 2015 auf 86  % aller Internetnutzer dieser Altersgruppe mit Ausnahme von China. Die etwas zu­ rückliegende ARD/ZDF-Onlinestudie besagt bereits im Jahr 2011, das 7  % aller Jugendlichen (14– 19 Jahre) in Deutschland soziale Online-Netzwerke nutzen. Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2020 geht davon aus, dass 24  % aller 14–29-jährigen Deutschen täglich Facebook nutzen. Bei der täglichen Nutzung und bei jüngeren Nutzern dominieren klar bildbasierte soziale Netzwerke wie Instragram, vgl. https://www.ard-zdf-onlinestudie.de/social-mediawhatsapp/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.­2022). 8  www.facebook.de ist als weltweiter Markführer seither meist das erstgenannte Paradebeispiel des wissenschaftlichen Diskurses bzgl. sozialer Netzwerke im Internet; vgl. nur Chmelik, S.  25; Fuhlrott/Oltmanns, NZA 2016, S.  785; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  744; Martini/Fritzsche, NVwZ 2015, S.  1497. 9  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/37545/umfrage/anzahl-der-aktiven-nutzer-von-­ facebook/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 10  Hornung/Müller-Terpitz, HB Social Media, Kap.  1, S.  1; Remmertz, MMR 2018, S.  507. 11  Davon sind 308  Mio. Menschen tägliche Nutzer aus Europa, https://allfacebook.de/toll/stateof-­facebook (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Dies entspricht ca. 69  % der Bevölkerung ­innerhalb der EU. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/181086/umfrage/die-weltweit-groessten-social-­ networks-nach-anzahl-der-user/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) kommt sogar auf 2,74 Mrd. mo­ natlich aktiver Nutzer. Hierin wird jedenfalls die noch bestehende Vorrangstellung von Facebook auf den Zweitplatzierten YouTube (2,291  Mrd. aktive Nutzung) deutlich. In einer Umfrage zur Me­ diennutzung von Jugendlichen des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungs­ fernsehen im Jahr 2020 gaben die meisten der weiblichen befragten Jugendlichen (66  %) an, sie nutzen soziale Medien, um zu erfahren, was die anderen Freunde machen (männliche Befragte 49  %); vgl. http://www.br-online.de/jugend/izi/deutsch/Grundddaten_Jugend_Medien.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  39. 12  Die ZDF-Medienforschung sieht in ihrer „multimethodalen Community Studie“ von 2011 die zentralen Motive zur Nutzung von sozialen Netzwerken in drei Säulen: Selbstdarstellung – „sehen und gesehen werden“, Kontaktpflege – „keep in touch“ und Informationsgewinnung – „up-to-date sein“; ZDF-Medienforschung, multimethodale Community-Studie 2011, Institut Phaydon, Modul Panelbefragung: repräsentativ für Internet-Nutzer im Alter von 14–59 Jahren (n=2.343), Feldzeit 16.–25.09.2011; vgl. auch bei Frees/Busemann, S.  18. 13 Vgl. Paus-Hasebrink/Trültzsch, S.  30. 14 Vgl. K. Beck, S.  155. 15  Watzlawick/Beavin/Jackson, S.  53: „Man kann nicht nicht kommunizieren“.

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

an dem wir nicht in irgendeiner Form miteinander kommunizieren.16 Hierdurch sind wir in der Lage, unser soziales Umfeld durch die Interaktion mit anderen zu formen, um eine angestrebte individuelle Persönlichkeit zu entwickeln.17 Dies scheint in der heutigen Zeit einfacher als je zuvor, ist der notwendige Kontakt zu anderen durch die Anmeldung in einem sozialen Netzwerk nur wenige Klicks oder Swipes entfernt. Gleichzeitig bietet das soziale Netzwerk zur Sicherung der eigenen sozialen Indi­ vidualität die Möglichkeit, sich durch die Angabe von persönlichen Daten möglichst individuell und attraktiv zu präsentieren.18 Dies reicht von der Angabe von Name, Alter und Familienstand über das Nennen persönlicher Vorlieben, seien diese künst­ lerischer, politischer oder produktbezogener Art, bis hin zum Teilen von eigens ge­ nerierten Inhalten in Form von Text, Ton oder Bild. Hierbei stellt jede Form von Anerkennung durch möglichst viele positive Rückmeldungen anderer Nutzer auf die geteilten Inhalte einen entscheidenden Indikator für die Attraktivität des eigenen Profils und dadurch der eigenen Person oder Institution dar. Dies gilt umso mehr, da sich alle Nutzer, seien es Privatpersonen, Institutionen, Unternehmen, Politiker19, Künstler ebenso wie Regierungen,20 in einem sozialen Netzwerk auf einer neutralen gemeinsamen Kommunikationsbasis21 – auf Augenhöhe22 – begegnen. Hierfür hat sich in Deutschland erstmals Ende 200423 der Begriff Web 2.024 in Anlehnung an die Versionsnummer neu aufgelegter Softwaretitel zur Umschreibung einer bis dato neu­ en Generation von Internetnutzern und ihres Interaktionsverhaltens etabliert.25 Die Bezeichnung ist dabei expliziter Ausdruck eines Wandels des Nutzerverhaltens weg vom reinen Datenkonsum hin zur aktiven Beteiligung durch die eigenständige Ein­ bindung in die Internetgemeinde durch das Teilen von selbst erstellten Inhalten des Einzelnen26, des sog. user generated content27. 16  Dahrendorf, KZfSS 1958, S.  348 beschreibt den Menschen als homo sociologicus – ein sozia­ les Wesen, bei dem Kontakte und Interaktion mit anderen Personen eine zentrale Rolle im gesamten Lebenslauf spielen; vgl. auch Kneidinger, S.  19. Als „mediatisierter Mensch“ (lat. homo medialis) bediene er sich zur Kommunikation der nötigen Hilfsmittel; so etwa Förg, S.  32. 17  Schipper, S.  96. 18 Vgl. Ebersbach/Glaser/Heigl, S.  229. 19  Zur Twitter-Nutzung der Kandidierenden der Bundestagswahl 2017 vgl. J.-H. Schmidt, Media Perspektiven 2017, S.  616 ff. 20  Es gehört mittlerweile zum Alltag, dass die deutsche Bundesregierung über die eigenen Social-­ Media-Accounts aktuelle Themen und Inhalte postet; vgl. etwa https://www.facebook.com/Bundes regierung/?fref=ts (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); zur Landesregierung Baden Württemberg etwa https://twitter.com/RegierungBW (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. ferner P ­ ernice, S.  53 ff.; Wi. Schulz, Media Perspektiven 2015, S.  210 ff.; Vowe, Media Perspektiven 2017, S.  607 ff. 21  Ebersbach/Glaser/Heigl, S.  230. 22  Gronenthal, S.  182. 23  Eifert, S.  12; J. Schmidt, S.  11. 24  Krit. zum Begriff Meise, S.  30, da Web 2.0. eher verdecke, dass neue Formen der Generierung und Verbreitung von Inhalten in soziale, ökonomische und v. a. juristische Strukturen einzubinden seien, die dem Ideal der egalitären Teilhabe aller Nutzer Grenzen setzen. Hierzu auch Eifert, S.  11. 25  Tausch, S.  22. 26 Vgl. Völtz, S.  30. 27  Reinemann/Remmertz, ZUM 2012, S.  216.

A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet

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Logische Konsequenz dieser Entwicklung ist eine Form gesellschaftlichen Drucks28, sich möglichst aktiv am Netzwerkgeschehen zu beteiligen.29 Hier setzt der Algorithmus des jeweiligen sozialen Netzwerks im Internet einen zusätzlichen An­ reiz, indem gezielt populäre Beiträge die Chance auf eine größtmögliche Verbreitung bekommen. Vermeintlich lohnt es sich somit, möglichst viele Inhalte zu teilen, um die Chance auf soziale Anerkennung zu erhöhen. Verstärkt wird dieser Zugzwang durch die ständige Verbesserung von technischen und infrastrukturellen Bedingun­ gen30, insbesondere durch die mobile Nutzung des Internets. Die Schaffung eines nahezu ubiquitären Internetzuganges hat in Kombination mit mobilen Endgeräten – sog. Smart-Devices – sowie den entsprechenden Software-Applikationen (engl. apps) den Weg zur Vollzeitvernetzung weiter geebnet.31 Dieser Umstand erlangte gerade im Hinblick auf den Upload von Personenabbildungen in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung: Sah man bereits in der Möglichkeit der bloßen Abrufbarkeit von eingespeisten Informationen im Internet eine Kumulation von Risiken für Persön­ lichkeitsverletzungen32, erfährt diese Einschätzung durch die steigende Mobilität der Endverbraucher eine neue Dimension. Heute ist es jedem Besitzer eines sog. Smart-­ Devices wie einem handelsüblichen Smartphone möglich, per integrierter Kamera hochauflösende Bilder in jeder Lebenslage zu schießen, um diese gleich anschlie­ ßend mittels mobilem Internetzugang in ein soziales Netzwerk zu posten. Entspre­ chend steigt die Anzahl der mobilen Nutzer von sozialen Netzwerken drastisch: Ver­ zeichnete Facebook weltweit etwa im Jahr 2013 noch 0,71  Mrd. mobile Nutzer, ging man für das Jahr 2018 bereits von 1,34  Mrd. mobilen Nutzern aus.33 2019 ging man allein in Deutschland von insgesamt 32  Mio. Facebook-Nutzern aus, von denen 29  Mio. mobil agierten.34

28 Vgl.

Piltz, S.  3. Bspw. ging eine Schätzung des Pew Research Center im Jahr 2014 davon aus, dass etwa die Hälfte aller Internetnutzer, die nicht bei Facebook angemeldet sind, jemanden in ihrem Umfeld kennen, der bei Facebook angemeldet ist; vgl. http://www.pewresearch.org/fact-tank/2014/02/03/6new-facts-about-facebook/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 30  Meise, S.  31. 31  Allein Facebook bezifferte 2016 über eine  M rd. mobile Nutzer, http://newsroom.fb.com/com pany-info/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Eine Umfrage von Statista erkennt einen deutlichen Zuwachs der mobilen Nutzung (aller) sozialen Netzwerke im Zeitraum von 2010–2018 in Deutsch­ land; vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/912932/umfrage/mobile-nutzung-von-sozialen-­ netzwerken-nach-haeufigkeit-in-deutschland/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); ferner geht man heute davon aus, dass 96  % aller Nutzer in Deutschland soziale Medien auf mobilen Endgeräten benutzen; vgl. https://www.statista.com/statistics/299492/active-mobile-social-media-penetrationin-­european-countries/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 32  Ohrmann, S.  1. 33  https://de.statista.com/statistik/daten/studie/380565/umfrage/prognose-der-anzahl-mobiler-­ facebook-nutzer/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 34  Dies entspricht in Deutschland also 91  %; vgl. https://allfacebook.de/zahlen_fakten/offiziell-­ facebook-nutzerzahlen-deutschland (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 29 

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

I. Personenbilder bilden Meinungsbilder – Kommunikation durch Bilder Während das Angebot sowie das Bedürfnis zur Vernetzung und zum aktiven Teilen von Inhalten immer größer wird, bleibt eine entscheidende Komponente naturgemäß stets konstant: Die Zeit. Deshalb ist es aufgrund der kolossalen Masse an Informa­ tionen, mit der sich jeder Internetnutzer täglich konfrontiert sieht, unerlässlich, In­ halte so schnell und präzise wie möglich zu vermitteln, um überhaupt von anderen wahrgenommen werden zu können. Die effektivste Möglichkeit stellt hierfür ohne Zweifel das Zeigen eines Bildes dar. Hierdurch wird der plakativste Eindruck mit größtmöglicher Informationsdichte in­ nerhalb von Sekunden vermittelt.35 Zudem hat der Explizierende mit minimalem Aufwand so viel mitgeteilt, wie er in derselben Zeitspanne mit Text oder einer Ton­ aufnahme nicht im Ansatz wiedergeben könnte.36 Dementsprechend ist das Anferti­ gen und anschließende Zeigen von Bildern auf sozialen Netzwerken im Internet fes­ ter Teil der Alltagskultur geworden.37 Allein auf der Internetseite Facebook werden nach Schätzungen durchschnittlich 350 Millionen Bilder pro Tag eingestellt.38 Insge­ samt kann man wohl von einer Gesamtzahl von weit über 250 Milliarden Fotos aus­ gehen, die bisher allein auf Facebook hochgeladen wurden.39 Freilich handelt es sich hierbei nicht ausschließlich um Bilder, auf denen Personen zu erkennen sind. Gleich­ 35  Der wesentliche Unterschied liegt in der Diskursivität der Sprache im Verhältnis zur Simulta­ neität des Bildes. So können die Zusammenhänge, die eine visuelle Struktur ausmachen, „in einem Akt des Sehens erfasst werden“; S. Langer, S.  99, wonach der radikalste Unterschied zur Sprache die (fehlende) Diskursivität sei. Hierzu ausführlich Kap.  1, A. 36  Dementsprechend geben 76,2  % aller Studienteilnehmer (n=589) zur Social Media Umfrage der BurdaForward im März 2015 an, dass sie Bilder ohne Text als ansprechendste Statusmeldung empfinden: http://www.burda-forward.de/fileadmin/customer_files/public_files/downloads/studien/ BF_SocialTrends_SocialMedia.pdf, Seite 19 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); zudem ergab die 3,5-jährige Studie von 2010 bis 2014 des Social Media Wissenschaftlers Dan Zarella bei der Unter­ suchung von 11,4  Mio. Beiträgen auf 24.000 der „most liked Facebook pages“, dass Fotos die mit am Abstand höchste Interaktionsrate in Form von Likes vor Text, Videos und Links haben: http:// danzarrella.com/new-data-the-performance-of-facebook-post-types-over-3-5-years/ (zuletzt aufge­ rufen am 01.06.2022). 37 Vgl. Autenrieth, S.  36. 38  https://www.omnicoreagency.com/facebook-statistics/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); auf Instagram werden laut https://www.omnicoreagency.com/instagram-statistics/ (zuletzt aufgeru­ fen am 01.06.2022) derzeit 995 Bilder pro Sekunde hochgeladen; im Januar 2016 wurde von Insta­ gram veröffentlicht, dass allein pro Monat 80  Mio. Fotos und Videos geteilt werden; vgl. https:// allfacebook.de/instagram/instagram-nutzer-deutschland (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 39 Vgl. Autenrieth, S.  41; ferner https://www.brandwatch.com/de/blog/facebook-statistiken/ (zu­ letzt aufgerufen am 01.06.2022), welche 2019 von 250  Mrd. Fotos ausgehen. Genau genommen han­ delt es sich hierbei allerdings um den Stand Ende 2013 – viele Statistiken berufen sich irrtüm­ licherweise auf das falsche Jahr. Seit 2013 gibt Facebook keine expliziten Zahlen mehr heraus und informiert nur sehr zurückhaltend. Im Sommer 2013 gab Facebook an, dass bereits 250  Mrd. Fotos auf die Plattform hochgeladen wurden. Seither kamen nach Schätzungen ca. 10  Mrd. pro Monat hin­z u. Kleiner Perkins Caufield & Byers gehen 2014 von insgesamt 1,819  Mrd. hochgeladenen Fo­ tos pro Tag auf den Plattformen Facebook/Whatsapp/Instagram/Flickr/Snapchat aus: https://de. statista.com/statistik/daten/studie/312208/umfrage/taegliche-foto-uploads-ueber-ausgewaehlte-so ziale-netzwerke-und-apps/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022).

A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet

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wohl erhalten Personenabbildungen plattformübergreifend eine besonders hohe Auf­ merksamkeit, werden hierdurch Anonymität und Pseudonymität am ehesten redu­ ziert40 und der gewünschte Sozialbezug41 des jeweiligen Akteurs visuell und damit besonders eindrucksvoll präsentiert.42 Mitunter finden sich deshalb nicht nur Bilder zur Verewigung besonderer Ereignisse in sozialen Netzwerken. Vielmehr entstehen durch den schier permanenten Upload von Personenbildnissen ganze Bilderchroni­ ken der Selbst- und Fremddarstellung.43 Um die Aufmerksamkeitsspanne bei den Rezipienten innerhalb der Bilderfluten der sozialen Netzwerke hoch zu halten, beste­ hen heute darüber hinaus in nahezu allen Netzwerk-Ablegern sog. Story-­Rubriken. Hierin hochgeladene Bilder oder Videos löschen sich selbst nach Ablauf einer gewis­ sen Zeit. Wer also up to date sein möchte, muss auch bei der Bildrezep­tion aktiv bleiben.44 Gerade unerfahrene Nutzer scheinen in diesem Kommunikationsstrom durch ein unreflektiertes Darstellungs- und Mitteilungsbedürfnis einen regelrechten Teil- oder Postingzwang zu entwickeln. Für kritische Stimmen ist dies bereits Anlass genug, der modernen Gesellschaft auf dem Weg in die Egomanie45 den Verlust jeglichen Gespürs für Privatheit46 zu attestieren.47 Durch das pandemiebedingte Social Distancing, aber auch unter dem Aspekt der Wirklichkeitssuggestion durch eine schwer zu manipulierende Unmittelbarkeit hat das sog. Livestreaming als „nächstes Puzzleteil zum Echtzeit-Netzwerk“48 Einzug in unseren Alltag gehalten. Bei sog. Social Live-Streaming Services (SLSSs)49 teilt je­ der Nutzer seine Erlebnisse mittels einer Echtzeit-Videoübertragung der Webcam des eigenen Endgeräts. Die Zuschauer können über ein Nachrichtenfenster mit dem sendenden Nutzer interagieren und diesen sogar mit Aufmerksamkeiten belohnen.50 40 

Astheimer/Neumann-Braun/Ax. Schmidt, S.  79. Meise, S.  122. 42  Hierzu im Einzelnen Kap.  1, A. 43  Autenrieth, S.  15 spricht von einem dokumentarischen Bilderstrom des eigenen Lebens. 44  Im April 2019 belief sich die Anzahl der täglichen aktiven Nutzer von Instagram Stories, Facebook + Messenger und Whatsapp Status jeweils auf 500  Mio. Personen; vgl. https://de.statista. com/statistik/daten/studie/862391/umfrage/taegliche-nutzer-von-stories-formaten-ausgewaehlter-­ sozialer-netzwerke-weltweit/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 45 Vgl. Schertz/Höch, S.  18 f. 46  Hohmann-Dennhardt, NJW 2006, S.  548. 47  L. Lorenz, K&R 2021, S.  322: „[…] unaufhaltsam divergieren Internetkonsum und Sensibilität für Datenschutz“. 48  E. Kühl, Alles ständig live für alle, Zeit-Online v. 16.03.2015; vgl. http://www.zeit.de/digital/ internet/2015-03/livestreaming-app-meerkat-smartphone (01.06.2022). 49  Bei SLSSs kann weiter zwischen Allgemeine Live-Streaming Diensten ohne thematischen Schwerpunkt (z. B. YouNow, Periscope, Ustream, Facebook Live, Instagram Live, YouTube Live oder Google Hangouts) und themenbezogenen Live-Streaming Diensten (Twitch oder Facebook Gaming für Videospielübertragungen und Events, Picarto für Kunst) unterschieden werden; vgl. Scheibe/Zimmer/Fietkiewicz, Information. Wissenschaft & Praxis 2017, S.  353. Bei Lehrveranstal­ tungen spricht man auch von „Webinaren“; vgl. Stebbings et al., S.  315. 50  Scheibe/Zimmer/Fietkiewicz, Information. Wissenschaft & Praxis 2017, S.  353. 41 Vgl.

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

Aktuelle Erhebungen zeigen, dass Livestreaming regelrecht boomt und verspricht, weiter am Markt zu wachsen.51 Die Echtzeit-Integration bringt einerseits neue Chancen für kulturelle oder politi­ sche Massenevents sowie Vorort-Reportagen etwa in Krisen- und Terrorgebieten mit sich, die aufgrund der Sendung in Echtzeit als direkt und ungeschönt wahrgenommen werden können. Andererseits scheint die Gefahr für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch das Liveschalten von Aufnahmen in sozialen Netzwerken geradezu evident.52

II. Personenbilder bilden Persönlichkeitsbilder – Selbstdarstellung Die Möglichkeiten, sich selbst mit seinem Abbild in der Öffentlichkeit darzustellen, erscheinen heute vielfältiger denn je. Dabei haben die kommunikativen Praktiken der Selbstthematisierung mit dem Ausbau der mobilen Vernetzung mittels Smartphone-­ Technologien enorm an Bedeutung gewonnen.53 Das sog. Selfie ist zum Sinnbild der spiegelbildlichen Selbstaufnahme, der eigens kreierten Selbstdarstellung geworden. Bildbasierte soziale Netzwerke im Internet wie Instagram, Snapchat, YouTube oder Tiktok erfreuen sich vor allem bei jüngeren Nutzern54 großer Beliebtheit.55 Ganze 51  Während in 2019 insgesamt 15,63  M rd. Stunden Livestreaming konsumiert wurden, wurden im Jahr 2020 insgesamt 27,9  Mrd. Stunden live gestreamed. Dies entspricht einem Wachstum von 78,5  %. Allein auf der Plattform Twitch werden im Schnitt über eine  Mrd. Stunden Livestreams im Monat konsumiert; vgl. https://blog.streamlabs.com/streamlabs-and-stream-hatchet-q4-live-stream ing-industry-report-a898c98e73f1 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Inwiefern die Coronapande­ mie Einfluss auf dieses exponentielle Wachstum hat, bleibt freilich abzuwarten. 52 Vgl. Tschorr, MMR 2021, S.  204. Dies liegt nicht zuletzt auch an den „Stolperfallen“, die eine technische Neuerung mit sich bringt: Beispielsweise setzte Facebook die Live-Schaltung automa­ tisch auf öffentlich, nachdem die Beschreibung des Livevideos eingetippt wurde. Wird dieser Vor­ gang nicht manuell vom Nutzer behoben, kann somit jedermann das Video auch ohne Nutzerprofil im Internet streamen; vgl. hierzu Gronau, Was ist das neue Facebook-Live? BZ-Online v. 22.02.­2016, http://www.bz-berlin.de/ratgeber/computer-technik/was-ist-das-neue-facebook-live (01.06.­2022). 53  Van Dijck, Visual Communication 2008, S.  61; Reichert, ZKph 2018, S.  83. 54  M. Götz, IZI 32/2019/1, S.  25; die JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) aus dem Jahr 2019 kommt zum Ergebnis, dass 71  % der Mädchen und 59  % der Jungen Instagram, 58  % der Mäd­ chen und 35  % der Jungen Snapchat, 19  % der Mädchen und 9  % der Jungen TikTok täglich oder mehrmals pro Woche nutzen (n=1.200, Alter zwischen 12 und 19 Jahren), abrufbar unter https:// www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2019/JIM_2019.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); nach einer Erhebung der Bauer Media Group aus dem Jahr 2018 sind bei Jugendlichen (sowohl Jungen n=161 als auch Mädchen n=702) soziale Medien im Internet weitaus beliebter als die analo­ gen Medien (TV, Zeitschriften, Tageszeitungen, Radio und Bücher), abrufbar unter https://de.statis­ ta.com/statistik/daten/studie/892813/umfrage/beliebteste-medien-unter-jugendichen-nach-ge­ schlecht-in-deutschland/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); laut der Studienreihe „Jugend unge­ schminkt“ im Auftrag der IKW – welche im Jahr 2019 auf einen empirischen Fundus von 100 dreistündigen tiefenpsychologischen Einzelbefragungen sowie von 3.060 Onlinebefragungen von Jugendlichen in Deutschland zwischen 14 und 21 Jahren zurückgreifen konnte – seien über 74  % der Befragten bis zu 20 Mal täglich auf Instagram; aus den Statistiken ergibt sich diese Erkenntnis ­allerdings nicht ohne weiteres, abrufbar unter https://www.ikw-jugendstudie.org/wp-content/up loads/2019/04/19_0402_Storyline_Insta_DE.pdf (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022). 55  Vgl. nur den einleitenden Satz von Woltmann, in: FG RobotRecht 2020, S.  493: „Die Fähigkeit zu öffentlichkeitswirksamer Selbstdarstellung hat sich zum Charakteristikum der postmodernen

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Berufsfelder wie das der Influencer56 oder YouTuber stellen dementsprechend nach aktuellen Studien keineswegs mehr vorübergehende Phänomene oder Modeerschei­ nungen dar, sondern konnten sich in kürzester Zeit inmitten der Gesellschaft als neu­ artige Brücke zwischen Verbrauchern und werbenden Unternehmen etablieren.57 Da­ bei spielt die bereits angesprochene nahbare Kommunikation auf Augenhöhe des In­ fluencers mit seinen Followern auf den sozialen Netzwerken eine entscheidende Rolle. Platziert und befürwortet ein Influencer ein Produkt im unmittelbaren Zusammen­ hang einer Bildnisveröffentlichung auf seinem Kanal, erscheint dies für das entspre­ chende Unternehmen deshalb besonders attraktiv, weil diese Promotion von den Re­ zipienten nicht direkt als Werbung, sondern als Kaufempfehlung von einem „Freund“ und deshalb als besonders authentisch empfunden wird.58 Damit kommt Influencern mit einer hohen Reichweite im Internet (engl. social reach) heute grundsätzlich eine bedeutende Rolle bei der öffentlichen Meinungsbildung zu, wie es vor wenigen Jahren nur den klassischen Akteuren wie Journalisten und Pressesprechern möglich war.59 Gesellschaft entwickelt“. Nach der ARD/ZDF Onlinestudie 2019 weist Instagram unter allen Social-­ Media-Angeboten in Deutschland die höchste Nutzungssteigerung auf und wird vor allem von unter 30-Jährigen genutzt; vgl. http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/files/2019/Pressemeldung_ARD-ZDF-­ Onlinestudie_2019.pdf (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022); die Anzahl der monatlich aktiven Nut­ zer von TikTok über iOS hat sich laut Priori Data (Statista) in Deutschland von 391.100 im Januar 2017 auf 1.696.260 im August 2020 erhöht, abrufbar unter https://de.statista.com/statistik/studie/ id/70123/dokument/tiktok/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); Frühbrodt, IZI 32/2019, S.  4; vgl. ferner Herbort, S.  133; Schertz/Höch, S.  35 ff. 56  Die App TikTok war laut Priori Data (Statista) im August 2020 in Deutschland die viert-­ erfolgreichste App im Google Play Store in der Kategorie „umsatzstärkste Social-Apps“. Hierbei werden Influencer bislang überwiegend anhand ihrer Follower-Zahlen oder nach dem Schwerpunkt ih­rer veröffentlichten Informationen – dem sog. „Content“ – kategorisiert. So haben sich bereits Be­g riffe wie Kidfluencer, Petfluencer, Baby-Influencer, Fitness-Influencer etc. etabliert. Eine allge­ mein gültige Kategorisierung existiert indes nicht. 57  Rainie/Brenner/Purcell, Photos and Videos as Social Currency Online 2012, abrufbar unter https://www.pewresearch.org/internet/2012/09/13/photos-and-videos-as-social-currency-online/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); laut einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Deutschlands (Bitcom) aus dem Jahr 2018 nimmt jeder zweite Social-Media-Nutzer, dem der Begriff bekannt ist (56  Prozent), Influencer in der heutigen digitalen Welt als ganz normalen Beruf wahr. Jeder Dritte (35  Prozent) wäre selbst gerne als Influencer erfolgreich, https://www.bitkom.org/Presse/Presse information/Jeder-Fuenfte-folgt-Online-Stars-in-sozialen-Netzwerken.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. auch Spangardt, S.  156 f. 58  Scott, Journal of promotional communications 2018, S.  262; dabei können auch gerade solche Nutzer, die keinen hohen Professionalisierungsgrad oder geringere Reichweiten (Follower) aufwei­ sen, für Unternehmen sehr interessant sein, da sie möglicherweise aufgrund ihres „Freundeskrei­ ses“ eine konkrete Zielgruppe erreichen und bei dieser besonders vertrauenswürdig wirken. Dem­ entsprechend haben sich heute verschiedene Kategorisierungen anhand von Followerzahlen bei Influencern etabliert: Nano-Influencer (1.000–10.000 Follower), Mikro-Influencer (10.000–50.000 Follower), Mittel-Influencer (50.000–500.000 Follower), Makro-Influencer (500.000–1  Mio. Fol­ lower) und Mega-Influencer (über 1  Mio. Follower); vgl. hierzu die Grafik der Influencer Marketing Agentur Cure Media, abrufbar unter: https://onlinemarketing.de/wp-content/uploads/2020/09/in fluencer-klassifizierung-nach-follower-zahl-auf-instagram.png (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. hierzu auch Schach, S.  33; vgl. zu Bildnisveröffentlichungen im werbenden Kontext Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 59  Eine aktuelle Analyse von Bause (Publizistik online 2021) geht davon aus, dass die Kommu­

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Ein jüngeres Phänomen stellen sog. social-payment-service-Plattformen wie Patreon oder Onlyfans dar. Hierüber können Inhalteanbieter von ihren patreons oder fans nach dem Modell eines Inhalteabonnements einen regelmäßigen Geldbetrag für solche (Bild-)Inhalte beziehen, welche sie exklusiv ihren Abonnenten zur Verfügung stellen. Während sich etwa die Patreon-Plattform zunehmender Beliebtheit bei ver­ schiedenen Künstlern, Podcastern und Bloggern erfreut60, zielt die Onlyfans-Platt­ form auf das regelmäßige Einstellen erotischer und pornografischer (Bild-)Inhalte61 ab. Eine Vielzahl beliebter Social-Media-Aktivitäten basiert somit auf der gezielten Inszenierung des eigenen (Privat-)Lebens unter Preisgabe des eigenen Bildnisses, indem Selfies, Stories oder sonstige Kurzvideos auf ein soziales Netzwerk geladen werden. Dabei zeigen Analysen zum Rezeptionsverhalten der Nutzer – anhand des Aufruf-, Like-, Share- und Kommentierverhaltens – innerhalb bildbasierter sozialer Netzwerke, dass der Authentizität eines Bildnisses eine besondere Rolle zukommt.62 So besteht an solchen Abbildungen regelmäßig ein hohes Nutzerinteresse, welche den Eindruck vermitteln, die Person würde nicht gezielt Informationen in die (breite) Öffentlichkeit entäußern. Diese Abbildungen suggerieren die Möglichkeit für die Be­ trachter, sich aufgrund der Unbefangenheit des Abbildungsmoments über die „ech­ ten“ Verhaltensweisen der Person und damit über den „wahren“ und „ungestellten“ Charakter der Person zu erkundigen oder sich über vorangegangene Persönlichkeits­ nikationsrolle von sog. political social media Influencer (PSMI) als „Weiterentwicklung von Mei­ nungsführerschaft“ beschrieben werden könne, welche „hin zu einer Form von mediatisierter, (semi-)professioneller und öffentlicher Kommunikation, die auf strategischer Selbstinszenierung“ beruhe, führe, abrufbar unter https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s11616-021-00666-z. pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); Bennett/Pfetsch, Journal of Communication 2018, S.  250; vgl. bereits Neuberger/Nuernbergk, Journalism Practice 2010, S.  331, wonach der klassische Jour­ nalismus aufgrund der Partizipationsmöglichkeiten der Leser in sozialen Netzwerken mit neuen Herausforderungen konfrontiert sei und Nachrichtenfirmen in der Pflicht stehen würden, den Jour­ nalismus neu zu erfinden; sodann Papacharissi, Journalism Studies 2014, S.  37, welche von unter­ schiedlichen Paradigmen der Nachrichtenberichterstattung und des Journalismus spricht; ferner Thummes, S.  75. 60  Regner, S.  1 f. 61  Kreienbrink spricht demzufolge im Spiegel-Online v. 25.03.2020 beim Einstellenden bei Onlyfans vom „Intimfluencer“; vgl. https://www.spiegel.de/netzwelt/web/yma-louisa-nowak-auf-only fans-erotische-bilder-im-monatsabo-a-7f7e4cca-0199-4584-b91d-9a4e2cf90826 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). So nutzen etwa Models, Musiker, Schauspieler, Fitnessexperten und Influencer die Plattform Onlyfans, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. Bspw. behauptete die Schauspielerin Bella Thorne im Jahr 2020, sie habe mit Onlyfans allein in einer Woche 2 Mio US-Dollar verdient; vgl. https://www.rnd.de/promis/onlyfans-bella-thorne-spricht-uber-freizugige-fotos-bereits-zweimillionen-­dollar-verdient-C24FH5UINNAIBOPAUNSIARIILE.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.­ 2022). Dabei besteht auch für nicht prominente Personen die Möglichkeit, mit exklusiven Bildern beträchtliche Summen zu verdienen; vgl. hierzu etwa https://www.podcast.de/episode/587155395/ hype-plattform-onlyfans-maria-finanziert-ihr-studium-mit-nacktfotos (zuletzt aufgerufen am 01.06.­ 2022). 62  Frühbrodt, IZI 32/2019, S.  5; M. Götz, IZI 32/2019/1, S.  25, 28; Scott, Journal of promotional communications 2018, S.  262, spricht von „trustworthiness“; vgl. zur generellen Authentizität von Abbildungen, Kap.  1, A., I., 3.

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vermittlungen – etwa durch frühere (Bild-)Veröffentlichungen – gewissermaßen rückzuversichern.63 Diese Vergewisserung hat eine umso höhere Validität, je unbe­ fangener sich die Person in der konkret abgelichteten Situation zeigt, wie etwa bei einer spontanen und unbeobachteten Momentaufnahme. Solche Situationen vermit­ teln einen authentischen, ungeschönten und damit „echten“ Persönlichkeitseindruck, da die abgebildete Person aufgrund der Flüchtigkeit des Moments keinen (manipula­ tiven) Einfluss auf den Inhalt ihrer (bildhaften) Persönlichkeitsvermittlung zu haben schien.64 Dass aber hinter solchen Bildnisveröffentlichungen offensichtlich die auf­ wändige eigene Inszenierung des Veröffentlichenden durch (Bild-)Bearbeitungen steht, hat keine Auswirkung auf die Beliebtheit solch „privater“ Bildnisse. Ferner besteht der allgemeine Eindruck einer nicht inszenierten, echten Persön­ lichkeitsvermittlung bei Abbildungen, die solche Verhaltensweisen zeigen, die üb­ licherweise nicht in der Öffentlichkeit, sondern nur im vertrauten Umfeld stattfinden, weil sie nicht für die breite Masse bestimmt und damit privater oder intimer Natur65 sind. Eine Folge hiervon ist die Inszenierung von Natürlichkeit oder Privatheit in sozia­ len Netzwerken im Internet durch eigens veröffentlichte Bildnisse, um – mittels ge­ stellten Aufnahmesituationen, arrangierter Bildperspektiven oder nachträglicher Bildbearbeitungen – mehr Aufmerksamkeit zu erhalten.66 Hieran gekoppelt sind Nachahmungseffekte solcher Nutzer, die ebenfalls soziale Anerkennung in Form ho­ her Rezeptions- und Interaktionsraten für ihre Bildnisveröffentlichungen erhalten oder schlicht ihrem prominenten Vorbild nacheifern wollen und insoweit den Trends folgen.67 63  Grundlegend hierzu bereits Goffmann, S.  7 und insbesondere S.  58: „as members of an audi­ ence it is natural for us to feel that the impression the performer seeks to give may be true or false, genuine or spurious, valid or ‚phony‘. So common is this doubt that […] we often give special atten­ tion to features of the performance that cannot be readily manipulated, thus enabling ourselves to judge the reliability of the more misrepresentable cues in the performance.“; diese Vermutung wird insbesondere von aktuellen Untersuchungen zum Bild-Postingverhalten von Influencern und Ju­ gendlichen gestützt: Eine deutsche Studie von M. Götz, IZI Digital 1/2019, S.  17, Abb.  9 aus dem Jahr 2019 zum Postingverhalten von Jugendlichen (Mädchen n=404; Jungen n=442) kam zum Er­ gebnis, dass es diesen (Mädchen 88  %; Jungen 76  %) besonders wichtig erscheint, „möglichst natür­ lich auszusehen“; ähnlich M. Götz/Becker, IZI Digital 1/2019, S.  24; Trültzsch-Wijnen, S.  137 ff., 289; vgl. ferner zum Bedürfnis der Öffentlichkeit Lehr, S.  58. 64 Vgl. Goffman, S.  70: „we tend to see real perfomances as something not purposely put together at all, being an unintentional product of the individual’s unself-conscious response to the facts in his situation“; vgl. ferner die Auflistung bei M. Götz, IZI 32/2019/1, S.  26. 65  M. Götz, IZI 32/2019/1, S.  26; ferner spielen bei sexualisierten Darstellungen weitere Faktoren wie die sexuelle Sozialisation sowie das entwicklungsbedingte Interesse an Sexualität eine Rolle; vgl. hierzu Mangold/Vorderer/Bente/Zillmann, S.  571. 66  Natürlichkeit und Privatheit werden insofern (begrifflich) instrumentalisiert und ad absurdum geführt, um eine hohe (Rezeptions-)Reichweite in der Öffentlichkeit zu generieren; hierzu Klee­ mans/Daalmans/Carbaat/Anschütz, Media Psychology 2018, S.  101 ff. 67 Vgl. M. Götz, IZI 32/2019/1, S.  25, 27; Scott, Journal of promotional communications 2018, S.  262; Spech, S.  4.

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Ferner bestehen seit jüngster Zeit Anhaltspunkte, welche die Annahme stützen, dass sich die eben beschriebenen Trends von „Natürlichkeit“ und „Privatheit“ – ins­ besondere durch die Priorisierung von Abbildungen nackter Haut – pauschal in den Algorithmen vereinzelter sozialer Netzwerke widerspiegeln und das zukünftige Pos­ tingverhalten von Nutzern durch die Auswahl der Bilder in deren Newsfeed68 maß­ geblich mitbeeinflussen.69 Da hierbei jedenfalls die Aktualität des Beitrags sowie die Aktivität im Sinne der Veröffentlichungshäufigkeit oftmals eine wichtige Rolle für die Reichweite eines (Bildnis-)Posts darstellt, entsteht zudem eine Art inhaltlicher Zwang für den Nutzer, möglichst regelmäßig aktuelle (private) Bilder von sich zu veröffentlichen.70 Dabei läuft jeder Nutzer aber gleichzeitig Gefahr, dass er aufgrund des eigenen Postingverhaltens den Eindruck bei anderen hervorruft, ihm mache es grundsätzlich nichts aus, im entsprechenden („natürlichen“ oder „privaten“) Kontext ohne seine Einwilligung abgebildet zu werden. Denn schließlich hat sich der Abge­ bildete selbst auf dem eigenen Profil schon in vergleichbaren Situationen gezeigt und somit möglicherweise selbst geöffnet.

III. Ausblick – Fortwährender Trend zu bildhaften Kommunikationsformen Bereits die angesprochene Beliebtheit gerade bildbasierter sozialer Netzwerke flan­ kiert den heute klar erkennbaren Trend innerhalb der Onlinekommunikation weg von der (zeitintensiveren und deshalb aufwändigeren) Textkommunikation hin zu 68  Im sog. Newsfeed bekommt man grundsätzlich die Inhalte und Status-Updates der anderen Nutzer und abonnierten Seiten angezeigt. 69  Für großes Aufsehen sorgte im Mai 2020 eine Untersuchung des European Data Journalism Network und der gemeinnützigen Organisation AlgorithmWatch, wonach das größte bildbasierte soziale Netzwerk Instagram sich nicht ausschließlich an den individuellen Vorlieben des Nutzers durch die Analyse seines Nutzungsverhaltens orientiert. Die Analyse zeigt, dass Bilder, die mehr Haut zeigen, den Benutzern pauschal häufiger gezeigt werden als Bilder, die keine Haut zeigen. Dabei tauchten sexuell suggestive Bilder sowie Nacktheit beider Geschlechter im Verhältnis signi­ fikant häufiger in den Newsfeeds von Probanden auf, als in deren eigens erstellten Beiträgen oder den Beiträgen von (dritten) Personen, denen die Probanden gefolgt sind; vgl. zum Forschungsdesign https://algorithmwatch.org/story/haut-zeigen-auf-instagram/ (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022); die konkreten Forschungsdaten sind abrufbar unter https://docs.google.com/document/d/1L7A5hms km3Y3huSXHNtIIoiVijHD3dkDqubff4Yvkg8/edit# (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022). Gleich­ wohl ist zu betonen, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt mangels größerer Stichproben (zwischen Februar und März 2020 wurden 1.737 Posts mit 2.400 Fotos analysiert) nicht um eine hinreichend aussagekräftige Studie handelt. Man könnte hingegen auch vermuten, dass der Instagram-Algorith­ mus sich nach allgemeinen Erfahrungswerten hinsichtlich der vorangegangenen Performance eines Bildinhalts richtet. Jedenfalls würde auch dieses Szenario die These untermauern, dass ­f reizügigere Bilder eine höhere Wahrscheinlichkeit auf Interaktionen bekommen. Auch die IKW-Jugendstudie bestätigt „exhibitionistische Tendenzen“ bei Jugendlichen auf Instagram, abrufbar unter https:// www.ikw-jugendstudie.org/wp-content/uploads/2019/04/19_0402_Storyline_Insta_DE.pdf (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022). 70  Vgl. hierzu etwa https://diri-socialmedia.de/instagram-algorithmus/ (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022).

A. Moderne Kommunikationsplattformen: Soziale Netzwerke im Internet

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Sprach- und insbesondere Bild- und Videonachrichten.71 Das Phänomen der Verla­ gerung von Text zu Bild, was bereits 1994 von Mitchell infolge des Aufkommens von Massenmedien Mitte des 20.  Jahrhunderts als sog. „pictorial turn“72 oder schon ab den 1970er Jahren als „Hegemonie der Bilder“73 bezeichnet wurde74, setzt sich ge­ wissermaßen auch innerhalb moderner Kommunikationsformen fort. Statt einer Text­nachricht werden neben digitalen Fotos und Videos darüber hinaus sog. ­Emojis75, Sticker76, Memes77 oder Gifs78 versendet, die reduziert zusammenfassen was man 71  Nach der repräsentativen Langzeitstudie des ARD/ZDF zur Massenkommunikation errei­ chen Bewegtbild- und Audioaufnahmen im Durchschnitt mehr als 80  % der an 14-Jährigen, wäh­ rend nur knapp die Hälfte etwa Medien in Textform weiterhin rezipiert; vgl. hierzu Kupferschmitt/ Müller, Media Perspektiven 2020, S.  390; vgl. bereits Kupferschmitt, Media Perspektiven 2015, S.  383 ff. 72  Mitchell, S.  12. 73  Schober/Pechriggl, S.  10 ff. m. w. N. 74  In diesem Zug kann noch der Begriff des sog. iconic turn angesprochen werden, welcher ebenfalls 1994 von Boehm, S.  11 ff., eingeführt wurde. Dieser beschreibt die Hinwendung zur Bild­ wissenschaft und deren Auseinandersetzung damit, wie Menschen in ihrer Weltwahrnehmung und ihrem Verhalten durch Bilder beeinflusst werden. 75  Ein Emoji (jap. für Bildschriftzeichen) ist ein Piktogramm, das auf Gefühlslagen, Gegenstän­ de, Orte, Tiere, Essen o. Ä. im elektronischen Textnachrichtenverkehr verweist. Als gewisser Vor­ läufer des Emojis gelten sog. Emoticons (emotion + icon), welche meist einen Gesichtszug mit Hilfe einer EDV-Zeichenkombination innerhalb eines Textes dargestellt haben; vgl. https://www.duden. de/rechtschreibung/Emoji (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). In einer repräsentativen Forsa-­ Befragung zum Thema „Kommunikation in der digitalen Welt“ aus dem Jahr 2018 gaben 73  % der Befragten, welche Emojis bzw. Emoticons in ihren digitalen Textnachrichten nutzen, an, dass da­ durch die Kommunikation aufgelockert werde. 53  % gaben an, dass sie durch die Verwendung von Emoticons bzw. Emojis Gefühle besser ausdrücken können, 35  % meinen, dass sich durch deren Verwendung Missverständnisse vermeiden lassen. 17  % gaben Zeitersparnis als Grund an, https:// gfds.de/wp-content/uploads/2018/03/Sprachliche-Kommunikation-in-der-digitalen-Welt-2018-1. pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Vgl. auch A. Wagner/Marusek/Yu, Social Semiotics 2020, S.  398, wonach das Fehlen nonverbaler Hinweise die sozio-emotionale Kommunikation störe, wes­ halb Individuen nach Strategien suchen, um die soziale und relationale Dimension zu repräsentie­ ren, wovon Emojis die beste Illustration seien. Mittlerweile besteht die Möglichkeit, Emojis zu konfigurieren, um diese bspw. dem eigenen Äußeren anzupassen. 76  Die meisten Messager bieten heute eine Sticker-Funktion, mit der Benutzer ihre Nachrichten verschicken können. Gegenwärtig können diese Sticker nicht nur einfache Bilder sein, sondern auch mit Soundeffekten oder Hervorhebungen kombiniert werden, was die Symbolisierung vielfältiger und abwechslungsreicher macht. Nach einer Studie von C. Chen, S.  226 f., 233, steigert das Versen­ den von Stickernachrichten die Wahrnehmung der Benutzer und motiviert diese, über die entspre­ chende Software zu kommunizieren. 77  Unter dem Begriff „Meme“ (ausgesprochen [miːm] – engl., Mehrzahl Memes) werden ver­ schiedene Resultate eines Kulturphänomens zusammengefasst, welches sich durch das Veröffent­ lichen kleiner Medieninhalte mit einer meist humoristischen, aufheiternden oder manchmal auch satirischen und entsprechend gesellschaftskritischen Aussage kennzeichnet. Bei diesen Inhalten kann es sich um aus dem ursprünglichen Kontext gerissene Fotografien, Zeichnungen, Animatio­ nen oder Filme von bekannten oder unbekannten Personen handeln, die mit anderen Inhalten wie (Sprach-)Text kombiniert werden. Hierbei sind diese an keinen bestimmten Medientyp gebunden; vgl. Milner, S.  1, 3; Shifman, S.  53 f.; vgl. ferner E. Bauer, S.  74; Wandtke, MMR 2019, S.  143 f. 78  Die Abkürzung „Gif“ steht für grafical interchange format und hat die Eigenschaften eines Memes mit einem entscheidenden Unterschied: Es handelt sich um ein (kurzes) redundantes Be­

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

ausdrücken möchte und dabei überwiegend Menschen zeigen.79 Dass sich die Me­ dienlandschaft wiederum an diesem Trend orientiert, indem etwa Nachrichtenmel­ dungen verstärkt mit den als attraktiver angesehenen Bild- und Videoaufnahmen – in Form sog. NiFs – ausgestaltet werden, stellt eine rückwirkende Folge hiervon dar.80 Insgesamt kann erwartet werden, dass die (Echtzeit-)Bewegtbildnutzung weiter zu­ nehmen wird.81 Denn diese sind im Sinne der noch zu erörternden Wirkungsweisen bildhafter Kommunikation82 besonders dazu geeignet, Authentizität zu suggerie­ ren.83 Hiermit hängt zusammen, dass bewegte Bilder zum jetzigen Zeitpunkt für den Durchschnittsnutzer noch schwieriger manipulierbar erscheinen als ein einzelnes Bild: Da diese im unmittelbaren Austausch mit der Umwelt stattfinden und mit Audio­daten kombinierbar sind, bestehen für den Rezipienten zumindest mehrere ­Variablen zur Verifikation als bei einem Einzelbild. Insoweit erscheinen die Metho­ den zur Darstellung von Objekten im dreidimensionalen Raum für moderne Kom­ munikationsformen besonders zukunftsweisend.84

B. Moderne Darstellungstechniken Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis moderner Darstellungsszenarien ge­ hen modernen Kommunikationsformen Hand in Hand mit modernen Darstellungs­ techniken. Auch diese sollen vorab groß umrissen werden.

I. Die Digitalfotografie als Wegbereiter moderner Darstellungstechnik Die Digitalfotografie kann als „Meilenstein in der Industrialisierung der Alltagsfoto­ grafie“ bezeichnet werden.85 Dabei handelt es sich beim Begriff der Digitalfotografie wegtbild, dessen Ablauf immer wieder von vorne beginnt, wenn das Ende der Schleife erreicht ist; vgl. hierzu Jiang/Fiesler/Brubaker, Proceedings of the ACM on Human-Computer Interaction 2018, Art.  80:1 ff.; Wagener, Communication 2020, Rn.  10 ff. 79 Vgl. E. Bauer, S.  21. 80  ARD-Forschungsdienst, Media Perspektiven 2020, S.  37 unter Berufung auf Ziegele et al., Information, Communication & Society 2018, S.  1419 ff.; Bucholz/Schult, S.  77. 81  Dies würde den Aufwärtstrend entsprechend der Mediennutzung im Langzeitvergleich bestä­ tigen; vgl. hierzu Breunig/Handel/Kessler, Media Perspektiven 2020, S.  410 ff. Vgl. auch in diesem Zusammenhang die Feststellung bei https://allfacebook.de/instagram/instagram-nutzer-deutsch­ land (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), wonach bereits im Jahr 2020 50  % aller Menschen täglich ein Video auf Instragram anschauten. 82  Vgl. hierzu Kap.  1, A. 83  Stellvertretend hierfür steht die umgangssprachliche Redewendung „pics or didn’t happen“ (engl.: Fotos – oder es ist nicht passiert), welche die Aufforderung innerhalb einer Diskussion bein­ haltet, eine aufgestellte Behauptung durch Bilder zu belegen; vgl. hierzu https://www.urbandictio nary.com/define.php?term=pics%20or%20it%20didn%27t%20happen (zuletzt aufgerufen am 01.06.­ 2022) 84  Hierzu sogleich Einführung, B., II. 85  Herbort, S.  16.

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an sich um eine unbestimmte Sammelbezeichnung für diverse bildaufzeichnende, bildverarbeitende und bildgebende Verfahren, die auf Grundlage von elektronischen Verfahren seit Mitte der 1980er Jahre industriell entwickelt werden.86 Das Prinzip der digitalen Bilderfassung verhält sich aber im Grunde immer gleich: Durch eine Kameralinse werden visuelle Daten durch lichtempfindliche Sensoren als einzelne Bildpunkte – sog. Pixel – auf einem Chip erfasst, welche in elektronische Impulse übersetzt und anschließend in einen binären Zahlencode umgewandelt werden.87 Dieser Binärcode kann übertragen und von auslesefähigen Endgeräten wieder in die ursprünglichen Bilddaten zurückübersetzt werden.88 Damit ermöglichte es die Co­ dierung, Bilder nicht nur in ihrer ausgedruckten Form sichtbar zu machen, vielmehr konnten diese fortan auf beliebigen lesefähigen Endgeräten angezeigt und verschickt werden.89 Zudem wurde durch das digitale Format die Palette der Manipulations­ möglichkeiten erheblich erweitert: Bildelemente können fortan (ähnlich wie bei ei­ nem Textverarbeitungsprogramm) entfernt oder hinzugefügt, kombiniert, ausge­ schnitten oder freigestellt und damit in einen völlig neuen fotorealistischen Kontext gebracht werden.90 In diesem Zusammenhang stellt sich grundsätzlich die Frage, wann man sich überhaupt noch im Fotorealismus bewegt, oder ob etwa eine Manipu­ lation der Wirklichkeit schon dann vorliegt, wenn der Abgebildete einen sog. Filter zum Aufhübschen der Darstellung benutzt. Befeuert durch das Internet erfuhr die digitale Fotografietechnik mit der Smart­ phone-Fotografie einen erheblichen Entwicklungsschub: 2010 waren zehn Jahre nach der Veröffentlichung des ersten japanischen Mobiltelefons mit eingebauter Kamera bereits über eine Milliarde camera phones im Gebrauch.91 Allein für das Jahr 2017 ging man von weltweit insgesamt 1,2 Billionen hergestellter digitaler Fotos aus, wo­ von 85  % über das Smartphone entstanden sind.92 Im Jahr 2020 betrug der Anteil der Besitzer (fotografiefähiger) Smartphones in Deutschland 86  %.93 Dabei verfügt ein aktuelles Smartphone heute kaum noch über nur eine Kamera, sondern ist neben 86  Günzel/Mersch, S.  267, wonach der Begriff erstmals in einer im 06.1988 in San Francisco ver­ anstalteten Fotokunstausstellung namens Digital Photography. Captured Images, Volatile Memory, New Montage programmatisch vorkomme. 1977 erhielt der Kodak-Ingenieur Steven Sasson das erste Patent für eine Digital-Kamera (Electronic Still Camera, US Patent 4131919A), welche erst­ mals einen Halbleiter-Chip zur Bildaufnahme nutzte und die elektronischen Signale über einen (aus der Nachrichtentechnik der 1920er Jahre kommenden) Analog-Digital-Wandler in binäre Informa­ tionen umwandeln konnte. Die Kamera ging allerdings nie in Serie, weil die Auflösung (nur 0,01 Megapixel) zu niedrig war. 87  Herbort, S.  16, 31 ff.; Hoy, S.  377; Oldekop, S.  22 f. 88  Engling, S.  23; Hoy, S.  377. 89  Herbort, S.  31 ff. 90  Holzwarth, MedienPädagogik 2013, S.  12 f. 91  Günzel/Mersch, S.  267: „Sharp J-SH04“ aus dem November 2000. 92 Vgl. https://de.statista.com/infografik/10908/weltweit-gemachte-fotos/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 93  Der Wert bezieht sich auf Personen ab 14 Jahren, die ein internetfähiges Smartphone oder Handy besitzen, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/585883/umfrage/anteil-der-smartphone-­ nutzer-in-deutschland/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022).

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hochauflösenden Rückkameras im zweistelligen Megapixelbereich mit mindestens einer weiteren Front- bzw. Selfie-Cam ausgestattet, welche die möglichst hochauf­ lösende Selbstaufnahme gewährleisten soll.94 Darüber hinaus werden hochauflösende Kameras immer noch kleiner, damit transportabler und können kabellos von anderen Orten aus – remote – gesteuert wer­ den. Dies ermöglicht die Herstellung von Bildaufnahmen über weite Distanzen hin­ weg aus solchen Perspektiven, welche vom Abgebildeten nicht mehr bemerkt werden können. Zu denken ist etwa an Drohnenaufnahmen aus großer Höhe95 oder versteck­ ten stecknadelgroßen Kameras in öffentlichen Toiletten, welche die Bilddaten in Echtzeit auf eine Cloud im Internet übertragen und abspeichern.96 Der Aufnehmende hat somit allenfalls das (minimale) Risiko, dass seine Kamera entdeckt und in Be­ schlag genommen wird, während er selbst im Verborgenen bleibt und dabei nach wie vor Zugriff auf die hergestellten Bilddaten hat.

II. Dreidimensionale Rekonstruktionsmethoden Die Rekonstruktion der isomorphen Wirklichkeit in Form eines unmittelbar rezipier­ baren Bildes endet keineswegs mehr beim Einfangen des Lichtes etwa mittels der modernen Digitalfotografie. So besteht heute die Möglichkeit das Abbildungsobjekt in den virtuellen – dreidimensionalen – Raum zu transferieren, um es anschließend weiterzuverarbeiten, indem es in einen anderen Kontext gesetzt oder selbst verändert wird. Für diese technische Transformation eines Objekts in den dreidimensionalen Raum erfolgt die Bilderfassung entweder mit einem Scanner oder auf Basis sog. ­digitaler photogrammetrischer Verfahren.97 Da nicht zuletzt der strafrechtliche Ab­ bildungsschutz an unterschiedliche Tatobjekte – im Kernstrafrecht die „Aufnahme“ und im Nebenstrafrecht das „Bildnis“ – anknüpft, soll auf die verschiedenen Erfas­ sungsmethoden in aller Kürze eingegangen werden. 1. Scanning Beim scanning wird ein Messinstrument – ein sog. 3D-Scanner – zur Analyse und Aufzeichnung von realen Objekten in einem virtuellen dreidimensionalen Raum be­ nutzt. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten, das Objekt zu analysieren und zu digitalisieren. Das allgemeine Prinzip ist aber durchaus vergleichbar: Der Scanner 94 Vgl. nur https://www.pixolum.com/blog/fotografie/beste-handy-kamera (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 95  S. Löffler, in: FG RobotRecht 2020, S.  329, 338, wonach moderne – selbst preisgünstige – Drohnentechnik die Aufnahme von pixelstarken (Panorama-)Fotos und Videos „in bisher unbe­ kanntem Ausmaß“ hinsichtlich der Detailgenauigkeit aus großer Höhe ermögliche. 96 Vgl. Plomin, S.  57 ff. 97  Als dritte – aber untechnische – Methode besteht noch das sog. Polygonmodelling, welches als digitale Bildmodellierung aus der Feder des Plastikers verstanden werden könnte. Hierbei be­ nutzt der Hersteller aber keine technische Aufzeichnung von Gegenständen, sodass es sich insofern letztendlich um eine „digitale Zeichnung“ handelt.

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sendet Signale in Form eines Laserstrahls, Röntgenstrahlen oder eines Tons in Rich­ tung des Objekts aus. Ausgehend von der Zeit, die bis zur Erfassung einer Reflektion verstreicht, wird die Entfernung zu diesem Punkt der Szene berechnet.98 3D-Scanner haben damit Ähnlichkeiten mit Kameras: Beide nehmen Informationen in ihrem Sichtfeld auf. Während eine Kamera differenzierte Licht- und Farbinformationen sammelt, verarbeitet ein 3D-Scanner Abstandsdaten zu Oberflächen. Aus den erhal­ tenen Abstandspunkten wird das gescannte Objekt im dreidimensionalen Raum zu­ sammengesetzt. 2. Photogrammetrie Sog. photogrammetrische Verfahren machen es ebenfalls möglich, aus verschiede­ nen Bildern eines Objektes ein sog. dreidimensionales Objekt (3D-Objekt) zu erstel­ len. Optimalerweise besteht hierfür eine Vielzahl verschiedener hochaufgelöster (Mess-)Bilder des Abbildungsobjekts aus verschiedenen Winkeln, aus welchen an­ schließend mittels unterschiedlichen Methoden99 das eigentliche 3D-Digitalisat er­ rechnet und damit abgeleitet wird. Hier besteht der maßgebliche Unterscheid zum 3D-Scanning also darin, dass es sich um zweistufiges Verfahren zur Erlangung von 3D-Daten handelt: Beim 3D-Scan entstehen weite Teile des Digitalisats direkt vor Ort, während diese bei photogrammetrischen Verfahren aus den Messbildern erst noch errechnet und umgesetzt werden müssen. Eine Nebenfolge photogrammetri­ scher Verfahren ist somit gewissermaßen das Anfallen vieler Bilder (auch Bildkon­ serven genannt), die über die Jahre immer neu – mittels der aktuellen Technik – be­ nutzt werden können.100 Diese modern anmutenden Verfahren sind an sich nicht neu und wurden etwa zur Digitalisierung von Kunstobjekten oder Gebäuden vor bereits 150 Jahren eingesetzt.101 Dabei wurden photogrammetrische Verfahren über die Jah­ re derart professionalisiert, sodass diese heute ihren Weg in eine Vielzahl von An­ wendungen gefunden haben. So werden etwa in der Archäologie historische Ausgra­ bungsstätten und Artefakte digitalisiert, um diese offline zu vermessen und untersu­ chen oder einem großen Publikum zugänglich machen zu können. Tatorte können zu jeder Zeit digital so untersucht werden, wie es mit einem Maßband nie möglich ge­ wesen wäre. Autonom fahrende Autos können anhand photogrammetrischer Karten­ daten in Echtzeit die Umgebung auf Abweichungen kontrollieren.102 Schließlich kön­ nen die hier erlangten dreidimensionalen Daten leicht verändert und mit anderen Objekten kombiniert werden, wie es in der realen Welt nur mit erheblichem Aufwand 98 

Clados, S.  156 f. Ummenhofer, S.  10 ff. 100  Strackenbrock/Tsuchiya, S.  146. 101  Eine der ältesten bekannten Bildkonserven in Deutschland enthält das Bildarchiv der ehema­ ligen Königlich Preußischen Meßbild-Anstalt. Diese stellte von 1885–1920 in Berlin ca. 20.000 Glasnegative mit metrischen Kameras von Denkmalen im deutsprachigen Raum und Gebäuden aus dem Vorderen Orient her; Strackenbrock/Tsuchiya, S.  146 f.; ferner Deussen, S.  95 f. 102  Vgl. zur Kombination mit Deep-Learning-Algorithmen Xie et al., S.  207 ff. 99 Hierzu

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oder gar nicht möglich wäre. Dies öffnet heute auch Kunstschaffenden im Bereich moderner (Unterhaltungs-)Medien neue Türen, indem sie photogrammetrisch er­ zeugte 3D-Modelle in Filmproduktionen103, Videospielen oder Virtual-Reality-Er­ lebnisse integrieren können.104 Dies gilt freilich nicht nur für ganze Umgebungen, sondern auch für Menschen. So können die 3D-Daten eines Menschen mit weiteren Informationen wie etwa Bewegungsdaten105 (anderer Menschen) verknüpft werden, damit sich das 3D-Modell im dreidimensionalen Raum fotorealistisch bewegt. Um eine hinreichend natürliche Abbildung eines fotorealistischen 3D-Scans einer Person in Bewegung abbilden zu können, bedarf es zum aktuellen Zeitpunkt noch der Ar­ beit geschulter Animatoren.106 Da bereits heute mit einem herkömmlichen Smart­ phone und der entsprechenden Applikation Objekte mit einem (vereinfachten) photo­ grammetrischen Verfahren über die Kamera107 erfasst werden und auch Bewegungs­ daten erschwinglich aus dem Internet geladen oder selbst hergestellt werden können, scheint es nur noch eine Frage der Zeit, bis jedermann echt aussehende Videosequen­ zen von anderen Personen herstellen kann, die so nie stattgefunden haben.

III. Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen als Ausgangspunkt für weitere neue bildhafte Darstellungsformen Angesichts einer inzwischen weitreichenden Digitalisierung der Gesellschaft hat sich im Rahmen der Diskussion um das Phänomen der Künstlichen Intelligenz gerade im Hinblick auf Personendarstellungen ein regelrechtes Tauziehen um die Wahrheit ent­ wickelt: Online wird es zunehmend schwerer, sog. Fake News zu erkennen.108 Vor allem deshalb rückt die Frage, inwieweit „Wahrheit“ im Sinne einer möglichst zutref­ fenden Wirklichkeitskonstruktion109 durch das Strafrecht geschützt werden müsse110, 103  Als Meilensteine der Animationsfilmtechnik werden etwa die Filme Fight Club und Matrix von 1999 von bezeichnet, in welchen die Photogrammetrietechnik für Special Effects eingesetzt wurde; der erste Film, der die Photogrammetrietechnik nutzte, war Godzilla im Jahr 1998; vgl. ­https://computeranimationhistory-cgi.jimdofree.com/fight-club-1999/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.­ 2022) 104  Ummenhofer, S.  10 ff. 105  Hierzu wird aktuell das sog. Motion-Capture-Verfahren (mocap) angewendet; vgl. hierzu ausführlich Menache, S.  2 ff.; überblicksartig Deussen, S.  104 ff. 106  Derzeit bieten insgesamt sieben Hochschulen in Deutschland ein Studium im Bereich Ani­ mation an; vgl. https://www.studycheck.de/studium/animation (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 107  Diese werden meist untechnisch als „3D-Scanning Apps“ bezeichnet, obwohl ein ­technisches Scanning gerade nicht stattfindet. 108  Überlegungen zur Strafbarkeit der Verbreitung von Fake News de lege ferenda Kusche, in: FG RobotRecht 2020, S.  427 ff., welcher hierbei allerdings nicht näher zwischen Wort und Bild un­ terscheidet; zum Begriff Rostalski, RW 2017, S.  438 f. 109  Su. Beck, in: FG RobotRecht 2020, S.  404. 110  Die Wahrheit als solche im Sinne der eben beschriebenen Wirklichkeitsdarstellung ist straf­ rechtlich nicht geschützt; vgl. Su. Beck, in: FG RobotRecht 2020, S.  404; Hoven, ZStW 2017, S.  738; I. Puppe, ZStW 2018, S.  649 ff.; ferner Saliger, S.  102 ff., welcher zum Ergebnis gelangt, dass das geltende Strafrecht mit einem „allgemeinen Lügendelikt“ unvereinbar sei.

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in das Zentrum einer hochaktuellen und intensiven Diskussion.111 Dass sich diese Diskussion zwangsläufig auch maßgeblich in Richtung fotorealistischer Bilder und Videos ausrichten wird, lassen die vorangestellten Erwägungen zu deren Wirklich­ keitssuggestion sehr stark vermuten.112 Gleichzeitig hat die universal verfügbare und stetig steigende Ansammlung von (Bild-)Daten im Internet insbesondere den Einsatz von sog. Machine-Learning-Sys­ temen zur Aufbereitung von Datenmengen zu verschiedensten Zwecken befördert.113 Hierbei bezeichnet Maschinelles Lernen im Allgemeinen verschiedene Methoden, mithilfe von Lernprozessen Zusammenhänge in bestehenden Datensätzen – wie etwa einem Bild – zu erkennen, um hierauf aufbauend Vorhersagen – etwa für das Aussehen der abgebildeten Person in einem anderen neuen (fiktiven) Bildszenario – zu treffen.114 Ungeachtet der einzelnen Methodenmodelle115 lässt sich also verein­ facht festhalten, dass eine Software oder eine Maschine bestimmte Aufgaben lernen kann, indem sie auf der Basis von Erfahrungen (in Form von Daten) gewissermaßen trainiert wird.116 Dass eine Maschine selbstständig lernt, hat dabei mitunter bedeu­ tende Auswirkungen auf jede Form von vorhersagenden und damit auch fiktiven Darstellungsszenarien, zu denen neben der Erkennung auch die Abbildung einer Per­ son gehören kann.117 So zeigen diverse Forschungsergebnisse jüngerer Erhebungen, dass Machine-Learning-basierte Systeme exzellente Lernende sind, die bei ganz un­

111  Hoven, ZStW 2017, S.  718 ff.; Hoven/Krause, JuS 2017, S.  1167 ff.; Rostalski, RW 2017, S.  448 ff.; Rückert, S.  167 ff. 112  Vgl. hierzu bereits Einführung, A., III., wonach fotorealistische Bilder von uns unmittelbar als Abbildung der Wirklichkeit rezipiert werden und somit bereits aus sich heraus Authentizität suggerieren. Ausführlich Kap.  1, A., I., 3. 113  Vgl. hierzu Hartmann, K&R 2020, S.  350. 114 Vgl. Murphy, S.  2 ff.; vgl. ferner Apel/Kaulartz, RDi 2020, S.  24, wonach Machine Learning im Kern auf der Überlegung basiere, dass vergleichbare Sachverhalte auf einer vergleichbaren Da­ tenlage beruhen. 115  Grundsätzlich lassen sich drei Arten des Maschinellen Lernens unterscheiden: supervised learning (Training mit „beschrifteten“ Daten und somit ähnliches Lernen wie das menschliche Hirn), unsupervised learing (keine Eingabe „beschrifteter“ Daten, deshalb muss der Algorithmus selbst Kategorien bilden) und reinforcement learning (dem Algorithmus wird nicht gesagt, welche Aktion in welcher Situation die beste ist, sondern nur Anreize in Form von „Belohnungen oder Strafen“ gesetzt, um ihn für die konkrete Aufgabe zu sensibilisieren); zu den einzelnen Arten aus­ führlich Buxmann/H. Schmidt, S.  9 ff. m. w. N. 116  Lantwin, MMR 2020, S.  78. 117  Buxmann/H. Schmidt, S.  8 sprechen im Hinblick auf diese Arbeitsweise dieser „Maschinen“ von einem „Paradigmenwechsel“ und nennen hierzu folgendes einfaches Beispiel: Um einem Algo­ rithmus eine Unterscheidung beizubringen, formuliere der Entwickler beispielsweise bei der Erstel­ lung der Software nicht mehr ausdrücklich, dass eine Katze vier Pfoten, zwei Augen, scharfe Kral­ len und Fell hat. Vielmehr werde der Algorithmus mit vielen unterschiedlichen Tierfotos „trainiert“, anhand derer er selbstständig „erlernt“, wie die jeweiligen Tiere aussehen und sich von anderen Tieren unterscheiden. Dieses Beispiel lässt sich ohne weiteres auf das Erkennen und Darstellen von individuellen Personen anhand derer audiovisuellen Erkennungsmerkmale – also u. a. die Stimme, deren Redensart, sowie deren äußere Erkennungsmerkmale – übertragen.

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terschiedlichen Aufgabenstellungen118 nunmehr119 im Stande sind, die Fähigkeiten von Menschen zu übertreffen.120 Dabei sind die Forschungsentwicklungen und Er­ kenntnisse zur künstlichen Intelligenz und maschinellem Lernen zwar nicht grund­ sätzlich neu121, die Ausgangslage hat sich aber gerade im Zusammenhang mit bild­ haften Darstellungen drastisch verändert. Insbesondere besteht heute infolge der fortschreitenden Technisierung und dem hiermit verbundenen gesellschaftlichen Umgang mit Bildern eine gänzlich neue Infrastruktur in Form einer immensen und stetig wachsenden Summe von stets verfügbaren (Bild-)Daten im Internet, die zum Training Künstlicher Intelligenz herangezogen werden kann.122 Eine Folge hiervon ist, dass KI-Anwendungen immer noch besser im Kreieren von fotorealistischen Bil­ dern und Videos werden.123 Heute besteht ein derart hohes Niveau an Authentizität solcher künstlicher Abbildungen, dass diese mit bloßem Auge nicht als Fälschung erkannt werden können.124 Großes Aufsehen erregte deshalb bereits im Herbst 2017 ein anonymer Nutzer des sozialen Netzwerks Reddit, als dieser unter dem Pseudonym „Deepfakes“ täuschend echt aussehenden Videos pornographischen Inhalts veröffentlichte, in welche die Ge­ sichter von weiblichen Prominenten mittels künstlicher Intelligenz transferiert wur­ den.125 Der Begriff deepfake steht seither wohl als Kombination aus den Begriffen 118  Prominente Beispiele sind etwa die Diagnose von bestimmten Krankheitsbildern anhand von Forschungsdaten verschiedenster Art; vgl. hierzu Litjens et al., Medical Image Analysis 42 (2017), S.  60 ff., die Bildaufwertung zerstörter oder unvollständiger Bilder; vgl. hierzu etwa Hoeschen, Der Radiologe 2020, S.  15 f., oder auch die sog. digitale Betrugserkennung (engl. fraud detection), wel­ che darauf sensibilisiert ist, den Nutzer anhand erlernter verschiedener Verhaltensmuster (meistens Stimmimitationen) seiner (potentiellen) Interaktionspartner auf Betrugshandlungen – überwiegend im Onlinebereich – hinzuweisen, vgl. hierzu Ferreira Moreno Oliverio et al., S.  110 ff. m. w. N.; Habbe/Gergen, CCZ 2020, S.  284; vgl. zur Stimmimitation durch KI Software ZD-Aktuell 2019, 06776; zu den Chancen und Risiken des Einsatzes von KI im Bereich polizeilicher Gefahrenabwehr unter dem Schlagwort des sog. predictive policing Eisele/Böhm, in: FG RobotRecht 2020, S.  519 ff. 119  Vgl. zu Fehleranfälligkeiten Künstlicher Neuraler Netzwerke bei der Bilderkennung etwa noch Togootogtokh et al., Deep Learning Approach for Very Similar Objects Recognition Applica­ tion on Chihuahua and Muffin Problem 2018, abrufbar unter https://arxiv.org/ftp/arxiv/papers/ 1801/1801.09573.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 120  Buxmann/H. Schmidt, S.  9; vgl. hingegen F. Puppe, in: FG RobotRecht 2020, S.  121. 121  Buxmann/H. Schmidt, S.  7, wonach es Forschungsarbeiten über Künstliche Neuronale Netze als wichtige Grundlage des Maschinellen Lernens bereits seit den 1940er Jahren gebe; vgl. ferner F.  Puppe, in: FG RobotRecht 2020, S.  122, welcher die Darthmouth-Konferenz von 1956, in welcher sich vier bekannte Wissenschaftler mit „intelligenten“ Verhaltensweisen von Computern beschäf­ tigten, als „Geburtsstunde der KI“ bezeichnet. 122 Vgl. Buxmann/H. Schmidt, S.  7 f.; vgl. ferner Lantwin, MMR 2020, S.  78. 123  Greengard, Communications of the ACM 2020, S.  17, zitiert den director of the Computer Vision and Machine learning Lab (CVML) of the University at Albany/New York Siwei Lyu mit den Worten: „Today’s deep neural nets and AI algorithms are becoming better and better at creating images and video of people that are convincing but not real“; Lantwin, MMR 2019, S.  574. 124  Lantwin, MMR 2020, S.  78. 125 Vgl. Lantwin, MMR 2019, S.  574; Thiel, ZRP 2021, S.  203 f.; vgl. ferner Kuhlmann, Deep­ fakes 2020, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/deepfakes-gegen-gefaelschte-­ videos-vorgehen-gericht-persoenlichkeitsrecht-strafrecht/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); eben­

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deep learning – einer besonderen Ausprägung des Machine-Learning-Prinzips126 – und fake (engl. Fälschung)127 für Bild-, Video und Audioaufnahmen, die mittels Künstlicher Intelligenz hergestellt oder modifiziert wurden und dabei entgegen allen Anscheins kein tatsächliches Geschehen wiedergeben.128 Durch immer besser werdende Endgeräte mit starken Rechenleistungen und hoher Speicherkapazität, sowie die Etablierung cloudbasierter Anwendungsformen zu er­ schwinglichen Preisen und die (teilweise kostenlose) Bereitstellung von (Open-­ Source-)Toolkits von Bibliotheken zur Entwicklung von KI-Anwendungen129, halten Deepfakes in zunehmendem Maß Einzug in das alltägliche Leben der Gesellschaft.130 Die Möglichkeit fotorealistisch etwas darzustellen, was in der Realität nicht statt­ fand, hat mittlerweile nicht nur ganze Geschäftszweige in der Film- und Unterhal­ tungsindustrie erschlossen.131 Vielmehr besteht heutzutage für jedermann mit einem falls hohe Aufmerksamkeit erlangte im August 2017 ein von der University of Washington ver­ öffentlichtes Video, welches mittels Machine Learning hergestellt wurde und Barack Obama beim Dis­k utieren verschiedener Themen wie Terrorismus, seiner Vaterschaft oder der Arbeitsplatzsitua­ tion zeigt; vgl. hierzu Gerstner, Defense Counsel Journal 2020, S.  1 f.; die Veröffentlichung und ein weiterführender Link zu entsprechedem Video finden sich bei https://www.washington.edu/news/ 2017/07/11/lip-syncing-obama-new-tools-turn-audio-clips-into-realistic-video/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); das ZDF beruft sich Schätzungen, nach welchen heute über 95  % der im Internet verfügbaren Deepfakes pornographischen Inhalts sein sollen, https://www.zdf.de/wissen/leschs-­ kosmos/deepfakes-der-manipulation-ausgeliefert-100.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.­2022) 126  Der Deep-Learning-Ansatz basiert auf der Verwendung sog. „Künstlicher Neuronaler Net­ ze“ (KNN). Die Grundidee von KNN besteht dabei sehr vereinfacht dargestellt, dass diese mittels mehrschichtiger Netzwerke ein (menschliches) Gehirn simulieren sollen. Hierdurch können diese KNN Zusammenhänge erlernen, die einfachen Algorithmen des Maschinellen Lernens verborgen bleiben (vgl. zum sog. „Polanyi-Paradox“, Autor, Polanyi’s Paradox and the Shape of Employment Growth, NBER Working Papers 2014, abrufbar unter https://www.nber.org/system/files/working_ papers/w20485/w20485.pdf, zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) und zudem profitieren diese stärker von einer größeren Anzahl von Trainingsdaten; vgl. zur Funktionsweise querschnittsartig Buxmann/H. Schmidt, S.  12 ff. m. w. N.; Hartmann, K&R 2020, S.  350 f.; F. Puppe, in: FG RobotRecht 2020, S.  124. Hierbei kann zwischen weiter zwischen jeweiligen deep learning approaches diffe­ renziert werden; vgl. Kumar/Bhavsar, Detecting Deepfakes with Metric Learning 2020, II., A., ab­ rufbar unter https://arxiv.org/abs/2003.08645 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 127  Hartmann, K&R 2020, S.  351. 128  Lantwin, MMR 2019, S.  574; ders., MMR 2020, S.  78; Meck, MMR-Aktuell 2020, 432339. 129  Buxmann/H. Schmidt, S.  7 f., wonach Rechenleistung und Speicherplatz so kostengünstig wie nie zuvor seien und problemlos von Cloud-Anbietern wie Amazon, Google und Microsoft etc. bezo­ gen werden könnten. 130 Vgl. Lantwin, MMR 2020, S.  78. 131  Ein aktuelles Beispiel für einen deeplearning-basierten Face Swap in der Filmindustrie ist der 2016 erschienene Hollywoodfilm „Rogue One: A Star Wars Story“, in welchem eine junge Ver­ sion der Schauspielerin Carrie Fisher für einen kurzen Aufritt im Film mit Hilfe von KI-Anwen­ dungen kreiert wurde; zu denken ist ferner an die Möglichkeit mit Hilfe von gescannten (photo­ grammetrischen) 3D-Daten von Schauspielern und Models unter Heranziehung von Deeplearning-­ Algorithmen ganze Charaktere eigenständig handeln zu lassen. Etwa könnten bereits verstorbene Stars wieder zurück auf die Leinwand geholt werden. So hat jüngst das Filmstudio Magic City Films angekündigt, eine Hauptrolle im Kriegsdrama „Finding Jack“ mit James Dean zu besetzen. Gleich­ wohl stellen Deepfakes bei aufwändigen Filmproduktionen noch die Ausnahme dar und befinden sich im frühen Entwicklungsstadium; vgl. hierzu Brandstetter, KI im Kino: Wie Deepfakes Hol­

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

durchschnittlichen internetfähigen Smartphone der Zugang zu solchen (Deepfake-) Applikationen, die beispielsweise das Tauschen oder Modifizieren des Gesichts in einem Video oder Bild ohne nennenswerte Fachkenntnis ermöglichen.132 Dass somit ein immenses Missbrauchspotential von Deepfakes besteht, zeigt sich nicht allein in Form persönlicher oder wirtschaftlicher Schäden für den Abgebildeten oder die Re­ zipienten. Zwar ist die ursprünglich befürchtete Welle von etwa politischen Deep­ fakes bislang ausgeblieben.133 Gleichwohl äußert sich die Besorgnis, dass Deepfakes zur Massenmanipulation instrumentalisiert werden oder zum vollständigen Vertrau­ ensverlust der Öffentlichkeit in Bezug auf bildhafte Darstellungen führen könnten.134 Dies kann jüngst anhand der vereinzelt strengen Reglementierung von Deepfakes im Ausland135 und an der Subventionierung von Deepfake-Präventionsmodellen136 be­ obachtet werden. Des Weiteren bieten moderne KI-Anwendungen die Möglichkeit, solche Bilder, die unter ungünstigen Bedingungen aufgenommen wurden und deshalb etwa un­ scharf sind, gewissermaßen zu entziffern.137 Die Gewissheit, dass ein Bild womög­ lich nichts geworden ist oder dass ein bereits veröffentlichtes Bild die abgebildete Person kaum erkennen lässt, vermag die jeweilig betroffene Person vor diesem Hin­ tergrund womöglich kaum noch zu beruhigen.

lywood revolutionieren könnten 2020, abrufbar unter https://www.spektrum.de/news/wie-deep fakes-hollywood-revolutionieren-koennten/1795295 (zuletzt abgerufen am 01.06.2022); vgl. auch Statham, Games and Culture 2020, S.  302. 132  Zu nennen sind (Filter-)Funktionen in Apps wie FaceApp, SnapChat, TikTok, Instagram, MixBooth, Faceblender etc.; vgl. hierzu auch Kumar/Bhavsar, Detecting Deepfakes with Metric Learning 2020, abrufbar unter https://arxiv.org/abs/2003.08645 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Die App FakeApp, welche zur Erstellung der anfänglichen Deepfakes auf Reddit benutzt wurde, ist heute kostenlos zum Download erhältlich unter https://www.chip.de/downloads/Deepfakes-Fake App_133452282.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 133  Kuhlmann, Deepfakes 2020, abrufbar unter https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/deep fakes-gegen-gefaelschte-videos-vorgehen-gericht-persoenlichkeitsrecht-strafrecht/ (zuletzt aufge­ rufen am 01.06.2022). Vgl. hingegen https://www.n-tv.de/politik/Wie-Fake-News-den-Wahlkampf-­ bedrohen-article22500408.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), bzgl. der Sorge einer Manipulation der deutschen Bundestagswahlen durch Fake-News in Pandemiezeiten. 134 Vgl. Drexl, ZUM 2017, 542 f. 135  So hat der US-amerikanische Bundesstaat Kalifornien 2019 ein Gesetz (Assembly Bill No.  730) erlassen, welches die Erstellung und Verbreitung von Deepfakes von Politikern 60 Tage vor einer Wahl verbietet, abrufbar unter: https://leginfo.legislature.ca.gov/faces/billTextClient.x html?bill_id=201920200AB730 (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022); vgl. hierzu auch Kalbhenn, MMR-Aktuell 2019, 421493; ab 01.01.2020 ist es in China Anbietern und Nutzern von Onlinenach­ richten und Audiodiensten verboten, Deepfake-Technologien zu nutzen. Grund dafür ist, dass China die Beeinträchtigung der Nationalen Sicherheit durch Fake-News fürchtet; vgl. Kipker, MMR-­ Aktuell 2020, 424256. 136  Facebook hat 2020 einen Wettbewerb über 10  Mio. USD für Unternehmen zur Entwicklung von Deepfake-Erkennungs- und Präventionsmodellen ausgerufen (DeepFakes Detection C ­ hallence); vgl. hierzu Meck, MMR-Aktuell 2020, 432339. 137  Deeb/Roy/Edo, S.  197 ff.

B. Moderne Darstellungstechniken

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IV. Ausblick – Augmented Reality und imaginärer Fotorealismus Bei dem Kauf der Firma Occulus VR durch Facebook zu Beginn des Jahres 2014138 erklärte Facebook-Gründer Marc Zuckerberg erstmalig, dass durch den Einsatz der sog. Augmented-Reality(AR)-Technologie139 die Chance bestünde, die Art und Wei­ se bekannter Kommunikationsformen grundlegend zu verändern, um „das sozialste Netzwerk überhaupt“ zu schaffen. So sollen Nutzer durch den Einsatz sog. AR-­ Brillen in Form einer herkömmlichen Sonnenbrille innerhalb der nächsten 10 Jahre die Möglichkeit erhalten, die Realität mit Elementen der digitalen Welt in Echtzeit zu verbinden. Schätzungen gehen für das Jahr 2022 von einem Absatz von 69 Millionen VR-/AR-Brillen aus.140 Durch einfache Körperbewegungen wie bspw. das Blinzeln oder einem Fingerschnippen wäre es dann für Brillennutzer möglich, jederzeit und unbemerkt Aufnahmen anzufertigen, um diese im Anschluss in sozialen Netzwer­ ken sichtbar zu machen.141 Darüber hinaus können mit der Integration von digitalen Kameras in immer mehr mobile Geräte zusätzliche Informationen direkt in ein aktu­ ell erfasstes Abbild der realen Welt eingearbeitet und dem Nutzer angezeigt werden. Dabei kann es sich um Informationen jedweder Art wie zum Beispiel Textinforma­ tionen über die erfasste Person oder deren Umgebung handeln. Ferner deuten die skizzierten Entwicklungen darauf hin, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch der durchschnittliche Endverbraucher eines Smartphones ohne nennenswerte Vorkenntnisse im Bereich Animation oder Bildtechnik (beweg­ te) fotorealistische Abbildungsszenarien nach eigenem Belieben herstellen kann, die so nie stattgefunden haben. Bestärkt wird diese Prognose von modernen KI-Algo­ rithmen, welche selbst sowohl Ausgangsmaterial für photogrammetrische Verfahren als auch Bewegungsdaten herstellen können.142 Es wäre dann möglich, dass natürlich wirkende, fotorealistische Videos mittels weniger einzelner Smartphone-Schnapp­ 138  http://www.golem.de/news/uebernahme-facebook-kauft-oculus-vr-fuer-2-milliarden-us-­ dollar-1403-105375.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 139  Zum Begriff Hilgert, CR 2017, S.  472 f.: „Als Augmented Reality wird eine Form der Darstel­ lung von Informationen in einem Spektrum ‚alternativer‘ Realitäten bezeichnet, denen gemein ist, dass der Nutzer zu einem bestimmten Grad in eine Darstellung eintauchen kann, statt nur davor zu sitzen – teilweise wird dies auch aus ‚Immersive Space‘ bezeichnet“. Es handelt sich damit um verbindende Anreicherung der Darstellung der realen Welt mit virtuellen Elementen. Hierbei sind Übergänge zwischen Virtual Reality und Augmented Reality fließend; vgl. ferner Deussen, S.  170 f. 140  Libertus, CR 2018, S.  616. 141  Vgl. hierzu den Ausschnitt des Redebeitrags von Marc Zuckerberg bei Facebooks F8 confer­ ence: „ […] so that means that today, if I want to show my friends a photo, I pull out my phone and I have a small version of the photo. In the future, you’ll be able to snap your fingers and pull out a photo and make it as big as you want, and with your AR glasses you’ll be able to show it to people and they’ll be able to see it.“, http://www.augment.com/blog/mark-zuckerbergs-vision-augmented-­ reality-facebooks-f8/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); im September 2021 stellte Facebook schließ­lich die erste Generation von AR-Brillen in Zusammenarbeit mit dem (Sonnen-)Brillen Un­ ternehmen Ray Ban namens „Ray-Ban Stories“ vor, vgl. https://about.fb.com/de/news/2021/09/ ay-ban-­und-facebook-stellen-die-erste-generation-einer-smarten-brille-vor-ray-ban-stories/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 142  D. Schneider/Mills/Remondino, The Photogrammetric Record 2018, S.  381; vgl. auch Gran­

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

schüsse generiert werden können. Zwar gelang es Forschern des Samsung-Laborato­ riums in Moskau bereits im Jahr 2019, eine KI zu entwickeln, welche im Stande ist Deepfake-Videos mittels eines einzigen Fotos zu herzustellen.143 Gleichwohl lässt der Eintritt dieses Szenarios am massenorientierten Markt noch weiter auf sich war­ ten, zumal eine hundertprozentige Natürlichkeit für die Algorithmen bei wenig Aus­ gangsmaterial besonders schwer zu erreichen ist und im besonderen Maße von der Komplexität des gewünschten Kontexts abhängt. Unabhängig hiervon besteht schon durch den fortwährenden Upload von frei zu­ gänglichen Personenbildern in das Internet ein unerschöpflicher Fundus an frei mit­ einander kombinieren Bilddaten zum Erstellen von „neuen“ Menschen im drei­ dimensionalen Raum nach dem Baukastenprinzip.144 Diese können frei erfunden sein oder einem Vorbild aus der echten Welt nahezu passgenau digital nachmodel­ liert werden.145 Ein hochaktuelles Beispiel ist der MetaHumans Creator der Firma EPIC, welcher im Jahr 2021 die Möglichkeit der Kreation eines „digitalen Menschen“ auf einer cloud-basierten App – und somit ohne den Bedarf an kostspieliger Softoder Hardware – verspricht, welche zuvor mehrere Monate dauerte und nunmehr in weniger als einer Stunde möglich sei.146

C. Problemaufriss und weiterer Gang der Darstellung Ob sich wegen der modernen Kommunikationsformen die dunklen Prophezeiungen einer empathielosen „Post-Privacy“-Gesellschaft147 oder einem „Ende der Privat­ sphäre“148 tatsächlich bewahrheiten werden, bleibt abzuwarten.149 Die Diskussion um die Bedrohung des Privaten durch den technischen Fortschritt und des hiermit einhergehenden Sammelns von Daten ist jedenfalls keine neue.150 shaw, The Photogrammetric Record 2021, S.  7, der Machine Learning als eines der „hot topics“ der Photogrammetrie bezeichnet. 143  https://www.cnet.com/news/samsung-ai-deepfake-can-fabricate-a-video-of-you-­f rom-asingle-photo-mona-lisa-cheapfake-dumbfake/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 144 Ein eindrucksvolles Beispiel liefert die Seite https://thispersondoesnotexist.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) Die Seite geht auf den Entwickler Philipp Wang des Fahrdienstes Uber zurück und soll auf die Risiken von KI hinweisen. Bei jeder Aktualisierung der Seite generiert diese ein neues Portrait-Foto und zeigt dieses dem Besucher. Keiner dieser Menschen ist real. 145  Die Seite https://digitalhumans.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) bietet es etwa Un­ ternehmen an, dass sich sich selbst für ihre Webseite eigens generierte Chatbots in Menschenform bauen können. 146  https://www.unrealengine.com/en-US/digital-humans (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 147  Heller, Post-Privacy. München 2011. 148  Schaar, Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft. München 2007. 149 Vgl. Eichenhofer, S.  167. 150  Miller, S.  29 ff. mahnte bereits Anfang der 1970er Jahren an, dass positive Effekte der Com­ putertechnik den Blick auf Gefahren verstellen; hierzu im Einzelnen Schrape, S.  215 ff. m. w. N.

C. Problemaufriss und weiterer Gang der Darstellung

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Fest steht jedenfalls bereits jetzt, dass vielen Nutzern das kritische Bewusstsein für die Anfälligkeit von sozialen Netzwerken zur Informationsweitergabe fehlt.151 Zwangsläufig finden sich deshalb Personen in sozialen Netzwerken auf einer unlieb­ samen (Bewegt-)Bildveröffentlichung wieder, zu deren Herstellung oder jedenfalls der Veröffentlichung sie nicht zugestimmt hatten.152 Dass aber allein das Sichtbar­ machen von Personenaufnahmen in einer Zeit des Personen-Googelns durch poten­ tielle Arbeitgeber, Lebenspartner oder sonstige Bekannte ganze Lebensläufe rui­ nieren kann, liegt auf der Hand. Zudem senken Anonymität, unter der bisweilen noch in sozialen Netzwerken gehandelt werden kann, sowie die räumliche Separa­ tion Hemmschwellen für das Posten von Personenbildnissen, was nicht selten von dem Abgebildeten als Zumutung empfunden wird.153 In diesem Zusammenhang kommt abermals dem Faktor Zeit eine zentrale Bedeutung zu, denn ist ein Bild erst­ mal gepostet, bleibt es für andere bis auf weiteres 24 Stunden am Tag sichtbar.154 Ebendiese dauerhafte Verfügbarkeit der Bilder im Netz setzt zusätzlich die Begren­ zungen von Aufmerksamkeitsspannen und das kollektive Vergessen155 außer Kraft und das punktuelle Recherchieren über Suchmaschinen sorgt für leicht herstellbare Zugriffe.156 Es verwundert deshalb nur bedingt, dass bereits im August 2016 eine 18-Jährige die eigenen Eltern verklagte, weil diese seit 2009 Kinderfotos gegen ihren Willen auf Facebook posteten157 oder ein Strafurteil gegen eine Schülerin erging, die ein Bild ihres Lehrers mit dem Zusatz „Behinderter Lehrer ever“ auf Ihre Facebook-­ Pinnwand sichtbar für „Freunde der Freunde“ geteilt hatte.158 Der Tatsache, dass das Sichtbarmachen von Personenbildnissen in sozialen Netz­ werken im Einzelfall einen – strafbewehrten – Rechtsverstoß darstellen kann, sind sich viele Nutzer entweder gar nicht bewusst oder dieser Umstand wird im Vertrauen darauf, dass eine Ahndung aus verschiedenen Gründen ohnehin nicht weiterverfolgt wird159, kalkulierend in Kauf genommen. Ergebnis ist die weit verbreitete Vorstel­ 151 Vgl.

Di Fabio, S.  31; L. Lorenz, K&R 2021, S.  322 f. Rossnagel, S.  273. 153 Vgl. Eifert, S.  258. 154 Vgl. Jandt/Roßnagel, MMR 2011, S.  637. 155  Unter der Prämisse „das Internet vergisst nicht“ wurde u. a. deshalb ein „Recht auf Verges­ sen“ oder ein „Recht auf Neuanfang“ diskutiert; vgl. hierzu Nolte, ZRP 2011, 236, Klass, ZUM 2020, S.  265 ff. Hierzu hat sich das BVerfG auch mittlerweile geäußert, vgl. BVerfGE 152, 152 – „Recht auf Vergessen I“; BVerfGE 152, 216 – „Recht auf Vergessen II“. 156  Eifert, S.  258, vgl. auch hierzu BVerfG, MMR 2002, S.  90. 157 Stellvertretend für die Online-Boulevardpresse: http://www.stern.de/familie/kinder/kinder bilder-bei-facebook--18-jaehrige-klagt---sie-kannten-keine-scham--7056006.html (zuletzt aufgeru­ fen am 01.06.2022); vgl. ferner das auch in Deutschland für Aufsehen sorgende Urteil des Acórdão do Tribunal da Relação de Évora (Portugal), ZD 2016, S.  227, welches die Eltern verpflichtete, die Veröffentlichung von Fotos und sonstigen identifizierenden Informationen ihrer Kinder auf sozialen Netzwerken zu unterlassen. 158  AG Düsseldorf Urt. v. 07.06.2016 – 137 Ds -70 Js 1831/16-63/16 = BeckRS 2016, 115295; vgl. zum Lehrermobbing im Internet bereits Si. Beck, MMR 2008, S.  77 ff. 159 Zu den Herausforderungen der Strafverfolgung bei Internetkriminalität bereits Gercke, MMR 2008, 293 ff. 152 Vgl.

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lung, das Posten von Personenbildnissen in sozialen Netzwerken strahle eine gewisse „rechtliche Vogelfreiheit“160 aus. Auch scheint die Ubiquität von Herstellungs- und Veröffentlichungsmöglichkeiten durch die Smart-Devices das Bewusstsein im Sinne einer Feinfühligkeit für das fremde Bild in gewisser Hinsicht – jedenfalls für alltägliche Fotos abgeschliffen zu haben. In Zusammenhang hiermit wird nicht selten die Frage laut, ob das allgemeine Nutzerverhalten und die veränderte Medienlandschaft vielleicht generell mehr als nur einen Trend, vielmehr einen kulturellen Wandel hin zu einer Gesellschaft mar­ kiert, in der eine veränderte Wahrnehmung der Einstellung zu Personenbildern und Privatsphäre besteht.161 Vielleicht ist es ja auch im gesellschaftlichen Miteinander normal geworden, immer und überall in der Öffentlichkeit abgebildet werden zu kön­ nen. Dass aber auch solche Darstellungen, die keinerlei intimen oder privaten Bezug haben – und insoweit alltäglich erscheinen – immenses Missbrauchspotential unter den bereits angesprochenen modernen Techniken innewohnt, zeigen jüngste Befun­ de zum sog. sharenting162: Für viele Eltern ist es mittlerweile normal, Schnappschüs­ se vom Spielplatz, vom sonntäglichen Fußballspiel oder aus dem Familienurlaub am öffentlichen Strand in den sozialen Medien zu teilen.163 Auch besitzen Kinder bereits früh eigene Social-Media-Kanäle auf denen sie ihren Alltag dokumentieren. Um­ fangreiche Datenanalysen zeigen aber, dass ausgerechnet diese harmlosen Alltags­ bilder verstärkt im Fokus von Pädosexuellen stehen: Aktuell stammt auf einer der größten illegalen Foto-Plattformen für Pädosexuelle mindestens jedes vierte Bild von Facebook oder Instagram.164

I. Renaissance des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild Die aufgeworfenen Darstellungsszenarien werfen die Frage nach den rechtlichen Schutzmöglichkeiten hinsichtlich des optischen Erscheinungsbilds eines Menschen auf. Im Zusammenhang mit Bildern fällt dabei sehr schnell der schillernde Begriff des „Rechts am eigenen Bild“. Um was es sich aber bei diesem Recht genau handelt, scheint unklar. Tatsächlich verstellen heute die vielfältigen Darstellungsmöglichkei­ 160 Vgl.

V. Haug, Rn.  6.

161 Vgl. E. Wagner, DuD 2010, S.  558; Piltz, S.  2; ferner auch Gronenthal, S.  184; Rückert, S.  170:

„‚Teile und Like‘-Kultur“. 162  Der Begriff ist ein Kompositum aus to share (engl. für teilen/veröffentlichen) und parenting (engl. für Erziehung/elterliche Erziehungstätigkeit) und meint dabei das Veröffentlichen von Kin­ derbildnissen durch die (stolzen) Eltern in sozialen Netzwerken im Internet; vgl. Rake, FamRZ 2020, S.  1064. 163  L. Lorenz, K&R 2021, S.  323, wonach die elterliche Motivation, die eigenen Kinder im Netz zu präsentieren vielfältig sei: „Stolz gepaart mit Konkurrenzdruck, das eigene Bedürfnis nach An­ erkennung, bloße Freizeitbeschäftigung oder die Verfolgung kommerzieller Interessen“; vgl. auch Leeb/Starnecker, NZFam 2021, S.  97 f. 164  https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/kinderfotos-sozialemedien-paedosexuel le-­­101.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022).

C. Problemaufriss und weiterer Gang der Darstellung

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ten einen näheren Zugang zur Idee eines Rechts am eigenen Bild. Vielmehr scheint sich der Gedanke eingebürgert zu haben, dass das Recht am eigenen Bild – als Teil von wie auch immer gearteten Bildrechten – mehr am gegenständlichen Bild(medi­ um) als an der abgebildeten Person hängt. Im Anschluss stellt sich insbesondere die Frage, wann es angezeigt erscheint, aus­ gerechnet das Strafrecht zum Schutz dieses Rechts zu bemühen. Erschwerend wird nicht selten aus Gesellschaft165 wie Wissenschaft166 ein Hinterherhinken oder gar die Überforderung des Rechts aufgrund der neuen Technologie beklagt und gebetsmüh­ lenartig die Anpassung der momentanen Gesetzeslage an die modernen Gegeben­ heiten gefordert.167 Diesen Eindruck könnten jedenfalls die punktuellen Bemühun­ gen der Strafgesetzgebung zu Beginn des 21.  Jahrhunderts im Kernstrafrecht zum Schutz vor ganz bestimmten Bildaufnahmen in §§  201a und 184k StGB bestätigen, welche auf moderne Gegebenheiten um Bildaufnahmen wie kleine Digitalkameras oder soziale Netzwerke reagieren sollten, ohne dabei aber explizit auf ein Recht am eigenen Bild abzuzielen.168 Dass allerdings mit §  33 KUG bereits seit 1907 eine spe­ zialgesetzliche Norm existiert, die das umfassende und ausschließliche Recht eines jeden Menschen, über die Verbreitung und das öffentliche Zurschaustellen seines Bildnisses frei zu entscheiden strafrechtlich schützt, scheint nicht nur der breiten Masse an juristischen Laien weniger geläufig zu sein.169 Dabei könnten sich Situation und ursprüngliche Motivation bei der Schaffung ebendieser Strafnorm mit dem heu­ tigen Unmut über die Sichtbarmachung von Personenbildnissen in sozialen Netzwer­ ken kaum deutlicher entsprechen. So sah man bereits Ende des 19.  Jahrhunderts in der Möglichkeit, das persönliche Erscheinungsbild ohne den Willen des Abgebilde­ ten aufzunehmen und zur Schau zu stellen, die Gefahr einer unerwünschten Fremd­ darstellung170, der es vorzubeugen galt. Insbesondere wurde schon damals die Miss­ brauchsgefahr damit begründet, dass nunmehr jedermann aufgrund der fortschrei­ tenden Technisierung – allen voran wegen des immer kürzer werdenden Zeitauf­ wands für das Erstellen eines Fotos, sowie wegen der neuen Vergrößerungs- und Vervielfältigungsmöglichkeiten – Personenaufnahmen für jeden verfügbar machen konnte.171 Überträgt man allein diese Beweggründe auf die heutigen Gegebenheiten in sozialen Netzwerken, so scheint das potentielle Anwendungsfeld des §  33 KUG 165 Vgl. Schwartmann, Schwärme über dem Grundgesetz, FAZ v. 28.06.2012, S.  8: „Technik vor Recht“. 166  Hoffmann-Riem, JZ 2012, 1087. 167 Vgl. Ebersbach/Glaser/Heigl, S.  28. 168  Vgl. hierzu im Einzelnen Kap.  2, C. 169  Bspw. gehen Schwartmann/Ohr, Rn.  168, und V. Haug, Rn.  294 ff., in ihrer Aufzählung in Frage kommender Straftatbestände nicht auf §  33 KUG ein; ferner jüngst Müller-Terpitz, HB Social Media, Kap.  7, Rn.  18, welcher von einem einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild in §§  22 ff. KUG ausgeht, hinsichtlich dessen strafrechtlichen Schutzes aber (fälschlicherweise) nur auf §  201a StGB – und nicht auf §  33 KUG – verweist. 170  Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  1, 3. 171  Tausch, S.  62.

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Einführung und Bedeutung des Themas in der modernen Medienlandschaft

geradezu enorm. Allerdings spielt §  33 KUG in der gegenwärtigen Rechtspraxis – wenn überhaupt – eine marginale Rolle.172 Ferner setzt sich der Strafgesetzgeber mit dem Abbilden von Personen seit 2004 völlig losgelöst vom mittlerweile über 100 Jahre bestehenden strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild in §  33 KUG im Kernstrafrecht auseinander.173 Das Resultat ist heute das Nebeneinander von drei Strafgesetzen, welche in irgendeiner Form wohl das Recht am eigenen Bild schützen sollen, hierfür gleichwohl an unterschiedliche Gesichtspunkte und auch sich über­ lagernde Rechtsgüter anknüpfen. Ob aus strafrechtlicher Perspektive aber heute überhaupt der Schutz eines wie auch immer gearteten Bildnisrechts erforderlich ist, ob die bisherige Gesetzeslage ausreichend erscheint oder gerade Handlungsbedarf besteht, soll im Folgenden Gegenstand der Arbeit sein. Dabei sind vor allem moderne Darstellungsszenarien in den Blick zu nehmen. Führt man sich allein die Entwick­ lungen im Kernstrafrecht seit 2004 vor Augen, wonach der Strafgesetzgeber fort­ während aufgrund technischer Neuerungen zu Nachjustierungen beim Abbildungs­ schutz veranlasst wurde, versprechen die angerissenen Innovationen in nicht allzu ferner Zukunft erneut, das geltende Recht im Zusammenhang mit Personendarstel­ lungen in mehrfacher Hinsicht auf die Probe zu stellen.

II. Zielsetzung und weitere Vorgehensweise Ziel der Arbeit ist es also, den strafrechtlichen Bildnisschutz zu erfassen und im Angesicht der modernen Darstellungsszenarien hinterfragend zu bewerten. Zu Beginn steht dabei die nicht minder schwere Frage, was das Recht am eigenen Bild überhaupt darstellt und was dieses ausmacht. Bevor nicht beantwortet werden kann, warum ausgerechnet hinsichtlich bildhaften Personendarstellungen ein be­ sonderes Schutzbedürfnis besteht, welches sogar der ultima ratio des Strafrechts un­ terfallen kann, scheinen tatbestandsspezifische Fragen von vornherein unlösbar. Zei­ gen sich hingegen Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild (Kap.  1), gilt es diese anschließend innerhalb der modernen Rechtsordnung zu verorten (Kap.  2), um anschließend auf den konkret ausgestalteten strafrechtlichen Schutz des Rechts am ­eigenen Bild sprechen kommen zu können (Kap.  3). Auf der Grundlage einer Analy­ se de lege lata kann dann gegebenenfalls ein Ausblick de lege ferenda erarbeitet werden.

172  173 

Hierzu ausführlich Kap.  2, C., I. Hierzu ausführlich Kap.  2, C., II., und III.

Kapitel  1

Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild im Zeitalter moderner Darstellungsszenarien Ohne Aussagen zum Geltungsbereich des heutigen Rechts am eigenen Bild vorweg­ zunehmen, kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden, dass dessen rechtliche Ausformung an verschiedenen Stellen Interpretationsräume belässt, welche im Ein­ zelfall durch Auslegung (aus-) gefüllt werden müssen. Ausgangspunkt ist der ganz grundlegende Umstand, dass es dem Recht am eigenen Bild in der Sache darum ge­ hen muss, dem Rechtsgutsträger grundsätzlich die Möglichkeit einzuräumen, Herr im Umgang mit Abbildungen von sich selbst zu sein und gegen seinen Willen vor­ handene Situationen, in denen Bildnisse von ihm involviert sind, abwehren zu kön­ nen. Die Bestimmung von Inhalt und Reichweite, von der die Auslegung der Tatbe­ standsmerkmale aller bildrechtsschützenden Normen abhängen und welche insbe­ sondere aus strafrechtlicher Perspektive aufgrund des Bestimmtheitsgebots (Art.  103 I GG) hinreichend klare Konturen aufweisen muss, kann aber nur dann gelingen, wenn vorab klar ist, warum überhaupt ein solches besonderes Schutzbedürfnis be­ steht. Insbesondere erscheint der in diesem Zusammenhang vielerorts1 getätigte Verweis auf die besondere Intensität der einhergehenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der abgebildeten Person aus Art.  2 i. V. m. 1 I GG zur Begrün­ dung tautologisch. Denn auch diese Erklärung beantwortet nicht die Frage, warum ausgerechnet das Veröffentlichen einer zuordenbaren Personenabbildung überhaupt eine Rechtsgutsverletzung darstellen soll, die darüber hinaus durch das Strafrecht geschützt werden muss. Diese komplexe Frage kann allenfalls dann beantwortet werden, wenn man das Recht am eigenen Bild in seinem jeweils aktuellen gesellschaftlichen Kontext er­ fasst. Die Zugrundelegung eines gesellschaftlichen Kontexts kann ihrerseits aber nur dann überzeugend gelingen, wenn klar ist, wie dieser wiederum überhaupt bestimmt werden soll. Dieser Kontext erschließt sich maßgeblich aus seiner historischen Ent­ wicklung, da dessen Kern auf (über die Jahrhunderte tradierten) Vorstellungen in Bezug auf Personenabbildungen gründet. Das Bedürfnis, nicht gegen seinen Willen identifizierbar abgebildet zu werden, ist ein grundsätzliches, nicht ausschließlich ju­ 1  Statt vieler Bächli, S.  69; vgl. in diesem Zusammenhang auch die oftmals vorgebrachte pau­ schale Feststellung, die Bildberichterstattung wirke im Allgemeinen eindringlicher und auch schnel­­ler verletzend als die Wortberichterstattung, weshalb das Recht am eigenen Bild stärker ge­ schützt sei; vgl. hierzu auch BeckOK BGB/Bamberger, §  12 BGB Rn.  106.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

ristisch aufgeladenes und zeitenunabhängiges, so dass es in die Gesamtbetrachtung bei Bestimmung des Geltungsbereiches des heutigen Rechts am eigenen Bild einbe­ zogen werden muss. Vor diesem Hintergrund erstaunt es, dass sich die Mehrzahl der juristischen Abhandlungen zum Recht am eigenen Bild nicht mit den historischen Motiven einer (möglichen) Schutzbedürftigkeit dieses Rechts auseinandersetzt, son­ dern diese (erst) an der Schaffungsphase des Kunsturhebergesetzes (KUG) von 1907 ansetzen,2 als sei das Recht am eigenen Bild eine Erfindung des damaligen Gesetz­ gebers. Das mag noch insofern verständlich sein, als es die Erwägungen des histori­ schen Gesetzgebers waren, die dem Kunsturhebergesetz seine grundlegende Form gaben und die Materialien zum Gesetzgebungsverfahren verlässliche Quelle für die tatsächliche Vorstellung des Gesetzgebers sind, die ihn bei der Schaffung angeleitet haben. Nichtsdestotrotz ist der auf dem Recht am eigenen Bild gründende Zentralbe­ griff des Bildnisses kein exklusiv dem Kunsturhebergesetz vorbehaltener, ja noch nicht einmal ein rein juristischer Begriff.3 Vielmehr spielt er in anderen Rechtsgebie­ ten wie etwa dem Urheberrecht4 genauso eine Rolle, wie im nichtjuristischen Be­ reich, beispielsweise in der Kunstgeschichte, der Rhetorik, der Kommunikations­ wissenschaft, der Semiotik oder der Theologie.5 Im Übrigen handelt es sich bei dem Phänomen der interdisziplinären und allgemeinsprachlichen Verwendung noch nicht einmal um eine Besonderheit des Rechts am eigenen Bild. Außerrechtliche Erwä­ gungen stellen auch für andere Rechtsgüter eine Grundlage zur Verfügung, auf die sich die Auslegung der entsprechenden Tatbestandsmerkmale bezieht. Zu nennen sei nur das Recht auf Leben, dessen Absolutheit historisch-religiös, ethisch, philoso­ phisch usw. betrachtet und plausibilisiert werden kann, nicht jedoch allein rechtsdog­ matisch. Wegen dieser auch in Bezug auf das Bildnis bestehenden Gemengelage tragen zur Auslegung nicht nur juristische Überlegungen bei, sondern gerade auch das möglicherweise in den Grundzügen seit Jahrtausenden tradierte Verständnis von der Verbindung zwischen Identität und dem wahrnehmbaren Äußeren sowie dessen Manifestation als eine Art gesellschaftliches Weltwissen. Dieses Grundverständnis musste schließlich auch den Gesetzgeber von 1907 be­ einflusst haben, wenn dieser in seiner Begründung explizit feststellt, dass ein fehlen­ der Schutz des Rechts am eigenen Bild „[…] mit der allgemeinen Rechtsordnung und 2  Statt vieler E. Schuster, S.  8 ff.; insbesondere die Arbeit von Temuulen, Das Recht am eigenen Bild 2006, zur rechtshistorischen Entwicklung, den geschützten Interessen, dem Rechtscharakter und dem Rechtsschutz des Rechts am eigenen Bild hätte sich hierfür geradezu angeboten; Ausnah­ men stellen die Arbeiten von Landwehr, Das Recht am eigenen Bild, 1955, teilweise Eisenbarth, Das Recht am eigenen Bild von relativen und absoluten Personen der Zeitgeschichte, 2000, und ganz besonders Steinhauber, Das eigene Bild, 2013, dar. 3 Vgl. Belting, S.  19, der darauf hinweist, dass die Kunstgeschichte ohnehin kurzerhand alles zur Kunst erklärt hat, was im historischen Kontext des Bildnisses steht. 4  Darüber hinaus besteht der direkte Bildnisschutz im Kernstrafrecht nach §  201a StGB und dessen indirekte Flankierung über den zivil- und strafrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrschutz sowie den allgemeinen Bestimmungen zum Datenschutz. 5  Vgl. zu den relevanten Disziplinen im Einzelnen nur Sachs-Hombach, Bildwissenschaft, 2005.

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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der Achtung, welche die Persönlichkeit beanspruchen darf, nicht vereinbar [er­ scheint]“6. Allerdings sucht man die Begründung dieser Erklärung vergebens.7 Die Selbstverständlichkeit, mit welcher selbst der (historische) Gesetzgeber auf die allgemeine Rechtsordnung und Achtung der Persönlichkeit rekurriert, deutet auf eine unantastbare Palette von Universalprinzipien hin, die dem Recht am eigenen Bild als ureigenes Spezifikum innewohnen. Diese sollen im Folgenden herausgear­ beitet werden. Um den Kerngehalt des Rechts am eigenen Bild, dessen (strafrechtliche) Schutzbe­ dürftigkeit und zwangsläufig auch dessen Voraussetzungen in all ihren Facetten er­ fassen zu können, genügt es demnach gerade nicht, ausschließlich die Gesetzesbe­ gründung heranzuziehen. Vielmehr erscheint es notwendig, sich mit der historischen Entwicklung des gesellschaftlichen und rechtlichen Umgangs mit Personenabbildun­ gen zu befassen. Dabei darf es nicht genügen, ausschließlich aus der Historie Rück­ schlüsse für eine gesellschaftsimmanente Schutzbedürftigkeit ungewollter Bildnis­ veröffentlichungen im Sinne feststehender Universalprinzipien herzuleiten. Deshalb soll dem historischen Überblick ein knapper Abriss zu den wahrnehmungspsycholo­ gischen Grundlagen und den kommunikationswissenschaftlichen Besonderheiten und Erkenntnissen der menschlichen Bildrezeption vorangestellt werden. Denn der Kontext eines menschlichen Empfindens, welcher sich gesellschaftlich im Sinne ei­ nes Bedürfnisses nach Schutz ausdrückt, kann zum einen nur anhand des zugrunde­ liegenden Systems – des menschlichen Gehirns – beurteilt werden. Zum anderen erscheint es naheliegend, dass die Antwort auf die Frage, warum ausgerechnet die bildliche Darstellung eines Menschen gegenüber anderen Darstellungsformen als be­ sonders schützenswert erachtet wird, im Zusammenhang mit der menschlichen Bild­ wahrnehmung per se steht.

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern Für die Beantwortung der Frage, ob übergeordnete Anhaltspunkte – im Sinne natür­ lich-menschlicher Determinanten – bestehen, die ein besonderes Schutzbedürfnis von bildlichen Personendarstellungen begründen, muss die Personenabbildung ins Verhältnis zu anderen Darstellungsformen gesetzt werden. Dazu wird der Fokus zu­ nächst auf den menschlichen Rezeptionsprozess von Bildern gelegt, um im An­ schluss Überlegungen zur eventuellen Besonderheit des hier interessierenden Be­ zugspunkts – der Rezeption einer Personendarstellung in Form des speziellen Ob­ 6  Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30 (Begründung Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bil­ denden Künste und der Photographie von 1905), S.  1540. 7  Insbesondere erscheint der Erklärungsversuch von Temuulen, S.  48, recht pauschal, wonach der Gesetzgeber das Recht am eigenen Bild etabliert hätte, um das Recht des Urhebers zu begrenzen.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

jekts Mensch – anstellen zu können. Ausgangspunkt für die Herausarbeitung der Charakteristika menschlich-visueller Wahrnehmung8 muss der aktuelle Stand9 neu­ ro- und kognitionswissenschaftlicher10 Befunde sein. Sofern diese für die Begrün­ dung der Besonderheiten relevant werden, findet eine stark vereinfachte, aber für die hier interessierenden Fragestellungen ausreichende Darstellung statt.

I. Die Unmittelbarkeit menschlicher Bildrezeption An übergeordneter Stelle der Besonderheiten der Bildwahrnehmung steht die Fest­ stellung, dass es sich bei der Bildwahrnehmung, dem Sehen an sich, um sog. senso­ rische – unmittelbare – Sinneswahrnehmung durch den Gesichtssinn handelt.11 Ein abgebildetes Objekt kann von uns in derselben Direktheit wie das dargestellte Objekt selbst visuell wahrgenommen werden, da das dargestellte Objekt selbst nur über je­ nes Bild erfasst werden kann, welches es auf der Netzhaut des Auges erzeugt.12 Dies gilt nicht bei Objekten, die mittels Sprache beschrieben werden. Denn sprachlich beschriebene Objekte sind weiter entfernt von dem, was der unmittelbaren Wahrneh­ mung zugänglich ist, weil die Informationsvermittlung durch Sprache sich eines ab­ strakten, symbolischen Codes bedienen muss, der erst nach und nach13 entschlüsselt werden kann.14 Der Sprachcode stellt aber seinerseits lediglich eine mittelbare Be­ schreibung eines unmittelbaren Wahrnehmungsinhalts dar. Mit anderen Worten: Sprache bezieht sich zwar auf die Inhalte unvermittelter Wahrnehmung, doch sind 8  Sofern im Folgenden untechnisch von Bildwahrnehmung gesprochen wird, ist damit die um­ fassende visuelle Wahrnehmung der Außenwelt im Allgemeinen gemeint; vgl. zur Differenzierung zwischen „Bildwahrnehmung“ und „visueller Wahrnehmung“ S. Schwan, S.  131. 9  Innerhalb der Neurowissenschaft hat der Bereich kognitiver Leistungen, die in Verbindung mit komplexen Systemeigenschaften des Gehirns stehen, unter dem Namen „kognitive Neurowissen­ schaft“ seit etwa 1995 besondere Aufmerksamkeit erfahren; vgl. hierzu Vogeley, S.  97 ff.; gleich­ wohl steht die Erforschung des Verstehens von Bildern oder Grafiken vergleichsweise noch am Anfang; vgl. Ullrich, S.  52. 10 Vgl. Roth, S.  29; obwohl eine anerkannte und verbindliche Definition von „Kognition“ oder „kognitiv“ nicht existiert, kann zumindest festgestellt werden, dass sich Kognition auf „komplexe, für den Organismus bedeutungsvolle, d. h. für Leben und Überleben […] relevante und deshalb meist erfahrungsabhängige Wahrnehmungs- und Erkenntnisleistungen“ bezieht. Matthes, S.  13, defi­niert Kognition vereinfacht als „die Gesamtheit der informationsverarbeitenden Prozesse und Strukturen eines intelligenten Systems“. 11  Sachs-Hombach, S.  94, spricht dementsprechend bei Bildern von „wahrnehmungsnahen Zei­ chen“. 12 Nach Berendt, S.  24, stellen Bilder in ihrer Medialität selbst die repräsentierenden Relationen bereit. 13  Hingegen ist bei Kindern sehr früh die Fähigkeit ausgebildet, einfache und vertraute Objekte und Personen auf Bildern zu identifizieren; vgl. hierzu bereits Barrera/Maurer, Child Development 1981, S.  558 ff. 14  In diesem Zusammenhang wird oft der Begriff der „sensorischen Wahrnehmung“ in Abgren­ zung zur „arbiträren Wahrnehmung“ verwendet, um sich auf Symbole und Aspekte von Visualisie­ rungen zu beziehen, die ihre Ausdruckskraft aus ihrer Fähigkeit ableiten, die wahrnehmbare Re­ chenleistung des Gehirns zu nutzen, ohne zuvor eine Systematik lernen zu müssen, vgl. Ware, S.  9.

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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die sprachlichen Symbole nicht mit den bezeichneten Inhalten identisch.15 Aus die­ ser Diskrepanz lassen sich bereits maßgebliche Charakteristika der Bildrezeption ableiten. 1. Relationsspektrum, Informationsgehalt und Informationsdichte von Bildern In „propositionalen Repräsentationssystemen“ wie Sprache oder Schrift wird eine endliche Zahl von atomaren Zeichen wie etwa Buchstaben oder Sprachlaute durch eine Aneinanderreihung räumlich und zeitlich miteinander verknüpft.16 Eine ein­ heitliche Interpretation eines hiermit dargestellten individuellen Objekts im Sinne einer allgemeingültigen Aneinanderreihung bestimmter Zeichen kann es aber schon allein aufgrund der Abstraktheit eines vereinfachten Codes und der gegenüberste­ henden Komplexität der geschaffenen Ausdrücke nicht geben.17 Ferner bestehen vorgelagerten Grenzen für die Wahrnehmung solcher Informationssysteme, die auf einer beliebigen vorgeschalteten Konvention wie beispielsweise Nationalität oder kultureller Zugehörigkeit basieren.18 Im Gegensatz hierzu stellen Bilder schon in ihrer Medialität im Verhältnis zu (Sprach-)Text ein deutlich höheres Spektrum an repräsentierenden Relationen für den Adressaten zur Verfügung.19 Dies wird beson­ ders deutlich, wenn man sich den zeitlichen und räumlichen Umfang des Vorhabens vergegenwärtigt, nur einzelne tagtäglich wahrgenommene20 visuelle Variablen21, für ein einziges Objekt mit (Sprach-)Text beschreiben zu müssen.22 Zwangsläufige Folgen des hohen Relationsspektrums von Bildern sind ein hoher Informationsgehalt und eine hohe Informationsdichte im Sinne einer absoluten Detailliertheit, den di­ rekte und indirekte Schlussfolgerungen und Interpretationen von Geschriebenem und Gesprochenem nicht zu leisten vermögen.23 Ein großer Teil des neurowissen­ 15 

Singer, S.  105. Berendt, S.  24, spricht von „Konkatenation“. 17 Vgl. Stenning/Inder/Neilson, S.  318 ff. 18 Vgl. Ware, S.  14. 19  Berendt, S.  24. 20  Beispielsweise das Farbspektrum, die Position, Größe oder Form. 21  Bertin, S.  11. 22  Vgl. in diesem Zusammenhang Schnotz, Unterrichtswissenschaft, 2001, S.  298 f., der aus di­ daktischer Perspektive zutreffend ausführt, dass Bilder zum einen hinsichtlich einer bestimmten Art von Informationen zwangsläufig vollständiger als Text erscheinen: So stelle ein Bild neben der Form stets auch notwendigerweise die Größe des abgebildeten Objekts und seine Orientierung dar, während Text als solcher sich auf die Darstellung einer Eigenschaft beschränken könne. Zum ande­ ren erscheint die Wiedergabefähigkeit einer Bildinformation „robuster“, da ein Bild auch bei Besei­ tigung bestimmter Teile – etwa durch Wegschneiden – zumindest in gewisser Weise als Informa­ tionsträger erhalten bleiben könne, während eine Informationswiedergabe durch Text nach der Be­ seitigung einzelner Teile deutlich erschwert würde; vor diesem Hintergrund wird seit geraumer Zeit unter dem Sammelbegriff „Rechtsvisualisierung“ von Forschung und Lehre diskutiert, wie sich rechtliche Inhalte kompakt in Bildern darstellen lassen, um die genannten Vorteile der Visualisie­ rung auch im Strafprozess nutzen zu können; vgl. hierzu Kertai, MMR 2011, S.  716; Witting, StraFo 2010, S.  134. 23 Vgl. Boehme-Neßler, S.  79; Herbort, S.  18. 16 

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schaftlichen Diskurses begründet mitunter24 dieses Phänomen mit der Annahme, dass Bilder und Texte vom menschlichen Gehirn anhand eines sprachlichen – abs­ trakten – und eines bildhaften – räumlichen – Systems getrennt gespeichert und ver­ arbeitet werden.25 Unabhängig hiervon steht fest, dass die Bildverarbeitung auf spe­ ziellen neuralen Verarbeitungsprozessen basiert, die bei der Textverarbeitung nicht stattfinden.26 Hieraus ergeben sich weitere Besonderheiten der Bildwahrnehmung. 2. Hohe Geschwindigkeit der Rezeption Bilder können vom menschlichen Gehirn deutlich schneller aufgenommen werden als geschriebener und gesprochener Text.27 Die kognitive Psychologie begründet dies maßgeblich mit der Arbeitsweise des Gehirns. Dieser liegt in der Frühphase der Bildwahrnehmung ein komplexer Automatismus zugrunde, welcher maßgeblich auf schematischer Einordnung basiert.28 Stark vereinfacht lässt sich dieser Arbeitspro­ zess bei der visuellen Rezeption in eine prä-attentive und eine attentive Phase unter­ scheiden.29 Prä-attentive Prozesse laufen automatisch ohne Einfluss des Bewusst­ seins30 innerhalb von Sekundenbruchteilen ab und stellen somit den ersten Zugriff 24 Vgl. Ullrich, S.  62, der die Theorie der dualen Codierung auch in den Zusammenhang mit dem hier gesondert besprochenen sog. „Bildüberlegenheitseffekt“ stellt; vgl. hierzu Kap.  1, A., I., 5. 25  Die sog. Theorie der „doppelten Encodierung“ geht auf die Abhandlung „Imagery and Verbal Processes“ von Allan Paivio zurück; vgl. ferner Paivio, S.  53 ff., 120 ff.; zur Weiterentwicklung dieser Hypothese Engelkamp, S.  230 ff.; diese Grundausrichtung ist allerdings nicht unumstritten; vgl. hierzu die Kritik von Pylyshyn, S.  252; deutlich gemäßigter Ullrich, S.  65; einen Überblick über die beiden Denkschulen liefert Schuhmacher, S.  44 f.; zudem Woelke, S.  67; Boehme-Neßler, S.  79, verweist zur Untermauerung der doppelten Encodierungshypothese auf jüngere empirische Befun­ de von Kosslyn, S.  9 ff. und Peeck, S.  73 ff.; ferner soll die doppelte Encodierungshypothese nach Boehme-Neßler von neueren Forschungen zum fotografischen Gedächtnis gestützt werden, vgl. hierzu die Abbildung 8.10 mit Beschreibung bei Gerrig, S.  309. 26  Boehme-Neßler, S.  79. 27  Kroeber-Riel, S.  53 f.; Schnotz, Unterrichtswissenschaft 2001, S.  298; der Begründungsansatz von Boehme-Neßler, S.  64, Fn.  88, über die „Theorie der fehlenden Halbsekunde“ von Hertha Sturm aus dem Jahre 1984 vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen, da sich diese Theorie auf das Verhältnis der spezifischen Laufbildwahrnehmung bei bewegten Bildern – hier der Fern­ sehrezeption – zur lebensrealen Bildwahrnehmung bezieht. Eine allgemeingültige Aussage zur Bil­ drezeption erscheint schon anhand der erziehungswissenschaftlichen Ausrichtung der Theorie ver­ fehlt; vgl. zum Kontext Sander/Gross/Hugger/Sander, S.  293. Ein Anhaltspunkt, dass die Bildwahr­ nehmung schneller als etwa die Wortwahrnehmung von statten geht, kann hieraus jedenfalls nicht gewonnen werden. 28  Abelson, American Psychologist 1981, S.  719 illustriert den schematischen Arbeitsprozess aus psychologischer Sicht rudimentär als „skriptisches Verstehen“ und trennt diesen vom „skriptischen Verhalten“; zu diesen Schemata in der prä-attentiven Sehphase Weidenmann, S.  28 ff.; ferner Matthes, S.  19 ff. 29 Vgl. Deussen, S.  16 ff.; Weidenmann, S.  26. 30  Boehme-Neßler, S.  64. Dieser Erkennungs- und Konstruktionsvorgang kann von uns allen­ falls partiell kognitiv gesteuert werden. Der Automatismus prä-attentiver Prozesse darf aber nicht zu dem Rückschluss verleiten, sie seien komplett unabhängig von kognitiven und emotionalen Merkmalen des jeweiligen Rezipienten; Blickbewegungsanalysen zeigen, dass Vorwissen und Ori­ entierungen beim sog. „ersten Blick“ eine Rolle spielen; vgl. hierzu Weidenmann, S.  26.

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auf ein Bild dar.31 Abbilder von vertrauten Objekten32 werden hierbei besonders schnell – nach etwa einer Zehntelsekunde – erkannt, da mehrere Prozesse wie bei­ spielsweise die Wahrnehmungsorganisation, die Mustererkennung oder die Objek­ tidentifikation unter Beteiligung peripherer und zentraler Zentren parallel ablaufen.33 Die besonders hohe Geschwindigkeit dieser Automation wird mit der zugrunde­ liegenden Systematisierung des Wahrnehmungsprozesses anhand der Aufspaltung eines Bildes in seine globalen – einfachen – und lokalen – detaillierten – Teile be­ gründet.34 Dabei liegt die Präferenz der prä-attentiven Prozesse auf der einfachen globalen Abbildung.35 Schon die prä-attentive Phase gründet jedoch auf einem „Match­ing-Prozess“ mit zuvor bestehen „Schemata“36, sodass zu dieser Zeit ein – unkontrollierter – Eindruck entsteht, bevor das Bild in einem umfassenden neuro­ physiologischen Vorgang – der attentiven Phase – umfänglich verarbeitet wird.37 Ein solch schneller und früh erfolgender Erkenntnisgewinn kann beim Erfassen von ge­ schriebener und gesprochener Sprache nicht bestehen, da hierfür zwangsläufig min­ destens beide Phasen durchlaufen werden müssen, ehe überhaupt eine Decodierung stattfinden kann. Zudem erklärt dies, warum ein Bild in seiner Gesamtheit – frei von irgendeiner Reihenfolge einzelner bereits decodierter Informationen – registriert wird, während Sprache stets sukzessiv, anhand festgelegter räumlich-zeitlicher Re­ geln einer bestimmten Sequenz wahrgenommen werden muss. 3. Wirklichkeitssuggestion isomorph-realistischer Darstellungen Unmittelbar vermittelte Inhalte wirken auf uns grundsätzlich vertrauensvoller, als mittelbar vermittelte Informationen etwa durch Sprache oder Text.38 Diese Prämisse hat sich über unser alltägliches Verständnis von Realismus nicht zuletzt in den Ge­ pflogenheiten des Prozessrechts manifestiert39: Fotos sind als Augenscheinsbeweis beliebte, wegen ihrer Wirklichkeitssuggestion besonders glaubwürdige und deshalb wirkungsvolle Beweismittel.40 Darüber hinaus wird Bildern in einigen Wissenschaf­ 31  Biedermann, Psychological Review 1987, S.  117 f.; Pettersson, Educational Communication and Technology Journal 1988, S.  53; ferner Boehme-Neßler, S.  64. 32  Boehme-Neßler, S.  78, spricht vom „Prägnanzprinzip“. 33  Weidenmann, S.  28 f.; zu den neuronalen Grundlagen sensorischer Verarbeitung von Reiz­ informationen Woelke, S.  65. 34  Boehme-Neßler, S.  77; ausführlich zu den einzelnen kognitiven Prozessen Ullrich, S.  57 ff. 35  Vgl. nur Loftus/Bell, Journal of Experimental Psychology 1975, S.  110; Navon, Cognitive Psy­ chology 1977, S.  353 ff.; Navon, Psychological Research 1981, S.  1 ff.; vgl. auch Sereno, S.  91. 36  Weidenmann, S.  29. 37  Dies wird von der kognitiven Psychologie als „top-down“-Verarbeitung bezeichnet; vgl. Spoehr/­Lehmkuhle, S.  166; Weidenmann, S.  32 ff.; ferner Boehme-Neßler, S.  64. 38  Vgl. hierzu das von Singer auf S.  105 f. genannte Experiment zum Verhältnis von Wort und Bild; vgl. die provokante Formulierung von Röhl, S.  253: „seeing is believing“; Matthiak/Re. Weber, S.  53; Trültzsch-Wijnen, S.  148; zur Indexikalität von Bildern Sachs-Hombach, S.  217 ff. 39  Zum Beweismittel Foto um 1900 Karallus, S.  152 ff. 40  Boehme-Neßler, S.  87; vgl. ferner Sontag, S.  11: „Eine Fotografie gilt als unwiderleglicher Beweis dafür, daß ein bestimmtes Ereignis sich tatsächlich so abgespielt hat“; S. Schmidt, S.  14,

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

ten ganz grundsätzlich keine illustrative, sondern eine objektive, beweisende Funk­ tion zugesprochen.41 Ähnelt eine Abbildung darüber hinaus in ihrer Detailgetreue und Auflösung auf einem Medium dem, was wir auf unserer Netzhaut als tagtägliche Wirklichkeit wahr­nehmen, tendieren wir sehr stark dazu, anzunehmen, dass dieses Bild eben auch die tatsächliche Realität abbildet.42 Dieser Befund wird jüngst in einer Studie zur Bildrezeption in Pandemiezeiten bekräftigt.43 Wir messen also fotorealistischen Abbildungen grundsätzlich auch einen höheren Echtheitsgehalt bei als vereinfachten Abbildungsformen wie etwa skizzenhaften Zeichnungen.44 Die Zuschreibung besonderer Validität, Authentizität oder Echtheit, fußt maßgeb­ lich in der Funktionsweise des menschlichen Kognitionsapparates.45 Seit den 1970er Jahren46 wird dieser in der psychologischen Grundlagenforschung in Analogie zu einem Computer beschrieben, der Informationen aufnehmen, verarbeiten sowie ab­ speichern kann und dessen Rechenleistung begrenzt ist.47 Bei der Aufnahme der Sinnesinformationen beansprucht hierbei das Sehsystem den weitaus größten Anteil der verschiedenen Hirnareale.48 Hieraus kann allerdings nicht der Rückschluss ge­ zogen werden, dass wir deshalb unsere Umwelt besonders effizient und wirklich­ keitsgetreu visuell abbilden und anschließend entsprechend abspeichern können.49 führt aus, man glaube prinzipiell dem Augenzeugen mehr und bestärkt hierdurch zumindest die Annahme, unmittelbar Wahrgenommenes wirke authentisch; ferner Leitner, S.  171 ff. 41  Ballstaedt, S.  46, nennt hierfür die Astronomie, die Klimatologie und die Neuropsychologie. 42  Vgl. etwa Brändle, S.  84, welche die Glaubwürdigkeit einer Fotoaufnahme aus dem Prinzip ihrer Genese ableitet, nach welcher sich physische Objekte mittels der optischen und chemischen Funktionsweise des Lichtes auf der Fotografie abbilden; hierzu auch Odağ, S.  294 f. m. w. N. 43  Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag von Pixum haben persönliche Fotos seit Beginn der Coronapandemie für jeden Dritten in Deutschland (31  %) eine größere Bedeutung bekommen, https://de.statista.com/infografik/23697/daten-zum-thema-fotos-und-corona (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Insbesondere durch das pandemiebedingte Social Distancing hätten Fotos eine gewisse Brückenfunktion zur Herstellung unmittelbarer Nähe zu anderen Personen; vgl. https://www.pixum.de/themenwelt/fotografie/trends-2020 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 44  Vgl. S. Schmidt, S.  1, der sogar davon ausgeht, dass die scheinbar intuitive Plausibilität, foto­ realistische Abbildungen gäben wieder, was „da sei“, historisch in engem Zusammenhang damit stünde, dass der Gesichtssinn von uns grundsätzlich als der verlässlichste Sinn eingestuft wird. Singer, S.  106, hingegen schreibt dem Tastsinn die höchste Verlässlichkeit zu. 45  Zu den einzelnen Schritten der Informationsverarbeitung anschaulich Ware, S.  20 ff. 46  Bereits im 19.  Jahrhundert ging Helmholtz davon aus, dass Bilder erst durch einen zwischen­ geschalteten Wahrnehmungsvorgang beim Betrachter entstehen. Die Einsicht, dass der individuelle Eindruck des Betrachters, nicht die objektive Wirklichkeit widerspiegelt, ging verloren, bis die empirischen Befunde moderner Neurowissenschaften entsprechende Ergebnisse lieferten; vgl. hierzu S. Frey, S.  43 ff. 47  Neisser, S.  24 ff.; Schank/Abelson, S.  20 f. 48  Singer, S.  113; Ware, S.  2. 49 Vgl. Goodman, S.  50; Pöppel, S.  74 ff., spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Ausgelie­ fertsein an unsere Bauweise“; nach aktuellem Stand der Gehirnforschung stellt sich die sensorische Reizübertragung von äußeren Signalen und Daten der zuständigen Sehzellen im Verhältnis zu den – für das Bewusstsein entscheidenden – Zellen der Großhirnrinde, die für die Verarbeitung, Rekon­ struktion, Bewertung, Abgleichung, Interpretation und entsprechenden „Entladungsfrequenzen“

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Vielmehr handelt es sich bei unseren Wahrnehmungen um gerade keine „isomor­ phen Abbildungen“ einer objektiven Wirklichkeit.50 Tatsächlich nehmen wir unsere Umwelt als das Ergebnis hochkomplexer Konstruktionen und Interpretationspro­ zesse wahr, die sich sehr stark auf gespeichertes Vorwissen stützen.51 Dieses sich immer weiter entwickelnde Vorwissen entspringt unterschiedlichen Quellen, wobei sowohl evolutionäre Prozesse als auch individuelle Seherfahrungen eine maßgeb­ liche Rolle spielen.52 Aus all diesen Informationen entwirft das Gehirn eines oder mehrere zusammenhängende Weltbilder und gleicht diese mit den einlaufenden Sig­ nalen ab. Die Verarbeitung einer Sehinformation – etwa die Betrachtung eines Bildes auf einem sozialen Netzwerk – erfolgt dabei stets unter Bezugnahme bisher gespei­ cherter Informationen und der bestehenden Prädispositionen des Rezipierenden.53 Unsere gesamte Kognition – und dementsprechend auch die Einschätzung, ob wir eine Bilddarstellung als real, wirklich oder authentisch einschätzen – basiert folglich im Kern auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen und Inferenzen.54 Ähnelt eine bild­ liche Darstellung unserem tagtäglichen Seheindruck55, besteht deshalb grundsätz­ lich eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir dem abgebildeten Szenario das Prä­ dikat einer authentischen Darstellung beimessen. 4. Hohes Emotionalisierungspotential Kommunikation durch Bilder wirkt deutlich emotionaler als die verbale Kommuni­ kation. Diese triviale Feststellung wird häufig herangezogen, um die besondere Be­ deutung der bildlichen Kommunikation hervorzuheben.56 Allerdings sucht man eine allgemeingültige Definition des Emotionsbegriffs vergebens; vielmehr haben unzählige Bestimmungsversuche seit der Antike ein „Panoptikum der ­Verwirrung“57 geschaffen. Die Mehrheit der Definitionsansätze beschreiben Emotionen aber inso­ weit übereinstimmend als „Reaktionen des gesamten Organismus auf Reize, die in­ verantwortlich sind, als tendenziell unbedeutend dar; vgl. M. Schulz, S.  200, mit Verweis auf Huber 2004, S.  136, nach dem einem einzigen Reiz einer Retinazelle etwa 100.000 Entladungen zentraler Neuronen gegenüberstehen. 50 Vgl. Goodman, S.  50; ferner Boehme-Neßler, S.  62. 51 Vgl. Cavanagh, Vision Research 2011, S.  1538. 52  Singer, S.  114. 53  Vgl. etwa Matthes, S.  14, hinsichtlich Fernsehnachrichten. 54  Boehme-Neßler, S.  63, nennt dies Verarbeitung von „Hypothesen über die Wirklichkeit“; fer­ ner Singer, S.  125. 55  Der Seheindruck wird von D. Hoffmann, S.  96 f., neurophysiologisch zum fotographischen Film dergestalt abgegrenzt, dass es sich bei fokussierten Bildern auf der Netzhaut eben um keinen passiven Bildempfänger handele, da diese erst unter Einsatz von Millionen parallel arbeitenden spezialisierten Zellen die wahrgenommenen Bilder konstruiert; vgl. ferner Ullrich, S.  52, wonach ein Bild dann verstanden wird, wenn es dem Rezipienten gelingt, eine kohärente mentale Repräsen­ tation der darin enthaltenen Information aufzubauen; zudem Weidenmann, S.  29 f. und Boehme-­ Neßler, S.  63. 56  Vgl. nur Boehme-Neßler, S.  71; Sachs-Hombach, S.  262. 57  Keil/Grau, S.  11; vgl. auch W. Wirth, S.  29.

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nerhalb eines bestimmten Zeitabschnitts im Menschen oder seiner Umwelt auftre­ ten“58. Jedenfalls lassen sich Emotionen somit tendenziell auch physiologisch durch Herzschlag, Blutdruck oder Adrenalinausschüttungen nachweisen oder möglicher­ weise korrelierte neuronale Aktivitäten visuell darstellen.59 Da die Emotion aber stets per definitionem an die Reaktion eines vorab wahrzunehmenden Reizes an­ knüpft, erscheint es schon aufgrund der bisher herausgearbeiteten Besonderheiten unmittelbarer Sinneswahrnehmung zumindest im Hinblick auf äußere Reize nahe­ liegend, sensorischer Reizwahrnehmung auch die Eignung zuzuschreiben, Emotio­ nen besonders gut transportieren zu können.60 Warum aber gerade Bilder besonders starke Emotionen beim Betrachter hervorrufen können, gilt unter neuro-physio­­lo­ gischen61 und psychologischen62 Gesichtspunkten als überwiegend unerforscht63. Einen zumindest partiellen Beitrag vermögen anthropologische Erklärungsansätze zu leisten.64 Die besonders schnelle und starke emotionale Reaktion auf visuelle Reize stellt bereits in der Vorzeit, in der Sprach- oder Schriftsysteme noch nicht existierten, einen maßgeblichen Überlebensmechanismus des Menschen dar.65 ­Hinzu tritt die bereits skizzierte Besonderheit, dass sich der visuelle Wahrnehmungs­ prozess als Rekonstruktions- und Abgleichungsvorgang auch bereits emotional ge­ prägtem Vorwissen – eben kohärenten und keinen objektiv-isomorphen Weltbil­ dern  – be­dient.66 Da sich dieses Vorwissen nicht nur aus alltäglichen individuellen Wahrnehmungseindrücken, sondern auch maßgeblich evolutionsbedingt zusam­ mensetzt67, erscheint es zumindest wahrscheinlich, dass wir – in Jahrtausende langer 58 Vgl. Bradley/Lang, Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry 1994, S.  49; Frijda, American Psychologist 1988, S.  349; Keil/Je. Eder, S.  225; Keil/Grau, S.  11. 59  Früh/Fahr, Publizistik 2006, S.  24; vgl. ferner Keil/Je. Eder, S.  225. Was aber eine Emotion letztlich ausmacht, entzieht sich der Messung und muss somit als psychisches Phänomen interpre­ tiert werden; vgl. Grau, S.  71; zum kulturwissenschaftlichen Aspekt dieser Frage Keil/Grau, S.  12. 60 Vgl. Keil/Je. Eder, S.  225, nach denen Kernstücke emotionaler Netzwerke sensorische – mit­ hin auch visuelle – Repräsentationen des Reizes sind. 61  Vgl. etwa Bear/Connors/Paradiso, S.  678. 62 Vgl. M. Schuster, S.  55. 63  Boehme-Neßler, S.  70. 64  Schwender, S.  127; vgl. zudem Doelker, S.  102 ff.; Je. Eder, S.  119; Goleman, S.  19 ff.; einen Überblick zu den evolutionsbiologischen Ansätzen liefern Schweizer/Klein, S.  151; zum Verhältnis evolutionsbiologisch-verwurzelter Reaktion zu individuell erlernten Reizen anhand des jeweiligen gesellschaftlichen Kontexts; vgl. Flaisch, S.  103. 65  Boehme-Neßler, S.  70; dieser Erklärungsstrang wird durch experimentelle Befunde gestützt, bei denen extrem schnell einsetzende Vorteile bei der Verarbeitung aversiver Reize gegenüber neu­ tralen Kontrollreizen – etwa bei der Detektion von aversivem Stimulusmaterial wie bspw. das Er­ fassen von Spinnen bei spinnenängstlichen Probanden – beobachtet wurden; vgl. etwa Öhman/ Flykt/Esteves, Journal of Experimental Psychology 2001, S.  469; Klahn et al., Behavioural Brain Research 2016, S.  84. 66 Vgl. W. Wirth, S.  37 f.; ferner Anderson/Bushman, Annual Review of Psychology 2002, S.  30; Izard/Libero/Putnam/Haynes, Journal of Personality and Social Psychology 1993, S.  848; van Reekum/Scherer, S.  261; in diesem Zusammenhang entwarf Goleman, das Konzept der „emotionalen Intelligenz“; vgl. hierzu etwa ders., S.  36 ff. 67  Singer, S.  114.

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Übung – besonders den Seheindrücken bestimmte Emotionen beiordnen und diese bei der Rekonstruktion von Seheindrücken auch wieder verstärkt abrufen und ver­ spüren.68 Erkenntnisse aus der experimentellen Kognitionsforschung belegen zudem, dass Emotionen unabhängig vom menschlichen Bewusstsein entstehen können.69 Hier­ aus ein generelles Nebeneinander von Emotionen und Bewusstsein abzuleiten, ginge aber angesichts jüngster Forschungen zu weit.70 Sofern man indes davon ausgeht, dass zumindest negative Emotionen tendenziell automatisch und unbewusst ausge­ löst werden,71 bevor diese bewusst emotional erlebt und subjektiv verarbeitet wer­ den, kann man hieraus folgern, dass die Kommunikation durch Bilder auch insoweit eine stärkere Verbindung zur Emotionalität hat als verbale – stets bewusste – Kom­ munikation.72 Bildkommunikation erfolgt somit potentiell unkontrollierter als ver­ bale Kommunikation.73 5. Bildüberlegenheitseffekt Der sog. Bildüberlegenheitseffekt beschreibt den Umstand, dass Bilder von Objekten besser erinnert und wiedererkannt werden können, als ihre verbalen Bezeichnun­ gen.74 Schon das allgemeine Begriffsverständnis von Bildung bzw. des „Sich-Bil­ dens“ lässt eine erziehungswissenschaftlich-begründete Tendenz zu dieser Vermu­ tung erkennen.75 Es erscheint allerdings etwas vorschnell, Bilddarstellungen eine grundsätzliche Überlegenheit gegenüber Text-Darbietungen für die Informations­ 68 

Atkinson/Adolphs, S.  154; vgl. auch Boehme-Neßler, S.  71. Dieses Verständnis wird maßgeblich von dem Emotionstheoretiker LeDoux geprägt, der dar­ über hinaus proklamiert, dass Emotionen vom Bewusstsein unabhängig seien; siehe LeDoux, S.  47 f. 70  W. Wirth, S.  36. 71  Atkinson/Adolphs, S.  163; ebenfalls zurückhaltend bereits Leventhal/Scherer, Cognition & Emotion 1987, S.  22 ff.; nach W. Wirth, S.  37, können in diesen Fällen entsprechende Reaktionen erfolgen, noch bevor die emotionsauslösenden Ereignisse bewusst werden; ähnlich Zillmann, S.  550 f., der argumentiert, dass der Neokortex in Gefahrenszenarien für das Individuum nicht akti­ viert werde, um eine möglichst schnelle Reaktion zu gewährleisten; vgl. zum negativity bias auch Rückert, S.  178. 72  Boehme-Neßler, S.  69; Doelker, S.  178 f.; Kroeber-Riel, S.  63 ff.; Atkinson/Adolphs, S.  154. 73  Boehme-Neßler, S.  71. Das Instrumentalisierungspotential dieses Effekts ist sowohl Vertre­ tern der Werbungs- und Unterhaltungsindustrie, als auch und gerade den Verfahrensbeteiligten im Strafprozess nicht verborgen geblieben: Das Monopol von Wort und Schrift als Kommunikations­ medium des Rechts verblasst zusehends angesichts des Einzugs der Bildkommunikation, um die Suggestivkraft negativer Emotionalisierung – mit anderen Worten: die Wirkung „verstörender“ Bilder etwa von Opfern oder Tatorten – als prozesstaktisches Mittel gezielt einzusetzen; vgl. hierzu insbesondere Bockemühl/Friedrichsen/Gerhardt, 10.  Teil, 39.  Kap., Rn.  46 ff. 74  Diese Annahme findet v. a. durch kognitionspsychologische Experimente eine empirische Stütze; vgl. Berendt, S.  27; Engelkamp, S.  120; vgl. hierzu ferner Medina, S.  192: „Tests […] showed, that people could remember more than 2.500 pictures with at least 90 percent accuracy several days later […]. Accuracy rates a year later still hovered around 63 percent. […] If information is presented orally, people remember about 10 percent, tested 72 hours after exposure“. 75  Vgl. zum Bildungsbegriff Schäffer, S.  222. 69 

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

reproduktion zuzusprechen.76 Insbesondere in Fällen komplexer Bilddarstellungen oder kurzer Darbietungszeit liegen zum einen sogar gegenteilige Befunde vor.77 Zum anderen kommt hinzu, dass das menschliche Bewusstsein grundsätzlich Schwierigkeiten hat, sich von einmal verfestigten prägnanten Wahrnehmungs- und Erkenntnismustern wieder zu lösen oder diese zu korrigieren.78 Dass dieser Effekt gerade im Hinblick auf die Möglichkeit der Bildmanipulation das Missbrauchspoten­ tial aufgrund einer dauerhaften, schwer korrigierbaren fehlerhaften Zuschreibung von Informationen ganz besonders fördert, liegt auf der Hand.79 6. Hohe Aufmerksamkeitsrate In engem Zusammenhang mit den Erkenntnissen zum gesteigerten Emotionalisie­ rungspotential80 von Bildern steht die Annahme, dass Bilder beim Rezipienten ge­ nerell stärkere Aufmerksamkeit erregen können als andere Medien.81 Zwar hat sich ähnlich wie beim Emotionsbegriff eine allgemeine Definition von Aufmerksamkeit nicht durchgesetzt.82 Gleichwohl haben alle Charakterisierungen gemein, dass sie 76 Vgl. Woelke, S.  72, der u. a. darauf hinweist, dass in den Studien zum Bildüberlegenheitseffekt häufig unterkomplexe Bilder verwendet werden, in denen abgebildete Objekte Gegenstand der Un­ tersuchung sind, die in der sozialen Realität tatsächlich vorkommen und deshalb unter der Ähnlich­ keitsannahme unproblematisch gedeutet werden können. 77  Vgl. bereits Paivio/Csapo, Journal of Experimental Psychology 1969, S.  281, 284. Gleichwohl geht die bereits beim Relationsspektrum thematisierte Theorie der „doppelten Encodierung“ von Paivio davon aus, dass visuelle Informationen im Gegensatz zu verbalen Informationen im Gehirn doppelt abgespeichert werden – als visuelle und als verbale Repräsentationen. Dies führe wiederum dazu, dass visuelle Informationen deutlich besser erinnert werden können; vgl. Paivio, S.  120 ff.; hierzu auch Maurer, M&K 2009, S.  201. 78  Boehme-Neßler, S.  78, geht hierbei davon aus, dass die Korrektur und Weiterentwicklung ei­ ner Erkenntnis umso schwieriger für uns ist, je prägnanter uns diese Erkenntnis erscheint; vgl. auch Brosius, S.  224; Eibl-Eibesfeldt, S.  62 ff.; Ertel, Zeitschrift für Semiotik 1981, S.  124. 79  Gleichwohl liefern die Erkenntnisse aus dem Bildüberlegenheitseffekt in jüngster Zeit bemer­ kenswerte Fortschritte bei der Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen durch den Ein­ satz von VR-Technik, vgl. hierzu Rizzo, Journal of Clinical Psychology in Medical Settings 2011, S.  178 f., zur Behandlung von Kriegsgeschädigten, die visuell mit der angstauslösenden Situation im Beisein eines Therapeuten konfrontiert wurden; vgl. hierzu auch Matthiak/Re. Weber, S.  62. 80  Dementsprechend stehen Emotionen nach Früh/Fahr, Publizistik 2006, S.  24, in direktem Zusammenhang mit den vier Hauptfunktionen von Medieninhalten: Aufmerksamkeitserregung, Information, Persuasion und Unterhaltung. 81 Vgl. Keil, S.  138. Schupp et al., The Journal of Neuroscience 2007, S.  1086, belegen hierbei, dass gerade emotional-erregende Zielreize durch Bilder generell eine höhere Aufmerksamkeit be­ kommen, als „low arousing“-Kontrollbilder; vgl. ferner Keil et al., Psychophysiology 2002, S.  641. Boehme-Neßler, S.  69, formuliert dies provokant mit: „Wer besonders viel Aufmerksamkeit erwe­ cken und starke Effekte erzielen will, muss Bilder einsetzen“; vgl. in diesem Zusammenhang auch Bartsch, S.  209, unter Verweis auf die Journalistenregel „only bad news are good news“ zur Annah­ me, dass negativen Emotionen besonderes Aufmerksamkeitspotential innewohne; hierzu auch Shoemaker, Journal of Communication 1996, S.  38 ff. 82 Vgl. Kwon, S.  5 f., der etwa zwischen „arousal attention“, „sustained attention“, „selected attention“ und „divided attention“ (Erregungsaufmerksamkeit, anhaltende, ausgewählte und geteil­ te Aufmerksamkeit) differenziert. Montemayor/Haladjian, S.  28 ff., differenzieren hingegen nach

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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Aufmerksamkeit als einen Vorgang zur selektiven Fokussierung auf relevante Reize unter der Ausklammerung von irrelevanten Reizen beschreiben, dem eine be­ schränkte Verarbeitungskapazität zugrunde liegt.83 Vor dem Hintergrund, dass die menschliche Aufmerksamkeitsrate individuell-zeitlichen und -inhaltlichen Be­ schränkungen unterliegt,84 erscheint es auch angesichts der skizzierten Befunde zur Emotionsforschung sehr naheliegend, dass emotionale Stimuli – und somit vorrangig Bilder – unsere Aufmerksamkeit automatisch85 vor neutralen Reizen erregen.86 Diese These letztendlich anhand aktueller Werbe- und Unterhaltungspraktiken87 als belegt anzusehen, erscheint allerdings unbefriedigend, zumal auch weitere Indizi­ en88 einen grundlegenden Mechanismus der menschlichen Bildwahrnehmung nicht zu erklären vermögen.89 Umso mehr erscheint daher eine komprimierte Auseinan­ dersetzung mit dem neurowissenschaftlichen Stand zur Aufmerksamkeitsforschung bei der visuellen Wahrnehmung als zwingend notwendig. Die grundsätzliche Generierung von Aufmerksamkeit beim Betrachter fußt maß­ geblich auf Analyse-, Interaktions- und Abwägungsprozessen, denen wiederum mehrere Komponenten zugrunde liegen.90 So sind es in erster Linie bestimmte Di­ mensionen oder Merkmalseigenschaften unserer visuellen Wahrnehmungen, wel­ chen wir anhand von sog. „Auffälligkeitsfiltern“91 bestimmte Aufmerksamkeit bei­ messen.92 Diese Auffälligkeitsfilter sind neuronale Schaltkreise, die unterschiedlich „feature-based attention“, „spacial attention“ und „object-based attention“ (merkmalsbezogene, räumliche und objektbezogene Aufmerksamkeit). 83  Strobach/Wendt, S.  15. 84  Kallfaß, S.  3; vgl. ferner Pylshyn, Visual Indexes, S.  215. 85  Keil, S.  138; dies wird u. a. damit begründet, dass für emotional bedeutsame Reize mehr atten­ tionale Ressourcen bereitgestellt werden als für nur wenig erregende, neutrale Reize; vgl. hierzu auch Keil et al., Psychophysiology 2002, S.  641. 86 Vgl. Öhman/Flykt/Exteves, Journal of Experimental Psychology 2001, S.  466: „Emotion ­drives Attention“. 87  Vgl. nur Raschka/Schmeißer, planung & analyse 2007, S.  3, welche Emotionen als einen zen­ tralen Schlüssel für den Erfolg werblicher Kommunikation bezeichnen. 88  Zu nennen wäre etwa die Tendenz jüngerer Nutzer, gerade bildorientierte soziale Netzwerke wie Instagram und Snapchat eher textbasierten sozialen Netzwerken vorzuziehen; vgl. hierzu die ARD/ZDF-Onlinestudie – Nutzung von Onlinecommunities – 2018, abrufbar unter: http://www. ard-zdf-onlinestudie.de/whatsapponlinecommunities (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022); vgl. fer­ ner bereits Einführung, A., III. 89  So aber wohl Boehme-Neßler, S.  69, der zunächst unter Bezugnahme auf Grau, S.  99, auf die Suggestivkraft und Immersionseffekte von Bildmedien verweist und im Folgenden den Eindruck erweckt, dass Bildmedien grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit generieren als andere Stimuli. Die­ se Aussage muss allerdings auch Boehme-Neßler auf S.  69 in Fn.  127 nach und nach relativieren. 90  Siehe die Grafik bei E. Knudsen, Annual Review of Neuroscience 2007, S.  59, der mindestens vier Komponentenprozesse nennt: Filtern nach Reizerscheinung, Top-Down-Regulierung neuraler Empfindlichkeit, konkurrierende Auswahl und Arbeitsgedächtnis; zur Unterscheidung von Topdown- und Bottom-up-Prozessen der Aufmerksamkeitssteuerung siehe die Grafik bei Höger, S.  255. 91  Mangun, S.  132. 92 Vgl. Maunsell/Treue, TRENDS in Neurosciences 2006, S.  318 ff.; Theeuwes, Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences 2013, S.  3; Treisman, The Royal Society 1998, S.  1295 ff.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

auf Merkmale von visuellen Reizen wie beispielsweise Farbe, Kontrast, Bewegung oder plötzliche Veränderungen reagieren.93 Die Hervorhebung dieser Merkmale nimmt mit der Größe ihres Merkmalwertes zu.94 Dieser Merkmalswert basiert grundsätzlich sehr wahrscheinlich ebenfalls auf evolutionsbiologischer Übung.95 So liegt eine höhere Eingangsrate oftmals schon dann vor, wenn sich ein Merkmal im Sichtfeld optisch auf irgendeine Art und Weise hervorhebt.96 Da sich die Auffällig­ keitsfilter ausschließlich auf sensorische97 – und damit unmittelbar wirkende – Infor­ mationen beziehen, erscheint es zunächst sehr wahrscheinlich, dass ein Bild – ­allein anhand seiner Dichte unmittelbar wirkender Informationen – mehr Auffälligkeits­ merkmale beinhaltet als Text. Zudem zeigen diverse Studien, dass ein Abwägungsmechanismus in Bezug auf die Fragen existiert, der bestimmt, wie viel Aufmerksamkeit für die Codierung von Informationen zur Verfügung steht und wie gut Objekteigenschaften gespeichert werden können.98 Flankierend zu dieser Erkenntnis besteht die Annahme, dass For­ men der sog. „unbewussten Aufmerksamkeit“99 für die Planung von Augenbewe­ gungen besonders wichtig zu sein scheinen.100 Besteht für unser Gehirn Grund zur Annahme, dass Informationen zur Aufgabenbewältigung in einem bestimmten Sichtfeld liegen, richten wir unseren Blick primär so aus, dass wir periphere Infor­ mationen ohne weitere Augenbewegung über die gezielte Verlagerung der Aufmerk­ samkeit wahrnehmen können.101 Somit besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir dazu neigen, unsere Blicke intuitiv an einem (abgebildeten) Objekt102 aus­ 93 

Mangun, S.  132. Mangun, S.  132. 95 Vgl. Montemayor/Haladjian, S.  28. Auch insofern bestehen also deutliche Parallelen zur Emo­ tionalisierung durch Bilder. 96  Montemayor/Haladjian, S.  25; bei der beschriebenen „dimensionsbedingten Aufmerksam­ keit“ nimmt die Fähigkeit, einem bestimmten Merkmal vorab eine besondere Wichtigkeit zuzu­ schreiben, eine tragende Rolle ein; Montemayor/Haladjian, S.  28, beschreiben diesen „Highlight“-­ Effekt anhand der Suche eines roten Stifts auf einem Schreibtisch, wonach unsere Aufmerksamkeit gezielt zur Aufgabenbewältigung auf bestimmte Merkmale – hier auf die Farbe Rot – konzentriert werden kann. 97 Vgl. Mangun, S.  132. 98  Chesney/Haladjian, Attention, Perception & Psychophysics 2011, S.  2457 ff.; Cowan/Rouder/ Blume/Saults, Psychological Review 2012, S.  483 ff.; Fougnie/Marois, Attention, Perception & Psy­ chophysics 2009, S.  1832 ff.; Franconeri/Alvarez/Cavanagh, Trends in Cognitive Sciences 2013, S.  134 ff.; Fukuda/Awh/Vogel, Current Opinion in Neurobiology 2010, S.  177 ff.; Luck/Vogel, Nature 1997, S.  279 ff.; Treisman, Visual Cognition 2006, S.  411 ff. Montemayor/Haladjian, S.  34, verglei­ chen insoweit unsere räumliche Aufmerksamkeit sinngemäß mit einer Art Linse, die von eng bis breit auf gewisse Objekte oder Aufgaben gerichtet werden kann. 99  Näher zur covert attention Carrasco, Vision Research 2011, S.  1487 ff. 100 Vgl. Yeshurun/Carrasco, Nature 1998, S.  72; insbesondere belegen empirische Befunde, dass Augenbewegungen und Aufmerksamkeitsausrichtung zusammenhängen; vgl. etwa J. Hoffman/ Subramaniam, Perception & Psychophysics 1995, S.  787; ferner Holsanova, S.  292 m. w. N. 101 Vgl. Horowitz et al., Journal of Vision 2004, S.  599 f., welche bestätigen, dass diese Aufmerk­ samkeitsverlagerung schneller erfolgt als die Neuausrichtung des Blickes. 102 Das Experiment zum Blickverhalten von Konsumenten durch die Werbeforschung von W.  Leven, S.  158 ff., kommt zudem ausdrücklich zum Befund, dass neben optischen Auffälligkeiten 94 

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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zurichten103, um letztendlich die vermutete maximale Informationsverwertung bei möglichst geringer Belastung unserer Ressourcen zu gewährleisten.104 Schließlich findet dieser Befund durch Studien zur objektbasierten Aufmerksam­ keitsforschung105 breite Zustimmung, wonach die Aufmerksamkeit des visuellen Systems dazu neigt, die Welt anhand von Objekten zu analysieren.106 Die bisher gefundenen Erkenntnisse zur Bildrezeption werden also besonders in der neurobiologischen Aufmerksamkeitsforschung gleich auf mehreren Ebenen be­ stätigt und dementsprechend auch deutlich entschiedener vorgetragen. Was die visu­ elle Aufmerksamkeit angeht, besitzen geschriebener Text und Bild dieselben Formen von Auffälligkeitsfiltern, gleichwohl sprechen die skizzierten Aspekte der Informa­ tionsdichte, Effizienz und Objektbezogenheit für die Tendenz zur höheren Aufmerk­ samkeitsrate bei Bildern. Dieselbe Basis besteht indes nicht bei auditiven Reizen je­ denfalls nicht hinsichtlich gesprochenem Text und Bildern. Gleichwohl findet sich auch hier aus den bereits genannten Gründen – insbesondere aufgrund ephemeren Charakters von Audiosignalen – dieselbe Tendenz, zumal der Aspekt der Codierung sprachlicher Information unter Aufmerksamkeitsgesichtspunkten weitestgehend au­ ßen vor gelassen wurde. Zudem werden auditive Reize aufgrund ihrer Flüchtigkeit für eine fortwährende sensorische Wahrnehmung nicht dauerhaft fixiert. 7. Multimediale Kombinationsaffinität bildlicher Darstellungen Obwohl die Verarbeitung von Texten und Bildern nach überwiegender Auffassung in unterschiedlichen Gehirnarealen ablaufen soll, steht fest, dass die Kombination von Text und Bild für die Vermittlung und den folgenden funktionalen Erwerb von Infor­

gerade Personen verstärkte Aufmerksamkeit bekommen; vgl. hierzu auch Gehrau, S.  157. Höger, S.  258, geht davon aus, dass gerade Gesichter unwillkürlich eine Aufmerksamkeitszuwendung aus­ lösen. 103  Montemayor/Haladjian, S.  35. 104  Man spricht in diesem Zusammenhang vorsichtig von der „Dominanz des Bildes“; vgl. Ballstaedt, S.  50, mit dem Verweis auf die Eyetracking Untersuchungen am Poynter-Institut in Florida zur Verarbeitung von Text-Bild Kombinationen im Online-Journalismus, wonach allerdings der erste Blick tatsächlich auf das Bild fällt, dieses allerdings erst dann detailliert analysiert wird, wenn die Textüberschriften oder leads ausgewertet wurden. 105 Vgl. Cheries/Wynn/Scholl, Developmental Science 2006, S. F50 ff.; Feldman, Trends in Cog­ nitive Sciences 2003, S.  252 ff.; D. Lee/Chun, Attention, Perception & Psychophysics 2001, S.  253 ff. (insbesondere S.  256); Luck/Vogel, Nature 1997, S.  297 ff.; Treisman, The Quarterly Journal of Ex­ perimental Psychology 1988, S.  201 ff. 106  Dies zeigt sich ganz deutlich in einem beobachteten Vorteil der innerobjektlichen Fea­ ture-Erkennung: Informationen, die innerhalb eines zuvor ausgewählten Objekts erscheinen, kön­ nen effizienter verarbeitet werden als dieselbe Information, welche außerhalb eines Objekts oder auf einem anderen Objekt erscheint; vgl. hierzu auch Egly/Driver/Rafal, Journal of Experimental Psy­ chology 1994, S.  161 ff.; ferner Z. Chen, Attention, Perception & Psychophysics 2012, S.  784 ff. (ins­ besondere die illustrierten Beispiele auf S.  786 und S.  788); Montemayor/Haladjian, S.  36. Insoweit bestehen auch hier Parallelen zu den vorsichtigen Befunden zum oben behandelten Bildüberlegen­ heitseffekt; Kap.  1, A., I., 5.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

mationen eine zentrale Rolle spielt107: Durch die Beiordnung von Bildmaterial zu Text zeigen sich beim Rezipienten signifikant bessere Behaltens- und Verstehensleistungen der vermittelten Informationen.108 Dies gilt aber nicht pauschal, sondern nur im Falle eines inhaltlichen Bezugs der dargestellten Bilder zum Text.109 Werden verbale Infor­ mationen mit Bildmaterial kombiniert, ergeben sich je nach Form der Textinformation unterschiedliche Besonderheiten: Wird ein realistisches Bild gemeinsam mit einem gesprochenen Text präsentiert, bleibt einerseits wegen der Flüchtigkeit der akustischen Schallwellen kein Raum für eine selbstgesteuerte Informationsverarbeitung. Anderer­ seits wird durch die verbale Textinformation der visuelle Teil des Arbeitsgedächtnis­ ses nicht belastet, da die Entschlüsselung im auditiven Teil des Arbeitsgedächtnisses abläuft. Wird hingegen ein Bild zusammen mit geschriebenem Text präsentiert, kon­ kurrieren einerseits verbale und bildliche Information um die begrenzte visuelle Rezep­tionskapazität und das Auge muss zwischen Bild und Text wandern, während die aktuell nicht fokussierte Information rasch aus dem Arbeitsgedächtnis verschwin­ det.110 Andererseits besteht bei geschriebenem Text gegebenenfalls eine zeitlich-län­ gere Fixierung zur bewussten Verarbeitung als bei Audiosignalen. Ungeachtet der Frage, welche Text-Bild-Kombination im Einzelfall die besseren Vermittlungs-, Ver­ stehens- und Behaltensleistung liefern kann, lässt sich für die kognitive Verarbeitung von Text-Bild Informationen aber insgesamt festhalten: Wie sich letztendlich eine In­ formation als mentale Repräsentation verfestigt, hängt vom investierten Verarbei­ tungsaufwand, dem Interesse und dem Vorwissen des jeweiligen Rezipienten ab.111 Da die Rezeption von Bildern aber (wie gezeigt) per se wenig Verarbeitungsaufwand so­ wie Vorwissen erfordert, nehmen diese bei der Informationsvermittlung eine hervor­ gehobene Stellung112 gegenüber Textinformationen ein.113 107  Vgl. nur Ballstaedt, S.  45, 51, der bei der Text-Bild Kombination von einem „didaktischen Traumpaar“ spricht. M. Schuster/Woschek, S.  16, sprechen von „Ergänzungsfunktion“ von Text und Bild. 108 Grundlegend Levin et al., S.  51 ff.; ferner Kürschner/Schnotz, Unterrichtswissenschaft 2007, S.  48; Rösch, Information – Wissenschaft & Praxis 2015, S.  18. 109 Entsprechen sich Bild- und Textinhalt nicht, verschlechtert sich die Erinnerungsleistung beim Rezipienten. In diesem Zusammenhang wird mitunter von der sog. „Text-Bild-Schere“ ge­ sprochen, welche auf Wember zurückgeht; vgl. hierzu die Aufbereitung von Wagenknecht, S.  156; ferner Renner, Studies in Communication Sciences: journal of the Swiss Association of Communi­ cation and Media Research 2001, S.  21; Rösch, Information – Wissenschaft & Praxis 2015, S.  18. 110 Vgl. Chandler/Sweller, Cognition and Instruction 1991, S.  329; Mayer, S.  85 ff.; Schnotz, S.  311. 111  Ballstaedt, S.  52. 112  Dies zeigt sich abermals an der Tendenz jüngerer Nutzer, diejenigen sozialen Netzwerke für Kommunikationszwecke zu bevorzugen, welche auf einer Kombination aus Bild und Text basieren; siehe hierzu die ARD/ZDF-Onlinestudie – Nutzung von Onlinecommunities – 2018, abrufbar unter: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/whatsapponlinecommunities (zuletzt aufgerufen am: 01.06.­ 2022); vgl. ferner in diesem Zusammenhang auch Heldt, Onlineblog der FAZ vom 09.09.2019: „Die junge Generation tauscht sich […] nicht ausschließlich verbal aus, sondern sie kombiniert Text- und Sprachnachrichten mit Bildern. Vorzugsweise benutzt sie dafür Snapchat, Instagram und Whats­ app“; https://blogs.faz.net/schlaflos/2019/09/05/instagram-und-snapchat-so-kommuniziert-unser­nachwuchs-2129/?utm_source=pocket-newtab (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022). 113  Zu den Transfer-Effekten je nach Verhältnis von Text und Bild vgl. Ballensiefen, S.  103 ff.

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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II. Charakteristika des konkreten Bildobjekts Mensch Wurde bisher auf die Besonderheiten der menschlichen Bildwahrnehmung per se eingegangen, blieb die Behandlung etwaiger Besonderheiten betreffend des Abbil­ dungsobjekts weitestgehend unberücksichtigt. Dass der Abbildungsinhalt für unsere persönliche Wahrnehmung und demzufolge auch für unser Rechtsempfinden eine herausragende Rolle spielen muss, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass wir der blo­ ßen Abbildung von nichtmenschlichen Bildobjekten auch in rechtlicher Hinsicht prinzipiell keine besondere Bedeutung beimessen, sofern diese nicht in irgendeiner Form durch einen menschlichen Zuschreibungsakt – wie beispielsweise das Urheber­ recht, der Geheimnisschutz oder das Persönlichkeitsrecht – geschützt werden sollen. Die dargestellten Besonderheiten menschlicher Bildrezeption allein können somit für sich genommen kein strafrechtlich relevantes Schutzbedürfnis von Personen­ abbildungen begründen. Deshalb soll im Folgenden herausgearbeitet werden, inwie­ weit ausgerechnet die Rezeption des speziellen Bildinhalts in Form einer mensch­ lichen Person besondere Relevanz für unsere Wahrnehmung haben kann. Denn nur hieraus kann sich eine besondere – strafrechtliche – Schutzwürdigkeit gegenüber anderen bildlichen Darstellungsinhalten ergeben. 1. Nonverbale Kommunikationsdimensionen von Personenbildern Ausgangspunkt bzgl. der Frage nach der Besonderheit des Inhalts eines Personenbil­ des ist – was sich insbesondere auch bei dem Phänomen sozialer Netzwerke wider­ spiegelt – das menschliche Grundbedürfnis nach Kommunikation.114 Zwar hat sich ein universaler Kommunikationsbegriff bis heute nicht durchgesetzt, gleichwohl liegt es aus der Perspektive von Kommunikations- und Medienwissenschaften nahe, den Menschen als das einzige Wesen zu betrachten, das zu komplexen kommunika­ tiven Formen befähigt und gleichzeitig hiervon abhängig ist.115 Ferner unterscheidet ein einfaches Grundmodell in der traditionellen Kommunikationswissenschaft zwi­ schen dem Sender und Empfänger, zwischen denen Informationen ausgetauscht wer­ den, wobei beide über das gleiche Zeichenrepertoire verfügen müssen.116 Aus diesen basalen Ausführungen ergibt sich in Kombination mit den vorangestellten Ausfüh­ rungen zur Unmittelbarkeit der Bildrezeption bereits die Grundprämisse, dass der Informationsaustausch von Menschen einerseits mit und andererseits über ihresglei­ chen eine herausragende Bedeutung in unserer Gesellschaft und Werteordnung zu­ kommen muss. Sofern diese Informationsvermittlung ohne den Einsatz von Sprache stattfindet, spricht man überwiegend von „nonverbaler Kommunikation“.117 Die Ab­ bildung einer Person nimmt bei nonverbaler Kommunikation wiederum eine Son­ 114  Vgl. die im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken bereits zitierte Kurzerläuterung zum Kommunikationsbegriff von K. Beck, S.  155. 115  Krotz, S.  92 ff., bezeichnet die Kommunikation deshalb als „anthropologische Konstante“. 116  M. Schuster/Woschek, S.  5. 117  M. Schuster/Woschek, S.  3.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

derstellung ein: Vorausgesetzt, das Zeigen einer Personendarstellung führt zu ir­ gendeinem – noch näher zu bestimmenden – Informationsaustausch zwischen Sen­ der und Empfänger, so stellt sich zunächst die Frage, wer überhaupt Sender und Empfänger sein kann. Während der Bildrezipient relativ einfach als Empfänger einer möglichen Information ausgemacht werden kann, fällt die Bestimmung des Senders bei der Personenbildkommunikation nicht mehr so eindeutig aus. In erster Linie wird man den namentlichen Übersender des Personenbildes als Sender einordnen können, gleichzeitig kommt aber auch der Dargestellte selbst – sofern dieser nicht mit dem Übersender identisch ist – gewissermaßen als Sender von Informationen in Betracht. Selbst eine verstorbene Person gibt zumindest auf einem Bild von ihr zu Lebzeiten (konservierte) Informationen von sich nonverbal preis. Die bildhafte Wahrnehmung eines Menschen hat somit eine eminent wichtige Funktion in der sozialen nonverba­ len Kommunikation und beim Aufbau sozialer Strukturen, da sie in mehreren Di­ mensionen von statten gehen kann. Diese verschiedenen Dimensionen gilt es deshalb im Folgenden hinsichtlich der Frage, ob und gegebenenfalls, welchen Inhalt Perso­ nenbildnisse vermitteln können, zu berücksichtigen. a) Rezipient: Generalisierende Urteile über das Wesen der dargestellten Person Die Wahrnehmung von Personen anhand bildhafter Darstellungen erstreckt sich al­ len voran auf generalisierende Urteile über das Wesen – also den Charakter und die Emotionen – der dargestellten Person.118 Durch ein Bild kann man den gesamten Körper eines anderen Menschen oder zumindest Teile hiervon sowie gegebenenfalls seine Umgebung in aller Ruhe erfahrbar machen. Dies ermöglicht dem Betrachter, durch die vorrangige Auswertung von Mimik, Gestik, Bewegung und Körperhal­ tung, aber auch durch weitere mitabgebildete Umstände119 wie die Umgebung, Klei­ dung120 oder sonstige Gegenstände vermeintliche121 Rückschlüsse auf die gesamte Persönlichkeit der abgebildeten Person zu ziehen.122 Insbesondere dem Gesicht wird 118 

Kepplinger, S.  157; vgl. zudem Maurer, M&K 2009, S.  200. Kepplinger, S.  108. 120  Vgl. hierzu etwa Belting, Bild-Anthropologie, S.  88, nach dem auch Kleidung zum Gestus der Verkörperung zählt. 121  Welche Risiken und Gefahren einer Pauschalisierung der Wesensdeutung allein anhand des Äußeren einer Person etwa mittels ihrer fotografischen Abbildung innewohnen, wurde nicht zuletzt durch die ethnografische Fotografie der Kolonialzeit belegt; vgl. hierzu etwa Brändle, S.  88. 122  Singer, S.  108; vgl. in diesem Zusammenhang auch Belting, Bild-Anthropologie, S.  87: „[Bil­ der] zeigen Körper, aber sie bedeuten Menschen“; Kepplinger, S.  105. Tisseron, S.  310, liefert hier­ für einen psychoanalytischen Begründungsversuch, indem er ausführt, dass wir aus allem, was wir u. a. sehen, Repräsentationen der Welt erschaffen, aber zugleich alles, was wir denken, empfinden und gutheißen, für uns selbst repräsentieren. Dieser doppelte Prozess bediene sich der gleichen Mittel, nämlich Gestik, Haltung sowie Mimik und deren begleitenden Emotionen; vgl. insbesonde­ re zur Auswertung einzelner Hinweise in einem Onlineprofil einer Person Krämer et al., S.  33; ferner Je. Eder/Imorde/Reinerth, S.  1: „Von der steinzeitlichen Löwenmensch-Skulptur bis zum transhumanistischen YouTube-Video drücken sich in Medien welchselnde, nicht selten wertende und konflikthafte Vorstellungen über das „Wesen des Menschen“ aus, über dessen Körper, Geist, 119 Vgl.

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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hierfür eine hervorgehobene Bedeutung beigemessen: In verschiedenen, internatio­ nal vergleichenden Studien konnte gezeigt werden, dass von allen Untersuchten das Gesicht der Testpersonen völlig unabhängig von Kultur und Region als Ausdrucks­ mittel von Emotionen gleicher Art angesehen wird.123 Dieser Befund hat sogar in neurowissenschaftlichen Studien eine empirische Stütze, wonach es etwa frontale Hirnregionen124 gibt, die auf aggressive Gesichtsausdrücke bei anderen Menschen reagieren.125 Zumindest befördert dieser Umstand die Vermutung, dass womöglich eine gewisse evolutionsbiologische – vielleicht sogar empirisch belegbare – Veran­ lagung zur gezielten Wahrnehmung und Interpretation von äußeren Körpermerk­ malen und mitabgebildeten Bezugsumständen beim menschlichen Bildrezipienten besteht.126 Allerdings gilt der Einfluss von Personenabbildungen auf Urteile über die abgebildete Person – soweit ersichtlich – bis dato als nahezu unerforscht. Gleichwohl bestehen reflexartige Nebenerkenntnisse aus Experimenten, bei denen Personenfoto­ grafien als Testmaterial verwendet wurden. Diese sollen im Folgenden in Kürze zu­ sammengestellt werden. In einer frühen Studie von Thornton wurden fotografierte Personen mit Brille von den Rezipienten als intelligenter, zuverlässiger, fleißiger und rechtschaffener einge­ stuft als Personen ohne Brille.127 Tannenbaum und Fosdick demonstrierten zudem in ihrer Studie, dass allein Varianzen in der Beleuchtung von Portraitbüsten auf Fotos zu verschiedenen Eindrücken der Betrachter führte.128 Munn kam darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass Betrachter dargestellte Personen allenfalls nur dann überein­ stimmend einschätzen, wenn sie nicht nur ihr Gesicht, sondern den Kontext des Ge­ schehens erkennen.129 Eine bemerkenswerte Studie von Wolff legt nahe, dass Auf­ nahmen von einer Person je nach Perspektive den Eindruck von verschiedenen Per­ sönlichkeiten des Dargestellten hervorrufen können.130 Diesen Befund stützen die Sozialität und Transzendenz, seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, seine Verhältnisse zu Gottheiten, Tieren und Dingen“. 123  Deussen, S.  18 f.; Gehrau, S.  179 m. w. N. 124  Matthiak/Re. Weber, S.  55, schreiben diese Reaktion primär dem vorderen Hirnlappen zu. 125  Blair et al., Brain 1999, S.  886 kommen darüber hinaus zum Ergebnis, dass traurige Ge­ sichtsausdrücke eine Reaktion in einem anderen Hirnareal auslösen. 126  Hierfür spricht insbesondere auch das sog. „Linsenmodell“ von Brunswik, nach dem Indivi­ duen dazu übergehen, jede gegebene Information über eine andere Person systematisch zu berück­ sichtigen, um einen Eindruck über die Persönlichkeit dieser Person zu gewinnen; vgl. hierzu Brunswik, Perception and the representative design of psychological experiments, Berkeley 1956. 127  Thornton, Journal of Social Psychology 1943, S.  127 ff. 128  Tannenbaum/Fosdick, AV Communication Review 1960, S.  253 ff. Shoemaker/Fosdick, Jour­ nalism Quarterly 1982, S.  13 ff. stellten in einer Folgestudie fest, dass sogar verschiedene Abzüge von Personenfotografien unterschiedliche Urteile beim Rezipienten hervorrufen können; hierzu bereits Wolff, Character and Personality 1933, S.  168 ff. 129  Hierfür wurden Betrachtern jeweils unterschiedliche Ausschnitte eines einzigen Bildes ge­ zeigt; vgl. Munn, Journal of Abnormal and Social Psychology 1940, S.  324 ff.; hierzu auch Spignesi/ Shor, The Journal of General Psychology 1981, S.  41 ff.; siehe ferner M. Schuster/Woschek, S.  10 f., dort Abbildung 3. 130  Wolff, Character and Personality 1933, S.  168 ff., untersuchte insbesondere die Eindrücke un­

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

Forschungsergebnisse von van Tubergen und Mahsman zum Einfluss „günstiger“ und „ungünstiger“ Fotografien auf die Einstellungen gegenüber den dargestellten Personen.131 Zudem beschäftigt sich die empirische Psychologieforschung in jüngster Zeit mit der Wahrnehmung von Selfies auf sozialen Netzwerken. Dies geschah allerdings bis­ lang – soweit ersichtlich – noch überwiegend aus der Wahrnehmungsperspektive des Dargestellten selbst, sodass hieraus nur vorsichtig vereinzelte Rückschlüsse auf die Persönlichkeitsbeurteilung der abgebildeten Person seitens des Rezipienten gezogen werden können.132 Taylor et al. kommen in ihrer Studie zur Beurteilung von Selfies anderer Nutzer auf Facebook zunächst zum Ergebnis, dass Rezipienten sog. Sel­ fie-Poster grundsätzlich narzisstisch veranlagter und sogar „sozial unattraktiver“ einstufen, als Nutzer, die keine Selfies posten.133 Krämer et al. bestätigen nicht nur diese Annahme, sondern führen darüber hinaus aus, dass Personen auf Selfies von den Betrachtern als „weniger vertrauenswürdig, weniger sozial attraktiv, weniger offen für neue Erfahrungen und […] extrovertierter“ eingestuft wurden, als exakt dieselben Personen auf von Dritten hergestellten Aufnahmen.134 Insgesamt spricht also sehr viel dafür, dass überhaupt der Umstand des Entstehens, der Kontext der Veröffentlichung und die Inszenierung oder Art eines Personenbildes einen maßgeb­ lichen Hinweis und Anlass für andere Betrachter bietet, dem Abgebildeten spezifi­ sche Persönlichkeitsattribute zuzuschreiben.135 Dass dieser Umstand jedenfalls auch in der breiten Gesellschaft als geradezu selbstverständlich vorausgesetzt wird, kann unter anderem an Leitfäden bzgl. der Auswahl von Profilfotos in Online-Singlebör­ terschiedlicher Gesichtshälften bzw. die Wirkung der Kombination einer Gesichtshälfte mit deren seitenverkehrtem Spiegelbild beim Betrachter, siehe die Abbildungen auf S.  177; verkürzt zum For­ schungsdesign Kepplinger, S.  106 f.. Wolff kommt insbesondere zum Ergebnis, dass die rechte Ge­ sichtshälfte eher die tatsächlichen Charaktereigenschaften einer Person zeigt, während die linke Gesichtshälfte ihr subjektives Wunschbild repräsentiert. Erstaunlicherweise kommen junge empi­ rische Studien zum Social-Media Verhalten mit Selfies zu dem Ergebnis, dass „selfie-taker“ relativ stark dazu tendieren, ihre linke Gesichtshälfte abzubilden; vgl. hierzu Lindell, S.  129, und Manovich et al., S.  117 ff.; Musil et al., S.  60 m. w. N.; vgl. ferner Jos. Hager, S.  318–352. Inwieweit aber einkalkuliert wurde, mit welcher Hand das Smartphone gehalten wurde – vermutlich war der Groß­ teil Rechtshänder – bleibt hingegen offen. 131  Insgesamt beurteilten die Rezipienten die dargestellten Personen anhand der „ungünstigen“ Fotografien als „streitsüchtiger, unfreundlicher, schroffer, ungeselliger, unangenehmer, härter, un­ geduldiger, unfairer, unsittlicher, unglaubwürdiger, unaufrichtiger und energieärmer, zugleich je­ doch als aggressiver, dreister und offener“; vgl. van Tubergen/Mahsman, Journalism Quarterly 1974, S.  317–320. Ob grundsätzlich eine generalisierende Urteilsbildung eintritt, vermag diese Stu­ die aber nicht zu belegen. Zum gesamten Forschungsdesign Kepplinger, S.  107. 132  Vgl. etwa Sorokowski/Pisanski/Sorokowska/Bruno (Hrsg.), Understanding Selfies, Lausanne 2018. 133  Taylor et al., Cyberpsychology, Behavior, and Social Networking 2017, S.  612; zum selben Ergebnis kommen Krämer et al., S.  40, hinsichtlich einer Studie zur Wahrnehmung von Selfies auf Facebook durch Dritte. 134  Krämer et al., S.  32. 135  Dies deutlich bejahend etwa Krämer et al., S.  33.

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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sen beobachtet werden.136 Es handelt sich bei den durch Personenbilder konstruierten Persönlichkeitsmustern auch in zeitlicher Hinsicht um relativ stabile Eindrücke, die über einen längeren Zeitabschnitt Bestand haben und gegebenenfalls sogar eine per­ sönliche Gegenüberstellung überdauern können.137 b) Dargestellter: Selbstdarstellung als conditio humana Als vergleichbar kann die Intention des Dargestellten im Hinblick auf die Wahrneh­ mung des Rezipienten bezeichnet werden, sofern er selbst sein Bild bewusst nach außen hin preisgibt. Denn die intendierte Darstellung der eigenen Person soll inso­ fern stets zu einem gewissen kommunikativen Zweck erfolgen. Hierbei handelt es sich freilich um keine neue Erkenntnis der empirischen Wahrnehmungsforschung zur Selbstinszenierung innerhalb sozialer Medien anhand der Analyse eingestellter Selfie-Fotografien. Das Bedürfnis der Selbstdarstellung durch ein zuordenbares Ei­ genabbild – als Portrait – ist in der westlichen Kultur kein Phänomen der Moderne.138 Im Wesentlichen basieren sowohl Selbstportrait als auch Selfie auf der Idee oder dem Wunsch, einen fluktuierenden, aber für den Abgebildeten in irgendeiner Form signi­ fikanten Teil des Lebens für sich, aber auch für andere zu fixieren, zu erhalten oder zu dokumentieren.139 Carbon betont hierbei, dass insbesondere der Zweck einer bild­ haften Selbstdarstellung trotz des deutlich unterschiedlichen Entstehungskontexts von Selbstportraits und Selfies, stets die sog. conditio humana ist.140 Mit anderen Worten geht es also übereinstimmend mit der Grundprämisse der Wahrnehmung von Personen auch dem Abgebildeten gerade darum, seiner sozialen Natur in mög­ lichst kompakter Form gerecht zu werden: Durch das Zeigen des eigenen Personen­ bildes sollen explizit Informationen über das eigene Wesen, die Persönlichkeit und die hiermit verbundene (kontextbezogene) Situation mit anderen kommuniziert wer­ den.141 136 Ein besonders eindrückliches Beispiel liefert die Onlinesinglebörse www.elitepartner.de, welche hochdetaillierte Anweisungen dazu gibt, welche nonverbalen Signale innerhalb eines Perso­ nenfotos eher zum Ziel einer „Anfrage“ führen. Hierbei geht diese Anweisung – freilich ohne Be­ gründung – davon aus, dass ein „gutes Profilfoto“ zu „90 Prozent mehr Anfragen“ führt. Einige Beispiele sind: Frontaler Blick führt zu mehr Präsenz als ein verlegener Blick; Vermeiden von Fil­ tern führt zu mehr Natürlichkeit; Aufmerksammachen auf persönliche Hobbies und Interessen im Profilfoto wie bspw. Posen vor Kunst, beim Segeln oder beim Spaziergang mit dem Hund etc.; vgl. hierzu https://www.elitepartner.de/magazin/profilfoto.html (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022). 137  Kepplinger, S.  157 ff. 138  Carbon, S.  9, behandelt etwa diese Frage ab der Renaissance; das Phänomen selbst ist deut­ lich älter. 139  Carbon, S.  10. 140  Carbon, S.  10. 141  Diefenbach/Christoforakos, S.  20; Musil et al., S.  59; Etgar/Amichai-Hamburger, S.  87, kom­ men in ihrer Studie zum Ergebnis, dass die drei Hauptmotivationen für Selfies „self-approval“, „belonging“ und „documentation“ darstellen. Während „self-approval“ und „documentation“ über­ wiegend zentrovertierte Motivationen beschreiben, meint „belonging“ ausdrücklich den Drang, soziale Normen erfüllen zu wollen; ferner Karwowsky/Brzeski, S.  92; Katz/Crocker, International

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

c) Verifikation Somit steht fest, dass durch die Abbildung einer Person Informationen, welche pri­ mär die abgebildete Person betreffen, gerade durch diese kommuniziert werden. Setzt man für die Kommunikation eine intendierte Informationsvermittlung voraus, findet diese jedenfalls dann statt, wenn die abgebildete Person selbst die Fotografie veröffentlicht hat oder mit der Veröffentlichung durch einen Dritten einverstanden ist. Somit stellt sich zunächst die Anschlussfrage, ob in diesen Fällen die intendierte Informationsvermittlung durch die abgebildete Person auch der Informationsrezep­ tion beim Betrachter entspricht. Kepplinger hat diesbezüglich in seinem Experiment zur Persönlichkeitswahrnehmung von Personenbildbetrachtern142 sehr deutlich de­ monstriert, dass die Wahrnehmung der Persönlichkeit anhand der Betrachtung eines Personenbildes je nach Betrachter im Einzelfall erheblich divergieren kann.143 Insbe­ sondere konstatiert Kepplinger, dass aufgrund eines beliebigen Fotos kein sicherer Schluss auf die Persönlichkeit und Stimmung einer Person möglich ist.144 Somit steht auch fest, dass eine in Bezug auf den intendierten Inhalt eindeutige Kommunikation zwischen dem Abgebildeten als Sender und dem Betrachter als Empfänger, wie sie etwa beim Absenden einer Text- oder Sprachnachricht erfolgt, mit dem Zeigen eines Personenbildes grundsätzlich nicht stattfindet. Somit kann festgehalten werden: es Journal of Communication 2015, S.  1870; T. Schneider/Carbon, S.  102; Senft/Baym, International Journal of Communication 2015, S.  1594 ff.; vgl. ferner die Liste bei Carbon, S.  15, bzgl. der be­ zweckten „aims“, welche die Art der Inszenierung eines Selfies im Einzelnen bezwecken kann. Beispielsweise soll ein „landmark selfie“ das „main aim“ von „Exclusivity“ oder „Interest“ sein, während ein „car selfie“ „spontaneity“, „performance“ und „personal situation“ transportieren soll. 142  Für die Untersuchung ließ Kepplinger innerhalb einer Stunde jeweils 120 Schwarz-Weiß-­ Fotografien der Oberkörper eines Frisörs und eines Speditionskaufmanns im Alter von 45 bzw. 26 Jahren während ihrer Berufsausübung aufnehmen. Anschließend wurden in einer dreistufigen Vor­ studie aus diesen Fotos insgesamt 20 Fotos pro Person für die Hauptstudie selektiert, die augen­ scheinlich einen unterschiedlichen Eindruck vermittelten. Anschließend beurteilte eine Gruppe von Studenten die dargestellten Personen anhand der Fotos (19 pro dargestellter Person, da jeweils ein Foto ausgeschlossen wurde) mit Hilfe eines semantischen Differentials aus 45 Skalen. Für die anschließende Hauptuntersuchung wurden aus den 45 Skalen 20 Skalen ausgewählt, die besonders trennscharf waren, wobei die meisten Skalen die Einschätzung der Persönlichkeit des Dargestellten i. S. v. „gutmütig – bösartig; vertrauenserweckend – hinterlistig; selbstsicher – unsicher etc.“ betra­ fen. An der Hauptuntersuchung nahmen in 16 Gruppen 353 Polizeiangehörige teil. Hierbei setzte sich eine Gruppe aus 15 bis 22 Versuchspersonen zwischen 20 und 43 Jahren (überwiegend männ­ lich) zusammen. Jeder Versuchsgruppe wurde ein Foto einer der abfotografierten Personen präsen­ tiert. Die Versuchspersonen hatten daraufhin 30 Sekunden Zeit, das Foto in Ruhe zu betrachten. Anschließend sollten sie ihren Eindruck von der dargestellten Person anhand des semantischen Differentials festhalten. Nach dieser Beurteilung wurde ein zweites Foto der bisher noch nicht gese­ henen Person mit derselben Aufgabenstellung präsentiert. Zum gesamten Forschungsdesign und den einzelnen weiteren Ergebnissen Kepplinger, S.  109 ff. 143  Vgl. hierzu etwa die Grafiken bei Kepplinger, S.  111 f., sowie die Ergebniszusammenfassung zur Charakterfiktion auf S.  113. 144 Zusammenfassend Kepplinger, S.  119 ff., insbesondere mit dem Hinweis, dass es nicht un­ möglich erscheint, mit einem Foto die Persönlichkeit des Abgebildeten im Einzelfall angemessen wiederzugeben; vgl. ferner M. Schuster/Woschek, S.  10, zur Mehrdeutigkeit der Bildkommunika­ tion; dieses Ergebnis ebenfalls pauschal zugrunde legend Krafka, S.  221 f., 226.

A. Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern

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findet durch das Zeigen und Rezipieren eines Bildes zwar (nonverbale) Kommuni­ kation statt, dabei existiert aber kein einheitliches (Personen)Bildverstehen wie bei einer geregelten semiotischen Ausgangsbasis, wie etwa bei (Sprach-)Text. 2. Schlussfolgerungen für das Veröffentlichen von Personenaufnahmen gegen den Willen des Abgebildeten Nach alldem stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die zusammengestellten Befunde für die vorliegende Untersuchung haben. Insbesondere ist offen, ob sich nach dem bisher Gesagten eine Besonderheit für die Konstellation ergibt, in welcher ein Dritter eine bildliche Darstellung gegen den Willen des Abgebildeten veröffent­ licht. Dies kann anhand eines einfachen und kurzen Vergleichs demonstriert werden: A übermittelt verbal (in Textform oder als Sprachnachricht) eine Information an C, die inhaltlich den B betrifft (beispielsweise: „B trägt heute eine blaue Jacke“). Obwohl die Information inhaltlich den B betrifft, wird sie stets dem A zugeschrieben („A hat gesagt, dass B heute eine blaue Jacke trägt“). Dies liegt primär daran, dass die Entäußerung der Information durch A selbst stattgefunden hat und er der Urheber (durch Verwendung seiner Stimme) ist. Dementsprechend würde der Wahrheitsge­ halt dieser Aussage auch primär an der Glaubwürdigkeit145 des A gemessen werden, obwohl der relevante Informationsinhalt allein den B betrifft. Ändert man nun den Fall dahingehend, dass A ein Bild, auf dem B (mit einer blau­ en Jacke) abgebildet ist, an C schickt, wird schnell deutlich, dass eine solche Zu­ schreibung im Falle bildlicher Übermittlung von Personenaufnahmen nicht existiert: Die Information („B trägt eine blaue Jacke“) wird in diesem Falle zwar wieder von A durch das Senden des Bildes übermittelt, allerdings wird diese Information und ihre Entäußerung nunmehr allein dem abgebildeten B zugeschrieben, der diese In­ formation ab dem Zeitpunkt der Bildrezeption allein zu übermitteln scheint („B trägt eine blaue Jacke, ich habe es auf einem Bild von ihm gesehen“), und zwar unabhän­ gig davon, wer der Urheber des Bildes ist. Dies bedeutet, dass im Falle des Veröffent­ lichens einer Personenaufnahme der Abgebildete zwangsläufig Informationen von sich entäußert, die er durch die Darstellung seines Körpers auf dem Bild übermittelt. Insbesondere wird die Entäußerung der Informationen allein dem Abgebildeten zu­ geschrieben. Der Abgebildete wird somit gewissermaßen im Fall der Veröffent­ lichung durch einen Dritten dazu gezwungen, den in der Aufnahme festgehaltenen Inhalt zu entäußern, ob er dies möchte oder nicht.146 Hierbei liegt das Ob der Kom­ munikation in jedem Fall bei dem einstellenden Dritten. Trotz einer gewissen Deter­ mination des abgebildeten Inhalts liegt aber auch die Frage, was durch den Abgebil­ 145  Insbesondere die Ausführungen zur Wirklichkeitssuggestion stützen diese allgemeine An­ nahme; hierzu Kap.  1, A., I., 3. 146  Sieht man die intendierte Informationsvermittlung für die Begriffsbestimmung des terminus technicus „Kommunikation“ als hinfällig an, könnte man sogar etwas provokant formulieren: Der Abgebildete muss kommunizieren.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

deten vermittelt wird, bei der Fremdbildveröffentlichung tendenziell bei dem ein­ stellenden Dritten: Dieser hat durch die Auswahl des gesamten Kontexts der Bildveröffentlichung eine ganze Palette an Möglichkeiten147, den Abgebildeten wah­ re oder falsche148 Informationen über sich selbst entäußern zu lassen. Vor dem Hin­ tergrund der dargestellten Forschungsergebnisse, dass selbst die – einverständliche  – Eigenbildveröffentlichung grundsätzlich eine adäquate und äquivalente Informa­ tionsvermittlung hinsichtlich der intendierten Informationen des Abgebildeten nicht gewährleisten kann, leuchtet es umso mehr ein, dass es somit auch grundsätzlich allein am Entäußernden – dem Abgebildeten – liegen muss, zu entscheiden, ob er persönliche Informationen durch ein Bild preisgeben will, die auf seine Gefahr hin möglicherweise falsch verstanden werden können.

III. Zwischenergebnis für die Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern Zusammenfassend lässt sich für die aufgeworfene Frage, ob natürliche Determinan­ ten bestehen, die ein besonderes Schutzbedürfnis von bildlichen Personendarstellun­ gen im Vergleich zu anderen Darstellungsformen begründen können, zusammen­ fassen: Die sensorische Wahrnehmung eines Personenbildes führt beim Rezipienten ganz grundsätzlich zur unmittelbaren Aufnahme von Informationen, die sowohl der Abgebildete selbst als auch der Rezipient der Persönlichkeit – dem Wesen bzw. dem Charakter – des Abgebildeten zuschreibt. Diese Informationen sind aufgrund ihrer visuellen Vermittlung hinsichtlich ihres Relationsspektrums vielfältiger und detail­ lierter als die verbale Vermittlung dieser Informationen. Diese Informationen kön­ nen zudem aufgrund ihrer einheitlichen Entäußerung sofort wahrgenommen werden und sind weder an eine räumliche Reihenfolge, eine zeitliche Sequentiertheit, noch an eine Encodierung wie beispielsweise einen Sprachtext gebunden. Diese persönlichen Informationen werden von uns nicht nur als nachweislich rea­ listisch bestätigt wahrgenommen. Sie werden darüber hinaus – und mitunter auch deshalb – als vom Abgebildeten entäußert verstanden149 und nicht etwa dem Veröf­ 147  Diese reichen beispielsweise von der Auswahl des Bildausschnitts selbst, Bildbearbeitungen, beigeordnete Texte bis zur Entscheidung für einen Veröffentlichungszeitpunkt oder -ort. 148  Allein diese Manipulationsmöglichkeit verdeutlicht das immense Missbrauchspotential ei­ ner bildlichen Personendarstellung; vgl. nur U. Müller, S.  49. 149 Man könnte hinsichtlich der Ausführungen zur Zuschreibung allenfalls einwenden, dass etwa bei einer manipulierten Audiospur ebenfalls dem Redenden die Informationsentäußerung zu­ geschrieben werden könne und dieser Umstand allein folglich keine Besonderheit der Personenbild­ darstellung sei. Dem bleibt aber entgegenzuhalten, dass selbst im Falle der sicheren Zuschreibung einer Audiospur – was ohnehin schon aufgrund des Relationsspektrums nicht so eindeutig wie bei einem Bild erfolgen wird – sämtliche Begleitumstände wie insbesondere das Relationsspektrum an sich, der Informationsgehalt und auch die Informationsdichte bei Audiosignalen nicht in der Form wie bei einem Bild vorliegen. Dies ist letztendlich der Codierung und der zeitlichen Sequenz von gesprochenem Text geschuldet. Hinzu kommt die Überlegung, dass das gesprochene Wort – das eben auch eine gewisse Zuschreibung zu haben scheint – gerade durch §  201 StGB strafrechtlich

B. Die Entwicklung des Rechts am eigenen Bild

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fentlichenden zugeschrieben. Dementsprechend tendieren wir auch dazu, Personen­ bilder aufmerksamer und emotionaler als verbale Personeninformationen wahrzu­ nehmen. Der Inhalt und die Wahrnehmung dieser – vom Abgebildeten entäußerten  – Informationen kann maßgeblich durch den Veröffentlichungskontext eines Bildes gesteuert werden, hierzu bietet die multimediale Kombinationsaffinität von Bildern zahlreiche Möglichkeiten. Zudem werden diese Informationen von uns tendenziell besser erinnert als rein verbale Informationen und führen somit schneller zu gefes­ tigten Personeneindrücken. Somit nimmt die bildliche Wahrnehmung einer Person gegenüber der Wahrnehmung ihrer verbalen Beschreibung allein aufgrund der Be­ sonderheiten menschlicher Rezeptionsvorgänge eine hervorgehobene Stellung ein. Insbesondere die als realistisch empfundene Zuschreibung der Entäußerung persön­ licher Informationen begründet somit ein immenses Missbrauchspotential hinsicht­ lich der Veröffentlichung von Personendarstellungen gegen den Willen der Abgebil­ deten, die es bei verbaler Informationspreisgabe in diesem Umfang nicht gibt.

B. Die Entwicklung des Rechts am eigenen Bild Im Folgenden soll ein knapper historischer Überblick erfolgen, welcher die Wahr­ nehmung und den Umgang des Verbreitens von Personenaufnahmen innerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen Werteordnung beleuchtet. Die Befunde werden im An­ schluss mit weiteren Überlegungen zum Recht am eigenen Bild verbunden. Dieser Überblick erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit, ist für die hier ver­ folgten Zwecke jedoch in ausreichendem Maße tiefgehend.

I. Das Verbreiten von Personendarstellungen im frühen Altertum Das Anfertigen und anschließende Präsentieren von Personenabbildungen, um In­ formationen für sich und andere zu verschiedenen Zwecken nachhaltig zu kommuni­ zieren, ist vermutlich so alt, wie die Geschichte der Menschheit selbst.150 Menschen hielten weit vor der Entwicklung der Schrift in verschiedensten Teilen der Welt Bot­ schaften durch rundplastische Formung, Ritzung oder Malerei mehr oder weniger dauerhaft fest, um sie anschließend zu verschiedenen Zwecken zu erhalten und wei­ terzuvermitteln. Während die bis dato ältesten151 erhaltenen152 kultischen Höhlen­ geschützt wird. Dass vor diesem Hintergrund das Mehr im eigenen Bild mindestens in entsprechen­ der Weise schützenswert erscheint, erscheint nur allzu nachvollziehbar. 150  Die Anfänge von Personenabbildungen sind dementsprechend im Jungpaläolithikum zu su­ chen; vgl. Brandi, S.  29 f. 151  Zu den Holzkohlen, die für die Zeichnungen verwendet wurden, liegen aus den Jahren 1995– 1996 uneinheitliche Datierungen mit einem Durchschnittsalter von über 30.000 Jahren vor. 152  Wann in der Evolutionsgeschichte erstmals ein Bild durch ein menschenartiges Wesen ange­ fertigt wurde, ist nicht rekonstruierbar. Wuketits, S.  20, vermutet dies zu dem Zeitpunkt, als sich der Stammbaumast des Menschen vom Schimpansen trennte (vor ca. 7 Millionen Jahren).

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

malereien in der „Grotte Chauvet“ in Südfrankreich primär Tiere153 zur Herbeifüh­ rung von Jagdglück und Erfolg zum Gegenstand haben, stellt die – deutlich ältere154 – im September 2008 bei Tübingen155 gefundene Elfenbeinfigurine der „Venus von Hohlefels“ die bis zum heutigen Tag älteste Darstellung eines menschlichen Körpers dar.156 Bemerkenswert erscheint, dass diese Figurine eine Gemeinsamkeit mit sons­ tiger bis dato gefundener jungpaläolithischer Kleinkunst aufzuweisen scheint: Auf die Darstellung individueller Personenmerkmale, die eine Zuordnung zu einer kon­ kreten Person ermöglichen könnten, wird offenbar vollständig verzichtet.157 Freilich kann aus dieser Feststellung allein schon wegen des Alters der Fundstücke keine valide Aussage in Bezug auf die Entwicklung eines sensiblen Empfindens hinsicht­ lich des Zeigens von persönlichen Darstellungsmerkmalen bei Personenabbildungen gewonnen werden. Gleichwohl lässt diese Feststellung die Vermutung überhaupt erst zu, dass das Abbilden individueller Personenmerkmale, insbesondere der Gesichts­ züge, seit jeher aus irgendwelchen Gründen nicht stattfinden sollte oder durfte und dementsprechend eine besonders sensible Empfindung hervorrief. Andererseits of­ fenbart sich das Interesse an einer objektbezogenen Auseinandersetzung mit mensch­ lichem Bewusstsein, der Fähigkeit, schöpferisch und willkürlich tätig zu werden, in Abgrenzung zu tierischem Verhalten, das bereits in frühester Zeit eine Rolle gespielt zu haben scheint. 1. Frühes Bestehen von Sensibilität für das Zeigen von Personenabbildungen Wenn der Schein auf die Funde der jüngeren Steinzeit nicht trügt, dann hat die Ab­ bildung einer realen Person ursprünglich wortwörtlich an ihr selbst stattgefunden: Die Totenschädel von Jericho, die aus dem 7. Jahrtausend v. Chr. stammen, belegen zusammen mit Funden aus Syrien, Jordanien und Palästina die Annahme, dass durch

153  Die einzigen menschenähnlichen Darstellungen erschöpfen sich in Sexualsymbolen und zwei Mischwesen – Bison und Löwin – mit menschlichen Unterkörpern; vgl. Bosinski, S.  32. 154  Die Radiokohlestoffdatierung ergab ein Kalenderalter von 35.000–40.000 Jahren; vgl. N.  Conrad, Nature 2009, S.  248. 155  Die Ausgrabung fand in der Karsthöhle Hohle Fels am Südrand der Schwäbischen Alb bei Schelklingen statt. 156  Erstaunlicherweise handelt es sich also hierbei um eine aufwändige dreidimensionale Dar­ stellungsform einer Frau als Kleinskulptur, vermutlich als ein Symbol für Fruchtbarkeit, die wahr­ scheinlich als Anhänger am Körper getragen wurde. Im ähnlichen zeitlichen Kontext beschränken sich vergleichbare Darstellungen menschlicher Erscheinungsformen neben der „Venus von Willen­ forf“ auf zweidimensionale einfarbige Kohlezeichnungen; vgl. Floss, S.  310 ff.; zudem ist die Dar­ stellung eines Frauenkörpers in der Altsteinzeit besonders selten; vgl. N. Conrad, Nature 2009, S.  251. Zur Kunst der Steinzeit zusammenfassend etwa Lorblanchet, Höhlenmalerei, 1997; Vialou, Frühzeit des Menschen, 1992; ferner Bosinski, Die Anfänge der Kunst, 2002. 157  Diejenigen Venusfigurinen, die überhaupt einen Kopf haben, wurden vermutlich ohne Ge­ sicht dargestellt; vgl. hierzu exemplarisch die Venus von Dolní Věstonice, die Venus von Lespugue, die Venus von Willendorf, die Venusfiguren von Malta, die Venus von Savignano; eine Ausnahme scheint die Venus von Brassempouy zu sein, denn diese besitzt teils ausgearbeitete Gesichtszüge.

B. Die Entwicklung des Rechts am eigenen Bild

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das Aufmalen lebendiger Gesichtszüge158 auf abgetrennte Totenschädel die Identität des Verstorbenen im Anschein des Lebens bewahrt und in einer „Ähnlichkeit aus der Erinnerung“ wiedergegeben werden sollte.159 Seit dem 5. bzw. 4. Jahrtausend v. Chr. lässt sich im Bereich des ägyptischen Nil­ tales eine deutliche Zunahme der funerären Bildproduktion beobachten. Hintergrund war der Wunsch nach Codierungssystemen zur Informationsvermittlung im Sinne einer einheitlichen Schrift.160 Die Vorteile, welche diese Innovation brachte, sind offensichtlich: Durch das Zeigen einer Abbildung mit einer einzigen Handlung konn­ ten mehrere Informationen in kürzester Zeit unmittelbar an einen Rezipientenkreis direkt und fortwährend vermittelt werden, ohne dass eine gemeinsame Verständi­ gungsbasis im Sinne eines Reglements außerhalb der optischen Wahrnehmung not­ wendig war und folglich auch nicht erst mühsam erlernt werden musste. Daher ver­ wundert es nicht, dass mehrere Jahrtausende später die ersten Schriftsprachen – vollkommen unabhängig voneinander – maßgeblich auf Bilder zur Systematisierung von Informationen zurückgegriffen haben.161 Diese frühen Bildschriften, zu denen neben altägyptischen Hieroglyphen162 die Schriften der Hethiter163, Kreter und Maya zählen,164 beruhen mitunter auf der bildlichen Darstellung von Personen, mensche­ nähnlichen Wesen oder zumindest menschlichen Körperteilen.165 Selbst heute finden sich abstrahierte Menschendarstellungen in angewandten Schriftsystemen.166 Wäh­ 158 

Vgl. hierzu die Abbildung 36 bei M. Schulz, S.  184. Preimesberger, S.  22. 160  Ägyptologen sprechen in diesem Zusammenhang von der Negade I-Zeit; vgl. Morenz, S.  14. 161 Vgl. Stetter, S.  115: „Der Ursprung der Schrift liegt im Bild“. 162  Vgl. hierzu im Einzelnen Seidlmayer, S.  127 ff., der allerdings in seiner Einleitung bereits darauf hinweist, dass die Hieroglyphenschrift keine ausschließlich allegorische Deutung von Bil­ dern voraussetzt; ähnlich Morenz, S.  15. 163  Schachner, S.  205, sieht sogar in der vereinheitlichenden Tendenz der hethitischen Kunst des 16.  Jahrhunderts v. Chr. einen Ausdruck des Bestrebens, eine gemeinsame Bildsprache als Anatoli­ en übergreifendes Kommunikationsmittel zu schaffen. 164  Vgl. die Aufzählung von Bartnik, S.  1, Fn.  2; der vermutlich mit „Schriften der Hethiter“ das Hieroglyphen-Luwisch als Teil der indogermanischen Sprachfamilie meinte. 165  Morenz, S.  218, nennt beispielsweise unter den ägyptischen Schriftzeichen der archaischen Etiketten die Menschendarstellungen des Ringers, des Bogenschützen und des Schlägers als Aus­ druck des Themas Kampf und Stärke; zu den Hauptzeichen der Maya-Hieroglyphen zählt bspw. eine menschliche Gestalt in Seitenansicht; vgl. hierzu Zimmerman, S.  100; siehe zu hethitischen Denkmalinschriften exemplarisch Schachner, Hethitische Kunst, S.  145 mit Abbildung 11 auf S.  146, welche sich maßgeblich aus menschlichen Körperteilen zusammensetzt; vgl. hierzu ferner Werner, S.  11, der Menschenköpfe, Hände und Füße unter die „Hethitischen Hieroglyphen“ fasst; zwar können die später einzuordnenden Azteken-Hieroglyphen nicht als vollwertiges Schriftsys­ tem eingeordnet werden, da sie vor der Ausreifung von den spanischen Konquistadoren ausgelöscht wurden, trotzdem spielen Menschenabbildungen auch in diesem rudimentären Schriftbild die maß­ gebliche Rolle; vgl. exemplarisch den Codex Borbonicus, S.  12 (abrufbar unter: https://uknowledge. uky.edu/world_mexico_codices/9/; zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022); die urartäischen Hierogly­ phen konnten bislang mangels Quellen nicht entziffert werden; vgl. Salvini, S.  18; vgl. zur Abbil­ dung menschlicher Körperteile in kretischen Hieroglyphen nur den „Diskos von Phaistos“; hierauf bezugnehmend Owens, KADMOS 2009, S.  108, Abb.  2. 166  Allen voran ist freilich an die asiatischen Schriftsysteme zu denken. Die chinesische Schrift 159 Vgl.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

rend Menschendarstellungen in der Prähistorie selten vorkamen und keine individu­ ellen Merkmale zeigten, sondern allenfalls im Kontext mitabgebildeter Symbole oder Attribute erschlossen werden konnten,167 gelten die Grabmalplastiken und -ma­ lereien ägyptischer Herrscher als die ersten – aufgrund der abgebildeten Körper­ merkmale wie bspw. der Gesichtszüge identifizierbaren – „Portraits“ der Mensch­ heitsgeschichte168. 2. Schlussfolgerungen zur Verbreitung von Personenaufnahmen im frühen Altertum Selbst bei nur knapper Auseinandersetzung mit den frühen Menschendarstellungen erscheint es angesichts der Detailtreue hinsichtlich der Abbildungen von Körpern und der beigeordneten Attribute als zu kurz gegriffen, die Nichtabbildung individu­ eller Merkmale eines Menschen der aufwändigen und schwierigen Umsetzbarkeit zuzuschreiben. Vielmehr deutet sich hierin eine kulturübergreifende, höchst sensible Empfindung bzgl. der Herstellung, Wahrnehmung und dementsprechend auch dem Zeigen einer konkret-identifizierenden Personenabbildung an, die mitunter deshalb von Anbeginn im Zusammenhang mit religiösen Motiven eine Rolle spielte. Hierbei ist es maßgeblich die Auseinandersetzung mit dem Tod bzw. die bildliche Verkörpe­ rung eines Toten, um ihn für die Nachwelt zu erhalten, welche das Abbilden einer Person rechtfertigt.169 Die ersten zuordenbaren Personenabbildungen entstehen also maßgeblich zur fortdauernden Re-Präsentation des Toten in sein fortbestehendes so­ ziales Umfeld. Das Personenbildnis trägt somit ursprünglich eine Referenz auf Ab­ wesenheit in sich.170 Mit anderen Worten: Die abwesende Person soll für ihr soziales Umfeld durch die Abbildung anwesend gemacht werden. Der Glaube an die innere Beziehung zwischen dem Bild und der abgebildeten Person scheint hierbei ein über die Jahrhunderte bestehender Grund für diese Sensibilität darzustellen.171 Fest steht als Aufzeichnung einer Sprache ist seit der Shang-Zeit (16.–11.  Jahrhundert v. Chr.) belegt, die ersten Anfänge der Schrift reichen jedoch weiter zurück; ferner wird in Japan heute eine Mischschrift verwendet, die unter anderem auf den chinesische Logogrammen (Kanji) – und somit auch auf ab­ strahierten Menschendarstellungen – beruht; exemplarisch hierfür kann das piktographische Zei­ chen für Frau (女) genannt werden, das sich aus der Gebährhaltung einer Frau ableitet; vgl. Árokay, S.  151 f.; deutlich abstrahierter sind die Menschendarstellungen in der indigenisierten Bildschrift der Mi’maq, die auf den Katechismus des 17.  Jahrhunderts des katholischen Missionars Chrestien Le Clercq zurückgeht; vgl. hierzu bspw. das Zeichen für „Vater unser“ bei Déléage, Acadiensis 2013, S.  29. 167  Vierzig, S.  51. 168  Himmelmann, S.  21 weist auf die physiognomischen Merkmale hin, aufgrund derer bspw. die Pharaonenbildnisse eindeutig benennbar sind. Insbesondere seien Ähnlichkeiten zu den erhaltenen Mumien erkannt worden. 169 Vgl. Belting, Bild-Anthropologie, S.  143, nach dem die Analogie zwischen Bild und Tod so alt ist wie das Bildermachen selbst. 170 Vgl. M. Schulz, S.  185. 171  Landwehr, S.  24 nennt bspw. den Bilderzauber der germanischen Völker und spricht auch in diesem Zusammenhang von der Angst vor der Abbildung, da diese nach dem „Volksglauben“ das Schicksal der abgebildeten Person je nach Kontext deutlich negativ beeinflussen konnte.

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somit jedenfalls, dass das Herstellen und Verbreiten eines Personenbildnisses bereits zu früher Zeit in engem Zusammenhang mit dem allgewaltig-Übernatürlichen erfah­ ren und verstanden wurde. Der Abgebildete wurde zur bildlichen Repräsentation aus dem weltlichen Bereich auf eine metaphysische, schicksalhafte Ebene gehoben, auf die ausschließlich eine übermenschliche Kraft Einfluss zu haben schien.172 Das Her­ stellen und Verbreiten des Abbilds einer konkreten Person war mithin kein ubiquitä­ res Phänomen, sondern sollte zu einem übergeordneten Zweck erfolgen und musste demzufolge auch wohlüberlegt sein.

II. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der Antike Diese geschilderte Wahrnehmung und das hiermit verbundene Verständnis einer übernatürlichen Wirkweise von individuell zuordenbaren Personendarstellungen be­ stätigen sich in der anfänglichen Beschränkung des Verbreitens von Darstellungen lebender Personen auf sog. Herrscherbildnisse. Denn nur diese Personen waren als Träger des göttlichen Auftrags173 neben den Göttern selbst besonders legitimiert, erkennbar abgebildet zu werden, ehe sich diese Sichtweise in der Antike parallel zum Status und der Bekanntheit der abgebildeten Person nach und nach lockerte, jedoch in der Grundidee erhalten blieb.174 1. Das Aufkommen von Herrscherbildnissen in Form von Idealen Seit dem Erscheinen Alexanders des Großen erfuhr die kultische Verehrung des ­Königs und Fürsten als Wohltäter und Erlöser – insbesondere durch Personenbildnis­ se  – in der abendländischen Welt eine immer weitere Verbreitung.175 Es verwundert deshalb kaum, dass der wohl erste Versuch, die Verbreitung eines Personenbildnisses zu steuern, auch auf den makedonischen König zurückgeht: Nach wie vor besteht der kunsthistorische Mythos, dass Alexander einzig dem Bildhauer und Erzgießer­ Lysipp das Privileg zugestand, Bildnisse von ihm zu Lebzeiten anfertigen zu dür­ fen.176 Entgegen dem wohl heute überwiegend verbreiteten Verständnis177 handelt es 172  Deshalb wird die Auseinandersetzung mit dem Tod, was besonders für das Verbreiten im Sinne des Zeigens einer Personendarstellung gilt, auch als Schnittbereich von kultisch-rituellen bzw. religiösen Handlungen und der weltlichen Informationsvermittlung als „wesentlicher Genera­ tor von Kunst und Kultur“ bezeichnet; dazu Morenz, S.  15. 173  Warnke, S.  481. 174  Beispielsweise geht man davon aus, dass die Anfänge der Ikonographie berühmter Autoren auf die hellenistische Zeit um 200 v. Chr. zurückgehen; vgl. Schefold, S.  449. 175  Ein maßgeblicher Faktor für die Verehrung eines Herrschers durch das Verbreiten seines Personenbildnisses lag hierbei weniger in seinen persönlichen Fähigkeiten als Mensch, sondern wurde abermals den irrationalen Kräften zugeschrieben, die ihm das Attribut „göttlich – vereh­ rungswürdig“ verliehen; vgl. Vollweider, S.  96, Fn.  1. 176 Vgl. von den Hoff, Alexanderportraits, S.  47 f. 177 Laut Raeck, S.  29, sei im Zeitalter der Fotografie sogar den Archäologen die Auffassung ab­ handengekommen, dass ein Portrait nicht notwendig die äußere Erscheinung des Dargestellten zu­ verlässig wiedergeben müsse.

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sich aber bei den erhaltenen Personendarstellungen der Antike oftmals nicht178 um Darstellungen, die den Anspruch an eine äußerliche, (foto-)realistische Abbildung der Person hatten.179 Überwiegend galten zahlreiche antike Bildnisse – als sog. Idea­ le – in mehrfacher Hinsicht als öffentliche Repräsentationsmonumente, deren Zweck nicht nur die Übermittlung der Biographie und Wertvorstellungen, sondern auch des sozialen Selbst- und Fremdverständnisses des Dargestellten in der Gesellschaft war. Sie fungierten in dieser Hinsicht allerdings nicht nur als funktionsneutrale Kunst­ werke, die sich einseitig auf die Darstellung des Abgebildeten beschränken sollten, sondern sie waren vielmehr Bestandteile der visuellen Kommunikation im Span­ nungsfeld von Auftraggeber, Dargestelltem und Betrachter.180 Bildnisse wurden nicht als gezielt gelenkte Propaganda eingesetzt, sondern galten als Ehrungsbekun­ dung. Mithin sollte das Verbreiten dieser Herrscherbilder zum einen den Sozialstatus des Stifters definieren und den Konsens zwischen Herrscher und Bürgers – also auch eine politische Loyalitätsbekundung – nach außen tragen.181 Diese Umstände konn­ ten in ihrer Kombination also zu der eigentümlichen Situation führen, dass das Ver­ öffentlichen eines solchen idealen Personenbildnisses etwa in Form einer Statue tat­ sächlich mehr Informationen über denjenigen preisgab, der die Plastik aufgestellt hatte – wie beispielsweise dessen politische Gesinnung, dessen Wohlstand oder Vor­ lieben in der optischen Darstellung einer Person – als über den Abgebildeten selbst. Da Realität und bildhafte (Ideal-)Darstellung somit regelmäßig auseinanderfielen, musste zwangsläufig bei der Abbildung von Idealen der abgebildeten Person zuorden­ bare, wiederkehrende Merkmale zugeschrieben und abgebildet werden, damit diese überhaupt fortlaufend identifiziert werden konnte. Diese Merkmale konnten – wie Frisuren, Mimik oder Gestik – in der Person oder – wie Attribute, Insignien oder die Beiordnung anderer Gegenstände – außerhalb der Person liegen.182 2. Schutz individueller Personendarstellungen im antiken Theater Eine frühe Publikationsplattform für Personenabbildungen im Altertum, die mit heutigen sozialen Netzwerken im Internet – etwa in Bezug auf die Reichweite bei 178  Himmelmann, S.  19 ff., weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die ideale Abbildung keine ausschließliche Erscheinung der griechischen Portraitkunst des 5.  Jahrhunderts v. Chr. sei und das realistische Individualportrait – vermutlich als Gattungserscheinung – auch in der Antike prä­ sent gewesen sein musste. Die Frage, ob Individualbildnisse bereits im 5.  Jahrhundert v. Chr. eine physiognomische Ähnlichkeit zum Abgebildeten aufwiesen oder ob die realistische Abbildung erst als die Folge der Idealbildnisse im 4.  Jahrhundert v. Chr. anzusehen sind, war insbesondere unter Kunsthistorikern im 20.  Jahrhundert umstritten; dazu Raeck, S.  28 ff. 179 Vgl. Buschor, S.  10. 180  von den Hoff, Kaiserbildnisse, S.  15, hinsichtlich römischer Kaiserbildnisse. 181 Vgl. Zanker, S.  10 f.; vgl. auch Hölscher, S.  262. 182  Einen guten Überblick zu den Darstellungsmöglichkeiten verschiedener Identifikations­ merkmale wie Körperhaltung, Gestik, Alter, Mimik, Frisuren, Attribute und Insignien sowie weite­ rer Gegenstände bei den idealen Personenabbildungen der antiken Ikonographie liefert Schollmeyer, S.  86–105.

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einer Veröffentlichungshandlung – wohl noch am ehesten vergleichbar ist, war das Theater.183 Neben der Tragödie und dem Satyrspiel galt insbesondere die griechische Komödie als äußerst populäres Medium, bestimmte Werte und Inhalte an eine Viel­ zahl von Personen durch humoristische Darstellungen zu vermitteln. In der Zeit der sog. Alten Komödie184 fand diese Vermittlung durch eine scherzhafte, spottende Auseinandersetzung mit prominenten Bürgern oder bekannten Persönlichkeiten statt. Hierzu trugen die darstellenden Akteure antike Theatermasken, welche den Gesichtern der dargestellten, realen Personen nachempfunden waren und somit de­ ren individuellen Erkennungsmerkmale wiedergaben. Infolge der Herrschaft make­ donischer Könige wurde dieser freie Umgang mit Personendarstellungen allerdings deutlich eingeschränkt. Tatsächlich sind bereits frühe Zensurregeln aus der Zeit der sog. Neuen Komödie185 bekannt, welche die Aufführung dramatischer Werke oder von Komödien186, in denen lebende Personen als Träger von Rollen erscheinen, ver­ boten. Einen frühen Beleg für die Reglementierung der Darstellung von Personen, besonders in Be­ zug auf deren individuellen, zuordenbaren Erkennungsmerkmalen findet sich hierbei in der §  143 des Onomasticon von Iulius Pollux187: „Von den Komödienmasken wurden diejenigen der Alten Komödie zumeist den Gesichtern der karikierten Personen nachgebildet oder waren ins Lächerlichere verzerrt. Diejenigen der Neuen Komödie sind folgende [Stereotypen]: der erste Alte Mann, der zweite Alte Mann, der Obersklave, der langbärtige oder wallebärtige Alte, der ‚Hermonier‘, der Spitzbärtige, der ‚Lykomedier‘, der Zuhälter, der zweite Hermonier; dies sind die greisen Figuren. Der erste Alte Mann ist der älteste, bis auf die Haut kurzgeschoren, besonders milde hinsichtlich der Au­genbrauen, vollbärtig, dünn an den Wangen, mit gesenktem Blick, mit weißer Hautfarbe, mit fröhlicher Stirn; der zweite Alte Mann ist dünner, mit angespannterem Blick, traurig, bläß­lich, vollbärtig, rothaarig, mit Blumenkohlohren; der Obersklave ein Greis, mit einem Haar­k ranz um den Kopf, hakennasig, flachstirnig, mit hochgezogener rechter Augenbraue, usw. usw.“ (Übersetzt von Manfred Kraus, Philologisches Seminar, Universität Tübingen)

Die Darstellung einer Person durch physiognomisch zuordenbare Erkennungsmerk­ male sollte also untersagt werden, indem die Nachbildung der individuellen Erken­ nungsmerkmale durch die Benutzung von stereotypen Masken ersetzt wurden. Wie sich durch den direkten Bezug auf die Verzerrung ins Lächerlichere zeigt, lag ein 183 Vgl. 184 Als

Landwehr, S.  25. einer der bekanntesten Dichter der Alten Komödie gilt Aristophanes (um 448–385

v. Chr.). 185  Als einer der bekanntesten Dichter der Neuen Komödie gilt Menander (um 341–291 v. Chr.). 186 Laut Opet, S.  134, Fn.  4, war dies bei Komödien die Regel; vgl. auch Augustinus von Hippo. De Civitate Die, II. Buch, 9. 187  Pollux war ein griechischer Gelehrter, der um das Jahr 190 in Athen als Grammaticus (Leh­ render im fortgeschrittenen Bereich) tätig war. Der Begriff Onomastikon bezeichnet Werke antiker Gelehrsamkeit, deren Gegenstand die Zusammenstellung und Untersuchung von Namen und Be­ griffen eines bestimmten Fachgebiets war. Beim Omnimasticon von Pollux handelt es sich um eine Art Lexikon, welches aus zehn Büchern besteht und verschiedene Informationen bzgl. Theatermas­ ken, Musikinstrumenten aber auch des attischen Gerichtswesens enthält.

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Schwerpunkt sicherlich in der Zensur ehrverletzender Darstellungen in Bezug auf individualisierbare reale Personen durch die Wirkweise der gesamten Aufführung. Gleichwohl benennt die Fundstelle eben auch die Nachbildung eigens für sich als Missstand der Alten Komödie, zumal eine Zensur ehrverletzender Inhalte auch auf anderem Wege als der optischen Nachbildung hätte erfolgen können. 3. Das Aufkommen römischer Portraitskulpturen Bildnisse jeder Art188 gehörten im römischen Reich zum Alltag sowohl im öffent­ lichen als auch privaten Bereich; sie waren eine weit verbreitete Repräsentations­ form. Zahlreiche Statuen189 für den regierenden Kaiser und dessen Familienmitglie­ der waren neben Abbildern hoher Würdenträger der Reichsaristokratie Teil der üb­ lichen Ausstattung öffentlicher Plätze und sakraler Zentren einer jeden römischen Gemeinde im gesamten Imperium.190 Daneben versuchten aber vor allem die örtli­ chen Gemeindemitglieder – und damit erstmals private Bürger – ihrer Selbstdarstel­ lung mit mindestens einer öffentlichen Statue Genüge zu tun, um an einem möglichst zentralen Ort191 permanent präsent zu sein. Zudem war es Gang und Gäbe, dass Verdienste oder Zuwendungen der Obrigkeit oder sonstigen Gönnern durch das Auf­ stellen von Statuen gewürdigt wurden. Prominente Künstler, Sportler oder Redner aber auch Schullehrer, Ärzte oder sogar Anwälte konnten von ihren Mandanten mit Statuen ausgezeichnet werden.192 In diesem Zusammenhang fragt sich, wie es über­ 188  Neben den offiziellen Ehrenstatuen, Büsten und Münzprägungen sind insbesondere sog. Por­ traitgemmen zu nennen, denen bei politischen Machtkämpfen eine besondere Rolle zukam. Die originalen Edel- oder Halbedelsteine mit dem Konterfei der betreffenden Person wurden in Form von preiswerten Glaspasten massenhaft reproduziert und verteilt. Diese mobilen Bildnisse wurden maßgeblich zu Propagandazwecken während der Bürgerkriege der letzten Jahrzehnte der römi­ schen Republik genutzt; siehe hierzu Vollwender, S.  99 ff. – Münzen waren hingegen bis ins späte Mittelalter die in größter Zahl verbreiteten Bildträger; vgl. P. Schmidt, S.  89. In diesem Zusammen­ hang kann auch auf sog. Spottmedaillen und Spottmünzen verwiesen werden. Diese sollen bereits im Altertum zur Darstellung obszöner Sachverhalte ohne konkreten Personenbezug genutzt worden sein. Spätestens seit der Reformation galten Spottmünzen als ein beliebtes Propagandamittel von Fürsten, ganzen Völkern, Religionsparteien und sonstiger Personengruppierungen, um sich gegen­ seitig zu diffamieren. So zeigen bspw. eine Vielzahl dieser Münzen Doppelbildnisse etwa von Päps­ ten oder Fürsten, die sich beim Drehen bspw. in eine Tierfratze verwandeln. Später während des Deutsch-Französischen Krieges, waren französische Spottmünzen im Umlauf, auf denen Napoleon III. mit einer preußischen Pickelhaube zu sehen war; eine Form von rechtlicher Reaktion auf diese Veröffentlichungen ist allerdings nicht bekannt; vgl. hierzu etwa W. Schulze, S.  50. 189  Lahusen, S.  45, geht zur Kaiserzeit in den Städten von einer regelrechten „Statuen Manie“ aus. 190  Lahusen, S.  4 4. 191  Die tatsächliche soziale Stellung des Abgebildeten war nachträglich mitunter über den Stand­ ort der Statue rekonstruierbar; vgl. Lahusen, S.  45. 192  Dazu die Beispiele bei Friedlaender, S.  48 ff. und 57 ff.; dieses System führte im Laufe der Zeit dazu, dass die Städte mit Statuen überfüllt waren und deshalb deren Anzahl gelegentlich redu­ ziert werden musste, wenn sie etwa den Fußgängerverkehr behinderten; vgl. hierzu die Inschrift bei Cirta Sittaniorum (Nordafrika); Corpus Inscriptionum Latinarum VIII 7046; zitiert nach Lahusen, S.  46.

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haupt möglich war, aufwändige Skulpturen in hoher Stückzahl in einem kurzen Zei­ tintervall zu fertigen. Dies lag spätestens zu Beginn der Kaiserzeit maßgeblich dar­ an, dass die Körper der Statuen serienmäßig hergestellt wurden, während der Kopf separat gefertigt und anschließend auf den gewählten Körpertypus gesetzt wurde.193 Diese serielle Anfertigung antiker Portraitskulpturen seit der römischen Kaiserzeit birgt eine nicht zu vernachlässigende Information über das frühe Verständnis und die Wahrnehmung von Erkennungsmerkmalen von Personenabbildungen: Nur der Portraitkopf einer Statue verriet aufgrund seiner individuellen Fertigung die konkre­ te Person und vermittelte eine Vorstellung davon, wie der Dargestellte aussah.194 Eine bewusste Verfälschung der individuellen Physiognomie zugunsten der idealen Gestaltung war hinsichtlich dieses Teils aber offenbar unerwünscht und rief Kritik hervor.195 Somit finden erste Diskussionen über Ähnlichkeit im Sinne der Zuorden­ barkeit abgebildeter Personenmerkmale bereits in der Antike statt.196 Sonstige Merk­ male des Körpers spielten somit für die Erkennbarkeit allenfalls eine untergeordnete Rolle. Deutlich wichtiger war hingegen der Text der Ehreninschrift, der auf den So­ ckeln der Statuen vermerkt war. Es war somit maßgeblich ein Umstand außerhalb der eigentlichen Personenabbildung, der den Betrachter umfassend über die Identität, die Biographie und die Verdienste der dargestellten Person informierte.197 Da das Verbreiten von Personenaufnahmen nunmehr als eine gewöhnliche Hand­ lung verstanden und praktisch inflationär wahrgenommen wurde, folgte alsbald die Notwendigkeit, ein Verbreiten dieser Personendarstellungen in irgendeiner Form zu reglementieren. Dieses Bedürfnis wurzelte allerdings nicht etwa in einer betroffenen Rechtsposition des Abgebildeten, sondern war tatsächlich rein platztechnischer Na­ tur.198 4. Das Ius Imaginum Eine sehr frühe „Verrechtlichung“199 bzgl. der Verbreitung von Personenaufnahmen, die dem heutigen Recht am eigenen Bild zumindest im Wortlaut (wenn auch nicht in seiner Funktion) sehr nahekommt, ist das ius imaginum – das Recht, das eigene Bild­ nis dem Andenken der Nachwelt zu überliefern.200 Dieses ius erlaubte den Nachkom­ 193 Vgl.

Lahusen, S.  46. Lahusen, S.  47. 195  Lahusen, S.  49. 196 Vgl. R. Schneider, S.  60. 197 Vgl. Lahusen, S.  43. 198 Manche Schrifterzeugnisse lassen erkennen, dass für die Bewilligung solcher Personen­ statuen sogar der Kaiser befragt werden musste; vgl. etwa Plinius, epistulae 1, 17 und 2, 7; was das Aussehen der Darstellung anging, oblagen viele Entscheidungen dem Stifter und nicht dem Abge­ bildeten; vgl. von den Hoff, Kaiserbildnisse, S.  21. 199  Als nahezu einzige Quelle für dieses ius wird seit dem 16.  Jahrhundert Cicero, Ad Verrem V. 14.36 genannt; vgl. den Ausschnitt bei Steinhuber, S.  25, der als weitere Quelle Titus Livius, Ab urbe condita, X 7 nennt. 200  Vgl. hierzu die Übersetzung von Krüger in Steinhuber, S.  25. 194 

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men großer Adelsfamilien, bei feierlichen Leichenzügen die imagines maiorum201 – wächserne Totenmasken verstorbener Vorfahren, die mindestens ein kurulisches Amt202 bekleidet hatten – vor dem Gesicht zu tragen und dementsprechend zur Schau zu stellen.203 Das Verbreitungsrecht legte also eine objektive Rangordnung zugrun­ de, wurzelt im Erlangen eines bestimmten Status und somit letztendlich in der Be­ lohnung hinsichtlich einer individuellen Leistung des Abgebildeten innerhalb einer objektiven Hierarchie. Insofern war es kein von Geburt an gegebenes subjektives Recht eines jeden. Das ius imaginum war Ausdruck von Exzellenz und Souveränität des Abgebildeten sowie Anerkennung dieser Eigenschaften durch die Gesellschaft.204 Es handelte sich somit um ein zweigliedriges Privileg sowohl für den Amtsträger, als auch für dessen Angehörige. Ein Abwehrrecht nach heutigem Verständnis, welches sogar zu strafbewehrten Verboten führen kann, war indes nicht vorgesehen. 5. Schlussfolgerungen für das Verbreiten von Personendarstellungen in der Antike Frühe Rechtssätze über das Verbreiten von Personenaufnahmen finden sich im römi­ schen ius imaginum und dem griechischen Theaterrecht. Wenn der Begriff des ius imaginum heute in der zeitgenössischen rechtswissen­ schaftlichen Literatur insbesondere im Zusammenhang mit römisch-rechtlichen Grundsätzen bei der Diskussion um das Recht am eigenen Bild auftaucht205, dann meist in einem verschobenen Sinne.206 Das Verbreiten der eigenen Darstellung soll positiv als republikanisches Vorrecht eines besonderen Statusinhabers ermöglicht werden und keine subjektiv-wehrbare Rechtsposition begründen, die ein solches Ver­ öffentlichen verhindern konnte. Man könnte in diesem Zusammenhang also weniger von einem Recht am, sondern vielmehr von einem Recht zum eigenen Bild sprechen. Die Reglementierung zur Vermeidung individueller Nachbildungen im griechi­ schen Theaterrecht hingegen scheint von einer schützenswerten Position jedes Dar­ gestellten auszugehen, die in der erkennbaren Nachbildung seines Äußeren wurzelt. Möglicherweise könnte man deshalb jedenfalls in diesem Zusammenhang von der wohl frühsten Form eines positiv normierten Schutzes von einer Position im Sinne eines Rechts am eigenen Bild sprechen.207 Nicht vergessen werden darf hierbei aber, 201 

Belting, Bild-Anthropologie, S.  178. Dieses begann in der hierarchischen Rangfolge mit dem Amt des Ädils. 203  Das Schautragen erfolgte, wenn möglich, durch Männer mit ähnlicher Körperstatur wie die des Verstorbenen; vgl. Bruck, S.  2 ff. 204 Vgl. Steinhauber, S.  27 ff., der kritisiert, dass diese Grundausrichtung nicht einmal im Ansatz bei der Herleitung des Rechts am eigenen Bild um 1900 berücksichtigt wurde. 205  Vgl. nur Amar, S.  366; von Collenberg, S.  12; Lewinsohn, S.  16, die sich eigentumsrechtlicher Argumentationen zur Begründung des Rechts am eigenen Bild bedienen. 206 Vgl. Steinhauber, S.  25, 32. 207  Insbesondere die Beschränkung dieses Nachbildungsschutzes auf die Lebzeit lässt frühe Pa­ rallelen zur sozialen Komponente des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erkennen; Opet, S.  143, verweist hierzu auf die besprochene Fundstelle von Pollux. Tatsächlich findet sich aber in der direk­ ten Übersetzung kein Hinweis auf die Darstellung verstorbener Personen. 202 

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dass die Darstellung der Person regelmäßig in einem satirischen, humoristischen Kontext stattfand und gerade deshalb vermutlich primär aus Gründen des Ehrschut­ zes reglementiert wurde. Zudem galt diese Zensur zwar für jedermann, faktisch kam sie aber nur den Protagonisten griechischer Werke zu, welche maßgeblich aus der Obrigkeit stammten. Trotzdem zeigt dieser Umstand die schon früh angenommene Verbundenheit von Bildnis- und Ehrschutz. Merkmale außerhalb der Personendarstellung – wie eine Inschrift oder ein beige­ ordnetes Attribut – waren für die Zuordenbarkeit der abgebildeten Person aufgrund idealer und serieller Fertigungen teilweise von höherem Wert als die Darstellung von Körpermerkmalen. Insgesamt lässt sich als Kernpunkte aus der Antike festhalten: Es existierte ein gesellschaftliches Bewusstsein in Bezug auf die Verdinglichung des menschlichen Äußeren durch Abbildungen. Diese Abbildungen konnten der Außenwelt zugänglich gemacht werden und somit auf die Rezipienten wirken. Die bereits im Altertum ge­ fundene Kernmotivation des Repräsentierens einer abwesenden Person durch ihre Abbildung setzt sich also in der Antike fort. Dabei schien seit jeher ein Zusammen­ hang zwischen Ehre in Form eines Schutzes vor Verletzung (durch Diffamierung) aber auch in der entgegengesetzten Richtung als Recht zur Ehrerbietung (ius imaginum als rechtmäßige Belohnung für verdiente Personen) und der Abbildung im Bewusstsein der Gesellschaft als ausdrücklich positive Konnotation vorhanden ge­ wesen zu sein.

III. Das Verbreiten von Personendarstellungen im Mittelalter Das Veröffentlichen von Personendarstellungen galt auch im Mittelalter maßgeblich der kultischen Verehrung von Göttern, Herrschern und Ahnen.208 1. Christliche Bildzensur und „Erster Bilderstreit“ Die christliche Theologie stand der Personenabbildung seit ihrer Frühphase sehr skeptisch gegenüber.209 Als Hintergrund gilt die erste universale210 Abbildungszen­ sur durch die alttestamentliche Gesetzgebung, namentlich des zweiten Gebotes des Dekalogs. Durch diese religiöse Verbotsnorm sollte ein klarer Gegensatz211 zum weit verbreiteten heidnischen Bilderkult gesetzt werden, der zugleich die Ehrfurcht vor 208 

Hirner, S.  37. Schon zu Beginn des 3.  Jahrhunderts werden Bilddarstellungen in den ersten christlichen Kirchen überwiegend abgelehnt; vgl. ferner. Eberlein/Jakobi-Mirwald, S.  109 ff. 210  Vom Dekalog gibt es je eine Fassung im zweiten Buch Mose (Exodus) und im fünften Buch Mose (Deuteronomium), die stellenweise voneinander abweichen: 2.  Buch Moses, 20.  Kapitel, 4. Vers: „Du sollst dir kein Gottesbild verfestigen, noch irgendein Abbild von etwas, das im Himmel oben oder auf der Erde drunten oder im Wasser unter der Erde ist“. Im fünften Buch Moses „Du sollst dir kein Gottesbildnis machen, das irgendwas darstellt am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde“. 211 Vgl. Belting, Bild-Anthropologie, S.  95. 209 

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Gott konstituierten sollte.212 Allerdings bot das Zeigen von Personendarstellungen – mitunter wegen dem zu dieser Zeit aufkommenden Märtyrer-Kultes213 – die zweck­ dienliche Gelegenheit, den christlichen Glauben an viele Personen – insbesondere an jene, die nicht lesen konnten – schnell zu vermitteln.214 Dennoch hielt dieser Um­ stand die Kirche nicht davon ab, auf Grundlage des Dekalogs in Kanon 36 des Kon­ zils von Elvira bereits im Jahre 305 zu bestimmen, „dass sich in der Kirche keine Bilder befinden dürfen“.215 Während dieses Bilderverbot anfänglich mehr als eine Glaubensdirektive verstanden worden zu sein schien216, die jedenfalls zu Gunsten der Christianisierung vernachlässigt werden konnte, entbrannte vor demselben Hin­ tergrund im Mittelalter im byzantinischen Bilderstreit zwischen 726 und 843 die längste Auseinandersetzung zur Frage der Rechtmäßigkeit von Bilddarstellungen in der christlichen Kirche.217 Allerdings wurzelte diese Auseinandersetzung nicht in einer subjektiven Rechtsposition des Abgebildeten.218 Bekannt ist aber, dass die zu­ grunde liegende Kontroverse auch mit der „Waffe des karikierenden und schmähen­ den Bilds“219 ausgetragen wurde: Illustrationen von Bildgegnern wurden in den Kon­ text von Schriftstücken – meist an den Rand von Psalmenausgaben – gesetzt, um die abgebildete Person, die nicht selten anhand des beigeordneten Textes oder der hinzu­ gezeichneten Merkmale konkret identifizierbar war, zu verschmähen.220 212  Primärer Zweck war die Vermeidung einer Ersetzung von Gott durch ein körperliches Bild (scil. durch einen Götzen); vgl. Landwehr, S.  22; ferner Marini, Ikonographie und Liturgie, welcher davon ausgeht, dass das Bilderverbot der alttestamentlichen Gesetzgebung auf dem heidnischen Götzendienst beruht (Beitrag abrufbar unter: http://www.vatican.va/news_services/liturgy/2005/ documents/ns_lit_doc_20050120_marini_ge.html, zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 213  Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Martyrium (von griechisch martys = Zeu­ ge) im 2.  Jahrhundert als das Leiden derjenigen verstanden wurde, die sich vor einem Tribunal des römischen Reiches der Forderung verweigerten, den paganen Göttern zu huldigen, sich zum Chris­ tentum bekannten und meist zum Tode im Amphitheater vor Zuschauern verurteilt wurden; vgl. hierzu S. Weigel, S.  22. 214  Eberlein/Jakobi-Mirwald, S.  109, mit dem Verweis, dass die Instrumentalisierung des Bildes zur Allegorese nur in Anbindung der Schrift und Predigt als gerechtfertigt empfunden wurde. 215  Zitiert nach Marini, Ikonographie und Liturgie (Beitrag abrufbar unter: http://www.vatican. va/news_services/liturgy/2005/documents/ns_lit_doc_20050120_marini_ge.html, zuletzt aufgeru­ fen am 01.06.2022); hierzu auch Landwehr, S.  23, der allerdings den Bilderstreit historisch unpräzi­ se verortet. 216  Marini verweist darauf, dass diese Abneigung gegen Bilder lediglich ein begrenztes und be­ schränktes Phänomen gewesen sei (Beitrag abrufbar unter: http://www.vatican.va/news_services/ liturgy/2005/documents/ns_lit_doc_20050120_marini_ge.html, zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 217  Nach ersten bilderfeindlichen Predigten Kaiser Leons III. im Jahre 726 wurde im Jahre 730 ein Gesetz erlassen, das die Beseitigung aller Bilder forderte. 754 folgte auf der Synode von Hiereia die Verwerfung des Bilderkults aus theologischen Gründen und es kam zur blutigen Verfolgung von Ikonodulen (gr. Bildverehrer) durch die Ikonoklasten (Bildzerstörer); vgl. Eberlein/Jakobi-­Mirwald, S.  111 ff. 218  Allenfalls kann ein Handlungsmotiv in der Ohnmacht von Kaisern, die sich zu Statthaltern himmlischer Bilder degradiert sahen, genannt werden; vgl. Belting, S.  167. Diese empfundene Ehr­ verletzung wurzelt aber nicht in der eigenen Abbildung. 219  Belting, S.  169. 220  Vgl. die Abbildung einer solchen Illustration bei Belting, S.  171. Insbesondere sind aus der

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2. Verbreitung von Wallfahrtsbildern Die sich über Altertum und Antike abzeichnende Grundwahrnehmung und somit das allgemeine Verständnis hinsichtlich des Abbildens von Personen, um diese beim Rezipienten anwesend zu machen, erweitert sich im frühmittelalterlichen Wall­ fahrtswesen: Hinzukommt der Gesichtspunkt einer empfundenen Verifizierung von bildhaft dargestellten Szenarien. Kleine gegossene Abbildungen aus leichtschmel­ zenden Metallen, die betreffende Wallfahrtsorte und auch hiermit verbundene Perso­ nen zeigten, galten in Form von sog. Pilgerzeichen als das mittelalterliche Vervielfäl­ tigungsmedium mit der höchsten Auflagenrate.221 Der Besitz und das Zeigen eines solchen Bildes erfolgten maßgeblich zum Beleg222 dafür, dass man als Pilger den entsprechenden Ort auch tatsächlich besucht hatte. Somit galt die bildliche Darstel­ lung eines Sachverhalts an sich bereits lange vor der maßstabsgetreuen physisch-mor­ phologischen Abbildung einer Fotografie als besonderer Ausdruck von Authentizität. Hierbei setzte die Abbildung auf Pilgerzeichen keinesfalls die Erkennbarkeit des Ab­ gebildeten voraus, es war vielmehr ausreichend, dass der beigeordnete Text den ein­ deutigen Konnex zur Wallfahrt herstellen konnte.223 3. Das Wappen und das Wappenrecht Um einen wie auch immer gearteten und schützenswerten Rechtsanspruch, der im Zusammenhang mit dem Zeigen des eigenen Körpers entstehen soll, im Kern erfas­ sen und besprechen zu können, drängt es sich geradezu auf224, die frühe gewohn­ heitsrechtliche Handhabe der bildlichen Repräsentation des eigenen „medialen Ge­ sichts“225 durch das eigene Wappen und das Wappenrecht kurz in seinen Grund­ zügen darzustellen. Ab ca. 1170 treten in Deutschland als Folge der Kreuzzüge226 vermehrt in Siegeln227 und der Literatur228 hoheitliche Bildzeichen auf, welche fortan als sog. Wappen Rückschlüsse auf die Identität des Trägers zuließen. Die primäre Folgezeit polemische Karikaturen erhalten, die anhand des Kontextes auf die konkrete Identität der abgebildeten Person schließen lassen. 221  P. Schmidt, S.  100. 222  Zwar waren Pilgerzeichen kein rechtliches Beglaubigungsmittel. In Anbetracht des Umstan­ des, dass offizielle Bestätigungen etwa für Straftäter, denen eine Strafwallfahrt zur Buße auferlegt worden war, notwendig waren, zeigt sich, dass der Aspekt der Authentizität im Sinne einer Beglau­ bigung durchaus präsent war; vgl. hierzu Schmugge, S.  29; ferner zu Sühnewallfahrten Heyden­ reuter, S.  80 f., und Schmitz, Sühnewallfahrten im Mittelalter, 1910. 223 Vgl. P. Schmidt, S.  100. 224  Umso mehr erstaunt es, dass sich keine der Abhandlungen zum Recht am eigenen Bild um 1900 mit den frühen gewohnheitsrechtlichen Mechanismen des Wappenrechts im Zusammenhang mit der bildlichen Repräsentation beschäftigt hat; auf diesen Missstand weist auch Steinhauber, S.  24 hin. 225 Vgl. Belting, Wappen und Portrait, S.  90, welcher auf die Vorläuferfunktion des Wappens zum Portrait hinweist. 226  Hauptmann, S.  4. 227  Vgl. die „Dringende Bitte“ von Hohenlohe in Der Deutscher Herold 1883, S.  64. 228  Vgl. O.V., Der Deutscher Herold 1884, S.  116.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

Funktion jedoch war die Repräsentation des Wappenherrn bei dessen Abwesen­ heit.229 Dabei versteht sich das Wappen aber seitdem gerade nicht als individuell identitätsstiftend. Dies spiegelt sich schon in der bildlichen Darstellung selbst wider, da auf die Abbildung von Personenmerkmalen in Wappen zugunsten von Tier- und sog. Heroldsbildern verzichtet wurde.230 Vielmehr war das Wappen Zeichen des Kol­ lektivs231, welches somit allein als Rechtssubjekt für das Verbreiten dieser Bilddar­ stellungen galt.232 Vor diesem Hintergrund war nicht jedermann von Geburt an dazu berechtigt233, ein Wappen zu führen.234 Darüber hinaus standen Abbildungsmotive, welche auf eine bestimmte Zugehörigkeit schließen ließen, auch nur der entsprechen­ den Personengruppe zu.235 Infolge der Feststellung der öffentlich-rechtlichen236 Wappenfähigkeit setzte sich die privatrechtliche237 Ausschließlichkeit eines Rechts am eigenen – ganz bestimmten – Wappen fort,238 dessen Verbreitung es rechtlich zu regulieren galt. Insbesondere sollte verhindert werden, dass jemand ein Wappen ohne Erlaubnis des Wappenherren trägt, also „es irgendwo anbringt oder irgendwo verwendet, sei es nur als Dekoration.“239 Somit begründet das deutsche Wappenrecht ein immaterielles Recht zur Repräsentation des Inhabers durch eine Veröffent­ lichungshandlung einer zwar abstrakten aber immerhin teilweise zuordenbaren bild­ lichen Darstellung und stellt diese unter einen vom Rechtsinhaber abhängigen Er­ laubnisvorbehalt, der wiederum an Bedingungen geknüpft werden konnte.240

229 Vgl.

Belting, Wappen und Portrait, S.  90. Hauptmann, S.  4. 231  Ursprünglich ist das Wappen Zeichen der Adelsfamilie, ehe ab dem 14.  Jahrhundert auch Wappen bürgerlicher Familien und ab dem 15.  Jahrhundert Wappen von Städten, Stiftern und Klös­ tern sowie Orden, Turniergesellschaften und Zünften entstanden. 232  Hauptmann, S.  224. 233  Kraft eigenen Rechts sollte das Privileg der „Wappenfähigkeit“ nur Personen des öffent­ lich-rechtlich anerkannten Standes zukommen, während der einfache Bürger dieses, als ihm grund­ sätzlich nicht zustehendes, sondern abgeleitetes Recht lediglich verliehen bekommen konnte; vgl. zur Wappenfähigkeit insg. Hauptmann, S.  49–208. 234  Hauptmann, S.  50. 235  Hauptmann, S.  49 ff. 236  Hauptmann, S.  216. 237  von Gierke, S.  730, 731. 238  Dieses Recht wurde bereits früh im Zusammenhang mit dem Namensrecht als „immateriel­ les Gut“ genannt; vgl. Stobbe/Lehmann, S.  93; allerdings wurde dieses Recht zunächst mit eigen­ tumsrechtlichen Erwägungen begründet. Insofern hätte sich also das deutsche Wappenrecht zur Begründung des Rechts am eigenen Bild wegen seiner eigentumsrechtlichen Komponenten mehr angeboten als römisch-rechtliche Grundsätze unter Berücksichtigung des skizzierten ius imaginum. 239  Hauptmann, S.  261. 240 Vgl. Hauptmann, S.  263 ff. 230 Vgl.

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4. Das Siegel und das Siegelrecht Anders als im Wappenrecht stand grundsätzlich jedem, der unbeschränkt rechts­ fähig241 war, das sog. Siegelrecht zu.242 Dies hing unter anderem mit dem Umstand zusammen, dass man im Mittelalter dem geschriebenen Wort bemerkenswerterwei­ se besonders lange misstraute und Augenzeugen im Rechtsverkehr meist wichtiger waren als schriftliche Urkunden.243 Die Authentizität und Verbindlichkeit der besie­ gelten Kommunikation konnte aber mit der bildhaften Fixierung der eigenen Person und des anwesenden Zeugenaufgebots besonders nachhaltig bewahrt werden. Stell­ vertretend für die siegelnde Person oder Institution konnte dem Geschriebenen oder bestimmten Wertgegenständen244 also Kraft (robur) und Beständigkeit ( firmitas) verliehen werden.245 Da das Siegel somit als stellvertretendes Abbild des Besitzers im öffentlichen Raum fungieren sollte, war – anders als im Wappenrecht – die Dar­ stellung des Siegelinhabers selbst – und somit eine zuordenbare Personendarstel­ lung  – ein beliebtes Siegelmotiv.246 Eine besondere Funktion der Personenabbildung durch ein Siegel bestand darin, die Anwesenheit des Siegelführers sowohl in körper­ licher Form eines fixierten Abbildes auf einem Medium, insbesondere aber auch dessen Persönlichkeit und Status, bei dessen Abwesenheit zu gewährleisten.247 Be­ sonders deutlich wird dies angesichts der empfundenen Ehrverletzung welche gerade eine Dementierung der Bildaussage mit sich brachte, wenn ein Siegel mit Personen­ darstellung zerstört oder sonst herablassend behandelt wurde.248 Dem Siegel kommen im Mittelalter also zwei zentrale Funktionen zu: Es gilt zum einen als Medium der Selbstdarstellung und der Stellvertretung im Sinne der bereits durchweg anklingenden Repräsentation bei dem Vorzeigen einer Personendarstel­ lung. Zum anderen gilt das Siegel als besonders geeignetes Mittel der Authentifizie­

241  Lange wurde diskutiert, ob das Siegelrecht tatsächlich mit der Rechtsfähigkeit korrelierte, oder nicht vielmehr wie das Wappenrecht erst Privileg eines bestimmten Standes war. Tatsächlich war das Siegelrecht allerdings ein subjektives Recht, das von jedermann sogar in Ermangelung ei­ nes eigenen Siegels mit einem schriftlichen Zusatz durch ein fremdes Siegel ausgeübt werden konn­ te; vgl. hierzu Günther, S.  18 ff. 242  Signori, S.  9, sieht die Benutzung eines Siegels seit dem 14.  Jahrhundert als gängige Praxis in fast allen Gesellschaftsgruppen an. 243 Vgl. Madero, S.  202; siehe ferner den Wortlaut des Schwabenspiegels: „Swer hantvest ma­ chet, der sol zu dem minsten siben man setzen, daran die geziuge sien, ist ir mer, daz ist auch gut“, zitiert nach Lochner, S.  123. Dies bedeutet sinngemäß: „Wer Geschäfte macht, soll mindestens sie­ ben Männer als Zeugen dabei haben, sind es mehr, ist das auch gut“. 244  Siegel konnten neben Schriftstücken auch die Echtheit bestimmter Wertgegenstände wie Re­ liquien, Metalle sowie Maße, Gewichte und bezahlte Wegezölle nachweisen oder eine hohe Qualität von Tuche und Tucharten bestätigen; zu letzteren Clemens, S.  167 ff. – Einen Überblick über diese Gruppen liefert Engel, in: FS Kühnel 1992, S.  209 ff. 245  Signori, S.  9. 246 Vgl. Guerreau, S.  48. 247 Vgl. Gorich, S.  123. 248 Vgl. Schnitzler, S.  302; ferner Gorich, S.  124.

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rung und der Authentizitätskontrolle249, wodurch sich letztendlich dessen Beliebtheit im mittelalterlichen Wahrheits- und Rechtsverständnis erklärt.250 Um diese Funktionen hinreichend gewährleisten zu können, war es dringend not­ wendig, den Siegelmissbrauch in Form der Veröffentlichung der eigenen Personen­ abbildung gegen den Willen durch Siegelfälschung bzw. Siegelmanipulierung und den Siegeldiebstahl unbedingt zu vermeiden bzw. zu verhindern. Die Verwahrung spielt somit eine zentrale Rolle des Siegelrechts: Durch die Positionierung einer wei­ teren Person zwischen denjenigen, dessen Handeln durch ein Siegel als authentisch erwiesen werden sollte und den Adressaten, welche siegelnd tätig wurde oder das Siegel bereitzuhalten hatte, versuchte man die Missbrauchsgefahr einzudämmen. Dieser Person fiel durch das faktische Innehaben der Möglichkeit, eine Personen­ abbildung eines anderen in Form eines Siegelabdrucks zu verbreiten, ganz besonde­ res Vertrauen zu. Diese Verantwortung wird dem Siegelaufbewahrer durch be­ stimmte Prozeduren offiziell zugesprochen und durch die Auferlegung drakonisch-­ strafbewehrter251 Sicherungspflichten besonders deutlich gemacht.252 Dies erinnert stark an eine Garantiefunktion durch das eigene Abbild mit Hilfe eines Siegels im Sinne der heutigen Urkundendelikte. 5. Entstehung des Bildnisses im kunsthistorischen Kontext Personenabbildungen, die gezielt einer bestimmten Person zuordenbar sein sollten, finden sich in Europa vermehrt in der Kunst des frühen Mittelalters.253 Dennoch gilt erst das 14.  Jahrhundert als die Zeit, in der das Portrait im eigentlichen Sinne254 ent­ steht.255 Konstitutive Merkmale dieses Personenbildnisses im kunsthistorischen Kontext waren zum einen die gezielte Konzentration auf die Darstellung einer ganz bestimmten Person, die zum Hauptgegenstand des Bildes werden sollte. Dies beding­ te zum anderen das weitere Kriterium der angestrebten Naturnähe der Abbildung im Sinne einer höchstmöglichen Ähnlichkeit zwischen den tatsächlichen Zügen des Ab­ 249 Vgl. Kittel, S.  130, der dem Siegel im Mittelalter sogar die Monopolstellung als Beglaubi­ gungsmittel einräumt. 250 Vgl. Signori, S.  5. 251  Dahinter stand allerdings eine besondere Rechtskonstruktion: Indem die Pflicht sorgfältiger Siegelbewahrung beeidet werden musste, „wurde jede Fahrlässigkeit“ eines Siegelbewahrers „zu­ gleich zu einem Eidbruch“. Wegen Bestrafung des Eidbruchs als Meineid „ergibt sich so ein Straf­ rechtsschutz für eine Pflicht, deren Verletzung nicht ohne weiteres unter strafrechtlicher Sanktion stehen würde“; vgl. Battenberg, S.  67. 252 Vgl. Brandt, S.  24. 253  Kemperdick, S.  49, zählt hierzu exemplarisch die bronzene Reiterstatue Karls des Kahlen im Louvre, das Herrscherbild der ottonischen Pergamenthandschrift oder die figürliche Grabplastik der Hochgotik. 254  Zu den Anfängen des kunstgeschichtlichen Portraits im Einzelnen Kemperdick, Das frühe Porträt, 2006. 255  Die ältesten erhaltenen Einzelbildnisse der europäischen Malerei gehören hierbei der höfi­ schen Kunst des 14.  Jahrhunderts an; vgl. hierzu im Einzelnen Schütz, S.  15.

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gebildeten und der Darstellung.256 Daher wurde um 1500 wieder vor allem das Ab­ weichen der Authentizität von Personendarstellungen in Portraitgemälden 257 und Skulpturen258 diskutiert. 6. Executio in effigie und Schandgemälde Ab dem Spätmittelalter trat vorrangig in Italien der Gedanke zutage, man könne stellvertretend das Bildnis einer Person, also in effigie259 (lat. Ebenbild, Abbild) be­ strafen, wenn man des Abgebildeten nicht habhaft werden konnte,260 weil dieser be­ reits tot oder flüchtig war. Der Strafvollzug im Sinne einer Exekution richtete sich in diesen Fällen gegen eine Leiche oder ein Bildnis des Verurteilten. Hierbei handelte es sich um einen sinnbildlichen Akt, der nach außen hin durch psychologischen Ef­ fekt anhand einer möglichst realen Darstellung261 die generalpräventive Rechts­ fiktion anstrebte, eine peinliche Strafe sei wirksam abgegolten.262 Schandgemälde gehenkter Missetäter an öffentlichen Plätzen sollten ursprünglich die Strafe des Ge­ richteten verschärfen, die Bestrafung im Falle eines Flüchtigen ersetzen und somit möglicherweise auch die Flüchtigen selbst durch Bildmagie herbeizaubern.263 Im deutschsprachigen Raum wurde die executio in effigie erst viel später als Sanktions­ instrument in den Blick genommen264, wobei der rechtliche Unterbau hierfür nie 256 

Kemperdick, S.  49. Besonders die mimetische Wiedergabe von der abgebildeten Person selbst, wie Oberflächen von Haut und Haaren, sowie Umstände außerhalb der eigentlichen Personendarstellung wie Stoffe, edlen und unedlen Metallen von Räumen und Landschaften, Kostümen, Schmuck, Wappen, Ehrzei­ chen und sogar Inschriften über die Maßstäbe von Abbildungen sollten ein Höchstmaß an Wahrheit erzielen; vgl. dazu Metzger, S.  21. 258  Vgl. hierzu Burk, S.  187, wonach insbesondere bei Plastiken und Skulpturen die Handschrift des darstellenden Künstlers die Authentizität der Darstellung beeinträchtigen konnte, während die­ ser Umstand bei Gemälden von den meisten Forschern kaum diskutiert wurde. 259  Der Terminus executio in effigie entstammt genaugenommen erst nachmittelalterlicher Zeit. Im Barock waren in Deutschland daneben die Synonyma poena imaginaria und poena repraesentativa, supplicium effigiatum und figurata executio, sowie der Oberbegriff supplicia vicaria stell­ vertretend für alle peinliche Strafen bekannt; vgl. Brückner, S.  245. 260  M. Schuster, S.  26. 261  Radbruch, S.  142, belegt dies mit dem Beispiel, dass sogar Leonardo da Vinci Teilnehmer der Pazzi-Verschwörung als Gehenkte skizziert hatte, und zieht den Schluss, dass für die executio in effigie Portraitähnlichkeit gefordert wurde. 262 Vgl. Brückner, S.  313. 263  Radbruch, S.  142. Kritisch hinsichtlich des Bildmagie-Arguments Brückner, S.  314. 264  Eine offizielle Aufnahme von Bildnisstrafen und Scheinhinrichtungen in positives Recht hat in Europa erst Mitte des 17.  Jahrhunderts in Frankreich stattgefunden. Brückner, S.  265, geht davon aus, dass Mitteleuropa zunächst nur „Ehrenstrafen am Bildnis“ kannte und nennt als Beispiele in Deutschland die Brandenburgische Criminalordnung von 1717 und das darauffolgende Verbesserte Landrecht des Königreichs Preußen von 1721, welche im Falle einer Majestätsbeleidigung zwischen „Straffe am Bildniß oder Cörper“ unterscheiden. Ferner konnte die „Leibesstrafe“ eines „Hochver­ räther[s]“ gem. §  99, Zweyter Theil, Zwanzigster Titel (Von den Verbrechen und deren Strafen), des des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten (ALR), das bis 1851 geltendes Recht war, „an seinem Bildnisse vollzogen werden“. Ferner sah der Codex Iuris Bavarici Criminalis von 1751 im 2.  Teil vor, dass die „Execution in effigie […] nur in Crimine laesae Majestatis oder Militar-Ver­ 257 

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besonders entwickelt wurde, zumal die Anwendung überwiegend in den eher selten vorkommenden Fällen des Hoch- und Landesverrats erwogen wurde.265 Zudem wies die executio in effigie in Deutschland anderen Charakter als ursprünglich in Italien auf: Es sollte nicht die Bestrafung im Bild gezeigt werden, vielmehr sollte diese wirklich am Bildnis vollstreckt werden, indem beispielsweise ein Bild an den Galgen genagelt wurde,266 wobei aber eine möglichst originalgetreue Abbildung als unnötig befunden wurde.267 Dass eine möglichst authentische Darstellung nicht erforderlich war, lässt möglicherweise eine tendenzielle Verbindung zwischen (ungewollter) Ab­ bildung und der Ehre der abgebildeten Person vermuten, zumal Hinweise zur „bild­ haften Bestrafung“ – wenn überhaupt – im Zusammenhang mit der Sanktionsform der Ehrherabsetzung des Täters thematisiert wurde.268 Weitere Anhaltspunkte für die gedankliche Nähe eines Abbildungsschutzes zum Schutz einer Form der persönlichen Ehre269 könnte jedenfalls in Teilen das – kaum erforschte – Aufkommen sog. Schandbilder im Mittelalter liefern. Diese resultierten aus einem eigentümlichen (Schuld-)Rechtsbrauch in Form der vertraglichen Ertei­ lung der Erlaubnis an den Gläubiger seitens des Schuldners, diesen im Falle des Verzuges durch Wort und Bild, durch Spottschriften und Schandgemälde in seiner Ehre anzugreifen, ihn zu verhöhnen und öffentlich als Schelm auszurufen.270 Um­ gangssprachlich handelte es sich somit um eine Art Pfand, den Schuldner im Falle des Vertragsbruchs in Form eines (ehrverletzenden) Schandgemäldes öffentlich dar­ zustellen.271 Diese Abbildungen hatten möglicherweise den Anspruch, den Betroffe­ brechen, jedoch auch andergestalt nicht als nach voläufiger Citation, oder da der Flüchtige ohnehin schon Confessus oder Convictus ist, vorgenommen, und ihm nach der Zurückkunft der Proceß so weit es vor seiner Absentirung nicht geschehen ist, von neuem gemacht werden“ soll; ferner Brückner, S.  270. 265  Radbruch, S.  142. 266  Radbruch, S.  142 verwendet deshalb den lateinischen Akkusativ und spricht von einer executio in effigiem. 267  Vgl. hierzu auch die Ausführungen Brückners, S.  287, am Beispiel der spanischen Inquisition. 268  Das Handbuch des gemeinen deutschen Strafrechts von Carl Ernst Jarcke aus dem Jahr 1827 erläutert unter dem Kapitel zum Verlust des Ehrenrechts als selbstständige Strafe (§  46), dass das „ältere deutsche Strafrecht“ Strafen gegen den Körper des verstorbenen Verbrechers und gegen Abwesende kenne. Hierzu gehöre ausdrücklich die „Vollziehung der Strafe am Bildnisse des Ent­ wichenen“. Zweck sei bei dieser Strafform kein anderer, „als den Abscheu gegen das Verbrechen auszusprechen und beim Volke lebendig zu erhalten“; vgl. Jarcke, S.  281 f.; hingegen geht das Straf­ rechtslehrbuch von Julius Friedrich Abegg aus dem Jahre 1836, S.  200, davon aus, dass „die „sonst wohl üblich gewesene Execution eines Todesurtheils am Bildnisse“ nicht mit dem Anschlagen des Namens an den Galgen – also einer Ehrenstrafe – zu verwechseln sei. 269  An dieser Stelle soll hervorgehoben werden, dass es sich bei dem Ehrschutz – welcher stel­ lenweise im historischen Zusammenhang mit dem strafrechtlichen Schutz vor Abbildungen zuran­ de gezogen wird – im historischen Kontext tatsächlich um einen sehr undurchsichtigen Begriff handelt; vgl. nur Garnier, Zeitschrift für Historische Forschung 2002, S.  525 f. m. w. N. zur Unter­ scheidung von ständischer und individueller Ehre. 270  Kisch, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung 1931, S.  515. 271  Die überlieferten Exemplare stehen außer Verhältnis zur Verbreitung des Phänomens, da die Betroffenen bemüht waren, Schandbilder zu vernichten. 30 Schandgemälde enthält die Arbeit von

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nen möglichst wirklichkeitsnah im Bild durch seiner äußeren Erkennungsmerkmale darzustellen.272 Diese Form der „Ehrenverpfändung“ wurde zwar wohl bald durch die Gesetzgebung verboten, hielt sich aber bis heute in Form des „Versprechens unter Ehrenwort“ fort.273 Hinsichtlich der (späteren) strafrechtlichen Behandlung des Ver­ breitens solcher Schandbilder finden sich im Handbuch des gemeinen Deutschen Peinlichen Rechts von Karl August Tittmann aus dem Jahre 1809 unter der Behand­ lung von Schmähschriften gleich mehrere bemerkenswerte Anhaltspunkte. Zum ei­ nen schien man von weniger schweren „bloß symbolische[n] und öffentlichen In­ jurien“ – etwa in Form einer Karikatur274 – und gesteigertem Unrecht im Sinne eines Schandgemäldes als „Darstellung einer Lage, Stelle oder Begebenheit, durch welche jemand öffentlich als ein verbrecherischer oder lasterhafter Mensch dargestellt wird“ ausgegangen zu sein.275 Zum anderen mache „die Verfestigung des Gemäldes den Begriff des Vergehens noch nicht vollständig“, sondern erst mit der öffentlichen Ver­ breitung oder Ausstellung desselben werde das Delikt vollendet.276 Ferner müsse sowohl die „Beschaffenheit des Vorwurfes, der Widerrechtlichekt desselben und der öffentlichen Verbreitung“ als auch die „Beschaffenheit der Personen u. s. w.“ mitbe­ rücksichtigt werden 277, wobei das Erstellen von Schandgemälden grundsätzlich „schwerer“ zu bestrafen sei, als die Herstellung entsprechender Schandschriften, da diese Gemälde das „nachtheilige Urtheil versinnbildlichen“278 würden. Hupp, Scheltbriefe und Schandbilder, ein Rechtsbehelf aus dem 15. und 16.  Jahrhundert, 1930. Vie­ le der Schandbilder zeigen Schuldner im entehrendem Strafvollzug, die gehängt, gerädert, gepfählt, aufs Rad geflochten, geschunden oder gevierteilt werden – fast nie „ehrlich“ mit dem Schwert ge­ richtet; zudem erscheint nahezu immer der Schuldner mit seinem Siegel oder seinem Wappen und dem schriftlichen Hinweis, er habe seine durch Brief und Siegel bekräftigte Zusage gebrochen und sei demzufolge siegelbrüchig, siegellos und ehrlos geworden; hierzu Kisch, Zeitschrift der Savig­ ny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung 1931, S.  518: „Daher spielen fast alle Bilder auf die Meinung des Gläubigers an, die entehrten Siegel und Siegelstempel wären keines besseren Gebrauchens mehr würdig, als einer Sau, Kuh, Stute, Eselin oder Hündin auf den Ge­ schlechtsteil gedrückt zu werden. Unter dem Schwanz dieser Tiere, auf deren Rücken der Schuldner umgekehrt reitend dargestellt wird, verdiente das verunehrte Siegel eher einen Platz als unter einer Schuldverschreibung“. 272  Vgl. hierzu etwa Hupp, S.  75, bzgl. der Darstellung der verschiedenen Bärte und Bekleidung 273  Kisch, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte: Germanistische Abteilung 1931, S.  515, welcher allerdings keine konkreten Normen nennt; Tittmann, S.  94 ff. weist auf Schand­ gemälde und deren Sanktionierbarkeit über das „richterliche Ermessen“ im Rahmen des Art.  110 der Constitutio Criminalis Carolina hin, welcher allerdings nur „Schmähschriften“ als Tatbestands­ merkmal nennt. 274  Tittmann, S.  100, welcher in einer Fußnote auf einen Beispielsfall bei Thomasius, de actionein­ juriarum, Hal. 1715 verweist, in welchem dieser „von einem Maler erzählt, der einem Schneider ein Handwerks-Schild zum Aushängen an dem Hause, auf dem zwei Löwen eine Scheere fassen sollten, zu malen beauftragt war, unter den mit Wasserfarbe gemalten Löwen aber zwei Ziegenböcke mit Oelfarbe malte, die nach dem ersten starken Regen, der die Wasserfarbe abwusch, sichtbar wurden. Das Gemälde war kein Schandgemälde, sondern bloß eine symbilische und öffentliche Injurie“. 275 Vgl. Tittmann, S.  100. 276  Tittmann, S.  100; zu den neuen Bildmedien im Mittelalter sogleich Kap.  1, B., III., 7. 277  Tittmann, S.  100, 102. 278  Tittmann, S.  102.

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7. Erfindung neuer Bildmedien Das in der Gesellschaft tief verankerte Bedürfnis nach privaten Andachtsbildern, das die – naturgemäß teurere – Malerei alleine nicht befriedigen konnte, führte wahrscheinlich zur Verbesserung der Technik des wesentlich billigeren Holzschnit­ tes um das Jahr 1400.279 Gleichzeitig mit der Entwicklung des Letterdrucks im drit­ ten Jahrzehnt des 15.  Jahrhunderts, wurde die mediale Bildverarbeitung mit der Er­ findung des Kupferstichs, besonders aber durch den Bilderdruck verbessert.280 Paral­ lel zum Fortschritt der Darstellungs- und Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums vollzog sich zwangsläufig die Ausweitung der Bildmotive: Stand zu Beginn der neu­ en Technik das Bedürfnis nach dem privaten Andachtsbild, wurde recht bald der Wunsch nach profanen Bildern laut.281 8. Schlussfolgerung zum Verbreiten von Personendarstellungen im Mittelalter Sofern rechtswissenschaftliche Abhandlungen die Wurzeln des Rechts am eigenen Bild in religiösen Motiven und den hiermit verbundenen Gebräuchen282 begründet sehen wollen283, sind gewisse Zweifel anzumelden. Selbst wenn man am Begriff des religiösen Motivs als Beziehung des Menschen zum Übersinnlichen – fernab des skizzierten frühchristlichen Verständnisses – ansetzt, hat der geschichtliche Abriss über Altertum und Mittelalter gezeigt, dass religiöse Motive allenfalls die Folge einer sich über die Epochen bestätigenden Grundprämisse zu sein scheinen: Durch die bildhafte Darstellung soll der abwesende Mensch anwesend gemacht werden. Hier­ von scheinen sowohl die alttestamentarische Gesetzgebung als auch Befürworter und Gegner im frühchristlichen Bilderstreit ausgegangen zu sein. Denn Streitpoten­ tial barg maßgeblich die Frage, ob diese „Anwesenheitsmachung“ des Abwesenden im Bild bei Heiligen überhaupt gelingen kann, da sie an ein dingliches Medium in Form eines körperlichen Gegenstands gebunden war, welches wiederum nicht ver­ ehrt werden durfte. Diese Feststellung findet nicht zuletzt in der frühen executio in effigie eine starke Stütze, nach der ein Abwesender zur Verbüßung seiner Strafe über den Tod hinaus für die Öffentlichkeit durch ein Bild anwesend gemacht werden konnte. 279  Hierfür spricht, dass es sich beim Holzschnitt an sich nicht um eine genuine Erfindung dieser Zeit handelt; vgl. hierzu Hirner, S.  41, der auf frühere Stempeltechniken der Ägypter, Babylonier und Chinesen verweist. 280  Wyss, S.  15, spricht in diesem Zusammenhang von einer Medienrevolution um 1500. 281  Der Schwerpunkt lag allerdings nicht wie beim Andachtsbild explizit auf Personendarstel­ lungen; vgl. Hirner, S.  39 f. 282  Nicht selten findet sich in den rechtswissenschaftlichen Abhandlungen neben den christ­ lichen Bildstreiten ein Verweis auf das Bildnisverbot im Islam sowie das Verschleierungsgebot; so Landwehr, S.  25; Osiander, S.  11; Bartnik, S.  1; vgl. zum Verschleierungsverbot insbesondere v. Scanonzi, S.  64, der hieraus folgert, dass das Recht am eigenen Bild im Schamgefühl begründet liegen müsse. 283  Vgl. nur Landwehr, S.  22.

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Diese Prämisse erklärt darüber hinaus die Häufigkeit der früh auftretenden Kon­ stellationen, in denen Personenabbildungen zusammen mit ehrverletzenden Inhalten verbunden werden, was im Übrigen die spätere Rechtswissenschaft nicht selten dazu bewogen hat, die Begründung des Rechts am eigenen Bild im Ehrschutz zu sehen.284 Stützen könnte diese Annahme möglicherweise das Wappenrecht, welches wie das ius imaginum von einer positiv konnotierten Rechtsposition der menschlichen Dar­ stellung ausging. Diese galt es zunächst zu erwerben, sie stand somit nicht jeder­ mann als subjektives Recht zu. Insofern zeigt sich möglicherweise eine gewisse ­Tendenz des Zeigens einer Personendarstellung als Ausfluss eines in der Ehre wur­ zelnden Privilegs, welchem – sofern es einmal bestand – auch rechtliche Schutz­ mechanismen zugesprochen wurden. Allerdings erscheint die Begründung des Rechts am eigenen Bild als (Teil)-Aus­ fluss der Ehre des Einzelnen selbst vor diesem geschichtlichen Hintergrund fragwür­ dig. Denn zum einen würde dies voraussetzen, dass das schützenswerte Bildnisrecht erst ab einer gesteigerten Form der Ehre bestehen soll. Dafür könnte allenfalls spre­ chen, dass grundsätzlich auf ein flexibles Ehrverständnis am jeweiligen gesellschaft­ lichen Kontext abzustellen ist, welches erst über die Jahrhunderte das Bildnisrecht einem jeden einzelnen zubilligen wollte, zumal sich die Dispositionsbefugnis des Zeigens der Abbildung stets am eigenen Willen des Abgebildeten orientiert hat. An­ dererseits hilft auch diese Argumentation nicht über das – sowohl dem Wappen- und Siegelrecht als auch dem ius imaginum – vorgeschaltete Kernverständnis der Stell­ vertreterfunktion von Personendarstellungen hinweg: Denn selbst einer bildhaften Ehrverletzung geht zwangsläufig das Verständnis voraus, dass die Person, die in ih­ rer Ehre herabgesetzt werden soll, dem Rezipienten in einem ersten Schritt in Form der bildhaften Darstellung überhaupt präsent gemacht wird. Diese Erwägung erklärt nicht zuletzt, warum selbst in heutiger Zeit Bilder mit ehrverletzendem Inhalt häufig Gegenstand von Diskussionen um das Recht am eigenen Bild sind. Allerdings lässt sich aus diesem Umstand nicht schließen, dass die Ehre selbst Kern des Rechts am eigenen Bild sein soll. Vielmehr erscheint die umgekehrte Sichtweise naheliegender: Während die Ehrverletzung auch aus einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild einhergehen kann, setzt das Recht am eigenen Bild nicht zwangsläufig die Ehrverlet­ zung voraus. Diesem Grundverständnis der Repräsentation scheint bereits früh die Wahrneh­ mung von gesteigerter Authentizität bildhafter Darstellungen – unabhängig vom Darstellungsmotiv – beigeordnet gewesen zu sein, wie sich deutlich im Wallfahrts­ wesen und auch im Siegelrecht zeigt. Hervorzuheben ist ebenfalls, dass dem Siegel­ recht erstmals die maschinelle Systematisierung einer zuordenbaren Personenabbil­ dung zugrunde liegt: Zwar wurde die Abbildung selbst von menschlicher Hand als Negativ erstellt. War die Abbildung als solche aber als zuordenbares Siegel einmal bekannt, schuf die Vervielfältigung eines identischen Abbildes durch die Maschine 284 

Cohn, S.  48 f.; Gareis, S.  9; Kohler, S.  17; Wildhagen, S.  47.

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eines Siegelnegativs ein besonderes Vertrauen in die Echtheit des Bezugsgegen­ stands. Man kann somit deutlich vor morphologisch perfekten Abbildungen einer Fotografie ein gesteigertes menschliches Vertrauen in maschinell erstellte (Perso­ nen-)Darstellungen erkennen. Da sich im frühen Mittelalter der gesellschaftliche Kommunikationsprozess durch die Anwesenheit seiner Teilnehmer im Sinne eines gemeinschaftlichen, aktuellen Austauschs an einem gemeinsamen Ort ausgezeichnet hat, fand insbesondere auch das Wahrnehmen von Personenabbildungen überwiegend orts- und zeitgebunden statt. Dies ändert sich mit der Erfindung des Drucks grundlegend, da nunmehr auf Papier gespeicherte Zeichen und Bilder vom einzelnen Individuum unabhängig vom Ort ihrer Herstellung und Distribution nach Maßgabe seiner Bedürfnisse und Zeit­ vorstellungen in seiner Privatsphäre rezipiert werden konnten. Darüber hinaus schuf die neue Mobilität von Personenabbildungen dementsprechend erstmals die exklu­ sive Möglichkeit für den unmittelbaren Bildbesitzer, die abgebildete Person unab­ hängig von ihrem Willen, allein nach seinen Vorstellungen hinsichtlich Ort, Zeit und Kontext präsent zu machen. Dass dieser Machtposition hinsichtlich der bildlichen Repräsentation einer anderen Person besonderes Missbrauchspotential innewohnt, welches gegebenenfalls mit den Mitteln des Strafrechts begrenzt werden musste, zeigen bereits die frühen rechtlichen Auflagen im Siegelrecht für den Aufbewahrer des Siegels. Freilich wurde dies nicht mit einer Rechtsposition des Abgebildeten, sondern mit übergeordneten Gemeininteressen 285 begründet. Abschließend kann konstatiert werden, dass es sich keinesfalls um ein Phänomen heutiger Zeit handelt, wenn die mangelhafte Abbildungstreue im Sinne einer ge­ schönten Darstellung Empörung beim Betrachter hervorrufen und im Anschluss möglicherweise den Glauben der Betrachter an die Authentizität einer Personen­ abbildung beeinträchtigen kann. Deshalb galt es bereits deutlich vor dem Zeitalter digitaler Fotobearbeitung, eine Form von Medienkompetenz zu entwickeln, welche das Wissen um die Manipulierbarkeit der Personenabbildung mit einschloss.286

IV. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der Neuzeit 1. Reformatorischer Bildersturm ab Mitte des 16.  Jahrhunderts Die ersten richtigen Auseinandersetzungen mit Fragestellungen, die im Kern etwas wie eine schutzwürdige Rechtsposition des Abgebildeten voraussetzen und diese an­ satzweise zum Gegenstand haben, sollen in Deutschland in der von humanistischen Ideen geprägten Reformationszeit in Gang gesetzt worden sein.287 Feststeht zu­ 285  Dies zeigt nicht zuletzt der strafrechtliche Umweg über den Meineid im Siegelrecht bei der Verletzung einer Aufbewahrungspflicht. Selbst wenn man dem Meineid neben dem Schutz der Strafrechtspflege im Mittelalter einen religiös motivierten Schutzzweck zuschreiben möchte, wur­ zelt das Schutzgut nicht in der Position der repräsentierten Person. 286  Sehr eindrucksvoll hierzu Tacke, S.  309 ff. 287  Die Quellen können sich hier allerdings nur auf Mutmaßungen stützen; vgl. Hengst, S.  3, und

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mindest, dass das Herstellen und anschließende Veröffentlichen von Personenabbil­ dungen eine der bislang größten theologischen Auseinandersetzungen des 16.  Jahr­ hunderts entfachte, die heute als reformatorischem Bildersturm288 bekannt ist. Hinter­grund war die fortwährende Einbeziehung und Verwendung von Personen­ darstellungen, insbesondere Heiliger sowie auch einfacher Privatpersonen289 in christlichen Schlüsselszenen zur Veranschaulichung der Liturgie. Allerdings waren die Vorstellungen von dem, wie Bilder überhaupt entstanden seien und was sie leisten könnten, immer noch „befremdlich anders“290 als unsere heutigen.291 Diese mystifi­ zierte Unsicherheit begründete die reformatorischen Leitgedanken, wonach die An­ fertigung und Verbreitung christlicher Personenabbildungen als Götzendienst und sinnliche Ablenkung von Frömmigkeit – letztendlich mit identischer Begründung wie im ersten Bilderstreit unter Rekurs auf den Verstoß gegen das zweite Mosaische Gebot – abzulehnen seien.292 Diese Abkehr von der grundsätzlich bilderfreundlichen Theologie des Mittelalters basierte primär im Unmut über eine anmaßende „Ver­ menschlichung“293 von etwas Übermenschlich-Heiligen durch eine Personendarstel­ lung. Gleichwohl resultierte aus diesem Streit die übergeordnete Fragestellung, ob ein zuordenbares Personenbildnis überhaupt hergestellt und verbreitet werden darf. Reflexartig ging hiermit erstmals die Ungewissheit einher, ob etwas wie ein schüt­ zenswertes Gut des Abgebildeten selbst existiert, welches durch eine bildliche Fixie­ rung und Verbreitung möglicherweise verletzt wird und deshalb verhindert werden muss. Besonders deutlich wird dies etwa in der Argumentation des Bildgegners ­Calvin, wonach allein das Wort „Gott in Form eines Spiegels“ zeige und Bilder somit Osiander, S.  13. Bächli, S.  10, und Bewier, S.  5 verweisen in diesem Zusammenhang auf die Beto­ nung der Einzelperson speziell im Humanismus, allerdings war die Konzentration auf das Individu­ um in Bilddarstellungen (wie bereits gezeigt) schon lange zuvor usus; vgl. Hengst, S.  3 m. w. N. 288  Berns, Band  I, S.  1. 289  Prominentes Beispiel für die Erstellung und Veröffentlichung von Abbildungen privater Per­ sonen ist das Aufkommen sog. Stifterportraits des Spätmittelalters, wobei auf Altarbildern und anderen kirchlichen Bildwerken die Auftraggeber häufig in kleinerem Figurenmaßstab am unteren Bildrand abgebildet wurden. Die physiognomische Erkennbarkeit des abgebildeten Stifters stand dabei allerdings nicht im Vordergrund. Vielmehr schien die Individualität der Portraitierten durch Kleidung, Insignien, Wappen und Inschriften hinreichend gesichert. Gleichwohl bilden die Stifter­ portraits eine der Vorstufen zum autonomen Bildnis; vgl. Schütz, S.  13. 290  Berns, Band  I I, S.  1067. 291  Vgl. nur Zaehnd, S.  220, unter Bezugnahme auf Ulrich Zwinglis 1525 erschienene Antwort an Valentin Compar, Z4 (Corpus Reformatorum 91), S.  48 ff.: „Bilder waren etwas Kreatürliches, von Gott fundamental Verschiedenes, etwas Äußerliches, mit dem sich die Brücke zu Gott gar nicht schlagen ließ, sondern das nur von Gott ablenkte, seiner Ehre abträglich war und zu falschen An­ sichten und Vorstellungen verführte“. 292  Vgl. hierzu J. Wirth, S.  1, 107, 210. 293  Vgl. hierzu insbesondere die den Streit mitbegründende Flugschrift „Von abtuhung der Byl­ der“ des Professors zu Wittenberg Andreas Rudolf-Bodenstein zu Karlsstadt von 1522, komplett abgedruckt in Berns, Band  I, S.  91 ff. Ferner wird nach Zwingli in der Kirche jedes Bild zum Götzen, da mitunter ein Gottesbild nicht hergestellt werden könne und dürfe, weil der unsichtbare Gott nur in Jesus Christus Gestalt annehmen würde; vgl. hierzu M. Weigel, S.  228. Zu Zwinglis Herleitung des Bilderverbots aus dem Dekalog vgl. Stirm, S.  139 ff.

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eigenmächtig das „Recht des Wortes in Anspruch“ nähmen und deshalb Verbrechen seien.294 Dies wurde von Gegnern der reformatorischen Bewegung u. a.295 mit dem Argument bestritten, dass die Verbildlichung ausschließlich der Verehrung der abge­ bildeten Person diene. Interessanterweise knüpfen aber sowohl Fürsprecher als auch Gegner des reformatorischen Bildersturms in ihrer Argumentation bzgl. der Recht­ mäßigkeit der Erstellung und Verbreitung von christlichen Personenabbildungen im Kern stets an die Person des Abgebildeten selbst an und stellen nicht auf einem etwa­ ig unwürdigen Schaffensprozess durch menschliche Hand ab.296 Sicherlich haben diese Argumentationsmuster allein angesichts des überwiegen­ den theologischen Einschlags297 wenn überhaupt nur noch rudimentäre Ähnlichkeit mit dem heutigen Verständnis eines subjektiven Abwehrrechts. Trotzdem erscheint es nicht abwegig, dass diese Erwägungen auch Auswirkungen auf Herstellung und Umgang mit Bildern außerhalb des sakralen Bereichs hatten und damit das Bildver­ ständnis insgesamt beeinflussten.298 2. Folgen des Bildersturms für die Bildwahrnehmung nach der Renaissance Die beschriebenen frühen Regungen um das Schutzbedürfnis hinsichtlich eines Rechts des Abgebildeten sollen allerdings mit dem Verblassen der Renaissanceidee jäh wieder im Keim erstickt worden sein.299 Überträgt man die aus dem reformatori­ schen Bilderstreit resultierenden Gedanken zum Bildverständnis, erscheint dies umso wahrscheinlicher: Hatte man zuvor dem Bild eine Realität besonderer Art zu­ getraut und es als tatsächlich stattfindende Erscheinung der abgebildeten Person in sichtbarer Gestalt empfunden, wurde die Abbildung nunmehr ausschließlich dem Bereich der eigenen sinnlichen Wahrnehmung des Betrachters, mithin den allgemei­ nen Naturgesetzen, zugeordnet. Mit anderen Worten galten für das Abbilden und Wahrnehmen einer Person auf irgendeinem Medium keine anderen Gesetze mehr, als sie für die natürliche Wahrnehmung außerhalb des Bildes galten. Die Perso­ nenabbildung und deren Wahrnehmung können nunmehr als simuliertes Fenster be­ zeichnet werden, in dem sich sowohl der Heilige wie ein Familienangehöriger im Portrait zeigen konnten.300 294 

Zitiert nach Belting, S.  519. Weiteres Hauptargument zur Rechtfertigung von Bildverwendungen war die Vermittlung der Katechese an Lesensunkundige; vgl. die sog. Gregorsformel, dargestellt bei Berns, Band  II, S.  1080. 296  Hierzu bereits Thomas von Aquin, wonach die Verehrung nicht dem signum, sondern dem signatum gelte; vgl. s. th. 2-2, 81, 3, ad 3. Erstaunlicherweise könnte man also bzgl. dieses Aspekts von gegenläufigen Ausgangspunkten bei der Entwicklung der Grundlagen für ein Recht am eigenen Bild sprechen. 297  Landwehr, S.  26, geht dementsprechend davon aus, dass die ersten Bemühungen hinsichtlich des Eigenbildschutzes weniger in sinngemäßen Erwägungen eines allgemeinen Persönlichkeits­ rechts als vielmehr in Ehrfurcht, Furcht oder Scham wurzeln. 298 Vgl. M. Weigel, S.  239. 299 So Hengst, S.  3. 300  Belting, S.  525. 295 

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Neben der neuen Wahrnehmung des Bildes als natürliches Objekt der eigenen na­ türlichen Sinneswahrnehmung frei von Übersinnlichem wurde das neue Bild für den Künstler freigegeben: Dieser konnte es frei aus seiner Vorstellung und Phantasie er­ schaffen.301 Vor diesem Hintergrund rechtfertigt sich das Bild primär als die Idee, oder Erfindung des Künstlers. Mithin verschob sich auch in dieser Hinsicht die ge­ sellschaftliche Wahrnehmung von einem möglicherweise bestehenden Anspruch des Abgebildeten selbst aus dem Umstand seiner Abbildung auf ein Recht des Künstlers, das sich aus seiner schöpferischen Arbeit ergab. 3. Erfindung der analogen Fotografie 1816 Somit war es letzten Endes erst die augenscheinliche Konfrontation der Gesellschaft mit neuen technischen Gegebenheiten, welche Mitte des 19.  Jahrhunderts die Dis­ kussion um ein Recht am eigenen Bild final entfachte: Die Erfindung und weitere Entwicklung der Fotografie in Frankreich302 setzte schließlich den Grundstein für die Frage an Wissenschaft und Praxis, ob der abgebildeten Person die Kontrolle über das Verbreiten ihres äußeren Erscheinungsbildes durch ein Recht am eigenen Bild zuge­ sprochen werden soll. a) Frühe Entwicklungen in Deutschland In Deutschland gelang es im Frühjahr 1839 erstmals zwei renommierten Naturwis­ senschaftlern303, die in der camera obscura erzeugten Bilder auf Chlorsilberpapier zu fixieren.304 Noch im September desselben Jahres importierte Sachse Kameras aus Frankreich nach Deutschland.305 In der Frühphase konnten die sog. Daguerreotyp-­ Apparate zumeist bei Optikern306 erworben werden307, während man die Chemika­ 301 

W. Kemp, S.  13. Franzosen Joseph Nicéphore Niépce gelang 1816 das erste Abbild der Natur auf einer lichtempfindlichen Platte in der „Camera Obscura“. Diese Erfindung geht auf eine bereits im 11.  Jahr­ hundert von Ibn Al-Haitham entwickelten und unter anderem von Leonardo Da Vinci um 1500 be­ schriebene Urform der fotografischen Kamera zurück: Ein innen geschwärzter Kasten mit transpa­ renter Rückwand, auf der eine an der Vorderseite befindliche Sammellinse oder einfache Lochblende ein auf dem Kopf stehendes seitenverkehrtes Bild erzeugt; vgl. Brockhaus, Band  4, S.  297; zur Ver­ besserung des Verfahrens schloss er mit Louis Jacques Mandé Daguerre, der Forschungen zur Fixie­ rung von Bildern betrieben hatte, im Jahre 1829 einen Partnerschaftsvertrag zu weiteren Forschungs­ zwecken. Die Zusammenarbeit von Niépce und Daguerre führte 1835 zu ersten brauchbaren Resul­ taten, die der 1833 verstorbene Niépce allerdings nicht mehr erlebte; vgl. Ricke, S.  12; zur Geschichte der Fotografie außerdem Hoeren/Nielen, S.  31 ff.; ferner Castendyk/Hempel, Rn.  2 ff. 303  Franz Ritter von Kobell, Professor der Mineralogie und Carl August von Steinheil, Professor der Mathematik, beide tätig an der Universität München. 304  Gernsheim, S.  87. 305  Louis Friedrich Sachse galt als Freund Daguerres und importierte diese aus den Werkstätten des französischen Tischlers Giroux; vgl. Cornwall, S.  30; Ricke, S.  15. 306  Entsprechend war es auch der Optiker Carl Theodor Dörfell, welcher die ersten Kameras in Deutschland anfertigte; vgl. Cornwall, S.  32. 307  Stenger, Siegeszug, S.  232. 302  Dem

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lien für die Herstellung einer solchen „Daguerreotypie“-Aufnahme in der Apotheke und die Kupferplatten beim Silberschmied beziehen musste.308 Die sehr langen Be­ lichtungszeiten von mindestens 15 Minuten bis zu einer Stunde309 zeigen allerdings, dass die Fotografie gegen den Willen der abgebildeten Person zunächst faktisch kaum denkbar war, da diese vielmehr Modell sitzen musste.310 So handelte es sich bei der frühen Fotografie um eine zeitintensive und auch aufwändige Fertigkeit311, die es zwar mühsam zu erlernen galt, gleichwohl war die Begeisterung für die neue Erfin­ dung ungebrochen312: Wissenschaftliche Institute entsprachen dem Gesellschafts­ drang nach Unterweisung313 der neuen Photographie-Kunst, der Umgang mit der Kamera wurde immer mehr zur großen Mode und die Arbeit des Kameramanns314 zum Geschäft.315 Dementsprechend war es auch nicht das Fotomotiv, sondern der schöpferische Umgang mit der Kamera selbst, welcher im Mittelpunkt des gesell­ schaftlichen und wissenschaftlichen Interesses stand und sich in den Folgejahren als erster Anknüpfungspunkt für eine Rechtsposition in Bezug auf Personenfotografien hervortat. b) Entwicklung der Portraitfotografie in Deutschland Den Weg zur Portraitfotografie ebnete in Deutschland Petzval, der ein besonders lichtstarkes Objektiv entwickelte, welches ab 1841 seriell hergestellt wurde.316 Insbe­ sondere bei den wohlhabenderen Schichten, die sich bis dahin sog. Silhouettenbilder hatten anfertigen lassen, bestand eine hohe Nachfrage.317 Darüber hinaus stellte sich die Portraitfotografie schnell als lukrative Verdienstmöglichkeit heraus, denn die

308 

Ricke, S.  16. Mulligan/Wooters, S.  42; Gernsheim, S.  89. 310  Als erste Personenfotografie gilt Daguerres Abbildung aus dem Jahr 1938: Diese zeigt einen Mann, der sich auf dem verkehrsleeren Pariser Boulevard die Schuhe putzen lässt und dafür längere Zeit ruhig gestanden haben muss. Alle anderen Fahrzeuge und Passanten sind auf dem Bild nicht sichtbar, da ihre flüchtigen Erscheinungen von der reaktionsträgen Kollodiumplatte noch nicht auf­ gezeichnet werden konnten; vgl. hierzu Starl, S.  36; Gernsheim, S.  316; die ersten Motive waren deshalb hauptsächlich Landschafts- und Architekturaufnahmen; vgl. Stenger, Siegeszug, S.  11; Stammler, S.  426, geht davon aus, dass die Fotografie (erst) seit 1839 „auf das Herstellen von Por­ traits vom Menschen angewandt“ wurde. 311  Zum Nasskollodiumverfahren und dem späteren Trockenplattenverfahren vgl. Ricke, S.  14. 312  Herbort, S.  15, geht diesbezüglich davon aus, dass die Fotografie mehr von technisch versier­ ten Personen vorangetrieben wurde und somit zunächst eher dem Handwerk als der Kunst zugeord­ net wurde; vgl. hierzu auch Erdmann, in: FS Bornkamm 2014, S.  761 f. 313  Die erste deutsche fotografische Privatlehranstalt entstand 1855 in Jena; 1864 schuf man in Berlin den ersten Lehrstuhl für Fotografie; vgl. J. M. Eder, Band  II, S.  993 f. 314  Während in Preußen der Beruf des Fotografen um 1845 als stehendes Gewerbe galt, zählte die Fotografie in anderen Ländern und Städten Deutschlands zum freien Gewerbe; vgl. hierzu ­­Ricke, S.  25 f. 315 Vgl. Gernsheim, S.  277. 316  Stenger, Siegeszug, S.  184; Hersteller war die Wiener Firma Voigtländer und Sohn. 317  Cordys, S.  5. 309 Vgl.

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Portraitierten waren bereit, hohe Preise zu zahlen.318 Zudem bestand aufgrund des unerprobten neuen Arbeitsfeldes kaum Konkurrenz für die angehenden Fotogra­ fen.319 So dauerte es nicht lange, bis die anfänglich reisenden Portraitfotografen Ate­ liers gründeten, die Malerateliers nachempfunden waren.320 Erstaunlicherweise wurde aber auch die Missbrauchsgefahr der neuen Technik verhältnismäßig früh erkannt, indem bereits 1845 vereinzelt gefordert wurde, dass die „Ehrverletzungen“, welche das genaue Abbilden einer Person gegen ihren Willen darstelle, durch ein „forsches Eingreifen der Rechtspolizei“ zu verhindern und mit strafrechtlichen Mit­ teln zu bekämpfen sei.321 Ab 1855 führte der sog. Visitenkartenboom322 zusätzlich zu einem kräftigen Auf­ schwung für das Fotografengewerbe323: Portraitaufnahmen im kleinen Format – ähnlich den späteren Passbildern – konnten wesentlich günstiger angeboten wer­ den324 und fanden somit auch bei weniger wohlhabenden Schichten reißenden Ab­ satz. Es wurde zur Mode, dass man bei Hausbesuchen sein eigenes Bild abgab.325 Dieser Trend wurde durch die Erfindung der fotografischen Retusche von Hanfstaengel im Jahr 1855 befeuert,326 da dieses Verfahren für eitle Kunden die Möglichkeit bot, das Motiv wunschgemäß nachzubearbeiten.327 Die Haupteinnahmequelle der Fotografen bestand neben Portraitaufträgen im Verkauf von Bildern, die Personen des öffentlichen Lebens zeigten, da es als besonderer Reiz galt, die Abbildung einer bekannten Persönlichkeit zu besitzen, zumal es noch keine Illustrierten gab.328

318 

Schiller, S.  32. Cordys, S.  5; Ricke, S.  17; Stenger, Siegeszug, S.  182. 320  Ricke, S.  17; Schiller, S.  34; Abbildung bei Stenger, Siegeszug, S.  224. Beispielsweise gab es in Berlin im Jahr 1850 fünfzehn Fotoateliers, zwei Jahre später waren es 33; im Jahr 1853 hatte sich die Zahl auf 46 erhöht und 1860 standen 94 Ateliers im Dienste der Photographie; vgl. Baier, S.  484; Stenger, Siegeszug, S.  184, geht 1861 nur ein Jahr später von 382 und Ricke, S.  21, im Jahr 1874 von 217 Fotografenateliers aufgrund von „Übersättigung“ aus. 321 So Bächli, S.  10, unter Verweisen auf Liatowitsch, S.  70, und den Tübinger Polizeirechtswis­ senschaftler Robert von Mohl, der allerdings erstmals 1866 von „Verhöhnungen von Privatpersonen durch öffentliche Ausstellungen von Zerrbildern oder plastischen Darstellungen“ spricht; siehe hier­ zu insbesondere von Mohl, S.  278: „Niemand kann verlangen, daß er immer ernsthaft beurtheilt werde, und wenn seine Erscheinung oder eine seiner Handlungen eine lächerliche Seite hat, so muß er sich die einseitige Hervorhebung derselben gefallen lassen“. 322  Vgl. hierzu Ricke, S.  19 ff.; Schiller, S.  49, spricht von „Visitenkartomanie“. 323  Cordys, S.  8, geht davon aus, dass es um 1963 kaum mehr eine Stadt mit 5000 Einwohnern gab, die nicht ihren „eigenen“ Fotografen besaß. 324  Gi. Freund, S.  67 f.; wegen der langen Belichtungszeiten musste der Portraitierte seinen Kopf hierfür an eine spezielle Kopfhalterung lehnen; vgl. die Abbildung einer sog. Posevorrichtung bei Gi. Freund, S.  79. 325 Vgl. Schiller, S.  47. 326  Die Photographische Gesellschaft in Berlin teilte beispielsweise im Mai 1863 mit, dass sie in den 9 Monaten ihres Bestehens 10.000 Aufnahmen im Visitenkartenformat erstellt habe; so ­Stenger, Siegeszug, S.  185. 327 Vgl. Haberkorn, S.  143. 328 Vgl. Gi. Freund, S.  69. 319 

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c) Massen- und Amateurfotografie in Deutschland Schließlich war es das im Jahr 1871 von Richard L. Maddox erfundene, 1874 von Richard Kennet weiterentwickelte und schließlich 1878 von Charles Harper Bennet perfektionierte Bromsilber-Gelatine-Verfahren, welches Momentfotografien mit Be­ lichtungszeiten von 0,25 Sekunden möglich machte.329 Zum ersten Mal konnte mit einem Apparat aus der freien Hand ohne Stativ gearbeitet werden. Zwischen 1880 und 1890 kamen zahlreiche tragbare Apparate auf den Markt, bei denen besonders die kleinen, versteckten oder getarnten Varianten erfolgreich waren, da mit ihnen heimlich fotografiert werden konnte.330 Im Jahr 1899 erschien die einfach zu bedie­ nende Kodak331 als Gerät „für die Massen“, was schließlich den Weg zur erschwing­ lichen Massen- und Amateurfotografie ebnete.332 Zwar waren Schnappschüsse nur unter freiem Himmel möglich, Vergrößerungsmöglichkeiten bestanden kaum und die Mindestentfernung für eine Einstellung war faktisch noch zu weit. Trotzdem begannen Millionen Menschen auf der ganzen Welt mit spontanen Aufnahmen ihrer Freizeitaktivitäten, ihrer Familien und ihrer gewohnten Umgebung.333 d) Fotomechanische Druckverfahren Die bislang für hohe Produktionsauflagen genutzten Holzschnitt-, Kupferstich, und Stahlstichverfahren,334 wurden Mitte des 19.  Jahrhunderts ebenfalls aufgrund der Fotografie deutlich verbessert: Der 1869 erfundene Lichtdruck machte als erstes ­fotomechanisches Illustrationsdruckverfahren die mühsame manuelle Umsetzung einer Bildvorlage mittels einer Druckform entbehrlich.335 1879 gelang es Klitsch, die sog. Heliogravürentechnik336 zu verbessern, sodass Bilder mit gesamten Farbton­ umfang echter Fotografien und damit wesentlich höherer Abbildungsgenauigkeit als bisher praktikabel gedruckt werden konnten.337 Bereits 1890 konnte dieses Verfah­ 329  Frizot, S.  243; Gautrant, S.  233; Gernsheim, S.  320; zudem wurde 1973 von Hermann ­Wilhelm Vogel die orthochromatische Schicht entdeckt, die für Farbtöne sensibilisiert war und den Vorläufer für die panchromatische Schicht bildete, welche fast das ganze Farbspektrum im Schwarz-Weiß-Ver­ fahren farbtongetreu darstellen konnte; vgl. Stenger, S.  4. 330  Gautrant, S.  236, liefert eine Übersicht über verschiedenste Modelle; tatsächlich war die Bildqualität dieser Apparate aber sehr schlecht. 331  Die Eastman Company (ab 1892 Eastman Kodak) wandte sich mit ihren Produkten an alle Schichten, denn sie verkaufte auch teurere Geräte; vgl. den Textkasten von Frizot mit dem Kodak Werbeplakat in: Gautrant, S.  238. 332  Vgl. hierzu G. Eastman in The Kodak Primer, zitiert nach Gautrant, S.  239: „Ob Mann, Frau oder Kind, jeder der in der Lage ist, einen Kasten in Richtung auf ein Objekt zu halten und auf einen Knopf zu drücken, hat nun ein Gerät zur Verfügung, für dessen Bedienung er keine besonderen Kenntnisse mehr braucht, geschweige denn spezielles Wissen“. 333  Gautrant, S.  239. 334 Vgl. Heidtmann, S.  28 ff. 335  Gerhardt, Teil  I, S.  150; Ricke, S.  33. 336  Dieses Tiefdruckverfahren ging ursprünglich noch auf Niépce selbst zurück; vgl. ­Heidtmann, S.  701. 337 Vgl. Ricke, S.  32.

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ren in Schnellpressen angewendet werden338 und legte somit neben der 1882 erfunde­ nen, in der Produktion kostengünstigen Autotypie339 den Grundstein für illustrierte Reiseliteratur. In Büchern fand man seither kaum noch Originalfotografien.340 Aus dieser Entwicklung ging schließlich auch der Bildjournalismus hervor, da ins­ besondere die neuen Anfertigungs- und Reproduktionsverfahren den Weg zu einer mobilen Berichterstattung ebneten. Diese war zwar anfänglich noch längeren Be­ lichtungszeiten unterworfen, allerdings setzte sie sich insbesondere aufgrund ihrer stärkeren Authentizität und emotionalisierenden Publikumswirkung gegenüber den motivisch eingeschränkten Darstellungen von Pressezeichnern sehr schnell durch.341 4. Erste Normierungsbemühungen zum Schutz des Abgebildeten in Deutschland Wie bereits skizziert, vollzog sich eine Neuorientierung der gesellschaftlichen Wahr­ nehmung weg von der abgebildeten Person und hin zum schöpfenden Künstler342 als Folge des reformatorischen Bildersturms. Vergegenwärtigt man sich diesen Wandel nochmal vor dem Hintergrund der revolutionären Erfindung der Fotografie, deren Gelingen ebenfalls von einem neuartigen, aufwändigen Schaffensprozess des Foto­ grafen abhing, kann kaum mehr verwundern, dass sich alle Normierungsversuche des Bildrechts ab der zweiten Hälfte des 19.  Jahrhunderts vollkommen am Schöpfer der Abbildung und somit dem Urheberrecht orientierten. Dementsprechend wurde zuerst die Frage des Rechtsschutzes wegen unbefugten Nachbildens durch eine Lichtbildaufnahme völlig unabhängig vom Abbildungsinhalt diskutiert, bevor vage Erwägungen für eine schutzwürdige Rechtsposition der abgebildeten Person ange­ stellt wurden.343

338 

Heidtmann, S.  35 f. Vgl. auch die Zeitachse bei Heidtmann, S.  32. 340  Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs erschien in Deutschland eine beachtliche Anzahl von Publikationen mit Originalfotografien. Diese wurden als Buchschmuck in Bücher eingeklebt oder als albumartige Bildbände und Mappenwerke aus Fotografien zusammengestellt; Heidtmann, S.  62; Stenger, Siegeszug, S.  229; zwischen 1846 und einschließlich 1880 erschienen 104 mit Foto­ grafien illustrierte Bücher; vgl. Ricke, S.  32. 341 Vgl. Kraenz, S.  84, hinsichtlich der Hervorbringung öffentlicher Personen durch die Sensa­ tionspresse. 342  Vgl. hierzu auch Bogen, S.  55. 343  Da in der Frühzeit der Fotografie primär die Reproduktion von Kunstwerken durch Fotogra­ fieren beliebt war, stellte sich zunächst die Frage, ob dies eine durch die zersplitterten Nachdruck­ gesetze untersagte Werknutzungsart war. Erst als es mit dem technischen Fortschritt üblich wurde, Fotografien selbst zu reproduzieren, beschäftigte die Gerichte die Frage, ob die Fotografie selbst eine zu schützende Werkart i. S. der Nachdruckgesetze war; vgl. hierzu ausführlich Ricke, S.  35 ff.; besonders emotional wurde zwischen „Künstlern“ und Fotografen über die Frage gestritten, ob die Fotografie als „Erzeugnis der Kunst“ Nachbildungsschutz genießen kann. Erstaunlicherweise be­ gründete die bejahende Ansicht ihre Sichtweise mit der „Kunstwürde der Photographie“ und stellte hierzu maßgeblich auf das Wesen eines Personenportraits ab, welches das Wesen und den Charakter des Individuums am besten bezeichne. Sie machte sich somit Gesichtspunkte zu eigen, die in der Sphäre des Abgebildeten begründet liegen; vgl. hierzu Reulbach, S.  9 f. 339 

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a) Gesetzesentwurf des Börsenvereins deutscher Buchhändler 1857 In den fünfziger Jahren des 19.  Jahrhunderts richteten Vertreter von Wissenschaftsund Kunstverlagen sowie des Vereins deutscher Musikalienhändler eine Denkschrift an das königliche sächsische Ministerium des Innern, mit der sie die Schaffung ein­ heitlicher Grundsätze hinsichtlich der Frage bewirken wollten, ob und gegebenen­ falls wann eine Nachbildung – insbesondere durch die neuartige Fotografie – stattfin­ den darf.344 Da zu dieser Zeit etwa 30 nebeneinander bestehende Nachdruckgesetze im Deutschen Bund existierten345 und die Klärung der Frage somit durchaus auch dem Interesse Sachsens als Verlags- und Messestandort entsprach, wurde der Bör­ senverein deutscher Buchhändler ersucht, einen entsprechenden Gesetzesentwurf auszuarbeiten.346 Dieser Ende 1857 von Hinschius, Reimer und Veit ausgefertigte Entwurf eines Gesetzes zum Schutze des Urheberrechts erwähnte zwar erstmalig ausdrücklich die Fotografie, allerdings lag dem Entwurf offensichtlich die Prämisse zugrunde, dass die abgebildete Person stets mit der Person des Eigentümers des Bil­ des übereinstimmen muss. Denn nach dem Wortlaut der Entwurfsbegründung be­ dürfe es keiner weiteren Ausführung, „daß die ohne Zustimmung des Eigentümers geschehene Nachbildung und Vervielfältigung von Bildnissen von Seiten des Künst­ lers die innersten und zartesten Beziehungen des Individuums verletzen würde“347. Deshalb sollte auch lediglich dem Eigentümer das Verbietungsrecht gegen Nachbil­ dungen zustehen.348 b) Petitionen der Berufsfotografen zum Schutz vor Nachbildung in den 1860er Jahren Mit der rasanten Verbreitung der Fotografie wurde auch das Bedürfnis nach recht­ lichen Nachbildungsschutz für Fotografien auf Seiten der berufsausübenden Foto­ grafen schnell laut, da die freie Nachbildung den materiellen Ertrag zu schädigen drohte und die Unternehmungslust von Fotografen und Kunsthandel schmälerte.349 Deshalb richteten Berufsfotografen schon sehr bald Petitionen an das preußische Ab­ geordnetenhaus, um die Gesetzgebung dazu zu bewegen, sich aktiv gegen die freie Nachbildung von Fotografien auszusprechen.350 Die maßgebliche Argumentation der 344 

Ricke, S.  49. Zwar waren diese bei der Beantwortung zentraler Fragen inhaltlich weitgehend identisch, da ihnen die Umsetzung der Bundesbeschlüsse v. 09.11.1837 und v. 19.06.1845 zugrunde lag. Da aber die weitere Entwicklung der Rechtsausübung der Gesetzgebung der einzelnen Staaten oblag, ent­ stand ein „bunter Rechtszustand“ mit teilweise diametral entgegengesetzten Bestimmungen; siehe hierzu Dambach, S.  2; Ricke, S.  9. 346  Ricke, S.  52. 347  S.  33 der Begründung, zitiert nach Bewier, S.  6; Dumont, S.  5; Landwehr, S.  27; Osterrieth, GRUR 1902, S.  46; vgl. ferner Bartnik, S.  13; Osiander, S.  13. 348  §  46 V: „Bei Bildnissen steht dem jeweiligen Eigentümer das Verbietungsrecht gegen Nach­ bildungen in jedem Falle zu“. 349 Vgl. Ricke, S.  53. 350  Ricke verweist auf S.  53 auf die beiden Petitionen der Fotografen Lehmann & Co. aus Berlin 345 

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Petenten beruhte zum einen auf den Standpunkt, dass es sich bei Fotografien um zu schützende Kunstwerke handele, zum anderen wurden die vermögensrechtlichen Nachteile für Fotografen durch günstige Nachbildungen Dritter vorgebracht. Obwohl also die Interessen der Fotografen als Urheber im Mittelpunkt standen, wurde erst­ mals auch die Rechtsposition des Portraitierten ins Feld geführt, wenn auch letztlich um dem eigenen Begehren besonderen Ausdruck zu verleihen: Der Nachdruck ge­ fährde nicht nur das Recht der Fotografen, sondern auch das des Abgebildeten, der nicht wolle, dass jedermann sein Konterfei aufhängen könne.351 c) Das bayrische Urhebergesetz vom 28. Juni 1865 – G 1865 Neben Preußen, Sachsen und Weimar hatte insbesondere Bayern als einer der bedeu­ tendsten Verlagsstandorte angesichts seines großen Anteils am deutschen Buchhan­ del reges Interesse an der Regelung des Nachdrucks.352 §  35 des „Gesetz[es] zum Schutze der Urheberrechte an literarischen Erzeugnissen und der Kunst“ (G 1865) vom 28. Juni 1865 bestimmte, dass bei Portraits das Recht der Vervielfältigung auf den Besteller übergehe. Ob man hinsichtlich des Schutzes des Abgebildeten von ­einem Fortschritt im Verhältnis zum Börsenvereinsentwurf sprechen kann,353 er­ scheint zumindest fragwürdig. Denn der G 1865 ging davon aus, dass zwar nicht der Eigentümer, sondern – mag dies auch angesichts der äußeren Umstände oftmals der Fall gewesen sein – der Besteller und die abgebildete Person stets identisch waren.354 d) Erste Erwägungen zur schutzwürdigen Position des Abgebildeten – NBE I (1868) Die ersten gesetzgeberischen Überlegungen zu einer – bereits durch das Strafrecht  – schützenswerten Rechtsposition der abgebildeten Person müssen im Rahmen der Erstellung des vom Bundeskanzleramt für den Norddeutschen Bund ausgearbeiteten Gesetzesentwurfs355 im Jahre 1868 stattgefunden haben.356 Dessen §  46 bestimmte hinsichtlich Personenabbildungen: „Nachbildungen von Portraits, welche ohne Ge­ vom 13.01.1862 und am 28.05.1862; die vollständige Auflistung aller Petitionen findet sich auf S.  177–201. 351  1. Bericht der Petitionskommission des Hauses der Abgeordneten (7. Legislaturperiode, 1.  Session 1862), GStA PK, U, HA Reo. 84a Justizministerium, Nr.  2377, Bl. 374 (D). 352  Vgl. 48. Sitzung v. 19.06.1865 der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages, Stenographische Berichte zu den Verhandlungen der Kammer der Abgeordneten des bayerischen Landtages 1863, Bd.  2, S.  395 f.; vgl. ferner Ricke, S.  75; in ungenauer Weise werden vereinzelt im Gesetz von 1865 die ersten rechtlichen Niederschläge des Rechts am eigenen Bild gesehen; vgl. Mesic, S.  15; Temuulen, S.  29. 353 Vgl. Landwehr, S.  27; E. Schuster, S.  8. 354 Vgl. Allfeld, S.  14; Hengst, S.  4. 355  Entwurf eines „Gesetzes für den Norddeutschen Bund betreffend das Urheberrecht an Wer­ ken der Literatur und der Kunst, an geographisch, naturwissenschaftlichen, architektonischen und ähnlichen Abbildungen sowie an photographischen Aufnahmen nach der Natur“ – kurz NBE I. 356  Vgl. Drs. zu den Verhandlungen des Bundesrathes des Norddeutschen Bundes, Session 1868, Drucks. Nr.  89.

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nehmigung der portraitierten Person oder ihrer Erben, wenn diese eheliche Kinder, Eltern oder Geschwister sind, gestellt sind, gelten als verbotene Nachbildung, selbst dann, wenn sie vom Urheber oder dessen Rechtsnachfolger unternommen sind“. Der Schwerpunkt lag zwar primär auf der Erwägung, dass das Urheberrecht an Fotopor­ traits wie an jedem anderen Werk bestehe, „dass es aber [auch] das feinere Gefühl verletze, wenn es dem Urheber frei überlassen bleibe, Nachbildungen des Werkes zu verbreiten und abzusetzen ohne die Einwilligung derjenigen Person, welche auf die­ se Weise der allgemeinen Kenntnis des Publikums sich preisgegeben sieht“.357 Über­ dies wurde explizit erkannt, dass die ratio legis der früheren Entwürfe nicht diejeni­ gen Fälle berücksichtigte, in denen Eigentümer oder Besteller und Abgebildeter von­ einander abweichen.358 Deshalb wurde erstmals für die Genehmigung einer Portraitnachbildung an die abgebildete Person selbst angeknüpft und ihr sogar mit §  46 II eine selbstständige Option der Straf- und Entschädigungsklage gegen den Nachbildenden eingeräumt.359 Allerdings wurde die Bestimmung zum Schutz des Portraitierten nach der Begutachtung von Sachverständigen360 noch vor der Einbrin­ gung in den Reichstag wieder entfernt.361 357 

Vgl. hierzu die Entwurfsbegründung, S.  57, zitiert nach Dumont, S.  6. Vgl. die Entwurfsbegründung, S.  58, zitiert nach Dumont, S.  6. 359 Vgl. Dumont, S.  6; die Norm findet sich auch als Randnote der „Protokolle über die am 11.01.1869–15.01.1869 stattgehabten Verhandlungen des von dem Vorstande des Börsenvereins der deutschen Buchhändler nach Leipzig einberufenen Ausschusses zur Beratung des vom Bundes­ kanzler-Amte vorgelegten Entwurfs“ auf S.  31: „Die portraitierte Person hat gegen den Unterneh­ mer der Nachbildung eine selbstständige Klage auf Strafe und Entschädigung nach Maßgabe der Bestimmungen der §§  24 bis 30 und §  53“. Die Geldbuße belief sich gem. §  24 des NBE I auf „fünf­ zig bis tausend Vereinsthaler“ oder im Unvermögensfalle auf eine entsprechende Freiheitsstrafe. 360  Zu diesen gehörten auch Vertreter des bereits erwähnten Börsenvereins, welche sich jeden­ falls für den Erhalt des Abgebildetenschutzes ausgesprochen hatten. Bewier, S.  6, Osiander, S.  14, und wohl auch Bächli, S.  11, gehen ohne zusätzliche Nachweise davon aus, dass der Börsenverein einen weiteren, eigenen Entwurf im Jahre 1869 eingebracht habe; dem ging dann aber in jedem Fall der Entwurf des Bundeskanzleramts des Norddeutschen Bundes voraus, sodass dieser Entwurf – wie vereinzelt angenommen – kein Novum zur bisherigen Rechtslage darstellte. Landwehr, S.  27, vermutet offensichtlich ebenfalls einen weiteren eigenständigen Entwurf – allerdings ohne Angabe des Initiators – im Jahre 1870. Bewier votiert hingegen auf S.  11 unter Nennung der entsprechenden Passage für die Existenz eines Antrags an die Reichstagskommission aus dem Jahr 1970: „Bei Por­ träts darf der Urheber nicht ohne Genehmigung des Bestellers oder, wenn dieser mit der porträtier­ ten Person nicht ein und dieselbe Person ist, nicht ohne Genehmigung des Porträtierten von dem ihm als Urheber zustehenden Vervielfältigungsrecht Gebrauch machen“. Allerdings nennt auch Bewier nicht den Antragsteller, sodass nur gemutmaßt werden kann, dass wohl der Börsenverein nach der Ausgliederung des Fotografienschutzes aus dem NBE I um 69/70 die entsprechende Pas­ sage eingebracht hat. In jedem Fall wurde auch diese Passage nicht angenommen. 361  Bächli, S.  11; Landwehr, S.  27, Fn.  4, und Osiander, S.  14, verweisen zur Begründung der Streichung des frühen Abgebildetenschutzes auf Bewier, S.  11, der – unglücklicherweise mit fehler­ hafter Quellenangabe der Bundesdrucksache – ausführt, dass der Antrag „mit Rücksicht auf die politischen, wissenschaftlichen, militärischen usw. Größen der Nation, die jeder illustrierten Zei­ tung erst die Genehmigung für die Benutzung ihres Porträts erteilen müssten“, abgelehnt wurde. Sollte dieser Hintergrund inhaltlich zutreffen, waren also pragmatische Gründe, nämlich die Unzu­ länglichkeiten der Medien bei Einführung eines nicht näher differenzierten Bildnisschutzes hin­ sichtlich Personen der Zeitgeschichte angesprochen. 358 

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e) Urheberrechtsgesetze v. 9. und 10. Januar 1876 Die ersten reichseinheitlichen Regelungen362 wurden mit dem „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste“ vom 9. Januar 1876 und dem „Gesetz betreffend den Schutz von Photographien gegen unbefugte Nachbildung“ vom 10.  Ja­ nuar 1876 geschaffen.363 Dieser Zweiteilung der Urheberrechtsgesetze lag die Ab­ spaltung des Fotografieschutzes von den bislang bekannten Werkarten in einem ge­ sonderten Gesetz zugrunde, was nicht zuletzt die einhergehende Unsicherheit bzgl. der Einordnung der neuen Abbildungstechnik der Fotografie eindrucksvoll demons­ triert.364 Die vorangegangenen Verhandlungen zum Urheberrecht für den Norddeut­ schen Bund – insbesondere die skizzierten Erwägungen zum NBE I – zeigen, dass dem Gesetzgeber die Unzulänglichkeiten hinsichtlich einer Konzeption, welche den Besteller stets mit dem Portraitierten gleichsetzt, durchaus bekannt waren.365 Trotz­ dem setzte sich die Ansicht, welche bereits dem bayerischen Gesetz aus dem Jahre 1868 zugrunde lag366 und folglich auch dessen Schwächen teilte,367 durch: Der Be­ steller werde in der Regel die portraitierte Person selbst oder doch ein naher Angehö­ riger sein.368 Deshalb müsse der Besteller allein ein unbedingtes Verfügungsrecht über sein eigenes Abbild oder das Abbild eines Verwandten haben.369 Bemerkens­ wert erscheint schließlich, dass der Gesetzgeber in §  7 des Photographieschutzgeset­ zes eine Legaldefinition für den Begriff des „photografische[n] Bildnisse[s]“ durch den unmittelbar folgenden – in Klammern gesetzten – Begriff des Portraits einfüh­ ren wollte.

362 

Mesic, S.  16. Osiander, S.  14. 364  Zur Ausgliederung des Fotografienschutzes im Einzelnen Ricke, S.  92. 365  In den Motiven zum Entwurf von 1868 war noch deutlich ausgesprochen, dass sich die Erwä­ gung, die Einwilligung des Bestellers zur Bedingung für das Unternehmen einer Nachbildung zu machen, durch nichts rechtfertige; zitiert nach Dumont, S.  6, welcher darüber hinaus auf S.  7 aus­ führt, dass in den Verhandlungen der Reichstagskommission aus derselben Erwägung folgende Fassung beantragt wurde: „Das Nachbildungsrecht darf bei Porträts usw. nicht ohne Einwilligung des Bestellers oder, wenn dieser nicht die porträtierte Person selbst ist, nicht ohne Einwilligung der letzteren ausgeübt werden“. 366  Hengst, S.  4. 367  Bächli, S.  11, spricht insofern von einem Rückschritt. 368  So auch die Gesetzesbegründung, 1875, Nr.  76, S.  7, 16; zitiert nach Hengst, S.  5. 369  Bächli, S.  11; Bartnik, S.  13; Dumont, S.  7; Temuulen, S.  29; dementsprechend beinhaltete §  8 des Gesetzes vom 9. Januar 1876 betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste fol­ gende Fassung: „Bei Porträts und Porträtbüsten geht das Nachbildungsrecht von selbst auf den Be­ steller über“; §  7 S.  2 des Gesetzes vom 10. Januar 1876 betreffend den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung hatte entsprechend folgende Fassung: „Bei photographischen Bild­ nissen (Portraits) geht das Nachbildungsrecht von selbst auf den Besteller über“; vgl. ferner Steno­ graphische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 1875/76, Bd.  III, Anlagen Nr.  24, S.  75: „[B]ei bestellten Porträts [hat] der Besteller ein unzweifelhaftes Recht und ein persön­ liches Interesse daran […], dass sein Bildnis nicht ohne oder sogar gegen seinen Willen an die Öf­ fentlichkeit gelange“; zitiert nach Hengst, S.  4, und Rietschel, AcP 94 (1903), S.  149. 363 

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Strafrechtlich flankiert wurde dieses Verfügungsrecht des Bestellers über §  9 des Photographieschutzgesetzes, welcher unter anderem auf §§  18–25 des Gesetzes vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken etc. verwies.370 5. Frühe Triebe des Eigenbildschutzes in der Rechtswissenschaft Somit waren es die urheberrechtlichen Aspekte, welche die Frühphase der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer fotografischen Nachbildung dominierten. Gleichwohl war es aufgrund des offensichtlichen Bezugspunkts der Personenfotografie nur eine Frage der Zeit, bis die Rechtmäßigkeit einer Nachbildung anhand der Schutzwürdig­ keit des abgebildeten Individuums nach und nach in der Rechtswissenschaft de lege lata vorsichtig hinterfragt wurde. Da diese frühen Ansätze maßgeblich ergebnis­ orientierter Natur waren und dementsprechend nicht hinreichend begründet wurden, sollen diese nur überblicksartig genannt werden. Die ersten „tastenden Versuche“371 gehen wohl auf Klostermann zurück, der in seiner Abhandlung zum Urheberrecht bereits 1876 bei Gelegenheit ausführt, dass eine unzweifelhafte Befugnis der abgebildeten Person gegenüber dem Besteller und dem Fotografen bestünde, die Veröffentlichung der Abbildung, die ohne ihr Wissen entstand, zu untersagen.372 Die nähere Begründung für diese Befugnis im Sinne ei­ 370 

Vgl. hierzu auszugsweise: §  18: Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Nachdruck (§§. 4. ff.) in der Absicht, ­denselben innerhalb oder außerhalb des Norddeutschen Bundes zu verbreiten, veranstaltet, ist den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit einer Geldstrafe bis zu Eintausend Thalern bestraft. Die Bestrafung des Nachdrucks bleibt jedoch ausgeschlossen, wenn der Veranstalter desselben auf Grund entschuldbaren, thatsächlichen oder rechtlichen Irr­ thums in gutem Glauben gehandelt hat […]. §  20: Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit einen Anderen zur Veranstaltung eines Nachdrucks veranlaßt, hat die im §. 18. festgesetzte Strafe verwirkt, und ist den Urheber oder dessen Rechts­ nachfolger nach Maaßgabe der §§. 18. und 19. zu entschädigen verpflichtet, und zwar selbst dann, wenn der Veranstalter des Nachdrucks nach §. 18. nicht strafbar oder ersatzverbindlich sein sollte. Wenn der Veranstalter des Nachdrucks ebenfalls vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit gehandelt hat, so haften Beide dem Berechtigten solidarisch […]. §  22: Das Vergehen des Nachdrucks ist vollendet, sobald ein Nachdrucks-Exemplar eines Werkes den Vorschriften des gegenwärtigen Gesetzes zuwider, sei es im Gebiete des Norddeutschen Bun­ des, sei es außerhalb desselben, hergestellt worden ist. Im Falle des bloßen Versuchs des Nach­ drucks tritt weder eine Bestrafung noch eine Entschädigungsverbindlichkeit des Nachdruckers ein. Die Einziehung der Nachdrucksvorrichtungen (§. 21.) erfolgt auch in diesem Falle. §  25: Wer vorsätzlich Exemplare eines Werkes, welche den Vorschriften des gegenwärtigen Ge­ setzes zuwider angefertigt worden sind, innerhalb oder außerhalb des Norddeutschen Bundes ge­ werbemäßig feilhält, verkauft oder in sonstiger Weise verbreitet, ist nach Maaßgabe des von ihm verursachten Schadens den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit Geldstrafe nach §. 18. bestraft […]. 371  von Scanzoni, S.  45. 372  Klostermann, S.  134: „Wird ein Porträt von einer Person ohne deren Vorwissen genommen, so ist dieselbe unzweifelhaft befugt, die Vervielfältigung und Veröffentlichung desselben dem Zeichner oder […] dem Besteller als einen Eingriff in die persönliche Rechtssphäre zu untersagen. Eine beson­ dere gesetzliche Bestimmung ist hierzu nicht erforderlich. Ebenso wenig ist die Klage dadurch bedingt, daß die Veröffentlichung eine Injurie im engeren Sinne, also eine Ehrenkränkung enthält. […] Bei nicht

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ner Rechtsgrundlage kann zwar nur vage im Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten vermutet werden, wenn Klostermann vom Eingriff in die „persönliche Rechtssphäre“ spricht, die nicht zwangsläufig eine Beleidigung darstellen müsse. Gleichwohl muss die Fortschrittlichkeit dieser Unterscheidung zu ihrer Zeit betont werden, zumal die­ se angesichts der überwiegenden373 Versuchung in Wissenschaft und Praxis, die Pro­ blematik der ungewollten Veröffentlichung einer Personenabbildung vollständig dem Ehrschutz zuzuweisen, wie ein Fremdkörper gewirkt haben muss. Besonders deut­ lich wird dies schon beim flüchtigen Blick auf den wissenschaftlichen Diskurs dieser Zeit im europäischen Umfeld374, wo allen voran der – ebenfalls in Deutschland rezi­ pierte375 – italienische Jurist Moise Amar im Jahr 1874 für ein Eigentumsrecht an der Abbildung des eigenen Körpers eintritt.376 Dermaßen drastisch möchte etwa ­Rudolph von Jhering in seiner Abhandlung zum Schutz gegen „injuriöse Rechtsverletzun­ gen“, welche im selben Jahr wie die Abhandlung Klostermanns erschienen ist, den Schutz des Abgebildeten vor ungewollten Veröffentlichungen seiner Abbildung zwar nicht begründen.377 Gleichwohl zeichnet von Jherings Begründungsansatz über das geistige Eigentum des Abgebildeten eindrucksvoll das dogmatische Problem vor, mit welchem die Lehre und Praxis bei der Begründung eines neuen Rechtsinstituts zum Schutz der abgebildeten Person in den Folgejahren zu kämpfen hatten.378 bestellten Bildnissen hat der Photograph das Vervielfältigungsrecht, die Veröffentlichung ist jedoch hier von der ausdrücklichen oder stillschweigenden Genehmigung des Portraitierten abhängig“. 373  Beispielsweise deutet von Gierke auf S.  779 im Sinne Klostermanns erst neun Jahre später allenfalls an, dass das Recht des „eigenen Bildes“ als besonderes Persönlichkeitsrecht auszumachen sei: „Der Grund der Ausnahme, daß bei Porträts und Porträtbüßten das Nachbildungsrecht unmit­ telbar kraft gesetzlicher Vorschrift auf den Besteller übergeht, liegt in dem Vorrange, der hier dem Persönlichkeitsrechte an dem Abbilde der eigenen Gestalt vor dem Urheberrecht eingeräumt wird“; vgl. hierzu von Scanzoni, S.  46. 374  Zunächst entwickelte sich in Frankreich im Wege des Gewohnheitsrechts der Rechtssatz, dass eine „Bildnisentnahme“ – im Ergebnis also die Aufnahme – gegen den Willen des Abgebilde­ ten unberechtigt sei; vgl. hierzu etwa Letzel, S.  4. Die französische Judikatur sprach seit 1853 dem Portraitierten und seinen Erben fortwährend ein Verbietungsrecht hinsichtlich der öffentlichen Preisgabe des Bildes zu, sofern keine Einwilligung des Portraitierten vorlag; vgl. Cohn, S.  40, Anm.  2 m. w. N. Dieses Verbietungsrecht begründete die französische Rechtsprechung mit dem Per­ sönlichkeitsrecht des Portraitierten; vgl. Olshausen, Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts 1902, S.  495; ferner hierzu und zum weiteren europäischen Umfeld E. Schuster, S.  45 ff. 375  Steinhauber, S.  33. 376  Amar, S.  366, folgerte diesen Umstand aus dem Eigentumsrecht am eigenen Körper: „Sopra di sè l’uomo ha un dominio pieno, e così l’ha pure sulla propria immagine“. Als scharfer Kritiker dieser Begründung und des Persönlichkeitsrechts per se gilt Georg Lewinsohn, der mit dem Ver­ weis auf den Corpus Iuris Civilis – „Dominus membrorum suorum nemo videtur“ – im Jahr 1902 ausführt, niemand könne als Eigentümer seines eigenen Abbildes angesehen werden, wenn er schon nicht als Eigentümer des eigenen Körpers betrachtet werden könne, S.  16 mit dem Verweis auf D.9.2.13.pr (Ulpian); vgl. hierzu ausführlich Steinhauber, S.  33 ff., der diese Übersetzung explizit auf den Leichnam einer Person bezieht. 377 Nach von Jhering bestehe bei Verwendung des Negativs gegen den Willen des Abgebildeten eine Verletzung dessen geistigen Eigentums, welche als injuriöse Rechtsverletzung mit der actio iniuriarum verfolgt werden könne; vgl. von Jhering, S.  318; ferner Bächli, S.  12. 378 Neben Klostermann, von Gierke und von Jhering zählt von Scanzoni auf S.  46 noch Bähr,

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6. Resultierende Problemfälle der Rechtsprechung um die Jahrhundertwende Aufgrund der geltenden Rechtslage hatte das Reichsgericht in den Folgejahren diver­ se Fälle über den Eigenbildschutz zu beurteilen, bei denen die abgebildete Person und der Besteller nicht identisch waren, eine Bestellung schon nicht vorlag379 oder eine dritte Person ein Bildnis veröffentlichte380. Hierbei hielt sich das Gericht streng an die Bestimmung, dass eben nur dem Besteller Schutz zu gewähren sei und verge­ genwärtigte den bereits in der Normierungsphase angeklungenen Missstand381 schließlich mit großer Aufmerksamkeitswirkung in der Öffentlichkeit. Aufgrund de­ ren heute nach wie vor bestehenden hohen Bekanntheitsgrads und deren instruktiven Charakters sollen die eindrucksvollsten Fälle und die (damaligen) Lösungen deshalb nur kurz umrissen werden.382 a) Dame im Badekostüm – RG vom 29. November 1898 Eine junge Frau wurde heimlich in ihrem Badekostüm im Damenbade zu Cranz fo­ tografiert und das Bild auf Briefbeschwerern und anderen Gegenständen383 ange­ bracht und verbreitet.384 Die Fotografin und ihr Ehemann wurden vom Reichsgericht wegen Beleidigung gem. §  185 StGB in Mittäterschaft verurteilt.385 Die Verwirkli­ Schramm und Stolze zu den Personen, die eine Schutzposition des Abgebildeten zwar andachten, wissenschaftlich aber weitgehend unbegründet ließen. 379  Vgl. hierzu Rietschel, AcP 94 (1903), S.  149. 380 Vgl. Olshausen, Beiträge zur Erläuterung des deutschen Rechts 1902, S.  495. 381  Landwehr, S.  28; Osiander, S.  14; nach Mesic, S.  16, soll anscheinend zudem bemängelt wor­ den sein, „dass sich die Gesetze lediglich auf den Nachbildungsschutz beziehen und die Benutzung der Fotografie für gewerbliche Zwecke (Postkarten, Reklamebilder, Bucheinbände etc.) von dem Schutz ausgenommen war“. Dies leuchtet allerdings allenfalls vor dem Hintergrund ein, dass die sanktionierte Handlung nicht an eine Veröffentlichungs-, sondern eine Reproduktionshandlung an­ knüpfte. 382  Dass hinsichtlich der Problematik weit verbreiteter Klärungsbedarf bestand, zeigt nicht zu­ letzt eindrücklich der Fall, den die „bayrischen Rechtskandidaten im Staatskonkurse 1905–1906 als Aufgabe aus dem bürgerlichen Rechte“ zu bearbeiten hatten, vollständig abgedruckt bei von Buch, S.  66 ff.: Eine Minderjährige gestattete mit der Erlaubnis ihrer Eltern einem Fotografen, sie zu foto­ grafieren. Dieser stellte die Fotografie in seinem Auslagefenster aus. Ein Bildhauer machte heimlich eine weitere Aufnahme der Fotografie und fertigte daraufhin eine nackte Marmorfigur einer jungen Frau an, die den Kopf der Minderjährigen mit deren individuellen Zügen aus der Fotografie aufwies. Diese Figur stellte der Bildhauer aus und übertrug einem Kunsthändler das Recht, Fotografien an­ zufertigen und zu verbreiten. Nachdem ein Bekannter der Familie mehrere Postkarten aufkaufte und an weitere Bekannte schickte, um der Familie zu schaden, war die Frage zu bearbeiten, ob ir­ gendwelche Ansprüche gegen den Bildhauer bestehen (stark verkürzt). 383  Dumont, S.  9; Temuulen, S.  33. 384  RG, Urteil vom 29.11.1898, Az. D 4098/98 VIII 8145, abgedruckt bei Kohler, S.  32 f.; vgl. hierzu auch Temuulen, S.  33; Eisele, JR 2005, S.  6; vermutlich auch Hengst, S.  5, mit anderer Jahres­ zahl. 385  Die Verurteilung stützt das Gericht auf die Annahme, „dass beide Eheleute nach einem ge­ meinschaftlichen Plan gehandelt und von vorneherein beabsichtigt haben, die von der Ehefrau zu bewirkende Aufnahme zu industriellen Zwecken zu verwerten, dass die Ehefrau in dieser Absicht die Aufnahme gemacht, der Ehemann aber sie in der angegebenen Weise zu seinen gewerblichen

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chung des Tatbestands im Sinne einer „vorsätzliche[n], die Ehre des Fräulein Sch. verletzende[n] rechtswidrige[n] Kundgebung an andere“ sieht das Gericht in dem „Ausstellen bezw. Feilhalten oder Verkaufen der inkriminierten Bilder, weil dadurch bei Dritten die Annahme hervorgerufen werde, die Dame habe sich freiwillig in ei­ nem so intimen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Kostüm, wie es ein Bade­ anzug sei, photographieren lassen und sei damit einverstanden gewesen, dass die davon gefertigten Abbildungen öffentlich ausgestellt und feilgeboten würden, was ein bedenkliches Licht auf das Scham- und Sittlichkeitsgefühl der Dame werfen und sie in der Achtung bei anderen schwer schädigen würde“386. b) Bismarck auf dem Totenbett – RGZ 45, 170 vom 28. Dezember 1899 Kurz nach dem Ableben des Reichskanzlers Otto von Bismarck hatten sich die bei­ den Hamburger Fotografen Wilcke und Priester387 am 31. Juli 1898 widerrechtlich Zutritt388 zu dessen Sterbezimmer in Friedrichsruh verschafft und vor Ort gegen vier Uhr morgens eine Bildaufnahme vom Leichnam Bismarcks hergestellt, um diese später zu verkaufen.389 Als die Kinder Bismarcks von dem Vorfall erfuhren390, er­ wirkte der Sohn Herbert zunächst am 5. August 1898 beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung, welche den beiden Fotografen die Verbreitung unter­ sagte.391 Anschließend erhoben die beiden Fotografen am 11. August 1898 gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch. Hierüber entschied das Landgericht Hamburg am 8. September 1898 und gelangte zur Annahme, dass ein Verbietungs­ recht der Kinder Bismarcks schon allein wegen der unerlaubten Aufnahme der Foto­ Zwecken verwertet und die fraglichen Gegenstände in seinem Laden ausgestellt und feilgehalten habe, wobei […] die Ehefrau mittätig gewesen sei“; zitiert nach Kohler, S.  32. 386  Urteilssausschnitt abgedruckt bei Kohler, S.  32. 387  Mesic, S.  17; Osiander, S.  15, Stammler, S.  425. 388  Hierzu bestochen sie den die Totenwache haltenden Reitknecht; vgl. Prinz/Peters, Rn.  786. 389  Vgl. hierzu Eisele, JR 2005, S.  6; Helle, S.  45; Hengst, S.  6; Kohler, GRUR 1900, S.  196 ff.; Stammler, S.  425 ff., nach Seifert, NJW 1999, S.  1889 soll ein Verleger ein Foto für 30.000 Reichs­ mark und 20  % des Umsatzes erworben haben. Die Bismarck-Entscheidung wird in der Literatur meistens als der Auslöser für die Normierung des Rechts am eigenen Bild im Jahre 1907 gewertet; vgl. nur BeckOK BGB/Bamberger, §  12 BGB, Rn.  106; Si. Beck, MMR 2008, S.  70; Czernik, GRUR 2012, S.  457; Eisenbarth, S.  7; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  7; Wandke/Bullinger/Fricke, §  22, Rn.  1; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  3; Gross, MDR 1987, S.  991; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  2; Hubmann, S.  261; Klein, S.  1; U. Müller, S.  9; Osiander, S.  15 Prinz/Peters, Rn.  786; Dreier/Schulze/Specht, §  22, Rn.  2; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  12; Tausch, S.  61; Temuulen, S.  21; hiervon scheint auch mittlerweile das BVerfG auszugehen; vgl. BVerfG, GRUR 2006, S.  1051; ferner zum Bismarck-Fall unter Zugrundelegung der heutigen Rechtslage Süß, Jura 2011, S.  610 ff. 390  Den Hinweis auf die Fotografie lieferte ein französischer Fotograf, der selbst zuvor verge­ bens versucht hatte, die Totenwache zu bestechen; Andenaes, UFITA 1960, S.  30. 391  Das LG Hamburg nimmt in seinem Urt. v. 08.09.1898 hierauf Bezug; abgedruckt bei Kohler, Autor- und industrierechtliche Abhandlungen und Gutachten, Heft 2, S.  61 ff., dort S.  6; vgl. auch Kohler, GRUR 1900, S.  197; insofern trifft die Aussage von Mesic, S.  17, die Veröffentlichung des Bildes hätte erst in letzter Instanz durch das Reichsgericht verhindert werden können, nicht zu; ebenfalls ungenau bzgl. Datum und erkennendem Gericht Seifert, NJW 1999, S.  1889.

