Kategorienlehre (German Edition) 3787300112, 9783787300112

Dem durch Kant verschütteten Verständnis der aristotelischen Kategorienlehre brach schon Brentanos erste Schrift Von der

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Inhaltsverzeichnis
Einleitung des Herausgebers
Erste Abteilung: Vom Seienden im allgemeinen und von dem als Seiend Fingierten
I. Vieldeutigkeit des »ist« und Einheit des Begriffes Seiendes
1. Das Seiende im eigentlichen und in uneigentlichem Sinne (26.1.1914)
2. Seiendes im eigentlichen und in uneigentlichem Sinne (2.2.1914)
3. Vom uneigentlichen Sein des Allgemeinen (9.2.1914)
4. Vom Seienden im uneigentlichen Sinne, insbesondere von den Universalien und ihrer Spezifizierung (März 1916)
5. Über die absonderliche Unterscheidung von Existenz und Sein (22.3.1916)
II. Teile und fingierte Teile des Seienden
1. Universale, Gattung, Spezies und Individuum (30.9.1908)
2. Von den Verknüpfungsweisen gedanklicher Elemente (30.9.1908)
3. Wesen, Einheit und Wesensteile (28.9.1908)
4. Fiktive Teilungen des Seienden (4.2.1914)
5. Das Verhältnis von Teil und Ganzem beim Kollektiv, Kontinuum und Akzidens (16.12.1915)
III. Von der sog. Intensität des Seienden (Seinsgrade, Seinsstufen)
1. Über unvollkommene Entelechie und Intensität (13.3.1907)
I. Aristoteles Lehre von der unvollkommenen Entelechie
II. Ähnlichkeit der herkömmlichen Intensitätsauffassung mit der Aristotelischen Begriffsbestimmung der Bewegung
III. Kritik der üblichen Lehre von der Intensität
IV. Enger Zusammenhang der Lehre von der multiplen Qualität mit der Lehre von der Intensität
2. Über Massenintensität, Elastizität und Undurchdringlichkeit (25.1.1914)
3. Über Wirkungsintensität (18.3.1914)
4. Kants Intensitätslehre (20.4.1916)
Zweite Abteilung: Vorentwürfe zur Kategorienlehre
I. Zum Verständnis und zur Kritik der Aristotelischen Kategorienlehre
1. Grundgedanken und Grundfehler der Aristotelischen Kategorienlehre
2. Der Sinn der Aristotelischen Kategorienlehre, die Substanz als Prinzip der Individuation (30.9.1914)
3. Versuch zur Reform der Aristotelischen Kategorienlehre
II. Von der Substanz insbesondere
1. Philosophische Meinungen über die Substanz (1912/13)
2. Ableitung des Substanzbegriffes
3. Substanz und Akzidens
4. Vom Selbstbewußtsein, vom lch, von der Substanz und ihrer Scheidung in geistige Substanz, körperliche Substanz und Wesen von beliebiger anderer Zahl von Dimensionen. Vom Selbstbewußtwerden
III. Relationen
1. Von dem zu etwas sich Verhaltenden (8.1.1915)
2. Von Gleichheit und Verschiedenheit und deren Erkenntnis (20.1.1916)
3. Über Gleichheit, Ähnlichkeit, Analogie (20.1.1916)
4. Vom Begriff der wirkenden Ursache
5. Das zeitliche Verhältnis von Wirkendem und Gewirktem (23.1.1914)
6. Vom Zeitverhältnis beim Wirken und von der Selbsterhaltung (25.1.1914)
Dritte Abteilung: Die drei letzten Entwürfe der Kategorienlehre
Kategorienlehre Erster Entwurf (1916)
I. Von der Vieldeutigkeit der Worte und syntaktischen Fügungen
II. Von den Arten der Prädikation
A. Unechte Prädikationen
B. Echte Prädikationen mit letzteinheitlichem Subjekt
C. Prädikationen mit einer Vielheit in Subjekt und Prädikat
III. Von den Erleidungen insbesondere
IV. Vergleich mit der Aristotelischen Kategorienlehre
V. Aporetische Erörterung über das Kriterium für Einheitund Vielheit der Kategorie
VI. Einheitliche Funktion der Kopula bei echten Prädikationen
Nachtrag zu §§ 19-24: Sind Akzidentien gleicher Kategorie kompatibel?
Kategorienlehre Zweiter Entwurf (1916)
I. Psychognostische Unzulänglichkeit der Vorarbeiten der Grammatiker
II. Echte und unechte Prädikationen
III. Zusammenfassung und Ergänzungen (zum zweiten und dritten Entwurf)
IV. Exkurs über die sog. Abstrakta
Kategorienlehre Dritter Entwurf (1916)
Anhang: Die Natur der Körperwelt im Lichte der Kategorienlehre
Anmerkungen des Herausgebers
Namen- und Sachregister
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FRANZ BRENTANO

KATEGORIENLEHRE Mit Einleitung und Anmerkungen herausgegeben von

ALFRED KASTIL

VERLAG VON FELIX MEINER IN HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 203 1933 1968 1974 1985

1. Auflage, herausgegeben von Alfred Kastil Verbesserter Nachdruck Unveränderter Nachdruck Unveränderter Nachdruck

Vorliegende Ausgabe: Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der Ausgabe von 1985 identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0011-2 ISBN eBook: 978-3-7873-2603-7

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1985. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­ papier, hergestellt aus 100 % chlor­f rei gebleich­tem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.

Einleitung des Herausgebers 1. Es wäre kein einwandfreies Beginnen, wenn ich zugunsten dieses Bandes auf das erhöhte Interesse verwiese, welches die neuere philosophische Literatur für das Kategorienproblem bekundet. Denn, was man da unter Kategorien versteht, hat mit Brentanos Lehre nichts zu tun, es hängt vielmehr zum grogen Teile zusammen mit der Frage, wie Erkenntnis a priori möglich sei. K an t hatte diese Frage nur für solche Urteile gestellt, die nicht aus Begriffen einleuchten, und geantwortet, sie seien als Erkenntnisse nur möglich, weil sie, auf Dinge an sich verzichtend, sich ihren Gegenstand selbst bildeten, indem sie ihn mit den in uns von vornherein bereitliegenden, also apriorischen Stammbegriffen des reinen Verstandes, den K a t e g o r i e n, formten. Brentano kennt keine Begriffe a priori und bedarf ihrer auch nicht zur Aufklärung des Geheimnisses der synthetischen Erkenntnis a priori, da es, wie er nachgewiesen hat, eine solche gar nicht gibt. Sätze, die etwas als eine allgemeine und notwendige Wahrheit behaupten, ohne ex terminis einzuleuchten, müssen entweder induktiv bewiesen oder als blinde Vorurteile aus der Wissenschaft ausgeschieden werden. Sie damit rechtfertigen zu wollen, daß die Wissenschaften, in denen sie Verwendung finden, ohne sie nicht möglich wären, der berühmte transzendentale Weg, ist eine petitio principii, denn ob, was den Namen einer \Vissenschaft sich anmaßt, Wissenschaft s e i, kann man erst feststellen, wenn jene Sätze als richtig erkannt sind. 2. Statt sich um diese Kritik der Kritik, wie Brentano sie in seinem »Versuche über die Erkenntnis>Wie sind synthetische Erkenntnisse a priori

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möglich?« fallen zu lassen, haben viele sie noch erweitert, indem sie die Möglichkeit apriorischer Erkenntnis überhaupt, auch solcher, die aus Begriffen einleuchtet, zum Problem machten. Um wahr zu sein, sagen sie, müsse ein Urteil mit etwas Objektivem übereinstimmen. Ein solches sei für die Wahrheit empirischer Erkenntnisse das darin anerkannte Ding. Aber ein Satz von der Art wie »Alle Kreise haben gleiche Radien« bleibe wahr, auch wenn es keine Kreise gebe. Nicht der Kreis sei hier das Objektive, sondern »das Wesen des Kreises«, das einer ganz anderen Kategorie angehöre als die Dinge, einem Reiche der Sätze an sich, der Gegenstände eines »Bewußtseins überhaupt«, der Ideen. Indem man innerhalb dieses Gegenstandsbereiches der Nichtdinge wieder verschiedene Seinsschichten unterscheidet und auf sie den Namen Kategorien anwendet, glaubt man ihm eine Wendung vom KantischFormalen zum Platonisch-Objektiven zu geben und an einer theoretischen Wissenschaft zu arbeiten, die selbst der Metaphysik an Allgemeinheit überlegen sei. Vielleicht kommt noch einmal der Name Meta-Metaphysik dafür auf, es wird aber dann nur ein neuer Name für dasselbe sein, was gestern reine Logik oder Gegenstandstheorie hieß und sich heute Metaphysik des Erkennens nennt. Auch für diese »Kategorien« hat Brentanos Philosophie keinen Platz. Das Grundproblem, dem sie dienen sollen, ist viel älteren Datums, a1s es der modernen Aufmachung nach aussieht. Es gehört der scholastischen Erkenntnislehre an mit ihren entia rationis und veritates aeternae und ist nur gleichsam wiedergeboren worden in Leiboizens berühmtem dialogus aus dem Jahre 1677, von dem Bolzanos Logik, Marty's Lehre von den Urteilsinhalten, Husserl's reine Logik, Meinongs Gegenstandstheorie und manche andere, mehr oder weniger zu Ansehen gekommene Theorien abstammen. Daß diese ganze Lehre von nichtrealen Gegenständen fiktiv ist, hat Brentano schon in seinem 1911 erschienenen Werke »Von der Klassifikation der psychischen Phäno-

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mene« nachgewiesen. Man wähnt da, anderes als Dinge zu denken, während es sich bloß um Worte handelt, die dazu beitragen, die mannigfachen Weisen zu kennzeichnen, wie wir Dinge zum Objekte haben. Der deskriptiven Psychologie und einer an ihr orientierten Sprachkritik fällt die Aufgabe zu, die Philosophie von jenen vermeintlichen Entitäten (neben, über, hinter den Dingen) zu säubern, eine Arbeit, die in den Nachträgen zur Psychologie (Band II) und besonders eindringlich in »Wahrheit und Evidenz« geleistet, aber bis heute noch nicht genügend beachtet wurde, um nicht auch hier eine Fortsetzung angezeigt erscheinen zu lassen. Darum befaßt sich die erste Abteilung dieses Buches vorzugsweise mit dem als seiend Fingierten und den fiktiven Teilungen des Seienden. Dazu gehört die aus der Scholastik übernommene Zusammensetzung der Dinge aus esse und essentia, womit wieder die Lehre zusammenhängt, daß dasselbe W a s in verschiedenem Grade s e i n könne, ein Widersinn, den unsere Psychologen in ihrer Auffassung vom Wesen der Intensität meist unbeanstandet passieren lassen. (S. Teil III der ersten Abt.) Damit aus Brentanos sprachkritischen Analysen der Baulust an den Obermetaphysiken und dem Eindringen in >>irrationale Tiefenschichten« wirksame Hemmungen erwüchsen, bemühte ich mich in den Anmerkungen, nach Kräften Mißverständnissen vorzubeugen. Zwei davon seien aber auch an dieser Stelle beleuchtet. Man hat an dem Satz Anstoß genommen, daß es einen streng einheitlichen, alles Denkbare umfassenden, an Allgemeinheit nicht zu überbietenden Begriff, den des Dinges, gebe, und daß nichts zum Gegenstand unseres Denkens gemacht werden könne, was nicht unter diesen Begriff des Dinges fiele. Ist das, fragt man, nicht Protagoreischer Subjektivismus? Keineswegs. Brentano sagt ja nicht, man könne nur solches denken, was es g i b t. Was er lehrt, ist etwas ganz anderes, nämlich: man könne gar vieles denken, was es nicht gibt (wie z. B. Zentauren),

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aber nichts, was, falls es existierte, kein Ding wäre. 0 b ein Ding, das wir denkend zum Gegenstande haben, existiere, ist eine ganz andere Frage. die nur von Fall zu Fall entschieden werden kann und zuweilen offen bleiben muß. Manche wieder haben nicht verstanden, wieso Brentano einerseits Aristoteles beistimmend sagen könne, das Seiende sei homonym, um dann doch wieder einen streng einheitlichen Begriff des Seienden zu lehren. Das ist kein Widerspruch. Er sagt ja nicht, daß das Wort Seiendes, wenn man einmal einen Körper, dann wieder eine Möglichkeit oder ein Gesetz oder ein Gewesenes etc. ein Seiendes nenne, v e r s c h i e d e n e B e g r i f f e bedeute. Nein, wo immer dieses Wort als ein echter Name fungiert, d. h. wo es überhaupt einen Begriff bedeutet, ist dies der gleiche, und es ist dann in Brentanos Sprachgebrauch streng synonym mit Ding oder Etwas oder Reales. Aber daa \Vort Seiend ist nicht überall, wo wir es in unserer Rede gebrauchen, ein Name, vielmehr fungiert es nicht selten als bloß mitbedeutendes Zeichen, nicht autosemantisch, sondern synsemantisch. Solcher Synsemantika weist die Sprache gar viele auf. Zu den am meisten erörterten gehört das Wörtchen »ist«, das niemals einen Begriff ausdrückt, sondern immer erst in Verbindung mit anderen Zeichen zu einer Bedeutungsfunktion kommt. Seine synsemantische Funktion ist ,aber keineswegs immer die gleiche. So ist sie z. B. in den beiden Sätzen »Gott ist« und »Es ist ein Gesetz, daß alle Kreise gleiche Radien haben« wesentlich verschieden. Im ersten Satz ergänzt das »ist« einen echten Namen zum Ausdruck eines Urteils, welches das von diesem Namen genannte Ding anerkennt. Im zweiten trägt es zum Ausdruck eines Urteils bei, das einen Kreis mit ungleichen Radien apodiktisch verwirft. Da man nun aber, ohne Sinnesänderung, statt »A ist« immer auch sagen kann »A ist ein Seiendes«, so ergibt sich, daß das Wort Seiendes nicht immer als Name fungiert, sondern unter Umständen

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synsemantisch, und daß diese seine mitbedeutende Funktion ebenso vielfach ist wie die des »ist«. (Man kann das »ein Seiendes« nach dem »ist« ja ohne Schaden weglassen.) Die Synsemantie des Wörtchens »ist« anerkennen, aber seine Mehrdeutigkeit verkennen die, welche meinen, es übe stets ~~ tUTJIJ-8~. Nein, diese hat es nur, wo die Funktion des der Sprechende einen Urteilenden zum Gegenstande hat und urteilt, daß dieser richtig bezw. unrichtig urteile. Sehr fein wählte darum Aristoteles sein Beispiel Met. I 0 I 7 a 33 "itrr' Iwxqlr:rTJ.; flOVtrcxo.;'!, wo schon dieWortstellungund Betonung andeutet, daß der Sprechende einen, der die Musikalität des Sokrates verkennt, eines Besseren belehren will. Ganz anders, wo das Wort Seiendes wirklich ein Name ist. Es besagt dann immer denselben einheitlichen Begriff, der unter .allen Begriffen der allgemeinste ist und jegliches Denkbare unter sich begreift, Körper und Geister, Gott und Welt, Räume und Oberräume (Topoide), und für den Brentano mit Vorliebe den Namen Ding, aber auch die oben angeführten als Synonyma gebraucht. So absurd es ist, eine Möglichkeit oder ein Gesetz für Dinge zu halten, so wenig Schaden kann es in der Metaphysik anrichten, wenn man zwar sagt, es gebe Gesetze, es bestünden Möglichkeiten, oder, beide seien etwas (kein Nichts), aber diese Redeweisen zugleich als bewußt fiktive und nicht als ernsthaften Ausdruck der Anerkennung solcher Entitäten oder der Prädikation des Begriffes Etwas kenntlich macht. Man f i n g i e r t dann eben ein solches Anerkennen oder Prädizieren d. h. man gibt sich den Anschein, als habe man, das Wort Gesetz aussprechend, etwas zum Gegenstande, was durch dieses Wort genannt werde, aber man rechnet nicht darauf, daß dieses Spiel ernst genommen werde. Lästig und gefährlich dagegen f>ind die Fälle des Schwankens zwischen dem einen und andern, wie sie leider bei unseren Metaphysikern die Regel bilden. Ja selbst bei Aristoteles ist es nicht leicht zu entscheiden, ob er z. B. das hv11a,usc ;;" ernsthaft ein ;;" nenne, und ob er geglaubt habe, die Dinge bestünden wirklich aus

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Form und Materie, oder ob er die Rede von ihrer Zusammensetzung aus beiden Prinzipien als eine für den Unterricht in der Metaphysik brauchbare Fiktion durchschaut habe. 3. Brentanos K a t e g o r i e n I e h r e hängt weder mit Kant noch mit Leibniz zusammen, wohl aber mit Aristoteles. Er kehrt mit den hier vereinigten Diktaten aus dem letzten Jahrzehnt seines Lebens zu den Problemen seines ersten, vor nunmehr siebzig Jahren erschienenen Buches »Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden bei Aristoteles« zurück. Damals war seine Aufgabe vornehmlich die richtige Deutung dieser Lehre gewesen, für die das Verständnis verloren gegangen war. Aber sein sachliches Interesse an dem Problem begleitete ihn durch das ganze Leben. Immer wieder von neuem die Untersuchung aufnehmend, hat er in der Lehre des Aristoteles um den bleibenden Kern herum viele Unklarheiten und Irrtümer aufgedeckt und schließlich in langer Entwicklung unter mannigfachen Wandlungen seine eigene Kategorienlehre ausgebildet. Was A r i s t o t e I e s unter den Kategorien versteht, läßt sich am Beispiel eines beliebigen Körpers verdeutlichen. Bestimmt man einen solchen der Qualität, der Größe, der Gestalt, dem Orte und dem Zeitpunkte nach, so definiert jede dieser Bestimmungen das Ding s. z. s. von einer andern Seite her, und keine dieser Definitionen. ist, wenn vollständig und explizit gegeben, ein einfacher Begriff, sondern jede eine Serie (Reihe) von solchen, die von einem höchsten Gattungsbegriff über Zwischenstufen bis zum niedersten Artbegriff reicht, in welchem die ganze Reihe von spezifischen Differenzen »eingeschlossen*)« ist. Keine dieser species specialissimae ergibt aber ein Individuum, ja selbst wenn man die aus allen genannten Se*) Diese ganze Reihe oder .Serie" von Bestimmungen von einem höchsten Gattungsbegriff bis zu einem niedersten Anbegriff ist es, was Aristoteles eine Definition ( O(lltTpo.;) nennt. V gl. Brentano, Anstoteies und seine Weltanschauung S. 17 ff., 53 f. (Leipzig 1911.)

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rien genommenen speziellsten Bestimmungen zu einem Ganzen synthetisch verbände, wäre noch immer nicht die Vorstellung eines kompletten Dinges erreicht, denn sie sind durchaus Bestimmungen, die nicht eigentlich ein Ding bezeichnen, sondern etwas an einem Ding. Etwas, was nur als Bestimmung eines Dinges existieren kann, dem es als seinem Subjekt zukommt. Dieses, insofern es ihnen zugrunde liegt, ist die Aristotelische Substanz, die erste der Kategorien. Alle andern sind, insofern sie dieser zukommen, akzidentelle Kategorien. Auch die Substanzen gehören als solche eigenen Serien an, d. h. es gibt, wie akzidentelle Definitionen, auch substanzielle. Diese sind aber kein Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung. Wenigstens nicht in ihrer Gänze. Aristoteles zählt die Substanzen weder unter die eigentümlichen noch unter die gemeinsamen Sinnesobjekte. In welchem Umfang wir über substanzielle Definitionen verfügen und woher wir die Begriffe, aus denen sie sich zusammensetzen müßten, schöpfen, ist eine Frage, die man bei Aristoteles nicht einheitlich und wohl auch nicht deutlich genug beantwortet findet. Sicher ist aber nach ihm zur Vorstellung einer Substanz in individuo erforderlich, daß man die substanzielle Serie oder, wo bei einem Ding mehrere solche zusammentreffen, jede davon in specie specialissima vorstelle. Bei immateriellen Dingen ergibt dies dann die volle Individuation, während bei materiellen noch immer viele Individuen inbezug auf die letzten spezifischen Bestimmtheiten miteinander übereinstimmen können. Es läßt sich nicht verkennen, wie wenig sich der Grundgedanke dieser Kategorienlehre von der volkstümlichen Auffassung entfernt. Auch diese hält qualitative, quantitative, örtliche, zeitliche Bestimmungen nur für Prädikate, die einem gleichsam verborgenen Subjekt zukommen und zweifelt nicht daran, daß es viele Körper geben könne, die sich von einander nicht im geringsten spezifisch unterscheiden, ebensowenig aber daran, daß ein bewegter Kör-

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per trotz der kontinuierlichen Veränderung seines Ortes und Zeitpunktes, ja selbst wenn er fortwährend qualitativ sich wandelte, noch immer dasselbe Individuum bleibe. 4. Brentano aber bringt an dieser Lehre wesentliche Korrekturen an. In einem Briefe an Kraus vom 8. Februar 1915 äußert er sich darüber: »Um die Lehre von Substanz und Akzidens hat sich Aristoteles große Verdienste erworben. Kein Späterer in der Geschichte der Philosophie hat sie anders als verschlimmbessert. So auch Descartes, Locke und Leibniz, von Kant gar nicht zu reden. Trotzdem fand ich sie auch bei Aristoteles mit Mängeln behaftet. Nachdem ich mir das wahre Verständnis verschafft hatte, konnte ich eine Fortbildung wagen.« Zunächst suchte er den Begriff des Verhältnisses Substanz-Akzidens dadurch zu klären, daß er den Elementen, aus denen er sich zusammensetzt, in der inneren Wahrnehmung nachging. Er macht auf das eigentümliche Verhältnis aufmerksam, in welchem bei gleichem Objekt eines primären Bewußtseins der Erkennende zum Urteilenden und dieser zum Vorstellenden steht. Es läßt sich wohl ein Urteilender denken, der das Ding, das er beurteilt, nicht erkennend beurteilt, nicht aber einer, der es erkennt, ohne es zu beurteilen. Und wiederum läßt sich kein Urteilender denken, der das Ding, über das er urteilt, nicht auch vorstellte, wohl aber umgekehrt einer, der etwas vorstellt, ohne ein Urteil darüber zu fällen. So schließt der Erkennende den Urteilenden, der Urteilende den Vorstellenden ein. Es handelt sich um ein Relatives eigentümlicher Art, dem Brentano den Namen »Modalbefassendes« gibt. Im Erkennenden ist der Urteilende, im Urteilenden der Vorstellende modal befaßt, oder, was ganz dasselbe sagt, »als Subjekt eingeschlossen«. Es ist ein Verhältnis bloß einseitiger Abtrennbarkeit, und nur, wo solche vorliegt, kann im Sinne Brentanos von einem Subjekt gesprochen werden. Ist das in einem Modalbefassenden als Subjekt Eingeschlossene so beschaffen, daß es selbst nicht wieder ein Subjekt einschließt, so heißt

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es letztes Subjekt oder Substanz, und das es modal befassende Ganze heißt Akzidens. Da das Akzidens mehr ist als die Substanz, so müssen ihm auch solche Bestimmungen zukommen, die der abgetrennkn Substanz nicht verbleiben. Wer die vollständige Vorstellung des Akzidens hätte, müßte aber nicht nur diese Bestimmungen denken, sondern auch die abtrennbaren. Die Substanz im abgetrennten Zustande wird nicht mehr Substanz im selben Sinn, sondern homonym so genannt, mit Rücksicht darauf, daß es ein Akzidentelles geben könnte, dem sie als Subjekt innewohnte. Auch die abgetrennte Substanz kann unter Bestimmungen mehrerer Serien fallen, ja es ist von vornherein sicher, daß ihrer mindestens zwei sein müssen. Denn alles, was ist, fällt unter den Begriff des zeitlich Variierenden, aber ein Ding, das nichts anderes wäre als eine Zeitspezies, kann es nicht geben, so wahr einerseits alles, was ist, individuell bestimmt sein und andererseits alles, was ist, spezifisch die gleiche Zeitbestimmung haben muß. Da die abgetrennte Substanz ein vollständiges Individuum ist, muß sich in einer ihrer begrifflichen Serien jene niederste Spezies finden, welche ihr die Individualität gibt, m. a. W. eine Bestimmung, die keinem zweiten Ding zukommen kann, wie weit auch im übrigen ihre Übereinstimmung gehen mag. So hat denn Brentano aufgrund von Erwägungen, zu denen die innere Beobachtung zwang, das Verhältnis von Substanz - Akzidens der Aristotelischen Fassung gegenüber wesentlich ergänzt und verdeutlicht. Die Akzidentien sind Relativa besonderer Art, indem sie nämlich, mittelbar oder unmittelbar, etwas als letztes Subjekt einschließen, was von dem Akzidens genannten Ganzen einseitig abtrennbar ist, wobei unter die ihm nach der Abtrennung verbliebenen Bestimmungen auch jene gehört, die das Ganze schon vor der Abtrennung des Subjektsteiles individualisiert haben müßte. Alle diese Bestimmungen, die nicht ersatzlos entfallen können, ohne daß der abtrenn-

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Einleitung des Herausgebers

bare Teil seine Individualität ändert, heißen substanzielle Bestimmungen. Sie sind das, was Descartes unter Attributen verstand, wenigstens dort, wo er scharf Attribute und Modi unterschied und dieses Verhä1tnis nicht mit dem zwischen Gattungs- und Artbegriff verwechselte, was ihm freilich bisweilen unterlief. Weil der substanzielle Teil es ist, woraus dem akzidentellen Ganzen die individuelle Bestimmtheit kommt, können unsere Bewußtseinszustände als solche nicht letztes Subjekt sein, denn von keinem für sich genommen und von keiner wie immer gearteten Komplikation von ihnen wäre es widersprechend, daß mehrere Individuen darin übereinstimmten. Der Subjektsteil ist es auch, aus dem sich erklärt, wie die Fülle von Bewußtseinszuständen in unmittelbarer Wahrnehmung als ein einziges, nicht kollektives Ding erfaßt werden kann. Und ohne diese Annahme wäre der Unterschied des Falles, wo dasselbe Individuum sieht und hört, von dem, wo Sehen und Hören auf zwei verteilt sind, nicht verständlich. Ich sagte, daß derjenige, der die vollständige Vorstellung eines Akzidens besäße, darin auch diejenigen Bestimmungen denken müßte, die dem einseitig abtrennbaren Teile nach erfolgter Abtrennung verbleiben. Eine andere Frage aber ist die, ob unsere innere Wahrnehmung, indem sie uns die psychischen Akzidentien zeigt, sie so vollständig darbiete, daß auch diese substanziellen Begriffe daraus abstrahiert werden können, oder ob sie, solcher Vollständigkeit entbehrend, vielmehr in gewissem Maße unbestimmt sei und wie weit dieser Mangel gehe. Hierüber sind drei Ansichten denkbar. Die erste besagt, daß wir das, was Subjekt der Bewußtseinszustände ist, in seiner individuellen Differenz erfassen, die zweite, daß wir es zwar nicht so bestimmt, aber doch bestimmt genug wahrnehmen, um aufgrund dieser Wahrnehmung ohne weitere Reflexion sagen zu können, ob es ein Körper sei oder nicht, die dritte, daß es uns noch unbestimmter gegeben sei. Im ersten Fall müßten wir wohl sagen, es sei zwar