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grafie bestünde. Geradezu spektakulär begründet das Gericht diese Annahme unter Zuhilfenahme des Namensrechtsgedankens nach dem bereits verabschiedeten aber noch nicht in Kraft getretenen §  12 BGB. Es führt aus, dass das Verbietungsrecht „dabei dem Zuge [folgt], der in der Theorie und der Rechtsprechung […] zu Gunsten eines ausgedehnten Schutzes des Rechts der Persönlichkeit – um diesen Ausdruck zu gebrauchen – zu energischem Durchbruch drängt“.392 Dieser – aus heutiger Perspek­ tive fortschrittlichen – Begründung widersprach hingegen das Oberlandesgericht Hamburg in seiner Berufungsentscheidung vom 21. November 1898 unter der An­ nahme, dass ein derartiges Recht allenfalls zu Lebzeiten des Betroffenen hätte ange­ nommen werden können393, wenngleich es den Angehörigen nach wie vor ein Ver­ bietungsrecht aufgrund des „Recht[s] auf Obhut und auf Abwehr der Einwirkung Dritter auf den Leichnam“394 zubilligte. Infolge der für sie erfolgreichen Urteile zur einstweiligen Verfügung hinsichtlich des Verbreitens und Vervielfältigen der hergestellten Aufnahmen klagten die Nach­ kommen Bismarcks erneut vor dem Landgericht Hamburg und forderten nun die Vernichtung der Negative, Platten und Plattenabzüge.395 Das Landgericht Hamburg entsprach diesem Begehren mit Urteil vom 20. Februar 1899 unter expliziter Annah­ 392  LG Hamburg, Urt. v. 08.09.1898, abgedruckt bei Kohler, Autor- und industrierechtliche Ab­ handlungen und Gutachten, Heft 2, S.  61 ff., insbesondere, S.  67 f.: „Nun enthält aber, wenigstens der Regel nach, die unbefugte Abbildung einer anderen Person nicht minder einen Eingriff in die Rech­ te der Persönlichkeit, als die unbefugte Führung ihres Namens. Wer ohne Erlaubniß einen Andern in der Absicht abbildet, das Bild in die Öffentlichkeit zu bringen, verletzt die Rechte der Persönlich­ keit dieses anderen jedenfalls dann, wenn der Andere ein Interesse daran hat, daß das Bild an die Öffentlichkeit nicht gelange. Aus diesem Grunde würde in solchem Falle auch schon die Anferti­ gung des Bildes rechtswidrig sein, selbst wenn dabei der Anfertigende in dem irrigen Glauben sich befunden hätte, daß die Anfertigung des Bildes und dessen demnächstige Verbreitung genehmigt worden sei, oder doch demnächst werde genehmigt werden“; ferner Kohler, GRUR 1900, S.  197 ff. 393  OLG Hamburg, Urt. v. 21.11.1898: „[…] es kann, abweichend von der Begründung des ange­ fochtenen Urtheils [des LG Hamburg] nicht angenommen werden, daß die Berufungsbeklagten nach dem geltenden Rechte in der Lage sind, Rechte nicht vermögensrechtlichen Inhalts, welche dem Verstorbenen bei seinen Lebzeiten nur persönlich und in Bezug auf seine eigene Persönlichkeit zugestanden haben würden, nach dem Eintritte des Todes überhaupt und insbesondere mit Bezug auf Verletzungen, welche sich erst nach Eintritt des Todes ereignet haben, geltend machen. Mit dem Tode endigt die rechtliche Persönlichkeit eines Verstorbenen und es ist deshalb auch ein Eingriff in die Rechte des Verstorbenen nach dem Hinscheiden desselben ausgeschlossen“, abgedruckt bei Kohler, Autor- und industrierechtliche Abhandlungen und Gutachten, Heft 2, S.  76. Ferner findet sich das Urteil bei Kohler, GRUR 1900, S.  200 ff. 394  OLG Hamburg, Urt. v. 21.11.1898, abgedruckt bei Kohler, Autor- und industrierechtliche Ab­ handlungen und Gutachten, Heft 2, S.  79: „Ein Recht auf die Ausübung eines Schutzes des Leich­ nams wird ausdrücklich durch die Bestimmungen der §§  168 und 367 sub I des Str. G.B. der allge­ meinen Rechtsanschauung entsprechend anerkannt und eine Verletzung solchen Rechts mit Strafe belegt. Als ein Ausfluss dieses Rechts der nächsten Angehörigen eines Verstorbenen ist es aber auch anzusehen, daß der bestehenden Sitte nach die Angehörigen als befugt erachtet werden, die Einwir­ kung aller Außenstehenden auf den Leichnahm zu verhindern und denselben gegen jedes Verfahren Dritter zu schützen, welches die Erscheinung des Leichnams an die Oeffentlichkeit zu ziehen geeig­ net ist“. 395  Hierauf nimmt das Urteil des OLG Hamburg v. 05.06.1899 Bezug, abgedruckt bei Kohler, GRUR 1900, S.  203; vgl. auch Andenaes, UFITA 1960, S.  30; ferner Prinz/Peters, Rn.  786.

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me, „daß einem Jeden ein Recht auf sein eigenes Bild zustehe“ und verurteilte beide Fotografen, „darain zu willigen, dass die Negativen, Platten usw., sowie sämtliche Reproduktionen der von ihnen aufgenommenen Photographien vernichtet wür­ den“396. Darüber hinaus wurde ebenfalls angeordnet, dass die Fotografen bis zur Vernichtung der entsprechenden Abbildungen diese auch nicht verbreiten dürfen.397 Das Oberlandesgericht Hamburg verwarf die Berufung der Beklagten398 und das Reichsgericht wies ihre Revision durch das Urteil vom 28. Dezember 1899 zurück.399 Mangels einschlägiger Rechtsnormen400 bediente sich das Reichsgericht entgegen der Vorinstanzen einer „Verlegenheitslösung“401, der wiederum ein relativ aufwändi­ ges bereicherungsrechtliches Konstrukt zugrunde lag. Zur Begründung berief sich das Gericht also weder auf einen Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht noch auf eine – in der Herstellung oder Verbreitung der Abbildung liegende – Ehrverletzung im Sinne einer Beleidigung. Vielmehr stützte das Reichsgericht seine Entscheidung auf das „gemeine deutsche Recht“402 unter Zugrundelegung der Statuten des römischen Rechts403: Dem durch eine rechtswidrige Handlung Verletzten stehe eine condictio ob injustam causam404 auf Wiedererstattung all desjenigen zu, was tatsächlich durch jene Handlung aus seinem Machtbereiche in die Gewalt des Täters gelangt sei.405 396  Vgl. ferner von Collenberg, S.  47. Aus den entsprechenden Ausführungen des Berufungsur­ teils des OLG Hamburgs wird deutlich, dass das LG Hamburg seine Entscheidung darauf gestützt hat, „daß einem Jeden ein Recht auf sein eigenes Bild zustehe und daß dieses Recht nach dem Tode auch von den nächsten Angehörigen des Verstorbenen ausgeübt werden könne“; vgl. OLG Ham­ burg, Urt. v. 05.06.1899, welches das Urteil zitiert, abgedruckt bei Kohler, Autor- und industrier­ echtliche Abhandlungen und Gutachten, Heft 2, S.  88. 397  Temuulen, S.  31; vgl. auch die Angaben bei RGZ 45, 170 (170); Seifert, NJW 1999, S.  1889, führt außerdem an, dass die Fotografen parallel wegen Hausfriedensbruchs zu fünf bzw. acht Jah­ ren Gefängnis verurteilt wurden; 398  von Collenberg, S.  47; Urteil abgedruckt bei Kohler, Autor- und industrierechtliche Abhand­ lungen und Gutachten, Heft 2, S.  85–96. Das OLG Hamburg hielt sich aber hinsichtlich des Rechts am eigenen Bild deutlich bedeckter als das Landgericht und ließ dessen Annahme explizit offen, indem es wie zuvor am 21.11.1898 auf den bereits erwähnten Anspruch der nächsten Angehörigen abstellte; vgl. hierzu OLG Hamburg, Urt. v. 05.06.1899, abgedruckt bei Kohler, Autor- und indus­ trierechtliche Abhandlungen und Gutachten, Heft 2, S.  88. 399  RGZ 45, 170 (174). 400  Vgl. hierzu Eisele, JR 2005, S.  6; auch der am Begehungsort Friedrichsruh im preußischen Kreise Herzogtum Lauenburg noch geltende verfasste Sachsenspiegel lieferte keine einschlägige Rechtsgrundlage. 401  Hengst, S.  7; ferner E. Schuster, S.  11. 402  RGZ 45, 170 (172 f.): „Da nun weder die Hamburger Statuten, noch der im preussischen Krei­ se Herzogtum Lauenburg geltende Sachsenspiegel, noch sonst ein hierher gehöriges Partikular­ gesetz hier einschlagende Normen enthalten, so ist, abgesehen von etwa eingreifenden Reichsgeset­ zen, jedenfalls nur das gemeine deutsche Recht zur Anwendung zu bringen“. 403  Gross, MDR 1987, S.  991, nennt als Grund dieser Verfahrensweise, dass das Rechtsgericht die Klage nach dem 01.01.1900 – und somit nur drei Tage später – geltenden BGB mangels einschlä­ giger Rechtsnormen hätte zurückweisen müssen; vgl. ferner Stammler, S.  426. 404  Als Quelle hierfür nennt das Reichsgericht „I. 6 D. de cond. ob turp. C. 12, 5 und I. 6 §. 5 I. 25 D. de act. rer. am. 25, 2“. 405 Vgl. von Collenberg, S.  47.

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Dieser Grundsatz sei auf die Entziehung anderer Machtbefugnisse – hier die Entzie­ hung des Hausrechts, welches Bismarcks Angehörigen zustünde und eben nicht einer Verfügungsbefugnis über die Fotografie als solcher406 – und Aneignung der hieraus resultierenden Vorteile (also die hieraus erlangten Bilder) entsprechend anzuwenden. Um den Zustand ohne die rechtswidrige Handlung – dem Hausfriedensbruch – wie­ derherstellen407 zu können, müssten sich die Beklagten also die Vernichtung der her­ gestellten „photographischen Erzeugnisse“ gefallen lassen408 und seien darüber dar­ an gehalten, „sich jeder Verbreitung der Abbildungen zu enthalten“409. c) Damenportrait – RGSt 33, 295 vom 26. Mai 1900 Ein Mann ließ beim Fotografen ein Bild einer jungen Frau, die hierfür Modell saß, mit deren Zustimmung für sich anfertigen. Anschließend stellte der Fotograf weitere Abzüge her und verbreitete diese ohne Zustimmung der Frau. Daraufhin stellte die Abgebildete Strafantrag gegen den Fotografen gem. §§  1, 7, 9 des Reichsgesetzes vom 10. Januar 1876.410 Das Reichsgericht beanstandete in seinem Urteil ausdrücklich, dass die geltende Gesetzeslage in zahlreichen Fällen nur unzureichenden Rechtsschutz leisten konnte, erklärte sich aber außerstande, die hier einschlägige gesetzliche Vorschrift entgegen den an sich klaren Wortlaut411 und entgegen der entstehungsgeschichtlichen412, er­ 406 Vgl.

Temuulen, S.  31. RGZ 45, 170 (173): „Die Kläger haben den Beklagten gegenüber ein Recht darauf, daß dieses Ergebnis wieder rückgängig gemacht werde“. 408  Nicht überliefert ist allerdings, ob und wie die Vernichtung der Aufnahmen tatsächlich vor­ genommen wurde. Jedenfalls eine Aufnahme erschien am 14.12.1952 in der Frankfurter Illustrier­ ten. Die Zeitung gab an, das Bild von einem Erben der Fotografen erhalten zu haben. Zudem veröf­ fentlichte DER SPIEGEL im Jahr 1998 (Heft 28, S.  81) ein Leichenbildnis Bismarcks auf dem Ster­ bebett; Prinz/Peters, Rn.  786, Fn.  4. 409  RGZ 45, 170 (173): „Es ist mit dem natürlichen Rechtsgefühle unvereinbar, daß jemand das unangefochten behalte, was er durch eine widerrechtliche Handlung erlangt und dem durch dieselbe in seinen Rechten Verletzten entzogen hat. Hier nun handelt es sich darum, daß die beiden Beklag­ ten mittels eines Hausfriedensbruches gegen den Willen der Kläger in dasjenige Zimmer einge­ drungen sind, in welchem diese die Leiche ihres Vaters, die sie in ihrem Gewahrsam hatten […], aufbewahrten, und damit das Hausrecht, das den Klägern seit dem Tode ihres Vaters in Ansehung dieses Zimmers zustand, verletzt und diese Gelegenheit benutzt haben, um die photographische Aufnahme eines Teiles des Inneren des Zimmers mit der darin ruhenden Leiche herzustellen“; von Collenberg, S.  48. Kohler, S.  30. 410  Sachverhalt abgedruckt bei Gareis, S.  3, allerdings mit falschem Datum; Urteil zudem abge­ druckt bei Kohler, S.  44 ff.; hierzu auch C. Walter, S.  8; zum Gesetz vgl. Kap.  1, B., IV., 4., e). 411  RGSt 33, 295 (297): „Das Gesetz vom 10. Januar 1876 enthält keine Vorschrift, welche auch nur im mindesten darauf hinwiese, dass der §  7 das Wort ‚Besteller‘ abweichend von der gewöhn­ lichen Bedeutung des Wortes von der abgebildeten Person habe verstanden wissen wollen. Keine einzige Bestimmung des Gesetzes lässt sich auch nur mit einem Scheine des Rechtes für diese Auslage verwerten. Ebensowenig kann gesagt werden, daß die erkennbare Tendenz des Gesetzes jene Auffassung des Wortes ‚Besteller‘ rechtfertige“. 412  RGSt 33, 295 (297): „Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes endlich bietet der von der Be­ schwerdeführerin verteidigten Meinung nicht nur keine Stütze, sondern tritt ihr sogar entgegen“. 407 

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kennbaren Absicht des Gesetzgebers in einem weitreichenderem Umfange anzu­ wenden.413 Da sie nicht die Bestellerin war, war die Abgebildete bereits nicht straf­ antragsberechtigt.414 d) Privatdetektiv – OLG Hamburg vom 20. November 1900 Nachdem der Angestellte eines Privatdetektivs einer jungen Dame vor einem Schuhwarengeschäft aufgelauert hatte, fotografierte er diese beim Verlassen des Ge­ schäfts am 30. Juni 1900 mittels eines Taschenfotographen. Hierbei ging der Ange­ stellte davon aus, die Fotografie könne für die Erledigung des Auftrags nützlich sein, den sein Arbeitgeber von einer Frau erhalten hatte. Diese hatte ihren Ehemann im Verdacht, mit der fotografierten Frau „unerlaubten Verkehr“ zu haben und beauftra­ ge deshalb den Privatdetektiv, diesem Verdacht nachzugehen.415 Das Landgericht hatte hierauf die von der abgelichteten Frau beantragte einstweilige Verfügung erlas­ sen, die (Fotografie-)Platte, nebst allem Zubehör wie Plattenabzügen, Negativen, Vergrößerungen usw. zu beschlagnahmen und untersagte den Inhabern bei einer Strafe von 500 Mark, die (Fotografie-)Platte nebst allem Zubehör „in irgend einer Weise zum Zwecke der Weitergabe an dritte Personen zu benutzen und die bereits gewonnenen Abzüge in irgend einer Weise zu verbreiten oder zu verwerten“416. Auf den Widerspruch des Privatdetektivs und des Angestellten hin bestätigte das Land­ gericht am 2. August 1900 die einstweilige Verfügung. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Hamburg am 20. November 1900 mit der Argumentation als unbegründet verworfen, „die Aufnahme und Verwendung des Bildes einer unbescholtenen jungen Dame für die Zwecke eines Ehescheidungspro­ zesses“417 seien eine Beleidigung gem. §  185 StGB. Hinsichtlich der Entscheidungsbegründung ist hervorzuheben, dass auch dem Oberlandesgericht die mittlerweile allgegenwärtige, hitzig geführte Diskussion um ein Recht am eigenen Bild durchaus bekannt war, da es die in der Wissenschaft pro­ klamierten Thesen in seinem Urteil explizit berücksichtigte418: „So Beachtliches die 413  Vgl. RGSt 33, 295 (296 f.): „[…] so bleibt doch für die Auslegung des §  7 immer entscheidend, dass der Gesetzgeber erkennbar nur dem Besteller in dem allgemein gebräuchlichen Sinne dieses Wortes seinen Rechtsschutz hat gewähren wollen, nicht aber dem Portraitierten selbstständig, und das vielleicht Unzureichende der für den Gesetzgeber bestimmend gewesenen Erwägung berechtigt den Richter nicht, in dem einzelnen seiner Entscheidung unterbreiteten Fall die hier einschlagende gesetzliche Vorschrift gegen den an sich klaren Wortlaut und gegen die aus der Geschichte der Entstehung des Gesetzes erkennbare Absicht des Gesetzgebers in einem weiteren als dem sich aus dem Gesetze gegebenen Umfange anzuwenden“; ferner C. Walter, S.  8. 414  RGSt 33, 295 (298). 415  Vgl. OLG Hamburg, Hanseatische Gerichtszeitung, Beiblatt Zivilrechtliche Fälle  X XII (1901), S.  25 ff.; auch abgedruckt bei Kohler, S.  33; vgl. ferner Dumont, S.  9; Hengst, S.  6, Fn.  19; Leffler, S.  52; Temuulen, S.  32. 416  Vgl. OLG Hamburg, Hanseatische Gerichtszeitung, Beiblatt Zivilrechtliche Fälle  X XII (1901), S.  26; Kohler, S.  34. 417 Vgl. Kohler, S.  34. 418  „Würde den Ausführungen Keyssner’s in seiner Schrift über ‚Das Recht am eigenen Bilde‘ zu

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Ausführungen [um ein Recht am eigenen Bild] aber de lege ferenda auch enthalten mögen“, sei das geltende Recht419 anzuwenden, zumal der Gesetzgeber bei der Schaffung des mittlerweile in Kraft getretenen BGB die bereits vorliegenden Thesen zum Persönlichkeitsschutz nicht berücksichtigt habe.420 Sofern Abhandlungen zur Entwicklung des Rechts am eigenen Bild Stellung zu diesem Fall beziehen, findet darüber hinaus eine nennenswerte Erwägung des Ober­ landesgerichts Hamburg zur Tathandlung selten Erwähnung: Während das Land­ gericht Hamburg noch ausgeführt hatte, dass es für ein junges Mädchen beleidigend sei, wenn sie durch „Vorzeigung ihres Bildes zum Zwecke ihrer Rekognoszierung als des unerlaubten Verkehrs mit einem Manne verdächtig hingestellt“421 werde, sah sich das Oberlandesgericht Hamburg mit der Behauptung der Beschuldigten kon­ frontiert, die Aufnahme sei misslungen und könne dementsprechend gar nicht vorge­ zeigt werden. Hierzu führte das Oberlandesgericht aus, eine Beleidigung der Antrag­ stellerin sei „auch nicht erst damit gegeben, dass die Photographie der Antragstelle­ rin zu ihrer Rekognoszierung anderen Personen vorgelegt wurde. Vielmehr enthält auch schon die Betätigung des erwähnten Verdachtes gegen sie durch die zum Zwe­ cke ihrer Rekognoszierung vorgenommene photographische Aufnahme ihres Bildes eine Beleidigung, d. h. eine unberechtigte Darlegung der Missachtung ihrer Person, weil sie schon damit als eine Person hingestellt wird, der zuzutrauen sei, dass sie ihre weibliche Ehre preisgebe. Wenn die Antragstellerin den beleidigenden Charakter der Handlung erst später erkannt hat, so ändert dies an dem Vorhandensein der Beleidi­ gung nichts“422. e) Haarfärbemittel Unter den Linden – LG Berlin vom 21. Februar 1902 Eine Schauspielerin ließ sich in dem Glauben fotografieren, der Fotograf würde das Bild ausstellen bzw. „künstlerisch verwerten“, damit die Frau „möglichst weit und breit bekannt“ werde. Dementsprechend erklärte die Frau ausdrücklich ihr Einver­ ständnis bzgl. dieser Verwertungshandlungen durch den Fotografen. Ebenso ent­ stand die Fotografie unentgeltlich. Daraufhin verschaffte sich ein Dritter die Abbil­ folgen oder ein solches Recht auch nur in der Beschränkung anzuerkennen sein, in der Kohler […] dem Bestehen eines solchen Rechtes das Wort redet, so wäre damit ihn weiteres eine rechtliche Grundlage für den Anspruch der Antragstellerin gewonnen“, zitiert nach Kohler, S.  34; vgl. ferner Temuulen, S.  32. 419  Da das bereits skizzierte Urheberrecht vom 10. Januar 1876 keinen Schutz des Abgebildeten gewährte, konnte dieser Schutz somit allenfalls über das Konstrukt einer Ehrverletzung über §  185 StGB erfolgen. 420  „Der Gesetzgeber ist auf diesem Gebiet jedoch nicht weiter gegangen, als dass er in §  12 BGB eine allgemeine Schutzbestimmung gegen unbefugte Anmassung eines Namens getroffen hat. Dem gegenüber erscheint es aber nicht angängig, den […] Anspruch auf ein allgemeines […] Recht der Persönlichkeit zu stützen“, zitiert nach Kohler, S.  34 f.; vgl. hierzu auch Temuulen, S.  32. 421  Vgl. hierzu die hierauf Bezug nehmenden Ausführungen des OLG Hamburg, Hanseatische Gerichtszeitung, Beiblatt Zivilrechtliche Fälle XXII (1901), S.  26 f.; ebenfalls abgedruckt bei Kohler, S.  35 (Hervorhebung des Verf.). 422  Kohler, S.  36.

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dung bei dem Fotografen und retuschierte diese mit den zur damaligen Zeit vorhan­ denen Möglichkeiten dergestalt, dass die Kopfhaltung, der Haarwuchs und die Bekleidung vom Original abwichen. Die Gesichtszüge der Frau blieben auf der retu­ schierten Version aber unberührt. Anschließend vervielfältigte er die retuschierte Abbildung und klebte diese auf Flaschen von Haarfärbemitteln. Diese Flaschen stell­ te er in größeren Mengen in sein Schaufenster. Zudem ließ er das retuschierte Bild als großes Reklameplakat für Haarfärbemittel an der Ecke Friedrichstrasse und Un­ ter den Linden in einem von ihm gemieteten Schaufenster ausstellen. Als die Frau von Passanten, welche sie durch die Werbemaßnahmen erkannt hatten, auf die Re­ klame angesprochen wurde, erhob diese beim Landgericht Berlin Klage, den Wer­ benden zu verurteilen, die Benutzung der Fotografie zu Werbezwecken für Haarfär­ bemittel zu unterlassen und eine Geldstrafe bei Zuwiderhandlung anzudrohen.423 Das Landgericht hatte sich also zunächst mit der Frage zu befassen, ob der Kläge­ rin ein Untersagungsrecht nach §  7 des Gesetzes betreffend den Schutz der Photogra­ phien gegen unbefugte Nachbildung vom 10. Januar 1876 zustand. Demzufolge musste das Gericht also zunächst klären, ob die Klägerin als Bestellerin der Fotogra­ fie angesehen werden kann, obwohl die Fotografie unentgeltlich erfolgte. Dies bejah­ te das Gericht mit dem Hinweis, dass die Entlohnung für die Besteller-Eigenschaft unerheblich sei.424 Trotzdem könne die Frau aber den Anspruch nicht auf §  7 des Gesetzes vom 10. Januar 1876 stützen, da auf der vorgelegten Originalfotografie die Jahreszahl nicht wiedergegeben war und dementsprechend der Schutz gegen eine unbefugte Nachbildung wegen §  5 des entsprechenden Gesetzes entfalle.425 Zudem komme eine Verletzung eines „sonstigen Rechtes“ im Sinne des mittlerweile gelten­ den §  823 I BGB nicht in Frage, da das „Recht der Persönlichkeit“ hierunter nicht gefasst werden könne. Bemerkenswerterweise erkannte das Gericht aber, dass diese Lösung dazu führen würde, dass der Besteller „vogelfrei“ würde, wenn der Fotograf „bloss einer der Er­ fordernisse des §  5 des Gesetzes vom 10. Januar 1876 fortzulassen braucht, um jeden 423  Alle Zitate stammen aus dem bei Kohler abgedruckten Urteil, S.  38 ff. (insbesondere S.  40); vermutlich stellt auch E. Schuster, S.  27 auf diesen Fall ab. 424 Vgl. Kohler, S.  40 f.: „‚Besteller‘ im Sinne des Gesetzes ist die Klägerin, wenn sie auch we­ sentlich den Zweck der Ausstellung ihres Porträts im Auge hatte und weniger beabsichtigte, ihr Bild etwa für Verwandte u. s. w. aufnehmen zu lassen, so war sie doch kein blosses Modell, das dem Photographen lediglich auf dessen Wunsch sass, sondern sie wünschte photographiert zu werden, und hat lediglich über die Verwendung der Aufnahme besondere Abreden getroffen. Dass sie für die Photographien nicht zu bezahlen brauchte, ist unerheblich“. 425  §  5 besagte: „Jede rechtmässige Photographische oder sonstige mechanische Abbildung der Originalaufnahme muss auf der Abbildung selbst oder auf dem Karton a) den Namen beziehungsweise die Firma des Verfestigers, und b) den Wohnort des Verfestigers oder Verlegers, c) das Kalenderjahr, in welchem die rechtmässige Abbildung zuerst erschienen ist, enthalten, widrigenfalls ein Schutz gegen Nachbildung nicht stattfindet“; zitiert nach Kohler, S.  40. Das Erfordernis der Angabe des Kalenderjahres wurde beigefügt, um die Berechnung der fünfjährigen Schutzfrist des §  6 zu gewährleisten.

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beliebigen Gebrauch von dem Bilde zu machen“. Dementsprechend müsse auch der Abgebildeten426 unabhängig von den bestehenden Mechanismen der Schutz in der konkreten Situation zugestanden werden, „da die Verwendung der Fotografien die Klägerin lächerlich machen würden, weil man lediglich ihr Bildnis mit der Reklame für das Haarfärbemittel in Verbindung bringen und die Vermutung haben könnte, dass sie selbst das Reklamemittel angewendet hat.“ Diesen Schutz gewährte das Ge­ richt – wenn auch mit sehr vorsichtiger Formulierung, indem die missbräuchliche Verwendungsweise der Fotografie hervorgehoben wird – erstaunlicherweise unter der expliziten Nennung des hier verletzten Persönlichkeitsrechts, namentlich dem Recht am eigenen Bild.427 f) Reklameplakat für Hoffriseur – Kammergericht vom 27. Mai 1902 Ein Fotograf überließ das Bild einer bekannten Soubrette einem Plakatfabrikanten. Dieser nutzte das Bild ohne Erlaubnis der Schauspielerin, um damit ein Reklame­ plakat mit deren Abbild für den Hoffriseur Kaiser Wilhelms II., François Haby, an­ zufertigen. Das Landgericht hatte zuvor die Klage der Schauspielerin auf Unterlassung abge­ wiesen, weil ein Recht auf Achtung der Persönlichkeit bei solchen Personen nicht greife, welche als solche in die Öffentlichkeit hinausgetreten sind und es sich gern gefallen lassen, dass ihre Bilder in jedermanns Hände gelangen.428 Diese Personen hätten folglich ihre Abbildungen gewissermaßen zur beliebigen Nutzung freigege­ ben.429 Dem widersprach der zweite Zivilsenat des Kammergerichts entschieden, indem es den Abbildungsschutz – selbst bei in der Öffentlichkeit bekannten Perso­ 426  Bemerkenswert erscheint im Übrigen, dass das Gericht beim Abgebildeten vom „Urbild“ spricht. 427  Das LG Berlin stellte fest: „Wenn im hier vorliegenden Falle der Klägerin ein Recht auf Un­ tersagung gegeben wird, so wird damit nicht ausgesprochen, dass ihr das Recht zusteht, obwohl es im Gesetze nicht begründet ist, sondern lediglich, dass aus dem Persönlichkeitsrecht, aus dem Rechte am eigenen Bilde, in dem sie verletzt ist, unter den konkreten Umständen ihr ein klagbarer Anspruch gegeben ist“; zitiert nach Kohler, S.  43. 428  Osterrieth, GRUR 1902, S.  370. 429  Das LG führte aus: „An sich kann anerkannt werden, daß auch in den Fällen, wo jemand auf Grund der Gesetze über das Urheberrecht kein Recht hat, der Vervielfältigung eines Werkes der bildenden Kunst oder der Photographie zu widersprechen, weil […] das Recht der Persönlichkeit durch eine Abbildung und noch mehr durch eine Verbreitung derselben verletzt werden kann, wenn sie ohne oder gar wider den Willen der dargestellten Person und in einer Weise erfolgt, daß sie da­ durch in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt wird. Auch wird man im Allgemeinen die Benut­ zung der Abbildung einer Person zu gewerblichen Reklamezwecken als eine Beeinträchtigung ihres Rechtes auf Achtung ihrer Persönlichkeit ansehen dürfen. Dies trifft jedoch nur bei einfachen Pri­ vatpersonen, nicht aber bei solchen Personen zu, welche als solche in die Oeffentlichkeit hinausge­ treten sind, es sich gern gefallen lassen, daß ihre Bilder in Jedermanns Hände gelangen, und gewis­ sermaßen ihre Bilder zur beliebigen Benutzung preisgeben. Insbesondere gilt das von Schauspielern und Schauspielerinnen, welche die von der Klägerin gepflegte Gattung vertreten, und deren Interes­ se durch eine möglichst weite Verbreitung ihrer Bilder nur gefördert wird. Man kann sagen, daß solche Bilder als Gemeingut anzusehen sind“, abgedruckt in Unlauterer Wettbewerb 1902, S.  178.

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nen  – aufgrund des Persönlichkeitsrechtes ausdrücklich anerkannte.430 In diesem Zusammenhang betitelte das Kammergericht die Handlung als Benutzung, die der „persönlichen Würde“ widerspreche.431 7. Wissenschaftlicher Diskurs um die Jahrhundertwende zum Recht am eigenen Bild Sofern nicht schon während den skizzierten frühen Bemühungen des Gesetzgebers zum Bildnisschutz das Missbrauchspotential der neuen Technik und die damit ein­ hergehenden Schwächen der vereinzelt diskutierten rechtlichen Lösungsansätze an­ gesprochen wurde,432 brach die Diskussion um ein Recht am eigenen Bild aller­ spätestens mit den aufsehenerregenden Fällen der Rechtsprechung über den juristi­ schen Fachdiskurs zum Ende des 19.  Jahrhunderts geradezu herein. Die Frage um die Anerkennung eines subjektiven Rechts zum Schutz der Repräsentation einer Person durch ihre Abbildung wurde somit als die bis dato erste Diskussion um ein Persön­ lichkeitsrecht überhaupt schnell zu einem der bestimmenden Themen in Gesellschaft und Rechtwissenschaft.433 Dies zeigt sich nicht zuletzt an den zahlreichen Veröffent­ lichungen434, die sich um die Jahrhundertwende mit verschiedenen Lösungsansätzen um einen adäquaten Schutz des Abgebildeten auseinandersetzen. Im Folgenden sol­ 430  Das Kammergericht stellte fest: „Das Recht der Persönlichkeit ist ein rein individuelles, und wenn andere Gesangskünstler es gern sehen mögen, wenn ihre Bilder zu Reklamezwecken benutzt werden, kann die Klägerin darin eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung ihrer Persönlichkeit er­ blicken, und hieran wird nichts geändert, wenn sie es auch ganz gern sehen mag, dass ihre Bilder in anderer Form möglichst weit verbreitet werden“, abgedruckt bei Osterrieth, GRUR 1902, S.  370, 371. 431  Der 2. Zivilsenat führte aus: „Dem Vorderrichter kann […] nicht beigetreten werden, wenn er annimmt, daß der Klägerin nicht das Recht zustehe, die Benutzung ihres Bildnisses zu Reklame­ zwecken, als eine ihrer persönlichen Würde widersprechende, zu untersagen, da eine Schauspiele­ rin von der Gattung der Klägerin es sich gern gefallen lasse, wenn ihr Bildniß beliebiger Benutzung preisgegeben werde“, abgedruckt in Unlauterer Wettbewerb 1902, S.  178. 432  So zumindest Bächli, S.  10. 433 Vgl. Dommann, S.  359. 434  Zur Diskussion um das Recht am eigenen Bild im Einzelnen: Allfeld, Die Reform des Urhe­ berrechts an Werken der Photographie, Das Recht 1902, S.  417 ff.; von Blume, Ist ein Recht am eige­ nen Bilde anzuerkennen? Das Recht, Rundschau für den Deutschen Juristenband VII, 5 (1903), S.  113 ff.; von Buch, Das Recht am eigenen Bilde, 1906; Citron, Das Recht an Klang und Geste, DJZ 1901, S.  67; Cohn, Neue Rechtsgüter, 1902; Gareis, Wie weit ist ein Recht am eigenen Bild anzuer­ kennen und zu schützen?, 1902; Keyßner, Das Recht am eigenen Bilde, 1896; Kohler, Das Eigenbild im Recht, 1903; Lewinsohn, Giebt es ein Recht am eigenen Bilde? 902; Marcus, Das Recht am eige­ nen Bilde, GRUR 1904, S.  240 ff.; Müller-Meiningen, Entwurf eines neuen Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Photographie, DJZ 1902, S.  430 ff.; Olshausen, Beiträge zur Erläute­ rung des Deutschen Rechts 1902, S.  492 ff.; Osterrieth, GRUR 1902, S.  361 ff.; Rietschel, Das Recht am eigenen Bild, Sonderdruck AcP 94 (1903); Schaefer, Das Recht am eigenen Bilde, Deutsche Kunst und Dekoration, Bd, II 1898, S.  309 ff.; Schneickert, Der Schutz der Photographien und das Recht am eigenen Bilde, 1903; Stenglein, Entwurf eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der Photographie, DJZ 1902, S.  501 f.; von Scanzoni, Zur Entwicklung und Theorie des Rechts am eigenen Bilde, 1907; Zielemann, Ausschluss der Widerrechtlichkeit, AcP 1906 S.  1–130; etwas später dann Bewier, Über das Recht am eigenen Bilde, 1916; von Collenberg, Das Recht am

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len deshalb nur die bedeutendsten Ansätze für die weitere Entwicklung des Rechts am eigenen Bild knapp vorgestellt werden. a) Keyßner – Das Recht am eigenen Bilde 1896 Hugo Keyßner erkannte das aufkeimende Schutzbedürfnis bereits vor den öffentlich­ keitswirksamen Entscheidungen der Rechtsprechung in seiner Monographie „Das Recht am eigenen Bilde“ im Jahre 1896.435 Zwar klang die Idee eines Instituts zum Schutz der Persönlichkeit bei bestimmten Abbildungen durchaus zuvor vereinzelt in der Lehre vorsichtig an436, allerdings geht der Begriff Recht am eigenen Bild maß­ geblich auf Keyßner zurück, da dieser neben der Begriffsbestimmung als solcher erstmals437 eine dogmatisch-wissenschaftliche Begründung für das proklamierte Rechtsinstitut des Abgebildeten zu liefern versuchte. Durch die Feststellung „Das Urbild ist Herr seines Abbildes“438 sprach sich Keyßner für ein freies Verfügungs­ recht jedes Menschen über sein eigenes Bild aus und befürwortete das Recht der ab­ gebildeten Person, jede, ohne Zustimmung erfolgte Veröffentlichung verbieten zu dürfen.439 Die nähere Begründung dieser Rechtsposition des Abgebildeten zeigt ver­ mutlich am eindrucksvollsten die Abwendung von der Idee des Persönlichkeitsrechts hin zu einer Fokussierung auf den Schaffensprozess von Bildern. Wie bereits ange­ klungen schwebte diese seit der Reformation über der Entwicklung des Bildnisrechts. Denn sogar Keyßner findet – man könnte sagen: ironischerweise – die Begründung des Rechts am eigenen Bild ausgerechnet in der Urheberschaft440 der abgebildeten Person an ihrem eigenen Bild.441 Ausgehend von dieser urheberrechtlichen Überlegung soll der Abgebildete (das Urbild) sodann Eigentum an der – durch sein Abbild individuell umgestalteten licht­ empfindlichen – Bildnisplatte erwerben442, weshalb ein Vetorecht der abgebildeten eigenen Bild, 1909; Letzel, Inwieweit ist im geltenden Recht ein Recht am eigenen Bild anerkannt und geschützt?, 1912. 435  1885 hatte Keyßner in Berlin vor Juristen und Fotografen zwei Vorträge gehalten, die ein Jahr später zusammengefasst publiziert wurden; vgl. Dommann, S.  357. 436  Siehe Kap.  1, B., IV., 4., d). 437  von Scanzoni, S.  46, bezeichnet Keyßner deshalb als „Vater des Rechtes am eigenen Bilde“; vgl. auch Bächli, S.  12. 438  Keyßner, S.  2. 439 Vgl. Keyßner, S.  31 f.: „Jedweder ist seines Bildes Herr; ohne seine Genehmigung darf er nicht durch Abbilder veranschaulicht oder durch Illustrationen berühmt gemacht werden“. 440  Vgl. hierzu auch Steinhauber, S.  22. 441  Keyßner, S.  16: „Ohne das Urbild ist das photographische negative Abbild unmöglich; dem photographirten Urbild steht kraft Gesetzes das Urheberrecht am Abbild zu. Man wird sagen dür­ fen, im Gebiet der Bildnisphotographie ist das Urbild der Urheber, dem der Photograph auf Grund des Werkvertrages als Unternehmer gegenübersteht“. 442  Keyßner, S.  17 f.: „Wenn oben die Gesetzeslage dahin angegeben ist, dass derjenige, welcher durch Umbildung eine neue Sache schafft, das Eigentum derselben erwirbt, […] so wird man daraus auch herleiten können, dass das Urbild [scil. der Abgebildete], welches lichtempfindliche Platten in Bildnisplatten umbildete und damit sein Abbild schuf und zwar für sich, da kein anderer über das­

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Person gegen die Verbreitung ihres Bildes bestehen würde.443 Diese eigentumsrecht­ lichen Erwägungen stießen schnell auf Kritik444, boten diese nicht zuletzt mancher­ orts Grund zur Annahme, Keyßner hätte das Recht am eigenen Bild letztendlich durch Eigentum begründet.445 Tatsächlich sah er im Recht am eigenen Bild ein „neues eigenes Persönlichkeits­ recht“446, dem er Parallelen zum Persönlichkeitsrecht am eigenen Namen zu­ schrieb.447 Allerdings sollte dieses Recht ausnahmsweise nicht bei „Zwangsfotogra­ fien im Dienste der Polizei- und Strafrechtspflege“448 sowie „Landschaftsbildern“, in denen Menschen nur als „Staffage“ dienen449 und schließlich bei „Ereignisbildern“450 eines öffentlichen Akts wie Paraden oder Festzüge geltend gemacht werden kön­ nen.451 Trotz der aufwändigen Begründungsversuche des Rechts am eigenen Bild sprach sich Keyßner erstaunlicherweise aber nicht für eine gesetzliche Neuregelung aus, sondern vertraute auf eine „umsichtige, Wandel und Aufschwung der Verhält­ nisse erkennende und den damit neu entstehenden Anforderungen Rechnung tragen­ de Rechtsprechung […]“.452 Mit welchen bestehenden rechtlichen Instrumentarien diesen Anforderungen durch die Rechtsprechung hinreichend Genüge getan werden könne, ließ Keyßner aber offen. Diese Ansicht wurde aber in der Rechtspraxis nicht immer geteilt, wie etwa die Privatdetektiv-Entscheidung des OLG Hamburg de­ monstriert.453 b) Gareis – Gutachten zum 26. Deutschen Juristentag 1902 Auf dem 26. Deutschen Juristentag im Jahr 1902 war das „Recht am eigenen Bilde“ Hauptthema der Konferenz. Neben Keyßner folgt auch Karl Gareis der Aufforde­ selbe zu gebieten hat, Eigenthümer der Bildnisplatte geworden ist, die dann um ihren Zweck näher geführt zu werden, entwickelt wird“. 443  Hierzu auch Dommann, S.  358. 444  Vgl. etwa Schaefer, S.  313. 445  So etwa noch heute Temuulen, S.  35; dem widersprechen allerdings die Ausführungen Keyßners auf S.  26 ausdrücklich: „In welches Geschlecht der Rechtsgüter man das Recht am eigenen Bilde einzustellen hat, darüber mag man streiten. Trotz der Mannigfaltigkeit der Versuche, den Begriff des Eigenthums zu sichern, wird man kaum Beifall finden, wenn man von einem Ausfluß des Eigenthums reden wollte“. Differenzierter hinsichtlich der Einschätzung Keyßners schon Cohn, S.  39, Fn 1; in der neueren Literatur Dumont, S.  13; Mesic, S.  18 und Osiander, S.  17; ferner Bächli, S.  12; von Collenberg, S.  14; Hengst, S.  8; Landwehr, S.  5; E. Schuster, S.  11; C. Walter, S.  10. 446  Keyßner, S.  26. 447  Keyßner, S.  49. 448  Keyßner, S.  41 f. 449  Keyßner, S.  45 f. 450  Keyßner, S.  47. 451  Hierfür soll aber wiederum eine Rückausnahme gelten, wenn die Aufnahme „unschön oder gar anstandsverletzend“ sei; vgl. Keyßner, S.  47. Eine Ausnahme für Personen der Zeitgeschichte lehnte Keyßner hingegen aufgrund der Differenzierungsschwierigkeiten, die sich mit der Einord­ nung einer Person als „hervorragend“ ergeben, grundsätzlich ab, vgl. S.  36. 452  Keyßner, S.  49. 453  Siehe zur Entscheidung Kap.  1, B., IV., 6., d).

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rung, als Experte ein Rechtsgutachten zur vieldiskutierten Thematik zu erstellen. Inhaltlich stimmt Gareis hierbei den Ausführungen Keyßners insofern zu, dass ein Recht am eigenen Bild als Persönlichkeitsrecht anzuerkennen sei454 bzw. bereits be­ stehe und nicht gesondert geregelt werden müsse. Letzteres rechtfertigt Gareis aller­ dings durch die Annahme, das Recht am eigenen Bild sei durch die weit interpretier­ baren Beleidigungsdelikte strafrechtlich ausreichend geschützt.455 Gareis geht hier­ für von der Prämisse aus, dass jeder, der „ohne von der porträtierten Person ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt zu sein, Abbildungen derselben her­ stellt oder verbreitet, […] zeigt, daß ihm das Wollen dieser Person gleichgültig sei, mindestens in der Richtung der Verfügung über das eigene Abbild“456. In diesem „absichtliche(n) Ignorieren“ sei hierbei das „Verletzende, Kränkende, Beleidigende“ für das „Persönlichkeitsrecht am eigenen Bilde“ zu sehen.457 Da Gareis somit das Recht am eigenen Bild ausschließlich in der Ehre begründet liegen sieht, kam er de facto zu einem vollumfassenden strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild durch die Beleidigungsdelikte. Deshalb sah sich Gareis zwangsläufig der Kritik aus­ gesetzt, nicht jede Ignorierung des Willens könne als Beleidigung im Sine des §  185 StGB interpretiert werden.458 c) Cohn – Neue Rechtsgüter 1902 Georg Cohn sprach sich hingegen in seiner Abhandlung „Neue Rechtsgüter“ von 1902 ausdrücklich gegen die Anerkennung eines umfassenden Rechts am eigenen Bild aus.459 Gleichwohl begrüßte er den Ansatz, die einschlägigen Fälle grundsätz­ lich über eine erweiterte Auslegung des Beleidigungsbegriffs des §  185 StGB zu lö­ sen, sofern hieraus nicht – wie bspw. bei Gareis – ein universaler Schutz resultiert. Hierzu unterscheidet Cohn zwischen der hinnehmbaren „leidlichen“ und der „un­ leidlichen“ Publikation, welche als Beleidigung460 ein Einspruchsrecht des Abgebil­ deten begründen sollte.461 Insofern muss ein Recht am eigenen Bild nach der Ansicht Cohns nicht neu kreiert werden, da die relevanten Fälle des Verbreitens von Perso­ nendarstellungen gegen den Willen des Portraitierten alle im Recht auf Ehre des 454 Neben Gareis sind als Befürworter eines gesonderten Persönlichkeitsrechts v. a. die Namen Citron und Schneickert zu nennen; vgl. hierzu auch Letzel, S.  11. 455 Vgl. Gareis, S.  6: „Das Persönlichkeitsrecht existiert bereits, und die richterliche – auch die strafrichterliche – Anerkennung ist gesetzlich möglich, weil der Begriff der Beleidigung, ohne vom Gesetz selbst definiert zu sein, soweit gefaßt werden kann, daß die Verletzung des Rechtes am eige­ nen Bilde darunter fällt“. 456  Gareis, S.  7. 457  Gareis, S.  7. 458 Hierzu von Scanzoni, S.  49, der ausführt: „Nach Gareis könnte ja jeder Jahrmarktschreier, der seine Schundartikel feilbietet, den wortlos Vorübergehenden wegen Beleidigung verklagen“. 459 Siehe Cohn, S.  47: „Es hieße der Chikane Vorschub leisten, wenn man das Einspruchsrecht ganz nach Laune und Willkür des Portraitierten zulassen wollte“. 460  Hierbei sollte nach Cohn, S.  49, der Wortlaut „Beleidigung“ aber wiederum nicht im „aller­ strengsten Sinne“ zu verstehen sein; kritisch hierzu schon früh von Collenberg, S.  15 f. 461 Vgl. Cohn S.  49: „[N]ur wo Beleidigung vorliegt, sollte es ein Einspruchsrecht geben“.

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Abgebildeten verankert seien.462 Folglich befürwortet Cohn auch die Lösungen der Rechtsprechung in den Entscheidungen „Dame im Badekostüm“463 und „Privatde­ tektiv“464 und hält darüber hinaus die Lösung des „Bismarck auf dem Totenbet­ te“-Sachverhalts über die Beleidigung für sachgerechter.465 Ferner differenziert Cohn bemerkenswerterweise zwischen der Anfertigung und der Veröffentlichung einer Personenabbildung. Die Gefahr beginne für den Abgebildeten erst, wenn die Veröf­ fentlichung erfolgt oder ernsthaft droht.466 Zudem spricht sich Cohn entgegen der Auffassung Keyßners tendenziell für die Freiheit von Bildveröffentlichungen be­ rühmter Personen aus.467 d) Kohler – Das Eigenbild im Recht 1903 Als prominenter Gegenspieler468 von Keyßner und Gareis wird in der Debatte um die Anerkennung eines Rechts am eigenen Bild neben Cohn vor allem Josef Kohler ge­ nannt. Dieser widerspricht dem Postulat Keyßners, jedermann sei Herr seiner Abbil­ dung, in seiner Abhandlung „Das Eigenbild im Recht“ von 1903 vehement.469 Die Bildnisveröffentlichung sei Kohler zufolge grundsätzlich frei und könne nur bei Ver­ letzung berechtigter Interessen verboten werden. Seinen Standpunkt begründet ­Kohler im Kern mit dem Wesen des Menschen, das auf soziale Entwicklung und eben nicht auf Isoliertheit angelegt sei. Aus diesem Grund erscheine „die Konstruk­ tion eines Rechtes [am eigenen Bild], welches dieses aus dem Strome des Verkehrs herauszieht und gleichsam zu einem medizinischen Präparate erstarren lässt, […] verkehrt und unjuristisch“470. Mit anderen Worten besteht also nach der Ansicht Kohlers ein – die Interessen des Einzelnen überwiegendes – Grundbedürfnis der Öffentlichkeit nach Personenabbildungen, weshalb jeder Einzelne seine Abbildung grundsätzlich hinnehmen müsse.471 Insofern sei ein Recht auf Privatheit472 und dem­ 462 Vgl. Cohn, S.  52: „Also nicht um ein neues Gut, nicht um ein problematisches Recht am eige­ nen Bilde handelt es sich bei der modernsten Strömung in der Rechtswissenschaft, sondern um das alte längste anerkannte Recht auf Ehre, dessen Verletzung nicht nur strafrechtliche Ahndung, son­ dern unter Umständen auch privatrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz erzeugt“. 463  Cohn, S.  50. 464  Cohn, S.  51. 465  Cohn, S.  56. 466  Cohn, S.  47. 467  Cohn, S.  47. 468 Vgl. Bewier, S.  30; Dumont, S.  16; Hengst, S.  9; Mesic, S.  19; Müller. S.  42; C. Walter, S.  18. 469  Kohler, S.  7; vgl. zudem Kohler, Archiv für bürgerliches Recht (10) 1895, S.  274: „Niemand hat ein ausschließliches Individualitätsrecht auf seine Züge und seinen Habitus, und nur dann wird die Veröffentlichung eines solchen Bildes in die Rechtssphäre der Person eingreifen, wenn sie in ungewöhnlicher, den Lebensverhältnissen widersprechender Weise stattfindet […]“. 470  Kohler, S.  6. 471  Temuulen, S.  40 spricht davon, „dass in der Öffentlichkeit jeder bereit sein müsse, die Bedürf­ nisse der Welt zu befriedigen, sein Bild zu kennen“ und bezieht sich vermutlich auf die Ausführun­ gen Kohlers auf S.  10 zu den Personen der Zeitgeschichte. 472  Kohler, S.  7: „[…] von einem right of privacy, kann keine Rede sein“ (Hervorhebung im Ori­ ginal).

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entsprechend auch ein Recht am eigenen Bild grundsätzlich abzulehnen.473 Die nä­ here Argumentation Kohlers für dieses menschliche Grundinteresse erinnert stark an eben solche Erwägungen, die zuvor bei Keyßner und Gareis eine Ausnahme vom Verbreitungsverbot rechtfertigen sollten: So spreche für die Freiheit der Abbildung etwa das Interesse der Allgemeinheit an Abbildungen von Personen des öffentlichen Lebens.474 Dies gelte ferner bei „Gesamtbildern“, in denen sich der Einzelne in einer öffentlichen Menge befindet475, bei „künstlerischen Studienbildern“476 und im Falle des „Welthumor[s]“477. Letztendlich wird man in Kohler aber nur einen vermeint­ lichen Gegner478 des Rechts am eigenen Bild sehen können, da er sehr weitgehende Zugeständnisse bei der Bewertung von Eingriffen in die Persönlichkeit durch Abbil­ dungen macht, die wiederum ein Verbreitungsverbot rechtfertigen sollten.479 Dies äußert sich deutlich in dem offen formulierten Vorschlag Kohlers zur Regelung des Bildnisschutzes, wonach „die öffentliche Wiedergabe des menschlichen Bilde“ ver­ boten sei, „wenn sie in gesellschaftswidriger, kränkender oder herabsetzender Weise erfolgt“480. Zusammenfassend könnte man also durchaus von der mittelbaren Aner­ kennung des Rechts am eigenen Bild481 durch eine negative Formulierungsweise ei­ ner weit interpretierbaren Verbotsnorm ausgehen.482 473 Vgl. Kohler S.  6: „Ein jeder muss es ertragen, dass man über ihn spricht; […] Empfindlichkeit hat im Recht keine Stelle“. Ferner S.  7 unter Beipflichtung zur amerikanischen Rechtsprechung: „[E]ine mimosenhafte Natur passt nicht für den gesunden Rechtsverkehr und darf diesem nicht zu Grunde gelegt werden“; schließlich S.  9: „[H]ier kommt die obige Norm in Betracht, dass die Rechtsordnung keine Mimosen brauchen und nicht auf Mimosen Rücksicht nehmen kann“. 474  Kohler führt auf S.  10 aus, „dass die Menschheit mit Recht verlangen kann, dass das Volk nicht mit blossen X`s und Y`s zu rechnen hat, dass es sich eine deutliche Vorstellung von den Per­ sönlichkeiten machen kann, welche den Staat beherrschen oder die Geschichte beeinflussen oder die Wissenschaft oder Technik gestalten oder durch irgend ein Ereignis plötzlich an die Oberfläche getrieben worden sind […]. Dieses Interesse der Bevölkerung muss man befriedigen: es ist gut und vernünftig, dass die Bevölkerung an solchen Dingen ein Interesse hat und nicht stumpf und teil­ nahmslos die Geschicke der Welt an sich vorüberziehen lässt. Eine Rechtswissenschaft aber, welche diesem Verlangen widerspräche, würde wider Willen Stumpfsinn und Theilnahmslosigkeit fördern, und dies ist nicht die Aufgabe des Rechts“. 475  Kohler, S.  14. 476  Kohler, S.  15. 477  Kohler, S.  16, meint insbesondere Karikaturen, sofern diese keine Hinweise auf ein unehren­ haftes oder zweideutiges Handeln wie Bestechlichkeit oder Rechtsbeugung enthalten. Daneben er­ wägt Kohler auf S.  16, dass eine „Photographie im Dienste der Kriminalistik“ zulässig sein müsse, was er aber aus systematischen Gründen nicht im Zusammenhang mit den anderen Begründungen nennen will, in welchen ein unangetastetes, ungemindertes Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten proklamiert wird. 478  So auch Mesic, S.  19, und Osiander, S.  18. 479  Siehe hierzu beispielsweise Kohler, S.  10: „[D]ie Veröffentlichungsbefugnis besteht, wenn eine solche ehrliche, redliche Anforderung des Publikums zu erfüllen ist. Wo dies nicht der Fall, wo die Veröffentlichung des Bildes keinen vernünftigen sozialen Zweck hat und nur zum Skandal und zur persönlichen Kränkung dienen kann, da ist sie ausgeschlossen“. 480  Kohler, S.  17. 481  So auch Dumont, S.  16. 482  Vgl. hierzu Allfeld, GRUR 1904, S.  267.

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e) Rietschel – Das Recht am eigenen Bilde 1903 Schließlich soll der Name des Tübinger Professors Siegfried Rietschel im Rahmen einer Darstellung der Begründungsversuche zur Schaffung des Rechts am eigenen Bild nicht unerwähnt bleiben. Dies liegt maßgeblich daran, dass Rietschel in seiner Abhandlung „Das Recht am eigenen Bilde“ von 1903 als erster explizit ausspricht, dass in der bis dato geführten Diskussion „eine merkwürdige Tatsache verborgen geblieben sei, nämlich die, daß das Interesse am eigenen Bilde nichts Einheitliches ist, sondern nach zwei völlig verschiedenen Richtungen hin Schutz verlangt“.483 Die erste Schutzrichtung des Rechts am eigenen Bilde sieht Rietschel in der Veröffent­ lichung484 von Abbildungen, bei denen die „Identitätsmerkmale“ einer bestimmten Person zur Bezeichnung anderer Personen verwandt werden.485 Hiermit spricht ­Rietschel die bildliche Repräsentation eines Menschen an, die keinem real stattge­ fundenen Sachverhalt zugrunde liegt, da zuordenbare Erkennungsmerkmale einer Person fixiert und anschließend in einen surrealen Kontext gesetzt werden. Bemer­ kenswerterweise benennt Rietschel somit vor mehr als einem Jahrhundert ein Prob­ lem, das heute beispielsweise anhand des beliebten faceswappings via diverser Foto­ apps kaum aktueller sein könnte. Die zweite Schutzrichtung des Rechts am eigenen Bild sieht Rietschel dann in der Veröffentlichung einer – kontextrealen – Abbildung des Urbildes.486 Während die erste Schutzrichtung über eine analoge Anwendung des Namensrechts gem. §  12 BGB gewährleistet sei487, könne der Rechtsschutz bei der zweiten Konstellation nach Rietschel nur bei einer entsprechend begründeten Interessenlage gewährt werden. Hierfür unterscheidet Rietschel dann weiter zwi­ schen künstlerischer und photographischer Nachbildung488 und kommt zum Ergeb­ nis, dass ein Schutzbedürfnis nur im Falle der indiskreten Veröffentlichung489 einer fotografischen Abbildung bestünde. Die Indiskretheit sei hierbei maßgeblich anhand der Interessen des Abgebildeten zu bestimmen.490 Da mit einer Veröffentlichung in diesen Fällen aber nicht zwangsläufig eine Beleidigung einhergehe, könnte das Schutzbedürfnis nicht einheitlich über die Anwendung des §  185 StGB gelöst wer­ den491, sodass ein Recht am eigenen Bild prinzipiell gesondert anzuerkennen sei. 483 

Rietschel, S.  26. Rietschel sieht ebenfalls in der Aufnahme noch keine Gefahr für die abgebildete Person; vgl. AcP 94 (1903), S.  182; zudem ders., S.  18. 485  Rietschel, S.  26: „Ich verlange Schutz dagegen, daß mein Bild etwa als Bild des Anarchisten Ravachol ausgestellt wird, daß ein Schauspieler in meiner Maske den dummen August spielt, daß ein Maler einen von ihm gemalten Bösewicht mit meinem Portrait ausstattet, daß der Radler auf einem Fahrradplakat oder der Raucher auf einer Zigarettenschachtel oder gar der in einem medizinischen Handbuch abgebildete rhachitische Kranke meine Züge trägt“; später auf S.  27: „Mein Bild ist dazu da, um mich zu kennzeichnen, aber nicht, um jedem beliebigen Hinz und Kunz beigelegt zu werden“. 486  Rietschel, S.  27. 487  Rietschel, S.  30. 488  Rietschel, S.  32. 489  Rietschel, S.  35. 490  Sehr kritisch zu diesem Ansatz von Scanzoni, S.  52, 53. 491  Rietschel, AcP 94 (1903), S.  148, 151 ff.; ferner ders., S.  47. 484 

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Allerdings lehnt Rietschel den strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild über die strenge Zivilrechtsakzessorietät strikt ab.492 8. Schlussfolgerungen für das Verbreiten von Personenaufnahmen in der Neuzeit Die vielerorts getätigte Feststellung, das Recht am eigenen Bild hätte seine Anfänge im Humanismus, erscheint pauschal und greift zu weit: Angesichts des damals ­maßgeblich theologischen Einschlags der Frage hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Abbildens einer Person ging es im Kern um die mögliche Herabwürdigung eines Heiligen durch eine Vermenschlichung. Zwar setzt diese Streitfrage zwingend das Grundverständnis einer körperlichen Repräsentation des Heiligen durch einen – möglicherweise unrechtmäßigen – Abbildungsvorgang voraus. Allein hieraus aber die Grundzüge des Bildnisrechts herzuleiten, erscheint zweifelhaft. Dementspre­ chend hat sich an dem gesellschaftlichen Empfinden der Anwesenheitsmachung des Abgebildeten durch ein Bild mit der Überwindung der ikonoklastischen Phase auch in der Folgezeit nichts geändert. Gleichwohl beginnt mit der breiten Akzeptanz von bildlichen Personendarstellun­ gen in der Renaissance eine Verschiebung des gesellschaftlichen Fokus weg von der Person des Abgebildeten hin zur Person des schöpfenden Abbilders. Diese Wegori­ entierung zieht sich durch die gesamte Folgezeit über die revolutionäre Erfindung der Fotografie weiter und gipfelt schließlich in den ersten Normierungen, die sich alle­ samt am Schutz des Abbilders und nicht des Abgebildeten ausrichten. Hierbei erklärt das dogmatische Verständnis einer Personenabbildung als materialisierte Fortwir­ kung eines Schöpfungsaktes493 dessen ursprüngliche Behandlung im Urheberrecht: Maßgeblich war die Idee, dass an den vom menschlichen Willen getragenen und er­ schaffenen Objekten sich das Recht der Person, die es aus ihrer Schaffenskraft her­ vorbringt, fortsetzen muss.494 Dementsprechend ging man zunächst davon aus, dass die Quelle des Abbildungsschutzes nicht in einer Rechtsposition der abgebildeten Person zu finden ist, sondern aus dem Schöpfungsakt entspringt und mit dessen Ma­ terialisierung in einer wahrnehmbaren Darstellung fortwirkt.495 Jedenfalls erklärt diese Entwicklung, weshalb das Recht am eigenen Bild ursprünglich stets im Zusam­ 492  Rietschel, S.  46 f.: „Dagegen stehe ich dem §  17 II [des Gesetzesentwurfs zum Vorläufer des KUG von 1902], der die vorsätzliche Verletzung des Rechts am eigenen Bilde unter Strafe stellt, mit keineswegs freudigen Gefühlen gegenüber. […] Soll man wirklich grundsätzlich die vorsätzliche Verletzung des Privatrechts oder auch nur jedes absoluten Privatrechts unter Strafe stellen? […]; warum es nun aber nötig sein soll, zugleich mit dem Recht am eigenen Bilde auch ein Vergehen der vorsätzlichen Verletzung des Rechts am eigenen Bilde zu statuieren, vermag ich nicht einzusehen“. 493  Selbst bei der rechtstheoretischen Diskussion über die Existenz des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts als Mantelrecht des Rechts am eigenen Bild wurden die Lehrmeinungen überwiegend im Zuge von Überlegungen zum Urheberrecht formuliert; vgl. Eisenbarth, S.  7 m. w. N. 494 Vgl. Osterrieth, GRUR 1904, S.  245 ff.; ferner Götting, S.  15 f. 495  Diese erscheint angesichts des oben – Kap.  1, B., IV., 3., a). – geschilderten sehr komplexen Erstellungsvorganges, der Belichtungszeiten und des hiermit einhergehenden hohen Arbeitsauf­ wandes für den Hersteller einer einzigen Fotografie nachvollziehbar.

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menhang mit dem Urheberrecht behandelt wurde. Gleichzeitig setzt durch die Erfin­ dung der Fotografie eine tiefgreifende Umorientierung der sozialen Wirklichkeits­ wahrnehmung von einer wort- zu einer bildfixierten Gesellschaft ein.496 Hierdurch erweitert sich spätestens mit der Erfindung der Fotografie das Verständ­ nis der Anwesenheitsmachung der abgebildeten Person um eine weitere Dimension: Ging es zuvor meist darum, eine abwesende Person beim Rezipienten unmittelbar körperlich anwesend zu machen, wurde es durch die Massenfotografie in einem deutlich größeren Umfang umgekehrt möglich, den Rezipienten gewissermaßen selbst in dem abgebildeten Szenario bei der abgebildeten Person anwesend zu ma­ chen.497 Dass diese erweiterte Dimension das Unbehagen der gegen ihren Willen abgebildeten Person und somit auch das Missbrauchspotential deutlich steigern kann, zeigen nicht zuletzt die in der Folgezeit auftretenden Rechtskonflikte im Falle einer heimlich hergestellten Aufnahme etwa in der Badekostüm-, Bismarck- oder Privatdetektiventscheidung.498 Insbesondere steht die Rechtsprechung um die Jahrhundertwende aber nicht nur vor der grundlegenden Frage, ob der Bildnisschutz überhaupt gewährt werden soll. Sofern die Rechtsprechung dies – vermutlich letztendlich aus ergebnisorientierten Erwägungen – für notwendig erachtete, stand diese darüber hinaus vor der Schwie­ rigkeit, den gewährten Schutz dogmatisch zu begründen. Hier stützen sich die Ent­ scheidungen nicht mehr ausschließlich auf den Ehrschutz, sondern lassen eine vor­ sichtige Tendenz auf das bis dato ungeschriebene und vage Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person erkennen. Erst diese – teilweise unbeholfene – Behandlung der aufkommenden Fälle durch die Rechtsprechung, welche in der Öffentlichkeit für viel Gesprächsstoff sorgte499, bewegte schließlich den juristischen Fachdiskurs dazu, die grundlegende Anerkennung eines schützenswerten Rechts am eigenen Bild zu dis­ kutieren und nach Lösungen zu suchen. Hierbei kann insbesondere die dogmatische Begründung durch Keyßner möglicherweise mehr Aufschluss über ein Grundprinzip des Rechts am eigenen Bild liefern. Bei dessen Konstruktion über das Urheberrecht des Urbildes an seinem Abbild treffen vermutlich zwei Umstände aufeinander: Zum einen nimmt Keyßner durch die – widersprüchliche und unglückliche – Wahl der Terminologie des Urhebers am Bild vermutlich ungewollt Bezug auf die zeitge­ schichtliche Weg-Orientierung vom Abgebildeten hin zum schaffenden Urheber. Zum anderen begründet er diese Urheberschaft aber damit, dass ein Abbild nur durch den Abgebildeten (das Urbild) erfolgen könne. Dies deckt sich insofern mit den vor­ angestellten kommunikationswissenschaftlichen Ausführungen zur Wahrnehmung 496  Engels/Wo. Schulz, AfP 1998, S.  580; vgl. auch Kargl, ZStW 117 (2005), S.  343 ff., hinsicht­ lich der Begriffswahl des „Objektivs“ als sinnbildlicher Ausdruck neutraler Wirklichkeitswahrneh­ mung; ferner Kraenz, S.  83. 497 Vgl. Tisseron, S.  309, der in diesem Zusammenhang von einer Transportfunktion der Bilder spricht. 498  Siehe zu diesen Entscheidungen bereits oben Kap.  1, B., IV., 6. 499 Vgl. Prinz/Peters, Rn.  786.

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einer Personendarstellung, als die Informationsentäußerung und deren Inhalt durch eine Abbildung eben nur dem Abgebildeten zugeschrieben wird. Der Abgebildete kann somit als Urheber seiner visuellen Informationen beschrieben werden. Dass Keyßner diese Begrifflichkeit auch tatsächlich in diesem Zusammenhang wählte, kann jedenfalls vermutet werden, da er diese Urheberschaft in der Persönlichkeit des Abgebildeten zu begründen versuchte. Flankierend zu diesem Verständnis können die Ausführungen von Rietschel herangezogen werden, welcher früh durch seinen Hinweis auf das Missbrauchspotential bei manipulierten Bildern aufmerksam macht und für die Frage einer unzulässigen Veröffentlichung allein – und unabhängig von einer Ehrverletzung – an die Interessen des Abgebildeten anknüpft. Ein zweiter maßgeblicher Begründungsversuch des Rechts am eigenen Bild liegt zu Beginn des 20.  Jahrhunderts wie bei der Rechtsprechung auch bei der Literatur in der Erwägung, eine Veröffentlichung gegen den Willen des Abgebildeten verletze die persönliche Ehre des Abgebildeten. Hierbei muss nach den vertretenen Meinungen aber zwischen der Frage differenziert werden, ob das Abbilden per se oder nur im Einzelfall eine Ehrverletzung darstellt. Folgt man etwa mit Gareis ersterer Ansicht500, müsste das Recht am eigenen Bild aus dem Recht auf Ehre erwachsen. Die Begrün­ dung der Ehrverletzung erschöpft sich aber hiernach mit der bewussten Ignoranz des Abgebildetenwillens allenfalls in einer unklaren Verallgemeinerung. Denn diese ori­ entiert sich nicht an den Charakteristika der bildlichen Darstellung, sondern nur am gegenläufigen Willen des Betroffenen. Die Gegenposition mit Cohn und Kohler re­ kurriert hingegen auf das menschliche Grundbedürfnis nach Kommunikation als maß­gebliche Begründung der grundsätzlichen Freiheit der menschlichen Abbildung und verneint ein generelles Schutzbedürfnis über den bestehenden Ehrschutz hinaus. Übereinstimmend kann aber festgestellt werden, dass sich alle Autoren insofern einig sind, dass das Abbilden einer Person in bestimmten Fällen – unabhängig vom Bestehen eines eigenen Rechtsinstituts – auch gegen ihren Willen erlaubt sein muss. Somit ist es weniger die Einordnung des Schweregehalts eines anerkannten Rechts­ verstoßes durch das Abbilden einer Person im Verhältnis zu anderen Rechtsgütern als die Bestimmung der Mindestvoraussetzungen für einen relevanten Rechtsver­ stoß, welche der Rechtsprechung und Literatur bereits zu einem frühen Zeitpunkt Schwierigkeiten bereiteten.

V. Das Verbreiten von Personendarstellungen in der neuesten Geschichte bis zur Genese des Rechts am eigenen Bild Sicherlich boten die lebhaften Diskussionen in der Literatur und Öffentlichkeit An­ lass für den Gesetzgeber, das bestehende Regelwerk der beiden Urheberrechtsgeset­ ze vom 9. und 10. Januar 1876 zu überdenken und an die Interessen des Abgebildeten anzupassen. Es wäre aber übertrieben zu sagen, dass der Anstoß zur Neuregelung 500 

Vgl. hierzu auch Wildhagen, S.  47.

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für den Gesetzgeber maßgeblich vom Bedürfnis bestimmt war, den Abgebildeten zu schützen. Vielmehr ging ein beachtlicher Teil der Kritik zur bestehenden Gesetzes­ lage von den Fotografen selbst aus,501 die sich aufgrund der rasanten Entwicklung sowie Vereinfachung der Aufnahmetechnik und der Reproduzierbarkeit502 einer Foto­grafie ungenügend geschützt fühlten.503 Somit sah sich der Gesetzgeber um die Jahrhundertwende mit vollkommen unterschiedlichen Schutzforderungen seitens sowohl der Abgebildeten-, als auch der Abbilderseite504 konfrontiert, die es in einer Gesetzesnovelle in Einklang zu bringen galt.505 Im Folgenden sollen deshalb nur Erwägungen des Gesetzgebers dargestellt werden, sofern diese Relevanz für die Schutzbedürftigkeit von Personendarstellungen aus Sicht des Abgebildeten haben. 1. Entwurf und Begründung zu einem Gesetz betreffend an Werken der Fotografie 1902 Im Mai 1902 wurde ein Entwurf zu einem neuen Gesetze betreffend das Urheber­ recht an Werken der Photographie auf einer Sachverständigenkonferenz beraten,506 501  Der Deutsche Photographenverein reichte beispielsweise am 20.01.1982 beim Reichstag ei­ nen eigenen Gesetzeswurf ein. Zudem arbeiteten einzelne Fotografen eigene Gesetzesentwürfe aus, die in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden; vgl. etwa Stolze, Photographische Chronik 1898, S.  296 f. oder Krone, Allgemeine Photographen-Zeitung 1898, S.  81 ff.; ferner ging im Oktober 1897 eine Petition mit 5000 Unterschriften beim Bundesrat ein, mit der um die Novelle der fotografischen Schutzgesetze gebeten wurde. Eingabe und Gesetzesuntwurf sind abgedruckt in: Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz 1892, S.  129 ff. 502 Vgl. Allfeld, DJZ 1904, S.  710. 503  Unter anderem wurde gefordert, die Schutzfrist vor Nachbildungen von fünf auf 15 Jahre zu erhöhen, da sich ansonsten Aufnahmen mit größerem Kapitalaufwand nicht mehr lohen würden. Zudem stieß die unbedingte Freigabe nichtmechanischer Nachbildungen – als Umgehung des Foto­ grafieschutzes – auf Empörung. Dies galt ebenso für die uneingeschränkte Freigabe im G 1876 für fotografische Originale an Werken der Industrie, was nach Ansicht der Fotografen zu massenhaften freien Verbreitungen von Portraits und Landschaftsaufnahmen auf verschiedensten Alltagsgegen­ ständen führen würde. Außerdem wurde der Bezeichnungszwang für jede Aufnahme als lästige Fessel empfunden; vgl. Allfeld, S.  11 f.; Hauptkritikpunkt war jedoch nach wie vor die fehlende grundsätzliche Anerkennung der Fotografie als geschützte Kunst im Sinne des Urheberrechts. Siehe zur Kritik des Fotografenstandes am G 1876 ausführlich Ricke, S.  122 ff.; ferner Gaedicke, Photo­ graphisches Wochenblatt 1902, S.  73 ff. 504  Stellenweise wurde sogar der Abgebildetenschutz von den Portraitfotografen als Gängelung empfunden, obwohl dieser – wie bereits gezeigt – nur eintrat, sofern der Abgebildete auch Besteller war; vgl. hierzu etwa die Kritik von Krone in seinem Entwurf einer Revision des Gesetzes betr. den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung v. 10. Januar 1876, Allgemeine Photogra­ phen-Zeitung 1898, S.  84: „[Nachdem] der reine photographische Verlag durch dieses Gesetz bereits ertötet worden [ist], [sieht] nun auch die Portraitphotografie einem ähnlichen Schicksal [entgegen]“. 505  Erschwerend sah die Berner Übereinkunft der europäischen Staaten vom 09.09.1886 eine Inländergleichbehandlung bzgl. diverser Fotografieschutzregelungen vor, die es für den Gesetz­ geber zu beachten galt; vgl. hierzu Ricke, S.  119 m. w. N. Allerdings hatten diese keine weiteren nennenswerten Auswirkungen für den Abgebildetenschutz, da selbst die maßgeblichen Fragen des Urheberrechts – welche sich allenfalls mittelbar auf den Abgebildetenschutz hätten auswirken kön­ nen – der Regelungshoheit der einzelnen Mitgliedstaaten oblag. 506  Osterrieth, GRUR 1902, S.  344.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

anschließend am 21. Juli 1902 im Reichsanzeiger veröffentlicht.507 §  14 dieses Ent­ wurfs nahm erstmals unmittelbar Bezug auf das Recht am eigenen Bild für „photo­ graphische Bildnisse“, indem dieser die Befugnis zur Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung von der Einwilligung der abgebildeten Person abhängig machte.508 Darüber hinaus stellte §  17 II das vorsätzliche Verbreiten oder öffentliche Zurschau­ stellen eines „photographischen Bildnisses“ ohne die nach §  14 erforderliche Einwil­ ligung unter Strafe.509 Somit bediente sich der Gesetzgeber bereits bei dessen ersten Normentwurf bzgl. des Rechts am eigenen Bild einer streng zivilrechtsakzessori­ schen Regelungstechnik: Die Erfüllung des objektiven Tatbestands der Strafnorm des §  17 II sollte allein von der Verletzung des zivilrechtlichen Schutzgesetzes des §  14 abhängen.510 Bemerkenswert erscheint auch, dass der Gesetzgeber in §§  14, 17 II offenbar die ursprünglich im Photographieschutzgesetz von 1876 genutzte Legal­ definition für den Begriff des „photografische[n] Bildnisse[s]“ durch den unmittelbar folgenden – in Klammern gesetzten – Begriff des Portraits zunächst beibehalten wollte.511 Zudem sollte die Ausnahme vom Einwilligungserfordernis nach §  14 II des Entwurfes von 1902 ursprünglich von dem Zweck der Darstellung abhängig gemacht werden. Nachdem die Gesetzesbegründung zu §  14 des Entwurfs zunächst den Missstand der bisherigen Rechtslage um das Auseinanderfallen von Besteller und Abgebildeten aufgreift, führt diese weiter aus, dass dieser Zustand „mit der allgemeinen Rechtsord­ 507  E. Müller, S.  9; Ricke, S.  128; die Entwurfsbegründung führt aus, „dass der Schutz des bishe­ rigen Gesetzes den praktischen Bedürfnissen nicht entsprochen habe. […] [Es] können die Interes­ sen der Bestellenden und der abgebildeten Person derartig auseinandergehen, dass ein Verbietungs­ recht des Bestellers nicht immer eine hinreichende Gewähr gegen einen Missbrauch des Bildes der dargestellten Person bieten wird“; abgedruckt bei Osterrieth, GRUR 1902, S.  372. 508  „§  14 I. Photographische Bildnisse (Portraits) dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablauf von 10 Jahren der Einwilligung des überlebenden Ehegatten, der Eltern und der Kinder des Abgebildeten. II. Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf solche Bilder, deren Zweck nicht in der Darstellung einzelner Personen besteht, insbesondere auf die Wiedergabe von Landschaften, Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“; abgedruckt bei Osterrieth, GRUR 1902, S.  372 und Rietschel, S.  40. Bewier, S.  30 sowie Kohler, S.  25, nennen allerdings nicht den Klam­ merzusatz „(Portraits)“. 509  „§  17. II: „Wer vorsätzlich ein photographisches Bildnis (Porträt) ohne die nach §  14 erforder­ liche Einwilligung des Abgebildeten oder seiner Angehörigen verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft“; abgedruckt bei Rietschel, S.  46, Fn.  54. 510  Äußerst kritisch zu dieser Lösung Rietschel, S.  46. 511  Hiervon scheinen auch die ersten Fachkommentierungen zum Recht am eigenen Bild von 1907 auszugehen, da diese ein Bildnis generell als Portrait bezeichnen, obwohl diese Legaldefini­ tion zum damaligen Zeitpunkt vom Gesetzgeber wieder entfernt worden war; so etwa E. Müller, §  22 KUG, S.  122; ähnlich auch Allfeld, §  22 KUG, I., Nr.  1, c), S.  131, der davon ausgeht, dass etwa die ausschließliche Wiedergabe der Hand per se kein Bildnis sein könne. Zudem bezog sich die Ausnahmeregelung für §  15 des Entwurfes von 1902 zur Verfolgung amtlicher Zwecke nicht etwa auf „photographische Bildnisse“, sondern auf „photographische Portraits“. §  15 des Entwurfes von 1902 ist abgedruckt bei Rietschel, S.  45, Fn.  52. Schließlich sprechen die Motive zum Entwurf von 1902 bei §  15 nicht von einem Recht am eigenen Bild, sondern von einem „Recht am Portrait“; vgl. hierzu Osterrieth, Bemerkungen 1903, S.  101.

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nung und der Achtung, welche das Recht der Persönlichkeit beanspruchen darf, kaum [zu] vereinbaren“512 sei. Somit lässt diese Gesetzesbegründung zwar eine nähere Er­ läuterung vermissen, inwiefern eine Veröffentlichung gegen den Willen des Abgebil­ deten das Persönlichkeitsrecht verletzt. Durch die vordergründige Bezugnahme des an für sich diffusen Begriffs der Achtung erscheint es allerdings nicht fernliegend, dass der Entwurf die Motive des Bildnisschutzes zumindest auch im Recht auf Ehre verortet hat,513 zumal Ehr- und Achtungsbegriff umgangssprachlich synonym ver­ standen werden können. Gleichwohl wählt die Begründung explizit nicht den Begriff der persönlichen Ehre und setzt den Achtungsbegriff ausdrücklich in Bezug mit dem Recht der Persönlichkeit des Abgebildeten.514 Somit liegen zumindest nach dieser frühen Begründung die zentralen Beweggründe für die Anerkennung des Rechts am eigenen Bild nicht ausschließlich in Motiven, welche maßgeblich den Schutz der Ehre des Abgebildeten betreffen. Zudem basiert der Entwurf auf der systematischen Aus­ gestaltung des Entwurfs Keyßners, welche sich dogmatisch auf der positivrechtlichen Ausformung eines Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten stützt. Nach seiner Veröffentlichung wurde der Entwurf der öffentlichen Kritik unter­ stellt.515 Neben der grundsätzlich ablehnenden Haltung in Bezug auf die Anerken­ nung des Rechts am eigenen Bild516, stieß die konkrete Ausgestaltung der Regelung auch bei Befürwortern des Abgebildetenschutzes auf verschiedene Bedenken: Zu­ vorderst wurde bemängelt, dass der Abgebildetenschutz zu weit reiche517 und im Entwurf keine Ausnahmen für das Einwilligungserfordernis zur Veröffentlichung von Abbildungen bekannter Personen oder zu künstlerischen bzw. Ausstellungs­ zwecken vorgesehen waren.518 Zudem wurde vereinzelt die Koppelung der Ausnah­ me des §  14 II an den Darstellungszweck beanstandet. Denn diese Zweckbindung hatte zur Folge, dass die – auch strafbewehrte – Verletzung des Rechts am eigenen Bild letztendlich nicht an die Intention und somit die Sphäre des Abgebildeten, son­ 512 

Zitiert nach Osterrieth, Bemerkungen 1903, S.  89. Osterrieth, Bemerkungen 1903, S.  92. 514  Zudem setzt dieselbe Gesetzesbegründung den Begriff der Achtung gewissermaßen in ein Exklusivitätsverhältnis zum Ehrbegriff, indem im Rahmen der Angehörigenregelung Fälle genannt werden, in denen keine strafrechtliche Beleidigung vorliegt, gleichwohl aber die Achtung des Ab­ gebildeten verletzt sein kann; vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichs­ tages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1541. 515 Vgl. Allfeld, S.  12; B. Meyer, S.  142 ff.; Osterrieth, S.  4; zu der krit. Presse vgl. Osterrieth, GRUR 1902, S.  371 m. w. N. 516  Vgl. nur Kohler, S.  25; ergänzend ferner die urheberrechtliche Argumentation von ­Osterrieth, GRUR 1902, S.  373, wonach ein absolutes Recht am eigenen Bild nicht bestehen könne, da einer Person als tatsächliche Erscheinung keine Schöpferrechte an ihr selbst zustünden; vgl. ferner ­Marcus, GRUR 1902, S.  240: „Bei näherer Betrachtung merkt man dem Grundsatz aber seine Her­ kunft aus der Studierstube allzu deutlich an, seine praktischen Konsequenzen würden für die All­ gemeinheit eine zweifelhafte Wohltat, für ganze Kategorien von Staatsbürgern, aber unzweifelhaf­ te Unbequemlichkeiten, Beschränkungen und Scherereien bedeuten“. 517  B. Meyer, S.  143; Osterrieth, GRUR 1902, S.  373. 518 Vgl. Rietschel, S.  41 f.; gegen eine pauschale Ausnahme für Personen der Zeitgeschichte ar­ gumentiert Osterrieth, GRUR 1902, S.  374. 513 Vgl.

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dern an diejenige des Darstellenden anknüpfen sollte.519 In diesem Sinne wurde auch bemängelt, dass der Entwurf durch seine starren Grenzen (insbesondere der Ausnah­ mevorschrift) keine Möglichkeit bot, dem jeweiligen Einzelfall anhand eines berech­ tigten Interesses des Abgebildeten, im Rahmen einer Gesamtabwägung, Rechnung zu tragen.520 Sofern ein über den Ehrschutz hinausgehendes Strafbedürfnis der Ver­ letzung des Rechts am eigenen Bild nicht schon grundsätzlich verneint wurde, stand schließlich die Ausgestaltung des §  17 II als streng-zivilrechtsakzessorische Strafbe­ stimmung in der Kritik.521 2. Zusammenführung von Kunst- und Photographieschutzgesetz in einem Entwurf 1904 Nach umfassender Würdigung der Literatur zu den Reformvorschlägen durch Sach­ verständigenberatungen des Reichsamts des Innern im Januar 1904522, wurde ein einheitlicher Gesetzentwurf zum Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst und der Fotografie erarbeitet und am 27. April im Reichsanzeiger veröffentlicht.523 Da die Entwürfe des Photografieschutzgesetz- und des Kunstschutzgesetzes, welches zeit­ gleich reformiert werden sollte,524 in der Mehrzahl identische Vorschriften enthiel­ ten,525 folgte man insbesondere der kritischen Anregung, beide Rechtsmaterien in einem Gesetz zusammenzufassen.526 Hierbei sah §  16 I527 des Entwurfs von 1904 das allgemeine Verbot vor, das (nunmehr ohne Legaldefinition genannte) Bildnis gegen den Willen des Abgebildeten zu verbreiten oder öffentlich zur Schau zu stel­ 519  Siehe etwa Rietschel, S.  42: „Man denke nur an das Strandbild, auf dem badende junge Da­ men dargestellt sind, anderer noch verfänglicher Situationen, die auf einem Landschafts- oder Er­ eignisbilde möglich sind, gar nicht zu denken“; a. A. B. Meyer, S.  143; Osterrieth, Bemerkungen 1903, S.  94 f.; ders., GRUR 1902, S.  373; vgl. auch Allfeld, GRUR 1904, S.  269, zum Folgeentwurf, welcher die Koppelung an den Darstellungszweck beibehielt. 520 Vgl. Osterrieth, GRUR 1902, S.  373, der sich für eine generalklauselartige Formulierung gänzlich ohne bindende Beispiele für Ausnahmen einsetzt; Osterrieth, Bemerkungen 1903, S.  95; Rietschel, S.  42, 45. 521  Rietschel, S.  46: „Soll man wirklich grundsätzlich die vorsätzliche Verletzung jedes Privat­ rechts oder auch nur jedes absoluten Privatrechts unter Strafe stellen?“; a. A. Osterrieth, GRUR 1902, S.  376. 522  Osterrieth, S.  4. 523  E. Müller, S.  6; der Entwurf ist abgedruckt in der Sammlung amtlicher Veröffentlichungen aus dem Reichs- und Staatsanzeiger Nr.  99 vom 27.04.1904. 524  Osterrieth, S.  4. 525  Osterrieth, S.  4; Ricke, S.  129; Temuulen, S.  4 4. 526  Zudem wollte man sich hier an den Regelungen derjenigen Staaten orientieren, die mit Deutschland in Vertragsverhältnissen standen und ebenfalls den Kunst- und Photografieschutz in einem einheitlichen Gesetz behandelten; vgl. Allfeld, S.  12. 527  „§  16 I. Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte und die Kinder des Abgebildeten, und wenn weder ein Ehegatte noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.“; vgl. auch Osterrieth, GRUR 1904, S.  254.

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len, während §  16 II528, III529 die Ausnahmen hierfür nannten. Die Begründung des Entwurfs behielt hier den Wortlaut des Vorentwurfs von 1902 überwiegend bei und stellt dementsprechend ebenfalls fest, dass der geltende Rechtszustand „mit der all­ gemeinen Rechtsordnung und der Achtung, die das Recht der Persönlichkeit bean­ spruchen darf, nicht vereinbar“530 sei. Gleichzeitig stellte die Begründung aber fest, dass vor Aufnahmen „in bedenklichen Situationen und Umgebungen“ ausreichend über das Strafgesetzbuch – und somit über die Ehrdelikte – geschützt werde. Während der Forderung der Kritiker nach einer Ausnahme für Abbildungen von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte nachgegeben wurde, behielt man die Ausgestaltung der zweiten Ausnahme – und somit die Koppelung an den Zweck der Abbildung531 – im Entwurf von 1904 bei. Während demzufolge auch die Kritik hin­ sichtlich der zweiten Ausnahme bestehen blieb, wurde die Formulierung der Person der Zeitgeschichte – trotz der Rückausnahme des berechtigten Interesses der abgebil­ deten Person – als zu ausufernd empfunden.532 Gleichwohl wurde für die zweite Ausnahme des Veröffentlichungsverbots eine Rückausnahme in Form des berechtig­ ten Interesses des Abgebildeten gefordert.533 Durch die Regelung des §  25 Nr.  2534 wurde die strafrechtliche Ausgestaltung der Verletzung des Rechts am eigenen Bild als streng-zivilrechtsakzessorische Norm beibehalten, wenngleich der obere Straf­ rahmen von 300 auf 1000 Mark Geldstrafe deutlich erhöht wurde.535

528  „§  16 II. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte dürfen ohne die nach Abs.  I erforder­ liche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden, sofern nicht dadurch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird“; vgl. auch Osterrieth, GRUR 1904, S.  254. 529  „§  16 III. Die Vorschrift des Abs.  I findet keine Anwendung auf solche Bilder, deren Zweck nicht in der Darstellung einzelner Personen besteht, insbesondere auf die Wiedergabe von Land­ schaften, von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“; vgl. auch Osterrieth, GRUR 1904, S.  254. 530  Abgedruckt in der Sammlung amtlicher Veröffentlichungen aus dem Reichs- und Staatsanzei­ ger Nr.  99 v. 27.04.1904. 531  Kritisch hierzu Allfeld, GRUR 1904, S.  269; a. A. Osterrieth, Bemerkungen 1904, S.  144. 532  Allfeld, DJZ 1904, S.  711: „‚Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte‘ sind schließlich alle, die eine Person darstellen, welche durch irgend ein Vorkommnis Gegenstand öffentlicher Be­ sprechung geworden ist, mag es sich um das Opfer eines schweren Unfalls oder eines Verbrechens oder um eine Person, die in einem Ehebruchsdrama eine Rolle spielt, oder dgl. handeln. Es ist nicht abzusehen, warum das Sensationsbedürfnis über das Interesse des Einzelnen, sein Bildnis nicht der allgemeinen Begaffung preisgegeben zu sehen, gestellt werden soll“; Allfeld, GRUR 1904, S.  268; zudem Osterrieth, GRUR 1904, S.  255; ders. Bemerkungen 1904, S.  146 f. 533  Allfeld, DJZ 1904, S.  711. 534  „§  25. Mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft: […] 2) Wer der Vorschrift des §  16 zuwider vorsätzlich ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zut Schau stellt. […]“; abgedruckt in der der Sammlung amtlicher Veröffentlichungen aus dem Reichs- und Staatsanzeiger Nr.  99 vom 27.04.­ 1904. 535  Zudem sah §  31 des Entwurfs vor, dass die Strafverfolgung im Falle des §  25 nur auf Antrag erfolgt.

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3. Der Folgeentwurf von 1905 und dessen Begründung Nach der Würdigung der Literatur zum Entwurf von 1904 wurde dem Reichstag schließlich am 28. November 1905 ein geänderter Entwurf zur ersten Beratung vor­ gelegt:536 §  22 I537 dieses Entwurfs sah die grundsätzliche Verbotsregelung zum Ver­ öffentlichen eines Personenbildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten vor, wäh­ rend §  22 II538 die Ausnahmen hiervon festlegte. Insbesondere wurde der Forderung nachgegeben, eine zusätzliche Ausnahme für Bildnisse festzulegen, die nicht auf Bestellung gefertigt sind und deren Veröffentlichung einem höheren Interesse der Kunst539 dient. Zudem wurde eine Rückausnahme bei berechtigtem Interesse des Abgebildeten hinsichtlich aller Ausnahmen des §  22 II eingefügt. §  32 Nr.  2540 des Entwurfs sah die strafrechtliche Ahndung eines Verstoßes vor, welche sich hinsicht­ lich ihrer Ausgestaltung zum vorangegangenen Entwurf nicht verändert hatte. Auch gab die Begründung des Entwurfs von 1905 überwiegend die Motive zur Anerken­ nung des Rechts am eigenen Bilde aus dem Entwurf des Photographieschutzgesetzes von 1902 wieder.541 Eine bemerkenswerte Ausnahme findet sich allerdings bei der dogmatischen Begründung des Rechts am eigenen Bild. Während die Entwürfe von 1902 und 1904 hinsichtlich der Unvereinbarkeit des Rechtszustands ausdrücklich auf die „Achtung, die das Recht der Persönlichkeit beanspruchen darf“ abstellten, wurde dieser Punkt in die „Achtung, welche die Persönlichkeit beanspruchen darf“ geän­ dert. Zudem wurde die Anmerkung der Begründung von 1904, die Anfertigung einer Aufnahme sei durch das Strafgesetzbuch – und somit durch Ehrdelikte – ausreichend 536  Vollständig abgedruckt in Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichsta­ ges, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1526 ff. 537  „§  22 I. Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von zehn Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sin­ ne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte und die Kinder des Abgebildeten, und wenn we­ der ein Ehegatte noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten“. 538  „§  22 II. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte, sowie Bilder, deren Zweck nicht in der Darstellung einzelner Personen besteht, insbesondere Abbildungen von Landschaften, von Ver­ sammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, dürfen ohne die nach Abs.  1 erforderliche Ein­ willigung verbreitet und zur Schau gestellt werden. Das Gleiche gilt von Bildnissen, die nicht auf Bestellung gefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird“. 539  Sehr kritisch zum Vorrang des höheren Interesses der Kunst bei Aufnahmen, die gegen den Willen des Abgebildeten stattfanden, Spieß, S.  104. 540  „§  32. Mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft: […] 2. Wer der Vorschrift des §  22 zuwider vorsätzlich ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. Soll eine nicht beizu­ treibende Geldstrafe in Gefängnisstrafe umgewandelt werden, so darf deren Dauer zwei Monate nicht übersteigen“. 541  „Dieser Rechtszustand […] erscheint mit der allgemeinen Rechtsordnung und der Achtung, welche die Persönlichkeit beanspruchen darf, nicht vereinbar“, abgedruckt in Stenographische Be­ richte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1540.

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geschützt, verzichtet. Aus diesen vagen Verallgemeinerungen könnte er­wogen wer­ den, dass selbst unmittelbar vor den Beratungen im Plenum eine erheb­liche Unsi­ cherheit mit der Frage einherging, welchem allgemeinen Grundverständnis das Recht am eigenen Bild nun entspringen soll, zumal der BGB Gesetzgeber im Jahre 1900 erst ausdrücklich auf die Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts verzichtet hatte.542 Neu war allerdings die grundsätzliche Erwägung der Möglichkeit einer konklu­ denten Einwilligung543 in die Veröffentlichung, wenn die abgebildete Person ohne Vorbehalt die Anfertigung der Aufnahme gewährt hatte, welche nach den Umstän­ den ersichtlich zur späteren Veröffentlichung bestimmt war.544 Zudem finden sich in der Entwurfsbegründung von 1905 teilweise Anmerkungen zur Bestimmung des Schutzbereichs des Rechts am eigenen Bild. Dies geschieht immer dann, sobald der Entwurf die Frage für klärenswert erachtet, wann eine be­ stimmte Darstellung unter den Begriff des geschützten Objekts – des Bildnisses – fallen soll. Hieraus lassen sich zumindest mittelbar Rückschlüsse auf die Motivlage zur Anerkennung des Rechts am eigenen Bild schließen. Ein solcher Hinweis findet sich etwa im Zusammenhang mit der Bestimmung der Schutzdauer des Rechts am eigenen Bild. Hierbei geht der Entwurf ohne weiteres und nahezu beiläufig davon aus, dass der Bildnisbegriff auch Leichenabbildungen umfasst.545 Somit soll das Recht am eigenen Bild den Schutz vor dem Veröffentlichen einer Personendarstel­ lung gegen den Willen des Abgebildeten zum Zeitpunkt der Herstellungs- und Ver­ öffentlichungshandlung gewährleisten, unabhängig davon, ob dieser noch am Leben oder bereits verstorben ist. Hinzu kommt, dass die Entwurfsbegründung zur Ermitt­ lung des berechtigten Interesses ausdrücklich auf die Interessen der Angehörigen abstellte, sofern die Abbildung unter eine grundsätzlich einwilligungsfreie Ausnah­ me fiel und der Abgebildete verstorben war.546 Die Entwurfsbegründung geht also explizit davon aus, dass das Recht am eigenen Bild nicht ausschließlich die Sphäre des Abgebildeten nach dessen Tod schützen soll und lässt im Einklang mit dieser 542  Vgl. hierzu B. Meyer, S.  144, der die Formulierung des Entwurfs von 1902 als Anerkennung einer Verletzung eines allgemeinen Rechtsbewusstseins i. S. d. eines Persönlichkeitsrechtes noch positiv gewürdigt hatte. 543 Vgl. Spieß, S.  102. 544  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540. 545  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540. 546  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1541: „In allen Fällen, wo hiernach die Verbreitung und öffentliche Schaustellung des Bildnisses ohne Zustimmung des Abgebildeten zulässig sein würde, soll sie gleichwohl dann nicht gestattet sein, wenn durch sie ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten, oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird. Hierdurch soll namentlich verhütet werden, daß diese Vorgänge des persönlichen, häuslichen und Familienlebens an die Öffentlichkeit gezogen wer­ den und daß das Bildnis für Zwecke verwendet wird, mit denen, ohne daß der Fall einer strafrecht­ lichen Beleidigung vorliegt, doch eine Verletzung der dem Abgebildeten schuldigen Achtung oder eine Kränkung oder die Gefahr einer sonstigen Benachteiligung verbunden ist“.

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Feststellung auch den Rückschluss zu, dass eine Bildrechtsverletzung unabhängig vom Vorliegen einer Beleidigung vorliegen kann. Zudem soll der Bildnisschutz nach der Begründung nur bei Darstellungen greifen, die eine Person „in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung“ zei­ gen. Die Karikatur solle demzufolge als „mehr oder weniger willkürliche, nach ei­ nem bestimmten Zwecke ausgeführte künstlerische Bearbeitung eines Bildnisses zu einer neuen Darstellung“547 nicht umfasst sein. Somit liegt den Motiven des Abgebil­ detenschutzes zur Schaffensphase im Jahr 1905 eindeutig ein gewisses Verständnis von morphologischem (Photo-)Realismus zugrunde. 4. Erste Beratung des Gesetzesentwurfs am 25. Januar 1906 In der ersten Beratung des Gesetzesentwurfs von 1905 im Reichstag wurde das Recht am eigenen Bild emotional diskutiert. Insbesondere die Ausführungen der Ab­ geordneten Dietz und Müller (Meiningen) zu Beginn der Beratung zeigen zum einen die Unsicherheit, die mit der rechtlichen Ausgestaltung des Bildnisschutzes einher­ ging. Angesprochen seien insbesondere die Koppelung der Rückausnahme an das berechtigte Interesse des Abgebildeten548 oder etwa die unbestimmten Rechtsbegrif­ fe wie der „Person der Zeitgeschichte“549 oder des „sonstigen Vorgangs“550 als Aus­ nahme des §  22 II. Zum anderen zeigt die Wortwahl von Dietz deutlich, dass das Recht am eigenen Bild zum Schutz vor einer sinngemäßen Beleidigung durch eine Bildnisveröffentlichung zumindest bei Teilen der Abgeordneten als Ausfluss der per­ sönlichen Ehre verstanden wurde.551 Umso bemerkenswerter erscheinen indes die 547  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1541; kritisch hierzu bereits hinsichtlich des Begründung des Entwurfs von 1904 Allfeld, GRUR 1904, S.  269. 548  Vgl. hierzu das Beispiel von Dietz zur gemeinsamen Abbildung der Bildnisse des Sozialisten Ferdinand August Bebel und des antisemitischen Hofpredigers Adolf Stoecker: „Es soll ferner ver­ boten sein, ein Bildnis öffentlich zu verbreiten oder zur Schau zur stellen, wenn dadurch ein berech­ tigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls derselbe verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird. Diese Bestimmung kann die Veranlassung zu den ärgsten Schikanen bilden. […] Es könnten abgebildet werden Stoecker und Bebel auf einer Seite, beide könnten klagen. Jawohl, nach dem Wortlaut des §  22 könnten die beiden Herren klagen“, abgedruckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  214, 1905/06, 28. Sitzung, S.  815. 549 Vgl. Lucas, abgedruckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichs­ tages, Bd.  214, 1905/06, 28. Sitzung, S.  822. 550 Vgl. Müller (Meiningen), abgedruckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  214, 1905/06, 28. Sitzung, S.  816. 551  „Gesetzt, eine illustrierte Zeitung unterfängt sich, auf einer Seite den Fürsten Bülow und den Grafe Witte nebeneinander abzubilden: beide könnten klagen, beide könnten sich beleidigt fühlen. […] Unter anderem lag eine Zeitschrift vor, die Entrüstung erregte. Es wurde darin ein nacktes Mädchen auf der einen Seite abgebildet und auf der anderen Seite eine der höchststehenden Damen Deutschlands. Daraus kann sehr leicht, wenn derartiges nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes publiziert werden würde, eine Majestätsbeleidigung entstehen […]. In derselben Gefahr, wie der Herausgeber einer illustrierten Zeitung, befindet sich auch der Gipsfigurenhändler, der durch unge­ schickte Zusammenstellung verschiedener Porträtbüsten usw. Ärgernis erregen kann; die Leute

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Ausführungen des Abgeordneten Dove, der zunächst grundsätzliche Bedenken an­ meldete, das Recht am eigenen Bild im Zusammenhang mit dem Urheberrecht zu regeln, da er ersteres maßgeblich dem Schutz der Persönlichkeit zuschrieb. Anschlie­ ßend leitete dieser wohl hieraus ab, dass dem grundsätzlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild kein zwingend (foto-)realistisches Verständnis zugrunde liegen müs­ se.552 Ferner bestand während der Diskussion auf Seiten der Nationalliberalen nach wie vor das Anliegen, die Veröffentlichung eines Bildnisses grundsätzlich freizustel­ len und ein Verbot allein vom Vorliegen des berechtigten Interesses des Abgebildeten abhängig zu machen.553 Somit kann allenfalls vermutet werden, dass während der ersten Beratung eine Gemengelage an teilweise unterschiedlichen Prinzipien der verschiedenen Redner vorlag, die dem Recht am eigenen Bild jeweils zugrunde ge­ legt aber kaum näher begründet wurden. 5. Beratungen der X. Kommission Am Ende der ersten Beratung im Plenum verwies man den Entwurf am 25. Januar 1906 an eine Kommission aus 14 Mitgliedern, welche den Entwurf von 1905 in acht Sitzungen und zwei Lesungen in der Zeit vom 06. Februar bis zum 16. März 1906 diskutierte und die Ergebnisse in einem Abschlussbericht veröffentlichte.554 Hinsichtlich der Normierung des Rechts am eigenen Bild lagen zunächst fünf Än­ derungsanträge vor. Der drastischste Vorschlag forderte hierbei die Ersetzung des §  22 der Entwurfsfassung durch eine Regelung, die sich allein am berechtigten In­ teresse des Abgebildeten ausrichtet.555 Die Begründung dieses Antrags zweifelte be­ reits an der Verortung des Rechts am eigenen Bild in dem diskutierten Entwurf, „da es sich bei dieser Regelung nicht um den Schutz des Urhebers, sondern um ein Per­ sönlichkeitsrecht handele“556. Ungeachtet hiervon stelle die vorgeschlagene Norm aufgrund ihrer Detailliertheit eine „in einzelnen Punkten missverständlich[e], im fühlen sich beleidigt und klagen“, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichs­ tages, Bd.  214, 1905/06, 28. Sitzung, S.  815 (Hervorhebungen durch den Verf.). 552  „[D]er Gesichtspunkt, der in dem Schutze des Rechts am eigenen Bilde zutage tritt, ist ein anderer als der, der den übrigen Bestimmungen des Gesetztes zugrunde liegt; das ist eben der Schutz der Persönlichkeit. Ich bin nun der Ansicht, daß wir auf diesem Gebiete nicht stehen bleiben können bei dem Äußeren des Menschen, das ja eigentlich noch Nebensache ist. Ich glaube, wir müssen zu einem wirksameren Schutz der Persönlichkeit kommen“, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  214, 1905/06, 28. Sitzung, S.  824. 553 Vgl. Lucas, abgedruckt in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des ­Reichs­t ages, Bd.  214, 1905/06, 28. Sitzung, S.  821. 554  Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4677. 555  „Verboten ist jede Verbreitung oder öffentliche Schaustellung eines Bildnisses, durch welche berechtigtes Interesse des Abgebildeten, oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen ver­ letzt wird“; vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4683 f. 556  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Akten­ stück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4684.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

ganzen schwerfällig[e] und undurchsichtig[e]“ Regelung dar.557 Deshalb solle nur ein allgemeines Veröffentlichungsverbot unter Berücksichtigung eines berechtigten In­ teresses aufgestellt werden, über welches die Rechtsprechung im Einzelfall befinden müsse. Die Vertreter der Regierungen rechtfertigten die vorab kritisierte Verortung des Rechts am eigenen Bild mit der Erwägung, dass es sich hierbei letztlich um eine Einschränkung des Urhebers eines Bildnisses handele, weshalb sich die entsprechen­ de Verortung im Urheberrecht erschließe.558 Den Abgebildetenschutz allein an das berechtigte Interesse bei der Veröffentlichung eines Bildnisses zu koppeln, wurde abgelehnt, da „eine solche Vorschrift in der Praxis zu Schwierigkeiten führen und den Schutz in vielen Fällen illusorisch machen“ würde.559 Um dem Wunsch nach Vereinfachung der durchaus umfangreichen Norm des §  22 nachzukommen, wurde allerdings einvernehmlich vorgeschlagen, dessen Absatz  2 zu streichen und dessen Inhalt stattdessen in vereinfachter Form in einem neu eingeschobenen §  22a560 zu regeln. Dieser Antrag traf auf breite Zustimmung innerhalb der Kommissionsvertre­ ter, da insbesondere durch die Neuformulierung des §  22a im Einzelnen auf die be­ stehenden Bedenken nahezu aller weiteren Anträge eingegangen wurde. Bemerkens­ wert erscheint in diesem Zusammenhang, dass nunmehr bei der Einführung einer separaten Norm für die Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis auf die ausdrück­ liche generalklauselartige Formulierung des Zwecks einer Darstellung im Falle der Ziffern zwei bis vier verzichtet wurde. Legt man das erklärte Ziel des Kommissions­ berichts bei der Neufassung des §  22a – die Vereinfachung und näheren Erläuterung einzelner Punkte561 – zugrunde, liegt es sehr nahe, dass der Gesetzgeber nach wie vor davon ausging, dass ein Bildnis generell nur dann geschützt werden müsse, wenn dieses den Zweck hat, die betroffene Person abzubilden. Das Beibehalten einer zweckbezogenen Formulierung schien der Gesetzgeber somit offenbar aus Vereinfa­ chungszwecken für hinfällig gehalten zu haben, zumal dies durch die Aufzählungen 557  Als undeutlich kritisiert wurden etwa die Formulierungen des „höheren Interesse[s] der Kunst“ und der „ähnliche[n] Vorgänge“; vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4684. 558  Zudem wurde zur Begründung der Verortung auf die entsprechende Vorgehensweise beider Vorgängerkodifikationen von 1876 verwiesen. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4684. 559  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Akten­ stück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4684. 560  „§  22a (Kommissionsbericht). Ohne die nach §  22 erforderliche Einwilligung dürfen verbrei­ tet und zur Schau gestellt werden: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; 2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; 3. Abbildungen von Versammlungen, Aufzügen und ähnliche Vorgängen, an denen die dargestell­ ten Personen teilgenommen haben; 4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird“. 561  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Akten­ stück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4685.

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in §  22a wohl zum Ausdruck kommt. Hierbei kann es sich letztendlich aber nur um eine Vermutung handeln, da der Kommissionsbericht keine näheren Ausführungen hierzu macht.562 Schließlich wurde beantragt, dass der Kreis der Angehörigen auch auf die Enkel erweitert werden soll. Dies wiesen die Regierungsvertreter mit der Bemerkung zu­ rück, der Kreis der Familienangehörigen des Entwurfs decke sich mit dem in §  189 StGB a. F. bezeichneten antragsberechtigten Angehörigenkreis.563 Somit ging der Gesetzgeber offenbar von einer vergleichbaren Interessenlage bei einer Verletzung des Andenkens eines Verstorbenen und einer Bildnisverletzung nach dem Ableben der abgebildeten Person aus.564 6. Zweite und dritte Beratung des resultierenden Gesetzentwurfs 1906 Nach der Veröffentlichung des Berichts und des abgeänderten Entwurfs der X. Kom­ mission trat der Reichstag am 22. November zu seiner zweiten Beratung zusammen. Erstaunlicherweise wurden die §  22 und §  22a – welcher anschließend zum §  23 KUG wurde – nahezu unkommentiert angenommen. Erwähnenswert erscheint ein­ zig die nicht unerhebliche Feststellung des Abgeordneten Itschert, der davon aus­ ging, dass es keiner Einwilligung der Angehörigen bedarf, wenn der Abgebildete zu Lebzeiten seine Einwilligung in die Veröffentlichung gegeben hat.565 Da hiergegen kein Widerspruch laut wurde, kann die allgemeine Zustimmung durchaus vermutet werden.566 Erheblich mehr Diskussionsbedarf hatte im Plenum hingegen die in der Literatur akzeptierte Formulierung der Ausnahmeregelung für amtliche Zwecke, welche die Redner polizeiliche Schikanen befürchten lies.567 562  Insbesondere beschränkt sich der Kommissionsbericht auf wesentliche Begründungen. Dies schließt jedenfalls nicht aus, dass der Wegfall der Formulierung des Abbildungzwecks als damals unwesentlich empfundenes Argument trotzdem diskutiert wurde; gleichwohl erscheint vor diesem Hintergrund die Behauptung, der historische Gesetzgeber hätte die „Erkennbarkeit“ innerhalb des Tatbestandsmerkmals des Bildnisses „nicht bedacht“ zu pauschal; vgl. aber etwa Gramlich/Lütke, MMR 2020, S.  664. 563  Vgl. in diesem Zusammenhang bereits B. Meyer, S.  145. 564  Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4685. 565  „Ich nehme an – und glaube, dabei in Übereinstimmung mit den übrigen Kommissionsmit­ gliedern und wohl auch mit den Herren Regierungsvertretern zu sein –, daß nach dem Tode des Abgebildeten bis zum Ablaufe von 10 Jahren die Einwilligung der Angehörigen nicht mehr erfor­ derlich ist, wenn der Abgebildete selbst seine Einwilligung gegeben hat. Die Wortfassung und auch die Begründung läßt das nach meiner Auffassung nicht klar erkennen“; vgl. Stenographische Be­ richte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  218, 1905/06, 123. Sitzung, S.  3837. 566  Die frühe Kommentierung von E. Müller, S.  124, setzt dies entsprechend als „selbstverständ­ lich“ voraus. 567  Vgl. in der zweiten Beratung Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichs­ tages, Bd.  218, 1905/06, 124. Sitzung, S.  3840 ff.; in der dritten Beratung Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  218. 1905/06, 137. Sitzung, S.  4265 ff.; bereits in der zehnten Kommission hierzu: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4685 ff.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

Schließlich wurde das Recht am eigenen Bild am 10. Dezember 1906 in der bis heute nahezu unveränderten Fassung der §§  22 ff. KUG in dritter Lesung verabschie­ det: „§  22 KUG. Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Die Einwilligung gilt im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete dafür, daß er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Nach dem Tode des Abgebildeten bedarf es bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte [seit 2001: oder Lebenspartner568] und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.“ „§  23 KUG. (1) Ohne die nach §  22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; 2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; 3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die darge­ stellten Personen teilgenommen haben; 4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schau­ stellung einem höheren Interesse der Kunst dient. (2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.“ „§  24 KUG. Für Zwecke der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit dürfen von den Behörden Bild­ nisse ohne Einwilligung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden.“

Zudem wurde die streng-zivilrechtsakzessorische Strafnorm des §  33 KUG – deren Formulierung marginal von der heutigen Fassung abweicht – ohne Diskussion ange­ nommen: „§  33 KUG a. F. (1) Mit Geldstrafe bis zu eintausend Mark wird bestraft: 1. […] 2. wer den Vorschriften der §§  22, 23 zuwider vorsätzlich ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt.569 (2)  Soll eine nicht beizutreibende Geldstrafe in Gefängnisstrafe umgewandelt werden, so darf deren Dauer zwei Monate nicht übersteigen.“570

568 

Zur Entscheidung von Altfällen vgl. T. Müller, ZUM 2002, S.  202 ff. seiner ursprünglichen Fassung hatte der erste Absatz auch das Anbringen des Namens oder einer sonstigen Urheberbezeichnung auf dem Werk unter Strafe gestellt, was heute in §  107 UrhG geregelt ist; vgl. Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  1. 570  Für die Strafverfolgung setzte §  41 KUG a. F. einen Strafantrag voraus. Nach §  35 KUG a. F. konnte auf Verlangen des Verletzten zudem neben der Strafe auf eine Buße bis zum Betrag von 569  In

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Der Vollständigkeit halber, sollen noch die übrigen flankierenden, bildschützenden Vorschriften der §§  35, 37 I-IV, 41, 42, 43 KUG571 genannt werden, die in der Diskus­ sion und für das Grundverständnis des Rechts am eigenen Bild keine selbstständige Rolle gespielt haben. Das Gesetz trat am 1. Juli 1907 in Kraft. 7. Schlussfolgerungen aus der Schaffensphase bis zur Genese des Rechts am eigenen Bild Mit der Anerkennung des Rechts am eigenen Bild durch die §§  22 ff. KUG schuf der Gesetzgeber im Jahre 1907 eine positivrechtliche Schutzposition des Abgebildeten, die er der Achtung der Persönlichkeit zuschrieb. Hierbei lehnte er nicht nur die dog­ matische Grundausrichtung bzgl. der Schaffung einer gesonderten Rechtsposition aus der Abgebildetenpersönlichkeit, sondern auch die systematische Ausgestal­ tung572 des Rechts in Grundzügen an die Lehre Keyßners an. Somit bestätigte der Gesetzgeber die allmählich sichtbar werdende Tendenz, die gegen Ende des 19.  Jahr­ hunderts bei Klostermann, von Gierke und von Jhering ihren Anfang nahm, sich nach und nach um die Jahrhundertwende in der Lehre aber auch in der Rechtspre­ chung niederschlug und sprach sich für die Anerkennung einer positivrechtlichen Ausgestaltung eines Persönlichkeitsrechts aus. Dies erscheint besonders bemerkens­ wert, da ein allgemeines Persönlichkeitsrecht im Jahre 1907, als dessen Ausfluss das Recht am eigenen Bild hätte bezeichnet werden können, nicht ausdrücklich aner­ kannt wurde.573 Trotzdem wurde das Recht am eigenen Bild sogar in seiner Früh­ phase als eine Art Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstanden, auf das man sich eben nur im Falle einer positivrechtlichen Ausgestaltung – wie sie nun­ mehr in §  22 KUG bestand – berufen konnte.574 Hierbei trägt insbesondere die Regelung des Bildnisrechts ab dem Todeszeitpunkt des Abgebildeten seit seiner Anerkennung besonders zu Wesensbestimmungs- und Einordnungsschwierigkeiten im Verhältnis zum Persönlichkeitsrecht bei: Ungeach­ tet dessen, dass ein allgemeines Persönlichkeitsrecht bislang nicht anerkannt – und folglich auch an ein postmortales Persönlichkeitsrecht nicht zu denken – war, stellen §§  22 S.  2, 3, 23 II KUG in Fragen der Rechtmäßigkeit einer Bildnisveröffentlichung ausschließlich auf die Angehörigen (nicht etwa die Erben) sowie deren Interessen – 6000 Mark erkannt werden. Sollte diese anerkannt werden, war die Geltendmachung des Schadens­ ersatzes ausgeschlossen. 571  Vgl. hierzu Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  226, 1905/06, Aktenstück Nr.  606 (Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photogra­ phie). 572  Verbot i. S. d. §  22 KUG, Ausnahme i. S. d. §  23 I S.  1 KUG und Rückausnahme i. S. d. §  23 I S.  2 KUG im Sinne eines dreistufigen Schutzrechts. 573  Vielmehr hatte der Zivilgesetzgeber bei der Schaffung des 1900 inkraftgetretenen BGB auf die Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausdrücklich verzichtet. 574 Vgl. Allfeld, S.  130; Osterrieth, S.  163. In der Reichsverfassung von 1871 existierten auf „Bundesebene“ keine verfassungsrechtlich garantierten „Grundrechte“. Es war gerade Gang und Gäbe, dass elementaren Rechten über die einfache Reichsgesetzgebung Geltung verschafft wurde.

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wie beispielsweise nach der Gesetzesbegründung den Familienfrieden – ab. Dement­ sprechend wurde das Recht am eigenen Bild schon sehr früh nach seiner Genese als kein reines Persönlichkeitsrecht verstanden, das jedenfalls im Zeitpunkt des Todes des Abgebildeten auch weiterhin als eine Art Familienpersönlichkeitsrecht Interes­ sen bestimmter Dritter schützte.575 Zwar hielt sich der Gesetzgeber in der Schaffensphase des Rechts am eigenen Bild hinsichtlich einer näheren Begründung bedeckt, warum ausgerechnet eine Bildnis­ veröffentlichung gegen den Willen mit der Achtung der Persönlichkeit unvereinbar sei. Dies verwundert insoweit, als der Gesetzgeber das Recht am eigenen Bild seit dem ersten Gesetzentwurf 1902 fortwährend unter den Schutz des Strafrechts ge­ stellt hat. Gleichwohl liefern die umliegenden Umstände und Äußerungen zu einzel­ nen Punkten bzgl. des Schutzbereichs Anhaltspunkte, die vermuten lassen, warum das Veröffentlichen einer Personenabbildung durch das Zivil- und Strafrecht ge­ schützt werden soll.576 Gleich mehrere Umstände sprechen dafür, dass der Gesetzgeber nur solche Abbil­ dungen vom Recht am eigenen Bild – als Bildnis – umfasst wissen wollte, die den ausdrücklichen und ausschließlichen Zweck hatten, die abgebildete Person darzu­ stellen: Zum einen war es bis zu den Beratungen der Kommission erklärtes Ziel aller bis dato vorliegenden Gesetzesentwürfe, den Schutz nur vom Zweck der Darstellung abhängig zu machen. Der Wegfall der expliziten Formulierung aus dem Gesetzestext scheint hierbei aus Vereinfachungsgründen bei der Trennung der Ausnahme- von der Verbotsnorm stattgefunden zu haben. Zum anderen könnte hierfür aber auch spre­ chen, dass der Gesetzgeber sogar ursprünglich das geschützte Bildnis als Portrait, welches ausschließlich den Zweck der Darstellung der abgebildeten Person verfolgt, legaldefiniert hat. Hierbei scheint der Gesetzgeber den Begriff des Zweckes absolut verstanden zu haben.577 Sofern ein anderer Zweck der Darstellung dominierte, wie etwa eine Darstellung zum Zweck eines künstlerischen Ausdrucks, lag der Zweck ohne weiteres nicht mehr in Darstellung einer Person. Dies würde erklären, warum der Gesetzgeber einerseits neben der Fotografie die Werkformen der Plastik und der Malerei grundsätzlich als vom Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild umfasst ansah578, gleichzeitig aber die Karikatur – welche nach Ansicht des Gesetzgebers eben nicht primär den Zweck hatte, die abgebildete Person darzustellen – ausdrück­ lich hiervon ausnahm. Dieses an den Darstellungszweck gebundene Verständnis lässt sodann die weitere Überlegung zu, dass das Recht am eigenen Bild ursprüng­ lich nur (foto)realistische Darstellungen einer Person schützen sollte, denn nur die­ 575 Vgl.

Osterrieth, S.  163. Insoweit ist Osiander, S.  19, zu widersprechen, wenn diese die Schaffensphase für das nähere Verständnis für unerheblich hält. 577 Vgl. H. Schünemann, GRUR 1928, S.  599. 578  Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1539 f.; vgl. ferner die Protokolle zur ersten Beratung hinsichtlich des Geset­ zesentwurfs, in denen ein Bildnis eines Malers in Erwägung gezogen wurde; vgl. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  214, 1905/06, 28. Sitzung, S.  815. 576 

C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

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se  – überwiegend morphologisch getreuen, authentischen – Abbildungen haben den primären Zweck, eine Person in ihrer äußeren Erscheinung darzustellen. Es spricht also sehr viel dafür, dass dem Recht am eigenen Bild bei seiner Genese ein (foto)­ realistisches Verständnis zugrunde lag. Dafür lässt sich auch anführen, dass ein um­ fassendes Regelungsbedürfnis erst mit der allgemeinen Befähigung virulent wurde, durch die Fotografie morphologisch-realistische Darstellungen herstellen zu können. Über die Handlungen, welche zu einer Verletzung des Rechtsguts führen sollen, bestand seit Anbeginn der Diskussion um das Recht am eigenen Bild übergreifender Konsens: Die Varianten des Verbreitens und der öffentlichen Zurschaustellung wur­ den weder in der Wissenschaft noch im Plenum während der Gesetzgebungsphase in Zweifel gezogen. Das Verbreiten eines Bildnisses sollte ausdrücklich entsprechend dem Verbreitensbegriff im „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Lite­ ratur und der Tonkunst (LUG)“ vom 19. Juni 1901 verstanden werden.579 Somit konn­ te diese Handlungsvariante bereits mit der vorübergehenden Weitergabe eines einzi­ gen Bildnisses bejaht werden.580 Die öffentliche Zurschaustellung wurde hingegen in der Schaffensphase des Rechts am eigenen Bild nur insofern näher spezifiziert, als „eine Schaustellung, soweit sie sich auf einen engen Kreis beschränkt, frei bleiben soll“581. Somit wurde bei den einschlägigen Verletzungshandlungen nur in dieser Hinsicht ein Interpretationsspielraum für die Rechtsprechung belassen. Die Herstel­ lung eines Bildnisses gegen den Willen des Abgebildeten war hingegen vom Bildnis­ schutz ausgeklammert.582

C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild Nachdem die Besonderheiten der menschlichen Bildwahrnehmung und die Entwick­ lung des Umgangs mit Personendarstellungen im gesellschaftlichen Kontext bis zur Schaffung des Rechts am eigenen Bild dargestellt wurden, gilt es im Folgenden, die Ergebnisse zusammenzutragen, um Schlüsse auf die Ausgestaltung und Beschaffen­ heit des Rechts am eigenen Bild zu ziehen. Dadurch soll die eingangs aufgeworfene Frage beantwortet werden, weshalb wir gerade das Abbilden von Personen unter ei­ 579  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1536. 580  Vgl. zum Verbreitensbegriff bereits zuvor RGSt 29, S.  4 44; zu §  22 KUG dann Allfeld, S.  93, 132; E. Müller, S.  122; Osterrieth, S.  167; Spieß, S.  59, 100; zur Definition des Verbreitens im LUG von 1901 vgl. die Gesetzesbegründung auf S.  21: „Als Verbreitung ist in Übereinstimmung mit dem Sprachgebrauch des bisherigen Gesetzes jede Überlassung eines Exemplars zu verstehen […]“; ab­ gedruckt bei Marwitz/Möhring, S.  113. 581  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540. 582  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540; Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der 10. Kommission), S.  4678.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

nen besonderen Schutz stellen. Sind die Hintergründe dieses Bedürfnisses hinrei­ chend beleuchtet, können weitere Erkenntnisse für neue Darstellungsformen in mo­ dernen Darstellungsszenarien gewonnen werden. Dies erscheint vor dem Hinter­ grund, dass die Regelungen zum Bildnisschutz der §§  22 ff. KUG von 1907 bis heute nahezu wortgleich fortgelten, umso wahrscheinlicher.

I. Die Repräsentation der abgebildeten Person Das übergeordnete und das Recht am eigenen Bild maßgeblich bestimmende Grund­ prinzip einer Personendarstellung zieht sich durch alle besprochenen Epochen und liegt darin, die abgebildete Person zu repräsentieren. Dieses Prinzip der Repräsenta­ tion stellt per se freilich nicht eine Besonderheit der Veröffentlichung einer Perso­ nenabbildung dar. 1 „Anwesenheitsmachung“ einer abwesenden Person beim Rezipienten Gleichwohl ist in der Abbildung einer Person eine besondere Form der Repräsentati­ on zu erblicken. Dieser bildhaften Repräsentation liegt der primäre Zweck zugrunde, eine abwesende Person durch ihre Abbildung dem insofern abwesenden Betrachter vor Augen zu führen, sie bei diesem zu vergegenwärtigen und hierdurch unmittelbar anwesend zu machen. Dass die Repräsentation durch ein Bild buchstäblich als direk­ te Herstellung von Präsenz der abwesenden Person – sogar über ihren Tod hinaus – empfunden wurde, zeigt nicht nur die funeräre Bildkultur im Altertum. Dieses Ver­ ständnis setzt sich in der europäischen Geschichte weit bis in die Neuzeit hinein fort, begründete ganze Glaubenskriege und hielt dementsprechend Einzug in die frühen (Straf-)Rechtssysteme, indem beispielsweise die Personenabbildung in effigiem be­ straft werden konnte. Dabei knüpft die Idee einer Repräsentation nicht an einer ganz bestimmten bildhaften Darstellung – etwa zu einem bestimmten Zeitpunkt – an. Vielmehr geht es um das sog. Urbild als „gesammeltes Aussehen“ eines Menschen im Sinne der eigenen optischen Aura. Ein Mensch kann somit beispielsweise im ho­ hen Alter durch ein Bild als Säugling repräsentiert werden. 2. Kongruenz der visuellen Wahrnehmung von Personenbild und abgebildeter Person Das besondere Verständnis der bildhaften Repräsentation als unmittelbare Anwe­ senheitsmachung einer abwesenden Person erklärt sich hierbei maßgeblich durch die Charakteristika der visuellen Wahrnehmung einer Personenabbildung. Durch die Besonderheiten des menschlichen visuellen Rezeptionsapparats ist es möglich, eine Person und alle durch die Abbildung vermittelten Informationen in nahezu derselben Weise wahrzunehmen, als stünde die abgebildete Person vor dem Betrachter. Dieser Eindruck intensiviert sich, je (foto-)realistischer die Abbildung erscheint und führt dementsprechend dazu, dass wir der Person und darüber hinaus dem ganzen abgebil­

C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

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deten Szenario sowie jeder hiermit verknüpften Information grundsätzlich mehr Au­ thentizität zusprechen als anderen Informationsträgern. 3. Fortbestand der Zuschreibung der Informationsentäußerung Natürlich wäre es fernliegend, nach wie vor ein Verständnis der unmittelbaren Re­ präsentation durch ein Personenbild im modernen Rechts- und Gesellschaftsdenken anzunehmen, zumal dieses Verständnis mit der zunehmenden Verbreitung und Eta­ blierung von Personenabbildungen in der Neuzeit abgestreift wurde. Gleichzeitig war es aber nunmehr durch die Fotografie möglich, die optische Erscheinung einer Person im Bild getreu der visuellen Rezeption und somit wie im echten Leben darzu­ stellen. Somit wurde das Verständnis von unmittelbar körperlicher Präsenz einer Person zwar über die Jahre abgelegt, während die Voraussetzungen für die Anwe­ senheitsmachung der abgebildeten Person im Sinne einer unmittelbaren Repräsenta­ tion vor dem inneren Auge nahezu perfektioniert wurden. Bei dieser Form von Repräsentation bleiben alle beschriebenen Besonderheiten der menschlichen Bildwahrnehmung bestehen. Dies gilt insbesondere für den Um­ stand, dass wir die Entäußerung aller nonverbalen Informationen durch ein Perso­ nenbild ausschließlich der abgebildeten Person zuschreiben. Es ist somit nicht nur Alleinstellungsmerkmal der bildlichen Repräsentation, dass wir durch das Veröffent­ lichen einer Personenabbildung eine Person in die Öffentlichkeit „treten“ lassen.583 Vielmehr schreiben wir ausschließlich ebendieser die Entäußerung derjenigen Infor­ mationen zu, die wir aus dem Erscheinungsbild der abgebildeten Person entnehmen. Dass hierdurch ein äußerst hohes Missbrauchspotential entsteht, zeigt allein der Um­ stand, dass es ein feststehendes Bildverstehen im Sinne einer kodifizierten Sprache nicht gibt und somit Personenbildnisse je nach Betrachter völlig unterschiedliche Assoziationen wecken und zu verschiedenen Interpretationen führen können. Nicht umsonst wurde bereits bei den frühen Gesetzgebungsversuchen zum Recht am eige­ nen Bild wie etwa dem NBE I erwogen, dass eine Personenbildveröffentlichung auch dann rechtswidrig sein könnte, wenn die Anfertigung des Bildes noch mit dem Ein­ verständnis des Abgebildeten stattgefunden hatte. Weiteres Missbrauchspotential ergibt sich sodann aus der Kombination dieser Ent­ äußerungszuschreibung mit den konkreten Umständen einer Veröffentlichung, zu­ mal die Inszenierung und der Kontext einer ungewollten Veröffentlichung noch wei­ ter von der Kontrolle der betroffenen Person entfernt sind als die Informationsent­ äußerung durch die äußere Erscheinung der abgebildeten Person selbst. Dieses Instrumentalisierungspotential wird durch die Kombinationsoffenheit bild­ licher Darstellungen noch weiter vertieft, indem je nach Inszenierungsart kombinier­ te Darstellungen zu besseren Behaltensleistungen und Eindrücken beim Betrachter 583  Vgl. etwa nur Osterrieth, Bemerkungen 1904, S.  144. Kargl, ZStW 117 (2005), S.  326, spricht von einer Doppelfunktionalität, wonach Bilder nicht nur Realität reproduzieren, sondern auch Rea­ lität produzieren.

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

führen können.584 Dieses ganz besondere Verständnis von bildlicher Repräsentation gilt bis heute im übertragenen Sinne in Form einer sinnbildlichen Anwesenheits­ machung fort. 4. Verhältnis von Ehrschutz- und Persönlichkeitsschutz bei der Repräsentation Die historische Entwicklung585 zeigt, dass das Abbilden einer Person ursprünglich eine ausschließlich positive Konnotation hatte. Es war gerade ein erstrebenswerter Ausdruck von Ehre, erkennbar für sein soziales Umfeld abgebildet zu werden. Des­ halb liegt die Erwägung nicht fern, dass das Abbilden gegen den Willen spiegelbild­ lich eine Verletzung der Ehre darstellen müsse. Die Idee, ausschließlich mit dem widerstrebenden Willen eine strafrechtlich relevante Ehrverletzung zu begründen,586 lag aber bereits dem Gesetzgeber von 1907 im Ergebnis fern.587 Die getrennte Behandlung von Ehr- und Abbildungsschutz überzeugt insbesonde­ re anhand der heutigen kommunikationswissenschaftlichen Ergebnisse zur Verifika­ tion von der Entäußerung und Wahrnehmung von Personendarstellungen: Da der Abgebildete naturgemäß keinen Einfluss darauf haben kann, welche konkreten Rückschlüsse ein Rezipient aus seiner Personenabbildung zieht, kann das Recht am eigenen Bild nicht davor schützen, wie der Abgebildete von dem jeweiligen Rezipien­ tenkreis wahrgenommen wird. Der Abgebildete hat demzufolge das Recht auf den Impuls im Sinne der Entscheidung über alle Aspekte (und somit auch über das Wie) seiner Präsentation. Diejenigen Aspekte, welche hingegen die Wahrnehmung dieser Präsentation betreffen, namentlich die Entscheidung zur Wahrnehmung, den Zeit­ punkt, das Verständnis und die Interpretation588 unterliegen aber der persönlichen Sphäre des jeweiligen Rezipienten. Dies bedeutet, dass das Recht am eigenen Bild grundsätzlich unabhängig von solchen Rechtsgütern bestehen muss, welche an gene­ ralisierende Wertevorstellungen Dritter anknüpfen und deshalb werte- und wahr­ nehmungsbezogen sind. Das gilt etwa für den Ehrbegriff. Denn unabhängig davon, welchen Ehrbegriff man favorisiert, knüpft dieser maßgeblich an die wertende Wahr­ nehmung Dritter an.589 Somit muss das Recht am eigenen Bild grundsätzlich un­ abhängig vom Ehrschutz Bestand haben. Sofern man heute gleichwohl dem Kern des Rechts am eigenen Bild einen festste­ henden Teilbereich mit ehrschützenden Charakter zuweisen will, kann dies nach 584  Siehe zum Missbrauchspotential durch Bilder auch Knieper, S.  41 ff., der zwischen den Alter­ nativen „Eingriffe in die Umwelt“, „Irreführende Kontextualisierung“, „Bildveränderung“ und „Er­ zeugung virtueller Welten“ unterscheidet. 585  Siehe Kap.  1, B. 586  So noch Gareis, S.  7, im Streit um die dogmatische Begründung des Rechts am eigenen Bild. 587  Vgl. auch Joschke, S.  93: „Bilder haben im Zeitalter der Fotografie weniger mit Ruhm und Ehre zu tun als mit einer Ethik der Transparenz, die – jenseits von Dignität, Würde und Schande – als Symbol für die Demoktratie steht. 588  Man könnte in diesem Zusammenhang also das Recht am eigenen Bild vom Recht am Per­ sönlichkeitsbild unterscheiden; vgl. Götting/Schertz/Seitz/Beuthien §  17, Rn.  1 ff. 589  Zu den einzelnen Ehrbegriffen BeckOK StGB/Valerius, §  185 StGB, Rn.  1–3.

C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

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dem zuvor Gesagten, wenn überhaupt, nur für die Zuschreibungskomponente590 der Entäußerung nonverbaler Informationen gelten, die von der abgebildeten Person aus­ gehen. Mit anderen Worten: Man könnte erwägen, dass die durch ein Bild „erzwun­ gene“ und dem Abgebildeten zuordenbare Informationsentäußerung entgegen sei­ nem Willen per se ehrverletzenden Charakter besitzt. Im Umstand, dass die abgebil­ dete Person gewissermaßen zur (nonverbalen) Marionette des Veröffentlichenden wird und gegen ihren Willen am veröffentlichten Ort kommunizieren muss, könnte eine (isolierte) Ehrverletzung liegen. Dieser Teil ist aber stets von der Veröffentli­ chung eines Personenbildnisses mitumfasst und geht daher im allgemeinen Persön­ lichkeitsrecht mit auf, wovon auch das Recht auf Ehre ein Teil ist.591 Dieser Teil wiegt für sich genommen aber zum einen schon nicht so schwer, dass allein hieraus eine strafbare Ehrverletzung begründet werden könnte. Zum anderen muss für eine Ehr­ verletzung irgendeine Form von Zugang an die betroffene Person oder Dritte stattfin­ den.592 Die tatsächliche Kenntnisnahme ist bei einer Veröffentlichung im Sinne des Rechts am eigenen Bild aber gerade keine Voraussetzung. Eine gewisse Nähe ist damit nicht von der Hand zu weisen, eine Wesensgleichheit von Recht am eigenen Bild und Ehre liegt allerdings nach der hier vertretenen Auffassung nicht vor. 5. Erkennungsmerkmale einer Repräsentation Der ursprünglich positiven Konnotation, die das Abbilden einer Person mit sich brachte – sei es als Ausdruck von Ehre etwa beim ius imaginum oder als Zeichen des Wohlstands durch ein aufwändiges, kostspieliges (Foto)Portrait –, liegt auch die Er­ wägung zu Grunde, dass es der abgebildeten Person gerade ein Anliegen war, er­ kennbar abgebildet zu werden. Dass die Wahrnehmung der Gesichtszüge für die Zuordenbarkeit eine besondere Rolle spielen muss, beweisen sowohl der zeitge­ schichtliche Abriss zum Verbreiten von Personenaufnahmen, bei dem das Abbilden der Gesichtszüge nahezu ausschließlich die maßgebliche Rolle zukam, als auch mo­ derne Rezeptionsforschung hinsichtlich der Vermittlung von Emotionen.593 Dies be­ deutet hingegen nicht, dass das Abbilden anderer Teile eines menschlichen Erschei­ nungsbildes nicht zur Repräsentation beitragen kann. Dies zeigen nicht zuletzt das Wappen- und zum Teil auch das Siegelrecht, wenn diese vollständig auf die Abbil­ dung eines menschlichen Erscheinungsbilds verzichteten. Sofern aber auf ein menschliches Erscheinungsbild gänzlich verzichtet wird, entfallen alle Komponen­ ten, die mit den Charakteristika des besonderen Abbildungsobjekts eines Menschen zusammenhängen. Es liegt somit sehr nahe, dass gewisse Abbildungsmerkmale für 590 

Götting, S.  13, spricht in dieser Hinsicht davon, dass „Eigenregie“ zur „Fremdregie“ wird. MüKo BGB/Rixecker, §  12 BGB, Rn.  99. 592  Vgl. zur Kundgabe etwa Nussbaum, KriPoZ 2021, S.  218. 593  Orland, S.  26, spricht etwa im Zusammenhang naturwissenschaftlicher Befunde zur Wir­ kung von Ultraschallbildern von einer „intuitiv erkennbaren Wirkung der Physiognomie“, die (bei Laien) dazu führe, dass anhand der Gesichtsform auf die Wesensart des (abgebildeten) Menschen geschlossen wird. 591 

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Kapitel  1: Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

die Konstituierung einer Rechtsposition schwerer wiegen müssen, als andere. Ob und wie sich dies im Einzelnen im Recht am eigenen Bild niederschlagen kann, gilt es noch zu erörtern. Grundsätzlich kann aber alles, was im Zusammenhang mit einem menschlichen Erscheinungsbild steht, zur Repräsentation dieses Menschen beitra­ gen. 6. Die Repräsentation der Angehörigen Schließlich ist der bildhaften Repräsentation einer Person eigen, dass sie offenbar nicht nur die abgebildete Person, sondern ab dem Zeitpunkt ihres Ablebens auch die Personengruppe der Angehörigen zumindest in Teilen repräsentiert. Insbesondere scheint hier die Idee eines postmortalen Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten, das von den Angehörigen nach dessen Ableben geltend gemacht werden kann, nicht im­ mer zu passen. Schließlich stellt das Recht am eigenen Bild in seiner Ausformung der §§  22 ff. KUG ab dem Zeitpunkt des Ablebens der abgebildeten Person zumindest nicht mehr ausschließlich auf die zu Lebzeiten geäußerten Interessen der abgebilde­ ten Person ab.594 Sicherlich war dieser Fortgeltung eines postmortalen Bildrechts der Gedanke eines nachhallenden Schutzes des Abgebildeten immanent. Es spricht aber auch sehr viel dafür, dass diese postmortale (Ausstrahlungs-)Dimension einer bild­ haften Repräsentation im ius imaginum und auch dem Wappenrecht ebenso Wurzeln findet, wonach es über den Tod der abgebildeten Person hinaus ein besonderes Privi­ leg des Kollektivs der Angehörigen war, über die Veröffentlichung der Abbildung des Verstorbenen zu bestimmen, welche mit dem Ableben quasi zum Zeichen des Kol­ lektivs wurde.

II. Fazit Das Recht am eigenen Bild speist sich also in erster Linie aus dem Gedanken, dass eine Person grundsätzlich selbst darüber entscheiden können muss, ob, wo, wann und wie sie sich durch ihr Erscheinen präsentiert und somit anwesend macht. 1. Das Ob der Präsentation Sobald sich eine Person dazu entschlossen hat, in ihrem sozialen Umfeld anwesend zu sein, indem sie sie ihr äußeres Erscheinungsbild an einen entsprechenden Ort bewegt, kann sie von diesem maßgeblich als Individuum wahrgenommen werden. Denn die Zuschreibung der individuellen Persönlichkeit eines Menschen bestimmt sich maßgeblich anhand der Wahrnehmung der Allgemeinheit. Mit anderen Worten kann sich eine Person wegen der Unmittelbarkeit der menschlichen visuellen Wahr­ nehmung schnellstmöglich und anhand der gesteigerten Informationsdichte ihrer 594  Selbst das Interesse der Personen, welche der Abgebildete gewillkürt zu Erben bestimmt, hat hinter demjenigen der Angehörigen (die etwa enterbt wurden) das Nachsehen.

C. Resultierende Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild

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individuellen optischen Merkmale glaubhaft von anderen Personen abgrenzen und wird somit für die Allgemeinheit geradezu instinktiv als Individuum erfahrbar. Die visuelle Wahrnehmung eines Menschen – und somit das Ob der visuellen Präsenta­ tion – ist also Hauptkriterium für seine Wahrnehmung als Individuum. 2. Das Wann, Wo und Wie der Präsentation Zwangsläufig muss der Einzelne neben dem Ob auch die modalen Aspekte seiner Präsentation und Anwesenheit autonom bestimmen können. Somit obliegt ihm auch die Entscheidung, wann, wo und wie es Dritten möglich sein soll, Rückschlüsse auf sein Wesen durch seine visuelle Wahrnehmbarkeit zu ziehen. Denn diese Rück­ schlüsse können natürlich nicht nur aus der visuellen Wahrnehmung der optischen Merkmale einer Person als solcher erfolgen, sondern entstehen auch mittelbar durch den Zeitpunkt, den Ort und den Kontext ihrer Anwesenheit und hängen somit reflex­ artig am Ob der Präsentation. 3. Grenzen Wenn eine „Anwesenheitsmachung“ der betroffenen Person aber ebenfalls durch Dritte – durch das Zeigen des Erscheinungsbilds der betroffenen Person – geschehen kann, muss es grundsätzlich an der betroffenen Person liegen, über diese Anwesen­ heitsmachung im Voraus zu befinden. Dieses Recht kann jedoch stets nur so weit reichen, wie es das Zusammenleben in einer sozialen Gesellschaft zulässt: Die Grenzen sind hierbei zum einen bereits fak­ tischer Natur, da sich der Einzelne im Fall seines selbstbestimmten Auftretens als Teil einer (Rechts-)Gemeinschaft nicht stets der Wahrnehmung anderer entziehen kann. Zum anderen bestehen gewisse Interessen der Gemeinschaft, den Einzelnen gera­ de als Individuum wahrzunehmen. Diese Interessen stellt die (Rechts-)Gemeinschaft seit jeher durch einzelne Regelungen über das Interesse des Einzelnen, selbstbe­ stimmt anwesend gemacht zu werden. Ferner müssen diejenigen Aspekte vom Abbildungsschutz unterschieden werden, die in die persönliche Sphäre des Rezipienten fallen. Ob, wann, wo und wie eine Person durch ihre Abbildung nach ihrer Abwesenheitsmachung von einem Rezipien­ ten tatsächlich wahrgenommen, wie diese bildhafte Kommunikation gewissermaßen „übersetzt“ – wird, entzieht sich somit der Grundidee des Abbildungsschutzes.

Kapitel  2

Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung Nachdem die Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild herausgearbeitet wur­ den, gilt es diese ins Verhältnis mit modernen Darstellungsszenarien zu setzen. Im strafrechtlichen Kontext bedeutet dies, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, in­ wiefern das Rechtsgut unter Berücksichtigung des modernen Stands der Technik betroffen und eine strafrechtliche Sanktionierung anhand gesellschaftlich mitge­ wachsener Wertentwicklungen angebracht erscheint. Daran hängen diverse Folge­ fragen, etwa, ob und inwieweit das Recht am eigenen Bild isoliert oder in einem ge­ samtrechtlichen Kontext zu betrachten ist. Einerseits hat sich die rechtliche Ausge­ staltung des Rechts am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG seit 1907 bis heute nicht nennenswert verändert.1 Deshalb könnte in der nunmehr über hundertjährigen Aufrechterhaltung der Gesetzeslage um die §§  22 ff. KUG das Bekenntnis des Ge­ setzgebers zum (strafbewehrten) Schutz der bildhaften Repräsentation einer Person in einer modernen, digitalen und kurzlebigen Gesellschaft erblickt werden.2 Ande­ rerseits greift dies zu kurz; es erscheint vorschnell, das (strafrechtlich geschützte) Rechtsgut des Rechts am eigenen Bild (von 1907) isoliert von seiner über die Jahre tatsächlich erfolgten und gewachsenen Integration in der Gesamtrechtsordnung zu betrachten. Zunächst handelt es sich bei den §§  22 ff. KUG um sog. vorkonstitutionel­ les Recht3, das möglicherweise aus einem anderen Werteverständnis als dem heu­ 1  Vom ursprünglichen, im Jahre 1907 in Kraft getretenen KUG sind zwar nur noch wenige Be­ stimmungen übriggeblieben, da die meisten Bestimmungen des KUG mit dem Gesetz vom 09.09.­ 1965 (BGBl. I, S.  1273) durch §  141 Nr.  5 UrhG zugunsten der Bestimmungen im UrhG aufgehoben wurden. Dies gilt aber explizit nicht für die Normen, die den Schutz des Rechts am eigenen Bild betreffen. Seither beschränkt sich der Inhalt des KUG ganz auf den Schutz des Rechts am eigenen Bild; vgl. hierzu Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  2. Das schon begrifflich unglücklich anmutende Resultat eines fortbestehenden „Urheber“-Gesetzes, welches allein den Abgebildeten schützt, ist dem Umstand geschuldet, dass man die Neuregelung des Bildnisschutzes einer künfti­ gen Gesamtkodifikation des Persönlichkeitsrechts vorbehalten wollte. Zu einer Neuregelung ist es aber bis heute nicht gekommen; vgl. hierzu auch Dreier/Schulze/Specht, Vorbem. §  22 KUG, Rn.  2, der das Scheitern einer Gesamtkodifikation Ende der sechziger Jahre vor allem dem Widerstand der Presse zuschreibt. 2  Lindner, S.  75, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die §§  22 ff. KUG auch noch heute vor dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung ein Ausdruck der Schutzpflicht des Gesetz­ gebers sind. 3  Zum Begriff des vorkonstitutionellen Rechts und dessen Fortgeltung Maunz/Dürig/­Giegerich, Art.  123 GG, Rn.  20 ff.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

tigen erwuchs und vor diesem Hintergrund gegebenenfalls – etwa bei der Auslegung von Tatbestandsmerkmalen – neu interpretiert werden muss.4 Ferner könnte hierfür die rasante Fortentwicklung der Medienlandschaft sprechen. Denn diese hat das Ver­ ständnis und den Umgang mit Personenabbildungen innerhalb der Gesellschaft nicht nur bis zur Normierung des Bildnisschutzes in den §§  22 ff. KUG nachhaltig ge­ prägt,5 sondern formt diese durch technische Innovationen stets weiter. Unbeschadet dessen könnte man noch früher ansetzen und bereits daran zweifeln, dass all diese Umstände aus rein strafrechtlicher Perspektive überhaupt eine Rolle spielen, da dem Strafrecht der Schutz von Rechtsgütern zugrunde liegt.6 Daraus ließe sich schließen, dass, wenn der Gesetzgeber das durch die §§  22 ff. KUG ver­ bürgte Recht am eigenen Bild noch heute als ein strafrechtlich geschütztes Rechts­ gut7 begreift, Veränderungen innerhalb der Gesellschaft – allen voran die Schaf­ fung einer neuen objektiven Werteordnung durch das Grundgesetz im Jahr 1949 – zumindest auf die strafrechtliche Beurteilung grundsätzlich keinen Einfluss haben.8 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, dass auch der strafrechtliche Rechtsgüter­ schutz nicht unabhängig von der objektiven Werteordnung des Grundgesetzes beste­ hen kann, welche nichts anderes ist als Ausdruck der momentanen gesellschaftlichen Wertevorstellungen.9 In praktischer Hinsicht ergibt sich dies bereits aus Art.  20 III GG, wonach die Gerichte an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden sind.10 Dies impliziert die Notwendigkeit, über die Wertungen des Grundgesetzes auch gesell­ 4  Ignoriert man die europarechtlichen Einflüsse, besteht das Recht am eigenen Bild heute rein theoretisch im Angesicht der mittlerweile dritten verfassungsmäßigen Werteordnung des Grund­ gesetzes seit 1949 nach der Paulskirchenverfassung von 1848/49, welche freilich nicht in Kraft trat, und der Weimarer Reichsverfassung von 1919. 5  Vgl. hierzu Kap.  1, B.; vgl. auch Eisele, JR 2005, S.  6; ferner Dumont, S.  5; Rietschel, S.  4: „Wenn heute plötzlich der Ruf nach Schutz des eigenen Bildes überall ertönt, so ist das wohl in erster Linie auf diese von der Momentphotographie drohende Gefahr zurückzuführen“. 6  B. Heinrich, AT, §  1, Rn.  3; Jescheck/Weigend, S.  7; Kargl, S.  90, Rn.  112; Kühl, in: Schüne­ mann-Symposium 2005, S.  220; E. Schmidhäuser, AT, S.  36. Insbesondere könnte diese Erwägung stützen, dass die Grundrechte grundsätzlich als Abwehrrechte des Einzelnen vor Eingriffen des Staates (und nicht primär zur Auslegung von strafrechtlichen Rechtsgütern) konzipiert sind; vgl. nur Lagodny, S.  53. 7 Vgl. Doerbeck, S.  165; Müko StGB/Graf, §  201a StGB, Rn.  10; vgl. ferner Wandtke/Ohst/ B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  138; Heiß, S.  184; LK/Valerius, §  201a StGB, Rn.  5. 8  Vgl. in diesem Zusammenhang Roxin/Greco, AT I, §  2, Rn.  4, welche darauf hinweisen, dass es u. a. umstritten ist, ob der Rechtsgutsbegriff rein hermeneutisch zu verstehen ist; vgl. hierzu die Feststellung von Jakobs, AT, 2. Abschn., Rn.  2 ff.: Strafrecht gewährleiste „Normgeltung“; zumin­ dest könnte die Erwägung einer strengen Trennung von Rechtsgut und objektiver Werteordnung in Teilen von den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im sog. Inzest-Urteil gestützt wer­ den, wonach aus einem Rechtsgut nicht mehr als die ratio legis der jeweiligen Strafnorm heraus­ gelesen werden kann; vgl. BVerfGE 120, 224 (241 f.) – „Geschwisterbeischlaf“; zur Kritik vgl. das Sondervotum Hassemer bei BVerfGE 120, 224 (255 ff.) – „Geschwisterbeischlaf“; ferner Greco, ZIS 2008, S.  234 ff.; Hörnle, NJW 2008, S.  2085 ff.; Roxin, StV 2009, S.  544 ff. 9  Vgl. Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  1, Rn.  14; ferner B/W/M/E/Eisele, §  2, Rn.  15 ff.; Roxin, GA 2013, S.  450. 10 Zur verfassungsrechtlichen Begründung der Strafgesetzlichkeit insgesamt Kargl, S.  56, Rn.  38 ff.

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schaftliche Wertvorstellungen bei der Auslegung von Strafgesetzen mit in den Blick zu nehmen.11 Bestehen also mehrere Auslegungsmöglichkeiten, etwa aufgrund of­ fen formulierter Tatbestandsmerkmale, darf das gefundene Ergebnis nicht den Wer­ tungen der Verfassung zuwiderlaufen.12 Dass der (strafrechtlichen) Auslegung also gerade beim Schutz des Rechts am eigenen Bild eine überragende Rolle zukommen muss, zeigt sich nicht nur beim starren Blick auf die unbestimmten Tatbestands­ merkmale des §  33 KUG hinsichtlich des Tatobjekts Bildnis und der Handlungs­ varianten Verbreiten und öffentliches Zurschaustellen. Offensichtlich wird dies gera­ de auch in Anbetracht der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Straftatbe­ stands des §  33 KUG, wonach sich dessen Tatbestandsmerkmale überhaupt erst über das Zivilrecht ermitteln lassen: Die zivilrechtliche Ausgangsnorm des §  22 KUG bestimmt verbindlich diejenigen Begriffe, die in §  33 KUG als Tatbestandsmerkmale vorzufinden sind.13 Dass sich die objektiven Werteentscheidungen einer verfas­ sungsmäßigen Ordnung aber zumindest in irgendeiner Form auf die Auslegung je­ denfalls im Privatrecht auswirken müssen, wird spätestens seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr bezweifelt.14 Allein die hinreichende Bestimmung der Tatbe­ standsmerkmale des §  33 KUG bedarf somit zwingend der vorgelagerten Einord­ nung der entwickelten Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild in geltendes Verfassungsrecht. Selbst bei einer strikt getrennten Betrachtung von einmal definierten Rechtsgü­ tern und den aktuellen gesellschaftlichen Wertevorstellungen (vermittelt über die Wertungen des Grundgesetzes) bliebe immer der Einwand bestehen, dass schon die Motivation des Gesetzgebers, ein strafrechtliches Rechtsgut zu bestimmen oder auch aufzugeben, nie unabhängig von den gesellschaftlichen Wertevorstellungen entste­ hen kann.15 Denn gerade hierfür spielen wandelbare Vorstellungen im Wertesystem einer Gesellschaft16 eine entscheidende Rolle.17 Dass folglich die schon angespro­ chene technische Innovation ebenfalls eine konstante Variable bereits innerhalb des strafrechtlichen Rechtsgutssystems zu sein scheint, zeigt sich beispielhaft an der be­ wegten (Fort-)Entwicklung des durch das 36. StrÄndG im Jahr 2004 eingeführten 11  MüKo StGB/Joecks, Einl., Rn.  26. Aus dem materiellen Strafrecht ist hier z. B. §  228 StGB zu nennen. 12 Vgl. Kuhlen, S.  1. Zur immer stärker werdenden Bedeutung der verfassungskonformen Aus­ legung bei Strafgesetzen Kuhlen, S.  39; vgl. ferner Kühl, JZ 2004, S.  127: „Spitze der Auslegungs­ kunst“. 13 Vgl. zum Grundsatz der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts B. Heinrich, in: Sym­­posium Flechsig 2018, S.  48. 14  Vgl. hierzu nur Kulick, NJW 2016, S.  2236; ferner Hornung, S.  240 ff. 15  Augenscheinlich zeigt sich dies bereits anhand der demokratischen Wahl des Gesetzgebers durch das Volk i. S. d. Art.  20 I 1 GG (Demokratieprinzip); vgl. hierzu Kargl, S.  56, Rn.  38. 16  E. Schmidhäuser, Sinn der Strafe, S.  50, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Frage nach dem Sinn des Strafens immer den Sinn für die strafende Gemeinschaft meint. 17  B. Heinrich, AT, Einl. Rn.  9; vgl. hierzu auch Ambos/Steiner, JuS 2001, S.  9 f.; B/W/M/E/­ Eisele, §  3, Rn.  10; Roxin/Greco, AT I, §  2, Rn.  63; Rudolphi, in: FS Honig 1970, S.  163 f.; T. Walter, JA 2013, S.  728 ff.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

§  201a StGB. Dieser soll neben §  33 KUG Verhaltensweisen um die bildhafte Dar­ stellung einer Person, insbesondere die Anfertigung einer Bildaufnahme einer Per­ son in einer bestimmten Situation sanktionieren und erfuhr zu Beginn des Jahres 2021 bereits seine zweite Neuauflage. Dabei stützten sich bisher alle Entwurfsbe­ gründungen rund um §  201a StGB im Kern auf ein und dieselbe Argumentation: Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild reiche für die abgebildete Person aufgrund der technischen Innovation in Bezug auf die Herstellung und Verbreitung von Personenaufnahmen nicht (mehr) aus und müsse daher erweitert werden.18 Hier hat vermutlich die thematische Nähe des „grundsätzlichen Abbildens einer Person“ zur „Verletzung der abgebildeten Person durch eine Bildaufnahme“ sowie das um­ gangssprachliche Begriffsverständnis eines „Rechtes“ bzgl. eines Bildes, welches das eigene Abbild zeigt, zur Annahme geführt, durch §  201a StGB solle ausdrücklich das Recht am eigenen Bild umfassender geschützt werden.19 Dogmatisch vollzieht sich diese Erweiterung aber gerade nicht innerhalb des seit 1907 bestehenden Rechts­ guts, sondern vielmehr hat der Gesetzgeber dem Recht am eigenen Bild mit dem höchstpersönlichen Lebensbereich ein weiteres Rechtsgut zur Seite gestellt, ja teil­ weise sogar „übergestülpt“20. Demzufolge wirft zum einen die inhaltliche Bestim­ 18  Hinsichtlich der Schaffung des §  201a StGB im Jahr 2004 wird in BT-Drs. 15/361, S.  3; BTDrs. 15/533, S.  3 auf das Internet und immer kleiner werdende hochauflösende Aufnahmegeräte verwiesen; BT-Drs. 15/1891 nimmt bereits ausdrücklich auf Handys mit Kamerafunktion Bezug; in der Literatur etwa Borgmann, NJW 2004, S.  2133; Bosch, JZ 2005, S.  377; Eisele, JR 2005, S.  6; Ernst, NJW 2004, S.  1279 f.; Flechsig, ZUM 2004, S.  605; Kühl, AfP 2004, S.  192. Die erste Revi­ sion des §  201a StGB im Jahr 2015 durch das 49. StÄG wurde wieder mit immer besser werdenden Kameras, deren Verfügbarkeit in Smartphones sowie mit den Veröffentlichungsmöglichkeiten über das Internet begründet; vgl. BT-Drs 18/2601, S.  36; in der Literatur: Eisele/Sieber, StV 2015, S.  312; Gercke, CR 2014, S.  690. Beim bis dato jüngsten Regierungsentwurf zur Erweiterung der Strafbar­ keitspalette um u. a. das Fotografieren unter den Rock (upskirting), in das weibliche Dekolleté (downblousing) und von Unfalltoten verweist die Begründung bereits auf S.  1 wieder auf immer kleiner werdende hochauflösende Kameras, insbesondere in Mobiltelefonen, vgl. BT-Drs. 19/17795. 19  Bonnin/Berndt, HRRS 2019, S.  452; Bosch, JA 2009, S.  308; R. Busch, NJW 2015, S.  977 f., 980 f.; Gola, RDV 2004, S.  216; LK/Valerius, §  201a StGB, Rn.  1, 3; vgl. auch Doerbeck, S.  165; Müko StGB/Graf, §  201a StGB, Rn.  10; Mavany, AfP 2017, S.  479; Leipold/Tsambikakis/Zöller/ Popp, §  201a StGB, Rn.  1; Preuß, ZIS 2018, S.  216; vgl. auch Borgmann, NJW 2004, S.  2133; Häger, S.  137; Hilgendorf/C. Wolf, K&R 2006, S.  547; Kraenz, S.  199; Mitsch, JURA 2006, S.  117; Wendt, AfP 2004, S.  183, 187. Hierzu hat wahrscheinlich auch rein begrifflich der Vergleich der Rechtslage hinsichtlich des „Rechts auf Wahrung der Vertraulichkeit des nicht öffentlich gesprochenen Wor­ tes“, welches in §  201 StGB geschützt wird, beigetragen; vgl. etwa BT-Drs. 15/2466 S.  4. Wenn §  201 StGB somit den Bezugspunkt für das Recht am Begriff des Wortes ausrichtet, liegt der Be­ zugspunkt für §  201a StGB für das Recht am Begriff des Bildes somit nahe; vgl. zudem den Geset­ zesentwurf von CDU/CSU und SPD zur ersten Revision des §  201a StGB im Jahre 2014, welcher ausdrücklich von einer Verbesserung des Rechts am eigenen Bild spricht, BT-Drs. 18/2601, S.  16, 37; vgl. schließlich nur den Titel der Arbeit von Hengst aus dem Jahr 2012: „Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild (§  201a StGB)“. 20 Vgl. hierzu den Wortlaut der Begründung des fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurfs, der mit geringer Abweichung zum Gesetz wurde, wonach insbesondere die Absätze 2 und 3 von §  201a StGB „die Strafvorschrift des §  33 KUG ergänzen“ sollen; vgl. BT-Drs. 15/2466, S.  4; Borgmann, NJW 2004, S.  2135. Kritisch hinsichtlich der fehlenden Abstimmung von §  201a StGB mit §  33 KUG bereits Kühl, AfP 2004, S.  192.

Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

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mung des neuen Rechtsguts bis heute Fragen auf.21 Zum anderen entpuppte sich die Bestimmung des Verhältnisses beider Rechtsgüter untereinander als anspruchsvolles Unterfangen. Diese Schwierigkeit verdeutlicht sich bereits bei der unbefangenen Ge­ setzeslektüre, denn beide Strafnormen knüpfen an vollkommen unterschiedliche Tatbestandsmerkmale an. Da beide Tatbestände aber offenbar vor einer unbefugten Handhabe einer bildhaften Repräsentation schützen sollen, erscheint die Einordnung beider Rechtsgüter in ein gemeinsames Wertesystem, nicht zuletzt zur Wahrung der (Straf-)Rechtsordnung essentiell. Somit erschließt sich selbst bei einer streng isolier­ ten Betrachtungsweise von strafrechtlichem Rechtsgut und gesellschaftlichen Wert­ vorstellungen die vorgelagerte Einordnung des Rechts am eigenen Bild und des höchstpersönlichen Lebensbereichs in die geltende Werteordnung des Grundgeset­ zes.22 Nur auf diesem Weg kann im Übrigen auch das soeben angedeutete komplexe Verhältnis des §  33 KUG zu §  201a StGB dogmatisch befriedigend bestimmt werden. Dieser Abgrenzungsvorgang verleiht dem Recht am eigenen Bild zudem zu schärfe­ ren Konturen. Eine weitere Frage ist schließlich, ob der Gesetzgeber grundsätzlich ein (verfas­ sungsrechtlich verankertes23) Schutzgut mit den Mitteln des Strafrechts schützen soll.24 Für diese Entscheidung bedarf es aber gerade wiederum einer Auseinander­ setzung mit der sozialen Wirklichkeit. In Anbetracht all dieser Erwägungen erschließt sich folgende weitere Vorgehens­ weise der Untersuchung, um die soziale Wirklichkeit des strafrechtlichen Bildnis­ schutzes in modernen Darstellungsszenarien unter Zugrundelegung einzelner Fall­ beispiele anhand der geltenden Gesetzeslage herauszuarbeiten: Da die das Recht am eigenen Bild konstituierenden §§  22 ff. KUG nach wie vor in Kraft sind, stellen diese noch heute den primären Bezugspunkt für den Begriff des Rechts am eigenen Bild dar.25 Trotzdem ist der Gehalt des Rechts sowohl mit der Gesamtrechtsordnung ver­ quickt als auch von der gesellschaftlichen Werteordnung abhängig. Daher überzeu­ gen die oben skizzierten Einwände bzgl. einer isolierten Betrachtungsweise für das Strafrecht nicht und es ist zwingend notwendig, den Platz des Rechts am eigenen Bild und sein zugrundeliegendes Prinzip der bildhaften Repräsentation in der geltenden Gesamtrechtsordnung zu bestimmen. 21 

Häger, S.  106; Jahn/Ziemann, in: FS Kargl 2015, S.  236; Kühl, in: FS Schöch 2010, S.  433. Vgl. hierzu allgemein Schünemann, ZStW 90 (1978), S.  14. 23  Vgl. hierzu MüKo StGB/Joecks, Einl. Rn.  19 am Beispiel von BVerfGE 39, S.  46 ff. – „Schwan­ gerschaftsabbruch“. 24  Hierbei ist allen voran die Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts angesprochen; vgl. im Kon­ text der Strafbarkeitserwägungen hinsichtlich des Umgangs mit Personenabbildungen Eisele, JR 2005, S.  7, Kühl, AfP 2004, S.  191. 25  Fest steht, dass die §§  22 ff. KUG trotz ihrer Genese vor dem Grundgesetz als bislang mit dem Grundgesetz vereinbar gelten, da sie zwar offen formuliert sind, aber gerade aufgrund dieser offe­ nen Formulierungen weiten Raum für eine grundrechtskonforme Auslegung und Anwendung bie­ ten; vgl. hierzu BVerfGE 35, S.  202 – „Lebach“; BVerfGE 101, 361 (392) – „Caroline von ­Monaco  II“; vgl. auch BVerfGE 120, 180 (212) – „Caroline von Monaco III“; insgesamt Hegemann, in: FS Raue 2006. S.  448. 22 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Dabei sind insbesondere die Konturierungen durch die Rechtsprechung sowie den (europäischen) Gesetzgeber zu beachten, welche das Recht am eigenen Bild seit dem Inkrafttreten des KUG erfahren hat. Daher sind die bedeutendsten Konturierungen in chronologischer Reihenfolge aufzuarbeiten. Diese gliedern sich in die Vorzeich­ nung des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (A.), die verfassungsrechtliche Verortung des Rechts am eigenen Bild (B.), die aktuelle Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild (C.) und die unionsrechtlichen Einflüsse auf das Recht am eigenen Bild (D.).

A. Vorzeichnung des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild liegen nach dem Gesagten in der Erwägung begründet, dem Einzelnen die autonome Entscheidung über den entschei­ denden Impuls für eine identitätsstiftende Meinungsbildung über sein Wesen bzw. seine Persönlichkeit zu belassen. Wenn das eigene Bild aber maßgeblich zur Persön­ lichkeitseinordnung durch andere beiträgt, muss die Entscheidung für oder gegen ein bildhaftes Auftreten spiegelbildlich aus dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten erwachsen. Somit muss es sich beim Recht am eigenen Bild zwangsläufig um ein (besonderes) Persönlichkeitsrecht handeln.

I. Ausgangspunkt: Das Recht am eigenen Bild als besonderes Persönlichkeitsrecht Die Einordung des Rechts am eigenen Bild als „besonderes Persönlichkeitsrecht“26 wurde infolge der Normierung der §  22 ff. KUG lange vor der Anerkennung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts fortwährend bestätigt.27 Obwohl die Anerken­ nung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aber nach dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1900 ausblieb und auch nach der Entwicklung des Rechts am eigenen Bild im Jahr 1907 weiterhin nicht stattfand28, ging man trotzdem davon aus, dass das Recht am eigenen Bild Ausfluss eines übergeordneten Persönlichkeitsrechts29 sein müsse. 26 

Zum Begriff Helle, S.  27 ff. Vgl. RGZ 69, 401 (403) – „Nietzsche Briefe“, welches 1908 bereits von einem „besonderen Persönlichkeitsrecht“ ausgeht; RGZ, 125, 80 (82) – „Tull Harder“ spricht später etwa vom „Persön­ lichkeitsrecht am eigenen Bilde“; vgl. auch Dasch, S. S.  3; hiervon ging ebenfalls die frühe Kom­ mentarliteratur aus, um nicht zuletzt die Verortung der §§  22 ff. KUG im Urheberrecht zu kritisie­ ren; vgl. etwa Allfeld, S.  130: „Das sog. Recht am eigenen Bilde ist ein Persönlichkeitsrecht gleich dem Rechte am Namen […] und ist von der geistigen Schöpfung, die das Urheberrecht begründet, ganz unabhängig […]. Insofern wäre die Regelung an anderer Stelle […] angezeigt gewesen“; Osterrieth, S.  163; vgl. hierzu auch Bartnik, S.  22. 28  Vgl. hierzu Kraenz, S.  52 f. 29  Osterrieth, S.  163. 27 

A. Vorzeichnung des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

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Auf dieses Persönlichkeitsrecht konnte man sich aber nur berufen, sofern diesbezüg­ lich eine ausdrückliche Ausformung im Gesetz, wie etwa durch die §§  22 ff. KUG, existierte.30 Somit begründeten die §§  22 ff. KUG nicht nur den Abbildungsschutz, sondern sie hatten ursprünglich darüber hinaus streng begrenzende Wirkung für das Recht am eigenen Bild: Die abgebildete Person konnte sich nur dann auf den (straf-) rechtlichen Bildnisschutz berufen, wenn ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vorlag und dieses ohne ihren Willen im Sinne der Norm bereits veröffentlicht wurde. Mit anderen Worten bestand einerseits kein Bildnisschutz bei Abbildungen, die nicht den primären Zweck hatten, die abgebildete Person darzustellen.31 Denn die anfangs bestehende herrschende Meinung verneinte in diesen Fällen trotz der Abbildung der Person das Vorliegen eines Bildnisses.32 Zum anderen war es der abgebildeten Per­ son grundsätzlich nicht möglich, aufgrund des Rechts am eigenen Bild gegen die Anfertigung eines Bildnisses oder einer sonstigen Darstellung vorzugehen. Die bild­ hafte Repräsentation einer Person war somit durch das anerkannte besondere Per­ sönlichkeitsrecht des Rechts am eigenen Bild sowohl in Sachen des Repräsentations­ objekts als auch der Repräsentationshandlung nur lückenhaft geschützt.33 Diese Rechtslage konnte nur innerhalb der Wortlautgrenze der §§  22 ff. KUG durch die Rechtsprechung korrigiert werden.34 30  Vgl. bereits RGZ 51, 369 (372 f.); ferner RGZ 69, 401 (403) – „Nietzsche Briefe“; RGZ 79, 397 (398) – „Felseneiland mit Sirenen“; ferner RGZ 91, S.  350 (352) – „Weberlied“; RGZ 102, 134 (140); RGZ 107, 277 (281) – „Gottfried Keller“; RGZ 113, 413 (414); in der Literatur Bessau et al., §  823 BGB, Nr.  9 (S.  616 ff.); K. Burchard/de Boor, S.  52 ff.; Ehlers, GRUR 1950, S.  361; Heck, S.  458; Soergel, §  823 BGB, Nr.  7b (S.  553); Wieruszowski, DRiZ 1927, S.  229 f.; insgesamt Hubmann, S.  3 m. w. N. 31  Exemplarisch verneinte RGZ 103, 319 – „Rausch“ bereits das Bildnis eines Schauspielers durch dessen fotografische Abbildungen, die den (primären) Zweck hatten, die Handlung eines Filmes wiederzugeben; vgl. insbesondere S.  320: „Von einem Bildnis im Sinne des Gesetzes kann […] nur dann die Rede sein, wenn die Darstellung den Zweck verfolgt, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Beschauer vor Augen zu führen und das Aussehen […] im Bilde wiederzugeben. Diese Voraussetzung fehlt zweifellos bei der photographischen Ab­ nahme des Klägers und seiner Partnerin für den Film“; vgl. hierzu auch die Anmerkung von Allfeld in JW 1922, S.  390; zudem ders., S.  131; Osterrieth (1.  Auflage 1907), S.  170: „Die Darstellung muss dem Zweck dienen, die Person zu identifizieren“; vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidung des BGH in NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“. 32  Hintergrund war sehr wahrscheinlich die Erwägung, dass der Abbildungszweck als selbstver­ ständliche Voraussetzung eines Bildnisses aus Vereinfachungszwecken aus dem Wortlaut der §§  22 ff. KUG im Rahmen der Beratungen der X. Kommission gestrichen werden konnte; vgl. hier­ zu Kap.  1, B., V., 5., und 7.; vgl. ferner die Erwägung der frühen Kommentierung von Allfeld auf S.  131: „Was in §  23 Nr.  2 und 3 [KUG] als Ausnahme erwähnt ist, ergibt sich eigentlich aus dem Begriffe des Bildnisses von selbst“. 33 Vgl. Hubmann, S.  2. 34  Exemplarisch kann der Wegfall des Darstellungszwecks als Voraussetzung für das Vorliegen eines Bildnisses i. S. d. §  22 KUG genannt werden. Diese Ansicht wurde erst in den 20er Jahren ver­ einzelt angezweifelt und allmählich revidiert; vgl. Osterrieth, S.  164; Pinzger, MuW 1922, S.  120 f.; H. Schünemann, GRUR 1928, S.  559 ff.; vgl. in der Rechtsprechung nur die vorsichtigere Formulie­ rung bei KG, JW 1928, S.  364 – „Piscator“; die Folgen dieses Wegfalls zeigen sich später besonders eindrucksvoll bei OLG Oldenburg, NJW 1963, S.  922, welches durch die Bejahung eines Bildnisses

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

II. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „Mantelrecht“ des Rechts am eigenen Bild Schließlich war es der Bundesgerichtshof, welcher erst35 im Jahre 1954 im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung die bis heute wohl bedeutendste Konturierung des Rechts am eigenen Bild einleitete, nachdem fünf Jahre zuvor durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes eine neue Ausgangslage geschaffen worden war.36 Indem der entscheidende Senat in der sog. Leserbriefentscheidung37 das allgemeine Persön­ lichkeitsrecht „als ein verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht“ anerkannte, formte der Bundesgerichtshof maßgeblich das Grundverständnis38 eines verfassungs­ rechtlichen Instituts zum Schutz der Persönlichkeit.39 Um dessen Verfassungsrang hinreichend Ausdruck zu verleihen und um dessen Wirkungsbereich als subjektives bei einer Karikatur zwangsläufig den Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien  – selbst im Zusammenhang des strafrechtlichen Schutzes durch §  33 KUG – widersprechen muss; krit. Helle, S.  92 f.; Neuberg, LZ 1926, S.  882. 35  Die Feststellung von van Bergen, S.  83; Osiander, S.  69, und teilweise auch Kraenz, S.  53, dass sich die Rechtsprechung in extremen Fällen durch eine analoge Anwendung der §§  22 ff. KUG be­ half, betrifft allenfalls solche Konstellation, in welcher der Bildnisschutz bereits bejaht wurde und darüber hinaus ein Mehr (zivilrechtlich) geschützt werden sollte; so etwa KG, JW 1928, S.  364  – „Piscator“. Eine analoge Anwendung der §§  22 ff. KUG zur Ausdehnung des Bildnisschutzes fand jedenfalls nicht statt; hierzu ausdrücklich OLG Kiel, JW 1930, S.  79. 36  BGHZ 13, 334 (338) – „Leserbrief“: „Nachdem nunmehr das Grundgesetz das Recht des Menschen auf Achtung seiner Würde (Art.  1 GrundG) und das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit auch als privates, von jedermann zu achtendes Recht anerkennt, soweit dieses Recht nicht die Rechte anderer verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt (Art.  2 GrundG), muß das allgemeine Persönlichkeitsrecht als ein verfassungsmäßig ge­ währleistetes Grundrecht angesehen werden“. 37  BGHZ 13, 334 – „Leserbrief“. In der Sache entschied der BGH, „dass grundsätzlich dem Verfasser eines Briefes allein die Befugnis zusteht, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“; vgl. S.  338 f. Eine Wochen­ zeitung hatte zuvor ein Schreiben des klagenden Anwalts ohne dessen Einwilligung in ihrer Leser­ briefrubrik veröffentlicht. 38  Die Existenz eines verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts wurde vom BGH in seinen Folgeentscheidungen weiter angenommen; vgl. hierzu BGHZ 15, 249 (258) – „Tagebücher Cosima Wagners“; BGHZ 20, 345 (351) – „Paul Dahlke“; BGHZ 24, 72 (79) – „Geheimnisschutz“; BGHZ 24, 200 (208) – „Spätheimkehrer“; angedeutet auch in BGHZ 26, 52 (68) – „Sherlock ­Holmes“; BGHZ 26, 349 (354) – „Herrenreiter“; BGHZ 27, 284 (285) – „Heimliche Tonbandaufnahme“; BGHZ 30, 7 (11) – „Caterina Valente“; BGHZ 31, 308 (311) – „Alte Herren“. 39  Bemerkenswert erscheint, dass der BGH als (oberstes) Zivilgericht ein verfassungsrechtli­ ches Institut anerkannte, welches als solches erst deutlich später von dem Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt wurde; vgl. noch die vagen Andeutungen in BVerfGE 6, 389 (433) – „Homo­ sexuelle“; BVerfGE 27. 1 (7) – „Mikrozensus“; BVerfGE 27, 344 (351) – „Ehescheidungsakten“; BVerfGE 30, 173 (194) – „Mephisto“; BVerfGE 32, 373 (379) – „Ärztliche Schweigepflicht“; BVerf­ GE 33, 367 (376 f.) – „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter“; BVerfGE 34, 238 (246) – „Tonband“; erst ausdrücklich bestätigt dann in BVerfGE 34, S.  281 – „Soraya“; BVerfGE 35, 202 (224) – „Lebach“; BVerfGE 54, 148 (153) – „Eppler“; selbst wenn man mit van Bergen, S.  83 bereits im Elfes-Urteil die verfassungsgerichtliche Bestätigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts er­ kennen möchte, erging diese (allenfalls partielle) Anerkennung drei Jahre nach der Leserbriefent­ scheidung des BGH; vgl. BVerfGE 6, S.  32 ff. – „Elfes“.

A. Vorzeichnung des Rechts am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts

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(Grund-)Recht der Rechtsträger auch untereinander zu gewährleisten, musste sich fortan der verfassungsrechtliche Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf bestehende Rechtsbereiche auswirken40, welche die Persönlichkeit schützen. Zwangsläufig erfuhr somit insbesondere der einfachgesetzliche Schutz des Rechts am eigenen Bild anhand der §§  22 ff. KUG unter der „neuen Wertordnung“41 des Grundgesetzes eine verfassungsrechtliche Erweiterung durch das allgemeine Per­ sönlichkeitsrecht.42 Diese Ausweitung verdeutlichte sich zunächst anhand des Schut­ zes des Rechts am eigenen Bild durch das Zivilrecht. Da der Bundesgerichtshof das allgemeine Persönlichkeitsrecht fortan als „sonstiges Recht“ im Sinne des §  823 I BGB qualifizierte,43 konnten solche Darstellungen und Handlungen über das De­ liktsrecht sanktioniert werden, die noch vom bisherigen Recht am eigenen Bild in §§  22 ff. KUG ausgeschlossen waren.44 Insgesamt bestimmt sich also fortan die Frage, wann das Recht am eigenen Bild im Einzelfall betroffen sein kann, nicht mehr ausschließlich nach den §§  22 ff. KUG, sondern primär anhand des umfassenderen Instituts eines verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsrechts (am eigenen Bild) aus Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG.45 Die §§  22 ff. KUG werden seither als die einfachgesetzliche (Teil-)Ausprägung dieses verfassungsrechtlichen Mantelrechts aus Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG begriffen. Es gilt im Folgenden deshalb herauszuarbeiten, inwieweit sich diese verfassungsrechtliche „Ummantelung“ auf das (Bildnis-)Recht des Abgebildeten auswirkt. Allen voran könnte sich der verfassungsrechtliche Einfluss etwa bei der Bestimmung auslegungs­ offener Tatbestandsmerkmale der §§  22 ff. KUG – wie beispielsweise dem Bildnis 40  Vgl. BGHZ 24, 72 (78) – „Geheimnisschutz“; ferner Hubmann, JZ 1957, S.  522; angespro­ chen ist die zivilrechtliche mittelbare Drittwirkung der Grundrechte; vgl. Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  195; ferner van Bergen, S.  83. 41  BGH, GRUR 1962, S.  213 – „Hochzeitsbild“. BGHZ 39, 124 (131) – „Fernsehansagerin“, spricht vom „Einfluß der Wertentscheidung des Grundgesetzes (Art.  1 und 2)“, unter der sich „eine von der Konzeption des Gesetzgebers von 1900 grundsätzlich abweichende Auffassung über den Privatrechtschutz ideeller Werte in der Rechtsprechung durch[gesetzt]“ habe. 42  Vgl. hierzu bereits BGHZ 24, 72 (78) – „Geheimnisschutz“, allerdings ohne explizite Nen­ nung des Rechts am eigenen Bild; vgl. zur selben Entwicklung im Namensrecht BGHZ 30, 7 (11) – „Caterina Valente“. 43  BGHZ 13, 334 (338) – „Leserbrief“; BGHZ 24, 72 (76) – „Geheimnisschutz“; vgl. BGHZ 24, 200 (208) – „Spätheimkehrer“; ferner BGHZ 26, 349 (354) – „Herrenreiter“; BGHZ 27, 284 (286)  – „Heimliche Tonbandaufnahme“; BGHZ 30, 7 (11) – „Caterina Valente“; BGHZ 31, 308 (312) – „Alte Herren“; BGHZ 35, 363 (365, 367) – „Ginseng-Wurzel“; BGHZ 39, 124 (131) – „Fernsehansagerin“; BGH, GRUR 1965, S.  257 – „Gretna Green“; BGHZ 50, 133 (143) – „Mephisto“. 44  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, A., I. und II. 45  Bereits angedeutet in BGHZ 20, 345 (351) – „Paul Dahlke“; ausdrücklich das Recht am eige­ nen Bild als speziellen Ausprägungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einordnend: BGHZ 26, 349 (353) – „Herrenreiter“; BGH NJW 1962, S.  1005 – „Doppelmörder“ mit Anm. von Rötelmann, der hieraus folgert, dass das Recht am eigenen Bild „nicht mehr allein auf dem Kunst­ UrhG beruht, sondern in erster Linie von der richtungsweisenden Generalklausel […] der Art.  1 und Art.  2 GG bestimmt wird“; ähnlich Arndt, NJW 1967, S.  1846; vgl. ferner BGH, NJW 1965, S.  1375  – „Wie uns die anderen sehen“; BGH NJW 1971, S.  886 – „Petite Jaqueline“; BGH, NJW 1971, S.  699 f. – „Pariser Liebestropfen“.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

oder den Handlungsvarianten des Verbreitens oder öffentlichen Zurschaustellens – niederschlagen. Darüber hinaus gilt es zu ermitteln, inwieweit die übergeordnete Grundidee eines bildhaften Repräsentationsschutzes eine solche Verstärkung im Sinne einer verfassungsrechtlichen Dimension erfahren hat, die es aufgrund neuarti­ ger Repräsentationsmöglichkeiten gegebenenfalls mit der ultima ratio des Straf­ rechts zu schützen gilt. Erste konkrete Auswirkungen dieser verfassungsrechtlichen Grundausrichtung können besonders eindrucksvoll anhand der Entscheidungen demonstriert werden, in denen sich der Bundesgerichtshof nach der Anerkennung des allgemeinen Persön­ lichkeitsrechts zur Herstellung eines Personenbildes46 äußerte. Da mitunter diese Entscheidungen47 für das Begriffsverständnis des Rechts am eigenen Bild eine prä­ gende Rolle einnehmen, soll im Folgenden hierauf kurz eingegangen werden. 1. „Spätheimkehrer“ – BGH v. 10.05.1957 Eine Wohnungsvermieterin hatte es abgelehnt, dass der Ehemann einer Mieterin, welcher gerade aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt war, zu seiner Frau in die Mietwohnung zieht. Nachdem drei Zeitungen daraufhin im Oktober 1953 über den „unerwünschten Spätheimkehrer“ berichtet hatten, besuchten zwei Repor­ 46  Verhältnismäßig undurchsichtig ist hingegen bis heute die jeweilige konkrete dogmatische Begründung des zivilrechtlichen Schutzes vor einer Bildanfertigung. Richtigerweise wird man hier zwischen der Phase vor und nach der persönlichkeitsrechtsverletzenden Anfertigung einer Perso­ nenabbildung unterscheiden müssen: Überwiegend wird ein sog. quasinegatorischer (verschuldens­ unabhängiger) Unterlassungsanspruch zum Schutz vor einer bevorstehenden persönlichkeitsrechts­ verletzenden Anfertigung einer Personenabbildung herangezogen. Dieser wird mit der analogen Anwendung des dinglichen Abwehranspruchs aus §  1004 I BGB in Verbindung mit dem allgemei­ nen Persönlichkeitsrecht (Art.  1 I GG i. V. m. Art.  2 I GG), welches als „sonstiges Recht“ in §  823 I BGB qualifiziert wird, begründet (§§  1004 I BGB analog i. V. m. 823 I BGB i. V. m. Art.  1 I, Art.  2 I GG als „sonstiges Recht“). Ist hingegen die persönlichkeitsrechtsverletzende Aufnahme bereits her­ gestellt worden, gilt der Besitz der Aufnahme als fortwirkende störende Folge des Eingriffs. Somit kann im Wege der Folgenbeseitigung die Löschung, Vernichtung oder Herausgabe verlangt werden. Irritierenderweise verfährt die Rechtsprechung in diesen Fortwirkungsfällen recht leger und stützt den Beseitigungsanspruch auf eine direkte Anwendung von §  1004 I BGB; vgl. etwa BGHZ 177, 119 (129) – „Heide Simonis“; OLG Brandenburg, NJW-RR 2012, S.  1252; OLG München, NJW-RR 1996, S.  95; OLG Stuttgart, NJW 1987, S.  1435. Da der Abgebildete durch die Anfertigung weder Eigentümer noch Besitzer des Bildes wird, ergibt sich dieser Anspruch ebenfalls aus einer Analogie zu §  1004 I BGB i. V. m. §  823 I BGB i. V. m. Art.  1 I, Art.  2 I GG; vgl. hierzu Golla/Herbort, GRUR 2015, S.  651. Ferner halten sich Rechtsprechung und Literatur bislang überwiegend bzgl. einer di­ rekten oder analogen Anwendbarkeit von §  37 KUG zur Bejahung eines Löschungsanspruchs im Falle einer persönlichkeitsrechtsverletzenden Bildanfertigung zurück. Außerdem besteht im Falle der Strafbarkeit der Anfertigung ein immaterieller Schadensersatzanspruch gem. §  823 II BGB i. V. m. §  201a StGB. Unabhängig von Fällen der Anfertigungsstrafbarkeit erscheint in Fällen sons­ tiger schwerwiegender Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Anfertigung ein immaterieller Schadensersatzanspruch aus §  823 I BGB i. V. m. Art.  1 I, Art.  2 I GG denkbar, was, soweit ersichtlich, bislang noch nicht diskutiert wurde; vgl. zu den zivilrechtlichen Folgen insgesamt Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  1 ff. und Kap.  14, Rn.  1 ff. 47 Vgl. Kächele, S.  34 m. w. N., hinsichtlich der Bildherstellung.

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ter einer Illustrierten die Vermieterin. Im Verlaufe des Gesprächs fertigte einer der beiden Reporter unbemerkt von der Frau eine Lichtbildaufnahme an. Dieses Foto wurde anschließend in einem Artikel der Illustrierten veröffentlicht. Die Vermieterin wehrte sich gegen die bereits erfolgte Veröffentlichung. Obwohl der Bundesgerichts­ hof überhaupt keine Not hatte, sich zur konkreten Herstellung der Bildaufnahme zu äußern, da ja jedenfalls eine Veröffentlichungshandlung im Sinne der §§  22 ff. KUG vorlag, deutete er trotzdem an, dass auch die Anfertigung eines Bildnisses48 im Ein­ zelfall über den bestehenden Bildnisschutz der §§  22 ff. KUG hinaus49 über den zi­ vilrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst werden könne. Explizit offen gelassen hat der Bundesgerichtshof allerdings die Frage, ob grundsätz­ lich jede heimliche Bildanfertigung im privaten Bereich einen Eingriff in das Persön­ lichkeitsrecht darstellt.50 2. „Vor unserer eigenen Tür“ – BGH v. 16.09.1966 Diese Vorahnung wurde schließlich im Jahr 1966 ausdrücklich bestätigt und mit Blick auf neue technische Möglichkeiten51 zur heimlichen Herstellung von Perso­ nenbildern teilweise konkretisiert.52 Der Sender „Freies Berlin“ strahlte 1962 eine dreiteilige Fernsehsendung mit dem Titel „Vor unserer eigenen Tür“ aus, die sich mit der Aufarbeitung der deutschen Kriegsvergangenheit befasste. Unter anderem wid­ mete sich die Sendung einem Chefarzt, der 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt53 worden war, weil er neben anderen Bemerkungen auf der Straße vor anderen Personen erklärt hatte, der Krieg sei verloren. Einer dieser Belastungszeu­ gen, der gegen den Chefarzt vor dem Volksgerichtshof ausgesagt hatte, wurde 1962 von einem Kamerateam heimlich gefilmt, wie er mit dem Auto zu seinem Wohnsitz fuhr, ausstieg und anschließend sein Haus betrat. In der Sendung wurden diese Auf­ nahmen mit einem Kommentar zur aktuellen komfortablen Lebenssituation des Be­ 48  Hierzu wählt der BGH den Begriff der „Erschleichung“; vgl. BGHZ 24, 200 (209) – „Spät­ heim ­kehrer“. 49  BGHZ 24, 200 – „Spätheimkehrer“, vgl. hierzu S.  208: „Es folgt dies zwar nicht aus dem im Kunstschutzgesetz festgelegten Bildnisschutz (§§  22 ff. KunstUrhG), der nicht die Anfertigung, son­ dern lediglich die Veröffentlichung eines Bildnisses zum Gegenstand hat, wohl aber aus dem allge­ meinen Persönlichkeitsrecht als eines einheitlichen, ursprünglichen Rechtes, das in der Persönlich­ keit als solcher begründet ist und gegen alle Verletzungen der Eigensphäre der Persönlichkeit schützt, die nicht durch höherwertige Interessen geboten sind (BGHZ 13, 334 [338])“. 50  Dies bejahte der BGH zunächst nur, sofern die Anfertigung eines Personenbildes aus dem privaten Bereich in der Absicht vorgenommen wurde, das Bildnis der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne hierzu die Erlaubnis der abgebildeten Person zu haben; vgl. BGHZ 24, 200 (209) – „Spätheimkehrer“. 51  Gemeint waren leicht zu verbergende Minikameras oder Teleobjektive mit jeweils immer höherer Auflösung; vgl. Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  94. 52  BGH, NJW 1966, S.  2353 ff. – „Vor unserer eigenen Tür“. 53  Vor der Hinrichtung blieb der Chefarzt aber letztendlich bewahrt, da ein früherer Patient aufgrund seiner Funktion als Justizbeamter die Akten kurz vor Ende des Krieges unterdrücken konnte; vgl. BGH, NJW 1966, S.  2354 – „Vor unserer eigenen Tür“.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

lastungszeugen veröffentlicht.54 Gegen diese Ausstrahlung wehrte sich der abgebil­ dete Belastungszeuge. Das LG hatte den Sender zwar antragsgemäß zur Unterlas­ sung verurteilt, wies aber im Übrigen die Klage hinsichtlich einer Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes ab. Anschließend verfolgte der Belastungszeuge den Antrag auf Zahlung eines Schmer­ zensgeldes im Rahmen der Berufung weiter, was allerdings vom OLG zurückgewie­ sen wurde, da dieses von einem berechtigten Interesse der Allgemeinheit zur Auf­ klärung der Ereignisse ausging.55 Der Bundesgerichtshof sah allerdings in seiner Revisionsentscheidung in der „Erschleichung und Zurschaustellung“ des Bildnisses eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, für den der Abgebildete immateriellen Schadensersatz verlangen könne.56 Da durch die Ausstrahlung der Sendung die Veröffentlichung eines Personenbildes gegen den Willen des Abgebildeten bereits stattgefunden hatte, waren Ausführungen zur Herstellung aus bildrechtlicher Perspektive grundsätzlich wie bereits in der Spätheimkehrer-Entscheidung (welche ebenfalls vom IV. Senat des Bundesgerichts­ hofs erging) nicht zwingend erforderlich. Trotzdem äußerte sich der Bundesgerichts­ hof hierzu in seiner Entscheidungsbegründung zur heimlichen Herstellung der Bild­ aufnahmen. Hierbei fällt zunächst auf, dass der entscheidende Senat im Falle der heimlichen Herstellung und der anschließenden Ausstrahlung von Filmaufnahmen trotz mehrfachem Rekurs auf die §§  22 ff. KUG den Begriff des Rechts am eigenen Bild nicht erwähnt, sondern den Schutz des Persönlichkeitsrechts als Oberbegriff für das betroffene Schutzgut wählt.57 Wie in der Spätheimkehrer-Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof dann fest, dass das KUG keine Bestimmungen hinsichtlich der eigenmächtigen Herstellung von Bildnissen treffe. Allerdings erklärt der Senat in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass die heimliche Herstellung eines Perso­ nenbildnisses per se als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzusehen sei.58 54  Der Kommentar lautete: „Der Hauptbelastungszeige, der vor dem Volksgerichtshof gegen Dr. M. aussagte, ist gut praktizierender Arzt in Westdeutschland. Es geht […] [ihm] heute – wie sie se­ hen – sehr gut“; vgl. BGH, NJW 1966, S.  2354 – „Vor unserer eigenen Tür“. 55  Dogmatisch ging das OLG vom Vorliegen des Ausnahmetatbestands des §  23 I Nr.  1 KUG aus und sah somit in dem abgebildeten Belastungszeugen eine Person der Zeitgeschichte. Zudem ging das OLG davon aus, dass aufgrund des „untrennbaren Zusammenhang[s] von Wort und Bild“ die­ selben Maßstäbe hinsichtlich der Beeinträchtigungen des Persönlichkeitsrechts durch Wort- und Bildberichterstattungen gelten müssten: Hiernach läge es fern, die Bildberichterstattung immer dann zu verbieten, wenn die Wortberichterstattung zulässig wäre; vgl. hierzu auch BGH, NJW 1966, S.  2355 – „Vor unserer eigenen Tür“. 56  BGH, NJW 1966, S.  2355 – „Vor unserer eigenen Tür“. 57  Das „Recht am eigenen Bilde“ erwähnt der BGH in dieser Entscheidung insgesamt nur ein einziges Mal im Zusammenhang mit der „Sendung“ und somit mit der Veröffentlichungshandlung zur Bestätigung des Unterlassungsanspruchs; vgl. BGH, NJW 1966, S.  2355 – „Vor unserer eigenen Tür“. 58  BGH, NJW 1966, S.  2354 – „Vor unserer eigenen Tür“. Dies hatte der BGH zuvor in der Spät­ heimkehrer-Entscheidung noch offengelassen; vgl. hierzu BGHZ 24, 200 (209) – „Spätheimkeh­rer“.

B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz

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B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz Geht man mit dem Bundesgerichtshof davon aus, dass die Verabschiedung des Grundgesetzes zu einer (verfassungsrechtlichen) Erweiterung des Rechts am eigenen Bild in seiner ursprünglichen Ausprägung in den §§  22 ff. KUG geführt hat, muss nun dieser (erweiterte) Gewährleistungsgehalt des (verfassungsrechtlichen) Rechts am eigenen Bild herausgearbeitet werden. Erst dann kann beurteilt werden, inwie­ weit das Recht am eigenen Bild derzeit durch das Strafrecht in den Grenzen des Wortlauts der geltenden Strafvorschriften Schutz erfahren kann. Geht man insbesondere davon aus, dass dieser (verfassungsrechtliche) Gewähr­ leistungsgehalt des Rechts am eigenen Bild vom Gewährleistungsgehalt der §§  22 ff. KUG abweicht, kann genaugenommen schon nicht mehr von „dem“ Recht am eige­ nen Bild gesprochen werden.59 Deshalb erscheint es zwingend notwendig, den ver­ fassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt des Rechts am eigenen Bild zu bestim­ men, damit dessen Einfluss auf das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild ad­ äquat gewürdigt werden kann. Nach dem bisher Gesagten liegt der bundesverfassungsgerichtlichen Einordnung des Rechts am eigenen Bild unter der Geltung des Grundgesetzes der Vorstoß des Bundesgerichtshofs durch die Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Jahre 1954 zugrunde. Insbesondere erfuhr der verfassungsrechtliche Gewährleis­ tungsgehalt des Rechts am eigenen Bild also auch eine gewisse dogmatische Vor­ zeichnung, indem der Bundesgerichtshof das Recht am eigenen Bild als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einstufte. Umso erstaunlicher erscheint, dass das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Bundesge­ richtshofs seit dessen Leserbrief-Entscheidung60 unter der Verwendung des Begriffs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erst 16 Jahre später ausdrücklich gebilligt hat.61 Ferner erging eine Vielzahl an Entscheidungen des Bundesverfassungsge­ richts, die sich sowohl mit dem Mantelrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als auch mit dem Recht am eigenen Bild als speziellen Teil des allgemeinen Persön­ lichkeitsrechtsmantels befassten.62 59  Anders gewendet könnte selbst bei unterschiedlicher Reichweite von einfachem Recht und Verfassungsrecht von „einem“ (verfassungsrechtlichen) Recht am eigenen Bild gesprochen werden, welches aber dann nicht umfassend durch das Strafrecht geschützt ist. In jedem Fall ist der originä­ re Schutzgehalt des Rechts am eigenen Bild erweitert worden. Da die §§  22 ff. KUG allerdings als die (erste) Ausprägung des Bildnisrechts begriffen werden und insoweit den ersten Zugang zu dem Rechtsinstitut des Rechts am eigenen Bild eröffnen, werden diese heute nach wie vor untechnisch als das normierte Recht am eigenen Bild begriffen. Insoweit bietet es sich durchaus an, von verschie­ denen Gewährleistungsgehalten zu sprechen. 60  BGHZ 13, 334 – „Leserbrief“. 61  Vgl. BVerfGE 34, 269 (281 ff.) – „Soraya“. 62  Exemplarisch BVerfGE 34, 238 (246) – „Tonband“; BVerfGE 35, 202 (220) – „Lebach“; BVerfGE 54, 148 (155) – „Eppler“; BVerfGE 54, 208 (217) – „Böll“; BVerfGE 63, 131 (142) – „Ge­ gendarstellung“; vgl. ferner die Aufzählungen bei Degenhart, JuS 1992, S.  361 ff.; Jarass, NJW 1989, S.  858 ff.; Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  95 ff.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

I. Die verfassungsgerichtliche Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Um den verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt des Rechts am eigenen Bild hinreichend erfassen zu können, erscheint es also zwingend notwendig, sich zu­ nächst mit der verfassungsrechtlichen Entwicklung und Einordnung des „Mantel­ rechts“, also des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu befassen. Erst im Anschluss ist auf die verfassungsrechtliche Einbettung des Rechts am eigenen Bild in das all­ gemeine Persönlichkeitsrecht anhand der Entscheidungen des Bundesverfassungs­ gerichts einzugehen. 1. Schutz eines absolut geschützten Persönlichkeitskerns seit der „Elfes“-Entscheidung Die erste rudimentäre Andeutung über die Existenz eines umfassenden verfassungs­ rechtlichen Instituts zum Schutz der Persönlichkeit machte das Bundesverfassungs­ gericht in der sog. „Elfes“-Entscheidung vom 16. Januar 1957.63 In der Begründung führte der erste Senat zunächst aus, dass sich der Begriff der „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ in Art.  2 I GG nicht punktuell auf einen ab­ grenzbaren Mindestbereich der Handlungsfreiheit zum Schutz der Persönlichkeit beschränke.64 Vielmehr ging das Gericht davon aus, dass Art.  2 I GG die Handlungs­ freiheit in einem umfassenden Sinne schütze65, weshalb Art.  2 I GG bis heute als Generalklausel für alle Freiheitsrechte verstanden wird.66 Hinsichtlich der Schutz­ dimension dieses Freiheitsrechts trifft das Bundesverfassungsgericht die Feststel­ lung, dass sich der Einzelne vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt im Rahmen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts auf Art.  2 I GG berufen kann, sofern keine anderen besonderen Grundrechtsbestimmungen zum Schutz vor dem spezifischen Eingriff in den entsprechenden Lebensbereich existieren.67 Ein Eingriff in den Bereich der frei­ en Entfaltung der Persönlichkeit nach Art.  2 I GG kann also nur dann gerechtfertigt sein, wenn er den Anforderungen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts genügt. Im Zu­ge der Anforderungen an den allgemeinen Gesetzesvorbehalt trifft das Bundes­ verfassungsgericht anschließend die Aussage, dass dem einzelnen Bürger „eine Sphäre privater Lebensgestaltung“ im Sinne eines letzten unantastbaren Bereichs menschlicher Freiheit „verfassungskräftig vorbehalten“ sei.68 63  BVerfGE 6, 32 – „Elfes“. In der Sache wehrte sich ein regierungskritischer Politiker namens Elfes mit seiner Verfassungsbeschwerde – im Ergebnis erfolglos – gegen die Verweigerung der Passbehörde, seinen Reisepass zu verlängern. 64  Dies hatte das BVerfG bislang explizit offengelassen; vgl. BVerfGE 4, 7 (15 f.) – „Investitions­ hilfe“. 65  BVerfGE 6, 32 (36) – „Elfes“. 66  Jarass, NJW 1998, S.  857; Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  97. 67  BVerfGE 6, 32 (37) – „Elfes“. 68  BVerfGE 6, 32 (41) – „Elfes“.

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Diese elementare Wertung eines absolut geschützten Bereichs der Persönlichkeit wurzelt dabei in der grundlegend neuartigen Ausrichtung des Grundgesetzes gegen­ über seinen Vorgängerkodifikationen. Während sich etwa die Konzeptionen der Pau­ lskirchenverfassung von 1848/49 sowie der Weimarer Reichsverfassung von 1919 noch an dezidierten Bürgerrechten orientierten69, bekannte sich das Grundgesetz durch die Schaffung der Grundrechte nicht nur ausdrücklich zu freiheitlichen Wer­ ten70, sondern richtete sich fortan an diesen im Sinne einer wertgebundenen Ord­ nung aus. Besonderer Ausdruck dieser Wertegebundenheit ist mitunter das Bekennt­ nis, dass der Einzelne vor Eingriffen in diejenigen Bereiche absolut geschützt sein muss, welche die konstituierenden Wertungen und somit die elementaren Grund­ prinzipien der Verfassung wiederspiegeln.71 Den beschriebenen Kernbereich priva­ ter Lebensgestaltung zählt das Bundesverfassungsgericht zu einem solchen absolut geschützten Bereich, da es hierin die Schnittmenge gleich zweier konstituierender Grundprinzipien der Verfassung wiedererkennt.72 Als erstes Grundprinzip nennt der entscheidende Senat zur Begründung des abso­ lut geschützten Kernbereichs die Menschenwürde aus Art.  1 I GG, welche als „oberste[r] Wert“ des Grundgesetzes nicht angetastet werden dürfe.73 Eine trenn­ scharfe Definition des Menschenwürdebegriffs erscheint aufgrund der stark philoso­ phischen Prägung zwar kaum denkbar74, gleichwohl etablierte sich die sog. „Objekt­ formel“ zumindest als Auslegungshilfe zur Bestimmung des Gewährleistungsge­ halts der Menschenwürde.75 Hiernach ist die Menschenwürde verletzt, wenn jemand 69  Die Paulskirchenverfassung garantierte etwa die Freizügigkeit, das Briefgeheimnis und die Redefreiheit. Die Weimarer Reichsverfassung gewährte darüber hinaus auch die Unverletzlichkeit der Wohnung und den Schutz der Familie; hierzu Nebel, ZD 2015, S.  520; vgl. ferner van Bergen, S.  31. 70  Böckenförde, NJW 1974, S.  1537. 71  Das BVerfG spricht hierbei von den „obersten Grundwerten der freiheitlichen d ­ emokratischen Grundordnung“; vgl. BVerfGE 6, 32 (41) – „Elfes“; van Bergen, S.  32. 72  Wölfl, NVwZ 2002, S.  50, spricht deshalb beim Kernbereich von einer „Zusammenschau“. 73  BVerfGE 6, 32 (41) – „Elfes“; später wählt das BVerfG zusätzlich zu der Formulierung des obersten Werts der Menschenwürde aus Art.  1 I GG die Umschreibung, dass das Bekenntnis zu der Würde des Menschen alle Bestimmungen des Grundgesetzes „beherrsche“, um die universale Abs­ trahlungswirkung von Art.  1 I GG noch stärker zu betonen; vgl. hierzu etwa BVerfGE 27, 1 (6) – „Mikrozensus“. 74  Kraenz, S.  51. 75  Die Objektformel gründet sehr wahrscheinlich auf dem Moralsystem der Kant’schen Sitten­ lehre, wonach der Einzelne innerhalb der Schöpfung „immer Zweck an sich selbst“ sei; vgl. Kant, AA IV, S.  429. Hieran lehnen die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtspräsidenten ­Wintrich an, wenn dieser im Jahr der Elfes-Entscheidung konstatiert, dass der Mensch „seine Anla­ gen nur in Kommunikation mit seinen Mitmenschen und in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt erfahren“ könne. Aufgrund dieser Koexistenz vieler Individuen innerhalb einer Gesellschaft, dürfe der Mensch „nie zum bloßen Mittel einer Gemeinschaftsraison, zum bloßen Werkzeug oder zum bloßen Objekt eines Verfahrens herabgewürdigt werden“; vgl. Wintrich, S.  7. Die Fortentwicklung dieser Erkenntnis und die schlussendliche Begründung der Objektformel in ihrer heute vielfach zitierten Form wird überwiegend Dürig zugeschrieben; vgl. Dürig, AöR 81 (1956), S.  127. Vgl. hierzu insgesamt van Bergen, S.  34; Dreier/Dreier, Art.  1 I, Rn.  55; Maunz/Dürig/Herdegen, Art.  1 I GG, Rn.  36; Schwarz, JURA 2007, S.  336; Kraenz, S.  51.

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durch den Staat oder durch andere Personen zum Objekt bzw. zu einem bloßen Mittel herabgewürdigt wird.76 Neben der Menschenwürde ergibt sich nach dem Bundes­ verfassungsgericht das Erfordernis des absoluten Schutzes des Bereichs der privaten Lebensgestaltung aus der konstituierenden Grundwertung der geistigen, politischen und wirtschaftlichen Freiheit des Menschen.77 Zusammenfassend kann hiernach ein Eingriff in die Schnittmenge dieser beiden Grundprinzipien als unantastbarer Kern­ bereich privater Lebensgestaltung nie den Anforderungen des allgemeinen Geset­ zesvorbehalts genügen und wäre somit stets verfassungswidrig.78 Insgesamt kann dieser Entscheidung somit aufgrund der Idee einer absolut geschützten Lebenssphäre eine Wegbereiterfunktion für die Entwicklung des Persönlichkeitsschutzes zuge­ sprochen werden.79 2. Abschichtung geschützter Persönlichkeitsbereiche seit der „Mikrozensus“-Entscheidung Als sich das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1969 mit der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes zur Durchführung einer Bevölkerungsstatistik befassen musste80, bestätigte der entscheidende Senat zunächst den Leitgedanken eines absolut ge­ schützten Kernbereichs der Persönlichkeit.81 Wie in der Elfes-Entscheidung be­ 76 

Dürig, AöR 81 (1956), S.  127; vgl. ferner Wintrich, S.  7. Das BVerfG begründet dies mit Hilfe der Wesensgehaltsgarantie der einzelnen Freiheitsberei­ che des Menschen über Art.  19 II, Art.  1 III und Art.  2 I GG; vgl. BVerfGE 6, 32 (41) – „Elfes“; vgl. ebenfalls BVerfGE 27, 344 (351) – „Ehescheidungsakten“. 78  Vgl. BVerfGE 6, 32 (41) – „Elfes“: „Ein Gesetz, das in ihn eingreifen würde, könnte nie Be­ standteil der „verfassungsmäßigen Ordnung“ sein; es müßte durch das Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt werden“; vgl. zudem Vesting, in: Hdb. Persönlichkeitsrecht, §  6, Rn.  4. Maßgeb­ liche Quelle dieser Erkenntnis ist auch die Verknüpfung des Art.  2 I GG mit der Menschenwürde aus Art.  1 I GG, welcher neben den anderen Grundrechten auch Art.  2 I GG als programmatische Leit- und Auslegungsrichtlinie dergestalt beherrscht, dass Verhaltensweisen geschützt sein müssen, die im engen Zusammenhang mit der Menschenwürde stehen. Bereits diese Erkenntnis war im Elfes-­Urteil angelegt; vgl. hierzu BVerfGE 6, 32 (41) – „Elfes“: „Vor allem dürfen die Gesetze […] die Würde des Menschen nicht verletzen, die im Grundgesetz der oberste Wert ist […]“; vgl. hierzu auch van Bergen, S.  33; Fechner, Geistiges Eigentum, S.  261; Geis, JZ 1991, S.  113; Jarass, S.  92; ders., NJW 1989, S.  857; Kraenz, S.  50. 79 Vgl. Desoi/Knierim, DÖV 2011, S.  399; darüber hinaus kann in der Elfes-Entscheidung aber nicht mehr als eine tendenzielle Gewogenheit hin zur BGH-Rechtsprechung bzgl. der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesehen werden. Ein weiteres Verständnis hat wohl van ­Bergen, S.  83. 80  Ausgangspunkt der Entscheidung vom 19.07.1969 war ein Bußgeldbescheid gegen eine Per­ son, die sich geweigert hatte, Angaben zur anonymisierten Erhebung ihrer Erwerbslage oder Ur­ laubssituation zu machen; vgl. BVerfGE 27, 1 (3) – „Mikrozensus“. 81  BVerfGE 27, 1 (7 f.) – „Mikrozensus“; ferner traf das BVerfG diese Wertung bereits 1957 ne­ben der Elfes-Entscheidung in der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität; vgl. BVerfGE 6, S.  433 – „Homosexualität“; BVerfGE 7, 198 (220)  – „Lüth“. Im Anschluss etwa BVerfGE 27, 344 (350) – „Ehescheidungsakten“; BVerfGE 32, 373 (378)  – „Ärztliche Schweigepflicht“; BVerfGE 33, S.  376 – „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozial­ arbeiter; BVerfGE 34, 238 (245) – „Tonband“; BVerfGE 109, 279 (313 f.) – „Großer Lauschangriff“. 77 

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gründet das Gericht den absolut geschützten Kernbereich anhand zweier konstituie­ render Wertungen des Grundgesetzes.82 Während sich hierbei die Ausführungen bzgl. der ersten Grundwertung hinsichtlich der Menschenwürde inhaltlich weitest­ gehend mit der Elfes-Entscheidung decken, konkretisierte das Bundesverfassungs­ gericht die zweite Grundwertung des Wesensgehalts der Freiheit, indem es aus­ drücklich von einem „Selbstbestimmungsrecht im innersten Lebensbereich“83 spricht. Hiernach müsse dem Einzelnen um „der freien und selbstverantwortlichen Entfaltung seiner Persönlichkeit willen ein „Innenraum“ verbleiben […] in dem er „sich selbst besitzt“ und „in den er sich zurückziehen kann, zu dem die Umwelt kei­ nen Zutritt hat, in dem man in Ruhe gelassen wird und ein Recht auf Einsamkeit genießt“.84 Aufgrund der Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit des Menschen85 könne dieser Schutz allerdings nicht vorbehaltlos gewährleistet werden.86 Absoluter und somit vorbehaltloser Schutz könne nur für den „innersten Lebensbereich“87 be­ stehen. Dieser Bereich beinhalte „einzelne Beziehungen, die der Außenwelt nicht zugänglich sind und deshalb von Natur aus ‚Geheimnischarakter‘ haben“88. Dieser Leitgedanke wird insoweit erweitert, als dieser abwägungsfeste Kern von einem angrenzenden Bereich umgeben wird, der diejenigen persönlichen Belange betrifft, die im Zusammenhang mit Erfordernissen des gesellschaftlichen Zusam­ menlebens stehen. Diese (den Kernbereich umgebenden) persönlichen Schutzbelan­ ge besitzen also eine gewisse soziale Bindung89 und müssen deshalb gegebenenfalls mit den Belangen des sozialen Miteinanders einer Gesellschaft in Ausgleich gebracht werden. Somit können Eingriffe in diesen angrenzenden Bereich einer Abwägung mit den betroffenen sozialen Belangen im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zugänglich sein.90 Dementsprechend erscheint es grundsätzlich denkbar, dass der Einzelne infolge einer Abwägung seine betroffenen persönlichen Belange aus die­ sem angrenzenden Bereich hinter die Belange des sozialen Miteinanders anstellen muss.91 82  Vgl. BVerfG 27, 1 (6) – „Mikrozensus“: „In der Wertordnung des Grundgesetzes ist die Men­ schenwürde der oberste Wert […]. Wie alle Bestimmungen des Grundgesetzes beherrscht dieses Bekenntnis zu der Würde des Menschen auch den Art.  2 Abs.  1 GG. Der Staat darf durch keine Maßnahme […] die Würde des Menschen verletzen oder sonst über die in Art.  2 Abs.  1 GG gezoge­ nen Schranken hinaus die Freiheit der Person in ihrem Wesensgehalt antasten“. 83  BVerfGE 27, 1 (7) – „Mikrozensus“. 84  BVerfGE 27, 1 (6) – „Mikrozensus“. 85  BVerfGE 27, 1 (7) – „Mikrozensus“. 86  Van Bergen, S.  35; Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  107. 87  Diesen „innersten Lebensbereich“ benannte das BVerfG im weiteren Verlauf als „ ­ Intimsphäre“, vgl. BVerfGE 27, 1 (8) – „Mikrozensus“. 88  BVerfGE 27, 1 (8) – „Mikrozensus“. Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  98, geht offenbar davon aus, dass nicht nur einzelne, sondern alle Beziehungen der beschriebenen Art gemeint sein müssen. 89 Vgl. Hubmann, S.  158. 90  So das BVerfG etwa ausdrücklich in den Entscheidungen BVerfGE 44, 353 (373) – „Durchsu­ chung Drogenberatungsstelle“ und BVerfGE 63, 131 (144) – „Gegendarstellung“. 91  Vgl. hierzu bereits die Andeutungen in BVerfGE 4, 7 (15) – „Investitionshilfe“ und BVerfGE

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Insgesamt bekräftigt das Bundesverfassungsgericht somit anhand seiner Ausfüh­ rungen zur sinngemäßen Überlappung der konstituierenden Grundwertungen die Annahme eines gemeinsamen Schutzbereichs von Art.  1 I GG und Art.  2 I GG zum Schutz der menschlichen Persönlichkeit. Gleichwohl unterbleibt auch in der Mikro­ zensusentscheidung noch die ausdrückliche Anerkennung eines selbstständigen Grundrechts im Sinne des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.92 3. Ausdrückliche Anerkennung mit der „Soraya“-Entscheidung Die ausdrückliche Anerkennung unter der Verwendung des Begriffs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch das Bundesverfassungsgericht geschah schließlich in der sog. „Soraya“-Entscheidung vom 14. Februar 1973.93 Gleichwohl erweckt die Urteilsbegründung wegen der ausführlichen Auseinan­ dersetzung mit den historischen Ursprüngen des zivilrechtlichen Persönlichkeits­ schutzes94 mehr den Eindruck einer Rechtfertigung zur ergangenen „schöpferischen Rechtsfindung“95 des Bundesgerichtshofs als eine verfassungsrechtliche Untermau­ erung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den entscheidenden ersten Se­ nat.96 Erst die abschließende Feststellung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als „legitimer Bestandteil der Rechtsordnung“ das Ziel habe, der „menschlichen Per­ 7, 198 (220) – „Lüth“; nach der Mikrozensus-Entscheidung ausdrücklich BVerfGE 27, 344 (351) – „Ehescheidungskaten“; BVerfGE 32, 373 (379) – „Ärztliche Schweigepflicht“; BVerfGE 33, 367 (377) – „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter“; BVerfGE 34, 238 (245 f.) – „Tonband“; BVerfGE 44, 353 (373 f.) – „Durchsuchung Drogenberatungsstelle“; v. Bergen, S.  36; Hubmann, in: FS Obermayer 1986, S.  45 f.; Luch, S.  32 f.; vgl. ferner Dammann, S.  20. 92  Vgl. BVerfGE 27, 1 (6, 8) – „Mikrozensus“; vgl. ferner Kloepfer/Breitkreutz, DVBl. 1998, S.  1150. 93  Im zugrundeliegenden Fall wehrten sich der geschäftsführende Redakteur einer Wochenzeit­ schrift und der dahinterstehende Verlag mit einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des BGHs, welches die landesgerichtliche Entscheidung bestätigte, beide Beschwerdeführer gesamt­ schuldnerisch zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 15.000 DM zu Gunsten der Klägerin, Prinzessin Soraya Esfandiary-Bakhtiary, der geschiedenen Ehefrau des Schahs von Iran, zu verur­ teilen. Hintergrund war ein am 29.04.1961 in einer verlagseigenen Zeitschrift veröffentlichtes „Ex­ klusiv-Interview“ mit der Prinzessin, welches frei erfunden war. In der Verbreitung des erfundenen Gesprächs erblickten die Zivilgerichte eine rechtswidrige Verletzung Persönlichkeitsrechts der Prinzessin – als Eingriff in die Selbstbestimmung der Person sowie die damit verbundene Minde­ rung ihres gesellschaftlichen Ansehens – und begründeten damit den Anspruch auf Wiedergutma­ chung des immateriellen Schadens durch Zahlung eines Schmerzensgeldes. Hierin sahen die Be­ schwerdeführer unter anderem die Verletzung ihrer Handlungsfreiheit, da der BGH Schmerzens­ geld contra legem gewähre und sich hierdurch die u. a. Befugnisse des Gesetzgebers anmaße, weshalb ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung aus Art.  20 II, III GG vorliege; vgl. BVerfGE 34, 269 – „Soraya“. 94 Vgl. van Bergen, S.  39. 95  BVerfGE 34, 269 (287) – „Soraya“. 96  Dies wird neben den einleitenden Ausführungen zur Historie v. a. aufgrund der schwerpunkt­ mäßigen Auseinandersetzung mit der Frage deutlich, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, das Ergebnis (einer Bejahung eines immateriellen Schadensersatzanspruchs) „trotz Fehlens einer ein­ deutigen Grundlage im geschriebenen Recht durch richterliche Entscheidungen herbeizuführen“; vgl. BVerfGE 34, 269 (285 ff.) – „Soraya“.

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sönlichkeit und ihrer Würde auch zivilrechtlich wirksamen Schutz zu gewährleis­ ten“, bringt hinreichend zum Ausdruck, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Wege der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte97 auf das Zivilrecht aus­ strahlt98 und somit verfassungsrechtlich anerkannt sein muss.99 Die Verhaltenheit bzgl. der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erscheint vor dem Gesichtspunkt nachvollziehbar, dass sich das Bundesverfassungsgericht insgesamt sehr lang hinsichtlich der (dogmatischen) Herleitung des Bundesgerichtshofs bedeckt hielt100 und sich nunmehr angesichts der konkreten Beschwerdebegründung101 zur Anerkennung der zivilrichterlichen Vor­ zeichnung äußern musste102. Gleich an mehrfacher Stelle wies der erste Senat expli­ zit darauf hin, dass er sich nicht zu Methodenfragen des Zivilrechts äußere, sondern nur das Ergebnis (eines zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes) an den Vorgaben des Grundgesetzes zu messen habe.103 Eine vollständige Übertragung der zivilrecht­ lichen Persönlichkeitsrechts-Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht so­ mit ausdrücklich nicht vorgenommen104, sondern lediglich bestätigt, dass es ein ver­ fassungsrechtliches allgemeines Persönlichkeitsrecht gibt, das mit den (weiter un­ kommentiert gelassenen) Mitteln des Zivilrechts in den konkreten Fällen hinreichend geschützt wurde. 97  Van Bergen, S.  40; Hubert, S.  77; Luch, S.  36. Grundlegend zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte Dürig, in: FS Nawiasky 1956, S.  176 ff.; ders., AöR 81(1956), S.  123 ff.; vgl. ferner Kulick, NJW 2016, S.  2238 f. 98  Vgl. hierzu die Formulierung in BVerfGE 34, S.  292 f.: „Ziel ist es, der im Mittelpunkt der grundgesetzlichen Wertordnung stehenden menschlichen Persönlichkeit und ihrer Würde auch ­zivilrechtlich wirksamen Schutz zu gewährleisten und damit auf einem Teilgebiet des Rechts die Geltungskraft der Grundrechte zu verstärken“. 99  Eine verfassungsrechtliche Etablierung des Selbstbestimmungsgedankens wie ihn Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  96, sehen möchte, kann hingegen nicht ohne weiteres erkannt werden. 100  Vgl. hierzu auch Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  96, unter Bezugnahme auf die verfas­ sungsmäßige Überprüfung der Mephisto-Entscheidung des BGH in BVerfGE 30, S.  173 – „Mephis­ to“; vgl. hierzu auch bereits Kap.  2, B., I. 101  Neben dem Argument, dass sich die Zivilgerichte aufgrund des Fehlens einer einfachgesetz­ lichen Grundlage die Befugnisse des Gesetzgebers anmaßen, führten die Beschwerdeführer ins Feld, dass sich eine unmittelbare Ableitung zivilrechtlicher Zahlungsansprüche aus der Verfassung dem Wesen eines Grundrechts als Abwehrrecht widerspräche; vgl. BVerfGE 34, 269 (278) – „Sora­ ya“. Somit gingen die Beschwerdeführer offenbar selbst von einem bestehenden Grundrecht zum Schutz der Persönlichkeit aus, dessen einfachgesetzliche Ausformung aber fehlen würde. In diesel­ be Richtung geht die Argumentation der Beschwerdeführer, es läge aufgrund der strafrechtsglei­ chen Wirkung eines Schadensersatzanspruches ein Verstoß gegen den Grundsatz nulla poena sine lege vor; vgl. hierzu auch Kächele, S.  41. Um die mittelbare Drittwirkung überhaupt annehmen zu können, muss ein abstrahlungsfähiges Grundrecht bestehen, weshalb auf das allgemeine Persön­ lichkeitsrecht im Sinne der Ausführungen des BGH zwingend einzugehen war. 102  In diesem Zusammenhang weist der erste Senat auch darauf hin, dass sich die Kritik hin­ sichtlich der Zubilligung eines immateriellen Schadensersatzes bisweilen weniger auf das gefunde­ ne Ergebnis, sondern mehr auf die „methodisch-dogmatischen Erwägungen“ der Zivilgerichte be­ zog; vgl. BVerfGE 34, 269 (290) – „Soraya“. 103  Vgl. hierzu die mehrfachen Hinweise in BVerfGE 34, 269 (280 f., 284, 291) – „Soraya“. 104  Vgl. auch Kraenz, S.  55.

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Somit kann in der Soraya-Entscheidung nicht nur die verfassungsrichterliche An­ erkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als solches gesehen werden. Darü­ ber hinaus kommt deutlich zum Ausdruck, dass dieses nicht ausschließlich im Sinne eines Abwehrrechts gegenüber dem Staat konzipiert sein kann, sondern gerade105 auch vor Beeinträchtigungen Dritter schützen soll.106 Es zeichnet sich also insbeson­ dere das grundsätzliche Verständnis verschiedener Schutzgehalte der einzelnen Grundrechte und hieraus resultierende Vorgaben für den Staat ab, diese Positionen auch aktiv vor Beeinträchtigungen Dritter zu schützen. Während das Grundgesetz Schutzgüter mit Verfassungsrang – wie auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht – bestimmt, dienen die einfachen (Parlaments-)Gesetze des Zivil- und Strafrechts dem Schutz dieser Schutzgüter. Hierbei verbürgt die Verfassung ein Mindestmaß an Schutz, welcher (durch die einfachgesetzliche Ausgestaltung) gewährleistet werden muss. Folglich hat der einfachgesetzliche Schutzgehalt nicht zwingend deckungs­ gleich mit dem verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt zu sein. Vielmehr kann der einfachgesetzliche Schutz über das verfassungsgegebene Mindestmaß hin­ ausgehen oder im Einzelfall dahinter zurückbleiben, solange der einfachgesetzliche Schutz in seiner Gesamtheit das Mindestmaß der verfassungsrechtlichen Vorgabe erfüllt und dieser nicht zuwiderläuft. Vor diesem Hintergrund erklären sich schließ­ lich auch die Begriffe eines „zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ oder im weiteren Verlauf eines „verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild“.107

II. Verfassungsrechtlicher Gewährleistungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Einbettung des Rechts am eigenen Bild Da ein gesondertes Grundrecht zum Schutz des eigenen Abbildes nicht existiert, ist also mit der verfassungsgerichtlichen Anerkennung des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts zumindest die grobe Direktive für die Einordnung des Rechts am eigenen Bild innerhalb der Verfassung gefunden. Denn schon die Ausführungen zur Ent­ wicklung schärfen den Blick dafür, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Schutz der konstituierenden Elemente der Persönlichkeit und somit womöglich auch ihrer bildhaften Repräsentation – in welcher konkreten Form auch immer – zum Ziel 105 Vgl. Bäcker, Der Staat 2012, S.  101; Britz, S.  32; Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  111: „Drohen doch dem Individuum, gerade dem prominenten Individuum, Gefahren für die Privatsphä­ re weniger von staatlicher Seite als von den Medien“. 106  Ausdrücklich BVerfGE 99, 185 (194) – „Scientology“; Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  111 geht davon aus, dass dies spätestens seit dem „Lüth“-Urteil deutlich wird, vgl. BVerfGE 7, 198 (206) – „Lüth“, wenngleich zu diesem Zeitpunkt das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sol­ ches noch nicht anerkannt war. Gleichwohl ging das BVerfG bereits im Lüth-Urteil von der Aus­ strahlung des Grundgesetzes auf das Privatrecht aus. 107  Vgl. hierzu Canaris, AcP 1984, S.  202 f., 224; Jarass, NJW 1989, S.  858; Hubmann, in: FS Schwab 1990, S.  19; Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  109; Klass, S.  226; Klüber, S.  37 f.; Wiese, ZfA 1971 S.  276; davon ausgehend wohl auch van Bergen, S.  106; Guha, S.  125; Hegemann, in: FS Raue 2006, S.  448; Helle, S.  37; Hornung, S.  266; Kraenz, S.  55 f.; Lindner, S.  25, 61; Rüpke, S.  25; Schwetzler, S.  72 f.

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haben muss, sofern kein anderes Grundrecht besteht, das den Schutz ausdrücklich gesondert vorsieht.108 Aus dieser Erkenntnis ist indes noch nicht viel gewonnen, da das Ziel von Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG mit dem Schutzes der menschlichen Persön­ lichkeit kaum ausufernder beschrieben werden könnte. Insbesondere wird allein hierdurch keine Aussage getroffen, ab wann (und durch was) die Persönlichkeit beim Umgang mit Personenbildern geschützt werden soll. Hinzu kommt, dass sich das Anwendungsfeld potentieller Persönlichkeitsrechtsverletzungen allein durch den technischen Fortschritt stets erweitert, welcher unzählige neue Möglichkeiten bietet und künftig bieten wird, die Persönlichkeit in irgendeiner Form zu beeinträchtigen. Um dieser technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen, hat das Bundesverfassungsgericht zwar mehrfach die Entwicklungsoffenheit des all­ gemeinen Persönlichkeitsrechts betont.109 Seit der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat sich deshalb einerseits eine Vielzahl von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur jeweiligen Bestimmung seines Gewährleistungs­ gehalts angesammelt. Andererseits führt diese Entwicklungsoffenheit aber auch zu einer immer umfangreicher werdenden und sich stets erweiternden Anwendungs­ palette des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, so dass den einzelnen Entscheidungen insgesamt nur schwerlich grundsätzliche Aussagen zur Einordnung des (Persönlich­ keits-)Rechts am eigenen Bild entnommen werden können.110 Dies gilt für das Recht am eigenen Bild sogar in doppelter Hinsicht. Denn zum einen hat das Bundesverfassungsgericht nach der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits früh begonnen, einzelne Erscheinungen der menschlichen Persönlichkeit anhand typischer Merkmale der zutage getretenen Persönlichkeitserscheinung oder der Eingriffslage111 systematisiert in einer speziel­ len Ausprägung112 zu benennen und weiter zu verdichten.113 Neben etwa dem Recht 108  Diese ausfüllende Funktion zeichnete sich bereits in der „Elfes“-Entscheidung ab; vgl. BVerfGE  6, 32 – „Elfes“; hierzu bereits oben Kap.  2, B., I., 1.; später ausdrücklich bestätigt in BVerfGE  54, 148 (153) – „Eppler“; in diesem Zusammenhang Roellecke, JZ 1980, S.  702 ff.; ­BVerfGE  79, 256 (268) – „Kenntnis der eigenen Abstammung“; BVerfGE 79, 292 (304) – „Eigen­ bedarf II“; BVerfGE 85, 219 (223 ff.); BVerfGE 99, 185 (193) – „Scientology“; BVerfGE 118, 168 (184) – „Kontostammdaten“; ferner Britz, S.  27; Geminn/Roßnagel, MMR 2015, S.  705; Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  105; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2 GG, Rn.  59 f., 66; Nebel, ZD 2015, S.  518; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art.  2 I GG, Rn.  17. 109  BVerfGE 54, 148 (153) – „Eppler“; BVerfGE 65, 1 (41) – „Volkszählung“; BVerfGE 72, 155 (170); BVerfGE 79, 256 (268) – „Kenntnis der eigenen Abstammung“; ferner Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  707; Häger, S.  32. 110  Vgl. zur Entwicklungsoffenheit Degenhart, JuS 1992, S.  361; Jarass, NJW 1989, S.  858 ff.; Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  95. 111  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  130 spricht von „typisierbaren Eingriffslagen“. 112  Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2 GG, Rn.  71. Hingegen sprechen v. Bergen, S.  43; Piltz, S.  11, und Wanckel, Persönlichkeitsschutz, S.  86, von „besonderen Persönlichkeitsrechten“. Allerdings sucht man die Bezeichnung in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts vergebens; zudem ist der Begriff des besonderen Persönlichkeitsrechts zivilrechtlicher Natur; vgl. hierzu Neuner, JuS 2015, S.  963. 113 Vgl. Britz, S.  36. Hauck, S.  287 f., weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Sum­

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

am gesprochenen Wort114 oder später dem Recht am eigenen Namen115 hat das Bun­ desverfassungsgericht ausdrücklich auch das Recht am eigenen Bild116 anerkannt.117 Somit wurde nicht nur der Terminus Recht am eigenen Bild in den Geltungsbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hineingelesen, sondern dessen Gewährleis­ tungsgehalt von 1907 wurde verfassungsrechtliche Wirkung attestiert und er wurde über die Jahre weiter verfassungsrechtlich ausgestaltet.118 Deshalb gilt es, diese Ent­ wicklung innerhalb des Rechts am eigenen Bild, namentlich dessen heutigen verfas­ sungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt zu erfassen. Zum anderen hat sich fortan das entwicklungsoffene Mantelrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts selbst grundlegend weiterentwickelt. Diese Entwicklung reicht von einem inhaltlich schwer fassbaren, unbenannten Freiheitsrecht, welches aus Menschenwürdegarantie und Wesensgehalt der Freiheit zum Schutz eines letzten Rückzugsorts der Persönlichkeit119 kombiniert werden musste120, hin zum „zentra­ len Grundrecht der digitalen Welt“121. Es liegen also zwei Entwicklungsstränge von ineinandergreifenden Gewährleistungsgehalten vor, die sich gegenseitig beeinflus­ sen. Daher erscheint es notwendig, zuerst eine systematische Linie der verfassungs­ gerichtlichen Rechtsprechung zum Mantelrecht des allgemeinen Persönlichkeits­ rechts herauszuarbeiten. Erst anschließend kann die verfassungsrichterliche Recht­ sprechung zur Ausprägung des Rechts am eigenen Bild eingeflochten werden. So wird sichergestellt, dass der Kontext des jeweiligen Entwicklungsstadiums von Man­ telrecht und Ausprägung für die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Gewähr­ leistungsgehalts des Rechts am eigenen Bild hinreichend Berücksichtigung findet. me dieser unbenannten Einzelrechte der Persönlichkeit nicht die Gesamtheit des allgemeinen Per­ sönlichkeitsrechts konstituieren, sondern immer nur Teil eines „sie überwölbenden Gesamtrechts [darstellt], das von Bestand, Wechsel und Zugewinn seiner einzelnen Teile unabhängig war und unabhängig ist“; ähnlich bereits Hubmann, S.  377. 114  BVerfGE 34, 238 (246) – „Tonband“. 115  BVerfGE 78, 38 (49) – „Gemeinsamer Familienname“. 116  BVerfGE 34, 238 (246) – „Tonband“; BVerfGE 35, 202 (220) – „Lebach“; BVerfGE 54, 148 (154) – „Eppler“; BVerfGE 87, S.  340; BVerfGE 97, 228 (268) – „Kurzberichterstattung“; BVerfGE 101, 361 (380) – „Caroline von Monaco II“; BVerfGE 152, 152 (186) – „Recht auf Vergessen I“; BVerfG, NJW 2005, S.  3272. BVerfG, NJW 2006, S.  3410 – „Marlene Dietrich“; BVerfGE 119, 309 (323) – „Gerichtsfernsehen“; BVerfGE 120, 180 – „Caroline von Monaco III“. 117  Zu den weiteren Ausprägungen im Einzelnen Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  137 ff.; Sachs/Murswick/Rixen, Art.  2 GG, Rn.  68 ff.; Stern, in: Staatsrecht Band  I V/1, §  99 II 2, S.  191 ff.; vgl. ferner Germann, JURA 2010, S.  736 ff. 118 Vgl. Albers, S.  260 f.; somit fand auch hinsichtlich der Typisierung des Bundesverfassungsge­ richts eine Vorzeichnung durch das Zivilrecht statt; vgl. hierzu Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  109, und Kap.  2, A. Über die „besondere Schutzwürdigkeit“ dieser Persönlichkeitsrechte sagt allein die Bezeichnung im Vergleich zu den sonstigen Gewährleistungen freilich noch nichts aus; vgl. hierzu Helle, S.  28. 119  Scholz/Pietschas, S.  69; vgl. auch Albers, in: DuD-Fachbeiträge Informationelle Selbstbe­ stimmung, S.  14. 120  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., I. 121  Eifert, JURA 2015, S.  1181.

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1. Verschiedene Gewährleistungsdimensionen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Die Anzahl der einzelnen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, welche vom Bundesverfassungsgericht neben dem Recht am eigenen Bild über die Jahre vorgefunden, anerkannt und (weiter-)entwickelt wurden, ist über die Jahre na­ hezu unüberschaubar geworden. Um die Übersichtlichkeit des weiten und entwick­ lungsoffenen Gewährleistungsgehalts zu wahren, ging die Literatur deshalb dazu über, verschiedene Oberkategorien zu bilden, unter welche die einzelnen Ausprägun­ gen eingeordnet werden können. Diese Systematisierungen unterscheiden sich aller­ dings in ihrer Ausgestaltung teilweise deutlich voneinander.122 Dies ist zum einen wiederum der Entwicklungsoffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und zum anderen der jeweils zugrundeliegenden Perspektive eines jeden Systematisie­ rungsversuchs geschuldet. Dass die Systematisierung anhand verschiedener Ober­ kategorien aber gerade die Einordnung des Rechts am eigenen Bild in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor eine ganz besondere Herausforderung stellt, zeigt sich deut­ 122  Vgl. etwa die verschiedenen Ansätze bei Arzt, S.  138 f. und Bäcker, S.  94. Sie differenzieren zwischen einzelnen Gefährdungslagen der Privatheit und der informationellen Selbstbestimmung; vgl. ferner Brandner JZ 1983, S.  690 f. Schlechtriem, DRiZ 1975, S.  66, differenziert zwischen An­ sehen, Privatsphäre, Selbstbestimmung und Selbstentfaltung; Degenhart, JuS 1992, S.  363 ff. unter­ scheidet Geheimnisschutz, informationeller Selbstbestimmung, Persönlichkeitsschutz und Äuße­ rungsfreiheit; Dreier/Dreier, Art.  2 I GG, Rn.  71 ff. differenziert zwischen „Personale Identität, ­Intim- und Privatsphäre“, der „Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit“, „Namen und Ehre“, „Grund­ bedingungen für die Persönlichkeitsentfaltung“, und der „Informationellen Selbstbestimmung“, sowie dem „Computer-Grundrecht (Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informa­ tionstechnischer Systeme)“; Häger, S.  32 ff. differenziert zwischen der Fallgruppe Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, informationeller Selbstbestimmung und der Selbstentfaltung und Privatsphä­ re; Hengst, S.  47 unterteilt in Bestimmungsrecht der Darstellung der Person in der Öffentlichkeit, den Schutz des persönlichen Lebensbereichs, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und den Schutz der personalen Entfaltung; Jarass, NJW 1989, S.  858 ff. differenziert zwischen dem Recht auf die Darstellung der Person in der Öffentlichkeit, dem Recht auf informationelle Selbstbe­ stimmung, Sexualität und Ehe sowie dem Recht auf Resozialisierung; Kraenz, S.  55 ff. ordnet etwa nach den Fallgruppen Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, Recht auf informationelle Selbst­ bestimmung und dem Recht auf Selbstentfaltung und Privatsphäre; U. Müller, S.  22 lehnt soweit ersichtlich eine Systematisierung ganz ab; Osiander, S.  72 ff., differenziert nur anhand der Sphären­ theorie und somit lediglich aus der Perspektive der „Privatheit“; Schertz, NJW 2013, S.  723 unter­ scheidet zwischen Schutz vor Unwahrheit, Schutz vor Indiskretion, dem Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, der informationellen Selbstbestimmung und dem Schutz vor Schmähkritik; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  5, Rn.  20 ff. differenziert hinsichtlich des zivilrecht­ lichen Schutzes zwischen Schutz vor individueller Selbstbestimmung, Schutz vor Indiskretion, Schutz vor Unwahrheit, Schutz vor Ehre und Ruf und Schutz vor der Gefährdung von Leben und Freiheit; BeckOK GG/Lang, Art.  2, Rn.  44 differenziert anhand der Sphärentheorie und weist das Recht am eigenen Bild der Sozialsphäre zu; C. Walter, S.  27 verweist etwa zur Einordnung des Rechts am eigenen Bild pauschal auf das „Selbstbestimmungsrecht“ und differenziert nicht weiter. Insgesamt zeigt sich auch schnell, dass einzelne Begriffe offenbar nicht synonym benutzt werden; dies gilt insbesondere für die Bezeichnungen Privatheit, Privatsphäre, Selbstbestimmung, Selbst­ bewahrung und Selbstdarstellung; vgl. hierzu nur van Bergen, S.  42, welche bzgl. der Zweiteilung nach Privatheit und Selbstbestimmung u. a. auf die Differenzierung von Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  110, verweist, der wiederum eine Dreiteilung zwischen Privatheit, Selbstbestim­ mung und persönlicher Ehre vornimmt.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

lich anhand der verschiedenen Einwirkungsszenarien, die eine Abbildung auf die betroffenen Person haben kann.123 So kann bereits der Abbildungsvorgang als sol­ cher – im Sinne aller Umstände des Wegs zum Bild –, das grundsätzliche Innehaben der Macht über eine Persönlichkeitsrepräsentation in Form eines Abbildes mitsamt aller Manipulationsmöglichkeiten, sowie das Veröffentlichen eines ungewollten Bil­ dinhalts unter eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder eines anderen grundrechtlichen gewährleisteten Schutzbereichs fallen. Diese Schwierig­ keit wird vereinzelt dadurch gelöst, dass das Recht am eigenen Bild kurzum meh­ reren Kategorien zugewiesen wird.124 Andere Stimmen verstehen bereits den Bild­ begriff umfassender, und zwar unter dem Aspekt der Darstellung einer Persönlich­ keit und erheben diese zur Oberkategorie für ein Recht am eigenen Lebensbild, ein Recht auf Darstellung der eigenen Person oder etwa ein Recht auf Selbstdarstel­ lung.125 Aufgrund dieser Gemengelage erscheint es zweckmäßig, eine grobe Ent­ wicklungslinie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Handhabe mit dem Struk­ turprinzip der bildhaften Repräsentation herauszuarbeiten, anstatt sich auf unter­ schiedliche, sich überschneidende bildbezogene Systematisierungen zu beschränken. Hierfür kann im Folgenden an die bereits gewonnenen Erkenntnisse zum Schutz der Persönlichkeit bis zur Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ange­ knüpft werden. 2. Ausgangspunkt der zwei Dimensionen des Persönlichkeitsschutzes Der Zweck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt nach dem Wortlaut des Art.  2 I 1 GG in der Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit. Dies soll nach dem bisher Gesagten mitunter durch die Bewahrung eines „unantastbaren Bereichs privater Le­ bensgestaltung“126 geschehen. Um die hierfür geschaffenen einzelnen Gewährleis­ tungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verstehen zu können, muss also zuerst klar sein, auf welche Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht seinem Ziel des Schutzes der Persönlichkeitsentfaltung überhaupt nachkommen soll. Dafür muss notwendigerweise klar sein, was unter dem Bezugspunkt des bezweckten Schutzes, der Entfaltung der Persönlichkeit, überhaupt verstanden werden soll. Allerdings kann der Begriff der Entfaltung aus Art.  2 I GG auf zwei verschiedene Arten begrif­ fen werden.127

123 

Vgl. bereits Arzt, S.  138. Vgl. etwa Kraenz, S.  56 ff. 125 Vgl. U. Amelung, S.  31; van Bergen, S.  51; Stern, in: Staatsrecht IV/1, §  99 II 2, S.  193; Britz, S.  37; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2, Rn.  71; Höfling, S.  124; Rohlf, S.  116 ff.; Schwetzler, S.  75 ff.; Neukamm, S.  90 f.; Märten, S.  64. 126  BVerfGE 27, 1 (6) – „Mikrozensus“; vgl. zuvor BVerfGE 6, 32 (41) – „Elfes“, hierzu bereits Kap.  2, B., I., 1. 127  Britz, S.  16 ff.; Neben, Personenberichterstattung, S.  143; Schmitt Glaeser, in: HStR1 Bd.  I V, §  129, Rn.  18; vgl. auch Grimm, Karlsruher Forum 1996, S.  3, 7; ferner Eifert, JURA 2015, S.  1181. 124 

B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz

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Entfaltung kann einerseits als äußerer Vorgang zur tatsächlichen Umsetzung der Persönlichkeit mit Hilfe von verhaltensbezogenem Auftreten in der Außenwelt in Form von Handlungen verstanden werden. Vor diesem Hintergrund soll Entfaltungs­ freiheit jedem den erforderlichen Freiraum sichern, seine Persönlichkeit in Gestalt von Handlungen in praktische Entscheidungen und Taten in der äußeren Lebens­ wirklichkeit umsetzen zu können.128 Dieses wörtliche Verständnis von Entfaltung setzt zwangsläufig voraus, dass die Persönlichkeit als inneres Gebilde existiert, wel­ ches durch Handlungen buchstäblich nach außen entfaltet wird.129 Setzt man hinge­ gen mit dem Zweck des Persönlichkeitsschutzes schon an dem inneren Gebilde der Persönlichkeit an und versteht den Begriff der Entfaltung somit umfassender, kann die Entfaltung bereits dann beeinträchtigt sein, wenn die Entstehung oder Weiterent­ wicklung des inneren Gebildes nicht frei stattfinden kann. Die Entfaltung lässt sich dann als Vorgang des Werdens130 im Sinne einer Entstehung, (Weiter-)Entwicklung oder Schöpfung verstehen.131 Wenn Art.  2 I 1 GG als umfassendes Freiheitsreicht132 konstatiert, jeder habe das Recht, seine Persönlichkeit frei zu entfalten, lässt sich dies gerade als Ausdruck eines umfassenden Freiheits- oder Autonomieverständnisses so verstehen, dass jeder Mensch das Recht haben muss, sein Selbst zu wählen.133 Diese Selbst-Wahl kann freilich als kein einmaliger und feststehend-allgemeingültiger Pro­ zess verstanden werden.134 Vielmehr ist dieser als innerer Vorgang durch die Indivi­ dualität jeder einzelnen Person von einer immensen Vielfalt gekennzeichnet und befindet sich dementsprechend fortwährend im konstanten Fluss zur (Weiter-)For­ mung der individuellen Identität. Art.  2 I 1 GG verbürgt also vor diesem Hintergrund neben der äußeren Entfaltungskomponente auch die Garantie, dass jedem Menschen die Möglichkeit zur Bildung seiner eigenen, individuellen Identität zukommen soll.135 Dieser Zwei-Dimensionalität von der Entfaltung der Persönlichkeit trägt das Bundesverfassungsgericht spätestens136 seit der sog. „Eppler“-Entscheidung137 mit 128 

Britz, S.  17, spricht etwa von einem „realisierenden Vorgang“ Vgl. die sehr plastische Beschreibung von Britz, S.  17, wonach etwas, was noch eingefaltet ist (die Persönlichkeit), sich (durch Handlungen) entfalten soll; ähnlich auch die Kernbereichstheorie nach H. Peters, S.  49. 130  Das BVerfG spricht in dieser Hinsicht etwa in BVerfGE 54, 148 (153) – „Eppler“ von „konsti­ tuierenden Elementen der Persönlichkeit“ oder in BVerfGE 99, 185 (193) – „Scientology“ von einer „konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit“ (Hervorhebungen des Verfassers). 131  Arndt, NJW 1967, S.  1846, spricht von einem Selbstgestaltungsrecht, welches in Art.  2 I GG verbürgt sei; Britz, S.  18, spricht von einem „schöpferischen Gestaltungsvorgang“. 132  Vgl. hierzu oben Kap.  2, B., I., 1. 133 Vgl. Britz, S.  18. 134  Mallmann, S.  50: „normalerweise ein niemals abgeschlossener Prozeß“; Rössler, S.  240. 135 Vgl. Britz, S.  20. 136  Rudimentär angedeutet in BVerfGE 38, S.  319; deutlicher dann in BVerfGE 44, 353 (373) – „Durchsuchung Drogenberatungsstelle“. 137  Vgl. BVerfGE 54, 148 (153) – „Eppler“: „[…] das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art.  2 Abs.  1 GG [enthält] ein Element der ‚freien Entfaltung der Persönlichkeit‘, das sich als Recht auf Respektierung des geschützten Bereichs von dem ‚aktiven‘ Element dieser Entfaltung, der allgemei­ nen Handlungsfreiheit […] abhebt“. 129 

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der Unterscheidung von Art.  2 I 1 GG in zwei eigenständige Teilgrundrechte Rech­ nung. Die allgemeine Handlungsfreiheit bildet dabei die äußere verhaltensbezogene Dimension der Entfaltungsfreiheit ab, während die innere Dimension der Entfal­ tungsfreiheit durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfasst wird.138 Somit lassen sich also all die verschiedenen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf den Grundgedanken zurückführen, dass der Vorgang der eigenen Identitäts­ findung gesichert werden soll.139 3. Möglichkeiten zur Sicherung einer Garantie individueller Identitätsbildung Wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht also die eigene Identitätsbildung ermög­ lichen soll, um die Grundvoraussetzungen eines Grundrechts auf die freie Entfal­tung der Persönlichkeit zu schaffen, erscheint dies zunächst aus der originären Kon­ zeption eines Abwehrrechts eindeutig. Dem Staat soll verwehrt sein, die eigene Selbst-­Wahl zu beeinflussen. Allein zur Formulierung dieses Zwecks erscheint es kaum möglich, nicht auf räumliche Metaphern zurückzugreifen. Entsprechend stel­ len die bereits dargelegten frühen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf ein unbefugtes Eindringen des Staates in den Persönlichkeitsbereich ab. Entsprechend muss dem Einzelnen ein Innenraum verbleiben, in dem er sich selbst besitzt, zu dem die Umwelt keinen Zutritt hat.140 Allein aus abwehrrechtlicher Perspektive und mit Blick auf die raumbezogene Ter­ minologie erscheint das einfache Verständnis naheliegend, dass dem Schutz der ­inneren Entfaltungskomponente möglicherweise auch anhand räumlicher Kriterien durch die Gewährung von Freiraum vor dem Staat nachgekommen werden kann. Allerdings klang bereits an, dass der Schutz der Persönlichkeit gerade auch als Auftrag an den Staat verstanden werden muss, den Einzelnen vor Beeinträchtigun­ gen durch Dritte zu schützen.141 Diese Feststellung stützt sich regelmäßig auf die Erwägung, dass die individuelle Persönlichkeit üblicherweise nicht von Handlungen des Staates bedroht wird, sondern vielmehr die typische Gefährdung des Persönlich­ keitsrechts von Handlungen Privater ausgeht.142 Spätestens wenn man aber diese 138  von Arnauld, ZUM 1996, S.  287 Britz, S.  23; Degenhart, JuS 1992, S.  361; Eifert, JURA 2015, S.  1181; Götting/Schertz/Seitz/Ladeur, §  7, Rn.  4; Grimm, Karlsruher Forum 1996, S.  7; Maunz/ Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  131; Metz, S.  32; Schmidt-Jortzig, in: FS P. Kirchhof 2013, Bd.  I, S.  194. beschreibt diese „Selbst-Wahl“ als „forum internum“; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art.  2 I GG, Rn.  14. 139  Britz, S.  27; vgl. ferner Dreier/Dreier, Art.  2 I GG, Rn.  25: „Sicherung der Entstehungsbedin­ gungen freier, autonomer Individualität“; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  127, greift die Formulierung des BVerfGs in BVerfGE 54, 148 (153) – „Eppler“ und BVerfGE 99, 185 (193) – „Scientology“ einer „konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit“ des Menschen auf. 140  Vgl. oben. Kap.  2, B., I., 2. 141 Vgl. Rohlf, S.  33. 142 Vgl. Bäcker, Der Staat 2012, S.  101; Britz, S.  32; Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  111; Rohlf, S.  33; vgl. in diesem Zusammenhang etwa zur Konfliktträchtigkeit des Verhältnisses zwi­ schen dem individuellen Persönlichkeitsrecht und dem Informationsrecht der Massenmedien Schiwy/­Schütz, S.  294.

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verfassungsrechtliche Garantie zum Schutz der Identitätsbildung im Lichte der Indi­ vidualität der Persönlichkeitsentwicklung verschiedener Personen betrachtet, scheint das allgemeine Persönlichkeitsrecht den zur (Garantie-)Leistung verpflichteten Staat vor eine unlösbare Aufgabe zu stellen. Insbesondere klingt es nach einem völlig illu­ sorischen Unterfangen, jeder einzelnen Person die Bildung ihrer individuellen Iden­ tität zu garantieren und diese darüber hinaus vor Beeinträchtigungen Dritter zu schützen. Denn die Bildung und Weiterentwicklung einer eigenen Identität stellt ei­ nen Vorgang dar, welcher zwangsläufig nur von dem entsprechenden Individuum selbst bewältigt werden kann. Allein deshalb kann die Garantie zum Schutz der Selbst-Wahl nicht im Sinne einer verbindlichen Zusicherung einer erfolgreichen Identitätsbildung durch den Staat verstanden werden. Eine verbindliche Zusicherung würde einem jeden stets ein staatliches Verständnis einer erfolgreichen Selbst-Wahl aufoktroyieren und wäre somit Ausdruck von mit Blick auf die Werteordnung des Grundgesetzes fragwürdigen Paternalismus. Deshalb muss die Selbst-Wahl als eine vom Individuum eigenständig zu erbringende Leistung respektiert werden, deren Vornahme ungeachtet von einem bestimmten Ergebnis vom Staat ermöglicht werden muss. Die staatliche Leistungspflicht muss somit als Garantie einer Ausgangslage verstanden werden, in welcher jeder die Möglichkeit besitzt, die eigene Selbst-Wahl vorzunehmen. Mit anderen Worten muss der Staat also die Voraussetzungen schaf­ fen, unter denen das Individuum in der Lage ist, zwischen verschiedenen Identitäts­ optionen zu wählen.143 Diese anspruchsvolle Aufgabe muss angesichts des kontinu­ ierlichen Wandels des gesellschaftlichen Kontexts stets neu und unter Berücksichti­ gung sich ändernder Ausgangslagen aus diversen Blickwinkeln gelöst werden. Dementsprechend lässt das Grundgesetz dem Staat auch freie Hand, wie er dieser Verpflichtung konkret nachkommt. Anknüpfungspunkte ergeben sich hierfür so­ wohl beim Individuum selbst als auch bei der Außenwelt: Einerseits kann das Indivi­ duum in seiner Fähigkeit zur Selbstwahl bestärkt werden, indem man ihm aktiv Möglichkeiten zur Selbst-Wahl anbietet. Andererseits können äußere Umstände, die das Individuum hindern, in den Prozess der Selbst-Wahl einzutreten, minimiert wer­ den, indem beispielsweise Handlungen Dritter mit (straf-)rechtlichen Folgen sanktio­ niert werden. Da sich diese Anknüpfungspunkte aber häufig gegenseitig beeinflus­ sen, erscheint es nicht sinnvoll, diese strikt getrennt voneinander zu betrachten. Je­ denfalls ist es primär die Aufgabe des Gesetzgebers, zu ermitteln, wo die größten Gefahren für die individuelle Selbst-Wahl existieren. Dass gerade der Umgang mit Personenbildern besondere Gefahren für die Selbst-Wahl in sich trägt, erschließt sich einerseits vor dem Hintergrund, dass bereits die Herstellung einer Personenabbil­ dung in einer Art und Weise stattfindet, welche die Person in Ihrer (weiteren) Persön­ lichkeitsentfaltung nachhaltig von außen nach innen beeinflussen kann. Zum ande­ ren stellt die bereits fixierte Personenabbildung, wie gezeigt, eine Repräsentation der betroffenen Person dar und trägt persönliche Informationen zum Betrachter von in­ 143 

Britz, S.  33 ff.

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nen nach außen. Umso wichtiger erscheint deshalb, Abwägungskriterien zur Intensi­ tät einer Persönlichkeitsrechtsverletzung herauszuarbeiten. Eine Richtschnur kann hierfür nur die Verfassung sein, welche etwa durch den expliziten Schutz der Woh­ nung in Art.  13 I GG ausdrücklich vorgibt, welche Bereiche gerade im Hinblick der inneren Entfaltungsfreiheit besonders geschützt werden sollen. Umgekehrt wird dies aber auch durch die Vorgabe besonderer Freiheitsrechte wie etwa der Meinungs­ freiheit deutlich, da diese freien Bereiche dem Individuum ermöglichen sollen, sich selbst zur Persönlichkeitsfindung auszuprobieren.144 Dementsprechend haben sich verschiedene Modelle entwickelt, welche zwar un­ terschiedliche Anknüpfungspunkte wählen, die aber alle das einheitliche Ziel verfol­ gen, die Voraussetzungen innerer Entfaltung im Sinne der Selbst-Wahl zu sichern. Die maßgeblichen beiden Ansatzpunkte werden im Folgenden beleuchtet. a) Garantie von Raum zur Persönlichkeitsentfaltung Eine plausible Möglichkeit, die Grundvoraussetzungen zur Selbst-Wahl zu gewähr­ leisten, liegt in dem einfachen Zugeständnis an das Individuum, dass Räume beste­ hen sollen, in denen es sich selbst mit seiner Persönlichkeit auseinandersetzen und hierdurch selbst „finden“ kann.145 Somit gilt es zu erörtern, wie diese Räume be­ stimmt und gewährleistet werden können. aa) Die Garantie räumlicher Rückzugsorte ohne räumlichen Sozialbezug Bereits vor der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts knüpfte das Bundesverfassungsgericht zur Garantie der Voraussetzungen einer individuellen Selbst-Wahl entsprechend seiner Metaphorik146 an die Zusicherung räumlicher Rückzugsorte an, in denen der einzelne frei von staatlicher Reglementierung und der Einflussnahme Dritter seine Identität bilden kann.147 Die Bestimmung dieses unan­ tastbaren Bereichs der Persönlichkeit148 sowie die hieraus resultierende Abgrenzbar­ keit zu dem umgebenden sozialen Bereich beschränkten sich allerdings nur auf die Feststellung, dass die absolut geschützten Sachverhalte aufgrund ihrer – wie auch immer gearteten – Abgeschiedenheit von der sozialen Umwelt „von Natur aus Ge­ heimnischarakter“ besitzen. Da sich das Bekenntnis zu einem abwägungsfesten Be­ 144 

Blankenagel, DÖV 1985, S.  961; Enders, S.  450 f. Hohmann-Dennhardt, NJW 2006, S.  546. 146  Vgl. hierzu insbesondere die Wortwahl der hier besprochenen Elfes- und Mikrozensus-Ent­ scheidung, im Einzelnen: BVerfGE 6, 32 (36) – „Elfes“: „Kernbereich“; S.  37: „Lebensbereich“, S.  41: „Sphäre“ privater Lebensgestaltung; „letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit“; BVerfGE 27, 1 (6) – „Mikrozensus“: „Bereich privater Lebensgestaltung“; „Eindringen in den Per­ sönlichkeitsbereich“; „Innenraum“; S.  7: „innerster Lebensbereich“; innerer „Bezirk“; S.  8: Intim­ sphäre; „innerster (Intim)Bereich“; „Bereich privaten Lebens“; hierzu bereits oben Kap 3, B.), B., III.; vgl. hierzu auch Britz, S.  30. 147  Vgl. hierzu oben Kap 2, B., I. 1., 2. 148  Kritisch hierzu aus strafrechtlicher Perspektive Schünemann, ZStW 90 (1978), S.  19 ff. 145 

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reich originär als Garantie vor staatlichen Einsichtnahmen in abgeschiedene persön­ liche Sachverhalte versteht149, musste sich das Bundesverfassungsgericht schnell zu der Frage äußern, ob dem Staat der Einblick in intime Angelegenheiten mit Geheim­ nischarakter per se verwehrt werden muss.150 Zur Beantwortung knüpfte das Bun­ desverfassungsgericht zunächst an das Merkmal der Abgeschiedenheit eines priva­ ten Sachverhalts an und legte zu derer Bestimmung ein rein räumliches Verständnis als Spiegelbild zur räumlichen Außenwelt zugrunde. Hiernach können selbst intime Sachverhalte dem absolut geschützten Bereich nicht unterliegen, wenn sie (von der räumlichen Abgeschiedenheit) in die Außenwelt getragen werden und somit zwangs­ läufig ihren Geheimnischarakter verlieren. So können etwa Ehescheidungsakten151, „höchstpersönliche Dinge“ in ärztlichen Karteikarten152 oder eigene Angaben zum sexuellen Missbrauch eines Minderjährigen153 jedenfalls dann nicht Teil des absolut geschützten Kernbereichs sein, wenn sie durch Kommunikation154 mit Dritten zu einem Teil der Außenwelt werden und somit Sozialbezug aufweisen.155 bb) Systematisierung der Rückzugsräume in Sphären der Privatheit Dass der Gewährleistung von Raum zur individuellen Selbst-Wahl eine primäre Rol­ le für den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zukommen muss, zeigt sich 149 Vgl.

Dammann, S.  23. Van Bergen, S.  36, geht diesbezüglich davon aus, dass sich die Rechtsprechung vor allem wegen „Pattsituationen“ im Strafverfahren zum „Kunstgriff“ des Sozialbezugs hinreißen ließ, um „höchstpersönliche Dinge“ vom abwägungsfesten Intimbereich separieren zu können und sie wei­ terhin für den Staat einsehbar zu machen. Allerdings stellte das BVerfG schon lange vor seiner Entscheidung zum Zeugnisverweigerungsrecht einer Sozialarbeiterin in BVerfGE 33, 367 – „Zeug­ nisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter“ und zur Verwertbarkeit von Tagebuchaufzeichnungen im Strafverfahren in BVerfGE 80, 367 – „Tagebuch“ auf den Sozialbezug durch Kommunikation für die Frage der Intimheit ab; vgl. nur BVerfGE 6, 389 (433) – „Homosexuelle“; vgl. auch BVerfGE 27, 344 (351) – „Ehescheidungsakten“ und BVerfGE 32, 373 (379) – „Ärztliche Schweigepflicht“. Ferner zur Außenwelt als Anknüpfungspunkt zuvor BVerfGE 27, 1 (7) – „Mikrozensus“. 151  BVerfGE 27, 344 (351) – „Ehescheidungsakten“. 152  BVerfGE 32, 373 (379) – „Ärztliche Schweigepflicht“; vgl. hierzu auch BVerfGE 44, 353 (372) – „Durchsuchung Drogenberatungsstelle“. 153  BVerfGE 33, 367 (377) – „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter“. 154  Hierzu äußerte sich der erste Senat bereits in der Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Strafnormen gegen männliche Homosexualität BVerfGE 6, 389 (433) – „Homosexuelle“: „Sicher­ lich gibt es […] einen „letzten, unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit […], der der Einwir­ kung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen“, in den einzudringen also dem Gesetzgeber schlechthin verwehrt ist. Dieser Bereich wird aber verlassen, wenn Handlungen des Menschen in den Bereich eines anderen einwirken, ohne daß besondere Umstände, wie etwa familienrechtliche Beziehungen, diese Gemeinschaftlichkeit des Handelns als noch in den engsten Intimbereich fal­ lend erscheinen lassen. Grundsätzlich gibt schon die Berührung mit der Persönlichkeitssphäre eines anderen Menschen einer Handlung den Bezug auf das Soziale, der sie dem Recht zugänglich macht. Doch können auch Vorgänge, die sich in ‚Kommunikation‘ mit andern vollziehen, aus dem Ge­ sichtspunkte der Art.  2 Abs.  1 und Art.  1 Abs.  1 GG dem Zugriff des Gesetzgebers entzogen sein; die Zulässigkeit eines Eingriffs hängt dann davon ab, ob der ‚Sozialbezug‘ der Handlung intensiv genug ist“; vgl. ferner BVerfGE 27, 1 (7) – „Mikrozensus“; BVerfGE 35, 202 (220) – „Lebach“. 155  Baldus, JZ 2008, S.  219; Desoi/Knierim, DÖV 2011, S.  399. 150 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

nicht nur anhand der (frühen) metaphorischen Terminologie des Bundesverfassungs­ gerichts. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich mit der Entwicklung des Sys­ tematisierungskonzepts der Raumbestimmung vertraut macht, welches über die Schutzwürdigkeit einer Person entscheidet. Diesem Systematisierungskonzept liegt das bildhafte Verständnis zugrunde, dass den Menschen Räume oder Sphären unter­ schiedlich intensiver Schutzbedürftigkeit wie konzentrische Kreise156 „von innen nach außen“ umgeben.157 Diese Kreise werden dabei überwiegend in drei aneinan­ dergrenzende Sphären individueller Persönlichkeitsentfaltung dargestellt und als Intimsphäre, Privatsphäre und Sozialsphäre bezeichnet.158 Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Bezeichnung des Konzeptes als Sphärentheorie.159 Die innerste Sphäre repräsentiert hierbei den Bereich, der frei von jeglicher Beein­ flussung für die individuelle Selbst-Wahl garantiert werden soll.160 Eingriffe in die­ sen Bereich durch den Staat oder Beeinträchtigungen durch Dritte stehen natur­ gemäß in einem derart engen Zusammenhang mit der Menschenwürde aus Art.  1 I GG und sollen deshalb in keinem Fall gerechtfertigt werden können.161 Da diese Er­ wägung sehr stark an die frühen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum absolut geschützten Kernbereich erinnert162, wurde der Begriff der Intimsphäre mit demjenigen des absolut geschützten Kernbereichs überwiegend synonym verwen­ det.163 Die nachgelagerte, an die Intimsphäre angrenzende Sphäre ist die sog. Privatsphä­ re. Um den fließenden Grenzen164 der Privatsphäre zur Intimsphäre hinreichend Aus­ druck zu verleihen, wird diese als enger persönlicher Lebensbereich des Individu­ ums  – wiederum unglücklicherweise165 – zum Teil auch als Geheimsphäre bezeich­ 156 

W. Schmidt, JZ 1974, S.  243. Hubmann, S.  269; Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  107; Geis, JZ 1974, S.  112. 158  von Arnauld, ZUM 1996, S.  290; van Bergen, S.  57; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  157 ff.; Geminn/Roßnagel, JZ 2015 S.  705; Nebel, ZD 2015, S.  518. 159  Dabei geht die dreistufige Sphärentheorie auf Hubmann, S.  268 f. zurück: „Man kann drei Schutzkreise unterscheiden, die sich um den Eigenwert der Persönlichkeit legen und sie vor dem Herabsinken zum Herdenwesen, vor der Gefahr der Vermassung und vor dem Eindringen Unbefug­ ter schützen: die Individualsphäre die Privatsphäre und die Geheimsphäre“. 160  Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  705; Worms/Gusy, DuD 2012, S.  93. 161  Baldus, JZ 2008, S.  219; van Bergen, S.  57; Desoi/Knierim, DÖV 2011, S.  403; Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  705; Mallmann, S.  25; Nebel, ZD 2015, S.  518. 162  Vgl. hierzu oben Kap.  2, B., I., 1. 163  Dürig, AöR 1956, S.  129; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  158; Wandtke/Wöhrn/ Boksanyi, Teil  6, §  4, Rn.  39; speziell auf Bildaufnahmen bezogen etwa Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  59; kritisch hinsichtlich der jüngeren Entscheidungen des BVerfGs Baldus, JZ 2008, S.  222; Desoi/Knierim, DÖV 2011, S.  403; Geis, JZ 1991, S.  15; vgl. ferner Eifert, JURA 2015, S.  1187, und Häger, S.  115. 164 Vgl. Degenhart, JuS 1992, S.  364; Ladeur, ZUM 2000, S.  881; vgl. zudem nur die unter­ schiedliche Abgrenzung der Sphären etwa bei Kingreen/Poscher, Rn.  446 oder Mangoldt/Klein/ Starck/Starck, Art.  2 I GG, Rn.  173. 165  Zum einen wählte das BVerfG bereits früh den Begriff des Geheimnischarakters als Maßstab für den absolut geschützten Kernbereich; vgl. hierzu oben Kap.  2, B., I., 2.; zum anderen bezeichne­ te Hubmann, S.  269, bei der Begründung der Sphärentheorie den innersten (absolut geschützten) 157 Vgl.

B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz

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net.166 Sie umschreibt solche Angelegenheiten, die dem Wortlaut entsprechend typischerweise als privat empfunden werden.167 Was aber thematisch als typischerweise privat gilt, kann nicht ausschließlich vom Individuum selbst, sondern nur im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Öffentlichkeit – und damit anhand einer aktuellen gesellschaftlichen Wertevorstellung – bestimmt werden.168 Dementspre­ chend sollen etwa solche Sachverhalte in die Privatsphäre fallen, deren öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, deren Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslösen kann.169 Wann also ein Eingriff in die Privatsphäre vorliegt, bestimmt sich neben der individu­ ellen Betroffenheit maßgeblich anhand der Vorstellungen der breiten Öffentlichkeit. Schon aufgrund dieses Bezugs zur Öffentlichkeit können Eingriffe in diese Sphäre nicht als per se unzulässig angesehen werden und müssen deshalb einer Abwägung mit gemeinschaftlichen Belangen zugänglich sein.170 Ein Eingriff in die Privatsphäre kann dementsprechend rechtmäßig sein, wenn schutzwürdige Belange der Allge­ meinheit überwiegen, die eine Beeinträchtigung der individuellen Belange rechtferti­ gen.171 Schließlich existiert nach der Sphärentheorie ein dritter Bereich, innerhalb dessen eine Person am sozialen Leben teilnimmt, sobald sie sich aus ihrer Privatsphäre in die Öffentlichkeit begeben hat.172 Dieser Bereich wird entsprechend überwiegend als Sozialsphäre bezeichnet,173 wenngleich auch dieser Bereichsbestimmung keine ein­ heitliche Terminologie174 zugrunde liegt: Während die Sozialsphäre teilweise auch Kreis ausdrücklich als Geheimsphäre, welcher an die Privatsphäre angrenzt und dieser somit aus­ drücklich nicht entsprechen soll. 166  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  159; vgl. ferner Bächli, S.  17, zur Geheimsphäre als Privatsphäre im Sinne der Sphärentheorie im Schweizer Recht. Rohlf, S.  28, geht davon aus, dass die Geheimsphäre denjenigen Teil der Privatsphäre darstellt, an dem ein besonderes Geheimhaltungs­ interesse besteht und der deshalb niemandem oder höchstens einem genau beschränkten Kreis von Vertrauten offenstehen soll. 167  BeckOK GG/Lang, Art.  2, Rn.  41; ähnlich Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2 GG, Rn.  69; van Bergen, S.  58; vgl. hierzu auch die nahezu wortgleiche Formulierung des BVerfGs in BVerfG, NJW 2018, S.  1745; BVerfG, NJW 2000, S.  1022. 168  A. A. offenbar Ohrmann, S.  82, der zur Privatsphäre „alle Vorgänge und Lebensäußerungen innerhalb des privaten Bereichs“ rechnet, „die nicht zur Intimsphäre zählen und insoweit der Öf­ fentlichkeit ohne Einwilligung nicht zugänglich sind“. Was aber letztlich in diesen „privaten Be­ reich“ konkret fallen soll, bleibt offen. 169  Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2 GG, Rn.  69. 170  Nebel, ZD 2015, S.  517, spricht von „Sozialbezug“; vgl. ferner van Bergen, S.  59; Rüpke, S.  19; W. Schmidt, JZ 1974, S.  244. 171  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  159; Hilgendorf/Valerius, Rn.  85; Nebel, ZD 2015, S.  517; Wölfl, NVwZ 2002, S.  50. 172  Hilgendorf/Valerius, Rn.  85; a. A. Karaus, S.  40. 173  Chmelik, S.  232; Eifert, JURA 2015, S.  1189; Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  706; Wandtke/ Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  139; Hesse, ZUM 2005, S.  434; Hildebrand, ZUM 2016, S.  309; Nebel, ZD 2015, S.  518; Piltz, S.  11; Wanckel, NJW 2011, S.  727; Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, S.  584. 174  Hubmann, S.  268 f., benannte die äußere Sphäre ursprünglich als „Individualsphäre“, welche den Menschen „in seiner Einmaligkeit und Eigenart“ schütze und „sein Eigensein in der Welt und

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

als Öffentlichkeitssphäre bezeichnet wird175, differenzieren andere innerhalb des öf­ fentlichen Bereiches176 (außerhalb der Privatsphäre) zwischen einer inneren Sozial­ sphäre und einer außenliegenden Öffentlichkeitssphäre.177 Ungeachtet der Schwie­ rigkeit einer hinreichend zuverlässigen Differenzierbarkeit178, muss dem Öffentlich­ keitsinteresse in diesem Bereich regelmäßig ein höheres Gewicht zukommen, sodass Beeinträchtigungen zu Gunsten des Allgemeinwohls eine verhältnismäßig geringe Belastungsintensität aufweisen und einfacher gerechtfertigt werden können.179 Die Verortung eines Sachverhalts in eine entsprechende Sphäre spiegelt somit die Bestimmung der Intensität einer Einwirkung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht wider. Als Maßstab der Intensität oder Schutzwürdigkeit hat sich hierfür über die Jahre der (unglückliche) Begriff der sog. Privatheit etabliert.180 Die Beantwortung der Frage, in welcher der drei genannten Sphären ein Eingriff zu verorten ist, muss anhand der beiden gegensätzlichen Variablen von Privatheit und Öffentlichkeit des jeweiligen Sachverhalts erfolgen.181 Ein direkter Zusammenhang der Variable der Privatheit zur Privatsphäre im Sinne der Sphärentheorie besteht somit nicht.182 Mit anderen Worten: Je privater sich ein Sachverhalt im Sinne der (Variable) Privatheit darstellt, desto eher liegt er ab einem gewissen Grad gerade nicht mehr in der Privat­ sphäre, sondern in der (abwägungsfesten) Intimsphäre bzw. dem absolut geschützten Kernbereich.183 seinen Eigenwert in der Öffentlichkeit“ wahre. Dementsprechend wird der Begriff der Individual­ sphäre noch heute synonym mit dem Begriff der Sozialsphäre benutzt; vgl. etwa Härting, Rn.  432; Osiander, S.  80. Die frühe (räumliche) Erwägung, dass sich der Mensch üblicherweise bei der Aus­ übung seines Berufs nicht mehr im „privaten Raum“ bewegt, hat vermutlich Brandner, JZ 1983, S.  690, dazu veranlasst, die Sozialsphäre als „berufliche Sphäre“ zu bezeichnen; vgl. hierzu auch die Darstellung bei Luch, S.  59. 175  S. Bauer, S.  125; v. Bergen, S.  56; Hengst, S.  45. 176  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  160, wählt dementsprechend die neutrale Bezeich­ nung des „Öffentlichkeitsbereichs“. 177  Eine (der Sozialsphäre nachgelagerte) Öffentlichkeitssphäre sei hiernach dann berührt, so­ bald sich die Person bewusst und gezielt in die Öffentlichkeit begibt, weshalb dieser Öffentlichkeits­ sphäre auch das geringste Maß an Schutz vor Indiskretion zukommen soll; vgl. Wandtke/Wöhrn/ Boksanyi, Teil  6, §  4, Rn.  52 ff.; Luch, S.  59, Ohrmann, S.  83 f.; ähnlich Degenhart, JuS 1992, S.  364; Luch, S.  58; a. A. van Bergen, S.  61. 178  Dies gilt bereits angesichts der Differenzierung zur Privatsphäre; vgl. Chmelik, S.  232; ferner Rohlf, S.  77 f. 179  Vgl. Wandtke/Wöhrn/Boksanyi, Teil  6, §  4, Rn.  52; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  160. Luch, S.  56 f., weist in diesem Zusammenhang zurecht darauf hin, dass eine völlige Schutz­ losigkeit innerhalb der Öffentlichkeitssphäre zu weit ginge. So aber wohl Gropp, StV 1989, S.  220, und Plagemann, NStZ 1987, S.  570 (Anm. zu BGHSt 34, 397). 180 Vgl. Johannes, ZD-Aktuell 2018, 06007. 181  Vgl. hierzu etwa Eichenhofer, S.  170 ff.; Gusy, VerwA 1983, S.  84 ff.; Hauck, S.  84 ff.; Rohlf, S.  25. 182  Misslungen erscheint allein deshalb die begriffliche Gleichsetzung von Privatheit mit Privat­ sphäre; vgl. nur Britz, S.  72; Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  707. Teilweise hat diese Gleichsetzung zur Annahme geführt, Art.  8 EMRK betreffe gezielt die Privatsphäre im Sinne der Sphärentheorie; vgl. etwa Osiander, S.  82 ff. 183 Vgl. U. Amelung, S.  14: „Verfassungsrechtlicher Privatheitsschutz ist im Wesentlichen Kern­

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cc) Thematische Durchbrechungen des streng-örtlichen Sphärenkonzepts Zwar gilt ein räumliches Denken anhand des Sphärenmodells für die Frage, ob und in welchem Maß das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Einzelnen betroffen ist aufgrund der plakativen Zugänglichkeit noch heute als eingängige Abgrenzungsme­ thode. Dementsprechend wird die Sphärentheorie vielerorts als erste Orientierungs­ hilfe für die Einordnung einer Einwirkung in den persönlichen Bereich herangezo­ gen.184 Gleichwohl sahen sich deren Befürworter alsbald mit Sachverhalten konfron­ tiert, bei denen die Zuordnung einer Beeinträchtigung zu einer konkreten Sphäre anhand einer streng örtlich-räumlichen Betrachtung nicht ohne weiteres möglich erschien. Besondere Probleme wirft seither die grundsätzliche Frage auf, ab wann ein Sachverhalt der unantastbaren Sphäre zugeordnet werden kann. Dies gilt zum einen etwa für eine konkrete Abgrenzung zur angrenzenden Privat­ sphäre.185 Zum anderen ist ein streng örtliches Raumdenken insbesondere dem ge­ wichtigen Einwand ausgesetzt, dass sich die Bildung einer Identität im Sinne der Selbst-Wahl nicht nur in der eremitenhaften Abgeschiedenheit von der Öffentlichkeit vollzieht.186 Vielmehr entsteht Persönlichkeit gerade in der Außenwelt, insbesondere im Dialog. Dem Einzelnen muss deshalb die Chance gegeben werden, auch Umstän­ de, die für seine Selbst-Wahl maßgeblich sind, gerade in der Öffentlichkeit frei von äußeren Beeinflussungen oder Zwängen wahrzunehmen. Ansonsten würde ihm die Möglichkeit zur freien Reflexion seiner eigenen Verhaltensweisen und der (reakti­ ven) Verhaltensweisen Dritter in der Öffentlichkeit genommen werden. Tatsächlich wird man nicht isoliert im Alleingang zu sich selbst finden, sondern bei den Prozes­ sen der Selbst-Wahl sogar in Momenten der Abgeschiedenheit immer auf Selbstent­ würfe stoßen, welche erst im sozialen Wechselspiel zwischen dem Individuum und Dritten – und somit in der Öffentlichkeit – konstruiert wurden.187 Denn diese (wähl­ baren oder optionalen) Selbstentwürfe entstehen auch über die Erfahrungen von Re­ aktionen der Umwelt und wohnen diesen somit zwangsläufig inne.188 Umso wichti­ ger erscheint es, gerade auch Erfahrungen in der Außenwelt frei von äußeren Beein­ flussungen wie etwa Druckmomenten durch bestimmte Erwartungshaltungen bewerten und somit frei reflektieren zu können.189 Deshalb muss jedem Menschen auch im Moment seines sozialen Kontakts mit der Außenwelt hinreichend eine inne­ bereichsschutz“; Worms/Gusy, DuD 2012, S.  93; ferner Mallmann, S.  17; a. A. wohl van Bergen, S.  59. 184  von Arnauld, ZUM 1996, S.  292; Dalby, S.  32, Fn.  118; Eifert, JURA 2015, S.  1189; Helle, S.  9. 185  Luch, S.  49. 186  Hubert, S.  64; vgl. hierzu auch Höfling, S.  124: „Privatheitsschutz wird nicht mehr (ausschließ­ lich) verstanden als eine aus der Sozialdimension ausgegrenzte Selbstfindungsenklave“. 187  Britz, S.  28 f. 188 Vgl. Albers, S.  223; Luhmann, S.  53; Mallmann, S.  36. 189  Britz, S.  29, spricht etwa von einem mentalen Reflexivitätsspielraum; Mallmann, S.  36 ff., legt der „Selbst-Wahl“ das soziologisch geprägte Verständnis des Findens der eigenen Rolle in einer Gesellschaft zugrunde und spricht dementsprechend von der Notwendigkeit, ein reflexives und dis­ tanziertes Verhältnis zur Rolle zu ermöglichen und einen Spielraum zum selbstbestimmten Rollen­ bild zu lassen; vgl. auch Poscher, JZ 2009, S.  272; ferner Rohlf, S.  45.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

re Freiheit durch sozialen Privatsphärenschutz gewährt werden, in deren Rahmen er frei darüber reflektieren und entscheiden kann, wie er sich selbst verstehen und wie er sich gegenüber wem präsentieren und wie inszenieren möchte.190 Deshalb stand dem streng örtlich-räumlichen Verständnis von Abgeschiedenheit bald der Einwand gegenüber, dass in die räumliche Außenwelt kommunizierte Angelegenheiten nicht schon allein aufgrund des Umstands ihrer Entäußerung den höchstpersönlichen Charakter verlieren können.191 Denn schließlich könnte der Mensch, wie gezeigt, im Kern seiner Persönlichkeit notwendigerweise nur in sozialen Bezügen existieren.192 Dies führte auch bei Vertretern der (örtlich-räumlichen) Sphärentheorie rasch zur Erkenntnis, dass Privates auch in der Öffentlichkeit stattfinden können muss.193 Insgesamt richtet sich die vorgebrachte Kritik hinsichtlich der Zuordnung eines Sachverhalts zu einer Persönlichkeitssphäre somit im Grunde primär gegen die Ex­ klusivität des Abgrenzungsmerkmals eines streng tatsächlich örtlich, lokal verstan­ denen Sozialbezugs. Deshalb wurde früh versucht, neben dem Merkmal der lokalen Räumlichkeit weitere ergänzende Abgrenzungskriterien für die Sphärenbestim­ mung zu entwickeln. Dies wurde von der Literatur teilweise anhand selbstständiger Erwägungen vorgenommen, überwiegend fand dies aber durch – mehr oder weniger systematisierte – Rückschlüsse aus einzelnen Gesichtspunkten der sich fortentwi­ ckelnden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung statt. Im Folgenden sollen des­ halb nur die maßgeblichen Erwägungen beleuchtet werden, die sich zur Einordnung der individuellen Betroffenheit als Ergänzung zum örtlich-räumlichen Sozialbezug entwickelt haben. Hierfür erscheint es vielsprechend, diese Erweiterungen gezielt im Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild nach den §§  22 ff. KUG zu betrach­ ten. Denn es soll der Eindruck vermieden werden, die Gewichtung einer Persönlich­ keitsrechtsverletzung anhand des Sozialbezugs hätte sich unabhängig von dem seit 1907 bestehenden Bildnisschutz entwickelt und setze somit isoliert am Mantelrecht 190  Britz, S.  29 f.; vgl. ferner die Feststellung von Suhr, S.  96: „Was nutzt es der Person, sich zur Persönlichkeit zur entfalten, wenn sie keine Zeit und Ruhe bekommt, auch einmal über die Persön­ lichkeit nachzudenken, zu der sie sich entfaltet?“ Überspitzt könnte man also das Nachdenken über die Persönlichkeit zu einem Nachdenken über die Gesellschaft selbst – welche der Persönlichkeit erst ihren Platz zuweist und diese somit zwangsläufig mitdefiniert – übersetzen. Die Möglichkeit zum Innehalten und der Reflexion über die Gesellschaft bietet sich zwangsläufig im unmittelbaren Austausch mit der Gesellschaft selbst. Im Sinne einer demokratisch-funktionalen Grundrechtsthe­ orie bereits K. Lenk, ÖVD 1974, S.  314; Seidel, NJW 1970, S.  1582 f. 191  Vgl. BVerfGE 34, 238 (248) – „Tonband“; ferner U. Amelung, S.  21; Hauck, S.  93; Scholz, AöR 1974, S.  92 f.; kritisch Geis, JZ 1991, S.  116. 192  Dies stellte das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich in BVerfGE 80, 367 (374) – „Tage­ buch“ fest. Folglich muss zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich privater Lebensgestal­ tung auch die Möglichkeit gehören, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Über­ legungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art überhaupt kommunizieren zu können; vgl. hierzu BVerfGE 109, 279 (313) – „Großer Lauschangriff“; zur „dialogischen Konstruktion“ der Persönlichkeit Britz, S.  28. 193  Arzt, S.  103, S.  110 ff., 114 ff.; D. Franke, S.  89; vgl. ferner etwa W. Schmidt, JZ 1974, S.  243; E. Schwan, VerwA 66 (1975), S.  147.

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des allgemeinen Persönlichkeitsrechts an.194 Dabei musste sich bereits der Gesetz­ geber von 1907 Gedanken darüber machen, inwiefern er die bildhafte Repräsenta­ tion einer Person gegen ihren Willen duldet. Deshalb soll im Folgenden vorab das (einfachgesetzliche) Recht am eigenen Bild nach den §§  22 ff. KUG als Ausgangs­ punkt für die Erweiterungen des Abgrenzungskriteriums räumlichen Sozialbezugs in den Blick genommen werden.195 (1) Erweiterungen des räumlichen Sozialbezugs in den §§  22, 23 KUG Dass sich etwa Sachverhalte mit höchstpersönlichem Charakter auch in der Öffent­ lichkeit abspielen können müssen, hat der Gesetzgeber von 1907 bereits bei der Aus­ gestaltung des §  23 KUG mitberücksichtigt. Beispielsweise kann die Veröffentli­ chung von Personenbildern, welche einen räumlichen Sozialbezug aufweisen – weil sie etwa die betroffene Person in der Öffentlichkeit bei einer Versammlung zeigen – regelmäßig gem. §  23 I KUG ohne Einwilligung des Abgebildeten erfolgen. Somit scheint die ursprüngliche Konzeption des Bildnisschutzes im Sinne der räumlichen Sphärentheorie zumindest auch von einem geringeren Schutzbedürfnis bei Sachver­ halten ausgegangen zu sein, die in der Öffentlichkeit stattfinden. Allerdings konsta­ tiert §  23 II KUG, dass es selbst in einem solchen Fall stets der Einwilligung bedarf, wenn durch die Veröffentlichung ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Es kommt somit deutlich zum Ausdruck, dass das Persönlichkeitsrecht auch unabhängig von einer räumlichen Sphäre unter Orientierung am tatsächlichen Auf­ enthaltsort durch den Umgang mit Bildern verletzt werden kann. Allein deshalb er­ scheint es nicht sachgemäß, das Recht am eigenen Bild pauschal einer (Öffentlich­ keits-)Sphäre zuzuordnen.196 Betrachtet man die weiteren Ausnahmen des §  23 I KUG, zeigt sich darüber hin­ aus, dass der Sozialbezug im Zusammenhang mit Personenabbildungen eine zentra­ le Rolle einnimmt, dabei aber nicht auf eine räumliche Komponente beschränkt wer­ den soll. Dies entspricht dem Ausgangspunkt des Kriteriums des (räumlichen) Sozi­ albezugs, nach welchem der Schutz der Entfaltung der individuellen Persönlichkeit im Zusammenspiel mit den Gepflogenheiten des sozialen Miteinanders betrachtet werden muss. Je mehr Sozialbezug ein Sachverhalt aufweist, umso mehr steigt auch seine Relevanz für die Öffentlichkeit und desto geringer erscheint die Schutzwürdig­ keit des Individuums. Hiervon scheint sowohl die Literatur197 als auch der Gesetzge­ 194  Dies erschließt sich vor dem Hintergrund, dass die besondere Ausprägung des (Persönlich­ keits-)Rechts am eigenen Bild deutlich vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelt wurde und heute unverändert als Persönlichkeitsrecht verstanden wird, das der Person „am dichtesten auf dem Leibe“ sitzt, hierzu Götting, S.  12. 195  Zur Einordnung der weiteren Normen des Kernstrafrechts, welche explitzit an die Repräsen­ tation einer Person in Form einer Personenabbildung anknüpfen Kap.  2, C., II., III. 196  So aber wohl BeckOK GG/Lang, Art.  2, Rn.  43, 44; ähnlich Mitsch, JURA 2006, S.  117. 197  Vgl. für die Literatur zum Bildnisschutz bereits Keyßner, S.  48: „Ragt [ein] solches Ereignis aus dem Kreise der Privatverhältnisse in das Gebiet der Theilnahme der Allgemeinheit hinein, so wird der Wunsch ein berechtigter sein, daß ein solches Ereignis, welches mit entschwundener Zeit

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ber zumindest reflexhaft198 bereits bei den ersten Erwägungen zum Bildnisschutz ausgegangen sein.199 Tatsächlich sind nach §  23 I KUG solche Personenabbildungen nicht einwilligungsbedürftig, bei denen tendenziell davon ausgegangen werden kann, dass das Einholen einer Einwilligung für den Veröffentlichenden nicht zweckmäßig erscheint, weil in den Fällen die Belange des Abbildenden und/oder der Öf­ fentlichkeit diejenigen Belange des Abgebildeten in der Regel ohnehin überwiegen. Insbesondere entspricht dies der vorangegangenen Erwägung, dass der Bildnisschutz nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers per se nur dann greifen sollte, wenn ein Bild den primären Zweck hatte, eine Person darzustellen.200 Besonders deutlich wird dies an der Ausnahmevorschrift des §  23 I Nr.  2 KUG, wonach der Bildnisschutz dann nicht bestehen soll, wenn der primäre Zweck der Veröffentli­ chung nicht in der Darstellung der (mit-)abgebildeten Person, sondern einer Land­ schaft oder Örtlichkeit liegt.201 Hat eine Personenabbildung hingegen nicht diesen primären Darstellungszweck und legt man die zuvor erörterte persönlichkeitsrechtliche zweigliedrige Differenzie­ rung von Privatheit und Öffentlichkeit zugrunde, spricht viel dafür, dass die Vertypi­ sierungen des §  23 I KUG nach dieser Konzeption überwiegend die Belange der All­ gemeinheit in irgendeiner Weise bedienen sollen.202 Diesen Bildszenarien schreibt der Gesetzgeber also ebenfalls eine gewisse In­ dizwirkung zu, nach welcher der Abgebildete grundsätzlich weniger schutzwürdig erscheint. Man könnte also von gewissen Durchbrechungen des räumlichen Schutz­ konzepts sprechen, die bereits im Bildnisrecht durch eine Art negative Indizwirkung angelegt waren. Es erscheint mithin vielversprechend, die Merkmale des §  23 I KUG bei der weiteren Erörterung von Abgrenzungskriterien zur Bestimmung der Intensi­ tät einer allgemeinen Persönlichkeitsrechtsverletzung weiter im Blick zu behalten.203 auch der sinnlichen Wahrnehmbarkeit entschwunden ist, durch photographische Fesselung erhalten bleibe und auch denen zur Veranschaulichung gebracht werde, welche zum Zuschauen nicht verstat­ tet wurden oder gelangen konnten“. 198  Zur öffentlichen Kritik hinsichtlich fehlender Erwägungen des Gesetzgebers zur Einwilli­ gungsfreiheit infolge der Veröffentlichung des ersten Gesetzesentwurfs von 1902 siehe Kap.  1, B., V., 1. 199  Siehe Kap.  1, B., V., 5.; vgl. hierzu ferner die Erwägungen zu den Grenzen hinsichtlich der Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild Kap.  1, C., II., 3.; vgl. sodann die späteren Erwägun­ gen des Gesetzgebers zum heutigen §  23 I Nr.  1 KUG zur Zeit der Genese des Rechts am eigenen Bild im KUG in den Stenographischen Berichten über die Verhandlungen des Reichstages Bd.  220. 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1540: „Die Vorschrift […] trägt den Bedürfnissen des öffentlichen Lebens Rechnung. […] Dies [– die Regelung des heutigen §  23 I Nr.  1 KUG –] entspricht den natür­ lichen Bedingungen sozialen und geschichtlichen Lebens […]“. 200  Vgl. hierzu bereits Kap.  1, B., V., 7. 201  Vgl. Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  81; Neuberg, LZ 1926, S.  879; Loewen­ heim/Schertz, §  18, Rn.  80; Wanckel, Rn.  204. 202  Ähnlich bereits D. Franke, NJW 1981, S.  2034; vgl. ferner Friedrich, S.  80; Metz, S.  77, 169. 203  Hierbei darf gleichwohl nicht vergessen werden, dass es sich beim Recht am eigenen Bild nach den §§  22 ff. KUG heute – trotz seines vorkonstitutionellen Charakters – um eine einfachgesetz­ liche Ausgestaltung handelt, weshalb es maßgeblich auf die Wertungen des verfassungsrechtlichen

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Dies gilt erst recht, wenn es bei einem tendenziellen Überwiegen der Allgemeininte­ ressen stets auf das berechtigte Interesse des Abgebildeten nach §  23 II KUG ankom­ men soll. Spätestens hier muss nach der Gesetzeskonzeption die Frage beantwortet werden, ob durch den Umgang mit einer Personenabbildung im konkreten Einzelfall das individuelle Schutzinteresse an der Persönlichkeitsentfaltung das (Allgemein-) Interesse an der Veröffentlichung überwiegt. Dies entspricht spätestens seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Kern der Frage, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten verletzt ist, was maßgeblich von der Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffes abhängt. An dieser Stelle besteht somit gewissermaßen ein besonderer Gleichlauf von Mantelrecht (allgemei­ nes Persönlichkeitsrecht) und dessen besonderen Ausprägung (Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG), da im Einzelfall Erwägungen zur Verletzung des allge­ meinen Persönlichkeitsrechts über die Frage der Verletzung des Rechts am eigenen Bild entscheiden können.204 Umgekehrt liegt immer eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, wenn das Recht am eigenen Bild verletzt wurde. Damit erscheint es also notwendig, weitere Ansatzpunkte neben dem räumlichen Sozial­ bezug zur Einordnung der Intensität einer Persönlichkeitsrechtsverletzung herauszu­ arbeiten. (a) Die Zeitgeschichtlichkeit einer Bildnisveröffentlichung als primäre Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  1 KUG Im Zentrum der Erweiterung des streng räumlichen Sphärenkonzepts steht die Er­ wägung, dass öffentliche Interessen grundsätzlich dann durch eine Bildnisveröffent­ lichung bedient werden, wenn die Abbildung des Individuums besonderen Bezug zur Allgemeinheit aufweist und somit für die Öffentlichkeit in irgendeiner Form wichtig wird. Das maßgebliche rechtliche Einfallstor für diese Erwägung stellt seit der Gene­ se des Rechts am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG der generalklauselartige „Bereich der Zeitgeschichte“ dar.

Rechts am eigenen Bild und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ankommen muss. Dieser Um­ stand versperrt indes keineswegs die Miteinbeziehung des §  23 I KUG als Ausgangspunkt der Be­ trachtung, zumal dessen Verfassungsmäßigkeit bislang nicht angezweifelt wurde; vgl. BVerfGE 35, 202 (224 f.) – „Lebach“; BVerfGE 101, 361 (367) – „Caroline von Monaco II“; ferner Wandtke/Ohst/ Renner, Kap.  4, §  2, Rn.  10 f. 204  Aus der Perspektive des Abbildungsschutzes bietet sich hierbei eine tendenzielle Differen­ zierung zwischen sog. hetero- und autotelischen Gesichtspunkten an. Danach beschreiben heterote­ lische Gesichtspunkte solche Umstände, die unmittelbar an Beobachterinteressen anknüpfen, wäh­ rend autotelische Gesichtspunkte allein auf die Interessen des Beobachteten abstellen. Hubert, S.  60 und Luch, S.  54, ziehen diese Unterscheidung unabhängig vom Abbildungsschutz heran. Dass die Grenzen fließend sind, zeigt sich allerdings besonders bei denjenigen Gesichtspunkten, die primär an thematische Inhalte anknüpfen, da diese sowohl aus Perspektive der Allgemeinheit als auch des Individuums bestimmt werden können. In dieser Hinsicht kann die Systematisierung anhand he­ tero- und autotelischer Gesichtspunkte nur eine grobe Direktive sein.

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Obwohl der Wortlaut des §  23 I Nr.  1 KUG dabei explizit von „Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ spricht205, wurde hieraus sehr früh allgemein gefolgert, dass insbesondere der Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person in der Öffentlich­ keit ein Indiz für das Überwiegen öffentlicher Belange über das Individualinteresse des Abgebildeten darstellen müsse.206 Faktischer Anknüpfungspunkt für §  23 I Nr.  1 KUG war dementsprechend lange Zeit nach der ganz herrschenden Ansicht nicht etwa der (dem Wortlaut entsprechende) „Bereich der Zeitgeschichte“, sondern die abgebildete „Person der Zeitgeschichte“.207 Diese Personen der Zeitgeschichte muss­ ten deshalb die einwilligungslose Veröffentlichung ihrer Bildnisse aufgrund des an ihnen bestehenden öffentlichen Interesses grundsätzlich hinnehmen. Eine bedeuten­ de Ausnahme dieses Grundsatzes leitete die Rechtsprechung maßgeblich aus dem räumlichen Sphärendenken her, indem sie das Vorliegen „berechtigter Interessen“ der abgebildeten Person gem. §  23 II KUG an das objektive verstandene Merkmal der „räumlichen Abgeschiedenheit“ knüpfte.208 Maßgeblich für die räumliche Abge­ schiedenheit und somit auch das berechtigte Interesse gem. §  23 II KUG war, ob der Abgebildete „eine Situation vorfindet oder schafft, in der er begründetermaßen und somit auch für Dritte erkennbar davon ausgehen darf, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt zu sein“.209 Damit hing letztendlich die Verletzung des Rechts am eigenen Bild – jedenfalls von absoluten Personen der Zeitgeschichte – in bedeuten­ dem Maße von dem räumlichen Sphärendenken ab, da sich die Unzulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung über §  23 II KUG wegen die Abbildung der betroffenen Per­ son in der örtlichen Abgeschiedenheit begründen ließ. Dieser starken Orientierung am räumlichen Sphärendenken ist allen voran der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Jahre 2004 entschieden entgegengetreten, indem er die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zur Privat­ sphäre als nicht mit Art.  8 EMRK vereinbar gerügt hat.210 Dabei äußerte insbesonde­ 205  Vgl. Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  4, Rn.  333; Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  114. 206  Vgl. hierzu nur Helle, S.  138, welcher davon ausgeht, dass der Begriff „Person der Zeitge­ schichte“ vom Gesetzgeber selbst geschaffen worden sei; ähnlich geht T. Walter, S.  32, etwa vom usus der Rechtsprechung und Rechtslehre aus, den Gesetzeswortlaut des §  23 I Nr.  1 KUG durch die kürzere Formulierung „Person der Zeitgeschichte“ zu ersetzen; vgl. hierzu auch BGHZ 171, 275 (278) – „Abgestuftes Schutzkonzept“. 207  Begrifflich wurde dabei zwischen „absoluten“ und „relativen“ Presonen zur Zeitgeschichte unterschieden. Diese Unterscheidung geht auf Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  114 ff., zurück. Zur (absoluten und relativen) Person der Zeitgeschichte im Einzelnen Kap.  3, D., II., 1., c). 208  BGHZ 131, 332 (339) – „Caroline von Monaco III“; auch das BVerfG hatte diese Einschät­ zung des BGH nicht beanstandet; vgl. BVerfGE 101, 361 (384) – „Caroline von Monaco II“; vgl. ferner van Bergen, S.  67; Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  4, Rn.  333; Stieper, JZ 2014, S.  272. Zur weiteren Ausnahme der Veröffentlichung zu Werbezwecken BGHZ 20, 345 (351) – „Paul Dahlke“; BGH, NJW 1992, S.  2084 – „Talkmaster – Foto“; BGH, NJW 1995, S.  1152 – „Bob Dylan“. 209  BVerfGE 101, 361 (384) – „Caroline von Monaco II“; vgl. auch Bölke/Gostomzyk, JURA 2005, S.  337; Frotscher, ZUM 2001, S.  563; Kaboth, ZUM 2004, S.  820; Ohly, GRUR Int. 2004, S.  905. 210  EGMR (3. Sektion), Urt. v. 24.06.2004, von Hannover/Deutschland, Individualbeschwerde

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re Kritik an der Figur der „absoluten Person der Zeitgeschichte“ und der einherge­ henden pauschalen Annahme, dass diese sich eine Bildnisveröffentlichung gefallen lassen muss, wenn sie sich an Orten aufhält, welche nicht als abgeschieden bezeich­ net werden können.211 Einzig relevanter Umstand für den Ausgleich zwischen dem Schutz des Privatlebens und der Freiheit der Meinungsäußerung soll nach Ansicht des Gerichtshofs insbesondere der Beitrag sein, den die veröffentlichten Fotoaufnah­ men und Artikel zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse leisten.212 Diese europäische Rechtsprechung veranlasste die deutsche Rechtsprechung, sich vom Begriff der „Person der Zeitgeschichte“ zu distanzieren und ein sog. „abgestuf­ tes Schutzkonzept“ unter Berücksichtigung der Ausführungen des Europäischen Ge­ richtshofs zu etablieren.213 Zentraler Anknüpfungspunkt für §  23 I Nr.  1 KUG soll hiernach nicht mehr die Person der Zeitgeschichte, sondern der umfassende Begriff des Zeitgeschehens sein. Um ein solches Zeitgeschehen zu ermitteln, soll eine Abwä­ gung zwischen den Persönlichkeitsrechten des Abgebildeten aus Art.  1 I, 2 I GG, Art.  8 I EMRK und den Rechten von Presse und Rundfunk aus Art.  5 I 2 GG, Art.  10 I EMRK – und somit (mittelbar) den Gemeinschaftsbelangen – vorgenommen wer­ den.214 Sofern die Belange der Öffentlichkeit überwiegen, soll hiernach das Vorliegen einer zeitgeschichtlichen Veröffentlichung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG zu bejahen sein. Bei dieser Abwägung soll neben dem Bekanntheitsgrad der Person ausdrück­ lich dem Informationswert der Veröffentlichung maßgebliche Bedeutung zukom­ men.215 Je größer dieser Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr soll Nr.  59320/00. Nichtamtliche Übersetzungen der Entscheidung in: NJW 2004, S.  2647 ff.; ZUM 2004, S.  651 ff.; GRUR 2004, S.  1051 ff.; EuGRZ 2004, S.  404 ff.; zu den dogmatischen Grundlagen der konkurrierenden Positionen von Art.  8 und Art.  10 EMRK vgl. Metz, S.  292 ff.; hierzu im Ein­ zelnen Kap.  3, D., II., 1., h). 211  EGMR, NJW 2004, S.  2651, Nr.  77 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“. 212  EGMR, NJW 2004, S.  2651, Nr.  76 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“. 213  BGH, Urteile vom 06.03.2007, VI ZR 13/06 = NJW 2007, S.  1981 ff. – „Prinz Ernst August von Hannover“; 14/06 (online); 50/06 (online); 51/06 = BGHZ 171, 275 – „Abgestuftes Schutzkon­ zept“; 52/06 = ZUM 2007, S.  470 ff. – „Veröffentlichung von Fotos prominenter Personen“; 53/06 (online); alle Entscheidungen sind – nebst Presseerklärung (Nr.  34/2007) – auf www.bundesgerichts hof.de veröffentlicht; BGH, NJW 2011, S.  747 – „Rosenball in Monaco“; BGH, NJW 2012, S.  3646 f. – „Comedy Darstellerin“; BGH, GRUR 2014, S.  804 – „Mieterfest“; BGH NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2019, S.  867 – „Eine Mutter für das Waisenkind“; vgl. auch Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  4, Rn.  333; Herbort, S.  90. Zur Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts im Einzelnen Kap.  3, D., II., 1., j). 214  BGHZ 171, 275 (279) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGH, NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGH, NJW 2011, S.  747 – „Rosenball in Monaco“; BGH, NJW 2012, S.  3646 f. – „Comedy Darstellerin“; BGH, GRUR 2014, S.  804 – „Mieterfest“; BGH NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2019, S.  867 – „Eine Mutter für das Wai­ senkind“; vgl. auch Herbort, S.  90. 215  BGHZ 171, 275 (283) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGHZ 180, 114 (119) – „Enkel von Fürst Rainier“; BGH NJW 2009, S.  755 – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August von Hanno­ ver“; BGH, NJW-RR 2017, S.  1518 – „Popstar und Dessousmodel“; BGH NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2018, S.  966 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; BGH, GRUR 2019, S.  867 f. – „Eine Mutter für das Waisenkind“; vgl. zudem: BGHZ 178, 213 (216) – „Karsten Speck“; BGH, NJW 2008, S.  3140 – „Einkaufsbummel im Urlaub“; vgl. ferner Wandtke/

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das Schutzinteresse des Betroffenen zurücktreten. Umgekehrt soll der Persönlich­ keitsschutz umso schwerer wiegen, je geringer der Informationswert erscheint.216 Dies bedeutet, dass bereits der Begriff des Zeitgeschehens – aufgrund der Orientie­ rung des Zeitgeschehens an dem Informationswert einer Bildnisveröffentlichung) – anhand der berechtigten Interessen des Abgebildeten mitbestimmt wird. Diese Vor­ gehensweise führt zum einen dazu, dass Fragen des berechtigten Interesses, welche nach der systematischen Ausgestaltung des §  23 KUG (erst) auf der zweiten Stufe im Rahmen des §  23 II KUG zu erörtern sind, nunmehr bereits bei der Ermittlung des Zeitgeschehens gem. §  23 I Nr.  1 KUG und damit auf der ersten Stufe Berücksichti­ gung finden.217 Zum anderen zeigt die hier skizzierte Entwicklung deutlich, dass das räumliche Sphärendenken wegen der nunmehr verstärkten Orientierung an dem Wert einer Information besonders im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG durch inhalt­ lich-thematische Gesichtspunkte durchbrochen wird.218 (b) Bilder einer Landschaft oder Örtlichkeit mit Personen als Ausprägung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  2 KUG Um keine thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts handelt es sich hingegen bei der Ausnahme des §  23 I Nr.  2 KUG. In dieser Vorschrift bestätigt sich vielmehr die im Rahmen der Erwägungen zur Genese aufgestellte Vermutung, dass der Bildnisschutz erst dann greifen soll, wenn die Veröffentlichung (mitunter) den Zweck hat, eine Person darzustellen.219 Vermittelt die (Bild-)Veröffentlichung den Gesamteindruck, dass nicht die (mit-)abgebildete Person, sondern offensichtlich Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  8, 10; G. Müller, VersR 2008, S.  1148; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  89; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap 8 Rn.  33; Wanckel, Rn.  179. 216  BGHZ 171, 275 (283) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGH, NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGHZ 178, 213 (218) – „Karsten Speck“; BGH, NJW 2008, S.  750 – „Abgestuftes Schutzkonzept II“; BGH, NJW 2007, S.  3442 – „Grönemeyer“; BGH, NJW 2009, S.  3034 – „Wer wird Millionär?“; BGH, NJW 2018, S.  1921– „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2018, S.  966 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“. Dabei handelt es sich bei dieser Je-desto-Abwägungsformel ebenfalls um keine Neuheit; vgl. BGHZ 131, 332, (342) – „Caroline von Monaco III“; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., m). Neu ist insofern (lediglich), dass die Abwägungsfor­ mel schon über den „Bereich der Zeitgeschichte“ entscheidet; vgl. hierzu G. Müller, ZRP 2007, S.  173: „Die Gewichte haben sich jedenfalls verschoben“. 217  Hierzu im Einzelnen Kap.  3, D., II., 1., j)., sowie Kap.  3, D., II., 1., n). 218  Insoweit auch van Bergen, S.  74 f.; dass ein räumliches Konzept allein für die Zuordnung der individuellen Betroffenheit im Ergebnis nicht genügen kann, hat sich dabei auch in der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgezeichnet. Dieses ging etwa davon aus, dass selbst „private Gespräche unter sechs Augen“ dann der unantastbaren Intimsphäre zugerechnet wer­den können, wenn der Inhalt des Gesprächs höchstpersönlicher Natur ist; vgl. etwa BVerfGE 34, 238 (247, 248) – „Tonband“. Dies geschah genaugenommen sogar vor der Anerkennung des all­ gemeinen Persönlichkeitsrechts. 219  Vgl. Kap.  1, B., V., 5., und 7. Verfehlt wäre es allerdings mit Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  14, 81, ein Exklusivitätsverhältnis zwischen „Bildnissen“ im Sinne des §  22 KUG und „Bildern“ im Sinne der §§  23 I Nr.  2, 3 KUG anzunehmen. Hiergegen spricht bereits, dass sich §  23 KUG mit all seinen Varianten auf §  22 KUG bezieht. Allenfalls scheint es sich damit um eine gewisse terminologische Ungereimtheit zu handeln; vgl. Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  2; Graf/

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eine Landschaft oder sonstige Örtlichkeit dargestellt werden soll, darf diese hiernach grundsätzlich ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden.220 Dies ­erscheint deshalb bemerkenswert, weil der Gesetzgeber (nur) bei dieser Ausnahme offenbar davon ausging, dass die Abgebildeteninteressen im Einzelfall auch völlig unabhängig von öffentlichen Interessen einzig hinter die Belange des Abbildenden zurücktreten können.221 Die Abbildungsfreiheit nach §  23 I Nr.  2 KUG kann sich – insbesondere aufgrund der Nachschaltung der berechtigten Interessen in §  23 II KUG – allerdings nur dann ergeben, wenn sich die Beeinträchtigung des Abgebilde­ ten in seiner erkennbaren Abbildung erschöpft, welche für die Bildwahrnehmung für den Betrachter ersichtlich schon anhand der Perspektive eine völlig untergeordnete Rolle spielt. Dementsprechend legte die Rechtsprechung die Ausnahmevorschrift des §  23 I Nr.  2 KUG bislang äußerst restriktiv aus222 und bejahte die Abbildungsfrei­ heit jedenfalls dann, wenn durch die Bildveröffentlichung ohnehin öffentliche Inter­ essen (an der prägenden Örtlichkeit) bedient wurden223. Insoweit kann eher davon ausgegangen werden, dass §  23 I Nr.  2 KUG auf der Linie des räumlichen Sphärendenkens liegt. Denn einerseits scheint mit einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit an die Sozialsphäre angeknüpft zu werden und andererseits wird sich mit steigender Betroffenheit des Abgebildeten – vorbehaltlich einer nach­ geordneten Wertung in §  23 II KUG – bereits der Fokus des Betrachters verschieben, sodass keine Untergeordnetheit der Abgebildetendarstellung224 mehr vorliegen wird. Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  7; terminologisch verfehlt wäre es jedenfalls im Rahmen von §  23 I Nr.  3 KUG von „Bildnissen von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“ zu sprechen. 220  Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  80; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  137; Wenzel/von Strobl-­ Albeg, Kap.  8, Rn.  71; Wanckel, Rn.  204. 221  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  448 (Bericht der 10. Kommission), S.  4685, wonach mit §  23 I Nr.  2 KUG ausdrücklich Bedenken von „Landschaftsmalern“ und „Photographen“ ausgeräumt werden sollten. Durch den Begriff „Beiwerk“ sei ausgedrückt, „daß die Personen gewissermaßen unfreiwillig auf das Bild gebracht seien“. Insoweit irritiert freilich der Rekurs auf Landschaftsmaler. Jedenfalls seien na­ mentlich diejenigen Fälle von §  23 I Nr.  2 KUG umfasst, in denen „der Photograph nicht in der Lage ist, die Personen auszuscheiden, wo die Personen nur Nebensache, die Hauptsache die Landschaft oder ‚sonstige Örtlichkeit‘ seien“; a. A. offenbar D. Franke, S.  88; ders., NJW 1981, S.  2035; Dreier/ Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  38. 222  Verneinend etwa: LG Köln, MDR 1965, S.  658, hinsichtlich der Aufnahme einer Schalter­ halle mit einer Frau im Vordergrund; LG Oldenburg, GRUR 1986, S.  465, hinsichtlich einer Radfah­ rergruppe auf einer Straße; OLG Frankfurt, GRUR 1986, S.  615, bei einer Wandergruppe vor einem Gebirgspanorama; OLG Düsseldorf, GRUR 1970, S.  619, bei einem Reiter bei der Schleppjagd; OLG Karlsruhe, GRUR 1989, S.  824, bei einem Unfallzeugen neben anderen Personen am ­Unfallort. 223  OLG Brandenburg, NJW-RR 2012, S.  1251, wonach ein öffentliches Interesse an einer Be­ richterstattung über den ehemaligen Standort der Cannabisplantage bestehe. Insofern lag genau­ genommen eine Überschneidung mit §  23 I Nr.  1 KUG vor. 224  Vgl. BGH, NJW 2015, S.  2501 – „Strandliege am Ballermann“, bei einer sonnenbadenden Frau im Urlaub am Rand eines Bildnisses eines bekannten Fußballers; OLG München, NJW 1988, S.  916, hinsichtlich acht nackten sonnenbadenden Männern im Englischen Garten; OLG Oldenburg, NJW 1989, S.  401, wonach bei einer „Oben ohne“- Aufnahme zweier junger Frauen am Strand „kei­ ne Rede“ von §  23 I Nr.  2 KUG sein könne.

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(c) Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen als gewandelte thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  3 KUG Eine ähnliche Tendenz wie Nr.  2 scheint §  23 I Nr.  3 KUG aufzuweisen, wenn dieser mit „Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“ an Gegebenheiten an­ knüpft, die regelmäßig in der räumlichen Sozialsphäre stattfinden. Insoweit könnte die Erlaubnisnorm als Ausfluss der Erwägung verstanden werden, wonach sich je­ mand grundsätzlich nicht auf seinen Privatheitsschutz berufen können soll, wenn er selbst den räumlichen Sozialbezug hergestellt hat, weil er in die Öffentlichkeit getre­ ten ist und an einer Versammlung, einem Aufzug oder an ähnlichen Vorgängen teil­ genommen hat.225 Hierfür könnte insbesondere sprechen, dass §  23 I Nr.  3 KUG aus­ drücklich fordert, dass der Abgebildete (aktiv) teilgenommen haben muss.226 Ferner könnte angenommen werden, dass es gerade an solchen Orten, an denen sich natur­ gemäß viele Personen befinden und an welchen demzufolge eine hoher räumlicher Sozialbezug besteht, nahezu unmöglich ist, von jedem einzelnen Abgebildeten die Einwilligung für eine Bildnisveröffentlichung einzuholen.227 Demnach würde sich §  23 I Nr.  3 KUG ähnlich wie Nr.  2 maßgeblich an den Interessen des Abbildenden orientieren. Obwohl die Öffentlichkeit der einzelnen Gesetzesvarianten ausdrücklich nicht gefordert ist228, geht die heute überwiegende Meinung allerdings davon aus, dass die Öffentlichkeit der jeweiligen Veranstaltung eine ungeschriebene Tatbe­ standsvoraussetzung in §  23 I Nr.  3 KUG darstellt.229 Hieraus wird gefolgert, §  23 I Nr.  3 KUG orientiere sich primär an öffentlichen Interessen.230 225  Vgl. hierzu Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  84: Wer an solchen Veranstal­ tungen teilnimmt, muss damit rechnen, dass er auf Bildern von der Veranstaltung […] abgebildet wird“; von Münch, JuS 1965, S.  406. 226  Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  138; Wenzel/von Strobel-Albeg, Kap.  8, Rn.  75; 227 So Wanckel, Rn.  207. 228  Die Bezeichnung „öffentliche Versammlung“ wurde dabei ausdrücklich im Gesetzgebungs­ verfahren gefordert, da „intime Versammlungen“ geschützt werden müssten. Dieser Antrag wurde allerdings mit dem Verweis auf den heutigen §  23 II KUG verworfen; vgl. Stenographische Berich­ te über die Verhandlungen des Reichstages Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der 10. Kommission), S.  4685. 229  OLG München, NJW 1988, S.  915, wonach acht nackte sonnenbadende Männer im Engli­ schen Garten nicht unter §  23 I Nr.  3 KUG fielen, weil bei ihnen jedenfalls kein Wille bestanden habe, von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden; OLG Celle, ZUM 2011, S.  341, wonach die von vier Polizeibeamten und einem Staatsanwalt durchgeführte Durchsuchung einer Räumlichkeit mangels Öffentlichkeit nicht unter §  23 I Nr.  3 KUG falle; LG Düsseldorf, Urt. v. 30.07.2014 – 12 O 207/14 = BeckRS 2014, 15714, wonach eine private Hochzeitsgesellschaft in der JVA nicht umfasst sei; vgl. ferner OLG München, AfP 2011, S.  276; LG Köln AfP 1994, S.  247; S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  76 f.; Prinz/Peters, Rz.  872; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  138; a. A. Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte, S.  166 f.; kritisch ebenfalls hinsichtlich des ungeschriebenen Tatbestands­ merkmals der Öffentlichkeitswerts im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot und §  33 KUG Wenzel/ von Strobl-Albeg, Kap 8, Rn.  51. 230  D. Franke, NJW 1981, S.  203 f.; Reuschel, NJW 2021, S.  19; Schönewald, ZUM 2013, S.  864; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  38; Prinz/Peters, Rz.  872. Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  138, geht etwa davon aus, dass sich der Öffentlichkeitswert an dem Bild regelmäßig schon an der Aus­ richtung einer Veranstaltung an der Öffentlichkeit ergebe; vgl. ferner LG Stuttgart, AfP 1989,

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Damit handelt es sich nunmehr bei §  23 I Nr.  3 KUG nach heutigem Verständnis genaugenommen auch um eine thematische Durchbrechung des räumlichen Sphä­ rendenkens: Der Versammlungsteilnehmer soll eben nicht primär dadurch seinen Privatsphärenschutz verlieren, weil er sich in der räumlichen Sozialsphäre bewegt, sondern, weil an Abbildungen von (öffentlichen) Versammlungen, Aufzügen oder sonstigen Vorgängen ein überwiegendes (normatives) öffentliches Interesse besteht. Demzufolge soll §  23 I Nr.  3 KUG nicht greifen, wenn nicht die Veranstaltung als solche, sondern etwa der individualisierte Veranstaltungsteilnehmer den prägenden Bildinhalt darstellt.231 Hiermit geht – unabhängig von §  23 II KUG – die Wertung einher, dass es bereits auf Stufe des §  23 I Nr.  3 KUG ausdrücklich einen Privatheits­ schutz für denjenigen geben soll, der sich innerhalb der räumlichen Sozialsphäre bewegt. Somit ist auch in §  23 I Nr.  3 KUG ähnlich wie in §  23 I Nr.  1 KUG eine ge­ dankliche Hinwendung zu thematischen Schutzbereichen weg von rein räumlichen Schutzdenken zu beobachten. Deutlich wird dabei auch, dass sich zwangsläufig eine Überschneidung mit allen anderen Ausnahmeregelungen einstellt, die ebenfalls pri­ mär an öffentliche Interessen anknüpfen. So wird etwa eine öffentliche Versammlung im Sinne des §  23 I Nr.  3 KUG stets ein gesellschaftliches Ereignis im Sinne der Zeitgeschichte des §  23 I Nr.  1 KUG darstellen.232 (d) Höheres Interesse der Kunst als thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts in §  23 I Nr.  4 KUG Dass bereits der vorkonstitutionelle Gesetzgeber die Betroffenheit des Abgebildeten im Einzelfall völlig unabhängig vom räumlichen Sozialbezug beurteilte, zeigt am wohl am deutlichsten die Ausnahme des §  23 I Nr.  4 KUG, die sich thematisch an höheren Interesse der Kunst orientiert. Hierbei ging der Gesetzgeber von 1907 offen­ bar davon aus, dass Bildnisse, die in einem künstlerischen Kontext veröffentlicht werden, gesondert von zeitgeschichtlichen Bildnisveröffentlichungen zu behandeln sind. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten hierdurch die Veröffentlichung sog. künstlerische Bildnisstudien ermöglicht werden.233 Insgesamt weist speziell S.  765 f., wonach die Montage einer Versammlung auf einem Wahlplakat schon nicht §  23 I Nr.  3 KUG unterfalle, da diese Ausnahmevorschrift dem allgemeinen Informationsinteresse diene. 231  Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  138 und Helle, S.  168, wonach allenfalls dann vereinzelte Teil­ nehmer unter die Norm subsumiert werden können, wenn diese – wie etwa ein Redner in Aktion – die Eigenart der Veranstaltung gewissermaßen stellvertretend wiedergeben. 232  Hierzu auch Kap.  3, D., II., 3., c). 233  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1541. Betrachtet man die Normgenese im kunsthistorischen Kontext, so liegt es nahe, mit Schertz davon auszugehen, dass mit künstlerischen Bildnisstudien vor allem Werke von Künstlern der Moderne gemeint waren, die soziale Realitäten durch Studien auf der Straße, in Ar­ menvierteln, etc. abbildeten. Schertz, in: FS Raue 2006, S.  668, und GRUR 2007, S.  560, nennt als Beispiele etwa die „Absinth-Trinkerin“ von Picasso aus dem Jahre 1902, die offenbar heimlich in einem Pariser Lokal portraitiert wurde, Prostituiertenbildnisse aus dem Pariser Rotlichtmilieu von Toulouse-Lautrec oder in Deutschland die Werke von Heinrich Zille und Käthe Kollwitz.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

diese Ausnahmevorschrift bis heute eine erhebliche Unschärfe auf, die im Laufe der Arbeit untersucht und klärend behandelt werden muss. (e) Die berechtigten Interessen des Abgebildeten in 23 II KUG als thematische Durchbrechung des räumlichen Sphärenkonzepts Dass die berechtigten Interessen in §  23 II KUG als Ausdruck des räumlichen Sphä­ rendenkens verstanden wurden, zeigt neben Erwägungen des historischen Gesetzge­ bers234 besonders die Historie zum Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte.235 Überdeutlich wird dieser Gedanke bei der Erwägung der Rechtsprechung, dass die mittlerweile überholten „Personen der Zeitgeschichte“ nur dann außerhalb des häus­ lichen Bereichs geschützt werden sollten, wenn diese sich in räumlicher Abgeschie­ denheit – wie etwa Caroline im abgeschirmten Restaurantbereich – bewegten.236 Die hieran anknüpfende Kritik des Europäischen Gerichtshofs an dem Abgren­ zungsmerkmal der örtlichen Abgeschiedenheit in seinem Caroline-Urteil von 2004237 fand ganz überwiegenden Zuspruch in der deutschen Literatur238 und wur­ de schließlich in seiner Absolutheit mit der Etablierung des abgestuften Schutzkon­ zepts durch die Rechtsprechung verworfen.239 Damit hat sich die Rechtsprechung mit der Erhebung des Informationswerts zum maßgeblichen Differenzierungskrite­rium für die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung auch in §  23 II KUG einer thema­ 234  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  30, S.  1541, wonach mit der Normierung des §  23 II KUG „namentlich verhütet werden [soll], daß die Vorgänge des persönlichen, häuslichen und Familienlebens an die Öffentlichkeit gezogen werden und daß das Bildnis für Zwecke verwendet wird, mit denen, ohne daß der Fall einer strafrechtlichen Beleidigung vorliegt, doch eine Verletzung der dem Abgebildeten schuldigen Ach­ tung oder eine Kränkung oder die Gefahr einer sonstigen Benachteiligung verbunden ist“ [Hervor­ hebung durch den Verfasser]. 235  Überblicksartig Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a); im Einzelnen dann Kap.  3, D., II., 1. 236  BVerfGE 101, 361 (394) – „Caroline von Monaco II“, wonach zwar die von Art.  2 II i. V. m. Art.  1 I GG geschützte Privatsphäre nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt sei, gleichwohl für diesen Schutz aber eine erkennbar abgeschiedene Örtlichkeit vorliegen müsse; vgl. bereits über­ blicksartig Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a), sowie im Einzelnen Kap.  3, D., II., 1., g). 237  EGMR, NJW 2004, S.  2651, Rn.  77 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“: „Die Öffentlichkeit hat trotz der allgemeinen Bekanntheit der Bf. auch kein berechtigtes Interesse daran, zu wissen, wo sie sich befindet und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält, selbst wenn sie sich an Orten aufhält, die man nicht immer als abgeschieden bezeichnen kann“. 238  Balthasar, S.  120; Heldrich, NJW 2004, S.  2636; Ga. Kirchhoff, S.  133 f.; Langenfeld, in: FS Götz 2005, S.  265, S.  269; wohl auch Lettl, WRP 2005, S.  1057 und Ohly, GRUR Int. 2004, S.  912; hierzu ferner Wanckel, Rn.  224 ff. 239  BGH, Urteile vom 06.03.2007, VI ZR 13/06 = NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; 14/06 (online); 50/06 (online); 51/06 = BGHZ 171, 275 (278) – „Abgestuftes Schutz­ konzept“; 52/06 = ZUM 2007, S.  471 – „Veröffentlichung von Fotos prominenter Personen“; 53/06 (online), jeweils Rn.  9; alle Entscheidungen sind – nebst Presseerklärung (Nr.  34/2007) – auf www. bundesgerichtshof.de veröffentlicht; vgl. hierzu auch van Bergen, S.  68 ff.; Lehr, S.  115, 143, 156 ff., 160 f.; vgl. auch BVerfG, GRUR 2008, S.  539, worin sich das BVerfG erstmals in grundlegender Weise mit den Konsequenzen des EGMR-Urteils von 2004 beschäftigt und damit das vom BGH entwickelte neue Schutzkonzept verfassungsrechtlich bestätigt hat.

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tischen Differenzierungsweise weiter angenähert240, zumal die berechtigten Interes­ sen des Abgebildeten wie bereits dargelegt schon über den Wert einer Information im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG mitentscheiden sollen. Hiermit ist indes nicht gesagt, dass eine Anknüpfung an räumliche Gesichtspunkte als erkennbares Indiz für eine Betroffenheit des Abgebildeten nunmehr außen vor bleiben muss.241 (2) Zwischenergebnis zu den §§  22, 23 KUG als thematische Durchbrechungen des räumlichen Sphärenkonzepts Zusammenfassend kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass dem Recht am eigenen Bild in §§  22 ff. KUG ein streng örtlich-räumliches Schutzdenken insoweit innewohnt, wenn es einerseits dem Abgebildeten in §  23 I KUG die Veröffentlichung solcher Abbildungen tendenziell zumutet, die in der örtlichen Außenwelt im Sinne einer lokalen Sozialsphäre stattgefunden haben. Andererseits können örtlich-räum­ liche Schutzgedanken bei §  23 II KUG ohne weiteres verortet werden. Der gesamten Ausgestaltung des vorkonstitutionellen Rechts am eigenen Bild in den §§  22 ff. liegt allerdings ein sowohl örtlich-räumliches als auch thematisches Sphärendenken zu­ grunde. Insbesondere handelt es sich damit bei der thematischen Differenzierung innerhalb den §§  22 ff. KUG nicht um eine Neuerung, die dem neuen abgestuften Schutzkonzept entspringt. Gleichwohl hat dessen Etablierung maßgeblich dazu bei­ getragen, dass durch das „neue“ Abwägungskriterium des Informationswerts inhalt­ lich-thematische Belange deutlich mehr in den Fokus der Abwägung persönlich­ keitsrechtsrelevanter Aspekte – gerade im Zusammenhang mit dem Abbilden einer Person – gerückt werden. Eine ähnliche Tendenz hat sich auch in §  23 I Nr.  3 KUG abgezeichnet. b) Die Garantie einer Selbstbestimmung zur Persönlichkeitsentfaltung Die traditionelle Zusicherung von (örtlichen und thematischen) Rückzugsräumen zur Persönlichkeitsentfaltung stößt dann an ihre Grenzen, wenn dem Einzelnen sein 240  Dass bereits der Gesetzgeber von 1907 nicht streng von einem räumlichen Denken ausging, zeigen dessen Erwägungen in den Gesetzgebungsmaterialien, wonach die Verletzung berechtigter Interessen auch völlig unabhängig vom konkreten Bildinhalt möglich sein könnten; vgl. Stenogra­ phische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der 10. Kommission), S.  4685: „Es sei aber auch der Fall denkbar, daß die Darstellung des Bildnisses an sich unbedenklich sei, und daß erst die begleitenden Umstände, unter denen die Ver­ öffentlichung erfolgt, ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten auf Unterlassung der Verrbeitung wachrufen“. Ferner nennt der Kommisionsbericht zuvor als Beispiel für §  23 II KUG das „Bild eines Staatsmannes oder Parlamentariers im Masken- oder Badekostüm oder der Fall, daß das Bild frü­ herer Brautleute nach Auflösung des Verlöbnisses verbreitet wird“. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine themenbezogene Differenzierungsweise. 241  So i. E. auch S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  76; Hiervon geht auch nach wie vor das BVerfG aus; vgl. NJW 2017, S.  1377, Rn.  19 – „Kachelmann“, wonach für die Abbildungsfreiheit des Wettermoderators in der konkreten Situation spreche, dass er im öffentlichen (Verkehrs-)Raum fotografiert wurde und sich nicht etwa in einer „zurückgezogenen Situation“ befunden hätte.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Rückzugsraum für seine Persönlichkeitsausübung nichts bringt, weil er in latenter Ungewissheit darüber leben muss, dass ihm zuordenbare Informationen aus seinem Rückzugsraum fernab seiner Zugriffsmöglichkeit existieren und möglicherweise weitergereicht werden. Wenn aber dem Einzelnen räumliche und thematische Rück­ zugsräume für seine Persönlichkeitsentfaltung zugestanden werden, muss es zwangs­­läufig auch an ihm liegen, darüber zu entscheiden, ob Informationen aus sei­ nem Rückzugsraum an die Öffentlichkeit geraten sollen. Die Garantie der Selbstbe­ stimmung ist somit mit dem Modell des Raumschutzes eng verwoben und hat sich im Laufe der fortschreitenden Technisierung aufgrund der Möglichkeiten, persönliche Informationen habhaft zu machen, stets weiterentwickelt. Der persönlichkeitsrecht­ liche Gedanke der Selbstbestimmung fußt dabei dogmatisch in der verfassungsrich­ terlichen Garantie der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit und hat sich fortan mit der Entwicklung der modernen Mediengesellschaft jüngst im Auswuchs des Rechts auf die informationelle Selbstbestimmung als weitere Ausprägung verdichtet. aa) Garantie der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit Im Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht als Folge der Garantie von beste­ henden Schutzräumen (der räumlichen und thematischen Privatheit) bereits früh er­ wogen, dass Informationen, die sich auf die Privatsphäre beziehen, nicht ohne weite­ res der Öffentlichkeit oder dem staatlichen Zugriff preisgegeben werden dürfen.242 Dass dabei die Idee einer (Selbst-)Bestimmungsbefugnis über persönliche Informa­ tionen jedoch weder vom Verfassungsgeber, dem Bundesverfassungsgericht noch von dem (vorpreschenden) Bundesgerichtshof243 herrührt, zeigt gerade das vorkon­ stitutionelle Recht am eigenen Bild.244 Denn dieses geht im Grundsatz – sogar unab­ hängig von der Privatheit des konkreten Bildnisinhalts – gem. §  22 KUG davon aus, dass nur der Abgebildete über die Veröffentlichung bestimmen soll. Der Entwicklung der Garantie der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit als Ausprägung des allgemei­ nen Persönlichkeitsrechts liegen somit vorkonstitutionelle – und somit nunmehr ein­ fachrechtliche – Vorläufer zugrunde, die das Bundesverfassungsgericht vorgefunden und verfassungsrechtlich ausgestaltet hat.245 Hierzu zählt neben dem Recht am eige­ nen Wort oder dem Recht auf Gegendarstellung allen voran das Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG. Im Folgenden soll auf diese verfassungsrichterliche Über­

242  BVerfGE 27, 344 (S.  353 f.) – Ehescheidungsakten; BVerfGE 32, 373 (S.  379 f.) – „Ärztliche Schweigepflicht“; BVerfGE 33, 367 (S.  376 f.) – „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter“; BVerfGE 152, 152 (186 ff.) – „Recht auf Vergessen I“. 243  Vgl. hierzu die vorab besprochenen Entscheidungen bei Kap.  2, A., II. und dort insbesondere 1. und 2. 244  Vgl. hierzu die Ausführungen zur Normgenese ab Kap.  1, B., IV., 4.; ferner Brandner, JZ 1983, S.  690. 245  Dreier/Dreier, Art.  2 GG, Rn.  53; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG, Rn.  166; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2 GG, Rn.  71.

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wölbung des vorkonstitutionellen Rechts am eigenen Bild als Ausprägung des Mo­ dells der Selbstdarstellung eingegangen werden. (1) BVerfGE 34, 238 – „Tonband“ vom 31. Januar 1973 Die ersten ausdrücklichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz­bereich und der Einordnung des Rechts am eigenen Bild innerhalb der Verfas­ sung können aus mehrfacher Hinsicht als außergewöhnlich beschrieben werden. Zum einen ging es bereits in der Sache in keiner Weise um eine bildhafte Repräsen­ tation einer Person und zum anderen stand keine Veröffentlichungshandlung, son­ dern die Herstellung eines persönlichkeitsrechtsrelevanten Mediums in Form einer heimlich erfolgten Tonbandaufnahme in Frage.246 Nahezu beiläufig macht das Bun­ desverfassungsgericht in der Entscheidungsbegründung seine ersten Ausführungen zum Recht am eigenen Bild. Unter Zugrundelegung des Art.  2 I GG sprach das Bun­ desverfassungsgericht jedermann ein Recht auf die freie Entfaltung seiner Persön­ lichkeit zu, worunter auch Rechtspositionen fallen würden, „die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig“ seien.247 Hierzu zählte das Bundesverfassungsgericht in gewissen Grenzen neben dem Recht am gesprochenen Wort dann explizit das Recht am eigenen Bild.248 Die weiteren Ausführungen beziehen sich zwar nur aus­ drücklich auf das Recht am gesprochenen Wort, allerdings spricht sehr viel dafür, dass das Bundesverfassungsgericht diese parallel zum Recht am eigenen Bild ver­ 246  Ein Ehepaar stritt sich mit dem Käufer um die Höhe des vereinbarten Kaufpreises eines Wohnund Geschäftshauses nebst Inventar. Der Käufer berief sich auf den Preis im notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag und rechnete darüber hinaus teilweise mit einer Rückzahlungsforderung aus einem Darlehen auf, welches er dem Ehepaar angeblich gewährt hatte. Das Ehepaar berief sich hingegen auf einen höheren – mündlich vereinbarten – Kaufpreis, der auf Wunsch des Käufers zur Einsparung von Grunderwerbssteuer beim Notar niedriger beurkundet wurde und „schwarz“ in Höhe der angeblichen Darlehensforderung an sie ausbezahlt wurde. Um dies zu beweisen, zeichneten die Eheleute ein Gespräch mit dem Käufer nach der Beurkundung des Grundstückskaufes heimlich auf Tonband auf, in dem sich dieser unter anderem zum vereinbarten Procedere äußerte. Dieses Ton­ band stellte der Ehemann der Polizei zu Ermittlungszwecken zur Verfügung. Das Amtsgericht Osna­ brück ordnete auf Antrag der Staatsanwaltschaft unter anderem die Verwertung dieses Tonbandes an. Hiergegen erhob der Käufer erfolglos Beschwerde beim Landgericht. Dieses ging davon aus, dass der Schutz der Persönlichkeitssphäre auch bei heimlich erstellten Tonbändern hinter die öffentlichen In­ teressen (in Form eines Anspruchs des Staates auf die Grunderwerbsteuer und die gleichmäßige Besteuerung aller) zurücktreten müsse. Dieser Wertung widersprach das Bundesverfassungsgericht, indem es in der Verwertung der heimlichen Tonbandaufnahme im Strafverfahren eine Verletzung des „Grundrecht[s] aus Art.  2 I GG i.V.m Art.  1 I GG“ des Aufgezeichneten erblickte, wenngleich die Benennung dieses Grundrechts als allgemeines Persönlichkeitsrecht ausblieb. 247  BVerfGE 34, 238 (246) – „Tonband“: „Art.  2 I GG verbrieft jedem das Recht auf freie Entfal­ tung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfas­ sungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Dieses Grundrecht schützt auch Rechtspositio­ nen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätz­ lich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einem Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf“. 248  BVerfGE 34, 238 (246) – „Tonband“.

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standen wissen wollte. Denn unabhängig davon, dass die konkrete Fallkonstellation schon keinen Anlass bot, das Recht am eigenen Bild in einem Zuge mit dem tatsäch­ lich betroffenen Schutzgut überhaupt zu erwähnen, stellt das Bundesverfassungs­ gericht im unmittelbar folgenden Zusammenhang auf eine Loslösung und Verselbst­ ständigung von individuellen Merkmalen eines Menschen in einer verfügbaren Ge­ stalt ab.249 Diese Loslösung kann – wie im zugrundeliegenden Fall – durch die Aufnahme der menschlichen Stimme und des hierdurch vermittelten Inhalts auf ei­ nem Tonband oder aber genauso durch die bildhafte Fixierung des menschlichen Äußeren in einem Personenbild stattfinden. Unterstellt man also dem Gericht die Intention eines gewissen parallelen Umgangs von Recht am eigenen Bild und Recht am eigenen Wort, ergibt sich hinsichtlich der Herstellung des tragenden Mediums – einer Tonaufnahme oder eines Bildträgers – eine Besonderheit. Denn die Herstellungshandlung führt dazu, dass eine Fixierung der persönlichkeitsrechtsrelevanten Informationen auf einem Medium wie etwa ei­ nem Ton- oder Bildträger stattfindet. Dieses Medium besteht fernab des ursprüng­ lichen Informationsträgers – der Person selbst – fort und kann fortan zur Repräsen­ tation dieser Person benutzt werden. Es liegt somit nahe, dass das Bundesverfas­ sungsgericht bereits die potentielle Handhabe über ein solches Medium als vom betroffenen Persönlichkeitsrecht umfasst ansehen möchte. Zwar spricht der entschei­ dende Senat erst bei der Verwertung des Mediums von einem Eingriff in das konkret betroffene Rechtsgut.250 Da es sich aber beim Recht am eigenen Wort – wie beim Recht am eigenen Bild – um eine Rechtsposition zur Persönlichkeitsentfaltung han­ dele, müsse jedermann neben weiterer Verwertungshandlungen grundsätzlich selbst und allein darüber bestimmen können, wer sein Wort aufnehmen soll.251 Für das (verfassungsrechtliche) Recht am eigenen Bild könnte dies also bedeuten, dass schon die Fixierung einer Person in einem Bildmedium und damit die (erfolgreiche) Her­ stellung eines Personenbildes von diesem erfasst sein sollen. (2) BVerfGE 35, 202 – „Lebach“ vom 5. Juni 1973 In seiner Entscheidung zur Ausstrahlung des Dokumentarfilms über den „Soldaten­ mord von Lebach“252 im ZDF hat das Bundesverfassungsgericht das Recht am eige­ 249  Vgl. BVerfGE 34, 238 (246) – „Tonband“: „Wort und Stimme des Menschen sind auf dem Tonband von ihm losgelöst und in einer verfügbaren Gestalt verselbstständigt. Die Unantastbarkeit der Persönlichkeit würde erheblich geschmälert, dürften andere ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen über sein nicht öffentlich gesprochenes Wort nach Belieben verfügen“. 250  BVerfGE 34, 238 (245 ff.) – „Tonband“. 251  Vgl. hierzu BVerfGE 34,238 (246) – „Tonband“, insbesondere den Wortlaut „deshalb“. 252  BVerfGE 35, 202 – „Lebach“. In der Sache ging es um die Rechtmäßigkeit der Ausstrahlung eines Dokumentarfilms des ZDF über den sog. „Soldatenmord von Lebach“ kurz vor der Prüfung der Reststrafaussetzung eines (beschwerdeführenden) Mittäters. 1969 wurden bei einem Überfall auf ein Munitionslager vier schlafende Wachsoldaten getötet, ein Soldat schwer verletzt sowie Waf­ fen und Munition entwendet. Dieses Gewaltverbrechen erregte in der deutschen Öffentlichkeit Auf­ sehen, zumal sich die Fahndung nach den Tätern über mehrere Monate hinzog und fortlaufend in

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nen Bild erstmals in den direkten Zusammenhang mit dem Recht auf Selbstdarstel­ lung in der Öffentlichkeit gebracht. Zunächst bezeichnete der Erste Senat das Recht am eigenen Bild als Teil des Rechts, im Bereich privater Lebensgestaltung „für sich zu sein“, „sich selber zu gehören“ und das Eindringen oder den Einblick durch ande­ re auszuschließen.253 „Erst recht“ gehöre aber zu diesem übergreifenden Bereich privater Lebensgestaltung das „Verfügungsrecht über Darstellungen der Person“. Je­ dermann dürfe grundsätzlich „selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen“.254 Damit wird deutlich, dass der Erste Senat das (verfassungs­ rechtliche) Recht am eigenen Bild als Teilausschnitt des weiter gefassten Selbstdar­ stellungsrechts in der Öffentlichkeit begreift. Zwar differenzierte das Gericht zwischen einer „Abbildung“ im Sinne des verfas­ sungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild und der umfassenderen „Darstellung“ im Sinne des verfassungsrechtlichen Selbstdarstellungsrechts. Gleichwohl stellte es auch die „Darstellung“ vereinzelt in den direkten Zusammenhang mit §  23 I KUG.255 Dies beförderte die bis heute vertretene Ansicht, das (verfassungsrechtliche) Recht am eigenen Bild schütze auch das „Lebensbild“ einer Person.256 Zudem wies der Erste Senat auf die stärkere Intensität aufgrund des optischen Eindrucks eines Bilds gegenüber einer Verschriftlichung von Persönlichkeitsmerkmalen für den Betroffe­ nen hin.257

Presse, Hörfunk und Fernsehen über das andauernde Strafverfahren berichtet wurde. Die Haupt­ täter wurden 1970 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, eine weitere Person wegen Beihilfe zum Mord zu sechs Jahren Haft. Das ZDF hatte im Februar 1972 einen zweiteiligen Dokumentar­ film produziert, welcher noch im Juni ausgestrahlt werden sollte. Dessen Intro zeichnete zunächst die Straftat nach und nannte die Beteiligten mit Namen und Bild. Anschließend rekonstruierte das Dokumentarspiel mit Schauspielern die Tat. Der Antrag eines Mittäters, die Ausstrahlung im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, wurde vom LG Mainz und dem OLG Koblenz im Ok­ tober 1972 abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte der (zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteil­ te) Mittäter Verfassungsbeschwerde ein, da er sich zu diesem Zeitpunkt kurz vor der Prüfung der Reststrafaussetzung auf Bewährung befand. Das BVerfG erließ zunächst eine einstweilige Anord­ nung, mit welcher die Ausstrahlung bis zur Klärung in der Hauptsache untersagt wurde. In der Hauptsache gewichtete der Erste Senat schließlich die Kollision zwischen der Rundfunkfreiheit und des Persönlichkeitsschutzes zugunsten des Beschwerdeführers. 253  BVerfGE 35, 202 (220) – „Lebach“. 254  BVerfGE 35, 202 (220) – „Lebach“. 255  BVerfGE 35, 202 (232 f., 239) Rn.  66, 82. 256  Schertz, ZUM 1998, S.  760; ders., in: FS Raue 2006, S.  670; ders., GRUR 2007, S.  561; mitt­ lerweile wohl auch Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  103; relevant wird diese Frage etwa, sobald eine Person von einem Schauspieler dargestellt wird und bei der Darstellung klar ist, dass es sich beim Darsteller ersichtlich nicht um die dargestellte Person, sondern um ein double handelt; hierzu im Einzelnen Kap.  3, A., III., 5. Ferner könnten dann auch die Regeln des Rechts am eigenen Bild fernab von bildhaften Darstellungen Anwendung finden; vgl. hierzu im Einzelnen Kap.  3, A, I., 2., a). 257  BVerfG 35, 202 (227), Rn.  56 – „Lebach“; vgl. zu den Charakteristika der Bildwahrnehmung bereits Kap.  1, A.

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Zum Verhältnis zwischen der Herstellung eines Bildnisses und dem verfassungs­ rechtlichen Recht am eigenen Bild oder dem Selbstbestimmungsrecht äußerte sich das Bundesverfassungsgericht nicht ausdrücklich, gleichwohl hob es das Postulat des Bundesgerichtshofs in dessen „Vor unserer eigenen Tür“-Entscheidung258 her­ vor, wonach das Recht sich nicht der technischen Entwicklung beugen dürfe, zumal die Verletzung des Persönlichkeitsrecht leichter geworden sei.259 Zudem erkannte das Bundesverfassungsgericht erstmals die §§  22 ff. KUG aus­ drücklich als mit dem Grundgesetz vereinbar an. Die Verfassungsmäßigkeit ergebe sich maßgeblich aus der Abwägungsoffenheit, welche dem Wechselspiel der §  22 KUG und §  23 I, II KUG zugrundeliegt, da hierin die Wertungen des Grundgesetzes ausreichend berücksichtigt werden könnten.260 (3) BVerfGE 101, 361 – „Caroline von Monaco II“ vom 15. Dezember 1999 Während das Bundesverfassungsgericht in den Jahren 1980261, 1992262 und 1998263 zur deckungsgleichen Ausgestaltung der verfassungsrechtlichen Reichweite des 258  Der BGH hatte gerade in dieser Entscheidung von 1966 ausdrücklich bereits die Herstellung eines Bildnisses unter den Schutzbereich des (zivilrechtlichen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts subsumiert; hierzu Kap.  2, A., II., 2. 259  BVerfGE 35, 202 (227) – „Lebach“. 260  BVerfGE 35, 202 (224 f.) – „Lebach“. 261  BVerfGE 54, 148 (154) – „Eppler“. Hintergrund der Entscheidung war das erfolglose Vorge­ hen des ehemaligen Vorsitzenden des Landesverbandes der Baden-Württembergischen SPD na­ mens Eppler gegen den Landesverband der Baden-Württembergischen CDU vor dem Landgericht. Der Beschwerdeführer fühlte sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, weil der Landesverband der CDU seinen Kreisrednern im Landtagswahlkampf 1976 eine Musterrede zur Verfügung stellte, in der Eppler vermeintlich falsch zitiert wurde. Zwar wurde die Verfassungsbeschwerde zurück­ gewiesen, gleichwohl setzte sich das Bundesverfassungsgericht ausführlich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Epplers auseinander. Hierbei zitierte der Erste Senat ausdrücklich zwischen dem „Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person“ (unter Verweis auf die „Lebach“-­ Entscheidung) und dem Recht am eigenen Bild als verschiedene Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 262  BVerfGE 87, 334 (340) – „Fernsehberichterstattung vom Honecker-Prozeß“, wonach Ent­ scheidungen des vorsitzenden Richters, welche Fernsehaufnahmen innerhalb des Sitzungssaals im „Umkreis des Strafverfahrens“ gegen Erich Honecker und weitere hochrangige Repräsentanten der DDR (zunächst ganz und dann teilweise) verboten, im Wege einer einstweiligen Anordnung aufge­ hoben wurden. Bemerkenswerterweise ging der Erste Senat kurz auf das durch die Herstellung und Verbreitung potentiell verletzte Recht am eigenen Bild von Honecker und den Funktionären ein: „Auch wenn die Filmaufnahmen nachträglich vernichtet würden, ließe sich die Verbreitung der Bilder nicht mehr rückgängig machen“. Diese Verbreitung sei aber in jedem Fall von §  23 I Nr.  1 KUG gedeckt, sodass eine Bildnisrechtsverletzung nicht vorliegen könne. Dass das Bundesverfas­ sungsgericht in diesem Zusammenhang aber ausdrücklich eine Löschung bzgl. der hergestellten Bilder in Erwägung gezogen hat, zeigt, dass es zu diesem Zeitpunkt nicht von einer Anwendbarkeit von §  23 I Nr.  1 KUG auf die Herstellung, sondern vielmehr von der Übertragbarkeit der einfachge­ setzlichen Regelung des §  37 KUG ausgegangen ist. M.a.W. spricht viel dafür, dass die Herstellung eines Bildnisses nach diesem Dafürhalten (noch) nicht unter das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild fallen sollte. 263  BVerfGE 97, 228 (268) – „Kurzberichterstattung“, spricht sogar im Rahmen seines 10. Rund­ funkurteils ausdrücklich davon, dass das „allgemeine Persönlichkeitsrecht […] hier in seiner Aus­

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Rechts am eigenen Bild mit den §§  22 ff. KUG tendierte, setzt das „Caroline II“-Ur­ teil264 im Jahr 1999 erstmals eine ausdrückliche Zäsur hinsichtlich der Herstellung einer Bildaufnahme, welche maßgeblich von der gewandelten Vorstellung hinsicht­ lich einer Garantie der Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit herzurühren scheint.265 Nachdem Caroline ausdrücklich die Frage aufgeworfen hatte, ob Bilder von ihr hergestellt und veröffentlicht werden dürfen, wenn sie sich nicht in offizieller Funk­ tion, sondern in privater Eigenschaft oder alltäglichen Zusammenhängen in der Öf­ fentlichkeit bewegt, äußerte sich das Bundesverfassungsgericht soweit ersichtlich erstmals zur Bedeutung der Herstellung eines Bildnisses für das verfassungsrecht­ liche Recht am eigenen Bild. Hiernach gewährleiste das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild dem Einzelnen „Einfluß- und Entscheidungsmöglichkeiten, soweit es um die Anfertigung und Verwendung von Fotografien oder Aufzeichnung seiner Person durch andere geht“266. Das Schutzbedürfnis ergebe sich „vor allem aus der Möglichkeit, das Erscheinungsbild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschau­ baren Personenkreis zu reproduzieren“267. Spätestens hiermit steht fest, dass der originäre, nunmehr einfachgesetzliche Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG nicht mehr deckungs­ gleich mit dem verfassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild ist. Während der ein­ fachgesetzliche Schutz erst ab der Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung eines Bildnisses greift, umfasst der verfassungsrechtliche Schutzbereich bereits die Herstellung der Fotografie oder Aufzeichnung einer Person.268 Das eine Recht am prägung als Recht am eigenen Bild beachtlich [sei], wie es §  22 KunstUrhG“ schütze. Es gewähre demnach (nur) „die Verfügungsbefugnis darüber, ob und inwieweit das Bild einer Person verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden darf“. 264  Caroline von Hannover war gegen die Veröffentlichung von Fotos in der Illustrierten Bunte vor dem BGH vorgegangen, vgl. BGHZ 131, 332 – „Caroline von Monaco III“. Auf den Fotos war Caroline unter anderem mit ihren Kindern, allein beim Einkaufen oder beim Fahrradfahren abge­ bildet. Sie verlangte vom Hubert Burda Media Verlag Unterlassung der Veröffentlichung aufgrund der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihres Rechts am eigenen Bild. Auf das Verfahren wird im Einzelnen noch bei der Erörterung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitge­ schichte eingegangen; vgl. Kap.  3, D., II., 3., f), und g). 265  Hierfür spricht, dass das BVerfG bei den einleitenden Ausführungen zum allgemeinen Per­ sönlichkeitsrecht zum einen ausdrücklich auf neuartige Gefährdungen der Persönlichkeitsentfal­ tung aufgrund des „wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ hinweist und zum anderen den Grundsatz wiederholt, dass ein allgemeines und umfassendes Verfügungsrecht über die D ­ arstellung der eigenen Person gerade nicht aus Art.  2 I GG i. V.m. Art.  1 I GG existiert; vgl. BVerfGE 101, 361 (380) – „Caroline von Monaco II“. 266  BVerfGE 101, 361 (381) – „Caroline von Monaco II“. 267  BVerfGE 101, 361 (381) – „Caroline von Monaco II“. 268  Diese Erkenntnis wurde fortan vom Bundesverfassungsgericht bestätigt; vgl. BVerfGE 119, 309 (323) – „Gerichtsfernsehen“; BVerfGE 120, 189 (198) – „Caroline von Monaco III“; BVerfG, NJW 2005, S.  883 – „Persönlichkeitsrecht einer juristischen Person bei ungenehmigten Filmauf­ nahmen von Tierversuchen“; BVerfG, NJW 2019, S.  1279 – „Märchenbilder“; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 26.04.2001 – 1  BvR 182/00 = BeckRS 2001, 30177222; vgl. ferner bereits K. Amelung/ Tyrell, NJW 1980, S.  1560.

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eigenen Bild gibt es genaugenommen somit nicht (mehr). Bereits die Ausführungen des Schutzbedürfnisses hinsichtlich der datenmäßigen Fixierung durch eine Her­ stellung sowie die weitere Begründung des Urteils, welche auf den technischen Fort­ schritt von Abbildungsmöglichkeiten rekurriert, zeigt, dass das Bundesverfassungs­ gericht bei dieser Ausweitung des Bildnis- und Selbstdarstellungsschutzes maßgeb­ lich vom prominenten Gedanken des Datenschutzes – namentlich der informationellen Selbstbestimmung – beeinflusst war. bb) Garantie der informationellen Selbstbestimmung Der technische Fortschritt verlagerte damit das Schutzbedürfnis zur eigenen Persön­ lichkeitsentfaltung vom späten offenkundigen Kommunikationsprozess im Sinne einer zuordenbaren Informationsveröffentlichung hin zur Erhebung einer Informa­ tion deutlich nach vorne. Dies zeigt, dass sich der Persönlichkeitsschutz nach und nach hin zu einer Perspektive des Druckmoments für den Einzelnen über die Unge­ wissheit des Verbleibs seiner persönlichen Informationen verschob. Dies gilt umso mehr, wenn diese Informationen nach neuester Technik frei mitein­ ander kombinierbar sind und möglicherweise somit neues über ihn offenbaren.269 Sol­ che fortdauernde Datenerhebungen sind etwa durch die Nutzung sozialer Medien, verschiedener Applikationen auf Smartphones, Smartwatches oder sog. Smart Home-­ Technologien heute feste Bestandteile des modernen Lebens. Diese sollen dem Ein­ zelnen vordergründig das Leben erleichtern, indem sie dessen Gewohnheiten und Vorlieben erfassen und aufbereiten. Diese Erhebungen sind mittlerweile allgegenwär­ tig und reichen vom Entsperren des eigenen Smart-Devices via Abgleich biometri­ scher Daten (etwa mittels Gesichts-; Stimmen oder Fingerabdruckerkennung) über die Analyse des persönlichen Surf-, Kommunikations- und Shopping-Verhaltens im In­ ternet, die Aufenthaltszeiten an verschiedenen Standorten, die Fitness-Daten beim Training bis hin zu Bewegungsdaten, dem Fahrverhalten im eigenen KFZ oder etwa sogar dem persönlichen Stromverbrauch. Dass es dabei ausreicht, nur wenige Daten über eine Person zu erheben, um durch geschickte Kombinationen weitreichende In­ formationen über sie zu generieren, werden durch die anfänglichen Ausführungen zur künstlichen Intelligenz belegt.270 Dieser Umstand ruft nicht nur ein diffuses Gefühl des ständigen Überwachtwerdens271, sondern regelrechtes Unbehagen hinsichtlich bereits erhobener Daten hervor, denn „das Netz vergisst nichts“272. Darüber hinaus keimt seit geraumer Zeit die Sorge vor der Anwendung moderner Machine­-LearningAlgorithmen273, welche im Internet einen kaum besseren Fundus an Informationen vorfinden und möglicherweise zurechenbare Informationen über den Einzelnen her­ vorbringen, die als solche nie entäußert wurden. 269 Vgl.

Simitis, NJW 1984, S.  400. Vgl. hierzu auch ausführlich F. Puppe, in: FG RobotRecht 2020, S.  126 ff. 271  Nebel, ZD 2015, S.  517. 272  Vgl. nur Worms/Gusy, DuD 2012, S.  91 f., 97. 273  Vgl. hierzu bereits Einführung, B., III. 270 

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Auf die automatische Datenverarbeitung und deren Gefahren hat das Bundes­ verfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil bereits im Jahr 1983 reagiert, in­ dem es die Befugnis des Einzelnen etablierte „selbst zu entscheiden, wann und in­ nerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“274. Mit diesem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausprägung des allgemei­ nen Persönlichkeitsrechts in Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG trägt das Bundesverfassungs­ gericht explizit dem Umstand Rechnung, dass die Sphärentheorie in der neuzeit­ lichen Welt des universalen Datenflusses nicht mehr ausreicht, um die Entwicklung des Individuums zu gewährleisten.275 Mit der Erkenntnis, dass es im Zeitalter ubi­ quitärer Datenverarbeitung „kein belangloses Datum“276 mehr geben kann, hat das Bundesverfassungsgericht damit einen deutlichen Perspektivwechsel weg von dem räumlichen Sphärendenken hin zu Inhalt und Wirkung von Informationen vorge­ nommen.277 Jeder Umgang mit Daten, die einer Person (potentiell) zuordenbar sind, soll nach diesem Modell der informationellen Selbstbestimmung rechtfertigungsbe­ dürftig sein.278 Ein Trugschluss wäre es aber, hierin die vollständige Abkehr vom Sphärendenken zu erblicken, zumal sich dieses in Form der Garantie von Raum – wie gerade am Beispiel des Rechts am eigenen Bild gezeigt279 – nicht nur in räumlichen, sondern auch schon früh in thematischen Kategorien vollzog. Treffender erscheint es viel­ mehr, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als konsequente Fortent­ wicklung einer Ergänzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für diejenigen Be­ reiche zu verstehen, welche durch ein räumliches Sphärendenken angesichts der fortschreitenden Technisierung nicht mehr hinreichend geschützt werden konnten. Damit ersetzt die informationelle Selbstbestimmung nicht etwa das Modell des Pri­ vatheitsschutzes in Form der bereits thematisierten Garantie von Raum, sondern er­ gänzt dieses hinsichtlich eines ganz konkreten neuen Gefährdungssachverhalts.280 274  BVerfGE 65, 1 (45) – „Volkszählung“. Nach den Bestimmungen des Volkszählungsgesetzes sollte im Frühjahr 1983 eine Volkszählung durchgeführt werden. Diese Erfassung sollte durch Be­ amte oder Beauftragte der öffentlichen Verwaltung von Tür zu Tür erfolgen. Neben der vollständi­ gen Kopfzählung war auch die Erhebung weiterer Angaben beabsichtigt. Das Bundesverfassungs­ gericht stellte fest, dass zahlreiche Vorschriften des Volkszählungsgesetzes erheblich und ohne Rechtfertigung in die Grundrechte des Einzelnen – namentlich des allgemeinen Persönlichkeits­ rechts in seiner Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – eingreiffen. 275  U. Amelung, S.  34; van Bergen, S.  40, 47 ff.; Sachs/Murswiek/Rixen, Art.  2 GG, Rn.  106; N ­ ebel, ZD 2015, S.  518; vgl. ferner W. Schmidt, JZ 1974, S.  243 ff. 276  BVerfGE 65, 1 (45) – „Volkszählung“. 277  Nebel, ZD 2015, S.  519. 278  Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  707. 279  Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1). 280  So bereits Benda, DuD 1984, S.  89; Steinmüller, DuD 1984, S.  93; die teilweise angenomme­ ne Dichotomie der verschiedenen Schutzmodelle des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird wohl am Ende auf die nicht synonyme Verwendung des Privatheitsbegriffs zurückzuführen sein; vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), bb). Zum Begriff der Privatheit ferner Albers, DVBL 2010, S.  1061 ff.

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Zwangsläufig geschieht insoweit eine deutliche Verlagerung von der Perspektive der räumlichen Privatheit und dem Sozialbezug hin zum Erheben einer Information.281 Mit anderen Worten stellt jede Informationenbearbeitung ohne das Einverständnis des Betroffenen durch den Staat bereits einen Eingriff in dessen grundrechtliche Position dar und bedarf fortan einer gesetzlichen Grundlage und der Verhältnis­ mäßigkeit.282 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann aber nicht nur als ein solches Abwehrrecht vor dem Staat, sondern insbesondere als Auftrag an diesen verstanden werden, im eigenen Handlungsbereich gesetzgeberisch auf den Gebieten des Zivil- und Strafrechts tätig zu werden.283 Dies wird besonders deutlich, wenn man sich erneut die eingangs beispielhaft aufgezählten Formen des alltäg­ lichen Datenflusses vor Augen führt, welcher eben maßgeblich zwischen Privaten stattfindet. Bei privaten Informationshandlungen ist der Gesetzgeber – im Gegensatz zur abwehrrechtlichen Konstellation bei Handlungen des Staates284 – bei der ein­ fachgesetzlichen Normierung solcher informations- und damit datenschützender Regeln285 nicht etwa daran gehalten, jede denkbare punktuelle Gefährdung des Ein­ zelnen zu erfassen. Vielmehr dürfen selbst grundrechtlich sensible Informations­ handlungen Privater grundsätzlich durch Generalklauseln von einer Abwägung ab­ hängig gemacht werden, welche dann von der Rechtsprechung ausgefüllt werden müssen.286 Gleichwohl sind gerade im Strafrecht hierbei Friktionen zum Verhältnis­ mäßigkeits- und Bestimmtheitsgebot zu vermeiden.287 Innerhalb einer solchen Abwägung sind jedenfalls die Belange des betroffenen Indi­ viduums und des verarbeitenden Privaten – der möglicherweise mit seiner Bearbeitung zusätzlich berücksichtigenswerte Belange der Allgemeinheit bedient – in einen Aus­ gleich zu bringen. Denn auch der (die Daten verarbeitende) Private muss sich eben sei­ 281  So auch Bäcker, Der Staat 2012, S.  96, wonach das Recht auf informationelle Selbstbestim­ mung den grundrechtlichen Schutz von Verhaltensfreiheit und Privatheit auf die Stufe der Grun­ dechtsgefährdung vorverlagere. 282  U. Amelung, S.  35; Albers, DVBL 2010, S.  1068; Bäcker, Der Staat 2012, S.  98; D. Burchard, KritV 1999, S.  243; Gallwas, NJW 1992, S.  2787; vgl. auch Nebel, ZD 2015, S.  521. 283  Vgl. BVerfGE 84, 192 (195) – „Offenbarung der Entmündigung“; Bäcker, Der Staat 2012, S.  99; D. Burchard, KritV 1999, S.  244; Gallwas, NJW 1992, S.  2788; Piltz, S.  15. 284  Bäcker, Der Staat 2012, S.  99 f.; Buchner, S.  46 ff.; Franzius, ZJS 2015, S.  260; Gallwas, NJW 1992, S.  2788; Gusy, KritV 2000, S.  60; vgl. auch Worms/Gusy, DuD 2012, S.  95; ferner BVerfGE 120, 274 (308, 319) – „Online-Durchsuchungen“ zur Etablierung des Grundrechts auf Gewährung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, welches den Staat als weitere Aus­ prägung des Datenschutzes vor strenge Auflagen stellt, wenn er etwa „intelligente Haustechniksys­ teme“ auslesen möchte; schließlich BVerfGE 125, 260 (316 ff.) – „Vorratsdatenspeicherung“, ­wonach es unzulässig sei, dass der Staat für seine Zwecke den privaten Telekommunikationsdiensteanbie­ tern aufgibt, vorsorglich sechs Monate lang die Telekommunikationsverkehrsdaten zu speichern. 285  Angesprochen sind hierbei freilich in aller erster Linie die Normen des Bundesdatenschutz­ gesetzes und der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO bzw. VO (EU) 2016/679 des Europäi­ schen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbei­ tung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG), deren Verhältnis zu den §§  22 ff. KUG insoweit geklärt werden muss; vgl. hierzu Kap.  2, D. 286  Bäcker, Der Staat 2012, S.  99 f.; D. Burchard, KritV 1999, S.  244 f. 287  Vgl. hierzu Golla, ZIS 2016, S.  193 ff.; ferner Kraenz, S.  80 f.; Wendt, AfP 2004, S.  188.

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nerseits auf einen ihm zugutekommenden verfassungsrechtlichen Schutz seiner Interes­ sen berufen können. Zu diesem Schutz gehört nach dem bereits Gesagten auch die Be­ fugnis, die eigene Persönlichkeit zu ermitteln und zu erschließen, was solcher Entfaltung dienlich ist, sowie die entsprechenden Wahrnehmungen reflektierend zu verarbeiten.288 Jeder Mensch muss also auch grundsätzlich ein Recht haben, sich von jedem anderen  – in den Grenzen des gesellschaftlichen Mitein­anders –ein eigenes Bild zu machen oder etwa seine Meinung über ihn zu äußern und so dessen Daten zu verarbeiten.289 Spätestens hier wird deutlich, dass – trotz des verfassungsrichterlichen Postulats, ein belangloses Datum gebe es nicht mehr – gleichwohl nicht jeder Umgang mit Daten gleich schlimm sein kann290, sondern im Weiteren in irgendeiner Form gewichtet wer­ den muss. Somit sind die Erkenntnisse zur Privatheit nicht etwa obsolet geworden.291 Vielmehr haben diese sich nach hinten verlagert, wenn es darum geht, die Schwere der Betroffenheit (im Falle einer informationellen Fremdbestimmung) im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung oder bei einer Gesamtabwägung zu bemessen.292 Pri­ vatheit hängt damit mit der Garantie der informellen Selbstbestimmung nicht mehr auf erster Stufe am Dogma einer ausbleibenden Kommunikation oder gar der Inter­ aktion (eremitenhafter Einsamkeit), sondern kann überall bestehen.293 Insbesondere richtet sie sich nach dem Inhalt der konkreten Information, deren Wert sich maßgeb­ lich am Einzelfall der konkreten Verarbeitung bestimmen wird. Unabhängig davon soll der Einzelne aber grundsätzlich – also gewissermaßen auf der ersten Stufe – selbst bestimmen, ob er mit einer Information in die Öffentlichkeit 288 

Vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3. Gallwas, NJW 1992, S.  2788. 290  Hinterfragenswert erscheint deshalb die Feststellung von Scholz/Pitschas, S.  72, wenn diese dem Bundesverfassungsgericht anhand des Volkszählungsurteils die Äußerung unterstellen, das Schutzgut der Privat-, Geheim- und Intimsphäre sei pauschal verletzt, wenn der einzelne keine hinreichend sichere Kenntnis über die Gewinnung und Verwertung der ihn betreffenden Daten habe. Dann wäre eine Verhältnismäßigkeitsprüfung per se obsolet; diese Feststellung kann sich al­ lenfalls auf die staatliche Datenerhebung ohne gesetzliche Grundlage beziehen; vgl. hierzu auch Wölfl, NVwZ 2002, S.  50; überzeugender Albers, DVBL 2010, S.  1067. 291  So i. E. auch Albers, DVBL 2010, S.  1067 f.; K. Amelung, NJW 1990, S.  1754; U. Amelung, S.  14 ff., 44; Bäcker, Der Staat 2012, S.  101 ff.; van Bergen, S.  40; U. Walter, ZUM 2002, S.  889; krit. Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  706 f.; Ladeur, ZUM 2000, S.  888; Wölfl, NVwZ 2002, S.  50. Hierfür spricht freilich auch die Rechtsprechung des BVerfG, die – selbst nach dem straßburger Caroline-­ Urteil – weiterhin Erwägungen zum (räumlichen) Sphärendenken heranzieht; vgl. nur BVerfG, NJW 2017, S.  1377, Rn.  19 – „Kachelmann“; ferner BVerfGE 152, 216 (268), Rn.  128 – „Recht auf Vergessen II“; auch bereits Benda, in: FS Geiger 1974, S.  34. 292  So auch Hufen, in: FS 50 Jahre BVerfG 2001, S.  117 f., wonach die eigentliche Leistung des Volkszählungsurteils nicht etwa eine Erweiterung des Schutzbereichs darstelle, sondern in der An­ passung der Definition eines Grundrechtseingriffs liege; vgl. herzu auch Schlink, Der Staat 1986, S.  239; hierfür spricht i. Ü. auch, dass das BVerfG im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung von einer Je-desto-Formel ausgeht, wonach je mehr die Daten die Intimsphäre oder ein besonderes Ver­ trauensverhältnis berühren, desto strengere Anforderungen zu stellen sind; vgl. nur BVerfGE 89, 69 (82) – „Cannabis“, Rn.  51; vgl. auch Franzius, ZJS 2015, S.  264 ff. m. w. N. hinsichtlich Ansätzen der dogmatischen Neukonzeption der informationellen Selbstbestimmung. 293  Worms/Gusy, DuD 2012, S.  94. 289 

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geht. Wurde ihm dies verwehrt, muss dieser Eingriff in irgendeiner Form gerecht­ fertigt werden. Diese Rechtfertigung bemisst sich an der Intensität des Eingriffs und demzufolge auf zweiter Stufe an der (thematischen) Privatheit der Information und somit maßgeblich am Informationswert.294 Die Parallelen zu den §§  22 ff. KUG drängen sich nach den bisherigen Ausführungen somit geradezu auf. (1) Schnittmengen des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild in den §§  22, 23 KUG mit der informationellen Selbstbestimmung Vor dem Hintergrund der Etablierung des Rechts auf informationelle Selbstbestim­ mung erscheint das vorkonstitutionelle Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG von 1907 geradezu modern.295 Dieses scheint insoweit seiner Zeit voraus gewesen zu sein, als dass es – im Sinne der informationellen Selbstbestimmung – völlig unabhän­ gig von einem konkreten Bildnisinhalt auf der ersten Stufe des §  22 KUG grundsätz­ lich jede Veröffentlichung vom Willen des Abgebildeten abhängig macht.296 Das (ein­ fachgesetzliche) Recht am eigenen Bild und das Recht auf informationelle Selbstbe­ stimmung sind somit auf der ersten Stufe – bei der Bestimmung des Schutzbereichs – grundsätzlich sphärenneutral. Auch nach der Konzeption des §  23 I Nr.  1–4 KUG und §  23 II KUG sollen dann Aspekte der räumlichen und thematischen Privatheit – allen voran im Rahmen der Generalklausel der Zeitgeschichte – gewissermaßen auf der zweiten Stufe nachgeschaltet sein. Das Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG könnte somit insoweit als (vorkonstitutioneller) Vorläufer des Rechts auf infor­ mationelle Selbstbestimmung im Bereich von Personenabbildungen begriffen werden. Gleichwohl wird schnell deutlich, dass sich das vorkonstitutionelle Recht am eige­ nen Bild auch nicht passgenau in das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung integrieren lässt. Denn nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung bestehen Min­ destanforderungen – oder (Mindest-)Grenzen – die gewissermaßen als Hürde hinter der informationellen Selbstbestimmung liegen und überwunden werden müssen, um (auch) eine Bildrechtsverletzung im Sinne der §§  22, 23 KUG begründen zu können. Auf diese soll im Folgenden kurz eingegangen werden. (a) Die Erkennbarkeit im Bildnisbegriff der §§  22 ff. KUG als Hürde des einfachgesetzlichen Bildnisrechts zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung Eine Hürde im Verhältnis zur informationellen Selbstbestimmung könnte dem Recht am eigenen Bild bereits im Tatbestandsmerkmal des Bildnisses innewohnen. Eine Abbildung, die einen Menschen optisch wahrnehmbar zeigt, kann dem Betrachter 294  Franzius, ZJS 2015, S.  259 f.; Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  705; Johannes, ZD-Aktuell 2018, 06007. 295 Vgl. Desoi, S.  128, welche das Recht am eigenen Bild als „Konkretisierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung“ bezeichnet. 296  HmbKommMedienR/Kramer, 76. Abschn., Rn.  5, bezeichnet in diesem Sinne das Recht am eigenen Bild als „Vorgängerregelung“ zum Datenschutzrecht.

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eine Vielzahl von Informationen über den Abgebildeten bieten, wie etwa dessen Haut- und Haarfarbe, dessen Geschlecht, evtl. dessen Aufenthaltsort, seine persönli­ chen Vorlieben und Interessen oder sonstige Informationen297 ohne die abgebildete Person dabei zwangsläufig zu identifizieren. Die §§  22 ff. KUG setzen allerdings nach der hier vertretenen Ansicht die Repräsentation298 und damit (sichere oder mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit der) Identifizierung der abgebildeten Person durch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Erkennbarkeit voraus.299 Damit muss nicht zwingend immer ein Bildnis vorliegen, wenn etwa Bildinforma­ tionen im Sinne der informationellen Selbstbestimmung – also ein personenbezoge­ nes Datum – vorliegen. Hiermit geht eine nicht unerhebliche Feststellung für die weitere Bearbeitung einher: Die Begriffe „Erkennbarkeit“ (einfachgesetzliches Recht am eigenen Bild) und „Identifizierbarkeit“ (informationelle Selbstbestimmung) sind nicht synonym zu verstehen.300 Vielmehr wird man den Begriff der Identifizierbar­ keit umfassender verstehen müssen, unter welchen die graduellen Abstufungen der Begriffe der Bestimmtheit und der Bestimmbarkeit fallen.301 Die Erkennbarkeit im Sinne des Bildnisrechts wird sich deshalb nach der hier vertretenen Ansicht am Be­ griff der Bestimmt- bzw. der Identifiziertheit302 zu orientieren haben, ansonsten wür­ de die abgebildete Person nicht im Sinne der herausgearbeiteten Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild repräsentiert. 297  Zur alten Rechtslage der „Bestimmbarkeit“ unter §  3 BDSG: Benecke/Groß, NZA 2015, S.  836; Golla/Herbort, GRUR 2015, S.  649; Heiß, S.  82 f.; Schnabel, ZUM 2008, S.  661; nunmehr zur „Identifizierbarkeit“ hinsichtlich eines personenbezogenen Datums des Art.  4 DS-GVO: Paal/ Pauly/Ernst, Art.  4 DS-GVO, Rn.  12; Ulmer-Eilfort/Obergfell/Obergfell/Herbort, Rn.  991. 298  Hierzu bereits Kap.  1, C. 299  A. A. Klein, S.  145. welcher – irrigerweise – davon ausgeht, dass für die Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG ausreichend sei, „dass der mehr oder minder große Bekanntenkreis der abge­ bildeten Person diese erkennen und identifizieren könnte [Konjunktiv II]“ [Hervorhebbung und Anmerkung durch Verf.]; so auch Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  22; Rehbock/Mensch, in: FS Damm 2005, S.  144. Sofern sich die von Klein für diese Feststellung zitierte Rechtsprechung überhaupt zur Erkennbarkeit bei §  22 KUG äußert, geht diese einheitlich – im Sinne der hier vertre­ tenen Auffassung – davon aus, dass das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild im Sinne des §  22 KUG dann verletzt sei, „wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat anzunehmen, er könne als abgebildet identifiziert werden. [Konjunktiv I]“ [Hervorhebbung und Anmerkung durch Verf.]; BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hochzeitsbild“; BGH, NJW 1971, S.  700 – „Pariser Liebestropfen“; BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  24 m. w. N.; vgl. auch Schnabel, ZUM 2008, S.  660, der nach seinem Beispiel (Personenbild in der Wüste) im Sinne der hier vertretenen Ansicht zu einem Auseinanderfallen von Erkennbarkeit und Bestimmbarkeit kommen kann; so wohl auch Helle, S.  96; Herbort, S.  101, welche aber unglück­ licherweise den (mit Erkennbarkeit) vorbelasteten Begriff des „Bildnisses“ benutzt; vgl. ferner ­Haase, S.  319 f.; Ricker/Weberling, Kap.  43, Rn.  5; vgl. zum Tatbestandsmerkmal der Erkennbarkeit im Einzelnen Kap.  3, A., II., und insbesondere dort 1., b). 300  Wohl auch Bienemann, S.  35; a. A. hingegen Klein, S.  145; vgl. auch OLG Stuttgart, AfP 2014, S.  353, welches die Identifizierbarkeit als „Erkennbarkeit im Rechtssinne“ versteht. 301  Haase, S.  285 f. 302  Vgl. hierzu auch den Wortlaut bei BGH, GRUR 2021, S.  107 – „G20-Gipfel“, wonach ein Bildnis i. S. d. §  22 KUG vorliege, wenn der Abgebildete begründeten Anlass habe, „er könne als abgebildet identifiziert werden“.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Damit ist auch klar, dass umgekehrt ein Bildnis immer zugleich Informationen im Sinne der informationellen Selbstbestimmung beinhalten wird.303 (b) Die Veröffentlichungshandlungen in §  22 ff. KUG als Hürde des einfachgesetzlichen Bildnisrechts zur informationellen Selbstbestimmung Eine viel offensichtlichere Hürde besteht freilich in der Veröffentlichungshandlung in Form des Verbreitens oder öffentlichen Zurschaustellens. Diese müssen zwingend nach dem Wortlaut der §§  22 ff. KUG vorliegen, damit das (einfachgesetzliche) Recht am eigenen Bild den Abgebildeten überhaupt schützt. Die Herstellung eines Bildnis­ ses ist von §  22 KUG nicht erfasst, während die Erhebung einer (bildhaften) Informa­ tion gerade die Wurzel deren Umgangs darstellt und somit von der informationellen Selbstbestimmung umfasst ist.304 (2) Neujustierung der informationellen Selbstbestimmung – „Recht auf Vergessen I“ Die Garantie der informationellen Selbstbestimmung führte in der Literatur zu unter­ schiedlichen, kontrovers diskutierten Interpretationen. Nachdem hierin die Etablie­ rung eines allumfassenden Verfügungsrechts über jedes persönliche Datum unabhän­ gig dessen Inhalts erblickt wurde, ging hiermit zunächst die Annahme einher, das Modell des – staatlich aufoktroyierten – Sphärenschutzes sei aufgegeben worden.305 Ebendieses Verständnis eines allumfassenden Schutzes hinsichtlich des Umgangs personenbezogener Daten rief nicht nur eine fortwährende Ungewissheit bzgl. der Differenzierbarkeit von Datenverarbeitungen auf den Plan.306 Hiermit verbunden ist seither die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis der informationellen Selbstbe­ stimmung zu den sonstigen – hierin zwangsläufig aufgehenden – äußerungsrechtli­ chen Schutzgehalten des Persönlichkeitsrechts.307 Befeuert wurden diese Unsicher­ heiten dadurch, dass Datenverarbeitungen heute maßgeblich durch Private stattfin­ den, während der Etablierung der informationellen Selbstbestimmung originär eine abwehrrechtliche Konstellation durch die staatliche Datenerhebung zugrunde lag.308 303 Vgl. Klein, S.  146; B. Lorenz, K&R 2016, S.  453; Raji, ZD 2019, S.  62; Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, S.  578 f.; ferner EuGH, NJW 2015, S.  463; diese Frage außen vor lassend E. Ehmann, ZD 2020, S.  65 ff. 304 Umso bemerkenswerter erscheint der Umstand, dass bereits deutlich vor dem Volkszäh­ lungsurteil des BVerfG Stimmen im Schrifttum laut wurden, das Erheben von Bilddaten unter den Persönlichkeitsschutz zu subsumieren; vgl. etwa K. Amelung/Tyrell NJW 1980, S.  1560 f., welche geradezu zukunftsweisend bereits bei der Herstellung den Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild als eröffent ansehen; ferner Paeffgen, JZ 1979, S.  516; W. Schmidt, JZ 1974, S.  244. 305  Desoi/Knierim, DÖV 2011, S.  399 ff.; Geminn/Roßnagel, JZ 2015, S.  707; Nebel, ZD 2015, S.  519; Schlink, Der Staat 1986, S, 241; vgl. auch Geis, JZ 1993, S.  213. 306  HmbKommMedienR/Kramer, 76. Abschn., Rn.  21. 307 Vgl. Schnabel, ZUM 2008, S.  662; Johannes, ZD-Aktuell 2018, 06007 zur Nutzung des Be­ griffs der „Privatheit“ in der Rechtsprechung des BVerfG. 308  Klass, ZUM 2020, S.  269; Nebel, ZD 2015, S.  521 f.; Steinmüller, DuD 1984, S.  95; vgl. hierzu auch Schlink, Der Staat 1986, S.  240.

B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz

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Diese fortbestehenden Unwägbarkeiten gaben dem Bundesverfassungsgericht An­ lass, sich in seinem „Recht auf Vergessen I“-Beschluss vom 06.11.2019309 mitunter zum Verhältnis der informationellen Selbstbestimmung zu den äußerungsrecht­ lichen Schutzgehalten des Persönlichkeitsrechts zu positionieren und den Anwen­ dungsbereich der informationellen Selbstbestimmung insoweit neu zu justieren.310 Hiernach soll das Recht auf informationelle Selbstbestimmung im Zivilrecht grund­ sätzlich keine Anwendung finden, sofern die Nutzung personenbezogener Daten im Kontext einer öffentlichen Auseinandersetzung – also etwa bei einer Bildnisveröf­ fentlichung – zu beurteilen ist. Dann sollen allein die äußerungsrechtlichen Schutz­ gehalte des Persönlichkeitsrechts Anwendung finden.311 Das Recht auf informatio­ nelle Selbstbestimmung habe demgegenüber lediglich dann Bedeutung, wenn es um die intransparente Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch Pri­ vate geht.312 309  Der Sachverhalt betrifft das „Apollonia“-Verfahren, das die deutschen Gerichte lange be­ schäftigte und dem BGH bereits im Jahr 2012 vorlag; vgl. BGH, GRUR 2013, S.  200 – „Apollonia-­ Prozess“. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Berichterstattung über ein spektakuläres Kapitalver­ brechen, das 1981 auf der Hochseeyacht „Apollonia“ im Atlantik stattfand. Dem Beschwerdeführer wurde vorgeworfen, zwei Menschen erschossen und einen dritten schwer verletzt zu haben, worauf­ hin dieser im Jahr 1982 rechtskräftig wegen Mordes und versuchten Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. DER SPIEGEL hatte 1982 und 1983 unter Namensnennung über den Fall berichtet. Seit 1999 befinden sich die – zunächst unzweifelhaft rechtmäßig veröffentlich­ ten  – Berichte kosten- und beschränkungsfrei abrufbar im Online-Archiv. Bei der Namenseingabe des Beschwerdeführers in ein gängiges Suchportal im Internet befinden sich die Artikel unter den ersten Treffern des Suchergebnisses. Nachdem der Beschwerdeführer im Jahr 2002 infolge der ver­ büßten Strafe aus der Haft entlassen wurde, wendete er sich gegen die identifizierende Bericht­ erstattung. Das LG bejahte einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Per­ sönlichkeitsrechts; vgl. LG Hamburg, 15.04.2011 – 324 O 113/10 (unveröffentlicht). Die hiergegen gerichtete Berufung zum OLG blieb erfolglos; vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 01.11.2011 – 7 U 49/11 = BeckRS 2012, 23601. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH mit Urteil vom 13.11.2012 (GRUR 2013, S.  200) das OLG-Urteil jedoch auf, änderte das Urteil des LG und wies die Klage insgesamt ab: Die Anonymisierung sei nicht erforderlich und die Beklagte auch nicht verpflichtet, den Artikel aus dem Online-Archiv zu entfernen. Das BVerfG hob diese Entscheidung allerdings wiederum auf und verwies den Rechtsstreit zurück. 310  Kühling, NJW 2020, S.  275, spricht u. a. deshalb von „November(r)evolution“; Pfeifer, GRUR 2020, S.  34, von einem neuen „Klassiker vom Karlsruher Schlossplatz“; vgl. auch BGH, NJW 2020, S.  770, Rn.  27 – „Veröffentlichung von Zitaten aus anwaltlichem Schriftsatz in einer Zeitschrift“ und BGH, NJW 2020, S.  3721, Rn.  49 – „Ehescheidung“, welche einer (Neu-)Bestimmung spre­ chen; so auch Jangl, ZUM 2021, S.  110. 311  BVerfGE 152, 152 (192) – „Recht auf Vergessen I“, Rn.  90: „Der Schutzbedarf gründet hier nicht in der intransparenten Zuweisung von Persönlichkeitsmerkmalen und -profilen durch Dritte, sondern in der sichtbaren Verbreitung bestimmter Informationen im öffentlichen Raum. Gefähr­ dungen für die Persönlichkeitsentfaltung ergeben sich hier vornehmlich aus Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst. Schutz gegenüber solchen Gefährdungen bieten die äußerungsrechtlichen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unabhängig vom Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Zwar kann es auch dabei maßgeblich auf die Art der Informationserlangung ankommen. Jedoch hat diese hier ihre Bedeutung als Vorfrage für die Beurteilung des weiteren Umgangs mit einer bestimmten Äußerung und des damit in die Öffentlichkeit gestellten Bildes einer Person selbst“. 312  BVerfGE 152, 152 (192) – „Recht auf Vergessen I“; unglücklich hierzu Klass, ZUM 2020,

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Nach der hier vertrenenen Auffassung bringt diese verfassungsrichterliche Diffe­ renzierung – der sich mittlerweile auch die höchstrichterliche Rechtsprechung ange­ schlossen hat313 – gerade aus der Perspektive des Bildnisrechts deutlich Licht ins Dunkel, wenn es um die weitere Beurteilung des Anwendungsbereichs des (einfa­ chen und verfassungsrechtlichen) Rechts am eigenen Bild im Verhältnis zur informa­ tionellen Selbstbestimmung geht.314 Geht man vom verfassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild aus, umfasst dieses nach dem bisher Gesagten sowohl die Herstel­ lung als auch die Veröffentlichung eines Bildnisses. Die Herstellung eines Bildnisses stellt dabei eine Verarbeitung eines personenbezogenen Datums dar, die an den Maß­ stäben der informationellen Selbstbestimmung zu messen ist. Wurde ein Bildnis al­ lerdings veröffentlicht, findet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hin­ gegen keine Anwendung. Die Veröffentlichung ist dann – übereinstimmend mit den aufgestellten Strukturprinzipien zum Recht am eigenen Bild als nonverbale Kommu­ nikation315 – an den äußerungsrechtlichen Schutzgehalten der Kommunikations­ grundrechte zu messen. Überträgt man diese Differenzierung auf das einfachgesetz­ liche Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG, kann dieses somit nicht am Maß­ stab der informationellen Selbstbestimmung gemessen werden, da es zu dessen Verletzung stets einer Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung – mithin einer kommunikativen Veröffentlichung – personenbezogener Daten in Form eines Bild­ nisses bedarf. Diese Differenzierung überzeugt, weil sie sich maßgeblich anhand verschieden Gefährdungslagen ausrichtet: Die informationelle Selbstbestimmung soll Schutz davor bieten, dass sich Dritte individueller Daten – wie bei einer Aufnah­ me – bemächtigen und diese in nicht nachvollziehbarer Weise nutzen, um den Betrof­ fenen auf Eigenschaften, Typen oder Profile festzulegen, auf die er keinen Einfluss hat. Diese Ungewissheit des Verbleibs oder des Outcome einer Verarbeitung von Daten, die letztendlich dem Betroffenen zugeschrieben werden, kann seine Persön­ lichkeitsentfaltung nachhaltig beeinträchtigen und soll vermieden werden. Davon zu unterscheiden ist der Schutz vor der Verarbeitung personenbezogener Berichte und Informationen als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses. Der Schutzbedarf gründet hier nicht in der intransparenten Zuweisung von Persönlich­ keitsmerkmalen und -profilen durch Dritte, sondern in der sichtbaren Darstellung ganz bestimmter Informationen – nämlich eines Bildnisses – im öffentlichen Raum. Gefährdungen für die Persönlichkeitsentfaltung ergeben sich hier vornehmlich aus S.  69, welche von einer „Verbreitung“ anstatt einer „Verarbeitung“ spricht; möglicherweise eben­ falls missverständlich Gounalakis, NJW 2020, S.  3693, der von einer „Preisgabe“ spricht, was eben­ falls an eine Verbreitung erinnert; gemeint ist hier aber der Verweis des BVerfG auf die Entschei­ dung zur Entmündigungspreisgabe; BVerfGE 87, 192 (194) – „Offenbarung der Entmündigung“; zutreffend hingegen Pfeifer, GRUR 2020, S.  36. 313  BGH, NJW 2020, S.  770, Rn.  27 – „Veröffentlichung von Zitaten aus anwaltlichem Schrift­ satz in einer Zeitschrift“; BGH, NJW 2020, S.  3721, Rn.  49 – „Ehescheidung“. 314  Vgl. hierzu auch die folgenden Ausführungen zur weiteren Anwendbarkeit des KUG unter der DS-GVO, Kap.  2, D. 315  Hierzu Kap.  1, A., II., 1.

B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz

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Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst. Dass das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild im Sinne der §§  22 ff. KUG Anforderungen (oder Hürden) an Inhalt und Form der Veröffentlichung stellt, wurde bereits gezeigt.316 Damit handelt es sich mit anderen Worten aus der Perspektive des einfachrechtlichen Bildnisschutzes bei der spezifischen Gefährdung nach den vorangestellten Strukturprinzipien um eine unge­ wollte Repräsentation in bildhafter Form. Das verfassungsrechtliche Recht am eige­ nen Bild ist hingegen gewissermaßen hybrid ausgestaltet: Hinsichtlich der Herstel­ lung besteht eine Gefährdungskomponente hinsichtlich der ungewissen Erhebung und des weiteren Umgangs, während der Veröffentlichung – in Form einer Verbrei­ tung oder öffentlichen Zurschaustellung – eines Bildnisses das Ergebnis eines Kom­ munikationsprozesses zugrunde liegt.

III. Zwischenergebnis zur Rolle des Rechts am eigenen Bild für die verfassungsrechtlich garantierte Persönlichkeitsentfaltung Dem Recht am eigenen Bild liegt somit ein komplexer Werdegang zugrunde, dessen Eckpunkte für den weiteren Verlauf der Arbeit zusammenfassend dargestellt werden müssen. Nachdem das Recht am eigenen Bild als vorkonstitutionelles Persönlichkeitsrecht den Abgebildeten in den §§  22 ff. KUG ausschließlich vor der Veröffentlichung – im Sinne der Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung – seines Bildnisses schütz­ te, galt es zunächst diesen allgemeinen Schutzgedanken infolge der Genese des Grundgesetzes in der Verfassung zu verorten. Als grobe Direktive konnte als erstes das entwicklungsoffene allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art.  2 I GG i. V. m. Art.  1 I GG als sog. Mantel- oder Rahmenrecht ausgemacht werden. Dieses schützt die Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen in einem übergeordneten Sinne an­ hand unterschiedlicher Ausprägungen, welche wiederum auf verschiedenen Schutz­ perspektiven beruhen. Für die weitere Untersuchung wurde das Strukturprinzip des vorkonstitutionellen Rechts am eigenen Bild an den beiden zentralen, zusammen­ laufenden Ausrichtungen zum Persönlichkeits(entwicklungs-)schutz gemessen. Bei diesen „kleinsten gemeinsamen Vielfachen“ der (Persönlichkeits-)Schutzdimensio­ nen handelt es sich um die Garantie von Raum und die Garantie der Selbstbestim­ mung. Dabei konnte gezeigt werden, dass in dem vorkonstitutionellen Recht am ei­ genen Bild sowohl Elemente des Raumschutzes im Sinne einer Privatheit als auch der Selbstbestimmung verankert sind. Sodann konnte gezeigt werden, dass die fortschreitende Technisierung maßgeb­ liche Impulse für die Rechtsprechung gesetzt hat, sowohl das Mantelrecht des allge­ meinen Persönlichkeitsrechts als auch das besondere Persönlichkeitsrecht fortzu­ entwickeln. Diese Entwicklungen bedingen sich gegenseitig, insbesondere hat die

316 

Hierzu Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (1), (a) und (b).

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Fortentwicklung des Mantelrechts maßgeblichen Einfluss auf das (besondere Persön­ lichkeits-)Recht am eigenen Bild. Für die Erschließung dieser sich gegenseitig beeinflussenden Entwicklungslinien bietet sich die Ausgangsperspektive der Selbstbestimmung an: Für die Entwicklung einer Ausprägung der Selbstbestimmungskomponente des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts, welche die eigene Darstellung der Person in der Öffentlichkeit schützen soll, griff das Bundesverfassungsgericht das vorkonstitutionelle Recht am eigenen Bild auf und gestaltete es zu einem verfassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild aus. Dieses verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild schien zunächst identisch mit dem Schutzgehalt des vorkonstitutionellen – nunmehr einfachgesetzlichen – Schutzgehalt der fortgeltenden §§  22 ff. KUG zu sein und fügt sich dabei als Teilaus­ schnitt in das übergreifende Recht auf Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit ein. Neue technische Möglichkeiten zur Bildherstellung und Bildübertragung bewegten das Bundesverfassungsgericht zur Etablierung des Rechts auf informationelle Selbst­ bestimmung als weitere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsmantels, welches den Schutz der Selbstbestimmung deutlich nach vorne – auf die Erhebung eines Datums – verlagert. Diese Entwicklung des Mantelrechts hat auf das Recht am eigenen Bild mehrfache Auswirkungen. Zum einen ging das Bundesverfassungsgericht spätestens im „Caroline II“-Urteil ausdrücklich davon aus, dass auch das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild bereits die Herstellung einer Personenaufnahme umfasse. Damit sind verfassungs­ rechtliches und einfaches Recht am eigenen Bild (in §  22 ff. KUG) nicht mehr iden­ tisch. Während das Recht am eigenen Bild in §  22 KUG die Repräsentation ohne den Willen der abgebildeten Person erfasst, greift das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild deutlich früher. Dieser frühere Zugriff zeigt neben der Erfassung der Herstellung einer Abbildung schon in den Anforderungen an eine schutzauslösende Personenaufnahme. So spricht das Bundesverfassungsgericht nicht etwa von einem Bildnis im Sinne der §§  22 ff. KUG, auf dem die Person erkennbar sein muss, da sie sonst nicht gegen ihren Willen bildhaft kommunizieren würde. Vielmehr greift das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild bereits bei jeder „Aufnahme einer An­ fertigung und Verwendung von Fotografien oder Aufzeichnungen“317 der betroffe­ nen Person durch andere. Hier zeigt sich vor allem der Einfluss des Rechts auf infor­ mationelle Selbstbestimmung auf das Verständnis des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild. Denn es geht in erster Linie nicht darum, die abgebildete Person vor einem unfreiwilligen bildhaften Auftritt und der hieraus resultierenden bildhaften Kommunikation in der Öffentlichkeit zu schützen. Insoweit soll die Person schon früher nicht in ihrer Entfaltungsfreiheit beeinträchtigt werden, indem sie davor ban­ gen muss, dass von ihr losgelöste (Bild-)Daten bestehen, mit anderen (Bild-)Informa­ tionen kombiniert und zu weiteren Beeinträchtigungen – etwa in Form einer für sie

317 

BVerfGE 101, 361 (381) – „Caroline von Monaco II“.

B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz

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besonders einschneidenden Repräsentation – führen.318 In diesem Zusammenhang fasst das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auch „manipulierte Fotos oder Verfälschungen durch eine Kontextveränderung“ unter den Schutzgehalt des verfas­ sungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild und spricht damit die Reproduktions­ möglichkeiten an.319 Damit muss das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild bereits erfasst sein, wenn die Person auf der hergestellten Aufnahme erkennbar ge­ macht werden kann. Sie muss hingegen nicht – wie bei den §§  22 ff. KUG – repräsen­ tiert und damit erkannt werden. Sie muss insoweit nur identifizierbar sein. Dies ist sie nicht, wenn die Aufnahme völlig ungeeignet für eine Identifizierung ist. Hier besteht also auch ein gewisser Gleichlauf von verfassungsrechtlichem Recht am eigenen Bild und informationeller Selbstbestimmung. Das verfassungsrechtliche Recht am eige­ nen Bild ist dem Recht am eigenen Bild in §§  22 ff. KUG somit gewissermaßen vor­ geschaltet. Dementsprechend wird im Folgenden zwischen dem umfassenderen ver­ fassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild und dem einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild in §  22 KUG unterschieden. Zum anderen wirkt sich diese Entwicklung auch auf das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild innerhalb der offenen Merkmale wie etwa des Bildnisses und des Verbreitens in §  22 KUG320 oder der Zeitgeschichte in §  23 I Nr.  1 KUG321 aus. So erklärt sich, warum nunmehr entgegen der Wertung des historischen Gesetzgebers auch Karikaturen unter den Bildnisbegriff subsumiert werden können sollen.322 Bei den raumschützenden Komponenten findet zudem im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG eine deutlich stärkere Betonung der inhaltlich-thematischen Privatheit statt, wobei diese Entwicklung freilich erhebliche Unterstützung durch das Straßburger „Caro­ line“-Urteil erfahren hat. Mit anderen Worten soll Zeitgeschichte maßgeblich anhand eines Informationswerts ermittelt werden, wobei lokal-örtliche Komponenten aller­ dings nicht etwa obsolet geworden sind. In diesem Zusammenhang kann nun kurz der schillernde Begriff der Privatheit beleuchtet werden. Die Intensität eines Eingriffs in die Selbstdarstellungskomponen­ te bemisst sich an der Privatheit des Bildnisinhalts. Ferner besteht die Möglichkeit, dass die selbstständige Gewährleistung des (räumlichen und thematischen) Raum­ schutzes durch den Weg zum Bild – etwa durch das Eindringen in das Schlafzim­ 318  Diesen Aspekt reißt BVerfGE 101, 361 (381 f.) auch an, indem auf den Wechsel des Kontexts bei einer Reproduktion einer Abbildung hingewiesen wird. 319  BVerfGE 101, 361 (382) – „Caroline von Monaco II“. 320  Hierzu im Einzelnen dann Kap.  3, A., und B. 321  Hierzu im Einzelnen, Kap.  3, D., II. 322  Ferner erschließt sich vor dem Hintergrund dieser Entwicklung etwa erst die (unbegründete) Ansicht von Wanckel, Rn.  125, welcher bereits beim Tatbestandsmerkmal des Bildnisses von einer Erkennbarkeit des Abgebildeten absehen möchte, wenn jedenfalls in die Intimsphäre (z. B. durch Abbildungen des nackten Körpers) eingegriffen wurde. Auch die hierfür herangezogene Entschei­ dung (LG Frankfurt, AfP 2006, S.  380) gibt insoweit nichts her; ähnlich Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  122 unter Berufung auf BVerfG, NJW 2004, S.  3619 – „Würzburger Anwalt“. Diese Entschei­ dung beschäftigte sich allerdings ebenfalls gar nicht mit dem Recht am eigenen Bild; darüber hinaus erklärt sich etwa die äußert restriktive Handhabe des §  23 I Nr.  2 KUG.

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mer  – verletzt wird. Die Privatheit spielt damit beim Eingriff in das Persönlichkeits­ reicht von außen bei der Bestimmung des Schutzbereichs auf erster Stufe eine Rolle, während sie beim Heraustragen, welches ab einer Fixierung persönlicher Daten möglich ist, auf zweiter Stufe relevant wird. Damit ergibt sich für die weitere Untersuchung folgende grob vereinfachte Dar­ stellung der unterschiedlichen Schutzgehalte: Siehe Abbildung 1.

IV. Das „postmortale Recht am eigenen Bild“ als besondere Konstellation Verortet man das Recht am eigenen Bild im allgemeinen Persönlichkeitsrecht, erge­ ben sich zwangsläufig Besonderheiten für diejenigen Situationen, in denen der Abge­ bildete verstorben ist.323 Denn mit dem Tod einer Person endet ihr verfassungsrecht­ lich gewährleistetes allgemeines Persönlichkeitsrecht.324 Begreift man das Mantel­ recht des Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG nach der hier zugrunde gelegten Prämisse als Gewährleistung zur individuellen Identitätsbildung, erscheint dieser Mechanismus folgerichtig: Eine tote Person kann keine Identität mehr bilden oder ihre Persönlich­ keit selbst weiterentwickeln. Wenn das Mantelrecht aber mit dem Tod einer Person untergeht, erscheint es nur konsequent, dass insoweit das hierin verankerte besonde­ re Persönlichkeitsrecht am eigenen Bild mit untergehen muss.325 Offensichtlich wollte der historische Gesetzgeber von 1907 jedoch, dass ein Schutz des Abgebildeten – jedenfalls hinsichtlich der Verbreitung und der öffentlichen Zur­ schaustellung seines Bildnisses – über den Tod hinaus bestehen soll. Dies zeigt sich in erster Linie bei §  22 Nr.  3 KUG, wonach es für eine Bildnisveröffentlichung ab dem Ablauf von 10 Jahren keiner Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten 323  Dies gilt sowohl für die Abbildung einer Leiche als auch für die Abbildung, welche einen Verstorbenen zu Lebzeiten zeigt. 324  BVerfG 30 173 (194) – „Mephisto“. Im Ausgangsfall hatte der BGH (BGHZ 50, 133 – „Me­ phisto“) dem Adoptivsohn und Erben des verstorbenen Gustaf Gründgens einen Unterlassungs­ anspruch gegen die Veröffentlichung von Klaus Manns Werk „Mephisto – Roman einer Karriere“ zugebilligt, in dem Gründgens als ein vom NS-Regime protegierter, rücksichtsloser Emporkömm­ ling geschildert wurde. Das „Lebensbild“ der Person hattte der BGH als immaterielles (Persönlich­ keits-)Gut, das den Tod des Inhabers überdauert, dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugeordnet. Dem widersprach das BVerfG indem es konstatierte, dass das Grundgesetz die von ihm anerkannten Grundrechtsgüter nicht losgelöst von einem Grundrechtssubjekt, sondern nur in Ge­ stalt subjektiver öffentlicher Rechte des einzelnen schütze. Das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützte nicht das Ansehen des Verstorbenen, das gleichwohl nicht schutzlos bleibe, da aus dem objektiv-rechtlichen Grundsatz der Menschenwürde aus Art.  1 GG ein „sozialen Wertund Achtungsanspruch“ des Verstorbenen resultiere. 325  Insoweit ist Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  13, zuzustimmen. Wenn dieser allerdings hieraus folgert, dass Leichenabbildungen nicht mehr vom Recht am eigenen Bild erfasst sein könn­ ten, ist dem zu widersprechen. Hierzu im Einzelnen dann Kap.  3, A., I., 1., d). Insoweit erscheint nach der hier vertretenen Auffassung auch die Feststellung von Hengst, S.  14, zu pauschal, wenn dieser feststellt, es sei in der Mephisto-Entscheidung des BVerfG lediglich um das allgemeine Persönlich­ keitsrecht und nicht aber um das Recht am eigenen Bild gegangen; differenzierter Helle, S.  64.

Abbildung 1: Einbettung am eigenen Bild in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht

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mehr bedarf. Unabhängig davon hat bereits der Kontext der Genese der §§  22 ff. KUG in den Gesetzgebungsmaterialen326 oder der Bismarck-Rechtsprechung des Reichsgerichts327, überdeutlich jedoch im historischen Kontext zur funerärer Bild­ kultur328 gezeigt, dass innerhalb der Gesellschaft – unabhängig vom rechtlichen Konstrukt eines Persönlichkeitsrechts am eigenen Bild – fortwährend eine besondere Empfindung für das optische Erscheinungsbild Verstorbener besteht. Bei Personen­ bildern erschließt sich dies nach den bereits herausgearbeiteten Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild, insbesondere der Repräsentation einer Person: Bleibt ein menschliches Erscheinungsbild optisch wahrnehmbar, wird es – auch über den Tod der (hinter dem Bild stehenden) Persönlichkeit – weiterhin innerhalb der Gesell­ schaft repräsentiert. Andere können sich ein (Persönlichkeits)Bild aufgrund der op­ tischen Wahrnehmung der verstorbenen Person machen, wenn diese weiterhin – etwa in Form von Bildmedien – optisch wahrnehmbar und damit innerhalb der Ge­ sellschaft bildhaft anwesend bleibt. Es kann somit weiterhin ein Austausch – ähnlich wie bei der Identitätsbildung einer lebenden Person329 – zwischen der abgebildeten Person und Gesellschaft stattfinden. Da allerdings bei einer verstorbenen Person kei­ ne Identitätsentwicklung mehr stattfindet, ist jene bei diesem Austausch auf ihre ge­ lebte Identität in Form ihres Persönlichkeits- oder Lebensbilds, welches sie hinter­ lassen hat, gewissermaßen fixiert: Sie kann nicht mehr selbstbestimmt an die Ge­ sellschaft herantreten, mit dieser kommunizieren und damit auch das Bild der Gesellschaft von ihr nicht aktiv beeinflussen. Ihr ist die Kontrolle über ihr Lebens­ bild damit endgültig entzogen.330 Der Öffentlichkeit hingegen stehen bei diesem (postmortalen) Austausch immer noch alle Variablen zur Interpretation der Persön­ lichkeitsinformationen zur Verfügung, welche ihr durch ein Bild der verstorbenen Person weiterhin vermittelt werden. Dass somit ganze Lebens- und Persönlichkeits­ bilder erst post mortem durch die nachträgliche Veröffentlichung eines Bildnisses nachhaltig beeinflusst werden können, liegt auf der Hand. Dieses Ungleichgewicht 326  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1906/06, Ak­ tenstück Nr.  30 (Gesetzesbegründung), S.  1540: „Dieser Schutz wird sich auch auf Bildnisse erstre­ cken, die nach dem Tode des Abgebildeten aufgenommen sind. Einer besonderen Vorschrift hierfür bedurfte es nicht, da der Begriff des Bildnisses auch diesen Fall umfaßt“. 327  RGZ 45, 170; hierzu Kap.  1, B., IV, 6., b); Andenaes, UFITA 1960, S.  30, spricht der Entschei­ dung sogar mittelbaren Einfluss auf das europäische Recht zu; ferner Kohler, GRUR 1900, S.  197. Luther, S.  37 ff., nennt ausdrücklich im Zusammenhang der Entwicklung des postmortalen Persön­ lichkeitsschutzes den Bismarck-Fall. 328  Vgl. hierzu nur Kap.  1, B., I., 1., 2. sowie II., 4., oder C., I., 1. 329  Zur Bedeutung der rückwirkenden Gesellschaft für die individuelle Identitätsentwicklung bereits Kap.  2, B., 3., a), cc). 330  Es verwundert vor diesem Hintergrund auch nicht, dass der Gesetzgeber gerade die Begriffe Sexualität, Krankheit und Tod (hier postmortale Intimsphäre) in Zusammenhang mit dem absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung bei Personenaufnahmen bringt; vgl. hierzu den fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf zur Genese des §  201a StGB, BT-Drs. 15/2466, S.  5. Dies geht konform mit der hier vertretenen Annahme, dass intime Bilder tendenziell dann vorliegen, wenn sich der Abgebildete für den Betrachter erkennbar in einem Zustand der Unkontrolliertheit befindet; vgl. hierzu die Erwägungen bei Kap.  3, D., II., 2., k), aa).

B. Verortung des Rechts am eigenen Bild im Grundgesetz

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suchte der Gesetzgeber in §  22 S.  3, 4 KUG – ohne grundgesetzlichen Unterbau – zu beseitigen, indem den Angehörigen die Befugnis zur Einwilligung in Bildnisveröf­ fentlichungen des Verstorbenen eingeräumt wird, um für zehn Jahre nach dem Able­ ben des Abgebildeten für den Schutz seines Andenkens Sorge zu tragen. Diese Norm gilt heute als einfaches Recht im Einklang mit der Verfassung fort. Die Verfassung selbst kennt heute die Garantie eines verfassungsrechtlichen post­ mortalen Persönlichkeitsrechts, welches in der Menschenwürde des Art.  1 I GG wur­ zelt.331 Geschützt ist bei Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. Dieser Schutz bewahrt den Ver­ storbenen insbesondere davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden.332 Schutz genießt aber auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat.333 Diese Betrachtung fügt sich da­ bei zum einen deutlich in die eben beschriebenen Grundsätze der Repräsentation durch ein Bildnis über den Tod hinaus und zum anderen in die besondere Nähebezie­ hung des (untergegangenen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Art.  1 I GG naht­ los ein.334 Freilich werden diese Schutzbereiche nicht schon pauschal bei jeder belie­ bigen Bildnisveröffentlichung nach dem Tod des Abgebildeten betroffen sein, da eine nachhaltige Veränderung dessen sozialer Geltungswerte ein gewisses Gewicht benö­ tigt. Deshalb beschränkt sich dieser verfassungsrechtliche postmortale Schutz auf schwerwiegende Verletzungen.335 Die Ermittlung dieses Schweregrads erscheint im Einzelnen äußerst kompliziert, zumal sich dieser Schutzanspruch mit der allmählich verblassenden Erinnerung an den Verstorbenen zunehmend abschwächt, bis er schließlich ganz erlischt.336 Insgesamt spricht somit viel dafür, dass der heute einfachgesetzliche Schutz des Rechts am eigenen Bild einerseits pauschal über das Schutzniveau eines verfassungs­ rechtlichen postmortalen Recht am eigenen Bild hinausragt, da §  22 KUG hinsicht­ lich der Eingriffsschwere einer Veröffentlichung anhand eines konkreten Bildnis­ inhalts überhaupt nicht differenziert: Nicht nur besonders schwerwiegend in den Achtungsanspruch eingreifende, sondern grundsätzlich alle Bildnisveröffentlichun­ 331  BVerfGE 30, 173 (194) – „Mephisto“; BVerfG, NJW 2001, S.  594 f. – „Willy Brandt“; BVerfG, NJW 2001, S.  2958 f. – „Wilhelm Kaisen“; vgl. ferner Beuthien, Postmortaler Persönlichkeitsschutz, S.  84; Luther, S.  58 ff. 332  BVerfG 30 173 (194) – „Mephisto“; BVerfG, NJW 2001, S.  2958 f. – „Wilhelm Kaisen“; vgl. auch Pabst, NJW 2002, S.  1003 f. 333  BVerfG, NJW 2001, S.  2959 – „Wilhelm Kaisen“; BVerfG, NJW 2018, S.  771, Rn.  20. 334  Dies zeigt sich auch an den jüngsten Reformen des §  201a StGB, wonach der Gesetzgeber die bisherige Überschrift (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen) wegen der seit 2021 vorgenommenen Einbeziehung von Verstorbenen in §  201a I Nr.  3 StGB um den Zusatz „und Persönlichkeitsrechten“ erweitert hat. Dieser geht also ebenfalls davon aus, dass durch eine Bildaufnahme eines Verstorbenen nicht mehr in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (höchst­ persönlicher Lebensbereich) eingegriffen werden kann, hingegen aber in dessen (postmortales) Per­ sönlichkeitsrecht; hierzu sogleich Kap.  2, C., II., 3. m. w. N. 335  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  226; Merten/Papier/Enders, §  89, Rn.  42. 336  BVerfGE 30, 173 (196) – „Mephisto“; BVerfG, NJW 2018, S.  771; Hufen, JuS 2018, S.  1120.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

gen eines Verstorbenen sollen nach seinem Ableben erfasst sein. Andererseits könn­ te man diesen einfachgesetzlichen Schutz auch gegenüber einem solchen verfas­ sungsrechtlichen postmortalen Recht am eigenen Bild als verkürzt bezeichnen, da dieser in jedem Fall  – auch bei schwerwiegenden Verletzungen – gem. §  22 S.  3 KUG auf zehn Jahre beschränkt ist. Letzteres würde aber allenfalls hinsichtlich des Prin­ zips einer unge­wollten Repräsentation durch ein Bildnis eine Rolle spielen. Denn bei einer schwerwiegenden Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs durch eine Bildnisveröffentlichung bestünden unabhängig vom Recht am eigenen Bild weitere Anknüpfungspunkte für die Verletzung des (weiteren) postmortalen Persönlichkeits­ rechts, sodass der Betroffene insoweit nicht schutzlos gestellt wäre. Aus strafrecht­ licher Perspektive bliebe etwa eine Sanktionsmöglichkeit über §  189 StGB bestehen, dessen vergleichbare Interessenlage zum postmortalen Recht am eigenen Bild bereits aufgezeigt wurde.337 Diese Grundsätze gilt es im Folgenden bei der Beurteilung der strafrechtlichen Bildnisschutzes zu berücksichtigen, wenn der Abgebildete verstor­ ben ist.338

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild Auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Einbettung des Rechts am eigenen Bild gilt es nun, dessen strafrechtlichen Schutz vorzuzeichnen, ehe im folgenden Kapitel dann auf den strafrechtlichen Bildnisschutz im Einzelnen anhand von Fall­ beispielen eingegangen werden kann.

I. §  33 KUG in der Fassung vom 01. Januar 1975 §  33 KUG sanktionierte in seiner ursprünglichen Fassung von 1907 die Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung eines Bildnisses entgegen den §§  22, 23 KUG mit einer Geldstrafe bis zu eintausend Mark.339 Diese Geldstrafe konnte gem. §  33 II KUG a. F. im Unvermögensfalle in bis zu zwei Monaten Gefängnisstrafe umgewandelt wer­ den. Diese Umwandlungsmöglichkeit wurde mit der Aufhebung des zweiten Absat­ zes durch Art.  85 Nr.  7 des 1. Strafrechtsreformgesetzes vom 1969 wieder rückgängig gemacht.340 Schon nach der Erstfassung des KUG enthielt §  33 KUG nach §  41 KUG a. F. ein Strafantragserfordernis. Zusätzlich zur strafrechtlichen Rechtsfolge konnte 337  Kap.  1, B., V., 5.; vgl. zum Rechtsgut von §  189 StGB Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, §  189 StGB, Rn.  1. 338  Vgl. Kap.  3, A., I., 1., c), und d), sowie Kap.  3, D., II., 3., k), bb). 339  Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie vom 9. Januar 1907, RGBl. 1907, S.  7; vgl. ferner Kap.  1, B., V., 6. 340  BGBl I, S.  645, 677. Diese Umwandlungsmöglichkeit im Unvermögensfalle besteht heute nach allgemeinen Grundsätzen unter den Voraussetzungen der Norm des §  43 S.  1 StGB, wonach eine Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt werden kann.

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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der Verletzte gem. §  35 KUG a. F. die Zuerkennung einer Buße bis zu einer Höhe von 6000 Mark verlangen.341 Das Institut der Buße, das teilweise bei anderen Strafnormen auch zur Anwendung kommen konnte, wurde durch Art.  17, 145 E ­ GStGB vom 02.03.­ 1974 abgeschafft, da diese in der Praxis kaum eine nennenswerte Bedeutung erlang­ te.342 Die geltende Fassung beruht auf einer Neufassung durch Art.  145 ­EGStGB vom 02.03.1974.343 Diese findet seit dem 01.01.1975 Anwendung und lautet: „§  33 KUG (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen den §§  22, 23 ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. (2)  Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.“

Eine nennenswerte Modifikation der tatbestandlichen Voraussetzungen fand somit seit der Einführung nicht statt. Bei der damaligen Reform des Besonderen Teils wur­ de bewusst darauf verzichtet, eine Vorschrift zum Schutz des Intimbereichs vor der Veröffentlichung von Abbildungen in das Kernstrafrecht aufzunehmen.344 §  33 KUG spielt in der heutigen Rechtspraxis eine sehr untergeordnete Rolle: Nach der Straf­ verfolgungsstatistik für 2019 wurden nur 187 Personen abgeurteilt, hiervon wurden 127 Personen verurteilt.345 Ausweislich der polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2021 insgesamt 5.938 Fälle erfasst.346 Die Bedeutung des §  33 KUG hat somit zwar in den letzten Jahren tendenziell etwas zugenommen.347 Das wohl bekannteste 341 

Vgl. §  188 StGB a. F., §§  443 ff. StPO a. F. Hengst, S.  56. Insoweit kann dieser Mechanismus auch als gewisser Vorläufer des (heutigen) sog. Adhäsionsverfahrens verstanden werden. Stellte der Berechtigte im Strafverfahren den Antrag auf Zuerkennung einer Buße, so wurde damit das Adhäsionsverfahren begründet; Amelunxen, ZStW 86 (1974), S.  459; vgl. zum (heutigen) Adhäsionsverfahren im System der Schadenswieder­ gutmachung Rieß, in FS Dahs 2005, S.  429 ff. 343  BGBl I, S.  469, 575 f. (Art.  145). 344  Anders etwa in §  146 II des Alternativentwurfs eines Strafgesetzbuchs BT 2. Halbbd., 1971, S.  33 ff.; dieser Verzicht geschah vornehmlich mit der Begründung, die einhergehende Problematik könne im vorgegebenen Zeitrahmen nicht angemessen gelöst werden; vgl. hierzu BT-Drucks. 7/550, S.  236; zum – ebenfalls nicht umgesetzen – Entwurf bzgl. der Neuordnung des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes von 1959, welcher ebenfalls die Reform des Bildnisschutzes voraussah, vgl. Bienemann, S.  125 ff.; Bongartz, S.  13 ff., welcher zeitlich noch vorgreift; siehe hierzu Leinveber, GRUR 1960, S.  19 ff.; Reinhardt, JZ 1959, S.  42 ff. 345  Bei den Abgeurteilten waren 151 Personen männlich. 148 Personen (davon 123 männlich) wurden nach allgemeinem Strafrecht, 30 Personen (davon 21 männlich) nach Jugendstrafrecht ab­ geurteilt. Bei den 127 Verurteilten (davon 104 männlich) war bei 114 Personen (davon 96 männlich) §  33 KUG das schwerste Delikt. Von diesen 114 Personen wurden 111 Personen zu einer Geldstrafe verurteilt, https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-­ Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300197004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  52 f., sowie S.  118 f. 346  PKS 2021, Schlüssel 715040, abrufbar unter https://www.bka.de (zuletzt aufgerufen am 01.­ 06.­­2022) Die Aufklärungsquote lag bei 73,3  % = 4.351 Fälle. 347  In der PKS 2020 wurden zwar noch 6.065 Fälle erfasst (Aufklärungsqote 74,8  % = 4.535), der leichte Rückgang zu 2021 könnte u. a. mit der verstärkten Nutzung von sozialen Medien in der ­Corona-Krise im Jahr 2020 begründet werden, wenngleich von einem aussagekräftigen Abflachen kaum die Rede sein kann; PKS 2019: 4.954 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 75,6  % = 3.745); PKS 342 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Urteil zu §  33 KUG dürfte aber nach wie vor die Entscheidung des Schöffengerichts Ahrensböck zur Veröffentlichung eines Fotos darstellen, auf dem der Reichspräsi­ dent Ebert und der Reichswehrminister Noske in Badehosen zu sehen waren.348 Diese zurückhaltende Anwendung wird überwiegend darauf zurückgeführt, dass es sich bei §  33 KUG sowohl gem. §  33 II KUG um ein reines Antragsdelikt, als auch um ein Privatklagedelikt gem. §  374 I Nr.  8 StPO handelt.349 Insbesondere letzteres trage maßgeblich dazu bei, dass sich die Verletzten mit der Bemühung eines Straf­ verfahrens zurückhalten, zumal sie durch die Stellung als Privatkläger das volle Kostenrisiko tragen und dabei – anders als im Zivilprozess – ohne anwaltliche Unter­ stützung meist mit der Prozessführung überfordert sind.350 Zudem seien die Geschä­ digten ohnehin häufig an den Rechtsfolgen des Strafrechts – der Verhängung einer Strafsanktion – nicht interessiert. Ziel sei nicht die Bestrafung des Täters auf dem nur umständlich durchsetzbaren Privatklageweg, vielmehr ginge es den Betroffenen pri­ mär um die Gewinnabschöpfung sowie um Schadensersatz.351 Teilweise wurde des­ halb schon §  33 KUG – insbesondere dessen innewohnende Wertung des strafwürdi­ gen Unrechts – auf eine Art Auslegungshilfe für das Zivilrecht reduziert.352 Indes geben die Hinweise bzgl. eines mangelnden Vergeltungsdrangs der Betrof­ fenen und der Ausgestaltung des §  33 KUG als Antrags- und Privatklagedelikt auch Anlass zur Skepsis. Denn vergleicht man nur die Zahlen abgeurteilter Beleidigungen 2018: 4.354 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 74,8  % = 3.255); PKS 2017: 3.827 Fälle erfasst (Aufklä­ rungsquote 72,7  % = 2.782); PKS 2016: 3.745 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 70,8  % = 2.653); PKS 2015: 3.313 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 69,4  % = 2.300). Alle Tabellen sind abrufbar unter ­https://www.bka.de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) Ein gleichbleidbender Verlauf zeigt sich bei der Strafverfolgung: 2020 wurden 210 Personen abgeurteilt und davon 145 verurteilt; vgl. https:// www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-Strafverfol gung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300207004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort 56 f.; 2019 wurden 187 Personen abgeurteilt und davon 127 verurteilt; vgl. ­https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-Straf verfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300197004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt auf­ gerufen am 01.06.2022), dort S.  52 f.; 2018 wurden 99 Person abgeurteilt und davon 98 verurteilt; vgl. https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-­Straf verfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300187004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt auf­ gerufen am 01.06.2022), dort S.  126 f.; 2017 wurden wiederum 138 Personen abge- und davon 97 verurteilt, abrufbar unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikatio nen/Downloads-Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300177004.pdf?__blob=publi cationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  54 f. 348  AG Ahrensböck, DJZ 1920, S.  596; ausführlich zum Skandal und dem Strafantrag gegenüber dem Fotografen N. Albrecht, S.  62 ff.; vgl. ferner Kraenz, S.  95. 349  Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  3. 350  Ar. Koch, GA 2005, S.  594: vgl. auch Kraenz, S.  95 f., welche noch zusätzlich darauf hinweist, dass einer Privatklage gem. §  380 StPO ein Sühneversuch vorauszugehen hat, welcher in einem Drittel der Fälle zu einem Vergleich führe. Dieser Verweis erstaunt, da sich der Sühneversuch gem. §  380 StPO (auch in der damals aktuellen Fassung) ausdrücklich nicht auf §  33 KUG bezieht. 351  Heuchemer in: BeckOK StGB, Lexikon des Strafrechts, Der strafrechtliche Schutz des Per­ sönlichkeitsrechts, Rn.  45, 46. 352  Bartnik, S.  7; Kraenz, S.  96.

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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gem. §  185 StGB353 – ebenfalls ein Antrags- sowie Privatklagedelikt, welches mit dem Schutz der persönliche Ehre ebenfalls wie §  33 KUG eine Ausprägung des Man­ telrechts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts absichern soll354 – so liegt es jeden­ falls fern, ohne weiteres von einem mangelnden Strafbedürfnis der Bevölkerung auszugehen.355 Zudem begründete gerade das Ausmaß von Verbreitungsmöglichkei­ ten explizit in sozialen Netzwerken im Internet Handlungsbedarf beim Strafgesetz­ geber.356 Dies spiegelt sich ebenfalls in den deutlich höheren Abgeurteilten- und Ver­ urteiltenzahlen des §  201a I, II StGB a. F. (2015) wider357, bei welchem es sich eben­ falls gem. §  205 I StGB um ein reines Antrags- und gem. §  374 I Nr.  2a StPO um ein Privatklagedelikt handelt. Mithin scheint es geradezu so, als wäre der Straftatbe­ stand des §  33 KUG über die Jahre nahezu in Vergessenheit geraten. Dass die Straf­ vorschrift allerdings mit fortschreitender Entwicklung moderner Kommunikations­ formen an Bedeutung zunehmen könnte, zeigt nicht zuletzt ein Beschluss des Bun­ desverfassungsgerichts, in welchem dieses sich jüngst mit §  33 KUG hinsichtlich einer Weitergabe einer (unverpixelten) Bildaufnahme durch einen Journalisten an eine Presseredaktion zum Zwecke der (Online-)Veröffentlichung auseinandersetzen musste.358

II. §  201a StGB in der Fassung vom 22.09.2021 Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, hat der technische Fortschritt im Bereich der Bild- und Videotechnik sowie des Internets eine Vielzahl von Angriffs­ möglichkeiten auf das Persönlichkeitsrecht durch unbemerkte Herstellung und Ver­ öffentlichung von Personenaufnahmen ermöglicht, die den Ruf in Politik359 und Li­ 353  Insgesamt wurden 2019 wegen §  185 StGB 33.363 Personen abgeurteilt, davon 26.554 Perso­ nen verurteilt https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Down loads-Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300197004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  24 f. 354  Vgl. BVerfGE 54, 148 (154) – „Eppler“; BVerfGE 93, 266 (290) – „Soldaten sind Mörder“; BVerfGE 99, 185 (193) – „Scientology“; BVerfGE 114, 339 (346) – „Mehrdeutige Meinungsäuße­ rungen“; ferner Lackner/Kühl/Kühl, Vorbem. §  185 StGB, Rn.  1 m. w. N. 355  Dies gilt sogar, obwohl bei §  185 StGB gem. §  380 I StPO ein erfolgloser Sühneversuch vor­ auszugehen hat, welcher vielerorts in einem Vergleich münden wird; vgl. hierzu Hirsch, in: FS Lange 1976, S.  816; Kubiciel/Winter, ZStW 113 (2001), S.  312. Die Argumentation von Kraenz, S.  95 f., verkehrt sich somit ins Gegenteil. 356 Vgl. Eisele/Sieber StV 2015, S.  312 bzgl. sozialer Netzwerke; BT-Drs. 15/361, S.  3; BT-Drs. 15/533, S.  3; BT- Drs. 15/1891, S.  6. Als Hauptübel werden Mobilfunktelefone mit Kamerafunktion und das Internet, das die nahezu unbeschränkte Verbreitung der Bilder ermögliche, identifiziert; vgl. Hegemann in: FS Raue 2006, S.  451. 357  2019 wurden wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildauf­ nahmen 530 Personen abgeurteilt (470 davon männlich) und 393 Personen verurteilt (361 davon männlich) https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-­ Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300197004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  32 f. 358  BVerfG, NJW 2020, S.  2531 ff. – „Ebola-Virusverdächtiger“. 359  Bereits im Jahr 2001 wurde die Schaffung eines neuen Straftatbestandes durch einen Ent­

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

teratur360 nach einer Verstärkung des Strafrechtsschutzes um die Jahrtausendwende immer lauter werden ließen.361 Die Ungleichbehandlung des Schutzes der Vertrau­ lichkeit des Wortes nach §  201 StGB und dem bis dato nicht existenten strafrecht­ lichen Schutzes der unbefugten Bildaufnahme sei nicht länger hinnehmbar.362 1. Die erste Fassung des §  201a StGB vom 06.08.2004 Während beim Gesetzgeber über die Notwendigkeit der Einführung einer neuen Strafrechtsnorm schnell Einigkeit bestand, war deren konkrete Ausgestaltung zu­ nächst umstritten363, ehe man sich im Februar 2004 auf einen fraktionsübergreifen­ den Gesetzesentwurf einigte.364 Dieser legte die Einschätzung des Rechtsausschus­ ses des Bundesrates zugrunde, wonach das neue Strafgesetz das Rechtsgut des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ – und nicht etwa den (weiter gefassten) „per­ sönlichen Lebensbereich“365 – schützen solle, welchen die Begründung mit der In­ timsphäre zunächst gleichsetzt,366 gleichwohl Spekulationen über ein weiteres Ver­ ständnis über die Miteinbeziehung „bestimmte[r] Tatsachen aus dem Familienleben“ zulässt. Die direkte Verwendung des Begriffs „Intimsphäre“ wurde jedenfalls des­ halb vermieden, weil befürchtet wurde, dass hierunter sprichwörtlich nur Sachver­ halte mit Sexualbezug verstanden werden, während der Anwendungsbereich der In­ schließungsantrag des Landes Baden-Württemberg im Bundesrat zur Ausdehnung des strafrechtli­ chen Schutzes vor sexuellen Übergriffen angeregt; vgl. BR-Drs. 158/01, ferner van Bergen, S.  138 ff.; um dieselbe Zeit wies der Bundesbeauftragte für Datenschutz in seinem 18. Tätigkeitsbericht vom 13.03.2001 erstmals auf die Dringlichkeit hin, die Veröffentlichung heimlicher Bildaufnahmen un­ ter Strafe zu stellen; vgl. BT-Drs. 14/5555, S.  22, 57; hierzu Eisele JR 2005, S.  6; interessanterweise ging der Bundesbeauftragte hierbei aber offenbar davon aus, dass keine strafrechtliche Vorschrift zum Schutz vor der Veröffentlichung von Personenaufnahmen (§  33 KUG) bestehe; hierzu Kächele, S.  47. Infolge der Terroranschläge am 11.09.2001 in New York wurden die Diskussion um die Geset­ zesentwürfe der 14. Legislaturperiode zurückgestellt. Durch die erneute Forderung des Bundesda­ tenschutzbeauftragten in der 15. Legislaturperiode wurde die Thematik wieder zur Tagesordnung; vgl. hierzu van Bergen, S.  138 f.; Pollähne, KritV 2003, S.  387; Kächele, S.  48. 360  Peglau, ZRP 1998, S.  250; Pollähne, KritV 2003, S.  389 ff.; deutlich früher bereits Schünemann, ZStW 90 (1978), S.  33. 361 Rechtsvergleichend Hoppe, GRUR 2004, S.  991; Kächele, S.  153 ff.; Linkens, S.  195 ff. Zu den Erwägungen im AE-StGB von 1971 und dem ebenfalls ausgebliebenen Neuerungen bei der Großen Strafrechtsreform Eisele, JR 2005, S.  6; vgl. ferner Kargl, ZStW 117 (2005), S.  325 ff.; Ar. Koch, GA 2005, S.  590 f. 362  BT-Drs. 15/2466, S.  4. 363  Die verschiedenen Initiativen in der 14. und der 15 Legislaturperiode werden erschöpfend besprochen bei Häger, S.  104 ff.; Hengst, S.  79 ff.; Kächele, S.  47 ff.; Kraenz, S.  117 f.; Linkens, S.  53 ff.; Sauren, ZUM 2005, S.  427 f.; Wendt, AfP 2004, S.  182. 364  BT-Drs. 15/2466. 365  Vgl. BT-Drs. 15/2466, S.  5; der inhaltlich weitere Begriff des „persönlichen Lebensbereichs“ findet sich in §  68a I StPO, 171b I S.  1 GVG. Geschützt wird über die Intimsphäre hinaus derjenige (Privat-)Bereich, der jedermann zur Entfaltung seiner Persönlichkeit gewährleistet werden muss. Dazu gehören insbesondere private Eigenschaften und Neigungen des Zeugen, sein Gesundheits­ zustand, politische und religiöse Überzeugungen sowie Tatsachen aus dem Familien- oder Sexual­ leben; vgl. Meyer-Goßner, §  68a StPO, Rn.  4; MüKo StPO/Maier, §  68a StPO, Rn.  8. 366  BT-Drs. 15/1891, S.  7; 15/2466, S.  5; vgl. hierzu van Bergen, S.  139.

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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timsphäre auch noch weitere Gesichtspunkte wie etwa Tod, Krankheit oder be­ stimmte Momente der inneren Gedanken- und Gefühlswelt umfassen könne.367 Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Interpretation der Intimsphäre ausdrücklich auf die ergangene Einzelfalljudikatur zu §  23 KUG – also dem einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild – verweist.368 Dies erscheint gerade deshalb wichtig, weil das Strafrecht einer­ seits den Begriff des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ bislang nicht kannte369 und sich die Gesetzesentwürfe andererseits zum Verhältnis zwischen Recht am eige­ nen Bild und dem höchstpersönlichen Lebensbereich ausschweigen. Dieser un­ scheinbare Verweis lässt aber bereits vermuten, dass das (einfachgesetzliche) Recht am eigenen Bild keine untergeordnete Rolle für den Abbildungsschutz im Kernstraf­ recht spielen kann. Nach geringfügigen Änderungen wurde diese Fassung am 6. August 2004 durch das Gesetz zum Schutz des höchstpersönlichen Lebens- und Geheimbereiches gegen unbefugte Bildaufnahmen (36. StrÄndG) in dem 15. Abschnitt des StGB als neuer §  201a StGB370 zu geltendem Recht und lautete: „§  201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (1) Wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick be­ sonders geschützten Raum befindet, unbefugt Bildaufnahmen herstellt oder überträgt und dadurch deren höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer eine durch eine Tat nach Absatz  1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. (3) Wer eine befugt hergestellte Bildaufnahme von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, wissentlich unbefugt einem Dritten zugänglich macht und dadurch deren höchstpersönlichen Lebens­ bereich verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. (4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, wie der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. §  75a ist anzuwenden.“

Neu war im Blick auf den bestehenden strafrechtlichen Bildnisschutz in §  33 KUG in erster Linie, dass nunmehr bereits die Herstellung einer Personenaufnahme im be­ stimmten Kontext strafbar wurde. Während die Schaffung eines neuen Straftat­ bestands, welcher die modernen Gegebenheiten zum Umgang mit Personenbildern berücksichtigte, in der Lehre grundsätzlich begrüßt wurde, bot dessen konkrete Aus­ 367 

BT-Drs. 15/2466, S.  4 f. BT-Drs. 15/1891, S.  7; der Verweis findet sich hingegen beim fraktionsübergreifenden Geset­ zesentwurf in BT-Drs. 15/2466, S.  4 nicht mehr, wenngleich in diesem Zusammenhang auch auf den Bundesratsentwurf verwiesen wird. 369  Flechsig, ZUM 2004, S.  609; Hegemann, in: FS Raue 2006, S.  454; Hoyer, ZIS 2006, S.  1; Ar. Koch, GA 2005, S.  595 f.; Kühl, AfP 2004, S.  196; Murmann, in: FS Maiwald 2010, S.  587 f.; Rahmlow, HRRS 2005, S.  90; Tillmanns/Führ, ZUM 2005, S.  444; vgl. ferner Mengler, ZRP 2019. S.  225. 370  36. StrÄndG v. 30.07.2004, BGBl. I, S.  2012. 368 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

gestaltung in §  201a StGB a. F. (2004) Anlass zu breitgefächerter Kritik.371 Diese kam im Wesentlichen aus drei Richtungen: Zunächst wurde die hinreichende Bestimmtheit der einzelnen Tatbestandsmerk­ male als bunter Strauß unterschiedlichster Deutungsmöglichkeiten, allen voran des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“372, aber auch die Lückenhaftigkeit der Rege­ lung im Einzelfall – etwa bei Unfallopfern373 oder bei Fotografien unter den Rock374  – in Frage gestellt. Ferner bestand grundsätzlicher Klärungsbedarf hinsichtlich des Normcharakters von §  201a StGB. So war nicht klar, ob sich die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs stets aus dem Inhalt der Bildaufnahme, oder, ob diese sich viel um­ fassender aus der Herstellung unabhängig vom resultierenden Bildinhalt – oben als der Weg zum Bild bezeichnet375 – ergeben müsse.376 Schließlich wurde bereits früh der Vorwurf einer mangelnden Abstimmung des §  201a StGB zum einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG und insbesondere dessen strafrechtlichen Schutzes durch §  33 KUG laut.377 Beson­ 371  Si. Beck, MMR 2008, S.  77; Borgmann, NJW 2004, S.  2133; Bosch, JZ 2005, S.  377; ders., JA 2009, S.  308; Eisele, JR 2005, S.  6; Ernst, NJW 2004, S.  1277; Flechsig, ZUM 2004, S.  605; Gola, RDV 2004, S.  215; Hegemann, in: FS Raue 2006, S.  445; Heinker, AfP 2008, S.  573; B. Heinrich, ZIS 2011, S.  417; Hesse, ZUM 2005, S.  432; Heuchemer/Paul, JA 2006, S.  616; Hilgendorf/C. Wolf, K&R 2006, S.  541; Hoppe, GRUR 2004, S.  990: Hoyer, ZIS 2006, S.  1; Kächele, S.  55 ff.; Kargl, ZStW 117 (2005), S.  324; Ar. Koch, GA 2005, S.  589; Kühl, in: Schünemann-Symposium 2005, S.  211; ders., AfP 2004, S.  190; Lagardère/Fink, HRRS 2008, S.  247; Linkens, S.  53 ff.; Mitsch, in: FS Schwind 2006, S.  603, 618 f.; ders., JURA 2006, S.  117; Murmann, in: FS Maiwald 2010, S.  585; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, S.  436; Rahmlow, HRRS 2005, S.  84; Sauren, ZUM 2005, S.  425; Schertz, in: FS Damm 2005, S.  214; ders., AfP 2005, S.  421; A. Schmitz, S.  115 ff.; Tillmanns/Führ, ZUM 2005, S.  441; Vahle, DVP 2004, S.  494; Wendt, AfP 2004, S.  181; Wolter, in: Schünemann-Symposium 2005, S.  225; zweifelnd bzgl. Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit hingegen Kraenz, S.  158. 372  Si. Beck, MMR 2008, S.  78; Borgmann, NJW 2004, S.  2134; Bosch, JZ 2005, S.  379: „sinn­ entleerte Kompromissformel“; Eisele, JR 2005, S.  9; Flechsig, ZUM 2004, S.  610; Gola, RDV 2004, S.  216; Hegemann, in: FS Raue 2006, S.  443 f.; Heinker, AfP 2008, S.  575; B. Heinrich, ZIS 2011, S.  418; Hengst, S.  148; Heuchemer/Paul, JA 2006, S.  618 f.; Hilgendorf/C. Wolf, K&R 2006, S.  547; Hoppe, GRUR 2004, S.  995; Hoyer, ZIS 2006, S.  3; Kargl, ZStW 117 (2005), S.  336 f.; Kächele, S.  92 ff.; Kühl, AfP 2004, S.  192 f.; ders. in: Schünemann-Symposium 2005, S.  211, 222 f.; ders., in: FS Schöch 2010, S.  433 f.; Linkens, S.  64 ff.; Mitsch, FS Schwind 2006, S.  608; ders., JURA 2006, S.  119; Murmann, in: FS Maiwald 2010, S.  587 ff.; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, S.  436; Schertz, AfP 2005, S.  427; Sauren, ZUM 2005, S.  429 f., 432; Tillmanns/Führ, ZUM 2005, S.  444; S. Vogel, ZUM 2005, S.  449; Wendt, AfP 2004, S.  188 f.; vgl. hierzu ferner das Interview mit der damaligen Justizministerin Baden-Württembergs Werwigk-Herneck in: ZRP 2003, S.  293. 373  Eisele, JR 2005, S.  11; Ar. Koch, GA 2005, S.  598; Sauren, ZUM 2005, S.  429; vgl. auch Flechsig, ZUM 2004, S.  613; Schertz, AfP 2005, S.  427; Kühl, AfP 2004, S.  195; Mitsch, in: FS Schwind 2006, S.  606 f.; Murmann, in: FS Maiwald 2010, S.  697 f.; A. Schmitz, S.  117. 374  Murmann, in: FS Maiwald 2010, S.  594; Rahmlow, HRRS 2005, S.  88; a. A. Flechsig, ZUM 2004, S.  610. 375  Vgl. hierzu Kap.  2, B., II., 3., a), aa) und Kap 2., B., III. 376  Hoyer, ZIS 2006, S.  1 f.; Rahmlow, HRRS 2005, S.  93; Bosch, JA 2009, S.  309; Borgmann, NJW 2004, S.  2134 f.; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, S.  439 f.; vgl. auch Si. Beck, MMR 2008, S.  80; Flechsig, ZUM 2004, S.  611; Ar. Koch, GA 2005, S.  602; Sauren, ZUM 2005, S.  430. 377  Borgmann, NJW 2004, S.  2135; Bosch, JZ 2005, S.  381 f.; Eisele, JR 2005, S.  11; Jochum,

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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ders deutlich wurde dies unter anderem am fehlenden Äquivalent zu §  23 KUG im Sinne einer Regelung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen und den hiermit einhergehenden Befürchtungen zur Aushebelung der Pressefreiheit.378 Bemerkens­ wert bleibt in diesem Zusammenhang, dass die Übertragung des §  23 KUG als Rechtfertigungsgrund für 201a StGB bei journalistischen Tätigkeiten im Sinne des Ultima-Ratio-Prinzips des Strafrechts379 nach dem Grundsatz „was das Zivilrecht  – sogar bei der schwerwiegenderen Veröffentlichung – erlaubt, kann das Strafrecht nicht verbieten“, nirgends zumindest diskutiert wurde.380 Ferner wurde §  201a StGB a. F. gem. §  205 I StGB a. F. als reines Antragsdelikt, in seiner ersten Fassung im Gegensatz zu §  33 KUG allerdings nicht als Privatklagedelikt ausgestaltet. 2. Erste Novelle und zweite Fassung des §  201a StGB vom 27.01.2015 Rund zehn Jahre nach dessen Einführung wurde §  201a StGB erstmals durch das 49.  Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21.01.2015381 reformiert und dabei erheblich verschärft.382 Hierzu sah sich der Gesetzgeber maßgeblich aus drei Beweggründen veranlasst: Allen voran sollte durch die Novelle ein „Signal gegen das immer stärker um sich greifende Cyber-Mobbing gesetzt werden“ 383. Da zwischenzeitlich die omnipräsen­ ten sozialen Netzwerke im Internet eine nicht mehr hinwegzudenkende Rolle für die NJW-Editorial, Heft 25/2004; Sauren, ZUM 2005, S.  431; Schertz, in: FS Damm 2005, S.  228; ders., AfP 2005, S.  427. 378  Hegemann, in: FS Raue 2006, S.  457 f.; Hengst, S.  141; Hesse, ZUM 2005, S.  435 f.; Hoppe, GRUR 2004, S.  993; Obert/Gottschalck, ZUM 2005, S.  437, 440 f.; A. Schmitz, S.  119 f.; Tillmanns/ Führ, ZUM 2005, S.  441 ff.; Wendt, AfP 2004, S.  189 f.; Wolter, in: Schünemann-Symposium 2005, S.  234; vgl. ferner Flechsig, ZUM 2004, S.  607, 613 f., 617 m. w. N.; krit. Ar. Koch, GA 2005, S.  604; Kühl, AfP 2004, S.  197; Sauren, ZUM 2005, S.  431; Schertz, in: FS Damm 2005, S.  231 f.; ders., AfP 2005, S.  428; vgl. hierzu ausführlich B. Heinrich, FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-­ Universität zu Berlin 2010, S.  1256 ff.; ders., ZIS 2011, S.  418. 379 Vgl. B. Heinrich, ZIS 2011, S.  417. 380  Es kann nur vermutet werden, dass dies mit den beschriebenen Unsicherheiten bzgl. des – möglicherweise gespaltenen – Normcharakters von §  201a StGB zusammenhing. Hegemann, in: FS Raue 2006, S.  458 f., sieht zwar den Widerspruch zu §  23 KUG, geht aber dann davon aus, dass man dessen Gedanken mangels gesetzlicher Regelung in §  201a StGB nicht übertragen könne. Entspre­ chendes gilt für §  24 KUG, hierzu schweigen sich etwa Lagardère/Fink, HRRS 2008, S.  247, bei ihren Ausführungen zum öffentlich-rechtlichen Verhältnis aus; zumindest wurde §  23 KUG in den Zusammenhang mit der Herstellung von Mitsch, FS Schwind 2006, S.  608, gestellt. 381  BGBl. I, S.  10, 14. 382  Am 12.09.2014 legte die Bundesregierung unter Federführung des BMJW einen Gesetzes­ entwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches (BT-Drs. 18/2601) vor, welcher die bestehenden Vor­ gaben der Konvention des Europarats zum Schutz von Kindern gegen sexuelle Ausbeutung sexuel­ len Missbrauch sowie Vorgaben der EU-Richtline zur Bekämpfung des sexuellen missbrauchs und der Kinderpornographie aus dem Jahre 2012 (verspätet) umsetzen sollte. Vorangegangen war dem Entwurf ein Gesetzesentwurf Bayerns v. 01.04.2014 (BR-Drs 127/14, Begr., S.  3 ff.). Zum Gesetz­ gebungsverfahren ausführlich Eisele/Sieber, StV 2015, S.  312 f.; Jahn/Ziemann, in: FS Kargl 2015, S.  229 ff.; zum rechtspolitischen Kontext Winkelmeier-Becker, ZRP 2014, S.  223. 383  BT-Drs. 18/2601, S.  37; zum Begriff und Phänomen des Cybermobbings vgl. Bachmann, NJ 2014, S.  406; Cornelius, ZRP 2014, S.  164 f.; umfassend Doerbeck, S.  69 ff., 136 f.; ferner Hohen-

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

eigene soziale Identität(sdarstellung) und das soziale Miteinander innerhalb der Ge­ sellschaft spielten384, rückten die hiermit verbundenen Möglichkeiten zur Verlet­ zung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die Agenda des Gesetzgebers.385 Ferner sah sich der Gesetzgeber befeuert durch die öffentlichkeitswirksame, sog. „Edathy-Affäre“386 in der Pflicht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht Minderjähri­ ger nunmehr schon dann dem strafrechtlichen Schutz zu unterstellen, wenn von ih­ nen nichtpornographische – und somit nicht bereits von §§  184b, 184c StGB erfass­ te  – Nacktaufnahmen hergestellt oder gegen Entgelt gehandelt werden.387 Schließlich erweiterte der Gesetzgeber den Schutzbereich des §  201a StGB auch auf Personen, die sich infolge ihrer Hilflosigkeit nicht gegen eine Bildaufnahme wehren können, die ihre Hilflosigkeit zur Schau stellt.388 Insgesamt wurde das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe des §  201a StGB von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht. Ferner wurde §  201a StGB nunmehr nach §  205 I 2 StGB als relatives Antragsdelikt ausgestaltet389 und die Tathandlungen der stein, S.  268 f.; Jülicher, NJW 2019, S.  2801 ff.; Leffler, S.  110; Woltmann, in: FG RobotRecht 2020, S.  495 ff. 384  Vgl. bereits Einführung, A., II.; vgl. ferner Doerbeck, S.  80 f. 385  Vgl. hierzu S.  103 des Koalitionsvertrags CDU, CSU und SPD zur 18. Legislaturperiode: „Das Strafrecht passen wir […] an das digitale Zeitalter an. Wir schließen Schutzlücken und syste­ matisieren die bisher verstreut geregelten datenbezogenen Strafvorschriften.Wir verbessern den strafrechtlichen Schutz vor Beleidigungen in sozialen Netzwerken und Internetforen (­Cybermobbing und Cybergrooming), da die Folgen für die vor einer nahezu unbegrenzten Öffentlichkeit diffamier­ ten Opfer besonders gravierend sind“, abrufbar unter https://www.cdu.de/sites/default/files/media/ dokumente/koalitionsvertrag.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 386  Als „Edathy-Affäre“ werden die Ereignisse und gesellschaftspolitischen sowie juristischen Debatten bezeichnet, die Ende Januar 2014 durch ein Ermittlungsverfahren gegen den Bundestags­ abgeordneten Sebastian Edathy ausgelöst wurden. Dieser geriet in den Verdacht, sich kinderporno­ graphisches Material aus dem Internet heruntergeladen zu haben, nachdem die Staatsanwaltschaft bei dem LG Hannover im Rahmen einer Pressekonferenz am 14.02.2014 verlauten ließ, dieser habe (wohl nicht nach §  184b StGB strafbare) Bilder unbekleideter Jungen im Alter zwischen 9 und 14 Jahren besessen. Mit der schließlich am 15.07.2014 bei dem LG Verden eingegangenen Anklage­ schrift wurde ihm dann vorgeworfen, in der Zeit vom 01.-10.11.2013 an sechs Tagen über seinen Bundestagslaptop kinderpornographische Bild- und Videodateien aus dem Internet heruntergela­ den zu haben. Zudem solle er einen Bildband und eine CD mit jugendpornographischen Inhalten besessen haben. Nach einem Geständnis stellte das LG Verden das Verfahren gegen eine Zahlung i. H. v. 5.000  € an den Kinderschutzbund Niedersachsen gem. §  153a StPO ein. Hierzu: https://www. nwzonline.de/politik/edathy-muss-5000-euro-an-kinderschutzbund-zahlen_a_24,0,2075557604. html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) Die Ermittlungen führten im Bereich des Sexualstrafrechts zur Diskussion, inwieweit das Verschaffen bzw. der Besitz von Posing-Bildern strafbar ist und wie etwaige Strafbarkeitslücken geschlossen werden könnten; vgl. zu den unterschiedlichen Initiativen Eisele/Sieber, StV 2015, S.  312, Fn.  6. Ferner führte die Affäre zum Rücktritt eines Bundesministers und der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses; vgl. hierzu BT-Drs. 18/1475 und BT-Drs. 18/1948; zur „Edathy-Affäre“ Jahn/Ziemann, in: FS Kargl 2015, S.  227 f.; vgl. ferner Gercke, CR 2014, S.  687, und (nur hinsichtlich §§  184b, 184c StGB) Titz, DRiZ 2014, S.  278, welche von einem „Lex Edathy“ sprechen; ferner Hoven, NStZ 2014, S.  361 ff.; Krause, MMR 2016, S.  666. 387  BT-Drs. 18/2601, S.  36 f. 388  Vgl. BT-Drs. 18/3202 (neu), S.  28. 389  Die Strafverfolgung bleibt somit bei fehlendem Strafantrag des Opfers möglich, wenn die

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ersten beiden Absätze wurden nach §  374 I Nr.  2a StPO in den Kreis der Privatklage­ delikte aufgenommen. Die zweite Fassung von §  201a StGB trat am 27.01.2015 in Kraft und lautete: „§  201a StGB – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (1)  Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick beson­ ders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, 2. eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbe­ fugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, 3. eine durch eine Tat nach den Nummern 1 oder 2 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder 4. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den höchst­ persönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die ge­ eignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Per­ son zugänglich macht. (3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildauf­ nahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, 1. herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder 2. sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft. (4) Absatz  1 Nummer  2, auch in Verbindung mit Absatz  1 Nummer  3 oder Nummer  4, Absatz  2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter In­ teressen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. (5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. §  74a ist anzuwenden.“

Die ersten drei Absätze des §  201a StGB a. F. von 2004 wurden damit im Wesent­ lichen in §  201a I Nr.  1, 3 und 4 StGB von 2015 überführt.390 Es fällt ins Auge, dass die drei neu geschaffenen Tatbestände zum Schutz gegen Cybermobbing (§  201a II StGB), zum Schutz von Minderjährigen gegen Nacktaufnahmen (§  201a III StGB) und zum Schutz von hilflosen Personen (§  201a I Nr.  2 StGB) nicht (wie die bisheri­ gen Begehungsvarianten des §  201a StGB a. F. von 2004) an einen konkreten abge­ schiedenen Standort des Abgelichteten anknüpfen. Während §  201a StGB a. F. von 2004 ausschließlich Personen vor Bildaufnahmen schützte, die sich zur Zeit der Auf­ nahme „in einer Wohnung oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum“ befanden, wurde dieses räumliche Erfordernis bei allen Erweiterungen nicht Staatsanwaltschaft wegen des besonderen öffentlichen Interesses ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält; hierzu R. Busch, NJW 2015, S.  978. 390  Vgl. hierzu auch BT-Drs. 18/3202 (neu), S.  28.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

für nötig erachtet. Wohl zum Ausgleich391 für dieses weite Anwendungsfeld, welches sich aus der fehlenden Begrenzung der neuen Erweiterungen ergibt, etablierte der Gesetzgeber für diese neuen Tatbestände im vierten Absatz die bereits lang geforder­ te Relativierung durch die sog. Sozialadäquanzklausel392 zur Wahrnehmung berech­ tigter Interessen. Diese bezieht sich ausdrücklich nicht auf die in §  201a I Nr.  1 StGB fortgeltenden Begehungsvarianten (und deren Verbindungen mit §  201a I Nr.  3, 4 StGB), welche an einen konkret abgeschiedenen Standort des Opfers – Wohnung oder gegen Einblick besonders geschützter Bereich – anknüpfen. Dabei ist bis heute umstritten, ob der Gesetzgeber mit dem vierten Absatz einen besonderen Rechtferti­ gungsgrund schaffen wollte, oder ob bei einem sozialadäquaten Bild bereits der Tat­ bestand des §  201a StGB ausgeschlossen sein soll. Die Erweiterung der Norm zum Schutz hilfloser Abgebildeter in §  201a I Nr.  2 StGB sowie die Etablierung der Sozialadäquanzklausel in §  201a IV StGB von 2015 zeigen, dass sich der Gesetzgeber bestehender Kritik zur Erstfassung in Teilen ange­ nommen hat.393 Zum einen bestehen aber maßgebliche Fragen weiter fort, welche die Etablierung des §  201a StGB in 2004 aufgeworfen hat. Dies gilt insbesondere für den Normcharakter und die hiermit verbundenen Fragen der Bestimmung des höchst­ persönlichen Lebensbereichs sowie dem Verhältnis zum (verfassungsrechtlichen wie einfachgesetzlichen) Recht am eigenen Bild. Zum anderen hat der Tatbestand durch die einzelnen Erweiterungen ein nicht unerhebliches Maß an Unsicherheiten hin­ sichtlich der Bestimmbarkeit der neuen Tatbestandsmerkmale394 hinzugewonnen, wobei man den Eindruck gewinnt, dass die frühe Kritik am Referenten-395 und Re­ gierungsentwurf396 durch die Literatur – insbesondere in den Sachverständigenan­ hörungen397 – Schlimmeres verhindern konnte. 391 

So SK/Hoyer, §  201a StGB, Rn.  3. der von Welzel, ZStW 58 (1939), S.  514 ff., geprägten Lehre von der sozialen Adäquanz ausführlich Roxin/Greco, AT I, §  10, Rn.  33 ff.; vgl. ferner Knauer, ZStW 126 (2014), S.  844 ff. und Ruppert, S.  25 ff. 393  So wohl auch Heiß, S.  261. 394  Dies gilt insbesondere für die Zurschaustellung der Hilflosigkeit auf einer Bildaufnahme in §  201a I Nr.  2 StGB oder der erheblichen Ansehensschädigung in §  201a II StGB; vgl. hierzu Bosch, JURA 2016, S.  1384 f.; R. Busch, NJW 2015, S.  978 f.; Eisele/Sieber, StV 2015, S.  313 ff.; Gercke, CR 2014, S.  690; Mavany, AfP 2017, S.  479 ff. 395  Nach dem RefE sollte nach §  201a I S.  2 StGB bestraft werden, „wer unbefugt eine bloßstel­ lende Bildaufnahme von einer anderen Person oder unbefugt eine Bildaufnahme von einer unbe­ kleideten anderen Person herstellt oder überträgt“. Insbesondere das Merkmal der „bloßstellenden Bildaufnahme“ wurde mangels Bestimmbarkeit erheblich kritisiert; vgl. Titz, DRiZ 2014, S.  280; Wieduwillt, K&R 2014, S.  631; vgl. ferner die Stellungnahmen des deutschen Richterbunds v. 14.07.­ 2014, https://www.drb.de/positionen/stellungnahmen/stellungnahme/news/1214 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) und des Deutschen Anwalt Vereins 27.06.2014, https://anwaltverein.de/de/news room (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. hierzu Mavany, AfP 2017, S.  480. 396  Der RegE sah etwa die Pönalisierung jeglichen Herstellens von Nacktaufnahmen in §  201a I StGB und deren Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung in §  201a II StGB vor; vgl. BTDrs. 18/­2601, S.  10, 36; hierzu auch Eisele/Sieber, StV 2015, S.  316; krit. zum RegE Gercke, CR 2014, S.  687 ff.; ferner Jahn/Ziemann, in: FS Kargl 2015, S.  232 ff. 397  Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss, 392  Zu

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Insbesondere wurde die fehlende Abstimmung mit dem einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild trotz ausdrücklicher Hinweise398 weiter ignoriert und sogar vertieft, zumal sich mit der Etablierung der Sozialadäquanzformel in §  201a IV StGB nun­ mehr die Übertragung der Grundsätze des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild in §  23 KUG geradezu aufdrängen.399 Dass eine solche Abstimmung aber schon 2015 erheblichen Mehrwert mit sich gebracht hätte, zeigt die zeitgleich einsetzende Unsicherheit bzgl. fotorealistischer Grafiken, die von Bildaufnahmen im Sinne des §  201a StGB nicht mehr zu unterscheiden sind.400 3. Zweite Novelle und dritte Fassung von §  201a StGB vom 01.01.2021 sowie angepasste Fassung vom 22.09.2021 Kaum ein Jahr nach Inkrafttreten der Neufassung des §  201a StGB von 2015 legten die Landesregierungen von Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin am 04.05.2016 dem Bundesrat einen Entwurf zur Änderung des StGB – Effektive Bekämpfung von sog. „Gaffern“ sowie Verbesserung des Schutzes des Persönlich­ keitsrechts von Verstorbenen401 vor, welcher auch auf eine erneute Novelle des §  201a StGB abzielte. Zum einen müsse hiernach verhindert werden, dass Schaulus­ tige Rettungsarbeiten bei schweren Unfällen behindern, indem diese das Geschehen mit ihren „mobilen Telefonen“ fotografisch festhalten.402 Zum anderen gelte es „den strafrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen zu ver­ bessern“.403 Um „dem hohen Rechtsgut des höchstpersönlichen Lebensbereichs […] S.  22 ff., abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/425524/a950a0666f21cb3e7b7f1771 18dec89b/eisele-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); verhaltener hinsichtlich der Bedenken Hörnle, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss, S.  11 f., abrufbar unter: ­https://www.bundestag.de/resource/blob/338850/f0532cb0f8b2a123177e9f837ccd5f69/hoernle-­data. pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. zum Ausschus Heiß, S.  34 f. m. w. N.; ferner zum Einfluss der Sachverständigen für das Gesetzgebungsverfahren Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/­2015, Anm.  2, C. 398  Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss, S.  24, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/425524/a950a0666f21cb3e7b7f1771 18dec89b/eisele-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 399  Bosch, JURA 2016, S.  1381; Eisele/Sieber, StV 2015, S.  317 f.; Häger, S.  127; Heiß, S.  262; Wieduwillt, K&R 2015, S.  85. 400  Gercke, CR 2014, S.  690. 401  BR-Drs. 226/16, S.  1. Als Gaffer werden nach Hunsicker/Belz, jM 2016, S.  160, „extrem schaulustige und neugierige Verkehrsteilnehmer bezeichnet, die zur Befriedigung ihrer Sensations­ gier gewillt sind, den Einsatz der Polizei und von Hilfs- und Rettungsdiensten bei der Bewältigung von Verkehrsunfällen oder bei der Beseitigung von Verkehrshindernissen zu behindern und sogar weitere Unfälle zu provozieren“. Heiß, S.  37, Fn.  87, schränkt diese Definition auf Personen ein, „die extrem schaulustig und neugierig agieren und zur Befriedigung der eigenen Sensationsgier gewillt sind, in Rechtspositionen Dritter einzugreifen, indem sie diese beobachten oder mit Hilfe techni­ scher Geräte optisch aufzuzeichnen“. 402  BR-Drs. 226/16, S.  1; vgl. ferner Gasch/L. Weber, Kriminalistik 2017, S.  571 ff.; Havliza, DRiZ 2018, S.  86 f.; Pistorius, ZRP 2016, S.  158; krit. Nehm, ZRP 2016, S.  158. 403  BR-Drs. 226/16, S.  1. Dass dem Verstorbenen gerade das allgemeine Persönlichkeitsrecht freilich nicht mehr zusteht, scheint hierbei nicht bedacht worden zu sein.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

auch postmortal Rechnung“ zu tragen, sollten die ersten beiden Absatze von §  201a StGB auch auf Verstorbene ausgeweitet und die Überschrift des §  201a StGB ge­ ändert werden.404 Zudem sah der Entwurf die Versuchsstrafbarkeit für alle Be­ gehungsarten vor.405 Speziell für die neue Gaffer-Sanktionsnorm wurde dies damit begründet, dass die Strafbarkeit nicht davon abhängen könne, ob die Anfertigung der Aufnahme beispielsweise durch rechtzeitiges Einschreiten der Rettungskräfte ver­ hindert würde. Darüber hinaus würde die Versuchsstrafbarkeit in Fällen, in denen die tatsächliche Anfertigung der Aufnahme durch Dritte oder durch technische De­ fekte verhindert wurde die Einziehung der Tatmittel zulassen, was der Norm zusätz­ liche generalpräventive Wirkung verleihe.406 Der Gesetzesentwurf wurde in der 945. Sitzung des Bundesrats dem Rechtsaus­ schuss federführend zugewiesen407 und am 03.08.2016 in unveränderter Form an den Bundestagspräsidenten zur Beschlussfassung übermittelt.408 Mit den Parlaments­ wahlen im September 2017 ist dieser Gesetzesentwurf jedoch dem Diskontinuitäts­ prinzip unterfallen.409 Daraufhin beschloss der Bundesrat am 02.03.2018 erneut eine inhaltlich gleichlautende Gesetzesinitiative.410 Nachdem die Bundesregierung ledig­ lich die sorgfältige Prüfung der Initiative zusagte411, sprach sie sich grundsätzlich für die Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes auf Verstorbene hinsichtlich der Her­ stellung und Verbreitung bloßstellender Aufnahmen aus.412 Dies veranlasste auch die Literatur, sich erneut mit den nach wie vor bestehenden Fragen des §  201a StGB, besonders allerdings im Lichte der neuen Gesetzesvorhaben hinsichtlich einer neuen Überschrift, des postmortalen Persönlichkeitsschutzes sowie der Versuchsstrafbar­ keit auseinanderzusetzen.413 404  BR-Drs. 226/16, S.  1 f., 5 f. Die Überschrift sollte nunmehr auf den „höchstpersönlichen Le­ bensbereich“ verzichten und in „Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Bildauf­ nahmen“ geändert werden. 405  BR-Drs. 226/16, S.  6. 406  BR-Drs. 226/16, S.  6. 407  Plenarprotokoll 945, S.  191; BR-Drs. 226/16 (Beschluss), S.  5. 408  BT-Drs. 18/9327, S.  5. 409  Heiß, S.  38; M. Lenk, KriPoZ 2019, S.  361. 410  Zur erneuten Einbringung BR-Drs. 41/18; BR-Drs. 142/19; BT-Drs. 19/1594; hierzu Preuß, ZIS 2018, S.  212 ff. 411  BT-Drs. 18/9327, S.  12. 412  BT-Drs. 19/1594, S.  10. 413  Van Bergen, S.  298 ff., welche sich sowohl gegen eine Überschriftsänderung als auch die Versuchsstrafbarkeit ausspricht und vorerst nur die Sanktionierung des „zur Schau Stellens“ Ver­ storbener i. S. d. Absatz  1 befürwortet; vgl. auch Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachver­ ständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, I., 1., 2., abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/eisele-sn-upskirt ing.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), welcher die Einbeziehung Verstorbener in den Anwen­ dungsbereich des §  201a StGB grundsätzlich befürwortet, gleichwohl die konkrete Regelung („grob anstößige Weise“) für zu unbestimmt hält und die mangelnde Abstimmung mit dem KUG erneut rügt; Gramlich/Lüdtke, MMR 2020, S.  664, kritisieren neben der mangelnden Abstimmung zum KUG den späten Zugriff der Norm bei Verstorbenen (erst bei „grob anstößiger Weise“); Häger, S.  125 ff., 160, welcher sich nicht nur für die Streichung des Tatbestandsmerkmals der Verletzung

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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Ein hierzu ausgearbeiteter Referentenentwurf414 wurde schließlich mit dem – mitt­ lerweile ebenfalls öffentlichkeitswirksam diskutierten – Problem des sog. „Upskirt­ ings“415 im Regierungsentwurf zur zweiten Novelle des §  201a StGB zusammen­ geführt.416 Inhaltlich unterschieden sich der Referenten- und der Regierungsentwurf nur dadurch, dass letzterer in einer neuen Nr.  4 das Upskirting erfasste, wodurch die übrigen Ziffern (des Referentenentwurfs) um eine Stelle nach unten versetzt wurden. Hinsichtlich des Upskirtings setzten sich allerdings letztendlich diejenigen Stim­ men417 durch, welche eine Verortung im Sexualstrafrecht unter der eigenen Haus­ nummer des §  184k StGB für sachgemäßer erachteten, wonach die Nr.  4 wieder aus §  201a StGB gestrichen wurde. Unglücklicherweise wurden dabei alle sonstigen Nummern und Querverweise des §  201a StGB nicht auf diese Streichung angepasst.418 Durch das 59. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Per­ sönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen vom 09.10.2020419 wurde diese unangepass­ te Fassung des §  201a StGB dann zu geltendem Recht, welches am 01.01.2021 in Kraft getreten ist. Diese Ungereimtheiten wurden erst mit dem Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sog. Feindes­ listen, Strafbarkeit der Verbreitung und des Besitzes von Anleitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Verbesserung der Bekämpfung verhetzender Inhalte des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ in Absatz  1, sondern gleich auch für die Entfernung der Tatbestände des §  201a I Nr.  2, 4, II und III StGB ausspricht, dabei aber die Einführung einer Ver­ suchsstrafbarkeit befürwortet; Heiß, S.  261, spricht sich für eine Versuchsstrafbarkeit sowie den von den Entwürfen vorgesehenen postmortalen Persönlichkeitsschutz aus und kritisiert das Erfor­ dernis der Entgeltlichkeit in Absatz  3; Hohenstein, S.  287, welche sich einerseits kein Urteil hin­ sichtlich der Tauglichkeit §  201a StGB abringen lässt („bleibt abzuwarten“), andererseits aber auf S.  282 einen zeitgemäßen Rechtsschutz durch die Anpassung des KUG mittels dessen Erstreckung auf die Herstellung von Bildnissen herstellen möchte; M. Lenk, KriPoZ 2019, S.  364, spricht sich gegen eine Versuchsstrafbarkeit aus und gibt ferner zu bedenken, dass der postmortale Persönlich­ keitsschutz graduell weniger schutzwürdig erscheine als das allgemeine Persönlichkeitsrecht leben­ der Personen, durch §  201a StGB numehr auf strafrechtlicher Ebene aber (inkohärenterweise) gleichgestellt werde. Zudem stellt M. Lenk die Erstreckung des zweiten Absatzes (Zugänglichma­ chen) auf Verstorbene infrage und schlägt schließlich eine „schlanke“ Lösung über eine entspre­ chende Anwendung des §  201a I S.  1 Nr.  2 StGB (Hilflosigkeit) für Verstorbene vor; Preuß, ZIS 2018, S.  215, 217, begrüßt die weitestgehende Absicherung des postmortalen Persönlichkeitsschutz durch das Strafrecht und wohl auch die Versuchsstrafbarkeit; T. Walter, ZRP 2020, S.  16, bemängelt den Standort der „Toten-Alternative“ und befürwortet deshalb diese als Ergänzung des §  189 StGB zu platzieren. Ferner hält dieser den ersten Absatz in der (noch heute geltenden) Fassung des RegE („in grob anstößiger Weise“) für verfassungswidrig unbestimmt und die Erstreckung des zweiten Absatzes (zugänglich machen) auf Verstorbene angesichts der bereits bestehenden Regelung durch das KUG für hinterfragenswert. 414  https://www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Persoenlich keitsschutz_Verstorbene.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); hier­ zu M. Lenk, KriPoZ 2019, S.  361 ff. 415  Hierzu sogleich Kap.  2, C., III. 416  BT-Drs. 19/17795. 417  Vgl. BT-Drs. 19/20668, S.  14 f.; hierzu sogleich Kap.  2, C., III. 418  Vgl. hierzu Freudenberg, ZRP 2021, S.  72. 419  BGBl. I, S.  2075.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

sowie Bekämpfung von Propagandamitteln und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vom 14.09.2021420 ausgebessert. Dieses trat zum 22.09.2021 in Kraft. Damit lautet die geltende Fassung: „§  201a – Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick beson­ ders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, 2. eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbe­ fugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, 3. eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt, 4. eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder 5. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Num­ mern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die ge­ eignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Per­ son zugänglich macht. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bild­ aufnahme von einer verstorbenen Person. (3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildauf­ nahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat, 1. herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder 2. sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft. (4) Absatz  1 Nummer  2 und 3, auch in Verbindung mit Absatz  1 Nummer  4 oder 5, Absatz  2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter In­ teressen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. (5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. §  74a ist anzuwenden.“

Somit hat der Gesetzgeber die Versuchsstrafbarkeit auch bei der zweiten Novelle nicht aus der Taufe gehoben. Die Änderung der Überschrift hängt mit der Einbezie­ hung Verstorbener zusammen, da deren höchstpersönlicher Lebensbereich als Teil des (auf Persönlichkeitsentfaltung gerichteten) allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht mehr berührt werden kann.421 Die neu hinzugefügten „Persönlichkeitsrechte“ in der Überschrift spielen damit auf das postmortale Persönlichkeitsrecht an.422 420 

BGBl. I, S.  4250. Vgl. BVerfGE 30, 173 (174) – „Mephisto“; BVerfG, NJW 2001, S.  2959 – „Wilhelm Kaisen“. 422 Vgl. van Bergen, S.  304; Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, I., ab­ 421 

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2021 insgesamt 8.952 Fälle erfasst.423 Die Bedeutung des §  201a StGB nimmt somit tendenziell zu.424 Diese Tendenz spiegelt sich auch in den jüngsten Strafverfolgungsstatistiken wi­ der.425 Dabei muss freilich bei den Erhebungen ab 2015 und den Daten ab 2021 be­ rücksichtigt werden, dass sich der Anwendungsbereich der Norm erweitert hat.426

III. §  184k StGB in der Fassung vom 01.01.2021 Angesichts der zunehmenden öffentlichen Wahrnehmung427 des Phänomens des sog. „Upskirtings“ sprach sich ein am 17.09.2019 von den Ländern Bayern, Baden-­ rufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/eisele-sn-upskirting.pdf (zuletzt aufge­ rufen am 01.06.2022); M. Lenk, KriPoZ 2019, S.  363. 423  PKS 2021, Schlüssel 670034, abrufbar unter https://www.bka.de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) Die Aufklärungsquote lag bei 85,2  % = 7.625 Fälle. 424  In der PKS 2020 wurden noch 9.233 Fälle (bei einer Aufklärungsquote von 84,5  % = 7.801 Fälle) erfasst; ähnlich wie bei §  33 KUG könnte dies u. a. mit der verstärkten Nutzung digitaler Medien im „Corona-Jahr“ begründet werden; PKS 2019: 7.530 Fälle (Aufklärungsquote 84,8  % = 6.729); PKS 2018: 7.292 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 85,2  % = 6.482); PKS 2017: 6.412 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 84,9  % = 5.442); PKS 2016: 5.875 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 84,3  % = 4.953); PKS 2015: 5.392 Fälle erfasst (Aufklärungsquote 86  % = 4.640). Alle Tabellen sind abrufbar unter https://www.bka.de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 425  2020 wurden wegen §  201a StGB 574 Personen abgeurteilt (507 davon männlich) und 437 Per­ sonen verurteilt (398 davon männlich), https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-­Rechtspflege/ Publikationen/Downloads-Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-2100300207004.pdf?__ blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  32 f.; 2019 wurden 530 Personen abge­ urteilt (470 davon männlich) und 393 Personen verurteilt (361 davon männlich), https://www.destatis. de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-Strafverfolgung-Strafvollzug/ strafverfolgung-2100300197004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  32 f.; 2018 wurden 495 Personen abgeurteilt (434 davon männlich) und 383 Personen verurteilt (332 davon männlich), https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz­-Rechtspflege/Publikationen/ Downloads-Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfolgung-­2100300187004.pdf?__blob=publication­ File (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  32 f.; 2017 wurden 453 Personen abgeurteilt (391 davon männlich) und 337 Personen verurteilt (296 davon männlich), https://www.destatis.de/DE/Themen/ Staat/Justiz-Rechtspf lege/Publikationen/Downloads-Strafverfolgung-Strafvollzug/strafverfol gung-­2100300177004.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), dort S.  32 f. 426  Vgl. hierzu van Bergen, S.  160, welche darauf hinweist, dass ein Anstieg der Erfassungszah­ len der PKS von 2010 zu 2015 um 135  % besteht. 427  Ausgangspunkt für die öffentliche Diskussion in Deutschland war wohl die Pönalisierung des Upskirtings in Grossbritannien im Jahr 2019, welcher eine Onlinepetition der Aktivistin Gina Martin, die Opfer eines solchen Upskirtings auf einem Musikfestival wurde, mit über 111.000 Un­ terschriften vorausging; https://www.thepetitionsite.com/de-de/takeaction/887/239/401/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Eine entsprechende Petition in Deutschland erreichte über 108.000 Un­ terschriften, vgl. https://www.change.org/p/verbietet-upskirting-in-deutschland (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), zur deutschen Petition vgl. Berghäuser, ZIS 2019, S.  465. Dass die britische Geset­ zesinitiative eine gewisse Vorbildfunktion hatte, zeigt sich etwa im Gesetzesantrag der Länder, welcher ausdrücklich ausführt, dass in Deutschland keine empirisch belegten Prävalenzdaten des Upskirtings vorliegen und man deshalb auf Berichte aus England und Wales verweisen musste, BRDrs. 443/19, S.  6, 12; vgl. hierzu ferner Eisele/Straub, KriPoZ 2019, S.  367; Gramlich/Lütke, MMR 2020, S.  665.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Saarland in den Bundesrat eingebrachter Gesetzesantrag für einen neuen Straftatbestand §  184k StGB-E aus, wonach sich strafbar machen sollte, wer „absichtlich eine Bildaufnahme des Intimbereichs einer anderen Person unbefugt herstellt, indem er unter deren Bekleidung fotografiert oder filmt […]“428. Die Wortschöpfung des Upskirtings erklärt sich dabei als Begriffs­ kombination des Herstellens von Bildaufnahmen, die (von unten) nach oben – engl. up – unter den Rock – engl. skirt – des Opfers erfolgen.429 Noch im selben Jahr brachte der Bundesrat den entsprechenden Gesetzesentwurf in den Bundestag ein.430 Dem folgten die Gesetzesentwürfe der Bundesregierung431 und der AfD-­ Fraktion432 im Jahr 2020, welche beide die Upskirting-Problematik an eine Reform des §  201a StGB angliederten.433 Durch den Regierungsentwurf434 wurde dem Upskirting das weitere Phänomen des sog. „Downblousings“ beigeordnet und insoweit (strafrechtlich relevante) Ver­ gleichbarkeit attestiert. Der Begriff Downblousing beschreibt die Herstellung unbe­ fugter Bildaufnahmen von der weiblichen Brust und setzt sich aus den Begriffen „nach unten“ (engl. down) und „Bluse“ (engl. blouse) zusammen.435 Der Bundestag befasste sich in seiner 170. Sitzung am 02.07.2020 mit den drei Gesetzesentwürfen 428  BR-Drs. 443/19. Dem ging ein (unbestimmter) Antrag der FDP-Fraktion am 25.06.2019 vor­ aus, welcher die BReg aufforderte, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, „der das unbefugte gezielte Anfertigung von Film- oder Bildaufnahmen intimer oder sexueller Bereiche einer Person unter Strafe stellt“, um damit „auch das sog. ‚Upskirting‘ unter Strafe zu stellen, vgl. BT-Drs. 19/11113. 429  Berghäuser, ZIS 2019, S.  463; Bonnin/Berndt, HRRS 2019, S.  450; Eisele/Straub, KriPoZ 2019, S.  367; Mengler, ZRP 2019, S.  224 beschreibt den Begriff des Upskirtings weiter als „Blick unter den Rock unter Verwendung technischer Hilfsmittel“. 430  BT-Drs. 19/15825. 431  BT-Drs. 19/17795. 432  BT-Drs. 19/18980. Bemerkenswert erscheint beim AfD-Fraktionsentwurf, dass dieser weit über die Problematik des Upskirtings hinausging: Dieser forderte nicht weniger als eine tiefgreifen­ de Reform des KUG, indem etwa bereits das Herstellen einer Bildaufnahme durch Personen „mit keinerlei persönlicher Beziehung“ zum Abgebildeten strafrechtlich sanktionierbar werden solle. Ferner solle hiernach die Bildaufnahme einer Person bei der Teilnahme an zulässigen politischen Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen einwilligungspflichtig werden, da solche in­ dividualisierenden Fotoaufnahmen einschüchternd und geeignet seien, „Menschen von der Wahr­ nehmung ihrer politischen Grundrechte“ abzuhalten. Die Veröffentlichung nach §  23 I Nr.  3 KUG solle aber gleichwohl im Falle der Berichterstattung möglich bleiben, vgl. hierzu S.  4. 433  Der (unbestimmte) Antrag der FDP-Fraktion von 2019 mit der Aufforderung zum Tätigwer­ den der BReg sprach sich ebenfalls für eine Reform des §  201a StGB aus; vgl. BT-Drs. 19/11113, S.  2; ein später in den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eingebrachter Änderungsantrag der FDP-Fraktion zum RegE sah ebenfalls die Reform des §  201a StGB vor; vgl. hierzu BT-Drs. 19/20668, S.  11. 434  Vgl. BT-Drs. 19/17795, S.  1, 3, sowie die Stellungnahme der BReg in BT-Drs. 19/15825, S.  20; krit. die Stellungnahme des BR hinsichtlich des hiernach ausreichenden Eventualvorsatzes; vgl. BT-Drs. 19/17795, S.  16; so auch Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, III., 3., a), bb., (2) und III., 3., b), abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/eisele-sn-­ upskirting.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 435 Vgl. Creifelds, Rechtswörterbuch, 25. Edition 2020. Der Wortschöpfung zufolge ist also pri­ mär das Fotografieren in den Ausschnitt gemeint.

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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sowie dem vorausgegangenen Gesetzesantrag der FDP-Fraktion und nahm auf die Empfehlung und den Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz436 im Grundsatz den Regierungsentwurf „zur Änderung des Strafrechts und zur Ver­ besserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen“ in modifizierter Form an.437 Die maßgeblichen Änderungen im Verhältnis zum ursprünglichen Regie­ rungsentwurf waren dabei die Herauslösung des Upskirtings und des Downblous­ ings aus dem Tatbestand des §  201a StGB-E und deren Verortung in den 13. Ab­ schnitt des Strafgesetzbuches unter der neu geschaffenen Strafnorm §  184k StGB438, die Beschränkung auf die Vorsatzformen des dolus directus ersten und zweiten Gra­ des439 sowie die Änderung des Tatbestandsmerkmals „Unterbekleidung“ in „Unter­ wäsche“440.441 §  184k StGB trat am 01.01.2021 in Kraft und lautet: „§  184k – Verletzung des Intimbereichs durch Bildaufnahmen (1)  Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind, 2. eine durch eine Tat nach Nummer  1 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder 3. eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in der Nummer  1 bezeichneten Art wissent­ lich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht. (2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält. (3) Absatz  1 gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter In­ teressen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen. (4) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. §  74a ist anzuwenden.“

Damit hat sich hinsichtlich der Verortung des Upskirtings und des Downblousings im Sexualstrafrecht in letzter Minute der Bundesratsentwurf gegen die übrigen Ent­ 436 

BT-Drs. 19/20668. Gramlich/Lütke, MMR 2020, S.  662. 438  Hierbei wurde versäumt, die innertatbestandlichen Verweise der Norm des gleichzeitig no­ vellierten §  201a StGB anzupassen; vgl. hierzu bereits Kap.  2, C., II., 3. 439  Während der RegE dolus eventualis genügen ließ, sah der Entwurf des BR eine Einengung durch ein Absichtserfordernis vor, BT-Drs. 19/15825, S.  7; vgl. ferner BT-Drs. 19/17795, S.  16. 440  Angeregt von Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Aus­ schuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, III.; 3.; a); bb.; (1), abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/eisele-sn-upskirting.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 441  BT-Drs. 19/20668, S.  15 f. 437 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

würfe durchgesetzt, obwohl der Tatbestand weder auf die sexuelle Motivation des Täters, noch auf gezielt pornografische Inhalte abstellt.442 Begründet wurde dieser Schritt maßgeblich damit, dass das inkriminierte Verhalten „zwar auch das Recht der betreffenden Person am eigenen Bild“ betreffe, im Vordergrund aber die Verlet­ zung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Opfers stehe.443 Dies lässt hinsicht­ lich des strafrechtlichen Bildrechtsschutzes erneut aufhorchen, zumal das Verhältnis von §  201a StGB zu einem – wie auch immer gearteten – Recht am eigenen Bild nie vom Gesetzgeber hinreichend dargelegt wurde.444 Da dem neuen §  184k StGB aber offensichtlich die Architektur des §  201a I StGB zugrunde liegt445, mangelt es diesem zwangsläufig ebenfalls jedenfalls an der Abstimmung zum einfachrechtlichen Recht am eigenen Bild in §  22 KUG. Ob der junge Tatbestand in der Praxis rege zur Anwendung kommen oder ihm ein  – symbolträchtiges – Schattendasein zu attestieren sein wird, bleibt zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund nichtvorhandener Erhebungen abzuwarten.446

IV. Exkurs: §  238 I Nr.  6 StGB in der Fassung vom 01.10.2021 Abschließend soll eine der jüngst etablierten Begehungsmöglichkeiten des Stalking­ paragraphen in §  238 I Nr.  6 StGB als gewisser Sonderfall im Hinblick auf den straf­ rechtlichen Abbildungsschutz beleuchtet werden. 442  BT-Drs. 19/15825 S.  7, 12; befürwortend, Hoven, Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, III. und IV., abruf­ bar unter https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/hoven-sn-upskirting.pdf, (zuletzt aufgeru­ fen am 01.06.2022); a. A. Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, II.; 2., ab­ rufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/eisele-sn-upskirting.pdf (zuletzt aufge­ rufen am 01.06.2022), welcher allerdings der Übersicht halber eine separate Verortung in einem §  201b StGB befürwortete; vgl. auch Eisele/Straub, KriPoZ 2019, S.  370; eine Verortung in §  201a StGB als sachgemäß erachtend T. Walter, ZRP 2020, S.  16. 443  BT-Drs. 19/20668, S.  15, wonach auch dem Verhalten des Täters „regelmäßig eine sexuelle Motivation zugrunde liegen“ würde, wonach er entweder „selbst bereits aus der Aufnahmesituation einen sexuellen Lustgewinn ziehen“ oder diesen „sich oder einem Dritten durch die Betrachtung der Aufnahme ermöglichen“ wolle. 444 Trotzdem Hoven, Stellungnahme zur Öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, II., wonach bei einer Einordnung des Upskirtings unter §  201a StGB der Schutz des Rechts am eigenen Bild im Vordergrund stünde, abrufbar unter https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/hoven-sn-upskirting.pdf, (zuletzt aufgerufen am 01.­ 06.­2022). 445  §§  201a I Nr.  3 und 184k I Nr.  1 StGB bestrafen das Herstellen oder Übertragen von Bildauf­ nahmen. §§  201a I Nr.  4 und 184k I Nr.  2 StGB bestrafen das Gebrauchen oder Dritten zugänglich machen einer unbefugt hergestellten Aufnahme. §§  201a I Nr.  5 und 184k I Nr.  3 StGB bestrafen denjenigen, wer eine befugt hergestellte Aufnahme wissentlich unbefugt einer dritten Person zu­ gänglich macht. Ebenso beziehen sich die Sozialadäquanzklauseln in §§  201a IV und 184k III StGB auf dieselben Gesichtspunkte; Gramlich/Lütke, MMR 2020, S.  665. 446  Die PKS 2021 geht von 543 erfassten Fällen des §  184k StGB bei einer Aufklärungsquote von 76.2  % (414 Fälle) aus; vgl. https://www.bka.de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022).

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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§  238 StGB trat durch das Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen vom 22.03.2007447 mit Wirkung zum 31.03.2007 in Kraft.448 Als Ausgleich für die (problematische) Weite der verschiedenen Tathandlungen449, gestaltete der Gesetz­ geber die Strafnorm 2007 als Erfolgsdelikt aus.450 Mit dem „Gesetz zur Verbesse­ rung des Schutzes gegen Nachstellungen“ vom 01.03.2017451 kam es zehn Jahre spä­ ter zur ersten Reform des Tatbestands.452 Bemerkenswert erscheint, dass §  238 StGB in diesem Zuge zu einem Eignungsdelikt umgestaltet worden ist, ohne dass dabei für eine größere Bestimmtheit der Tathandlungen gesorgt wurde.453 Insbeson­ dere wurde bei der Umgestaltung der Norm in ein Eignungsdelikt auch das hiermit verbundene ursprüngliche Vorhaben verworfen, die Tathandlungsgeneralklausel des §  238 I Nr.  5 StGB a. F. aufzugeben.454 Die empirische Grundlage für die jüngste Gesetzesänderung ist der „Evaluie­ rungsbericht des Bundesministeriums für Justiz und für Verbraucherschutz zur Neu­ fassung des §  238 Strafgesetzbuch durch das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen vom 1. März 2017“455 vom 20.12.2020.456 Darüber hinaus wurde in dem Regierungsentwurf vom 19.04.2021457 ein Anpassungsbedarf des „Stalking-Paragraphen“ wegen der Zunahme des sog. Cyberstalkings458 festgestellt, 447 

40. StrafÄndG, BGBl. 2007 I, S.  354. Umfassend zum Gesetzgebungsverfahren und den unterschiedlichen Entwürfen Kuhlen, ZIS 2018, S.  89 ff. 449  Gerhold, ZRP 2021, S.  118, nennt in dieser Hinsicht einerseits die „in großem Umfang“ be­ stehende Sozialadäquanz der genannten Begehungsvarianten und andererseits die „Generalklausel“ des §  238 I Nr.  5 StGB aF, wonach sich strafbar machte, wer eine „vergleichbare Handlung“ vor­ nimmt. 450  Vgl. BT-Drs. 15/5410, S.  9; BT-Drs. 16/1030, S.  9; BT-Drs. 18/9946, S.  14; vgl. auch Mos­ bacher, NStZ 2007, S.  667. 451  BGBl. 2017 I, S.  386. 452 Hierzu Cirullies/Cirullies, FamRZ 2017, S.  493 ff. 453  Vgl. hierzu Gerhold, ZRP 2021, S.  119, welcher anführt, dass die Umgestaltung zum Eig­ nungsdelikt im Hinblick auf Ergebnis und Argumente der früheren parlamentarischen Diskussion widersprüchlich sei. 454  BT-Drs. 18/9946, S.  1 f., 14; Kubiciel/Borutta, KriPoZ 2016, S.  196 f.; im Ergebnis trat damit im Jahr 2017 eine solche Norm in Kraft, die noch 2007 im Rechtsausschuss einstimmig abgelehnt worden war; krit. Buß, JR 2016, S.  358; Gerhold, ZRP 2021, S.  119; Kühl, ZIS 2016, S.  450 f.; a. A. Kuhlen, ZIS 2018, S.  94. 455  Abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Fachpublikationen/ Evaluierung_238StGB.pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. auch den Evaluierungsbericht v. 04.02.2021, der sich mit den Auswirkungen der Reform im Jahr 2017 befasst und auf der Grundlage einer Befragung der Landesjustizverwaltungen Änderungsvor­ schläge unterbreitet; hierzu BT-Drs. 19/26515. 456  Cirullies/Cirullies, FamRZ 2021, S.  1787; Kretschmer, JA 2022, S.  41. 457  Vgl. BT-Drs. 19/28679; vgl. ferner BT-Drs. 19/29639 v. 12.05.2021. 458  Der Regierungsentwurf zur zweiten Novelle des §  238 StGB (BR-Drs. 251/21, S.  1) um­ schreibt das Phänomen des Cyberstalkings als besondere (internetspezifische) Begehungsweise des Stalkings: „Über sogenannte Stalking-Apps beziehungsweise Stalkingware können Täter auch ohne vertiefte IT-Kenntnisse unbefugt auf E-Mail- oder Social-Media-Konten sowie Bewegungs­ daten von Opfern zugreifen und so deren Sozialleben ausspähen. Cyberstalking erfolgt aber nicht nur durch den unbefugten Zugriff auf Daten des Opfers, sondern insbesondere auch dadurch, dass 448 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

weshalb mit dem „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Be­ kämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings sowie Ver­ besserung des strafrechtlichen Schutzes gegen Zwangsprostitution“459 zum 01.10.­ 2021 §  238 I Nr.  5–7 StGB als weitere taugliche Handlungen aufgenommen wurden. Dabei fällt aus der Perspektive des strafrechtlichen Schutzes von Personenabbildun­ gen die neue Nummer  6 des Absatz  1 ins Auge: „§  238 – Nachstellung (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer einer anderen Person in einer Weise unbefugt nachstellt, die geeignet ist, deren Lebensgestaltung nicht unerheblich zu beeinträchtigen, indem er wiederholt […] 5. zulasten dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr nahestehenden Person eine Tat nach §  202a, §  202b oder §  202c begeht, 6. eine Abbildung dieser Person, eines ihrer Angehörigen oder einer anderen ihr naheste­ henden Person verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht […] (2) In besonders schweren Fällen des Absatzes 1 Nummer  1 bis 7 wird die Nachstellung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter […] 5. eine durch eine Tathandlung nach Absatz  1 Nummer  5 erlangte Abbildung bei einer Tathandlung nach Absatz  1 Nummer  6 verwendet […]“

Die neue Begehungsvariante des §  238 I Nr.  6 StGB soll also diejenigen Fälle umfas­ sen, in denen der Täter eine oder mehrere Abbildungen des Opfers oder ihm nahe­ stehender Personen „wiederholt“460 verbreitet oder öffentlich zugänglich macht. Konkret wurde das Strafbedürfnis hinsichtlich des §  238 I Nr.  6 StGB mit der „er­ heblich einschüchternden Wirkung“ begründet, welche die unkontrollierte Verbrei­ tung und öffentliche Zugänglichmachung von „Abbildungen“ für das Opfer haben könne.461 Diese einschüchternden Folgen seien besonders drastisch, wenn es sich bei den Abbildungen um intime Aufnahmen handele. Das Veröffentlichen intimer Auf­ nahmen ehemaliger Beziehungspartnerinnen und -partner sei derart häufig, sodass für das Phänomen mit „Revenge Porn“ bzw. „Racheporno“ bereits eigene Begriff­ lichkeiten bestünden.462 Täter unter Vortäuschung der Identität eines Opfers etwa in sozialen Medien Konten anlegen und unter dem Namen des Opfers abträgliche Erklärungen abgeben oder Abbildungen von ihm veröf­ fentlichen“. 459  BGBl. 2021 I, S.  3513 ff. 460  Bemerkenswert erscheint bereits, dass der Regierungsentwurf offenbar – entgegen des Ge­ setzeswortlauts – für die Verwirklichung des §  238 I Nr.  6 StGB keine Wiederholung der Tatmoda­ lität fordert; vgl. BR-Drs. 251/21, S.  7. 461  BR-Drs. 251/21, S.  7. 462  BR-Drs. 251/21, S.  7; „bekannt“ sei dabei, dass das Öffentlichwerden entsprechender Auf­ nahmen von den Opfern als derart verheerender Eingriff in die Intimsphäre empfunden werde, dass „nicht wenige“ der betroffenen Personen in ihrer „Ohnmacht und Verzweiflung“ Suizidversuche unternehmen würden.

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

217

Die Norm hebt sich von den anderen „bildschützenden“ Normen aber deutlich ab, weil sie sich nicht nur auf die Abbildung derjenigen Person beschränkt, welche in ihrer Lebensführung beeinträchtigt wird. Vielmehr schließt sie auch neben dem Be­ troffenen nahestehende Personen sowie dessen Angehörige mit ein. Denn auch das Verbreiten oder öffentlich-zugänglich-Machen von „Aufnahmen, die dem Opfer na­ hestehende Personen zeigen“, könne das Opfer empfindlich treffen, auch weil hier­ durch suggeriert werde, „dass auch sein nahes soziales Umfeld einer Bedrohung durch den Täter ausgesetzt“463 sei. Insoweit ist §  238 I Nr.  6 StGB also vom Gedan­ ken des strafrechtlichen Schutzes der ungewollten Repräsentation der abgebildeten Person losgelöst. Schließlich sieht Absatz  2 Nr.  5 einen besonders schweren Fall vor, wenn eine Abbildung verbreitet oder öffentlich zugänglich gemacht wurde, die unter Verletzung der §§  202a, 202b oder 202c erlangt wurde. Insgesamt wirft die Norm des §  238 I Nr.  6 StGB gerade im Hinblick auf ihre bil­ drechtliche Schutzrichtung gleich mehrere Fragen auf, welche möglicherweise nicht zuletzt wegen der „hektischen Endphase des Gesetzgebungsverfahrens“464 zu Tage getreten sind. Bereits die Anknüpfung an das Tatobjekt einer Abbildung vermag zu irritieren. Denn wenn erklärtes Ziel des Gesetzgebers war, auf das Phänomen des Cyberstal­ kings zu reagieren, so fragt sich, warum denn ausgerechnet an den Begriff der Ab­ bildung im Sinne des §  11 III StGB465 und nicht etwa an den Begriff der Aufnahme (im Sinne der §§  201a, 184k StGB) oder des Bildnisses (im Sinne des §  33 KUG) angeknüpft wurde.466 Denn der Begriff der Abbildung im Sinne des §  11 III StGB umfasst nur Verkörperungen und damit gerade keine Bilddateien, welche über das Internet versendet oder veröffentlicht werden können.467 Der Anknüpfungspunkt an den Abbildungsbegriff erscheint somit im Hinblick auf die gesetzgeberische Inten­ tion der Eindämmung des Cyberstalkings nicht nur zu eng, sondern über weite Teile ungeeignet. Jedenfalls fällt das Herumschicken von Bilddateien oder der Upload ei­ nes Rachepornos bereits mangels Abbildung nicht unter §  238 I Nr.  6 StGB. Gleich­ 463 

BR-Drs. 251/21, S.  7. Cirullies/Cirullies, FamRZ 2021, S.  1787, welche darauf hinweisen, dass der Bundestag den Gesetzesentwurf um 01:45 Uhr des letzten planmäßigen Sitzungstags (25.05.2021) beschlossen hat­ te, woraufhin der Bundesrat noch am selben Tag zustimmte. 465  So ausdrücklich BT-Drs. 19/28679, S.  12, und BR-Drs. 251/21, S.  7. 466  Ferner hätte sich eine Anknüpfung an einen „Inhalt“ im Sinne des §  11 III StGB angeboten, zumal die nachfolgende Begehungsvariante des Stalkingparagraphen in §  238 I Nr.  7 StGB gerade ausdrücklich hieran anknüpft. 467  Unter Abbildungen versteht man unmittelbar durch Gesichts- oder Tastsinn wahrnehmbare Wiedergaben der Außenwelt, vor allem Fotos, Dias oder auch Filme. Elektronische Speichermedien sowie die auf ihnen gespeicherten Daten – also gerade Bilddateien – sind aber als solche ausdrück­ lich keine Abbildungen; vgl. Fischer, §  11 StGB, Rn.  38; Spindler/Schuster/Gercke, §  11 StGB, Rn.  4; SK/Stein/Deiters, §  11 StGB, Rn.  103; fragwürdig erscheint auch, dass die Literaturverweise, auf die der Gesetzgeber für den Begriff der Abbildung verweist, Bilddateien als nicht vom Abbil­ dungsbegriff umfasst nennen, vgl. Schönke/Schröder/Hecker, §  11 StGB, Rn.  74; Leipold/Tsam­ bikakis/Zöller/Tsambikakis, §  11 StGB, Rn.  77. 464 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

wohl wird deutlich, dass der Gesetzgeber – trotz ausdrücklichen Verweises auf §  11 III StGB – den Begriff der Abbildung wohl doch weiter verstanden wissen wollte, da er die Aufnahme – ebenfalls terminologisch ungenau – offenbar als Unterfall der Abbildung begreift.468 Diese Ungereimtheit wird bisweilen auch von der Literatur unter Verweis auf die Gesetzesbegründungen weitestgehend ignoriert.469 Außerdem kann in Frage gestellt werden, inwieweit das Veröffentlichen von Zeichnungen (wel­ che nicht zwangsläufig die beeinträchtigte Person, sondern deren nahestehende Per­ sonen oder Angehörige zeigen) überhaupt dazu geeignet sein soll, die Lebensgestal­ tung der betroffenen Person nicht unerheblich zu beeinträchtigen. Auch die Begehungsvarianten des §  238 I Nr.  6 StGB erscheinen im Hinblick auf die gesetzgeberische Intention hinterfragenswert. So deckt sich die erste Begehungs­ variante des Verbreitens mit §  33 I Var.  1 KUG, während sich die zweite Begehungs­ variante nicht etwa am öffentlichen Zurschaustellen (im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG), sondern am öffentlichen Zugänglichmachen und daher eher an §§  201a, 184k StGB und dabei an der Tatmodalität des Zugänglichmachens orientiert. Hier fällt zunächst ins Auge, dass das gesetzgeberisch intendierte „ungewollte Lenken des Fokus Dritter auf das Opfer“470 weder zwingende Voraussetzung für das Verbreiten noch für das öffentliche Zugänglichmachen ist. Jedenfalls fordert der Gesetzeswort­ laut in jedem Fall die wiederholte Begehungsweise. Somit fragt sich, ob §  238 I Nr.  6 KUG überhaupt verwirklicht ist, wenn ein intimer Racheporno – unabhängig von der Problematik um den Abbildungsbegriff – einmalig einer großen Personenzahl zur Verfügung gestellt wird, sodass die betroffene Person nachhaltig in ihrer Persönlich­ keitsentwicklung geschädigt wurde. Ferner wird die neue Begehungsvariante des §  238 I Nr.  6 StGB allein wegen ihrer tatbestandlichen Nähe zu §  201a StGB im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut als überflüssig empfunden.471 In der Tat fragt sich, wo die Grenze zwischen des „höchst­ 468  BT-Drs. 19/28679, S.  12, und BR-Drs. 251/21, S.  7, wonach die Folgen des Cyberstalking noch drastischer seien, „wenn es sich um intime Aufnahmen handelt“; auch sonst benutzen die Materialien nahezu durchweg den Begriff der Aufnahme. 469  Vgl. etwa Kretschmer, JA 2022, S.  4 4; Wessels/Hettinger/Engländer, Rn.  340, wonach §  238 I Nr.  6 StGB singemäß durch das Einstellen einer Abbildung ins Internet begangen werden könne. 470  Vgl. BT-Drs. 19/28679, S.  12, und BR-Drs. 251/21, S.  7. 471  Vgl. etwa die Stellungnahme Nr.  22/2021 des DAV zum Referentenentwurf im März 2021; online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/841918/6373432892c4e6e5c8b7ddc 26a44b6da/stellungnahme-spatscheck_dav-data.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); a. A. wohl Gerhold, ZRP 2021, S.  121 und Kretschmer, JA 2022, S.  44, welcher davon ausgeht, dass §  201a StGB mit der Anknüpfung an den „höchstpersönlichen Lebensbereich“ enger sei als §  238 I Nr.  6 StGB, da dieser grundsätzlich „Abbildungen jeder Art“ erfasse. Gleichwohl muss auch Kretschmer zugeben, dass bereits anhand der gesetzgeberischen Motivation – die Reaktion auf sog. Revenge Porn-Szenarien – wohl regelmäßig Überschneidungen der beiden Normen zu erwarten sind, da beim Vorliegen des §  238 I Nr.  6 StGB regelmäßig auch der höchstpersönliche Lebensbereich im Sinne des §  201a StGB verletzt sein dürfte. Wo nun die Grenze zwischen der Eignung zur „nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ im Sinne des §  238 StGB und des „höchst­ persönlichen Lebensbereichs“ im Sinne des §  201a StGB verläuft, bleibt auch der Gesetzgeber frei­ lich schuldig; vgl. auch Kühl, ZIS 2016, S.  541.

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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persönlichen Lebensbereichs“ und der „nicht unerheblichen Beeinträchtigung der Lebensgestaltung“ verlaufen soll. Schließlich bleibt darauf hinzuweisen, dass §  238 StGB insgesamt keinen Erlaubnissatz vorsieht, wonach solche Abbildungen, welche im überwiegenden öffentlichen Interesse – wie beispielsweise Fotos von zeitge­ schichtlichen Ereignissen – veröffentlicht werden dürfen. Insoweit fragt sich also auch, inwieweit die Wertungen in §§  201a IV, 184k III StGB oder §  23 KUG übertra­ gen werden können. Insgesamt richtet sich §  238 I Nr.  6 StGB somit weniger am Gedanken der bild­ haften Repräsentation aus, sondern berührt diesen Belang allenfalls mittelbar. Dies zeigt sich letztendlich sowohl am Erfordernis der wiederholten Begehungsweise, als auch an der Miteinbeziehung Dritter. Deshalb soll §  238 I Nr.  6 StGB für die weitere Untersuchung nicht miteinbezogen werden. Vielmehr soll es mit der aufgezeigten Kritik sein Bewenden haben.

V. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur aktuellen Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild Der strafrechtliche Schutz des Rechts am eigenen Bild erscheint in vielen Fragen undurchsichtig, weil das ursprüngliche – heute einfachgesetzliche – Recht am eige­ nen Bild im KUG, dessen Strukturprinzipien und dessen Integration in das Grund­ gesetz vom Gesetzgeber trotz mehrfachen Hinweisen bei der Reaktion auf neuartige Möglichkeiten zur Bildherstellung schlicht nicht wahrgenommen wurde. Dies er­ scheint insoweit nachvollziehbar, als dass der Gesetzgeber beinahe 100 Jahre keine Notwendigkeit hatte, sich mit dem strafrechtlichen Schutz vor Beeinträchtigungen durch Personenabbildungen auseinanderzusetzen, ehe die Fortentwicklung der mo­ bilen Digitalfotografie es jedermann möglich machte, immer und überall Personen­ aufnahmen herzustellen und diese über das Internet zu versenden oder zu veröffent­ lichen. Diesen Gefahren durch Bildaufnahmen ist der Gesetzgeber seit 2004 konse­ quent im Kernstrafrecht nachgegangen, ohne dabei die Strafnorm des §  33 KUG anzutasten. Innerhalb dieses verhältnismäßig kurzen Zeitraums von 2004 bis heute war der Gesetzgeber dabei viel häufiger dazu veranlasst, beim strafrechtlichen Schutz vor Bildaufnahmen nachzubessern. Die Folge hiervon ist, dass heute mittler­ weile drei Strafnormen in unterschiedlichen Schutzkomplexen – persönlicher Le­ bens- und Geheimbereich (§  201a StGB) und sexuelle Selbstbestimmung (§  184k StGB) im Kernstrafrecht sowie einfachrechtliches Recht am eigenen Bild (§  33 KUG) im Nebenstrafrecht – existieren, welche immer wieder vage mit dem strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild in Verbindung gebracht werden. 1. Andauernde Unwägbarkeiten durch unterschiedlichen Rechtsgüterbezug Was genau unter diesem Schutz zu verstehen ist, blieb der Strafgesetzgeber bislang schuldig. Verschleiert wird diese Fragestellung weiter durch die neu formulierten

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Rechtsgüter des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ in §  201a StGB und des „In­ timbereichs“ in §  184k StGB, welche durch Bildaufnahmen verletzt werden können. Geht man etwa, wie der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zu §  201a StGB, davon aus, dass der „höchstpersönliche Lebensbereich“ den absoluten Kernbereich privater Lebensgestaltung – die uneinschränkbare Intimsphäre – meint und die Rechtsprechung zum einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild für die Bestim­ mung dieses Bereichs herangezogen werden könne, dürfte dieser Bereich auch nicht wegen öffentlichen Interessen eingeschränkt werden können. Offensichtlich wurde also schon bei der ersten Novelle des §  201a StGB die Rechtsprechung zum neuen abgestuften Schutzkonzept der §  22 ff. KUG seit 2007472 nicht beachtet. Mit anderen Worten: Wenn ein zeitgeschichtliches Bildnis im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG niemals aus der Verletzung des absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung des Abgebildeten resultieren kann, scheint ein Fall des §  201a IV StGB jedenfalls für eine Veröffentlichung nicht konstruierbar. Dies müsste ebenfalls für die Verletzung des im Zweifel noch enger gezogenen „Intimbereichs“ in §  184k StGB gelten. Gleich­ wohl hält §  184k III StGB es offensichtlich für möglich, dass ein Upskirting-Bild zeitgeschichtlich sein und damit überwiegende öffentliche Interessen bedienen kann. Hierzu könnte man allenfalls noch entgegenhalten, dass §  184k StGB die Verletzung der Intimsphäre – trotz der Überschrift – tatbestandsmäßig nicht voraussetzt, diese Argumentation greift aber jedenfalls bei §  201a StGB nicht, weil hierbei zwingend nötig ist, dass der „höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Person ver­ letzt“ wurde. In diesem Zusammenhang kann zusätzlich angemerkt werden, dass die Namensgebung der geschützten Bereiche durchaus irritieren kann. Wollte man den Begriff „Intimsphäre“ in §  201a StGB vermeiden, weil dieser nicht als der Kernbe­ reich persönlicher Lebensgestaltung aufgefasst werden und (nur) im Zusammenhang mit sexuellen Konnotationen verstanden werden könnte, soll nun der Begriff „Intim­ bereich“ in §  184k StGB genau diese sexuelle Konnotation unterstreichen (und das, obwohl der Tatbestand eine sexuelle Motivation des Täters explizit nicht voraus­ setzt).473 „Intimsphäre“ und „Intimbereich“ sind damit offensichtlich nicht identisch, vielmehr wird der „Intimbereich“ im Sinne des §  184k StGB einen Teilausschnitt der „Intimsphäre“ darstellen. Ob dies für Klarheit beim Normanwender und -adressaten sorgen wird, erscheint zweifelhaft. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber selbst nicht von einheitlichen Begrifflichkeiten ausging.474 Die sich hierdurch ergebenden Un­ klarheiten bzgl. der einzelnen Normcharakteristika schlagen sich in Unwägbarkeiten 472  Hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a), sowie im Einzelnen Kap.  3, D., II., 1., j), und Kap.  3, D., II., 1., n). 473  Geht man davon aus, dass in der Regel bei Bildern unter den Rock oder in die Bluse eine se­ xuelle Komponente überwiegt, fragt man sich, warum §  201a III StGB (Nacktaufnahmen von Min­ derjährigen gegen Entgelt herstellen, anbieten, verschaffen) im 15. Abschnitt verblieben ist; vgl. in diesem Zusammenhang auch Eisele/Straub, KriPoZ 2019, S.  370. 474  Eindrucksvoll BT-Drs. 18/2601, S.  37 zu §  201a III StGB: „ist […] davon auszugehen, dass davon der höchstpersönliche Lebensbereich, ja sogar die Intimsphäre verletzt wird“ [Hervorhebun­ gen durch den Verfasser].

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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bei der Bestimmung einzelner Tatbestandsmerkmale oder der Konkurrenzverhält­ nisse der Strafnormen untereinander nieder. Einige können anhand eines kleinen Beispielfalls illustriert werden: A dringt unbemerkt in die Wohnung von B ein und fotografiert B beim Duschen in der durch­ sichtigen Duschkabine. Var.  1: Durch die Dampfentwicklung im Raum beschlägt die Kameralinse und es entsteht ein völlig weißes Bild. Var.  2: Durch die Dampfentwicklung beschlägt die Duschkabine, sodass auf der Aufnahme zwar ein nackter Mensch, nicht aber explizit B identifiziert werden kann. Var.  3: Im Anschluss an Var.  2 veröffentlicht A das Bild im Internet. Var.  4: B ist auf dem Bild gut zu identifizieren. A veröffentlicht nach der Herstellung das Bild im Internet.

Nähert man sich dem Fall aus der unbefangenen Perspektive der drei skizzierten Normen, könnte für die erste Variante eine Strafbarkeit des A wegen §  201a I Nr.  1 Var.  1 StGB sowie §  184k I Nr.  1 Var.  1, 2, 3 StGB in Betracht kommen. Selbst wenn man aber hier die Norm des §  201a StGB so versteht, dass durch den Weg zum Bild  – hier durch das Eindringen in die Wohnung – der höchstpersönliche Lebensbereich verletzt werden könne, liegt in jedem Fall keine Bildaufnahme einer anderen Person vor. Entsprechendes gilt für §  184k I Nr.  1, 2, 3 StGB, da der Erfolg einer Bildaufnah­ me der genannten Körperteile nicht vorliegt. Der alleinige Weg zum Bild reicht somit in jedem Fall nach aktueller Rechtslage nicht aus, den strafrechtlichen Abbildungs­ schutz auszulösen.475 Hierfür spricht ebenfalls, dass der Versuch der Herstellung in beiden Normen nicht strafbar sein soll. Deutlich unklarer wird die Rechtslage hingegen bereits dann, wenn auf der Auf­ nahme – wie bei der zweiten Variante – (irgend-)ein Mensch gesehen werden kann, der dabei aber keiner konkreten Identität zuordenbar ist. §  201a StGB spricht von einer „Bildaufnahme einer anderen Person“, während §  184k StGB in ähnlicher Wei­ se an eine „Bildaufnahme“ spezieller (durch Unterwäsche bedeckter oder unbedeck­ ter) „Körperteile […] einer anderen Person“ anknüpft. Ob diese Person auch auf der konkreten „Bildaufnahme“ erkannt werden muss, kann dem Gesetz hingegen nicht entnommen werden. Hiergegen spricht, dass der Gesetzgeber jedenfalls bei der Re­ aktion auf das Upskirting kaum vorausgesetzt haben kann, dass eine Bildaufnahme gerade solcher Körperregionen, die in der Regel keine primären Identifizierungs­ merkmale der abgebildeten Person preisgeben, nur dann sanktioniert werden soll, wenn die Person ausnahmsweise doch auf der Aufnahme identifiziert werden kann. Diese Erwägung findet sich dementsprechend häufig in den Gesetzgebungsmateria­ lien wieder.476 Hieraus könnte kurzerhand geschlossen werden, dass dann auch bei §  201a StGB keine Identifizierung auf der Aufnahme nötig sein muss, da dieser auch 475 

So auch BGH, NStZ-RR 2019, S.  143. BT-Drs. 19/15825, S.  12; Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, II.; 1.; b). 476 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

an eine „Bildaufnahme einer anderen Person“ anknüpft. Möglicherweise könnte dann aber eine Strafbarkeit nach §  201a I Nr.  1 StGB scheitern, weil die höchstper­ sönliche Lebenssphäre des B gerade deshalb nicht verletzt wurde, da er auf dem konkreten Foto nicht identifiziert werden kann.477 Bei §  184k I Nr.  1 Var.  1, 2, 3 StGB würde sich hingegen die Frage stellen, ob die vom Gesetz genannten Körper­ teile überhaupt auf der Aufnahme als solche erkannt werden müssen. Im Falle der Fotografie unter den Rock bei Zuhilfenahme eines sog. Selfie-Sticks, den noch der erste Gesetzesentwurf zur Beschreibung des Upskirting-Phänomens herangezogen hat478, scheint es jedenfalls nicht abwegig, dass viele Fotografien wegen der Notwen­ digkeit einer schnellen Ausführung verwackeln oder sonst nichts werden. Ob diese Fälle aber nun aus dem Anwendungsbereich der Norm herausfallen sollen, erscheint hinterfragenswert. Darüber hinaus würde sich in der aufgeworfenen zweiten Varian­ te bei §  184k I Nr.  1, 2, 3 StGB die Frage stellen, ob die Körperteile des B in der ei­ genen (durchsichtigen) Duschkabine gegen Anblick geschützt sind. Gelangte man jedenfalls zu einer Strafbarkeit nach §  184k I StGB, indem man etwa die Wohnung des B als Gesamtsichtschutz begreift, würde sich anschließend die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis zu §  201a I Nr.  1 StGB stellen.479 Wird die Aufnahme wie in der dritten Variante ins Internet geladen, lohnt sich erneut der Blick auf die Begriffe der Erkennbarkeit, der Identifizierbarkeit sowie der Identifizierung einer Person auf einer Aufnahme. Denn hier drängt sich der Eindruck geradezu auf, dass diese Begriffe mittlerweile missverständlich und vage benutzt werden. So ging etwa der Bundesrat jüngst in seiner Gesetzesinitiative zu §  184k StGB davon aus, dass im Falle eines Upskirting-Bildes „ein Recht am eigenen Bild im Sinne des §  22 KUG“ nur dann bestehe, wenn die Person „auf dem Bild erkenn­ bar“ und damit „identifiziert oder zumindest identifizierbar“ sei.480 Hierdurch ent­ steht der Eindruck, zur Verwirklichung des §  33 KUG genüge die potentielle Erkenn­ 477 Vgl. Eisele, Schriftliche Stellungnahme zur Sachverständigenanhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, II.; 1.; b), abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/eisele-sn-upskirting.pdf (zuletzt aufgerufen am 01.06.­ 2022). Kächele, S.  128, argumentiert hingegen, dass es auf die Erkennbarkeit bei §  201a StGB gera­ de deshalb nicht ankommen könne, weil hierdurch der höchstpersönliche Lebensbereich und nicht das (einfachgesetzliche) Recht am eigenen Bild geschützt würde. 478  Vgl. BR-Drs. 443/19, S.  6. 479  Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  54, wonach es sich bei §  201a I Nr.  1, 2 u. I Nr.  3, 4, II StGB um unselbstständige Tatbestandsalternativen handelt, so dass nur eine Tat vorliegen soll, wenn der Täter eine Bildaufnahme herstellt und sie dann gebraucht oder einem Dritten zugänglich macht. Da die neue Upskirting-Begehungsweise nun aus §  201a StGB-E herausgelöst und ins Sexu­ alstrafrecht unter §  184k StGB formuliert wurde, könnte hier anderes gelten. 480  BT-Drs. 19/15825, S.  12 unter Verweis auf eine – i. Ü. unzutreffende – Fundstelle einer BGH-Entscheidung, welche sich in gleicher Form in der Kommentierung zur Erkennbarkeit bei Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  4 findet. Gemeint war wohl die Entscheidung BGH, GRUR 2010, S.  949, Rn.  13 f. – „Überwachter Nachbar“, welche aber weder zum verfassungsrechtlichen noch zum einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild Stellung bezieht, sondern sich mit der (vor­ gelagerten) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Druck einer potentiellen Aufnahme bei einer Kameraüberwachung auseinandersetzt. Allein hieraus auf die Anforderungen

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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barkeit, während es auf die tatsächliche Identifizierung auf dem Bild nicht ankomme. Es fragt sich also, ob erkennbar meint, dass die Person auf dem Bild nur möglicher­ weise – etwa infolge weiterer Handlungsschritte der Kenntlichmachung – erkannt werden könnte, oder, ob die Person auf der Abbildung bereits aus dieser heraus mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit identifiziert werden kann. Der Wort­ laut „erkennbar“ lässt jedenfalls die potentielle wie die tatsächliche Identifizierung zu. Das Datenschutzrecht differenziert jedenfalls bei personenbezogenen Daten zwi­ schen „identifizierten“ und lediglich „identifizierbaren“ Personen in Art.  4 I DSGVO, gleichwohl knüpft es dieselben Rechtsfolgen an beide Zustände.481 Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vermag hier nicht weiterzuhelfen, welche ein personenbezogenes Datum bei einem von einer Kamera aufgezeichneten Bild einer Person annimmt, „sofern es die Identifikation einer Person ermöglicht“482. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang darüber hinaus, ob „auf dem Bild erkenn­ bar“ ausschließlich die abgebildeten Personenmerkmale meint oder, ob auch solche Merkmale sich noch im Bild, aber außerhalb der Personenerscheinung – wie in der mitabgebildeten Umgebung – oder gar gänzlich außerhalb des Bildes – wie etwa ei­ ner identifizierenden Bildanmerkung – befinden, herangezogen werden können. Greift in jedem Fall §  33 KUG, weil die Person auf der veröffentlichten Abbildung wie in der vierten Variante zu identifizieren ist, stellt sich schließlich die Frage des Verhältnisses der Strafnormen untereinander, wenn die vorherige Herstellung (oder die Veröffentlichung) ebenfalls unter die Begehungsweisen der §§  201a, 184k StGB subsumiert werden kann. Unabhängig von den Unwägbarkeiten, welche allein der kurze Beispielsfall offen­ bart, bestehen weitere gewichtige Fragen, wenn es um die Herstellung und anschlie­ ßende Veröffentlichung von Personenabbildungen mittels der bereits angesproche­ nen neuen bildhaften Darstellungsformen geht.483 Dass sich der Gesetzgeber allein deshalb dazu veranlasst sehen wird, den Abbildungsschutz erneut neu zu justieren, erscheint somit nur wahrscheinlich. Bevor allerdings auf die einzelnen Fragen der jeweiligen Tatbestände eingegangen werden soll, sollen vorab die gewonnenen Er­ kenntnisse zur Ausrichtung der bildschützenden Strafnormen in das Verhältnis mit den herausgearbeiteten Grundprinzipien des Rechts am eigenen Bild und dessen ver­ fassungsrechtlicher Ausgestaltung gesetzt werden, um die bestehenden Unklarheiten für die weiteren Erwägungen zu minimieren. der Erkennbarkeit beim einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild in §  22 KUG zu schließen, er­ scheint willkürlich; vgl. ferner Horst, NJW 2009, S.  1788. 481  BeckOK DatenschutzR/Schild, Art.  4 DS-GVO, Rn.  16–21d differenziert hier unter dem Sammelbegriff der „Identifizierbarkeit“ zwischen „direkter“ und „indirekter Bestimmbarkeit“ und zählt etwa die Fotografie des Gesichtes zu den direkten Bestimmbarkeitsmerkmalen. Bei der indi­ rekten Bestimmbarkeit (Rn.  17) spricht Schild hingegen auch von einer „Identifizierung“; die Be­ griffe der direkten und indirekten Identifizierung findet sich jüngst auch bei BGH, NJW 2021, S.  1308, Rn.  45 – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1313, Rn.  33 – „Urlaubslotto“. 482  EuGH, NJW 2015, S.  463, Rn.  22 – „Ryneš/Úřad pro ochranu osobních údajů“. 483  Einführung, B.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

2. Verknüpfung der bisherigen Erkenntnisse anhand der Ausrichtung des strafrechtlichen Schutzes vor Bildaufnahmen am Recht am eigenen Bild Setzt man die vorgefundene Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes von Perso­ nenabbildungen in Relation mit der bereits herausgearbeiteten verfassungsrecht­ lichen Ausgestaltung des Rechts am eigenen Bild in Relation, ergibt sich folgendes Ergebnis: Siehe Abbildung 2. Alle drei Strafnormen schützen jeweils Teile des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild. Dabei knüpfen diese an verschiedenen Ebenen an. §  33 KUG schützt das originäre – heute einfachgesetzliche – Recht am eigenen Bild in §  22 KUG und somit die Repräsentation einer Person gegen ihren Willen durch ihre bild­ hafte Anwesenheitsmachung.484 Eine Person wird nur dann repräsentiert, wenn sie auch auf dem Bild erkannt werden kann. Dementsprechend muss die Person auf der Darstellung zum Tatzeitpunkt der Veröffentlichung identifiziert sein.485 Erkennbar­ keit im Sinne der §§  22 ff. KUG meint somit nicht die vage Möglichkeit der Identifi­ zierung im Sinne der Identifizierbarkeit auf einer Abbildung im Sinne der kernstrafrecht­lichen Normen. Darüber hinaus muss die Person für eine Repräsenta­ tion in bildhafter Form gegen ihren Willen anwesend gemacht werden. Hierfür muss ihr Bildnis – in Form der Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung – veröffentlicht werden. Ist eine Person auf einem Bild im Sinne des §  22 KUG erkennbar, ist das einfach­gesetzliche Recht am eigenen Bild völlig unabhängig vom weiteren Inhalt des Bildes oder der Gesamtveröffentlichung betroffen. §§  201a, 184k StGB sanktionieren hingegen nicht (erst) die bereits stattgefundene bildhafte Repräsentation einer Person. Vielmehr sollen diese Normen eine Repräsen­ tation in einem besonders sensiblen Abbildungskontext bestmöglich verhindern. Mit anderen Worten soll umfassend und möglichst frühzeitig verhindert werden, dass die betroffene Person besonders empfindliche und damit besonders entfaltungsrelevante Inhalte gegen ihren Willen bildhaft – und damit unmittelbar und wirklichkeitssug­ gestiv – kommuniziert.486 Somit schützen diese gewissermaßen bereits die bloße potentielle Repräsentation und damit eine abstrakte Repräsentationsgefahr in einem ganz bestimmten (intimen) Zusammenhang. Dementsprechend setzen diese möglichst früh an solche Handlun­ gen an, welche – wie die Herstellung und Übertragung – zu einer Fixierung einer Person auf einem bildhaften Medium führen und damit ihr Erscheinungsbild von ihr losgelöst handhabbar machen. Dieser besonders frühe Zugriff des Strafrechts erklärt sich dadurch, dass die betroffene Person erheblich in ihrer Entfaltungsfreiheit einge­ schränkt würde, wenn sie fortan in Ungewissheit über den Verbleib eines besonders sensiblen Bildes aus ihrer Intimsphäre und damit einer besonders einschneidenden bildhaften Repräsentation leben müsste. Damit richten sich die Normen des Kern­ 484 

Hierzu Kap.  1, C. Zur Feststellung des Tatbestandsmerkmals der Erkennbarkeit im Einzelnen dann Kap.  3., A., II. 486  Hierzu oben Kap.  1, A., III. 485 

Abbildung 2: Einbettung des Rechts am eigenen Bild in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht im Lichte der strafrechtlichen Schutzvorschriften

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

strafrechts stärker an der Idee der informationellen Selbstbestimmung aus, während sich das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild an dem Recht auf Selbstdarstel­ lung orientiert.487 Diese potentielle Repräsentation setzt einerseits einen konkreten Bildinhalt voraus, der sich in den Tatbestandsmerkmalen der §§  201a, 184k StGB einschränkend niederschlägt. Andererseits setzt eine Bildaufnahme im Sinne der Normen im Kernstrafrecht das tatsächliche Einfangen von Licht und damit Foto­ realismus voraus. Dies entspricht dem Erfordernis einer besonders einschneiden­ den  – nämlich wirklichkeitssuggestiven488 – Repräsentation. Ferner muss für eine potentielle Repräsentation keine zwingende Identifizierung der Person auf der Abbildung zum Handlungszeitpunkt vorliegen, vielmehr genügt die bloße Eignung des Abbildungsinhalts, wonach die betroffene Person mittels der kon­ kreten Abbildung in einem intimen Zusammenhang (irgendwann) repräsentiert wer­ den kann. Hierfür genügt es grundsätzlich, dass auf einer Aufnahme im Sinne des §  201a StGB irgendein (Identifizierungs-)Merkmal des betroffenen Menschen und in §  184k StGB eine im Tatbestand genannte Körperregion erkannt werden kann, sodass eine Zuordenbarkeit der tatsächlich fotografierten Person nicht von vornherein völlig unmöglich erscheint. Eine gewisse Korrekturmöglichkeit hinsichtlich der Identifizier­ barkeit besteht (nur) bei §  201a StGB allenfalls in der Notwendigkeit der kausalen Ver­ letzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, welche man dadurch verneinen könn­ te, dass der Bildinhalt schlicht nicht schlimm genug erscheint, weil etwa die Person nur unter erheblichem Aufwand auf der Aufnahme identifiziert werden kann.489 Die hier vorgeschlagene Ausrichtung fügt sich nicht nur in die ratio legis der bild­ schützenden Normen im Kernstrafrecht, sondern auch in die bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung zum Begriff der Identifizierbarkeit490 einer Auf­ nahme ein. Schließlich wird hierdurch eine weitere Diskrepanz zwischen §  201a II StGB und §  33 KUG deutlich, welche – unabhängig von der tatbestandlichen Ausgestaltung der Tatobjekte Bildnis und Personenaufnahme – beide zunächst vordergründig vor der Weitergabe einer Personenaufnahme schützen können. Denn selbst wenn man im 487  Vgl. hierzu die Ausführungen zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Kap.  2, B., II., 2. und insbesondere die das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild beeinflussende Erwägungen zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Kap.  2, B., II., 3., b). 488  Hierzu Kap.  1, A., I., 3. 489  Dies hält auch Eisele, Schriftliche Stellungnahme zut Sachverständigenanhörung im Aus­ schuss für Recht und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages am 27.05.2020, II.; 1.; b), ab­ rufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2020/05/eisele-sn-upskirting.pdf (zuletzt aufge­ rufen am 01.06.2022), für möglich; ebenfalls in diese Richtung weisend OLG Koblenz, NStZ 2009, S.  269, wonach die Aufnahme von Füßen und Oberschenkeln in einer Saunalandschaft nicht dazu geeignet seien, den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Personen zu verletzen; vgl. hierzu Bosch, JA 2009, S.  309. 490  Vgl. BGH, NStZ 2015, S.  391, welcher insoweit aber unglücklich die Begriffe Erkennbarkeit und Identifizierbarkeit im Rahmen des §  201a StGB synonym verwendet. Dies bietet sich nach der hier vertretenen Ansicht aber nach dem bereits Ausgeführten aufgrund des Erkennbarkeitsbegriffs in den §§  22 ff. KUG nicht an; vgl. hierzu Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (1), (a).

C. Ausgestaltung des strafrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild

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konkreten Einzelfall bei einer Weitergabe einer Aufnahme sowohl ein Verbreiten oder öffentliches Zuschaustellen im Sinne des §  33 KUG als auch ein Zugänglich­ machen im Sinne des §  201a II StGB annimmt, kann zwar eine potentielle Repräsen­ tation in Form einer Bildaufnahme (Identifizierbarkeit) vorliegen, die aber im Zeit­ punkt der Weitergabe nicht zwingend ein Bildnis (mangels Erkennbarkeit) darstellt. Unabhängig von der Tathandlung können also bei ein und derselben Personenauf­ nahme die Tatbestände des §  33 KUG und §  201a II StGB auseinanderfallen, weil §  33 KUG die (bereits erfolgte) Repräsentation schützt, während §  201a StGB die abstrakte Repräsentationsgefahr schützt. Damit handelt es sich bei §  201a II StGB auch insoweit nicht um ein bloßes Mehr zu §  33 KUG.491 Zusammenfassend schützen die Normen des Kernstrafrechts aus der Blickrich­ tung des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild damit bereits die abstrakte bildhafte Repräsentationsgefahr in besonders gravierenden Fällen, nämlich dem höchstpersönlichen Lebensbereich und des Intimbereichs. §  33 KUG schützt hinge­ gen vor der tatsächlichen bildhaften Repräsentation unabhängig vom inhaltlichen Zusammenhang. Der Schutz davor, dass sich eine Person vor Bildaufnahmen im jeweiligen Kon­ text  – sei es in der eigenen Wohnung oder etwa beim Tragen eines Rockes in der Öffentlichkeit – sicher fühlen können muss, schwingt zwar reflexhaft in den Wertun­ gen aller dreier Strafnormen mit. Denn in der Regel schlagen sich der Weg zum Bild und dessen stigmatisierende Wirkung auf das Opfer im Erfolg des Bildinhalts gewis­ sermaßen nieder und wirken fort. Dieser Schutzgedanke allein vermag jedoch nicht, die Strafwürdigkeit zu begründen, was anhand der fehlenden Versuchsstrafbarkeit zum Ausdruck kommt. Erst die Verbindung mit einer potentiellen Repräsentation der betroffenen Personen in Form einer geeigneten Ablösung ihres Erscheinungsbilds vermag de lege lata den strafrechtlichen Schutz auszulösen. Die Ausrichtung der bestehenden Strafnormen an den herausgearbeiteten Grund­ prinzipien des (verfassungsrechtlichen) Rechts am eigenen Bild erscheint somit nicht nur für die weitere Bearbeitung strittiger Tatbestands- und Konkurrenzfragen viel­ versprechend. Darüber hinaus scheint diese geeignet, Unstimmigkeiten der aktuellen Normenausgestaltung offenzulegen. Beispielsweise kann man sich fragen, warum die Heraufbeschwörung einer inhaltlich gravierenden Repräsentationsgefahr für das abgebildete Opfer in §§  201a, 184k StGB die Rechtsfolge von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, während die schwerwiegendere Repräsentation mittels derselben Aufnahme in §  33 KUG lediglich eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorsieht.492 491  Auch in diesem Zusammenhang könnte man allenfalls eine gewisse Korrekturmöglichkeit hinsichtlich der Identifizierbarkeit konstruieren, indem man einer kaum zuordenbaren Aufnahme gerade wegen ihrer Undeutlichkeit die Eignung abspricht, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden. 492  In eine ähnliche Richtung zielt die Kritik von Woltmann, in: FG RobotRecht 2020, S.  505, welcher bemängelt, dass in §  201a StGB keine strafschärfende Berücksichtigung des Grades der Zugänglichmachung stattfindet.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

Diesem Ergebnis könnte zwar insoweit über die Erwägung gegengesteuert werden, dass auch die Normen des Kernstrafrechts das „einer dritten Person Zugänglichma­ chen“ und damit ebenfalls wie §  33 KUG die Repräsentation sanktionieren und diese dabei mit einer schärferen Rechtsfolge belegen würden. Dies ließe aber wiederum die Erwägung bei §  184k StGB außen vor, dass etwa durch das Verschicken eines Upskirting-Bildes in der Regel gar keine Repräsentation stattfindet. Ähnliche Erwä­ gungen lassen sich beim Schutz Verstorbener anstellen. So greift die Strafnorm des §  33 KUG gem. §  22 S.  3 KUG bis zu zehn Jahren nach dem Tod des Abgebildeten, während §§  201a, 184k StGB keine derartigen Beschränkungen kennen. Schließlich sind die Erlaubnistatbestände des §  23 KUG nicht deckungsgleich mit denjenigen von §§  201a IV, 184k III StGB. Insoweit lässt sich an dieser Stelle aber bereits vermu­ ten, dass auch im Kernstrafrecht dem Begriff der „Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken“ wie heute dem Begriff der Zeitgeschichte in §  23 KUG zentrale Bedeutung zukommen wird. Es spricht insgesamt also viel dafür, die vorgefundenen Normen de lege lata an den Grundprinzipien des (verfassungsrechtlichen) Rechts am eigenen Bild auszu­ richten und bei den Erwägungen de lege ferenda die hierbei offengelegten Unstim­ migkeiten zu berücksichtigen.

D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) auf das Recht am eigenen Bild Zu einem regelrechten Erdbeben, dessen Nachwirkungen noch heute anhand einer erheblichen Rechtsunsicherheit innerhalb der Gesellschaft und dem Fachdiskurs spürbar sind, führte die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Ob­ wohl diese bereits am 26. Mai 2016 in Kraft trat, führte letztendlich erst deren An­ wendbarkeit durch das Ablaufen der Übergangsperiode am 25. Mai 2018 zu emo­ tional geführten Diskussionen, was den zukünftigen Umgang mit Personenbildern betrifft. Das Resultat ist die anhaltende Verunsicherung hinsichtlich verschiedener Fragen die Abbildung von Personen betreffend, wie etwa, ob die DS-GVO nunmehr künftig weitgehend das Fotografieren von Personen verbiete493, oder, ob die ­DS-GVO die Regeln des KUG verdränge494. Wäre letzteres der Fall, hätte zumindest das ein­ fachgesetzliche Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG nach nunmehr über 100 Jahren ausgedient und müsste den Regeln des (europäischen) Datenschutzes ­weichen. Folglich war auch der Aufschrei hinsichtlich der Verunsicherung durch die ­DS-GVO in den Teilen der Gesellschaft deutlich hörbar495, die regelmäßig mit der Anfertigung und Veröffentlichung von Personenfotos zu tun haben. Dies sind allen 493 

E. Ehmann, ZD 2020, S.  65. Jangl, ZUM 2021, S.  106; Remmertz, MMR 2018, S.  508. 495  Mönikes spricht vom „Ende der modernen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (wie wir sie ken­ nen)“; Artikel abrufbar unter: https://www.telemedicus.info/article/3265-Datenschutz-Grundver 494 

D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)

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voran beruflich Tätige, wie beispielsweise Journalisten im weitesten Sinne oder Me­ diengestalter, Mitarbeiter in PR-Abteilungen, Influencer, Fotografen oder Blogger.496 Dementsprechend waren es bisher auch die Fragen der betroffenen Berufsgruppen, die im öffentlichen Interesse und somit auch im Zentrum des jungen wissenschaft­ lichen Diskurses um die Anwendbarkeit DS-GVO standen.497 Geradezu inflationär und noch viel umfassender findet ein solcher Umgang aber tagtäglich in den sozialen Netzwerken in Form der Verwendung von Personenfotos durch private Nutzer statt. Von besonders großem Interesse ist deshalb die Frage, ob die Nutzung sozialer Netz­ werke explizit nicht mehr unter den über hundert Jahre alten Regelungsmechanismus des KUG fallen soll. Diese Ungewissheit evoziert zwangsläufig Folgefragen für den strafrechtlichen Bildnisschutz. Überdeutlich wird dies an der (originären) Strafrechtsnorm zum Schutz des Rechts am eigenen Bild in §  33 KUG. Darüber hinaus bedient sich der strafrechtliche Abbildungsschutz im Kernstrafrecht maßgeblich den Wertungen des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild wie etwa der des §  23 KUG in §  201a I, II, IV StGB und §  184k III StGB. Man kommt somit nicht umhin, den Einfluss der DS-GVO auf das Recht am eigenen Bild und die Bedeutung für das Verhältnis zum strafrechtlichen Abbildungsschutz auszuloten.

I. Sinn und Zweck der DS-GVO und die übergeordnete Problematik zur Auswirkung auf das deutsche Bildnisrecht Die DS-GVO verfolgt das ambitionierte Ziel, ein zumindest weitgehend harmoni­ siertes und effektives europäisches Datenschutzniveau auf Grundlage des Art.  16 II AEUV zu realisieren, das den digitalen Rahmenbedingungen des 21.  Jahrhunderts gewachsen ist.498 Dabei erklärt Art.  1 I DS-GVO den Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten als übergeordnetes Ziel der ­DS-GVO. Aus der Perspektive des deutschen Grundgesetzes ist damit nichts anderes gemeint, als der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung der infor­ mationellen Selbstbestimmung, wie er zuvor maßgeblich durch das deutsche Daten­ schutzgesetz (BDSG) bestand.499 Da Personenbildern Informationen unter Aus­ ordnung-Das-Ende-der-modernen-Presse-und-OEffentlichkeitsarbeit-wie-wir-sie-kennen.html; zuletzt abgerufen am 01.06.2022). 496 Vgl. Hansen/Brechtel, GRUR-Prax 2018, S.  369; Kahl/Piltz, K&R 2018, S.  289. 497  Vgl. zur Meinungs- und Pressefreiheit OLG Köln, ZD 2018, S.  434; Kahl/Piltz, K&R 2018, S.  289 ff.; C. Müller, GRUR-Prax 2018, S.  383; Tinnefeld/I. Conrad, ZD 2018, S.  397; zur Nutzung von Personenbildnissen in der Unternehmenskommunikation Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, S.  578; zur künstlerischen Straßenfotografie Hildebrand, ZUM 2018, S.  585 ff.; zur Werbung aber immer­ hin auch zur privaten Meinungsäußerung Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, S.  1057 ff.; zum grundsätzlichen Verhältnis ohne Praxisbezug Golz/Gössling IPRB 2018, S.  68 ff.; Hansen/Brechtel, GRUR-Prax 2018, S.  369 ff.; bereits früh zu Personenbildnissen B. Lorenz, K&R 2016, S.  453 ff. 498  Erwägungsgrund 3 zur DS-GVO und Kühling/Martini et al., S.  1. 499  Erserbetci, S.  17; Leeb/Liebhaber, JuS 2018, S.  535; Moos/Schefzig/Arning/Schmitz, Kap.  2, Rn.  36.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

wertung des äußeren Erscheinungsbilds, des Bildumfelds oder der Metadaten des Aufnahmegerätes über das Individuum zu entnehmen sind, stellen diese stets per­ sonenbezogene Daten im Sinne der informationellen Selbstbestimmung dar. Damit überschneiden sich das Recht am eigenen Bild und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zwangsläufig.500 Diese Überschneidung war nach alter Rechtslage auf einfachgesetzlicher Ebene hinreichend geklärt: Dem Kunsturhebergesetz (KUG) war nach der höchstrichterli­ chen Rechtsprechung501 zur alten Rechtslage für die Veröffentlichung und Zur­ schaustellung von Personenbildnissen im Rahmen der §§  22, 23 KUG der Vorrang als lex specialis502 im Verhältnis zu den Datenschutzgesetzen einzuräumen. Die maßgebliche Argumentation hierfür bezog sich auf die grundsätzliche Subsidiarität des BDSG gem. §  1 III 1 BDSG a. F. „[…] soweit andere Rechtsvorschriften des Bun­ des auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind […]“. Allerdings ändert sich durch die DS-GVO der Bezugsrahmen maßgeblich, sodass das Verhältnis zwischen den Datenschutzgesetzen und dem Recht am eigenen Bild möglicherweise in Theorie und Praxis neu geordnet werden muss.503 Denn im Gegensatz zum BDSG a. F. enthält weder die DS-GVO noch das hierauf abgestimm­ te BDSG n. F. eine solche Subsidiaritätsklausel.504 Umstritten ist deshalb insbeson­ dere, inwieweit dem nationalen Gesetzgeber infolge des Inkrafttretens der DS-GVO noch eigenständige Spielräume verbleiben sollen oder ob nationale Regelungen, die reflexartig datenrelevante Szenarien regeln, verdrängt werden.505 Um sich für den weiteren Verlauf der Arbeit hierzu hinreichend positionieren zu können, muss vorab der Rechtscharakter sowie das Regelungssystem, welche der DS-GVO zugrunde lie­ gen, im Verhältnis zu den nationalen Vorschriften des Bildnisschutzes erschlossen werden.

500  Vgl. hierzu bereits die Ausführungen zum Verhätlnis von informationeller ­Selbstbestimmung in dem Recht am eigenen Bild in Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (1). 501  BAG, NJW 2015, S.  2141 – „Einwilligung des Arbeitnehmers“. Die Zivilgerichte gingen so­ gar vom Vorrang des KUG aus, ohne das Verhältnis zum BDSG überhaupt näher zu erörtern; vgl. etwa BGH, NJW-RR 2014, S.  1193 – „Mieterfest“; BGH, NJW 2015, S.  1450 – „Hostess auf Event­ portal“; BGH, NJW 2021, S.  1308, Rn.  44 ff. – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1313, Rn.  34 – „Urlaubslotto“; ferner OLG Karlsruhe, NJW NJW-RR 2016, S.  1159. 502 Diese Einordnung wurde von Teilen der Literatur aufgrund eines angeblich geringeren Schutzniveaus des KUG angezweifelt. Für eine parallele oder ergänzende Anwendung des BDSG neben dem KUG: Jandt/Roßnagel, MMR 2011, S.  640; für die Verdrängung des KUG durch das BDSG: B. Lorenz, ZD 2012, S.  369; wohl auch Schnabel, ZUM 2008, S.  661; vgl. ferner Simitis/Dix, §  1 Rn.  172; a. A. Renner, ZUM 2015, S.  609; Heberlein, S.  149. 503 Vgl. Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, S.  1059; Dreier/Schulze/Specht, Vorbem. §  22 KUG, Rn.  6a. 504  Zwar räumt §  1 II S.  1 BDSG n. F. „andere[n] Rechtsvorschriften des Bundes über den Daten­ schutz“ einen Anwendungsvorrang ein; zählt man hierunter das KUG, wie etwa Raji, ZD 2019, S.  62, bestünde gleichwohl der unionsrechtliche Vorrang der DS-GVO. 505  Hansen/Brechtel, GRUR-Prax 2018, S.  369; Raji, ZD 2019, S.  63; Ziebarth/Elsaß, ZUM 2018, S.  578.

D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)

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II. Durchführung der DS-GVO anhand deren Einbettung in andere Regelwerke Um den Anforderungen einer weitestgehenden Harmonisierung überhaupt gerecht werden zu können, müssen die Vorgaben des europäischen Gesetzgebers grundsätz­ lich von allen Mitgliedstaaten, unabhängig von ihren bislang bestehenden Rege­ lungssystemen, einheitlich befolgt werden. Ein gravierender Unterschied des neuen Datenschutzrechts gegenüber der alten Rechtslage resultiert aus dem Rechtscharak­ ter der DS-GVO: Nach Art.  288 II AEUV gilt diese als Verordnung in jedem Mit­ gliedstaat unmittelbar und bedarf deshalb keiner Umsetzung durch die Mitglied­ staaten.506 Demzufolge genießt das Unionsrecht nach der Rechtsprechung des Euro­ päischen Gerichtshofs auch Vorrang vor dem nationalen Recht.507 Hieraus resultiert ein sog. Anwendungsvorrang des Unionsrechts, wonach entgegenstehende nationale Regelungen zwar nicht eo ipso nichtig sind508, gleichwohl aber keine Anwendung durch die Mitgliedstaaten finden dürfen.509 Dabei meint Vollharmonisierung im Sinne der DS-GVO allerdings nicht, dass es zukünftig gar keine Datenschutzvor­ schriften in anderen Regelwerken auf europäischer oder nationaler Ebene mehr ge­ ben soll.510 Vereinfacht dargestellt gibt es drei übergeordnete Möglichkeiten, wie nationale Vorschriften – welche ebenfalls datenschutzspezifische Bereiche (mit-)re­ geln – unter der DS-GVO fortbestehen können. Allen voran bestehen innerhalb der DS-GVO sog. „Öffnungsklauseln“511, mittels deren die Verordnung es den Mitgliedstaaten gestattet, spezifizierende oder (in ge­ wissem Maße) abweichende Regelungen zu erlassen.512 Mehrere Mitgliedstaaten – 506 

Moos/Schefzig/Arning/Moos/Schefzig, Kap.  1, Rn.  5 f.; vgl. auch E. Ehmann, ZD 2020, S.  66. Vgl. nur EuGH, NJW 1964, S.  2372 – „Costa/E.N.E.L“; EuGH, NJW 1978, S.  1741 – „Sim­ menthal II“. 508  Zur Entscheidung über die Gültigkeit von nationalem Recht, vgl. Frabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  1 AEUV, Rn.  80; Funke, DÖV 2007, S.  736; Leeb/Liebhaber, JuS 2018, S.  536. 509  Vgl. EuGH, NJW 1978, S.  1741 – „Simmenthal II“; EuGH, NJW 1999, S.  202, Rn.  20 f. – „IN. CO.GE.“. 510  Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, S.  1060; Moos/Schefzig/Arning/Moos/Schefzig, Kap.  1, Rn.  6; Schantz/Wolff/Wolff, C., Rn.  213. 511  Krit. zum Begriff der Öffnungsklauseln Raji, ZD 2019, S.  63; Ehmann/Selmayr/Selmayr, Vor Art.  1 DS-GVO, Rn.  88. 512  Lennart/Elsaß, ZUM 2018, S.  581; Schantz, NJW 2016, S.  1842. Constantinesco, S.  562 und Calliess/Ruffert/Ruffert, Art.  288 AEUV, Rn.  21, sprechen deshalb von einer „hinkenden Verord­ nung“. Wegen der variierenden Ausgestaltungsmöglichkeit durch die Öffnungsklauseln kann die Union eine Verordnung in Teilen gewissermaßen richtlinienähnlich ausgestalten. Dies ist bei der DS-GVO durch die Öffnungsklauseln stellenweise der Fall, was ihr vereinzelt den Namen als „Hy­ brid“ zwischen Richtlinie und Verordnung eingebracht hat; vgl. Kühling/Martini, EuZW 2016, S.  449; Schantz/Wolff/Wolff, C., Rn.  218; der dahinterstehende Zweck dieser Regelungstechnik ist dabei, den unterschiedlichen Ausgangspositionen der Mitgliedstaaten im Prozess der Konvergenz unterschiedlicher Rechtsordnungen angemessen Rechnung zu tragen und sie auf dem Weg der Har­ monisierung mitzunehmen; vgl. Kühling/Martini et al., S.  1, 3. Zudem soll hierdurch dem Respekt der Union vor den mitgliedstaatlichen, durch den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gem. Art.  5 II AEUV gesicherten Kompetenzen und dem mit einer Verordnung als Regelungsinst­ 507 

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

darunter auch Deutschland513 – haben bereits frühzeitig Gesetzgebungsverfahren initiiert, um ihren durch die Öffnungsklauseln eingeräumten Gestaltungsspielraum möglichst bald zu nutzen.514 Als zweite Möglichkeit haben mitgliedstaatliche (Spezial-)Vorschriften zur Um­ setzung der RL 2002/58/EG Vorrang vor der DS-GVO. Dies hängt damit zusammen, dass die DS-GVO die RL 2002/58/EG nicht ablöst und diese Richtlinie gem. Art.  95 DS-GVO als lex specialis Vorrang genießt, solange hieraus Pflichten erwachsen, welche denselben Regelungszweck wie die DS-GVO mit sich bringen.515 Schließlich existieren als dritte Möglichkeit Datenschutzregelungen fort, die be­ reits außerhalb des Anwendungsbereiches der DS-GVO liegen.516 Denn die D ­ S-GVO erhebt nicht etwa den Anspruch, das Gebiet des Datenschutzes inhaltlich vollumfas­ send zu regeln.517

III. Das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild als paralleles Altgesetz zur DS-GVO Nach den vorangestellten Grundsätzen zur Einflechtung der DS-GVO in das vorhan­ dene Regelwerk kann sich nun der komplexen Frage gewidmet werden, wie mit Ge­ setzen umgegangen werden muss, welche (reflexhaft) datenschutzrelevante Sachver­ halte regeln und nicht bis zum 25. Mai 2018 an die DS-GVO angepasst wurden. Da ein Bildnis im Sinne der §§  22 ff. KUG stets personenbezogene Daten im Sinne von Art.  4 Nr.  1 DS-GVO enthält518, handelt es sich beim KUG um ein solches Altgesetz, das bis heute fortbesteht und welches der Gesetzgeber auch nicht bis zum 25. Mai 2018 an die DS-GVO angepasst hat. Da das KUG von 1907 offensichtlich keine spe­ rument einhergehenden intensiven Einwirken der Union in diesen Kompetenzbereich Rechnung getragen werden. 513  Das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU  – DSAnpUG-EU) vom 30. Juni 2017 ist am 05.07.2017 im Bundesgesetzblatt verkündet worden; vgl. BGBl. I 44 v. 05.07.2017, S.  2097. Das DSAnpUG-EU enthält in Art.  1 etwa das neue BDSG (2018), welches die Begleitvorschriften zur DS-GVO enthält, welche auf deren Öffnungsklauseln basieren; vgl. hierzu Kremer, CR 2017, S.  368. 514  Das flankierende neue BDSG trat gem. Art.  8 DSAnpUG-EU parallel zur DS-GVO am 25.05.­ 2018 in Kraft. 515  In Deutschland sind dies einige Datenschutzregelungen im TKG, manche Datenschutzvor­ schriften im TMG und die Regelung in §  7 II und III UWG; vgl. Moos/Schefzig/Arning/Moos/ Schefzig, Kap.  1, Rn.  11. 516  S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  77; vgl. auch Kühling/Martini et al., S.  3. 517  Moos/Schefzig/Arning/Moos/Schefzig, Kap.  1, Rn.  12 ff., nennt das Beispiele etwa den Be­ reich der Landesverteidigung oder, dass als Teil des EU-Legislativpakets zum Datenschutz neben der DS-GVO eben auch die RL 2016/680/EU (im Bereich der Strafverfolgung) anzusehen ist, wel­ che in Deutschland in Teil  3 des BDSG n. F. bereits umgesetzt wurde, und somit „unbeeinflusst“ neben der DS-GVO steht. 518  Ulmer-Eilfort/Obergfell/Obergfell/Herbort, Rn.  991; hierzu auch bereits Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (1), (a), undeutlich insoweit S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  77, welche verkennen, dass die Erkennbarkeit ungeschriebene Voraussetzung für den Bildnisbegriff ist.

D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)

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zialgesetzliche Richtlinienvorgabe (im Sinne der oben genannten zweiten Möglich­ keit) umsetzt, kann es also nur dann noch Anwendung finden, wenn es in die Öff­ nungsklauseln der DS-GVO fällt (erste Möglichkeit) oder, soweit es außerhalb des Anwendungsbereichs der DS-GVO liegt (dritte Möglichkeit). 1. Die Kontroverse um die Einpassung des KUG in die Öffnungsklauseln der DS-GVO als bisheriger Dreh- und Angelpunkt für die weitere Anwendbarkeit der §§  22 ff. KUG Im Zentrum der hochaktuellen Debatte zur Anwendbarkeit des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild unter der DS-GVO stand dabei bisher die Frage, ob die Re­ geln des KUG in die Öffnungsklauseln der DS-GVO eingesetzt werden können. a) Art.  85 II DS-GVO als Einfallstor für das KUG Art.  85 II DS-GVO stellt es – als eine Öffnungsklausel – den Mitgliedstaaten frei, „für die Verarbeitung, die zu journalistischen Zwecken oder zu wissenschaftlichen künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt“, abweichende Regelungen zur DS-GVO vorzusehen, „wenn dies erforderlich ist, um das Recht auf Schutz der per­ sonenbezogenen Daten mit der Freiheit der Meinungsäußerung und der Informa­ tionsfreiheit in Einklang zu bringen“. Damit „der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung“ getragen wird, konstatiert der Erwägungsgrund 153 (zu Art.  85 II DS-GVO), dass „Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, weit ausgelegt werden“ müssen. Hieraus wird gefolgert, dass das prägende Element die meinungsbildende Wirkung der Verarbeitungstätigkeit sein müsse.519 Die Rechtsprechung tendiert mittlerweile deutlich dazu, dass das KUG eine Rege­ lung im Sinne der Öffnungsklausel des Art.  85 II DS-GVO darstelle, sofern es sich auf die Veröffentlichung von Bildnissen zu journalistischen, wissenschaftlichen künstlerischen oder literarischen Zwecken bezieht.520 Mit anderen Worten soll das KUG jedenfalls bei journalistischen Veröffentlichungen weiterhin Anwendung fin­ den.521 Dies war bislang heftig umstritten, da Art.  85 III DS-GVO in seinem eindeu­ 519  Vgl. Kühling/Buchner/Buchner/Tinnefeld, Art.  85 DS-GVO, Rn.  26; S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  77; Gola/Pötters, Art.  85 DS-GVO, Rn.  8. 520  Tendenziell bereits OLG Köln, ZD 2018, S.  435, wobei nicht ausdrücklich gesagt wird, dass sich der Vorrang explizit aus Art.  85 II DS-GVO ergibt, die Argumentation bezieht sich aber maß­ geblich auf den zweiten Absatz; ausdrücklich dann auf Art.  85 II DS-GVO stützend: LG Frankfurt a. M., Urt. v. 16.05.2019 – 2-03 O 184/17 = BeckRS 2019, 15418, Rn.  242; LG Frankfurt a. M., ZUMRD 2020, S.  88; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  292; vgl. ferner LG Frankfurt a. M., ZUMRD 2020, S.  375, welches die Anwendbarkeit des KUG auch außerhalb des journalistischen Be­ reichs auf Art.  85 II DS-GVO stützt, obwohl es zuvor die Einschlägigkeit von §  23 KUG verneint hat; vgl. ferner Cornile, ZUM 2018, S.  568 ff. 521  Eine eindeutige Zuordnung zu einem konkreten Absatz im journalistischen Zusammenhang offengelassen und die Anwendbarkeit des KUG auf „Art.  85 DS-GVO“ gestützt: BGH, NJW 2020, S.  3716 f. – „Ehescheidung“; OLG Köln, ZD 2018, S.  435; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  133 f.; LG

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

tigen Wortlaut fordert, dass jeder Mitgliedstaat diejenigen Rechtsvorschriften, „die er aufgrund Absatz  2 erlassen hat […] unverzüglich“ der Kommission mitteilen muss. Die Formulierung legt nahe, dass bereits existente nationale Vorschriften wie das KUG nicht von Art.  85 II DS-GVO erfasst sein sollen. In der Tat mutet es etwas seltsam an, dass das über 100 Jahre alte KUG eine Art Umsetzung der modernen DS-GVO sein soll.522 Gleichwohl liefe eine solche Auslegung als reiner Formalis­ mus den Zielen des Datenschutzrechts – und letztlich auch dessen Anerkennung – zuwider523, zumal bereits anklang, dass das KUG aus der Perspektive des (informa­ tionellen) Selbstbestimmungsrechts geradezu modern anmutet524. b) Art.  85 I DS-GVO als Einfallstor für das KUG Nachdem die Rechtsprechung somit die Brisanz um die Frage der weiteren Anwend­ barkeit des KUG jedenfalls im journalistischen Bereich etwas abmildern konnte, fo­ kussiert sich die heftige Diskussion um das Verhältnis von KUG und der DS-GVO immer noch auf die Frage, ob das KUG auch abseits des journalistischen Bereichs weiterhin Anwendung finden kann. Die überwiegende Literatur nennt für solche nichtjournalistische Tätigkeiten bislang die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Private im Rahmen sozialer Netzwerke, die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, Werbungsmaßnahmen wie etwa in PR-Abteilungen, Verarbeitungen durch Blogger, Influencer, sonstige Mediengestalter oder nicht journalistisch tätige Fotografen und schließlich die Vereinskommunikation als Beispiele.525 Kernfrage dieser Diskussion ist dabei, ob es sich bei Art.  85 I DS-GVO526 um eine zusätzliche – neben Art.  85 II DS-GVO bestehende – Öffnungsklausel handelt, Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  335; auf Art.  85 II DS-GVO gestützt: LG Frankfurt a. M., Urt. v. 16.05.2019 – 2-03 O 184/17 = BeckRS 2019, 15418, Rn.  242; LG Frankfurt a. M., AfP 2019, S.  551; LG Frankkfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  88; ganz offen gelassen aufgrund desselben Ergebnisses des Abwägungsvorgangs hat die Frage jüngst BGH, NJW 2021, S.  1314, Rn.  42 – „Urlaubslotto“; vgl. Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  6.; a. A.; Benedikt/Kranig; ZD 2019, S.  5; Kahl/Piltz, K&R 2018, S.  290, welche zwar von der Anwendbarkeit unter Art.  85 DS-GVO ausgehen, gleichwohl aber einen „Anpassungsauftrag“ hinsichtlich des KUG annehmen; Klein, S.  180 ff.; wohl auch E. Ehmann, ZD 2020, S.  67; ebenfalls zweifelnd Aßmus/Winzer, ZD 2018, S.  511 ff.; Jangl, ZUM 2021, S.  106; L. Lorenz, K&R 2021, S.  325. Offengelassen hat die grundsätzliche Frage zur Verdrängung jüngst der 1. Zivilrechtssenat in BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“, und BGH, NJW 2021, S.  1313, Rn.  36 – „Urlaubslotto“; so auch VG Hannover, K&R 2020, S.  171; LG Frankfurt a. M., ZD 2018, S.  587, Rn.  20; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2019, S.  164. 522  Hoeren, ZD 2018, S.  435; ebenfalls krit. Jangl, ZUM 2021, S.  106. 523  Paal/Pauly/Pauly, Art.  85 DS-GVO, Rn.  14 f.; Plath/Grages, Art.  85 DS-GVO, Rn.  11; S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  77. 524  Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (1). Eine andere Frage ist es, ob nunmehr gewissermaßen eine nach­ trägliche Notifizierungspflicht für das alte KUG besteht; vgl. hierzu Jangl, ZUM 2021, S.  106; Lauber-­Rönsberg, ZUM-RD 2018, S.  551 m. w. N. 525  Hansen/Brechtel, GRUR-Prax 2018, S.  369; Horstmann, ZD-Aktuell 2020, 07362; Jangl, ZUM 2021, S.  106; Kahl/Piltz, K&R 2018, S.  289; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, S.  1061. 526  Art.  85 I DS-GVO: „Die Mitgliedstaaten bringen durch Rechtsvorschriften das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäuße­

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die nicht auf den journalistischen Bereich beschränkt ist, sondern eine viel weit­ gehendere Abweichungsbefugnis beinhaltet, welche letztlich zur vollständigen An­ wendbarkeit des KUG führen würde. Das wäre dann der Fall, wenn Art.  85 I DSGVO so gelesen werden muss, dass er es den Mitgliedstaaten grundsätzlich gestattet, selbst Einklang im Sinne der Norm zwischen den kollidierenden Grundrechten – in­ formationelle Selbstbestimmung einerseits und Kommunikationsfreiheiten anderer­ seits – herzustellen, indem etwa weiterhin das KUG zur Anwendung gebracht wird. Der Wortlaut von Art.  85 I DS-GVO ist allerdings (auch in seiner englischen Fas­ sung) mehrdeutig und kann auch so verstanden werden, dass die Mitgliedstaaten bestehende nationale Regelungen – wie das KUG – zur Herstellung des Einklangs im Sinne der Norm an die DS-GVO anpassen müssen.527 Dann wäre Art.  85 I DS-GVO insoweit nur ein Regelungsauftrag zur Anpassung der alten nationalen Regelungen, ohne dabei selbstständig über die Anwendbarkeit der bereits bestehenden oder mög­ licherweise neu gesetzten nationalen Regelungen befinden zu dürfen. Für letztere Leseart und damit für die grundsätzliche Unanwendbarkeit des KUG sprechen sich bis heute gewichtige Stimmen aus.528 Hierfür wird zunächst vorgebracht, dass der Wortlaut von Art.  85 I DS-GVO (in Einklang bringen) eher für die Herstellung eines Gleichklangs im Sinne eines An­ passungs- oder Regelungsauftrags spreche, der zu einem Unisono von den bestehen­ den Wertungen und denjenigen Wertungen der DS-GVO führen soll. Auch spreche der Vergleich des Wortlauts von Art.  85 II DS-GVO dafür, in dem ersten Absatz ­lediglich einen Anpassungs- bzw. Regelungsauftrag zu sehen, da der zweite Absatz den Mitgliedstaaten ausdrücklich zugesteht „Abweichungen und Ausnahmen“ von konkret genannten Kapiteln vorzusehen.529 Ferner nennt Art.  85 III DS-GVO nur eine Notifizierungspflicht für Art.  85 II DS-GVO. Dies spreche ebenfalls dafür, dass im ersten Absatz eben keine Öffnungsklausel gesehen werden soll, denn wenn die Mitgliedstaaten eigene Wege durch eine Öffnungsklausel beschreiten dürften, müsse – wie für den zweiten Absatz – auch für den ersten Absatz eine Notifizierungspflicht bestehen.530 Schließlich wird im Falle der Anerkennung einer Öffnungsklausel in Art.  85 I DS-GVO mit einer weitgehenden Abweichungsbefugnis als im zweiten Ab­ rung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken und zu wissenschaftlichen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, in Einklang“. 527  Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, S.  1061; ungenau S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  78. 528  OVG Lüneburg, ZD 2021, S.  228; Aßmus/Winzer, ZD 2018, S.  511 f.; Benedikt/Kranig; ZD 2019, S.  5; Kühling/Buchner/Buchner/Tinnefeld, Art.  85 DS-GVO, Rn.  12; Kahl/Piltz, K&R 2018, S.  292; Klein, S.  180 ff.; Paal/Pauly/Pauly, Art.  85 DS-GVO, Rn.  2, 4; Gola/Pötters, Art.  85 ­DS-GVO, Rn.  5; Taeger/Gabel/Westphal, Art.  85 DS-GVO, Rn.  7; Zeyher, S.  108 ff. 529  Klein, S.  209; Gola/Pötters, Art.  85 DS-GVO, Rn.  5. 530  Hildebrand, ZUM 2018, S.  589, führt im Zusammenhang mit den eben genannten Erwägun­ gen wiederum das Argument an, dass ein Gesetz von 1907 nicht die DS-GVO im Blick haben konnte, diese somit nicht in „Einklang“ bringen könne und sich auch nicht auf diese zu stützen ver­ mag.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

satz befürchtet, dass ein Zustand der Rechtszersplitterung eintrete531, welcher letzt­ endlich die Systematik des Art.  6 DS-GVO aushebeln könne532. Die Rechtsprechung positioniert sich bislang sehr vorsichtig, indem sie sich – wenn es der Sachverhalt zulässt – auf den Standpunkt stellt, dass der Streit nicht entschieden werden müsse, da die Wertungen der DS-GVO und des KUG im konkre­ ten Fall zum selben Ergebnis kommen würden.533 Das Bundesinnenministerium (BMI) äußert sich hingegen eindeutig, stellt sein Ergebnis aber auf ein (dogmatisch) eher wackliges Gerüst: Für die Veröffentlichung von Fotografien enthalte das KUG „ergänzende Regelungen, die auch unter der ab dem 25. Mai 2018 anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung fortbestehen“ wür­ den.534 Das KUG stütze sich dabei auf den ersten Absatz von Art.  85 DS-GVO, „der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit“ eröffne. Dies stehe nicht im Widerspruch zur DS-GVO, sondern füge sich „als Teil der deutschen Anpas­ sungsgesetzgebung in das System der Datenschutz-Grundverordnung ein“.535 Hier­ gegen wird vorgebracht, dass (die Öffnungsklausel in) Art.  85 II DS-GVO vollkom­ men überflüssig wäre, wenn schon alle relevanten Fälle über den ersten Absatz er­ fasst werden könnten.536 2. Stellungnahme zur weiteren Anwendbarkeit des KUG Die folgenden Erwägungen zur Frage der weiteren Anwendbarkeit des KUG unter dem Schirm des europäischen Datenschutzes sollen aus den beiden einleitend skiz­ zierten Richtungen erfolgen, welche überhaupt eine weitere Anwendbarkeit des KUG rechtfertigen könnten.537 Da die hitzige Debatte bislang nur im Bereich der Öffnungsklauseln stattfindet, soll hiermit begonnen werden, ehe auf das bislang ver­ 531 

Raji, ZD 2019, S.  64 f.; vgl. ferner Reuter/Schwarz, ZUM 2020, S.  31 ff. Kühling/Martini et al., S.  287. 533  BGH, NJW 2021, S.  1313, Rn.  36 – „Urlaubslotto“; OLG Köln, ZUM-RD 2021, S.  298; LG Frankfurt a. M., ZD 2018, S.  587, Rn.  20; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2019, S.  164; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  335; vgl. auch VG Hannover, K&R 2020, S.  171. Eine allenfalls schwache Präferenz des V. Zivilrechtssenat des BGH in dieselbe Richtung könnte darin gesehen werden, dass dieser bei Bildnisveröffentlichungen zu journalistischen Zwecken auf den gesamten „Art.  85 ­DS-GVO“ verweist und nicht explizit nur auf den zweiten Absatz; vgl. ferner BGH, NJW 2020, S.  3716 f.  – „Ehescheidung“; BGH, NJW 2021, S.  1314, Rn.  42 – „Urlaubslotto“. 534  Zur achtsamen Kritik bereits am Wortlaut „fortbestehen“, Hildebrand, ZUM 2018, S.  589, wonach es – richtigerweise – nicht um den „Fortbestand“ des KUG, sondern um dessen Anwend­ barkeit gehe. Bei der Gelegenheit hätte es sich i. Ü. aber angeboten, auch die kryptische Bezeich­ nung „Anpassungsgesetzgebung“ zu hinterfragen, welche darauf schließen lassen könnte, dass nur ein Anpassungsauftrag – also keine Öffnungsklausel – besteht. 535  https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2018/04/faqs-datenschutz-­g rund verordn­ung.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 536  Klein, S.  209. 537  Entweder fällt das KUG in eine Öffnungsklausel oder es besteht ein Anwendungsbereich, den nur das KUG (und nicht aber die DS-GVO) abdeckt, vgl. Kap.  2, D., III. 532 Vgl.

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nachlässigte Verhältnis der Anwendungsbereiche und dessen Bedeutung für die wei­ tere Anwendung des KUG eingegangen wird. a) Zu den Öffnungsklauseln der DS-GVO und deren Durchlässigkeit für das KUG Vor der Stellungnahme zur Debatte um Art.  85 DS-GVO bietet sich ein Blick auf die sonstigen Öffnungsklauseln der DS-GVO an. Hierbei fällt der Blick schnell auf Art.  84 I DS-GVO, da sich dieser auf das nationale Strafrecht bezieht und somit nicht nur maßgebliche Auswirkung auf den zentralen Bezugspunkt der Abhandlung hat, sondern sich auch im Weiteren für die Debatte um Art.  85 DS-GVO heranziehen lässt. aa) Zu Art.  84 I DS-GVO Art.  84 I DS-GVO legt den Mitgliedstaaten auf, eigene nationale Sanktionsvor­ schriften für Verstöße gegen die DS-GVO zu erlassen, die jenseits der in Art.  83 DS-GVO geregelten Geldbußen für die dort bezeichneten Verstöße liegen.538 Der deutsche Gesetzgeber versteht unter Sanktionsvorschriften ausschließlich Regelun­ gen des Strafrechts,539 dies vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil der EU keine Rechtsetzungskompetenz hinsichtlich Strafnormen zukommt.540 Insoweit muss dies bedeuten, dass Strafrechtsbestimmungen von der DS-GVO nicht tangiert werden, die den Persönlichkeitsrechtsschutz zum Inhalt haben, ohne dabei primär auf das besondere Risiko automatisierter Datenverarbeitung abzustel­ len. Hierunter fällt auch das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild. Hinsicht­ lich dessen strafrechtlichen Schutzes gilt dies also für §  201a StGB sowie neuerdings §  184k StGB, aber grundsätzlich eben auch für §  33 KUG.541 Da es sich allerdings bei §  33 KUG um eine zivilrechtsakzessorische Blankettver­ weisung542 auf die §§  22 ff. KUG handelt, würde eine Verdrängung der §§  22 ff. KUG durch die DS-GVO zu einem unzulässigen Konterkarieren der nationalen Strafrechtsetzungskompetenz führen. Unabhängig davon wird deutlich, dass dem Recht am eigenen Bild jedenfalls eine besondere und eigenständige Bedeutung fern­ ab der Datenschutzgesetze zukommen muss, da der deutsche Gesetzgeber immerhin 538  Beukelmann, NJW-Spezial 2018, S.  248; Kühling/Martini et al., S.  277; Sydow/Popp, Art.  84 DS-GVO, Rn.  1. 539  Vgl. BT-Drucks. 18/11325, S.  109; Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann/Schwartmann/Jaquemain, Art.  84 DS-GVO, Rn.  19. 540  Gola, Art.  84 DS-GVO, Rn.  1. Zu Beginn des Gesetzgebungsprozesses ging man hingegen offenbar irrigerweise davon aus, auch das Strafrecht in die Harmonisierung einbeziehen zu können; vgl. Eßer/Kramer/Lewinski/Golla, §  83 DS-GVO, Rn.  3; die für den Bereich des Datenschutzes in Betracht kommenden strafrechtlichen Regelungskompetenzen aus Art.  83 I und 2 AEUV beschrän­ ken sich aber lediglich auf den Erlass von Richtlinien. 541  Gola, Art.  84 DS-GVO, Rn.  3 nennt bisher als einziger explizit §  33 KUG, während Kühling/ Buchner/Bergt, Art.  84 DS-GVO, Rn.  26; Paal/Pauly/Frenzel, Art.  84 DS-GVO Rn.  5 lediglich §  201a StGB als Spezialfall zur DS-GVO betiteln. 542  Zum Begriff des (unechten) Blanketts Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  2.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

schon seit 1907 dessen Schutz trotz des Ultima-Ratio-Grundsatzes ausdrücklich auch dem Strafrecht zugewiesen hat. Gesteht man zu, dass es möglicherweise zu kurz griffe, allein aufgrund des Straf­ charakters des zivilrechtsakzessorischen §  33 KUG einen eigenständigen Anwen­ dungsbereich der §§  22 ff. KUG zu begründen, handelt es sich gleichwohl um ein deutliches Indiz für die weitere Anwendbarkeit des KUG. bb) Zu Art.  85 DS-GVO Mit Blick auf die weitere Anwendbarkeit des KUG unter einem jeweiligen Absatz des Art.  85 DS-GVO ist zunächst festzustellen, dass bereits die ganze Norm in sich nicht stringent aufgebaut ist.543 So haben zwar insbesondere die systematischen Be­ denken durchaus ihre Berechtigung. Wenn man aber in Art.  85 I DS-GVO keine Öffnungsklausel, sondern nur einen Anpassungsauftrag sieht, fragt sich, inwiefern eine Anpassung überhaupt stattfinden soll, da die DS-GVO ja in jedem Fall nationa­ les Recht – und damit auch angepasste Normen – verdrängen würde.544 Somit kann die Argumentation, dass der zweite Absatz bei einer umfassenden Öffnungsklausel im ersten Absatz keinen eigenständigen Anwendungsbereich habe, insoweit auf­ grund der undurchsichtigen Struktur der Norm also auch ins Gegenteil verkehrt wer­ den. Auch der Wortlaut des In-Einklang-Bringens findet sich ebenfalls in beiden Absätzen und ist insoweit nicht ergiebig. Nähert man sich der Problematik hingegen aus der Perspektive einer Privilegierung von mitgliedstaatlichen Wertungen für journalistische Zwecke, wie es bislang von der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur in Form der Anwendbarkeit des KUG unter der Öffnungsklausel von Art.  85 II DS-GVO angenommen wird, ergeben sich weitere Anknüpfungspunkte. Hierbei fällt zunächst auf, dass sich die überwie­ genden Stimmen in der Literatur bisweilen einig zu sein scheinen, dass unter den „journalistischen Zweck“ im Sinne der Norm (nur) diejenigen Sachverhalte fallen sol­ len, welche von einer Berichterstattungstätigkeit im klassischen Sinne etwa durch ­einen Pressemitarbeiter oder Journalisten herrühren.545 Zumindest lässt sich dies an­ hand der Abgrenzung zu nichtjournalistischen Zwecken wie etwa Werbungs-, Unter­ nehmens-, Vereins-, Influencer-, Blogger- oder auch private Postings vermuten.546 Eine solche Differenzierung kann aber schon nicht überzeugen. Diese deckt sich we­ der mit dem Erwägungsgrund 153 zur DS-GVO noch mit der aktuellen der Rechtspre­ chung des Europäischen Gerichtshofs547, wonach dem „journalistischen Zweck“ gera­ 543 

So auch S. Krüger/Wiencke, MMR 2019, S.  78. So auch Jangl, ZUM 2021, S.  106. 545  So ausdrücklich OVG Lüneburg, ZD 2021, S.  228, Rn.  39, wonach „journalistische Zwecke nur dann vorlägen, wenn die Verarbeitung im Zusammenhang mit der journalistisch-redaktionellen und damit meinungsrelevanten Tätigkeit eines Medienakteurs“ stünde. Zurecht krit. Viehweger/ Koreng, ZD 2021, S.  229. 546  Vgl. hierzu Kap 2., D., III., 1., b). 547  EuGH, NJW 2019, S.  2455, Rn.  66 – „Sergejs Buivids“, welcher hierfür ebenfalls auf die Recht­ 544 

D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)

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de ein möglichst weites Verständnis zugrunde zu legen ist. Auch der Vergleich mit den sonstigen Zwecken im zweiten Absatz – Kunst, Wissenschaft und Literatur – zeigt, dass es maßgeblich auf den Informationswert im Sinne eines meinungsbilden­ den Inhalts ankommen muss und gerade nicht ausschließlich auf die Person des Ver­ arbeitenden. Augenscheinlich wird dies anhand der modernen Kommunikationskul­ tur im Internet, welche die Grenzen zwischen Privaten und dem klassischem (Presse-) Journalismus immer weiter verwischen lässt. Dass heute etwa ein Influencer viel weitreichender meinungsbildende Inhalte als manch digitaler Ausleger einer Zeitung veröffentlichen – und damit journalistische Zwecke verfolgen kann, hat sich beispiels­ weise in Deutschland spätestens im Vorfeld der Europawahl 2019 gezeigt.548 Warum also ausgerechnet das Innehaben eines Presseausweises den Anwendungsbereich des KUG eröffnen soll, erschließt sich nicht. Erkennt man vielmehr richtigerweise im In­ formationswert einer Bildnisveröffentlichung das maßgebliche Differenzierungskrite­ rium für einen journalistischen Zweck, bekennt man sich zu dessen Ermittlung an­ hand einer normativen Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen. Ebenso liegt ein normatives öffentliches Interesse den sonstigen Zwecken der Kunst, Literatur und Wissenschaft des Art.  85 II DS-GVO zugrunde, welche den Mitglied­ staaten eigene Regelungsspielräume belassen sollen. Nun entwickelte aber die Recht­ sprechung unter der Geltung des §  23 I KUG – insbesondere nach der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG – durch ihre Einzelfall­ rechtsprechung maßgebliche Parameter zur Ermittlung genau dieses normativen öf­ fentlichen Interesses und erhob den Informationswert einer Veröffentlichung zum maßgeblichen Differenzierungskriterium für die Zulässigkeit einer einwilligungsfrei­ en Bildnisveröffentlichung.549 Diese Parameter decken sich auch mit der Rechtspre­ chung des Europäischen Gerichtshofs zur Ermittlung eines journalistischen Zwecks im Sinne des Art.  85 DS-GVO.550 Damit muss die Frage, ob überhaupt ein normatives s­ prechung des EGMR rekurriert; vgl. EGMR, AfP 2016, S.  347 – „Satakunnan Markkina­pörs­si Oy und Satamedia Oy/Finland“. 548  Gemeint ist das politische Video „Die Zerstörung der CDU“, das am 18.05.2019 im Vorfeld der Europawahl 2019 vom deutschen Influencer Rezo auf der Videoplattform YouTube veröffentlicht wurde. Hierin kritisiert dieser die deutschen Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sowie die AfD und die FDP. In dem 55-minütigen Video geht er auf Themen wie Armut, Klimawandel, Außen­ politik, Bildung, Urheberrecht und Drogenpolitik ein. Das Video wurde in kürzester Zeit millio­ nenfach aufgerufen, fand ein erhebliches (internationales) Medienecho, zog eine übergreifende ge­ sellschaftliche Diskussion nach sich und war schließlich in Deutschland das meistgeklickteste ­Video auf YouTube im Jahr 2019, https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/rezos-abrechnung-­mit-­ der-­politik-die-zerstoerung-der-cdu-ist-erfolgreichstes-youtube-video-2019/25303638.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); das Video selbst ist abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v= 4Y1lZQsyuSQ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 549  Vgl. Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a); im Einzelnen Kap.  3, D., II., 1., j). Einzig §  23 I Nr.  2 KUG scheint insoweit nicht passend, da dieser sich nicht primär am überwiegenden öffentlichen Interesse orientiert; vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (b); vgl. auch Golz/Gössling, IPRB 2018, S.  70. 550  EuGH, NJW 2019, S.  2455, Rn.  66 – „Sergejs Buivids“; vgl. hierzu die Übersicht bei E. Ehmann, ZD 2020, S.  67 (Debatte von allgemeinem Interesse; Bekanntheitsgrad der betroffenen Per­

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

öffentliches Interesse – im Sinne eines journalistischen, literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Zwecks – vorliegt, zwangsläufig anhand solcher Differenzie­ rungskriterien ermittelt werden, die das KUG zur Verfügung stellt. Mit anderen Wor­ ten greifen die Wertungen des KUG stets schon eine Stufe vorher bei der Frage, ob überhaupt die Öffnungsklausel von Art.  85 II DS-GVO in Frage kommt. Damit fließen die Wertungen des KUG nicht nur für die positive, sondern auch spiegelbildlich für die negative Bestimmung eines fehlenden Informationswerts (bei überwiegendem Abgebildeteninteresse) ein.551 Zumindest den Wertungen des KUG, die Anwendung außerhalb eines journalistischen (oder sonstigen öffentlichen) Zwecks im Sinne der Norm zu versagen, erscheint somit allein schon rein tatsächlich nicht möglich. Des­ halb sprechen die besseren Argumente dafür, nach Sinn und Zweck der Öffnungs­ klauseln auch weiterhin von der Anwendbarkeit des KUG auszugehen.552 b) Zum bislang vernachlässigten Verhältnis von DS-GVO und KUG Noch klarere Ergebnisse liefert schließlich die bislang in der Lehre außen vor gelas­ sene – vorab erläuterte dritte Möglichkeit553 einer – Betrachtung der Anwendungs­ bereiche von DS-GVO und KUG. aa) Eigener Anwendungsbereich des KUG bei Verstorbenen Dabei muss vorab die Frage aufgeworfen werden, wer überhaupt Inhaber der ge­ schützten Rechtspositionen von KUG und DS-GVO sein kann. Das Recht am eigenen Bild steht der abgebildeten natürlichen Person als besonde­ re Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Geburt an zu und endet jedenfalls in seiner einfachgesetzlichen Ausprägung gem. §  22 S.  3 KUG zehn Jahre nach dem Tode.554 Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann dieser Schutz im Ein­ son; Gegenstand der Berichterstattung; Inhalt der Veröffentlichung; Auswirkungen der Veröffent­ lichung; Umstände der Erlangung; Wahrheitsgehalt der Information; die Frage, ob die betroffene Person über die Aufzeichnung und deren Zwecke informiert wurde). 551  Vor diesem Hintergrund erschließt sich die Wertung des LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  375, welches das KUG über Art.  85 II DS-GVO für anwendbar hielt, obwohl kein überwiegendes öffentliches Interesse im Rahmen des §  23 I KUG und somit auch kein journalistischer Zweck im Sinne des Art.  85 II DS-GVO vorlag. 552  So i. E. auch Hilgendorf/Kudlich/Valerius/B. Heinrich, HB Bd.  V I, §  58, Rn.  281, wonach durch eine Verdrängung der Regelungen des KUG genau das Gegenteil erreicht werden würde, was die DS-GVO fordert. 553  Kap.  2, D., II. 554  Dies umfasst sowohl Bildnisse, welche die Person zu Lebzeiten zeigen; vgl. hierzu BGHZ 143, 214 (223 ff.) – „Marlene Dietrich I“; BGHZ 151, 26 (29) – „Marlene Dietrich II“; als auch Ab­ bildungen von Leichen; vgl. hierzu OLG Hamburg AfP 1983, S.  466, hinsichtlich der Abbildung der Leiche eines Bombenattentäters auf dem Münchner Oktoberfest, welcher bei der Tat selbst ums Leben kam; KG ZUM 1985, S.  386, hinsichtlich der Bildniseigenschaft (allerdings im Sinne des §  60 UrhG) der Totenmaske des deutschen Malers und Grafikers Max Liebermann; Dreier/Schulze/ Dreier/Specht, §  22 KUG, Rn.  1, §§  30–50, Rn.  4; Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  8; Leffler, S.  201; A. A. Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  10.

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zelfall sogar noch weiter andauern555, im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut und des Bestimmtheitsgebots ist die Frist von zehn Jahren allerdings jedenfalls im Rah­ men der Strafnorm des §  33 KUG ernst zu nehmen.556 Der Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten – bzw. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – ist ebenfalls ein Grundrecht jeder natürlichen Person.557 Obwohl dieses ebenso wie das Recht am eigenen Bild dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entspringt558, fallen durch die eindeutige Beschränkung auf ­natürliche Personen559 Daten Verstorbener explizit nicht unter den Anwendungs­ bereich der DS-GVO.560 Demzufolge kann schon an dieser Stelle ein nicht zu vernachlässigender grund­ sätzlicher Unterschied zwischen KUG und DS-GVO bzgl. der Inhaberschaft des Schutzrechtes festgehalten werden. Ist die abgebildete Person verstorben, bleibt die Anwendbarkeit des KUG zumindest zehn Jahre weiterbestehen, während ein etwai­ ger Schutz des Abgebildeten durch die DS-GVO entfallen würde. Bereits hieraus kann geschlossen werden, dass es sich beim Bildnis- und Datenschutz nicht um zwangsläufig um ein und denselben Schutzgegenstand handelt. bb) Kein eigener Anwendungsbereich des KUG aufgrund der Haushaltsausnahme in sozialen Netzwerken Der Anwendungsbereich der DS-GVO könnte darüber hinaus durch die sog. „Haus­ haltsausnahme“ gem. Art.  2 II lit.  c DS-GVO (i. V. m. §  1 I 2 BDSG) ausgenommen sein, wonach Datenverarbeitungsvorgänge nicht erfasst werden sollen, die durch ­natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorge­ nommen werden.561 In seinem „Lindquist“-Urteil hat der Europäische Gerichtshof zur 555  Vgl. etwa BGHZ 169, 193 (199) – „kinski-klaus.de“, wonach in Aussicht gestellt wird, dass jedenfalls Abwehransprüche bei Verletzung ideeller Bestandteile des postmortalen Persönlichkeits­ rechts sogar nach 10 Jahren von den Angehörigen geltend gemacht werden können; Schricker/ Loewen­heim/Götting, §  22, Rn.  63. 556  Vgl. Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  8; Dreier/Schulze/Dreier/Specht, §§  30–50 KUG, Rn.  4. 557  Paal/Pauly/Ernst, Art.  1 DS-GVO, Rn.  4. 558  Vgl. Kap.  3, B., II., 3., b), bb); der EuGH hat sich zur Begründung des Grundrechts des Daten­ schutzes bis zur Verabschiedung der GRCh stets auf Art.  8 der Konvention zum Schutz der Men­ schenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) bezogen; vgl. EuGH, NJW 2006, S.  2033; EuGH EuZW 2010, S.  942. 559  Dies folgt neben Art.  4 DS-GVO aus dem Umkehrschluss zu Art.  2 II lit.  c DS-GVO, der die Datenverarbeitung natürlicher Personen nur unter bestimmten Voraussetzungen von dem Anwen­ dungsbereich der DS-GVO ausnimmt; vgl. Plath/Plath, Art.  2 DS-GVO, Rn.  2. 560  Dies ergibt sich ferner aus dem Erwägungsgrund 27 zur DS-GVO; Paal/Pauly/Ernst, Art.  1 DS-GVO, Rn.  12; Eßer/Kramer/Lewinski/Eßer, Art.  4 DS-GVO, Rn.  13; Gola, Art.  4 DS-GVO, Rn.  27; Ehmann/Selmayr/Klabunde, Art.  4 DS-GVO, Rn.  13; Däubler/Wedde/Weichert/Sommer/ Weichert, Art.  4 DS-GVO, Rn.  10; Sydow/Ziebarth, Art.  4 DS-GVO, Rn.  11; Ein Bildnis eines Ver­ storbenen kann im Einzelfall freilich Personenbezug zu einer lebenden Person – etwa eines Ver­ wandten – haben. 561  Vgl. Paal/Pauly/Ernst, Art.  2 DS-GVO, Rn.  13; Klein, S.  59.

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alten Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO562 entschieden, dass die Veröffentli­ chung personenbezogener Daten im Internet keine solche Datenverarbeitung darstellt, die zum Privat- oder Familienleben einer Einzelperson gehört, weil die Daten dadurch einer unbegrenzten Zahl von Personen verfügbar gemacht würden.563 Demzufolge wäre der sachliche Anwendungsbereich der DS-GVO etwa bei einem öffentlich zugäng­ lichen Bildnis-Posting in einem sozialen Netzwerk nicht ausgeschlossen. Allerdings nennt Erwägungsgrund 18 zur DS-GVO als Beispiele für persönliche oder familiäre Tätigkeiten auch explizit die Nutzung von sozialen Netzwerken, sodass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs möglicherweise nunmehr über­ holt sein könnte. Indes wird in Erwägungsgrund 18 DS-GVO die Nutzung von sozia­ len Netzwerken nur insoweit vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausgenommen, als diese im Rahmen von persönlichen und familiären Tätigkeiten erfolgen. Als Bei­ spiele hierfür werden von der Literatur etwa private Adressbücher564, Sammlungen von Urlaubsfotos oder Tagebücher genannt.565 Es müsste aber objektiv bestimmt wer­ den können, wann die Nutzung von sozialen Netzwerken einer rein persönlichen oder familiären Natur entspricht.566 Es drängt sich somit zwangsläufig die Frage auf, ob eine objektive Bestimmung hier überhaupt möglich ist und falls ja, anhand welcher Kriterien diese erfolgen soll. Insbesondere erscheint die persönliche Motivation des Nutzers als taugliches Kriterium nicht unbedenklich. Denn die maßgebliche Motiva­ tion des privaten Nutzers wird sich auch bei einem öffentlichen Post, der für die breite Masse sichtbar ist, regelmäßig im Rahmen persönlicher Zwecke bewegen.567 Umge­ kehrt kann eine Handlung innerhalb eines sozialen Netzwerks wie beispielsweise der Post auf die Seite eines „Freundes“ oder Verwandten, die Verlinkung oder eine Reak­ tion auf einen Beitrag mittels eines Emojis primär familiären oder persönlichen Zwe­ cken dienen, gleichwohl aber abhängig von der Privatsphäre-Einstellung und/oder der Freundesanzahl des handelnden Nutzers von einer breiten Masse gesehen werden. Während eine objektive Einstufung einer Tätigkeit als „familiär“ – bspw. anhand des Verwandtschaftsgrades –, wenn auch nicht sinnvoll568, immerhin noch als möglich erscheint, wirft aber vor allem die Bestimmung der privaten Tätigkeit auf einem so­ 562 

Die RL 95/46/EG ist in diesem Punkt allerdings mit der DS-GVO nahezu identisch. EuGH, Urt. V. 06.11.2003 – RS. C-101/01 = EuZW 2004, S.  245, insbesondere S.  249 – Lindquist. 564  Immerhin nennt Erwägungsgrund 18 S.  2 zur DS-GVO das Führen von Anschriftenverzeich­ nissen – allerdings im Konjunktiv. 565  Plath/Plath, Art.  2 DS-GVO, Rn.  22; Eßer/Kramer/Lewinski/von Lewinski, Art.  2 DS-GVO, Rn.  24; Gola/Lepperhoff, ZD 2016, S.  10. 566  L. Lorenz, K&R 2021, S.  324, geht etwa davon aus, dass die Haushaltsausnahme nur die Übermittlung von Fotos an konkrete Einzelpersonen umfasse, zu denen nach der Verkehrsauffas­ sung ein tatsächliches Nähe- und Vertrauensverhältnis bestehe. 567  I.E. wohl auch J. Albrecht/Jotzo, S.  67; Klein, S.  64; Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, S.  1060; Schantz, NJW 2016, S.  1841. 568  Unpräzise ist bereits die deutsche Übersetzung von „household“ in „familiär“, während die übergeordnete Ausnahme als „Haushaltsausnahme“ betitelt wird. Die Übersetzung als „Haushalt“ hätte aber ebenso keinen Mehrwert; vgl. Eßer/Kramer/Lewinski/von Lewinski, Art.  2 DS-GVO, Rn.  20. 563 

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zialen Netzwerk weitere Fragen auf. Da die Bestimmung der persönlichen Tätigkeit anhand der Motivation aufgrund ihrer Unbestimmtheit ausscheiden muss, könnte eine objektiv bestimmbare private Tätigkeit allenfalls aus der Einstufung der Tätigkeit auf dem sozialen Netzwerk als „privat“ im Sinne von „nicht öffentlich“ hervorgehen. Letztendlich muss sich aber auch dieser Lösungsweg auf das Kriterium der quantita­ tiven potentiell-sichtbaren Abrufbarkeit des Beitrags beschränken. Denn selbst wenn eine Handlung vom sozialen Netzwerk als „privat“ i. S. v. „nicht öffentlich“ eingestuft wird, kann diese dem Umständen entsprechend – bspw. bei der entsprechenden An­ zahl von „Freunden“ – von einem großen Nutzerkreis wahrgenommen werden.569 Es erscheint folglich ebenfalls nicht zwingend, dass eine Handlung in einem sozialen Netzwerk stets unter die Haushaltsausnahme fallen soll, nur weil sie etwa innerhalb einer geschlossenen Gruppe stattfindet.570 Somit muss nach wie vor – in Anlehnung an das „Lindquist“-Urteil des Europäi­ schen Gerichtshofs, welches sich ebenfalls auf die freie Abrufbarkeit von Daten für jedermann bezog – die Größe des Personenkreises, für den die Daten sichtbar wer­ den, zumindest einen sehr starken Indikator darstellen. Beschränkt sich dieser Per­ sonenkreis schon nicht auf den – wie auch immer zu bestimmenden – Familienkreis, verbleibt vielmehr allein die Größe des potentiellen Rezipientenkreises als einzig objektiver Maßstab. Es ist also davon auszugehen, dass die Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs zur alten Rechtslage trotz der expliziten Erwähnung pri­ vater und familiärer Tätigkeiten in sozialen Netzwerken in Erwägungsgrund 18 zur DS-GVO weiter fort gilt. Da sich die vom KUG erfassten Handlungsalternativen zu einer Veröffentlichung jedenfalls in Form der zweiten Variante der öffentlichen Zur­ schaustellung in §  22 KUG in irgendeiner Form an eine Personenmehrheit richten muss, besteht in einem solchen Fall die begründete Gefahr der Weitergabe an einen unbestimmten Personenkreis.571 Eine Ausnahme könnte also allenfalls dann bestehen, wenn man den Begriff des Verbreitens im Sinne des §  22 S.  1 Var.  1 KUG so weit auslegt, dass bereits die Wei­ tergabe eines Bildnisses an eine Person ausreicht, um dessen Tatbestand zu erfüllen. Da sich die heute wohl überwiegende Ansicht für einen solchen weiten Verbreitens­ begriff in §  22 S.  1 Var.  1 KUG ausspricht und insoweit keine Personenmehrheit for­ dert572, bestünde auch hiernach ein eigener Anwendungsbereich des KUG. Eine 569 

Ähnlich kritisch Gola/Lepperhoff, ZD 2016, S.  10; Heberlein, S.  96. So auch Eßer/Kramer/Lewinski/von Lewinski, Art.  2 DS-GVO, Rn.  25; Schwartmann/Jas­ pers/Thüsing/Kugelmann/Pabst, Art.  2 DS-GVO, Rn.  40; wohl auch Gola, Art.  2 DS-GVO, Rn.  25 und Paal/Pauly/Ernst, Art.  2 DS-GVO, Rn.  21; Däubler/Wedde/Weichert/Sommer/Weichert, Art.  2 DS-GVO, Rn.  29; A. A. Plath/Plath, Art.  2 DS-GVO, Rn.  15; Sydow/Ennöckl, Art.  2 DS-GVO, Rn.  13; Kühling/Buchner/Kühling/Raab, Art.  2 DS-GVO, Rn.  25. Vgl. ferner J. Albrecht/Jotzo, S.  67; L. Lorenz, K&R 2021, S.  324. 571 Vgl. Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, S.  1060. 572  Dabei hält sich die Kommentarliteratur freilich möglichst vage; vgl. BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  52; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  8; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  36; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  9. 570 

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solch weite Auslegung der Verbreitensvariante erscheint nach der hier vertretenen Auffassung allerdings trotz des begrüßenswerten Ergebnisses eines eigenen Anwen­ dungsbereichs des KUG – insbesondere aufgrund der zivilrechtsakzessorischen Strafbarkeit durch §  33 KUG – zumindest hinterfragenswert.573 Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die Haushaltsausnahme für Bildnisveröffentlichungen in sozialen Netzwerken allenfalls dann einen eigenen Anwendungsspielraum für das KUG schaffen könnte, wenn man die Verbreitens­ variante des §  22 S.  1 KUG so auslegt, dass auch (von der DS-GVO ausgenommene) private Bildnisübersendungen – etwa Bildnissendungen via einer Messenger-App an eine andere Person – als ein Verbreiten vom KUG erfasst sein sollen. Sobald sich die Sendung aber an einen unüberschaubaren Personenkreis richtet, greift die Haushalts­ ausnahme gem. Art.  2 II lit.  c DS-GVO (i. V. m. §  1 I 2 BDSG) in jedem Fall nicht. Tendenziell scheint die Haushaltsausnahme also kaum dazu geeignet, einen eigenen Anwendungsbereich des KUG in sozialen Netzwerken zu begründen. cc) Eigener Anwendungsbereich des KUG aufgrund der Verdrängung der informationellen Selbstbestimmung durch die Kommunikationsfreiheiten Zentrale Bedeutung hat nach der hier vertretenen Ansicht hingegen die vom Bundes­ verfassungsgericht in seinem „Recht auf Vergessen I“-Beschluss vorgenommene (Neu-)Justierung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.574 Wenn hier­ nach das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht tangiert sein soll, wenn die Nutzung personenbezogener Daten im Kontext einer öffentlichen Auseinander­ setzung zu beurteilen ist, so spricht doch sehr viel dafür, dass diese Wertung sich im Verhältnis des KUG zur DS-GVO widerspiegeln muss. Liegt eine öffentliche Ausein­ andersetzung in Form einer öffentlichen Kommunikation mit persönlichen Daten  – wie etwa einem Bildnis – vor, ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hiernach nicht (mehr) betroffen. Wenn das Recht auf informationelle Selbst­bestim­ mung aber insoweit von den äußerungsrechtlichen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgelöst wird575, wäre es widersprüchlich, die DS-GVO im Falle einer Bildnisveröffentlichung weiterhin anzuwenden, da diese ja eben das (nun­ mehr abgegrenzte) Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützen soll. Die Literatur windet sich bislang noch um eine wertende Stellungnahme, was vermutlich mit dem weiterhin undurchsichtigen Verhältnis der Prüfungsmaßstäbe nationaler und europäischer Grundrechte zusammenhängt.576 Gleichwohl kann die Differen­ 573  Hierauf wird noch im Laufe der Arbeit bei der Behandlung der Tatbestandsmerkmale des §  33 KUG eingegangen, vgl. Kap.  3, B. 574  Hierzu Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (2). 575  Klass, ZUM 2020, S.  275. 576 Vgl. Bieneman, S.  77 ff., 90 ff., welche den Einfluss der Neujustierung der informationellen Selbstbestimmung durch das BVerfG in ihrer Arbeit zum Reformbedarf KUG im digitalen Zeitalter unter der DS-GVO nicht einmal anspricht; Horstmann, ZD-Aktuell 2020, 07362; Jangl, ZUM 2021, S.  110; L. Lorenz, K&R 2021, S.  324 f.; Pfeifer, GRUR 2020, S.  35, spricht von einem „kühnen

D. Der Einfluss der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)

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zierung des Bundesverfassungsgerichts, der sich der V. Zivilrechtssenat des Bundes­ gerichtshofs mittlerweile angeschlossen hat577, überzeugen, da diese an unterschied­ lichen Gefährdungsgehalten – etwa von Bildnisherstellung, Verarbeitung und -ver­ öffentlichung – anknüpft.578 Während die informationelle Selbstbestimmung (durch die DS-GVO) eine intransparente Verarbeitung und Nutzung jeglicher Form von personenbezogener Daten durch Private gewissermaßen besonders früh im Vorfeld absichert und somit einen abstrakten Gefährdungsgehalt aufweist, resultiert die Ge­ fährdung einer Bildrechtsverletzung bei §  22 KUG aus dem Erfolg einer ganz be­ stimmten (bildhaften) Kommunikationshandlung mittels eines Bildnisses, mit ande­ ren Worten: der Repräsentation einer Person gegen ihren Willen.579 3. Zwischenergebnis zum Einfluss des Europäischen Datenschutzes (DS-GVO) auf das Recht am eigenen Bild Beleuchtet man die Problematik um das Verhältnis zwischen dem KUG und der DSGVO aus den vorgestellten unterschiedlichen Perspektiven, sprechen in einer Ge­ samtschau nach der hier vertretenen Auffassung die deutlich überzeugenderen Grün­ de dafür, weiterhin von einer umfassenden Anwendbarkeit des KUG auszugehen. Das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG hat hiernach also auch unter der DS-GVO nicht seine Bedeutung eingebüßt. Für den (übergeordneten) strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild er­ gibt sich somit folgendes: Ordnet man den konkreten Sachverhalt als Unterfall der Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung – wie etwa beim Her­ stellen einer Bildaufnahme – ein, ist die DS-GVO grundsätzlich anwendbar, gleich­ wohl greift die Öffnungsklausel des Art.  84 DS-GVO. Ergibt sich die Gefährdung für die Persönlichkeitsentfaltung allerdings vornehmlich aus Form und Inhalt der Ver­ öffentlichung als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses selbst, wie etwa beim öffentlichen Zurschaustellen eines Bildnisses, ist die DS-GVO schon nicht anwend­ bar, da das informationelle Selbstbestimmungsrecht insoweit nicht betroffen ist.

Wurf“. Selbst bei der vorrangigen Anwendung von Unionsgrundrechten gibt sich das BVerfG aber die Kompetenz, deren Durchsetzung in Deutschland zu überwachen, also diese Grundrechte auch anzuwenden; deshalb es liegt nicht fern, dass das BVerfG jedenfalls bei der Abgrenzung der uni­ onsrechtlichen informationellen Selbstbestimmung insoweit ähnliche Maßstäbe ansetzt; zum Ver­ hältnis von Datenschutz und Bildnisrecht im hier vertretenen Sinne allerdings zur Rechtslage vor Inkrafttreten der DS-GVO Golla, K&R 2015, S.  534. 577  BGH, NJW 2020, S.  770, Rn.  27 – „Veröffentlichung von Zitaten aus anwaltlichem ­Schriftsatz in einer Zeitschrift“; BGH, NJW 2020, S.  3721, Rn.  49 – „Ehescheidung“. 578  BVerfGE 152, 152 (192) – „Recht auf Vergessen I“, Rn.  90. 579  Vgl. hierzu die vorangestellten Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild in Kap.  1, A., III.

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Kapitel  2: Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung

E. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur Integration des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung Abschließend sollen die herausgearbeiteten zentralen Punkte des dritten Kapitels in kurzen Spiegelstrichen zusammengefasst werden. – Das eine Recht am eigenen Bild gibt es nicht (mehr). Zu trennen ist zwischen dem einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG und dem weiteren verfassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild. Beide sind Teilbereiche des allge­ meinen Persönlichkeitsrechts aus Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG. – Das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild schützt vor der bildhaften Reprä­ sentation. Das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild schützt umfassender die Entfaltungsfreiheit der betroffenen Person aufgrund einer bildhaften Reprä­ sentationsgefahr. – §  33 KUG schützt das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild, während die §§  201a, 184k StGB bereits am weiteren verfassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild ansetzen und sich dabei aber gewissermaßen ausgleichend nur auf schwer­ wiegende Beeinträchtigungen beschränken. Diese schwerwiegenden Beeinträch­ tigungen sind in den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen vertypt. – Die Strafnormen im Kernstrafrecht sind dabei nicht auf den strafrechtlichen Schutz des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild abgestimmt. – Das einfachrechtliche Recht am eigenen Bild bleibt unter der europäischen Daten­ schutzgrundverordnung (DS-GVO) weiter bestehen, die Normen des KUG werden insoweit nicht verdrängt. Schließlich kann gesagt werden, dass sich an den eingangs gefundenen Strukturprin­ zipien des Rechts am eigenen Bild auch heute im Grundsatz nichts geändert hat: die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung vollzieht sich maßgeblich an der Abwä­ gung zwischen Belangen des Abgebildeten und den Belangen der Öffentlichkeit an der (Gesamt-)Veröffentlichung. Dieser Grundsatz findet sich auch beim umfassende­ ren verfassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild wieder und schlägt sich bei dessen strafrechtlichen Schutz in den sog. Sozialadäquanzklauseln in §  201a IV StGB und §  184k III StGB nieder. Hiermit geht eine nicht unwichtige Schlussfolgerung einher. Soweit einer Abbildung der Zweck der Darstellung des Abgebildeten zukommt, wer­ den die isolierten Belange des Abbildenden tendenziell580 erst dann (nur reflexartig) geschützt, wenn dieser – etwa als Berichterstatter oder Künstler – mit der Abbildung auch Belange der Öffentlichkeit bedient. Zentrales Abwägungskriterium für die Zu­ lässigkeit einer Bildnisveröffentlichung ist hierfür nach dem Gesagten der Wert der hierdurch vermittelten Information für die Öffentlichkeit, namentlich der Informa­ tionswert. Damit zeichnet sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt der Arbeit ab, dass der 580  Vgl. Kap.  3, B., I., 2., d), wonach die Rechtsprechung bei überwiegendem Interesse des Ab­ bildenden gegenüber dem Abgebildeten und dabei fehlendem öffentlichem Interesse dazu überge­ hen muss, den Begriff des Verbreitens teleologisch zu reduzieren.

E. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur Integration des Rechts am eigenen Bild 247

Ermittlung der „Zeitgeschichtlichkeit“ einer Personenabbildung zentrale Bedeutung für ihre (straf-)rechtliche Relevanz zukommt. Ausblickend gilt es also im folgenden Kapitel neben der Erörterung der tatbestandsspezifischen Besonderheiten im Zu­ sammenhang mit modernen Darstellungsformen insbesondere eine Vielzahl von heute bestehender Einzelfalljudikatur zur Einordnung und Gewichtung verschie­ dener Informationswerte zu systematisieren, um hieraus allgemeingültige Schlüsse ziehen zu können.581

581  Bereits an dieser Stelle kann allerdings vorangestellt werden, dass eine einheitliche Linie der Rechtsprechung bis heute nicht zu erkennen ist; vgl. N. Dietrich, S.  180, 183 ff.; vgl. auch bereits Wanckel, NJW 2009, S.  762.

Kapitel  3

Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien de lege lata Mit der Bestimmung der Strukturprinzipien und der anschließenden Verortung in der modernen Rechtsordnung wurden die relevanten Grundsteine für die folgende Betrachtung des geltenden strafrechtlichen Bildnisschutzes geschaffen. An diesen Grundpfeilern gilt es strittige Fragen zu den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen aus­ zurichten, welche sich gerade im Hinblick auf neuartige Darstellungsmöglichkeiten ergeben. Dabei beschränkt sich der weitere Gang der Arbeit gezielt auf den isolierten Schutz der bildhaften Repräsentation durch das materielle Strafrecht in §  33 KUG. Denn dieser Strafnorm allein liegt die Idee eines ausschließlichen – von weiteren Persönlichkeitsausprägungen losgelösten und damit abstrakten – strafrechtlichen Bildnisschutzes zugrunde. Da das Bildnisrecht nach den obigen Ausführungen maß­ geblich Pate für die deutlich jüngeren Normen des Kernstrafrechts gestanden hat, erscheint es somit sachgerecht, die weiteren Gedanken auf die Basis des strafrecht­ lichen Abbildungsschutzes hinsichtlich Personenbilder zu konzentrieren. Da heute infolge der fortschreitenden Technisierung und der hieran anknüpfenden Rechtspre­ chung bereits grundlegende Unklarheiten zum strafrechtlichen Bildnisschutz beste­ hen, kann dies den Weg für hieran anknüpfende Abhandlungen und Erwägungen zum weiteren Schutz von Personenbildern durch die (Straf-)Rechtsordnung ebnen. Ausschließlicher Gegenstand der weiteren Betrachtung ist somit der strafrechtliche Bildnisschutz: Strafbar macht sich nach §  33 KUG, wer entgegen den §§  22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet oder öffentlich zur Schau stellt. Tatobjekt der Strafnorm ist damit ein „Bildnis“ im Sinne des §  22 KUG (A.), während als Tathandlungen das „Verbreiten“ oder „öffentliche Zurschaustellen“ (B.) in Betracht kommen.1 Für die Verwirkli­ chung von §  33 KUG muss dabei die Tathandlung ohne Einwilligung (C.) der abge­ bildeten Person erfolgen, sofern keine Privilegierung des §  23 KUG vorliegt (D.).

1  Damit handelt es sich somit bei §  33 KUG um eine sog. zivilrechtsakzessorische (unechte) Blankettverweisung; vgl. zu dieser Regelungstechnik bereits Kap.  1, B., V., 1. und Kap.  2, Einl., m. w. N.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG Der Bildnisbegriff wirft trotz seines über 110-jährigen Bestehens in §  22 KUG bis heute tiefgreifende Fragen auf. Nach der Gesetzesbegründung von 1906 handelt es sich hierbei um „die Darstellung der Person in ihrer wirklichen, dem Leben entspre­ chenden Erscheinung“2. Die Ausführungen zur Gesetzeshistorie lassen stark ver­ muten, dass der Gesetzgeber hierbei unter Bildnisse „im eigentlichen Sinne des Wor­ tes“ nur solche bildhaften Wiedergaben verstanden wissen wollte, welche den primä­ ren Zweck hatten, eine Person anhand ihres Äußeren identifizierend darzustellen3, wobei dieser nachhaltig vom Eindruck des gesteigerten Fotorealismus beeinflusst war4. Dementsprechend sollten dem Bildnisbegriff ausweislich der Gesetzesbegrün­ dung die „Photographie“ sowie Gemälde oder Portraitbüsten5, nicht hingegen die Karikatur als „mehr oder weniger willkürliche nach einem bestimmten Zwecke aus­ geführte künstlerische Bearbeitung eines Bildnisses zu einer neuen Darstellung“ unterfallen.6 Dieser enge Bildnisbegriff hat sich im Laufe der Zeit maßgeblich unter dem Ein­ fluss des Grundgesetzes – insbesondere unter dem Ausbau des entwicklungsoffenen Mantelrechts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts7 – immer weiter einem libera­ len Begriffsverständnis geöffnet.8 Während die frühe Rechtsprechung und Lehre 2  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  30, S.  1541. 3  Hierzu Kap.  1, B., V., 5. und 7. 4  Hierzu Kap.  1, B., V., 7. 5  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  30, S.  1539 f.; vgl. ferner die Protokolle zur ersten Beratung hinsichtlich des Gesetze­ sentwurfs, in denen ein Bildnis eines Malers in Erwägung gezogen wurde; vgl. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  214. 1905/06, 28. Sitzung, S.  815. 6  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  30, S.  1541. 7  Kap.  2, A., I. hinsichtlich des Bildnisbegriffs und im Einzelnen dann Kap.  2, A., II. 8  So rekurrierte RGZ 103, 319 (319 f.) – „Rausch“, im Jahre 1921 noch direkt auf die Gesetzes­ begründung und führte dabei aus: „Über den Begriff ‚Bildnis‘ spricht sich die amtliche Begründung (S.  31) dahin aus, daß er im eigentlichen Sinne des Wortes zu verstehen sei, ‚d. h. die Darstellung der Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung‘ bedeute. Von einem Bildnis im Sinne des Gesetzes kann daher nur dann die Rede sein, wenn die Darstellung den Zweck ver­ folgt, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Beschauer vor Augen zu führen und das Aussehen, wie es gerade dieser bestimmten Person eigen ist, insbesondere ihre Gesichtszüge, im Bilde wiederzugeben“; an diese Entscheidung unter deutlicher Relativie­ rung des Maßstabs anknüpfend bereits BGH, NJW 1965, S.  2148 f. – „Spielgefährtin I“: „Das Beru­ fungsgericht geht im Einklang mit der Rechtsprechung (RGZ 103, 319 f.) davon aus, daß ein ‚Bild­ nis‘ vorliege, wenn die Darstellung dazu bestimmt und geeignet sei, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Beschauer vor Augen zu führen und das Aussehen, wie es gerade dieser bestimmten Person eigen sei, im Bilde wiederzugeben, wobei es in der Regel die Gesichtszüge seien, die einen Menschen von seinen Mitmenschen unterschieden und für den Be­ trachter erkennbar machten. Hiernach ist es rechtlich unerheblich, ob die Darstellung gut oder mangelhaft ist oder ob die Ähnlichkeit eine größere oder eine geringere ist“; im Anschluss dann etwa BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“, wonach ein Bildnis „nicht notwendig die Abbildung

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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etwa noch ein subjektives Element verlangten, wonach die Darstellung gerade dazu bestimmt sein sollte, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Er­ scheinung dem Beschauer vor Augen zu führen9, soll nach heute einhelliger Mei­ nung lediglich eine Eignung genügen, die abgebildete Person identifizieren zu kön­ nen. Diese Eignung wird dann angenommen, wenn die abgebildete Person erkennbar ist.10 Insgesamt liegt also ein Bildnis vor, wenn die äußere Erscheinung einer oder mehrerer Personen in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergegeben wird.11 Dem Bildnis im Sinne des §  22 KUG wird heute damit grundsätzlich ein sehr weites Begriffsverständnis zugrunde gelegt. Nach der Rechtsprechung sollen nicht mehr nur optisch isomorph wirkende Darstellungsformen wie Fotografien, Videos12, rea­ listisch wirkende (Portrait-)Gemälde13, oder Statuen von Personen ein Bildnis dar­ stellen können. Vielmehr können heute sämtliche bildhafte Personendarstellungen wie etwa Zeichentrickfiguren14, Puppen15, Computerspiel-Avatare16, Münzprägun­ der Gesichtszüge [erfordert]; es genügt, wenn der Abgebildete, mag auch sein Gesicht kaum oder (etwa durch Retouschen) gar nicht erkennbar sein, durch Merkmale, die sich aus dem Bild ergeben und die gerade ihm eigen sind, erkennbar ist oder seine Person durch den beigegebenen Text, oder durch den Zusammenhang mit früheren Veröffentlichungen erkannt werden kann“ [alle Hervor­ hebungen durch Verf.]. 9  RGZ 103, 319 (319 f.) – „Rausch“; BGH, NJW 1965, S.  2148 f. – „ Spielgefährtin I“; in der Literatur: Allfeld, S.  131; Dumont, S.  28; Voigtländer/Elster/Kleine, S.  30, wonach das „Wesentliche an einem Bildnis“ das Gesicht sei; Letzel, S.  25 f.; Mestmäcker/E. Schulze, §  22 KSchG, S.  2 (Anm.  1); Osterrieth, S.  169; von Scanonzi, S.  25. 10  BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hochzeitsbild“; BGH, NJW 1965, S.  2148 f. – „Spielgefährtin I“; BGH, NJW 1971, S.  699 f. – „Pariser Liebestropfen“; BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; vgl. zur Entwicklung insgesamt Helle, S.  91. 11  BGHZ 143, 214 (228) – „Marlene Dietrich I“; BGH, NJW 1965, S.  2148 f. – „Spielgefährtin I“; BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1133 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2015, S.  1248 – „Ex-RAF-Terroristin“; vgl. auch BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hoch­ zeitsbild“; Damm/Rehbock, Rn.  130; HK-UrhR/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  3; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  19; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22, Rn.  5; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22, Rn.  14; Hengst, S.  13; Herbort, S.  13; BeckOK InfomedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  2; Erbs/ Kohlhaas/Kaiser, §  33, Rn.  5; Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  7; Leitner/Rosenau/Rein­ bacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  5; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  1; Tausch, S.  66. 12  OLG Celle, ZUM 2011, S.  343, zur Veröffentlichung einer Videoaufnahme, welche Poizei­ beamte bei einer Hausdurchsuchung zeigte; a. A. offenbar Kühl, AfP 2004, S.  193, wonach §  33 KUG „nur die Verbreitung nicht bewegter Bilder“ erfasse; vgl. auch Linkens, S.  36 Hiergegen spricht freilich der Umstand, dass es sich bei Bewegtbildern um die Aneinanderreihung unbewegter Bilder im Verhältnis zur Anzahl und Zeit (fps = engl.: frames per second) handelt; vgl. zur immer­ siven Wirkung bereits Einführung, B., IV.; ferner zu Bewegtbildanimationen Deussen, S.  104. 13  OLG Dresden, NJW-RR 2010, S.  1490 ff., zu einem (satirischen) Gemäldes der Dresdener Oberbürgermeisterin. 14  LG München I, ZUM-RD 1998, S.  19, zur Zeichentrickdarstellung des Schauspielers Gustl Bayrhammer in seiner Verkörperung als „Meister Eder“; vgl. ferner LG Stuttgart, AfP 1983, S.  283, zu einer (Werbe-)Zeichnung eines ARD-Tagesschausprechers. 15  AG Hamburg, NJW-RR 2005, S.  196, bzgl. einer „Kanzler-Puppe“ als Gerhard Schröder. 16  OLG, Hamburg, MMR 2004, S.  413, bzgl. der Darstellung Oliver Kahns im Computerspiel „FIFA Fußballweltmeisterschaft 2002“; vgl. auch LG Frankfurt, SpuRt 2009, S.  210, für die Darstel­ lung von Personen in den Spielen Pro Evolution Soccer 5 und Pro Evolution Soccer Management;

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gen17, Schattenrisse18 oder – selbst entgegen dem Willen des historischen Gesetz­ gebers – Karikaturen19 dem Bildnisbegriff unterfallen, wenn die abgebildete Person identifiziert werden kann.20 Prägendes Element eines Bildnisses ist somit nach dem modernen Begriffsverständnis die Erkennbarkeit der abgebildeten Person. Diese Liberalisierung des Bildnisbegriffs erscheint zwar angesichts der immer vielfältiger werdenden Darstellungsmöglichkeiten und sich ändernder Wertevorstel­ lungen nachvollziehbar, zumal sich das entwicklungsoffene Mantelrecht des allge­ meinen Persönlichkeitsrechts gerade dieser Veränderungen zum Schutz der Persön­ lichkeitsentwicklung des Betroffenen annehmen soll. Diese Anpassung erscheint auch grundsätzlich innerhalb offen formulierter und damit auslegungsbedürftiger Tatbestandsmerkmale wie auch demjenigen des Bildnisses geboten, allerdings gilt es eine allzu ausufernde Auslegung gerade im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot im Strafrecht zu vermeiden. So ist es hinterfragenswert, wenn schon bei einer (unter einem Millimeter großen) „punktförmigen“ Wiedergabe des Kopfes eines Kunstfliegers,21 bei Schauspielern mit erkennbar eigenen Gesichtszü­ gen ohne Ähnlichkeit zur verkörperten Person22 oder gar bei der komplett fehlen­ den Abbildung eines Menschen im Rahmen einer Autobiografie23 die Bejahung eines Bildnisses der vor dem inneren Auge erkennbar dargestellten Person in Erwä­ gung gezogen wird. ferner LG München I, NJW-RR 2002, S.  690, zu einem Browsergame, welches die Affäre von Boris Becker und Anna Ermakova nachstellte. 17  BVerfG, NJW 2001, S.  594 – „Willy Brandt“; zuvor BGH, NJW 1996, S.  593 – „Willy Brandt“, hinsichtlich einer Gedenkmünze, welche den Altkanzler Willy Brandt abbildete; OLG München, NJW-RR 1990, S.  1327, bzgl. des Vertriebs einer Gedenkmünze, welche den ehemaligen Bundes­minister und Ministerpräsidenten Bayerns Franz Josef Strauss abbildete. 18  LG Berlin, NJW-RR 2000, S.  556; vgl. ferner KG, ZUM 2007, S.  60, hinsichtlich einer Sil­ houette. 19  OLG Oldenburg, NJW 1963, S.  922; krit. hinsichtlich des Abweichens von den Motiven des Gesetzgebers Helle, S.  92 f.; vgl. ferner bereits Neuberg, LZ 1926, S.  882. 20  Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  5; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  14 f.; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  5; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  5. 21  OLG Nürnberg, GRUR 1973, S.  41, hinsichtlich einer Schwarz-Weiß-Abbildung mit der Grö­ ße 6 x 6,8 cm, welches ein Kunstflugzeug im Rückenflug (Länge 3,3 cm) in Anzeigen der Zeitschrif­ ten Stern, Quick und Brigitte zeigte. 22  BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“, wonach die Inszenierung einer bekannten Szene aus dem Film „Der blaue Engel“ für die Annahme eines Bildnisses der Originaldarstellerin Marlene Dietrich ausreichte, obwohl die Gesichtszüge der abgebildeten Schauspielerin der Origi­ naldarstellerin nicht glichen; OLG Köln, GRUR-RR 2015, S.  319, wonach ein Bildnis von Günther Jauch vorliege, obwohl der Schauspieler in dem Werbefilm dem bekannten Moderator offensichtlich nicht ähnlich sah, der Film aber zahlreiche bekannte Elemente des Showformates „Wer wird Milli­ onär“ übernommen hatte. 23 So Schertz, ZUM 1998, S.  760; ders., in: FS Raue 2006, S.  670; ders., GRUR 2007, S.  561, wonach der Bildnisbegriff auch das „Lebens- bzw. Charakterbild“ mitumfasse; mittlerweile wohl auch Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  103, jedenfalls im Zusammenhang mit der einwilligungsfreien Veröffentlichung nach §  23 I Nr.  4 KUG.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Zu Beginn steht damit die gewichtige Frage, ab wann überhaupt von einem „Bild­ nis“ im Sinne des §  22 KUG gesprochen werden kann. Denn eine Definition der Mindestvoraussetzungen erscheint angesichts der Strafbewehrtheit durch §  33 KUG unumgänglich.24 Umso mehr erstaunt es, dass diese Festlegung bis heute nicht stattgefunden zu haben scheint. Hierüber vermag jedenfalls der Verweis auf die breitgefächerte Einzelfallrechtsprechung nicht hinwegzuhelfen, zumal diese Vorge­ hensweise Gefahr läuft, nichts zur Klärung neuartiger Darstellungsformen beitragen zu können. Ferner bieten diese Entwicklungen Anlass zur Annahme, dass sich das Recht am eigenen Bild unter übersteigernder Betonung des Erkennbarkeitsmerk­ mals25 immer weiter in dem umfassenderen Recht auf Selbstdarstellung aufzulösen scheint. Deshalb gilt es im Folgenden klare Konturen des Bildnisbegriffs auf Grund­ lage der Strukturprinzipien und der Verortung des Rechts am eigenen Bild in der Rechtsordnung herauszuarbeiten. Anknüpfungspunkt sind hierfür die zwei Kern­ elemente, deren kumulatives Vorliegen nach einhelliger Auffassung den Bildnis­ schutz auszulösen vermögen: Das Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbilds (1.) und dessen zuordenbare Identifizierung im Sinne der Erkennbarkeit der abgebil­ deten Person (2.).

Abbildung 3: Bestandteile des Bildnisses

I. Menschliches Erscheinungsbild Im Folgenden sollen deshalb zunächst diejenigen Fragen erörtert werden, die sich mit den Voraussetzungen eines menschlichen Erscheinungsbilds im Sinne des Bildnis­ begriffs stellen. 1. Fragen zum personalen Anwendungsbereich Dabei bietet sich an, in einem ersten Schritt zu fragen, wer überhaupt ein „mensch­ liches Erscheinungsbild“ haben und damit Inhaber der geschützten Rechtsposition des §  33 KUG sein kann. Als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts26, kann das Recht am eigenen Bild entsprechend erst dann betroffen sein, wenn auch der persönliche Schutzbereich von Art.  2 I i.V.m Art.  1 I GG eröffnet ist. 24  Es handelt sich somit entgegen der Auffassung von Eickmeier/Eickmeier, ZUM 1998, S.  3 f., und Gerecke, GRUR 2014, S.  519, bei der Frage, ob das „Lebens- oder Charakterbild“ dem Bildnis­ begriff des §  22 KUG unterfällt, keinesfalls um einen „Streit theoretischer Natur“, selbst wenn von einer hilfsweisen Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgegangen wird. 25  Symptomatisch OLG Zweibrücken, MDR 2010, S.  1261 f., welches vom Vorliegen von Erken­ nungsmerkmalen letztendlich auf Gesichtspunkte des menschlichen Erscheinungsbilds schließt; AG Kerpen, ZUM-RD 2011, S.  259. 26  BVerfGE 35, 202 (220) – „Lebach“; vgl. zur Verortung des Rechts am eigenen Bild im Einzel­ nen Kap.  2, B., II.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

a) Kein Recht am eigenen Bild juristischer Personen oder Sachen Fest steht damit bereits, dass ein Bildnisrecht von Sachen nicht besteht.27 Zwar hält die überwiegende Ansicht die Anwendbarkeit des allgemeinen Persön­ lichkeitsrechts – trotz dessen thematischen Verbundenheit zur Menschenwürde in Art.  1 I GG – auch auf juristische Personen für möglich.28 Geht man hiervon aus, soll für eine Erstreckung des Schutzbereichs auf juristische Personen unter Heran­ ziehung des Art.  19 III GG jedenfalls dann kein Platz mehr bestehen können, wenn es um Schutzaspekte des Persönlichkeitsschutzes geht, die ausschließlich an lebende Menschen anknüpfen und daher nur natürlichen Personen wesenseigen sein kön­ nen.29 Dies ist beim äußerlichen Erscheinungsbild eines Menschen der Fall, da des­ sen Abbild seiner Persönlichkeit „am dichtesten auf dem Leibe“30 sitzt und somit einen maßgeblichen Teil dessen Individualität ausmacht.31 Ein Recht am eigenen Bild für juristische Personen als „bloße Zweckgebilde der Rechtsordnung“32ist nach der hier vertretenen Ansicht deshalb ebenfalls abzulehnen.33 Bedient sich ein Unternehmen beispielsweise eines künstlich generierten Erscheinungsbilds einer nicht real existierenden Person34 als Markenzeichen oder Aushängeschild, steht unmit­ 27  OLG Köln, NJW 2004, S.  620; vgl. ferner OLG München, ZUM 2014, S.  150, hinsichtlich der Veröffentlichung von Hundefotos; siehe auch AG Köln, Urteil vom 22.06.2010 – 111 C 33/10 = BeckRS 2010, 17936, zur Veröffentlichung eines Bildes des „Rinderkalbes Anita“; Kächele, S.  126; Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  7; Wandtke/Ohst/Renner, §  7, Rn.  164; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  121; ferner BeckOGK BGB/Specht-Riemenschneider, §  823 BGB, Rn.  1215, zur Verlet­ zung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Sachfotografien m. w. N. 28  Hinsichtlich zivilrechtlich zu beurteilender Rufschädigungen BGHZ 78, 24 (25) – „Komman­ ditgesellschaft“; BGHZ 81, 75 (78 f.) – „Carrera“; BGHZ 98, 94 (97) – „BMW“; hinsichtlich rufschädigender Äußerungen eines staatlichen Funktionsträgers BVerwGE 82, 76 (78) – „Transzen­ dentale Meditation“ m. w. N.; vgl. hierzu insgesamt Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG, Rn.  224 f. m. w. N. Das BVerfG hat sich bislang zu der Frage, ob das allgemeine Persönlichkeitsrecht auf juris­ tische Personen grundsätzlich Anwendung finden kann, nicht abschließend geäußert; vgl. BVerfGE 95, 220 (242) – „Aufzeichnungspflicht“. 29  Vgl. BVerfGE 95, 220 (242) – „Aufzeichnungspflicht; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG, Rn.  224, unter Verweis auf die Nähe zum Schutz zur Menschenwürde. Deshalb kann die Erwägung, das Recht am eigenen Bild gelte gem. §  22 S.  3 KUG nicht nur für lebende Personen (hierzu sogleich Kap.  3, A., I., 1., c) und d)) i. E. ebenfalls nicht überzeugen, da sich dieses aus dem postmortalen Persönlichkeitsrecht und somit maßgeblich aus Art.  1 I GG speißt. 30  Götting, S.  12. 31  Hierzu bereits Kap.  1, A., III. 32  BVerfGE 95, 220 (242) – „Aufzeichnungspflicht“. 33  Vgl. BVerfG, NJW 2005, S.  884, bzgl. der Veröffentlichung heimlich gefertigter Aufnahmen zu Tierversuchen; BGH NJW 2006, S.  602, für juristische Personen des öffentlichen Rechts; OLG Köln, NJW-RR 2004, S.  693, zu §  60 UrhG; LG Frankenthal, NJOZ 2016, S.  1196; HK-UrhR/ Dreyer, §  22 KUG, Rn.  3; Helle, S.  89; Leffler, S.  197; Prinz/Peters, Rn.  825; ferner MüKo BGB/ Rixecker, Anhang zu §  12 BGB, Rn.  32; Schricker/Loewenheim/Vogel, §  60 UrhG, Rn.  23; a. A. wohl LG Münster Urt. v. 03.11.2004, Az: 12 O 85/04 = BeckRS 2006, 07731, hinsichtlich der Veröf­ fentlichung von Filmmaterial, das auf dem Betriebsgelände gedreht wurde; wohl auch LG Berlin, ZUM 2004, S.  580, mit fragwürdiger Begründung hinsichtich Bildern einer Betriebsfeier. 34  Vgl. hierzu etwa den in Einführung, B., IV. erwähnten MetaHumans Creator oder die in Ein­ führung, C., genannten Chatbots in Menschenform von digitalhumans.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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telbar hinter diesem Erscheinungsbild keine natürliche, sondern eine juristische und damit künstliche Persönlichkeit, die zu keiner unmittelbar-menschlichen nonverbalen Kommunika­ tion und der hieraus resultierenden Identitäts(fort-)bildung bzw. Persönlichkeitsentwicklung durch den selbstbestimmten Austausch mit anderen im Stande ist. Spiegelbildlich wird sich die rezipierende Gesellschaft im kommunikativen Austausch kein (Persönlichkeits-)Bild von der juristischen Person machen können, da sie eine Person sieht, die sich allenfalls mit dem Unternehmen, nicht aber als dieses identifiziert.35 Ein Bildnis des Unternehmens liegt somit nicht vor. Selbiges muss zwangsläufig gelten, wenn sich ein Unternehmen dem Gesicht einer natürlichen Person bedient.36 Entsprechend wird diese nicht zum Bildnis des Unternehmens. Eine andere Frage ist es freilich, ob im Falle einer einwilligungsfreien Veröffentlichung dann das Recht am eigenen Bild der natürlichen Person betroffen ist.

b) Kein pränatales Recht am eigenen Bild Da Ungeborene ebenfalls über keinen sozialen Geltungsanspruch verfügen, da diese sich buchstäblich noch nicht innerhalb der Gesellschaft befinden, können diese nicht Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sein.37 Somit steht auch das Recht am eigenen Bild jeder natürlichen Person erst von Geburt an zu. Ein pränatales Recht am eigenen Bild kommt somit nicht in Betracht. Lädt eine Influencerin nach einer Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchung die ersten Ultra­ schallbilder ihres ungeborenen Kindes auf Instagram, ist demzufolge nicht das Recht am eige­ nen Bild des nasciturus betroffen.38 Teilt eine stolze Schwiegermutter ein Ultraschallbild für jedermann sichtbar gegen den Wil­ len der werdenden Mutter mit dem Zusatz „mein Enkel“, könnte hingegen ein Bildnis der Schwangeren vorliegen, da Teile ihres Körperinneren abgebildet werden und weitere Umstän­ de auf ihre Identität schließen lassen.39

c) Abbildungen Verstorbener zu Lebzeiten Der Schutz der §  22 ff. KUG endet gem. §  22 S.  3 KUG zehn Jahre nach dem Tod. Aus zivilrechtlicher Perspektive werden allerdings heute infolge der Anerkennung eines postmortalen Persönlichkeitsrechts40 sowohl ideelle Abwehransprüche41 als auch vererbbare Schadensersatzansprüche42 beim Eingriff in die vermögenswerten Zu­ 35  Vgl. hierzu auch die entsprechenden Ausführungen zur (hiernach abzulehnenden) Begleiter­ rechtsprechung bei Kap.  3, D., II., 3., f). 36  Vgl. hierzu etwa OLG Köln, NJW-RR 2004, S.  693, wonach die Abbildung des Geschäftsfüh­ rers nicht eine „Abbildung der GmbH“ darstelle. 37  Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  227. 38  So i. E. ebenfalls Fritzsche/Knapp, FamRZ 2019, S.  1906. 39  Zur Frage, ob dann ein äußeres Erscheinungsbild vorliegt, Kap.  3, A., I., 2., f). 40  Hierzu bereits. Kap.  2, B., IV. 41  Bender, VersR 2001, S.  824, spricht sich für 20 Jahre aus; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  11, und Wanckel, Rn.  246, sprechen sich für eine Schutzfrist auf die Dauer einer Genera­ tion (maximal 25–30 Jahre) aus; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  154, spricht sich in Anlehung an den Entwurf des Ehrschutzgesetzes von 1995 für eine Begrenzung auf 30 Jahre aus; Strothmann, GRUR 1996, S.  696, spricht sich für 70–80 Jahre aus. 42  Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  63, fordert in Anlehnung an das ­Urheberrecht

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

weisungsgehalte des Rechts am eigenen Bild43 über diese Frist hinaus in Erwägung gezogen.44 Zumindest bei letzteren hat sich der Bundesgerichtshof klar positioniert und sich für eine generelle Beschränkung – also hinsichtlich aller Eingriffe in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des (postmortalen) Persönlichkeitsrechts, ohne gezielte Beschränkung auf Bildnisse – auf zehn Jahre nach dem Tod des Betrof­ fenen ausgesprochen, was er der Wertung des §  22 S.  3 KUG entnimmt.45 Bei ideel­ len Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts gewährt die Rechtspre­ chung hingegen Abwehransprüche über die Zehnjahresfrist hinaus.46 Im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut und das verfassungsrechtliche Be­ stimmtheitsgebot, ist die Frist von zehn Jahren jedenfalls im Rahmen der Strafnorm des §  33 KUG ernst zu nehmen.47 Die Frist beginnt gem. §  187 BGB mit dem To­ destag zu laufen. Ist diese abgelaufen, liegt kein taugliches Tatobjekt mehr vor.48 Dies bedeutet allerdings nicht, dass schlichtweg jede Bildnisveröffentlichung, welche den Abgebildeten zu Lebzeiten zeigt, mit dem Ablauf von zehn Jahren nach dessen Ableben erlaubt ist. Veröffentlicht etwa A ein Bildnis, welches seinen Erzfeind B zu Lebzeiten in einem obszönen Zusammenhang zeigt, elf Jahre nach dessen Ableben ohne Einwilligung der Angehörigen, macht sich A zwar nicht gem. §  33 KUG strafbar. Gleichwohl bestehen gegebenenfalls (zivil­ rechtliche) ideelle Abwehransprüche gegen die Verletzung des postmortalen Persönlichkeits­ rechts aus Art.  1 I GG über die Zehnjahresfrist fort, welche von den Angehörigen für die Dauer des postmortalen Achtungsanspruchs geltend gemacht werden können. Diese Schutz­ dauer ist fließend und muss anhand der Schwere der Beeinträchtigung des Lebensbildes im Einzelfall ermittelt werden. Eine Bildrechtsverletzung der Angehörigen selbst scheidet offen­ sichtlich aus, wenn diese nicht abgebildet sind. Eine eigene Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Frist von 70 Jahren post mortem; ders., NJW 2001, S.  586; ders., GRUR 2004, S.  806 f.; so auch Schertz, Rn.  389; gegen eine starre Begrenzung T. Müller, GRUR 2003, S.  34. 43  Vgl. hierzu auch die Ausführungen zu werbenden Bildnisveröffentlichungen bei Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 44  Vgl. hierzu insgesamt den Überblick bei Korte, §  1, Rn.  43 ff.; Wandtke, MMR 2019, S.  147. 45  BGHZ 169, 193 (198 f.) – „kinski-klaus.de“, bezügich der Benutzung des Namens von Klaus Kinski in einer Internetdomain. In der Literatur ebenso Magold, S.  573 f.; Schulze Wessel, S.  142; Wortmann, S.  311; Ullmann, AfP 1999, S.  214; ders., WRP 2000, S.  1053: offen gelassen noch in BGHZ 143, 214 (227 f.) – „Marlene Dietrich I“. 46  BGHZ 107, 384 (391 f.) – „Emil Nolde“, bejahte den postmortalen Persönlichkeitsschutz des bekannten Malers Emil Nolde (hinsichtlich der Fälschung dessen Aquarelle) 30 Jahre nach dessen Tod; OLG Bremen, NJW-RR 1993, S.  727, hinsichtlich eines Wahlprospektes mit der Abbildung Friedrich Eberts 67 Jahre nach dessen Tod; OLG Bremen, AfP 1994, S.  146, wonach hinsichtlich einer Abbildung Wilhelm Kaisens auf ei­ nem Wahlprospekt grundsätzlich auch 15 Jahre nach dessen Tod ein Unterlassungsanspruch ge­ stützt auf den postmortalen Persönlichkeitsschutz infrage komme; OLG AfP 1998, S.  647 f., zum Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht Konrad Adenauers 30 Jahre nach dessen Tod durch einen Wahlwerbespot; LG Hamburg, AfP 1993, S.  595 f., wonach der postmortale ­Achtungsanspruch in Form einer „grobe[n] Entstellung des Lebensbildes“ 30 Jahre nach dem Tod eines Künstlers durch die Bezeichnung als „NS- Künstler“ in einem Auktionskatalog verletzt sei. 47  Vgl. Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  8; ferner Dreier/Schulze/Specht, §§  30–50 KUG, Rn.  4; a. A. B. Meyer, S.  146. 48  Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  8; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  6.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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der Angehörigen durch die Veröffentlichung des Bildnisses des Verstorbenen kann ebenfalls nur dann angenommen werden, wenn die Angehörigen hierdurch unmittelbar und nicht nur reflexhaft tangiert werden.49 Schwieriger zu beurteilen ist hingegen die Frage, inwiefern sich die Zehnjahresfrist aus §  22 S.  3 KUG auf die bildschützenden Normen im Kernstrafrecht auswirken kann. Beispielsweise könnte sich A durch dieselbe Bildnisveröffentlichung gleichwohl wegen §  201a II S.  2 StGB strafbar ge­ macht haben, wenn es sich bei dem Bildnis um eine Bildaufnahme handelt, welche dem Ansehen des B erheblich schadet.50 Eine Strafbarkeit könnte etwa verneint werden, wenn man §  22 S.  3 KUG eine generell begrenzende Wirkung für das Strafrecht hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildnissen (jeder Art) zuspricht. Dies erscheint nach der hier vertretenen Ansicht allerdings zwei­ felhaft, da §  201a StGB neben dem Repräsentationsgedanken maßgeblich an die zusätzliche er­ hebliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten anknüpft. Hierfür spricht ferner, dass entsprechen­ de Erwägungen vom Gesetzgeber – auch hinsichtlich einer täterbegünstigenden analogen Anwen­ dung des §  22 S.  3 KUG – nie angestellt worden sind. Unabhängig von dieser Frage bestünde gleichwohl eine Sanktionsmöglichkeit über §  189 StGB. Insoweit wird eine ­Bildnisveröffentlichung zehn Jahre nach dem Tod des Abgebildeten auch grundsätzlich nicht strafrechtlich vogelfrei.

d) Abbildungen von Leichen Umstritten ist, ob Abbildungen von Leichen als Bildnisse dem Schutz der §§  22 ff. KUG unterfallen können. Vorrangig wird dies von von Strobl-Albeg mit dem Hinweis verneint, auch das Recht am eigenen Bild müsse zwingend als besondere Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Tode untergehen.51 Im Einklang mit der „Mephisto“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts setze das Grundrecht aus Art.  2 I GG – und somit auch das Recht am eigenen Bild – die Existenz einer we­ nigstens potentiell oder zukünftig handlungsfähigen Person als unabdingbar voraus. Unter diesen Gegebenheiten könnten Abbildungen von Leichen nicht dem Recht am eigenen Bild unterfallen und demzufolge auch keine Bildnisse nach §  22 ff. KUG 49  Bejaht: BGH, GRUR 1974 S.  794 – „Todesgift“, bzgl. des Persönlichkeitsrechts der Eltern bei einem Bericht über ihren rauschgiftsüchtigen und durch Rauschgift zu Tode gekommenen Sohnes unter Beifügung des Familienfotos, da dies u. a. suggeriere, dass diese als Eltern versagt hätten; wegen des Familienfotos lag gleichwohl eine eigenständige Verletzung des Rechts am eigenen Bild der Eltern vor. Verneint: BGHZ 165, 203 (213), hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts des Sohnes bei der Darstellung eines teilweise entkleideten Leichnams der Mutter in einer TV-Filmberichterstat­ tung. Hiernach reiche nicht aus, dass sich ein Dritter „wegen seiner engen Beziehung zum Darge­ stellten durch eine Berichterstattung, die ihn selbst weder ausdrücklich noch stillschweigend er­ wähnt, ‚persönlich‘ betroffen“ fühle. Ebensowenig reiche hiernach aus, „daß Leser oder Zuschauer den beanstandeten Bericht über eine Straftat zum Anlaß nehmen, Angehörige zu belästigen oder anzufeinden“; BGH, NJW 2012, S.  1728, Rn.  16, hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts der Eltern bei der Veröffentlichung eines neutralen Porträtfotos der verunglückten Tochter; OLG Hamburg, ZUM-RD 2018, S.  80, hinsichtlich des Persönlichkeitsrechts der Angehörigen bei der Veröffent­ lichung eines Fotos, welches das offene Grab zeigt; damit hat sich die in Kap.  1, C., I., 6., angespro­ chene Dimension des Rechts am eigenen Bild zum Schutz Dritter im Zuge dessen verfassungsrecht­ licher Integration in gewisser Hinsicht „abgetragen“; vgl. zur Abbildung von Grabsteinen mit un­ glücklicher Formulierung AG Mettmann, ZD 2016, S.  141; vgl. hierzu ferner zur Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts Fechner/Pelz, S.  124. 50  Dieselbe Frage stellt sich hinsichtlich der Übertragungsvarianten des §  201a I StGB. 51  Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  13; ferner B. Meyer, S.  154.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

sein.52 Die überwiegende Meinung geht hingegen davon aus, dass Abbildungen von Leichen ebenfalls dem Schutz der §§  22 ff. KUG als sog. „Leichenbildnisse“ unterlie­ gen können.53 Die Versagung des Bildnisschutzes für Abbildungen von Toten sei ins­ besondere im Lichte der Entstehungsgeschichte des Kunsturhebergesetzes abzuleh­ nen54, da das Kunsturhebergesetz als gesetzliche Spezialvorschrift gerade auch zum Schutz vor Veröffentlichungen von Leichenfotos geschaffen worden sei.55 Die Ausführungen zur Historie56, insbesondere der gesetzgeberische Wille57, der kulturelle Hintergrund58 sowie die hieraus resultierenden Grundsätze zur Verortung des Rechts am eigenen Bild in der Verfassung59 sprechen nach der hier vertretenen Auffassung für die Erfassung von Leichenabbildungen unter den Bildnisbegriff. Da­ bei ist von Strobl-Albeg hinsichtlich der Prämisse zuzustimmen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG mit dem Tod einer Person unter­ geht. Dies sagt allerdings schon systematisch nichts über den Verbleib des einfach­ gesetzlichen Rechts am eigenen Bild aus. Selbst wenn kein verfassungsrechtlicher Unterbau infolge des Ablebens mehr bestünde, wäre ein einfachgesetzlicher Über­ bau nur dann problematisch, wenn er mit den Grundsätzen der Verfassung nicht mehr in Einklang zu bringen wäre. Hiergegen spricht bereits die Existenz des – zeit­ lich uneingeschränkten – §  189 StGB. Ferner bestehen die Mechanismen zur Be­ rücksichtigung aller betroffener Interessen auch bei Leichenabbildungen über §  23 KUG fort, sodass stets ein verfassungskonformer Ausgleich erzielt werden kann.60 52  Im Falle der Veröffentlichung eines Leichenbildnisses bestehe der zivilrechtliche Schutz über ideelle und vermögensrechtliche Ansprüche in Verbindung mit der Menschenwürde sowie die straf­ rechtliche Sanktionierungsmöglichkeit über die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener im Sinne des §  189 StGB; vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  13. 53  OLG Hamburg, AfP 1983, S.  466, hinsichtlich der Abbildung der Leiche eines Bombenatten­ täters auf dem Münchner Oktoberfest, welcher bei der Tat selbst ums Leben kam; KG, ZUM 1985, S.  386, hinsichtlich der Bildniseigenschaft (allerdings im Sinne des §  60 UrhG) der Totenmaske des deutschen Malers und Grafikers Max Liebermann; LG München, UFITA 1985, S.  296, hinsichtlich der Totenmaske des Regisseurs Rainer Werner Fassbinder; HK-UrhR/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  4; Wandtke/Bullinger/Fricke; §  23 KUG, Rn.  34; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  15; Hengst, S.  14; Leffler, S.  202; Prinz/Peters, Rn.  826; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  10; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  1; Wanckel, Rn.  245; ferner Möhring/Nicolini/Engels, §  60 UrhG, Rn.  5; i. E. auch B. Heinrich, ZIS 2011, S.  420 m. w. N. 54  In diesem Zusammenhang wird sehr oft auf die „Verlegenheitslösung“ der „Bismarck“-Ent­ scheidung des RG rekurriert (RGZ 45, 170; hierzu Kap.  1, B., IV., 6., b.); statt vieler Eisenbarth, S.  9; vgl. in diesem Zusammenhang Süß, JURA 2011, S.  613, welcher offenbar übersehen hat, dass es sich bei der Aufnahme um eine Leichenabbildung Bismarcks handelte. 55  BeckOK BGB/Bamberger, §  12 BGB, Rn.  106; Prinz/Peters, Rn.  826; Leffler, S.  202; Hengst, S.  14. 56  Vgl. Kap.  1, B., IV., 6., b). 57  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1906/06, Akten­ stück Nr.  30 (Gesetzesbegründung), S.  1540: „Dieser Schutz wird sich auch auf Bildnisse ­erstrecken, die nach dem Tode des Abgebildeten aufgenommen sind. Einer besonderen Vorschrift hierfür be­ durfte es nicht, da der Begriff des Bildnisses auch diesen Fall umfaßt“. 58  Vgl. hierzu nur Kap.  1, B., I., 1., 2., sowie II., 4. oder C., I., 1. 59  Hierzu bereits Kap.  2, B., IV. 60  Vgl. hierzu nur die Entscheidung des OLG Hamburg, AfP 1983, S.  466, wonach die Veröffent­

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Unabhängig hiervon besteht allerdings ein verfassungsrechtlicher Unterbau in Form des postmortalen Persönlichkeitsrechts aus Art.  1 I GG hinsichtlich besonders gravierender Verletzungen des Achtungsanspruchs des Abgebildeten.61 Dementspre­ chend muss auch von Strobl-Albeg eingestehen, dass das Recht am eigenen Bild  – zumindest in irgendeiner Form – aufgrund von §  22 S.  3 KUG über den Tod hinaus fortwirken muss.62 Konsequent wäre es allerdings dann gewesen, diese Fortwir­ kung auf besonders gravierende Bildnisveröffentlichungen zu beschränken. Gerade aber der thematische Zusammenhang mit dem Tod einer Person fällt regelmäßig im Zusammenhang mit einer gravierenden Verletzung als Fallgruppe des absolut ge­ schützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung in Form einer postmortalen Fort­ wirkung.63 In diesem Zusammenhang erschließt sich ferner nicht, warum die Ab­ bildung einer – mittlerweile toten – Person zu Lebzeiten den stärkeren Schutz erfah­ ren soll als ihre Leichenabbildung, zumal die abgebildete Person zu Lebzeiten zumindest auf gewisse Umstände der Abbildung, wie beispielsweise ihr Aussehen oder ihre Pose unmittelbar vor der Aufnahme, wenigstens mittelbar Einfluss nehmen konnte. Auch die Anknüpfung an das abgelichtete Substrat in Form eines lebendigen oder leblosen Körpers erscheint vor diesem Hintergrund willkürlich. A wäre dann nach §  33 KUG strafbar, wenn er ein Bildnis einwilligungslos verbreitet, das den (bewusstlosen) B auf dem Sterbebett eine Minute vor dessen Ableben zeigt, währenddessen er straflos bleibt, wenn er ein optisch vergleichbares Bild verbreitet, welches zwei Minuten später entstanden ist. Würde A ein gezeichnetes Bild verbreiten, welches den B auf dem Boden mit geschlossenen Augen zeigt, hinge die Strafbarkeit davon ab, ob die Zeichnung eine Abbildung zu Lebzeiten darstellen soll.

Insgesamt ist nach der hier vertretenen Ansicht deshalb im Ergebnis von einem post­ mortalen Bildnisschutz64 bei Leichenabbildungen65 auszugehen. Abschließend soll erneut darauf hingewiesen werden, dass dieser postmortale Bildnisschutz nach lichung eines Fotos der Leiche eines bei einem spektakulären Bombenanschlag ums Leben gekom­ menen Täters nach §  23 I Nr.  1 KUG zulässig war; vgl. außerdem Puttfarcken, ZUM 1988, S.  134, der im Fall des ehemaligen Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsidenten Barschel auch nach des­ sen Tod von der Anwendbarkeit des §  23 I Nr.  1 KUG ausgeht. 61  Hierzu Kap.  2, B., IV. 62  Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  151 ff. 63  Vgl. hierzu den fraktionsübergreifenden Gesetzesentwurf zur Genese des §  201a StGB, BTDrs. 15/2466, S.  5; vgl. auch Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  3; Wolter, in: Schünemann-­ Symposium 2005, S.  227; ferner spricht hierfür die seit 2021 bestehende Strafbarkeit gem. §  201a I Nr.  3 StGB des – an sich weniger intensiven – Herstellens einer Aufnahme, die einen Verstorbenen in grob anstößiger Weise zur Schau stellt. Hier bliebe allenfalls der relativierende Rückgriff auf den Umstand, dass die Norm nicht schlicht jede Leichenabbildung umfassen kann. Selbst dann bestün­ de aber verfassungsrechtlichen Bedenken aus den genannten Gründen. 64  Vgl. hierzu die Terminologie bei BVerfG, NJW 2006, S.  3409 – „Marlene Dietrich“, hinsicht­ lich eines „postmortalen Rechts am eigenen Bild“. Kunsthistorisch wird in diesem Sinne der Begriff des Totenbildnisses verwendet, vgl. Metzger, S.  29, 46, was freilich allenfalls eine Tendenz hin zum juristischen Bildnisbegriff erkennen lässt. 65  I.E. auch Kächele, S.  127; vgl. ferner LG Hamburg Urteil vom 05.02.2016 – 324 O 341/15 = BeckRS 2016, 127313, welches völlig zutreffend den Bildnisschutz bei Abbildungen von offenen

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Wortlaut und Systematik eben denselben Einschränkungen wie der Bildnisschutz einer lebenden Person unterliegt. Der strafrechtliche Schutz des postmortalen Rechts am eigenen Bild besteht somit ebenso bei Leichenbildnissen gem. §  22 S.  3 KUG über §  33 KUG zehn Jahre über den Tod hinaus.66 2. Fragen zum sachlichen Anwendungsbereich Im Anschluss gilt es zu klären, wann von einem sachlichen Vorliegen eines mensch­ lichen Erscheinungsbilds im Sinne des Bildnisbegriffs des §  22 KUG ausgegangen werden kann. Hierbei erstaunt es, dass die Frage nach der Grundvoraussetzung für ein menschliches Erscheinungsbild sowohl von der Rechtsprechung, als auch von Teilen der Literatur über die Jahre immer wieder unterschiedlich beantwortet wur­ de.67 Praktische Folge hiervon ist, dass nicht zuletzt die Kommentarliteratur auf ein Sammelsurium von Einzelfallentscheidungen rekurriert, um zumindest eine tenden­ zielle Richtung zur Entscheidung des infrage stehenden Einzelfalls zu ermögli­ chen.68 Eine klare Benennung der Mindestvoraussetzungen an ein menschliches Er­ scheinungsbild findet also somit – trotz der Strafbewehrung in §  33 KUG – nicht statt. Setzt man sich aber mit den Einzelfallentscheidungen der Rechtsprechung zum Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbildes auseinander, kann die geschilder­ te Inkonsistenz schnell aufgrund zweier Grundprobleme ausgemacht werden: Zum einen werden Aspekte der nachgelagerten Erkennbarkeit im Sinne einer kon­ kreten Zuordenbarkeit mit der Frage des vorgelagerten grundsätzlichen Vorliegens eines menschlichen Erscheinungsbildes vermengt. Diese Übersteigerung des Erkennbarkeitsbegriffs zur einzigen konstitutiven Vor­ aussetzung eines Bildnisses im Sinne des §  22 KUG führt beispielsweise dazu, dass Abbildungen (unautonom) fahrender Autos, eines fliegenden Flugzeugs oder segeln­ der Schiffe als Bildnisse eingeordnet werden müssten, wenn aus dem Kontext der Gräbern verneint hat. Entsprechend AG Mettmann, ZD 2016, S.  141 bei Fotos von Grabsteinen; vgl. hierzu ferner zur Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts Fechner/Pelz, S.  124. 66  Zu den Schutzmöglichkeiten über diese Frist hinaus vgl. Kap.  3, A., I., 1., c). 67  Geradezu beispielhaft ist die bereits angesprochene „Kunstflieger“ – Entscheidung des OLG Nürnberg, GRUR 1973, S.  41 und die diesbezügliche Kritik des BGH, NJW 1979, S.  2205, hinsicht­ lich der Größe eines menschlichen Erscheinungsbildes; vgl. zudem die unterschiedliche Behand­ lung der Frage eines menschlichen Erscheinungsbildes hinsichtlich der Verdeckung eines mensch­ lichen Körpers bei den Urteilen des LG Hamburg, v. 07.01.2000, Az, 324 O 441/99, Rn.  18 f.; 324 O 431/99, Rn.  20 f.; 324 O 426/99, Rn.  22 (alle drei Urteile bei juris)., wonach eine Abbildung eines in Decken gewickelten Mündels (kein Mensch sichtbar) von Prinzessin Caroline v. Hannover ein Bild­ nis i. S. d. §  22 KUG darstelle; vgl. hingegen AG Kerpen, ZUM-RD 2011, S.  259, welches ein menschliches Erscheinungsbild aufgrund fehlender Erkennbarkeit ablehnt. 68  Vgl. statt vieler Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  21, wonach keine Ganzkörperauf­ nahme vorliegen muss, die Abbildung einer Hand, einer Person, die in eine Decke gehüllt ist, oder eines Geschlechtsteils soll wiederum nicht ausreichen; a. A. bzgl einer in eine Decke gehüllte Per­ son LG Hamburg, Urteile v. 07.01.2000, Az, 324 O 441/99, Rn.  18 f.; 324 O 431/99, Rn.  20 f.; 324 O 426/99, Rn.  22 (alle drei Urteile bei juris).; ferner Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG Rn.  1.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Abbildung auf die Identität des Steuernden geschlossen werden kann, ohne dass überhaupt ein Mensch unmittelbar abgebildet wurde. Geht man so weit, muss man sich im Anschluss fragen, warum überhaupt noch an eine Abbil­ dung für ein Bildnis angeknüpft werden soll. Dies könnte allenfalls mit der Wirklichkeitssug­ gestion bildhafter Darstellungen bzgl. einer konkreten Szenerie begründet werden, in der höchstwahrscheinlich ein (konkret-identifizierter) Mensch zugegen war, wie beispielsweise in einem unautonom fahrenden Auto. Dies scheint aber vor dem Hintergrund, dass nicht nur foto­realistische Abbildungen vom Bildnisbegriff erfasst werden sollen, kein maßgeblicher Be­ weggrund zu sein. Damit erklären sich jedenfalls diejenigen Ansätze, welche schon beim Vor­ liegen von konkret zuordenbaren Erkennungsmerkmalen in Textform – etwa bei einer Auto­ biografie – von einem Bildnis der vor dem inneren Auge abgebildeten Person ausgehen.

Zum anderen definiert der technische Fortschritt die Anforderungen an den Maß­ stab, insbesondere „die Größe“ oder „den Umfang“ einer Erscheinungsabbildung, fortgehend neu und überlagert somit die erste Problematik.69 Beide Problemkreise können aber gelöst werden, indem zuerst eine starre Mindestanforderung an den Bild­nisinhalt gestellt wird. Anschließend können diejenigen Folgefragen beantwor­ tet werden, die sich im Zusammenhang mit dieser Mindestanforderung eines menschlichen Erscheinungsbilds stellen. a) Reduzierung auf unmittelbar rezipierbare Abbildungen Nach der hier vertretenen Auffassung muss als Mindestvoraussetzung eines mensch­ lichen Erscheinungsbilds im Sinne des Tatobjekts des §  33 KUG eine unmittelbar rezipierbare Abbildung eines menschlichen Körperteils vorliegen. Damit gilt es vor­ weg denjenigen Stimmen70 zu widersprechen, welche die Darstellung des „Charak­ ter- oder Lebensbildes“ für das Vorliegen eines Bildnisses im Sinne des §  22 KUG genügen lassen, ohne hieran das Erfordernis der unmittelbaren Wahrnehmung des menschlichen Körpers in Bildform zu knüpfen. Diese Ansicht stützt ihre Argumen­ tation maßgeblich auf die verfassungsrichterliche Wertung der „Lebach“-Entschei­ dung, wonach jedermann „grundsätzlich selbst und allein bestimmen [dürfe], ob und inwieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen“71.

69 Sowohl Tausch, S.  69, als auch zum Teil Schönewald, ZUM 2013, S.  863, benennen die Prob­ lematik anhand der Zoom-Technik. 70  Brandl, AfP 1981, 349; Eickmeier/Eickmeier, ZUM 1998, S.  3 f.; Elmenhorst ZUM 2014, 734; A. Frey, S.  94 f.; Gülbay, in: FS Nordemann 1999, S.  67 f.; Schertz, ZUM 1998, S.  760; ders., in: FS Raue 2006, S.  670; ders., GRUR 2007, S.  561; Dreier/Schulze/Schulze, §  2 UrhG, Rn.  91; Steindorff, ZHR 1985, S.  155; Rességuier de Mire-mont, S.  11; mittlerweile wohl auch Schricker/Loewenheim/ Götting, §  22 KUG, Rn.  33; §  23 KUG, Rn.  103, jedenfalls im Zusammenhang mit der einwilligungs­ freien Veröffentlichung nach §  23 I Nr.  4 KUG; für eine zumindest analoge Anwendung Siegle, S.  47 ff., 145.; zum Schutz des Lebensbildes bei der Abbildung eines (anderen) menschlichen Er­ scheinungsbilds wie etwa dem eines Schauspielers vgl. Kap.  3, A., I., 2., a). 71  BVerfGE 35, 202 (220) – „Lebach“; vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., b), aa), (2).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Hiergegen sprechen neben der historischen Entwicklung des Bildnisschutzes72, welcher sich offensichtlich an der Unmittelbarkeit der Rezeption ausrichtet73, insbe­ sondere die bereits herausgearbeiteten Charakteristika menschlicher Wahrnehmung von Personenbildern.74 Hiernach nimmt die – unmittelbare – bildliche Wahrneh­ mung einer Person gegenüber der – mittelbaren – Wahrnehmung ihrer verbalen Be­ schreibung allein aufgrund der Besonderheiten menschlicher Rezeptionsvorgänge eine hervorgehobene Stellung ein, welche ein immenses Missbrauchspotential in sich birgt und insoweit ungleich stärker in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift. An diese Wirkung hat letztendlich auch der Gesetzgeber instinktiv die ­ultima ratio des §  33 KUG geknüpft.75 Die Reduzierung des Bildnisbegriffs auf die Erkennbarkeit der (irgendwie) dargestellten Person würde diese Grenze überschrei­ ten und §  33 KUG zu einem nicht näher bestimmbaren Indiskretionsdelikt verwäs­ sern. Denn es ist schon nicht klar, wie eine Person vor dem inneren Auge dargestellt werden muss, um einerseits als erkennbar im Sinne des Charakter- oder Lebensbilds zu gelten und wie dabei andererseits Widersprüche mit der Kunstfreiheit im Sinne des Art.  5 III GG76 vermieden werden können. Schließlich kann der Rekurs auf die „Lebach“-Entscheidung kaum überzeugen. Denn sofern sich der Senat hier über­ haupt zum Schutzbereich des Rechts am eigenen Bild äußern wollte77, wäre diese Wertung jedenfalls mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in den späteren Entscheidungen „Lebach II“78 und „Roman Esra“79 hinfällig.

72 

Kap.  1, B. Augenscheinlich wird dies schließlich im geltenden Bildnisrecht etwa bei §  23 I Nr.  2 und 3 KUG, welche explizit an eine unmittelbar rezipierbare Bildszenerie anknüpfen, so auch Karner-­ Herbrich, S.  50 f.; Maaß, S.  170. 74  Hierzu Kap.  1, A., I., sowie II., und zusammenfassend III. 75  Vgl. hierzu Helle, S.  53. 76  Vgl. BVerfGE 119, 1 (28) – „Roman Esra“, wonach ein literarisches Werk, welches sich als Roman ausweise – selbst wenn hinter den Romanfiguren reale Personen als „Urbilder“ erkennbar seien – „zunächst einmal als Fiktion anzusehen“ ohne Faktizitätsanspruch sei; ferner BVerfG, NJW 2000, S.  1860 – „Lebach II“. 77  Hiergegen spricht, dass das BVerfG sich nicht ausdrücklich zum Lebensbild im Rahmen des §  22 KUG äußerte. Naheliegender erscheint es, dass der Erste Senat das Lebensbild bereits in der „Lebach“-Entscheidung als Teil des (weiteren) allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausfor­ mung des (ebenfalls weiteren) Selbstdarstellungsrechts verstanden hatte. Die Ausführungen zum Bildnisrecht waren deshalb gleichwohl angezeigt, weil die betroffene Person auch bildhaft abgebil­ det wurde; vgl. hierzu auch OLG München, NJW-RR 2008, S.  1221. 78  BVerfG, NJW 2000, S.  1860 – „Lebach II“, wonach das Selbstdarstellungsrecht „nicht im Sin­ ne eines generellen Verfügungsrechts über sämtliche Informationen oder Bewertungen, die Drit­te hinsichtlich einer Person äußern“ zu verstehen sei. 79  BVerfGE 119, 1 (28) – „Roman Esra“, wonach es ausdrücklich „kein parallel zum Recht am eigenen Bild verstandenes Recht am eigenen Lebensbild geben [könne], wenn dies als Recht ver­ standen würde, nicht zum Vorbild einer Romanfigur zu werden“; vgl. ferner BVerfGE 119, 1 (33) – „Roman Esra“, wonach die Verletzung des Rechts am eigenen Lebensbild nicht bereits aus der Er­ kennbarkeit als solcher erwachsen könne. Das Recht am eigenen Bild hingegen beschränkt sich aber gerade hierauf. 73 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

263

Beeinträchtigungen des Charakter- oder Lebensbildes sind nach der hier vertrete­ nen Ansicht somit als Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausformung des (weiteren) Selbstdarstellungsrechts zu verstehen80, wäh­ rend das Recht am eigenen Bild insoweit nur greift, wenn ein Mensch unmittelbar abgebildet wurde. b) Mindestvoraussetzung eines menschlichen Körperteils Einigkeit besteht innerhalb derjenigen Stimmen, welche die unmittelbare Rezipier­ barkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds fordern jedenfalls darüber, dass der Körper für ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG nicht in seiner Gesamtheit abgebildet sein muss, sondern auch die Abbildung einzelner Körperteile genügt.81 Unter dieser Prämisse erscheint es konsequent, wenn man als Grundvorausset­ zung eines menschlichen Erscheinungsbilds schlicht die Abbildung irgendeines Kör­ perteils genügen lässt. Denn eine quantitative Differenzierung anhand einer Min­ destanzahl von Körperelementen lässt sich im Ergebnis wie eine Differenzierung anhand einer qualitativen Auffälligkeit bestimmter Körperteile nicht bzgl. der Frage des Vorliegens einer menschlichen Erscheinung rechtfertigen. Insbesondere ist damit denjenigen Stimmen zu widersprechen, welche den Abbildungen bestimmter Kör­ perteile die Eignung eines menschlichen Erscheinungsbildes – und damit im Ergeb­ nis eines Bildnisses im Sinne des §  22 KUG – absprechen.82 Denn dies würde eben (nachgelagerte) Aspekte der Erkennbarkeit mit dem Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbilds vermengen, da im Ergebnis vom Vorliegen einer bestimmten An­ zahl oder nur bei ganz bestimmten Körperteilen auf eine besondere Eignung zur Identifikation geschlossen werden würde.83 Diese Sichtweise läuft deshalb Gefahr, das Recht am eigenen Bild unangemessen zu verkürzen. Denn selbst bei der Abbil­ dung einzelner Körperteile, welche im Zusammenspiel mit weiteren Merkmalen der Veröffentlichung auf eine konkrete Person schließen lassen, können solche Informa­ tionen unmittelbar vermittelt werden, welche auf das Persönlichkeitswesen der abge­ bildeten Person schließen lassen. Zu denken ist etwa an den Aufenthaltsort zu einer bestimmten Tageszeit, die Perspektive der Abbildung oder das (Handlungs-)Verhält­ 80  Vgl. insoweit auch C. Ahrens, JZ 2009, S.  214; Freitag, GRUR 1994, S.  346; Pietzko, AfP 1988, S.  215. 81  S. Dietrich, ZUM 2008, S.  285 f.; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  15; K ­ ächele, S.  126 f.; Klein, S.  94; HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  8; Ricker/Weberling, Kap.  43, Rn.  2, 4; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  10; Wanckel, Rn.  121; vgl. ferner Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  1. 82  Doerbeck, S.  187; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  21; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  21, wonach die Rückseite einer Person ein Bildnis sein könne, die Hand oder ein Ge­ schlechtsteil hingegen nicht; ferner Vetter, AfP 2017, S.  129. 83  Dies macht allerdings Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  21; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  21, wenn er seine Ansicht – eine Hand oder ein Geschlechtsteil könne pauschal kein Bildnis sein – mit der fehldenden Personalität begründet. Dies ist letztlich aber eine Frage der Er­ kennbarkeit und nicht des menschlichen Erscheinungsbilds.

264

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nis zu mitabgebildeten Objekten oder des Herstellenden.84 Ferner können selbst mittelbar vermittelte Persönlichkeitsinformationen, wie etwa ein beigeordneter Text, durch die Kombination mit der Abbildung eines menschlichen Körperteils suggestiv unterstützt werden.85 Eine systematische Stütze findet diese Ansicht seit 2021 ausdrücklich in §  184k StGB, welcher nach der Intention des Gesetzgebers ebenfalls bereits bei der Abbil­ dung von Geschlechtsteilen von der Betroffenheit des (verfassungsrechtlichen) Rechts am eigenen Bild – nicht etwa lediglich des weiteren allgemeinen Persönlich­ keitsrechts86 – ausgeht.87 Damit müssen nach der hier vertretenen Auffassung für ein menschliches Erscheinungsbild nicht zwingend das Gesicht oder sonst markante Körpermerkmale abgebildet werden. Hierfür genügt die Abbildung jedes Teils eines menschlichen Körpers wie eine Hand oder auch die Geschlechtsteile.88 Eine Beschränkung auf bestimmte, besonders markante Körperteile für ein menschliches Erscheinungsbild überzeugt nicht, da sie den Bildnisschutz bei Abbildungen unmarkanter Körpermerkmale, welche im konkreten Fall eindeutig zuordenbar (und damit erkennbar) sind, unverhältnismäßig verkürzt. Zu denken ist etwa an Tätowierungen von Hän­ den oder Füßen89 oder bei (intimen) Körperteilen in einem sonst für die relevanten Rezipien­ ten vertrautem Zusammenhang. Neben Intimschmuck kann beispielsweise die Darstellung des Geschlechtsteils in einem erkennbar vertrauten Umfeld wie dem Schlafzimmer genannt werden. Insbesondere ist eine Beschränkung auf bestimmte Körpermerkmale überhaupt nicht nötig. Denn mit dem Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbilds ist noch nichts über das Vorliegen eines Bildnisses im Sinne des §  22 KUG gesagt. Denn erst wenn dieses menschliche Erscheinungsbild auch erkennbar ist, liegt ein Bildnis und somit ein taugliches Tatobjekt im Sinne des §  33 KUG vor. Dabei steigen die Anforderungen an die Erkennbarkeit zwangsläufig, je weniger markant die abgebildeten Körperteile sind. Damit besteht mit der Erkennbarkeit ein passgenaues Korrektiv für das grundsätzlich weite Verständnis eines menschlichen Erschei­ nungsbilds. Diese Sichtweise bestimmt zum einen eine klare Untergrenze für den Bildnis­ schutz und erscheint überdies auch nicht als zu ausufernd.

84 

Vgl. hierzu bereits Kap.  1, A., II., 1., a). Vgl. BGH NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlgefährdung“, zu Nahaufnahmen von Bauch und Rücken; ferner zur multimedialen Kombinationsaffinität Kap.  1, I., 7. 86  So aber Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  21; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  21. 87  BT-Drs. 19/20668, S.  15; hierzu bereits im Überblick Kap.  2, C., III. 88  A. A. Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  21; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  21; wohl auch Doerbeck, S.  187; Höning, S.  130; Vetter, AfP 2017, S.  129; unklar ist ferner, inwieweit Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  10, die Darstellung der Gesichtszüge als zwingend erfor­ derlich erachtet. 89  Gerade Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  24 f.; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  24 f., nennt aber neben Statur Haltung und Haarschnitt auch Tätowierungen, wenn es um die nachgelagerte Frage der Erkennbarkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds geht. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, warum eine Hand kein menschliches Erscheinungsbild sein kann, aber aufgrund ihrer Pose oder ihres Aussehens (wegen einer Tätowierung) für die Erkennbarkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds herangezogen werden können soll. 85 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

265

c) Mindestanforderungen an die Beschaffenheit des menschlichen Erscheinungsbilds In diesem Zusammenhang wird regelmäßig die Frage relevant, welche Mindestan­ forderungen an den Abbildungsmaßstab bzw. die optische Beschaffenheit eines menschlichen Erscheinungsbildes zu stellen sind. Einheitliche Grundsätze der Rechtsprechung hierzu sucht man bis heute vergebens. Deren grundsätzlich weites Begriffsverständnis wird allerdings besonders deutlich, wenn Puppen, Karikaturen, Schattenrisse oder sogar Silhouetten menschliche Erscheinungsbilder darstellen können sollen. Unter Zugrundelegung dieser Praxis erscheint es naheliegend, selbst bei der bruchstückhaften Darstellung eines menschlichen Körpers bereits dann ein menschliches Erscheinungsbild zu bejahen, wenn anhand einer menschlichen Kör­ perteilkontur auf die Abbildung eines Menschen geschlossen werden kann.90 An dieser Stelle offenbart sich das Dilemma des weiten Bildnisbegriffs besonders vor der Frage, ob nun jedes beliebige Strichmännchen oder Emoji91 bereits ein menschliches Erschei­ nungsbild im Sinne des §  22 KUG darstellt. Konsequenterweise muss dies hiernach bejaht werden. Ob nun ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vorliegt, wenn ein Strichmännchen durch die Beiordnung eines Namens identifiziert und insoweit auch nach der überwiegenden Ansicht erkennbar gemacht wurde, dürfte selbst Vertreter des weiten Bildnisbegriffs in Erklärungsnot bringen.92 Unter dem weiten Begriffsverständnis erscheint es jedenfalls inkonsequent, einer solchen Darstellung die Bildniseigenschaft deshalb abzusprechen, weil sie nicht den Anspruch erhebe, die Person in ihrer „dem echten Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung vor Augen zu führen und das Aussehen, wie es gerade der Person zu eigen ist, im Bilde wiederzugeben“. Dies entspräche gerade dem zweckorientierten Darstellungsansatz des originären Bildnisbe­ griffs, dem sich die ganz überwiegende Ansicht gerade entledigt hat.93 Diese Inkonsistenz gilt es nach der hier vertretenen Auffassung nicht über das Merkmal des menschlichen Erschei­ nungsbilds, sondern der nachgelagerten Erkennbarkeit zu lösen.94

Weitere Mindestanforderungen an etwa das Farbspektrum oder die Auflösung einer digitalen Abbildung sind für das Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbilds nicht zu stellen. Die Mindestanforderung einer menschlichen Kontur erscheint ange­ sichts der fortschreitenden Analyse- und Rekonstruktionsmöglichkeiten digitalisier­ 90  So auch Götting/Schertz/Seitz/Schmitt, §  18, Rn.  6.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  16; vgl. ferner OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, S.  1633. 91  Zum Begriff bereits Einführung, A., III. 92  Vgl. hierzu die Ausführungen zur Herstellung der Erkennbarkeit über die Beiordnung des Namens der abgebildeten Person in Kap.  3, A., II., und die eigenen Erwägungen bei Kap.  3, A., III., 5., b), cc). 93  So aber Müller-Terpitz, HB Social Media, Kap.  7, Rn.  33. Ferner vermag die teilweise vorge­ nommene Differenzierung zwischen „Bildnissen“ i. S. d. §  22 KUG und „Bildern“ von Personen im Sinne des §  23 I Nr.  2 und 3 KUG nicht über diese Problematik hinwegzuhelfen, da diese für diese Unterscheidung ebenfalls auf den Darstellungszweck abstellt und im Übrigen ohnehin auch bei ei­ nem „Bild“ ein menschliches Erscheinungsbild bejahen müsste. Ferner ist diese aus systematischen Gründen abzulehnen; vgl. hierzu sogleich Kap.  3, A., I., 2., d). 94  Hierzu Kap.  3, I.), II., und IV.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ter Bildaufnahmen grundsätzlich sachgerecht. Vorausschauend ist es aus strafrecht­ licher Perspektive allerdings nach der hier vertretenen Auffassung angezeigt, den Schutz des Rechts am eigenen Bild zukünftig auf fotorealistische Darstellungen zu begrenzen.95 De lege lata findet nach dem vorherrschenden Begriffsverständnis eine derartige Begrenzung gleichwohl nicht statt. Ergeben sich also angesichts der Kontur Zweifel an der Abbildung eines menschlichen Er­ scheinungsbilds, ist dieses abzulehnen. Mangels menschlichen Erscheinungsbilds liegt dann auch kein taugliches Tatobjekt des §  33 KUG in Form eines Bildnisses vor. Selbst nach diesem weiten Begriffsverständnis hätte also ein Bildnis des „punktförmigen“ Piloten in der eingangs thematisierten „Kunstflieger“-Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg verneint wer­ den müssen, da schon kein menschliches Erscheinungsbild mangels Körperteilkontur vor­ lag.96 Ebenso wäre ein Bildnis des Kindes von Prinzessin Caroline beim Verlassen des Kran­ kenhauses mangels menschlichen Erscheinungsbilds zu verneinen gewesen, da auf deren Arm nur Decken zu sehen waren und keine menschliche Kontur abgebildet wurde.97

d) Kein Ausschluss des Anwendungsbereichs bei „Bildern“ im Sinne des §  23 KUG Ein beachtlicher Teil der Literatur differenziert wegen des unterschiedlichen Geset­ zeswortlauts zwischen „Bildnissen“ im Sinne der §§  22, 23 I Nr.  1, 4 KUG und „Bil­ dern“ im Sinne von §  23 I Nr.  2 und 3 KUG. Hiernach sollen „Bilder“ eben keine „Bildnisse“ darstellen können, weshalb der Anwendungsbereich des einfachgesetz­ lichen Rechts am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG bei „Bildern“ von vorneherein ausgeschlossen sei.98 Dogmatisch lässt sich diese Wertung nur so erfassen, dass bei einer Abbildung im Sinne der §  23 I Nr.  2 und 3 KUG schwerpunktmäßig kein Mensch abgebildet wird und deshalb kein Bildnis „im eigentlichen Sinne des Wor­ tes“ vorliege. Da aber auch in den Fällen der §  23 I Nr.  2 und 3 KUG offensichtlich ein Mensch abgebildet wurde99, müsste nach dieser Wertung der Begriff des mensch­ lichen Erscheinungsbilds teleologisch reduziert werden, da es offensichtlich nicht um 95 

Hierzu Kap.  4, B., I. OLG Nürnberg, GRUR 1973, S.  41, hinsichtlich einer Schwarz-Weiß-Abbildung mit der Grö­ ße 6x 6,8 cm, welches ein Kunstflugzeug im Rückenflug (Länge 3,3 cm) in Anzeigen der Zeitschrif­ ten Stern, Quick und Brigitte zeigte; Zustimmung verdient im Ergebnis deshalb die ausdrückliche Kritik an der „Kunstflieger“-Entscheidung durch BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; vgl. zum Fall bereits Kap.  3, A. 97  So aber LG Hamburg, Urteile v. 07.01.2000, Az, 324 O 441/99, Rn.  18 f.; 324 O 431/99, Rn.  20 f.; 324 O 426/99, Rn.  22 (alle drei Urteile bei juris). 98  Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG Rn.  19; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  19; Schri­ cker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  14 und §  23 KUG, Rn.  81; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  1; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  121; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  11, 209. 99  Vgl. nur Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4685, wonach etwa durch den Begriff „Beiwerk“ ausgedrückt sei, „daß die Personen gewissermaßen unfreiwillig auf das Bild gebracht seien“ und der „Photograf nicht in der Lage ist, die Personen auszuscheiden, wo die Personen nur Nebensache, die Hauptsache die Landschaft oder „sonstige Örtlichkeit“ seien. Ferner spricht §  23 II KUG von einem „Abgebildeten“ und bezieht sich auf alle Nummern des §  23 I KUG. 96 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

267

die Erkennbarkeit der abgebildeten Person geht, sondern um ihr (proportionales) Ab­ bildungsverhältnis zum Rest der bildhaften Darstellung. Darstellungen, auf denen Personen, die „nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonsti­ ger Örtlichkeit“ gem. §  23 I Nr.  2 KUG oder als „Teilnehmer einer Versammlung, Aufzügen oder ähnlichen Veranstaltungen“ gem. §  23 I Nr.  3 KUG abgebildet sind, könnten hiernach dann ausschließlich als „Bilder“ und ausdrücklich nicht als „Bildnisse“ einzuordnen sein.

Eine Exklusivität von „Bildern“ und „Bildnissen“ kann aber nach der hier vertrete­ nen Auffassung aus mehrfacher Hinsicht kaum überzeugen. Denn um nach dem sys­ tematischen Konzept der §§  22 ff. KUG überhaupt zur Anwendbarkeit des §  23 KUG (auf der zweiten Stufe) zu gelangen, muss zwangsläufig zunächst (auf der ersten Stu­ fe) ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vorliegen. Damit setzt auch ein „Bild“ im Sinne des §  23 KUG ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG voraus. Hierbei scheint es sich auch nicht um lediglich eine „terminologische Ungereimtheit“ zu handeln.100 Terminologisch unglücklich wäre es vielmehr, von „Bildnissen von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen“ im Rahmen des §  23 I Nr.  3 KUG zu sprechen. Zudem lässt sich die Erwägung, dass ein „Bild“ den weiteren Oberbegriff darstellen muss, anhand der Gesetzesmaterialien zumindest vermuten.101 Jedenfalls wäre bei einem pauschalen Ausschluss von „Bildern“ die Erwägung des §  23 II KUG ausge­ hebelt, wonach selbst bei infrage stehenden „Bildern“ die Verletzung berechtigter Interessen zur Betroffenheit des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild führen können. Beispielsweise wäre einer Person der Bildnisschutz auch dann schon grundsätzlich versagt, wenn sie unter vielen Personen auf einer hochauflösenden Aufnahme – etwa beim Sight­ seeing  – bewusstlos wird, wenn sie nicht dadurch zum prägenden Element der Abbildung wird.

Schließlich würde die infrage stehende Differenzierung die aufgezeigte Liberalisie­ rung des Bildnisbegriffs über die Hintertür des Schwerpunkts des Abbildungsinhalts revidieren und käme genau zu dem vorkonstitutionellen Bildnisbegriff, wonach es auf den primären Zweck der Darstellung der Person ankommt. Überzeugender er­ scheint es daher, keine exklusive Differenzierung zwischen „Bildern“ und „Bildnis­ sen“ anzunehmen, sondern von einem weiteren Begriffsverständnis des Bildes aus­ zugehen, in welchen auch das Bildnis im Sinne des §  22 KUG fallen kann.102

100  Insoweit vermittelnd Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  2, und Graf/Jäger/Wittig/ Niesler, §  33 KUG, Rn.  7; vgl. auch Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  36. 101  Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages Bd.  224, 1905/06, Akten­ stück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4685, wonach das „Bild“ der „weiteste Begriff“ sei, bei dem noch die „freie Phantasie mitspielen“ könne, während sich etwa der Begriff der „Abbil­ dung“ auf „die Wiedergabe von tatsächlichen Vorgängen beziehe“. 102  So i. E. auch van Bergen, S.  90 f.; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  2; Helle, S.  90; Kächele, S.  126; Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  7; wohl auch Leitner/Rosenau/Rein­ bacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  5.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

e) Äußerlichkeit des menschlichen Erscheinungsbilds Infolge der Liberalisierung des Bildnisbegriffs stellt sich die Frage, ob auch Abbil­ dungen des Körperinneren als menschliches Erscheinungsbild eingeordnet werden können.103 Dies könnte mit der Definition der heute vorherrschenden Meinung be­ zweifelt werden, wenn diese für ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG eine Darstellung einer Person fordert, die deren äußere Erscheinung wiedergibt.104 Diese Formulie­ rung könnte angesichts des heute grundsätzlich weiten Begriffsverständnisses eines Bildnisses irritieren, zumal diese von einer Definition des Reichsgerichts von 1921 herrührt, welches den Bildnisbegriff noch weitaus restriktiver bestimmt hat. Dieses ging noch davon aus, dass von einem Bildnis im Sinne des Gesetzes105 „nur dann die Rede sein“ könne, „wenn die Darstellung den Zweck verfolge, eine Person in ihrer dem Leben nachgebildeten äußeren Erscheinung dem Beschauer vor Augen zu füh­ ren und das Aussehen, was es gerade dieser bestimmten Person eigen ist, insbeson­ dere ihre Gesichtszüge, im Bilde wiederzugeben“106. Während sich dieses restriktive Verständnis grundsätzlich nach und nach relativiert hat107, scheint sich jedenfalls die Formulierung betreffend der Äußerlichkeit eines Erscheinungsbilds gehalten zu ha­ ben. Dies erscheint insoweit tragbar, als dass sich ein Mensch maßgeblich über sein Äußeres für andere unmittelbar identifizierbar und somit zum Individuum innerhalb der Gesellschaft macht. Gleichwohl erscheint es auch vor diesem Hintergrund und angesichts des grundsätzlich weiten Begriffsverständnis inkonsequent, das Recht am eigenen Bild auf äußere Körpermerkmale zu beschränken. Denn auch durch die Ab­ bildung innerer Körpermerkmale können persönlichkeitsrelevante Informationen der abgebildeten Person von anderen unmittelbar rezipiert werden. Diese werden für die abgebildete Person sogar nicht selten gesteigerten Bezug zur Privatheit besitzen, sofern diese Rückschlüsse auf deren Gesundheitszustand zulassen. Zu denken ist etwa an Röntgenaufnahmen, Ultraschallbilder oder der Endoskopieaufnahmen, welche Erkrankungen im Darm oder in der Speiseröhre offenbaren. Ferner kann das etwa die 103 

Offengelassen bei Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  11. BGHZ 143, 214 (228) – „Marlene Dietrich I“; BGH, NJW 1965, S.  2148 f. – „Spielgefährtin I“; BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1133 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2015, S.  1248 – „Ex-RAF-Terroristin“; Damm/Rehbock, Rn.  130; HK-UrhR/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  3; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  19; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  19; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  5; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  14; Hengst, S.  13; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  2; Herbort, S.  13; Erbs/ Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  5; Müller-Terpitz, HB Social Media, Kap.  7, Rn.  33; Graf/Jäger/ Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  7; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  5; Dreier/Schulze/­ Specht, §  22 KUG, Rn.  1; Tausch, S.  66. 105 Gemeint ist die Formulierung bei Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1541, wonach ein Bildnis „im eigentlichen Sinne des Wortes“ die „Darstellung der Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Er­ scheinung“ darstelle. 106  RGZ 103, 319 (319 f.) – „Rausch“. 107  Hierzu bereits Kap.  3, A. 104 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Fotografie einer Fettleber oder Raucherlunge im Rahmen einer Operation Rückschlüsse auf persönliche Laster des Abgebildeten zulassen. Zudem spricht für eine Erfassung innerer Körperteile, dass auch §  201a I Nr.  2 und 3 StGB den Schutz des Rechts am eigenen Bild von (verunglückten) Unfallopfern und Verletzten un­ abhängig von einer Identifizierung schon bei der Anfertigung einer Aufnahme miteinschließt. Es erschiene ferner willkürlich, den Bildnisschutz einer Person etwa erst dann zu bejahen, wenn ein inneres Körpermerkmal – etwa im Rahmen eines offenen Bruchs – buchstäblich nach außen getreten ist und insoweit für andere ohne technische Hilfsmittel erfahrbar gemacht wurde. Hierfür spricht auch der Umstand, dass nach der zustimmungswürdigen überwiegen­ den Meinung selbst Leichenabbildungen zehn Jahre vom Recht am eigenen Bild umfasst blei­ ben108, zumal sich das Körpergewebe in der Regel innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod zersetzt und die Skelletierung einsetzt. Warum aber ein nur das Skelett der verstorbenen Per­ son geschützt sein soll, erschließt sich nicht.

Dabei erscheint eine Beschränkung schon anhand des Wortlauts der Gesetzesbe­ gründung auf äußere Erkennungsmerkmale nicht zwingend. Denn auch das Körper­ innere etwa in Form einer Röntgenaufnahme kann als eine „Darstellung der Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung“ verstanden werden. In diesem Sinne erscheint es nach der hier vertretenen Auffassung auch konsequent, die Äußerlichkeit des Erscheinungsbilds wahrnehmungsbezogen im Sinne einer vor dem äußeren Auge wahrnehmbaren Erscheinung zu verstehen. Erscheint ein mensch­ liches Erscheinungsbild nur vor dem inneren Auge handelt es sich hiernach um kein äußeres Erscheinungsbild.109 Schließlich entspricht diese Betrachtungsweise dem grundsätzlich weiten Begriffsverständnis, wonach es für die Mindestanforderungen eines menschlichen Erscheinungsbilds grundsätzlich unerheblich ist, welcher Teil des Körpers abgebildet wird, sofern auf den Abbildungsinhalt Mensch geschlossen werden kann.110 f) Echtheit des menschlichen Erscheinungsbilds am Beispiel von Deepfakes Schließlich stellt sich im Zusammenhang eines menschlichen Erscheinungsbilds die Frage, ob dieses verneint werden muss, wenn es einen Inhalt vermittelt, welcher in der realen Welt nicht stattgefunden hat. Dies könnte angesichts des ursprünglichen Begriffsverständnisses zumindest hinterfragt werden, weil es sich bei fiktiven oder manipulierten menschlichen Erscheinungsbildern möglicherweise nicht mehr um die „Darstellung der Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erschei­ 108 

Hierzu bereits Kap.  3, A., I., 1., d). Hierzu bereits Kap.  3, A., I., 2.; a). 110  Zustimmung verdient deshalb KG, NJW-RR 2018, S.  233, Rn.  11, welches ein Bildnis – und somit zwangsläufig ein menschliches Erscheinungsbild – bei der Abbildung des Körperinneren wie bspw. einem Skelett bejaht, obgleich beim infrage stehenden Fall gar nicht klar war, um was für eine Abbildung es sich handelte; noch offengelassen bei LG Berlin, Urteil v. 03.02.2016 – 5 O 121/15 = BeckRS 2016, 127025; a. A. Höning, S.  130; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  6; HmbKomm­ MedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  8; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  1; Vetter, AfP 2017, S.  129 (alle ohne inhaltliche Begründung). 109 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nung“111 handeln könnte. Die Wirklichkeit der Erscheinung könnte also möglicher­ weise entfallen, wenn diese in einem unwirklichen Kontext widergegeben wird und insoweit auf das Erscheinungsbild ausstrahlt. Zwar erscheint dies bereits angesichts des heute weiten Begriffsverständnisses eines Bildnisses im Sinne des §  22 KUG zweifelhaft, möglicherweise bewirken in diesem Bereich moderne Bildbearbei­ tungsmöglichkeiten hingegen ein Umdenken. Daher bietet sich in diesem Zusam­ menhang an, zu klären, ob Deepfakes112 menschliche Erscheinungsbilder und da­ mit  – im Falle einer nachgelagerten Erkennbarkeit des Abgebildeten – Bildnisse im Sinne des §  22 ff. KUG sein können. Verneint hat diese Frage jüngst Hartmann113, sodass sich mit dessen Argumenta­ tion an dieser Stelle verstärkt auseinandergesetzt werden soll. Dieser begründet seine Ansicht maßgeblich damit, dass es sich bei einem Bildnis heute um ein – historisch gewandeltes – „Derivat des Selbstbestimmungsrechts“ handele, weshalb hiervon nur „Aufzeichnungen eines zu einem gewissen Zeitpunkt tatsächlich existierenden ­äußeren Erscheinungsbildes“ umfasst seien. Der historische Gesetzgeber hätte den Bildnisschutz „noch stark von der Wirkung auf Dritte her“ gedacht, während das allgemeine Persönlichkeitsrecht nunmehr den Schutz vom Selbstbestimmungsrecht des Rechtsträgers bestimme.114 Hiernach müsste man also etwa den Bildnisschutz eines unbeliebten Lehrers verneinen, des­ sen Erscheinungsbild von einem Schüler in einen pornographischen Film fotorealistisch ein­ gesetzt wurde. Da es sich hierbei um keine Frage der Erkennbarkeit handelt, müsste zwangs­ läufig ein menschliches Erscheinungsbild des Lehrers verneint werden, da dieses in der kon­ kret dargestellten Form nie existierte.