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wahrgenommen aber nicht bemerkt, und man könnte versuchen, sich diesen Mangel daraus zu erklären, daß die Möglichkeit eines Vergleiches fehle, weil kein anderes Ich als das eigene in die Wahrnehmung falle. Daß wir unsere individuelle Differenz nicht bemerken, ist nun allerdings richtig. Aber was zwingt dazu, anzunehmen, daß sie überhaupt in die Wahrnehmung falle? Brentano meinte früher, es müsse wohl so sein, weil ja, wie jede Anschauung, auch die innere, eine Individualvorstellung sei, erkannte dies aber im Zusammenhang mit Untersuchungen über unsere Zeitanschauung als ein Vorurteil und ließ daraufhin die Annahme fallen. Doch entfernte er sich zunächst nur bis zum ersten Grade der Unbestimmtheit: das psychische Subjekt werde zwar nicht in letzter spezifischer Differenz, aber doch als unkörperliches Ding wahrgenommen; aber auch dagegen erhoben sich Bedenken, und schließlich bekam die Lehre die Gestalt, daß das psychische Subjekt in innerer Wahrnehmung einem noch allgemeineren Begriff nach, nämlich bloß als Substanz erfaßt werde. 5. Wenden wir uns nach diesem Blick auf das Psychische zur äußeren Wahrnehmung. Sie hat QualitativesOrtliebes zum Gegenstande. Ob es solches gibt, erkennt sie nicht unmittelbar, sondern glaubt es blind. Um es wahrscheinlich zu machen, bedarf es der Induktion. Ohne solche läßt sich nur die Frage klären, ob die drei Begriffe jeder in specie Zeitliches, Ortliches, Qualitatives specialissima gedacht - miteinander synthetisch verbunden, die Vorstellung eines kompletten Individuums ergeben würden. Aristoteles verneint es; es fehlte seiner Meinung nach noch eine Serie von Bestimmungen, die wichtigste, die substanzielle. Brentano widerspricht ihm. Insbesondere verwirft er den Gedanken, daß dem Orte noch etwas als Subjekt subsistieren könne, als absurd. Wenn sich die Relation Substanz-Akzidens überhaupt auf Körperliches anwenden lassen soll, so sind nur folgende zwei Fälle möglich:

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Einleitung des Herausgebers

a) Entweder ist das Ortlieh-Qualitative a 1 s G a n z e s Substanz, was es im eigentlichen Sinne des Wortes nur sein könnte, wenn es ein Akzidentelles gäbe, worin jenes als Subjekt eingeschlossen und wovon es einseitig abtrennbar wäre. Das Ortlieh-Qualitative wäre dann zwar ein komplettes Ding, könnte sich aber zu einem akzidentellen erweitern, wovon uns die sinnliche Anschauung freilich kein Beispiel bietet. Innerhalb der drei ersten Serien (Zeitliches, Ortliches, Qualitatives) aber bestünde kein Platz für die Unterscheidung von Substanz und Akzidens. An einer roten Kugel z. B. für sich genommen wäre nichts Akzidens und nichts Subjekt. Sie wäre ein Konkretum aus Ort, Qualität und Zeit und als solches ein vollständig bestimmtes Individuum. Keine ihrer Bestimmungen könnte ersatzlos entfallen, indes der Rest als dasselbe Individuum sich erhielte, und keine, selbst in niederster Spezies gedacht, wäre eine individuelle. Eine Ortsspezies, ohne eine bestimmte Qualität gedacht, wäre ebenso ein bloßes Universale, wie ein Rotes, ohne einen bestimmten Ort gedacht. Nur die Synthese, das Konkretum aus ihnen, ergäbe das Individuum. Man kann sagen, daß auf diesem Standpunkt, den Brentano lange Zeit eingenommen hat, sowohl Ort als Qualität »Attribute« im Sinne Descartes' zu nennen wären. b) Sein letztes Wort war das aber nicht, vielmehr war die endgiltige Form seiner Lehre erst erreicht, als er das Qualitative, wie z. B. Farbiges, als Akzidens erkannt hatte, worin der Ort als sein Subjekt eingeschlossen ist. Nunmehr erschien das primäre Ortskontinuum als der vom Qualitativen abtrennbare Teil und damit als das am Körper Substanzielle. Damit war gesagt, daß es unqualifiziertes Räumliches und in diesem Sinne »leere Orte« g·eben könne, ein Gedanke, gegen den sich Brentano lange gesträubt hatte. aus psychologisch verständlichen, aber von ihm schließlich als sachlich unzureichend erkannten Gründen. Das Bedenken begreift sich aus der Tatsache, daß in unserer sinnlichen Anschauung keine absoluten

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Ortsbestimmungen in specie gegeben sind. Nur relative schauen wir an, indem wir spezifisch gleiches oder mannigfaches Qualitatives in verschiedenen Richtungen und Graden von einander abstehend vorstellen. Man ist sich aber dieses relativen Charakters aller angeschauten Ortsbestimmungen meist nicht deutlich bewußt. Indem man nun ganz richtig erkennt, daß mit dem Wegfall der Qualitäten in unserer Anschauung auch alle ihre lokalen Unterschiede, d. h. ihre Abstände, verschwinden müßten, übersieht man leicht, daß dies nicht ebenso von absoluten Ortsbestimmungen in specie gelten würde. Wa'> wir oben bezüglich der Transzendenz der substanziellen Definition des Psychischen festgestellt haben, trifft nicht in vollem Maße für unsere Vorstellung vom Körper zu. Wir können der sinnlichen Anschauung zwar keine Begriffe von absoluten Orten in specie entnehmen, aber sehr wohl den allgemeinen Begriff des Ortlichen. Während wir also keinen eigentlichen Begriff von psychischer Substanz haben, fehlt uns ein solcher von der physischen nicht, denn er fällt ja mit dem Begriff des Ortlichen als solchen zusammen. Hinwiederum bedingt der Mangel an spezifischer Differenzierung der angeschauten Orte, daß uns der eigentliche Begriff der Bewegung fehlt und durch Surrogate, nämlich durch Vorstellungen von Abstandsänderungen, ersetzt werden muß. Diese Erwägungen über das, was den Gegenständen der sinnlichen Wahrnehmung zur vollen Bestimmtheit fehlt, fallen nicht zusammen mit der Frage, ob es solche körperliche Dinge gibt. Wir stellten bloß fest: Wenn es sie gibt, so ist das p1 imäre Ortskontinuum, das sie einnehmen, ihr letztes Subjekt. ihre Substanz. Ob sie wirklich sind, bezw. ob es in Wirklichkeit ihnen ähnliche Dinge gebe, läßt sich nur feststellen, wenn man in eine Untersuchung iiber die Ursachen eingeht, welche die sinnlichen Anschauungen bewirken und ihren Verlauf begreiflich machen. Als wahrscheinlichste Hypothese ergibt sich die Annahme, daß (irtlich-qualitative Dinge, d. h. Körper,

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Einleitung des Herausgebers

wirklich existieren und mit dem psychischen Subjekt in Kausalzusammenhang stehen. Ob diese Dinge alle der Qualität nach gleich seien, oder verschiedenen Arten des Qualitativen angehören, m. a. W. ob die physische Welt einförmig oder qualitativ mannigfaltig sei, darüber hat nicht der Philosoph, sondern der Physiker zu entscheiden, denn die Wahl zwischen den denkbaren Annahmen muß so getroffen werden, wie es die Tatsachen seines Forschungsgebietes fordern. Nur den allgemeinen Rahmen für eine Theorie der Materie vermag der Metaphysiker zu bieten, wofür ein Versuch im Anhange vorliegt. Hier sei noch auf eine Äquivokation aufmerksam gemacht, die in der Substanzlehre leicht Verwirrung stiften kann. Diejenigen, welche erkennen, daß mit bloß lokalen Differenzen der Körper in der Physik nicht auszukommen ist, nennen die hypothetischen Qualitäten, von denen sie die wirklichen Orte erfüllt denken, das Wesentliche, das Substanzielle an dem Körper. Das wäre zunächst ein bloß terminologischer Unterschied, kein sachlicher Widerspruch gegen die Auffassung Brentanos, kann aber durch Verwechslung zu einem solchen führen. Voraussichtlich wird mancher, den Bedeutungswandel übersehend, daraufhin gegen die Lehre, daß ein Körper bei der Bewegung einen substanziellen Wechsel erfahre und seine Individualität kontinuierlich ändere, sich sträuben. Leider fehlt es vielfach an der scharfen Trennung der beiden oben unterschiedenen Fragen, von denen die eine der Struktur der sinnlichen Wahrnehmungsgegenstände gilt, die andere ihrer Wirklichkeit bezw. Verwandtschaft mit solchem, was wirklich existiert. Infolgedessen kommt es zu Verwechslungen dessen, was den angeschauten Qualitäten als Subjekt zugrunde liegt, mit dem, was der sinnlichen Anschauung als Ursache zugrunde liegt, m. a. W. zur Verwechslung des Verhältnisses SubstanzAkzidens mit dem von Ding an sich und Phaenomen. Indem, um die Verwirrung voll zu machen, damit auch noch der ganz andere Unterschied von unmittelbar Not-

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wendigem und Gewirktem konfundiert wurde, entstanden Systeme, wie das Spinoza's oder Schopenhauer's, die so prächtig und abgerundet aussehen, aber, sobald Kritik mit einem Finger daran rührt, wie Seifenblasen zerplatzen. Zu warnen ist auch vor dem häufig begangenen Fehler, die sog. Abstrakta für Namen von Dingteilen zu halten und diese mit den Akzidentien zu identifizieren. Darnach wäre das Denkende Substanz, das Denken das ihm als Teil innewohnende Akzidens. Diese Teilung ist aber fiktiv. Die Abstrakta wie Denken, Ausdehnung, Farbe nennen überhaupt nichts, sondern sind Synsemantika, die erst durch Verbindung mit anderen Worten zu einer Bedeutung kommen. >>Etwas, was Denken übt«, »etwas, was Ausdehnung hat«, >>etwas, was Farbe hat« sind Namen und völlig gleichbedeutend mit >>Denkendes«, >>Ausgedehntes«, »Farbiges«. Wer aufgrund solcher von ihm als fiktiv erkannter Teilungen sich berechtigt glaubte, nun auch die Lehre von Substanz und Akzidens zu verwerfen, hätte diese mißverstanden. Denn in Wahrheit ist das Akzidens nicht Teil, sondern es ist das Ganze, dem ein gewisser, davon einseitig abtrennbarer Teil innewohnt, der eben darum Substanz heißt. 6. Ist nun dieses Wort >>Substanz>letztes« steckt ja eine Negation, und Negativa sind nicht echte Begriffe, sondern immer synsemantisch. Ein Wesen, dessen sinnliche Anschauung, des qualitativen Momentes entbehrend, nur ein primäres Ortskontinuum zum Gegenstande hätte, könnte daraus kein Verständnis für die Substanzialität des Ortes gewinnen. Es vermöchte sich wohl den Begriff des Ortes und den noch allgemeineren des Dinges zu bilden, aber als Substanz erfaßt kann ein Ort erst werden, wenn ein Qualitatives, das ihn als Subjekt einschließt, gegeben ist. Dächte einer Farbiges dem Subjekte nach noch unbestimmter als wir, denen zwar nicht Begriffe absoluter Orte in specie, aber doch der allgemeine Begriff des Ortes zugebote steht, was bliebe dann als modo obliquo gedachter Begriff zurück? Keineswegs ein allgemeiner Begriff Substanz, sondern der allgemeine Begriff Ding. In solcher Lage befinden wir uns, wenn wir uns in der inneren Wahrnehmung als Denkende erfassen. Wir erkennen uns

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dem Subjekte nach ganz universell, d. h. wir denken modo obliquo nur den allgemeinsten Begriff, der von unserem Ich prädikabel ist, nämlich den des Dinges. So gilt denn von Substanz-Akzidens dasselbe wie von den anderen genannten Korrelaten. Den korrelaten Terminis entsprechen nicht zwei Begriffe, nur Akzidens ist ein Name, Substanz ist synsemantisch. Einen Begriff »Substanz« gibt es nicht, und damit schwinden alle Aporien, die sein logisches Verhältnis zu den Begriffen Akzidens und Ding zum Gegenstande hatten. 7. Brentanos Philosophie wird, weil sie statt an Kant vielmehr an Aristoteles anknüpft, von gewissen Tagesgrößen mit beschränktem geschichtlichen Horizont als scholastisch verfemt. Sie ahnen wohl nicht, wie viel es für sie selbst noch aus Thomas oder Suarez zu lernen gäbe! Die Vorwürfe aber, die man der Scholastik in gewissem Umfange mit Recht machen kann, Oberschätzung der Autorität und Mangel an Sprachkritik, wen träfen sie weniger als Brentano? Wenn er Kant ablehnte, so tat er es aus guten Gründen, und die Autoritätsgläubigen sind vielmehr die, welche unbekümmert darum den aussichtslosen Weg des transzendentalen Idealismus nicht verlassen wollen. Was aber unkritischen Geist der Sprache gegenüber betrifft, der bloße Unterschiede von Redeweisen für gedankliche und sachliche nimmt, wer bekundete ihn mehr als gewisse Nachzügler der an Kant anschließenden Verfallsphilosophie, die es so trefflich verstehen, aus Worten ein System zu bereiten, und in ihren lyrisch-deiirischen Schöpfungen Weisheitssprüche von sich geben, die in gesunden Zeiten, statt wie heute als Tiefsinn angestaunt, als grotesker Unsinn verlacht worden wären. Weil seine Philosophie nicht Begriffsdichtung ist, sondern Wissenschaft, weiß sie den Wert der Tradition zu schätzen. Die Vorurteile mancher Moderner, besonders aus dem protestantischen Lager, für welche die Geschichte der Philosophie zwischen Platon und der Stoa und von hier bis ins 18. Jht. ein Vakuum ist, teilt Brentano eben-

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sowenig wie den Wahn vieler katholischer Philosophen, denen das Aristotelisch-Thomistische Lehrgebäude als die Vollendung aller Philosophie gilt. Gerade weil er den großen Griechen so gut kannte und so viel von ihm gelernt hatte, wußte er sich auch am meisten zur Kritik an ihm und zu dem gewaltigen Reformwerke berufen, zu dem auch dieser Band wieder neue Bausteine fügt. Mögc::n diejenigen, die in der Geschichte der Philosophie zwischen Blütezeiten und Verfallsperioden und in der Literatur unserer Tage zwischen echter Wissenschaft und ihren Surrogaten zu unterscheiden wissen, sich mehr, als es bisher geschah, die Leistungen Brentanos zu nutze machen! Schon mehren sich die Anzeichen wachsenden Verständnisses. Die Zahl der Publikationen, die seiner Philosophie gewidmet sind, steigt, und hohe Achtung kommt in ihnen zum Ausdruck, freilich auch zuweilen eine gewisse Scheu vor dem vielen Neuen und das Verlangen, altes, durch Herkommen geheiligtes Lehrgut vor seiner Kritik zu retten. Auch sonst begegnet man häufiger seinen Gedanken, während vordem die Übereinstimmungen auf einen engeren Kreis und auf solches, was aus den Kollegienheften durchgesickert war, sich beschränkt hatten. Die Veröffentlichung seines Nachlasses erschwert es natürlich, bei ihm anonyme Anleihen zu machen, eine Gepflogenheit, die früher manchem den Ruf eines originellen Denkers eingetragen hat. Doch stößt man auch in der neuesten Literatur bisweilen auf Ähnlichkeiten, die sich durch kein Zitat legitimieren und so auffallend sind, daß man sie nicht leicht für einen Zufall halten kann, es wäre denn, daß der Autor so vorsichtig war, im Vorwort den Geburtstag seiner Entdeckung ausdrücklich zu vermerken, wie dies, nach dem Muster von Descartes' berühmter Tagebucheintragungvom 10. November 1619, kürzlich in einem Werke über das Kausalproblem geschehen ist. 8. Die redselige Breite der modernen philosophischen Literatur hat die Leser zu einer Flüchtigkeit erzogen. die sich mit dem Studium Brentanos nicht verträgt. In seinen

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Einleitung des Herausgeben

Arbeiten ist kein Wort überflüssig, man muß sie studieren wie mathematische oder physikalische Abhandlungen, und wer das nicht gewohnt ist, dem wird die Prägnanz des Ausdrucks zur Gefahr. Um dieser zu begegnen, werden in unserer Ausgabe nicht nur die letzten und reifsten Fassungen, sondern auch zahlreiche Vorentwürfe geboten. So hat der Leser gute Gelegenheit, den Stoff zu wiederholen, und lernt auch die Entwicklung der Lehre kennen. Außer diesem didaktischen Zweck dient dieses Verfahren aber auch dazu, dem Forscher einen Einblick in die vorbildliche Arbeitsweise Brentanos zu eröffnen, dem es gar wenig um den äußerlichen Wettbewerb auf dem Büchermarkt, aber um so mehr um das stille Ausreifen seiner Gedanken zu tun war. Wie er mit sich selbst Schach zu spielen liebte, die Partie des Gegners mitübernehmend, so trat er auch den eigenen Lehren wie ein fremder Kritiker gegenüber, um nach schwachen Punkten zu spähen und nicht nur solches, was vorerst als Anregung und Vorschlag aufgezeichnet war, sondern auch das, was ihm selbst schon als gesichert gegolten hatte, im Lichte neuer Überlegungen zu erproben, durch verstärkte Gründe zu befestigen, umzubilden oder definitiv fallen zu lassen. Der gewissenhafte Leser wird es nicht übel nehmen, wenn er den Erläuterungen, die der Herausgeber in dieser Einleitung als ein einheitliches Ganzes bietet, im einzelnen an passenden Stellen der Anmerkungen wiederbegegnet. Auf diese mache ich besonders auch Berichterstatter aufmerksam, die gerne auf Stichproben hin rezensieren. Wenn sie es schon nicht lassen können, so mögen sie es wenigstens mit schlechtem Gewissen tun. Als Reihenfolge beim Studium empfehle ich: man beginne mit der Lehre von der mannigfachen Funktion des »ist« und der Einheit des Begriffes »Seiendes«, also mit den beiden ersten Teilen der ersten Abteilung, wobei fortlaufend der Band »Wahrheit und Evidenz« mit zurategezogen werden sollte. Dann gehe man zur Kategorienlehre über, nehme aber zunächst die drei letzten Entwürfe

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(S. 203) vor und dann erst, zum Vergleich und zur Ergänzung, die Vorentwürfe. Der dritte Teil der ersten Abteilung, die neuen Beiträge zur Lehre von der Intensität, möge, als der schwierigste, zuletzt an die Reihe kommen. Die Einleitung des Herausgebers, die einen integrierenden Bestandteil des Werkes bildet, erhebt den Anspruch zweimal studiert zu werden, zur ersten Orientierung und zur Wiederh,)lung und systematischen Zusammenfassung des gesamten Inhaltes.

In n s b ruck, Weihnachten 1932. Alfred K a s t i I.

Inhaltsverzeichnis Einleitung des Herausgebers

. 111-XXXI

Erste Abteilung

Vom Seienden im allgemeinen und von dem als Seiend Fingierten I. Vieldeutigkeit des "ist" und Einheit des Begriffes Seiendes I. Das Seiende im eigentlichen und in Uneigentlichern Sinne (26. I. 1914} 1.-4. Definitionen und evidente Prinzipien sind zum Vortrage jeder Wissenschaft als Ausgangspunkte erforderlich, insbesondere der Weisheitslehre (Metaphysik) 3 5. Worterklärungen des Metaphysikers: I. S e i e n d e s i m e i g e n t I i c h e n S i n n e = Ding, wozu auch Kollektive von Dingen und Teile von Dingen gehören. Das Kollektiv kommt nicht als neues Ding hinzu. Die Substanz ist Teilding, wofür das Akzidens das Ganze ist. Absurde Teilungen, die gegen das Gesetz der Addition verstof~en. Aristoteles und Leibniz irren, wenn sie kein Ding aus Dingen bestehen lassen. 4 II. S e i e n d e s i m u n e i g e n t I i c h e n S i n n e a) Das Abstraktum als fiktiver Teil des Konkretums 6 b) Das Gedachte . . . . . 7 c} Das Sein im Sinne des Wahn:n . 8 d) Möglichkeiten etc. . . 9 e) Das Gewesene und Künftige . . 9 f) Unendlicher Raum, die unendliche Zeit . . . 9 g} Negativa, Fähigkeiten (doch immer auf Dinge bezogen) 10 2. Seiendes im eigentlichen und in uneigentlichem Sinne (2. II. 1924} I. Zum Seienden im e i g e n t I i c h e n Sinne gehören alle Dinge, d. h. nicht nur einzelne, sondern auch ihre Teile und die aus ihnen gebildeten Mengen. Verschiedener Sinn der Prädikation des Akzidens von der Substanz und der Substanz vom Akzidens . . . . . . . . . Das Kontinuum keine Punktmenge. Der Punkt nur als Grenze II. Seiendt's im u n e i g e n t I i c h e n Sinne. Ob die Homonymie irrtümlich oder bewußte Fiktion? Klassen des undgentlich Seienden: 1. Das Seiende im Sinne des Wahren 2. Das Gedachte als solches

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Inhaltsverzeichnis

8. Das Gewesene etc.

4. Die Urteilsinhalte . 5. Universalien, Abstrakta

!1. Vom uneigentlichen Sein des AUgemeinen {9. II. 1914) 1. Mit Rücksicht auf unser unbestimmtes Vorstellen sprechen wir von allgemein Gedachtem . . . . . . . . 2. Und von einem Sein des Allgemeinen im uneigentlichen Sinne .3. Im eigentlichen können nur Dinge sein und Gegenstand sein

1.

2. .3. 4. 5.

6. 7.

I. 2.

.3. 4.

5.

4. Vom Seienden im uneigentlichen Sinne, insbesondere von den Universalien und ihrer Spezifizierung {März 1916) Klassen des nicht im eigentlichen Sinne Seienden a) das Intentionale . b) die Formen . c) die Urteilsinhalte . . d) denominationes extrinsecae e) Universalien . . . . . . Universale und Individuum. Principium individuationis Vom Umfang der Universalien . . . . . . . Restriktion des Begriffsumfanges durch unmittelbare und mittelbare Spezifikation . . . . . Proprium, genikon, akzidentelles Merkmal Von der Kreuzung der Spezifikationen . . . Einheit des Begriffes des Realen als höchsten Gattungsbegriffes .

5. Über die absonderliche Unterscheidung von Existenz und Sein {22. III. 1916) Die mannigfache Bedeutung des Seienden nach Aristoteles Richtig an seiner Lehre ist, daß das »ist« bald im eigentlichen Sinne, bald uneigentlich verwendet wird Manche Sätze lassen sich in beidem Sinne deuten . . . Unberechtigt ist es, mit BoI z an o bei eigentlichem Gebrauch des »ist« noch einen Unterschied zwischen »es ist• und »es existiert« machen zu wollen Launen des Sprachgebrauches, nicht aber wahre sachliche Unterschiede bestimmen die Wahl zwischen »ist« und »existiert«

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II. Teile und fingierte Teile des Seienden I. Universale, Gattung, Spezies und Individuum

{.30. IX. 1908)

I. Verschiedene Denktätigkeiten bei gleichem Objekt.

Verschiedene Objekte beim Denken desselben Dinges . . . .32 2. Objektsdifferenzen bilden den Unterschied bestimmten und unbestimmten Denkens. Den unbestimmten Vorstellungen entsprechen nicht unbestimmte Dinge 32

Inhaltsverzeichnis

XXXV

!l. Sinn des Wortes Universale. Verhältnis von Gattungs- und Artbegriff . . . . . . . . . . . . . 4. Aristoteles hielt zwei nächste Spezies derselben Gattung für inkompatibel, was eine falsche Theorie der Individuation zur Folge hatte . . . . . . . . . . . . . 5. In Wahrheit hat dasselbe Individuum Anteil an monostoichetischen und heterostoichetischen Differenzen. Die Individuation erfolgt wechselseitig durch heterostoichetische, spezifische Bestimmungen 6. Solche finden sich wie auf substanziellem, so auf akziden. . . . tellem Gebiete . . . . . . 7. Akzidentelle Unbestimmtheit bei substanzieller Bestimmtheit 8. Ob die Unterscheidung substanzieller und akzidenteller Differenzen entbehrlich? 9. Sie ist es nicht, so wahr die Erfahrung die einseitige Abtrennbarkeit gewisser Bestimmungen lehrt, und diese sind es, welche die Individuation geben . . . 10. Ob der Unterschied unbestimmten und bestimmten Vorstellens wirklich, wie § 2 lehrt, ein solcher dem Objekte nach sei? Wieso kann dann dieselbe Sache einer bestimmten und einer unbestimmten Vorstellung entsprechen? - Antwort: man muß zwischen sachlichen und gegenständlichen Unterschieden unterscheiden I I. Substanz und Akzidens sind sowohl sachlich als gegenständlich unterschieden 12. Ergebnis der Untersuchung über die Spezifizierung der Vorstellung nach den Gegenständen als solchen . . . l!l. Die Einteilung in Genus, Spezies und Individuum ist eine solche dem Gegenstande nach. Die Sachen sind immer individuell 14. Gegenständliche Unterschiede stellen nicht notwendig, aber häufig sachliche dar 15. Alle Sachen fallen unter die ganz unbestimmte Vorstellung des Etwas = Dinges = Wesens .

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2. Von den Verknüpfun!!:sweisen gedanklicher Elemente (30. IX. 1908) I. Die Verdeutlichung einer Vorstellung setzt in irgend einem

Sinne Teile darin voraus 43 2. Diese können w1r frei kombinieren, doch sind alle Verknüpfungsweisen ebenso der Anschauung entnommen wie die Elemente 44 3. Von den wichtigsten Verknüpfungsweisen: I. Identifikation, II. Attribuhon, lll. Kontribution, IV. Kopulation, V. Disjunktive Verknüpfung 44 4. Von der Identifikation des Gedachten als Gedachten und der Spezifikation des Bewußtseins dem Objekte nach 45 6. Von der sog. Bewußtseinsadaequation 46 6. Vom symbolischen Denken 47

XXXVI

I. 2. 3. 4. 5.

6. 7.

8. 9. 10. 11. 12. 13.

I. II.

I.

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3. Wesen, Einheit und W eiC:DSteile (28. IX. 1908) Wir haben nur Dinge zum Objekt . . . . . . Wo es anders scheint, handelt es sich nicht um Objekte . Alle sind Wesen . . . . . . . . . . Manches Wesen ist eine Vielheit von Wesen. Dieses Wesen besteht aus ihnen, kommt aber nicht als neues Wesen hinzu Mit Unrecht leugnet Aristoteles, daß Wesen aus Wesen bestehen können . . . . . Wesen heißt nicht soviel wie Eines Es gibt Ganze, die nicht aus einer Mehrheit von Teilen bestehen. Das Akzidens ist ein solches. Es schließt die Substanz ein, aber daß es außer ihr noch einen zweiten Teil enthalte, ist Fiktion . . . . . . . . . . Substanz und Akzidens sind Dinge im selben Sinne des Wortes (gegen Aristoteles) . . . . . . . Individuell dasselbe Akzidens kann nicht zwei Substanzen zukommen . . . . . . . . . . . . . Ob dieser Satz bei Wirken und Gewirktwerden sowie bei den Relationen Ausnahmen erleide? Untersuchung der Fälle unmittelbar wahrgenommenen Kausalzusammenhanges unter diesem Gesichtspunkte. Hier ist dasselbe Subjekt wirkend und leidend . . . . . . . Untersuchung der Fälle hypothetischer Kausalzusammenhänge, wo Wirken und Leiden auf zwei Dinge verteilt sind. Nur das Leiden ist eine reale Bestimmung . . . . . Auch die Vergleichsrelationen unterordnen sich dem Satze. Zwar handelt es sich um eine Mehrheit von Subjekten, der als solcher die (komplexe) Bestimmung zukommt, aber dem einen Teile nach der einen, dem andern nach der ander-=n Teilsubstanz 4. Fiktive Teilungen des Seienden (4. II. 1914) Das Wort Seiendes als Name (für unsern allgemeinsten Begriff) synonym mit Ding . . . Das Wort Seiend, wo es bloß als Name fingiert wird I. Aufzählung von 6 Fällen solcher Fiktion . 2. Die Fiktion der sog. logischen Teile (Abstrakta im Sinne prädizierter Universalien) . . . . 3. Fiktive Teilungen der akzidentell erweiterten Substanz (abstrakte Akzidentien) . . . . . . . . . 4. Fiktive Teilungen der Substanz selbst (substanzielle Materie und Form) . . . . . 5. Fiktive Teilungen der abstrakten Akzidentien (akzidentelle Materie und Form) 5. Das Verhältnis von Teil und Ganzem beim Kollektiv, Kontinuum und Akzidens (16. XII. 1915) Die Eleaten hielten diskrete Vielheiten, neuere halten kontinuierliche für widersprechend .