Zuzustimmen ist Hartmann nach dem bereits Gesagten noch insoweit, als dass der Gesetzgeber von 1907 bei der Normierung der §§  22 ff. KUG sehr wahrscheinlich von der Wirkung von Fotorealismus beeinflusst war115, dies spricht aber gerade für die Einbeziehung von Deepfakes. Der Rückgriff auf den Umstand, dass der histori­ sche Gesetzgeber Karikaturen vom Schutzbereich der §§  22 ff. KUG ausklammern wollte, hilft jedenfalls nicht darüber hinweg, dass auch nach dessen Ansicht Plasti­ ken und Malerei unproblematisch dem Anwendungsbereich des Rechts am eigenen Bild unterfallen sollten.116 Überzeugender erscheint es daher, dass der historische 111  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1541. 112  Vgl. zum Begriff und Phänomen bereits Einführung, B., III. und IV. 113  Hartmann, K&R 2020, S.  353; i. E. wohl auch Höning, S.  131, und Prinz/Peters, Rn.  827, aller­dings ohne Begründung. 114  Hartmann, K&R 2020, S.  353. 115  Vgl. hierzu Kap.  1, B., V., 7. 116  Vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1539 f.; vgl. ferner die Protokolle zur ersten Beratung hinsichtlich des Geset­ zesentwurfs, in denen ein Bildnis eines Malers in Erwägung gezogen wurde, vgl. stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  214. 1905/06, 28. Sitzung, S.  815; vgl. hierzu auch Kap.  1, B., V., 4. und 7.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Gesetzgeber gerade nicht auf die objektive Wahrheit der Abbildung, sondern auf den primären Zweck der Darstellung – im Sinne der Repräsentation des Abgebilde­ ten117  – abgestellt hat.118 Auch bei einer nicht als solcher erkennbaren Manipulation liegt dieser primäre Zweck darin, die dargestellte Person zu repräsentieren. Auf die Erweiterung des Grundverständnisses des Rechts am eigenen Bild – insbesondere unter der Geltung des Grundgesetzes – kommt es mithin insoweit schon gar nicht an. Selbst unter Berücksichtigung der verfassungsrichterlichen Erwägungen zum Ver­ hältnis von informationeller Selbstbestimmung und der Kommunikationsgrund­ rechte zeigt sich aber offensichtlich, dass die Selbstdarstellungskomponente nicht im Geringsten an Bedeutung verloren hat.119 Auch alle weiteren Begründungsansätze vermögen nach der hier vertretenen An­ sicht indes nicht zu überzeugen. Zu widersprechen ist dabei zunächst der Feststel­ lung, dass das Recht am eigenen Bild als „Minus zum strafrechtlichen Beleidigungs­ schutz“ aus dem „Gedanken des Ehrschutzes“ entstamme. Vielmehr hat der histo­ rische Abriss zur Genese des Rechts am eigenen Bild gezeigt, dass „Ehre“ und „die Achtung der Persönlichkeit“ aus der Perspektive des Abbildungsschutzes bereits früh getrennt voneinander beurteilt wurden.120 Maßgebliches Gewicht für Sichtweise Hartmanns hat offenbar eine über die Zeit stattgefundene Verlagerung vom Schutz vor Fremdwahrnehmung hin zum Schutz der Selbstdarstellung.121 Da diese Erkenntnis allerdings aus dem Selbstbestimmungsrecht hergeleitet wurde, liegt zunächst die Vermutung nahe, dass die (viel umfassen­ dere) Idee der Selbstbestimmung mit der Selbstdarstellung gleichgesetzt wurde. Da­ bei stellt Hartmann später selbst fest, dass es eine strikte Trennung von Selbstbe­ stimmung und Fremdwahrnehmung nicht geben kann. Denn ein Individuum kann seine Persönlichkeit nur innerhalb einer Gesellschaft entwickeln.122 Vor diesem 117 

Vgl. hierzu Kap.  1; Kap.  1, B., V., 5. und 7. Hierfür spricht i. Ü., dass es verhältnismäßig lange vor der Genese des Rechts am eigenen Bild Möglichkeiten zur Retusche und Nachbearbeitung gab; vgl. hierzu die Ausführungen zur Ent­ wicklung der Portraitfotografie in Deutschland in Kap.  1, B., IV., 3, b). 119  Vgl. hierzu nur die Ausführungen zur (Neu-)Justierung des Rechts auf informationelle Selbst­bestimmung in Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (2). 120  Vgl. hierzu bereits zum Gesetzesentwurf 1902 Kap.  1, B., E., I. sowie die zusammenfassenden Schlussfolgerungen zu Personenabbildungen in der Neuzeit Kap.  2, B., V., 7., und zu dem Verhältnis von Ehrschutz und Persönlichkeitsschutz Kap.  1, C., I., 4.; vgl. hierzu i. Ü. auch Eisele, JR 2005, S.  7; Kargl, ZStW 117 (2005), S.  327; Kraenz, S.  94. Konsequenter wäre es, den Achtungsanspruch in diesem Bereich in Bezug auf die Persönlichkeitsentwicklung als umfassender zu verstehen, der so­ wohl Recht am eigenen Bild als auch die persönliche Ehre umfasst, Hierbei scheint es sich allerdings um eine terminologische Unsauberheit zu halten: Der Terminus des „Achtungsanspruchs“ verstellt diese Idee des Nebeneinander, wenn man diesen mit Blick auf die Beleidigungsdelikte allein aus der Ehre ableitet, vgl. hierzu grundlegend LK/Hilgendorf, Vor §  185 StGB, Rn.  1, 21; ferner Hoven, ZStW 129 (2017), S.  725. Selbst dann gäbe es aber auch mit Blick auf den dualistischen Ehrbegriff eine ge­ wisse Zweiteilung zwischen dem personalen und dem sozialen Geltungsgehalt. 121  Hartmann, K&R 2020, S.  353: „Verknappt ausgedrückt, geht es somit um den Schutz der Selbstdarstellung statt den der Fremdwahrnehmung.“ 122  Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Selbstöffnung in Kap.  3, D., IV., wonach individueller 118 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Hintergrund erscheint es nur folgerichtig, wenn das (verfassungsrechtliche) Recht am eigenen Bild bereits dann verletzt ist, wenn ein Dritter eine (manipulierte) Abbil­ dung besitzt und diese noch nicht veröffentlicht hat. Der Abgebildete wird sich dann eben nicht mehr selbstbestimmt verhalten können, weil er unter dem Druckmoment steht, dass sein (manipuliertes) Abbild veröffentlicht wird. Dieses Druckmoment wird sich gerade bei fotorealistischen Manipulationen wie Deepfakes weiter intensi­ vieren, insbesondere dann, wenn diese einen für den Betroffenen delikaten Inhalt authentisch vermitteln. Die einzelnen Schutzmechanismen des allgemeinen Persön­ lichkeitsrechts sollen gerade nicht getrennt voneinander betrachtet und angewendet werden, vielmehr überlagern sich diese. Das (vorkonstitutionelle) Recht am eigenen Bild kann deshalb heute gewissermaßen als Hybrid mit überlappenden Elementen des Privatheitsschutzes, der Selbstdarstellung und der Selbstbestimmung bezeichnet werden. Daran ändert auch das Postulat nichts, dass der Einzelne kein Recht darauf hat, von anderen so wahrgenommen zu werden, wie er es gerne hätte. Dieser Gedan­ ke wird in der Systematik der §  22 ff. KUG – auch im abgestuften Schutzkonzept der Rechtsprechung – überdeutlich und muss nicht bereits auf der ersten Stufe innerhalb des Bildnisbegriffs – etwa im Rahmen der Erkennbarkeit – Niederschlag finden. In diesem Zusammenhang fragt man sich deshalb nicht nur, worin genau der Mehrwert liegen soll, Deepfakes aus dem – strafrechtlich über §  33 KUG geschützten – Bildnis­ schutz auszuklammern, sondern woran mit der Lösung Hartmanns bei einer „Inter­ essenabwägung […] im Rahmen des APR“ genau angeknüpft werden soll, wenn nicht an die Erkennbarkeit des abgebildeten menschlichen Erscheinungsbilds. Wenn nur „Aufzeichnungen eines zu einem gewissen Zeitpunkt tatsächlich existierenden äußeren Erscheinungsbilds der Person“ ein Bildnis darstellen sollen, fragt man sich ferner, wie (und von wem) diese Tatsächlichkeit im Streitfall – gerade bei wirklich­ keitssuggerierenden Deepfakes – überhaupt bestimmt werden soll. Schließlich über­ zeugt die Argumentation, „die Annahme umfassender negatorischer Ansprüche“ führe „faktisch zu einer absoluten Deutungshoheit über Informationen über sich selbst“ kaum.123 Denn die Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild zeigen gerade die Berücksichtigung der öffentlichen Belange in der systematischen Stufung der Erlaubnistatbestände in §  23 I, II KUG.124 Überzeugender scheint es deshalb mit der hier vertretenen Ansicht gerade bei Deepfakes von menschlichen Erscheinungsbildern im Sinne des §  22 KUG auszuge­ hen. Sind diese dann auch der abgebildeten Person zuordenbar im Sinne der Erkenn­ barkeit, liegt ein Bildnis vor.

Freiheitsgebrauch und Selbstbestimmung innerhalb der Gesellschaft nicht losgelöst von dieser statt­ finden kann, sondern zwangsläufig ein Gesellschaftsbild mitgestaltet und prägt. 123  Hartmann, K&R 2020, S.  353. 124  Ferner könnte mit dieser Argumentation auch ein (wirklichkeitsgetreues) Foto aus dem Bild­ nisbegriff ausgeklammert werden, „denn die Annahme umfassender negatorischer Ansprüche führte faktisch zu einer absoluten Deutungshoheit über Informationen über sich selbst“.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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g) Unmenschliche Gesamterscheinungsbilder Die fotorealistische Bildbearbeitung von menschlichen Erscheinungsbildern ist heu­ te mit einem handelsüblichen Smartphone und einer entsprechend bedienungs­ freundlichen (Freeware-)App für jedermann ohne weiteres möglich. So können nicht nur Gesichter oder Hintergründe durch eine entsprechende Filtereinstellung „ver­ schönert“ oder ausgetauscht werden, vielmehr können diese auch beliebig mit un­ menschlichen Erscheinungsbildern kombiniert werden. Resultiert aus einer solchen Manipulation etwa ein Gegenstand oder Tier mit menschlichen Zügen, könnte ein menschliches Erscheinungsbild im Sinne des §  22 KUG zu verneinen sein. Beispielsweise könnte ein menschliches Erscheinungsbild abgelehnt werden, wenn die Ge­ sichtszüge eines Hundehalters im Wege einer Fotomanipulation fotorealistisch auf seinen Hund übertragen wurden, weil im Gesamten kein Mensch, sondern ein Hund dargestellt wird. Ein tierisches Erscheinungsbild wäre jedenfalls nicht von §  22 KUG erfasst.125

Nach der sich hier im Rahmen der Mindestanforderungen126 und Echtheit127 eines menschlichen Erscheinungsbilds abzeichnenden Differenzierungslinie kann ein menschliches Erscheinungsbild allerdings nicht allein deshalb verneinet werden, weil im Gesamten kein Mensch abgebildet wurde. Vielmehr ist konsequenterweise selbst bei fotorealistischen Darstellungen danach zu fragen, ob in der Abbildung mindestens die Kontur eines (in sich isolierbaren) menschlichen Erscheinungsbilds  – wie etwa eine bestimmte Gesichtspartie oder einer sonstigen Körperteilkontur – vor­ liegt. Diese verliert ihre Eigenschaft als menschliches Erscheinungsbild nach der hier vertretenen Ansicht nicht etwa deshalb, weil sie in einen Gegenstand oder in ein Tier mittels einer Manipulation integriert wurde und somit Teil einer unmenschlichen Gesamtdarstellung wurde. Diese Ansicht liegt auf der Linie des grundsätzlich weiten Bildnisbegriffs: Wenn es bei verzerrenden Karikierungen oder Manipulationen eines menschlichen Erscheinungsbilds in unrealem Kontext auf die unmittelbare Erfas­ sungs- und Interpretiermöglichkeit eines (zuordenbaren) menschlichen Körperteils ankommt, erscheint es vorzugswürdig, dies auch bei kombinierten konkurrierenden menschlichen und unmenschlichen Erscheinungsbildern anzunehmen, sofern ein menschliches Erscheinungsbild als solches noch isolierbar erfasst werden kann. Schließlich schützt ein unmenschliches Gesamterscheinungsbild weder vor der iso­ lierten Wahrnehmung und Interpretation einzelner menschlicher Körperteile als sol­ che, noch vor der erneuten technischen Herauslösung aus der Gesamterscheinung.128 125 

Vgl. hierzu bereits. Kap.  3, A., I., 1., a), m. w. N. Kap.  3, A., I., 2., b). 127  Kap.  3, A., I., 2., f). 128  Eine parallele Argumentationslinie findet sich bei BVerfG, NJW 2005, S.  3271 – „Ron Som­ mer“, wonach im Rahmen einer satirischen Fotomontage eben die Gefahr bestehe, selbst bei einem nicht fotorealistischen (Gesamt-)Bildnis einzelne (abspaltbare) Ausschnitte isomorph darzustellen und als solche unmittelbar wahrzunehmbar zu machen. Einer Anpassung des Gesichts sprach der Erste Senat eine grundrechtserhebliche Wirkung zu, die nicht als „Teil-“ oder „Nebenaussage“ der (gesamten satirischen) Bilddarstellung zurücktrete. Direkt übertragbar erscheint die Argumenta­ 126 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Inkonsequent erschiene es vielmehr, einem entsprechenden Bildausschnitt erst mit seiner Herauslösung aus der Gesamtdarstellung wieder die Eigenschaft als mensch­ liches Erscheinungsbild zuzuschreiben. Der hier vertretene Ansatz beugt nicht nur einer Umgehung des Bildnisschutzes durch einfach vorzunehmende Manipulationen vor, sondern bietet ferner nicht zu vernachlässigende Anhaltspunkte im Rahmen schwierig zu bestimmender Einzelfälle, ohne dabei aus der bisher gefundenen Grundlinie zur Echtheit von menschlichen Erscheinungsbildern auszubrechen. Es wäre hiernach im oben aufgeworfenen Fall danach zu differenzieren, ob innerhalb der Gesamtdarstellung ein menschliches Erscheinungsbild isoliert wahrgenommen werden kann. Dies kann etwa bei der Übertragung einzelner Gesichtsteile wie der Mund- oder Augenpartie angenommen werden. Ist dieses menschliche Erkennungsbild auch erkennbar, ist ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG zu bejahen. Etwas Anderes würde gelten, wenn etwa einem Hund mittels einer Bildmanipulation die Gestik oder etwa eine Tätowierung seines Halters übertragen werden würde. Dann läge ein isoliertes Erkennungsmerkmal ohne menschliches Erscheinungsbild vor. Dies könnte mög­ licherweise zu einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Halters führen, gleich­wohl läge mangels menschlichen Erscheinungsbilds kein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vor.

II. Erkennbarkeit der abgebildeten Person Liegt ein menschliches Erscheinungsbild vor, muss dieses auch einer konkreten Per­ sonenidentität zugeordnet werden können, um als ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG eingeordnet werden zu können. Das menschliche Erscheinungsbild in Form der ab­ gebildeten Person muss also für die Bejahung eines Bildnisses zudem erkennbar sein. Allgemein gültige Grundsätze für die Bestimmung der Erkennbarkeit einer Person im Sinne des Kunsturhebergesetzes haben sich bis heute nicht herausgebildet. Die überwiegende Ansicht zieht sich vielmehr auf die allgemeine Feststellung zu­ rück, dass ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vorliege, „wenn der Betroffene be­ gründeten Anlass hat anzunehmen, er könne nach Art der Abbildung erkannt“ bzw. „als abgebildet identifiziert“ werden.129 Dem Bildnisbegriff – und damit insbesonde­ re dem Erkennbarkeitskriterium – ist also ein normatives Verständnis zugrunde zu legen. Folglich wird es auf die Entscheidung im Einzelfall ankommen, wann ein tion jedoch nur in Teilen: Zwar war aufgrund des Kontexts offensichtlich klar, dass im Gesamten eine satirische Karikatur vorlag, gleichwohl ging es um die (Gesamt-)Darstellung eines Menschen und nicht etwa um ein Tier oder einen Gegenstand. Zum Fall im Einzelnen Kap.  3, D., II., 3., h), bb). 129  BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hochzeitsbild“; BGH, NJW 1971, S.  700 „Pariser ­Liebestropfen“; BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; BGH, GRUR 2021, S.  107 – „G20-Gipfel“; OLG Mün­ chen, AfP 1983, S.  277; OLG Karlsruhe, ZUM 2001, S.  887; vgl. ferner OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, S.  1633; KG, NJW-RR 2004, S.  1416. In der Lit: Cornelius, ZRP 2014, S.  166; Doerbeck, S.  187; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  7; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  18; Heiland, S.  69; Höning, S.  131; Kächele, S.  126; Leffler, S.  205; Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  7; Prinz/Peters, Rn.  826; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  13; Schimke, NZ­ Fam 2019, S.  854; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  20; Vetter, AfP 2017, S.  129.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Bildnis im Sinne des §  22 KUG vorliegt. Dabei stellen nicht nur moderne Bearbei­ tungsmöglichkeiten von bildhaften Erkennungsmerkmalen den Rechtsanwender bei der Frage, ob ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vorliegt, stets vor neue Herausfor­ derungen.130 Zu denken ist etwa an fotorealistisch wirkende Bilder, in denen beispielsweise die Gesichts­ züge mehrerer Personen miteinander zu einem neuen Gesicht kombiniert (engl. face blends) oder untereinander ausgetauscht und auf die Körper des jeweils anderen gesetzt wurden (engl. faceswaps). Ferner besteht die Möglichkeit sich in bildbasierten sozialen Netzwerken – in Echtzeit – den Erkennungsmalen anderer (prominenter) Personen, wie etwa deren Frisur, Bart oder Gesichtskonturen mittels einer entsprechenden Filtereinstellung zu bedienen.

Vielmehr stellt sich schon grundsätzlich die Frage, was überhaupt beim Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbilds als Merkmal für dessen Erkennbarkeit heran­ gezogen werden kann, sodass beide konstitutiven Voraussetzungen eines Bildnisses im Sinne des §  22 KUG vorliegen. Neben Merkmalen, die sich aus dem abgebildeten menschlichen Erscheinungsbild selbst erge­ ben – wie etwa dem Gesicht oder der Statur der abgebildeten Person, könnten auch mitabge­ bildete Merkmale, die außerhalb des menschlichen Erscheinungsbilds aber noch innerhalb des Bilds liegen – wie beispielsweise ein bestimmtes Auto mit Kennzeichen oder einem Namens­ schild bei einer Abbildung eines menschlichen Erscheinungsbilds – in Betracht kommen. Ferner könnten solche Merkmale für die Erkennbarkeit herangezogen werden, die völlig außerhalb des Bildes liegen und nur im Kontext der Gesamtveröffentlichung stattfinden, wie beispielsweise eine Bildüber- oder -unterschrift in Textform. Geht man hiervon aus, könnten gerade moderne Darstellungsszenarien in sozialen Netzwerken möglicherweise viele An­ knüpfungspunkte für eine Erkennbarkeit des abgebildeten menschlichen Erscheinungsbilds durch den beigeordneten Veröffentlichungstext, Profil-Verlinkungen, Kommentare oder Likes bieten.

Mit der Frage, was überhaupt als Merkmal für die Erkennbarkeit herangezogen wer­ den kann, ist die weitere Problematik verwoben, für wen ein anerkanntes Merkmal zur Identifizierung des abgebildeten menschlichen Erscheinungsbilds führen muss, damit diese als erkennbar im Sinne des §  22 KUG bezeichnet werden kann. Möglicherweise muss es hier auf eine Art Durchschnittsbetrachter ankommen oder möglicher­ weise genügt es für die Erkennbarkeit bereits, wenn eine Person mit Sonderwissen – wie bei­ spielsweise der Lebenspartner – das abgebildete menschliche Erscheinungsbild aufgrund ei­ nes konkreten Merkmals identifizieren kann.

Allgemeine Grundprinzipien zur Bestimmung dieser Fragen haben sich bislang nicht herausgebildet. Gleichwohl besteht durch die nunmehr seit 1907 bestehende Judika­ tur ein dichtes Geflecht an Einzelfallentscheidungen, das zur tendenziellen Bestim­ mung herangezogen werden kann, wann ein menschliches Erscheinungsbild als er­ kennbar einzustufen ist. Bei diesen Entscheidungen tritt die hier bereits angedeutete 130  Zur Frage, ob Deepfakes – als menschliche Erscheinungsbilder – dem Bildnisschutz unterfal­ len können Kap.  3, A., I., 2., f).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Zweiteilung des Einordnungsprozesses zutage: Zunächst beziehen sich die Entschei­ dungen stets auf die Nennung von Kriterien innerhalb der Personenabbildung, die für die Einordnung als erkennbar herangezogen werden können. Im Anschluss wer­ den überwiegend Aussagen über den Bezugspunkt der Erkennbarkeit und damit die Frage getroffen, von wem das menschliche Erscheinungsbild durch die heranzieh­ baren Merkmale identifiziert werden muss. Dieser Zweiteilung folgt auch der weitere Gang der Arbeit. Zunächst soll erörtert werden, welche Umstände überhaupt als Er­ kennungskritierum für ein Bildnis im Sinne des §  33 KUG herangezogen werden können (1.) ehe dann auf den relevanten Personenkreis als Bezugspunkt für die Er­ kennbarkeit eingegangen wird (2.). Auf dieser Grundlage kann anschließend auf problematische Sachverhaltskonstel­ lationen eingegangen werden, die sich insbesondere im Zusammenhang mit moder­ nen Darstellungsmöglichkeiten ergeben (III.). 1. Erkennungskriterien für ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG Im Folgenden soll zunächst anhand eines Beispiels erörtert werden, welche Kriterien zur Bestimmung der Erkennbarkeit bei der Darstellung eines menschlichen Erschei­ nungsbilds herangezogen werden können. A postet eine Smartphone-Aufnahme von B auf einem sozialen Netzwerk im Internet. Das gepostete Bild zeigt nur den Rumpf/Torso des B deutlich. Über das Gesicht des B hat A mit einer Bildbearbeitungsapp einen schwarzen Balken gelegt. Im Hintergrund sieht man das Auto nebst Kennzeichen des B. Auch kann man eine Tätowierung auf dem Oberarm des B erkennen. Zudem trägt B ein Namensschild am Revers auf dem man seinen Namen lesen kann. Der Bildveröffentlichung ordnet B einen Text bei, der sich auf das abgebildete Szenario durch etwa die Angabe des Ortes und des Zeitpunkts bezieht und nennt dabei den Namen des B. Schließlich verlinkt A das Netzwerkprofil des B auf dem Bild.

a) Darstellung des Meinungsstands Einigkeit besteht zwischen allen Ansichten insofern, dass sich die Erkennbarkeit des menschlichen Erscheinungsbilds in jedem Fall aus den Gesichtszügen der abgebilde­ ten Person ergeben soll.131 Die ganz überwiegende Ansicht differenziert grundsätzlich nicht zwischen der Geeignetheit verschiedener Merkmale und geht davon aus, dass schlichtweg alle Umstände, die mit der Gesamtveröffentlichung zusammenhängen für eine Identifi­ 131  RGZ 103, 319 (320) – „Rausch“; BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hochzeitsbild“; BGH, NJW 1965, S.  2148 – „Spielgefährtin I“; BGH, NJW 1971, S.  699 f. – „Pariser Liebestropfen“; Allfeld, S.  131; Si. Beck, MMR 2008, S.  79; van Bergen, S.  89; Cornelius, ZRP 2014, S.  166; Doerbeck, S.  187; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  15; Helle, S.  94 f.; BeckOK InfomedienR/ Herrmann, §  22 KUG, Rn.  4; Hohenstein, S.  63; R. Jacobs, WRP 2000, S.  897 f.; Erbs/Kohlhaas/ Kaiser, §  33 KUG, Rn.  6; Mesic, S.  40 f.; Osiander, S.  24; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  5; Götting/Schertz/Seitz/Schmitt, §  18, Rn.  7; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  3; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  17.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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zierung des menschlichen Erscheinungsbilds herangezogen werden können.132 Dem­ entsprechend sollen Merkmale der abgebildeten äußeren Erscheinung wie ­Statur133, Haarschnitt134, sogar die Körperhaltung135 oder bestimmte Posen136 für eine Zuord­ nung ebenso geeignet sein, wie mitabgebildete Merkmale außerhalb des mensch­ lichen Erscheinungsbilds wie etwa Gegenstände137, Tiere138 oder andere Personen139, sofern hieraus ein Rückschluss auf die Identität des menschlichen Erscheinungsbilds ermöglicht wird.140 Darüber hinaus soll es selbst unerheblich sein, ob sich ein Erken­ nungsmerkmal aus dem Bild ergibt, oder ob die Person durch Merkmale außerhalb des Bildes identifiziert – wie etwa beigeordnetem Text – werden kann.141 Insbeson­ 132  BGH, NJW 1965, S.  2149 – „Spielgefährtin I“; BGH, NJW 1971, S.  699 f. – „Pariser Liebes­ tropfen“; BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“; BGH, NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlgefährdung“; vgl. ferner BGH, GRUR 2021, S.  107 f. – „G20-Gipfel“, wonach sich zwar nur der Hinweis findet, dass sich die Erkennbarkeit auf Merkmale beziehe, „die sich aus dem Bild ergeben und die gerade ihm eigen“ seien. Gleichwohl begründete der BGH auch in dieser Entscheidung die Erkennbarkeit maßgeblich über die Kombination mehre­ rer Bilder und damit letztendlich auch mit Umständen, die außerhalb einer infragestehenden Abbil­ dung lagen; LG Berlin, NJW-RR 2000, S.  556, zählt etwa die bestimmte Form einer Kopfkontur bei einem Schattenriss hierunter. 133  Vgl. BGH, GRUR 1979, S.  732 – „Fußballtor“, hinsichtlich eines von hinten fotografierten Torwarts. 134  Vgl. OLG München Urt. v. 15.03.1982 – 21 U 3976/81 = BeckRS 1982, 31140731, hinsichtlich der Erkennbarkeit wegen der typischen Haarpracht Paul Breitners; a. A. BGH, NJW 1974, S, 1948  – „Nacktaufnahme“, wonach langen Haaren nicht die Eigenschaft als Identifizierungsmerkmal auf­ grund der verbreiteten Anwendung von Perücken beigemessen werden könne. 135  Vgl. LG München I, Schulze, LGZ 197, hinsichtlich der Sprungposition eines ­Trickskifahrers. 136  Vgl. BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“, bzgl. einer nachgestellten Pose Marlene Dietrichs; R. Jacobs, WRP 2000, S.  898, nennt als weitere Beispiele etwa das „hochwehende weiße Kleid über dem New Yorker U-Bahn-Schacht (Marilyn Monroe in ‚Das verflixte 7. Jahr‘)“, die „Abschiedsszene zwischen Ingrid Bergman und Humphrey Bogart in ‚Casablanca‘“ oder etwa den „typische[n] Stepgang (Moonwalk) von Michael Jackson“. 137  Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  16, nennt etwa „besondere ­K leidungsstücke“; R. Jacobs, WRP 2000, S.  898, nennt Melone und Stock von Charly Chaplin oder die Sonnenbrille von Heino; vgl. ferner OLG Nürnberg, GRUR 1973, S.  41, welches offenbar vom (Kunst-)Flugzeug auf den Piloten schloss. 138  OLG Düsseldorf, GRUR 1970, S.  618, wonach hinsichtlich eines Pferds auf den Reiter ge­ schlossen werden könne; OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, S.  536 f., zur Identifizierung des Halters durch einen Hund (welcher sich darüber hinaus nur auf einem weiteren veröffentlichen Foto befand). 139  OLG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2016, S.  391, wonach eine (von hinten abgebildete) Schülerin über die mitabebildeten Klassenkameraden erkannt werden könne. 140  BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hochzeitsbild“, zur „äußeren Aufmachung“ einer Person in Form der Anordnung des Brautschleiers sowie eines Teils des Hochzeitsgewands; BGH, NJW 1974, S.  1948 – „Nacktaufnahmen“, wonach „Presseveröffentlichungen über den anhängigen Rechtsstreit zur Erkennbarkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds geführt“ haben sollen; ferner Castendyk/ Bezzenberger, Rn.  482 ff.; Heiland, S.  69; Hengst, S.  14 f.; Herbort, S.  14 f. 141  BGH, NJW 1965, S.  2149 – „Spielgefährtin I“, zur Namensangabe unter einem menschlichen Erscheinungsbild in einer Zeitschrift; BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“, zur Erkennbarkeit anhand beigegebenen Texts oder früheren Veröffentlichungen; BGH, NJW-RR 2011, S.  1133 ff. – „Markt & Leute“, bzgl. der Kombination der oberen Kopf-/Stirnpartie und des Namens von Günther Jauch bei einer Internetveröffentlichung; BGH NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlgefährdung“, zu Nahaufnahmen von Bauch und Rücken nebst identifizierendem Text; OLG Hamburg, UFITA 1973,

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

dere der (sprach-)textlichen Beiordnung des Namens wird eine gewisse Absolutheit für die Identifizierung beigemessen.142 Geht man davon aus, dass hiernach dieselben extensiven Tendenzen bei Bildveröffentlichungen im Internet wie in der analogen Welt gelten143, liegt es nahe, dass schlichtweg alle Umstände außerhalb des veröffent­ lichten Bildes als Erkennungsmerkmal herangezogen werden können.144 Dies müsste dann selbst für beliebige Kommentare oder sonstiger Interaktionen Dritter wie Pro­ fil-Verlinkungen oder Likes gelten.145 Im oben genannten Beispiel entfällt nach der überwiegenden Ansicht also die Erkennbarkeit des B nicht etwa deshalb, weil seine Gesichtszüge unkenntlich gemacht wurden. Denn das menschliche Erscheinungsbild in Form des abgebildeten Rumpfes bzw. des Torsos kann B aufgrund der Tätowierung zugeordnet werden. Auch alle weiteren genannten Anhaltspunkte können nach der überwiegenden Meinung für die Erkennbarkeit herangezogen werden, selbst wenn diese sich nicht mehr im Bild befinden. Neben dem Namensschild und dem Auto mit Kennzeichen führt hiernach auch die Verlinkung oder der beigeordnete Text außerhalb des Bildes zur Erkennbarkeit des B, insbesondere weil dieser namentlich genannt wurde.

Gewichtige Literaturstimmen fordern eine Einschränkung der Heranziehbarkeit auf Erkennungsmerkmale, die tatsächlich abgebildet wurden und demzufolge unmittel­ bar rezipiert werden können. Umstände außerhalb des Bildes – wie etwa Unterschrif­ ten in Textform – sollen hiernach also nicht für die Erkennbarkeit herangezogen wer­ den können. Könne das menschliche Erscheinungsbild nicht ausschließlich aus dem Bild selbst heraus identifiziert werden, liege keine Erkennbarkeit und demzufolge kein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vor. In einem solchen Fall sei dann allenfalls eine sonstige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzunehmen.146 S.  239, zur Erkennbarkeit anhand früherer Veröffentlichungen bei der Abbildung eines (männli­ chen) Models nackt von hinten; OLG Köln, NJW 2005, S.  2556, zur Angabe des Veranstaltungsort und des Datums (bei fehlendem menschlichem Erscheinungsbild); OLG Frankfurt a. M., NJW 2006, S.  620, zur Erkennbarkeit trotz Augenbalkens u. a. wegen der beigeordneten Berichterasta­ tung; OLG Stuttgart, GRUR-RR 2015, S.  80; OLG München, NJW-RR 2016, S.  872; OLG Dresden, Urt. v. 30.08.2016 – 4 U 314/16 = BeckRS 2016, 127424, Rn.  2, wonach die Erkennbarkeit die voll­ ständige oder auch nur abgekürzte Namensnennung nicht voraussetze, sondern vielmehr die Über­ mittlung von Teilinformationen genügen könne; OLG München, GRUR-RR 2018, S.  529, zur Er­ kennbarkeit durch den beigegebenen Text; ferner Castendyk/Bezzenberger, Rn.  486; Schricker/ Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  23; Erbs/Kolhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  7; Mesic, S.  40 ff.; Ohrmann, S.  47 f.; Osiander, S.  24 ff.; Ricker/Weberling, Kap.  43, Rn.  5; Götting/Schertz/Seitz/ Schertz, §  12, Rn.  12; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  18; Wanckel, Rn.  127; wohl auch van Bergen, S.  90. vgl. ferner Fechner/Pelz, S.  96. 142  BGH, NJW 1965, S.  2149 – „Spielgefährtin I“; BGH NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlge­ fährdung“; OLG Hamburg, AfP 1993, S.  590 f.; van Bergen, S.  90; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  7; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  21, 26; Korte, §  2, Rn.  9; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  18; dies scheint nach der hier vertretenen Auffassung hinterfragenswert, vgl. hierzu die Erwägungen bei Kap.  3, A., III., 5., b)., cc). 143 So Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  750. 144  I.E. auch Si. Beck, MMR 2008, S.  79; Giebel, NJW 2017, S.  982. 145  Krit. hierzu Kap.  3, A., II., 3. 146 Vgl. Bienemann, S.  239 ff., wobei nicht klar wird, ob sich die „visuelle Erkennbarkeit“ nur aus dem abgebildeten menschlichen Erscheinungsbild ergeben soll oder mitabgebildete Umstände

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Im Beispielsfall könnte hiernach der beigeordnete Text in Form der Namens- Orts- und Zeitan­ gabe sowie die Verlinkung auf das Profil der abgebildeten Person nicht für die Erkennbarkeit herangezogen werden.

Von anderen Teilen der Literatur wird noch einschränkender gefordert, dass sich die Erkennbarkeit allein aus der Abbildung der Person als solcher ergeben müsse.147 Nach dieser Ansicht sollen alle sonstigen wahrnehmbaren Umstände innerhalb einer Abbildung, die außerhalb der abgebildeten Person liegen und somit Beiwerk darstel­ len, für die Einordnung als erkennbar keine Relevanz haben.148 Anderenfalls würde der Bildnisschutz nach §  22 KUG ad absurdum geführt und müsse bereits dann be­ jaht werden, wenn die betroffene Person überhaupt nicht auf dem Bild abgebildet ist, aber aufgrund sonstiger abgebildeter Umstände wie beispielsweise einen typischen Gegenstand identifiziert werden könnte.149 Im oben gebildeten Fall könnten deshalb allenfalls Merkmale auf dem Torso des B, dessen Frisur oder sein Tattoo herangezogen werden. Das Auto mit Kennzeichen und das Namens­ schild wären für die Einordnung der Erkennbarkeit unbeachtlich. Dies gilt ebenso für die Merk­male, die sich ausserhalb des Bildes befinden.

Als zusätzliche Restriktion will eine weitere Literaturmeinung die Erkennbarkeit erst dann bejahen, wenn in einer Abbildung das Gesicht oder nur bestimmte charak­ teristische Merkmale wie bspw. auffällige Narben, Muttermale, Leberflecken, oder Tätowierungen abgebildet sind. Die Abbildung des Körpers alleine reiche hierfür ausdrücklich nicht aus.150 Die Grenze sei deshalb dort zu ziehen, wo eine Abbildung eines Körperteils für den Betrachter nichts Wesentliches über die äußere Erschei­ nung des Abgebildeten aussagt.151 Hiernach käme im aufgeworfenen Fall allenfalls die Tätowierung des B für die Erkennbarkeit in Betracht. ebenfalls mitumfasst sein sollen; Damm/Rehbock, Rn.  136; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  7; Gerecke, GRUR 2014, S.  521 f..; ders., AfP 2005, S.  335; Hochrathner, ZUM 2001, S.  672; Hohenstein, S.  64; Klein, S.  99; HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  8, 13; Wild, GRUR 1979, S.  734. In die entsprechende Richtung geht auch die Argumentation des OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.06.2010 – 4 W 53/10 = BeckRS 2010, 16922, wonach sich die Erkennbarkeit „zu­ nächst einmal“ aus den personenbezogenen Bildelementen ergeben müsse. 147  Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  7; Hochrathner, ZUM 2001, S.  672; Hohenstein, S.  64; HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  13; Wild, GRUR 1979, S.  734; wohl auch Damm/Rehbock, Rn.  136; Klein, S.  99; vgl. ferner OLG Karlsruhe, NJW-RR 2004, S.  1633. 148  Klein, S.  98. 149 Vgl. Hochrathner, ZUM 2001, S.  672; Wild, GRUR 1979, S.  734. 150  Hüneke, ZJJ 2016, S.  136; Rehbock/Mensch in: FS Damm, S.  147; vgl. auch Sajuntz, NJW 2016, S.  1922; ferner BGH, NJW 1974, S.  1948 – „Nacktaufnahmen“, wonach „auffallend langem Haar […] schon im Hinblick auf die verbreitete Anwendung von Perücken noch nicht die Eigen­ schaft eines Identifizierungsmerkmals beigemessen werden könne“. 151  Vgl. RGZ 103, 319 (320) – „Rausch“, wonach es „insbesondere“ auf die Darstellung der Ge­ sichtszüge ankomme; OLG Oldenburg, NJW 1963, S.  922; Helle, S.  95; Voigtländer/Elster/Kleine, S.  30; vgl. auch Ohrmann, S.  48, welcher bei digital bearbeiteten Bildern sogar wohl nur die Identi­ fizierung über die Gesichtszüge zulassen möchte.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

b) Eigene Erwägungen zur Heranziehbarkeit von Merkmalen für die Erkennbarkeit Da der Erkennbarkeitsbegriff die Zuordenbarkeit einer bestimmten Identität zu einer Person beschreibt, welche in das Verhältnis zu anderen Personen zu setzen ist, kann er als vielschichtig bezeichnet werden. Es wird sehr schnell deutlich, dass diese Komplexität sowohl Teile der Lehre als auch der Rechtsprechung152 zu verschiede­ nen Vermischungen einzelner Aspekte veranlasst hat und dies vermutlich noch wei­ ter tun wird. Offensichtlich übersieht etwa die Argumentation der erstgenannten – auf abgebildete Personenmerkmale – einschränkenden Sichtweise, dass schon keine Personenabbildung bzw. kein menschliches Erscheinungsbild vorliegt, wenn nur ein charakteristischer Gegenstand abgebildet wird und überspringt quasi die Grund­­ voraussetzung eines Bildnisses.153 aa) Wortlaut und Bildnishistorie Der Wortlaut „Bildnis“ allein vermag kaum Anhaltspunkte für die Frage zu liefern, ob die Eignung als Erkennungsmerkmal auf bestimmte Merkmale zu beschränken ist. Heute wird umgangssprachlich unter einem Bildnis zunächst nur die bildliche Darstellung eines Menschen verstanden154 und zwar unabhängig davon, ob dieser Mensch auf der Darstellung erkennbar ist.155 Erst das von der Rechtsprechung krei­ erte Tatbestandsmerkmal der „Erkennbarkeit“ soll zum Vorliegen eines Bildnisses im rechtlichen Sinne (des §  22 KUG) führen. Semantisch findet nicht selten eine synonyme Verwendung des Portraitbegriffs statt. Der historische Abriss hat gezeigt, dass der Gesetzgeber selbst bei den ersten reichseinheitlichen Regelungen hinsichtlich Abbildungen im Jahre 1876 das „photo­ grafische Bildnis“ als Portrait legal definiert hat.156 Da jedenfalls ein Portrait nach heutigem Dafürhalten sowie im kunsthistorischen Kontext157 in erster Linie den Be­ reich oberhalb der Brustpartie einer Person – und somit maßgeblich das Gesicht  – zeigt, kann allenfalls vermutet werden, dass die Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG eine Zuordenbarkeit aus der Personendarstellung als solcher und somit direkt aus dem menschlichen Erscheinungsbild voraussetzt. Denn die Person steht bei ei­ nem Portrait typischerweise im Zentrum der Abbildung. Diese Betrachtung würde auf einer Linie mit der Erwägung liegen, dass der originäre Bildnisschutz nur solche 152  Besonders deutlich wird die Vermischung von objektiver Merkmalsbestimmung und maß­ geblichem Bezugspunkt in der Argumentation des BGH, wenn er langen Haaren per se die „Eigen­ schaft als Identifizierungsmerkmal“ aufgrund „der verbreiteten Anwendung von Perücken“ ab­ spricht; vgl. BGH, NJW 1974, S.  1948 – „Nacktaufnahmen“. 153  So auch Klein, S.  98. 154  Vgl. nur https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Bildnis (zuletzt aufgerufen am: 01.06.­ 2022). 155  Vgl. etwa Buschor, S.  7; B. Meyer, S.  149, welche beim Begriff des Bildnisses nicht von einem immanenten Verständnis von Erkennbarkeit des Abgebildeten ausgehen. 156  Kap.  1, B., IV., 4., e). 157  Vgl. hierzu Kap.  1, B., III., 5.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Bilder umfassen sollte, welche den primären Zweck hatten, das Aussehen einer Per­ son zu zeigen.158 Die Gefahr, dass erst die Kombination von verschiedenen Merk­ malen gegebenenfalls in einer besonderen Persönlichkeitsverletzung münden wird, musste dementsprechend vom historischen Gesetzgeber in den Motiven nicht er­ örtert werden, weil solche Abbildungen nicht den primären Zweck der Darstellung der abgebildeten Person erfüllen würden. Dementsprechend wurde die Möglichkeit ­einer Persönlichkeitsrechtsverletzung anhand der Kombination von verschiedenen Merkmalen in den Beratungen unter der Erwägung eines Beleidigungsdelikts nur kurz diskutiert.159 Demzufolge könnte die Erkennbarkeit nur auf abgebildete Perso­ nenmerkmale – also ausschließlich auf solche, die Teil des menschlichen Erschei­ nungsbilds sind – einzuschränken sein. Sich hieran pauschal zu orientieren, hieße aber auch die skizzierte Liberalisierung des Bildnisbegriffs unter den Wertungen des Grundgesetzes ausklammern. Zudem hob der Gesetzgeber selbst bereits in der Früh­ phase der Genese des KUG im Jahre 1904 die Gleichsetzung des Bildnis- mit dem Portraitbegriffs wieder auf.160 Außerdem stand selbst bei frühen Formen der Portrait­ kunst eben nicht die physiognomische Erkennbarkeit der abgebildeten Person im Zentrum, vielmehr waren es Umstände außerhalb der Personenabbildung wie Klei­ dung, Wappen, Insignien und Inschriften, welche eine Zuordenbarkeit gewährleisten sollten.161 Zudem findet aus kunsthistorischer Betrachtung schon keine allgemeine Reduzierung des Portraitbegriffs auf eine bestimmte Perspektive statt.162 Besinnt man sich wieder auf den Begriff des Bildnisses zurück, so wird ebenfalls deutlich, dass es ein allgemeines Begriffsverständnis „im eigentlichen Sinne des Wortes“163 schlicht nicht gibt. In der Sprache ist die allegorische –sinnbildliche – Zuordnung eines abstrakten Charakterzugs durch ein (Lebens- oder Charakter-)Bild, einem image oder einer Figur (welche einen Menschen darstellt) ein beliebtes Mittel, ohne dass hier trennscharfe Grenzen für einen feststehenden Wortsinn der jeweiligen Be­ griffe bestehen. Insoweit scheint der eigentliche Wortsinn nur die Zuordenbarkeit zu einer abstrakten Charaktereigenschaft, nicht hingegen die Zuordenbarkeit zu einer konkreten Identität – und erst recht nicht die konkrete Art der Zuordenbarkeit – für ein Bildnis vorauszusetzen. Diese Aspekte sprechen eher für die Einbeziehung aller

158 

Kap.  1, B., V., 5. und 7. Stenographischer Bericht über die Verhandlungen des Reichstages. Bd.  214. 1905/06, 28. Sit­ zung (Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bil­ denden Künste und der Photographie), S.  815. 160  Kap.  1, B., V., 2. 161 Vgl. Schütz, S.  13; ferner Kap.  1, B., II., 1., 3., und 5. 162  Büchsel, S.  9, definiert das Portrait bspw. als „ein Bildwerk, unter dem der Name eines be­ stimmten Menschen stehen kann oder stehen könnte“; bereits Plinius der Ältere verwendet im 35.  Buch seiner „naturalis historia“ (ca. 77 n. Chr.) etwa die Begriffe „imago“, „figura“, „statua“ und „effigies“ im Zusammenhang mit säkularer Bildnis- bzw. Portraitkunst synonym. 163  So aber Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30 (Gesetzesbegründung), S.  1541. 159 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Umstände im Sinne der überwiegenden Meinung, da diese dem Bildnisbegriff ganz grundsätzlich ein weites Begriffsverständnis zugrunde legt. Schließlich legt die synonyme Verwendung des Begriffs der Erkennbarkeit bei der Zuordnung von Merkmalen in Text-, Audio- und Bildform zumindest nahe, dass prinzipiell dieselben Maßstäbe hinsichtlich der Heranziehbarkeit von Einordnungs­ merkmalen gelten sollen: Alles, was zu einer Erkennbarkeit im Sinne einer Zuorden­ barkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds führt, könnte als einheitlich heran­ ziehbar zu verstehen sein. Dieses einheitliche, universale Begriffsverständnis würde zwangsläufig auch bildexterne Informationen mitumfassen. bb) Systematische Erwägungen Eine erste systematische Stütze kann aus der parallelen Verwendung des Begriffs der Erkennbarkeit im Rahmen der Wortberichterstattung hergeleitet werden, da diese wie die Bildberichterstattung den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung des Selbstdarstellungsrechts164 gewährleisten muss.165 Die Er­ kennbarkeit ist im Kontext mit (Sprach-)Text grundsätzlich anzunehmen, wenn der Name der betroffenen Person genannt wird.166 Wenn also selbst dann von der Er­ kennbarkeit einer vor dem inneren Auge abgebildeten Person ausgegangen werden soll, wenn etwa deren Namen genannt wird, erscheint die entsprechende Vorgehens­ weise bei der unmittelbar rezipierbaren Abbildung eines Menschen grundsätzlich konsequent.167 In diesem Sinne ist bei der Wortberichterstattung darüber hinaus an­ erkannt, dass für die Einordnung der Erkennbarkeit – unabhängig von der Namens­ nennung – jeder Umstand berücksichtigt werden kann, der einen Rückschluss auf die betroffene Person zulässt.168 Eine Diskussion bzgl. einer Einschränkung auf charak­ teristische Merkmale, die der Person unveränderbar immanent sind, wie bspw. Alter, Geschlecht, Hautfarbe oder Größe, findet hier nicht statt.169 Da die unmittelbar rezi­ pierbare Abbildung einer Person aber den ungleich schwereren Eingriff in das allge­ meine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen als dessen Darstellung mittels (Sprach-) Text bedeutet170, erscheint es nur konsequent, hinsichtlich der grundsätzlichen Her­ 164  Zur Verortung des Rechts am eigenen Bild innerhalb des Mantelrechts des allgemeinen Per­ sönlichkeitsrechts unter Berücksichtigung dessen Ausprägung des Selbstdarstellungsrechts in der Öffentlichkeit, vgl. Kap.  2., B., II., 3., b)., aa). 165 Vgl. Soehring/Hoene, §  17, Rn.  1. 166  Prinz/Peters, Rn.  143; Rehbock/Mensch in: FS Damm 2005, S.  143; Wenzel/Burkhardt, Kap.  12, Rn.  42, 54. 167  Besonderheiten ergeben sich aber aber nach der hier vertretenen Auffassung bei fehlender Suggestivkraft bzw. bei konkurrierenden Erkennungsmerkmalen; vgl. hierzu die Ausführungen zur Relativierung der Absolutheit der Namensnennung bei Kap.  3, A., I, 2., a), aa). 168  Vgl. nur BVerfGE 119, 1 (25) – „Roman Esra“; BVerfG, NJW 2004, S.  3619 – „Seit Jahren Auffälligkeiten“; BGH, NJW 2005, S.  2845 f. – „Esra“; KG, ZUM-RD 2004, S.  467. 169  BVerfGE 119, 1 (25) – „Roman Esra“; BVerfG, NJW 2004, S.  3619 – „Seit Jahren Auffällig­ keiten“; OLG Köln, ZUM 2014, S.  904. 170  Vgl. Kap.  1, A., II. und insbesondere III; aus der Rechtsprechung vgl. BVerfGE 97, 228 (268) – „Kurzberichterstattung“; BVerfGE 101, 361 (381 f.) – „Caroline von Monaco II“; BVerfGE 120,

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anziehbarkeit von (Zuordnungs-)Merkmalen keine strengeren Maßstäbe als bei der Textberichterstattung zu fordern. Weitere Anhaltspunkte für eine übergreifende Heranziehbarkeit von bildexternen Erkennungsmerkmalen ergeben sich mit Blick auf das „abgestufte Schutzkonzept“ im Rahmen der §§  22, 23 KUG. Für ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG ist heute in erster Linie der Informationswert der ge­ samten Veröffentlichung maßgebend.171 Wenn der Informationswert einer Bildbe­ richterstattung aber insbesondere auch unter Berücksichtigung der zugehörigen Wort- bzw. Textberichterstattung172 zu ermitteln ist, erschließt sich nicht, warum dieser Grundsatz nicht auch bei der Frage der Zuordenbarkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds greifen soll. Inkonsequent erschiene es vielmehr Umstände au­ ßerhalb der Abbildung für die Bestimmung eines Bildnisses auszuklammern, diesel­ ben Umstände aber dann für die Bestimmung eines „Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ 173 heranzuziehen. Ähnliche Mechanismen bestehen bei den übrigen Nummern des §  23 I KUG, was ebenfalls auf eine universale Heranziehbarkeit von Erkennungsmerkmalen hindeu­ tet. Beziehen sich etwa Bildunterschrift und Begleittext auf eine bestimmte Person in der Abbildung, soll diese gerade nicht mehr als Beiwerk im Sinne des §  23 I Nr.  1 Nr.  2 KUG einzuordnen sein.174 Wer Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen im Sinne von §  23 I Nr.  3 KUG beiwohnt, muss zwar damit rechnen, dass er in deren Verlauf abgebildet wird.175 Dies soll aber dann nicht gelten, wenn einzel­ 180 (198) – „Caroline von Monaco III“; BVerfG, NJW 2011, S.  742 – „Carolines Tochter“; BGHZ 187, 200 (205) – „Wortberichterstattung“; BGH, NJW 1966, S.  2354 – „Vor unserer eigenen Tür“; BGH, GRUR 2018, S.  968, Rn.  30 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; ferner N. Dietrich, ZUM 2014, S.  664; Pfeifer, JZ 2013, S.  858; grundsätzlich zur Funktionalität von Bild und (Sprach)Text s. Kap.  3, D., II., 3., m), aa), (4). 171  Hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a); im Einzelnen zum Informationswert Kap.  3, D., II., 3. 172  BVerfGE 120, 180 (216) – „Caroline von Monaco III“; BVerfG, NJW 2011, S.  741 – „ ­ Carolines Tochter“; BGHZ 222, 196 (210) – „Strafverfahrensbegleitende Berichterstattung“; BGH, NJW 2011, S.  747 –„Rosenball von Monaco“; BGH, NJW 2012, S.  766; BGH NJW 2013, S.  2891 – „Eis­ prinzessin Alexandra“; BGH, NJW 2015, S.  2501 – „Strandliege am Ballermann“; BGH, NJW 2017, S.  805 – „Klaus Wowereit“; BGH, NJW 2018, S.  1821 f. – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2018, S.  966 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; BGH, NJW 2020, S.  3717 – „Eheschei­ dung“; OLG Köln, NJW-RR 2014, S.  1070; OLG Köln, NJW 2016, S.  818 f.; OLG Köln, ZUM 2016, S.  290; OLG Köln, NJW 2018, S.  2737; OLG Hamburg, ZUM-RD 2018, S.  133; OLG Köln, ZUMRD 2019, S.  374; LG Berlin, NJW 2016, S.  1969; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 05.10.2017 – 2/03 O 352/­16 = GRUR-RS 2017, 133670, Rn.  40; LG Köln, ZUM-RD 2018, S.  110; vgl. auch LG Hamburg, NJOZ 2017, S.  1446; krit. bzgl. der Reichweite Wanckel, NJW 2011, S.  728; ders. Rn.  187. 173  Vgl. in diesem Zusammenhang den Hinweis von Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  4, Rn.  333, wonach §  23 I Nr.  1 KUG von „Bildnissen“ und nicht „Personen der Zeitgeschichte“ spricht. 174  Vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 1986, S.  1118 f.; Möhring/Nicolini/Engels, §  23 KUG, Rn.  13; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  13; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  81. 175  Möhring/Nicolini/Engels, §  23 KUG, Rn.  14; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  14; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  84; Schönewald, ZUM 2013, S.  864; Dreier/­ Schulze/Specht, §  23, Rn.  38; ferner Prinz/Peters, S.  593.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ne Individuen aus der Masse herausgegriffen werden.176 Dieses Exponieren einer Person kann aber neben der Perspektive oder anderen Umständen auf der Abbildung selbst ebenfalls durch Umstände außerhalb der Abbildung, wie die explizite Nen­ nung oder Beschreibung einer bestimmten Person durch beigeordneten Text, erfol­ gen.177 Zudem soll §  23 I Nr.  4 KUG unter der Annahme eines verfassungsrechtli­ chen weiten Kunstbegriffs178 eine generelle Privilegierung künstlerischen Schaffens entnommen werden179, was zur Folge hat, dass §  23 Abs.  1 Nr.  4 KUG auf Bildnisse in künstlerischen Darstellungen aller Art anzuwenden ist und somit auch maßgeblich vom Darstellungskontext180, mithin von Merkmalen außerhalb der bildhaften Dar­ stellung, abhängig ist.181 Geht man im Übrigen mit der überwiegenden Meinung von einer analogen Anwendbarkeit der Vorschrift auf Veröffentlichungen zu wissen­ schaftlichen Zwecken aus182, wird die Relevanz von abbildungsexternen Umstän­ den  – in diesem Fall wissenschaftliche Ausführungen in Textform183 – für den Bild­ nisschutz besonders deutlich. Grundsätzlich erschließt sich also bei einer Betrachtung des systematischen Ver­ hältnisses von §  22 und §  23 KUG nicht, warum Aspekte außerhalb des ­menschlichen Erscheinungsbilds den Bildnischarakter und somit den Schutz der §  22 KUG nicht begründen, diesen aber wieder entfallen lassen können sollen. Dies könnte allenfalls damit erklärt werden, dass sich der Ausdruck einer Stufung im Sinne des Schutzkon­ zepts der §§  22, 23 KUG eben auch darin zeigen soll, dass Umstände außerhalb des menschlichen Erscheinungsbilds erst auf einer nachgelagerten Stufe eine Rolle spie­ len sollen, nachdem für die Begründung des Bildnisschutzes auf der ersten Stufe nur 176 

BeckOK InfoMedienR/Gersdorf/Paal, §  23 KUG, Rn.  22; Wanckel, Rn.  207. Hierfür spricht jedenfalls, dass für die Abbildung selbst, wie bei §  23 I Nr.  2 KUG, der Ge­ samteindruck – und somit auch äußere Umstände – maßgebend sein soll; vgl. LG Köln, AfP 1994, S.  246; i. E. vermutlich auch Wanckel, Rn.  207, unter Bezugnahme auf OLG Frankfurt a. M., ZD 2016, S.  586, welches sich aber nicht auf §  23 I Nr.  3 KUG, sondern auf das – vorgelagerte – Vorhan­ densein einer konkludenten Einwilligung in die Bildnisveröffentlichung bei der Teilnahme an einer Demonstration bezieht, da es sich schon um keine perspektivische Situation des §  23 I Nr.  3 KUG handelte; vgl. ferner Damm/Rehbock, Rn.  251; Fechner, Rn.  49. 178  Hierzu dann im Einzelnen Kap.  3, D., II., 3., g). 179  Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23, Rn.  27. 180  Insofern ist der „Wirkbereich“ von Kunstwerken angesprochen; vgl. Hildebrand, ZUM 2016, S.  304. 181  Besonders deutlich wird dies bei Filmen oder Theateraufführungen; vgl. KG, Urteil v. 18.07.­ 2018, Az. 24 U 104/17 = BeckRS 2018, 16197; zudem Maaß, S.  228 f., welche demzufolge §  23 I Nr.  4 KUG auch bei dokumentarischen Filmaufnahmen von künstlerischer Qualität für anwendbar hält; ähnlich Fuchs/Schäufele, AfP 2015, S.  396; zur Heranziehbarkeit von §  23 I Nr.  4 KUG bei Satire bestehend aus Poster mit Text; vgl. Schertz, GRUR 2007, S.  559. 182  LG Hannover, ZUM 2000, S.  970; HK-UrhG/Dreyer, §  23 KUG Rn.  57; Wandtke/Bullinger/ Fricke, §  23 KUG, Rn.  27; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  104; Helle, S.  169; ferner bereits Voigtländer/Elster/Kleine, S.  33; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  54; a. A. Wandtke/ Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  134; mittlerweile nur noch zweifelnd Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  45; offengelassen von Wanckel, Rn.  212. 183  Zur Verwendung von Bildnissen in juristischen Publikationen Maaßen, ZUM 2003, S.  840; ferner Nicolini/Möhring/Engels, §  23 KUG, Rn.  22; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  22. 177 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Umstände innerhalb der Personenabbildung herangezogen werden sollen. Allerdings sollen die Wertungen des §  23 I KUG in Fällen der sog. Rückausnahme des §  23 II KUG wieder entfallen. Im Rahmen der Prüfung des „berechtigten Interesses“ des Abgebildeten im Sinne des §  23 II KUG ist aber ebenfalls die Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit und somit insbesondere im Kontext der Gesichtspunkte außerhalb des Personenbildnisses zu würdigen.184 Ebenso soll individualisierenden Merkmalen außerhalb des Bildnisses wie der na­ mentlichen Nennung in Textform im Hinblick auf die Widerrufsfähigkeit einer Ein­ willigung zur Bildnisveröffentlichung im Internet eine bedeutende Rolle zukom­ men.185 Auch in diesem speziellen Zusammenhang erschließt sich also nicht, warum Umstände außerhalb des menschlichen Erscheinungsbilds für die Begründung des Bildnisschutzes keine Rolle spielen sollen, während sie für dessen Wiederaufleben heranziehbar sein sollen.186 cc) Teleologische Aspekte Eine Reduzierung von Erkennbarkeitskriterien im Sinne des §  22 KUG auf charak­ teristische oder markante Merkmale des menschlichen Erscheinungsbilds kann kaum überzeugen. Zunächst fragt sich, wie diese Einschränkung überhaupt näher 184  Begleitender Text bei Bildberichterstattung: BVerfGE 120, 180 (206 f.) – „Caroline von Mo­ naco III“; BGHZ 158, 218 (224) – „Charlotte Casiraghi I“; BGH, NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGH, NJW 2005, S.  58 – „Charlotte Casiraghi II“; vgl. ferner KG Berlin, NJW-RR 1999, S.  1704; LG Saarbrücken, NJW-RR 2000, S.  1572; LG München I, Urteil v. 21.07.­ 2005 – Az. 7 0 4742/05 (unveröffentlicht), vgl. hierzu Becklink 153337; HK-UrhG/Dreyer, §  23 KUG, Rn.  63; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  58; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  102; insbe­ sondere herabsetzender und/oder abbildungsfremder Kontext: OLG Koblenz, NJW 1997, S.  1376; OLG Dresden, NJW 2012, S.  782; zur Wahrheitsverletzung insbesondere durch Bildunterschriften Wenzel/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  125.; zur Schmähkritik durch beigeordneten Text LG Köln, ZUM-RD 2012, S.  488; zu untergeschobenem Text durch eine eingefügte Sprechblase: OLG München, NJWRR 1998, S.  1036; ähnlich LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  335; zur Einbettung in werbenden Kontext: BGHZ 20, 345 (350) – „Paul Dahlke“; BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1133 – „Markt & Leute“; OLG Frankfurt, NJW 1989, S.  403; LG Hamburg, NJW 2007, S.  692; zu einem unautorisiertern Tonträger: BGH, NJW 1997, S.  1153 – „Bob Dylan“; entsprechend auch LG Berlin, ZUM 2006, S.  763 bzgl. einer Konzert-DVD des Künstlers Prince, allerdings ohne expliziten Hinweis auf §  23 II KUG; zur äußeren Aufmachung des Verkaufssystems einzelner Bildnisse BGHZ 49, 288 (293) – „Ligaspieler“; vgl. zu den verschiedenen inhaltlichen Ausprägungen im Einzelnen die Ausführungen zum Informationswert bei Kap.  3, D., II., 3. 185  Vgl. etwa BAG, NJW 2015, S.  2143, wonach es grundsätzlich bei ehemaligen Arbeitnehmern, deren Bildnis im Rahmen der Unternehmenskommunikation ihres ehemaligen Arbeitgebers veröf­ fentlich werden, für einen Widerruf nicht ausreiche, dass das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist. Werde der ausgeschiedene Mitarbeiter aber in besonderer Weise hervorgehoben, was explizit durch Umstände außerhalb des Bildnisses stattfinden kann, sei hingegen ein Widerrufsgrund gegeben; zur diesem Punkt in der Entscheidung Spielberger, NJW 2015, S.  2144; LAG Köln, K&R 2010, S.  144; LAG Frankfurt a. M., ZD 2012, S.  285; vgl. ferner Aghamiri, ITRB 2012, S.  178; Aßmus/ Winzer, ZD 2018, S.  509; Benecke/Groß, NZA 2015, S.  836; Wanckel, Rn.  165. 186  Dies gilt umso mehr, als dass die Anforderungen an einen Einwilligungswiderruf grundsätz­ lich als streng eingestuft werden; vgl. Golla, K&R 2015, S.  535; Schnabel, ZUM 2008, S.  659. Im Einzelnen zur Einwilligung Kap.  3, C.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

bestimmt werden soll. Hiernach müsste als Einordnungsmerkmal nur herangezogen werden können, was ein gewisses Alleinstellungsmerkmal besitzt. Dann muss aber bereits bei der Merkmalsbestimmung die Frage beantwortet werden, wann ein Um­ stand hinreichend spezifisch bzw. wesentlich ist, um als charakteristisches Merkmal zu gelten. Diese Sichtweise vermengt also zwangsläufig die grundsätzliche Frage der Heranziehbarkeit eines Merkmals mit der Frage der relevanten Bezugsgruppe für die Einordnung als erkennbar. Denn die Einordnung als spezifisch setzt zunächst das Vorliegen eines bereits gefundenen Identifizierungsmerkmals voraus. Ob das Merk­ mal auch spezifisch ist, muss zwangsläufig erst im Anschluss durch eine Beurteilung Dritter stattfinden.187 Ferner lassen die vorgebrachten Beispiele charakteristischer Personenmerkmale auf eine Art Durchschnittsbetrachter schließen. Dieser Ansatz hinkt allerdings einerseits einer gesellschaftlichen Wertevorstellung hinterher, die dem stetigen Wandel unterliegt. Besonders deutlich wird dies an der Einordnung der Tätowierung als charakteristisch, was nach nicht allzu langer Zeit zumindest im Hin­ blick auf gewisse Motive diskutiert werden könnte. Zum anderen besteht heute Ei­ nigkeit, dass es für die Erkennbarkeit gerade nicht auf den Durchschnittsbetrachter ankommen kann.188 Eine Beschränkung auf unmittelbar rezipierbare Merkmale im Bild erscheint zwar auf den ersten Blick als Kriterium begrüßenswert, zumal diese eine gewisse Gerad­ linigkeit – gerade im strafrechtlichen Kontext – hinsichtlich eines Bildrechts schaffen würde. Gleichwohl ist diese Beschränkung wie auch die Beschränkung auf Merk­ male des menschlichen Erscheinungsbilds im Ergebnis abzulehnen. Denn eine sol­ che Differenzierung würde letztendlich zu unterschiedlichen Erkennbarkeitsbegrif­ fen innerhalb der verschiedenen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeits­ rechts führen. Dies erscheint nicht zielführend. Für das Bildnisrecht im Sinne der §  22 ff. KUG wären etwa nur Umstände aus dem Bild heranziehbar, während entspre­ chend den systematischen Erwägungen eine solche Differenzierung für die Wortbe­ richterstattung nicht gelten soll.189 Es erscheint aber willkürlich, dass eine Informa­ tion wie etwa ein Name, eine Ortsangabe oder ein Datum nur im Rahmen einer Textveröffentlichung zur Erkennbarkeit führen soll, bei einer Bildveröffentlichung aber allenfalls dann, wenn sie – beispielsweise durch einen mitabgebildeten Kalen­ der, ein Ort – oder Namensschild oder eine sonst bekannte Örtlichkeit „in das Bild gebacken“ ist. Selbst bei der Verletzung des Rechts am eigenen Wort in Form des 187  Die Überlegung fand sehr früh bereits im kunsthistorischen Kontext der Portraitforschung statt: Die „Ähnlichkeit“ eines Portraits zur abgebildeten Person sei relativ, „weil jedes Gesicht ir­ gendwie mit einem anderen für ähnlich gehalten werden kann.“; vgl. Büchsel, S.  11. 188  Entsprechend hat sich auch das BVerfG – allerdings im Zusammenhang mit der Textbericht­ erstattung – deutlich vom Standpunkt des Durchschnittsbetrachters abgewandt; vgl. BVerfG, NJW 2004, S.  3619; hierzu im Einzelnen sogleich Kap.  3, A., II., 2., a). 189  Diese Überlegung wird dadurch gestützt, dass das Schutzbedürfnis des Rechts am gespro­ chenen Wort als intensive Verdinglichung der Persönlichkeit mit der vergleichbaren Interessenlage hinsichtlich der Verletzung des Rechts am eigenen Bild begründet wurde; vgl. hierzu bereits BGH, NJW 1987, S.  2668.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Unterschiebens von Falschzitaten190 soll es auf die Würdigung des Gesamtkontexts einer Veröffentlichung ankommen. Es erscheint deshalb konsequent, einerseits das beigeordnete Bild zu einem Text für die Würdigung zur Ermittlung einer Tatsachen­ behauptung heranzuziehen191 und andererseits den beigeordneten Text zur Ermitt­ lung eines Bildnisses. Ein solcher Gleichlauf kann besonders am Beispiel der Ver­ öffentlichung von Bewegtbildformaten wie (Animations-)Videos oder Livestreams überzeugen, bei welchen die abgebildete Person nur durch die mitaufgezeichnete Tonspur identifiziert werden kann. Auch hier liegen die Erkennungsmerkmale, die letztendlich zu einer Erkennbarkeit der betroffenen Person führen, außerhalb der bildlichen Darstellung, nämlich auf der parallel abgespielten Tonspur. Eine strikte wahrnehmungsbezogene Trennung der Erkennungsmerkmale würde in diesem Fall dazu führen, dass das Recht am eigenen Bild ausgeklammert würde, während der Schutzbereich des Rechts am gesprochenen Wort grundsätzlich bestünde, eine Er­ kennbarkeit aber von der Gesamtwürdigung aller dargestellten Merkmale wie Inhalt und Klang192 der Tonspur – insbesondere auch des (Bewegt-)Bildes – abhängig wäre. Sieht man davon ab, dass ein Auseinanderfallen beider Schutzmechanismen hier of­ fensichtlich nicht gewollt sein kann, weil es sowohl beim Recht am eigenen Wort wie beim Recht am eigenen Bild um die Zuordnung einer (Wort- oder Bild-)Information geht193, könnte das stumme Video im Sinne der einschränkenden Literaturmeinung allenfalls als eine sonstige Persönlichkeitsrechtsverletzung qualifiziert werden. Die Zuordnung für eine solche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der be­ treffenden Person müsste dann aber über gerade die Merkmale stattfinden, die für die Zuordnung beim Bildnisrecht ausgeschlossen sein soll. Eine solche strikte Trennung der Anknüpfungspunkte für eine Zuordnung nach Wahrnehmungsaspekten er­ scheint aber vor dem Hintergrund des geschützten Rechtsguts in seiner Funktion als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts wenig überzeugend. Denn das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild greift nicht erst bei der Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG. Vielmehr genügt nach den Ausführungen zur Verortung des Rechts am eigenen Bild in der modernen Rechtsordnung das Vorliegen eines mensch­ lichen Erscheinungsbilds.194 Überdeutlich wird dies beim Schutz des Rechts am ei­ 190  BVerfGE 54, 148 (154 ff.) – „Eppler“; BVerfGE 54, 208 (220 f.) – „Böll“; BVerfG, NJW 1993, S.  2926 – „BKA-Präsident“; BGH NJW 2011, S.  3516 f. – „Das Prinzip Arche Noah“; Maunz/Dürig/ Di Fabio, Art.  2 I GG, Rn.  199. 191  So auch LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  332 ff., Zur Unzulässigkeit der Wiedergabe eines (Falsch-)Zitats in einem sog. „SharePic“, welches den Betroffenen zeigt und daneben einen Text. Hierbei könne „abhängig von der Gestaltung beim Durchschnittsleser der Eindruck entstehen, dass es sich um ein Zitat handelt und der Betroffene sich – gleichsam einer Sprechblase – entspre­ chend geäußert hat. Dies gilt umso mehr, wenn lediglich der Kopf des Betroffenen mit geöffnetem Mund und daneben der Text abgebildet“ sei. 192  Vgl. hierzu R. Jacobs, WRP 2000, S.  897 m. w. N. 193  Vgl. BGH, NJW 2011, S.  3516 f. – „Das Prinzip Arche Noah“; vgl. ferner BGH, NJW 1987, S.  2668 f. – „BND-Interna“; Rehbock/Mensch, in: FS Damm 2005, S.  141. 194  Vgl. hierzu ausführlich Kap.  2, B., III. mit Abbildung, insbesondere die Ausführungen in Kap.  2, B., II., 3.; b), aa), (3).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

genen Bild im Kernstrafrecht durch §§  201a, 184k StGB, wonach nur die Aufnahme eines menschlichen Erscheinungsbilds genügt, welches nicht zwingend erkennbar sein muss. Genaugenommen steht der Wertung der Literatur damit der Wille des Gesetzgebers sowie der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung entgegen, wenn ­diese nur eine sonstige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts annimmt, wenn das menschliche Erscheinungsbild nicht aus sich heraus identifiziert werden kann. Unterschiedliche Anforderungen an die Rezipierbarkeit könnten möglicherweise damit begründet werden, dass das Recht am eigenen Wort eben kraft Natur der Sa­ che  – anders als das Recht am eigenen Bild – sowohl durch das Ohr als auch im Falle einer Verschriftlichung durch das Auge wahrgenommen werden kann.195 Folgt man diesem Ansatz, zöge dies zwangsläufig verschiedene Begriffe von Erkennbarkeit nach sich, die jeweils anhand ihrer Medien- bzw. Wahrnehmungsbezogenheit von­ einander abgegrenzt werden müssten. Die Ausführungen zu den Charakteristika menschlicher Bildwahrnehmung haben zwar gezeigt, dass es deutliche Unterschiede hinsichtlich der Rezeption von Wort und Bild gibt.196 Gerade die Darstellung zur multimedialer Kombinationsaffinität197 bildhafter Darstellungsformen und der hier­ mit verbundene Bildüberlegenheitseffekt198 weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass bei einer Verbindung von unmittelbar und mittelbar vermittelten Informationen hinsichtlich der Behaltens- und Verstehensleistung einer Information – wie der Iden­ tität der abgebildeten Person – gesteigerte Effekte erzielt werden können. Dies würde eine Beschränkung auf unmittelbar rezipierbare Merkmale völlig ausklammern. Auch nach teleologischen Gesichtspunkten bietet es sich daher an, von einem ein­ heitlichen Erkennbarkeitsbegriff auszugehen und grundsätzlich keine Differenzie­ rung hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit oder Verortung von Erkennbarkeitsmerk­ malen anzunehmen. dd) Schlussfolgerung für die Heranziehbarkeit von Merkmalen für die Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG: Universaler Erkennbarkeitsbegriff Nach der hier vertretenen Auffassung ist deshalb (auch) beim Recht am eigenen Bild von einem universalen Erkennbarkeitsbegriff im Sinne einer nicht limitierten Zu­ ordenbarkeit einer Identität zu einer Personendarstellung auszugehen. Dies führt zu keinen widersprüchlichen Ergebnissen hinsichtlich des allgemeinen Persönlichkeits­ rechts und dessen sonstigen besonderen Ausformungen und berücksichtigt im Übri­ gen auch zukünftige Darstellungs- und Wahrnehmungsmöglichkeiten von Informa­ tionen.199 Diese Vorgehensweise trägt der gesetzgeberischen Wertung Rechnung, 195  Vgl. hierzu Woelke, S.  62, der überdies darauf hinweist, dass in der Wissenschaft Komposita wie Sprachbild, Bildtext oder Klangbild bestehen. 196  Kap.  1, A., I. 197  Kap.  1, A., I., 7. 198  Kap.  1, A., I., 5. 199  Dies könnte möglicherweise durch die philologische Erwägung ergänzt werden, dass selbst

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dass es gegenüber einer identifizierenden Textveröffentlichung typischerweise200 ei­ nen ungleich stärkeren Eingriff in die persönliche Sphäre bedeuten soll, wenn je­ mand das Erscheinungsbild einer Person in einer Lichtbildaufnahme veröffentlicht.201 Um dieser vorgegebenen Stufung hinsichtlich der Anforderungen an eine Persön­ lichkeitsrechtsverletzung aber gerecht werden zu können, liegt es nahe, die Erkenn­ barkeit als Tatbestandsmerkmal bei Handlungen mit persönlichkeitsrechtsverletzen­ dem Charakter grundsätzlich gleich zu behandeln. Insgesamt erscheint es deshalb vorzugswürdig, Umstände grundsätzlich unabhängig von ihrer Platzierung oder hinsichtlich ihrer Rezipierbarkeit für die Begründung der Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG als heranziehbar zu erachten. Eine Einschränkung auf bestimmte Merkmale ist somit hiernach abzulehnen. Bei dem eingangs gebildeten Beispiel liegt mit dem Torso des B ein menschliches Erschei­ nungsbild vor. Für das Vorliegen eines Bildnisses müsste das menschliche Erscheinungsbild auch erkennbar sein. Hiergegen scheint zu sprechen, dass die Gesichtszüge des B nicht abge­ bildet sind. Allerdings muss eine Unkenntlichmachung der Gesichtszüge nicht zwangsläufig die Erkennbarkeit ausschließen, wenn die Person aufgrund anderer Merkmale erkannt werden kann.202 Hierfür kann grundsätzlich jeder weitere wahrnehmbare Umstand auf der Abbildung als Erkennungsmerkmal herangezogen werden. Neben dem Torso und der Tätowierung von A kann also auch das mitabgebildete Auto nebst Kennzeichen für die Erkennbarkeit eine Rolle spielen.203 Ermöglichen diese Umstände allein oder in ihrer Kombination einem – noch näher aus der Personenabbildung erkennbare Merkmale zwangsläufig in Umständen wurzeln, die nichts mit der konkreten Abbildung zu tun haben und somit ebenfalls außerhalb eines konkreten Bildes liegen und insoweit „antrainiert“ oder gelernt wurden. Dies allerdings hat für die Frage der Einbe­ ziehbarkeit einzelner Merkmale anhand ihrer konkret-perspektivischen Positionierung nur einen bedingten Mehrwert, weil der Ursprung einer Information nach dieser Argumentation allenfalls für deren Authentizität – und somit für die relevante Bezugsgruppe – eine Rolle spielen kann. 200  Umgekehrt kann ein Text eine solche Dichte an identifizierenden Informationen innehaben, dass er das Persönlichkeitsrecht im Einzelfall noch stärker beeinträchtigt als ein beigeordnetes Bild; vgl. OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  377 f.; hierzu Cichon, GRUR-Prax 2019, S.  20. 201  Vgl. BVerfGE 35, 202 (227) – „Lebach“; BVerfGE 91, 125 (135) – „Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal I“; BVerfG, NJW 2009, S.  351 f. – „Holzklotz-Fall“; ferner BGH, NJW 1966, S.  2354  – „Vor unserer eigenen Tür“. 202  So auch Eisenbarth, S.  27; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  12, spricht von „Entindi­ vidualisierung“; vgl. für sog. Augenbalken: OLG Karlsruhe, NJW 1980, S.  1701; OLG München, AfP 1983, S.  277; OLG Hamburg, NJW-RR 1988, S.  736; OLG Hamburg, AfP 1993, S.  590 f.; OLG Karlsruhe, ZUM 2001, S.  887; “; OLG Karlsruhe, AfP 2002, S.  45; OLG Frankfurt a. M., NJW 2006, S.  620; LG Berlin, AfP 1997, S.  733; Schricker/Loewenheim/Götting; §  22, Rn.  18; Prinz/ Peters, Rn.  827. Für „Verpixelungen“: OLG Saarbrücken, AfP 2010, S.  83; KG, MMR 2012 S.  258 f.; OLG Stuttgart, AfP 2014, S.  353; OLG Karlsruhe, AfP 2015, S.  56; OLG Dresden, ZUM-RD 2020, S.  507; LG Hamburg, MMR 2007, S.  399; LG Frankfurt, AfP 2007, S.  379 f.; LG Saarbrücken, Urt. v. 16.07.2015, Az. 4 O 152/14, S.  8 (abrufbar auf: http://www.kathringibtdirrecht.de/wordpress/wp-­con tent/uploads/2015/09/LG-SB-4-O-152_15.pdf; zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); ferner zur grund­ sätzlichen Möglichkeit, eine Verpixelung rückgängig zu machen: LG Berlin, NJW-RR 2016, S.  366; zur Unkenntlichmachung grundsätzlich: Czernik, GRUR 2012, S.  459; BeckOK Info­medienR/­ Hermann, §  22 KUG, Rn.  5.2; BeckOK BGB/Specht, §  823 BGB, Rn.  1150. 203  Für die Einbeziehbarkeit eines Kfz-Fabrikats und des Kennzeichens in einem YouTube-Vi­ deo LG Essen, ZUM-RD 2014, S.  576; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  18; a. A. HmbKommMedienR/­Kröner, 32. Abschn, Rn.  13; AG Kerpen, ZUM-RD 2011, S.  259, wonach das

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

zu erörternden – relevanten Personenkreis, das abgebildete Erscheinungsbild dem A zuzuord­ nen, liegt ein Bildnis vor. Fällt die Zuordnung aufgrund des Autos oder der Tätowierung ten­ denziell schwerer, da sie vom relevanten Personenkreis abhängt, liefern das Kennzeichen und das Namensschild am Revers zumindest einen abstrakten Hinweis auf die Person des A. Fer­ ner kann die Erkennbarkeit auch durch die abbildungsexternen Umstände wie der Verlinkung oder dem abbildungsexternen, beigeordnete Text hergestellt werden.

2. Relevanter Bezugspunkt für die Erkennbarkeit Da nach der hier vertretenen Ansicht grundsätzlich keine Einschränkung hinsicht­ lich der Merkmale für eine Zuordnung im Sinne der Erkennbarkeit bei §  22 KUG stattfinden soll, erscheint die Frage umso wichtiger, für wen das menschliche Er­ scheinungsbild überhaupt erkennbar sein muss. a) Parallelität des Erkennbarkeitsmaßstabs von Wort- und Bilddarstellungen Unter der Prämisse eines universalen Erkennbarkeitsbegriffs und den herausgearbei­ teten Charakteristika menschlicher Bildrezeption204 kann zur Beantwortung einlei­ tend vorangestellt werden, dass die Maßstäbe des Bezugspunkts der Erkennbarkeit in (Sprach-)Textdarstellungen grundsätzlich erst recht für die intensivere Abbildung eines menschlichen Erscheinungsbilds gelten müssen.205 Aus der Perspektive des relevanten Bezugspunkts für die Erkennbarkeit zeigt sich erneut die bereits angesprochene Liberalisierung infolge der Etablierung des grund­ gesetzlichen Unterbaus, insbesondere mit der Weiterentwicklung des Mantelrechts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter dessen sich überlagernden Ausprägun­ gen der Selbstdarstellung206 und der Selbstbestimmung207. So gingen die Fachge­ richte bei der Darstellung einer Person in Textform von der Figur des Durchschnitts­ betrachters als Bezugspunkt für deren Erkennbarkeit aus, dessen Sicht letztendlich von der Bewertung des entscheidenden Richters „in eigener Sachkunde“208 be­ Nummernschild schon keinen „maßgebenden Erkennungsfaktor“ habe, da es das Fahrzeug, nicht aber den Fahrer identifiziere und deshalb zur Heranziehung nicht geeignet sei. Im Anschluss an diese Feststellung nimmt das AG Kerpen aber selbst eine Eingrenzung des infrage kommenden Personenkreises anhand des Nutzers des konkreten Fahrzeugs vor. 204  Kap.  1, A. 205  Rehbock/Mensch, in: FS Damm 2005, S.  153; Soehring/Hoene, §  13, Rn.  38; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  20; vgl. auch Karner-Herbrich, S.  48; a. A. von Becker, KUR 2003, S.  87, und D. Busch, AfP 2004, S.  208, welche einen Unterschied zwischen Romanen und Bildnisrecht aufgrund der vorbehaltlosen Kunstfreiheit ausgemacht zu haben scheinen; dies überzeugt aller­ dings kaum, da offensichtlich auch Bilder ohne weiteres der Kunstfreitheit unterfallen können und die Zuordnung einer Information als solcher selbst bei künstlerischen Darstellungsformen nicht unterschiedlich stattfindet als bei „sonstigen“ Veröffentlichungen. Auch die Vorbehaltlosigkeit der Kunstfreiheit vermag hieran nichts zu ändern: Eine Person wird nicht weniger erkennbar, nur weil sie in einem künstlerischem Kontext dargestellt wurde; vgl. allerdings BVerfGE 119, 1 (25 f.), Rn.  76 – „Roman Esra“, was insoweit wieder bei Rn.  74, 84 und 99 relativiert wird. 206  Kap.  2, B., II., 3., b), aa). 207  Kap.  2, B., II., 3., b), bb). 208  Rehbock/Mensch, in: FS Damm 2005, S.  141 f.

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stimmt wurde.209 Diese Vorgehensweise wurde von den Fachgerichten regelmäßig auf die „Mephisto“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurückgeführt, obgleich der Erste Senat den Begriff des Durchschnittsbetrachters an keiner Stelle bemühte, sondern lediglich in Bezug auf den konkreten Sachverhalt feststellte, dass „ein nicht unbedeutender Leserkreis unschwer“ den Betroffenen in der dargestellten Person wiedererkenne.210 Nachdem die Figur des Durchschnittsbetrachters auf dem Gebiet der Textdarstellungen von den Fachgerichten unter vereinzeltem Protest der Literatur211 nach und nach aufgegeben wurde212, war es schließlich das Bundesver­ fassungsgericht, welches im Jahr 2004 der Figur des Durchschnittsbetrachters als relevanten Bezugspunkt für eine Erkennbarkeit eine ausdrückliche Absage (bei Textdarstellungen) erteilte.213 Ausreichend sei es hiernach „wenn über das Medium der Zeitung persönlichkeitsverletzende Informationen an solche Leser geraten, die auf Grund ihrer sonstigen Kenntnisse in der Lage sind, die Person zu identifizieren, auf die sich der Bericht bezieht“214. Diese Sichtweise bestätigte das Bundesverfas­ sungsgericht in seiner „Roman Esra“-Entscheidung, indem es anführte, dass gerade die Erkennbarkeit im näheren Bekanntenkreis für die betroffene Person besonders nachteilig sein könne und eine Bemessung des relevanten Bezugspunkt am Durch­ schnittsbetrachter im Übrigen regelmäßig Prominente bevorzuge.215 Insoweit sei der Maßstab eines „mehr oder minder großen Bekanntenkreises“ für die Erkennbarkeit 209  Vgl. OLG Hamburg, UFITA 1968, S.  367; LG Berlin, GRUR 1980, S.  188; vgl. auch von ­Becker, KUR 2003, S.  87; D. Busch, AfP 2004, S.  208; Rehbock/Mensch, in: FS Damm 2005, S.  141 f. 210  BVerfGE 30, 173 (198) – „Mephisto“; vgl. zum Fall bereits Kap.  3, B.), D.; ähnlich zuvor BGHZ 50, 133 (141) – „Mephisto“; der Rückschluss auf die Figur des „Durchschnittsbetrachters“ lässt sich möglicherweise insoweit nachvollziehen, als das BVerfG anhand einer (Ver-)Objektivierung – im Sinne einer Verselbstständigung der zeichenhaft dargestellten Figur im Vergleich zum „Urbild“ – differenziert hat; vgl. hierzu auch die späteren Ausführungen in BVerfGE 119, 1 (25 f.)  – „Roman Esra“, wonach aus der konkreten Begründung der „Mephisto“-Entscheidung keine notwen­ dige Bedingung für die Erkennbarkeit (von Romanfiguren) abgeleitet werden könne. 211  von Becker, KUR 2003, S.  87 und D. Busch, AfP 2004, S.  208. 212  KG, NJW-RR 2004, S.  1415 und zuvor LG, AfP 2004, S.  287, bzgl. des Romans „Meere“; nach dem KG müsse die Erkennbarkeit auch für einen so geringen Kreis von vertrauten Personen [genügen], ohne dass positiv festgestellt werden müsste, ob sie überhaupt Adressaten des Romans sind, weil es auf die konkrete Zahl nicht ankommen“ könne; BGH, NJW 2005, S.  2845 – „Esra“; zuvor OLG München, NJOZ 2005, S.  4344 ff. und LG München I, ZUM 2004, S.  236, bzgl. des Romans „Esra“; später bestätigt von BVerfGE 119, 1 (25 f.) – „Roman Esra“. 213  BVerfG, NJW 2004, S.  3620 – „Seit Jahren Auffälligkeiten“. Inhaltlich ging es um einen Bericht in einer Tageszeitung, in welchem bezweifelt wurde, ob ein Anwalt „noch in der Lage ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben“ und „ob nicht der Widerruf der Zulassung des Rechtsan­ walts in Betracht zu ziehen“ sei. Nachdem die Vorinstanzen eine individuelle Betroffenheit mangels Erkennbarkeit für den Durchschnittsbetrachter verneinten, hatte die von dem Anwalt eingelegte Verfassungsbeschwerde Erfolg. 214  BVerfG, NJW 2004, S.  3620 – „Seit Jahren Auffälligkeiten“, wonach eine Information „gera­ de für Leser mit Einblick in das berufliche oder persönliche Umfeld des Betroffenen […] in ihrem persönlichkeitsverletzenden Teil aussagekräftig und in der Folge für die in Bezug genommene Per­ son besonders nachteilig“ sei. 215  BVerfGE 119, 1 (25) – „Roman Esra“; vgl. auch Ricker/Weberling, 43.  Kap., Rn.  5.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

aus Sicht des Verfassungsrechts zutreffend.216 Damit bestätigte das Bundesverfas­ sungsgericht ausdrücklich die vorangegangene Lösung des Bundesgerichtshofs, wel­ cher für die Herleitung des Maßstabs der Erkennbarkeit in Textdarstellungen aus­ drücklich auf das Bildnisrecht abgestellt hatte.217 Dabei war der Bezugspunkt in der Bildberichterstattung für die Erkennbarkeit des Dargestellten bereits lange zuvor deutlich liberaler durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gehandhabt worden. Dies geschah vermutlich geradezu instinktiv, da unmittelbar wirkende Bilddarstel­ lungen im Gegensatz zur „Abbildung“ in Textform grundsätzlich als gesteigerter Eingriff in die Persönlichkeitssphäre empfunden wurden.218 Hiernach soll für die Erkennbarkeit bei Bildnissen ausreichen, wenn der Betroffene begründeten Anlass hat, er könne bereits von einem „mehr oder minder großen Bekanntenkreis“ und nicht etwa einem „flüchtigen Betrachter“ identifiziert werden.219 Damit hat sich der Maßstab der Erkennbarkeit bei Wortdarstellungen mit demjenigen bei Bilddarstel­ lungen im hier vertretenen Sinne eines universalen Erkennbarkeitsbegriffs synchro­ nisiert. Damit kann auch auf die (verfassungsrichterlichen) Erwägungen zum Maß­ stab der Erkennbarkeit bei Wortdarstellungen für den relevanten Bezugspunkt bei Bilddarstellungen zurückgegriffen werden. b) Der „mehr oder minder große Bekanntenkreis“ als relevanter Maßstab Der „mehr oder minder große Bekanntenkreis“ wirft deshalb fortan sowohl bei der Fachgerichtsbarkeit als auch bei der Literatur Fragen bzgl. dessen Konkretisierung auf. Besondere Relevanz kommt dabei der Mindestanforderung des minder großen Bekann­ tenkreises zu. Möglicherweise genügt hierfür bereits die Identifizierung durch den Le­ benspartner oder eines nahestehenden Familienmitglieds, welche mit dem äußeren Er­ scheinungsbild des Betroffenen vertraut ist. Die fachgerichtliche Rechtsprechung220 216 

BVerfGE 119, 1 (25) – „Roman Esra“. BGH, NJW 2005, S.  2845 – „Esra“, wonach „grundsätzlich die Erkennbarkeit in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis bzw. in der näheren persönlichen Umgebung“ genüge. 218  Vgl. Kap.  1, A., III. 219  BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hochzeitsbild“, wonach der Teil des Bekanntenkreises, der ei­ ner Hochzeit beigewohnt hat, ausgereicht hat; BGH, NJW 1962, S.  1005 – „Doppelmörder“, wonach es dem Abgebildeten nicht zugemutet werden könne, im Einzelnen Beweis dafür anzutreten, wer ihn von den zahlreichen Zuschauern erkannt habe; hierauf rekurrierend BGH, NJW 1971, S.  700 – „Pariser Liebestropfen“; BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; BGH, NJW 2005, S.  736, wonach die Erkennbarkeit „in der näheren persönlichen Umgebung“ genüge; BGH, GRUR 2021, S.  107 – „G20-Gipfel“, wonach die Erkennbarkeit durch einen „mehr oder minder großen Bekanntenkreis“ genüge; vgl. ferner Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  13. 220  OLG München, AfP 1983, S.  277, wonach die Erkennbarkeit bestätigt sei, wenn die abgebil­ dete Person aufgrund eines veröffentlichen Bildnisses (von Bekannten) angesprochen wurde; so auch Rehbock/Mensch, in: FS Damm 2005, S.  145; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  4; KG, AfP 2011, S.  270, wonach für den minder großen Personenkreis die Erkennbarkeit über den engeren Familien- und Freundeskreis hinausgehen müsse; OLG Saarbrücken, AfP 2010, S.  83, stellt bzgl. der Erkennbarkeit (bei einer Textdarstellung) auf den Inhalt des Darstellungskontexts ab (bezieht sich der Text auf die Arbeit, müssen Arbeitskollegen die dargestellte Person erkennen); OLG Köln, AfP 2015, S.  56, wonach ein Bekannter ausreiche; KG, AfP 2011, S.  270, wonach der engste Freun­ 217 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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und die Literatur221 scheinen bemüht hier eine Untergrenze festzulegen, wonach eine Erkennbarkeit nicht schon bei der Identifizierung im engsten Nähekreis des Betroffe­ nen (aufgrund Sonderwissens) ausreichen kann. Dies erscheint nicht zuletzt angesichts der Strafbewehrtheit durch §  33 KUG im Ergebnis durchaus nachvollziehbar. Gleichwohl können diese ergebnisorientierten Bemühungen inhaltlich kaum überzeugen und legen demzufolge nach der hier ver­ tretenen Ansicht auch die Schwächen des (heutigen) Bildnisbegriffs als Anknüp­ fungspunkt für das Strafrecht offen.222 c) Eigene Erwägungen zum „mehr oder minder großen Bekanntenkreis“ Geht man mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass auch für die Frage des Bezugspunkts für die Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG dem Sinn und Zweck des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild maßgebliche Bedeutung beige­ messen werden muss223, wirken die konstruierten Untergrenzen einer Personen­ mehrheit durchaus hinterfragenswert. Zwar wird der Zweck des Bildnisschutzes re­ des- und Bekanntenkreis nicht ausreiche; OLG Köln, GRUR-RR 2015, S.  318, wonach die Erkenn­ barkeit „mindestens für einen Personenkreis vorhanden sein [müsse], den der Betroffene nicht mehr ohne weiteres selbst unterrichten kann; so auch LG Köln, ZUM-RD 2005, S.  353, welches als Bei­ spiel für einen nicht ausreichenden Personenkreis „die engere Familie“ nennt; LG Stuttgart, AfP 1983, S.  293, wonach es darauf ankomme, ob die Bekannten oder andere Personen, denen die betrof­ fene Person begegnet oder begegnen wird, erkannt werden kann; LG Frankfurt a. M., AfP 2008, S.  637, wonach die Erkennbarkeit auch zu bejahen sei, wenn die Bilder an Leute geraten, die auf­ grund ihrer sonstigen Kenntnisse in der Lage sind, die Person zu identifizieren; so auch LG Frank­ furt a. M., AfP 2008, S.  418; LG Essen, ZD 2014, S.  576; LG Hamburg, MMR 2015, S.  63, wonach der enge Familien- oder Freundeskreis nicht ausreiche; LG Hamburg, NJW-RR 2016, erklärt hinge­ gen die „nähere persönliche Umgebung“ als ausreichend; LG Köln, ZUM-RD 2020, S.  294 f.; a. A. ausdrücklich noch LG Oldenburg, AfP 1985, S.  300, wonach etwa Ehepartner und Eltern sicher nicht ausreichen. 221  Van Bergen, S.  90, wonach keine Erkennbarkeit „innerhalb des engeren Familien- und Freun­ deskreises“ gegeben sei, so auch Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  23; Wandtke/Bullinger/ Fricke, §  22 KUG, Rn.  7; ders., AfP 2005, S.  336 (dort noch „engster“ Familien- und Bekannten­ kreis); Gerecke, GRUR 2014, S.  518, sowie HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  14, wo­ nach die Erkennbarkeit mindestens für einen Personenkreis bestehen müsse, den der Betroffene nicht ohne weiteres selbst unterrichten könne; Gramlich/Lütke, MMR 2020, S.  664, wonach die Identifizierbarkeit nur im engeren Familien- und Freundeskreis oder im nahen persönlichen und beruflichen Umfeld gerade nicht genüge, da der Personenkreis unbestimmt sein müsse; Gulden/ Dausend, MMR 2017, S.  724, wonach der „engste Familien- und Freundeskreis“ nicht ausreiche; Herbort, S.  15, spricht von einem „nicht mehr zweifelsfrei auszumachenden Personenkreis“; Soehring/Hoene, §  13, Rn.  37, wonach die „nächste Umgebung“ nicht ausreiche; so auch Wenzel/ von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  20; a. A. HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  6, wonach die nähere persönliche Umgebung genüge; ähnlich Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, wonach der Kreis derjeniger, für den der Abgebildete erkennbar sein muss, nicht über den engsten Freundes- und Bekanntenkreis hinaus­ gehen müsse; Wanckel, Rn.  121, spricht hinggen vom „engeren Bekanntenkreis“. 222  Vgl. hierzu die Ausführungen in Kap.  4, B., I. und III., zur Behandlung der Erkennbarkeit de lege ferenda als ein Abwägungskriterium von mehreren innerhalb des Abbildungsschutzes. 223  Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  25; Prinz/Peters, Rn.  827; Götting/Schertz/ Seitz/Schertz, §  12, Rn.  8; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  20.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gelmäßig von der Rechtsprechung im Rahmen der Ermittlung des relevanten Be­ zugskreises für die Erkennbarkeit bemüht224, gleichwohl hängt diese Erwägung in der Luft, wenn sich hieraus keine hinreichend konkreten Schlussfolgerungen für den Bildnisbegriff herleiten lassen. Geht man vom Zweck des §  22 KUG im Sinne des einfachrechtlichen Schutzes des Rechts am eigenen Bild aus225, so wird eine Person auch dann repräsentiert, wenn sie schon von einer dritten Person auf der Abbildung erkannt wird. Versteht man hilfsweise den Zweck des Bildnisschutzes226 im Sinne des weitergehenden verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild – was anhand der konkreten Formulierung227 zumindest nicht gänzlich fern liegt – ergibt sich diese Schlussfolgerung erst recht. Denn das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild setzt schon nicht die Erkennbarkeit voraus, vielmehr ist der Schutzbereich bereits eröffnet, wenn die (einzelne) Fixierung eines menschlichen Erscheinungsbilds vor­ liegt228, welches durch hinzutretende Umstände erkennbar gemacht werden kann.229 Dies allein spricht für sehr niedere Anforderungen an den Bezugspunkt für eine Er­ kennbarkeit. Dabei erscheint schon grundsätzlich nicht klar, warum die Gefahren moderner Darstellungstechniken und Rekonstruktionsmöglichkeiten insgesamt zu einer Libe­ ralisierung hinsichtlich der Heranziehbarkeit von Erkennungsmerkmalen, nicht hin­ gegen für die Frage des Bezugspunkts der Erkennbarkeit innerhalb des Bildnisbe­ griffs eine Rolle spielen sollen. Ein gleichmäßiger Einfluss des verfassungsrecht­ lichen Rechts am eigenen Bild auf den Bildnis- (und damit Erkennbarkeits)begriff erscheint naheliegender und zeigt sich im Übrigen auch anhand der angerissenen verfassungsrichterlichen Erwägungen zu Personendarstellungen in Textform. Trotz geringerer Intensität des Eingriffs als bei der Bilddarstellung soll für die Erkenn­ barkeit auch Sonderwissen herangezogen werden können.230 Außerdem verdient die 224  BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; BGH, GRUR 2021, S.  107 – „G20-Gipfel“; OLG Köln, NJW 2017, S.  1115; LG Frankfurt a. M., AfP 2007, S.  379. 225  Vgl. hierzu Kap.  1, C., und Kap.  2, B., III., mit Abbildung sowie Kap.  2, E. 226  Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  20. 227  „Entscheidend ist der Zweck des §  22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ih­ ren Willen in Gestalt der Abbildung für andere verfügbar zu werden“; verfügbar wird die Person in einem anderen Medium allerdings bereits bei der Herstellung einer Aufnahme auf der sie (auch erst nach dem Zeitpunkt der Fixierung durch hinzutretende Umstände) identifiziert werden kann; Wen­ zel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  20, spricht in diesem Sinne auch vom „Zweck des Bildnisschut­ zes“. 228  Vgl. hierzu allein den Wortlaut bei BVerfG 101, 361 (381) – „Caroline von Monaco II“; hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., b), aa), (3)., sowie BVerfGE 120, 180 (198) – „Caroline von Monaco III“ wonach sich das Schutzbedürfnis gerade vor allem aus der Möglichkeit ergebe, „das Erscheinungs­ bild eines Menschen in einer bestimmten Situation von diesem abzulösen, datenmäßig zu fixieren und jederzeit vor einem unüberschaubaren Personenkreis zu reproduzieren“. 229  Kap.  2, B., III., mit Abbildung sowie Kap.  2, E. 230  BVerfG, NJW 2004, S.  3620 – „Seit Jahren Auffälligkeiten“, wonach eine Erkennbarkeit ge­ geben ist, wenn Informationen an solche Leser geraten, die auf Grund „ihrer sonstigen Kenntnisse“ in der Lage sind, die Person zu identifizieren; BGH, GRUR 1962, S.  211 – „Hochzeitsbild“, wonach der Bekanntenkreis, welcher der Hochzeit beigewohnt hat die Braut anhand der Anordnung ihres

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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Wertung Zustimmung, dass oftmals eine Information in einem speziellen, begrenz­ ten Personenkreis besondere Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentfaltung zu­ kommen kann.231 Warum dies etwa im näheren (familiären) Umfeld oder bei einem Umfeld, das der Betroffene selbst unterrichten kann bei einer bildhaften Persönlich­ keitsdarstellung anders sein soll, erschließt sich kaum. Wird eine Person beispielsweise nur von ihrem nächsten Personenkreis, den sie auch ohne weiteres selbst unterrichten könnte, auf einer obszönen Nacktaufnahme erkannt, kann (gera­ de) dies gravierende Auswirkungen auf ihre Persönlichkeitsentwicklung haben, die mögli­ cherweise sogar zu einer stärkeren Betroffenheit führt, als wäre sie lediglich von einem zah­ lenmäßig größeren Kreis unbekannter Dritter erkannt worden. In diesem Zusammenhang könnte man etwa auch an solche Bilder denken, welche den Abgebildeten vor seinem engsten Familienkreis outen. Hier besteht möglicherweise gerade ein immenses Interesse des Betrof­ fenen, dass eine Veröffentlichung gerade wegen der Erkennbarkeit im engsten Familienkreis nicht stattfinden soll, während eine Veröffentlichung eines Bildes, auf dem die Person in der Szene ohne weiteres erkennbar ist für die Persönlichkeitsentwicklung geringere Auswirkun­ gen hätte. Dabei scheint schon grundsätzlich das nähere familiäre Umfeld als Bezugsgruppe für die Erkennbarkeit zumindest diskussionswürdig. Ein (wenige Tage altes) Kleinkind wird in der Regel nur von seinem engsten Familienkreis identifiziert werden können. Würde man nun das Recht am eigenen Bild mangels Erkennbarkeit (innerhalb des relevanten Personenkreises) des Kleinkindes bei einem Fotoupload im Internet in Frage stellen, würde dies zumindest der Wertung zuwiderlaufen, dass Kinder besonderen Schutz im Hinblick auf ihre Persönlichkeits­ entwicklung erfahren sollen. Dabei geht dieser Gedanke gerade im Bildnisrecht so weit, dass bereits „Eltern-Kind-Situationen“, bei dem das Kind nicht einmal abgebildet sein muss, ein „berechtigtes Interesse“ im Sinne des §  23 II KUG begründen können.232

Nicht überzeugend erscheint es in dieser Hinsicht, mit Teilen der Literatur ergebniso­ rientiert entgegenzusteuern, indem man bei intimen Darstellungen schlicht die An­ forderungen an die Erkennbarkeit senkt oder das Erfordernis sogar gänzlich entfal­ len lässt.233 Überzeugender erscheint es deshalb, bereits dann von der Erkennbarkeit auszuge­ hen, wenn die betroffene Person dezidiert darlegen kann, dass sie von einer dritten Person auf einem menschlichen Erscheinungsbild aufgrund irgendeines Umstands erkannt werden kann.234 Bleibt man allerdings eng am Wortlaut des „Bekanntenkrei­ ses“, spricht viel dafür, von einer Personenmehrheit auszugehen. Dies ist angesichts Brautschleiers und einem Teil ihres Hochzeitskleids identifizieren könne; BGH, NJW 1979, S.  2205  – „Fußballtor“, wonach der „Kenner der Fußballmanschaft“ den Torwart aufgrund von Sta­ tur, Haltung und Haarschnitt erkennen konnte; vgl. LG Frankfurt, AfP 2008, S.  637; ferner Wenzel/ von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  20. 231  BVerfG, NJW 2004, S.  3620 – „Seit Jahren Auffälligkeiten“, wonach etwa bei Lesern mit Einblick in das berufliche oder persönliche Umfeld des Betroffenen die Information in ihrem per­ sönlichkeitsverletzenden Teil besonders aussagekräftig erscheine und sich demzufolge auch beson­ ders nachteilig für die betroffene Person darstelle. 232  Vgl. hierzu im Einzelnen Kap.  3, D., II., 3., j). 233  Hierzu sogleich Kap.  3, A., III., 4. 234  So i. E. wohl auch Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  2, Rn.  21 f.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

der ultima ratio des §  33 KUG auch grundsätzlich begrüßenswert. Angesichts der aufgezeigten Gründe – allen voran des proklamierten Zwecks des Rechts am eigenen Bild – erscheint eine derartige Lösung gleichwohl zweifelhaft und lässt vermuten, dass das Bundesverfassungsgericht wie die höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Heranziehung des „mehr oder minder großen Bekanntenkreises“ von dem Durchschnittsfall infrage stehender Bilder ausgegangen ist. Dies erscheint auch in­ soweit nachvollziehbar, dass hierdurch eine flexible Handhabung in Zweifelsfällen ermöglicht wird, die im Übrigen nicht sofort in einer strafbaren Bildnisrechtsver­ letzung mündet. Konsequent erscheint eine solche teleologische Reduktion im Rahmen des Tatbe­ standsmerkmals der Erkennbarkeit auf eine unbestimmte Personenmehrheit jedoch kaum. Überzeugender erscheint es bereits – im buchstäblichen Sinne des Begriffs erkennbar – bereits dann von einer Erkennbarkeit auszugehen, wenn der Betroffene dezidiert darlegen kann, dass ihm das menschliche Erscheinungsbild von einem Dritten zugeordnet wurde oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu­ geordnet werden wird. Einen Beweis, dass die Person tatsächlich erkannt wurde, ist hierfür nicht erforderlich. De lege ferenda erscheint es deshalb angezeigt, das Ergeb­ nis auswuchernder (strafbarer) Bildrechtsverletzungen nicht über eine teleologische Reduktion der Erkennbarkeit zu korrigieren, sondern die Erkennbarkeit als maßgeb­ lichen Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit aufzugeben.235 Diese Sichtweise be­ rücksichtigt die Wertungen des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild ange­ sichts moderner Darstellungsmöglichkeiten bei der Auslegung des Bildnisbegriffs, führt zu keinen Wertungswidersprüchen und legt dabei die Schwächen des (heuti­ gen) Bildnisbegriffs – in Form dessen faktischer Reduzierung auf das Tatbestands­ merkmal der Erkennbarkeit – als Anknüpfungspunkt für das Strafrecht offen. Die Anknüpfung an ein „mehr oder minder großes“ Kriterium erscheint nicht nur ange­ sichts moderner Kombinations- und Rekonstruktionsmöglichkeiten von Persönlich­ keitsmerkmalen sowie inhaltlicher Wertungsgesichtspunkte nicht nur inkonsistent, sondern insbesondere hinsichtlich einer strafrechtlichen Sanktion über §  33 KUG als zu unbestimmt.236

III. Resultierende Schlussfolgerungen für umstrittene Konstellationen Nachdem die Grundzüge der zwei tragenden Elemente – des menschlichen Erschei­ nungsbilds und der Erkennbarkeit – des Bildnisbegriffs dargestellt wurden, kann auf problematische Konstellationen eingegangen werden, die sich unter anderem in mo­ dernen Darstellungsszenarien im Zusammenhang mit dem Bildnisbegriff ergeben.

235 

236 

Hierzu im Einzelnen Kap.  4, B., I. und III. Vgl. hierzu die Ausführungen de lege ferenda in Kap.  4, A., sowie B., I. und III.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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1. Divergenz zwischen „Identifizierbarkeit“ und „Erkennbarkeit“ im Rechtssinne Zunächst gilt es nach der hier vertretenen Ansicht zwischen den Begriffen der „Iden­ tifizierbarkeit“ und der „Erkennbarkeit“ zu differenzieren.237 Dies erscheint ange­ sichts der semantischen Nähe beider Begriffe durchaus bemängelnswert, gleichwohl überzeugt die hier vorgeschlagene Differenzierung allein aufgrund der Systematik des (strafrechtlichen) Schutzes des Rechts am eigenen Bild: Liegt (allein) ein mensch­ liches Erscheinungsbild vor, ohne dass die Person erkennbar im Sinne des §  22 KUG ist, ist sie gleichwohl identifizierbar im Rechtssinne und somit den bildrechtsschüt­ zenden Normen des Kernstrafrechts zugänglich. Wenn A beispielsweise eine Intimbildaufnahme des B herstellt, liegt nach den obigen Ausfüh­ rungen ein menschliches Erscheinungsbild vor. B wird in der Regel bei der Abbildung des Intimbereichs nicht in der Lage sein darzulegen, dass ihn jemand auf dem menschlichen Er­ scheinungsbild erkennen kann. Es liegt somit kein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vor.238 Gleichwohl bleibt der Anwendungsbereich für §  201a StGB sowie §  184k StGB bestehen, da diese für das Tatobjekt der „Bildaufnahme“ keine Erkennbarkeit, sondern – insoweit nur – Identifizierbarkeit voraussetzen.239

Die feine Trennlinie zwischen Erkennbarkeit und Identifizierbarkeit verläuft somit am Grad der Zuordenbarkeit im konkreten Handlungszeitpunkt: Identifizierbarkeit meint somit nur eine potentielle Erkennbarkeit. Eine Person muss hierfür begründe­ ten Anlass haben, dass sie auf einem menschlichen Erscheinungsbild (bei §§  201a, 184k StGB einer Aufnahme) von einer dritten Person (irgendwann) erkannt werden könnte. Dies hat sie bereits dann, wenn ein menschliches Erscheinungsbild (bei §§  201a, 184k StGB in Form einer Aufnahme) vorliegt.240 Denn dieses menschliche Erscheinungsbild könnte ihr im Laufe der Zeit – etwa durch Kommentare oder spä­ tere Veröffentlichungen von Informationen – zugeordnet werden. Hat eine Person aber begründeten Anlass, dass sie auf einem menschlichen Erscheinungsbild erkannt werden wird, liegt (erst) Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG vor. Der Erkennbar­ keit wohnt somit ein Mehr an Zuordenbarkeit in Form einer gefühlten sicheren Zu­ ordnung inne, als der Identifizierbarkeit, welche die generelle Eignung einer Zuord­ nung überhaupt meint. Damit ist auch der faktische Bezugspunkt der Identifizier­ barkeit ein anderer als derjenige der Erkennbarkeit: Die Identifizierbarkeit lässt die 237 

Vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (1), (a). anderes Ergebnis wäre allenfalls dann denkbar, wenn man mit einem Teil der Literatur die Anforderungen an den Erkennbarkeitsbegriff bei intimen Abbildungen absenkt. Diese Ansicht kann allerdings kaum überzeugen, vgl. hierzu sogleich Kap.  3, A., III., 4. 239  BGH, NStZ 2015, S.  391; auch Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  7; a. A. Gola, RDV 2004, S.  2016; Hoyer, ZIS 2006, S.  2; Kraenz, S.  199; Lackner/Kühl/Kühl, §  201a StGB, Rn.  4; Rahmlow, HRRS 2005, S.  89; wohl auch Wendt, AfP 2004, S.  189; folgt man dieser Ansicht und fordert einen Gleichlauf von Erkennbarkeit und Identifizierbarkeit läuft der Anwendungsbereich des §  184k StGB regelmäßig leer, weil die Person auf der Aufnahme (wie im obigen Beispiel) nich erkennbar sein wird. 240  Zum Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbilds bereits Kap.  3, A., I. 238  Ein

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Zuordnung durch den Abgebildeten selbst genügen, während die Erkennbarkeit auf die (sichere) Zuordnung durch Dritte abstellt.241 Die Erkennbarkeit ist insofern enger und setzt die Identifizierbarkeit zwingend voraus.242 2. Sukzessive Erkennbarkeit von menschlichen Erscheinungsbildern Damit ist dem Bildnisbegriff insgesamt auch ein dynamisches Verständnis zugrunde zu legen. Ein menschliches Erscheinungsbild kann somit sukzessiv zu einem Bildnis werden, wenn die abgebildete Person begründet vortragen kann, dass sie (nunmehr) hierauf erkannt werden kann.243 Ein menschliches Erscheinungsbild, das einen Rücken zeigt, kann somit etwa erst dann zu einem Bildnis werden, wenn die abgebildete Person beispielsweise von ihrem neuen Partner (jedenfalls nach mehreren Partnern) anhand einer Narbe oder eines Leberflecks erkannt wer­ den kann, nachdem dieser den Rücken gesehen hat. Gleiches gilt, wenn die Rückenansicht aufgrund einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit den betroffenen Personen nebst Justizberichterstattung einer bestimmten Person zuge­ schrieben werden kann.244

Damit ergeben sich Folgefragen im Hinblick auf solche Konstellationen, in denen ein menschliches Erscheinungsbild veröffentlicht wird, welches erst später durch einen Dritten – etwa in einem sozialen Netzwerk durch einen Kommentar oder eine Pro­ fil-Verlinkung – erkennbar gemacht wird.245 3. Keine Differenzierung zwischen Erkennbarkeit und Erinnerung oder einer sonstigen Rekonstruktion der Zuordenbarkeit Nach dem hier zugrunde gelegten universalen Erkennbarkeitsbegriff kann es ferner keine Differenzierung zwischen Erkennen und Erinnern geben.246 Hierfür sprechen 241 

Vgl. BGH, NStZ 2015, S.  391. Cornelius, ZRP 2014, S.  166; Doerbeck, S.  187; Ernst, NJW 2004, S.  1278; Fischer, §  201a StGB, Rn.  5, welcher zum selben Ergebnis gelangt, jedoch den Begriff der Identifizierbarkeit synonym mit demjenigen der Erkennbarkeit benutzt; Kargl, ZStW 117 (2005), S.  340; Ar. Koch, GA 2005, S.  595; a. A. OLG Stuttgart, AfP 2014, S.  352; Klein, S.  145, welcher – irrigerweise – davon ausgeht, dass für die Erkennbarkeit im Sinne des §  22 KUG ausreichend sei, „dass der mehr oder minder große Bekanntenkreis der abgebildeten Person diese erkennen und identifizieren könnte [Konjunktiv II]“ [Hervorhebung und Anmerkung durch Verf.]; so auch Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  22; Rehbock/Mensch, in: FS Damm 2005, S.  144. 243  Vgl. bereits Helle, S.  95. 244  Hinsichtlich der Bildberichterstattung richtigerweise bereits BGH, NJW 1974, S.  1948 – „Nacktaufnahmen“, wonach ein Rückenakt erst im Zeitpunkt einer späteren Presseveröffentlichun­ gen zu dem anhängigen Rechtsstreit nunmehr auf der Aufnahme erkennbar und somit zum Bildnis i. S. d. §  22 KUG wurde. 245  Hierzu im Einzelnen Kap.  3, B., II., 2., c), aa), (1). 246  So aber HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn. Rn.  14. Hiergegen spricht die Wertung, dass aufgrund früherer Veröffentlichungen Erkennungsmerkmale erinnert werden können; vgl. hierzu bereits BGH, NJW 1979, S.  2205 – „Fußballtor“; vgl. ferner die Wertung bei OLG München, 242 Vgl.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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bereits die Ausführungen zur Herleitung der Strukturprinzipien des Rechts am eige­ nen Bild247, wonach die Erinnerung an eine Person anhand ihrer Merkmale, welche irgendwann unmittelbar rezipierbar wurden, eine tragende Rolle für das Bedürfnis an Personendarstellungen überhaupt zukommt. Überdeutlich wird dies an der posi­ tivrechtlichen Ausformung des Bildnisschutzes über den Tod des Abgebildeten hin­ aus.248 Ein Jugendbild einer mittlerweile gealterten Person stellt demzufolge ebenso ein Bildnis im Sinne des §  22 KUG dar 249, wie ein menschliches Erscheinungsbild zum Zeitpunkt vor der plastischen Schönheitsoperation der abgebildeten Person, obwohl deren aktuelle äußere Er­ scheinung nunmehr vom fixierten Erscheinungsbild abweicht.250

In Kombination mit der bereits herausgearbeiteten (universalen) Heranziehbarkeit von Erkennungsmerkmalen251 erscheint es ferner konsequent, dass die Zuordenbar­ keit auch aus der Rekonstruktion des Abbildungsvorgangs hergeleitet und auch inso­ weit rekonstruiert werden kann. Ein Bildnis liegt nach der hier vertretenen Ansicht also auch dann vor, wenn die abgebildete Person dezidiert vorbringen kann, dass sie auf einem menschlichen Erscheinungsbild von ei­ ner dritten Person deshalb erkannt wurde, weil diese etwa bei der Herstellung der Fotografie anwesend war und aufgrund des Erlebten auf das abgebildete menschliche Erscheinungsbild schließen kann.252 Hierzu können der Standort der Kamera oder der abgebildeten Person so­ wie der Abbildungszeitpunkt zählen.

4. Ablehnung einer Wechselbeziehung zwischen der Erkennbarkeit und der Intensität des Abbildungsinhalts Nicht überzeugend erscheint es mit einem Teil der Literatur253 von einer Maßstabs­ verschiebung hinsichtlich des Erkennbarkeitsmaßstabs mit steigender Intensität des NJOZ 2005, S.  4344 f., bestätigt von BGH, NJW 2005, S.  2846 – „Esra“ und BVerfGE 119, 1 (26) – „Roman Esra“, wonach die Erkennbarkeit nicht etwa deshalb ausgeräumt wurde, weil Merkmale einer Veröffentlichung nachträglich geändert wurden, welche ursprünglich zu Erkennbarkeit ge­ führt haben. Dies spricht gerade dafür, dass auch ein Erinnern an Erkennungsmerkmale umfasst sein kann; vgl. zum Wiederaufleben von Behauptungen beim Rezipienten bereits BGHZ 78, 9 (18) – „Das Medizinsyndikat III“. 247  Vgl. Kap.  1, B., I., 2. und II., 4 und III., 6. sowie C., I., 1. 248  Hierzu bereits Kap.  2, B., IV., und Kap.  3, A., I., 1., c), und d). 249  Vgl. hierzu etwa OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, S.  1855; OLG Köln, ZUM-RD 2021, S.  294, sowie zuvor LG Köln, ZUM-RD 2020, S.  295, allerdings beide unter dem insoweit unnötigen Re­ kurs auf den „Durchschnittsbetrachter“; LG Frankfurt a. M., AfP 2008, S.  637. 250  Zur Frage der Behandlung menschlicher Erscheinungsbilder, welche durch eine Bildbearbei­ tung(s-App) optisch jünger oder älter gemacht wurden, vgl. bereits die – hierzu insoweit parallel laufenden – Ausführungen zu Deefpakes in Kap.  3, A., I., 2., f). 251  Kap.  3, A., II., 1., b). 252  A. A. KG, AfP 2015, S.  250; HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn. Rn.  14; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  21. 253  Wanckel, Rn.  125; vgl. auch Hohenstein, S.  64 f.; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  16, lehnt zwar ein Bildnis bei fehlender Erkennbarkeit ab, gelangt allerdings gleichwohl in Rn.  20 zu

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Abbildungsinhalts auszugehen. Hierbei handelt es sich nach der hier vertretenen An­ sicht um – im Ergebnis nachvollziehbare – Ergebniskosmetik, um eine Bildrechtsver­ letzung trotz faktisch fehlender Erkennbarkeit zu begründen, die im Übrigen gar nicht notwendig erscheint. Nach der hier vertretenen Ansicht bietet sich das Tatbestandsmerkmal der Erkenn­ barkeit nicht als Einfallstor für eine normativ-verschiebbare Untergrenze des rele­ vanten Personenkreises an: Eine Person wird nicht dadurch besser erkennbar für andere, indem ein intimer Bildinhalt abgebildet wird. Zwar ist der Schutzbereich des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild bei der Abbildung eines mensch­ lichen Erscheinungsbilds in einem intimen Kontext durchaus schwer betroffen und bietet insoweit auch einen Anknüpfungspunkt für die bildschützenden Normen des Kernstrafrechts. Ist das menschliche Erscheinungsbild allerdings nicht erkennbar, liegt kein Bildnis im Sinne des §  22 KUG und somit auch kein taugliches Tatobjekt des §  33 KUG vor. 5. Mehrdeutige Bildnisse Besonderer Aufmerksamkeit bedarf abschließend das besondere Problemfeld, bei welchem Erkennungsmerkmale verschiedener Personen miteinander in der Abbil­ dung eines menschlichen Erscheinungsbilds miteinander vereint sind. Die sich hier­ aus ergebenden Fragen werden heute regelmäßig im Zusammenhang mit modernen Bildbearbeitungsmöglichkeiten unter den Stichworten face blends, face swaps oder deepfakes relevant.254 Gleichwohl bestand bereits vor dem Aufkommen einfach vor­ zunehmender Bildmanipulationen durch benutzerfreundliche Bearbeitungspro­ gramme Anlass für die (höchstrichterliche) Rechtsprechung, sich mit der – hiermit verbundenen – Frage auseinanderzusetzen, inwiefern Bildnisrechte verletzt werden, wenn einem menschlichen Erscheinungsbild mehrere Personen(identitäten) zugeord­ net werden können. Diese Frage stellte sich den Gerichten bereits etwa im Zusam­ menhang mit Schauspielern, Doppelgängern (engl. doubles) oder sog. look-alikes. Deshalb erscheint es angezeigt, vorab die von der Rechtsprechung hierfür angestell­ ten Erwägungen zu beleuchten. a) Schauspieler, Doppelgänger und look-alikes in der Rechtsprechung Die streitbare Ansicht der heutigen (höchstrichterlichen) Rechtsprechung gründet maßgeblich auf der „Piscator“-Entscheidung des Kammergerichts aus dem Jahre 1928. Kaiser Wilhelm II. klagte erfolgreich gegen eine Aufführung in einem Berliner Avantgardetheater welches auch als „Piscator-Bühne“255 bezeichnet wurde. Dieser unterschiedlichen Maßstäben hinsichtlich der Bezugsgruppe der Erkennbarkeit bei intimen Dar­ stellungen. 254  Vgl. hierzu die eingangs genannten Beispiele in Einführung, B., III., sowie Kap.  3, A., II. 255  Die Bezeichnung des zwischen 1927 und 1931 betriebenen Avantgardetheaters geht auf den Namen des Intendanten Erwin Piscator zurück. Den sog. „Piscator Aufführungen“ der 20er Jahre

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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fühlte sich durch die Darstellung seiner Person in der Inszenierung des Stücks „Ras­ putin“ (Tolstoi/Schtschegolow) durch einen Darsteller beleidigt. Unter ausdrückli­ chem Verweis, dass ein allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht existiere, bejahte das Gericht die öffentliche Zurschaustellung eines Bildnisses von Kaiser Wilhelm II. im Sinne des §  22 KUG durch die schauspielerische Nachahmung.256 Hiernach sollen §§  22 ff. KUG auch das Lebensbild einer Person schützen, wenn dieses durch einen – als solchen erkennbaren Schauspieler – dargestellt wird und dem Verkörperten zugeordnet werden kann.257 Dies begründete das Gericht maßgeblich mit dem Sinn und Zweck des Kunsturhebergesetzes im Sinne des Schutzes einer (umfassenden) Erscheinung unter Rekurs auf die „Bismarck“-Entscheidung258 des Reichsgerichts.259 Es ließe Sinn und Zweck des Gesetzes verkennen, wenn das KUG dann nicht an­ wendbar wäre, „wenn in dem betreffenden Film die bildliche Darstellung einer be­ stimmten Person durch einen Schauspieler erfolgt, welche sie der Öffentlichkeit so zeigt, wie sie das Publikum in Mienen, Bewegung, Kleidung, kurz in der ganzen äußeren Erscheinung zu sehen gewöhnt ist“260. Zu der Frage, ob zugleich ein Bildnis des Schauspielers vorlag, äußerte sich das Kammergericht hingegen nicht. Der Ver­ weis auf die vorangegangene „Rausch“-Entscheidung des Reichsgerichts261 sowie die Aussage, dass „man“ nicht den Schauspieler, sondern die von ihm dargestellte, „ge­ dachte“ Person „wie sie leibte und lebte“262 zeigen wolle, lassen aber vermuten, dass die Richter nur von einem Bildnis – nämlich des verkörperten Kaisers – ausgegangen sind. Erstaunlicherweise lässt sich diese Grundlinie bis heute in der höchstrichterlichen Rechtsprechung – trotz des nunmehr bestehenden verfassungsrechtlichen Unter­ baus  – in weiten Teilen zurückverfolgen.263 So ging der Bundesgerichtshof im Jahre 1957 in seiner „Sherlock Holmes“-Entscheidung unter der Heranziehung der kam­ mergerichtlichen Erwägungen der „Piscator“-Entscheidung davon aus, es läge ein wir heute einer der bedeutendsten Beiträge zur Entwicklung eines dokumentarischen Inszenie­ rungsstils zugeschrieben; vgl. B. Barton, S.  39 f. 256  KG, JW 1928, S.  363 f. 257  KG, JW 1928, S.  364, unter Berufung auf RGZ 103, 319 (320) – „Rausch“. Die Zuordenbar­ keit zum Lebensbild von Kaiser Wilhelm II. bejahte das KG infolge einer Augenscheinnahme des Schauspielers, wonach dieser „dieselbe Kleidung, Haltung, Bewegung, Gesichtszüge, Haartracht, Bart und Mienenspiel“ in treffender Weise nachgeahmt hätte; vgl. zum Verhältnis des ­„menschlichen Erscheinungsbilds“ und dem „Lebensbild“ bereits Kap.  3, A., I., 2., a). 258  Zur Entscheidung bereits Kap.  1, B., IV., 6., b). 259  KG, JW 1928, S.  364: „Das Andenken einer toten Persönlichkeit vor Entweihung, die leben­ de vor Bloßstellung und Kränkung durch unbefugte öffentliche Zurschaustellung ihres Bildes zu bewahren, das war der Zweck, dem §  22 l.c. dienen sollte“. 260  KG, JW 1928, S.  364. 261  RGZ 103, 319 (320) – „Rausch“, welches ein Bildnis eines Schauspielers ausdrücklich ver­ neinte, weil dessen fotografische Abbildungen den (primären) Zweck hatten, die Handlung eines Filmes – und somit eigentlich einer fiktiven Person – wiederzugeben; der Schauspieler gebe hier­ nach „seine Person zur Abbildung her“; vgl. hierzu bereits Kap.  2, A., I. 262  KG, JW 1928, S.  364. 263  Vgl. hierzu Pietzko, AfP 1988, S.  215 m. w. N.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Bildnis des Autors Conan Doyle bei einem Film vor, in welchem dieser von einem Schauspieler („in einem großkariertem Mantel“) verkörpert wurde, wobei der Dar­ steller ein erkennbar anderes äußeres Erscheinungsbild als der Schriftsteller hatte.264 Ein zumindest teilweiser Bruch zur Rausch- und Piscator-Rechtsprechung findet sich anschließend in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahre 1960, worin dieser Bildnisse von mehreren Schauspielern (als solchen) innerhalb eines Werbepro­ spekts bejahte, obwohl diese im Prospekt in ihrer (Fernseh-)Rolle als fiktive „Familie Schölermann“ gezeigt wurden.265 Das Vorliegen von Bildnisses der Schauspieler hätte nur dann „überhaupt in Zweifel gezogen werden“ können, wenn diese „hinter ihrer ‚Maske‘ nicht mehr ‚eigenpersönlich‘ in Erscheinung getreten seien“.266 Gleichwohl ließ der Bundesgerichtshof zuletzt im Jahr 2000 die Grundkonzeption der „Piscator“-Rechtsprechung erneut durchblicken, als es um die Bewerbung eines Prospekts mit dem Bild einer nachgestellten Szene aus dem 1930 gedrehten Film „Der blaue Engel“ mit Marlene Dietrich ging. Auf dem infrage stehenden Bild wur­ de eine Originalszene des Films, in der Marlene Dietrich in der „Rolle als Barsänge­ rin in aufreizender Pose sitzend“ mit einer „ähnlich gekleideten Frau“ nachgestellt, deren Gesichtszüge von denen von Marlene Dietrich abwichen.267 Der Bundesge­ richtshof bejahte trotzdem ein Bildnis von Marlene Dietrich unter Rekurs auf die Wertungen der vorangegangenen „Piscator“- und „Sherlock Holmes“-Rechtspre­ chung.268 Hiernach sei die Abbildung eines Doppelgängers einer berühmten Person als Bildnis der berühmten Person anzusehen, wenn der Eindruck erweckt werde, dass es sich beim Doppelgänger um die berühmte Person selbst handele.269 Dabei sei nicht von Bedeutung, auf welchen Merkmalen des äußeren Erscheinungsbildes die Erkennbarkeit beruhe, vielmehr müsse diese nicht aus den Gesichtszügen, sondern könne sich auch aus anderen, die betreffende Person kennzeichnenden Einzelheiten ergeben.270 Entscheidend sei, „dass die abgebildete Person erkennbar das äußere Erscheinungsbild Marlene Dietrichs in der von ihr in dem Film „Der blaue Engel“ gespielten Rolle“ nachahme, weil damit der Eindruck erweckt werde, „es handele sich um eine Abbildung Marlene Dietrichs in dieser Rolle“271. Diese Grundsätze wurden vom Bundesgerichtshof jüngst im Jahre 2022 bei der Abbildung eines sog. 264 

BGHZ 26, 52 (67 f.) – „Sherlock Holmes“. BGH, NJW 1961, S.  558 f. – „Familie Schölermann“. 266  BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“, wonach der „Rausch“-Entscheidung des RG nicht gefolgt werden könne, sofern dieses einen anderer Abgrenzungsmaßstab für den Schutz gegen eine Verbreitung von Abbildungen von Schauspielern bei Rollendarstellungen zu entnehmen sei. 267  Die Schlagzeile des Werbetextes lautete: „vom blauen Engel schwärmen genügt uns nicht“ und am Ende des Textes fand sich auch noch eine Kopie des landläufig ebenfalls als „Blauer Engel“ bezeichneten Umweltzeichens. 268  BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“. 269  BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“; vgl. auch BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“. 270  BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“. 271  BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“, wonach es ausdrücklich nicht darauf ankom­ 265 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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look-alike von Tina Turner auf einem Werbeplakat für eine „Tribute-Show“ bestä­ tigt.272 Infolge dieser Grundsätze hat sich die fachgerichtliche Rechtsprechung immer mehr an eine Erkennbarkeit aufgrund eines nachgestellten zuordenbaren Typus oder images im Sinne optischer Monopole (insbesondere von prominenten Personen) an­ genähert273, welche offenbar sogar entgegenstehende (individuelle) optische Merk­ male innerhalb des abgebildeten menschlichen Erscheinungsbilds – wie etwa der Gesichtszüge – überwiegen können.274 So erklärt sich die eingangs zitierte plakative Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 2014, in welcher die Richter von einem Bildnis von Günther Jauch im Rahmen einer Werbekampagne einer Mö­ belhauskette ausgingen.275 In einer Reihe verschiedener Werbespots, welche über privat- und öffentlich-rechtliche Fernsehsender sowie YouTube veröffentlicht wur­ den, sah man einen Schauspieler mit kurzen braunen Haaren und Brille, sowie An­ zug und Krawatte, der Günther Jauch aber nicht ähnlich sah, in einer nachgestellten Szene, welche offensichtlich an das Showformat „Wer wird Millionär?“ angelehnt war.276 Zwar sei „zu konstatieren, dass der Schauspieler […] dem Kl. [Günther Jauch] nicht im Sinne eines Doubles ähnlich“ sehe und auch sei „richtig, dass die Kleidung ‚Anzug und Krawatte‘ […] ebenso wenig wie das Tragen einer Brille“ nicht auf Jauch hindeuten würden.277 Gleichwohl würden die übrigen Elemente der Dar­ stellung in einer Gesamtschau zur Erkennbarkeit von Jauch führen.278 Der Bundes­ men könne, ob sich die auf dem Werbefoto abgebildete Person in ihren Gesichtszügen von Marlene Dietrich unterscheide. 272  BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“; bei der abgebildeten Person handelte es sich um eine Sängerin, welche in der beworbenen Tribute-Show namens „DIE tina turner ­STORY“ auftrat und Tina Turner auf dem Plakat zum Verwechseln ähnlichsah; das Bild ist abge­ druckt bei LG Köln, ZUM-RD 2020, S.  293. 273  BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“, wonach nicht von Bedeutung sei, auf welchen Merkmalen des äußeren Erscheinungsbilds der Eindruck der Zuordenbarkeit entstünde; er müsse sich nicht aus den Gesichtszügen, sondern könne sich vielmehr auch aus anderen, die betref­ fende Person kennzeichnenden Einzelheiten ergeben; vgl. zu diesem Aspekt im Verfahren um ­Marlene Dietrich etwa die Begründung der klagenden GmbH der Tochter von Marlene Dietrich in der ersten Instanz, wonach „das verwendete Bildnis gewissermaßen zu einem Kennzeichen, einem optischen Synonym von Marlene Dietrich geworden“ sei und für deren „besonderes Image, welche sie sich im Laufe ihrer Karierre erarbeitet habe“ stehe: vgl. LG München, AfP 1994, S.  555. Das OLG München, NJW-RR 2008, S.  1221, spricht von einer „besonderen ‚Ausstattung‘“. 274  OLG Köln, GRUR-RR 2015, S.  319; OLG Köln, ZUM-RD 2021, S.  294. 275  Vgl. bereits Kap.  3, A. 276  OLG Köln, GRUR-RR 2015, S.  318. 277  OLG Köln, GRUR-RR 2015, S.  319. 278  Das OLG Köln, GRUR-RR 2015, S.  319, nennt in dieser Gesamtschau die „lebhafte Mimik“, die „Sitzpositionen des rechts platzierten Moderators und des links sitzenden Kandidaten“, die „Art der Sitzmöbel, hohe Hocker und die davor angeordneten Computerbildschirme“, die vorgegebenen Antwortmöglichkeiten im Werbespot mit „A, B, C, D“, einem „Publikumsjoker“, dass „beim Ge­ winn der Millionenfrage ein Regen silbergränzenden Konfettis niedergeht“, die „Rundbühne, um die herum die Publikumsplätze angeordnet sind und in bläuliches Licht getaucht ist“, dass „Musik­ einspielungen […] an den dramaturgisch gleichen Stellen“ erklingen und der „von oben nach unten schwenkende Lichtspot“, welcher an die Originalsendung angelehnt ist.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gerichtshof stimmte dieser Fortführung seiner Linie in der „Der blaue Engel“-Ent­ scheidung zu und wies die gegen das Kölner Urteil eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurück.279 Ob diese (weitgehenden) Rückschlüsse aus der höchstrichterlichen Rechtspre­ chung auch zukünftig von den Fachgerichten in dieser Konsequenz stattfinden fin­ den werden, bleibt abzuwarten und erscheint zum jetzigen Zeitpunkt offen.280 Die jüngsten Entwicklungen lassen wiederum Gegenteiliges erwarten. So engte der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Jahr 2021 das weite Verständnis des Bildnisbegriffs wiederum ein, wonach die als solche erkennbare bloße Darstellung einer realen Person durch einen Schauspieler kein Bildnis des Verkörperten im Sinne des §  22 S.  1 KUG darstelle.281 So bleibt neben der Frage, ob optische Monopole außerhalb des abgebildeten menschlichen Erscheinungsbilds zu einem Bildnis einer Person führen können, wel­ che der abgebildeten Person faktisch nicht ähnlich sieht, die ganz grundsätzliche Fragestellung bestehen, ob durch eine Personendarstellung eigentlich mehrere Bild­ nisrechte verletzt sein können.282 Dies zeigt zusammenfassend, dass es im Bereich mehrdeutiger menschlicher Er­ scheinungsbilder ganz grundsätzlicher Erwägungen bedarf, um gerade moderne Dar­ stellungsszenarien im Sinne des Strafrechts hinreichend deutlich einordnen zu können. 279 

BGH, Beschl. v. 19.03.2015 – Az. I ZR 205/14 = BeckRS 2015, 15197. Aufgrund entgegenstehender individueller Gesichtzüge des Schauspielers wurde ein Bildnis hingegen verneint bei OLG München, NJW-RR 2008, S.  1220, wonach keine Erkennbarkeit man­ gels Ähnlichkeit der Schauspielerinnen und den dargestellten Personen in dem Film „der Baader Meinhof Komplex“ vorliegen; vgl. hierzu auch LG Köln, NJW-RR 2009, S.  627; LG Hamburg, NJW-RR 2011, S.  1677 ff., bzgl. der Werbung mit dem look-alike eines „Germany’s next Topmodel“-­ Jurors; das LG Düsseldorf, AfP 2002, S.  65, lässt hinsichtlich der Werbung mit einem Double von Franz Beckenbauer ebenfalls vermuten, dass eine Darstellung der individuellen Gesichtszüge des Doubles zu keinem Bildnis Beckenbauers geführt hätten, im streitigen Fall wurden die Gesichts­ züge allerdings gerade nicht gezeigt; offen gelassen bei LG Hamburg, NJW-RR 2016, S.  1446. 281  BGHZ 230, 71 (79 f.) – „die Auserwählten“. Zwischen dem Schauspieler (Leon Seidel) und dem Verkörperten (Frank Hoffmann) bestehe zwar eine gewisse Ähnlichkeit, als Bildnis der verkör­ perten Person könne eine Darstellung aber erst dann angesehen werden, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt werde, es handele sich um die dargestellte Person selbst; vgl. auch BGH, GRURRS 2022, 5367, Rn.  16 – „SIMPLY THE BEST“. 282  Die Formulierung bei BGH, NJW 2000, S.  2002 – „Der blaue Engel“, lässt eine Exklusitivität vermuten, wonach lediglich ein Bildnis vorliegen könne: „Die Erkennbarkeit für Dritte entscheidet darüber, als wessen Bildnis eine Personendarstellung anzusehen ist“; BGHZ 230, 71 (78) – „die Auserwählten“: „Eine Verdoppelung des Bildnisschutzes, der gerade auf der individuellen Unter­ scheidbarkeit der einzelnen Person von ihresgleichen beruht, auf Schauspieler und dargestellte Per­ son scheidet dagegen, jedenfalls soweit keine Verwechslungsgefahr besteht“; so auch BGH, GRURRS 2022, 5367, Rn.  22 – „SIMPLY THE BEST“; im Sinne eines Exklusivitätsverhältnisses wohl auch HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  6; die Fachgerichte scheinen tendenziell nicht von einer Exklusi­ vität auszugehen; vgl. hierzu OLG München, NJW-RR 2008, S.  1221; OLG Köln, ZUM-RD 2021, S.  294; LG Düsselforf, AfP 2002, S.  65; LG Hamburg, NJW-RR 2011, S.  1677 ff., wonach die Abbil­ dung eines Doppelgängers „auch“ als Bildnis der berühmten Person eingeordnet werden könne (dieser Zusatz fehlt bei der höchstrichterlichen Feststellung); die Formulierung „auch“ könnte hin­ gegen aber ebenso i. S. v. „selbst dann“ verstanden werden. 280 

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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b) Eigene Erwägungen zu mehrdeutigen Bildnissen Die Erwägungen der skizzierten (höchstrichterlichen) Rechtsprechung vermögen kaum zu überzeugen und führen einem die weitgehenden Folgen einer (nahezu voll­ ständigen) Loslösung der Erkennbarkeit – und damit des Bildnisbegriffs – von objek­ tiven Kriterien deutlich vor Augen. Die Vorgehensweise der Rechtsprechung wurde deshalb nach der hier vertretenen Ansicht im Ergebnis zu Recht von Teilen der Lite­ ratur kritisiert283, wenngleich deren alternative Lösungsvorschläge bislang kaum über die Forderung der Eingrenzung einer Heranziehbarkeit von Erkennungsmerk­ malen hinausgingen. Da dies im Ergebnis aber ebenso wenig überzeugend er­ scheint,284 soll an dieser Stelle ein eigener Vorschlag für die Behandlung mehrdeuti­ ger Bildnisse anhand der bereits erarbeiteten Grundprinzipien unter der Berücksich­ tigung moderner Darstellungsszenarien vorgestellt werden. aa) Trennbarkeit des Rechts am eigenen Bild in einem menschlichen Erscheinungsbild Als erstes soll nach der hier vertretenen Ansicht die ganz grundsätzliche Frage, ob aus der Abbildung eines menschlichen Erscheinungsbilds mehrere Bildnisse resul­ tieren können, ausdrücklich bejaht werden. Nicht überzeugend erscheint es hinge­ gen, in mehrdeutigen Fällen nur eine Bildnisverletzung des tatsächlich abgebildeten Menschen anzunehmen.285 Ein (eineiiger) Zwilling A könnte ansonsten kein Recht am eigenen Bild geltend machen, wenn sein (nahezu identisch aussehendes) Geschwisterteil Zwilling B abgebildet worden wäre. Dies müsste selbst dann gelten, wenn alle weiteren Umstände der Veröffentlichung auf A hindeuten und somit die Gesamtsuggestion entsteht, dass sich Zwilling A auf dem Bild befindet. Beson­ ders willkürlich erscheint dieses Ergebnis, wenn es sich um keine technische Abbildung, son­ dern um eine Zeichnung handelt. Die Inhaberschaft des Bildnisrechts hinge dann davon ab, wen sich der Urheber der Abbildung zum geistigen Vorbild für seine Zeichnung genommen hat. Überzeugender erscheint es, dass sowohl A als auch B eigene Bildnisrechte geltend machen können, wenn jeder für sich vortragen kann, dass begründeter Anlass besteht, dass das abge­ bildete menschliche Erscheinungsbild der entsprechenden Person zugeordnet werden wird.

283  Beuthien/Hieke, AfP 2001, S.  356; Freitag, GRUR 1994, S.  346; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  6; Gerecke, GRUR 2014, S.  519; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  21; Sajuntz, NJW 2016, S.  1922; Soehring/Hoene, §  13, Rn.  37; Löffler/Steffen; §  6 LPG, Rn.  122; vgl. bereits Pietzko, AfP 1988, S.  214 f.; a. A. Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  2, Rn.  17; Dreier/Schulze/ Specht, §  22 KUG, Rn.  2. 284  Hierzu bereits Kap.  3, A., II., 1., b). 285  A. A. Beuthien/Hieke, AfP 2001, S.  356; Helle, S.  89; Prinz/Peters, Rn.  827; vgl. ferner P ­ ietzko, AfP 1988, S.  215. Auch die höchstrichterliche Rechtsprechung scheint jüngst in diese Richtung zu tendieren; vgl. hierzu BGHZ 230, 71 (78) – „die Auserwählten“; BGH, GRUR-RS 2022, 5367, Rn.  22 – „SIMPLY THE BEST“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

bb) Das optische Urbild als Maßstab des Rechts am eigenen Bild Eine entscheidende Frage ist somit, wann überhaupt begründeter Anlass besteht, bei einem (mehrdeutigen) Bild von dem relevanten Personenkreis erkannt zu werden. Hier offenbart sich die Schwäche einer völlig von objektiven Kriterien losgelösten Interpretation des Erkennbarkeitsbegriffs, was anhand eines kurzen Beispiels illus­ triert werden soll. Bei der Erstellung der Mitarbeiterseite der Homepage der Universität Tübingen unterläuft dem Bearbeitenden ein Bearbeitungsfehler, sodass das Mitarbeiterbild von A mit demjenigen des B vertauscht wird. Somit taucht nun über dem Namen des B das Bild des A auf und umge­ kehrt.

Geht man von einer strengen Anwendbarkeit des subjektiven Maßstabs aus, so haben A und B durchaus begründeten Anlass, dass sie von einem ganz maßgeblichen Teil Dritter – vermutlich sogar vom Durchschnittsbetrachter Deutschlands – als der je­ weils andere identifiziert werden. Dass auch die Rechtsprechung hier (begründete) Zweifel haben wird, ob ein Bildnis des jeweiligen Namensträgers beim menschlichen Erscheinungsbild des anderen vorliegen wird, kann vermutet werden. Interessant wird dabei allerdings die Frage, wie dieses Ergebnis begründet werden soll. Genau­ genommen geht es dabei im Kern darum, was überhaupt Identifizierung meint oder wie diese konkret stattfinden soll. Obwohl es auf den Durchschnittsbetrachter nicht ankommen soll, wird man hier nicht umhinkommen, von einer Art gedanklichen Vorwissens bzgl. des Urbilds aus­ zugehen, mit dem das infrage stehende menschliche Erscheinungsbild abgeglichen wird. Mit anderen Worten würde man sich für eine Identifizierung im Bild fragen, ob das tatsächliche Aussehen der Person – ihre (konservierte) Optik oder ihr Urbild – auf dem infrage stehenden Bild wiedergefunden werden kann. Für so einen Abgleich muss das Urbild aber theoretisch schon einmal gesichtet worden und insoweit be­ kannt sein. Nur dann besteht überhaupt erst die Möglichkeit, dass weitere Erken­ nungsmerkmale (innerhalb und außerhalb des abgebildeten menschlichen Erschei­ nungsbilds) zur Identifizierung der betroffenen Person herangezogen werden kön­ nen, da ansonsten keine Suggestivwirkung einsetzen würde. Der maßgebliche Anknüpfungspunkt für das Recht am eigenen Bild muss hiernach also gerade das – stets als bekannt vorausgesetzte – eigene Bild der betroffenen Person sein, das ihr zugeschrieben wird. Dieses Urbild bzw. ihr „angesammeltes Aussehen innerhalb ihres Lebens“ muss sich optisch im abgebildeten menschlichen Erscheinungsbild wiederfinden. Damit muss in einem ersten Schritt gefragt werden, ob Urbild und infrage stehendes menschliches Erscheinungsbild insoweit grundsätzlich überein­ stimmen (engl. matchen) können. Das infrage stehende menschliche Erscheinungs­ bild muss somit im Stande sein, das Urbild grundsätzlich zu „tragen“. Anschließend muss man sich in einem nächsten Schritt fragen, wie ein Merkmal des Urbilds in der Abbildung eines menschlichen Erscheinungsbilds präsentiert wer­ den muss, damit der Rückschluss auf eben das Urbild möglich erscheint. Hierfür gibt

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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es zwei weiterführende Ansatzpunkte. Zum einen kann das Aussehen einer Person faktisch nur in der Abbildung des menschlichen Erscheinungsbilds liegen und nicht außerhalb.286 Zum anderen können aufgrund unterschiedlicher Interpretations- und Erkennensleistungen von bildhaften Darstellungen zwar keine direkten Vorgaben gemacht werden, wie eine Übereinstimmung von Urbild und infrage stehendem menschlichen Erscheinungsbild konkret auszusehen hat. Allerdings wird hierfür vorgeschlagen, für diese Übereinstimmung im Sinne einer negativen Abgrenzung auf konkurrierende Erkennungsmerkmale zurückzugreifen. Weichen beispielsweise die abgebildete Hautfarbe oder die Gesichtszüge des A maßgeblich von denen des Urbilds (des B) ab, ist das abgebildete menschliche Erscheinungsbild schon grundsätzlich nicht dazu geeignet, als menschliches Erscheinungsbild des B (über weitere Erkennungsmerkmale) in Frage zu kommen.

Hierfür sprechen maßgeblich die Charakteristika menschlicher Bildwahrnehmung, wonach der menschliche Sehapparat maßgeblich mit Wahrscheinlichkeiten und so­ mit mit der Abgleichung von bereits Rezipiertem mit optischen Eingangssignalen arbeitet.287 Damit geht auch eine gewisse Hierarchie von verschiedenen Erkennungs­ merkmalen einher, die über Jahrhunderte tradiert wurde. Nicht umsonst besteht Ei­ nigkeit dahingehend, dass es in erster Linie die Gesichtszüge sein sollen, welche eine Person erkennbar machen.288 Diese Erkenntnisse bei der Bemessung der Erkennbar­ keit zugunsten eines rein-subjektiven Maßstabs des (insoweit optisch nicht) Betroffe­ nen auszuklammern überzeugt kaum. Hierfür spricht allein die Bemessung des subjektiven Maßstabs im oben gebildeten Fall, wenn es sich bei A um eine Frau dunkler Hautfarbe und bei B um einen weißen Mann namens „Max Mustermann“ handelt. Weder A noch B hätten dann begründeten Anlass zur Sorge, sie könn­ ten auf dem jeweiligen Bild falsch mit dem Namen des jeweils anderen zugeordnet werden.

Dies zeigt, dass der Suggestivwirkung einer Personenabbildung eine maßgebliche Rolle für die Betroffenheit des Rechts am eigenen Bild zukommen muss. Erscheint das menschliche Erscheinungsbild von vorne herein aufgrund konkurrierender Er­ kennungsmerkmale einer anderen Person nicht geeignet, eine Suggestivwirkung zum Urbild herzustellen, kann eine Erkennbarkeit nicht über sonstige Erkennungs­ merkmale fingiert werden. Insofern erscheint die skizzierte Doppelgänger-Rechtsprechung durchaus zweifel­ haft. Dabei erscheint das Durchscheinen der „Piscator“-Rechtsprechung in heutigen Kontexten allein deshalb fragwürdig, weil in deren zeitlichen Kontext gerade kein Mantelrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestand und sich insoweit noch 286  Freilich sagt dies nichts darüber aus, ob (im weiteren Gang) äußere Merkmale für eine Er­ kennbarkeit herangezogen werden können, wenn nach dem ersten Schritt eine grundsätzliche Über­ einstimmung von Urbild und menschlichem Erscheinungsbild bejaht wurde. 287  Hierzu bereits Kap.  1, A., I. 288  Zu den (naturwissenschaftlichen) Besonderheiten bei der Wahrnehmung von Gesichtern vgl. Kap.  1, A., I., 4., sowie Kap.  1, A., II., 1., a).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

eine extensive Auslegung der §§  22 ff. KUG angeboten hat. Zudem suggeriert das Übergehen konkurrierender Erkennungsmerkmale, wie der Gesichtszüge, eine Ver­ objektivierung des tatsächlich Abgebildeten zum Bildnisträger des lediglich Verkör­ perten.289 Damit ist also nach der hier vertretenen Ansicht in einem ersten Schritt danach zu fragen, ob das abgebildete menschliche Erscheinungsbild dazu geeignet ist, das Ur­ bild grundsätzlich zu tragen. Hierfür muss nicht tatsächlich das Urbild abgebildet werden. Wird beispielsweise ein Torso des A abgebildet, welcher auch durchaus dem Torso des B dar­ stellen könnte, weil beide ähnliche Körperproportionen haben, erscheint sowohl ein Bildnis des A als auch des B über weitere Erkennungsmerkmale konstruierbar. Dasselbe gilt konse­ quenterweise, wenn eine Abbildung eines Schauspielers den Eindruck erweckt, bei der abge­ bildeten Person handele es sich um die verkörperte Person selbst, denn dann konkurrieren keine Erkennungsmerkmale. Trägt das abgebildete menschliche Erscheinungsbild hingegen nicht das Urbild, liegt keine Verletzung des Rechts am eigenen Bild vor, vielmehr kann dann das (weitere) allgemeine Persönlichkeitsrecht durch eine Abbildung – in Form des Lebens- oder Charakterbilds – ver­ letzt sein.

cc) Relativierung des Typus und der Absolutheit der Namensnennung als Erkennungsmerkmale Auch der von der Doppelgänger-Rechtsprechung konstruierte Typus im Sinne opti­ scher Monopole, welcher im Einzelfall individuelle Gesichtszüge zu überlagern ver­ mag, kann insoweit kaum überzeugen. Ansonsten müssten etwa verkleidete Personen an Fasching oder Karneval bangen, das Recht am eigenen Bild (gleich mehrerer) Hauptdarsteller zu verletzen, wenn sie sich in einem Kos­ tüm ihres Lieblingshelden fotografieren lassen, welches durch (einen oder sogar mehrere) Schauspieler in einem bekannten Film monopolisiert wurde. Insoweit kann man sich bereits hier fragen, ab wann diese Monopolisierung einsetzen soll. Nicht überzeugend erscheint es davon auszugehen, dass die Person, welche sich auf monopolisierte Attribute beruft, umso bekannter sein müsse, je allgemeiner die in Rede stehenden äußeren Attribute seien.290 Denn je bekannter eine Person ist, umso mehr werden doch gerade ihre individuellen Züge erinnert werden, ohne dass die Person dabei auf einen monopolisierten Typus angewiesen ist. Auf das optische Monopol an ihrem äußeren Erscheinungsbild ist eine Person gerade aufgrund des Rechts am eigenen Bild aber offensichtlich auch nicht angewiesen. Im Übrigen läuft diese Erwägung der – von der Rechtsprechung unbestrittenen – Prämisse zuwider, dass es auf den „mehr oder minder großen Bekanntenkreis“ für die Erkennbarkeit ankommen müsse. Demzu­ 289  Dass auch dies nicht im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu sein scheint, zeigt sich in der skizzierten „Familie Schölermann“-Rechtsprechung, wonach ein Bildnis des Schauspie­ lers vorliegen kann, wenn dessen individuelle Züge abgebildet werden. Dieselben Erwägungen zur Verobjektivierung des tatsächlich Dargestellten finden sich konsequenterweise ferner bei der – hier­ nach abzulehnenden – Begleiterrechtsprechung; vgl. Kap.  3, D., II., 3., f). 290  LG Hamburg, NJW-RR 2011, S.  1678; Gerecke, GRUR 2014, S.  521; Götting/Schertz/Seitz/ Schmitt, §  18, Rn.  18.

A. Das Tatobjekt des Bildnisses im Sinne des §  22 KUG

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folge muss auch die unbekannte Person etwa aufgrund ihrer Lieblingsjacke zugeordnet wer­ den können.

In diesem Zug gilt es auch, die bisweilen angenommene Absolutheit der Namensnen­ nung291 unter einem Bild für die Erkennbarkeit des Abgebildeten kritisch zu hinter­ fragen. Sicherlich kann eine Bildunterschrift mit einem Namen grundsätzlich für die Zuordnung herangezogen werden, sofern das abgebildete menschliche Erschei­ nungsbild das Urbild grundsätzlich zu tragen vermag. Allerdings sollten die konkre­ ten Umstände der Namensnennung genauso mitberücksichtigt werden. Wird beispielsweise ein Bild des Torsos von A auf einem sozialen Netzwerk gepostet, er­ scheint es zweifelhaft, von einem Bildnis auszugehen, wenn irgendein Dritter das Bild mit „das ist A“ kommentiert. Anderes Gewicht hat dieser Kommentar hingegen, wenn er bei­ spielsweise von einem Nahestehenden des Abgebildeten oder demjenigen herrührt, der das menschliche Erscheinungsbild gepostet hat.

dd) Offensichtliche Manipulationen des menschlichen Erscheinungsbilds am Beispiel von sogenannten face blends und face swaps Aktuelle Bildbearbeitungsmöglichkeiten ermöglichen es, optisch wahrnehmbare Er­ kennungsmerkmale von verschiedenen Menschen fotorealistisch miteinander zu ei­ nem neuen Gesicht oder Menschen – also einem neuen menschlichen Erscheinungs­ bild – zu kombinieren (engl. face blends). Besonders plastische Beispiele liefert ein Social-Media-Account namens „Gesichtermix“, auf welchem die Gesichtszüge (meistens zweier) prominenter Personen miteinander zu einem neuen Gesicht kombiniert und veröffentlicht werden.292

In solchen Fällen kann auf die bereits herausgearbeiteten Grundsätze bei der Darstel­ lung unechter293 und unmenschlicher294 menschlicher Erscheinungsbilder zurückge­ griffen werden, wonach es in erster Linie darauf ankommen muss, ob eine Manipu­ lation als solche erkennbar erscheint und ob (deshalb) einzelne menschliche Erschei­ nungsbilder isoliert wahrgenommen und bestimmten Personen zugeordnet werden können. Können aus der Gesamtdarstellung einzelne menschliche Erscheinungsbilder her­ ausgelöst erfasst und zugeordnet werden, entfällt die Bildniseigenschaft der isolier­ ten Teile nicht etwa deshalb, weil es den „zusammengebauten“ Menschen bzw. das kombinierte menschliche Erscheinungsbild in Wirklichkeit nicht gibt. Auch hierauf 291  BGH, NJW 1965, S.  2149 – „Spielgefährtin I“; BGH, NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlge­ fährdung“; OLG Hamburg, AfP 1993, S.  590 f.; van Bergen, S.  90; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  7; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  21, 26; Korte, §  2, Rn.  9; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  18. 292  www.instagram.com/gesichtermix; www.facebook.com/gesichtermix (zuletzt aufgerufen am: 01.06.2022). 293  Kap.  3, A., I., 2., f). 294  Kap.  3, A., I., 2., g).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

können die Wertungen des Bundesverfassungsgerichts zu Fotomontagen bei satiri­ schen Darstellungen übertragen werden 295, wonach selbst im Rahmen von (als sol­ chen erkennbaren) Fotomontagen die Gefahr bestehe, abspaltbare Ausschnitte als solche isoliert unmittelbar wahrzunehmen und aus diesen Rückschlüsse auf die Per­ sönlichkeit des (isolierten) menschlichen Erscheinungsbild zu ziehen. Konsequent erscheint es ferner, dieselben Maßstäbe bei sog. Face swaps anzuwen­ den, auf denen Personen ihre Gesichter auf Bildern (oder je nach Standpunkt Körper) untereinander fotorealistisch tauschen. Kann die jeweils betroffene Person begründet vortragen, dass sie auf einem isoliert wahrnehmbaren menschlichen Erscheinungs­ bild erkannt werden kann, liegt ein Bildnis von ihr vor. Dies wird ihr in der Regel allerdings dann besonders schwerfallen, wenn die Foto­ montage als solche nicht erkennbar ist, weil etwa nur charakteristische Merkmale – wie etwa die Gesichtszüge einer anderen Person – abgebildet sind. Dann vermag das abgebildete menschliche Erscheinungsbild nach der oben herausgearbeiteten Lösung nicht mehr das Urbild aufgrund konkurrierender Erkennungsmerkmale zu tragen. Setzt beispielsweise A mittels einer Face-Swap-App sein Gesicht fotorealistisch auf den Kör­ per des B, kommt es darauf an, ob aus der kombinierten Abbildung des menschlichen Erschei­ nungsbilds noch klar wird, dass es sich hierbei um zwei verschiedene menschliche Erschei­ nungsbilder handelt, die zusammengesetzt wurden. Für diese Erkenntnis können alle Umstän­ de der Veröffentlichung – etwa ein erklärender Textzusatz – herangezogen werden. Haben A und B ähnliche Körperproportionen und erscheint die Manipulation fotorealis­ tisch und deutet nichts auf eine Manipulation hin, liegt kein Bildnis des B vor, da das abgebil­ dete menschliche Erscheinungsbild aufgrund der konkurrierenden Erkennungsmerkmale nur das Urbild des A trägt.296 Dies muss erst recht gelten, wenn viele menschliche Erscheinungs­ bilder zu einer menschlichen Erscheinung derart miteinander fotorealistisch kombiniert wer­ den, sodass gar kein Rückschluss mehr auf eine konkrete Identität gezogen werden kann, da es diese Person nicht gibt und insofern alle Erscheinungsbilder miteinander konkurrieren.297 Anderes gilt hingegen, wenn schon bereits aufgrund der unterschiedlichen Körperproportio­ nen, der Hautfarbe oder markanten Tätowierungen klar wird, dass es sich um zwei kombinier­ te menschliche Erscheinungsbilder handelt. Dann trägt die Gesamtabbildung beide Urbilder.

Aus der Darstellung eines einzelnen menschlichen Erscheinungsbilds kann somit die Verletzung mehrerer Bildnisrechte resultieren. Maßgebliches ­Abgrenzungskriterium 295 

Vgl. BVerfG, NJW 2005, S.  3271 – „Ron Sommer“. Zustimmung verdient deshalb im Ergebnis die Entscheidung des LG Stuttgart, AfP 1983, S.  293, wonach ein Bildnis des Opfers eines Heiratsschwindlers vorlag, obwohl dieses nicht tatsächlich foto­ grafiert wurde, sondern von einem Fotomodell so fotorealistisch nachgestellt wurde, dass selbst das Opfer davon ausging, es (selbst) sei fotografiert worden. Freilich äußert sich auch das LG Stuttgart nicht zur – insoweit nicht zu entscheidenden – Frage, ob zusätzlich ein Bildnis des Models vorlag. 297 Dies ist etwa der Fall bei der in Einführung, B., IV., erwähnten Internetseite https://this persondoesnotexist.com/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Bei jeder Aktualisierung der Seite generiert diese ein neues Portrait-Foto und zeigt dieses dem Besucher. Keiner dieser Menschen ist real. Etwas anderes würde nur eintreten, wenn – durch Zufall – ein Bild generiert wird, das einer tatsächlich existierenden Person täuschend ähnlich sieht; insofern würden keine Erkennungsmerk­ male konkurrieren und das abgebildete menschliche Erscheinungsbild wäre grundsätzlich im Stan­ de das Urbild zu tragen. 296 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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soll nach der hier vertretenen Ansicht hierfür die Suggestivwirkung des bildhaft Dargestellten sein. Haben mehrere Personen begründeten Anlass, dass sie auf der infrage stehenden Abbildung eines menschlichen Erscheinungsbilds erkannt wer­ den, liegen hiernach mehrere Bildnisse vor.

IV. Zusammenfassende Abschlusserwägungen zum Tatobjekt Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass der Bildnisbegriff aufgrund seiner Liberalisierung, mit welcher eine erhebliche Subjektivierung der Erkennbarkeit einhergeht, gerade im Kontext des Strafrechts äußerst schwer zu fassen ist. Insbeson­ dere die Reduzierung des Bildnisbegriffs auf das ungeschriebene Tatbestandsmerk­ mal der Erkennbarkeit einer Person erscheint für das Strafrecht kaum geeignet. Um einer vollständigen und willkürlichen Verselbstständigung des Bildnisbegriffs (in modernen Darstellungsszenarien) entgegenzuwirken, wurden Differenzierungs­ kriterien erarbeitet. Zum einen bietet es sich grundsätzlich an, zwischen dem Vorlie­ gen eines menschlichen Erscheinungsbilds und dessen Erkennbarkeit zu differenzie­ ren. Ferner kann die vorgeschlagene Lösung eines vorgeschalteten Abgleichs des Urbilds mit dem menschlichen Erscheinungsbild unter Heranziehung konkurrieren­ der Erkennungsmerkmale im menschlichen Erscheinungsbild einen weiteren Beitrag zur Bestimmtheit leisten, was gerade in modernen Darstellungsszenarien von Mehr­ wert sein dürfte. Siehe Abbildung 4. Abschließend bleibt zu sagen, dass sich diese Vorschläge maßgeblich an den dar­ gestellten Besonderheiten menschlicher Bildrezeption – der Suggestivwirkung an­ hand eines (Wahrscheinlichkeits-)Abgleichs optischer Wahrnehmungen – orientie­ ren. Obwohl sich diese Gegebenheiten menschlicher Bildwahrnehmung über Jahr­ hunderte tradiert haben, müssen diese nicht bis in alle Zeit ihre Richtigkeit behalten. Gerade der besondere Eindruck durch die optische Wahrnehmung eines Menschen hat aber zur Genese des Rechts am eigenen Bild geführt. Ändert sich diese Wahrneh­ mung etwa, weil etwa Bildmanipulationen zu einem gesellschaftlichen Umdenken hinsichtlich der Wirklichkeitssuggestion eines menschlichen Erscheinungsbilds füh­ ren, muss das Recht am eigenen Bild grundsätzlich überdacht werden. Dies spricht für die hier vorgeschlagene Lösung: Wird aufgrund omnipräsenter Bildmanipulatio­ nen dem menschlichen Erscheinungsbild nicht mehr „geglaubt“, dann ist das Er­ scheinungsbild auch nicht mehr in der Lage, das Urbild zu tragen.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG Nach §  33 KUG wird bestraft, wer entgegen den §§  22, 23 KUG ein Bildnis verbreitet (I.) oder öffentlich zur Schau stellt (II.).

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Abbildung 4: Bildnisschema

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B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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I. Das Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG Bei der ersten Tatvariante – dem „Verbreiten“ – handelt es sich um die heute mit Ab­ stand am häufigsten genannte Tathandlung medienstrafrechtlich relevanter Strafnor­ men.298 Gleichwohl existiert weder eine allgemeingültige Definition des Begriffs im rechtlichen Sinne, noch hat der Gesetzgeber das Verbreiten näher abgegrenzt.299 Dies verwundert auch nicht, denn der Begriff des Verbreitens wird je nach Anknüpfungs­ punkt in unterschiedlichen Zusammenhängen relevant.300 Deshalb ist es allgemein anerkannt, dass der Begriff des Verbreitens durch Auslegung je nach Regelungszu­ sammenhang individuell bestimmt werden muss.301 Gleichwohl sucht man selbst in­ nerhalb des Regelungszusammenhangs von §  33 KUG eine einheitliche Definition des Verbreitens vergebens. Ursprünglich knüpfte der Gesetzgeber bei der Etablierung des KUG dessen (spezifischen) Verbreitungsbegriff an denjenigen der „Literargesetze“ an.302 Die Gesetzesbegründung des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KUG gel­ tenden – und wohl als „Literargesetze“ gemeinte – „Gesetzes betreffend das Urheber­ recht an Werken der Literatur und der Tonkunst“ (LUG) von 1902303 beschreibt die Verbreitung schlicht als „jede Ueberlassung eines Exemplars“.304 Trotz des eindeuti­ gen Wortlauts war die Literatur zum LUG angesichts der niederen Schwelle dieser Definition bereits früh bemüht, das Vorliegen einer Verbreitung bei der Überlassung eines Exemplars an eine einzige Person in Anlehnung an die alte Rechtslage restriktiv zu bestimmen. Zwar könne für ein Verbreiten auch die Überlassung an nur eine ein­ zige Person in Frage kommen, gleichwohl müsse dabei aber anzunehmen sein, „daß das überlassene Exemplar auch noch in weitere Kreise dringen werde, während im Falle einer Ueberlassung an eine einzige Person im Vertrauen darauf, daß es von die­ ser nicht weiter gegeben werde, eine Verbreitung noch nicht anzunehmen“ 305 sei. 298 

M. Heinrich, ZJS 2016, S.  569; vgl. auch ders., in: FS Schünemann 2014, S.  597. BGHSt 18, 63 (64) – „Vorlesen einer Druckschrift“, wonach der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hätte, den Verbreitensbegriff näher abzugrenzen; vgl. auch Ja. Baumann, S.  248; M.  Heinrich, ZJS 2016, S.  569; LK/Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  19. 300  Vgl. hierzu ausführlich M. Heinrich, ZJS 2016, S.  569. 301  BGHSt 18, 63 (64) – „Vorlesen einer Druckschrift“; BGH, NJW 2005, S.  690 – „Teilweises Auschwitz-Leugnen“; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  569, spricht von mehreren Verbreitungsbegriffen; ähnlich LK/Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  19. 302  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30 (Gesetzesbegründung), S.  1536; vgl. ferner S.  1540. 303  Dieses wurde am 19.06.1901 erlassen und trat am 01.01.1902 in Kraft; vgl. RGBl. 1901, S.  227. 304  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  189, 1900/03, Akten­ stück Nr.  97 (Entwurfsbegründung), S.  397: „Als Verbreitung ist in Uebereinstimmung mit dem Sprachgebrauche des bisherigen Gesetzes jede Ueberlassung eines Exemplars zu verstehen, nicht aber die bloße Mittheilung eines Inhalts (das Vorlesen des Schriftwerkes, der Vortrag des Musik­ stücks)“; RGSt 45, 240 (242), spricht von einem „aus der Hand geben“ und der „Übertragung der Verfügungsgewalt“ des Bildexemplars; vgl. auch Osterrieth, S.  114, 167; ferner Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1540, wonach eine Verbreitung unter das Verbot falle, „auch wenn sie sich nicht in der Öffentlichkeit […] vollzieht.“; hierzu auch Helle, S.  123. 305  Allfeld, LUG, S.  111 f., unter Berufung auf das Urteil RGSt 5, 347 (351), welches aber im 299 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Neben der Bestimmung des Mindestadressatenkreises sah sich die Rechtsprechung im Jahre 1926 aufgrund von (damals modernen) Rundfunksendungen mit der weite­ ren Frage konfrontiert, inwieweit ein buchstäbliches „aus den Händen geben“ im Sin­ ne des Übertragens von Verfügungsgewalt an einem körperlichen (Träger-)Medi­ ums306 für das Verbreiten zwingend vorausgesetzt wird.307 Den vom Reichsgericht zur Rundfunksendung angenommenen „erweiterten Verbreitungsbegriff“308, welcher auch die unkörperliche Werkwiedergaben umfasse, lehnte der Bundesgerichtshof zwar im Jahr 1953 wieder ab, da sich der Verbreitungsbegriff jedenfalls im Urheber­ recht nur auf die Verbreitung körperliche Werkstücke beschränke.309 Erstaunlicherweise scheint sich die Geschichte jedoch insoweit im Bereich des Abbildungsschutzes zu wiederholen: Der technische Fortschritt durch die Etablie­ rung des Internets und die ubiquitäre Verfügbarkeit internet- und bildaufnahmefähi­ ger Endgeräte stellt Rechtsprechung und Literatur heute erneut vor die beiden Fra­ genkomplexe zu Körperlichkeit und Mindestadressatenkreis hinsichtlich eines Ver­ breitens von Bildnissen. Allerdings kann dabei die Rechtslage zum Verbreitensbegriff des KUG durchaus als verworren bezeichnet werden. So tendieren Rechtsprechung und die überwiegende Fachliteratur heute ohne nähere Begründung dazu, ein Ver­ breiten im Sinne des §  22 KUG bereits dann anzunehmen, wenn ein Bildnis digital an einen verschwindend kleinen Adressatenkreis versendet wird.310 Auch wurde Jahre 1882 erging und sich offensichtlich auf den Verbreitensbegriff im „Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen“ vom 11.01.1876 bezog; vgl. ferner Osterrieth, S.  114. 306  So ausdrücklich zu §  22 KUG etwa noch RGSt 45, 240 (242). 307  RGZ 113, 413 (418 f.), wonach die Sendung von Schriftwerken im Rundfunk eine Verbreitung nach §  11 I LUG darstelle. Interessant erscheint angesichts der technischen Entwicklung des Rund­ funks folgende Begründung hinsichtlich der „Öffnung“ des damaligen Verbreitensbegriffs (Über­ lassung eines Exemplars): „[…] je rascher und stärker sich das Verkehrsleben wandelt, desto weni­ ger taugt eine Begründung, die vor der Zeit solcher Wandlungen liegt, zum Behelfe der Gesetzes­ auslegung“; im Ergebnis folgte das RG somit der von Goldbaum, JW 1925, S.  930 f.; ders., GRUR 1925, S.  230 ff., begründeten „Verbreitungstheorie“; krit. hierzu Osterrieth, S.  114; ders. GRUR 1925, S.  267. Zum „Rundfunkurteil“ des RG ausführlich Hillig, UFITA 2016, S.  179 ff.; vgl. auch die bestätigenden Erwägungen in RGZ 123, 312 (314); RGZ 136, 377 (381). 308  Hillig, UFITA 2016, S.  186. 309  BGHZ 11, 135 (144) – „Öffentliche Schallplattenvorführung“ 310  BGH, NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlgefährdung“, wonach der Versand von Bildnissen per E-Mail an Gerichte (oder Behörden) ein Verbreiten darstelle, „obwohl anders als bei einer Ver­ öffentlichung in den Medien nur die Wahrnehmung durch einen begrenzten Personenkreis zu er­ warten“ sei; OLG Dresden, ZUM 2010, S.  597, wonach das Einstellen eines Bildnisses auf einer Homepage (wohl) als Verbreiten einzuordnen sei; OLG Köln, ZUM-RD 2017, S.  552, zur Weiterga­ be von Bildnissen durch einen Journalisten an einen (diesem bekannten) Redakteur; LG Hamburg, ZUM 2014, S.  153, wonach das (nicht konkret adressierte) Anbieten eines Fotokalenders auf der Homepage eines Buchhändlers ein Verbreiten darstelle; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2016, S.  391, wonach das Posten eines Bildnisses in einer (nicht näher spezifizierten) Whatsapp-Gruppe ein Ver­ breiten i. S. d. §  22 KUG darstelle; LG Frankfurt a. M., K&R 2018, S.  734, wonach selbst ein Facebookpost auf einer Fanpage ein Verbreiten i. S. d. §  22 KUG darstelle, obwohl es hierbei nicht zwin­ gend einen konkreten Empfänger gibt; LG Frankfurt a. M., ZD 2020, S.  205, wonach das Versenden eines (Xing-)Profilbilds per E-Mail an nur eine einzige – dem Absender bekannte – Person ein Verbreiten i. S. d. §  22 KUG darstelle. In der Literatur: Si. Beck, MMR 2008, S.  80; Cornelius, ZRP

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

315

dieser Trend jüngst durch einen Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsge­ richts im Jahre 2020 hinsichtlich einer strafrechtlichen Verurteilung nach §  33 KUG bestärkt.311 Damit knüpft die herrschende Meinung im Bildnisrecht jedenfalls hinsichtlich des Körperlichkeitserfordernisses instinktiv – entgegen dem engeren urheberrechtlichen Verbreitungsbegriff, welcher nur körperliches Verbreiten umfasst312 – am Verbrei­ tungsbegriff des Kernstrafrechts an, welcher sich seit dem 01.01.2021 nunmehr de lege lata313 maßgeblich am Übermitteln von (unkörperlichen) Inhalten in §  11 III StGB orientiert.314 Hinsichtlich des Mindestadressatenkreises scheint sich der bildnisrechtliche Ver­ breitungsbegriff hingegen sogar im Verhältnis zum weiteren kernstrafrechtlichen Verbreitungsbegriff – und somit erst recht zum engeren urheberrechtlichen Verbrei­ tungsbegriff, welcher einen Bezug zur Öffentlichkeit verlangt315 – immer noch wei­ ter zu verselbstständigen. Denn die Anforderungen an eine gewisse „Streubreite“316 2014, S.  166; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  12; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  8; Möhring/ Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  52; Geiring, S.  134; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  36; Höning, S.  132 ff.; Kächele, S.  133; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  10; Korte, §  2, Rn.  11; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, Rn.  24; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  9; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  139; Vetter, AfP 2017, S.  129. 311  BVerfG, NJW 2020, S.  2532, Rn.  14 – „Ebola-Virusverdächtiger“, wonach es keinen verfas­ sungsrechtlichen Bedenken begegne, dass die Fachgerichte die Weitergabe von Bildnissen „an ei­ nen persönlich bekannten Mitarbeiter“ einer Redaktion durch einen Journalisten als Verbreiten im Sinne des §  33 KUG eingestuft hatten; krit. Höch, K&R 2020, S.  669 f.; zur Linie des BGH zur Weitergabe von Bildnissen im „presseinternen Bereich“ vgl. Kap.  3, B., I., 2., d), bb). 312  BT-Drs. IV/270, S.  47; BGHZ 11, 135 (144) – „Öffentliche Schallplattenvorführung“; BGHZ 33, 38 (42) – „Rundfunkmusikdarbietungen in Gaststätten und Künstlerlizenz“; BGHZ 38, 356 (362) – „Öffentliche Fernsehwiedergabe von Sprachwerken“; BGH, GRUR 1986, S.  743 – „Video­ filmvorführung“; HK/Dreyer §  17 UrhG, Rn.  9; Möhring/Nicolini/Götting, §  17 UrhG, Rn.  9; Wandtke/Bullinger/Heerma, §  17 UrhG, Rn.  13; MüKo StGB/B. Heinrich, §  106 UrhG, Rn.  52; Schricker/Loewenheim/Loewenheim §  17 Rn.  6 f.; Mitsch, §  8, Rn.  18 ff.; Dreier/Schulze/Schulze §  17 UrhG, Rn.  2, 5; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  139. 313  Durch das 60. StrÄndG vom 30.11.2020 (BGBl. I S.  2600; in Kraft seit 01.01.2021) stellt nicht mehr die (körperliche) „Schrift“, sondern der (unkörperliche) „Inhalt“ den maßgeblichen Anknüp­ fungspunkt für die entsprechenden Verbreitensdelikte (des Kernstrafrechts) dar, dies war unter Gel­ tung des §  11 III StGB a. F. lange umstritten; hierzu Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  171 m. w. N. 314  MüKo StGB/Hörnle, §  184 StGB, Rn.  16; BT-Drs 19/19859, S.  2, spricht von einer Fortent­ wicklung des Schriftenbegriffs zu einem Inhaltsbegriff; vgl. ferner Strauß, NStZ 2020, S.  709 f. (Umwandlung aller „Schriftendelikte“ in „Inhaltsdelikte“). 315  OLG Frankfurt, ZUM-RD 2009, S.  189; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  12; Dreier/Schulze/ Schulze, §  17 UrhG, Rn.  7; vgl. auch Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  36; Leitner/ Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  8; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, Rn.  24; Dreier/Schulze/ Specht, §  22 KUG, Rn.  9; Wanckel, Rn.  118. 316  Vgl. BGHSt 13, 257 (258) – „Verbreiten unzüchtiger Schriften“; BGH, NJW 1977, S.  1695 – „Öffentliche Ankündigung pornographischer Bildträger“; BGH, NJW 1999, S.  1980 – „Sexueller Mißbrauch von Kindern durch Pornofilme“; BGH, NStZ-RR 2015, S.  140 – „Verbreiten von und Einwirken mit pornographischen Abbildungen“; Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  170; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  573 f.; LK/Laufhütte/Roggenbuck (12.  Aufl.), §  184a StGB, Rn.  7; Mitsch, §  3, Rn.  11; LK/Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  20; SK/Wolters/Greco, §  184 StGB, Rn.  61; §  184a

316

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

der Verbreitenshandlung scheinen sich nach den skizzierten Entwicklungen jeden­ falls bei den §§  22 KUG ff. immer weiter aufzulösen. Dieses extrem weite Begriffs­ verständnis des Verbreitens im Bildnisrecht mit dem Interesse an einem wirksamen Persönlichkeitsschutzes zu begründen317, erscheint zumindest angesichts der e­ xtrem niedrigen Anforderungen an das Tatobjekt eines Bildnisses318 im Verhältnis zu den kernstrafrechtlichen Normen hinterfragenswert. Denn es erschließt sich nicht ohne weiteres, warum die geringeren Anforderungen an das strafbare Verbreiten eines solchen Bildinhalts gestellt werden sollen, welcher lediglich die Erkennbarkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds voraussetzt, während hingegen die Strafbarkeit des Verbreitens eines weitaus intimeren Bildinhalts nach den Verbreitensdelikten des Kernstrafrechts zumindest eine gewisse Streubreite aufweisen muss. Überschattet wird die Problematik des Mindestadressatenkreises des Verbreitens von Bildnissen schließlich von dem bereits angeklungenen (Konkurrenz-)Verhältnis des informationellen Selbstbestimmungsrechts zu den Kommunikationsgrundrech­ ten.319 Erblickt man in einer (vertraulichen) Weitergabe eines Bildnisses an einen verschwindend geringen Adressatenkreis bereits ein Verbreiten im Sinne des §  22 KUG, wird man hier kaum von einer Verdrängung der informationellen Selbstbe­ stimmung – und damit der datenschutzrechtlichen Vorschriften der DS-GVO – auf­ grund eines Kommunikationsvorgangs im öffentlichen Raum ausgehen können.320 Diese komplexen Zusammenhänge gilt es im Folgenden zu beachten, wenn die Anforderungen des Verbreitensbegriffs in §  33 KUG herausgearbeitet werden sollen. Dabei muss vor allem geklärt werden, welche Maßstäbe für die Ermittlung des Ver­ breitensbegriffs bei §  33 KUG überhaupt herangezogen werden können, zumal die einzelnen Maßstäbe für den Verbreitensbegriff selbst innerhalb des (Urheber- und sonstigen Medien-)Strafrechts voneinander abweichen.321 Dabei bietet es sich an, zunächst zu klären, inwieweit dem Verbreiten im Sinne des §  33 KUG ein Körperlichkeitskriterium innewohnt (a.), ehe auf die Frage eingegan­ gen werden soll, inwieweit das Verbreiten in §  33 KUG einen Mindestadressaten­ kreis voraussetzt (b.). Im Anschluss an die Herausarbeitung dieser Grundsätze kann sich den problematischen (Einzel-)Konstellationen zum Verbreiten von Bildnissen angenommen werden (3.). StGB, Rn.  6; ferner Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  22; Fischer, §  184 StGB, Rn.  34; MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  23, welche mindestens drei Empfänger fordert; ähnlich MüKo StGB/Regge/Pegel, §  186 StGB, Rn.  38. 317  Vgl. etwa BGH, NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlgefährdung“; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  12; Korte, §  2, Rn.  11; Leffler, S.  210 f.; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, Rn.  24; Dreier/Schulze/ Specht, §  22 KUG, Rn.  9; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  139. 318  Vgl. hierzu bereits Kap.  3, A. 319  Hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (2), und Kap.  2, D., III., 2., b). 320  Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des KUG bliebe jedenfalls dann in strafrechtli­ cher Hinsicht Art.  84 DS-GVO; vgl. zu den sonstigen Eröffnungsmöglichkeiten des Anwendungs­ bereichs des KUG bereits Kap.  2, D., III., 2. 321  Offengelassen für §  33 KUG bei Doerbeck, S.  190; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  588; vgl. ders., in: FS Schünemann 2014, S.  598.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

317

1. Die Körperlichkeitsdimension des bildnisrechtlichen Verbreitungsbegriffs Nicht von der Hand zu weisen ist zunächst die dogmatische Nähe des Verbreitensbe­ griffs des Bildnisrechts zum (körperlichen) Verbreitungsbegriff des Urheberrechts. Schließlich könnte der bereits skizzierte Verweis des historischen Gesetzgebers auf die „Literargesetze“ zur Bestimmung des Verbreitens im KUG als ausdrücklicher Apell zur Wahrung der Einheit der (damaligen) Rechtsordnung verstanden werden. Jedenfalls handelt es sich beim LUG und weiten Teilen des KUG322 gerade um die Vorgängerkodifikationen des heutigen UrhG. Insoweit könnte selbst bei einem mo­ dernen Begriffsverständnis des Bildnisrechts den §§  22 KUG ff. sowohl in systema­ tischer als auch historischer Hinsicht grundsätzlich noch das maßgebliche dogma­ tische Gepräge des heutigen Urheberrechts – und damit des körperlichen Verbrei­ tens  – innewohnen.323 Hierfür könnte auch sprechen, dass der Handlungsalternative des Verbreitens im Bildnisrecht bei §  33 KUG – ähnlich wie im Urheberrecht324 – mit dem „öffentlichen Zurschaustellen“ eine weitere Begehungsmöglichkeit zur Seite ge­ stellt ist, bei der es unstrittig auf die faktische Sichtbarmachung eines Bildnisses und insoweit nicht maßgeblich auf eine Form von Körperlichkeit des Handlungsvorgangs ankommt. Insofern könnte dem Begriffspaar „Verbreiten“ und „öffentlichem Zur­ schaustellen“ gerade hinsichtlich der Körperlichkeit ihrer Handlungsvorgänge eine gewisse Exklusivität zugrunde liegen.325 Dass dieser Gedanke selbst dem Gesetzge­ ber hinsichtlich des Verbreitensbegriffs im Kernstrafrecht nicht allzu ferngelegen haben dürfte, zeigt sich etwa bei der Erweiterung des Verbreitens bei §  86 I StGB (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen) durch das Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz (IuKDG) vom 22. Juli 1997326 um die Handlungsalternative des „öffentlichen Zugänglichmachens in Datenspei­ chern“327. Die zusätzliche Variante des „Zugänglichmachen in Datenspeichern“ hät­ te es jedenfalls nicht gebraucht, wenn dies schon als (unkörperliches) Verbreiten strafbar gewesen wäre.328 Allerdings scheint sich auch das Begriffsverständnis des Gesetzgebers zum me­ dienstrafrechtlichen Verbreitungsbegriffs im Kernstrafrecht gewandelt zu haben. Diese Entwicklung gilt es im Folgenden nachzuvollziehen, ehe Rückschlüsse auf das heutige Bildnisrecht gezogen werden können. 322 

Hierzu bereits Kap.  2, Einf. Argumentationslinie wohl folgend Doerbeck, S.  189 f.; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  51; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  11; Leffler, S.  224 f., 236; Götting/ Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  32. 324  Vgl. hierzu MüKo StGB/B. Heinrich, §  106 UrhG, Rn.  52, zur „öffentlichen Wiedergabe“ nach §§  15 II, 19 ff. UrhG. 325 Vgl. M. Heinrich, ZJS 2016, S.  572 f.; ders., in: FS Schünemann 2014, S.  598. 326  BGBl I, S.  1876; vgl. ferner BT-Drs 13/7385, S.  36. 327  Seit 01.01.2021 nur noch „öffentliches Zugänglichmachen“. 328  Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  21; Fischer (67.  Aufl.), §  86 StGB, Rn.  12; SSW/ Güntge, §  86 StGB, Rn.  10; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  573; Lindemann/Wachsmuth, JR 2002, S.  208; NK/Paeffgen, §  86 StGB, Rn.  29; a. A. BGHSt. 47, 55 (59) – „Kinderpornographie im Internet“. 323  Dieser

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

a) Das klassische Begriffsverständnis medienstrafrechtlicher Vorschriften nach presserechtlichem Vorbild In Anlehnung329 an den für die Verbreitung von Druckwerken maßgeblichen „pres­ serechtlichen Verbreitungsbegriff“330 verstand man unter dem Verbreiten grundsätz­ lich eine Tätigkeit, die darauf abzielt, das entsprechende Trägermedium – wie etwa den Bildträger, einen Tonträger oder die früher in §  11 III StGB a. F. als Oberbegriff eingeordnete Schrift – „seiner körperlichen Substanz nach durch Weitergabe einem größeren Personenkreis zugänglich zu machen“331. Zurückzuführen ist diese Sicht­ weise hinsichtlich der erforderlichen Substanzübertragung letztendlich auf die Orien­tierung vieler Verbreitensdelikte im Kernstrafrecht am Oberbegriff des §  11 III StGB a. F. – am körperlichen Medium der Schrift – als sog. „Schriftenverbreitungs­ delikte“. So wurde die Gefahr des Verbreitens gerade wegen der körperlichen Wei­ tergabe eines Trägermediums maßgeblich darin gesehen, dass durch die Verschaf­ fung (körperlicher) Verfügungsmacht eines Exemplars die Kontrolle über die Wahr­ nehmung eines infrage stehenden Inhalts buchstäblich „aus der Hand gegeben“332 wurde und insoweit „neue Keimzellen weiterer Verbreitungen bzw. weiteren Zu­ gänglichmachens“333 geschaffen werden. Wer einen körperlichen Bildnisträger aus der Hand gibt, verliert mit der Übertragung der tatsächlichen Verfügungsmacht die Kontrolle über diesen – also sowohl über das Trägermedium als auch den diesem anhaftenden Inhalt. Dieser körperlichen Verfügung wohnt zudem die gesteigerte Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme des Inhalts durch den Empfänger im Sinne der allgemeinen Erwartungshaltung inne, dass der Adressat das als körperlichen Ge­ genstand Erhaltene – welcher ihm in die Hände gelegt wurde – auch tatsächlich wahrnimmt. Denn der Übergabe eines körperlichen Gegenstands sind die konkrete 329 Vgl. Ricker/Weberling, Kap.  1, Rn.  28, wonach der strafrechtliche Verbreitungsbegriff um­ fassender sei als der presserechtliche Verbreitungsbegriff, da dieser nicht auf Druckwerke be­ schränkt sei, sondern auch auf andere Weise hergestellte Schriften und Darstellungen umfasse. 330  Das Erfordernis der körperlichen Weitergabe wurde etwa von BGHSt 18, 63 (64 f.) – „Verle­ sen von Druckschriften“, aus einem Vergleich mit dem Verbreitungstatbestand des §  3 PresseG a. F. aus der Annahme hergeleitet, dass „nur wer ein Druckstück selbst erhält, […] es wiederlesen, verviel­ fältigen und weitergeben“ könne; hierzu Ja. Baumann, S.  248; Hilgendorf, JuS 1997, S.  330; Löffler/ Weberling, Kap.  1, Rn.  23; vgl. ferner Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  20; Mitsch, §  7, Rn.  38. 331  RGSt 7, 113 (114); RGSt 16, 245 (246); RGSt 30, 224 (225 f.); RGSt 36, 330 (331); BGHSt 13, 257 (258) – „Verbreiten unzüchtiger Schriften“; BGHSt 18, 63 (63 f.) – „Verlesen von ­Druckschriften“; BGHSt 19, 63 (71) – „Einziehung eines antisemitischen Hetzfilms“; BGHSt 47, 55 (59) – „Kinder­ pornographie im Internet“; BGH, MDR 1966, S.  687 – „Verbreiten verfassungsfeindlicher Schrif­ ten“; BGH, NJW 1999, S.  1980 – „Sexueller Mißbrauch von Kindern durch Pornofilme“; Eisele, §  6, Rn.  36; Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  20; Lackner/Kühl/Heger, §  74d, Rn.  5; Wandtke/ ­Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  170; M. Heinrich, in: FS Schünemann 2014, S.  599; LK/ Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  19; vgl. ferner Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  94, 123. 332 Vgl. Bottke, JR 1983 S.  300, welcher von einer Gewahrsamsübertragung spricht; Mitsch, §  3, Rn.  11, spricht von Entäußerung des Mediums, „um einem anderen den Besitz daran zu verschaf­ fen“. 333  M. Heinrich, in: FS Schünemann 2014, S.  598; ders., ZJS 2016, S.  572.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Adressierung des Empfängers und damit die hiermit verbundene zielgerichtete Auf­ forderung an diesen konkreten Empfänger, den (Träger-)Gegenstand und somit auch den Inhalt wahrzunehmen immanent. Dass es maßgeblich auf diese Finalität beim (körperlichen) Verbreiten ankommen muss, zeigt sich etwa daran, dass selbst nach dem herkömmlichen Begriffsverständnis der Verbreitens­ delikte unter §  11 III StGB a. F. kein Verbreiten vorlag, wenn das Trägermedium zwar körper­ lich weitergegeben wurde, gleichwohl aber dieser Weitergabe nicht der Zweck der Kenntnis­ nahme  – im Sinne der oben beschriebenen Aufforderung – innewohnte. So wird beispielswei­ se die körperliche Weitergabe von Bildern in die Altpapiersammlung nicht als Verbreitung eingestuft.334

Dass beim Verbreitenden tatsächlich auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme des verkörperten Inhalts durch die Übertragung „abgeflossen“ ist, könnte zwar mögli­ cherweise die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Empfänger das (insoweit exklu­ sive) Trägermedium nebst Inhalt zur Kenntnis nimmt, zwingende Voraussetzung ist ein solcher „Abfluss“ der Wahrnehmungsmöglichkeit des verkörperten Inhalts beim Verbreitenden aber auch nach dem herkömmlichen Verständnis für ein Verbreiten nicht. Erstellt beispielsweise A eine (Foto-)Kopie eines entwickelten Fotoauszugs einer Analogfoto­ grafie (oder lässt ein analoges Foto in zweifacher Ausführung entwickeln) und übergibt ein Exemplar dem B, läge auch nach dem herkömmlichen Verständnis zweifelsohne ein körper­ liches Verbreiten eines Bildnisses vor. Dass A durch die Kopie (oder den zweiten Abzug) weiterhin Verfügungsmacht über den Inhalt hat ist insoweit unschädlich.335 Damit kommt es nach dem herkömmlichen Verständnis maßgeblich auf den Abfluss von Kontrolle über den Inhalt beim Verbreitenden an.

Dementsprechend herrscht zumindest Einigkeit dahingehend, dass die Weitergabe körperlicher Bildnisträger unstreitig als Verbreiten im Sinne des §  33 KUG einzu­ stufen ist.336 Auch muss dem Bildnis nicht schon bei der Übergabe die unmittelbare Rezeption des mensch­ lichen Erscheinungsbilds möglich sein. Die Versendung eines noch zu öffnenden Briefs mit dem Inhalt einer analogen Fotografie stellt ebenso ein Verbreiten dar wie die Weitergabe eines Datenträgers wie einer SD-Karte, einer externen Festplatte, einer Blu-ray, DVD, CD-Rom, Mini-Disc oder eines USB-Sticks.337

334  Vgl. ferner Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  23, welcher darüber hinaus annimmt, dass in einem solchen Fall ein Verbreiten sogar dann nicht vorläge, wenn der Betreffende in der si­ cheren Vorstellung handele, die Schrift werde später an andere weitergegeben werden; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  576; a. A. offenbar Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  52; BeckOK UrhR/­Engels, §  22 KUG, Rn.  52, wonach unerheblich sei, zu welchem Zweck eine Verbreitung erfolge. 335  Vgl. bereits RGSt 9, 71 (71 f.); RGSt 11, 282 (284); RGSt 14, 397 (399); M. Heinrich, ZJS 2016, S.  573; LK/Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  24; NK/Paeffgen, §  86 StGB, Rn.  30. 336  BGHSt 18, 63 (64); Doerbeck, S.  189 f.; B. Heinrich, ZIS 2011, S.  420; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 KUG ff., Rn.  8. 337  M. Heinrich, ZJS 2016, S.  572.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Für ein Verbreiten nicht ausreichend ist hingegen die bloße Inhaltsvermittlung im Sinne des Zeigens eines Bildnisses, ohne dieses dabei dem Adressatenkreis zur wei­ teren Verfügung zu stellen.338 Hier besteht der maßgebliche Unterschied des her­ kömmlichen Begriffsverständnisses des Verbreitens zum öffentlichen Zurschau­ stellen, bei welchem gerade die (örtlich gebundene339) Inhaltsvermittlung (an eine Personenmehrzahl) und nicht die Übertragung von Verfügungsmacht über ein Trä­ germedium prägendes Element sein soll. Damit verdeutlicht sich das Verhältnis der beiden Handlungsalternativen zueinander. Bei einem öffentlichen Zurschaustellen hat sich eben gerade das verwirklicht, was durch die Tathandlung des Verbreitens auf lange Sicht verhindert werden sollte: Die unkontrollierbare Wahrnehmbarkeit eines menschlichen Erscheinungsbilds durch Dritte340 und somit nicht zwingend die fak­ tische Handhabe über ein Erscheinungsbild. Gerade hierauf wirkt auch die Verbrei­ tensalternative hin, indem diese aber insoweit früher ansetzt, dabei aber gewisser­ maßen ausgleichend die Übertragung der (gegenständlichen) Handhabe über ein Bildnis voraussetzt. Damit ist es auch maßgeblich die Wahrnehmung eines Bildnis­ ses durch Dritte, welche durch den Kontrollverlust über den Verbleib eines mobilen menschlichen Erscheinungsbilds mit der Verbreitensalternative nach dem körper­ lichen Begriffsverständnis vermieden werden soll. Hiermit erklärt sich auch das ein­ schränkende Erfordernis einer gewissen Streubreite oder zumindest die gesteigerte Wahrscheinlichkeit eines Kontrollverlusts hinsichtlich der Rezipierbarkeit bei der Weitergabe an eine einzige Person.341 Diese Erwägungen entsprechen den bereits aufgezeigten Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild, wonach die Entscheidung zum visuellen Auftritt – der eige­ nen bildhaften Repräsentation – grundsätzlich beim Abgebildeten verbleiben soll. Dies zeigt allerdings auch, dass sich zumindest der originäre Bildnisschutz eher (nur) reflexartig an der tatsächlichen Handhabe über eine bildhafte Repräsentation, son­ dern primär an der Gefahr einer unkontrollierten Wahrnehmbarkeit des Erschei­ nungsbilds durch (mehrere) Dritte orientiert. Nicht die körperliche Verfügbarkeit führt zur Interpretation des Charakters des Abgebildeten, sondern letztendlich die unmittelbare bildhafte Wahrnehmung des menschlichen Erscheinungsbilds.342 Dies legt aber zugleich die Schwächen des originären Bildnisschutzes offen, denn der kon­ 338  Vgl. Löffler/Weberling, Kap.  1, Rn.  23; Mitsch, §  3, Rn.  11; a. A. offenbar HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  12. 339  M. Heinrich, in: FS Schünemann 2014, S.  598; ders., ZJS 2016, S.  572, nennt das Anschlagen eines Plakats. 340 Vgl. hierzu die Ausführungen von Eisele, Abschlussbericht der Reformkommission zum ­Sexualstrafrecht S.  911, abrufbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/ StudienUntersuchungenFachbuecher/Abschlussbericht_Reformkommission_Sexualstrafrecht. pdf?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), zur Reform des Schriften­ begriffs, wonach es bei den Verbreitungstatbeständen des Besonderen Teils des StGB eigentlich um den Inhalt einer Verkörperung gehe; sich hierauf beziehend BT-Drs. 19/19859, S.  24; vgl. ferner Ja. Baumann, S.  192; Hörnle, NJW 2002, S.  1010. 341  Hierzu sogleich Kap.  3, B., I., 2. 342  Hierzu bereits Kap.  1, A., II., 1., a) sowie Kap.  1, A., III.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

321

krete Bildinhalt scheint für die Strafbarkeit (abgesehen von der Erkennbarkeit, da ansonsten kein Bildnis vorläge) nicht näher relevant und insoweit auch nicht einer Auslegung des Verbreitensbegriffs zugänglich zu sein. So wird es die abgebildete Person gleichwohl erheblich in ihrer Persönlichkeitsentwicklung einschränken, wenn private oder gar intime Bildnisinhalte im nahen Umfeld unter einzelnen Personen kontrolliert herumgereicht werden, selbst wenn die Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass die Aufnahmen unkontrolliert an einen größeren Personenkreis gelangen werden. Aus derselben Richtung rührt ein Teil der Kritik an der bis 2004 bestehenden Rechtslage zu fehlenden Sanktionsmöglichkeiten hinsichtlich der Begründung von Verfügungsmacht über eine Personendarstellung durch die Herstellung einer Aufnahme her.343

b) Der internetspezifische Verbreitungsbegriff der Rechtsprechung Über das Internet werden unkörperliche Daten – und keine körperlichen Trägerme­ dien – ausgetauscht. Bei Daten handelt es sich um Inhalte, welche auf (körperlichen) Trägermedien, sog. Datenspeichern, abgespeichert werden.344 Diese fehlende Kör­ perlichkeit der Kommunikation im Internet brachte den Rechtsanwender bei den (Schriften-)Verbreitensdelikten des Kernstrafrechts angesichts der Orientierung an körperlichen Trägermedien in §  11 III StGB a. F. gleich in doppelter Hinsicht in ver­ meintliche Erklärungsnot, zumal die inkriminierten Inhaltsvermittlungen immer mehr über das Internet begangen wurden.345 Zum einen stehen Daten aufgrund ihrer fehlenden Körperlichkeit schon nicht einer Schrift gleich, denn nach dem eindeuti­ gen Wortlaut von §  11 III StGB a. F. gilt dies nur für Datenspeicher. Zum anderen können Daten aufgrund ihrer fehlenden Körperlichkeit bzw. Substanz schon per definitionem nicht „ihrer Substanz nach“ im Sinne des klassischen Verbreitungsbegriffs über das Internet weitergegeben werden.346 Diese Hindernisse umging der Bundesgerichtshof im Jahr 2001, indem er den Ver­ breitungsbegriff bei denjenigen Delikten, welche auf §  11 III StGB a. F. verwiesen, „internetspezifisch“ auslegte.347 Hiernach sei ein Verbreiten im Internet dann anzu­ nehmen, „wenn die Datei auf dem Rechner des Internetnutzers – sei es im (flüchti­ gen) Arbeitsspeicher oder auf einem (permanenten) Speichermedium – angekom­ men ist“. Insbesondere sei „unerheblich, ob dieser die Möglichkeit des Zugriffs auf die Datei genutzt oder ob der Anbieter die Datei übermittelt hat“348. Denn im Hin­ 343 

Hierzu bereits Kap.  2, C., II. Ja. Baumann, S.  143. 345 Vgl. Eisele, §  2, Rn.  3; M. Heinrich, in: FS Schünemann 2014, S.  599; ders. ZJS 2016, S.  578, wonach sich die Verbreitung kinderpornografischer Schriften nach §  184b StGB „nahezu vollstän­ dig zum Internetdelikt“ gewandelt habe. 346 Vgl. Ja. Baumann, S.  248; Schönke/Schröder/Eisele, §  184b, Rn.  21; Gercke, S.  42 f.; M. Heinrich, in FS Schünemann 2014, S.  599; ders., ZJS 2016, S.  578; Jofer, S.  167 ff.; König, Rn.  211; Al. Koch, MMR 1999, S.  709; Römer, S.  96; Schreibauer, S.  294; Sieber, JZ 1996, S.  495; Walther, NStZ 1990, S.  525. 347  BGHSt 47, 55 (59) – „Kinderpornographie im Internet“. 348  BGHSt 47, 55 (59) – „Kinderpornographie im Internet“. 344 Vgl.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

blick auf die Verschmelzung technischer Vorgänge sei es kaum praktikabel, danach zu entscheiden, ob eine Datei vom Anbieter zum Nutzer geschickt werde (Upload) oder ob es ausreiche, dass der Nutzer die angebotene Datei abhole (Download).349 Diesen Schritt begründete der Bundesgerichtshof mit dem gesetzgeberischen Willen, „den Jugendschutz gerade auch im Bereich der Informations- und Kommunikations­ technologie effektiv zu gewährleisten“350, indem dieser mit dem Erlass des IuKDG vom 22. Juli 1997351 Datenspeicher – und damit „digitalisierte Fotos, die ins Internet gestellt werden“ – den Schriften in §  11 III StGB a. F. gleichgestellt hätte.352 Seine Linie bestätigte der Bundesgerichtshof nicht nur in diversen Folgeentschei­ dungen353, vielmehr übertrug er seine „internetspezifischen“ Wertungen darüber hinaus auch auf das bildnisrechtliche Verbreiten in §  22 KUG354. c) Kritik am internetspezifischen Verbreitungsbegriff durch die Literatur Der internetspezifische Verbreitungsbegriff der Rechtsprechung wurde von Seiten der Literatur mit teilweise erheblicher Kritik konfrontiert.355 Insbesondere die höchstrichterliche Begründung zur Gleichstellung von Daten – digitalisierten Bil­ dern – mit Datenspeichern in §  11 III StGB brachte entsprechende Kritik an den Tag, welche am grundsätzlichen Verständnis der Richter hinsichtlich der Funktionsweise digitaler Kommunikation und deren technischen Abläufe zweifelte.356 Dabei wurde trotz aller Kritik am internetspezifischen Verbreitungsbegriff auch auf Seiten der Kritiker grundsätzlich befürwortet, dass das Strafrecht moderne Kommunikationsformen über das Internet erfassen sollte.357 Deshalb fanden einer­ seits eigenständige Ansätze seitens der Literatur statt, den Verbreitungsbegriff „in­

349  BGHSt 47, 55 (59 f.) – „Kinderpornographie im Internet“, wonach die Grenzen vollends „ver­ fließen“ würden, „wenn sich der Nutzer in eine Mailing-Liste des Anbieters einträgt, über die wo­ möglich sogar in Form eines ‚Tauschrings‘ Dateien gegenseitig zugesandt werden“. 350  BGHSt 47, 55 (59 f.) – „Kinderpornographie im Internet“. 351  BGBl. I, S.  1870, 1876. 352  BGHSt 47, 55 (58) – „Kinderpornographie im Internet“. 353  Vgl. BGH, StV 2012, S.  540 – „Verbreiten kinderpornografischer Schriften“; BGHSt 58, 197 (199 f.) – „E-Mail als kinderpornograpische Schrift“, wobei es hier ums „Besitzverschaffen“ über das Internet ging; BGH, NStZ-RR 2014, S.  47 – „Verbreiten und öffentliches Zugänglichmachen von Kinderpornographie im Internet“. 354  Vgl. BGH, NJW 2018, S.  2492 f. – „Kindeswohlgefährdung“. 355  Ja. Baumann, S.  249 ff.; Eckstein, ZStW 117 (2005), S.  123; Eisele, §  21, Rn.  38; Schönke/ Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  21; Fischer (67.  Aufl.), §  184 StGB, Rn.  35; Gercke, MMR 2001, S.  679 f.; Gercke/Brunst, Rn.  312; Spindler/Schuster/Gercke, §  184a StGB Rn.  5 f.; ders., ZUM 2002, S.  288; ders., CR 2010, S.  800; M. Heinrich, in: FS Schünemann 2014, S.  600 ff.; ders., ZJS 2016, S.  579 ff.; Hilgendorf/Valerius, Rn.  304 f.; König, Rn.  218 f.; Kudlich, JZ 2002, S.  311 f.; Lindemann/Wachsmuth, JR 2002, S.  208; Palm, S.  123; A. Popp, ZIS 2011, S.  198; SK/Wolters/Greco, §  184 StGB, Rn.  22. 356  Ja. Baumann, S.  249, 251; vgl. auch Hilgendorf/Valerius, Rn.  304; Lindemann/Wachsmuth, JR 2002, S.  208. 357  Vgl. hierzu auch Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  171.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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ternetspezifisch“ auszulegen358, andererseits wurde für Begehungsformen im Inter­ net auf die dem Verbreiten beigeordneten öffentlichen Tatvarianten – in §  33 KUG wäre dies das öffentliche Zurschaustellen – verwiesen359. Umstritten blieb dabei – nicht zuletzt aufgrund der untechnischen Formulierungsweise des Bundesgerichts­ hofs360 – die Frage, wann ein Verbreiten letztendlich vollendet ist. Strittig war dabei, ob die Datei dauerhaft abgespeichert werden muss oder ob bereits ein temporäres Abspeichern (im Arbeitsspeicher) – etwa bei einem sog. „Lesezugriff“ des Nutzers  – für die Vollendung genügen soll.361 d) Reaktion des Gesetzgebers durch die Neujustierung des §  11 III StGB durch das 60. StrÄndG vom 30. November 2020 Mit dem 60. StrÄndG vom 30.11.2020362 änderte der Gesetzgeber sowohl §  11 III StGB als auch die hierauf verweisenden Tatbestände mit Wirkung zum 01.01.2021, sodass nicht mehr die (körperliche) „Schrift“ sondern nunmehr der (unkörperliche) „Inhalt“ maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die entsprechenden Verbreitensdelik­ te (des Kernstrafrechts) darstellt.363 Damit goss der Gesetzgeber die maßgeblichen internetspezifischen Erwägungen des Bundesgerichtshofs in Gesetzesform. Nicht mehr relevant ist deshalb die Frage, wie ein Bild abgespeichert werden muss, um verbreitet zu sein. Bilder sind demnach verbreitet, wenn sie auf dem Bildschirm eines Nutzers sichtbar werden.364 Ob und wo eine Datei gespeichert wird, ist für das Verbreiten fortan irrelevant. Somit hat sich der Gesetzgeber hinsichtlich des Verbreitensbegriffs im Kernstrafrecht dem Er­ fordernis der Körperlichkeit entledigt. Hiermit sprach der Gesetzgeber hinsichtlich des Streits um die Vollendung des Verbreitens allerdings nur ein vermeintliches Machtwort. Zwar kommt es nunmehr auf die Art der Speicherung – temporär im Arbeitsspeicher oder dauerhaft auf einem sonstigen Speichermedium – nicht mehr an. Unklar ist fortan allerdings, ob ein Ver­ breiten nun auch schon dann vorliegt, wenn der Täter einen (Bild-)Inhalt mittels ei­ nes „Pfads“ oder weiterführenden „Schlüssels“ – etwa in Form eines Hyperlinks zu 358  Ja. Baumann, S.  252 ff.; M. Heinrich, in: FS Schünemann 2014, S.  609 f.; ders., ZJS 2016, S.  583 f. 359  Hilgendorf/Valerius, Rn.  304; Gercke/Brunst, Rn.  312; Palm, S.  123. 360  Zur Klärung dürfte insbesondere nicht die beiläufige Bezeichnung des (zwar flüchtigen aber körperlichen) Arbeitsspeichers als „unkörperlich“ durch BGHSt 47, 55 (59) – „Kinderpornographie im Internet“, beigetragen haben. So allerdings auch der Gesetzgeber zur Novellierung der Schriften­ verbreitungsdelikte in BT-Drs. 19/19859, S.  27; vgl. ferner Hambel, S.  125. 361  Hierzu ausführlich Ja. Baumann, S.  163 ff. m. w. N.; vgl. ferner MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  22. 362  BGBl. I, S.  2600. In Kraft seit 01.01.2021. 363  MüKo StGB/Hörnle, §  184 StGB, Rn.  16; BT-Drs 19/19859, S.  2, spricht von einer Fortent­ wicklung des Schriftenbegriffs zu einem Inhaltsbegriff; vgl. ferner Strauß, NStZ 2020, S.  709 f. (Umwandlung aller „Schriftendelikte“ in „Inhaltsdelikte“). 364  Vgl. MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  22.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

einer Cloud365 – an den Empfänger sendet, ohne dass dieser sich diesem jemals be­ dient und somit niemals den (Bildinhalt)Inhalt abruft, geschweige denn sich diesen anschaut. Nach der alten Rechtslage wäre ein Verbreiten – selbst bei internetspezifi­ scher Auslegung – nach der überwiegenden Ansicht jedenfalls erst dann zu bejahen gewesen, wenn sich der Empfänger den Inhalt – per Lesezugriff – anschaut, weil erst dann eine (flüchtige) Verkörperung im Arbeitsspeicher stattgefunden hätte. Da es nach der neuen Rechtslage aber gerade auf eine Verkörperung gar nicht mehr ankom­ men soll, könnte auch bereits das Versenden des „Schlüssels“ (Hyperlink) als vollen­ detes Verbreiten verstanden werden, ohne dass es jemals zu einem Lesezugriff – und damit zu einer (temporären) Verkörperung – kommen muss. Dass der Gesetzgeber mit dieser Neujustierung beim Flicken des einen Lochs ein anderes aufreißt, wurde von diesem ausdrücklich erkannt und in Kauf genommen, gleichwohl wurde die (neue) Frage zur Vollendung des Verbreitens schlicht den Gerichten überantwor­ tet.366 Sollte also der strafrechtliche (Inhalts-)Verbreitensbegriff ohne weiteres auf §  33 KUG übertragbar sein, gilt es insbesondere die Frage zu beantworten, ab wann ein vollendetes Verbreiten im Sinne des §  33 KUG vorliegt. e) Zur Übertragbarkeit des strafrechtlichen (Inhalts-)Verbreitensbegriffs auf §  33 KUG Nach der hier vertretenen Auffassung sind die Maßstäbe des Kernstrafrechts auf den strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild hinsichtlich der Körperlichkeit einer Verbreitung zu übertragen. Zwar sind die eingangs aufgezeigten historisch-dog­ matischen Parallelen zum Urheberrecht nicht von der Hand zu weisen. Dabei darf aber nicht zu kurz kommen, dass der Gesetzgeber ausdrücklich das Recht am eige­ nen Bild in den §  22 KUG ff. – aus gutem Grund – gerade nicht in das Urheberrecht überführt hat. Dieses schützt – wie das Kernstrafrecht – nicht Urheber-, sondern primär Persönlichkeitswerte367 durch den Umgang mit Personendarstellungen und damit Bildinhalten.368 Dabei hat auch ausdrücklich der Gedanke des (verfassungs­ rechtlichen) Rechts am eigenen Bild zwar nicht als Verbreitensdelikt, gleichwohl mit 365  Wenn im Folgenden im Rahmen des Verbreitens von einem „Hyperlink“ gesprochen wird, ist hierunter der einfache oder externe Link als die klassische, am häufigsten eingesetzte Methode des Verweisens im Internet gemeint; vgl. hierzu Plaß, WRP 2000, S.  599 f.; Schwarzenegger, in: FS Rehbinder 2002, S.  726 f. 366  BT-Drs. 19/19859, S.  27. 367 Vgl. Hambel, S.  306, wonach der (wertneutrale) urheberrechtliche Schutz keiner moralischen oder sittlichen Einschränkung unterliege und somit losgelöst vom eigentlichen Inhalt besteht, so­ bald die Werkeigenschaft vorliegt; ferner Tausch, S.  83, wonach der Schutz des Rechts am eigenen Bild in §  22 KUG eine „noch sensiblere und präventivere Betrachtungsweise“ als das Urheberrecht auf „Wahrung des Werschutzes“ verdiene. 368  Vgl. hierzu bereits RGSt 45, 240 (241): „Freilich kann im Hinblick auf die eigenartige Natur und den Zweck des §  22 a. a. O., durch den ein besonderer Ausfluß des ‚Persönlichkeitsrechtes‘ ge­ schützt werden soll, der Zweifel auftauchen, ob der Begriff „Verbreitung eines Bildnisses“ hier im gleichen Sinne verstanden werden muß, wie er sich auf Grund anders gearteter und andere Zwecke verfolgender Vorschriften, namentlich im Urheberrechte hinsichtlich der Verbreitung von Schrift­

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Anknüpfung an bestimmte (Bild-)Inhalte ganz grundsätzlich auch im Kernstrafrecht in §§  201a, 184k StGB nach dem Willen des Gesetzgebers seinen Niederschlag ge­ funden.369 Da es mit der Repräsentation einer Person also maßgeblich auf den Schutz vor der Kenntnisnahme des menschlichen Erscheinungsbilds durch Dritte letztend­ lich auch auf den Verbleib eines Inhalts und nicht auf ein körperliches Medium an­ kommt, erscheint es kaum überzeugend, auf die Körperlichkeit des Verbreitens im Sinne des Urheberrechts zu beharren.370 Vielmehr würde sich ein solcher Ansatz nach der hier vertretenen Ansicht Gefahr laufen, sich dem begründeten Vorwurf auszusetzen, er verschließe die Augen vor der Realität.371 In der modernen Medien­ landschaft ist es offensichtlich nicht mehr das körperliche Medium, sondern die Bild­ datei, welche verbreitet wird.372 Dabei scheint es kaum vermittelbar, warum eine Person wegen des Verbreitens eines Bildnisses strafbar sein soll, wenn sie einen Datenträger mit einer hierauf gespeicherten Bilddatei an den Empfänger übergibt, nicht hingegen, wenn sie dieselbe Bilddatei an diesen versendet. Irritieren würde es ebenso, das Verbreiten eines kinderpornographischen Inhalts im Sinne des §  184b I Nr.  1 StGB oder eines verleumderischen Inhalts373 nach §  187 StGB beim digitalen Bildnisversand anzunehmen, im gleichen Zuge hingegen das Verbreiten eines Bild­ nisses im Sinne des §  33 KUG mangels körperlichen Verbreitens zu verneinen, ob­ wohl den Inhaltsdelikten offensichtlich auch Elemente des (verfassungsrechtlichen) Rechts am eigenen Bild innewohnen können.374 Im Übrigen halten sich selbst die Verfechter des streng-urheberrechtlichen Verbreitensverständnisses selbst nicht an die Vorgaben des Urheberrechts, wenn es um die Auslegung der Mindestanforderun­ gen – etwa bei der Weitergabe unter Privaten – für ein Verbreiten geht.375 werken und Abbildungen herausgebildet hat“; in diesem Sinne wohl auch Schippan, ZUM 2011, S.  798. 369  Hierzu bereits Kap.  2, C. 370  Vgl. zum „Abstreifen“ des Übereinstimmungsgedankens von Identität und Körperlichkeit in der (Personen-)Bildwahrnehmung Kap.  1, C., I., 3. 371  Vgl. hierzu die einführenden Worte des Gesetzgebungsentwurfs der Bundesregierung in BTDrs. 19/19/19859, S.  1: „Der strafrechtliche Schriftenbegriff […] und die darauf bezogene Verwen­ dung des Begriffs ‚Schriften‘ in den einschlägigen Tatbeständen werden schon begrifflich der Le­ benswirklichkeit heutiger Tatbegehungsformen nicht mehr gerecht. Die Verbreitung strafbarer In­ halte erfolgt nicht mehr vorrangig über papierene Trägermedien, sondern digital über moderne Informations- und Kommunikationstechnik, insbesondere über das Internet“. 372  Hierzu Einführung, A. sowie B. 373  Vgl. hierzu etwa LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  335. 374  Deutlich wird dies etwa an der Strafbarkeit des reinen Besitzes einer kinderpornographi­ schen Schrift im Sinne des §  184b III Var.  2 StGB; vgl. hierzu Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  37; Greco, RW 2011, S.  299, Gropp, in: FS Kühne 2013, S.  690 f.; MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  4, A. Popp, ZIS 2011, S.  202 f. 375  Vgl. Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  51; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  51, wonach der Begriff des Verbreitens in §  22 KUG weiter sei als der in §  17 I UrhG; Leffler, S.  210, wonach im Unterschied zu §  17 I UrhG auch das Verschenken dem bildrechtlichen Verbreiten unter­ falle; so auch Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  32; vgl. ferner Doerbeck, S.  189 f., wonach wohl – entgegen §  17 I UrhG – ein Dritter jedenfalls genüge; a. A. und insoweit konsequent BeckOK

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Ein anderes Ergebnis könnte allenfalls damit begründet werden, dass der Körper­ lichkeit (eines Trägermediums und des Übergabeakts) per se eine gesteigerte Geeig­ netheit der Beeinträchtigung des Betroffenen innewohnt. Dies erscheint möglicher­ weise mit der gesteigerten Chance der Kenntnisnahme durch den Adressaten nicht allzu fernliegend, gleichwohl attestiert auch gerade diese Exklusivität von körper­ lichen Gegenständen und ihrer Übergabe ein verschwindend geringes Maß an Mo­ bilität im Verhältnis zu digitalen Datentransfers. In dieser immensen Mobilität von Inhalten liegt aber gerade die Gefahr des Gesehenwerdens. Dabei stößt sich im Übrigen selbst die ursprüngliche Definition des historischen Gesetzgebers zum Verbreiten – die „Überlassung eines Exemplars“ – nicht am Wort­ laut bzgl. der Körperlichkeit.376 Auch erschiene es inkonsequent, beim Tatobjekt des Bildnisses eine tiefgreifende Liberalisierung des Begriffsverständnisses – selbst in strafrechtlichen Kontexten teilweise entgegen des historischen Gesetzgeberwillens – unter dem Hinweis des grundgesetzlichen Unterbaus zu akzeptieren, hingegen bei der Tathandlung eine entsprechende Liberalisierung abzulehnen, obwohl sich diese an den tatsächliche gesellschaftlichen Realitäten orientiert und auch den grundsätz­ lichen Erwägungen des Gesetzgebers nicht zuwider läuft. Denn dieser hat all die vorangegangenen Erwägungen jüngst mit der Reform des §  11 III StGB aufgegriffen und jedenfalls auch für die Verbreitensdelikte im Kernstrafrecht bestätigt. So wurde vom alten Oberbegriff der „Darstellung“ gerade deshalb Abstand genommen, weil dieser auf Verkörperungen abgestellt hatte.377 Angesichts der vergleichbaren Interessenlage hinsichtlich des Schutzes vor der Verbreitung von Bildnisinhalten mit sonstigen Inhalten erscheint es spätestens mit der Erhebung des Inhalts zum maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Vebreitens­ delikte im Kernstrafrecht wenig überzeugend, an der urheberrechtlichen Interpreta­ tion des Verbreitensbegriffs in §  33 I Var.  1 KUG i. V. m. 22 I Var.  1 KUG hinsichtlich des Erfordernisses der Körperlichkeit der Verbreitung fest zu halten.378 Ein unkör­ perliches Verbreiten eines Bildnisses ist nach der hier vertretenen Ansicht also grundsätzlich möglich.

InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  11, wonach ein Verbreiten nach §  22 KUG im privaten Bereich aufgrund der Parallele zu §  17 UrhG nicht möglich erscheine. 376  Ein Exemplar kann – als Abbild – auch in digitaler Form überlassen werden; vgl. https:// www.dwds.de/wb/Exemplar (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 377  BT-Drs. 19/19859, S.  2: „Anstatt auf das Trägermedium soll zukünftig als Oberbegriff auf den Inhalt selbst abgestellt werden, zumal der jeweilige Inhalt der eigentliche Grund für die Straf­ barkeit darauf bezogener Handlungen ist, nicht das verwendete Trägermedium“; vgl. ferner Fischer, §  11 StGB, Rn.  33. 378  A. A. Doerbeck, S.  189 f., 249; Nicolini/Möhring/Engels, §  22 KUG, Rn.  51; BeckOK UrhR/ Engels, §  22 KUG, Rn.  51; Leffler, S.  224 f., 236; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  32; wohl auch Ulmer-Eilfort/Obergfell/Obergfell/Herbort, Kap.  1, Rn.  990: „dauerhafte Festlegung eines Abbildes“.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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2. Mindestanforderung an das Verbreiten im Sinne einer Adressatenmehrheit Unklarheit besteht hinsichtlich der Mindestvoraussetzungen für ein Verbreiten i. S. d. §  33 I Var.  1 KUG im Hinblick auf den Adressaten- oder Empfängerkreis. Erstaun­ licherweise besteht jedoch insoweit Einigkeit, dass der Verbreitensbegriff im Bild­ nisrecht weiter auszulegen sei, als im Urheberrecht. Es soll also grundsätzlich auch möglich sein, ein Bildnis im privaten Bereich im Sinne des Bildnisrechts zu verbrei­ ten. Dies könnte bereits mit Blick auf §  17 I UrhG irritieren, zumal hiernach dem Verbreiten mit dem „öffentlichen Anbieten“ oder „Inverkehrbringen“ jedenfalls nach der ganz überwiegenden Ansicht ein gewisser Bezug zur Öffentlichkeit innewohnen müsse.379 Dies zeigt bereits, dass die Liberalisierung des Bildnisrechts durch den grund­ rechtlichen Unterbau eines allgemeinen Persönlichkeitsrechtsmantels – insbesondere mit dem Aufkommen der Idee der informationellen Selbstbestimmung – nicht etwa am Tatobjekt des Bildnisses380 Halt gemacht hat, sondern auch nach der überwie­ genden Auffassung Auswirkungen auf die Interpretation des Verbreitens im Bildnis­ recht hat. Unklar ist nun aber, wie weit diese Liberalisierung reichen soll. Dabei fragt sich insbesondere, ob nun auch das Absenden eines Bildnisses an nur eine einzige Person381 – und sei es unter vorgehaltener Hand etwa via Messenger-Dienst auf dem Smartphone – schon als Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG zu verstehen ist. a) Orientierung der bildnisrechtlichen Literatur am kernstrafrechtlichen Verbreitungsbegriff Die Literatur tendiert mehrheitlich dazu, den Verbreitensbegriff im Bildnisrecht denkbar weit auszulegen. Grundsätzlich könne hiernach ein Versenden im privaten Bereich – selbst an eine Einzelperson – als ein Verbreiten in Betracht kommen.382 Allerdings soll selbst bei Zugrundelegung eines solch weiten Begriffsverständnisses eine gewisse Korrekturmöglichkeit bestehen. Dieses Korrektiv soll sich – dem Sinn und Zweck des herkömmlichen Begriffsverständnisses des Verbreitens entspre­ chend383 – an dem Grad des Kontrollverlusts orientieren, welcher der konkreten Ver­ breitenshandlung innewohnt. Die (digitale) Weitergabe eines Bildnisses an eine Per­ son könne hiernach auch dann ein Verbreiten sein, wenn diese das „Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kenntnisnahme in sich“384 berge. Zwar wird dieses Korrektiv von einzelnen Stimmen mit der Erwägung als zu vage angegriffen, der 379  Vgl. nur BGHZ 113, 159 (160) – „Einzelangebot“; BGHSt 49, 93 (103) – „Unberechtigte CD-Pressungen“; Fromm/Nordemann/Dustmann, §  17 UrhG, Rn.  13; Nicolini/Möhring/Götting, §  17 UrhG, Rn.  20; Dreier/Schulze/Schulze, §  17 UrhG, Rn.  7; vgl. insbesondere zum Öffentlich­ keitsbezug des „Inverkehrbringens“ MüKo StGB/B. Heinrich, §  106 UrhG, Rn.  65. 380  Hierzu Kap.  3, A. 381  So wohl ohne weiteres Geiring, S.  134 f.; Wiacek, S.  128. 382  Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  36; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  9. 383  Vgl. hierzu Kap.  3, B., I, 1., a). 384  Si. Beck, MMR 2008, S.  80; Bienemann, S.  201; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  51;

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Weitergabe eines Bildnisses an einzelne Personen wohne bereits der Kontrollentzug des Abgebildeten im Sinne seines informationellen Selbstbestimmungsrechts in­ ne.385 Dieser Einwand ist möglicherweise im Hinblick auf Kommunikationsformen über das Internet nicht von der Hand zu weisen, da sich ein Inhalt selbst bei dem Versenden an einen engen Vertrauten in Sekundenschnelle mit wenigen Klicks oder Swipes unkontrolliert vervielfältigen kann. Allerdings scheinen selbst diese Stim­ men gewisse Ausnahmen für unumgänglich zu halten, ohne diese näher dogmatisch zu untermauern.386 Damit orientiert sich die überwiegende Literatur zum Bildnis­ recht maßgeblich am Begriffsverständnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den kernstrafrechtlichen Schriftenverbreitungsdelikten, welches sich über die Jahre nach und nach herausgebildet hat. b) Rechtsprechung zum kernstrafrechtlichen Verbreiten: Ketten- und Mengenverbreitung unter korrigierender Anknüpfung an ein finales Element Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung braucht es für ein Verbreiten im Sinne der kernstrafrechtlichen Verbreitungsdelikte grundsätzlich ein Zugänglichmachen an einen größeren Personenkreis.387 Dabei könne ein solcher Personenkreis aber nicht allgemein bestimmt werden, vielmehr hinge ein Verbreiten des Tatobjekts vom konkreten Einzelfall ab. Ein Verbreiten läge jedenfalls vor, wenn die entsprechenden Abbildungen so vielen Personen zugänglich gemacht werden, „daß es sich bei den Empfängern um einen für den Täter nicht kontrollierbaren Personenkreis“388 hande­ le.389 Dazu genüge in Anknüpfung an die reichsgerichtliche Rechtsprechung390 schon die Aushändigung an eine einzige Person391, wenn schon bei der Weitergabe des BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  51; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  8; Höning, S.  133; Schimke, NZFam 2019, S.  854; Vetter, AfP 2017, S.  129. 385  Vgl. Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  9; ferner Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  36. 386  Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  9, wonach man auch „im rein privaten Bereich […] begrenzte Ausnahmen zulassen“ müsse. 387  BGHSt 13, 257 (258) – „Verbreiten unzüchtiger Schriften“; BGH, NJW 2005, S.  690 – „Teil­ weises Ausschwitz-Leugnen“. 388  BGHSt 13, 257 (258) – „Verbreiten unzüchtiger Schriften“; BGH, NJW 1999, S.  1980 – „Se­ xueller Mißbrauch von Kindern durch Pornofilme“. 389  Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  23; Fischer, §  184b StGB, Rn.  15; Wandtke/­ Ohst/­B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  170; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  574; MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  23; LK/Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  22. 390  RGSt 7, 113 (114); RGSt 15, 118 (119); RGSt 55, 276 (277). 391  Damit kann an diesem Punkt auch festgehalten werden, dass sich der bildnisrechtliche Ver­ breitungsbegriff vom urheberrechtlichen Verbreiten in §  17 UrhG neben der Körperlichkeitsdimen­ sion (hierzu bereits Kap.  3, B., I., 1., e)) auch hinsichtlich „privaten“ Verbreitungen unterscheidet. Während der urheberrechtliche Verbreitensbegriff nach der ganz überwiegenden Meinung Weiter­ gaben im „privaten Umfeld“ nicht erfassen soll, differenziert der bildnisrechtliche Verbreitensbe­ griff nicht zwischen „privat“ und „öffentlich“ anhand einer persönlichen Beziehung des Verbreiten­ den zum Adressaten. Vielmehr orientiert sich der bildnisrechtliche Verbreitensbegriff an der Kont­ rollierbarkeit des Bildnisinhalts. Zuzugeben ist, dass insoweit eine gewisse Parallelität zwischen

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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ersten Exemplars davon auszugehen sei, dass diese den Gegenstand nicht vertraulich behandeln und die Weiterleitung an einen unkontrollierbaren Personenkreis herbei­ führen werde.392 Aus diesen Erwägungen entwickelten sich die Grundsätze zu den „beiden Spielarten“393 des Verbreitens im Sinne der sog. Ketten- und Mengenverbrei­ tung körperlicher Exemplare. Bei der sog. Kettenverbreitung erfolgt das Zugänglichmachen an den größeren Personenkreis durch die sukzessive Weitergabe eines Exemplars.394 Auch hier gelten die bereits dargestellten Grundsätze, wonach es nicht ausreichen soll, dass nur der Inhalt weitergezeigt wird, ohne dass der Empfänger die Kontrolle hierüber erlangt.395 Liegt hingegen eine Mehrzahl von zu verbreitenden (Einzel-)Schriften vor – wie es üblicher­ weise noch heute bei der Veröffentlichung drucktechnischer Presseerzeugnisse der Fall ist396  – kommt eine sog. „Mengenverbreitung“ in Betracht.397 In beiden Fällen soll nach der überwiegenden Ansicht ein Verbreiten bereits mit der ersten Übergabe eines Exemplars an eine einzelne Person vorliegen. Hiernach muss somit in beiden Spielarten für ein vollendetes Verbreiten nicht erst tatsächlich der größere Personenkreis er­ reicht werden.398

Obwohl somit grundsätzlich im Rahmen der kernstrafrechtlichen Verbreitensdelikte anerkannt wurde, dass im Einzelfall auch eine Verbreitung bei der Weitergabe eines Exemplars an eine einzige Person vorliegen könne, bestanden weiterhin Irritationen bzgl. der Frage, ab wann man von einem solchen Fall (eines zu erwartenden Kontroll­ verlusts) ausgehen könne.399 Hierzu betont die höchstrichterliche Rechtsprechung in ihren jüngeren Entscheidungen, dass es nicht darauf ankommen könne, dass ein sol­ cher Kontrollverlust schon im Zeitpunkt der ersten Weitergabe objektiv feststeht.400 den beiden Ansätzen besteht, als dass private Weitergaben auch in der Regel besser für den Absen­ der kontrollierbar erscheinen. Gleichwohl soll die Möglichkeit einer rein privaten Verbreitung im Bildnisrecht nicht – wie im Urheberrecht – ausgenommen sein. Auch hier zeigt sich der Einfluss des verfassungsrechtlichen Unterbaus des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 392  BGHSt 19, 63 (71) – „Einziehung eines antisemitischen Hetzfilms“; BGH, StV 2018, S.  90 – „Verbreiten von Schriften“. 393  M. Heinrich, ZJS 2016, S.  574. 394  Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  170; Keltsch, NStZ 1983, S.  121. 395  Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  23; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  574 f. a. A. wohl RGSt 47, 223 (226 f.); LK/Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  24; MüKo StGB/Joecks, §  74d StGB, Rn.  9. 396  M. Heinrich, ZJS 2016, S.  575. 397  Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  3, Rn.  170; Keltsch, NStZ 1983, S.  121. 398  BGH, NJW 2005, S.  690 – „Teilweises Auschwitz-Leugnen“; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  575; a. A. NK/Paeffgen, §  86 StGB, Rn.  29. 399  Vgl. die offenen Formulierungen bei BVerfG, NJW 2012, S.  1500 – „Merkmal des ‚Verbrei­ tens‘ volksverhetzender Schriften“, in Anknüpfung an BGH, NJW 2005, S.  690 – „Teilweises Aus­ chwitz-Leugnen“, wonach kein Verbreiten vorliege, „wenn nicht feststeht, dass der Dritte seinerseits die Schrift an weitere Personen überlassen“ werde; ferner BGH, NStZ 2012, S.  564 – „Verbreiten von verfassungswidrigen Kennzeichen und volksverhetzenden Schriften“. 400  BGH, StV 2018, S.  90 – „Verbreiten von Schriften“, wonach nicht „objektiv gesichert“ sein müsse, dass es zu weiteren Überlassungen der Schrift an eine oder mehrere Personen kommen werde, da ansonsten die Grundsätze zur Mengen- und Kettenverbreitung per se im Hinblick auf stets vorhandene Unwägbarkeiten nie zur Anwendung kommen könnten.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

In diesem Zuge knüpft die Rechtsprechung im Falle der Weitergabe an eine Einzel­ person korrigierend an das finale Element des Verbreitensbegriffs – dem konkreten Zweck der Verbreitung – und damit an die Vorstellung des Täters an. Welche Anfor­ derungen aber an diese korrigierende Subjektivierung des Verbreitensbegriffs zu stellen sind, bleibt die Rechtsprechung schuldig.401 Die überwiegende Ansicht lässt hierfür im Sinne des bedingten Vorsatzes genügen, dass der Täter den Kontrollver­ lust im Sinne der sukzessiven Weiterreichung an einen größeren Personenkreis zu­ mindest billigend in Kauf genommen hat.402 c) Erwägungen des Gesetzgebers zur Reformierung der Schriftenverbreitungsdelikte Ergänzend hierzu können die nahezu beiläufigen Erwägungen des Gesetzgebers im Rahmen der Reformierung des §  11 III StGB in den Blick genommen werden, in welchen dieser maßgeblich den Erwägungen der internetspezifischen Auslegung durch den Bundesgerichtshof gefolgt ist.403 Im Rahmen der Erörterung der Kritik zur Etablierung des internetspezifischen Verbreitungsbegriffs klang bereits an, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung an sich keine Not hatte, den Verbreitensbegriff internetspezifisch auszulegen, zumal der infrage stehende Fall über die Tatvariante der öffentlichen Begehungsweise hätte gelöst werden können.404 Nicht allzu fern liegt also die Frage, warum überhaupt der Verbreitensbegriff internetspezifisch aus­ gelegt werden musste. Vor diesem Hintergrund könnten die Erwägungen des Gesetzgebers zum Verhält­ nis des Variantenpaars – Verbreiten und öffentliche Begehungsweise – in §  80a StGB (Aufstacheln zum Verbrechen der Aggression) aufschlussreich erscheinen. Hiernach sei es sinnvoll beide Tatvarianten beizubehalten, da diese (auch nach der Neurege­ 401  BGH, StV 2018, S.  90 – „Verbreiten von Schriften“, spricht von einer „Präzisierung“ des Vor­ satzes hinsichtlich des weiteren Kausalverlaufs. 402  RGSt 9, 292 (294 f.); BGHSt 19, 63 (71) – „Einziehung eines antisemitischen Hetzfilms“; vgl. auch BVerfG, NJW 2012, S.  1500 – „Merkmal des ‚Verbreitens‘ volksverhetzender Schriften“; BGH, NJW 2005, S.  690 – „Teilweises Ausschwitz-Leugnen“, welche „damit rechnen“ als Mindest­ voraussetzungen nennen; in der Lit.: Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Kap.  6, Rn.  170, wonach ein Ver­ breiten vorliege, „wenn die Verbreitung an einen unbestimmbar großen Personenkreis erwartet“ werde; SSW/Hilgendorf, §  184b, StGB Rn.  10; MüKo StGB/Joecks/Meißner, §  74d StGB, Rn.  10; LK/Steinsiek, §  86 StGB, Rn.  23; a. A. MüKo StGB/Hörnle, §  184 StGB, Rn.  63, wonach „damit rechnen“ nicht genüge; NK/Paeffgen, §  86 StGB, Rn.  27, welcher fordert, dass der Täter „darauf vertraut (sich dessen gewiss ist)“; strenger Schönke/Schröder/Eisele, §  184 StGB, Rn.  5a, welcher Absicht fordert; so auch E. Franke, GA 1984, S, 471, welcher zusätzlich noch mindestens drei Emp­ fänger fordert; Schroeder, JZ 2002, S.  412, wonach das bloße „damit rechnen“ nicht ausreiche; SK/ Wolters/Greco, §  184a StGB, Rn.  6: „sicheres Wissen“ oder „Bezwecken; ferner OLG Bremen, NJW 1987, S.  1428; „Absicht […] oder zumindest eine in den Umständen des Einzelfalles begrün­ dete Vorstellung“; noch strenger MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  23, welche zusätzlich zur Absicht noch mindestens drei Empfänger fordert; vgl. hierzu auch die kritischen Anmerkungen von M. Heinrich, ZJS 2016, S.  575 f., welcher vor einer „Ausweitung der Verbreitenstrafbarkeit“ warnt. 403  Vgl. BT-Drs. 19/19859, S.  27. 404  So auch bereits Ja. Baumann, S.  250; Gercke, MMR 2001, S.  679; Kudlich, JZ 2002, S.  311 f.; Palm, S.  123; SK/Wolters/Greco, §  184 StGB, Rn.  22; i. E. auch Hilgendorf/Valerius, Rn.  305.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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lung) nicht deckungsgleich seien. So könne „das Verbreiten bei einer entsprechenden Intention der Weitergabe an Dritte bereits mit der Übermittlung des Inhalts an nur eine Person vollendet sein, während bei der öffentlichen Begehungsweise im Einzel­ nen strittig ist, inwieweit sie auch die Übermittlung an einen begrenzten Personen­ kreis“405 erfasse. Versteht man diese Wertungen als kennzeichnend für das Verbrei­ ten und dessen Verhältnis zur öffentlichen Begehungsweise im Kernstrafrecht406 wie im Bildnisrecht, so liegt hierin nicht nur die Anerkennung der Möglichkeit einer Einzelverbreitung bei entsprechender Intention durch den Gesetzgeber.407 Vielmehr bestätigt sich hierin die Vermutung, dass mit einer „internetspezifischen Auslegung“ des Verbreitensbegriffs gerade (präventiv) auch solche Versendungen erfasst werden sollten, in denen ein Bildnis(inhalt) an noch nicht viele Personen gelangt ist. d) Rechtsprechung zu §  22 ff. KUG: Tendenz zur einzelfallbezogenen Auslegung des Verbreitensbegriffs Da sich die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Bildnisrecht hinsichtlich des Körperlichkeitserfordernisses instinktiv den Maßstäben des kernstrafrechtlichen Verbreitens angeschlossen hat408, erstaunt es, dass eine solche Übertragbarkeit nicht ohne weiteres für die Mindestanforderungen an den Empfängerkreis zu gelten scheint. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass der Begriff des Verbreitens in §  22 KUG von der höchstrichterlichen Rechtsprechung je nach Lage des Einzelfalls anhand einer Gesamtabwägung aller Umstände der Bildnisveröffentlichung409 – in welcher insbe­ sondere der konkrete Bildnisinhalt eine Rolle zu spielen scheint – neu kalkuliert wird, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Dies wird insbesondere in den­ jenigen Fallkonstellationen sichtbar, in welchen vergleichbare Weitergabeszenarien nicht einheitlich hinsichtlich des Verbreitens bewertet wurden. aa) Vorlage bei Gericht So ging der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zur „Kindeswohlgefährdung“ vom 28.02.2018 etwa davon aus, dass die Vorlage von elf Bildnissen eines siebenjährigen verletzten Kindes mit entblößtem Oberkörper bei Gericht ein Verbreiten im Sinne des §  22 KUG darstelle, obwohl „anders als bei einer Veröffentlichung in den Medien nur die Wahrnehmung durch einen begrenzten Personenkreis zu erwarten“410 sei. Selbst „wenn man einer Definition des Verbreitens folgen wollte, wonach Verbrei­ 405 

BT-Drs. 19/19859, S.  52. So jedenfalls BT-Drs. 19/19859, S.  27. 407  Wie diese „entsprechende Intention“ aber beschaffen sein muss, wird nicht näher dargelegt. 408  Hierzu bereits Kap.  3, B., I., 1. und insbesondere die eigenen Erwägungen bei Kap.  3, B., I., 1., e). 409  Vgl. den Wortlaut bei BGH, NJW 2018, S.  2493 – „Kindeswohlgefährdung“: „[…] ob ein Verbreiten anzunehmen ist, ist im Gesamtkontext der Verwendung der Bilder […] zu beurteilen“. 410  BGH, NJW 2018, S.  2492 – „Kindeswohlgefährdung“. 406 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

tung die Weitergabe ist, die das Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kennt­ nisnahme in sich birgt […], wäre durch die Zuleitung der Lichtbilder an die Gerichte und die Überlassung an die Behörde der Tatbestand des Verbreitens i. S.d §  22 KUG erfüllt, da auch dadurch dieses Risiko“411 bestünde. Nicht einmal drei Monate später ging derselbe Senat in seiner „Dashcam“-Entscheidung vom 15.05.2018 hingegen bei der Vorlage von Bildnissen zu Beweissicherungszwecken bei Gericht von keinem Verbreiten im Sinne des §  22 KUG aus, da der Begriff des Verbreitens in solchen Fällen teleologisch zu reduzieren sei.412 Im Zuge eines knappen Rekurses auf die reichsgerichtliche „Bismarck“-Entscheidung413 gelangte das Gericht zu der Erkennt­ nis, das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild versuche lediglich einen Ausgleich zwischen der Achtung der Persönlichkeit und den Informationsinteressen der Allge­ meinheit herzustellen. Für Fälle entgegenstehender Interessen von Abbilder (in Form dessen Justizgrundrechte) und Abgebildeten (in Form dessen Recht am eigenen Bild) bestehe deshalb eine planwidrige Regelungslücke.414 Diese gelte es im Wege richter­ licher Rechtsfortbildung durch eine teleologische Reduktion des Verbreitensbegriffs zu schließen.415 bb) Presseinterne Verbreitungen Ähnliche Gräben scheinen sich seit geraumer Zeit bei (internen) Weiterreichungen von Bildnissen durch (presseangehörige) Fotografen an Redaktionen zum Zwecke der Veröffentlichung aufzutun. So verneinte noch der Bundesgerichtshof im Jahr 2010 bei der Weitergabe eines Bildnisses eines „Jahrhundert-Mörders“ durch den Betreiber einer kommerziellen Bildagentur an den Playboy ein tatbestandliches Ver­ breiten im Sinne des §  22 KUG. Eine Bildagentur übernehme nach der Ansicht des Gerichts im Rahmen der Presseberichterstattung nur „medienbezogene Hilfstätig­ keiten“ und sei damit organisatorisch eng an das anfragende Presseunternehmen ge­ bunden.416 Weil der Abruf des Fotos zu einer bloß presseinternen Weitergabe führe, welcher keine Außenwirkung zukomme, sei der durch die §§  22 ff. KUG angestrebte Schutz des Persönlichkeitsrechts des Abgebildeten nicht tangiert.417 Ersichtlich lege deshalb schon keine Verbreitungshandlung im Sinne des §  22 KUG vor, wenn ein 411 

BGH, NJW 2018, S.  2492 f. – „Kindeswohlgefährdung“. Cornelius, NJW 2018, S.  2493, welcher die unterschiedlichen Ergebnisse wohl darauf zurückführt, dass es im „Dashcam“- Fall um die Vorlage zu alleinigen Beweiszwecken ging. 413  Vgl. Kap.  1, B., IV., 6., b). 414  BGHZ 218, 348 (36) – „Verwertbarkeit von ‚Dashcam-Aufzeichnungen‘“: „[…] planwidriges Fehlen eines Ausnahmetatbestandes […]“; so zuvor bereits LG Frankenthal, NJOZ 2016, S.  1198 f.; LG München, ZD 2017, S.  36; alle Entscheidungen unter Berufung auf EGMR, NJW 2015, S.  1080 – „De la Flor Cabrera/Spanien“ in welcher Entscheidung der Gerichtshof allerdings gerade konsta­ tierte, dass keine öffentliche Verbreitung bei der Vorlage eines Videos als Beweismittel im Zivilpro­ zess vorliege. 415  BGHZ 218, 348 (376), Rn.  57 – „Verwertbarkeit von ‚Dashcam-Aufzeichnungen‘“. 416  BGHZ 187, 254 (358) – „Bildarchiv“; vgl. auch Czernik, GRUR-Prax 2011, S.  64. 417  BGHZ 187, 254 (358) – „Bildarchiv“. 412 Vgl.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Presseverlag auf sein eigenes Bildarchiv oder auf das Bildarchiv eines Drittunter­ nehmens zugreife.418 Denn es bestünde kein rechtfertigender Grund, den – in Art.  5 I 2 Var.  1 GG verbürgten – Schutz der Pressefreiheit bei der Beschaffung von Infor­ mationen zu schwächen, indem dem Betreiber eines Bildarchivs die in §§  22, 23 KUG festgeschriebenen Prüfpflichten hinsichtlich einer möglichen Verwertung der Bilder im Rahmen einer Presseberichterstattung auferlegt werden.419 Eine vermeintlich andere Richtung schlug das Bundesverfassungsgericht in sei­ nem „Verpixelungs“-Beschluss420 hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals des Ver­ breitens in §  33 I Var.  1 KUG im Jahr 2020 ein, als es über die Weitergabe eines Bildnisses an einen (persönlich bekannten) Mitarbeiter der Presseredaktion der Bild-Zeitung durch einen freien Fotografen als „nicht routinemäßigen Zulieferer“ entschied.421 Hiernach begegne es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Fachgerichte die Weitergabe an die Redaktion zum Zweck einer späteren Ver­ öffentlichung als Verbreiten im Sinne der §§  22 ff. KUG eingestuft haben.422 Dabei betonte der erste Senat allerdings erstaunlicherweise, dass dieses Ergebnis nicht die oben skizzierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Weitergabe von Bildnissen durch (externe) Bildarchive in Frage stelle. Denn diese Rechtsprechung betreffe zum einen die „routinemäßige Zulieferung von Bildmaterial, dessen Einsatzweise und konkreter Veröffentlichungskontext noch im Unklaren liegen“. Zum anderen scheint das Bundesverfassungsgericht nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass die bishe­ 418 

Vgl. BGHZ 187, 254 (358) – „Bildarchiv“. BGHZ 187, 254 (358 f.) – „Bildarchiv“. Eine Verpflichtung des Bildarchivbetreibers, „aus­ nahmslos oder doch regelmäßig vor Herausgabe von angefordertem Bildmaterial zu prüfen, für welche Zwecke dieses verwendet werden soll“, bestünde auch aufgrund einer Störerhaftung nicht. Denn „eine derart umfangreiche Obliegenheit würde die Betreiber von Archiven in technischer persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht überfordern und das Betreiben von umfangreichen Textund Bildarchiven letztlich wegen der sich aus der Überwachungspflicht ergebenden Haftungsrisi­ ken in unzumutbarer Weise erschweren“; vgl. auch OLG Hamburg, K&R 2018, S.  413 f. 420  BVerfG, NJW 2020, S.  2531 ff. – „Ebola-Virusverdächtiger“. Der Fotograf richtete sich mit einer (im Ergebnis erfolgreichen) Verfassungsbeschwerde gegen eine strafgerichtlichliche Verurtei­ lung nach §  33 I Var.  1 KUG wegen der Weitergabe eines Bildnisses an die Onlineredaktion der Bild zum Zweck der Veröffentlichung. Die Fotoaufnahme zeigte einen dunkelhäutigen Patienten im Wartebereich eines Universtitätsklinikums und wurde nach der Weitergabe unverpixelt unter der Überschrift „Ebola Panne in NRW? – Virus-Verdächtiger musste auf Klinik-Flur warten“ in der Online-Ausgabe veröffentlicht worden. Zum Zeitpunkt von Weitergabe und Veröffentlichung erfuhr die Ausbreitung des Ebola-Virus breite Aufmerksamkeit in der Bevölkerung. Unmittelbar nach der Anfertigung des Bildnisses wurde der Fotograf sowohl von dem Betroffenen, dem Arztpersonal und später der hinzugezogenen Polizei erfolglos zur Löschung aufgefordert. Vor der Weitergabe an die Bild-Redaktion hatte der Fotograf das Bildmaterial unter Erläuterung des Entstehungskontexts auch anderen Nachrichtenredaktionen angeboten, die eine Veröffentlichung aber jeweils abgelehnt hatten. Das AG Aachen verurteilte den Fotografen wegen §  33 I Var.  1 KUG zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80€ (Urt. v. 29.10.2015 – 447 Ds 249/15 = BeckRS 2015, 122789). Auf die Be­ rufung der StA und des Fotografen hin erhöhte das LG Aachen die Gelststrafe auf 40 Tagessätze (Urt. v. 07.09.2016 – 71 Ns-2 JS 1508/14-15/16 = BeckRS 2016, 123955). Das OLG Köln verwarf die Revision als unbegründet; vgl. OLG Köln, ZUM-RD 2017, S.  551. 421 Vgl. Sajuntz, NJW 2021, S.  597. 422  BVerfG, NJW 2020, S.  2532 – „Ebola-Virusverdächtiger“. 419 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

rige höchstrichterliche Linie – trotz Zivilrechtsakzessorietät des §  33 KUG – auch auf das Strafrecht Anwendung finden müsse.423 Jedenfalls sei aus verfassungsrecht­ licher Sicht zu bedenken, dass eine solche „Verengung des ‚Verbreitungsbegriffs‘“ die Betroffenen „vollständig aus dem gestuften Schutzkonzept der §§  22 f. KUG aus­ nähme, so dass jede Form der – gegebenenfalls achtlosen – presseinternen Weiter­ gabe an eine oder innerhalb einer Redaktion selbst bei Aufnahmen aus dem Intim­ bereich ohne jeglichen Öffentlichkeitswert strafrechtlich zulässig wäre“424. Im Er­ gebnis läge demzufolge zwar ein Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG vor, gleichwohl handelte es sich bei der Weitergabe um eine zeitgeschichtliche Veröffent­ lichung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG.425 Die erforderliche Berücksichtigung der grundrechtlichen Presseprivilegien verlagerte das Gericht somit wieder von der Ebe­ ne des Verbreitens in die Abwägung nach §  23 KUG hinein.426 e) Zusammenfassende Schlussfolgerungen Somit bestehen de lege lata erhebliche Unsicherheiten, was die Mindestanforderun­ gen an ein Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG angeht. Zwar liegt die Übertra­ gung der Maßstäbe des kernstrafrechtlichen Verbreitensbegriffs mit dessen Ausprä­ gungen der Ketten- und Mengenverbreitung nahe, gleichwohl besteht die Sorge, dass die Rechtsprechung den Begriff des Verbreitens im Bildnisrecht weiterhin als Ein­ fallstor für ergebnisorientierte Erwägungen nutzen wird. Konkret steht also im Raum, dass die Rechtsprechung das Verbreiten selbst beim Versenden an eine ein­ zelne Person schon dann annehmen wird, wenn hieraus eine Intimsphärenverletzung des Abgebildeten resultiert. Ob der „Verpixelungs-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Unbestimmtheit des (strafrechtlichen) Verbreitensbegriffs im Bildnisrecht Abhilfe schaffen wird, darf jedenfalls weiter bezweifelt werden. Denn obwohl die Verfas­ sungsrichter – im Ergebnis in begrüßenswerter Weise – den Verbreitungsbegriff (zu­ mindest im Strafrecht) objektiv und nicht vorschnell ergebnisorientiert auslegten, begründen sie ihr Ergebnis maßgeblich ebenfalls mit der (Gesamt-)Erwägung, wo­ nach intime Bilder nicht vorschnell aus dem Anwendungsbereich des Verbreitens 423  BVerfG, NJW 2020, S.  2532 – „Ebola-Virusverdächtiger“: „Inwieweit diese Rechtsprechung dem Anspruch nach auch für die strafgerichtliche Praxis greifen muss, obliegt der Entscheidung der Fachgerichte“; vgl. auch Muckel, JA 2020, S.  873. 424  BVerfG, NJW 2020, S.  2532 – „Ebola-Virusverdächtiger“. 425  BVerfG, NJW 2020, S.  2533 – „Ebola-Virusverdächtiger“. 426  Das AG Aachen, Urt. v. 29.10.2015 – 447 Ds 249/15 = BeckRS 2015, 122789, hatte zuvor das Verbreiten bejaht und keine Abwägung nach §  23 I Nr.  1 KUG vorgenommen. Das LG Aachen, Urt. v. 07.09.2016 – 71 Ns-2 JS 1508/14-15/16 = BeckRS 2016, 123955, hatte zwar – in systematisch fragwürdiger Weise – ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG angenommen, dann aber bei einer (anschließenden) Abwägung nach §  23 II KUG aufgrund der stigmatisierenden Wirkung zugunsten des Abgebildeten entschieden und die Verletzung dessen berechtigten Interes­ sen bejaht. Nach konsequenter Anwendung des abgestuften Schutzkonzepts dürfte also bereits kein zeitgeschichtliches Ereignis vorliegen. Das OLG Köln, ZUM-RD 2017, S.  551, kam zum selben Abwägungsergebnis.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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fallen dürften.427 Klar ist an dieser Stelle nur, dass selbst die Übersendung an nur eine Person ein Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG darstellen kann. Welche Umstände aber für die Bejahung in einem solchen Fall hinzutreten müssen sind nicht klar. Nach dem bisher Gesagten ist also davon auszugehen, dass die Gerichte ein bildnisrechtliches Verbreiten annehmen werden, wenn entweder (im Sinne des kern­ strafrechtlichen Verbreitungsbegriffs) die subjektive Komponente des Verbreitenden stark ausgeprägt ist und die Weiterleitung gerade zum Zweck weiterer Veröffent­ lichungshandlungen erfolgte, oder desto stärker die Veröffentlichung des Bildnisses in die Privatsphäre den Abgebildeten eingreift. Freilich kann eine solch vage Vermutung allein aufgrund des strafrechtlichen Be­ stimmtheitsgrundsatzes nicht überzeugen. Auch in dieser Hinsicht vermag der Hin­ weis des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Klärung beizutragen, wonach mögli­ cherweise das zivilrechtliche Verbreiten gesondert vom strafrechtlichen Verbreiten im Bildnisrecht zu bewerten sein könnte. Damit gilt es im Folgenden zunächst grundsätzliche Erwägungen hinsichtlich der bereits angerissenen problematischen Konstellationen de lege lata anzustellen, welche sich aufgrund der Orientierung am kernstrafrechtlichen Verbreitensbegriffs ergeben.428 3. Problematische Konstellationen bei Heranziehung des Verbreitensbegriffs der kernstrafrechtlichen Inhaltsdelikte Nachdem die Grundausrichtung des bildnisrechtlichen Verbreitensbegriffs in §  33 I Var.  1 KUG durch die Übertragung der kernstrafrechtlichen Wertungen zum Ver­ breiten von Inhalten erfolgte, gilt es sich im Folgenden den hieraus resultierenden problematischen Konstellationen zu widmen. Geklärt werden muss zum einen, wann ein bildnisrechtliches Verbreiten vollendet ist (1.) und zum anderen, welche Anforde­ rungen an den Mindestadressatenkreis zu stellen sind (2.). a) Vollendung des Verbreitens Legt man mit der hier vertretenen Auffassung den strafrechtlichen Verbreitungsbe­ griff zu Inhaltsdelikten für das bildnisrechtliche Verbreiten in §  33 I Var.  1 KUG zugrunde, stellt sich nach der Novelle des §  11 III StGB zum 01.01.2021 insbesonde­ re die Frage, ab wann ein Bildnisinhalt verbreitet ist. Nach der alten Rechtslage wurde das Verbreiten überwiegend als das auf-denWeg-Bringen einer Schrift verstanden, ohne dass es darauf ankommen sollte, ob der Empfänger tatsächliche Kenntnis vom Inhalt genommen hat.429 Umstritten war aller­ 427  Offenbar blieb also auch die Wertung des §  201a StGB bei dieser Erwägung außen vor, wel­ cher die Weitergabe der genannten Abbildungen erfasst hätte. 428  Hierzu sogleich Kap.  3, B., I., 3. Diese Erwägungen können dann Ausgangspunkt für weitere Überlegungen für den strafrechtlichen Bildnisschutz de lege ferenda sein; vgl. hierzu dann Kap.  4, B., II. 429  Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  23; Fischer, §  184b StGB, Rn.  15.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

dings, inwieweit eine Datei beim Empfänger auch angekommen sein musste. Die wohl herrschende Meinung zur Schriftenverbreitung ging hier davon aus, dass die tatsächliche Erlangung durch mindestens einen Empfänger zwingend notwendig sei.430 Geklärt ist mit der Neujustierung des §  11 III StGB durch den Gesetzgeber jedenfalls die Frage, ob das Ankommen einer (Bild-)Datei im flüchtigen Arbeitsspei­ cher des Nutzers bereits ein Verbreiten darstellen kann, da es weder auf den Ort noch die Art der Speicherung für ein Verbreiten ankommen soll.431 Somit ist eine (Bild­ nis-)Datei de lege lata jedenfalls dann verbreitet, wenn sie dergestalt in die Sphäre des Empfängers gelangt ist, sodass dieser frei von der Einwirkungsmöglichkeit des Absenders über sie verfügen kann. Das ist in erster Linie dann (auch) nach der neuen Rechtslage der Fall, wenn die Datei – dauerhaft oder nur temporär – beim Empfänger abgespeichert wurde und der Absender auf diese (abgespeicherte) Datei keinen Ein­ fluss mehr hat. Dies soll zunächst anhand eines Beispiels zur dauerhaften Speicherung verdeutlicht wer­ den.432 Sendet etwa A dem B eine Bildnisdatei per E-Mail, welcher ein entsprechendes E-Mail-Pro­ gramm nutzt, das seine E-Mails nebst Anhängen auf seinem Rechner frei vom Zugriff des A automatisch abspeichert, liegt ein Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG vor. Dasselbe gilt, wenn A dem B ein Bild über einen Messengerdienst (wie etwa Whatsapp) schickt und B eine Auto-Download-Funktion aktiviert hat, welche das Bild automatisch auf dem Smart­ phone oder Rechner abspeichert, ohne dass A Zugriff auf den Verbleib der Bilddatei hat. Bietet A eine Bildnisdatei im Internet zum Download (beispielsweise über eine bestim­ mungsgemäßes Peer-to-Peer-Programm) an, so lag nach der internetspezifischen Auslegung jedenfalls dann ein Verbreiten vor, wenn ein sog. Lesezugriff eines anderen Nutzers im Sinne einer Anforderung erfolgte, sodass es zu einer dauerhaften Speicherung – dem Download – beim zugreifenden Nutzer kam.433 Dabei sollte der Begriff des Lesezugriffs nicht allzu wört­ lich verstanden werden. Darauf, ob eine Datei im Zuge der Speicherung tatsächlich gelesen oder angeschaut wurde, kam es nicht an. Bzgl. einer (lediglich) temporären Speicherung könnte ein Beispiel wie folgt aussehen: A lädt ein Bild auf seine Homepage und schickt B einen Link, der zu dieser Seite führt. B klickt auf diesen Link – es findet also ebenfalls ein sog. Lesezugriff statt – infolgedessen das Bild auf dem Bildschirm des B erscheint. Damit befindet sich die Bilddatei im temporären (Arbeits-)Speicher des B, ohne das A noch Einfluss auf den Verbleib der Bilddatei hat. Ein Verbreiten liegt somit auch hiernach vor. 430  BGH, NStZ-RR 2014, S.  47, wonach zumindest ein „Lesezugriff“ zu erfolgen habe; ein Ver­ breiten liegt hiernach nicht vor, wenn die Schrift in „niemandes Hände“ gelangt ist; vgl. hierzu E. Franke, GA 1984, S.  470; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  577; NK/Paeffgen, §  86 StGB, Rn.  29; SK/ Wolters/Greco, §  184a StGB, Rn.  6; vgl. ferner Fischer, §  184 StGB, Rn.  16; MüKo StGB/Hörnle, §  184 StGB, Rn.  21; a. A. Schönke/Schröder/Eisele, 184b StGB, Rn.  23. 431  BT-Drs. 19/19859, S.  27. 432  Dabei ist in allen Fällen zur Vollendungsstrafbarkeit davon auszugehen, dass mit der Über­ sendung an B die Mindestanforderungen hinsichtlich des Adressatenkreises für ein Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG erreicht wurde; vgl. hierzu Kap.  3, B., I., 2. 433  Vgl. BGHSt 47, 55 (60) – „Kinderpornographie im Internet“; BGH, StV 2012, S.  540 – „Ver­ breiten kinderpornografischer Schriften“; BGH, NStZ-RR 2014, S.  47 – „Verbreiten und öffent­ liches Zugänglichemachen von Kinderpornographie im Internet“; Fischer, §  184 StGB, Rn.  34.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands genügt bedingter Vorsatz.434 In allen Beispie­ len435 reicht es somit aus, dass der Täter billigend in Kauf nimmt, dass die (Bildnis-)Datei durch seine Handlung in die Sphäre des Empfängers gelangt ist, sodass dieser frei von der Einwirkungsmöglichkeit des Absenders über sie verfügen kann. Unerheblich ist also für den Vorsatz, wenn der Täter beim Absenden nicht weiß, ob der Empfänger seine Auto-Download Funktion aktiviert hat.

aa) Ausbleibende Speicherung auf dem Rechner Eine Neuerung birgt die Anknüpfung an die Inhaltsvermittlung hinsichtlich des Speicherorts einer (Bild-)Datei. Denn auch nach der internetspezifischen Auslegung des Bundesgerichtshofs, musste die Bilddatei in irgendeiner Form (dauerhaft oder temporär) „auf dem Rechner des Internetnutzers“436 ankommen. Unklar ist die Rechtslage allerdings, wenn die (Bild-)Datei gar nie – weder dauerhaft noch tem­ porär – auf dem Rechner des Nutzers abgespeichert wird. A schickt B eine Bildnisdatei per E-Mail. B benutzt allerdings kein wie oben beschriebenes E-Mail-Programm, sondern er ruft seine E-Mails immer über den Browser ab. Die E-Mail von A wird also zunächst nur auf dem Server seines E-Mail-Dienstanbieters gespeichert. Wegen der Dateigröße landet die E-Mail von A allerdings im Spamordner, was dazu führt, dass B die E-Mail nie zu Gesicht bekommt. Die Bildnisdatei wird also weder dauerhaft noch temporär auf dem Rechner des B gespeichert und B erhält nie Kenntnis von dem Bildnisinhalt. Ähnlich ist die Lage, wenn A dem B ein Bildnis über einen Messengerdienst schickt, B al­ lerdings jede Form der automatischen Speicherung ausgeschalten hat, weil er (aus verschiede­ nen Gründen) nicht automatisch alle ihm zugesendeten Bilder auf seinem Smartphone abge­ speichert wissen möchte. Daraufhin bekommt B ein verschwommenes Vorschaubild, welches er zwar abrufen könnte, diesen Downloadvorgang er aber nie vornimmt (weil er es etwa schlicht vergisst). Das Bildnis landet somit weder im temporären noch dauerhaften Speicher von B, sondern allenfalls das verschwommene Vorschaubild.

Selbst die internetspezifische Auslegung des Bundesgerichtshofs hätte hier ihre Schwierigkeiten gehabt, ein Verbreiten – mangels irgendeiner Speicherung auf dem Rechner des Nutzers – anzunehmen. §  11 III StGB setzt nunmehr allerdings gar ­keine Speicherung, sondern lediglich eine Übertragung voraus. Insoweit kann also bereits in den geschilderten Fällen – zumindest dem Wortlaut nach – bei ausbleiben­ der Speicherung der (Bildnis-)Datei ein Verbreiten bejaht werden. Damit ist aller­ dings noch nicht geklärt, wie das konkrete Auf-den-Weg-Bringen beschaffen sein muss, um als bildnisrechtliche Verbreitung gewertet zu werden. Dies gilt es im Fol­ genden unter Betrachtung weiterer Beispiele zum modernen Datentransfers heraus­ zuarbeiten.437

434 

Vgl. Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  46. Zum Setzen von (sich selbst löschenden) Statusmeldungen in Form eines Bildnisses vgl. Kap.  3, B., II., und dort insbesondere 1., e). 436  BGHSt 47, 55 (59) – „Kinderpornographie im Internet“. 437  Zur eigenen Lösung vgl. Kap.  3, B., I., 3., a), dd). 435 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

bb) Verbreiten eines digitalen Schlüssels oder digitalen Pfads Unklar sind die bereits angeklungenen438 – vom Gesetzgeber erkannten und den Ge­ richten überantworteten439 – Konstellationen, in welcher der Absender dem Empfän­ ger lediglich den Weg zu einem (Bildnis-)Inhalt zeigt. A lädt eine Bildnisdatei auf (s)eine Cloud und übersendet B den generierten, hierauf verwei­ senden Hyperlink, der im Falle des Anklickens zum Aufruf der Bilddatei – und damit mindes­ tens zur temporären Speicherung – führt. B greift hierauf aber nie zu und ignoriert die Nach­ richt, welche den digitalen Schlüssel zum Bildnisinhalt enthält. Ein zu einer Speicherung des Bildnisses führender Lesezugriff findet somit nie statt.

Da es nach §  11 III StGB auf eine Speicherung nicht mehr ankommt, könnte man in einem solchen Fall bereits ein Verbreiten unabhängig vom Lesezugriff des Nutzers annehmen. Allerdings wurde auch nicht direkt der Inhalt versendet, sondern allen­ falls der Schlüssel oder Wegweiser dazu. Der Gesetzgeber selbst lässt nur insoweit eine vage Tendenz erkennen, wonach im Falle der Annahme eines Verbreitens in solchen Fällen die Grenzen zum öffentlichen Zurschaustellen verwischt würden.440 Einheitliche Linien zur Bestimmung des Verbreitens zeichnen sich zu diesen Fällen bislang in der Literatur nicht ab.441 cc) Rückholmöglichkeiten des Absenders durch Löschfunktionen und Einmalansichten Unberücksichtigt blieben ferner Rückholmöglichkeiten des Absenders, wie sie mo­ mentan nicht nur manche Messenger-Dienste442, sondern auch E-Mail-Program­ me443 gewisser Anbieter zur Verfügung stellen. A sendet eine Bildnisdatei um halb Vier Uhr morgens via Messenger-App an B, welcher schläft. Die Datei kommt an und wird über die Autosave-Funktion sogar in den dauerhaften Speicher des Smartphones von B gespeichert. Nun bereut A seine Kurzschlussreaktion und löscht daraufhin das Bildnis im Chatverlauf mit B. Da sich der Löschvorgang noch im Zeit­ 438 

Kap.  3, B., I., 1., e). BT-Drs. 19/19859, S.  27. 440  BT-Drs. 19/19859, S.  27; vgl. hierzu bereits S. Müller, S.  128. 441 Während Fischer, §  184b StGB, Rn.  16, weiterhin einen Lesezugriff für das Verbreiten for­ dert, hält etwa MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  22, bei entsprechender Personalisierung der Versendung eines solchen Schlüssels – etwa als E-Mail – ein Verbreiten für denkbar. 442  Für den Messengerdienst Whatsapp gilt etwa die momentane Regel, dass Chatnachrichten bis zum Ablauf von 68 Minuten gelöscht werden können; vgl. https://faq.whatsapp.com/iphone/ chats/how-to-delete-messages (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) und https://blog.deinhandy.de/ whatsapp-nachricht-loeschen-so-funktionierts (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 443 Vgl. etwa für über Outlook gesendete E-Mails https://www.heise.de/tipps-tricks/Out­ look-Versendete-Mail-zurueckrufen-4153728.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. für in Gmail versendete Nachrichten https://support.google.com/mail/answer/2819488 (zuletzt aufgeru­ fen am 01.06.2022); vgl. für Microsoft Exchange oder Microsoft 365 https://support.microsoft.com/ de-de/office/zur%C3%BCckrufen-oder-ersetzen-einer-gesendeten-e-mail-8e564127-15a0-4cf6-b9 74-­f 2101f5e256e (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 439 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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fenster der Löschmöglichkeit befindet, wirkt die Messenger-App auf den (dauerhaften) Spei­ cher ein und löscht das Bild vom Smartphone des B. Als B morgens aufwacht, sieht er nur noch durch einen entsprechenden Hinweis, dass A ihm wohl eine Nachricht geschickt hat, diese aber gelöscht hat.

Die Rechtsprechung berücksichtigte solche technischen Rückholmöglichkeiten bis­ lang nicht. Verbreitet war das Bildnis spätestens, wenn es beim Nutzer – also in dessen Speicher –angekommen ist.444 Dass A unabhängig von der fehlenden Kennt­ nisnahme durch B im vorliegenden Fall aber durch die rückwirkende Löschung letzt­ endlich keinen Kontrollverlust über das Bildnis herbeigeführt hat, bliebe beim her­ kömmlichen Verständnis für das Verbreiten unberücksichtigt. Damit geht das Ver­ ständnis einher, eine (wie auch immer geartete) Speicherung beim Empfänger indiziere die Verfügungsmacht über den gespeicherten Inhalt im Sinne des Verbrei­ tens. Kann der Versender allerdings in Hinblick auf den Verbleib der (Bildnis-)Datei ebenfalls (mit-)entscheiden, erscheint es allein aufgrund der hervorgehobenen Be­ deutung des Kontrollierbarkeitskriteriums für das Verbreiten angezeigt, solche Fälle zu hinterfragen, in welchen nicht die Kontrolle über ein Bildnis vollständig aus der Hand gegeben wurde, sondern insoweit sowohl Versender als auch Empfänger (noch) Kontrolle über das Bildnis haben. Selbst wenn B nachts aufwacht, von dem Bildnis Kenntnis nimmt, nichts weiter unternimmt und wieder einschläft, hat er keine Verfügungsmacht mehr über dieses, wenn A im Anschluss die Bildnisdatei vom Smartphone des B durch einen Klick gelöscht hat. In der analogen Welt käme diese Konstellation dem Fall sehr nahe, in welchem A dem B ein Bildnis hinhält, sodass dieser auch händisch darauf zugreifen kann und schon die Hand darauf hält. B kann den Inhalt erkennen, bevor er aber das Bild an sich nehmen kann, zieht A das Bildnis wieder zurück und verschwindet. Das bloße Zeigen eines Bildnisses soll aber, wie bereits ausgeführt, gerade mangels der vollständigen Übertragung von Verfügungsmacht – und damit der Kontrolle – kein strafbares Verbreiten darstellen. Ebenfalls hat der Gesetzgeber gerade keine Versuchsstrafbarkeit in §  33 I KUG festgeschrieben.

In vergleichbarem Zusammenhang stehen die jüngsten Bestrebungen von Messen­ ger-Diensten, sog. Einmalansichten für das Versenden digitaler Bilder – mitunter zum Schutz sensibler Bildinhalte – zu etablieren.445 Wählt der Versender die Option der Einmalansicht beim Versenden eines Bildnisses aus, so kann der Empfänger das Bild nur einmal ansehen. Nach der Kenntnisnahme löscht sich das Bild automatisch vom Speicher des Endgeräts und kann auch nicht mehr weitergeleitet wer­ 444  BGHSt 47, 55 (59) – „Kinderpornographie im Internet“; BGH, NStZ-RR 2014, S.  47 – „Ver­ breiten und öffentliches Zugänglichmachen von Kinderpornographie im Internet“; BGH, NStZ-RR 2015, S.  140 – „Verbreiten von und Einwirken mit pornographischen Abbildungen“; Fischer, §  184b StGB, Rn.  16; SK/Wolters/Greco, §  184 StGB, Rn.  61; vgl. ferner Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  23, welcher zwar insoweit früher an das Auf-den-Weg-Bringen anknüpft, gleichwohl den Kontrollverlust des Täters miteinbezieht; Specht, MMR 2017, S.  578. 445  Stellvertretend für Whatsapp: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/whatsapp-fuehrt-­ fotos-­z ur-einmalansicht-ein-17469435.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. ferner etwa für Instagram https://help.instagram.com/1310346208996329 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022)

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

den. Allerdings besteht die Möglichkeit eines sog. Screenshots oder des analogen Abfotogra­ fierens, während der Kenntnisnahmephase beim Empfänger.

dd) Eigener Vorschlag: Kontrollmöglichkeit des Absenders als maßgebliches Kriterium Als Ausgangspunkt soll für die Vollendung des Verbreitens der Verlust der vollständigen Kontrolle des Versenders über einen Bildnisinhalt als maßgebliches Kriterium für ein Verbreiten im digitalen Raum vorgeschlagen werden. Dabei kann dieser voll­ ständige Verlust von Kontrolle auf zwei verschiedene Arten eintreten: Entweder der Täter gibt die Kontrolle über den Bildnisinhalt selbst vollständig ab oder er bekommt vom Empfänger seine Kontrolle über den Bildnisinhalt vollständig entzogen. Damit soll es maßgeblich darauf ankommen, wie der Täter eine Bildnisdatei in die Sphäre des Empfängers auf den Weg gebracht hat. Auf die Speicherung muss es im Sinne des Gesetzes damit nicht ankommen. Eine Speicherung wird also nur mittelbar für den Kontrollverlust relevant. Der Täter kann zunächst selbst die Kontrolle vollständig abgeben, indem er eine (digitale) Übermittlungsart wählt, auf die er keinen Einfluss mehr hat. Lädt A beispielsweise eine Bildnisdatei auf eine externe Cloud hoch, auf die er keinen Zugriff mehr hat, generiert einen Hyperlink und schickt diesen Link dem B, so hat er die Kontrolle über den Bildnisinhalt vollständig aufgegeben. Hierfür spielt es dann keine Rolle, ob B den Link tatsächlich im Sinne eines Lesezugriffs aufruft, selbst wenn der Link nebst Bild nach einer Woche automatisch gelöscht werden und B das Bildnis somit nie zu Gesicht bekommt. Ein Verbreiten läge mit Übersendung des Links vor. Gleiches gilt, wenn A dem B eine Bildnisdatei via E-Mail oder Messenger schickt, keine Rückholmöglichkeit aufgrund des gewählten Programms besteht oder durch Zeitablauf ein Zurückholen bzw. Löschen bei B nicht mehr möglich ist. Sobald A sich somit seiner Kontrolle begeben hat, ist das Bildnis unwiederbringlich auf den Weg gebracht und somit digital verbrei­ tet.

Des Weiteren kann der Täter seine Kontrolle über den Bildnisinhalt durch den Emp­ fänger vollständig entzogen bekommen. Dieser kann ihn von der alleinigen Kontroll­ möglichkeit ausschließen, indem er für eine (automatisch oder manuell ablaufende) Zugriffsmöglichkeit auf den Inhalt fernab vom Zugriff des Absenders sorgt. Dies wird in aller Regel eine Speicherung sein. Übersendet A dem B eine Bildnisdatei via Messenger und speichert B dieses Bild entweder aufgrund seiner App-Einstellung automatisch oder manuell (etwa via Screenshot446 oder ana­ logem Abfotografieren des Bildschirms) dergestalt auf seinem Smartphone ab, dass eine Lö­ 446  Der von Bienemann, S.  203 f., bemühte Vergleich des Screenshottens mit dem Abfotografie­ ren einer Bilderwand in der analogen Welt hinkt: Beim Betrachten auf dem Bildschirm, hätte der Betrachter beim besagten Vergleich das Bild „bereits in der Hosentasche“ (genauer: im Arbeitsspei­ cher) und somit Verfügungsgewalt. Es erscheint deshalb auch weniger überzeugend, das Hochladen eines Bildnisses pauschal dem Verbreitensbegriff zu versperren, a. A. Klein, S.  105; Petershagen, NJW 2011, S.  706.

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schung durch A die Verfügbarkeit des Bildnisinhalts bei B nicht mehr verhindern kann, hat B den A insoweit dessen Kontrolle über den Bildinhalt entzogen. Dies gilt selbst dann, wenn B nie von dem Bildnis tatsächliche Kenntnis nimmt. Damit passen sich auch die neuartigen Versendungsmöglichkeiten der Einmalansicht von Bildnissen in die hier vorgeschlagene Lö­ sung ohne weiteres mit ein. Lädt A ein Bildnis auf seine eigene Cloud, generiert einen Hyperlink und übersendet diesen Link dem B, liegt ein Verbreiten in dem Moment vor, indem B auf die Datei zugreift (Lesezu­ griff), denn in diesem Moment verliert A die Kontrolle über den Bildnisinhalt, da dieser sich dann zumindest im flüchtigen Arbeitsspeicher der – für A unkontrollierbare Bildnisinhalt – befindet.

Dieser Lösung könnte nun vorgehalten werden, sie begünstige denjenigen Täter, der sich Löschmöglichkeiten vorbehält. Möglicherweise wären durchaus Fälle denkbar, bei denen vom Zufall abhinge, ob dem Versender vom Empfänger die vollständige Kontrolle – durch eine Speicherung – entzogen wird. Nutzt A etwa seine eigene Cloud und übersendet den Hyperlink zur Bildnisdatei dem B, hängt es nach der hier vertretenen Lösung für ein Verbreiten davon ab, ob B auf die Datei zugreift und diese (zumindest temporär) abspeichert, sodass A keine Kontrolle mehr über den Bildnis­ inhalt hat. Ruft B also niemals den Link auf, liegt kein Verbreiten vor. Hätte A hingegen eine solche Cloud benutzt, auf die er nach dem Upload des Bildes keinen Einfluss mehr hat, läge mit dem Übersenden des Hyperlinks bereits der Verlust an Kontrolle und damit ein Verbreiten vor. Ferner würde es im Einzelfall für ein Verbreiten faktisch davon abhängen, ob der Empfän­ ger etwa bei der Übermittlung eines Bildnisinhalts via Messenger eine automatische Down­ load-Funktion (im Sinne eines automatisierten Lesezugriffs) aktiviert hat, sodass die ­Löschung des Nachrichteninhalts durch den Versender nichts mehr bringt.

Dieses Ergebnis erscheint allerdings nicht willkürlich und durchaus tragbar. Wählt der Täter eine Versandart, die ihn in jedem Fall von der Kontrolle über den Inhalt komplett ausschließt, erscheint er auch weniger schutzwürdig als derjenige, der sich Löschmöglichkeiten vorbehält. Dies gilt erst recht für denjenigen Täter, der diese Löschmöglichkeit auch nutzt und somit keinen Kontrollverlust über den Bildnis­ inhalt herbeiführt. Vielmehr würde das pauschale Bejahen eines Verbreitens bei jedem Auf-denWeg-Bringen eines Inhalts – unabhängig vom Kontrollverlust über den Inhalt – ge­ rade die Konstellation des (beendeten) Versuchs darstellen, welche der Gesetzgeber eben nicht sanktioniert hat. Nimmt man jetzt immer schon beim Absenden, unabhän­ gig von den geschilderten Einzelheiten, ein Verbreiten an, hätte man nicht nur die Strafbarkeit des Versuchs durch die Hintertür eingeführt, sondern dabei auch das unmittelbare Ansetzen per se weit vorverlagert.447 Ferner würden die Grenzen zum öffentlichen Zurschaustellen komplett verwischt, welches gerade keinen Kontrollverlust, sondern lediglich die potentielle Inhaltsver­ 447  Vgl. zu den Kriterien der Rechtsgutsgefährdung und des Aus-den-Händen-Gebens des Ge­ schehensablaufs B. Heinrich, AT, Rn.  736.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

mittlung (an eine Personenmehrzahl) fordert.448 Das von Hörnle angedachte Krite­ rium der „personalisierten Versendung“ (etwa via E-Mail) greift hiernach zwar zu kurz, weil es einerseits nicht alle Besonderheiten des digitalen Datenverkehrs – wie etwa der Rückholungsmöglichkeiten449 oder der Löschung von Hyperlinks – be­ rücksichtigt und andererseits Gefahr läuft, die Grenzen zum straflosen Versuch und zum öffentlichen Zurschaustellen zu verwischen. Gleichwohl wird der Grad der Per­ sonalisierung in der hier vorgeschlagenen Lösung mit berücksichtigt: Übersendet der Täter ein Bildnis oder einen hierauf verweisenden digitalen Schlüssel in beson­ ders personalisierter Form, so erhöht er dadurch automatisch die Chance, dass ein tatsächliches Ausschließen von der alleinigen Kontrolle über den Inhalt durch den Empfänger – etwa durch einen Lesezugriff – erfolgt. Mit der hier vertretenen Lösung besitzt man dagegen ein hinreichend bestimmtes Kriterium, welches dem Kernelement des Verbreitens – des Kontrollverlusts über einen Inhalt – Rechnung trägt und dabei der grundsätzlichen Wertung entspricht, das bloße Zeigen eines Inhalts im Sinne der Inhaltsvermittlung führe noch nicht zu einer strafbaren Vollendung.450 Zudem wäre der Wertung des Gesetzes in §  11 III StGB entsprochen, wonach es für ein Verbreiten eines Inhalts auf eine Speicherung bzw. eine Verkörperung nicht mehr ankommt. b) Verbreiten an einzelne Personen Vorab erscheint es nicht überzeugend, das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens in §  33 I Var.  1 KUG – selbst bei Vorlagen vor Gericht oder bei presseinternen Weiter­ reichungen – einer Abwägung zugänglich zu machen. Das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens muss im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes selbst bei der Weitergabe an einen verschwindend geringen Personenkreis hinreichend umrissen sein. Für die Frage des Verbreitens kann demzufolge nicht relevant sein, welcher Bildnisinhalt (und inwieweit dieser die Intimsphäre des Abgebildeten verletzt) weitergereicht wur­ de, sondern wie ein Bildnis weitergereicht wurde. Insoweit kann der Begriff des Ver­ breitens weder einer pressekonformen Auslegung, noch einer teleologischen Reduk­ tion zugänglich gemacht werden. aa) Zu presseinternen Verbreitungen Gerade bei journalistischen Tätigkeiten erscheint eine derartige Privilegierung auf Tatbestandsebene selbst bei solchen Straftatbeständen durchaus zweifelhaft, welche einer Auslegung durch unbestimmte Tatbestandsmerkmale – wie etwa das Merkmal 448 

Dies hat auch der Gesetzgeber gesehen, vgl. die Ausführungen bei BT-Drs. 19/19859, S.  27. Dabei soll noch ergänzend angemerkt werden, dass sich die Berücksichtigung von Rückhol­ möglichkeiten im hier vertetenen Sinne nur auf regelmäßige und rechtmäßige Rückholmöglichkei­ ten beschränkt. Nicht umfasst ist etwa die Zerstörung eines Smartphones des Empfängers durch den Versender, nachdem das Bild übermittelt wurde. 450  Diese Wertung gilt es auch nach der Entwicklung der Schriften- zu Inhaltsverbreitungsdelik­ ten aufrechtzuerhalten; vgl. BT-Drs. 19/19859, S.  29; ferner MüKo StGB/Anstötz, §  86 StGB, Rn.  27. 449 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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„unbefugt“ in §  201a StGB – möglicherweise eher zugänglich sein könnten.451 Denn nach dem allgemeinen Verhältnis von Tatbestand und Rechtswidrigkeit soll mit dem Tatbestand das grundsätzlich strafbare Verhalten umschrieben werden, wohingegen die Rechtfertigungsgründe es im Ausnahmefall gestatten, den gesetzlichen Tatbe­ stand zu erfüllen, ohne sich strafbar zu machen.452 In diesen Rechtfertigungsgrün­ den können dann die Erwägungen des Grundgesetzes fruchtbar gemacht werden. Nach der hier vertretenen Ansicht handelt es sich gerade bei §  23 KUG um einen solchen Rechtfertigungsgrund453, welcher den grundgesetzlichen Wertungen im Rahmen seiner aufgezählten Ausnahmetatbestände – wie etwa dem unbestimmten Rechtsbegriff der Zeitgeschichte – Zugang gewährt. Im Ergebnis ist insofern dem Bundesverfassungsgericht in seinem „Verpixelungs-Beschluss“ zuzustimmen, wenn es ein tatbestandliches Verbreiten bei der Zuleitung eines Bildnisses angenommen hat und die Wertungen zur Pressefreiheit im Rahmen der Zeitgeschichte auf Recht­ fertigungsebene einfließen lassen hat. Dies entspricht auch der ganz allgemeinen Wertung, dass der Abgebildete mit der Weiterreichung seines Bildnisses gegen sei­ nen Willen repräsentiert und sein Recht am eigenen Bild somit tatbestandlich verletzt wurde. An dieser Repräsentation ändert sich nichts, wenn der Empfänger oder Ab­ sender presseangehörig ist. Diese Repräsentation kann allerdings über die Ausnah­ men des §  23 I KUG gerechtfertigt werden. Die höchstrichterliche „Archiv“-Recht­ sprechung ist damit abzulehnen. Hiermit gehen auch keine unzumutbaren Prüf­ pflichten für Fotografen einher. Denn es werden bei der Weiterreichung an die Redaktion auch für die Frage der Rechtfertigung nur die Umstände relevant, die zum konkreten Zeitpunkt der Tathandlung vorlagen. Verletzt die spätere Veröffentlichung durch die Zeitung etwa das Recht am eigenen Bild, weil der Abgebildete durch die dazugehörige Wortberichterstattung denunziert wurde, so hat dies keine Auswirkung auf die vorangegangene (zeitgeschichtliche) Weitergabe an die Redaktion durch den Fotografen. Rechnet der Fotograf hingegen bereits mit einer rechtswidrigen Veröf­ fentlichung, bliebe dennoch Raum für eine strafbare Teilnahme, selbst wenn die Zuspielung des Bildnisses zur Redaktion als zeitgeschichtlich eingestuft werden kann. Auch erscheint es nicht verwerflich, dem (externen wie internen) Verbreitenden grundsätz­ lich Prüfpflichten zu verantworten, wenn er ein Bild einer auflagenstarken Redaktion zu­ spielt.454 Steht dem Bildnis bereits die Intimsphärenverletzung „auf die Stirn geschrieben“455, 451  Ebenfalls zweifelnd B. Heinrich, in FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Univer­ sität zu Berlin 2010, S.  1258. 452  B. Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 2010, S.  1258. 453  Zur Einordnung des §  23 KUG als Rechtfertigungsgrund Kap.  3, D., I.; so i. E. auch Eisele, §  37, Rn.  32 ff.; a. A. Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  14 (Tatbestandsausschluss). 454  Drastisch Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  32, wonach es nicht selten bestimmte Bild­ agenturen seien, die rechtswidriges Fotomaterial an ihren gesamten Verteiler senden bzw. Auftrag­ geber von Paparazzi seien. Die Auffassung des BGH führe aber dazu, dass diese gerade im rechts­ freien Raum agieren dürften; ähnlich Schippan, ZUM 2011, S.  798; a. A. Höch, K&R 2020, S.  670. 455  Vgl. LG Hamburg, AfP 2007, S.  387, welches hierzu Nacktbildaufnahmen und „Eltern-­K indSituationen“ zählt.

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macht §  201a StGB ebenfalls mangels Außenwirkung bei presseinternen Abläufen insoweit auf Tatbestandsebene keine Ausnahme. Abschließend kann mit dem weit verbreitenden Irrglauben aufgeräumt werden, wonach der externe Fotograf den Abgebildeten verpixeln müsse, wenn er im Falle der Weiterleitung an eine Zeitung „ganz sicher“ gehen wolle.456 Denn selbst eine Verpixelung garantiert weder das Entfallen des Tatobjekts eines Bildnisses457, wenn der Abgebildete sonst bei der Weitergabe identifiziert werden kann, noch garantiert sie die Zeitgeschichtlichkeit, wenn gleichwohl eine gravierende Privatsphärenverletzung des Abgebildeten mit er Weiterleitung einhergeht. Gleich­wohl können alle Maßnahmen zur Unkenntlichmachung, Hinweise zur Entstehungs­ geschichte des Bildnisses und die Vorstellung des Verbreitenden zum Zeitpunkt der Weiter­ gabe des Bildnisses an die Redaktion sowie sein presserechtlicher Status im Rahmen der Ab­ wägung der Zeitgeschichtlichkeit gem. §  23 I Nr.  1 KUG berücksichtigt werden. Dass dabei grundsätzlich kein allzu strenger Maßstab – insbesondere hinsichtlich der Sorgfaltspflichten des Absenders – bestehen kann, zeigt der „Verpixelungs“-Beschluss des Bundesverfassungs­ gerichts, wonach die Weiterleitung als zeitgeschichtlich einzustufen war, obwohl eine Ebola-­ Erkrankung des Abgebildeten zum Zeitpunkt der Weiterleitung nicht bestätigt war und den Abgebildeten nicht unerheblich stigmatisierte.458

bb) Zur teleologischen Reduktion des Verbreitensbegriffs bei der Vorlage an Gerichte In diesem Sinne ebenfalls abzulehnen ist die von der höchstrichterlichen („Dash­ cam“-)Rechtsprechung angenommene pauschale teleologische Reduktion des Ver­ breitensbegriffs, wenn ein Bildnis bei Gericht zu Beweiszwecken vorgelegt wird. Hier erscheint schon das Vorliegen einer Regelungslücke zweifelhaft. Denn zum ­einen könnte man durchaus bei einer entsprechenden Vorlage vom Bestehen eines öffentlichen Interesses an einer wirksamen, auf die Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit gerichteten Rechtspflege ausgehen.459 Aufgrund dieses öffentlichen In­ teresses hätte auch eine – das Abgebildeteninteresse überwiegende – zeitgeschicht­ liche Verbreitung im Sinne des abgestuften Schutzkonzepts diskutiert werden kön­ nen. Gravierender erscheint allerdings die pauschale Annahme des Bundesgerichts­ hofs, das Recht am eigenen Bild suche nur den Ausgleich zwischen der Persönlichkeit des Abgebildeten und den Informationsinteressen der Allgemeinheit herzustellen.460 Zwar ist auch nach dem bereits Gesagten461 nicht von der Hand zu weisen, dass der Bildnisschutz des Abgebildeten tendenziell dann zurücktritt, wenn der Abbilder mit seiner Veröffentlichung (neben seinen Interessen auch) öffentliche Interessen be­ dient.462 Gleichwohl existiert mit §  23 I Nr.  2 KUG eine gesetzliche Vertypung des 456  Vgl. nur https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-1bvr171617-beschluss-verpixelung-­ fotos-journalisten-pressefreiheit-persoenlichkeitsrecht-redaktionen-schein-truegt/ (zuletzt aufge­ rufen am 01.06.2022). 457  Hierzu bereits Kap.  3, A., II., 1., b). 458  A. A. wohl Höch, K&R 2020, S.  670. 459  So etwa Greger, NZV 2015, S.  116 f. 460  BGHZ 218, 348 (376) – „Verwertbarkeit von ‚Dashcam-Aufzeichnungen‘“. 461  Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (b), sowie Kap.  2, B., III., vgl. ferner Kap.  2, B., IV., 2. 462  A. A. wohl Spindler, Gutachten F 69. DJT, S.  55, wonach nach der Abwägung in §  23 I KUG

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Gedankens, dass eine Veröffentlichung selbst dann zulässig sein kann, wenn inso­ fern nur die Interessen des Abbildenden überwiegen, selbst wenn dabei keine öffent­ lichen Interessen bedient werden. So wird eine Veröffentlichung dann zulässig, wenn ihr gerade offensichtlich nicht der primäre Zweck innewohnt, den Abgebildeten dar­ zustellen und dieser insoweit nur Beiwerk ist. Die Übertragung dieser Wertungen wäre der Lösung von Bildnis-Vorlagen bei Gericht zu Beweiszwecken selbst bei der Verneinung eines öffentlichen Interesses jedenfalls nicht völlig versperrt gewesen, denn diese dienen der Rekonstruktion des Unfallgeschehens und somit nicht primär der Repräsentation des Abgebildeten. Auch hätte mit der „sonstigen Örtlichkeit“ ein Anknüpfungspunkt für eine Auslegung des Unfallgeschehens bestanden. In jedem Fall ist der Aussage zu widersprechen, man müsse den Verbreitensbegriff teleolo­ gisch reduzieren, weil der Gesetzgeber nur den Konflikt zwischen Öffentlichkeit und Abgebildetem Rechnung tragen wollte. cc) Finale Anforderungen für Einzelverbreitungen Die Bemühungen der Rechtsprechung, das Verbreiten dynamisch anhand einer Ge­ samtabwägung zu bestimmen, bestätigen die bereits oben skizzierten Schwächen des originären Bildnisschutzes463 im Angesicht der modernen Bildkommunikation. Da mit dem Bildnis – im Zuge der Liberalisierung durch die Einwirkung der infor­ mationellen Selbstbestimmung – ein überaus breitgefächertes Tatobjekt ohne nähere Eingrenzbarkeit vorliegt, erscheint es nur nachvollziehbar, eine auswuchernde Straf­ barkeit durch die restriktive Auslegung der Tathandlung im Zaum halten zu wollen. Den Verbreitensbegriff aber von Umständen außerhalb der eigentlichen Tathand­ lung  – sei es durch Gesamtabwägungen oder teleologische Reduktionen – abhängig zu machen, überzeugt nach dem bisher Gesagten nicht. Überzeugender erscheint es de lege lata insoweit, sich für das Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG wie für das Körperlichkeitserfordernis auch für Einzelverbrei­ tungen grundsätzlich an den Maßstäben des kernstrafrechtlichen Verbreitensbegriffs zu orientieren. Damit geht einher, dass sich die Verbreitung im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG grundsätzlich an eine (unbestimmte) Personenmehrheit richten muss. Hierfür spricht zunächst das allgemeine Begriffsverständnis des Verbreitens.464 In diesem „zusätzlich noch“ über §  23 II KUG eine Abwägung zwischen den Interessen des Abgebildeten und des Aufnehmenden bedürfe. Die hierfür herangezogene Rechtsprechung zum abgestuften Schutz­ konzept trägt diese Annahme jedoch nicht. I.Ü. wäre dann der Vorschlag auf S.  111 zur Reform des Rechts am eigenen Bild überflüssig, wenn eine (alleinige) Abwägung zwischen den Interessen des Abgebildeten und Abbildenden (ohne Öffentlichkeitsinteresse) bereits über §  23 II KUG konstruier­ bar wäre; zuvor für die Etablierung einer solchen Ausnahme Ohly, AfP 2011, S.  431. 463  Kap.  3, B., I., 1., a), am Ende. 464  https://www.duden.de/rechtschreibung/verbreiten (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022), wo­ nach das Verbreiten beschrieben wird als: 1a) dafür sorgen, dass etwas in einem weiten Umkreis bekannt wird; 1b) sich ausbreiten, in Umlauf kommen und vielen bekannt werden; an einen weiteren Umkreis gelangen lassen; 2a) in einen weiteren Umkreis gelangen lassen; 2b) sich in einem weiteren Umkreis ausbreiten (alle Hervorhebungen durch Verf.).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Zusammenhang kann auch zumindest vorsichtig auf die eingangs besprochenen Fäl­ le um die Jahrhundertwende rekurriert werden, welche letztendlich die Diskussion um ein Recht am eigenen Bild entfachten, zumal alle Gerichtsentscheidungen mit Bezügen zu einer gewissen Öffentlichkeit begründet wurden.465 Sicherlich muss auch insoweit eine gewisse Liberalisierung des Verbreitensbegriffs durch die Idee der informationellen Selbstbestimmung miteinfließen, gleichwohl gilt es eine allzu starke Aufladung des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild in den §§  22 ff. KUG durch die informationelle Selbstbestimmung zu vermeiden. Versteht man in einem Verbreiten im Sinne des §  22 KUG eine Kommunikation im öffentlichen Raum im Sinne des „Recht auf Vergessen I“-Beschlusses des Bundesverfassungsge­ richts466, ginge hiermit eine klare Trennung der Rechtsfolgen des KUG und der DSGVO einher.467 Damit ist es im Sinne der Einheit der Rechtsordnung, nicht bei jeder Versendung eines Bildnisses an eine Einzelperson schon von einem Verbreiten aus­ zugehen.468 Der Abgebildete wäre durch eine solche Lösung nicht schutzlos, viel­ mehr griffen hier grundsätzlich die (strafrechtlichen) Regelungsmechanismen der informationellen Selbstbestimmung, während bei Verbreitungen im Sinne einer Kommunikation im öffentlichen Raum das KUG gelten würde. Hinsichtlich der Wei­ tergabe von intimen Bildnisinhalten an einzelne wenige Personen bliebe in jedem Fall die Strafbarkeit nach §§  201a, 184k StGB. Dies bedeutet auch nicht, dass im Einzelfall bei der Weitergabe an eine Einzelper­ son nicht von einer Verbreitung oder einer Kommunikation im öffentlichen Raum ausgegangen werden könnte. Hier scheinen die Maßstäbe der Literatur sowie der Rechtsprechung zur Ketten- und Mengenverbreitung durchaus auf das Bildnisrecht übertragbar. Eine Kommunikation im öffentlichen Raum liegt demzufolge auch bei der Weitergabe an eine Person vor, wenn schon mit der Weitergabe an eine Person ein Kontrollverlust im (öffentlichen Raum) einhergeht. Insoweit kann grundsätzlich auch an die kernstrafrechtlichen Wertungen angeknüpft werden. Gleichwohl gilt es hierbei zu bedenken, dass die Wertungen des Kernstrafrechts zum Verbreiten allesamt schon an spezielle Tatobjekte anknüpfen, die aus sich heraus bereits gesteigertes Unrecht vertypen. Besonders deutlich wird dies bei der Verbreitung eines kinderpornographi­ schen Inhalts nach §  184b I Nr.  1 StGB. Auch fordern §§  201a, 184k StGB, welche auf Tatbestandsebene zum Schutz des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bilds nicht – wie §  33 KUG – an der alleinigen Erkennbarkeit des Abgebildeten (und seiner Repräsentation) anknüpfen, im Rahmen ihrer Tatbestände eine gesteigerte Intensität der Betroffenheit in Form einer Privatheits- oder Ehrverletzung. Überzeugender er­ scheint es deshalb, de lege lata von strengen Anforderungen an das Verbreiten im Rahmen des §  33 I Var.  1 KUG bei der Weitergabe eines Bildnisses an eine Einzel­ 465 

Hierzu Kap.  1, B., IV., 6. Hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (2). 467  Vgl. hierzu bereits die Erwägungen zum Verhältnis des KUG zur DS-GVO in Kap.  2, D., III., 2., b), cc). 468  A. A. Geiring, S.  134. 466 

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person auszugehen. Deshalb kann es nach der hier vertretenen Ansicht, entgegen der wohl überwiegenden Meinung, nicht genügen, dass der Verbreitende die unkontrol­ lierte Weitergabe durch den Adressaten lediglich für möglich gehalten hat. Vielmehr muss der Verbreitende mindestens mit sicherem Wissen handeln, dass aus seiner Einzelverbreitung weitere unkontrollierte Veröffentlichungen resultieren werden.469 Diese Finalität kann aus der Art und Weise der (Einzel-)Weitergabe ermittelt werden. Hiernach kann gefragt werden, ob die Verbreitung dazu bestimmt war, mehrere Per­ sonen zu erreichen. Dies kann bereits anhand der Aufmachung der Einzelverbreitung ersichtlich werden, wenn eine entsprechende Aufforderung in (Sprach-)Textform zur Weiterleitung beigeordnet ist oder die Art und Weise der gesamten Darstellung – etwa als Meme – darauf schließen lässt, dass viele Personen erreicht werden sollten, um möglicherweise breitgefächerte Aufmerksamkeit (etwa in Form von Abonnen­ ten) zu generieren. Hilfsweise kann hierzu die analoge Parallele der Mengenverbrei­ tung herangezogen werden, wonach das Bereithalten vieler Schriften gerade als ma­ nifestierter Ausdruck eines solches Begehrens des Verbreitenden verstanden werden kann. Die bildhafte Kommunikation muss also für eine Sanktionierbarkeit nach §  33 KUG de lege lata auf den öffentlichen Raum angelegt sein. Diese Lösung würde zum einen für Rechtsklarheit bei der Abgrenzung von DSGVO und KUG bei der Wahrung der Einheit der Rechtsordnung sorgen und darüber hinaus nicht jede – womöglich als heute sozaladäquat verstandene – Weitergabe an Einzelpersonen mit dem scharfen Schwert des Strafrechts sanktionieren,470 ohne dabei den Wortlaut des Verbreitens unsachgemäß auszudehnen.471 Gleichwohl zeigt sich auch nach dieser Lösung die bereits aufgezeigte Schwäche des einfachgesetzlichen Bildnisschutzes in den §§  22 KUG ff., wonach der konkrete Bildnisinhalt für eine strafrechtliche Sanktionierung völlig unberücksichtigt bleibt. Diese Erkenntnisse gilt es deshalb de lege ferenda zu berücksichtigen.

II. Das öffentliche Zurschaustellen im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG Dem Verbreiten in §  33 KUG wird – typisch für medienstrafrechtlich relevante Tat­ bestände472 – eine zweite Handlungsalternative zur Seite gestellt, die an eine öffent­ liche Begehungsweise, namentlich das öffentliche Zurschaustellen, anknüpft. Hier­ 469  Vgl. in diesem Sinne bei §  184b StGB Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  23; Hohen­stein, S.  70; ferner NK/Paeffgen, §  86, Rn.  29. 470  Ergänzend kann hierfür angeführt werden, dass beim kernstrafrechtlichen Schutz des verfas­ sungsmäßigen Rechts am eigenen Bild selbst bei ehrverletzenden Bildinhalten (§  201a II StGB) eine beleidigungsfreie Sphäre im Sinne der Beleidigungsdelikte in Betracht gezogen wird; vgl. hierzu Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  42; Schimke, NZFam 2019, S.  855. 471  Vgl. hierzu etwa BVerfG, NJW 2012, S.  1500 – „Merkmal des ‚Verbreitens‘ volksverhetzen­ der Schriften“, wonach etwa der „Austausch zwischen zwei Personen“ das Tatbestandsmerkmal des Verbreitens – wohlgemerkt in §  130 II Nr.  1a, III, IV StGB a. F. – überdehne und die Bedeutung der Meinungsfreiheit wesentlich verkenne. 472 Vgl. Hambel, S.  123; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  698, der allerdings das öffentliche Zurschau­ stellen in seiner Aufzählung nicht nennt.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

unter versteht man grundsätzlich „jede Art der Sichtbarmachung eines Bildnisses in der Öffentlichkeit“473. Gemeint ist die Sichtbarmachung „im weitesten Sinne“ 474. Originär hatte die Handlungsvari­ ante somit das Zeigen eines Bildnisses im öffentlichen Raum und damit die Schaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit für einen nicht näher abgrenzbaren größeren Personenkreis im Blick, sei es durch das Anschlagen eines Bildnisses an eine Litfaßsäule oder Plakatwand, das Ausstellen in einem Schaufenster, einem Museum oder das Ausstrahlen eines Bildnisses im Wege des Film- oder Fernsehens.475 Dass das Bildnis im Zuge dieser Handlung auch tatsäch­ lich von jemandem zur Kenntnis genommen wurde, ist für ein vollendetes öffentliches Zur­ schaustellen nicht erforderlich.476 Hierfür genügt es also, dass der Täter es ermöglicht, dass ein Bildnis von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden kann. Gewerbsmäßigkeit wird hier­ für nicht gefordert.477

Damit bestätigt bereits das allgemein weite Begriffsverständnis des Sichtbarma­ chens die Annahme, dass ein Bildnis auch grundsätzlich im Internet öffentlich zur Schau gestellt werden kann.478 Einigkeit besteht deshalb insoweit, dass ein Bildnis jedenfalls dann im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG öffentlich zur Schau gestellt ist, wenn dieses zum freien Abruf durch jedermann ins In­ ternet – sei es in sozialen Netzwerken, Foren, Clouds, Messengerdiensten oder auf sonstigen Webseiten – hochgeladen und für jeden mit Internetanschluss und internetfähigem Endgerät potentiell sichtbar gemacht wird.479

Da es nur auf die potentielle Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit ankommt, kann auch die Dauer der Zurschaustellung grundsätzlich keine Rolle für die Frage der Vollendung haben. 473 

Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  9; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  11. Allfeld, S.  132: „Es braucht […] keinerlei mechanischer oder optischer Einrichtung; das bloße Auslegen, Aushängen, Aufstellen zur Besichtigung genügt“; ferner Schricker/Loewen­ heim/Götting, §  22 KUG, Rn.  37; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  745; Piltz, S.  193; Plaß, WRP 2000, S.  606; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10; vgl. auch Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  31: „[…] jegliche Schaffung der Möglichkeit, ein Bildnis wahrzunehmen […]“. 475  Allfeld, S.  132: „[…] Schaustellung in Auslagen, Schaukästen, die sich an der Straße oder in Torwegen befinden, in Wirtshauslokalen, in Hotels, Bahnhöfen, in Ausstellungen, zu denen das Publikum Zutritt hat […]“; so auch bereits Osterrieth, S.  173; vgl. ferner Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10. 476  Herbort, S.  84; Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  21; vgl. ferner hinsichtlich der Ein­ ordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt mit gewisser Erfolgskomponente Hambel, S.  133, Fn.  392; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  11; vgl. ferner BGHSt 46, 212 (218 ff.) – „‚Auschwitz­ lüge‘ im Internet“; BGHSt 47, 55 (60) – „Kinderpornographie im Internet“; hierzu noch ausführlich Kap.  3, B., II.; vgl. ferner MüKo StGB/B. Heinrich, §  106 UrhG, Rn.  71. 477  Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  37; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  12; Leffler, S.  213. 478  Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  9. 479  HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  14; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  54; BeckOK UrhR/ Engels, §  22 KUG, Rn.  54; Esser, in: HB Social Media, Kap.  8, Rn.  180; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  9; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  12; Hohenstein, S.  69 f.; Lauber-­ Rönsberg, NJW 2016, S.  745; Leffler, S.  215, 225; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, Rn.  25; Tausch, S.  82; Vetter, AfP 2017, S.  130; vgl. ferner BGHSt 47, 55 (60) – „Kinderpornographie im Internet“. 474 Bereits

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Ob ein Bildnis(plakat) an einer öffentlichen Straße bereits nach wenigen Stunden wieder ab­ gehängt, abgewaschen oder zerstört wird, spielt somit für das öffentliche Zurschaustellen grundsätzlich ebenso keine Rolle wie der Umstand, dass eine im Internet öffentlich abrufbare sog. Story nach einem gewissen Zeitablauf wieder aus dem Profil des Nutzers verschwindet.

Damit unterscheidet sich die Begehungsvariante des öffentlichen Zurschaustellens in §  33 I Var.  2 KUG von dem Verbreiten in §  33 I Var.  1 KUG in zweierlei Hinsicht. Zum einen besteht – anders als beim Verbreiten – kein Erfordernis der Verschaffung von neuer, eigenmächtiger Kontrolle über ein Bildnis480 und zum anderen muss die Zurschaustellung öffentlich481 sein und kann somit nicht – wie das Verbreiten – im privaten Kreis erfolgen. Geht A mit seinem Smartphone, auf dem das Bildnis des B angezeigt wird, im engen privaten Kreis – etwa auf einer Familienfeier – von einer Person zur nächsten und zeigt dieses reihum, liegt keine öffentliche Zurschaustellung vor.482 Gibt A allerdings das Bildnis fernab seiner Kontrollmöglichkeit „aus der Hand“, indem er es auf derselben Feier einer Person (oder etwa in die private Familiengruppe) per Messenger schickt, kommt nach den oben dargelegten Grundsätzen gegebenenfalls eine (Ketten-)Verbreitung nach §  33 I Var.  1 KUG in Betracht.483

In Bezug auf das öffentliche Zurschaustellen bestehen heute zwei große Problem­ komplexe ein und desselben Ursprungs: Zum einen ist offen, ab wann man von einer Öffentlichkeit des Zurschaustellens ausgehen kann. Zum anderen ist umstritten, ­inwieweit Verhaltensweisen im Internet, welche heute als alltäglich erscheinen, be­ reits als öffentliche Zurschaustellung im Sinne des Bildnisrechts eingeordnet werden ­önnen. Beide Fragen wurzeln im herkömmlichen Verständnis der lange Zeit vorherr­ schenden Ansicht, wonach sich die Auslegung der öffentlichen Begehungsvariante des §  33 I Var.  2 KUG maßgeblich an den Begriffen des Urheberrechts – namentlich §  15 II, III (Recht auf öffentliche Wiedergabe) i. V. m. §  19a UrhG (Recht auf öffent­ liche Zugänglichmachung) – orientieren soll.484 Denn hinsichtlich des Öffentlich­ keitsverständnisses wird seit geraumer Zeit gerade unter dem Hinweis des persön­ lichkeitsrechtlichen Einschlags des Rechts am eigenen Bild – entsprechend zu den bisherigen Ausführungen zum Tatobjekt und dem Verbreiten – eine Liberalisierung hin zu kleineren Öffentlichkeiten diskutiert.485 480  Doerbeck, S.  190; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  54; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  11; Vetter, AfP 2017, S.  130. 481  Allfeld, S.  132; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  9; Gräbig, MMR 2015, S.  466; Hambel, S.  128; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10a; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  140. 482  Vgl. Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  4, Rn.  332. 483  Kap.  3, B., I., 2., und 3., b). 484  Gräbig, MMR 2015, S.  365; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  12; Hohenstein, S.  72; Erbs/Kohlhaas/Kaiser §  33 KUG, Rn.  11; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  745; Leffler, S.  225; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 KUG ff., Rn.  9; vgl. auch Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  54; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, Rn.  25; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10; Wandtke, MMR 2019, S.  145. 485  Befürwortend etwa Bienemann, S.  192; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  37; Schimke, NZFam 2019, S.  855; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10a.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Dieselben Argumentationsmuster finden sich bei der zweiten Frage hinsichtlich der Zurschaustellung durch internetspezifische Begehungsweisen, wobei es maßgeb­ lich der Europäische Gerichtshof war, welcher mit seiner Rechtsprechung zur öffent­ lichen Wiedergabe (bei Verlinkungen im Internet) im Sinne von §§  15 II, 19a UrhG486 grundsätzliche Zweifel seitens der Literatur hinsichtlich der Frage heraufbe­ schwor, ob man für die bildnisrechtliche öffentliche Zurschaustellung überhaupt (noch) auf die urheberrechtlichen Wertungen zurückgreifen sollte.487 Um die aufge­ worfenen Fragenkomplexe hinreichend erörtern zu können, sollen zunächst die all­ gemeinen Grundsätze des öffentlichen Zurschaustellens herausgearbeitet werden (1.), ehe sich der problematischen Thematik internetspezifischer Zurschaustellungen gewidmet werden kann (2.). 1. Allgemeine Grundsätze des öffentlichen Zurschaustellens in §  33 I Var.  2 KUG Als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für das öffentliche Zurschaustellen im Bild­ nisrecht wird von der überwiegenden Meinung dem historischen Regelungszusam­ menhang entsprechend das Recht der öffentlichen Wiedergabe im Urheberrecht nach §  15 II, III UrhG gewählt.488 Hiernach ist die Wiedergabe öffentlich, wenn sie nach §  15 III 1 UrhG für eine Mehrzahl von Personen bestimmt ist, welche Mitglieder der Öffentlichkeit sind. Dieser Grundsatz wird allerdings durch §  15 III 2 UrhG faktisch wieder durch eine (normative) Bestimmung dieser Öffentlichkeitszugehörigkeit ein­ geschränkt. Als Mitglied der Öffentlichkeit zählt hiernach nicht, wer einerseits mit dem Verwertenden – im Bildnisrecht also dem Zurschaustellenden – durch persön­ liche Beziehungen verbunden ist. Andererseits soll es sich nicht um Mitglieder der hier relevanten Öffentlichkeit handeln, wenn diese (untereinander) durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden sind. Ob diese Wertungen ohne weiteres für den strafrechtlichen Bildnisschutz im Rahmen des öffentlichen Zurschaustellens fruchtbar gemacht werden können, soll im Folgenden anhand der einzelnen Merk­ male der öffentlichen Wiedergabe erörtert werden. 486  EuGH, NJW 2014, S.  759 ff. – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“; EuGH, NJW 2015, S.  148 f. – „BestWater International GmbH/Michael Mebes ua“; EuGH, NJW 2016, S.  3149 ff. – „GS Media/Sanoma Media Netherlands ua“; EuGH, NJW 2018, S.  3501 ff. – „Land Nordrhein-Westfalen/­ Renckhoff [Cordoba]“; EuGH, GRUR 2021, S.  706 ff. – „VG Bild-Kunst/SPK [Deutsche Digitale Bibliothek]“; vgl. auch MüKo StGB/B. Heinrich, §  106 UrhG, Rn.  75. 487  Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  37; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10.; dies., MMR 2017, S.  578. 488  LG Oldenburg, GRUR 1988, S.  695; LG Oldenburg, AfP 1991, S.  653; vgl. auch VG Köln, NJW 1988, S.  369; in der Lit.: HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  14; Esser, in: HB Social Media, Kap.  8, Rn.  180; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  9; Gräbig, MMR 2015, S.  365; Helle, S.  123; BeckOK Info­ MedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  12; Hohenstein, S.  7 ff.; Erbs/Kohlhaas/Kaiser §  33 KUG, Rn.  11; Klein, S.  103; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  745; Leffler, S.  225; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 KUG ff., Rn.  9; Tausch, S.  84; vgl. auch Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  54; Wandtke/Ohst/ Renner, Kap.  4, Rn.  25; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  140; Wandtke, MMR 2019, S.  145; krit. Bienemann, S.  190; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  37; Gräbig, MMR 2015, S.  366; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10a.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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a) Mehrzahl von Personen Erforderlich ist bei einer strengen Übertragung der Grundsätze des Urheberrechts zunächst, dass sich die Zurschaustellung an eine Mehrheit von Personen richtet. Da­ mit scheiden solche Tathandlungen von vorneherein aus, welche sich nur an eine einzelne Person richten.489 Zwar konnten nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schon wenige Personen eine solche Mehrzahl darstellen.490 Die Frage, ob eine relevante Mehrzahl schon bei zwei Adressaten vorliegt, hat die höchst­ richterliche Rechtsprechung jedoch trotz der Fürsprache durch die Literatur491 und vereinzelte unterinstanzliche Entscheidungen492 letztendlich offengelassen.493 Die spärlich vorhandene Rechtsprechung zum bildnisrechtlichen öffentlichen Zurschau­ stellen lässt jedenfalls vermuten, dass im Sinne der urheberrechtlichen Wertung grundsätzlich auch kleine Personenmehrheiten vom öffentlichen Zurschaustellen umfasst sein können.494 b) Finales Element der Bestimmung innerhalb der Handlung Die Wiedergabe muss gerade für Mitglieder der Öffentlichkeit bestimmt sein, um als öffentlich zu gelten. Damit befindet sich in der öffentlichen Wiedergabe ein finales (subjektives) Element, wonach sich eine Handlung – wie etwa das Zeigen eines Bil­ des – der Art und Weise ihrer Ausführung nach gerade an die Öffentlichkeit richten muss. Für die Beantwortung der Frage, ob diese öffentliche Zielrichtung innerhalb einer Handlung vorliegt, soll der objektiv zu bestimmende Wille des Werknutzers maßgeblich sein.495 489  Im Rahmen von §  106 UrhG, welcher ebenfalls auf die öffentliche Wiedergabe in §  15 II, III UrhG rekurriert, B. Heinrich, S.  246; MüKo StGB/B. Heinrich, §  106 UrhG, Rn.  71. 490  BGH, NJW 2009, S.  3515 – „Internet Videorecorder I“; BGH, NJW-RR 2014, S.  116 – „Inter­ net Videorecorder II“. 491  Fromm/Nordemann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  31; Dreier/Schulze/Dreier §  15 UrhG, Rn.  41; Haberstumpf, Rn.  242; vgl. auch Katzenberger, AfP 1997, S.  437 f.; vgl. hingegen U. Weber, S.  218, welcher (im strafrechtlichen Kontext) jedenfalls bei zehn Personen von einer Mehrheit ausgeht. 492  OLG Köln, OLG-Report Köln 1994, S.  282; AG Nürnberg, NJW-RR 1996, S.  683. 493  BGH, NJW 1996, S.  3085 – „Zweibettzimmer im Krankenhaus“, wonach es bei einem Zwei­ bettpersonenzimmer im Krankenhaus nicht angezeigt sei, zur erforderlichen Mehrheit bei lediglich zwei Personen „abschließend Stellung zu nehmen“, da jedenfalls eine persönliche Verbundenheit im Sinne des §  15 III 2 UrhG vorliege. Dreier/Schulze/Dreier §  15 UrhG, Rn.  41; Fromm/Norde­ mann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  31 und Tausch, S.  85, erkennen hierin offenbar gleichwohl die Anerkennung von zwei Personen als ausreichend für die erforderliche Personenmehrheit. 494  Vgl. insbesondere LG Oldenburg, GRUR 1988, S.  694, hinsichtlich des Zeigens eines Bildnis­ ses vor (wohl wenigen) Arbeitskollegen; ferner VerfGH Berlin, NJW-RR 2007, S.  1687, hinsichtlich des Hochhaltens eines Bildnisses auf einer Pressekonferenz mit etwa 20 Personen; sofern ein öffent­ liches Zurschaustellen bei kleinen Personenmengen verneint wurde, geschah dies – soweit ersicht­ lich  – nicht ausdrücklich aufgrund der geringen Personenanzahl, sondern aufgrund der individuali­ sierbaren Abgrenzbarkeit des Personenkreises; vgl. LG Oldenburg, AfP 1988, S.  653, hinsichtlich der „Augenscheinseinnahme“ von Fotos in öffentlicher Gerichtsverhandlung; ähnlich VG Köln, NJW 1988, S.  369, hinsichtlich des Vorzeigens eines Bildnisses innerhalb einer Presseredaktion. 495  AG Erfurt, GRUR-RR 2002, S.  160; AG Konstanz, GRUR-RR 2007, S.  384 f.; Fromm/Nor­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Überträgt man diese Wertung auf das Bildnisrecht, so liegt eine öffentliche Zurschaustellung nicht vor, wenn das Zeigen eines Bildnisses versehentlich stattfand und sich entsprechend der Art und Weise der Sichtbarmachung objektiv als Versehen darstellt.496 Hält A beispielsweise eine öffentlich zugängliche digitale Vorlesung und schließt aus Ver­ sehen seine Präsentation ohne das Screensharing zu beenden, sodass ein Bildnis des B (etwa als Desktophintergrund) für alle Zuhörer sichtbar wird, ist bereits der objektive Tatbestand mangels tauglicher Tathandlung des öffentlichen Zurschaustellens zu verneinen. Es kommt dann auf den ebenfalls fehlenden subjektiven Tatbestand (mangels Vorsatzes) nicht mehr an.497 Ähnliches gilt, wenn A ein Bildnis des B im öffentlich zugänglichen Park verliert und es etwa infolgedessen bei Parkbesuchern die Runde macht.

Da es also auf die Beurteilung des Täterwillens nach objektiven Kriterien ankommt, wird es somit tendenziell schwerer werden, sich auf den Umstand zu berufen, dass eine Wiedergabe lediglich für einen gewissen Teil des tatsächlich erreichten Perso­ nenkreises bestimmt war, wenn tatsächlich keinerlei Eingrenzung stattfand, die ob­ jektiv hierauf schließen lässt.498 Damit gilt es also in diesem Zusammenhang mit zu berücksichtigen, ob der Veröffentlichende (effektive) Zugangshindernisse499 einge­ richtet hat, welche (objektiv) darauf schließen lassen, dass nur bestimmte Personen das Bild zu Gesicht bekommen sollen. Diese Zugangshindernisse sind regelmäßig dann objektiv erkennbar, wenn sie physikalischer Natur sind. Als klassisches Bei­ spiel ist das Aufhängen des Bildnisses in der eigenen Wohnung zu nennen. Anderes gilt hingegen, wenn trotz faktischem Zugangshindernis ein Wille zur Zugänglichma­ chung für einen unbestimmten Personenkreis vorliegt und sich die Sichtbarmachung eines Bildnisses aus der Privatheit an die Öffentlichkeit richtet. Soweit ersichtlich, drehte sich unmittelbar nach Inkrafttreten des KUG einer der ersten bild­ nisrechtlichen Meinungsstreitigkeiten um die Auslegung des öffentlichen Zurschaustellens bei Sichtbarmachungen aus den eigenen vier Wänden hinaus. So verneinte Osterrieth die Öffent­ lichkeit eines Zurschaustellens, wenn ein Künstler oder Photograph innerhalb seines (öffent­ lich zugänglichen) Ateliers ein Bildnis aufhing, mit der Begründung, dass sich das Bildnis innerhalb des „umfriedeten Privateigentums“ befinde.500 Dem hielt Allfeld entgegen, dass die Öffentlichkeit in §  22 I Var.  2 KUG nicht in einem örtlichen, sondern in einem normativ-­

demann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  32; Loewenheim/Hoeren, §  21, Rn.  12; Schricker/Loewenheim/ von Ungern-Sternberg, §  15, Rn.  66, 68; Wandtke/Bullinger/Heerma, §  15 UrhG, Rn.  25; ­Wissmann, S.  288. 496 Vgl. Adam, MMR 2015, S.  783 ff. 497  Anders wird dies allerdings dann zu beurteilen sein, wenn A anhand der Reaktionen seiner Zuhörer den Umstand bemerkt und gleichwohl die Sichtbarkeit weiterhin aufrechterhält. Hierzu im Einzelnen noch Kap.  3, D., IV., und dort insbesondere 7. 498  Vgl. hierzu die beiden Entscheidungen (allerdings zur Musikwiedergabe) des LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2005, S.  243 und des AG Kassel, NJW-RR 2000, S.  493, wonach der Veröffent­ lichende sich schon deshalb nicht darauf berufen konnte, dass die Wiedergabe nur für einen Teil der Personen „bestimmt“ gewesen sei, weil er das Werk vor einer Mehrzahl von Personen wiedergege­ ben hatte. 499  Hierzu ausführlich Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Kap.  6, §  3, Rn.  176. 500  Osterrieth, S.  173.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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wertenden Zusammenhang zu verstehen sei und es somit maßgeblich darauf ankomme, ob sich die Sichtbarmachung als private oder öffentliche Handlung darstellt.501

Auch §  15 III 2 UrhG deutet heute in seiner ersten Ausnahme darauf hin; danach ist eine Wiedergabe lediglich dann nicht öffentlich, wenn sie sich an eine Person richtet, zu welcher der Veröffentlichende persönliche Bindung hat. Auf eine entsprechende Örtlichkeit kommt es jedenfalls nicht an. Selbst bei Sichtbarmachungen in den eige­ nen vier Wänden wird also je nach (gesellschaftlich tradierter) Stoßrichtung und Art der konkreten Sichtbarmachung eines Bildnisses zu differenzieren sein. Hängt A beispielsweise ein Bildnis in sein Wohnzimmer, das von einer Glasfront umgeben ist und ohne weiteres von jedem Passanten eingesehen werden kann, wird man (erst) dann von einem öffentlichen Zurschaustellen ausgehen können, wenn A durch das Aufhängen der Wille zur Sichtbarmachung für jeden Passanten unterstellt werden kann. Dies wird zweifelsfrei dann möglich sein, wenn A das Bildnis direkt ans Fenster hängt, sodass er selbst und seine privaten Gäste innerhalb der Wohnung den Inhalt nicht mehr sehen können.

Umgekehrt muss dasselbe selbst für Sichtbarmachungen in öffentlich zugänglichen Bereichen gelten. Hier wird nicht selten das tradierte Verständnis von Sichtbar­ machungen von Bildnissen zu Erinnerungszwecken als Ausdruck einer persönlichen Verbundenheit eine erwähnenswerte Rolle spielen, wenn es um die Frage geht, ob der Sichtbarmachung eine öffentliche Zielrichtung zukommt. Stellt etwa ein Arzt oder Professor ein Bildnis zu Erinnerungszwecken auf seinen Schreib­ tisch, das von jedem Patienten, Studenten oder Besucher in seiner persönlichen Sprechstunde gesehen werden kann, handelt es sich um keine öffentliche Zurschaustellung, da es bereits an der entsprechenden Bestimmung zur Sichtbarmachung für einen unbestimmten Personen­ kreis fehlt. Anderes gilt hingegen dann, wenn anhand objektiver Kriterien dargetan werden kann, dass es dem Sichtbarmachenden gerade auf die Wahrnehmung des Bildnisses durch ei­ nen unbestimmten Personenkreis ankommt. Dies wird schon eher dann der Fall sein, wenn das Bild großflächig im Sprechzimmer an der Wand hängt und wird jedenfalls dann angenommen werden können, wenn das Bildnis vor den Lehrstuhl oder der Praxis an ein schwarzes Brett geheftet wird. Befindet sich das Bildnis also bereits im öffentlich zugänglichen Raum, wird ein solcher Nachweis in der Regel einfacher beizubringen sein.

Ferner werden etwaige Zugangshindernisse zur Begründung einer privaten (nicht öffentlichen) Zurschaustellung dann zu verneinen sein, wenn ihnen im Kern ein An­ gebot an die Allgemeinheit und insoweit die öffentliche Stoßrichtung innewohnt. Daran ändert sich auch nichts, wenn Zugangshindernisse vom Durchschnittsnutzer ohne bestimmtes Sonderwissen, einem Sonderstatus oder sonstiger Qualifikation mit einfachen und alltäglichen Mitteln – wie etwa dem Bezahlen eines Geldbetrags oder dem Bestätigen der Volljährigkeit – faktisch umgangen werden können.502 Die­ se Umgehungsmöglichkeiten sprechen gerade dafür, dass keine persönliche, sondern 501  Allfeld, S.  132; so im Anschluss auch RGSt 45, 240 (243); vgl. heute Schricker/Loewenheim/ Götting, §  22 KUG, Rn.  37. 502 Vgl. Beisel/B. Heinrich, JR 1996, S.  95 ff.; Gercke/Brunst, Rn.  309; Wandtke/Ohnst/B. Heinrich, Kap.  6, §  3, Rn.  176; Hilgendorf/Valerius, Rn.  300; Malek/Popp, Rn.  327.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

eine öffentliche Stoßrichtung besteht. Insoweit wird es immer auch auf eine Beurtei­ lung im Einzelfall unter Berücksichtigung der faktisch gegebenen Umgehungsmög­ lichkeiten des Durchschnittsnutzers anhand des technischen Standards ankommen; dazu können empirische Erhebungen zum tagesaktuellen Nutzerverhalten herange­ zogen werden. c) Einschränkung der Öffentlichkeitszugehörigkeit durch das Merkmal der Verbundenheit Maßgebliche Einschränkung erfährt der Öffentlichkeitsbegriff durch §  15 III 2 UrhG. Dieser definiert, wer Mitglied der Öffentlichkeit ist. Hierfür bedient sich das Gesetz einer negativen Abgrenzung zu privaten Werknutzungen.503 Sofern also eine persön­ liche Verbindung der Adressaten zum Verwerter oder unter den Adressaten selbst besteht, liegen private und somit keine öffentlichen Verwertungshandlungen vor.504 Überträgt man diese Wertung mit der überwiegenden Meinung auf das Bildnisrecht, so muss zwangsläufig geklärt werden, wann überhaupt von einer persönlichen Ver­ bindung seitens der (potentiellen) Bildnisrezipienten (untereinander oder im Verhält­ nis zum Zurschaustellenden) gesprochen werden kann. Da der Gesetzgeber diese Definition bewusst gewählt hat, um eine flexible Handhabe im Einzelfall zu ermög­ lichen505, gingen Bestimmungsversuche regelmäßig kaum über die Feststellung hin­ aus, dass „verbunden ist, wer sich verbunden fühlt“506. Dies lässt jedenfalls im Be­ reich des Strafrechts hinsichtlich solcher Tathandlungen aufhorchen, die direkt an diesen flexiblen Öffentlichkeitsbegriff anknüpfen507 oder – wie §  33 I Var.  2 KUG – an diesen durch das Erfordernis einer öffentlichen Begehungsweise508 angelehnt sind. Bedenken hinsichtlich der Unbestimmtheit wurden jedenfalls bislang (in allen Rechtsbereichen) mit dem Verweis auf eine umfangreich vorhandene Einzelfall­ 503 

Kracht, S.  15; Marl, S.  301; Völtz, S.  103. Die aktuelle Fassung der Legaldefinition des §  15 III UrhG entstammt der Urheberrechts­ novelle von 2003 und stellt nur noch auf die „persönliche Verbindung“ ab. Die vorherige Fassung von 1966 enthielt noch die weitere Einschränkung, dass der Personenkreis „bestimmt abgegrenzt“ sein müsse. Diese Änderung sollte allerdings ausweislich der Gesetzesbegründung maßgeblich zu Präzisierungszwecken erfolgen und keine wesentliche Änderung hinsichtlich des herkömmlichen Verständnisses mit sich bringen; vgl. BT-Drs. 15/38, S.  17; hierzu Dreier/Schulze/Dreier, §  15 UrhG, Rn.  37; Lowenheim/Hoeren, §  15 UrhG, Rn.  25; Marl, S.  301 ff. 505  BT-Drs. 15/38, S.  17. 506 Vgl. Marl. S.  303; ferner Wandtke/Bullinger/Heerma, §  15 UrhG, Rn.  23, wonach entschei­ dend sei, „ob ein enger gegenseitiger Kontakt bestehe“; nach OLG München, ZUM 1986, S.  483, sei eine familiäre oder freundschaftliche Verbindung hingegen nicht notwendig; Kracht, S.  32 f.; Wissmann, S.  273 f., m. w. N. 507  Zu §  106 UrhG etwa B. Heinrich, S.  246 ff.; MüKo StGB/B. Heinrich, §  106 UrhG, Rn.  56; vgl. ferner Wissmann, S.  273 ff. 508  Hierzu etwa Marl, S.  279 ff., welcher darauf hinweist, dass insoweit §  287 II StGB eine ge­ wisse Ausnahme innezuwohnen scheint, wonach Glücksspiele auch ausdrücklich dann als öffent­ lich gelten, wenn sie „in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele ge­ wohnheitsmäßig veranstaltet werden“, stattfinden. 504 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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rechtsprechung509, sowie der faustformelartigen Annahme schwindender Verbun­ denheit bei steigender Adressatenanzahl510 zu zerstreuen versucht.511 Tendenziell ging man aber von einer „urheberfreundlichen“512 und somit strengen Auslegung für die persönliche Verbundenheit aus.513 Dies hielt vereinzelte Stimmen aber bei der Auslegung des öffentlichen Zurschaustellens im Bildnisrecht nicht davon ab, etwa die „Freundschaft“ in sozialen Netzwerken im Internet als hinreichende persönliche Verbundenheit zu interpretieren, sodass Bildnisbeiträge, welche nur „für Freunde“ sichtbar wurden, unabhängig der Adressatenzahl keine öffentliche Zurschaustellung im Sinne des Bildnisrechts darstellen sollten.514 d) Unionsrechtliche Einflüsse auf diese Grundsätze Die eben skizzierten Grundsätze dürften jedenfalls im Urheberrecht infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs allerdings weitestgehend überholt sein.515 Denn im Zuge der Harmonisierung516 legt die höchstrichterliche Rechtspre­ 509  Vgl. hierzu die Rechtsprechungsübersicht zur öffentlichen Wiedergabe ohne Berücksichti­ gung des Unionsrechts bei Fromm/Nordemann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  34, 45 ff., und Schricker/ Loewenheim/von Ungern-Sternberg, §  15 UrhG, Rn.  389 f. 510  OLG München, ZUM 1986, S.  483; Wandtke/Bullinger/Heerma, §  15 UrhG, Rn.  23. 511  Loewenheim/Hoeren, §  15 UrhG, Rn.  27. 512  Fromm/Nordemann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  34; Wissmann, S.  275. 513  Fromm/Nordemann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  34; Loewenheim/Hoeren, §  15 UrhG, Rn.  27; Schricker/Loewenheim/von Ungern-Sternberg, §  15 UrhG, Rn.  377. 514  So etwa Piltz, S.  200; Rake, FamRZ 2020, S.  1065; Vetter, AfP 2017, S.  130, fasst sogar auch „Freunde von Freunden“ hierunter; in diese Richtung könnte auch die Entscheidung des VGH Mün­ chen, MMR 2012, S.  422, interpretiert werden, wonach es für eine Veröffentlichung darauf ankom­ me, ob ein Posting im „lediglich ‚privaten‘ Bereich von Facebook“ oder „öffentlich“ erfolge; hierzu J. Bauer/Günther, NZA 2013, S.  68, Fn.  7; a. A. Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  10a; vgl. im urheberrechtlichen Zusammenhang bei der elektronischen Übertragung eines Werkes per E-Mail oder mittels eines Messenger-Dienstes wie Whatsapp Wandtke/Bullinger/Heerma, §  15 UrhG, Rn.  34, welcher mangels Öffentlichkeit aufgrund bestimmter Adressatenanzahl eine öffentliche Wiedergabe ablehnt; a. A. G. Schulze, ZUM 2008, S.  836; wohl auch von Ungern-Sternberg, in: FS Loschelder 2010, S.  418, 422. 515  Wandtke/Bullinger/Bullinger, §  19a UrhG, Rn.  4a; Fromm/Nordemann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  29; Wandtke/Bullinger/Heerma, §  15 UrhG, Rn.  18, wonach der Begriff der öffentlichen Wiedergabe „ins Wanken geraten“ sei; Regenstein, ZUM 2018, S.  650; ferner Schricker/Loewen­ heim/von Ungern-Sternberg, §  15 UrhG, Rn.  354, 388, welcher ältere Gerichtsentscheidungen aller­ dings noch als „erste Orientierungshilfe“ für die Beurteilung einer öffentlichen Wiedergabe für heranziehbar hält. Die Drastik der unionsrechtlichen Einflüsse für die herkömmlichen Grundsätze wird jedenfalls dann deutlich, wenn von Ungern-Sternberg es befürwortet, die Legaldefinition in §  15 III UrhG aus dem Gesetz zu streichen. 516  Die Verwertungsrechte der Urheber haben aufgrund der Richtliniengesetzgebung ganz über­ wiegend ihre Grundlage im Unionsrecht, maßgeblich in der Informationsgesellschafts-Richtlinie (InfoSoc-RL) und in Art.  17 DSM-RL; vgl. hierzu Schricker/Loewenheim/von Ungern-Sternberg, §  15 UrhG, Rn.  1 ff.; der Erwägungsgrund 23 zu InfoSoc-Richtlinie regelt, dass mit der Richtlinie das für die öffentliche Wiedergabe geltende Recht weiter harmonisiert werden soll. Da das europä­ ische Recht nicht auf das nationale Recht verweist, ist der Begriff der öffentlichen Wiedergabe ge­ meinschaftsweit einheitlich und damit im Lichte des Art.  3 InfoSoc-RL auszulegen; vgl. EuGH, GRUR 2007, S.  226 – „[SGAE]/Rafael Hoteles SL“; EuGH, GRUR 2012, S.  595 – „[SCF]/Marco

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

chung517 den Begriff der öffentlichen Wiedergabe unionsrechtskonform aus, indem sie sich bei dessen Bestimmung an den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs hält. Unterschiede zu den herkömmlichen Grundsätzen zeigen sich nicht nur an der andersartigen Ausrichtung der dogmatischen Bestimmung der öffentlichen Wieder­ gabe durch den Gerichtshof518, sondern insbesondere an ausdrücklichen Divergen­ zen zu den bisherigen nationalen Bestimmungsmustern. So genügt für die öffentliche Wiedergabe nicht etwa mehr eine geringe Personenmehrzahl519, sondern es bedarf hiernach sogar „recht vieler“ Personen.520 Ferner ist unklar, ob es überhaupt noch auf die persönliche Verbundenheit ankommen soll, zumal der Gerichtshof lediglich noch zwischen der Wiedergabe an „besondere Personen […], die einer privaten Gruppe angehören“ und an „Personen allgemein“ unterscheidet.521 War also die herkömm­ liche Konzeption, wie bereits angedeutet, schon Bedenken hinsichtlich der Bestim­ mung einer persönlichen Verbundenheit ausgesetzt, so gilt dies erst recht für die unionsrechtliche Vorgehensweise, weil sich hiernach eine öffentliche Wiedergabe im Einzelfall noch schwerer voraussagen lässt.522 Wiederkehrende Konstanten sind je­ denfalls die beiden Oberkategorien der Wiedergabehandlung und der Öffentlichkeit, in welcher die Handlung stattfinden muss.523 Um aber beurteilen zu können, ob ein Nutzer beide Kategorien erfüllt, sind nach den unionsrechtlichen Vorgaben eine Rei­ he weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbstständig und miteinander ver­ Del Corso“; EuGH, GRUR 2016, S.  685 – „Reha Training/GEMA“; vgl. zur Harmonisierung infolge der Info-Soc-Richtlinie Leistner, ZUM 2016, S.  581; F. Schmidhäuser, S.  278. 517  BGH, GRUR 2016, S.  172 – „Die Realität II“; BGH, GRUR 2017, S.  515 – „Cordoba“; BGH, NJW 2018, S.  774 – „Vorschaubilder III“; BGH, GRUR 2019, S.  816 f. – „Cordoba II; BGH, GRUR 2019, S.  727 – „Deutsche Digitale Bibliothek“; BGH, NJW 2021, S.  3788 – „Deutsche Digitale Bib­ liothek II“. 518  Haberstumpf, GRUR Int. 2013, S.  632 f.; Nordemann, GRUR 2016, S.  247 f.; für das Bildnis­ recht ergäben sich bei einer statischen Übertragung der unionsrechtlichen Grundsätze auf das öf­ fentliche Zurschaustellen insbesondere bei Verweisungen auf Bildnisveröffentlichungen im Internet Neuerungen; vgl. hierzu im Einzelnen Kap.  3, B., II.; 2. 519  Eine „allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen“ soll gerade aus­ scheiden; vgl. EuGH, GRUR 2017, S.  792 – „Stichting Brein/Ziggo ua [The Pirate Bay]“. 520  EuGH, GRUR 2012, S.  596 – „[SCF]/Marco Del Corso“; EuGH, NJW 2016, S.  3151 – „GS Media/Sanoma Media Netherlands ua“; EuGH, GRUR 2017, S.  792 – „Stichting Brein/Zigo BV, XS4ALL Internet BV“; EuGH, GRUR 2021, S.  708 – „VG Bild-Kunst/SPK [Deutsche Digitale Bib­ liothek]“. 521  Vgl. EuGH, GRUR 2012, S.  596 f. – „[SCF]/Marco Del Corso“; hierzu Loewenheim/Hoeren, §  21, Rn.  23; Regenstein, ZUM 2018, S.  659; Schricker/Lowenheim/von Ungern-Sternberg, §  15 UrhG, Rn.  377, hält sogar die nach herkömmlichem Verständnis erfolgte restriktive Auslegung des Kriteriums der „persönlichen Verbundenheit“ nunmehr mit den neuen Grundsätzen unvereinbar, da diese auch mit der grundsätzlich großzügigen Bemessung der Personenmehrzahl korreliert habe. Dies geht jedenfalls mit der herkömmlichen Wertung einher, dass mit steigender – und somit bei relativ großer – Personenzahl tendenziell schwieriger persönliche Beziehungen anzunehmen seien. 522  Fromm/Nordemann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  37; Loewenheim/Hoeren, §  21, Rn.  10; Regen­ stein, ZUM 2018, S.  659 f. 523  Fromm/Nordemann/Dustmann, §  15 UrhG, Rn.  38; Nordemann, GRUR 2016, S.  246 f.; Regenstein, ZUM 2018, S.  659.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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flochten sind524, sodass allgemeine Aussagen – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nahezu unmöglich sind und jede infrage stehende Situation einer individuellen Beur­ teilung im Rahmen einer Gesamtabwägung bedarf.525 Wichtig sind hiernach für die Wiedergabehandlung die Rolle des Nutzers und die Vorsätzlichkeit seines Han­ delns526, während für die Öffentlichkeit eine unbestimmte (und „recht“ bzw. „ziem­ lich“ große) Personenanzahl527 vorliegen muss. Ferner werden gerade im Bereich von Verweisen und Anknüpfungen im Internet Prüfungspunkte wie die Nutzung eines „anderen technischen Verfahrens“ oder eines „neuen Publikums“ relevant528, wofür wiederum auch Erwerbszwecke des Verwertenden eine Rolle spielen können sol­ len.529 Dass jedenfalls nicht unerhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Bestim­ mung zu bestehen scheinen, zeigt nicht zuletzt die Vorlagepraxis des Bundesge­ richtshofs zur Klärung von Fragen betreffend der öffentlichen Wiedergabe an den Europäischen Gerichtshof.530 e) Resümee und weitere Stellungnahme Da urheberrechtliche Wertungen zu §  15 III UrhG für das öffentliche Zurschaustellen im Bildnisrecht lange Zeit heranzuziehen waren, darf die Entwicklung zum Begriffs­ verständnis der urheberrechtlichen öffentlichen Wiedergabe jedenfalls auch in Zu­ kunft bei der Bemessung bildnisrechtlicher Maßstäbe nicht ignoriert werden.531 Kri­ 524  EuGH, GRUR 2021, S.  708 – „VG Bild-Kunst/SPK [Deutsche Digitale Bibliothek]“; HK/ Dreyer, §  15 UrhG, Rn.  55; F. Schmidhäuser, S.  284 f. 525  Bienemann, S.  191; Haberstumpf, GRUR Int. 2013, S.  632 f. 526  EuGH, NJW 2016, S.  3151 – „GS Media/Sanoma Media Netherlands ua“; EuGH, NJW 2017, S.  1934 – „Stichting Brein/Wullems“; EuGH, GRUR 2017, S.  791 – „Stichting Brein/Ziggo ua [The Pirate Bay]“. 527  EuGH, NJW 2014, S.  761 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“; EuGH, NJW 2016, S.  3151 – „GS Media/Sanoma Media Netherlands ua“; EuGH, NJW 2017, S.  1934 – „Stichting Brein/ Wullems“; EuGH, NJW 2018, S.  3502 – „Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff [Cordoba]“; EuGH, GRUR 2021, S.  708 – „VG Bild-Kunst/SPK [Deutsche Digitale Bibliothek]“. 528  EuGH, NJW 2014, S.  760 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“; EuGH, NJW 2015, S.  149 – „BestWater International GmbH/Michael Mebes ua“; EuGH, NJW 2016, S.  3151 – „GS Media/Sanoma Media Netherlands ua“; EuGH, NJW 2018, S.  3503 – „Land Nordrhein-Westfalen/ Renckhoff [Cordoba]“; EuGH, GRUR 2021, S.  708 – „VG Bild-Kunst/SPK [Deutsche Digitale Bib­ liothek]“. 529  Gleichwohl ist die Rolle von Erwerbszwecken nicht abschließend geklärt; vgl. hierzu EuGH, MMR 2013, S.  459: „unerheblich“; hingegen „nicht unerheblich“ bei EuGH, GRUR 2016, S.  684; EuGH, GRUR 2012, S.  593, Rn.  88; EuGH, GRUR 2012, S.  156, Rn.  204; EuGH, MMR 2017, S.  462; vgl. auch Wandtke/Bullinger/Heerma, §  15 UrhG, Rn.  29. 530  Schubert, MMR 2019, S.  439, spricht sogar von einer „erratischen Vorlagepraxis“, deren Kehrseite Kollateralschäden hervorbringe, die durch die weitreichende und teilweise systemdurch­ brechende Rechtsfortbildung des EuGH im Zusammenhang mit dem Recht der öffentlichen Wieder­ gabe entstehen; vgl. ferner Regenstein, ZUM 2018, S.  659, nach welchem nicht die Rede davon sein könne, dass die „Begriffs-Evolution“ (der öffentlichen Wiedergabe) bereits abgeschlossen sei. 531  Insoweit ist Bienemann, S.  195, zuzustimmen, wenn diese kritisiert, dass Entwicklungen des Urheberrechts schlicht ignoriert werden, wenn weiterhin gewohnheitsmäßig die herkömmlichen Wertungen des §  15 III UrhG für das KUG herangezogen werden; vgl. hingegen Lauber-Rönsberg,

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

tiker der Übertragbarkeit dieser unionsrechtlichen Justierungen auf die §  22 ff. KUG bietet jedenfalls die hier vertretene Wertung532, dass sich das (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild nicht am Urheberrecht orientieren muss, zumindest im Rahmen des öffentlichen Zurschaustellens willkommenen Nährboden.533 Gleichwohl gibt es Lite­ raturstimmen, welche nach wie vor an die Heranziehung der urheberrechtlichen öf­ fentlichen Wiedergabe festhalten und insoweit die europarechtlichen Justierungen zum Umgang mit Verlinkungen auf das öffentliche Zurschaustellen des KUG als durchaus übertragbar erachten.534 Wenn aber die unionsrechtlich heraufbeschworene Unbestimmtheit der öffentli­ chen Wiedergabe im Angesicht des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots bereits im direkten Zusammenhang mit §  106 UrhG nur als „schwer erträglich“535 empfunden wird, so muss zumindest dasselbe bei einer – an sich unnötigen – Übertragung auf das (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild gelten. Insoweit könnte es sich durchaus anbieten, zu den aus dem nationalen Recht entwickelten Grundsätzen zur öffent­ lichen Wiedergabe für die Bestimmung des öffentlichen Zurschaustellens zurückzu­ kehren und insoweit – etwa unter Hinweis des persönlichkeitsrechtlichen Einschlags – auch kleinere Personenmengen für ein öffentliches Zuschaustellen zuzulassen. Aber auch dieser sich im Bildnisrecht langsam abzeichnende Weg erscheint, wie bereits angeklungen, nach der hier vertretenen Ansicht nicht unbedenklich. Denn letztendlich resultiert hieraus die Bestimmung der Tathandlung einer öffentlichen Zurschaustellung (jedenfalls im Bereich kleinerer Personengruppen) anhand einer schwer vorherzusagenden Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls, im Rahmen welcher nicht selten der Bildnisinhalt – über die eigentliche Bildniseigen­ schaft und somit das Tatobjekt hinaus – eine gravierende Rolle spielen wird. Der pauschale Hinweis auf den persönlichkeitsrechtlichen Einschlag zur Annahme einer Bildnisrechtsverletzung beim Sichtbarmachen von Bildnissen vor kleineren Perso­ nengruppen bestärkt jedenfalls diese Vermutung.536 Dabei wirkt das weiche Krite­ rium der persönlichen Verbundenheit als zusätzliches Instrument, selbst bei Sicht­ NJW 2016, S.  748, welche ihre Argumentation nach wie vor den Grundsätzen der „Paperboy“-Ent­ scheidung ausrichtet; ähnlich Wandtke/Ohst/Witzmann, Bd.  5, Kap.  6; §  3, Rn.  66. 532  Vgl. hierzu bereits die Erwägungen zum Verbreiten in Kap.  3, B., I., 1., e). 533  Bienemann, S.  195; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  37; Gräbig, MMR 2015, S.  366; Tausch, S.  83; vgl. ferner Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  9, wonach die Recht­ sprechung des EuGH schon deshalb auf den Bildnisschutz nicht übertragbar sei, weil die ihr zu­ grundeliegenden europarechtlichen Bestimmungen nur für das Urheberrecht gelten. 534  Esser, in: HB Social Media, Kap.  8, Rn.  180; Herbort, S.  175; Hohenstein, S.  79; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  12; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  11 f.; Wandtke/ Ohst/Renner, Bd.  4, Kap.  4, §  6, Rn.  25; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap 7, R. 140. 535  Wandtke/Bullinger/Heerma, §  15 UrhG, Rn.  18. 536  Es kann in diesem Zusammenhang freilich nur gemutmaßt werden, dass etwa das LG Olden­ burg, GRUR 1988, S.  694, eine öffentliche Zurschaustellung bei dem „Hausieren“ vor wohl wenigen Personen möglicherweise auch deshalb bejaht hat, weil die Abgebildete in intimen Momenten mit verschiedenen Männern auf einem Grillfest abgebildet wurde; vgl. in diesem Zusammenhang fer­ ner Hohenstein, S.  72, welche offenbar davon ausgeht, dass jedes Hochladen eines Intimbilds in ein soziales Netzwerk grundsätzlich ein öffentliches Zurschaustellen darstelle.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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barmachungen von Bildnissen vor kleineren Personengruppen bei entsprechender Auslegung auf Kosten der Bestimmtheit zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Nach alldem erscheint das Kriterium der persönlichen Verbundenheit der Adres­ saten untereinander und dessen Bedeutung für die Tathandlung im Anbetracht des geschützten Rechts(guts) am eigenen Bild schon als grundsätzlich wert, hinterfragt zu werden. Denn soweit das Recht am eigenen Bild nach den dargestellten Grundsät­ zen den Abgebildeten vor seiner unkontrollierten bildhaften Repräsentation durch sein äußeres Erscheinungsbild und damit seine Persönlichkeitsentfaltung schützen soll, so erschließt sich kaum, was sich daran ändern sollte, wenn der rezipierende Personenkreis miteinander persönlich verbunden ist. Regelmäßig wird diese Verbun­ denheit für die Persönlichkeitsentfaltung des Abgebildeten jedenfalls keine Auswir­ kung haben. Vielmehr steht die Annahme im Raum, dass es den Abgebildeten nicht selten sogar schwerer in seiner Persönlichkeitsentfaltung treffen wird, wenn der rezi­ pierende Personenkreis miteinander verbunden ist und gemeinsam seine bildhafte Präsenz referentiell interpretieren kann. Wird etwa auf einer großen Familienfeier537 oder im Sportheim538 ein Bildnis großflächig präsentiert, welches die sexuelle Orientierung des Abgebildeten offenbart, wird die Adressie­ rung an den konkreten Personenkreis den Betroffenen ganz besonders in seiner Persönlich­ keitsentfaltung hemmen. Ferner ist zweifelhaft, ob etwa ein Professor in jeder (gutbesuchten) Veranstaltung mangels Öffentlichkeit das Bildnis desjenigen an die Wand werfen darf, der die Prüfung nicht bestan­ den hat.539 Mit anderen Worten: Es steht zu befürchten, dass der Sinn und Zweck des Rechts am eige­ nen Bild, vor einer unkontrollierten Wahrnehmung der Person anhand ihrer bildhafte Reprä­ sentation zu schützen, gerade in solchen Fällen ausgehebelt wird, in welchen keine Öffentlich­ keit aufgrund der persönlichen Verbindung der Rezipienten untereinander vorliegt. Der Abge­ bildete wird jedenfalls in solchen Szenarien annehmen, dass der konkrete Kontrollverlust, den es gerade zu vermeiden galt, mit der Zurschaustellung an den verbundenen Personenkreis eingetreten ist.

Beschäftigt man sich näher mit dem Öffentlichkeitsbegriff im Urheberrecht und be­ trachtet den Sinn und Zweck des §  15 I S.  2 UrhG, so offenbart sich dahinter letztend­ lich der reine Pragmatismus, die Öffentlichkeit von der Nichtöffentlichkeit für Wer­ knutzungen abzugrenzen.540 Die rein private Werknutzung soll zulässig bleiben. 537  Vgl. hierzu etwa AG Bochum, GRUR-RR 2009, S.  167, wonach eine persönliche Verbunden­ heit bei einer Großhochzeit mit ca. 600 Gästen vorliege und es deshalb an einer Öffentlichkeit fehle. 538  Vgl. BGH, GRUR 1961, S.  99 – „Sportheim“, wonach im streitigen Fall eine Öffentlichkeit bei einer frei zugänglichen Sportveranstaltung verneint, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen wurde. 539 Vgl. W. Hoffmann, UFITA 1941, S.  353, der sogar davon ausgeht, dass die Vorlesung eines Hochschullehrers selbst dann keinen öffentlichen Personenkreis erreiche, „wenn sie publice“ – also schon nach allgemeinem Sprachgebrauch öffentlich geschieht; vgl. im innerschulischen Bereich Rademacher, ZUM 2014, S.  667, welcher auch hier eine enge persönliche Verbindung bejaht. 540  Zur Entwicklung der Vorstellung über eine Öffentlichkeit in der urheberrechtlichen Literatur zu Beginn des 20.  Jahrhunderts Marl, S.  287 ff.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Dies erschließt sich aus der Perspektive des Bildnisrechts durchaus mit Blick auf den Veröffentlichenden und dessen Recht im vertrauten Bereich zu kommunizieren. Die­ ser soll die Möglichkeit haben, in seinem vertrauten Umfeld ein Bildnis auch ohne den Willen des Abgebildeten zeigen zu dürfen. Insoweit besteht auch eine gewisse Kontrolliertheit der Sichtbarmachung. Woraus diese Kontrolliertheit allerdings re­ sultieren soll, wenn lediglich die Rezipienten untereinander persönlich verbunden sind, leuchtet nicht ein. Hier hilft jedenfalls auch nicht die grundsätzliche (Informa­ tions-)Freiheit, ein Bildnis zu betrachten. Dieses Informationsrecht der Betrachter wird nicht etwa dadurch (zu Gunsten des Zurschaustellenden und zu Lasten des Ab­ gebildeten) verstärkt, wenn die Wahrnehmung im persönlich verbundenen Umfeld geschieht, vielmehr besteht das Recht, ein Bildnis wahrzunehmen, grundsätzlich und absolut. Entsprechend knüpft das Strafrecht an die bloße Wahrnehmung eines (selbst intimen) Bildnisses durch Betrachtung keinerlei Rechtsfolgen. Umgekehrt ist es für die kernstrafrechtlichen Vorschriften bei intimen Bildnissen grundsätzlich nicht von Bedeutung, durch wen diese wahrgenommen werden und ob diese Wahr­ nehmungen – durch das Zugänglichmachen an einen Dritten – in der Öffentlichkeit oder im Privaten stattfinden könnten. Deshalb sei die Frage in den Raum gestellt, warum sich dies beim einfachrechtlichen Recht am eigenen Bild anders verhalten sollte, zumal die entsprechende Erwägung nicht einmal bei der ersten Begehungs­ variante des Verbreitens besteht. Die Antwort hierauf wird man aber nur vermeint­ lich im weniger gravierenden Tatobjekt des §  33 KUG in Form eines Bildnisses fin­ den, denn dieses differenziert gerade nicht nach Intimitätsgrad. Unzweifelhaft sollen aber auch die kernstrafrechtlichen Normen das (verfassungsrechtliche) Recht am ei­ genen Bild schützen. Abschließend soll darauf hingewiesen werden, dass der gemein­ same Werkgenuss im persönlich verbundenen Kreis, auf welchen der Urheber eben keinen Einfluss haben soll541, schon im Grunde auf eine Bildnisrezeption, hinter der stets eine Persönlichkeit(-sentwicklung) steht, jedenfalls nicht stets übertragbar ist. Diese Gedanken weisen somit möglicherweise auf eine grundsätzliche Schwäche in Bezug auf die Begehungsweise des öffentlichen Zurschaustellens beim Schutz des Rechts am eigenen Bild hin, sie helfen aber nicht darüber hinweg, dass de lege lata die Öffentlichkeit gerade im Strafrecht hinreichend bestimmt werden muss.542 Der Weg, an die hergebrachten Grundsätze zur öffentlichen Wiedergabe vor ihrer unions­ rechtlichen Auslegung anzuknüpfen, erscheint insoweit gangbar, als er für die straf­ rechtliche Verantwortlichkeit des Zurschaustellenden nicht an den Umstand der ­(isolierten) persönlichen Verbundenheit der Rezipienten untereinander anknüpft. Nichtöffentlich und damit privat ist mithin, was sich im Wege der vertrauten Kom­ munikation mit dem Zurschaustellenden vollzieht. Dieser Weg wurde in Teilen be­ reits früh angedacht543, jedoch schnell unter Hinweis auf den gesetzgeberischen 541 Vgl. Worms/Gusy, DuD 2012, S.  95, wonach selbst diese Grenze angesichts des Urheberpersön­ lichkeitsrechts nicht streng gezogen werden kann. 542  Zum Vorschlag de lege ferenda Kap.  4, B., II. 543 Vgl. Hubmann, S.  299; Mestmäcker/E. Schulze, §  22 KSchG, S.  4 (Anm.  3).

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Willen verworfen, der sich durch den Regelungszusammenhang mit dem Urheber­ recht ergebe.544 Diese Bedenken konnten aber bereits ausgeräumt werden545, zumal sich aus dem gesetzgeberischen Willen ohnehin nichts anderes ergibt.546 Ein Bildnis stellt hiernach also derjenige öffentlich zur Schau, dessen Handlung auf eine unkon­ trollierte Wahrnehmung eines Bildnisses durch eine Personenmehrheit gerichtet ist. Dies wird in der Regel dann der Fall sein, wenn der Täter ein Bildnis einem Perso­ nenkreis über zehn Personen547 hinaus sichtbar macht, da sich die Sichtbarmachung erfahrungsgemäß dann nicht im Wege der vertrauten und damit privaten Kommuni­ kation zwischen dem Sichtbarmachenden und den Rezipienten vollzieht.548 Nach einer solchen Konzeption bliebe weiterhin Raum für eine täterfreundliche Bewer­ tung des Einzelfalls, wobei entsprechend der herkömmlichen Grundsätze mit stei­ gendem Personenkreis eine vertrauliche Kommunikation verneint werden muss, gleichwohl wäre mit einem Richtwert hinsichtlich der Personenmehrheit jedenfalls für das Strafrecht hinreichende Klarheit geschaffen. Einige der bisher herausgearbeiteten Grundsätze zu den Tatvarianten des §  33 KUG können somit in folgendem Beispiel kurz zusammengefasst werden: A setzt auf seinem Social-Media-Profil einen Status mit dem Bildnis des B (bspw. eine Ins­ tagram-Story oder ein Whatsapp-Statusbild) ohne den B vorher zu fragen. Wird das Bildnis von niemandem aufgerufen und löscht sich nach einem Tag wieder, liegt nach den obigen Ausführungen mangels vollständigem Kontrollverlusts kein Verbreiten i. S. d. §  33 I Var.  1 KUG vor. Kann das Bildnis allerdings theoretisch (einen Tag lang) von einer größeren Personenanzahl (im Sinne des hier vorgeschlagenen Richtwerts von über zehn Per­ sonen) abgerufen werden, weil A bspw. viele Whatsapp-Kontakte besitzt, so ist in dem Setzen des Status bereits ein öffentliches Zurschaustellen i. S. d. §  33 I Var.  2 KUG zu erblicken. Erreicht das Bildnis des B theoretisch nicht die erforderliche Öffentlichkeit im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG, weil A nur wenige online-Kontakte pflegt, so kann gleichwohl ein Verbrei­ ten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG in Betracht kommen, wenn einer der wenigen Kontakte einen Screenshot erstellt und diesen – wie bereits von A beim Setzen des eigenen Status ange­ nommen – (nach den Grundsätzen der Kettenverbreitung) weiterschickt.

2. Das öffentliche Zurschaustellen durch internetspezifische Handlungen Erhebliche Unklarheiten bestehen damit zwangsläufig auch hinsichtlich der Frage, welche Verhaltensweisen im Internet unter welchen Voraussetzungen ein öffent­ liches Zurschaustellen eines Bildnisses im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG darstellen können. Namentlich die Kommunikationsformen in sozialen Netzwerken, welche heute einer gewissen (Vor-)Veröffentlichung eines Bildnisses nachgelagert und unter 544 

Helle, S.  123. Vgl. hierzu bereits Kap.  3, B., I., 1., e). 546  Vgl. in diesem Zusammenhang bereits die Formulierung des historischen Gesetzgebers in: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1540, der sich ausdrücklich nur auf den Abbildenden bezieht: „[…] eine Schaustellung, soweit sie sich auf einen engen Kreis beschränkt, [soll] freibleiben“ [Hervorhebung durch ­Verfasser]. 547  Dieser Richtwert knüpft an U. Weber, S.  218, an. 548  In diese Richtung wohl auch jurisPK-Internetrecht/Heckmann/Paschke, Kap.  8, Rn.  335. 545 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

den Sammelbegriffen des sog. Sharens oder Repostens, Likens, Taggens oder Kom­ mentierens bekannt sind, werfen insbesondere Fragen im Zusammenhang mit dem bildnisrechtlichen öffentlichen Zurschaustellen auf. Denn alle diese Handlungen könnten grundsätzlich dazu geeignet sein, dem Wortlaut nach ein Bildnis „im wei­ testen Sinne sichtbar zu machen“, indem sie – wenn auch dem technischen Ablauf nach unterschiedlich – an eine bereits erfolgte Veröffentlichung anknüpfen. Gleich­ wohl üben sich selbst Abhandlungen zu sozialen Medien im Internet nicht selten in Zurückhaltung, wenn es um die Beurteilung der bildnisrechtlichen Relevanz der Plattform-typischen Handlungsmöglichkeiten geht.549 Um sich diesen Handlungsformen anzunähern, erscheint es sinnvoll, sich zunächst denjenigen Strukturen zu widmen, welche sich bei der Ursprungsform eines Verwei­ ses auf eine andere Quelle im Internet unter dem Sammelbegriff des Verlinkens bis­ lang herausgebildet haben. Vorab ist insoweit darauf hinzuweisen, dass es verschie­ dene Möglichkeiten des Internetverweises in Form des Verlinkens gibt.550 a) Das Verweisen auf Bildnisinhalte im Internet Die Frage, ob und inwieweit das Veröffentlichen einer Verlinkung auf ein Bildnis im Internet ein öffentliches Zurschaustellen gem. §  33 I Var.  2 KUG darstellen kann, ist bis heute ungeklärt. Bislang haben sich nur vereinzelte Lösungsansätze herausgebil­ det, die im Folgenden untersucht werden sollen. Um diese nachvollziehen zu können, ist im Ausgangspunkt am Begriff der öffentlichen Wiedergabe aus §  15 II UrhG ­anzusetzen, da dieser nach dem bisher Gesagten ursprünglich für den Begriff des öffentlichen Zurschaustellens in §  33 I Var.  2 KUG maßgeblich war.

549 

Vgl. exemplarisch Esser, in: HB Social Media, Kap.  8, Rn.  180 f.; Geiring, S.  150. Die Grundform des Verweises auf Online-Inhalte ist der einfache Hyperlink. Mit seiner Hil­ fe gelangt man durch einen Aufruf per Klick auf die verknüpfte Website, die sowohl Bestandteil des eigenen als auch des Angebots eines Dritten sein kann. Ein Hyperlink in Form eines Surfacelinks verweist (nur) auf die Startseite einer Internetpräsenz (also auf die Landing- bzw. Homepage); ein Hyperlink in Form eines Deeplinks verweist direkt bzw. konkreter auf eine tieferliegende Seite quasi gezielt vorbei an der Startseite. Weiterentwicklungen dieser Technik sind das sog. Framing und das sog. Embedding bzw. Inlinelinking. Beim Framing findet eine Unterteilung einer Webseite in mehrere Fenster bzw. Rahmen (Frames) statt, in welchen andere Seiten angezeigt werden können. Beim Inlinelinking oder Embedding wird eigenes oder fremdes Material unmittelbar in die eigene Webseite eingebunden, ohne dass der Nutzer noch eine aktivierende Tätigkeit (Anklicken) tätigen muss und ohne dass eine Einteilung in verschiedene Frames stattfindet. Das eingebundene (Bild-) Material erscheint deshalb in der Regel als Bestandteil der Webseite. Man könnte sinnbildlich inso­ weit von einem „digitalen Spiegel“ sprechen, da für den Nutzer nicht ersichtlich ist, ob es sich um ein selbst auf die Homepage hochgeladenes Bild oder ein von einer anderen Seite „gespiegeltes“ Bild handelt; vgl. zu den verschiedenen Formen auch ausführlich Bienemann, S.  206 ff.; Boese, S.  90 ff.; A. Conrad, CR 2013, S.  306 f.; Plaß, WRP 2000, S.  599 f.; Schwarzenegger, in: FS Reh­ binder 2002, S.  726 f.; vgl. ferner Schubert, MMR 2019, S.  438. 550 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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aa) Herkömmliches Verständnis von Verlinkungen in Anlehnung an die öffentliche Wiedergabe im Urheberrecht Die erste höchstrichterliche Grundsatzentscheidung zur urheberrechtlichen Einord­ nung des Postens von Hyperlinks erging im Jahre 2003. In seiner sog. „Paper­ boy“-Entscheidung verneinte der Bundesgerichtshof einen Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung des Urhebers beim Posten eines (Text-)Deeplinks auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk, welches zuvor vom Berechtigten frei ab­ rufbar ins Internet gestellt wurde.551 Damit sah das Gericht im Posten eines (Text-) Deeplinks weder eine eigene täterschaftliche öffentliche Wiedergabe noch eine Bei­ hilfe durch den Verlinkenden, darüber hinaus erkannte es hierin nicht einmal einen Anknüpfungspunkt für eine sog. (zivilrechtliche/urheberrechtliche) Störerhaftung.552 Ein Berechtigter, der ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne technische Schutzmaßnahmen (vor Verlinkungen) im Internet öffentlich zugänglich macht, er­ mögliche dadurch selbst die Nutzungen, die andere vornehmen können, wozu eben­ falls Verlinkungen zählen. Wer einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschütztem Werk setzt, begehe damit keine urheberrechtliche Nutzungshandlung, sondern verweise ledig­ lich in sozialadäquater Weise auf das Werk, um den Nutzern den bereits eröffneten Zugang zu erleichtern.553 Der Verlinkende halte weder das geschützte Werk öffent­ lich zum Abruf bereit, noch übermittle er dieses auf Abruf an Dritte. Nur derjenige, welcher das Werk ins Internet gestellt hat, entscheide darüber, ob das Werk der Öf­ fentlichkeit zugänglich bleibt.554 Zwar werde einem Nutzer, welcher die Webseite noch nicht kennt, durch das Übersenden eines Links der Zugang erst ermöglicht – und insoweit eigentlich auch dem Wortsinn von §  15 II UrhG i. V. m. §  19a UrhG nach zugänglich gemacht –, dies sei aber auch bei einem Hinweis auf eine andere Fund­ stelle in einer Fußnote einer Veröffentlichung nicht anders.555 In der „Session-ID“-Entscheidung modifizierte der Bundesgerichtshof im Jahr 2010 allerdings dieses Ergebnis, sodass der Verlinkende doch eine eigene täterschaft­ liche Zugänglichmachung begehe, wenn er hierdurch eine Schutzmaßnahme der ver­ linkten Seite umgehe und damit den Zugang zur Webseite gegen den Willen des Berechtigten eröffne.556 Somit kann auch nach herkömmlichen Verständnis eine 551  BGHZ 156, 1 (6 ff.) – „Paperboy“. Im zugrundeliegenden Fall stand der Service des kosten­ losen Suchdienstes „Paperboy“ in Frage; dieser bestand darin, dem Nutzer, welcher ein Suchwort eingegeben hatte, Stichworte, Satzteile oder Sätze fremder Nachrichtenangebote anzuzeigen und dabei in der ersten Zeile die Quelle mit einem Hyperlink zu nennen, was einen direkten Zugriff auf das nachgewiesene Dokument ermöglichte. 552  Zum herkömmlichen „Dreiklang“ aus Täterschaft, Teilnahme und Störerhaftung im Urhe­ berrecht etwa Ohly, ZUM 2017, S.  794. 553  BGHZ 156, 1 (14) – „Paperboy“. 554  BGHZ 156, 1 (14 f.) – „Paperboy“: „Wird die Webseite mit dem geschützten Werk nach dem Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht dieser ins Leere“. 555  Vgl. BGHZ 156, 1 (15) – „Paperboy“; vgl. auch Haberstumpf, GRUR 2016, S.  765. 556  BGH, NJW 2011, S.  771 – „Session-ID“. Inhaltlich ging es erneut um das Setzen eines (Text-)

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

öffentliche Wiedergabe in Form einer öffentlichen Zugänglichmachung im Internet gem. §  15 II i. V. m. §  19a UrhG durch das Setzen eines (Text-)Deeplinks auf ein be­ reits veröffentlichtes Werk vorliegen. Dies ist hiernach dann der Fall, wenn durch den Link klar erkennbare Schutzmaßnahmen des Rechteinhabers umgangen werden, so­ dass das Werk auch an einen Personenkreis gelangen kann, welchen der Rechteinha­ ber durch die Schutzmaßnahmen ausgeschlossen haben wollte. Ohne hieraus vor­ schnell Rückschlüsse auf das bildnisrechtliche öffentliche Zurschaustellen zu ziehen, kann jedenfalls an dieser Stelle festgehalten werden, dass nach dem herkömmlichen urheberrechtlichen Verständnis, auch die Verlinkung in Textform, die noch ein Zu­ tun in Form eines Abrufs des Adressaten benötigt, um ein Bildnis unmittelbar rezi­ pierbar zu machen, der Annahme einer täterschaftlichen Begehung grundsätzlich nicht entgegensteht. Dabei hielt sich die Rechtsprechung allerdings selbst bei Text-Verlinkungen auf rechtswidrige Inhalte anfänglich eher zurück,557 wobei die Sicht auf allgemeingül­ tige Aussagen anhand der ergangenen Entscheidungen deutlich getrübt ist. Dies liegt zum einen daran, dass die Entscheidungen allesamt keine Verlinkungen durch priva­ te Nutzer – sondern (Presse-)Unternehmen – zum Gegenstand hatten und zum an­ deren das Zueigenmachen mittels Text-Verlinkungen mal im Rahmen einer Störer­ haftung558, mal im Rahmen der täterschaftlichen Begehung559 thematisierten. Es scheint somit nicht zwingend angezeigt, Text-Verlinkungen auf Basis der ergangenen Rechtsprechung allenfalls die Eignung einer Störerhaftung zuzusprechen und hier­ durch die Begehungsmöglichkeiten über Täterschaft und Teilnahme pauschal zu ne­ gieren.560 Deeplinks auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk in Form von Stadtplänen, welche allerdings nur für Private frei zugänglich und für kommerzielle oder dauerhafte Nutzungen kostenpflichtig waren. Dies war technisch mithilfe sog. „Session-IDs“ gesichert, welche beim Abruf der Startseite verteilt wurden. Ein Wohnungsunternehmen ermöglichte es auf seiner Homepage zu einem ent­ sprechenden Kartenausschnitt der angebotenen Mietwohnungen über einen Deeplink auf der Inter­ netseite des Berechtigten zu gelangen. Hierfür wurde ein Programm verwendet, das unter Umge­ hung der Startseite unmittelbar zur „tieferliegenden“ Seite mit dem Kartenausschnitt führte; vgl. auch Bettinger, GRUR-Prax 2010, S.  534. 557  Vgl. BGHZ 158, 343 (348) – „Schöner Wetten“, wonach im konkreten Fall eine Text-Verlin­ kung durch ein Presseunternehmen auf die Homepage eines Glückspielunternehmens zwar die För­ derung eines rechtswidrigen (wettbewerbswidrigen) Verhaltens, gleichwohl in einer Gesamtschau nicht einmal im Rahmen der Störerhaftung relevant sei; BGHZ 187, 240 (246) – „AnyDVD“, wo­ nach eine Text-Verlinkung auf einen (offensichtlich) rechtswidrigen Inhalt keine Störerhaftung ei­ nes Presseunternehmens begründe, da eine hinreichende Distanzierung und somit kein Zu-Eigen-­ Machen des verlinkten Inhalts durch den Verlinkenden vorlag; hingegen BGH, NJW 2008, S.  1883  – „ueber18.de“, und BGH, NJW 2016, S.  805 – „Haftung für Hyperlink“, wonach derjenige, wer sich Informationen zueigen macht, auf welche er mittels eines Hyperlinks verweist, wie für eigene In­ halte hafte. 558  BGHZ 158, 343 (348) – „Schöner Wetten“; BGHZ 187, 240 (246) – „AnyDVD“. 559  BGH, NJW 2008, S.  1883 f. – „ueber18.de“; BGH, NJW 2016, S.  805 – „Haftung für Hyper­ link“. 560 Vgl. Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  748, welche hieraus folgert, dass bei Text-Verlinkun­ gen jedenfalls bei fehlendem „Zu-Eigen-Machen“ allenfalls die Störerhaftung – und somit weder

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Zusammenfassend würde einer Übertragung dieser allgemeinen Wertungen auf das Bildnis­ recht die Prämisse innewohnen, dass Verlinkungen in Textform auf bereits veröffentlichte Bildnisse grundsätzlich sozialadäquat sind und insoweit tendenziell kein öffentliches Zur­ schaustellen im Sinne von §  33 I Var.  2 KUG darstellen sollen.561 Erst wenn mit einem Textlink auf ein Bildnis somit eine gewisse umgehende Wirkung bzgl. des ursprünglichen Uploads und insoweit ein Mehr als ein schlichter komplementärer Querver­ weis auf bereits offen Einsehbares innewohnt, wäre hiernach ein täterschaftliches öffentliches Zurschaustellen diskutabel. Nicht ausgeschlossen erscheint ferner auch nach dem herkömm­ lichen Verständnis, dass eine Text-Verlinkung im Einzelfall bei Zueigenmachen rechtswidriger Inhalte eine eigene täterschaftliche Begehung oder bei positiver Kenntnis des rechtswidrigen Inhalts eine Förderung der fremden Zurschaustellung im Sinne des §  27 I StGB sein kann, so­ fern man diese noch nach der bereits erfolgten Veröffentlichung für möglich hält.562

Eine tendenziell strengere Linie lässt sich der anfänglichen Rechtsprechung bei sol­ chen Verlinkungen erkennen, welche die geschützten Werke durch eine digitale Spie­ gelung oder Einbettung auf der Seite des Verlinkenden unmittelbar sichtbar gemacht haben (Framing- oder Inlinelinks).563 Wer ein auf einer fremden Internetseite öffent­ lich zugängliches Werk als „integralen Bestandteil“ in seine eigene Seite einbettet, es sich auf diese Weise „zueigenmacht“564, mache dieses Werk erneut öffentlich zu­ gänglich, wobei es nicht darauf ankomme, ob sich das Werk auf der verlinkten (Ur­ sprungs-)Seite mit Zustimmung des Berechtigten befindet.565 Überträgt man diese Wertung ohne weiteres auf das Bildnisrecht, so scheint sich diese vorder­ gründig zumindest dem Wortlaut nach relativ passgenau in das „Sichtbarmachen im weitesten Sinne“ des öffentlichen Zurschaustellens einzufügen: Wer ein Bildnis mittels eines digitalen Spiegels in Form einer Verlinkung für die erforderliche Personenmehrheit unmittelbar sicht­ bar macht, stellt somit ein Bildnis im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG öffentlich zur Schau.

Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass es auch nach der herkömmlichen Lösung des Bundesgerichtshofs nicht zwingend erscheint, dass ein unmittelbares Sichtbar­ machen stets zu einem Zueigenmachen führen muss. Denn für ein Zueigenmachen Täterschaft noch Teilnahme – in Betracht komme. Hierfür könnte sprechen, dass es sich auch bei der Störerhaftung letztendlich um eine (Unter-)Form der Beteiligung handelt, welche nur deshalb nicht von §  830 II BGB erfasst wird, weil das Zivilrecht Anstiftung und Beihilfe in strafrechts­ akzessorischer Weise einem doppelten Vorsatzerfordernis unterwirft; vgl. hierzu Ohly, ZUM 2015, S.  311 m. w. N. 561  Ausdrücklich nicht entnehmen lässt sich allerdings bereits aus dem herkömmlichen Verständ­ nis – und erst Recht nicht infolge der (im Anschluss zu besprechenden) Justierungen des EuGH – die von Hohenstein, S.  76, aufgestellte Wertung, wonach die Rechtsprechung stets davon ausgehe, dass ein Verweis auf einen fremden rechtmäßigen Inhalt eines Dritten keine öffentliche Zurschaustel­ lung im Sinne des §  22 KUG darstellen könne. 562  A. A. wohl Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  748. 563  Vgl. OLG Düsseldorf, ZUM 2012, S.  328, wonach Einbettungen stets als öffentliche Wieder­ gabe einzustufen seien; vgl. auch Härting, Rn.  1450; Ott, WRP 2008, S.  410; Reinemann/Remmertz, ZUM 2012, S.  223. 564  Unter dem Aspekt des eigenen Uploads bereits BGH, NJW-RR 2010, S.  1278 f. – „marions-­ kochbuch.de“; vgl. ferner BGH, NJW 2016, S.  804 f. – „Haftung für Hyperlink“. 565  BGH, GRUR 2013, S.  821 – „Die Realität I“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

soll es auf „die objektive Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller Umstände“566 ankommen. Zweifelhaft könnte ein Zueigenmachen deshalb etwa bei Konstellationen erscheinen, in denen die eingebetteten Bilder aus sich heraus – also etwa per integriertem Wasserzei­ chen  – oder wegen des Kontextes – wie etwa eines ausdrücklichen Hinweises des Verlinkenden – erkennen lassen, dass es sich lediglich um einen sich distanzieren­ den567 Verweis auf eine bestehende Veröffentlichung handelt.568 Selbiges wird man auch dann annehmen können, wenn dem Durchschnittsbetrachter aufgrund der tech­ nischen Funktionsweise einer Plattform das Wissen unterstellt werden kann, dass der Umstand der (automatischen) unmittelbaren Sichtbarmachung allein keinerlei zwingende Aussage über eine Auseinandersetzung mit dem Bildinhalt mit sich bringt, welche es bereits dem Wortlaut nach für ein Zueigenmachen benötigt.569 bb) Unionsrechtliche Einflüsse auf die Bewertung von Verlinkungen Auch diese Wertungen sind seit einer Reihe von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zumindest im Bereich des Urheberrechts im Hinblick auf die öffent­ liche Wiedergabe weitestgehend hinfällig. In seinem „Svensson“-Urteil etablierte der EuGH für das Verlinken ein deutlich weiteres Begriffsverständnis der öffent­ lichen Wiedergabe im Vergleich zu den vorangegangenen Wertungen des Bundes­ gerichtshofs.570 Als Wiedergabe versteht der Gerichtshof seither jede Handlung, durch die Dritten der Zugang zum Werk ermöglicht wird. Hierfür sei es ohne Bedeutung, ob dieser Zugang direkt – etwa durch den selbst durchgeführten Upload – oder indirekt – wie durch Verlinkungen – hergestellt werde, solange hierdurch eine potentielle Zugangs­ möglichkeit geschaffen wird.571 Eine Differenzierung anhand der verschiedenen Verlinkungstechniken ist für die Frage der öffentlichen Wiedergabe hiernach also irrelevant.572 Der Europäische Gerichtshof sieht bzgl. einer Wiedergabe also bislang 566  BGH, NJW-RR 2010, S.  1278 – „marions-kochbuch.de“; BGH, NJW 2016, S.  804 f. – „Haf­ tung für Hyperlink“; vgl. auch BGHZ 187, 240 (251) – „AnyDVD“; ferner Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  747. 567  Vgl. etwa Hoeren/Sieber/Holznagel/Solmecke, 21.1, Rn.  87, welcher ein Zueigenmachen bei einem beigeordneten zustimmenden Kommentar annimmt; ferner Hohenstein, S.  77; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  746 f. 568  Nach BGH, NJW-RR 2010, S.  1278 – „marions-kochbuch.de“, schließe allerdings allein die bloße Kenntlichmachung eines verlinkten Inhalts als fremd die Zurechnung nicht aus. 569  Vgl. BGH, NJW-RR 2010, S.  1278 – „marions-kochbuch.de“, wonach es für ein Zu-Eigen-­ Machen entscheidend darauf ankommen soll, ob der Linksetzende den Anschein erweckt, dass er sich mit dem fremden Inhalt identifiziere; so auch Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  747. 570  EuGH, NJW 2014, S.  760 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“. In der Sache klagten mehrere Journalisten (zu denen auch der Namensträger der Entscheidung gehört) im Ergebnis er­ folglos gegen ein Unternehmen, welches auf seiner Homepage (Text-)Hyperlinks auf frei abrufbare Presseartikel der Kläger gesetzt hatte. 571  EuGH, NJW 2014, S.  760 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“. 572  Vgl. EuGH, NJW 2014, S.  760 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“; später ausdrück­

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keinen Unterschied zwischen einem Hyperlink in Textform (der für eine Sichtbarma­ chung noch aufgerufen werden muss) und einer direkt sichtbaren Einbindung eines eingebetteten oder „gespiegelten“ Werkes durch Framing-Technik.573 Öffentlich sei die Wiedergabe dann, wenn sie einerseits eine „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten umfasst und zudem eine ziemlich große Zahl von Personen impliziert“574. Wurde das Werk allerdings bereits im Internet (bzw. demselben tech­ nischen Verfahren) veröffentlicht, müsse zudem für die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe ein „neues Publikum“ erreicht werden.575 Ein Publikum sei hiernach dann neu, wenn der Inhaber des Urheberrechts dieses nicht erfasst haben wollte, als er die ursprüngliche Wiedergabehandlung erlaubt hat.576 Damit fragt sich, wie überhaupt das entscheidende Kriterium der Öffentlichkeit anhand eines subjektiven Kriteriums des Erstveröffentlichenden ermittelt werden kann, bzw. wie festgestellt werden soll, was sich der Berechtigte bei der Erlaubnis der ursprünglichen Veröffentlichung eigentlich gedacht hat. Das „Svensson“-Urteil lässt jedenfalls vermuten, dass der Europäische Gerichtshof nicht an den tatsächlichen Willen des Berechtigten anknüpft, sondern diesen normativ anhand objektiver Kri­ terien – in Form von eingerichteten Zugangsbeschränkungen – und insoweit anhand der Adressatenperspektive bestimmt.577 Diese Linie scheint allerdings so deutlich allenfalls hinsichtlich Verlinkungen gezogen zu sein, da sich die jüngere Rechtspre­ chung des Gerichtshofs jedenfalls im Rahmen des erneuten Uploads eines bereits im Internet veröffentlichten Bildes stärker an der (ausdrücklichen und konkludenten) Einwilligung und somit am tatsächlichen Willen des Berechtigten orientiert.578 So konnte sich eine Schule hinsichtlich der Abbildung der Stadt Cordoba auf der Schul­ homepage nicht darauf berufen, dass das Foto zuvor bereits im Internet frei abrufbar lich bestätigt in EuGH, NJW 2015, S.  149 – „BestWater International GmbH/Michael Mebes ua“; EuGH, GRUR 2021, S.  708 – „VG Bild-Kunst/SPK [Deutsche Digitale Bibliothek]“. 573  Dies wurde insbesondere vor dem Hintergrund kritisiert, dass es doch keinen Unterschied machen könne, wenn jemand ein frei abrufbares Bild durch einen erneuten Upload oder mittels ei­ nes Inlinelinks oder sonstiger Framing-Technik unmittelbar sichtbar mache, zumal dieser Unter­ schied für den Betrachter nicht sichtbar sei, vgl. hierzu Haberstumpf, GRUR 2016, S.  763; Leistner, ZUM 2016, S.  581; Ohly, GRUR 2021, S.  710; G. Schulze, GRUR 2018, S.  1058; a. A. Grünberger, ZUM 2016, S.  910 f. 574  EuGH, NJW 2014, S.  760 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“. 575  EuGH, NJW 2014, S.  760 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“. 576  EuGH, NJW 2014, S.  760 – „Nils Svensson ua/Retriever Sverige AB“. Dies verneinte der EuGH im vorliegenden Fall, da durch die ursprüngliche (wie die neue) Wiedergabe sämtliche poten­ tielle Nutzer des Internets angesprochen waren. 577  So hatte es gerade keine Rolle gespielt, dass die klagenden Journalisten um Svensson ein vergütungsfreies Linking des Nachrichtenaggregators nicht erlauben wollten; so auch Ohly, GRUR 2021, S.  710; ferner EuGH, GRUR 2021, S.  709 – „VG Bild-Kunst/SPK [Deutsche Digitale Biblio­ thek]“, wonach das Umgehen einer beschränkenden Maßnahme für das Framing zu einem neuen Publikum führe. 578  EuGH, NJW 2018, S.  3503 – „Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff [Cordoba]“. Für ein Re­ ferat hatte eine Schülerin einer Schule in Nordrhein-Westfalen das streitgegenständliche Foto des Klägers heruntergeladen, um ihre Arbeit zu illustrieren. Anschließend wurde dieses Referat auf der Website der Schule veröffentlicht.

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war, weil der Fotograf bei seiner Zustimmung nur an die Nutzer der Reisewebseite gedacht hatte, welcher er die Lizenz erteilt hatte.579 Sind die Inhalte, auf die mittels einer Verlinkung verwiesen wird, allerdings ohne Erlaubnis des Berechtigten und insoweit rechtswidrig ins Internet gelangt, so liegt nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs bereits dann eine eigene täterschaft­ liche öffentliche Wiedergabe des Verlinkenden vor, wenn dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Link Zugang zu einem unbefugt im Inter­ net veröffentlichten Werk verschafft.580 Diese Kenntnis soll dann vermutet werden, wenn der Verlinkende mit Gewinnerzielungsabsicht handelte.581 Selbst die (kom­ merzielle) Bereitstellung von Geräten, welche dem Benutzer Hyperlinks zu Inhalten anzeigt, welche ohne Zustimmung des Urhebers ins Internet gelangt sind, soll eine täterschaftliche öffentliche Wiedergabe darstellen.582 Dass die Übertragung urheberrechtlicher Maßstäbe auf das (Persönlichkeits-)Recht am eige­ nen Bild auch in diesem Kontext wenig überzeugt, zeigen aber verschiedene Erwägungen: Bei rechtmäßig ins Internet gelangten Bildnissen müsste es für das öffentliche Zurschaustellen einer Verlinkung darauf ankommen, was sich der Berechtigte bei der Zustimmung zur Inter­ netveröffentlichung (auf die verlinkt wird) gedacht hat. Nun fragt sich zunächst, wer über­ haupt der Berechtigte in einem solchen Fall sein soll. Zieht man die Parallele zum Inhaber des Rechts, wird dies der Abgebildete sein. Unabhängig von der Frage, wie ermittelt werden soll, was sich der Abgebildete bei der (ursprünglichen) Veröffentlichung gedacht hat, würde jeden­ falls bei einer Einwilligung in eine unbeschränkte Internetveröffentlichung oder in Fällen des §  23 I KUG eine gewisse Vogelfreiheit von der Veröffentlichung hinsichtlich ihrer Verlinkbar­ keit naheliegen. Beigeordnete Umstände der Linksetzung wären – entsprechend des abstrak­ ten urheberrechtlichen Werkschutzes583 – somit irrelevant. Öffentlich zugängliche Bilder ohne Beschränkung könnten somit ohne weiteres durch die Präsentation der Verlinkung in ein an­ deres Licht gerückt werden. Das „Spiegeln“ von unbeschränkt zugänglichen Instagram-Bil­ dern in Bademoden wäre mangels öffentlichen Zurschaustellens für pornografische Webseiten 579  EuGH, NJW 2018, S.  3503 – „Land Nordrhein-Westfalen/Renckhoff [Cordoba]“; kritisch deshalb Grünberger, ZUM 2019, S.  577; Ohly, GRUR 2018, S.  998 f.; ders. GRUR 2021, S.  710; Wypchol, EuZW 2018, S.  823; vgl. ferner Ettig, K&R 2018, S.  614. 580  EuGH, NJW 2016, S.  3152 – „GS Media/Sanoma Media Netherlands ua“. 581  EuGH, NJW 2016, S.  3152 f. – „GS Media/Sanoma Media Netherlands ua“; EuGH, GRUR 2017, S.  793 – „Stichting Brein/Ziggo ua [The Pirate Bay]“, wonach diese Gewinnerzielungsabsicht bereits dann vorliege, wenn auf einer Filesharing-Plattform Werbeeinnahmen generiert werden. Schwierig erscheint in diesem Zusammenhang, ob somit ebenfalls eine öffentliche Wiedergabe durch das Anzeigen von Vorschaubildern (engl. thumbnails) durch (mit Gewinnerzielungsabsicht agierende) Suchmaschinenanbieter bei Verlinkungen auf rechtswidrig ins Internet gelangte Inhalte vorliegt. Dies wurde durch den BGH, GRUR 2018, S.  185 – „Vorschaubilder III“, mit dem Hinweis der Bedeutung von Suchmaschinen für das Internet verneint. „Vernünftigerweise“ könne von einem Suchmaschinenanbieter nicht erwartet werden, „dass er sich vergewissert, ob die von den Suchpro­ grammen aufgefundenen Abbildungen von Werken oder Lichtbildern rechtmäßig ins Internet ein­ gestellt worden sind, bevor er diese Abbildungen als Vorschaubilder wiedergibt“. Dreier/Schulze/ Specht (6.  Aufl.), §  22 KUG, Rn.  10, geht davon aus, dass selbst bei Gewinnerzielungsabsicht jeden­ falls beim Einsatz von Suchmaschinen aufgrund der automatisch ablaufenden Verlinkung auf Bild­ nisse keine Kenntnis der Rechtswidrigkeit vermutet werden könne. 582  EuGH, NJW 2017. S.  1934 – „Stichting Brein/Wullems“. 583 Vgl. Jani/Leenen, NJW 2016, S.  3136.

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(mit entsprechender Beiordnung eines anzüglichen Textes) ebenso möglich, wie die politische Instrumentalisierung eines Bildnisses im Stadion mit einem Nationaltrikot.584 Nach dem her­ kömmlichen Verständnis wäre insoweit ein Gegensteuern über das Zueigenmachen noch möglich gewesen. Hiergegen sprechen maßgeblich die Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild, wo­ nach eben auch das Wie der Repräsentation eine maßgebliche Rolle spielen soll.585 Dies zeigt sich insbesondere auch an der Ermittlung zeitgeschichtlicher Veröffentlichungen nach §  23 I Nr.  1 KUG, wonach maßgeblich Art und Weise der Präsentation eines Bildnisses Bedeutung für die Zulässigkeit der Veröffentlichung bekommen können.586 Unabhängig hiervon könnte selbst bei solchen zueigengemachten Bildnissen durch eine – nicht für den Nutzer vom eigenen Upload unterscheidbare –Einbettung unmittelbar sichtbarer Bildnisse nur noch schwer ein „Sichtbarmachen im weitesten Sinne“ verneint werden. Umgekehrt träfe es den Verlinkenden bei fahrlässiger Unkenntnis über die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung unverhältnismäßig hart. Insbesondere bliebe für weitere Differenzierungsmöglichkeiten durch die Annahme einer Teilnehmerstrafbarkeit beim Ver­ linken auf einen rechtswidrig ins Internet gelangten Bildnisinhalt – und insoweit auch der Rückgriff auf die Milderungsmöglichkeit des §  27 II S.  2 StGB – kein Raum. Dies erscheint gerade in solchen Fällen fragwürdig, in welchen sich der Verlinkende keine Inhalte zueigen­ gemacht hat, weil er etwa schlicht keine Aussage über die Identifikation mit dem Verlinkten preisgibt, sondern lediglich eine fremde Veröffentlichung fördert. Auch ist zu vermuten, dass Influencer aufgrund ihrer allgegenwärtigen Gewinnerzielungsabsicht durch Werbeeinnahmen im Zusammenhang mit ihrer Online-Präsenz Gefahr laufen würden, eher eine öffentliche Zur­ schaustellung bei Verlinkungen auf rechtswidrige Inhalte zu begehen als ungesponserte Nut­ zer, wobei vollständig ausgeblendet würde, wenn letztere dabei noch mehr Adressaten errei­ chen würden.587 Ferner hinge ganz grundsätzlich die Handlung des (täterschaftlichen) öffent­ lichen Zurschaustellens bei einer Verlinkung einzig davon ab, ob das Bildnis, auf das verlinkt wird, rechtmäßig ins Internet gelangt ist.

cc) Differenzierung zwischen Verbreitens- und Äußerungsdelikten Nähert man sich dem öffentlichen Zurschaustellen aus der übergeordneten Perspek­ tive des allgemeinen Strafrechts, so zeichnet sich für die grundsätzliche Einordnung von Verlinkungen etwa seit der Jahrtausendwende zunächst eine grobe Linie ab, welche anhand des Typus und der Struktur des infrage stehenden Delikts differen­ ziert. Während zunächst überwiegend davon ausgegangen wurde, dass Verlinkun­ gen – unabhängig vom infrage stehenden Delikt – per se allenfalls eine Strafbarkeit wegen Beihilfe begründen könnten,588 hielten nach und nach Auseinandersetzungen 584  Vgl. Brandau/Rehaag/Brandau, Kap.  4, Rn.  16 f.; ähnlich bereits Gräbig, MMR 2015, S.  366 f., welcher deshalb zum Ergebnis gelangt, Framing stelle stets eine öffentliche Zurschaustel­ lung dar. 585  Kap.  1, C., II., 2. 586  Hierzu im Einzelnen Kap.  3, D., II., 3., m). 587 Vgl. Remmertz, MMR 2018, S.  509. 588  Ernst, NJW-CoR 1997, S.  228; Hütig, MMR 1998, S.  50 ff.; Löhnig, JR 1997, S.  497; Pelz, wistra 1999, S.  54; Vassilaki, CR 1998, S.  111 f.; Ernst/Vassilaki/Wiebe/Vassilaki, Rn.  321; vgl. auch Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  2, Rn.  81; Liesching, MMR 2006, S.  391; so für §  33 KUG ausdrücklich Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  9; vgl. auch Reinbacher, NStZ 2014, S.  59.

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mit der Idee einer täterschaftlichen Begehung589 im wissenschaftlichen Diskurs Ein­ zug.590 Primäre Weichenstellung für die weitere Einordnung der Strafbarkeit durch eine Verlinkung als Täter oder Teilnehmer ist nach der sich als vorherrschend ab­ zeichnenden Ansicht die Einordnung des infrage stehenden Delikts als Verbreitungsoder Äußerungsdelikt.591 Der Begriff des Verbreitungsdelikts ist hier im umfassen­ den Sinne zu verstehen. Dieser umschreibt nicht (nur) solche Tatbestände, welche die Begehungsweise des Verbreitens sanktionieren, vielmehr werden hierunter auch solche Tatbestände verstanden, welche sich an einer wertungsfreien Weitergabe oder Zugänglichmachung bestimmter Inhalte ausrichten. Das Unrecht resultiert hier ge­ wissermaßen allein aus der Schaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit eines inkri­ minierten Inhalts, ohne dass es dabei auf ein wertendes Zueigenmachen des Inhalts seitens des Täters ankommt.592 Äußerungsdelikte setzen hingegen über die bloße Inhaltsvermittlung hinaus ein wertendes Dafürhalten hinsichtlich eines bestimmten Inhalts durch den Täter voraus, sodass letztendlich die rechtliche Missbilligung aus der eigenen Äußerung des Täters resultiert.593 Folge dieser Differenzierung ist, dass eine Verlinkung dann als täterschaftliche Begehungsweise einzuordnen ist, wenn der infrage stehende Tatbestand lediglich die Schaffung einer sinnlichen Wahrnehmungsmöglichkeit eines inkriminierten Inhalts voraussetzt.594 Setzt der Tatbestand hingegen die eigene Äußerung in Form einer 589  D. Barton, Rn.  323 ff.; Flechsig/Gabel, CR 1998, S.  355; Al. Koch, MMR 1999, S.  708; V ­ assilaki, CR 1999, S.  86 f.; vgl. auch Waldenberger, MMR 1998, S.  129. 590  Vgl. hierzu insgesamt Boese, S.  121; vgl. ferner Detlefsen, S.  108 ff., welche sich allerdings nur auf das Verbreiten bezieht. 591  Bär, S.  193 ff., 212; D. Barton, Rn.  323 f.; Boese, S.  121; Bosbach/Pfordte, K&R 2006 Beil., S.  6, 12 f.; Doerbeck, S.  292 f.; Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, S.  5; Schulte/Kanz, ZJS 2013, S.  34 f.; Schwarzenegger, in: FS Rehbinder 2002, S.  733 f.; Stadler, Rn.  183; vgl. ferner OLG Stuttgart, MMR 2006, S.  388; VG Karlsruhe, MMR 2013, S.  135; Eisele, §  4, Rn.  15; Gercke, CR 2006, S.  849; Heghmanns, JA 2001, S.  72; SSW/Lohse, §  130 StGB, Rn.  30; Malek/Popp, Rn.  137; MüKo StGB/ Schäfer, §  130 StGB, Rn.  74; Stegbauer, NStZ 2008, S.  73 f. 592  Boese, S.  115, Fn.  300, nennt exemplarisch aus dem StGB die §  130 II Nr.  1 lit.  b a. F. (Volks­ verhetzung mittels entsprechenden Inhalten), §  130a I, II Nr.  1 (Anleitung zu Straftaten mittels ei­ nes entsprechenden Inhalts), §  131 I Nr.  2 (Gewaltdarstellung mittels eines entsprechenden Inhalts), §  184 I Nr.  1, Nr.  2, III Nr.  2 a. F. (Verbreitung pornographischer Inhalte); Doerbeck, S.  292, nennt ferner aus dem StGB die §  130 II (Volksverhetzung), §  186 Alt.  2 (Üble Nachrede durch Verbreiten eines Inhalts), §  187 Alt.  2 (Verleumdung durch Verbreiten eines Inhalts), §  201 I Nr.  2 (Verletzung des Rechts am eigenen Wort durch Zugänglichmachung) und §  201a I Nr.  3 a. F. (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Zugänglichmachung einer Bildaufnahme). 593  Wohl auch Boese, S.  117, 129, welcher exemplarisch aus dem StGB die §  90 (Verunglimpfung des Bundespräsidenten), §  90a (Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole), §  103 a. F. (Belei­ digung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten), §  111 (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten), §  126 (Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten), §  130 Nrn.  1, 2 (Volksverhetzung), §  140 I Nr.  2 (Belohnung und Billigung von Straftaten), §  185 (Beleidigung), §  186 Alt.  1 (Üble Nachrede), §  187 Alt.  1 (Verleumdung) nennt; vgl. ferner Doerbeck, S.  293; ­Roxin, in: FS Rengier 2018, S.  99. 594  In diesem Zusammenhang findet sich nicht selten der Verweis auf Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S.  141, wonach man eine Tat nicht deutlicher beherrschen könne, als wenn man sie selbst begeht. Ebenso verkürzt wird dem an anderer Stelle entgegengehalten, dass auch Roxin (aller­

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Fürsprache voraus, mit welcher sich der Täter identifiziert, soll es darauf ankommen, ob der verlinkte Inhalt unter wertenden Gesichtspunkten – also anhand einer Ge­ samtbetrachtung der Darstellung der infrage stehenden Verlinkung – als Teil der ei­ genen Äußerung des Täters erscheint. Ist dies nicht der Fall, weil der Täter sich durch die Art und Weise der Verlinkung den verlinkten Inhalt nicht als seine Äußerung zueigenmacht, kommt hiernach allenfalls eine Beihilfe in Form der Förderung einer fremden Äußerung in Betracht.595 Überträgt man diese Wertungen auf das Bildnisrecht, spricht viel dafür, §  33 I KUG als Ver­ breitungsdelikt einzuordnen. Vordergründig weist die Tatbestandsstruktur hierauf hin, wonach dem Verbreiten mit dem öffentlichen Zurschaustellen eine zweite Begehungsvariante beigeord­ net ist, welche die potentielle „sinnliche Wahrnehmung“596 – nämlich die unmittelbare Wahr­ nehmung durch Sehen – eines bestimmten (Bildnis-)Inhalts sanktioniert.597 Zwar entspricht der Wortlaut des öffentlichen Zugänglichmachens dem Wortlaut des öffentlichen Zurschaustel­ lens nicht explizit, gleichwohl sollte sich das öffentliche Zurschaustellen nach dem bisher Ge­ sagten im Internet maßgeblich an §§  15 II, 19a UrhG und damit dem Recht der urheberrecht­ lichen öffentlichen Zugänglichmachung orientieren, sodass auch in dieser Hinsicht jedenfalls Wortlautparallelen zwischen dem Zugänglichmachen und dem Zurschaustellen bestehen. Diese Differenzierung führt einem in ihrer Deutlichkeit ad hoc die bereits an anderen Stel­ len angeklungenen Bedenken eines umfassenden strafrechtlichen Repräsentationsschutzes im Internetzeitalter indes besonders eindrucksvoll vor Augen. Denn ihre strenge Übertragung führt zum Ergebnis, dass schlicht jede Verlinkung eines Bildnisses – unabhängig von der konkreten technischen Ausgestaltung – als eigenständige täterschaftliche Zurschaustellung zu werten ist. Zögern wird man dabei allerdings in erster Linie weniger aufgrund der Einordnung der Handlung des Verlinkens als täterschaftliche Begehung, sondern vielmehr aufgrund der damit einhergehenden Wertung, bei einem Bildnis handele es sich per se um einen inkrimi­ nierten Inhalt, selbst wenn dieses mit Einwilligung des Abgebildeten ins Internet gestellt wur­ de oder aufgrund §  23 KUG einwilligungsfrei erstveröffentlicht werden durfte. Handelt es sich beim Verlinken um eine Zurschaustellung des (dahinterliegenden) bereits veröffentlichten Bildnisses, muss diese neue Veröffentlichung grundsätzlich ebenfalls mit Einwilligung des Abgebildeten erfolgen oder jedenfalls über §  23 KUG gerechtfertigt werden. Hierbei könnte möglicherweise die Annahme einer konkludenten Einwilligung in Zurschau­ stellungen durch Verlinkungen auf bereits veröffentlichte, rechtmäßig ins Internet gelangte Bildnisse einen gangbaren Lösungsweg darstellen. Allerdings würde eine solche pauschale Annahme auf dogmatisch losem Boden stehen, zumal die konkludente Einwilligung – zumin­ dest nach der aktuellen Rechtsprechung598 – dann nicht greifen soll, wenn der Abgebildete dings im Rahmen der Qualifikationstatbestände) kein Argument erkennt, wonach der Gesetzgeber jedes einzelne Tatbestandsmerkmal für signifikant genug hält, um dadurch schon allein die Täter­ schaft zu charakterisieren; vgl. ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S.  153; vgl. ferner Boese, S.  131; Doerbeck, S.  292; Hambel, S.  144 f.; a. A. Vassilaki, CR 1999, S.  87. 595  Vgl. hierzu auch Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, S.  2; Reinbacher, JZ 2020, S.  559. 596  Vgl. zur Umschreibung des „Zugänglichmachens“ als Ermöglichung der „sinnlichen Wahr­ nehmung“ BGH, NJW 2005, S.  690 – „Teilweises Auschwitz-Leugnen“. 597  Vgl. hierzu nur Löhnig, JR 1997, S.  497, welcher zwar eine täterschaftliche Begehung des Zugänglichmachens verneint, dabei aber das „Anbringens eines Links“ mit dem „Ausstellen, An­ schlagen und Vorführen“ vergleicht. Selbst Löhnig müsste also bei der Verlinkung auf ein Bildnis zu einem Zurschaustellen kommen. 598  OLG Frankfurt, NJW-RR 1986, S.  1118; OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1990, S.  1439; OLG

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nichts vom Zusammenhang der konkreten Veröffentlichung weiß oder wissen hätte können.599 Ferner besteht de lege lata kein Raum für Erwägungen einer Selbstöffnung (durch das Gelan­ genlassen des Bildnisses an die Öffentlichkeit), wenn nicht der Anwendungsbereich des §  23 II KUG eröffnet ist.600 Auch ein Zuschnitt des inkriminierten Inhalts auf Bildnisse, welche ohne Einwilligung erstveröffentlicht wurden oder welchen man die Inkriminierung ansieht, läuft hier schon offensichtlich deshalb ins Leere, da ansonsten das Zurschaustellen durch eine Verlinkung – entgegen dem Gesetzeswortlaut – von einem konkreten Bildnisinhalt abhinge. Somit müsste hiernach auch jedes Liken, Kommentieren oder sonstige Verhalten in sozialen Netzwerken, welches zur unmittelbaren Sichtbarmachung eines Bildnisses für einen unbe­ stimmten Personenkreis führt, konsequenterweise dann eine eigene täterschaftliche öffent­ liche Zurschaustellung darstellen, wenn hierdurch das Bildnis für den entsprechenden Perso­ nenkreis irgendwie sichtbar wird.601 Wann allerdings noch keine potentielle Wahrnehmungs­ möglichkeit besteht, ist auch hiernach ungeklärt. Ob etwa auch die Zusendung eines Links zu einer Startseite (Surfacelink), durch welche sich der Empfänger bis zum fraglichen Bildnis hindurchklicken muss oder ob möglicherweise bereits der (mündliche) Hinweis des Standorts genügt, bleibt jedenfalls offen.602 Für die Erwägung, dass der Verlinkende nur auf einen fremden Inhalt verweise und inso­ weit keine Tatherrschaft besitze, bliebe jedenfalls bei einem direkten Link zu einem Bildnis ebenso wenig Raum, wie für grundsätzliche Erwägungen zur Sozialadäquanz von Handlun­ gen im Internet, obwohl selbst dann eine solche Zurschaustellung durch den Link, Like, oder Kommentar vom Verbleib des Ursprungsinhalts abhinge.

Diese Übertragung scheint bislang von der fachgerichtlichen Rechtsprechung auf das Bildnisrecht vollzogen zu werden. Entsprechend kritisch fiel die Resonanz der Gegenansicht aus,603 als das Oberlandesgericht München im Jahre 2007 ohne Be­ Frankfurt a. M., GRUR 1991, S.  49; OLG Hamburg, NJW-RR 2005, S.  480; OLG Karlsruhe, NJWRR 2006, S.  1199; OLG München, ZUM 2009, S.  429; OLG Frankfurt, ZUM-RD 2010, S.  322; OLG Hamburg, ZUM-RD 2011, S.  589; OLG Hamburg, AfP 2012, S.  166 ff.; OLG München, NJW-RR 2016, S.  872; KG, AfP 2016, S.  87; OLG München, GRUR-RR 2018, S.  529; OLG Dresden, NJWRR 2020, S.  1011; LG Bielefeld, NJW-RR 2008, S.  716; vgl. auch OVG Koblenz, ZUM-RD 2020, S.  495. 599  Hierzu im Einzelnen Kap.  3, C., III., 2.; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  4 4; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  14; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  18a; Korte, §  2, Rn.  14; Libertus, ZUM 2007, S.  622, 624; Prinz/Peters, Rn.  834; Wanckel, Rn.  137 ff.; eine konkludente Einwilligung hingegen zumindest erwägend Sievers, GRUR-Prax 2012, S.  231; S.  622; ebenfalls zweifelnd Wandtke/Ohst/Witzmann, Bd.  5, Kap.  6, §  3, Rn.  74. 600  Hierzu im Einzelnen Kap.  3, D., IV. 601  Doerbeck, S.  295 ff.; Geiring, S.  147 ff.; Schulte/Kanz, ZJS 2013, S.  35. 602  Boese, S.  144 ff., bejaht jedenfalls die objektive Zurechnung für die unmittelbare Verwei­ sungsebene (direkter [Deep-]Link auf Bildnis). Darüber hinaus gehende Verweise würden hiernach die objektive Zurechnung unter dem Gesichtspunkt des erlaubten Risikos unterbrechen. Dieses Er­ gebnis relativiert Boese, S.  150, allerdings für Links auf Startseiten (Surfacelinks), bei denen sich der inkriminierte Inhalt auf einer Unterseite befindet, sowie für Verweisungen auf Seiten, welche durch eine weiteren (Dritt-)Verweisung zum inkriminierten Inhalt führen; and. die wohl überwie­ gende Auffassung, wonach bei einer Verweisung „über die erste Linkebene hinaus“ in der Regel keine Täterschaft angenommen werden könne; vgl. hierzu Bär, S.  214; Busse-Muskala, S.  217 ff.; Schönke/Schröder/Eisele, §  184 StGB, Rn.  82; Heghmanns, JA 2001, S.  73; Hilgendorf/Valerius, Rn.  201; Park, GA 2001, S.  32; Sieber, Rn.  308, 330; vgl. ferner Haft/Eisele, JuS 2001, S.  117. 603  Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  9; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  12; Wimmers/C. Schulz, K&R 2007, S.  533 f.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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gründung eine Verlinkung per (Text-)Deeplinks auf ein (rechtmäßig ins Internet ge­ langtes) Bildnis als eigene öffentliche Zurschaustellung des Verlinkenden bewertet hat.604 dd) Teile der Literatur: Keine Täterschaft aufgrund fehlender Tatherrschaft/ Herrschaftsmacht über den verlinkten Inhalt Ein beliebtes und schnell bemühtes Argument gegen diese strenge Linie ist dabei der Verweis auf die fehlende Tatherrschaft des Verlinkenden. Zwar käme es auf die „Sichtbarmachung im weitesten Sinne“ für ein Zurschaustellen an, gleichwohl müs­ se diese eben auch als Täter stattfinden. Es erschiene realitätsfern, den Verlinkenden als denjenigen anzusehen, der das Bild sichtbar macht. Denn dies geschehe allein durch denjenigen, der das Bild ins Internet stellt. Schon der analoge Vergleich belege hier die fehlende Tatherrschaft des Verlinkenden, wonach das Hinweisen von Pas­ santen auf ein bereits öffentlich zur Schau gestelltes Bildnis – etwa am Marktplatz – ebenfalls kein eigenständiges täterschaftliches öffentliches Zurschaustellen darstel­ le.605 Diese Haltung findet sich parallel bei der Frage des Zugänglichmachens durch Verlinkungen bei Verbreitungsdelikten im Kernstrafrecht.606 Hiernach kommt bei der Verlinkung auf ein bereits veröffentlichtes Bildnis allenfalls eine strafbare Teil­ nahme nach §  27 StGB in Betracht. Dem wird mit guten Argumenten entgegengehalten, dass die Heranziehung analo­ ger Vergleiche auf Verlinkungen im Internet in der Regel hinkt.607 In der Tat lassen solche Vergleiche nicht selten auf ein Verständnis diametraler Örtlichkeiten, Wege oder Öffentlichkeiten im Internet im Sinne eines digitalen Raums schließen, welches es aber so nicht gibt. Dass solche Zuschreibungen von Handlungen und Verantwor­ 604  OLG München, MMR 2007, S.  659. Dieser (Text-)Link wurde in streitbare Äußerungen in einem Artikel eines Online-Informationsdiensts integriert. Das Gericht führte hierzu aus, dass die Linksetzung „bewusst dazu eingesetzt wurde, um Bildnisse in den Wortbericht einzubetten und sie bewusst als Untermauerung für die im Wortbericht geschilderte angebliche Dummheit, Borniert­ heit und Realitätsverschiebung“ des Abgebildeten verwende; vgl. ferner, LG Braunschweig, MMR 2012, S.  65, welches eine „Verbreitung und Veröffentlichung“ durch eine Text-Verlinkung bejaht; i. E. kommt auch Petershagen, NJW 2011, S.  707 f., zu diesem Ergebnis. Für das Framing bejahte das LG Köln, CR 2010, S.  272, ein öffentliches Zurschaustellen i. S. d. §  22 KUG; bestätigt von OLG Köln, MMR 2011, S.  323 f.; ähnlich LG Hamburg, ZUM-RD 2010, S.  625; LG Köln, ZUM-RD 2011, S.  627; vgl. für das Zugänglichmachen BGH, NJW 2008, S.  1883 f. – „ueber18.de“. 605  Wimmers/C. Schulz, K&R 2007, S.  533; vgl. zudem den bei M. Popp, S.  113, angestellten „analogen Vergleich“, wonach die Fluggesellschaft sich nicht wegen täterschaftlicher Zugänglich­ machung strafbar mache, wenn sie dafür sorge, dass „ein zusätzlicher, weiterer Personenkreis die Möglichkeit hat, die Ausstellung zu besuchen“; vgl. ferner Hambel, S.  148, wonach eine bereits ge­ öffnete Tür nicht erneut geöffnet werden könne. 606  Detlefsen, S.  105 f., 115; Germann, S.  212; Hambel, S.  147 f.; Hörnle, NJW 2002, S.  1010; ­Liesching, MMR 2006, S.  391; Löhnig, JR 1997, S.  497; Palm, S.  275 f.; Pelz, wistra 1999, S.  54; M.  Popp, S.  112 f., 180; Vassilaki, CR 1999, S.  87; wohl auch Ernst, NJW-CoR 1997, S.  228. 607 Zurückhaltender Schulte/Kanz, ZJS 2013, S.  27, wonach bei Vorgängen, die in der Realität von körperlicher Anwesenheit und sinnlicher Wahrnehmung begleitet sein können, Parallelwertun­ gen zwischen realem und virtuellem Raum zunächst nur als Anhaltspunkt dienen sollten.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

tungsbereichen im Internet schnell aus dem räumlichen Verständnis analoger Exklu­ sivität hergeleitet werden, wird dabei durch Terminologien wie etwa der Homepage oder der Verlinkung im Sinne einer Verknüpfung, eines Zugangs oder einem digitalen Pfad gefördert. Dabei ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die Versendung ei­ nes (Text-)Deeplinks dem Empfänger ermöglicht, mit minimalem (Energie-)Aufwand – nämlich des simplen Aufrufs608 – das verlinkte Bildnis zu sehen. Dabei kann schon grundsätzlich in Frage gestellt werden, ob der Aufrufende durch das An­klicken tat­ sächlich zum Bildnis gelangt, oder ob dieses vielmehr nicht zu ihm an den Bildschirm kommt. Dass beim Aufrufenden jedenfalls eine – wenn auch kurzfristige  – Speiche­ rung beim Aufruf eintritt, könnte jedenfalls auch für Letzteres sprechen. Dabei soll es für ein Zurschaustellen (wie für das Zugänglichmachen) schon gar nicht auf die Ver­ fügungsmacht, sondern allein die Wahrnehmbarkeit ankommen.609 Hierauf müssen sich selbst kritische Stimmen – insoweit inkonsequent – dann berufen, wenn es um Textverlinkungen zu rechtswidrigen Inhalten oder der Umgehung von Sichtbarkeits­ beschränkungen wie etwa der Verlinkung auf unver­öffentlichtes Bildmaterial geht.610 ee) Weitere Literaturansätze: Übertragung des Kriteriums des Zueigenmachens auch auf Verbreitensdelikte Vermutlich um dem eben beschriebenen Vorwurf der mangelnden Tatherrschaft des Verlinkenden Rechnung zu tragen, geht ein beträchtlicher Teil der Literatur dazu über, das Zueigenmachen des (verlinkten) Inhalts nicht nur bei Äußerungsdelikten, sondern auch bei Verbreitungsdelikten für die Annahme einer Täterschaft als zwin­ gend notwendig zu erachten.611 Überträgt man diesen Ansatz auf das Bildnisrecht612, kann die Frage des öffentlichen Zurschaustellens nicht generell erfolgen, sondern muss anhand des Einzelfalls bestimmt werden. Dabei finden sich allerdings selten konkrete Hinweise, wann überhaupt von einem solchen Zueigenmachen ausgegan­ gen werden kann.613 Nahe liegt, dass die jeweilige Präsentationsform und ihre tech­ 608 Vgl.

S. Müller, S.  122 f.; Petershagen, NJW 2011, S.  707. Insoweit vermögen auch die (teils metaphorischen) Vergleiche von Detlefsen, S.  107, und Hambel, S.  148, wonach ein bereits zugänglich gemachter Inhalt nicht „noch zugänglicher“ ge­ macht werden könne, zur Lösung eher wenig beizutragen. Selbst ein analog öffentlich zugänglich gemachter Inhalt kann völlig unproblematisch erneut öffentlich zugänglich gemacht werden, selbst wenn er nur gespiegelt wird, ein bereits veröffentlichtes Bildnis abgehängt und anderenorts wieder aufgehängt oder ein identisches Plakat neben das andere gehängt wird. 610  Hambel, S.  147, begründet dies sogar explizit mit der Schaffung einer abstrakten ­Gefährdung. 611  D. Barton, Rn.  323, 357; Flechsig/Gabel, CR 1998, S.  355; M. Heinrich, ZJS 2016, S.  700; LK/ Krauß, §  130 StGB, Rn.  100; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  747; S. Müller, S.  123; Wandtke/Ohst/ Witzmann, Bd.  5, Kap.  6, §  3, Rn.  67: vgl. ferner Hörnle, NJW 2002, S.  1010. 612  Herbort, S.  173 ff.; Hohenstein, S.  77; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  747; vgl. auch Bienemann, S.  218; wohl auch Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  12, welcher mit dem Verweis auf eine Entscheidung des OLG Frankfurt a. M., MMR 2016, S.  489 zum Äußerungsrecht davon aus­ geht, dass ein bloßes unkommentiertes Teilen keine öffentliche Zurschaustellung im Sinne des §  33 KUG darstelle; ferner Petershagen, NJW 2011, S.  707. 613  Vgl. hierzu Hilgendorf/Valerius, Rn.  200 ff., wonach von einem Zueigenmachen nur dann 609 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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nische Ausgestaltung, das sich hieraus ergebende optische Erscheinungsbild der in­ frage stehenden Darstellung, dem thematischen Bezug zum eigenen Angebot sowie Elementen des eigenen Dafürhaltens oder der Stellungnahme zum verlinkten Inhalt eine Rolle spielen werden.614 In der Regel wird man hiernach also tendenziell dann zu einem öffentlichen Zurschaustellen eines verlinkten Bildnisses kommen, wenn diese zu einer unmittelbaren Sichtbarkeit des Bildnisses wie etwa bei der Fra­ ming-Technik oder durch Inlinelinks führt.615 Bei Textverlinkungen auf Bildnisse wird man sich aber regelmäßig – nicht zuletzt aufgrund der Strafbewehrung durch §  33 KUG – in Zurückhaltung im Hinblick auf ein Zueigenmachen üben müssen.616 Zweifeln setzt sich der Ansatz allerdings dann aus, wenn der verlinkte Inhalt selbst  – weil er etwa das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten stark tangiert – ausschlag­ gebend für ein Zueigenmachen wird und somit Rückschlüsse vom Tatobjekt auf die Tathandlung gezogen werden. Eine strikte Trennung von Inhalt und Zueigenmachen wird allerdings nicht zuletzt aufgrund des weitreichenden Tatobjekts des Bildnisses ohne nähere Einschränkung und der Suggestivwirkung von bildhaften Darstellungs­ formen617 kaum umzusetzen sein.618 Insgesamt wird der Lösung um die Übertragung der Maßstäbe für Äußerungsdelikte auf das öffentliche Zugänglichmachen vorge­ halten, dass das Kriterium des Zueigenmachens ein Fremdkörper mit Blick auf sämt­ liche übrige Verbreitungsdelikte darstelle.619 ff) Vereinzelte Literaturstimmen: Strenge Orientierung am isolierten Wortlaut des Sichtbarmachens Teile der Literatur gehen dazu über, den Wortlaut der etablierten Definition des öf­ fentlichen Zurschaustellens im Sinne des Sichtbarmachens streng an die unmittelba­ re Rezipierbarkeit eines Bildnisses zu knüpfen.620 Hiernach soll ein Bildnis nur sicht­ bar gemacht sein, wenn man es unmittelbar sehen kann. Ob es hierfür selbst ins In­ gesprochen werden könne, wenn der Linksetzende die Entstehung einer Situation dulde, in der für einen objektiven Dritten der Anschein erweckt werde, dass der Linksetzende bestimmte Inhalte billige und sie wie eigene behandle; ähnlich Wandtke/Ohst/Witzmann, Bd.  5, Kap.  6, §  3, Rn.  67. 614  Vgl. bereits Flechsig/Gabel, CR 1998, S.  355. 615 Vgl. Eisele, §  4, Rn.  12, im Kontext von Äußerungsdelikten. 616  Das LG Frankfurt a. M. Beschl. v. 20.04.2010 – Az.: 3/08 O 46/10 = BeckRS 2010, 9488, be­ jahte etwa bereits ein Zueigenmachen bei einer Verlinkung auf einem Twitter-Account mit dem Hinweis „sehr interessant“; vgl. hierzu Rauschhofer, MMR-Aktuell 2010, 302790. Dies erscheint allerdings ebenso zweifelhaft, wie die Feststellung bei Hohenstein, S.  77, wonach ein Kommentar, der laute „Guckt euch dieses Bild mal an Leute…“ ein Zueigenmachen begründe. Es stellt sich al­ lerdings hier bereits die Frage, worin der Unterschied zu einer unkommentierten Verlinkung be­ steht; a. A. wohl Wandtke/Ohst/Witzmann, Bd.  5, Kap.  6, §  3, Rn.  67; vgl. hierzu ferner Tschorr, MMR 2021, S.  207. 617  Hierzu Kap.  1, A., I., 3., und 7. 618 Vgl. Spindler, MMR 2002, S.  501. 619  Hambel, S.  141 ff., welcher in unterschiedlichen Facetten lediglich darauf hinweist, dass es für die täterschaftliche Begehung eines Verbreitungsdelikts schlicht nicht darauf ankommen könne, ob sich der Täter mit dem inkriminierten Inhalt auch identifiziere. 620  Bienemann, S.  211 f.; Ohrmann, S.  53 f.; Tausch, S.  83 f.; wohl auch Plaß, WRP 2000, S.  605.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ternet hochgeladen oder über einen Framelink eingebettet wurde, soll hierfür keine Rolle spielen. Folge dieser Sichtweise ist, dass ein Hyperlink in Textform keine öffentliche Zurschaustellung im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG darstellen kann. Denn mit diesem Hyperlink wird das Bildnis nur zugänglich, nicht aber unmittelbar sichtbar gemacht. Unmittelbar sichtbar ist nur der LinkText/Pfad. Ein Einbetten eines Bildnisses mittels eines Frame- bzw. Inlinelinks – oben als „digitaler Spiegel“ bezeichnet – macht ein Bildnis hingegen unmittelbar sichtbar und stellt somit hier­ nach ein öffentliches Zurschaustellen dar.

So zugänglich diese Differenzierung auf den ersten Blick erscheinen mag, so sehr überspielt sie, dass das öffentliche Zurschaustellen nicht auf das isolierte Sichtbarma­ chen beschränkt ist, sondern sich ausdrücklich als ein „Sichtbarmachen im weitesten Sinne“ versteht.621 Folglich kommt diese Ansicht besonders dann zu zweifelhaften Ergebnissen, wenn der letzte Schritt zur unmittelbaren Sichtbarmachung durch den Handelnden zwar ausbleibt, gleichwohl unter allgemeinen Zurechnungsgesichts­ punkten als so geringfügig empfunden wird, dass der Handlungsbeitrag des Verlin­ kenden insgesamt als Teil einer Risikoschaffung einer Sichtbarmachung erscheint. Schickt A beispielsweise einen Hyperlink (in Textform) zu seiner Cloud im Vertrauen auf Geheimhaltung an den B, müsste diese Ansicht streng genommen selbst dann ein öffentliches Zurschaustellen verneinen, wenn B den Hyperlink im Anschluss öffentlich postet und somit die Bilder erstmalig für die breite Öffentlichkeit einsehbar macht. Ein Verbreiten im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG käme jedenfalls (auch nach diesen Ansich­ ten) erst dann in Betracht, wenn ein Kontrollverlust beim Täter eingetreten ist. Ein Kontroll­ verlust muss aber nicht zwangsläufig mit dem öffentlichen Posting einhergehen, da dieses durch den Postenden noch gelöscht werden kann. Ferner bliebe – selbst bei einem Link auf offensichtlich rechtswidrige Bildnisinhalte – mangels vorsätzlich rechtswidriger Haupttat kein Anknüpfungspunkt für eine Teilnahme, wenn man diese überhaupt in dem konkreten Zeit­ punkt des Link-Veröffentlichens622 noch für möglich hält. Strenggenommen müsste diese Sichtweise selbst dann Probleme haben, ein öffentliches Zurschaustellen zu bejahen, wenn A einen Text-Hyperlink öffentlich postet, der zu seiner ei­ genen Cloud mit rechtswidrigen Bildnisinhalten führt. Denn öffentlich unmittelbar sichtbar gemacht ist nur der Text. Diese Schwächen zeigen sich – bei aller gebotenen Zurückhaltung mit analogen Vergleichen – nicht nur bei entsprechenden Veröffentlichungen im Internet. Hängt A etwa ein Bildnis des B an eine Wand in eine Fußgängerzone und verdeckt dieses mit einem Vorhang dürfte auch hiernach kein öffentliches Zurschaustellen vorliegen. Dies müsste selbst dann gelten, wenn A noch ein Transparent mit „Bitte öffnen“ anbringt. Um solche Ergebnisse im Einzelfall zu vermeiden, gehen auch streng am Wortlaut argu­ mentierende Stimmen – freilich ohne dogmatische Untermauerung623 – relativ vage dazu 621  Genaugenommen handelt es sich um eine Gleichsetzung des Wortlauts des Zurschaustellens mit den vom Gesetzgeber getilgten Begriffen des „Ausstellens“ oder „Anschlagens“; vgl. hierzu Wandtke/ Ohst/B. Heinrich, Kap.  6, §  3, Rn.  178 f.; ferner Schönke/Schröder/Eisele, §  184 StGB, Rn.  26. 622  Hierzu im Einzelnen – insbesondere dem Verhältnis von beigefügtem Veröffentlichungstext – noch Kap.  3, B., II., 2., c). 623  Insoweit könnte auf die Konstruktion einer mittelbaren Täterschaft des Verlinkenden als Hintermann zu einer Veröffentlichung des Tatmittlers (bei Personenidentität mit dem Abgebildeten

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über, entweder über die Konstruktion einer (zivilrechtlichen) Störerhaftung, den Rückgriff auf eine allgemeine Persönlichkeitsrechtsverletzung oder durch das Kriterium des Zueigenma­ chens der ursprünglichen Veröffentlichung durch das Posten eines Links normative Korrektu­ ren vorzunehmen.624 Letztendlich handelt es sich hierbei um eine ergebnisorientierte Aufweichung einer vorder­ gründig trennscharfen Lösung, wenn also auch hiernach das Posten eines Textlinks trotz feh­ lender unmittelbarer Sichtbarmachung eines Bildnisses ausnahmsweise doch eine täterschaft­ liches öffentliches Zurschaustellen begründet werden kann.

Ferner würde eine solche Auslegung auch ganz grundsätzlich die – wenn auch dem Urheberrecht entspringende – Wertung ignorieren, dass der Linksetzende bei einem Framinglink („digitaler Spiegel“) ein bereits veröffentlichtes Bildnis nicht selbst er­ neut veröffentlicht, sondern (bei demselben Adressatenkreis) eine bereits erfolgte Veröffentlichung lediglich fördert. Setzt A beispielsweise einen Framing- bzw. Inlinelink zu einem bereits veröffentlichten Bild­ nis-Post in einem Forum, sodass exakt dieselben Forenmitglieder das bereits veröffentlichte Bild (in Form einer „digitalen Spiegelung“ des Original-Posts) erneut sehen, läge hierin gleichwohl ein (eigenes) öffentliches Zurschaustellen im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG. Konse­ quenterweise müsste dies auch gelten, sobald eine Antwortfunktion in einem Gruppenchat so ausgestaltet ist, dass der (auf einen Bildnis-Post) Antwortende mit seiner (Text-)Antwort für alle Nutzer das (bereits veröffentlichte) Bildnis – unabhängig von der konkreten technischen Ausgestaltung – erneut sichtbar macht. Dies erscheint jedenfalls im Hinblick auf den Wortlaut des „Sichtbarmachens im weitesten Sinne“ und dem persönlichkeitsrechtlichen Kern des Rechts am eigenen Bild durchaus denk­ bar. Gleichwohl würde diese Lösung pauschal zumindest solche Erwägungen im Keim er­ sticken, wonach das Bildnis nach Wertungsgesichtspunkten im Einzelfall in Form des ur­ sprünglichen Postings bereits an dieselbe Öffentlichkeit gelangte, insoweit schon sichtbar ist und auch nur so lange „gespiegelt“ werden kann, wie der Ursprungspost online bleibt.625

gg) Resümee und weitere Stellungnahme Im Zusammenhang mit dem bereits Gesagten wird schnell deutlich, dass vorab eine Auseinandersetzung mit dem Argument der fehlenden Tatherrschaft des Verlinken­ den über das verlinkte Bildnis erfolgen muss. Ausgangspunkt der Überlegung ist dabei folgender: Nur derjenige, der den originären Upload getätigt hat und das Bild­ nis weiterhin online bereithält, hat über dieses Verfügungsmacht; sobald dieses ge­ löscht wird, geht auch der Link ins Leere. Dies spricht gegen eine Tatherrschaft des Verlinkenden. Der Verlinkende verweist lediglich auf die öffentliche Zurschaustel­ lung desjenigen, welcher das Bildnis originär hochgeladen hat.

als sich selbst schädigendes Werkzeug) gem. §  25 I Var.  2 StGB zurückgegriffen werden; vgl. hierzu auch Kap.  3, B., II., 2., a), hh). 624 So Bienemann, S.  218 f.; hingegen erkennen Ohrmann, S.  54, und Tausch, S.  83 f., offenbar kein Bedürfnis einer normativen Korrektur. 625  Vgl. insoweit Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  2, Rn.  81.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Die Verfügungsmacht über die Urveröffentlichung mag dabei Indiz für eine Tatherrschaft des Veröffentlichenden sein, sie sagt aber weder etwas über eine eigen­ ständige Verfügungsmacht eines Dritten bzw. über eine eigenständige Sichtbarma­ chung durch eine Verlinkung aus, noch schließt sie diese zwingend aus. Dabei sagt bereits der Begriff der Verfügungsmacht im Sinne einer Macht zur Löschung bei aller Zurückhaltung hinsichtlich analogen Vergleichen nach dem herkömmlichen Beispiel des öffentlichen Anschlagens eines Bildnisses626 wenig aus. So hat jemand auch dann keine Verfügungsmacht mehr über das veröffentlichte Bildnis, wenn die­ ses einmal am Marktplatz hängt und er sich entfernt hat. Mit anderen Worten handelt es sich bei der eben beschriebenen Problematik nach der hier vertretenen Ansicht dem Grunde nach um eine Frage der objektiven Zurech­ nung. Entweder eine Verlinkung auf ein bereits zur Schau gestelltes Bildnis konkre­ tisiert das bereits geschaffene Risiko durch die ursprüngliche Zurschaustellung oder sie schafft ein völlig eigenständiges neues Risiko durch den Verlinkenden hinsicht­ lich der Gefahr der Wahrnehmung eines Bildnisses. Nimmt man Ersteres an, so spricht die fehlende Tatherrschaft beim Verlinkenden in der Tat gegen eine eigen­ ständige Täterschaft. Geht man hingegen von Letzterem aus, spielt der Vorwurf feh­ lender Tatherrschaft hinsichtlich der Erstveröffentlichung keine Rolle, weil der Ver­ linkende ein unabhängiges (andersartiges) Risiko geschaffen hat und insoweit neue Tatherrschaft hinsichtlich seiner eigenen Veröffentlichung besitzt. Die Antwort auf die Frage, welcher Lösung der Vorzug zu geben ist, ist in der Ausgestaltung und Struktur des §  33 I Var.  2 KUG zu suchen, denn anhand dieser kann das rechtlich missbilligte Risiko ermittelt werden. Hier bedient sich der Gesetzgeber mit der Aus­ gestaltung des §  33 KUG als Verbreitungsdelikt einer hinreichend klaren Sprache. So handelt es sich in der Ausformung des strafrechtlichen Bildnisschutzes in Form des öffentlichen Zurschaustellens gem. §  33 I Var.  2 KUG sowohl nach den Erwägungen der Strukturprinzipien des vorkonstitutionellen Rechtsguts627 als auch im Hinblick auf dessen verfassungsrechtliche Einbettung und Bestimmung628 um ein Tätigkeits­ delikt mit einer gewissen Erfolgskomponente629 und damit dem Wesen nach um ein potentielles630 bzw. abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt631. Dieses wird als eine Sonderform des abstrakten Gefährdungsdelikts eingeordnet.632 Der tatsächliche bildhafte Kommunikationsvorgang mit Dritten – die Repräsentation im Sinne des 626 

Allfeld, S.  132; Osterrieth, S.  173. Vgl. Kap.  1, C., II., 3. 628  Vgl. Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (1), (b), sowie Kap.  2, B., II., 3., b), bb), (2), und auch Kap.  2, D., III., 2., b), cc). 629  So auch Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  11; vgl. ferner Wissmann, S.  300 ff., zum öf­ fentlichen Zugänglichmachen. 630  Vgl. zur Verwendung der Bezeichnung als „potentielle Gefährdungsdelikte“ Baur, ZJS 2017, S.  662; Rengier, AT, §  10, Rn.  16; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  45. 631 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  165, wonach bei diesen Delikten eine bestimmte Handlung wenigs­ tens generell geeignet sein muss, bestimmte Verletzungen herbeizuführen. 632  BGHSt 46, 212 (218) – „‚Auschwitzlüge‘ im Internet“; B/W/M/E/Mitsch, §  6, Rn.  53. 627 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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tatsächlichen Gesehenwerdens – muss hiernach nicht eintreten, vielmehr soll die Schaffung einer bildhaften Wahrnehmungsmöglichkeit für ein rechtlich missbillig­ tes Risiko ausreichen. Ob ein anderer dieses (durch die Verlinkung) geschaffene Ri­ siko nachträglich beeinflussen kann, indem er den Ursprungspost löscht, ist hierfür also ebenso irrelevant wie der Umstand, dass sich der Verlinkende einer vorgefunde­ nen Veröffentlichung für seine eigene Veröffentlichung bedient. Dies entspricht zum einen den Erwägungen zur Dauer einer Repräsentation, für die es ebenfalls unerheb­ lich ist, wie lange sie andauert. Zum anderen kann ein bereits veröffentlichtes Bildnis erneut in einem anderen Kontext veröffentlicht werden. Zu einem anderen Ergebnis könnte man höchstens dann gelangen, wenn man §  33 I Var.  2 KUG insoweit als konkretes Gefährdungsdelikt begreift, wonach der Eintritt einer potentiellen Kenntnisnahmemöglichkeit durch viele Personen einen tatbe­ standsmäßigen Erfolg darstelle. Hiergegen spricht allerdings bereits die Formulie­ rung der Strafnorm633 sowie der Umstand, dass eine konkrete Gefahr des Gesehen­ werdens eben nicht eintreten muss634 und die abstrakte Eignung635, gesehen zu werden, genügen soll. Nichts Anderes gilt, wenn man §  33 I KUG im übergeordneten Sinn als ein Verletzungsdelikt begreift, wonach die Verletzung des Rechtsguts des Rechts am eigenen Bild bereits mit der Schaffung einer Repräsentation vollendet ist. Hierfür ließe sich anführen, dass die Repräsentation einer Person bereits im Medium und unabhängig davon stattfindet, ob andere sie tatsächlich wahrnehmen. Für diese Wertung spricht auch der Umstand, dass es genaugenommen nicht auf einen entge­ genstehenden Willen des Abgebildeten hinsichtlich seiner Repräsentation ankommt, sondern es ausreicht, dass eine Veröffentlichung lediglich ohne Willen des Abgebil­ deten erfolgt. Dann müsste aber auch bereits die Herstellung eines Bildnisses das einfachgesetzliche Recht am eigenen Bild verletzen können. Offensichtlich muss das Bildnis allerdings veröffentlicht werden, die Repräsentation im Medium genügt er­ sichtlich nicht, selbst wenn die Öffnung des Öffentlichkeitsbegriffs hin zu kleineren Öffentlichkeiten diskutiert wird. Ferner weist auch das Verhältnis der Begehungs­ varianten untereinander in die hier vertretene Richtung. So muss nach den obigen Ausführungen selbst der (vorgelagerten) Verbreitensvariante jedenfalls eine gewisse Unkontrollierbarkeit hinsichtlich der Darstellung innewohnen.636 Die Repräsenta­tion im Sinne des Rechts am eigenen Bild ist somit umfassender zu verstehen und be­ schränkt sich nicht nur auf die Schaffung eines optischen Duplikats im Sinne des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild. Das Erfolgsmoment ist somit in der Schaffung einer unkontrollierten Kenntnisnahmemöglichkeit des optischen Erschei­ 633 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  163, wonach der Gesetzgeber für konkrete Gefährdungsdelikte regelmäßig die Formulierung „[…] und dadurch Leib oder Leben etc. […] gefährdet“ wählt. Der für ein konkretes Gefährdungsdelikt untypische Formulierung könnte der zivilrechtsakzessorische Charakter sowie das Alter der (vorkonstitutionellen) Norm entgegengehalten werden. 634  Vgl. auch zur abstrakten Kenntnisnahmemöglichkeit bereits die Kap.  3, B., II. 635  Dementsprechend werden abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte auch als „Eignungsdelik­ te“ beschrieben; vgl. hierzu etwa Rengier, AT, §  10, Rn.  16. 636  Vgl. hierzu Kap.  3, B., II., 2., c).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nungsbilds zu sehen. Selbst wenn man also insoweit den Eintritt eines objektiv zu­ rechenbaren Erfolgs durch den Verlinkenden fordern möchte, so verwirklicht er die­ sen selbstständig durch ein andersartiges Risiko, wenn er durch seine eigene (Link-) Veröffentlichung eine unbestimmte Personenanzahl erreicht.637 Dass dies jedenfalls auch durch die Rechtsprechung in Zukunft (weiterhin) ähnlich gesehen werden wird, lassen sowohl der allgemeine Verweis auf die umfassende Liberalisierung des Rechts am eigenen Bild in allen auslegungsoffenen Bereichen, als auch der (hier abgelehnte) Vergleich zum Urheberrecht vermuten. Dieses Ergebnis unterstreicht indes die bereits oben angedeuteten Schwächen des Bildnisschutzes in modernen Darstellungsszenarien, welche es de lege ferenda zu beheben gilt.638 Denn konsequenterweise müssten dann sogar Handlungen wie das Liken, Teilen oder Kommentieren eines Bildnisbeitrags als eigenständige öffentliche Zurschaustellung qualifiziert werden, wenn sie zur Sichtbarmachung des gelikten, geteilten oder kommentierten Bildnisses für einen unbestimmten Personenkreis füh­ ren. Hier vermag auch die Annahme einer konkludenten Einwilligung des Abgebil­ deten keine Abhilfe für eine ausufernde Strafbarkeit zu schaffen, da bei einem Groß­ teil der Bildnisse im Internet schon nicht klar ist, unter welchen Umständen diese (ursprünglich) sichtbar gemacht wurden und ob der Abgebildete die Veröffentlichung seines Bildnisses – welche etwa dann gelikt wird – überhaupt kennt. Wenn der Ab­ gebildete aber bereits von der ursprünglichen Bildnisveröffentlichung nichts weiß, kann auch kein Platz für eine konkludente Einwilligung hinsichtlich der Anknüp­ fungshandlung in Form des Likens, Teilens oder Kommentierens bestehen. Dies brächte für jedermann nicht zu bewerkstelligende und somit lebensfremde Prüfungs­ pflichten hinsichtlich seines bildhaften Auftritts im Internet mit sich. Allein aus Wertungsgesichtspunkten gilt es deshalb bereits de lege lata jedenfalls für den strafrechtlichen Bildnisschutz entgegenzuwirken.639 Hierfür spricht schon die allgemeine Wertung, wonach sich der Gesetzgeber für die ultima ratio des Straf­ rechts bei Verbreitensdelikten maßgeblich am gesteigerten Unrecht und der Gefähr­ lichkeit inkriminierter Inhalte orientiert. Diese Gefährlichkeit vermag der Gedanke einer ungewollten Repräsentation allein nicht zu begründen. hh) Eigener Vorschlag für eine einschränkende Auslegung: Bildnisrechtliches Zueigenmachen und visuelle Tatherrschaft Damit fragt sich, wie eine einschränkende Auslegung erfolgen kann. Als eine Mög­ lichkeit erscheint hierfür die Übertragung der bereits dargestellten Grundsätze des Zueigenmachens einer bereits erfolgten Veröffentlichung sinnvoll. Nicht von der 637  A. A. Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  9; Leffler, S.  234 ff.; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  9. 638  Vgl. hierzu Kap.  4, A., sowie B., II. 639  Vgl. in diesem Zusammenhang auch den (in die vorgeschlagene Richtung weisenden) Hin­ weis bei Stadler, Rn.  183a, wonach der Wortsinn des Zugänglichmachens auch einer Auslegung zugänglich sei, welche Links ähnlich wie Hinweise oder Quellenangaben in Druckwerken verstehe.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Hand zu weisen ist dabei aber der Einwand, dass es für eine (täterschaftliche) Sicht­ barmachung irrelevant sei, ob sich der Täter mit dem Bildnisinhalt im Sinne einer äußerungsrechtlichen Fürsprache identifiziert.640 Unterschiede würden bei einer strengen Übertragung äußerungsrechtlicher Maßstäbe dort bestehen, wo A ein Bildnis des B über einen Link vorsätzlich sichtbar macht, sich aber diese Veröffentlichung nicht zueigenmacht, weil er sich nicht mit dem Inhalt identifiziert, indem er sich etwa davon ausdrücklich distanziert. Selbst wenn sich A allerdings eine rechtswidrig im Internet bestehende Bildnisveröffent­ lichung des B nicht zu eigen macht, indem er sich von ihr durch einen Begleittext ausdrücklich distanziert, stellt er das Bildnis gleichwohl per definitionem öffentlich zur Schau, wenn er es (durch seine distanzierende Handlung) einem unbestimmten Personenkreis sichtbar macht. Eine Einengung des bildnisrechtlichen öffentlichen Zurschaustellens durch das äußerungs­ rechtliche Zueigenmachen könnte also auch das bereits beschriebene Nebeneinander von Ehrund Bildnisschutz in gewisser Hinsicht konterkarieren.641

Gegen diesen Einwand spricht aber zunächst, dass ein Rückgriff auf die äußerungs­ rechtlichen Maßstäbe gerade im Rahmen einer einschränkenden (täterfreundlichen) Auslegung nicht schon deshalb versperrt sein muss, weil diese dem Wesen nach einer anderen Deliktsgruppe angehören. Dabei erscheint schon diskutabel, ob der schil­ lernde Begriff des Zueigenmachens642 überhaupt als elementarer Bestandteil der Äu­ ßerungsdelikte angesehen werden muss. Die dargestellte frühere höchstrichterliche Rechtsprechung zur urheberrechtlichen öffentlichen Wiedergabe von Inhalten643 und die lang vollzogene Orientierung des bildnisrechtlichen Zurschaustellens am Urhe­ berrecht lassen jedenfalls Gegenteiliges vermuten. Insoweit könnte man einschränkend von einem bildnisrechtlichen Zueigenmachen sprechen und hierfür maßgeblich zu den herkömmlichen Grundsätzen zurückkeh­ ren. Hierfür erscheint es zunächst vielversprechend, für die Einschränkung des aus­ ufernden Bildnisschutzes im Internet die Kriterien über Täterschaft und Teilnahme fruchtbar zu machen. Dabei kann mit der gemäßigt-subjektiven Theorie der Rechtsprechung danach ge­ fragt werden, ob der Handelnde bei wertender Betrachtung aller Umstände des Ein­ zelfalls Täterwillen644 hinsichtlich der „Sichtbarmachung eines Bildnisses im wei­ 640 

Hambel, S.  141 ff. Hierzu bereits Kap.  1, C., I., 4.; vgl. ferner Roxin, in: FS Rengier 2018, S.  97, wonach die Tä­ terschaft der Deliktkategorie „strafbarer persönlicher Erklärungen“ (zu welchen Roxin auch die Äußerungsdelikte zählt) der Besonderheit geschuldet sei, dass der Täter eben eine „persönliche Erklärung“ abgibt; vgl. ferner Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, S.  5. 642  Vgl. hierzu nur die Aufzählung der verschiedenen Interpretationen des Zueigenmachens bei Busse-Muskala, S.  213 ff. 643  Vgl. hierzu Kap.  3, B., II., 2., a), aa), ferner Freytag, GRUR-Prax 2010, S.  355 f. 644  Als Kriterien zur Bestimmung für diesen Willen wurden von der Rechtsprechung herange­ zogen: Der „Wille zur Tatbeherrschung“ bzw. „Tatherrschaft“ in BGHSt 13, 162 (167) – „Tötung auf Verlangen durch Unterlassen“; BGHSt 37, 289 (291) – „Mord in Mittäterschaft“; BGH, NStZ 1990, S.  81 – „Konkurrenzen und Verjährung bei Förderung der Prostitution“; das „eigene Interesse am Taterfolg“, der „Tat“ bzw. des „Tatinteresses“ in BGHSt 37, 289 (291) – „Mord in Mittäterschaft“; 641 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

testen Sinne“ aufweist und die Wahrnehmung des Bildnisses durch die Öffentlichkeit nach der Aufmachung und Beschaffenheit seiner Darstellungshandlung gerade von ihm herrühren soll. Nach der in der Literatur vorherrschenden Tatherrschaftslehre (welcher sich die Rechtsprechung mittlerweile angenähert hat) kann gefragt werden, wer die Wahrnehmung eines Bildnisses als Zentralgestalt oder Schlüsselfigur des Geschehens hemmen oder ablaufen lassen kann, wohingegen einem Teilnehmer als Randfigur Tatherrschaft nicht zukomme.645 Nach beiden Strömungen könnte also primär danach gefragt werden, wem bei objektiv wertender Betrachtung646 der gesamten Art und Weise einer Bildnisdar­ stellung die visuelle Tatherrschaft zukommt. Hierfür wird ein verhältnismäßig prag­ matischer Weg vorgeschlagen, wonach gefragt werden könnte, wer bei wertender Betrachtung (als Täter) dem optischen Auftritt einer Person die Bühne bietet und wer (als möglicher Teilnehmer) nur auf diese Bühne verweist. Als zweigliedrige Faust­ formel könnte also herangezogen werden: Öffentlich zur Schau stellt, wer ((1)) ein Bildnis sichtbar macht und ((2)) hierbei nach wertender Betrachtung nicht lediglich auf eine bereits stattgefundene Veröffentlichung verweist. Liegt nach dieser Konzeption kein bildnisrechtliches Zueigenmachen, sondern le­ diglich ein Verweis auf eine bereits stattgefundene Veröffentlichung vor, könnte al­ lenfalls eine Teilnahmestrafbarkeit in Betracht kommen ((3)). (1) Sichtbarmachung eines Bildnisses Zustimmung verdient dabei grundsätzlich die Wertung, dass derjenige ein Bildnis sichtbar macht, welcher das Bildnis unmittelbar wahrnehmbar macht.647 Bedient sich BGHSt 47, 384 (385) – „Gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung“; BGH, NStZ 1990, S.  81  – „Konkurrenzen und Verjährung bei Förderung der Prostitution“; der „Umfang der Tatbetei­ ligung“ in BGHSt 37, 289 (291) – „Mord in Mittäterschaft“; BGH, NStZ 1990 S.  81 – „Konkurren­ zen und Verjährung bei Förderung der Prostitution“; die „objektive Mitbeherrschung des Gesche­ hens“ in BGHSt 28, 346 (349) – „Rücktritt eines Beteiligten im Stadium der Vorbereitung“; vgl. BGHSt 37, 289 (291) – „Mord in Mittäterschaft“; vgl. ferner BGHSt 47; 384 (385) – „Gemeinschaft­ liche gefährliche Körperverletzung“; das „Gewicht der Handlung für das Gesamtgeschehen“ in BGHSt 51, 219 (221) – „Kurier als Gehilfe beim Handeltreiben“. 645  Diese geht maßgeblich auf Roxin zurück, vgl. ders, AT II, §  25, Rn.  13; ders., Täterschaft und Tatherrschaft, S.  67 ff.; ferner hierzu Rengier, AT, §  41, Rn.  10; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  806; im Hinblick auf das Linksetzen umfassend dargestellt bei Busse-Muskala, S.  98 ff., insbesondere die Abbildung auf S.  102. 646  Mit anderen Worten wird für den unterbreiteten Vorschlag insoweit nur die Figur des objek­ tiven Empfängerhorizonts, welche im strafrechtlichen Bereich des Äußerungsrechts Bedeutung gewinnt, einschränkend in das Bildnisrecht hineingelesen, ohne dass es auf eine Identifizierung im Sinne des Äußerungsrechts ankommen soll; vgl. zur Bedeutung des objektiven Empfängerhori­ zonts im (strafrechtlichen) Äußerungsrecht Busse-Muskala, S.  222; Gabriel, S.  323. 647  Vgl. hierzu jedenfalls in Teilen Bienemann, S.  204 ff., welche allerdings zum einen zur Kor­ rektur ihrer Bewertung äußerungsrechtliche Komponenten in Form des Zueigenmachens (S.  218) miteinfließen lassen muss und zum anderen keine Erwägungen zu sozialadäquaten Verweisungen anstellt. Insoweit hätte sich von vorneherein der Rückgriff auf ein Zueigenmachen angeboten. Zu den Schwächen dieser Ansicht bereits Kap.  3, B., II., 2., a), ff).

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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jemand der Framing-Technik und „spiegelt“ ein bereits veröffentlichtes Bild, macht er es (unmittelbar) sichtbar. Auf diesem Weg kann diejenige Wertung, welche ein Zugänglichmachen auch bei der Veröffentlichung von Hyperlinks in Textform (Deep- oder Surfacelinks) grundsätzlich bejaht, auf das Bildnisrecht übertragen wer­ den. Angesichts der Strafbewehrtheit durch §  33 KUG erscheint hierbei eine restrik­ tive Linie vorzugswürdig, welche lediglich Verweise auf der ersten Linkebene er­ fasst. Je nach der konkreten (technischen) Ausgestaltung dieser ersten Linkebene wird es hierbei auf eine Entscheidung im Einzelfall ankommen. In diesem Zusam­ menhang sei noch angemerkt, dass willkürlich erscheinende Strafbarkeitslücken bei versteckten Verlinkungen über viele Unterseiten hinweg oder beigeordneten Anlei­ tungen zum Auffinden inkriminierter Inhalte über die erste Linkebene hinaus nach der hier vertretenen Ansicht648 über die erste Begehungsvariante des §  33 I Var.  1 KUG vermieden werden können.649 Insoweit würde zum einen die noch hinreichen­ de Trennbarkeit der Begehungsvarianten untereinander und dabei zum anderen ein flexibles System zur Beurteilung des Einzelfalls bestehen. Insbesondere würde die ergänzende Rückgriffsmöglichkeit auf das Merkmal des Kontrollverlusts in §  33 I Var.  1 KUG ein weiches Kriterium gewährleisten, welches allgemeinen Zurech­ nungskriterien zur Bestimmung des Einzelfalls zugänglich und dabei trotzdem hin­ reichend bestimmt wäre. (2) Kein Verweis auf bereits bestehende Veröffentlichung Als einschränkendes Kriterium zur Sichtbarmachung bietet sich an, in einem zwei­ ten Schritt danach zu fragen, ob sich diese lediglich als Verweis auf eine bereits stattgefundene Veröffentlichung darstellt. Hierfür kommt es darauf an, wie sich die Verlinkung für den objektiven Betrachter darstellt. Besteht für den Betrachter kein (optischer) Unterschied zum eigenen Upload des Verlinkenden – etwa bei einer Ein­ bettung bzw. „Spiegelung“ eines Bildnisses durch einen Inlinelink ohne Kennzeich­ nung als solchen – liegt hiernach eine eigenständige täterschaftliche öffentliche Zur­ schaustellung vor. Knüpft hingegen selbst eine unmittelbare Sichtbarmachung eines Bildnisses für den Betrachter erkennbar an eine bereits erfolgte Veröffentlichung an und verweist lediglich auf diese, soll hiernach allenfalls650 eine strafbare Teilnahme in Betracht kommen.

648  Zum Vorschlag des Kontrollverlusts über ein Bildnis als maßgebliches Kriterium für §  33 I Var.  1 KUG bereits Kap.  3, B., I., 3., a), dd). 649  Die Sorge von Busse-Muskala, S.  223, wonach eine Beschränkung auf die erste Linkebene zu starr wirke und möglicherweise zukünftige Techniken nicht berücksichtige, erscheint insoweit un­ begründet; vgl. ferner bereits Beisel/B. Heinrich, JR 1996, S.  99, welche ebenfalls die Notwendig­ keit einer gewissen Flexibilität bei der Zurechnung eines Zugänglichmachens unter Berücksichti­ gung der realen Verhältnisse voraussetzen. 650  Zur Frage, ob die Teilnahme – sofern ihre tatbestandsmäßigen Voraussetzungen vorliegen – in diesem Stadium überhaupt noch möglich ist, sogleich Kap.  3, B., II., 2., c), bb).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Somit ist also für ein bildnisrechtliches Zueigenmachen entscheidend, wann sich eine Anknüpfung an eine bereits bestehende Veröffentlichung nicht mehr lediglich als Verweis darstellt. Hierfür erscheint insbesondere der Maßstab, wonach für ein Zueigenmachen bereits ausreiche, wenn die Person einen Hinweis wie „…interes­ sant“ oder „Leute schaut mal“ beifügt, jedenfalls im bildnisrechtlichen Kontext als zu weitgehend.651 Diese Szenarien stellen sich gerade nicht als zu eigen gemachte und damit eigene Repräsentationen des Verlinkenden dar, vielmehr wirken diese selbst bei entsprechender Kommentierung wie Fingerzeige auf bereits bestehende fremde Repräsentationen. Für diese Wirkweise spricht dabei die fehlende visuelle Tatherrschaft des Verweisenden in Form des bereits angesprochenen Leerlaufens al­ ler Verweise, wenn die verknüpfte Repräsentation gelöscht wird, aber auch das allge­ meine Wortverständnis. Erst auf das bereits Veröffentlichte kann Bezug in Form von Verweisen genommen werden, eine Verknüpfung als Erstveröffentlichung, ein origi­ näres „Gefällt mir“, Kommentieren oder Teilen ist in dieser Form nicht möglich, sondern bedarf eines bereits bestehenden (veröffentlichten) Anknüpfungspunkts. Es bleibt somit zu klären, wann überhaupt von einem bildnisrechtlichen Zueigenma­ chens gesprochen werden kann, bzw. ab wann nicht mehr lediglich ein Verweis bei einer Sichtbarmachtung vorliegen soll. Hierfür werden zwei Kontrollerwägungen in den Raum gestellt. Als erste Kontrollerwägung kann danach gefragt werden, ob der gegenständliche Verweis bei einem hypothetisch rechtmäßigen Bildnisinhalt noch von einer konklu­ denten Einwilligung des Abgebildeten abgedeckt gewesen wäre. Dies wird man dann annehmen können, wenn sich die Verweisung noch in den (technischen) Rahmenmöglichkeiten der ursprünglichen Veröffentlichung bewegt und die abgebildete Per­ son mit ihnen beim bzw. nach dem Upload rechnen musste. Dies gilt etwa in sozialen Netzwer­ ken bei den technischen Interaktionsmöglichkeiten des Teilens, Kommentierens oder Likens. Insoweit muss es auch ein Zitationsrecht sowie die Möglichkeit geben, sich im gebotenen Rahmen kritisch mit einem Inhalt im Bildnisrecht auseinandersetzen zu dürfen, ohne dass man sich ein Bildnis zu eigen macht. Die Grenze ist allerdings dann überschritten, wenn der vordergründig Verweisende eine bereits stattfindende Veröffentlichung in ein gänzlich ande­ res Licht rückt und ihr so für eine Öffentlichkeit einen anderen Aussagegehalt unterschiebt. Dies wird tendenziell schwieriger zu konstruieren sein, zumal es weiteren Einflussmöglich­ keiten des Verweisenden bedarf, gleichwohl erscheint dies nicht gänzlich unmöglich. Zu den­ ken ist hierbei primär an die Beiordnung eines (Sprach-)Textes, sodass die abgebildete Person wirklichkeitssuggestiv in einem Zusammenhang repräsentiert wird, der fernab ihres ur­ sprünglichen Auftritts lag. Teilt (shared) A beispielsweise erkennbar ein bereits veröffentlich­ tes Video des B auf Social Media und ändert aber die Tonspur dahingehend, dass dadurch eine vollständig andere Aussage vermittelt wird, läge keine konkludente Einwilligung hinsichtlich des Verweises und insoweit ein bildnisrechtliches Zueigenmachen vor. 651  Selbst im äußerungsrechtlichen Kontext, wo es gerade um das eigene Dafürhalten geht, ist dies umstritten; vgl. hierzu Tschorr, MMR 2021, S.  207, welche etwa ein unkommentiertes Sharen als äußerungsrechtliches Zueigenmachen begreift; a. A. OLG Frankfurt a. M., MMR 2016, S.  489; hierzu Spoenle, jurisPR-ITR 7/2016 Anm.  2; OLG Dresden, MMR, 2017, S.  542.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Hieran knüpft die zweite Kontrollerwägung an. Diese fragt danach, ob die infrage stehende Sichtbarmachung Züge einer mittelbaren Täterschaft gem. §  25 I Var.  2 StGB aufweist. Hierfür könnte darauf abgestellt werden, ob dem Verweisenden eine Form der Wissensherr­ schaft gegenüber demjenigen zukommt, welcher als Tatmittler ein Bildnis (unmittelbar) sicht­ bar macht. Zugänglich wird der Gedanke insbesondere, wenn zuvor noch gar keine Veröffent­ lichung stattgefunden hat. Veröffentlicht A einen anvertrauten Hyperlink zur Cloud des B, auf welchem sich Bildnisse von diesem befinden, ließe sich erwägen, ob A als mittelbarer Täter den B als sich selbst schädigendes Werkzeug instrumentalisiert, indem er diesen durch seine Linkveröffentlichung dazu bringt, jedem, der den Link aufruft, seine (eigenen) Bildnisse zu zeigen. Eines Unrechtsbands bedarf es zwischen mittelbarem Täter und Tatmittler jedenfalls nach der ganz überwiegenden Ansicht nicht.652 Diese Hilfserwägung ist indes nach der hier vorgeschlagenen Faustformel nicht notwendig, da ohnehin schon mit dem Veröffentlichen des Hyperlinks eine Sichtbarmachung einherginge, die sich nach objektivem Dafürhalten nicht wie ein Verweis auf eine bereits erfolgte Veröffentlichung darstellt. Fand bereits eine Veröffentlichung eines Bildnisses von B mit dessen Zustimmung durch C statt und verweist A auf dieses Bildnis, könnte für ein bildrechtliches Zueigenmachen danach gefragt werden, ob A sich durch seine verweisende Sichtbarmachung dem B und/oder dem C dergestalt bedient hat, dass eine vom ursprünglichen Aussageinhalt abweichende (Bild-)Aus­ sage entsteht. Falls man dies bejahen kann, wird es sich nicht mehr lediglich um einen Verweis auf eine bestehende Veröffentlichung handeln. Als weiteres Beispiel ist der Fall zu nennen, in welchem A eine Abbildung des B öffentlich teilt, auf welcher dieser nicht erkennbar im Sinne des §  22 KUG, sondern nur identifizierbar ist.653 C stellt nun durch eine – an die Veröffentlichung des A anknüpfende – Handlung die Erkennbarkeit her, indem er etwa das Bild so kommentiert, dass die Erkennbarkeit des B zwei­ fellos gegeben ist oder indem er das Bild selbst öffentlich teilt (shared), das Profil des B ver­ linkt oder andere Maßnahmen trifft, welche nachträglich zur Erkennbarkeit und somit zu ei­ nem Bildnis, mithin zu einem tauglichen Tatobjekt führen.654 Unabhängig von dem bildnis­ rechtlichen Zueigenmachen und der Täterstrafbarkeit des C stellt sich ebenfalls die Frage der Strafbarkeit des A durch den ursprünglichen Post sowie einer Strafbarkeit durch Unterlassen, wenn er seinen Post aufrechterhält, nachdem die Erkennbarkeit eingetreten ist.655

Letztere Erwägungen ermöglicht eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie mit solchen Verweisungen zu verfahren ist, welche bereits bestehendes Unrecht intensi­ vieren. Hierzu kann folgendes Beispiel herangezogen werden: A, welcher 100 Follower/Freunde auf seinem Social-Media-Profil hat, begeht eine Bildrechtsverletzung, indem er hierauf ein Bild­ 652 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  1244; ferner Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, Rn.  354, welcher auf die Fallgruppe des manipulierten error in persona hinweist. 653  Zum Begriff der Erkennbarkeit im Bildnisrecht bereits ausführlich Kap.  4, A., II.; zur Diver­ genz von Erkennbarkeit und Identifizierbarkeit Kap.  3, A., III., 1. 654  Zu den Zweifeln, ob hier die bloße Namensnennung genügt, bereits Kap.  3, A., III., 5., b), cc). Um beurteilen zu können, ob die Erkennbarkeit vorliegt, bedarf es jedenfalls einer hinreichenden Begründung unter Betrachtung des Einzelfalls. Die bloße Namensnennung kann hierbei ausrei­ chen, sie muss es aber nicht zwangsläufig. 655  Dies wird maßgeblich von seinem Vorstellungsbild abhängen; zur Unterlassensstrafbarkeit im Anschluss Kap.  3, B., II., 2., c).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nis des B ohne dessen Einwilligung öffentlich postet. C ist Influencer mit 5 Millionen Follow­ ern/Freunden. C weiß von der Bildrechtsverletzung und verlinkt/teilt/liked nun die Veröffent­ lichung des A auf seinem [C’s] Profil, sodass dessen ursprüngliche Veröffentlichung ein Viel­ faches an Reichweite bekommt. Nach den hier dargestellten Parallelen zur mittelbaren Täterschaft bestünde nun etwa die Möglichkeit, in Anlehnung an Herzberg656 eine mittelbare Täterschaft nach dem Vorbild des Täters hinter dem Täter bei erheblicher Unrechtssteigerung und insoweit ein bildnisrecht­ liches Zueigenmachen des C zu erwägen, indem er die Bildrechtsverletzung des A intensiviert hat. Hierfür könnte sprechen, dass er dem bildhaften Auftritt des B und auch der rechtswidri­ gen Inszenierung dieses Auftritts durch A eine viel größere Bühne gegeben hat657 und inso­ weit Wissensherrschaft über die Unrechtsquantifizierung des ursprünglichen (rechtswidrigen) Zeigens durch A besitzt. Dies könnte man aber auch mit guten Argumenten658 verneinen, zumal bei der bloßen An­ nahme einer Teilnahmestrafbarkeit eine Berücksichtigung des verwirklichten Unrechts auf Rechtsfolgenebene erfolgen könnte, sofern eine solche Teilnehmerstrafbarkeit des C überhaupt in Betracht kommt.659 Ferner könnte in diesem Zusammenhang unter Verweis auf das Verant­ wortungsprinzip bereits das Vorliegen eines beherrschendes Moments des Hintermanns in Fra­ ge gestellt werden, zumal im Anschluss auch noch zu erörtern wäre, wie unterschiedliche und quantifizierbare Öffentlichkeiten zu bestimmen sind und inwiefern diese hier vorliegen. Schließlich ließe sich auch die erste Hilfserwägung heranziehen, wonach bei rechtmäßigem Bildnisinhalt von einer (konkludenten) Einwilligung ausgegangen werden könnte, sofern C, wie im Beispielsfall geschehen, eine netzwerktypische Anknüpfungshandlung wählt.

Abschließend soll noch darauf hingewiesen werden, dass wegen der geltenden Ge­ setzeslage selbst die hier vorgeschlagene einschränkende Auslegung ebenfalls keine gänzlich bedenkenfreie Lösung garantiert, zumal sie nach dem bereits Gesagten nicht zuletzt Gefahr läuft, dass von der konkreten Ausgestaltung des Abbildungs­ inhalts Rückschlüsse auf die Handlung gezogen werden. Dies zeigt trotz Einschrän­ kung um ein weiteres die Unzulänglichkeiten der geltenden Rechtslage660, insbeson­ dere der ausschließlichen Anknüpfung an den ausufernden Bildnisbegriff als Tat­ objekt.661 Ferner bietet die hier vorgeschlagene Lösung Grund zur Annahme, dass in das bildrechtliche Zueigenmachen – und damit letztendlich in die Tathandlung – un­ 656 Erstmals Herzberg, JuS 1974, S.  375; ders., S.  27 ff., welcher – wohlgemerkt im Rahmen einer Anstiftung – von einem „graduellen Tatbestandsirrtums“ des Vordermanns spricht; die Fallgruppe anerkennend Frister, AT, 27.  Kap., Rn.  13; Schönke/Schröder/Heine/Weißer, §  25 StGB, Rn.  23; SK/ Hoyer, §  25, Rn.  76; Jäger, Rn.  246; Kühl, §  20, Rn.  75; Roxin, AT II, §  25, Rn.  96; ders.; Täterschaft und Tatherrschaft, Rn.  352; ders., in: FS Lange 1976, S.  184 f.; LK/Schünemann/Greco, §  25 StGB, Rn.  118. 657  Vgl. zu dieser Ausrichtung – allerdings im urheberrechtlichen Kontext unter Erwägung eines „neuen Publikums“ – Wandtke/Ohst/Witzmann, Bd.  5, Kap.  6, §  3, Rn.  72; Zdanowiecki, ITRB 2013, S.  238. 658  So meist unter Berufung auf das Verantwortungsprinzip etwa B. Heinrich, AT, Rn.  1254, Fn.  43; Hühnerfeld, ZStW 99 (1987), S.  242 f.; Jescheck/Weigend, S.  667; Krey/Esser, Rn.  938; MüKo StGB/Joecks/Scheinfeld, §  25 StGB, Rn.  112 ff.; Otto, §  21, Rn.  88 f.; Rengier, AT, Rn.  49. 659  Zu den Voraussetzungen einer (sukzessiven) Beihilfe sogleich im Anschluss Kap.  3, B., II., 2., a), hh), (3). 660  Zu den Vorschlägen de lege ferenda Kap.  4, B., I., und III. 661  Vgl. nur Ohly, AfP 2011, S.  431, welcher es befürwortet, dass de lege lata immerhin die Mög­

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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terschiedliche Maßstäbe hineingelesen werden können, wie dies etwa bei der (abzu­ lehnenden) privilegierenden Auslegung des Verbreitens durch Pressemitarbeiter be­ reits stattfand.662 (3) Strafbare (sukzessive) Beihilfe i. S. d. §  27 I StGB durch Verweis auf eine öffentliche Zurschaustellung Liegt kein bildnisrechtliches Zueigenmachen vor und stellt sich die Handlung als Verweis auf eine öffentliche Bildnisrechtsverletzung dar, kann nach der hiesigen ein­ schränkenden Konzeption lediglich eine Strafbarkeit des Verweisenden als Teilneh­ mer in Betracht kommen. Durch den Verweis auf eine Bildrechtsverletzung im Inter­ net könnte sich der Verweisende also möglicherweise wegen (sukzessiver) Beihilfe zu einer öffentlichen Zurschaustellung eines Bildnisses gegen den Willen des Abge­ bildeten gem. §§  33 I Var.  2 KUG, 27 I StGB strafbar gemacht haben. Damit ist vorab zu klären, ob es sich bei §  33 I Var.  2 KUG um ein Dauerdelikt handelt, bei welchem eine sukzessive Tatbeteiligung im Beendigungsstadium mög­ lich ist. Erkennt man in §  33 I Var.  2 KUG hingegen ein Zustandsdelikt, so wäre mit dem Eintritt der Vollendung einer öffentlichen Zurschaustellung – ähnlich einer Be­ leidigung – regelmäßig auch dessen Beendigung eingetreten663, sodass die Annah­ me einer Teilnehmerstrafbarkeit allenfalls unter einer näheren Auseinandersetzung zur speziellen Wirkungsweise einer Bildrechtsverletzung im Internet664 in Frage käme. In Anknüpfung an die bereits erfolgten Ausführungen zum Wesen des §  33 I KUG als Verbreitungsdelikt, ist die rechtswidrige Zurschaustellung in der Tat als Dauerdelikt einzuordnen. Hierfür spricht bereits das maßgebliche Gepräge der Vor­ schrift als Tätigkeitsdelikt.665 Anders als bei den Ehrdelikten bedarf es für eine Bild­ nisrechtsverletzung gerade keiner Form der konkreten Wahrnehmung, sondern es genügt die Schaffung der Kenntnisnahmemöglichkeit.666 Auch hier vermag der Ver­ lichkeit besteht, bei unangenehmen und peinlichen Fotos den Kreis der Öffentlichkeit weiter zu ziehen als bei sozialüblichen Abbildungen. 662  Auch hierfür erscheint die Lösung über §  23 I KUG vorzugswürdig. Hierzu bereits Kap.  3, B., I., 3., b), aa). 663  Zur grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Dauer- und Zustandsdelikten B. Heinrich, AT, Rn.  166 f.; Roxin/Greco, AT I, §  10, Rn.  105 f. 664  Vgl. etwa zur Bildung eines teilnahmefähigen Stadiums durch die Annahme einer „durati­ ven Tatbegehung“ von Zustandsdelikten im Internet Reinbacher, JZ 2020, S.  560 ff.; andere Stim­ men kommen hingegen zur Teilnahmestrafbarkeit, indem sie bei Zustandsdelikten aufgrund der fortdauernden Wahrnehmbar- und Interaktionsfähigkeit im Internet eine gewisse Umdeutung zu Dauerdelikten vornehmen; vgl. Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, S.  4; Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, S.  522; Geiring, S.  146; Krischker, JA 2013, S.  492; LK/Schünemann/Greco, §  27 StGB, Rn.  47; Schwarzenegger, in: FS Rehbinder 2002, S.  737; wohl auch Doerbeck, S.  298; hierzu insge­ samt Nussbaum, KriPoZ 2021, S.  218 f. 665 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  167 und Roxin/Greco, AT I, §  10, Rn.  105, wonach schlichte Tätig­ keitsdelikte meist als Dauerdelikte einzustufen sind; a. A. offenbar Hambel, S.  172, welcher ein Exklusivitätsverhältnis von Dauer- und Gefährdungsdelikten anzunehmen scheint. 666  Vgl. zum Nebeneinander von Ehr- und Bildnisschutz bereits Kap.  1, C., I., 4.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

weis auf die Erfolgskomponente der Einsehbarkeit für die Öffentlichkeit kein anderes Ergebnis zu begründen, da mit der Schaffung des Zustands einer (fortlaufenden) un­ mittelbaren Wahrnehmbarkeit in der Öffentlichkeit dieses Erfolgsmoment (einer Eig­ nung der öffentlichen Einsehbarkeit) zwangsläufig – und unabhängig von der tatsäch­ lichen Kenntnisnahme – fortdauert und insoweit „immer von neuem verwirklicht“667 wird.668 Der Vorwurf einer Heraufbeschwörung eines rechtswidrigen Zustands wiegt beim öffentlichen Zurschaustellen zwar durchaus schwer, gleichwohl gilt dies nicht minder für die Aufrechterhaltung dieses Zustands, zumal gerade die potentiel­ le Wahrnehmbarkeit die Persönlichkeitsentfaltung des Abgebildeten kontinuierlich (weiter) hemmen wird, zumindest wenn er von der Zurschaustellung einmal Kennt­ nis erlangt hat.669 Eine Zurschaustellung ist somit vollendet, wenn der Abgebildete auf das öffentliche Podest gestellt wurde und erst beendet, wenn der bildhafte Auf­ tritt vorüber ist, indem ein öffentlicher Bildnisbeitrag im Internet gelöscht oder ein Bildnis von der Wand gehängt wird. Hierfür spricht ferner die bereits erörterte We­ sensverwandtheit des Zurschaustellens mit dem Zugänglichmachen670 unter Berück­ sichtigung der Parallelen im Urheberrecht671, welches nach der überwiegenden Mei­ nung maßgeblich Modell für das Bildnisrecht stehen soll672. Selbst das (begrüßens­ werte) Einsetzen gewisser Zweifel der Übertragbarkeit urheberrechtlicher Maßstäbe auf das Bildnisrecht durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ver­ mag aber jedenfalls an der Zuschreibung eines Dauercharakters des öffentlichen Zur­ schaustellens nichts zu ändern. Die Annahme einer Beihilfestrafbarkeit durch den Verweis oder die Anknüpfung an eine bereits bestehende Bildnisveröffentlichung (im Internet) ist nach der hier vertretenen Auffassung also ohne weiteres möglich.673 Der grundsätzlichen Teilnahmefähigkeit einer öffentlichen Zurschaustellung schließt sich eine weitere Frage an: Es muss geklärt werden, welche Qualität eine verweisende (Gehilfen-)Handlung aufweisen muss, um als strafbares Unrecht im Sinne der Beihilfe zum rechtswidrigen öffentlichen Zurschaustellen eines Bildnisses im Sinne der §§  33 I Var.  2 KUG, 27 I StGB sanktioniert werden zu können. Soll

667 Vgl.

Roxin/Greco, AT I, §  10, Rn.  105. Dabei steht selbst ein tatbestandsmäßiger Erfolg der Annahme eines Dauerdelikts nicht ent­ gegen. Bereits BGHSt 22, 67 (71) – „Gefährdungsvorsatz in §  315b StGB“, bezeichnete etwa die Straßenverkehrsgefährdung nach §  315c I Nr.  1a StGB als „Dauerstraftat“, da der tatbestandsmäßi­ ge Gefährdungserfolg durch das Fahren in fahruntüchtigem Zustand stets wiederholt werde. 669 Vgl. Zieschang, in: FS Rissing-van Saan 2011, S.  788, wonach beim Zustandsdelikt das Auf­ rechterhalten des rechtswidrigen Zustands keinen selbstständigen Unrechtsgehalt aufweise; ferner LK/Rissing-van Saan, Vor §  52 StGB, Rn.  65. 670  Vgl. hierzu bereits Kap.  3, B., II., 2., a), cc). 671  Vgl. nur BGH, ZUM-RD 2011, S.  297 – „Kunstausstellung im Online-Archiv“, wonach ein öffentliches Zugänglichmachen i. S. d. §  19a UrhG eine „Dauerhandlung“ darstelle; so auch Adam, MMR 2015, S.  787. 672  Hierzu bereits Kap.  3, B., II., sowie im Einzelnen Kap.  3, B., II., 2., a), aa). 673  I.E. ebenfalls (ohne Begründung) ein Dauerdelikt annehmend OLG Karlsruhe, ZUM-RD 2011, S.  348. 668 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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etwa bereits mit der Förderungstheorie der Rechtsprechung674 das Konkretisieren der abstrakten Gefahr des Gesehenwerdens als „irgendwie geartete ‚Förderung‘“675 ge­ nügen, indem andere zu einer rechtswidrigen Bildnisveröffentlichung geführt wer­ den und diese das Bildnis im Zuge dessen sehen, müsste schon jeder Hinweis oder Fingerzeig auf ein rechtswidrig veröffentlichtes Bildnis in der analogen Welt als Bei­ hilfe strafbar sein. Ein anderes Ergebnis ließe sich dann allenfalls mit dem Rückgriff auf sozialtypische Einschränkungen bei an sich „neutralen“676 oder „alltäglichen Handlungen“677 erzielen, was allerdings wegen der fortwährenden Diskussion678 und den einhergehenden Unwägbarkeiten um die Bestimmung solcher Handlungen mit erheblichen Unsicherheiten verbunden wäre und damit letztlich einen Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz zur Folge hätte.679 Zum selben Ergebnis kommen zwangsläufig sowohl die Risikoerhöhungstheorie680 als auch erst recht die abstrakte 674  RGSt 6, 169 (170); RGSt 8, 267 (268 f.); RGSt 58, 113 (114 f.); RGSt 67, 191 (193); BGHSt 2, 129 (130 f.) – „Beihilfe zum Meineid“; BGHSt 14, 280 (281) – „Beihilfe zu Unterlassungsdelikten“; BGHSt 20, 89 (90) – „Begriff des Unterstützens in §  90a n. F. StGB“; BGHSt 42, 135 (136) – „Gehil­ fenvorsatz und Bestimmtheit der Tat“; BGHSt 46, 107 (109) – „Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Bankmitarbeiter“; BGHSt 54, 140 (142) – „Beihilfe zum illegalem Aufenthalt“; BGHSt 61, 252 (257) – „Beihilfe zum Mord (Ausschwitz)“; BGH, NStZ 1985, S.  318 – „Beihilfe zum Besitz von Betäubungsmitteln“; BGH, NStZ 1995, S.  28 – „Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel“ (allerdings mit missverständlicher Formulierung); BGH, NJW 2001, S.  2410 – „Keine Beihilfe durch Mitwir­ kung beim Erstellen von Befehlen zur Grenzsicherung der DDR“; BGH, NStZ 2007, S.  232 – „Bei­ hilfe zum Mord durch Unterstützung der Vorbereitung eines Terroranschlags“; BGH, NJW 2007, S.  388 f. – „Fall El Motassadeq“; BGH, NJW 2008, S.  1461 – „Untauglicher Versuch der Beihilfe“; BGH, NStZ 2008, S.  284 – „Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln“; BGH, NStZ 2012, S.  264 – „Anforderungen an den Gehilfenvorsatz“; BGH, NStZ 2012, S.  316 – „Psychische Beihilfe“; BGH, NStZ-RR 2015, S.  344 – „Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln“; BGH, NStZ-RR 2016, S.  137 – „Psychische Beihilfe zum Tötungsdelikt durch Anwesenheit am Tatort“; BGH, NStZ 2017, S.  338 – „Beihilfe durch berufstypische Handlungen“; BGH, NStZ 2018, S.  328 – „Beihilfe durch berufstypische Handlungen“; BGH, NStZ 2019, S.  461 – „Beihilfe durch Fördern der Haupt­ tat“; in der Literatur: Hohmann, JuS 1995, S.  138; Krey/Esser, Rn.  1079; Matt/Renzikowski/Haas, §  27, Rn.  6; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  901; Seher, JuS 2009, S.  795; von Weber, JZ 1951, S.  86. 675  Vgl. hierzu B. Heinrich, AT, Rn.  1327. 676 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  1331; Ruppert, S.  80 ff. 677  Kindhäuser/Zimmermann, §  42, Rn.  15 f.; Rengier, AT, §  45, Rn.  101; vgl. auch Bechtel, JURA 2016, S.  865, 870 f. 678 Einen breitgefächerten Überblick bietet Kudlich, S.  74 ff.; ferner B/W/M/E/Eisele, §  26, Rn.  111 ff.; Fischer, §  27 StGB, Rn.  16 ff.; MüKo StGB/Joecks/Scheinfeld, §  27 StGB, Rn.  59 ff.; Lackner/Kühl/Kühl, §  27 StGB, Rn.  2a ff. 679  Vgl. etwa nur Ge. Freund/Rostalski, §  10, Rn.  141 ff., 146, welche der Förderungstheorie fol­ gen, einschränkend aber in Anknüpfung an Roxin, in: FS Stree/Wessels 1993, S.  378 ff.; ders., in: FS Miyazawa 1995, S.  513, und Frisch, in: FS Lüderssen 2002, S.  544 ff., einen „eindeutigen delikti­ schen Sinnbezug“ fordern; Kindhäuser, in: FS Otto 2007, erkennt im „deliktischen Sinnbezug“ wiederum nicht mehr als eine „(inhaltsarme) Paraphrase“. 680  Ausreichend soll nach der Risikoerhöhungstheorie für die Annahme einer Beihilfe bereits die Risikoerhöhung für das angegriffene Rechtsgut sein. Hierzu D/D/K/R/Ingelfinger, §  27 StGB, Rn.  3 f.; Geppert, JURA 2007, S.  590; Hambel, S.  168; LK/Schünemann/Greco, §  27, Rn.  5 f.; Murmann, JuS 1999, S.  550 ff.; ders., ZJS 2008, S.  463; SSW/Murmann, §  27 StGB, Rn.  3; Otto, §  22, Rn.  53; I. Puppe, §  26, Rn.  17; Schaffstein, in: FS Honig 1970, S.  169 ff.; Stratenwerth/Kuhlen, §  12, Rn.  158; Stratenwerth, ZStW 87 (1975), S.  943 f.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Gefährdungstheorie681, da beide keine Ursächlichkeit des Gehilfenbeitrags für den (Gefährdungs-)Erfolg der Haupttat voraussetzen.682 Insgesamt erscheint es aller­ dings schon allein mit Blick auf die ausufernde Weite des Tatbestands von §  33 KUG sowie des grundsätzlich sozialadäquaten Zeigens von Bildnissen gegenüber einzel­ nen Personen nach der hier vertretenen Ansicht geboten, eine Beihilfehandlung – selbst bei rechtswidrigen Bildnisveröffentlichungen im Internet – tendenziell stren­ gen Maßstäben zu unterwerfen.683 In diese Richtung wies bereits die (nicht unions­ rechtlich beeinflusste) höchstrichterliche Rechtsprechung zum Setzen von Hyperlinks auf (urheber)rechtswidrige Inhalte, wonach bei fehlendem Zueigenmachen allenfalls eine Störerhaftung – und somit weder eine strafbare Täterschaft noch eine strafbare Teilnahme – in Betracht kam.684 Überzeugend erscheint es deshalb für eine Beihil­ festrafbarkeit bei Verweisen auf rechtswidrige Bildnisveröffentlichungen zu fordern, dass die Verweisung für die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands ursäch­ lich sein muss. Um hierbei strafwürdige Unterstützungshandlungen in Form von Verweisen auf rechtswidrige Bildnisveröffentlichungen nicht regelmäßig auszu­ klammern, ist die Möglichkeit einer psychischen Beihilfe685 anzuerkennen, deren Anforderungen nicht überspannt werden sollten.686 Erfährt der Veröffentlichende allerdings nie von dem Verweis und wird hierdurch auch nicht mittelbar im Willen bestärkt, das Bildnis weiterhin der Öffentlichkeit zu präsentieren, scheidet hiernach eine strafbare Beihilfe aus. Damit wird es regelmäßig auf die Betrachtung im Einzel­ fall ankommen. Insbesondere ist hierbei die Art und Weise der technischen Ausge­ staltung und Funktionsweise eines Verweises für eine Beihilfestrafbarkeit zu be­ rücksichtigen. Dies wird bei solchen Anknüpfungshandlungen in sozialen Netzwer­ ken eine Rolle spielen, welche dem Veröffentlichenden angezeigt werden und diesen somit im Willen zur Aufrechterhaltung bestärken können.687

681  Herzberg, GA 1971, S.  4 ff.; vgl. auch Coenders, ZStW 46 (1925), S.  4; Vogler, in: FS Heinitz 1972, S.  309; Zieschang, in: FS Küper 2007, S.  744 ff.; ferner D. Barton, Rn.  326, welcher offenbar genügen lässt, dass eine Verlinkung lediglich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Interessent dem aufgezeigten Weg folgt; ähnlich Flechsig/Gabel, CR 1998, S.  356. 682 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  1328 f. 683  Hierfür könnte ferner das Zitationsrecht in §  51 S.  2 Nr.  2 UrhG sprechen. Wenzel/von Strobl-­ Albeg, Kap.  7, Rn.  141, ist aber zuzustimmen, wenn dieser anmahnt, dass die Zitierfreiheit (wie auch das Recht nach §  50 UrhG mittels Bilder über Tagesereignisse zu berichten) nur gegenüber dem Urheber und ausdrücklich nicht gegenüber dem Abgebildeten besteht. Es gilt also, insoweit vor­ schnelle Rückschlüsse zu vermeiden; vgl. hierzu bereits BGH, NJW 1985, S.  1619 – ­„Schadensersatz für Nacktfoto im Fernsehen“. 684  Vgl. bereits Kap.  3, B., II., 2., a)., aa); Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  748, überträgt diese Wertung offenbar trotz persönlichkeitsrechtlichen Einschlags direkt auf das Bildnisrecht. 685  Umschrieben wird die psychische Beihilfe meist als die Bestärkung von Tatplan, Tat­entschluss oder Tatausführungswillen; sie zielt damit auf die subjektive Beziehung zwischen Haupttäter und Unterstützer ab; vgl. hierzu Otto, in: FS Lenckner 1998, S.  198 f.: „größeres Gefühl der Sicherheit geben“; Charalambakis, in: FS Roxin 2001, S.  633 ff. 686 So B. Heinrich, AT, Rn.  1326; vgl. ferner Fischer, §  27 StGB, Rn.  19c. 687  Hierzu sogleich Kap.  3, B., II., 2., b).

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Geht man anschließend davon aus, dass der Verweisende mindestens dolus eventualis hinsichtlich einer vorsätzlichen rechtswidrigen Vortat in Form einer rechts­ widrigen Bildnisveröffentlichung688 aufweisen muss, so genügt hiernach, dass er es für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass die Veröffentlichung ohne – und nicht zwangsläufig gegen – den Willen des Abgebildeten erfolgte. Diesbezüglich sei angemerkt, dass man vielen Bildnissen schon nicht ansehen können wird, ob sie mit oder ohne den Willen des Abgebildeten veröffentlicht wurden. Insoweit bestünde jedenfalls ein weiterer Anknüpfungspunkt für eine Straflosigkeit bei solchen Bild­ nisveröffentlichungen, denen die Rechtswidrigkeit nicht direkt angesehen werden kann und bei denen auch die Art und Weise des Verweises auf nichts Gegenteiliges schließen lässt.689 Ist der Verweis hingegen etwa mit einer Kommentierung verse­ hen, welche die Kenntnis und Billigung der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung impliziert, liegt Vorsatz hinsichtlich der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat vor. Schließlich bedarf es mindestens dolus eventualis hinsichtlich der eigenen Verwei­ sungshandlung und insbesondere ihrer Kausalität für die (weitere) öffentliche Zur­ schaustellung. Insgesamt wird somit eine tendenziell liberale Linie hinsichtlich der Strafbarkeit von Verweisen auf rechtswidrige Bildnisinhalte vertreten, welche sich dabei aber grundsätzlich nicht der Annahme einer Beihilfestrafbarkeit versperrt. Vielmehr bie­ tet diese Lösung am ehesten die Möglichkeit zur Annahme einer Beihilfestrafbarkeit anhand des verwirklichten Tatunrechts unter Berücksichtigung der konkreten Um­ stände des Einzelfalls und belässt dabei Raum für sozialadäquaten Verweisungen690, welche den Gefährdungserfolg zwar zu konkretisieren vermögen, dabei für dessen Fortdauer aber nicht kausal sind. Schließlich bliebe Raum für eine Einzelfallbewertung solcher Verweisungen, die sich kritisch gegenüber dem verwiesenen Inhalt äußern und sich von diesem aus­ drücklich distanzieren. Einen Förderungswillen wird man solchen Verweisungen erst dann unterstellen können, wenn diese zum Schein erfolgten.691 Dabei wird sich der Verweisende selbst bei einer distanzierenden Verweisung die kritische Frage vor­ halten lassen müssen, warum er nicht andere Wege genutzt hat, um gegen die rechts­ widrige Veröffentlichung vorzugehen. 688  BGHSt 2, 279 (281 f.) – „Anstiftung und Beihilfe zum Landfriedensbruch“; BGHSt 42, 135 (137) – „Gehilfenvorsatz und Bestimmtheit der Tat“; BGH, NStZ 2012, S.  264 – „Anforderungen an Gehilfenvorsatz“; vgl. ferner B. Heinrich, AT, Rn.  1335 m. w. N. 689  Vgl. ferner zur Kontrollerwägung über die kritische Prüfung des Vorliegens von dolus eventualis bei neutralen Handlungen B. Heinrich, AT, Rn.  1331; vgl. hingegen Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, S.  522, welche diese Konstellationen nicht über den Vorsatz, sondern über die Aus­ klammerung neutralen Verhaltens bei fehlendem „deliktischem Sinnbezug“ lösen. Dieser liege selbst bei neutralen Handlungen vor, wenn feststehe, dass (auch) eine Straftat gefördert werde und keine rein legale Interpretation der Förderung möglich ist. 690  Vgl. hierzu auch Spindler, MMR 2002, S.  501, welcher in dem hier vertretenen Sinne darauf hinweist, dass Hyperlinks hinsichtlich der Sozialadäquanz nicht „über einen Kamm geschoren wer­ den“ können. 691  D. Barton, Rn.  326; vgl. auch Flechsig/Gabel, CR 1998, S.  356.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

b) Übertragung der Ergebnisse auf Handlungen in sozialen Netzwerken im Internet Nähert man sich nun im Anschluss den Handlungsmöglichkeiten, welche typischer­ weise in sozialen Netzwerken im Internet bestehen, ergibt sich zunächst nach dem Gesagten, dass de lege lata schlicht jede Handlung – erscheint sie noch so unterge­ ordnet – als öffentliches Zurschaustellen im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG einzuordnen ist, wenn hieraus eine unmittelbare Sichtbarkeit für einen unbestimmten Personen­ kreis resultiert. Dies trifft für öffentlich einsehbare Postings von Bildnissen zu. Dies gilt aber aus­ drücklich auch für Interaktionen mit bereits bestehenden Veröffentlichungen wie beispielsweise Likes, Kommentierungen oder Shares, sofern diese aufgrund des netzwerkspezifischen Algorithmus zu Sichtbarkeit für eine unbestimmte Personen­ gruppe führen. Kommentiert A etwa ein von B hochgeladenes Bildnis des C und resultiert hieraus algorith­ musbedingt die Sichtbarkeit des Posts für eine unbestimmte Personengruppe, etwa unter dem Hinweis „A hat diesen Beitrag kommentiert“, so handelt es sich beim Vorgang der Kommen­ tierung um eine eigenständige öffentliche Zurschaustellung im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG.

Hier könnte allenfalls für das Kommentieren oder Liken eines Beitrags ein öffentli­ ches Zurschaustellen deshalb verneint werden, weil die erforderliche öffentliche Ziel­ richtung der Handlung fehlt, wonach sich die Handlung gerade an die Öffentlichkeit richten muss.692 Man könnte hier etwa in die Richtung argumentieren, dass bei Kom­ mentierungen und Likes dem Handelnden schon nicht bewusst oder bekannt ist, ob und inwieweit das Bild im Zuge seiner Handlung für andere sichtbar wird und sich deshalb das Sichtbarmachen gerade nicht an die Öffentlichkeit, sondern ausschließ­ lich an den Erstveröffentlichenden richtet. Diese Annahme verkennt aber die Wirk­ weise sozialer Netzwerke, wonach gerade mit verschiedenen Akteuren interagiert, im Zuge der eigenen Persönlichkeitsentfaltung an Beiträge anderer angeknüpft und diese zwangsläufig für andere sichtbar gemacht werden sollen. Um gleichwohl eine ausufernde Strafbarkeit zu vermeiden, wird man die hier er­ örterte einschränkende Konzeption des bildnisrechtlichen Zueigenmachens693 auch auf Verweise in sozialen Netzwerken übertragen müssen. Hiernach stellt öffentlich zur Schau, wer ein Bildnis sichtbar macht und hierbei nach wertender Betrachtung nicht lediglich auf eine bereits stattgefundene Veröffentlichung verweist. Nicht ledig­ lich eine Verweisung wird bei Anknüpfungen an bereits bestehende Veröffentlichun­ gen vorliegen, wenn der Handelnde weitere Einflussmöglichkeiten auf seine An­ knüpfung, wie etwa die Beiordnung von Text oder den Wechsel einer Tonspur – so z. B. bei Shares oder Kommentaren – besitzt und entsprechend nutzt. Hierfür kann im Wesentlichen auf die obigen Grundsätze und Kontrollerwägungen verwiesen werden. Das bloße (Dis-)Liken wird hierfür somit regelmäßig ausscheiden und ist 692  693 

Hierzu bereits Kap.  3, B., II., 1., b). Kap.  3, B., II., 2., a)., hh).

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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deshalb als bloße Verweisung im obigen Sinne zu behandeln. Hierfür spricht bereits, dass ein Like in einem sozialen Netzwerk nie allein bzw. isoliert als Interaktion ste­ hen kann, sondern stets den Anknüpfungspunkt einer bereits bestehenden Veröffent­ lichung voraussetzt. Dies steht auch mit der obigen Wertung in Einklang, wonach selbst solche Kommentierungen wie „Leute schaut mal“ oder „Das gefällt mir“ dem Wesen nach primär auf bestehende Inhalte verweisen und insoweit ein bildnisrecht­ liches Zueigenmachen nicht begründen können. Stellt sich die Handlung in sozialen Netzwerken lediglich als Verweis auf eine bereits bestehende Veröffentlichung dar, so kommt allenfalls eine Beihilfe zur öffent­ lichen Zurschaustellung gem. §§  33 I Var.  2 KUG, 27 I StGB in Betracht. Auch hier­ an sind tendenziell strenge Anforderungen zu stellen. Es ist eine mindestens psychi­ sche Förderung hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Zurschaustellung zu fordern, die für diese auch kausal geworden ist. Dies wird sich bei der Nutzung sozialer Netz­ werke an äußeren Umständen, gegebenenfalls etwa anhand der spezifischen Wir­ kungsweise der Interaktionsmöglichkeiten begründen lassen. Liked, shared oder kommentiert A beispielsweise (positiv konnotiert) eine rechtswidrige Bild­ nisveröffentlichung des B, so wird B je nach Ausgestaltung des Algorithmus des Netzwerks angezeigt werden, dass A seine Veröffentlichung geliked, geshared oder (positiv) kommentiert hat. In diesem Mechanismus könnte dann ein Anknüpfungspunkt für eine psychische Beihilfe (im Sinne eines Zuspruchs an den Postenden, das Bildnis auch weiterhin im Netz zu lassen) gesehen werden. Ferner bestünde ein Anknüpfungspunkt für eine psychische Beihilfe in der Förderung von Klickzahlen zumindest dort, wo diese in Form von Aufrufen unter der Darstellung (öffentlich) einsehbar angezeigt werden, deshalb für den Täter motivierend erscheinen und ihn dazu be­ wegen, die Veröffentlichung weiterhin aufrecht zu erhalten. Dies wird zwar auch nach der obigen Konzeption deutlich schwerer zu konstruieren sein, zumal es hier maßgeblich auf Nachweisbarkeiten im Einzelfall ankommen wird. Gleichwohl erscheint aber gerade dies auf­ grund der hier befürworteten restriktiven Grundlinie durchaus begrüßenswert. Schließlich bestünde die Möglichkeit, abwertende Interaktionen wie kritische, sich distan­ zierende Kommentare oder traurige bzw. wütende Emoji-Reaktionen oder Dislikes als Indiz fehlenden Förderungsvorsatzes heranzuziehen.

c) Öffentliches Zurschaustellen durch Unterlassen Abschließend soll darauf eingegangen werden, inwieweit ein öffentliches Zurschau­ stellen eines Bildnisses durch Unterlassen in Frage kommt. Generelle Zweifel an ei­ ner Unterlassensstrafbarkeit können sich möglicherweise bereits mit Blick auf die hier vertretene Einordnung von §  33 I Var.  2 KUG als abstrakt-konkretes Gefähr­ dungsdelikt ergeben. Denn §  13 StGB fordert, dass der Täter es unterlässt, „einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand des Gesetzes gehört […]“.694 Ganz überwie­ 694  Vgl. insbesondere die Ausführungen des Gesetzgebers in BT-Drs IV/650, S.  126: „Tatbestän­ de, die nur durch schlichtes Tätigwerden verwirklicht werden können, sind […] durch Unterlassen grundsätzlich nicht begehbar“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gend wird aber mittlerweile die Begehung eines – selbst „schlichten“695 – Tätigkeits­ delikts durch Unterlassen anerkannt, indem der Erfolgsbegriff in §  13 StGB weit (als simpler Gefährdungserfolg) ausgelegt wird.696 Selbst wenn man aber mit den kriti­ schen Stimmen eine restriktive Auslegung des Erfolgsbegriffs in §  13 StGB dahin­ gehend fordert, dass ein Tathandlungs- bzw. Gefährdungserfolg jedenfalls in der konkreten Tatbestandsformulierung seinen Niederschlag gefunden haben müsse697, so erfüllt §  33 I Var.  2 KUG auch diese Voraussetzung.698 Mithin ist ein öffentliches Zurschaustellen grundsätzlich gem. §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB möglich.699 aa) Unterlassungstat durch Nichtlöschen einer mittlerweile rechtswidrigen Bildnisveröffentlichung Zunächst gilt es diejenigen Fallkonstellationen zu untersuchen, bei welchen eine Bildveröffentlichung im Zeitpunkt der Sichtbarmachung für die Öffentlichkeit nicht gem. §  33 I Var.  2 KUG strafbar war. Treten nun aber infolge der originären Veröf­ fentlichung – dem Akt des (digitalen) „Aufhängens eines Bildes“ – weitere Umstän­ de hinzu, welche auf die fortbestehende Bildveröffentlichung dergestalt einwirken, dass nunmehr hieraus eine Verletzung des Abgebildeten in seinem (einfachgesetzli­ chen) Recht am eigenen Bild resultiert, könnte die Pflicht für den Veröffentlichenden erwachsen, seine Veröffentlichung wieder rückgängig zu machen. Hierfür kommen unterschiedliche Bezugspunkte in Betracht. (1) Grundkonstellation: Nachträglicher Eintritt der tatbestandlichen Voraussetzungen des §  33 I Var.  2 KUG Zu denken ist dabei zunächst an die Nichtverwirklichung des objektiven Tatbestands von §  33 I Var.  2 KUG. Veröffentlicht beispielsweise A eine Abbildung von B auf einem sozialen Netzwerk im Inter­ net, auf der dieser nur identifizierbar, nicht allerdings erkennbar im Sinne des §  22 KUG ist700, liegt kein taugliches Tatobjekt vor und eine Strafbarkeit nach §  33 I Var.  2 KUG scheidet somit aus. Somit fragt sich, ob A nun die Veröffentlichung wieder rückgängig machen muss, wenn B auf der Abbildung nachträglich identifiziert wird und somit erst später ein Bildnis vorliegt. Zu 695 

Zum Begriff B. Heinrich, AT, Rn.  159. Vgl. BGHSt 38, 325 (338) – „Gewässerverunreinigung durch Bürgermeister“; BGHSt 46, 212 (222) – „‚Ausschwitzlüge‘ im Internet“; BGH, NStZ 1997, S.  546 – „Umweltgefährdende Abfallbe­ seitigung durch Unterlassen“; Schönke/Schröder/Bosch, §  13 StGB, Rn.  3; MüKo StGB/Ge. Freund, §  13 StGB, Rn.  227 ff.; Hambel, S.  150; Lackner/Kühl/Heger, §  13 StGB, Rn.  6; a. A. Jescheck, in: FS Tröndle 1989, S.  796; Oğlakcıoğlu, S.  335 ff., 357; anhand des Wortlauts differenzierend Geidies, NJW 1989, S.  821. 697  Frister, AT, 22.  Kap., Rn.  4; Gropp/Sinn, AT, §  11, Rn.  12 („Veränderung in der Außenwelt“); Kahlo, S.  35 f. spricht vom „Unrechtserfolg“; Matt/Renzikowski/Haas, §  13 StGB, Rn.  5; LK/­ Weigend, §  13 StGB, Rn.  14 f.; Welzel, S.  211. 698  Zur Erfolgskomponente des öffentlichen Zurschaustellens bereits Kap.  3, B., II., 2., a), gg). 699  I. E. auch Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 KUG ff., Rn.  10. 700  Zur Divergenz von Identifizierbarkeit und Erkennbarkeit bereits Kap.  3, A., III., 1. 696 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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denken ist etwa in an einen identifizierenden Kommentar oder eine Verlinkung der Abbildung (des menschlichen Erscheinungsbilds des B) auf das Profil des B (durch einen Dritten), was dazu führt, dass B als die abgebildete Person wahrgenommen wird. Macht A das (nunmehr vorliegende) Bildnis des B weiterhin ohne dessen Willen vorsätzlich öffentlich sichtbar, könnte dieser wegen öffentlichen Zurschaustellens durch Unterlassen gem. §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB strafbar sein. Öfter wird eine Strafbarkeit durch aktives Tun in der Regel scheitern, weil eine (bildnis­ rechtliche) Einwilligung des Abgebildeten in die Veröffentlichung vorliegt und insoweit das Tatbestandsmerkmal der fehlenden Einwilligung nicht vorliegt. Widerruft der Abgebildete allerdings diese Einwilligung wirksam, könnte fortan ebenfalls eine Pflicht des Veröffentlichen­ den bestehen, das Bildnis zu löschen. Kommt er dieser Pflicht vorsätzlich nicht nach, könnte also ebenfalls eine Strafbarkeit we­ gen öffentlichen Zurschaustellens durch Unterlassen gem. §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB in Betracht kommen.

Ebenso kommen für die Anknüpfung an eine Unterlassensstrafbarkeit aber grund­ sätzlich auch solche Konstellationen in Betracht, in welchen der Veröffentlichende beim (digitalen) Sichtbarmachen eines Bildnisses den subjektiven Tatbestand von §  33 I KUG nicht erfüllt und dieser erst nachträglich hinzutritt.701 Geht A etwa irrigerweise davon aus, dass eine (bildnisrechtliche) Einwilligung des B hinsicht­ lich einer (B zeigenden) Bildnisveröffentlichung vorliegt, so liegt ein beachtlicher Tatbestand­ sirrtum des A nach §  16 I StGB vor und dessen Strafbarkeit nach §  33 I Var.  2 KUG scheitert mangels Vorsatzes. Ähnlich liegt der Fall, wenn A nicht davon ausgeht, dass aus seiner Hand­ lung eine Sichtbarkeit des Bildnisses für die Öffentlichkeit resultiert, weil er etwa aus Verse­ hen einen Bildnisbeitrag öffentlich anstatt privat einsehbar postet. Wird A allerdings nun etwa auf seine Irrtümer, welche bei der Sichtbarmachung vorlagen, aufmerksam gemacht, kommt eine Strafbarkeit wegen Zurschaustellens durch Unterlassen dann möglicherweise in Betracht, wenn er vorsätzlich die Sichtbarkeit der Bildnisse weiterhin aufrechterhält.

Zentrale Frage ist somit, ob dem Veröffentlichenden in den oben geschilderten Fällen im Zeitpunkt des Vorliegens aller Tatbestandsvoraussetzungen des §  33 I Var.  2 KUG eine Garantenpflicht im Sinne des §  13 I StGB zukommt. Entgegen der mittlerweile überholten Einordnung nach formeller Rechtspflicht702, erfolgt die Bestimmung dieser Pflicht heute im Rahmen einer materiellen Betrach­ tungsweise, wonach es auf das Verhältnis des Unterlassenden zum gefährdeten Rechtsgut ankommen soll.703 Um diese Pflicht im Einzelfall ermitteln zu können, 701  Zum nachträglichen Hinzutreten des Vorsatzes B. Heinrich, AT, Rn.  869; vgl. auch Ransiek, JuS 2010, S.  491 f.; ferner Hambel, S.  133 ff. hinsichtlich des Setzens eines Hyperlinks in Unkenntnis um dessen Rechtswidrigkeit. 702  Die maßgebliche Unterscheidung erfolgte anhand Garantenpflichten aus Gesetz, aus Vertrag, aus einer engen Lebensbeziehung und aus vorangegangenem gefährdenden Tun; vgl. hierzu B.  Heinrich, AT Rn.  924; Sowada, JURA 2003, S.  237; wohl nach wie vor hierauf rekurrierend Krey/Esser, Rn.  1128; B/W/M/E/Mitsch, §  21, Rn.  58 ff.; I. Puppe, §  29, Rn.  47. 703  Begründet durch Kaufmann, S.  282 ff.; hierzu ferner BGHSt 48, 77 (91 f.) – „Politbüro“; Arzt, JA 1980, S.  648 ff.; Schönke/Schröder/Bosch, §  13 StGB, Rn.  9 ff.; Kretschmer, JURA 2006, S.  899; Kühl, AT, §  18, Rn.  44 ff.; Ransiek, JuS 2010, S.  587; Rengier, AT, §  50, Rn.  3 ff.; Rotsch, ZJS 2009,

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

findet dementsprechend eine zweiteilige Kategorisierung des Verhältnisses von Un­ terlassendem und Rechtsgut in (Obhuts- oder) Beschützerpflichten und Überwacher­ pflichten statt. Während (Obhuts- oder) Beschützergaranten besondere Schutzpflich­ ten für bestimmte Rechtsgüter auferlegt sind, müssen Überwachergaranten Siche­ rungspflichten in Bezug auf spezielle Gefahrenquellen nachkommen. Dabei kann sich eine Beschützergarantenstellung aus einem besonderen Nähe­ verhältnis704 zum geschützten Rechtsgut oder auch aus besonderen Rechtssätzen705 ableiten, wodurch dem Garanten die Pflicht zugeschrieben wird, ein Rechtsgut zu schützen und Gefahren von diesem abzuwenden. Auch kann eine solche Schutz­ pflicht freiwillig übernommen werden.706 Denkbar erscheint also zunächst eine (Beschützer-)Garantenstellung des Veröffentlichenden, wenn er das Recht am eigenen Bild aufgrund einer oben genannten Verbindung zum Abgebil­ deten zu schützen hat. So muss etwa der Ehemann, welcher ein Bildnis ohne Willen seiner Ehefrau unvorsätzlich – etwa hinsichtlich deren Einwilligung – veröffentlicht hatte, dieses löschen, wenn ihn die Abgebildete darauf hinweist. Darüber hinausgehende Beschützergarantenstellungen erscheinen nur schwer annehmbar. Denn auch eine faktische Übernahme hinsichtlich einer Schutzpflicht des Rechts am eigenen Bild des Abgebildeten bei der Veröffentlichung von dessen (identifizierbarer) Abbildung er­ scheint geradezu lebensfremd. Hiermit müsste nämlich die Annahme einhergehen, dass mit einer (identifizierbaren) Veröffentlichung eine allgemeine Vertrauenswertung dahingehend stattfindet, dass sich der Veröffentlichende mit seiner Handlung dazu bereit erklärt, den Abge­ bildeten – ähnlich einem Babysitter – vor etwaigen Bildnisrechtsverletzungen zu schützen. Hat der Veröffentlichende aber schon eine identifizierbare Abbildung ohne den Willen des Abgebildeten veröffentlicht, so wird sich dieses Vertrauen keinesfalls bilden. Vielmehr liegt hierin die widersprüchliche Interpretation der allgemeinen Erwartung, selbst verursachte Ge­ fahren zu beseitigen, in eine positiv konnotierte Wertung, durch eine gefährdende Handlung zu signalisieren, nunmehr Verantwortung (hinsichtlich keiner weiteren Schädigungen) zu übernehmen.707 Ferner geht mit einer Veröffentlichung auch nicht die allgemeine Wertung einher, Verantwortung gegenüber den Bildrezipienten (zu denen ja selbst der Abgebildete zäh­ len würde) hinsichtlich der Wahrnehmung rechtskonformer Bildnisse zu übernehmen.708 Denn hierfür besteht bereits gar kein Bedürfnis der Rezipienten, zumal das bloße Ansehen eines Bildnisses ohnehin erlaubt ist. Eine Beschützergarantenstellung wird also in den meisten Fällen ausscheiden. S.  715 f.; Sowada, JURA 2004, S.  237; Hambel, S.  151; B. Heinrich, AT, Rn.  925; LK/Weigend, §  13 StGB, Rn.  20 ff.; krit. Sanchez, in: FS Roxin 2001, S.  641 ff. 704  Zu nennen ist die klassische Garantenstellung aus natürlicher Verbundenheit wie etwa inner­ halb der Familie oder der Ehe; vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  930 ff.; Rengier, AT, §  50, Rn.  11 ff. 705  BGHSt 48, 301 (306 f.) – „Ende der Garantenpflicht unter Eheleuten“; BGH, NStZ 2010, S.  214 f. – „Geburt ohne Hilfe“; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  1181; exemplarisch sind die §§  1353, 1618a, 1626, 1626a, 1631, 1393, 1800 BGB, §  2 LPartG, §  60 I S.  1 Nr.  2 SGB I, §  4a II Nr.  1 RVG zu nennen. 706  Etwa durch Vertrag, einem vertragsähnlichen Verhältnis, der „faktischen Übernahme“ oder durch die Übernahme eines Amtes; hierzu ausführlich B. Heinrich, AT, Rn.  940 ff.; Kühl, AT, §  18, Rn.  68 ff. 707  A. A. offenbar Krey/Esser, Rn.  1146, welche die Ingerenz als Unterfall der Beschützergaran­ tenstellung besprechen. 708  Vgl. im Hinblick auf Hyperlinks im Internet Boese, S.  156; Detlefsen, S.  128 f.; Hambel, S.  153; S. Müller, S.  154.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Dies lässt bereits vermuten, dass sich die Annahme einer Überwachergarantenstel­ lung in den oben gezeichneten Fällen als zielführender erweisen könnte. Garanten­ pflichtig ist hiernach, wer eine Gefahrenquelle in Gang setzt oder die Herrschaft über einen Gefahrenbereich ausübt, denn er soll dafür Sorge tragen, dass hierdurch Rechtsgüter Dritter nicht geschädigt werden.709 Als Unterfall der Überwachergaran­ tenstellung710 steht dabei neben der Zuordnung von Verantwortungsbereichen über bestimmte Personen711 oder Gegenstände712 als potentielle Gefahrenquellen insbe­ sondere das eigene Hervorrufen einer Gefahr für ein Rechtsgut durch gefährdendes Vorverhalten – die sog. Ingerenz – in „hoffnungslos umstrittenem“713 Diskurs. Ganz überwiegend anerkannt714 ist dabei jedenfalls der Grundgedanke, wonach jeder, der durch objektiv gefährliches (Vor-)Verhalten die Gefahr eines (weiteren) Schadens für die Rechtsgüter anderer geschaffen hat, zur Abwendung des hierdurch drohenden Schadens verpflichtet sein soll.715 Umstritten ist allerdings neben der dogmatischen Ausgestaltung insbesondere die Reichweite dieser (Ingerenz-)Garan­ tenpflicht. Klarheit besteht nur insoweit, dass ein Vorverhalten nicht zwingend straf­ bar sein muss, um eine Garantenpflicht auszulösen.716 Ob allerdings bereits jedes lediglich gefahrschaffende (Vor-)Verhalten für die Annahme einer Ingerenzgaran­ tenstellung genügt717, oder ob dieses Verhalten zumindest auch objektiv pflichtwid­ rig718 sein muss, ist Gegenstand einer andauernden Diskussion. Dabei ist genauge­ 709  BGHSt 53, 38 (41 f.) – „Verantwortlichkeit am Bau“; BGHSt 61, 21 (23) – „Bewusste Selbst­ gefährdung“; BGHSt 61, 318 (323) – „Körperverletzung durch Unterlassen mit Todesfolge“; BGH, NStZ 2012, S.  320 – „Totschlag durch Unterlassen“; B. Heinrich, AT, Rn.  963; Jahn, in: FS Wessing 2015, S.  545 ff. 710  Herzberg, JZ 1986, S.  989; Maiwald, JuS 1981, S.  482; Sowada, JURA 2003, S.  237. 711  B. Heinrich, AT, Rn.  969 ff.; Kühl, AT §  18, Rn.  46; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  1179 ff. 712  Roxin, AT II, §  32, Rn.  107 ff.; zum Inverkehrbringen gefährlicher Produkte B. Heinrich, AT, Rn.  986. 713 Vgl. Roxin, AT II, §  32, Rn.  143. 714  Abgelehnt wird die Fallgruppe der Ingerenz hingegen von Lampe, ZStW 72 (1960), S.  106; W.  Langer, in: FS Lange 1976, S.  243, Fn.  12; Roxin, ZStW 83 (1971), S.  403; Schünemann, S.  313 ff.; ders., GA 1974, S.  233; Seebode, in: FS Spendel 1992, S.  342 ff.; ders., NStZ 1993, S.  84. 715  B. Heinrich, AT, Rn.  953; Roxin, AT II, §  32, Rn.  143. 716  Krey/Esser, AT, Rn.  1150; vgl. auch B. Heinrich, AT, Rn.  954. 717  So die Verursachungslehre, hierzu Arzt, JA 1980; S.  714 ff.; Jü. Baumann/Weber (9.  Aufl.), S.  248 ff.; Ge. Freund/Rostalski, §  6, Rn.  69 ff.; Herzberg, JuS 1971, S.  76; ders., JZ 1986, S.  986 ff.; Jakobs, AT, 29. Abschn., Rn.  39; Kühl, AT, §  18, Rn.  96; Seelmann, GA 1989, S.  255; Welp, JZ 1971, S.  434; vgl. auch RGSt 14, 362 (362 f.); RGSt 24, 397 (398 f.); BGHSt 3, 203 (204 f.) – „Pflicht zum Handeln auf Grund vorausgegangenen Tuns“; BGHSt 4, 20 (22) – „Bewirtung eines Kraftfahrers mit Alkohol durch Gastwirt“; BGHSt 11, 353 (355) – „Zumutbarkeit der Hilfeleistung“; wohl auch BGHSt 19, 152 (154) – „Verantwortung des Gastwirts für betrunkenen Verkehrsteilnehmer“. 718  So die vorherrschende Pflichtwidrigkeitstheorie, hierzu BGHSt 23, 327 (328) – „Garanten­ stellung des Angegriffenen“; BGHSt 25, 218 (221) – „Garantenstellung des Kraftfahrers?“; BGHSt 34, 82 (84) – „Garantenstellung des Kraftfahrers“; BGHSt 37, 106 (115 ff.) – „Strafrechtliche Pro­ dukthaftung“; BGHSt 43, 381 (396 f.) – „Steuerhinterziehung im Beitreibungsverfahren“; BGH, NJW 1987, S.  850 f. – „Keine Garantenstellung durch Wohngemeinschaft“; BGH, NStZ 1998, S.  84  – „Garantenstellung aus vorangegangenem Verhalten“; BGH, NStZ 2000, S.  414 – „Garanten­ stellung des Angegriffenen“; BGH, NStZ 2018, S.  85 – „Gegenwärtigkeit des Angriffs bei ­Notwehr“;

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nommen aber schon nicht klar, wann überhaupt von einer objektiven Pflichtwidrig­ keit gesprochen werden kann. Diese Problematik zeigt sich gerade am Beispiel des strafrechtlichen Bildnisschutzes über die oben gebildeten Beispiele. Knüpft man etwa für eine objektive Pflichtwidrigkeit dem unmittelbaren Wortlaut folgend an das Vorliegen eines objektiven Verbotstatbestands in den oben gebildeten Beispielen an, so wäre A nicht (ingerenz-)garantenpflichtig, wenn er zuvor ein lediglich identifizierbares, aber kein erkennbares menschliches Erscheinungsbild veröffentlichte. Denn er hätte dann nicht den Verbotstatbestand des einfachrechtlichen Rechts am eigenen Bild verletzt, welcher nach §  22 KUG ein erkennbares menschliches Erscheinungsbild (Bildnis) fordert. Dies gilt ebenso, wenn A ein Bildnis des B mit dessen (bidnisrechtlicher) Einwilligung719 veröffentlicht und diese (bildnisrechtliche) im Folgenden wegfällt.720 Hingegen würde eine Garantenpflicht in denjenigen Beispielsfällen vorliegen, wo A unvor­ sätzlich den objektiven Tatbestand der §§  33 I Var.  2, 22 I KUG erfüllt hat.

Eine solche Vorgehensweise führt allerdings nicht nur zu Friktionen mit der zivil­ rechtlichen Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht721, vielmehr er­ scheint das Abstellen auf die objektiven Verbotstatbestände jedenfalls im Verhältnis zum verfassungsrechtlichen Recht am eigenen Bild – welches ebenfalls durch das Kernstrafrecht geschützt wird – oftmals willkürlich. Würde A etwa ein Bildnis gegen den Willen des Abgebildeten innerhalb einer geschlossenen Gruppe mit wenigen Personen posten, müsste dieser das Bildnis mangels Garantenstellung (wegen fehlendem öffentlichen Zurschaustellen beim Posten) auch dann nicht löschen, wenn die Mitgliederzahl der Gruppe im Anschluss um ein Vielfaches steigt und nunmehr ein unbe­ stimmt großer Personenkreis das Bildnis sehen kann. Dies müsste selbst im Zusammenhang mit den kernstrafrechtlichen Normen gelten, wenn bei der Veröffentlichung einer Abbildung der objektive Tatbestand nicht verwirklicht wurde, weil – etwa bei einer Abbildung des Intimbereichs – aufgrund fehlender Erkennbarkeit des Abgebildeten (noch) nicht dessen höchstpersönlicher Lebensbereich verletzt wurde. Stellt nun jemand im Nachhinein die Erkennbarkeit und somit die Verletzung des höchstpersönlichen aus der Literatur: Schönke/Schröder/Bosch, §  13 StGB, Rn.  35 f.; Fischer, §  13 StGB, Rn.  52; Gropp/ Sinn, AT, §  11, Rn.  79; Matt/Renzikowski/Haas, §  13 StGB, Rn.  75 f.; B. Heinrich, AT, Rn.  960; ders., JuS 1995, S.  1120; Jescheck/Weigend, S.  625; B/W/M/E/Mitsch, §  21, Rn.  72 ff.; Otto, §  9, Rn.  81; Rönnau, JuS 2018, S.  529; Rudolphi, JR 1987, S.  164; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  1198; Sowada, JURA 2003, S.  242; SK/Stein, §  13 StGB, Rn.  50 ff.; LK/Weigend, §  13 StGB, Rn.  44; Zieschang, Rn.  617. 719  Hierzu Kap.  3, C. 720  Zur Bindungswirkung einer bildnisrechtlichen Einwilligung Kap.  2, C., III., insbesondere Kap.  2, C., 2., für die Anfechtung einer bildnisrechtlichen Einwilligung und Kap.  3, C.), III., für den Widerruf einer bildnisrechtlichen Einwilligung; vgl. auch zur bedingten bildnisrechtlichen Einwil­ ligung Kap.  2, C., II. 721  Die zivilrechtliche Rechtsprechung geht jedenfalls bei der Herstellung eines materialisierten (sogar erkennbaren) menschlichen Erscheinungsbilds – insoweit inkonsequent – von einer Verlet­ zung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus und hat sich bisher auch nicht durchgerungen, hier (in Anlehnung an das Verfassungsrecht) ebenfalls vom Recht am eigenen Bild zu sprechen; vgl. etwa BGHZ 207, 163 (169 ff.) – „Löschungsanspruch bei intimen Bild- oder Filmaufnahmen“; vgl. hierzu ebenfalls im Rahmen der Verortung des Rechts am eigenen Bild in der Gesamtrechtsordnung bereits Kap.  2, A., II.

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Lebensbereichs her, träfe den Veröffentlichenden nach wie vor keine (strafbewehrte) Pflicht zur Löschung.

Überzeugend erscheint es hingegen für die Begründung einer Garantenpflicht im Zusammenhang mit dem einfachgesetzlichen Recht am eigenen Bild deshalb, auf die vorherige Einwirkung des verfassungsrechtlichen Rechts am eigenen Bild des Ab­ gebildeten abzustellen. Hierfür kann maßgeblich auf die herausgearbeiteten Grund­ sätze zur Verortung des Rechts am eigenen Bild in der Verfassung zurückgegriffen werden.722 Wer also durch den Eingriff in das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild eine Gefahr für das einfachrechtliche Recht am eigenen Bild heraufbeschwört, in­ dem er etwa ein menschliches Erscheinungsbild durch einen Herstellungsakt mate­ rialisiert oder sichtbar macht, wird dann zum Überwachergaranten hinsichtlich des Rechts am eigenen Bild des Abgebildeten in Bezug auf die konkrete bildhafte Reprä­ sentation, solange die Herrschaftsmacht hierüber besteht. Veröffentlicht A etwa ein lediglich identifizierbares Bild von B, hat er gleichwohl eine Gefahr hinsichtlich einer bildhaften Repräsentation des A im Sinne dessen (einfachgesetzlichen) Rechts am eigenen Bild nach den §§  22 ff. KUG geschaffen, indem er in das verfassungsrecht­ liche Recht am eigenen Bild eingegriffen hat. Denn hierzu bedarf es nach den obigen Ausfüh­ rungen nur einer Abbildung des menschlichen Erscheinungsbilds unabhängig von dessen Er­ kennbarkeit.

Schwieriger gestaltet sich diese dogmatische Begründung einer Garantenpflicht in Konstellationen, in welchen kein ursprünglicher Eingriff in das verfassungsrecht­ liche Recht am eigenen Bild des Abgebildeten, sondern lediglich dessen Gefährdung durch den Veröffentlichenden stattfand. Angesprochen ist etwa die Fallkonstellation, in welcher A ein Bildnis des B mit dessen bild­ nisrechtlicher Einwilligung veröffentlicht hat und B im Anschluss seine bildnisrechtliche Ein­ willigung wirksam widerruft. Hier liegt in der Veröffentlichung aufgrund der (tatbestandsaus­ schließenden723) bildrechtlichen Einwilligung des B kein rechtswidriger Eingriff in dessen (verfassungsrechtliches) Recht am eigenen Bild vor. Gleichwohl erscheint es sachgerecht, auch in einem solchen Fall eine Garantenstellung des Veröffentlichenden zu bejahen. Hierfür spricht, dass eine einmal wirksam erteilte bildnis­ rechtliche Einwilligung durch den Abgebildeten nicht ohne weiteres widerrufen werden kann und insoweit keine Gefahr hinsichtlich ausufernder Unterlassensstrafbarkeit für den Veröffent­ lichenden besteht. Denn die Bindungswirkung einer bildnisrechtlichen Einwilligung – und somit auch der Wirksamkeit eines Widerrufs einer bildnisrechtlichen Einwilligung – bezieht maßgeblich auch die Interessen des Abbildenden an der Aufrechterhaltung der Veröffentli­ chung mit ein.724 Es erscheint somit nicht sachfremd, in einer Veröffentlichung, die ursprüng­ lich vom Abgebildeten erlaubt wurde, eine (die Garantenpflicht auslösende) Gefahrschaffung 722  Hierzu Kap.  2, B., III., und Kap.  2, C., IV., 2. sowie Kap.  2, E., mit den jeweiligen Übersichts­ skizzen. 723 Zum Verhältnis von tatbestandsausschlichender bildrechtlicher Einwilligung und einer recht­fertigenden Einwilligung vgl. Kap.  3, C., IV. 724  Vgl. hierzu Kap.  2, C., II., 2., c).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

des Veröffentlichenden zu erblicken. Damit bestehen auch deutliche Parallelen zu denjenigen Konstellationen, in welchen die anfängliche Veröffentlichung gerechtfertigt oder entschuldigt war und diese (rechtfertigenden oder entschuldigenden) Umstände später entfallen.725 Diese Nähe erscheint aber keinesfalls zufälligerweise zu bestehen, zumal es sich bei der bildnis­ rechtlichen Einwilligung um eine weitere Besonderheit hinsichtlich der dogmatischen Ausge­ staltung als negatives Tatbestandsmerkmal im Gegensatz zur rechtfertigenden Einwilligung aufgrund der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Tatbestands des §  33 KUG handelt. Es erscheint deshalb sachgerecht, Konstellationen der nachträglich wegfallenden (bildnis­ rechtlichen) Einwilligung im Ergebnis gleich wie beim Wegfall von Rechtfertigungs- und Ent­ schuldigungsgründen zu behandeln und im Zeitpunkt des Wegfalls der bildnisrechtlichen Einwilligung von einer Garantenstellung des Veröffentlichenden auszugehen.726 Denn in die­ sem Zeitpunkt entsteht ein rechtswidriger Zustand, welcher fortdauert und über welchen der Abbildende Herrschaft über die Gefahrenquelle besitzt. Kann der Abgebildete widerrufen, so muss zwangsläufig sein persönliches Interesse des Interesses des Abgebildeten an der weite­ ren Veröffentlichung überwiegen. Ansonsten bestünde das Widerrufsrecht nicht oder die Bin­ dungswirkung würde sonst nicht (nach Maßgabe der gesetzlichen Wertung wie etwa bei der Anfechtung) entfallen. Es besteht insoweit auch ein hinreichend starkes Vertrauenselement des Abgebildeten – welcher auch zur Allgemeinheit zählt – hinsichtlich der Überwachung ei­ ner Gefahrenquelle. Bestärkt wird diese Lösung durch den Blick auf solche Systematisierungsversuche von Ga­ rantenstellungen welche unterhalb727 der Ingerenz über die Auffangkonzeption der Schaffung einer Gefahrenquelle diskutiert werden. So wird teilweise über die erforderliche Herrschafts­ macht über eine Gefahrenquelle und das Vertrauenselement, wonach die Umgebung darauf vertraut, dass der Garant die Gefahrenquelle beherrscht, für eine Überwachergarantenstel­ lung gefordert, dass die Herrschaft über die Gefahrquelle gerade maßgeblicher Faktor der Straftatendurchführung sei.728 Dies wird man bei einer Anknüpfung an das verfassungsrecht­ liche Recht am eigenen Bild für Bildnisrechtsverletzungen ohne weiteres bejahen können, da ohne die Einwirkung auf das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild keine Basis für eine (spätere) Bildnisverletzung besteht. Auch die „Nähe zur Gefahr“729 oder die „gesteigerte, spe­ zifische Gefährlichkeit, durch welche die Tatbestandsverwirklichung erleichtert oder zumin­ dest gefördert wird“,730 besteht bei der Anknüpfung auf die Einwirkung des verfassungsrecht­ lichen Rechts am eigenen Bild für eine Garantenpflicht hinsichtlich des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild. Diese Einwirkung liegt spätestens in dem Zeitpunkt vor, in welcher jemand die Herrschaftsmacht die bildhafte Repräsentation einer Person ohne ihren Willen 725 

Vgl. hierzu sogleich Kap.  2, B., II., 2., c), aa), (2). Die dogmatische Herleitung ist allerdings äußerst umstritten, hierzu Kap.  3., B.), II., 3., a., bb. 727  Vgl. hierzu LK/Weigend, §  13 StGB, Rn.  49, wonach zu berücksichtigen sei, dass die Verant­ wortlichkeit wegen der Beherrschung von Gefahrquellen „graduell weniger tragfähig“ erscheine als diejenige aus Ingerenz. 728  Vgl. BGHSt 30, 391 (396) – „Garantenstellung des Wohnungsinhabers“; dieses Kriterium fiel maßgeblich im Zusammenhang mit der Beschaffenheit von „Räumlichkeiten“, in denen Straftaten begangen werden, eine Parallele könnte also auf den „digitalen Raum“ zumindest erwogen werden; D. Barton, Rn.  269; Schönke/Schröder/Bosch, §  13 StGB, Rn.  54; LK/Jescheck (11.Aufl.), §  13 StGB, Rn.  44; SK/Rudolphi/Stein (8.  Aufl.), §  13 StGB, Rn.  37. 729  Jescheck/Weigend, S.  624. 730  D. Barton, Rn.  269; Sieber, JZ 1996, S.  502; vgl. ferner Busse-Muskala, S.  107; vgl. auch B.  Heinrich, AT, Rn.  954; LK/Weigend, §  13 StGB, Rn.  43, welche sogar bei Bejahung des pflicht­ widrigen Vorverhaltens einschränkend danach fragen, ob gerade das pflichtwidrige Verhalten auch den Erfolg verursacht hat. 726 

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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besitzt. Diese Lösung ferner hat den Vorzug, dass eine Garantenstellung insoweit früher ent­ steht, wenn jemand ohne den Willen des Abgebildeten für eine Repräsentationsgefahr sorgt, indem er bspw. eine (nicht erkennbare) Aufnahme postet. Hingegen wird der Veröffentlichen­ de erst mit einer Garantenstellung belegt, wenn die Bindungswirkung einer Einwilligung ent­ fällt, was vom Abgebildeten dargelegt werden muss. Mithin führt dies nicht zu dem Zustand, dass man für jede Bildnisveröffentlichung permanent garantenpflichtig wird.

Schließlich sind nach der hier vorgeschlagenen Konzeption auch solche Konstella­ tionen hinreichend klar, in welchen Dritte letztendlich durch eigenverantwortliches Handeln die konkrete Schädigung vornehmen, indem sie an die Gefahrenquelle an­ knüpfen.731 Geht man erneut vom obigen Beispiel aus, dass ein Dritter etwa über die Kommentarspalte die Erkennbarkeit des Abgebildeten herstellt, so würde dies aufgrund der bestehenden Gefahrnä­ he nicht die Garantenstellung desjenigen unterbrechen, welcher die Abbildung gepostet hat und weiterhin online lässt. Denn geht man etwa davon aus, dass der identifizierende Kommen­ tar wieder gelöscht wird, verliert die Abbildung nicht etwa ihre Bildniseigenschaft und die Ausgangsgefahr einer bildhaften Repräsentation verwirklicht sich weiter durch das Aufrecht­ erhalten des Posts. Hierin liegt gerade der Unterschied zu einem beleidigenden Kommentar unter einer Veröffentlichung im Internet.732 Zusammengefasst liegt somit eine (die Garantenpflicht begründende) Gefahrschaffung für §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB vor, wenn ein rechtswidriger Eingriff auf das verfas­ sungsrechtliche Recht am eigenen Bild vorliegt. Postet A ein menschliches Erscheinungsbild von B und greifen keine Rechtfertigungsgründe733, entsteht eine Garantenpflicht hinsichtlich des Bildnisrechts des B. Kommt A somit einer Löschung vorsätzlich nicht nach, macht er sich wegen §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB strafbar.

(2) Nachträglicher Eintritt von Rechtswidrigkeit und Schuld Im Anschluss an diese Grundsätze gilt es solche Fallkonstellationen in den Blick zu nehmen, bei welchen eine Bildnisveröffentlichung nicht pflichtwidrig erfolgte, da sie gerechtfertigt oder entschuldigt stattfand. Soweit ersichtlich wurde noch nicht the­ matisiert, ob das Aufrechterhalten einer gerechtfertigten oder entschuldigten Bild­ nisveröffentlichung möglicherweise in eine strafbare Bildnisrechtsverletzung durch Unterlassen gem. §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. 13 I StGB umschlagen kann, wenn die rechtfertigenden oder entschuldigenden Umstände nachträglich entfallen. 731  Vgl. zur Problematik Schönke/Schröder/Bosch, §  13 StGB, Rn.  4 4.; B. Heinrich, AT, Rn.  966; Jakobs, AT, 29. Abschn., Rn.  32, wonach „faktische Sukzession“ nicht ausreiche; vgl. auch Sieber, JZ 1996, S.  502, der exemplarisch ausführt, dass ein Hauseigentümer sich nicht wegen Beleidigung durch Unterlassen strafbar macht, wenn er beleidigende Parolen nicht beseitigt, die von anderen an sein Haus angebracht wurden. 732  Auch hier vermag der Veröffentlichende die Basis in Form einer Kommentarspalte für die Beleidigung zu bieten, ein Zurechnungszusammenhang hinsichtlich einer Beleidigung bestünde gleichwohl beim Veröffentlichenden nicht, selbst wenn dieser die Sichtbarkeit der Beleidigung im Kommentarfeld aufrechterhält, indem er seine Veröffentlichung nicht löscht. Anderes würde nach dem bereits Gesagten nur dann gelten, wenn er sich die beleidigende Äußerung zueigen macht. 733  Zu §  23 KUG ausführlich Kap.  3, D.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Zur Erläuterung soll ein Fall als Beispiel dienen, welchen man möglicherweise unter den Oberbegriff einer Social-Media-Rechtfertigung734 fassen könnte: A befindet sich nach einer durchzechten Nacht in den frühen Morgenstunden auf dem Nachhauseweg zu Fuß. Nach einer Weile fällt A eine weitere Person (B) auf, welche A zu folgen scheint. Als sich B nach weiteren fünf Minuten immer noch hinter A befindet und sich weiter nähert, zückt A das Smartphone und beginnt (unter Angabe des Standorts) öffentlich zu streamen. Dabei nutzt A die Smartphone-Kamera und sagt im Stream, dass er/sie das Gefühl hat, von B verfolgt zu werden. Dabei weist A auch B darauf hin, dass infolge des gerade statt­ findenden Streams alles öffentlich sei, was weiter vor sich gehe. B ist im Stream gut erkennbar, da A auch das Gesicht von B filmt. Tatsächlich kommt es zu keinem Übergriff und B entfernt sich irgendwann. Zuhause angekommen beendet A den Stream, fällt direkt ins Bett und schläft ein. Der Stream bleibt weiterhin als Videobeitrag auf dem Profil des A öffentlich abruf­ bar. Bereits am nächsten Morgen hat das Video des Nachhausewegs des A eine hohe Klick­ zahl. Da das Video viral gut zu gehen scheint, entschließt sich A dieses weiterhin (für jeder­ mann einsehbar) online zu lassen. Hier hat A mit dem Streamen bei Nacht den objektiven Tatbestand des öffentlichen Zur­ schaustellens eines Bildnisses nach §  33 I Var.  2 KUG verwirklicht. Dabei handelte A auch vorsätzlich. Da von B kein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff ausging, scheitert jedenfalls eine Rechtfertigung wegen Notwehr nach §  32 I StGB mangels Notwehrlage.735 In Frage könnte allerdings eine Rechtfertigung nach §  34 StGB wegen rechtfertigendem Notstand kom­ men, da dieser auch Gefahren im Sinne von Zuständen erfasst, bei welchen aufgrund tatsäch­ licher Umstände die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schädigenden Ereignisses736 be­ steht. Hier wird man anhand weiterer Einzelheiten differenzieren müssen. Bestand bei einer ex ante Prognose aus Sicht eines objektiven Dritten737 tatsächlich die Gefahr eines Überfalls durch B, welche durch den öffentlichen Stream abgewendet wurde, so ist ein rechtfertigender Notstand nach §  34 StGB zu bejahen und die Bildnisveröffentlichung nach §  33 I Var.  2 war nicht rechtswidrig. Bestand allerdings nach dieser Beurteilung allerdings lediglich eine Scheingefahr – weil etwa B etwa nicht weit von A wohnt und sich ebenfalls auf dem Heimweg befand – und verkannte A dies, liegt kein Fall des §  34 StGB vor. Vielmehr liegt dann ein Irr­ tum über das Vorliegen einer Notstandslage und somit ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor, bei welchem nach der überwiegenden Meinung738 (mangels Vorsatzschuld) die Schuld entfallen soll. Durch das Streamen hat sich A somit jedenfalls nicht nach §  33 I Var.  2 KUG strafbar gemacht. Als A sicher zuhause war, bestand jedenfalls keine Gefahrenlage mehr. Somit fragt sich, inwieweit dem Nichtlöschen des Videos – welches den B als potentiellen Straftäter – zeigt, 734  Vgl. zum Begriff der „Social-Media-Notwehr“ J. Fischer, MMR 2019, S.  355 ff.; jurisPK-­ Internetrecht/Heckmann/Paschke, Kap.  8, Rn.  344, welche aber nicht auf die hier besprochene Kon­ stellation (bzgl. einer strafrechtlichen Rechfertigung aufgrund von Notwehr oder Notstand) einge­ hen und dementsprechend auch eine Unterlassensstrafbarkeit an keiner Stelle erwähnen; vgl. ferner zu gestreamten Aufnahmen von Polizeibeamten bei (Corona-)Demonstrationen Reuschel, NJW 2021, S.  20. 735  Zu einem anderen Ergebnis (hinsichtlich der Einschlägigkeit von §  32 StGB) wird man dann gelangen, je eher eine tatsächliche Verfolgung vorliegt und ein Angriff unmittelbar auch bevorsteht. 736  Vgl. BGHSt 13, 66 (69 f.) – „Heranfahren an unbeschrankten Bahnübergang“; BGHSt 18, 271 (272) – „Gemein-Gefahr“; BGHSt 26, 176 (179) – „Zufahren auf Polizeibeamten“; BGHSt 48, 255 (258) – „Heimtückemord an ‚Familientyrannen‘“; BGHSt 61, 202 (202 f.) – „BtM zur Eigenbehand­ lung“; B. Heinrich, AT, Rn.  405; Kühl, AT, §  8, Rn.  38; Rengier, AT, §  19, Rn.  9. 737 Hierzu B. Heinrich, AT, Rn.  406. 738  Hierzu ausführlich B. Heinrich, AT, Rn.  1123 ff., 1135a.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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spätestens am nächsten Morgen (hier hat A in jedem Fall Vorsatz hinsichtlich des Aufrechter­ haltens der Sichtbarkeit) strafrechtliche Relevanz zukommt. Für eine Strafbarkeit wegen eines öffentlichen Zurschaustellens durch Unterlassen gem. §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB müsste A eine Garantenpflicht haben.

Angesprochen ist hiermit in erster Linie die Frage nach einer Garantenstellung, wenn das gefährliche Vorverhalten gerechtfertigt und insoweit nicht pflichtwidrig war. Vertreter der Verursachungstheorie739 bejahen hier grundsätzlich unabhängig von der Rechtswidrigkeit eine Garantenstellung aus Ingerenz, weil das Verhalten gleich­ wohl eine Gefahr für ein Rechtsgut verursacht hat. Auch Vertreter der „modifizierten Verursachungstheorie“740 kommen zum selben Ergebnis, da hiernach allenfalls ein Handeln in Notwehr (nicht allerdings in einem rechtfertigenden Notstand) vom Grundsatz der Garantenstellung durch Gefahrverursachung ausgenommen werden soll. Dies gilt im Ergebnis ebenfalls nach der „modifizierten Pflichtwidrigkeitstheo­ rie“741 wonach (umgekehrt) grundsätzlich durch Notwehr gerechtfertigtes Vorverhal­ ten keine Garantenpflicht begründen könne, eine Ausnahme aber bei allen anderen Rechtfertigungsgründen bestehe. Die vorzugswürdige Pflichtwidrigkeitslehre verneint hingegen (mangels Pflicht­ widrigkeit) grundsätzlich eine Garantenstellung bei durch §  32 StGB gerechtfertig­ tem Vorverhalten mit dem Verweis darauf, dass derjenige, welcher die Rechtsord­ nung verteidige, nicht mit einer Garantenstellung belastet werden soll. Derjenige, der eine Notlage selbst verschuldet habe, könne nicht bessergestellt werden als derjenige, der unverschuldet in Not gerate.742 Die Annahme einer Garantenpflicht steht jedenfalls dann nicht in Frage, sofern der Handelnde bei seinem gefährdenden Vorverhalten entschuldigt war.743 Befand sich A also beim Upload/Streamen im Erlaubnistatbestandsirrtum, ändert dies nichts an der Pflichtwidrigkeit seines Vorverhaltens und eine Garantenstellung hinsichtlich des Rechts am eigenen Bild des B ist zu bejahen. Unterlässt somit A vorsätzlich das Löschen des Bildnisposts, ist eine Strafbarkeit nach §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  22 KUG zu bejahen.744 739  Arzt, JA 1980; S.  714 ff.; Jü. Baumann/Weber (9.  Aufl.), S.  248 ff.; Ge. Freund/Rostalski, §  6, Rn.  69 ff.; Herzberg, JuS 1971, S.  76; ders., JZ 1986, S.  986 ff.; Jakobs, AT, 29. Abschn., Rn.  39; Kühl, AT, §  18, Rn.  96; Seelmann, GA 1989, S.  255; Welp, JZ 1971, S.  434; vgl. auch RGSt 14, 362 (362 f.); RGSt 24, 397 (398 f.); BGHSt 3, 203 (204 f.) – „Pflicht zum Handeln auf Grund vorausgegangenen Tuns“; BGHSt 4, 20 (22) – „Bewirtung eines Kraftfahrers mit Alkohol durch Gastwirt“; BGHSt 11, 353 (355) – „Zumutbarkeit der Hilfeleistung“; wohl auch BGHSt 19, 152 (154) – „Verantwortung des Gastwirts für betrunkenen Verkehrsteilnehmer“. 740  MüKo StGB/Freund, §  13 StGB, Rn.  121 ff., 141 ff.; Jakobs, AT, 29. Abschn., Rn.  42 ff.; LPK/ Kindhäuser, §  13 StGB, Rn.  51; Maiwald, JuS 1981, S.  483; vgl. auch D/D/K/R/Tag, §  13 StGB, Rn.  22; Stratenwerth/Kuhlen, §  13 StGB, Rn.  26 ff. 741  Hoffmann-Holland, Rn.  768 ff.; Krey/Esser, Rn.  1151 f.; wohl auch Jäger, Rn.  360, 362; SSW/ Kudlich, §  13 StGB, Rn.  24 f.; I. Puppe, §  29, Rn.  3. 742 Vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  960. 743  B/W/M/E/Mitsch, §  21, Rn.  76. 744  Diskutabel erschiene ferner eine Strafbarkeit nach §§  201a II, 13 I StGB, da die Abbildung dazu geeignet ist, dem Ansehen des B erheblich zu schaden.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Selbst die Pflichtwidrigkeitstheorie stößt allerdings dann an ihre Grenzen, wenn das gefährdende Vorverhalten aufgrund seines Dauercharakters fortdauert und der (die Pflichtwidrigkeit ausschließende) rechtfertigende Umstand nachträglich wegfällt.745 Deshalb besteht jedenfalls dahingehend überwiegend Einigkeit, dass bei Dauerdelik­ ten gewisse Ausnahmen gelten müssen, wenn der Handelnde mit seinem Vorverhal­ ten eine Dauergefahr geschaffen hat und sich der hierdurch geschaffene Zustand über die Rechtfertigung fortdauert und in einen rechtswidrigen Zustand umschlägt.746 Somit wird im obigen Fall eine Garantenpflicht in dem Zeitpunkt erwachsen, in welchem keine Gefahr nach §  34 StGB mehr besteht und die gerechtfertigte Dauerhandlung des öffent­ lichen Zurschaustellens in eine ungerechtfertigte öffentliche Zurschaustellung umschlägt und als solche fortdauert. Wenn A also spätestens am nächsten Morgen hinsichtlich der weiteren Aufrechterhaltung unter Kenntnis der nicht mehr bestehenden Gefahr Vorsatz unterstellt wer­ den kann, liegt eine Strafbarkeit nach §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB vor.

Die dogmatische Herleitung dieses Ergebnisses ist allerdings bis heute umstritten.747 Vertreter der modifizierten Pflichtwidrigkeitstheorie suchen die Lösung hinsichtlich der Zuordnung von Verantwortungsbereichen in der Unterscheidung der ausgeübten Notrechte.748 Bei der Ausübung des Notwehrrechts nach §  32 StGB hätte der für die Notlage verantwortliche Angreifer die Gefahr für sein Handeln selbst zu tragen, eine Garantenstellung des Notwehrübenden entstünde also dann selbst bei Dauerdelikten nicht. Ein weitergehendes Notstandsrecht nach §  34 StGB gewähre die Rechtsord­ nung hingegen nur unter der Auflage einer Garantenpflicht zur späteren Abwendung von Gefahren für den Betroffenen.749 Vertreter dieser Lösung müssen eine Strafbarkeit von A wegen §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I StGB also dann verneinen, wenn B im Begriff war eine Tätlichkeit auszuführen und A diesen Angriff mit Hilfe des öffentlichen Streams erfolgreich abwehren konnte. Denn hiernach würde keine Garantenpflicht zur Löschung des Videos entstehen.

745  Als klassisches Beispiel wird in diesem Zusammenhang regelmäßig der Fall genannt, in wel­ chem ein Kneipenwirt den (volltrunkenen) randalierenden Kneipengast (gerechtfertigt) einsperrt und dann aber, nachdem dieser wieder nüchtern wurde, weiterhin nicht freilässt; stellt man streng auf die Pflichtwidrigkeit des ersten Akt des Einschließens ab, so besteht keine Garantenstellung des Wirts hinsichtlich einer Freiheitsberaubung durch Unterlassen gem. §§  239 I, 13 I StGB; vgl. hierzu Schönke/Schröder/Bosch, §  13 StGB, Rn.  36; B. Heinrich, AT, 962; Kühl, AT, §  18, Rn.  97; Rönnau, JuS 2018, S.  530; Roxin, AT II, §  32, Rn.  189; SK/Stein, §  13 StGB, Rn.  53; ferner Sowada, JURA 2003, S.  241. 746  Schönke/Schröder/Bosch, §  13 StGB, Rn.  36; Joecks/Jäger, §  13, Rn.  66; Kühl, AT, §  18, Rn.  97; B/W/M/E/Mitsch, 21, Rn.  75; Rengier, AT, §  50, Rn.  91 ff.; Rönnau, JuS 2018, S.  530; Roxin, AT II, §  32, Rn.  189; Schröder, NJW 1966, S.  1102; Sowada, JURA 2003, S.  241; SK/Stein, §  13 StGB, Rn.  53; vgl. ferner Eser, NJW 1965, S.  380. 747  Vgl. B/W/M/E/Mitsch, §  21, Rn.  75; Sowada, JURA 2003, S.  241. 748 Vgl. Jakobs, in: FG 50 Jahre BGH 2000, S.  49. 749  NK/Gaede, §  13 StGB, Rn.  45; LK/Weigend, §  13 StGB, Rn.  47; in diese Richtung auch ­Roxin, AT II, §  32, Rn.  181 ff.; ebenfalls SK/Stein, §  13 StGB, Rn.  53, der allerdings das Ergebnis wieder insoweit relativiert, wonach doch eine Garantenpflicht entstehen soll, wenn derjenige, der die Kollisionslage heraufbeschworen hat, für deren Entstehung nicht verantwortlich war.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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Diese Lösung überzeugt allerdings jedenfalls auf dem Bereich des Bildnisrechts kaum. Denn ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff im Sinne des §  32 StGB wür­ de grundsätzlich auch ein – das Abgebildeteninteresse überwiegendes – öffentliches Interesse nach §  23 I KUG begründen.750 Selbst §  23 I KUG ist aber ein dynamisches Verständnis zugrunde zu legen, wonach das Resozialisierungsinteresse des Abgebil­ deten zu berücksichtigen ist. Mit anderen Worten soll nicht jeder Straftäter zeitlebens mit seiner Straftat in Form einer hiermit verbundenen Bildnisveröffentlichung kon­ frontiert werden müssen, sodass das Abgebildeteninteresse mit gewissem Zeitablauf weiter zunimmt. Wenn diese Dynamik selbst im Verhältnis zum öffentlichen Interes­ se in §  23 I KUG bei Straftaten stattfindet, so spricht viel dafür, diese Wertung (erst recht) auf das Verhältnis zum (einzelnen) Abbildenden zu übertragen. Die Annahme einer absoluten Wirkung hinsichtlich einer Garantenstellung durch §  32 StGB würde diesen Mechanismus aber undifferenziert aushebeln.751 Überzeugender scheint es deshalb, eine Garantenstellung hinsichtlich des Rechts am eigenen Bild anzuneh­ men, wenn die rechtfertigenden Umstände weggefallen sind und insoweit ein rechts­ widriger Zustand vorliegt und weiter fortdauert. Als Anknüpfungspunkt für das ge­ fährliche Vorverhalten kommt auch fernab des Gedankens der originären Gefahr­ verursachung durch den (gerechtfertigten) originären Veröffentlichungsakt als Bildnisenthüllung im Sinne der Verursachungstheorie auch die Aufrechterhaltung eines rechtswidrigen Zustands ab dem Zeitpunkt des Wegfalls rechtfertigender Um­ stände im Sinne einer juristischen Sekunde in Betracht.752 bb) Beihilfe (durch Unterlassen) des Verweisenden durch Nichtlöschen seines Verweises Im Anschluss stellt sich die Frage nach der Strafbarkeit eines (andauernden) Verwei­ ses auf einen ursprünglich rechtmäßigen (Bildnis-)Inhalt, der nachträglich rechts­ widrig wurde ((1)). In Anknüpfung an das oben gebildete Beispiel zur Social Media Rechtfertigung753 kann etwa nach der Strafbarkeit des C gefragt werden, welcher noch bei Nacht den (Streaming-)Beitrag von A auf seiner Seite teilt, liked, kommentiert oder verlinkt, damit er eine noch höhere Reich­ weite erfährt. Auch am nächsten Morgen und in der Folgezeit lässt C weiterhin seine Verwei­ sung online öffentlich einsehbar. Parallel hierzu kann auch an zeitgeschichtliche Veröffentlichungen nach §  23 I Nr.  1 KUG gedacht werden, welche irgendwann ihre Zeitgeschichtlichkeit verlieren. Werden Verweise (wie Likes, Verlinkungen oder Shares) weiterhin (über die Zeitgeschichtlichkeit hinaus) vor­ 750 

Hierzu im Einzelnen Kap.  3, D., II., 3., d) und e). Im Übrigen spricht dies auch dafür, §  23 KUG als Rechtfertigungsgrund und nicht als tatbe­ standsausschließend zu begreifen; vgl. hierzu auch Kap.  3, D., I. 752  In eine ähnliche Richtung weist Joecks/Jäger, §  13 StGB, Rn.  62, welcher allerdings infrage stellt, inwieweit es in solchen Fortwirkungsfällen überhaupt der Konstruktion einer Garantenpflicht bedarf, da es sich „in Wahrheit um eine nicht mehr erforderliche aktive Aufrechterhaltung“ handele. 753  Vgl. Kap.  3, B., II., 2., c), aa), (2). 751 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

sätzlich aufrechterhalten könnte ebenfalls eine Strafbarkeit wegen Beihilfe durch Unterlassen in Frage kommen.

Ferner können solche Fälle in den Blick genommen werden, in denen der Verweisen­ de nicht um die Rechtswidrigkeit des Inhalts, auf den er verweist, weiß und nachträg­ lich nach Kenntniserlangung über die Rechtswidrigkeit des Inhalts keine Löschung seines Verweises vornimmt ((2)).754 Teilt, liked oder verlinkt A etwa ein Bildnis des B, welches sich ohne dessen Einwilligung im Internet befindet, in der Annahme alles sei in Ordnung755, stellt sich die Frage nach der Straf­ barkeit des A, wenn er seine Verweisung nicht löscht, sobald er mitbekommt, dass er auf eine rechtswidrige Veröffentlichung verweist.

Nach der Ausgestaltung de lege lata muss hier die Frage nach einer eigenständigen Täterschaft durch Unterlassen gestellt werden, da es sich bei Verweisen um eigen­ ständige Zurschaustellungen handelt.756 Nach der hier vorgeschlagenen einschrän­ kenden Konzeption stellt sich hingegen allenfalls die Frage nach einer Beihilfe durch Unterlassen durch das Nichtlöschen eines (andauernden) Verweises auf einen rechts­ widrigen Inhalt.757 In jedem Fall muss hier aber die Frage beantwortet werden, ob eine Garantenpflicht des Verweisenden besteht. Aus den Normen des Telemediengesetzes (TMG) kann jedenfalls keine Garanten­ stellung des Verweisenden hergeleitet werden, da dieses nach überwiegender An­ sicht nicht auf Personen anwendbar ist und selbst die analoge Anwendung allenfalls haftungsbeschränkend wirken würde.758 Ebenfalls wird eine Beschützergaranten­ stellung aus den bereits erörterten Gründen in der Regel ausscheiden.759

754  Dieser Konstellation wurde in der Literatur bislang nur spärlich Aufmerksamkeit gewidmet, da lange davon ausgegangen wurde, dass (jedenfalls beim Setzen eines Hyperlinks auf einen rechts­ widrigen Inhalt) der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit auf einem aktiven Tun liegen würde; so ­Boese, S.  123. Detlefsen, S.  119, erwägt in diese Richtung allenfalls eine (freilich nicht normierte) Fahrlässigkeitsstrafbarkeit; a. A. und insoweit vorzugswürdig Doerbeck, S.  306; Hambel, S.  155; Hoeren/Sieber/Holznagel/Sieber, 19.1, Rn.  41. 755  Hier kann hinsichtlich der initiierenden Verweisungshandlung durch A weiter differenziert werden: Irrt A über das Vorliegen einer bildnisrechtlichen Einwilligung des B, so liegt ein – den Vorsatz ausschließender – Tatbestandsirrtum nach §  16 StGB vor. Irrt A über das Vorliegen einer rechtfertigenden Einwilligung oder über das Vorliegen einer Nummer des §  23 I KUG, liegt ein Erlaubnistatbestandsirrtum vor. Irrt er hingegen über über das Verbotensein seiner Tat, so liegt ein Verbotsirrtum nach §  17 StGB vor. Zur Einordnung der bildnisrechtlichen Einwilligung als (negati­ ves) Tatbestandsmerkmal und dem Verhältnis zur rechtfertigenden Einwilligung vgl. Kap.  3, C., I., sowie Kap.  3, C., III.; zur Einordnung des §  23 I KUG als Rechtfertigungsgrund vgl. Kap.  3, D., I. 756  Hierzu Kap.  3, B., II., 2., a), gg). 757  Hierzu Kap.  3, B., II., 2., a), hh). 758  OLG Stuttgart, MMR 2006, S.  388; Busse-Muskala, S.  111 f.; Doerbeck, S.  305; Fischer, §  184 StGB, Rn.  32; MüKo StGB/Ge. Freund, §  13 StGB, Rn.  165; Hoeren/Sieber/Holznagel/Sieber, 19.1, Rn.  16, 32 ff; Spindler/Schuster/Hoffmann/Volkmann, Vor §  7 ff. TMG, Rn.  39; vgl. ferner Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  2, Rn.  73 ff., 81; für eine analoge Anwendung aufgrund der haftungsbeschränkenden Wirkung Hambel, S.  161; Al. Koch, MMR 1999, S.  707. 759  Vgl. Kap.  3, B., II., 2., c), aa), (1).

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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(1) Garantenstellung des Verweisenden bei nachträglich eingetretener Rechtswidrigkeit des Zielinhalts In der erstgenannten Konstellation wird eine Garantenstellung aus Ingerenz ganz überwiegend abgelehnt, da der Verweis ursprünglich auf einen rechtmäßigen Inhalt stattfand und insoweit kein pflichtwidriges Vorverhalten vorlag.760 Dies ist zu begrü­ ßen, da diese Sichtweise auf der hier vertretenen Linie hinsichtlich einer grundsätzlich liberalen Handhabung von Verweisen im Internet761 liegt und insoweit Raum für eine sozialadäquate Kommunikation im Internet belässt. Hierzu zählt ausdrücklich der Verweis auf einen rechtmäßigen Inhalt. Insbesondere stellt diese Sichtweise auch kei­ nen Bruch zur oben angenommenen Garantenstellung hinsichtlich des Umschlagens der Rechtswidrigkeit einer Bildnisveröffentlichung dar762, da bei (der Veröffentlichung nachgelagerten) Verweisen grundsätzlich noch keine nahe Gefahr763 zum Eintritt eines tatbestandlichen Erfolges besteht. Deshalb erscheint es auch nur konsequent, die von Teilen der Literatur vertretene Annahme einer (sonstigen) Überwachergarantenstel­ lung aufgrund der Herrschaft über eine Gefahrenquelle – nämlich des Verweises als solchen764 – jedenfalls im Bildnisrecht abzulehnen.765 Denn es erscheint bereits schwer vermittelbar, warum der Verweis auf einen rechtmäßigen Bildnisinhalt einerseits sozi­ aladäquat und deshalb nicht pflichtwidrig sein, andererseits aber eine pflichtenbegrün­ dende Gefahrenquelle schaffen soll.766 Über diese (vom Ultima-Ratio-Prinzip gestütz­ 760  Bär, S.  215; D. Barton, Rn.  312; Boese, S.  159 ff.; Detlefsen, S.  130; Doerbeck, S.  305; Guthier, S.  126 ff.; Hambel, S.  155; jurisPK-Internetrecht/Heckmann/Paschke, Kap.  8, Rn.  397; Wantke/­ Ohst/­B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  2, Rn.  81; Hütig, MMR 1998, S.  51; Malek/Popp, Rn.  122; M.  Popp, S.  189; Römer, S.  239 f.; Hoeren/Sieber/Holznagel/Sieber, 19.1, Rn.  41; Spindler, MMR 2002, S.  499 f.; Vassilaki, CR 1998, S.  112; dies.; CR 1999, S.  89; Ernst/Vassilaki/Wiebe/Vassilaki, Rn.  353; a. A. AG Tiergarten, MMR 1998, S.  50; wohl auch Busse-Muskala, S.  109, 111. 761  Vgl. hierzu die Ausführungen zum Vorschlag einer einschränkenden Auslegung Kap.  3, B., II., 2., a), hh); vgl. ferner Bosbach/Pfordte, K&R 2006 Beil., S.  9; Detlefsen, S.  133; Hambel, S.  154; Hilgendorf/Valerius, Rn.  241; Hütig, MMR 1998, S.  51; Malek/Popp, Rn.  122; Palm, S.  278; ­Spindler, MMR 2002, S.  499 f.; Vassilaki, CR 1999, S.  88. 762  Vgl. Kap.  3, B., II., 2., c), aa), (2). 763  Vgl. BGHSt 54, 44 (47) – „Garantenpflicht“; BGH, NStZ 2013, S.  578 f. – „Garantenstellung aus Ingerenz“; Fischer, §  13 StGB, Rn.  48; NK/Gaede, §  13 StGB, Rn.  43; B. Heinrich, AT, Rn.  954; Rengier, AT, §  50, Rn.  72; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  1196; Spindler, MMR 2002, S.  500. 764  D. Barton, Rn.  312; Eisele, §  4, Rn.  13; Löhnig, JR 1997, S.  498; Hoeren/Sieber/Holznagel/ Sieber, 19.1, Rn.  50; wohl auch Stadler, S.  245. 765 So auch Doerbeck, S.  306; jurisPK-Internetrecht/Heckmann/Paschke, Kap.  8, Rn.  397; Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, Rn.  81; Hilgendorf/Valerius, Rn.  241; Malek/Popp, Rn.  124; Palm, S.  279; wohl auch Spindler, MMR 2002, S.  500; insoweit widersprüchlich Hoeren/ Sieber/Holznagel/Sieber, 19.1, Rn.  53. M. Popp, S.  193, verneint auch eine Überwachergarantenstel­ lung über eine Gefahrenquelle, weicht sein Ergebnis dann aber durch die Annahme auf, dass man sich mit der Äußerung einer Aussage (in Linkform) an diese halten müsse und nimmt insoweit doch eine Garantenstellung über die Eröffnung einer Gefahrenquelle an. 766 Vgl. Busse-Muskala, S.  110, wonach den Ansichten, welche eine Überwachungsgarantenstel­ lung aus der Herrschaft über eine Gefahrenquelle konstruieren, Widersprüchlichkeit entgegenzu­ halten sei. Dabei ist aber zuzugeben, dass die Widersprüchlichkeit in der formulierten Drastik nicht besteht, zumal die Garantenstellung über die Konstruktion einer Gefahrenquelle unterhalb derjeni­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ten) Zweifel vermögen auch diejenigen Begründungsansätze des sich nach und nach herausbildenden Mittelwegs jedenfalls im Rahmen des strafrechtlichen Bildnisschut­ zes nicht hinwegzuhelfen. Diese differenzieren  – grundsätzlich nachvollziehbarer­ weise – für eine Garantenpflicht kraft Beherrschung einer Gefahrenquelle zwischen einem Herrschafts- und einem Vertrauenselement, wobei für die Garantenpflichtigkeit beide Elemente kumulativ vorliegen müssen.767 Während das Herrschaftselement bei Verweisen im Internet regelmäßig keine Probleme bereitet, da Verlinkungen, Likes oder sonstige Anknüpfungen vom Handelnden wieder gelöscht werden können768, be­ steht hinsichtlich der Begründung und den Anforderungen des Vertrauenselements weitestgehend Uneinigkeit. So ist schon nicht klar, auf wessen Vertrauen über die Berr­ schung einer Gefahr abgestellt werden soll. Während einerseits auf das Vertrauen der Gesamtheit aller Internetnutzer (hinsichtlich aller Inhalte des gesamten Internets)769 abgestellt wird, befindet sich anderer­seits eine differenzierende Ansicht770 im Vordrin­ gen, welche das Vertrauen anhand des konkreten Hauptangebots des Verweisenden und somit anhand einer bereichsspezifischen Rollenerwartung für Besucher des infra­ gestehenden Internetauf­tritts bestimmt. Unabhängig davon, dass die Vorstellung eines „sauberen Internets“ zumindest heute ohne weiteres als Wunschdenken abgetan wer­ den muss771, so überzeugt auch die Differenzierung anhand der bereichsspezifischen Rollenerwartung und des konkreten (Link-)Angebots eher weniger. Denn fernab der mangelnden Bestimmtheit einer Rollenerwartung würde dies dazu führen, dass derje­ nige, welcher sich regelmäßig oder zumindest seiner „gesellschaftlichen Rollenerwar­ tung“772 entsprechend rechtmäßig verhält, Gefahr läuft, eher garantenpflichtig zu wer­ den als derjenige, der sich regelmäßig rechtswidrig verhält.773 Ferner erinnert diese Argumentation an Erwägungen zur Begründung einer Beschützergarantenstellung, gen Garantenstellung der Ingerenz liegt. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass eine gewisse Anfällig­ keit des Argumentationsmusters besteht. 767  Vgl. BGHSt 27, 10 (13) – „Garantenstellung des Wohnungsinhabers“; Herzberg, S.  331 f.; Jescheck/Weigend, S.  627; Lackner/Kühl/Heger, §  13 StGB, Rn.  15; Otto/Brammsen, JURA 1985, S.  646 ff.; Schünemann, S.  344 f. 768  Bär, S.  216; Boese, S.  159; Hambel, S.  157; Hütig, MMR 1998, S.  51; S. Müller, S.  163; Vassilaki, CR 1999, S.  89; a. A. offenbar Detlefsen, S.  135 f., welche den Verweis als solchen mit dem Inhalt, auf den verwiesen wird, zu verwechseln scheint. 769  D. Barton, Rn.  266; Hütig, MMR 1998, S.  51; Malek/Popp, Rn.  123; wohl auch Heghmanns, ZUM 2000, S.  463 f.; Sieber, JZ 1996, S.  501. 770  Bär, S.  217; Boese, S.  165; Hambel, S.  157; S. Müller, S.  165; Vassilaki, CR 1999, S.  89; wohl auch Römer, S.  240. 771 Vgl. Hambel, S.  158; Hütig, MMR 1998, S.  51; Malek/Popp, Rn.  122; S. Müller, S.  164; K.  Schmitz, S.  63; Sieber, JZ 1996, S.  501; Spindler, MMR 2002, S.  500; Vassilaki, CR 1999, S.  89. 772  Boese, S.  164; Hambel, S.  159; Vassilaki, CR 1999, S.  89, nennen etwa die Homepage eines Strafrechtsprofessors. 773  Überzeugender wäre allenfalls, für eine Überwachergarantenpflicht danach zu fragen, ob auf eine Seite verwiesen wird, die bekannt dafür ist, regelmäßig rechtswidrige Inhalte zu veröffentli­ chen, so jedenfalls auch Doerbeck, S.  306; MüKo StGB/Ge. Freund, §  13 StGB, Rn.  165; vgl. auch Hoeren/Sieber/Holznagel/Sieber, 19.1, Rn.  53, welcher aber ebenfalls grundsätzlich eine solche Ga­ rantenstellung für zweifelhaft erachtet.

B. Die Tathandlungen von §  33 KUG

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welche aber auch nach dieser differenzierenden Ansicht nicht vorliegen soll. Schließ­ lich bleibt darauf hinzuweisen, dass es seltsam anmutet, jeden Verweis oder jede Ver­ linkung – welche bei jedem Internetznutzer irgendwann in unzähliger Menge vorlie­ gen werden – unter das Damoklesschwert einer (Überwacher-)Garantenpflicht zu stel­ len. Zuzugeben ist dabei, dass eine Unterlassensstrafbarkeit gleichwohl regelmäßig aufgrund des fehlenden Vorsatzes des Verweisenden scheitern würde, gleichwohl än­ dert dies nichts daran, dass die (drohende) ultima ratio des Strafrechts nach der hier vertretenen Auffassung (jedenfalls im Bildnisrecht) nicht das adäquate Mittel für die Lösung des Problems zu sein scheint. Eine Überwachergarantenpflicht für den Ver­ weisenden aufgrund der Schaffung einer Gefahrquelle eines (originär rechtmäßigen) Verweises ist deshalb abzulehnen. (2) Garantenstellung des Verweisenden bei unvorsätzlichem Verweis auf rechtswidrigen Zielinhalt und nachträglichem Hinzutreten des Vorsatzes Unproblematisch bejaht werden kann hingegen die Garantenpflicht aus Ingerenz, wenn (unvorsätzlich) auf einen rechtswidrigen Inhalt verwiesen wurde. Denn hierbei handelt es sich um objektiv pflichtwidriges Verhalten.774 Unterlässt der Verweisende es somit vorsätzlich, seinen Verweis wieder zu löschen, macht er sich de lege lata wegen §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 StGB strafbar. Nach der hier vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung kommt dann aber allenfalls eine Beihilfe durch Unter­ lassen in Betracht.775 cc) Nichtlöschen fremder Inhalte auf eigenen Pinnwänden oder Gruppen in sozialen Netzwerken Die herausgearbeiteten Grundsätze zu Verweisen können abschließend auf Pinn­ wände oder Gruppen innerhalb sozialer Netzwerke übertragen werden. A postet innerhalb eines sozialen Netzwerks ein Bildnis des C ohne dessen Einwilligung an die digitale Pinnwand des B und verletzt so das Bildnisrecht des C. Aufgrund der Profileinstel­ lungen von B kann jeder das Bildnis des C an Bs Pinnwand betrachten. B nimmt von dem Bildnis (des C) auf seiner (Bs) Pinnwand Kenntnis und unternimmt nichts weiter. A hat sich durch das Bildnisposting wegen §  33 I Var.  2 KUG strafbar gemacht. Hat neben A nun auch B die technische Möglichkeit, Posts von seiner Pinnwand zu löschen, könnte sich dieser durch das Nichtlöschen gem. §  33 I Var.  2 KUG i. V. m. §  13 I KUG strafbar gemacht haben. Dann müsste eine Garantenstellung des B hinsichtlich des Löschens von rechtswidrigen Inhalten auf seiner eigenen Pinnwand angenommen werden. Diese besteht nach den obigen Ausführungen für eigens geteilte Inhalte. Ferner könnte eine (Bewacher-)Garantenstellung für die eigene Pinnwand als Plattform für Inhalte diskutiert werden. Eine Herrschaftsmacht hierüber kann jedenfalls dann unproblema­ tisch angenommen werden, wenn auch Inhalte vom Pinnwandinhaber gelöscht werden kön­ nen. Problematisch erscheint hingegen die Annahme eines Vertrauenselements. Dieses muss 774 

775 

So auch Doerbeck, S.  306; Hambel, S.  155, 161; Hoeren/Sieber/Holznagel/Sieber, 19.1, Rn.  41. Vgl. Kap.  3, B., II., 2., a), hh).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

in Anknüpfung an die obigen Ausführungen konsequenterweise verneint werden. Denn wenn hiernach eine Person schon keine Garantenpflicht hinsichtlich ihres eigens (ihr zuordenbaren) gesetzten Kommunikationskanals (in Form eines Links oder sonstigen Verweises) zukommt, muss dies auch für das simple (rechtmäßige) Innehaben einer Profilpinnwand gelten, auf wel­ che andere posten können.776 Insoweit kommt also (jedenfalls im Bildnisrecht) weder eine Strafbarkeit wegen öffentli­ chem Zurschaustellen durch Unterlassen, noch eine Teilnehmerstrafbarkeit durch Unterlassen aufgrund der Förderung der Bildrechtsverletzung durch Nichtlöschung mangels Garantenstel­ lung in Betracht.

III. Kurze Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse zu den Tatvariaten Abschließend sollen die zu den Tatvarianten des §  33 KUG gewonnenen zentralen Erkenntnisse spiegelstrichartig zusammengefasst werden. Hinsichtlich des Verbreitens gem. §  33 I Var.  1 KUG gilt es Folgendes festzuhal­ ten: – Die Maßstäbe des Kernstrafrechts sind auf den strafrechtlichen Schutz des Rechts am eigenen Bild hinsichtlich der Körperlichkeit einer Verbreitung zu übertragen. Ein digitales Verbreiten ist damit möglich. – Maßgebliches Kriterium für ein Verbreiten im digitalen Raum ist der Verlust der vollständigen Kontrolle des Versenders über einen Bildnisinhalt. Dabei kann dieser vollständige Verlust von Kontrolle auf zwei verschiedene Arten eintreten: Entweder der Täter gibt die Kontrolle über den Bildnisinhalt selbst vollständig ab oder ihm wird vom Empfänger die Kontrolle über den Bildnisinhalt vollständig entzogen. – Eine Verbreitung muss sich grundsätzlich an eine (unbestimmte) Personenmehr­ heit richten. Einzelverbreitungen sind möglich, sie sind allerdings strengen Anfor­ derungen unterworfen. Hiernach muss der Verbreitende mindestens mit sicherem Wissen handeln, dass aus seiner Einzelverbreitung weitere unkontrollierte Veröf­ fentlichungen resultieren werden. Hinsichtlich des öffentlichen Zurschaustellens gem. §  33 I Var.  2 KUG wurde heraus­ gearbeitet: – Ein Bildnis stellt derjenige öffentlich zur Schau, dessen Handlung – die Sichtbar­ machung – auf eine unkontrollierte Wahrnehmung eines Bildnisses durch eine Personenmehrheit gerichtet ist. Als grober Richtwert hierfür wurde vorgeschla­ gen, dass der Täter einem Personenkreis von über zehn Personen die Kenntnisnah­ me eines Bildnisses (abstrakt) ermöglicht. 776  Ganz in diesem Sinne wird in der analogen Welt das Nichtabwaschen von beleidigenden Aufschriften auf einer Hauswand (durch Dritte) nicht als eigenständige Beleidigung durch den Ei­ gentümer gewertet, weil diesen keine Beseitigungspflicht nach §  13 StGB treffe; vgl. nur Schönke/ Schröder/Eisele/Schittenhelm, §  185 StGB, Rn.  12; U. Weber, in: FS Oehler 1985. S.  86 ff., 93; vgl. ferner Hilgendorf, ZIS 2010, S.  213 f., welcher allenfalls (ebenfalls im Zusammenhang mit Beleidi­ gungsdelikten im Internet) eine Garantenstellung der Zugangsprovider erwägt.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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– De lege lata müssen Handlungen wie das Liken, Teilen oder Kommentieren eines Bildnisbeitrags als eigenständige öffentliche Zurschaustellung qualifiziert werden, wenn sie zur Sichtbarmachung des gelikten, geteilten oder kommentierten Bild­ nisses für einen unbestimmten Personenkreis führen. Aus Wertungsgesichtspunk­ ten wurde eine einschränkende Auslegung unter den Oberbegriffen des bildnis­ rechtlichen Zueigenmachens und der visuellen Tatherschaft vorgeschlagen. – Das öffentliche Zurschaustellen ist durch Unterlassen im Sinne des §  13 I StGB begehbar. Anknüpfungspunkt für eine Garantenstellung ist inbesondere die Ein­ wirkung auf das verfassungsrechtliche Recht am eigenen Bild. Diese Einwirkung liegt spätestens in dem Zeitpunkt vor, in welcher jemand die Herrschaftsmacht die bildhafte Repräsentation einer Person ohne ihren Willen besitzt und keine Recht­ fertigungs- oder Entschuldigungsgründe diesbzezüglich (mehr) greifen.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG Nach §  22 S.  1 KUG darf ein Bildnis grundsätzlich nur mit Einwilligung der abgebil­ deten Person verbreitet oder öffentlich zurschaugestellt werden. Trotz dieses an sich klar formulierten Postulats, lässt sich hieraus selbst heute nach dessen über hundert­ zehnjährigen Bestehen lediglich der allgemeine Grundsatz ableiten, wonach eine vorherige Zustimmung des Abgebildeten eingeholt werden muss, bevor dessen Bild­ nis veröffentlicht wird.777 Dabei kommt es allein auf das Fehlen einer Einwilligung zum Handlungszeitpunkt und nicht etwa auf einen entgegenstehenden Willen des Abgebildeten an. Veröffentlicht A etwa ein Bild­ nis des B ohne dessen Einwilligung, welches dieser sogar im Nachgang ganz schön findet und die Veröffentlichung deshalb toleriert, so hat A gleichwohl ein Bildnis ohne Einwilligung des B veröffentlicht und somit grundsätzlich den Straftatbestand des §  33 I KUG verwirklicht.778

Die Einzelheiten um die bildnisrechtliche Einwilligung sind allerdings derart um­ stritten, dass weitere allgemeine Aussagen kaum hergeleitet werden können. Deshalb kann bereits an dieser Stelle festgestellt werden, dass es für die Annahme und die Reichweite einer Einwilligung heute maßgeblich auf die Betrachtung des Einzelfalls 777  Der Begriff der Einwilligung wird nicht näher definiert, sondern wird vom Gesetzgeber als bekannt vorausgesetzt. Im ersten Entwurf des BGB war in §  706 eine allgemeine Regelung der Einwilligung vorgesehen, diese wurde aber wieder gestrichen. Zum einen wurde eine allgemeine Regelung, welche die Verletzung in schlicht jedes Rechtsgut gestattete, als zu ausufernd empfun­ den. Zum anderen wurde die Einwilligung als „selbstverständlich“ und „selbstevident“ gehalten, sodass es nach Ansicht des Gesetzgebers einer gesetzlichen Regelung gar nicht bedürfe und von Rechtsprechung und Wissenschaft nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt werden könne; krit. Ohly, GRUR 2012, S.  984, welcher den heutigen uneinheitlichen Gebrauch des Begriffs der Einwil­ ligung den Vätern des BGB zum Vorwurf macht; ähnlich, wenngleich nicht so drastisch Kohte, AcP 185 (1985), S.  152; vgl. ferner Götting, S.  143; Klass, AfP 2005, S.  514. 778  Erbs/Kohlhaas/Kaiser. §  33 KUG, Rn.  19; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  11; Wanckel, Rn.  129; vgl. ferner Mitsch, Fallsammlung zum Medienstrafrecht, S.  1, 5.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ankommt. Dies rückt den strafrechtlichen Bildnisschutz de lege lata somit (um ein weiteres) im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot in ein fragwürdi­ ges Licht. Umso wichtiger erscheint es, der geltenden Regelung unter Berücksichti­ gung der Rechtsprechungstendenzen hinreichend klare Konturen zu verleihen. Da allerdings schon grundsätzlich umstritten ist, welche Rechtsnatur der bildnisrecht­ lichen Einwilligung zukommt und ob deren Vorliegen den Tatbestand ausschließen oder eine Rechtfertigung einreten soll, müssen für die angestrebte Konturierung grundlegende Erwägungen erfolgen. Es bietet sich daher an, vorab grundsätzliche Überlegungen zur rechtlichen Entfal­ tungsebene der bildnisrechtlichen Einwilligung in §  22 KUG anzustellen (I.). An­ schließend gilt es die Rechtsnatur (II.) und die hieraus resultierenden Anforderungen sowie die Reichweite der bildnisrechtlichen Einwilligung (III.) zu beleuchten. Ab­ schließend soll dann auf die hiermit verbundenen Besonderheiten für die strafrecht­ liche Einordnung eingegangen werden (IV.).

I. Die rechtliche Entfaltungsebene der bildnisrechtlichen Einwilligung Die überwiegende Literaturansicht begreift die Einwilligung in §  22 S.  1 KUG als negatives Tatbestandsmerkmal.779 Die Gegenansicht vertritt hingegen die Auffas­ sung, dass es sich bei dieser um einen (zivilrechtlichen) Rechtfertigungsgrund han­ dele.780 Die letztere Einordnung vermag allerdings kaum zu überzeugen. Denn so­ fern das Wortlautargument der überwiegenden Meinung hinsichtlich der ausdrückli­ chen Nennung der fehlenden Einwilligung im Tatbestand der Bildnisrechtsverletzung von den Gegnern der Tatbestandslösung noch mit vertretbarer Argumentation ange­ griffen werden kann781, so erschließt sich jedenfalls nicht die maßgebliche Begrün­ dung der Rechtfertigungslösung im Hinblick auf das geschützt Rechtsgut. Hiernach sei wesentlicher Gesichtspunkt des Bildnisrechts nicht etwa die freie Willensent­ scheidung des Abgebildeten hinsichtlich seiner bildhaften Repräsentation, sondern die „eigene Regie der bildlichen Selbstdarstellung“. Diese sei zwar „mit dem perso­ 779  Doerbeck, S.  191; Eisele, §  37, Rn.  31; Götting, S.  146; Heidenreich, AfP 1971, S.  68; H ­ eiland, S.  72; Helle, AfP 1985, S.  96; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  13; Graf/Jäger/Wittig/Niesler, §  33 KUG, Rn.  10; Ohly, GRUR 2012, S.  984; Prinz/Peters, Rn.  832; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  11; Reinhardt, JZ 1959, S.  43; MüKo BGB/Rixecker, §  12 BGB Anh., Rn.  71; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  16; vgl. auch Hubmann, S.  170 ff. 780  Dasch, S.  35, 37; Ramelow, S.  157; Schenke, S.  203; Wasserburg, S.  164 ff.; Helle, AfP 1985, S.  94, erörtert zusätzlich noch die Einordnung der Einwilligung als Gestattungsvertrag. Diese An­ sicht ist von vornherein abzulehnen, da sie die Möglichkeit einer einseitigen Einwilligung im Bild­ nisrecht durch die Forderung eines zweiseitigen Vertrages i. S. e. pactum de non petendo ausschließt. Dies erscheint insbesondere angesichts moderner Darstellungsformen nicht sachgemäß; a. A. Stau­ dinger/Joh. Hager, §  823 BGB, Rn.  C 176. 781  OLG Hamburg, AfP 1981, S.  357; Dasch, S.  32 f.; Ramelow, S.  157, wonach die Einwilligung in §  22 KUG nur deshalb aufgeführt sei, um ihre Bedeutung für eine erlaubte Bildnisveröffentli­ chung hervorzuheben, ähnlich wie auch bei §  823 I BGB, welcher lediglich auf besondere Rechtfer­ tigungsgründe hinweisen solle; wohl auch BGH, NJW 1974, S.  1949 – „Nacktaufnahmen“.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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nalen Willen sehr stark verwoben“, wesentlich sei jedoch, dass Dritte einen Bereich „usurpieren“, welcher zunächst dem Einzelnen vorbehalten und nicht auf dessen „reinen Willen“, sondern aus einem dahinterstehendem definier- und abgrenzbaren Ausschnitt von dessen Persönlichkeit bestünde.782 Die Einwilligung beseitige dann nur die Widerrechtlichkeit, nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit einer Bildnisver­ öffentlichung. Bei dieser Konstruktion handelt es sich aber um eine Abstrahierung eines „Regier­ echts“ unter der Behauptung, dass dieses losgelöst vom Willen des Betroffenen be­ trachtet werden könne. Dabei überzeugt schon nach allgemeinem Begriffsverständnis die angedachte Trennung von (Eigen-)Regie und Selbstbestimmung des Abgebildeten nicht. Ebenfalls hat bereits die Verortung des Rechts am eigenen Bild innerhalb der Gesamtrechtsordnung gezeigt, dass dieses zwischen der Garantie eines Raums zur Persönlichkeitsentfaltung und der Garantie der Selbstbestimmung zu verorten ist.783 Die hermeneutische Abtrennung eines – wie auch immer vom Willen lösgelösten – (Bildnis-)Regierechts des Abgebildeten von dem Gedanken der Selbstbestimmung würde also insoweit nur die Raumkomponente auf Tatbestandsebene berücksichti­ gen.784 Allerdings gilt auch im Deliktsrecht, wie im Strafrecht auch, die bekannte und dort ausgeformte Unterscheidung von Tatbestand und Rechtswidrigkeit: Der Tatbe­ stand setzt Grund und Grenzen der Haftung unter Typisierung des Unrechts.785 Zuzu­ geben ist dabei, dass im Bildnisrecht nicht der ausdrücklich entgegenstehende Wille des Opfers die negative Bewertung einer Bildnisveröffentlichung als Unrecht erlaubt und insoweit eine Form eines vorgelagerten oder formalisierten Schutzes786 besteht. Ein Trugschluss wäre es allerdings, deshalb die Einwilligung als die Ausnahme zum Regelgrund zu begreifen. Denn das Recht am eigenen Bild setzt – unabhängig von der konkreten Willensrichtung des Abgebildeten und insoweit schon eine Stufe vorher – stets an der Entscheidungsfreiheit des Abgebildeten an. Eine Bildnisrechtsverletzung ist somit grundsätzlich nicht möglich, ohne in die Entscheidungsfreiheit des Abgebil­ deten einzugreifen. Insgesamt erscheint nach der hier vertretenen Ansicht also das Tatbestandsmodell vorzugswürdig, da es insbesondere auf der Linie der bereits darge­ stellten Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild787 liegt. 782  Dasch, S.  33, beschreibt diesen Ausschnitt als „das Interesse des Abgebildeten an seiner un­ gestörten bildlichen Selbstdarstellung“; vgl. auch Schenke, S.  198 ff. 783  Kap.  2., B., II., 3.; hierzu ferner Ohly, GRUR 2012, S.  992; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  125; Wanckel, Rn.  192. 784  Vgl. hierzu Kap.  2, B., II., 3., a). Dass das Recht am eigenen Bild wie gezeigt aus der Schnitt­ menge mehrerer Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erwächst, wird von den Stimmen der Rechtfertigungslösung schlicht übergangen; vgl. nur Schenke, S.  198 ff., welcher sein Ergebnis unter der Prämisse herleitet, das Recht am eigenen Bild müsse passgenau einer bestimm­ ten Persönlichkeitsrechtsprägung zugordnet werden können. 785  Helle, AfP 1985, S.  95; vgl. auch Ludyga, MMR 2017, S.  160; Ohly, S.  126 ff.; vgl. ferner Kühl, AT, §  9, Rn.  20, wonach die Einwilligung (ihrerseits) im Selbstbestimmungsrecht gem. Art.  2 I GG ihr verfassungsrechtliches Fundament finde. 786  Bächli, S.  14; v. Bergen, S.  93; Götting, S.  24; Helle, S.  47; Lindner, S.  61. 787  Hierzu bereits Kap.  1, C., II.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Auch im strafrechtlichen Kontext des §  33 I KUG bietet es sich deshalb an, nicht missverständlich von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis oder gar von einer „tatbestandsausschließenden Einwilligung“, sondern von einem normier­ ten negativen Tatbestandsmerkmal einer bildnisrechtlichen Einwilligung zu spre­ chen. Damit scheint die bildnisrechtliche Einwilligung zwar nahe am tatbestands­ ausschließenden Einverständnis angesiedelt zu sein, allerdings gilt es aufgrund der Zivilrechtsakzessorietät die besonderen Voraussetzungen für das Vorliegen der bild­ nisrechtlichen Einwilligung in §  22 S.  1 KUG auch im Strafrecht zu beachten. In diesem Zusammenhang bleibt darauf hinzuweisen, dass es nach dieser Regelungs­ technik gleichwohl klassische Fälle gibt, in denen zusätzlich Raum für eine Recht­ fertigung infolge einer (rechtfertigenden) Einwilligung verbleibt.788

II. Zur Rechtsnatur der bildnisrechtlichen Einwilligung Äußerst umstritten ist die grundsätzliche Rechtsnatur einer Einwilligung unabhän­ gig vom bildnisrechtlichen Kontext.789 Eine nähere Definition des Einwilligungs­ begriffs fand bis heute nicht statt, sondern wird vom Gesetzgeber als bekannt voraus­ gesetzt. Im ersten Entwurf des BGB war zwar in §  706 eine allgemeine Regelung der Einwilligung vorgesehen, welche diese als Willenserklärung qualifizierte und somit Geschäftsfähigkeit voraussetzte.790 Diese wurde aber nie Gesetz. Auf dem Gebiet des Strafrechts war hingegen bereits vor dem Inkrafttreten des BGB schon entschie­ den worden, dass eine Einwilligung des Verletzten die Strafbarkeit (jedenfalls bei beleidigenden Handlungen oder Körperverletzungen) des Handelnden ganz nach dem Grundsatz volenti non fit iniuria791 auch dann ausschließen konnte, wenn dieser noch nicht voll geschäftsfähig war, solange er die Bedeutung seiner Einwilligung beurteilen konnte.792 Auch nach Inkrafttreten des BGB änderte sich hieran grund­ sätzlich nichts, sodass auch infolge der sieben Jahre später folgenden Genese des Rechts am eigenen Bild793 – jedenfalls aus strafrechtlicher Perspektive – keine be­ sonderen Anforderungen an eine (strafrechtliche) Einwilligung im Sinne der §  104 ff. BGB zu stellen waren.794 Hingegen wurde die Einwilligung im Zivilrecht zunächst 788  Zum Nebeneinander von tatbestandsausschließender bildnisrechtlichen Einwilligung und der rechtfertigenden Einwilligung vgl. Kap.  3, C., IV. 789  Bartnik, S.  83; Dasch, S.  38 ff.; Götting, S.  147 ff.; Helle, S.  101 ff.; ders., AfP 1985, S.  97; ­Hohenstein, S.  87; Kohte, AcP 185 (1985), S.  112 ff.; Ludyga, MMR 2017, S.  159 f.; Ohly, S.  178 ff., 259 f.; Piltz, S.  208 ff.; von Zimmermann, S.  8 ff. 790  Motive II, S.  730, 799; hierzu auch Kohte, AcP 185 (1985), S.  109; Pawlowski, in: FS Hagen 1999, S.  6, Fn.  2, m. w. N. 791  Lat. „dem, der es so haben will, geschieht kein Unrecht“; vgl. B. Heinrich, AT, Rn.  453; ­Jescheck/Weigend, S.  376 ff.; Kühl, AT, §  9, Rn.  20; Roxin/Greco, AT I, §  13, Rn.  1. 792  Vgl. nur die Entscheidung RGSt 29, 398 (399 f.) aus dem Jahr 1897, worin das RG bei einem Einverständnis einer 15-Jährigen von einer „auf dem Gebiete des Strafrechts beachtbare[n] Willens­ erklärung“ spricht; vgl. auch Pawlowski, in: FS Hagen 1999, S.  8. 793  Hierzu bereits Kap.  1, B., V. 794  Im Jahre 1908 erging eine Grundsatzentscheidung des 3. Strafsenats, welche ausdrücklich

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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stark im Lichte der Motive des BGB besehen und somit zunächst als Willenserklä­ rung im Sinne der §  104 ff. BGB begriffen795, ehe infolge eines Grundsatzurteils des 6. Zivilsenats im Jahre 1958 zur Einwilligung eines Minderjährigen in einen ärzt­ lichen Heileingriff796 die endgültige Loslösung der Einwilligung von den Regeln der Willenserklärung ausgerufen wurde.797 Nachdem sich allerdings infolge dieser Ent­ scheidung die „kompakt erscheinende“798 herrschende Ansicht799 um die Einord­ nung der Einwilligung als rechtsgeschäftsähnliche Handlung bildete, ordnete der Bundesgerichtshof im Jahr 1980 die Einwilligung – wieder im Zusammenhang mit dem ärztlichen Heileingriff – als Realakt ein.800 Die eben skizzierte Bandbreite zur rechtlichen Einordnung der Einwilligung im Zivilrecht findet sich auch im Zusammenhang mit der bildnisrechtlichen Einwilligung in §  22 S.  1 KUG wieder. Unklar ist somit, ob die bildnisrechtliche Einwilligung im Sinne des §  22 S.  1 KUG eine rechtsgeschäftliche Erklärung im Sinne des BGB801, erklärte, dass die Einwilligung in die Ehrenkränkung nicht nach den Regeln der Geschäftsfähigkeit des neu geschaffenen BGB zu beurteilen sei; vgl. RGSt 41, 88 (90); später übertrug der BGH diese Wertungen im Jahre 1953 auf die Einwilligung in eine Körperverletzung; vgl. BGHSt 4, 88 (90) – „Sittenwidrigkeit einer mit Einwilligung vorgenommenen Körperverletzung“; vgl. hierzu insge­ samt K. Amelung, ZStW 104 (1992), S.  535 ff. 795  RGZ 141, S.  262 (265); vgl. auch noch BGHZ 2, 159 (162) – „Haftungsverzicht“; BGHZ 7, 198 (207) – „Ursächlichkeit einer Unterlassung“; vgl. ferner Dasch, S.  38; Pawlowski, in: FS Hagen 1999, S.  10, Fn.  21 m. w. N. 796  BGHZ 29, 33 (36) – „Einwilligung des Minderjährigen in Operation“, wonach es sich bei einer Einwilligung in die körperliche Integrität „nicht um eine rechtsgeschäftliche Willenserklä­ rung, sondern um eine Gestattung oder Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen“ handele, welche in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen. 797  K. Amelung, ZStW 104 (1992), S.  536; Kohte, AcP 185 (1985), S.  105 f.; Pawlowski, in FS Hagen 1999, S.  12 ff. 798  Kohte, AcP 185 (1985), S.  106. 799  Palandt/Heinrichs (44.  Aufl.), Überb v 104 BGB, Anm.  2c; Soergel/Hefermehl (11.  Aufl.), §  107 BGB, Rn.  14; Staudinger/Dilcher (12.  Aufl.), Einl zu §§  104–185 BGB, Rn.  18, 22; Helle, AfP 1985, S.  95, Fn.  34, m. w. N. 800  BGH, NJW 1980, S.  1904 – „Form des Widerrufs einer Einwilligung des Patienten“; vgl. auch BAG, MMR 2015, S.  545; zuvor fanden sich bereits Tendenzen in diese Richtung bei BGHZ 38, 49 (54) – „Psychiatrisches Landeskrankenhaus (Baden)“; BGH, NJW 1964, S.  1177 – „Durch Irrtum beeinflußte Einwilligung in Freiheitsentziehung“; vgl. ferner BGHZ 105, 45 (47 f.) – „Elter­ liche Einwilligung in Heileingriff“, wonach die Einwilligung zwar kein Rechtsgeschäft, sondern vielmehr die „Ermächtigung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen“ darstelle, welche aber im Grundsatz ebenfalls nur von beiden Elternteilen zusammen erklärt werden könne. 801  So die wohl heute ganz überwiegende Meinung: OLG München, AfP 1982, S.  232; OLG München AfP 1989, S.  570 f.; OLG Hamburg AfP 1995, S.  509; LG Düsseldorf ZUM-RD 2011, S.  249; LG Köln, Urt. v. 14.08.2013, Az. 28 O 62/13 = BeckRS 2013, 19714; aus der Lit.: Bartnik, S.  84; von Collenberg, S.  27; Doerbeck, S.  191; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  13; Eisenbarth, S.  31; Fritzsche/Knapp, FamRZ 2019, S.  1907; Frömming/Peters, NJW 1996, S.  958 f.; Heiland, S.  73; Helle, S.  103; ders., AfP 1985, S.  97; ders., JZ 2007, S.  446; Hirsch, S.  27; Hohenstein, S.  88; Libertus, ZUM 2007, S.  621; Ludyga, MMR 2017, S.  159; ders., AfP 2017, S.  197; Mesic, S, 43; Neuner, JuS 2021, S.  617; Ohrmann, S.  55; Osiander, S.  27; Prinz/Peters, Rn.  832; Leitner/Rosenau/ Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  11; Ricker/Weberling, Kap.  43, Rn.  6; von Scanzoni, S.  28; Götting/ Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  34; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  24; Schulz/Jürgens, JuS 1999,

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

eine geschäftsähnliche Handlung802 oder einen Realakt803 darstellt.804 Nicht selten findet sich deshalb sowohl in Literatur805 und Rechtsprechung806 zum Bildnisrecht der versöhnliche Hinweis, dass eine Entscheidung über die Rechtsnatur der (bildnis­ rechtlichen) Einwilligung ohnehin entbehrlich sei, da in jedem Fall eine entsprechen­ de Anwendung der rechtsgeschäftlichen Vorschriften stattfinden müsse. Dies ver­ wundert zumindest mit Blick auf die Einordnung der bildnisrechtlichen Einwilli­ gung als Realakt, da auf Realakte grundsätzlich gerade keine – direkte oder analoge  – Anwendung der rechtsgeschäftlichen Vorschriften stattfinden soll.807 Er­ schwerend wird die Sicht auf die Rechtsnatur einer (bildnisrechtlichen) Einwilligung dadurch getrübt, dass der Bundesgerichtshof – allerdings im urheberrechtlichen Kontext – bei der Veröffentlichung von Vorschaubildern durch Suchmaschinen nun­ mehr die Figur der sog. „schlichten Einwilligung“ wiederbelebt hat808, für deren An­ nahme jedenfalls kein Rechtsfolgewillen im Sinne der Einräumung eines schuld­ rechtlichen Anspruchs (auf Veröffentlichung) gegenüber dem Erklärungsempfänger S.  666; E. Schuster, S.  27; Soehring/Hoene, §  19, Rn.  45; Vetter, AfP 2017, S.  130; Wanckel, Rn.  129; vgl. auch Dasch, S.  37, m. w. N. 802  Vgl. BGH, NJW 1974, S.  1949 f. – „Nacktaufnahmen“; Heidenreich, AfP 1970, S.  962 f.; Kaulbach, AfP 1971, S.  67; vgl. OLG München, ZUM 2001, S.  709: „Die Einwilligung ist rechtsge­ schäftliche Willenserklärung, mindestens rechtsgeschäftsähnliche Handlung“. Auch die beiden (im urheberrechtlichen Kontext ergangenen) Vorschaubilder-Entscheidungen des BGH, in welchen die­ ser eine sog. „schlichte Einwilligung“ angenommen hat, erinnern an die Einordnung als rechts­ geschäftsähnliche Handlung, da deren Rechtswirkung unabhängig vom Willen des Erklärenden eintritt; vgl. BGHZ 185, 291 (304 ff.) – „Vorschaubilder I“; BGH, NJW 2012, S.  1887 – „Vorschaubil­ der II“. 803 Vgl. Bächli, S.  49 f.; Ernst, AfP 2015, S.  402; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  124; vgl. ferner BAG, MMR 2015, S.  545, Rn.  22. 804  In BGH, NJW 2005, S.  57 – „Charlotte Cashiraghi II“, tendiert der BGH offenbar bei der bildnisrechtlichen Einwilligung (wieder) zur Annahme einer geschäftsähnlichen Erklärung, da er bei minderjährigen Abgebildeten zusätzlich zu deren Einwilligung auch die Einwilligung des ge­ setzlichen Vertreters verlangt und dies mit der fehlenden Geschäftsfähigkeit begründet. 805  Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  29; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  29; K ­ orte, §  2, Rn.  13; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  124; vgl. ferner Höning, S.  137, welche davon ausgeht, dass die praktischen Konsequenzen, die aus der Einordnung der Rechtsnatur resultieren, irrelevant sei­ en. Bedenken bereitet diese Feststellung freilich mit Blick auf das Strafrecht, sei es bei der Erteilung einer Einwilligung durch einen nicht (voll) Geschäftsfähigen, einem Widerruf oder etwa bei der irrtümlichen Annahme einer Einwilligung des Abgebildeten durch den Veröffentlichenden; vgl. hierzu sogleich Kap.  3, C., II., 1., und 2.; in diesem Sinne wohl auch Ludyga, MMR 2017, S.  159. 806  BAG, MMR 2015, S.  545, Rn.  22. Eine ausdrückliche Einordnung der bildnisrechtlichen Ein­ willigung in §  22 S.  1 KUG als Realakt durch die höchstrichterliche Rechtsprechung fand bislang noch nicht statt. 807  Vgl. nur P/W/W/M. Ahrens, Vor §§  116 ff. BGB, Rn.  5; BeckOGK BGB/Duden, §  107 BGB, Rn.  14; Staudinger/Klumpp, Vor 104 ff. BGB, Rn.  109; Leenen, BGB AT, §  4, Rn.  7; Ludyga, MMR 2017, S.  159; MüKo BGB/Schäfer, §  853 BGB, Rn.  48; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  666; vermutlich rät Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  124, deshalb zur „vorsichtigen“ Anwendung der rechtsgeschäft­ lichen Regeln auf den Bildnisschutz. 808  Bei der „schlichten Einwilligung“ handelt es sich um ein urheberrechtliches Instrument zur Konstruktion einer Einwilligung in eine Werknutzung anhand der Ermittlung des objektiven Erklä­ rungswerts einer Handlung, welches bis Mitte der 90er Jahre (vor dem Aufkommen des Internets) ein Schattendasein führte; vgl. von Ungern Sternberg, GRUR 2009, S.  369 f.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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zum Ausdruck gebracht werden müsse.809 Lässt man in diesem Sinne auch eine „schlichte bildnisrechtliche Einwilligung“ für §  22 S.  1 KUG genügen810, so besteht jedenfalls die Gefahr, dass unter dem Deckmantel des objektiven Erklärungswerts aus allen möglichen (Vor-)Verhaltensweisen des Abgebildeten eine schlichte oder konkludente Einwilligung in dessen spätere Bildnisveröffentlichung konstruiert wer­ den kann. Dies hätte zwar den Vorteil, dass bereits de lege lata über die Einwilligung in §  22 S.  1 KUG ein Einfallstor für selbstöffnendes Vorverhalten des Abgebildeten bestünde,811 gleichwohl brächte dies ein Maß an Unsicherheit mit sich, was ange­ sichts der Strafbewehrung über §  33 KUG mit Blick auf den strafrechtlichen Be­ stimmtheitsgrundsatz von Verfassungsrang bedenklich erscheint. Die Problematik verdeutlicht sich insbesondere, wenn man die Argumentation der „Vorschau­ bilder II“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs im bildnisrechtlichen Kontext beleuchtet und hierzu einen abgewandelten Fall zugrunde legt: A ist Aktmodell und lässt von einem Fotografen hochwertige und kunstvolle Akt- und Des­ sousaufnahmen anfertigen. A erlaubt nun ausgewählten Mode- und Lifestylemagazinen, diese Aufnahmen im Zusammenhang mit modernen Mode- und Kunstberichten auf deren Internet­ auftritten zu veröffentlichen. Dabei ist A auch damit einverstanden, dass die Veröffentlichun­ gen technisch so stattfinden, dass Suchmaschinen (automatisch) auf die Bilder zugreifen kön­ nen und auf die (hochwertigen) Artikel im Wege der Bildervorschau verlinken. B kann A nicht leiden und lädt deshalb die veröffentlichten Bilder herunter und postet sie erneut losgelöst vom Zusammenhang der ursprünglichen Veröffentlichungen auf einer Pornoseite. Eine Bildersuch­ maschine greift nun automatisch (auch) auf diese Pornoseite zu und verlinkt hierauf im Wege der Bildervorschau, sodass Nutzer, welche eine Suchanfrage in der Suchmaschine zur Person von A stellen, zunächst auf die Pornoseite geleitet werden.

809  BGHZ 185, 291 (304 ff.) – „Vorschaubilder I“; BGH, NJW 2012, S.  1887 – „Vorschaubilder II“; vgl. zudem OLG Köln, ZUM 2010, S.  707; LG Hamburg, ZUM-RD 2010, S.  625; LG Köln ZUM-RD 2011, 626; hierzu ferner HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  17; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  44; Ohly, AfP 2011, S.  423; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  18. 810  Ablehnend Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  4 4; wohl auch Erbs/Kohlhaas/ Kaiser, §  33 KUG, Rn.  28, da dieser bei einer schlichten Einwilligung in §  33 KUG keinen Fall der (tatbestandsausschließenden) bildnisrechtlichen Einwilligung i. S. d. §  22 S.  1 KUG, sondern eine Einwilligung auf Rechtfertigungsebene annimmt; vgl. auch Klass, AfP 2005, S.  511; von Ungern-­ Sternberg, GRUR 2009, S.  371, welcher unabhängig vom persönlichkeitsrechtlichen Einschlag des Rechts am eigenen Bild grundsätzlich bei Veröffentlichungen im Internet klare Konturen für den objektiven Empfängerkreis fordert, was bei der Annahme einer schlichten Einwilligung nicht der Fall ist; bejahend hingegen: OLG Köln, ZUM 2010, S.  707, wonach die Einstellung eines Bildnisses auf ein soziales Netzwerk im Internet eine (schlichte) Einwilligung darstelle, wenn von der einge­ räumten Möglichkeit der Sperre gegenüber Suchmaschinen kein Gebrauch gemacht wird und die AGB ausdrücklich vorsehen, dass der Nutzer gerade mit der Veröffentlichung von Inhalten in ande­ ren Medien einverstanden ist; LG Hamburg, ZUM-RD 2010, S.  625, wonach eine bildnisrechtliche Einwilligung durch das Einstellen von Abbildungen auf eine Website (des Arbeitgebers) vorliegt, die ausdrücklich für Suchmaschinen optimiert ist; bestätigt durch OLG Hamburg, ZUM-RD 2013, S.  608; ferner LG Köln, ZUM-RD 2011, S.  627; Ludyga, AfP 2017, S.  198, Fn.  41; Dreier/Schulze/ Specht, §  22 KUG, Rn.  18; BeckOGK BGB/dies., §  823 BGB, Rn.  1241. 811  Ein solches Einfallstor besteht jedenfalls de lege lata nur ausdrücklich im Rahmen des §  23 II KUG; vgl. hierzu Kap.  3, D., IV.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Wird sich A nun unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht (am eigenen Bild) insbeson­ dere gegen die Bildervorschau der Suchmaschine wenden, stünde bei einer strengen Übertra­ gung der höchstrichterlichen Argumentation eine „schlichte Einwilligung“ durch die Ertei­ lung der ursprünglichen (Lifestyle- und Mode-)Veröffentlichungen der Bildnisse im Raum. Hiernach sei allgemein bekannt, dass Suchmaschinen, die das Internet in einem automatisier­ ten Verfahren unter Einsatz von Computerprogrammen nach Bildern durchsuchen, nicht da­ nach unterscheiden können, ob ein aufgefundenes Bild von einem Berechtigten oder einem Nichtberechtigten ins Internet eingestellt worden sind. Deshalb könne „der Betreiber eines Suchmaschine die [schlichte] Einwilligung in die Wiedergabe von Abbildungen eines Werks oder Lichtbilds als Vorschaubild nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt nur dahin verstehen, dass sie sich auch auf die Wiedergabe von Abbildungen des Werks oder der Fotografie er­ streckt, die nicht vom Berechtigten oder mit seiner Zustimmung von einem Dritten ins Inter­ net eingestellt worden sind“812. Insbesondere verhalte sich der Berechtigte widersprüchlich, „wenn er von dem Betreiber einer Suchmaschine verlange, nur Vorschaubilder solcher Abbil­ dungen des Bilds anzuzeigen, die vom Berechtigten oder mit seiner Zustimmung von Dritten ins Internet eingestellt worden sind“, wenn er zuvor im Wege der originären Bildveröffent­ lichungen auf den Zugriff durch Suchmaschinen zugestimmt habe.813 Offenkundig ging es in der Originalentscheidung darum, einen Weg zur Privilegierung von  – grundsätzlich wünschenswerten – automatisierten Mechanismen im Internet, wie ihn Bildsuchmaschinen anbieten, im wertenden Ausgleich mit dem urheberrechtlichen Werk­ schutz zu etablieren. Gleichwohl bietet der skizzierte Fall Anlass zur Zurückhaltung, wenn es um die Übertragung dieser privilegierenden Mechanismen auf das Persönlichkeitsrecht (am eigenen Bild) betreffende Konstellationen geht. Denn für die Annahme einer „schlichten Ein­ willigung“ müsste auf ein Verhalten des Abgebildeten rekurriert werden, welches sozial­typisch als eine bestimmte Erklärung verstanden wird, sodass sich dieser nicht mehr auf einen entge­ genstehenden inneren Willen berufen könnte. Dabei soll die normierende Kraft der Verkehrs­ sitte sogar so stark sein können, dass selbst eine ausdrückliche gegenteilige Erklärung unbe­ achtlich ist, wenn sie mit dem tatsächlichen sozialtypischen Verhalten in Widerspruch steht.814 Offensichtlich geht aber das Bildnisrecht nicht davon aus, dass der Abgebildete mit dem öffent­ lichen Upload seines Bildnisses pauschal in jede weitere Veröffentlichung der identischen Ab­ bildung schlicht einwilligt und insoweit das konkrete Bildnis in jedem weiteren Kontext vogel­ frei wird. Ansonsten müsste auch die Veröffentlichung des B wegen einer (schlichte) Einwil­ ligung (durch Zusage zum ursprünglichen Upload) erlaubt sein. Selbst bei unstreitig einwilligungslosen Bildnisveröffentlichungen soll es aber etwa bei der Ermittlung der Zeitge­ schichtlichkeit im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG maßgeblich auch auf den Kontext der infrage stehenden Veröffentlichung ankommen.815 Insgesamt sind somit hinsichtlich einer Übertrag­ barkeit der Grundsätze zur „schlichten Einwilligung“ Zweifel anzumelden.816 Gleich­wohl 812 

BGH, NJW 2012, S.  1888, Rn.  28 – „Vorschaubilder II“. BGH, NJW 2012, S.  1888, Rn.  28 – „Vorschaubilder II“. 814  In diesem Zusammenhang wird regelmäßig der allgemeine Grundsatz protestatio facto contraria non valet genannt (lat. eine in Widerspruch zum Handeln stehende Verwahrung gilt nicht); von Ungern-Sternberg, GRUR 2009, S.  370. 815  Hierzu Kap.  3, D., II., 3., m); dies gilt auch bei den übrigen Ausnahmeregeln des §  23 I KUG aufgrund der Rückausnahme des berechtigten Interesses in §  23 II KUG, wonach sich die Verlet­ zung des berechtigten Interesses auch aus dem Kontext der konkreten Darstellung ergeben kann. 816  Diese Zweifel werden ebenfalls durch die grundsätzliche Kritik an der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur schlichten Einwilligung selbst im urheberrechtlichen Kontext gestützt; vgl. hierzu Fahl, K&R 2012, S.  420; Ohly, GRUR 2012, S.  988 f.; Spindler, MMR 2012, S.  386 f.; Thum, GRUR-Prax 2012, S.  215, bemängelt eine „Quasi-Fair-Use-Regelung“. 813 

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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muss aber gesehen werden, dass das Vorverhalten des Abgebildeten fernab der Interpretation als (schlichte) Einwilligung de lege lata nur im Rahmen von §  23 I, II KUG berücksichtigt werden kann. Insofern erscheint es zumindest nachvollziehbar, dass bei der Auslegung einer bildnisrechtlichen Einwilligung das Heranziehen von Vorverhaltensweisen des Abgebildeten verlockend erscheint; gleichwohl wird hierfür regelmäßig kein Platz sein, wenn ein offensicht­ licher entgegenstehender Wille des Abgebildeten kundgetan wird und auch kein Spielraum für eine generelle sozialtypische Interpretation einer Handlung als Einwilligung besteht. Dies wird gerade dann gelten, wenn man in der bildnisrechtlichen Einwilligung (mit der überwie­ genden Ansicht) eine Willenserklärung erkennt. Eine Anreicherung der Einwilligung um den Aspekt der Selbstöffnung erscheint insoweit mit Blick auf die geltende Gesetzeslage verständ­ lich, gleichwohl handelt es sich hierbei tatsächlich um eine Frage des v­ enire contra factum proprium, für die de lege lata kein Raum (in Form eines wertungsoffenen Tatbestandmerk­ mals) besteht; diese Wertungen müssen deswegen de lege ferenda817 Berücksichtigung finden.

Aufgrund der dargestellten Gemengelage hinsichtlich der Bestimmung der Rechts­ natur der bildnisrechtlichen Einwilligung in §  22 S.  1 KUG resultiert eine erhebliche (Rechts-)Unsicherheit, welche dazu führt, dass streitige Sachverhalte je nach Einzel­ fall ergebnisorientiert begründet werden.818 In der Praxis geht es dabei vorrangig um die beiden Problemkreise der Einwilligung von nicht voll Geschäftsfähigen (1.) und der Bindungswirkung bzw. der Widerrufbarkeit einer wirksam erteilten Einwilli­ gung in eine Bildnisveröffentlichung (2.). 1. Die bildnisrechtliche Einwilligung nicht Geschäftsfähiger Einigkeit besteht dahingehend, dass Geschäftsunfähige im Sinne des §  104 BGB nicht wirksam in eine Bildnisveröffentlichung einwilligen können und somit stets der vorherigen Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter brauchen.819 Dabei wird es sich in aller Regel um beide Elternteile nach §§  1626, 1629 BGB oder eines ge­ setzlichen Vormunds im Sinne des §  1793 BGB handeln. Leben etwa die Eltern A und B von dem sechsjährigen C in Trennung und möchte der neue Lebensgefährte D eines Elternteils (A) nun ein Bildnis von C veröffentlichen, bedarf es hierfür neben der vorherigen Zustimmung von A nach wie vor auch der Zustimmung von B, selbst wenn auch C mit der Veröffentlichung einverstanden ist.820 817 

Hierzu Kap.  4, A., sowie B., III. So bereits Dasch, S.  38; vgl. hierzu nur die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur Einwilligung bei Fotografien minderjähriger Besuchergruppen im Bundestag, Az. WD 10 – 3000 – 038/18 v. 19.09.2018, S.  4 f., wonach die Einwilligung zwar nach herrschender Meinung eine rechtsgeschäftliche Erklärung darstelle, was „zunächst jedenfalls für den vermögensrechtlichen Teil des Bildes gelte“, während im Hinblick auf die persönlichkeitsrecht­ liche Komponente eine Doppelzuständigkeit von dem minderjährigen Abgebildeten und seinen Eltern gelte, wobei dann aber auf die (vereinzelte) Rechtsprechung hingewiesen wird, welche dem Minderjährigen die alleineige Entscheidungsgewalt zuspricht. 819  Beater, JZ 2013, S.  117; Nicolini/Möhring/Engels, §  22 KUG, Rn.  41; Schricker/Loewen­ heim/Götting, §  22 KUG, Rn.  42; Klass, AfP 2005, S.  517; dies gilt auch selbst für diejenigen Stim­ men, welche die bildnisrechtliche Einwilligung als Realakt qualifizieren; vgl. Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  124. 820  Will ein sorgeberechtigter Elternteil gegen die Veröffentlichung von Bildnissen durch den 818 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Ebenfalls sind damit solche Zustimmungen in Bildnisveröffentlichungen, welche in einem die Willensentschließungsfreiheit und Willensbetätigungsfreiheit ausschließenden Zustand gemacht werden, keine Einwilligungen im Sinne des §  22 S.  1 KUG.821 Veröffentlicht etwa A Bildnisse bei einem Saufgelage und beseitigt er diese nicht am nächsten Tag, wenn er von den nunmehr nüchternen Abgebildeten (welche keine wirksame Einwilligung in ihrem volltrunke­ nen Zustand abgegeben haben) hierzu aufgefordert wird, kommt eine Strafbarkeit wegen Un­ terlassens in Betracht.822

a) Die bildnisrechtliche Einwilligung einsichtsfähiger Minderjähriger Problematisch erscheinen hingegen Fallkonstellationen, in denen Minderjährige die Tragweite ihrer Erklärung nachvollziehen können und insoweit zwar nur beschränkt geschäftsfähig, aber voll einsichtsfähig sind. Veröffentlicht ein Fotograf etwa ein Bildnis der 17-jährigen A oben ohne, stellt sich die Frage nach einer bildnisrechtlichen Einwilligung, wenn (einzig) A der Veröffentlichung zugestimmt hat.823

Wendet man mit einer Ansicht streng die rechtsgeschäftlichen Regeln für Willenser­ klärungen an, so kann ein Minderjähriger bis zum Eintritt der Volljährigkeit nicht in die Veröffentlichung seines Bildnisses ohne die Zustimmung seiner gesetzlichen anderen Sorgeberechtigten vorgehen, verlangen die §§  1629 II 1, 1795, 181 BGB die Bestellung ei­ nes Ergänzungspflegers zur Durchsetzung der dem Kind zustehenden Rechte; so OLG Karlsruhe, NZFam 2016, S.  906. Steht das Sorgerecht hingegen nur einem Elternteil zu, kann dieser gegenüber dem anderen (nicht sorgeberechtigten) Elternteil die Rechte des Kindes allein geltend machen; so AG Menden, NJW 2010, S.  1614; vgl. hierzu eindrucksvoll OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021  – 1 UF 74/21 = BeckRS 2021, 22062, welches die Entscheidung der Vorinstanz billigte, das Sorge­ recht für die außergerichtliche und gerichtliche Auseinandersetzung mit der Lebensgefährtin we­ gen der unerlaubten Veröffentlichung und gewerblichen Verbreitung von Bildern der Kinder im Internet und in den sozialen Netzwerken zu übertragen und zur Begründung auf §§  1628 BGB und 22 KUG verwiesen. Die neue Lebensgefährtin des Kindesvaters hatte (ohne vorherige Zustimmung der Mutter) auf ihrem Facebook-Account und bei Instagram Bilder der zehnjährigen Kinder beim Haareschneiden eingestellt, um Werbung für ihr Friseurgewerbe zu machen. Insgesamt bildet sich mit Blick auf die persönlichkeitsrechtliche Relevanz für den abgebildeten Minderjährigen die fach­ gerichtliche Tendenz heraus, im Lichte des Kindeswohls die Entscheidungsbefugnis regelmäßig dem Elternteil zu übertragen, der sich gegen die Veröffentlichung stellt, sofern diese jedenfalls kommerziellen Zwecken dient oder unkontrolliert in sozialen Netzwerken stattfindet; entsprechen­ des wird man bei Bildnisveröffentlichungen annehmen müssen, die sich in der thematischen Privatund Intimsphäre des Abgebildeten abspielen; vgl. ferner OLG Oldenburg, ZUM 2018, S.  803; AG Stolzenau, FamRZ 2018, S.  35; W. Burger, FF 2018, S.  243 ff.; I. Götz, FamRZ 2019, S.  575; Lack, FamRZ 2017, S.  1731 f.; Leeb/Starnecker, NZFam 2021, S.  97 f.; L. Lorenz, K&R 2021, S.  326 f.; M.  Weber, NZFam 2019, S.  9. 821  Das OLG Frankfurt, NJW 1987, S.  1087, führt etwa aus, dass ein volltrunkener Bauarbeiter, welcher sich bereitwillig hat filmen lassen, wie er auf der Baustelle mehrfach in den Dreck fällt und dabei Kraftausdrücke von sich gibt, lallt, lacht und singt, nicht in der Lage sei, eine „rechtsgültige Einwilligung in die Aufnahme zu erteilen“; vgl. auch Dasch, S.  100; Klass, AfP 2005, S.  517; Prinz/ Peters, Rn.  249. 822  Dass A möglicherweise selbst bei der originären Veröffentlichung schuldunfähig war, ändert nichts an seiner Garantenstellung; vgl. hierzu hierzu bereits oben bei Kap.  3, B., II., 2., c), bb). 823  Vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, S.  744.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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Vertreter wirksam einwilligen.824 Für diese Lösung wird neben hinreichender Rechtssicherheit aufgrund des Rückgriffs auf das bestehende Reglement für Rechts­ geschäfte insbesondere der hiermit einhergehende Gedanke des Minderjährigen­ schutzes angeführt. Mit einer Bildnisveröffentlichung seien regelmäßig kommerziel­ le Aspekte untrennbar verwoben, weshalb ohnehin ein Rückgriff auf die rechtsge­ schäftlichen Regelungsmechanismen angezeigt erscheine. Dies werde nicht zuletzt durch die Wertung des §  22 S.  2 KUG gestützt, wonach im Zweifel von einer Einwil­ ligung auszugehen ist, wenn der Abgebildete eine Entlohnung erhalten hat (und inso­ weit ein Rechtsgeschäft stattfand). Die Gegenansicht rekurriert allein auf die Einsichtsfähigkeit des Abgebildeten in die Tragweite seiner Erklärung und die dahinter stehende Grundrechtsmündig­ keit.825 Da es sich beim Recht am eigenen Bild um ein höchstpersönliches Recht handele, dominiere jedenfalls nicht regelmäßig das meist reflexhaft mitbetroffene kommerzielle Element, sodass es – entsprechend dem Wortlaut des §  22 S.  1 KUG – auf den Willen des unmittelbar betroffenen Abgebildeten ankommen müsse, sobald dieser im Stande ist, die Tragweite seiner Erklärung abzuschätzen. Jedenfalls dann, wenn es um die ideellen (und nicht um die kommerziellen) Bestandteile des Persön­ lichkeitsrechts ginge, falle die Einwilligung nicht unter den Bereich rechtsgeschäft­ licher Willenserklärungen. Die Altersgrenze für diese Einsichtsfähigkeit soll hierbei anhand des konkreten Einzelfalls bestimmt werden, wobei hiervon in der Regel beim Erreichen der Altersgrenze von 14 Jahren ausgegangen werden könne.826 Mit Blick auf die aktuelle Diskussion zur deutlicheren Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz könnte diese Ansicht gewissen Rückenwind erfahren827, wenngleich das Inkrafttreten der DS-GVO Zweifel an der Indizwirkung der 14-Jahresgrenze lautwerden ließen.828 824 So Helle, S.  105; Lettl, WRP 2005, S.  1052; Prinz/Peters, Rn.  835, Fn.  109; Vetter, AfP 2017, S.  131; Wasserburg, S.  165 f.; wohl auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21 = BeckRS 2021, 22062, Rn.  15; ob auch die Ansicht von Beater, JZ 2013, S.  117, ohne weiteres hierun­ ter zu subsumieren ist, darf entgegen Vieler bezweifelt werden, da dieser dem Minderjährigen ein Vetorecht zubilligt vgl. S.  119, was i. E. der vermittelnden Ansicht entsprechen dürfte. 825  OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, S.  744, wonach eine 17-Jährige die erforderliche geistige und sittliche Reife innehabe, um die Einwilligung im Sinne des §  22 S.  1 KUG in Oben-ohne-Bilder wirksam zu erteilen; Baston-Vogt, S.  228 ff.; S. Dreyer, in: Dossier Deutsches Kinderhilfswerk 2020, S.  12; Ernst, AfP 2015, S.  402; Lack, FamRZ 2017, S.  1731, spricht vom Recht des einsichts­ fähigen Kindes auf Preisgabe persönlicher Daten im Internet; Heidenreich, AfP 1970, S.  963; Salzgeber, Rn.  399; vgl. auch Leeb/Starnecker, NZFam 2021, S.  98; Rake, FamRZ 2020, S.  1066. 826  Allgemein zur Indizwirkung des Erreichens des 14. Lebensjahres hinsichtlich der Einsichts­ fähigkeit: Brost/Rodenbeck, AfP 2016, S.  500; W. Burger, FF 2018, S.  243 ff.; Dasch, S.  106; HK/ Dreyer, §  22 KUG, Rn.  18; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  14; Fritzsche/Knapp, FamRZ 2019, S.  1908; Götting, S.  156; Ohly, AfP 2011, S.  434; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  749; Rake, FamRZ 2020, S.  1065 f.; Schimke, NZFam 2019, S.  855; Unland, S.  37 f. 827  Vgl. zum Kindeswohl als Verfassungsmaxime L. Lorenz, K&R 2021, S.  323. 828  Vgl. etwa Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  26, wonach grundsätzlich die Indizwirkung der Einsichtsfähigkeit im Gleichklang mit den Regeln der DS-GVO auch im Bildnisrecht von 14 auf 16 Jahre angehoben werden sollte. Diese Bedenken können unter dem Verweis auf die hier befür­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Mittlerweile hat sich zwischen den beiden Extrempositionen eine vermittelnde Ansicht der Doppelzuständigkeit herausgebildet, welche auch im Hinblick auf die ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung829 heute wohl als vorherrschend be­ zeichnet werden kann.830 Grundsätzlich stünden sich bei Einwilligungen in Bildnis­ veröffentlichungen von Minderjährigen zwei Interessenlagen gegenüber: Auf der einen Seite stehe das Persönlichkeitsrecht auf freie Entfaltung des Minderjährigen und auf der anderen Seite das elterliche Erziehungsrecht. Letzteres müsse dabei aber den Spagat zwischen einem angemessenen Minderjährigenschutz – zu welchem die §§  104 ff. BGB gerade dienen – auf der einen Seite und der Förderung der Entwick­ lung des Minderjährigen zur Selbstverantwortlichkeit auf der anderen Seite schaffen. Dies bringe auch §  1626 II BGB mit dem Gedanken zum Ausdruck, dass im Hinblick auf den Erziehungsstil der Eltern zu fordern sei, dass diese das eigenverantwortliche Handeln des Kindes berücksichtigen sollen. Um beiden Interessenlagen hinreichend Rechnung tragen zu können, soll es grundsätzlich bei der in §§  107 ff. BGB vorge­ sehenen Entscheidungsbefugnis der gesetzlichen Vertreter bleiben, sobald der Min­ derjährige aber die Einsichtsfähigkeit erreicht, soll ihm aber ein Mitspracherecht eingeräumt werden. Dies bedeutet im Ergebnis eine Doppelzuständigkeit von den Erziehungsberechtigten und dem abgebildeten Minderjährigen hinsichtlich der Ein­ willigung in eine Bildnisveröffentlichung. Der Minderjährige kann dabei die Einwil­ ligung nicht gegen den Willen seines gesetzlichen Vertreters erteilen, umgekehrt soll aber auch der gesetzliche Vertreter nicht gegen den Willen des einsichtsfähigen Min­ derjährigen agieren und in Bildnisveröffentlichungen einwilligen können. Da diese vermittelnde Ansicht alle betroffenen Belange berücksichtigt, erscheint sie grund­ sätzlich vorzugswürdig. Dabei soll gleichwohl darauf hingewiesen werden, dass es nicht unwahrscheinlich erscheint, dass sich die Rechtsprechung in solchen Fällen, in wortete Trennung von informationeller Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild vernachläs­ sigt werden; vgl. hierzu bereits Kap.  2, D.; i. E. wohl auch Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  42. 829  Vgl. bereits BGH, NJW 1974, S.  1950 – „Nacktaufnahmen“, wonach für eine Doppelzustän­ digkeit einiges spreche; ferner BGH, AfP 2004, S.  533 – „Springturnierfotos I“, worin der VI. Zivil­ senat ausdrücklich festgestellt hat, dass weder eine Einwilligung der (damals 15-jährigen) ­Charlotte Casiraghi, noch von ihrer Mutter Prinzessin Caroline vorlag; BGH, NJW 2005, S.  57 – „Charlotte Casiraghi II“, wonach es „zusätzlich“ der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters bedürfe, wenn der Abgebildete minderjährig ist. 830  Vgl. LG Bielefeld, NJW-RR 2008, S.  715 f.; aus der Lit.: Brost/Rodenbeck, AfP 2016, S.  500 f.; Dasch, S.  103; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  18; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  42; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  42; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  14; Fritzsche/ Knapp, FamRZ 2019, S.  1908; Götting, S.  154; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  17; Höning, S.  141 f.; Hohenstein, S.  92; Klass, AfP 2005, S.  515 f.; Lauber-Rönsberg, NJW 2016, S.  749; Leeb/Starnecker, NZFam 2021, S.  98; Leffler, S.  253; Libertus, ZUM 2007, S.  624; B.  Lorenz, K&R 2016, S.  451; Müller-Terpitz, HB Social Media, Kap.  7, Rn.  34; Ohly, AfP 2011, S.  434; Pawlowski, in: FS Hagen 1999, S.  25; Piltz, S.  212, 259, 261; Rake, FamRZ 2020, S.  1065, 1070; Wandtke/Ohst/Renner, Bd.  4, Kap.  4, §  4, Rn.  29; Schönewald, ZUM 2013, S.  868; Schulz/ Jürgens, JuS 1999, S.  667; Soering/Hoene, §  19, Rn.  45; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  26; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  125; Unland, S.  37 ff.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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denen es offensichtlich nicht (mehr) auf den Minderjährigenschutz ankommt – weil dieser etwa voll einsichtsfähig ist und keine vermögensrechtlichen Belange eine Rol­ le spielen – diese Lösung unter Vertrauensgesichtspunkten nicht allzu starr anwen­ den wird. Als erste Einordnungshilfe kann die Lehre der Doppelzuständigkeit aber sehr wohl herangezogen werden.831 Als Beispiel für eine wirksame Einwilligung entgegen der Doppelzuständigkeit kann etwa der Fall genannt werden, in welchem der einsichtsfähige Minderjährige ein neutrales Bildnis von sich ohne Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter an die Redaktion der Schulabschlusszei­ tung zur späteren Veröffentlichung schickt. Ein strengerer Maßstab wird jedoch in denjenigen Bereichen gelten, in welchen regelmäßig (Missbrauchs-)Gefahren für den Abgebildeten in gesteigerter Form bestehen und es insoweit gerade auf den Schutz des Minderjährigen durch die §§  104 ff. BGB ankommt. Dies gilt offen­ sichtlich bereits bei solchen Abbildungen, die bereits thematisch in den Bereich der Privat- und Intimsphäre fallen. Die Entscheidung des OLG München zur Veröffentlichung des oben oh­ ne-Bildnisses einer voll einsichtsfähigen 17-Jährigen ist deshalb wenig überzeugend. Ferner gilt dies bei Veröffentlichungen im Internet, da diese ein grundsätzliches Manipulations- und Missbrauchspotential in sich bergen. Insbesondere wird man in dem Umstand, dass Eltern ihrem Kind einen eigenen Social-Media-Account erlauben832, nicht eine Einwilligung in jede Bildnisveröffentlichung im Internet sehen können, welche im Zusammenhang mit dem Ac­ count des Kindes stattfindet.833 Wurde ein Minderjähriger allerdings zur Tätigkeit als (Kinder-)Schauspieler oder Fotomo­ del im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses gem. §  113 BGB durch seinen gesetz­ lichen Vertreter ermächtigt, darf der Minderjährige die Einwilligung in die hiermit zusam­ menhängenden Veröffentlichungen alleine erteilen.834

b) Übertragung der Grundsätze auf das Phänomen des sogenannten sharenting Widmet man sich im Anschluss dem bereits eingangs aufgeworfenen jungen Phäno­ men des sog. sharenting835, ergeben sich jedenfalls hinreichend klare Erkenntnisse für solche Bildnisveröffentlichungen, in welchen die abgebildete Person einsichts­ fähig ist. 831 

In diesem Sinne auch Ohly, S.  324. Art.  8 I DS-GVO legt als Mindestalter 16 Jahre für die Zustimmung zur Verarbeitung perso­ nenbezogener Daten durch die Eröffnung eines eigenen Social-Media-Kontos fest. Gleichwohl dür­ fen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren mit der Einwilligungserklärung der Eltern auch Social-­ Media-Dienste nutzen. Viele Plattformen legen in ihren AGB auch geringe Mindestaltergrenzen fest, sodass Kinder regelmäßig zusätzlich der Einwilligung der Eltern bedürfen; derzeit (Stand 01.06.2022) bestehen folgende Altersgrenzen: Facebook 13 Jahre; Instagram 13 Jahre; TikTok 13 Jahre; YouTube 16 Jahre + Einwilligung der Eltern (gemeinsames Durchlesen der Nutzungsbedin­ gungen genüge) oder 13 Jahre + Zustimmung der Eltern via einem Family Link; Whatsapp 16 Jahre; Snapchat 13 Jahre; Twitter 13 Jahre. 833  Zur Strafbarkeit der Eltern, die es unterlassen, ein Bildnis ihres mittlerweile volljährigen Kindes aus dem Internet zu löschen, sogleich Kap.  3, C., II., 1., b). 834  Dasch, S.  100; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  14; Fritzsche/Knapp, FamRZ 2019, S.  1908; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  42; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  27. 835  Zum Phänomen und Begriff bereits Einführung, C. 832 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Ist A etwa Influencer und veröffentlicht regelmäßig Familylife-Bilder mit Zustimmung des anderen Elternteils, wozu auch Bildnisse des einsichtsfähigen Kindes gehören, so kommt es für die bildnisrechtliche Einwilligung auch auf die vorherige Zustimmung des Kinds an. Fehlt diese, liegt aufgrund der Doppelzuständigkeit keine wirksame Einwilligung im Sinne des §  22 S.  1 KUG vor und es kommt eine Strafbarkeit wegen §  33 I KUG in Betracht. Im Anschluss müsste geprüft werden, ob es sich – etwa wegen eines massiven Interesses am Familylife – um eine zeitgeschichtliche Veröffentlichung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG handelt. Dies wird anhand der konkreten Abbildung zu beurteilen sein, wobei bereits an dieser Stelle vorwegge­ nommen werden kann, dass sich die Rechtsprechung bei Minderjährigenabbildungen tenden­ ziell mit der Bejahung der Zeitgeschichtlichkeit zurückhält.836

Schwieriger sind diejenigen Fälle zu beurteilen, in denen ein Elternteil Bildnisse ei­ nes nicht einsichtsfähigen Kinds veröffentlicht, um somit Aufmerksamkeit für sei­ nen eigenen Social-Media-Auftritt zu erlangen. Angesprochen sind hiermit allen voran sog. Kinder- oder Baby-Influencer, Family-Blogger und sonstige derjenigen Nutzer, welche ihre Aufmerksamkeitsraten im Internet mit „süßen“ Baby- oder Kinderbildern zu steigern versuchen, indem sie Bildnisse des eigenen Kinds ver­ öffentlichen.837

Eine Ansicht erkennt in diesen Konstellationen unter striktem Rekurs auf den rechts­ geschäftlichen Charakter der Einwilligung ein unzulässiges Insichgeschäft der Sorge­ berechtigten. Die Sorgeberechtigten erteilen hiernach eine gegen das Kind wirkende Einwilligung zur Veröffentlichung des Bildnisses an sich selbst als Veröffentlichende. Dies entspreche der klassischen Kollisionslage, welche die §§  1629 II, S.  1, 1795 II, 181 BGB verhindern wollen.838 Dabei sei es unerheblich, ob man die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Charakter zu­ schreiben möchte, da in jedem Fall die Interessenlage vergleichbar sei und insoweit die zivilrechtlichen Regelungen jedenfalls auch analog Anwendung finden könnten. So nachvollziehbar das Anliegen dieser Ansicht im Ergebnis im Hinblick auf das regelmäßig fehlende Problembewusstsein der Eltern hinsichtlich der Missbrauchsge­ fahr bei Bildnisveröffentlichungen von (Klein-)Kindern im Internet erscheint839, kann dieser Lösung jedenfalls in ihrer Pauschalität nicht gefolgt werden. Denn 836 

Hierzu im Einzelnen Kap.  3, D., II., 3., j). I. Götz, FamRZ 2019, S.  574, zählt hierzu exemplarisch zudem „Sechsjährige, die Spielzeug testen, Zehnjährige, die Einblicke in ihre Freizeit gewähren, Vierzehnjährige, die Mode- und Schminktipps geben, jeweils gefilmt von ihren Eltern“; vgl. auch Salzgeber, Rn.  780. Eindrucksvol­ le Zahlen liefert Meergans, in: Dossier Deutsches Kinderhilfswerk 2020 S.  5, wonach etwa der YouTube-Kanal „Ryan’s World“, in welchem ein achtjähriges Kind namens Ryan Kinderspielzeug testet und bewertet Stand Ende 2019 über 24 Millionen Abonnements aufweist. 838  Gounalakis/Rhode, FF 2002, S.  204 f.; Schimke, NZFam 2019, S.  855; wohl auch L. Lorenz, K&R 2021, S.  325, wobei diese verkennt, dass sich das Problem nach den eben skizzierten Grund­ sätzen gerade nicht im Falle der Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen stellt, da bei der Annahme einer Doppelzuständigkeit keine Einwilligung vorliegt, wenn der abgebildete Minderjährige nicht zustimmt; zurückhaltender Leeb/Starnecker, NZFam 2021, S.  98; jedenfalls bei vermögensrechtli­ chen Interessen zustimmend Fritsche/Knapp, FamRZ 2019, S.  1908. 839  Vgl. hierzu nur I. Götz, FamRZ 2019, S.  575. 837 

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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schließlich hätte dies zur Folge, dass jede Bildnisveröffentlichung – etwa auch das Versenden einer Grußkarte mit dem Bildnis des gemeinsamen Kindes an die Ver­ wandten zu einem bestimmten Anlass – durch die Eltern (oder etwa auch der Groß­ eltern) mangels wirksam erteilter Einwilligung eine tatbestandsmäßige Bildrechts­ verletzung des Abgebildeten darstellen würde.840 Überzeugender erscheint es, bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Kindes grundsätzlich auf die Erklärung der (sorge­ berechtigten) Eltern abzustellen und dabei aber nach der konkret infrage stehenden Interessenlage unter der Mitberücksichtigung sozialadäquater Handlungen und dem elterlichen Erziehungsauftrag zu differenzieren.841 Hierbei ist vor allem die Zielrich­ tung der infrage stehenden Kinderbildnisveröffentlichung sowie deren zu erwarten­ den Folgen für den Abgebildeten im Lichte des elterlichen Erziehungsauftrags in den Blick zu nehmen. Auf eine solche Differenzierung weisen zwei Argumentations­ stränge hin. Zum einen ist überwiegend anerkannt, dass die Regeln des zivilrechtli­ chen Insichgeschäfts (§  181 BGB) im Eltern-Kind Verhältnis dann teleologisch zu reduzieren seien, wenn es sich um für das Kind rechtlich lediglich vorteilhafte Ge­ schäfte handelt.842 Dabei zielen die §§  1629 II, 1795 BGB primär auf vermögens­ rechtliche Interessen des Minderjährigen ab,843 welche regelmäßig bei sozialadäqua­ ten (Kinder-)Bildnisveröffentlichungen (unter Verwandten) gerade nicht betroffen sein dürften. Nicht von der Hand zu weisen ist dabei jedoch, dass es jedenfalls nicht rechtlich vorteilhaft für das abgebildete Kind sein kann, wenn ein Dritter die Verfü­ gungsmacht über sein Bildnis bekommt. In diesem Zusammenhang gilt es den zwei­ ten Argumentationsstrang zu betrachten, welcher sich maßgeblich aus der Wahrneh­ mung elterlicher Fürsorge durch die Eltern herleitet. Erkennt man in der Zustimmung einer Bildnisveröffentlichung die Ausübung der elterlichen Sorge – was man bei Bildnisveröffentlichungen im familiären Umfeld durchaus annehmen können wird  – so findet diese jedenfalls ihre Grenze in der Gefährdung des Kindeswohls nach §  1666 BGB.844 Nähert man sich dabei der Grenze einer relevanten Kindeswohlge­ fährdung, so ist diese bei Veröffentlichungen von Kinderbildnissen überschritten, wenn hieraus nicht hinzunehmende Nachteile für das abgebildete Kind resultieren. Diese können sich auf die spätere Berufswahl, Mobbing durch das rezipierende Um­ feld, durch das indirekte Setzen von Anreizen für Pädophile aber auch die vermö­ gensrechtliche Instrumentalisierung des eigenen Kindes ergeben.845 Beide Argu­ 840  In einem solchen Fall könnte nach den dargestellten Grundsätzen bei entsprechender Fami­ liengröße etwa eine Ketten- oder Mengenverbreitung kommen; vgl. hierzu Kap.  3, B., I., 2., b). Ferner kommt – ebenfalls bei entsprechender Familiengröße – ein öffentliches Zurschaustellen in Betracht, vgl. hierzu inbsesondere die Ausführungen zum Öffentlichkeitsbegriff in Kap.  3, B., II., 1., e). 841  I.E. auch Rake, FamRZ 2020, S.  1065 f.; vgl. auch Fritzsche/Knapp, FamRZ 2019, S.  1908. 842  Vgl. nur BGHZ 56, 97 (102 f.) – „Selbstkontrahieren des Einmanngesellschafters“; BGHZ 94, 232 (235) – „Schenkung an Minderjährigen“; MüKo BGB/Schubert, §  181 BGB, Rn.  3 ff. 843  Fritzsche/Knapp, FamRZ 2019, S.  1908. 844 Vgl. Rake, FamRZ 2020, S.  1066. 845 Vgl. I. Götz, FamRZ, 2019, S.  573; Salzgeber, Rn.  799 f.; Meergans, in: Dossier Deutsches Kindeshilfswerk 2020, S.  9 f.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

mentationsstränge weisen also darauf hin, dass insbesondere unkontrollierbare Kin­ derbildnisveröffentlichungen im Internet846 mit vermögensrechtlichem Hintergrund oder Bezug zur Privatheit regelmäßig die Grenze zur Kindeswohlgefährdung über­ schreiten. Für das Phänomen des sharenting ergibt sich somit folgendes Ergebnis: Ist das Kind nicht einsichtsfähig und handelt es sich bei der Bildnisveröffent­ lichung um eine unkontrollierte Sichtbarmachung mit Bezug zur Privat- und Intim­ sphäre des Kinds oder stehen mit der Veröffentlichung kommerzielle Interessen un­ ter Instrumentalisierung des Kinds im Vordergrund, bedarf es der Bestellung eines Ergänzungspflegers nach §  1909 BGB, der nach einer umfassenden Gesamtabwä­ gung aller Umstände über die Zulässigkeit zukünftiger Veröffentlichungen entschei­ det. Veröffentlichungen unterhalb dieser Schwelle fallen in der Regel in den Bereich des (sozialadäquaten) elterlichen Erziehungsauftrags und sind somit zulässig. Bei die­ser Gesamtabwägung sind insbesondere die Form der Veröffentlichung, ihre Reich­weite und Dauer sowie der thematische Bezug unter Abschätzung der Folgen für den Abgebildeten zu berücksichtigen, wobei das Kind frühestmöglich gehört und miteinbezogen werden muss. Dieses Ergebnis wird zum einen von den Regelungen zum Minderjährigenschutz und der Kindeswohlgefährdung gestützt. Zum anderen liegt die Lösung auf der Linie der Rechtsprechung zur „Angelegenheit von erheblicher Bedeutung“ für das Kind im Sinne des §  1629 BGB847 und fügt sich dabei schließlich in arbeitsschutzrechtli­ che Regelungen (zur Kinderarbeit848) ein. So finden sich in §  6 JArbSchG klare Re­ gelungen für Kinder, die bei Theaterauftritten oder Musikaufführungen „und ande­ ren Aufführungen, bei Werbeveranstaltungen sowie bei Aufnahmen im Rundfunk (Hörfunk und Fernsehen), auf Ton- und Bildträgern sowie bei Film- und Fotoaufnah­ men“ agieren. Hierbei werden sowohl der Umfang und das Verfahren, als auch die Beteiligung der Gewerbeaufsicht, des Jugendamts sowie ärztlichen und schulischen Gutachtern geregelt.849 Dass diese Schutzgedanken bei Veröffentlichungen auf sozia­ len Netzwerken im Internet ausgeklammert werden sollen, nur weil die Erziehungs­ berechtigten hinter der Kamera stehen erschließt sich nicht.850 Schließlich bleibt nach dieser Lösung gleichwohl noch Raum für eine (Unterlas­ sens-)Strafbarkeit der veröffentlichenden Eltern, wenn diese zwar wirksam die Ein­ willigung in eine Bildnisveröffentlichung ihres nicht einsichtsfähigen Kinds (an sich 846  An dieser Stelle sei erneut an die (bereits in Einführung, C.) erwähnte Studie zum Aufkom­ men bereits öffentlich geteilter Kinderbilder auf Plattformen mit pädosexuellem Bezug erinnert, vgl. https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/kinderfotos-sozialemedien-paedosexuelle-­ 101.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 847  OLG Oldenburg, ZUM 2018, S.  803; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 UF 74/21 = BeckRS 2021, 22062, Rn.  8. 848  §  5 I des Gesetzes zum Schutze der arbeitenden Jugend (JArbSchG) postuliert, dass Kinder­ arbeit in Deutschland grundsätzlich verboten ist. 849  Vgl. ferner Salzgeber, Rn.  780 f. m. w. N. 850  So i. E. wohl auch I. Götz, FamRZ 2019, S.  575; Meergans, in: Dossier Deutsches Kinderhilfs­ werk 2020, S.  9.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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selbst) erteilen konnten, dieses aber mittlerweile einsichtsfähig wurde und die Eltern bittet, die infrage stehende Bildnisveröffentlichung zu löschen und diese Löschung unterbleibt.851 2. Bindungswirkung der bildnisrechtlichen Einwilligung Der zweite große Problemkreis, welcher sich um die Rechtsnatur einer bildnisrecht­ lichen Einwilligung rankt, ist die Bindungswirkung einer einmal wirksam erteilten Einwilligung in eine Bildnisveröffentlichung. Versteht man die bildnisrechtliche Ein­ willigung als Realakt, kann diese jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden.852 Orientiert man sich hingegen mit der ganz überwiegenden Meinung an den rechtsgeschäftlichen Regelungsmechanismen, entfaltet eine einmal wirksam er­ teilte Einwilligung einer Willenserklärung entsprechend §  130 I 1 BGB Bindungs­ wirkung, woraus ihre grundsätzliche Unwiderruflichkeit nach §  183 S.  1 BGB resul­ tiert.853 Selbst diese Wertung gerät allerdings infolge des Inkrafttretens der DS-GVO und der hieraus resultierenden Fragen hinsichtlich des Anwendungsvorrangs und des Einflusses der (datenschutzrechtlichen) Wertungen auf das Bildnisrecht ins Wanken, da jedenfalls eine datenschutzrechtliche Einwilligung nach Art.  6 I, 7 DS-GVO frei widerruflich ist.854 Dieser Unsicherheit kann aber mit dem Hinweis auf die hier be­ fürwortete Abgrenzung vom Recht am eigenen Bild zur informationellen Selbstbe­ stimmung – und dem hieraus fließendem Datenschutzrecht – begegnet werden.855 Geht man nämlich von strikt getrennten Anwendungsbereichen aus, so hat die DSGVO auch mit Blick auf die Wiederrufbarkeit einer Einwilligung keinen Einfluss auf das Recht am eigenen Bild. Gleichwohl setzt sich der bereits (im Rahmen der Einwilligung nicht voll Ge­ schäftsfähiger) gewonnene Eindruck auch im Bereich der Bindungswirkung einer bildnisrechtlichen Einwilligung fort, wonach die rechtsgeschäftlichen Regelungen nicht mehr als ein erster Anhaltspunkt für eine bildnisrechtliche Einwilligung darstel­ len können. Dies zeigt sich bereits anhand des dogmatischen Zuschnitts der zivilrecht­ 851  I.E. auch Götting, S.  156; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  24; a. A. (ohne Begründung) HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  31. 852  Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  127; vgl. auch Deutsch, Rn.  282. 853  Damm/Rehbock, Rn.  180; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  31; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  19; Frömming/Peters, NJW 1996, S.  959; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  40 f.; Korte, §  2, Rn.  21; Prinz/Peters, Rn.  838; Wandtke/Ohst/Renner, Bd.  4, Kap.  4, §  4, Rn.  27, 43; Schnabel, ZUM 2007, S.  559 f.; Wanckel, Rn.  160; vgl. ferner MüKo BGB/Einsele, §  130 BGB, Rn.  40; ohne Begründung geht hingegen Ludyga, MMR 2017, S.  160, davon aus, dass die einmal erteilte Einwilligung – sogar unabhängig von der Einordnung ihrer Rechtsnatur – frei widerruflich sei. Dabei entpuppt sich aber auch der herangezogene Querverweis für diese „beinahe durchgehend in Rechtsprechung und Literatur anerkannte Ansicht“ als die Ausnahme der Regel von der Unwider­ ruflichkeit, da es bei dem infragestehenden Fall um intime Bildnisse ging; vgl. nur Kirchberg, GRUR-­Prax 2014, S.  332. 854  Vgl. Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  40; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  35; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  127; Wanckel, Rn.  160. 855  Hierzu bereits Kap.  2, D., 2., b), cc).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

lichen Widerrufsregeln in §  183 BGB, wonach eine Einwilligung gem. §  183 S.  1 BGB nur bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts – also regelmäßig nicht mehr nach der Veröffentlichung des Bildnisses – widerrufbar sein soll und im Übrigen auch gem. §  183 S.  2 BGB keiner Nennung eines spezifischen Grundes bedarf.856 Mit Blick auf den persönlichkeitsrechtlichen Charakter des Rechts am eigenen Bild857 hat sich des­ halb nach und nach die inzwischen überwiegende Auffassung herausgebildet, dass unter Abwägung der entgegenstehenden schutzwürdigen Posi­tionen des Abgebildeten und des Veröffentlichenden je nach Einzelfall bemessen werden muss, ob der Abgebil­ dete die weitere Veröffentlichung seines Bildnisses in Bezug auf seine bereits erteilte Einwilligung für die Zukunft verhindern kann. Diese Verhinderungsmöglichkeit wird unabhängig von den Gesetzeswertungen zur grundsätzlichen Nichtigkeit von Willenserklärungen (a.) einerseits in Anlehnung der zivilrechtlichen Anfechtungsre­ geln in §§  119 ff. BGB (b.) und andererseits über die Zu­billigung eines (bildnisrechtli­ chen) Widerrufsrechts auch nach der bereits erfolgten Bildnisveröffentlichung bei Annahme eines wichtigen Grundes (c.) zu konstruieren versucht. Dabei müssen alle Mechanismen aber im Lichte der eben beschriebenen schutzwürdigen Interessen von Abgebildeten und Veröffentlichenden im Einzelfall besehen werden.858 a) Allgemeine Grundsätze zur Nichtigkeit einer bildnisrechtlichen Einwilligung Vorab erscheint es sachgerecht, eine bildnisrechtliche Einwilligung bei einem Ver­ stoß gegen ein gesetzliches Verbot oder bei Sittenwidrigkeit im Sinne der Wertungen der §§  134, 138 BGB abzulehnen.859 Somit kann nicht in Bildnisveröffentlichungen wirksam eingewilligt werden, welche unabhängig vom Willen des Abgebildeten durch die (Straf-)Rechtsordnung sanktioniert werden. Dies gilt für etwa für die Ver­ öffentlichung von (gewalt-, kinder-, und jugend-)pornographischen Inhalten, wenn die Voraussetzungen der §§  184 ff., 11 III StGB vorliegen. Die Einwilligung in die Herstellung und Veröffentlichung von pornographischen Bildnissen allein ist damit nicht sittenwidrig.860 In diesem Zusammenhang bleibt allerdings regelmäßig die Wertung in der bildnisrechtlichen Literatur außen vor, dass sich das (strafrechtliche) Verbot, welches (nach der Wertung des §  134 BGB) zur Nichtigkeit der bildnisrechtlichen Einwilligung führen soll, auf den Persönlich­ keitsschutz des Abgebildeten beziehen muss. 856 Ebenfalls kritisch deshalb hinsichtlich der strikten Übertragbarkeit auf das Bildnisrecht ­Helle, AfP 1985, S.  100; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  204. 857  Kap.  2, B. 858 Vgl. Dasch, S.  77 ff. 859  Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  35 f.; BeckOK UrhR/Engels; §  22 KUG, Rn.  35 f.; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  24; Klass, AfP 2005, S.  517 f.; Ohly, S.  444 ff.; Schulz/­ Jürgens, JuS 1999, S.  667; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  32. 860  OLG Stuttgart, NJW-RR 1987, S, 1435; OLG Hamm, AfP 2004, S.  363; Dasch, S.  65 f.; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG Rn.  36; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  36; Frömming/ Peters, NJW 1996, S.  958; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  24; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  667; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  32; a. A. noch Helle, S.  120 f.; ders. AfP 1986, S.  101.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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Versendet A beispielsweise pornographische Filme an Kinder, macht er sich nach §  184 I Nr.  1 StGB strafbar. Belässt man es nun bei der herkömmlichen Wertung, stünde eine zusätz­ liche Strafbarkeit des A gem. §  33 I KUG zu Lasten des Pornodarstellers im Raum, da dessen Einwilligung in die konkrete Veröffentlichung des Films aufgrund §  134 BGB i. V. m. §  184 I Nr.  1 StGB nichtig wäre. Mit Blick auf professionelle Produktionen, welche sich an gesetzliche Vorgaben hinsichtlich ihrer Veröffentlichung halten, mag dies mit Blick auf den Jugendschutz bei pornographischen Inhalten mittels einer bedingten Einwilligung noch konstruierbar er­ scheinen. Allerdings wird bei einer pauschalen Annahme der Nichtigkeit der Einwilligung hierdurch der Rechtsgüterschutz Dritter mit demjenigen des Abgebildeten vermengt. Dement­ sprechend wird das Recht am eigenen Bild der Schauspieler auch nicht pauschal mangels derer Einwilligung (aufgrund ihrer Nichtigkeit gem. §  134 BGB i. V. m. §  27 I Nr.  1 JSchG) verletzt, wenn ein Film mit FSK 16-Freigabe einem 14-jährigen Kind vorgeführt wird. Insoweit tritt bereits an dieser Stelle hervor, dass die rechtsgeschäftlichen Wertungen nicht unmittelbar auf den Persönlichkeitsrechtsschutz zugeschnitten sind. Vorzugswürdig erscheint deshalb die oben vorgeschlagene Begrenzung.