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2. Wir sc_hauen ab~r Kontinuierliches an, was Widerspruch ausschließt, und d1c:se Anschauung ist sc:lbst ein kontinuierlich Vielfaches . . . . . . S. Vergebens spricht man uns sie ab . . . . 4. Vom Kontinuum sind sowohl das Ganze: als auch die Teile: real (gegen Aristoteles) . . . . . 5. Es kann nicht als eine diskrete unendliche Vielheit gefaßt werden, sondern nur als kontinuierliche Vielheit von Grenzen 6. Die Grc.-nze ist conditio sine qua non für das Kontinuum, und ein unbestimmt kleiner Teil des Kontinuums ist conditio sine qua non für die Grenze . . . . . . • . . . 7. Die Natur der Grenze wird bestimmt durch die Eigenart des Begrenzten. Unterschiede der Teleiose . . . . . . 8. Die: Substanz als Teil des Akzidens. Das primäre Akzidens als Teil des sekundären. Teil hier = Subjekt

6S

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Iß. Von der sog. Intensität des Seienden (Seinsgrade, Seinsstufen) I. Ober unvollkommene Entelechie und Intensität (U. März 1907) I. Aristoteles Lehre von der unvollkommenen Entelechie I. Seine Definition der Bewegung als Wirklichkeit des in Möglichkeit Seienden als solchen . . . . . . . . . 68 2. Erklärung dieser Definition durch Hinweis auf die Unterschiede der Teleiose, welche ein ruhender Punkt gegenüber einem bewegten und der langsamer bewegte gegenüber dem schneller bewegten aufweist . 68 3 Kritik der aristotelischen Definition. Sie trägt, wenn vielleicht einigermaßen der Geschwindigkeit, so doch in keiner Weise der Richtung der Bewegung Rechnung 69 4. Es handelt sich bei der Bewegung nicht sowohl um ein geringeres Maß der Verwirklichung derselben örtlichen Wirklichkeit, als um die Verwirklichung einer wesentlich anderen, die aber durch die Angabe, daß etwas sich durch einen Punkt bewege, nicht ebenso vollständig wie: durch die: Angabe, daß es in ihm ruhe, determiniert wird. In dieser Hinsicht läßt die Bestimmung »Ein Körper bewegt sich durch diesen Punkt« noch unendlich viele Möglichkeiten offen, je: nach der Richtung, in welcher sein momentaner Ort mit früheren und späteren Orten zusammenhängt. Die Folge davon ist aber nicht, daß der bewegte Körper in geringerem Grade: existiert als der ruhende, sondern nur, daß der Begriff ,.hier bewegtoc den Körper weniger vollständig vorstellt als der Begriff »hier ruhend« . . 70 5. Es gibt noch eine andere infinitesimale Variation der Orte:, nämlich diejenige, in ihrem Verhältnis zu den benachbarten Orten. In dieser Hinsicht gibt es quantitative Unterschiede:, die der sog. Plerose; aber auch sie ergeben keine: Herab-

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setzung des Existenzgrades, sondern nur eine Verminderung dessen, was existiert, durch Entfall von Teilen, denn auch der Punkt hat noch Teile . . . . . . . . . 72 6. Ebensowenig sind die Unterschiede der Teleiose (Geschwindigkeit, Krümmungsmaß) solche im Existenzgrade, sondern sachliche 73 II. Ä h n I i c h k e i t d e r h e r k ö m m I i c h e n I n t e n s i t ä t s auffassung mit der Aristotelischen Begriffsb e s t i m m u n g d e r B e w e g u n g. 7. Wie Bewegung unvollendete Wirklichkeit, so wäre Herabsetzung der Intensität minder volle Wirklichkeit. Doch soll Intensität kein Maximum zulassen, während die unvollendete Wirklichkeit der Bewegung kein Minimum hätte . . 74 8. Aristoteles lehrt eine Intensität bei Empfindungen und Phantasmen, nicht aber beim Denken . . . . . . . . 7') i. Wie die schnelle Bewegung, wäre auch die geringere Intensität weniger vollendete Wirklichkeit, doch soll bei dieser das Maximum, bei jener das Minimum fehlen; ferner sollen zwar Intensitätsgrade isoliert auftreten können, nicht aber infinitesimale Bewegungsphasen . . . . . . . . 8. Aristoteles kennt Intensität der Empfindungen und Phantasmen, nicht aber der Begriffe . 111. K r i t i k d e r ü b I i c h e n L e h r e v o n d e r I n t e n s i t ä t 9. Unerklärlichkeit der Zu- oder Abnahme der Wirklichkeit der Qualität ohne Zuwachs oder Verlust von Teilen des Qualitativen . . . . . . . . . . . . 75 10. Versuch, diese Schwierigkeit zu lösen durch die Hypothese besonderer lntensitätsspezies, die als solche weder Orte noch Sinnesqualitäten im engeren Sinne wären 76 11. Aber auch diese hätten Grade, und damit kehrte die 76 Schwierigkeit wieder . . . . . 12. Unnütze Komplikation dieser Hypothese . 76 1.'J. Ihr Grundirrtum: es könne Qualitätsunterschiede ohne jeden sachlichen geben . . . . . . . 77 14. Intensität als Entelechiestufe wäre Größe im uneigentlichen Sinne. Manche definieren diese als Maß des Abstandes vom 77 Nichts . . . . . . . . . . . 15. Was gegen den Satz vom ausgeschlossenen Dritten verstößt 78 16. Auch von verschiedenen Dingen kann man nicht ohne Absurdität sagen, daß das eine mehr als das andere das sei, was es ist . . . 78 17. Die Theorie von Existenzgraden entspricht der ganz fiktiven scholastischen Zusammensetzung der Dinge aus esse und existentia. Absurde Konsequenzen der unvermeidlichen Ausdehnung auf alle krea.türlichen Dinge . . . . . 79 18. Absurde Konsequenzen insbesondere für den, der mit M e inon g Oberzeugungsgrade für Urteilsintensitäten hält . . 79 19. Nachtrag I. Die Lehre von den Existenzgraden ist auch nicht zu retten, wenn man diese mit den Graden der Merklichkeit identifiziert . 80

Inhaltsverzeichnis

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20. Nachtrag II. Ablehnung eines eventuellen Versuches, die Kompression vollkommen dichter Massen als Erhöhung ihres Existenzgrades zu deuten IV. E n g e r Z u s a m m e n h a n g d e r L e h r e v o n d e r multiplen Qualität mit der Lehre von der Intensität 21. Die Intensität einer Mehrfarbe scheint sich als Summe der Intensitäten threr Komponenten darzustellen. Doch könnte man versuchen, die Theorie einfacher Zwischenfarben durch die Analogie zu empfehlen, die zwischen einer Kreislinie und einem Polygon mit sehr vtelen, unmerklich kleinen Seiten bestehe . . . . . . . . . . . . 2~. Sie ließe sich auch atif Tripel und Quadrupelfarben etc. ausdehnen . . . 23. Auch auf das in seiner Zusammengesetztheit am meisten bestrittene Grün . . . . . . . . . . . 24. Sie ist aber doch unhaltbar. Schon aus physiologischen Gründen 25. Auch ist der Vergleich (21) unzutreffend . . . . 26. Die Einfachheit der Zwischenfarbe (z. B. eines Violett) würde die Evidenz, mit der wir eine geradlinige Fortsetzung über die Extreme hinaus (über Blau, bezw. über Rot hinaus) als unmöglich erkennen, ausschließen . . . . . . 2i. Immerhin wäre diese Th~orie nicht, wie die herkömmliche Intensitätslehre, mit dem absurden Gedanken einer Mitte zwischen Sem und Nichtsein belastet . . . 2!>. Wie nach richtiger Auffassung von Intensität und multipler Qualität über Abstände vom Nichts, über Abstände von Qualitäten und die Möglichkeit allmählichen Intensitätsund Qualitätswechsels zu denken ist .

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2. Über Massenintensität, Elastizität und Undurchdringlichkeit (25. I. 1914) . I. Begriff der Massenintensität, erläutert am Falle allseitiger Kompression einer lückenlosen Masse !. Analogie zur Teleiose . . . . . J. Wahrung des Gesetzes der Undurchdringlichkeil 4. Apriorität dieses Gesetzes . . 5. Nur diese erklärt, warum wir zwar qualitativ Verschiedenes bei örtlicher Nähe, nicht aber qualitativ Nahes bei örtlicher Distanz konfundieren . . . . . . 6. Petronjevics verfehlte Deutung der Mischqualitäten

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3. Über Wirkungsintensität (18. III. 1914) I. An spezifisch verschiedene Qualitäten können sich quantitativ verschiedene Wirkungen knüpfen . . . . 2. Bei der Kompression letzter Massenteilchen handelt es sich um qualitative Veränderungen mit quantitativ verschiedenen Wirkungen

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Inhaltsverzeichnis 4. Kants Intensitätllehre

(20. IV. 1916)

l. Sprunghafte Variation einfacher Dinge ist nicht unmöglich 2. K a n t. der nur an kontinuierliche glaubt, lehrt, um Ein-

fachem Teile zu geben, Seinsgnde . 3. Widersprüche seiner Intensitätslehre. Intensität

Wahre

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der

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Zweite Abteilung

Vorentwürfe zur Kategorienlehre I. Zum Verständnis und zur Kritik der Aristotelischen Kategorienlehre I. Grundgedanken und Grundfehler der Aristotelischen Kategorienlehre l. Das Verständnis der Aristotelischen Kategorienlehre ist durch Verwechslung mit der Kantschen gefährdet . . . 101 2. Ihr Grundgedanke ist: es gibt keinen einheitlichen Seinsbegriff, der als höchste Gattung alle Prädikate eines Dinges umfasste. Im eigentlichen Sinne seiend ist nur die Substanz, uneigentlich wird jede andere Kategorie seiend genannt, aber jede in einem andern Sinn . . 102 3. Dies hängt wieder mit seiner Theorie über das Verhältnis von Ganzem und Teil zusammen, die nie zugleich wirklich seien lOS 4. Monoserialer Charakter seiner substanziellen Definition . 104 5 Seine Lehre vom Individuationsprinzip 105 6. Besondere Eigentümlichkeiten seiner Kategorienlehre 106 7. Kritik. Die Grundthese über Ganzes und Teile ist falsch . 106 II. Das Akzidens ist ein einheitliches Reale, wovon die Substanz ein Teil ist. Das Plus des Ganzen diesem gegenüber läßt sich nicht isolieren 107 9. Der Begriff des Seienden ist einheitlich für Substanzen und Akzidentien . . . . . I 08 10. Es gibt Akzidentien von Akzidentien . 108 II. Die äußere Wahrnehmung enthält nur substanzielle Bestimmungen . . . . . . . . . . . . 109 12. Weder die akzidentelle noch die substanzielle Definition ist einreihig. Das wahre Kriterium für reale Einheit ist gegenseitige oder einseitige Unabtrennbarkeit . . . . . . 109 2. Der Sinn der Aristotelischen Kategorienlehre, die Substanz als Prinzip der Individuation (SO. IX. 1914) l. Der moderne Kategorie-Begriff hat keine Verwandtschaft mit dem Aristotelischen . . . . . . . . . . 110 2. Der Grundgedanke des Aristoteles war: das natürliche Subjekt aller Prädikationen ist ein Individuum aus der Gattung Substanz. Je nach der Art, wie diesem die verschiedenen

Inhaltsverzeichnis

XL I

Prädikate zukommen, sind verschiedene Kategorien zu unterscheiden . . . . . . . . . . . . . 110 3. Trotz Fehlern in der Durchführung ist der Grundgedanke bleibend wertvoll. Um jene zu verbessern, muß man diesen verstehen . . . . . . . ll1 4. Insbesondere den Sinn seiner Unterscheidung von substanziellen und akzidentellen Bestimmungen. Jene sind ein111 seitig abtrennbar und geben die Individuation 3. Versuch zur Reform der Aristotelischen Kategorienlehre 1. Bedeutungswandel des Terminus Kategorie. Zunehmende Abkehr von seinem Sinn bei Aristoteles . . . . . . 2. Aristoteles' Untersuchungen über die Kategorien bilden einen Teil seiner Lehre von der mannigfachen Bedeutung des Seienden. Solche Verwendungsweisen, die mit dem Sein im Sinne der Kategorien nichts zu tun haben 3. Die Aristotelische Kategorientafel 4. Irrtümer seiner Lehre . . . . . 5. Versuch einer Verbesserung. Ausschaltung der kollektiven Subjekte . . . 6. Von der Substanz . . . . . . . . . 7. Absolute Akzidentien, die dem Subjekt anhaften . 8. Absolute Akzidentien, die das Subjekt erleidet. Leiden und Wirken . . . . . . . . . . 9. Relative Bestimmungen einer Substanz inbezug auf eine andere 10. Denominationes extrinsecae und intrinsecae . 11. Akzidentien von Akzidentien . . . . . . . . . 12. übergreifen der Kategorie des Leidens auf alles Kontingente 13. Die äußere Anschauung bietet nur relative Akzidentien . . 14. Die innere auch absolute und insbesondere auch sekundäre . 15. Ob der Name Seiendes synonym für Substanzen und Akzidentien? . . . . . . . . . . . . . 16. Sowohl die substanzielle als die akzidentelle Definition ist mehrseitig. Daher für beides verschiedene Arten des Entstehens und Vergehens . . . . 1i. Nachtrag. Verhältnis von Ganzem und Teil beim Kontinuum im Unterschiede von dem beim Akzidens (dem metaphysischen Ganzen) . . . . . . . . 18. Das Seiende im Sinne des Realen ist ein einheitlicher Gattungsbegriff für Substanzen und Akzidentien 19. Wahrer Sinn der Kategorienlehre

II. Von der Substanz insbesondere I. Philosophische Meinungen über die Substanz (1912/13) I. Nach Aristoteles gibt es prädikamentale Serien, deren niederste Spezies nicht individualisiert. Es sind dies Serien akzidenteller Prädikate. Das individualisierende Moment

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XLII

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gehört immer der substanziellen Serie an, doch ist uns diese nur ihrem allgemeinsten Begriffe narh gegeben . 2. Die 9 akzidentellen Kategorien . . . . . . . . 3. Die Scholastik gab aus dogmatischen Rücksichten die Abhängigkeit gewisser Akzidentien von der Substanz auf . . 4.-10. Die Substanztheorien von Descartes, Spinoza, Locke, Leibniz, Kant, Mill, Wundt . . . . . 11. übertragene Bedeutungen des Wortes Substanz

130 132 134 13.5

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2. Ableitung des Substanzbegriffes 1. Erläuterung des Begriffes durch Beispiele von Substanzen 2. Begriffliche Bestimmungen als logische Teile des Dinges . 3. Die Differenzierung des Gattungsbegriffes erfolgt nicht durch einen zweiten, vom Gattungsbegriffe ganz verschiedenen Begriff, denn die Spezies schließt die Gattung ein . . . 4. Dieselb .. Gattung kann sich in mehreren Serien differenzieren. Indem sie dies verkannten, kamen Aristoteles und Duns Scotus zu unrichtigen Individuationstheorien . . . 5. Die Individuation erteilen mehrere letzte Spezies, jede aus einer andern Serie der Differenzierung des einheitlichen Substanzbegriffes . . . . . . . . . . . 6. Es gibt Serien, die zum Bestande der Gattung unentbehrlich sind, während andere entfallen können. Jene sind von diesen nur einseitig trennbar . . . . . . . . . . 7. Unterschied dieser realen einseitigen Trennbarkeil von der bloß begrifflichen der Gattung von der Spezies. Der real einseitig abtrennbare:: Teil heißt Subsistierendes, das Ganze Akzidens . . . . . . . . . . . . 8. Dem Subsistierenden kann anderes subsistieren, aber nicht ins Unendliche. Der letzte subsistierende Teil heißt Substanz 9. Er kann akzidensfrei sein, in welchem Fall die Bezeichnung Substanz nicht eigentlich passend erscheint . 10. Akzidentien fehlen auf physischem Gebiete. Könnte ein Körper denken, so wäre dies ein Akzidens

14.5

J.l6

146 1411 147 148

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150 150

151

3. Substanz und Akzidens I. Ganze mit gegenseitig ablösbaren Teilen. Kontinua .

151

2. Ganzes, wovon nur ein Teil ablösbar. Akzidens das Ganze, Substanz der Teil . . . . . . . . 151 3. Mehrfache akzidentelle Erweiterung der Substanz. Die Seele Substanz . . . . . . . 152 4. Auch die Körper sind Substanzen 153 4. Vom Selbstbewußtsein, vom leb; von der Substanz und ihrer Scheidung in geistige Substanz, körperliche Substanz und \Vesen von beliebiger anderer Zahl von Dimensionen. Vom Selbstbewußtwerden I. Wenn wir uns denkend erfassen, erfassen wir unsere Sub-

stanz, aber nicht für sich allein, sondern eingeschlossen im Denkakt 153

lnhal tsverzeichnis

XLIII

2. Infolge der Verwechslung von Ding an sich Phänomen mit Substanz - Akzidens verkennen manche, daß letzteres in der inneren Wahrnehmung gegeben ist . . 3. Die äußere zeigt uns substanzielle Differenzen. Descartes hielt das Denken irrtümlich für Substanz . . . . . 4. Empirischer Ursprung des Substanzbegriffes. Zwei substanzielle Serien in äußerer Wahrnehmung. Sekundär Akziden. . . . . . . . . . . telles m innerer . 5. Die äußere zeigt ihren Gegenstand individualisiert, die innere nur der Art nach bestimmt, als nulldimensionale Substanz 6. Unter den allgemeinen Substanzbegriff fällt außer Psychischem und Physischem noch Mehrdimensionales anderer uns transzendenter Arten 7. Gründe gegen die Annahme, daß wir geistige Substanz in individuo anschauen 8. Wie wir gleichwohl dazukommen, uns als Individuum zu erkennen . . . 9. Gegen den Semimaterialismus des Aristoteles. In welchem Sinne man von einer Vielheit von Akzidentien desselben Subjektes sprechen kann . . 10. Bedingungen für das Selbstbewußtsein. Der Wille braucht nicht beteil igl zu sein 11. Selbstbewußtsein per se und per accidens

154 15.5 15 7 158

I 59 159

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165

111. Relationen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

1. Von dem zu etwas sich Verhaltenden (8. I. 1915) Aporien inbezug auf das Relative Einteilung der Relativa bei Aristoteles Gegen den dinglichen Charakter der Relativa wird eingewendet, daß sie ohn~ i\nderung des Subjektes verloren gehen . . . . . Wenn nämlich der Terminus der Relation zu bestehen aufgehört hat . . . . . . . Doch soll dies für die Denkbeziehung nicht gelten In Wahrheit gilt es auch für andere Relativa nicht Der richtige Begriff der relativen Bestimmung: eine solche, die man nur vorstellt, indem man etwas in recto und anderes in obliquo denkt . . . . . . . . Im Gegensatz zum Reduktionsversuche Leiboizens bedarf die Aristotelische Kategorientafel der Erweiterung. - Von der Kontinualrelation . . . . Von den bei ihr zu berücksichtigenden Unterschieden der Pierose und Teletose . . . . . Sind die Relativa Realia':' Warum Leibniz sie für entia rationis hielt . . . . . . . . Andere werden dazu durch das Dogma von der Zweigliedrigkeit des Relativen verführt, das auf der Verwechslung mit der Zweigliedrigkeit des relativen Denkens beruht .

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XLIV

Inhaltsverzeichnis

12. Nicht die relative Bestimmung kann

ohne Änderung des Subjektes falsch werden, sondern nur die Anerkennung des Terminus . . 174 13. Substanzielle Relativa 17 5 2. Von Gleichheit und Verschiedenheit und deren Erkenntnis (20. I. 1916) I. Gleichheit und Verschiedenheit inbezug auf bloß Gedachtes

ist grundsätzlich ex terminis erkennbar . . . . . Doch entbehrt unser Vergleichen vielfach der Evidenz . Auch bei Objekten der inneren Wahrnehmung . . Doch kommen auch hier evidente Vergleichungen vor . . Evidentes Unterscheiden verbindet apodiktisches Verwerfen mit assertorischem Anerkennen und Absprechen . fi. Größer-Kleiner 7. Gleichheit . . . . 8. Vergle1chen und Abstrahieren 2. 3. 4. 5.

176 176 177 177 178 178 179 179

3. Ober Gleichheit, Ähnlichkeit, Analogie (20. I. 1916)

I. Die Lehre des Aristoteles von der bloß analogen Gleichheit 180 in verschiedenen Kategorien ist unhaltbar 2. Gleichheit und Ähnlichkeit von Gestalten 180 3. Ähnlichkeit und Analogie 181 4. Vom Begriff der wirkenden Ursache I. Die verschiedenen Bedeutungen des Wortes Ursache

2. Zur Geschichte dieses Begriffes . . . . . . . . .'~. Vier Fälle, wo ein Gewirktes als solches wahrgenommen wird 4. Analyse dieser Fälle . . . . . . . . . . 5. Umfassenderer Gebrauch des Wortes Ursache, der die wirkende Ursache als Sonderfall mit umfaßt. Ausscheidung uneigentlicher Gebrauchsweisen .

I. 2. 3. 4. 5.

6.

5. Das zeitliche Verhältnis von Wirkendem und Gewirktem (23. I. 1914) Wirkendes und Gewirktes dauern zusammen. So auf psychischem Gebiete Ebenso auf physischem . . . . . . . . Dagegen ist das Woraus und Worein bei der Umwandlung nur in zeitlicher Berührung . . . . . . . . Fälle, wo umwandelndes Wirken und Gegenwirken einander paralysieren . . . . . . . . . . . . Bei ruhigem Fortbestand ist der frühere Zustand nicht wirkende Ursache des späteten . . . . . . . . . Als solche kommt das gleichzeitige göttliche Wirken in Betracht. Der notwendige infinitesimale Wechsel im göttlichen Prinzip erklärt die spezifische Gleichheit aller jeweils be-

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191 192

Inhaltsverzeichnis

XLV

stehenden Dinge inbezug auf ihre absolute temporale Bestimmtheit und das Gleichmaß ihrer Variation . . 192 7. Zurückweisung eines anderen Erklärungsversuches . 19.'~ 6. Vom Zeitverhältnis beim Wirken und von der Selbsterhaltung (25. I. 1914) I. Zeitverhältnis von Ursache und Wirkung: a) bei umwandelndem Wirken mit unendlich kleiner Wirkung im Moment . . . . . . . . . 194 b) bei umwandelndem Wirken mit endlich großer Wirkung im Moment . . . . . . . . 195 c) bei einfach gebendem Wirken mit endlich großer Wirkung im Moment . . . . . . . . . . . 195 d) bei einfach gebendem Wirken mit infinitesimaler Anf angswirkung . . . . . . . . . . 195 2. Veranschaulichung des plötzlichen Wirkens von endlich Großem am Stoß unelastischer, des kontinuierlich infinitesimalen am Stoß elastischer Körper . . . . 196 3. Die sog. Ruhe der Dinge in der Zeit ist Fortbestand mit stetigem Wechsel der Temporalbestimmung, der einem notwendigen Wechsel im ersten Prinzip entspricht . 196 4. Auf diesen i~t auch aus anderen Gründen zu schließen . 198 Dritte Abteilung

Die drei letzten Entwürfe der Kategorienlehre Kategorienlehre Erster Entwurf (1916)

I. Von der Vieldeutigkeit der Worte und syntaktischen Fügungen I. Das Nennen als Teil der Rede . . . . . . . . 205 2. Verständlichmachung nicht ins Unendliche durch Definieren möglich . . . . . . . . . . 203 3. Sondern zuletzt durch Gegenständlichmachen 204 4. Vieldeutigkeit und Verschwommenheit machen auch für geläufige Termini Erklärungen nötig . . . . . . . 206 5. Wie unzureichend dafiir die Vorarbeiten der Grammatiker sind, wird am Beispiele ihrer Lehre über die Bedeutung des Wörtchens »sein« erläutert . . . . . . . . . 207 6. Verhängnisvolle· Folge des Obersehens der Vieldeutigkeit des »ist,< für die Metaphysik . . . . . . . . . . 209 II. Von den Arten der Prädikation A. U n e c h t e P r ä d i k a t i o n c n 7. a) Scheinbares Prädizieren, wo einfaches Anerkennen vorliegt 21 0 b) oder nicht einmal dieses (»A ist möglich« etc.) 210 c) denominationes extrinsecae . 210

XLVI

Inhaltsverzeichnis

B. E c h t e P r ä d i k a t i o n e n m i t 1 e t z t e i n h e i t 1 i c h e m Subjekt 8. a) Iohärenzen 211 b) Erleidungen . . . . . . . . . 2ll c) Fälle der Identität bei substanziellem Prädikat 212 9. Untersuchung des Falles, wo Ortsbestimmungen prädiziert werden . . . . 212 10. Untersuchung des Falles, wo Zeitbestimmungen prädiziert werden 212 C. P r ä d i k a t i o n e n m i t e i n e r V i e 1 h e i t i n S u b j e k t und Prädikat 11. Hieher gehört die Bestimmung räumlicher Größe und Gestalt, die Zahlen, etc. 213 111. Von den Erleidungen insbesondere 12. Akzidentelle Erleidungen. Denken = Denken Erleidendes (ohne daß der Charakter der Erleidung unmittelbar zutage tritt) . . . . . . 13. Substanzielle Erleidungen. Substanzen, die fortdauernd gewirkt werden . . . . . . . . . 14. Unterschied der Erleidung von der denominatio extrinseca. Begründung des unter 12 Gesagten . . . . 15. Das Wirken ist als solches kein reales Prädikat . 16. Vergleich der Kausal- mit der Kontinualrelation IV. Vergleich mit der Aristotelischen Kategorienlehre 17. Bisher zutage getretene Abweichungen von dieser . 18. Die Prädikate verschiedener Kategorien sind nicht in verschiedenem Sinne seiend, aber sie kommen der Substanz in verschiedener Weise zu 19. 20.

21. 22.

23. 24.

V. Aporetische Erörterung über das Kriterium für Einheit und Vielheit der Kategorie Vorschlag eines Kriteriums: Derselben Substanz können zugleich nicht mehrere Prädikate derselben Kategorie zukommen Bedenken gegen diesen Satz; dann wären Sehen und Hören Akzidentien verschiedener Kategorie . . . . Versuch, dieses Bedenken abzuwehren durch die Unterscheidung zwischen einer Mehrheit von Akten und einer Mehrheit psychischer Beziehungen Ablehnung dieser Ausflucht. Die Mehrheit gleichzeitiger psychischer Akte ist nicht zu bestreiten . . . . . . Unannehmbare Konsequenzen. zu denen man sonst gdangen würde. (Marty) . . . . . . . . . . . . Das im § 19 aufgestellte Kriterium scheint tatsächlich, in solcher Allgemeinheit aufgestellt, unhaltbar .

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VI. Einheitliche Funktion der Kopula bei echten Prädikationen 25. Ihre Funktion wechselt nicht mit der Verschiedenheit der Kategorie . . . 224 26. Sie ist dieselbe wie die es »ist« im Existenzialsatze . 225

Inhaltsverzeichnis

27. 28. 29. 30. 31.