Die Sittenwidrigkeit der Einwilligung kann sich aus ihrem Inhalt, dem Gesamt­ charakter der Vereinbarung oder aufgrund des Verhaltens bzw. der Situation bei den Verhandlungen ergeben.861 In Betracht kommt dabei neben der Ausnutzung einer Übermachtstellung oder Zwangslage862 ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung863. In diesem Zusammenhang sind kommerzielle Veröffentlichungen im sog. Reality- oder TrashTV anzusprechen. Willigen etwa die Protagonisten infolge ihrer finanziellen Not- oder Zwangslage für verschwindend geringe Gagen in die Herstellung und Ausstrahlung von Un­ terhaltungsformaten, welche die Abgebildeten im weitesten Sinne als abnormal inszenieren und nutzt der veröffentlichende Medienkonzern bewusst deren Zwangslage aus, kann die Ein­ willigung in die Veröffentlichung entsprechend der Wertung aus §  138 BGB nichtig sein.864 861 

Klass, AfP 2005, S.  517. Klass, AfP 2005, S.  517; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  26; vgl. auch Kohte, AcP 185 (1985), S.  134. 863  Das OLG Stuttgart, NJW-RR 1987, S, 1435, bejahte etwa einen „ausbeuterischen Charakter“ bei der Überlassung von zehn Bildabzügen (13x18 cm) bei pornographischen Aufnahmen; zust. Frömming/Peters, NJW 1996, S.  958. 864 Vgl. Klass, AfP 2005, S.  518; C. Krämer, S.  186. Als Beispiel sei das deutsche Format „Schwiegertochter gesucht“ genannt, welches auf dem Konzept basiert, dass alleinstehende Män­ ner, welche noch bei ihren Müttern leben, ihnen unbekannte Frauen einladen, mit denen sie dann mehrere Tage zusammenleben und dabei gefilmt werden. Eine Teilnehmerin bekommt pro Woche 500  € gezahlt; hierzu wenn auch ohne Nachweise https://www.vermoegenmagazin.de/gagen-tv-­ kandidaten/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). Für Aufsehen sorgte 2016 die investigativjournalis­ tische Veröffentlichung der satirischen Late Night Show „Neo Magazin Royale“, welche deutliche Missstände in der Produktion und im Umgang mit den Kandidaten aufdeckte. Unter anderem wurde die Wohnung der teilnehmenden Kandidaten für ein skurrileres Bild dekoriert, die Kandidaten wurden im Profil überspitzt dargestellt und erhielten stellenweise eindeutige Anweisungen, was sie zu sagen und wie sie sich zu verhalten haben. Dabei wurden die Kandidaten bei Vertragsabschluss laut dem Bericht bedrängt, erhielten eine sehr niedrige Aufwandsentschädigung und bekamen ihr Vertragsexemplar erst nach Ausstrahlung der inszenierten Sendung; der Bericht des „Neo Magazin Royale“ ist abrufbar unter https://www.youtube.com/watch?v=mG_Fyc-nyOs (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); vgl. ferner Wanckel, Rn.  136. 862 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

b) Übertragung der Anfechtungsregeln auf die bildnisrechtliche Einwilligung Ob die zivilrechtlichen Anfechtungsregeln auf die bildnisrechtliche Einwilligung übertragen werden können, ist bislang nicht geklärt.865 Nach der wohl überwiegen­ den Ansicht wird dies bei Vorliegen eines entsprechenden Anfechtungsgrundes im Sinne der §§  119 ff. BGB bejaht.866 Dies erscheint jedenfalls dann sinnvoll, wenn hierdurch der persönlichkeitsrechtlichen Einbettung des Rechts am eigenen Bild ei­ nerseits und dem möglicherweise entgegenstehendem Vertrauensschutz des Veröf­ fentlichenden andererseits ausreichend Rechnung getragen werden kann. Zwar sind die zivilrechtlichen Anfechtungsregeln auf den rechtsgeschäftlichen Warenaustausch zugeschnitten, gleichwohl spiegelt sich in deren Wertungen die grundsätzlich Abwä­ gungsgedanken zwischen Willensautonomie und Verkehrsschutz wider.867 Ferner bringt die Übertragung eine gewisse Rechtssicherheit mit sich, was angesichts der bereits mehrfach geäußerten Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit des strafrecht­ lichen Bildnisschutzes zumindest de lege lata zu begrüßen ist. Gibt A etwa auf einer Demonstration dem B ein (Bild-)Interview, wobei A denkt es handele sich bei B um den Mitarbeiter eines neutralen Nachrichtensenders, während es sich in Wahr­ heit um einen umstrittenen (politischen) Meinungsblogger/Influencer handelt, erscheint es sachgemäß, dass A seine Einwilligung (aufgrund eines Verlautbarungsirrtums gem. §  119 I Var.  1 BGB) anfechten kann. Sachgemäß erscheint in diesem Zuge ebenfalls das Entstehen eines Schadensersatzanspruches von B gegenüber A gem. §  122 BGB. Ficht A seine Einwilli­ gungserklärung an, nachdem er das Video im Internet sieht, besteht trotz den Rechtsfolgen gem. §  142 I BGB (Rückwirkung und Nichtigkeit der Willenserklärung ex tunc) kein Platz für eine Strafbarkeit nach §  33 KUG durch den Upload, da zum Handlungszeitpunkt des Uploads eine wirksame Einwilligung (Koinzidenzprinzip) vorlag, deren Wirkung nur rückwirkend be­ seitigt wurden. Weigert sich B allerdings, das Interview mit A aus dem Internet zu nehmen, besteht hingegen Raum für eine Unterlassensstrafbarkeit gem. §  33 I KUG i. V. m. §  13 I StGB nach den dargestellten Grundsätzen.868 Ein (Eigenschafts-)Irrtum über einen wertbildenden Faktor gem. §  119 II BGB könnte darin gesehen werden, dass sich der Einwilligende eklatant über den Verbreitungsgrad einer Veröf­ fentlichung irrt.869 Geht A etwa davon aus, dass er dem regionalen Lokalnachrichtensender ein Interview gibt und erscheint dieses daraufhin auf allen Medienkanälen des großen (Mut­ ter-)Medienkonzerns, kommt eine Anfechtung nach §  119 II BGB in Betracht. Selbiges wird man annehmen können, wenn man einem Mega-Influencer (über 1  Mio. Follower) in der An­ nahme, es handele sich bei diesem um einen Nano-Influencer (1.000–10.000 Follower), ein Interview auf offener Straße gibt.870 865  Zur uneinheitlichen Rechtsprechung und dem Streitstand in der Literatur hinsichtlich der allgemeinen Einwilligung im Zivilrecht Ohly, S.  359 ff. m. w. N. 866  Dasch, S.  77 ff.; Frömming/Peters, NJW 1996, S.  959; Heiland, S.  76; Klass, AfP 2005, S.  514; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  667; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  34; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  203. 867  Dasch, S.  77 ff.; vgl. auch Klass, AfP 2005, S.  514; Kohte, AcP 185 (1985), S.  140 f.; Ohly, S.  363. 868  Vgl. hierzu Kap.  3, B., II., 2., c). 869  Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  667. 870  Vgl. zu den einzelnen Influencer-Formen bereits Einführung, A., II.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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Die Grenze zu – für eine Anfechtung irrelevanten – sog. bloßen Motivirrtümern wird im Einzelfall schwer zu ziehen sein. Diese muss jedenfalls im Lichte des allgemeinen Grund­ satzes, dass es kein Recht gibt, nur so wahrgenommen zu werden, wie man es gerne möchte, besehen werden. Eine kritische Auseinandersetzung mit den eigens getätigten Aussagen wird für eine Anfechtung also ebenso wenig eine Rolle spielen, wie Irrtümer über die Reaktionen eines bildhaften Auftritts.871

Gleichwohl ist auch im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Anfechtung von einer allzu strikten Übertragung mit Blick auf den persönlichkeitsrechtlichen Cha­ rakter des Rechts am eigenen Bild abzuraten und erneut auf die hier befürwortete Übertragung als lediglich erste Einschätzungshilfe zu erinnern. Deutlich wird dies bei Einwilligungserklärungen, welche aufgrund arglistiger Täuschung oder widerrechtlicher Drohung nach §  123 BGB stattgefunden haben. Denn hier wird man sich zurecht regelmäßig fragen müssen, ob bei einer arglistigen Täuschung oder widerrechtlichen Drohung überhaupt eine wirksame bildnisrechtliche Einwilligung gem. §  22 S.  1 KUG in die Veröffentlichung stattgefunden hat. Auch dies wird uneinheitlich beantwortet.872 Vorzugs­ würdig erscheint anhand der Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der ent­ gegenstehenden Interessen danach zu differenzieren, ob eine wirksam erteilte – aber anfecht­ bare – Einwilligung in eine Bildnisveröffentlichung vorliegt, oder ob diese bereits aufgrund der Schutzwürdigkeit des Abgebildeten von vornherein ausscheidet.873 Ersteres wird man al­ lenfalls dann annehmen können, wenn im infrage stehenden Fall ein Wahlrecht des Abgebil­ deten hinsichtlich des Geltenlassens seiner Einwilligung in die Bildnisveröffentlichung über­ haupt sinnvoll erscheint oder der entgegenstehende Vertrauensschutz des Veröffentlichen­ den  – welcher regelmäßig im Rahmen §  123 BGB ohnehin denkbar niedrig sein wird – ein anderes Ergebnis rechtfertigt. So wird es beispielsweise einen Unterschied machen, ob die abgebildete Person hinsichtlich der Reichweite oder der inhaltlichen Aufmachung einer Bild­ nisveröffentlichung getäuscht wurde. Versichert etwa B dem A wahrheitswidrig, dass sein Bildnis nicht mehr als 100 Leute errei­ chen werde, tatsächlich aber mehrere Millionen Menschen das Bildnis zu Gesicht bekommen, könnte von einer wirksam erteilten Einwilligung des A ausgegangen werden, welche dieser aber anfechten kann. Täuscht B den A aber darüber, dass sein Bildnis im Rahmen einer neu­ tralen Veröffentlichung (wie etwa innerhalb einer Dokumentation, einer wissenschaftlichen 871  Klass, AfP 2005, S.  514, nennt etwa für einen unbeachtlichen Motivirrtum das Beispiel, dass jemand im Ergebnis erfolglos an einer Talkshow teilnimmt, „um seinen Liebsten zu beeindrucken“; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  667, nennen eine unerwartet kritische Berichterstattung oder einen bloß anderen, unerwarteten Sendeplatz; an der Grenze und von den konkreten Gegebenheiten des infragestehenden Sachverhalts wird hingegen das Beispiel von Frömming/Peters, NJW 1996, S.  959, liegen, wonach der abgebildete Schönheitschirurg wegen arglistiger Täuschung (nach §  123 I Var.  1 BGB) anfechten könne, wenn diesem vorgespiegelt wurde, dass seine erfolgreiche Arbeit geschildert werde und er stattdessen als „Pfuscher“ dargestellt wird; kein Anfechtungsgrund liegt ferner vor, wenn eine Person über sieben Tage an den Dreharbeiten in Kenntnis des Sendungsinhalts teilnimmt und es sich dann später anders überlegt und unter dem Hinweis, sie habe sich den Inhalt anders vorgestellt zurückziehen möchte; vgl. LG Bielefeld, NJW-RR 2008, S.  716. 872  Für eine direkte Übertragbarkeit: Dasch, S.  79 ff.; Fromm/Peters, NJW 1996, S.  595; Dreier/ Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  34; zweifelnd hingegen: Klass, AfP 2005, S.  514; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  667; Wanckel, Rn.  171. 873  Mit anderen Worten geht es um die Frage, ob das Anfechtungsrecht aktiv ausgeübt werden muss, oder die Einwilligung bereits per se unwirksam war.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Er­hebung oder Nachrichtensendung) und nicht etwa in einer den A veräppelnden Satiresen­ dung gezeigt wird, wird es regelmäßig schon an der erforderlichen Zielgerichtetheit der Ein­ willigung in die konkrete Veröffentlichung fehlen. Zum anderen erscheint der Veröffentlichen­ de auch nicht schutzwürdig, vielmehr würde die pauschale Annahme einer (anfechtbaren) Einwilligung aus strafrechtlicher Perspektive oftmals den täuschenden oder drohenden Täter begünstigen, obwohl dieser regelmäßig ein Mehr an Unrecht verwirklicht. Gerade die Lösung von Dasch874 stellt sich vor dem geschilderten Hintergrund der zivilrechtsakzessorischen Strafbewehrtheit durch §  33 KUG als hinterfragenswert dar. Dieser nimmt eine konkludente Anfechtung jedenfalls dann an, wenn sich der Abgebildete gegen die Veröffentlichung wehrt. Trotz der Wirkung einer Anfechtung gem. §  142 BGB ex tunc, wird man aber aufgrund des strafrechtlichen Koinzidenzprinzips trotzdem keine Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des §  33 KUG annehmen können.875 Dies erscheint gerade im Lichte der strikt zivilrechtsakzessori­ schen Ausgestaltung des §  33 KUG nicht sachgerecht. Ebenfalls wird man das Ergebnis im Sinne des Abgebildeten aufgrund der persönlichkeits­ rechtlichen Einschlags in Konstellationen des §  123 II BGB modifizieren müssen.876 Fallen etwa Täuschender (unabhängiger, anonymer Investigativjournalist) und Veröffentlichender (Verlag oder Sender) auseinander, so wird man Haftungsprivilegierung des §  123 II BGB re­ gelmäßig bei solchen Bildnisveröffentlichungen versagen müssen, welche den Abgebildeten unangemessen benachteiligen, weil sie etwa dessen Privat- oder Intimsphäre berühren.

c) Widerruf der bildnisrechtlichen Einwilligung bei Annahme eines wichtigen Grundes Einigkeit besteht heute zudem darin, dass im Hinblick auf den persönlichkeitsrecht­ lichen Kern877 des Rechts am eigenen Bild eine einmal wirksam erteilte Einwilli­ gung in eine Bildnisveröffentlichung unter bestimmten Voraussetzungen mit Wir­ kung für die Zukunft widerrufen werden kann. Die ganz überwiegende Ansicht be­ jaht eine Widerrufbarkeit der bildnisrechtlichen Einwilligung allerdings nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes und zieht für dessen Ermittlung die Maßstäbe des §  42 I UrhG sowie des §  35 I VerlG heran.878 Nach diesen Vorschriften kann ein Berechtigter bei gewandelter Überzeugung ein bereits erteiltes Nutzungsrecht zu­ 874 

Dasch, S.  79 ff. Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  19. 876  So auch Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  667; auch Dasch, S.  81, wird hier zum selben Ergebnis kommen, wenngleich dieser hierfür eine sittenwidrige Schädigung bemühen muss. 877  Dabei ist die konkrete Herleitung ebenfalls umstritten. Hohenstein 93 f., erkennt das Wider­ rufsrecht etwa aufgrund des „höchstpersöhnlichen und intimen Charakter des Schutzes vor der un­­ recht­mäßigen Herstellung und Verbreitung von Nackt- und Intimaufnahmen und dessen grundrecht­ licher Verankerung“; überzeugender erscheint es, zur Begründung des Widerrufsrechts allgemein auf den Selbstbestimmungsgedanken zu rekurrieren; vgl. Ludyga, MMR 2017, S.  160; Loewen­ heim/­Schertz, §  18, Rn.  29; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  127; Wanckel, Rn.  160. 878  OLG München, NJW-RR 1990, S.  1000; LG Köln, AfP 1996, S.  187; vgl. auch OLG Koblenz, ZUM 2015, S.  61; Benecke/Groß, NZA 2015, S.  836; Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  45 f.; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  46; Frömming/Peters, NJW 1996, S.  959; Grau/Schaut, NZA 2015, S.  984; Helle, S.  120; Herbort, S.  92; Hohenstein, S.  93; Klass, AfP 2005, S.  515; Prinz/Peters, Rn.  838; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  41; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  29; Wenzel/ von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  204 f.; Wanckel, Rn.  163; and. LG Hamburg, NJW-RR 2005, S.  1358 (Grundsätze von Treu und Glauben gem. §  242 BGB bzw. §§  312, 355 BGB). 875 

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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rückrufen, wenn das Werk nicht mehr seiner Überzeugung entspricht und ihm die weitere Verwertung des Werkes deshalb nicht mehr zuzumuten ist.879 Bei der Übertragung dieser Maßstäbe auf das Bildnisrecht fällt für einen solchen relevanten Gesinnungswandel regelmäßig das Beispiel eines Aktmodels oder einer Prostituierten, welche nach mehreren Jahren einen konservativen Sinneswandel im persönlich-familiären und ar­ beitsbedingten Umfeld erfahren habe, weshalb die (weitere) Veröffentlichung der Jugendsün­ den unverhältnismäßig in deren Persönlichkeitsrecht eingreifen würde.880

Dies erscheint bereits mit Blick auf den thematischen Bezug zur Intimsphäre sach­ gerecht, gleichwohl haben die Fachgerichte – unter Kritik durch die Literatur881 – in der Vergangenheit selbst an den Widerruf von Einwilligungen für Bildnisveröffentli­ chungen mit Sexualbezug hohe Anforderungen geknüpft.882 Diese restriktive Hand­ habung hat ihre Ursache wohl in der mittlerweile stark ausgeprägten vermögens­ rechtlichen Komponente des Rechts am eigenen Bild, wie es sich jedenfalls mit Blick auf §  22 S.  2 KUG vermuten lässt.883 Insoweit ist es äußerst schwer, ein kohärentes 879  Frömming/Peters, NJW 1996, S.  959; Soehring/Hoene, §  19, Rn.  49; Wanckel, Rn.  163; vgl. auch Rauda, GRUR 2010, S.  24. 880  Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  29, nennt die ehemalige Prostituierte, welche die Einwilligung in eine Bildnisveröffentlichung widerrufen könne, welche sie in „eindeutigen“ Sachzusammenhän­ gen zeigen, wenn sie sich vollständig aus dem Milieu zurückgezogen habe; Wanckel, Rn.  163, nennt als Standardbeispiel das „ehemalige Nacktmodell, welches seit mehreren Jahren unauffällig in einer katholischen Kleinstadt als Mutter und Ehegattin des konservativen Bürgermeisters lebt“. 881  Hohenstein, S.  94 f.; vgl. auch Helle, S.  118; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  41. 882  Vgl. OLG München, NJW-RR 1990, S.  1000, wonach eine Schauspielerin ihren Wandel der inneren Einstellung nicht beweisen konnte, nachdem diese vor zwei Jahren in die Veröffentlichung von Aktfotos (bei einer Vergütung von 30  %) eingewilligt hatte. Diese habe lediglich den Wunsch behauptet, „in das ernste Fach wechseln zu wollen“. Dabei sei aber schon fraglich, „ob eine weitere Veröffentlichung der Fotos aus der Fotoserie Juli 1986 insoweit stören oder schaden könnte“. Zudem stünde nicht mit genügender Sicherheit fest, dass die Schauspielerin nicht auch in Zukunft in Filmen unbekleidet auftritt, da „waggonweise“ Aktbilder der Schauspielerin als Abzüge von Filmen exis­ tieren würden und nicht klar sei, ob sie sich gegen alle Verbreitungen ebendieser wenden wolle. Unter entsprechender Berücksichtigung der Interessen des Veröffentlichenden könne deshalb ein „Kündigungsrecht kaum vor Ablauf von drei Jahren, eher wohl von fünf Jahren bejaht werden“; vgl. auch LG Köln, AfP 1996, S.  187, wonach eine Schauspielerin nicht ihre Einwilligung („unwiderruf­ liches Einverständnis […] ohne jede zeitliche, örtliche und inhaltliche Beschränkung“) in die Ver­ öffentlichung von Playboy-Fotos aus dem Jahre 1987 widerrufen konnte, welche vor ihrer Schau­ spielkarierre angefertigt und veröffentlicht wurden. Ab 1990 war sie in Unterhaltungsfilmen sowie Fernsehserien tätig und lehnte 1995 eine erneute Anfrage des Playboys ab. Nachdem der Playboy daraufhin die alten Aufnahmen nochmal veröffentlichte, erklärte die Schauspielerin den Widerruf ihrer Einwilligung und berief sich hierbei auf die Absage der zweiten Anfrage (trotz hohen Hono­ rarangebots). Das LG Köln hielt dies für „nicht geeignet, einen den Widerruf rechtfertigenden, die vertragliche Bindung außer Kraft setzenden grundlegenden Gesinnungswandel zu begründen“, da sich die Schauspielerin „in mehreren Interviews seit 1990 positiv zu der Frage von erotischem Auf­ treten und Nacktaufnahmen geäußert, „diese jedenfalls keineswegs nachdrücklich zurückgewiesen [hat], wie es […] bei einem grundlegenden Gesinnungswandel zu erwarten gewesen wäre“. Ferner würden die Aktaufnahmen die Schauspielkarierre nicht erheblich belasten und das nicht unerheb­ liche Honorar für einen Vertrauenstatbestand sprechen. 883  Herbort, S.  92; Schnabel, ZUM 2008, S.  660; vgl. auch Golla, K&R 2015, S.  535; Wanckel, Rn.  166.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Schema hinsichtlich der Widerrufbarkeit einer einmal wirksam erteilten bildnis­ rechtlichen Einwilligung anhand der Rechtsprechung herzuleiten.884 Insgesamt wird 884  Bejaht bei: OLG Koblenz, ZUM 2015, S.  58, wonach die Einwilligung in die Anfertigung intimer Bilder innerhalb der Liebesbeziehung widerrufen werden könne. Die Argumentation stützt sich hierbei maßgeblich auf die Maßstäbe bei der Publikation von Bildnissen, insoweit könnte bei der Beendigung einer Liebesbeziehung von einem Gesinnungswandel ausgegangen werden; der BGH ging 2016 gleichwohl von einer – auf die Dauer der Beziehung – beschränkten Einwilligung zum Bildnisbesitz aus; vgl. BGHZ 207, 163 (174) – „Löschungsanspruch bei intimen Bild- oder Filmaufnahmen“; vgl. auch OLG Hamburg, NJW-RR 1988, S.  736, wonach ein Häftling (hilfswei­ se) seine Einwilligung in eine Bildnisveröffentlichung mit dem Titel „Aids-Angst hinter Gittern“ widerrufen hätte, richtigerweise lag aber nie eine Einwilligung in die konkrete Veröffentlichung vor, da der Abgebildete seine Einwilliung dem Fotografen gegenüber im Glauben erteilte, es ginge um die Veröffentlichung eines Buches über den Strafvollzug; LG Hamburg, NJW-RR 2005, S.  1358, bejaht eine Widerrufsmöglichkeit, wenn man bei der Aufnahme überrumpelt wurde; LG Düssel­ dorf, ZUM-RD 2011, S.  249, wonach der Großvater eines bei der Loveparade verunglückten Unfall­ opfers seine Einwilligung in die Ausstrahlung eines Interview widerrufen konnte, weil seine Toch­ ter – die Mutter des Verstorbenen – keine Ausstrahlung wünschte. Aus Rücksichtnahme gegenüber seiner Tochter und zur Vermeidung familiärer Konflikte im Zusammenhang mit dem tragischen Schicksalsschlag konnte dieser deshalb seine Meinung ändern und seine Einwilligung wirksam widerrufen; vgl. schließlich die Entscheidung des österreichischen OGH, ÖBl 1970, S.  155, welcher den Widerruf einer Einwilligung eines Geigers in die weitere Verbreitung eines ihn als Primas einer „Zigeunerkapelle“ zeigenden Werbeprospekts bejahte, da dies für ihn nunmehr als Konzertgeiger unzumutbar wäre; verneint wurde ein wichtiger Grund etwa in: BAG, NJW 2015, S.  2143 f., wonach als alleiniger Widerrufsgrund für eine bildnisrechtliche Einwilligung im Arbeitsverhältnis (etwa auf der Firmen-Homepage) nicht ausreiche, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird. Hiernach müs­ sen darüber hinausgehende Gründe vorliegen, wie etwa der Umstand, dass der ausgeschiedene Mit­ arbeiter in besonderer Weise hervorgehoben und damit individuell werblich vereinnahmt wird; dies wird man allerdings auch dann annehmen müssen, wenn das Anstellungsverhältnis für den Rechts­ verkehr (und die einhergehende Präsentation nach außen) eine hervorgehobene Rolle spielt, wie etwa die Abbildung der individuellen Anwälte auf der Homepage bei einer Anwaltskanzlei, eines Ärzteteams oder Abbildung des Firmenvorstands; OLG Freiburg, GRUR 1953, S.  404, wonach ein Croupier (Spielleiter meist bei Kartenspielen in einem Spielcasino) seine Einwilligung in eine Ver­ öffentlichung in einem Werbeprospekt nicht deshalb (hilfsweise) widerrufen konnte, weil er später als Generalvertreter einer Handelsfirma arbeitete; OLG Frankfurt a. M., K&R 2011, S.  411, wonach eine bildnisrechtlichen Einwilligung nicht schon dann widerrufen werden könne, wenn der Abge­ bildete mit dem kritischen Inhalt des Fernsehberichts nicht einverstanden sei; nach dem LG Bonn, Urt. v. 24.08.2001, Az. 18 O 271/01 (unveröffentlicht), liegt kein wichtiger Grund für den Widerruf einer Bildnisveröffentlichung einer Sportlerin bei der Dopingprobe vor, wenn diese sich als positiv herausstellt, zitiert nach Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  20; LG Bielefeld, NJW-RR 2008, S.  716 f., wonach die Einwilligung in die Ausstrahlung einer abgedrehten Folge „Die Super Nanny“ nicht widerrufen werden konnte, da die Abgebildete, welche an den Dreharbeiten voll mit­ wirkte, nicht überzeugend vorbringen konnte, dass die Ausstrahlung bei ihr zu erheblichen physi­ schen oder psychischen Belastungen führen würde; das LG Hamburg, Urt. v. 30.09.2011 – 324 O 434/10 = BeckRS 2016, 1896, ging davon aus, dass die Einwilligung in die Ausstrahlung eines In­ terviews selbst dann nicht widerrufen werden könne, wenn die Fragen „überraschend“ oder „verun­ sichernd“ waren und der Abgebildete unmittelbar nach dem Interview geltend macht, dass er nicht wolle, dass die Aufzeichnung ausgestrahlt wird; a. A. hierzu Libertus, ZUM 2007, S.  626; man wird in solchen Fällen jedenfalls anhand des vereinbarten Interviewformats schon danach differenzieren müssen, ob überhaupt eine Einwilligung vorlag; vgl. Klass, AfP 2005, S.  512; so zog das OLG Karlsruhe, AfP 2015, S.  55 ff., zwar auch eine Einwilligung eines (durch einen jungen Lockvogel) überraschten „Hobbyfotografen“, welcher die Füße des Lockvogels („Fußmodel“) fotografiert hatte, in Erwägung, da der Hobbyfotograf verdutzt Fragen vor laufender Kamera durch eine intervenie­

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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aber auch anhand der ergangenen Entscheidungen jedenfalls deutlich, dass sich die Zubilligung eines bildnisrechtlichen Widerrufsrechts maßgeblich anhand der dahin­ terstehenden Interessenabwägung zwischen Abgebildeten und Veröffentlichenden entscheidet.885 Somit können zumindest die folgenden Leitlinien eine gewisse Kon­ turierung gewährleisten: Für das Interesse des Veröffentlichenden, das Bildnis weiterhin veröffentlichen zu dürfen, spricht dabei dessen fingiertes Vertrauen in vermögensrechtliche Dispositio­ nen hinsichtlich der Bildnisveröffentlichung sowie vertraglich fixierte Abmachungen mit dem Abgebildeten, bei dessen hinreichender Aufklärung hinsichtlich der Veröf­ fentlichung. Je weniger der Veröffentlichende hier auf eine Bindung des Abgebilde­ ten hinsichtlich seiner Veröffentlichung vertrauen darf, desto eher besteht Widerrufs­ recht des Abgebildeten. Dies wird man eher bei spontanen Einwilligungen ohne vertragliche Fixierung886 und nähere Aufklärung des Veröffentlichenden, z­ umindest aber beim Einholen der Einwilligung unter Ausnutzung eines „Überrumpelungs­ elements“887 annehmen können. Dabei wird regelmäßig ebenfalls der Zeitpunkt des erklärten Widerrufs eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Mit fortgeschrittener Zeit888 wird der Veröffentlichende bei einer ersichtlich aufwändigen Produktion je­ denfalls eher darauf vertrauen dürfen, dass ein Widerruf, welcher seiner Begrün­ dung nach sofort hätte geltend gemacht werden können, ausbleiben wird. Auch die Höhe eines Honorars oder die Gewichtung der vereinbarten Gegenleistung können eine Indizwirkung für ein schutzwürdiges Vertrauen des Veröffentlichenden begrün­ rende Reporterin von „RTL Punkt 12“ beantwortete. Insgesamt ging das Gericht aber schon von keiner Einwilligung aus; vgl. insgesamt hierzu auch Kap.  3, C., III., 2. 885  So i. E. auch Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  41; Herbort, S.  93; Libertus, ZUM 2007, S.  626; Ohly, S.  349; ders., AfP 2011, S.  433; Wanckel, Rn.  160. 886  Vgl. in diesem Zusammenhang Prinz/Peters, Rn.  838; und Wanckel, Rn.  170, welche für die Praxis die Empfehlung aussprechen, das Widerrufsrecht schon im Rahmen einer schriftlichen Ein­ willigungserklärung ausdrücklich zu regeln. Dabei dürfte ein völliger Ausschluss des Widerrufs­ rechts mit Blick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht regelmäßig schon dann unzulässig sein, wenn die Veröffentlichung einen hohen Bezug zur Privatheit hat. 887  Bei einer Überrumpelung wird man schon genau prüfen müssen, ob überhaupt eine bildnis­ rechtliche Einwilligung vorliegt. Das LG Hamburg, NJW-RR 2005, S.  1358, bejahte etwa ein Wi­ derrufsrecht – allerdings nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§  242 BGB) sowie dem Rechtsgedanken aus §§  312, 355 BGB – nachdem eine Sozialhilfeempfängerin überraschend bei einem unangekündigten Hausbesuch von Prüferinnen des Bezirksamtes in ihrer Wohnung von ei­ nem (die Prüferinnen begleitenden) Kamerateam von Sat. 1 gefilmt wurde, wobei u. a. das unauf­ geräumte Schlafzimmer und der Inhalt von Schränken gefilmt wurde; Wanckel, Rn.  160, Fn.  468, bezweifelt in diesem Zusammenhang, ob bereits eine (konkludente) Einwilligung erteilt wurde. Das OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1990, S.  1439 f., verneinte bereits eine Einwilligung eines Steuer­beraters, nachdem ein Kamerateam diesen filmte und vor die Tür bat, um ihm „etwas Schö­ nes“ zu zeigen. Anschließend wurde dieser aber mit den von ihm unsachgemäß im Mülleimer ent­ sorgten Steuerunterlagen konfrontiert; ähnlich OLG Karlsruhe AfP 2015, S.  55 ff.; vgl. ferner BVerfGE 152, 216 (269) – „Recht auf Vergessen II“. 888  Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  20, zieht diesbezüglich eine Begrenzung des Wi­ derrufsrechts auf zwei Wochen in Erwägung, gleichwohl wird es auch hier auf die Umstände des Einzelfalles ankommen.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

den. Auch erscheint es sachgerecht, dass sich der Abgebildete mit steigendem Privat­ heitsgehalt des thematischen Bezugs einer Bildnisveröffentlichung eher von seiner Einwilligung für die Zukunft wieder lösen können muss. Insoweit hat ein Gleichlauf hinsichtlich den Grundsätzen der Selbstöffnung zu bestehen, welche in §  23 KUG relevant wird.889 Dabei muss der Abgebildete allerdings die gewandelten Lebensum­ stände nicht nur dezidiert begründen können, sondern auch situationsübergreifend und konsistent (und nicht nur gegenüber vereinzelten Personen) zum Ausdruck brin­ gen.890 Man kann sich also auch nicht gezielt auf einen tiefgreifenden Sinneswandel hinsichtlich konkreter Bildnisveröffentlichungen berufen, wenn noch anderorts in­ haltlich und thematisch vergleichbare Veröffentlichungen bestehen und nicht ange­ griffen werden. Für einen Sinneswandel wird neben dem Zeitablauf (bei fehlender vertraglicher Fixierung) auch ein verändertes Wohn-, Arbeits-, Freundes- und Fami­ lienumfeld891 zu berücksichtigen sein. Zudem können weitere Gesichtspunkte, wel­ che die Rechtsprechung primär im Rahmen der Selbstbegebung heranzieht offenbar auch für den Widerruf einer Einwilligung eine Rolle spielen. So sollen bereits ent­ gegenstehende Aussagen in Interviews – wie etwa nur die Gutheißung erotischen Auftretens – gegen einen Gesinnungswandel hinsichtlich eigener Aktaufnahmen sprechen können. Insgesamt bietet es sich also an, die hypothetischen Folgen der Entscheidung über einen bildnisrechtlichen Widerruf in Form der weiteren Persön­ lichkeitsentfaltung des Abgebildeten bei einer Versagung der Widerrufsmöglichkeit und der (regelmäßig vermögensrechtlichen) Interessen des Veröffentlichenden bei Bejahung der Widerrufsmöglichkeit gegeneinander abzuwägen.892 Die ganz überwiegende Ansicht knüpft für den Widerruf einer Einwilligungser­ klärung eines minderjährigen Abgebildeten schließlich an die bereits dargestellten Grundsätze zu Einwilligungserklärungen Minderjähriger an: Möchte ein Minder­ jähriger die Einwilligung in eine Bildnisveröffentlichung widerrufen, so benötige er 889 

Hierzu Kap.  3, D., III. Insoweit besteht eine weitere Parallele zu den Grundsätzen der Selbstöffnung durch wider­ sprüchliches Vorverhalten; vgl. BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“; hierzu im Einzelnen noch Kap.  3, D., IV. 891  Ludyga, MMR 2017, S.  161, nennt in thematischer Hinsicht die Veränderung der künstleri­ schen Ansicht, neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oder der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung; ähnlich Frömming/Peters, NJW 1996, S.  959; aus urheberrechtlicher Per­ spektive Rauda, GRUR 2010, S.  23 f. 892  Im Zusammenhang mit einem wirksamen bildnisrechtlichen Widerruf des Abgebildeten er­ gibt sich die nachgelagerte Problematik des Zugeständnisses eines (zivilrechtlichen) Schadensersatz­ anspruches des Veröffentlichenden. Wegen der Kollision eines Schadensersatzanspruches des Ver­ öffentlichenden mit dem Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten – m. a. W. der Drucksituation für den Abgebildeten, welche mit der Zubilligung eines (kostspieligen) Entschädigungsanspruchs nach §  42 III S.  1 UrhG einhergeht – geht die wohl überwiegende Ansicht davon aus, dass der Ab­ gebildete nur den Vertrauensschaden bei einem wirksamen Widerruf gem. §  122 BGB analog tra­ gen müsse; vgl. zur Problematik Dasch, S.  87 f.; HK/Dreyer, §  22 KUG, Rn.  31; Wandtke/Bullinger/ Fricke, §  22 KUG, Rn.  20; Frömming/Peters, NJW 1996, S.  959; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  41; Helle, AfP 1985, S.  101; Ludyga, MMR 2017, S.  161; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  30; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  35; Wanckel, Rn.  169. 890 

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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hierzu vor Erreichen der Volljährigkeit – im Falle des mit dem Widerruf verbunde­ nen rechtlichen Nachteils – die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Wenn umgekehrt der gesetzliche Vertreter die Einwilligung widerrufen will, braucht er dazu – angesichts der Höchstpersönlichkeit des Bildnisrechts – die Zustimmung des einsichtsfähigen Minderjährigen.893 Diese pauschale Feststellung erscheint aller­ dings nach dem bisher Gesagten hinterfragenswert. Zweifelhaft ist insbesondere, warum der (einsichtsfähige) Minderjährige die bildnisrechtliche Einwilligung nicht allein widerrufen können soll, wenn nach der Doppelzuständigkeitslösung das allei­ nige Veto des Minderjährigen bereits die Einwilligung ausschließen soll. Hier bietet sich eine differenzierte Betrachtung an. Zuzugeben ist dabei, dass die (dem Widerruf zwangsläufig vorangegangene) bildnisrechtliche Einwilligung eine grundsätzlich starke Bindungswirkung hervorruft, welche das Vertrauen des Veröffentlichenden schützen soll. Dies erscheint auch insoweit sachgerecht, da der Veröffentlichende darauf vertrauen können soll, dass seine Bildnisveröffentlichung grundsätzlich Be­ stand haben wird und nicht allzu schnell ins Wanken geraten kann, wenn er einmal eine bildnisrechtliche Einwilligung (sowohl von dem Minderjährigen als auch von dem gesetzlichen Vertreter) erlangt hat. Aus diesem Grund kann auch nicht ohne weiteres (sondern nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes) widerrufen werden. In diesem Sinne entsteht dem Veröffentlichenden im Falle eines wirksamen Widerrufs mindestens ein (ersatzfähiger) Vertrauensschaden. Diese Ersatzpflicht stellt einen rechtlichen Nachteil für den Minderjährigen dar, weshalb er in diesem Fall für den Widerruf die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters benötigt. Dieser Grundsatz überzeugt allerdings dann nicht, wenn die Aufrechterhaltung ei­ ner Bildnisveröffentlichung in einem Zustand resultiert, welcher den Minderjährigen in seiner Persönlichkeitsentwicklung stärker als der mit dem Widerruf ver­bundene rechtliche Nachteil beeinträchtigt. Auch hier zeigt sich die nur bedingte Übertragbar­ keit der zivilrechtlichen Wertungen zu Willenserklärungen auf das Bildnisrecht. Es ist deshalb genau zu prüfen, ob das Versagen eines (isolierten) Widerrufsrechts des Min­ derjährigen zu einem (persönlichkeitsrechtsverletzenden) Zustand führt, der den rechtlichen Nachteil eines wirksamen Widerrufs überwiegt. Kann dies bejaht werden, so ist von einem isolierten Widerrufsrecht des (einsichtsfähigen) Minderjährigen aus­ zugehen. Hierfür spricht die Höchstpersönlichkeit des Bildnisrechts. Hierfür spricht auch folgender Gedanke: Kann der Minderjährige beim Erlangen der Einsichtsfähigkeit seine (früher mangels Ein­ sichtsfähigkeit durch die Erziehungsberechtigten erteilte) bildnisrechtliche Einwilligung hin­ sichtlich Veröffentlichungen seiner Erziehungsberechtigten widerrufen894, muss dies auch bei Veröffentlichungen durch Dritte gelten. Ferner erscheint es sachgerecht, bei gravierenden Folgen für den Minderjährigen weiter zu differenzieren. Ergibt sich nach einer wirksam erteilten bildnisrechtlichen Einwilligung ein 893  Möhring/Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  47; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  47; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  20; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  35. 894  Hierzu bereits Kap.  3, C., II., 1., b).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gravierender Widerrufsgrund für den Minderjährigen und resultiert aus einer Blockade des Widerrufs durch den gesetzlichen Vertreter die Verletzung von dessen Fürsorgepflichten, ge­ fährdet der gesetzliche Vertreter durch das Zurückhalten seiner Zustimmung wegen der fak­ tischen Aufrechterhaltung der Veröffentlichung das Kindeswohl nach §  1666 BGB. Deshalb erscheint zunächst der Weg über familiengerichtliche Eingriffe in das Recht der elterlichen Sorge zur Gefahrenabwehr gangbar, wonach gem. §  1666 IV BGB auch Maßnahmen gegen Dritte – hier den Veröffentlichenden – ergehen können.895

III. Zu den Anforderungen und der Reichweite einer bildnisrechtlichen Einwilligung Wenn bei den vorangegangenen Ausführungen zur Rechtsnatur der bildnisrechtlichen Einwilligung eine gewisse Zurückhaltung hinsichtlich einer allzu starren Übertra­ gung der rechtsgeschäftlichen Regelungen des Zivilrechts bestand, lag dies in der höchstpersönlichen Natur des Rechts am eigenen Bild begründet. Gleichwohl handelt es sich beim Recht am eigenen Bild als persönlichkeitsrechtlicher Zusammenfluss von Rückzugsrecht896 und Bestimmungsrecht897 des eigenen Selbst um ein Derivat der Privatautonomie. Wer sich (privatautonom) für den eigenen bildhaften Auftritt ent­ scheidet, wird nicht in seinem (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild verletzt.898 Da es sich somit bei der bildnisrechtlichen Einwilligung um ein Instrument der Privatau­ tonomie handelt, erscheint es überzeugend, diese hinsichtlich ihrer Anforderungen und Reichweite als Willenserklärung zu behandeln. Denn eine Willenserklärung be­ zweckt die Herbeiführung einer Rechtsfolge, gerade weil sie vom Äußernden (privat­ autonom) gewollt ist.899 Da die Rechtsgutsverletzung durch eine Bildnisveröffentli­ chung bei Vorliegen einer Einwilligung ausbleibt, weil der Abgebildete dies so will, entspricht die Einordnung der bildnisrechtlichen Einwilligung als Willenserklärung also gerade dem geschützten Rechtsgut des Rechts am eigenen Bild.900 895  In Extremfällen kann erwogen werden, vom nachträglichen Entfallen der bildnisrechtlichen Einwilligung auszugehen, ohne dass es hier auf die tatsächliche Ausübung eines Widerrufs bedarf. Insoweit könnten die Wertungen der nachträglichen Störung der Geschäftsgrundlage gem. §  313 I BGB herangezogen werden, zumal hier auch kein Vertrauensschaden entstünde. Gleichwohl gilt es dann die Interessen des Veröffentlichenden an der Aufrechterhaltung der Bildnisveröffentlichung genau zu berücksichtigen, insbesondere, da dessen Strafbarkeit (und nicht etwa eine Strafbarkeit der Erziehungsberechtigten) wegen der Aufrechterhaltung der Veröffentlichung gem. §§  33 KUG i. V. m. §  13 I StGB im Raum stünde. 896  Zur Perspektive der Garantie von Rückzugsräumen zur Persönlichkeitsentfaltung Kap.  2, B., II., 3., a). 897  Zur Perspektive der Selbstbestimmung Kap.  2, B., II., 3., b). 898  Frömming/Peters, NJW 1996, S.  958. Ohly, AfP 2011, S.  432; ders., GRUR 2012, S.  985, be­ schreibt die Einwilligung als Kommunikationsakt, der sich mit den Worten „Du darfst“ umschrei­ ben lässt. 899  Hier besteht gerade der Unterschied zur rechtsgeschäftsähnlichen Handlung, bei welcher die Rechtsfolge gerade nicht deshalb eintritt, weil sie vom Handelnden gewollt ist; so Leenen, BGB AT, §  4, Rn.  9; vgl. im Zusammenhang mit dem Recht am eigenen Bild Dasch, S.  48 ff.; Frömming/­Peters, NJW 1996, S.  958; Klass, AfP 2005, S.  511; vgl. ferner Ohly, S.  201 ff.; ders., AfP 2011, S.  432. 900  Ludyga, MMR 2017, S.  160.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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Somit besteht Klarheit darüber, dass an eine bildnisrechtliche Einwilligung grund­ sätzlich kein spezielles Formerfordernis zu stellen ist.901 Die Einwilligung kann da­ mit sowohl als empfangsbedürftige Willenserklärung ausdrücklich als auch still­ schweigend – als sog. konkludente Einwilligung – gegenüber dem Veröffentlichen­ den oder der Allgemeinheit erklärt werden.902 Gleichwohl zeichnet sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, dass jeden­ falls bei Bildnisveröffentlichungen im Arbeitsumfeld903 und zu W ­ erbezwecken904 eine tendenziell strengere Linie hinsichtlich der Anforderungen an eine Einwilligung in Form ihrer ausdrücklichen (schriftlichen) Erteilung besteht. Nimmt man diese Ten­ denz ernst, so erscheint es angezeigt, diese Wertungen auch auf Bildnisveröffentli­ chungen mit Bezug zur Intimsphäre zu übertragen. Dies liegt ohnehin bereits aus prak­ tischen Gesichtspunkten nach den Ausführungen zum Widerruf einer bildnisrecht­ lichen Einwilligung nahe, da hiernach konkludente Einwilligungen mit steigendem Privatheitsgrad tendenziell leichter vom Abgebildeten widerrufen werden können.905 Auch hinsichtlich des Inhalts und des Umfangs einer bildnisrechtlichen Einwilli­ gung besteht nach den vorangestellten Erwägungen also insoweit Klarheit, als dass sich diese maßgeblich nach den Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen nach den §§  133, 157 BGB bestimmen. Somit können bildnisrechtliche Einwilligun­ gen je nach Zusammenhang thematisch, medial und zeitlich beschränkt werden. Eine solche Beschränkung kann dabei entweder ausdrücklich erklärt werden oder sich aus den konkreten Umständen des Einzelfalles ergeben.906 Prominentes Beispiel für die kontextbezogene (konkludente) Beschränkung einer Einwilli­ gungserklärung im Zusammenhang mit Bildnissen stellt heute die Entscheidung des Bundes­ gerichtshofs aus dem Jahr 2016 dar, in welchem der VI. Zivilsenat eine Einwilligung in die 901  Herbort, S.  87; Klass, AfP 2005, S.  511; Ludyga, AfP 2017, S.  197; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  126. 902  BGHZ 20, 345 (348) – „Paul Dahlke“; BGH, GRUR 1962, S.  212 – „Hochzeitsbild“; BGH, NJW-RR 1987, S.  231 – „Nena“; BGH, NJW 1996, S.  594 – „Willy Brandt“; BGH, NJW 2005, S.  57  – „Charlotte Casiraghi II“ BGH, NJW 2015, S.  1450 – „Hostess auf Eventportal“; Möhring/ Nicolini/Engels, §  22 KUG, Rn.  31; BeckOK UrhR/Engels, §  22 KUG, Rn.  31; Ernst, AfP 2015, S.  401; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  15; Herbort, S.  88; Libertus, ZUM 2007, S.  621; Ludyga, AfP 2017, S.  196 f.; Ohly, GRUR 2012, S.  986; Schönewald, ZUM 2013, S.  866 ff.; Soehring/ Hoene, §  19, Rn.  44 f.; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  17. 903  BAG, MMR 2015, S.  545, wonach §  22 S.  1 KUG verfassungskonform auszulegen sei, sodass bei bildnisrechtlichen Kollisionslagen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmehrn die Einwilli­ gung in Veröffentlichungen von Arbeitnehmerbildnissen der Schriftform bedürfe; zust. Golla, K&R 2015, S.  534 f. 904  BGH, NJW-RR 1995, S.  789 – „Chris Revue“, wonach die Verwendung eines Bildnisses für Werbezwecke sich nur dann als zulässig erweise, „wenn sie von der ausdrücklichen Einwilligung des Abgebildeten gedeckt“ sei; OLG Köln, ZUM 2011, S.  506; Prinz/Peters, Rn.  834; Dreier/Schulze/­ Specht, §  22 KUG, Rn.  19a; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  126. 905  Hierzu Kap.  3, C., II., 2., c); vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, S.  1199, wonach die Nutzung des Bildmaterials bei einer stillschweigend erteilten Einwilligung nur in einem solchen Kontext zulässig sei, welcher nicht in einem Missverhältnis zu der Bedeutung steht, die der Betrof­ fene selbst dem Thema beilegt; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  15. 906  Korte, §  2, Rn.  18; Ohly, AfP 2011, S.  432.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

„Anfertigung und Verwendung“ intimer Aufnahmen auf die Dauer einer (Liebes-)Beziehung beschränkt hatte.907

Auch die im direkten Zusammenhang mit §  22 KUG ergangenen Entscheidungen weisen dabei erneut eine besondere Sensibilität hinsichtlich solcher Veröffentlichun­ gen auf, welche im Zusammenhang mit gesteigerter Intimität908 und Werbung909 ste­ hen. Es ist deshalb auch zu erwarten, dass die Rechtsprechung diese restriktive Linie auch bei der Bemessung der Reichweite einer bildnisrechtlichen Einwilligung bei Abbildungen von Kindern anwenden wird.910 Damit wird insgesamt deutlich, dass die Ausgestaltung der bildnisrechtlichen Einwilligung als Tatbestandsvoraussetzung insbesondere der Rechtsprechung dort Probleme bereitet, wo keine ausdrückliche Einwilligung vorliegt und der Bildnisinhalt im Zusammenhang mit wei­ teren berechtigten Interessen des Abgebildeten – wie der gesteigerte Privatheitsgehalt, werb­ licher Kontext oder etwa bei Minderjährigkeit – steht. Ergebnisorientiert je nach Kontext der Veröffentlichung ein Formerfordernis in ein Tatbestandsmerkmal hineinzulesen, erscheint angesichts des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots allerdings zweifelhaft. Auch erscheint es bedenklich, bei einer Bildnisveröffentlichung im gesteigerten privaten – intimen – Kontext höhere Anforderungen an die Einwilligung in Form der Ausdrücklichkeit zu stellen, eine Be­ schränkung der Reichweite hingegen konkludent zuzulassen. Gewisse Formerfordernisse der bildnisrechtlichen Einwilligung an den jeweiligen Veröffentlichungskontext zu knüpfen, über­

907 

BGHZ 207, 163 (171) – „Löschungsanspruch bei intimen Bild- oder Filmaufnahmen“. BGH, NJW 1985, S.  1618 – „Nacktaufnahme“, wonach die Einwilligung in die Veröffentli­ chung einer Nackt-aufnahme in einem Biologie-Schulbuch nicht auch eine (zweisekündige) Aus­ strahlung der Abbildung in einem Fernsehbeitrag umfasse. 909  BGHZ 20, 345 (348) – „Paul Dahlke“, wonach aus dem ausdrücklichen Einverständnis zur Abbildung im redaktionellen Teil der „Film und Funk“ nicht auch stillschweigend die Billigung von anderen Bildnisveröffentlichungen in weiteren Zeitschriften (insbesondere zu Reklamezwecken) folge; BGH, NJW 1992, S.  2084 – „Talkmaster – Foto“, wonach die Einwilligung des Schauspielers Joachim Fuchsberger zu seiner Ablichtung mit Brille bei der Einweihung eines Modehauses allen­ falls eine Bildnisveröffentlichung zur Bewerbung dieses Modehauses, nicht aber der Optikerkette umfasse; OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1986, 1118, wonach eine Einwilligung zur Aufnahme ei­ nes Bildnisses als Teil einer Wandergruppe bei einer Bergtour keine Einwilligung der abgebildeten Person darstellt, dass das Bild für Werbezwecke (hier: für einen offiziellen Hotel-, Reise- und Ferien­katalog) eingesetzt werden darf; OLG Hamburg, AfP 1999, S.  487 f., wonach aus der Beauf­ tragung eines Fotografen zur Anfertigung von Portraitaufnahmen einer bekannten Popmusikgrup­ pe (Backstreet Boys) nicht auf auf eine stillschweigende Einwilligung zur entsprechenden Bildnis­ veröffentlichung in einem (Merchandising-)Kalender geschlossen werden könne; OLG Köln, ZUM 2014, S.  416, wonach die Einwilligung einer Schauspielerin zur Nutzung eines Standfotos aus einem Film (zu dessen Bewerbung) nicht die Nutzung zur Werbung für Fernsehgeräte umfasse; LG Mün­ chen, AfP 2000, S.  474 f., wonach die Einwilligung eines Sportlers in die Erstellung eines Werbe­ films für ein Unternehmen nicht einen Fernsehsender berechtige, Screenshots aus diesem Werbe­ film für eigene Anzeigen zu veröffentlichen; LG Hamburg, Urt. v. 22.02.2019 – Az. 324 O 427/17 = GRUR-RS 2019, 55482, zur Veröffentlichung von Kundenbildern auf Ebay-Kleinanzeigen zur Be­ werbung der Tätigkeit einer Visagistin. 910  So auch OLG Dresden, NJW-RR 2018, S.  1133, wonach eine (klauselartige) Einwilligung der Eltern für das Kind in die Veröffentlichung eines Babybildes in der „Online-Babygallerie“ eines Krankenhauses nicht auch die Veröffentlichung des Bildes auf dem Onlineauftritt einer Abendzei­ tung umfasse. 908 

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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zeugt deshalb nicht. Die bildnisrechtliche Einwilligung ist somit auch in den beschriebenen sensiblen Kontexten formlos möglich.911

Schließlich bleibt auch in diesem Zusammenhang allgemein voranzustellen, dass in Zweifelsfällen zum Vorliegen und der Reichweite einer bildnisrechtlichen Einwilli­ gung insbesondere der Zweck der infrage stehenden (Zustimmungs-)Handlung ein maßgeblicher Dreh- und Angelpunkt sein muss. Hierfür spricht das diesbezügliche Verständnis der Einwilligung als Willenserklärung, welche im Zweifel als Instru­ mentarium der Privatautonomie hilfsweise erläuternd nach Sinn und Zweck ausge­ legt wird. Zustimmung verdient daher die Heranziehung derjenigen Wertungen der sog. Zweckübertragungsregel912 aus dem Urheberrecht (§  31 V UrhG) auf die bildnis­ rechtliche Einwilligung. Hiernach erstreckt sich eine erteilte Einwilligung im Zwei­ fel nur auf solche Bildnisverwendungen, welche der Einwilligungsempfänger zur Erfüllung des mit dem zugrundeliegenden Vertrag verfolgten Zwecks unbedingt benötigt.913 Auf diesen Gedanken wird noch mehrfach im Rahmen der bildnisrecht­ lichen Einwilligung zurückzukommen sein. Nach der Vorwegnahme dieser allgemeinen Grundsätze, sollen im Folgenden die zwei Problemkreise der bildnisrechtlichen Einwilligung besprochen werden, welche sich im Zusammenhang mit modernen Darstellungsszenarien stellen. Einerseits stellt sich die Frage, inwiefern der Abgebildete eine ausdrückliche Einwilligung zur Bildnisveröffentlichung unter der Heranziehung von Vertragsklauseln erteilt (1.). Re­ gelmäßig wird dies eine Rolle beim Vertragsschluss zum Besuch von Massenevents oder der Nutzung von Online-Plattformen wie sozialen Netzwerken oder etwa Ga­ ming-Plattformen sein. Noch bedeutender ist schließlich die Frage nach den grund­ sätzlichen Anforderungen und der Reichweite an eine stillschweigende bildnisrecht­ liche Einwilligung (2.). 911  Eine andere Frage ist es hingegen, ob dem Veröffentlichenden der Nachweis einer (konklu­ denten) Einwilligung des Abgebildeten hinsichtlich solcher Bildnisveröffentlichungen in den ge­ nannten sensiblen Kontexten auch gelingen wird. 912  Die Zweckübertragungslehre geht auf Wenzel Goldbaum zurück. Im Zuge neuer Verwer­ tungsformen zu Beginn der 1920er Jahre – insbesondere des Stummfilms – kam es vermehrt zu Streitigkeiten über den Umfang der vertraglich übertragenen Urheberrechte. So war unklar, ob im Falle einer unbeschränkten Urheberrechtsübertragung an Schriftwerken auch das Verfilmungsrecht ebenfalls auf den (Buch-)Verleger übergegangen sei, obwohl beim Vertragsschluss hinsichtlich der Rechteübertragung keine der Parteien die Stummverfilmung überhaupt in Erwägung gezogen hatte. Dies drohte angesichts der regelmäßig generalklauselartigen Formulierungen der Verträge (hin­ sichtlich der Übertragung „sämtlicher Urheberrechte“) zu Lasten des Urhebers gewertet zu werden. Diesen Missstand suchte Goldbaum mithilfe der Zweckübertragungslehre zu beseitigen; vgl. hierzu umfassend Dörfelt, S.  4 ff. 913  OLG Oldenburg, NJW 1983, S.  1202 f.; OLG Köln, AfP 1999, 377; KG, NJW-RR 1999, S.  1703; OLG Köln ZUM 2014, S.  416 ff.; LG Köln, ZUM 2012, 512; LG Berlin, ZUM-RD 2012, S.  596; Ernst, AfP 2015, S.  403; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  16; Schricker/Loewen­ heim/Götting, §  22 KUG, Rn.  44; BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  22 KUG, Rn.  16; Klass, AfP 2005, S.  511; Prinz/Peters, Rn.  837; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  26; Soehring/Hoene, §  19, Rn.  46a; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  21.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

1. Zur ausdrücklichen Einwilligung in modernen Darstellungsszenarien nach §  22 KUG Neben der einfachen mündlichen Zusage zur Veröffentlichung eines Bildnisses steht die vertraglich fixierte Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildnisses. Haupt­ sächlich wird eine solche vertragliche Festschreibung der bildnisrechtlichen Ein­ willigung dann stattfinden, wenn die Bildnisveröffentlichung zentraler Vertragsbe­ standteil zwischen den Parteien sein soll. Dies ist regelmäßig bei Verträgen mit Foto­ modellen (sog. Model-Release-Verträge) oder bei Verträgen mit Schauspielern, Moderatoren oder sonstigen Protagonisten in medialen Unterhaltungsformaten der Fall. In diesem Bereich finden die bereits dargestellten allgemeinen Grundsätze An­ wendung. Fragen hinsichtlich des Bildnisrechts tauchen allerdings regelmäßig dann auf, wenn der Abgebildete in seine Bildnisveröffentlichung versteckt im Vertragswerk ausdrücklich eingewilligt hat. Denn grundsätzlich kann eine Einwilligung in eine Bildnisveröffentlichung auch durch eine vorformulierte Erklärung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) abgegeben werden.914 Regelmäßig findet eine solche formularmäßige bildnisrechtliche Einwilligung gegenüber wer­ betreibenden Unternehmen statt. Wer etwa ein Musikfestival, eine Messe oder eine große Sportveranstaltung im Stadion besucht, erklärt regelmäßig in den AGB beim Vertragsschluss, dass dort hergestellte Bildnisse (welche von Hilfspersonen des Veranstalters angefertigt wur­ den) zur Bewerbung der entsprechenden Veranstaltung selbst oder sonstigen Dienstleistungen oder Produkten, die im Zusammenhang mit der Veranstaltung stehen, genutzt werden dürfen. Gleichwohl kann dies auch gegenüber sonstigen (arbeitgebenden) Unternehmen oder Be­ hörden stattfinden, welche etwa Bilder ihrer Angestellten online stellen wollen. Selbst (Erzie­ hungs-)Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten sowie Krankenhäuser benutzen nicht selten Einwilligungsformulare, wenn es darum geht, Fotos von den betreuten Kindern zu ver­ öffentlichen.915

Diese Einwilligungserklärungen müssen sich daher an der in den §  305 ff. BGB ver­ orteten AGB-Kontrolle messen lassen. a) Vorgaben zur Einbeziehung von AGB für eine bildnisrechtliche Einwilligung Allgemeine Geschäftsbedingungen werden nach §  305 II BGB nur dann Bestandteil eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertrags­ schlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist (Nr.  1). Zusätzlich 914  OLG Köln, ZUM 2014, S.  418; Dasch, S.  69 ff.; Ernst, AfP 2015, S.  402 ff.; Schönewald, ZUM 2013, S.  865 ff.; Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  19a; vgl. Biesenbach/Schwartmann, DRiZ 2021, S.  148; vgl. ferner OLG Frankfurt a. M., MMR 2016, S.  247. 915  Zur formularartigen Einwilligung in die online-Veröffentlichung eines Neugeborenen in der „Online-Babygallerie“ eines Diakonissenkrankenhausen LG Dresden Urt. 27.07.2017 – 1a O 829/16 = BeckRS 2017, 144171, Rn.  16; hierzu dann OLG Dresden, NJW-RR 2018, S.  1132 ff.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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muss der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft werden, in zumutbarer Weise – unter angemessener Berücksichtigung etwaiger körperlicher Behinderun­ gen  – von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (Nr.  2). Will ein Veranstalter Bildnisse von seinen Event-Gästen – sei es die Dorfdiskothek oder ein großes Festival – herstellen und später veröffentlichen lassen, muss er für eine Einwilligung der Teilnehmer durch AGB diese deutlich sichtbar und lesbar am Eingangsbereich anbringen, wenn erst dort der Vertragsschluss stattfindet. Dabei müssen diese verständlich, lesbar und so kurz gefasst sein, dass die Teilnehmenden nicht schon deshalb auf die Kenntnisnahme ver­ zichten, weil sie ansonsten in eine Drucksituation (drängelnde nachfolgende Teilnehmer) ge­ langen würden. Dabei ist zu beachten, dass die Angabe der AGB auf der Eintrittskarte nicht ausreicht, weil der Abgebildete seine Eintrittskarte regelmäßig nicht vor, sondern erst mit dem Vertragsschluss erhält.916 Es bietet sich also für Veranstalter an, allgemein und vorab auf ihren Internetauftritten, ihren Infobroschüren oder bei Werbemaßnahmen wie auf Plakaten oder etwa in Werbespots auf ihre AGB hinzuweisen.

b) Vorgaben hinsichtlich überraschender Klauseln für eine bildnisrechtliche Einwilligung Erklärungen über bildnisrechtliche Einwilligungen in Allgemeinen Geschäftsbedin­ gungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nach §  305c BGB nicht Teil des Vertrags. Für die Frage, wann ein solcher Überraschungseffekt vorliegt, ist im Einzelfall auf den Durchschnittsverbraucher abzustellen.917 Bei mehrtätigen Musikfestivals oder Unterhaltungsevents in Stadien entspricht es grundsätz­ lich der Erwartung der Besucher, dass während der Veranstaltung Film- und Fotoaufnahmen zu Werbezwecken für Sponsoren getätigt werden. Das gilt selbst dann, wenn der Veranstalter eine generalklauselartige Formulierung in seinem Vertragswerk wählt.918 Dies bedeutet allerdings nicht die Generaleinwilligung eines Besuchers zur Veröffentlichung schlicht jeden Fotos, das auf dem Veranstaltungsgelände stattfindet. Hier gilt es die Grenze zur thematischen Privatheit auch im Verhältnis zum Zweck und der Art und Weise der Veröffentlichung zu beachten.919 Dabei sind die Veröffentlichungen der Bildnisse eines traurigen Kinds920 nach dem Ausschei­ 916 

Ernst, NJW 2010, S.  746: ders., AfP 2015, S.  402. Ernst, AfP 2015, S.  403; Schönewald, ZUM 2013, S.  865 f. 918  Schönewald, ZUM 865 f., erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass es sogar oftmals das erklärte Ziel von Zuschauern ist, von den Kameras erfasst zu werden, indem sie bestimmte Spruchbanner hochhalten oder entsprechende Kostümierungen tragen. 919  In diesem Sinne OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  380, wonach die konkludente Einwilligung hinsichtlich der Veröffentlichung einer Dame im Nationaltrikot auf der Ehrentribüne der Fußball EM 2016 nur dahingehend vorliege, „Berichte über das konkrete oder über vergleichbare Fußball­ spiele bzw. über gesellschaftliche Ereignisse in dessen Zusammenhang zu bebildern“. Die Einwilli­ gung erstrecke sich hingegen nicht „auf eine Berichterstattung über einen Urlaubsflirt“ eines Nati­ onalspielers. 920  A. A. i. E. wohl OLG Köln, NJW 2017, S.  1115, wonach nur eine konkludente Einwilligung der Eltern hinsichtlich der Veröffentlichung als Teil dieser winkenden Zuschauergesamtheit auf der Tribüne eines Springturniers vorliege; anders wieder OLG Hamburg, AfP 2006, S.  369, hinsichtlich 917 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

den der angefeuerten Fußballnationalmannschaft sowie des feiernden Fans grundsätzlich auch für die teilnehmenden Besucher nicht überraschend. Zu einem anderen Ergebnis wird man allerdings gelangen, wenn der ausschenkende Großgastronom als Mitsponsor mit Bildern volltrunkener Teilnehmer auf einem Event für sein Unternehmen Werbung macht. Insoweit ist ergänzend §  307 I 1 BGB immer mit in den Blick zu nehmen921 und eine differenzierende Betrachtung anhand der Privatheit der Abbildung und des Vertragszwecks zugrunde zu le­ gen.922 Auch insoweit kann also auf die Zweckübertragungsregel verwiesen werden. Demzu­ folge entbindet eine klauselmäßige Einwilligung in die Veröffentlichungen von Bildnissen auch nicht etwa den Diskothekenbetreiber von der Einholung einer separaten ausdrücklichen Einwilligung, wenn er unbemerkt hergestelltes Bildnismaterial von tanzenden Gästen (zu spä­ terer Stunde) veröffentlichen möchte und auch insoweit §  23 I Nr.  1 KUG nicht greift.923 Sel­ biges gilt für den Schönheitschirurgen, welcher seine Ergebnisse als Referenzen online stellen möchte und hierzu auf seine AGB verweist. Mit einer gewissen Skepsis ist in diesem Zusammenhang die immer mehr stattfindende Ausstattung von privaten Influencern und Bloggern mit „Presseausweisen“ durch die Veran­ stalter wahrzunehmen. Diese sollen ein Event meist aus Teilnehmerperspektive dokumentie­ rend begleiten und somit besonders publikumsnahe und authentische Werbung durch persön­ liche Erfahrungsberichte (Aftermovies oder VLogs) mittelbar für den Veranstalter betreiben. Nach der hier vertretenen Auffassung muss aber beispielsweise ein Festivalbesucher nicht mit seiner Bildnisveröffentlichung auf einem privaten Influencer-Kanal rechnen, nur weil sich der Festivalveranstalter generalklauselartig924 eine solche Möglichkeit in seinen AGB offenhält. Deshalb gilt es im Zweifelsfall, wenn der filmende Influencer eben nicht als veranstalterzuge­ der Veröffentlichung eines Bildnisses der damals minderjährigen Tochter von Oliver Kahn bei der öffentlichen Meisterschaftsfeier. 921 Vgl. Ernst, AfP 2015, S.  403; Schönewald. ZUM 2013, S.  867. 922  A. A. hinsichtlich des „Herausschießens“ von (winkenden) Fans im Stadion ist allerdings Ernst, AfP 2015, S.  404. Das Recht hierzu könne nicht klauselmäßig erworben werden. Einem sol­ chen Alles-oder-nichts-Prinzip soll hier aber nicht gefolgt werden, zumal sich Ernst diesbezüglich auf Kommentierungen zu §  23 KUG beruft, in denen es darum geht, ob eine „herausgeschossene Person“ bei Fehlen einer Einwilligung veröffentlicht werden darf. Jedenfalls wird man bei einem winkenden Fan aber unabhängig von seiner ausdrücklichen Einwilligung hilfsweise eine konklu­ dente Einwilligung annehmen können. Selbst dem nicht winkenden Fan ist klar, dass er beim Be­ such eines Stadionspiels beim Mitfiebern oder Jubeln von einer Kamera erfasst werden kann. Inso­ fern scheint auch hier eine konkludente Einwilligung nach dem Zweckübertragungsgedanken unter Berücksichtigung der Privatsphäre vorzugswürdig. Selbst eine generalklauselartig erteilte bildnis­ rechtliche Einwilligung (und somit erst recht nicht eine konkludente Einwilligung) deckt hiernach nicht etwa die Veröffentlichung des volltrunkenen – sich im krankhaften Zustand befindenden – Fans ab, da dies seine Privatsphäre verletzen würde. 923  Vgl. AG Ingolstadt, SU v. 03.02.2009 – 10 C 2700/08 = BeckRS 2009, 11123, wonach der Besuch der Diskothek „per se […] kein Einverständnis in die Anfertigung und Veröffentlichung des eigenen Bildnisses“ beinhalte, „auch wenn in derartigen Lokalen heute üblicherweise entsprechen­ de Fotographien gefertigt und zu Werbezwecken im Internet veröffentlicht werden“. 924  Ebenfalls kritisch bzgl. der Ermächtigung Dritter, Ernst, AfP 2015, S.  405; vgl. hierzu nur Punkt 10 der AGB eines der größten Rockfestivals Deutschlands (Summer-Breeze): Zur öffentlichen Berichterstattung über die Veranstaltung sowie zu deren Promotion können der Veranstalter oder von ihm jeweils beauftragte oder sonst autorisierte Dritte (z. B. Rundfunk, Presse) nach Art.  6 I 1 f.) DS-GVO unabhängig voneinander Bild- und Bildtonaufnahmen erstellen, die den Besucher als Zu­ schauer der betreffenden Veranstaltung zeigen können. Diese Bild- und Bildtonaufnahmen können durch den Veranstalter sowie von ihm jeweils autorisierten Dritten (z. B. Rundfunk, Presse) nach Art.  6 I 1 f.) DS-GVO verarbeitet sowie verwertet und öffentlich wiedergegeben werden. [Hervor­

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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hörige Presse, sondern als Teilnehmer unter vielen erscheint, die Einwilligung des Abgebilde­ ten separat einzuholen, sofern die Veröffentlichung nicht gem. §  23 KUG einwilligungsfrei erfolgen kann.

c) Vorgaben zum Transparenzgebot für eine bildnisrechtliche Einwilligung Abschließend gilt es – insbesondere im Zusammenhang mit sozialen Netzwerken im Internet – hinsichtlich der bildnisrechtlichen Einwilligung auf die Intransparenz­ klausel in §  307 I 2 BGB hinzuweisen. Intransparent ist grundsätzlich im Verhältnis zu privaten Nutzern bereits die Verwendung fremdsprachiger Klauseln.925 Auch muss das AGB-Klauselwerk übersichtlich und lesbar sein, um als transparent und nicht abschreckend zu gelten. Insoweit bestehen Schnittmengen mit den vorange­ stellten Anforderungen zur Einbeziehbarkeit.926 Intransparent sind ferner Übertra­ gungen von sog. IP-Lizenzen, wenn diese sich auf das Persönlichkeitsrecht beziehen sollen und den Nutzer weitestgehend im Dunkeln lassen.927 Das geschieht regelmä­ ßig in den AGB von sozialen Netzwerken im Internet.928 Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Posten oder Teilen von Inhalten automatisch zu bestimmten Rechteeinräu­ mungen – sei es für den Plattformbetreiber selbst oder für Dritte – führen soll, ohne dass dies verständlich erläutert wird.929 Intransparent sind ferner Vergütungsregeln, die „jedenfalls“ bestimmte Rechte in eine Pauschalvergütung einbeziehen, wodurch die Weitergabe an nicht näher bestimmte Kooperationspartner, wie etwa Verlage, hebungen durch Verfasser], https://www.summer-breeze.de/de/kontakt/agb (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 925  LG Berlin, K&R 2014, S.  544 f., wonach das Unternehmen hinter Whatsapp für Nutzer in Deutschland deutschsprachige AGB vorhalten muss. 926 Vgl. Ernst, AfP 2015, S.  403; MüKo BGB/Wurmnest, §  307 BGB, Rn.  56 ff. 927  Eindrucksvoll erscheinen hier die AGB von dem bildbasierten sozialen Netzwerk TikTok: „Durch die Veröffentlichung von Nutzerinhalten innerhalb der Dienste oder über die Dienste ver­ zichten Sie auf alle Rechte, Marketing- oder Werbematerialien vorab zu überprüfen und zu geneh­ migen, die sich auf diese Nutzerinhalte beziehen. Sie verzichten weiter (soweit gesetzlich zulässig) im Zusammenhang mit Ihren Nutzerinhalten oder Teilen davon auf alle Rechte auf Privatsphäre, Persönlichkeitsrechte oder andere Rechte ähnlicher Art“; vgl. https://www.tiktok.com/legal/terms-­ of-service?lang=de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022); ausweislich der Klammer scheint also TikTok selbst die Rechtslage nicht klar. Biesenbach/Schwartmann, DRiZ 2021, S.  148 f., beklagen grundsätzlich im Zusammenhang mit der AGB Kontrolle bei sozialen Netzwerken eine Überforde­ rung der Gerichte. 928  Vgl. LG Hamburg, CR 2010, S.  56 zur Lizenzübertragung durch die AGB von Google; LG Berlin, ZD 2012, S.  278 zur Lizenzübertragung durch die AGB von Facebook. 929  Ernst, AfP 2015, S.  403, 405; vgl. in diesem Zusammenhang abermals einen Ausschnitt aus den AGB von TikTok: „[Nutzer von Tiktok erteilen] anderen Nutzern der Dienste eine bedingungs­ lose, unwiderrufliche, nicht ausschließliche, gebührenfreie, unbefristete, weltweite Lizenz zur Nut­ zung, Änderung, Anpassung, Vervielfältigung, Erstellung von abgeleiteten Werken, zum Herunter­ laden, zur Veröffentlichung und/oder Übermittlung und/oder Verbreitung aller oder eines Teils Ih­ rer Nutzerinhalte zu gewähren, in allen Formaten und auf allen Plattformen, ob bereits bekannt oder erst später entwickelt, für den Zweck der Erstellung von Nutzerinhalten oder der Betrachtung Ihrer Nutzerinhalte für die Zwecke der Unterhaltung oder andere private, nicht kommerzielle Zwecke“; vgl. https://www.tiktok.com/legal/terms-of-service?lang=de (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

einschließen oder undifferenziert „wichtige Verlagsinteressen“ als Kriterium zur Bildnisnutzung genügen lassen.930 Auch insoweit bestehen also Überschneidungen zum bereits Gesagten hinsichtlich überraschender Klauseln. Schließlich bleibt neben der Anwendbarkeit der allgemeinen Regeln zu §  305 ff. BGB931 auf die bildnisrechtliche Einwilligung zu bemerken, dass unabhängig von der Wirksamkeit einer klauselhaften, ausdrücklich erklärten bildnisrechtlichen Ein­ willigung gleichwohl eine konkludent erklärte bildhafte Einwilligung vorliegen kann.932 2. Zur konkludenten Einwilligung in modernen Darstellungsszenarien nach §  22 KUG Von geradezu zentraler Bedeutung für das Bildnisrecht ist die Beurteilung der höchst umstrittenen Frage, ab wann von einer konkludenten Einwilligung des Abgebildeten in seine Bildnisveröffentlichung ausgegangen werden kann. Ausgangspunkt ist hier­ bei die vorangegangene Einordnung der bildnisrechtlichen Einwilligung als emp­ fangsbedürftige Willenserklärung, die auch einseitig (gegenüber der Allgemeinheit) erklärt werden kann. Somit gilt es in Zweifelsfällen unter Heranziehung der Aus­ legungsregeln der §§  133, 157 BGB danach zu fragen, ob der Erklärungsempfänger das Verhalten der abgebildeten Person (nach Treu und Glauben) als Einwilligung verstehen konnte. Hieraus lassen sich zwei wichtige Grundlinien zur näheren Be­ stimmung einer konkludenten Einwilligung im Sinne des §  22 S.  1 KUG ableiten. Zum einen bedeutet die Koppelung an die Auslegungsregeln der §§  133, 157 BGB, dass die bloße Duldung und Hinnahme einer Bildnisherstellung – entsprechend der Wertung, dass Schweigen grundsätzlich mangels Erklärungswert keine Willenserklä­ rung darstellt933 – nicht zugleich die Einwilligung in ihre Veröffentlichung sein kann. Um also bei einer bloßen Hinnahme der Bildnisaufnahme auf eine stillschweigende Einwilligung in die Veröffentlichung schließen zu können, müssen zusätzliche beson­ dere Umstände verwirklicht sein, welche die Hinnahme der Bildnisherstellung in ei­ nen Gesamtkontext rücken, aus welchem von dem objektiven Erklärungsempfänger zweifelsohne eine Einwilligung in die Veröffentlichung geschlossen werden kann.934 930 

Vgl. BGHZ 193, 268 (289 f., 295 f.) – „Honorarbedingungen Freie Journalisten“, Rn.  37 f., 58 f. Ernst, AfP 2015, S.  404 ff. 932  Schönewald, ZUM 2013, S.  687. 933  MüKo BGB/Armbrüster, §  116 BGB, Rn.  8; vgl. auch hinsichtlich der bildnisrechtlichen Ein­ willigung HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  24. 934  Hiervon ausgehend BGH, NJW 2015, S.  1450 f. – „Hostess auf Eventportal“, wonach eine konkludente Einwilligung einer Hostess durch die Teilnahme an einer Eventveranstaltung vorliege, da sie nach Art der Veranstaltung und ihrer Tätigkeit mit der Veröffentlichung von Fotoaufnahmen rechnen müsse; OLG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2010, S.  322, wonach eine konkludente Einwilli­ gung des Interviewten vorliege, wenn dieser sich interviewen lässt und sich der Fragensteller zuvor als Reporter eines Filmteams vorstellt; ähnlich OLG Frankfurt, a. M., ZUM-RD 2011, S.  409, wo­ nach der Interviewte auch mit der Veröffentlichung im Internet rechnen müsse, wenn diesem klar ist, dass sich der Beitrag an computer- und technikinteressierte Zuschauer wende. 931 Vgl.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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Es macht also einen Unterschied, ob ein Kameramann auf öffentlicher Straße auf einen Pas­ santen schwenkt, und dieser verdutzt stehen bleibt und sich infolgedessen filmen lässt, oder ob sich Passanten – wie es oftmals bei sog. Live-vor-Ort Berichterstattung geschieht – hinter den Live-Korrespondenten drängen, um gefilmt zu werden. Nur im letzteren Fall ist von einer konkludenten bildnisrechtlichen Einwilligung auszugehen.935

In diesem Zusammenhang ist auf die Empfangsbedürftigkeit der Einwilligung hin­ zuweisen. Somit wird die Bedeutung einer Willenserklärung des Erklärenden an­ hand einer Kombination von natürlicher und normativer Auslegung bestimmt.936 Kann der Empfänger also den tatsächlichen Willen des Erklärenden nicht erkennen, kann – sogar entgegen dem tatsächlichen Willen des Erklärenden – nach normativer Wertung trotzdem eine Einwilligung in die Veröffentlichung eines Bildnisses vorlie­ gen. Damit stellt sich die Frage, ab wann die Allgemeinheit davon ausgehen darf, dass der Abgebildete mit der Veröffentlichung einverstanden ist. Dies führt zur zweiten Grundlinie, wonach in Zweifelsfällen nach den allgemei­ nen zivilrechtlichen Grundsätzen ergänzend nach Sinn und Zweck einer Erklärung zu fragen ist. Auch in diesem Zusammenhang findet sich also die Wertung der urhe­ berrechtlichen Zweckübertragungslehre im Bildnisrecht. Es erscheint daher über­ zeugend, dass für die Annahme einer konkludenten bildnisrechtlichen Einwilligung als Mindestvoraussetzung gefordert wird, dass der Abgebildete infolge seines Ver­ haltens den Sinn und Zweck der hieraus resultierenden Bildnisveröffentlichung er­ kannt hat. Mit anderen Worten ist also für die Annahme einer konkludenten Einwil­ ligung nach §  22 S.  1 KUG danach zu fragen, ob ein objektiver Erklärungsempfänger anhand des infrage stehenden Verhaltens des Abgebildeten darauf schließen durfte, dass er die hieran anknüpfende Bildnisveröffentlichung und ihren Zweck kennt. Das Kennen(müssen) des Zwecks der infrage stehenden Bildnisveröffentlichung stellt so­ mit die Untergrenze einer bildnisrechtlichen Einwilligung dar. Anhand dieser Grundjustierung gilt es, die weiteren Konturen der bildnisrechtlichen Einwilligung in modernen Darstellungsszenarien zu erarbeiten. (Siehe Abbildung 5).

935  So auch OLG Hamburg, NJW-RR 1991, S.  99, wonach der betroffenen Person „im Hinblick auf ihr unterbliebenes Einschreiten“ kein konkludent erklärtes Einverständnis in die Veröffent­ lichung von Fotografien unterstellt werden könne, „selbst wenn sie erkannt haben sollte, daß sie fotografiert wurde“; ähnlich LG Kleve, ZUM-RD 2009, S.  558, wonach „selbst der Betroffene, der erkennt, dass er fotografiert oder gefilmt wird und dagegen nicht einschreitet, dadurch noch kein konkludentes Einverständnis mit der Veröffentlichung der Aufnahmen erklärt“; LG Berlin, ZUMRD 2014, S.  105, wonach das „passive Schauen in die Filmkamera bzw. deren Wahrnehmen […] noch lange keine konkludente Billigung einer Filmfertigung und damit auch keine stillschweigende Einwilligung“ darstellen; vgl. auch Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  18b. Zweifelhaft deshalb OLG Köln, NJW-RR 1994, S.  865, wonach für eine konkludente Einwilligung ausreiche, wenn die Person von den Filmaufnahmen weiß und sieht, dass sie ins Bild kommt; krit. Dreier/Schulze/ Specht, §  22 KUG, Rn.  17. 936  Leenen, BGB AT, §  5, Rn.  45; vgl. ferner Ohly, AfP 2011, S.  432 welcher die Einwilligung in den Zusammenhang mit den Grundsätzen zur Auslobung gem. §  657 BGB bringt. Dies verdient auch im Zusammenhang mit der bildnisrechtlichen Einwilligung Zustimmung.

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Abbildung 5: Einwilligungsformen

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C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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a) Die Zustimmung zur Bildnisaufnahme als Einwilligung in ihre Veröffentlichung Wichtig erscheint somit die Frage, wann von einem Kennenmüssen eines Veröffent­ lichungszwecks ausgegangen werden kann, sodass eine konkludente bildnisrecht­ liche Einwilligung vorliegt. Denn bereits die vorangestellten Grundsätze bestätigen die Annahme, dass neben der bloßen Duldung einer Aufnahme auch die ausdrück­ liche Zustimmung in eine Herstellung grundsätzlich keine Aussage hinsichtlich ei­ ner späteren Veröffentlichung beinhaltet, wenn der Abgebildete den Zweck der spä­ teren Veröffentlichung nicht kennt.937 Das Winken in die Kamera allein oder die Zustimmung zum Gruppen-Selfie in der Kneipe stellt also dann keine konkludente Einwilligung im Sinne des §  22 S.  1 KUG dar, wenn den abgebildeten Personen anhand des Anfertigungskontexts nicht das Wissen zugeschrieben werden kann, ob und in welchem Kontext (bzw. zu welchem Zweck) ihr Bildnis veröffentlicht werden wird. Stellt sich beispielsweise A spontan bei einem Gruppen-Selfie mit auf das Bild, kann hierin nicht ohne weiteres eine konkludente Einwilligung hinsichtlich eines Posts des Herstellenden (oder der anderen Abgebildeten) auf Instragram ausgegangen werden. Hier wird man genau die konkreten Umstände des Einzelfalls betrachten müssen. Etwas anderes gilt etwa, wenn zuvor der Hersteller des Selfies auch für A hörbar gesagt hat, „kommt lasst uns ein Grup­ pen-Selfie für Instagram machen“ und sich A dann dazu stellt.938

Wenn es nun also darum geht, die konkreten Anforderungen an den relevanten Ver­ öffentlichungszweck zu bestimmen, wird man regelmäßig versucht sein, unter dem Verweis auf die Allgegenwärtigkeit von Kameras und Bildnissen im Internet ein zwangsläufiges (generelles) Kennenmüssen von späteren Veröffentlichungen dem Abgebildeten schon dann zu unterstellen, wenn er sich in der Öffentlichkeit bewegt. Mit anderen Worten könnte man davon ausgehen, dass man heute schlicht damit rechnen muss, mit seinem Bildnis im Internet aufzutauchen, wenn man sich in die Öffentlichkeit begibt. Dagegen sprechen allerdings gravierende Gründe. Zunächst handelt es sich beim Recht am eigenen Bild um ein Persönlichkeitsrecht, weshalb in Zweifelsfällen ein restriktiver Maßstab im Verhältnis zur Äußerungsfreiheit des Ver­ öffentlichenden anzuwenden ist.939 Des Weiteren besteht bereits im urheberrecht­ lichen Kontext die Tendenz, dass jedenfalls solche Verhaltensweisen, welche aus sich heraus einen gewissen Erklärungswert aufweisen und sich insoweit an einen unbe­ stimmten Personenkreis richten, in Bezug auf die spätere konkrete Nutzung hinrei­ chend konturiert werden müssen, um als Einwilligung zu gelten.940 Schließlich be­ stimmt §  23 I Nr.  3 KUG, dass solche Bildnisse, welche inmitten der Öffentlichkeit stattfinden, zwar von dem Abgebildeten hingenommen werden müssen, weil er mit­ 937  OLG Frankfurt a. M., ZD 2016, S.  587; Ernst, AfP 2015, S.  402; Herbort, S.  88; Erbs/Kohl­ haas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  20. 938  Zu den Anfechtungsmöglichkeiten (wenn sich A etwa über die Reichweite der ­Veröffentlichung irrt) bereits Kap.  3, C., II., 2., b). 939 Vgl. Schönewald, ZUM 2013, S.  854. 940 Vgl. von Ungern-Sternberg, GRUR 2009, S.  371.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

unter damit rechnen müsse, abgebildet zu werden. Offensichtlich geht der Gesetz­ geber also gerade nicht von einer konkludenten Einwilligung des Abgebildeten in die Veröffentlichung seines Bildnisses in solchen Fällen aus. Ansonsten hätte es eine Regelung wie §  23 I Nr.  3 KUG nicht gebraucht. Vorzugswürdig erscheint deshalb eine grundsätzlich restriktive Linie, wenn es um die Bestimmung des Veröffentli­ chungszwecks für eine konkludente Einwilligung geht. Deshalb wird man eine kon­ kludente Einwilligung regelmäßig erst dann bejahen können, wenn der Abgebildete durch seine Handlung für einen objektiven Dritten signalisiert, den konkreten the­ matischen Kontext der bevorstehenden Veröffentlichung zu kennen und zu billigen. Konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Kontext sind etwa der Veröffentlichungs­ ort, der Veröffentlichungszeitpunkt, die thematische Zielrichtung und Reichweite der Veröffentlichung sowie die Person des Veröffentlichenden und (die Medienerfah­ rung941) des Abgebildeten.942 Dabei sind auch in diesem Zusammenhang mit steigen­ dem Privatheitsbezug der Bildnisveröffentlichung höhere Anforderungen an das Kennenmüssen des Veröffentlichungszwecks zu stellen. Ebenfalls ist im Sinne der bereits skizzierten allgemeinen Grundsätze zu erwarten, dass die Rechtsprechung tendenziell strengere Maßstäbe bei Veröffentlichungen von Kindern943 und bei Bild­ nisveröffentlichungen zu Werbezwecken944 anlegen wird. Damit ist ein Kennenmüssen des Veröffentlichungszwecks etwa bei sog. Interview- oder Prankfallen945 in der Öffentlichkeit regelmäßig zu verneinen: In jüngster Zeit finden sich ins­ besondere auf den bildbasierten sozialen Netzwerken Veröffentlichungen, in denen Personen in der Fußgängerzone mit Fragen überrumpelt werden und dabei direkt gefilmt werden. Die fragenstellende Person gibt sich dabei meist nicht als Influencer, Journalist oder privater Nut­ zer eines bestimmten Netzwerks zu erkennen und ist als solche für die abgebildete Person auch nicht zuordenbar. Selbst wenn die gefilmte Person etwa in einem Moment der Überrum­ 941 

Klass, AfP 2005, S.  512. Die Rechtsprechung spricht regelmäßig davon, dass dem Abgebildeten „Zweck, Art und Um­ fang der geplanten Veröffentlichung“ bekannt sein müssen; vgl. OLG München, ZUM 2009, S.  429; OLG Hamburg, AfP 2012, S.  167; OLG Karlsruhe, ZUM-RD 2015, S.  309; OLG München, NJWRR 2016, S.  872; OLG Köln, NJW 2017, S.  1115; OLG Köln, Beschl. v. 06.02.2017 – Az. 15 U 183/16 = BeckRS 2017, 156444; OLG München, GRUR-RR 2018, S.  529; OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  380; OLG Köln, ZUM 2020, S.  492; vgl. auch OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, S.  1199. 943  Vgl. hinsichtlich einer konkludenten Einwilligung hinsichtlich der Abbildung Minderjähri­ ger OLG Köln, Urt. v. 13.10.2016 – Az. 15 U 72/16 = BeckRS 2016, 131542, wonach die Teilnahme von Kindern mit ihren Eltern an einer Filmpremiere und der dortige Gang über den roten Teppich in Anwesenheit der Fotografen den unmittelbaren Anstoß für die (konkludente) Erteilung der Ein­ willigung zwar erfassen könne. Gleichwohl umfasse die Einwilligung hinsichtlich der Kinder nicht eine Verwendung dieser Bilder in einer Berichterstattung über die berufliche Tätigkeit der Eltern und ihre vermeintlichen Eheprobleme; bestätigt v. BGH, Beschl. v. 11.05.2018 – Az. VI ZR 473/16 = BeckRS 2018, 9630; ähnlich OLG Köln, Urt. v. 18.05.2017 – Az. 15 U 182/16 = BeckRS 2017, 154080 sowie OLG Köln, Urt. v. 18.05.2017 – Az. 15 U 184/16 = BeckRS 2017, 154081. 944  LG Hamburg, Urt. v. 22.02.2019 – Az. 324 O 427/17 = GRUR-RS 2019, 55482, wonach keine konkludente Einwilligung in den Upload von Kundenbildern auf Ebay Kleinanzeigen durch das Gewährenlassen der Aufnahme durch eine Visagistin vorlag. 945 Beim „Pranken“ handelt es sich um einen umgangssprachlichen Anglizismus für „einen Streich spielen“. 942 

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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pelung auf die gestellten Fragen antwortet, kann ihr damit nicht das Wissen über den konkre­ ten thematischen Kontext der Veröffentlichung unterstellt werden. Damit fehlt es somit bei Überrumpelungsmomenten in der Regel selbst bei anfänglichem Antworten auf gestellte Fra­ gen bereits an einer konkludenten Einwilligung und auf eine Anfechtung oder einen Widerruf kommt es nicht an.946 Anderes gilt hingegen, wenn die Person nach einer gewissen Zeitspanne die Umstände der Veröffentlichung mitgeteilt bekommt oder offensichtlich selbst realisieren kann, dass aufgrund des gesamten Produktionsumfelds seines Interviews eine Veröffentlichung eines bestimmten Senders nachfolgen wird und die interviewte Person nach einer gewissen Reflektierungszeit (weiterhin) Fragen beantwortet.947

b) Die Einwilligung durch das Einstellen eines Bildnisses ins Internet Schließlich kann jetzt in Anknüpfung an die dargestellten Grundsätze der umstrit­ tenen Frage nachgegangen werden, inwieweit derjenige, der sein Bildnis öffentlich sichtbar ins Internet einstellt, seine Einwilligung in weitere Veröffentlichungen die­ ses Bildnisses erteilt. Zu dieser Frage ist bislang keine klare Linie in der Rechtspre­ chung erkennbar. Auch lässt sich der Literatur meist nicht mehr als die allgemeine Feststellung entnehmen, dass jemand, der sein Bildnis ins Internet stelle, mit ent­ sprechend typischen Weiterverbreitungen rechnen müsse und insoweit auch konklu­ dent einwillige.948 Wann aber gerade von einer typischen oder atypischen Weiterver­ öffentlichung bei öffentlichen Bildnisuploads ins Internet ausgegangen werden kann, bleibt regelmäßig offen. Wenn A beispielsweise sein Bildnis von sich auf einem sozialen Netzwerk im Internet öffent­ lich einsehbar postet, stellt sich die Frage, ob er damit auch zum Ausdruck bringt, dass jeder das Bildnis herunterladen und erneut in einem vergleichbaren Kontext – also etwa im selben sozialen Netzwerk und ohne thematisch abweichende (Text-)Zusätze – veröffentlichen darf.

Eine Ansicht bejaht dies in Anlehnung an die bereits dargestellte Vorschaubilder-­ Rechtsprechung949 des Bundesgerichtshofs im Urheberrecht und überträgt somit die Grundsätze der „schlichten Einwilligung“ ins Bildnisrecht.950 Durch das öffentliche 946  Vgl. den Beschluss des LG Düsseldorf, GRUR-RS 2021, 4204, wonach keine konkludente Einwilligung einer 24-jährigen Studentin in die Veröffentlichung eines Kurzvideos auf TikTok vor­ lag, welche von einem bekannten YouTuber in einer Alltagssituation mit der Frage „Hast du kurz zehn Minuten Zeit und 20 Zentimeter Platz?“ überrumpelt wurde und mit „Ja“ antwortete; vgl. hierzu auch MMR-Aktuell 2021, 437596; vgl. auch OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1990, S.  1439 f., wonach keine Einwilligung eines Steuerberaters vorlag, nachdem ein Kamerateam diesen filmte und unter einem Vorwand vor die Tür bat, um ihn anschließend mit den von ihm unsachgemäß im Müllemer entsorgten Steuerunterlagen zu konfrontieren; vgl. ferner BVerfGE 152, 216 (269) – „Recht auf Vergessen II“. 947  OLG Hamburg, NJW-RR 2005, S.  480, wonach regelmäßig dann von einer wirksamen kon­ kludenten Einwilligung in die Wiedergabe auszugehen sei, wenn der Betroffene einem Fernsehteam ein Interview gibt; Prinz/Peters, Rn.  834. 948  Vgl. Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  17; Ohly, AfP 2011, S.  432; Wanckel, Rn.  137. 949  Hierzu bereits Kap.  3, C., II. 950  Ludyga, AfP 2017, S.  198; Soehring/Hoene, §  19, Rn.  4 4 f.; vgl. auch Draheim/Lehmann, GRUR-Prax 2014, S.  420; Müller-Terpitz, HB Social Media, Kap.  7, Rn.  34.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Posten ohne Sicherheitseinstellungen – gemeint sind wohl Einsichts- und Zugangs­ beschränkungen für Dritte – gebe der Abgebildete zu erkennen, dass er an einer Auf­klärung über Art, Zweck und Umfang der geplanten Verwendung seines Bildnis­ ses kein Interesse habe.951 Wer als privat eingestufte Angelegenheiten öffentlich pos­ te, könne sich nicht auf den Schutz der Privatsphäre berufen wenn kein Grund zum Widerruf oder zur Anfechtung der Einwilligung in die Verbreitung oder öffentlichen Zurschaustellung des eigenen Bildnisses bestehe.952 Diese Argumentation kann allerdings mit Blick auf die bereits dargestellten Grund­ sätze kaum überzeugen. Da hiernach beim (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild gerade im Zusammenhang mit Veröffentlichungen im Internet eine restriktive Linie hinsichtlich der konkludenten Einwilligung gelten muss, kann in eine unbeschränkte Sichtbarmachung nicht vorschnell eine (konkludente) Generaleinwilligung zur Ver­ öffentlichung des konkreten Bildnisses hineingelesen werden. Denn letztendlich wer­ den hierdurch Aspekte der Selbstöffnung, welche nach den dargestellten Grundsätzen unterhalb der Schwelle der Einwilligung liegen, über das Instrument einer „schlichten Einwilligung“ in eine Einwilligung uminterpretiert. Wer sein äußeres Erscheinungs­ bild bewusst in der analogen Welt vielen Augen aussetzt, willigt nach der ratio legis von §  23 I Nr.  3 KUG gerade nicht (konkludent) in die Veröffentlichung von diesen Momenten ein. Warum diese Wertung auch nicht im digitalen Raum gelten soll, er­ schließt sich nicht. Vielmehr werden Aspekte der Selbstöffnung in die bildnisrecht­ liche Einwilligung hineingezogen und mit diesen vermengt. Dies mag im Einzelfall zu angemessenen Ergebnissen führen, weil das geltende Bildnisrecht keinen Raum für die Berücksichtigung von selbstöffnendem Verhalten unabhängig einer Einwilli­ gung und §  23 KUG zulässt, gleichwohl stellt selbstöffnendes Vorverhalten nicht zwangsläufig eine (konkludente) Einwilligung dar. Zustimmung verdient deshalb auch die Wertung, wonach jemand, der sich rege bei hitzigen Diskussionen im Internet – sei es die Flüchtlingskrise oder die Coronapolitik der Regierung  – mit seinem äußeren Erscheinungsbild (Profilbild) öffentlich einsehbar beteiligt, nicht konklu­ dent in die Veröffentlichung dieses Bildes in anderen Posts oder Medien – etwa im Wege eines Screenshots – eingewilligt hat.953 Veröffentlicht ein Medienunternehmen etwa einen Zusammenschnitt aus mehreren (hetzen­ den) Kommentaren und beruft sich hinsichtlich der Profilbilder auf eine konkludente Einwil­ ligung der Abgebildeten durch den Upload als öffentlich einsehbares Profilbild oder die Kom­ 951 

Ludyga, AfP 2017, S.  198. Ludyga, AfP 2017, S.  198. 953  OLG München, NJW-RR 2016, S.  872, wonach das Hochladen des eigenen Bildnisses auf den eigenen Account eines Social Netzworks keine konkludente Einwilligung in die Weiterverbrei­ tung durch Dritte (hier der Onlineaccount einer Zeitung) „außerhalb des Kreises der zufriffsberech­ tigten Mitglieder des Netzwerks im Rahmen eines gänzlich anderen Kontexts“ darstelle; OLG München, GRUR-RR 2018, S.  529, wonach man nicht davon ausgehen könne, dass eine Person, welche ihr Bildnis (öffentlich einsehbar) auf Facebook als Profilbild hochgeladen habe und (öffent­ lich einsehbar) Hetzkommentare mit ihrem Profil geschrieben habe, damit einverstanden sei, dass sie sowohl auf der Online-Seite der BILD als auch in deren Print-Ausgabe identifizierbar mit Foto und unter Namensnennung öffentlichkeitswirksam an den Pranger gestellt wird. 952 

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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mentierung mittels eines öffentlich einsehbaren Profilbilds, kann dies nicht überzeugen. Denn es handelt sich bei einer solchen Medienveröffentlichung gerade nicht um eine typische Veröf­ fentlichung, welche mit dem öffentlich einsehbaren Upload oder der Kommentierung im Inter­ net nach allgemeinem Dafürhalten einhergeht. Bei diesen Vorverhaltensweisen handelt es sich um Aspekte des venire contra factum prop­ rium, welche de lege lata jedenfalls im Rahmen von §  23 KUG – und nicht bei der konkluden­ ten Einwilligung – berücksichtigt werden können. Durch diese Sichtweise werden auch Me­ dienvertreter nicht unangemessen benachteiligt, da jedenfalls bei öffentlichem Interesse – wie es bei den angesprochenen Thematiken regelmäßig bestehen wird – Raum für eine einwilli­ gungsfreie Veröffentlichung nach §  23 I Nr.  1 KUG bestehen wird.

Dies legt den weiteren Missstand des geltenden Bildnisrechts offen, wonach für selb­ stöffnendes Verhalten des Abgebildeten nur über §  23 KUG Raum besteht. Liegt aber keine (ausdrückliche oder konkludente) Einwilligung vor, weil der Abgebildete etwa seinen ausdrücklich entgegenstehenden Willen kundgetan hat, kann sein Vorverhal­ ten unabhängig von §  23 KUG nicht berücksichtigt werden. Diesen Umstand gilt es bei den Erwägungen zum strafrechtlichen Bildnisschutz de lege ferenda ebenfalls miteinzubeziehen.954 Für eine ergebnisorientierte Öffnung der Maßstäbe einer (kon­ kludenten) Einwilligung nach unten über die Heranziehung des Instruments einer schlichten Einwilligung besteht allerdings de lege lata kein Raum. Damit muss abschließend noch die Frage beantwortet werden, wann jemand durch die Veröffentlichung seines eigenen Bildnisses typischerweise von Weiterveröffent­ lichungen ausgehen muss. Nach der hier vertretenen restriktiven Linie erscheint dies für solche Bildnisveröffentlichungen angemessen, welche den Abgebildeten zweifels­ ohne als Erstveröffentlichen erkennen lassen, indem sie an dessen Erstveröffentlichung anknüpfen und sich nach Ausgestaltung der jeweiligen Plattform technisch nachverfol­ gen lassen. Dies ist beim Teilen, Liken, Verlinken oder Kommentieren eines Bildnisu­ ploads in sozialen Netzwerken regelmäßig der Fall. Der Abgebildete weiß mit seinem öffentlichen Upload, dass diese Veröffentlichungshandlungen netzwerkspezifisch für jedermann möglich sind, wenn er diese freigegeben hat. Auch kennt er deren Zweck insoweit, als dass diese Veröffentlichungen an seine Erstveröffentlichung anknüpfen müssen. Ferner bleibt die Dauer seines bildhaften Auftritts in seinen Händen, da mit der Löschung der Erstveröffentlichung auch alle Anknüpfungen wieder verschwinden. Zudem bekommt er Benachrichtigungen, wenn jemand sein Bildnis in Form einer An­ knüpfungshandlung veröffentlicht hat. Im Hinblick auf die Risikoverteilung scheint eine solche Differenzierung zur Annahme einer konkludenten Einwilligung also ange­ messen. Ähnlich wie beim Bildniszugriff durch eine Suchmaschine bei öffentlichen Bildnisuploads muss der Veröffentlichende also auch davon ausgehen, dass andere auf sein Bildnis mit den netzwerktypischen Anknüpfungshandlungen zugreifen. Mit anderen Worten liegt somit grundsätzlich eine konkludente Einwilligung durch die Freigabe des Abgebildeten hinsichtlich des Teilens bzw. Sharen, Kommentierens, Likens oder Verlinkens (und allen anderen netzwerktypischen Anknüpfungshandlun­ 954 

Vgl. Kap.  4, A., und B., III.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gen) vor, welche in einer weiteren anknüpfenden Bildnisveröffent­lichung resultieren. Nicht der Fall ist dies hinsichtlich veröffentlichter Bilder, wenn diese heruntergeladen und eigenständig neu hochgeladen werden (sog. Repost). Erst recht gilt dies bei Veröf­ fentlichungen in unterschiedlichen Medien oder Plattformen.955 Etwas Anderes kann dann angenommen werden, wenn sich aus der Veröffentlichung ergibt, dass der Abgebildete auch einen Repost wünscht. Dies gilt beispielsweise, wenn ein Model beim Upload seines Bildnisses in ein soziales Netzwerk einen sog. Share oder socialhub account956 verlinkt. Hierdurch bringt die abgebildete Person zum Ausdruck, dass sie es möchte, dass der hub account ihr Bildnis repostet und ihr Profil darauf verlinkt, um mehr Aufmerk­ samkeit zu bekommen. Insoweit kann also von einer konkludenten957 Einwilligung in einen Repost durch die Verlinkung des hub ausgegangen werden.

Abschließend bleibt anzumerken, dass offensichtlich auch nicht in solche Anknüp­ fungshandlungen konkludent eingewilligt wird, welche beleidigend sind oder das Bildnis in einen unwahren Kontext rücken.

IV. Das Verhältnis der bildnisrechtlichen Einwilligung zur rechtfertigenden Einwilligung in §  33 I KUG Geht man mit der (hier befürworteten) überwiegenden Ansicht von der Übertragbar­ keit der Regeln über rechtsgeschäftliche Willenserklärungen auf die bildnisrecht­ 955  Vgl. OLG München, GRUR-RR 2018, S.  529, bzgl. der Veröffentlichung eines Facebook-Pro­ filbilds in einem Printmedium; ähnlich LG Hamburg, NJOZ 2017, 1444, wonach der (öffentlich ein­ sehbare) Upload auf Facebook keine Einwilligung in eine „massenmedial verbreitete Printberichter­ stattung“ bedeute; vgl. OLG Frankfurt a. M., ZD 2016, S.  587, wonach der Upload eines Fotos in ein Fotoalbum auf Facebook keine konkludente Einwilligung hinsichtlich der Veröffentlichung eines Bildausschnitts auf Twitter darstellt; AG München, ZUM 2013, S.  159, wonach jedenfalls das Ein­ stellen eines Fotos bei Facbook keine Einwilligung in eine Verwendung außerhalb des Netzwerks darstelle; vgl. ferner ÖOGH, GRUR Int. 2016, S.  697, wonach ein Nutzer beim Upload auf Facebook mit einer Verwendung im Rahmen von Vorschaubildanzeigen auf Suchmaschinen „und ähnlichem“ rechnen müsse, soweit dagegen keine technischen Vorkehrungen getroffen werden. Keinesfalls müs­ se der Betroffene aber mit der Weiterverbreitung des Bildnisses auf anderen Medien rechnen. 956  Bei einem socialhub oder sharehub (engl. sozialer oder gesellschaftlicher Knoten- oder Mit­ telpunkt) handelt es sich um eigenständige Accounts, welche sich darauf spezialisiert haben, Bilder spezifisch nach einer bestimmten Thematik zu reposten (z. B. ein Account namens „Male Models Germany“, welcher nur Bildnisse von männlichen Models aus Deutschland repostet und deren Ac­ counts auf dem entsprechenden Bildnis verlinkt). Diese Sharehub-Accounts gibt es in jeder thema­ tischen Ausrichtung, wobei diese meist hohe Followerzahlen aufweisen und deshalb für Nutzer mit geringer Reichweite attraktiv erscheinen, wenn sie andere auf ihre Accounts aufmerksam und eine höhere Reichweite erreichen wollen. Für viele ist es deshalb ein erklärtes Ziel, von einem sharehub mit hoher Reichweite gerepostet zu werden. 957  In solchen Fällen wird die Grenze zur „ausdrücklichen Einwilligung“ fließend sein, wenn der sharehub nur existiert, um Bilder ohne weiteren (Text-)Zusatz zu reposten. Regelmäßig wird bei einer bloßen Verlinkung jedenfalls das „schlüssige Verhalten“ überwiegen, zumal die abgebildete Person nicht ausdrücklich das „OK“ für eine konkrete Veröffentlichung gibt, deren Einzelheiten (in Form des Zeitpunkts des Posts oder der sonstigen inhaltlichen Ausgestaltung) sie auch nicht kennt. Verlinkt etwa ein Model das Modeunternehmen auf ihrem Kleidungsstück, so überwiegt hier die schlüssige Komponente des Verhaltens.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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liche Einwilligung aus, so ist aufgrund der Doppelzuständigkeit etwa bei (einsichts­ fähigen) Minderjährigen der Fall denkbar, dass trotz Tolerierung einer Veröffentli­ chung durch den Abgebildeten gleichwohl der Tatbestand des §  33 I KUG (mangels Zustimmung des gesetzlichen Vertreters) verwirklicht werden kann. Denkbar wäre etwa der Fall, in welchem ein Fotograf freizügige Bildnisse einer minderjähri­ gen Person mit deren Zustimmung auf seinem Internetauftritt veröffentlicht, zu denen die El­ tern allerdings nicht zugestimmt haben. Geht man hier trotz Einsichtsfähigkeit der minderjäh­ rigen Person von einer Doppelzuständigkeit aus, so läge keine wirksam erteilte bildnisrecht­ liche Einwilligung i. S. d. §  22 S.  1 KUG vor, da die Eltern nicht zugestimmt haben und der Tatbestand des §  33 I KUG wäre demnach erfüllt.958

Insoweit erscheint es verfehlt, bei der bildnisrechtlichen Einwilligung von einem tat­ bestandsausschließenden Einverständnis im Sinne des Strafrechts zu sprechen, da ein solches gerade weder an die besondere Einsichtsfähigkeit noch die Verstandes­ reife des Betroffenen959 anknüpft. Die strafrechtliche Tatbestandslosigkeit ist dabei allein Folge der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des §  33 KUG: Liegt eine bildnisrechtliche Einwilligung vor, so erfolgt die Veröffentlichungshandlung nicht entgegen §  22 KUG.960 Damit besteht de lege lata zwangsläufig eine dogmatische Ungereimtheit hinsichtlich des strafrechtlichen Bildnisschutzes durch die Kombina­ tion der strengen Zivilrechtsakzessorietät mit der Festschreibung der zivilrechtlichen Einwilligung auf Tatbestandsebene und dem Grundsatz des Unrechtsausschlusses durch eine Gestattungshandlung hinsichtlich eines Rechtsguts, dass auf dem Prinzip der Selbstbestimmung fußt.961 Dies wird von der Literatur insoweit resignierend und ohne Begründung hingenommen, sodass nur die zivilrechtlich bindende Einwilli­ 958  Vgl. etwa Dasch, S.  61, 65 f.; a. A. OLG Karlsruhe, FamRZ 1983, S.  744, wonach eine 17-Jäh­ rige die erforderliche geistige und sittliche Reife innehabe, um die Einwilligung im Sinne des §  22 S.  1 KUG in Oben-ohne-Bilder wirksam zu erteilen. Hiernach falle die Einwilligung eines be­ schränkt Geschäftsfähigen in Beeinträchtigungen seiner immateriellen Rechtsgüter, zu denen ins­ besondere das Persönlichkeitsrecht zähle, nicht unter den Bereich der rechtsgeschäftlichen Willens­ erklärungen. Es handelt sich bei einer solchen Einwilligung vielmehr um die bloße Gestattung zur Vornahme tatsächlicher Handlungen, die in den Rechtskreis des Gestattenden eingreifen. 959  Vgl. hierzu B. Heinrich, AT, Rn.  4 45, wonach für ein tatbestandsausschließendes Einver­ ständnis allein die natürliche Willensfähigkeit des Betroffenen ausreichend ist; zurecht krit. hin­ sichtlich der vereinzelten Rechtsprechung, welche hinsichtlich der bildnisrechtlichen Einwilligung allein auf den Willen des Abgebildeten abstellt, Dreier/Schulze/Specht, §  22 KUG, Rn.  26. 960  Ernst, NJW 2004, S.  1279: Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  13; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  11. 961  Hieraus resultieren nicht unerhebliche Unklarheiten bzgl. der Einordnung einer Zustimmung des Abgebildeten; vgl. nur Mitsch, Fallsammlung zum Medienstrafrecht, welcher die Einwilligung mal auf Tatbestandsebene (S.  5), mal auf Rechtfertigungsebene prüft (S.  42); ferner begreift Erbs/ Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  13, die schlichte Einwilligung als strafrechtlich rechtfertigende Einwilligung. Die obigen Ausführungen haben hingegen gezeigt, dass die schlichte Einwilligung nicht ohne weiteres mit der mutmaßlichen Einwilligung gleichgesetzt werden kann, da die schlichte Einwilligung letztendlich nur den Maßstab für das „Kennenmüssen des Veröffentlichungszwecks“ senkt und damit Aspekte des venire contra factum proprium, welche unterhalb der Schwelle zur Einwilligung liegen, in eine Einwilligung uminterpretiert. Auch diese Ungereimtheit gilt es also bei den Überlegungen de lege ferenda zu berücksichtigen; vgl. hierzu Kap.  4, A., sowie B., III.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gung tatbestandsausschließend wirken soll. Eine auf der Rechtfertigungsebene lie­ gende – rechtfertigende Einwilligung – soll aber auch dann (unabhängig von der tatbestandsausschließenden bildnisrechtlichen Einwilligung) möglich sein.962 Im oben gebildeten Beispiel wäre insoweit dann noch Raum für eine rechtfertigende Einwilli­ gung durch die Zustimmung der einsichtsfähigen Minderjährigen (die allein kein tatbestands­ ausschließendes Einverständnis begründet).963

Dies könnte auf den ersten Blick irritieren, denn schließlich hat die zusätzliche Her­ anziehung einer rechtfertigenden Einwilligung zur Folge, dass es für eine Strafbar­ keit des Veröffentlichenden letztendlich doch nicht auf die Einwilligung der Erzie­ hungsberechtigten ankommt. Mit anderen Worten könnte das Zustimmungsbedürf­ nis der Erziehungsberechtigten dadurch ausgehebelt werden, wenn die Strafbarkeit jedenfalls an der Rechtswidrigkeit aufgrund einer rechtfertigenden Einwilligung scheitert, welche der einsichtsfähige Abgebildete allein erteilen kann und nicht die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bedarf. Folge hiervon ist zunächst, dass mangels bildnisrechtlicher (tatbestandsausschließender) Ein­ willigung zwar der Tatbestand des §  33 KUG erfüllt ist und auch insoweit die zivilrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen bei einer Bildnisverletzung wie etwa die einer Löschpflicht nach §  37 KUG, sowie Unterlassens- und Schadensersatzansprüche nach §§  1004, 823 BGB durch­ greifen.964 Eine Strafbarkeit nach §  33 I KUG scheitert allerdings bei der rechtfertigenden (und nicht bildnisrechtlichen) Einwilligung des einsichtsfähigen Minderjährigen.

Dieses Ergebnis könnte insbesondere unter dem Postulat der Einheit der Rechtsord­ nung965 seltsam anmuten. Denn genaugenommen entsteht durch diese Lösung – trotz strenger zivilrechtsakzessorischer Ausgestaltung des strafrechtlichen Bildnisschut­ zes – ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und strafrechtlichem Bildnisschutz, dem das unterschiedliche Verständnis von zivilrechtlicher und strafrechtlicher Rechtswidrigkeit zugrunde liegt. Dies muss allerdings hingenommen werden, zumal der Leitgedanke der Einheit der Rechtsordnung bei näherer Betrachtung von ver­ schiedenen Unklarheiten umgeben ist.966 Eine einheitliche Behandlung der (zivil­ 962 Vgl. Su. Beck, ZJS 2010, S.  744; Doerbeck, S.  191; Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis/ Esser, Kap.  11, §  33 KUG, Rn.  30; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  27 ff. 963  Zu einem anderen Ergebnis würde man nur kommen, wenn man mit der Mindermeinung (Lehre von der Zivilrechtsakzessorietät) einen Gleichlauf von strafrechtlich rechtfertigender Ein­ willigung und zivilrechtlicher Einwilligung fordert. Dann bestünde auch kein Anwendungsbereich für eine strafrechtliche Einwilligung, da die Minderjährige auch für die rechtfertigende Einwilli­ gung die Zustimmung ihrer Eltern gebraucht hätte. Ein Auseinanderfallen von strafrechtlichem und zivilrechtlichem Schutz ist aber nicht ungewöhnlich, so auch B. Heinrich, AT, Rn.  466 m. w. N.; ferner Roxin/Greco, AT I, §  14, Rn.  33. 964  Vgl. etwa BeckOGK BGB/Spindler, §  823 BGB, Rn.  84, wonach es bei einer zivilrechtlichen Rechtfertigung eines Schadensersatzanspruchs ebenfalls auf eine Doppelzuständigkeit hinausläuft. 965 Eine von mehreren Ausprägungen dieses Rechtsgedankens besagt, dass die unterschied­ lichen Teilrechtsordnungen die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens nicht unterschiedlich behandeln dürfen; vgl. Felix, S.  5 ff.; Ohly, S.  108, 117; vgl. ferner Engisch, S.  35: „Es kann nicht dasselbe Verhalten zugleich verboten und geboten oder verboten und erlaubt sein“. 966  So auch Ohly, S.  117 ff.

C. Die Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG

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rechtlichen und strafrechtlichen) Rechtswidrigkeit würde verkennen, dass es sich bei der Rechtswidrigkeit um einen funktionsbestimmten Rechtsbegriff967 handelt, des­ sen Inhalt aus dem jeweiligen Funktionszusammenhang zu ermitteln ist.968 Dabei ist bereits grundsätzlich zu beachten, dass das Strafrecht allein danach fragt, wann das Verhalten eines Täters einen solchen Grad an Missbilligung verdient, dass die Sank­ tion eine geeignete und erforderliche staatliche Sanktion darstellt. Der Regelungs­ gegenstand des Zivilrechts geht hingegen über diese Frage hinaus, da es sich am ge­ rechten Interessenausgleich zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten orien­ tiert und dementsprechend auch weitere Aspekte mit einbezieht. Deshalb muss man sich im Rahmen der zivilrechtlichen Rechtfertigung nicht nur fragen, ob der Rechts­ schutz für den Verletzten – wie im Strafrecht bei einer strafrechtlichen Einwilli­ gung  – entfallen soll, sondern auch, welcher Art die Eingriffsbefugnis des Handeln­ den ist.969 Auch würde die Gleichsetzung der bildnisrechtlichen mit der strafrechtli­ chen Einwilligung bedeuten, dass der Wertungsunterschied zwischen Tatbestandsund Rechtfertigungsebene aufgehoben wird. Dabei ist es allgemein anerkannt, dass jede Teilrechtsordnung die Voraussetzungen tatbestandlichen Unrechts für sich selbst festlegen kann, weshalb die zivilrechtliche Tatbestandsbildung regelmäßig von der strafrechtlichen Tatbestandsbildung abweicht.970 Wenn also bereits der Tatbe­ standsbildung das Verständnis zugrunde liegt, dass die Bewertungskriterien der ju­ ristischen Teildisziplinen voneinander abweichen können971, so ist fraglich, warum etwas anderes auf der Rechtswidrigkeitsebene gelten soll, insbesondere besteht kein Grund, warum ausgerechnet hier keine weiteren Differenzierungsmechanismen be­ stehen sollen.972 967 

Kohte, AcP 185 (1985), S.  157; Larenz/Canaris, S.  311; Ohly, S.  117. Ohly, S.  117, erkennt bei der Nivellierung der Unterschiede des zivilrechtlichen und straf­ rechtlichen Rechtswidrigkeitsbegriffs entweder die „Gefahr von Fehlbeurteilungen“ oder „das Risi­ ko einer übersteigerten Abstraktion des Rechtswidrigkeitsbegriffs“. Nach P. Kirchhof, S.  38, würde eine solche Vereinheitlichung zur „Vergröberung und Vereinfachung“ führen und die Funktionsund Strukturunterschiede zwischen den juristischen Disziplinen einebnen. Nach H.-L. Günther, S.  61 f., müsse ein einheitliches Rechtswidrigkeitsurteil „die Unterschiede in der Teleologie der ein­ zelenen Rechtsgebiete […] nivellieren und die alte Weisheit mißachten: Qui bene distinguit, bene iudicat“ (lat.: Gut urteilt, wer unterscheidet). 969  Ohly, S.  117 ff., geht etwa davon aus, dass sich das Zivilrecht im Rahmen bestimmter Einwil­ ligungsvoraussetzungen einen strengeren Maßstab als das Strafrecht erlauben könne, da §  254 BGB es auch im Fall einer unwirksamen Einwilligung ermöglicht, den Verursachungsanteil des Verletz­ ten zu berücksichtigen und so zu einem gerechten Ergebnis zu gelangen. 970  Ohly, S.  117 f., führt hierzu an, dass verschiedene Unrechtskategorien des Strafrechts schon keine Entsprechung im Zivilrecht finden, wie beispielsweise der strafbare Versuch. Auch sanktio­ niert das Strafrecht beispielsweise in §  316 StGB eine Handlung selbst dann, wenn gar keine priva­ ten Interessen verletzt sind. Ferner können zahlreiche Handlungen – wie etwa eine fahrlässige Sach­ beschädigung – eine Schadensersatzpflicht auslösen, während diesbezüglich ein strafrechtlicher Unrechtstatbestand nicht existiert. 971  Dies muss natürlich nicht immer der Fall sein. So laufen etwa bei der Körperverletzung die privat- und strafrechtlichen Unrechtstatbestände parallel. 972 Vgl. Ohly, S.  118. Explizit im Zusammenhang mit der Einwilligung weist Ohly, S.  120, auf den unterschiedlichen Zuschnitt im Straf- und Zivilrecht hin und befürwortet diesen. 968 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Von enormer Schwierigkeit erscheint vor diesem Hintergrund allerdings die Frage, warum nun ausgerechnet im Bildnisrecht kein Gleichlauf der Rechtswidrigkeit und somit ein universaler Einwilligungsbegriff gelten soll. In diesem Fall hilft jedenfalls kaum der Verweis auf das dem Strafrecht zugrunde liegende zentrale Gepräge eines staatlichen Strafanspruchs im Verhältnis zum zivilrechtlichen Gepräge des Ausdrucks von Selbstbestimmung973 weiter. Denn es handelt sich bei §  33 I KUG sowohl um ein Antrags- als auch Privatklagedelikt, sodass sich der strafrechtliche Bildnisschutz – so­ gar unabhängig vom geschützten Rechtsgut – überdeutlich an der Selbstbestimmung – des Betroffenen orientiert und die Strafverfolgung somit vom Willen des Opfers ab­ hängt. Hier bestehen also, selbst wenn man die zivilrechts­akzessorische Ausgestaltung außer Betracht lässt, deutliche Parallelen zum zivilrechtlichen Gepräge. Gleichwohl überzeugt eine differenzierte Betrachtung von tatbestandsausschlie­ ßender bildnisrechtlicher Einwilligung und rechtfertigender Einwilligung. Denn eine Vereinheitlichung nach den Maßstäben einer strafrechtlichen Einwilligung wür­ de bereits verkennen, dass bereits die Genese des Rechts am eigenen Bild sehr nahe an Kontext der Rechtsgeschäftslehre stattgefunden hat974, deren Mechanismen dar­ über hinaus den Minderjährigen differenziert vor rechtlichen Nachteilen schützen soll.975 Wird etwa in Anlehnung an strafrechtliche Lehren behauptet, die bürger­ lich-rechtlichen Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit seien für die (bildnisrecht­ liche) Einwilligung schlechthin unpassend und müssten in der strafrechtlichen Ein­ willigung aufgehen, so steht dem jedenfalls der Einwand entgegen, dass Erlaubnisse grundsätzlich oft auch in vertraglicher Form erteilt werden und dass in diesem Fall die §§  104 ff. BGB selbstverständlich gelten.976 Dass die rechtsgeschäftlichen Wer­ tungen gerade im Bildnisrecht aber nicht einfach zu vernachlässigen sind, zeigt ge­ radezu eindrucksvoll die skizzierte richterliche Praxis, in Arbeits- oder Werbekon­ texten sogar Formbedingungen für die bildnisrechtliche Einwilligung aufzustel­ len.977 Schließlich würde ein universeller Gleichlauf der Einwilligungen den elterlichen Erziehungsauftrag in Art.  6 I, II GG vollkommen außer Betracht lassen, zumal es dann (gar) nicht mehr auf die elterliche Zustimmung bei der Veröffentli­ chung von Minderjährigenbildnisse (im Zivilrecht) ankommen würde. Insgesamt bleibt zuzugeben, dass dadurch de lege lata ein ungewöhnliches Nebeneinander zwi­ schen bildnisrechtlicher tatbestandsausschließender Einwilligung und rechtfertigen­ der Einwilligung existiert, welches mit der überwiegenden Ansicht aufgrund der sich hieraus ergebenden Differenzierungsmöglichkeiten aufrecht zu erhalten ist. Damit ergeben sich zudem – je nach dem Vorstellungsbild des Veröffentlichen­ den  – auch unterschiedliche Rechtsfolgen, wenn sich der veröffentlichende Fotograf über das Alter der abgebildeten Person irrt. 973 So

Ohly, S.  121 f. Vgl. nur die exemplarischen Beispiele in Kap.  1, B., IV., 6., c), e), und f). 975  Vgl. hierzu bereits Kap.  3, C., II., 1., a). 976 Vgl. Ohly, S.  122. 977  Hierzu bereits Kap.  3, C., III. 974 

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Geht der veröffentlichende Fotograf etwa von der Volljährigkeit seines (zustimmenden) Mo­ dels aus, so irrt er über ein Merkmal, das zum gesetzlichen Tatbestand gehört, nämlich hier der bildnisrechtlichen Einwilligung. Denn der Veröffentlichende geht in diesem Fall davon aus, dass die abgebildete Person allein die bildnisrechtliche Einwilligung erteilen kann und diese infolge der Erteilung auch vorliegt. Insoweit findet §  16 I S.  1 StGB Anwendung. Selbiges gilt, wenn der Veröffentlichende die Minderjährigkeit des Abgebildeten kennt, aber von der Ein­ sichtsfähigkeit ausgeht und glaubt, die Eltern hätten ebenfalls eingewilligt. Geht der Veröffentlichende hingegen davon aus, dass die abgebildete Person minderjährig und einsichtsfähig ist und weiß er vom Fehlen der Einwilligung der Eltern, so geht er (ledig­ lich) vom Rechtfertigungsgrund der rechtfertigenden Einwilligung aus. Ist das Model entge­ gen seiner Vorstellung aber tatsächlich noch nicht einsichtsfähig, befindet sich der Fotograf somit bei der Veröffentlichung in einem Erlaubnistatbestandsirrtum, welcher nach überwie­ gender Ansicht die (Vorsatz-)Schuld978 entfallen lässt.

Schließlich bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass die bildnisrechtliche Einwil­ ligung tatbestandsausschließend wirkt, während auf Rechtfertigungsebene noch Raum für eine mutmaßliche Einwilligung oder eine Einwilligung von einem ein­ sichtsfähigen Minderjähren nach den strafrechtlichen Grundsätzen besteht.979

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG Eine Bildnisrechtsverletzung liegt selbst bei Fehlen einer Einwilligung nach §  22 S.  1 KUG nicht vor, wenn die Veröffentlichung nach §  23 I Nr.  1–4 KUG ohne die Erlaub­ nis des Abgebildeten veröffentlicht werden durfte und jedenfalls gem. §  23 II KUG keine berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzt. Damit kommt den normier­ ten Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis in §  23 KUG eine enorme Bedeutung auch für die Frage hinsichtlich der Strafbarkeit nach §  33 KUG zu.

I. Einordnung von §  23 KUG als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund Dabei ist allerdings bereits umstritten, ob es sich bei §  23 KUG um einen Rechtferti­ gungsgrund handelt, oder ob das Vorliegen einer normierten Ausnahme tatbestands­ ausschließend wirken soll. Bereits im Rahmen der Erörterung der Tathandlungen klang allerdings bereits an, dass es sich nach der hier vertretenen Ansicht bei §  23 KUG um einen Rechtfertigungsgrund handelt.980 Hierfür spricht bereits das allge­ meine Verständnis von Tatbestand und Rechtswidrigkeit. Mit dem Tatbestand soll 978 

Hierzu ausführlich B. Heinrich, AT, Rn.  1128 ff. m. w. N. Der von Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  28 f., vertretenen Ansicht, dass auch die schlichte Einwilligung (stets) rechtfertigend wirke, kann hiernach nicht gefolgt werden. Denn diese Ansicht setzt die mutmaßliche mit der schlichten Einwilligung gleich. 980  So i. E. auch Baumhöfener, S.  153; Eisele, §  37, Rn.  32 ff.; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  30; Mitsch, Fallsammlung zum Medienstrafrecht, S.  42; vgl. ferner die Wortwahl bei BVerwGE 143, 74 (83) – „Untersagung von Bildaufnahmen durch die Presse bei einem Polizeieinsatz“; a. A. Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  14 (Tatbestandsausschluss). Hierauf aufbauend ist 979 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

das grundsätzlich strafbare Verhalten umschrieben werden, wohingegen die Recht­ fertigungsgründe es im Ausnahmefall gestatten, den gesetzlichen Tatbestand zu er­ füllen, ohne sich strafbar zu machen.981 Vergegenwärtigt man sich nochmal die Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild, so schützt dieses jedermann vor ei­ ner ungewollten bildhaften Repräsentation. Auch eine Person, welche sich auf einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte oder auf einem Bildnis, welches eine Versammlung zeigt, befindet, wird durch eine Veröffentlichung repräsentiert und dem Betrachter bildhaft anwesend gemacht. Der Tatbestand ist somit grundsätzlich erfüllt, aber im Ausnahmefall aufgrund des bestehenden öffentlichen Interesses er­ laubt. Das öffentliche Interesse ändert hierbei aber nichts an der grundsätzlichen Re­ präsentation der betroffenen Person, sodass der strafrechtliche Tatbestand erfüllt ist.

II. Das Zeitgeschehen als zentrales Kriterium für zulässige einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 I Nr.  1 KUG Die praktisch wichtigste Ausnahme von dem Grundsatz des §  22 KUG, wonach ein Bildnis nicht ohne Einwilligung des Abgebildeten veröffentlicht werden darf, stellt §  23 I Nr.  1 KUG dar.982 Im Bildnisrecht kommt somit der Frage, wann ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt, zentrale Bedeutung zu. Allerdings klang bereits im Rahmen der Verortung des Rechts am eigenen Bild in der Gesamt­ rechtsordnung an, dass der Begriff der Zeitgeschichte eine bewegte Entwicklung er­ fahren hat.983 Da sich hieran die Auslegung des §  23 I Nr.  1 KUG maßgeblich orien­ tiert, gilt es zunächst die historische Entwicklung des Begriffsverständnisses aufzu­ arbeiten. Nur dann können die bisher ergangenen Erwägungen zur Zeitgeschichte nicht nur in ihrem historischen Kontext erfasst, sondern insbesondere bei der Aus­ legung des §  23 I Nr.  1 KUG hinreichend Berücksichtigung finden. 1. Die historische Entwicklung des Begriffsverständnisses des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG Das Verständnis des Bereichs der Zeitgeschichte wirft bis heute tiefgreifende Fragen auf. So kann bereits der Begriff der Zeitgeschichte durchaus als schillernd bezeichnet werden. Dies zeigt bereits ein flüchtiger Blick in das Gesetz, wonach bei den Erlaub­ nissätzen der kernstrafrechtlichen Normen der §§  201a IV, 184k III StGB zwischen den Begriffen des „Zeitgeschehens“ und der „Geschichte“ differenziert wird, wäh­ rend §  23 I Nr.  1 KUG vom Bereich der Zeitgeschichte spricht. Selbst im allgemeinen anzunehmen, auch die sog. „Sozialadäquanzklauseln“ in §§  201a IV, 184k III StGB als Rechtferti­ gungsgründe zu behandeln; so auch Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  53. 981  B. Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 2010, S.  1258. 982  N. Dietrich, S.  24; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  3; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  31; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  47; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  771. 983  Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a).

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Sprachgebrauch wird der Begriff der Zeitgeschichte synonym mit dem Begriff des Zeitgeschehens verwendet und dabei auch mit Personen (der Zeitgeschichte) oder etwa (zeitgeschichtlichen) Ereignissen in Verbindung gebracht.984 Im Folgenden gilt es daher, die maßgebliche Entwicklung des offen formulierten Bereichs der Zeitge­ schichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG darzustellen, um im Anschluss dessen An­ wendungsbereich hinreichend erfassen zu können. a) Die Person der Zeitgeschichte und das Veranlassungsprinzip Die zentrale Ausrichtung eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte erfolg­ te durch den Gesetzgeber.985 Zwar ging dieser zur Bestimmung der Zeitgeschichte von einem Begriff aus, der nicht nur „das eigentliche politische, sondern auch das soziale, wirtschaftliche und Kulturleben des Volkes“ umfassen und somit „im weites­ ten Sinne“ verstanden werden sollte.986 Hierfür knüpft die Gesetzesbegründung zu den §§  22, 23 KUG allerdings nur ausdrücklich an Personen an, „die dem öffentli­ chen Leben angehören“ oder „die im öffentlichen Leben stehen oder in Kunst und Wissenschaft ein allgemeines Interesse wachrufen“.987 Ferner sei „der Allgemeinheit [und somit nicht etwa lediglich der Presse] ein gewisses publizistisches Anrecht an der freien Darstellung solcher Personen einzuräumen“988. Begründet wurde dieses Anrecht mit den „natürlichen Bedingungen sozialen und geschichtlichen Lebens“ sowie der gängigen Praxis in solchen Ländern, welche ein Recht am eigenen Bild anerkennen.989 Damit war es mehr der Wortlaut der Gesetzesbegründung als derjeni­ ge des Gesetzes selbst, welcher bei dem überwiegenden Teil der Literatur990 und 984  Vgl. etwa ­ https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/74911/zeitgeschichte-zeitgeschehen/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 985  A. A. T. Haug, S.  19, und U. Müller, NJW 1982, S.  863 f., welche die Anknüpfung an die Per­ son Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  114, zuschreiben. Dieser hatte sich aber erst über 50 Jahre nach Erlass des KUG zu §  23 I Nr.  1 KUG und somit zwangsläufig auch nach der ersten Entscheidung des BGH zur Bestimmung des §  23 I Nr.  1 KUG geäußert. Innovativ war nach dessen Ansatz freilich die Differenzierung zwischen „relativer“ und „absoluter“ Person der Zeitgeschichte. Der Begriff einer „Person der Zeitgeschichte“ fand hierbei schon deutlich früher in der Literatur Erwähnung; vgl. nur Holldack, JW 1934, S.  1334. 986  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540 f. 987  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540 f. 988  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540; Ergänzung und Hervorhebung durch den Verfasser. 989  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Akten­ stück Nr.  30, S.  1540. 990  Allfeld, S.  136; ders., DJZ 1926, S.  1468 f.; Elster, Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1928, S.  254; Holldack, JW 1934, S.  1334 (nennt ausdrücklich den Begriff der Person der Zeitge­ schichte); Möhring, JW 1929, S.  3089; Osterrieth (1.  Auflage 1907), S.  178; ders., S.  172: „Der Ge­ setzgeber hat also unzweideutig das Interesse der Öffentlichkeit über das Interesse der Einzelper­ sönlichkeit setzen wollen und gesetzt; sobald eine Persönlichkeit der Zeitgeschichte angehört, ist ihr der Schutz des §  22 grundsätzlich versagt“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Rechtsprechung991 früh zur Annahme führte, dass sich der Begriff der Zeitgeschich­ te notwendigerweise992 allein an der abgebildeten Person festmachen lassen müsse. Des Weiteren gab der ausdrücklich von der Begründung „im weitesten Sinne“ zu verstehende Begriff der Zeitgeschichte gerade aufgrund seiner Unbestimmtheit schnell Anlass zu fortwährender Kritik993, zumal eine hinreichende Bestimmung an­ hand irgendeines Merkmals in der Praxis entscheidend für viele Sachverhalte war.994 Vermutlich war es deshalb wieder die Gesetzesbegründung, welche anfangs zur Überzeugung führte, der Abgebildete müsse das öffentliche Interesse an ihm selbst veranlasst haben, wenn der Wortlaut von einem Anrecht der Allgemeinheit durch das Wachrufen eines allgemeinen Interesses ausgeht.995 Hierbei stand die Erwägung im Vordergrund, dass sich derjenige nicht mehr auf Anonymität berufen können soll, der einmal bewusst das Interesse der Öffentlichkeit wachgerufen und somit auf sich ge­ zogen hatte.996 Dieser sei auf eigene Veranlassung Person der Zeitgeschichte gewor­ 991  RGZ 74, 308 (312) – „Graf Zeppelin“; RGZ 125, 80 (81 f.) – „Tull Harder“ spricht etwas offe­ ner unter Berufung auf Osterrieth, S.  172 ff., von „Erscheinungen im Leben der Gegenwart, die vom Volke beachtet werden, bei ihm Aufmerksamkeit finden und Gegenstand der Teilnahme oder Wiß­ begier weiter Kreise sind“; ferner KG, JW 1924, S.  1780, m. Anm. von Schiffer: „Mann der Zeitge­ schichte“; KG, JW 1928, S.  421 – „Domela“; KG, JW 1928, S.  365 – „Piscator“: „Mann der Zeit­ geschichte“; AG Ahrensböck, DJZ 1920, S.  596; AG München, JW 1928, S.  376; vgl. aber auch die abweichende Ansicht des KG, JW 1925, S.  378 mit zustimmender Anmerkung von Adler, wonach es nicht darauf ankommen könne, „ob der Abgebildete auch mit seiner Person in die Öffentlichkeit tritt und dieser daher persönlich bekannt ist“. 992  Vgl. hierzu allerdings noch die in Klammern gesetzte Bemerkung des KG, JW 1928, S.  421  – „Domela“, dass §  23 I Nr.  1 KUG nicht etwa „Bildnisse von Persönlichkeiten der Zeitgeschichte“ betreffe. 993  Bussmann, JR 1955, S.  204; Elster, Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 1928, S.  255; Gerstenberg, UFITA 1955, S.  300; Helle, S.  136; Holldack, JW 1932, S.  1336; Letzel, S.  40; Rietschel, 27. DJT, Bd.  I V, S.  61. 994  Vgl. ferner die einen Überblick gebenden Darstellungen bei U. Müller, S.  116 ff. und C. Walter, S.  33 ff. 995  U. Müller, S.  116 f. 996  Dass es in einem solchen Fall dann nicht auf die konkrete Abbildung, sondern das bewusste Hervorrufen des öffentlichen Interesses ankommen sollte, zeigt eindrucksvoll die Entscheidung des AG Ahrensböck, DJZ 1920, 596, bzgl. der Veröffentlichung einer Fotografie, welche den damaligen Reichspräsidenten Ebert und den Reichswehrminister Noske in Badehose zeigte. Hiernach konnten sich die Abgebildeten auch nicht auf §  23 II KUG berufen: „Die abgebildete Person muß im Leben des Volkes eine bemerkenswerte Stellung einnehmen, also selbst Geschichte mitmachen und sich irgendwie mit Bewußtsein in die Öffentlichkeit begeben und ihr ein Anrecht auf Kenntnis ihrer Person, besonders ihrer äußeren Erscheinung gegeben haben. Ebert und Noske sind solche ­Personen. Das deutsche Volk sieht seine ersten Repräsentanten, wenn sie nur überhaupt der Oeffentlichkeit zugänglich sind, stets als Vertreter ihrer Stellung an, auch wenn sie amtlich nicht in Erscheinung treten wollen, so daß die Oeffentlichkeit ein Anrecht auf Kenntnis dieser Personen hat, wann und wie sie sich öffentlich zeigen, auch am Badestrand“ [Hervorhebungen durch den Verfasser]; kritisch hierzu Allfeld, DJW 1920. S.  701; ferner zur bewussten Herstellung des öffentlichen Interesses AG München, JW 1928, S.  376 – „Therese Neumann“; vgl. auch KG, JW 1928, S.  421 – „Domela“; LG I Berlin, JW 1929, S.  452; in der Literatur: Allfeld, S.  136; ders, DJZ 1926, S.  1468; Bussmann, JR 1955, S.  204; Dumont, S.  48 fordert ein „aktives Moment“; Landwehr, S.  92; Letzel, S.  41; E. Müller, S.  126; vgl. ferner die Formulierung bei Osterrieth (1.  Auflage 1907), S.  178: „ [Mit der Gesetzes­ begründung] ist also ausgesprochen, daß derjenige, der im öffentlichen Leben steht, öffentlich mit

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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den und sei mithin für ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gewisserma­ ßen (mit-)verantwortlich.997 Zwar schien durch das (bewusste) Veranlassungsprinzip ein Weg gefunden, den (als zu ausufernd empfundenen) Begriff der Zeitgeschichte einzuschränken998, allerdings wurden gegen diese Lösung alsbald Bedenken mit Blick auf Sachverhalte laut, in denen Personen völlig zufällig oder ungewollt ohne eigene Beeinflussung zum Gegenstand des öffentlichen Interesses wurden.999 Da auch deren Abbildungen ein großes Interesse innerhalb der Allgemeinheit hervorrie­ fen1000, wurde zunächst die Möglichkeit eines Bekanntwerdens „wider oder ohne ei­ genen Willen“1001 zur Person der Zeitgeschichte erwogen, ehe das Veranlassungs­ prinzip insgesamt verworfen wurde.1002 Dies führte in Rechtsprechung und Schrift­ tum zu einer anhaltenden Unsicherheit im Umgang mit §  23 I Nr.  1 KUG.1003 seiner Person hervortritt und sich öffentlich betätigt, dessen Person und Handeln also öffentlich bekannt sind und besprochen werden, auch die Konsequenzen seines Verhaltens zu ziehen hat, und sich demgemäß dem nicht entziehen kann, daß die Öffentlichkeit mit seinem Bildnis bekannt ge­ macht wird“ [Anmerkung und Hervorhebbungen durch den Verfasser]; von Scanzoni, S.  31. 997  Arzt, S.  49, der davon ausgeht, der Abgebildete habe seine Abbildung gewissermaßen „pro­ voziert“; ferner Bongartz, S.  86; vgl. auch Bussmann, JR 1955, S.  204. 998 Nach Allfeld, S.  136, sollten durch diese Abgrenzung etwa Opfer eines Unfalls oder eines Verbrechens sowie Straftäter nicht von der Abbildungsfreiheit nach §  23 I Nr.  1 KUG umfasst sein; ähnlich von Collenberg, S.  31; die Einordnung von Straftätern als Person der Zeitgeschichte blieb aber auch in der Folgezeit umstritten; vgl. hierzu E. Schmidt, in: FS W. Schmidt 1959, S.  347 ff. so­ wie die Rechtsprechungsübersicht bei Neumann-Duesberg, JZ 1973, S.  261. 999  Insbesondere dürfte die Argumentation des KG JW 1928, 421 – „Domela“, zur Zugehörigkeit der Zeitgeschichte durch Geburt unter Rekurs auf das Veranlassungsprinzip Fragen aufgeworfen haben: „Die Geburt ist allerdings an sich ein Vorgang, dem der Mensch willenlos unterworfen ist. Soweit sie aber durch die gehobene Persönlichkeit und Stellung der Eltern ein besonderes Gepräge erhält und soweit dadurch die Möglichkeit begründet wird, gestaltend in die Geschichte eines Vol­ kes einzugreifen, erscheint es gerechtfertigt, die Geburtsstellung dem bewußten, ‚Geschichte ma­ chenden‘ Wirken gleichzustellen“; vgl. auch Steffen, in: FS Müller 2009, S.  579. 1000  Dieses Interesse wurde stellenweise sogar damit begründet, dass sich die Bedürfnisse inner­ halb der Gesellschaft seit Inkraftreten des KUG grundlegend geändert hätten; vgl. nur Goldbaum, JW 1928, S.  876, welcher anführt, dass die „Grenzen dieses Bereichs […] in einer Epoche ungeheu­ rer Publizität viel weiter zu ziehen [sind] als zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes“; das KG, JW 1928, S.  421 – „Domela“ geht ebenfalls von veränderten Verhältnissen innerhalb der Gesellschaft seit des Inkrafttretens des KUGs aus, argumentierte deshalb aber genau umgekehrt: „Diese in Un­ terhaltungs- und Sensationsbedürfnis wurzelnde Gepflogenheit kann nicht dazu führen, den Be­ griff der Zeitgeschichte auf Kosten des Schutzes der Persönlichkeit auszudehnen“. 1001  D. Franke, S.  90 f., und Möhring, JW 1929, S.  3078 f., erkennen in RGZ 125, 80 (81 f.) – „Tull Harder“ die offizielle Hinfälligkeit des Merkmals der „Bewusstheit“, jedenfalls hatte sich das RG in dieser Entscheidung nicht ausdrüklich zu diesem Merkmal geäußert und ging bei einem bekannten Fußballspieler ohne weiteres von einem Bildnis aus dem Bereiche der Zeitgeschichte aus; ausdrück­ lich in der Rechtsprechung: KG 1925, S.  378 m. Anm. von Adler; KG, JW 1932, S.  891; OLG Dresden, DRZ 1928, S.  45; OLG Stuttgart, JZ 1960, S.  126; LG Kleve, MDR 1953, S.  108; in der Literatur: von Collenberg, S.  31; E. Schuster, S.  31. 1002  Goldbaum, JW 1928, S.  876; Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  115; Osterrieth, S.  174 f.; Wandrey, S.  15; das OLG Stuttgart, JZ 1960, S.  128 spricht von einer Entwicklung contra legem; vgl. ferner Kohler, Kunstwerkrecht, S.  160 f.; Möhring, JW 1929, S.  3079. Die Einordnung von ­Straf­tätern blieb aber unverändert umstritten; vgl. hierzu D. Franke, S.  92 ff. 1003  D. Franke, S.  91, mit dem Verweis auf die Meinung von Voigtländer/Elster/Kleine, S.  32,

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

b) Die frühe Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Bevor sich das Bundesverfassungsgericht zu der Frage äußerte, inwiefern sich der Be­ kanntheitsgrad einer Person unter Geltung des Grundgesetzes1004 auf die Betroffenheit ihres Persönlichkeitsrechtes auswirken kann, fand eine grobe Vorzeichnung der Ant­ wort erneut durch den Bundesgerichtshof statt.1005 Der entscheidende Senat ging davon aus, dass ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte dann vorliegt, wenn ein be­ rechtigtes oder schutzwürdiges Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung einer Personenabbildung vorliegt.1006 Zur Ermittlung dieses berechtigten Interesses bediente sich der Bundesgerichtshof eines zweiaktigen Vorgehens: Zuerst wurde ge­ prüft, ob überhaupt ein Interesse der Öffentlichkeit an der Bildveröffentlichung be­ steht. Dies bejahte der Senat im Sinne der bis dato überwiegenden Meinung bei der Abbildung einer Person der Zeitgeschichte.1007 Maßgeblich für das öffentliche Interes­ se war somit die abgebildete Person und nicht die Abbildung als solche.1008 Die relevan­ te Einordnung dieser Person sollte dabei nicht etwa aus der Sicht eines Historikers, sondern vielmehr im allgemeinen, weitesten Sinne verstanden werden.1009 Konnte ein wonach §  23 I Nr.  1 KUG nur Anwendung finden kann, wenn die abgebildete Person bereits „be­ kannt und genannt“ sei; ähnlich zuvor Osterrieth (1.  Auflage 1907), S.  179: „Wer der Öffentlichkeit nur durch das Bildnis bekannt wird, gehört der Zeitgeschichte nicht an“. 1004  Bongartz, S.  89, geht etwa davon aus, dass „manche Entscheidungen“ bzgl. der Zugehörig­ keit zur Zeitgeschichte unter dem Einfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abzulehnen seien. Gleichwohl verbleibt es hierfür beim Verweis auf die „Ebert-Noske“-Entscheidung des AG Ahrens­ böck, DJZ 1920, S.  596, welche ohnehin bereits in der Kritik stand. 1005  Man könnte sogar davon ausgehen, dass sich der BGH bereits in BGHZ 13, 334 (338, 341)  – „Leserbrief“ nicht nur richtungsweisend bzgl. der Existenz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geäußert, sondern auch den Bekanntheitsgrad der Person für die Interessenabwägung mittelbar in Stellung gebracht hat, indem er auf die öffentliche Reichweite der Informationsentäußerung Bezug nahm. Ausdrücklich bezogen auf die Bekanntheit im Rahmen des Bildnisschutzes dann BGHZ 20, 345 (349) – „Paul Dahlke“. 1006  BGHZ 20, 345 (2. Leitsatz und 350) – „Paul Dahlke“: „berechtigte[s]“ und „schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit“; BGHZ 24, 200 (208) – „Spätheimkehrer“ spricht sogar von einem „echte[n] Informationsbedürfnis“; BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“; so auch BGH, NJW 1965, S.  2150 – „Spielgefährtin I“; BGH, NJW 1966, S.  2355 – „Vor unserer eigenen Tür“, spricht von einem „ausreichend legitimierten Informationsrecht der Allgemeinheit“; vgl. ferner Hahn, NJW 1997, S.  1349, Metz, S.  175. 1007  Vgl. hierzu nur BGHZ 20, 345 (350) – „Paul Dahlke“, wonach der BGH in §  23 I Nr.  1 KUG ausdrücklich eine Ausnahmevorschrift erblickt, „die nach der Gesetzesbegründung lediglich den Bedürfnissen der Allgemeinheit nach einer sachgerechten bildmäßigen Information über Persön­ lichkeiten des öffentlichen Lebens Rechnung tragen will“ [Hervorhebung durch den Verfasser]; zudem BGHZ 24, 200 (2. Leitsatz, 208) – „Spätheimkehrer“; BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“, spricht sogar von „Bildnisse[n] von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte i. S. d. §  23 I Ziff.  1 KunstUrhG“. 1008  Vgl. BGHZ 20, 345 (349 f.) – „Paul Dahlke“: „Insoweit ist allein maßgebend, daß die öffent­ liche Meinung Bildberichte über diesen bekannten Künstler als bedeutsam und um der dargestellten Person willen der Beachtung wert empfindet.“ 1009  Damit sollte wiederum den bereits geschilderten Ausführungen aus der Gesetzesbegrün­ dung Rechnung getragen werden; dies lag insofern auch auf der Linie mit zuvor ergangenen Ent­ scheidungen unterer Instanzen, insgesamt hierzu Helle, S.  131 ff. m. w. N.

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öffentliches Interesse anhand der Abbildung einer Person der Zeitgeschichte bejaht werden, musste in einem zweiten Schritt die Berechtigung bzw. die Schutzwürdigkeit des öffentlichen Interesses ermittelt werden. Hierbei ging der Bundesgerichtshof zwar ausdrücklich davon aus, dass bei fehlender Berechtigung schon kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG1010 (trotz der Abbildung ei­ ner Person der Zeitgeschichte1011) vorliegt.1012 Gleichwohl führte der Senat (hilfsweise) aus, dass jedenfalls bei fehlender Schutzwürdigkeit ein überwiegendes Individualin­ teresse des Abgebildeten vorliegen und somit die Rückausnahme des §  23 II KUG greifen würde.1013 Hier zeigt sich also (neben dem Veranlassungsprinzip) ein weiterer Unterschied zur vorangegangenen Reichsgerichtsjudikatur, welche den Tatbestand des §  23 I Nr.  1 KUG noch ausschließlich vom Vorliegen eines objektiv bestehenden öffent­ lichen Interesses (völlig unabhängig von einer Berechtigung im Sinne einer normati­ ven Bewertung) bestimmte und die Schutzwürdigkeit allenfalls mittelbar im Rahmen der berechtigten Interessen des Abgebildeten nach §  23 II KUG prüfte.1014 Somit hat die anfängliche Verfahrensweise des Bundesgerichtshof die ohnehin schon schwierige Auslegung des Tatbestandes von §  23 I Nr.  1 KUG noch weiter verkompliziert, indem nunmehr zusätzliche vertypte Erwägungen zur Schutzwürdigkeit des öffentlichen In­ teresses faktisch über den Bereich der Zeitgeschichte entscheiden sollten. Die Bestim­ mung des Umfangs und der Reichweite des Begriffs der Zeitgeschichte war somit auch infolge der höchstrichterlichen Rechtsprechung weiter ungewiss.1015

1010  Vgl. BGHZ 20, 345 (350) – „Paul Dahlke“: „Derartige Veröffentlichungen, die sich nicht mit dem Informationsbedürfnis der Allgemeinheit rechtfertigen lassen, fallen vielmehr von vornherein aus dem Anwendungsbereich dieser Ausnahmebestimmung heraus“ [Hervorhebung durch den Ver­ fasser]; a. A. offenbar Arzt, S.  28. 1011  Ausdrücklich bereits BGHZ 20, 345 (349) – „Paul Dahlke“, wonach Paul Dahlke zu den „Per­ sonen der Zeitgeschichte im Sinne dieser Bestimmung [scil. §  23 I Nr.  1 KUG]“ zähle, gleichwohl aber aufgrund der fehlenden Berechtigung kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliege; ähn­ lich BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“: „Bildnisse von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ bejaht und aufgrund fehlender Berechtigung §  23 I Nr.  1 KUG verneint. 1012  BGHZ 20, 345 (350) – „Paul Dahlke“ nimmt eine fehlende Berechtigung etwa bei der Nut­ zung eines Abbildes einer bekannten Person ausschließlich zu Werbezwecken an; BGHZ 24, 200 (208) – „Spätheimkehrer“, geht von keinem „echten“ Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit aus, wenn dieses „nur auf Neugierde und Sensationslust“ beruht; BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“, zustimmend bei Werbezwecken; BGH, NJW 1965, S.  2149 – „Spielgefährtin“, zu­ stimmend bei „bloßer Sensationslust“; vgl. hierzu insgesamt Poll, ZUM 1988, S.  455; vgl. ferner zur Erörterung weiterer Kriterien Arzt, S.  29 ff. 1013  BGHZ 20, 345 (350) – „Paul Dahlke“; BGHZ 24, 200 (209) – „Spätheimkehrer“; BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“; BGH, NJW 1966, S.  2355 – „Vor unserer eigenen Tür“; in BGH, NJW 1965, S.  2148 ff. – „Spielgefährtin“, fehlt hingegen die hilfsweise Feststellung. 1014  Vgl. RGZ 74, 308 (312) – „Graf Zeppelin“; RGZ 125, 80 (82) – „Tull Harder“; a. A. bereits KG, JW 1924, S.  1780. 1015 Dementsprechend gab es vermehrt unterschiedliche Einordnungsvorschläge seitens der Lite­ratur; vgl. nur Bussmann, S.  41 f.; D. Franke, S.  102; E. Schmidt, S.  23, Fn.  45; ders. in: FS W. Schmidt 1959, S.  347 ff.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

c) Die absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte In dieser verhältnismäßig unklaren Rechtslage war schließlich der Ansatz von Horst Neumann-Duesberg aus dem Jahr 1960 für die Bestimmung des Tatbestandes des §  23 I Nr.  1 KUG geradezu richtungsweisend.1016 Insbesondere sollte sich dessen Lö­ sungsweg in der Folgezeit (mittelbar) auf die Bedeutung der Bekanntheit der abgebil­ deten Person für ihre individuelle Betroffenheit bei einer Bildnisveröffentlichung maßgeblich auswirken. Anstatt zwischen bewusstem oder ungewolltem Eintreten in die Zeitgeschichte zu trennen, differenzierte Neumann-Duesberg zwischen sog. ab­ soluten und relativen Personen der Zeitgeschichte.1017 Dieser Differenzierung lag der Hauptgedanke zugrunde, dass der Einzelne durch ein „zeitgeschichtliches Gescheh­ nis“1018, gegenüber welchem er „aktiv oder passiv, dynamisch oder statisch in Bezie­ hung steht“, zur (absoluten oder relativen) Person der Zeitgeschichte werde.1019 Das Vorliegen von Zeitgeschichte bejaht Neumann-Duesberg hierbei, sobald „das Ge­ schehnis die betreffende Person ins Blickfeld einer gewissen Öffentlichkeit […] setzt und [ein] Informationsinteresse erweckt, zu dessen Befriedigung die Träger der ­Publizistik berufen sind“1020. Als absolute Personen der Zeitgeschichte bezeichnet Neumann-Duesberg solche Menschen, die sich „durch Geburt, Stellung, Leistungen Taten oder Untaten […] außer­ gewöhnlich aus dem Kreise der Mitmenschen herausheben“, weshalb die Öffentlichkeit ein „volles Informationsinteresse“ bzgl. dieser Personen habe.1021 Dieses umfassende Informationsinteresse an absoluten Personen der Zeitgeschichte gelte sowohl hinsicht­ lich deren Teilnahme am öffentlichen Leben als auch hinsichtlich „interessewürdiger“ Vorgänge ihres Privatlebens.1022 Liegt ein Bildnis einer absoluten Person der Zeitge­ schichte vor, soll dieses volle Informationsinteresse das Anonymitätsinteresse der abge­ bildeten (absolut-zeitgeschichtlichen) Person vollumfänglich und zeitunabhängig1023 1016 

Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  114 ff.; vgl. hierzu auch Steffen, in: FS Müller 2009, S.  583 f. Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  115. 1018  Als Beispiele für ein solches Geschehnis nennt Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  114, die Person „heraushebende“ Leistungen, die Geburt, Wahl oder Ernennung zu bestimmten Positionen, Eintritt in den Opferstatus bei Verbrechen, Unfällen oder Katastrophen, wobei dies bei Opferbil­ dern nur für „neutrale“ Abbildungen – z. B. durch früher aufgenommene Passbilder – gelten solle. 1019  Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  114. 1020  Neumann-Duesberg, JZ 1960. S.  114; hierbei muss die Öffentlichkeit nicht zwingend im Sinne des ganzen Landes verstanden werden, sondern kann bereits auch bei der Größenordnung einer Stadt oder eines Dorfes angenommen werden. Dieser Punkt deckt sich insoweit mit den Aus­ führungen des Gesetzgebers; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., a). 1021  Neumann-Duesberg, Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  150 [Hervorhebung durch den Verfasser]; ders., JZ 1960, S.  114 f. 1022  Neumann-Duesberg, Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  150. Anfangs hatte Neumann-Duesberg noch ausdrücklich die Abbildungsfreiheit des Privat- und Familienlebens bei absoluten und relati­ ven Personen der Zeitgeschichte ausgeklammert; vgl. JZ 1960, S.  116. 1023  Genaugenommen widersprach sich Neumann-Duesberg allerdings bereits hier, wenn er zu­ vor bei der Abbildungsfreiheit auf „interessewürdige“ Vorgänge des Privatlebens absoluter Perso­ nen der Zeigeschichte abgestellt hatte; vgl. auch JZ 1973, S.  262, wonach hinsichtlich relativen Per­ 1017 

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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(mit Ausnahme von Fällen, die unter §  23 II KUG fallen) überwiegen.1024 Diese verall­ gemeinernde Feststellung ermöglichte in der Folgezeit folgende Interpretation: Unter Annahme eines Bildnisses von einer absoluten Person der Zeitgeschichte kann (zumin­ dest) der Tatbestand des §  23 I Nr.  1 KUG bejaht werden, weshalb zwangsläufig jeden­ falls (unabhängig von §  23 II KUG) ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen müsse. Zu den absoluten Personen der Zeitgeschichte zählte Neumann-Duesberg gekrönte Häupter, in vollem Scheinwerferlicht stehende Personen, wie in der Öf­ fentlichkeit viel genannte Staatsmänner und Politiker, berühmte Schauspieler, Philoso­ phen, sonstige bekannte Künstler, renommierte Wissenschaftler aber auch in die poli­ tische Geschichte eingehende Attentäter und Verbrecher.1025 Menschen, die hingegen das Interesse der Öffentlichkeit nur in Bezug auf ein ganz bestimmtes – inhaltlich und zeitlich begrenztes1026 – Geschehen erregt haben, sind nach Neumann-Duesberg (lediglich) relativ mit dem Zeitgeschehen verknüpft und des­ halb sog. relative Personen der Zeitgeschichte.1027 Da also im Vergleich zur absoluten Person der Zeitgeschichte nur ein „sachentsprechendes“1028 Interesse der Öffentlichkeit an einer Personenabbildung besteht, soll es bei Fehlen einer Einwilligung nur erlaubt sein, die Personenabbildung ausschließlich im Zusammenhang mit dem (sach-)ent­ sprechenden, zeitgeschichtlichen Vorgang zu veröffentlichen.1029 Dabei müsse die Per­ son nicht zwingend zusammen mit dem konkreten (das öffentliche Interesse erregen­ den) Geschehen im Bild festgehalten werden. Entscheidend soll allein sein, dass (zu­ sammen mit einer Personenabbildung) über das Geschehen berichtet wird.1030 Ob eine (absolute oder relative) Person der Zeitgeschichte vorliegt, soll durch eine Interessenabwägung ermittelt werden.1031 Diese Abwägung falle bei absoluten Perso­ nen der Zeitgeschichte leicht, da bei diesen „ohne weiteres ein die Bildveröffent­lichung rechtfertigendes Informationsinteresse“ bestünde, wohingegen die Abwägung der wi­ derstreitenden Interessen zur Bestimmung einer relativen Person der Zeitgeschichte anhand des Einzelfalls erfolgen muss und sich deshalb schwieriger gestalte.1032 sonen der Zeitgeschichte nur ein „schützenswertes Informationsinteresse“ zur Bejahung des §  23 I Nr.  1 KUG geeignet sein soll. 1024  Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  116; ders., Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  150. 1025  Neumann-Duesberg JZ 1960, S.  116, ders., Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  150 f. 1026 Vgl. Neumann-Duesberg, Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  152: „In der Regel handelt es sich da­ bei um ein vorübergehendes Publikwerden, das die Bildberichterstattung bloß temporär der Einwil­ ligung enthebt, dh. solange der betreffende Vorfall beachtet wird und das Interesse andauert“. 1027  Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  115; ders., Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  151. 1028  Sachentsprechend soll nach Neumann-Duesberg, Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  152, ein öf­ fentliches Interesse nach bildmäßiger Berichterstattung über diese Person sein, wenn es nur punk­ tuell im Zusammenhang mit dem sie bemerkenswert machenden Geschehen besteht. 1029  Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  115; ders., JZ 1971, S.  306. 1030  Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  115: „Es genügt ein Paßbild, das bei der Berichterstattung über das Ereignis mitveröffentlicht wird“. 1031  Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  116; ders., JZ 1970, S.  566; ders., JZ 1971, S.  306. 1032 Vgl. Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  116; ders., Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  153; vgl. ferner ders., JZ 1973, S.  262, wonach „dann insoweit keine Person der Zeitgeschichte mehr [!]“ vorliegen soll, wenn ein schützenswertes Interesse der Öffentlichkeit verneint werden und somit die Abwä­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Insgesamt kommt dem Abwägungskriterium der Bekanntheit beim Lösungsan­ satz von Neumann-Duesberg also die zentrale Rolle zu. Dies gilt insbesondere bei der Bestimmung einer absoluten Person der Zeitgeschichte, da sich Neumann-Duesberg aufgrund einer zirkulären Argumentation1033 letztendlich einzig auf das Merk­ mal der Bekanntheit beschränkt. Denn genaugenommen findet schon keine Interes­ senabwägung bei absoluten Personen der Zeitgeschichte statt, vielmehr wird ein grundsätz­liches Überwiegen des öffentlichen Interesses pauschal angenommen, nur weil sich das öffentliche Interesse an der Person anhand ihres Bekanntheitsgrads in der Öffentlichkeit über ein (isoliertes) Ereignis hinaus begründen lässt. Im Übrigen bewirkte diese Argumentation zwingend ein neues Verständnis des Begriffs der (ab­ soluten) Person der Zeitgeschichte, was automatisch auch zu einer neuen Interpreta­ tion des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG führte: Während der Bundesgerichtshof bislang von einer Person der Zeitgeschichte beim Vorliegen eines öffentlichen Interesses und erst beim zusätzlichen Vorliegen einer Schutzwürdigkeit von einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG ausging1034, liegt nach der Auffassung von Neumann-Duesberg eine Person der Zeitgeschichte vor, wenn das öffentliches Interesse und die Schutz­ würdigkeit kumulativ gegeben sind.1035 Mithin führte hiernach das Vorliegen einer Person der Zeitgeschichte zwangsläufig zur Bejahung des §  23 I Nr.  1 KUG.1036

gung zugunsten des Abgebildeten ausfallen muss. Konsequenterweise dürfte es sich dann aber nie um eine Person der Zeitgeschichte gehandelt haben. 1033  Besonders deutlich kommt dies in folgendem Satz bei Neumann-Duesberg, Juristen-Jahr­ buch, Bd.  7, S.  149 zum Ausdruck: „Wenn der Abgebildete eine Person der Zeitgeschichte ist, so besteht ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit, denn anderenfalls wäre er ge­ rade keine Person der Zeitgeschichte“. 1034  Hierzu soeben Kap.  3, D., II., 1., b). 1035  Relevant wird dies aber hiernach ohnehin nur bei relativen Personen der Zeitgeschichte, da bei einer absoluten Person der Zeitgeschichte automatisch immer beide Komponenten (öffentliches Interesse und Schutzwürdigkeit) vorliegen. Bei absoluten Personen der Zeitgeschichte besteht hier­ nach somit die Möglichkeit einer fehlenden Berechtigung nach §  23 II KUG – fehlt diese, kann ­unabhängig hiervon grundsätzlich §  23 I Nr.  1 KUG und somit eine absolute Person der Zeitgeschich­ te vorliegen. Besteht hingegen ein punktuelles (relatives) öffentliches Interesse an einer Personen­ abbildung, fehlt aber die Komponente der Schutzwürdigkeit, soll nach der Lösung von Neu­mannDuesberg schon keine relative Person der Zeitgeschichte vorliegen; vgl. JZ 1973, S.  262; hierbei widersprach sich Neumann-Duesberg aber stellenweise selbst, indem er weiter – im Ergebnis auch inkonsequent – zwischen „Informationsbedürfnis“ und „Informationszweck“ differenzierte; vgl. etwa JZ 1971, S.  307, zur Veröffentlichung eines Tatverdächtigen in der Fernsehsendung „XY-­ Ungelöst“: „Die Veröffentlichung des Bildes eines Tatverdächtigen in der Fernsehsendung ‚XY-Un­ gelöst‘ ist selbst dann nicht nach §  23 I Nr.  1 KUG zulässig, wenn der Verdächtige ‚Person der Zeitgeschichte‘ ist“; ähnlich ders., Juristen-Jahrbuch, Bd.  7, S.  149; vgl. ferner ders., JZ 1970, S.  566, wonach es sich beim „Informationszweck“ um ein „weiteres ungeschriebenes Merkmal der Veröf­ fentlichungsfreiheit“ handele. 1036  Somit lag dem Begriff der „Person der Zeitgeschichte“ eine selbstständige Entwicklung zu­ grunde; a. A. C. Walter, S.  32.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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d) Rezeption in der Rechtsprechung und in der Literatur Zwar wurde die Lösung von Neumann-Duesberg in der Folgezeit anhaltend mit Ein­ wänden von Teilen der Literatur1037 konfrontiert, gleichwohl setzte sich die Differenzie­ rung zwischen absoluter und relativer Person der Zeitgeschichte schnell beim überwie­ genden Teil der Literatur1038 und in der Rechtsprechung durch.1039 Letztere war somit zwar angehalten, die eigene ursprüngliche Ausrichtung des Begriffs der Person der Zeitgeschichte zu korrigieren.1040 Dies hielt die Gerichte aber in der Folgezeit nicht da­ von ab, den Kreis der absoluten Personen der Zeitgeschichte großzügig zu erweitern1041 1037  Arzt, S.  28; Damm/Rehbock (2.  Auflage 2001), Rn.  164, 166, 175 ff.; H. Ehmann/Thorn, AfP 1996, S.  20 f.; Eisenbarth, S.  66 f.; Engau, S.  172 f.; D. Franke, S.  95 ff.; Osiander, S.  39; Prinz/­ Peters, Rn.  859; Prinz, NJW 1995, S.  821; Rehbock/A. Schmidt, in: FS Schweizer 1999, S.  128 ff.; Sedelmeier, AfP 1999, S.  452 ff.; Soehring (3.  Auflage 2000), Rn.  21.4; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2000, S.  2473; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  130; Tessmer, S.  26; Wellbrock, S.  67 ff.; G.  Wolf, S.  40 f.; vgl. ferner die Übersicht bei Metz, S.  199 ff. 1038  Balthasar, S.  118; Di Fabio, AfP 1999, S.  127; Dreier/Schulze/Dreier (3.  Auflage 2008), §  23 KUG, Rn.  4 ff.; Engels/Wo. Schulz, AfP 1998, S.  576 f.; Fechner (2.  Auflage 2001), Rn.  172; Gronau, S.  56; Wandtke/Bullinger/Fricke (1.  Auflage 2002), Frömming/Peters, NJW 1996, S.  960; §  23 KUG, Rn.  6; Möhring/Nicolini/Gass (2.  Auflage 2000), §  23 KUG, Rn.  5; Schricker/Ungern-Stern­ berg/Götting (3.  Auflage 2006), §  60/§  23 KUG, Rn.  19 ff.; ders., S.  32; Grabenwarter, in: FS Ress 2005, S.  982; Helle, S.  145 ff.; Kadner, S.  97 ff.; Kupfer, JURA 2001, S.  172; Libertus, ZUM 2007, S.  626; Löffler/Ricker, Kap.  43, Rn.  13 ff.; Mesic, S.  57; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  771; Soehring/ Seelmann-Eggebert, NJW 2005, S.  576; Stender-Vorwachs/Theißen, AfP 2006, S.  514; Wenzel/von Strobl-Albeg (4.  Auflage 1994), Rn.  8.4 ff.; Wanckel (2.  Auflage 2006), Rn.  180. 1039  Der BGH rekurrierte bereits in NJW 1965, S.  2149 – „Spielgefährtin“ ausdrücklich auf die Differenzierung von Neumann-Duesberg; vgl. auch BGH, NJW 1966, S.  2355 – „Vor unserer eige­ nen Tür“; Helle, S.  138 erkennt gleichwohl (erst) in der Formulierung von BGH, NJW 1979, S.  2204  – „Fußballspieler“ die ausdrückliche Rezeption innerhalb der höchstrichterlichen Recht­ sprechung: „Vielmehr reicht im Grundsatz die Abbildung der Persönlichkeit aus, die wegen ihres Wirkens im Blickpunkt des öffentlichen Interesses steht; §  23 I Nr.  1 KUG erkennt als schutzwürdig auch das Interesse der Öffentlichkeit an, die Person, auf die sich die allgemeine Aufmerksamkeit richtet, als solche im Bild vorgestellt zu bekommen“. 1040  Vgl. nur die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1996 zur Rechtmäßigkeit der (ungeneh­ migten) Veröffentlichung des Tonträgers eines Livekonzerts von Bob Dylan, dessen Abbildung das Frontcover zierte. Während der BGH in seinen früheren Entscheidungen §  23 I Nr.  1 KUG (trotz abgebildeter Personen der Zeitgeschichte) bei fehlender Berechtigung aufgrund Werbezwecken verneinte, reichte hier die Einordnung Bob Dylans als absolute Person der Zeitgeschichte für die Bejahung von §  23 I Nr.  1 KUG aus; BGH NJW 1997, S.  1152 ff.; vgl. hierzu auch Hahn, NJW 1997, S.  1349; zuvor bereits BGHZ 49, 288 (292) – „Ligaspieler“ ohne ausdrücklichen Rekurs auf den Begriff der absoluten Person der Zeitgeschichte; zu früheren Entscheidungen vgl. oben Kap.  2, IV., 2., a), bb); a. A. BGH, NJW 1996, S.  595 – „Willy Brandt“. 1041  Politiker: Ein Kanzlerkandidat bei OLG München, UFITA 1964, S.  323; Mitglieder der Staats- und Parteiführung der DDR Honnecker, Mielcke, Stoph, Kessler, Strelitz und Albrecht in BVerfGE 91 125 (138) – „Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal I“; Alexander Schalck-Golodkowski bei LG Berlin, NJW 1996, S.  1143; Manfred Stolpe bei OVG Berlin, NJW 1998, S.  258; Willy Brandt bei BGH, NJW 1996, S.  593 f. – „Willy Brandt“; Gerhard Schröder bei LG Berlin, AfP 2004, S.  175 und AG Hamburg, NJW-RR 2005, S.  196; Joschka Fischer bei KG, ZUM-RD 2007, S.  517. Schau­ spieler/Moderatoren: Romy Schneider bei OLG Hamburg, UFITA 1978, S.  285 f.; Rudi Carell ange­ deutet bei OLG Köln, AfP 1982, S.  182; Joachim Fuchsberger bei BGH, NJW 1992, S.  2084; Beatrice Richter bei OLG Hamburg, AfP 1992, S.  159; Michael Degen bei OLG Hamburg, ZUM 1995, S.  495; Gina Lollobrigida bei LG Hamburg, Urt. v. 10.10.1997, Az. 324 O 408/97 (unveröffentlicht),

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

und dabei die besagte systematische Einordnung nicht konsequent einzuhalten.1042 Insbesondere entwickelte sich anhand der Rezeption von Neumann-Duesbergs Lehre ein Automatismus, bei Prominenten – also bei hohem Bekanntheitsgrad – §  23 I Nr.  1 KUG vorschnell zu bejahen, was eine sachgerechte Güterabwägung häufig verkürzte.1043 Sofern1044 anhand der Fallgruppe der absoluten Person der Zeitge­ schichte also gefolgert wurde, dass das öffentliche Interesse an der Abbildung der Person „unmittelbar aus ihr selbst“1045 folgen müsse, war es letztendlich maßgeblich der Bekanntheitsgrad einer Person, der ihr Persönlichkeitsrecht hinter Allgemein­ interessen zurücktreten ließ.1046

zitiert nach Prinz/Peters, Rn.  848; Gustl Bayrhammer bei LG München I, ZUM-RD 1998, S.  18; Uschi Glas bei OLG München, ZUM 1998, S.  1043; Marlene Dietrich bei BGHZ 143, 214 (229) – „Marlene Dietrich I“; BGHZ 151, 26 (28) und BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“; Götz George bei KG, Urt. v. 27.06.2000 Az.: 9 U 8609/99 (unveröffentlicht), zitiert nach Wanckel (2.  Auf­ lage 2006), Rn.  184; Harald Juhnke bei OLG Düsseldorf, ZUM 2001, S.  707; Günther Jauch bei LG Berlin, Urt. v. 16.09.2003, Az.: 27 O 238/03 = BeckRS 2003, 153999 und (tendenziell) LG Hamburg, ZUM 2006, S.  658 f.; Musiker: Leonard Cohen angedeutet bei OLG Frankfurt, AfP 1987, S.  527; Nena bei BGH, JZ 1987, S.  158, und LG Hamburg, AfP 1995, S.  527; Roy Black bei OLG Hamburg, AfP 1991, S.  438; The Beatles bei OLG Frankfurt, GRUR Int. 1993, S.  872; Anne-Sophie Mutter bei OLG München, AfP 1995, S.  660; Marius Müller-Westernhagen bei OLG Hamburg, ZUM 1995, S.  214; Bob Dylan bei BGH NJW 1997, S.  1152; Backstreet Boys bei OLG Hamburg, AfP 1999, S.  488; Nina Hagen bei LG Berlin, AfP 2001, S.  247; Dieter Bohlen bei LG München I, ZUM 2004, S.  320; Herbert Grönemeyer bei KG, NJW 2005, S.  603. Sportler: Franz Beckenbauer bei BGH, NJW 1979, S.  2203; Günther Netzer bei OLG Hamburg, AfP 1985, S.  210; Boris Becker bei OLG Frankfurt, NJW 1989, 402; vgl. auch OLG München, AfP 2003, S.  364; OLG Hamburg, AfP 1992, S.  577; LG München, AfP 2006, S.  384; Michael Stich bei LG Hamburg, Urt. v. 27.09.1996, Az. 324 O 292/96 (unveröffentlicht), zitiert nach Prinz/Peters, Rn.  848; Berti Vogts bei LG Düsseldorf, AfP 1998, S.  239; Jan Ulrich bei OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, S.  1; Katharina Witt bei OLG Frankfurt, NJW 2000, S.  594; offengelassen für alle Spieler der Fußballbundesliga bei BGHZ 49, 288 (292) – „Ligaspieler“; Repräsentantin eines Fürstenhauses: Caroline von Hannover bei BGHZ 131, 332 (334) – „Caroline von Monaco III“. 1042  Vgl. nur BGH, NJW 1996, S.  595 – „Willy Brandt“, wonach §  23 I Nr.  1 KUG (trotz absoluter Person der Zeitgeschichte) bei der Verfolgung von Werbezwecken nicht anwendbar sein soll. 1043  Prinz/Peters, Rn.  859; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  130a; vgl. ferner die Vizepräsidentin des BGH a. D. G. Müller in einem Interview in ZRP 2012, S.  125, wonach der Begriff der absoluten Person der Zeitgeschichte „im deutschen Rechtskreis eigentlich selbstverständlich und jedenfalls nicht umstritten“ gewesen sei, weshalb „der BGH es in seinen frühen Urteilen zum Schutz der Pri­ vatsphäre von Prominenten nicht für notwendig gehalten [habe], diese Rechtsfigur näher zu be­ schreiben […]“. 1044 Vgl. Soehring/Hoehne, §  21, Rn.  2b m. w. N., wonach die Sachgerechtigkeit dieser Vorgehens­ weise durch die (vorwiegend Hamburger) Gerichte selbst mehr und mehr infrage gestellt wurde. 1045 So Engels/Wo. Schulz, AfP 1998, S.  577; vgl. auch Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  771. Bereits diese Formulierung verdeutlicht die aufkommenden Bedenken, da ein öffentliches Interesse nicht aus einer (bekannten) Person folgen, sondern sich nur aus der Öffentlichkeit selbst ergeben kann; vgl. ferner Lehr S.  53, 58. 1046 Vgl. T. Haug, S.  22, 33.

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e) Verhaltene Rezeption des Bundesverfassungsgerichts bis 1999 Eine frühe Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts zur Eignung des Bekannt­ heitsgrads einer Person für die Abwägung persönlicher Interessen gegen Gemein­ schaftsbelange könnte bereits (reflexhaft) in der Soraya-Entscheidung stattgefunden haben. Da es in der Sache um die Veröffentlichung eines erfundenen Interviews einer bekannten Persönlichkeit durch eine Zeitschrift ging, musste der erste Senat die Pressefreiheit – welche in ihrer Funktion das öffentlichen Interesse bedienen soll – mit „anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern“ – also dem Individual­ interesse der betroffenen Person – abwägen. Laut der Begründung kann bei dieser Abwägung berücksichtigt werden, „ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegen­ heit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Infor­ mationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt oder ob sie lediglich das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leser­ schicht nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigt“1047. Hieraus könnte gefolgert werden, dass ein öffentliches Interesse nicht zwangsläufig bestehen muss, wenn (so­ gar) ein „mehr oder minder breiter“ potentieller Interessentenkreis besteht. Mithin könnte das öffentliche Interesse nicht ausschließlich anhand eines quantitativen Kri­ teriums wie etwa der potentiellen Leserschaft oder eben der Bekanntheit zu bestim­ men sein. Die ersten konkreten Ausführungen zur Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG fanden anschließend in der Lebach-Entscheidung des Ersten Senats statt.1048 Hierin ließ das Gericht die Frage offen, ob eine verfassungsrechtliche Interessenab­ wägung im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG bei der Ermittlung des Zeitgeschehens oder bei §  23 II KUG stattfinden solle und hielt sich somit – trotz des Verweises auf Neumann-Duesberg – hinsichtlich der Einordnung von (absoluten oder relativen) Personen der Zeitgeschichte insgesamt zurück.1049 Zwar geht die Begründung einlei­ tend davon aus, dass der Sachverhalt „ungewöhnliches Aufsehen“ in „der deutschen Öffentlichkeit“ erregte und stellte somit zumindest die Bekanntheit des Sachverhalts innerhalb der Bevölkerung fest. Gleichwohl handelte es sich bei den Angeklagten um bis dato nicht identifizierte und somit unbekannte Personen.1050 Bei der Bestimmung der abwägungsrelevanten Kriterien in diesem Szenario stellte der erste Senat aus­ drücklich – und somit entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Personen der Zeitgeschichte – fest, dass allgemeine „Neugier und Sensationslust“ nicht als ernstzunehmende Gründe für das öffentliche Interesse zu werten seien.1051 1047 

BVerfGE 34, 269 (283) – „Soraya“. BVerfGE 35, 202 – „Lebach“; vgl. zur Entscheidung bereits Kap.  2, B., II., 3., b), aa), (2). 1049  BVerfGE 35, 202 (222, 225, 230) – „Lebach“ geht durchweg vom „Zeitgeschehen“ aus, ob­ wohl die Vorinstanzen und der Bundesjustizminister bei seiner Stellungnahme von einer relativen Person der Zeitgeschichte ausgingen. 1050  BVerfGE 35, 202 (206) – „Lebach“. 1051  BVerfGE 35, 202 (231) – „Lebach“: „Bei schweren Gewaltverbrechen nach Art der hier dargestellten Straftat gibt es daher neben allgemeiner Neugier und Sensationslust ernstzunehmende 1048 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Mithin forderte das Bundesverfassungsgericht im Falle eines bekannten Ereignisses ähnlich wie bereits in der „Soraya“-Entscheidung eine gewisse Qualität in Form ei­ nes zweckorientierten Wissbegehrens1052 für die Bejahung eines (berechtigten) öf­ fentlichen Interesses. Die Nachfrage an einer (isolierten) Information ohne einen solchen zweckorientieren Hintergrund – betitelt als „Neugier und Sensationslust“ – soll vielmehr nicht genügen. Es fragt sich somit, warum ein isoliertes Informations­ bedürfnis in Bezug auf ein bekanntes Geschehen (als „Neugier und Sensationslust“) weniger schutzwürdig erscheinen soll, als ein entsprechendes Informationsbedürfnis hinsichtlich einer bekannten Persönlichkeit. Soweit ersichtlich verwendete das Bundesverfassungsgericht erstmals im Jahr 1994 den Begriff der Person der Zeitgeschichte in seiner Entscheidung zur Recht­ mäßigkeit von Filmaufnahmen im Gerichtssaal außerhalb der Hauptverhandlung im Rahmen des Strafverfahrens gegen Angehörige der Staats- und Parteiführung der DDR.1053 Obwohl sich der Bundesjustizminister zur Stellungnahme der Bundesregie­ rung hinsichtlich der Abbildungsfreiheit ausschließlich auf den Status von Honecker und der anderen Angeklagten als absolute Personen der Zeitgeschichte berief,1054 griff der Erste Senat diese Differenzierung ausdrücklich nicht auf. Er beließ es für die Bejahung der Abbildungsfreiheit nicht bei dem Verweis auf die Bekanntheit der abzubildenden Personen, sondern begründete das überwiegende Informationsinter­ esse der Öffentlichkeit anhand der politischen und historischen Dimension des kon­ kreten Sachverhalts. Es stand ein strafbares Verhalten von staats- und parteiführen­ den Personen der DDR bei der Ausführung der öffentlichen Gewalt infrage und die Angeklagten hatten bereits in ihrer regierenden Funktion direkten Einfluss auf Teile der Bevölkerung, sodass insbesondere eine unmittelbare Verbindung der Öffentlich­ keit mit den abzubildenden Personen (über deren bloße Bekanntheit hinaus) ­vorlag.1055 Gründe für das Interesse an Information darüber, wer die Täter waren, welche Motive sie hatten, was geschehen ist, um sie zu ermitteln und zu bestrafen und um gleichartige Delikte zu verhüten“. 1052  Als „ernstzunehmende Gründe“ für das Informationsinteresse nennt BVerfGE 35, 202 (231)  – „Lebach“ etwa das „Interesse an einer tiefer greifenden Interpretation der Tat, ihrer Hinter­ gründe und ihrer gesellschaftsbedingten Voraussetzungen“ sowie das Bedürfnis nach „Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Staatsorgane und Behörden, der Strafverfolgungs­ behörden und der Strafgerichte“. Zudem nennt der Erste Senat den „Wunsch nach Kenntnis der reinen Tatsachen“, wie sich dieser aber von Neugier und Sensationslust abheben soll, erschließt sich nicht ohne weiteres. 1053  BVerfGE 91, 125 (137) – „Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal I“. Mit der Verfassungsbe­ schwerde wehrten sich öffentliche und private Rundfunkveranstalter erfolgreich gegen ein Verbot von Aufnahmen im Sitzungssaal vor Beginn und nach Schluss der Verhandlung sowie in Verhand­ lungspausen im Strafverfahren gegen Mitglieder der Staats- und Parteiführung der DDR (Honnecker, Mielcke, Stoph, Kessler, Strelitz und Albrecht). 1054  BVerfGE 91, 125 (132) – „Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal I“. 1055  Vgl. BVerfGE 91, 125 (138) – „Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal I“; neben der politischen Funktion der Angeklagten begründete das BVerfG das öffentliche Interesse unter Rekurs auf den „Inhalt des Schuldvorwurfs“. In der Anklageschrift des LG Berlin wurde etwa Honecker die (Mit-) Verantwortung am Schießbefehl in Form des Totschlags und des versuchten Totschlags in 68 Fällen vorgeworfen; vgl. hierzu auch Wassermann, NJW 1993, 1567 ff.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Insgesamt näherte sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts somit dem Bundesgerichtshof in dessen Rekurs auf die Person der Zeitgeschichte an, hielt sich aber hinsichtlich einer Differenzierung anhand der Bekanntheit deutlich zurück. f) Zäsur durch die sogenannte Caroline-Rechtsprechung der deutschen Instanzgerichte Einen zentralen Einschnitt in der Beurteilung mitunter des Bekanntheitsgrads für die individuelle Betroffenheit bewirkte schließlich das beständige Vorantreiben mehre­ rer Verfahrensserien von Prinzessin Caroline von Hannover (früher: von Monaco) vor den deutschen und europäischen Gerichten.1056 Obwohl diese als Tochter des 2005 verstorbenen Fürsten Rainier II. von Monaco kein politisches Amt im Zusam­ menhang mit dem Fürstentum bekleidete, stand sie seit jeher im Fokus der Boule­ vardpresse.1057 Im Jahr 1993 veröffentlichten die Zeitschriften Freizeit Revue und Bunte verschiedene Abbildungen von Caroline. Diese zeigten die Prinzessin an öf­ fentlich zugänglichen Orten in vergleichsweise beliebigem Kontext bei diversen Freizeitaktivitäten wie etwa beim Sport, beim Einkaufen oder einem abendlichen Restaurantbesuch.1058 Gegen diese (erste) Fotoserie reichte Caroline 1993 vor dem LG Hamburg Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung ein. Die entscheidende Kammer gab der Klage zwar statt, soweit es um die Veröffentlichung in Zeitschriften ging, welche in Frankreich vertrieben wurden. Im Übrigen wies sie die Klage aber ab, da nach deutschem Recht kein Unterlassungsanspruch gegeben sei. Insbesondere sei Caroline eine absolute Person der Zeitgeschichte und müsse deshalb die Veröffent­ lichung gem. §  23 I Nr.  1 KUG dulden. 1059 Auch die hiergegen gerichtete Berufung vor dem OLG Hamburg blieb erfolglos.1060 1056  Nicht zuletzt deshalb wurden diese Verfahrensserien und deren Folgen zum zentralen The­ ma ganzer wissenschaftlicher Abhandlungen; vgl. nur Lehr, S.  77 ff.; Loef, S.  130 ff.; Metz, S.  273 ff.; T. Haug, S.  22 ff. 1057  Wegen ihrer adligen Herkunft aus dem Fürstentum Monaco, ihrer Geburt als Tochter einer bekannten amerikanischen Filmdarstellerin und den medienwirksamen Ereignissen ihres Privat­ lebens, rief diese ein besonders hohes Informationsinteresse zumeist bei weiblichen Lesern quer durch Europa hervor; vgl. auch T. Haug, S.  22, Ohly GRUR Int. 2004, S.  903. 1058  Dabei zeigen manche Bilder ausschließlich Caroline, während auf anderen auch etwa ein Begleiter (im Gartenrestaurant der Schauspieler Vincent Lindon, der ihre Hand küsst) oder ihre Kinder (beim Kanufahren) mitabgebildet sind; vgl. zu den Einzelheiten der Berichte im Detail Metz, S.  273. 1059  LG Hamburg, Urteil vom 04.02.1994 – 324 O 537/93 = BeckRS 2015, 8519: „Die Klägerin ist […] absolute Person der Zeitgeschichte. Wird über ihr Leben berichtet, so gilt solche Bericht­ erstattung einem Ausschnitt des Bereichs der Zeitgeschichte. Dabei kommt es auf den Grad der Banalität der Berichterstattung im Einzelnen nicht an. Abbildungen aus dem alltäglichen Leben der Klägerin stellen ebenso wie solche, die sie bei besonderen Anlässen (z. B. Hochzeiten – gewiss nicht der eigenen, hat sie doch gerichtsbekanntermaßen keine Heiratsabsichten –; Verlobungen; Taufen; Krönungen; Begräbnissen) zeigen, die illustrierende Begleitung solcher Berichte dar“. 1060  OLG Hamburg, NJW-RR 1995, S.  790 ff. Bemerkenswert erscheinen die (zusätzlich zum erstinstanzlichen Vorbringen getätigten) Ausführungen Carolines, wonach die Rechtsprechung „seit längerem einfach nur [für §  23 KUG] darauf ab[stelle], ob die abgebildete Person eine absolute

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Die zugelassene Revision zum Bundesgerichtshof hatte nur teilweise Erfolg. In seiner Entscheidung vom 19. Dezember 19951061 bestätigte der VI. Zivilsenat zu­ nächst die Grundlinie der Vorinstanzen, indem er die infrage stehenden Abbildun­ gen als (einwilligungsfreie) Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG einstufte, da Caroline als „absolut zeitgeschichtlich“ einzuord­ nen sei.1062 Bei diesen Personen werde ein schützenswertes Interesse der Öffentlich­ keit im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG schon dann anzuerkennen sein, wenn es lediglich darum geht, wie sich der Betreffende als einfacher Mensch, also auch außerhalb sei­ ner öffentlichen Funktionen, in der Öffentlichkeit bewegt.1063 Gleichwohl sei die ein­ willigungsfreie Veröffentlichung von Bildnissen der Prinzessin dann nicht gestattet, wenn ihrerseits ein berechtigtes Interesse im Sinne des §  23 II KUG entgegenstehe, was durch eine Güter- und Interessenabwägung bestimmt werden müsse. Dabei komme dem Recht auf Achtung der Privatsphäre als Ausfluss des allgemeinen Per­ sönlichkeitsrechts – trotz des absolut zeitgeschichtlichen Status von Caroline – be­ sonderer Stellenwert zu. Insbesondere hätte eine Person der Zeitgeschichte wie je­ dermann das Recht, „sich an Orten außerhalb des eigenen Hauses zurückzuziehen, an denen sie für sich allein oder jedenfalls von der breiten Öffentlichkeit abgeschie­ den sein will“1064. Dies setze aber voraus, dass sich die (absolut zeitgeschichtlich be­ kannte) Person im Zeitpunkt der Bildaufnahme an einem für Dritte objektiv erkenn­ baren abgeschiedenen Ort aufhält1065 und sich darüber hinaus „im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit des Ortes“ so verhält, „wie er es vor der breiten Öffentlichkeit Person der Zeitgeschichte sei oder nicht“. Das OLG Hamburg, NJW-RR 1995, S.  792, beharrte diesbezüglich zwar auf der Vornahme einer Interessenabwägung, ging aber bei ebendieser davon aus, dass ein normales Auftreten in bestimmten Situationen nahezu unmöglich für Caroline sei, weil diese als absolute Person der Zeitgeschichte ein großes Informationsinteresse und -bedürfnis der Allgemeinheit errege. 1061  BGHZ 131, 332 – „Caroline von Monaco III“. 1062  BGHZ 131, 332 (336, 344) – „Caroline von Monaco III“; hervorzuheben ist in diesem Zu­ sammenhang abermals die dogmatische Herleitung der absoluten Person der Zeitgeschichte durch den BGH. Dieser geht davon aus, dass „für die Einordnung einer Person als „absolut zeitgeschicht­ lich“ maßgebend sei, „daß die öffentliche Meinung Bildwerke über sie als bedeutsam und um der dargestellten Person willen der Beachtung wert findet, der Allgemeinheit demgemäß ein durch ein echtes Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an einer bildlichen Darstellung zuzubilli­ gen ist“ [Hervorhebungen durch den Verf.]. Somit soll sich die absolute Person der Zeitgeschichte entgegen den frühen Entscheidungen des BGH (vgl. Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (b)) – auf welche dieser gleichwohl verweist – kumulativ aus einem öffentlichen Interesse und einer Berechtigung (welche der BGH schon zuvor mit dem Attribut der „Echtheit“ oder „Schutzwürdigkeit“ betitelt hatte) zusammensetzen. Noch einen Monat zuvor hatte derselbe Senat in seiner „Willy Brandt“-Ent­ scheidung eine absolute Person der Zeitgeschichte trotz fehlender Schutzwürdigkeit des Interesses bejaht; vgl. BGH, NJW 1996, S.  593 – „Willy Brandt“. 1063  BGHZ 131, 332 (337) – „Caroline von Monaco III“. Wie sich diese Feststellung mit der (ent­ weder bei §  23 I Nr.  1 KUG oder §  23 II KUG) fortwährend praktizierten Ausklammerung von „Neugier- und Sensationslust“ in Einklang bringen lassen soll, ließ der Senat freilich offen. 1064  BGHZ 131, 332 (339) – „Caroline von Monaco III“. Insofern widersprach der BGH den Vor­ instanzen, nach welchen die Privatsphäre „an der Haustür“ ende; vgl. noch OLG Hamburg, NJW-­ RR 1995, S.  792. 1065  BGHZ 131, 332 (339 f.) – „Caroline von Monaco III“. Dieser Ort befindet sich zwar also in

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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nicht täte“1066. Diese Voraussetzungen sah der Bundesgerichtshof allerdings nur bei denjenigen Aufnahmen als erfüllt an, welche Caroline mit ihrem Begleiter im Au­ ßenbereich des Gartenrestaurants zeigen.1067 Hinsichtlich den übrigen Aufnahmen erkannte der Senat jedoch – trotz ebenfalls heimlicher Anfertigung1068 – ein über­ wiegendes schützenswertes Informationsinteresse der Öffentlichkeit1069, weshalb die Revision insgesamt nur teilweise begründet war. g) Die Caroline II-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1999 Im Anschluss an die Caroline III-Entscheidung des Bundesgerichtshofs wandte sich Caroline von Hannover mit einer Verfassungsbeschwerde wegen der Verletzung von Art.  2 I GG i. V. m. Art.  1 I GG – insbesondere der Ausprägung des Rechts am eigenen Bild – gegen sämtliche zivilgerichtlichen Entscheidungen, soweit diese die zukünftige Verbreitung der übrig gebliebenen Abbildungen als rechtmäßig eingestuft hatten. In seinem Urteil bestätigte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen die Linie des Bundesgerichtshofs.1070 Einzig der Schutz der Familie gem. Art.  6 GG stünde der Ver­ öffentlichung derjenigen Abbildungen entgegen, welche auch die Kinder der Be­ schwerdeführerin zeigen.1071 Alle übrigen Bilder blieben unbeanstandet und durften weiterhin ohne Einwilligung von Caroline veröffentlicht werden. Erstmalig äußerte sich das Bundesverfassungsgericht aber konkret zur anerkannten Differenzierungs­ der Öffentlichkeit und ist auch frei zugänglich, soll aber gleichzeitig den Abgebildeten „nicht mehr als Teil der Öffentlichkeit“ erscheinen lassen. 1066  BGHZ 131, 332 (349) – „Caroline von Monaco III“. Dies sei etwa dann der Fall, wenn sich jemand „persönlichen Regungen hingibt, die erkennbar für die Augen Dritter nicht bestimmt sind, oder sich gehen läßt.“ Nur in solchen Situationen könne angenommen werden, dass der Abgebildete – objektiv erkennbar – andere nicht an der bildhaft fixierten Situation teilnehmen lassen will und die Respektierung seiner Zurückgezogenheit erwarten kann. 1067  BGHZ 131, 332 (342) – „Caroline von Monaco III“: „Die Fotos sind ganz offensichtlich versteckt und für die Klägerin unbemerkt aus großer Entfernung mit weitreichenden Teleobjektiven aufgenommen worden; sie haben belauschenden Charakter. Die Heimlichkeit diente dazu, die feh­ lende Einwilligung der Klägerin zu unterlaufen und ihr die Möglichkeit zu nehmen, sich gegen das Fotografiertwerden in diesen Augenblicken zu wehren. Sie diente ferner dazu, ihre Arglosigkeit und Unbefangenheit auszunutzen, um dadurch persönlichste Regungen zu erhaschen, was dem Fotogra­ fen, der die Klägerin beim Austausch von Zärtlichkeiten aufgenommen hat, hier auch gelungen ist. […] Im Streitfall kommt den Fotografien, die die Klägerin mit Vincent L. in einem Gartenlokal zeigen, allenfalls ein geringer Informationswert zu. Es überwiegen bloße Neugier und Sensations­ lust sowie ein bloßes Interesse an Unterhaltung“. 1068  BGHZ 131, 332 (343 f.) – „Caroline von Monaco III“: „Die Tatsache, daß die Aufnahmen für die Klägerin unbemerkt aufgenommen worden sind, gibt der Klägerin für sich genommen ebenfalls keinen Grund, die Unterlassung der Veröffentlichung zu verlangen, denn Personen der Zeitgeschich­ te müssen sich im allgemeinen auch die unbemerkte oder gar heimliche Anfertigung von Fotogra­ fien gefallen lassen, wenn sie sich in der Öffentlichkeit zeigen“. 1069  Vgl. BGHZ 131, 332 (343 ff.) – „Caroline von Monaco III“. 1070  BVerfGE 101, 361 – „Caroline von Monaco II“. 1071  BVerfGE 101, 361 (385 f., 396) – „Caroline von Monaco II“. Somit wurde das Urteil des BGH nur hinsichtlich dreier Fotografien aufgehoben und an diesen zur erneuten Entscheidung an diesen zurückverwiesen.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

praxis anhand der Person der Zeitgeschichte und somit zum Abwägungskriterium der Bekanntheit. Vorab betonte der Erste Senat in seiner Urteils­begründung, dass ein Mensch, welcher, ob „gewollt oder ungewollt, zur Person des öffentlichen Lebens ­geworden ist“1072 nicht mit dem Eintritt in diesen Status sein „Anrecht auf eine Pri­ vatsphäre [verliere], die den Blicken der Öffentlichkeit entzogen bleibt“1073. Grund­ sätzlich bestimmen sich also die Grenzen der Privatsphäre (auch einer bekannten Per­ sönlichkeit) nach der verfassungsmäßigen Ordnung und somit anhand einer Ge­ samtabwägung der widerstreitenden verfassungsrechtlichen Interessen.1074 Für die Umsetzung dieser Gesamtabwägung stellen die §§  22, 23 KUG bei Bildnisveröffent­ lichungen nach Ansicht des Ersten Senats ein geeignetes Regelwerk zur Verfügung, da dieses durch offene Formulierungen einen Auslegungsspielraum für „einen ange­ messen Ausgleich zwischen der Achtung der Persönlichkeit und den Informationsin­ teressen der Allgemeinheit“ belasse.1075 Seiner Interessenabwägung legt das Bundes­ verfassungsgericht nach dem Vorbild des §  23 KUG eine zweiteilige Struktur zugrun­ de, wonach bei der Auslegung des Tatbestands von §  23 I Nr.  1 KUG zunächst die Interessen der Öffentlichkeit berücksichtigt werden sollen, während anschließend bei §  23 II KUG die Individualinteressen der betroffenen Person einzubeziehen seien.1076 Dementsprechend soll bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte „nach Sinn und Zweck der Regelung auf das Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit Rück­ sicht“ genommen werden.1077 Hierbei betont auch das Bundesverfassungsgericht, dass die Pressefreiheit und das Informationsinteresse der Allgemeinheit zueinander in dem eingangs beschriebenen1078 Wechselverhältnis stehen, da die Presse das In­ formationsinteresse der Allgemeinheit bedienen und die Meinungsbildung der All­ gemeinheit ermöglichen soll.1079 Hierfür soll die Presse nach publizistischen Krite­ rien entscheiden dürfen, „was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht“1080. Dieses Privileg schließe die Veröffentlichung einer Abbildung zu Unter­ haltungszwecken nicht aus. Insbesondere könne die Meinungsbildung durch unter­ 1072  Somit fand die ausdrückliche Abkehr von einem bewussten oder unbewussten Veranlas­ sungsprinzip statt; vgl. hierzu oben (a). 1073  BVerfGE 101, 361 (383) – „Caroline von Monaco II“. 1074  Vgl. BVerfGE 101, 361 (386 f.) – „Caroline von Monaco II“; bei dieser Abwägung stehen sich die Individualinteressen Carolines in Form ihres Rechts am eigenen Bild sowie ihrer Privatheit als Ausfluss ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die Belange der Öffentlichkeit in Form des In­ formations- und Meinungsbildungsinteresses der Allgemeinheit sowie die Pressefreiheit gegenüber. 1075  BVerfGE 101, 361 (386 ff.) – „Caroline von Monaco II“; insofern bestätigte der Senat bei dieser Gelegenheit auch die Verfassungsmäßigkeit der §§  22, 23 KUG. 1076  Vgl. BVerfGE 101, 361 (391 f.) – „Caroline von Monaco II“. 1077  BVerfGE 101, 361 (391) – „Caroline von Monaco II“. 1078  Vgl. Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a). Man könnte also sagen, dass die Presse das Informations­ interesse der Allgemeinheit durch das Liefern von Informationen bedienen soll und diesem somit in gewisser Hinsicht nachgeschaltet ist. Gleichzeitig soll die Berichterstattung meinungsbildend wirken, weshalb sie aus dieser Perspektive der Allgemeinheit als vorgeschaltet bezeichnet werden könnte. 1079  BVerfGE 101, 361 (387, 389) – „Caroline von Monaco II“. 1080  BVerfGE 101, 361 (389) – „Caroline von Monaco II“.

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haltende Beiträge sogar nachhaltiger angeregt werden als ausschließlich durch Sa­ chinformationen.1081 Darüber hinaus könne sogar die Veröffentlichung von Informa­ tionen zu reinen Unterhaltungszwecken1082 „wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllen“1083, weshalb diese gemessen an dem Schutzziel der Pressefreiheit ebenfalls in den Grundrechtsschutz mit einbezogen sei.1084 Dass zu diesen (legitimen) Zwecken gerade Abbildungen von bekannten Persön­ lichkeiten besonders geeignet sein sollen, begründet der Erste Senat mit zwei aufei­ nander aufbauenden Gedanken. Ausgangspunkt ist, dass die bildhafte Darstellung einer Person per se Informationen personalisiert transportiert und deshalb – als wichtiges publizistisches Mittel – Aufmerksamkeit und „vielfach das Interesse an Problemen“ und „den Wunsch nach Sachinformationen“ bei anderen Menschen erre­ ge.1085 Hierbei sollen ausdrücklich Personen mit hohem Bekanntheitsgrad „bestimm­ te Wertevorstellungen und Lebenshaltungen“ repräsentieren. Aus diesem Grund würden bekannte Persönlichkeiten vielen Leuten eine (positive oder negative) „Ori­ entierung bei eigenen Lebensentwürfen“ bieten, indem sie zu „Kristallisationspunk­ ten für Zustimmung oder Ablehnung“ werden und deshalb „Leitbild- oder Kontrast­ funktionen“ erfüllen würden.1086 Das Bundesverfassungsgericht geht also mit ande­ ren Worten davon aus, dass eine Person (erst) dann zum „Beispiel“ für (viele) andere wird, wenn sie einen hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat und begründet anhand dieser Schlussfolgerung das öffentliche Interesse an bekannten Personen.1087 Anhand dieser Schlussfolgerung geht der Erste Senat sodann (an sich konsequent) davon aus, dass dieses Interesse der Öffentlichkeit (zum eigenen Persönlichkeitsab­ gleich) grundsätzlich unabhängig von der konkreten Abbildungssituation bestehen muss.1088 Aufgrund der Unabhängigkeit dieses (fortdauernden) Begehrens vom kon­ 1081  Hierfür wird auf das sog. „Infotainment“ verwiesen; BVerfGE 101, 361 (390) – „Caroline von Monaco II“. 1082  Gemeint sind hierbei wohl solche Inhalte, die nicht in erster Linie den Zweck haben, eine Meinungsbildung zu einem bestimmten Thema zu fördern. 1083  Das BVerfG benennt als solche Funktionen die Befriedigung von „Wünsche[n] nach Zer­ streuung und Entspannung, nach Wirklichkeitsflucht und Ablenkung“ sowie die Vermittlung von Gesprächsgegenständen, „an die sich Diskussionsprozesse und Integrationsvorgänge anschließen können, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthandlungen und Verhaltensmuster beziehen“. 1084  Vgl. BVerfGE 101, 361 (390, 392) – „Caroline von Monaco II“. 1085  Vgl. BVerfGE 101, 361 (391) – „Caroline von Monaco II“. 1086  BVerfGE 101, 361 (390) – „Caroline von Monaco II“. 1087  BVerfGE 101, 361 (390) – „Caroline von Monaco II“: „Darin hat das öffentliche Interesse an verschiedensten Lebensbezügen solcher Personen seinen Grund“. Nur zwei Jahre später – Caroline hatte bereits in dieser Sache Individualbeschwerde beim EGMR eingelegt – führte das BVerfG in einer weiteren Entscheidung, welche Fotoveröffentlichungen von Caroline und Prinz Ernst August von Hannover betrafen, hingegen aus, dass es „keinesfalls […] verfassungsrechtlich geboten [sei], sich allein am Bekanntheitsgrad einer Person zu orientieren“ und dass dieser Aspekt nur einen „Anhaltspunkt eines zeitgeschichtlichen Interesses“ unter weiteren darstelle. Gleichwohl bestätigte das BVerfG auch in dieser späteren Entscheidung erneut die Figur der (absoluten und relativen) Person der Zeitgeschichte; vgl. BVerfG, NJW 2001, S.  1922 – „Prinz Ernst August von Hannover“. 1088  Es solle etwa eine Begrenzung der Bildveröffentlichungen auf die Funktion einer Person von zeitgeschichtlicher Bedeutung – sofern diese überhaupt klar definiert werden kann – nicht stattfin­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

kreten Bildnisinhalt scheint der Erste Senat aber ohne weiteres auf die Berechtigung des öffentlichen Interesses zu schließen. Die Öffentlichkeit habe also ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, „ob solche Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung brin­ gen“1089. Für diese Einschätzung falle auch ins Gewicht, dass der Bildberichterstattung zum Entscheidungszeitpunkt eine gesteigerte Bedeutung als zur Entstehungszeit des Kunsturhebergesetzes zukomme.1090 Insgesamt bestätigte das Bundesverfassungsge­ richt somit die Rechtsfigur der absoluten Person der Zeitgeschichte.1091 Überdies schloss sich der Erste Senat auch im Wesentlichen1092 den Ausführungen des Bundes­ gerichtshofs zur Abwägung der persönlichen Belange von Caroline bei §  23 II KUG – insbesondere bei dessen Abwägungskriterium der Abgeschiedenheit – an.1093 h) Die Entscheidung des EGMR vom 24. Juni 2004 Nachdem zwei weitere Verfassungsbeschwerden1094 hinsichtlich erneuter Fotoveröf­ fentlichungen in der Boulevardpresse1095 nach Ausschöpfen des Rechtswegs vom den. Dies würde „das öffentliche Interesse, welches solche Personen berechtigterweise wecken, unzureichend berücksichtigen und zudem eine selektive Darstellung begünstigen, die dem Publi­ kum Beurteilungsmöglichkeiten vorenthielte, die es für Personen des gesellschaftlich-politischen Lebens wegen ihrer Leitbildfunktion und ihres Einflusses benötigt; vgl. BVerfGE 101, 361 (389, 393) – „Caroline von Monaco II“. 1089  BVerfGE 101, 361 (393) – „Caroline von Monaco II“ [Hervorhebung durch den Verfasser]. Gleichwohl komme es dann auf Ebene des §  23 II KUG bei der Abwägung mit kollidierenden Per­ sönlichkeitsinteressen darauf an, „ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, ernsthaft und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden“, S.  391. Was somit bei §  23 I Nr.  1 KUG ausdrücklich als berechtigtes öffent­ liches Interesse bezeichnet wird, kann im Rahmen von §  23 II KUG zu Lasten der Allgemeininter­ essen gewertet werden. 1090  BVerfGE 101, 361 (392, 391) – „Caroline von Monaco II“; vgl. in diesem Zusammenhang T.  Haug, S.  23, der seit Ende der 1980er Jahre ein verstärktes mediales Interesse am Privatleben Prominenter zum einen im Zusammenhang mit der Entwicklung des um Werbeeinnahmen konkur­ rierenden Privatfernsehens erkennt. Andererseits vermutet dieser, dass Prominente solche Publicity anfänglich befürworteten, um „im Geschäft“ zu bleiben. 1091  Vgl. BVerfGE 101, 361 (393) – „Caroline von Monaco II“. 1092  BVerfGE 101, 361 (394 f.) – „Caroline von Monaco II“. 1093  Einzig die Ausführungen des BGH zur Informationsgewinnung (heimliche und überrum­ pelnde Aufnahmen) stellte das BVerfG in Frage. Da sich Caroline bei diesen Fotografien nicht in einer Sphäre der Abgeschiedenheit befunden hatte, waren diese Zweifel für das Ergebnis unerheb­ lich; vgl. BVerfGE 101, 361 (394 f.) – „Caroline von Monaco II“. 1094  Zur Begründung verwiesen die Instanzgerichte auf die entsprechenden Ausführungen der Caroline III Entscheidung des BGH; vgl. hierzu oben. Zur zweiten Klageserie zunächst LG Ham­ burg, ZUM 1998, S.  581 ff., und dann OLG Hamburg, Urt. v. 10.03.1998, Az. 7 U 206/97 (unveröf­ fentlicht), zitiert nach Metz, S.  284; zur dritten Klageserie zunächst LG Hamburg, Urt. v. 24.04.1998, Az. 324 O 794/97 (unveröffentlicht), zitiert nach Metz, S.  285 und anschließend OLG Hamburg, AfP 1999, S.  175. In beiden Verfahren lies das OLG Hamburg eine Revision zum BGH nicht zu. 1095  Die zweite Bilderserie hatte erneut Abbildungen aus dem Freizeit- und Alltagsbereich (Ski­ urlaub, Verlassen der Wohnung, Reitturnier zusammen mit Prinz Ernst August von Hannover, Ten­ nisspielen oder Abstellen der Fahrräder) zum Gegenstand, die 1997 in der Zeitschrift Bunte ver­ öffentlicht wurden. Die Dritte Fotoserie, welche die Zeitschrift Neue Post ebenfalls im Jahr 1997

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Bundesverfassungsgericht unter Verweis auf sein Grundsatzurteil vom 15. Dezem­ ber nicht zur Entscheidung angenommen wurden1096, erhob Prinzessin Caroline am 6. Juni 2000 Individualbeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschen­ rechte in Straßburg.1097 In seinem Urteil vom 24. Juni 2004 kam der Gerichtshof – trotz der Sondervoten zweier Richter – zum Ergebnis, dass die deutschen Gerichte in ihren Entscheidungen keinen gerechten Ausgleich zwischen dem Schutz des Privat­ lebens und der Pressefreiheit gefunden haben und die Bundesrepublik Deutschland demzufolge Art.  8 EMRK verletzt habe.1098 In seiner Entscheidungsbegründung bezog der Gerichtshof ausdrücklich zur Dif­ ferenzierung der deutschen Gerichte anhand absoluter und relativer Personen der Zeitgeschichte und mithin zum Abgrenzungskriterium der Bekanntheit Stellung.1099 Die entscheidende Kammer führte aus, dass trotz des hohen Bekanntheitsgrads von Prinzessin Caroline kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit daran bestünde zu erfahren, wo sie sich befinde und wie sie sich in ihrem Privatleben verhalte.1100 Die weitreichende Beschränkung des Schutzes des Privatlebens und des Rechts am eige­ nen Bild von bekannten Personen durch die Kategorisierung als absolute Personen der Zeitgeschichte sei allenfalls für Personen des politischen Lebens mit amtlicher Funktion tragfähig. Hingegen lasse sich eine solche Differenzierung für Privatperso­ nen ohne amtliche Funktion wie Caroline von Hannover, bei der das Interesse des Publikums und der Presse einzig auf ihrer Zugehörigkeit zu einem regierenden Kö­ nigshaus beruhe, nicht rechtfertigen. Dies gelte selbst dann, wenn sich die betroffene Person an Orten aufhält, welche nicht als abgeschieden bezeichnet werden kön­ nen.1101 In diesem Zusammenhang stellte der Gerichtshof sogar hilfsweise fest, dass selbst bei Bestehen eines berechtigten Interesses der Öffentlichkeit und ebenso eines wirtschaftliches Interesses der Zeitschriften, die Fotoaufnahmen und Artikel zu ver­ öffentlichen, „diese Interessen im vorliegenden Fall vor dem Recht der Bf. auf wirk­ samen Schutz ihres Privatlebens zurücktreten“ müssten.1102 Jedenfalls sei unter den publizierte, zeigte Caroline im Badeanzug mit einem Badetuch umhüllt, als sie in einer öffentlichen Badeanstalt (Beach-Club von Monte Carlo) stolpert und stürzt. 1096  Vgl. hinsichtlich der zweiten Fotoserie BVerfG, Beschl. v. 04.04.2000, Az. 1  BvR 768/98 = juris; hinsichtlich der dritten Fotoserie vgl. BVerfG, NJW 2000, S.  318 f. 1097 Vgl. zum Ablauf des Beschwerdeverfahrens Grabenwarter/Pabel, §  13. Die zuständige Kammer erklärte die Beschwerde daraufhin am 08.07.2003 für zulässig und beraumte die mündli­ che Verhandlung für den 06.11.2003 an; vgl. hierzu Lehr, S.  79; Gegenstand waren die Entscheidun­ gen der höchsten deutschen Gerichte, welche die veröffentlichten Fotos in den Zeitschriften Freizeit Revue, Bunte und Neue Post zwischen den Jahren 1993 und 1997 nicht beanstandet hatten. 1098  EGMR (3. Sektion), Urt. v. 24.06.2004, von Hannover/Deutschland, Individualbeschwerde Nr.  59320/00. Nichtamtliche Übersetzungen der Entscheidung in: NJW 2004, S.  2647 ff.; ZUM 2004, S.  651 ff.; GRUR 2004, S.  1051 ff.; EuGRZ 2004, S.  404 ff.; zu den dogmatischen Grundlagen der konkurrierenden Positionen von Art.  8 und Art.  10 EMRK vgl. Metz, S.  292 ff. 1099  Vgl. EGMR, NJW 2004, S.  2650, Nrn.  72–80 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“. 1100  EGMR, NJW 2004, S.  2651, Nr.  77 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“. 1101  EGMR, NJW 2004, S.  2651, Nr.  77 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“. 1102  EGMR, NJW 2004, S.  2651, Nr.  77 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“. Seine Ausführun­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gegebenen Voraussetzungen1103 eine einschränkende Auslegung des Kunsturheber­ gesetzes erforderlich, damit der Staat seiner positiven Verpflichtung zum Schutz des Privatlebens und des Rechts am eigenen Bild, die sich aus der Konvention ergebe, nachkomme. Zweifel meldete der Gerichtshof ferner hinsichtlich der Trennschärfe zwischen absoluter und relativer Person der Zeitgeschichte an.1104 Einzig relevanter Umstand für den Ausgleich zwischen dem Schutz des Privat­ lebens und der Freiheit der Meinungsäußerung soll nach Ansicht des Gerichtshofs der Beitrag sein, den die veröffentlichten Fotoaufnahmen und Artikel zu einer Dis­ kus­sion von allgemeinem Interesse leisten.1105 Ungeachtet der Frage, wann ein sol­ ches Interesse vorliegen soll,1106 kritisierte die entscheidende Kammer also den pau­ schalen Rückgriff auf die (bloße) Bekanntheit einer Person als Abwägungskriterium für ihre individuelle Betroffenheit.1107 i) Unmittelbare Auswirkungen der EGMR-Entscheidung auf die nationale Rechtsprechung Die Caroline-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte löste geradezu erdrutschartig eine ganze Welle an – teilweise sehr emotional geführ­ ten1108  – Folgediskussionen in der deutschen Medien- und Rechtswissenschaft um die gen zur Bekanntheit verknüpfte der EGMR somit in Teilen mit den Feststellungen zu dem Differen­ zierungskriterium der Abgeschiedenheit des Ortes. 1103  Da diese Feststellung im unmittelbaren Zusammenhang mit der fehlenden amtlichen Funk­ tion Carolines steht, sind hiermit wohl alle Fälle angesprochen, in denen eine Person ihre Bekannt­ heit nicht mit einer amtlichen Funktion begründet hat. 1104  Vgl. EGMR, NJW 2004, S.  2650, Nr.  73 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“; vgl. hierzu auch BVerfG, NJW 2001, S.  1923 – „Prinz Ernst August von Hannover“, wonach das BVerfG be­ reits im Jahr 2001 selbst einräumte, dass die Begriffe der absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte nur vereinfachende Kürzel seien, nicht aber rechtlich klar begrenzte Tatbestände umschreiben würden. 1105  EGMR, NJW 2004, S.  2651, Nr.  76 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“. 1106  Dies scheint der EGMR jedenfalls bei amtlichen Funktionen anzunehmen. In seinem Son­ dervotum geht jedenfalls der Richter Barretto davon aus, dass dieses allgemeine Interesse nicht auf die politische Diskussion beschränkt werden soll, vgl. NJW 2004, S.  2651 f. – „von Hannover/ Deutschland Nr.  1“. 1107  Deutlich hierzu das Sondervotum des Richters Zupancic, wonach jedermann das Recht auf Privatleben genau in dem Maße habe, „in dem sein Privatleben sich nicht mit dem Privatleben an­ derer kreuzt“. Hiernach müsse der amerikanisch inspirierte „Fetisch“ der Pressefreiheit (gemeint ist wohl die bedingungslose Abbildungsfreiheit und der hieraus resultierende schonungslose Umgang mit Prominenten durch Sensationsreporter in den USA) hinter die Doktrin des Persönlichkeits­ rechts zurücktreten. Vgl. NJW 2004, S.  2652 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“: „Es ist an der Zeit, dass das Pendel zurückschlägt zu einer anderen Art Ausgleich zwischen dem, was privat und geschützt, und dem, was öffentlich und ungeschützt ist“. 1108  Hierbei beklagten allen voran die betroffenen Verleger- und Journalistenverbände den Nie­ dergang der Pressefreiheit; vgl. nur die FAZ vom 25.06.2004, S.  46: „Ringen um Bedeutung, ­Monaco siegt: Europas Richter hebeln die Pressefreiheit aus“; vgl. ferner die Aufzählung weiterer Meldun­ gen bei Metz, S.  300, Fn.  1264–1267; Lenski, NVwZ 2005, S.  53, spricht vom „Neuanfang in der Boulevardberichterstattung“; Tettinger, JZ 2004, S.  1144.

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zukünftige Bewertung und Handhabe persönlichkeitsrelevanter Umstände bei (Bild-) Veröffentlichungen aus. Diese reichten von der primär geführten Diskussion um die inhaltliche1109 und methodische1110 Richtigkeit des Urteils über dessen konkreten Auswirkungen für die Auslegung bildrechtsschützender Normen1111 hin zur vorge­ schalteten Frage der grundsätzlichen Bindungswirkung der deutschen Gerichte an das Straßburger Urteil1112. Diese Gemengelage an Unsicherheiten und Meinungsver­ schiedenheiten bzgl. den mittlerweile rund 40 Jahre tradierten – verfassungs­ gerichtlich bestätigten – Differenzierungskriterien spiegelte sich in der Folgezeit be­ sonders in den Entscheidungen der unteren Instanzgerichte zu Bildrechtsverletzun­ gen bekannter Persönlichkeiten wider.1113 Sofern die Gerichte tendenziell an der Figur der (absoluten und relativen) Person der Zeitgeschichte festhielten, wichen diese im Ergebnis über die Auslegung des berechtigten Interesses im Rahmen des §  23 II KUG bei der Gewichtung privater gegen öffentliche Interessen teilweise erheblich vonein­ ander ab.1114 Mit umso größerer Spannung wurde deshalb die Reaktion der höchst­ 1109  In der Literatur kritisch zur Entscheidung des EGMR etwa: Behnsen, ZaöRV 65 (2005), S.  245 ff.; Bölke/Gostomzyk, JURA 2005, S.  337 f.; Engels/Jürgens, NJW 2007, S.  2517 ff.; Wandtke/ Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  7; Gersdorf, AfP 2005, S.  223 ff.; Grabenwarter, AfP 2004, S.  309 ff.; ders. in: FS Ress 2005, S.  979 ff.; Halfmeier, AfP 2004, S.  421; Heinschtel von Heinegg, AfP-Sonderheft 2007, S.  40 ff.; Mann, NJW 2004, S.  3220 ff.; Metz, S.  317 ff.; Ohly, GRUR Int. 2004, S.  902 ff.; Scheyli, EuGRZ 2004, S.  630 ff.; Soehring/Seelmann-Eggebert, NJW 2005, S.  571 ff.; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  130a; Vetter/Warneke, DVBl 2004, S.  1226 ff.; Zacharias, S.  27 ff.; dem EGMR im Ergebnis mit vereinzelten Bedenken zustimmend: Beuthien, K&R 2004, S.  457 ff.; ­Kaboth, ZUM 2004, S.  818 ff.; Langenfeld, in: FS Götz 2005, S.  259, 265 ff.; Lehr, S.  120; Stürner, JZ 2004, S.  1018 ff.; Tettinger, JZ 2004, S.  1145; tendenziell auch Bartnik, AfP 2004, S.  489 ff.; zur Diskussion vgl. insgesamt Lehr, S.  100 ff. 1110  Für Verwirrung im Zusammenhang mit der Bekanntheit einer Person sorgte insbesondere der methodische Rückgriff des EGMR auf die Resolution Nr.  1165 (1998) der parlamentarischen Versammlung. Da diese nicht zu den anerkannten völkerrechtlichen Regeln zur Auslegung der Menschenrechtskonvention zähle und somit rechtlich unerheblich sei, wurde bereits die konkrete Auslegung des EGMR unabhängig vom Ergebnis in Frage gestellt; vgl. etwa Halfmeier, AfP 2004, S.  418; Scheyli, EuGRZ 2004, S.  632 f. Bedeutend schwerer wog hingegen die Kritik bzgl. der Ein­ grenzung der Abbildungsfreiheit bekannter Personen auf Politiker und Amtsträger durch den EGMR unter dem Rückgriff auf die Resolution Nr.  1154 (1998). Denn diese zählt in Ziff.  7 zu „public figures“ neben Amtsträgern auch Personen, die öffentliche Ressourcen nutzen und schließlich all jene, die im öffentlichen Leben auf dem Gebiet der Politik, Wirtschaft, Kunst, des Sports oder im gesellschaftlichen und in jedem anderen Bereich eine Rolle spielen. Hierzu Behnsen, ZaöRV 65 (2005), S.  253; Grabenwarter, AfP 2004, S.  309 f.; Metz, S.  325; Teubel, AfP 2006, S.  120; vgl. hier­ zu ferner ausführlich Lehr, S.  107 ff. m. w. N. 1111  Die Bandbreite der Ansichten reicht von einer Neuinterpretation der §§  22 ff. KUG bis hin zu unterschiedlich gebotenen Gesetzesänderungen; vgl. T. Haug, S.  100; Metz, S.  104; ferner Romatka, in: FS: Damm 2005, S.  178. 1112 Hierzu Metz, S.  333 ff.; vgl. ferner Klass, ZUM 2008, S.  434. 1113  Vgl. Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  124. 1114  Dem EGMR insoweit folgend KG, NJW 2005, S.  605 ff. (Herbert Grönemeyer mit Partnerin in einem Londoner Café); LG Hamburg, Urt. v. 29.04.2005, Az. 324 O 47/05 (unveröffentlicht), ­zitiert nach Lehr, S.  130, Fn.  720 (unzulässige Bildnisveröffentlichung im Rahmen eines Horoskops über eine absolute Person der Zeitgeschichte); LG Hamburg, Urt. v. 01.07.2005, Az. 324 O 870/04 = Wolters Kluwer (unzulässige Abbildung von Caroline von Hannover beim Spazierengehen im Win­ terurlaub); LG Hamburg, Urt. v. 01.07.2005, 324 O 873/04 = Wolters Kluwer (unzulässige Fotos von

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

richterlichen Rechtsprechung erwartet.1115 Nach anfänglicher Zurückhaltung1116 zeichnete sich nach und nach ab, dass der Bundesgerichtshof im Lichte der europäi­ schen Rechtsprechung nicht mehr an „der hergebrachten Definition der ab­soluten und relativen Person der Zeitgeschichte“ festhalten würde, indem er eine vollumfängliche Interessenabwägung zwischen Individual- und Gemeinschafts­belangen bereits bei der Auslegung des Tatbestands des §  23 I Nr.  1 KUG befürwortete.1117 Gleichwohl sollte auch bei dieser Abwägung maßgeblich der Bekanntheitsgrad einer Person zu Gunsten des öffentlichen Interesses berücksichtigt werden können.1118 Caroline von Hannover im Skiurlaub beim Spaziergang und im Lift); LG Hamburg, Urt. v. 31.03.­ 2006, 324 O 463/05 (unveröffentlicht), zitiert nach Lehr, S.  131, Fn.  720 (unzulässige Abbildung von Caroline von Hannover mit Begleitung auf einer Hotelterrasse sitzend); LG Berlin, Urt. v. 27.04.­ 2006, Az. 27 O 238/06 (unveröffentlicht), zitiert nach Lehr, S.  131, Fn.  720 (unzulässige Abbildung der Begleitung einer absoluten Person der Zeitgeschichte beim Einkaufsbummel durch Arlberg); KG, ZUM-RD 2006, S.  552 ff. (Veröffentlichungsverbot bzgl. Fotos von Heide Simonis am Folgetag des Ausscheidens aus dem Ministerpräsidentenamt); verhaltener zur absoluten Person der Zeit­ geschichte aber im Ergebnis ebenso LG Berlin, AfP 2006, S.  574 ff. (Veröffentlichungsverbot bzgl. Fotos von Lukas Podolski am Strand von Mallorca); KG, ZUM-RD 2007, S.  53 ff. (Untersagung der weiteren Veröffentlichung von Abbildungen Franziska van Almsicks mit ihrem Partner am Hotel­ strand, beim Betreten einer Miet-Yacht und beim Einkaufen im Sardinien-Urlaub); LG Berlin, ZUM-RD 2007, S.  88 ff. (unzulässige Bildberichterstattung über Robbie Williams beim Umziehen am Fußballfeldrand); vgl. zudem die unveröffentlichten Entscheidungen des LG Berlin betreffend Abbildungen der Prominenten Karsten Speck (27 O 1026/05 vom 20.12.2005) und Anke Engelke (27 O 640/05 vom 25.07.2005) und Sabine Christiansen (27 O 776/05 vom 20.10.2005), alle zitiert nach Heintschel von Heinegg, AfP Sonderheft 2007, Fn.  4. Offen entgegengetreten ist der Entscheidung des EGMR etwa das OLG Hamburg, da es sich über §  31 I BVerfGG vorrangig an die Entscheidung des BVerfG vom 15.12.1999 (vgl. Kap.  3, D., II., 1., g)) gebunden sah; vgl. OLG Hamburg, AfP 2006, S.  179 f., und OLG Hamburg, AfP 2006, S.  181 ff. (Zulässigkeit der Veröffentlichung von Abbildun­ gen, die Ernst August von Hannover und Caroline von Hannover beim Spaziergang auf öffentlicher Straße zeigen); die eigene Ansicht dann aber wieder relativierend OLG Hamburg, AfP 2006, S.  471 ff. (Unzulässigkeit einer Abbildungsveröffentlichung Oliver Khans mit Freundin beim Spa­ zierengehen in St. Tropez); vgl. hingegen LG Berlin, AfP 2007, S.  257 ff. (Rechtmäßigkeit der Ver­ öffentlichung von Abbildungen Thomas Gottschalks beim Einkaufsbummel in Malibu). 1115  Vgl. nur Stender-Vorwachs, NJW 2009, S.  335. 1116  BGH, AfP 2004, S.  533 f. – „Springturnierfotos I“; die erste höchstrichterliche Entscheidung nach dem Straßburger Urteil bezog sich soweit ersichtlich auf einen Beitrag der BILD-Zeitung, welcher sich u. a. mit der Teilnahme der Tochter von Caroline von Hannover, Charlotte Casiraghi, an einem Reitturnier befasste und hierzu ein Foto von dieser in Reitkleidung zeigte. Grundsätzlich erkannte der neunte Senat unverändert „einen Kreis an Personen, deren Bildnisse allein schon der Person wegen grundsätzlich einwilligungsfrei verbreitet werden dürfen“ an. Zur Ermittlung dieses Personenkreises verwies der BGH auf eine Interessenabwägung, bei welcher er auch auf die Ent­ scheidung des EGMR und die fehlende amtliche Funktion von Charlotte verwies. Gleichwohl hielt er sich zum Einfluss der Bekanntheit und der Figur der (absoluten) Person der Zeitgeschichte be­ deckt, da jedenfalls das berechtigte Interesse gem. §  23 II KUG (kein Bezug des Fotos zum konkre­ ten Ereignis und Minderjährigkeit der Abgebildeten) entgegen stand. 1117  BGH, NJW 2005, S.  595 – „Rivalin von Uschi Glas“; vgl. auch BGH, NJW 2006, S.  599 ff.  – „Verkehrsverstoß“, wonach ein überwiegendes öffentliches Interesse – im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG – bei einem Verkehrsverstoß einer bekannten Persönlichkeit (Ernst August von Hannover) vor­ liege; keine Abkehrtendenz erkennt hingegen BeckOK InfoMedienR/Herrmann, §  23 KUG, Rn.  13.1. 1118  BGH, NJW 2006, S.  600 f.; vgl. bereits in diesem Zusammenhang Schicker/Loewenheim/ Götting, §  23 KUG, Rn.  22, welcher mitunter deshalb davon ausgeht, dass der neue Ansatz des BGH

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Das Bundesverfassungsgericht hingegen hielt sich mit einer Stellungnahme zu den Auswirkungen der Entscheidung des Gerichtshofs dreieinhalb Jahre zurück, indem es keine Verfassungsbeschwerde mit Bezug zum Straßburger Urteil von 2004 zur Entscheidung annahm. Obwohl sich das Bundesverfassungsgericht bei diesen Be­ schlüssen im Wesentlichen darauf beschränkte, die Erwägungen des Bundesgerichts­ hofs – auch dessen Ausführungen zur Vereinbarkeit mit der Straßburger Rechtspre­ chung – zu bestätigen,1119 betonte es andererseits erneut eine deutlich gemäßigtere Position hinsichtlich des Einflusses des Bekanntheitsgrads einer Person im Gegen­ satz zu seiner Caroline-Entscheidung von 1999.1120 Somit war der Einfluss des Bekanntheitsgrades einer Person auf ihr Persönlich­ keitsrecht (am eigenen Bild) weiterhin ungewiss. j) Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts In Folge von sechs Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs am 6. März 2007 etablierte sich schließlich das Verständnis eines Paradigmenwechsels im Bild­ nisrecht1121 unter dem Schlagwort1122 des sog. abgestuften Schutzkonzepts.1123 Wäh­ „nichts Neues“ sei; ähnlich Teubel, AfP 2006, S.  120; vgl. ferner BGH, NJW 2005, S.  595 – „Rivalin von Uschi Glas“, wonach die Ehekrise von Uschi Glas – trotz ausdrücklicher Abkehr von der Figur der (absoluten und relativen) Person der Zeitgeschichte – einen zeitgeschichtlichen Vorgang darstel­ len soll. 1119  BVerfG, NJW 2006, S.  2835 f. – „Verkehrsverstoß“; BVerfG, AfP 2006, S.  4 48 – „Rivalin von Uschi Glas“. Zu den Verfahren, bei denen das BVerfG den europäischen Maßstab gänzlich ig­ norierte, obwohl sich eine Auseinandersetzung in der Sache durchaus angeboten hätte, Lehr, S.  157. 1120  BVerfG, NJW 2006, S.  2835 – „Verkehrsverstoß“: „Ferner ist zu berücksichtigen, dass aus dem Faktum der Prominenz oder öffentlichen Bekanntheit des Betr. allein noch nicht ein normativ schutzwürdiges Interesse an einer umfassenden Information der Öffentlichkeit über sein Verhalten folgt“. Im selben Beschluss stellt das BVerfG allerdings auch fest, dass es „im Hinblick auf diese Bekanntheit des Bf.“ nicht zu beanstanden sei, wenn die Gerichte keinen ins Gewicht fallenden zusätzlichen Verletzungseffekt durch eine Abbildung angenommen haben; vgl. zudem BVerfGE, NJW 2001, S.  1922 – „Prinz Ernst August von Hannover“. 1121  Teichmann, NJW 2007, S.  1917 ff.: „Abschied von der absoluten Person der Zeitgeschichte“; vgl. zudem Klass, AfP 2007, S.  522; Seelmann-Eggebert, NJW 2008, S.  2556; ferner Hipp, Spiegel Online v. 06.03.2007: „Die neue Relativitäts-Theorie des BGH“, abrufbar unter https://www. spiegel.de/kultur/gesellschaft/caroline-urteil-die-neue-relativitaets-theorie-des-bgh-a-470271.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 1122  Dabei war der Begriff des „abgestuften Schutzkonzepts“ keinesfalls neu, vielmehr wurde dieser bereits zuvor für die die systematische Ausrichtung der §§  22 ff. KUG verwendet; vgl. nur BVerfGE 101, 361 (387) – „Caroline von Monaco II“; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  22; ders., GRUR 2007, S.  530. 1123  BGH, Urteile vom 06.03.2007, VI ZR 13/06 = NJW 2007, S.  1981 ff. – „Prinz Ernst August von Hannover“; 14/06 (online); 50/06 (online); 51/06 = BGHZ 171, 275 – „Abgestuftes S ­ chutzkonzept“; 52/06 = ZUM 2007, S.  470 ff. – „Veröffentlichung von Fotos prominenter Personen“; 53/06 (online); alle Entscheidungen sind – nebst Presseerklärung (Nr.  34/2007) – auf www.bundesgerichtshof.de veröffentlicht. Inhaltlich behandelten alle Urteile drei parallel erhobene Unterlassungsklagen bzgl. diverser Pressebildveröffentlichungen von Caroline und Ernst August von Hannover, welche das Prinzenpaar im Urlaub zeigten; vgl. zu den einzelnen Verfahren Lehr, S.  142 ff. Insgesamt untersag­ te der BGH die Bildberichterstattung über das Prinzenpaar in weiten Teilen und näherte sich somit

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rend sich die bisherige Differenzierung zur Bestimmung der Zeitgeschichte schwer­ punktmäßig an der (absolut oder relativ zeitgeschichtlichen) Person – und somit überwiegend an ihrer Bekanntheit – orientierte, soll nach diesem neuen Konzept dem Begriff des Zeitgeschehens eine zentrale Bedeutung zukommen.1124 Dieser soll umfassend und nicht zu eng verstanden werden. Im Hinblick auf den Informations­ bedarf der Öffentlichkeit soll der Begriff der Zeitgeschichte nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, umfassen. Damit soll er vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt werden.1125 Deshalb soll dem (themati­ schen) Gegenstand der Berichterstattung, in welchem die Person abgebildet wird, maßgebliche Bedeutung zukommen.1126 Dieser Gegenstand lässt sich jedoch nicht auf die jeweilige Personenabbildung und deren (bild-)immanenten Umstände – wie etwa die Identität oder die Rolle der abgebildeten Person innerhalb der Gesellschaft  – reduzieren. Vielmehr findet (Bild-)Berichterstattung im Zusammenhang mit weite­ ren (Bericht-)Elementen wie etwa (Sprach-)Text, des Mediums sowie weiteren Ein­ zelaspekten1127 statt, die zur konkreten Integration der bildhaften Repräsentation einer Person innerhalb der Gesellschaft beitragen. Deshalb soll in dem auslegungs­ bedürftigen Tatbestandsmerkmal des zeitgeschichtlichen Bereiches im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG das Ergebnis der umfassenden Interessenabwägung zwischen den Belangen des Abgebildeten und solchen der Allgemeinheit zum Ausdruck kommen. Mit anderen Worten wird also das (unbestimmte und somit auslegungsbedürftige) Tatbestandsmerkmal der Zeitgeschichte zum Einfallstor für den Ausgleich zwischen Individual- und Gemeinschaftsbelangen bei Personenabbildungen. Um zu ermitteln, ob ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt, muss also fortan eine Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten des Abgebildeten aus Art.  1 I, 2 Abs.  I GG, Art.  8 I EMRK und den Rechten von Presse und Rundfunk aus Art.  5 I 2 GG, Art.  10 I EMRK – und somit (mittelbar) den Gemeinschaftsbelangen – vorge­ im Ergebnis deutlich der Lösung des EGMR anhand der stärkeren Gewichtung des Privatheits­ schutzes an. Als zulässig erachtete der BGH einzig diejenige Bildberichterstattung, welche eine (mehr oder wenige) neutrale Abbildung des Prinzenpaares im Zusammenhang mit der Textbericht­ erstattung über die Erkrankung des Vaters von Caroline zeigte, welcher seinerzeit regierender Fürst von Monaco war. 1124  BGHZ 171, 275 (280) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; vgl. auch BGHZ 177, 119 (123) – „Heide Simonis“. 1125  BGHZ 171, 275 (280) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGH, NJW 2017, S.  804 – „Klaus Wowereit“; BGH, GRUR 2018, S.  966 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; BGH NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, NJW 2020, S.  3717 – „Ehescheidung“. 1126  BGH, GRUR 2018, S.  964 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; BGH, GRUR 2019, S.  867  – „Eine Mutter für das Waisenkind“; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  21; von Pentz, AfP 2017, S.  113. 1127  Zu denken ist beispielsweise an die Platzierung des Bildnisses innerhalb des (Sprach-)Tex­ tes, der Zeitpunkts der gesamten Veröffentlichung sowie dessen soziale Reichweite. Ferner kann das Zustandekommen der Beitragselemente oder möglicherweise sogar die Person des Veröffentlichen­ den für den Gegenstand der Berichterstattung eine Rolle spielen.

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nommen werden.1128 Für diese Abwägung hat sich entsprechend der skizzierten Viel­ fältigkeit der Bildberichterstattung eine Vielzahl an (höchstrichterlicher) Kriterien mit teilweise unterschiedlicher Gewichtung herausgebildet. Maßgebliche Bedeutung soll hierbei neben dem Informationswert der Veröffentlichung wiederum ausdrück­ lich dem Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person zukommen.1129 k) Die „neue“ Person des öffentlichen Interesses Unter der Direktive des „neuen“ abgestuften Schutzkonzepts hat sich insbesondere der Begriff der (absoluten oder relativen) Person der Zeitgeschichte zur „Person des öffentlichen Interesses“ bzw. der „Person des öffentlichen Lebens“ gewandelt. Diese Bezeichnungen sind zwar deutlich an der Straßburger Terminologie der public figure/­personne publiques angelehnt, gleichwohl sollen sie – entsprechend der Aus­ führungen zum neuen abgestuften Schutzkonzept1130 – weiterhin wesentlich mit durch ihren Bekanntheitsgrad und ihre herausgehobene Stellung innerhalb der Ge­ sellschaft definiert werden.1131 Entsprechend geht der Bundesgerichtshof davon aus, dass über Personen des öffentlichen Interesses in größerem Umfang berichtet werden darf als über andere (unbekannte) Personen, sofern die Information einen hinreichen­ den Nachrichtenwert im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sach­ debatte hat und keine schwerwiegenden Interessen des Betroffenen entgegenste­ hen.1132 1128  BGHZ 171, 275 (279) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGH, NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGH, NJW 2011, S.  747 – „Rosenball in Monaco“; BGH, NJW 2012, S.  3646 f. – „Comedy Darstellerin“; BGH, GRUR 2014, S.  804 – „Mieterfest“; BGH NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2019, S.  867 – „Eine Mutter für das Wai­ senkind“; vgl. auch Herbort, S.  90. 1129  BGHZ 171, 275 (283) – „Abgestuftes Schutzkonzept“. In weiteren Entscheidungen verwies der BGH auf die Vorbild- und Kontrastfunktion bekannter Persönlichkeiten, die das BVerfG in der Caroline-Entscheidung von 1999 etabliert hatte, vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a), sowie Kap.  3, D., II., 1., g); BGHZ 180, 114 (119) – „Enkel von Fürst Rainier“: „Gerade prominente Personen können der Allgemeinheit Möglichkeiten der Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen bieten sowie Leitbild- oder Kontrastfunktionen erfüllen. Auch die Normalität ihres Alltagslebens kann der Meinungsbildung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen“; BGH NJW 2009, S.  755  – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August von Hannover“; BGH, NJW-RR 2017, S.  1518 – „Pop­ star und Dessousmodel“; BGH NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2018, S.  966 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; BGH, GRUR 2019, S.  867 f. – „Eine Mutter für das Waisenkind“; vgl. zudem: BGHZ 178, 213 (216) – „Karsten Speck“; (87); BGH, NJW 2008, S.  3140 – „Einkaufsbummel im Urlaub“; vgl. ferner Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  8, 10; G. Müller, VersR 2008, S.  1148; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  89; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap 8 Rn.  33; Wanckel, Rn 179. 1130  Hierzu Kap.  2, B., II. 3., a), cc), (1), (a), sowie Kap.  3, D., II., 1., j). 1131  Zur Kritik des EGMR an eben diesem Gesichtspunkt anhand der absoluten Person der Zeit­ geschichte; vgl. bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a), sowie Kap.  3, D., II., 1., h); Wandtke/Bullin­ ger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  10; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  67; G. Müller, VersR 2008, S.  1148; Hasselblatt/Sajutz/Wiggenhorn, §  28, Rn.  27; Soehring/Hoene, §  21, Rn.  3 ff.; Dreier/ Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  13, 15. 1132  BGHZ 178, 213 (215) – „Karsten Speck“; BGHZ 180, 114 (120) – „Enkel von Fürst Rainier“;

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Nach der Phase des Abwartens1133 hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 26. Februar 2008 die Neuorientierung, die der Bundesgerichtshof im Lichte der Straßburger Entscheidung von 2004 vollzogen hatte, im Grundsatz gebilligt.1134 Dass sich hierbei für die Beurteilung des Bekanntheitsgrads aber auch unter dem neuen Schutzkonzept im Ergebnis nicht viel geändert haben kann, zeigt sich anhand der Verweise des Ersten Senats auf seine „Caroline II“-Entscheidung von 19991135 zur weiterhin bestehenden Bedeutung der Bekanntheit außerordentlich plastisch. Zum einen verwies der Erste Senat also erneut auf die Leitbild- und Kon­ trastfunktion von bekannten Personen. Zum anderen bestünde ein berechtigtes In­ teresse der Öffentlichkeit hinsichtlich der Frage, ob Personen, die oft als Idol oder Vorbild gelten, „funktionales und persönliches Verhalten“ in Übereinstimmung bringen.1136 Obwohl gerade diese Erwägungen maßgeblich zur verfassungsgericht­ lichen Akzeptanz der absoluten Person der Zeitgeschichte und mithin zur Kritik des Straßburger Gerichtshofs in seinem Urteil von 2004 beigetragen hatten, hielt der Erste Senat dieselben Erwägungen auch unter dem „neuen“ Schutzkonzept im Rah­ men der Gesamtabwägung für verfassungsgemäß.1137 Erstaunlicherweise hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nach zwei weiteren Individualverfassungsbeschwerden von Prinzessin Caroline die Hand­ habe der deutschen Gerichte in zwei Folgeentscheidungen ausdrücklich gebilligt1138 BGH, NJW 2008, S.  3140 – „Einkaufsbummel im Urlaub“; BGH NJW 2009, S.  756 „Gesundheits­ zustand von Prinz Ernst August von Hannover“; vgl. zudem BGH, NJW-RR 2017, S.  1515 – „Pop­ star und Dessousmodel“; BGH, NJW 2018, S.  1822 – „Christian Wulff im Supermarkt“ m. Anm. von Elmenhorst, NJW 2018, S.  1823; BGH, GRUR 2019, S.  868; BGH, NJW 2020, S.  3717 – „Ehe­ scheidung“; BGH, NJW 2021, S.  1307 – „Clickbaiting“. 1133  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., i). 1134  BVerfGE 120, 180 – „Caroline von Monaco III“. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde waren diejenigen Bildberichterstattungen, welche dem am 06.03.2007 etablierten neuen abgestuf­ ten Schutzkonzept des BGH zugrunde lagen, vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., j). Caroline wendete sich im Ergebnis erfolglos gegen die Zulässigkeit derjenigen Bildberichterstattung, welche in Verbin­ dung mit der Erkrankung ihres Vaters stattfand. Darüber hinaus zweifelte das BVerfG an der Recht­ mäßigkeit der Untersagung derjenigen Bildberichterstattung, die im Zusammenhang mit der Ver­ mietung des Ferienhauses des Prinzenpaares in Kenia stattfand. Da dieser Bericht nach Auffassung „Anlass für eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte zu geben“ vermochte, verwies er das Verbot der Verbreitung dieses Fotos zur erneuten Prüfung an den BGH zurück; vgl. hierzu Frenz, NJW 2008, S.  3102 ff. sowie die beiden Anm. zu BVerfGE 120, 180 – „Caroline von Monaco III“ von Klass, ZUM 2008, S.  432 ff., und Pfeifer, GRUR 2008, S.  547 ff. Der BGH wies daraufhin die Revision am 01.07.2008 zurück; vgl. NJW 2008, S.  3141. Die hiergegen am 24.09.2009 gerichte­ te Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG nicht angenommen. 1135  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., g). 1136  Vgl. BVerfGE 120, 180 (203 f., 209, 222) – „Caroline von Monaco III“ unter Verweis auf BVerfGE 101, 361 (390) – „Caroline von Monaco II“. 1137  Vgl. BVerfGE 120, 180 (211 f.): „Der Bundesgerichtshof war verfassungsrechtlich insbeson­ dere nicht gehindert, auf eine Nutzung der bisher von ihm in Anlehnung an die Literatur entwickel­ ten Rechtsfigur der Person der Zeitgeschichte zu verzichten. […] Der Verzicht auf die Figur der ab­ soluten und relativen Person der Zeitgeschichte widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht“. Vgl. ferner BVerfG, NJW 2017, S.  1377 – „Kachelmann“. 1138  EGMR, NJW 2012, S.  1053 ff. – „von Hannover/Deutschland Nr.  2“; EGMR, NJW 2014,

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und somit seinen restriktiven Kurs von 20041139 – insbesondere hinsichtlich des Ein­ flusses des Bekanntheitsgrades – deutlich relativiert.1140 Seither bestätigt der Ge­ richtshof sogar fortlaufend ausdrücklich den Bekanntheitsgrad einer Person als we­ sentliches Abwägungskriterium bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Perso­ nenabbildungen.1141 Dabei stuft der Gerichtshof den Persönlichkeitsschutz anhand von drei Personenkreisen ab, denen er ein unterschiedliches Öffentlichkeitsinteresse zuschreibt.1142 Besonders gering soll danach der Persönlichkeitsschutz bei Politikern (politicians/personnes politiques) sein. Abgeschwächt sei er hingegen bei sonstigen im öffentlichen Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Personen (public figures/personnes publiques). Besonders schutzbedürftig sollen hingegen ge­ wöhnliche Privatpersonen (ordinary persons/personnes ordinaire) erscheinen.1143 l) Fortbestehende Relevanz des Bekanntheitsgrads der abgebildeten Person im Rahmen des abgestuften Schutzkonzepts Dem Bekanntheitsgrad einer Person kommt heute nach wie vor eine zentrale Bedeu­ tung für die Veröffentlichung einer Personenabbildung zu. Die in diesem Zusam­ menhang viel zitierte Caroline-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2004 vermochte insoweit nicht, einen „Paradigmen­ wechsel im Bildnisrecht“ herbeizuführen. Allenfalls fand mit der Abkehr von der S.  1645 ff. – „von Hannover/Deutschland Nr.  3“. Gegenstand der ersten Entscheidung war die Abbil­ dung des Prinzenpaares im Zusammenhang mit der Erkrankung des Vaters von Caroline; die zwei­ te Entscheidung betraf die Abbildung des Prinzenpaares im Zusammenhang der Vermietung der Ferienvilla in Kenia; vgl. zu beiden Entscheidungen auch Kap.  3, D., II., 3., m), aa), (1). 1139  Vgl. hierzu Kap.  3, D., I., 1., h). 1140  Krit. Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  16 ff., 157; ferner Schricker/Loewenheim/ Götting, §  23 KUG, Rn.  79, 79a, 79b, der davon ausgeht, dass das Urteil des EGMR von 2004 somit keine nachhaltige Wirkung entfaltet hat; Frenz, NJW 2014, S.  1648 (Anm. zu EGMR, NJW 2014, S.  1645 ff. – „von Hannover/Deutschland Nr.  3“) spricht von der Aushölung der Grundlinien von 2004 in der praktischen Umsetzung; vgl. ferner die Kritik hinsichtlich des Bekanntheitsgrads Lehr, GRUR 2012, S.  751 (Anm. zu EGMR, NJW 2012, S.  1053 ff. – „von Hannover/Deutschland Nr.  2“). 1141  EGMR, NJW 2012, S.  1056 f. – „von Hannover/Deutschland Nr.  2“; EGMR, NJW 2012, S.  1060 – „Axel Springer AG/Deutschland“; EGMR, NJW 2014, S.  1647 – „von Hannover/Deutsch­ land Nr.  3“; EGMR, NJW 2014, S.  3292 – „Lillo-Stenberg/Norwegen“; EGMR, NJOZ 2014, 838 – „Verlagsgruppe News-GmbH u. Bobi/Österreich“; EGMR, AfP 2016, S.  413, 415, 418 – „Conderc und Hachette Filipacchi Associés/Frankreich“; EGMR, ZUM 2018, S.  181 – „Sihler-Jauch und Jauch/Deutschland“. 1142  Frenz, NJW 2008, S.  3104; Hoffmann-Riem, NJW 2009, S.  25. 1143  EGMR, NJW 2012, S.  1056 – „von Hannover/Deutschland Nr.  2“; EGMR, NJOZ 2014, 839  – „Verlagsgruppe News-GmbH u. Bobi/Österreich“; EGMR, AfP 2016, S.  418 – „Conderc und Hachet­te Filipacchi Associés/Frankreich“. Hierzu steht die Caroline-Entscheidung des EGMR von 2004 in direktem Widerspruch, wonach Politiker bereits zu den Personen des öffentlichen Lebens zählen sollen. Ferner solle lediglich zwischen Tatsachen differenziert werden, die einen Beitrag zur Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft leisten – etwa bei Personen des politischen Lebens bei der Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte – und einer Berichterstattung über Einzelheiten des Privatlebens einer Person, die zudem keine solchen Aufgaben hätte; vgl. EGMR, NJW 2004, S.  2649 f. – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte eine Degradierung1144 des Bekannt­ heitsgrads vom zentralen1145 zu lediglich einem wesentlichen Abgrenzungskriterium für die Person des öffentlichen Interesses im Rahmen des „neuen“ abgestuften Schutzkonzepts statt. Dementsprechend sind die alt hergebrachten Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu absoluten Personen der Zeitgeschichte trotz Abkehr nicht etwa belanglos geworden, sondern werden hilfsweise neben den Erwä­ gungen zur relativen Person der Zeitgeschichte noch heute für die Person des öffent­ lichen Interesses hinzugezogen.1146 In gewisser Hinsicht könnte man sogar davon ausgehen, dass sich die Rechtsprechung bzgl. der Abwägung mehrerer Gesichts­ punkte im Zusammenhang mit der Bekanntheit teilweise im Kreis gedreht hat, da bereits bei der „bewussten Person der Zeitgeschichte“ Elemente der Selbstöffnung mit ihrer Prominenz verknüpft wurden. Zentrale Erwägungen für die Bekanntheit bleiben somit die Leit- und Kontrastbildfunktion des Abgebildeten sowie die An­ nahme eines schutzwürdigen Interesses der Allgemeinheit, über eine Abbildung zu erfahren, ob das öffentliche Verhalten einer bekannten Person mit dem im Privaten  – in funktionaler Übereinstimmung steht. Nicht vergessen werden darf hierbei, dass die Rechtsprechung zum Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte selbst im Zeitalter stets verfügbarer digitaler Abbil­ dungsmöglichkeiten durch jedermann maßgeblich Presseberichterstattungen – also Bildveröffentlichungen über Prominente durch professionelle und über die Presse­ freiheit gestützte Reporter – betrifft.1147 Möglicherweise könnte also etwas anderes für Bildnisveröffentlichungen durch den normalen Bürger gelten.1148 Bei einer Bild­ veröffentlichung durch einen Privaten kann jedenfalls dann – a maiore ad minus – nichts anderes gelten, wenn eine entsprechende Presseveröffentlichung insoweit un­ zulässig wäre.1149 Dem Privaten kann in dieser Hinsicht nicht mehr erlaubt sein, als dem Journalisten. Problematischer erscheint hingegen die umgekehrte Frage, ob Private insoweit auch immer dann ein Bildnis veröffentlichen dürfen, wenn dieselbe Veröffentlichung nach der Gesamtabwägung im Rahmen der Zeitgeschichte der Presse erlaubt wäre.1150 Insgesamt kommt dem Bekanntheitsgrad einer abgebildeten 1144 Vgl. Wanckel, NJW 2011, S.  726: „alter Wein in neuen Schläuchen“, denn „letztlich gibt wie­ der die Bekanntheit der Person bei der Abwägung den Ausschlag zu Gunsten der Pressefreiheit“. 1145  A. A. wohl Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  67. 1146 Vgl. Lindner, S.  71; Michel, AfP 2019, S.  493; vgl. ferner die Kommentierungen bei Soehring/ Hoene, §  21, Rn.  3a; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  11; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  82; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  33. 1147  Herbort, S.  91; vgl. ferner Schertz, NJW 2013, S.  721; Spindler, Gutachten F 69. DJT, S.  54. 1148  B. Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 2010, S.  1242. 1149  Anders stehen die Dinge freilich, wenn offensichtlich schon kein öffentliches Interesse an einer Personenbildveröffentlichung durch einen Privaten besteht, aber gegebenenfalls Belange des Veröffentlichenden die Individualbelange des Abgebildeten überwiegen. Diese Fälle hat der Gesetz­ geber bislang als heterotelische Gesichtspunkte positiv in §  23 I Nr. KUG und abschließend nor­ miert, weshalb auf diese noch gesondert einzugehen ist. 1150  Hier stellt sich also die Frage, inwieweit Journalisten aufgrund ihrer besonderen Stellung

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Person somit auch heute wesentliche Bedeutung bei der Abwägung zwischen Indivi­ dual- und Öffentlichkeitsbelangen zu. Hiergegen bestehen selbst nach der Abseg­ nung des „neuen“ Schutzkonzepts durch das Bundesverfassungsgericht und den Eu­ ropäischen Gerichtshof für Menschenrechte inhaltliche Bedenken.1151 m) Entscheidende Bedeutung des Informationswerts der Berichterstattung neben dem Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person Für die Gesamtabwägung zwischen Individual- und Gemeinschaftsbelangen im Rahmen des Tatbestandmerkmals der Zeitgeschichte in §  23 I Nr.  1 KUG soll infolge der europäischen Rechtsprechung1152 nunmehr neben dem Bekanntheitsgrad der ab­ gebildeten Person der Gegenstand der Berichterstattung entscheidend sein.1153 Hier­ für soll dem konkreten Informationswert der gesamten Veröffentlichung für die All­ gemeinheit eine maßgebliche Rolle zukommen. Bei der Gewichtung des Informa­ tionswerts bedient sich die höchstrichterliche Rechtsprechung einer Je-desto-Formel. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr soll das Schutz­ interesse des Betroffenen zurücktreten. Umgekehrt soll der Persönlichkeitsschutz umso schwerer wiegen, je geringer der Informationswert erscheint.1154 Nach dem Bundesverfassungsgericht soll ein abwägungsrelevanter Informations­ wert dann vorliegen, wenn die Berichterstattung einen Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse liefert oder sich mit Vorgängen von allgemeinem Interes­ se befasst, worunter nicht nur Berichte über spektakuläre Vorkommnisse, sondern auch Darstellungen zeittypischer Zustände und Lebenslagen fallen.1155 Einzig rele­ vant für die Bestimmung des Werts einer Information soll also sein, in welchem Ausmaß diese einen Beitrag für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu erbringen vermag.1156 In diesem Zuge betont das Bundesverfassungsgericht, dass die durch die Pressefreiheit möglicherweise mehr dürfen, als der normale Bürger; vgl. ferner B. Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 2010, S.  1241 ff. 1151  Vgl. Kap.  3, D., II., 2. 1152  In seinem Kriterienkatalog nennt der EGMR diesbezüglich den „Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse“, den „Gegenstand der Berichterstattung“ sowie „Inhalt, Form und Aus­ wirkungen der Veröffentlichung“. Diese Kriterien beziehen sich allesamt auf den Informationswert der Veröffentlichung; vgl. EGMR, NJW 2012, S.  1053, sowie Rn.  108 ff. – „von Hannover/Deutsch­ land Nr.  2“; EGMR, NJW 2014, S.  1645 – „von Hannover/Deutschland Nr.  3“. 1153  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a)., cc)., (1), (a). 1154  BGHZ 171, 275 (283) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGH, NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGHZ 178, 213 (218) – „Karsten Speck“; BGH, NJW 2008, S.  750 – „Abgestuftes Schutzkonzept II“; BGH, NJW 2007, S.  3442 – „Grönemeyer“; BGH, NJW 2009, S.  3034 – „Wer wird Millionär?“; BGH, NJW 2018, S.  1921– „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2018, S.  966 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“. Dabei handelt es sich bei dieser Je-desto-Abwägungsformel ebenfalls um keine Neuheit; vgl. BGHZ 131, 332, (342) – „Caroline von Monaco III“; vgl. hierzu Kap.  2, B., II., 3., a.), cc), (1), (a). Neu ist insofern (lediglich), dass die Ab­ wägungsformel schon über den „Bereich der Zeitgeschichte“ entscheidet; vgl. hierzu G. Müller, ZRP 2007, S.  173: „Die Gewichte haben sich jedenfalls verschoben“. 1155  BVerfGE 120, 180 (214) – „Caroline von Monaco III“. 1156  Vgl. BVerfGE 120, 180 (206) – „Caroline von Monaco III“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Gerichte von einer „inhaltlichen Bewertung der betroffenen Darstellungen als wert­ voll oder wertlos, als seriös und ernst oder unseriös abzusehen“1157 haben. Weil sich der (Informations-)Wert im Sinne eines geeigneten Themas zur öffentlichen Mei­ nungsbildung zwangsläufig nur anhand der gesamten Veröffentlichung ermitteln lässt, kann sich dieser auch (erst) aus dem Kontext der Gesamtveröffentlichung – wie etwa der zum Personenbild beigeordneten Wortberichterstattung – erschließen.1158 n) Fortbestehende Ungewissheit über das Verhältnis von §  23 I Nr.  1 und §  23 II KUG Somit legt die Ermittlung des Zeitgeschehens im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG an­ hand einer Gesamtabwägung aller betroffenen Belange nahe, dass §  23 II KUG fortan nur noch rein deklaratorischer Charakter zukommen soll, da ein Bildnis bereits dann nicht mehr zur Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG gehören wird, wenn die Individualbelange des Abgebildeten Öffentlichkeitsbelange überwiegen.1159 Hieraus könnte deshalb geschlossen werden, dass solche Erwägungen des §  23 II KUG jetzt schon mit in die Prüfung des §  23 I Nr.  1 KUG bei der umfassenden Gesamtabwägung zur Ermittlung (des unbestimmten Tatbestandsmerkmals) des Zeitgeschehens mit in­ tegriert werden sollen. Der Bundesgerichtshof hat sich hierzu bis heute nicht hinrei­ chend deutlich positioniert. Vielmehr beschränkt sich dieser fortan auf die Feststel­ lung, dass die Verbreitung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten nur dann zulässig sei, „wenn dieses Bild dem Bereich der Zeitgeschichte oder einem der weiteren Ausnahmetatbestände des §  23 I KUG positiv zuzuordnen ist und berechtig­ te Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§  23 Absatz II KUG)“. Hieraus könnte abgeleitet werden, dass ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten grundsätz­ lich unabhängig vom Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte 1157  BVerfGE 120, 180 (206) – „Caroline von Monaco III“. Dies mag vor dem Hintergrund, dass es wortwörtlich um den Informationswert geht, irritieren. Gemeint ist hierbei, dass den Medien aufgrund ihrer Pressefreiheit grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zusteht, innerhalb dessen sie bestimmen dürfen soll, wann überhaupt eine berichtenswerte Information vorliege. 1158  BVerfGE 120, 180 (206) – „Caroline von Monaco III“; BVerfG, NJW 2017, S.  1377 – „Kachel­mann“; BGH, NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGH, NJW 2007, S.  3443 – „Grönemeyer“; BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“; BGH, NJW 2011, S.  748 – „Rosenball von Monaco“; BGH, Urt. v. 17.12.2019, Az. VI ZR 504/18 = juris; BGH, NJW 2021, S.  1307 – „Clickbaiting“; vgl. ferner Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  16; HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  50. 1159  Gleichwohl differenziert der BGH bereits in seinen frühen Entscheidungen ausdrücklich zwischen §  23 I KUG (also dem Zeitgeschehen) und §  23 II KUG. Gleichwohl bezieht er §  23 II KUG auch „bei der gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer Gesamtheit“ mit ein; vgl. etwa BGH, NJW 2007, S.  1982 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGH, NJW 2008, S.  750 – „Abge­ stuftes Schutzkonzept II“. Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  111 vermutet dement­ sprechend, dass für eine eigenständige Berücksichtigung des §  23 II KUG kein Raum mehr bleiben wird; das OLG Köln ZUM 2013, S.  684, geht davon aus, dass §  23 II KUG zumindest im Bereich der Zeitgeschichte nunmehr lediglich akademische Bedeutung habe; dem folgend Dreier/Schulze/ Specht, §  23 KUG, Rn.  22; a. A. Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  137; vgl. ferner Joh. Hager, JA 2007, S.  649; a. A. offenbar Hohenstein, S.  47 f.

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bestehen können muss. Allerdings führt der Bundesgerichtshof unmittelbar im An­ schluss an diese Feststellung stets aus, dass „dabei […] schon bei der Beurteilung, ob ein Bild dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten […] einerseits und den Rechten der Presse […] anderer­ seits vorzunehmen“ sei.1160 Außen vorgeblieben ist dabei bislang der konkrete Beweg­ grund der (europäischen und höchstrichterlichen) Rechtsprechung, eine umfassende Interessenabwägung bereits auf Ebene des §  23 I Nr.  1 KUG im Rahmen des Tatbe­ standsmerkmals der Zeitgeschichte vorzunehmen. Deshalb kann nur gemutmaßt wer­ den, dass hierdurch zum einen die Stärkung der Persönlichkeitsrechte des Abgebilde­ ten gem. Art.  8 EMRK, Art.  2 I GG i. V. m. Art.  1 I GG zum Ausdruck kommen soll, indem bereits dessen individuellen Belange über die Frage (mit-)bestimmen sollen, ob (ein Bildnis aus dem Bereich der) Zeitgeschichte vorliegt.1161 Zum anderen erscheint denkbar, dass durch die Vorverlagerung nunmehr der Veröffentlichende zukünftig im Zivilprozess nachweisen muss, dass er die berechtigten Interessen des Abgebildeten mit der Veröffentlichung nicht verletzt hat.1162 Mithin bestehen neben den angedeuteten inhaltlichen Bedenken nicht nur erheb­ liche Unsicherheiten bei der systematischen Handhabe der bildnisschützenden Vor­ schriften,1163 darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Verbleib eines eigenen Anwendungsbereichs von §  23 II KUG.1164 1160  BGH, NJW 2012, S.  3646 f. – „Comedy Darstellerin“; BGH, NJW 2013, S.  2893 – „Eisprin­ zessin Alexandra“; BGH, NJW 2015, S.  2500 – „Strandliege am Ballermann“; BGH, NJW 2017, S.  804 – „Klaus Wowereit“; BGH, GRUR 2018, S.  965 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; BGH, NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2019, S.  867 – „Eine Mutter für das Waisenkind“ [Hervorhebungen durch den Verfasser]; vgl. hingegen wieder die Formulierung bei BGH, NJW 2021, S.  1307, Rn.  36 – „Clickbaiting“, wonach eine Bildnisverbreitung ohne Einwilli­ gung nur zulässig sei, „wenn es dem Bereich der Zeitgeschichte (§  23 I Nr.  1 KUG) […] positiv zuzu­ ordnen ist und berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§  23 II KUG)“. 1161  Vgl. Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80a, der aber anhand der tatsächlichen Rechtspraxis umgekehrt von einer Schwächung des Bildnisschutzes ausgeht. 1162  In dieser Weise könnten auch die späteren Ausführungen von BVerfGE 120, 180 (208) – „Caroline von Monaco III“ verstanden werden, wonach es grundsätzlich zumutbar erscheine, dass die Presse diejenigen Umstände, unter denen das Bild entstanden ist (vgl. hierzu auch Kap.  3, D., III., 3., n).) in einer Weise dazulegen habe, dass gerichtlicherseits überprüft werden könne, ob der Verbreitung des Bildnisses berechtigte Erwartungen des Betroffenen entgegenststehen; so jeden­ falls Wanckel, Rn.  203; hierzu ebenfalls tendierend T. Haug, S.  108; Heiland, S.  94 f.; Wandtke/Ohst/ Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  116, 137, geht hingegen davon aus, dass nach wie vor den Bildnisverwerter die Beweislast trifft, ob Umstände vorliegen, die ein gesteigertes Informationsinteresse der Öffent­ lichkeit rechtfertigen, während der Abgebildete die Anhaltspunkte aus seiner privaten Sphäre dar­ zulegen und zu beweisen hat, das seine berechtigten Interessen verletzt wurden; vgl. auch B. Heinrich, ZIS 2011, S.  421; Steffen, in: FS Müller 2009, S.  580. 1163  T. Haug, S.  106 f. spricht bzgl. §  23 II KUG von einer „Entkernung“ contra legem; vgl. auch Hilgendorf/Kudlich/Valerius/B. Heinrich, HB Bd.  VI, §  58, Rn.  278; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  137; ferner erscheint die Bezeichnung als abgestuftes Schutzkonzept nicht treffend, da die dritte Stufe (des §  23 II KUG) ja gerade nicht mehr existiert, nachdem sie in die zweite Stufe vorver­ lagert wurde; vgl. auch Söder, ZUM 2008, S.  90. 1164  Vgl. hierzu OLG Köln, NJW 2018, S.  2739. Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 Rn.  43 ff., geht etwa davon aus, dass ein Anwendungsbereich von §  23 II KUG für die Tatbestände von §  23 I

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o) Zwischenergebnis zur Ermittlung des Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte Zentrale Bedeutung für die Annahme eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitge­ schichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG hat der umfassend zu verstehende Begriff des Zeitgeschehens. Die höchstrichterliche Rechtsprechung knüpft diesen Begriff infol­ ge der Etablierung ihres abgestuften Schutzkonzepts an das Interesse der Öffentlich­ keit. Dabei stellen der Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person sowie der Informa­ tionswert der gesamten Veröffentlichung (für die Öffentlichkeit) heute die maßgeb­ lichen Kriterien zur Ermittlung des Bereichs der Zeitgeschichte im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG dar. Im Folgenden gilt es deshalb, kritisch auf die Kriterien der Bekannt­ heit (II.) und des Informationswerts für die Öffentlichkeit (III.) einzugehen. 2. Das Kriterium der Bekanntheit des Abgebildeten für das Zeitgeschehen Legt man ein berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit an Abbildungen bekannter Persönlichkeiten ohne weiteres zugrunde, erklärt sich zumindest das hier­ mit verwobene Interesse der Medien, dieses Interesse zu bedienen.1165 Daneben tritt das grundsätzliche Interesse der Allgemeinheit, die eigene Meinung zu einem aktu­ ellen Thema frei (und gegebenenfalls durch die Veröffentlichung eines Bildes) zu äußern. Aus der Perspektive des Grundgesetzes kollidiert also das (Persönlichkeits-) Recht am eigenen Bild der bekannten Person nach Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG mit der Informationsfreiheit der Allgemeinheit gem. Art.  5 I 1 Alt.  2 GG, der Presse- und Rundfunkfreiheit der Medien gem. Art.  5 I 2 Alt.  1, 2 GG und/oder mit der Mei­ Nr.  2–4 KUG verbleibt; a. A. LG Berlin, ZUM-RD 2014, S.  107; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 23.11.­ 2016, Az. 2-03 O 525/15 = BeckRS 2016, 123263, wonach auch für übrigen Erlaubnistatbestände eine Vorverlagerung auf §  23 I KUG vorgenommen werden soll; so auch Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  22. Das LG Köln, AfP 2010, S.  600 (Bilder der Mutter im Zusammenhang mit dem Ableben ihres Sohnes und bei der anschließenden Trauerfeier) und das LG Frankfurt, AfP 2013, S.  439 ff., gehen hingegen davon aus, dass ein Anwendungsbereich für §  23 II KUG in solchen Fällen weiterbesteht, in denen die Bildveröffentlichung zwar ein hinreichendes Interesse der Öffentlichkeit bedient, aber aufgrund des Inhalts oder der Art und Weise der Darstellung ein berechtigtes I­ nteresse des Abgebildeten oder – falls verstorben – dessen Angehöriger verletzt wird; dem folgend ­Schricker/ Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  111; Lehr, S.  147, bezieht die Prüfung des §  23 II KUG aller­ dings in einem solchen Fall auf die Abbildung und deren Entstehungsmodalitäten; Wandtke/Bullin­ ger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  44, 45 geht hingegen bei Bildnissen i. S. d. Nr.  1 bei Verfälschungen des Aussagegehalts oder sonstigen Verfälschungen außerhalb der Abbildung von einem eigenständigen Anwendungsbereich des §  23 II KUG aus. Für eine grundsätzlich weiterbestehende Stufung zwi­ schen Abs.  1 und Abs.  2 sprechen sich aus LG Köln, AfP 2015, S.  68; KG, NJW 2007, S.  703; KG, AfP 2008, S.  199 ff.; KG, AfP 2008, S.  309; Dasch, S.  16 f.; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  110; ders., S.  34; Seelmann-Eggebert, NJW 2008, S.  2556. Ferner hat das OLG Olden­ burg, Beschl. v. 21.07.2015, Az. 13 U 51/14 = BeckRS 2016, 6905 kurzum aus §  23 II KUG einen unmittelbaren Anspruch auf Unkenntlichmachung durch Verpixelung hergeleitet und auf diese Weise dem Eintritt in die Trivialität zumindest formal entgegengesteuert. 1165 Vgl. Engels/Wo. Schulz, AfP 1998, S.  576; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  3; ­Helle, S.  130.; Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  72 f.; Schulz/Jürgens, JuS 1999, S.  771, welche deshalb §  23 I KUG als bedeutsamste Fallgruppe in der Praxis erblicken.

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nungsfreiheit Dritter gem. Art.  5 I 2 Alt.  2 GG.1166 Schon allein aufgrund dieser kom­ plexen Gemengelage konkurrierender Grundrechtspositionen erscheint es geradezu wünschenswert, mit Hilfe eines (einzelnen) Abgrenzungsmerkmals im Sinne der Bekanntheit einen gerechten Interessenausgleich zu erzielen. Gleichwohl kann der Rückgriff auf die Bekanntheit der abgebildeten Person für die Ermittlung des §  23 I Nr.  1 KUG jedenfalls in der bestehenden Form kaum über­ zeugen. Bereits die Ausführungen zur Bildhistorie haben gezeigt, dass Abbildungen bekannter Persönlichkeiten besonders dazu geeignet sind, das Interesse zur Kennt­ nisnahme bei vielen Personen hervorzurufen.1167 Besondere Aufmerksamkeit soll deshalb der Frage zukommen, ob bereits daraus ein tendenziell überwiegendes be­ rechtigtes Allgemeininteresse resultiert, sodass bekannte Personen gerade aufgrund ihrer Bekanntheit geringeren Persönlichkeitsschutz bei der Veröffentlichung von Abbildern erfahren sollen. Zirkulär erscheint in diesem Zusammenhang zunächst die Argumentation, bekannte Persönlichkeiten würden zwangsläufig ein überwie­ gendes Allgemeininteresse hervorrufen, da sie sich aus der Gesellschaft in irgend­ einer Form hervorheben.1168 Dies mag erklären, warum eine Person bekannt wurde, nicht allerdings, warum ein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit an Bildern die­ ser Personen besteht, welches bei der Veröffentlichung einer entsprechenden Abbil­ dung tendenziell das Individualinteresse der bekannten abgebildeten Person über­ wiegen soll. Dieser Trugschluss wurzelt in der Annahme einer wechselseitigen Beziehung der Begriffe eines schutzwürdigen oder berechtigten (tatsächlich bestehenden) öffent­ lichen Interesses und der Bekanntheit einer Person (des öffentlichen Interesses).1169 Zwar wird eine Person, an deren Abbildung ein berechtigtes Interesse der Öffentlich­ keit besteht, in aller Regel auch in der Öffentlichkeit bekannt sein. Umgekehrt wird aber kein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit deshalb bejaht werden können, weil eine Person in der Öffentlichkeit bekannt wird. Hierfür spricht bereits der Wort­ laut des §  23 I Nr.  1 KUG, der ausdrücklich nicht von Personen, sondern von Bildnis­ sen aus dem Bereich der Zeitgeschichte ausgeht.1170 Mithin könnte bereits der Ge­ setzgeber erwogen haben, dass es Bildnisse von völlig unbekannten Personen geben kann, an denen gleichwohl ein das Abgebildeteninteresse überwiegendes Allgemei­ ninteresse besteht. In diese Richtung geht jedenfalls die fortwährende Miteinbeziehung der Kriterien von (nach alter Terminologie bezeichneten) sog. relativen Personen der Zeitgeschich­ 1166 Vgl. B. Heinrich, in: FS 200 Jahre Juristische Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin 2010, S.  1242. 1167  Vgl. hierzu etwa nur die vorangegangenen Ausführungen zur conditio humana in Kap.  1, A., II., 1., b). 1168  Vgl. nur Neumann-Duesberg, JZ 1960, S.  114; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  31. 1169  Diese Annahme hat insbesondere zur Figur der absoluten Person der Zeitgeschichte geführt. Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen zu den Redundanzen des Ansatzes von Neumann-­ Duesbergs, welche sich bis heute verfestigt haben, oben Kap.  3, D., II., 1., c). 1170  Vgl. Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  4, Rn.  333.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

te zur Bestimmung einer Person des öffentlichen Interesses, gleichwohl bezieht sich auch in diesem Fall das wesentliche Interesse auf die bekannte Person im Zusam­ menhang mit einem bestimmten Ereignis.1171 Dass dieses Bedürfnis der Allgemeinheit aber auch völlig unabhängig von der Bekanntheit einer Person bestehen muss, wird innerhalb moderner Darstellungsszenarien eindrücklich an­ hand der überaus hohen Nachfrage an und der weitläufigen Verbreitung von sog. Memes1172 in sozialen Netzwerken belegt. Oftmals zeigen diese Abbildungs-Text Kombinationen völlig un­ bekannte Personen, an denen sich eben nicht das primäre Interesse der Betrachter festmacht, vielmehr resultiert dieses erst aus der Gesamtaussage der kombinierten Text-Bild-Darstel­ lung. Grundsätzlich muss es also möglich sein, Person des öffentlichen Interesses vollkommen unabhängig vom eigenen Bekanntheitsgrad werden zu können.

Insoweit stellt sich also die Frage, ob dem Bekanntheitsgrad – entsprechend der jün­ geren Erwägungen der Gerichte im Lichte der europäischen Rechtsprechung – über­ haupt irgendein Mehrwert inmitten der sonstigen Abwägungskriterien zukommt. Ausgangspunkt kann hierfür nur die zentrale Erwägung zur Rechtfertigung des Ab­ wägungskriteriums sein, dass bekannte Personen zum Leit- oder Kontrastbild für den Lebensentwurf vieler Personen werden können.1173 Es erschließt sich aber nicht, warum ausgerechnet die Bekanntheit einer Person dazu führen soll, dass diese zu einer Orientierungshilfe bei der Persönlichkeitsfindung anderer wird.1174 Vielmehr können auch völlig unbekannte Personen Vor- oder Kontrastbild für einen Lebens­ entwurf ihrer Mitmenschen sein.1175

1171  Dass es aber auch bei den – nach allgemeiner Auffassung weiter einbeziehbaren – Erwägun­ gen zur relativen Person der Zeitgeschichte nicht auf den Bekanntheitsgrad einer Person ankommen kann, zeigt bereits die Frage, ab wann überhaupt eine Person zur relativen Person der Zeitgeschich­ te werden soll. Tritt der Bekanntheitsgrad beispielsweise erst wegen Bildveröffentlichungen einer Person ein, müssten wegen der Strafbestimmung des §  33 KUG die ersten Bildveröffentlichungen strafbar sein, während ab einer gewissen Veröffentlichungsanzahl dann der nötige Bekanntheits­ grad erreicht wäre und somit jede weitere Veröffentlichung straffrei wäre. 1172  Unter dem Begriff „Meme“ (ausgesprochen [miːm] – engl., Mehrzahl Memes) werden ver­ schiedene Resultate eines Kulturphänomens zusammengefasst, das sich durch das Veröffentlichen kleiner Medieninhalte mit einer meist humoristischen, aufheiternden oder manchmal auch satiri­ schen und entsprechend gesellschaftskritischen Aussage kennzeichnet. Bei diesen Inhalten kann es sich um aus dem ursprünglichen Kontext gerissene Fotografien, Zeichnungen, Animationen oder Filme von bekannten oder unbekannten Personen handeln, die mit anderen Inhalten wie (Sprach-) Text kombiniert werden. Hierbei sind diese an keinen bestimmten Medientyp gebunden; vgl. ­Milner, S.  1, 3; Shifman, S.  53 f.; vgl. ferner Wandtke, MMR 2019, S.  143 f. 1173  Vgl. nur BVerfGE 101, 361 (390) – „Caroline von Monaco II“; BVerfGE 120, 180 (203) – „Caroline von Monaco III“. 1174  Zuzustimmen ist deshalb Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80b, welcher die „vage Formel“ zur „Leitbild- und Kontrastfunktion als „Carte Blanche“ bezeichnet. 1175  Ebensowenig wird man erst als bekannte Person zu einem „Kristallisationspunkt für Zu­ stimmung oder Ablehnung“; so aber wohl BVerfGE 101, 361 (390) – „Caroline von Monaco II“; vgl. ferner Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  78, der zutreffend anmerkt, dass sich mit der „Leitbild- oder Kontrastfunktion“ – Argumentation jedes gewünschte Ergebnis und insbesondere ein Vorrang der Medienfreiheit gegenüber dem Persönlichkeitsschutz begründen lassen kann.

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Richtigerweise kann die Erwägung des Bundesverfassungsgerichts also nur da­ hingehend verstanden werden, dass zumindest eine höhere Wahrscheinlichkeit be­ steht, dass eine bekannte Person für mehrere Menschen zugleich zum Orientierungs­ bild wird, als dies bei einer unbekannten Person der Fall sein wird. Diese Wahr­ scheinlichkeit fußt also genau genommen nur auf der Erwägung, dass eine bekannte Person eine höhere soziale Reichweite haben muss als eine unbekannte Person und deren Persönlichkeitsbild somit mehr Menschen erreicht. Abgesehen davon, dass be­ reits diese Vermutung in ihrer Absolutheit im digitalen Zeitalter nicht zutrifft,1176 löst die soziale Reichweite einer bildhaften Information allein nicht zwangsläufig auch die soziale Nachfrage in Form des öffentlichen Interesses aus. Vielmehr schafft eine hohe soziale Reichweite lediglich die Möglichkeit eines gemeinsamen Oberthemas für die Öffentlichkeit. Letztendlich entscheidet die Öffentlichkeit aber selbst, für was und wen sie sich interessiert.1177 Deshalb ist nicht die Reichweite einer Information, sondern die tatsächlich bestehende Nachfrage an ihr das passgenauere Kriterium zur Ermittlung des öffentlichen Interesses. In diesem Sinne wurde bereits befürwortet, das öffentliche Interesse anhand empirischer Studien zu Verkaufs-, Einschalt-, oder Klickquoten von Informationen zu erheben.1178 Für eine Erhebung dieser sozialen Nachfrage könnten sich insbesondere heute soziale Netzwerke anbieten, da diese Einblicke auf die Follower-Zahlen oder die Interaktionen auf die Accounts und Bei­ träge einzelner Personen zulassen. Mit einer solchen Verfahrensweise sind allerdings hohe Risiken zu Fehlerhebungen aufgrund von Manipulationen verbunden. Dabei besteht nicht nur die Möglichkeit die soziale Reichweite einer Information durch das kostenpflichtige Schalten von Werbung zu erhöhen, vielmehr können ganze Interaktionen wie bspw. Likes oder Kommentare bis hin zu ganzen Fake-Followern oder ganze Diskussions­ themen beeinflussende sog. Social- bzw. Influence- oder Chat-bots1179 gekauft werden, welche wiederum die soziale Reichweite eines Beitrags erhöhen.1180 Diese Manipulationen erschwe­ ren die statistische Erhebung des öffentlichen Interesses innerhalb sozialer Netzwerke im In­ ternet. Sie bergen somit die Gefahr, dass sich eine Fehlinterpretation des digitalen öffentlichen Interesses in Persönlichkeitsrechtsverletzungen fortsetzt, die sich auch auf analoger Ebene in Form unzulässiger Anfertigungen oder (Print wie TV-)Veröffentlichungen von Personenbil­ dern niederschlagen können.1181 1176  Innerhalb sozialer Netzwerke erschließt sich dies bereits daraus, dass eine unbekannte Per­ son eine extrem hohe soziale Reichweite erreichen kann, indem sie etwa kostenpflichtige Werbung auf ihren Beitrag schaltet. 1177  Hiervon scheint bereits der Gesetzgeber von 1907 ausgegangen zu sein, der zum einen in seiner Gesetzesbegründung von 1907 nirgends den Bekanntheitsgrad einer Person thematisiert und vom „Stehen“ im öffentlichen Leben spricht. Darüber hinaus nennt der Gesetzgeber neben dieser (Stand-)Position ausdrücklich das „Wachrufen“ des Interesses und geht mithin von einer reagieren­ den Komponente der Allgemeinheit aus; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., a). 1178  So der Vorschlag von Engels/Wo. Schulz, AfP 1998, S.  581; vgl. ferner Rehbock/A. Schmidt, in: FS Schweizer 1999, S.  131; Soehring/Hoene, §  21, Rn.  2c; C. Walter, S.  75 f.; krit. hierzu bereits Arzt, S.  46; jüngst Neukamm, S.  112. 1179  Hierzu ausführlich Reinbacher, in: FG RobotRecht 2020, S.  457 ff.; Rückert, S.  183. 1180  Thieltges/Hegelich, ZRP 2017, S.  495 ff.; vgl. ferner Su. Beck, in: FG RobotRecht 2020, S.  403. 1181 Vgl. Thieltges/Hegelich, ZRP 2017, S.  510, welche von einer hohen Eintrittswahrscheinlich­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Vor dem Hintergrund, dass bereits die empirische Erhebbarkeit von einer tatsäch­ lichen Nachfrage im Internet erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt ist, erscheint der Rückgriff auf die (digitale sowie analoge) Bekanntheit einer Person heutzutage gera­ dezu unberechenbar. Sachgemäß erscheint es daher, die soziale Nachfrage an einer Person anhand einer tatsächlich bestehenden Beziehung zu vermuten, welche die abgebildete Person und die Öffentlichkeit verbindet. Diese Beziehung kann dann angenommen werden, wenn einer Person eine wechselseitige Rolle innerhalb der Gesellschaft zukommt. Diese Erwägung an sich ist grundsätzlich nicht neu1182, sie hat aber genaugenom­ men nichts mit dem Bekanntheitsgrad der Person zu tun. Umso irritierender erscheint es, dass der Europäische Gerichtshof ebendiese Erwägung der Rolle einer Person auf die Öffentlichkeit innerhalb der Bekanntheit heranzieht und hierbei zwischen unter­ schiedlichen Graden des öffentlichen Interesses unterscheidet.1183 Dass aber empirische Befunde bestehen, wonach zumindest in Deutschland am Themengebiet der Politik kein so hohes Interesse der Öffentlichkeit besteht wie beispielsweise an Kunst oder Sport1184 und (amtierende) Bundespolitiker einem Großteil der Bevölkerung gänzlich unbe­ kannt sind1185, scheint jedenfalls kein Hindernis zu sein, trotzdem im Rahmen des Bekannt­ heitskriteriums ein umfassendes öffentliches Interesse an Politikern zu bejahen.

keit ausgehen, dass mit einfachsten Mitteln der Manipulationsformen Wirkungen erzielt werden können, die auf die „netzwerkexternen Ebenen“ gelangen. 1182  Vgl. hierzu etwa Kap.  1, B., II., 1. So haben die Ausführungen zur Bildhistorie gezeigt, dass es ursprünglich Ausdruck von (politischer) Macht war, die eigene Persönlichkeit vor einen beson­ ders hohen Rezipientenkreis bildhaft repräsentieren zu können. Umgekehrt galt aufgrund der Limi­ tierung von Abbildungs- und Veröffentlichungsmöglichkeiten die allgemeine Vermutung, dass sol­ che bildhafte Repräsentationen, welche einen hohen Rezipientenkreis hatten – weil sie etwa auf ­einem öffentlichen Platz standen – der spiegelbildliche Ausdruck von Wichtigkeit sind, da sie un­ mittelbaren Einflusses auf die Öffentlichkeit nehmen konnten und deshalb zwangsläufig Gegen­ stand des berechtigten öffentlichen Interesses sein müssen. Dabei hat sich die Vorstellung, dass ein hoher potentieller Rezipientenkreis automatisch zu einer gesellschaftlichen Wichtigkeit im Sinne eines berechtigten Interesse in der Öffentlichkeit führen muss mit der Einführung der Massenfoto­ grafie (und dem einhergehenden Wegfall der Vermutung einer bildhaften Einflussdemonstration) hinweg gehalten; vgl. hierzu Kap.  1, B., IV., 3., c). Die Tradierung historisch gefestigter Wahrneh­ mung ist also auch ein Gesichtspunkt für die fortwährende Heranziehung des Bekanntheitsgrads für die Einordnung der Persönlichkeitsrechtsverletzung. 1183  Vgl. hierzu Frenz NJW 2008, S.  3104; vgl. ferner Kap.  3, D., II., 1., h), sowie k). 1184 Vgl. Pawlik, Statista Umfrage zum persönlichen Interesse an verschiedenen Themen in Deutschland 2019, abrufbar unter https://de.statista.com/statistik/daten/studie/170956/umfrage/per soenliches-interesse-fuer-bestimmte-themen/ (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022) 1185  Vgl. hierzu etwa die Forsa Umfrage aus dem Jahr 2018, nach der 62  % der 18–29-Jährigen keinen einzigen Bundesminister benennen konnten, https://www.tagesspiegel.de/politik/forsa-um frage-neue-bundesregierung-ist-bei-jungen-waehlern-kaum-bekannt/21136372.html (zuletzt auf­ gerufen am 01.06.2022); vgl. ferner eine weitere Umfrage des Forsa-Instituts aus dem Jahr 2017 für den Stern, welcher hierauf titelte: „Jeder zweite Deutsche kennt keinen einzigen FDP-Politiker“, https://www.stern.de/politik/deutschland/stern-umfrage--jeder-zweite-deutsche-kennt-keinen-ein zigen-­fdp-politiker-7616812.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022)

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Dies zeigt, dass der Bekanntheitsgrad einer Person auch nach dem europäischen Mo­ dell kein wesentlicher Mehrwert innewohnt. Vielmehr lädt das Kriterium gerade zu undifferenzierten Verallgemeinerungen ein, welche in Fehlurteilen anhand einer un­ genügenden Gesamtabwägung pauschalisierter Einordnungskriterien münden kön­ nen.1186 Nicht zuletzt hat sich dies auch in der deutschen Rechtsprechung im Zusam­ menhang mit der Anerkennung eines schutzwürdigen öffentlichen Interesses an pri­ vaten Verhaltensweisen von Prominenten gezeigt, welche dann mühsam über die gleichzeitige und undifferenzierte Abwertung von Neugier- und Sensationslust „kor­ rigiert“ werden musste. Sinnvoll erscheint es deshalb, sich zur Erarbeitung neuer Maßstäbe vom pauscha­ len Abwägungskriterium der Bekanntheit insgesamt zu lösen. Relevante Gesichts­ punkte, welche das Abstellen auf den Bekanntheitsgrad reflexartig mitgestreift hatte, gehen dabei auch nicht verloren. Vielmehr werden diese ohnehin passgenauer im Rahmen der übrigen Abgrenzungskriterien des Beitrags zur öffentlichen Meinungs­ bildung, der Rolle des Abgebildeten innerhalb der Gesellschaft und der Selbstöff­ nung weiter mitberücksichtigt.1187 Sachgemäß erscheint es deshalb, nicht den Be­ kanntheitsgrad, sondern ein tatsächlich bestehendes öffentliches Interesse an einer Person in Form der sozialen Nachfrage – sofern diese nachweisbar ist – als erstes Einordnungskriterium zu wählen.1188 3. Das Kriterium des Informationswerts für die Öffentlichkeit für die Ermittlung des Zeitgeschehens Da neben dem Bekanntheitsgrad der abgebildeten Person der Informationswert der gesamten Veröffentlichung infolge der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts heute die maßgeblichen Kriterien zur Ermittlung der Zeitgeschichtlichkeit darstel­ len, gilt es im Anschluss auf diesen Informationswert einer Bildnisveröffentlichung (für die Öffentlichkeit) kritisch einzugehen. Dies erscheint bereits deshalb angezeigt, da das abgestufte Schutzkonzept bis heute maßgebliche (dogmatische) Fragen wie etwa das Verhältnis der verschiedenen Nummern von §  23 I KUG sowie das Verhält­ nis zu §  23 II KUG weitestgehend offenlässt. Deshalb soll im Folgenden auf die verschiedenen thematischen Bezüge von Bild­ nissen und ihre Bedeutung für ihren Informationswert eingegangen werden. Denn nur so besteht die Möglichkeit, dass sich ein System zur Ermittlung des Zeitgesche­

1186 

So im Ergebnis auch Dreier/Schulze/Specht, §  23 I KUG, Rn.  15. Jedenfalls im Ergebnis begrüßenswert sind insoweit die Entscheidungen des KG, ZUM-RD 2019, S.  625 und des OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  371, wonach die Bildberichterstattung über den Fußballbundestrainer (KG) und einen Fußballnationalspieler (OLG Köln) im Urlaub nicht unter §  23 I Nr.  1 KUG fallen sollen; zu Urlaubsbildern vgl. Kap.  3, D., II., 3., i); vgl. hingegen jüngst BGH, GRUR 2019, S.  869 – „Eine Mutter für das Waisenkind“, zum fortwährenden Rückgriff auf den Bekanntheitsgrad einer Person. 1188  Vgl. hierzu der eigene Vorschlag in Kap.  3, D., V., 2. 1187 

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hens im Sinne eines hinreichend bestimmten Schutzkonzepts ermitteln lässt, das für den strafrechtlichen Bildnisschutz fruchtbar gemacht werden kann. Hierbei gilt es zunächst diejenigen Informationswerte kritisch zu würdigen, denen die Rechtsprechung einen hohen Informationswert für die Öffentlichkeit zuspricht (a) – h)), ehe auf diejenigen Informationswerte einzugehen ist, bei welchen die Recht­ sprechung regelmäßig ein niedriges Informationsinteresse der Öffentlichkeit und da­ mit ein überwiegendes Abgebildeteninteresse annimmt (i) – l)). Anschließend ist auf den Einfluss des Veröffentlichungskontexts auf den Informationswert der Bildnisver­ öffentlichung einzugehen (m)), wobei die Grenzen zwischen Veröffentlichungskon­ text und Informationswert fließend sind. Abschließend gilt es den Einfluss des Her­ stellungskontexts eines Bildnisses auf dessen Informationswert zu untersuchen (n)). a) Der Informationswert von Bildnissen mit Bezug zur Politik Die Rechtsprechung tendiert am stärksten bei Abbildungen mit Bezug zu politischen Themen dazu, einen solchen Informationswert anzunehmen, der geeignet ist, die öffentliche Meinungsbildung zu ermöglichen.1189 Deshalb wird bei Abbildungen von Politikern regelmäßig ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit angenommen, selbst wenn diese in privaten Angelegenheiten und somit nicht in ihrer (amtlichen) Funktion gezeigt werden.1190

Dies deckt sich insbesondere mit der Entscheidungspraxis des Europäischen Ge­ richtshofs für Menschenrechte zur Abbildung von Politikern.1191 Dementsprechend erscheinen die Szenarien recht überschaubar, in denen Politiker nicht abgebildet wer­ den dürfen. Grundsätzlich liegt dies auch auf der hier vorgeschlagenen Linie, wo­ 1189  BGH, NJW 2013, S.  3030 – „Teilnehmerin an Mahnwache“, zählt hierunter „Vorgänge aus dem Bereich des politischen Meinungskampfs“; vgl. ferner LG München I, ZUM-RD 2016, S.  409, wonach u. a. die Veröffentlichung des Facebook-Profilfotos eines „Hetzers“ in der Onlineausgabe der BILD gem. §  23 I Nr.  1 KUG zulässig war, da sie vor dem thematischen Hintergrund der aktuel­ len Flüchtlingspolitik stattfand und somit einen (Diskussions-)Beitrag von allgemeinem Interesse leisten konnte. 1190  BGHZ 177, 119 – „Heide Simonis“ (Unmittelbar nach ihrer Abwahl wurden Fotos der ehe­ maligen Ministerpräsidentin Schleswig Holsteins Heide Simonis beim Einkaufen hergestellt und in der BILD unter dem Titel „Danach ging Heide erst mal shoppen“ veröffentlicht); BGH, NJW 2012, S.  763 – „Die Inka-Story“ (Bildbericht in der Zeitschrift SUPERillu unter dem Titel „Neue Liebe macht ihr Glück perfekt“ über einen Landespolitiker im Zusammenhang mit einer privaten Bezie­ hung zu Inka Bause); BGH, NJW 2017, S.  804 – „Klaus Wowereit“ (Abbildung des Berliner Bürger­ meisters Klaus Wowereit in der BILD am Vorabend eines Misstrauensvotums im Berliner Abgeord­ netenhaus in einer Berliner Bar sitzend unter dem Titel „Vor der Misstrauens-Abstimmung ging’s in die Paris-Bar…“); BGH, NJW 2018, S.  1820 „Christian Wulff im Supermarkt“ (Bildberichterstat­ tung in der Zeitschrift PEOPLE unter dem Titel „Liebes-Comeback“ mit zwei Abbildungen des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff mit seiner Frau beim Einkaufen); vgl. BGH, GRUR 2018, S.  967 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; OLG München AfP 2013, S.  335 (Abbildung von Landrätin); vgl. ferner KG, ZUM-RD 2007, S.  516 (Bildberichtveröffentlichung in der BILD am Sonntag, welche den ehemaligen Bundesminister Joschka Fischer bei der Ankunft in der neuen Wahlheimat am Flughafen Newark mit Familie zeigen). 1191  Vgl. hierzu oben Kap.  3, D., II., 1., h), und k).

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nach eine Verbindung des Individuums zur Gesellschaft ein Indiz des gesteigerten (abstrakten) öffentlichen Interesses begründen soll.1192 Als vom Volk gewählte Ver­ treter haben Politiker großen Einfluss auf das gesellschaftliche Miteinander, weshalb es wiederum für die Öffentlichkeit notwendig erscheint, sich gewissermaßen rückzu­ versichern und auch ein Bild über ihren (potentiellen) Vertreter und (staatslenken­ den) Einflussnehmer zu machen. Damit besteht eine starke Verbindung zwischen Gesellschaft und (politischem) Individuum, woraus sich ein starkes Indiz für ein ­öffentliches Interesse ergibt. Dass ein Persönlichkeitsbild gerade dann besonders au­ thentisch erscheint, wenn die Person in einem privaten Kontext abgebildet wird, wurde bereits erörtert.1193 Aufgrund der Funktion eines Politikers, Interessen der Öffentlichkeit als ihr (politischer) Vertreter wahrzunehmen entsteht ein natürliches Bedürfnis der Öffentlichkeit, die persönlichen Interessen des Vertreters mit den eige­ nen (zur Entscheidungsfindung) abzugleichen. Dieses Bedürfnis ist heutzutage so im Alltag verfestigt, dass man zudem von Selbstöffnungsgesichtspunkten ausgehen kann, wonach es ein Politiker hinnehmen muss, durch den Gang aufs öffentliche Parkett vermehrt den prüfenden Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein, gerade wenn diese die Möglichkeit hat, sich ein authentisches Persönlichkeitsbild von der abgebildeten Person zu machen. Gleichwohl kann dies nicht bedeuten, dass schlicht jedes Foto eines Politikers ein­ willigungsfrei veröffentlicht werden darf. Besonders Aufnahmen, die im Zusam­ menhang mit einem höchstpersönlichen Informationsinhalt stehen, bedürfen einer besonders sorgfältigen Prüfung und können nicht ohne weiteres einwilligungsfrei veröffentlicht werden.1194 Ferner wird eine Grenze allenfalls dann erreicht sein, wenn eine Manipulation der (Bild-)Veröffentlichung vorliegt, welche authentisch wirkt1195, für den Betrachter als solche nicht erkennbar ist, das Persönlichkeitsbild des Abgebildeten durch die Vermittlung falscher Tatsachen beschädigt und dabei keine zulässige Satire1196 darstellt. Dabei lässt sich bereits hinsichtlich werbender Darstellungen mit Politikern anhand der Rechtsprechung keine eindeutige Aussage mehr treffen.1197 1192 

Oben Kap.  3, D., II., 2. Vgl. Einführung, A., II. 1194  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., k). 1195  Den Bildmanipulationen kommt hierbei also eine besondere Rolle zu, vgl. zur Authentizität bildhafter Darstellungen Kap.  1, A., I., 3.; vgl. ferner Kap.  3, D., II., 3., m), bb). 1196  Die Abbildung von Politikern in satirischen Darstellungen ist in der Regel zulässig, wenn diese wiederum keinen verfälschten Aussagegehalt transportieren und nicht die Intimsphäre ver­ letzen; vgl. zur Zulässigkeit der Nacktdarstellung einer Oberbürgermeisterin auf einem Gemälde OLG Dresden, NJW-RR 2010, S.  1490; zu satirischen Bilddarstellungen vgl. ferner Kap.  3, D., II., 3., g), bb). 1197  BVerfG, NJW 2001, S.  594 – „Willy Brandt“; zuvor BGH, NJW 1996, S.  593 – „Willy Brandt“, wonach das kommerzielle Vertreiben einer Gedenkmünze, welche den Altkanzler Willy Brandt abbildete, öffentliche Informationsinteressen bediene, da diese schlagwortartig dessen his­ torische Verdienste auflistet; a. A. OLG München, NJW-RR 1990, S.  1327, bzgl. des kommerziellen Vertriebs einer Gedenkmünze, welche den ehemaligen Bundesminister und Ministerpräsidenten 1193 

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b) Der Informationswert von Bildnissen mit Wirtschafts- und Berufsstandsbezug Bei der Berichterstattung über Wirtschaftsthemen tendierte die Rechtsprechung bis­ lang dazu, einen hinreichenden Informationswert anzunehmen, wenn es um die Ab­ bildung der Repräsentanten großer Unternehmen ging.1198 Insoweit wurde diese An­ nahme mit der Größe des Unternehmens, des hieraus folgenden hohen Bekanntheits­ grads sowie durch hohe Kunden- und Anteilseignerzahlen begründet.1199 Hieran wird sich mit der Etablierung des abgestuften Schutzkonzeptes nichts geändert haben.1200 Allerdings könnte es sich bei der Größe des Unternehmens um kein zwingendes Kriterium für die Gesamtabwägung handeln, vielmehr könnte auch die Rolle des Abgebildeten als Repräsentant innerhalb seines Berufsstands – unabhängig von der Größe oder sogar des Vorliegens eines Unternehmens – hierfür relevant sein. Beispielsweise führte das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung zur Zulässigkeit der Abbildung eines Chirurgen bereits im Jahr 2013 ausdrücklich an, dass dieser in seiner beruf­ lichen Eigenschaft als Chefarzt eine herausragende Stellung einnehme, die unter anderem auch mit seinem Abbild präsentiert werde.1201 Geht man hiervon ohne weiteres aus, könnte darüber hinaus erwogen werden, ob dieser Gedanke dann nicht über die Grenzen eines spezifischen Berufsstandes hinaus greifen müss­ te. Möglicherweise müssten dann solche Personen, denen berufsbedingt eine hervorgehobene Funktion innerhalb eines mehr oder minder großen Personenkreises zukommt – wie es etwa (Haus- oder Land-)Ärzten oder Lehrenden der Fall ist – grundsätzlich eher eine Bildveröffent­ lichung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit dulden, als etwa deren Mitarbei­ ter.1202 Bayerns Franz Josef Strauss abbildete; vgl. zu Bildnisveröffentlichungen im werbenden Kontext Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 1198  BGHZ 156, 206 (219) – „Satirische Fotomontage“, bzgl. des damaligen Vorstandsvorsitzen­ den der Deutschen Telekom AG; vgl. ferner BGH NJW 1994, S.  124 – „Alle reden vom Klima“, hinsichtlich des Vorstandsvorsitzenden der Hoechst-AG von 1985. Anfang der 1980er Jahre war Hoechst das nach Umsatz größte Pharmaunternehmen der Welt; LG Hamburg, Urt. v. 14.05.2010 – 324 O 159/10 = BeckRS 2011, 4312, bzgl. des Vorsitzenden der Geschäftsführung eines Textilbran­ chenunternehmens mit 20.000 Mitarbeitern, 14.000 davon in Deutschland und 2.800 Filialen, davon 2350 in Deutschland. 1199  BGHZ 156, 206 (219) – „Satirische Fotomontage“ nennt zudem explizit noch die Propagie­ rung einer Beteiligung unter dem Namen „Volksaktie“ in diesem Zusammenhang. Zumindest hat der BGH so auch das Selbstverständnis und die Rolle des Unternehmens innerhalb der Öffentlich­ keit als „Marke“ des Volkes betont; vgl. ferner LG Hamburg, Urt. v. 14.05.2010 – 324 O 159/10 = BeckRS 2011, 4312. 1200  Vgl. OLG Köln, Urt. v. 12.11.2013 – 15 U 55/13 = BeckRS 2014, 9796. 1201  Vgl. OLG Köln, Urt. v. 12.11.2013 – 15 U 55/13 = BeckRS 2014, 9796. Hierzu muss aller­ dings angemerkt werden, dass in dieser Entscheidung die Grenzen zur Selbstöffnung, zur Werbung und insbesondere zur Verdachtsberichterstattung fließend waren: Der Chefarzt hatte sich auf der Homepage des Krankenhauses und auf YouTube zu werbenden Zwecken selbst präsentiert. Zudem stand er im Verdacht, in illegale Organtransplantationen im Kosovo involviert zu sein, da er in die kritisierte Klinik investiert hatte. Zudem zeigte das Bild den betroffenen Chefarzt bei seiner Berufs­ tätigkeit in neutralem Kontext. Obwohl also mehrere Gesichtspunkte vorlagen, die für ein öffent­ liches Interesse sprachen, kam das OLG noch zusätzlich auf die hervorgehobene Berufseigenschaft zu sprechen. 1202  §  23 I Nr.  1 KUG tendenziell verneinend bei Mitarbeiterfotos von Unternehmen Aßmus/

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Hierfür könnte sprechen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei seiner Differenzierung zumindest auch an ein Berufsbild (des Politikers) anknüpft1203 und die Motive zum Kunsturhebergesetz ausdrücklich betonen, dass der Begriff der Zeitgeschichte „im weitesten Sinne“ verstanden werden soll, sodass eine lokale Her­ vorgehobenheit des Berufsträgers ausreichen könnte.1204 Hiergegen spricht möglicherweise ein jüngerer Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Müns­ ter. Dieses bestätigte die Wertungen des Verwaltungsgerichts, wonach sich ein Studienrat seine Bildnisveröffentlichung im Jahrbuch der Schule im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG gefal­ len lassen müsse, da ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch „bei Veranstaltungen von regionaler oder lokaler Bedeutung“ vorliege.1205 Begründet wurde dieses Informations­ interesse aber gerade nicht mit der hervorgehobenen beruflichen Stellung des klagenden Leh­ rers, sondern mit dem bedeutenden Veranstaltungscharakter des Jahrbuches mit den Klassen­ fotos für die Angehörigen der Schule.1206

c) Der Informationswert von Bildnissen bei kulturellen/gesellschaftlichen Ereignissen Ebenso erscheinen (Bild-)Veröffentlichungen über kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse im Sinne von Veranstaltungen oder Events nach der Rechtsprechung ten­ denziell dazu geeignet, einen hinreichenden Informationswert zu begründen. Da der Begriff des Zeitgeschehens alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interes­ se umfasse, sollen entsprechend „gesellschaftliche Ereignisse“1207 mitumfasst sein, weshalb auch Abbildungen der Teilnehmer an einer solchen Veranstaltung grund­ sätzlich zulässig erscheinen, da diese das Ereignis durch ihre Anwesenheit mitprä­ gen und somit gewissermaßen selbst zu einem Teil von diesem werden. Hierbei fällt auf, dass ein Großteil solcher Events, denen die (jüngere) Rechtsprechung den Status Winzer, ZD 2018, S.  509; vgl. ferner J. Fischer, NZA 2018, S.  9; Grau/Schaut, NZA 2015, S.  981, ziehen §  23 I Nr.  1 KUG schon grundsätzlich bei Mitarbeiterfotos nicht in Betracht. 1203  Vgl. Kap.  3, B.), B., II., 1., c., aa., (1), (h), sowie (k). 1204  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc)., (1), (a); vgl. in diesem Zusammenhang etwa die frühe Kommentierung von Allfeld, S.  136: „[…] mag nun das Stück Öffentlichkeit, auf dem er sich bewegt, ein sehr weites oder ein eng begrenztes sein, mag es der Thron oder die Kanzel, die Regie­ rung oder das Parlament, die Volksversammlung oder der Gerichtssaal, die Bühne oder der Kon­ zertsaal, der Hörsaal oder die Klinik, die Presse oder die Börse, die Kunst oder die Industrie, die Literatur auf diesem oder jenem Gebiet oder was sonst sein.“ 1205  OVG Münster, Beschl. v. 02.04.2020 – Az. 2 A 11539/19 (unveröffentlicht), vgl. hierzu beck­ link 2015986. 1206  Vgl. OVG Münster, Beschl. v. 02.04.2020 – Az. 2 A 11539/19 (unveröffentlicht); vgl. hierzu becklink 2015986. Wenngleich das Ergebnis dieses Beschlusses – das Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte – nicht angezweifelt wird, begegnet dessen Begründung Zwei­ feln. So erscheint bereits fragwürdig, ob es sich bei der Veröffentlichung eines Jahrbuchs um eine gesellschaftliche Veranstaltung handeln kann. Darüber hinaus wird man dies auch nicht bei dem Tag der Fotoherstellung annehmen können. 1207  Vgl. nur BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“; vgl. ferner BGH, NJW 2013, S.  2891 – „Eisprinzessin Alexandra“, wonach zwischen gesellschaftlichen und politi­ schen Ereignissen sowie Sportveranstaltungen unterschieden wird.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

eines solchen gesellschaftlichen Ereignisses zugesprochen hat, in irgendeinem Zu­ sammenhang mit bekannten Persönlichkeiten steht.1208 So soll es selbst im Rahmen des abgestuften Schutzkonzeptes möglich sein, bei der Hochzeit einer bekannten Persönlichkeit von einem gesellschaftlichen Ereignis auszugehen, weshalb die Abbildung der Teilnehmer zulässig sei1209, obschon die Feierlichkeiten in geschlossener Gesellschaft stattfanden und zuvor ausdrücklich der Wunsch nach medialer Diskretion geäu­ ßert wurde.1210

Gleichwohl erscheint die Rechtsprechung in diesen Fällen bemüht, das gesellschaft­ liche Interesse an der Veranstaltung nicht nur über die Anwesenheit prominenter Personen, sondern aufgrund weiterer (vermeintlicher) Einflüsse der Veranstaltung auf die Öffentlichkeit – wie meist der Beliebtheit des Veranstaltungsorts oder Zusam­ menhänge zur Kunst oder Politik1211 – zu begründen.1212 Obwohl sich jedenfalls bei 1208  BGHZ 180, 114 (129) – „Enkel von Fürst Rainier“, nennt den Tod und die Beisetzung des Fürsten Rainier von Monaco; BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“, nennt die Amtseinführung von Prinz Albert von Monaco, den Rosenball von Monaco und das Gala-Diner der Stiftung Claude Pompidou anlässlich der Ausstellung eines bekannten Künstlers; vgl. auch BGH, NJW 2011, S.  746 – „Rosenball von Monaco“; BGH, NJW 2012, S.  763 – „Die lange Nacht der Goldkinder“, zählt ebenfalls eine Vernissage eines bekannten Künstlers hierunter; BGH, NJW 2013, S.  2891 – „Eisprinzessin Alexandra“, zählt zwar ausdrücklich lokale Sportveranstaltungen zum Zeitgeschehen, gleichwohl nahm an diesem Sportereignis die elfjährige Tochter von Caroline von Hannover teil, weshalb sich die Textberichterstattung auch auf Caroline und ihre männliche Beglei­ tung bezog; vgl. ferner BGH, GRUR 2019, S.  869 – „Eine Mutter für das Waisenkind“; das OLG Hamburg geht in zwei Entscheidungen in ZUM 2009, S.  65 und ZUM 2007, S.  297 bei der Hochzeit von Günther Jauch von einem gesellschaftlichen Ereignis aus; OLG Hamburg, AfP 2012, S.  166, nennt das Sommerfest des Bundespräsidenten; KG, AfP 2013, S.  60, bejaht für die Hochzeit von Markus Lanz; LG München, AfP 2016, S.  368, bejahend für die Verleihung der Goldenen Kamera; OLG Hamburg, ZUM-RD 2018, S.  346, bzgl. der Kart-Meisterschaft der Junioren im französischen Essay, bei der Mick Schumacher (Sohn von Michael Schumacher) den zweiten Platz erzielt hatte 1209  Vgl. Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  19. 1210  OLG Hamburg, ZUM 2009, S.  65 (Klage von der Ehefrau Günther Jauchs) und OLG Ham­ burg, ZUM 2009, S.  297 (Klage von Günther Jauch). Diese beiden Entscheidungen wurden aus­ drücklich von EGMR, ZUM 2018, S.  179 – „Sihler-Jauch und Jauch/Deutschland“ bestätigt; vgl. ferner KG, AfP 2013, S.  60, bzgl. der Zulässigkeit der Veröffentlichung einer Abbildung der Braut beim Verlassen der Kirche nach der Trauung, welche von Bodyguards abgeschirmt wurde und die zusätzlich mit einem schwarzen Tuch verhüllt war (Ehefrau von Markus Lanz); krit. hierzu insge­ samt Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80d, welcher bei Hochzeiten von den priva­ testen Ereignissen im Leben ausgeht; vgl. ferner zur Bejahung des zeitgeschichtlichen Charakters einer Hochzeit OLG Köln, ZUM 2009, S.  486; OLG Hamburg, AfP 2016, S.  546, bzgl. der Hochzeit von Sigmar Gabriel; verneinend hingegen LG Hamburg, ZUM-RD 2010, S.  627, wenn die Hoch­ zeitsfotos zu Werbezwecken genutzt werden. 1211  Insoweit überschneiden sich hier also die Erwägungen zu §  23 I Nr.  1 KUG mit denjenigen der übrigen Erlaubnistatbestände des §  23 I KUG wie etwa Nr.  2 (Ort), Nr.  3 (Versammlung mit politischem Zweck) oder Nr.  4 (Kunst). Zum Verhältnis von §  23 I Nr.  1 KUG zu den übrigen Erlaub­ nistatbeständen vgl. auch Kap.  3, D., III. 1212  Besonders deutlich wird dies bei den Hochzeitsentscheidungen des OLG Hamburg, ZUM 2009, S.  65 und S.  297 (betreffend Günther Jauch), sowie des KG, AfP 2013, S.  60 (betreffend ­Markus Lanz). So verweist das OLG Hamburg ausdrücklich darauf, dass neben zahlreichen promi­ nenten Personen auch der regierende Bürgermeister der Bundeshauptstadt zu den Gästen gehöre. Ferner entfalte Öffentlichkeitswirkung, „dass für die Feierlichkeiten Baulichkeiten abgesperrt wur­

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kirchlichen Hochzeiten auch religiöse, weltanschauliche Aspekte dazu geeignet hät­ ten, einen zeitgeschichtlichen Charakter mit zu begründen, hielt sich die Rechtspre­ chung insoweit bislang zurück.1213 Allerdings geht die Rechtsprechung immer mehr dazu über, gerade lokalen Veran­ staltungen die Bedeutung eines gesellschaftlichen Ereignisses beizumessen, bei de­ nen kein Bezug zu überregional bekannten Persönlichkeiten besteht.1214 So sollen etwa der Familientag einer Stadtverwaltung1215, eine regionale Sportveranstaltung1216 oder sogar ein privates Mieterfest einer Wohnungsbaugesellschaft1217 ein solches zeitgeschicht­ liches Ereignis darstellen, weshalb Abbildungen der Teilnehmer als Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte zulässig sein können. Selbst bei sehr kleinen Zusammenkünften kann über weitere Aspekte wie den thematischen Hintergrund und dem Ort der Zusammenkunft ein zeitgeschichtlicher Veranstaltungscharakter im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG begründet wer­ den.1218 Dass aber hierbei grundsätzlich ein besonders weiter Spielraum besteht, zeigt nicht zuletzt die Begründung des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der Abbildung dreier Teil­ nehmer an einem jährlich stattfindenden Mieterfests einer Wohnungsgenossenschaft.1219 Hiernach stelle diese Feier ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, weil sie die (generationsüber­ greifenden) nachbarschaftlichen Beziehungen ermögliche und pflege. Demzufolge erfülle die Veröffentlichung eines Teilnehmerbildnisses bereits eine wichtige Funktion, weil das Bild den Eindruck vermittle, dass sich die Mitbewohner in der Wohnungsbaugenossenschaft wohlfüh­ den, die beliebte Ausflugsziele sind und sonst dem Publikumsverkehr zumindest teilweise offen­ stehen“. Außerdem moderiere Günther Jauch mitunter politische Sendungen, die auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss nehmen würden; letzteres Argument greift auch das KG auf, wenn es ausführt, dass Markus Lanz mehrere Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen moderiere, die sich mit gesellschaftlich-relevanten Fragen beschäftigten; auch diese Erwägungen werden bei EGMR, ZUM 2018, S.  179 – „Sihler-Jauch und Jauch/Deutschland“ dem Grunde nach bestätigt. 1213  Vgl. LG Stuttgart, NJOZ 2016, S.  705, wonach zumindest ein Informationsinteresse im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG zur Auseinandersetzung mit dem „Thema ‚Islam‘“ möglich erscheint; so auch OLG München, NJW-RR 2016, S.  873; vgl. ferner Wöhrn/Wandtke/Boksanyi, Kap.  1, 6.  Teil, Rn.  42. 1214  Insoweit soll auch die Aktualität des Ereignisses berücksichtigt werden können; vgl. LG Frankfurt a. M., BeckRS 2017, 133670; KG, BeckRS 2010, 13006. 1215  LG Frankfurt a. M., NJOZ 2008, S.  3547, wonach das Versenden einer E-Mail mit der Abbil­ dung der Gleichstellungsbeauftragten beim Familientag an 43 Mitglieder der Elterninitiative zuläs­ sig war, da es sich hierbei um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte gem. §  23 I Nr.  1 KUG handele. 1216  BGH, NJW 2013, S.  2891 – „Eisprinzessin Alexandra“; krit. Elmenhorst, NJW 2013, S.  2893; vgl. hingegen OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  396. 1217  BGH, NJW-RR 2014, S.  1193 – „Mieterfest“. 1218  So ging der BGH bei einer „Mahnwache“ von insgesamt drei Personen auf dem Pariser Platz am Brandenburger Tor zum Protest gegen die israelische Marineintervention gegen die „Gaza-Soli­ daritätsflotte“ aufgrund des politischen Hintergrunds von einer zeitgeschichtlichen Veranstaltung aus, weshalb die Abbildung einer Teilnehmerin im Fernsehen nach §  23 I Nr.  1 KUG zulässig war; vgl. BGH, NJW 2013, S.  3030 – „Teilnehmerin an Mahnwache“. Allerdings betonte der BGH auch hier, dass die abgebildete Person vor der Abbildung bereits als Mitglied zahlreicher Friedensbewe­ gungen auch publizistisch in Erscheinung getreten sei. 1219  BGH, NJW-RR 2014, S.  1195 – „Mieterfest“; vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 02.04.2020, Az. 2 A 11539/19 (unveröffentlicht); vgl. hierzu becklink 2015986, welcher ein Klassenfoto in einem Jahrbuch in den Zusammenhang mit einer zeitgeschichtlichen Veranstaltung i. S. d. §  23 I Nr.  1 KUG stellt.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

len und es sich lohne, dort Mitglied bzw. Mieter zu sein.1220 Hiernach dürfte es dann aber nicht mehr fern liegen, bei grundsätzlich jeder Festivität – etwa in der Dorfdisco oder auch eines (runden) Geburtstags1221 – das Vorliegen eines zeitgeschichtliches Ereignisses im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG zu erwägen, wenn eine Abbildung der Teilnehmer einen gewissen (Stim­ mungs-)Eindruck der Veranstaltung vermittelt und bei den abgebildeten Personen keinen Be­ zug zur thematischen Privatheit aufweist.1222

d) Zum Informationswert von Bildnissen im Zusammenhang mit Straftaten Das Bundesverfassungsgericht betonte bereits in seiner Lebach-Entscheidung, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören.1223 Grundsätzlich muss die (Bild-)Bericht­ erstattung über diese also einen hohen Informationswert aufweisen. Einigkeit be­ steht hierbei insoweit, dass sich das öffentliche Interesse in erster Linie auf die Person richtet, welche eine strafbare Handlung begangen hat: Wer den Rechtsfrieden bricht und durch seine Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemein­ schaft angreift oder verletzt, soll grundsätzlich dulden müssen, dass das hierdurch hervorgerufene Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf den dafür üblichen We­ gen befriedigt wird.1224 Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein Täter durch seine strafbare Handlung den Bereich seiner privaten Betätigung verlässt. Er bricht die (strafrechtlichen) Normen des gesellschaftlichen Miteinanders und begibt sich dadurch zwangsläufig in den öffentlichen (rechtlichen) Bereich. Hierbei handelt es sich also um eine gewisse Form des selbstöffnenden Vorverhaltens des Täters.1225 Zudem macht er sich selbst zum Gegenstand des Informationsbedürfnisses der Öf­

1220 

BGH, NJW-RR 2014, S.  1195 – „Mieterfest“. A. A. Esser, in: HB Social Media, Kap.  8, Rn.  185 und Ulbricht, S.  28, wonach es bei solchen Veranstaltungen nicht um das von §  23 I KUG geschützte Intformationsinteresse der Allgemeinheit gehe. Mit Blick auf die dargestellte Rechtsprechung erscheint diese Argumentation jedenfalls nicht allzu tiefgreifend. 1222  Vgl. OLG Köln, NJW-RR 2014, 1069, wonach die Abbildung zweier Prominenter beim Küs­ sen in einer Diskothek nicht unter §  23 I Nr.  1 KUG falle; ebenfalls hat auch das AG Ingolstadt, MMR 2009, S.  436 Bildnisveröffentlichungen im Internet, die Gäste in einer Diskothek zeigen, ohne nähere Begründung nicht in den Zusammenhang mit §  23 I Nr.  1 KUG gebracht. 1223  BVerfGE 35, 202 (231) – „Lebach“; vgl. zur Entscheidung Kap.  2, B., II., 3., b), aa), (2); BVerfG, NJW 2009, S.  351 – „Holzklotz-Fall“; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspieler“; vgl. auch BVerfG, NJW 2017, S.  1377 – „Kachelmann“. 1224  BVerfGE 35, 202 (231 f.) – „Lebach“; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspieler“; BGHZ 178, 213 (224) – „Karsten Speck“; BGHZ 183, 353 (358) – „Onlinearchiv“; BGHZ 190, 52 (59) – „Bildveröffentli­ chung von Irak-Terroristen“; BGHZ 222, 196 (205) – „Strafverfahrensbegleitende Berichterstat­ tung“; BGH, NJW 2006, S.  599 – „Verkehrsverstoß“; BGH, NJW 2010, S.  2434 – „Zulässige Be­ richterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Onlinearchiv“; BGH, NJW 2011, S.  2287 – „Internetarchiv“; BGH, NJW 2012, S.  2197 – „Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits­ rechtsverletzungen im Internet“; BGH, NJW 2019, S.  1883 – „Strafverfahren gegen Steuerberater“; BGH, GRUR 2020, S.  557 – „Medizintouristen“; ferner J. Fischer, MMR 2019, S.  356. 1225  Hierzu im Einzelnen Kap.  3, D., IV. 1221 

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fentlichkeit.1226 Dieses Informationsinteresse wird wiederum aus zwei Richtungen begründet: Einerseits soll die Verletzung der allgemeinen Rechtsordnung, die Sympathie mit den Opfern und ihren Angehörigen, die Furcht vor Wiederholungen solcher Straf­ taten und das Bestreben, ebendiesen vorzubeugen, ein anzuerkennendes Interesse an der Information über die Tat und den Täter begründen.1227 Vor diesen Beweggründen erklärt sich, dass das Informationsinteresse umso stärker sein soll, „je mehr sich die Straftat durch die Besonderheit des Angriffsobjekts, die Art der Begehung oder die Schwere der Folgen über die gewöhnliche Kriminalität heraushebt“1228. Hingegen soll die Identifizierung des Täters bei Fällen der Kleinkriminalität keineswegs im­ mer zulässig sein. Auch wird ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bei Tätern im Jugendalter im Hinblick auf deren besondere Schutzwürdigkeit besonders im Zu­ sammenhang mit deren Resozialisierung tendenziell zu verneinen sein.1229 In diesem Zusammenhang tritt eine Ungereimtheit des abgestuften Schutzkonzepts des Bun­ desgerichtshofs im Verhältnis zum Wortlaut und der systematischen Ausgestaltung von §  23 I, II KUG bei Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte zutage. Das Ereignis (einer Straf­ tat) bleibt als Ereignis oder Geschehen an sich – auch angesichts des öffentlichen Interesses an Straftaten – identisch, während sich bei einem jugendlichen Täter (lediglich) die Schutzbe­ dürftigkeit des Abgebildeten ändert. Das Hineinlesen der „berechtigten Interessen“ aus §  23 II KUG in den Begriff der Zeitgeschichtlichkeit ändert nach dem abgestuften Schutzkonzept 1226 

BGHZ 178, 213 (224) – „Karsten Speck“. Vgl. BVerfGE 35, 202 (231) – „Lebach“; BVerfG, NJW 2009, S.  351 – „Holzklotz-Fall“. Durch die Anknüpfung an die Person des Täters ist dessen „Kontrastbildfunktion“ (vgl. hierzu be­ reits Kap.  3, D., II., 1., l), und Kap.  3, D., II., 2.) für die Öffentlichkeit angesprochen, welche die Rechtsprechung freilich nur im Zusammenhang mit bekannten Persönlichkeiten – vermutlich auf­ grund des befürchteten Stigmatisierungseffekts einer Berichterstattung über Straftäter – als Argu­ ment für ein öffentliches Interesse anführt; vgl. in diesem Zusammenhang die jüngere Formulie­ rung des BVerfG in BVerfGE 152, 152 (199) – „Recht auf Vergessen I“, wonach Tätern als öffentli­ che Personen „Prägekraft für das Selbstverständnis des Gemeinwesens insgesamt“ zukomme. 1228  In diesem Zusammenhang nennt die Rechtsprechung meist schwere Gewaltverbrechen; vgl. BVerfGE 35, 202 (231) – „Lebach“; BVerfGE 119, 309 (322) – „Gerichtsfernsehen“; BGHZ 183, 353 (360) – „Onlinearchive“; BGHZ 190, 52 (58) – „Bildveröffentlichung von Irak-Terroristen“; BGHZ 222, 196 (200) – „Strafverfahrensbegleitende Berichterstattung“; BGH, NJW 2010, S.  2434 – „Zu­ lässige Berichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Onlinearchiv“; BGH, NJW 2012, S.  2200 – „Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch Inter­ netveröffentlichung“; BGH, NJW 2013, S.  1682 – „Der Kachelmann-Krimi“; BGH, NJW 2019, S.  1882 – „Strafverfahren gegen Steuerberater“; BGH, GRUR 2020, S.  557 – „Medizintouristen“; vgl. ferner OLG Dresden, K&R 2018, S.  200; vgl. ferner BVerfG, Beschl. v. 07.07.2020, Az. 1  BvR 2447/19 = BeckRS 2020, 16827, wonach die identifizierende Bildberichterstattung keinesfalls auf Fälle schwerer Gewaltverbrechen beschränkt sei. Das BVerfG bestätigte damit die Wertung des LG Berlin, wonach ein öffentliches Interesse an der Bildberichterstattung im Einzelfall auch die „be­ sondere Begehungsweise und impulsive Aggressivität“ begründet werden könne; vgl. ferner Mitsch, in FS Schwind 2006, S.  611. 1229  BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehema­ ligen Bundesliga-Fußballspieler“; BGH, NJW 2006, S.  600 – „Verkehrsverstoß“; BGH, NJW 2013, S.  230 – „Gazprom-Manager“; BGH, GRUR 2020, S.  557 – „Medizintouristen“; vgl. auch Brost/ Rodenbeck, AfP 2016, S.  496; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  29. 1227 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

hingegen sehr wohl das Verständnis eines zeitgeschichtlichen Ereignisses oder des Zeitge­ schehens.

Andererseits beinhaltet das Informationsinteresse auch das Bedürfnis der Allge­ meinheit nach Kontrolle der für die Sicherheit und Ordnung zuständigen Staatsorga­ ne und Behörden, der Strafverfolgungsbehörden und der Strafgerichte.1230 Diese Erwägung legt nahe, dass insoweit ein öffentliches Interesse tendenziell bejaht wer­ den kann, desto eher der Staat bei strafbaren Verhaltensweisen regulierend in Er­ scheinung tritt.1231 Deshalb kann mitunter das Stadium des staatlichen Umgangs mit Straftaten1232 weitere Weichen für relevante Abwägungskriterien für das Informa­ tionsinteresse der Öffentlichkeit stellen1233: Bei bereits abgeurteilten Straftaten soll es deshalb zur Gewichtung des öffent­li­chen Interesses neben Art und Weise der Darstellung1234 auf Natur und Schwere der Tat1235

1230  BVerfGE 35, 202 (231) – „Lebach“; in diesem Zusammenhang wird die Presse in ihrer über­ prüfenden Funktion nicht selten als „Wachhund“ (engl. watchdog) bezeichnet, welcher die Effizienz und Funktionalität des Staatsapparates für die Öffentlichkeit kontrollieren soll, damit sich diese rückversichern kann; vgl. hierzu etwa BGHZ 178, 213 (223) – „Karsten Speck“. 1231  Vgl. BGH, GRUR 2021, S.  109 – „G 20-Gipfel“, wonach ein bebilderter „Fahndungsaufruf“ zu den Ausschreitungen des G20-Gipfels auf dem Internetauftritt der BILD, welcher über 70.000 Mal auf Facebook geteilt wurde („Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher? Sachdienliche Hin­ weise bitte an die nächste Polizeidienststelle“), zulässig sei; a. A. zuvor noch OLG Frankfurt, Urt. v. 24.10.2019 – Az. 16 U 235/18 = GRUR-RS 2019, 49235, sowie LG Frankfurt a. M., K&R 2018, S.  201, 204. 1232  Vgl. BGHZ 178, 213 (222) – „Karsten Speck“, wonach insoweit der Strafvollzug sowie das Strafverfahren zum Zeitgeschehen gehören kann. 1233  BVerfG, NJW 2009, S.  351 – „Holzklotz-Fall“; BGHZ 190, 52 (62) – „Bildveröffentlichung von Irak-Terroristen“; BGHZ 222, 196 (211 f.) – „Strafverfahrensbegleitende Berichterstattung“, wonach eine Abbildung, die im Rahmen der Verdachtsberichterstattung erfolgt, erst mit der rechts­ kräftigen Verurteilung zum Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte werden kann. 1234  Vgl. bzgl. der Funktionalität der Abbildung im Verhältnis der gesamten Veröffentlichung Kap.  3, D., II., 3., m), aa), (4); siehe ferner zum Livestreaming bei Gewalttaten durch Journalisten J.  Jacobs, communicatio socialis 2018, S.  481 ff. 1235 Entsprechend geht die Rechtsprechung davon aus, dass das Informationsinteresse umso stärker wiegt, desto mehr sich die Tat von „gewöhnlicher Kriminalität“ abhebt; vgl. BGHZ 190, 52 (58)  – „Bildveröffentlichung von Irak-Terroristen“, bejaht dies bei einem geplanten Anschlag einer islamistischen Terrorgruppe auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten innerhalb Deutsch­ lands; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 f. – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehema­ ligen Bundesliga-Fußballspieler“ und BGH, NJW 2013, S.  1682 – „Der Kachelmann-Krimi“, lassen dies ebenfalls für Sexualstraftaten vermuten, da sich jedenfalls der Täter nicht auf seine Intimsphä­ re berufen können soll; hierzu auch Murmann, in FS Maiwald 2010, S.  591; BGH, NJW 2010, S.  2432 – „Zulässige Bildberichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Online­ archiv“, bejaht dies beim Mord an dem Schauspieler Walter Sedlmayr, weshalb das Lichtbild des Täters in einem Onlinearchiv des Spiegel auch 17 Jahre nach der Verurteilung weiter dargestellt werden durfte; das OLG Celle, NJOZ 2018, S.  541, zieht für die Beurteilung §  100c I Nr.  1 i.V.m II Nr.  1h StPO heran und geht dementsprechend beim versuchten Totschlag und der gefährlichen Kör­ perverletzung von einer „besonders schweren Straftat“ aus; das OLG Saarbrücken, NJW-RR 2019, S.  298 sieht hingegen in der fahrlässigen Tötung „kein Delikt von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse“.

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und die Person des Täters1236 ankommen.1237 Ferner kann eine Rolle spielen, wie lange die Tat bereits zurückliegt und ob ein aktueller Anlass für die Bericht­erstattung besteht.1238 Deshalb soll mit zeitlicher Distanz zur Straftat das Interesse des Täters, von einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, zunehmende Be­ deutung erfahren.1239 Hat die das öffentliche Interesse veranlassende Tat mit der Ver­ urteilung die gebotene rechtliche Sanktion erfahren und ist die Öffentlichkeit hierü­ ber hinreichend informiert worden, so sollen sich wiederholte Eingriffe in das Per­ sönlichkeitsrecht des Täters im Hinblick auf sein Interesse an der Wiedereingliederung in die Gemeinschaft nicht ohne weiteres rechtfertigen lassen.1240 Andererseits soll das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht pauschal einen Anspruch des Straftäters darauf vermitteln, in der Öffentlichkeit überhaupt nicht mehr mit der Straftat kon­

1236  Ist der Täter eine Person des öffentlichen Interesses (vgl. Kap.  3, D., II., 1., k)), darf über ihn tendenziell in größerem Umfang – und somit eher mit einer Abbildung – berichtet werden, als über andere Personen; vgl. BGHZ 178, 213 (215) – „Karsten Speck“; BGH, NJW 2013, S.  1682 – „Der Kachelmann-Krimi“; vgl. auch BGH, NJW 2019, S.  1883 – „Strafverfahren gegen Steuerberater“, bzgl. der „Tatbegehung durch einen Landtagsabgeordneten als Volksvertreter“; vgl. ferner BVerfG, NJW 2006, S.  2835 – „Verkehrsverstoß“; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspieler“, wonach ein an sich geringes Interesse der Öffentlichkeit über leichte Verfehlungen im Einzelfall auch durch die Person des Tä­ ters aufgewogen werden kann; ferner BVerfG, NJW 2017, S.  1377 – „Kachelmann“; demgegenüber soll eine Bildveröffentlichung in der Regel bei Verurteilungen von Kleinkriminellen und Jugend­ lichen unzulässig sein; vgl. hierzu BVerfGE 35, 202 (232) – „Lebach“; BVerfG, NJW 1993, S.  1464  – „Presseberichterstattung über getilgte Vorstrafe“; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspieler“; das OLG Hamburg, ZUM 2010, S.  61, ging dementsprechend im Falle eines versuchten Mordes mit politischer Dimen­ sion, welcher eine öffentliche Diskussion losgetreten hatte, davon aus, dass das Interesse des zur Tatzeit minderjährigen Täters, nicht abgebildet zu werden, das öffentliche Interesse überwiege; vgl. ferner Ohrmann, S.  65 f. 1237  BVerfGE 35, 202 (232) – „Lebach“; BVerfG, NVwZ 2008, S.  307 – „Bildberichterstattung über Strafgefangene“; BGHZ 178, 213 (220) – „Karsten Speck“. 1238  BVerfGE 35, 202 (232 f.) – „Lebach“; BVerfG, NJW 2006, S.  2835 – „Verkehrsverstoß“; BVerfG, NVwZ 2008, S.  307 – „Bildberichterstattung über Strafgefangene“, wonach mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren der Anspruch des Betroffenen zunehmende Bedeutung gewinnt, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben; BGHZ 178, 213 (220) – „Karsten Speck“; vgl. ferner EGMR, NJW 2018, S.  2463 – „Axel Springer SE u. RTL Television GmbH/Deutschland“, wonach für die Berichterstattung im Strafverfahren folgende Kriterien eine Rolle spielen sollen: Beitrag zu einer Diskussion von allgemeinem Interesse, Bekanntheitsgrad des Betroffenen, Einfluss auf das Strafverfahren; die Umstände der Aufnahme der Fotos, Inhalt, Form und Folgen der Veröffentlichung sowie Schwere der auferlegten Sanktion; vgl. hierzu auch T. Haug, AfP 2013, S.  485. 1239  BVerfGE 35, 202 (233) – „Lebach“; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspieler“; BGHZ 222, 196 (206) – „Strafverfahrensbegleitende Berichterstattung“; vgl. auch Alexander, ZUM 2011, S.  388. 1240  BGH, NJW 2010, S.  2434, 2437 – „Zulässige Berichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Onlinearchiv“, wonach u. a. entscheidend sein soll, ob die Verbreitung (durch ihre Abrufbarkeit im Internet) von Täterfotos den Abgebildeten „ewig an den Pranger“ stellt oder diesen von neuem als Straftäter stigmatisiert; vgl. auch BGHZ 222, 196 (200, 219, 213) – „Strafverfahrens­ begleitende Berichterstattung“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

frontiert zu werden.1241 Vielmehr bestehe auch ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchie­ ren.1242 Insoweit kommen die Medien ihrer Aufgabe, die Öffentlichkeit zu informie­ ren und zur demokratischen Willensbildung beizutragen, auch dadurch nach, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Nutzer online verfügbar halten.1243 Die Gewichtung der betroffenen Interessen kann hiernach anhand einzel­ fallabhängiger Umstände wie etwa der Schwere der abgeurteilten Tat und der hiermit verbundenen (anhaltenden) Öffentlichkeitswirksamkeit, die Aufmachung und Kon­ textbezogenheit der Veröffentlichung sowie dem Grad der Verbreitung ermittelt wer­ den.1244 Hervorgehoben werden muss in Zusammenhang mit der Aufmachung einer Veröffentlichung die sog. Prangerwirkung. Von dieser ist auszugehen, wenn ein be­ anstandungswürdiges Verhalten aus der Sozialsphäre einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wird und sich dies schwerwiegend auf Ansehen und Persönlich­ keitsentfaltung des Betroffenen auswirkt.1245 Dies kommt in Betracht, wenn eine einzelne Person aus einer Vielzahl von Personen, welche sich ähnlich verhalten haben, ohne näheres Differenzierungskriterium oder konkreten Anlass hervorgehoben wird, um die Kritik an einem Umstand, der von besagter Personenvielzahl ausgeht, individuell zu personalisieren. Hiervon ging die obergerichtliche Rechtsprechung bei der Veröffentlichung durch (Online- und Print-) Medien von öffentlich einsehbaren (Profil-) Bildnissen nebst Klarnamen und Kommentaren zur Flüchtlingsdebatte auf Facebook unter der Überschrift „Bild stellt die Hetzer an den Pranger“ aus.1246 1241  BVerfG, NJW 2000, S.  1860 – „Dokumentarfilm über Soldatenmord von Lebach“; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-­ Fußballspieler“; vgl. auch BVerfGE 152, 152 (198) – „Recht auf Vergessen I“; BGHZ 183, 353 (359)  – „Onlinearchiv“; BGH, NJW 2010, S.  2434 – „Zulässige Berichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Onlinearchiv“, wonach ein Gebot der Löschung aller, frühere Straf­ täter identifizierenden Darstellungen in „Onlinearchiven“ dazu führen würde, dass Geschichte ge­ tilgt und der Straftäter – ohne einen Anspruch hierauf – vollständig immunisiert würde; vgl. hierzu auch T. Dreier in: FS Loewenheim 2009, S.  67 f., 76; Hoecht, AfP 2009, S.  345 f. 1242  BVerfGE 152, 152 (201) – „Recht auf Vergessen I“; BGHZ 183, 353 (361 f.) – ­„Onlinearchiv“; BGH, NJW 2010, S.  2435 – „Zulässige Berichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Onlinearchiv“; vgl. ferner OLG Köln, BeckRS 2007, 10791; OLG Frankfurt a. M., ZUM 2007, S.  917; Hoecht, AfP 2009, S.  345 ff.; Libertus, MMR 2007, S.  148 f. 1243  Vgl. BVerfGE 152, 152 (201) – „Recht auf Vergessen I“ unter Verweis auf EGMR, NJW 2020, S.  295 – „M. L. u. W. W. / Deutschland“; BGHZ 183, 353 (362) – „Onlinearchiv“; BGH, NJW 2010, S.  2435 – „Zulässige Berichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Online­ archiv“. 1244  Vgl. BGH, NJW 2010, S.  2434 ff. – „Zulässige Berichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Onlinearchiv“. 1245  OLG München, GRUR-RR 2018, S.  531; vgl. Gomille, ZUM 2009, S.  817, wonach die Pran­ gerwirkung „allgemein Situationen [beschreibe], in denen der Betroffene durch die Publikation ihn betreffender Umstände öffentlich vorgeführt wird“; zum Begriff ferner Fröhling, S.  315 ff.; zur Pran­ gerwirkung von der Veröffentlichung von Textnachrichten auf Facebook Ströbel, S.  156 ff. 1246  In dem Artikel mit der Überschrift „Hass auf Flüchtlinge – BILD stellt die Hetzer an den Pranger“ heißt es unmittelbar vor den eingeblendeten Screenshots mit verschiedenen Äußerungen von rund 40 Facebook-Nutzern samt der dazugehörigen Profilbilder und Klarnamen: „BILD reicht

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Ferner ist im Bereich der Kontextbezogenheit einer Veröffentlichung der Veröffent­ lichungszeitpunkt, die Wirkweise der Darstellung und die bisher verstrichene Zeit unter dem Aspekt der Resozialisierung des Abgebildeten in den Blick zu nehmen. In diesem Sinne ging der Bundesgerichtshof in seiner „Archiv-Rechtsprechung“1247 bislang davon aus, dass Anonymisierungs- oder Löschpflichten in online archivierten Beiträgen grundsätzlich nicht bestehen, wenn der ursprüngliche Beitrag rechtmäßig war und das Bereit­ halten nicht den Eindruck einer tagesaktuellen Berichterstattung erweckt.1248 Deshalb er­ schien eine Pflicht des Anbieters zur Anonymisierung oder Löschung eines Inhalts allein auf­ grund des Zeitablaufs bisher kaum vorstellbar.1249

Zwar soll auch weiterhin – nach den jüngsten Entwicklungen der verfassungsrichter­ lichen Rechtsprechung zum „Recht auf Vergessen“ – keine Pflicht des Inhalteanbie­ ters bestehen, sämtliche in das Netz gestellte Beiträge von sich aus regelmäßig auf Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Jedoch seien verpflichtende Schutzmaßnahmen dann zumutbar, wenn sich der Betroffene an den Inhalteanbieter gewandt und seine Schutzbedürftigkeit näher dargelegt habe.1250 Liegt also eine solche qualifizierte Be­ es jetzt: Wir stellen die Hetzer an den Pranger! Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!“. Hierbei ging das OLG München, GRUR-RR 2018, S.  531, davon aus, dass die Veröffentlichung nicht nur „die zuständige Staatsanwaltschaft zur Prüfung des Anfangsverdachtes einer Straftat bzw. zur Einlei­ tung eines Ermittlungsverfahrens wegen Volksverhetzung unter anderem aufgefordert, sondern durch die zweimalige Nennung des Begriffs Pranger klargestellt [habe], dass es ihr darum geht, einzelne Hetzer gegen Flüchtlinge öffentlich an den Pranger zu stellen“; vgl. hierzu OLG München, NJW-RR 2016, S.  873, wonach das öffentliche Kommentieren auf Facebook mit dem eigenen Pro­ filbild zwar eine partielle Selbstöffnung darstelle, allerdings sei diese nicht auf die Wiedergabe in einem (Online-)Massemedium im Sinne eines „Internetpranger“ gerichtet. Dies begründete das Gericht maßgeblich mit der „Breitenwirkung“; das OLG München, GRUR-RR 2018, S.  531, be­ gründete hingegen die Rechtswidrigkeit geradliniger mit der „ausdrücklich bezweckten Pranger­ wirkung“ bei einer Veröffentlichung in Print-und Onlinemedien unter der Überschrift „Bild stellt die Hetzer an den Pranger“ mit den Profilbildern und Kommentierungen der betroffenen Personen. 1247  Diese höchstrichterlichen Erwägungen beziehen sich zwar auf (online) archivierte identifi­ zierende Wort- und somit ausdrücklich nicht auf bebilderte Berichterstattung. Da mit der zuorden­ baren Bebilderung eines Beitrags aber die gesteigerte Intensität persönlichkeitsrechtlichen Betrof­ fenheit einhergeht (vgl. hierzu Kap.  1, A., III.), erscheinen diese Grundsätze ohne weiteres übertrag­ bar. 1248  BGHZ 183, 353 (359) – „Onlinearchiv“, wonach der Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayr noch knapp 18 Jahre nach seiner Tat die Abrufbarkeit der Berichterstattung in einem Online­ archiv dulden muss; BGH, GRUR 2013, S.  200 – „Apollonia-Prozess“, wonach der rechtskräftig verurteilte – zwischenzeitlich aus der Haft entlassene – Täter, der auf der Hochseeyacht „Apollo­ nia“ zwei Menschen getötet und ein weiteres Opfer schwer verletzt hatte, 30 Jahre nach der Tat die Abrufbarkeit hinnehmen musste; vgl. auch BGH, NJW 2019, S.  1883 f. – „Strafverfahren gegen Steuerberater“; vgl. ferner Klass, ZUM 2020, S.  266; Pfeifer, NJW 2019, S.  1885; Trentmann, MMR 2016, S.  733, nach welchen der Archivcharakter erkennbar sein muss; vgl. ferner EGMR, NLMR 2018, S.  261; die bisherige Linie des BGH bestätigend EGMR, NJW 2020, S.  298 – „M. L. u. W. W. /  ­Deutschland“. 1249  Dörre, GRUR-Prax 2011, S.  171; Klass, ZUM 2020, S.  266; krit. Himmelsbach, K&R 2013, S.  84; Verweyen/T. Schulz, AfP 2012, S.  445. 1250  BVerfGE 152, 152 (203) – „Recht auf Vergessen I“. Inhaltlich befasste sich die Entscheidung mit der online archivierten Strafberichterstattung zum Apollonia-Fall; vgl. Fn.  1076; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 07.07.2020 Az. 1  BvR 146/17 = BeckRS 2020, 17545.

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anstandung1251 seitens des Betroffenen vor, muss der Inhalteanbieter aktiv werden und (erneut) prüfen, ob in Anbetracht der vergangenen Zeit ein (öffentliches) Interes­ se nach wie vor insbesondere an der identifizierenden Berichterstattung besteht, oder, ob eine Anonymisierung bzw. Löschung des Beitrags erforderlich ist.1252 Zur Bewertung dieser (Erforderlichkeits-)Frage hat der Erste Senat des Bundesverfassungsge­ richts verschiedene Kriterien genannt, die sich nicht abschließend auf die Archivberichterstat­ tung im Allgemeinen – und somit nicht lediglich auf Straftaten1253 – beziehen. Hiernach soll unter anderem maßgebend sein, ob sich der Bericht mit dem Verhalten einer Person in der Sozial- oder Privatsphäre befasst1254, ob ein öffentliches Interesse an der fortdauernden (On­ line-)Erreichbarkeit besteht1255, welche Einbindung1256 und Reichweite der Beitrag nach wie vor aufweist1257, wie sich der Betroffene vor und während der (Online-)Veröffentlichung ver­ halten hat1258 und ob der ursprüngliche Beitrag rechtmäßig1259 war.1260

Dies allein vermag jedenfalls in den Fällen (bebilderter) Strafberichterstattung zu­ nächst kaum für Aufsehen zu sorgen, da diese aufgrund der Regularien der presse­ mäßigen Sorgfalt in der Regel im Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßig waren und sich, wie bereits gezeigt, auf die Sozialsphäre des Rechtsbrechers beziehen. Al­ lerdings soll der Inhalteanbieter bei einer Beanstandung auch zur Prüfung verpflich­ tet sein, ob nunmehr für den Betroffenen weniger einschneidende Maßnahmen als eine allgemein zugängliche Archivierung im Internet angezeigt sind. Falls dies zu­ trifft, soll der Inhalteanbieter entsprechend reagieren müssen. So kann es etwa sein, dass aufgrund des Zeitablaufs die (archivierte) Berichterstattung (über das Strafver­ 1251  BVerfGE 152, 152 (203) – „Recht auf Vergessen I“. Was genau unter gerade einer qualifizierten Beanstandung zu verstehen ist, lässt das BVerfG zwar offen. Jedenfalls wird man hiervon aus­ gehen können, wenn sich der Betroffene auf den beigeordneten Kriterienkatalog des BVerfG zur Ermittlung des Schutzanspruchs beruft. 1252 Vgl. Klass, ZUM 2020, S.  271. 1253  Dies erscheint erwähnenswert, da es sich beim zugrunde liegenden Fall des BVerfG um eine Berichterstattung bzgl. eines Strafverfahrens – dem Apollonia Prozess – handelte; vgl. hierzu Fn.  1076; ferner Pfeifer, GRUR 2020, S.  35. 1254  BVerfGE 152, 152 (203 f.) – „Recht auf Vergessen I“. 1255  BVerfGE 152, 152 (203 f.) – „Recht auf Vergessen I“, wonach auch berücksichtigt werden könne, ob der Beitrag in Form eines auf Skandalisierung ausgelegten personenbezogenen Blogs ausgerichtet ist oder in einem Bewertungsportal stattfindet. 1256  BVerfGE 152, 152 (204) – „Recht auf Vergessen I“. 1257  BVerfGE 152, 152 (204 f.) – „Recht auf Vergessen I“, betont, dass es nicht abstrakt auf die Tatsache ankommt, dass eine Information überhaupt im Netz irgendwie zugänglich ist, sondern auch davon abhängen soll, „wieweit hierdurch tatsächlich breitenwirksam gestreut wird“. Deshalb soll auch die Auffindbarkeit über Suchmaschinen und deren Listung bei entsprechender Sucheinga­ be Beachtung finden. 1258  BVerfGE 152, 152 (204) – „Recht auf Vergessen I“, wonach berücksichtigt werden kann, ob und inwieweit der Betroffene in der Zwischenzeit dazu beigetragen hat, das Interesse an den Ereig­ nissen oder an seiner Person wachzuhalten. Insoweit gehöre zu der Chance auf Vergessen auch ein Verhalten, das von einem „Vergessenwerdenwollen“ getragen sei. 1259  BVerfGE 152, 152 (203, 205) – „Recht auf Vergessen I“. 1260  Abgelehnt hat das BVerfG hingegen die pauschale Übertragbarkeit anderer Regelungen – wie etwa die Fristen des Bundeszentralregistergesetzes bei Berichten über Straftaten; zur Bewer­ tung des Schutzbegehrens; vgl. BVerfGE 152, 152 (205) – „Recht auf Vergessen I“.

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fahren) zwar nicht gelöscht werden muss, allerdings könnte eine Sperre für die allge­ meine Verfügbarkeit anhand von personenbezogenen Suchen durch Suchmaschi­ nen1261 geboten sein, die aber zugleich weiterhin eine sachbezogene Verfügbarkeit – etwa für interessierte und entsprechend recherchierende Nutzer – ermöglicht, sofern dies technisch realisierbar ist.1262 Überträgt man diese Grundsätze auf eine identifizierende Bildberichterstattung, erscheint es grundsätzlich denkbar, dass ein Inhalteanbieter zukünftig nach Ablauf einer bestimmten Zeit­ spanne seit der Veröffentlichung eines bebilderten Beitrags bei einer qualifizierten Beanstan­ dung des Abgebildeten neu erwägen muss, ob er die Erkennbarkeit des Abgebildeten – etwa durch eine Verpixelung – aufhebt, die Bebilderung durch Löschung des Bildes ganz unterlässt oder andere Maßnahmen ergreift.1263 Denkbar wäre ebenfalls eine Beschränkung der Zu­ gangsmöglichkeiten mit Blick auf die Schnelligkeit der Suchalgorithmen großer Suchmaschi­ nen1264, ehe der Beitrag komplett gelöscht oder geschwärzt werden muss.1265 Auch an dieser Stelle wird deutlich, dass durch das Hineinlesen der schutzwürdigen Inter­ essen des Abgebildeten im Sinne des §  23 II KUG in den Begriff des Bildnisses aus dem Be­ reich der Zeitgeschichte in §  23 I Nr.  1 KUG auf der Grundlage des abgestuften Schutzkonzep­ tes letztendlich dem Begriff der Zeitgeschichte ein dynamisches Gepräge verliehen wird, welches nur schwerlich mit dem schlichten Begriffsverständnis eines feststehenden (zeitge­ schichtlichen) Ereignisses in Einklang zu bringen ist.1266

Ist das Strafverfahren hingegen noch nicht beendet, soll wegen der Unschuldsvermu­ tung ein besonderer Sorgfaltsmaßstab gelten.1267 Demnach soll Beachtung finden, dass die Abbildung eines Tatverdächtigen sein angebliches Fehlverhalten öffentlich 1261  Insbesondere kritisierte das BVerfG, dass der BGH in seiner bisherigen „Archiv-Rechtspre­ chung“ die Gefahren der ubiquitären Verfügbarkeit von Informationen im Zusammenhang mit Suchmaschinen im sozialen Umfeld unterschätzt habe; vgl. BVerfGE 152, 152 (211 f.) – „Recht auf Vergessen I“: „Unter den heutigen Nutzungsgewohnheiten des Internets besteht eine hohe Wahr­ scheinlichkeit, dass Freunde, Nachbarn und insbesondere auch neue Bekannte schon aus einem oberflächlichen Informationsinteresse heraus oder aus geringfügigen Anlass den Namen des Bf. im Suchfeld einer Suchmaschine eingeben“. 1262  Vgl. BVerfGE 152, 152 (207 ff.) – „Recht auf Vergessen I“, verweist etwa darauf, dass der Betreiber in einer Webseite auf der Basis von Zugangscodes oder durch Anweisungen an die Such­ maschinenbetreiber Bereiche schaffen kann, die von deren Suchprogrammen (den sog. Crawlern) nicht durchsucht werden können; Klass, NJW 2020, S.  272, spricht etwa davon, dass aus einem „notice and take down“-Verfahren ein „notice-and-react“-Verfahren entwickelt wurde; vgl. ferner Kühling, NJW 2020, S.  279. Hierzu werden die Fachgerichte im Einzelfall entscheiden müssen, welche abgestuften Schutzmaßnahmen zumutbar erscheinen; vgl. Sanjutz, NJW 2020, S.  587. 1263  Vgl. BVerfGE 152, 152 (207 ff.) – „Recht auf Vergessen I“; vgl. zu den Möglichkeiten ferner Bergt/Brandi-Dohrn/Heckmann/Wimmers, CR 2014, S.  10; Hilgendorf/Kudlich/Valerius/B. Heinrich, HB Bd.  VI, §  58, Rn.  280; Höch, K&R 2015, S.  633; Sanjutz, NJW 2020, S.  578. 1264 Vgl. Klass, ZUM 2020, S.  276, wonach lediglich der interessierte Archivnutzer in diesen Fällen gleichwohl uneingeschränkten Zugang erhalten soll. 1265  Zugleich kommen in diesen Fällen Ansprüche gegen Suchmaschinenbetreiber selbst in Be­ tracht, wie sie Gegenstand von BVerfGE 152, 216 – „Recht auf Vergessen II“ waren. 1266  Vgl. hierzu die Erwägungen de lege ferenda Kap.  4, B., V. 1267  BVerfG, NJW 2009, S.  350 – „Holzklotz-Fall“; BGH, NJW-RR 2017, S.  33, 35 – „Ermitt­ lungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs“; BGHZ 222, 196 (219) – „Strafverfahrensbegleiten­ de Berichterstattung“; vgl. auch BGH, NJW 2019, S.  1883 – „Strafverfahren gegen Steuerberater“; J. Fischer, MMR 2019, S.  357.

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bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein nega­ tiv qualifiziert.1268 Dementsprechend müsse die Gefahr in den Blick genommen wer­ den, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetze und dass der Eindruck, der Abgebildete sei ein Straftäter, selbst bei einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens nicht be­ seitigt werde.1269 Ob im Einzelfall dem Recht auf Schutz der Persönlichkeit oder dem Informationsinteresse Vorrang gebührt, hänge deshalb unter anderem von dem Ver­ dachtsgrad ab, dem der Beschuldigte ausgesetzt war oder gegebenenfalls noch ist.1270 Insoweit sind hier die Grenzen zu den Grundsätzen einer zulässigen identifizieren­ den Wortberichterstattung fließend,1271 wonach es für den Öffentlichkeitswert einer Information (gleich wie bei den Verdachtsgraden im Strafprozess) auf einen Min­ destbestand an Beweistatsachen ankommen soll, die für den Wahrheitsgehalt der Information sprechen.1272 Dementsprechend muss für die Abwägung auch die Schwere des Tatvorwurfs und die damit verbundenen abträglichen Folgen für das Ansehen oder Persönlichkeitsbild der Person in der Öffentlichkeit eine Rolle spie­ len.1273 Insoweit lassen dieselben Gründe, die das Informationsinteresse begründen, die Gefahr entstehen, dass sich der Beschuldigte im Fall der Bildberichterstattung von dem Vorwurf der besonderen Verwerflichkeit des ihm vorgeworfenen Handelns selbst bei einem Freispruch nur schwer wird befreien können.1274 Deshalb wird die Rechtsprechung in Grenzfällen dazu tendieren, eine Abbildung nur dann als zulässig zu erachten, wenn neben den besonderen Umständen des (schwerwiegenden) Tatvor­ wurfs noch weitere Aspekte vorliegen, die für ein öffentliches Interesse sprechen. Dies soll etwa angenommen werden können, wenn der Angeklagte zum Tatvorwurf öffentlich Stellung bezogen hat1275 oder wenn er – entsprechend den Grundsätzen bei abgeurteilten 1268  BVerfG, NJW 2009, S.  351 – „Holzklotz-Fall“; BGH, NJW-RR 2017, S.  35 – „Ermittlungs­ verfahren wegen sexuellen Missbrauchs“; vgl. ferner BGHZ 190, 52 (60) – „Bildveröffentlichung von Irak-Terroristen“; BGHZ 222, 196 (211) – „Strafverfahrensbegleitende Berichterstattung“; BGH, NJW 2010, S.  2433 – „Zulässige Berichterstattung über Straftat durch Dossier mit Lichtbild in Onlinearchiv“. 1269  BGH, NJW-RR 2017, S.  35 – „Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs“; vgl. bzgl. einer identifizierenden Wortberichterstattung BGHZ 132, 13 (24) – „Pressemäßige Sorgfalt“; BGHZ 199, 237 (247) – „Geldentschädigung wegen Internetveröffentlichung“; BGH, NJW 2019, S.  1883 – „Strafverfahren gegen Steuerberater“. 1270  BGH, NJW-RR 2017, S.  35 – „Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs“. 1271  Vgl. hierzu BVerfG, NJW 2009, S.  352 – „Holzklotz-Fall“, wonach u. a. die Intensität des optischen Eindrucks auch für die Bestimmung der Intensität des Eingriffs in das Persönlichkeits­ recht maßgebend ist; vgl. ferner Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80g. 1272  BGHZ 143, 199 (203) – „Verdachtsberichterstattung“; BGH, NJW 2019, S.  1882 – „Strafver­ fahren gegen Steuerberater“; ferner B. Peters, NJW 1997, S.  1338 f. 1273  BVerfGE 119, 309, (322 f.) – „Gerichtsfernsehen“; BVerfG, NJW 2009, S.  351 f. – „Holz­ klotz-Fall“; BGHZ 132, 13 (24) – „Pressemäßige Sorgfalt“; BGHZ 143, 199 (203) – „Verdachtsbe­ richterstattung“; BGHZ 199, 237 (247) – „Geldentschädigung wegen Internetveröffentlichung“; BGH, NJW 2013, S.  1683 – „Der Kachelmann-Krimi“. 1274  Vgl. BVerfG, NJW 2009, S.  352 – „Holzklotz-Fall“. 1275  Vgl. OLG München, NJW-RR 1996, S.  1489; OLG Köln, NJW 2018, S.  2738; ferner LG

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Straf­­taten – kraft seines Amtes oder seiner Bekanntheit1276 im Blickfeld der Öffentlichkeit steht.1277

Aus dem Bedürfnis der Allgemeinheit, die Effektivität der Strafverfolgung zu hin­ terfragen, erklärt sich wiederum der Umstand, dass sich das öffentliche Interesse regelmäßig nicht allein auf die Beschuldigten und die ihnen zur Last gelegten Taten richten wird. Deshalb sollen auch Abbildungen derjenigen Personen, die – etwa als Mitglieder des Spruchkörpers oder als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, Verteidiger1278 oder sonstige am Verfahren Beteiligte1279 – an der Rechtsfindung im Berlin, NJW-RR 2003, S.  553; vgl. aber auch BVerfG, NJW 2009, S.  2119 – „Beschränkung der Presseberichterstattung durch sitzungspolizeiliche Anordnung“, wonach ein Interview zu einem Zeitpunkt, in welchem die konkreten Tatvorwürfe der Staatsanwaltschaft (Opfer war zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstorben und befand sich im Koma) für eine Stellungnahme in der Öffent­ lichkeit nicht ausreiche, da sich der Angeklagte in diesem Moment der Tragweite des Tatvorwurfs (noch) nicht bewusst sein könne; vgl. ferner KG, NJW-RR 2007, S.  346; zum Kriterium der Selbst­ öffnung vgl. Kap.  3, D., IV. 1276  EGMR, NJW 2012, S.  1060 – „Axel Springer AG/Deutschland“; vgl. zur Bekanntheit be­ reits Kap.  3, D., II., 1., l), und Kap.  3, D., II., 2. 1277  BVerfG, NJW 2009, S.  2119 – „Beschränkung der Presseberichterstattung durch sitzungs­ polizeiliche Anordnung“; BVerfG, NJW 2009, S.  3358 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspieler“; vgl. ferner BVerfG, NJW 2017, S.  1377 – „Kachel­mann“, wonach der Fernsehmoderator Jörg Kachelmann auf öffentlicher Straße vor der Kanzlei seiner Verteidigerin gezeigt werden durfte, allerdings galt dies nicht für eine Abbildung, die ihn im Gespräch mit seiner Verteidigerin im Kanzleiinnenhof zeigte; vgl. hierzu BVerfG, NJW 2017, S.  1378 – „Kachelmann“; vgl. ferner KG, NJW-RR 2007, S.  345, wonach die Abbildung des mutmaßlichen Chefs eines Drogenhändlerrings bei seiner Festnahme zulässig war; das OLG Saar­ brücken, AfP 2017, S.  67, erachtete die (teilweise, da im Übrigen verdeckte) Abbildung des Gesichts eines wegen Vergewaltigung angeklagten Hotelangestellten, dessen 14-jähriges Opfer (Praktikan­ tin) infolge der Tat schwanger geworden war, auch wegen der geringen Erkennbarkeit, für zulässig. 1278  Relativ undurchsichtig ist die Rechtsprechung zur Bildnisveröffentlichung von Rechtsan­ wälten; so ging das LG Berlin, NJW-RR 2007, S.  1270, bei der Bildnisveröffentlichung eines „be­ kannten Promianwalts“ davon aus, dass es sich bei der beruflichen Rechtswahrnehmung des An­ walts für seine prominenten Mandanten selbst dann nicht um ein zeitgeschichtliches Ereignis han­ dele, wenn dieser selbst als Medien- und Presseanwalt gewisse Prominenz genießt; vgl. hingegen OLG Karlsruhe, NJW-RR 2006, S.  987, welches die Abbildung eines Rechtsanwalts während einer staatsanwaltlichen Durchsuchung in den Kanzleiräumen unter §  23 I Nr.  1 KUG subsumiert; der abgebildete Anwalt war allerdings zudem als Vorsitzender einer großen Fraktion des Gemeinderats bekannt und Mitinhaber der durchsuchten Anwaltskanzlei. Man wird also davon ausgehen müssen, dass die Abbildung von Rechtsanwälten bei ihrer anwaltlichen Tätigkeit grundsätzlich unzulässig ist, es sei denn, es sprechen weitere Einzelaspekte für ein überwiegendes öffentliches Interesse; ähnlich bereits OLG Celle, AfP 1984, S.  237; ein Einsatz des SEK soll hingegen grundsätzlich zeit­ geschichtlichen Charakter haben können; vgl. BVerwGE 143, 74 (83) – „Untersagung von Bildauf­ nahmen durch die Presse bei einem Polizeieinsatz“. 1279  Allerdings erscheint diese grundsätzliche Erwägung nach der Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf Veröffentlichungen von Abbildungen Polizeibeamter im Einsatz übertragbar zu sein; siehe OLG Celle, NJW-RR 2001, S.  336 f., wonach ein Allgemeininteresse allenfalls für hochrangi­ ge Beamte geweckt werde und eine Bildveröffentlichung eines Polizisten selbst dann unzulässig sei, wenn diesem „erhebliche Straftaten, die öffentliches Aufsehen erregen“ zur Last gelegt werden und ein Haftbefehl gegen diesen vorliegt; die bloße Ausübung der Amtstätigkeit allein vermag demnach jedenfalls bei Polizisten kaum ein überwiegendes öffentliches Interesse zu begründen; vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1980, S.  1702; a. A. D. Franke, NJW 1981, S.  2035; ferner soll die Abbildung von

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Namen des Volkes mitwirken, grundsätzlich veröffentlicht werden dürfen.1280 Dabei soll allerdings Berücksichtigung finden, dass sich etwa Zeugen1281 oder Opfer1282 in einer für sie ungewohnten und möglicherweise belastenden Situation befinden, in der sie gleichwohl zur Anwesenheit verpflichtet sind.1283 e) Der Informationswert von Bildnissen mit Bezug zu sozialschädlichem Verhalten Auch individuelles Fehlverhalten, das nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit ei­ nem Strafverfahren steht, weil es etwa materiell bereits keinen Straftatbestand erfüllt oder weil jedenfalls kein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde1284 kann einen hin­ reichenden Informationswert aufweisen und somit zum Zeitgeschehen gehören.1285 Polizisten bei einer Versammlung oder Demonstration gegebenenfalls nach §  23 I Nr.  2 KUG zuläs­ sig sein können; vgl. zur Abbilddung von Polizeibeamten Kap.  3, D., III., 1., b). 1280  BVerfGE 103, 44 (69) – „Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal II“, wonach Richter und Staatsanwälte, welche infolge des ihnen übertragenen öffentlichen Amtes im Blickpunkt der Öffent­ lichkeit stehen, nicht in gleicher Weise Anspruch auf Schutz der Persönlichkeit haben sollen wie die Angeklagten oder Zeugen im Strafverfahren; vgl. ferner BVerfGE 119, 309 (323 f.) – „Gerichtsfern­ sehen“, wonach Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälten oder Justizbediensteten am Verfahren Mit­ wirkenden jedenfalls dann ein Anspruch auf Schutz zustehe, wenn die Veröffentlichung von Abbil­ dungen eine erhebliche Belästigung oder eine Gefährdung ihrer Sicherheit durch Übergriffe Dritter bewirken können; BVerfG, NJW 2014, S.  3014 – „Sitzungspolizeiliche Anordnung zur Beschrän­ kung der Presseberichterstattung“. 1281  BVerfG, NJW 2014, S.  3014 – „Sitzungspolizeiliche Anordnung zur Beschränkung der Presseberichterstattung“, wonach für die Abbildungsveröffentlichung von Zeugen und Sachverstän­ digen dann etwas anderes gelten kann, wenn diese sich mit ihren Äußerungen zuvor freiwillig in die Öffentlichkeit begeben haben. 1282  BVerfGE 119, 309 (323) – „Gerichtsfernsehen“; vgl. hierzu auch BGH, NJW 2020, S.  55 – „Erpressung mit Nackt-Fotos“, wonach die Sängerin Lena Meyer-Landrut als Opfer einer Erpres­ sung bzgl. der Veröffentlichung geleakter Nackt-Fotos auch dann bzgl. einer (Wort-)Berichterstat­ tung besonders schutzwürdig erscheint, wenn sie auf ihrem Instagram-Account selbst eine Vielzahl erotischer (Bikini-)Fotos veröffentlichte, die nicht nur für die 1,6 Millionen Abonnenten ihres Ac­ counts, sondern für jedermann einsehbar sind; vgl. ferner KG, AfP 2011, S.  270, wonach Opfer von Sexualstraftaten besonders schutzwürdig erscheinen; ferner LG Münster, NJW-RR 2005, S.  1066; nur in besonders gelagerten (spektakulären) Ausnahmefällen sollen Abbildungen von Opfern zuläs­ sig sein; vgl. hierzu OLG Hamburg, ZUM 2005, S.  169, wonach die Veröffentlichung der Abbildung des (getöteten) Opfers mit Pistole am Hals und dem Täter des (öffentlichkeitswirksamen) „Glad­ becker Geiseldramas“ auch 15 Jahre nach der Straftat noch zulässig war; LG Frankfurt a. M., ZUMRD 2020, S.  87, wonach identifizierende Berichterstattung über das Tatopfer noch zurückhaltender erfolgen müsse als beim Täter; vgl. hierzu auch G. Müller, NJW 2007, S.  1618 f. 1283  Vgl. BVerfGE 119, 309 (322) – „Gerichtsfernsehen“. 1284  Irritierend erscheint diesbezüglich die Formulierung etwa in BVerfG, NJW 2012, S.  1500 – „Fall Ochsenknecht“; OLG Köln, NJW 2018, S.  2737 und OLG Köln, ZUM 2018, S.  797, wonach erst recht von einer geringen Stigmatisierungsgefahr des Betroffenen auszugehen sei, wenn ein staatlicher Strafvorwurf nicht Gegenstand der Berichterstattung ist. Da die Berichterstattung aber nicht selten erst zu einem Ermittlungsverfahren geführt hat, scheint sich diese Floskel nur auf Ver­ haltensweisen mit geringem (Straf-)Unwertgehalt bezogen zu haben, bei denen ein Strafverfahren nicht eingeleitet wurde, weil etwa das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung oder ein Strafan­ trag nicht vorlag. 1285  Das BVerfG, NJW 2006, S.  2835 – „Verkehrsverstoß“, spricht von im Vergleich zu Strafta­ ten „ähnlichen Verfehlungen“; vgl. ferner BGH, GRUR 2020, S.  557 – „Medizintouristen“; zur

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann jede Form einer Beeinträchti­ gung von Rechtsgütern betroffener Bürger oder der Gemeinschaft grundsätzlich dazu geeignet sein, Ideen und Informationen zu Fragen von allgemeinem Interesse zu ver­ mitteln und eine Diskussion hierüber in der Gesellschaft anzustoßen oder eine bereits vorhandene zu bereichern.1286 Hierbei lasse sich die Grenze für das Informationsinte­ resse an der aktuellen Berichterstattung aber nur im Einzelfall bestimmen. Jedenfalls kann sich das öffentliche Interesse bereits aus der Person des Handelnden1287, aber auch aus der Art und dem Umfang der Auswirkungen seines Verhaltens auf gewich­ te Belange der Gesellschaft1288 ergeben. Eine an sich leichte Verfehlung, wie etwa ein nicht allzu schwerer Verkehrsverstoß, soll des­ halb ein überwiegendes öffentliches Interesse nur über das Vorliegen weiterer Gesichtspunk­ te  – wie etwa der Prominenz des Handelnden – begründen können.1289 identifizierenden Wortberichterstattung auch BVerfG, NJW 2012, S.  1500 – „Fall Ochsenknecht“; BGH, NJW 2015, S.  785 – „Innenminister unter Druck“; BGH, NJW 2018, S.  2881 – „Filmaufnah­ men aus Bio-Hühnerställen“. 1286  Vgl. BGH, NJW 2006, S.  599; BGH, Urt. v. 17.12.2019, VI ZR 504/18 = juris. 1287  Entsprechend der Ausführungen zu Straftaten (vgl. Kap.  3, D., II., 3., c)) soll gelten, dass Personen des öffentlichen Interesses tendenziell eher abgebildet werden dürfen; vgl. BVerfG, NJW 2006, S.  2835 – „Verkehrsverstoß“; zuvor BGH, NJW 2006, S.  599 – „Verkehrsverstoß“ und KG, NJW 2004, S.  3637, wonach die kontextneutrale Abbildung von Prinz Ernst August von Hannover im Rahmen eines Berichts über dessen Verkehrsverstoßes (Überschreitung der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit in Frankreich von 130  k m/h um 81  k m/h) nach §  23 I Nr.  1 KUG zulässig war; vgl. auch BVerfG, NJW 2001, S.  1925 – „Prinz Ernst August von Hannover“ bzgl. einer „straf­ baren Gewalttätigkeit“ von Prinz Ernst August gegenüber einem Kameramann; KG, NJW 2011, S.  785, wonach eine handgreifliche Auseinandersetzung eines öffentlich bekannten Paares (Rudi Assauer und Simone Thomalla) auf öffentlicher Straße abgebildet werden durfte; OLG Köln, NJW 2018, S.  2735 und OLG Köln, ZUM 2018, S.  798, wonach es sich bei einer Abbildung von Herbert Grönemeyer, wie er am Flughafen mit einer Tasche zum Schlag gegen einen Fotografen ausholt (das Foto ist abrufbar unter BeckRS 2018, 8274), um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handele, da durch die mit der Handlung einhergehende Überschreitung der Notwehrgrenze die Leitbildfunktion Grönemeyers kontrastiert werde; noch offengelassen von OLG Köln, NJW-RR 2017, S.  1074; zudem sei das Berichterstattungsinteresse vertieft, da sich Grönemeyer unmittelbar nach den Vorkommnissen öffentlich widersprüchlich geäußert hatte; vgl. hierzu die Anm. von ­Wanckel, NJW 2018, S.  2742; vgl. zur Selbstöffnung Kap.  3, D., IV.; nach dem KG, NJW-RR 2007, S.  1196 genügt für die Bejahung von §  23 I Nr.  1 KUG bereits, dass sich ein Prominenter überhaupt  – unabhängig vom Gehalt der konkreten Handlung – gegen Bildaufnahmen zur Wehr gesetzt hat. Freilich musste das KG diese Feststellung anschließend über §  23 II KUG korrigieren. 1288  BGH, GRUR 2020, S.  557 – „Medizintouristen“, wonach zwei in der Öffentlichkeit nicht bekannte Personen in einem Onlinebericht der BILD über deren verwaltungsgerichtliches Verfah­ ren abgebildet werden durften, weil sie Wohnraum in München durch die systematisierte (Unter-) Vermietung an „Medizin-Touristen“ zweckentfremdet hatten, während die Wohnungsnot in Mün­ chen als ein gewichtiger Belang der Gesellschaft eingestuft wurde; OLG Karlsruhe, AfP 2015, S.  55, wonach ein Hobbyfotograf in einem Sendebeitrag „dubiose Internetanzeigen“ – zwar ver­ pixelt aber insgesamt noch erkennbar – abgebildet werden durfte; der Mann hatte sich im Internet als Profifotograf ausgegeben, nach 14–28-jährigen weiblichen Models gesucht und war von einem Lockvogel mit Kamerateam gefilmt worden; LG Frankfurt a. M., GRUR-Prax 2018, S.  82, wonach ein posender Zuschauer im Stadion mit Hooligan-Tattoo im Zusammenhang mit der Berichterstat­ tung über die Gewaltexzesse bei der Fußball-EM abgebildet werden durfte. 1289  Vgl. BVerfG, NJW 2006, S.  2835 – „Verkehrsverstoß“; vgl. in diesem Zusammenhang auch

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f) Zum abgeleiteten Informationswert und der sogenannten Begleiterrechtsprechung Vor der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts1290 waren nach der sog. „Be­ gleiterrechtsprechung“1291 diejenigen Personen, welche eine absolute Person der Zeitgeschichte in der Öffentlichkeit begleiteten, gegebenenfalls in diesen Situationen selbst als relative Personen der Zeitgeschichte einzuordnen und durften deshalb ein­ willigungsfrei abgebildet werden.1292 Dies wurde in Fällen angenommen, in denen ein gewisses Näheverhältnis zwischen der absolut zeitgeschichtlichen Person und der Begleitperson nachgewiesen werden konnte.1293 Allerdings bestanden bereits fort­ währende Unsicherheiten bzgl. der konkreten Anforderungen an diese vertraute Ver­ bindung.1294 Einig war man sich jedenfalls darüber, dass eine Person, die eine enge persönliche Beziehung mit einem Prominenten eingegangen ist und sich dabei den Blicken der Öffentlichkeit1295 ausgesetzt habe, die Verbreitung von Bildern, die beide in der Öffentlichkeit zeigen, grundsätzlich genauso hinnehmen müsse wie der (abso­ lut zeitgeschichtliche) Partner.1296 Dementsprechend sollten Beziehungspartner,1297 OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1990, S.  1439 f., wonach ein Steuerberater, der zerrissene ­Unterlagen in seinen Müllcontainer geworfen und somit gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen hatte, nicht identifizierend abgebildet werden durfte. 1290  Vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 1., a) – i). 1291  OLG Hamburg, GRUR 1990, S.  35; KG, GRUR 2004, S.  1057; LG Hamburg, ZUM 1998, S.  852; später BVerfG, NJW 2001, S.  1921 – „Prinz Ernst August von Hannover“; BGHZ 158, 218 (221 f.) – „Charlotte Casiraghi I“; BGH, NJW 1996, S.  986 – „Kumulationsgedanke“. 1292  Vgl. Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  21; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  42. 1293  Vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 1991, S.  99, wonach das Zusammensein mit einem Prominen­ ten in der Öffentlichkeit allein niemand zur relativen Person der Zeitgeschichte mache, weshalb die Abbildung einer Journalistin, welche sich an einem Tag zusammen mit Boris Becker in der Öffent­ lichkeit aufhielt, nicht unter §  23 I Nr.  1 KUG fiel; OLG Hamburg, AfP 1995, S.  513; vgl. ferner Soehring, NJW 1994, S.  19; Wanckel, Rn.  199, wonach darüber hinaus Fahrer, Bergführer und Leib­ wächter nicht zum Kreise der vertrauten Begleiter zählen. 1294  LG Köln, AfP 1994, S.  165; LG Köln, AfP 1994, S.  168; vgl. ferner OLG Hamburg, AfP 1985, S.  209 und OLG Hamburg, AfP 1993, S.  576. 1295  Vgl. LG Köln, AfP 1994, S.  165, wonach der Beziehungsstatus allein nicht ausreiche, viel­ mehr müsse dieser öffentlich bekannt geworden sein; entsprechend LG Köln, AfP 1994, S.  168, al­ lerdings mit exakt entgegen gesetzem Ergebnis hinsichtlich der Begleiterin von Harald Schmidt; ähnlich LG, Berlin Urt. v. 16.09.2003, Az. 27 O 238/03 (unveröffentlicht), zitiert nach Wanckel, Rn.  196, Fn.  672, wonach Veröffentlichung von Aufnahmen einer unbekannten Frau beim Floh­ marktbummel mit Joschka Fischer nicht zur Begründung von §  23 I Nr.  1 KUG genügen, da diesen rein spekulativen Charakter hätten. 1296  Vgl. OLG Hamburg, AfP 1995, S.  513; KG, NJW 2005, S.  604; war die Beziehung allerdings zwischenzeitlich beendet worden, sollte die Veröffentlichung alter Bilder, welche die Partner zu­ sammen zeigten, nicht mehr ohne weiteres möglich sein; vgl. hierzu OLG Hamburg, AfP 1985, S.  210; OLG Hamburg, AfP 1993, S.  576. 1297  BVerfG, NJW 2001, S.  1923 f. „Prinz Ernst August von Hannover“ (vertrauter Begleiter von Caroline von Monaco); OLG Hamburg, GRUR 1990, S.  35 (vertraute Begleiterin von Roy Black beim Stadtbummel in Hamburg); KG, NJW 2005, S.  603 (Lebenspartnerin von Herbert Grönemeyer in Londoner Straßencafe); LG Köln, AfP 1994, S.  168 (Lebensgefährtin von Harald Schmidt beim Einkaufsbummel in Köln); a. A. noch kurz zuvor LG Köln, AfP 1994, S.  165; OLG Hamburg, AfP 1995, S.  513 (vertraute Begleiterin von Michael Degen); vgl. OLG Hamburg, AfP 1985, S.  209

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aber auch weitere nahe Angehörige1298 den Status eines solchen vertrauten Begleiters innehaben können.1299 Konnte solch ein hinreichendes Näheverhältnis nachgewiesen werden, war ferner unklar, ob sich die Begleitperson auch die Veröffentlichung sol­ cher Bilder gefallen lassen musste, die ausschließlich sie allein zeigten.1300 Nachdem die Hamburger Gerichte dies ablehnten, indem sie das Bildrecht von Prinz Ernst August von Hannover auf solchen Fotos als verletzt ansahen, auf denen er ohne Prinzessin Caroline abgebildet war, erhoben die veröffentlichenden Presseunternehmen gegen die Urteile Verfassungsbeschwerde.1301 Hierzu führte das Bundesverfassungs­ gericht im Jahr 2001 aus, dass die „vertraute Begleitung“ als solche zum zeitge­ schichtlichen Ereignis werde1302 und das öffentliche Interesse an der absolut zeit­ geschichtlichen Person auf die Begleitperson „ausstrahle“.1303 Maßgebend sei hierbei ein abgeleitetes Interesse der Öffentlichkeit, das nicht um der abgebildeten Person willen, sondern wegen des Interesses an der absoluten Person der Zeitgeschichte be­ stehe, das aber auf die Person ausstrahle, von dem jene in der Öffentlichkeit begleitet werde.1304 Die Annahme eines zeitgeschichtlichen Ereignisses durch diesen Aus­ strahlungseffekt1305 hatte also zur Folge, dass die Begleitperson nicht zwingend mit (Lebensgefährtin von Günther Netzer) und OLG Hamburg, AfP 1993, S.  576 (ehemalige Freundin von Boris Becker); vgl. ferner KG, AfP 2013, S.  62 (Ehefrau von Markus Lanz im Rahmen der Hochzeit). 1298  Vgl. BGHZ 158, 218 (221, 225) – „Charlotte Casiraghi I“ und BGH, NJW 1996, S.  986 – „Kumulationsgedanke“, wonach etwa Kinder von absolut zeitgeschichtlichen Personen grundsätz­ lich in den zeitgeschichtlichen „Personenkreis“ einbezogen werden können, wenn diese als Ange­ hörige in der Öffentlichkeit auftreten oder im Pflichtenkreis ihrer Eltern öffentliche Funktionen wahrnehmen; a. A. noch OLG München, AfP 1970, S.  132, wonach Angehörige ausdrücklich nicht umfasst seien; mittlerweile wird die Anwendung der Begleiterrechtsprechung auf Abbildungen von Minderjährigen überwiegend abgelehnt, weshalb die Abbildung der Tochter von Anne Sophie Mutter bei deren Taufe nicht von §  23 I Nr.  1 KUG umfasst war; vgl. OLG München, NJW-RR 1996, S.  95. 1299  Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  42, wonach die Kinder eines bekannten Po­ litikers, die Ehefrau eines Filmstars oder die „ständige Begleiterin“ eines Fußball-Nationalspielers zur Person der Zeitgeschichte werden können. 1300  Verneinend i. E. OLG Hamburg, NJW-RR 1990, S.  1001; ähnlich LG Hamburg, ZUM 1998, S.  858, wonach die konkrete „Begleiter-Situation“ abgebildet werden müsse; so i. E. auch die (unver­ öffentlichten) Urteile des LG und des OLG Hamburg, gegen welche sich anschließend die verurteil­ ten Presseunternehmen mit fünf Verfassungsbeschwerden – von denen vier erfolgreich waren – wehrten; vgl. BVerfG, NJW 2001, S.  1921 – „Prinz Ernst August von Hannover“. 1301  Vgl. BVerfG, NJW 2001, S.  1921 – „Prinz Ernst August von Hannover“; Prinz Ernst August griff vor den Hamburger Gerichten erfolgreich gezielt von mehreren veröffentlichten Fotos nur die­ jenigen Fotos an, auf denen er alleine zu sehen war. Als Begründung führte er an, dass er selbst keine absolute Person der Zeitgeschichte sei und mangels Mitabbildung von Caroline bei den in Frage stehenden Bildern auch nicht zu einer relativen Person der Zeitgeschichte werden könne. 1302  BVerfG, NJW 2001, S.  1923 – „Prinz Ernst August von Hannover“; OLG Hamburg, GRUR 1990, S.  35; LG Hamburg, ZUM 1998, S.  858. 1303  BVerfG, NJW 2001, S.  1923 – „Prinz Ernst August von Hannover“. 1304  BVerfG, NJW 2001, S.  1923 – „Prinz Ernst August von Hannover“; KG, GRUR 2004, S.  1057. 1305  Genaugenommen erscheint bereits die Begriffsverwendung der „Ausstrahlung“ in diesem Zusammenhang irritierend, da das Interesse nicht von der absoluten Person der Zeitgeschichte aus­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

der absolut zeitgeschichtlichen Person abgebildet werden musste.1306 Verfassungs­ rechtlich sei nicht nachvollziehbar, weshalb ein Persönlichkeitsrechtsverstoß allein darin liegen sollte, dass die Begleitperson in einer Begleitsituation – also bei einem zeitgeschichtlichen Ereignis – allein abgebildet wird.1307 Da sich die Begleitperson also ohnehin auf einem zeitgeschichtlichen Event befinde, sei nicht ersichtlich, in­ wiefern der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (am eigenen Bild) dadurch verringert würde, dass die Begleitperson in derselben Situation zusammen mit der absolut zeit­ geschichtlichen Person abgebildet würde.1308 Vor dem Hintergrund dieser Argumen­ tation erschließt sich schließlich die weitere Erwägung, dass es insoweit keinen Un­ terschied mehr machen könne, ob die Begleitperson beim konkreten Ereignis vor Ort abgebildet wird, oder ob dies durch eine kontextneutrale Abbildung geschieht. Wenn die Berichterstattung insgesamt1309 von einem Ereignis aus dem Bereich der Zeitge­ schichte handelt und die betroffene Person wegen der Teilnahme hieran grundsätz­ lich (allein) abgebildet werden darf, werde auch kein Mehr an Persönlichkeitsrechts­ verletzung damit einhergehen, wenn eine neutrale Abbildung anstatt einer Abbil­ dung vor Ort verwendet wird.1310 aa) Zum Fortbestand der Begleiterrechtsprechung unter dem abgestuften Schutzkonzept Wegen der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts – und der hiermit einher­ gehenden Abkehr von der Figur der (absoluten und relativen) Person der Zeitge­ schichte1311 – wird mittlerweile allerdings auch die „Begleiterrechtsprechung“ von geht sondern an dieser besteht. Treffender wäre insofern gewesen, von einer Ab- oder Überstrah­ lung zu sprechen. 1306  Vgl. hierzu auch die Annahme in BVerfG, NJW 2001, S.  1923 – „Prinz Ernst August von Hannover“, wonach nicht nur Bildnisse von der Begleitperson verbreitet werden durften, wenn die­ se zusammen mit dem betreffenden Partner in der Öffentlichkeit auftritt, sondern auch „wenn sie mit ihm zusammen oder an seiner statt öffentlich repräsentiert“. Wenn die Repräsentation anstatt der absolut zeitgeschichtlichen Person mitumfasst sein soll, erscheint es widersprüchlich, deren Anwesenheit (auf dem Bild oder dem betreffenden Ereignis) zu fordern. Ausstrahlung sollte mithin nicht räumlich verstanden werden; vgl. auch Kadner, S.  123. 1307  BVerfG, NJW 2001, S.  1923 f. – „Prinz Ernst August von Hannover“. 1308  Vgl. BVerfG, NJW 2001, S.  1294 – „Prinz Ernst August von Hannover“. Umgekehrt spreche nichts dafür, dass das Persönlichkeitsrecht bei einer alleinigen Abbildung anders betroffen und da­ mit stärker beeinträchtigt werde als bei einer Abbildung zusammen mit Prinzessin Caroline. Diese Argumentation kann aber jedenfalls nicht mehr bei privaten Veranstaltungen zum Tragen kommen, da es dann am Herantreten an die Öffentlichkeit im Sinne eines „Selbstöffnungsmoments“ der abge­ bildeten Person fehlt. 1309  Vgl. zum Kontext des Veröffentlichungstextes Kap.  3, D., II., 3., m). 1310  Vgl. BVerfGE 120, 180 (206) – „Caroline von Monaco III“; BVerfG, NJW 2001, S.  1924 f.  – „Prinz Ernst August von Hannover“. Hierdurch könnten sogar Anlässe der Presse verringert wer­ den, über berichtsfähige Ereignisse wegen des Medienwettbewerbs und des Visualisierungsdrucks ständig neue Fotos zu erstellen. Dass sich dieser Effekt aber allein aufgrund der Nachfrage an visua­ lisierten Darstellungen (vgl. hierzu Einführung, B.) vermutlich nicht einstellen wird, hat das BVerfG zumindest vorsichtig anklingen lassen. 1311  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., i) und j).