XLVII

N a c h t r a g z u §§ I 9-2 4 Sind Akzidentien gleicher Kategorie kompatibel? Unvereinbarkeit mag für das physische Gebiet gelten . . Auf psychischem widerspricht ihm die Tatsache einer Vielheit homogener Denkakte . Versuch, es auch hier aufrecht zu halten durch die Leugnung dieser Tatsache . . . . . . . . Erfahrungen, die diese als gesichert erkennen lassen Schlußbemerkung

226 227 228 228 230

Kategorienlehre Zweiter Entwurf (1916)

I. Psychognostische Unzulänglichkeit der Vorarbeiten der Grammatiker I. Unzulänglichkeit der üblichen Unterscheidung des •ist« als . . . . . . . 231 Zeitwort, Hilfszeitwort, Kopula 2. In ihr kreuzen sich zwei Einteilungen, die der Vorstellungen nach dem Temporalmodus und die der Urteile in einfache 232 Positionen und Kompositionen -~- Wie hier bieten die grammatischen Kategori«:>n auch sonst kein getreues Bild der gedanklichen Struktur 2~4 II. Echte und unechte Prädikationen 4. U n e c h t e, b e z w. u n r e i n e Pr ä d i k a t i o n e n a) Einfache Anerkennungen . b) bloße Verwerfungen . . c) Sätze mit modifizierendem Prädikat d) Sätze mit Subjekten, die nicht Dinge nennen e) Denominationes mere extrinsecae . . . f) Verbindungen relativer Bestimmungen des Subjektes mit Anerkennung eines ihm Fremden g) Verbindung relativer Bestimmung des Subjektes mit näherer Bestimmung eines ihm Fremden . 5. E c h t e P r ä d i k a t i o n e n m i t I e t z t e i n h e i t I i ehern Subjekt Sie sind teils substanzielle, teils akzidentelle. Diese wieder entweder . . 6. absolute Akzidentien (Inhärenzen) 7. oder relative Akzidentien. Zu diesen gehören A. die p a s s i v e n A f f e k t i o n e n Von ihnen sind einige Umwandlungen, führen zu emem Werke, unterscheiden sich kategorial, wenn diese Werke nicht demselben genus ultimum angehören . . . . . Ii. Andere passive Affektionen sind nicht Umwandlungen. Diese doppelt relativ, als gewirkt und als denkend . 9. Ob bei ihnen Differenzen des Prädikatsmodus vorkommen? Solche lassen sich weder daraus erschließen, daß nicht alle kompatibel sind, noch daraus, daß sie verschiedene Objekte haben .

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XLVIII

Inhaltsverzeichnis

10. Vielleicht aber solche anzunehmen zwischen passiven Affektionen, die der Substanz unmittelbar und solchen, die ihr mittelbar zukommen. (Primär und sekundär Akzidentelles) 11. Dreifache Relativität der passiven Affektionen, welche Umwandlungen sind . . . . . . . . . . 12. B. Die komparativen Bestimmungen bilden keine besondere Prädikationsweise . . . . . . . . . 13. Auch nicht der Unterschied, daß unter den passiven Affektionen mit letzeinheitlichem Subjekt einige eine kontinuierliche Vielfältigkeit zeigen, andere nicht . . . . . . 14. Substanzielle Prädikate zeigen keinen Unterschied der Prädikationsweise . . . . . . . . . . 15. Warum gewisse Aristotelische Kategorien auszuscheiden sind 16. Echte Prädikationen bei einer Vielheit als Subjekt Größe und Gestalt sind mit der vollen örtlichen Bestimmtheit gegeben. Substanzieller Charakter derselben 17. Substanzieller Charakter der zeitlichen Bestimmtheit

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247

111. Zusammenfassung und Ergänzungen (zum zweiten und dritten Entwurf) 18. Einteilung der Subjekte rein substanziell - akzidentell erweitert letzteinheitliche - vielheitliehe . kausal unabhängige - abhängige Dinl§'e für sich - bloße Grenzen . 19. Einteilung der Prädikate (nach analogen Unterschieden wie bei der der Subjekte) letzteinheitlid, - vielheitlieh . Iohärenzen - passive Affektionen . für sich bestehendes Akzidentelles - als Grenze bestehendes Akzidentelles . . . . . . . 20. Die vollständige Vorstellung eines abhängigen, bczw. grenzhaften Substanziellen oder Akzidentellen schlösse die Vorstellung modo obliquo des erhaltenden Prinzips, bezw. des zugehörigen Ganzen ein . . . . . . . . . . 21. Die komparativ e n Be s tim m u n g e n bilden keine eigene Kategorie. Was sie, abgesehen von den immer dabei beteiligten denominationes extrinsecae enthalten, sind reale universdie Bestimmungen 22. Zu den d e n o m i n a t i o n e s e x t r i n s e c a e sind auch zu zählen das Aristotelische BJ.61'11, die Privationen und Prädikate, wie fähig ·zu etwas, gut etc. . 23. Einheitlicher Sinn der Kopula bei allen Arten von Prädikation, aber verschiedene Weise, wie das Prädikat dem Subjekte zukommt . . . . . . . . . 24. Von den Inhärenz e n kommen dem Subjekt in gleicher Weise diejenigen zu, die sich in einander umwandeln lassen. Uns fehlt, da es sich hier um Transzendentes handelt, der Einblick in diese Unterschiede .

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lnhaltsverzeidmis

XLIX

25. P a s s i v e A f f e k t i o n e n, die Umwandlungen sind, ge-

26. 27. 28. 29.

hören einer anderen Prädikationsweise an als die, die es nicht sind. Jene wieder verschieden bei entsprechender Verschiedenheit der Werke, zu denen sie führen; diese, je nachdem sie primär oder sekundär akzidentell sind . Eine letzteinheitliche Substanz kann nicht zugleich zwei Iohärenzen gleicher Kategorie haben, wohl aber mehrere passive Affektionen . . . . . . . . . . . Offen bleibende Frage, ob sich der Charakter der passiven Affektion unmittelbar verrät und ob sie sich dadurch von der Proterästhese unterscheidet . . . .. . . . Mit dem Akzidens zusammenfallende sachliche Relation des Akzidens zur Substanz. Auch dem Absoluten fehlt nicht jeder relative Charakter . . . . . . Richtiger Kern der Aristotelischen Kategorienlehre .

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IV. Exkurs über die sog. Abstrakta 30. Nur die Konkreta sind wahre Prädikate und echte Namen. Zwei Theorien, wieso es gleichwohl zur Entstehung der Abstrakta gekommen sei . . . . 260 31. Unhaltbarer Versuch, die Abstrakta als Namen zu fassen 262

Kategorienlehre

I.

2. 3. 4. 5.

6. 7.

8.

Dritter Entwurf (1916) Das Vorkommen allgemeiner Vorstellungen ist nicht zu bestreiten, da schon die innere Wahrnehmung voller Bestimmtheit entbehrt . . . . . . . . . . . . Nicht ebenso die äußere. Gesetz der Undurchdringlichkeit der sinnlichen Qualitäten . . . . . . . . Allgemeine Vorstellungen, die durch Abstraktion gewonnen sind, zu der man durch Vergleichen gelangt . . . Diese stellt als allgemeinstes Merkmal den Begriff des Seienden fest . . . . . . . . . . . . Zwei Klassen von Realem: Letzteinheitliche und Kollektive Unterschied von Universale und Kollektiv. Das Universale ein ,.logischer Teil« des Individuums, das Individuum ein sachlicher Teil (Element) des Kollektivs . . . . . . Unterschied zwischen einem kollektiven und einem akzidentell befassenden Ganzen. Dessen letztes Subjekt ist die Substanz. Beispiele dafür sind in äußerer Wahrnehmung die Orte; die innere zeigt uns nicht eine geistige Substanz im besonderen, sondern nur etwas Substanzielles im allgemeinen. Wie wir zur Abstraktion dieses allgemeinen Substanzbegriffes kommen. Kontinua sind keine letzteinheitlichen Substanzen . . . . . . . . . Zum Unterschiede von einem universellen Merkmale in der individuellen Vorstellung wird die Substanz im Modalbefassenden als reales Element unterschieden. Vom allgemeinen Begriff des Ortlichen steigen wir erst vermöge dea

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L

lnhaltsverzeidmis

9.

10. II. 12.

13. I 4. 15.

16.

I 7. I 8. 19.

20.

Vergleiches mit der inneren Wahrnehmung zum allgemeinen Substanzbegriffe auf . . . . . . . . Analog wie im Roten das Hierseiende wird im Denkenden das Wesen unterschieden: nicht wie Gattungsbegriffe, unter die sie fallen, sondern als etwas, was einer anderen Gattung angehört, aber doch von jenen untrennbar ist. Das Rote wird vom Hierseienden ähnlich unterschieden wie im Orange die Rötlichkeil und Gelblichkeit . . . . . . . . . Verkehrte Auffassung von Substanz bei Kant, Locke, Mill, Herbart . . . . . . . . . . . . . Substar.z und Akzidens. Klärung dieser Begriffe durch Abgrenzung gegenüber anderen Teilverhältnissen. Die Akzidentien sind nicht logische Teile . . . . . . . . Einte i I u n g der A k z i den t i e n in Eigenschaften und Erleidungen. Die E r I e i d u n g e n werden nicht nur vom Subjekte getragen, sondern bedürfen auch eines wirkenden Prinzips, das sich aber in seiner Besonderheit nicht merklich machen muß. Beispiele der einen und anderen Klasse . . Die Erleidungen sind teils Umwandlungen, teils bloßer Obergang zu wirklichem Bestande. Zur zweiten Klasse gehört das Denken . . . . . . . . . . . Die E i g e n s c h a f t e n bilden verschiedene Gattungen. Species specialissimae derselben Gattung sind inkompatibel, verwandeln sich aber ineinander Die Erleidungen, welche Umwand I u n g e n sind, differenzieren sich nach den Gattungen der Werke, zu denen sie führen. Werke derselben letzten Gattung sind unvereinbar . . . . . . . . . . . . . . Die Erleidungen, die nicht Umwandlungen sind, sind, auch wenn homogen, miteinander verträglich. Aristoteles, irregeführt durch die Analogie mit den Erleidungen, hielt auch gleichzeitige Erleidungen fiir unverträglich und kommt so in unlösbare Schwierigkeiten . . . . . . . Wie erkennen wir, daß eine gewisse Denkerleidung nicht in uns besteht? . . . . R e I a t i v e B e s t i m m u n g e n. Gemeinsam ist ihnen die Verbindung eines Vorstellens modo recto mit einem Vorstellen modo obliquo . . . . . . . . Eine andere Einteilung der Relationen scheidet sie, je nachdem ob die Existenz des Terminus zum Bestande der Beziehung erforderlich ist oder nicht. Marty's Einteilung in Relationen und relative Bestimmung_en Die u r s ä c h I i c h e n Beziehungen: I. Mater i a I ur s a c h e (innere Ursache im Sinne dessen, woraus etwas besteht) a) Element eines Kollektivs . . b) Subjekt eines Modalbefassenden c) Grenze im Kontinuum . . . d) Elemente eines Modalkollektivs . . 2. Wirkende Ursache (äußere Ursache, wovon etwas gewirkt wird) .

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Inhaltsverzeichnis 3. W o r aus d i e U m w an d I u n g er f o I g t (äußere Ursache, woraus etwas entsteht). Von dieser kein Bei. . . spiel in unmittelbarer Erfahrung . 4. Fiktiv sind F o r m- und Zweckursache . . . . 21. Woher der gemeinsame Name Ursache für alle diese Fälle? 22. Weiterer uneigentlicher Gebrauch, wenn man Naturgesetze Ursachen nennt. Grundgesetze und sekundäre Gesetze. Erkenntnisgrund (quo ad nos und per se) 21l. Sog. causa deficiens .

LI

287 289 292 292 294

Anhang Die Natur der Körperwelt im Lichte der Kategorienlehre I. Die übliche Einteilung der Materie in ponderable und iml'_onderable . . . 2. Transzendenz beider . . . 3. Verschiedene Theorien über die Natur der Materie . 4. Vorschlag einer neuen: Substanz ist nur das Raumkontinuum als sokhes, die materiellen Körper sind dessen Akzidentien 5. Ausblick auf die Lösung moderner physikalischer Aporien, insbcsond~re durch Ermöglichung einer zwischen Undulations- und Emissionstheorie vermittelnden Hypothese 6. Die psychophysiche Wechselwirkung bleibt gewahrt 7. Endliche Größe der Raumsubstanz . 8. Ihre Grenzen Schranken der Dispersion 9. Der Determinismus bleibt gewahrt 10. Schlußwort

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Anmerkungen des Herausgebers

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Namen- und Sachregister

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ERSTE ABTEILUNG

VOM SEIENDEN IM ALLGEMEINEN UND VON DEM ALS SEIEND FINGIERTEN

I. Vieldeutigkeit des »ist« und Einheit des Begriffes Seiendes 1. Das Seiende im eigentlichen und in uneigentlichem Sinne {26. Januar 1914)

1. Der Lehrer kann nicht lehren, ohne von dem, den er belehrt, verstanden zu werden. Indem er nun beim Lehren der Sprache sich bedient, trägt er Sorge, teils Worte anzuwenden, von deren Bedeutung der zu Belehrende unzweifelhaft Kenntnis hat, teils die diesem fremden Worte und Sprachzeichen ihm durch Erklärung in ihrer Bedeutung bekannt und verständlich zu machen. Sichtlich haben die Nominaldefinitionen, welche die Geometer von altersher an die Spitze ihrer Schriften stellen. keinen anderen Zweck. 2. Diesen sprachlichen Erklärungen muß aber der Lehrer einer Wissenschaft Aussprüche folgen lassen, deren Wahrheit unmittelbar gesichert ist, die also feststehen, ohne eines Beweises zu bedürfen, während sie selbst in Verbindung miteinander geeignet sind, andere, die nicht unmittelbar einleuchten, mittelbar einleuchtend zu machen. 3. Diese unmittelbar evidenten Wahrheiten sind von zweierlei Art. Die einen sind Tatsachen, welche von dem zu Belehrenden durch evidente Wahrnehmung erfaßt werden; die andern sind Axiome, welche gewisse Verbindungen als unmöglich verwerfen und deren Richtigkeit, sobald nur der Sinn der Behauptung verstanden und die unmögliche Verbindung vorgestellt ist, unmittelbar erkannt wird. Als negative sind sie allgemein und leuchten in dieser Allgemeinheit ein, ohne daß Erfahrung und In-

4

Worterklärungen in der Metaphysik

duktion vorangegangen wären. Und so nennt man s1e unmittelbare Erkenntnisse a priori'). 4. Was für andere Wissenschaften, gilt natürlich auch für die W e i s h e i t. Auch sie ist ja eine Wissenschaft, die sich nur dadurch von anderen unterscheidet, daß sie nicht bloß die Erkenntnis von Tatsächhchem und a priori Unmöglichem, sondern auch die von positiv Notwendigem uns geben und das, was zunächst als bloß tatsächlich in seinem Daß erkannt war, als mittelbar notwendig erweisen und so in seinem W a r u m begreifen lassen will. So erkennt der Weise schließlich, daß alles, was tatsächlich nicht ist, a priori unmöglich, und daß alles, was tat&ächlich ist, a priori notwendig ist, wenn auch ihm selbst die Erkenntnis solcher Unmöglichkeit und Notwendigkeit nur infolge bloß tatsächlicher Erkenntnisse sich offenbart hat. Man sagt in dieser Beziehung, daß die an und für sich frühere, bedingende Wahrheit für uns die spätere und bedingte sei und die an und für sich spätere und bedingte für uns die bedingende'). 5. Worterklärungen, die an die Spitze einer Weisheitslehre zu stellen sind: I. unter einem S e i e n d e n, wenn man das Wort i m e i g e n t 1 i c h e n S i n n e gebraucht, versteht man ein Ding wie z. B. einen Körper, einen Geist oder ein Topoid von mehr oder weniger als 3 Dimensionen. Dabei kann aber auch der Teil eines Körpers oder Topoids ein Ding genannt werden, und so erkennt man, daß recht wohl auch mehrere Dinge zusammen ein Ding genannt werden können, nur darf man nicht glauben, daß die beiden Teile zusammengefaSt als ein drittes Ding zu zwei Dingen hinzukommen. Zu einer Addition gehört es, daß jeder der Addenden nichts enthalte, was schon in dem anderen Addenden beschlossen war. Darum hat man z. B. von einem Dreieck mit drei Winkeln, nicht aber mit drei Paaren von Winkeln zu sprechen; denn wenn auch der Winkel a zusammen mit dem Winkel b und der Winkel b zusammen mit dem Winkel c, sowie der Winkel c zu-

Seiendes

=

Ding

5

sammen mit dem Winkel a ein Paar zu nennen ist, so ist doch jedes von ihnen von jedem nicht ganz, sondern nur teilweise verschieden. Ebenso kann ein Geist, der den Satz des Widerspruchs denkt, ohne dieses Attribut ebenso gut wie mit dem Attribut ein Ding genannt werden. Allein man würde fehlen, wenn man meinte, man habe e'! hier mit zwei Dingen zu tun. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Denkende den Geist nicht als Teil einschlösse und so als etwas ganz Neues zu ihm sich addieren ließe. Da es mehrere Geister gibt, kann es geschehen, daß zu einem Geist ein den Satz des Widerspruchs Denkender wirklich addiert wird, und daß man dann zwei Dinge hat, aber man hat dann auch zwei Geister. Wenn es Atome 1 ) gibt, so ist jedes Atom für sich ein Ding, und nach dem Gesagten können auch drei zusammen ein Ding genannt werden, das aber dann nicht ein viertes Ding ist, da es aus nichts anderem als den dreien besteht und mit der Setzung eines jeden im einzelnen schon zum dritten Teil mit gegeben war. Auch die Hälfte eines der drei Atome ist ein Ding, und so ist das eine Atom ebensogut zwei Dinge als ein Ding zu nennen. Es kann auch, da jede Hälfte wieder zwei Hälften unterscheiden läHt, ebenso gut wie ein Ding vier Dinge genannt werden u.s.f. ins unendliche. Nicht aber kann ich in Rücksicht darauf, daß das Atom in mannigfachster Weise durch Ebenen in zwei Hälften geteilt werden kann, sagen, daß es aus mehr als zwei Hälften, ja aus unendlich vielen Hälften sich zusammensetze und darum aus unendlich vielen Dingen bestehe, von denen jedes halb so groß sei als es selbst. Wenn ich es mit aller Wahrheit eben~ogut hundert Dinge als ein Ding nennen kann, so doch nur hundert Dinge, von denen jedes hundertfach kleiner ist als das eine Ding, als welches ich das Atom bezeichnen kann. (Diese Ausführung wendet sich ebenso gegen A r i s t ot e I e s wie gegen L e i b n i z, welche beide behaupteten, daß kein Ding aus mehreren Dingen bestehen könne.

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Abstrakta

Aristoteles wurde dadurch dazu geführt, den Teilen eines wirklichen körperlichen Kontinuums keine wirkliche Existenz zuzuschreiben; Leib n i z aber wurde dazu geführt, jeden einzelnen Punkt eines Körpers für ein Ding zu erklären, den Körper aber für eine Menge, die aus der Addition aller dieser Dinge sich ergebe, jedoch selbst kein wirkliches Ding sei. Aber sowohl dies ist unannehmbar, als auch ist es absurd, aus unausgedehnten Dingen eine ausgedehnte Größe erwachsen lassen zu wollen, mag man diese nun des Namens des Dinges würdigen oder nicht.) II. Auch im u neigen t 1 ich e n Sinn wird der Name des Seienden verwendet, und dies sehr mannigfach: a) Die Sprache gestattet, für jedes Konkretum ein Abstraktum zu bilden. Zum Seienden das Abstraktum Sein, zu Körper das Abstraktum Körperlichkeit, zu Geist das Abstraktum Geistigkeit, zu Liebender das Abstraktum Liebe, zu Erkennender das Abstraktum Erkenntnis, zu Gestaltetes das Abstraktum Gestalt usw. Was bezeichnen nun diese Abstrakta? Dasselbe wie die betreffenden Konkreta offenbar nicht•), könnte man sie doch sonst von den Konkretis prädizieren. Auch ergäbe sich dadurch eine ganz unnütze Verdoppelung der Namen. Man bedient sich, um die Beziehung zwischen beiden deutlich zu machen, der Wendung, das Gestaltete sei durch seine Gestalt gestaltet (das Runde z. B. durch seine Rundung rund und der Körper durch seine Körperlichkeit oder Körpernatur Körper). Auch sagt man, daß die Rundung in dem Runden und die Körpernatur in dem Körper sei, und scheint dadurch auf ein Verhältnis von Teil und Ganzem hinzudeuten, wobei das Konkretum als das Ganze, das Abstraktum als der Teil erscheinen würde. Und man hat wohl auch geradezu das Abstraktum den formalen Teil des Konkretums genannt. Weil das Konkretum diesen Teil in sich schließe, sei es das, was ein konkreter Name bezeichnet. Hätte man es nun hier wirklich mit einem Teilverhältnis zu tun, so wäre nichts dagegen einzuwenden, es zu

fiqieren Dingteile

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dem Seienden im eigentlichen Sinn zu rechnen. Allein dies ist tatsächlich nicht der Fall. Eine Teilung des Konkretums in zwei Teile, von welchen der eine dem Abstraktum entspräche und die Form wäre, ist schlechterdings unmöglich. Man hat es mit einer bloßen Fiktion zu tun, die darauf hinausläuft, ein und dasselbe Ding, von dem mehrere Prädikate ausgesagt werden können, aus so viel Teilen bestehen zu lassen, als Prädikate ihm beigelegt werden können. Wie ein Tier behaart ist, wenn Haare einen Teil von ihm bilden, so soll ein Rundes rund sein, weil die Rundung ein Teil von ihm ist. Aber dort sind die Haare ein wirkliches Ding und in Wirklichkeit wie in Gedanken trennbar, dagegen gilt das Gegenteil von der sog. Rundung, die weder für sich sein noch für sich gedacht werden kann. Die Fiktion mag sich vielfach als unschädlich, ja als dienlich erweisen, ähnlich wie wenn die Mathematiker den Kreis wie ein regelmäßiges Vieleck von unendlich vielen Seiten behandeln oder von Parallellinien sagen, daß sie sich in unendlicher Ferne schneiden. Ja, wenn dem nicht so wäre, so würde es zu ihrem allgemeinen Gebrauch nicht wohl gekommen sein. Man kann, was man unter Benützung der Abstrakta ausgedrückt hat, .schließlich in konkrete Worte übersetzen, wo dann nichts Fiktives mehr vorliegt. Leib n i z machte darauf aufmerksam, daß damit eine Menge von Schwierigkeiten, an denen die Scholastiker sich abgemüht, ohne weiteres entfielen. Es ist also sprachlich erlaubt, nicht bloß zu sagen, ein Rundes sei, sondern auch, eine Rundung sei, allein, wenn man von dieser Erlaubnis Gebrauch macht, darf man nicht verkennen, daß von einem Seienden im uneigentlichen Sinn die Rede ist, und daß das Seiende im eigentlichen Sinn, um das es sich hier handelt, nur das Runde ist. h) Statt, ein Denkender denke etwas, kann man auch sagen, es sei etwas als gedacht in ihm. Auch hier hat man es mit keinem Seienden im eigentlichen Sinne zu tun, mag doch der Denkende selbst leugnen, daß das, was er denkt,

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Gedachtes, Wahres, Mögliches

sei. Auch kann Widersprechendes, das schlechterdings unmöglich ist, recht wohl von jemandem gedacht werden. Wie nach dem eben Erörterten nicht die Rundung im eigentlichen Sinne ist, sondern das Runde, so ist auch ein gedachtes Rundes nicht im eigentlichen Sinn, sondern nur der es Denkende. Auch diese Fiktion, es sei etwas auch »als Gedachtes« ein Seiendes, kann sich vielfach als unschädlich erweisen, aber wer sich über ihren fiktiven Charakter täuschte, würde doch schließlich zu den offenbarsten Absurditäten geführt werden. Es handelt sich hier nicht, wie manche meinten, um eine Unterart des eigentlichen Seienden, sondern um etwas, was erst durch Übersetzung in andere Worte, die denselben Gedanken festhalten, so zum Ausdruck kommt, daß ein Seiendes im eigentlichen Sinn mit dem Namen bezeichnet wird, und dieses ist dann, wie gesagt, der das Gedachte Denkende . .Ähnlich wie von dem Gedachten im allgemeinen gilt, was ich hier sagte, natürlich auch im besonderen noch von dem Anerkannten, Verworfenen, Geliebten, Gehassten, Gehofften, Gefürchteten, Gewollten usw. 5 ) c) Wenn einer uns eine Frage vorlegt, so antworten wir oft, um unsere Zustimmung auszudrücken, mit >>Ja«, und wenn uns einer eine Meinung ausspricht, und wäre es auch die, daß etwas unmöglich sei, so antworten wir oft: »Es ist so«. Auch hier hat man es mit einem Seienden im uneigenlichen Sinne zu tnn, wir wollen nicht sagen, daß ein Ding, das er genannt habe, sei, sondern daß wir das, was er gesagt, mag er nun etwas anerkannt oder geleugnet haben, für richtig halten. Man hat dieses Seiende in uneigentlichem Sinn ein S e i e n d e s i m Sinne des Wahren genannt, die Wahrheit aber finde sich, wie man mit Recht hinzufügte, im Urteile, im Gedanken, woraus schon erhe11t, daß der Name des Seienden hier im uneigentlichen Sinn gebraucht wird und eine Rückführung auf andere Ausdrücke nötig ist, um dasselbe so auszudrücken, daß nur d a s seiend genannt wird, was im eigentlichen Sinn i s t, wie z. B. wenn ich

Vcrgangcncs, Zeit, Raum

sage, daß ich ein das Gesagte als richtig Erkennender se1. d) In naher Beziehung zu dem eben Besprochenen steht der Gebrauch des Seienden, wenn man sagt, es sei eine Möglichkeit oder Unmöglichkeit, es sei etwas ein Nichts'). Wer sagt, es bestehe die Unmöglichkeit eines runden Vierecks, scheint wegen des uneigentlichen Gebrauchs des Seienden eine Bejahung auszusprechen, während er in Wahrheit leugnet und als unmöglich leugnet, und zwar leugnet er das runde Viereck. e) Wenn man sagt, es sei etwas gewesen oder zukünftig, so hat man es wahrhaft mit einer Affirmation zu tun, aber auch hier wird nicht etwas als Seiendes anerkannt, sondern statt mit dem Temporalmodus der Gegenwart mit einem Temporalmodus der Vergangenheit oder Zukunft7). Wollte einer statt »Caesar ist gewesen« sagen »Der gewesene Caesar ist«, so würde hier das Wörtchen »ist« in ebenso uneigentlichem Sinne gebraucht wie zuvor in dem Fall, wo einer, statt zu sagen, ein rundes Viereck sei unmöglich, sagte, es sei die Unmöglichkeit eines runden Viereckes. Wiederum wäre eine andere sprachliche Ausdrucksweise ein geeignetes Mittel, sofort die uneigentliche Bedeutung des Seienden hervortreten zu lassen. f) Die erbrachten Beispiele von uneigentl. Gebrauch des Seienden könnten vervielfältigt werden. Wenn man sagt, es gebe eine Zeit, die anfanglos und endlos sei, und wieder, es gebe einen in drei Dimensionen allseits ins Unendliche sich erstreckenden Raum, so ist auf Grund des Gesagten unschwer zu erkennen, daß von einem Seienden im eigentlichen Sinn hier nicht geredet werden kann. Zeit und Raum scheinen unter die Abstrakta zu zählen, und dann ist nicht sowohl eine Zeit als ein Zeitliches, und nicht sowohl ein Raum als ein Räumliches. Eigentlich sollte man von vielen Zeitlichen und Gleichzeitigen und vielen Räumlichen aber räumlich Verschiedenen sprechen. Wer als Vorbedingung für alles Räumliche einen unendlichen Raum bestehend denkt, denkt ihn allerdings als

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Negativa, Fähigkeiten

ein Ding, aber seine Behauptung ist nicht bloß unerwiesen, sondern als falsch und unmöglich darzutun. Auch würde das, was man die Zeit nennt, wenn es wirklich bestände, ein Ding sein. Allein auch hier hat man es mit einer philosophischen Verirrung zu tun. Und wenn es auch wahr sein sollte, daß es ein Wesen gebe, das ist, anfanglos war und immer sein wird und, in steter infinitesimaler Veränderung begriffen, eine solche in allem außer ihm bewirkte und so eine allgemeine Gleichmäßigkeit des zeitlichen Verlaufs als solchen in allem Zeitlichen mittelbar notwendig machte, so wäre dies doch nicht dem entsprechend, was jene unter der Zeit zu denken pflegen•). g) In gewissen Fällen gilt es achtsam zu sein, um irrige Entscheidungen darüber zu vermeiden, ob es sich um ein Seiendes im eigentlichen Sinne handle. So z. B. in dem Satz »Es gibt einen Nichtmenschen«. Man könnte leug· neo, daß ein Nichtmensch im eigentlichen Sinne ein Seiendes zu nennen sei, und sagen, man habe es hier nur mit einem sprachlichen Ausdruck für eine Negation zu tun. Doch dürfte »ein Nichtmensch« eher ein Ding bedeuten, von welchem wir mit Recht leugnen könnten, daß es Mensch sei, ähnlich wie ein Ungesunder einen Lebenden bedeutet, von dem man mit Recht leugnen kann, daß r-r der Gesundheit teilhaft sei. Ein Ding, von welchem ich etwas leugnen kann, ist offenbar ein Ding und wird von mir auch als ein Ding anerkannt. Ja, es werden jenem wohl auch noch reale Besonderheiten zugeschrieben, welche aber zur Folge haben, daß nicht einer, der es Mensch nennt, sondern einer, der leugnet, daß es mit Recht Mensch genannt werden könne, richtig urteilt. Auch wenn man fragt, ob der Satz »Ein Urteilsfähiger ist« von einem Seienden im eigentlichen Sinn spreche, könnte man zunächst geneigt sein, dies schlechtweg zu leugnen, denn Fähigkeit bedeute eine Möglichkeit, wir aber hätten das Mögliche als solches vom Seienden als solchem ausgeschlossen. Näher besehen gilt aber Ähnliches wie im vorigen Falle. Es handelt sich nämlich um ein

Substanz -

Abideos

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Ding, von welchem man mit Recht leugnen kann, daß es seiner Natur widerspreche, zu denken. Und so wird denn hier allerdings ein Seiendes und ein Seiendes von besonderer Beschaffenheit anerkannt, wie es beschaffen ist, aber allerdings nicht direkt angegeben, sondern durch eine Folge, die es für den hat, der ihm das Urteil apodiktisch absprechen will, charakterisiert'). 2. Seiendes im eigentlichen und in uneigentlichem Sinne (2. Februar 1914) I. Das Seiende im e i g e n t 1 i c h e n Sinne. Dazu gehören jedes Ding, jede Mehrheit von Dingen und jeder Teil von einem Ding. Und jede Mehrheit von Dingen und jeder TeiP) von einem Ding ist selbst ein Ding zu nennen. Auch kann man nicht bloß von dem, der ein Ding individuell vorstellt, sondern auch von dem, der es im allgemeinen vorstellt, sagen, er stelle ein Seiendes') vor. Ein Seiendes im eigentlichen Sinne ist nicht bloß jede Substanz, jede Mehrheit von Substanzen und jeder Teil einer Substanz, sondern auch jedes Akzidens. Dieses enthält seine Substanz als Teil, fügt aber keinen zweiten Teil als etwas ganz Neues hinzu, und dasselbe kann auch von einem multiplen Akzidens') gesagt werden, welches tine Substanz, mehrfach erweitert, enthält, aber ohne etwas völlig neu hinzuzufügen'). Und wieder kann dasselbe von multiplen Akzidentien zweiter und höherer Ordnung gesagt werden 5 ). Das Akzidens ist in gewissem Sinne ein anderes Ding als die Substanz, in gewissem Sinne aber wird es von der Substanz und diese von ihm prädiziert. Man muß sich hüten, die Verschiedenheit der Bedeutung zu verkennen: wird die Substanz von einem Akzidens prädiziert, so besagt die Prädikation nicht Identität, sondern Einschließen; wird das Akzidens von der Substanz prädiziert, so besagt sie Eingeschlossensein'). Denn das Subjekt ist nicht gam: dasselbe wie jenes, dessen Subjekt es ist; dagegen ist die-

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Kontinua sind keine Punktmengen

ses auch kein eigentlich zweites Ding neben ihm, denn um ein zweites im eigentlichen Sinne zu sein, dürfte es das erste nicht als Teil in sich begreifen. Wollte einer eine Vielheit von Dingen nicht als Seiendes im eigentlichen Sinne gelten lassen und bestreiten, daß eine Vielheit von Dingen selbst ein Ding im eigentlichen Sinne sei, so müßte er auch bei einem räumlichen Kontinuum an diesem Gedanken festhalten und käme dann entweder mit Ar ist o t e 1 es zu der Meinung, daß durch die Vernichtung des kleinsten Teils eines Kontinuums das Ganze allen seinen übrigen Teilen nach substanziell verwandelt werde, oder zur Ansicht von L e i b n i z, wonach nur die Punkte im eigentlichen Sinne wären. Aus Punkten aber kann man kein Kontinuum zusammensetzen, indem man im einzelnen einen Punkt zum andern fügt. Nur das, was man ihre kontinuierliche Zusammensetzung nennen könnte, ist möglich, nämlich daß sie verbunden sind durch Zugehörigkeit zum selben Kontinuum. Dies dürfte aber besagen, daß keiner losgelöst etwas ist, ja losgelöst auch nur gedacht werden kann. Denke ich das äußerste Ende eines Konus, so heißt das, ich denke einen Teil von ihm, welcher keinen über sich hat und über dessen Größe nichts bestimmt ist, so daß er kleiner gedacht werden kann als jeder gegebene. Hinsichtlich der zeitlichen Ausdehnung gilt ebenfalls, daß kein zeitlich Punktuelles losgeiöst von jedem Zusammenhange mit Früherem oder Späterem sein kann. Es dürfte richtiger sein, zu sagen, ein zeitlich Ausgedehntes bestehe einem Punkte nach, als, ein zeitlich unausgedehnter Punkt bestehe. Man kann vielleicht sagen, der Begriff des Seienden im eigentlichen Sinne decke sich mit dem des Gegenwärtigen~). Jedes Gegenwärtige sei aber ein zeitlich Ausgedehntes, welches einem Momente nach gegenwärtig sei und sei. 11. Neben dem Seienden im eigentlichen Sinne ist ein Seiendes m u n e i g e n t 1 i c h e m Sinne zu unter-

Seiendes im Sinne des Wahren

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scheiden. Bei ihm gilt es zu verweilen, um es in seinen noch immer mannigfachen Bedeutungen zu bestimmen und zu zeigen, wie es zu solchen Hom>Caesar ist«. Sie erfolgt mit anderem Temporalmodus. Damit meine Behauptung >>Caesar ist gewesen« wahr sei, muß Caesar nicht sein. Gewesen ist kein Prädikat, das zu Caesar hinzukommt und in der Vereinigung mit ihm anerkannt wird. Es mag aber einer der Ausdrucksweise >>Caesar ist gewesen•Ein gewesener Caesar ist« substituieren. So erscheint der gewesene Caesar als ein Seiendes, aber in ganz uneigentlichem Sinne. Und natürlich hätten wir es auch und umsomehr mit einem Seienden im uneigentlichen Sinne zu tun. wenn einer sagte '>Das Gewesensein des Caesar ist>Ich sehe ein Farbigesentweder mit diesem oder mit jenem Attribut versehen« denke. Es erschei.1t als »mit einem von beiden« Akzidentien verknüpfF). Der sprachliche Ausdruck für die Addition wird durch die Konjunktion »und« hergestellt. Der für die Attribution und für die Identifikation durch Eigenschaftswörter und Appositionen. Eine denkende Seele - Attributionsverhältnis. Ein rotes Farbiges - ldentitätsverhältnis. Ein Tiger-Tier - Identifikation. Ein König-Narr - Identifikation und Koattribution. 4. Eine besondere Aufmerksamkeit verdient der Fall, wo etwas Psychisches vorgestellt wird, weil hier das, was Objekt ist, selbst als etwas vorgestellt wird, was ein Objekt hat, und darum dieses Objekt in seiner Eigentümlichkeit die Eigentümlichkeit des Psychischen mitbestimmt. Indem eine psychische Tätigkeit als auf ein anderes

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Identifikationen

Objekt sich beziehend gedacht wird, wird eine andere psychische Tätigkeit gedacht. Stelle ich mir ganz allgemein einen irgendetwas Denkenden vor, so kann ich dadurch, daß ich dieses Etwas identifiziere, das Denkende als Denkendes spezifiziert denken8 ). Allein ich kann auch diese Identifikation vollziehen, ohne das Denkende als Denkendes spezifiziert zu denken, weil ein und dasselbe Reale, mehrfach Objekt werdend, unter mehrere Begriffe fallen kann. (Dasselbe Ding ist ein Mensch und ein Lebewesen.) Nur wenn ich, nachdem ich sagte »Ein etwas Denkender«, dieses Etwas, i n s o w e i t e s d e n G e g e n s t a n d d e s B e g r i f f e s a u s m a c h t, identifiziere, erscheint das Denkende spezifiziert. Ich denke dann z. B.. daß einer etwas als Menschen denke. Wenn ich aber das Etwas, das einer denkt, nicht insofern er es denkt, sondern an und für sich identifiziere, dann erscheint das Denkende nicht spezifiziert•). Z. B. wenn ich mir etwas Rotes denke, das einer als Farbiges denkt. Ich denke dann ein FarbigesDenkendes und ein diesem Farbiges-Denkenden korrespondierendes Farbiges, das ich mit dem Roten identifiziere. Es liegt also eigentlich hier sowohl eine Addition als eine Identifikation vor10). Ja, man könnte sagen11 ): noch mehr als dieses, indem nämlich das Farbiges-Vorstellende und ein Farbiges in einer Art Obereinstimmung12 ) mit einander gedacht werden, was eine relative Attribution18) sowohl von dem Farbiges-Denkenden als von dem betreffenden Farbigen einschließt. Auch hier unterliegt der sprachliche Ausdruck leicht Zweideutigkeiten. 5. Wir müssen nun fragen, ob in dem eben besprochenen Falle, wo wir eine Addition und Attribution von r e 1 at i v e n B e s t i m m u n g e n vor uns hatten, eine besondere Art von Verknüpfung vorliegt, die in dem Vorhergegangenen noch nicht besprochen worden ist. Vielleicht kann man dies leugnen, muß aber dann umsomehr darauf achten, daß die Relation der Obereinstimmung mehrfache, merkwürdig verschiedene Modi aufweist.-). Denn die Obereinstimmung zwichen dem, der

Die sog. Bewußtseinadäquation

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einen Hund denkt, und einem Hunde ist eine ganz andere als die eines Pudels mit einer Dogge. Aristoteles sagt, auch die Heilkunst sei in gewisser Weise die Gesundheit und der schöpferische Gedanke Gottes gewissermaßen das geschaffene Ding. Er sagt das, um seine allgemeine These, nach welcher ein in Wirklichkeit Seiendes früher ist als ein in Möglichkeit Seiendes aufrecht zu erhalten, und mit dem »gewissermaßen« deutet er auf eine gar mächtige Differenz hin, denn nur ein das zu schaffende Ding Denkendes ist in Gott. Daß das Ding selbst in ihm sei, ist eine Fiktion, in der sich der sprachliche Ausdruck gefällti•). Indes muß man allerdings noch näher sagen, daß das Denkende diese Obereinstimmung vermöge jener Eigentümlichkeit zeige, die ihm in der Serie der gegenständlichen Spezifikationen des Denkenden zukommt' 8 ). lnfolge dieser eigentümlichen Übereinstimmung, die zwischen einem ein Ding Denkenden und diesem Ding besteht, kann dann auch ein Denkendes mit einem andern in Obereinstimmung gesetzt werden. Doch ist dies dann, genau besehen, eine Obereinstimmung derselben Art, wie sie sonst zwischen einem wirklichen Dinge und einem andern statthat. Selbst wenn beide individuell dasselbe denken, sind sie dadurch nicht mehr als spezifisch gleich, und diese Obereinstimmung in der Serie der Gegenständlichkeit besteht dann auch noch fort, wenn das Denken des einen in anderer Weise auf dasselbe Objekt gerichtet ist 17 ), als das des andern. Wenn einer distinkt denkt, was der andere konfus denkt, so besteht auch noch Übereinstimmung, allein nur für einen Teil des Denkens. Begreift doch das distinkte Denken das konfuse mit in sich und fügt nur weitere Denktätigkeiten hinzu. 6. Man hat auch gefragt, ob einer, der 12 denkt, dasselbe denke wie einer der 7 + 5 denkt? Antwort: wenn beide deutlich denken, so üben sie dieselbe Denktätigkeit, aber gemeiniglich denkt man nicht diese Zahlbegriffe und noch viel weniger höhere deutlich,

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Symbolisches Denken

vielleicht sogar nicht einmal konfus, da ja die bloß konfus gedachten Begriffe ohnedies nichts nützen würden, sondern substituiert ihnen den Gedanken »eine Zahl, welche uach unserer (dekadischen) Nomenklatur diese oder jene sprachliche oder ziffernmäßige Bezeichnung erhalten hat«. Indem man diese Surrogatbegriffe denkt, führt man auch die Rechnung aus und erreicht damit aufs beste seine Absicht, wie ja oft auch und mit noch größerer Sicherheit mit Hilfe einer Rechenmaschine. Leibniz hat solche substituierte Begriffe »symbolische Ideen« genannt19 ). 3. Wesen, Einheit und Wesensteile (28. September 1908)') l. Alle unsere psychischen Tätigkeiten beziehen sich auf Dinge, haben Dinge irgendwie zu Objekten. So denn auch unsere Urteile und Erkenntnisse. Sie haben sie aber mehrfach zu Objekten, bald indem sie an sie glauben, bald indem sie sie leugnen, bald indem sie sie als irgendwie vergangen oder zukünftig anerkennen oder in Abrede stellen. Auch können sie direkt oder indirekt, in recto oder in obliquo, sie zu Objekten haben, wie z. B. einer, der einen Gottesleugner denkt, auch Gott gewissermaßen zum Objekte hat. Erkennt einer, daß in ihm aus der Vorstellung eines Urteils, das P von S prädiziert, mit Evidenz die Einsicht in die Absurdität dieses Urteils entspringt, so denkt er auch S und P in obliquo, und wir sagen, er erkenne, daß ein P seiendes S unmöglich sei. 2. Wie die Mathematiker eine Subtraktion zuweilen als Addition einer negativen Größe darstellen, so geschieht es auch in der Volkssprache, daß eine Negation wie eine Affirmation mit negativem Objekte ausgedrückt wird. Statt: »Ich leugne Gott« oder: »Ich leugne, daß Gott sei« kann auch gesagt werden: »Ich glaube an die Nichtexistenz Gottes«. Statt: »Karl wird König sein« könnte einer auch sagen: »Karl ist ein künftiger König«. Statt: »A ist un-

Nur Dinge können Objekt sein

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möglich« auch »Es besteht die Unmöglichkeit von A«. Dies kann dazu verführen, die Nichtexistenz oder Unmöglichkeit von etwas oder einen zukünftigen König für Dinge zu halten oder zu glauben, daß noch anderes als Dinge Objekt sei. Beides wäre falsch. Ein Nichtsein, eine Unmöglichkeit, ein zukünftiger König - nichts davon ist ein Ding; sie sind aber auch nicht Objekte unserer psychischen Tätigkeiten, vielmehr ist das wahre Objekt jenes Ding, das bei dem vermeinten Glauben an sein Nichtsein oder seine Unmöglichkeit geleugnet wird und bei der angeblichen Anerkennung seiner Zukünftigkeit mit einem besonderen Temporalmodus für tatsächlich gehalten wird. Auch ein gedachter Mensch ist kein Ding. Wenn darum einer sagt, es gebe zwar keinen Zentauren, wohl aber einen gedachten Zentauren, so darf man sich durch den sprachlichen Ausdruck nicht verführen lassen. Das Ding, das anerkannt wird, ist nicht ein gedachter Zentaure, sondern ein einen Zentauren Denkender. Das Scheinobjekt »gedachter Zentaure« enthält daher auch das, was man seine Individualisation nennen könnte, durch Angabe dessen, der den Zentauren denkt, nicht durch Benennung des Zentauren. Denke ich und Du den Zentauren Chiron, so scheint ja der gedachte Zentaure zweimal zu bestehen, also wie eine Art Universale. Andererseits erhält der allgemeine Begriff des Pferdes ohne n:ihere Bestimmung über das Pferd selbst (z. B. daß es Bukephalos sei) jene Individualisation, sobald nur eben hinzugefügt wird, wer ihn in dieser Allgemeinheit denke. Ich, der ich einen gewissen allgemeinen Begriff denke, bin ja eben nicht selbst ein allgemeiner Begriff, sondern etwas individuelles Wirkliches. 3. Wer sich so hütet, etwas, was nicht wahrhaft Objekt ist, mit wahren Objekten zu konfundieren, erkennt die Zugehörigkeit aller Dinge zu ein und derselben Gattung. Sie sind Wes e n 2 ). 4. Manche von diesen \Vesen haben Teile, welche ebenfalls Wesen sind, und zeigen sich so als eine Vielheit

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Kollektive als Objekte

von Wesen. So ist ein Paar Ochsen ein Wesen, das aus mehreren Wesen zusammengesetzt ist. Manche wollten eine. solche Mehrheit von Ochsen nicht als ein Wesen gelten lassen. Sie meinten, es handle sich um das Wesen des einen Ochsen und um das Wesen des anderen Ochsen. Auf diese beziehe sich ein gewisses Denken, und darauf lasse man sich verführen, die besondere Eigentümlichkeit dieses doppelt gerichteten Denkens mit dem Vorhandensein eines besondern dritten Objektes zu verwechseln, ganz ähnlich wie man aus dem zukünftigen König ein solches besonderes Objekt machen wollte. In der Tat wäre es eine sonderbare Rechnung, hier zu den zwei Wesen, die einzelne Ochsen sind, dasjenige, das zwei Ochsen ist, zu addieren und dann von drei Wesen zu sprechen. Das wäre ähnlich verkehrt, wie wenn einer. weil ein Apfel in verschiedenen und beliebig vielen Richtungen halbiert werden kann, auf die Frage: »Wie viel halbe Äpfel habe ich?« zur Antwort bekäme: »Mehr als tausend«, woraus zu folgen scheint, daß er mehr als fünfhundert Äpfel in seiner Hand halte. Bei der Addition der Hälften muß jede Hälfte etwas in allen Teilen Neues sein, und so denn auch bei der Addition der Wesen keiner der Addenden etwas von dem anderen enthalten, während hier in dem Paar Ochsen der eine und der andere enthalten ist. Gleichwohl bleibt es wahr, daß jede Apfelhälfte, mag der Schnitt in dieser oder jener Richtung gedacht werden, eine wahre Apfelhälfte ist, nur eben nicht eine ganz andere als eine durch einen andern Schnitt gewonnene. Ähnlich sind auch die zwei Ochsen ein Wesen, nur nicht ein ganz anderes Wesen als der eine oder andere Ochse. Wir werden also sagen müssen, auch eine Mehrheit von Dingen ergebe ein Ding, aber es gebe eben Dinge, die mit anderen verglichen sich weder als ganz dieselben noch als ganz andere erwiesen, sie seien teilweise dieselben, womit das Paradoxon C a n t o r s, der von zwei Äpfeln, die er einer Versammlung von Mathematikern zeigte, behauptete,

Aristoteles Irrtum bez. der Kollektive

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daß sie unendlich viele Dinge außer dem einen und andem Apfel seien, eine einfache Lösung findet 3 ). 5. Freilich möchte sie vielleicht mancher auf den ersten Blick in ganz anderer Weise suchen, indem er in Abrede stellt, daß eine Mehrheit von Wesen selbst ein Wesen sei. Auf keinen geringeren als A r i s t o t e I e s könnte er sich dabei berufen. Zwei von einander getrennte Körper hielt dieser darum nicht für ein Wesen, außer der Möglichkeit nach, weil sie, in Kontinuität gebracht, zu einem Körper und dann auch zu einem Wesen werden könnten. Ebenso wollte er von den Teilen eines einzigen zusammenhängenden Körpers nicht zugeben, daß jeder ein wirkliches Wesen sei. Der Teil sei nur der Möglichkeit nach ein Wesen, insofern er nämlich durch die entsprechende Zerteilung des einheitlichen Körpers zu einem Körper für sich und damit zu einem wirklichen Wesen werden könne. Eine ganz unhaltbare Theorie! Wenn ein gewisser Körper mit einem andern in Kontinuität gebracht wird (ohne seinen Ort zu verändern), so erfährt er überhaupt keine Änderung. wie sollte er also aufhören, ein wirkliches Wesen zu sein')? Ebenso bliebe, wenn ein Körper keine andere Veränderung erlitte als die Vernichtung einer seiner Hälften, die andere ganz unverändert, wie sollte sie also jetzt ein Wesen sein, wenn sie es nicht schon vorher war? Was aber von den Hälften gilt, gilt auch von den Hälften der Hälften in infinitum. Die Teilungen führen niemals zu letzten unteilbaren Einheiten. In bloße Punkte kann man einen Körper nicht auflösen und aus Punkten keinen zusammensetzen; ja es ließe sich sogar noch zeigen, daß die einzelnen Punkte (im Gegensatz zu dem, was Euklid glaubte) noch ins Unendliche Teile unterscheiden lassen*). 6. Der Begriff »Wesen« ist nicht derselbe, wie der Begriff >>Eins«. Wer Eins denkt, denkt negativ, insofern er eine Vielheit leugnet. Wer einen Menschen als e i n e n *) Ähnlich wäre ein Leben, wenn seine zweite Hälfte entfiele:, seiner ersten nach unverändert; auch bei ihm aber wären auf die&e Wc:ise ins Unendliche Halbierungen denkbar>).

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Einheit -

Vielheit

bezeichnet, vergleicht ihn mit einem Objekt, worin mehrmals ein Mensch gefunden wird, und leugnet, daß auch bei ihm solches möglich sei. So ist der Begriff des Einen') ein anderer als der des Wesens. Er ist auch keine Spezies des Begriffes Wesen, so daß etwa die Wesen in Wesen, die e i n Wesen und solche die eine Vielheit von Wesen seien, zerfielen. Da es sich bei Einheit und Vielheit um Scheidungen handelt, die selbst in mehrfacher Weise vorgenommen werden können und auch so, daß dabei an den Dingen gar nichts geändert wird, indem wir bloß mit dem Verstande unterscheiden, so kann man, solange eine Unterscheidung nicht gemacht worden ist, aber gemacht werden kann, mit Recht sagen, es sei eine Vielheit nur in Möglichkeit, in Wirklichkeit aber eine Einheit, und doch anerkennen, daß vor und nach der Scheidung ganz dasselbe Reale vorhanden war. Wenn also von einem Körper die Mitte vernichtet würde, während die beiden Enden getrennt bestehen blieben, so kann man sagen, sie seien in Möglichkeit zwei gewesen und seien es jetzt erst in Wirklichkeit und nur noch in Möglichkeit ein Körper7 ). Verkehrt dagegen wäre es, zu sagen, was jetzt real sei, sei früher nicht wirklich real gewesen. Und da auch vor der Vernichtung des mittleren Teiles die beiden Extreme mit bloßem Verstande unterschieden werden konnten, so hätte man, sobald nur dies geschehen, von ihnen bereits als von zwei Körpern und von zwei Realen sprechen können. Dabei wäre es zu gleicher Zeit recht wohl denkbar, daß ein anderer, der diese Unterscheidung nicht machte, ohne zu irren, das Ganze als e i n e n Körper und als e i n Reales faßte 8 ). Vielleicht dienen diese Bemerkungen dazu, noch besser zu zeigen, daß die Frage, ob Reales wirklich gegeben sei oder nicht, ganz unabhängig ist von der Frage, ob eine Einheit oder eine Vielheit wirklich gegeben sei. M. a. W. die Abgrenzung von Realem gegen Reales erzeugt nicht Reales und die Aufhebung der Abgrenzung hebt Reales als Reales nicht auf.

Substanz Teil des Akzidens

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7. Substanz und A k z i den t i e n. Unter den Wesen, welche Teile zeigen, finden sich einige, deren Ganzes sich nicht aus einer Mehrheit von Teilen zusammensetzt; es erscheint vielmehr als eine Bereicherung t'ines Teiles, aber nicht durch Hinzukommen eines zweitt'n Teiles. Eine denkeiMe Seele bietet dafür ein Beispiel. Sie hört auf denktätig zu sein und bleibt dieselbe Seele, wenn sie aber wieder denktätig wird, so kommt kein zweites Ding zu dem Wesen, welches die Seele ist, hinzu, also nicht so, wie wenn ein Stein zum andern gelegt wird oder ein Körper auf sein doppeltes Maß vergrößert wird, der dann aus zwei Dingen besteht, wovon eines, das den Zuwachs bildet, so wenig das andere enthält als umgekehrt. Dort dagegen schließt das Denktätige sachlich die Seele ein, ähnlich wie begrifflich die Differenz Rotes den Begriff Farbiges einschließt. Vielfach wurde dies verkannt, man glaubt, daß zu dem Ding Seele das Ding Denktätiges hinzukomme. Alle sog. abstrakten Namen haben, scheints, in dieser Fiktion ihren Grund. Man darf die Denktätigkeit, abstrakt gefaßt, aber ebensowenig für ein Ding halten wie den gedachten Menschen oder den zukünftigen König8 ). 8. P l a t o n hatte den Begriff des Dinges für allgemein einheitlich genommen und zwar mit Recht, während A r i s t o t e l e s durch die Rücksicht auf die Akzidentien verführt wurde, die Einheit des Dingbegriffes zu leugnen. Ein Akzidens, sagte er, sei in anderem Sinne ein Ding als eine Substanz. Dies hängt in gewisser Weise mit dem zusammen, was wir ihn über Einheit und Vielheit sagen hörten. Eine Vielheit von Dingen ließ er nicht als ein Ding in Wirklichkeit gelten, und Körper, die Dinge sind, sollten aus Teilen bestehen, die nur in Möglichkeit Dinge sind. Gemäß dieser Lehre über das Verhältnis von Teil und Ganzem hätte er, falls ihm das Akzidens im selben Sinne als ein Ding erschienen wäre wie die (akzidensfreie) Substanz, lehren müssen, daß die Substanz, solange sie in einem Akzidens eingeschlossen ist, nicht in Wirklichkeit,

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Synonymes Sein für alle Kategorien

sondern bloß in Möglichkeit bestehe. Dazu aber konnte er sich nicht entschließen. Die Substanz des Hörenden galt ihm während des Hörens ebensogut als ein Ding wie nach dem Hören. Wie also sollte er das Akzidens als dasselbe Ding betrachten? Unmöglich! Sollte er es als eine Zweiheit von Dingen ansehen, von denen eines die Substanz ist? Wenn dies, so doch nicht als eine Zweiheit von Dingen im seihen Sinne, da ja nur das eine für sich ein Ding ist, das andere nicht sein kann noch gedacht werden ohne Einschluß der Substanz. So kam er denn zu der Lehre, das Akzidens sei nicht sowohl ein Ding als »etwas von einem Ding« und werde »Ding« genannt wegen dieser Beziehung zu dem Ding, von dem es etwas sei d. h. inbezug auf die Substanz. Ja, er ging soweit zu sagen, das Akzidens werde ähnlich uneigentlich ein Ding genannt wie die Speise oder ein Spaziergang oder eine Arzenei »gesund« genannt würden, die einen, weil sie die Gesundheit des Leibes erhalten, die andere weil sie sie herstellt 10 ). Wir selbst nennen Akzidens und Substanz ein Ding im seihen Sinne und können dies gegen Aristoteles damit verteidigen, daß wir ja auch unser Recht erwiesen haben, ein Ganzes, das ein Ding als Teil enthält, ja aus einer Vielheit von Dingen besteht, selbst ein Ding, ein Wesen zu nennen. Daß die Substanz und das Akzidens zusammen eine Vielheit von Dingen seien, darf man aber keineswegs sagen*), sondern nur, daß die Substanz ein Ding sei und daß die akzidentell erweiterte Substanz ein Ding sei, aber kein ganz anderes Ding als die Substanz, so daß sich keine Addition von eins zu eins, die zu einer Vielheit führte, vollziehen läßt. 9. Ein individuelles Akzidens, das einer individuellen *) Es ist der Fall in dieser Beziehung wesentlich wie der, wo man fragt, ob, weil ein Apfel ein Ding sei und ein zweiter auch ein Ding sei, und ebenso die beiden Äpfel zusammen ein Ding seien, man sagen dürfe, daß man hier drei Dinge habe. Oder ob man, weil der Apfel gerade und quer geteilt Hälften habe, sagen könne, er bestehe aus vier Hälften.