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der überwiegenden Literatur als überholt eingestuft.1312 Auch die Rechtsprechung scheint sich vom Gedanken, dass die Begleitung einer bekannten Person an sich als zeitgeschichtliches Ereignis eingestuft werden kann, überwiegend gelöst zu ha­ ben.1313 Dies ist im Ergebnis auf Grundlage der hier vertretenen Ansicht zwar zu begrüßen, gleichwohl erscheint es in Anbetracht des fortwährenden Rückgriffs auf den Bekanntheitsgrad einer Person als Abgrenzungskriterium nicht konsequent.1314 Grundsätzlich können einwilligungsfreie Abbildungen von Begleitern bekannter Personen jedenfalls über den Zusammenhang mit einem gesellschaftlichen oder kul­ turellen Ereignis weiterhin begründet werden.1315 bb) Zum abgeleiteten Informationswert aus anderen Personen Der Ableitung eines Informationswerts aus einer anderen Person liegt der Gedanke zugrunde, dass die betroffene Person ein öffentliches Interesse bedienen soll, welches nicht an ihr selbst, sondern auch an einer anderen – der begleiteten – Person besteht. Eine persönliche Nähebeziehung soll sie also gewissermaßen mitunter zum Bestand­ teil des Persönlichkeitsbilds einer anderen Person machen: Aus dem Abbild des Be­ gleiters soll die Öffentlichkeit also Rückschlüsse auf die begleitete zeitgeschichtliche Person (des öffentlichen Interesses) ziehen können und dürfen. Dem kann nicht ge­ folgt werden, da hierdurch das Recht am eigenen Bild der abgebildeten Person nicht ausreichend beachtet wird: Die Ausführungen zum Wesen und der Wirkungsweise von Personendarstellun­ gen bestätigen zunächst die Annahme, dass das Interesse der Allgemeinheit an Per­ 1312  Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  21; Soehring/Hoene, §, Rn.  21.7; Wanckel, Rn.  199; a. A. anscheinend HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  59, der allerdings selbst davon ausgeht, dass die vertraute Begleitung eines Prominenten nicht mehr als zeitgeschichtliches Ereignis angesehen werden kann. 1313  Vgl. BGH, NJW 2007, S.  3443 – „Grönemeyer“, wonach die Begleitung von Herbert Grönemeyer beim Kaffeetrinken im Romurlaub nunmehr kein zeitgeschichtliches Ereignis darstellen soll, während das KG, NJW 2005, S.  604 f. ein vergleichbares Szenario in einem Londoner Straßencafé noch anders bewertet hatte; vage erscheint hingegen die Feststellung in BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“, wonach ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne eines gesell­ schaftlichen Events neben der Anwesenheit der betreffenden Personen „auch ihr gemeinsames Er­ scheinen beinhalte“, worauf sich auch HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  59 beruft. Zumindest sagt diese Feststellung aber nichts über die Einordnung eines isolierten „gemeinsamen Erscheinens“ fernab eines öffentlichen Events aus und würde jedenfalls auch nach dieser Entschei­ dung vom öffentlichen Interesse an der Veranstaltung, an der das Paar zusammen teilgenommen hat, überlagert werden; hierfür sprechen auch die Erwägungen in BGH, NJW 2015, S.  2501 – „Strandliege am Ballermann“, wonach Begleitpersonen nicht weiter geschützt werden sollen, als zufällig mitfotografierte Personen. 1314  Die Abkehr von der Einstufung einer Person als absolut oder relativ zeitgeschichtlich hat mit der Einstufung einer Begleitsituation als zeitgeschichtliches Ereignis grundsätzlich nichts zu tun; vgl. auch sogleich Kap.  3, D., II., 3., f), bb). 1315  Vgl. BGH, NJW 2015, S.  2500 f. – „Strandliege am Ballermann“; vgl. ferner Wandtke/Bul­ linger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  21; vgl. zu kulturellen und gesellschaftlichen Ereignissen Kap.  3, D., II., 3., c).

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sonendarstellungen insbesondere deshalb besteht, um Rückschlüsse auf die Persön­ lichkeit des Abgebildeten zu ermöglichen.1316 Hierfür erscheint die Abbildung der Person des öffentlichen Interesses besonders geeignet, da diese ihre Persönlichkeits­ merkmale durch ihr Abbild unmittelbar selbst nach außen kommuniziert. Dabei ist das Bilden von Rückschlüssen auf die Persönlichkeit einer Person freilich nicht auf die Interpretation gerade ihrer Personenabbildung beschränkt. Grundsätzlich sind auch sonstige – außerhalb der Person liegende – Abbildungsgegenstände dazu geeig­ net, Rückschlüsse auf eine Person – wie etwa deren persönliche Vorlieben – zuzulas­ sen, sofern diese in irgendeinem Zusammenhang mit dem Abbildungsgegenstand gebracht werden kann. Deshalb erscheint es nachvollziehbar, dass auch die Abbil­ dung eines Menschen dazu geeignet ist, Rückschlüsse auf die Persönlichkeit einer anderen Person zuzulassen, mit der sie in Verbindung gebracht werden kann. Anders als bei sonstigen Abbildungsgegenständen muss sich das öffentliche Interesse bei der Abbildung einer Begleitperson in erster Linie – als notwendiges Zwischenstadium  – auf einen Menschen beziehen, nämlich die Begleitperson. Dieser kommuniziert durch die Abbildung seines äußeren Erscheinungsbilds, wie gezeigt,1317 aber nur sei­ ne eigenen Persönlichkeitsmerkmale. Die Kommunikation fremder Persönlichkeits­ merkmale findet mithin nicht unmittelbar statt. Erst wenn die Öffentlichkeit die ei­ gens durch den Abgebildeten kommunizierten Persönlichkeitsmerkmale wahrge­ nommen hat, kann sie anschließend durch ihre Interpretationsleistung gegebenenfalls Rückschlüsse auf diejenige (andere) Person ziehen, an der das öffentliche Interesse besteht. Diese Informationen erscheinen also im Hinblick auf die Person des öffent­ lichen Interesses sehr vage. Denn sie entspringen einer anderen Person und unterlie­ gen zudem als Merkmale eines Personenabbilds – anders als etwa die Abbildung und Interpretation von körperlichen Gegenständen1318 – einem selbstständigen, vorge­ schalteten Kommunikationsprozess zwischen Abgebildetem und Betrachter im Sin­ ne eines Sender- und Empfängerverhältnisses1319, was mit weiteren Unsicherheiten verbunden ist.1320 Das öffentliche Interesse an einem Bildnis des Begleiters müsste 1316 

Vgl. Kap.  1, A., II., 1., und 2. Vgl. Kap.  1, A., II., 2. 1318  Da ein unmittelbarer Kommunikationsprozess beim Betrachten eines körperlichen Gegen­ stands ausbleibt, könnte man in diesen Fällen eher davon ausgehen, das Interesse an einer Person umfasse auch direkt die bildhafte Darstellung eines Gegenstands und kann in diesem Sinne abge­ leitet sein. 1319  Vgl. hierzu Kap.  1, A., II., 1. 1320  Vgl. zur Verifikation kommunizierter Persönlichkeitsmerkmale durch Bilder Kap.  1, A., II., 1., c); angesichts dieser Unsicherheit der gewonnen Informationen könnte also bereits zweifelhaft sein, ob das pauschale Herleiten fremder Persönlichkeitsmerkmale aus Personen überhaupt dazu geeignet ist, die Meinungsbildung zu Fragen des allgemeinen Interesses zu fördern. Aufgrund der skizzierten Unwägbarkeiten erscheint bereits fragwürdig, ob in einem solchen Fall die einheitlich interpretierte Information als solche überhaupt besteht, jedenfalls könnte diese nicht mehr ohne weiteres mit dem Wahrheitsgehalt (vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., m), bb)) der tatsächlich vermittelten Bildinformation in Einklang zu bringen sein. Insoweit könnte also tatsächlich nur „Neugier und Sensationslust“ vorliegen. 1317 

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sich also auch nach der Begleiterrechtsprechung zwangsläufig (erst) an der abgebil­ deten Person selbst festmachen und kann nicht von einer Person auf eine andere ab­ geleitet werden oder diese überlagern. Widersprüchlich erscheint in diesem Zusam­ menhang umso mehr die zusätzliche Erwägung, die Begleitsituation als solche werde zum zeitgeschichtlichen Ereignis, denn dann müsste die Begleitperson aufgrund und im Zusammenhang ihrer (zwangsläufigen) Teilnahme an diesem Ereignis abgebildet werden dürfen. Geht man aber im selben Zug von einem abgeleiteten öffentlichen Interesse aus, müsste dieses von der ableitenden Person und nicht von einem Ereignis ausgehen. Ob die Rechtsprechung durch die Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts gänzlich von der Erwägung abweichen wird, dass die Begleitung einer Person des öffentlichen Interesses selbst ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellen kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ging sie hiervon nicht mehr in (privaten) Urlaubssituationen aus. Der bloße Umstand, dass von der Einordnung absoluter und relativer Personen der Zeitgeschichte Abstand genommen wurde, spricht hiergegen jedenfalls nicht ohne weiteres. Danach wäre es nur konsequent anzunehmen, dass sich eine vertraute Begleitperson ihre Abbildung weiterhin gefallen lassen muss, wenn sie sich in der Öffentlichkeit in einer nicht privaten (Urlaubs-)Situation – fernab eines gesellschaft­ lich-kulturellen Ereignisses – zusammen mit ihrem Partner bewegt.1321 Zudem könn­ te nach wie vor die „vertraute Begleitung“ eines Politikers als zeitgeschicht­liches Ereignis eingestuft werden.1322 Hierfür spricht auch, dass jedenfalls die früheren Erwägungen zu relativen Personen der Zeitgeschichte weiterhin auf Personen des öffentlichen Interesses übertragbar sein sollen.1323 Dies ist allerdings bereits auf­ grund der oben genannten Erwägungen abzulehnen.1324 Insbesondere würde durch die Annahme eines zeitgeschichtlichen Ereignisses anhand der vertrauten Beglei­ tung der Widerspruch bestehen, dass einerseits durch Einführung des abgestuften Schutzkonzepts die Privatheit im Sinne des Art.  8 EMRK der abgebildeten Person gestärkt werden sollte1325, gleichzeitig aber gerade die privaten Belange wie allen voran die Beziehung zu einer anderen Person zu geringerem Persönlichkeitsschutz 1321  Vgl. etwa BVerfGE 120, 180 (205) – „Caroline von Monaco III“, wonach der Schutzbereich der Presse auch „unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagseben von Prominenten und ihres sozialen Umfelds, insbesondere der ihnen nahestehenden Personen“ umfasse; vgl. ferner ­Tofall, AfP 2014, S.  403. 1322  Für eine solche Ableitung könnte möglicherweise auch sprechen, dass der BGH und das BVerfG die Erkrankung des regierenden Fürsten von Monaco (und nicht etwa die Trauer von seiner Tochter) zur Begründung herangezogen hat, die Tochter Caroline im Urlaub abzubilden, zumal gar keine Begleitsituation vorlag. 1323  Soehring/Hoene, §  21, Rn.  3a; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  11; Wandtke/Ohst/ Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  82; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap 8 Rn.  33. Eine vollständige Abkehr von der Begleiterrechtsprechung brächte insoweit auch eine gewisse Bestätigung der hier vertretenen Ansicht mit sich, wonach der Bekanntheitsgrad einer Person keine maßgebliche Rolle für das Recht am eigenen Bild spielt; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1. 1324  Vgl. hierzu oben Kap.  3, D., II., 2. 1325  Vgl. hierzu oben Kap.  3, D., II., 1., h).

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führen würde.1326 Genauso wenig wie die Aura einer (bekannten) Person ein kultu­ relles oder gesellschaftliches Ereignis zur Zeitgeschichte werden lässt, kann auch die vertraute Begleitung einer (bekannten) Person des öffentlichen Interesses nicht allein deshalb zum zeitgeschichtlichen Ereignis werden. Offensichtlich führt diese Be­ trachtungsweise zudem faktisch zu einem Hemmnis, mit einer Person des öffent­ lichen Interesses eine Nähebeziehung einzugehen und benachteiligt diejenigen Per­ sonen, bei denen entsprechende Verbindungen durch den familiären Kontext ohne­ hin bereits vorliegen. Umgekehrt hemmt sie die Person des öffentlichen Interesses bei der Persönlichkeitsentfaltung, da sie diese unter das Druckmoment setzt, andere Personen nicht mit abgeleitetem öffentlichem Interesse zu „kontaminieren“. Die Ab­ leitung des Informationswerts aus anderen Personen kann demzufolge nicht pau­ schal das Recht am eigenen Bild der abgebildeten Person überwiegen, sondern wird vielmehr regelmäßig hinter dieses zurückzutreten haben. g) Der Informationswert von Bildnissen mit Kunst- und Satirebezug Äußerst undurchsichtig erscheint die Rechtslage hinsichtlich einer Bildnisveröffent­ lichung, wenn das (äußere Erscheinungs-)Bild einer Person Teil eines (Gesamt-) Kunstwerkes sein soll. Beispielsweise können heutzutage mit einer handelsüblichen App ohne nähere Fachkenntnis des Nutzers in Sekundenschnelle eindrucksvolle Musik-, Tanz- oder sonstige Unterhaltungs­ videos durch ein Smartphone generiert werden, wozu vor nicht allzu langer Zeit aufwändige Bildbearbeitungskenntnisse notwendig waren.1327 Ähnliches gilt für nutzerfreundliche Filter­ bearbeitungen von Bildern durch Bearbeitungsapps.

Diese Unsicherheit resultiert aus einer Gemengelage verschiedener, sich gegenseitig überlagernder Fragestellungen, deren Lösungsansätze sich noch heute teilweise er­ heblich voneinander unterscheiden. Umso wichtiger erscheint es, die eingangs ­erwähnte Entwicklungsoffenheit gesellschaftlicher Wertevorstellungen und insbe­ sondere den zeitlichen Kontext eines jeden Lösungsansatzes zur Konturierung des Rechts am eigenen Bild im Kunstbereich nicht aus den Augen zu verlieren. Beispiels­ weise hielt es der Gesetzgeber von 1907 noch nicht einmal für möglich, dass fotogra­ fische Bildnisse generell einem „höheren Interesse der Kunst“ dienen können1328, 1326  Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80d, ist deshalb im vollen Umfang beizu­ pflichten, wenn dieser kritisiert, dass (eheliche) Liebesbeziehungen als Teil der Privatsphäre beson­ ders schutzwürdig sind; vgl. hierzu ferner BGH, NJW 2009, S.  1502 – „Unzulässige Bildveröffent­ lichung über neue Liebesbeziehung von Sabine Christiansen“; BGH, NJW 2012, S.  764 – „Die In­ ka-Story“; BGH, NJW-RR 2017, S.  1517 – „Tim B.“; OLG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  84. 1327  Im August 2021 ist etwa die App des chinesischen Konzerns TikTok die am meisten herun­ tergeladene App der Welt. Mit ihr können User kurze Videos aufgenommen und auf Wunsch mit bekannten Liedern, visuellen Effekten, Texten oder Filmszenen kombiniert oder unterlegt werden. Viele Nutzer erstellen über die App Videos, in denen sie tanzen oder ihre Lippen synchron zu aktu­ ell bekannten Liedern/Szenen bewegen; vgl. https://www.itmagazine.ch/artikel/75229/Tiktok_ist_ die_weltweit_am_haeufigsten_heruntergeladene_App.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 1328  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­

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während das Bundesverfassungsgericht heute die (sogar heimlich erfolgende) Stra­ ßenfotografie unter Geltung des Grundgesetzes unproblematisch als Kunst be­ greift.1329 Vor diesem Hintergrund lässt sich der schnelle Rückschluss kaum vermei­ den, dass heutzutage womöglich nahezu jeder Smartphone-Schnappschuss – spätes­ tens infolge einer entsprechenden, „kunstvollen“ Filter-Bearbeitung – als Kunst ein gewichtiges öffentliches Interesse bedienen kann und deshalb möglicherweise ein­ willigungsfrei veröffentlicht werden darf. Am Anfang steht deshalb notwendigerwei­ se die Frage, wann überhaupt von Kunst im Zusammenhang mit einer Personendar­ stellung gesprochen werden kann. Allein dieser Ausgangspunkt verdeutlicht wiede­ rum die Komplexität des Unterfangens, das Recht am eigenen Bild im Zusammenhang mit künstlerischen Darstellungen hinreichend zu konturieren, da es bereits eine sub­ sumtionsfähige, allgemein anerkannte und einheitliche Begriffsbestimmung von Kunst nicht gibt.1330 Nach vielzähligen Bestimmungsversuchen des verfassungsmäßigen Kunstbegriffs in Art.  5 III S.  1 Alt.  1 GG durch Literatur, Fachgerichte1331 und die frühe verfas­ sungsrichterliche Rechtsprechung1332 ist letztere dazu übergegangen, sich unter ei­ tenstück Nr.  30, S.  1540 f.; darüber hinaus war bereits in der Gesetzgebungsphase nicht klar, was genau unter einem höheren Interesse der Kunst verstanden werden sollte; vgl. hierzu ausdrücklich Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Aktenstück Nr.  448, S.  4684 (Bericht der zehnten Kommission). 1329  BVerfG, NJW 2018, S.  1744 – „Neue Sicht auf Charlottenburg“; vgl. Hildebrand, ZUM-RD 2018, S.  586; a. A. Wandtke/Ohst/Renner, §  6, Rn.  130, der die Anwendbarkeit von §  23 I Nr.  4 KUG auf Fotografien mit Verweis auf den gesetzgeberischen Willen verneint. 1330  Götting, FS Raue 2006, S.  429 f.; Seitz, ZUM 2016, S.  818: „Was Kunst ist, weiß niemand“; vgl. ferner Kulczak, S.  50, wonach es sich bei der Kunst um einen „von Dynamik und Unabgeschlos­ senheit geprägten Lebensbereich handelt, der sich seiner Natur nach jeder Grenzziehung bewußt entzieht“. 1331  Infolge des Postulats, dass eine (aufoktroyierende) Kunstbestimmung nicht durch den Staat erfolgen dürfe, bewegte sich die Diskussion bereits früh auf die Frage zu, wem die Definitionskom­ petenz von Kunst zukommen soll. Für eine Drittanerkennung im Sinne eines Sachverständigengut­ achtens: BVerwGE 25, 318 (327) – „Jugendgefährdung“; Mosel, UFITA 1967, S.  620; von Noorden, S.  90 f.; teilweise wird allein auf das Selbstverständnis des Künstlers abgestellt: OLG Stuttgart, JZ 1988, S.  1135 f.; vermittelnd Ipsen, Rn.  507; vgl. auch Ladeur/Gostomzyk, NJW 2005, S.  566; für den objektiven (laienhaften) Empfängerhorizont: BVerwGE 23, 104 (111) – „Kunstbegriff“; BGH, GA 1961, S.  241; krit. Sachs/Bethge, Art.  5 GG, Rn.  185; Kulczak, S.  65; vgl. hierzu insgesamt ­Fallert, GRUR 2014, S.  719 ff. und Lindner, S.  89 ff. m. w. N. Gleichwohl legt die positive Normie­ rung der Kunstfreiheit in Art.  5 III S.  1 Alt.  1 GG nahe, dass diese – jedenfalls in Abgrenzung zur „Nicht-Kunst“ – bestimmt werden können muss; vgl. BVerfGE 75, 369 (377) – „Strauß-Karikatur“; ferner Götting, in: FS Raue 2006, S.  428. 1332  Materialer Kunstbegriff: BVerfGE 30, 173 (188 f.) – „Mephisto“, worin das BVerfG eine materiale, wertbezogene Umschreibung des Kunstbegriffs gewählt hat: „Das Wesentliche ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“; offener Kunstbegriff: vgl. BVerfGE 67, 213 (226) – „Anachronistischer Zug“, in welcher der entscheidende Senat „das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin sieht, dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich praktisch eine uner­ schöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt“; formaler Kunstbegriff: BVerfGE 119, 1

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nem resignierenden Verweis nicht mehr auf eine konkrete Bestimmung festzu­ legen.1333 Diese flexible Vorgehensweise ermöglicht es der Rechtsprechung, dem Einzelfall besser Rechnung zu tragen, indem selektiv auf vielfältige Anknüpfungs­ punkte zur Eröffnung des Schutzbereichs zurückgegriffen werden kann ohne sich dabei mit den Unzulänglichkeiten einzelner Bestimmungsansätze1334 im konkreten Szenario auseinandersetzen zu müssen.1335 In Zweifelsfällen empfiehlt es sich somit, dem Kunstbegriff unter Zuhilfenahme der verschiedenen Ansätze1336 tendenziell ein weites Verständnis zugrunde zu legen. Dieser Trend äußert sich auch in den jüngeren Fällen der Rechtsprechung zu Bildnisveröffentlichungen dergestalt, dass diese die Eröffnung des Schutzbereiches der Kunstfreiheit selbst bei bereits relativ geringen Anzeichen kreativer Betätigung des sich hierauf berufenden Abbildenden (hilfs­ weise) unterstellt, um anschließend den Schwerpunkt auf die betroffenen persönlich­ keitsrechtlichen Aspekte – und damit die Grenzen der Kunstfreiheit – zu legen.1337 (20) – „Roman Esra“; BVerfGE 142, 74 (103 f.) – „Sampling“, wonach das Wesentliche eines Kunst­ werks darin erblickt wird, dass „bei formaler, typologischer Betrachtung die Gattungsanforderun­ gen eines bestimmten Werktyps erfüllt sind“, womit der Senat „nur an die Tätigkeit und die Ergeb­ nisse etwa des Malens, Bildhauens, Dichtens [etc.] anknüpft“; vgl. auch bereits BVerfGE 67, 213 (225 f.) – „Anachronistischer Zug“. 1333  BVerfGE 67, 213 (225) – „Anachronistischer Zug“: „Unmöglichkeit […] Kunst generell zu definieren“; so auch BVerfGE 75, 369 (377) – „Strauß-Karikatur“; BVerfGE 119, 1 (20) – „Roman Esra“: „Schwierigkeit […] Kunst abschließend zu definieren“; so auch BVerfG, NJW 2018, S.  1744  – „Neue Sicht auf Charlottenburg“; BVerfG, NJW 2019, S.  1278 – „Märchenbilder“; vgl. auch BVerfG, NJW 2005, S.  3271 – „Satirische Fotomontage“. 1334  Vgl. hierzu Gounalakis, NJW 1995, S.  811; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck/Paulus, Art.  5 GG, Rn.  424–426. 1335  Diese Vorgehensweise ist nicht unumstritten; vgl. hierzu etwa Götting, in: FS Raue 2006, S.  428, der ein Hangeln von Einzelfall zu Einzelfall beklagt, ohne dass eine übergreifende Dogma­ tik erkennbar werde; Foth, JR 1998, S.  388 (Anm. zu BayOLG v. 18.02.1998 – 5 St RR 117/97) unter Verweis auf den Bestimmtheitsgrundsatz. 1336  v. Mangoldt und Klein vertreten etwa die Auffassung, Kunst stamme von „Können“ ab, weshalb Kunst im engeren Sinne mit dem Innehaben einer Fertigkeit im bildenden und musischen Bereich gleichzusetzen sei, zitiert nach von Noorden, S.  58 f.; Locher, UFITA 1970, S.  131 be­ schreibt Kunst als Betätigung, „die darauf gerichtet ist, mit Phantasie einen geistig-seelischen In­ halt, innere Erregung oder ein Erzeugnis des Spieltriebs formal zu gestalten und eigenwillig darzu­ stellen“; weitere Ansätze bei Lindner, S.  89 ff. Gleichwohl soll eine Niveau-Kontrolle im Sinne einer Differenzierung zwischen „höherer“ und „niederer“, „guter“ und „schlechter“ Kunst nicht stattfin­ den; vgl. BVerfGE 75, 369 (377) – „Strauß-Karikatur“, weil dies auf eine „verfassungsrechtlich unstatthafte Inhaltskontrolle“ hinauslaufe. Bildnisse müssen auch keinen Werkcharakter im Sinne des Urheberrechtsgesetzes haben; so Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  132. 1337  Vgl. BVerfG, NJW 2018, S.  1744 f. – „Neue Sicht auf Charlottenburg“; zuvor LG Berlin, ZUM 2014, S.  732 und KG, ZUM 2016, S.  383, wonach die Veröffentlichung einer heimlich herge­ stellte Momentfotografie einer Frau beim Überqueren der Straße als künstlerische Street-Photo­ graphy in den Schutzbereich des Art.  5 III GG fallen kann; OLG, Hamburg, MMR 2004, S.  413, wonach die Darstellung Oliver Kahns im Computerspiel „FIFA Fußballweltmeisterschaft 2002“ der Kunstfreiheit unterfalle; vgl. hierzu auch Barath, S.  144; so auch LG Frankfurt, SpuRt 2009, S.  210, für die Darstellung von Personen in den Spielen „Pro Evolution Soccer 5“ und „Pro Evolution Soccer Management“; vgl. hierzu auch LG München I, NJW-RR 2002, S.  690, zu einem Browser­ game, welches die Affäre von Boris Becker und Anna Ermakova nachstellte; OLG Celle, ZUM 2011, S.  345; LG Berlin, ZUM-RD 2014, S.  107, zur Veröffentlichung von Aufnahmen und Merchandising­

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Die Ablehnung der Schutzbereichseröffnung von Art.  5 III GG bei Bildnisveröffent­ lichungen etwa aufgrund geringer Schöpfungshöhe oder wenn die Veröffentlichung nicht primär künstlerischen Zwecken dient, stellt sich somit nach und nach als die Ausnahme der fachgerichtlichen Praxis dar.1338 Die Rechtsprechung hat für die Zuordnung einer Personenabbildung zum Begriff der Kunst somit mehrere Anknüpfungspunkte. Zum einen kann bereits der Herstel­ lungsprozess des Bildnisses – zu dem auch die Vorbereitung zählt1339 – als kreativer Schaffensprozess und somit als Teil des künstlerischen Werkbereichs begriffen wer­ den.1340 Mit anderen Worten muss man der Personenabbildung nicht zwangsläufig die Kunst als solche ansehen, um sie als Kunstwerk einordnen zu können. Dieser Aspekt gewinnt dann an Bedeutung, wenn (fiktive) fotorealistische Personenabbil­ dungen geschaffen werden, deren Motiv wenig Interpretationsspielraum für Kunst zulässt.1341 Ferner kann die Veröffentlichung einer Personenabbildung als solche – wenn diese in besonderer Art und Weise geschieht – oder im Zusammenspiel mit der Herstel­ lungshandlung – etwa bei einem Straßenportrait oder einem Livestream im Sinne eines Happenings – als Vermittlung von Kunst dem sog. künstlerischen Wirkbereich unterfallen.1342 Somit steht auch fest, dass Kunst bei einer Bildnisveröffentlichung artikeln, welche einen Besucher der Love Parade zeigen, der durch sein extrovertiertes Auftreten Kultstatus im Internet unter dem Namen „Techno-Viking“ erlangt hatte, u. a. bei Vorträgen und Medienkunstveranstaltungen; LG Frankfurt a. M., ZUM 2017, S.  775, zur Veröffentlichung digitaler Paintings im Internet; LG Hamburg, NJW-RR 2017, S.  1392 f., zur Abbildung eines Kindes im Rah­ men einer Kunstaustellung; vgl. auch BerlVerfGH, NJW-RR 2007, S.  1686, bzgl. eines Plakats zu polizeilichen Fahndungszwecken mit dem Bildnis eines Polizeibeamten; abweichend noch BVerfG, NJW 2002, S.  3767 – „Bonnbons“, wonach der Schutzbereich der Kunstfreiheit bei der Darstellung einer Privatperson im Gespräch mit dem ehemaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel im Rah­ men einer satirischen Bilderfolge mit beigefügten Sprechblasen im „Stern“ nicht eröffnet sei. Dabei hatte sich der Beschwerdeführer aber auch nicht auf die Kunstfreiheit berufen. 1338  So aber OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2013, S.  590, welches die Eröffnung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit beim Erstellen und Vertrieb eines Pop-Art-Gemäldes eines bekannten Golfspie­ lers verneint hat, weil zum einen wirtschaftliche Interessen den künstlerischen Zweck überwiegen würden und zum anderen ein „gewisser künstlerischer Gehalt“ bei einer bloßen Verfremdung eines Bildnisses im Pop-Art-Stil nicht vorliege; vgl. hierzu die (berechtigte) Kritik von Kirchberg, GRUR-Prax 2013, S.  384; das LG Berlin, ZUM-RD 2009, S.  277 verneint einen künstlerischen Zweck bereits, wenn „jedenfalls auch“ ein kommerzieller Zweck verfolgt wird; vgl. in diesem Sinne auch OLG Hamburg, AfP 1993, S.  577 bzgl. einer „Art (Personen-)Kultfilm“ über Boris Becker; hiergegen spricht bereits, dass jeder Künstler auch auf die Verwertung seiner Kunst angewiesen ist; vgl. OLG München, ZUM 1997, S.  391; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  102. 1339 Vgl. von Arnauld, in: HStR VII, §  167, Rn.  45; Dreier/Wittreck, Art.  5 III GG, Rn.  46. 1340  Sachs/Bethge, Art.  5 GG, Rn.  188, fordert in diesem Zusammenhang aber zumindest eine Art Rezeptionsmöglichkeit des Schaffensprozesses: „Kunst ist nie allein nur machtgeschützte In­ nerlichkeit“; vgl. auch Schmitt Glaeser, HStR III, §  38, Rn.  24, wonach Kunst (auch) Kommunika­ tion sei. Liegt aber einmal ein (beobachtbares) Personenbildnis vor, ist dies unzweifelhaft gegeben; vgl. hierzu die Ausführungen zur nonverbalen Kommunikation durch ein Bildnis Kap.  1, A., II., 1. 1341  Vgl. Kap.  1, A., II., 1., c), zur Verifikation; zur Entstehung des Bildnisses im kunsthistori­ schen Kontext Kap.  1, B., III., 5. 1342  Vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck/Paulus, Art.  5 GG, Rn.  432.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

bereits im Zusammenhang mit dem Informationsthema, oder im konkreten Veröf­ fentlichungskontext eine Rolle spielen kann.1343 aa) Zum Verhältnis von §  23 I Nr.  1 KUG und §  23 I Nr.  4 KUG Geht man von einer künstlerischen Bildnisveröffentlichung aus, stellt sich sodann die Frage nach dem Verhältnis von Kunst zu dem Informationswert einer Veröffent­ lichung. Insbesondere ist zu klären, ob das Vorliegen von Kunst überhaupt Auswir­ kungen auf den Informationswert einer Veröffentlichung (im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG) haben kann. Einen ersten Anknüpfungspunkt könnte §  23 I Nr.  4 KUG liefern, wonach Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, ohne die Einwil­ ligung des Abgebildeten veröffentlicht werden dürfen, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem „höheren Interesse der Kunst“ dient. Offenbar wollte der Ge­ setzgeber von 1907 Bildnisse, die in einem künstlerischen Kontext veröffentlicht werden, gesondert von Veröffentlichungen zeitgeschichtlicher Bildnisse behandeln. Eine solche vorkonstitutionelle Erwägung könnte möglicherweise auch unter dem Grundgesetz fortbestehen, da die Kunstfreiheit in Art.  5 III GG gerade – im Gegen­ satz zur Informations- und Meinungsfreiheit in Art.  5 I GG – unter keinem Gesetzes­ vorbehalt steht (Art.  5 II GG)1344 und deshalb möglicherweise anderen Maßstäben unterliegt.1345 Jedenfalls soll §  23 I Nr.  4 KUG dem Wortlaut zufolge nur in ganz bestimmten Fällen von Kunst Anwendung finden, welche gerade ein „höheres“ und nicht etwa ein „allgemeineres“1346 Kunstinteresse bedienen. Ausweislich der Geset­ zesbegründung sollten hierdurch die Veröffentlichung sog. künstlerische Bildnisstu­ dien ermöglicht werden.1347 Darüber hinaus könnte erwogen werden, dass künstleri­ sche Zwecke nicht nur für den Tatbestand des §  23 I Nr.  4 KUG, sondern per se für den Informationswert und die Zulässigkeit einer Veröffentlichung irrelevant werden sollen, wenn der Abgebildete durch die Bestellung des Abbilds in eine Art Vertrau­ 1343 

Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., m). Für die Übertragung der Schranken des Art.  5 II GG auf die Kunstfreiheit insbesondere Knies, S.  257 ff. 1345 Vgl. von Becker, AfP 2001, S.  467, Fn.  16; ferner Hildebrand, ZUM 2016, S.  305, wonach etwa in Fällen künstlerischer Streetphotography kein „allgemeines gesellschaftliches Interesse“ an fotojournalistischer Arbeit über das Straßenleben i. S. d. §  23 I Nr.  1 KUG vorliege; Schertz, in: FS Raue 2006, S.  666; ders., GRUR 2007, S.  559. 1346  Vgl. hierzu den Wortlaut der Gesetzgebungsmaterialien zu Bildnissen aus dem Bereich Zeit­ geschichte, wonach diese ein „allgemeineres Interesse wachrufen“, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1541. 1347  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  30, S.  1541. Betrachtet man die Normgenese im kunsthistorischen Kontext, so liegt es nahe, mit Schertz davon auszugehen, dass mit künstlerischen Bildnisstudien vor allem Werke von Künstlern der Moderne gemeint waren, die soziale Realitäten durch Studien auf der Straße, in Ar­ menvierteln, etc. abbildeten. Schertz, in: FS Raue 2006, S.  668 und GRUR 2007, S.  560 nennt als Beispiele etwa die Absinth-Trinkerin von Picasso aus dem Jahre 1902, die offenbar heimlich in ei­ nem Pariser Lokal portraitiert wurde, Prostituiertenbildnisse aus dem Pariser Rotlichtmilieu von Toulouse-Lautrec oder in Deutschland die Werke von Heinrich Zille und Käthe Kollwitz. 1344 

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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ensverhältnis mit dem Künstler getreten ist.1348 Insoweit könnte §  23 I Nr.  4 KUG grundsätzlich eine andere Perspektive für eine Interessenabwägung bei der Verbrei­ tung von Bildnissen im Kunstkontext zugrunde liegen, da dieser explizit mit dem negativen Tatbestandsmerkmal der Bestellung auf das Verhältnis zwischen Abbilder und Abgebildeten anspielt, während §  23 I Nr.  1 KUG eine Abwägung zwischen Ab­ gebildeten- und Allgemeininteressen zugrunde liegt.1349 Hiergegen sprechen aber gewichtige Gründe, auf die noch näher einzugehen sein wird.1350 Jedenfalls hat sich unter Zugrundelegung des weiten Kunstbegriffes des Bundes­ verfassungsgerichts der Streit erübrigt, welche Kunstwerke – insbesondere Lichtbil­ der – unter die Norm des §  23 I Nr.  4 KUG subsumiert werden können.1351 Dies gilt nach dem modernen Verständnis von Kunst grundsätzlich für alle Gattungen von Personendarstellungen in Form eines Bildnisses. Gleichwohl werfen die übrigen Tat­ bestandsmerkmale wie die fehlende Bestellung oder die Qualität eines „höheren“ Interesses nach wie vor Fragen auf.1352 Vermutlich wurde mitunter deshalb der Aus­ nahmevorschrift des §  23 I Nr.  4 KUG bereits das gesetzliche „Schattendasein“ im Sinne einer praktischen Bedeutungslosigkeit unter dem Grundgesetz attestiert1353, obwohl es sich hierbei soweit ersichtlich nach wie vor um die einzig bestehende po­ 1348  So lautet zumindest die gesetzgeberische Erwägung für §  23 I Nr.  4 KUG; vgl. Stenographi­ sche Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1541. 1349  Diese Überlegung liegt wohl dem Ansatz von von Becker, AfP 2001, S.  469, zugrunde; vgl. hierzu auch BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“, wonach die Abwägung zwi­ schen den (Abgebildeten-)Interessen von Tina Turner und den Interessen der Veröffentlichenden (Produzentin einer Tribute-Show) – und nicht der Öffentlichkeit –, ein in ihrer Verantwortung auf­ geführtes Kunstwerk zu vermarkten, zu erfolgen habe. 1350  Hierzu Kap.  3, D., II., 3., f), cc). 1351 Vgl. Lindner, S.  72. 1352  Das BVerfG, NJW 2018, S.  1744 f. – „Neue Sicht auf Charlottenburg“, äußerte sich jeden­ falls nicht zum „höheren Interesse“ der Kunst und subsumierte die künstlerische Straßenfotografie unter §  23 I Nr.  4 KUG, was nahe legt, dass es auch im Sinne des weiten Kunstbegriffs des Grund­ gesetzes nicht mehr auf dieses Tatbestandsmerkmal ankommen kann; vgl. hierzu die eigenen Erwä­ gungen Kap.  3, D., II., 3., g), cc); das LG Frankfurt a. M., ZUM 2017, S.  775 äußerte sich erstmals zum Tatbestandsmerkmal der Bestellung. Hiernach soll für das Vorliegen einer Bestellung bereits ausreichend sein, dass der Künstler die Bildnisse anlässlich einer ausdrücklichen Bitte des Abgebil­ deten (und nicht etwa zwingend im Rahmen eines wirksamen Vertragsverhältnisses) anfertigt. Fer­ ner soll die Bestellung nicht nur die auftraggebende Person selbst erfassen, sondern auch Bildnisse von anderen abgebildeten Personen, sofern dies aufgrund der vorherigen Absprache mit dem Künst­ ler erfolgt; vgl. hierzu auch Bienemann, ZUM 2017, S.  742 f., wonach Einigkeit über die konkrete Erscheinungsform oder die Art und Weise der Abbildung nicht erforderlich sei. 1353  Die einzig überhaupt bekannte Entscheidung bis zum Ende des 20.  Jahrhundert, bei dem ein Gericht §  23 I Nr.  4 KUG zur Anwendung brachte, stammt von OLG München, ZUM 1997, S.  388 ff. Das Gericht befand, dass eine Schwarz-Weiß-Aufnahme, die einen Wachmann in schwarzer Uni­ form (bezeichnet als „schwarze Sheriffs“), der mit verschränkten Armen hinter einer Reihe leerer Stühle vor einem Biergarten steht, wobei einer der Stühle ein Schild mit der Aufschrift „Geschlos­ sene Gesellschaft“ trägt, ohne die Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden dürfe; vgl. zur Bedeutungslosigkeit der Norm Bienemann, ZUM 2017, S.  741; Hildebrand, ZUM 2016, S.  305; Lindner, S.  73; Prinz/Peters, Rn.  873; Schertz, in: FS Raue 2006, S.  664; ders., GRUR 2007, S.  558; Seitz, ZUM 2016, S.  820; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  86; Wanckel, Rn.  212; Wieduwillt, K&R 2014, S.  629.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

sitivrechtliche Ausgestaltung zum Ausgleich von Kunst und Persönlichkeitsrecht handelt. Erst die vereinzelten Hinweise der Literatur1354 zu Beginn des 21.  Jahrhun­ derts werden dazu beigetragen haben, dass die Fachgerichte in jüngster Zeit die Aus­ nahmevorschrift des §  23 I Nr.  4 KUG vermehrt zur Anwendung bringen.1355 Eine einheitliche Linie der Rechtsprechung zur Eröffnung des Anwendungsbereichs ist bislang allerdings nicht erkennbar.1356 Darüber hinaus scheint schon grundsätzlich keine Einigkeit darüber zu bestehen, inwieweit die Kunstfreiheit überhaupt im Sys­ tem der §§  22 ff. KUG berücksichtigt werden soll und kann.1357 Besonders lassen Entscheidungen zu Bildnisveröffentlichungen, die im Zusammenhang mit der Kunst­ gattung der Satire1358 stattfinden, eine klare Linie zum (dogmatischen) Verhältnis der Kunstfreiheit mit dem Recht am eigenen Bild – insbesondere im Rahmen von §  23 I Nr.  1 und Nr.  4 KUG – vermissen.1359 Diese Unsicherheit dürfte mitunter durch die 1354  von Becker, AfP 2001, S.  467; Schertz, in: FS Raue 2006, S.  663 ff.; Schertz, GRUR 2007, S.  558; vgl. auch Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  23, Rn.  169; sich dem anschließend Hildebrand, ZUM 2016, S.  305; Seitz, ZUM 2016, S.  820; wohl auch, Bienemann, ZUM 2017, S.  741, 745. 1355  BVerfG, NJW 2018, S.  1744 f. – „Neue Sicht auf Charlottenburg“; zuvor LG Berlin, ZUM 2014, S.  732 und KG, ZUM 2016, S.  383; OLG Celle, ZUM 2011, S.  345; LG Berlin, ZUM-RD 2014, S.  107; LG Frankfurt a. M., ZUM 2017, S.  775; LG Hamburg, NJW-RR 2017, S.  1392 f.; insoweit sind die Hinweise bei Hildebrand, ZUM 2016, S.  305, und Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  169, zur (veröffentlichten) Anwendungspraxis des §  23 I Nr.  4 KUG nicht zutreffend. 1356  Ausdrücklich offengelassen von BGH, NJW 1965, S.  1374 – „Wie uns die Anderen sehen“, da jedenfalls §  23 II KUG bejaht wurde; ähnlich OLG Hamburg, MMR 2004, S.  414; das OLG Karls­ ruhe, NJW 1982, S.  647 wendete bei der Veröffentlichung eines satirischen Posters ohne Begründung direkt §  23 I Nr.  1 KUG an, weil es die Abgebildeten als Personen der Zeitgeschichte einordnete; ähnlich BVerfG, NJW 2002, S.  3767 – „Bonnbons“; OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2013, S.  590, argu­ mentiert mit dem Schwerpunkt der Veröffentlichung; in diesem Sinne auch BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  21; wohl auch Schertz, in: FS Raue 2006, S.  666, der darüber hinaus die Anwendbar­ keit von §  23 I Nr.  4 KUG für Fälle der Presseberichterstattung und Werbung generell ausschließt, während Satire aber selbst bei Personen der Zeitgeschichte unter Nr.  4 subsumiert werden solle; nach verschiedenen Interessengegenständen differenzierend Hildebrand, ZUM 2016, S.  305. 1357  Lindner, S.  74; vgl. auch Golz, IPRB 2015, S.  171 f. 1358  Im Zusammenhang satirischer Bildnisveröffentlichungen fällt oftmals der Begriff der Kari­ katur. Unklar ist allerdings, ob der Karikaturbegriff neben surrealen – offensichtlich verzerrenden  – Darstellungsformen wie etwa Zeichnungen auch fotorealistische (satirische) Fotomontagen um­ fasst. Für eine umfassende Nutzung des Karikaturbegriffs auf grafische (satirische) Darstellungen etwa Schricker/Loewenheim/Loewenheim, §  24 UrhG, Rn.  27. 1359  Kein Bezug zu §§  22 ff. KUG: BVerfGE 75, 369 (378) – „Strauß-Karikatur“ (satirische Zeichnungen von Franz Josef Strauß als kopulierendes Schwein); LG Berlin, AfP 1997, S.  736 (Comiczeichnung von Helmut Markwort mit vulgärem Sprechblaseninhalt), allerdings hatte sich der Kläger auch explizit nur auf die Verletzung seiner Ehre berufen; unmittelbare Anwendung von Art.  5 III GG (losgelöst von §  23 KUG): OLG Hamburg, NJW-RR 1994, S.  1373 ff. (satirischen Fo­ tomontage, welche den ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig Holstein Björn Engholm zeigte, dessen Kopf auf das Leichenbild des verstorbenen Ministerpräsidenten Uwe Barschel in der Badewanne gesetzt wurde); §§  22, 23 KUG ohne konkrete Zuordnung genannt und sich dann auf Art.  5 III GG berufend: LG Berlin, AfP 2002, S.  250 (satirische Fotomontage, welche die fiktive Oben-ohne-Darstellung einer Botschaftergattin zeigte); vgl. auch KG, AfP 2007, S.  570 (satirische Fotomontage von Heide Simonis im „Dschungelcamp“); sich innerhalb §  23 I Nr.  1 KUG auf Art.  5 III GG stützend: OLG München, AfP 2009, S.  420 und zuvor LG München I, AfP 2009, S.  279 (satirische Fotomontage eines gekreuzigten Fußball-Bundestrainers Jürgen Klinsmann); OLG

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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(verfassungsrichterliche) Rechtsprechung zu satirischen (Bildnis-)Veröffentlichun­ gen aufrechterhalten worden sein, wonach Satire zwar Kunst sein könne, nicht aber jede Satire zugleich Kunst (im Sinne des Grundgesetzes) sei.1360 Nach dem bisher Gesagten kann sich der Künstler also bei der Abbildung einer Person zwar grundsätzlich aufgrund des weiten Kunstbegriffs – selbst bei tendenziell wenig aufwändigen Formaten wie der (Digital-)Fotografie – auf Art.  5 III GG beru­ fen. Dabei findet die Kunstfreiheit trotz ihrer vorbehaltlosen Garantie in Art.  5 III GG aber ihre Grenzen in kollidierendem Verfassungsrecht1361 und somit unter ande­ rem im allgemeinen Persönlichkeitsrecht Dritter1362 unter welches auch das (verfas­ sungsrechtliche) Recht am eigenen Bild des Abgebildeten fällt. Bei einer verfas­ sungskonformen Auslegung der §§  22, 23 KUG stehen sich also Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht gleichrangig gegenüber.1363 Unabhängig vom Informationswert einer künstlerischen Bildnisveröffentlichung – besonders hinsichtlich der Frage, ob die Schöpfungshöhe des jeweiligen Kunstwerks trotz Ablehnung einer Niveaukon­ trolle auf diesen Einfluss hat1364 – kann zumindest festgehalten werden, dass die Kunstfreiheit des Veröffentlichenden dann hinter das (Persönlichkeits-)Recht am ei­ genen Bild des Abgebildeten zurücktreten muss, wenn durch die Veröffentlichung berechtigte Interessen des Abgebildeten im Sinne des §  23 II KUG verletzt werden. Insoweit können die Grundsätze aus den Abbildungsszenarien, bei denen die Recht­ sprechung dazu tendiert ein überwiegendes berechtigtes Interesse des Abgebildeten im Verhältnis mit den anderen Ausnahmetatbeständen des §  23 I KUG anzunehmen, eine wichtige Hilfestellung bieten. Damit wird die einwilligungsfreie künstlerische Bildnisveröffentlichung unzulässig werden, je eher sie sich auf die Verletzung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und damit der Menschenwürde zubewegt.1365 Dresden, NJW-RR 2010, S.  1490 f. (satirisches Nacktgemälde der Oberbürgermeisterin von Dres­ den); Anwendbarkeit von §  23 I Nr.  4 KUG ausdrücklich abgelehnt: OLG Hamm, NJW-RR 2004, S.  920 (satirischer Fernsehbeitrag in der Comedysendung „TV Total“); vgl. ferner BGH, NJW 2013, S.  3030 – „Mahnwache“, wonach der BGH die „satirische Einfärbung“ eines Fernsehbeitrags im Rahmen des §  23 II KUG berücksichtigte. 1360  Konkret zu satirischen Bildnisveröffentlichungen BVerfG, NJW 2002, S.  3767 – „Bonn­ bons“; BVerfG, NJW 2005, S.  3272 – „Satirische Fotomontage“; BGHZ 156, 206 (208) – „Satirische Fotomontage“; vgl. zur Satire allgemein BVerfGE 86, 1 (9) – „TITANIC/‚geb. Mörder‘“; vgl. hierzu auch Faßbender, NJW 2019, S.  707; Oechsler, NJW 2017, S.  760; a. A. wohl Gounalakis, NJW 1995, S.  813, wonach Satire und Karikaturen grundsätzlich den Schutz der Kunstfreiheit genießen. 1361  Sachs/Bethge, Art.  5 GG, Rn.  198. 1362  BVerfG, NJW 2019, S.  1278 – „Märchenbilder“; Lindner, S.  115; v. Mangoldt/Klein/Starck/ Starck/Paulus, Art.  5 GG, Rn.  455–458. 1363  Man könnte in diesem Zusammenhang jedenfalls davon sprechen, dass die Kunstfreiheit – insbesondere durch die Etablierung des weiten Kunstbegriffs unter Geltung des Art.  5 III GG – eine gewisse Stärkung gegenüber der vorkonstitutionellen Rechtslage erfahren hat, zumal früher, wie gezeigt, nur bestimmte Kunstwerke geschützt werden sollten; ähnlich Schertz, in: FS Raue 2006, S.  671. 1364 Vgl. von Becker, AfP 2001, S.  468 ff. 1365 Vgl. Fuchs/Schäufele, AfP 2015, S.  400.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

bb) Zu satirischen Bildnisveröffentlichungen Eine gewisse Ausnahme von diesem Grundsatz scheint im Bereich der Satire zu existieren, deren künstlerischer Ausdruck gerade darin besteht, mit dem Mittel der Übertreibung bewusst ein Spott- oder Zerrbild der Wirklichkeit zu vermitteln.1366 Beruft sich der Künstler aber insbesondere hinsichtlich des verletzenden Charakters seiner Bildnisveröffentlichung auf seine Kunstfreiheit, begibt er sich dadurch auf dünneres Eis, da bereits die Eröffnung des Schutzbereichs bei satirischen Darstellun­ gen besonderen Maßstäben unterliegt. Nicht jede Aussage soll also durch den (satiri­ schen) Mantel der Kunst gesellschaftsfähig gemacht werden können.1367 Handelt es sich bei dem (vom Satiremantel entkleideten) sog. Äußerungskern aber um eine zu­ lässige Äußerung, darf der Satiriker zur Vermittlung seiner Botschaft mit den Mit­ teln der (optischen) Verzerrung, Verfremdung und Überspitzung in einem – auf­ grund der Kunstfreiheit – großzügigeren Rahmen1368 auch „scharf schießen und verletzen“1369. Gerade moderne Bildnisdarstellungen von Personen beinhalten oft­ mals Verzerrungen und Übertreibungen, welche darüber hinaus die Abbildung einer (optischen) authentischen Realität suggerieren können. Beispielsweise erfreuen sich neben Memes und Deepfakes auch fotorealistische Montagen aller Art wie etwa sog. faceswaps in sozialen Medien im Internet höchster Beliebtheit. Darü­ ber hinaus erscheint es nur eine Frage der Zeit, bis realitätsgetreue Bildnisse ohne einen mani­ pulativen Eingriff in ein bestehendes Lichtbild gewissermaßen für jedermann frei modelliert werden können, sodass eben keine Manipulation der (abgebildeten) Wirklichkeit mehr vor­ liegt.1370

In diesen Fällen gilt es also, das Recht am eigenen Bild des Dargestellten mit der – möglicherweise bestehenden – Kunstfreiheit des Veröffentlichenden in Einklang zu bringen. Hierzu muss sowohl die Rechtsprechung zur Schutzwürdigkeit von (unwah­ ren) Bildmanipulationen als auch zu den grundsätzlichen Grenzen der Kunstfreiheit herangezogen und berücksichtigt werden.

1366 

Faßbender, NJW 2019, S.  705; Oechsler, NJW 2017, S.  757. Soehring/Hoene, §  20, Rn.  18. 1368  Dem Satiremantel im Sinne der optischen Darstellungsform wird hierbei (im Falle eines zulässigen Aussagekerns) aufgrund der Kunstfreiheit gem. Art.  5 III GG zwar von den Gerichten ein größerer Gestaltungsspielraum zugestanden; vgl. BVerfGE 75, 369 (378) – „Strauß-Karikatur“; BVerfG, NJW 2005, S.  3272 f. – „Satirische Fotomontage“; BGHZ 156, 206 (212 f.) – „Satirische Fotomontage“; trotzdem unterliegt auch der (isolierte) Satiremantel einer Verhältnismäßigkeitsprü­ fung; vgl. Oechsler, NJW 2017, S.  762; Ricker/Weberling, Kap.  42, Rn.  35 ff. m. w. N.; auch insoweit „darf“ die Satire also gerade nicht „alles“, so aber freilich Tucholsky unter dem Synonym Ignaz Wrobel, Berliner Tageblatt v. 27.01.1919 (Jg.  48, Nr.  36, S.  2). 1369  Oechsler, NJW 2017, S.  762. 1370  Vgl. zu modernen Darstellungsszenarien und den einzelnen Begrifflichkeiten bereits Ein­ führung, A., und B. 1367 Vgl.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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cc) Resümee und Stellungnahme zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Kunst Insgesamt hat die Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts1371 zu einer Klärung des Problems des Einflusses von Kunst auf Bildnisse und der dogmatischen Veror­ tung dieses Einflusses nicht unbedingt beigetragen. Denn ungeachtet des Verhältnis­ ses von Zeitgeschichte und Kunst wird infolge der Vorverlagerung der Interessen­ abwägung von Abgebildetem und Allgemeinheit im Tatbestandsmerkmal der Zeit­ geschichte bei §  23 I Nr.  1 KUG1372 nunmehr auch die entsprechende Vorverlagerung bei künstlerischen Bildnisveröffentlichungen bei §  23 I Nr.  4 KUG gefordert.1373 So­ mit bestehen erhebliche Ungereimtheiten zum Verhältnis Kunst und Recht am eige­ nen Bild, die es aufzulösen gilt. Bereits die deskriptiven Ausführungen haben ein geradezu schwerfälliges Nebeneinander von Kunst und Zeitgeschichte offengelegt, welches in jüngster Zeit durch den Rückgriff der Gerichte auf §  23 I Nr.  4 KUG wie­ der aufzuleben scheint und demzufolge auch zukünftig wegen neuer Darstellungs­ möglichkeiten vermutlich nicht wieder an Bedeutung verlieren wird. Eine klärende Ausrichtung der beiden Ausnahmetatbestände, welche die einwilligungsfreie Ver­ öffentlichung zeitgeschichtlicher und künstlerischer Bildnisse ermöglichen, erscheint mithin angezeigt. Ausgangspunkt hierfür muss das Verhältnis von Zeitgeschichte und Kunst sein. Geht man mit dem 2007 etablierten abgestuften Schutzkonzept1374 davon aus, dass eine zeitgeschichtliche Bildnisveröffentlichung vorliegt, wenn das Interesse der Öf­ fentlichkeit diejenigen Interessen des Abgebildeten überwiegen, fügen sich zumin­ dest solche künstlerischen Bildnisse ein, an denen faktisch – aus welchen Gründen auch immer – ein öffentliches Interesse besteht, welches das Abgebildeteninteresse überwiegt. Dieses Interesse der Öffentlichkeit kann dabei aber gerade aus einem kulturellen Aspekt im Sinne eines Kunstbedürfnisses resultieren. Hiervon ging of­ fensichtlich bereits der historische Gesetzgeber aus, wenn er den Bereich der Zeit­ geschichte als einen „Ausdruck im weitesten Sinne“ versteht, der nicht nur das ei­ gentliche politische, sondern ausdrücklich ebenfalls das „Kulturleben des Volkes“ umfassen soll.1375 Ganz in diesem Sinne hebt die (verfassungsrichterliche) Recht­ sprechung noch heute bei der Begründung des zeitgeschichtlichen Charakters eines Bildnisses den Einfluss von Unterhaltung ausdrücklich hervor. Zwar mag der Rück­ griff auf die unterhaltende Wirkung von Inhalten zur Rechtfertigung des konkreten Einzelfalls kaum überzeugen, da nicht nur Kunst, sondern nahezu alles unterhaltend sein kann. Legt man allerdings dem Begriff des öffentlichen Interesses ein normati­ 1371 

Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., j). Vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 1., m). – o). 1373  Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  47; dem bereits folgend LG Frankfurt a. M., ZUM 2017, S.  774 f.; so auch bzgl. dieser Entscheidung Bienemann, ZUM 2017, S.  732; ferner Wieduwillt, K&R 2014, S.  630. 1374  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., j). 1375  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  30, S.  1541. 1372 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ves Verständnis zugrunde, so verdeutlicht sich spätestens mit dem Bekenntnis des Verfassungsgebers zum modernen Kulturstaat1376 durch die Festschreibung der vor­ behaltslosen Kunstfreiheit in Art.  5 III GG die Wertung, dass Kunst – egal ob gut oder schlecht – nicht nur erstrebenswert, sondern gerade von der Öffentlichkeit ge­ wollt ist.1377 Damit bedient Kunst grundsätzlich ein öffentliches Interesse im Sinne von §  23 I Nr.  1 KUG. Diese Annahme spiegelt sich im Übrigen in Art.  10 EMRK wider, der zur Beantwortung der Frage, ob eine zeitgeschichtliche Bildnisveröffent­ lichung vorliegt, auf Seiten des öffentlichen Interesses nach dem abgestuften Schutz­ konzept herangezogen werden soll1378, da dessen Gewährleistungsgehalt die Kunst­ freiheit mitumfasst.1379 Eine Aufspaltung der Allgemeinbelange in verschiedene öf­ fentliche Interessen der unterschiedlichen Ausnahmevorschriften des §  23 I Nr.  1 und Nr.  4 KUG erscheint deshalb nach hiesiger Auffassung nicht nur überholt, son­ dern erweist sich darüber hinaus als unflexibel und ist deshalb in Frage zu stellen.1380 Dass Kunst nach dem historischen Gesetzgeber unabhängig vom allgemeineren Interesse (der Öffentlichkeit) bei §  23 I Nr.  1 KUG nur partiell bei einem höheren Interesse geschützt werden sollte, zeigt überdies, dass sich die Wahrnehmung und das Verständnis von Kunst um 1900 vom heutigen Kunstverständnis unter der Gel­ tung des Art.  5 III GG deutlich unterscheidet.1381 Während ein allgemeiner Kunst­ 1376  Vgl. BVerfGE 36, 321 (331) – „Schallplatten“; vgl. ferner Sachs/Betghe, Art.  5 GG, Rn.  199; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck/Paulus, Art.  5 GG, Rn.  415 m. w. N. 1377  Ganz in diesem Sinne bereits Keller, UFITA 1977, S.  92. 1378  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., h). 1379  Vgl. BeckOK InfoMedienR/Cornils, Art.  10 EMRK, Rn.  29. 1380  A. A. von Becker, AfP 2001, S.  467, Fn.  16; Hildebrand, ZUM 2016, S, 305; vgl. in diesem Zusammenhang auch die jüngste Entscheidung BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“, in welcher der BGH in Rn.  49 bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Klä­ gerin (Tina Turner) am Schutz ihrer Persönlichkeit und dem von der Beklagten wahrgenommenen Interesse, ein in ihrer Verantwortung aufgeführtes Kunstwerk zu vermarkten – was laut dem BGH selbst auch der Kunstfreiheit unterfalle – maßgeblich auf ergangene Rechtsprechung zu §  23 I Nr.  1 KUG verweist. Den hier vorgeschlagenen Weg geht der BGH gleichwohl nicht, da er weiterhin – mit wenig überzeugender Begründung – zwischen §  23 I Nr.  1 KUG und §  23 I Nr.  4 KUG differenziert; vgl. hierzu die bereits zuvor ergangene Entscheidung BGHZ 143, 214 (229) – „Marlene Dietrich I“, worin der BGH bei der Abbildung Marlene Dietrichs auf verschiedenen Merchandising-Artikeln (Telefonkarten, Henkeltassen, T-Shirts, Armbanduhren, Anstecker) und Postkarten, welche vor dem Theater des Musicals (namens „Sag mir, wo die Blumen sind“) käuflich erworben werden konnten, auf §  23 I Nr.  1 KUG abgestellt hat. Dies begründete der BGH damit, dass sich die Wer­ bung nicht – wie etwa beim „Tina Turner“-Musical – auf das Musical als solches (und damit auf ein Kunstwerk) bezogen hätte, sondern nur auf die genannten Merchandising-Artikel. Allein dies er­ scheint allerdings bei einem Verkaufsstand vor dem Theater fragwürdig. Willkürlich erscheint je­ doch in diesem Zusammenhang die Begründung des BGH, wonach es sich bei der (aufgedruckten) Textzeile „Sag mir, wo die Blumen sind“ nicht „nur um den ursprünglichen Titel des Musicals, sondern auch um den Titel eines Liedes, das im besonderen Maße zur Bekanntheit von Marlene Dietrich beigetragen hat“ handele. Selbst wenn man bei einem Vertrieb unmittelbar vor dem Thea­ ter keine Werbung für ein (laut BGH kunstvolles) Musical sehen möchte, wird es sich doch jeden­ falls bei dem besagtem Lied um Kunst handeln. Diese Differenzierungsweise erschließt sich kaum. 1381  Dies belegt neben der Ausklammerung der Fotografie in den Gesetzgebungsmaterialen von 1907 unter Bildnisse, deren Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung einem höheren Interesse

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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schutz von §  23 I Nr.  4 KUG offensichtlich nicht bezweckt war, spricht der weite Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichts gerade hierfür. In diesem Sinne musste sich der Erste Senat in seinem Beschluss zur Straßenfotografie1382 bei verfassungs­ konformer Auslegung des §  23 I Nr.  4 KUG auch gar nicht zum Tatbestandsmerkmal des „höheren Interesses der Kunst“ äußern.1383 Dieselben Erwägungen sprechen dafür, das negative Tatbestandsmerkmal der Be­ stellung in §  23 I Nr.  4 KUG de lege ferenda jedenfalls für den strafrechtlichen Bild­ nisschutz zu überdenken. Durch diese Voraussetzung soll ausweislich der Gesetzes­ begründung das Vertrauensverhältnis zwischen dem Künstler und dem Besteller geschützt werden, das mit der Bestellung des Bildnisses entstünde. Man könnte in diesem Zusammenhang sinngemäß von einer „künstlerischen Untreue“ ausgehen, die der Künstler begeht, sobald er das Bildnis ohne Genehmigung des Abgebildeten veröffentlicht. Somit steht zunächst vordergründig die Annahme im Raum, dass die­ ses negative Tatbestandsmerkmal den heimlichen Künstler privilegiert. Denn hat sich der Künstler seinem menschlichen Abbildungsmotiv einmal offenbart, läuft er Gefahr in ein Bestellungsverhältnis verwickelt zu werden, welches nach aktueller Rechtsprechung extrem niedrigen Anforderungen unterfällt.1384 Damit wird der Künstler mit dem Vorliegen einer Bestellung in seinem Wirkbereich beschränkt, was sich zwangsläufig auch auf den künstlerischen Werkbereich auswirken wird. Dies erscheint aber mit dem weiten Kunstverständnis – insbesondere der vorbehaltlosen Gewährung in Art.  5 III GG – nur schwer in Einklang zu bringen, zumal die Erwä­ gung, dass ein individuelles Vertrauensverhältnis bereits den Tatbestand pauschal ausschließen soll, bei den übrigen Ausnahmevorschriften des §  23 KUG schlichtweg nicht existiert. Wird dem Künstler A etwa ein bestelltes Portrait von dem Künstler B oder etwa dem Journa­ listen C entwendet, dürften diese das Bild zumindest unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Bestellung und der Kunstfreiheit veröffentlichen.1385 Aus der Perspektive des Persönlichkeits­ rechts des Abgebildeten auf der einen Seite und dem öffentlichen Interesse an Kunst erscheint der Kunst dienen (vgl. hierzu Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1541), freilich der kunsthistorische Fachdiskurs. So beginnt das „Vierte Buch“ von Meier-Grafes Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst von 1904 mit den Worten: „Vielleicht gibt es zu keiner Zeit ein Land, in dem stärker um die Kunst gerungen wurde, als unser Vaterland“; vgl. hierzu auch Krahmer, Études Germaniques 64 (2009), S.  766 ff. 1382  BVerfG, NJW 2018, S.  1744 – „Neue Sicht auf Charlottenburg“. 1383  A. A. wohl Wandtke/Ohst/Renner, §  6, Rn.  130. 1384  Vgl. hierzu etwa die Abwägungskriterien bei von Becker, AfP 2001, S.  468 ff., welche sich  – abgesehen von der Schöpfungshöhe, die i.ü. auf eine (möglichst zu vermeidende) Niveaukontrolle hinauslaufen würde – nicht von den Abwägungskriterien zur Ermittlung der Zeitgeschichte unter­ scheiden; vgl. hierzu auch Lindner, S.  142 ff. 1385  Insbesondere kann in diesem Fall auch nicht der Wortlaut von §  23 I Nr.  4 KUG so ausgelegt werden, dass eine Bestellung grundsätzlich jede Veröffentlichung – egal von wem – unter dem As­ pekt der Kunstfreiheit ausschließt. Denn der Gesetzgeber hat ausdrücklich das Verhältnis zwischen Künstler und Abgebildeten benannt. Zudem wäre dann nahezu jede Form der Fotomontage unter dem Gesichtspunkt der Kunstfreiheit unzulässig, sofern ein Teil der Veröffentlichung auf ­Bestellung angefertigt wurde. Das BVerfG hat aber auch ausdrücklich die „satirische Fotomontage“ grundsätz­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

diese Verlagerung kaum nachvollziehbar, wenngleich dem Künstler die Berufung auf sein ei­ genes Urheberrecht verbliebe. Gerade wenn sich ein Bildnis nicht mehr im Zugriffsbereich des Abgebildeten befindet, wird dieser besonders in seiner Persönlichkeitsentwicklung betroffen sein, weil er um eine Veröffentlichung durch einen Dritten bangen muss.

Es könnte allenfalls erwogen werden, dass §  23 I Nr.  4 KUG primär mit Blick auf das Veröffentlichungsinteresse des abbildenden Künstlers und nicht im Hinblick auf die Öffentlichkeit angelegt wurde. Aber selbst unter dieser Prämisse und unabhängig vom öffentlichen Interesse an Kunst steht die Frage im Raum, ob sich bereits der historische Gesetzgeber tatsächlich an eine unflexible Regelung binden wollte, die dem heutigen Kunstverständnis nicht ausreichend Rechnung trägt. Denn wenn der abbildende Künstler das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Abgebildeten verletzt, liegt zwangsläufig eine Beeinträchtigung des berechtigten Interesses des Abgebildeten im Sinne des §  23 II KUG vor. Wird der Tatbestand des §  23 I Nr.  4 KUG pauschal beim Vorliegen einer Bestellung ausgeschlossen, verbieten sich alle Veröffentlichungen von Bildniskunst, insbesondere derer, an denen ein immenses öffentliches Interesse besteht. Dieses Kunstinteresse müsste bei einer Abwägung im­ mer hinter das gebrochene Vertrauen des Abgebildeten zurückstehen. Somit wäre eine Lösung, welche ein Vertrauensverhältnis erhöhend bei der Bemessung der Ab­ gebildeteninteressen im Rahmen von §  23 II KUG berücksichtigt, nicht nur deutlich flexibler, sie würde auch der Kunstfreiheit im Sinne des Art.  5 III GG ausreichend Rechnung tragen.1386 Auch §§  201a IV, 183k III StGB gehen in diese Richtung, da sie Kunst als Ausfluss des überwiegenden öffentlichen Interesses begreifen und nicht auf eine Bestellung abstellen. Damit bietet es sich an, alle Fälle von künstlerischen Personenabbildungen de lege lata im Rahmen zeitgeschichtlicher Veröffentlichungen zu behandeln. Liegt ein Kunstwerk vor, ist somit – ähnlich wie bei der Bildberichterstattung – grundsätzlich von einem normativen öffentlichen Interesse auszugehen. Vor diesem Hintergrund ist schließlich auch die Frage, ob Kunst eine Steigerung des Informationswerts im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG bewirkt, ausdrücklich zu bejahen. Mithin ist beim Vorliegen eines künstlerischen Bildnisses auch nicht gesagt, dass ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegt, das einwilligungsfrei veröffentlicht werden darf. Erst wenn das (durch das Vorliegen von Kunst vermutete) öffentliche Interesse die Abgebildeteninteressen nach der Gesamtabwägung überwiegt, ist dies anzuneh­ men. Damit wird der Gleichrangigkeit von Kunst und Persönlichkeitsrecht im Sinne lich unter den Schutzbereich der Kunstfreiheit gestellt; vgl. BVerfG, NJW 2005, S.  3272 f.  – „Satiri­ sche Fotomontage“. 1386  Für diese Lösung spricht auch die jüngste verfassungsrichterliche Rechtsprechung in BVerfG, NJW 2019, S.  1279 f. – „Märchenbilder“, wonach die pauschale Untersagung eines (laut Sachverhalt bestellten) Portraits einer Minderjährigen, den Wirkbereich der Kunstfreiheit unver­ hältnismäßig beeinträchtigen würde. Zu §  23 I Nr.  4 KUG hatte sich der Erste Senat allerdings in dieser Entscheidung nicht geäußert; der BGH rekurriert gleichwohl immer noch ohne weitere Be­ denken auf das de lege lata festgeschriebene Merkmal der Bestellung, vgl. jüngst BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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der praktischen Konkordanz Rechnung getragen. Hierfür spricht insbesondere auch, dass die Maßstäbe für den Bereich der Zeitgeschichte auf künstlerische Bildnisse über­tragen werden können. Es kann somit nach wie vor Kunst geben, die keinen zeitgeschichtlichen Charakter hat. §  23 I Nr.  4 KUG kann also nach hiesiger Auffas­ sung allenfalls eine noch Signal- oder deklaratorische Funktion zur Berücksichti­ gung künstlerischer Freiheit in Bildnisveröffentlichungen zukommen. Insoweit könnte man auch von einer Indizwirkung von Kunst für ein öffentliches Interesse sprechen. Nicht verschwiegen werden darf jedoch, dass diese Lösung zwar der Etablierung des abge­ stuften Schutzkonzepts und der hiermit einhergehenden Fokussierung auf den Informations­ wert einer Bildnisveröffentlichung Rechnung trägt, letztendlich aber die Grenzen zwischen Kunst und Bereich der Zeitgeschichte verwischt. Denn de lege lata wird zwischen Kunst in §  23 I Nr.  4 KUG und einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte in §  23 I Nr.  1 KUG ausdrücklich differenziert. Diesen Gesichtspunkt gilt es deshalb bei den Erwägungen de lege ferenda zu berücksichti­ gen.1387

Die vorgeschlagene Auslotung der Kunstfreiheit des Veröffentlichenden und des Per­ sönlichkeitsrechts des Abgebildeten innerhalb des Tatbestandsmerkmals der Zeitge­ schichte bewirkt ferner eine deutliche Konturierung von Fällen, die an der unteren Schwelle zur Nichtkunst liegen. Beispielsweise genügt es nicht, dass sich der Veröf­ fentlichende einfach auf die Kunstfreiheit beruft. Parallel zu Fällen der Berichterstat­ tung muss sich der Veröffentlichende zunächst überhaupt auf irgendein kreatives Substrat seiner Kunst berufen können, anhand dessen dann das öffentliche Interesse vermutet werden kann. Zum einen muss sich bereits dieses Kunstsubstrat in der ge­ samten Bildnisveröffentlichung wiederfinden lassen können. Je beiläufiger und all­ täglicher der Abbildungsvorgang hierbei ausfällt, umso mehr wird dem Veröffent­ lichenden bereits diese Begründung schwerfallen, wenn er eine einwilligungsfreie Bildnisveröffentlichung unter dem Deckmantel der Kunst bezweckt.1388 Ein schlich­ ter Smartphone-Schnappschuss kann somit – je nach Begründung und Inszenie­ rung  – durchaus Kunst sein, er muss es aber nicht immer zwangsläufig sein. Zum anderen muss sich der Veröffentlichende aber genau an seine Kunst halten, die zur Vermutung des öffentlichen Interesses geführt hat, wenn es um die anschließende 1387 

Kap.  4, B., V. Hierbei stehen dem Richter im Streitfall auch neben den einzelnen Kunstbegriffen entspre­ chende Erwägungen zur Verfügung, die er sonst im Rahmen der Bildberichterstattung zur Abgren­ zung von alltäglichen Handlungen heranziehen kann. Zu nennen wäre etwa der Erscheinungsort (Ausstellung, Vernissage oder ein Kunstforum im Internet), die Resonanz eines (fachkundigen) Publikums, die Profession des Veröffentlichenden, sein künstlerischer Werdegang oder auch Vor­ veröffentlichungen. Freilich sind in diesem Bereich die Grenzen zur Schöpfungshöhe fließend, so­ dass es allein aufgrund des subjektiven Eindrucks kaum vorstellbar erscheint, dass beim Bewerten­ den persönliche Vorlieben oder Orientierungen am Niveau oder des Zeitaufwands nicht unter­ schwellig mitschwingen. Hierbei handelt es sich aber um ein grundsätzliches Problem des weiten Kunstbegriffs. 1388 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Abwägung zwischen öffentlichen Interessen und den betroffenen Interessen zur Sub­ sumtion des Tatbestandsmerkmals der Zeitgeschichte geht. Es muss deshalb genau geprüft werden, inwieweit sich der Veröffentlichende auf die Kunst­ freiheit beruft und wie er seine Kunst begründet. Alltägliche Handlungen – wie etwa die Er­ stellung von Bildern mit dem Smartphone oder die entsprechende kurzweilige Filterbearbei­ tung –, die für jedermann ohne weiteres durchführbar erscheinen, sind jedenfalls im Volks­ mund „keine Kunst“, da sie von der Mehrheit nicht als solche ausgedrückt und entsprechend empfunden werden. Deshalb wird auch in diesen Fällen regelmäßig kein derartig hohes (tat­ sächliches) öffentliches Interesse bestehen, welches das berechtigte Interesse des Abgebilde­ ten für die Annahme einer zeitgeschichtlichen Veröffentlichung überwiegen wird.

Dieser Vorschlag orientiert sich somit deutlich stärker an der aktuellen gesellschaftli­ chen Realität und bietet die Möglichkeit, selbst schnelle (technisch bedingte) Verände­ rungen der gesellschaftlichen Wahrnehmung flexibel zu berücksichtigen, ohne sich dabei auf eine Niveaukontrolle des Kunstwerks zu reduzieren. Ferner können satiri­ sche Einkleidungen von gesellschaftsrelevanten Themen gleichermaßen miteinbezo­ gen und entsprechend ihres künstlerischen Einschlags neben sonstigen Faktoren bei der Bemessung ihres öffentlichen Informationswerts berücksichtigt werden. Schließlich erscheint im Zuge dieser Überlegungen auch die erstarkende Forde­ rung, die Interessenabwägung in den Tatbestand von §  23 I Nr.  4 KUG bei künstleri­ schen Bildnissen gleich wie bei §  23 I Nr.  1 KUG vorzuverlagern, gar nicht notwen­ dig. Dies könnte ohnehin nur innerhalb eines unbestimmten auslegungsfähigen Rechtsbegriffs geschehen. Nach dem wohl überwiegenden Teil dieser Strömung müsste dies somit im Tatbestandsmerkmal „Kunst“ geschehen.1389 Hiergegen spricht bereits der allgemeine Wortsinn, da Kunst – anders als etwa Zeitgeschichte – keiner konkreten Bestimmung zugänglich ist und auch nicht durch eine Gesamtabwägung definiert werden kann. Vielmehr kann Kunst (auch im Rechtssinne) selbst dann vor­ liegen, wenn berechtigte Interessen des Abgebildeten überwiegen. Ein Überwiegen der Interessen des Abgebildeten nimmt einem Kunstwerk somit nicht seine künstle­ rische, sondern seine zeitgeschichtliche Eigenschaft. h) Der Informationswert von wissenschaftlichen Bildnissen Ebenfalls ungeklärt ist die Frage, inwiefern wissenschaftliche Zwecke den Informa­ tionswert einer Bildnisveröffentlichung beeinflussen können. In Anlehnung an diese Frage wird jedenfalls in der Lehre die analoge Anwendung des §  23 I Nr.  4 KUG auf Bildnisveröffentlichungen zu wissenschaftlichen Zwecken diskutiert.1390 Als Bei­ 1389 So Wieduwillt, K&R 2014, S.  630. Für die Vorverlagerung: Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  47; dem bereits folgend LG Frankfurt a. M., ZUM 2017, S.  774 f.; so auch bzgl. dieser Entscheidung Bienemann, ZUM 2017, S.  732. 1390  Für eine analoge Anwendung des §  23 I Nr.  4 KUG auf Bildnisveröffentlichungen zu wissen­ schaftlichen Zwecken: Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  41; Helle, S.  169; Maaßen, ZUM 2003, S.  840; Ricker/Weberling, Kap.  43, Rn.  35; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  54; ableh­ nend: Wandtke/Ohst/Renner, Kap.  4, §  6, Rn.  130; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  45;

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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spiele für derartige Veröffentlichungen werden im Fachdiskurs bislang Krankenbil­ der in medizinischen oder juristischen Zeitschriften genannt.1391 Tatsächlich dürfte es aber allein aufgrund der fortschreitenden Verwissenschaftlichung moderner Dar­ stellungsformate mehr Anwendungsfelder geben. Zu denken ist etwa an Bildnis­ veröffentlichungen in den technischen Bereichen der Bildbearbeitung, der Bildanima­ tion oder bei (empirischen) Studien zur (Personen)Bildwahrnehmung in der Erzie­ hungs-, Kommunikations-, oder Medienwissenschaft. In diesem Sinne hat das Landgericht Hannover – in der soweit ersichtlich einzigen ergangenen Entscheidung zu Bildnisveröffentlichungen mit wissenschaftlichem Hintergrund – die analo­ ge Anwendung des §  23 I Nr.  4 KUG bei Abbildungen zu rein wissenschaftlichen Zwecken grundsätzlich für möglich gehalten, bei der Veröffentlichung eines „populärwissenschaft­ lichen“ Films über verhaltensauffällige Kinder zu pädagogischen Zwecken aber im Ergebnis abgelehnt.1392 Hierbei sticht die – auffällig kurze – Begründung des Gerichts hervor, wonach die rein wissenschaftliche Zielsetzung „auf jeden Fall“ entfalle, wenn das Bildnis „praktisch von jedem Interessenten angefordert und bezogen werden“ könne. Wenn die gleichzeitige Ver­ folgung eines außerhalb der Wissenschaft liegenden Zwecks vorliege, könne §  23 I Nr.  4 KUG nicht analog auf wissenschaftliche Zwecke angewendet werden.1393

aa) Analoge Anwendung des §  23 I Nr.  4 KUG bei rein wissenschaftlichen Zwecken Damit drängt sich die Frage auf, wann überhaupt von einer rein wissenschaftlichen Bildnisveröffentlichung ausgegangen werden kann. Ferner bleibt offen, inwieweit das negative Tatbestandsmerkmal der fehlenden Bestellung bei einer analogen An­ wendung des §  23 I Nr.  4 KUG auf wissenschaftliche Bildnispublikationen Berück­ sichtigung finden soll.1394 Auch in diesem Bereich wirft das abgestufte Schutzkon­ zept also tiefgreifende Fragen auf. Nach der hier vorgeschlagenen Lösung liegt es – entsprechend der Ausführungen zu künstlerischen Bildnisveröffentlichungen1395 – zunächst nahe, bei Bildnisveröf­ fentlichungen zu wissenschaftlichen Zwecken ein über §  23 II KUG widerlegbares öffentliches Interesse im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG zu vermuten. Eine solche wider­ legbare Vermutung des öffentlichen Interesses bei Bildnisveröffentlichungen zu wis­ Specht, MMR 2017, S.  578, welche allerdings an den Gesetzgeber apelliert; mittlerweile ebenfalls (wegen der DS-GVO) zweifelnd Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  104. 1391  Wandtke/Wöhrn/Grassmann/Bergemann, Teil  6, Kap.  3, Rn.  70; Maaßen, ZUM 2003, S.  840; Ricker/Weberling, Kap.  43, Rn.  35; vgl. auch Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  41 mit dem Hinweis, dass die Interessenabwägung bei medizinischen Abbildungen im Einzelfall ge­ bieten könne, persönliche Erkennungsmerkmale unkenntlich zu machen, sofern der wissenschaft­ liche Zweck dadurch nicht beeinträchtigt wird. 1392  LG Hannover, ZUM 2000, S.  971 f. 1393  LG Hannover, ZUM 2000, S.  972. 1394  Maaßen, ZUM 2003, S.  840 f. geht davon aus, dass das negative Tatbestandsmerkmal über­ tragen werden muss und darüber hinaus nur eine Bestellung des Abgebildeten die (analoge) An­ wendbarkeit entfallen lässt. Das LG Frankfurt a. M., ZUM 2017, S.  777 geht hingegen bereits bei der direkten Anwendung von §  23 I Nr.  4 KUG auf Kunstwerke davon aus, dass sich eine Bestellung auch auf Bildnisse umstehender Personen erstrecken kann. 1395  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., g), cc).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

senschaftlichen Zwecken könnte dabei die Wertung des Grundgesetzes Rechnung tragen, wonach gesellschaftliche Erkenntniserwartungen1396 bestehen, welche durch die (schrankenlos gewährleistete) Wissenschaftsfreiheit in Art.  5 III GG bedient wer­ den sollen.1397 Einer analogen Anwendung des §  23 I Nr.  4 KUG bedarf es dann letzt­ endlich nicht, da mit der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Zeitgeschichte in §  23 I Nr.  1 KUG eine Gesamtabwä­ gung öffentlicher Belange (wie einer Bildnisveröffentlichung zu wissenschaftlichen Zwecken) gegen Individualinteressen des Abgebildeten stattfinden könnte. Für diese Interpretation spricht insbesondere die Ausrichtung der bildschützenden Normen im Kernstrafrecht in §§  201a IV, 184k III StGB, welche auch Veröffentlichungen, die der Wissenschaft, der Forschung und der Lehre mit solchen der Kunst gleichsetzen. Wenn also fotorealistische Bildnisveröffentlichungen mit Bezug zum höchstpersön­ lichen Bereich bei einem Wissenschaftsbezug gerechtfertigt werden können, muss dies erst recht bei sonstigen Bildnisveröffentlichungen gelten. bb) Grundsätzlich strenge Maßstäbe bei wissenschaftlichen Bildnisveröffentlichungen Dennoch sind gewisse Zweifel bzgl. einer allzu pauschalen Übertragung der bei der Kunstfreiheit entwickelten Grundsätze auf die Wissenschaftsfreiheit anzumelden, wie sie bei §  23 I Nr.  4 KUG überwiegend gefordert werden. Denn zunächst hat der Gesetzgeber von 1907 ausdrücklich keine Erlaubnisnorm für Bildnisveröffentlichun­ gen zu wissenschaftlichen Zwecken geschaffen, obwohl bereits die Vorgängerkodifi­ kationen des Grundgesetzes eine Wissenschaftsfreiheit ausdrücklich vorsahen.1398 Umso mehr begegnet die geforderte Analogie zugunsten einwilligungsfreier wissen­ schaftlicher Bildnisveröffentlichungen Bedenken, wenn man diese vor dem Hinter­ grund gewandelter Wertevorstellungen zur Wissenschaftsfreiheit betrachtet: Nach dem Bundesverfassungsgericht ist Wissenschaft ein „grundsätzlich von Fremdbe­ stimmung freier Bereich autonomer Verantwortung“1399, sodass „alles, was nach In­ halt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung von Wahrheit“1400 unter eine wissenschaftliche Tätigkeit subsumiert werden kann.1401 Unter der steti­ 1396  Maunz/Dürig/Gärditz, Art.  5 GG, Rn.  196; Dreier/Pernice, Art.  5 GG, Rn.  23 führt dies wieder auf das Selbstverständnis des Staats als Kulturstaat zurück; ähnlich Grimm, S.  104, der von einem „Kulturauftrag“ des Staates spricht; H. Krüger, WissR 1986, S.  15; Nettesheim, DVBL 2005, S.  1072, 1075 betont die immer engere Verkoppelung wissenschaftlicher Erkenntnisse und gesell­ schaftlicher Aktivitäten unter dem Schlagwort „Wissensgesellschaft“. 1397  Vgl. BVerfGE 35, 79 (114) – „Hochschul-Urteil“; BVerfGE 47, 327 (368) – „Hessisches Uni­ versitätsgesetz“. 1398  Art.  V I, §§  152 ff. Paulskirchenverfassung und auch die preußische Verfassung von 1850 be­ gründeten bereits die Garantie der Freiheit der Wissenschaft. Art.  142 WRV folgte dem schließlich. 1399  BVerfGE 111, 333 (354) – „Brandenburgisches Hochschulgesetz“. 1400  BVerfGE 35, 79 (113) – „Hochschul-Urteil“; BVerfGE 90, 1 (11 f.) – „Jugendgefährdende Schrif­ten“. 1401  Das BVerwG spricht in BVerwGE 23, 112 (120) – „Gesetzgebungszuständigkeit für GjS“, in

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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gen Unabgeschlossenheit jeglicher wissenschaftlichen Erkenntnis oder Wahrheit kann somit die Herstellung und Veröffentlichung eines Bildnisses zu Forschungsund Lehrzwecken1402 – und sei es lediglich in populärwissenschaftlichem Kontext – unter jedermanns Wissenschaftsfreiheit gem. Art.  5 III GG fallen. Dabei lassen be­ reits die Konkretisierungsversuche des Bundesverfassungsgerichts vermuten, dass diesem das Bild des einzelnen klassischen Wissenschaftlers vorschwebte, dessen Wirken grundsätzlich nicht komplexen Interaktions- und Kommunikationsprozes­ sen unterliegt.1403 Tatsächlich erscheint aber die alte Vorstellung, wonach der Wissen­ schaftler in einer Sphäre von „Einsamkeit und Freiheit“ autonom formulierte Er­ kenntnisinteressen verfolgt, kaum mehr zeitgemäß, da insbesondere unternehme­ risch gesteuerte Wissensproduktion aufgrund ihrer ökonomischen Ausrichtung maßgeblich die Wahrnehmung der Gesellschaft zur Wissenschaft prägen.1404 Eine Konsequenz dieses Gestaltwandels von Wissenschaft in der Gesellschaft ist, dass sie in stärkerem Maße ethischen Bindungen und Einschränkungen unterworfen wird.1405 Die Lauterkeit wissenschaftlichen Arbeitens gewinnt damit erheblich an Bedeutung, wenn es darum geht, sich auf die Wissenschaftsfreiheit zu berufen. Für den Umgang mit (Bildnis-)Daten zu Wissenschaftszwecken bedeutet dies, dass ein gewisses Transparenzgebot des Wissenschaftlers innerhalb der Gesellschaft erwartet wird.1406 Die Wissenschaftsfreiheit wird also regelmäßig bereits hinter die berechtigten Er­ wartungen des Abgebildeten im Rahmen einer Gesamtabwägung zurücktreten, wenn dieser keine Einwilligung bzgl. der Veröffentlichung seiner (Bild-)Daten zu wissenschaftlichen Zwecken erteilt hat oder dieser jedenfalls vorher nicht unkennt­ lich gemacht wurde.1407 Liegt aber eine Einwilligung des Abgebildeten vor, bedarf es des Rückgriffs auf eine Analogie des §  23 I Nr.  4 KUG nicht und wenn der Abgebil­ dete vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht wurde, liegt bereits kein Bildnis im Sinne des §  22 KUG vor. Dies wird selbst für seltene Grenzfälle gelten, in denen sich der wissenschaftliche Zweck gerade in der Abbildung von Erkennungsmerkmalen erschöpft, die stets zu einer Identifizierung führen, wie etwa in der Gesichtschirurgie. Hier wird jedenfalls die berechtigte Erwartung des Abgebildeten bestehen, dass er bei einer Veröffent­ lichung zu wissenschaftlichen Zwecken hinreichend über die wissenschaftlichen Methoden aufgeklärt und im Zuge dessen nach seiner Einwilligung gefragt wird. diesem Zusammenhang davon, „das ernsthafte Bemühen, das Gewusste mit dem Wissbaren in Übereinstimmung zu bringen“. 1402  Zum Verhältnis von Forschung und Bildung zum Oberbegriff der Wissenschaft BeckOK GG/Kempen, Art.  5 GG, Rn.  182, 183. 1403 Krit. Nettesheim, DVBL 2005, S.  1076. 1404  Vgl. hierzu umfassend Nettesheim, DVBL 2005, S.  1072 ff. 1405  Nettesheim, DVBL 2005, S.  1074, weist in diesem Zusammenhang richtigerweise darauf hin, dass Wissenschaft nicht mehr als wertfreies Unternehmen neugieriger und wissbegieriger Per­ sonen, sondern unter gesellschaftlichen Nützlichkeitserwägungen betrachtet wird. 1406 Vgl. Bizer, S.  296 ff. 1407 Vgl. Bizer, S.  151 ff.; ferner v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art.  5 GG, Rn.  379.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Kommt es nach dem Forschungsdesign – etwa in der Verhaltensforschung – hingegen darauf an, dass sich der (erkennbar) Abgebildete unbefangen verhält und deshalb nicht nach seiner Einwilligung gefragt werden kann, bestünde gleichwohl die Möglichkeit, die Versuchsperson vor der Veröffentlichung nach ihrer Einwilligung zu fragen oder jedenfalls zu anonymisieren. Ferner bestehen diverse Möglichkeiten bei einer solchen verdeckten Erhebung, die Versuchs­ person jedenfalls über die Erhebung von Bilddaten aufzuklären und insoweit über den konkre­ ten Zweck der Erhebung zu täuschen.1408

Dementsprechend steht der Wissenschaftler grundsätzlich in der Pflicht, sein For­ schungsdesign nicht missbräuchlich zu gestalten, indem er etwa Erhebung und Ver­ öffentlichung – beispielsweise bei einem Livestream – zusammenlegt, um sich an­ schließend auf die Wissenschaftsfreiheit zu berufen. Umgekehrt werden diese ethi­ schen Anforderungen an die Wissenschaft mit einer Erwartungshaltung des be­forschten Abgebildeten korrespondieren. Als ein weiterer Ausfluss der Lauterkeit wissenschaftlichen Arbeitens kann schließlich die Erwägung verstanden werden, wonach der Wissenschaftsfreiheit grundsätzlich strenge Grenzen durch Grundrechte Dritter zu setzen sind.1409 Dies gilt somit auch im Hinblick auf das Recht auf infor­ mationelle Selbstbestimmung des Betroffenen bei der Erhebung von Daten1410 sowie hinsichtlich dessen Recht am eigenen Bild bei der Veröffentlichung seines Bildnisses. Abschließend werden die grundsätzlichen Zweifel an der Übertragbarkeit von §  23 I Nr.  4 KUG besonders deutlich, wenn man sich die analoge Anwendung des – nach hiesiger Auffassung ohnehin kritisch zu betrachtenden1411 – negativen Tatbestands­ merkmals der fehlenden Bestellung auf Bildnisveröffentlichungen zu wissenschaft­ lichen Zwecken vor Augen führt. Dies würde voraussetzen, dass gerade kein Ver­ trauensverhältnis (durch eine Bestellung) zwischen dem (abbildenden) Wissenschaft­ ler und dem (abgebildetem) Beforschten bestehen darf, damit §  23 I Nr.  4 KUG analog zur Anwendung gebracht werden kann. Um sich auf die Wissenschaftsfreiheit berufen zu können, welche nach den ethischen Grundsätzen gerade ein gewisses Vertrauen des Beforschten zum Wissenschaftler verlangt, dürfte letzterer vor der Veröffentlichung aber zugleich kein Vertrauensverhältnis mit dem Beforschten (im Sinne der Bestellung) eingegangen sein.1412 1408 Vgl.

Bizer, S.  305. Dies gilt jedenfalls in der abwehrrechtlichen Dimension des Art.  5 III GG. Darüber hinaus wird die Frage, ob die Wissenschaftsfreiheit überhaupt im Wege mittelbarer Drittwirkung zwischen Privaten zur Anwendung gebracht werden kann, ohnehin nur unter Vorbehalt allenfalls vorsichtig bejaht; vgl. Jarass/Pieroth, Art.  5 GG, Rn.  141; Nettesheim, DVBL 2005, S.  1082, Fn.  102; Dreier/ Pernice, Art.  5 GG, Rn.  37; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art.  5 GG, Rn.  373; Drittwirkungs­ mechanismen wohl ganz ablehnend Sachs/Bethge, Art.  5 GG, Rn.  217. 1410  Vgl. BVerfGE 65, 1 (69 ff.) – „Volkszählung“; ferner Sachs/Bethge, Art.  5 GG, Rn.  223; ­Bizer, S.  135 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck/Starck, Art.  5 GG, Rn.  373, 379 spricht dementsprechend vom „Recht, nicht beforscht zu werden“; Dreier/Pernice, Art.  5 GG, Rn.  50. 1411  Vgl. zum Verhältnis von §  23 I Nr.  1 KUG und §  23 I Nr.  4 KUG Kap.  3, D., II., 3., g), aa). 1412 Unabhängig hiervon wird es aber bereits an der vergleichbaren Interessenlage mangeln: Nach §  23 I Nr.  4 KUG soll der Besteller eines Bildnisses durch die Bestellung geschützt werden, damit der (ab-)bildende Künstler vertrauensvoll mit der Abbildung des Bestellers bei der Erstellung eines Kunstwerks umgeht und damit ausschließlich im Interesse des Bestellers verfährt. Die Kunst­ 1409 

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Sofern also die Möglichkeit besteht, dass das öffentliche Interesse im Rahmen der Gesamtabwägung in §  23 I Nr.  1 KUG durch einen wissenschaftlichen Kontext er­ höht wurde, wird durch den Umstand, dass keine Einwilligung des Abgebildeten vorliegt (und deshalb überhaupt erst §  23 I Nr.  1 KUG zur Anwendung kommen soll) dessen berechtigtes Interesse gem. §  23 II KUG an wissenschaftsadäquater Aufklä­ rung regelmäßig überwiegen. Anderes gilt hingegen, wenn der wissenschaftliche Zweck nur durch eine einwilligungslose Bildnisveröffentlichung erreicht werden konnte. Diese Fälle dürften allerdings überschaubar sein. i) Der Informationswert von zeittypischen Zustände und Lebenslagen und der Kernbereich der Privatsphäre Nach den bisher dargestellten Grundsätzen soll ein meinungsbildender Informations­ wert auch dann bestehen können, wenn die (Bild-)Veröffentlichung nicht von spektaku­ lären oder ungewöhnlichen Vorkommnissen handelt.1413 Deshalb soll nach wie vor1414 die Darstellung von sog. „zeittypische[n] Zustände[n] und Lebenslagen“ zu Unterhal­ tungszwecken ein öffentliches Interesse grundsätzlich bedienen können, welches das Abgebildeteninteresse im Einzelfall überwiegen könne.1415 Zu diesen zeittypischen Zu­ ständen und Lebenslagen können nach dem Bundesverfassungsgericht „Darstellungen des Privat- und Alltagslebens prominenter Personen außerhalb von Staat und Politik“ gehören.1416 Im Bereich privater und alltäglicher Personendarstellungen erscheint es somit weiterhin besonders schwer, zwischen „guter“, illustrierender, informierender Unterhaltung und „schlechter“ Neugier oder Sensationslust zu differenzieren. Um diese Entscheidung zu erleichtern, geht die Rechtsprechung bei alltäglichen und privaten Si­ tuationen, die im Zusammenhang mit einer Entspannungssituation für den (prominen­ ten) Betroffenen stehen, regelmäßig vom Überwiegen der Abgebildetenbelange aus.1417 In diesem Sinne sprechen die Zivilgerichte bei alltäglichen und privaten Abbildungen, welche die betroffene Person im Urlaub zeigen, von Darstellungen aus dem „grundsätzlich geschütz­ bestellung wird also schon regelmäßig deshalb zustande kommen, weil der Besteller ein Interesse an einer künstlerischen Abbildung von sich selbst hat. Dass der Abgebildete ein Bildnis ausgerech­ net bei einem Wissenschaftler bestellt, wird schon grundsätzlich dem Zufall geschuldet sein. 1413  Vgl. BVerfGE 120, 180 (213 f.) – „Caroline von Monaco III“; vgl. Kap.  3, D., II., 1., k). 1414  Vgl. hierzu die Ausführungen des BVerfG vor der Entscheidung des EGMR 2004 bei Kap.  3, D., II., 1., g). 1415  BVerfGE 120, 180 (214) – „Caroline von Monaco III“. 1416  BVerfGE 120, 180 (214) – „Caroline von Monaco III“; vgl. hierzu bereits Kap.  4, D.), B., I., 11. 1417  BGH, GRUR 2018, S.  967 f. – „Tochter von Prinzessin Madeleine“, bzgl. eines „Familienall­ tags“ in einem öffentlichen Park in New York; vgl. auch BGH, NJW 2018, S.  1823 – „Christian Wulff im Supermarkt“; einen „privaten Moment der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens“ hat der BGH jüngst verneint, da die Abgebildeten für die Kamera (in einem Vergnügungspark) po­ siert haben; vgl. BGH, GRUR 2019, S.  869 – „Eine Mutter für das Waisenkind“; das OLG Köln, Urt. v. 19.04.2019 – 15 U 156/18 = BeckRS 2019, 10629, Rn.  34, geht bei einem innigen Kuss von einem Moment der Entspannung bzw. des „Sich-Gehen-Lassens“ aus, ordnet diesen aber nicht ausdrück­ lich dem „Kernbereich der Privatsphäre“ zu.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ten Kernbereich der Privatsphäre“1418. Ferner soll der häusliche Bereich nach dem Bundesge­ richtshof unter diesen Kernbereich der Privatsphäre fallen.1419

Die Formulierung als Kernbereich (der Privatsphäre) legt allerdings nahe, dass hier­ mit der absolut geschützte Kernbereich privater Lebensgestaltung im Sinne der ­abwägungsfesten Intimsphäre gemeint sein könnte.1420 Allerdings betonte das Bun­ desverfassungsgericht in seiner „Caroline III“-Entscheidung aus dem Jahr 2008 aus­ drücklich, dass es sich beim Kernbereich der Privatsphäre im Sinne der zivil­gericht­ lichen Rechtsprechung eben nicht um den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung des Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I 1 GG handele.1421 Damit darf der Um­ gang mit Bildnissen aus dem Kernbereich der Privatsphäre gerade nicht als abwä­ gungsfester Eingriff in das Persönlichkeitsrecht verstanden werden, weshalb diese Abbildungen mit entsprechender Begründung des öffentlichen Interesses noch als Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte eingestuft werden können.1422 Somit wird der Bereich zeittypischer Zustände und Lebenslagen auch nach Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts weiterhin als die Grauzone zulässiger Bildberichterstat­ tung bezeichnet werden können.1423 j) Der Informationswert von Bildnissen Minderjähriger und sogenannten Eltern – Kind Beziehungen Einigkeit besteht dahingehend, dass Minderjährigen ein besonderer Persönlichkeits­ schutz zukommen muss, da sich diese noch in der Entwicklungsphase zu eigenver­ antwortlichen Personen befinden.1424 Dieser Grundsatz soll auch entsprechenden 1418  BGHZ 171, 275 (285) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGH, NJW 2008 S.  751 – „Abgestuf­ tes Schutzkonzept II“; BGH, NJW 2009, S.  756 – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August von Hannover“; vgl. BGH, NJW 2009, S.  1502 – „Unzulässige Bildveröffentlichung über neue Liebes­ beziehung von Sabine Christiansen“; vgl. OLG Köln, Urt. v. 14.02.2012, Az. 15 U 116/11 = BeckRS 2015, 17870; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  315 f.; ferner LG Frankfurt a. M., ZUM 2018, S.  60; LG Köln, ZUM-RD 2018, 174; LG Köln, Urt. v. 02.05.2018, Az. 28 O 340/17 = BeckRS 2018, 29812. 1419  BGHZ 131, 332 (338) – „Caroline von Monaco III“; ausdrücklich verneint bei BGHZ 177, 119 (128) – „Heide Simonis“ bzgl. eines unverfänglichen Moments beim städtischen Einkaufsbum­ mel; das OLG Köln, NJW 2016, S.  818 f. bejahte ferner beim „Vorliegen einer Schwangerschaft“ den Kernbereich der Privatsphäre. 1420  Hiervon scheinen etwa Eisele/Straub, KriPoZ 2019, S.  373, auszugehen; vgl. zum absolut geschützten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung i. S. d. Intimsphäre bereits Kap.  2, B., II., 3., a), bb). 1421  BVerfGE 120, 180 (214) – „Caroline von Monaco III“, wonach durch die unterschiedlichen Formulierungen zum Ausdruck kommen solle, dass der verfassungsrechtliche Persönlichkeits­ schutz enger als der einfachrechtlich gesicherte sei. 1422  Der BGH ging ebenfalls bereits früher davon aus, dass auch in den Kernbereich der Privat­ sphäre eingegriffen werden kann und dieser somit nicht abwägungsfest ist; so BGHZ 131, 332 (338)  – „Caroline von Monaco III“. Dafür spricht zudem die Formulierung des grundsätzlich ge­ schützten Kernbereichs; vgl. ferner Dahle/Stegmann, AfP 2013, S.  483. 1423  Dies gilt neben den begrifflichen Unwägbarkeiten besonders aufgrund weiterer Unsicherhei­ ten, die aus dem Zusammenhang der beigeordneten Wortberichterstattung resultieren; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., m), aa). 1424  BVerfGE 24, 119 (144) – „Adoption I“; BVerfGE 57, 361 (382 f.) – „Erstes Eherechtsreform­

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Niederschlag im Bildnisrecht finden, indem Minderjährigen grundsätzlich ein stär­ kerer Schutz vor dem einwilligungslosen Umgang mit Bildnissen gewährt wird als Erwachsenen. Umso erstaunlicher erscheint, dass sich bis heute keine hinreichend klare Leitlinie der Rechtsprechung erkennen lässt, wie weit dieser Schutz reichen und auf welche Weise er umgesetzt werden soll. Das Bundesverfassungsgericht erkennt im Interesse an Kinderabbildungen eine Gefahr für deren Persönlichkeitsentfaltung, weshalb derjenige Bereich, in dem sich Kinder frei von öffentlicher Beobachtung fühlen und entfalten dürfen, umfassender geschützt werden müsse als derjenige von Erwachsenen.1425 Dieser erhöhte Schutz sollte hiernach vor der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts1426 ausdrücklich sowohl in thematischer als auch räumlicher Hinsicht Berücksichtigung finden kön­ nen.1427 In thematischer Hinsicht haben sich dabei zwei Hauptstränge herausgebildet, welchen für den Informationswert auch unter der Fortgeltung des abgestuften Schutz­ konzepts der Rechtsprechung weiterhin maßgebliches Gewicht zukommen wird. aa) Abbildungen von Momenten der elterlichen Hinwendung Zunächst soll derjenige Schutzgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts von Kin­ dern und Eltern, welcher die elterliche Hinwendung mitumfasst, eine Verstärkung durch Art.  6 I, II GG erfahren.1428 Die freie (Persönlichkeits-)Entwicklung eines Kindes soll dadurch ermöglicht werden, dass der (thematische) Bereich elterlicher gesetz“; BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“; BVerfGE 119, 1 (24) – „Roman Esra“; vgl. auch BVerfG, NJW 2000, S.  2191 – „Bildberichterstattung über Kinder Prominenter“, und BVerfG, NJW 2005, S.  1858 – „Charlotte Casiraghi“, welche in diesem Zusammenhang vom „Recht von Kindern und Jugendlichen […] auf ‚Person werden‘“ sprechen; vgl. ferner BGHZ 198, 346 (351)  – „Schutz von Kindern gegen Veröffentlichung“; BGHZ 206, 347 (355) – „Recht auf ungestörte kindgemäße Entwicklung“; BGH, NJW 2018, S.  2419 – „Kindeswohlgefährdung“; vgl. Brost/Rodenbeck, AfP 2016, S.  496; zu den entwicklungspsychologischen Hintergründen vgl. Heiland, S.  221 ff. 1425  Vgl. BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“; BVerfG, NJW 2000, S.  2191 – „Bildberichterstattung über Kinder Prominenter“. 1426  Vgl. hierzu oben Kap.  3, D., II., 1., g). 1427  BVerfG, NJW 2005, S.  1858 – „Charlotte Casiraghi“; BVerfG, BeckRS 2006, 19652; vgl. ferner BVerfG, NJW 2003, S.  3262 – „Geburtshoroskop“, bzgl. der Wortberichterstattung. 1428  BVerfGE 101, 361 (385, 395 f.) – „Caroline von Monaco II“; BVerfGE 120, 180 (199) – ­„Caroline von Monaco III“; BGHZ 160, 298 (305 f.) – „Tochter von Caroline von Hannover“, bzgl. der Veröffentlichung von mehreren Bildnissen der damals noch nicht einjährigen Alexandra von Hannover, welche diese in ein Badetuch gewickelt auf dem Arm ihrer Mutter nach dem „Schwim­ men mit Schwimmflügeln“ (unter dem Titel: „Caroline. Die ersten Fotos. Das heimliche ­Babyglück“) zeigten und heimlich aus großer Entfernung auf dem Anwesen der Eltern aufgenommen wurden; BGH, GRUR 2018, S.  967 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“, mit Anmerkung von S. Klein in GRUR-Prax 2018, S.  445, bzgl. der Veröffentlichung eines Bildes, das Prinzessin Madeleine von Schweden nebst Ehemann beim Füttern der gemeinsamen drei Monate alten Tochter in einem öf­ fentlichen Park in New York zeigt; das OLG Köln, AfP 2019, S.  243 nimmt einen elterlichen Zuwen­ dungsmoment selbst bei „banalen Verkehrssituationen“ an, wenn die (prominente) Mutter mit ih­ rem (noch nicht schulpflichtigen) Kind bei einer Einkaufsfahrt mit dem Fahrrad abgebildet wird, da Kindern oft der Überblick über Strecke und Gefahren in der Regel völlig fehle. Gemeint ist hiermit wohl eine allgegenwärtige elterliche Zuwendungssituation aufgrund einer Gefahrensituation; OLG

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Fürsorge frei von äußeren Einflüssen gewährleistet wird, damit Eltern ihrem Erzie­ hungsauftrag bestmöglich nachkommen können: Eltern und Kinder sollen unbefan­ gen und frei von dem Druck, dass sie in Momenten elterlicher Fürsorge durch ein Abbild (öffentlich) repräsentiert werden, miteinander interagieren können. Vor die­ sem Hintergrund erscheint es nur konsequent, den (verstärkten) Bildnisschutz nicht etwa am Bildrand enden zu lassen, sondern auch auf Abbildungen von Eltern in Momenten erzieherischer Hinwendung zu erstrecken, wenn das Kind nicht mitabge­ bildet wird.1429 Auch erscheint es folgerichtig, dass auch die (Gesamt-)Ausrichtung der (Bildnis-)Veröffentlichung – selbst wenn sie äußerst wohlwollend für den Abge­ bildeten ausfällt und diesem keine negativen Charaktereigenschaften zuschreibt – für die Zulässigkeit im Rahmen von §  23 I KUG keine Rolle spielen soll.1430 Umge­ kehrt wäre es widersprüchlich, die Rechtmäßigkeit einer (Minderjährigen-)Abbil­ dung während einer solchen besonders schutzwürdigen elterlichen Fürsorgesituation vom medialen Vorverhalten des Elternteils (mit-)abhängig zu machen.1431 bb) Abbildungen von Begleitsituationen Der zweite Strang bezieht sich auf (vertraute) Begleitsituationen, bei welchen der Minderjährige zusammen mit einer Person des öffentlichen Interesses in der Öffent­ lichkeit auftritt. Vor der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts im Jahre 2007 war anerkannt, dass die Grundsätze der Begleiterrechtsprechung1432 nicht ohne wei­ teres auf Kinder übertragen werden können.1433 Sofern sich also die Begleiterrecht­ sprechung infolge der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts in einer Form des abgeleiteten Informationswerts fortsetzen sollte1434, ist auch zukünftig eine Ausnah­ Köln, ZUM-RD 2019, S.  401 bzgl. des gemeinsamen Besuchs eines Hockey-Spiels von Johannes B. Kerner mit der 15-jährigen Tochter. 1429  OLG Hamburg, AfP 2007, S.  559, bzgl. der Veröffentlichung von Urlaubsbildern der Familie von Gerhard Schröder in Rom; zustimmend hinsichtlich der ebenfalls hier getroffenen Wertung, dass eine konkrete elterliche Zuwendungssituation nicht abgebildet werden müsse, BGH, Beschl. v. 25.09.2007 – VI ZR 23/07 = BeckRS 2007, 16581; OLG Köln, AfP 2019, S.  245; Frauenrath, GB 2010, S.  302. 1430  BVerfG, NJW 2000, S.  2192 f. – „Bildberichterstattung über Kinder Prominenter“; BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04 = BeckRS 2006, 19652, Rn.  8. 1431  Ganz in diesem Sinne OLG Köln, AfP 2019, S.  244, wonach die Bildnisveröffentlichung der minderjährigen Tochter einer bekannten Fernsehmoderatorin (trotz verpixeltem Gesicht) zusam­ men mit der prominenten Mutter beim Einkaufen mit dem Fahrrad unzulässig war, obwohl die Mutter zuvor in den Medien als das „Aushängeschild“ einer „Fahrradhelm-Kampagne“ fungierte und in den strittigen Abbildungen keinen Fahrradhelm trug; unklar ist hingegen, wie das mediale Vorverhalten des Minderjährigen selbst einbezogen werden kann; vgl. hierzu etwa BGH, GRUR 2019, S.  869 – „Eine Mutter für das Waisenkind“, der dieses Kriterium mit heranzuziehen scheint. 1432  Zum abgeleiteten Informationswert vgl. Kap.  3, D., II., 3., f). 1433  Vgl. BGH, AfP 1996, S.  139; ferner OLG München, NJW-RR 1996, S.  95, bzgl. der Veröf­ fentlichung eines Bildnisses, welches die Tochter von Anne-Sophie Mutter bei ihrer Tauffeier auf dem Schoß ihrer Mutter sitzend zeigt; Frauenrath, GB 2010, S.  301; offen gelassen hingegen bei BGHZ 158, 218 (221 f.) – „Charlotte Casiraghi I“. 1434  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., f)., insbesondere die Wertungen bei bb).

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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me bei solchen Begleitsituationen zu erwarten, bei denen der Informationswert an einer Minderjährigenabbildung aus der vertrauten Begleitung einer (erwachsenen) Person des öffentlichen Interesses abgeleitet werden müsste. cc) Niederschlag der Grundsätze auf das räumliche Sphärendenken Die spezifischen thematischen Erweiterungen schlagen sich dabei auch in der Erwei­ terung in räumlicher Hinsicht nieder. Vor der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts betonte das Bundesverfassungsgericht dementsprechend, dass der Schutz spezifischer Eltern-Kind-Beziehungen ebenfalls dort ein­ greifen kann, wo es an den Voraussetzungen einer örtlichen Abgeschiedenheit fehlt1435 und sich ein Minderjähriger in der Öffentlichkeit – etwa gemeinsam mit seinen Eltern in einer ­öffentlichen Badeanstalt1436, beim gemeinsamen Einkaufen1437, Spazierengehen1438 oder auf einer öffentlichen Veranstaltung als Begleiter seiner prominenten Eltern1439 – bewegt.1440

Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahr 2004 und der hieraus resultierenden Etablierung des abgestuften Schutzkon­ zepts im Jahr 2007 hat sich die Bedeutung des Kriteriums der räumlichen Abge­ schiedenheit für den Persönlichkeitsschutz in der Öffentlichkeit (nicht nur für Min­ derjährige) relativiert. Umso mehr kann deshalb aber angenommen werden, dass auch weiterhin die bloße Teilnahme eines Minderjährigen an einer öffentlichen Ver­ anstaltung1441 kein – das Abgebildeteninteresse überwiegende – öffentliche Interesse im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG begründen kann.1442 Insoweit genießen Minderjäh­ rige grundsätzlich einen stärkeren Schutz als Erwachsene.1443 1435  BVerfGE 101, 361 (385 f.) – „Caroline von Monaco II; BVerfG, NJW 2000, S.  2192 f. – „Bild­ berichterstattung über Kinder Prominenter“; BVerfG, NJW 2005, S.  1857 – „Charlotte Casiraghi“; BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04 = BeckRS 2006, 19652; vgl. auch BVerfG, NJWRR 2007, S.  1057 f. 1436  Vgl. BVerfG, NJW 2000, S.  2192 f. – „Bildberichterstattung über Kinder Prominenter“. 1437  Vgl. OLG Köln, AfP 2019, S.  243. 1438  Vgl. OLG Hamburg, ZUM-RD 1997, S.  6. 1439  BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04 = BeckRS 2006, 19652, Rn.  8: „Der Schutz der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen schließt es ein, dass sie nicht aus Furcht vor einer Medienberichterstattung solche besonderen Anlässe meiden oder sich hierbei in einer dem Alter nicht angemessenen Weise kontrolliert verhalten müssen“. 1440  Vgl. BGH, GRUR 2018, S.  964 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; vgl. ferner Beater, JZ 2013, S.  113; Wenzel/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  54. 1441  Vgl. zur Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen Kap.  3, D., II., 3., c) und III., 1. 1442  A. A. offenbar Brost, S.  182 f., 188 und Seiler, WRP 2011, S.  528 f., welche mit kaum über­ zeugender Begründung davon ausgehen, dass die Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts den Spielraum der Presse zur Verwendung von Bildnissen zu Lasten des Rechts am eigenen Bild Min­ derjähriger vergrößert habe; vgl. hierzu die eigenen Erwägungen zum Bildnisschutz Minderjähri­ ger Kap.  3, D., II., 3., j), ff). 1443  Gleichwohl muss selbst bei der alleinigen Abbildung Erwachsener in einer Eltern-Kind-­ Situation (bei der das Kind auf dem Bildnis abgeschnitten ist) der – durch den Minderjährigen­ schutz und das Erziehungsrecht aufgeladene – verstärkte Persönlichkeitsschutz des Erwachsenen berücksichtigt werden; hierzu Kap.  3, D., II., 3., j), aa).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

dd) Grenze der bewussten Zuwendung Minderjähriger Uneinigkeit herrscht allerdings bzgl. der Reichweite des Abbildungsschutzes eines Minderjährigen in der Öffentlichkeit. So hält die Rechtsprechung die Relativierung des Persönlichkeitsschutzes (im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG) bei Abbildungen von Minderjährigen trotz deren besonderen Schutzbedürftigkeit grundsätzlich für mög­ lich. Dies soll gelten, sobald sich Kinder und Jugendliche durch ein über die bloße Teilnahme an einer Veranstaltung hinausgehendes Verhalten im Wege einer sog. be­ wussten Zuwendung den Besonderheiten öffentlicher Auftritte ausliefern.1444 Nach der verfassungsrichterlichen Rechtsprechung kann eine solche bewusste Zuwendung zur Öffentlichkeit etwa darin gesehen werden, wenn das Kind selbst den Anlass für die Veranstal­ tung gegeben hat, in sonstiger Weise in deren Mittelpunkt steht oder wenn ein „minderjähriger Abkömmling eines Prominenten in hervorgehobener Weise gleichsam auch als sein Repräsen­ tant [das heißt des Prominenten] an einer solchen Veranstaltung teilnimmt“1445.

Bei einer öffentlichen Veranstaltung müsse das Auftreten des Minderjährigen hier­ nach dazu bestimmt und geeignet sein, ihn aus der Masse des übrigen Publikums herauszuheben und die Aufmerksamkeit einer Medienberichterstattung auf ihn zu lenken.1446 Einheitliche Anhaltspunkte für diese Voraussetzungen lassen sich aller­ dings aus den fachgerichtlichen Entscheidungen bislang nicht herleiten.1447 Zumin­ dest liefert die Feststellung, wonach der Persönlichkeitsschutz eines Kindes anhand 1444  BVerfGE 101, 361 (386) – „Caroline von Monaco II“; BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04 = BeckRS 2006, 19652, Rn.  10; BGH, ZUM 2010, S.  263 – „Verbot der Veröffentli­ chung jeglicher Fotos eines Minderjährigen“. 1445  BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04 = BeckRS 2006, 19652, Rn.  10. 1446  BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04 = BeckRS 2006, 19652, Rn.  10. 1447  Eine bewusste Zuwendung bejaht: BGHZ 158, 218 (221) – „Charlotte Casiraghi I“, beim gemeinsamen Auftritt mit der prominenten Mutter bei einem Galaabend im Pariser Rathaus; wohl auch BGH, NJW 2005, S.  56 – „Charlotte Casiraghi II“, bei der Teilnahme als Reiterin an einem internationalen Reitturnier; BGH, NJW 2013, S.  2892 f. – „Eisprinzessin Alexandra“, bei der Teil­ nahme der damals elfjährigen Alexandra von Hannover an einem (lokalen) Eiskunstlaufturnier; dem beipflichtend Elmenhorst/Decker, NJW 2013, S.  2893; von Pentz, AfP 2014, S.  14; wohl auch OLG Hamburg, AfP 2006. S.  369, hinsichtlich der Teilnahme der Tochter von Oliver Kahn an der Meisterfeier des FC Bayern München zusammen mit ihrem Vater, wobei der Wortlaut des Urteils ungenauerweise zwischen einer „bewussten Zuwendung“ und einem zeitgeschichtlichen Ereignis als solchem differenziert; eine bewusste Zuwendung verneint: BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04 = BeckRS 2006, 19651, Rn.  13, in einem Fall, in welchem die Töchter eines (promi­ nenten) Laudators bei der Verleihung des Film- und Fernsehpreises neben der Mutter Platz genom­ men haben (nachdem sie den Saal durch den Hintereingang betreten hatten), wobei sich ihr Vater während der Veranstaltung zeitweise zu ihnen gesellte; BGH, GRUR 2018, S.  964 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“, beim Spaziergang in einem öffentlichen Park in New York (allerdings wäh­ rend einer Eltern-Kind-Situation); KG, ZUM-RD 2004, S.  513, beim Besuch eines Reitturniers ei­ ner (prominenten) Familie zusammen mit der minderjährigen Tochter; dem beipflichtend Heiland, S.  284; OLG Köln, NJW 2017, S.  1115, 1118, bei der Teilnahme einer 13-jährigen Politikertochter zusammen mit ihren (prominenten) Eltern auf der Ehrentribüne der Abschlussfeier der Sprin­ greit-Europameisterschaft 2015; OLG Dresden, AfP 2019, S.  243, bei einer Einkaufsfahrt zum Markt mit dem Fahrrad im privaten Wohnumfeld.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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seiner Entwicklungsphase zu bemessen sei, eine gewisse Orientierungshilfe.1448 Je­ denfalls kann diese Unwägbarkeit nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch nicht umgangen werden, indem Minderjährigen ein allge­ meiner strafbewehrter Unterlassungsanspruch in Bezug auf kerngleiche oder sinn­ gemäße Bildnisveröffentlichungen bis zum Erreichen der Volljährigkeit gewährt wird, sodass es auch weiterhin auf eine Einzelfallbetrachtung eines bereits veröffent­ lichten Bildnisses ankommen wird.1449 Selbst hartnäckige Persönlichkeitsrechtsver­ letzungen in Form fortgesetzter Bildnisveröffentlichungen müssen somit am Einzel­ fall der jeweiligen Veröffentlichung stets von neuem betrachtet werden, wobei eine wiederholte Begehungsweise in der Gesamtabwägung im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG bei den Erhebungsmodalitäten Berücksichtigung finden kann. Dass die indivi­ 1448  BGHZ 160, 298 (305) – „Tochter von Caroline von Hannover“; vgl. zudem die bestätigende Haltung im diesbezüglichen Nichtannahmebeschluss bei BVerfG, ZUM-RD 2007, S.  3; OLG Dres­ den, NJW-RR 2018, S.  1134. 1449  BGH, NJW 2010, S.  1455 – „Bildberichterstattung über minderjährige Kinder ­Prominenter“, m. Anm. Pfeifer, GRUR 2010, S.  175, hinsichtlich der Veröffentlichung von Bildnissen des minder­ jährigen Sohnes und das Parallelverfahren BGH, ZUM 2010, S.  263 f. – „Verbot der ­Veröffentlichung jeglicher Fotos eines Minderjährigen“, hinsichtlich der minderjährigen Tochter von Franz Beckenbauer in privaten Situationen; a. A. und somit für einen umfassenden Unterlassungsanspruch bzgl. Bildnisveröffentlichungen bis zur Volljährigkeit zuvor LG Hamburg, Urt. v. 29.08.2008 – 324 O 24/08 = BeckRS 2009, 86425 und OLG Hamburg, Urt. v. 11.11.2008 – 7 U 87/08 = BeckRS 2009, 86426; vgl. hierzu Stender-Vorwachs, NJW 2010, S.  1414 ff.; ähnlich OLG Hamburg, NJW 2009, S.  87; das LG Hamburg, Beschl. v. 21.01.2005 – 324 O 535/04 (unveröffentlicht), zitiert nach ­Heiland, S.  299, bejahte ebenfalls einen pauschalen Anspruch gegenüber dem beklagten Verlag, es zu unter­ lassen, Bildnisse der Kinder von Oliver Kahn zu veröffentlichen. Infolge weiterer gegen den Unter­ lassungstitel verstoßenden Bildnisveröffentlichungen setzte das LG Hamburg Ordnungsgelder fest und gewährte zudem einen Geldentschädigungsanspruch i. H. v. 40.000  €, welcher jedoch von OLG Hamburg, Urt. v. 04.11.2008 – 7 U 71/08 = BeckRS 2009, 200092, angesichts des ausreichenden Schutzes durch den pauschalen Unterlassungstitel wieder verworfen wurde; die Nichtzulassungs­ beschwerde wurde vom BGH zurückgewiesen und auch die daraufhin eingereichte Anhörungsrüge bei BVerfG, Beschl. v. 23.09.2009 – 1  BvR 1681, 1742/09 = BeckRS 2009, 39517 hatte keinen Erfolg; siehe zum gesamten Verfahrensverlauf ausführlich Heiland, S.  299 ff. m. w. N.; schließlich wurden die fachgerichtlichen Wertungen zum ausreichenden Schutzniveau im konkreten Verfahren – trotz der mittlerweile ausdrücklichen Abkehr des BGH von pauschalen Unterlassungstiteln bei Bildnis­ veröffentlichungen – durch EGMR, NJW 2017, S.  2891 ff. – „Kahn/Deutschland“ bestätigt. Zuvor bereits ablehnend bzgl. eines vorbeugenden umfassenden Unterlassungsanspruchs bei Volljährigen selbst bei hartnäckiger fortgesetzter Bildberichterstattung mit jeweils neuen Abbildungen in priva­ ten Situationen BGHZ 174, 262 (266) – „Bildberichterstattung“ und BGH, NJW 2008, S.  1593 – „‚kerngleiche‘ Berichterstattung“; selbst bei der erneuten Veröffentlichung ein und derselben Abbil­ dung hält der BGH angesichts des stets neuen Veröffentlichungskontexts die konkrete Prüfung des Einzelfalls für angezeigt; vgl. bereits BGHZ 158, 218 (223) – „Charlotte Casiraghi I“; für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang allerdings die Formulierung bei BGH, NJW 2009, S.  2824 – „Wil­ de Frisur von Andrea Casiraghi“, wonach es „lebensfremd“ erscheine, eine Untersagungsverpflich­ tung so auszulegen, dass sie sich nur auf eine Veröffentlichung des Fotos mit identischem Gesamt­ text beziehe. Inwieweit aber von einer (lebensnahen) Übertragbarkeit der Abbildungsszenarien ausgegangen werden kann, blieb bislang ungeklärt, sodass es bei (erneuten) Bildnisveröffentlichun­ gen (insbesondere von Minderjährigen) unverändert auf die (erneute) Prüfung des Einzelfalls an­ kommen wird; vgl. hierzu insgesamt Stender-Vorwachs, NJW 2010, S.  1416 m. w. N.; ferner OLG Karlsruhe, NJW-RR 2016, S.  1159.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

duelle Veröffentlichung hiernach erst abgewartet werden muss, bevor sie als Bil­ drechtsverletzung eines Minderjährigen bewertet und verfolgt werden kann, stößt unter anderem bei Teilen der Literatur teilweise auf geradezu emotionale Kritik1450. Im Zusammenhang hiermit wird beklagt, dass insbesondere unzulässige Bildnisver­ öffentlichungen von Kindern prominenter Eltern oder prominenten Kindern von wohlhabenden Verlagen und Agenturen quasi fortgesetzt erkauft werden könnten, zumal für diese ohnehin nach einer erfolgten Veröffentlichung nur selten ein Interes­ se an der weiteren, fortgesetzten Veröffentlichung eines konkreten Bildes bestün­ de.1451 Sofern sich der Betroffene überhaupt dazu entscheidet, sich gegen eine Bild­ nisrechtsverletzung zur Wehr zu setzen, sei das Kind ohnehin aufgrund der bereits erfolgten Veröffentlichung gewissermaßen schon „in den Brunnen gefallen“. Des­ halb könne eine Bildnisrechtsverletzung des abgebildeten Minderjährigen von einem Verlag bei der Veröffentlichung miteinkalkuliert oder etwa auf die Untätigkeit des Betroffenen spekuliert werden. Dabei handelt es sich im Kern eher um eine grundsätzliche Kritik am nachträglich einsetzen­ den Bildnisschutz unter der Ausklammerung kerngleicher Verletzungen im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG, welche allerdings gerade bei der Abbildung Minderjähriger als untragbar emp­ funden wird.

Diese Kritik mündete in jüngster Zeit deshalb unter anderem in der Forderung, das Recht am eigenen Bild des Minderjährigen absolut zu schützen und damit die Mög­ lichkeit einer einwilligungslosen Veröffentlichung im Rahmen des §  23 KUG bis zur Volljährigkeit abzulehnen.1452 Hält man die einwilligungsfreie Abbildung Minder­ jähriger im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG mit der Rechtsprechung jedenfalls für grundsätzlich möglich, ergeben sich dann aber Abgrenzungsschwierigkeiten, sobald der Minderjährige sich im Rahmen einer Eltern-Kind Beziehung der Öffentlichkeit  – etwa bei einem öffentlichen Anlass – bewusst zuwendet. Insbesondere verschwimmt hierdurch die Grenze der bewussten Zuwendung zur konkludenten Einwilligung.1453

1450 Vgl. nur Heiland, S.  303 ff., welche u. a. eine „faktische Ohnmacht“ des Persönlichkeits­ schutzes beklagt und von „erlittenen Seelenwunden“ spricht, weil sich die Tochter von Oliver Kahn nach der (europäischen) Rechtsprechung nicht (zusätzlich zum Ordnungsmittelverfahren) mit ei­ nem Geldentschädigungsanspruch gegen mehrere Bildnisveröffentlichungen wehren konnte, bei denen sich die Erkennbarkeit nicht aus dem Bild als solchem (sondern durch den Begleittext und die mitabgebildeten Eltern) ergab. 1451 Vgl. Heiland, S.  304. 1452  Der Veröffentlichende soll sich hiernach nie auf §  23 I Nr.  1 KUG berufen können, wenn der Abgebildete minderjährig ist; vgl. Heiland, S.  279 ff., 290 f., 315, 317, 337 f., 364, welche aber inso­ weit inkonsequent auf S.  316 offenbar doch vereinzelte Bildveröffentlichungen ohne Einwilligung zulassen möchte; ebenfalls für ein generelles einwilligungsfreies Abbildungsverbot bis zur Volljäh­ rigkeit Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80e, allerdings mit dem ausdrücklichen Zugeständnis von einzelnen Ausnahmen. 1453  Hierzu Kap.  3, C., III., 2.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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ee) Strengere Maßstäbe für Wort-Bild Kombinationen bei Bildnissen Minderjähriger Ferner lassen sich strengere Maßstäbe an Bildnisveröffentlichungen, die Minderjäh­ rige zeigen, an den von der Rechtsprechung entwickelten gesteigerten Anforderun­ gen hinsichtlich der Funktionalität zwischen veröffentlichtem Bild und beigeordne­ tem Text erkennen. So stufte der Bundesgerichtshof bereits vor der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts mehrere Bildnisveröffentlichungen von Charlotte Casiraghi ausdrücklich nicht als Bericht­ erstattung über ein zeitgeschichtliches Ereignis ein, obwohl die infrage stehenden Abbildun­ gen bei kulturellen oder gesellschaftlichen Veranstaltungen1454 aufgenommen wurden, da sich die beigeordnete Wortberichterstattung überwiegend mit dem Aussehen der minderjähri­ gen Abgebildeten beschäftigte oder über deren Privatleben spekulierte.1455

Schließlich tritt die besondere Schutzwürdigkeit Minderjähriger unabhängig vom Informationswert ihres Bildnisses bereits bei der Frage nach den Anforderungen und der Reichweite ihrer Einwilligung zur Bildnisveröffentlichung bei §  22 KUG zu­ tage.1456 In diesem Zusammenhang rückt in jüngster Zeit das Phänomen des sog. sharenting1457 immer mehr in den kritischen Fokus der Gesellschaft.1458 ff) Resümee und Stellungnahme zu Veröffentlichungen von Bildnissen Minderjähriger Aufgrund der hervorgehobenen Bedeutung des Minderjährigenschutzes und der an­ haltenden Diskussion um dessen konkrete Umsetzung im Bildnisrecht, soll zunächst die grundsätzliche Möglichkeit der einwilligungslosen Veröffentlichung eines Min­ derjährigenbildnisses im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG diskutiert werden. (1) Zur Ablehnung der Zeitgeschichtlichkeit von Minderjährigenbildnissen Den Stimmen, welche eine zeitgeschichtliche ­Minderjährigenbildnisveröffentlichung im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG ablehnen, ist zuzugestehen, dass die Gesamtabwä­ gung für die Ermittlung des Tatbestandsmerkmals der Zeitgeschichte in diesem Be­ reich hierdurch deutlich klare Konturen erhalten und dementsprechend dem Be­ 1454  Zur Einordnung kultureller oder gesellschaftlicher Veranstaltungen als zeitgeschichtliche Ereignisse vgl. Kap.  3, D., II., 3., c). 1455  BGHZ 158, 218 (224) – „Charlotte Casiraghi I“, bzgl. der Teilnahme der damals 15-jährigen Charlotte an einem Galaabend unter dem Titel „Die ganze Welt feiert ihre Schönheit“; BGH, NJW 2005, S.  58 – „Charlotte Casiraghi II“, bzgl. der Teilnahme der damals 16-jährigen Charlotte an ei­ nem Reitturnier nebst u. a. dem Text „offenbar noch lieber hoch zu Ross, als zu den Jungen hinab­ zusteigen“; vgl. auch Frauenrath, GB 2010, S.  302; zum Verhältnis von Bild- und Wortberichtersta­ tung Kap.  3, D., II., 3., m), aa). 1456  Beater, JZ 2013, S.  114; vgl. hierzu Kap.  3, C., II., 1. 1457  Zur Behandlung des sharentings Kap.  3, C., II., 1., b): zum Begriff des sharenting bereits Einführung, C. 1458  F. Leven, MMR-Aktuell 2020, 430184; Nebel, ZD-Aktuell 2020, 06929.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

stimmtheitsgebot bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit Minder­ jähriger Rechnung tragen würde. Da ein pauschales Abbildungsverbot Minderjähriger allerdings – trotz der nicht von der Hand zu weisenden Vorzüge – einen erheblichen Einschnitt in die Kommunikation durch Bildnisveröffentlichungen mit sich bringen würde, müsste dieses auch hinreichend begründet werden können. Im Ausgangspunkt kann allerdings schon der alarmierenden Feststellung wider­ sprochen werden, die Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts im Jahr 2007 habe die Möglichkeiten erweitert, Minderjährige einwilligungsfrei abzubilden. Denn die­ se Befürchtung basiert auf der Annahme, die Einordnung eines Minderjährigen als Person des öffentlichen Interesses sei „eher denkbar“, als die Klassifizierung dersel­ ben Person als (absolute oder relative) Person der Zeitgeschichte.1459 Eine nähere Begründung dieser Auffassung sucht man allerdings vergebens. Hingegen haben bereits die Ausführungen im deskriptiven Teil gezeigt, dass mit dem abgestuften Schutzkonzept und der hiermit einhergehenden Hervorhebung des Informations­ werts gleich eine Vielzahl von (thematischen) Korrektiven zur Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls etabliert wurden, so dass eine pauschale Einordnung einer Veröffentlichung als zeitgeschichtlich – insbesondere durch den maßgeblichen Rück­ griff auf den Bekanntheitsgrad des Abgebildeten – unterbleiben kann.1460 Der Bundesgerichtshof begründet die grundsätzliche Möglichkeit einwilligungs­ loser Minderjährigenbildnisveröffentlichung im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG da­ mit, dass sich insbesondere Jugendliche „mit zunehmender Annäherung an die Voll­ jährigkeitsgrenze vielfach mit Billigung der Eltern eigenständig derart in der Öffent­ lichkeit bewegen“ würden, dass „ein überwiegendes Informationsinteresse auch an einer bildhaften Darstellung nicht verneint werden“ könne. Ferner müsse bedacht werden, „dass Kinder, insbesondere solche von Prominenten, heutzutage vielfach derart in der Öffentlichkeit präsentiert“ würden, „dass ein überwiegendes Informa­ tionsinteresse zu bejahen“ sei.1461 Diese Argumentation kann allerdings nur bedingt überzeugen, da sie das (eigens vom Bundesgerichtshof befürwortete1462) normativ geprägte Verständnis des öffentlichen Interesses mit faktischen Gegebenheiten im Sinne eines tatsächlichen öffentlichen Interesses überspielt. Einer normativen Aus­ legung des öffentlichen Interesses bedarf es aber gerade auch deshalb, um Personen vor Abbildungen zu schützen, an denen faktisch ein großes öffentliches Interesse besteht, etwa weil sie im Zeitpunkt der Veröffentlichung minderjährig sind oder in einem privaten, intimen Moment abgebildet wurden und deshalb besonders natürlich und echt (und damit interessant für die Öffentlichkeit) wirken. Die Möglichkeit einer einwilligungslosen Bildnisveröffentlichung (nur) mit faktischen Gegebenheiten zu 1459 

Seiler, WRP 2011, S.  529; dem folgend Brost, S.  188. Vgl. bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a), sowie Kap.  3, D., II., 1., k), und Kap.  3, D., II., 2. Ferner spricht hiergegen, dass die Übertragbarkeit der Begleiterrechtsprechung – i.ü. auch bereits vor Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts – auf Minderjährige keine Anwendung finden soll. 1461  BGH, NJW 2010, S.  1456 – „Bildberichterstattung über minderjährige Kinder Prominenter“. 1462  Vgl. nur BGH, NJW 2011, S.  747 – „Rosenball in Monaco“. 1460 

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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begründen, stellt sich deshalb in solchen Bereichen als problematisch dar, in denen die abgebildete Person besonders schutzwürdig ist. Gleichwohl erweist sich ein pau­ schales Verbot zeitgeschichtlicher Minderjährigenbildnisveröffentlichungen ange­ sichts sämtlicher Kommunikationsgrundrechte der Veröffentlichenden und Rezi­ pienten im Ergebnis nicht nur als unverhältnismäßig1463, sondern auch im Hinblick auf zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen unflexibel.1464 Deshalb erscheint es folgerichtig, ein das Abgebildeteninteresse des Minderjähri­ gen überwiegendes öffentliches Interesse in solchen Bereichen grundsätzlich anneh­ men zu können, in denen die Begründung einer gewichtigen Nachfrage nach norma­ tiven Gesichtspunkten möglich erscheint und deshalb nicht den Zwecken des Min­ derjährigenschutzes zuwiderläuft. Um jedoch der gesteigerten Schutzbedürftigkeit Minderjähriger im Rahmen der Interessenabwägung – und somit der Ermittlung der Zeitgeschichtlichkeit – ausrei­ chend Rechnung zu tragen, erscheint es sachgemäß, bei Minderjährigenabbildungen von einer widerlegbaren Vermutung des überwiegenden Abgebildeteninteresses aus­ zugehen. Integriert man diese Lösung in die bereits herausgearbeiteten Lösungsvor­ schläge, zeigt sich, dass einer einwilligungsfreien Bildnisveröffentlichung eines Minderjährigen somit sehr hohe Grenzen gesetzt werden, die im Einzelfall aber zu Gunsten der Öffentlichkeit flexibel gehandhabt werden können.1465 Dabei gilt es auch der Behauptung zu widersprechen, der Minderjährige sei nach geltender Rechtslage vor einwilligungslosen Bildnisveröffentlichungen weitestge­ hend schutzlos gestellt.1466 Denn unabhängig von der Geltendmachung eines zivil­ rechtlichen Unterlassungs- oder eines Geldentschädigungsanspruchs (bei schwer­ wiegenden Bildnisrechtsverletzungen) steht es dem Minderjährigen überdies frei, bei jeder Verletzung seines Rechts am eigenen Bild über seine Erziehungsberechtig­ ten einen Strafantrag i. S. d. §  33 II KUG zu stellen.1467 Existiert eine ausdrückliche Vermutung für ein überwiegendes Abgebildeteninte­ resse bei Minderjährigenbildnissen, könnte das Strafrecht einen nicht unerheblichen 1463  Konsequenter erschiene es deshalb, wenn der BGH ausdrücklich festgestellt hätte, dass die Belange des Minderjährigenschutzes nicht pauschal jede denkbare einwilligungslose Bildkommu­ nikation überwiegen können sollen, zumal nicht geklärt ist, ob diese Belange automatisch bei jeder einwilligungslosen Bildnisveröffentlichung eines Minderjährigen überhaupt betroffen sind. Diese (vermutlich unliebsame) Feststellung ändert freilich nichts an den strengen Maßstäben, die für we­ nige Einzelfälle gelten müssen. 1464  Neben den Ausführungen zum faktischen öffentlichen Interesse des BGH stützen insbeson­ dere die Befunde zum Kommunikationsverhalten Jugendlicher und dem wachsenden Rückgriff auf Bildkommunikation in (bildbasierten) sozialen Netzwerken diesen Aspekt; vgl. hierzu bereits Ein­ führung, A. 1465  Vgl. hierzu insbesondere die Abbildung bei Kap.  3, D., V., 2. 1466  Unglücklich erscheint nicht nur in diesem Zusammenhang der Hinweis von Heiland, S.  313 f., der Geldentschädigungsanspruch sei neben dem Unterlassungsanspruch das einzige ­„Rechtsmittel“, welches den Betroffenen bei der Verletzung ihres Bildnisrechts durch ein „inkriminiertes Bildnis“ zustünde. 1467  Bei Bildnisveröffentlichungen durch Presseunternehmen bestehen bzgl. der strafrechtlichen Verantwortlichkeit mehrere Anknüpfungspunkte; vgl. hierzu B. Heinrich, ZIS 2011, S.  427.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Beitrag zur Schärfung des gesellschaftlichen Bewusstseins für bestehende Gefahren durch Minderjährigenbildnisveröffentlichungen leisten. Dies gilt umso mehr, da es durch die hier vertretene Ablehnung des Bekanntheitsgrads als Abwägungskriterium in Kombination mit der begrüßenswerten Abkehr von der Begleiterrechtsprechung bei Minderjährigen1468 und der hiesigen Forderung einer stärkeren Betonung der Funktionalität zwischen der Information des öffentlichen Interesses und des konkret veröffentlichten Bildnisses1469 gewichtiger Gründe bedarf, ein überwiegendes öffent­ liches Interesse bei Minderjährigenabbildungen zu begründen. Dies gilt insbesonde­ re für Veröffentlichungen der Presse, die sich bei einwilligungslosen Veröffentlichun­ gen nicht allein auf ihren presserechtlichen Status verlassen darf. Allein durch die Vermutung eines öffentlichen Interesses bei Presseveröffentlichungen kann diese Vermutung des überwiegenden Abgebildeteninteresses eines Minderjährigen wegen dessen besonderen Schutzwürdigkeit hiernach nicht widerlegt werden. Damit steht der Veröffentlichende zunächst in der Pflicht, einwilligungslose Bild­ nisveröffentlichungen von Minderjährigen mit einer (gewichtigen) Information des öffentlichen Interesses zu begründen, die sich funktional im veröffentlichten Bild nach den hier vertretenen Maßstäben wiederfindet.1470 Hinsichtlich des Informa­ tionswerts kann auf die bereits gefundenen Ergebnisse zurückgegriffen werden. So kann ein gewichtiger normativer Informationswert dann angenommen werden, je eher dem Abgebildeten eine Verbindung mit der Öffentlichkeit etwa anhand seiner Funktion innerhalb der Gesellschaft, nachgewiesen werden kann. Ein Beispiel wäre etwa die Veröffentlichung des Bildnisses eines minderjährigen Staatsober­ haupts oder Thronfolgers.1471

Begründet der Veröffentlichende hingegen die einwilligungsfreie Veröffentlichung nur mit einem faktisch bestehenden öffentlichen Interesse im Sinne einer tatsächlich hohen Nachfrage an den konkreten Abbildungen, darf dieses öffentliche Interesse erst recht nicht normativen Wertungen – und somit unter anderem dem Minderjähri­ genschutz – zuwiderlaufen. Somit steht auch fest, dass das öffentliche Interesse an Minderjährigenabbildungen bei öffentlichen Anlässen dann nicht das Abgebildeten­ interesse überwiegen kann, wenn die Abbildung etwa in einer elterlichen Fürsorge­ situation stattfindet.1472 Damit fragt sich schließlich, wie sich eine Abbildungssitua­ 1468  Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Begleiterrechtsprechung nicht nur bei Minder­ jährigen (im Sinne der wohl überwiegenden Meinung), sondern grundsätzlich abzulehnen; vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 3., f), bb). 1469  Vgl. hierzu auch Kap.  3, D., II., 3., m), aa), (4). 1470  Vgl. zum Verhältnis Wort und Bild Kap.  3, D., II., 3., m), aa). 1471  Vgl. in diesem Zusammenhang BGHZ 180, S.  114 (120) – „Enkel von Fürst Rainier“, wonach der Enkel des verstorbenen Fürsten Rainier als potentieller Thronfolger und damit als eine Person des öffentlichen Interesses abgebildet werden durfte (gleichwohl war der Abgebildete im Zeitpunkt der Abbildung volljährig). 1472  In diesem Sinne ist auch die Formulierung bei BGH, GRUR 2018, S.  964, Rn.  26 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“ zu verstehen, sodass keine bewusste Zuwendung bei der Beschäftigung mit dem eigenen Kind vorliegt.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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tion für eine einwilligungslose Veröffentlichung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG ­konkret zugetragen haben und veröffentlicht werden muss, damit sie dem Minderjäh­ rigenschutz nicht zuwiderläuft. Nach der Rechtsprechung bilden die Grundsätze der bewussten Zuwendung diesen Maßstab, welche im Folgenden gesondert besprochen werden sollen. (2) Zum Verhältnis der bewussten Zuwendung zur konkludenten Einwilligung Zustimmung verdient die Ansicht, dass der Aufenthalt des Minderjährigen in der Öffentlichkeit allein noch nicht für eine bewusste Zuwendung an die Öffentlichkeit genügt, sogar wenn das hierzu führende Heraustreten an die Öffentlichkeit vom Min­ derjährigen selbst ausgeht. Eine Zuwendung an die Öffentlichkeit im Sinne eines buchstäblichen Herantretens an diese allein aus diesem Grund ist demzufolge abzu­ lehnen. In diesem Sinne erscheint auch die verfassungsrichterliche Wertung über­ zeugend, dass in der bloßen Teilnahme eines Minderjährigen an einer öffentlichen Veranstaltung allein noch keine bewusste Zuwendung des Minderjährigen zur Öf­ fentlichkeit gesehen werden kann.1473 Damit wird bereits im Ausgangspunkt der Be­ fürchtung ausreichend Rechnung getragen, dass der Bildnisschutz von Kindern pro­ minenter Eltern oder selbst prominenter Kinder nicht geringer ausfallen darf als derjenige Schutz nichtprominenter Kinder.1474 Zurückhaltung verdient deshalb auch derjenige Ansatz aus der fachgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur, wel­ cher eine bewusste Zuwendung von den individuellen persönlichen Verhältnissen des abgebildeten Minderjährigen und seinem familiären Umfeld abhängig machen möchte.1475 Dieser Ansatz erschwert die Einschätzung im Rahmen der Gesamtabwä­ gung für eine einwilligungsfreie Veröffentlichung nicht nur erheblich und macht so­ mit eine klare Bestimmung für den Veröffentlichenden nahezu unmöglich. Vielmehr läuft eine solche Differenzierung letztendlich erneut auf die Beurteilung einer ein­ willigungsfreien Veröffentlichung anhand des Bekanntheitsgrads der betroffenen Person oder ihrer Begleitpersonen hinaus, was nach hier vertretener Auffassung ab­ zulehnen ist.1476 Eine solche Differenzierung ist schließlich auch den Maßstäben ei­ 1473 

Vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.2006 – 1  BvR 1009/04, Rn.  10, 13 = BeckRS 2006, 19652. Vgl. hierzu Wanckel, NJW 2011, S.  728, der auf die Schutzwürdigkeit von Kindern mit „auf­ gezwungener Prominenz“ (durch Geburt) hinweist; ferner Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80e. 1475  KG, ZUM-RD 2004, S.  513, wonach der Besuch eines Reitturniers keine bewusste Zuwen­ dung der Tochter von Caroline von Monaco darstelle, da es sich bei dem Besuch um einen, aus der Perspektive der Familie alltäglichen Vorgang handele; vgl. auch Heiland, S.  284, wonach der Be­ such von Events, wie Premieren oder Galen, oder der Besuch einer VIP-Tribüne bei einer Sportver­ anstaltung für Familien mit prominenten Familienmitgliedern einen alltäglichen Vorgang darstelle und deshalb ein besonderer Maßstab für den Lebensstil des betroffenen Kindes gelte. 1476  Heiland, S.  284 f., geht davon aus, dass es für Prominente normal sei, anstelle eines Kinobe­ suchs die Kinopremiere oder anstelle des Balletts die Ballettpremiere zu besuchen, weil dies Ver­ günstigungen seien, die die Berühmtheit mit sich bringe und von Prominenten und somit automa­ tisch auch deren Kinder in Anspruch genommen werde. Ob sich dann also nur das durchschnittliche 1474 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nes Rechts zur einwilligungsfreien Abbildung von Volljährigen fremd und stellt im Übrigen auch keinen besonderen Ausdruck des Minderjährigenschutzes dar. Über­ zeugender erscheint es daher, die Maßstäbe der bewussten Zuwendung einheitlich im Sinne eines objektiven Zuwendungshorizonts zu behandeln. Damit stellt sich die Frage, wann überhaupt von einem Mehr als dem bloßen Auf­ enthalt in der Öffentlichkeit im Sinne einer bewussten Zuwendung eines Minderjäh­ rigen auszugehen ist. Das Bundesverfassungsgericht nimmt ein solches Mehr etwa an, wenn das Kind selbst den Anlass für eine Veranstaltung gegeben hat1477 oder neben der bloßen Teilnahme zusätzlich als Repräsentant des prominenten Elternteils auftritt. Hieraus könnte geschlossen werden, Elemente der Selbstöffnung1478 für eine Abbildung heranzuziehen: Kann der Minderjährige aufgrund seines Verhaltens in Kombination mit den äußeren Umständen erwarten, dass Bildnisse von ihm angefer­ tigt und verbreitet werden, tendiert die Rechtsprechung zur Annahme der bewussten Zuwendung.1479 Grundsätzlich soll der Minderjährige es also selbst in der Hand ha­ ben, durch aktive Verhaltensweisen innerhalb der Öffentlichkeit seine einverständ­ liche oder ablehnende Einstellung zu einer Abbildung gewissermaßen für den Abbil­ denden zu signalisieren. Begibt er sich beispielsweise durch den Hintereingang oder unter vorgehaltener Hand auf eine öffentliche Veranstaltung, könnte dann eine bewusste Zuwendung abgelehnt werden.

Durch den Rückgriff auf Elemente der Selbstöffnung des Abgebildeten rückt die Rechtsprechung allerdings zwangsläufig den Maßstab für die einwilligungsfreie Ab­ bildung eines Minderjährigen auf die Seite des objektiven Empfängerhorizonts: erfas­ sen alltägliche Verhaltenskonventionen üblicherweise eine gesteigerte Wahrschein­ lichkeit, dass der Betroffene abgebildet und seine Abbildung veröffentlicht wird, müsste demnach eine bewusste Zuwendung vorliegen. Dabei verschwimmt allerdings die Grenze zur konkludenten Einwilligung (durch schlüssiges Verhalten), zu welcher der Minderjährige aber eben nicht allein befähigt sein soll, sondern nach der ganz herrschenden Meinung auch der Zustimmung der Erziehungsberechtigten bedarf.1480 Unterschiede bestehen dabei nur insoweit, dass eine konkludente Einwilligung einen (konkreten) Willen bzgl. einer (konkreten) Bildnisveröffentlichung signali­ siert, während die bewusste Zuwendung eine Verhaltensweise darstellt, die nach ob­ jektiven Verhaltenskonventionen üblicherweise ein gewichtiges öffentliches Interes­ Kind bei der Kinopremiere der Öffentlichkeit zuwenden kann und demzufolge einwilligungsfrei abgebildet werden darf, beantwortet Heiland hingegen nicht. 1477  Ein Beispiel für einen solchen Fall wird allerdings nicht genannt. Möglicherweise sind hier­ mit Auftritte von Kinderstars bei eigens veranstalteten öffentlichen (Charity-)Events wie etwa eines Konzerts oder zum Anlass des eigenen Geburtstags gemeint. 1478  Zur Selbstöffnung im Einzelnen Kap.  3, D., IV. 1479  Vgl. zuletzt OLG Hamburg, ZUM-RD 2018, S.  346, wonach ein „bewusster Auftritt“ des damals 15-jährigen Mick Schuhmacher vorlag, indem er an der Kart-Juniorenmeisterschaft teil­ nahm und ein erhebliches öffentliches Interesse aufgrund der Tatsache bestehe, dass „der äußerst prominente Vater [Michael Schumacher] […] ebenfalls als Rennfahrer bekannt geworden“ sei. 1480  Zur Einwilligung Minderjähriger Kap.  3, C., II., 1., a).

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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se an Bildnissen hervorruft und man deshalb mit der Bildnisherstellung und -ver­ öffentlichung im Rahmen dieser Verhaltensweise rechnen muss. Eine bewusste Zuwendung kann damit – entsprechend der dogmatischen Einordnung innerhalb des §  23 I KUG – völlig unabhängig vom Willen des Abgebildeten und seiner Erzie­ hungsberechtigten bzgl. der Bildnisveröffentlichung stattfinden und läuft mithin für den Abgebildeten unkontrollierter ab. Wenn der Minderjährige aber bereits seinen (konkludenten) Willen zu einer kon­ kreten und damit für ihn vorhersehbaren und kontrollierten Bildnisveröffentlichung im Rahmen des §  22 KUG nur mit Zustimmung seiner Eltern erklären darf, erschie­ ne es inkonsequent, wenn er die für ihn möglicherweise unvorhersehbare und unkon­ trollierte Bildnisveröffentlichung ohne seinen Willen durch eine bewusste Zuwen­ dung alleine herbeiführen können soll. Folgerichtig erscheint es deshalb, die Gren­ zen für eine bewusste Zuwendung sehr eng zu ziehen und auch das Verhalten der Erziehungsberechtigten hinsichtlich des Verhaltens des Minderjährigen miteinzube­ ziehen, um eine bewussten Zuwendung bejahen zu können. Wie diese Einbeziehung der Erziehungsberechtigten für den Veröffentlichenden allerdings auszusehen hat, ist bislang ungeklärt. Überzeugend erscheint es auch hier im Lichte des Minderjähri­ genschutzes einen strengen Maßstab anzulegen, wonach der Veröffentlichende für die bewussten Zuwendung des Minderjährigen zusätzlich darlegen muss, dass An­ haltspunkte bestehen, wonach die Eltern mit dem Verhalten des Minderjährigen, welches zur Abbildungssituation führt, einverstanden waren.1481 Zieht der Minderjährige etwa auf einer öffentlichen Veranstaltung mit einer kindlich-unbe­ dachten Handlung alle Blicke (der Fotografen) auf sich und wird aus der Reaktion der erzie­ hungsberechtigten Eltern ersichtlich, dass er damit aufhören soll, kann keine bewusste Zu­ wendung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG angenommen werden.

Im Sinne dieser restriktiven Auslegung ist es schließlich auch abzulehnen, dass das (mediale) Vorverhalten der Erziehungsberechtigten eine Rolle für die bewusste Zu­ wendung1482 oder eine Selbstöffnung des Minderjährigen1483 spielen können soll.

1481 Dieses Zustimmungserfordernis muss sich in zeitlicher Hinsicht parallel zum Einwilli­ gungserfordernis der Eltern im Rahmen der Doppelzuständigkeit verhalten. Maßgeblich ist dabei die Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen; vgl. hierzu Kap.  3, C., II., 1., a). 1482  Kritisch zu hinterfragen ist deshalb die Feststellung bei BGH, GRUR 2019, S.  869, Rn.  20  – „Eine Mutter für das Waisenkind“, wonach die minderjährige Betroffene schon mehrfach neben ihren Erziehungsberechtigten bei öffentlichen Veranstaltungen vor die Kameras getreten sei; gegen die Einbeziehbarkeit des medialen Vorverhaltens der Eltern für die bewusste Zuwendung auch Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  80e. 1483  So wohl auch Lauber-Rönsberg, NJW 2018, S.  3513; eine Zurechnung hingegen in Betracht ziehend BGH, NJW 2018, S.  3510 – „Begegnung mit dem verlorenen Bruder“; dem folgend OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  468; ebenso hat etwa das LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  86 f., die Äußerungen des Vaters bzgl. einer Selbstöffnung einer Minderjährigen hilfsweise geprüft und so­ mit die Möglichkeit der Selbstöffnung des Minderjährigen durch den Erziehungsberechtigten nicht ausgeschlossen; vgl. zur Selbstöffnung Kap.  3, D., IV.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Spricht etwa der bekannte Elternteil fortwährend in Interviews über sein Kind, zeigt er Bild­ nisse von diesem in die Kamera, veröffentlicht er diese Bildnisse selbst auf seinem Social-Me­ dia-Kanal oder bringt er sein Kind selbst zu öffentlichen Veranstaltungen mit, sagt dies nichts über eine bewusste Zuwendung des Kindes aus.

Den Persönlichkeitsschutz eines Minderjährigen an dem Vorverhalten seiner Erzie­ hungsberechtigten zu bemessen, liefe dem Zweck des Minderjährigenschutzes zu­ wider, einen Freiraum zu gewähren, in dem sich der Minderjährige zu einer selbst­ bestimmten Persönlichkeit entwickeln und sich ausprobieren kann. k) Der Informationswert höchstpersönlicher Bildnisse Der Umstand, dass sogar Abbildungen aus dem einfachgesetzlichen Kernbereich der Privatsphäre einer zulässigen einwilligungsfreien Veröffentlichung nicht zwangsläu­ fig entgegenstehen müssen, zeigt die Schwierigkeit, ein (Bild-)Szenario dem absolut geschützten Kernbereich (privater Lebensgestaltung) des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts positiv zuzuordnen. Eine solche positive Zuordnung inhaltlicher Aspekte beschränkt sich nach den früheren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf das Merkmal der Höchstpersönlichkeit eines Inhalts.1484 Hierbei handelt es sich aber wiederum um einen unbestimmten Begriff, der näherer Auslegung bedarf. Ein Anhaltspunkt für die Höchstpersönlichkeit könnte nach der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung allenfalls der „Geheimnischarakter“ einer Information sein.1485 Die­ ser Geheimnischarakter wurde aber gerade aufgrund seiner inhaltlichen Konturlo­ sigkeit rein aus einer indizhaften Betrachterperspektive anhand der räumlichen Ab­ geschiedenheit und nicht aus der individuellen Betroffenenperspektive bestimmt. Insbesondere erscheint vor diesem Hintergrund die verfassungsgerichtliche Annah­ me eines „naturgemäßen Geheimnischarakters“ irreführend, da ein Geheimnis erst vom Individuum zu einem solchen gemacht werden muss und nicht naturgemäß (etwa aufgrund von Abgeschiedenheit) besteht.1486 In diesem Sinne stellt das Bun­ desverfassungsgericht heute zur Bestimmung des Kernbereichs neben dem höchst­ persönlichen Charakter eines Inhalts und der Frage, in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berührt, auf den individuellen Geheimhaltungswillen1487 ab.1488 Allerdings ist sowohl die positive Bestimmung eines objektiven Themenbereichs, der für jedermann höchstpersönli­ 1484  BVerfGE 32, 373 (380) – „Ärztliche Schweigepflicht“; BVerfGE 34, 238 (248) – „Tonband“; BVerfGE 80, 367 (374) – „Tagebuch“; BVerfGE 109, 279 (313) – „Großer Lauschangriff“; BVerfG, NJW 2009, S.  3359; BVerfG, Beschluss vom 18.04.2018 – 2  BvR 883/17 = BeckRS 2018, 9554, Rn.  27. 1485  BVerfGE 27, 1 (7) – „Mikrozensus“. 1486 Vgl. Luch, S.  53. 1487  Vgl. zum Geheimhaltungswillen Kap.  3, D., II., 3., m), dd). 1488  BVerfGE 80, 367 (374) – „Tagebuch“; BVerfGE 109, 279 (313) – „Großer Lauschangriff“; BVerfG, NJW 2009, S.  3359 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspieler“; BVerfG, Beschluss vom 18.04.2018 – 2  BvR 883/17 = BeckRS 2018, 9554, Rn.  27; vgl. ferner BVerfGE 75, 369 (380) – „Strauß-Karikatur“, wonach die Darstellung des sexuellen Verhaltens zum „schutzwürdigen Kern des Intimlebens“ gehöre.

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chen Charakter aufweisen soll, als auch die Bestimmung eines „natürlichen Geheim­ nisses“ ein schwieriges Unterfangen. Hierzu zählt das Bundesverfassungsgericht jedenfalls „Gefühlsäußerungen, Äußerungen des unbewussten Erlebens sowie Aus­ drucksformen der Sexualität“1489. Während die ersten beiden Umschreibungen an tendenziell unkontrollierbare, nicht wissensgesteuerte Kommunikationsformen an­ knüpfen, liefert der Bezug zur Sexualität einen themenbezogenen positiven Anhalts­ punkt für die Ermittlung der Intensität einer Persönlichkeitsverletzung. Allerdings musste auch dieser Bezugspunkt insoweit relativiert werden, dass allenfalls (gewis­ se) Ausdrucksformen, und mithin nicht jedes (Bild-)Szenario, das im Zusammen­ hang mit der menschlichen Sexualität steht, dem Intimbereich unterfallen soll.1490 So werden etwa Aktaufnahmen oder erotische Dessousaufnahmen nicht stets in den höchst­ persönlichen Bereich fallen. Insoweit bedarf es eines stark ausgeprägten Maßes an Indiskreti­ on und Privatheit.

Häufiger hat das Bundesverfassungsgericht bislang die Bestimmung des Kernbe­ reichs anhand der dritten Komponente des Sozialbezugs gewissermaßen negativ vollzogen. So soll selbst die geheime, gezielt räumlich isolierte, von der Außenwelt völlig abgeschiedene Angelegenheit aufgrund ihres Inhalts die Belange der Öffent­ lichkeit im hohen Maße betreffen und damit (inhaltlichen) Sozialbezug aufweisen können.1491 Deshalb soll eine Information etwa durch die Niederschrift in ein Tage­ buch1492 oder in einer autobiografischen Textdatei1493 dem staatlichen Zugriff auch dann nicht entzogen sein, wenn der Inhalt der Information einen Bezug zur Außen­ welt aufweist, wie zum Beispiel bei Ausführungen zu konkreten Straftaten.1494 Allerdings scheint auch diese Abgrenzungsmethode jedenfalls für Abbildungsszenarien in ihrer Absolutheit nur einen bedingten Mehrwert zu haben: Erblickt man einerseits bereits bei einer erkennbaren Entäußerung eines Umstands in die Außenwelt einen derartigen Sozial­ bezug1495, wird eine Intimsphärenverletzung unmittelbar durch eine Bildveröffentlichung nie 1489  BVerfGE 80, 367 (374) – „Tagebuch“; BVerfGE 109, 279 (313 f.) – „Großer Lauschangriff“, wobei der Erste Senat diese Ausführungen zur Höchstpersönlichkeit bloß im Zusammenhang mit der Menschenwürde angestellt hat; Desoi/Knierim, DÖV 2011, S.  402 f., folgern hieraus, dass der Begriff der Intimsphäre (allgemeines Persönlichkeitsrecht) nicht dem des Kernbereichs (Menschen­ würde) zugeordnet werden könne; BVerfGE, 119, 1 (29 f.) – „Roman Esra“; BVerfG, NJW 2009, S.  3359 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehemaligen Bundesliga-Fußballspie­ ler“; BVerfG, Beschluss vom 18.04.2018 – 2  BvR 883/17 = BeckRS 2018, 9554, Rn.  27. 1490  BVerfG, NJW 2009, S.  3359 – „Berichterstattung über Vergewaltigung durch einen ehema­ ligen Bundesliga-Fußballspieler“; BGH, NJW 2009, S.  3579 – „Kannibale von Rotenburg“; BGH, NJW 2012, S.  767 – „Wenn Frauen zu sehr lieben“; vgl. ferner BVerfGE 119, 1 (51) – „Roman Esra“. 1491  BVerfGE 27, 1 (8) – „Mikrozensus“; BVerfGE 33, 367 (377) – „Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter“; BVerfGE 35, (39) – „Untersuchungsgefangene“; BVerfGE 80, 367 (375) – „Tage­buch“; BVerfGE 109, 279 (313, 319) – „Großer Lauschangriff“. 1492  BVerfGE 80, 367 (374) – „Tagebuch“. 1493  BVerfG, Beschl. v. 18.04.2018 – 2  BvR 883/17, Rn.  28 = BeckRS 2018, 9554. 1494  BVerfGE 80, 367 (375) – „Tagebuch“; hieran anknüpfend BVerfGE 109, 279 (319) – „Großer Lauschangriff“; vgl. hierzu Poscher, JZ 2009, S.  270; Rottmeier, S.  42 ff.; vgl. zur inhaltlichen Er­ weiterung insgesamt Sörmer, JURA 1991, S.  19. 1495  Vgl. BVerfGE 27, 1 (8) – „Mikrozensus“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

möglich sein, da ein Bild stets nur beobachtbare Umstände zeigen kann.1496 Denn auch das heimlich mittels Teleobjektiv hergestellte Bildnis einer Person in ihrem Schlafzimmer zeigt beobachtbare Umstände, die in irgendeiner Form entäußert wurden. Andererseits fragt sich, wie man einem (intimen) Bildnis überhaupt den inhaltlichen Sozialbezug ansehen kann. Plant eine Person im unbekleideten Zustand in ihrem Schlafzimmer eine Straftat und wird hierbei heimlich fotografiert, wird sich der inhaltliche Sozialbezug jedenfalls nicht aus dem Bildnis­ inhalt ergeben.

aa) Abbildungen von Momenten der Unkontrolliertheit Zieht man alle diese Erwägungen zusammen, so wird der abwägungsfeste Kern, in dem es kein Recht zur einwilligungsfreien Bildveröffentlichung geben kann, am ehesten dort vermutet werden können, wo sich die Kommunikation des Betroffenen mit der Außenwelt auf ein Minimum reduziert und sich dies in irgendeiner Form nach außen – und somit im Bild – erkennbar manifestiert. Dies geschieht natürlicher­ weise zunächst in solchen Momenten, wo der Betroffene selbst von keiner Kommu­ nikation mit seiner Umwelt ausgeht.1497 Es sind also einerseits die Bereiche ins Auge zu fassen, in denen der Betroffene keine Kommunikation vermutet, weil er etwa eine unkontrollierte – endogene oder unbeabsichtigte – Informationsentäußerung an den Tag legt. Beispielsweise wird man dies beim Schlafen oder Momenten der Bewusstlosigkeit annehmen können. Auch Momente der Extase, der Trance oder hypnotische Zustände können hierunter fallen.

Andererseits sind die Bereiche zu berücksichtigen, in denen der Betroffene von kei­ nem Informationsempfänger ausgeht. Beispielhaft können solche Situationen genannt werden, welche nach allgemeiner Lebenserfah­ rung nicht im Zusammenhang mit einem Informationsaustausch stattfinden wie das Verrich­ ten der Notdurft, die (Morgen- oder Abend-)Toilette oder etwa die Meditation.

Ferner wird die Grauzone zur Privatsphäre dort bestehen, wo der Betroffene eine (bildhafte) Informationsvermittlung zu einem extrem begrenzten, eng vertrauten Empfängerkreis annimmt. bb) Abbildungen im Zusammenhang mit krankhaften Zuständen In diesem Sinne neigt die Rechtsprechung einerseits bei solchen Bildveröffentlichun­ gen dazu, eine Verletzung der Intimsphäre anzunehmen, bei denen Krankheiten, Gesundheitsprobleme oder Verletzungen von Personen unmittelbar durch das Bild kommuniziert werden.1498 Abgeschwächte Maßstäbe scheint die Rechtsprechung al­ 1496 Vgl. Worms/Gusy, DuD 2012, S.  93, wonach die Existenz von Kommunikation nicht zwangs­ läufig die Privatheit auflösen muss. 1497  Insofern deckt sich diese Annahme mit der Beschreibung eines innersten Bereichs, in wel­ chem der Betroffene eben „zu sich“ kommen soll und nicht mit seiner Umwelt kommuniziert. 1498  OLG Karlsruhe, AfP 1999, S.  490, bzgl. der Darstellung eines Wachkomapatienten zu Do­

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lerdings dann anzunehmen, wenn sich die Krankheitsthematik nicht unmittelbar aus dem Bild herleiten lässt und sich erst im Zusammenspiel weiterer Veröffentlichungs­ komponenten – primär dem Begleittext – ergibt.1499 Darüber hinaus scheint auch der Status der abgebildeten Person als Politiker, Wirtschaftsführer oder andere Person des öffentlichen Lebens Einfluss auf die Einordnung der Privatheit und somit auch der Höchstpersönlichkeit der Veröffentlichung zu haben.1500 Ferner soll die Abbil­ dung eines Toten dessen (postmortaler) Intimsphäre zuzuordnen sein.1501 cc) Abbildungen mit Bezug zur Nacktheit und Sexualität Andererseits besteht diese Tendenz bei der Abbildung des nackten Körpers einer Person1502, insbesondere, wenn diese Veröffentlichung im Zusammenhang mit der kumentationszwecken; LG München I, ZUM 2005, S.  922 f., bzgl. der Abbildung der damals 18-jährigen Nichte des Modeschöpfers Gianni Versace beim „Life-Ball“ in Wien, welche in einen Bericht eingebunden war, der über ihren physischen und psychischen Gesundheitszustand anhand ihres Erscheinungsbildes spekulierte (u. a. „Haut und Knochen“, „spindeldürre Beine und hohlwan­ giges Gesicht“). Nicht in die Intimsphäre soll hingegen der Umgang mit einer Erkrankung einer nahestehenden Person fallen; vgl. BVerfG 120, 180 (217) – „Caroline von Monaco III“; BGHZ 171, 275 (286 f.) – „abgestuftes Schutzkonzept“; OLG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2018, S.  343; LG Köln, AfP 2015, S.  68 bzgl. der Abbildung der Frau Michael Schumachers auf dem Weg zu ihm ins Kran­ kenhaus trotz „Spießrutenlauf“ vorbei an Journalisten. 1499  BGH, NJW 2009, S.  756 – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August von Hannover“, wonach die Veröffentlichung eines Urlaubsbilds von Prinz Ernst August von Hannover vor mehre­ ren leeren Gläsern, welches im Zusammenhang mit einem Textbeitrag zu dessen schwerer Erkran­ kung der Bauchspeicheldrüse und einem Hinweis, dass diese Krankheit im Zusammenhang mit Alkoholgenuss stehen kann, dessen Privatsphäre verletzte; im selben Atemzug spricht der BGH allerdings wiederum davon, dass es bei dem Gesundheitszustand um eine „höchstpersönliche An­ gelegenheit“ handele; BGH, NJW 2012, S.  3646 – „Comedy Darstellerin“, wonach die Veröffent­ lichung eines Portraitbilds im Zusammenhang mit Spekulationen über deren Gesundheitszustand und Rückkehr in die Öffentlichkeit aufgrund einer Erkrankung, deren Privatsphäre verletze. 1500  Vgl. hierzu BGH, NJW 2009, S.  756 – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August von Hannover“, wonach die einer Bildnisveröffentlichung beigeordnete Wortberichterstattung über die schwere Erkrankung und Behandlung der Bauchspeicheldrüse des abgebildeten Prinz Ernst August von Hannover – „anders als etwa bei wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsober­ häuptern“ – zu dessen Privatsphäre gehöre; ebenfalls so drastisch formuliert bei Wandtke/Bullin­ ger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  26; vgl. hierzu die Kritik bei Kap.  3, D., II., 2., und D., V., 2. 1501  Widersprüchlich OLG Hamburg, AfP 1983, S.  468, wonach die Abbildung der verstümmel­ ten Leiche eines Attentäters grundsätzlich dessen „engsten Intimbereich“ zuzuordnen sei, dieser Schutz dann aber zurücktreten müsse, wenn die Aussage eines Bildes sich nicht darin erschöpfe, den Anblick des Toten wiederzugeben. Dies sei immer dann der Fall, wenn der Tod und seine Be­ gleitumstände Teil eines Ereignisses sind, das ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit hervor­ gerufen habe und wenn sich dieses Interesse auch auf den Tod selbst richte; vgl. außerdem Putt­ farcken, ZUM 1988, S.  134, der im Fall des ehemaligen Schleswig-Holsteinischen Ministerpräsi­ denten Barschel auch nach dessen Tod von der Anwendbarkeit des §  23 I Nr.  1 KUG ausgeht; LG Berlin, AfP 2002, S.  541, wonach Fotos einer Verstorbenen bei der Reanimation nicht die In­ timsphäre der Abgebildeten, allerdings die Privatsphäre der Angehörigen verletzen; postmortalen Bildnisschutz insgesamt ablehnend Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  7, Rn.  10. 1502  BGH, NJW 1985, S.  1618 – „Nacktaufnahme“, wonach die (zweisekündige) Ausstrahlung einer Nacktaufnahme eines männlichen Models, welche für ein Schulbuch angefertigt wurde, im Rahmen eines Fernsehbeitrags die Intimsphäre des Abgebildeten verletzte; OLG Düsseldorf, AfP

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Sexualität oder einer Sexualisierung des Betroffenen steht.1503 Allen voran werden es damit Abbildungen von – nicht zwangsläufig unbekleideten1504 – Geschlechtsteilen sein, welche zur Annahme einer Intimsphärenverletzung führen werden.1505 Auch in 1984, S.  230, trotz „gelockerter Auffassung von Sexualleben“ bei einem „Rückenakt“; OLG Ham­ burg, NJW 1996, S.  1151, Bildveröffentlichung einer Prominenten mit unbekleidetem Oberkörper in einer Zeitung, wobei die Bildveröffentlichung einem anderen (Männer-)Magazin vorbehalten war; OLG Hamburg, Urt. v. 04.11.2008, Az. 7 U 82/08 = Wolters Kluwer, Rn.  10, Nacktfotoveröffentli­ chung der Freundin Dieter Bohlens beim Sonnenbaden an einem öffentlich zugänglichen Strand­ abschnitt, wobei primäre und sekundäre Geschlechtsteile durch die Redaktion verdeckt wurden. Maßgeblich sei, dass der Betrachter erkennen könne, dass die Betroffene unbekleidet sei. Ferner wurde im Begleittext über die Echtheit der Brüste spekuliert; LG Berlin, AfP 2001, S.  247, bzgl. der Abbildung von Nina Hagen nackt unter der Dusche im hochschwangeren Zustand; LG München I, NJW 2004, S.  618, wonach der Besuch eines FKK-Geländes mit keinerlei Verzicht auf die In­ timsphäre des Nudisten verbunden sei und deshalb die TV-Ausstrahlung im Rahmen des „Wissen­ schaftsmagazins ‚Galileo‘“, welche den Betroffenen sieben Sekunden zeigte, unzulässig war; LG Hamburg, ZUM-RD 2004, S.  547, hinsichtlich einer Schauspielerin „oben ohne“ am Strand; das „Unterschieben“ eines fremden nackten Körpers durch eine Fotomontage stelle nach LG Berlin, AfP 2002, S.  250, einen Eingriff in die Intimsphäre dar, selbst wenn es sich hierbei um einen er­ kennbar fremden Körper handele; vgl. hierzu ferner Kap.  3, D., II., 3., m), bb). 1503  BGHZ 207, 163 (173) – „Löschungsanspruch bei intimen Bild- oder Filmaufnahmen“, wo­ nach Abbildungen, die im Zusammenhang mit „gelebter Sexualität“ – wie Aufnahmen, welche die „Entblößung des gänzlich Privaten“ zur „Anregung des gemeinsamen Sexuallebens“ zeigen – die Intimsphäre betreffen; LG München I, ZUM-RD 2005, S.  42, Veröffentlichung von Playboy-Fotos auf einer Pornoseite im Internet; zulässig war hingegen nach LG Frankfurt a. M., NJW 2000, S.  594, die Veröffentlichung eines Playboy-Fotos von Katharina Witt in einer Zeitschrift mit satirischem Beitext; LG Frankfurt a. M., AfP 2006, S.  381, Zeitungsveröffentlichung mit unkenntlich gemach­ tem Bild beim Oralverkehr; vgl. OLG Stuttgart, NJW-RR 2004, S.  623, zur Vervielfältigung und öffentlichen Wiedergabe eines „Sexfilms“ vor ausgewählten Pressevertretern durch eine Landtags­ fraktion; LG Kiel, NJW 2007, S.  1003, bzgl. der Veröffentlichung von Nacktfotos der Exfreundin beim Umziehen und beim Schlafen nach der Trennung im Internet; LG Hamburg, MMR 2015, S.  63, wonach die Verbreitung sechs heimlich aufgenommener Bilder des früheren Motorsportbosses Max Mosley bei sexuellen Handlungen mit Prostituierten durch Google dessen Intimsphäre verletzten. 1504  KG, NJW-RR 1999, S.  1704, geht bei der (erneuten) Abbildung eines ursprünglichen Mode­ fotos, das ein männliches Model in Unterhose zeigt und nunmehr im Zusammenhang mit einer (sexuell anzüglichen) Textveröffentlichung steht, von der Verletzung der Intimsphäre aus; ähnlich AG Charlottenburg, NJW-RR 1999, S.  1547 zur Abbildung eines Badehosenbildes eines Mannes in „träumerischer Positur“ im Rahmen eines Reiseführers für Homosexuelle; LG München I, AfP 2016, S.  370, wonach die Veröffentlichung eines „Unterhosenblitzers“ einer bekannten Sportmode­ ratorin, welcher beim Aussteigen aus ihrer Limousine auf dem roten Teppich bei der Verleihung der „Goldenen Kamera“ entstand und aufgrund der nicht blickdichten Unterwäsche teilweise den Blick auf den Schambereich freigab, die Intimsphäre verletze. 1505  LG Hamburg, AfP 2006, S.  198, wonach die Abbildung der teilweise entblößten Brustwarze (als „Busenblitzer“) beim Tanzen auf der Wiener Ballnacht die Intimsphäre der Betroffenen verlet­ ze, wenngleich zu konstatieren sei, dass „das Zeigen unbekleideter weiblicher Brustwarzen in der Öffentlichkeit immer weniger als nennenswerter Tabubruch wahrgenommen“ werde; ähnlich LG Hamburg, ZUM-RD 2007, S.  428, wonach die Abbildung der entblößten Brust und Brustwarze ei­ ner Frau nach dem sittlichen Empfinden der Allgemeinheit weiterhin grundsätzlich der Intimsphäre zuzurechnen sei. Allerdings konnte sich die Betroffene (Désirée Nick) im konkreten Fall nicht auf die Verletzung ihrer Intimsphäre berufen, da sie „ihre Brüste der Öffentlichkeit bereits in verschie­ denen Zusammenhängen bewusst präsentiert [habe] und […] dies auch heute noch [tue]“; insoweit könne sie „ein Foto, auf dem ihre Brust und Brustwarze zu sehen ist, nicht in gleichem Maße als verletzend empfinden wie eine Frau, die öffentlich ihre Brüste stets bedeckt hält“; vgl. zur Selbst­

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diesen Bereichen erscheint allerdings die Grenze zur (nicht mehr abwägungsfesten) Privatsphäre fließend, da nicht zuletzt auch die weiteren Umstände der Veröffentli­ chung maßgeblich für die Einordnung der Betroffenheit sein können. So kann etwa erst ein beigeordneter Text oder der Veröffentlichungsort letztendlich den Ausschlag für die Qualifizierung einer Bildveröffentlichung als Eingriff in die Intimsphäre be­ gründen. So kann beispielsweise das Outing eines (angezogenen) Abgebildeten als homosexuell durch den beigeordneten Text zur Intimsphäre zählen.1506 Auch die Veröffentlichung von (ursprüng­ lich mit der Einwilligung der abgebildeten Person hergestellten) Bildnissen auf einer Porno­ seite im Internet soll die Intimsphäre verletzen können.1507

Umgekehrt könnte eine künstlerische – etwa satirische – Ausrichtung1508 oder der Bezug zu Straftaten einer Veröffentlichung im Einzelfall ein anderes Ergebnis recht­ fertigen.1509 Zudem vermögen sich wandelnde gesellschaftliche Wertevorstellun­ gen1510 die Grenzen des abwägungsfesten Bereichs zu verschieben und erschweren somit dessen Konturierung. Deutlich wird dies aktuell an der Darstellung weiblicher sekundärer Geschlechtsteile. Wäh­ rend die Fachgerichte zwar bereits früh auf das sich änderndes Gesellschaftsverständnis hin­ wiesen und die Abbildung weiblicher Brustwarzen dennoch unter die Intimsphäre subsumier­ ten, ist eine allmähliche Verblassung der absoluten Grenze zur Privatsphäre zu beobachten.1511

öffnung Kap.  3, D., IV.; a. A. OLG Hamburg, AfP 2012, S.  473, welches bei einem Strandbild mit entkleidetem Oberkörper eines weiblichen Fotomodells von einem Eingriff in den „an der Grenze zur Intimsphäre liegenden Bereich der Privatsphäre“ ausgeht; vgl. auch OLG Hamburg, AfP 1972, S.  150, teilweise entblößtes Geschlechtsteil eines Bundesligaspielers durch hochgerutschte Sportho­ se in einer Torraumszene, allerdings ohne konkrete Zuordnung zur Intimsphäre; Einordnung offen­ gelassen bei OLG Hamburg, AfP 1982, S.  41, bei einem heimlich hergestellten Foto, das ein weib­ liches Model vollständig nackt zeigt. 1506  So LG München I, Urt. v. 21.07.2005, Az. 7 O 4742/05 = Wolters Kluwer. 1507  Vgl. LG München I, ZUM-RD 2005, S.  42, zu Playboy-Fotos auf Pornoseite. 1508  So OLG Dresden NJW-RR 2010, S.  1490, wonach eine Oberbürgermeisterin auf einem Ge­ mälde nackt, lediglich mit rosa Strapsen, ebensolchen Strapsenhaltern sowie einer Bürgermeister­ kette „bekleidet“ als Satire im Internet veröffentlicht werden durfte; verneint hingegen bei einer satirischen Nackt-Fotomontage (selbst im Falle der Erkennbarkeit des Unterschiebens eines frem­ den Körpers) bei LG Berlin, AfP 2002, S.  250. 1509  Vgl. zum Veröffentlichungskontext insgesamt Kap.  3, D., II., 3., m). 1510  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, Einl. 1511  Zur Einordnung in die Intimsphäre LG Hamburg, AfP 2006, S.  198; LG Hamburg, ZUMRD 2007, S.  428; hingegen „noch“ Privatsphäre bei OLG Hamburg, AfP 2012, S.  473, vgl. zur „in­ zwischen gelockerten Auffassung vom Sexualleben und einer unbefangeneren Betrachtung des nackten menschlichen Körpers“ bereits OLG Düsseldorf, AfP 1984, S.  229. Einen Beitrag hierzu dürfte die 2012 gestartete und mittlerweile weltweit bekannte Kampagne „free the nipple“ leisten, welche die soziale Konvention kritisch hinterfragt, wonach Frauen das Zeigen ihrer Brustwarzen in der Öffentlichkeit – insbesondere in den bildbasierten sozialen Medien wie Instagram durch Lösch­ algorithmen umgesetzt – im Gegensatz zu Männern unziemlich und damit untersagt ist; vgl. hierzu etwa https://www.nytimes.com/2019/11/22/arts/design/instagram-free-the-nipple.html (zuletzt auf­ gerufen am 01.06.2022).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Besondere Probleme bereitet ferner die Preisgabe der Intimsphäre im Rahmen der sog. Selbstöffnung einer Person durch ihr mediales Vorverhalten.1512 Hat die betrof­ fene Person etwa in die Herstellung von Nacktbildern eingewilligt oder hat sie sich zuvor bereits nackt in der Öffentlichkeit gezeigt, ist zumindest eine hinreichend kla­ re Linie der Rechtsprechung, ab wann sich die abgebildete Person nicht mehr auf die Verletzung der Intimsphäre berufen können soll, nicht erkennbar.1513 Schließlich erscheint es insoweit angezeigt, die Notwendigkeit einer differenzie­ renden Einzelfallbetrachtung hervorzuheben1514, welche den Besonderheiten des je­ weiligen Falles ausreichend Rechnung trägt und dabei einer vorschnellen und pau­ schalen Einordnung – etwa bei der Beurteilung von Nacktaufnahmen als Intim­ sphärenverletzungen1515 – Vorschub leistet. Eine wichtige Hilfestellung können in diesem schwer zu bestimmenden Bereich unter dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung zumindest aber die Erwägungen des Strafgesetzgebers zum Unwert­ gehalt konkreter Abbildungsszenarien und Perspektiven im Kernstrafrecht geben. l) Der Informationswert peinlicher oder bloßstellender Bildnisse Die Veröffentlichung eines Bildnisses kann auch die Ehre und den Ruf des Abgebil­ deten beeinträchtigen.1516 Dabei ergeben sich die grundsätzlichen Erwägungen zum Informationswert solcher Bildnisse bereits aus der Definition der Privatsphäre, wor­ unter solche Sachverhalte fallen sollen, deren öffentliche Erörterung oder Zurschau­ stellung als unschicklich gilt, deren Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslösen kann.1517 Die Veröffentlichung von Angelegenheiten, die aufgrund ihres Informationsgehalts als unschicklich oder peinlich empfunden werden oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslösen würden, werden somit eher die Verletzung des berechtigten Interesses begründen.1518 1512 

Vgl. zur Selbstöffnung Kap.  3, D., IV. Vgl. etwa BGH, NJW 1987, S.  1618; OLG Hamburg, AfP 1982, S.  42; OLG Hamburg, AfP 2012, S.  473; LG Saarbrücken, NJW-RR 2000, S.  1572; LG Berlin, AfP 2001, S.  247 f.; a. A. LG Hamburg, ZUM-RD 2004, S.  547; LG Hamburg, ZUM-RD 2007, S.  428; besonders unklar scheint die Rechtslage bei der erneuten Veröffentlichung ein und desselben freizügigen Bildes an anderer Stelle: Selbstöffnung angenommen bei OLG Frankfurt a. M., NJW 2000, S.  595, hinsichtlich eines erneut veröffentlichten Playboy-Fotos von Katharina Witt in einer anderen Zeitung; ähnlich OLG Hamburg, AfP 1992, S.  160 bzgl. eines Fotos, das beim Playboy-Shooting entstanden, aber von ei­ ner anderen Zeitung veröffentlicht wurde und von der Playboy-Veröffentlichung minimal abwich; a. A. bei LG München I, ZUM-RD 2005, S.  42, zu Playboy-Fotos einer Studentin auf Pornoseite; vgl. zur verfrühten Veröffentlichung eines Playboy-Fotos in einer anderen Zeitung LG Frankfurt, AfP 2004, S.  458, wonach das Selbstbestimmungsrecht zur Kommerzialisierung verletzt sei. 1514  Vgl. insoweit Wanckel, Rn.  237. 1515  So etwa jüngst Hohenstein, S.  37, wonach die Ablichtung des nackten Körpers „die stärkste nur vorstellbare Form der Intimität“ darstelle. 1516  von Gerlach, JZ 1998, S.  749; Grabenwarter, in: FS Ress 2005, S.  982 f.; Wenzel/von Strobl-Albeg/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  126; Wanckel, Rn.  195. 1517  Hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), bb). 1518  von Gerlach, JZ 1998, S.  749; Grabenwarter, in: FS Ress 2005, S.  982 f. 1513 

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Dies zeigt neben anderen thematischen Überschneidungspunkten, dass eine Tren­ nung von Informationswert und berechtigtem Interesse, wie dies der Bundesge­ richtshof in seinem abgestuften Schutzkonzept im Rahmen der Je-desto-Formel an­ nimmt, auf wackligem Boden steht. Jedenfalls wird man damit aber annehmen kön­ nen, dass solche Bildnisveröffentlichungen keinen hinreichenden Informationswert im Sinne der Zeitgeschichtlichkeit aufweisen, in denen der Abgebildete derart von einem Missgeschick betroffen ist, dass er sich unverhofft in einer ihm peinlichen Weise bloßgestellt sieht. Dazu gehören zum einen solche Veröffentlichungen, bei denen sich der Bloßstel­ lungszweck bereits aus dem Bild durch einen Schnappschuss oder auch eine Mani­ pulation1519 ergibt. Hier wird man tendenziell von einem überwiegenden Abgebilde­ teninteresse ausgehen können, desto mehr die Bloßstellung im Zusammenhang mit der Intimsphäre stattfindet.1520 So war etwa die Veröffentlichung des Bildnisses eines Profifußballers unzulässig, das ihn während des Spiels in einer Torraumszene mit verrutschter Hose und entblößtem Geschlechts­ teil zeigte.1521 Ferner gehören grundsätzlich auch ungewollte „Busen“-, oder „Höschenblitzer“ von Promi­ nenten (etwa beim Verlassen des Autos, beim Tanzen oder auf dem roten Teppich) in diese Kategorie.1522 Auch wird man solche Bildnisse hierunter fassen können, die im Zusammenhang mit Nega­ tivabweichungen vom körperlichen Normalzustand stehen wie beispielsweise das Herausfal­ len eines Gebisses oder das Wegwehen einer Perücke.

Zum anderen können auch Bildnisveröffentlichungen als bloßstellend eingeordnet werden, die im Zusammenhang mit der beigeordneten (Wort-)Berichterstattung er­ sichtlich den Zweck verfolgen, den Abgebildeten der Lächerlichkeit preiszugeben. Zu denken ist beispielsweise an das Veröffentlichen eines schmerzverzerrten Gesichts unter der Beiordnung eines Texts über Verdauungsprobleme.

Eine sehr enge Grenze wird deshalb bei peinlichen Bildnisveröffentlichungen zum einen hinsichtlich satirischer Bildnisveröffentlichungen1523 und zum anderen bei selbstöffnendem Vorverhalten1524 bestehen. Schwächer wird man allerdings solche 1519  LG Baden-Baden, AfP 1972, S.  138, zur Veröffentlichung einer Abbildung eines Kopfes auf einem (Skelett-)Körper, welcher auf Höhe der Genitalien mit dem Spruchband „Do it yourself “ versehen war. 1520  von Gerlach, JZ 1998, S.  749. 1521  OLG Hamburg, AfP 1972, S.  150 f.; hierbei ergab sich die Bloßstellung auch darüber hinaus aus dem beigeordneten Veröffentlichungskontext. Die beigeordnete Wortberichterstattung lautete: „Er überzeugte die 30 000 Zuschauer nicht nur von seinen sportlichen, sondern auch von seinen männlichen Qualitäten“. 1522  Wanckel, Rn.  195. 1523  Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., g), bb). 1524  Vgl. hierzu Kap.  3, D., IV.; insbesondere LG Hamburg, ZUM-RD 2007, S.  428, wonach sich Désirée Nick bei einem „Busenblitzer“ u. a. aufgrund ihres (selbstöffnenden) medialen Vorverhal­ tens nicht auf ihre Intimsphäre berufen konnte.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Missgeschicke beurteilen müssen, die alltäglich erscheinen wie etwa ein gewöhn­ licher Sturz auf dem Gehweg oder mit dem Fahrrad.1525 Gleichwohl sind in solchen Fällen aber auch die konkrete Abbildungsperspektive und der Kontext der gesamten Veröffentlichung zu berücksichtigen. m) Der Einfluss des Veröffentlichungskontexts auf den Informationswert Die Zuschreibung einer vermittelten Information zu einem bestimmten Themen­ komplex findet maßgeblich im zeitlich-räumlich zusammenhängenden Kontext der gesamten Veröffentlichung statt. Diese Aspekte müssen demzufolge bei der Ermitt­ lung des Informationswerts einer Bildnisveröffentlichung ausreichend Berücksichti­ gung finden1526 und sollen deshalb im Folgenden erörtert werden. aa) Die Kombination eines Personenbildes mit (Sprach-)Text Zentrale Bedeutung für den Informationswert der Berichterstattung und somit für die Frage, ob ein Bildnis der Zeitgeschichte vorliegt, soll dem beigeordneten (Sprach-) Text einer Bildveröffentlichung zukommen.1527 Dies mag für die Frage, ob eine Bild­ rechtsverletzung vorliegt, zunächst nicht einleuchten, da zumindest auch §  23 I Nr.  1 KUG ausdrücklich von einem Bildnis und nicht etwa von einem (Bild-)Bericht aus dem Bereich der Zeitgeschichte spricht. Mit dem (Informations-)Wert wird aber an die Information als solche und nicht an das (Bild-)Medium der Information als maß­ gebliches Kriterium angeknüpft. Mit einer umfassenden Abwägung im Sinne des abgestuften Schutzkonzepts muss also für eine Bildrechtsverletzung prinzipiell jeder Umstand eine Rolle spielen können, sofern er den durch das Bild vermittelten Infor­ mationswert beeinflussen kann. In diesem Zusammenhang geht die verfassungs­ richterliche Rechtsprechung sogar ausdrücklich davon aus, dass bereits der Zweck, die Aufmerksamkeit1528 der Leser durch die Bebilderung – als sog. Eye-Catcher – zu wecken, auch Teil des von Art.  5 I GG geschützten Informationsanliegens sei.1529 Die gegenwärtige Linie der verfassungsrichterlichen Rechtsprechung zum Ver­ hältnis von Text und Wort unter dem abgestuften Schutzkonzept beruht im Wesent­ lichen auf zwei Verfahrensserien, die wiederum im Zusammenhang mit der mone­ gassischen Fürstenfamilie stehen. 1525  Vgl. BVerfG, NJW 2000, S.  2192 f. – „Bildliche Dokumentation eines Sturzes in öffentlicher Badeanstalt“, zum Sturz von Caroline von Monaco in einer öffentlichen Badeanstalt. Hiernach lag keine herabsetzende, verzerrende oder ehrenrührige Darstellung vor. Wanckel, Rn.  195, vermutet allerdings, dass auch die EGMR-Rechtsprechung aus dem Jahre 2004 zu einem Umdenken führen wird. Dies mag hinsichtlich der Heimlichkeit der Aufnahme durchaus naheliegen, nicht hingegen aufgrund des bloßstellenden Charakters der Veröffentlichung eines Stolpersturzes. 1526  Vgl. nur BVerfGE 120, 180 (206) – „Caroline von Monaco III“; BGHZ 158, 218 (223) – „Charlotte Casiraghi I“; ferner EGMR, NJW 2014, S.  3291, Rn.  34 – „Lillo-Stenberg/Norwegen“. 1527  BGHZ 171, 275 (284) – „Abgestuftes Schutzkonzept“. 1528  Zur Aufmerksamkeitsrate beim Rezipieren von Bildern vgl. Kap.  1, A., I., 6. 1529  BVerfGE 120, 180 (204, 206) – „Caroline von Monaco III“.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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(1) Die erste Verfahrensserie über Caroline von Hannover Die erste Verfahrensserie betrifft insgesamt vier Bildveröffentlichungen, die Caroline von Hannover (vormals von Monaco) in verschiedenen Urlaubssituationen im Zusammenhang mit jeweils unterschiedlicher Wortberichterstattungen zeigen. Die erste Bildveröffentlichung zeigt Caroline im Skiurlaub im Jahr 2002 zusammen mit ihrem Ehemann auf der Straße von St. Moritz (im Folgenden: St. Moritz 2002-Foto) und ist einem Textbeitrag über die Erkrankung ihres Vaters Fürst Rainier beigeord­ net. Dabei thematisiert der Textbeitrag, dass sich die Kinder Rainiers bei dessen Betreuung abwechseln.1530 Die zweite Bildveröffentlichung stammt aus dem Jahr 2003 und zeigt Caroline erneut mit ihrem Ehemann zusammen auf der Straße wäh­ rend ihres Winterurlaubs in St. Moritz (im Folgenden: St. Moritz 2003-Foto).1531 Der beigeordnete Textbericht handelt dabei vom Winterurlaub der Prinzessin und auch anderer Angehöriger des europäischen Adels im Schweizer Wintersportort. Die drit­ te Bildveröffentlichung fand 2004 statt und zeigte Caroline zusammen mit ihrem Ehemann im Sessellift (im Folgenden: Sessellift-Foto) in Zürs.1532 Die Textbericht­ erstattung spekulierte einerseits darüber, ob Caroline beim bevorstehenden, alljähr­ lich stattfindenden Rosenball von Monaco teilnehmen werde1533 und teilte anderer­ seits mit, dass sich die Prinzessin zur Feier des Geburtstags ihres Ehemanns nach St. Moritz begeben habe. Schließlich zeigt die vierte Fotoveröffentlichung aus dem Jahr 2002 Caroline neben ihrem Ehemann in Urlaubskleidung an einem nicht näher bekannten Ort auf einer Straße während des Urlaubs (im Folgenden: Urlauber-Foto). Der beigeordnete Textbeitrag informiert darüber, dass der Ehemann Carolines über eine Ferienvilla in Kenia verfügt, die von jedermann gemietet werden könne, wenn sich das Paar dort nicht aufhalte.1534 Die Veröffentlichung von drei der vier Fotos – 1530  Die „Frau im Spiegel“ berichtet in der Ausgabe Nr.  9/02 unter dem Titel „Fürst Rainier – Nicht allein zu Haus“, dass der Vater Carolines erkrankt sei und seit einigen Wochen nicht mehr bei öffentlichen Anlässen in Erscheinung getreten sei: „Im Land herrscht große Sorge. Und bei seinen Kindern. Prinz Albert (zurzeit als Olympia Teilnehmer in Salt Lake City), Prinzessin Caroline (im St. Moritz-Urlaub mit Prinz Ernst August von Hannover) und Prinzessin Stephanie wechseln sich in der Betreuung des Vaters ab. Er soll nicht allein sein, wenn es ihm nicht gut geht. Nicht ohne die Liebe seiner Kinder“. 1531  Die Ausgabe Nr.  9/03 der „Frau im Spiegel“ hat den Titel „St. Moritz – Königliches Schnee­ vergnügen“ und die Bildunterschrift führt aus, dass Caroline zusammen mit ihrem Ehemann „die Sonne und den Schnee“ genieße. 1532  In der Ausgabe Nr.  12/04 berichtet die „Frau im Spiegel“ unter der Überschrift „Prinzessin Caroline – Ganz Monaco wartet auf sie“, es stehe zu erwarten, dass Caroline seit längerer Abstinenz in der Öffentlichkeit beim Rosenball erscheinen werde. Das Sessellift-Foto ist mit „Gemütliches Plaudern im Sessellift“ untertitelt. 1533  Ein anderes Lichtbild, das demselben Bericht beigegeben war und Caroline auf dem Rosen­ ball in den Vorjahren zeigte, ließ diese hingegen unbeanstandet. 1534  Der Bericht der Wochenzeitschrift „7 Tage“ titelte in der Ausgabe Nr.  13/02 „In Prinzessin Carolines Bett schlafen – kein unerfüllbarer Wunsch! – Caroline und Ernst August vermieten ihre Traum-Villa“. Die Überschrift des Beitrags enthält die Unterzeile „Auch die Reichen und Schönen sind sparsam. Viele vermieten ihre Villen an zahlende Gäste“. Im Test werden neben Caroline wei­ tere Privatpersonen – Hollywoodstars und Angehörige von Adelshäusern – namentlich aufgeführt,

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nämlich des St. Moritz 2003-Fotos, des Sessellift-Fotos und des Urlauber-Fotos – wurde vom Bundesgerichtshof in zweier seiner Grundlagenentscheidungen zum ab­ gestuften Schutzkonzept1535 untersagt.1536 Das Bundesverfassungsgericht bestätigte daraufhin auf die hiergegen eingelegten Verfassungsbeschwerden der Pressefoto­ grafen die Einschätzung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der beiden St. Moritz-­ Fotos und des Sessellift Fotos.1537 Das Urteil bzgl. des Urlauber-Fotos hob der Erste Senat allerdings auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung an den Bun­ desgerichtshof zurück.1538 Nach diesen Grundsätzen war die Veröffentlichung des St. Moritz 2002-Fotos als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte zulässig, weil die beigegebene Wortberichterstattung von der Erkrankung des seinerzeit regieren­ den Fürsten von Monaco handelte.1539 Die Erkrankung des Fürsten sei ein Ereignis von allgemeinem Interesse, weshalb das Gewicht des Informationswerts der Textbe­ richterstattung entsprechend hoch sei. Deshalb dürfe die Presse nicht nur in Textform darüber berichten, wie es den Kindern des erkrankten Fürsten gelinge, „Verpflich­ tungen zur innerfamiliären Solidarität mit der Wahrung berechtigter Belange ihres eigenen Privatlebens unter Einschluss des Wunsches nach Urlaub zu einem Aus­ gleich zu bringen“1540. Darüber hinaus war angesichts dieses gewichtigen Informa­ tionswerts auch die Beiordnung der Abbildung von Caroline zulässig, da zu dieser aufgrund des Textes ein hinreichender Bezug bestünde.1541 Die Gerichte nahmen also diesen hinreichenden Bezug an, obwohl die Fotografie als Urlaubsbild an sich den Kernbereich der Privatsphäre1542 betrifft und auch aus sich heraus den ihre Ab­ bildung legitimierenden Gegenstand des allgemeinen Interesses – die Erkrankung des Fürsten – allenfalls mittelbar1543 thematisiert.1544 Die Zulässigkeit der Veröffent­ lichung des St. Moritz 2003-Fotos verneinten die Gerichte hingegen mit der Erwä­ gung, dass sich Caroline auf der Abbildung in der Situation eines ihrem Entspan­ die „einen Hang zu ökonomischem Denken entwickelt“ hätten und ebenfalls ihre Schlösser oder Häuser vermieteten, wenn sie diese nicht nutzten. Die Anmietung der Villa von Caroline sei zum Mietpreis von 1.000 USD pro Tag möglich. Der Beitrag teilte dabei weitere Einzelheiten zur Ein­ richtung der Ferienvilla und der Mietkonditionen mit; vgl. hierzu N. Dietrich, ZUM 2014, S.  661 f.; von Pentz, AfP 2014, S.  15. 1535  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a), und im Einzelnen Kap.  3, D., II., 1., j). 1536  BGHZ 171, 275 – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BGH, ZUM 2007, S.  470 – „Veröffentli­ chung von Fotos prominenter Personen“. 1537  BVerfGE 120, 180 – „Caroline von Monaco III“. 1538  Der BGH korrigierte daraufhin seine Entscheidung und folgte der Einschätzung des BVerfG; vgl. BGH, NJW 2008, S.  3141 – „Vermietung der Ferienvilla“. 1539  Vgl. BGHZ 171, 275 (287) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BVerfG 120, 180 (217) – ­„Caroline von Monaco III“. 1540  BVerfGE 120, 180 (217) – „Caroline von Monaco III“. 1541  BVerfGE 120, 180 (217) – „Caroline von Monaco III“. 1542  Vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 3., i). 1543  Dies könnte man allenfalls aufgrund der Person Carolines als Kind des erkrankten Fürsten und des Aufnahmezeitraums des Fotos während der Krankheitsphase annehmen. 1544  Kritisch hierzu N. Dietrich, AfP 2013, S.  279; Frenz, NJW 2008. S.  3105 f.; Götting, GRUR 2007, S.  531; Lehr, GRUR 2012, S.  751.

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nungsbedürfnis gewidmeten Urlaubsaufenthalts befand und somit der Kernbereich der Privatsphäre berührt werde.1545 Auch der beigeordnete Text vermochte in diesem Fall kein anderes Ergebnis zu begründen, da selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs mit dem „königlichen Schneevergnügen“ kein Vorgang von allgemeinem Interesse und kein zeitgeschichtliches Ereignis thematisiert würden.1546 In diesem Zusammenhang fällt eine Bemerkung des Bundesverfassungsgerichts ins Auge, wo­ nach die modisch auffällige Gestaltung der Wintersportkleidung von Caroline kein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit (an modischer Orientierung) begründen könne und dass „dieser Umstand in der begleitenden Wortberichterstat­ tung nicht einmal angesprochen“ werde.1547 Letztere Feststellung gibt Anlass zur Vermutung, dass die Abbildung von Caroline wegen ihres modischen Skianzugs wohl zulässig gewesen wäre, wenn sich der Text mit dem Modebewusstsein der „Rei­ chen und Schönen“ auseinandersetzen würde und sich das Bild auf diese (Text-)In­ formation funktional bezogen hätte.1548 Diese Vermutung wird jedenfalls auch durch die Begründung der Unzulässigkeit der Veröffentlichung des Sessellift-Fotos ge­ stützt. Denn auch hierin erkannten die Gerichte die Abbildung eines dem Entspan­ nungsbedürfnis von Caroline gewidmeten Urlaubsaufenthalts, dessen Veröffentli­ chung auch nicht über die Wortberichterstattung legitimiert werden konnte.1549 Zum einen lasse sich beim Skiurlaub des Prinzenpaares sowie der Geburtstagsfeier von Prinz Ernst August bereits kein über die Befriedigung bloßer Neugier an privaten Angelegenheiten hinausweisendes öffentliches Interesse herleiten.1550 Zum anderen stehe der Text über den Rosenball – falls man hierin ein zeitgeschichtliches Ereignis erblicke1551 – ohnehin nicht im Zusammenhang mit dem veröffentlichten Bild und sei deshalb auch nicht maßgeblich für die Frage, ob die Abbildung veröffentlicht werden durfte.1552 Umso erstaunlicher erscheint deshalb die verfassungsrichterliche Beurtei­ lung der Veröffentlichung des Urlauber-Fotos, welche in Bezug auf die Textbericht­ erstattung über die Vermietung der Ferienvilla letztendlich eine vergleichbare Kon­ stellation wie das Sessellift-Foto in Bezug auf die Rosenballberichterstattung wie­ dergab. Nach der Beurteilung des Ersten Senats komme dem Berichtstext hier aber ein hinreichender Informationsgehalt für die Allgemeinheit zu, da dieser Anlass für sozialkritische Überlegungen und einer Sachdebatte der Leser über die Sparsamkeit 1545  BGHZ 171, 275 (284 f.) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BVerfGE 120, 180 (215) – „Caroline von Monaco III“. 1546  BGHZ 171, 275 (284 f.) – „Abgestuftes Schutzkonzept“. 1547  BVerfGE 120, 180 (216) – „Caroline von Monaco III“. 1548  So auch Pfeifer, GRUR 2008, S.  548 f. 1549  BGHZ 171, 275 (285 f.) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BVerfGE 120, 180 (216) – „Caroline von Monaco III“. 1550  BGHZ 171, 275 (285 f.) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BVerfGE 120, 180 (216) – „Caroline von Monaco III“. 1551  Vgl. zu gesellschaftlichen oder kulturellen Ereignissen Kap.  3, D., II., 3., c). 1552  BGHZ 171, 275 (286) – „Abgestuftes Schutzkonzept“; BVerfG 120, 180 (216) – „Caroline von Monaco III“.

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„wohlsituierter Prominenter“1553 bieten könne.1554 Es lag nach dieser Einschätzung also – wie beim Sessellift-Foto – ein Textbericht mit gewichtigen Informationsinhalt vor, auf den sich das beigeordnete (Urlaubs-)Bild aber inhaltlich nicht bezog, da die­ ses das Prinzenpaar zwar „in Urlaubslaune“ unter anderen Menschen in Freizeitklei­ dung, nicht aber etwa im Zusammenhang mit der Ferienvilla zeigte. Trotzdem stellte der Erste Senat ausdrücklich fest, dass es für die Zulässigkeit der Beigabe des Fotos ohne Belang sei, „ob das Bildnis anlässlich eines Aufenthalts der Eheleute in der Villa in Kenia oder bei anderer Gelegenheit gefertigt worden war“ 1555. Diese unter­ schiedlichen Beurteilungen durch das Bundesverfassungsgericht stießen teilweise auf erhebliche Kritik. Im Wesentlichen wurde angeführt, dass nunmehr die Veröffent­ lichung nahezu jeder (bildrechtsverletzenden) Abbildung durch die gezielte Beiord­ nung eines entsprechenden Wortberichts legitimiert werden könne.1556 Trotz alledem bestätigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Linie des Bundesver­ fassungsgerichts, indem er im Rahmen der beiden folgenden Individualbeschwerde­ verfahren Carolines, die sich mit den beiden als zulässig erklärten Veröffentlichun­ gen befassten, keinen Verstoß der deutschen Rechtsprechung gegen die Konvention erkannte.1557 (2) Die zweite Verfahrensserie über Charlotte Casiraghi Die zweite Verfahrensserie betrifft die Tochter von Caroline, Charlotte Casiraghi. Diese wurde auf der Titelseite einer Illustrierten unter dem Titel „Schockierende Fotos. Carolines Tochter Charlotte (21) – Wie gefährlich ist das süße Leben?“ mit einem großformatigen Portraitfoto abgebildet, das sie beim Besuch einer Aids-Gala 1553  In diesem Zusammenhang kam das BVerfG erneut auf die Leit- und Kontrastbildfunktion von Prominenten zu sprechen; vgl. hierzu oben Kap.  3, D., II., 1., g), sowie Kap.  3, D., II., 1., l), und Kap.  3, D., II., 2. 1554  BVerfGE 120, 180 (222) – „Caroline von Monaco III“; dies sah der BGH allerdings zunächst „selbst bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs“, anders; siehe BGH, NJW 2007, S.  473; diese Ansicht revidierte das Gericht freilich nach der Zurückverweisung durch das BVerfG in BGH, NJW 2008, S.  3142 – „Vermietung der Ferienvilla“ und führte hierzu aus, dass aufgrund des Berichtstexts sogar die Möglichkeit bestünde, „dass die Leser über den Sinn einer solchen Mitteilung in dieser Zeitschrift nachdenken, sowie als mündige Bürger ihr eigenes Konsumverhalten überdenken“. 1555  BVerfGE 120, 180 (222) – „Caroline von Monaco III“. 1556  N. Dietrich, AfP 2013, S.  279 f.; ders., ZUM 2014, S.  661 ff.; Frenz, NJW 2008, S.  3105; Götting, GRUR 2007, S.  531; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  79a; 79b; Lehr, GRUR 2012, S.  751; Götting/Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  156; vgl. ferner F. Schmidt in der FAZ v. 08.12.­2012, S.  7: „Folgt man der Logik des Gerichtshofs, dürfen sich die Leser bunter Blätter künf­ tig neben Bildern schwimmender, segelnder, skifahrender Prominenter womöglich auf Berichte über die gesellschaftliche Ausgrenzung von Nichtschwimmern, negativer Auswirkung von Hoch­ seeregatten auf das Paarungsverhaltens des Buckelwals und die Abnutzung von Berghängen durch alpinen Sport freuen.“; Starck, JZ 2008, S.  635; a. A. Dahle/Stegmann, AfP 2013, S.  481; vgl. zur Funktionalität bereits Stürner, JZ 2004, S.  1019. 1557  Zur Zulässigkeit des St. Moritz 2002-Fotos: EGMR, NJW 2012, S.  1053 ff. – „von Hannover/ Deutschland Nr.  2“; zur Zulässigkeit der Veröffentlichung des Urlauber-Fotos: EGMR, NJW 2014, S.  1645 ff. – „von Hannover/Deutschland Nr.  3“.

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in Paris zeigt.1558 Das Titelfoto war zudem die kleingedruckte Beschriftung „Charlotte auf der Aids-Gala in Paris“ beigeordnet. Der Artikel im Heftinneren beschäf­ tigte sich im Wesentlichen mit dem Lebenswandel Charlottes als nunmehr junge Erwachsene in der „feinen Gesellschaft“.1559 Charlotte wandte sich mit zwei geson­ derten Klagen vor den Berliner Gerichten1560 erfolgreich jeweils gegen Wort- und Bildberichterstattung.1561 Die gegen die Untersagung der Bildveröffentlichung erho­ bene Verfassungsbeschwerde des Verlags wurde vom Bundesverfassungsgericht zwar nicht zur Entscheidung angenommen,1562 trotzdem äußerte sich die erste Kam­ mer des Ersten Senats zum Verhältnis zwischen Titelbild und beigeordnetem Text.1563 Angesichts der Textbeigabe zu dem Titelfoto sei vertretbar, dass die fachgericht­ lichen Entscheidungen es für unerheblich gehalten haben, ob die Aids-Gala, auf der das Foto entstanden ist, ihrerseits als zeitgeschichtliches Ereignis einzustufen war, weil der fragliche Artikel jedenfalls nicht als Berichterstattung hierüber anzusehen wäre. Denn der (Überschrifts-)Text „Schockierende Fotos…“, der wesentlich größer gedruckt sei als der leicht zu übersehende Hinweis auf die Veranstaltung, rechtferti­ ge es, diese als bloß äußeren Anlass eines Berichts zu bewerten, der sich im Wesent­ lichen mit dem Lebenswandel der Abgebildeten befasse.1564 Selbst wenn man dem Lebenswandel Charlottes eigenständigen, zeitgeschichtlichen Informationswert bei­ messen wollte, gehe der Textbericht in keiner Weise, wie im Titelfoto angekündigt, auf allgemeine Probleme der Adoleszenz ein, sodass dieser keinen Beitrag zu einer allgemeinen Sachdebatte liefern könne.1565 Ebenso wenig enthalte die Wortberichter­ stattung irgendwelche näheren Angaben zu der Krankheit Aids oder dem gesell­ schaftlichen Umgang mit dieser.1566 1558 

„Neue Post“, Ausgabe vom 21.03.2007. Der Artikel im Heftinnern hatte den Titel „Prinzessin Carolines Tochter C – Wie gefährlich ist das süße Leben?“ und stellt Charlotte als „Monacos schönste Rose“ vor, der „in der feinen Ge­ sellschaft (…) eine glänzende Zukunft vorausgesagt“ werde. Sie bewege sich erst seit kurzem „auf dem gesellschaftlichen Parkett“ und sei bei einer Reihe von Feiern prominenter Gastgeber gesehen worden, unter anderem bei einer Gala zu Gunsten einer französischen Aids-Hilfe-Organisation; zitiert nach BVerfG, NJW 2011, S.  740 – „Carolines Tochter“. Dem Artikel waren weitere Fotos beigeordnet, darunter eine Aufnahme, welche Charlotte in etwas derangiertem Zustand zeigte und mit dem Untertitel „Empfänge auf denen der Champagner fließt“ beschrieben war. 1560  LG Berlin, Urt. v. 20.11.2007, Az. 27 O 572/07 (unveröffentlicht), KG, Beschluss v. 02.06.­ 2008, Az. 10 U 276/07 (unveröffentlicht), beide zitiert nach T. Haug, S.  54, Fn.  137; vgl. hierzu auch Wanckel, NJW 2011, S.  728. 1561  In der folgenden Verfassungsbeschwerde ging es allerdings nur um die Veröffentlichung des Bildnisses auf dem Titelblatt. 1562  Das BVerfG erkannte gem. §  91a II BVerfGG keine Annahmegründe, da die wesentlichen Fragen bereits in BVerfGE 101, 361 (389 ff.) – „Caroline von Monaco II“ und BVerfGE 120, 180 (196 ff.) – „Caroline von Monaco III“ geklärt worden seien. 1563  BVerfG, NJW 2011, S.  741 – „Carolines Tochter“. 1564  BVerfG, NJW 2011, S.  741 – „Carolines Tochter“. 1565  BVerfG, NJW 2011, S.  741 – „Carolines Tochter“; ähnlich in diesem Zusammenhang BGHZ 158, 218 (224) – „Charlotte Casiraghi I“. 1566  BVerfG, NJW 2011, S.  741 – „Carolines Tochter“. 1559 

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Somit betrifft die zweite Verfahrensserie um Charlotte Casiraghi genau die umge­ kehrte Konstellation der (Bild-)Berichtberichterstattung als beim St. Moritz 2002und beim Urlauber-Foto ihrer Mutter. Während die Abbildungen von Caroline iso­ liert betrachtet unzulässig waren – da diese als Urlaubsbilder den Kernbereich der Privatsphäre betroffen haben1567 – und erst über die Wortberichterstattung hinrei­ chenden Informationswert für ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte erlan­ gen konnten, lag beim Abbild Charlottes ein Bildnis mit zeitgeschichtlichem Bezug vor, das aber über die Wortberichterstattung seinen Informationswert verlor. Misst man der Wortberichterstattung nicht unerhebliche Bedeutung für den Informations­ wert der Bildveröffentlichung bei, so scheint es jedenfalls auch konsequent, dass die­ se den Informationswert steigern, aber auch verringern kann. Widersprüchlich er­ scheinen allerdings die verfassungsrichterlichen Erwägungen zum funktionalen Kontext zwischen Bild und Text. Während die Unzulässigkeit der Bildveröffentli­ chungen des Sessellift-Fotos und des Fotos von Charlotte Casiraghi gerade damit begründet wurden, dass sich Bild und Text nicht aufeinander und damit nicht ge­ meinsam auf ein zeitgeschichtliches Ereignis bezogen hatten, war dies für die Zuläs­ sigkeit der Veröffentlichung des Urlauber-Fotos offensichtlich ohne Bedeutung. (3) Divergenzen von höchstrichterlicher und verfassungsrichterlicher Rechtsprechung Erschwerend kommt hinzu, dass der Bundesgerichtshof von der Linie des Bundes­ verfassungsgerichts abzuweichen scheint, sobald es um die Einschätzung geht, ab wann ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte diesen Status durch die Wort­ berichterstattung verliert.1568 Kaum einen Monat nach dem Beschluss des Bundes­ verfassungsgerichts, in dem dieses die Erwägungen der Berliner Gerichte zur Unzu­ lässigkeit der Veröffentlichung des Bildes von Charlotte Casiraghi bei der Aids-Gala noch bekräftigt hatte, widersprach der Bundesgerichtshof in einem vergleichbaren Szenario eben diesen Erwägungen der Berliner Gerichte zur Unzulässigkeit der Ver­ öffentlichung mehrerer Bilder von Charlotte beim Rosenball in Monaco.1569 Zwar konzentriere sich die Berichterstattung auf Charlotte1570, die schon auf der Titelseite 1567 

Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., i). Wanckel, NJW 2011, S.  728. 1569  BGH, NJW 2011, S.  746 ff. – „Rosenball in Monaco“. 1570  Die Zeitschrift „Bunte“ (Heft 14/07 v. 29.03.2007) veröffentlichte mehrere Bilder von Charlotte – unter anderem auf dem Titelbild – beim Besuch des Rosenballs. Im Heftinneren befand sich ein Artikel mit dem Titel „Charlotte, die Party-Prinzessin“ und dem Untertitel „Rosenball in Monaco und der Star war Prinzessin Carolines Tochter: eine feurige Schönheit“. Im Artikeltext selbst heißt es: „Party-Prinzessin Charlotte“ sei „eine neue Party-Sonne“, „um die alle anderen Gäste kreisten“. Das „mediterrane Temperament“ der „Literaturstudentin Charlotte“ breche offenbar durch, sie sei „außer Rand und Band“, mit „wehendem Haar“ erinnere sie auf dem Dancefloor an „Mama Caroline in den besten Zeiten“ in den Nachtclubs der „Ausgehszene zwischen Monte Carlo, Paris und New York“. Sie sei „eingeschert in die High Society“, ein „strahlender Schmetterling“ habe sich entpuppt. Sie spiele wie selbstverständlich „ihre Rolle als strahlender Gesellschaftsmittelpunkt“ und verkörpe­ re „mit ihrer unglaublichen Grazie den ‚Pedigree‘, den Adel, der nicht mal einen Titel brauche, um 1568 Vgl.

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und in der Artikelüberschrift herausgestellt werde; ferner enthalte der Artikel Rück­ blicke, Zukunftsvisionen und Wertungen, die man je nach der Einstellung zu weitge­ hend unterhaltenden Medienprodukten als belanglos, spekulativ oder gar geschmack­ los bewerten könne. Trotzdem sei der Bezug zum Rosenball als zeitgeschichtliches Ereignis durch den Text noch gewahrt.1571 Dies begründet der Bundesgerichtshof zum einen durch die Bezugnahme der Bildunterschriften.1572 Die Herstellung eines Bezugs zum zeitgeschichtlichen (abgebildeten) Ereignis durch Bildunterschriften reicht aber nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht aus.1573 Zum anderen begründete der Bundesgerichtshof sein Ergebnis damit, dass die beanstandete Berichterstattung an das Auftreten Charlottes beim Rosenball an­ knüpfe und für die angestellten Wertungen und Spekulationen in der Öffentlichkeit bereits bekannte Informationen verwerte.1574 Somit erscheint der Bundesgerichtshof insoweit pressefreundlicher als die verfas­ sungsrichterliche Rechtsprechung, wenn es darum geht, einen hinreichenden Bezug des beigeordneten Wortberichts zur zeitgeschichtlichen Abbildung anzunehmen. Be­ sonders deutlich zeigt sich dies bei der Einschätzung, dass Bildveröffentlichungen, welche Charlotte bei diversen (zeitgeschichtlichen) Veranstaltungen zeigen1575, auch dann zulässig bleiben sollen, wenn Teile der zugehörigen Wortberichterstattung für unzulässig erklärt wurden, weil sie persönliche (Liebes-)Verhältnisse von Charlotte thematisierten.1576 Die Verurteilung zur Unterlassung einzelner Aussagen der zuge­ hörigen Wortberichterstattung betreffe hiernach nicht die Berichterstattung über das Ereignis als solches und die dabei erschienenen Personen.1577 Mit anderen Worten konnte der unzulässige Teil der Wortberichterstattung gewissermaßen abgetrennt werden, ohne dass dies die Beurteilung der übriggebliebenen zulässigen (Bild-)Be­ richterstattung in irgendeiner Form beeinflusst hätte.1578 edel zu sein“. Es müsse die „Grimaldi-DNA sein, die ihr Blut erhitzt“; zitiert nach BGHZ 187, 200 (201) – „Wortberichterstattung“; vgl. auch Wanckel, NJW 2011, S.  727 mit weiteren Anmerkungen. 1571  BGH, NJW 2011, S.  748 – „Rosenball in Monaco“. 1572  Mit ausschlaggebend sei, dass die Berichte über den Rosenball zahlreiche Fotos von ­weiteren Besuchern des Ereignisses sowie vielfältige Kommentierungen der Bildaufnahmen mit Bezug zu dem Ball und seinem Ambiente gehabt hätten; vgl. hierzu auch Stender-Vorwachs, GRUR 2011, S.  266. 1573  Vgl. BVerfG, NJW 2011, S.  741 – „Carolines Tochter“. 1574  BGH, NJW 2011, S.  748 f. – „Rosenball in Monaco“; vgl. auch BGH, NJW 2013, S.  2892 – „Eisprinzessin Alexandra“. 1575  Die Zeitschrift „Revue“ veröffentlichte in der Ausgabe Nr.  42/06 vom 12.10.2006 mehrere Fotos, die Charlotte Casiraghi während des Rosenballs 2006, der Amtseinführung von Prinz Albert von Monaco, sowie während eines Gala-Diners im Centre Pompidou in Begleitung eines jungen Herrn zeigten. Da sich die Berichterstattung nicht auf die (für unzulässig erklärte) Darstellung der Liebesbeziehung zu ihrem Begleiter beschränke, sondern sich auch mit den genannten gesellschaft­ lichen Ereignissen selbst beschäftige, erklärte der BGH die Bildberichterstattung als zulässig; vgl. hierzu Dörre, GRUR-Prax 2010, S.  270. 1576  BGH, NJW 2010, S.  3025 ff. – „Charlotte im Himmel der Liebe“. 1577  BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“. 1578  Auch hiergegen bestehen Zweifel; vgl. hierzu sogleich Kap.  3, D., II., 3., m), aa), (4).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Zusammengefasst erscheint die Rechtslage bzgl. der Rechtmäßigkeit einer Bildver­ öffentlichung also dann besonders unsicher, wenn sie im Zusammenhang mit einem (Sprach-)Text erfolgt.1579 Auch die bisherige (verfassungsrichterliche) Rechtsprechung seit Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts vermochte diese Unsicherheiten nicht zu lösen.1580 Deshalb erscheint es geradezu notwendig, dem Recht am eigenen Bild in den Fällen beigeordneten (Sprach-)Textes klare Konturen zu verleihen. (4) Eigener Vorschlag zur Funktionalität von Bild und (Sprach-)Text Die Beurteilung der Rechtslage kann dann besonders schwerfallen, wenn ein Perso­ nenbild im Zusammenhang mit (Sprach-)Text veröffentlicht wird. In diesem Bereich kann der bisherigen Rechtsprechung keine hinreichende, einheitliche Linie entnom­ men werden.1581 In modernen Darstellungsszenarien erscheint dies aber geradezu not­ wendig, da unzählige Möglichkeiten bestehen, ein Bild mit weiteren Informationen in (Sprach-)Textform zu kombinieren. Ausgangspunkt für die notwendige Konturierung des Bildrechts in diesen Bereichen soll zunächst die unbestrittene Feststellung sein, dass die Rechtsordnung die Veröffentlichung zuordenbarer Bildinforma­tionen grund­ sätzlich stärker schützt, als die Veröffentlichung zuordenbarer (Sprach-)Textinforma­ tionen über eine Person. Die Veröffentlichung eines Personenbildes begründet grund­ sätzlich unabhängig vom konkreten Bildinhalt eine rechtfertigungs­bedürftige Be­ schränkung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (am eigenen Bild), während eine identifizierende verbale Darstellung einer Person grundsätzlich keine Persönlichkeits­ verletzung in sich birgt.1582 Die Hintergründe dieser Differenzierung liegen in den Charakteristika und der hiermit verbundenen Wirkungsweise bild­hafter Darstellun­ gen begründet.1583 Hierzu wurde gezeigt, dass bildhaft vermittelte (Persönlichkeits-) Informationen als nonverbal kommunizierte Inhalte isoliert betrachtet tendenziell eine verschwindend geringe Verifikationsrate beim Rezipienten aufweisen. Im Ge­ gensatz hierzu stehen verbal vermittelte Informationen, die aufgrund ihres allgemein­ gültigen Vermittlungscodes – in Text oder Sprachform – eine hohe Verifikationsrate aufweisen.1584 Wegen der multimedialen Kombinationsaffinität bildhafter Darstellun­ gen mit (Sprach-)Text und der hiermit verbundenen Wirkung für Verstehens- und Behaltensleistungen beim Rezipienten1585, insbesondere der Suggestivwirkung1586, 1579  Vgl. Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  79b: „[…] bis zur Unkenntlichkeit ver­ wischt“. 1580  A. A. wohl Dahle/Stegmann, AfP 2013, S.  484, die insgesamt keinen Reformbedarf zum Schutz (Prominenter) vor unerwünschter Bildberichterstattung erkennen. 1581  A. A. wohl Dörre, GRUR-Prax 2010, S.  270. 1582  Vgl. BVerfGE 97, 228 (268) – „Kurzberichterstattung“; BVerfGE 101, 361 (381 f.) – ­„Caroline von Monaco II“; BVerfGE 120, 180 (198) – „Caroline von Monaco III“; BVerfG, NJW 2011, S.  742 – „Carolines Tochter“; vgl. ferner N. Dietrich, ZUM 2014, S.  664; Pfeifer, JZ 2013, S.  858. 1583  Kap.  1, A., I. 1584  Kap.  1, A., II., 1., c). 1585  Vgl. hierzu Kap.  1, A., I., 5. 1586  Vgl. hierzu Kap.  1, A., I., 3.

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welche das beigeordnete Bild dem in Textform vermittelten Informationsgehalt ver­ leiht, erscheint es grundsätzlich richtig, eine Bildrechtsverletzung im Zusammenhang mit dem beigeordneten (Sprach-)Text zu beurteilen. Denn die Kombination von Text und Bild kann zu einer (Gesamt-)Informationsvermittlung führen, die nicht nur eine hohe Verifikationsrate aufweist, sondern darüber hinaus aufgrund der Vorzüge bild­ hafter Kommunikation besonders eindrucksvoll und authentisch wirkt. Nach diesen Erwägungen ist grundsätzlich auch der Annahme beizupflichten, dass eine an sich unzulässige Bildveröffentlichung – sofern diese nicht bereits dem abwä­ gungsfesten (Intim-)Bereich zuzuordnen ist – durch eine entsprechende (Sprach-) Textbeigabe gewissermaßen „geheilt“ werden kann. Dies kann allerdings nur dann gelten, wenn aus der Kombination von (Sprach-)Text und Bild eine neue (Gesamt-) Information entsteht, an welcher ein das Abgebildeteninteresse überwiegendes öffent­ liches Interesse besteht. Einerseits muss in diesen Fällen also die rein verbal vermit­ telte Information ein solches (gewichtiges) öffentliches Interesse be­dienen, welches das Interesse des Dargestellten, nicht identifizierend abgebildet zu werden, in der an­ zustellenden Gesamtabwägung übersteigt. Andererseits muss der (Sprach-)Text im Stande sein, die Stoßrichtung der Bildveröffentlichung von einer unzulässigen Reprä­ sentation der abgebildeten Person auf das Thema des öffentlichen Interesses zu len­ ken.1587 Der Text muss also die Vieldeutigkeit des Bildes auf den Informationswert des öffentlichen Interesses reduzieren.1588 Tritt diese steuernde Funktion eben nicht ein, besteht zu Recht der Vorwurf, dass der Text nur als V ­ orwand benutzt wurde, um ein bestimmtes Bild veröffentlichen zu können. Dem (Sprach-)Text muss also legitimie­ rende Wirkung in Bezug auf die Bildveröffentlichung zukommen. Ansonsten bliebe es bei einer unzulässigen Bildveröffentlichung mit einer zulässigen Wortveröffentli­ chung. Die Zulässigkeit der (isoliert betrachtet unzulässigen) Bildveröffentlichung rechtfertigt sich also maßgeblich in der Bebilderung eines gewichtigen Informations­ inhalts. Mit anderen Worten wird die Bildveröffentlichung deshalb zulässig, weil sie einen gewichtigen Informationsinhalt aufgrund der Vorzüge der Bildwahrnehmung unmittelbar, eindrucksvoll, authentisch und bildhaft erinnerbar darstellt.1589 Die naturwissenschaftlichen Erwägungen zur multimethodalen Kombinationsaf­ finität haben allerdings gezeigt, dass diese legitimierend wirkenden Bebilderungs­ effekte allenfalls dann eintreten, wenn sich (Sprach)-Text und Bild inhaltlich aufein­ ander beziehen und sich somit in gewisser Hinsicht entsprechen.1590 Zentrale Frage ist also, wann noch von einer hinreichenden Kongruenz zwischen dem vermittelten 1587  Vgl. hierzu Brosius, Nachrichtenrezeption, S.  122 m. w. N.; Drescher, S.  203, 209, wonach dem Text bei einer Kombination mit einem Bild insoweit dominierende Funktion zukommt. 1588  Vgl. hierzu Burger/Luginbühl, S.  434: „Die dominierende Funktion des Textes besteht darin, die Vieldeutigkeit des Bildes zu reduzieren, im besten Fall eindeutig zu machen, zu monosemieren“. 1589  Hiervon scheint auch das Bundesverfassungsgericht ausgegangen zu sein, wenn es pauschal auf die Aufmerksamkeitswirksamkeit von Bildern im Sinne eines Eye-Catcher-Effekts zur Legiti­ mierung einer Bildveröffentlichung abstellt; vgl. BVerfGE 120, 180 (204, 206) – „Caroline von Monaco III“. 1590  Vgl. hierzu Kap.  1, A., I., 1., g).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Textinhalt und dem beigeordneten Bild gesprochen werden kann. Insbesondere stellt sich die Frage, ob diese Kongruenz noch vorliegt, wenn der einzige Bezug zum Text im Protagonisten der abgebildeten Person liegt und sonst keine weiteren Aspekte abgebildet werden, auf die der Text inhaltlich eingeht. Dies muss unter dem Verweis auf naturwissenschaftlich-empirische Befunde zur Bild-Text Wahrnehmung klar verneint werden.1591 Verbleibt als einziger Bezugspunkt zwischen Text und Bild die Person des Informationsprotagonisten und weichen alle sonstigen verbalen Informa­ tionen von den bildhaft vermittelten Informationen ab, so findet bestenfalls keine (neue) Gesamtinformationsvermittlung statt, sondern es bleibt weiterhin bei der ge­ trennten Informationsvermittlung von (zulässigem) Text und (unzulässigem) Bild. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass der Rezipient das Verhältnis zwischen Text und Bild nicht nur als sinnlos wahrnimmt und vor der Unverständlichkeit resig­ niert. Vielmehr besteht die begründete Gefahr, dass der Widerspruch – etwa als be­ absichtige Ironie – fehlinterpretiert wird.1592 Eine die unzulässige Bildveröffent­ lichung legitimierende (Gesamt-)Informationsvermittlung findet dann nicht statt und es bleibt bei einer Bildrechtsverletzung. Wann ein hinreichender Kontext bejaht wer­ den soll, kann allerdings nicht pauschal, sondern nur anhand einer Einzelfallbetrach­ tung beantwortet werden. Insoweit ist der Rechtsprechung beizupflichten. Besinnt man sich aber auf den Leitsatz zurück, wonach sich ein gewichtiger Informations­ wert über seine Eignung zur öffentlichen Meinungsbildung definiert, wird deutlich, dass die konkrete Wirkung einer Veröffentlichung in ihrer Gesamtheit beim Rezi­ pienten ausschlaggebend sein muss. Dieses Verstehen kann zwar nicht tatsächlich verobjektiviert werden, gleichwohl vermögen die Grundsätze zur Wirkung von Bild-­ Text-Kombination beim unvoreingenommenen und verständigen Durchschnitts­ empfänger1593 der Rechtslage deutlich schärfere Konturen zu verleihen. Mit anderen Worten wird ein funktionaler Kontext dann zu bejahen sein, wenn ein Bild seine Suggestivwirkung entfalten kann und die durch den (Sprach-)Text vermittelte ge­ wichtige Information des öffentlichen Interesses besonders authentisch erscheinen lässt. Deshalb muss der Informationswert des öffentlichen Interesses, der in diesen Fällen maßgeblich aus dem Text entnommen werden kann, in irgendeiner Form im Bild wiederzufinden sein. Hierfür genügt es – wie gesehen – ausdrücklich nicht, dass das Bild nur den Protagonisten der beigeordneten verbalen Information abbildet. 1591  Brosius, S.  219 ff.; ders., Nachrichtenrezeption, S.  123; Brosius/Birk, Rundfunk und Fern­ sehen 1994, S.  177, 182; hierzu auch Burger/Luginbühl, S.  426; Machill/Köhler/Waldhauser, Publi­ zistik 2006, S.  481. 1592  Burger/Luginbühl, S.  427; vgl. auch Drescher, S.  209. 1593  Dieses Vorgehen entspricht den allgemeinen Grundsätzen zur Wortberichterstattung; BVerfG, AfP 2006, S.  41 – „Stolpe“; BVerfG, NJW 2008, S.  1654 – „Gegendarstellungsanspruch“; BVerfG, NJW 2013, S.  217 – „„Focus“-Ärzteliste“; BVerfG, NJW 2014, S.  764; Wenzel/Burkhart, Kap.  4, Rn.  4 m. w. N.; vgl. ferner BVerfGE 120, 180 (206) – Caroline von Monaco III und BVerfG, NJW 2017, S.  1377 – „Kachelmann“, wonach der Informationswert eben im Kontext zwischen Bildund Wortberichterstattung zu ermitteln ist; vgl. ferner BVerfG, NJW 2018, S.  2877 – „Filmaufnah­ men aus Bio-Hühnerställen“.

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Hierbei ist ein strenger Sorgfaltsmaßstab für den Veröffentlichenden anzule­ gen.1594 Will dieser ein prekäres Personenbild veröffentlichen, muss er nicht nur eine gewichtige (Sprach-)Text-Information beiordnen, sondern er hat vielmehr auch Sorge dafür zu tragen, dass ein hinreichender funktionaler Kontext zwischen Bild und (Sprach-)Text besteht. Bei der Ermittlung des Kontexts sollte die konkrete Anordnung von Bild und (Sprach-)Text im jeweiligen Veröffentlichungsformat mit in den Blick genommen werden. Gerade in sozialen Medien muss berücksichtigt werden, wie hoch die Wahr­ scheinlichkeit ist, dass der Rezipient die verbal vermittelte Information (des öffent­ lichen Interesses), die durch das Bild seine Suggestivwirkung entfalten soll, über­ haupt wahrnimmt. Dies gilt besonders dann, wenn der erste Zugang des Rezipienten zur (Gesamt-)Information in der isolierten Wahrnehmung eines (bewegten) Bildes liegt und er sich erst selbst (teilweise über mehrere Schritte) Zugang zur verbalen Information verschaffen muss. In neueren Darstellungsszenarien zeigt sich dies an Kurz- oder Vorschauvideoclips in sozialen Netzwerken1595, welche standardmäßig im stummgeschalteten Modus abzulaufen beginnen oder bei mehrteiligen, zusammenhängenden Postings, die erst nacheinander aufgerufen wer­ den müssen. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass die relevante Information gewisserma­ ßen versteckt wird, sodass unter dem Deckmantel einer Gesamtinformationsveröffentlichung beim Rezipienten nur die an und für sich unzulässige Bildinformation ankommt.

Hiergegen könnte angeführt werden, dass die noch nicht allzu weit zurückliegende Rechtsprechung zwar zu Personendarstellungen in Boulevardzeitungen erging, je­ doch insoweit eine vergleichbare Sachlage angenommen werden kann, da auch hier der Rezipient selbst zum Heftinneren gelangen musste. Gleichwohl ließ die verfas­ sungsrichterliche Rechtsprechung auch in diesen Fällen die konkrete Form und An­ ordnung der Informationen zumindest nicht außer Acht, indem auch sie auf Fett­ druck, Über- und Untertitelung oder die Schrift- und Bildgröße für die Gesamt­­ab­wägung abgestellt hat. Trotzdem erscheint der weite Spielraum, welcher den Ver­ öffentlichenden durch das Platzieren einzelner Informationen zugebilligt wird, in dieser Hinsicht bedenklich.1596 1594  In diesem Zusammenhang darf insbesondere die Eye-Catcher-Argumentation des BVerfG nicht isoliert verstanden werden; so aber wohl Pfeifer, GRUR 2008, S.  549. Aufmerksamkeit kann indes jedes (skandalöse) Bild erregen; vgl. hierzu Kap.  1, A., I., 6. Allein die Erregung von Auf­ merksamkeit kann freilich nicht für die Zulässigkeit einer Abbildung sprechen, sondern muss stets im Zusammenhang mit dem Text bewertet werden; so auch Lederer, S.  81, Fn.  311; insoweit begrü­ ßenswert OLG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2018, S.  343; LG Frankfurt a. M. ZUM-RD 2020, S.  291 f. 1595 Vgl. Bucholz/Schult, S.  77, wonach ein Auseinanderdriften von Text- und Bild-Information in der Praxis etwa bei sog. NiFs (Nachrichtenfilmen) allen theoretischen Erkenntnissen zum Trotz zunehmend zu beobachten sei. 1596 Vgl. N. Dietrich, ZUM 2014, S.  664; Pfeifer, JZ 2013, S.  858, wonach sich die Boulevard­ presse bereits darauf verlegt habe, Bilder aus dem Privatleben Prominenter zu veröffentlichen und allein durch die Bildunterschrift zu erläutern, aus welchem die Öffentlichkeit berührenden Anlass heraus die Bildveröffentlichung erfolge; vgl. hierzu auch bereits Starck, JZ 2008, S.  635.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Umso mehr bietet sich auch insofern die vorgeschlagene Lösung an, wonach der Veröffentlichende angehalten ist, die das Bild legitimierende verbale Information so zu präsentieren, dass das Bild diese Information suggestiv unterstützt.1597 Diese Lö­ sung verhindert schließlich missbräuchliche Kombinationen, indem sie es den ein­ schlägigen Publikationsmedien erschwert, aus unterhaltender Textberichterstattung unter nicht unerheblicher Kreativarbeit solche öffentlichen, „gewichtige Informations­ werte“ herzuleiten, wenn diese nicht im Bild neben der Identität einer Person wieder­ gefunden werden können. Denn je komplexer ein gewichtiger Informationswert er­ scheint und je aufwändiger dieser hergeleitet werden muss, umso schwieriger wird es werden, diesen in einem Bild neben der Person des Protagonisten wiederzufinden.1598 Legt man diesen Lösungsweg zugrunde, wären die Veröffentlichungen des St. Moritz 2002-­ Fotos und des Urlauber-Fotos unter der Begründung des Bundesverfassungsgerichts in der Caroline III-Entscheidung unzulässig gewesen. Selbst wenn man in der Erkrankung des ­Vaters von Caroline1599 oder der Sparsamkeit Prominenter1600 einen Informationswert des öffent­ lichen Interesses erkennen wollte, finden sich diese Informationswerte in den beigeordneten Bildern über die Person von Caroline hinaus nicht wieder, so dass die Abbildungen auch nicht suggestiv unterstützt werden.1601

Dieselben Maßstäbe müssen konsequenterweise auch für die (umgekehrte) Konstel­ lation gelten, sobald ein Bild, das bereits aus sich heraus – etwa aufgrund des zeitge­ schichtlichen Charakters des Bildinhalts – einwilligungsfrei abgebildet werden darf, veröffentlicht und dabei mit unzulässigem (Sprach-)Text kombiniert wird.1602 Nicht überzeugend erscheint es, mit dem Bundesgerichtshof die Zulässigkeit der Bildver­ öffentlichung ohne weiteres anzunehmen, solange sich (Sprach-)Text und Bild in ir­ 1597  Man könnte in diesem Zusammenhang davon sprechen, dass die legitimierende Wirkung des Textes überhaupt erst vom Bild aufgenommen werden können muss. 1598 Vgl. Stöckl, S.  97 ff., der in diesem Zusammenhang von einer „defizitären Kohäsivität“ von Bildern spricht. 1599  Bereits hieran bestehen erhebliche Zweifel, da es sich um die Erkrankung einer Person han­ delt; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., k), bb); daran ändert sich auch nichts, wenn man im maßgeblichen Informationswert den persönlichen Umgang Carolines mit einer belastenden Situation erblickt; so i. E. auch N. Dietrich, AfP 2013, S.  279; Frenz, NJW 2008, S.  3105; Götting, GRUR 2007, S.  531; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  79a. 1600  Weshalb in der Sparsamkeit Prominenter ein öffentliches Interesse wurzelt, erschließt sich zumindest nicht ohne weiteres; vgl. N. Dietrich, ZUM 2014, S.  660, Fn.  29: „Binsenweisheit ohne jeden Erkenntniswert“; ferner weist dieser darauf hin, dass die Ferienvilla in Kenia gar nicht der Familie von Caroline, sondern derjenigen des Ehemannes gehöre. Insoweit sei es also nicht ­Caroline, die zu den sparenden „Reichen und Schönen“ gehöre, sondern die Familie des Ehemanns. Schließlich werde die Villa bereits Jahrzehnte vermietet, sodass auch kein „neuer Trend“ Prominen­ ter zur Sparsamkeit erkennbar sei; ebenfalls zweifelnd Wanckel, Rn.  184. 1601  Die Abbildung des erkrankten Vaters oder der sorgenden Tochter hätte vermutlich auch das Pietätsgefühl eines neugierigen Lesers der Regenbogenpresse berührt. Bei der Urlauber-Fotoveröf­ fentlichung hätte zumindest ein Zusammenhang mit dem Text durch die Abbildung der entspre­ chenden Villa hergestellt werden können; vgl. ferner N. Dietrich, ZUM 2014, S.  663. 1602  Lose formuliert: Wenn ein „krankes“ Bild durch den Text „geheilt“ werden kann, muss umgekehrt auch ein „gesundes“ Bild „krank“ getextet werden können; vgl. aus kommunikations­ wissenschaftlicher Perspektive Stöckl, S.  250.

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gendeiner Form mit zeitgeschichtlichen Belangen beschäftigen, obwohl (nicht un­ erhebliche) Teile des (Sprach-)Textes als unzulässig eingestuft wurden.1603 Nach der hier vertretenen Lösung wäre daher zu fragen gewesen, ob die unzulässigen Teile der Wortberichterstattung durch die Suggestivwirkung der zeitgeschichtlichen Bilder authentifiziert werden und deshalb beim Rezipienten besonders real und eindrucks­ voll wirken. Denn durch die Authentifizierung einer unzulässigen (Sprach-)Text-In­ formation erfährt die zusammenhängende Abbildung nach dem bisher Gesagten neben der Vermittlung zeitgeschichtlicher Aspekte eine weitere konkrete Stoßrich­ tung. Diese liegt darin, eine konkrete persönlichkeitsrechtsverletzende Information beim Rezipienten besonders eindrucksvoll und authentisch wirken zu lassen. Ist ­diese Stoßrichtung auszumachen, muss dies im Rahmen der Gesamtabwägung zwi­ schen Abgebildeteninteresse und öffentlichem Interesse berücksichtigt werden. Ist die (Sprach-)Textinformation etwa unzulässig, weil sie die abwägungsfeste Intim­ sphäre verletzt und wird dieser Inhalt durch das Bild suggestiv unterstützt, muss die Bildnisveröffentlichung ihren zeitgeschichtlichen Charakter verlieren.1604 Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass das Bild neben der Illustration persön­ lichkeitsrechtsverletzender Inhalte auch weiterhin öffentliche Interessen bedient, weil es beispielsweise von einem zeitgeschichtlichen Event stammt. Denn das Abbil­ den von Umständen des öffentlichem Interesses ändert in einem solchen Fall nichts daran, dass infolge der Authentifizierung des Textes (auch) Umstände bildhaft sug­ geriert werden, die bereits im Rahmen einer isolierten Textberichterstattung – wel­ che nach den allgemeinen Grundsätzen gerade weniger strengen Maßstäben als die Bildberichterstattung unterliegt – unzulässig gewesen wären.1605 Schwerer fällt die Beurteilung dann, wenn der (Sprach-)Text unzulässige Teile beinhaltet, die nicht in die abwägungsfeste Intimsphäre fallen und von einem Bildnis suggestiv unterstützt werden, das isoliert betrachtet ein das Abgebildeteninteresse überwiegendes öffentliches Interesse bedient.1606 In diesem Fall muss sich bei der Gesamtwürdigung im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG das Abgebildeteninteresse er­ höhen, da das Bild unzulässige Informationen illustriert. Es wird also dann auf die Frage ankommen, ob die Bildveröffentlichung schwerpunktmäßig den unzulässigen oder den zulässigen Inhalt des öffentlichen Interesses vermittelt. Hierbei müssen das Verhältnis und die Anordnung von zulässigem und unzulässigem Text ebenfalls eine Rolle spielen. Zweifelhaft erscheint es in diesem Zusammenhang, dass sich der Ver­ 1603 

Vgl. BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“. Vgl. KG, NJW-RR 1999, S.  1704, zu erfundenen Details bzgl. des Intimlebens der abgebil­ deten Person; vgl. ferner LG München I, Urt. v. 21.07.2005, Az. 7 O 4742/05 = Wolters Kluwer, wonach das „Outing“ des Abgebildeten als „Vorzeige-Homosexueller“ durch die Textberichterstat­ tung „auch im Zeitalter einer immer weiter fortschreitenden Liberalisierung der Gesellschaft in diesen Fragen zum Intimbereich“ gehöre. 1605  Mit anderen Worten: Sobald die Suggestivwirkung angenommen wird, vermittelt das Bild die (unzulässigen) Textinhalte unmittelbar. 1606  So lag der Fall bei BGHZ 158, 218 – „Charlotte Casiraghi I“; BGH, NJW 2005, S.  56 – „Charlotte Casiraghi II“; BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“. 1604 

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öffentlichende durch die Beiordnung einzelner Textpassagen, die ein zulässiges öf­ fentliches Interesse bedienen, den zeitgeschichtlichen Charakter des Bildnisses ge­ wissermaßen sichern kann. Etwa der Verweis, dass einzelne Textteile ein zeitgeschichtliches Ereignis beschreiben und somit durch das Bild immer noch ein öffentliches Interesse bedient wird, kann kaum überzeu­ gen. Vielmehr muss es auf den Schwerpunkt der (Gesamt-)Informationsvermittlung durch das Bild und dem durch die Suggestivwirkung verbundenen Text der ursprünglichen1607 Veröf­ fentlichung ankommen.1608

Die Trennbarkeit innerhalb einer gesamten Veröffentlichung muss demzufolge an der Suggestivwirkung des Bildes ansetzen. Deshalb erscheint es auch denkbar, dass per­ sönlichkeitsrechtsverletzende (Sprach-)Textinhalte innerhalb einer Veröffentlichung keinerlei Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des Bildes haben. Dies kann sogar trotz inhaltlicher Entsprechungen von (Sprach-)Text und Bild aufgrund syntaktisch-­ räumlicher Aspekte der Fall sein: Steht die unzulässige verbale Information etwa perspektivisch oder zeitlich nicht mehr derart im Kontext mit dem Bild, dass dieses seine Suggestivwirkung entfalten kann, muss die verbale Information vom Bild­ inhalt getrennt betrachtet werden. Diese Frage muss dann Gegenstand der Einzelfall­ entscheidung sein. Bedenklich erscheint deshalb, dass der Bundesgerichtshof von der Zulässigkeit der Veröffent­ lichung eines Bildes von Charlotte Casiraghi mit ihrer Begleitung bei einer öffentlichen Kunstausstellung im Centre Pompidou ausgeht, wenn beigeordnete Textteile, welche über eine Liebesbeziehung spekuliert hatten, in einem gesonderten Verfahren als unzulässig einge­ stuft wurden und das (weiterhin als zeitgeschichtlich eingestufte) großformatige Bild einen entsprechenden Überschrifts-, Begleit- und Bildnebentext1609 aufwies. Dass der Artikeltext auch noch Angaben zum Veranstaltungsort, dem Aussteller und den Hintergründen der Ver­ anstaltung gemacht hatte, vermag eine andere (Schwerpunkts-)Einschätzung nicht zu begrün­ den.1610 Beim zweiten Bild handelte es sich somit nach der hier vertretenen Lösung im konkre­ ten Veröffentlichungskontext um kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte.

Abschließend kann diese Lösung auch mit dem Grundsatz der Zulässigkeit geringerer Persönlichkeitsrechtseingriffe in Einklang gebracht werden, den das Bundesverfas­ sungsgericht im Zusammenhang mit der Begleiterrechtsprechung entwickelt hat.1611 Ist eine Bildveröffentlichung zulässig, obliegt es der Presse, anstelle des zulässigen Bildes ein anderes Bild zu veröffentlichen, wenn dieses im Rahmen derselben Veröffentli­ 1607  Nicht überzeugend erscheint es, die für unzulässig eingestuften Textteile bei der Beurtei­ lung des Bildes somit „abzutrennen“ und nur zu untersuchen, ob der Text sonst noch ein öffentliches Interesse bedient, das vom Bild illustriert wird. 1608  Vgl. BGHZ 158, 218 (224) – „Charlotte Casiraghi I“; BGH, NJW 2005, S.  57 – „Charlotte Casiraghi II“. 1609  Überschrift: „Charlotte im Himmel der Liebe“; Begleittext: „Ein zartes Glück. F W ist seit zwei Jahren an Charlottes Seite. Wer ist der junge Mann, der so gut zur Tochter von Prinzessin Caroline passt?“; Bildnebentext: „Sie haben nur Augen für sich. F W und Charlotte beim Gala-­ Diner im Pariser Centre Pompoidou. Er redet, sie hört aufmerksam zu.“ 1610  A. A. BGH, NJW 2010, S.  3027 – „Charlotte im Himmel der Liebe“. 1611  Vgl. Kap.  3, D., II., 3., f).

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chung nicht stärker in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreift.1612 Hier muss sich die Presse auch nicht auf die Veröffentlichung kontext­neutraler Bildnisse be­ schränken.1613 Gleichwohl muss insofern beachtet werden, dass die Beiordnung von Archivbildern, die in einem anderen Kontext zulässig waren, dadurch nicht vogelfrei werden und stets im konkreten Veröffentlichungskontext betrachtet werden müssen.1614 Insgesamt können die vorangegangenen Erwägungen im Wesentlichen also wie folgt zusam­ mengefasst werden: – Eine Bildrechtsverletzung ist im Zusammenhang mit beigeordnetem (Sprach-)Text zu beur­ teilen. – Eine (isoliert) unzulässige Bildnisveröffentlichung, welche nicht bereits die Intimsphäre verletzt, kann durch den beigeordneten (Sprach-)Text „geheilt“ werden. – Für eine solche „Heilung“ muss dem (Sprach-)Text eine legitimierende Wirkung zukom­ men, indem er die Vieldeutigkeit eines (isoliert unzulässigen) Bildnisses auf den Informa­ tionswert des öffentlichen Interesses lenkt und reduziert, sodass das öffentliche Interesse an der Gesamtinformationsvermittlung das berechtigte Interesse des Abgebildeten überwiegt. – Ein solcher funktionaler Kontext zwischen (Sprach-)Text und Bildnis wird dann zu bejahen sein, wenn ein Bildnis seine Suggestivwirkung entfalten kann und die durch den (Sprach-) Text vermittelte gewichtige Information des öffentlichen Interesses als besonders authen­ tisch erscheinen lässt. – Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen: Verbleibt als einziger Bezugspunkt zwischen Bild und (Sprach-)Text die Person des Informationsprotagonisten und weichen alle sonstigen verbalen Informationen von der (isolierten) bildhaft vermittelten Information ab, bleibt es bei der getrennten Informationsvermittlung von (zulässigem) Text und (unzulässigem) Bild. – Soll ein prekäres Bildnis veröffentlicht werden, hat der Veröffentlichende somit dafür Sorge zu tragen, dass er eine für das öffentliche Interesse gewichtige (Sprach-)Textinformation bei der Veröffentlichung sowohl thematisch als auch unter Layout-Gesichtspunkten so platziert, sodass ein funktionaler Kontext zwischen (Sprach-)Text und Bild besteht und somit eine Gesamtveröffentlichung des öffentlichen Interesses entsteht. – Hierfür genügt nicht, dass sich der Text irgendwie auf das Bild bezieht. Gerade die (Text-) Information des öffentlichen Interesses muss funktional bebildert werden, sodass die Ge­ samtinformation das Abgebildeteninteresse überwiegt. – Umgekehrt können unzulässige Teile der Wortberichterstattung durch die Suggestivwir­ kung eines (an sich zulässigen) zeitgeschichtlichen Bildnisses authentifiziert und deshalb beim Rezipienten besonders real und eindrucksvoll wirken. Deshalb kann ein (isoliert) zu­ lässiges Bildnis auch „krankgeschrieben“ werden.

bb) Einfluss des Wahrheitsgehalts einer Bildnisveröffentlichung auf den Informationswert Während das Recht am eigenen Bild unter dem Aspekt des Gewährung eines Rück­ zugsraums1615 den Schutz vor der Verbreitung wahrer Tatsachenbehauptungen durch 1612 

A. A. wohl N. Dietrich, ZUM 2014, S.  665. So aber wohl Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  32. 1614  I.E. auch BGHZ 158, 218 (224) – „Charlotte Casiraghi I“; BGH, NJW 2005, S.  57 – ­„Charlotte Casiraghi II“. 1615  Vgl. bereits einleitend Kap.  2, B., II., 3., a). 1613 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

eine Bildnisveröffentlichung aus einer persönlichen Sphäre gewährt, besteht unter dem Aspekt des Wahrheitsschutzes ebenfalls ein Schutz gegen die Verbreitung von Unwahrheiten durch eine Bildnisveröffentlichung.1616 Unwahre Tatsachen haben des­ halb aus der Perspektive der Meinungsfreiheit1617 keinen Informationswert im Sinne des §  23 I KUG, da sie nichts zur Meinungsbildung im Sinne des (normativen) öffent­ lichen Interesses beitragen können.1618 Dass dieser (Wahrheit-)Schutz dem Recht am eigenen Bild bereits lange vor der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der informationellen Selbstbestimmung als Recht der eigenen authentischen Repräsentation1619 im Bild innewohnt, haben Teile des historischen Abrisses gezeigt.1620 Ursprünglich stand da­ bei das Bildnis als solches für die Vermittlung von Wahrheit im Sinne eines (objek­ tiven) Belegs für den tatsächlichen Ablauf eines Geschehens, fernab seiner isomor­ phen Wahrheit im Sinne des Fotorealismus. Sichtlich von der Abbildungstreue der Fotografie beeinflusst scheint der Gesetzgeber von 1907 sodann den Schutz von Wahrheit primär an die Fotorealität gekoppelt zu haben.1621 Deutlich zeigt sich dies am weiteren Ausbau kernstrafrechtlicher Normen, welche ausdrücklich das fotorea­ listische Abbilden einer Person sanktionieren.1622 Dass die Rechtsprechung unter der Geltung des Grundgesetzes trotzdem bis heute keine Beschränkung des Bildnis­ schutzes in §§  22 ff. KUG auf fotorealistische Darstellungen vornimmt, lässt sich be­ sonders mit Blick auf den (umgekehrten) Schutzzweck der Vermeidung einer Ver­ breitung von unwahren Tatsachen erschließen. Denn selbst die Veröffentlichung ei­ nes nicht-fotorealistischen Bildnisses kann durch dessen sozialen Verwendungskontext Wirklichkeit im Sinne eines tatsächlichen Geschehensablaufs im Zusammenhang mit dem (Persönlichkeitswesen des) Abgebildeten vermitteln.1623 1616 

Rn.  1.

Vgl. Wenzel/von Strobl-Albeg/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  125; Götting/Schertz/Seitz/Wanckel, §  20,

1617  Etwas anderes gilt hingegen für den Informationswert unwahrer Tatsachen aus der Perspek­ tive der Kunstfreiheit; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., g). (zur Satire dort bb)); ohne nähere Differen­ zierung Kadner, S.  120. 1618  Vgl. BVerfGE 85, 1 (15) – „Bayer-Aktionäre“; BVerfGE 99, 185 (197) – „Scientology“; BVerfG, NJW 2005, S.  3273 – „Ron Sommer“; BGHZ 222, 196 (204) – „Strafverfahrensbegleitende Berichterstattung“; BGH NJW 2019, S.  1882 – „Strafverfahren gegen Steuerberater; BGH, NJW 2013, S.  790 – „IM ‚Christoph‘“; BGH, NJW 2012, S.  3646 – „Comedy Darstellerin“; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  335; vgl. auch Ernst, AfP 2006, S.  531. 1619  Zur Authentizität von Bildern, Kap.  1, A., I., 3. 1620  Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen zum Siegelrecht, Kap.  1, B., III., 4., und zu den Wallfahrtsbildern Kap.  1, B., III., 2. 1621  Vgl. hierzu die Ausführungen zum Gesetzgebungsverfahren, des Abbildungszwecks sowie der Ausklammerung der Karikatur Kap.  1, B., V., 7. 1622  So knüpft §  201a StGB an Bildaufnahmen an, unter welchen insbesondere Fotos und Videos verstanden werden; vgl. Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  6; Lackner/Kühl/Kühl, §  201a StGB, Rn.  2: „Zeichnungen und Karikaturen sind also nicht erfasst“; so auch jüngst §  184k StGB; vgl. ferner die Anknüpfung von §§  184b I Nr.  2, II, III, 184c I Nr.  2, II, 184d StGB an ein „wirklich­ keitsnahes Geschehen“, Schönke/Schröder/Eisele, §  184b StGB, Rn.  30; ders., §  184d, Rn.  9 zur Fiktivpornografie. 1623 Vgl. Stöckl, S.  90; vgl. ferner Orland, S.  90.

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So kann etwa eine nicht fotorealistische künstlerische Bearbeitung die Portraitierung an ei­ nem bestimmten Ort oder die Herstellungszeit durch den Hintergrund des Bildnisses oder etwa des Zeichenstils eines speziellen Künstlers vermitteln. Lässt sich A beispielsweise vor einer Sehenswürdigkeit im Urlaub von einem Streetart-Künstler im Comic-Stil zeichnen, so vermittelt dieses Bildnis zumindest die Aussage, dass sich A (möglicherweise auch zu einer bestimmten Zeit) an besagtem Ort aufgehalten hat. Unabhängig hiervon besteht die Möglichkeit, bei einem nicht fotorealistischem (Gesamt-) Bildnis einzelne (abspaltbare) Ausschnitte isomorph darzustellen, wie bei einer satirischen Fotomontage oder Kollage.1624 Wird beispielsweise der Kopf des A auf den Körper einer Kuh gephotoshopped, so kann – trotz der offensichtlichen Manipulation – beispielsweise ein au­ thentischer Eindruck des optischen Haut-, Haar, oder etwa Zahnbilds des A durch die Veröf­ fentlichung der Manipulation vermittelt werden.

Genauso können durch die Veröffentlichung eines fotorealistischen Bildnisses un­ wahre Tatsachen1625 oder jedenfalls – nicht mehr von der Meinungsfreiheit gem. 1624  Vgl. etwa hierzu BVerfG, NJW 2005, S.  3271 – „Ron Sommer“ oder bei Fotomontagen, die „fototechnisch“ verkürzt einen wahren Sachverhalt illustrieren; so bei LG Hamburg, ZUM 1998, S.  583 f., wonach es unerheblich war, dass eine (den Tennisplatz verkürzt darstellende) Fotomontage eines Tennismatches zwischen Caroline von Monaco und Ernst August von Hannover von der Bunten veröffentlicht wurde, da dieses Match tatsächlich stattgefunden hatte; schließlich bestehen auch bei diesen Abbildungen die eingangs thematisierten Effekte bildhafter Wahrnehmung, wie der Emotionalisierung, der hohen Aufmerksamkeitsrate (Eye-Catcher-Moment) oder der Behaltensleis­ tung multimethodaler Text-Bild Kombinationen vgl. hierzu Kap.  1, A., I., 7.; vgl. zur Wirklichkeits­ suggestion fotorealistischer Bilder ferner Kap.  1, A., I., 3. 1625  Vgl. BGH, NJW 1962, S.  1004 – „Doppelmörder“, zur Veröffentlichung einer „Kinoreporta­ ge“ (Wochenschau) über „eine Reihe von entsetzlichen Bluttaten“, bei welcher Schlagzeilen aus bekannten Tageszeitungen zu Morden (u. a. mit dem Titel „Doppelmörder) collagenartig zusammen mit einem Bildnis eines (minderjährigen) Seemans, der nichts mit der Tat zu tun hatte, gezeigt wurde; BGH, NJW 1980, S.  995 – „Wahlkampfillustrierte“, wonach die Abbildung einer 26-jähri­ gen Frau in einer Wahlkampfillustrierten der hessischen Landes-CDU unter Angabe einer fiktiven Person („Frau, 32 Jahre“) und einem untergeschobenen Zitat, deren Persönlichkeitsrecht verletze, da ein falsches Persönlichkeitsbild der Abgebildeten – die tatsächlich SPD-Mitglied war – gezeich­ net würde; OLG Koblenz, NJW 1997, S.  1375 f., zur Bildberichterstattung über sexuelle Verfehlun­ gen katholischer Priester gegenüber Minderjährigen unter Beiordnung des Konterfei eines – hiermit tatsächlich nicht in Verbindung stehenden – katholischen Priesters; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, S.  1328, wonach die Veröffentlichung des Bildnisses eines Passanten im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall dessen berechtigtes Interesse gem. §  23 II KUG verletzte, da dieser tatsächlich nichts mit dem Unfall zu tun hatte und der Veröffentlichungskontext diesen deshalb in einen „ge­ danklichen Zusammenhang mit verantwortungslosen und lebensgefährdenden Verhaltensweisen“ setze; OLG München, NJW 2004, S.  959 f., zur Bildberichterstattung über die Tat eines Geistes­ kranken („Geisteskranker verprügelte Rentnerin auf dem Friedhof“) mit dem Bildnis des Betreuers des Täters; OLG Köln, AfP 2017, S.  253, wonach die Veröffentlichung eines unvollständigen, ge­ kürzten und in der zeitlichen Reihenfolge veränderten Videozusammenschnitts im Internet, wel­ cher ein unzutreffendes Bild von einer Auseinandersetzung von Herbert Grönemeyer mit zwei Re­ portern am Flughafen zeichnete, dessen berechtigte Interessen gem. §  23 II KUG verletze. Die streitgegenständliche Version der Veröffentlichung vermittle dem unbefangenen Durchschnittsleser entgegen dem wahren Geschehen, Grönemeyer sei „allein aufgrund des Vorhandenseins einer Ka­ mera übermäßig aggressiv geworden“ und „ausgerastet“, wobei das Vorgeschehen und das Vorver­ halten der Reporter nicht gezeigt wurde; so auch OLG Köln, AfP 2018, S.  366 f. bzgl. einer verkür­ zenden Bildberichterstattung dieses Szenarios; LG Oldenburg, GRUR 1986, S.  465 f., wonach die Veröffentlichung eines Wahlplakats (der Deutschen Kommunistischen Partei) die berechtigten In­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Art.  5 I 1 GG abgedeckte – Mutmaßungen1626 über die abgebildete Person verbreitet werden, die sich bereits aus dem Bild als solchem oder dem weiteren Veröffentli­ chungskontext ergeben. Dabei hat sich dieses Manipulationsbewusstsein nicht etwa erst unter dem in 2017 aufgekommenen Phänomen sog. Deepfakes im Internet1627 gebildet, sondern entwickelte sich weit vor der Möglichkeit, Fotografien (digital) zu retuschieren1628 und zieht sich durch die ganze Bildhistorie.1629 Zentrale Frage für die Schutzwürdigkeit des Abgebildeten unter dem Gesichts­ punkt des Wahrheitsschutzes ist somit nicht, ob ein veröffentlichtes Bildnis (foto-) realistisch aussieht, sondern inwiefern eine Bildnisveröffentlichung im Stande ist, glaubhaft zu vermitteln, dass eine personenbezogene Tatsache entgegen der Wirk­ lichkeit existiert oder stattgefunden hat. Hierfür muss geklärt werden, ob die Bildnis­ veröffentlichung von den Rezipienten als Abbildung der Realität eingeordnet wird.1630 Dies wird – entsprechend der Ausführungen zur Wirklichkeitssuggestion1631 – pri­ teressen der Abgebildeten gem. §  23 II KUG verletzte, da hierdurch der Anschein erweckt werden würde, die Abgebildeten stünden in Verbindung mit der Partei; LG Kiel, NJW 2007, S.  1003, wo­ nach das Einstellen einer intimen (Amateur-)Fotografie „mit einer gezielt sexuelle Neugier wecken­ den Dateibezeichnung“ in eine Internettauschbörse als eindeutige (anzügliche) Kontaktaufforde­ rung verstanden werden könne, nachdem sie derart bearbeitet wurde, dass sich in der linken oberen Ecke in roter Schrift Name, vollständige Postanschrift und Telefonnummer der Abgebildeten und in der rechten oberen Ecke das Wort „… danach!“ befand; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  335, wonach ein (neutrales) sog. „SharePic“ von Renate Künast mit offenem Mund nebst falscher Tatsa­ chenbehauptung in Textform (selbst ohne Anführungszeichen) den Eindruck entstehen lasse, dass es sich um ein Zitat handele; AG Nürnberg, ZUM-RD 2000, S.  204 f., zur Veröffentlichung einer Bildnisannonce im Bamberger Anzeiger unter der Rubrik „Sie sucht Ihn“ unter Beiordnung falscher Personalien, was den Eindruck hervorrufen könne, die Abgebildete habe es „nötig mit falschen Angaben für sich zu ‚werben‘“. 1626  Vgl. BGH, NJW 2015, S.  2501 – „Strandliege am Ballermann, wonach die Erwähnung einer „pikanten Frauenbegleitung“ im Text „zumindest bei einem Teil der Leserschaft zum Anlass für Spekulationen“ in Bezug auf eine (zufällig) mitabgebildete Person (im Bikini auf einer Strandliege) zulasse; OLG Koblenz, ZUM 1999, S.  419, wonach die Veröffentlichung eines Wahlplakats mit den Bildnissen Konrad Adenauers und Kurt Schumachers mit u. a. dem Textzusatz „Auch Konrad Ade­ nauer und Kurt Schumacher würden heute DIE REPUBLIKANER wählen“ deren postmortales Persönlichkeitsrecht verletzen würde (wobei offengelassen wurde, ob eine unwahre Tatsachenäuße­ rung oder eine Meinungsäußerung vorliegt); OLG Köln, NJW 1999, S.  1969, unter der Annahme einer unzulässigen Meinungsäußerung bzgl. des entsprechenden Wahlwerbespots; LG Hamburg, ZUM 2018, S.  374 f., wonach der beigeordnete Text zu Bildnern (welche ursprünglich vom Betroffe­ nen selbst auf Facebook hochgeladen wurden) zu einem „erheblichen Eingriff in die Privatsphäre“ des (19-jährigen) Abgebildeten durch eine spätere (physische) Bildberichterstattung durch eine Zeitschrift führe. Diesem wurde im Text unterstellt, er habe unlautere Absichten bzgl. der mitabge­ bildeten befreundeten Tochter von Michael Schumacher („Michael Schumacher: Große Sorge um seine geliebte Tochter“; Was will dieser dubiose junge Mann wirklich von ihr?“; „[…]in G.M.s Herz geschlichen“; „[…] scheint Selbstdarsteller zu sein, der seinen Spaß haben will“. 1627  Vgl. hierzu nur Kap.  1, B., II., 1., oder etwa III., 5. 1628  Vgl. zur ersten Retusche Kap.  1, B., IV., 3., b); Ernst, AfP 2006, S.  530. 1629  Vgl. hierzu die Ausführungen etwa zu römischen Portraitskulpturen in Kap.  1, B., II., 3., zur Entstehung des Bildnisses im kunsthistorischen Kontext in Kap.  1, B., III., 5., sowie die Schlussfol­ gerung zum Verbreiten von Personendarstellungen im Mittelalter Kap.  1, B., III., 8. 1630  Vgl. BVerfG, NJW 2005, S.  3273 – „Ron Sommer“; Kadner, S.  120. 1631  Kap.  1, A., I., 3.; vgl. ferner Ernst, AfP 2006, S.  529.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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mär bei (manipulierten) fotorealistischen Bildnissen der Fall sein, deren Bearbeitung nicht als solche gekennzeichnet ist1632 oder bei der sich die Manipulation nicht aus dem Kontext der Veröffentlichung erschließt.1633 Beachtet werden muss hierbei, dass selbst solche Veröffentlichungen, welche in ihrer Gesamtheit den Eindruck einer evi­ denten Manipulation vermitteln, trotzdem ausschnittsweise unwahre Tatsachen als Wirklichkeit suggerieren können.

1632  A. A. offenbar v. Becker, AfP 2005, S.  248, 250 f., wonach „Unwahrheiten in einem Bildnis an und für sich nicht verkörpert sein“ könnten. 1633  Dieser erkennbare Kontext kann sich etwa aus dem satirischen Einschlag durch offensicht­ liche Übertreibungen im Bild selbst oder der beigeordneten Wortberichterstattung, des Veröffent­ lichungsorts (etwa in einer Satirezeitschrift) oder bereits der Darstellungsart (wie einer Zeichnung) ergeben; vgl. BGH, NJW 2012, S.  3647, Rn.  29 – „Comedy Darstellerin“, wonach die Veröffent­ lichung einer Fotomontage der Schauspielerin und Kabarettistin Gaby Köster auf der Titelseite ­einer Zeitschrift nicht deren berechtigte Interessen gem. §  23 II KUG verletze, da u. a. die Fotomontage ohne weiteres erkennbar war und im Zusammenhang mit einer erlaubten Wortberichterstattung stattfand; OLG Karlsruhe, AfP 1982, S.  48, wonach ein Poster, welches einen Rüstungslobbyisten mit einer großkalibrigen Patrone in der Hand nebst dem Text „Alle reden vom Frieden. Wir nicht.“ und „Zweckverband der Rüstungsindustrie“ zeigt, eine erkennbar politisch satirische Darstellung sei; LG München I, NJW 2004, S.  607, wonach eine Bildnisveröffentlichung der Zeitschrift Bunte aus 2003, welche Oliver Kahn inmitten seiner Ehefrau und seiner Affaire auf der Titelseite zeigte, nicht als Fotomontage erkennbar sei. Hiernach müsse ein in einer Zeitung oder Zeitschrift veröffent­ lichtes Foto grundsätzlich so verstanden werden, „dass es sich dabei um die Wiedergabe eines tat­ sächlichen Geschehens“ handele. Weder die Haltung, noch die Positionierung oder der Hintergrund lasse hiernach auf eine Manipulation schließen, „wie es möglicherweise der Fall sein könnte, wenn es sich um eine glatte Farbfläche oder eine Grafik handeln würde“. Zwar sei es auch unwahrschein­ lich, dass sich die drei Protagonisten nach Bekanntwerden der Affaire von Kahn zusammen ablich­ ten ließen, gleichwohl könne es sich um ein älteres Foto handeln. Zudem reichte eine Kennzeich­ nung als Montage im konkreten Fall nicht aus, da sich diese nicht auf dem Titelblatt, sondern als „kryptischer Hinweis“ im Inhaltsverzeichnis – und somit nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Montage – befand; LG München I, AfP 2016, S.  90, wonach eine von der WirtschaftsWoche 2015 auf dem Titelblatt veröffentlichte Fotomontage zulässig war. Diese zeigte den Gründungs­ gesellschafter der SIGNA Holding GmBH – welche 2014 Unternehmen des Karstadt Konzerns er­ warb  – René Benko zwischen dem Karstadt-Investor Nicolas Berggruen und dem früheren Vor­ standsvorsitzenden der Karstadt Quelle AG/Arcandor AG Thomas Middelhof vor einem roten Vor­ hang (die Montage ist in AfP 2016, S.  89 abgedruckt). Der Untertitel lautet „Der talentierte Mr. Benko Dubiose Deals, windige Päne: Wie Karstadt immer an die falschen ‚Retter‘ gerät“. Hierbei handelte es sich nach Ansicht des Gerichts trotz fehlender Kennzeichnung offensichtlich um eine für den durchschnittlichen Leser erkennbare Fotomontage. Zunächst entspreche es „gewisserma­ ßen dem Erwartungshorizont“ des Lesers, dass Titelblätter montiert bzw. komponiert würden (vgl. in diesem Zusammenhang noch die genau gegenteilige Ansicht des LG München I, NJW 2004, S.  606). Zudem sei anhand der konkreten Ausgestaltung das Montagehafte gut erkennbar, da in Anbetracht des Raumes und Abstandes, den die abgebildeten Personen zueinander einnehmen, eine Disproportion vorhanden sei, wollte man tatsächlich von einem Originalbild ausgehen. Ferner stün­ den die drei Abgebildeten in ihrer Körperhaltung in keinem Bezug zueinander und „blicken zudem noch in die gleiche Richtung, was gleichfalls erkennbar gegen die Annahme eines Originalbildes“ spreche. Schließlich verstärke der „rote, ausgeleuchtete Vorhang das Bühnenhafte und Inszenierte; erkennbar würden sich drei im Wirtschaftsleben prominent agierende Personen tatsächlich nicht zum Zwecke einer solchen bühnenhaften Inszenierung zusammenfinden.“ vgl. zur Kombination von Bild und Wort Kap.  3, D., II., 3., m), aa).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

So ging das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2005 von einer persönlichkeitsrechtsrelevanten verdeckten Manipulation innerhalb einer offensichtlich satirischen Fotomontage auf der Titel­ seite der WirtschaftsWoche aus, welche den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG Ron Sommer zeigt, wie dieser in einem Geschäftsanzug mit unbeschwertem Blick auf einem bröckelnden magentafarbenem T thront.1634 Um Sommer auf das bröckelnde T zu setzen, muss­ te die Redaktion seinen Kopf digital auf einen anderen Körper montieren und nach eigenen Angaben für die dadurch erforderliche technische Anpassung das Gesicht „ein klein wenig“1635 stauchen und dehnen.1636 Dieser Anpassung des Gesichts1637 sprach der Erste Senat eine grund­ rechtserhebliche Wirkung zu, die nicht als Teil- oder Nebenaussage der (gesamten satirischen) Bilddarstellung zurücktritt1638, sondern einen davon eigenständigen Aussagehalt habe, welche einer eigenständigen Beurteilung unter dem Aspekt des Persönlichkeitsschutzes bedürfe.1639 Der Träger des Persönlichkeitsrechts habe zwar – im Sinne der eingangs herausgearbeiteten Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild1640 – kein Recht darauf, von Dritten nur so wahr­genommen zu werden, wie er sich selbst gerne sehen möchte, „wohl aber ein Recht, dass ein fotografisch erstelltes Abbild nicht manipulativ entstellt ist, wenn es Dritten ohne Einwilli­ gung des Abgebildeten zugänglich gemacht wird“1641. Denn solche Manipulationen (an sich) 1634  BVerfG, NJW 2005, S.  3273 – „Ron Sommer“; die WirschaftsWoche schrieb am 14.09.2000, dass der Telekom-Chef mit seiner „selbstherrlichen“ Art das Unternehmen in eine schwere Krise führe, was durch die angegriffene Fotomontage illustriert werden sollte. 1635  Ein vom OLG beauftragter Sachverständiger kam im Rahmen der späteren Zurückweisung vom BGH (weil das OLG nicht festgestellt hatte, ob die Änderungen technisch notwendig und ge­ ringfügig waren) zu dem Ergebnis, dass Sommers Gesicht mit einer vertikalen Dehnung von 8,7 Prozent und einer horizontalen Stauchung von 4,5 Prozent „über das technisch notwendige Maß hinaus“ verändert wurde. 1636 Vgl. hierzu ferner https://www.wiwo.de/unternehmen/wirtschaftswoche-letzte-runde-im-­ rechtsstreit-mit-ron-sommer/5212352.html (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 1637  Sommer machte geltend, dass sein Gesicht „infolge des technischen Eingriffs insgesamt länger, Wangen und Kinn […] fleischiger und breiter, der Kinnbereich fülliger und die Hautfarbe blasser als auf der Originalaufnahme“ wirke. „Der Kopf sei zudem im Verhältnis zum Körper ins­ gesamt zu klein und sitze zu tief auf den Schultern, so dass der Hals kürzer und dicker erscheine“; vgl. BVerfG, NJW 2005, S.  3272 – „Ron Sommer“. 1638  So aber zuvor noch BGHZ 156, 206 (211 f.) – „Satirische Fotomontage“, wonach die Foto­ montage infolge ihrer Eigenschaft als satirische Meinungsäußerung insgesamt in den Schutzbereich des Art.  5 I GG falle und insoweit nicht in einzelne Teile (wie z. B. das Gesicht; der Körper oder das Umfeld) aufgespalten werden könne. 1639  BVerfG, NJW 2005, S.  3273 – „Ron Sommer“: „Das für die Montage benutzte Bild des Kopfes beansprucht, eine fotografische Abbildung zu sein und gibt dem Betrachter keinen Anhalts­ punkt für die Manipulation der Gesichtszüge. Ein solcher Inhalt folgt auch nicht daraus, dass die übrige Darstellung deutlich erkennbar den Charakter des Fiktiven hat. Für die Abbildung des Kopf­ es gilt dies gerade nicht“. 1640  Kap.  1, C., I., 4., sowie II., 3. 1641  BVerfG, NJW 2005, S.  3273 – „Ron Sommer“: Die Bildaussage wird jedenfalls dann unzu­ treffend, wenn das Foto über rein reproduktionstechnisch bedingte und für den Aussagegehalt un­ bedeuende Veränderungen hinaus verändert wird.“; zuvor BVerfGE 97, 391 (403) – „Missbrauchs­ bezichtigung“ und BVerfG, NJW 1999, S.  2359 – „Greenpeace“, welche von einem Recht ausgehen, welches den Betroffenen „gegenüber entstellenden und verfälschenden Darstellungen sowie gegen­ über Darstellungen, die die Persönlichkeitsentfaltung erheblich beeinträchtigen können“ schütze; vgl. insoweit bereits BGHZ 26, 52 (67 f.) – „Sherlock Holmes“; OLG Karlsruhe, AfP 1982, S.  49; OLG Oldenburg, NJW 2016, S.  817; zuvor LG Oldenburg, MMR 2015, S.  475 (insoweit unglücklich Wanckel, Rn.  251, da es sich bei den hier infragestehenden Bildnissen pornografischen Inhalts um  – nicht als solche erkennbare – fotorealistische Montagen handelte); LG München I, AfP 2016, S.  90.

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würden das Persönlichkeitsrecht verletzen, „einerlei ob sie in guter oder verletzender Absicht vorgenommen werden oder ob Betrachter die Veränderung als vorteilhaft oder nachteilig für den Dargestellten bewerten“1642.

Damit wird deutlich, dass bereits eine Manipulation als solche unabhängig vom feh­ lenden Informationswert ihrer Veröffentlichung (im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG) berechtigte Interessen im Sinne des §  23 II KUG verletzen kann. Eine Bildnisveröffentlichung kann dementsprechend nicht etwa deshalb gem. §  23 I Nr.  2 KUG zulässig werden, wenn die abgebildete Person ohne Montagehinweis realistisch in den Hinter­ grund (zum Beiwerk) gephotoshopped wird, wenn dadurch etwa der (wahrheitswidrige) Ein­ druck erweckt wird, die abgebildete Person habe sich tatsächlich an entsprechendem Ort auf­ gehalten.1643

Trotz vereinzelter Kritik an der differenzierenden Beurteilung des Ersten Senats1644 hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Linie der verfassungs­ richterlichen Rechtsprechung im Jahr 2016 bestätigt.1645 (1) Fortwährende Unsicherheiten mit Bildnismanipulationen Gleichwohl bestehen infolge der Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts1646 und der fortschreitenden Entwicklung technischer Möglichkeiten zur Schaffung virtuel­ ler Fotorealität weiterhin Fragen, die sich im Zusammenhang mit der einwilligungs­ freien Veröffentlichung von Bildnismanipulationen stellen. Nicht geklärt ist zum ei­ nen, ob die Manipulation als solche ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG – etwa aufgrund der besonderen Art ihrer (technischen) Herstel­ 1642  BVerfG, NJW 2005, S.  3273 – „Ron Sommer“: „Stets wird die in der bildhaften Darstellung in der Regel mitschwingende Tatsachenbehauptung über die Realität des Abgebildeten unzutref­ fend“; vgl. auch OLG Hamburg, ZUM 2013, S.  581 f., wonach es eine „nicht nur unbedeutend[e]“ Veränderung der Bildaussage darstelle, wenn die abgebildete Person stärker geschminkt erscheine als es in der abgebildeten Situation der Realität entsprach: „Tatsächlich hatte sie zwar ihre Augen geschminkt, jedoch wirkte ihr Make-up wesentlich dezenter und war ihr äußerer Eindruck deshalb natürlicher“; so bereits LG Hamburg, ZUM-RD 2011, S.  624; LG Hamburg, ZUM 2012, S.  75 f., wonach die Abbildung von Günther Jauch auf der Frontseite eines Buches dessen berechtigte Inter­ essen gem. §  23 II KUG verletze, da die konkrete Darstellung (mit großem Kopf auf kleinem Kör­ per) Jauch entgegen der Tatsachen „als körperlich fehlgebildet und unproportioniert“ darstelle. 1643  Vgl. in Teilen das Beispiel bei Ernst, AfP 2006, S.  532 zu §  23 I Nr.  3 KUG, wonach Teilneh­ mer einer friedlichen Versammlung „ungeachtet von §  23 I Nr.  3 KUG“ gegen die Montage, welche diese vermummt und mit Steinen zeigt, vorgehen könnten; a. A. wohl die Begründung bei LG Stutt­ gart, AfP 1989, S.  765 f., wonach die Montage einer Versammlung auf einem Wahlplakat schon nicht §  23 I Nr.  3 KUG unterfalle, da diese Ausnahmevorschrift dem allgemeinen Informationsinte­ resse diene, welches nur dann vorliegen könne, „wenn auch tatsächlich in zutreffender Weise […] über eine solche Veranstaltung berichtet“ werde. Hilfsweise stünde im Rahmen des §  23 II KUG der „persönlichkeitsrechtliche Wahrheitsschutz „des Abgebildeten entgegen; vgl. hierzu auch OLG München, AfP 2011, S.  276. 1644  von Becker, AfP 2005, S.  250 f. 1645  EGMR, Urt. v. 07.04.2016, Az. 52205/11 (abrufbar in englischer Sprache unter http://hudoc. echr.coe.int/eng?i=001-162124; zuletzt aufgerufen am 01.06.2022). 1646  Siehe Kap.  3, D., II., 1., j).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

lung – darstellen kann.1647 Zum anderen äußert sich die (faszinierende) Impression, welche moderne Formen fotorealistischer Bildmanipulationen – zusammengefasst unter den prominenten Schlagworten Deepfakes oder Fake News – bei dem Rezi­ pienten vorzurufen vermögen, jüngst in der Ansicht, diese Darstellungsformen wür­ den bereits nicht dem Bildnisschutz der §§  22 ff. KUG unterfallen.1648 (2) Eigene Erwägungen zum Wahrheitsgehalt von Bildnisveröffentlichungen Kritisch zu hinterfragen ist die Ansicht Wanckels, wonach eine Manipulation als solche kein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG darstellen könne, da „nicht das Foto, sondern nur das darin verkörperte tatsächliche Geschehen oder die besondere Bedeutung des Abgebildeten die zeitgeschichtliche Relevanz aus­ machen“ könne.1649 Dies erscheint nicht nur im Hinblick auf den offenen Wortlaut (Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte)1650, sondern auch auf die fortwährende Übernahme der Kriterien der relativen Person der Zeitgeschichte zur Ermittlung der Ausnahme des §  23 I KUG zweifelhaft.1651 Zeitgeschichtlich ist (auch nach dem ab­ gestuften Schutzkonzept) ein Bild, an dem ein normatives öffentliches Interesse be­ steht, welches das Abgebildeteninteresse überwiegt. Hierbei kann sich dieses Inte­ resse im Sinne des weiten Verständnisses des Bildnisschutzes natürlich auch aus ei­ ner Manipulation ergeben, wenn diese als solche gekennzeichnet ist und somit keine Einschränkung über §  23 II KUG stattfindet. Hätten etwa die ersten Deepfakes von 2017 völlig unbekannte Personen gezeigt, wären diese nicht pornographischer oder sonst verletzender Natur und als Manipulation gekennzeichnet gewesen, hätte man hiervon durchaus von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte spre­chen können. Ein weiteres hochaktuelles Beispiel ist die Medienberichterstattung über den Einsatz von Deepfakes im Russland-Ukraine Konflikt im Jahr 2022 als „Propagandawaffe der ­Zukunft“.1652 Die Aufklärung über den Umlauf (und die bloße Information bzgl. der Möglichkeit der Her­ stellung) täuschend echter Bilder und Videos, welche zur Beeinflussung der öffent­lichen Mei­ nungsbildung manipulativ hergestellt werden, bedient hier ein (normatives) öffentliches Inte­ 1647  Verneinend Wanckel, Rn.  250; vor der Ron Sommer-Entscheidung des BVerfG bereits ­Kadner, S.  158 f. 1648  Hartmann, K&R 2020, S.  353; vgl. hierzu die eigenen Erwägungen beim Tatobjekt des Bild­ nisses in Kap.  4, A.), II., 6.; vgl. ferner in diesem Zusammenhang die Feststellung von Holznagel, MMR 2018, S.  20, wonach „stets“ Voraussetzung einer strafrechtlichen Sanktion auf inhaltlich fal­ sche oder nicht erweislich wahren Informationsveröffentlichungen sei, dass die Tatsache „ehrenrüh­ rig“, also dazu geeignet ist, den Betroffenen „verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen“. Mit Blick auf §  33 KUG scheint dies also auch dies zumindest hinterfragenswert. 1649  Wanckel, Rn.  250; wohl auch Kadner, S.  154 f.; vgl. in diesem Zusammenhang die Formulie­ rung bei OLG Karlsruhe AfP 1982, S.  49, wonach ein Bild einen Zusammenhang mit dem zeitge­ schichtlichen Ereignis für den Betrachter erkennen lassen muss. 1650  Vgl. Wandtke/Ohst/B. Heinrich, Bd.  4, Kap.  6, §  4, Rn.  333. 1651  Hierzu auch bereits Kap.  3, D., II., 2. 1652  Vgl. hierzu nur https://www.zdf.de/nachrichten/politik/selenskyj-deepfake-video-ukrainekrieg-­r ussland-100.html#xtor=CS5-281 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022).

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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resse, auch wenn der bildhafte Auftritt der abgebildeten Personen zur Illustrierung des aufklä­ renden Berichts frei erfunden und technisch manipuliert wurde.

Dementsprechend wird man auch bei zukünftigen – als solche gekennzeichneten – Bildmanipulationen §  23 I Nr.  1 KUG in Erwägung ziehen können, wenn die Mani­ pulation als solche ein öffentliches Interesse hervorruft, weil sie etwa eine völlig neue Technik einsetzt und das Ergebnis – ähnlich wie bei Deepfakes – die Betrachter fasziniert und neue Maßstäbe (unter anderem für die Unterhaltung und das gesell­ schaftliche Miteinander) setzt. Bereits bestehende und hiermit verknüpfte Beispiele stellen etwa fotorealistische Computerspiele dar, welche darauf angelegt sind, be­ kannte Persönlichkeiten – etwa Profisportler – zu steuern1653 oder sog. Gesichtsfilter in bildbasierten sozialen Netzwerken von bekannten Persönlichkeiten. cc) Werbender Kontext der Bildnisveröffentlichung Viele Ungereimtheiten bestehen, wenn ein Bildnis ohne die Zustimmung des Abge­ bildeten zu Werbezwecken veröffentlicht wird. Grundsätzlich soll sich niemand ge­ fallen lassen müssen, dass sein Bildnis zu Werbe- und kommerziellen Zwecken ver­ wendet wird.1654 Dabei wird allerdings bereits diskutiert, ob die Nutzung eines Bild­ nisses zu Werbezwecken dogmatisch eine Frage der Verletzung der berechtigten Interessen des Abgebildeten gem. §  23 II KUG darstellt1655, oder, ob Bildnisveröf­ 1653  A. A. wohl OLG, Hamburg, MMR 2004, S.  414, wonach der Einsatz realer Spieler nicht nö­ tig gewesen wäre, wenn es dem Spielehersteller auf die „Informationsvermittlung hinsichtlich der geografischen Gegebenheiten der Austragungsorte oder aber die Fakten des bevorstehenden WM-­ Turniers zu vermitteln“; etwas zurückhaltender LG Frankfurt a. M., SpuRt 2009, S.  210; gleichwohl stellten die Gerichte diese Erwägungen nicht etwa im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG, sondern bei der Frage der Betroffenheit berechtigter Interessen an; vgl. zu diesen Entscheidungen auch Kitz­ berger, ZUM 2011, S.  204 ff.; vgl. ferner die eigenen Ausführungen zum Verhältnis von Werbung, Kunst und Informationsinteresse der Allgemeinheit Kap.  3, D., II., 3., m), cc), (3). 1654  In Zeitungen und Prospekten: BGHZ 20, 345 (350) – „Paul Dahlke“; BGHZ 143, 214 (229)  – „Marlene Dietrich I“; BGH, GRUR 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“; BGH, NJW 1971, S.  698  – „Pariser Liebestropfen“; BGH, NJW 1992, 2084 – „Talkmaster – Foto“; BGH, NJW-RR 1995, S.  790 – „Chris Revue“; BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“; BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW-RR 2011. S, 1133 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2013, S.  795 – „Playboy am Sonntag“; BGH, NJW 2021, S.  1312 – „Urlaubslotto“. In ­Fernsehanzeigen: BGHZ 151, 26 (30 f.) – „Marlene Dietrich II“. In Computerspielen: OLG Hamburg, MMR 2004, S.  413; LG Frankfurt a. M., SpuRt 2009, S.  210. In sozialen Netzwerken im Internet: BGH, NJW 2021, S.  1303 – „Clickbaiting“; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  603 f.; vgl. ferner Wandtke/Bullinger/ Fricke, §  23 KUG, Rn.  35–37 m. w. N. 1655  BGHZ 20, 345 (350) – „Paul Dahlke“, wonach §  23 I Nr.  1 KUG keine Veröffentlichungen umfasse, an denen ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit nicht anzuerkennen sei, „weil sie in Wahrheit allein den Geschäftsinteressen der mit der fraglichen Abbildung Kundenwerbung trei­ benden Firmen dienen“ [Hervorhebung durch den Verfasser]; auch seien hiernach berechtigte Inter­ essen gem. §  23 II KUG verletzt; so auch BGH, NJW 1961, S.  558 – „Familie Schölermann“; ähnlich BGH, NJW 1971, S.  700 – „Pariser Liebestropfen“; vgl. zudem BGHZ 49, 288 (293 f.) – „Ligaspie­ ler“; BGHZ 151, 26 (30 f.) – „Marlene Dietrich II“; BGHZ 169, 340 (343, 345 f.) – „Rücktritt eines Finanzministers“; BGH, NJW 1979, S.  2204 – „Fußballspieler“; BGH, NJW 1997, S.  1152 f. – „Bob Dylan“; BGH, NJW 1992, S.  2084 – „Talkmaster – Foto“; BGH, NJW-RR 1995, S.  790 – „Chris

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

fentlichungen zu Werbezwecken schon grundsätzlich kein Informationswert zukom­ men kann, sodass sie kein (normatives) öffentliches Interesse im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG begründen können1656. Die Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts hat dieser Unwägbarkeit zwar insoweit die (dogmatische) Brisanz entzogen1657, als dass die berechtigten Interessen des Abgebildeten bereits auf der Stufe des §  23 I Nr.  1 KUG bei der Ermittlung der Zeitgeschichtlichkeit mitberücksichtigt werden sollen.1658 Gleichwohl besteht die Frage nach wie vor, inwieweit die Kommerzialisie­ rung der Persönlichkeit durch Werbung mit Hilfe eines Bildnisses ein (normatives) öffentliches Interesse bedienen kann. Einigkeit besteht heute insoweit, dass eine Bildnisveröffentlichung jedenfalls dann der Einwilligung des Abgebildeten bedarf, wenn hierdurch allein Werbezwecke bedient werden.1659 Genaugenommen scheint aber selbst dieser allgemeine Konsens auf wackligen Beinen zu stehen, sobald man Revue“; BGH, NJW 2009, S.  3034 – „Wer wird Millionär?“, wonach allerdings in Rn.  26 offenbar zwischen dem Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte und der Eröffnung des Anwendungsbereichs des §  23 I Nr.  1 KUG differenziert wird, widersprüchlich aber sodann Rn.  30, wonach die Bildunterschrift nicht zu einer „Zuordnung der Abbildung […] zu einem Zeitgeschehen“ führe; BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW-RR 2011. S, 1133 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2013, S.  795 – „Playboy am Sonntag“, wonach der kommerzielle Zusammenhang nicht ausschließe, „dass die Veröffentlichung auch der Information der Allgemein­ heit dient“; ähnlich BGH, NJW 2021, S.  1307 – „Clickbaiting“; OLG Hamburg, ZUM 2005, S.  166; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  134; vgl. ferner LG, Stuttgart, AfP 1983, S.  283; bereits das RG sah in der Bildnisveröffentlichung zu Werbezwecken eine Schaustellung, die ein „berechtigtes Interesse“ des Abgebildeten (im Sinne des §  23 II KUG) verletzte, vgl. RGZ 74, 308 (312) – „Graf Zeppelin“; RGZ 125, 80 (82 f.) – „Tull Harder“; Alexander, AfP 2008, S.  558; Fezer, NJW 2001, S.  581; Fricke, GRUR 2003, S.  407 f.; Gauß, S.  52; Helle, S.  139 ff.; J. Wolf, S.  44 f. 1656  So Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  121 f.; ders. GRUR Int. 2015, S.  658, un­ ter Berufung auf BGHZ 20, 345 (350, 352) – „Paul Dahlke“, wonach ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit nicht anzuerkennen sei, wenn sie „in Wahrheit allein den Geschäftsinteressen der mit der fraglichen Abbildung Kundenwerbung treibenden Firmen dienen“. Zwar würden derartige Veröffentlichungen „von vornherein“ aus dem Anwendungsbereich des §  23 I Nr.  1 KUG fallen. Auch Götting muss aber die weitere Argumentation der Dahlke-Entscheidung nennen, wonach die Veröffentlichung „auch“ berechtigte Interessen im Sinne des §  23 II KUG verletze; Wöhrn/Wandtke/­ Grassmann/Begemann, Kap.  3, Rn.  72; Kitzberger, ZUM 2011, S.  205; Klüber, S.  102; Götting/ Schertz/Seitz/Schertz, §  12, Rn.  179; Schertz, in: FS Hertin 2000, S.  718; vgl. hingegen Schertz, AfP 2000, S.  498; Wenzel/von Strobl-Albeg/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  94; ebenfalls könnte man in diesem Sin­ ne BGH, NJW 1979, S.  2206 – „Fussballtor“ verstehen, wonach sich niemand auf §  23 I Nr.  1 KUG berufen könne, wer „das Bildnis allein zur Werbung für eine Ware“ ausnutze; ähnlich BGHZ 143, 217 (229) – „Marlene Dietrich I“; BGH, NJW 2000, S.  2202 – „Der blaue Engel“ und BGH, NJW 1996, S.  594 – „Willy Brandt“; BGH, NJW 2021, S.  1307 – „Clickbaiting“; wohl auch Barath, S.  137; vgl. ferner H. Ehmann, AfP 2008, S.  241, der einer Interessenabwägung eine Differenzierung vor­ anstellt, ob überhaupt „schutzwürdige, vermarktungsfähige Interessen“, vorliegen. 1657  A. A. Alexander, AfP 2008, S.  557. 1658  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (a), sowie Kap.  3, D., II., 1., j), und n). An dieser Stelle tritt die Schwäche der hier bemängelten Je-desto-Formel des BGH deutlich zutage, wonach der das Schutzinteresse des Betroffenen desto mehr zurücktreten müsse, je größer der In­ formationswert der Berichterstattung sei; vgl. hierzu Kap.  3, D., V., 1.; a. A. offenbar Thalmann, S.  218 ff. 1659  Vgl. nur BGHZ 20, 245 (350) – „Paul Dahlke“; Barath, S.  137; Fricke, GRUR 2003, S.  406; Gauß, S.  47; Schertz, in: FS Hertin 2000, S.  713; J. Wolf, S.  41, 47; a. A. noch RGZ 125, 80 (84 f.) –

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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danach fragt, wie eine Bildnisveröffentlichung überhaupt beschaffen sein muss, da­ mit sie – im Sinne einer sog. „reinen Wirtschaftswerbung“1660 – ausschließlich Werbe­interessen dient. Denn wenn auch nach dem abgestuften Schutzkonzept dem Bekanntheitsgrad einer Person1661 oder etwa der Unterhaltungswert einer Veröffent­ lichung eine maßgebliche Rolle für den Informationswert und damit für das (norma­ tive) öffentliche Interesse zukommen soll, wird zumindest die Werbung mit promi­ nenten Persönlichkeiten kaum ausschließlich Werbeinteressen bedienen.1662 Dar­über hinaus liegt grundsätzlich die Vermutung nicht allzu fern, dass auch die Werbung (oder etwa deren Ausgestaltung) an sich gegebenenfalls ein (tatsächliches) öffent­ liches Interesse begründen kann.1663 Demzufolge erscheint die Rechtslage auch regelmäßig dann besonders unklar, wenn die Bildnisveröffentlichung neben einem Werbezweck ersichtlicherweise auch öffentliche Interessen bedient und ihr so ein (meinungsbildender) Informationswert zukommt, weil sie sich etwa mit dem aktuellen Tagesgeschehen auseinandersetzt oder einen künstlerischen Anspruch besitzt. Als einfaches Beispiel für die (satirische) Auseinandersetzung einer Werbemaßnahme mit einem aktuellen Tagesereignis unter Zuhilfenahme eines Bildnisses kann etwa die Werbung der Sixt AG genannt werden. Diese bildete zur Bewerbung ihres PKW-Leasingdienstes etwa im Jahr 1999 – den damals aktuell von seinen Ämtern als Bundesfinanzminister und SPD-Vor­ sitzender zurückgetretenen – Oscar Lafontaine neben den Bildnissen der 15 weiteren Regie­ rungsmitglieder mit der Unterschrift „Sixt verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probe­ zeit“ ab.1664 „Tull Harder“, wonach die „Anpreisung von Waren zum Kauf und zur Kundenwerbung im geschäft­ lichen Verkehr […] an sich noch keinen Zweck niederer oder gar unsichtlicher Art“ sei. 1660  Gauß. S.  47; besonders deutlich wird bereits die begriffliche Widersprüchlichkeit einer „rei­ nen Wirtschaftswerbung“ bei BGHZ 169, 340 (346), Rn.  15 – „Rücktritt eines Finanzministers“; BGH, NJW 2013, S.  796, Rn.  27 – „Playboy am Sonntag“, wonach auch eine „reine Wirtschaftswer­ bung“ einen „wertenden, meinungsbildenden Inhalt“ haben könne; a. A. hingegen Schertz, in: FS Hertin 2000, S.  715. 1661  In diesem Zusammenhang ausdrücklich BGH, NJW 2009, S.  3034, Rn.  20 – „Wer wird Mil­ lionär?“; s. zum Bekanntheitsgrad bereits Kap.  3, D., II., 1., l), und Kap.  3, D., II., 2. 1662  Vgl. hierzu bereits für die alte Rechtslage Helle, S.  188 f.; J. Wolf, S.  41, wonach ein „wider­ sprüchliches“ Ergebnis vorliege, wenn das Werben mit einem Bildnis einer bekannten Persönlich­ keit nicht unter §  23 I Nr.  1 KUG fallen könne; ferner Fezer, NJW 2001, S.  581; Ladeur, ZUM 2007, S.  112 f., 117; Thalmann, GRUR 2018, S.  479; Zagouras, WRP 2007, S.  118. 1663  Diese Vermutung wird etwa durch den Umgang von Werbung für Medienprodukte (wie etwa neue Zeitungen oder Newsticker) gestützt, deren Bewerbung als „Ausnahme“ von der Presse­ freiheit mitumfasst und somit im Rahmen von §  23 I Nr.  1 KUG zulässig sein soll; vgl. hierzu Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  37; Fricke, GRUR 2003, S.  406; in diese Richtung auch Wandtke, MMR 2019, S.  147; vgl. auch Schubert, AfP 2007, S.  21; vgl. ferner die Urteile des BVerfG zur „Benneton-Schockwerbung“ BVerfGE 102, 347 (359 f.) – „Schockwerbung I“ und BVerfGE 107, 275 (283) – „Schockwerbung II“, wonach „reine Wirtschaftswerbung“ einen wertenden oder meinungsbildenden Inhalt haben könne; schließlich kann in diesem Zusammenhang der bereits unter Kap.  3, D., II., 1., g), genannte Rekurs bei BVerfGE 101, 361 (390) – „Caroline von Monaco II“, auf den Wert des „Infotainments“ angeführt werden. 1664  Die Veröffentlichung ist abrufbar unter https://www.autokiste.de/psg/archiv/a.htm?id=3706 (zuletzt aufgerufen am 01.06.2022)

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Beispielsweise müssen auch sog. Merchandising-Artikel wie etwa ein Poster eines Musik­ künstlers nicht ausschließlich Werbezwecken dienen, da hieran ein öffentliches (Sammlerbzw. Unterhaltungs-)Interesse bestehen kann. Ferner bedient bereits eine einfache Tageszeitung zum einen eigene Werbeinteressen des Verlags als auch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Die Rechtsprechung lässt in solchen Fällen bislang zwar eine trennscharfe Differen­ zierung vermissen, zwei grobe Leitlinien zu solchen Werbeveröffentlichungen mit Informationswert scheinen sich aber nach und nach abzuzeichnen. (1) Die Ausnutzung des Image- und Werbewerts des Abgebildeten Zum einen scheint sich die höchstrichtrichterliche Rechtsprechung denjenigen Stim­ men1665 anzunähern, welche anhand einer Schwerpunktprüfung entscheiden wollen, ob (für den Durchschnittsbetrachter) eine (zulässige) Informationsvermittlung oder eine (unzulässige) kommerzielle Verwertung im Vordergrund der Veröffentlichung steht.1666 Hierfür differenziert die Rechtsprechung für die Zulässigkeit einer einwilli­ gungsfreien Bildnisveröffentlichung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG anhand der „Aus­ nutzung des Image- und Werbewerts“ der abgebildeten Person. Hierbei scheint sich eine zwei- bzw. dreistufige Abschichtung der Intensität einer Ausnutzung herauszu­ bilden. „Besonderes Gewicht“ komme etwa einem Eingriff (in Form einer werbenden Bildnisveröffentlichung) zu, wenn die Werbung den Eindruck erwecke, die abgebilde­ te Person identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt, empfehle es oder preise es an.1667 „Erhebliches Gewicht“ komme einem Eingriff „aber auch dann zu, wenn – ohne dass der Bildberichterstattung eine ausdrückliche Empfehlung des Abgebildeten für das Produkt entnommen werden kann – durch ein unmittelbares Nebeneinander der Ware und des Abgebildeten in der Werbung das Interesse der Öffentlichkeit an der Person und deren Beliebtheit auf die Ware übertragen“ werde.1668 Diese Übertragung nimmt der Bundesgerichtshof im Falle einer sog. „gedanklichen Verbindung“1669 oder „gedanklichen Beziehung“1670 zwischen beworbenem Produkt und dem Abgebildeten 1665  Andersen, S.  154, 176; Gauß, S.  53; Hermann, S.  264 ff.; Schertz, in: FS Hertin 2000, S.  728; Schertz, AfP 2000, S.  501; ähnlich Barath („Motivbündel“); Brüggemeier, in: FS Teubner 2009, S.  245, 247 f.; P. Koch, WRP 2009, S.  17 f.; Ladeur, ZUM 2007, S.  117. 1666  BGH, NJW 2021, S.  1306, Rn.  27 f. – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1316, Rn.  59 – „Ur­ laubsfoto“; BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“. 1667  BGHZ 20, 345, 352 – Paul Dahlke; BGHZ 151, 26 (33) – „Marlene Dietrich II“; BGHZ 169, 340 (346) – „Rücktritt eines Finanzministers“; BGH, NJW-RR 1995, S.  790 – „Chris Revue“; BGH, NJW 1997, S.  1153 f. – „Bob Dylan“; BGH, NJW 2009, S.  3035 – „Wer wird Millionär?“; BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW 2013, S.  795 – „Playboy am Sonn­ tag“; BGH, NJW 2021, S.  1307 f. – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1313 – „Urlaubslotto“. 1668  BGH, NJW-RR 2011, S.  1135 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2013, S.  795 – „Playboy am Sonntag“; BGH, NJW 2021, S.  1308 – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1313 – „Urlaubslotto“. 1669  BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1135 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2013, S.  795 – „Playboy am Sonntag“; BGH, NJW 2021, S.  1308 – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1313 – „Urlaubslotto“. 1670  BGH, NJW-RR 1995, S.  790 – „Chris Revue“; BGH, NJW 2009, S.  3035 – „Wer wird Millio­ när?“; BGH, NJW 2021, S.  1308 – „Clickbaiting“.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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an. Wann allerdings eine derartige gedankliche Verbindung vorliegt, welche ein be­ rechtigtes Interesse des Abgebildeten begründen und ein öffentliches Informations­ interesse überwiegen (und demzufolge die Zeitgeschichtlichkeit im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG entfallen lassen) kann, beantwortete die Rechtsprechung bislang unein­ heitlich, da sie in vergleichbaren Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangte.1671 Dieses „Schlingern“1672 der höchstrichterlichen Rechtsprechung bot der Literatur fortwährend Anlass, unter Anprangerung der willkürlichen Praxis eigene Differen­ zierungskriterien für die Zulässigkeit von Bildnisveröffentlichungen zu Werbe­ zwecken zu entwickeln.1673 Einheitlich beantwortete die Rechtsprechung wieder die 1671  BGHZ 49, 288 (293 f.) – „Ligaspieler“, wonach beim Vertrieb von Sammelbildern mit Por­ traits von Fußballspielern „nicht ein Informationsbedürfnis, sondern das Bestreben im Vordergrund [stehe], Bildnisse der beliebten Sportler im eigenen Besitz zu haben“; ähnlich BGH, NJW-RR 1987, S.  231 f. – „Nena“, bzgl. dem Vertrieb von Merchandising-Artikeln, welche mit dem Bildnis der Sän­ gerin Nena versehen waren; ähnlich BGHZ 143, 217 (229) – „Marlene Dietrich I“, hinsichtlich Merchandising-Artikeln mit dem Bildnis von Marlene Dietrich; hingegen lag nach BGH, NJW 1979, S.  2204 – „Fußballspieler“, ein überwiegendes allgemeines Informationsinteresse beim Titelbild ei­ nes Sportkalenders vor, das Franz Beckenbauer im Zweikampf zeigte; dies galt nach OLG Hamburg, ZUM-RD 1999, S.  126, wiederum nicht für einen Fankalender der Backstreet Boys; die Abbildung eines ehemaligen Fußballtorwarts auf einer Sammelkarte, die mit Informationen über seine Lauf­ bahn versehen wurde, war hingegen gem. OLG Frankfurt a. M., MMR 2019, S.  324 f. zulässig; ähn­ lich zuvor BGH, NJW 1996, S.  594 f. – „Willy Brandt“, für den ungenehmigten Vertrieb einer Samm­ ler- bzw. Abschiedsmedaille des verstorbenen Willy Brandt, auf welcher wichtige „Lebensstationen“ des Politikers mit aufgeprägt waren; anders wieder OLG München, NJW-RR 1990, S.  1328, bzgl. einer Gedenkmedaille für Franz Josef Strauß aus der Reihe „Die Bayerischen Ministerpräsidenten  – 40 Jahre Demokratische Verfassung“, wegen „Einbeziehung […] in die Waren- und Wirtschaftswer­ bung“. Erhebliche Unterschiede bestehen ferner bei Entscheidungen zu Titelbildern von Zeitschrif­ ten, Büchern und Tonträgern: Eine gedankliche Verbindung verneint und einen überwiegenden In­ formationswert bejaht BGH, NJW-RR 1995, S.  789 f. – „Chris Revue“, beim Abdruck eines Schauspielerbildnisses auf der Titelseite einer Kundenzeitschrift, weil auf der Innenseite ein kurzer Beitrag über den Schauspieler erfolgte; ähnlich LG München, ZUM 2001, S.  353 f., wonach die Ab­ bildung von Marlene Dietrich in einer Werbeanzeige für eine Zeitschrift zulässig war, weil die be­ worbenen Ausgabe eine Kurzbiografie Dietrichs enthielt und die Kammer „keinen wesensmäßigen Unterschied zwischen dem Einsatz dieses Werbemittels auf dem Titelblatt einer Zeitschrift und der hier gewählten Form“ erkennen konnte; so auch das KG, UFITA 1981, S.  163 ff., für die Veröffent­ lichung des Bildnisses von Udo Lindenberg auf einem Buchcover, das sich biographisch mit diesem auseinandersetzt; ähnlich OLG Frankfurt, NJW 1989, S.  403, wonach die Veröffentlichung eines Bildnisses von Boris Becker „in Aktion“ auf einem Tennislehrbuch zulässig war; hingegen verletzte nach BGH, NJW 1997, S.  1153 – „Bob Dylan“, die Abbildung Bob Dylans auf dem Einlegeblatt (bzw. Cover) einer CD eines Livemitschnitts eines seiner Konzerte dessen berechtigtes Interesse gem. §  23 II KUG, „nicht auf diese Weise zum Objekt der wirtschaftliche Interessen“ der Vertriebsfirma ge­ macht zu werden; ebenso BGH, NJW 2009, S.  3035, wonach bei der Abbildung Günther Jauchs auf dem Cover eines Rätselheftes eine „gedankliche Beziehung“ und demzufolge eine Ausnutzung des Image- und Werbewerts vorliege; einen (schwachen) inhaltlichen Bezug angenommen hat der BGH jüngst beim Abdruck des Schauspielers Sascha Hehn in seiner Rolle als Kapitän des Traumschiffes bei einem „Urlaubslotto“ auf einer Innenseite der „Bild am Sonntag“, bei der u. a. eine AIDA-Kreuz­ fahrtreise gewonnen werden konnte, vgl. BGH, NJW 2021, S.  1316, Rn.  61 – „Urlaubslotto“. 1672  H. Ehmann, AfP 2005, S.  239; Lettmaier, WRP 2010, S.  698; vgl. auch Beuthien/Hieke, AfP 2001, S.  358; Hahn, NJW 1997, S.  1349; Lober/O. Weber, ZUM 2003, S.  658 sowie Neumann-Klang, S.  27 f.: „Zick-Zack-Kurs“; ferner Schertz, in: FS Hertin 2000, S.  720; ders., AfP 2000, S.  500. 1673  Alexander, AfP 2008, S.  564, stellt vier Thesen zu werbenden Bildnisveröffentlichungen auf

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

schwächste Stufe des Eingriffs in Form der sog. „Aufmerksamkeitswerbung“, bei der die Abbildung einer Person weder Empfehlungscharakter habe, noch zu einem Imagetransfer führe, sondern lediglich die Aufmerksamkeit des Betrachters – gewis­ sermaßen als Eye-Catcher – auf das beworbene Produkt lenke.1674 Diese Form der (1. Dem Persönlichkeitsrecht müsse bei Beeinträchtigungen durch Werbung umso größeres Ge­ wicht beigemessen werden, je intensiver der Eingriff ist; 2. Der Meinungsfreiheit des Werbenden komme nicht automatisch ein Vorrang zu, wenn die Werbung ein tagesaktuelles Geschehen auf­ greift; 3. Werbung sei tendenziell zulässig, wenn auf bedeutsame Ereignisse von politischer oder gesellschaftlicher Tragweite Bezug genommen wird und wenn das Geschehen in humorvoll-satiri­ scher Weise kommentiert wird; 4. Es bestehe ein tendenzieller Schutz, je eher der unzutreffenden Eindruck vermittelt wird, der Abgebildete empfehle das Produkt); Andersen, S.  205 f., wonach ein Eingriff in das „kommerzielle Selbstbestimmungsrecht“ allenfalls durch eine Verknüpfung mit ei­ nem „gesellschaftpolitischen Ereignis“ gerechtfertigt werden könne, welche darüber hinaus mit dem beworbenen Produkt verknüpft sein müsse; Barath, S.  145 f., wonach bei der kommerziellen Verwertung eines Bildnisses für Werbung, Merchandising, Sponsoring, aber auch Computerspielen regelmäßig das vermögenswerte Ausschließlichkeitsrecht des Abgebildeten überwiege; Fricke, GRUR 2003, S.  408 f., schlägt eine dreistufige Prüfung vor (1. Stufe: Liegt eine werbliche Nutzung vor?; 2. Stufe: Liegt ein rechtfertigender Informationszweck vor?; 3. Stufe: Liegt bei Vorliegen eines rechtfertigenden Informationszwecks eine zusätzliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten vor?); ferner Gauß, S.  53 ff., welcher zwischen werbenden Bildnisveröffentlichung zu künstlerischen ­Zwecken und zu Zwecken der Berichterstattung trennt und innerhalb dieser Aufteilung weiter un­ tergliedert (Kunst: „Theaterstücke und Musicals“; „höhere Interessen der Kunst“, „Massenartikel“; Berichterstattung: „aktuelle Berichterstattung“, „Werbung für Produkte, in denen die Berichterstat­ tung erfolgt“, „Titelseiten“); Hahn, NJW 1997, S.  1350, der es gänzlich ablehnt, finanzielle Interes­ sen „zum Legitimationskriterium“ für die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung zu erheben; Hölk, WRP 2009, S.  1206, wonach die Ausnutzung des Werbe- und Imagewertes stets zum Über­ wiegen des Abgebildeteninteresse führe; Lober/O. Weber, ZUM 2003, S.  667 ff., differenzieren zwi­ schen „Eingriffe[n] in die Privatsphäre“, „Unwahre[n] und ehrenrührige[n] Darstellungen“, „Wer­ bung für ein Produkt mit einer Persönlichkeit“, „Darstellungen auf dem Titel eines Produkts“ und weiteren Unterdifferenzierungen zum Merchandising; Prinz/Peters, Rn.  866 ff., welche zwischen „Reine[r] Werbung“, „Vertrieb ausschließlich des Bildnisses“, „Bildnis auf dem Produkt“ und „Bildnis bei Verbindung von Werbung und Journalismus“ unterscheiden; Schertz, in: FS Hertin 2000, S.  720 ff., und ders., AfP 2000, S.  502 ff., welcher zum einen danach fragt, aus welchem Grund der Käufer das „Produkt“ mit dem Bildnis erwirbt. Stehe ein Sammler- und Affektionsinteresse des Publikums im Vordergrund, liegen hiernach keine überwiegenden Informationsinteressen vor. Dies gelte insbesondere für Abbildungen Prominenter auf Sammelbildern, Kalendern, Fotos, Postkarten, Münzen oder anderen Gebrauchsgegenständen. Will sich der Erwerber hingegen primär informie­ ren, sei hiernach von einem überragenden Informationsinteresse auszugehen. Zum anderen könne danach gefragt werden, aus welchem Grund derjenige handelt, der das Bildnis schwerpunktmäßig  – publizistisch oder werbend – nutzt. Hieran anknüpfend bildet Schertz dann die Fallgruppen „Wer­ bung für andere Waren sowie Warenzeichen“, „Abdruck in Zeitungen und Zeitschriften“, „Abdruck des Bildnisses auf und in Büchern“, „Nutzung für Funk und Fernsehen“, „Nutzung des Bildnisses für ein Theaterstück, Musical oder einen Film“, „Abdruck auf CD-Cover“, „Nutzung des Bildnisses als eigene Ware bzw. als deren wertbestimmender oder werterhöhender Bestandteil“; J. Wolf, S.  184, 189 ff., der eine Einengung des §  23 I Nr.  1 KUG vorschlägt, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte einwilligungsfrei verbreitet werden dürfen, „soweit der Ruf oder das Ansehen des Abgebildeten nicht in der Absicht ausgenutzt oder beeinträchtigt wird, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, der nicht typischerweise unmittelbar auf der Meinungsbildung oder Information der Öffentlichkeit durch Medien beruht“; vgl. ferner Wandtke, MMR 2019, S.  147. 1674  BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1135 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2013, S.  795 – „Playboy am Sonntag“; BGH, NJW 2021, S.  1308 –

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(Aufmerksamkeits-)Werbung wird hiernach also noch am ehesten durch die Beiord­ nung eines gewichtigen Informationswertes – etwa bei der Werbeanzeige für ein Informationsportal, eine Zeitung oder eine Nachrichtensendung mit einem Bildnis, das im Zusammenhang mit einem tagesaktuellen Geschehen steht – gerechtfertigt werden können. Allerdings beginnt diese Tendenz angesichts der vermehrt praktizierten Kombina­ tion aufmerksamkeitserregender Bildnisse mit weiterführenden Links – sog. Click­ baits (engl. Klickköder) – in sozialen Netzwerken im Internet nach und nach aufzu­ weichen: Infrage stand die Veröffentlichung des Bildnisses von Günther Jauch auf Facebook neben den Bildnissen dreier weiterer prominenter Personen mit der Unterschrift „+++ GERADE VER­ MELDET +++ Einer dieser TV-Moderatoren muss sich wegen KREBSERKRANKUNG zu­ rückziehen […]“.1675 Durch Anklicken der Meldung wurde der Leser auf die Internetseite der Beklagten (www.tvmovie.de/news) weitergeleitet, wo dann wahrheitsgemäß über die tatsäch­ liche Erkrankung eines der Abgebildeten berichtet wurde. Informationen bzgl. Günther Jauch fanden sich dort nicht.

Der Bundesgerichtshof bestätigte in diesem Fall die Linie der Vorinstanzen1676, wo­ nach bei Clickbaits selbst bei verlinkten, weiterführenden redaktionellen Beiträgen der werbende Charakter für die (verlinkte) Internetseite überwiege, obwohl die (schwächste) Form der Aufmerksamkeitswerbung vorliege.1677 Da der Artikel „allen­ falls mittelbar dem öffentlichen Informationsinteresse“ diene, nahm der Bundesge­ richtshof ein Überwiegen der Interessen von Günther Jauch an und verneinte das Vorliegen einer zeitgeschichtlichen Veröffentlichung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG. Schließlich bereiten der Rechtsprechung solche Bildnisveröffentlichungen erheb­ liche Schwierigkeiten, die zur Werbung für Medienprodukte1678 oder im künstleri­ „Clickbaiting“; angenommen etwa bei OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2003, S.  1 f., wonach die Abbil­ dung von Jan Ullrich beim Etappenstart im Innenteil einer Werbebeilage zulässig war, da nach der Aufmachung der Werbeanzeige nur dessen mitabgebildeter Kollege Gerrit de Vries für das Unter­ nehmen werbe; vgl. zu dieser Form der Aufmerksamkeitswerbung auch Schmitt, in: FS Stauder 2011, S.  255 ff. 1675  Das Bild ist abrufbar bei GRUR-RS 2021, 2186. 1676  OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  603 f. und die Vorinstanz LG Köln, ZUM 2018, S.  889; vgl. hierzu die eigenen Erwägungen Kap.  3, D., II., 3., m), cc), (3). 1677  BGH, NJW 2021, S.  1306, Rn.  32 ff. – „Clickbaiting“; vgl. zum diametral ­gegenüberstehenden, positiv-konnotierten Eye-Catcher-Moment BVerfGE 120, 180 (204, 206) – „Caroline von Monaco III“; hierzu bereits Kap.  3, D., II., 3., m), aa). 1678  BGH, NJW-RR 2010, S.  857 – „Der strauchelnde Liebling“, wonach die Werbung eines Un­ ternehmens für das eigene Presseerzeugnis (mit einem fingierten Artikel nebst Bildnis von Boris Becker) ebenso wie das Presseerzeugnis selbst den Schutz der Pressefreiheit genieße. Dabei sei die Presse nicht verpflichtet, das in der Werbung abgebildete Zeitungsexemplar auch tatsächlich auf den Markt zu bringen, da hiermit eine Verpflichtung einherginge, möglicherweise überholte Artikel zu veröffentlichen. Gleichwohl sei die Presse dazu angehalten, mit einem tatsächlichen Exemplar zu werben, sobald es ihr möglich und zumutbar ist; fortgeführt in BGH, NJW-RR 2011, S.  1135 – „Markt & Leute“, wonach der Informationswert einer Einführungswerbung für ein Presseerzeugnis „vor allem in der Unterrichtung der Öffentlichkeit über dessen Inhalt und Gestaltung“ liege; BGH,

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schen1679 oder gesellschaftskritisch-satirischen1680 (Werbe-)Kontext eingesetzt wer­ den, da diese durch die Presse- und Kunstfreiheit in Art.  5 GG besonderen, verfas­ sungsrechtlichen Schutz erfahren. Es fragt sich also in diesem Zusammenhang, ob der unautorisiert Werbende mit einer mehr oder weniger tagesaktuellen, kreativen Gesamtdarstellung oder mit „einem Hauch von Ironie“1681 den (prominenten) Abge­ bildeten zum „Freiwild für findige Verwerter“1682 werden lassen kann, oder ob der personale Werbewert als „Quasi-Eigentum“1683 oder immaterieller Bestandteil des Persönlichkeitsrechts geschützt ist.1684 (2) Der Einfluss des Schutzes vermögenswerter Persönlichkeitsrechtsbestandteile Hiermit verbunden ist die zweite grobe Linie, welche der Rechtsprechung zur Veröf­ fentlichung von Bildnissen zu Werbezwecken entnommen werden kann. Der Bun­ NJW 2013, S.  797 „Playboy am Sonntag“, wonach die werbliche Vereinnahmung von Gunter Sachs für die Bild am Sonntag sowie dessen Privatssphäre den geringen Informationswert der Bericht­ erstattung (Lebens- und Lektüregewohnheiten des Abgebildeten) überwiege; BGH, NJW 2021, S.  1316 – „Urlaubslotto“, wonach der kommerzielle Aspekt bei einem Gewinnspiel der Bild am Sonntag den Informationswert (Symbolkraft einer Traumreise) überwiege. 1679  BGHZ 143, 217 (229) – „Marlene Dietrich I“ und zuvor KG, AfP 1997, S.  928, wonach die Plakatwerbung mit einem Bildnis von Marlene Dietrich für ein Musical, welches sich mit deren Le­ ben auseinandersetzte, zulässig war, da die Verbreitung trotz Werbung in dem durch Art.  5 III GG geschützten Bereich der Informations- und Kunstfreiheit (in Form des Wirkbereichs) liege; vgl. in diesem Zusammenhang jüngst der Streit um eine Show um das Leben Tina Turners, die selbst mit der Aufführung nichts zu tun hatte und sich gegen eine Plakatwerbung wehrte, welche angesichts der abgebildeten Sängern nicht hinreichend deutlich mache, dass nicht Tina Turner selbst auftrete; vgl. becklink 2018399 (das Bild ist abgedruckt bei LG Köln, ZUM-RD 2020, S.  293); hierzu entschied der BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“, dass selbst ein Überwiegen wirtschaftlicher gegenüber künstlerischer Zwecke den Anwendungsbereich §  23 I Nr.  4 KUG nicht zwangsläufig aus­ schließen, jedenfalls aber „bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen“ sein müsse; OLG Düs­ seldorf, ZUM-RD 2013, S.  590, wonach die Vermarktung von Pop-Art-Gemälden eines bekannten Golfspielers bereits nicht unter die Kunstfreiheit falle. Darüber hinaus lässt die Rechtsprechung bei Computerspielen selbst den Aspekt der (eröffneten) Kunstfreiheit hinter die vermögensrechtlichen Belange des Abgebildeten zurücktreten; vgl. hierzu OLG Hamburg, MMR 2004, S.  414; LG Frank­ furt a. M., SpuRt 2009, S.  210; vgl. hingegen LG München I, NJW-RR 2002, S.  690, welches aus­ schließlich auf den Inhalt des Spiels und den Menschenwürdegehalt abgestellt hat; vgl. zur Problema­ tik auch Reber, GRUR Int. 2010, S.  25, der sich allerdings hinsichtlich den vermögensrechtlichen Elementen des Persönlichkeitsrechts der Dargestellten im Zusammenhang mit der Kunstfreiheit bei sog. „Tribute Shows“ mit Doppelgängern (celebrity impersonators) vollkommen bedeckt hält. 1680  BGHZ 169, 340 (347 f.) – „Rücktritt eines Finanzministers“, wonach die Sixt AG eine Anzei­ ge in verschiedenen Zeitungen schalten durfte, welche das durchgestrichene Bildnis des damals aktuell von seinen Ämtern als Bundesfinanzminister und SPD-Vorsitzender zurückgetreten Oscar Lafontaine die neben den Bildnissen der 15 weiteren Regierungsmitglieder mit der Unterschrift „Sixt verleast auch Autos für Mitarbeiter in der Probezeit“ zeigte. Die Zulässigkeit der Bildnisver­ öffentlichung begründete der BGH mit der satirischen Auseinandersetzung mit einem aktuellen Tages­ereignis. 1681 Krit. Andersen, S.  155; Hermann, S.  250 f. 1682  Gauß, S.  86. 1683  Ladeur, ZUM 2000, S.  880 ff. 1684  Lettmaier, WRP 2010, S.  701; Schertz, AfP 2000, S.  501; Thalmann, GRUR 2018, S.  477.