Individuation der Akzidentien durch die Substanz

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Substanz zukommt, kann nicht einer ganz anderen individuellen Substanz zukommen. Wie die Substanzen zwei sind, so auch die Akzidentien, indem bei sonstiger Gleichheit die in ihnen enthaltenen differenten Substanzen sie von einander differenzieren. Wie steht es nun aber mit Akzidentien von Akzidentien? Könnte es da geschehen, daß ein sekundäres Akzidens einer Mehrheit von Akzidentien zukommt, während es selbst eines ist? Man könnte als Beispiel auf ein Urteil verweisen, welches einen Begriff vom anderen prädiziert, oder vielleicht auch schon auf die Vereinigung von vorgestellten Merkmalen als Attributen in einer zusammengesetzten Vorstellung 11 ). Dieses vorstellende Identifizieren scheint als Akzidens zwei Akzidentien, das Vorstellen des einen und das des anderen, zum Subjekte zu haben 12 ). Der Unterschied gegenüber dem, was sich bei Akzidentien mehrerer Substanzen zeigt, könnte darauf beruhen, daß mehrere Substanzen zusammen eine Vielheit ergeben, mehrere Akzidentien derselben Substanz aber nur eine Vielfältigkeit, welche die Einheit bestehen läßt 13 ). 10. Indes könnte einem das Bedenken kommen, ob nicht doch unter den Akzidentien sich solche fänden, welche zugleich in mehr als einer Substanz seien, und zwar mit Rücksicht auf die Fälle von Wirken und Leiden und auf die Relationen überhaupt. Wir sagen, e i n e Ähnlichkeit bestehe zwischen zwei Dingen, und vom Wirken und Leiden behauptet wenigstens Aristoteles, daß sie ein und dasselbe seien, wie denn in der Tat die Sätze »B wird von A gewirkt« und >>A wirkt B« dasselbe zu sagen scheinen. So würde in allen diesen Fällen dasselbe Akzidens zwei Dingen zugeschrieben, wenn auch in anderer und anderer Weise. ll. Untersuchen wir die Sache etwas genauer, so müssen wir, was Ursache und Wirkung anlangt, auf die Fälle blicken, in welchen uns eine Verursachung anschaulich vorliegt. Wir finden solche nur auf innerem Gebiete,

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Ob e i n Akzidens mehreren

wie z. B. wenn wir erkennen, daß wir ein Urteil als Schluß aus gewissen Prämissen gewinnen. Wir bemerken, daß es uns nicht bloß n a c h den Prämissen, sondern a u s ihnen einleuchtet. Wir selbst, insofern wir die Prämissen denken, erscheinen als Wirkende; insofern wir den Schlußsatz aus ihnen erkennen, als Leidende und Gewirkte. Offenbar wird mit dem Auftreten des Schlußsatzes an den Prämissen nichts geändert. Dagegen haftet uns, insofern wir den Schlußsatz urteilend denken, eine Modifikation an, welche verloren geht, wenn wir dann das Urteil noch länger im Gedächtnis festhalten, ohne mehr an die Prämissen zu denken und aus ihnen zu schließen. Das Urteil war evident und motiviert, jetzt hat es Motivierung und Evidenz verloren. Um ihretwillen erschien uns der Schlußsatz als gewirkt, und wenn wir daraufhin auch sagten, die Prämissen seien wirkend, so sagten wir nichts Neues mehr. Das eigentliche Subjekt der akzidentellen Bestimmung, um die es sich handelt, ist also der den Schlußsatz Denkende als solcher, nicht der die Prämissen Denkende, obwohl in dem Akzidens ein Hinweis auf "diese Prämissen gegeben ist. 12. Nach Analogie der Erfahrungen, die wir in unserem lnnern von einem Verursachtwerden machen, nehmen wir hypothetisch in vielen Fällen regelmäßiger Aufeinanderfolge, wo die Verursachung nicht unmittelbar in die Erscheinung tritt, ebenfalls eine solche an, und die Hypothese mag eine hohe, ja unendliche Wahrscheinlichkeit gewinnen. Und dabei handelt es sich gar oft um Verursachungen, wo die Wirkung in einer, die Ursache in einer andern Substanz liegt, wir müssen aber dann noch ganz so wie in jenen Fällen der inneren Erfahrung sagen, daß das Akzidens in dem Leidenden als solchen sei, nicht in dem Wirkenden, wenngleich in den zahlreichen Fällen, wo die Wirkung eine Gegenwirkung auslöst, auch das Wirkende leidet und als solches ein neues Akzidens empfängt' 1 ). Dabei wird hier ein Unterschied von dem zuerst

Subjekten zukommen könne?

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betrachteten Falle vielleicht auch darin bestehen. daß dieselbe Wirkung von verschiedenen Ursachen ausgehen könnte. Ob z. B. der eine oder der andere Körper den Stoß gibt, der gestoßene Körper ist ganz gleichmäßig gestoßen18). Das Leiden als Leidendes ist genau dasselbe, mag das Wirkende auch verschieden sein. So ist denn klar, daß der Hinweis auf das Verursachende 18 ) hier ein unbestimmter ist, wie er denn auch schon im Falle des Schließens ein unbestimmter sein würde, wenn ebensogut Prämissen, die ein anderer als ich selber dächte, in mir den Schlußsatz hervorbringen könnten. Dasselbe Gewirktwerden wäre dann aber nur im allgemeinen ein gleiches Wirken, nicht individuell dasselbe. Dieselbe Beziehung des Leidenden zu einem Wirkenden bestünde dann auch nicht, und daraus erklärt sich, was manchen so unverständlich und töricht erschien, daß Aristoteles das Leiden und Wirken nicht seiner Kategorie der Relation unterordnen wollte 17 ). Soviel also in Kürze hier über den Fall des Leidens und Wirkens. 13. Es bleibt nun aber auch ein Wort über den Fall der Relation selbst zu sprechen, und hier wird die Lösung keine Schwierigkeit bieten, wenn wir zunächst daran erinnern, daß auch eine Mehrheit von Dingen als ein Ding zu betrachten ist und daß somit einer Mehrheit von Dingen als solcher Akzidentien zukommen können, welche einem Teile nach der einen, einem andern Teile nach der anderen Teilsubstanz zukommen, eben weil sie dem Ganzen zukommen 18 ). So kann es dem Ganzen eines Eies zukommen, buntfarbig zu sein, indem der eine Teil rot, der andere blau ist. Ob ich nun aber von dem Ei sage, es sei buntfarbig, oder von dem betreffenden einzelnen Teilen, es sei einer von anderer Farbe als der andere, läuft sachlich auf dasselbe hinaus, woraus man sieht, daß es sich bei den Relationen um sozusagen kollektive Bestimmungen, um eine Mehrheit von Dingen handelt, welche zu einem Ding vereinigt sind und wo dem Ganzen

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•Seiendes« als Name

eine Bestimmung vermöge seiner verschiedenen Teile zukommt"). 4. Fiktive Teilungen des Seienden (4. Februar 1914.)

I. Das Wort Seiendes hat mehrfache Bedeutung. Im eigentlichen Sinne nennt es alles das, was wir unter einem Ding verstehen. Ein Ding aber denken wir, sooft wir überhaupt etwas denken d. h. zum Gegenstande haben. So ist denn der Begriff des Dinges der allgemeinste Begriff, und wenn wir etwas ganz im allgemeinen denken, so nennen wir es ein Ding. Damit etwas ein Ding genannt werde, ist nicht nötig, daß es sei. Auch wenn ich mit Recht sage, daß etwas nicht sei, nenne ich es, stelle es vor, und nichts anderes als Dinge kann man nennen und vorstellen und zum Gegenstand von Anerkennung, Verwerfung, Liebe und Haß machen. Mehrere Dinge zusammen sind ebenfalls ein Ding zu nennen, und auch jeder Teil eines ausgedehnten Dinges ist ein Ding. Und wie nur Dinge sind und nicht sind, so sind auch nur Dinge im eigentlichen Sinne gewesen und nicht gewesen, werden sein und werden nicht sein. Das alles liegt in dem Satze beschlossen, daß nichts anderes als ein Ding Gegenstand einer Vorstellung, eines Urteils u. s. w. werden kann. II. In diesem Sinne ist der Name Seiendes also synonym mit Ding. Es ist dies seine eigentliche Bedeutung, daneben kommen diesem Worte aber auch noch mehrfache andere Bedeutungen zu. 1. Wir unterscheiden unter den Dingen, die wir denken, jene, die sind, von denen, die nicht sind. Das ist ein anderer Sinn von Seiend. Hier sagt es nicht den allgemeinsten Begriff Ding aus, sondern überhaupt nicht einen Begriff. Man kann der Stadt Ninive sehr wohl den Namen eines Dinges geben, aber wer weiß, daß sie nicht ist, wird nicht von ihr sagen, sie sei ein Seiendes in dem

Fiktive Objekte

Sinne, den ich jetzt ins Auge fasse. Sagt einer von ihr, sie sei in diesem Sinne ein Seiendes, so gibt er seinen Glauben an sie mit dem modus praesens kund, womit zugleich gesagt ist, daß, wer immer ebenso glaube wie er, richtig urteile, und wer entgegengesetzt glaube, irre. In diesem Sinne gebraucht, ist also das Wort »ein Seiendes« eigentlich kein Name. Gleichwohl geschieht es, daß dieses Seiende sprachlich behandelt wird, als ob es etwas nennte. Und ähnlich werden noch andere Worte gebraucht, was dann zu ganz sinnlosen Sätzen oder zu falschen Sätzen führt. solange nicht das Wörtchen >>sein« in entsprechender Weise seine Bedeutung ändert'). So, wenn man sagt, ein Gedachtes sei als Gedachtes. Wiederum, wenn man sagt, es gebe Wahrheiten; es gebe Unwahrheiten. Wiederum, wenn man sagt, es gebe Möglichkeiten; es gebe Unmöglichkeiten. (Eine Wahrheit ist nicht außerhalb des Verstandes, und in dem Verstande ist sie auch nicht im eigentlichen Sinne. Vielmehr ist, wenn, wie man sagt, eine Wahrheit im Verstand ist, im eigentlichen Sinne ein richtig Urteilender.) Bei allen diesen Worten handelt es sich nicht um ein Gedachtes im eigentlichen Sinne, sie sind nicht echte Namen. Läßt man dies außer acht, so mag dies in mancher Beziehung unschädlich sein, immerhin stellt sich dadurch ein Irrtum em, der später wieder eliminiert werden muß. 2. Ahnlieh führt man Irrtümer ein, wenn man in gewissen anderen Fällen, an den gemeinen Sprachgebrauch sich haltend, Worte als Namen behandelt, die es grammatikalisch sind, aber nicht logisch'). Zu ihrer Bildung ist es wohl gekommen, weil man irrigerweise Teile von Dingen vor sich zu haben glaubte, wo keine wahren Teile sind und wo solche nur wären, wenn Gedankendinge als Dinge gelten könnten•). So z. B. unterscheidet man Teile einer Definition') und schreibt infolge

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Abstrakta als Universalien

davon einem Ding, das unter diese Definiton fällt, ,.logische Teile« zu. In einer Katze wäre danach ihre Katzennatur als Teil dieses individuellen Tieres und eine Säugetiernatur als Teil der Katzennatur und eine Wirbeltiernatur als Teil der Säugetiernatur und eine Tiernatur als Teil der Wirbeltiernatur und eine Organismennatur als Teil der Tiernatur und eine Körpernatur als Teil der Organismennatur und eine Substanznatur als Teil der Körpernatur und eine Dingnatur als Teil der Substanznatur zu unterscheiden. Es ist klar, daß es sich hier nicht um verschiedene Teile eines Dinges handelt. Das Einzelding fällt unter den allgemeinen Begriff, nicht weil dieser einem Teil von ihm zukäme, vielmehr kommt er dem ganzen Einzelding zu, aber nicht mehr als andern Einzeldingen, indem diese von dem, der sie so denkt, in unbestimmter Weise gedacht werden. Der Begriff ist also in gewisser Weise einem vieldeutigen Worte zu vergleichen. Mit einem solchen ist ein Begriff sogut wie ein anderer verbunden, so daß man im einzelnen Falle zweifeln kann, welcher gemeint sei, und darum nennt man das Wort homonym (zugleichnennend); man könnte den Begriff als homonoum oder die dadurch genannten Dinge als Homonoumena bezeichnen. Das ist alles, was fiktionsfrei von dem Denken allgemeiner Begriffe zu sagen ist. Man hat die Sache aber mißdeutet und absurde Theorien über die Universalien sich zurecht gelegt. Die einen nehmen das Objekt des allgemeinen Begriffes, soweit es in dem Begriffe gedacht ist, als ein Ding für sich, welches einheitlich in allen unter diesen Begriff fallenden Einzeldingen als universelles Ding enthalten wäre. So Wilhelm von Champeaux5 ). Andere wieder nehmen zwar viele dem allgemeinen Begriff entsprechende Einzeldinge an, aber es wären das absonderliche Mitteldinge zwischen den absurden Universalien und den realen Einzeldingen. Sie würden

Abstrakta als Akzidcntien

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nämlich zwar individuell gedacht, aber als etwas, was dasjenige, wodurch es individualisiert wird, nicht in sich beschlösse. Sie wären Teile eines anderen Einzeldinges und würden nur durch die Verbindung mit diesem und seinen anderen Teilen von außenher ihre Individualität empfangen'). Wer glaubte, daß durch ein Abstraktum wie Katzennatur etwas im eigentlichen Sinne Seiendes bezeichnet werde, würde einem Irrtum und einer Absurdität verfallen. Doch wie in den unter 2) erwähnten Fällen wäre auch dieses absurde Denken nicht in allem schädlich, ja es böte die Möglichkeit vereinfachten Ausdrucks der Argumentation, welcher nur eben schließlich durch Übersetzung der Abstrakta in Konkreta wieder richtiggestellt werden muß. 3. Manche fingieren nicht für alle Universalien besondere Dinge, sondern beschränken solche fiktive Teilungen auf den Fall der Akzidentien. Wo ein Akzidens eine Substanz als Teil einschließt, tun sie so, a:ls ob zu diesem substanziellen Teile in dem Ganzen ein zweiter, rein akzidenteller Teil hinzukäme, der ebenso von der Substanz frei wäre, wie eine Substanz nichts Akzidentelles einschließt. Dieser zweite Teil wäre dann auch ein Ding, dem dann - im Gegensatz vom konkreten Namen, der für die Substanz samt dem Akzidens bestimmt wäre ein abstrakter Name zukäme, z. B. Denken, Wollen gegenüber Denkendes, Wollendes. Der Unterschied von der eben zuvor besprochenen Fiktion ist nur der, daß von diesem fingierten Teil, der mit dem abstrakten Namen bezeichnet wird, allgemeinere und speziellere Begriffe gegeben sein sollen, welche alle ein und dasselbe Ding betreffen'). (Ähnlich wie ja auch das Akzidens in concreto, einem allgemeineren Begriffe nach gedacht, nicht für ein anderes Ding zu nehmen ist als dasselbe Akzidens in concreto, einem spezielleren Begriffe nach oder auch individuell gedacht8 ).) 4. Noch in einer dritten Art ist man zu Fiktionen von

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Materie -

Form

Dingen gekommen, die man dem Bereiche der Substanzen einfügte. Die Substanzen unterliegen einem akzidentellen Wechsel und liegen dann bleibend zuerst dem einen, dann dem anderen Akzidens zugrunde. Sie sind aber auch selbst einer Korruption unterworfen, und mit Rücksicht auf diese fingierte man, daß ähnlich wie dem akzidentellen Wechsel eine wirkliche Substanz zugrundeliege, dem substanziellen auch etwas bleibend unterliege, und nannte das die substanzielle Materie. Manche faßten diese als eine reine Möglichkeit zur einen wie anderen wirklichen Substanz, und so kam man dazu, auch von diesen Möglichkeiten zu behaupten, daß sie im eigentlichen Sinne seien und Dinge seien, was schlechthin absurd ist•). Damit hing dann auch die Erfindung von substanziellen Formen zusammen, welche Analoga der bereits fingierten rein akzidentellen Teile sein würden, aber im substanziellen Subjekte sich finden sollten10). 5. Ja, noch weiter ging man in solchen Fiktionen, indem man wieder, wo ein akzidenteller Wechsel stattfand, ihm nicht bloß die Substanz als Subjekt unterlegte 11 ), sondern in diesem Subjekt zunächst eine Möglichkeit des Akzidens gegeben glaubte, die selbst wieder einen Teil des wirklichen Akzidens12 ) · bilden sollte, zu dem man als anderen Teil des abstrakten Akzidens eine akzidentelle Form (analog der substanziellen Form) hinzukommend dachte. Lauter Verirrungen, die aber den Menschen s-;:hr nahe liegen müssen, denn in den verschiedensten Sprachen finden sich Ausdrücke, die auf diese Fiktionen zielen. Schon dies beweist, daß sie in mancher Beziehung unschädlich sind, ja ganz unschädlich werden können, wofern man nur, nachdem man sich ihrer in einer längeren Argumentation bedient hat, schließlich alles in eine Sprache übersetzt, die statt der für diese Fiktionen eingeführten Abstrakta nur mehr konkrete Ausdrücke verwendet, natürlich mit entsprechender sprachlicher Umformung des Ganzen.

Anschauung von Kontinuis

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Aufgrund des hier Gesagten gehören also auch noch die Akzidentien im präzisierten Sinne 11 ), die substanziellen Formen, die substanziellen Materien, die akzidentellen Materien und die akzidentellen Formen, ferner die Abstrakta im Sinne von prädizierten Universalien zum Seienden im uneigentlichen Sinne.

5. Das Verhältnis von Teil und Ganzem beim Kollektiv, Kontinuum und Akzidens (16. Dezember 1915.)

I. Die Eleaten leugneten, daß es Ganze mit diskreten Teilen gebe, und folgerichtig mußten ihnen hierin alle beistimmen, welche die universellen Vorstellungen verwerfen. Es gäbe ja dann keine Vielheit von Steinen, Pferden oder irgendetwas anderem 1 ). Doch diese Lehre kann als abgetan gelten. Dagegen behaupten noch immer namhafte Forscher, daß der Gedanke eines Kontinuums mit Widersprüchen behaftet sei. 2. Bemerkenswert ist, daß ein großer Teil von ihnen uns die Anschauung von Kontinuis zugesteht und nur leugnet, daß ihr in Wirklichkeit etwas entsprechen könne. Diese widerlegen sich leicht. Denn erstens kann Widersprechendes nicht bloß nicht sein, sondern auch nicht angeschaut werden. So versteht z. B. jeder den Ausdruck >>roter Schimmel«, aber anschaulich denken kann niemand einen solchen. Zweitens besteht, wenn einer eine Anschauung hat, wenn auch vielleicht nicht das Angeschaute, doch der Anschauende, und wenn dieser ein Vielteiliges anschaut, so entspricht jedem Teil des Angeschauten ein Teil des Anschauenden als solchen. Wird also ein Kontinuum angeschaut, so ist das Anschauende ein kontinuierlich Vielfaches. (Die Unterscheidung von kontinuierlich Vielem und kontinuierlich Vielfachem hat Aristoteles verabsäumt. Daher seine halb materialistische Ansicht über die menschliche Seele) 2 ).

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Aristoteles und Leibniz über Teil und Ganzes

3. Andere freilich sprechen uns auch die Anschauung von Kontinuierlichem ab. Niemand könne eine solche aufweisen, da zu diesem Zwecke eine Teilarbeit ins Unendliche geleistet werden müßte. Doch wenn man fragt, auf welchem Wege ohne Anschauung von Kontinuierlichem dieser Begriff zustande komme, so zeigt sich, daß alle Konstruktionsversuche aus nicht kontinuierlichen Elementen mißlingen. So müßte man uns denn nicht bloß die Anschauung, sondern auch den Begriff eines Kontinuums absprechen, und dann wäre überhaupt jede Diskussion über das Kontinuum unmöglich 3 ). 4. Von diesem hat Ar ist o tele s behauptet, wenn es ein Reales sei, könne keiner seiner Teile ein Reales sein. Diese seien nur in Möglichkeit. Das war konsequent gesprochen, da Aristoteles, wie später L e i b n i z, lehrte, es könne nicht ein wirkliches Reales aus mehreren wirklichen Realen bestehen. Wir haben aber das Gegenteil festgestellt'). Ein einheitliches Kontinuum kann ebensowohl als e i n Reales bezeichnet werden wie als zwei oder als eine beliebige Zahl von Realen. Nur kann man nicht das ganze Kontinuum zu den beiden Kontinuis, von denen jedes eine Hälfte davon ist, addieren und in diesem Sinne von drei Kontinuis sprechen. Bei der Addition darf ja keiner der Summanden den anderen einschließen. 5. Es erhebt sich nun die Frage, ob wir ein Kontinuum, wenn als eine beliebige endliche Vielheit von Kontinuis, auch als eine unendliche Vielheit von Kontinuis oder wenigstens als eine unendliche Vielheit von Realen, von denen jedes kein Kontinuum ist, bezeichnen können. Als eine diskrete unendliche Vielheit können wir es nicht fassen, da diese nachweisbar einen Widerspruch enthalten würde 5 ), wohl aber als eine kontinuierliche Vielheit und zwar von Grenzen, welche nicht für sich bestehen und darum auch nicht für sich ein Reales sein können, wohl aber in kontinuierlicher Verbindung mit anderen Grenzen sind und real sind, indem sie wahrhaft einen Beitrag zur Realität des Kontinuums liefern. Das

Kollektive und kontinuierliche Teile

läßt sich erläutern durch den Tangentenwinkel eines Kreises, der, mit der kontinuierlichen Vielheit der Länge des Einviertelteiles der Peripherie multipliziert, einem rechten Winkel genau gleich ist. (Wie es unbenannte Zahlen gibt, gibt es auch unbenannte kontinuierliche Vielheiten, von denen jede zu jeder in einem genauen Größenverhältnis steht 8 ). 6. Kann man den Teil eines Kollektivs von Dingen und auch den Teil eines Kontinuums oder wenigstens jeden endlichen Teil desselben "Ursache« des Kontinmnns nennen? Kann man vielleicht auch umgekehrt sagen, das Kontinuum oder auch ein endlicher Teil desselben sei Ursache von einer dazu gehiirigen Grenze. weil ja die Grenze nicht ohne ein Kontinuum. dem sie zugehiirt, bestehen kann? Hier gilt es, sich vor bloßem Wortstreit w hüten. Gewiß, wenn eine der Einheiten, aus denen das Kollektiv besteht. fehlt, kann dieses selbst nicht sein. So ist es durch die Einheiten bedingt, jede von ihnen ist eine ronditio sine qua non. Ob man sie deshalb »Ursache« nennen soll, ist Sache der Übereinkunft. Sirher ist dann der Sinn ein ganz anderer, als wenn man den Maler Ursache des Bildes nennt'). Dasselbe gilt auch für jeden endlichen Teil eines Kontinuums, und auch jede Grenze ist ronditio sine qua non des ganzen Kontinuums. Sie trägt zu seinem Bestande bei, nur mit dem Unterschiede gegenüber dem vorigen Fall, daß die Grenze nichts für sich ist und darum auch nicht vorbestehen kann, was bei einem endlichen Teile der Fall ist. (Immerhin genügt es, wenn ein Kontinuum, das sukzessive entsteht, mit einem Punkte beginnt. da dieser, indem er den Anfang des Kontinuums abgibt, mit dessen ganzer nachfolgender Ausbildung als zeitliche Anfangsgrenze genugsam verbunden ist"). Da nun andererseits eine Grenze nicht ohne Zusammenhang mit einem Kontinuum sein kann, so ist auch dieses conditio sine qua non für die Grenze. Doch läHt sich kein

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Grenzen im Kontinuum

noch so kleiner Teil des Kontinuums und kein noch so naheliegender Punkt desselben angeben, von dessen Existenz die Grenze bedingt wäre. Man könnte, um dies auszudrücken, sagen, die Grenze sei durch einen indefinit kleinen Teil des Kontinuums bedingt, allein ein solcher Ausdruck würde das, worum es sich handelt, nicht deutlicher machen, sondern bedürfte seinerseits, um verstanden zu werden, der von uns gegebenen Darlegung. 7. Da von keinem bestimmten Kontinuum gesagt werden kann, daß es Bedingung für die Grenze sei, so läßt sich nur ein Universale als Bedingung der Grenze bezeichnen, d. h. irgendein Kontinuum von der entsprechenden Art ist gefordert, nicht aber dieses oder jenes im einzelnen. Die Eigenart dieses Kontinuums bedingt und bestimmt die Grenze ihrer Natur nach. So wäre in einem Rechteck, welches von Rot zu Blau infinitesimal überginge'), die rote Linie, mit der es beginnt, von einer roten Linie, mit der ein rotes Rechteck beginnt, der Farbe nach verschieden. Ein Farbenunterschied bestände auch zwischen den roten Anfangslinien, wenn das violette Rechteck eine andere und andere Länge hätte. Ahnlieh kommt das Hier einem Punkt, der hier ruht, in anderem Sinne zu als einem, der sich hier durchbewegt, und auch die verschiedene Geschwindigkeit oder Richtung macht einen Unterschied in der Natur des Hier aus, und insbesondere auch der Umstand, ob er mit konstanter oder kontinuierlich variierender Richtung und mit konstanter oder kontinuierlich variierender Geschwindigkeit sich hindurchbewegt Nur so wird es als widerspruchslos begreiflich, daß bei einer rotierenden Scheibe die verschiedenen Punkte eines Radius in derselben Zeit eine größere und kleinere kontinuierliche Vielheit von Ortsbestimmungen zu empfangen scheinen, während doch die eine wie die andere derselben kontinuierlichen Vielheit von Zeitbestimmungen entspricht 10 ). 8. Wie das Kollektiv diskreter Dinge und das Kontinuum bietet auch das Akzidens ein Verhältnis von Teil

Substanz als Teil des Akzidens

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und Ganzem. Die Substanz geht als Teil in das Akzidens ein. Sie ist, wie man sagt, sein Subjekt und conditio sine qua non dafür. Ob man sie auch seine Ursache nennen soll, bleibt willkürlicher Bestimmung überlassen. Das Verhältnis ist hier eigentümlich anders als in den eben betrachteten Fällen, und mancher mag geneigter sein, in diesem Falle den Teil Ursache des Ganzen zu nennen. Auch als Materie mag man die Substanz bezeichnen, wie denn dieser Name auch für die Teile eines Kontinuums, ja für die Einheiten, aus denen ein diskretes Kollekti~um besteht, gebraucht wird. Doch lasse man sich nicht in Wortstreitigkeiten ein und beachte wohl, daß es sich hier um ein ganz anderes Verhältnis als bei der wirkenden Ursache handelt. Im Gegensatz zu A r i s t o t e 1 es und der seit ihm vorherrschenden Meinung läßt sich nachweisen, daß ein Subjektsverhältnis wie zwischen Substanz und Akzidens auch noch zwischen Akzidentien bestehen kann. So ist z. B. nicht bloß die Substanz eines Vorstellenden Subjekt für ihn als Vorstellenden, sondern auch der Vorstellende als solcher kann, wenn er das glaubt, was er vorstellt, als Subjekt des Glaubenden bezeichnet werden. Wenigstens in gewissen Fällen, nicht wenn es sich um Vorstellen und Anerkennen im sekundären Bewußtsein handelt11 ).

111. Von der sog. Intensität des Seienden (Seinsgrade, Seinsstufen) I. Ober unvollkommene Entelechie und Intensität

(13. März 1907)

I. Aristoteles Lehre von der unvollkommenen Entelechie 1. Zu den Lehren des Aristoteles, welche uns vor anderen befremdlich erscheinen, gehört seine Bestimmung über die Natur der Bewegung, die er als Wirk 1 ichk e i t d e s i n Mö g 1 i c h k e i t S e i e n d e n a 1s s o 1c h e n oder auch als unvollkommene Entelechie (EVEQYEta anA.iJc;) bestimmt. Er selbst findet, wo er diese Erklärung gibt, eine solche Wirklichkeit, die das dadurch Verwirklichte inbezug auf eben das, was in ihm verwirklicht ist, noch immer in bloßer Möglichkeit bestehen läßt, schwer faßlich, aber dennoch nicht absurd. Versuchen wir es, uns seine Meinung etwas verständlich zu machen'). 2. Um uns dies zu erleichtern, erlauben wir uns die Fiktion eines körperlichen Punktes für sich•). Es würde von ihm, wenn er möglich wäre, ganz so wie von einem ausgedehnten Körper'~) gelten, daß er entweder irgendwo ruhte oder irgendwo sich bewegte. In dem einen wie andern Falle wäre er innerhalb der Zeit seines Bestandes, >mehr oder minder sein« kann? Warum soll sie dem Nichts mehr oder minder ähnlich sein, wenn sie dieselbe ist und gleich vielfach vorhanden ist? Es scheint das geradezu unerfindlich 38 ). 20. Nachtrag II. Wer an der alten Intensitätslehre festhielte, der könnte konsequenterweise nicht anders, als eine Möglichkeit von Massenzunahme und Abnahme in demselben Raume ohne Zuhilfenahme des Gedankens von leeren Zwischenräumen zuzulassen. Es könnte ja ein Körper, der denselben Raum kontinuierlich erfüllte, bald intensiver, bald minder intensiv s e i n. Lord Kelvin würde gewiß gegen solche Verunstaltung physikalischer Theorien protestieren, unsere Energetiker aber könnten den Gedanken nur willkommen heißen. Die Kompression eines Körpers erschiene dann als Mittel, für eine minder intensive, ausgedehntere Masse, eine wenigstens unter dem Gesichtspunkte des Gewichtes aequivalente, intensivere Masse zu setzen. Da die Intensität ins Unendliche größer sein könnte, so stände, schlechthin gesprochen, dann nichts mehr entgegen, jeden Körper, ins Unendliche ihn zusammendrückend, zu einer indefinit vielfachen lnten-

Kompression.

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sität zu erheben, bei Zusammendriickung auf einen einzigen Punkt sogar zu einer unendlichen, welche aber, wenn derselbe Prozeß statt mit l Gramm mit 1 Kilo Masse vorgenommen würde, durch dessen resultierende Intensität, obwohl selbst unendlich, noch tausendmal übertroffen würde. Bei drei gleichen Massen, von welchen die eine zu einer Fläche, die andere zu einer Linie. die dritte zu einem Punkte komprimiert würde, würde die unendliche Intensität, zu der man im ersten Falle gelangt, durch die unendliche Intensität, zu der man im zweiten gelangt, noch geradezu unendlich übertroffen und so auch diese wieder unendlich durch die Intensität des Punktes, der im dritten Falle resultierte'"). IV. Enger Zusammenhang der Lehre von der multiplen Qualität mit der Lehre von der Intensität 21. Nach Ablehnung der üblichen Intensitätslehre wird wohl auch die hergebrachte Lehre von der multiplen Qualität, welche diese nicht sowohl als eine Mehrfachheit, als vielmehr als eine gewisse mittlere einfache Qualität zwischen anderen faßt, kaum jemandem mehr plausibel erscheinen. Sie hängt ja mit der Intensitätslehre innig zusammen. Im Violett erscheint das Rot intensiver oder minder intensiv, je nachdem das Violett dem Rot oder Blau sich nähert, während von der Intensität des Blau dann das Gegenteil zu gelten scheint, und die Intensität des Violett scheint sich aus beiden lntensitäten zusammenzusetzen. Dies würde auch tatsächlich der Fall sein, wenn bei dem Violett das Gesichtsfeld abwechselnd von unmerklich kleinen roten und blauen Teilchen phänomenal erfüllt wäreu). Wenn einer nun aber die Frage aufwürfe, ob es auch eine Farbe geben könne, welche als eine e i n h e i t l i c h e gerade in der Mitte zwischen Rot und Blau läge, so wäre zu antworten, daß diese jedenfalls für uns von der Erscheinung bei der Mischung von unmerklich kleinen roten und blauen Teilchen, die in entsprechendem Ver-

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Multiple Qualitäten

hältnisse zu einander stünden, so wenig unterscheidbar sein würde, als diese selbst, wenn die Teilchen, im seihen Verhältnisse bleibend, noch weiter verfeinert würden, was ja beliebig weit fortgesetzt gedacht werden könnte. Sie42 ) erschiene s. z. s. als die äußerste Grenze solcher Verfeinerung, ähnlich wie der Kreis als äußerste Grenze der Vervielfältigung der Seiten eines regelmäßigen Polygons. 22. Ganz Ähnliches wäre zu antworten, wenn es sich um das Analogon einer triplen und quadruplen Farbe handelte, welches einfach, aber von drei, resp. vier Eckfarben abstehend wäre, so daß die Abstandsverhältnisse genau den Intensitätsverhältnissen der drei oder vier oder fünf Farben, aus welchen ein multiples Analogon bestünde, in Relation zur Gesamtintensität entsprächen 41 ). Wie e i n e violette Nuance könnte dann natürlich auch jede andere in einer einfachen Farbe gegeben sein, und Analoges gilt dann für jede multiple Farbe. Das Quantum der einfachen Zwischenfarben könnte zwischen zwei Eckfarben kleiner oder größer sein. Es hängt dies davon ab, ob bei gleicher Raschheit des Wechsels*) man früher von dem einen Endpunkte zum anderen gelangte. Obwohl es nicht sicher ist, so ist es doch wahrscheinlich, daß, wo für uns der Wechsel gleich rasch merklich, der Wechsel auch gleich groß ist, und unter dieser Voraussetzung bewährte sich dann aufs leichteste, daß z. B. reines Blau von reinem Rot ungleich weiter absteht als reines Schwarz von reinem Weiß**). '') Sagen wir z. B. bei einem Wechsel in der Zeit, welcher in seiner Teleiose dem Wechsel der Zeit genau gleich ist"). "*) Würde man ein solches einfaches Analogon des Violett, Grau etc. für unmöglich halten, so könnte man leicht dazu geführt werden, zu sagen, daß Rot von Blau nicht minder abstehe als Schwarz von Weiß, indem zwischen dem einen wie andem Paar, wenn jedes Element in gleichem Quantum gegeben sei, die sämtlichen Mischungsverhältnisse wie beim andem sich ausführen ließen und somit Ubergänge von genau gleicher Länge zwischen reinem Rot und Blau und reinem Schwarz und Weiß gegeben wären. Die Ebenmerklichkeit wäre dann keinerlei Maßzeichen für die Gleichheit der ebenmerklichen Distanz, stände vielmehr

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23. Es könnte einer auf den Gedanken verfallen, nur für das Grün allein einen solchen einfachen Charakter in Anspruch zu nehmen, da für diese Farbe die Multiplität öfter als für andere, wie z. B. Violett oder Orange, bestritten wird; er würde damit, nach der Hypothese, die ich hier ausgeführt habe, aber allerdings sehr bedenklich finde, nicht weiterhin etwas Unzulässiges behaupten. Doch müßte er dann zugeben, daß dieses einfache Grün sich uns ganz so darstelle, wie eine Mischung von Blau und Gelb in unmerklich kleinen Teilen sich darstellen würde. Er müßte darum das Grün in gerader Linie zwischen Blau und Gelb liegend denken und davon so viele Nuancen, als die Größe des Abstandes von Blau und Gelb beträgt, als möglich zulassen. Daß diese Annahme eines einfachen Grün neben der entsprechenden Zusammensetzung als Blau-Gelb wahrscheinlich sei, wird aber der, welcher die Analogie zu schätzen weiß und auf die Gesamtheit des hierauf bezüglichen Erfahrungsmateriales achtet, schwerlich behaupten"). 24. Schon physiologische Gründe machen es wahrscheinlich, daß nirgends ein Fall von wahrhaft einheitlichem Violett gegeben ist. Beim Rotblinden z. B. entfällt immer die Möglichkeit auch des Violett und ähnlich des Orange41 ). 25. Auch hält der Vergleich mit dem Verhältnis des Kreises zum Polygon, womit die Möglichkeit einfacher Analoga zu den Mischqualitäten plausibel gemacht werden sollte, näherer Prüfung nicht stand. Der Fall, wo das regelmäßige Polygon bei Vervielfältigung der Seiten mit ihr im Widerspruch. Anders im andem Falle, wo man auch für die Extreme in dem einen Falle eine größere, in dem andem FaDe eine kleinere Ähnlichkeit anzunehmen hätte. Doch eine solche Folgerung wäre nicht zu billigen, vielmehr bleibt in dem einen wie andem Fall eine gewisse Gleichmerklichkeil von Differenzen und ihre Summierung das einzige, was als Größe im eigentlichen Sinne nahmhaft gemacht werden kann, um aufgrund ihrer von Abständen als Größen im uneigentlichen Sinne zu sprechentli).

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sich indefinit dem Kreise nähert, unterscheidet sich wesentlich von dem Falle, wo sich durch immer kleinere Parzeliierung das aus unmerklichen roten und blauen Teilchen bestehende Violett einem solchen qualitativ einfachen Violett indefinit nähern würde. Dort mindert sich stets die Differenz der Richtung der aneinander stoßenden Seiten, hier dagegen zeigten die aneinander gereihten qualitativen Teilchen immer gleich große qualitative Differenz, nämlich die von Rot und Blau. Dies qualitativ einheitliche Analogon des qualitativ multiplen Violett wäre also wie ein Kontinuum von Punkten, worin aber die indefinit genäherten endlich große Abstände aufwiesen'~)' 8 ).

26. Endlich wäre es unbegreiflich, wie es uns dann evident sein könnte, daß vom Blau über Rot hinaus nicht in gerader Linie weitere Farbentöne bestehen können, was doch auch die Gegner als einleuchtend zugestehen. Rot wäre ja nicht einfacher als jede Violettnuance. Findet einer es befremdlich, daß in derselben Distanz, in welcher Rot von Schwarz liegt, nicht auch in der Richtung von Weiß ein einfacher Farbenton liegen könne, welcher dann ein einfaches Grau sein müßte, so ist zu antworten: wer dies leugnet, sagt nichts lnkonvenienteres, als wer in Abrede stellte, daß in der Richtung von Schwarz zum Rot, obwohl näher liegende, doch jedenfalls keine ferner liegende einfache Farbe sich findet und so *) Dasselbe Argument spricht auch dagegen, daß es ein einfaches Analogon eines Mengenverhältnisses von Sein und Nichtsein einer Qualität geben kann, d. h. es spricht gegen die Deutung der Intensitätsabnahme durch die alte Theorie und zugunsten der neuen, die diese aut den Zuwachs unmerklich kleiner Lücken zurüdführt. Denn auch dort hätte man ein Analogon von Auflösung in ausdehnungslose Punkte als Extrem der ins Unendliche fortgese!Jten Verkleinerung der vollen und leeren Raumteilchen, und diese vollen und leeren zeigten immer noch gleichmäßig denselben Gegensa!J von Sein und Nichtsein, also ein ähnliches Verhalten wie beim Violett, nicht wie beim regelmäßigen Polygon. Sagt man aber, dies verschlage nichts, weil ja zwischen Sein und Nichtsein von vomherein gar kein Abstand sei, so ist offenbar, daß diese Differenz, welche ich als richtig anerkenne, am allermeisten die Behaup-

Multiple Qualitäten

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insbesondere nicht eine, welche in der gleichen Entfernung wie Weiß läge80 ). So erscheint denn die Lehre, daß zwischen zwei einfachen Qualitäten schlechterdings keine dritte einfache Qualität, sondern nichts anderes als ihre Gemenge liegen können, je mehr man die Sache erwägt, um so .mehr und nach meiner Oberzeugung wenigstens, vollständig gesichert. 27. Immerhin wäre die Annahme eines solchen Analogons für die multiplen Qualitäten noch nicht so anstößig wie die, welche ein Analogon einer ins Unendliche verfeinerten Mischung von Nichts und Etwas, von erfüllten und schlechthin leeren Stellen, annehmen ließe. Hätte man doch - ähnlich wie bei der Bewegung im Vergleiche mit der Ruhe - nicht die Wirklichkeit des Gleichen in verschiedener Vollendung, sondern die Wirklichkeit von Verschiedenem in gleicher Vollendung, während dort in der Tat etwas gesetzt wäre, was der Aristotelischen Lehre einer vollkommeneren und Unvollkommeneren Wirklichkeit eines und desselben entspräche. Es kann nicht eine Mitte geben zwischen Sein und Nichtsein, es sei denn man nenne so das teilweise Sein eines Ganzen 61 ). 28. Gäbe es solche einheitliche Mittlere, so könnte es im eigentlichen Sinne qualitative Obergänge in der Zeit und Übergangsgrenzen im Raume geben. Nun aber gibt es sie nur scheinbar62 ). Für die Unterschiede der Geschwindigkeit der Bewegung gibt es allerdings analoge Gradtung einer Mitte zwischen vollem Sein und Nichtsein ausschließt, wie sie die alte lntensitätslehre, wenn man die Sache genau untersucht, anzunehmen genötigt ist. Ja, wenn die Intensität, wie man sehr gewöhnlich es sich denkt, an und für sich eine unendliche Steigerung zuließe, so erschiene eine jede Stufe, ähnlich wie das Violett als eine Mitte zwischen Rot und Blau, als eine Mitte zwischen dem Nichtsein einerseits und einer unendlich vollkommenen Seinsweise andererseits und wäre das Analogon einer Mengung von diesem und dem Nichts in unmerklich kleinen Teilchen. Der Abstand des jäh Wechseloden in dem Analogon wäre also, was die Intensitätsunterschiede betrifft, der denk bar größte zu nennen, viel größer noch als der zwischen Blau und Rot und Schwarz und W eiß'9).

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Massenintensität als

unterschiede der Variation in räumlicher Beziehung wie für Richtungsänderung bei mehr und minder gekrümmten Linien Zunahme der Breite einer Winkelöffnung, je nachdem der Winkel größer oder kleiner ist. Und auch in Ansehung von Doppelqualität könnte man sagen, daß bei einem aufrecht stehenden Rechteck, welches sich aus einem blauen und aus einem roten Dreieck zusammensetzt, die Variation des Zusammensetzungsverhältnisses aus roten und blauen Teilen rascher wechselnd erscheine, wenn die senkrechte Seite des Rechtecks größer, weniger rasch wechselnd, wenn die horizontale größer ist. Analog könnte dann ein ganz allmählicher und bald rascherer, bald langsamerer kontinuierlicher Wechsel der multiplen Qualität und ebenso der Intensität der Erscheinung nach unserer Auffassung der multiplen Qualität und Intensität angenommen werden, obwohl er sich wegen der Ungenauigkeit unseres Unterscheidungsvermögens nicht durch Beobachtung verifizieren läßt. Die richtige Auffassung von Intensität und multipler Qualität zeigt deren Ähnlichkeit nicht mit Teleiose sondern Plerose11). 2. Über Massenintensität, Elastizität und Undurchdringlichkeit 1) (25. Januar 1914) 1. Hinsichtlich des Zusammenstoßes elastischer Körper denken die Naturforscher sehr unklar. Sie verkennen vielfach, daß auch die letzten, lückenlosen Körperehen elastisch gedacht werden müssen und zwar in vollkommenstem Maße. Ihre Elastizität verlangt aber eine wahre Kompression, nicht bloß eine solche, die nur in einer Richtung statthaft und in einer andern zu einem Ersatz für die Ausdehnung des Ganzen führt; vielmehr ist eine gleichzeitige Kompression von allen Seiten denkbar. Da dann aber doch ein Äquivalent der Masse existiert, so ergibt sich, daß das Maß der Masse nicht dem Maße der

Teleiose von Qualitäten

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Raumerfüllung entspricht. Wir kommen so zum Begriff eines Körpers, der bei gleicher Ausdehnung eine größere Masse darstellt und damit zum Begriff einer Intensität der Masse, die nicht im eigentlichen Sinne eine Größe zu nennen ist, sondern inbezug auf eigentliche Größen so genannt wird. (So wie Gott groß genannt wird, weil er Großes vermag.) Beim Zusammenstoß z. B. zeigt sich eine extensiv kleinere, intensiv größere Masse einer extensiv größeren, aber intensiv kleineren aequivalent. Es liegt hier eine spezifische Umwandlung in einer anderen als der Linie der Ortliehkeil vor 2 ), und an die neue Spezies knüpft sich die Tendenz zur Rückverwandlung, die sich bei der Rückkehr des elastischen Körpers zur ersten Ausdehnung und Gestalt geltend macht. Der Prozeß der Zusammendrückung oder gewaltsamen Dehnung ist ein kontinuierliches, infinitesimal differenzierendes Leiden; der Prozeß der Wiederherstellung der ersten Form zeigt ein Wirken des Körpers, das nicht bloß seine eigenen Teile, sondern auch anderes betrifft, wie denn namentlich beim Aufeinandertreffen zweier vollkommen elastischer Körper von gleicher Masse die Bewegung in entgegengesetzter Richtung zu gleichen Teilen der eigenen Elastizität und der Elastizität des andern Körpers zu danken ist. Träfe ein völlig unelastischer auf einen vollkommen elastischen von gleicher Masse, so würde dies zu einer rückläufigen Bewegung beider mit halber Geschwindigkeit führen. 2. Was ich hier über die Kontraktion von Körpern sagte, die einen Raum vollkommen erfüllen, hätte eine gewisse Analogie mit dem Falle schnellerer Bewegung in der Zeit1 ). Allein im Raum hätte man zugleich eine Art lntensitätsvergrößerung, welche für die Extensionsverminderung Ersatz leistete und in verschiedenen Richtun·· gen verschieden sein könnte, während die beschleunigte Bewegung nicht ein Mehr von Realität hat als die Ruhe'). (Unstatthaft wäre es natürlich, eine Kompression der gan· zen Masse eines Körpers bis auf einen einzigen Punkt an-

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Undurchdringlichkeit

zunehmen. Da kein Punkt etwas für sich ist, hieße dies einem Nichts die allerintensivste Masse zuzuschreiben.) 5 ) 3..Man beachte wohl, daß wir hier weit davon entfernt sind, den Satz der Undurchdringlichkeit beschränken zu wollen•). Die Undurchdringlichkeit zweier Körper im Raum gilt mit Recht als eines der bestgesicherten Naturgesetze. Allein da in unserer Zeit selbst in Ansehung der mathematischen Axiome 7 ) ein Zweifel erhoben worden ist, ob sie unmittelbar a priori einleuchten oder durch Erfahrung festgestellt seien, so ist eine ähnliche Uneinigkeit inbetreff dieses Gesetzes nicht verwunderlich. Was mich betrifft, so halte ich es ebenso wie jene mathematischen Axiome für a priori einleuchtend. Natürlich das eine wie die anderen als negative allgemeine Wahrheit, da eine positive Anerkennung von Undurchdringlichem in ihrer Berechtigung von der Tatsache der Existenz von Körpern mitbedingt ist8 ). 4. Dafür daß das Gesetz der Undurchdringlichkeit nicht erst durch Induktion erwiesen ist, spricht schon der Umstand, daß die Erfahrung vielfach Erscheinungen bietet, welche die Annahme der Durchdringung eines Körpers durch den andern sehr nahelegen würden, wenn sie überhaupt möglich wäre. Ich brauche hier nur an die Fälle von Absorption, Kompression und Penetration (wie z. B. von Quecksilber durch Holz unter starkem Druck) zu erinnern. Auch bei Körpern, wo die Porosität dem unbewaffneten Auge nicht wahrnehmbar ist, kommt solches vor. 5. Eine sehr bedeutsame Bestätigung liegt aber auch in der sehr häufig auftretenden Konfusion von Qualitäten, wie z. B. bei Farben, wenn ein Gemenge von Blau und Rot als violett erscheint. Das Blau und Gelb im Grünen ist so vollkommen konfundiert, daß die Zusammensetzung aus den beiden Elementen bis heute von vielen geradezu geleugnet wird. Ähnliche Konfusionen zeigen sich auch bei den Qualitäten anderer Sinne. Die Bedingung dafür ist eine so geringe Distanz im Raume, daß die Verschie-

Undurchdringlichkeit

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denheit des Ortes nicht mehr merklich ist, und sie zeigt sich erfahrungsgemäß wirksam auch bei noch so großem Unterschiede der Qualitäten. Es steht diese Erfahrung in einem auffallenden Gegensatz zu der Unmöglichkeit der Konfusion sehr beträchtlicher örtlicher Differenzen bei geringem Unterschiede der Qualitäten, ja bei völliger qualitativer Gleichheit. Und dieser Gegensatz drängt zu der Frage, woher es doch komme, daß bei Konfundierung der Ortsbestimmungen eine Konfusion der Qualitäten eintritt, mögen diese noch so weit von einander abstehen, während, wenn die Qualitäten als solche bis zur Ununterscheidbarkeit der Spezies einander angenähert, ja geradezu spezifisch gleich sind, dies niemals dazu führt, die beträchtlich von einander abstehenden Orte zu konfundieren. Dies scheint befremdlich, da doch die Ortsbestimmung mit der qualitativen Bestimmung so innig vereinigt ist, daß beide sich gegenseitig individualisieren8 ). Die Antwort darauf läßt sich nur aufgrunddes Gesetzes der Undurchdringlichkeit zweier Erfüllender im seihen Orte geben. Wegen der Ähnlichkeit' 0 ) werden die Orte von Blau und Rot nicht unterschieden, und so meint man e i n e n Ort zu haben und infolge davon auch nicht ein doppelte>gesund«, der im ersten und eigentlichen Sinne den gesunden Leib, im übertragenen Sinne, im Hinblick auf die Gesundheit des Leibes, auch einer Speise, einer Arznei, einer Gegend, einer Gesichtsfarbe und anderem mehr beigelegt wird. So sei denn auch der

Seienden der verschiedenen Kategorien

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Name des Seienden bald eigentlich, bald uneigentlich gebraucht. Eigentlich, z. B. wenn ich von einem Körper sage, er sei, uneigentlich, wenn ich von einer seiner Eigenschaften, wie groß, rund, doppeltsogroß, hier, zu dieser Zeit und dgl. sage, sie sei. Statt, ein Großes sei, ein Rundes sei, ein auf dem Markte Befindliches sei, müßte man bei ganz eigentlicher Ausdrucksweise sagen, ein Ding sei groß, ein Ding sei rund, ein Ding sei auf dem Markte. In allen diesen Fällen habe man es mit etwas zu tun, was den Namen Seiendes trage, weil es einem eigentlich Seienden zukomme. Es wäre besser »etwas von einem Ding« (Jno,: n) als ein Ding (riv) zu nennen. Wenn wir Klima und Gesichtsfarbe beide gesund nennen wegen ihrer Beziehung zum gesunden Leibe, 80 ist diese Beziehung nicht bei beiden die gleiche und darum auch nicht der Begriff gesund. Ganz so verhält es sich nach Aristoteles mit den uneigentlich seiend genannten Attributen eines eigentlich Seienden. Verschiedene kommen diesem in verschiedener Weise zu, und entsprechend verschieden ist die Bedeutung des Wortes seiend bei dessen Anwendung auf diese Attribute. Das eigentlich seiend Genannte bezeichnet Aristoteles mit nt•ITlrt (W esen, Substanz), die uneigentlich seiend Genannten sind dessen rrvllfJ•fJrl'dn:n (Akzidentien), deren sämtliche Klassen festzustellen und in ihren Eigenheiten zu kennzeichnen die Aufgabe der Kategorienlehre ist. 3. Eine Substanz bildet mit ihren Akzidentien nach Aristoteles ein gewisses Ganzes, wovon sie als erster Teil erscheint, dem dann die Qualität, die Quantität und die anderen Akzidentien der Reihe nach 2 ) folgen. (Met. XII, Anfang.) So ist es, um die Lehre zu verstehen und zu würdigen, nötig, daß man vor allem drauf achte, wie er im allgemeinen über das Verhältnis von Ganzem und Teil gedacht habe. Da finden wir ihn entschieden der Ansicht, es könnten nie Ganzes und Teil zugleich wirklich sein. Ist das Ganze in Wirklichkeit, so ist der Teil nur in Möglichkeit. Wen-

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Aristoteles Lehre von Teil und Ganzem

den wir das auf den Fall eines räumlich Ausgedehnten an. Es kann ins Unendliche geteilt werden, und so finden sich darin unendlich viele Körper in Möglichkeit, in Wirklichkeit aber wird es immer nur entweder ein einziger wirklicher Körper oder eine gewisse endliche Vielheit von Körpern sein können. Im letzten Falle bestehen nicht nur die kleineren Körper, in die es zerlegbar ist, sondern auch der einheitliche Körper, zu dem sie verbunden werden können, nur in Möglichkeit, solange bis eine Umwandlung die vielen zu einem einheitlichen wirklichen Körper werden läßt. Wird demnach einem wirklichen Ding ein Teil geraubt, so hört es auf in Wirklichkeit zu sem. Nun glaubt Aristoteles, daß eine denkende Substanz, wenn sie zu denken aufhört, noch wirklich das Ding bleibe, das sie war. Somit kann er die Substanz mit dem Akzidens nicht als ein wirkliches Ding fassen, sonst wäre sie ja vor und nach dem Denken ein wirkliches Ding, nicht aber während des Denkens. Sie ist aber, wenn sie denkt, seiner Meinung nach auch nicht zwei wirkliche Dinge, sondern ein wirkliches Ding, verbunden mit einer Zugabe von etwas uneigentlich Seiendem, das, ohne die Substanz einzuschließen, gar nicht bestehen kann"). 4. Auch begrifflich schließt das Akzidens die Suh~tanz notwendig ein. Seine Definition kann nicht davon Umgang nehmen, sonst aber sind alle zu seiner Definition gehörigen Bestimmungen von e i n e r Gattung und zwar so, daß sie eine Reihe bilden, in der von der höchsten Stufe bis zur untersten Spezies herah jede folgende Differenz die Gattungsbestimmtheit und alle früheren Differenzen einschließt. Dies scheint ihm zur realen Einheit des Akzidens geboten. So schließt z. B. der Begriff Rotes den Begriff Farbiges, Farbiges den von Sinnlich-Qualitativem ein. Das Verhältnis der Bestimmungen Rot und Farbig im Rotfarbigen ist hiernach ein anderes als das von Pferd und Hierseiend in dem hierseienden Pferde. Dies kann als hierseiendes Pferd aufhiiren und als Pferd indi-

und von der Individuation durch die Materie:

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viduell dasselbe bleiben; das Rotfarbige dagegen kann nicht als Rotes aufhören und als Farbiges individuell dasselbe bleiben, bleibt es doch, in ein Blaues verwandelt, nicht einmal spezifisch dasselbe. Was von der Definition der Akzidentien, soll dann auch von der substanziellen Definition gelten. Vom allgemeinsten Begriff der Substanz steige sie bis zum betreffenden untersten Artbegriff so herab, daß die letzte Differenz mit dem höchsten Gattungsbegriff auch alle früheren Differenzen einschließt. Eine Kreuzung der definierenden Merkmale ist darum schlechthin ausgeschlossen'). Es handelt sich aber nicht um eine Mehrheit individueller Teile, sondern alle Merkmale der Definition bestimmen ein und dasselbe Individuum, nur vollständiger oder weniger vollständig. Man kann nicht sagen, die allgemeineren beträfen Teile, die bei Wirklichkeit des Ganzen nicht wirklich seien und umgekehrt, vielmehr sind, indem die eine Bestimmung· in Wirklichkeit ist, alle in Wirklichkeit, da ja alle miteinander real identisch sind'). 5. Die Individualisation aber soll dann dem Akzidens durch seine Substanz gegeben werden. Oben zwei Menschen einen gleichen Denkakt, so ist jeder Denkende darum ein individuell anderer, weil ein anderer Geist ihn übt. Da dieser Geist als solcher das Vermögen hat, ihn zu üben, so erscheint der Denkakt durch die individuelle Besonderheit des in Möglichkeit Denkenden, d. h. des Denkvermögens, individualisiert. Dies hat Aristoteles dann dazu geführt. auch von den substanziellen Begriffen zu sagen, sie erhielten für den extrem spezifizierten Begriff die Individuation durch eine gewisse substanzielle Möglichkeit, welche bei der substanziellen Umwandlung bleibend zugrundeliege, als gemeinsame Fähigkeit für das Vergehende und Entstehende. Wenn ein Feuer zwei Stücke Holz in Feuer umwandelt, so doch nicht in individuell dasselbe Feuer, das es selbst ist, und auch nicht heide