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desgerichtshof1685 und die Fachgerichte1686 gehen mittlerweile von einem (lediglich einfachgesetzlichen) Schutz vermögenswerter Bestandteile des allgemeinen Persön­ lichkeitsrechts aus.1687 Bisweilen konstatierte das Bundesverfassungsgericht, dass das Grundgesetz einen solchen persönlichkeitsrechtlichen Schutz vor einer kommer­ ziellen Ausbeutung jedenfalls im Bereich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes nicht kenne, eine einfachrechtliche Anerkennung aber auch nicht verbiete.1688 Folgert man hieraus mit dem Bundesgerichtshof, dass diese vermögensrechtlichen Bestand­ teile des Persönlichkeitsrechts im Gegensatz zu den ideellen Bestandteilen des Per­ sönlichkeitsrechts (nur) einfachgesetzlich geschützt sind, hat dies zumindest Auswir­ kungen auf künstlerische Bildnisveröffentlichungen zu Werbezwecken.1689 Da die Kunstfreiheit gem. Art.  5 III S.  1 GG vorbehaltlos gewährleistet ist, kann diese nur durch kollidierendes Verfassungsrecht (im Wege der praktischen Konkordanz) ein­ geschränkt werden. Spricht man den vermögensrechtlichen Aspekten des Persön­ lichkeitsrechts aber nur einfachgesetzlichen und mithin keinen verfassungsrecht­ lichen Rang zu, vermögen diese allein jedenfalls die vorbehaltslose Kunstfreiheit nicht zu beschränken. Kann sich der Abgebildete somit bei einer werbenden Bild­ nisveröffentlichung neben seiner werblichen Vereinnahmung nicht auf verfassungs­ rechtlich anerkannte Ausprägungen des Persönlichkeitsrechts – wie etwa die (ideel­ le) Verletzung der Privatsphäre – berufen, müsste die Bildnisveröffentlichung nach §  23 I Nr.  1 KUG zulässig sein, da ansonsten die verfassungsrechtliche Kunstfreiheit untergraben würde. Diese „normenhierarchische“1690 Argumentation bemühte der Bundesgerichtshof nicht nur im Zusammenhang mit der Kunst-, sondern auch mit der Meinungs- und Pressefreiheit des Abbildenden (obwohl diese unter einem einfa­ chen Gesetzesvorbehalt steht), um wirtschaftliche Interessen zwangskommerziali­ sierter Abgebildeter in der Interessenabwägung des §  23 I Nr.  1 KUG abzuwerten.1691 1685  BGHZ 169, 340 (348) – „Rücktritt eines Finanzministers“; BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1136 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2021, S.  1305, 1308 – „Clickbaiting“. 1686  OLG Köln, ZUM 2014, S.  420. 1687  Zur Entwicklung vgl. nur Thalmann, S.  85 ff. 1688  BVerfG, NJW 2006, S.  3409 f. – „Marlene Dietrich“; später ließ BVerfG, ZUM 2009, S.  479, Rn.  28 – „Fernsehköchin“, die Frage, ob vermögensrechtliche Bestandteile des allgemeinen Persön­ lichkeitsrechts durch Art.  14 GG geschützt sind, mangels Entscheidungserheblichkeit offen; vgl. zuvor bereits BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“, für die spiegelbildliche Frage einer Selbstöffnung; vgl. ferner BVerfGE 102, 347 (359 f., 365) – „Schockwerbung I“; BVerfGE 107, 275 (285) – „Schockwerbung II“. 1689  Helle, AfP 2010, S.  534 geht darüber hinaus davon aus, dass wegen der „minimierenden“ Wirkung der Wechselwirkungstheorie des BVerfG ebenfalls die Meinungs- und Pressefreiheit re­ gelmäßig Vorrang gegenüber einer Kommerzialisierung zukommen müsse. 1690  Alexander, AfP 2008, S.  559; Hermann, S.  192 ff.; Thalmann, S.  170 f. spricht vom „verfas­ sungsrechtlichen Schwächling“. 1691  BGHZ 169, 340 (348) – „Rücktritt eines Finanzministers“; BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1136 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2021, S.  1308 – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1315 – „Urlaubslotto“; ferner Kim, S.  131; Thalmann, S.  96 f., 101; vgl. ferner, BGH, NJW 2008, S.  3784 – „Zerknitterte Zigarettenschachtel“, und BGH,

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Vor diesem Hintergrund erklären sich jedenfalls die unterschiedlichen dogmati­ schen Ansätze der Fachgerichte und der Literatur zur Vermeidung der zwangsläufi­ gen Zulässigkeit künstlerischer Bildniswerbung, welche wiederum maßgeblich mit der weiten Interpretation des Kunstbegriffs zusammenhängen.1692 Zum einen findet sich hierfür der Ansatz, bereits die Eröffnung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit bei einem werbenden Kontext anhand einer Schwerpunktbildung der Abbilderinteressen zu umgehen.1693 Liegt hiernach bei einer werbenden, künst­ lerischen Bildnisveröffentlichung schwerpunktmäßig eine Informationsvermittlung im Sinne des Art.  5 I GG vor, kann diese nach Art.  5 II GG durch ein (einfachrecht­ liches) Interesse des Abgebildeten, nicht verkommerzialisiert zu werden, einge­ schränkt werden.1694 Ferner handelt es sich vor diesem Hintergrund auch um keinen Zufall1695, dass die Hamburger Fachgerichte bei der einwilligungslosen Abbildung Oliver Kahns als Spielfigur in einem Com­ puterspiel auf dessen Rolle als „willensloses Werkzeug“ des ihn steuernden (PC- oder Konso­ len-)Spielers abgestellt hatten, nachdem die Gerichte noch zuvor die Eröffnung des Anwen­ dungsbereichs der vorbehaltslosen Kunstfreiheit in Erwägung gezogen hatten.1696 Geht man NJOZ 2008, S.  4553 – „Zerknitterte Zigarettenschachtel“, zur (satirischen) Werbung für die Zigaret­ tenmarke Lucky Strike mit den Namen von Prinz Ernst August von Hannover und Dieter Bohlen unter Rekurs auf ebendieses normhierarchische Argument; beide Urteile wurden von EGMR, NJW 2016, S.  781 – „Ernst August von Hannover/Deutschland“, und EGMR, ZUM-RD 2016, S.  561 ff. – „Bohlen/Deutschland“, zwar bestätigt, gleichwohl enthielt sich der EGMR ausdrücklich zu dieser konkreten Argumentation; deutlich moderater hingegen BGH, NJW 2013, S.  795 – „Playboy am Sonntag“, wonach die Interessen von Gunther Sachs (hilfsweise) die Interessen der ihn abbildenden Zeitung selbst dann überwiegen würden, „wenn man allein von der Betroffenheit des vermögens­ rechtlichen Teils seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts“ ausginge. 1692  Vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 3., g). 1693  So etwa OLG Düsseldorf, ZUM-RD 2013, S.  590, welches beim kommerziellen Vertrieb von Pop-Art-Gemälden eines bekannten Golfspielers bereits den Schutzbereich der Kunstfreiheit anhand des Schwerpunkts der werblichen Aspekte verneint hat. Hiergegen spricht freilich die heute großzügige Eröffnung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., g). Hätte das Gericht aber diesen Schutzbereich als eröffnet angesehen, so hätte es (unter der Prämisse der Normenhierarchie des BGH) die werbliche Vereinnahmung die einwilligungsfreie ­Veröffentlichung nicht ohne weiteres rechtfertigen können. Dies zieht etwa Kirchberg, GRUR-Prax 2013, S.  384, nicht in Betracht; ebenso LG Berlin, ZUM-RD 2014, S.  107; krit. Fallert, GRUR 2014, S.  724; diese Schwerpunktlösung verfolgen in der Literatur etwa Andersen, S.  176 ff.; P. Koch, WRP 2009, S.  14; Hermann, S.  250 ff.; 270; 277 ff.; Hölk, WRP 2009, S.  1207; Zagouras, WRP 2007, S.  118; wohl auch Barath, S.  145 f., der allerdings nicht von einem Schwerpunkt, sondern von einem „Motivbündel“ spricht, welchem nicht „lediglich eine untergeordnete Rolle“ zukommen dürfe; krit. zur Schwer­ punktlösung Thalmann, GRUR 2018, S.  481. 1694  A. A. wohl Helle, AfP 2010, S.  534 unter Verweis auf die Wechselwirkungstheorie des BVerfG, welche die Rechtsposition des (verkommerzialisierten) Abgebildeten insoweit minimiere, als dass diese regelmäßig hinter die Meinungs- oder Pressefreiheit des Abbildenden zurücktreten müsse. 1695  Barath, S.  144 spricht hierbei von einer „realitätsfernen Erwägung“; vgl. hierzu auch Gauß, S.  44 f. 1696  Hier könnte noch weiter zwischen der „Werbung für ein isoliertes Produkt mit seiner Per­ son“ – beispielsweise wenn der Fußballstar auf der Verpackung des Spiels mit seinem Bildnis auf­ taucht – und der „Werbung für ein Produkt als Teil dieses Produkts“ – etwa wenn der Fußballstar

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nämlich von einem nur einfachrechtlichen Schutz der kommerziellen Bestandteile des Persön­ lichkeitsrechts aus, vermag allenfalls die Argumentation, dass der Abgebildete durch die Dar­ stellung zum willenlosen Objekt degradiert würde – und somit die Menschenwürde tangiert sei – die Unzulässigkeit der Bildnisveröffentlichung zu begründen.1697

Zum anderen stellt sich ein gewichtiger Teil der Literatur bisweilen auf den Stand­ punkt, dass der vermögenswerte Bestandteil des Persönlichkeitsrechts nicht nur ein­ fachrechtlich, sondern verfassungsrechtlich gewährleistet sei.1698 Hiernach handele es sich bei der Auffassung des Bundesgerichtshofs um eine Fehldeutung der verfas­ sungsrichterlichen Rechtsprechung zum verfassungsmäßigen ­Gewährleistungsgehalt des vermögenswerten Persönlichkeitsrechts, wonach den Ausführungen des Bundes­ verfassungsgerichts bis heute nicht entnommen werden könne, dass nur ein einfach­ rechtlicher Schutz der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts be­ stehe. Geht man hiervon aus, könnte der Schutzbereich der Kunstfreiheit im Wege praktischer Konkordanz durch die (verfassungsmäßigen) vermögenswerten Bestand­ teile der Persönlichkeit eingeschränkt werden. Somit wäre das normhierarchische Argument des Bundesgerichtshofs bei der Veröffentlichung von Bildnissen zu Wer­ bezwecken hinfällig. (3) Resümee und eigene Erwägungen zu werbenden Bildnisveröffentlichungen Insgesamt bleibt an dieser Stelle somit nur die ernüchternde Feststellung, dass im Bildnisrecht momentan eine abwägungsrelevante Position zu Gunsten des Abgebil­ deten besteht, wenn dessen Bildnis zu Werbezwecken benutzt wird, wonach dieser es grundsätzlich nicht hinnehmen müsse, ungefragt als Werbeobjekt eingesetzt zu werden.1699 Inwieweit aber öffentliche Interessen dieses (kommerzielle) Abgebilde­ teninteresse überwiegen können, ist bislang ungeklärt. Schließlich überschattet die lebhafte Diskussion um die rechtliche Einkleidung vermögenswerter Persönlich­

(bzw. sein äußeres Erscheinungsbild und damit sein Bildnis) im Spiel gesteuert wird – differenziert werden; vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., m),cc), (3), (d). 1697  LG Hamburg, ZUM 2003, S.  691, wonach der Spieler die Spielfigur Oliver Kahns zu „sinnwid­ rigen oder gar lächerlichen Aktionen einsetzen“ könne „(etwa indem er die den Kläger darstellende Figur fortwährend Eigentore schießen lässt)“; bestätigt von OLG Hamburg, MMR 2004, S.  413. 1698 So Ahn, S.  94 ff.; C. Ahrens, S.  94, 285 ff.; ders., in: GS Blumenwitz 2008, S.  221 ff.; B ­ althasar, NJW 2007 S.  666; Biene, S.  20 ff.; Claus, S.  186; Ernst-Moll, GRUR 1996, S.  562; Ettig, NJW 2021, S.  1276; Freitag, S.  50 ff.; Götting, S.  139 f.; ders., GRUR Int. 2015, S.  663 f.; Helle, JZ 2007, S.  444; ders., AfP 2010, S.  537; Hermann, S.  198; Klüber, S.  102; Ladeur, ZUM 2000, S.  885 ff.; Lichtenstein, S.  95 ff.; Schertz/Reich, AfP 2010, S.  5; Schmitt, in: FS Stauder 2011, S.  258; Thalmann, S.  189, 217; ders., GRUR 2018, S.  479 f.; Unseld, S.  130 f.; Wortmann, S.  189 ff., 217 f.; wohl auch Lober/ O. Weber, ZUM 2003, S.  666; Schubert, AfP 2007, S.  22; a. A. Beuthien, S.  78; Buchner, S.  212; H. Ehmann, AfP 2007, S.  82; Hölk, WRP 2009, S.  1204; Kim, S.  138; Kläver, ZUM 2002, S.  206; Lettmaier, WRP 2010, S.  701; Pfeifer, GRUR 2002, S.  495; Seelmann-Eggebert, NJW 2008, S.  2551; differenzierend Peukert, S.  717; ders., ZUM 2000, S.  710 ff. 1699  Alexander, AfP 2008, S.  563; Balthasar, NJW 2007, S.  665; Böhnstedt, S.  277; Ettig, NJW 2021, S.  1276; Thalmann, GRUR 2018, S.  477.

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keitsrechte1700 bislang die delikate Frage, inwieweit sich die Anerkennung verkehrs­ fähiger (vermögenswerter) Persönlichkeitsrechte1701 auf den – zivilrechtsakzesso­ risch ausgestalteten – strafrechtlichen Bildnisschutz im Rahmen des §  33 KUG aus­ wirken kann.1702 Deshalb erscheint es notwendig, das Recht am eigenen Bild – insbesondere ange­ sichts des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots – bei kommerziellen Bildnisveröf­ fentlichungen hinreichend zu konturieren. An anderer Stelle1703 klang bereits an, dass sich das Recht am eigenen Bild mit dem Schutz vor einer ungewollten Repräsen­ tation der Persönlichkeit1704 originär am Schutz ideeller Interessen orientiert. Allein damit ist aber noch keine Aussage darüber getroffen, inwiefern das Recht am eigenen Bild vermögenswerte Interessen des Abgebildeten mitberücksichtigt. Insbesondere kann aus der ursprünglichen Ausrichtung des Rechts am eigenen Bild nicht einfach davon ausgegangen werden, vermögenswerte Interessen des Abgebildeten seien im Umkehrschluss nicht (mit-)umfasst. Um dies zu untermauern, muss nicht erst der Verweis auf neuartige technische Möglichkeiten und werbepsychologische Gewohnheiten zur Kommerzialisierung der Persönlichkeit mittels Bildnissen stattfinden. Vielmehr zeigt schon die Mehrzahl der im Rahmen des historischen Abrisses besprochenen Fälle, welche im unmittelbaren Zusammenhang mit der Genese des Rechts am eigenen Bild hohe Aufmerksamkeit innerhalb der Öffentlichkeit erfuhren, sehr deutlich, dass gerade die kommerzielle (Aus-)Nutzung von Personenabbildungen als eine be­ sondere Beschwer für den Abgebildeten empfunden wurde.1705

Allein dies spricht dafür, dass der Schutz der Persönlichkeit durch das Recht am ei­ genen Bild schon immer mit dem Schutz kommerzieller Interessen eng verwoben war.1706 Die Auslegungsregel des §  22 S.  2 KUG bestätigt dies im Übrigen, wenn eine 1700 

Klüber, S.  68 ff.; vgl. ferner Dreier/Schulze/Schulze, Vor §  12 UrhG, Rn.  10. Vgl. hierzu Unseld, GRUR 2011, S.  983 ff. m. w. N. 1702  Vgl. hierzu partiell J. Wolf, S.  78, 138 f. 1703  Vgl. hierzu die Ausfürhungen zur Selbstöffnung im kommerziellen Kontext und dem „Schutz­wallargument“ bei Kap.  3, D., IV., 6., e). 1704  Hierzu bereits Kap.  1, C., I. 1705  In der Entscheidung „Dame im Badekostüm“ (Urteilsabschnitt abgedruckt bei Kohler, S.  32; hierzu bereits Kap.  1, B., IV., 6., a).) findet sich die Annahme des RG, dass der Verkauf des „inkri­ minierten Bildnisses“ den Eindruck schaffe, die abgebildete Person sei mit dem „Feilbieten“ einver­ standen, was wiederum „ein bedenkliches Licht auf das Scham- und Sittlichkeitsgefühl der Dame werfen und sie in der Achtung bei anderen schwer schädigen“ könne. In der Entscheidung „Haarfär­ bemittel unter den Linden“ (abgedruckt bei Kohler, S.  38 ff.; hierzu bereits Kap.  1, B., IV., 6., e).) ging das LG Berlin davon aus, das In-Verbindung-Bringen mit der Abgebildeten mit der Reklame würde suggerieren, sie habe das Haarfärbemittel selbst angewendet und würde diese somit „lächer­ lich machen“. Das KG führte in der Entscheidung „Reklameplakat für Hoffriseur“ (Unlauterer Wettbewerb 1902, S.  178; hierzu bereits Kap.  1, B., IV., 6., f)) aus, dass die konkrete Bildnisveröf­ fentlichung zu Reklamezwecken eine Benutzung sei, welche der „persönlichen Würde“ der abgebil­ deten Person widerspreche. Schließlich ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass auch die zuvor ergangene „Bismarck auf dem Totenbett“ – Entscheidung (RGZ 45, 170; hierzu bereits Kap.  1, B., IV., 6., b).) einen kommerziellen Hintergrund hatte, vgl. hierzu J. Wolf, S.  54. 1706  Buchner, S.  214 ff. m. w. N.; vgl. hingegen BVerfG, NJW 2006, S.  3409 – „Marlene Dietrich“: 1701 

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Entlohnung des Abgebildeten im Zweifel zur Zulässigkeit einer Bildnisveröffentli­ chung führen soll. Dass somit ein Band zwischen ideellen und den vermögenswerten Interessen des Abgebildeten besteht, wird uns heute gleichwohl besonders durch die alltägliche Le­ benswirklichkeit vor Augen geführt, wonach nahezu jede Form von Werbung maß­ geblich über die Kommunikation mittels der Veröffentlichung von Personenbildnis­ sen stattfindet. Bereits erörtert wurde in diesem Zusammenhang, dass sich unter diesem (werbepsychologischen) Phänomen1707 nicht nur für prominente Personen unter dem Begriff des Influencertums neuartige Berufszweige und Verdienstmög­ lichkeiten anhand des Einsatzes des eigenen Bildnisses in den sozialen Medien im Internet gebildet haben.1708 Das Bildnis einer Person als Repräsentation ihrer Persön­ lichkeit ist somit marktfähig und unterliegt damit – im Falle der Kommerzialisie­ rung  – zwangsläufig auch einem gewissen (Markt- oder Geld-)Wert. Umgekehrt han­ delt es sich nach den kommunikationswissenschaftlichen Erkenntnissen1709 auch beim Umstand, dass eine Person ihr Abbild kommerzialisiert hat, um eine Informa­ tion, anhand welcher wir auf die Persönlichkeit der abgebildeten Person schließen. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass schon die frühe Rechtsprechung bei einwilligungsfreien Bildnisveröffentlichungen gerade zu Werbezwecken besonders empfindlich reagiert hat, da diese dem Betrachter suggerieren können, die Abgebil­ dete Person habe sich vom Werbenden „kaufen“ lassen. Eine durch die Werbeanzeige vermittelte Käuflichkeit des Abgebildeten findet sich – zwar letztendlich in unter­ schiedlichem Herleitungszusammenhang – nicht nur in den angesprochenen frühen Gerichtsentscheidungen. Ebenso findet sich diese Annahme in der aktuellen Recht­ sprechung des Bundesgerichtshofs, wenn diese maßgeblich anhand des Eindrucks differenziert, inwieweit der Abgebildete anhand des Gesamteindrucks der Veröffent­ lichung das Beworbene empfehle und sich demzufolge vom Werbenden gegen seinen Willen „vor den Karren gespannt“ wurde. Hinsichtlich dieses Differenzierungs­ gedankens ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung somit voll beizupflichten. Vor dieser Grundprämisse soll im Folgenden auf die bestehenden Ungereimtheiten ein­ gegangen werden. (a) Ablehnung des normhierarchischen Arguments des BGH Bevor auf einzelne Differenzierungskriterien eingegangen werden kann, stellt sich vorab die grundsätzliche Frage nach dem Gesetzesrang eines kommerziellen Persön­ lichkeitsrechts. Die Annahme des Bundesgerichtshofs, das kommerzielle Persön­ „Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, §§  22 ff. KUG heute so anzusehen, dass die Norm auch im Dienst von Vermögensinteressen steht“. 1707  Vgl. hierzu die Ausführungen zum hohen Emotionalisierungspotential von bildhaften Dar­ stellungen in Kap.  1, A., I., 4. 1708  Vgl. hierzu die Ausführungen in Einführung, A., II., zu den modernen Darstellungsformen sowie im Folgenden die Erwägungen zur Selbstöffnung Kap.  3, D., IV. 1709  Kap.  1, A., II., 1., a).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

lichkeitsrecht sei nur einfachgesetzlich anerkannt, gründet maßgeblich auf einer In­ terpretation der Aussage des Bundesverfassungsgerichts in der „Caroline II“-Ent­ scheidung, wonach „das [verfassungsrechtliche] allgemeine Persönlichkeitsrecht […] nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet“ sei. Isoliert betrachtet könnte hierunter tatsächlich verstanden werden, dass das verfas­ sungsrechtliche Persönlichkeitsrecht keinen kommerziellen Schutzgehalt aufweise und dementsprechend auch vermögenswerte Interessen am Bildnisrecht nicht vom Mantelrecht des Art.  2 I GG i. V. m. Art.  1 I GG umfasst seien.1710 Im Urteilstext fällt diese Feststellung allerdings im konkreten Zusammenhang mit der Selbstöffnung. Wer persönliche Informationen verkauft und sich insoweit selbst öffnet, soll hinsicht­ lich seiner preisgegebenen Informationen den Privatsphärenschutz verlieren. Dass aber ein besonderer verfassungsmäßiger Schutz vor gerade der Kommerzialisierung der eigenen Persönlichkeitsmerkmale – etwa durch eine werbende Bildnisveröffent­ lichung durch einen Anderen – grundsätzlich nicht bestehen soll, ist hiermit nicht gesagt.1711 Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem „Marlene“-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. Zwar erklärt der Erste Senat hier, dass der zivilrecht­ liche kommerzielle Bildnisschutz nach dem Tod durch die Anerkennung eines ein­ fachgesetzlichen „vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts“ über das verfas­ sungsrechtliche postmortale Persönlichkeitsrecht aus Art.  1 I GG hinausgehe. Damit ist aber keine Aussage zum etwaigen kommerziellen Inhalt des Art.  2 I GG i. V. m. Art.  1 I GG einer lebenden Person getroffen.1712 Selbiges gilt für die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in den beiden Urteilen zur B ­ enetton-Schockwerbung, da diese lediglich feststellen, dass ein werblicher Kontext als solcher noch nicht für die Verletzung menschlicher Achtungsansprüche ausreiche.1713 Die normhierarchische Argumentation des Bundesgerichtshofs und der ihm fol­ genden Fachgerichte erscheint mithin vorschnell, da das Bundesverfassungsgericht die Tür für verfassungsrichterliche Anerkennung vermögenswerter Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nicht geschlossen hat.1714 Für eine verfassungsrechtliche Mit­ einbeziehung spricht vielmehr, dass bereits der vorkonstitutionelle Gesetzgeber nach dem bisher Gesagten gerade die Vermarktung von Personenbildnissen bei der Schaf­ fung des besonderen Persönlichkeitsrechts deutlich vor Augen hatte. Die fortschrei­ tende Kommerzialisierung von Persönlichkeitsmerkmalen (über den Tod des Abge­ bildeten hinaus) bekräftigt eine wirtschaftliche Sichtweise weiter. 1710  Thalmann, S.  175. Hierfür könnte insbesondere sprechen, dass das BVerfG diese isolierte Aussage zum (zweiten) Leitsatz des Urteils ernannt hat. 1711 Vgl. Helle, AfP 2010, S.  533. 1712  BVerfG, NJW 2006, S.  3410 – „Marlene Dietrich“. 1713  BVerfGE 102, 347 (365), Rn.  59 – „Schockwerbung I“, zu einer Abbildung von Kinderarbeit, wobei die Kinder aber nicht individualisierbar waren und BVerfGE 107, 275 (285), Rn.  28 – „Schockwerbung II“, wonach ein hinreichend schützenswertes Interesse des (wohl ebenfalls nicht erkennbaren) betroffenen H.I.V.-Infizierten nicht dargetan sei, solange die Werbeanzeige die Not H.I.V.-Infizierter unter der Achtung der Menschenwürde thematisiere. 1714  Helle, AfP 2010, S.  531; Schmitt, in: FS Stauder 2011, S.  258 ff.; Thalmann, S.  178.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Die konkrete Verankerung vermögenswerter Interessen im Grundgesetz soll an dieser Stelle nicht allzu vertieft erörtert werden1715, da davon auszugehen ist, dass kein – das Abwägungsergebnis indizierende – hierarchisches Rangverhältnis zwi­ schen vermögenswerten Interessen des Abgebildeten und den Kommunikationsfrei­ heiten nach Art.  5 GG besteht. Mit anderen Worten: Ein (kunstvolles) am Markt vertriebenes Computerspiel muss grundsätz­ lich nicht erst die Privatheit oder die Menschenwürde des Abgebildeten verletzen, um seine berechtigten Interessen verletzen zu können. Auf dieser Grundlage gilt es die weiteren Abwä­ gungskriterien für den (strafrechtlichen) Bildnisschutz im Werbekontext herauszuarbeiten.

(b) Kritik an der Abbildendenmotivation mittels der Schwerpunktlösung Nach den vorangestellten Erwägungen bereiten insbesondere solche Fälle Schwierig­ keiten, die sowohl Werbe- als auch öffentliche Interessen bedienen, indem sie sich etwa mit dem tagesaktuellen Geschehen, mit Personen des öffentlichen Interesses oder auch mit Kunst auseinandersetzen. Wenig überzeugend erscheinen diejenigen Ansätze, welche zur Klärung dieser Problematik im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG danach differenzieren, ob eine Bildnisveröffentlichung schwerpunktmäßig zu Werbe­ zwecken oder zur Bedienung öffentlicher Interessen stattfindet.1716 Denn diese Ansät­ ze verkennen, dass sich die Frage der Zulässigkeit – auch im Rahmen des abgestuften Schutzkonzepts – im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG anhand einer Abwägung zwi­ schen den Belangen der Öffentlichkeit und des Abgebildeten vollzieht. Erhebt man den (Werbe-)Zweck zu einem wesentlichen Abwägungskriterium, orientiert man sich allerdings in erster Linie an den Interessen des Veröffentlichenden (und nicht an den Interessen der Öffentlichkeit).1717 Hinzu kommt, dass eine Differenzierung zwischen Werbe- und öffentlichen Interessen nicht immer trennscharf gelingen wird. Vielmehr erscheint auch der Fall denkbar, in dem gerade die konkrete Art und Weise oder die werbliche Vereinnahmung der abgebildeten Person als solche ein (berechtigtes) öffentliches Interesse im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG hervorrufen kann. Zu denken ist hierbei an die Wer­ bung der Sixt AG mit bekannten Politikern im satirischen Kontext.

Ferner ist es gerade der Charakterzug der bereits angesprochenen „Käuflichkeit“ des Abgebildeten (und damit der Umstand der Werbung als solcher), welcher regelmäßig 1715  Es erscheint überzeugend, die Beeinträchtigung der kommerziellen Teile des Persönlich­ keitsrechts je nach Ausgestaltung der konkreten Abbildungssituation an den sich überlappenden Maßstäben von Art.  2 I GG i. V. m. Art.  1 I GG, des Art.  12 GG (etwa bei Models oder Influncern) und des Art.  14 GG (etwa bei Gerechtigkeitserwägungen zum Schutz vermögenswerter Interessen nach dem Tod des Berechtigten) zu messen; so auch Helle, AfP 2010, S.  536 ff.; Wortmann, S.  218 ff., 226; a. A. hinsichtlich (der Auffangfunktion des) Art.  2 I GG i. V. m. Art.  1 I GG Thalmann, S.  184. 1716  So etwa die aktuelle Rechtsprechung in BGH, NJW 2021, S.  1306, Rn.  27 – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1312, Rn.  59 – „Urlaubslotto“; in der Literatur: Andersen, S.  154, 176; Brüggemeier, in: FS Teubner 2009, S.  245, 247 f.; Gauß, S.  53; Hermann, S.  264 ff.; Schertz, in: FS Hertin 2000, S.  728; Schertz, AfP 2000, S.  501; ähnlich Barath („Motivbündel“); P. Koch, WRP 2009, S.  17 f.; Ladeur, ZUM 2007, S.  117. 1717 Vgl. Fezer, NJW 2001, S.  581; Thalmann, GRUR 2018, S.  481.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ein immenses Interesse der Öffentlichkeit hervorruft und den öffentlichen Diskurs befeuert, wenn ein Politiker in der Kritik steht, Werbung für ein Produkt in seiner Funktion als personne politique zu machen.1718 Öffentliches Interesse und Werbe­ zweck schließen einander somit nicht zwangsläufig aus.1719 Diese Feststellung legt das Dilemma der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung of­ fen, welche bis heute – selbst nach Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts und des hiermit einhergehenden Hineinlesens von §  23 II KUG in §  23 I Nr.  1 KUG – da­ von ausgeht, dass der Informationswert und die berechtigten Interessen des Abgebil­ deten hermeneutisch voneinander getrennt werden könnten. Stellvertretend für diese Annahme steht die Je-desto-Formel des Bundesgerichtshofs, in welcher dieser bis heute konstatiert, dass je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit sei, des­ to mehr das Schutzinteresse des Betroffenen dahinter zurücktreten müsse. Umge­ kehrt wiege der Persönlichkeitsschutz umso schwerer, je geringer der Informations­ wert sei.1720 Diese Trennung von Informationswert und berechtigten Interessen er­ scheint aber unmöglich. Der Informationswert einer Bildnisveröffentlichung wird gerade von den berechtigten Interessen mitbestimmt und definiert sich somit – infol­ ge einer Abwägung mit öffentlichen Interessen – durch diese. Die Verbreitung eines (bloßstellenden) Nacktbildes einer bekannten Politikerin fällt nicht etwa deshalb nicht unter §  23 I Nr.  1 KUG, weil das berechtigte Interesse der Abgebildeten (aufgrund einer Privat- oder Intimsphärenverletzung) den Informationswert überwiegt. Es liegt bereits kein (normativ zu bestimmender) meinungsbildender Informationswert und somit kein (normatives) öffentliches Interesse an einer solchen Abbildung vor.

Diese Schwäche offenbart sich deutlich bei den Abgrenzungskriterien des Bundesge­ richtshofs bei werbenden Bildnissen. Einerseits soll etwa eine an sich unzulässige Bildnisveröffentlichung mit der Beiordnung einer Textinformation ein öffentliches Interesse der Gesamtveröffentlichung begründen und insoweit „geheilt“ werden kön­ nen. Andererseits müsste dies aber wieder nicht gelten können, wenn hierdurch (auch) eine gedankliche Verbindung zwischen einem Produkt und dem Abgebildeten hergestellt wird. In diesem Zusammenhang erklärt sich, warum die Rechtsprechung überhaupt aufwändige Ausführungen zum (schlechten) Werbecharakter von Click­ baits für die verlinkte Seite bemühen muss. Denn an und für sich wird durch eine solche Clickbait-Veröffentlichung kein Image- oder Werbewert des Abgebildeten ausgenutzt, sondern eben nur die Aufmerksamkeit der Betrachter geweckt. Dies war aber nach bisheriger Rechtsprechung tendenziell unproblematisch. Konsequenter­ 1718  So stand etwa die deutsche Bundeswirtschaftsministerin Julia Klöckner im Jahr 2019 nach einem Video mit dem Nestlé-Chef in der Kritik, in dem sie die Lebensmittelstrategie des (bis dato nicht unumstrittenen) Unternehmens lobt; vgl. hierzu https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ wenn-politiker-werbung-machen-bananen-lego-und-heimische-cola-16224757.html (zuletzt aufge­ rufen am 01.06.2022); zur personne politique vgl. Kap.  3, D., II., 1., k). 1719  Vgl. BVerfGE 107, 275 (281) – „Schockwerbung II“ – Rn.  20. Rn.  24: „Sozialkritik und Werbezweck schließen einander nicht aus“. 1720  BGH, NJW 2018, S.  1821 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, GRUR 2018, S.  966 – „Tochter von Prinzessin Madeleine“; BGH, GRUR 2019, S.  868 – „Eine Mutter für das ­Waisenkind“.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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weise hätten diese Ausführungen aber auch schon gar nicht stattfinden müssen, da einer ködernden Veröffentlichung mit potentiell irreführendem Informationsgehalt bereits kein relevanter Informationswert im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG zukommt. Insoweit muss sich die Rechtsprechung ihrer eigenen Logik beugen, wonach Infor­ mationswert und berechtigtes Interesse getrennt werden könnten, wenn sie im Click­ bait-Fall die Bewerbung einer Seite als maßgebliches Argument nutzt.1721 (c) Kritik an einer Differenzierung anhand verschiedener Rezipientenmotivationen Nicht überzeugend erscheint es ferner, anhand verschiedener Motivationen der Allge­ meinheit – etwa dem Sammel- oder Affektionsinteresse bei Merchandising-Artikeln oder einem (wahren) Informationsinteresse – zu differenzieren. Denn es ist schon nicht klar, warum Sammel- und Affektionsinteressen an einem Bildnis weniger dazu geeignet sein sollen, ein (normatives) öffentliches Interesse zu begründen, als ein in­ formierendes Bild. Derartige Differenzierungen erscheinen allein unter dem Wert von Unterhaltung und Zerstreuung der Allgemeinheit und unter der – vom Bundesverfas­ sungsgericht hervorgehobenen – Bedeutung von Infotainment, fragwürdig. Ferner wird auch hiermit eine trennscharfe Differenzierung kaum möglich sein. (d) Die Stigmatisierungswirkung als entscheidendes Kriterium Überzeugender scheint es, werbende Bildnisveröffentlichungen anhand der Schwere der Verletzung der – mit den Vermögensinteressen verknüpften – ideellen Interessen zu bewerten. Maßgebliches Abwägungskriterium muss nach der hier vertretenen Auffassung also die bereits angesprochene Stigmatisierungswirkung1722 der Bildnis­ veröffentlichung sein. Zu fragen ist hiernach in Übereinstimmung zu den kommuni­ kationswissenschaftlichen Erkenntnissen zur Bildnisrezeption1723, was dem Abge­ bildeten durch die Bildnisveröffentlichung „in den Mund“ gelegt wird. Im Werbe­ kontext soll also in erster Linie danach gefragt werden, ob die Gesamtveröffentlichung den Abgebildeten als „käuflich“ brandmarkt.1724 Je deutlicher dies zutage tritt, umso mehr besteht im Abwägungsvorgang mit den öffentlichen Interessen eine gewichtige 1721  Vgl. BGH, NJW 2021, S.  1309, Rn.  54 ff. – „Clickbaiting“, wonach der BGH zunächst (wi­ dersprüchlich) feststellt, dass es sich um eine Bildnisveröffentlichung einer prominenten Person aus dem Bereich der Sozialsphäre handele, dann aber unmittelbar danach zum Ergebnis kommt, dass kein Informationswert vorliege. Auf die Irreführung bzgl. eines krankhaften Zustandes – einer Krebserkrankung, welche sicher nicht in die Sozialsphäre fällt und im Rahmen einer Gesamtveröf­ fentlichung auch berücksichtigt hätte werden müssen – kommt der BGH hingegen erst bei der Be­ messung einer fiktiven Lizenzgebühr (bei Rn.  67) ausdrücklich zu sprechen. 1722  Vgl. BVerfGE 102, 347 (368) – Rn.  71 – „Schockwerbung I“. 1723  Vgl. hierzu Kap.  1, A., II., 2. 1724  In diese Richtung ebenfalls BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“, wonach ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts des prominenten Originals mit der Werbung für eine Tribute-Show (über Tina Turner) dann verbunden sei, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt werde, „das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Position des Abgebildeten, die für die Unzulässigkeit der Bildnisveröffentlichung spricht. Zur Beantwortung der werblichen Stigmatisierungsfrage können dabei alle Umstände der Gesamtveröffentlichung herangezogen werden. Dies soll im Folgenden anhand eines kurzen Beispiels erläutert werden: Der Inhaber eines ortsansässigen Modehauses der Stadt T wirbt mit einem Bildnis des Lo­ kalpolitikers P, welches diesen bei dem Kreisparteitag am Rednerpult zeigt. Der Anzeige ist folgender Text beigeordnet: „Wollen Sie auch einen so schönen Anzug wie P? Kommen Sie zu uns!“ Für eine einwilligungsfreie Veröffentlichung im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG könnte hier sprechen, dass die Abbildung eines (lokalen) Politikers bei einem (politischen) Event in seiner (politischen) Funktion grundsätzlich für ein hohes (normatives) öffentliches Interesse zu­ kommt.1725 Anschließend ist zu prüfen, ob dieses öffentliche Interesse auch die Belange des Abgebildeten überwiegt. Hiergegen könnte wiederum die werbliche Vereinnahmung des P sprechen. Wenn die beschriebene Stigmatisierungswirkung als maßgebliches Abgrenzungs­ kriterium verstanden wird, wäre zunächst die Beschaffenheit des Bildnisses zu berücksichti­ gen. Wenn dieses aus sich heraus ergibt, P sei vom Modehändler engagiert worden, etwa weil er mit einer befürwortenden Geste auf seinen Anzug aufmerksam macht – indem er auf den Anzug zeigt und/oder den Daumen hochstreckt und/oder in die Kamera blickt – spricht dies für eine werbliche Vereinnahmung des P. Hierbei ist auch auf den beigeordneten Text zu ach­ ten. Suggeriert die Gesamtveröffentlichung durch diesen, dass P mit der Werbeanzeige einver­ standen war, indem der Text etwa mehr Details zum Kauf preisgibt („machen Sie es wie P und lassen Sie sich bei uns individuell beraten“), spricht dies ebenfalls für eine werbliche Verein­ nahmung. Ferner kann bei diesem Vorgehen auch der räumlich-örtliche Kontext eine Rolle spielen. So wird eine werbliche Vereinnahmung eher dann angenommen werden können, wenn ein lokales Modehaus mit einem Politiker aus demselben örtlichen Umfeld wirbt. Der Eindruck einer „Käuflichkeit“ des Abgebildeten wird sich hingegen kaum einstellen, wenn der örtliche Modehändler mit einem ortsfremden bekannten Politiker bei einem internationalen Klimagipfel geworben hätte. Insoweit kommt es nicht allein darauf an, „was“ gesagt wird1726, vielmehr muss auch berücksichtigt werden wer was in welchem Zusammenhang sagt. So kann auch der Wahrheitsgehalt der Werbeaussage nicht nur (isoliert) beim öffentlichen Interesse eine Rolle spielen, dieser kann sich vielmehr auf die Stigmatisierungswirkung und damit auf das Abgebildeteninteresse durchschlagen. Im oben genannten Beispiel kann etwa das öffent­ liche Interesse bereits deshalb entfallen, weil P den konkret beworbenen Anzug im Bild gar nicht anhat und insoweit eine Fehlinformation vorliegt. Trägt P hingegen den beworbenen Anzug, hat ihn aber nicht beim werbenden Modehändler erstanden (weil es sich etwa um ein international-beziehbares Markenmodel handelt), soll es nach der hier vertretenen Lösung für die Betroffenheit der Abgebildetenbelange allein darauf ankommen, inwieweit durch die (Ge­ samt-)Veröffentlichung der Eindruck entsteht, P sei werbend für den Händler tätig. Suggeriert 1725  Als (vom Volk gewählte) Interessenvertreter des Volkes haben Politiker großen Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung. Deshalb erscheint es für die Öffentlichkeit notwendig, sich ein Bild über ihren (potentiellen) Interessenvertreter zu machen. Hierzu gehört allen voran das Äußere Erscheinungsbild und Auftreten des Politikers, gerade im Zusammenhang mit der Wahrnehmung seiner öffentlichen Funktion. Zum hohen normativen Informationswert von Politikern bereits Kap.  3, D., II., 3., a).; die höchstrichterliche und verfassungsrichterliche Rechtsprechung würde in einem solchen Fall zudem die sog. „Leit- und Kontrastbildfunktion“ für die Begründung eines nor­ mativen öffentlichen Interesses heranziehen; vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 1., g), sowie Kap.  3, D., II., 1., l); vgl. ferner zur Person des öffentlichen Interesses Kap.  3., D., II., 1., k). 1726 Vgl. Thalmann, GRUR 2018, S.  481.

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die Anzeige zudem (wahrheitswidrig), P habe den Anzug auch beim werbenden Modehändler erstanden, ist (auch) das öffentliche Interesse tangiert.

Da nach dieser Lösung nach dem Grad der ideellen Interessenverletzung anhand der Inhalte, die durch den Abgebildeten kommuniziert wurden, differenziert wird, kann darüber hinaus der Inhalt der Werbung berücksichtigt werden, welcher über das wer­ bende Element hinausgeht. Wird dem Abgebildeten somit – neben seiner Käuflichkeit – „in den Mund gelegt“, er könne Gebisshaftcreme1727, sexuelle Stärkungsmittel1728 oder etwa Medikamente gegen ­Inkontinenz empfehlen, verletzt dies seine ideellen Interessen in höherem Maße.

Kann diese Stigmatisierungswirkung einer Käuflichkeit des Abgebildeten hingegen nicht nachgewiesen werden, wird das Abgebildeteninteresse regelmäßig hinter ein öffentliches Interesse zurücktreten. Die hier vorgeschlagene Lösung hat somit keine Probleme, wenn es um Werbungen für Medienprodukte, Kunst oder satirische Wer­ bung geht. Diese suggerieren im Regelfall eben keine Käuflichkeit des Abgebildeten. Die Rechtsprechung zur gedanklichen Verbindung ist somit wegen ihrer Intranspa­ renz abzulehnen. Schließlich erweist sich das vorgeschlagene Kriterium der Stigmatisierungswirkung (als „käuflich“) auch bei denjenigen Fällen als sachgerecht, bei welchen zwischen der „Werbung für ein isoliertes Produkt mit seiner Person“ und der „Werbung für ein Produkt als Teil dieses Produkts“ differenziert werden kann. Taucht etwa das Konterfei eines Fußballprofis auf der Verpackung eines Fußball-Compu­ terspiels auf, so suggeriert diese Abbildung auch, dass der Abgebildete für diese Bildnisveröf­ fentlichung vom entsprechenden Game-Publisher eine Vergütung erhalten hat und sein Bild­ nis für die Veröffentlichung insoweit gekauft wurde. Die konkrete Abbildung stigmatisiert ihn somit als „käuflich“. Dies gilt erst recht, wenn das Bildnis des Fußballprofis als Avatar des Computerspiels ge­ steuert werden kann. Fand eine Vergütung aber nicht statt, wird dem Abgebildeten wahrheits­ widrig eine (Persönlichkeits-)Eigenschaft – nämlich diejenige sein Bildnis für Geld zu ver­ markten und insoweit „käuflich“ zu sein – zugeschrieben. Damit sind seine berechtigten Inter­ essen betroffen. Veröffentlicht ein Game-Publisher hingegen ein Spiel, in welchem die äußeren Merkmale al­ ler Avatare nur an bekannte Spieler angelehnt werden, indem beispielsweise dieselben Frisuren oder bekannte Tor-Jubelposen real existierender Profis animiert werden, kann dies gegen eine käufliche Vereinnahmung sprechen, wenn etwa der Name und die Spielernummer auf dem Tri­ kot oder etwa der Verein frei erfunden wurden. Tritt hierdurch die Stigmatisierung als „käuf­ lich“ nicht ein, so sind keine berechtigten Interessen des Profis betroffen, vorausgesetzt dass in diesen Fällen überhaupt von einem Bildnis im Sinne des §  22 KUG ausgegangen werden kann.

Sofern man die isolierte Missgunst oder den Unmut des Abgebildeten, ein anderer mache Geld mit dem eigenen Abbild1729, überhaupt als ein (gespiegeltes) ideelles In­ 1727 

Vgl. BGHZ 30, 7 (12) – „Catarina Valente“. Vgl. BGHZ 35, 363 (365) – „Ginseng Wurzel“. 1729  Schlechtriem, in: FS Hefermehl 1976, S.  465, spricht hierbei von der „Beschwer, dass kein Entgelt gezahlt worden ist“. 1728 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

teresse interpretieren möchte1730, soll dieses nach der hier vertretenen Ansicht regel­ mäßig hinter die öffentlichen Interessen zurücktreten, sofern keine weiteren ideellen Interessen verletzt werden. Hierfür spricht der Gedanke der Gemeinfreiheit inner­ halb der Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild.1731 Steigert eine redaktio­ nelle Berichterstattung die Auflage einer Zeitung und verdient damit Geld mit dem Abbild einer Person, so rechtfertigt sich dieser Umstand nicht etwa erst anhand der verfassungsrechtlichen Privilegierung als Presse (oder etwa als Künstler). Vielmehr geht hiermit die Wertung einher, dass Abbildungen, welche einen meinungsbilden­ den Inhalt aufweisen und somit ein normatives öffentliches Interesse bedienen, nicht nur –auf Kosten des Abgebildeten – möglich, sondern ausdrücklich gewollt sind. Hierfür spricht schließlich der mutmaßliche Kern des heute immer noch vorherr­ schenden ethischen Unbehagens, welcher mit einer Kommerzialisierung von Persön­ lichkeitsmerkmalen einhergeht. Das Bildnis einer Person gilt als unmittelbare Re­ präsentation und damit als unverwechselbares Kennzeichen der Person und soll nicht wie ein Objekt behandelt werden.1732 Es drängt sich somit gerade beim Verkauf von Bildnissen der Gedanke auf, dass man nicht nur der unmittelbaren Repräsentation einer Person, sondern dieser selbst einen Geldwert beimisst und sie insoweit unzu­ lässigerweise verobjektiviert. Dass sich diese Vorstellung zumindest bis in die Neu­ zeit gehalten hat, belegen die Ausführungen zum reformatorischen Bildersturm im Rahmen des historischen Abrisses.1733 Es spricht also viel dafür, dass der Unmut vor Kommerzialisierung darin wurzelt, man messe mit den menschlichen Persönlich­ keitsmerkmalen etwas Unmessbarem einen Geldwert bei. Freilich besteht heute die­ se Dichotomie zwischen Würde und Preis bei kommerziellen Bildnisveröffentlichun­ gen offensichtlich nicht mehr. Es ist vor dem Hintergrund der sog. Objektformel demzufolge auch kein Zufall, dass das Bundesverfassungsgericht gerade die Men­ schenwürde als abwägungsfeste Grenze im Zusammenhang mit einer Kommerziali­ sierung von Persönlichkeitsmerkmalen nennt. Der Unmut über einen fremden Ver­ dienst allein erscheint insoweit über die allgemeine Regel des §  22 S.  1 KUG hinaus im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG nicht schützenswert. Erkennt man hingegen mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein – von den ideellen Interessen komplett – losgelöstes kommerzielles Persönlichkeitsrecht an, sollte nicht vergessen werden, dass dem zivilrechtlichen Recht am eigenen Bild der akzessorische Schutz des Strafrechts in §  33 KUG beigeordnet ist. Dies scheinen auch die Vertreter der sog. dualistischen Theorie zu verkennen, wenn diese sogar von einer translativen Übertragbarkeit solcher rein kommerziellen Persönlichkeitsrechte ausgehen. Hiergegen spricht, dass eine Trennung von ideellen und vermögenswerten Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schwer denkbar ist, zumal das personale Band hier noch viel stärker ausgeprägt ist, als etwa im Urheberrecht, da 1730 So

J. Wolf, S.  64 mit Verweis auf U. Müller, S.  63. So im Ergebnis auch Alexander, AfP 2008, S.  560; Thalmann, GRUR 2018, S.  481 f. 1732 Vgl. Ahn, S.  61; Biene, S.  16. 1733  Vgl. Kap.  1, B., IV., 1., wonach ein Bildnis als „Vermenschlichung“ verstanden wurde. 1731 

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das Abbild die Persönlichkeit unmittelbar repräsentiert.1734 Selbst dem Urheberrecht liegt aber in §  11 UrhG eine monistische Betrachtungsweise zugrunde.1735 Auch ist es das eine, unter dem Verweis auf die nunmehr moderne multimediale Massenkultur zu der Vermarktung von Persönlichkeitsmerkmalen eine Vermögens­ abschöpfung durch die Anerkennung eines vermögensrechtlichen Zuweisungsge­ halts im Rahmen des Zivilrechts zu begründen. Es ist indes ein anderes, §  33 KUG damit durch die Hintertür der Zivilrechtsakzessorietät zum reinen Vermögensdelikt umzuinterpretieren. Versteht man strafrechtlich geschütztes Vermögen als die Sum­ me derjenigen übertragbaren Rechte, welche dem Inhaber die Chance freier Entfal­ tung vermitteln und diesem nicht schon kraft seines Personseins zukommen1736, wird deutlich, dass das (strafrechtliche) Recht am eigenen Bild allenfalls reflexartig über ideelle Interessen hinaus das Vermögen schützen kann. Denn das eigene Ausse­ hen ist nach den vorangestellten Strukturprinzipien1737 unmittelbarer Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, mithin kommt das Recht am eigenen Bild dem Individuum kraft seines Personseins zu. Ebenfalls sollen nach ganz überwiegender Meinung nach dem Tode des Abgebildeten die Erben über kommerzielle Interessen entschei­ den.1738 Der Wortlaut der §§  33 I, 22 I S.  3 KUG nennt aber ausdrücklich die Einwil­ ligung der Angehörigen als Tatbestandsmerkmal. Dies spricht auch dafür, dass sich das Bildnisrecht maßgeblich an den ideellen Interessen des Abgebildeten ausrichtet und kommerzielle Interessen allenfalls mittelbar eine Rolle spielen können.1739 Nach dem Gesagten muss also für eine strafwürdige Verletzung des Rechts am eigenen Bild zwangsläufig ein „ideeller Kopf“, der möglicherweise ein Band zwi­ schen (reflexartig) gekoppelten Vermögensinteressen spannt, verletzt sein. Berück­ sichtigenswert erscheint dieser dann, sofern der Abgebildete als käuflich stigmati­ siert wird. Sollte die Rechtsprechung in Zukunft also den Schritt zur translativen Übertragung vermögenswerter Persönlichkeitsrechte gehen, ist nach der hier vertre­ tenen Auffassung die Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts zum Schutz des Rechts am eigenen Bild unter der geltenden Rechtslage zu überdenken. 1734 

Vgl. hierzu Kap.  1, C., I.; vgl. ferner Götting, S.  138; Klüber, S.  73. Vgl. hierzu BT-Drs. IV/270, S.  43: „Beide Seiten des Urheberrechts – das Persönlichkeits­ recht und das Vermögensrecht (Verwertungsrechte) bilden eine untrennbare Einheit und sind viel­ fältig miteinander verflochten“; ferner S.  44 zum Urheberpersönlichkeitsrecht: „Es ist im Verhält­ nis zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht in ähnlicher Weise als ein ‚besonderes‘ Persönlichkeits­ recht anzusehen wie […] das Recht am eigenen Bild nach §  22 KUG“. In diesem Zusammenhang widerspricht es sich zudem nicht, wie hier vertreten, die vermögenswerten Interessen partiell in Art.  14 GG zu verankern und gleichwohl eine dualistische Betrachtung abzulehnen; vgl. hierzu Ahn, S.  99 ff.; Helle, AfP 2010, S.  535. 1736  Kindhäuser, S.  17. 1737  Vgl. Kap.  1, A., II., 1., b). 1738  Helle, JZ 2007, S.  4 44, 552 m. w. N. 1739  Vgl. ferner zum Strafantragserfordernis des §  33 II KUG B. Knudsen, S.  152 und J. Wolf, S.  76 f., wonach ideelle Interessen von den Angehörigen wahrgenommen werden sollen. Insoweit hat J. Wolf keine Not, indem er auf S.  64 schlichtweg jede Kommerzialisierung gegen den Willen als ideelles Interesse ansieht, gleichwohl hilft dies nicht über das Tatbestandsmerkmal der Einwilli­ gung der Angehörigen hinweg; vgl. hierzu ebenfalls Claus, S.  193. 1735 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

dd) Der Geheimhaltungswille des Abgebildeten Maßgebliches Gewicht für die Bestimmung des Informationswerts einer Bildnisveröf­ fentlichung haben nach dem bisher Gesagten solche Umstände, die sich in irgendeiner Form für Dritte erkennbar nach außen gekehrt haben. Unberücksichtigt blieben somit bislang solche Gesichtspunkte, die sich im Innern der Person befinden und für Dritte nicht beobachtbar sind. Trotz der Schwierigkeit der Berücksichtigung interner und so­ mit nicht beobachtbarer Umstände hat das Bundesverfassungsgericht bereits früh sol­ che Umstände in seine Erwägungen zur Bestimmung der Betroffenheit in Form des Geheimhaltungswillens des Abgebildeten miteinbezogen. Indem dieses Abgrenzungs­ kriterium unmittelbar an der Individualität der Persönlichkeit ansetzt, wird der beson­ deren Komplexität des Entfaltungsschutzes besondere Rechnung getragen. Deshalb gab es bereits früh in der Literatur Erwägungen zur Heranziehung des Geheimhal­ tungswillens1740, welche das Bundesverfassungsgericht erstmals in der „Soraya“-Ent­ scheidung aufgegriffen hat.1741 Tatsächlich entpuppt sich mit dem individuellen, streng-subjektiven Einschlag des Geheimhaltungswillens aber auch die Crux dieses Abgrenzungskriteriums.1742 So wird der Geheimhaltungswille hinsichtlich einer Bild­ nisveröffentlichung zwangsläufig immer schon dann vorliegen, sofern eine Beeinträch­ tigung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht beklagt wird.1743 Besonders deutlich wird dies aus der Perspektive des Rechts am eigenen Bild, denn bei vorliegendem Ge­ heimhaltungsinteresse wird zumindest immer irgendein Interesse im Sinne des §  23 II KUG vorliegen. Ob dieses Interesse allerdings auch berechtigt erscheint, kann allein durch das Vorliegen irgendeines Geheimhaltungsinteresses nicht beantwortet wer­ den.1744 Vielmehr muss die Berechtigung erst anhand einer Abwägung zwischen ­Belangen der Öffentlichkeit und des Individuums erfolgen. Diese Erwägung hat das Bundesverfassungsgericht zwar bis heute nicht daran gehindert, den Geheimhaltungs­ willen grundsätzlich als Abgrenzungskriterium heranzuziehen.1745 Gleichwohl be­ 1740  Hubmann, S.  270, mit dem Verweis auf H. Ahrens (1.  Auflage 1846), S.  230, der bereits ähn­ liche Erwägungen im 19.  Jahrhundert angestellt hatte. 1741  BVerfGE 34, 269 (281) – „Soraya“ spricht von einer privaten Sphäre des Menschen, „in dem er allein zu bleiben, seine Entscheidungen in eigener Verantwortung zu treffen und von Eingriffen jeder Art nicht behelligt zu werden wünscht“ (Hervorhebbungen durch den Verfasser). 1742 Vgl. K. Amelung, NJW 1990, S.  1755; ferner Luch S.  54; vgl. hierzu bereits H. Ahrens (6.  Auf­ lage 1870), S.  238: „Der Wille ist an sich inhaltsleer, und die praktischen Wissenschaften, die sich unmittelbar auf den Willen beziehen, wie die Moral und das Recht, sind daher vorzugsweise formel­ ler Art, haben zwar Vorschriften für die Willensrichtung zu geben, müssen aber ihren Gehalt aus der Erkentniss der sachlichen Lebensverhältnisse schöpfen“. 1743  Mallmann, S.  26, benennt unter dem Stichwort „Relativität der Privatsphäre“ das Problem, dass individuelle Wünsche nach Privatheit sehr stark variieren. 1744  Hieran kann auch der Zusatz der „Geheimheit“ nichts ändern, vgl. hierzu die Ausführungen Kap.  2, B., II., 3., a), bb). 1745  Nach der „Soraya“-Entscheidung und dem nächsten Rekurs auf den Geheimhaltungswillen in BVerfGE 80, 367 (274) – „Tagebuch“, liegen gleichwohl 16 Jahre. Hubert, S.  67 spricht dement­ sprechend von einer Wiederentdeckung des Geheimhaltungswillens; vgl. auch jüngst BVerfG, Be­ schluss vom 18.04.2018 – 2BvR 883/17 = BeckRS 2018, 9553, Rn.  27.

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trach­tete es den Geheimhaltungswillen nie isoliert1746, sondern ordnete diesem stets weitere Abgrenzungskriterien bei, sodass man insgesamt in Bezug auf den isolierten Geheimhaltungswillen mehr von einer idealistischen Direktive ausgehen könnte. n) Einfluss des Herstellungskontexts auf den Informationswert Eine besondere Rolle für die Gewichtung der Belange des Abgebildeten und der Öf­ fentlichkeit spielen oftmals die Umstände der Beschaffung des Bildnisses, welches (anschließend) veröffentlicht wird.1747 Sowohl die Entscheidungen, welche zur Etab­ lierung des Rechts am eigenen Bild im Jahr 1907 geführt haben1748, als auch die nachfolgenden frühen höchstrichterlichen Erwägungen zur Verortung und Anwen­ dung des Rechts am eigenen Bild unter dem Grundgesetz1749 belegen, dass insbeson­ dere die Heimlichkeit der Bildnisherstellung ein starkes Indiz für ein Überwiegen der Abgebildetenbelange darstellt. Während das Bundesverfassungsgericht in seiner „Caroline II“-Entscheidung im Jahr 1999 noch gewisse Zweifel daran geäußert hat, ob „allein durch heimliche oder überrumpelnde Aufnahmen die außerhäusliche Pri­ vatsphäre verletzt werden“ könne1750, hat es diese Ansicht infolge der europäischen Judikatur aus dem Jahr 20041751 relativiert.1752 Dementsprechend geht heute die ganz überwiegende Ansicht davon aus, dass Umstände rund um die Bildbeschaffung wie etwa die Heimlichkeit einer sog. Bildniserschleichung, die Beharrlichkeit oder das Belästigungsmoment der Nachstellung sowie das Täuschungs- oder Überrumpe­ lungsmoment, welches zum Bildnis geführt hat, in die Abwägung zwischen den In­ teressen der Öffentlichkeit und des Abgebildeten einbezogen werden müssen.1753 1746  BVerfG, Beschluss vom 18.04.2018 – 2  BvR 883/17 = BeckRS 2018, 9554, Rn.  27; BVerfGE 80, 367 (274) – „Tagebuch“; vgl. auch K. Amelung, NJW 1990, S.  1755; Hubert, S.  67; Luch, S.  54. 1747  HK/Dreyer, §  23 KUG, Rn.  67; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  22 KUG, Rn.  15; Wenzel/von Strobl-Albeg/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  113, 122 ff. 1748  Vgl. hierzu den historischen Abriss, insbesondere Kap.  1, B., IV., 6., a), zur heimlichen Fo­ tofrafie einer Dame im Badekostüm; b), zum Erschleichen von Totenbildnissen von Bismarck; d), zur heimlichen Fotografie mittels eines Taschenfotographen durch einen Privatdetektiv. 1749  EGMR, NJW 2004, S.  2650 – „von Hannover/Deutschland Nr.  1“; hierzu bereits Kap.  2, A., II., 1., und 2.; vgl. ferner Lehr, S.  117 f. 1750  BVerfGE 101, 361 (394 f.) – „Caroline von Monaco II“. Dies begründete das Gericht mitunter damit, dass einem Bild nicht oft angesehen werden könne, ob es heimlich oder überrumpelnd auf­ genommen worden ist. 1751  Hierzu bereits Kap 3., B.), B., III., 1., c., aa., (1), (h). 1752  BVerfGE 120, 180 (198, 207) – „Caroline von Monaco III“; BVerfG, NJW 2017, S.  1377 – „Kachelmann“; vgl. auch BVerfGE 152, 216 (269) – „Recht auf Vergessen II“. 1753  BGH, NJW 2013, S.  796 – „Playboy am Sonntag“, zur heimlichen Abbildung von Gunther Sachs auf seiner Jacht in St.-Tropez beim Lesen der BILD am Sonntag; BGH, GRUR 2018, S.  966  – „Tochter von Prinzessin Madeleine“, zur heimlichen Aufnahme einer Eltern-Kind Situation; BGH, NJW 2020, S.  3717 f. – „Ehescheidung“, zur Aufnahme von Anke Engelke mit „Mütze, Schal und Mantel […] mit abgewandtem Gesicht im hinteren Halbprofil neben ihrem damaligen Ehemann, der im Profil zu sehen ist“ im Zusammenhang mit deren Scheidungstermin beim Amtsgericht; vgl. auch BGH, NJW 2018, S.  1823 – „Christian Wulff im Supermarkt“, wonach das Abgebildeteninteresse des ehemaligen Bundespräsidenten und seiner Frau nicht erhöht wurde, weil ein Paparazzo weder heim­ lich noch belästigend fotografiert hatte; OLG Köln, ZUM 2012, S.  705, zur Veröffentlichung eines

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Hiergegen wird angebracht, dass jedenfalls solche Fotos kein (unmittelbar psychisch spürbares) schädigendes (Belästigungs- oder Überrumpelungs-)Moment haben, wenn sie aus großer Distanz aufgenommen würden.1754 Gleichwohl wird man aber annehmen können, dass gewichtige Positionen zugunsten des Ab­ gebildeteninteresses bei Abwägung mit dem öffentlichen Interesse bestehen, wenn der Abge­ bildete nicht mit einer Herstellung rechnen musste. Dies wird man insbesondere dann anneh­ men können, wenn sich eine solche Erwartungshaltung nach außen erkennbar manifestiert, indem er sich beispielsweise räumlich abschottet oder sich in einer durch Privatheit geprägten Situation befindet. Die Miteinbeziehung der Umstände der Bildnisherstellung überzeugen mit Blick auf die Verortung des Rechts am eigenen Bild als besondere Ausprägung des allgemeinen Persönlich­ keitsrechts, insbesondere hinsichtlich dessen der Gewährleistungsdimension der Persönlich­ keitsentwicklung1755: Selbst wenn eine Person eine Veröffentlichung ihres Bildnisses nachträglich gutheißt, weil sie dieses etwa als sehr gelungen empfindet, so wird sie sich spätestens ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der heimlichen Herstellung ihres Bildnisses nicht mehr unbefangen (zumin­ dest an dem Ablichtungsort) bewegen können.1756 Denn aufgrund des Wissens einer einmal erfolgten heimlichen Bildnisherstellung, wird die abgebildete Person einem gewissen (Verhal­ tens-)Druck ausgesetzt, wonach weitere Aufnahmen ohne ihr Wissen unter vergleichbaren Umständen hergestellt werden könnten oder bereits existieren. Dieser Druck, heimlich abge­ bildet zu werden, ohne dass dabei die Möglichkeit der Einflussnahme auf die konkreten Ab­ bildungen besteht, oder die Ungewissheit über das Vorhandensein weiterer Bilder (die ihr möglicherweise nicht mehr so gut gefallen), wird die abgebildete Person in der weiteren freien Entfaltung ihrer Person beeinträchtigen. Kraft der Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild soll ein solcher Verhaltensdruck aber gerade vermieden werden, da grundsätzlich nicht damit gerechnet werden muss, immer und überall abgebildet zu werden. Selbiges gilt für die anderen infrage stehenden Modalitäten der Bildnisherstellung. Die Mit­ einbeziehung der Herstellungsumstände in die Abwägung erscheint somit auch nach der hier vertretenen Ansicht geboten.

III. Verhältnis der anderen Nummern des §  23 KUG zu §  23 I Nr.  1 KUG Die Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts bringt nach dem bereits Gesagten mit sich, dass es maßgeblich für die Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung auf Fotos, die einen bekannten Fernsehmoderator in der Untersuchungshaft während des Hofgangs zei­ gen und von einem in der Nähe befindlichen Hochhaus mittels eines Teleobjektivs hergestellt wur­ den; OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  374, zu einem heimlich aufgenommenen Foto eines Fußball­ nationalspielers mit einer unbekannten Frau im Urlaub; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  314 ff., zur heimlichen, mittels Teleobjektivs erfolgten, Abbildung eines Prominenten am Strand bei „banalen Tätigkeiten“ oder wie beim Essen oder beim Eincremen mit Sonnencreme, wobei das Gericht hier von einem „Schlüsselloch-Effekt“ spricht; A. Bruns, JZ 2005, S.  435; Engels/Jürgens, NJW 2007, S.  2521 f.; Ernst, AfP 2015, S.  401; Forkel, ZUM 2005, S.  192 ff.; Heldrich, NJW 2004, S.  2634; Herrmann, ZUM 2004, S.  665; Langenfeld, in: FS Götz, S.  269, 269; Soehring/Seelmann-­Eggebert, NJW 2005, S.  571; Stürner, JZ 2004, S.  1019; ders., AfP 2005, S.  215; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  65a. 1754  Grabenwarter; in: FS Ress 2005, S.  989; ders., AfP 2004, S.  113. 1755  Vgl. hierzu Kap.  2, B., II., 2. 1756  Insoweit grundsätzlich auch für eine Miteinbeziehung Grabenwarter, AfP 2004, S.  113.

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eine Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen und den Interessen des Abge­ bildeten ankommt. Wenn §  23 I Nr.  1 KUG das Ergebnis dieser Abwägung – in Form der Zeitgeschichtlichkeit einer Veröffentlichung – verkörpert, so kommt es zwangs­ läufig zwischen den verschiedenen Ausnahmen des §  23 KUG zu Überschneidun­ gen, wenn diese sich an öffentlichen Interessen orientieren. Dies wurde bereits im Rahmen der Erörterung des Informationswerts von gesellschaftlichen Ereignissen mit der Schnittmenge von §  23 I Nr.  3 KUG oder des Informationswerts von Kunst mit der Schnittmenge von §  23 I Nr.  4 KUG deutlich. Folglich ist beim Vorliegen von §  23 I Nr.  3, 4 KUG auch von einem erhöhten Informationswert im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG auszugehen, da sich diese Nummern ebenfalls am öffentlichen Interesse orientieren. Das abgestufte Schutzkonzept führt also auch zu einer gewissen dogma­ tischen Verwischung der geltenden Gesetzeslage. Allzu verständlich erscheint des­ halb die Forderung, dass auch die Abwägung der widerstreitenden Interessen wie bei §  23 I Nr.  1 KUG nun auch schon auf der ersten Ebene der §  23 I Nr.  3, 4 KUG soll (und insoweit §  23 II KUG hineingelesen werden muss). Nur verliert etwa durch ein vorliegendes berechtigtes Interesse der abgebildeten Person im Sinne des §  23 II KUG keine Versammlung ihre Eigenschaft als solche und wird Kunst deshalb nicht per se zur NichtKunst. Diese Problematik wird man gleichwohl immer aushebeln können, indem man fortan Bilder von Versammlungen oder künstlerische Bildnisse jedenfalls als Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte begreift.1757 Ob dies vom Gesetzgeber gewollt war, sei dahingestellt. Gleichwohl müssen unter der Anwen­ dung eines abgestuften Schutzkonzepts diese Wertungen zu den Informationswerten der (vom Gesetzgeber) genannten Szenarien Berücksichtigung finden. Insoweit kann grundsätzlich auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen werden. Im Folgen­ den wird deshalb nur den umstrittenen Punkten Aufmerksamkeit hinsichtlich der übrigen Ausnahmen gewidmet. 1. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen gem. §  23 I Nr.  3 KUG §  23 I Nr.  3 KUG spielt für die Veröffentlichung von Bildnissen, die im Rahmen von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen und somit tendenziell im Zu­ sammenhang mit größeren Menschenansammlungen entstanden sind, eine maßgeb­ liche Rolle. Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass der Abgebilde­ te als Teilnehmer einer entsprechenden Veranstaltung zuzuordnen sein muss, was 1757  Für Versammlungen etwa VG Aachen, ZUM-RD 2021, S.  396; vgl. für Kunst etwa BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“, worin der BGH in Rn.  49 zur gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen auf ergangene Rechtsprechung zu §  23 I Nr.  1 KUG verweist und auch in Rn.  58 darauf hinweist, dass neben §  23 I Nr.  4 grundsätzlich auch auf §  23 I Nr.  1 KUG abgestellt werden könne. Den hier (in Kap.  3, D., II., 3., g), cc)) vorgeschlagenen Weg geht der BGH gleichwohl nicht und differenziert auch weiterhin zwischen den verschiedenen Erlaubnissätzen von §  23 I Nr.  1 und §  23 I Nr.  4 KUG; vgl. hierzu auch B. Heinrich, GRUR-Prax 2022, S.  288; vgl. ferner BGHZ 143, 214 (229 f.) – „Marlene Dietrich I“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

das Vorhandensein eines kollektiven Willens zur gemeinsamen Teilnahme und da­ mit auch den Willen zum gemeinsamen Wahrgenommenwerden voraussetzt.1758 Die Begriffe der Versammlung, der Aufzüge und ähnlichen Vorgängen sind dabei grundsätz­ lich weit zu verstehen1759, sodass ein hinreichend bestimmbarer1760 kollektiver Wille der Teil­ nehmer für die Privilegierung genügt. Abbildungsfrei sind danach beispielsweise Demonstra­ tionen, Karnevalsumzüge, Sportversammlungen, Kongresse oder größere Tagungen.1761 Da das Gesetz nicht die Öffentlichkeit der Versammlung fordert, können auch private Versamm­ lungen hierunter fallen1762, wenngleich hier ein strengerer Maßstab aufgrund der themati­ schen Privatheit anzulegen sein wird. Bei privaten Feiern wie Hochzeiten oder auch Beerdi­ gungen wird man also differenzieren müssen, ob diese nur engeren Familien- und Freundes­ kreis oder in der Öffentlichkeit stattfinden.1763 Aufgrund der gesteigerten Privatheit des Betrauerns eines Verstorbenen wird man aber regelmäßig bei Trauerzügen und Beerdigungen einen strengeren Maßstab hinsichtlich des individuellen Abbildens einzelner Trauergäste an­ legen, obwohl diese allein auch das Gesamtgeschehen – dem die thematische Trauer um den Verstorbenen zugrunde liegt – repräsentieren.1764

Insbesondere die Pandemiejahre 2020 und 2021 und die hierin stattgefundenen De­ monstrationen von verschiedenen Personengruppen gegen staatliche Schutzmaßnah­ men dürften der Ausnahmevorschrift des §  23 I Nr.  3 KUG vermehrte Aufmerksam­ keit beschert haben. Denn es standen nicht nur (professionelle) Reportagen über Corona-Demonstrationen im Fokus der Medien, vielmehr finden sich auch vermehrt Bildnisse von Polizeibeamten bei solchen Veranstaltungen im Internet wieder, wo­ durch sich verschiedene Fragen ergeben. a) Bilder von Demonstrationen und Bildnisse von Demonstranten Entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift muss der primäre Abbildungsgegenstand im Sinne des 23 I Nr.  3 KUG die Versammlung und damit das repräsentative Ver­ sammlungsgeschehen als solches sein, da auch hieran das öffentliche Interesse be­ steht. Um in die Privilegierung des §  23 I Nr.  3 KUG zu kommen, muss die Ver­ sammlung also als Vorgang gezeigt werden, weshalb im Umkehrschluss die Abbil­ dung nur einzelner Individuen – das sog. Herausschießen1765 – oder die sonstige Hervorhebung einzelner – etwa durch (Sprach-)Text – nicht hierunter fällt.1766 Eine 1758  Vgl. OLG München, NJW 1988, S.  916; OLG München, AfP 2011, S.  276; Leitner/Rosenau/ Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  25; Reuschel, NJW 2021, S.  19. 1759  Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  39; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  39; 1760  Dieser fehlt etwa beim gemeinsamen U-Bahnfahren oder beim Sonnenbaden im Park; vgl. OLG München NJW 1988, S.  916. 1761  Vgl. Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  39; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  75. 1762  So auch HK/Dreyer, §  23 KUG, Rn.  52; Schricker/Loeweneim/Götting, §  23 KUG, Rn.  84. 1763  Wandkte/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  39; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  75. 1764  Wandkte/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  39; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  99; Prinz/Peters, Rn.  872; Soehring/Hoene, §  21, Rn.  13b. 1765  Vgl. zum Herausschießen bei großen Massenevents bereits Kap.  3, C., III., 1., b); danach liegt nach der hier vertretenen Auffassung in der Regel eine (konkludente) Einwilligung der abge­ bildeten Personen vor; vgl. auch in diesem Sinne Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  75. 1766  Vgl. OLG München, NJW 1988, S.  916; OLG Frankfurt a. M., MMR 2004, S.  685; LG Köln,

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Ausnahme soll allerdings dann gelten, wenn einzelne Individuen gerade repräsenta­ tiv für die gesamte Veranstaltung sind.1767 Dies überzeugt vor dem Gesichtspunkt, dass es bei der Abbildung von Menschenansammlungen geradezu unvermeidbar er­ scheint, dass bestimmte Personen den Gesamteindruck stärker prägen als andere.1768 Gestützt wird dies durch die vorangestellten Erkenntnisse zur unterschiedlichen In­ terpretationsleistung bildhafter Kommunikation1769, sodass hier ein allgemeiner Maßstab, wann man noch als Teil der Masse gilt – auch im Hinblick auf die Presse­ freiheit – kaum zweckmäßig erscheint. Dies gilt etwa für Versammlungsteilnehmer, die Reden halten oder durch ihre Plakate beson­ ders auffallen. Entsprechendes wird man sogar dann annehmen können, wenn sich ein Ver­ sammlungsteilnehmer aus der Versammlung hervortut, indem er sich aggressiv gegenüber dem Kamerateam verhält und so auch die Gewaltbereitschaft und aufgehitzte Stimmung in­ nerhalb der Teilnehmenden repräsentiert. Fehlt hingegen ein aggressives Gepräge der Versammlung und tut sich ein Versamm­ lungsteilnehmer durch sein Verhalten hervor, so wird man zum einen unter den Gesichtspunk­ ten der Selbstöffnung zur Zulässigkeit einer einwilligungsfreien Veröffentlichung gelangen können.1770 Ferner besteht die Möglichkeit einer einwilligungsfreien Veröffentlichung nach §  23 I Nr.  1 KUG, wenn sich der Teilnehmer derart sozialschädlich verhält, dass allein dadurch ein öffentliches Interesse ausgelöst wird. Hier wird man allerdings genau anhand des Verhaltens des Abgebildeten und der konkreten veröffentlichten Aufnahmen differenzieren müssen: Aufnahmen, bei der sich der Abgebildete noch in der Versammlungsmasse befindet oder sie repräsentiert, dürfen einwilligungsfrei ver­ öffentlicht werden. Tritt der Versammlungsteilnehmer hingegen besonnen an die Kamera he­ ran und erklärt, er habe den Eindruck, er wurde ohne seine Einwilligung unzulässigerweise (heraus-)gefilmt und sei besorgt um eine individualisierte Veröffentlichung, so fällt jedenfalls dieser Abschnitt – sofern die Kamera mitgelaufen ist – nicht unter eine Privilegierung. In jedem Fall müssen zudem die konkreten Umstände der infrage stehenden Veröffentli­ chung berücksichtigt werden. Fällt ein Darstellungsszenario etwa unter §  23 I Nr.  3 KUG, so bedeutet dies nicht den Freifahrtsschein, die Abbildungen der Versammlungsteilnehmer in anprangernder oder sonst bloßstellender Weise durch etwa die Kombination mit (Sprach-)Text zu veröffentlichen.1771 NJW-RR 1995, S.  1176; Möhring/Nicolini/Engels, §  23 KUG, Rn.  16; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  16; Korte, §  2, Rn.  54; Reuschel, NJW 2021, S.  19; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  39 f. 1767  OLG Hamburg, NJW-RR 1990, S.  1000; LG Stuttgart, AfP 1989, S.  766; Damm/Rehbock, Rn.  251; Möhring/Nicolini/Engels, §  23 KUG, Rn.  16; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  16, nennt als Beispiele Steinewerfer bei einer Demo, oder einen jubelnden Fan im Stadion; Wandtke/ Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  39; HmbKommMedienR/Kröner, 32. Abschn., Rn.  67; Soehring/ Hoene, §  21, Rn.  13c; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  42, nennt als Beispiele Tätlichkeiten, das Zertrümmern einer Scheibe, das Einholen einer Fahne oder das Aufspannen eines Spruchban­ des; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  78; Wanckel, Rn.  207; a. A. wohl Schricker/Loewen­ heim/Götting, §  22 KUG, Rn.  86; Prinz/Peters, Rn.  872; Soehring/Hoene, §  21, Rn.  13a. 1768  Ähnlich Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  39; Wanckel, Rn.  207. 1769  Vgl. hierzu Kap.  1, A., II., 1., sowie 2. 1770  Zur Selbstöffnung im Einzelnen Kap.  3, D., IV. 1771  Vgl. hierzu die Ausführungen zum Zusammenhang von Wort- und Bildberichterstattung bei Kap.  3, D., II., 3., m), aa).

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

b) Bildnisse von Polizeibeamten Uneinigkeit besteht, wenn es um die Frage geht, inwieweit Bildnisse von Polizeibe­ amten im Zusammenhang mit öffentlichen Ereignissen und Versammlungen herge­ stellt und veröffentlicht werden dürfen. Die überwiegende Meinung geht davon aus, dass Polizeibeamte die Herstellung und Abbildung durch Versammlungsteilnehmer dann hinnehmen müssen, wenn es bei der Abbildung um die Darstellung des gesam­ ten (Versammlungs- oder Ereignis-)Geschehens als solches geht. In diesem Kontext seien die Polizeibeamten – ebenfalls wie die zivilen Teilnehmer – auch Teil des Ge­ samtgeschehens, über das informiert werden soll und nicht bloß zufällig oder in Aus­ führung ihrer dienstlichen Aufgaben in sonstiger Weise anwesend.1772 Diese Ansicht überzeugt, da insoweit keine Differenzierung zu sonstigen (zivilen) Teilnehmern der Versammlung notwendig erscheint, zumal ein begleitender Polizeieinsatz das Ge­ schehen als solches mitprägt, auf welches sich eben das öffentliche Interesse im Sin­ ne des §  23 I Nr.  3 KUG bezieht.1773 Schwenkt ein Demonstrationsteilnehmer im Zuge seines Livestreams bei einer Versammlung über die Menge und erfasst dabei auch mehrere Polizisten, welche die Versammlung begleiten und auf den Aufnahmen erkennbar sind, so greift nach der hier vertretenen Auffassung die Privilegierung nach §  23 I Nr.  3 KUG.1774

Ein gezieltes Herausschießen von Polizeibeamten führt allerdings nie zu einem re­ präsentativen Bild des Geschehens. Insoweit besteht im Gegensatz zur Abbildung von sonstigen (zivilen) Teilnehmern ein Unterschied: Aufgrund des Gebots der staat­ lichen Neutralität können einzelne Polizeibeamte nicht das Geschehen als solches repräsentieren, da bei ihnen der Wille zur Teilnahme und die Identifikation mit der Veranstaltung nicht in einem solchen Ausmaß wie bei den zivilen Teilnehmern be­ steht.1775 Mit anderen Worten nehmen diese in aller Regel nicht freiwillig an der Versammlung teil. Das einwilligungsfreie Veröffentlichen von Bildnissen von ein­ zelnen Polizeibeamten kann dann allenfalls über §  23 I Nr.  1 KUG erfolgen, sofern ein das Abgebildeteninteresse überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Ab­ bildung des Polizeibeamten besteht.1776 1772  Nicolini/Möhring/Engels, §  23 KUG, Rn.  17; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  17; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  40; Reuschel, NJW 2021, S.  19; BeckOGK BGB/ Specht-Riemenschneider, §  823 BGB, Rn.  1301; Wenzel/von Strobl-Albeg, Kap.  8, Rn.  79; Wanckel, Rn.  211; a. A. Rebmann, AfP 1982, S.  193, der sich darauf beruft, dass Polizisten keine (Versamm­ lungs-)Teilnehmer seien. 1773  Soehring/Hoene, §  21, Rn.  13a. 1774  Das VG Aachen, ZUM-RD 2021, S.  396, differenziert im Falle einer Demonstration gar nicht und lässt offen, ob es sich um einen Fall des §  23 I Nr.  1 KUG oder §  23 I Nr.  3 KUG handelt. Auch hier zeigt sich das Verschwimmen der Erlaubnissätze des §  23 I KUG unter Anwendung des abgestuften Schutzkonzepts. 1775  So auch Reuschel, NJW 2021, S.  19; vgl. ferner HK/Dreyer, §  23 KUG, Rn.  53; Gu. Kirchhoff, NVwZ 2021, S.  1179 f.; i. E. auch bereits R. Krüger, NJW 1982, S.  89 f. 1776  VG Aachen, ZUM-RD 2021, S.  396; OLG Köln, MMR 2022, S.  137; Wantke/Bullinger/­

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Dies wird man zunächst dann annehmen können, wenn – entsprechend den Ausführungen zum Informationswert von Straftaten1777 und sozialschädlichem Verhalten1778 – ­rechtswidrige Handlungen von einem Polizeibeamten ausgehen.1779 Bei außergewöhnlichen1780 Polizeieinsätzen wird man hingegen differenzieren müssen: Läuft etwa ein Polizeieinsatz aus dem Ruder, wird die Versammlung aufgelöst und findet etwa der Einsatz von polizeilichem Zwang statt, so besteht am (Auflösungs-)Geschehen grundsätzlich auch ein legitimes öffentliches Interesse im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG. Dann muss allerdings beachtet werden, dass regelmäßig ein berechtigtes Interesse aller Beteiligten im Sinne des §  23 II KUG besteht, nicht individualisiert in einem krankhaften Zustand – nach­ dem Sie etwa von Steinen, Schlagstöcken, Tränengas oder einem Wasserwerfer getroffen wur­ den – abgebildet zu werden. Handelt es sich hingegen um einen solch außergewöhnlichen Po­ lizeieinsatz, in welchen (Spezial-)Polizeieinheiten beteiligt sind, welche kraft ihres speziellen Aufgabengebietes ein besonderes Interesse haben, dass ihre Identität nicht preisgegeben wird, so überwiegt regelmäßig das Abgebildeteninteresse und auch eine Privilegierung nach §  23 I Nr.  1 KUG muss ausscheiden.1781

2. Bilder, auf denen Personen als Beiwerk erscheinen gem. §  23 I Nr.  2 KUG Die wesentlichen Grundsätze des §  23 I Nr.  2 KUG wurden bereits erörtert1782, so­ dass an dieser Stelle an die bereits erfolgten Ausführungen angeknüpft werden kann. Für die Privilegierung entscheidend ist hiernach die „Unterordnung der Personenab­ bildung unter die Gesamtdarstellung in einem solchen Ausmaß, dass die Personenab­ bildung auch entfallen könnte, ohne den Gegenstand und den Charakter des konkre­ ten Bildes zu verändern“1783. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist also die perspek­ tivische Unterordnung des menschlichen Erscheinungsbilds im Verhältnis zu der Gesamtdarstellung des veröffentlichten Bildes. Fricke, §  23 KUG, Rn.  40; Rebmann, AfP 1982, S.  193; Soehring/Hoene, §  21, Rn.  13b f.; vgl. zur Einschätzung der Rechtslage vor dem abgestuften Schutzkonzept D. Franke, NJW 1981, S.  2035 f. 1777  Kap.  3, D., II., 3., d). 1778  Kap.  3, D., II., 3., e). 1779  Baumhöfener, S.  153; Nicolini/Möhring/Engels, §  23 KUG, Rn.  17; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  17; einschränkend nur auf hochrangige Beamte hingegen OLG Celle, NJW-RR 2001, S.  336 f.; vgl. ferner die „Verhaltensgrundsätze für Presse/Rundfunk zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Bericht­ erstattung“, abgedruckt in: AfP 1993, S.  646, Nr.  9 ff., wonach das Filmen und Fotografieren mehre­ rer oder einzelner Polizeibeamter bei Aufsehen erregenden Einsätzen im Allgemeinen zulässig sei. 1780  Bei der Abbildung von Routineeinsätzen wird man eine zeitgeschichtliche Veröffentlichung hingegen regelmäßig verneinen können; vgl. VG Aachen, ZUM-RD 2021, S.  396; OLG Köln, MMR 2022, S.  137. 1781  So auch Nicolini/Möhring/Engels, §  23 KUG, Rn.  17; BeckOK UrhR/Engels, §  23 KUG, Rn.  17, bzgl. der Abbildung einzelner SEK-Beamten; ferner Gu. Kirchhoff, NVwZ 2021, S.  1178. 1782  Kap.  2, B., II., 3., a), cc), (1), (b). 1783  Vgl. OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 1986, S.  1118 f.; OLG Oldenburg, NJW-RR 1988, S.  952; OLG München, NJW 1988, S.  916; OLG Oldenburg, NJW 1989, S.  401; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1990, S.  1329; vgl. auch Damm/Rehbock, Rn.  248; HK/Dreyer, §  23 KUG, Rn.  47 ff.; Wandtke/Bul­ linger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  38; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  81 ff.; Korte, §  2, Rn.  52 f.; Leitner/Rosenau/Reinbacher, §§  22 ff. KUG, Rn.  24; Loewenheim/Schertz, §  18, Rn.  80 ff.; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  34 ff.; Löffler/Steffen, §  6 LPG, Rn.  137; Wenzel/von Strobl-­ Albeg, Kap.  8, Rn.  71.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Im Einklang mit der hier vertretenen Ablehnung der Begleiterrechtsprechung1784 kann auch eine mitabgebildete Person nicht als Beiwerk einer Person des öffentlichen Interesses im Sinne des §  23 I Nr.  2 KUG eingeordnet werden, wenn sie neben dieser abgebildet wird. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass sich §  23 I Nr.  2 KUG auf Örtlichkeiten bezieht.1785 Die heute zurückhaltende Anwendung des §  23 I Nr.  2 KUG ist vermutlich auf Erwägungen zur etwaigen Betroffenheit des informa­ tionellen Selbstbestimmungsrechts der mitabgebildeten Personen zurückzuführen. Dies mag angesichts des Umstands naheliegen, dass bei hochauflösenden Bildern mit wenigen Schritten auch (perspektivisch) untergeordnete Teile eines Bilds vergrößert werden können. Gleichwohl sind diese Erwägungen nach der Justierung von infor­ mationeller Selbstbestimmung und dem Recht am eigenen Bild vernachlässigbar, da die informationelle Selbstbestimmung insoweit verdrängt wurde.1786 §  23 I Nr.  2 KUG besitzt somit de lege lata einen faktisch großen Anwendungsbereich, etwa bei der Veröffentlichung von Sightseeing- oder Landschaftsbildern aus dem Urlaub. Entsprechend der vorangegangenen Ausführungen zum Herausschießen von ein­ zelnen Personen aus Versammlungen oder ähnlichen Geschehen greift allerdings auch die Privilegierung des §  23 I Nr.  2 KUG nicht, wenn die untergeordnete Perso­ nenabbildung in irgendeiner Form exponiert wird, sodass sie nicht mehr als Rand­ geschehen erscheint. Dies kann zum einen etwa in Form von Vergrößerungen oder sonstigen Hervorhebungen durch die beigeordnete (Sprach-)Textbeiordnung geschehen. Zum anderen kann aber auch be­ reits der thematische Kontext als solcher eine Exponierung bedingen. Sonnt sich etwa eine Person leichtbekleidet – etwa mit entblößtem Oberkörper – innerhalb eines kleinen Teils eines Strand-Panoramabildes, liegt eine solche Exponierung vor. Unabhän­ gig hiervon wären aber ohnehin ihre berechtigten Interessen im Sinne des §  23 II KUG auf­ grund der Höchstpersönlichkeit des thematischen Bildausschnitts betroffen.

IV. Die Selbstöffnung bzw. -begebung des Abgebildeten durch mediales Vorverhalten Besondere Aufmerksamkeit soll im Folgenden der Frage gewidmet werden, wie sich das mediale Vorverhalten des Abgebildeten in der Öffentlichkeit auf die Schutzwür­ digkeit seines Rechts am eigenen Bild auswirken kann. Angeknüpft wird hierfür an die eingangs erwähnten Zahlen zum persönlichen Umgang mit dem eigenen Abbild unter dem Gesichtspunkt der heutigen Selbstinszenierung auf verschiedenen Platt­ formen im Internet.1787 Hierbei wurde bereits festgestellt, dass aktive Nutzer Gefahr laufen, aufgrund des eigenen Postingverhaltens den Eindruck bei anderen hervorzu­ 1784 

Hierzu bereits Kap.  3, D., II., 3., f), bb). Vgl. BGH, NJW 2015, S.  2501 – „Strandliege am Ballermann“; vgl. ferner Leitner/Rosenau/ Reinbacher §§  22 ff. KUG, Rn.  24. 1786  Hierzu bereits Kap 2., D., III., 2., b). 1787  Hierzu bereits Einführung, A., II. 1785 

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rufen, wonach es ihnen grundsätzlich nichts ausmache, in einem entsprechenden (natürlichen oder privaten) Kontext ohne Einwilligung abgebildet zu werden. Wer beispielsweise Bikini- oder Badehosenbilder aus dem Urlaub öffentlich auf seinem Insta­ gram oder TikTok postet, könnte sich möglicherweise vorhalten lassen müssen, dass hinsicht­ lich (anderer) Bildnisveröffentlichungen eine Selbstöffnung der Privatsphäre vorliege, wenn diese die betroffene Person leicht bekleidet (oder) in Urlaubs- bzw. Entspannungssituationen zeigen. Geht man hiervon aus, kann sich die betroffene Person im Wege der Selbstöffnung nur schwerer auf berechtigte Interessen innerhalb des §  23 II KUG berufen.

Dieser Gedanke kann sich also grundsätzlich sowohl auf die erneute Veröffentli­ chung desselben (bereits eigens veröffentlichten) Bildnisses in einem anderen Kon­ text, als auch auf die Veröffentlichung eines ähnlichen Bildnisses beziehen. Insoweit wäre es dann schwieriger für die betroffene Person, sich hinsichtlich den konkreten Umständen, die bereits breitwillig (durch das eigene Vorverhalten des Postens) ver­ öffentlicht wurden, auf ihre Privatheit zu berufen. Dass es infolge des eigenen Vorverhaltens zu einer solchen Annahme kommt, die in einer einwilligungslosen Bildnisveröffentlichung resultiert, stellt dabei kein Phäno­men sozialer Netzwerke im Internet dar.1788 So gingen das Bundesverfassungsgericht1789,

1788  Bereits vor der Etablierung von Social-Media-Plattformen im Internet waren Personen, die durch die initiative Vermarktung ihres Privatlebens regelmäßig das Interesse der (Boulevard-)Me­ dien hervorriefen, keine Seltenheit. Schertz/Höch, S.  91 ff., nennen im Jahr 2011 u. a. sog. IT-Girls wie Paris Hilton, die mitunter aufgrund eines Sexvideos im Internet hohe Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen habe, „Damen aus der Luderliga“ wie Tatjana Gsell, die in Interviews mit Boulevardzeitschriften intime Details ihrer Beziehungen zu prominenten Männern preisgab, das Model Claudia Schiffer, welche ihr Kind mit auf den Titel des Quelle-Katalogs hob, oder die „indus­ triell perfektioniert[e] […] Schaffung von C-Prominenten durch das Format ‚Big Brother‘“. Bartnik, AfP 2004, S.  495, verweist auf die Initiative von Jenny Elvers, das Ultraschallbild ihres ungebore­ nen Kindes gegen Bezahlung im Internet anzubieten; vgl. dazu die FAZ v. 05.04.2001. Die Veröf­ fentlichung exklusiver (Nackt-)Bilder in Magazinen wie dem Playboy stellt ein weiteres Beispiel dar, hierbei hielten sich die Fachgerichte allerdings hinsichtlich einer Selbstöffnung tendenziell zurück; LG Frankfurt a. M., NJW 2000, S.  594, wonach ein Playboy-Bild von Katharina Witt letzt­ endlich nur aufgrund der begleitenden Wortberichterstattung einwilligungsfrei veröffentlicht wer­ den durfte; a. A. OLG Hamburg, AfP 1992, S.  160, wonach eine Schauspielerin sich bei einer Ver­ öffentlichung ihrer Playboy-Bilder in einer Tageszeitung nicht auf die Verletzung ihrer Privatsphäre unter anderem deshalb berufen konnte, weil sie sich dadurch, „daß sie sich halbnackt hat fotografie­ ren lassen“, des Schutzes selbst „begeben“ habe; vgl. auch LG München I, ZUM-RD 2005, S.  41 f., zur Veröffentlichung von (bereits veröffentlichten) Playboy-Fotos auf einer Pornowebseite. 1789  BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“, wonach der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art.  2 I i. V. m. Art.  1 I GG nicht im Interesse einer „Kommerzialisierung der eigenen Person“ gewährleistet sei und eine Abwägung dann entfalle, wenn der Betroffene etwa Exklusivverträge über die Berichterstattung aus seiner Privatsphäre abgeschlossen hat; BVerfG, NJW 2006, S.  3408 – „Lebenspartnerin von Bernd Tewaag“, wonach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, dass der BGH in seiner „Rivalin von Uschi Glas“-Entscheidung mit berücksichtig­ te, dass die neue Lebensgefährtin des Ex-Mannes von Uschi Glas es duldete, dass ihr neuer Partner sich in einem Interview bei der Verleihung des deutschen Film- und Videopreises über seine neue Lebenssituation äußerte und dass bei dieser Gelegenheit Lichtbilder gefertigt wurden, die sie in ihrer Rolle als seine Lebensgefährtin zeigten.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

der Bundesgerichtshof1790 und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrech­ te1791 bereits davon aus, dass der Privatsphärenschutz des Betroffenen relativ pau­ schal entfallen soll, wenn der Betroffene sich selbst zuvor an die (Boulevard-)Medien gewendet, sich damit mit persönlichen (Bild-)Informationen in die Öffentlichkeit begeben und sich dieser insoweit geöffnet habe.1792 Hiernach sei zwar niemand an der Öffnung bzgl. seiner privaten Belange gehindert, in einem solchen Fall könne er sich dann aber nicht mehr „auf den öffentlichkeitsabgewandten Privatsphärenschutz berufen“1793. 1790  BGH, NJW 2005, S.  595 f. – „Rivalin von Uschi Glas“, wonach ein Foto der „Rivalin“ veröf­ fentlicht werden durfte, weil sie ihre Identität und ihre Rolle als neue Lebensgefährtin des Ex-Man­ nes von Uschi Glas gegenüber der Boulevardpresse mit der Billigung eines Interviews ihres neuen Partners zur neuen Beziehung während des gemeinsamen Auftritts bei der Verleihung des deut­ schen Film- und Videopreises 2003 „offengelegt“ hätte. Ein anderes Foto durfte deshalb nicht ver­ öffentlicht werden, weil es aus einer Zeit stamme, zu welcher die „Rivalin“ von Uschi Glas ihre Privatsphäre noch nicht preisgegeben hatte; ähnlich formuliert bei BGH, NJW 2009, S.  754, Rn.  23  – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August von Hannover“, bzgl. der unzulässigen Ver­ öffentlichung eines Fotos von Prinz Ernst August von Hannover vgl. BGH, NJW 2004, S.  765 – „Fe­ riendomizil I“, wonach Luftbildaufnahmen einer Finca in Mallorca – keine Bildnisse – unter ande­ rem deshalb veröffentlicht werden durften, weil die Bewohnerin (bekannte deutsche Fernsehjourna­ listin und Moderatorin) in einem von ihr verfassten Buch über ihr „Feriendomizil“ geschrieben hatte und hierin auch Abbildungen von ihr auf der Terrasse, am Pool und im Garten des besagten Hauses enthalten waren; ähnlich auch das Parallelverfahren BGH, NJW 2004, S.  767 – „Ferien­ domizil II“, wobei hier keine aktive Selbstöffnung durch die Betroffene stattfand, sondern die streit­ gegenständlichen (Bild-)Informationen durch vorangegangene Berichterstattungen „bereits objektiv bekannt“ waren; vgl. ferner BGH, NJW 2007, S.  686 – „Terroristentochter“, wonach die Bezeich­ nung der Tochter Ulrike Meinhofs als „Terroristentochter“ in einem Presseartikel unter anderem deshalb zulässig war, weil diese in einer Titelgeschichte des Spiegel als Tochter „über ihre Kindheit im Schatten des Terrorismus“ berichtete, im Stern unter dem Titel „Mythos Ulrike Meinhof“ einen persönlichen Nachruf veröffentlichte und auf ihrer Homepage „Buttons“, ein Hörbuch und (Fahn­ dungs-)Fotos auf ihre Mutter und den „Mythos RAF“ hinwiesen; BGH, NJW 2009, S.  3579 – „Kan­ nibale von Rotenburg“, wonach die Veröffentlichung eines „Real-Horrorfilms“ (namens „Rohtenburg“) nach Vorlage des spektakulären Tathergangs das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Täters mitunter deshalb nicht verletzte, weil dieser sämtliche Tat- und Lebensumstände offengelegt hatte, „indem er durch ein Interview, die Veröffentlichung eines Buches und eines (anderen) Films detail­ liert seine Sicht von Tat und Tatumständen geschildert“ hatte. 1791  EGMR, NJW 2012, S.  1061 – „Axel Springer/Deutschland“, wonach der Umstand, dass ein bekannter Schauspieler zuvor in vielen Interviews Einzelheiten über sein Privatleben preisgegeben hatte, dazu führe, dass angesichts seines Bekanntheitsgrads seine „berechtigte Erwartung“, dass sein Privatleben wirksam geschützt werde, reduziert gewesen sei. Hiernach durfte über eine Festnahme im Bierzelt auf dem Oktoberfest mit drei Fotos („TV-Star […] mit Kokain erwischt. Eine Brezn, eine Maß und eine Nase Koks“) und später über die Strafe gesondert (TV-Kommissar […]. Kokain-Beich­ te vor Gericht. 18 000 Euro Strafe!“) erneut unter Beiordnung eines Bildes berichtet werden. 1792  Dieses Konstrukt erinnert stark an die im amerikanischen Recht anzutreffende „Waiver-­ Theorie“; vgl. hierzu ausführlich Götting, S.  193 f. 1793  BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“; BVerfG, NJW 2006, S.  3408 – „Le­ benspartnerin von Bernd Tewaag“; BGH, NJW 2005, S.  595 – „Rivalin von Uschi Glas“; BGH, NJW 2007, S.  688 – „Terroristentochter“; BGH, NJW 2009, S.  3579 – „Kannibale von Rotenburg“; BGH, NJW 2017, S.  1551 – „Michael Schumacher“; BGH, NJW 2018, S.  3510 – „Begegnung mit dem ver­ lorenen Bruder“; OLG Frankfurt a. M., NJW 2000, S.  595; vgl. ferner Jipp, S.  105: „Wer seine persön­ lichen Verhältnisse selbst in die Öffentlichkeit trägt, kann sich nicht auf Anonymität berufen“.

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In der Literatur wird diese Einschränkung allerdings überwiegend nicht als (kon­ kludente) Einwilligung1794 oder (fiktiver) Verzicht1795, sondern als Ausfluss des allge­ meinen Grundsatzes venire contra factum proprium1796 verstanden.1797 Deshalb kön­ ne eine Selbstöffnung nicht schon per se die Möglichkeit ausschließen, sich auf den Privatsphärenschutz zu berufen. Vielmehr soll sie im Rahmen der Interessenabwä­ gung zwischen dem Recht auf Achtung der Privatsphäre und den entgegenstehenden Kommunikationsfreiheiten berücksichtigt werden.1798 Auf der Rechtsfolgenseite sah die Rechtsprechung bei einem solchen widersprüchlichen Vorverhalten im Bildnis­ recht bislang eine individuelle Sphärenverschiebung vor.1799 Hat die betroffene Per­ son beispielsweise inhaltlich-thematisch intime Informationen von sich an die Öf­ fentlichkeit preisgegeben, so soll diese im Falle einer korrelierenden Veröffentlichung nicht mehr in ihrer Intimsphäre, sondern lediglich noch in ihrer individuellen Sozial­ sphäre betroffen sein, da sie ihre intimen Informationen insoweit bereits in die Öf­ fentlichkeit getragen habe.1800 Selbst dann muss aber nicht zwangsläufig ein – das Abgebildeteninteresse überwiegendes – öffentliches Interesse vorliegen.1801 Denn 1794  Soehring, AfP 2000, S.  234; vgl. auch Ohly, AfP 2011, S.  429; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  25; diese Ansicht zieht Parallelen zur im Urheberrecht verankerten Gemeinfreiheit ein­ mal veröffentlichter Informationen; vgl. hierzu Alexander, ZUM 2011, S.  384; vgl. ferner Tofall, AfP 2014, S.  399 m. w. N. 1795  LG Frankfurt a. M., NJW 2000, S.  595, wonach ein (freiwilliger) Verzicht von Katharina Witt auf den Schutz ihrer Intimsphäre (im Rahmen des §  23 II KUG) vorliege, weil diese Nacktaufnahmen von sich herstellen ließ und damit einverstanden war, „dass die Fotos – wenn auch auf bestimmten Wegen – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“. Gleichzeitig lehnte das Gericht allerdings eine (wohl umfassende) Selbstbegebung durch ebendiese (Playboy-)Bilder im Rahmen der Frage der Zeitgeschichtlichkeit ab; vgl. hierzu auch Damm/Rehbock, Rn.  269; N. Dietrich, S.  170. 1796  Hierbei handelt es sich um ein im römischen Recht bereits bekanntes Rechtssprichwort in Form einer Parömie, welche häufig althergebrachte Weisheiten überliefern und dabei Ausdruck von Präjudizien wie auch Gewohnheitsrecht sein können, denen aber ohne weiteres keine dogmatische Bedeutung zukommt; so Dette, S.  13. Venire contra factum proprium nulli conceditur oder non licet bedeutet nach allgemeiner Auffassung, die Unbeachtlichkeit eines Rechtsverlangens, das gegen die bisher selbst erklärte oder ausgeübte Haltung verstößt. Dieser Grundsatz wird in verschiedenen Bereichen abgekürzt als Verbot des Selbstwiderspruchs verstanden; vgl. hierzu etwa H. Bruns, JZ 1956, S.  147; ferner Isola, S.  1, 4. 1797  Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  55; Jipp, S.  110; Lauber-Rönsberg, NJW 2018, S.  3512; wohl auch Tofall, AfP 2014, S.  400, welcher die Selbstöffnung/Selbstbegebung als Fall­ gruppe sui generis einordnet; a. A. Helle, S.  184 f., welcher die Selbstöffnung wohl als Unterfall des Grundsatzes von Volenti non fit iniuria (lat.: dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht) begreift. 1798  Lauber-Rönsberg, NJW 2018, S.  3512; Götting/Schertz/Seitz/Wanckel, §  19, Rn.  4 4 ff. 1799  Vgl. zu den verschiedenen Anknüpfungsmöglichkeiten für Rechtsfolgen bei der Berufung auf den venire contra factum proprium-Grundsatz Dette, S.  83 ff. 1800  BGH, NJW 2012, S.  768, Rn.  17 – „Wenn Frauen zu sehr lieben“; auch das OLG Köln, AfP 2017, S.  162, spricht etwa vom Aufgeben der Privatsphäre; vgl. ferner OLG Dresden, ZUM-RD 2019, S.  317 f.; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  84 f.; vgl. auch die Formulierung von Dreier/Schulze/ Specht, §  23 KUG, Rn.  25, welcher von eingriffsminderndem medialen Vorverhalten spricht; BeckOK InfoMedienR/Söder, §  823 BGB, Rz.  170, spricht von „Selbstöffnung geschützter Sphären“. 1801  In gewissem Kontrast hierzu steht allerdings die (noch fortwährend von den Gerichten zi­ tierte) Annahme bei BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“, wonach „die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunk­

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eine Sphärenverschiebung allein sagt noch nichts über das konkrete Abwägungser­ gebnis zwischen öffentlichen Belangen und Belangen des Abgebildeten aus. Damit wirft der Umstand, dass heutzutage sowohl die Selbst- als auch die Fremd­ darstellung in der Öffentlichkeit maßgeblich über die sozialen Netzwerke im Internet stattfindet, neuartige Fragen innerhalb der Abwägung auf. Insbesondere besteht der Zugang zur Öffentlichkeit für nahezu jedermann unabhängig von seinem Bekannt­ heitsgrad und muss nicht mehr zwangsläufig – so wie früher – über die Boulevard­ medien stattfinden.1802 Ferner kann diese Öffnung per Bildnis-Upload mit wenigen Klicks stattfinden, abgeändert oder wieder vom eigenen Profil gelöscht werden. Es muss also herausgearbeitet werden, inwiefern diese einzelnen Aspekte neuer selb­ stinszenierender Darstellungsformen innerhalb des abgestuften Schutzkonzeptes Berücksichtigung finden können. In jüngerer Zeit scheint sich in diesem Bereich jedenfalls eine tendenzielle Ent­ wicklung der Rechtsprechung hinsichtlich Frage der Auswirkungen des eigenen (me­ dialen) Vorverhaltens auf das (Persönlichkeits-)Recht (am eigenen Bild) abzuzeich­ nen. Allen voran scheint sich der Bundesgerichtshof von dem Gedanken eines pau­ schalen Verzichts auf Privatheit durch das mediale Vorverhalten weitestgehend gelöst zu haben, indem er einen korrelierenden Zusammenhang zwischen den (durch das Vorverhalten) geöffneten Informationen und der konkreten, in Frage stehenden (Bildnis-)Veröffentlichung fordert.1803 Dabei soll die Selbstöffnung nicht allein von tion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt […] situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden“ müsse. Das gelte auch für den Fall, „dass der Entschluss, die Berichter­ stattung über bestimmte Vorgänge der eigenen Privatsphäre zu gestatten oder hinzunehmen, rück­ gängig gemacht“ werde; BVerfG, NJW 2006, S.  3408 – „Lebenspartnerin von Bernd Tewaag“; BGH, NJW 2007, S.  756 – „Gesundheitszustand von Prinz Ernst August von Hannover“; BGH, NJW 2012, S.  772 – „Wenn Frauen zu sehr lieben“; BGH, NJW 2018, S.  1823 – „Christian Wulff im Supermarkt“; BGH, NJW 2018, S.  3510 – „Begegnung mit dem verlorenen Bruder“; krit. Schricker/ Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  55, der im Falle der Selbstöffnung im Umkehrschluss einen „situationsübergreifenden Totalverzicht“ bemängelt. 1802  Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes Deut­ scher Zeitungsverleger Mathias Döpfner zog in einem Gespräch mit dem Spiegel (Ausgabe 25) im Jahr 2006 hinsichtlich der Selbstöffnung privater Angelegenheiten zur Boulevardpresse den bild­ haften Vergleich einer gemeinsamen Aufzugsfahrt: „Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“. 1803  Hinsichtlich der reinen Wortberichterstattung: BGH, NJW 2012, S.  768 f. – „Wenn Frauen zu sehr lieben“, wonach dem neuen Lebenspartner einer bekannten Schauspielerin insoweit kein absoluter Schutz seiner Intimsphäre hinsichtlich einer wahren – korrelierenden – Wortberichterstat­ tung über sein vorangegangenes filmisches Wirken zugesprochen werden könne, da er als Porno­ darsteller in acht Filmproduktionen seine Sexualität bewusst der interessierten Öffentlichkeit preis­ gegeben habe. Da „derartige Filme“ gerade dazu bestimmt seien, von der interessierten Öffentlich­ keit wahrgenommen zu werden, sei insoweit (bei einer sich hierauf beziehenden, korrelierenden Wortberichterstattung) nicht die Intim-, sondern die Sozialsphäre betroffen. Da der Darsteller auch auf einem Filmcover erkennbar abgebildet sei, habe sich dieser darüber hinaus werblich vereinnah­ men lassen; vgl. zum werbenden Kontext Kap.  4, D.), B., III., 13., c.; ferner BGH, NJW 2017, S.  1552  – „Michael Schumacher“, wonach zwei von sieben Aussagen im Rahmen der Wortbericht­ erstattung über den Gesundheitszustand des beim Skifahren verunglückten Sportrennfahrers ­Michael Schumacher („[…] Schumacher über die Augen mit seiner Frau kommuniziert und Stim­

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der thematischen Übereinstimmung von Vorverhalten und der konkreten Veröffent­ lichung abhängen. Vielmehr geht der Bundesgerichtshof in jüngeren Entscheidungen insoweit differenzierter vor, als dass er die „Informationstiefe“ und den „Detailgrad“ der durch das Vorverhalten preisgegebenen und der konkret veröffentlichten Infor­ mation vergleicht.1804 Überträgt man diese Gedanken auf das Bildnisrecht, so kann beispielsweise der Umstand, dass eine prominente Person in einem Interview mündlich preisgibt, dass sie regelmäßig trai­ niere oder eine große Narbe auf dem Oberkörper habe nicht allein dazu führen, dass sie fortan im Badeurlaub im leicht bekleideten Zustand abgebildet werden darf. Hierbei unterscheiden sich Detailgrad und Informationstiefe von dem Vorverhalten (mündliche Äußerung bzgl. des eigenen Körpers) und bildhafter Darstellung. Selbiges gilt etwa, wenn sich eine Person zu einer Liebesbeziehung oder einer (überstande­ nen) Sucht mündlich äußert. Fortan sind nicht alle intimen Momente mit dem beschriebenen Partner (oder anderen Personen) oder eindrucksvolle Bilder von Rückfällen wegen einer münd­ lichen Selbstöffnung automatisch für Bildnisveröffentlichungen frei.

men hört […]“ und „Sicher ist nur, dass er alles neu erlernen muss. Schlucken, Laufen, Sprechen.“) nicht von einer Selbstöffnung umfasst seien, da dessen Managerin zuvor nur allgemein gehaltene Äußerungen bzgl. eines Schädel-Hirn-Traumas erteilt hatte, die keine Vorstellung von den konkre­ te Auswirkungen dieser Verletzung vermittelten; BGH, NJW 2018, S.  3512 – „Begegnung mit dem verlorenen Bruder“, wonach der Schauspieler und Musiker Josef Liefers durch die (kommerzielle) Veröffentlichung einer Autobiografie aktiv die Öffentlichkeit gesucht habe und deshalb damit rech­ nen musste, dass die Neugier der Öffentlichkeit geweckt werde und „einer der von seinen Informa­ tionen Betroffenen der Öffentlichkeit [Die Onlineredaktion der Zeitschrift Freizeitrevue] einen et­ was tiefe­ren Einblick in die Familiengeschichte“ gebe; BGH, NJW 2020, S.  54 – „Erpressung mit ­Nacktfotos“, wonach keine Selbstöffnung der Sängerin Lena Meyer-Landrut vorliege, weil diese intime Bild- und Videoaufnahmen ausschließlich ihrem Freund überlassen habe. Abweichendes ergebe sich auch zum einen nicht aus der allgemeinen Bekanntheit der Gefahr des Datendiebstahls. Zum anderen gelte nichts anderes aufgrund des Umstands, dass Lena auf ihrem Instagramaccount „eine Vielzahl erotischer (Bikini-)Fotos“ veröffentlichte, die nicht nur für ihre 1,6  Mio. Follower, sondern für jedermann einsehbar sind. Hinsichtlich der Bildberichterstattung: BGH, NJW 2018, S.  1822 f.  – „Christian Wulff im Supermarkt“, wonach zwei Bilder des ehemaligen Bundespräsiden­ ten Christian Wulff beim Einkaufen mitunter deshalb veröffentlicht werden durften, weil dieser „sein Ehe- und Familienleben in der Vergangenheit immer wieder intensiv öffentlich thematisiert und sich dadurch mit der Erörterung dieses Thema einverstanden gezeigt“ hätte. Diese Selbstöff­ nung wirke fort, nachdem Wulff und seine Frau ihre Ehe auch nach dem Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten „nicht situationsübergreifend und konsistent verschlossen“ hätten. Ferner wür­ de durch die Bildnisveröffentlichungen eine – aufgrund einer eigens veröffentlichten Pressemittei­ lung Wulffs zur Versöhnung mit seiner Ehefrau Bettina – zulässige Wortberichterstattung kontext­ gerecht bebildern. 1804  BGH, NJW 2018, S.  3512 – „Begegnung mit dem verlorenen Bruder“; vgl. auch hierzu Lauber-­Rönsberg, NJW 2018, S.  3513; BGH, NJW 2020, S.  54 – „Erpressung mit Nacktfotos“; fer­ ner Forster, NJW 2017, S.  1554.

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Diese Entwicklung wird von weiten Teilen der Literatur begrüßt1805 und ist auch bei den fachgerichtlichen Entscheidungen zu beobachten.1806 Ebenfalls schafft die For­ 1805  Brost/C. Conrad, AfP 2020, S.  291; N. Dietrich, S.  169; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  27; Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  56; Erbs/Kohlhaas/Kaiser, §  33 KUG, Rn.  53; Korte, §  2, Rn.  83; Lauber-Rönsberg, NJW 2018, S.  3513; Seitz, NJW 2000, S.  2168; Dreier/Schulze/Specht, §  23 KUG, Rn.  25; Wenzel/von Strobl-Albeg/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  20; ­Wanckel, Rn.  234; Zagouras, AfP 2005, S.  153 f.; vgl. ferner Janisch, AfP 2000, S.  33; Klüber, S.  59 f.; a. A. noch Wandtke/Bullinger/Fricke (4.  Auflage 2014), §  23 KUG, Rn.  32. 1806  OLG Hamburg, AfP 2013, S.  65, wonach es einen „erheblichen Unterschied [mache], ob eine Frau sich von professionellen Fotografen oder Filmkameraleuten aufnehmen lässt und dabei die Kontrolle einerseits darüber behält, in welchem Ambiente, im Beisein welcher Personen, in welchen Posen, aus welcher Perspektive und aus welcher Entfernung sie aufgenommen wird, sowie anderer­ seits darüber, welche dieser Aufnahmen zu welchem Zeitpunkt nach welcher technischen Bearbei­ tung in welchem Medium veröffentlicht werden, oder ob ohne ihre Einwilligung während ihrer Freizeit Fotografien von ihr angefertigt und der Öffentlichkeit gezeigt“ würden; vgl. ferner OLG Köln, NJW 2016, S.  819, wonach keine Selbstöffnung einer (schwangeren) Schauspielerin durch Pressemeldungen zum Drehbeginn oder wegen eines angekündigten Gewinnspiels auf Facebook (Fan-Treffen) bzgl. einer Bildnisveröffentlichung vorliege, die sie am Drehort zeigt und dabei ihre Schwangerschaft offenlegt. Ferner liege keine Selbstöffnung aufgrund eines vorangegangen Auf­ tritts auf dem roten Teppich vor, bei dem ein Kollege der Schwangeren die Hand auf den Bauch auflegte, da diese Geste gegen den Willen der Betroffenen erfolgte; OLG Köln, AfP 2018, S.  445, wonach eine „Selbstöffnung zu einigen […] Liebesbeziehungen“ in einer Autobiografie kein „Frei­ brief“ zur Bekanntgabe auch aller anderen Liebesbeziehungen oder -affären darstelle; OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  375 f., wonach die Selbstöffnung eines Fußballnationalspielers aufgrund mehre­ rer Vorverhaltensweisen vorlag, die unter anderen Gesichtspunkten zwar nicht die Bildberichter­ stattung, hingegen aber die Wortberichterstattung legitimiere, die ihn des „Fremdknutschens“ mit einer unbekannten Frau im Urlaub bezichtigte. Hierfür zog das Gericht zunächst den Umstand her­ an, dass der Betroffene sein Privatleben – auch seine Urlaubsgestaltung – in der Vergangenheit in den Medien und sozialen Netzwerken dargestellt habe. Zudem habe er durch eine „Homestory“ und ein Interview Einblicke in sein Privatleben gewährt, wobei u. a. die Eifersucht seiner Freundin auf weibliche Fans des Betroffenen und eine gemeinsame Wohnung thematisiert wurde. Unbeachtlich war hierbei der Umstand, dass der Betroffene diese Selbstöffnung nur im Hinblick darauf vorge­ nommen habe, den Medien „ein Stück seines Privatlebens zu bieten, um hinsichtlich weitergehen­ der Fragen in Ruhe gelassen zu werden“. Ferner wurde berücksichtigt, dass der Betroffene zuvor mit nacktem Oberkörper auf dem Cover einer russischen Zeitschrift veröffentlicht wurde und mehrere Tage mit Reportern verbracht habe, die er zu sich nach Hause eingeladen hatte, mit ebendiesen bei seinem Lieblingsitialiener Essen war und diesen von „seinen Hautproblemen (Pickel wegen Ananas­ allergie) erzählt“ habe. Das Gericht hob schließlich die Bedeutung eines Widerspruchs von voran­ gegangener öffentlicher Selbstdarstellung und Veröffentlichung hervor, indem es danach differen­ zierte, ob der Betroffene sein Beziehungsleben in gewissen Maße (Inszenierung als Vorzeige- und Musterpaar) in die Öffentlichkeit getragen habe; vgl. auch OLG Köln, NJW-RR 2019, S.  244, wo­ nach das Vermarken eines Weinguts mit Lichtbildern keine Selbstöffnung der Abgebildeten bzgl. der (Bild-)Berichterstattung über die (vermeintliche) Familienhistorie darstelle, welche Verbindun­ gen ins Dritte Reich thematisierte; OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  399, wonach die Presseerklärung des Moderators Johannes B. Kerner und seiner ehemaligen Ehefrau infolge der Trennung, in wel­ cher diese mitteilten, dass beide der „aufgrund ihrer in langjähriger Partnerschaft erwachsenen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder in vollem Umfang gerecht“ werden wollen, keine Selb­ stöffnung bzgl. einer Bildberichterstattung von Kerner („als fürsorgender Vater“) beim gemeinsa­ men Besuch eines lokalen Hockey-Turniers mit seiner Tochter darstelle, da sich die Wortberichter­ stattung maßgeblich mit Spekulationen bzgl. neuer Liebesbeziehungen Kerners beschäftigte; OLG Köln, Urt. v. 18.04.2019 – 15 U 156/18 = BeckRS 2019, 10629, Rn.  38–42, wonach keine Selbstöff­ nung eines bekannten Moderators bzgl. der Bildberichterstattung über einen Kuss mit einer neuen

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mulierungsweise in mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Grund zur Annahme, dass auch dieser einen Verzicht auf Privatheit von einer gewissen Qualität des (korrelierenden) Vorverhaltens abhängig macht.1807 Allgemeine Maßstäbe, wann Informationstiefe und Detailgrad einer Bildnisveröf­ fentlichung vom Vorverhalten abweichen und deshalb nicht mehr von einer Selbstöff­ nung umfasst sein sollen, sind allerdings kaum erkennbar.1808 Dabei gestaltet sich die Lebensgefährtin an einer U-Bahn-Haltestelle kurz nach der Trennung von seiner Ehefrau vorlag, obgleich zuvor eine Pressemitteilung zur Trennung veröffentlicht wurde und der Betroffene im Vor­ feld Auskünfte zu seiner Ehe und „Informationen mit sexueller Konnotation“ breitwillig preisgab. Auch der Umstand, dass der Kuss an einer öffentlich zugänglichen Haltestelle zur Tageszeit statt­ fand, vermochte hiernach keine Selbstöffnung zu begründen. Insbesondere neigte das Gericht dazu, bereits eine thematische Entsprechung zwischen dem Kuss einer „angetrauten Ehefrau“ oder einer „anderen Frau“ zu verneinen. Eine nachträgliche Selbstöffnung liege ebenfalls nicht in einem ge­ meinsamen Besuch einer Charity-Veranstaltung, da die Betroffenen dort „kein eindeutiges Verhal­ ten als Paar“ an den Tag gelegt hätten. Auch eine Selbstöffnung der neuen Lebenspartnerin lag nach Ansicht des Gerichts nicht etwa deshalb vor, weil sie ihrem Lebensgefährten in ihrer Dissertation (durch Abkürzung des Namens mit einem einzelnen Buchstaben) und in einem anderen Buch dank­ te; OLG Dresden, ZUM-RD 2019, S.  318, wonach keine Selbstöffnung einer Stripperin bzgl. der Internetveröffentlichung von Bildern eines lokalen Auftritts vorliege, da der besagte Auftritt weit entfernt vom Wohnort der Abgebildeten stattfand, die Zuschauerzahl beschränkt war und der Ver­ anstalter ein Fotografieverbot vorgegeben hatte. Dass ihre Tätigkeit zuvor im sozialen Umfeld be­ kannt wurde und die Abgebildete gleichwohl infolgedessen ein Abbildungsrisiko eingegangen sei, würde für eine Selbstöffnung ebenfalls nicht ausreichen; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  316 f., wo­ nach der Upload eigener Urlaubsbilder auf den eigenen Instagramaccount (2,2  Mio. Follower, wobei die streitgegenständlichen Fotos jeweils ca. 50.000 Likes erhielten) keine Selbstöffnung hinsichtlich der Veröffentlichung heimlich hergestellter Paparazzibilder eines Prominenten bei Strandaktivitä­ ten darstelle. Auch der Umstand, dass der Betroffene zuvor „breitwillig Instagram-Bilder“ gepostet habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Durch seine Postings habe der Betroffene „nicht bereitwil­ lig in sein gesamtes Urlaubsleben Einblick gewährt bzw. gewähren wollen […] sondern nur in ein­ zelne Inszenierungen einzelner ausgewählter Momente“; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  468 f., wonach „Papparazzi-Fotos“ von einer prominenten Fernsehmoderatorin beim Fahrradfahren ohne Fahrradhelm veröffentlicht werden dürfen, da diese zuvor als das „Aushängeschild“ für eine Kam­ pagne für das Fahren mit Fahrradhelmen auftrat; LG Berlin, NJW 2016, S.  1968, wonach die Äuße­ rung über eine vorherige Beziehung keine Selbstöffnung hinsichtlich aller künftigen Beziehungen darstelle; LG Hamburg, ZUM 2018, S.  374, wonach der Upload gemeinsamer Bilder auf Facebook, keine Selbstöffnung hinsichtlich einer spekulierenden physischen Bildberichterstattung über den Beziehungsstatus und hiermit verbundenen unlauteren Absichten des Abgebildeten bzgl. der mitab­ gebildeten Tochter von Michael Schumacher darstelle; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  85, wonach sich ein Playmate durch ein (allgemein gehaltenes) Interview und den entsprechenden Nacktaufnahmen nicht bzgl. der Veröffentlichung von konkreten Umständen aus ihrem Liebes- und Sexualleben geöffnet habe, die darüber hinaus zeitlich vor den Playboy-Veröffentlichungen lagen. Zudem bewirke der Umstand, dass sich jemand zu seiner aktuellen Beziehung äußert, keine Selb­ stöffnung im Hinblick auf künftige Beziehungen. Kein anderes Ergebnis rechtfertige der Umstand, dass die Betroffene für den Playboy-Artikel auf dem eigenen Facebook-Profil geworben habe. 1807  EGMR, NJW 2012, S.  1056, Rn.  111 – „von Hannover/Deutschland Nr.  2“ und EGMR, NJW 2018, S.  3085, Rn.  48 – „Fuchsmann/Deutschland“, wonach der Umstand, dass der Betroffene bei früheren Gelegenheiten mit der Presse zusammengearbeitet hat, allein kein Grund sei, „ihm jeden Schutz vor der Veröffentlichung von Fotos zu nehmen“. 1808  Lauber-Rönsberg, NJW 2018, S.  3513, beklagt etwa in diesem Zusammenhang, dass der BGH das – begrüßenswerte – Erfordernis der Korrelation zwischen Vorverhalten und Veröffentli­ chung durch eine zu großzügige Handhabe aufweiche; vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG

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Herleitung ebensolcher Grundsätze als besonders komplex, da das Vorverhalten – von dem die Selbstöffnung abhängt – nach der Rechtsprechung durch jede denkbare ­In­formationsvermittlung geschehen kann. Eine Selbstöffnung für eine Bildnisver­öf­ fentlichung muss demzufolge nicht zwangsläufig durch eine vorherige Bildnis­ver­ öffentlichung stattfinden, sondern kann etwa auch durch eine vorangegangene schrift­ liche Stellungnahme, ein Interview oder eine sonstige Verhaltensweise in der Öffent­ lichkeit erfolgen.1809 Dabei tendiert die Rechtsprechung ebenfalls zur Annahme, das mediale Vorverhalten könne Drittwirkung entfalten, sodass sich eine Person das Vor­ verhalten einer anderen (nahestehenden) Person unter Umständen hinsichtlich der ei­ genen (einwilligungslosen) Bildnisveröffentlichung zurechnen lassen müsse.1810 Köln, AfP 2017, S.  163, wonach der Umstand, dass Journalisten auf einer öffentlichen Veranstaltung um 22:30 Uhr noch anwesend sind und dabei aber die Übung besteht, dass über ein Verhalten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berichtet werde, zwar eine (absichtliche) Selbstöffnung ausschließe, gleichwohl keine berechtigte Erwartung des Abgebildeten angenommen werden könne, wonach eine Abbildung ab diesem Zeitpunkt unterbleiben wird; OLG Köln, AfP 2018, S.  446, wonach eine „gewisse Selbstöffnung“ in Beziehungsfragen durch eine Biografie zwar nicht zu einer generellen Annahme führe, dass Angelegenheiten in Liebesdingen insgesamt zulässig geworden seien, aller­ dings dieser Gesichtspunkt im Rahmen der gebotenen Abwägung (zwischen der Öffentlichkeit und dem Abgebildeten) verwertet werden könne; vgl. auch insbesondere OLG Köln, Urt. v. 18.04.2019  – 15 U 156/18 = BeckRS 2019, 10629, wonach dieselben Erwägungen, welche nach Ansicht des Ge­ richts keine Selbstöffnung zu begründen vermochten (Rn.  38–42), im Rahmen des (eigens veranlass­ ten) öffentlichen Interesses anhand der Leit- und Kontrastbildfunktion zu Lasten des Betroffenen herangezogen werden konnten (Rn.  44–49): „wer zunächst in der Öffentlichkeit als treusorgender Vater und tadelloser Ehemann einschließlich der Auszeichnung ‚Paar des Jahres‘ auftritt und sich sodann mit PR-Unterstützung trennt, wobei die fortdauernde Verantwortung für die Kinder betont wird, der kann, wenn er kurz darauf in aller Öffentlichkeit eine andere Frau küsst, nicht für sich in Anspruch nehmen, dass dieser Vorfall von der öffentlichen Aufmerksamkeit und einer daran an­ knüpfenden kritischen Berichterstattung verschont bleibt“; ähnlich OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  316 f., das aber ausdrücklich im Fall eines medialen Vorverhaltens von einer „begrenzten Selb­ stöffnung“ ausgeht; ferner Lenski, S.  238; vgl. hierzu die eigenen Erwägungen bei Kap.  3, D., IV., 9. 1809  OLG Köln, Urt. v. 18.04.2019 – 15 U 156/18 = BeckRS 2019, 10629, Rn.  39, hält etwa eine Selbstöffnung durch eine „freiwillige Mitveranlassung“ für möglich, indem etwa ein Betroffener in Kenntnis einer vorangegangenen Foto- und Wortberichterstattung über die Liebesbeziehung mit seinem Partner eine öffentliche Veranstaltung aufgesucht hat, bei der in besonderer Weise mit einem Interesse der dort anwesenden Medienvertreter an seiner Person zu rechnen war; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Andeutung bei BVerfG, ZUM 2016, S.  984, Rn.  12. 1810  BGH, NJW 2005, S.  595 – „Rivalin von Uschi Glas“, wonach bereits die Billigung eines Interviews des (neuen) Partners für eine Zurechnung der Selbstöffnung ausreiche; BGH, NJW 2018, S.  3510 – „Begegnung mit dem verlorenen Bruder“; KG, AfP 2013, S.  63, wonach sich die Ehefrau von Markus Lanz die „verhaltene Selbstöffnung“ ihres Ehemannes bzgl. einer Bildnisveröffentli­ chung zurechnen lassen müsse, welche sie beim Verlassen der Kirche nach der Trauung abgeschirmt von Personenschützern und verhüllt mit einem schwarzen Tuch zeigte. Markus Lanz habe sich zuvor in einem Interview – trotz seines Hinweises, dass es sich um ein privates Thema handele – mit den Worten, dass es in Südtirol „einige schöne Platze [gebe], die [für eine Hochzeit] infrage kommen“, selbst geöffnet; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  468; ebenso hat etwa das LG Frankfurt a. M., ZUMRD 2020, S.  86 f., die Äußerungen des Vaters bzgl. einer Selbstöffnung einer Minderjährigen hilfs­ weise geprüft und somit die Möglichkeit der Selbstöffnung des Minderjährigen durch den Erzie­ hungsberechtigten nicht ausgeschlossen; vgl. ferner BGHZ 206, 347 (360) – „Recht auf ungestörte kindgemäße Entwicklung“; vgl. ferner hierzu ausführlich Tofall, AfP 2014, S.  400 ff.

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Wiederkehrende Variablen für eine sinkende Schutzwürdigkeit des Sich-Öffnen­ den scheinen in der Rechtsprechung hierzu bisweilen der Zeitpunkt1811, die Häufig­ keit oder Wiederkehr eines bestimmten Vorverhaltens1812, die Kommerzialisierung des Vorverhaltens1813 und der inhaltliche Widerspruch des Vorverhaltens zu der kon­ kreten Veröffentlichung 1814 zu sein.1815 Überträgt man diese Tendenzen ohne weiteres auf die eingangs beschriebene Selbstinszenierung in sozialen Netzwerken im Internet, könnte sich allen voran die Vermarktung des Privatlebens sog. Influencer durch immer fortlaufende Bildnisver­ öffentlichungen – indem diese etwa regelmäßig Stories oder Bilder über ihr Leben posten (und dabei Produkte bewerben oder ihren eigenen Marktwert steigern) – 1811  BGHZ 206, 347 (360) – „Recht auf ungestörte kindgemäße Entwicklung“, wonach eine Per­ sönlichkeitsverletzung nicht dadurch entfalle, „dass sich der Verletzte oder sein Erziehungsberech­ tigter nach der Verletzung ebenfalls zu den offenbarten Umständen äußert“ [Hervorhebung durch den Verfasser]; BGH, NJW 2005, S.  598 – „Rivalin von Uschi Glas“ (bestätigt durch BVerfG, NJW 2006, S.  3406 – „Lebenspartnerin von Bernd Tewaag“) und BGH, NJW 2009, S.  754, Rn.  24 – „Ge­ sundheitszustand von Prinz Ernst August von Hannover“, wonach niemand, der an die Öffentlich­ keit tritt, hinnehmen müsse, „dass die nunmehr im Grundsatz zulässige Berichterstattung über ihn mit Fotos bebildert wird, die der Öffentlichkeit zunächst nur unter Verletzung des Persönlichkeits­ rechts zugänglich gemacht werden konnten“ [Hervorhebung durch den Verfasser]; vgl. ferner Wandtke/Bullinger/Fricke §  23 KUG, Rn.  27; Jipp, S.  197; Korte, §  2, Rn.  84; Götting/Schertz/ Seitz/Wanckel, §  19, Rn.  44 ff.; a. A. wohl LG Saarbrücken, ZUM-RD 2018, S.  120 f., wonach eine Selbstöffnung bzgl. der Veröffentlichung einer privaten Nachricht auf Facebook auch nachträglich durch das Veröffentlichen des Facebook-Chatverlaufs in einem anderen Internetforum möglich sei. 1812  OLG Köln, AfP 2018, S.  4 45, nennt als Beispiel einen Prominenten, der „ohnehin stets als ‚Playboy‘ in der Öffentlichkeit auftritt und dabei in seiner quasi symbiotischen Beziehung zur Bou­ levardpresse sein Privatleben und seine zahlreichen, letztlich fast austauschbaren Liebschaften um­ fassend auswertet“; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  316 f., zieht bzgl. einer Selbstöffnung in Erwä­ gung, dass „etwa durch eine ganze Fülle von Veröffentlichungen in kürzesten Abständen aus nahe­ zu allen Bereichen seines täglichen Lebens und/oder seines Urlaubs […] eine Grenze überschritten“ werden könne, bei der man annehmen müsste, eine (Diskretions-)Erwartung des Betroffenen be­ stünde nicht mehr. 1813  BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“; vgl. hierzu Stürner, JZ 2004, S.  1020; ders., AfP 2005, S.  215: „Wer also – insbesondere gegen Entgelt […] – den ‚kleinen Finger‘ gibt, soll sich nicht dagegen wehren können, dass später von den Medien die ganze Hand genommen wird“; BVerfG, NJW 2012, S.  1500, Rn.  37 – „Fall Ochsenknecht“; BGH, NJW 2012, S.  768, Rn.  13 – „Wenn Frauen zu sehr lieben“; OLG Köln, AfP 2018, S.  445; Jipp, S.  196; Karner-Herbrich, S.  156; Tofall, AfP 2014, S.  402 und in Teilen Stürner, JZ 2004, S.  1020; ders., AfP 2005, S.  215 f., erkennen sogar in der erzieherischen Ausrichtung der Maxime, dass die eigene Persönlichkeit nicht kommer­ zialisiert werden soll, den Ausgangspunkt des Selbstöffnungsgedankens; Czernik, GRUR 2012, S.  460 f., leitet aus BVerfG, NJW 2006, S.  3408 – „Lebenspartnerin von Bernd Tewaag“, den Grundsatz ab, dass diejenigen, die ihre Persönlichkeit kommerzialisieren, stärkeren Eingriffen hier­ in ausgesetzt sein dürfen; diese Aussage kann der Entscheidung jedoch nach hier vertretener Auf­ fassung nicht ohne weiteres entnommen werden; vgl. zu einwilligungsfreien Bildnisveröffentlichun­ gen in werbendem Kontext Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 1814  OLG Köln, AfP 2018, S.  4 47; OLG Köln, NJW 2018, S.  2738 f.; OLG Köln, ZUM 2018, S.  797; OLG Köln, NJW-RR 2019, S.  243; OLG Köln, ZUM-RD 2019, S.  376 f.; OLG Köln, ZUMRD 2020, S.  315; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  469. 1815  Vgl. hierzu Jipp, S.  196 ff., welcher das Vorverhalten anhand qualitativer, situativer und zeit­ licher Elemente kategorisiert; vgl. hierzu die eigenen Erwägungen Kap.  3, D., IV., 6.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

nachteilig auf deren Recht am eigenen Bild auswirken. Dies könnte umso mehr in solchen Fällen gelten, bei denen Personen (anzügliche) Bildnisse von sich verkauft und ihre Privat- oder Intimsphäre etwa auf den genannten Social-Payment-Service-­ Plattformen kommerzialisiert haben. Hierbei stellt sich insbesondere die Frage, wel­ cher Einfluss der Kommerzialisierungsgedanke im Hinblick auf die Reichweite einer Selbstöffnung für zukünftige Veröffentlichungen haben soll. Möglicherweise muss sich eine Person, die ihr Bildnis etwa auf einer entsprechenden Platt­ form im Internet zum Verkauf anbietet, eine Selbstöffnung vorhalten lassen, wenn ein Dritter ein gekauftes oder sogar ein anderes Bildnis, das dem gekauften ähnlich ist, in einem anderen Kontext öffentlich verfügbar macht. Die abgebildete Person könnte sich dann in Bezug auf ihr (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild nicht darauf berufen, dass eine Selbstöffnung etwa nur gegenüber dem Abonnentenkreis oder möglichweise nur gegenüber einem der Abonnen­ tenzahl entsprechenden Personenkreis erfolgen könne.1816

In diesem Zusammenhang stellt sich die ganz grundsätzliche Frage, wie sich Zu­ gangsbeschränkungen von Eigenbildnisveröffentlichungen – etwa bei nicht öffent­ lich einsehbaren Bildnisveröffentlichungen für „Freunde“ oder Abonnenten in sozia­ len Netzwerken, Foren oder Messenger-Gruppen – auf eine Selbstöffnung auswirken können. Insbesondere stellt sich hier die Frage, inwieweit sich eine (einzig) monetäre Zugangsbeschränkung auf die Selbstöffnung auswirken soll, da diese Ausdruck ei­ ner Kommerzialisierung der eigenen Persönlichkeit darstellt.1817 Ferner könnte wie bei Szenarien aus dem echten Leben1818 auch im Internet zu berücksichtigen sein, ob sich der Verbreitungsgrad und der Adressatenkreis von dem öffentlich-einsehbaren Vorverhalten und einwilligungsloser Veröffentlichung unterscheiden.1819 Einen An­ haltspunkt zur Beantwortung dieser Fragen könnte die fachgerichtliche Rechtspre­ chung zur Bedeutung des medialen Vorveröffentlichens von Playboy-Bildern für eine Selbstöffnung liefern, allerdings ist auch diesen Entscheidungen sowohl dogma­ tisch als auch inhaltlich keine einheitliche Linie zu entnehmen.1820 1816  A. A. etwa Götting/Schertz/Seitz/Wanckel, §  19, Rn.  49, wonach eine selbstbestimmte Öff­ nung der Intimsphäre nur den erkennbaren Leserkreis der ausgewählten Veröffentlichung erfasse. 1817  Besondere Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang das Auseinanderfallen der Ansichten zur Schutzwürdigkeit vermögensrechtlicher Aspekte des allgemeinen Persönlichkeits­ rechts in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts; vgl. BVerfG, NJW 2006, S.  3409 f. – „Marlene Dietrich“; Seitz, NJW 2000, S.  2168. 1818  So berücksichtigte etwa das OLG Dresden, ZUM-RD 2019, S.  318, im Rahmen der Selbst­ öffnung, dass eine Stripperin zur Bedingung ihrer Auftritte gemacht hatte, dass diese weit entfernt von ihrem Wohnort stattfinden und der Veranstalter ein Fotografieverbot verhängt hatte; vgl. ferner LG Saarbrücken, NJW-RR 2000, S.  1571 f., wonach keine Selbstöffnung der Intimsphäre einer Thea­terschauspielerin durch das Zeigen des nackten Oberkörpers bei einer Probenszene hinsicht­ lich der Veröffentlichung eines Nackbildnisses in „sechs auflagestarken Zeitungen“ (ca. 700.000 Ex­emplare) vorliege und insofern „eine andere Öffentlichkeit“ bestand. 1819  Vgl. hierzu weitergehend Ladeur, ZUM-RD 2018, S.  123, wonach es „die eine Öffentlich­ keit“ nicht mehr gebe und darüber hinaus neben dem Verbreitungsgrad möglicherweise auch die Gesinnung derjenigen Teilöffentlichkeit berücksichtigt werden müsse, gegenüber welcher die ein­ willigungsfreie Veröffentlichung im Internet stattfinde. 1820  OLG Hamburg, AfP 1992, S.  159, wonach sich eine Entertainerin und Schauspielerin des ihr

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Darüber hinaus muss man sich fragen, inwieweit eine Selbstöffnung auch wieder geschlossen werden kann. Möglicherweise bestehen besondere Anforderungen an den „situationsübergrei­ fenden und konsistenten“ Ausdruck der sinngemäßen Selbstschließung bei Kommunikations­ formen im Internet1821, welche auch bei medienübergreifenden Bildnisveröffentlichungen be­ achtet werden müssten.

Dabei könnten bereits innerhalb des Internets unterschiedliche Maßstäbe für das ak­ tive Posten oder Löschen von Bildnissen, eine Löschung durch Zeitablauf (bei sog. Stories) oder einen einmalig stattfindenden Stream gelten. Ungeklärt bleiben ferner solche Szenarien, in welchen Personen ihre mittels Photogrammetrie oder anderen Scanning-Verfahren erhaltenen Daten der Öffentlichkeit frei oder kostenpflichtig zur Verfügung stellen.1822 Zusammenfassend gilt es also Anknüpfungspunkte herauszuarbeiten, inwieweit das mediale Vorverhalten ins Verhältnis mit einer konkreten Bildnisveröffentlichung gesetzt werden kann. Insgesamt ist auch nach der Etablierung des abgestuften zustehenden Schutzes im Rahmen von §  23 II KUG selbst begeben habe, indem sie sich „halbnackt hat fotografieren lassen und daß sie dem Magazin ‚P.‘ erlaubt hat, eine ganze Reihe dieser Fotogra­ fien umfangreich zu veröffentlichen“, weshalb ein Foto aus der Playboy-Serie in einer (anderen) Zeitung veröffentlicht werden durfte; LG Frankfurt a. M., NJW 2000, S.  595, wonach sich Katharina Witt „keineswegs dadurch [ihrem Bildnisschutz] begeben [habe], dass sie sich nackt hat fotogra­ fieren lassen und die Erlaubnis erteilte, diese Aufnahmen in der amerikanischen und deutschen Ausgabe des Magazins ‚Playboy‘ zu veröffentlichen“. Dieses Vorverhalten hätte nur insoweit Be­ deutung, als ihr Persönlichkeitsrecht überhaupt gegenüber dem Informationsinteresse der Allge­ meinheit zurücktreten kann. Dogmatisch müsste dies aber gerade bedeuten, dass sie sich durch ihr Vorverhalten aus der abwägungsfesten Intimsphäre begeben hat. Gleichzeitig liege nach Ansicht des Gerichts aber ein Verzicht vor, weshalb im Rahmen des §  23 II KUG kein berechtigtes Interesse geltend gemacht werden könne; LG München I, ZUM-RD 2005, S.  42 wonach §  23 I KUG schon generell nicht Veröffentlichungen von als zur Intimsphäre zählende (Playboy-)Nacktfotos auf Por­ noseiten im Internet umfasse. Hiernach dürfte also keine Sphärenverschiebung durch die Playboy-­ Veröffentlichung stattgefunden haben. Da sich die Entscheidung überdies auf die Katharina Witt-­ Entscheidung des LG Frankfurt a. M. bezieht, scheint aber die Verneinung der Anwendbarkeit von §  23 I KUG nach Ansicht des Gerichts nicht primär aufgrund der Intimität von Nacktbildern, son­ dern vielmehr wegen der Veröffentlichung auf einer Pornoseite und damit wegen des Erscheinungs­ ortes und dem damit angesprochenen Adressatenkreises erfolgt zu sein; vgl. in diesem Zusammen­ hang ferner LG Hamburg, ZUM-RD 2007, S.  428, wonach sich eine Frau (Désirée Nick), die „ihre Brüste der Öffentlichkeit in verschiedenen Zusammenhängen bewusst präsentiert [habe] und dies auch heute noch [tue]“, ein Foto, auf dem ihre Brust und Brustwarze zu sehen ist, „nicht in gleichem Maße als verletzend empfinden [könne] wie eine Frau, die öffentlich ihre Brüste stets bedeckt“ halte, weshalb bei einer Bildnisveröffentlichung mit heruntergerutschtem Kleid keine berechtigten Interessen der Abgebildeten nach §  23 II KUG überwogen. 1821  Vgl. etwa LG Saarbrücken, ZUM-RD 2018, S.  119, wonach derjenige, der einen Kommuni­ kationsweg über das Internet – insbesondere in sozialen Netzwerken – wählt, bewusst einen Weg beschreite, der weniger Gewähr für Vertraulichkeit bietet als etwa ein Brief. Es läge hiernach in der Natur der Sache, dass der Empfänger einer Mail oder einer persönlichen Facebook-Nachricht diese auf vergleichsweise einfache Weise Dritten zur Kenntnis geben (insbesondere weiterleiten oder posten) könne; hierzu Ladeur, ZUM-RD 2018, S.  122, der von „verflüssigter“ Kommunikation oder Realität in sozialen Netzwerken spricht; gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass es in diesem Fall um keine Bildnis- sondern eine Textveröffentlichung ging. 1822  Zu diesen Verfahren vgl. Einführung, B., II.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Schutzkonzepts auch bei modernen Darstellungsszenarien jedenfalls weiterhin da­ von auszugehen, dass (Bild-)Informationen aus einem Themenbereich, der besonde­ ren Schutz erfahren soll, nicht leichtfertig veröffentlicht werden sollten, um eine Selbstöffnung zu vermeiden.1823 1. Allgemeine Erwägungen zur Verortung des medialen Vorverhaltens in §  23 II KUG Die Bestandsaufnahme der aktuellen Mediennutzung unter Berücksichtigung der (nicht einheitlichen) richterlichen Praxis verdeutlicht, dass neuartige (Bildnis-)Dar­ stellungsmöglichkeiten eine grundlegende Diskussion um den Einfluss des medialen Vorverhaltens einer Person in der heutigen Medienlandschaft für ihr Recht am eige­ nen Bild notwendig macht. Dabei erscheint die dogmatische Verortung des Selbst­ öffnungsgedankens durch das eigene Vorverhalten im Bildnisrecht nicht unproble­ matisch. Denn dieser Grundsatz lässt eine einheitliche Anwendung in der Praxis vermissen, obwohl er im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG oder §  23 II KUG neben zi­ vilrechtlichen Folgen für die Anwendung des Strafrechts bei §  33 KUG oder auch §§  201a I, II, IV, 184k I, III StGB entscheidend sein kann. Dabei ist dem Strafrecht grundsätzlich der Gedanke der Berücksichtigung eines Vorverhaltens, das im gewis­ sen Widerspruch mit einer später geltend gemachten Rechtsgutsverletzung des ver­ meintlichen Opfers steht, nicht fremd und findet sich etwa im Rahmen der Geboten­ heit der Notwehr gem. §  32 I StGB im Falle einer Notwehrprovokation oder aus­ drücklich im Gesetzestext des §  35 I 2 StGB („selbst verursacht“) wieder.1824 Mit dem unbestimmten Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses bei §  23 II KUG besteht auch ein positivrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Berücksichti­ gung des widersprüchlichen Vorverhaltens bei Abwägungsfällen im Bildnisrecht.1825 Daher gilt es, Grundsätze zur Heranziehbarkeit des medialen Vorverhaltens im Bild­

1823  Vgl. BGH, NJW 2007, S.  4334 – „Grönemeyer“, wonach sich die Partnerin von Herbert Grönemeyer nicht zurechnen lassen müsse, dass dieser Teile seines Privatlebens im Rahmen seiner Songtexte künstlerisch verarbeitet habe, da sie sich stets gegen eine Berichterstattung gewandt habe; BGH, NJW-RR 2017, S.  1517 – „Popstar und Dessousmodel“, wonach keine Selbstöffnung bzgl. der Liebesbeziehung des Sängers Tim Bendzko zu einem Model vorliege, da dieser sein „Pri­ vatleben stets geheim gehalten, insbesondere keine Interviews gegeben [habe], in denen es um sein Privatleben ging“; N. Dietrich, S.  170; Lauber-Rönsberg, NJW 2018, S.  3513; Wanckel, NJW 2018, S.  2741 f.; vgl. Schertz, NJW 2013, S.  723: „Derjenige der die Tür aufmacht, bekommt sie auch schwer wieder zu“. 1824 Vgl. H. Bruns, JZ 1956, S.  152, der zudem den Grundsatz actio libera in causa nennt, wel­ che  – vorausgesetzt man hält diese für anwendbar – dem Täter verwehrt, sich auf sein eigens ver­ schuldetes Vorverhalten zu berufen, das zur Trunkenheit und somit zur Schuldunfähigkeit gem. §  20 StGB geführt hat. 1825  Dies gilt ebenfalls für den kernstrafrechtlichen Abbildungsschutz: „höchstpersönlicher Le­ bensbereich“ in §  201a I, II StGB, „Intimbereichs“ in §  184k I StGB sowie der Wahrnehmung be­ rechtigter Interessen in §§  184k III, 201a IV StGB (zu welchen namentlich die „Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens“ zählen soll).

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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nisrecht herauszuarbeiten, ohne sich dabei vorschnell auf den Verweis auf die Abwä­ gung im Einzelfall zurückzuziehen. Da dem Recht am eigenen Bild das Strukturprinzip der Selbstbestimmung der bildhaften Re­ präsentation innewohnt und dem Einzelnen damit die Entscheidung über das Ob des eigenen Auftritts im Bild obliegt,1826 vermag die Vorstellung zu irritieren, dass sich die Ausübung die­ ser Befugnis bei späteren Bildnisveröffentlichungen ohne dessen Einwilligung im Einzelfall nachteilig für den Abgebildeten auswirken kann. Dies erschließt sich anhand der eingangs ge­ fundenen Prämisse, dass diese Befugnisse nur soweit reichen, wie es das Zusammenleben in einer sozialen Gesellschaft zulässt.1827 Folglich kann es dort Ausnahmen vom Grundsatz der selbstbestimmten bildhaften Repräsentation geben, wo diese relevant für das Zusammenleben von Individuum und Öffentlichkeit wird und damit im Austausch mit der Gesellschaft stattfin­ det.1828 Vor diesem Hintergrund erklärt sich erst das – dem Selbstbestimmungsrecht zur bild­ haften Repräsentation gegenüber gestellte – Postulat, wonach der Einzelne nicht beanspruchen könne, entsprechend seines Wunschbilds in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden.1829 Denn unabhängig von der Illusion der einheitlichen Wahrnehmung und Interpretation eines (Perso­ nen-)Bildes durch die Öffentlichkeit1830 muss die Person überhaupt erst im kommunikativen Austausch mit der Öffentlichkeit stehen und sich insoweit in diese begeben haben.

2. Niederschlag des Selbstöffnungsgedankens in den Normen des Bildnisrechts Diese Erwägung findet sich auch grundsätzlich in den bildnisrechtlichen Normen wieder. Beispielsweise setzt das Bildnisrecht für die Heranziehbarkeit des Vorver­ haltens des Abgebildeten voraus, dass sich die einwilligungslose Bildnisveröffent­ lichung im Zusammenhang mit der räumlich-perspektivischen (§  23 I Nr.  3 KUG) oder einer thematisch-wertenden Öffentlichkeit (§  23 I Nr.  1, 4 KUG) vollzogen hat. Eine gewisse Inkonsistenz weist in dieser Hinsicht §  23 I Nr.  2 KUG auf, da dieser ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien vorzugeben scheint, sich vorrangig an Zweckmäßigkeitserwägungen, mithin an den Interessen des Abbildenden und dem­ zufolge nicht zwangsläufig an den Interessen der Öffentlichkeit zu orientieren.1831 Entscheidend für die Anwendbarkeit des §  23 I Nr.  2 KUG ist aber nach unbestritte­ ner Auffassung der Gesamteindruck des Bildes,1832 welcher zwingend anhand herge­ brachter, gesellschaftlicher Konventionen zur Ermittlung des (schwerpunktmäßigen) 1826 

Kap.  1, C., II., 1. Kap.  1, C., II., 3. 1828  A. A. offenbar K. Lee, S.  157 ff., welcher die Möglichkeit einer Selbstöffnung im Rahmen der „Selbstgefährdung“ der „Nutzer von Facebook“ – unabhängig vom Vorliegen einer Einwilligung – nicht näher thematisiert. 1829  BVerfGE 99, 185 (194) – „Scientology“; BVerfGE 101, 361 (380) – „Caroline von Monaco II“. 1830  Vgl. hierzu Kap.  1, A., II., 1. c). 1831  Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Ak­ tenstück Nr.  30, S.  1541, wonach in Fällen der Nr.  2 die Person hinter einen „besonderen Zweck des Bildes“ zurücktrete; Bd.  224. 1905/06, Aktenstück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4685, wonach Nr.  2 diejenigen Fälle umfasse, „wo der Photograph nicht in der Lage ist, die Per­ sonen auszuscheiden, wo die Personen nur Nebensache, die Hauptsache die Landschaft oder ‚sons­ tige Örtlichkeit‘“ seien. 1832  Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  81. 1827 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

thematischen Ausdrucks einer Abbildung wie der perspektivischen Anordnung, der Größenverhältnisse, oder weiterer Zusammenhänge innerhalb der gesamten Veröf­ fentlichung ermittelt werden muss.1833 Insoweit trifft §  23 I Nr.  2 KUG weniger die Aussage, dass die abgebildete Person Einschnitte in ihr Recht am eigenen Bild des­ halb hinnehmen müsse, weil sie sich an einen Ort begeben habe, der häufig von an­ deren als Fotomotiv genutzt werde und sie wegen dieses Vorverhaltens damit rech­ nen müsse, gegen ihren Willen abgebildet zu werden. Vielmehr ist §  23 I Nr.  2 KUG die primäre Wertung zu entnehmen, dass eine Person schon unabhängig von ihrem Vorverhalten nicht schutzwürdig erscheint, wenn ihre bildhafte Kommunikation von der Öffentlichkeit im Verhältnis zum konkreten Darstellungskontext als vollkommen vernachlässigenswert erscheint. Dies zeigt, dass allen Erlaubnistatbeständen des §  23 I KUG die Berücksichtigung des Vorver­ haltens des Abgebildeten in Form eines „Herantretens an die Öffentlichkeit“1834 vor der Ver­ öffentlichung immanent ist. Dabei haben die Ausführungen zur nonverbalen (Bild-)Kommu­ nikation gezeigt, dass die eigene tatsächliche Veranlassung im Sinne eines Herantretens an die Öffentlichkeit bei Bildnissen sehr leicht konstruierbar ist; dies kann bereits durch die Abbil­ dung als solche und vor allem durch Dritte stattfinden, da der Abgebildete immer selbst mit dem Rezipientenkreis kommuniziert.1835

Allein diese allgemeinen Erwägungen sprechen dafür, dass die Bedeutung des Vor­ verhaltens des Abgebildeten im Bildnisrecht für seine Schutzbedürftigkeit am ehes­ ten dann greifbar gemacht werden kann, wenn es anhand des normativen Dafürhal­ tens bzw. eines Vertrauens der Öffentlichkeit in eine Veröffentlichungsbefugnis (mit oder gegen den Willen des Abgebildeten) bestimmt wird.1836 Zu fragen ist also, ob sich aufgrund des Vorverhaltens der abgebildeten Person ein berechtigtes Vertrauen der Öffentlichkeit in Form einer tradierten Annahme gebildet hat, dass die konkrete Bildnisveröffentlichung nicht die später geltend gemachten berechtigten Interessen des Abgebildeten verletzen könne. Dieses berechtigte Vertrauen der Öffentlichkeit bildet sich zum einen auf normativer Ebene durch die Festschreibung rechtlicher Wertungstendenzen wie bei §  23 I KUG, viel deutlicher geschieht dies aber zum an­ deren aufgrund des Prinzips der Selbstbestimmung anhand des (selbstbestimmten) Vorverhaltens einer Person innerhalb der Gesellschaft. Unmittelbar äußert sich dies in der Festschreibung der Einwilligung in den Tatbestand des Bildnisrechts. 1833  Diese Beurteilung kann auch nicht bei entsprechender Interpretation der Gesetzgebungsma­ terialen auf den Fotografen oder Künstler zurückgehen, sondern hat anhand eines objektiven Rezi­ pientenhorizonts stattzufinden. Hierfür sprechen neben dem eindeutigen Wortlaut der Norm bereits die historischen Erwägungen zur Massen- und Amateurfotografie, wonach es zum Zeitpunkt der Genese des Rechts am eigenen Bild nicht nur professionellen Fotografen, vergönnt war, eine Foto­ grafie herzustellen und anschließend zu verbreiten. Vielmehr konnte dies durch nahezu jedermann geschehen; vgl. hierzu Kap.  1, B., IV., 3., c). 1834  Bei §  23 I Nr.  2 KUG könnte man insoweit von einem (vernachlässigbaren) Herantreten im Bild sprechen. 1835  Kap.  1, A., II., 2. 1836  A. A. wohl Böhnstedt, S.  344 f.; Jipp, S.  195 ff.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Die hier weitere Herangehensweise zur Ermittlung von Kriterien einer Selbst­ öffnung orientiert sich somit weniger an der Idee einer persönlichen Preisgabe oder Öffnung des Betroffenen im Sinne individueller Willensmomente. Vielversprechen­ der erscheint die Ermittlung einer Kasuistik anhand objektiver Kriterien im Sinne eines objektivierten Maßstabs ähnlich einer Verkehrsanschauung. Dies macht das Abwägungskriterium des widersprüchlichen Vorverhaltens – wie noch zu zeigen sein wird – für die Begründung allgemeiner Maßstäbe zugänglich, ohne dabei die Umstände zu vernachlässigen, unter denen der Abgebildete zuvor an die Öffentlich­ keit getreten ist. 3. Das öffentliche Vertrauen als Maßstab für die Reichweite des widersprüchlichen Vorverhaltens im Bildnisrecht Diese Herangehensweise richtet das öffentliche Vertrauen damit an den Struktur­ prinzipien des Rechts am eigenen Bild der §§  22 ff. KUG1837 aus, welches die Recht­ mäßigkeit einer Bildverbreitung unmittelbar in §  22 S.  1 KUG an das Vorverhalten des Abgebildeten in Form der (ausdrücklichen oder konkludenten) Einwilligung ge­ genüber dem Veröffentlichenden knüpft. Dies erscheint allein deshalb notwendig, weil es eine dogmatische Stütze in Form einer allgemeinen Rechtsgrundlage für eine Verwirkung oder eines Verzichts bei einer Selbstöffnung im Bildnisrecht – entgegen der Annahme des Bundesverfassungsgerichts – nicht gibt.1838 Der Ausgangspunkt für eine rechtmäßige Bildnisveröffentlichung und ein hiermit einhergehendes Vertrauen der Öffentlichkeit ist somit die Handhabe des Veröffent­ lichenden über ein Bildnis und die Zustimmung in eine konkrete Veröffentlichung durch den Abgebildeten. Wer sich infolge einer solchen Zustimmung gegen eine ent­ sprechende Veröffentlichung auf sein Recht am eigenen Bild beruft, verhält sich grundsätzlich widersprüchlich zu seinem Vorverhalten in Form der Einwilligungser­ klärung und erscheint – ganz im Sinne des Grundsatzes volenti non fit iniuria1839 – schon deshalb nicht schutzbedürftig, da ihm kein Unrecht widerfahren ist. Denn so­ wohl bei der ausdrücklichen als auch bei der konkludenten Einwilligung weiß der Abgebildete um die konkrete Veröffentlichung und er signalisiert zudem nach außen, dass er mit der Kenntnisnahme der vermittelten (Bild-)Informationen anhand der konkreten Form der Veröffentlichung einverstanden ist. Weiß der Abgebildete allerdings nach den Ausführungen zur konkludenten Ein­ willigung nichts von einer konkreten Bildnisveröffentlichung und ihrem Zweck und kann ihm dieses Wissen auch nicht (normativ) zugerechnet werden, liegt keine (kon­ kludente) Einwilligung vor. (Siehe Abbildung 6).

1837 

Vgl. Kap.  1, C. Böhnstedt, S.  343 f.; Lenski, S.  238 ff. 1839  Barath, S.  165. 1838 

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Abbildung 6: Einwilligungsformen im Lichte des Bildnisrechts

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D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Es stellt sich dann die Frage, inwieweit das eigene Vorverhalten des Abgebildeten dazu führen kann, dass er trotzdem abgebildet werden darf. Gesetzlicher Anknüp­ fungspunkt ist dabei zunächst §  23 I KUG, der, wie gezeigt, an das bildhafte Heran­ treten an die Öffentlichkeit anknüpft1840 und dabei mitunter auf konkrete (Vor-)Ver­ haltensweisen des Abgebildeten für eine einwilligungsfreie Bildnisveröffentlichung abstellt. Besonders deutlich wird dies bei einer dahingehenden Interpretation des Erlaubnistatbestands von §  23 I Nr.  3 KUG, wonach es etwa widersprüchlich erschiene, wenn jemand an einer Ver­ sammlung teilnimmt und aufgrund dieses Vorverhaltens mit einer Bildnisveröffentlichung rechnen muss, eine solche aber ablehnt. Hingegen zeigen die Erlaubnistatbestände der §§  23 I Nr.  1 und Nr.  4 KUG, dass zulässige einwilligungsfreie Bildnisveröffentlichungen nicht zwin­ gend von einem zurechenbaren Vorverhalten des Abgebildeten im Sinne einer Veranlassung abhängen müssen. Besonders deutlich wird dies anhand der Abkehr der Rechtsprechung vom Veranlassungsprinzip und dem hiermit verbundenen Modell der „bewussten Person der Zeit­ geschichte“ in §  23 I Nr.  1 KUG.1841

Dies zeigt, dass sich der Gedanke der fehlenden Schutzbedürftigkeit bei einem wi­ dersprüchlichen Vorverhalten bereits auf verschiedenen Ebenen des Bildnisrechts in den §§  22 ff. KUG wiederfindet und dabei allerdings jeweils andere Anknüpfungs­ punkte mit jeweils unterschiedlichen Reichweiten besitzt. Absolute Wirkung entfaltet er, wenn der Abgebildete ein Vorverhalten an den Tag legt, das vom Veröffentlichenden im Sinne des §  22 I S.  1 KUG als Einwilligung verstanden werden durfte. Dies ist dann der Fall wenn der Abgebildete signalisiert, dass er um die faktische Befähigung des Veröffentlichenden, sein Bildnis zu veröf­ fentlichen, weiß und darüber hinaus die (im Einzelfall anhand gesellschaftlicher Konventionen zu bestimmenden) Variablen der Art, des Umfangs und des Zwecks der konkreten Veröffentlichung kennt und hiermit einverstanden ist.1842 Nach den obigen Ausführungen liegt etwa grundsätzlich eine konkludente Einwilligung des Abgebildeten hinsichtlich der plattformtypischen Weiterveröffentlichungsmöglichkeiten wie etwa des Teilen-Funktion (zwangsläufig gegenüber denjenigen, welche die Funktion nutzen können) durch den eigenen Bildnis-Upload vor.

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann das Vorverhalten des Abgebildeten für die Zulässigkeit der Bildnisveröffentlichung im Rahmen des §  23 I KUG zwar rele­ vant sein, jedenfalls setzt aber §  23 II KUG der Bedeutung und Reichweite dieses Vorverhaltens eine klare Grenze. Selbst wenn eine bildhafte Repräsentation im Lich­ te der Öffentlichkeit stattfindet, bleibt das Abgebildeteninteresse in Form des berech­ tigten Interesses bei §  23 II KUG die „letzte Instanz“ für die Frage der Zulässigkeit der Bildnisveröffentlichung. Wer etwa an einer Versammlung im Sinne des §  23 I 1840 

Vgl. Kap.  3, D., IV., 2. Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 1., a). 1842  Vgl. OLG München, NJW-RR 2016, S.  872; OLG München, GRUR-RR 2018, S.  529, Rn.  22; LG Hamburg, ZUM 2018, S.  372. Hierzu bereits Kap.  3, C., III., 2. 1841 

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Nr.  3 KUG teilnimmt, muss deshalb nicht mit jeder Veröffentlichung jedes Bildnisses rechnen, welches im Rahmen dieser Versammlung entstanden ist.1843 Wird beispielsweise jemand während einer Versammlung ohnmächtig, rechtfertigt der Um­ stand, dass er an der Versammlung teilgenommen und sich an die Öffentlichkeit begeben hat, keine Bildnisveröffentlichung, die ihn im krankhaften Zustand zeigt. Darüber hinaus soll diese Abbildungsfreiheit nach §  23 I Nr.  3 KUG ausdrücklich nur solange bestehen, wie die Teilnah­ me an einer Versammlung vorliegt. Zeigt ein Versammlungsteilnehmer durch die Teilnahme an einer politisch motivierten Demonstration etwa seine politischen Gesinnung, hat er sich nicht automatisch hinsichtlich jeder zukünftigen bildhaft manifestierbaren politischen Meinungs­ kundgabe (fernab von weiteren Versammlungen) selbst geöffnet1844 und darf folglich in diesen Zusammenhängen auch nicht ohne seine Einwilligung abgebildet werden.1845 Nimmt jemand etwa an einer Anti-Corona Demonstration teil, darf er allein deshalb nicht fortwährend in der Öffentlichkeit erkennbar (ohne Maske) abgebildet und sein Bildnis veröffentlicht werden.

Diese Erwägungen zeigen, dass dem Bildnisrecht in §  22 ff. KUG nicht die Idee eines fortdauernden, universalen Verzichts auf eigene Persönlichkeitsrechte durch wider­ sprüchliches Vorverhalten in der Öffentlichkeit innewohnt. Etwas Anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn dem vorkonstitutionellen Bild­ nisrecht im Lichte des Grundgesetzes strengere Prinzipien im Sinne der Verzichts­ 1843  Diskutabel erscheint deshalb die Feststellung von Hohenstein, S.  114 f., wonach sich Akti­ vistinnen der sog. Femen-Bewegung bei einer Demonstration mit nacktem Oberkörper hinsichtlich einer Veröffentlichung derartiger Aufnahmen von Protestaktionen, auf welchen unter Umständen auch eine einzelne Teilnehmerin aus der Masse heraussticht, nicht auf §  23 II KUG berufen könn­ ten. Bereits die dogmatische Begründung hierfür erscheint zweifelhaft, wonach Hohenstein hin­ sichtlich des Zeigens der Brüste zunächst von einer teilweisen Öffnung der Intimsphäre ausgeht, dann aber „eine Einwilligung in die Veröffentlichung“ erkennt, welche wiederum „von der Ausnah­ meregelung des §  23 I Nr.  3 KUG gedeckt“ sei. Wenn allerdings eine Einwilligung vorliegt, bedarf es weder Ausführungen zu §  23 I Nr.  3 KUG, noch (erst recht) zu einer Selbstöffnung im Rahmen des §  23 II KUG. Überzeugender erscheint es, dass selbst bei einer solchen Demonstration – sofern überhaupt nach den konkreten Einzelheiten von keiner Einwilligung der Abgebildeten ausgegangen werden kann –, bei der sich die Demonstranten nackt zeigen, gleichwohl berechtigte Interessen im Sinne des §  23 II KUG im Einzelfall durch die konkrete Veröffentlichungsform verletzt werden können. Denkbar wäre etwa, wenn die konkrete Bildnisveröffentlichung im Rahmen eines Kontexts stattfindet, welcher die nackten Aktivistinnen gezielt nur in sexualisierter Weise darstellt und deren originäres Anliegen, sich u. a. gegen Sexismus einzusetzen, ins Gegenteil verkehrt. 1844  Erwähnenswert erscheint in diesem Zusammenhang eine mehr oder weniger beiläufige Feststellung in den Gesetzgebungsmaterialien, wonach ein Antrag zu §  22 S.  1 Nr.  3 KUG bestand, welcher zunächst nur „Abbildungen von öffentlich veranstalteten Versammlungen“ freistellen woll­ te, da „intime Versammlungen geschützt werden müßten“. Dieser Antrag wurde aber gerade des­ halb zurückgenommen, weil (die heutige Fassung des) §  23 II KUG „einen Schutz gegen Indiskretio­ nen“ gewähre. Damit wurde bereits thematisiert, dass die Abbildungsfreiheit in §  23 I KUG nicht pauschal, sondern aufgrund der konkreten Umstände des Vorverhaltens bestimmt werden muss; vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, Bd.  224, 1905/06, Akten­ stück Nr.  448 (Bericht der zehnten Kommission), S.  4685. 1845  Anders kann der Fall nur dann liegen, wenn ein späteres Verhalten eines Versammlungsteil­ nehmers im Widerspruch zur Äußerung auf der Versammlung steht und dann aus diesem konkreten Widerspruch ein öffentliches Interesse gem. §  23 I Nr.  1 KUG erwächst. Dies ist dann aber kein Fall geringerer Schutzwürdigkeit durch eine Selbstöffnung im Rahmen von §  23 II KUG; vgl. hierzu sogleich Kap.  3, D., IV., 8.

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theorie des Bundesverfassungsgerichts verliehen worden wären. Mit dem Gedanken der Grundrechtsverwirkung im Sinne des Art.  18 GG lässt sich eine Selbstbegebung allerdings nicht rechtfertigen, da diese nicht an den Grundrechtsgebrauch, sondern einzig an einen Grundrechtsmissbrauch zum Kampf gegen die freiheitlich demokra­ tische Grundordnung anknüpft.1846 Selbst die Kommerzialisierung der eigenen In­ timsphäre etwa durch den Verkauf von erotischen Bildnissen wird man unter einen (Bildrechts-)Verzicht nicht ohne weiteres fassen können.1847 Überzeugender ist es, den Gedanken der Selbstöffnung im Bildnisrecht in dem (gegenläufigen) Wesen des Mantelrechts des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu verorten, wonach individuel­ ler Freiheitsgebrauch und Selbstbestimmung innerhalb der Gesellschaft nicht los­ gelöst von dieser stattfinden kann, sondern zwangsläufig ein Gesellschaftsbild mit­ gestaltet und prägt.1848 Ausgehend von dieser Prämisse lassen sich bereits mehrere Feststellungen für die Voraussetzungen und die Reichweite einer Selbstöffnung tref­ fen. Da das Recht am eigenen Bild als besonderes Persönlichkeitsrecht diese Gegen­ läufigkeit von Individuum und Öffentlichkeit ausdrücklich aufgreift, sind dessen Wertungen für das Vorverhalten des Abgebildeten ohne weiteres auch unter Geltung des Grundgesetzes übertragbar. Eine Selbstbegebung im Sinne der Verzichtstheorie ist demzufolge abzulehnen. Der jüngeren Rechtsprechung der Fachgerichte und der überwiegenden Literatur ist insoweit beizupflichten, wenn diese einen Zusammen­ hang zwischen Vorverhalten und der einwilligungsfreien Bildnisveröffentlichung fordert, um den Gedanken der Selbstöffnung in den Gesamtabwägungsvorgang über §  23 II KUG einbringen zu können.1849 Deutlich wird damit auch, dass für die Ermitt­ 1846  Lenski, S.  241; darüber hinaus erscheint schon die Übertragbarkeit des Gedankens nicht unproblematisch, da die in Art.  18 GG genannten Grundrechte nach ganz einhelliger Meinung ab­ schließend aufgezählt sind; vgl. Maunz/Dürig/Dürig/Klein, Art.  18 GG, Rn.  23. 1847 Vgl. Böhnstedt, S.  343 f. 1848  Köndgen, S.  167. Lenski, S.  242, spricht davon, dass mit jedem Gebrauch eines speziellen Freiheitsrechts innerhalb der Gesellschaft automatisch Teile in diese „exportiert“ werden. 1849  Ganz im Sinne der hier vertretenen Lösung zur Anknüpfung an einen öffentlichen Vertrau­ enstatbestand führte jüngst das OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  316, bzgl. der Notwendigkeit der Korrelation von Vorverhalten und veröffentlichter (Bildnis-)Information an, dass infolge einer um­ fassenden Selbstbegebung durch den Upload von Bildnissen auf Instagram die „engen Grenzen der Einwilligung (§  22 KUG), welche nach der sog. Zweckübertragungslehre im Zweifel eng ausgelegt wird, unterlaufen würden“. Hintergrund ist, dass in Teilen der Rechtsprechung und der überwiegen­ den Literatur die urheberrechtliche Zweckübertragungsregel des §  31 V UrhG als Auslegungshilfe zur Ermittlung der (konkludenten) Einwilligung herangezogen wird. Danach ist im Zweifel – also bei nicht genau bestimmtem Umfang und Zweck der Einwilligung – davon auszugehen, dass der Abgebildete die Einwilligung in die Veröffentlichung der Abbildung nur in dem Umfang erteilt hat, wie dies zur Erfüllung des Vertrags- oder Aufnahmezwecks erforderlich war; vgl. Schricker/Loe­ wenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  44; Wandtke/Bullinger/Fricke, §  23 KUG, Rn.  16; Schnabel, ZUM 2008, S.  659, Fn.  32; J. Wolf, S.  33. Dies leuchtet im Ergebnis durchaus ein, gleichwohl braucht es für diese Erkenntnis ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien nicht zwingend eines Rückgriffs auf die urheberrechtliche Zweckübertragungsregel; vgl. Stenographische Berichte über die Ver­ handlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1540, wonach eine Einwilli­ gung angenommen werden könne, „wenn jemand ohne Vorbehalt eine Aufnahme gewährt oder zuläßt, die nach den Umständen für den Zweck einer späteren Veröffentlichung bestimmt ist“.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

lung dieses korrelierenden Zusammenhangs von Vorverhalten und Veröffentlichung im Bildnisrecht ein strenger Maßstab gelten muss. Wenig überzeugend erscheint es daher, wenn die Rechtsprechung eine Selbstöffnung bislang nicht anhand der Art des Vorverhaltens beurteilt, durch welche die in Rede stehenden Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind, aus welcher diese ihr Vertrauen generiert. Gibt eine Per­ son etwa (Wort-)Informationen in einem Interview oder einer Stellungnahme bzgl. ihres Privatlebens preis, erscheint es allein anhand des – eigens vom Bundesverfas­ sungsgericht bestätigten – ungleichen Eingriffsgehalts von Wort- und Bildbericht­ erstattung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht überzeugend, umgekehrt eine Selbstöffnung hinsichtlich Bildveröffentlichungen anzunehmen, die sich thematisch (unter anderem) mit den eigens preisgegebenen (Wort-)Informationen decken. Schließlich zeigt die Verortung des Selbstbegebungsgedankens im gegenläufigen Prinzip der Selbstbestimmung innerhalb der Gesellschaft, dass der Maßstab für ein öffentliches Vertrauen (und damit für Selbstbegebungen bei einwilligungsfreien Bild­nisveröffentlichungen) umso strenger sein muss, je geringer ein (thematischer) Sozialbezug bei der korrelierenden Information besteht. Damit gilt unabhängig von der Art des Vorverhaltens (Verbaläußerung oder Preisgabe eines Bildnisses): Je privater eine durch das Vorverhalten preisgegebene Information erscheint, umso höher sind die Anforderungen, sich hinsichtlich einer späteren Bildnisveröffentlichung auf eine Selbstbegebung des Abgebildeten zu berufen.1850

Zusammenfassend ist mit dem öffentlichen Vertrauen in eine Selbstöffnung ein Maß­ stab zur Beurteilung des Vorverhaltens für die Schutzwürdigkeit des Abgebildeten im Rahmen des §  23 II KUG hinsichtlich einer späteren Bildnisveröffentlichung ge­ funden. Hiernach ist zu fragen, ob durch das Vorverhalten des Abgebildeten ein öf­ fentlicher Vertrauenstatbestand bzgl. der Preisgabe einer (persönlichen) Information geschaffen wurde, auf den sich auch der Veröffentlichende bei einer konkreten Bild­ nisveröffentlichung verlassen durfte und anhand dessen die Geltendmachung des Rechts am eigenen Bild durch den Betroffenen widersprüchlich erschiene. Insoweit könnte auch von einer Verkehrsanschauung hinsichtlich selbstöffnenden Vorverhal­ tens gesprochen werden. Damit versteht sich das öffentliche Vertrauen als eine generalisierte Erwartung, dass der Abgebildete seine Freiheit bzw. das Potential seiner Handlungsmöglichkei­ ten bei einer einwilligungsfreien Fremddarstellung, im Sinne seiner Persönlichkeit  – oder präziser, im Sinne der Persönlichkeit, die er zuvor als die seine dargestellt und sozial sichtbar gemacht hat – handhaben wird.1851 Daher gilt es, allgemeine Kriterien herauszuarbeiten, wann im Bildnisrecht ten­ denziell von einem öffentlichen Vertrauen im Sinne dieser Erwartungshaltung – und damit von einer Selbstöffnung des Abgebildeten – ausgegangen werden kann. 1850 Vgl. Lenski, S.  242. Erste Einschätzungshilfe kann hierbei wiederum die Sphärentheorie sein. 1851 Vgl.

Luhmann, Vertrauen, S.  48.

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4. Rückgriff auf den venire contra factum proprium-Grundsatz zur Ermittlung von Kriterien zur Ermittlung des öffentlichen Vertrauens Obwohl einem allgemeinen Vertrauensschutzgedanken in der deutschen Rechtsord­ nung Ubiquität und damit ein auswucherndes Dasein bei fehlender Legitimation vor­ gehalten wird1852, beansprucht das Verbot widersprüchlichen Verhaltens – in Form des sog. venire contra factum proprium-Grundsatzes – in Rechtsprechung und Schrifttum nahezu unangefochtene Geltung, wenn es um die Verlässlichkeit inner­ halb eines Schuldverhältnisses geht.1853 Verlangt der Berechtigte hiernach etwas, was seinem eigenen (Vor-)Verhalten widerspricht, verletzt er die durch §  242 BGB gebotene Treuepflicht.1854 Damit zeigt der Selbstöffnungsgedanke im Bildnisrecht zwangsläufig nicht von der Hand zu weisende Parallelen zum venire contra factum proprium-Grundsatz. Aller Voraussicht nach wird der Selbstöffnungsgedanke im Bildnisrecht auch deshalb von der überwiegenden Literatur ohne nähere Begrün­ dung lediglich als Ausfluss aus dem venire contra factum proprium-Grundsatz be­ griffen.1855 Dies erscheint bereits deshalb vage, weil sich die Frage der Selbstöffnung eines Abgebildeten offensichtlich nicht im Rahmen eines bestehenden Schuldverhält­ nisses stellt. Vielmehr soll die Selbstöffnung im Rahmen von §  23 II KUG darüber (mit-)entscheiden, ob überhaupt ein (gesetzliches) Schuldverhältnis als Folge einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild zwischen dem Abbildenden und dem Ab­ gebildeten zustande kommt und ist diesem somit vorgeschaltet. Darüber hinaus be­ schränkt sich der venire contra factum proprium-Grundsatz auch nicht auf Konstel­ lationen, die einen bestimmten Vertrauenstatbestand fordern.1856 Deswegen erscheint ein Rückgriff auf den venire contra factum proprium-Grund­ satz zur Ermittlung von Anhaltspunkten für eine Selbstöffnung im Bildnisrecht nur dann tragbar, wenn der relevante Selbstwiderspruch für eine geringere Schutzwür­ digkeit im Rahmen des §  23 II KUG darin gesehen wird, dass sich derjenige wider­ sprüchlich verhält, der das – durch sein Vorverhalten zurechenbar geschaffene – Ver­ trauen der Öffentlichkeit enttäuscht.1857 Ein einfaches Beispiel hierfür kann mit der Unanwendbarkeit des – ebenfalls unter das venire contra factum proprium – fallenden Gedankens des tu quoque (lat. du auch) im Bildnisrecht gebildet werden: A und B besuchen regelmäßig gemeinsame öffentliche Festivitäten. A stellt hierbei mit seinem Smartphone fortlaufend ungefragt Bildnisse von B her, schickt diese an Freunde oder veröffentlicht sie auf Social-Media-Plattformen im Internet. Darunter befinden sich auch Bilder, von denen B nichts mitbekommen hat und diesen in einem ungünstigen Licht (etwa beim Feiern) darstellen. A macht sich somit nach §  33 KUG strafbar. 1852  Köndgen, S.  97 ff.; Picker, S.  92 ff.; Singer, S.  77 ff.; Singer, in: FS Doris 2015, S.  1443; vgl. ferner Frotz, in: GS Gschnitzer 1969, S.  168 ff. 1853  Dette, S.  45 ff.; Singer, S.  77 ff.; 353 ff. 1854  BeckOGK BGB/Kähler, §  242 BGB, Rn.  1193; Singer, S.  50. 1855  Vgl. bereits oben bei Kap.  3, D., IV. 1856  BeckOGK BGB/Kähler, §  242 BGB, Rn.  1196; MüKo BGB/Schubert, §  242 BGB, Rn.  353 ff. 1857  Singer, in: FS Doris 2015, S.  1447.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Nachdem B die Bilder auf den Plattformen gesehen hat, veröffentlicht dieser ein Bildnis von A in einer ähnlichen Situation auf der Veranstaltung, weil er der Meinung ist, A müsse sich das jetzt auch gefallen lassen, nachdem er sich ihm gegenüber zuvor selbst entsprechend verhalten habe. A verhält sich nun nicht widersprüchlich im Sinne eines relevanten Widerspruchs, wenn er sich gegen eine Bildnisveröffentlichung des B wendet. Insbesondere kann nicht davon aus­ gegangen werden, dass sich A deshalb nicht auf die Verletzung berechtigter Interessen gem. §  23 II KUG berufen könne, weil er sich zuvor widersprüchlich gegenüber B (hinsichtlich der Veröffentlichung ähnlich ungünstiger Bildinhalte) verhalten habe. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn A durch sein Vorverhalten den Eindruck innerhalb der Öffentlichkeit ge­ schaffen hat, dass sich die spätere Veröffentlichung konkreter Bildnisinhalte in seiner vorigen Repräsentation wiederfindet und ihm insoweit nicht zuwiderlaufen kann.1858

Für diese Lösung spricht der Grundsatz, dass keine Gleichheit im Unrecht (über §  33 KUG) gelten kann. Dies kann auch nicht etwa dadurch umgangen werden, dass un­ terschiedliche Maßstäbe an den straf- und zivilrechtlichen Bildnisschutz geknüpft werden, da ansonsten eine Bildnisveröffentlichung im Einzelfall strafrechtlich gem. §  33 KUG relevant werden könnte, welche zugleich zivilrechtlich gem. §§  22, 23 I, 23 II KUG erlaubt wäre. Festzuhalten bleibt also, dass der venire contra factum proprium-Grundsatz nur (auf die Schaffung eines Vertrauenstatbestands) begrenzt für die Idee der Selbstöffnung im Bildnisrecht übertragbar ist.1859 Sowohl diese begrenzte Übertragbarkeit als auch die grundsätzliche Schwierigkeit der Indizierbarkeit eines öffentlichen Vertrauenstatbestands1860 zeigen nach der hier vertretenen Auffassung  – insbesondere angesichts des über §  33 KUG zu beachtenden strafrechtlichen Be­ stimmtheitsgebots – bereits deutlich, dass die Grenzen einer Selbstöffnung im Bild­ nisrecht im Rahmen des §  23 II KUG sehr restriktiv und im Zweifel zu Gunsten des Abgebildeten gezogen werden müssen. 5. Eingeschränkte Übertragbarkeit vertrauensschützender Erwägungen aus dem venire contra factum proprium in das (Persönlichkeits-)Recht am eigenen Bild Beschränkt man sich somit auf die vertrauensschützenden Erwägungen innerhalb des venire contra factum proprium-Grundsatzes für die Selbstöffnung im Bildnis­ recht, werden für die Ermittlung von Abwägungskriterien drei allgemeine Unter­ gruppen entsprechender zivilrechtlicher Haftungserwägungen sichtbar, die an das Vertrauen anknüpfen: Vertrauen kraft Rechtsscheins, Vertrauen kraft Irrtums und Vertrauen kraft des Gebots konsequenten Verhaltens.1861 Der für die Selbstöffnung bislang vereinzelt herangezogene (zivilrechtliche) Verwirkungsgedanke1862 stellt da­ bei genaugenommen keine eigene Fallgruppe dar, sondern er unterfällt je nach Aus­ 1858  Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn A zuvor mit Bildnisveröffentlichungen in vergleichbarer Perspektive wie die infrage stehende Bildnisveröffentlichung einverstanden war oder etwa selbst veröffentlicht hatte. 1859  A. A. wohl Jipp, S.  204. 1860  Picker, S.  93, 98; Singer, in: FS Doris 2015, S.  1462. 1861 Vgl. Singer, in: FS Doris 2015, S.  1465. 1862  Jipp, S.  202.

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gestaltung unterschiedlichen Teilbereichen des venire contra factum proprium-­ Grundsatzes.1863 Setzt man sich allerdings nur oberflächlich mit den Grundprämis­ sen aller drei Fallgruppen auseinander, werden die Bedenken hinsichtlich einer allzu pauschalen Übertragbarkeit von deren Kriterien auf das Recht am eigenen Bild be­ sonders deutlich. So können bereits aus der ersten Gruppe mangels eines gesetzlichen (sog. künst­ lichen) Rechtsscheinstatbestands im Bildnisrecht allenfalls die Grundsätze eines na­ türlichen, äußeren Rechtsscheinstatbestands herangezogen werden können.1864 Un­ abhängig davon muss sich ein Rechtsscheinstatbestand stets auf eine rechtsgeschäft­ liche Handlung beziehen.1865 Diese rechtsgeschäftliche Handlung kann beim Recht am eigenen Bild allenfalls – sofern man hierin keine rechtsgeschäftsähnliche Hand­ lung erblickt – die Einwilligung und nicht etwa eine Selbstöffnung oder Selbstver­ schließung (infolge derer ein berechtigtes Interesse gem. §  23 II KUG beurteilt wer­ den soll) sein. Gleichwohl führt dieser Umstand keineswegs zur Unübertragbarkeit der natürlichen Rechtsscheinsgrundsätze auf das Bildnisrecht; vielmehr wird erst recht eine Selbstöffnung angenommen werden können, wenn der Abgebildete einen Rechtsschein bzgl. seiner Einwilligung gesetzt hat. Genaugenommen wird dann bereits eine konkludente Einwilligung im Sinne von §  22 S.  1 KUG vorliegen. Nach den obigen Ausführungen kann diese sogar entgegen des tatsächlichen Willens des Abgebildeten vorliegen, wenn nach objektivem Empfängerhorizont (aufgrund des vom Abgebildeten gesetzten Rechtsscheins) von einer Einwilligung ausgegangen werden durfte. Auf §  23 II KUG – und einer Selbstöffnung bzgl. berechtigter Interessen – kommt es dann nicht mehr an.1866

Daneben erscheinen die Grundsätze der Vertrauensschaffung kraft Rechtsirrtums nur eingeschränkt übertragbar, weil sich ein relevanter Rechtsirrtum auf die Gültig­ keit eines (bestehenden) Rechtsgeschäfts beziehen muss1867, welches im Falle einer Selbstöffnung im Bildnisrecht grundsätzlich nicht vorliegen wird. Zielführend erscheint es daher, sich zur Ermittlung von Abwägungskriterien für die Selbstöffnung im Bildnisrecht primär an demjenigen Teilbereich des Vertrauens­ schutzes innerhalb des venire contra factum proprium zu orientieren, dem eine rechtsbegründende Funktion zukommen kann. Ein anerkanntes Beispiel für ein sol­ ches rechtsbegründendes Vorverhalten findet sich innerhalb der dritten Fallgruppe des Vertrauensschutzes kraft konsequenten Verhaltens etwa in Form der sog. betrieb­ 1863  Singer, S.  223 f., wonach die Verwirkung im Rahmen des venire contra factum proprium-­ Grundsatzes je nach Ausgestaltung der Vertrauenshaftung kraft Rechtsirrtums oder der Vertrau­ enshaftung kraft konsequenten Verhaltens zuzuordnen ist. 1864  Vgl. zu den Arten von Rechtsscheinstatbeständen Müller-Brockhausen, §  3, Rn.  227. 1865  Canaris, S.  4 43; Müller-Brockhausen, §  3, Rn.  232. 1866  Vgl. hierzu die Ausführungen zur (konkludenten) Einwilligung in Kap.  3, C., III., 2., mit Abbildung und die hieran anknüpfende Abbildung bei Kap.  3, D., IV., 3.; vgl. ferner in diesem Zu­ sammenhang die Argumentation des OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  316; ähnlich Korte, §  2, Rn.  84; Ohly, GRUR 2012, S.  986. 1867  Singer, in: FS Doris 2015, S.  1451.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

lichen Übung.1868 Hier schafft der Arbeitgeber durch die Fortsetzung einer betrieb­ lichen Übung das Vertrauen in ein künftiges konsequentes Verhalten seinerseits in der Form, dass er eine spätere Rechtsausübung (die im Widerspruch mit seinem Vor­ verhalten steht) unterlassen wird.1869 Diese Konstellation weist damit durchaus Par­ allelen zur Selbstöffnung im Bildnisrecht auf, da auch hier durch das (mediale) Vor­ verhalten ein Vertrauen geschaffen wird, das durch die spätere Geltendmachung des Rechts am eigenen Bild verletzt wird. Gleichwohl bestehen in der Preisgabe von persönlichen Informationen und der Preisgabe von Leistungen oder Vergünstigun­ gen evidente Unterschiede in der sozialen Beschaffenheit der Dispositionen der Be­ troffenen, die sich auf die Bildung eines Vertrauenstatbestands auswirken können. Dies zeigt erneut, dass die Bildung von Abwägungskriterien für die Selbstöffnung im Bildnisrecht unter der gebotenen Zurückhaltung hinsichtlich einer allzu pauschalen Übertragbarkeit einer zivilrechtlichen Vertrauenshaftung geschehen muss; zugleich müssen diese die Vergleichbarkeit der Interessenlage im Auge behalten.1870 6. Abwägungskriterien zur Ermittlung eines Vertrauenstatbestandes für die Selbstöffnung im Bildnisrecht Im Folgenden sollen deshalb allgemeine Abwägungskriterien auf Grundlage des bis­ her Gesagten herausgearbeitet werden, welche für die Bewertung des Einzelfalls zur Bestimmung einer Selbstöffnung im Bildnisrecht herangezogen werden können. a) Eigene Veranlassung und nach außen erkennbare Motivation des Abgebildeten als Indizien einer freien Selbstdarstellung Die vorgeschlagene Verschiebung vom Blickwinkel des Abgebildeten hin zur Öf­ fentlichkeit für die Ermittlung von Selbstöffnungskriterien im Bildnisrecht erscheint 1868  Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass die Rechtsprechung entgegen großer Teile der Literatur bei der betrieblichen Übung nicht von einem Unterfall der Vertrauenshaf­ tung, sondern von einer stillschweigend vereinbarten Inhaltsänderung des Arbeitsvertrags ausgeht; vgl. BAG, AP BGB, §  242 Betriebliche Übung Nr.  11; BAG, AP BGB §  242 Betriebliche Übung Nr.  16; a. A. Canaris, S.  372 ff.; Hanau AcP 165 (1965), S.  261; Hromadka NZA 1984, S.  241 ff.; Kettler NJW 1998, S.  435; Seiter, S.  95; Singer, S.  347; ferner Maties, S.  160 ff. m. w. N. Unabhängig von diesem Streit wird aber in jedem Fall – ähnlich wie bei der Vertrauenshaftung kraft Rechtsscheins  – von einem Erst-Recht-Schluss hinsichtlich der Übertragbarkeit auf das Bildnisrecht auszugehen sein, wenn man mit der Rechtsprechung aus dem Vorverhalten eine normativ-zurechenbare Wil­ lenserklärung (als Änderungsangebot) konstruieren möchte. In jedem Fall liegt zudem ein rechtsbe­ gründendes Verhalten – sei es durch Abschluss eines Vertrags oder durch die Begründung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses anhand einer Verschuldenshaftung – vor. 1869  BeckOGK BGB/Maties, §  611a BGB, Rn.  486, S. Singer, S.  43. 1870  Vgl. in diesem Zusammenhang Jipp, S.  202, welcher pauschal von der Übertragbarkeit des zivilrechtlichen Verwirkungsgedankens ausgeht oder Böhnstedt, S.  345, welche eigene Selbstöff­ nungskriterien gänzlich ohne dogmatische Begründung herleitet. Zu diesen „freien“ Interpretatio­ nen der Abwägungskriterien laden die undurchsichtige Anwendungspraxis der Gerichte oder die Berufung auf einen „Ausfluss“ des venire contra factum proprium-Grundsatzes durch die Literatur in nachvollziehbarer Weise ein.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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insbesondere deshalb sinnvoll, weil sie der persönlichen Motivation des an die Öf­ fentlichkeit Tretenden weniger Gewicht beimisst oder diese gar zu einem absoluten Kriterium1871 macht. Natürlich kann es für die Vertrauensbildung der Öffentlichkeit eine Rolle spielen, wenn diese die Motivation des an sie Herantretenden erkennen und werten kann, dieser Umstand macht aber die tatsächliche Motivation des Abge­ bildeten als solche zu keinem entscheidenden Abwägungskriterium für die Selbst­ öffnung.1872 Wichtig ist, ob die Öffentlichkeit anhand des Vorverhaltens des Abgebil­ deten das Vertrauen entwickeln durfte, dass eine konkrete Bildnisveröffentlichung keine Geltendmachung des Rechts am eigenen Bild des Abgebildeten unter Berufung auf die Verletzung berechtigter Interessen gem. §  23 II KUG zur Folge hat. Hierzu kann allenfalls die vermittelte (und nicht die tatsächliche) Motivationslage des Abge­ bildeten, an die Öffentlichkeit heranzutreten, eine Rolle spielen. Denn alles einsehund demzufolge abbildbare Handeln ist neben seinem unmittelbaren Sinnbezug auf Situation und Zweck zugleich Selbstdarstellung des Handelnden unter dem Gesichts­ punkt seiner Vertrauenswürdigkeit.1873 Ob der Handelnde diesen Gesichtspunkt im Auge hat oder nicht, ob er darauf abzielt oder bewusst abweicht, „die Vertrauensfra­ ge schwebt über jeder Interaktion“1874. Dies zeigt zum einen bereits die historische Abkehr vom Veranlassungsprinzip und der „bewussten Person der Zeitgeschichte“ in §  23 I KUG1875, zum anderen etwa die tendenzielle Abbildungsfreiheit von Straf­ tätern1876. Letztere haben gerade nicht das Bedürfnis, dass ihr (strafbares) Vorver­ halten von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, gleichwohl wird man in diesem Vorverhalten eine Selbstöffnung hinsichtlich ihrer Abbildungsfreiheit bei Bildbe­ richterstattungen die im Zusammenhang mit diesem Vorverhalten stehen, erblicken können, die eine Berufung auf berechtigte Interessen im Rahmen von §  23 II KUG regelmäßig als hinfällig erscheinen lassen wird. Bedenken sind deshalb auch bzgl. einer jüngeren Forderung anzumelden, die Selbstöffnung des Betroffenen anhand altruistischen (Motivations-)Zwecken der All­ gemeindienlichkeit wie dem Aufmerksammachen auf bestimmte Krankheitsbilder, dem Umweltschutz oder zu karikativen Zwecken zu differenzieren.1877 Denn es fragt sich unabhängig von der Bestimmbarkeit (des Schwerpunkts) altruistischer Zwecke in einem Bild schon, auf welcher rechtlichen Erwägung ein solcher paternalistische 1871 

So aber Jipp, S.  196. A. A. Böhnstedt, S.  345; Gronau, S.  208; Jipp, S.  196; wohl auch Brost/C. Conrad, AfP 2020, S.  292, welche das Erfordernis der „Bewusstheit“ aus der Bezugnahme von BVerfGE 101, 361 (385) – „Caroline von Monaco II“, zu Exklusivverträgen herleiten, wonach der Betroffene „denklogisch“ nur bewusste Exklusivverträge abschließen könne. Gleichwohl sagt dies nichts über eine Beschrän­ kung der Selbstöffnung auf bewusste Handlungen aus, so auch bereits Heintschel von Heinegg, AfP Sonderheft 2007, S.  46. 1873 Vgl. Luhmann, Vertrauen, S.  48; vgl. ferner Götting, in: FS Raue 2006, S.  436. 1874  Luhmann, Vertrauen, S.  48. 1875  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, D., II., 1., a). 1876  Vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 3., d); vgl. zur Selbstöffnung bei der Verdachtsberichterstat­ tung Brost/C. Conrad, AfP 2020, S.  290 ff. 1877 So Böhnstedt, S.  345; Jipp, S.  198. 1872 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Ansatz basiert, der zwischen guter und schlechter Motivationslage unterscheidet. Vielmehr erscheint es geradezu willkürlich, den Vorwurf des Selbstwiderspruchs davon abhängig zu machen, ob die Handlung zu altruistischen Zwecken erfolgt ist. Wehrt sich etwa eine prominente Person gegen die Bildnisveröffentlichung, auf der ihr Rau­ cherbein zu sehen ist, würde sie sich hiernach bei Berufung auf ihre Privatsphäre dann wider­ sprüchlich verhalten, wenn sie zuvor ein ähnliches Bild veröffentlicht hatte, auf dem ihr Rau­ cherbein in vergleichbarer Perspektive zu sehen ist. Wäre zuvor das identische Bild von der Person im Rahmen einer Kampagne (oder eines Hinweises) zur Risikoaufklärung bzgl. über­ mäßigen Tabakkonsums veröffentlicht worden, läge wiederum kein widersprüchliches Verhal­ ten vor und die (Zweit-)Veröffentlichung wäre unzulässig.

Diese Lösung trennt somit den Widerspruch vom tatsächlichen Verhalten und über­ spielt dies mit eigens kreierten Moralvorstellungen. Dabei ist offensichtlich nicht von der Hand zu weisen, dass gute altruistische Kampagnen auch zur – oftmals als schlecht und gerade nicht altruistisch bewerteten – Imagepflege des Abgebildeten beitragen und von diesem gezielt instrumentalisiert werden können. Unklar wäre dann, ob ein solches Instrumentalisieren noch als altruistisch gilt. Auch die Beru­ fung auf den Schwerpunkt der (Bildnis-)Veröffentlichung wird hierbei keine Klarheit für die Frage der Selbstöffnung schaffen.1878 Zuzugeben ist freilich, dass ein voriges bewusstes Herantreten des Betroffenen an die Öffentlichkeit tendenziell eher dazu geeignet ist, Vertrauen im Sinne der Selbst­ öffnung zu generieren. Dies gründet auf der allgemeinen Erwartung, dass der er­ kennbar bewussten Selbstdarstellung eine freie, und damit echte Handlung inne­ wohnt, welche eine Kontinuitätserwartung der Allgemeinheit hinsichtlich der Per­ sönlichkeit – im Sinne einer Selbstbindung – befördert.1879 Umgekehrt wird ein Vorverhalten, das zwar selbstbestimmt stattfindet, welches dabei aber den Eindruck eines Herantretens an die Öffentlichkeit aufgrund einer Weisung oder eines Zwangs­ moments hervorruft, weniger geeignet sein, allgemeines Vertrauen im Sinne einer Selbstöffnung hervorzurufen.1880 Dieser Gedanke tritt sogar in denjenigen Entschei­ dungen der Rechtsprechung zutage, welche den Kommerzialisierungsgedanken als Paradebeispiel des Aufsuchens der Öffentlichkeit dann heranziehen, wenn die Person frei(willig) (Bildnis-)Informationen ihrer Person kommerzialisiert, während diese Idee bei Bildnisveröffentlichungen, welche eine Person im Rahmen ihrer Erwerbs­ tätigkeit – etwa auf einer Mitarbeiterseite der Unternehmenshomepage – dulden muss, für die Selbstöffnung gar keine Rolle spielt.1881 1878  Umso schwieriger dürfte es dieser Ansatz haben, wenn die betroffene Person Geld für ihre Teilnahme an einer gemeinnützigen Kampagne erhalten hat. 1879 Vgl. Köndgen, S.  175: „Wenn Alter erkennt, daß Ego frei handelt, d. h., sich so darstellt oder so redet, weil er offenbar einen vernünftigen Grund dazu hat, dann kann er daraus den Schluß zie­ hen, daß Ego sich gebunden fühlt.“ 1880  Vgl. BVerfG, NJW 2006, S.  3406 – „Lebenspartnerin von Bernd Tewaag“. 1881  Vgl. hierzu OLG Köln, Urt. v. 18.04.2019 – 15 U 156/18 = BeckRS 2019, 10629, Rn.  82; hingegen OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  317, Rn.  36; ferner LG Berlin NJW 2016, S.  1968 f.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Schließlich zeigt sich eine weitere Fassade des Selbstöffnungsgedankens durch den Rückgriff auf die Vertrauensgrundsätze im venire contra factum proprium, wel­ che bereits in der hier vertretenen Ablehnung der Begleiterrechtsprechung und bei der Abbildung Minderjähriger anklang.1882 Selbst öffnen und selbst verschließen kann man sich nur selbst. Eine starke Stütze findet dieser Gedanke in dem eingangs angesprochenen Vertrauen kraft Rechtsscheins. Wenn ein Rechtsschein durch eige­ nes Vorverhalten bzgl. einer Einwilligung in eine Bildnisveröffentlichung nicht zu Lasten Dritter gesetzt werden kann, muss dies erst recht für die Selbstöffnung im Bildnisrecht gelten.1883 Besonders kritisch sind deshalb diejenigen Entscheidungen der Rechtsprechung zu hinterfragen, in denen eine Person (etwa durch ein Interview) die persönliche Sphäre ihres Beziehungspartners öffnen können soll. Damit wird eine Selbstöffnung tendenziell dann angenommen werden können, je eher in dem – mit der in Frage stehenden Bildnisveröffentlichung korrelierenden – Vorverhalten des Abgebildeten eine freie Selbstdarstellung erblickt werden kann. b) Vertrauensbildung anhand erkennbarer Kontrollmöglichkeiten des Abgebildeten Dies führt zur Frage, wann ein Verhalten tendenziell als freie Selbstdarstellung ge­ wertet werden können soll, welches das öffentliche Vertrauen schafft, dass sich der Betroffene nicht mit der Geltendmachung seines Rechts am eigenen Bild (unter Ver­ weis auf die Verletzung seiner berechtigten Interessen) wehren wird. Nach dem bis­ her Gesagten wird die Vertrauensbildung der Öffentlichkeit tendenziell dann ange­ nommen werden können, wenn sich das Vorverhalten des Abgebildeten der Situation einer (konkludenten) Einwilligung hinsichtlich der infrage stehenden Bildnisveröf­ fentlichung annähert.1884 So wird sich die Erwartung, dass sich eine Person nicht auf die Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild berufen wird, am ehesten dann entwickeln, wenn die abge­ bildete Person zuvor selbst (etwa auf ihrem eigenen Social-Media-Account) ein Bild von sich öffentlich zugänglich gemacht hat, welches dem späteren in Frage stehenden Bildnis in inhaltlicher und perspektivischer Hinsicht ähnelt. Am ehesten wird also eine Selbstöffnung hinsichtlich der Preisgabe von Persönlichkeitsmerk­ malen dann annehmen lassen, wenn ein vom Abgebildeten hochgeladenes Bildnis in identi­ scher Form und in vergleichbarem Kontext an einem anderen Ort veröffentlicht wird. Lädt A beispielsweise ein Bildnis von sich in Bademoden aus dem Urlaub auf Instagram, so hat er sich hinsichtlich dieser konkreten Abbildung selbst geöffnet und kann sich nicht auf den privaten Gegenstand der Abbildung (leicht bekleidet, Urlaubssituation) berufen, wenn A das identische 1882  Vgl. zur Ablehnung der Begleiterrechtsprechung im Bildnisrecht Kap.  3, D., II., 3., f), bb); vgl. zur bewussten Zuwendung Minderjähriger Kap.  3, D., II., 3., j), dd), sowie Kap.  3, D., II., 3., j), ff), (2). 1883 Vgl. Müller-Brockhausen, §  3, Rn.  230: „Eine Person kann durch ihr Verhalten eine Rechts­ scheinshaftung eines Dritten ebenso wenig begründen, wie sie Verträge zu seinen Lasten abschlie­ ßen kann“. 1884  Dogmatisch gestützt wird diese Erwägung durch die zuvor vorgeschlagene Übertragung der Vertrauenshaftungsgrundsätze kraft Rechtsscheins und Irrtums; vgl. hierzu Kap.  3, D., IV., 5.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Bildnis etwa auf Facebook veröffentlicht und keine abwertenden Kommentare oder ähnliches dazu schreibt. Zwar liegt nach den oben dargelegten Grundsätzen keine konkludente Einwil­ ligung des A durch den eigenen Upload auf Instagram vor.1885 Besteht allerdings Raum für eine einwilligungsfreie Veröffentlichung nach §  23 I KUG, etwa weil es sich bei A um einen (prominenten) Influencer oder Politiker handelt, kann dieser sich nicht auf die Verletzung seiner berechtigten Interessen §  23 II KUG hinsichtlich der Aspekte des leicht Bekleidetseins und einer Urlaubssituation berufen, da er diese berechtigten Interessen selbst geöffnet hat. Wird hingegen das Bild etwa durch ein Bademoden-Hersteller gepostet und A hierdurch werblich vereinnahmt1886, kann sich A gleichwohl hinsichtlich der werblichen V ­ ereinnahmung auf ihre berechtigten Interessen berufen, da insoweit keine Selbstöffnung stattgefunden hat.

In diesem Fall wird sich die Erwartung bilden, dass sich die abgebildete Person mit dem Bildnis vor der Veröffentlichung vertraut gemacht hat und mit der Kenntnisnahme und Zuschreibung aller bildhaft vermittelten Aspekte (auch weiterhin) einverstanden sein wird. Durch den Upload ins Internet schafft sie zudem anhand der technischen Reproduzierbarkeit die faktische Verfügungsmöglichkeit jedes Rezipienten, sodass diese Gesamtsituation der Ausgangslage einer (konkludenten) Einwilligung sehr nahe kommt.1887 Genaugenommen handelt es sich hierbei also vor allem um die Fortwir­ kung einer Vertrauensbildung kraft natürlicher Machtposition, denn nur der Abgebil­ dete selbst ist ursprünglich dazu befähigt, über das Original seiner äußeren Erschei­ nung in jeder Lage autark zu befinden und hat somit die Autorität bzgl. seines Äußeren. Mit der Perspektive verbunden ist die Vertrauensbildung kraft (kommunizierter) Wahrheit.1888 Denn weil der Abgebildete auch Experte seines Bildnisses ist, wird ein selbst hergestelltes Bild – etwa in Form eines Selfies – im Falle seiner Veröffentli­ chung den Eindruck erwecken, dass diejenigen Aspekte, die hierdurch abgebildet wurden, insoweit veritabel sind, dass sie in dieser Form nicht in einer späteren Bild­ nisveröffentlichung (durch Dritte) berechtigte Interessen verletzen können, weil sie vom Abgebildeten überprüft wurden. Nachgelagert ist bei einem dauerhaft abrufba­ ren Bildnis auf dem eigenen Account der Gedanke der Vertrauensbildung kraft Kon­ tinuität und Konsistenz, welcher sich je nach späterem Verhalten des Abgebildeten intensivieren oder verringern kann.1889 Damit fragt sich, wie mit solchen Vorverhaltensweisen des Abgebildeten im Rah­ men der Selbstöffnung umgegangen werden soll, die den Eindruck erwecken, dass sie sich einer solchen Kontrollmöglichkeit durch den Abgebildeten vor Veröffentlichung immer weiter entzogen haben. Relevant wird diese Frage dann, sobald dritte Personen in den Abbildungs- und Veröffentlichungsvorgang von Bildnissen involviert sind.1890 1885 

Vgl. hierzu die Ausführungen zur konkludenten Einwilligung bei Kap.  3, C., III., 2. Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 1887  Vgl. hierzu Kap.  3, C., III., 2. 1888  Vgl. zur Vertrauensbildung kraft Wahrheit Luhmann, Vertrauen, S.  66 ff.; vgl. zur Wirklich­ keitssuggestion von Personenbildnissen Kap 1., A., I., 3. 1889  Vgl. hierzu Kap.  3, D., IV., 6., c). 1890 Vgl. Luhmann, Vertrauen, S.  52: „Desto mehr Ursachen erkennbar zusammenwirken, desto schwieriger gelingt die Isolierung des Urhebers“. 1886 

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Hier erscheint insbesondere die Repräsentation des Abgebildeten durch vorheriges bildhaftes Auftreten problematisch, wenn dieses durch einen Dritten ohne den Wil­ len des Abgebildeten initiiert wurde und weiter fortdauert. Wird etwa ein Bildnis von einem Dritten ohne Veranlassung des Abgebildeten veröffentlicht, stellt sich zunächst die Frage, in welchem Dunstkreis dieser Veröffentlichung überhaupt ein für die Selbstöffnung relevantes Vorverhalten des Abgebildeten hinsichtlich zukünftiger Bild­ nisveröffentlichungen erblickt werden kann. Ferner stellt sich die Frage, inwieweit eine Selbstöffnung vorliegt, wenn der Betroffene Bild­ nisherstellungen ohne weiteres über sich ergehen lässt. Hierin kann nach den oben genannten Grundsätzen allein keine (konkludente) Einwilligung hinsichtlich einer späteren (weiteren) Bildnisveröffentlichung gesehen werden.1891 Zwar kann sich der Abgebildete in dieser Kon­ stellation vor den Bildnisherstellungen möglicherweise wehren oder er kann diese zumindest durch sein Verhalten – etwa durch Posieren, Wegdrehen oder indem er die Hand vor das Ge­ sicht hält – beeinflussen. Im Zeitpunkt der Herstellung hat er aber keine Handhabe über das konkrete Bildnis und kann dieses auch nicht kontrollieren. Es fragt sich also auch hier, inwie­ weit solche Sachverhalte überhaupt als relevantes Vorverhalten für eine spätere Veröffentli­ chung in Form einer Selbstöffnung herangezogen werden können.

Nach der Rechtsprechung kann etwa im bloßen Erscheinen vor Ort, dem Blick in die Kamera, der Preisgabe einer im Zusammenhang geäußerten (Wort-)Information oder etwa dem schlichten Gewährenlassen bei der Preisgabe durch einen Dritten ein rele­ vantes Vorverhalten des Abgebildeten für seine Selbstöffnung konstruiert werden. In diesem Zusammenhang tritt insbesondere das zu Beginn der Arbeit thematisierte Phä­ nomen zutage, dass bei einer Bildnisveröffentlichung durch einen Dritten primär der Abgebildete mit dem Rezipienten kommuniziert.1892 In dieser (bildhaften) Kommuni­ kation allein kann aber gerade nach einhelliger Meinung kein relevantes Vorverhalten des Abgebildeten für seine Selbstöffnung erblickt werden, da dies bereits das Struktur­ prinzip der selbstbestimmten Repräsentation in §  22 KUG unterlaufen würde.1893 Selbst wenn eine Bildnisveröffentlichung gegen den Willen des Abgebildeten (wegen §  23 I KUG) rechtmäßig war, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass bei jeder weiteren Veröffentlichung des identischen (oder eines vergleichbaren) Bildnisses die berechtig­ ten Interessen des Abgebildeten zurücktreten müssen. Ferner besteht nach einhelliger Auffassung die Möglichkeit, dass der Abgebildete seine Einwilligung in die Bildnis­ veröffentlichung bei gewichtigen Gründen widerrufen kann.1894 Aus der bloßen On­ line-Verfügbarkeit eines Bildnisses kann somit nicht ohne weiteres ein für die Vertrau­ ensbildung relevantes Vorverhalten des Abgebildeten hergeleitet werden.1895 1891 

Vgl. hierzu bereits Kap.  3, C., III., 2., a). Vgl. hierzu bereits Kap.  1, A., II., 2. 1893  Hieran ändert auch etwa die persönliche Nähe des Abgebildeten zu der preisgebenden Per­ son nichts. Sofern die Rechtsprechung also Entäußerungen von Abgebildeteninformationen durch nahestehende Dritte für eine Selbstöffnung zurechnen möchte, knüpft diese – auch in dieser Hin­ sicht mangels Zurechnungsgrundlage in unzulässiger Weise – auch an fremdgesetzte (nonverbale Bild-Kommunikation) und damit im Ergebnis an fremdes Vorverhalten an. 1894  Vgl. hierzu Kap.  3, C., II., 2., c). 1895  Hierfür spricht allein der Umstand, dass bei der Fülle an Bildinformationen im Internet 1892 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Deshalb bietet es sich nach der hier vertretenen Auffassung an, für die Ermittlung des relevanten Vertrauens auf die Erkennbarkeit einer Kontrollmöglichkeit des Abge­ bildeten hinsichtlich seiner späteren Repräsentation abzustellen. Dieses Vertrauens kraft Kontrollmöglichkeit kann tendenziell anhand der konkreten Perspektive der Bildthematik und dem weiteren Veröffentlichungskontext ermittelt werden. Beispielsweise kann durch den Umstand, dass das äußere Erscheinungsbild des Urbilds durch den Fotografen mittels der Herstellung „abgelöst“ und in der Fotografie manifestiert wurde, der Eindruck entstehen, dass nur dem Hersteller das konkrete Bildnis zur Veröffentlichung vorliegt. Dann schwindet der Eindruck einer Machtposition mangels Kontrollmöglichkeit des Abgebildeten. Vertrauen wird sich in einem solchen Fall dann erst bilden, wenn die abgebilde­ te Person durch weitere Handlungen – wie etwa durch Liken, Sharen auch der Zustimmung zur Profilverlinkung – ihre Zurkenntnisnahme und Befürwortung der Darstellung signalisiert.

c) Konsistenz und Kontinuität des Vorverhaltens Der Eindruck der Allgemeinheit von einer Akzeptanz des Abgebildeten (in bestimm­ ten Belangen), öffentlich repräsentiert zu werden, wird sich dann intensivieren, wenn sich die Anzahl der entsprechenden Vorverhaltensweisen häuft und diese öffentlich einsehbar sind. Dies spricht mit der Konsistenz und Kontinuität des Vorverhaltens einen weiteren Punkt an, der für die Bildung von öffentlichem Vertrauen wichtig ist, und zeigt dabei, dass das Vorverhalten für die Selbstöffnung nicht am Bildrand en­ det, sondern im situativen Kontext anhand einer Gesamtwürdigung erfasst werden muss. Hierfür spricht allein, dass nach allen Ansichten überhaupt eine Selbstöffnung und eine nachgelagerte Selbstschließung möglich sein sollen1896, weshalb der zeit­ liche Kontext genauso eine Rolle spielen muss. Somit kann für die Frage der Selbst­ öffnung im Bildnisrecht berücksichtigt werden, ob die betroffene Person eine öffent­ lich einsehbare Profilpflege betreibt, um gegen das ungewollte Publikwerden be­ stimmter Bildnisinformationen vorzugehen. Hat eine Person etwa Veröffentlichungen oder ihr ganzes Profil gelöscht, hat sie die Einsehbar­ keit (nur für „Freunde“) beschränkt oder Verlinkungen nicht zugestimmt oder diese wieder entfernt, kann dies ein Indiz für eine Selbstverschließung sein. Ebenso kann hiernach auch die Veröffentlichungsart für das Vorverhalten relevant sein. So wird eine sog. Story, welche sich nach einem Zeitablauf wieder selbst löscht, weniger Vertrauen der Öffentlichkeit bzgl. einer Akzeptanz bildhafter Repräsentation generieren als etwa ein dauerhafter Post, den die Per­ son  – falls es eine entsprechende Funktion gibt – als „Meilenstein“ in ihrer Chronik ausgewie­ sen hat.

Damit wird sich Vertrauen in Form einer Kontinuitätserwartung möglicherweise auch dann bilden, wenn die abgebildete Person nach ihrer Kenntnisnahme durch Untätigkeit signalisiert, dass ihr das Abbilden – insbesondere der abgebildeten ein­ zwangsläufig Bilder öffentlich einsehbar bleiben, von der die abgebildete Person gar nichts weiß, weil sie etwa keinen Account besitzt oder mittlerweile inaktiv ist; vgl. https://www.absatzwirtschaft. de/nur-facebook-hat-mehr-aktive-als-passive-nutzer-17072/(zuletzt aufgerufen am 01.06.­2022). 1896  Vgl. bereits Eisele, JR 2005, S.  10.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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zelnen Aspekte – gleichgültig ist und somit nicht im vergleichbaren Kontext auf ein­ mal berechtigte Interessen verletzen kann. Sofern es beispielsweise der Algorithmus eines sozialen Netzwerks erlaubt, Handlungen von abgebildeten Personen einzusehen – etwa derart, dass diese eine Veröffentlichung „gesehen“ haben –, könnte dies für die Bildung von Vertrauen von Relevanz sein und damit für eine Bewertung selbstöffnenden Verhaltens herangezogen werden. Überzeugend erscheint es jedoch bei nach außen erkennbarer schlichter Untätigkeit einen sehr strengen Maßstab anzulegen. Denn aus dem mangelnden Vorgehen gegen Rechtsverlet­ zungen kann kaum auf deren Billigung geschlossen werden. Schließlich besteht keine Ver­ pflichtung, gegen (Bild-)Rechtsverletzungen vorzugehen. Die Grenze wird also dort zu ziehen sein, wo die abgebildete Person mehr als die bloße Kenntnisnahme einer Veröffentlichung nach außen signalisiert hat, indem sie etwa den Post geliked hat.

Hat der Abgebildete keine Kenntnis von Bildern, die ein solches Vertrauen erwecken können, kann nach der hier vorgeschlagenen Lösung auf die Grundsätze der Vertrau­ enshaftung kraft Rechtsscheins zurückgegriffen werden.1897 Eine Zurechnung wird dann je nach Einzelfall bejaht werden können, wenn der Abgebildete bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass einsehbare Abbildungen von ihm existieren, die eine Kontrolle durch ihn suggerieren.1898 Dies erscheint im Bildnisrecht keineswegs un­ billig, weil sich die Frage der Selbstöffnung (über §  23 II KUG) ohnehin nur im Falle des Herantretens des Abgebildeten an die Öffentlichkeit stellt. Vertrauenswürdig ist also, wer bei dem bleibt, was er bewusst oder unbewusst über sich selbst mitgeteilt hat.1899 d) Die Privatheit als Maßstab für die Anforderungen des selbstöffnenden Vorverhaltens Einer der zentralen Mechanismen der Vertrauensbildung ist die Bildung und Festi­ gung einer Gefühlsbeziehung zu bestimmten Objekten oder Menschen. Solchen emotionalen Beziehungen wohnt das Prinzip der Generalisierung von Erwartungen gerade aufgrund der Individualität und damit auch der Exklusivität ihres (Abbil­ dungs-)Gegenstandes inne. Dessen vertraute Bekanntheit ordnet und sichert die Er­ wartungsbildung.1900 Im Bildnisrecht gibt es hierfür mehrere Ansatzpunkte. Allen voran wird sich das negative Vertrauen, dass ein Bildinhalt berechtigte Inter­ essen des Abgebildeten verletzt und deshalb keiner Selbstöffnung unterliegt, desto eher bilden, je individueller und exklusiver sich der Bildnisinhalt nach außen darstellt. So geht bei intimen Bildnissen für den Partner aus dem Schlafzimmer oder Bildnissen im krankhaften Zustand oder sonst privaten Situationen anhand ihres thematischen Zusammen­ 1897 

Vgl. zur Verschuldens- und Risikohaftung etwa Müller-Brockhausen, §  3, Rn.  237 ff. und 243 ff. So auch die Prämissen nach Luhmann, Vertrauen, S.  58, und Strickland, Journal of Person­ ality 1958, S.  215, welchen nach der hier vertretenen Auffassung in der Verallgemeinerung gefolgt wird, dass sich Lernvorgänge (der Allgemeinheit) vollziehen, wenn der, dem vertraut werden soll, Gelegenheit zum Vertrauensbruch bekommt und er diese nicht nutzt. 1899  Köndgen, S.  167; Luhmann, Vertrauen, S.  48. 1900  Luhmann, Vertrauen, S.  106. 1898 

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

hangs grundsätzlich eine andere Indizwirkung hinsichtlich ihrer Bestimmtheit für die Öffent­ lichkeit aus als etwa ein Gruppenbild bei einem öffentlichen Event.

Daraus ergibt sich nach der hier vertretenen Auffassung, dass eine Selbstöffnung umso strenger gehandhabt werden muss, je privater1901 der Bildnisinhalt erscheint. Umge­ kehrt muss eine Selbstschließung umso leichter möglich sein, je privater der Bildnis­ inhalt erscheint, hinsichtlich dessen sich die betroffene Person selbst geöffnet hat. Ein strenger Maßstab bedeutet dabei auch, dass sich Selbstöffnungen aus der Pri­ vat- oder Intimsphäre im Bildnisbereich regelmäßig auf das preisgegebene Bildnis oder perspektivisch vergleichbare Bildnisinhalte im engen Rahmen beschränken werden. Diesen Weg scheint die Rechtsprechung zwar vorzugeben, indem sie jüngst auf einen Zusammenhang zwischen Vorverhalten und späterer einwilligungsfreier Veröffentlichung in Detailgrad und Detailtiefe fordert. Inkonsequent erscheint es aber dann, wenn ein (Wort-)Interview (des Beziehungspartners) zur Abbildungsfrei­ heit anhand einer Selbstöffnung mit Beziehungsbezug führen kann.1902 Hiergegen spricht bereits die unterschiedliche Eingriffsqualität von Bild- und Wortbericht­ erstattung. Dieser Umstand muss konsequenterweise auch bei der Frage der Selbst­ öffnung berücksichtigt werden. Dies macht eine Selbstöffnung im Bildnisrecht im Bereich der Privatsphäre anhand der Preisgabe von Wortinformationen nicht völlig unmöglich, allerdings – wegen der unterschiedlichen Wirkweise von Wort- und Bild­ informationen1903 – sehr unwahrscheinlich. Plaudert beispielsweise eine berühmte Persönlichkeit in einem Interview aus dem Nähkäst­ chen über ihre sexuellen Vorlieben, rechtfertigt dieses Textinterview keinesfalls die Veröffent­ lichung eines (geleakten) Bildnisses der Person in Dessous. Anderes könnte etwa dann gelten, wenn es sich um ein Bildnis der (bekleideten) Person in einem Dessous-Geschäft (oder auf offener Straße mit einer beschrifteten Einkaufstüte des Geschäfts) handelt, das sie beim Einkaufen solcher Artikel zeigt, über die sie auch im Inter­ 1901  Zur Einordnung der Privatheit des Bildnisinhalts kann an die herausgearbeiteten Linien der Rechtsprechung bei Kap.  3, D., II., zurückgegriffen werden; vgl. auch die Abbildung bei Kap.  3, D., V., 2. 1902  BGH, NJW 2005, S.  595 – „Rivalin von Uschi Glas“, wonach bereits die Billigung eines In­ terviews des (neuen) Partners für eine Zurechnung der Selbstöffnung ausreiche; BGH, NJW 2018, S.  3510 – „Begegnung mit dem verlorenen Bruder“, zur grundsätzlichen Möglichkeit der Zurechnung von (Vor-)Verhaltensweisen von (Ehe)Partnern, minderjährigen Kindern, Vertretern oder Bevoll­ mächtigten oder bei freiwilliger Mitveranlassung des Betroffenen; KG, AfP 2013, S.  63, wonach sich die Ehefrau von Markus Lanz die „verhaltene Selbstöffnung“ ihres Ehemannes bzgl. einer Bildnis­ veröffentlichung zurechnen lassen müsse, welche sie beim Verlassen der Kirche nach der Trauung abgeschirmt von Personenschützern und verhüllt mit einem schwarzen Tuch zeigte. Markus Lanz habe sich zuvor in einem Interview – trotz seines Hinweises, dass es sich um ein privates Thema handele – mit den Worten, dass es in Südtirol „einige schöne Platze [gebe], die [für eine Hochzeit] infrage kommen“, selbst geöffnet; OLG Köln, ZUM-RD 2020, S.  468; ebenso hat etwa das LG Frank­ furt a. M., ZUM-RD 2020, S.  86 f., die Äußerungen des Vaters bzgl. einer Selbstöffnung einer Min­ derjährigen hilfsweise geprüft und somit die Möglichkeit der Selbstöffnung des Minderjährigen durch den Erziehungsberechtigten nicht ausgeschlossen; vgl. ferner BGHZ 206, 347 (360) – „Recht auf ungestörte kindgemäße Entwicklung“; vgl. ferner hierzu ausführlich Tofall, AfP 2014, S.  400 ff. 1903  Vgl. hierzu Kap.  1, A., I.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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view gesprochen hat. Auch hier wird es dann auf die konkreten Einzelheiten gerade hinsicht­ lich der etwaigen Verletzung anderer berechtigter Interessen – wie etwa die konkrete Abbil­ dungssituation oder den beigeordneten Text – ankommen.

Richtigerweise wird sich also eine preisgegebene Bildnisinformation mit steigendem Privatheitsgrad auf das preisgegebene Bild selbst reduzieren. Dies würde die Selbst­ öffnung im Bildnisrecht auch nicht im Zusammenspiel mit den oben aufgestellten Grundsätzen1904 nicht auf Fälle der Einwilligung reduzieren, sodass ein eigener An­ wendungsbereich für eine Selbstöffnung verbleiben würde. Vielmehr bestünde ein klar konturierter Anknüpfungspunkt für Selbstöffnungen im Bildnisrecht bei privaten Abbildungsinhalten. Hat der Abgebildete ein Bildnis von sich öffentlich zugänglich gemacht, kann dieses Vorverhalten für weitere Veröf­ fentlichungen derselben Abbildungen relevant werden, in die der Abgebildete (man­ gels Kenntnis von Zweck, Art und Umfang der konkreten Veröffentlichung) nicht eingewilligt hat. Für diese Maßstabsreduzierung auf das veröffentlichte Bild bei stei­ gendem Privatheitsgrad spricht schließlich der Umstand, dass auch der Strafgesetz­ geber an verschiedenen Stellen ebenfalls an konkrete, private Bildinhalte zur Sank­ tionierung – völlig unabhängig von der Möglichkeit einer Selbstöffnung – anknüpft, wie etwa jüngst beim sog. Upskirting gem. §  184k I Nr.  1 StGB1905. Die hier vorge­ schlagene Lösung zur Bestimmung der bislang vagen Selbstöffnung im Bildnisrecht kann somit insbesondere als Chance begriffen werden, dem Bildnisrecht klarere Konturen in denjenigen Bereichen zu verleihen, in welchen die betroffenen Personen zuvor bildhafte Persönlichkeitsmerkmale von sich preisgegeben haben.1906 Diese zu nutzen, erscheint wegen der Alltäglichkeit und Ubiquität von Selbstdarstellung (im Internet) notwendig. Des Weiteren kann der Kontext einer Bildnisveröffentlichung – insbesondere über die Einsehbarkeit des Adressatenkreises – eine Gefühlsbeziehung zwischen dem Ab­ gebildeten und dem Rezipienten(-kreis) offenlegen. Ein (geleakter) Bildnisinhalt, welcher ersichtlich – etwa durch den optisch erkennbaren Kon­ text eines Screenshots eines privaten Chatverlaufs mit Bildnissen – nur für enge Vertraute bestimmt war, kann tendenziell nicht für die Vertrauensbildung im Sinne der Selbstöffnung 1904  Vgl. hierzu einerseits die Ausführungen zur Einwilligung bei Kap.  3, C., und andererseits die Abbildung bei Kap.  3, D., IV., 3. 1905  Vgl. hierzu bereits Kap.  2, C., III. 1906  Vgl. in diesem Zusammenhang etwa Böhnstedt, S.  344 f.; Jipp, S.  200, welche sich unter Ver­ weis auf sog. Homestories oder Schwangerschafts-Reality-Dokumentationen darauf beschränken, dass „Folgeberichterstattungen, die in thematisch andere Bereiche“ oder „tiefer in die persönliche Sphäre eindringen als die ursprüngliche, von der Person erlaubte Veröffentlichung“, über die „situa­ tive Begrenzung des Verzichts“ hinausgehen würden. Ob nunmehr jede weitere (Bild-)Berichterstat­ tung aus dem Haus oder ein Bildbericht über Schwangerschaftskomplikationen oder gar den Verlust des ungeborenen Kindes weiterhin in geöffneten Sphären stattfindet, bleibt offen. Gänzlich ohne Differenzierungskriterien „natürlich“ auf den „Grad der Öffnung“ im Bildnisrecht verweisend jüngst N. Dietrich, S.  169; ferner unter dem prominenten Verweis auf die Besonderheiten des Einzelfalls Hohenstein, S.  39; zu den Bedenken einer Instrumentalisierung des Strafrechts durch die Begren­ zung der Einwilligung auf bestimmte Bildveröffentlichungen, Bosch, JZ 2005, S.  384.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

herangezogen werden, sondern kann allenfalls über die weiteren Differenzierungskriterien als relevantes Vorverhalten eingestuft werden.

e) Erkennbare Grenzziehung durch den Abgebildeten Schließlich ist an verschiedener Stelle bereits angeklungen, dass maßgeblich dem Abgebildeten die Möglichkeit obliegt, seinen eigenen „Schutzwall“ bzgl. einer Ver­ trauensbildung der Öffentlichkeit hinsichtlich seiner Verletzbarkeit im Bild herzu­ stellen. Damit muss es für die Rolle des relevanten Vorverhaltens im Rahmen der Selbstöffnung auch eine Rolle spielen, inwieweit der Abgebildete Vorkehrungen ge­ gen das Nach-Außen-Dringen von konkreten Bildnissen oder einzelnen Merkmalen seines Erscheinungsbilds getroffen hat, die seine berechtigten Interessen verletzen. Angesprochen ist dabei neben dem aktiven Vorgehen gegen Bildnisveröffentlichungen und dem Meiden von Öffentlichkeit primär die Art der Zugänglichmachung unter Berücksichti­ gung des Rezipientenkreises. So kann unter dem Kriterium der Vertrauensbildung berück­ sichtigt werden, dass ein Bildnis vom Betroffenen per Privatnachricht, in einen Gruppenchat mit (emotional gebundenen) „Freunden“ oder öffentlich – also ohne Grenzziehung – einsehbar gemacht wurde.

In diesem Zusammenhang wird nach dem Gang der Darstellung jüngster Tendenzen zur Selbstinszenierung im Internet die Frage laut, inwiefern der „Schutzwall“ der Kommerzialisierung eine Rolle für die Selbstöffnung spielen kann. In Frage stehen dabei solche Fälle, in denen Personen erotische Bildnisse über Social-Payment-­ Service-Plattformen wie etwa Onlyfans für ihre Abonnenten preisgegeben haben. Insbesonde­ re erscheint fraglich, ob sich eine Person auf die Verletzung ihrer Intimsphäre berufen kann, wenn ein Onlyfans-Bild auf einem anderen sozialen Netzwerk öffentlich und damit auch zur freien Verfügung für Nicht-Abonnenten hochgeladen wird. Handelt es sich bei der abgebilde­ ten Person beispielsweise um eine bekannte Influencerin, die sich mit der Social-Payment-­ Plattform etwas dazuverdienen möchte, steht infrage, ob sie sich auf die Verletzung ihrer be­ rechtigten Interessen nach §  23 II KUG (insbesondere den Bezug zur Intimsphäre) berufen kann, wenn ihre (nur für zahlende Kunden limitierten) Bildnisse erneut auf frei verfügbaren Plattformen – und damit einwilligungslos – hochgeladen wurden.

Macht die abgebildete Person den Zugang zu intimen Bildnissen für jedermann etwa nur von der Zahlung eines (niederen) Geldbetrages abhängig und stellt zudem keine weiteren Anforderungen, geht hiervon schon grundsätzlich eine verschwindend ge­ ringe Signalwirkung hinsichtlich einer Verletzbarkeit bzgl. der konkret abgebildeten Bildnisinhalte aus. Diese Erwartung wird sich nach dem bisher Gesagten auch weiter intensivieren, wenn die Zahl der Abonnenten – zu denen keinerlei emotionale Bin­ dung besteht – steigt.1907 1907  Insofern wird die Argumentation der abgebildeten Person, welche sich gegen die Veröffent­ lichung eines Onlyfans-Bildes auf einer öffentlich zugänglichen Plattform (wie bspw. Reddit) weh­ ren möchte, sie wolle, dass sie nur von den (an sie) zahlenden Abonnenten gesehen werden kann, kaum überzeugen. Hieran wird auch eine (versteckte) AGB-Regelung des jeweiligen Netzwerks nichts ändern können, da die betroffene Person mit einem (günstigen) Abonnementmodell primär

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Die überwiegende Ansicht wird in diesen Fällen regelmäßig zum selben Ergebnis kommen, da diese in der Kommerzialisierung der Persönlichkeit den Paradefall des Wegfalls von schutzwürdigen Interessen des Betroffenen erblickt. Die Begründung dieses Wegfalls mit dem „Streben nach Aufmerksamkeit“1908 des Abgebildeten oder sogar mit einem paternalistischen Ansatz, nachdem der Staat Kommerzialisierungen der Persönlichkeit vermeiden wolle,1909 erscheint hingegen wenig überzeugend. Zu­ zugeben ist, dass die Auslegungsregel des §  22 S.  2 KUG, wonach die Einwilligung im Zweifel als erteilt gilt, sofern der Abgebildete für seine Abbildung eine Entloh­ nung erhielt, Grund zur Annahme bietet, dass eine Person weniger schutzwürdig erscheinen soll, wenn sie für die Abbildung eine finanzielle Vergütung erhalten hat.1910 Zudem könnte angeführt werden, dass dem originären Bildnisschutz der Schutz von Vermögensinteressen in seiner primären Ausrichtung eher fernlag.1911 Allerdings bezieht sich §  22 S.  2 KUG ausdrücklich nur auf eine Bildnisveröffent­ lichung, die im engen Zusammenhang mit dem Abbildungsvorgang steht.1912 Eben­ falls kann der Rechtsordnung an keiner Stelle ein paternalistischer Ansatz im Hin­ blick auf die zu vermeidende Kommerzialisierung der Persönlichkeit entnommen werden.1913 Ein solcher Gedanke würde vielmehr mit Art.  12 GG konkurrieren, zu­ mal ganze Berufszweige – etwa im stark mediengeprägten Mode- oder Unterhal­ tungssektor – im engen Zusammenhang mit der Kommerzialisierung des eigenen (Persönlichkeits-)Rechts am eigenen Bild stattfinden.1914 Dementsprechend kann der ausdrückliche Schutz kommerzialisierter Persönlichkeitsrechte durch den Bundes­ jedermann – und nicht etwa persönlich gebundenen Personen – signalisiert, dass die Wahrnehmung entsprechender Inhalte einer sehr niedrigen (monetären) Barriere unterliegt. Zudem bestand zu ebendiesen Inhalten vor der Veröffentlichung ersichtlich – trotz intimen Bildinhalts – eine absolute Kontrollmöglichkeit der abgebildeten Person bzgl. des Nach-Außen-Dringens der Informationen. 1908  Jipp, S.  202. 1909  Tofall, AfP 2014, S.  402; vgl. hierzu bereits Stürner, AfP 2005, S.  216. 1910  A. A. etwa ausdrücklich Götting, S.  54, 66, der aus der Existenz des §  22 S.  2 KUG gerade den (umgekehrten) Schluss zieht, dass es grundsätzlich anerkannt sein muss, das eigene Recht am eige­ nen Bild wirtschaftlich zu nutzen. Infolge fehlender Vorbehalte gegenüber einer Vermarktung liegt es dann aber nahe, dass auch keine sonstigen Nachteile im Rahmen von §  23 I KUG für den Abgebil­ deten mit einhergehen sollen; vgl. auch Schricker/Loewenheim/Götting, §  23 KUG, Rn.  58, 80 f. 1911  Helle, AfP 2010, S.  538; C. Krüger, GRUR 1980, S.  628; Thalmann, S.  81; Ro. Weber, in: FS Kramer 2004, S.  422; vgl. Ahn, S.  149; Barath, S.  117, wonach der Gedanke, dass Persönlichkeits­ rechten eine vermögensrechtliche Dimension zukommen kann, lange als Provokation gegenüber der ethischen Qualität des Menschseins aufgefasst wurde; vgl. ferner Götting, S.  21; s. auch BVerfG, NJW 2006, S.  3410 – „Marlene Dietrich“; vgl. in diesem Zusammenhang allerdings auch die Aus­ führungen zu Bildnisveröffentlichungen im werbenden Kontext Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 1912  Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte dieser Satz aufgrund „der Bedeutung, die dieser Fall namentlich für das Kunstleben besitzt“, ins Gesetz aufgenommen werden. Auf andere Abbil­ dungen soll sich eine Einwilligung gerade nicht beziehen, Stenographische Berichte über die Ver­ handlungen des Reichstages, Bd.  220, 1905/06, Aktenstück Nr.  30, S.  1540; vgl. auch die frühe Kommentierung von Allfeld, S.  134, wonach derjenige, der für Geld Model gesessen hat, eingewil­ ligt habe, sofern keine weiteren Umstände einen gegenteiligen Schluss zuließen. 1913  Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur Werbung durch Bildnisse Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 1914  Helle, AfP 2010, S.  535 f.; Thalmann, GRUR 2018, S.  480; vgl. in diesem Zusammenhang bereits die Bemerkung bei Stürner, AfP 2005, S.  215 f., wonach es „zutiefst widersprüchlich“ er­

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gerichtshof beobachtet werden.1915 Überzeugender erscheint es deswegen, die Kom­ merzialisierung im Rahmen der Selbstöffnung im Bildnisrecht nicht blind als Stre­ ben nach Aufmerksamkeit mit geringerer Schutzwürdigkeit abzuwerten, sondern diese im Kontext der Differenzierung anhand der vorgeschlagenen Vertrauenskrite­ rien zu beleuchten. Dies erscheint aufgrund der Ausrichtung des Bildnisschutzes in §  23 KUG anhand öffentlicher Interessen nicht nur überzeugender1916, sondern er­ laubt eine weitaus höhere Flexibilität bei der Beurteilung einer Selbstöffnung.1917 Schließlich könnte mit den ermittelten Kriterien – insbesondere des Schutzwall-Kri­ teriums – davon ausgegangen werden, dass die uneingeschränkte Preisgabe photo­ grammetrischer Daten1918 – etwa als Downloadangebot auf einer entsprechenden Seite für virtuelle Produktionen im Internet – selbst bei einer späteren Bildnisveröf­ fentlichung mit Bezug zur Intimsphäre zu einer Selbstöffnung des Betroffenen im Bildnisrecht führt. Diese Frage wird allerdings nur im Zusammenhang einer Mani­ pulation des Wahrheitsgehalts im Rahmen von §  23 I KUG beantwortet werden kön­ scheine, bei den Medien „extensiv zu schützen, was man beim Individuum verurteilt, nämlich die gewinnbringende Vermarktung der Privatsphäre“; ferner Lober/O. Weber, ZUM 2003, S.  667. 1915  Zu nennen ist die zunächst (alte) Rechtsprechung zum Bereicherungsausgleich, wonach es gerade für das Zugeständnis eines Vermögensanspruches notwendig war, dass das Recht am eige­ nen Bild als „vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht“ kommerzialisiert wurde und der Berech­ tigte dazu gewillt war, sein Recht am eigenen Bild zu kommerzialisieren; vgl. hierzu BGHZ 20, 345 (347) – „Paul Dahlke“: BGHZ 26, 349 (352) – „Herrenreiter“; von diesem Erfordernis eines fiktiven Vertrags hat sich der BGH zwar mittlerweile in BGHZ 169, 340 (344 f.) – „Rücktritt eines Finanz­ ministers“, distanziert, gleichwohl erkennt der BGH weiterhin einen vermögensrechtlichen Zuwei­ sungsgehalt an, indem er nunmehr sogar von einem vermögensrechtlichen Bestandteil des (zivil­ rechtlichen) allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeht, vgl.; BGH, NJW 2009, S.  3034 – „Wer wird Millionär?“; BGH, NJW-RR 2010, S.  856 – „Der strauchelnde Liebling“; BGH, NJW-RR 2011, S.  1133 – „Markt & Leute“; BGH, NJW 2012, S.  1729; BGH, NJW 2013, S.  794 – „Playboy am Sonntag“; BGH, NJW 2021, S.  1305 f. – „Clickbaiting“; BGH, NJW 2021, S.  1312 – „Urlaubslotto“; BGH, GRUR-RS 2022, 5367 – „SIMPLY THE BEST“; vgl. Schricker/Loewenheim/Götting, §  33– 50 KUG, Rn.  15, 17, 21; ferner spricht die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Vererblichkeit der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts gegen eine pauschale Abwertung der Kommerzialisierung; so BGHZ 143, 214 (223) – „Marlene Dietrich I“; vgl. hierzu Götting, NJW 2001, S.  585; BGHZ 151, 26 (29) – „Marlene Dietrich II“; BGH, NJW 2012, S.  1729; hierzu insge­ samt grundlegend, Barath, S.  119 ff.; Götting, S.  49 ff., 66 ff.; Schricker/Loewenheim/Götting, §  22 KUG, Rn.  9; §  23 KUG, Rn.  58; vgl. ferner Bosch, JZ 2005, S.  384 ff.; Hohenstein, S.  163 ff.; Wenzel/ von Strobl-Albeg/Pfeifer, Kap.  8, Rn.  146; Schertz, AfP 2000, S.  495 f.; diese einfachgesetzliche richterliche Rechtsfortbildung wurde auch von BVerfG, NJW 2006, S.  3409 – „Marlene Dietrich“ gebilligt; vgl. hierzu auch Kap.  3, D., II., 3., m), cc). 1916  Naheliegender erscheint es nach der hier vertretenen Ansicht, dass dem Gesetzgeber vor­ schwebte, die Schutzwürdigkeit desjenigen zu indizieren, der Geld für eine Handlung bezahlt hat, die im Zusammenhang mit einer Abbildung steht, zumal die Reproduzierbarkeit deutlich limitiert war. Dies geschieht unabhängig von einer Wertung hinsichtlich der Schutzwürdigkeit des Abgebil­ deten. In diesem Sinne schützt etwa auch §  23 I Nr.  4 KUG denjenigen, der ein Bildnis (i. d. R. kos­ tenpflichtig) bestellt hat. Auch dieser Wertung liegt letztendlich ein öffentliches Vertrauen – näm­ lich in dem Erwerb eines Äquivalents bei der Übertragung von Geld und damit der Institution des Geldwerts – zugrunde; vgl. hierzu Luhmann, Vertrauen, S.  66. 1917  Vgl. hierzu auch Klüber, S.  59. 1918  Zur Photogrammetrie bereits Einführung, B., II., 2.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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nen.1919 Damit stellt sich also auch die Frage, inwieweit sich eine Person überhaupt für eine Manipulation – und damit bzgl. der Unrichtigkeit einer Information – selbst öffnen kann. So wird die veröffentlichte Unrichtigkeit einer Information regelmäßig nicht allein die abgebildete Person betreffen, vielmehr kann eine Fehlinformation selbst bei der ausschließlichen Abbildung der sich selbst öffnenden Person hin zur „Erosion gesamtgesellschaftlichen Vertrauens“1920 führen.1921 Zu denken sind in diesem Zusammenhang an moderne Scanningverfahren. Stellt eine Person ihre photogrammetrischen Daten beispielsweise frei im Internet zur Verfügung und werden diese daraufhin genutzt, um wahrheitswidrige fotorealistische (Bewegt-)Bildnisse zu erzeu­ gen und zu veröffentlichen, könnte sich ebenfalls die Frage stellen, ob sich die Person mit dem Upload ihrer Daten auch hinsichtlich solcher fotorealistischen Fake-Bildnisse selbst geöffnet hat. Gab die Person beispielsweise ihre Daten nur zu Übungszwecken für Animatoren oder sonst nur in einem bestimmten Rahmen frei, liegt jedenfalls auch durch den Upload der Daten keine konkludente Einwilligung nach §  22 S.  2 KUG in eine spätere Veröffentlichung vor, wenn diese hiervon abweicht. Es fragt sich sodann, ob überhaupt Raum für eine einwilli­ gungsfreie Veröffentlichung solcher Bildnisse nach §  23 I KUG besteht. Damit wird man je nach Ausgestaltung des Falls – wenn der Veröffentlichende etwa die fotorealistische Manipulation nicht als solche erkennbar macht – unabhängig von einer even­ tuellen Selbstöffnung ein normatives öffentliches Interesse im Sinne des §  23 I KUG verneinen müssen, da schon kein (schützenswerter) meinungsbildender Informationswert vorliegt. Ab­ gesehen davon können gleichwohl die hier vorgeschlagenen Grundsätze zur Anwendung kommen, wenn eine Bildmanipulation erkennbar gemacht wurde, sodass die näheren Umstän­ de der Preisgabe – etwa ob diese nur zu Ausbildungszwecken erfolgt ist – für die Vertrauens­ bildung relevant werden.

7. Resümee der Erkenntnisse zur Selbstöffnung Die angestellten Erwägungen zeigen, dass der Selbstöffnung im Bildnisrecht – wie auch dem öffentlichen Interesse – ein dynamisches Verständnis zugrunde zu legen ist. Zur Ermittlung der Selbstöffnung anhand des Vorverhaltens des Abgebildeten wird es somit auf eine Abwägung einzelner Gesichtspunkte ankommen. Damit ist der Verweis auf die Besonderheiten des Einzelfalls unumgänglich, trotzdem konnten für dessen tendenzielle Einordnung Abwägungskriterien herausgearbeitet werden. Dazu bewegt sich der hier vertretene Ansatz weg von einem Verwirkungsgedanken und fokussiert sich auf die Schaffung öffentlichen Vertrauens durch (widersprüch­ liches) Vorverhalten im Sinne derjenigen Bereiche des venire contra factum prop­ rium-Grundsatzes, welche an das Vertrauensschutzprinzip anknüpfen. Dabei ist grund­sätzlich ein strenger Maßstab anzuwenden, der sich mit steigender Privatheit immer mehr auf zuvor konkret veröffentlichte Bildinformationen bis hin zur konkre­ ten Perspektive beschränkt. (Siehe Abbildung 7). 1919 

Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., 3., m), bb). Lantwin, MMR 2019, S.  574; vgl. ferner Klaas, MMR 2019, S.  88. 1921  Dementsprechend geht auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass (bewusst) un­ richtige Informationen kein schützenswertes Gut darstellen; vgl. nur BVerfGE 85, 1 (15) – „Bayer-­ Aktionäre“; BVerfGE 99, 185 (197) – „Scientology“; BVerfG, NJW 2005, S.  3273 – „Ron Sommer“. 1920 

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Abbildung 7: Selbstöffnung im Bildnisrecht

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D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Abschließend soll auf diese Abwägungskriterien anhand eines einfachen Beispiels eingegangen werden. Student A veröffentlicht ein Bildnis des Professors B im Internet, welches er während einer digitalen Lehrveranstaltung (etwa eines Live-Podcasts) von B mittels Screenshots hergestellt hat. Kennt B weder Art, Umfang und Zweck der Bildnisveröffentlichung, liegt keine konklu­ dente Einwilligung im Sinne des §  22 S.  1 KUG vor. Die Veröffentlichung durfte aber möglicherweise einwilligungsfrei gem. §  23 I Nr.  1 KUG stattfinden, wenn es sich dabei um eine zeitgeschichtliche Veröffent­lichung gehandelt hat. Hierfür könnte sprechen, dass es sich bei B als Professor um eine Person des öffentlichen In­ teresses handelt, ferner könnte mit der öffentlichen Lehrveranstaltung an eine digitale Veran­ staltung im Sinne eines zeitgeschichtlichen Ereignisses angeknüpft werden. Hierzu könnten auch Erwägungen zum gesteigerten Informationswert aufgrund Wissenschaftlichkeit der Ver­ anstaltung miteinfließen.1922 Etwas anderes könnte dann gelten, wenn sich B auf die Verletzung berechtigter Interessen gem. §  23 II KUG durch die konkrete Bildnisveröffentlichung berufen könnte. Dies könnte aus verschiedenen Gründen möglich sein, etwa könnte A seinen Screenshot in herabwürdigender Weise bearbeitet oder dem Bildnis einen abwertenden Text beigeordnet haben. Ferner könnte B geltend machen, A habe ihn in einem solch ungünstigen Moment fotografiert, dass sich die Verletzung berechtigter Interessen im Sinne des §  23 II KUG bereits aus dem Bildnis an sich ergebe. Je nach Lage des konkreten Falles könnte A dem B nun entgegenhalten, dass er sich durch das Abhalten der digitalen Lehrveranstaltung einem Großteil der Studierenden hin­ sichtlich seines äußeren Erscheinungsbilds zum konkreten Zeitpunkt selbst geöffnet habe. Für diese Frage können nun die oben angestellten Erwägungen herangezogen werden. Abstrakte Bestimmung der Anforderungen an das Vorverhalten Maßgebliche Rolle wird der konkrete Bildinhalt haben, auf den sich B hinsichtlich der Verlet­ zung berechtigter Interessen beruft. Hat dieser etwa nach Abschluss der Veranstaltung verges­ sen, die Sitzung technisch zu beenden und zieht sich in seinem Schlafzimmer vor laufender Kamera um, besteht schon anhand des privaten Bildinhalts (neben der formalen Beendigung der Veranstaltung) tendenziell ein öffentliches Vertrauen, dass dieser Bildinhalt schon nicht Teil einer Selbstöffnung sein kann. Zeigt das Bildnis den B hingegen in keinem privaten Zusammenhang, könnte eine Selbst­ öffnung durch das Abhalten der Veranstaltung unter Freigabe der eigenen Kamera in Betracht kommen. Kriterium 1: Vorverhalten als freie Selbstdarstellung So kann im Rahmen der Selbstöffnung zunächst berücksichtigt werden, ob die Abhaltung mit aktivierter Kamera allen Dozenten ersichtlich vorgeschrieben wurde oder ob B freiwillig sei­ ne Kamera aktiviert hat. Kriterium 2: Kontrollmöglichkeit des Vorverhaltens Ferner könnte für eine Selbstöffnung sprechen, dass B die Kontrollmöglichkeiten hatte, den Kamerawinkel selbst zu wählen und die Veranstaltung mit einem Passwort zu schützen. Da­ 1922  A. A. Gerhold/Höft, JA 2021, S.  385, welche – freilich ohne Begründung – davon ausgehen, dass im universitären Kontext „eindeutig festzustellen“ sei, dass kein Ausnahmetatbestand greife; in diesem Hinblick sei erneut auf die im Rahmen der gesellschaftlichen Ereignisse (Kap.  3, D., II., 3., c).) rekurrierte frühe Kommentierung zur Zeitgeschichte von Allfeld, S.  136 aus dem Jahr 1908 verwiesen, in welcher dieser sogar ausdrücklich den Hörsaal nennt.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

gegen spricht wiederum, dass bei einem Stream weniger die Kontrollmöglichkeit hinsichtlich einer konkreten Abbildung im Sinne eines einzelnen (Stand-)Bildes besteht, sodass dieses Szenario einem „Ablösen“ des äußeren Erscheinungsbildes nahekommt. Kriterium 3: Erkennbare Grenzziehung Im Zusammenhang mit den Kontrollmöglichkeiten kann ferner danach gefragt werden, ob B seine Teilnehmer auf das Verbot eines Mitschnitts hingewiesen hat (Schutzwall-Argument). Kriterium 4: Kontinuität des Vorverhaltens Ferner könnte das zukünftige (oder vorige) Verhalten des B ebenfalls für die Ermittlung einer Selbstöffnung herangezogen werden. Hat B beispielsweise zuvor in anderen Lehrveranstaltun­ gen gleich gehandelt, besitzt er selbst einen aktiven Social-Media-Account und hat die Veröf­ fentlichung „gesehen“ ohne dagegen vorzugehen oder hat er eine frühere entsprechende Ver­ öffentlichung eines Studenten geliked, kann dies Vertrauen (anhand einer Kontinuitätserwar­ tung) generieren.

8. Das öffentliche Interesse am Widerspruch Die eben dargestellten Fälle der Selbstöffnung wegen des Vorverhaltens der abgebil­ deten Person im Rahmen des §  23 II KUG sind von solchen abzugrenzen, bei denen ein (abgebildeter) Widerspruch selbst ein öffentliches Interesse im Rahmen von §  23 I KUG hervorruft. Mit anderen Worten ist das öffentliche Vertrauen, dass sich je­ mand nicht widersprüchlich (durch die Geltendmachung seines Rechts am eigenen Bild) verhalten wird, vom öffentlichen Interesse am widersprüchlichen Verhalten einer Person zu unterscheiden.1923 Die unterschiedliche Behandlung soll anhand ei­ nes kurzen Beispiels illustriert werden. A ist ein sog. Fitness-Influencer (mit hoher Followerzahl) und postet regemäßig Bilder von seinem trainierten Körper auf einem sozialen Netzwerk im Internet, gibt dabei Fitness-Tipps und bewirbt entsprechende Fitness-Produkte. B erkennt A auf offener Straße und bemerkt dabei, dass die Bilder des A offensichtlich nachträglich bearbeitet sind. Kurzerhand fotogra­ fiert er deshalb den (untrainierten) A und lädt das Bild ebenfalls auf Social Media, um den Schwindel aufzudecken. In einem solchen Fall kann der tatsächliche – abbildbare – Widerspruch ein tatsächliches öffentliches Interesse im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG auslösen und somit die Veröffentlichung zeitgeschichtlich machen. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn eine normative Korrektur des tatsächlichen Interesses im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG die Zeitgeschichtlich­ keit entfallen ließe.1924 Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn B den A heimlich im Urlaub am Strand abgebildet hätte oder etwa leicht bekleidet in der Umkleidekabine im Fitnesscenter. Dann würde trotz tatsächlichen Interesses aufgrund der Verletzung der Privat- oder Intim­ sphäre kein normatives öffentliches Interesse im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG vorliegen.

1923 

1924 

Jipp, S.  203 f.; vgl. auch Arzt, S.  49 f. Vgl. hierzu das hier vorgeschlagene Drei-Stufenmodel bei Kap.  3, D., V., 2.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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9. Folgen einer Selbstöffnung im Bildnisrecht Die Festschreibung des „höchstpersönlichen Lebensbereichs“ als Tatbestandsmerk­ mal in §  201a StGB sowie die Etablierung des abgestuften Schutzkonzepts – mit dem das (teilweise) Hineinlesen der berechtigten Interessen des Abgebildeten gem. §  23 II KUG in das Tatbestandsmerkmal der Zeitgeschichte gem. §  23 I KUG einher­ geht1925  – haben die Berücksichtigung der Selbstöffnung beim Umgang mit Perso­ nenabbildungen (nicht nur in dogmatischer Hinsicht) erschwert.1926 Deshalb ist eine differenzierte Vorgehensweise notwendig, die dem Verhältnis von öffentlichen und privaten Interessen unter Berücksichtigung des Sphärenmodells Rechnung trägt und dabei keine Pauschalisierungen zulässt.1927 Vor diesem Hintergrund soll abschlie­ ßend auf die (dogmatischen) Folgen einer Selbstöffnung im Bildnisrecht eingegangen werden. a) Ablehnung einer individuellen Sphärenverschiebung für den strafrechtlichen Bildnisschutz Die Rechtsprechung zur individuellen Sphärenverschiebung bei einer Selbstöffnung durch entsprechendes Vorverhalten des Abgebildeten erscheint wenig überzeugend. Zurückhaltung verdient etwa die Annahme, dass sich jedes thematisch erfassbare (private) Verhalten einer Person fortan ihrer Öffentlichkeits- oder Sozialsphäre zuzu­ ordnen sein soll, sofern es (einmal) in der Öffentlichkeit stattgefunden hat oder sonst gewissen Sozialbezug aufweist.1928 Deutlich wird die Pauschalität dieser Annahme in einer jüngeren Entscheidung des Oberlan­ desgerichts Dresden1929, welches die Figur einer begrenzten Selbstöffnung innerhalb der So­ zialsphäre infolge einer vorverhaltensbedingten Sphärenverschiebung grundsätzlich privater Verhaltensweisen aufwändig konstruieren muss, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen. Das Gericht nennt in seiner Entscheidung zunächst das Beispiel (aus dem Namensrecht), dass es etwa eine Prostituierte nicht hinnehmen müsse, dass ihr Aliasname, mit dem sie ihre Dienstleistungen bewirbt, von der Presse enthüllt und sie einem breiteren Publikum gegen ihren Willen namentlich bekannt gemacht wird. Ferner könne es nicht sein, dass ein homo­ sexueller Prominenter es erdulden müsse, dass seine sexuelle Ausrichtung in der Öffentlich­ keit erörtert würde, wenn er sich zuvor in einem beschränkten Rahmen geoutet habe. Deshalb müsse es auch eine begrenzte Selbstöffnung innerhalb der Öffentlichkeitssphäre geben.

Das hierdurch erzielte Ergebnis ist in beiden Fällen durchaus begrüßenswert, aller­ dings muss dieses nicht über die Konstruktion einer begrenzten Selbstöffnung inner­ 1925 

Vgl. hierzu bereits Kap.  3, D., II., 1., j) sowie Kap.  3, D., II., 1., n). B. Heinrich, ZIS 2011, S.  421. 1927  Vgl. hierzu die Ausführungen zur Bestimmung des öffentlichen Interesses unter Berück­ sichtigung des Sphärenmodells Kap.  3, D., V., 2., sowie zur Vertrauenskomponente beim Überlas­ sen von Abbildungen an Dritte Kap.  3, D., IV., 6., b). 1928  Vgl. hierzu BGH, NJW 2012, S.  767 – „Wenn Frauen zu sehr lieben“; LG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2020, S.  85. 1929  OLG Dresden, ZUM-RD 2019, S.  317 f. 1926 Vgl.

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Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

halb einer eigens verschobenen Sphäre begründet werden. Weder der Status einer (praktizierenden) Prostituierten oder eines (sich outenden) Prominenten führen dazu, dass alle Handlungen bzgl. der sexuellen Selbstbestimmung nicht mehr in der Intim- oder Privat-, sondern fortan in der Öffentlichkeits- oder Sozialsphäre stattfin­ den. Ferner kann anhand der Preisgabe oder der bloßen Zugänglichmachung einer (intimen) Information keine pauschale Sphärenverschiebung angenommen werden, sofern ein allgemeiner Vertrauenstatbestand (zur Nichtweitergabe an Dritte) besteht oder geschaffen wird. Darüber hinaus erscheint es äußerst zweifelhaft, ob diese Ver­ schiebung dann in alle weiteren thematisch verknüpfbaren Bereiche abstrahlen soll. Sexuelle Handlungen einer Prostituierten oder die sexuelle Ausrichtung eines Pro­ minenten (und alle hiermit in irgendeiner Form verknüpften Informationen) sollen deshalb nach der hier vertretenen Auffassung nicht die Höchstpersönlichkeit nur des­ halb verlieren, weil sie zuvor in irgendeiner Form nach außen gedrungen sind. Eine Konsequenz hiervon wäre ansonsten, dass etwa Prostituierte, (Porno-)Darsteller oder (Akt-)Models faktisch weniger Schutz im Rahmen derjenigen Straftatbestände genießen wür­ den, die – wie die Varianten der §§  201a, 184k StGB – tatbestandlich an die Verletzung des höchstpersönlichen Lebens- oder Intimbereichs anknüpfen. Da der höchstpersönliche ­Lebensund der Intimbereich mit dem Sphärenmodell – und dabei vorrangig der Intimsphäre – zumin­ dest in engen Zusammenhang gebracht wird,1930 würde dessen Verletzung infolge einer sphä­ renverschiebenden Selbstöffnung regelmäßig beim genannten Personenkreis abgelehnt wer­ den müssen.

Ein anderes Ergebnis könnte allenfalls über einen gesonderten Maßstab im strafrechtlichen Bildnisschutz begründet werden, dieser Weg sollte aber mit der Ausge­ staltung des Schutzguts des höchstpersönlichen Lebensbereichs als eigenständiges Tatbestandsmerkmal ausdrücklich nicht beschritten werden, zumal für dessen Er­ mittlung durchweg im Sinne der Einheit der Rechtsordnung auf die Heranziehbarkeit der bundesverfassungs- und zivilgerichtlichen Judikatur hingewiesen wird.1931 Das Modell der Rechtsprechung, welches dem (medialen) Vorverhalten eine (an­ dauernde) individuelle Sphärenverschiebung zugrunde legt, kann somit nicht über­ zeugen, sondern zeigt vielmehr, dass in der Sphärentheorie – auch im Strafrecht – nicht mehr als eine erste Einordnungshilfe erblickt werden sollte.1932 Diese Einschätzung findet in einem jüngeren Beschluss des Bundesgerichtshofs jedenfalls insoweit ihre Stütze, als Selbstaufnahmen einer Person, die dem Täter überlassen wurden, gleichwohl als Tatobjekt des §  201a I Nr.  4 StGB infrage kommen und somit trotz des Vorver­ haltens des Opfers geeignet sind, durch die Weitergabe dessen höchstpersönlichen Lebensbe­ reich zu verletzen.1933 1930  Bosch, JZ 2005, S.  379; Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  14; BeckOK StGB/ Heuchemer, §  201a StGB, Rn.  1, 2: Lackner/Kühl/Kühl, §  201a StGB, Rn.  1, 3; Murmann, in: FS Mai­wald 2010, S.  588, 591; LK/Valerius, §  201a StGB, Rn.  31, 32. 1931  BT-Drs. 15/2466, S.  4; Bosch, JZ 2005, S.  379; LK/Valerius, §  201a StGB, Rn.  31. 1932  A. A. wohl Böhnstedt, S.  345; vgl. zur Einordnung und konkreten Auswirkung der Selbstöff­ nung nach dem hier vorgeschlagenen Konzept sogleich Kap.  3, D., IV. 9., b). 1933  BGH, Beschl. v. 29.07.2020, 4 StR 49/20 = BeckRS 2020, 26378; erwähnenswert erscheint, dass das Vorverhalten des Abgebildeten im Gesetzgebungsverfahren zu §  201a StGB nicht etwa bei der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs thematisiert wurde, sondern quasi in die Frage miteinfloss, ob das unbefugte Gebrauchen oder Zugänglichmachen einer befugt hergestellten Aufnahme pönalisiert werden sollte. Hierbei lehnte der Alternativentwurf eine Strafbarkeit gerade mit der Begründung ab, dass der Betroffene im Falle der Weitergabe einer befugt hergestellten

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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Mit dieser Ansicht geht schließlich einher, dass §§  201a IV, 184k III StGB, welche sich an den Grundsätzen des §  23 KUG orientieren sollen,1934 nicht etwa tatbestandsausschließend wirken, sondern konsequenterweise als Rechtfertigungsgrund eingeordnet werden müs­ sen.1935 Denn es wäre inkonsequent anzunehmen, dass eine Selbstöffnung nicht den höchst­ persönlichen Lebensbereich im Sinne der Norm verschieben könne, dabei aber gleichwohl den objektiven Tatbestand (eines Delikts zum Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs) auszuschließen in der Lage sei.

b) Ungültigkeit der Geltendmachung widersprüchlicher Interessen im Einzelfall Überzeugender erscheint es daher, im Falle der Annahme einer Selbstöffnung dem Abgebildeten hinsichtlich der konkret geöffneten abgebildeten Belange die Berufung auf berechtigte Interessen im Sinne des §  23 II KUG schlicht zu versagen. Insoweit könnte man auch von der Schwärzung von konkreten Argumenten aufgrund des wi­ dersprüchlichen Vorverhaltens sprechen. Wer sich etwa nackt im Internet zeigt, soll hinsichtlich derselben Aufnahme in einem anderen Kontext nicht das Argument der Verletzung seiner Intimsphäre zur Begründung berechtigter Interessen in §  23 II KUG anführen dürfen. Etwas Anderes gilt freilich dann, wenn der neue Kontext der Veröffentlichung darüber hinaus berechtigte Interessen verletzt. Bezüglich berech­ tigter Interessen aus der Abbildung als solcher – auf die sich nach der hier vertretenen Ansicht die Selbstöffnung mit steigender Privatheit reduzieren wird – soll sich der Abgebildete hingegen nicht mehr berufen können.

V. Resümee und Schlussfolgerungen zu einwilligungslosen Bildnisveröffentlichungen Fasst man die oben angestellten Erwägungen zu einwilligungsfreien Bildnisveröf­ fentlichungen kurz zusammen, so ergibt sich zunächst, dass unter dem abgestuften Schutzkonzept des Bundesgerichtshofs viele Fragen offen sind. Maßgeblicher Drehund Angelpunkt für die Zulässigkeit einer Bidnisveröffentlichung ohne die Einwilli­ gung des Abgebildeten ist heute die Zeitgeschichtlichkeit der gesamten Veröffentli­ chung nach §  23 I Nr.  1 KUG. Insofern bietet es sich an, nicht im Sinne des Gesetzes­ wortlauts von einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, sondern untechnisch von einer „Veröffentlichung aus dem Bereich der Zeitgeschichte“ zu sprechen. Diese Zeitgeschichtlichkeit soll sich maßgeblich anhand des Informationswerts der gesamten Veröffentlichung bestimmen. Diesem Informationswert soll zum einen ein dynamisches Verständnis zu Grunde gelegt werden. So ist durchaus relevant, wer etwas zu welchem Zeitpunkt, an welchem Ort in welchem Zusammenhang veröffent­ Bildaufnahme seine Intimsphäre preisgegeben hätte; vgl. Alternativ-Entwurf des Strafgesetzbuchs, BT, Straftaten gegen die Person, 2. HB, 1971, S.  35; vgl. hierzu insgesamt Eisele, JR 2005, S.  10. 1934  Eisele/Sieber, StV 2015, S.  318. 1935  So i. E. auch Eisele/Sieber, StV 2015, S.  318; Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  53; a. A. SSW/Bosch, §  201a StGB, Rn.  32; Fischer, §  201a StGB, Rn.  53; Kächele, S.  201.

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licht. Wann aber genau ein (positiv konnotiertes) öffentliches Interesse an Unterhal­ tung und Zerstreuung – etwa durch einen Journalisten – bedient wird und wann dieser nur die (negativ konnotierte) Neugier- und Sensationslust befriedigt, bleibt weitestgehend offen. Zum anderen bestehen bereits Unklarheiten hinsichtlich der Bestimmung des In­ formationswerts als solchen, wenn es um das Verhältnis zum berechtigten Interesse des Abgebildeten geht. Die Rechtsprechung lässt jedenfalls anhand ihrer Je-desto-­ Formel vermuten, dass der Informationswert einer Bildnisveröffentlichung grund­ sätzlich unabhängig vom berechtigten Interesse des Abgebildeten bestimmt werden könne. Gleichwohl soll die Bestimmung der Zeitgeschichtlichkeit aber im Rahmen der Abwägung des öffentlichen Interesses mit den Abgebildeteninteressen und damit durch das Hineinlesen des §  23 II KUG in §  23 I Nr.  1 KUG erfolgen. Dass die Abge­ bildeteninteressen bereits bei der Bestimmung der Zeitgeschichtlichkeit eine Rolle spielen, lassen auch die kernstrafrechtlichen Normen in §§  201a IV und 184k III StGB vermuten. Diese nennen zwar nicht ausdrücklich den Begriff der Zeitgeschichte, viel­ mehr orientieren sich diese an den Begriffen des Zeitgeschehens und der Geschichte. Dabei findet sich bei den kernstrafrechtlichen Privilegierungen allerdings nicht, wie in §  23 II KUG, gesondert ein Begriff des berechtigten Interesses des Abgebildeten. Dies spricht ebenfalls dafür, dass der Begriff der Zeitgeschichtlichkeit vom Abgebil­ deteninteresse in irgendeiner Form beeinflusst sein muss, zumal auch die kernstraf­ rechtlichen Normen „Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte“ als (die In­ teressen des Abgebildeten) überwiegende berechtigte Interessen beschreiben. All diese Unwägbarkeiten führen dazu, dass heute nur noch schwer vorausgesagt werden kann, wann eine Bildnisveröffentlichung – insbesondere im Rahmen des §  23 I Nr.  1 KUG – einwilligungsfrei erfolgen kann. Dies erscheint mit Blick auf §  33 KUG bedenkenswert. Zur weiteren Konturierung erfolgte deshalb innerhalb des vo­ rangegangenen Überblicks über die verschiedenen Themengebiete dort ein eigener Konturierungsvorschlag, wenn hinreichende Rechtsprechungstendenzen nicht er­ kennbar waren. Unabhängig hiervon bestehen grundsätzlich die beschriebenen er­ heblichen Unsicherheiten hinsichtlich des abgestuften Schutzkonzepts weiter, sodass abschließend auf die grundsätzliche Ausrichtung des Informationswerts einer Bild­ nisveröffentlichung eingegangen werden soll. 1. Kritik am abgestuften Schutzkonzept des BGH Bereits an mehrfacher Stelle wurde deutlich, dass eine hermeneutische Trennung von Informationswert und berechtigten Interessen des Abgebildeten im Sinne der Je-des­ to-Formel des Bundesgerichtshofs nicht sachgerecht erscheint. Dies wird dann deut­ lich, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung ihr Postulat, wonach das Interesse des Abgebildeten zurücktreten müsse, desto höher der Informationswert für die Öf­ fentlichkeit erscheine, deshalb nicht konsequent einhalten kann, weil das Interesse des Abgebildeten Einfluss auf die normative Bemessung des öffentlichen Interesses nimmt.

D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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So soll etwa eine Bildnisveröffentlichung einen hohen Informationswert für die Öffentlichkeit aufweisen können, weil sie informierender oder politischer Natur ist. Erfolgt sie aber auch zu Werbezwecken, scheint ein solcher öffentlicher Informationswert wiederum ausgeschlossen. Ferner wird man nicht davon ausgehen können, dass eine Veröffentlichung, welche die Intim­sphäre eines Politikers verletzt aufgrund des Themenbereichs der Politik einen hohen Informationswert für die Öffentlichkeit aufweist und nur wegen des überwiegenden Abgebil­ deteninteresses nicht als zeitgeschichtlich einzustufen ist.

Weitere Ungereimtheiten ergeben sich aufgrund der Je-desto-Formel im Rahmen des abgestuften Schutzkonzepts aufgrund der Figur der Selbstöffnung. Wenn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Sphärenverschiebung bei entsprechendem medialem Vorverhalten des Abgebildeten stattgefunden hat, wiegt das Interesse des Abgebildeten nicht schwer. Dies sagt aber nichts über die Abhängigkeit zum öffent­ lichen Interesse aus, jedenfalls wird man nicht annehmen können, dass sich das öf­ fentliche Interesse erhöht, weil sich das Interesse des Abgebildeten (aufgrund der Selbstöffnung) abgemildert hat. Ansonsten könnte jedermann durch seine Selbstöff­ nung die Zeitgeschichtlichkeit herbeiführen. 2. Vorschlag eines Drei-Stufen-Modells zur Ermittlung des Informationswerts Zur weiteren Konturierung der Zulässigkeit einwilligungsfreier Bildnisveröffentli­ chungen wird deshalb ein sog. Drei-Stufen-Modell zur Ermittlung der Zeitgeschicht­ lichkeit vorgeschlagen, welches sich maßgeblich an den ursprünglichen Vorgaben des Gesetzgebers durch die Stufung innerhalb des §  23 KUG orientiert. (Siehe Abbildung 8). Ausgangspunkt soll hierbei auf der ersten Stufe das Bestehen eines tatsächlichen öffentlichen Interesses sein. Das bisher primär berücksichtigte Kriterium der Be­ kanntheit der abgebildeten Person soll hiernach aufgrund der angestellten Erwägun­ gen folglich keine Rolle spielen. Kann ein tatsächliches Interesse innerhalb der Öf­ fentlichkeit an einer Bildnisveröffentlichung nicht nachgewiesen werden – weil etwa die Auflage oder Klickzahlen nicht valide erhoben werden können –, so kann ein öffentliches Interesse aufgrund einer normativen Korrektur auf der zweiten Stufe angenommen werden. Hierbei wird den bereits erörterten Gesichtspunkten verschie­ dener Veröffentlichungsthematiken Rechnung getragen. Auch kann an dieser Stelle die Pressefreiheit – im Gegensatz zu Bildnisveröffentlichungen durch Private – ihre Indizwirkung eines öffentlichen Interesses entfalten. Liegen nach dem Durchlaufen der zweiten Stufe Anhaltspunkte für ein (normatives) öffentliches Interesse vor, gilt es abschließend – im Sinne des §  23 II KUG – die berechtigten Interessen des Abge­ bildeten zu beleuchten. Kann der Abgebildete sich auf die angesprochenen Punkte berufen, sinkt der Informationswert mit zunehmender Privatheit der Bildnisveröf­ fentlichung. Eine Sonderstellung kommt innerhalb der letzten Stufe der Selbstöffnung zugute. Die­ se wirkt wie ein Neutralisator der berechtigten Interessen des Abgebildeten: Hat sich der der Abgebildete hinsichtlich der konkreten Umstände, welche ein berechtigtes Interesse

Kapitel  3: Der Strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

Abbildung 8: Drei-Stufen-Modell

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D. Einwilligungsfreie Veröffentlichungen nach §  23 KUG

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begründen würden, entsprechend vorverhalten hat, liegen diese aufgrund der Selbst­ öffnung nicht vor. Hierbei gelten die bereits vorgeschlagenen Grundsätze zur Selbstöff­ nung. Das vorgeschlagene Modell trennt folglich nicht zwischen Informationswert und Interessen des Abgebildeten und setzt diese auch nicht zueinander ins Verhältnis. Abschließend bleibt zu sagen, dass dieses Modell nicht den Anspruch haben kann, jede einzelne Bildnisveröffentlichung passgenau verorten zu können. Vielmehr soll es dazu beitragen, die maßgeblichen Konturierungen zur jeweils infrage stehenden Einzelabwägung vorzugeben. Damit soll es einen maßgeblichen Beitrag leisten, um den Spagat zwischen der Notwendigkeit eines offenen – flexiblen – Bildnisrechts und dem strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot bewerkstelligen zu können.

Kapitel  4

Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien de lege ferenda Die formgebende Entwicklung eines Rechtsguts vollzieht sich fortlaufend sowohl anhand richterlicher Einzelfall-, als auch durch gesetzgeberische Entscheidungen, welche auf den gesellschaftlichen Wandel und den technischen Fortschritt reagieren. Dass das Recht am eigenen Bild hiervon besonders betroffen ist, zeigte sich nach den voranstehenden Kapiteln bereits aufgrund des nahezu unveränderten Bestehens die­ ses Rechts seit 1907. Dem steht die fortschreitende Entwicklung und Optimierung technischer Abbildungsmöglichkeiten gegenüber. Dieses Spannungsverhältnis von alt und neu zieht sich dabei durch den gesamten Verlauf der vorliegenden Arbeit. Nachdem die Strukturprinzipien des (vorkonstitutionellen) Rechts am eigenen Bild herausgearbeitet wurden, mussten diese deshalb zunächst in der modernen Rechtsordnung verortet werden. Hierbei stellte die Abgrenzung zur informationellen Selbstbestimmung und somit die Ausrichtung zum modernen Datenschutz eine be­ sondere Herausforderung dar. Des Weiteren haben die weiteren Ausführungen ge­ zeigt, dass der Schutz des Rechts am eigenen Bild unbestimmt sein muss, um der Idee des Schutzes einer ungewollten bildhaften Repräsentation möglichst umfassend nachkommen zu können. Dem stehen allerdings das Bestimmtheitsgebot sowie die ultima ratio des Strafrechts gegenüber. Insbesondere birgt die Liberalisierung des Rechts am eigenen Bild, welche mit dessen Einbettung in die moderne Rechtsord­ nung einhergeht, die Problematik in sich, dass jedes Tatbestandsmerkmal heute ten­ denziell sehr weit ausgelegt wird. Im Zuge dieses Spannungsverhältnisses wurde versucht, das heute einfachrechtliche Recht am eigenen Bild im Strafrecht hinrei­ chend zu konturieren. Abschließend soll nun ein Vorschlag für die Zukunft des strafrechtlichen Bildnis­ schutzes erfolgen. Dieser soll die herausgearbeiteten Unzulänglichkeiten der gelten­ den Rechtslage berücksichtigen, welche sich bei der Besprechung der einzelnen Tat­ bestandsmerkmale herausgebildet haben. Diese sollen zunächst verkürzt zusam­ menzufasst werden, ehe dann auf die vorgeschlagene Lösung eingegangen wird.

666

Kapitel  4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

A. Unzulänglichkeiten des geltenden strafrechtlichen Bildnisschutzes in §  33 KUG Über den folgenden Erwägungen schwebt die Grundprämisse, dass ein vollumfäng­ licher Schutz vor einer einwilligungslosen bildhaften Repräsentation durch das Strafrecht nach der hier vertretenen Ansicht als nicht mehr zeitgemäß erscheint. Die­ ser Eindruck hat sich bei jedem einzelnen besprochenen Merkmal des §  33 KUG bestätigt. Zunächst erscheint der Bildnisbegriff als Tatobjekt als zu ausufernd, da er jede Form der bildhaften Repräsentation und somit auch unrealistische Darstellungsfor­ men umfasst. Für diese Formen erscheint allerdings der strafrechtliche Ehrschutz ausreichend, sodass sich der Bildnisschutz nach der hier vorgeschlagenen Konzep­ tion nur an fotorealistischen Abbildungen orientieren soll. Ferner erscheint die Schwelle zur „Erkennbarkeit für einen mehr oder minder großen Personenkreis“ für den Zugriff des Rechts am eigenen Bild als zu unbestimmt. Überzeugender erscheint es, auf die Identifizierbarkeit – und somit allein auf das Vorliegen eines menschlichen Erscheinungsbilds – abzustellen und den Erkennbarkeitsgrad der abgebildeten Per­ son beim infrage stehenden Bild im Rahmen weiterer Anforderungen hinsichtlich der individuellen Betroffenheit mitzuberücksichtigen. Hiermit verbunden ist die Kri­ tik, dass de lege lata unabhängig von den Erkennbarkeitsmerkmalen grundsätzlich überhaupt keine inhaltlichen Anforderungen oder sonstige Differenzierungen an ein Bildnis gestellt werden. So ist die Veröffentlichung eines Bildnisses auf offener Stra­ ße grundsätzlich nach §  33 KUG gleichermaßen strafbar wie die Veröffentlichung eines Bildnisses, welches in einem privaten Rückzugsraum entstanden ist. Auch bei den Tathandlungen ergeben sich angesichts moderner Darstellungsmög­ lichkeiten im Internet Bestimmungs- und Überschneidungsprobleme bzgl. des Ver­ breitens und des öffentlichen Zurschaustellens. Bereits die erste Tatvariante des Ver­ breitens erscheint hinsichtlich der Anforderungen an Einzelverbreitungen als zu un­ bestimmt, wenn für deren Begründung auf subjektive Merkmale zurückgegriffen werden muss. In diesem Zusammenhang ist es gerade im digitalen Datenverkehr schon nicht hinreichend klar, wann der Erfolg eingetreten ist. Umgekehrt erscheint das öffentliche Zurschaustellen im Zuge der Liberalisierung des Bildnisrechts als zu weitgehend, wenn keine klare Grenze hinsichtlich des Sichtbarmachens für einen potentiellen Adressatenkreis definiert wird. Die Festschreibung der bildnisrechtlichen Einwilligung auf Tatbestandsebene wirft Fragen hinsichtlich deren dogmatischen Einordnung in Kombination mit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Tatbestands auf. Schließlich ist nicht klar, inwieweit eine schlichte Einwilligung – wie im Urheberrecht – im Bildnisrecht Anwendung finden kann. Auch die Selbstöffnung wirft im Anschluss an die Erwä­ gungen zur bildnisrechtlichen Einwilligung tiefgreifende Fragen auf. Insbesondere ist nicht klar, warum eine solche nur im Falle des §  23 I, II KUG in Frage kommt. Es erscheint geradezu willkürlich, dass für Erwägungen zum selbstöffnenden Vorver­

B. Eigener Vorschlag

667

halten im geltenden Bildnisrecht nur dann Platz ist, wenn der Anwendungsbereich des §  23 I KUG eröffnet wurde. Mit anderen Worten fragt sich etwa, warum sich eine (unbekannte) Durchschnittsperson – etwa durch ihr Vorverhalten auf ihrem eigenen Social-Media-Profil – nicht hinsichtlich der Bildnisveröffentlichungen durch andere selbst öffnen können soll, wenn kein Fall des §  23 I KUG vorliegt. Hierfür bietet §  22 KUG (isoliert) keinen Raum, da kein normativer Anknüp­ fungspunkt besteht. Vielmehr erscheint es fragwürdig, ob die Minderung der individuellen Betroffenheit aufgrund des eigenen Vorverhaltens im Falle des §  23 II KUG davon abhängen soll, ob die Veröffentlichung dem Grunde nach ein öffentliches Interesse bedient (und somit der Anwendungsbereich des §  23 I Nr.  1 KUG eröffnet ist) oder ob ein sonstiges Szenario des §  23 I KUG vorliegt. Auch eine nicht im öffentlichen Interesse stehende Person muss sich grundsätzlich auch durch ihr Vorverhalten selbst öffnen können.

B. Eigener Vorschlag Für die Behebung dieser Unzulänglichkeiten wird zunächst vorgeschlagen den zivil­ rechtsakzessorischen Schutz des Rechts am eigenen Bild, geregelt in §  33 KUG, zu streichen. Der strafrechtliche Schutz einer isolierten bildhaften Repräsentation soll nach dem hier vertretenen Vorschlag – entsprechend dem strafrechtlichen Schutz der Wahrheit1 – keinen Bestand mehr haben. Strafwürdig erscheint dieser Gedanke nur in Kombination mit der Verletzung weiterer Aspekte des Persönlichkeitsrechts. Deshalb wird vorgeschlagen, den zukünftigen Bildnisschutz in §  201a II StGB zu verorten, indem dieser in seiner Fassung wie folgt modifiziert wird: (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt eine wirklichkeitsnahe Bilddarstellung von einer ande­ ren Person einer dritten Person zugänglich macht und dadurch den persönlichen Lebens­ bereich des Abgebildeten verletzt. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.

I. Tatobjekt: Wirklichkeitsnahe Bilddarstellung Vorgeschlagen wird zunächst, den Begriff der Bildaufnahme in §  201a I StGB durch denjenigen der wirklichkeitsnahen Bilddarstellung zu ersetzen. Erforderlich für eine Bildaufnahme ist, dass die betroffene Person aufgenommen2 und somit das Licht in irgendeiner Form technisch eingefangen wird. Der Bezug auf eine Bildaufnahme hätte zwar den – hiernach grundsätzlich zu begrüßenden – Effekt, dass nicht foto­ realistische Abbildungen wie Skizzen, Gemälde oder Karikaturen grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich der Norm herausfallen. Gleichwohl schließt die Bildauf­ nahme aber auch computergenerierte Bilder3 moderner KI-Anwendungen aus, da 1 Vgl.

Saliger, S.  102, 116. Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  6. 3  Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  6; Fischer, §  201a StGB, Rn.  4; LK/Valerius, §  201a StGB, Rn.  9, spricht von „Reproduktionen der Wirklichkeit“. 2 

668

Kapitel  4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

diese keine technische Aufnahme darstellen. Errechnet beispielsweise eine KI-An­ wendung ein fotorealistisches Bild aufgrund von Photogrammetrie- oder Scanning-­ Daten, das so nie stattgefunden hat, handelt es sich hierbei um keine technische Auf­ nahme im Sinne des §  201a StGB. Diese fotorealistischen Abbildungsformen gilt es aber nach der hier vertretenen Ansicht mit in den strafrechtlichen Anwendungsbe­ reich de lege ferenda miteinzubeziehen. Insoweit würde sich der Begriff eines „wirk­ lichkeitsnahen Bildnisses“ anbieten, dieser würde aber wiederum die bereits genann­ ten Unzulänglichkeiten hinsichtlich des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der Erkennbarkeit mit sich bringen. Etabliert werden soll deshalb ein neuer Begriff der „Bilddarstellung einer anderen Person“. Dieser Begriff soll nur an der Identifizierbar­ keit und nicht an der Erkennbarkeit der abgebildeten Person anknüpfen. Die Erkenn­ barkeit der abgebildeten Person bzw. der Erkennbarkeitsgrad auf der Abbildung soll anschließend für die Frage eine Rolle spielen, ob deren persönlichen Lebensbereich verletzt wurde. In diesem Zusammenhang gilt es entsprechend der Ausführungen zum Bildnis die immer wiederkehrende Forderung, dass nur Erkennbarkeitsmerk­ male aus dem Bild herangezogen werden sollen, mit entsprechender Argumentation zur Wirkung von Bild-(Sprach-)Text-Kombinationen abzulehnen. Um die infrage kommenden Tatobjekte auf fotorealistische Darstellungsformen zu begrenzen, soll auf den Begriff der Wirklichkeitsnähe – wie er etwa in §  184b StGB besteht – abgestellt werden. Die Wirklichkeitsnähe einer Abbildung liegt bei entspre­ chender Anwendung des Begriffs vor, wenn sich diese einem durchschnittlichen Be­ trachter anhand des äußeren Erscheinungsbildes als tatsächliche – und damit realis­ tische – Abbildungen darstellt.4 Erfasst werden soll hiernach in Kombination mit dem Merkmal der Personenbilddarstellung jede Form eines fotorealistischen mensch­ lichen Erscheinungsbilds. Hiergegen könnte zwar eingewandt werden, dass der Schutz des §  184b StGB – welcher sich gerade dem Begriff des wirklichkeitsnahen Geschehens bedient – bei offenbar erkennbar fiktionalen Abbildungen aufgrund der allgemeinen Ausrichtung der Schutzdimension deutlich abgeschwächt sein soll.5 So­ fern man dieser Erwägung aber überhaupt folgen möchte, kann diese jedenfalls inso­ weit entkräftet werden, dass sich die Wirklichkeitsnähe nach der vorgeschlagenen Konzeption auf eine konkrete Personenabbildung beziehen muss. Insoweit liegt dem Vorschlag nicht primär ein allgemeiner Gedanke zum Missbrauchs- oder Nachah­ mungsschutz zugrunde, indem die Wirklichkeitsnähe in direkten Zusammenhang mit einer konkreten Persönlichkeitsrechtsverletzung gebracht wird. In diesem Zu­ sammenhang kann deshalb auch vollumfänglich auf die Ausführungen zu Bildmani­ pulationen zurückgegriffen werden. Handelt es sich also erkennbar um eine fiktiona­ le realitätsnahe Bildmanipulation einer identifizierbaren Person, so muss geprüft 4 

Vgl. MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  27; BeckOK StGB/Ziegler, §  184b StGB, Rn.  8. So MüKo StGB/Hörnle, §  184b StGB, Rn.  5, 27, mit dem Beispiel, dass Akteure als menschen­ ähnliche „außerirdische“ Wesen entworfen wurden; krit. Hopf/Braml, ZUM 2007, S.  363, mit Ver­ weis auf die Gefahr durch Nachahmungseffekte. 5 

B. Eigener Vorschlag

669

werden, ob einzelne Teile der Abbildung als fotorealistisches menschliches Erschei­ nungsbild eingeordnet werden.6

II. Tathandlung: Zugänglichmachen gegenüber einer dritten Person Hinsichtlich der Tathandlung wird vorgeschlagen, diese aus §  201a II StGB zu über­ nehmen. Das Zugänglichmachen gegenüber einer dritten Person liegt hiernach vor, wenn der Zugriff auf eine Bilddarstellung oder ihre Kenntnisnahme ermöglicht wird.7 Diese Tathandlung ist im Gegensatz zu dem Verbreiten und dem öffentlichen Zurschaustellen angesichts moderner Darstellungsmethoden im Internet hinreichend bestimmt. Hiergegen könnte eingewandt werden, dass bereits die Kenntnisnahme­ möglichkeit einer einzigen Person genügen kann und die Konzeption somit insge­ samt als zu streng erscheint. In diesem Sinne wird bereits bei der geltenden Fassung des §  201a II StGB richtigerweise darauf plädiert, die Grundsätze der beleidigungs­ freien Intimsphäre anzuwenden und insoweit eine teleologische Reduktion des Tat­ bestands zu bewirken.8 Solcher Überlegungen bedarf es allerdings nach der hier vorgeschlagenen Konzeption nicht, da im Zuge der Zugänglichmachung zusätzlich positiv festgestellt werden muss, dass diese zu einer kausalen Ansehensschädigung oder Verletzung des persönlichen Lebensbereichs geführt hat. Dies wird man bei Fallkonstellationen mit geringer Streuweite des Bildes regelmäßig verneinen kön­ nen.

III. Kausale Verletzung des persönlichen Lebensbereichs Neu erscheint nach dem Vorschlag ebenfalls, dass sich aus der Handlung die kausale Rechtsgutsverletzung ergeben muss. Damit wird dem Grunde nach auf die Rege­ lungstechnik des §  201a StGB abgestellt, wonach die kausale Verletzung des Rechts­ guts als Tatbestandsmerkmal vertypt wird. Dies hat zur Folge, dass hinreichende Klarheit und Flexibilität hinsichtlich der Frage bestehen, ob sich die Rechtsgutsver­ letzung bereits aus dem Bild oder der Art und Weise der Veröffentlichung ergeben muss. Denn so können auch Merkmale, die auch außerhalb des infrage stehenden Bildes liegen – wie etwa die Erlangung des Bildes, die Breitenwirkung, die Größe oder sonst zeitliche und örtliche Kontextbezogenheiten – neben dem konkreten Bild­ inhalt mitberücksichtigt werden. Ferner besteht die Möglichkeit Erwägungen der Selbstöffnung umfassend mitzu­ berücksichtigen. Hat sich die betroffene Person entsprechend vorverhalten, liegt so­

6 

Hierzu Kap.  3, A., I., 2., f), und g). Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  42. 8  Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  42, nennt den Fall, dass ein Ehepartner ein ent­ sprechendes Bild auf dem Wohnzimmertisch liegen lässt oder auf dem gemeinsamen Familienrech­ ner speichert. 7 

670

Kapitel  4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

mit keine kausale Verletzung der benannten Rechtsgüter vor. Auch in diesem Zusam­ menhang kann auf die bereits erfolgten Ausführungen zurückgegriffen werden.9 Neu ist die Anknüpfung an die kausale Verletzung des persönlichen Lebens­ bereichs. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass nach der hier vertretenen Auf­ fassung nur noch Bildveröffentlichungen strafbar sein sollen, welche die Privat­ sphäre der abgebildeten Person verletzen. Während die Herstellung den höchstpersön­ lichen Lebensbereich verletzen muss, um eine Strafbarkeit auszulösen, soll hiernach die – der Handlung nach schwerer wiegendere Weitergabe bzw. Schaffung einer Kennt­nisnahmemöglichkeit durch Dritte – insoweit ausgleichend an den weiteren Schutz­bereich der Privatsphäre anknüpfen.10 Warum §  201a II StGB bislang an eine mög­liche (erhebliche) Ehrverletzung – in Form der „erheblichen Ansehensschädi­ gung“  – anknüpft erschließt sich insoweit kaum. Näher liegt es, an eine Privatsphä­ renverletzung anzuknüpfen. Um sich diesbezüglich nicht dem Vorwurf mangelnder Bestimmtheit auszusetzen, soll zunächst auf die allgemeine Definition der Privatsphäre rekurriert werden. Nach dem Gesagten sollen etwa solche Sachverhalte in die Privatsphäre fallen, deren öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, deren Bekanntwer­ den als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslö­ sen kann.11 Damit werden per definitionem potentiell ansehensschädigende Bilder auch hiervon umfasst. Zur näheren Bestimmung erscheint es deshalb angezeigt, zu­ sätzlich an den in §  68a StPO verwendeten Begriff des „persönlichen Lebensbe­ reichs“ anzuknüpfen. Der persönliche Lebensbereich umfasst hiernach die (engere) Intimsphäre, sowie derjenige Privatbereich, der jedermann zur Entfaltung seiner Persönlichkeit gewährleistet werden muss. Dazu sollen insbesondere private Eigen­ schaften und Neigungen, der Gesundheitszustand, politische und religiöse Überzeu­ gungen sowie Tatsachen aus dem Familien- oder Sexualleben gehören.12 Insoweit kann für den hier vorgebrachten Vorschlag zur Bestimmung des privaten Lebensbe­ reichs über weite Teile auf die Ausführungen zur Verletzung berechtigter Interessen des Abgebildeten zurückgegriffen werden.13 Eine hinreichende Konturierung ist somit gewährleistet. Zu beachten ist hierbei, dass wirklichkeitsnahe Bilddarstellungen anderer Personen in nicht privaten Kontexten auch nach dieser Lösung nicht etwa beliebig oft veröffentlicht werden dürfen. Veröffentlicht A beispielsweise eine wirklichkeitsnahe Bilddarstellung des B, welches die­ sen im öffentlichen Arbeitsumfeld zeigt, so besteht zum einen die Möglichkeit des B, weiter­ hin gegen die Veröffentlichung auf dem Zivilrechtsweg vorzugehen.14 9 

Vgl. Kap.  3, D., IV. A. A. Eisele/Sieber, StV 2015, S.  315 f., unter Berufung auf die (alte) Überschrift, wonach sich der Schweregrad von §  201 II StGB an dem Grad der Höchstpersönlichkeit orientieren soll. 11  Hierzu bereits Kap.  2, B., II., 3., a), bb). 12  MüKo StPO/Maier, §  68a StPO, Rn.  8; Meyer-Goßner, §  68a StPO, Rn.  4. 13  Vgl. etwa die Abbildung bei Kap.  3, D., V., 2 (dort die dritte Stufe). 14  Vgl. zu den unterschiedlichen Möglichkeiten bereits Kap.  2. A., II., sowie Kap.  3, C., IV. 10 

B. Eigener Vorschlag

671

Aber auch aus strafrechtlicher Perspektive wäre eine solche Veröffentlichung nicht etwa vogelfrei. Denn nach dem hiesigen Vorschlag macht sich strafbar, wer durch das Zugänglichmachen den privaten Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Zwar wird sich die Ver­ letzung des privaten Lebensbereichs primär aus dem Bildinhalt ergeben. Gleichwohl bleibt nach der Tatbestandsausgestaltung ebenfalls Raum für eine Verletzung des privaten Lebens­ bereichs durch den gesamten Veröffentlichungskontext. Ordnet A beispielsweise der Abbil­ dung etwa einen (Sprach-)Text bei, in dem er B als homosexuell outet und die Beziehung zu dem Mitabgebildeten Arbeitskollegen C publik macht, liegt hierin die Verletzung des privaten Lebensbereichs. In diesem Zusammenhang kann auch die Streubreite der Veröffentlichung und die Erkennbarkeit des A mitberücksichtigt werden. Der Tatbestand wäre mithin erfüllt. Denn die Ausgestaltung des Wortlauts berücksichtigt ausdrücklich die multimethodale Kombinationsaffinität von Bildern und (Sprach-)Texten.15 Ebenso kann in diesem Szenario durch die Anknüpfung an den privaten Lebensbereich zu Gunsten des Täters berücksichtigt werden, ob sich B möglicherweise durch sein Vorverhalten selbst geöffnet hat, indem er beispielsweise zuvor über die Beziehung zu C öffentlich gespro­ chen hat oder bereits selbst Pärchenbilder veröffentlicht hat. Dann könnte erwogen werden, ob der private Lebensbereich aufgrund der Selbstöffnung nicht tangiert wurde. Eine solche Be­ rücksichtigung ist de lege lata nur dann möglich, wenn der Anwendungsbereich des §  23 I KUG eröffnet ist.

IV. Streichung des Erfordernisses einer kausalen erheblichen Ansehensschädigung Ferner ist anzumerken, dass die Anknüpfung an die „erhebliche Ansehensschädi­ gung“ nicht nur gewisse Rechtsunsicherheit mit sich bringt, sondern auch hinsicht­ lich der alleinigen Anknüpfung an das Rechtsgut der Ehre der betroffenen Person irritiert. Überzeugender erscheint es deshalb, die Anknüpfung in §  201a II StGB rest­ los zu streichen. Solche Fälle, bei denen die betroffene Person über die Veröffent­ lichung einer Bilddarstellung in ihrer Ehre „erheblich“ gekränkt wird, könnten nach wie vor über §  185 I StGB gelöst werden. Hiernach macht sich strafbar, wer eine Beleidigung durch das „Verbreiten eines Inhalts“ gem. §  11 III StGB begeht. Die Strafandrohung in Höhe von zwei Jahren ist in diesen Fällen dieselbe wie in der gel­ tenden Fassung des §  201a II StGB. Eine solche Justierung hätte den Vorteil, dass nunmehr für eine Bildbeleidigung an das Verbreiten im Sinne des §  11 III StGB angeknüpft werden müsste. Das bloße Liegenlassen eines beleidigenden Bildes wäre somit nicht ohne weiteres strafbar16, während für privatsphärenverletzende Veröffentlichungen im Sinne des vorgeschla­ genen §  201a II StGB strengere Maßstäbe gelten würden. Diese Differenzierung er­ scheint auch hinsichtlich des Bestehens einer beleidigungsfreien Sphäre lediglich bei Ehrverletzungen – nicht jedoch bei Privatsphärenverletzungen – durchaus tragbar. Denn letztendlich bestünde auch hinsichtlich des Zugänglichmachens an eine einzel­ 15 

Hierzu bereits Kap.  1, A., I., 7. Zu den Bedenken bereits Schönke/Schröder/Eisele, §  201a StGB, Rn.  42. Für das Verbreiten kann im Übrigen an die oben herausgearbeiteten Grundsätze angeknüpft werden, vgl. Kap.  3, B., I. 16 

672

Kapitel  4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

ne Person immer das Korrektiv der kausalen Privatsphärenverletzung, wodurch will­ kürliche Ergebnisse ausgeschlossen werden können. Wer somit ein „erheblich ansehensschädigendes“ Bild auf dem heimischen Familienrechner abspeichert, würde hiernach nicht per se Gefahr laufen, sich wegen §  201a II StGB strafbar zu machen. Vielmehr bestünde im Rahmen des §  185 I StGB ein ausdrücklicher Anknüpfungs­ punkt für eine beleidigungsfreie Sphäre, welche auch nicht über eine Analogie hergeleitet werden müsste. Handelt es sich hingegen etwa beim abgespeicherten Bild um eine Darstellung, welche die Intimsphäre des Betroffenen verletzt, könnte immer noch im Rahmen der Prüfung, ob durch das Abspeichern eine kausale Verletzung des persönlichen Lebensbereichs eingetreten ist, mit einfließen, dass das Bild lediglich auf einem Familienrechner abgespeichert wurde und nicht nach außen getreten ist. So könnte mitberücksichtigt werden, inwieweit das Zugänglichma­ chen auf das Bild zu einem Kontrollverlust geführt hat und deshalb eine Verletzung des per­ sönlichen Lebensbereichs mitbedingt hat. Dies entspricht den herausgearbeiteten Wertungen, wonach die (Herstellungs- und Veröffentlichungs-)Modalitäten außerhalb des Bildes ebenfalls hinsichtlich der individuellen Betroffenheit mitzuberücksichtigen sind. Der Weg zum Bild sowie der Inhalt des Bildes könnten also für die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbe­ reichs mitberücksichtigt werden.

Hierdurch käme auch das bei den Strukturprinzipien des Rechts am eigenen Bild skizzierte grundsätzliche Nebeneinander von Bild- und Ehrschutz zum Ausdruck, indem nicht willkürlich an eine erhebliche Ansehensschädigung angeknüpft wird.17 Ferner würde sich die Frage erübrigen, worin genau der Unterschied einer „erheb­ lichen Ansehensschädigung“ im Sinne des §  201a II StGB zur einfachen Ehrverlet­ zung in §  185 StGB überhaupt bestehen soll. Schließlich erscheint die vorgeschlagene Konzeption im Hinblick auf das allge­ meine Persönlichkeitsrecht insoweit ausgewogener, weil die Strafbarkeit der vorge­ lagerten Herstellung einer Bildaufnahme strengeren Maßstäben – der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs – unterliegt, während die nachgelagerte (und aufgrund der Tathandlung schwerwiegendere) Veröffentlichung des Bildes lediglich eine Verletzung des persönlichen (also nicht des „höchst“persönlichen) Lebensbe­ reichs fordert. Der Grad der Rechtsgutsverletzung würde sich somit an der Schwere und Gefahr der Tathandlung orientieren. Auch in dieser Hinsicht erschließt sich nicht, warum die geltende Fassung des zweiten Absatzes allein an eine erhebliche Ansehensschädigung anknüpft, während die Varianten zur Herstellung an den höchstpersönlichen Lebensbereich anknüpfen.

17 

Kap.  1, C., I., 4.

B. Eigener Vorschlag

673

V. Anknüpfung an überwiegende berechtigte Interessen im Sinne des §  201a IV StGB Zudem könnte für die hier vorgeschlagene Lösung an das vorgeschlagene Drei-Stu­ fen-Modell in §  201a IV StGB angeknüpft werden. Diese Regelung liegt auf der Linie der hier befürworteten Konzeption, da sie von einem „überwiegendem berechtigten Interesse“ spricht. Insoweit kann auch in diesem Punkt an die bereits herausgearbei­ teten Grundsätze zum überwiegenden öffentlichen Informationswert angeknüpft werden.18 Denn §  201a IV StGB geht für die Zulässigkeit einer Zugänglichmachung von der Wahrnehmung „überwiegender berechtigter Interessen“ aus. Dies hat zunächst den Vorteil, dass ein klarer Anknüpfungspunkt vorliegt und nicht – wie bei §  23 I Nr.  1 KUG – die Gefahr besteht, dass der Begriff der Zeitgeschichte umgangssprachlich auf (geschichtlich bedeutsame) Events beschränkt wird. Darüber hinaus differenziert §  201a IV StGB genaugenommen nicht – wie die höchstrichterliche Rechtsprechung zu §  23 I Nr.  1 KUG im Rahmen seines abgestuf­ ten Schutzkonzepts bei der Bestimmung des Zeitgeschehens – allein zwischen über­ wiegenden öffentlichen Interessen (der Allgemeinheit) und überwiegenden privaten Interessen und zwar sowohl des Abbildenden als auch des Abgebildeten. Dies bedeu­ tet, dass zunächst auf das überwiegende öffentliche Interesse im Rahmen des Zeitge­ schehens abgestellt werden kann. Hierbei kann auf die bereits herausgearbeiteten Grundsätze und das Drei-Stufen-Modell zurückgegriffen werden. Ferner kann – unabhängig von öffentlichen Interessen – auf überwiegende indivi­ duelle Interessen des Abbildenden abgestellt werden. §  201a IV StGB liefert hierfür die Anknüpfungspunkte etwa der Kunst, Wissenschaft, der Forschung oder der Leh­ re. Diese sind (aufgrund der unbenannten Variante „oder ähnlichen Zwecken“) nicht abschließend und können somit flexibel gehandhabt werden. In dieser Hinsicht kann aber erneut an die bereits herausgearbeitete Wertung angeknüpft werden, dass über­ wiegende Interessen des Abbildenden dann tendenziell angenommen werden, wenn diese auch öffentliche Interessen bedienen. Insoweit bestünden auch keine systema­ tischen Ungereimtheiten hinsichtlich etwaiger Überschneidungen, wie sie aktuell im Rahmen des §  23 I KUG – etwa bei Kunst im Sinne des §  23 I Nr.  4 KUG und Zeit­ geschehen im Sinne des §  23 I Nr.  1 KUG – aufgrund des abgestuften Schutzkon­ zepts faktisch vorhanden sind. Dadurch, dass aber gerade überwiegende berechtigte Interessen vorliegen müs­ sen, besteht auch die Möglichkeit, unabhängig vom öffentlichen Informationswert an alleinstehende berechtigte Interessen des Abbildenden anzuknüpfen. Eine der­ artige Regelung wäre somit deutlich flexibler und könnte der Komplexität moderner Darstellungsszenarien besser Rechnung tragen, als das undurchsichtige abgestufte Schutz­konzept. 18 

Vgl. hierzu Kap.  3, D., II., sowie V.

674

Kapitel  4: Der strafrechtliche Bildnisschutz in modernen Darstellungsszenarien

VI. Anknüpfungsmöglichkeit für widersprüchliches Vorverhalten als Selbstöffnung Ferner bestehen keine Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich einer konkludenten oder einer (ohnehin abzulehnenden) schlichten Einwilligung zur Selbstöffnung. Denn Aspekte der Selbstöffnung könnten bei der Frage berücksichtigt werden, ob eine Verletzung des persönlichen Lebensbereichs vorliegt. Wer sich entsprechend vorverhalten hat, hat sich dementsprechend selbst geöffnet und kann sich insoweit nicht auf die Verletzung seines persönlichen Lebensbereichs berufen.

VII. Hinreichend klares Verhältnis zum Datenschutzrecht Auch wäre die Problematik der Abgrenzung des strafrechtlichen Bildnisschutzes vom Datenschutzrecht – insbesondere der DS-GVO – gewährleistet. Denn der straf­ rechtliche Bildnisschutz hinge dann jedenfalls nicht mehr von Zivilrechtsnormen ab, deren Verdrängung durch das Datenschutzrecht in Frage stehen. Vielmehr wäre der strafrechtliche Bildnisschutz einheitlich im Kernstrafrecht verortet. Der Vorrang des Strafrechts ergäbe sich somit schlicht aus Art.  84 I DS-GVO.

VIII. Sonstige Vorzüge im Hinblick auf das Cyberstalking Abschließend kann angemerkt werden, dass durch die vorgeschlagene Lösung der Rückgriff auf den – ohnehin schwer zu fassenden – Cyberstalking-Paragraphen in §  238 I Nr.  6 überflüssig erscheint.19 Denn die Verletzung des persönlichen Lebens­ bereichs im Sinne des vorgeschlagenen §  201a II StGB beinhaltet auch die „nicht unerhebliche“ Beeinträchtigung der Lebensgestaltung im Sinne des §  238 I Nr.  6 StGB. Hiergegen könnte eingewandt werden, dass §  238 I Nr.  6 StGB ein höhere Strafobergrenze aufweist und insoweit schwereres Unrecht vertypen soll. Gleich­ wohl bestünde mit der vorgeschlagenen Konzeption eine effektivere Anknüpfungs­ möglichkeit an Bildveröffentlichungen, zumal die Art und Weise einer Veröffent­ lichung und somit auch ihre Häufigkeit bei der Verletzung des persönlichen Lebens­ bereichs berücksichtigt werden kann. Insoweit muss auch nicht erst die Wiederholung einer Handlung abgewartet werden, um auf (gravierende) Persönlichkeitsrechtsver­ letzungen durch Bildveröffentlichungen reagieren zu können.

19 

Hierzu bereits Kap.  2, C., IV.

Schluss Zum Schluss sollen nun die gewonnenen zentralen Erkenntnisse der Arbeit im Über­ blick zusammengefasst werden, ehe ein kurzer Ausblick hinsichtlich des strafrecht­ lichen Bildnisschutzes gewagt wird.

A. Rekapitulation der gewonnenen Erkenntnisse – Das Schutzbedürfnis einer ungewollten Veröffentlichung einer Personendarstellung fußt maßgeblich in den Charakteristika menschlicher Bildwahrnehmung und der menschlichen Kommunikation. – Das Recht am eigenen Bild kann damit als bildhaftes Repräsentationsrecht im Überschnei­ dungsbereich des verfassungsrechtlichen Rechts auf Darstellung der eigenen Person und der informationellen Selbstbestimmung verortet werden. – Es ist zwischen verschiedenen Schutzgehalten des verfassungsrechtlichen und des einfach­ gesetzlichen Rechts am eigenen Bild (§§  22 ff. KUG) zu differenzieren. – Das KUG wird nicht von der DS-GVO verdrängt. – Zur Ermittlung des unbestimmten Tatobjekts des Bildnisses kann fortan maßgeblich auf das eigens entwickelte Bildnisschema zurückgegriffen werden, welches den besprochenen problematischen Konstellationen Rechnung trägt.1 – Man kann auch unkörperliche Bildnisse verbreiten. Für die Tathandlung des Verbreitens im Sinne des §  33 I Var.  1 KUG wurde das Kriterium der vollständigen Kontrollabgabe vorge­ schlagen.2 Hinsichtlich Einzelverbreitungen sind erschwerende finale Anforderungen an die Handlung zu stellen.3 – Das öffentliche Zurschaustellen im Sinne des §  33 I Var.  2 KUG erscheint de lege lata als zu weitgehend und sollte eingeschränkt werden. Hierfür wurde eine eigene Konzeption der visuellen Tatherrschaft vorgeschlagen.4 – Öffentliches Zurschaustellen ist durch Unterlassen im Sinne des §  13 I StGB begehbar. Die entsprechenden Voraussetzungen wurden dargestellt. – Maßgeblich für eine bildnisrechtliche Einwilligung ist das Kennenmüssens des Veröffentli­ chungszwecks.5 Die Figur der „schlichten Einwilligung“ ist für das Bildnisrecht abzuleh­ nen. – Das abgestufte Schutzkonzept zur Ermittlung des Zeitgeschehens erscheint undurchsichtig. Zu kritisieren ist insbesondere die Je-desto-Formel der höchstrichterlichen Rechtsprechung. 1 

Kap.  3, A., IV. Kap.  3, B., I., 3., a), dd). 3  Kap.  3, B., I., 3., b), cc). 4  Kap.  3, B., II., 2., a), hh). 5  Kap.  3, C., III., 2. 2 

676

Schluss

– Zur Konturierung der geltenden Rechtslage wurden eigene Erwägungen zu den jeweiligen Informationswerten erstellt. Eigene Konturierungen wurden insbesondere in den themati­ schen Bereichen der Begleiterrechtsprechung, der Kunst, der Wissenschaft, bei Bildnissen Minderjähriger, dem Verhältnis von Text und Bild, des Wahrheitsgehalts einer Veröffentli­ chung und des werbenden Kontexts vorgenommen. – Auf der Grundlage der Erwägungen zu den verschiedenen Informationswerten wurde ein sog. Drei-Stufen-Modell vorgeschlagen.6 – Es wurden Kriterien für die sog. Selbstöffnung im Bildnisrecht herausgearbeitet, um dieser Figur (nicht nur im Bildnisrecht) schärfere Konturen zu verleihen. – Schließlich wurde auf der Grundlage der vorangestellten Erkenntnisse ein eigener ­Vorschlag für den zukünftigen Umgang mit Personenbildern unterbreitet.

B. Ausblick zur Notwendigkeit des strafrechtlichen Repräsentationsschutzes Angesichts neuartiger Darstellungsmöglichkeiten irritiert es möglicherweise, dass hier im Ergebnis ein Rückschnitt des Strafrechts gefordert wird. Denn immerhin bedeutet der hier unterbreitete Vorschlag, dass der bereits über hundertzehnjährige strafrechtliche Bildnisschutz in weiten Teilen – jedenfalls in seiner in §  33 KUG be­ stehenden Form – beseitigt werden soll. Die immer weiter vordringende Möglichkeit, Bildmanipulationen ohne großen Aufwand herstellen zu können, mag deshalb gera­ de für die gegenteilige Forderung streiten, den bildhaften Repräsentationsschutz durch das Strafrecht zu stärken. Dem ist jedoch mit stetig fortschreitender Technisie­ rung die ebenfalls allgegenwärtige Nutzung durch Bildträger innerhalb der Gesell­ schaft entgegenzuhalten: Die moderne und alltägliche Kommunikation in der Öf­ fentlichkeit mittels Personenbildern bringt heutzutage eine derart überpräsente so­ ziale Wirklichkeit an den Tag, vor der sich auch das Strafrecht nicht verschließen sollte. Dies könnte dafürsprechen, dass das Strafrecht gestärkt werden muss, um diesen Auswüchsen entschieden entgegentreten zu können. Daneben gilt es die genannten Risiken moderner Darstellungsmöglichkeiten gera­ de auch aus strafrechtlicher Perspektive nicht aus dem Blick zu verlieren. Um diesen Spagat strafrechtlich bewerkstelligen zu können, ist ein Mittelweg vorzuziehen. Die­ ser besteht maßgeblich in der Angliederung des althergebrachten Repräsentationsge­ dankens an weitere Persönlichkeitsrechtsgüter. Es ist kein Zufall, dass dieser Weg somit deutliche Parallelen zum strafrechtlichen Schutz der Wahrheit aufweist, da fotorealistische Bilder zum jetzigen Zeitpunkt in der Gesellschaft noch die Qualität von einer Kategorie wie der Wahrheit aufweisen. So besteht ein (von anderen Rechtsgütern) isolierter Schutz der Wahrheit durch das Straf­ recht nicht. Folgerichtig erscheint es deshalb, entsprechend hinsichtlich des strafrecht­ lichen Schutzes bildhafter Wahrheit zu verfahren, wenn hierdurch lediglich die betrof­ fene Person repräsentiert wird und hierdurch sonst kein Rechtsgut verletzt wird. 6 

Kap.  3, D., V., 2.

B. Ausblick zur Notwendigkeit des strafrechtlichen Repräsentationsschutzes

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Ob sich dies in Zukunft durch neuartige, künstliche generierte Personenbilder, denen kein Einfangen eines tatsächlichen (Licht-)Moments zugrunde liegt, ändern wird, bleibt natürlich abzuwarten. Spätestens dann, wenn Bildern aufgrund ihrer alltäglichen Manipulation nicht mehr vertraut werden kann, weil diese in der digita­ len Metaebene ihre wirklichkeitssuggestive Wirkung verloren haben, drängt sich die grundsätzliche Frage nach dem verbleibenden Bedürfnis eines Rechts am eigenen Bild auf. Andererseits kann erwartet werden, dass der Wunsch nach Echtheit gerade dort besondere Geltung erreichen wird, wo diese nicht (mehr) besteht. Die Entwick­ lung des Rechts am eigenen Bild steht somit an einem Scheideweg, der für die ge­ samte Rechtswissenschaft kaum faszinierender sein könnte. Dazu sei abschließend auf der Grundlage der vorangegangenen Arbeit die Prognose gewagt, dass sich die Wirkungskraft von menschlichen Erscheinungsbildern aufgrund der tradierten Wahrnehmung unseres Umfeldes in der nächsten Zeit kaum ändern wird. Denn die wirklichkeitssuggestive Repräsentation eines Menschen durch sein Erscheinungs­ bild setzt voraus, dass wir einem Personenbild überhaupt eine konkrete Persönlich­ keit zuordnen. Wird ein Mensch wahrheitswidrig und wirklichkeitsnah durch sein Abbild repräsentiert, so findet selbst bei schwindendem Glauben an die Echtheit von Bilddarstellungen eine Zuordnung seiner Person zu einer bestimmten Information statt. Selbst in der Imagination oder der Einbildung wird damit stets ein letzter Rest Authentizität liegen, den wir der abgebildeten Person zuschreiben. Das Entschei­ dungsrecht über die Auslösung einer Interpretation solcher Wirklichkeiten, welche der bildhafte Auftritt einer Person mit sich bringt, erscheint also auch in der Zukunft schützenswert. Denn es kann hiernach bezweifelt werden, dass sich unsere Denk­ weise von der Zuschreibung identitätsbildender Merkmale gänzlich lösen wird. Mo­ derne Darstellungsszenarien und das starke Bedürfnis an der Interaktion mit Men­ schenbildern belegen jedenfalls die ungebrochene Faszination für das Optische von und gerade an Menschen. Medien werden also auch weiterhin nicht nur Menschen-, sondern auch deren Persönlichkeitsbilder tragen.

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Sachregister Abbildung 10, 16 ff., 35 ff., 45 ff., 50, 54 f., 56, 58 ff., 63, 104 ff., 120, 122 ff., 130, 135, 152, 155, 164 f., 173, 177, 184, 197, 216 ff., 224 ff., 246 f., 261 f., 263 f., 265 f., 267, 273, 274 ff., 279, 284 ff., 290, 292, 294, 300 ff., 305, 306 ff., 310, 424, 462, 470, 473 ff., 487, 512, 525, 529, 556, 558, 559 ff., 582, 612 f., 614 ff., 630, 651, 656, 659, 669, 671 – Anfänge 53, 57, 68, 104 – Bekannte Personen siehe auch Bekannt­ heitsgrad – des Intimbereichs 297, 398 – des Körperinneren 255, 268 f. – des Lebens- und Charakterbilds, der Persönlichkeit 152, 177, 194, 252 f., 256, 261 ff., 301, 308, 469 – einzelner Körperteile 263 ff. – Kinder- siehe auch Minderjährige ­­– Leichen- 113, 192, 257 ff., 269 – Medizinische 537 – Polizeibeamter siehe auch Bildnisveröf­ fentlichung von Polizeibeamten – Prominenter siehe auch Bekanntheitsgrad – sexterne Umstände 284, 290 – sfreiheit 169, 173, 463, 466, 472, 480 f., 612, 634, 641, 648 – smaßstab 265 f. – sperspektive 564 – ssituation 477, 555, 601, 649 – streue 74, 580 – s-Text Kombinationen siehe auch Kombination eines Personenbildes mit (Sprach-)Text – svorgang 104, 152, 299, 535, 651 – szeitpunkt 299 – szweck 135, 580 – Tatobjekt bei §  238, Cyberstalking 217 – Verstorbener zu Lebzeiten 46, 117, 126, 192, 240, 255 f., 259

Abgestuftes Schutzkonzept 166 ff., 172, 283, 483 ff., 489, 491, 542, 559, 564, 566 f., 660, – II 168, 489 f., 542 Alexandra von Hannover 543, 546 Allgemeine Geschäftsbedingungen, AGB 417, 423, 442 ff., 650 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 119, 147, 165, 175, 192, 301, 557 – Verfassungsrechtliche Anerkennung 136 f., 142 ff. – Verfassungsrechtlicher Gewährleistungs­ gehalt 148 ff., 151 ff. Altertum 53 ff., 56, 58, 60, 63, 65, 72, 122 Angehörige 90 ff., 113, 117, 119, 126, 256 f., 505, 559, 607 Anke Engelke 482, 609 Antike 37, 57 ff., 62 f., 65 Anwendungsbereich – des KUG im Verhältnis zur DS-GVO, informationellen Selbstbestimmung 187 f., 232 f., 236 ff., 244, 316 – §  201a StGB 200, 208, 211 – §  184k StGB 222 – personaler, menschliches Erscheinungs­ bild 253 ff. – sachlicher, menschliches Erscheinungs­ bild 260 ff. ARD/ZDF Onlinestudie 1, 3, 9, 13, 41, 44 Aufmerksamkeitswerbung 592 f. Aufnahme – Anfertigung, Herstellung 2, 112, 132, 138 f., 269, 294, 321 – Bild- 15, 89, 132, 139, 179, 195, 199 f., 201 f., 204 ff., 210, 212 f., 221 f., 226 f., 245, 257, 297, 370, 474, 667, 672 – Zustimmung siehe auch Einwilligung Aufmerksamkeitsrate 40 ff., 581 Aufzüge 108, 111 f., 116, 169, 170 f., 212, 267, 283, 611 f.

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Sachregister

Augmented Reality 23 Authentizität 10, 14, 19 f., 36, 65, 67 ff., 73 f., 81, 123, 289, 677 Avatar, Computerspiel-Avatar 251, 605 Baby-Influencer 9, 424 Beerdigung 612 Begleiter, Begleiterrechtsprechung, Begleitsituationen, vertraute Begleitung 473, 475, 482, 502, 516 ff., 519, 521 f., 544 f., 571, 582 Beihilfe 363, 365, 369, 371, 387 ff., 405 f., 409 – durch Unterlassen 406, 409 – sukzessive 387 Beiwerk 116, 118, 169, 266 f., 279, 283, 345, 585, 615 f. Bekanntheitsgrad 166 f., 239, 464, 468, 470, 477, 482, 485, 487 ff., 492 ff., 497, 507, 519, 521, 550, 589, 620 Beleidigungsfreie Intimsphäre 347, 669, 671 f. Berechtigtes Interesse, berechtigte Interessen 111 ff., 163, 172 f., 295, 474, 478 f., 486, 490 ff., 529, 536, 541, 559, 581, 583, 585, 587 f., 591, 603, 611, 615, 617, 627, 634, 639, 641, 644, 647, 657, 660 f., 673 – des Abgebildeten, gem. §  23 II KUG 111 ff., 163, 173, 490 ff., 529, 536, 588, 591, 647, 673 – der Öffentlichkeit 479, 486, 493, 559 Beruf siehe auch Wirtschafts- und Berufsstandsbezug Besonderes Persönlichkeitsrecht 87, 134 f., 635 Bewusste Zuwendung 546 ff., 552, 553 ff. Bilder 266 f., 611, 612 – , auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen 116, 118 – von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben 118, 170, 611 Bildjournalismus siehe auch Journalismus Bildmanipulation 40, 274, 300, 311, 499, 530, 586 f., 653, 668, 676

Bildnis 250 ff. – aus dem Bereich der Zeitgeschichte 172, 283, 460 ff., 484, 488, 503, 506, 515, 534 f., 566, 570, 578, 659 – im kunsthistorischen Kontext 57, 68 f., 171, 259, 280 f., 286, 526, 533 – Tatobjekt 16, 131, 226, 249, 250 ff., 311, 316, 326 f., 344 ff., 358, 360, 375, 385, 394, 666, 675 Bildnisveröffentlichungen – Bloßstellende, peinliche 206 ff., 562 ff., 602, 613 – Herrscher- siehe auch Herrscherbildnisse – Höchstpersönliche 132 f., 157, 162 f., 168, 195, 199 ff., 220 f., 226 f., 370, 398, 499, 556 ff., 658 f., 672 – von Leichen, Verstorbene 46, 55, 62, 90 ff., 112 f., 115 ff., 126, 192 ff., 207 ff., 228, 240 f., 255 f., 257 ff., 269, 492, 513, 528, 559, 591, 612, 667 – Politische 4, 58, 212, 239, 369, 430, 461, 467, 469, 472 f., 479 f., 481, 484, 487, 496, 498 ff., 503, 507, 592, 601 f., 604, 634, 661, 670 – Satirische 13, 63, 251, 273 f., 284, 429, 432, 499, 522 ff., 525, 528 f., 530 ff., 560 f., 563, 581, 583 f., 589, 594, 596, 601, 605 – von Demonstranten 284, 402, 430, 514, 612 ff., 634 – von Polizeibeamten 402, 513 f., 525, 612, 614 f. – von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen 108, 111, 116, 163, 169, 170 f., 212, 267, 283, 460, 502, 514, 585, 611 ff., 633 f. – zu wissenschaftlichen Zwecken 536 ff. Bildrezeption 32 f., 36, 43, 45, 51, 311 Bildüberlegenheitseffekt 34, 39 f., 288 Bismarck auf dem Totenbett, Otto von Bismarck 89 ff., 101, 194, 258, 301, 332, 598 Blog, Blogger, Meinungsblogger 10, 229, 234, 238, 424, 430, 444, 510 Bob Dylan 469, 591 Caroline von Monaco, Caroline von Hannover 178 f., 190, 260, 266, 294, 473 f., 475 ff., 478 f., 480 ff., 485 f., 502, 543, 553, 564, 565 ff., 568 ff., 581

Sachregister

Casiraghi siehe auch Charlotte Casiraghi Celebrity Impersonators siehe auch Doppelgänger Charakterbild siehe auch Lebensbild Charlotte Casiraghi 422, 482, 517, 546, 549, 568 ff., 570 ff., 578 Christian Wulff 598, 609, 621 Christiansen siehe auch Sabine Christian­ sen Christliche Bildzensur, siehe auch Erster Bilderstreit Clickbait, Clickbaiting 593, 602 f. Cohn siehe auch Georg Cohn Conditio humana 49 Cyberstalking 214 ff., 674 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) 228 ff. – Haushaltsausnahme in sozialen Netz­ werken 241 ff. – Öffnungsklauseln 231 ff., 245 ff. – Verhältnis zum KUG 236 ff., 240 ff., 244 f. Datenschutzrecht 223, 231 ff., 427, 674 Deepfakes 20 ff., 269 ff., 300, 530, 586 f. Demonstration siehe auch Bildnisveröffent­ lichungen von Demonstraten Dietrich siehe auch Marlene Dietrich Digital – -fotografie 14 ff., 219 – Natives 3 Doppelgänger 300 ff., 307 f. Downblousing 132, 212 f. Dreidimensionales Objekt 17 Drei-Stufen-Modell 661 ff., 673 Ehrschutz 30, 63, 70, 73, 87, 105, 110, 124 f., 271, 666, 672 Einwilligung – AGB 442 ff. – Anfechtung 430 ff. – Ausdrückliche 442 ff. – Bindungswirkung 399, 401, 427 ff., 432 ff. – Bildnisrechtliche 411 f., 414 ff., 419 ff., 427 ff., 430 ff., 432 ff., 438 ff., 442 ff., 446 ff., 454 ff. – sfreie Veröffentlichungen 459 ff. – durch Einstellen eines Bildnisses ins Internet 451 ff.

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– Konkludente 284, 367, 371 f., 380, 384, 386, 417, 439, 443 f., 446 ff., 553 ff., 612, 631 ff., 644 f. – Minderjähriger, nicht Geschäftsfähiger 416, 419 ff., 459 – Nichtigkeit 428 f. – Rechtsnatur der bildnisrechtlichen Einwilligung 414 ff. – Reichweite 438 ff. – Rechtfertigende, strafrechtliche 454 ff. – Überraschende Klausel 443 ff. – Verhältnis der bildnisrechtlichen Einwilligung zur rechtfertigenden Einwilligung 454 ff. – Widerruf 432 ff. – Zustimmung in die Bildnisaufnahme als Einwilligung in ihre Veröffentlichung 449 ff. Elterliche Hinwendung, 543 ff. Eltern – Kind Beziehungen siehe auch Informationswert Emotionalisierungspotential 37 ff. Emoji 13, 393 Engelke siehe auch Anke Engelke Erich Honecker 178, 472 Erkennbarkeit 61, 75, 184 ff., 222 f., 250 ff., 274 ff., 280 ff., 288 ff., 290 ff., 296 ff., 311, 666 ff. – Sukzessive 298, 385, 398 f., 401 Ernst August von Hannover 483, 515, 517 f., 559, 565, 581, 596, 618, 625 Erscheinungsbild 125, 194, 253 ff., 280, 297 f. – Äußerlichkeit 268 f. – Echtheit 269 ff., 273 ff. – Mindestanforderungen an die Beschaf­ fenheit des menschlichen Erscheinungs­ bilds 265 f. – Mindestvoraussetzung eines menschli­ chen Körperteils 263 f. – Sachlicher Anwendungsbereich 260 ff. – Unmittelbare Rezipierbarkeit 261 ff. Erster Bilderstreit 63 f. Executio in effigie 69 ff., 72 Eye-Catcher 564, 573 ff., 581, 592 Face – App 22

736

Sachregister

– blend 275, 300, 309 ff., – swap 21, 300, 309 ff. Facebook 3 ff., 6 f., 8 ff., 22 ff., 48, 355, 420, 423, 452, 545, 489, 506, 508 f., 582, 593, 622 f., 625, 627, 644 Festivals 442 ff., Fischer siehe auch Joschka Fischer Fitness-Influencer 9, 656 Flickr 6 Fotografie – Analog- 77 ff., 319 – Digital- 14 ff., 219 – Portrait- 78 f. – Massen- und Amateurfotografie 80 Fotomechanische Druckverfahren 80 f. Fotorealismus 1, 15, 23, 250, 580 Garantenstellung, Garantenpflicht 395 ff, 411, 420 – des Verweisenden bei nachträglich eingetretener Rechtswidrigkeit des Zielinhalts 407 ff. – des Verweisenden bei unvorsätzlichem Verweis auf rechtswidrigen Zielinhalt und nachträglichem Hinzutreten des Vorsatzes 409 Gareis siehe auch Karl Gareis Geheimhaltungswille, Geheimhaltungs­ interesse 556, 608 f. Georg Cohn 100 f. Gerhard Schröder 251, 469, 544 Gottschalk siehe auch Thomas Gottschalk Grönemeyer siehe auch Herbert Gröne­ meyer Günther Jauch 252, 277, 303, 502 f., 585, 591, 593 Heimlichkeit 609 Herbert Grönemeyer 470, 481, 515 f., 519, 581, 628 Herrscherbildnisse, Ideale 56 ff., 63, 68 Herstellung 2, 139 f., 176, 178 f., 186, 188, 190, 199 ff., 209, 219, 223 f., 298, 609 f., 645, 670, 672 – skontext 2, 155, 609 f. Honecker siehe auch Erich Honecker Hugo Keyßner 98 ff., 119, 163 Humanismus 75, 104

Iconic turn 13 Identifizierbarkeit 185, 191, 222 f., 224 ff., 297 f., 385, 394, 398 ff., 666 ff. Influencer 9 ff., 229, 234, 238 f., 255, 369, 386, 424, 430, 444, 450, 599, 625, 644, 650, 656 Informationelle Selbstbestimmung 151, 174, 180 ff., 184 ff., 226, 229 ff., 241, 244 f., 316, 675 – Neujustierung der informationellen Selbstbestimmung, Recht auf Vergessen I 186 ff. – Schnittmengen des einfachgesetzlichen Rechts am eigenen Bild mit der informa­ tionellen Selbstbestimmung 184 ff. – Verdrängung der informationellen Selbstbestimmung durch die Kommuni­ kationsfreiheiten 244 f., 427 Informationswert 162, 168, 172 f., 184, 191, 239 f., 246 f., 283, 485, 489 f., 492, 497 ff., 552, 556, 564 ff., 579 ff., 587 ff., 659 ff., 673 – Abgeleiteter Informationswert 516 ff., 519 ff. – Herstellungskontext 609 f. – Höchstpersönliche Bildnisse 556 ff. – Peinliche oder Bloßstellende Bildnisse 562 ff. – Politik 498 f. – Kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse 501 ff. – Kunst- und Satirebezug 522 ff. – Minderjährige und Eltern-Kind-Bezie­ hungen 542 ff. – Sozialschädliches Verhalten 514 f. – Straftaten 504 ff. – Veröffentlichungskontext 564 ff. – Wahrheitsgehalt 579 ff. – Werbender Kontext 587 ff., 597 ff., – Wirtschaft und Berufsstand 500 f. – Wissenschaft 536 ff. – Zeittypische Zustände und Lebenslagen, Kernbereich der Privatsphäre 541 f. Ingerenz siehe auch Vorverhalten Instagram 2 f., 6 ff., 12, 14, 22, 26, 41, 44, 255, 309, 339, 361, 368, 420, 423, 449, 514, 561, 617, 621, 623, 635, 643 f. Intimsphäre 156, 158 ff., 168, 183, 191, 194, 200 f., 220, 224, 342, 420, 423, 426, 432 f.,

Sachregister

439, 499, 506, 542, 557 ff., 577, 579, 619 f., 626 f., 635, 648, 650, 652, 656, 658 f., 661, 669 f., 672 Image- und Werbewert 590 ff. Ius Imaginum 61 ff., 73, 125 f. Jauch siehe auch Günther Jauch Jörg Kachelmann 173, 513 Joschka Fischer 469, 498, 516 Josef Kohler 101 f. Journalismus 10, 43, 81, 233, 239, 592 Kachelmann siehe auch Jörg Kachelmann Karl Gareis 99 f., 102, 106, 124 Karsten Speck 482, 506 Kernbereich der Privatsphäre 541 f., 556, 566 f., 570 Keyßner siehe auch Hugo Keyßner Kidfluencer, Kinder-Influencer 9, 424 Klaus Wowereit 498 Kohler siehe auch Josef Kohler Kombination eines Personenbildes mit (Sprach-)Text 278, 282, 347, 384, 484, 564 ff., 572 ff., 579, 616, 671 Kommentieren 372, 380, 384, 392, 411, 453, 509 Kommerzialisierung 562, 588, 595, 597 ff., 625 f., 635, 642, 650 ff. Kommunikation durch Bilder 6 ff. – nonverbale 45 f., 51, 572 Kontext einer Bildnisveröffentlichung 48, 123, 261, 275, 285, 418, 440, 450 f., 490, 564, 587 ff., 649, 652, 659 – Einfluss auf den Informationswert 564 ff. – Einwilligung 449 ff. – Herstellungskontext 609 f. – Kombination mit (Sprach-)Text siehe auch Kombination eines Personenbildes mit (Sprach-)Text – Wahrheitsgehalt 51, 240, 512, 579 ff., 586 ff., 604, 652, 676 – Werbung 587 ff. Krankheit, krankhafter Zustand 194, 201, 444, 558 f., 615, 634, 647 Künstliche Intelligenz 18 ff. Kunst 30, 171, 81, 107, 171 f., 239, 461, 496, 502, 522 ff., 526 ff., 531 ff., 592, 601, 605, 611, 673

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– historischer Kontext 30, 57, 68 f., 78, 171, 259, 280 f., 286, 526, 533 – höheres Interesse der Kunst 112, 116, 171 f., 522 f., 526 f., 532 – Satire siehe auch Satirische Bildnisveröffentlichungen – -flieger 252, 260, 266 – Verhältnis zur Zeitgeschichte 526 ff., 531 ff. Landschaftsaufnahmen, Landschaftsbilder 99, 164, 168 f., 266 f., 616, 629 Lebensbild, Charakterbild 152, 177, 192, 194, 256, 261 ff., 301, 308 Leichen siehe auch Bildnisveröffentlichun­ gen von Leichen Liken 362, 372, 380, 384, 411, 453, 646 Livestream, Livestreaming 7 f., 287, 525, 540, 614, Look-alikes siehe auch Doppelgänger Lukas Podolski 482 Maschinelles Lernen 18 ff. Marlene Dietrich 252, 277, 302 f., 532, 591, 594 Mediales Vorverhalten siehe auch Vorver­ halten Menschliches Erscheinungsbild 125, 194, 253 ff., 260 ff., 280, 289, 298 f., 306 f., 401, 669 – Äußerlichkeit 268 f. – Echtheit 269 ff. – Mindestvoraussetzungen 263 f., 265 f. – Unmenschliche Gesamterscheinungs­ bilder 273 f. – Unmittelbar rezipierbare Abbildungen 261 ff. Mehr oder minder großer Bekanntenkreis 291 f., 293 ff., 666 Meme 13, 347, 494 Merchandising 440, 524, 532, 590 ff., 603 Minderjährige 88, 205, 415 f., 419 ff., 424, 436 ff., 450, 455 ff., 543, 549 ff., 517, 534, 542 ff., 546 ff., 549 ff., 581, 676 – Bewusste Zuwendung Minderjähriger 546 ff., 553 ff. – Einwilligung 415 f., 419 ff., 436 ff., 455 ff.

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Sachregister

– Schutz von Minderjährigen gegen Nacktaufnahmen 205 – Informationswert 542 ff. – Wort-Bild Kombinationen bei Bildnissen Minderjähriger 549 – Zeitgeschichtlichkeit von Minderjähri­ genbildnissen 549 ff. Mittelalter 60, 63 ff., 72 ff. Multimediale Kombinationsaffinität bildlicher Darstellungen 43, f., 288, 572 f. Musikfestivals siehe auch Festivals Nachträglicher Eintritt einer Bildrechts­ verletzung 298, 394 ff., 401 ff. Nacktheit 556 ff., 559 ff. Neueste Geschichte 106 ff. Neuzeit 74 ff., 104 ff. Notwehr 402 f., 628 Occulus VR 23 Öffentliches Interesse 165 ff., 169, 171, 220, 344, 460, 462, 464, 467 f., 470 f., 477, 495, 504 ff., 515, 517, 520, 532, 534 f., 545, 552, 577, 579, 589, 597, 601, 604 f., 612, 614, 656, 661, 673, 675 – Minderjährigenbildnisse 542 ff., 549 ff. – Widerspruch 656 Öffentliches Vertrauen 631 ff., 637 ff., 640 ff., 653 ff., 656 Öffentliche Wiedergabe 349 f., 356, 363 f., 366 ff. Öffentliches Zugänglichmachen 209, 218, 227 f., 328 f., 360, 371, 374 f., 383, 669, 671 f. Öffentliches Zurschaustellen 218, 245, 249, 320, 347 ff., 357 ff., 392 f., 393 ff., 410 f., 425, 666, 669, 675 – Adressatenanzahl 350 f., 357 ff., 361 ff. – Allgemeine Grundsätze 350 ff. – Beihilfe 363, 369 ff., 387 ff., 405 ff. – Entwurf und Begründung zu einem Gesetz betreffend an Werken der Fotografie 1902 108 – Internetspezifische Handlungen 361 ff. – Unterlassen 393 ff., 411 – Verbundenheit als einschränkendes Merkmal 354 f., 357 ff.

– Verlinkungen, Verweise 350, 358, 362 ff., 380 ff. Oliver Khan 482 Online-Journalismus siehe auch Journalis­ mus Optische Monopole 303, 308 Ordinary persons, personnes ordinaire 487 Otto von Bismarck siehe auch Bismarck Persönlichkeitsentfaltung 151 ff., 156 ff., 173 ff., 189 ff., 245, 359, 388, 392, 522, 543 Person des öffentlichen Interesses 485 f., 487 f., 494, 520 ff., 544 f., 550, 559, 616, 655 Person der Zeitgeschichte 111, 114, 166 f., 461 ff., 516 f., 550 – Absolute 468 f., 473 f., 517 – Bewusste 488, 633, 641 – Relative 467 f., 469, 480, 516, 550, Personenabbildung siehe auch Abbildung Petfluencer 9 Photogrammetrie 17 f., 627, 668 Pinnwand in sozialen Netzwerken 25, 409 f. Podcast, Live-Podcast 10, 655 Podolski siehe auch Lukas Podolski Politik, Politiker, politicians, personnes politiques 469, 481, 487, 496, 498 f., 501, 521, 559, 601, 604, 644, 661 Political social media Influencer, PSMI 10 Polizeibeamte siehe auch Bildnisveröffentli­ chung von Polizeibeamten Pornografie, pornographische Abbildungen, Pornoseite 20 f., 214, 270, 368, 417, 428 f., 561 f., 586, 627 – Darsteller 429, 620, 658 – Kinder-, Jugend 204, 325, 346 Portrait, Portraitskulpturen 2, 24, 47, 49, 56, 58, 60 f., 68 f., 75 f., 78 f., 81, 83 ff., 92 f., 108, 120, 125, 250 f., 280 f., 533 f., 559, 568, 581, 591 Posten 5, 25 f., 48, 314, 362 f., 376 f., 393, 398, 410, 445, 452, 454, 617, 625, 627 Prä-attentive Prozesse 34 f. Presse 9, 167, 199, 238 ff., 318 ff., 329, 332 ff., 342 ff., 444 f., 461, 471, 473, 476 ff., 491 f., 506, 510, 517, 552, 566, 571, 578 f., 593 ff., 606, 613, 622, 657, 661 – ausweise 239, 444

Sachregister

– freiheit 203, 333, 343, 471, 476 ff., 488 ff., 589, 593, 595 f, 613, 661 – interne Verbreitungen 332 ff., 342 ff. Prinzessin Caroline siehe auch Caroline von Monaco Privatheit 157 ff., 174, 181 ff., 189 ff., 268, 272, 426, 436, 439 f., 443 f., 450, 504, 521, 557, 559, 601, 610, 612, 617, 620, 623, 647 ff., 653 ff., 659, 661 Profilbild 452, 508 f. Prominente siehe auch Bekanntheitsgrad Public figure, personne publiques siehe auch Person des öffentlichen Interesses Räumliches Sphärendenken 157, 161, 165 ff., 173, 181, 545 Recht am eigenen Bild 27 f., 29 ff., 53 ff., 97 ff., 118 ff., 122 ff., 126 ff., 129 ff., 134 ff., 141 ff., 175 f., 184 ff., 189 ff., 192 ff., 196 ff., 219 ff., 224 ff., 228 ff., 249 ff., 580, 598, 607, 629 f., 635, 638 ff., 665 ff. – Einfachgesetzliches 141, 163, 184 ff., 191, 201, 222, 224 ff., 228, 232, 245 ff. – Einfluss der DS-GVO 228 ff., 245 f. – Entwicklung 53 ff., 134 ff. – Genese 106 ff., 119 ff. – Integration in der modernen Rechtsord­ nung 129 ff., 189 ff., 246 f. – Juristischer Personen, Sachen 254 f. – Postmortales 192 ff. – Pränatales 255 – Strafrechtlicher Schutz 196 ff., 219 ff., 224 ff., 249 ff. – Verfassungsrechtliches 141, 176 ff., 189 ff., 237, 246, 272, 287, 294, 360, 399, 411 Reformatorischer Bildersturm 74 ff., 81, 606 Reichweite, social reach 9, 11 f., 59, 386, 405, 426, 431, 450, 454, 484, 495, 510 Rekonstruktion, Rekonstruktionsmethoden, Rekonstruktionsmöglichkeiten 16 ff., 265, 294, 296 Renaissance 76 f., 104 Reposten 362, 454 Repräsentation 57 f., 60, 65 f., 67, 73 f., 97, 103 f., 122 ff., 126 f., 129, 133, 135, 148, 152, 155, 163, 176, 185, 189 ff., 194 ff., 219, 224 ff., 245 f., 249, 257, 217, 320, 325, 346,

739

359, 378 ff., 384, 399 ff., 411, 460, 580, 598, 606, 629, 645 f., 666 f., 675 ff. Rietschel siehe auch Siegfried Rietschel Robbie Williams 482 Rückholmöglichkeiten, Löschen von Bildnachrichten 338 ff. Sabine Christiansen 522 Satire siehe auch satirische Bildnisveröf­ fentlichungen Scanning 16 f., 627, 653, 668 Schandgemälde 69 ff. Schauspieler 10, 177, 252, 300 ff., 305 ff., 423, 429, 467, 618 Screenshot 340, 361, 440, 452, 508, 649, 655 Selbstbegebung, Selbstöffnung 372, 419, 436, 452, 488, 499, 509, 554 f., 562, 613, 616 ff., 653 ff., 657 ff., 661 ff., 666, 669, 671, 674, 676 Selbstbestimmung 151 ff., 173 ff., 189 ff., 234, 272, 290, 413, 432, 455, 458, 629 f., 635 f. Selbstdarstellung 3, 8, 49, 60, 67, 151 f., 174 ff., 190, 226, 253, 271 f., 412 f., 622, 640 ff., 643, 649, 655 Sexualität 11, 151, 194, 557, 559 ff., 620 Sexuelle Selbstbestimmung 214, 219, 658 Sharenting 26, 423 ff., 549 Shares, Sharen siehe auch Teilen von Inhalten Sharehub, Socialhub 454 Siegel, Siegelrecht 67 f., 71, 73 Siegfried Rietschel 103 f. Sigmar Gabriel 502 Snapchat 6, 8, 22, 41, 44, 423 Soziale Netzwerke 2 ff., 8, 27, 41, 495 Sozialübliches Verhalten, Sozialübliche Abbildungen, Sozialadäquanz 206, 215, 372, 382, 387, 390 f., 425 f., Sphärentheorie, Sphärenmodell, Sphären­ konzept 151, 158 ff., 161 ff., 173, 181, 636, 657 f. Statusbild 361 Stigmatisierungswirkung 603 ff. Story 7, 349, 361, 646 Straftaten, Straftäter 65, 402, 405, 463, 504 ff., 557, 561 Suchmaschine 25, 368, 416 ff., 453 f., 510 f.

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Sachregister

Sukzessive – Beihilfe 387 ff. – Erkennbarkeit siehe auch Erkennbarkeit – Weitergabe, Weiterreichung 329 f. Taggen 362 Teilen von Inhalten 2, 4 ff., 26, 374, 380, 384, 411, 445, 453 633 Theater 58 ff., 62, 64, 284, 300, 426, 532, 592, 626 Thomas Gottschalk 482 Thumbnail siehe auch Vorschaubilder TikTok 8 f., 22, 423, 445, 451, 522, 617 Totenmaske 62, 240, 258 Transparenzgebot 445 f. Trauerzüge siehe auch Beerdigung Tu quoque 637 f. Unkontrolliertheit 194, 558 Unternehmen siehe auch Wirtschafts- und Berufstandsbezug Upskirting 132, 209, 211 ff., 220 ff., 228, 649 Urbild 96, 98, 105, 122, 291, 306 ff., 309 ff. Urlaubsbilder 2, 26, 242, 497, 519, 521, 541, 559, 565 ff., 570, 616 f., 621 ff., 643 f., 656 Venire contra factum proprium 419, 453, 455, 619, 637 ff., 653 Veranlassungsprinzip 461 ff., 465, 476, 630, 633, 640 ff. Verbreiten, Verbreitung 313 ff. – Einzelverbreitungen 342 ff., 410, 666, 676 – Eines Hyperlinks, digitaler Pfad, digitaler Schlüssel 338 – Internetspezifischer Verbreitungsbegriff 321 ff. – Kettenverbreitung 328 ff. – Klassisches Begriffsverständnis 318 ff. – Körperlichdimension des Verbreitungsbe­ griffs 317 ff. – Mengenverbreitung 328 ff. – Mindestanforderungen 327 ff., 334 ff. – Presseinternes 332 ff., 342 ff. – Schriftenverbreitungsdelikte 318, 323, 330 f. – Übertragbarkeit des strafrechtlichen Verbreitungsbegriffs auf §  33 KUG,

kernstrafrechtlicher Verbreitungsbegriff 324 ff., 327 ff., 335 ff. – Vollendung 335 ff., 340 ff. Verbundenheit siehe auch Öffentliches Zurschaustellen Verdachtsberichterstattung 500, 506 Verhältnis von 23 I Nr. 1 KUG und §  23 II KUG 490 ff. Verlinkungen 275, 278, 350, 358, 362 ff., 380 ff., 387 ff., 405, 411, 646 Vermögenswerte Persönlichkeitsrechtsbe­ standteile 592, 594 ff. Versammlung siehe auch Bildnisveröffentli­ chungen von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen Veröffentlichung siehe auch Bildnisveröf­ fentlichung VIPs siehe auch Bekanntheitsgrad Visuelle Tatherrschaft 380 ff. Visuelle Wahrnehmung 32, 38, 127 Vorschaubilder 368, 416 ff., 451 Vorverhalten 397, 400, 403 ff., 407 ff., 452 f., 616 ff., 646, 653 ff., 661, 667, 669, 671, 674 – Gefährdendes, pflichtwidriges, Ingerenz 397, 400, 403 ff., 407 ff. – Gerechtfertigtes 403 ff. – Mediales 417, 452 f., 562 f., 616 ff., 628 ff., 640 ff., 653 ff., 661, 667, 669, 671, 674 – Widersprüchliches 436, 625, 631 ff., 674 Wahrheitsgehalt 51, 240, 512, 520, 568 f., 579 ff., 604, 652, 676 Wahrnehmung­­26, 31 ff., 45 ff., 52 f., 122, 124 f., 126 f., 261 f., 273, 311, 320, 353, 371, 378, 410, 574 f., 581, 677 Wallfahrtsbilder 65, 580 Wappenrecht 65 f., 73, 126 Watchdog 506 Weiterleiten 329, 335, 344, 347, 627 Werbung siehe auch Wirtschaftswerbung Whatsapp 3, 6 f., 44, 314, 336, 338 f., 355, 361, 423, 445 Willy Brandt 499 Wirklichkeitssuggestion 7, 19, 35 ff., 261, 311 Wirtschafts- und Berufsstandsbezug 500 f., 559

Sachregister

Wirtschaftswerbung 587 ff., 589, 591 Wissenschaft siehe auch Bildnisveröffentli­ chungen zu wissenschaftlichen Zwecken Wulff siehe auch Christian Wulff Zeitgeschehen, Zeitgeschichte 460 ff., 492 ff., 659 ff. – Absolute und relative Personen siehe auch Person der Zeitgeschichte – Auswirkungen der EGMR-Rechtspre­ chung 480 ff.

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– Etablierung des abgestuften Schutz­ konzepts siehe auch Abgestuftes Schutzkonzept – Historische Entwicklung des Begriffs­ verständnisses 460 ff. – Verhältnis zu Kunst 522 ff., 526 ff., 531 ff. Zeittypische Zustände 541 f., 489 Zueigenmachen des Bildnisses 364 f., 366, 369 f., 374 f., 380 ff. Zweckübertragungslehre, Zwecküber­ tragungsregel 441, 444, 447, 635 Zwillinge 305