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Aristoteles' Kategorienlehre

in ein und dasselbe Feuerindividuum, vielmehr in zwei, wegen der individuellen Verschiedenheit der Fähigkeiten, zu Feuer zu werden. Nie könnte das Feuerindividuum, das aus dem einen Stück Holz entsteht, aus dem anderen entstehen, noch umgekehrt, obwohl sie einander, als Feuer, spezifisch gleich werden können'). 6. Als Eigentümlichkeit der aristotelischen Kategorienlehre ist auch noch hervorzuheben, daß sie ein Verhältnis, wie es zwischen Substanz und Akzidens besteht, zwischen einem Akzidens und einem Akzidens nicht gelten läßt. Ferner zählt er die konkreten und abstrakten Termini wie z. B. Rotes und Röte, und das Wirkliche und das Mögliche (jener Wirklichkeit Fähige) immer zur selben Kategorie, wie z. B. Denkendes und Denkfähiges. Ebenso wird die Privation einer Wirklichkeit der gleichen Kategorie zugerechnet wie dieses Wirkliche. So gehört das Sehende zur selben Kategorie wie das Blinde, das Denkende zur selben wie das, was - z. B. im Schlafe - sein Denkvermögen nicht betätigt. 7. Die Wurzel dieser Kategorienlehre ist die Theorie über das Verhältnis von Teil und Ganzem, und schon diese scheint mir verfehlt. Es ist nicht selbstverständlich, daß niemals der Teil ein wirkliches Ding sein kann, wenn das Ganze ein solches ist. Sonst könnte es ein räumliches Kontinuum nicht geben. In der Tat wurde Leibniz, indem er an jenen Grundsatz sich hielt, dazu geführt, jedes Kontinuum nicht für ein Reales, sondern für eine unendliche Vielheit von Realen zu halten, die konfus zusammengefaßt würden. Keines davon stünde dem anderen ?Unächst. Sowohl dies als schon die behauptete unendliche Vielheit der Dinge ist absurd 7 ). Aristoteles vermeidet diese Absurdität, doch führt seine Lehre zu der nicht minder unannehmbaren Konsequenz, ein einheitliches Ding, und wäre es Millionen von Kubikmeilen ausgedehnt, erführe bis in seine entferntesten Grenzen eine plötzliche substanzielle Umwandlung, wenn an einem Ende auch nur ein Körnchen abgetrennt würde. Nein, die entfernteren

Teil und Ganzes

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Teile bleiben dadurch so sicher unverändert, wie der frühere Teil einer Bewegung unverändert derselbe wäre, wenn diese, statt weiterzugehen, jetzt abbräche. Wie man in Wahrheit darüber zu denken hat, zeigt gerade dieser Vergleich klar genug. Bewegt sich ein Körper gleichmäßig von a durch b und c und d bis e, so kann ich seine Bewegung ebensogut als eine fassen wie als vier. Ebensogut aber auch als vierhundert, als viertausend und beliebig mehr Bewegungen. Ob ein anderer Teil vorausging oder nachfolgte, war für das Sein jedes Teiles der Bewegung gleichgiltig. Nur als eine unendlich große Zahl von Bewegungen von unendlich kleiner Größe läßt sie sich nicht fassen. Dasselbe gilt von einem einheitlichen, gleichmäßig sich erstreckenden Körper. Mit gleichem Rechte läßt er sich als eine Vierheit wie als eine Vielheit von vierhundert, von viertausend, von beliebig mehr aktuellen Körpern betrachten, deren jeder das bliebe, was er ist, wenn die anderen plötzlich zu bestehen aufhörten. Irren wi'1rde nur, wer ihn geradezu als eine aktuelle unendliche Vielheit von ausdehnungslosen Wesen, gleich den Leibnizschen Monaden, faßte. 8. Wenn dies richtig ist, so entfällt das Argument, welches es Aristoteles Zll verbieten schien, das Ganze der Substanz mit dem Akzidens für ein real einheitliches Ding zu halten, weil die Substanz nach dem Verlust des Akzidens als solche real unverändert fortbesteht. Ohne Zweifel muß sie mit den inhärierenden Akzidentien ein einziges Reales sein, da wir sonst unmöglich im selben evidenten Wahrnehmungsakte die Substanz samt der Denktätig-keit, die wir üben, erfassen ki)nnten. Eine unmittelbar evidente assertorische Erkenntnis kann auf nichts gehen außer solchem, was mit dem Wahrnehmenden selbst identisch ist"). Der Fall von Substanz und Akzidens gleicht indes nicht ganz dem des einheitlichen Kontinuums mit verschiedenen wirklichen Teilen. Bei diesem kann jeder Teil, was er wirklich ist, bleiben, wenn der andere entfällt oder sich

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Einschluß der Substanz im Akzidens

verwandelt; bei Substanz und Akzidens jedoch zeigt sich eine solche relative Selbständigkeit nur einseitig. Die Substanz bleibt dieselbe, während die Akzidentien wechseln, nicht aber umgekehrt. Nur relativ zueinander zeigen auch die Akzidentien eine solche Selbständigkeit wie z. B. ein gleichzeitiges Hören und Riechen. Jenes kann entfallen, während das andere bleibt. War bei der einheitlichen ausgedehnten Substanz jeder Teil ebenso richtig ein Reales zu nennen wie das Ganze, so ist beim Akzidens sowohl die akzidentell bereicherte Substanz als auch die Substanz für sich allein ein Reales. Von der akzidentell bereicherten Substanz minus der Substanz gilt aber nicht, daß auch sie in solcher Minderung noch ein Reales sei. Nicht einmal der Begriff des Akzidens kann von dem der zugrundeliegenden Substanz ganz frei gemacht werden. Er enthält ihn aber nur in unbe~timmter Allgemeinheit, nicht in seiner letzten spezifischen oder gar individuellen Besonderung. Doch darf man nicht glauben, daß deshalb die Substanz individuell oder sogar spezifisch wechseln ki)nnte und das Akzidens individuell gleichwohl dasselbe bliebe. 9. Weil der Begriff des Seienden im Sinne der Substanz ebenso im Begriffe des Akzidens enthalten ist wie in der substanziellen Definition, so zeigt sich, daß das Akzidens, wenn überhaupt ein Reales, es im selben Sinne ist wie die Substanz. Es ist sogar individuell dasselbe Seiende im eigentlichen Sinne, welches die Substanz für sich allein ist, nur mit einer gewissen Bereicherung von Besti mmung·en9 ). 10. Auch sonst noch sind der aristotelischen Lehre Irrtümer beigemischt. So lehrt er mit Unrecht, daß ein Unterliegen, wie er es seiner Substanz gegenüber ihren Akzidcntien zuschreibt, bei keinem Akzidens gegenüber einem anderen stattfinde. Schon Thomas von Aquino ist hierin abgewichen, indem er zur Verteidigung der eucharistischen Lehre gewisse Akzidentien zum Subjekte anderer Akzidentien machen wollte. Freilich in unglück-

Sekundäre Akzidentien; substanzielle Definition

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lieber Weise, denn er verwechselte dabei substanzielle Bestimmungen mit akzidentellen und machte die Größe zur Voraussetzung des Ortes, während man doch eher das Gegenteil sagen könnte. Ein wirkliches Beispiel von einem Akzidens als Subjekt des anderen bietet sich dagegen, wo eine Vorstellung Subjekt einer Urteilstätigkeit oder Liebestätigkeit wird. Auch die Evidenz eines Urteils scheint schwinden zu können, während das Urteil sich weiter erhält u. dgl. Gerade der Blick auf solche Fälle, wo Akzidens dem Akzidens unterliegt, dient am besten dazu, rlas Verhältnis des Supponiertseins zu verdeutlichen. Leicht kann man, wenn dieses einmal begriffen ist, die Notwendigkeit eines ersten Suppositums erweisen, und dieses ist dann die Substanz. 11. Ferner ist gegen Aristoteles zu bemerken, daß uns die äußere Wahrnehmung in Qualifikation und Lokalisation und allem, was sich noch weiter daran knüpft, nicht akzidentelle, sondern substanzielle Differenzen darstellt. Alle unsere Vorstellungen von absoluten Akzidentien entnehmen wir dem psychischen Gebiete '"). 12. Endlich war es ein Irrtum, wenn Aristoteles meinte, daß die zu einer Definition gehörigen Bestimmungen. wenigstens was die Substanz betrifft, sämtlich einer Linie der Prädikation angehören müßten. Damit hängen die Verlegenheiten zusammen, in die er bei der Individuation gerät. Die Erscheinungen der äußeren Wahrnehmung, einmal richtig verstanden, machen die wechselseitige Individuation letzter spezifischer Differenzen anschaulich"). Die wahre Weise über Einheit oder Vielheit des Seienden zu entscheiden, gibt folgendes Prinzip: wo beim Entfall einer Bestimmung die Individualität unveriindert gegeben bleibt, haben wir es mit einem modal und nicht bloß begrifflich Verschiedenen zu tun 12 ).

llO 2. Der Sinn der Aristotelischen Kategorienlehre, die Substanz als Prinzip der Individuation (30. September 1914.) 1. Der Name Kategorie stammt von A r ist o t e l e s. Was er damit gemeint, wurde im Laufe der Zeit weniger und weniger verstanden, und so konnte es dazu kommen, daß K a n t und viele mit ihm den Ausdruck seinem ursprünglichen Sinne ganz entfremdeten. Dem, was diese Modernen darunter verstehen, entspricht weder bei Aristoteles noch in der Natur der Dinge etwas, und so haben wir allen Grund, die ursprüngliche Absicht uns klar zu machen und den Terminus ihr entsprechend zu verwenden. 2. Was ist also unter einer Kategorie im alten Sinne des Wortes zu verstehen? Die Prädikate, die wir bei affirmativen Behauptungen einem Subjekte beilegen, können bekanntlich auch ihrerseits zum Subjekt und das Subjekt zum Prädikat gemacht werden, doch nur eine der beiden Stellungen erscheint, wenn es sich um Individuelles und Allgemeines, Substantielles und Akzidentelles handelt, naturgemäß. Das letzte natürliche Subjekt von allen Prädikationen sind die Einzelsubstanzen, die Prädikate aber, die dieser zukommen, lassen sich nach der Art, wie sie thr zukommen, in mehrere Klassen scheiden. So kommen die allgemeinen substantiellen Bestimmungen der Einzelsubstanz anders zu als die Akzidentien, und von diesen wieder schienen Aristoteles die absoluten Akzidentien nicht alle in der gleichen Weise der Substanz zu eignen. So ergab sich für ihn die Frage nach der Zahl und dem Charakter der höchsten Klassen der Prädikate, d. h. eben der Kategorien in dem Sinne, in welchem er den Terminus in die Philosophie einführte. Er hat bekanntlich deren zehn aufgestellt: Substanz, Qualität, Quantität, Wo, Wann. Tun, Leiden, Relation, Lage und Anhaben, diese Zahl aber vielleicht später durch Ausschaltung der beiden letzten auf acht reduziert.

Verdienst der Aristotelischen Kategorienlehre

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3. Um diese Kategorientafel zu verstehen, muß man wissen, daß ihm eine Vielheit von Substanzen nicht selbst wieder als Substanz galt. Darum haben in seiner Tafel alle Prädikate, deren letztes Subjekt Vielheiten von Substanzen sind, keine Stelle. Auch hat er auf absurde Prädikate keine Rücksicht genommen, wie z. B. wenn wir sagen würden, ein Körper sei seiner Gestalt nach warm. Auch ist nicht zu übersehen, daß er nicht durchwegs richtig zwischen substantiellen und akzidentellen Attributen zu unterscheiden wußte 1 ), und daß er hinsichtlich der Differenzierung eines') Gattungsbegriffes der Meinung war, sie könne nur in einer einzigen Reihe statthaben, was falsch ist 3 ). Auch daß nie ein Akzidens einem andern Akzidens subsistiere, hat er ohne genaue Untersuchung für ausgemacht gehalten. Auch hat er bei gewissen absoluten Bestimmungen, die wir in der Art den Dingen geben, daß wir eine andere schon bekannte zum Anhalt nehmen und als Maß benutzen, das Maß mit dem Gemessenen einigermaßen konfundiert. So bestimmte er z. B. den Ort eines Körpers als die nächste ruhende Grenze des Umgebenden und die Zeit als die Rotation des Himmelsg-ewölbes, insofern diese das Maß für das Früher und Später abgibt, was nicht viel anders war, als wenn man die Temperatur für den Strich auf dem Thermometer erklären wollte'). So ist denn an seiner Kategorienlehre gewiß manches auszustellen, und doch kann ihr ein großes Verdienst nicht abgesprochen werden. Ja, gerade der Umstand, daß ihre Absicht in der Folge verkannt wurde, hat ihre Berichtigung verhindert, so daß man heutzutage heim Eingehen in die betreffenden Untersuchungen noch immer an Aristoteles anzuknüpfen hat. 4. Wenn heute viele leugnen. daß es wirklich Substanzen gebe und daß zwischen ihnen und den Akzidentien zu unterscheiden sei, so ist dies nur die Folge davon, daß sie den Sinn, den Aristoteles mit dem Worte Substanz verband, nicht verstehen. Meint man doch gar oft,

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Einseitige Abtrennbarkeit der Substanz

Substanz bedeute etwas, was bei jeder Umwandlung bleibend zugrundeliege. Das war der Begriff des Aristoteles nicht, sonst hätte er weder von einer göttlichen Sub~ stanz noch von einer substantiellen Umwandlung der Körper sprechen können. Seine wahre Meinung verstehen wir leicht, wenn wir auf das Verhältnis achten, das nach der üblichen Meinung zwischen gewissen relativen und absoluten Bestimmungen besteht. Jene sollen einem Dinge bald zukommen, bald nicht zukommen, ohne daß an ihm auch nur die geringste Änderung eintritts). Sokrates hört auf, größer als Phädon zu sein, wenn dieser wachsend ihn erreicht und überwächst. So erscheint Sokrates seinen absoluten Bestimmungen nach unabhängig von seiner relativen Größenbestimmung ·zu Phädon, aber diese scheint umgekehrt von seiner absoluten Größe abhängig. Noch näher kommen wir dem Sinne von Substanz-Akzidens bei Aristoteles, wenn wir uns an die herrschende, auch von Aristoteles geteilte Meinung halten, daß bei gewissen Änderungen, die sich an einem Dinge vollziehen, ihm nur ein Teil seiner Bestimmungen verloren gehe, während der Rest i n d i v i d u e I I d e r s e I b e bleibe. Wenn einer, der sieht und hört, zu sehen aufhört, könne er, meint man allgemein, noch individuell derselbe Hörende bleiben, und umgekehrt; so würde er ~ich denn auch, folgert man, wenn beides, Sehen und Hören, entfiele, gewissen anderen Bestimmungen nach noch immer als individuell gleich erhalten. Nach deren Entfall aber bliebe der Hörende und Sehende nicht mehr dasselbe Individuum. Denn wenn zwei dasselbe hören, so sind sie nicht derselbe Hörende. Zum Bestande eines jeden von ihnen muß also noch eine weitere Bestimmung gehören, deren Verschiedenheit den einen Hörenden gegenüber dem andern differenziert und individualisiert. Wenn A zu· gleich sieht und hört, und B dasselbe sieht, aber nic:ht hört, so erklärt sich die Richtigkeit der Prädikation des Hörens von A und die Unrichtigkeit derselben von B daraus, daß die hinzukommende individualisierende Bestimmung

von den Akzidentien

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dort dieselbe, hier eine andere als bei dem Hörenden ist. Wir hätten also hier etwas Analoges wie da, wo es sich um absolute Bestimmungen im Verhältnis zu relativen gehandelt hat. Waren dort die absoluten einseitig real unabhängig von den relativen, so erscheinen hier gewisse absolute Bestimmungen in einseitiger Unabhängigkeit von gewissen anderen absoluten. So kommen wir zu dem Gedanken eines von allen anderen in seiner Individualität unabhängigen Teiles der Prädikate, der aber die übrigen in ihrer Individualität bedingt, und von diesem Realen sagen wir, daß es dem Ganzen der Bestimmungen subsistiere. Nach der Meinung vieler") wäre ein Kiirper auch nach der Änderung seines Ortes noch individuell derselbe Körper, und wenn sie hierin Recht hätten, müßten die Ortsbestimmungen und Prädikate wie ruhend oder bewegt als akzidentelle gelten, während das beim Ortswechsel individuelle Erhaltene als ihm subsistierend und als Substanz zu bezeichnen wäre. 3.Versuch zur Reform der Aristotelischen Kategorienlehre 1) I. Wie andere wissenschaftliche Termini, so hat auch der Terminus »Kategorie« im Lauf der Geschichte einen mehrfachen Wechsel der Bedeutung erfahren. Gewöhnlich hängt ein solcher Wechsel mit Umbildungen der Theorie zusammen, wie z. B. bei der Polarisation des Lichtes, manchmal aber kommt es auch aus Unkenntnis des früher üblichen Sinnes zu willkürlicher neuer Anwendung, wobei vielleicht kaum eine Ähnlichkeit oder eine Beziehung dessen, was man neu so nennt, zu dem, was man früher so genannt hatte, maßgebend ist. Gerade bei dem Namen »Kategorie« ist unverkennbar alles dies geschehen. Besonders durch K a n t wurde der Sinn gänzlich verrückt, und, daß dabei Unkenntnis des ursprünglichen Sinnes mit im Spiele war, zeigt sich darin, daß K an t selbst in dem Wahn lebte, Ar ist o t e 1 es sei bei der

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Aristoteles über die Homonymie

Aufstellung seiner Kategorien ganz auf dasselbe, wie er beim Entwurfe der seinigen, ausgegangen. A r i s t o t e l e s hätte darnach die Stammbegriffe des reinen Verstandes zusammenstellen wollen, während er doch von solchen gar nichts weiß, vielmehr den Kategorien, wie allen anderen Begriffen, einen empirischen Ursprung zuschreibt. Weniger hatten frühere Philosophen sich bei dem Gebrauch des Wortes »Kategorie« von seiner ursprünglichen Bedeutung entfernt, obwohl die zehn von Aristoteles zusammengestellten Glieder (die freilich auch er selbst uur ein oder zweimal vollständig vorführt') schon in der Eudemischen Ethik durch eine Minderzahl ersetzt erscheinen. Dann finden sich auch Verkürzungen der Reihe bei den Stoikern*) und bei Plotin, welcher mehrfache kritische Bemerkungen gegen gewisse Glieder in der Reihe richtet**). Immerhin wird es geraten sein, nicht ausschließlich auf Aristoteles selbst zu blicken'), um die Absicht der ganzen Einteilung sich verständlich zu machen. 2. Es ist sicher, daß er in jeder Kategorie ein Seiendes in anderer Bedeutung vor sich zu haben glaubte, ja daß er, indem er die Einteilung machte, ebenso viele verschiedene Bedeutungen des Seienden unterscheiden wollte•). Es ist aber ebenso sicher, daß er nicht alle Bedeutungen des Seienden in ihrer Mannigfaltigkeit dadurch erschöpfen wollte. So kommt er auf die Kategorieneinteilung zu sprechen, wo er von der vielfachen Bedeutung des Seienden handelt, aber erst am Schlusse, nachdem er schon auf andere .~quivokationen des Namens aufmerksam gemacht hat. ") Ihre Bezeichnung der Kategorien als ,;ra r~•lrol'tna" ist nicht unpassend. Doch wenn sie die Materie zur ersten, die gefonnte Materie zur zweiten Kategorie machen, so zeugt dies bereits fiir ein unvollkommmenes Verständnis der Absicht. Vgl. Trendelenburg zur Geschichte der Kategorienlehre. *•) V gl. über seinen unglücklichen Versuch einer Vem1engung mit Platonischen Gedanken Trendelenburg a. a. 0.

des Seienden

115

Daß das Seiende vieldeutig sei, hatte in gewissem Sinne wohl auch P 1 a t o n gelehrt, da er dem Seienden (öv) ein Nichtseiendes (!liJ öv) zur Seite stellte und auch von diesem sagte, daß es sei. So erscheint es bei ihm auch als ein d•, aber natürlich in anderem Sinne. A r i s t o t e 1 e s führt hier die Untersuchung viel weiter, er kennt eine Mehrheit von uneigentlichem Gebrauch des Wortes0 ). Manchma.l, meint er, werde etwas mit Bezugnahme, nicht auf sein eigenes, sondern ein fremdes, zufällig mit ihm vereintes Sein seiend genannt. Wie man sagt, ein Körper sei hier in meiner Nähe. Das »mir nahe sein« ist nicht ein Sein, durch welches er als Körper ist. Er nannte diesen Fall eines uneigentlichen Seienden den eines ov xanx Ol!ftßFf"hJxO;. Dies hat er schon ausgeschieden, wo er zur Kategorieneinteilung schreitet. Ferner meint er. es geschehe manchmal, daß wir uns des Ausdrucks »es ist« bedienen, wenn wir sagen wollen, es sei ein Urteil wahr. Statt zu sagen, daß ein rundes Viereck nicht existieren könne, sei wahr, sagen wir, die Unmöglichkeit eines runden Vierecks sei. Er nannte dies Seiende im uneigentlichen Sinne ein ~" ro~ aJ.fJOl~. Auch dies ist bereits ausgeschieden. wo er zur Kategorieneinteihmg sich wendet. Wiederum findet er, daß wir, wie wir manchmal einen !>ehend nennen, auch wenn er gegenwärtig die Augen !>chließt, im Gegensatz zu einem Blinden, dem außer dem wirklichen Sehen auch die Fähigkeit zum Sehen abgeht, auch allgemeiner etwas seiend nennen können, wegen einer bloßen Fähigkeit zum Sein. Er nannte es ein hvvunterliegeninzuschließen, daß ein Teil des einen der Verglichenen dem anderen Verglichenen gleich ist. Dies gilt da, wo es sich um Größe im eigentlichen Sinne handelt, nicht aber in Fällen, wie dem eines Mehr oder Minder der Geschwindigkeit einer Bewegung. Die doppelt so geschwinde Bewegung enthält nicht als Teil eine Bewegung, welche

Negationen beim Vergleichen

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der halb so geschwinden gleich ist. Man hat es hier sozusagen mit Ordnungszahlen zu tun, welche aber zu Kardinalzahlen in Beziehung stehen. Bei der Bewegung, die doppelt so schnell genannt wird, wird in gleicher Zeit ein doppelt so großer Raum durchlaufen, und von diesem ist wirklich ein Teil dem in derselben Zeit von der halb so schnellen Bewegung durchlaufenen Raume gleich. Man könnte statt von doppelt so geschwinder auch von halb so langsamer Bewegung sprechen, indem darauf hingewiesen würde, daß der gleiche Raum in der halben Zeit durchlaufen wird. Hier erscheint die Zeit der Hälfte der anderen Zeit gleich. Sieht man näher zu, so scheint sich zu ergeben, daß bei der Bestimmung als größer und kleiner ein Negieren unterläuft'). i. Bei der Bestimmung als gleich scheint es auch nicht ohne alle Leugnung abzugehen. Vor allem muß das, was gleich ist, ein anderes und so ein irgendwie Verschiedenes sein, dann aber doch dem einen wie anderen dasselbe allgemeine Merkmal zukommen. So z. B. sind von zwei rein roten Punkten der eine nicht der andere, aber der allgemeine Begriff »rot« kommt ihnen gemeimam zu. Als rot sind sie einander gleich. Ein roter und blauer sind auch einander gleich. aber nur insoferne, als sie beide farbig sind. R. Bei der Abstraktion eines allgemeinen Begriffes ist ein Vergleichen absolut unentbehrlich. Hätten wir nicht verschiedenartige Farben, sondern z. B. einzig und allein Weiß, so könnten wir, obwohl alles Weiße farbig ist, den allgemeinen Begriff des Farbigen nicht abstrahieren. Im Rückblick auf das zuvor Erörterte scheint sich daraufhin zu ergeben, daß es zur Abstraktion allgemeiner Begriffe ohne ein Verneinen nicht kommen würde 10).

180 3. Über Gleichheit, Xhnlich.keit, Analogie (20. Januar 1916.) 1. A r i s t o t e 1 e s lehrt, daß in jeder Kategorie eine Gleichheit in anderem Sinne statthabe. Wenn wir bei der Quantität von Gleichheit sprechen, so ist es nach ihm das Analogon einer Übereinstimmung, die sich auf dem Gebiete der Qualität findet und welches Ähnlichkeit zu nennen ist. Auf dem Gebiete der Substanz wäre die Übereinstimmung ebenfalls nur ein Analogon, und wir könnten sie Dasselbigkeit oder Identität nennen. Diese Lehre scheint unhaltbar, vor allem ist sie von Aristoteles nicht konsequent durchgeführt. Nach dem Buch der Kategorien ist der Name Qualität selbst vieldeutig und hat einen anderen Sinn, wenn wir eine Gestalt, einen anderen, wenn wir eine Disposition oder einen Habitus (wie Tugend, Laster usw.) Qualität nennen. Somit müßte auch das Analogon von Gleichheit innerhalb dessen, was wir Qualität nennen, dem Sinne nach variieren, und nennten wir es überall Ähnlichkeit, so wäre auch dieser Ausdruck aequivok. 2. Dazu kommt aber noch, daß auf dem Gebiet der Gestalten selbst zwischen Gleichheit und Ähnlichkeit zu unterscheiden ist. Nehmen wir zwei Kreise von ungleichem Radius, so ist bc:i ihnen das Krümmungsmaß durchwegs verschieden und darum auch jeder einzelne Winkel, welchen der Kreis mit einer Tangente bildet. Auch die Menge dieser Winkel (wobei wir den Begriff Menge auf das kontinuierlich sich Vervielfältigende übertragen, also ungewöhnlich verallgemeinern) ist bei beiden Figuren eine andere: sie wächst mit der Länge der Peripherie. Anders ist es, wenn ich die Gestalt zweier Kreise von gleichem Radius vergleiche, hier sind die Berührungswinkel ihrer Menge und Größe nach gleich1 ). Auch wenn ich zwei gleichseitige Dreiecke von verschiedener Größe vergleiche, ist die Gestalt nicht vollkommen übereinstimmend. Das Verhältnis der Menge der

Gleichheit, Ähnlichkeit, Analogie

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gestreckten Winkel 2 ) zu der der Winkel von 60 Grad ist ein anderes, z. B. um das Doppelte vergrößert, wenn die Seiten die doppelte Länge haben. Die Übereinstimmung der Gestalt nach ist hier also so wenig eine vollkommene als bei zwei Zickzacklinien, bei welchen die Winkel gleich, die zwischen ihnen liegende Geraden aber von einer anderen Länge oder auch von anderer Zahl sind. 3. Auch bei Farben kann von voller Gleichheit gesprochen werden, wenn die species ultima dieselbe ist. Vielleicht wird einer von Ähnlichkeit (An-Gleichheit) sprechen, wenn die Farben wenig von einander abstehen. so daß sie schwer unterscheidbar werden und an einander erinnern, weshalb man ihnen auch wegen der Unmöglichkeit, bei der Benennung jeder Nuance Rechnung zu tragen, den gleichen Namen gibt. Das wäre aber eine Ähnlichkeit in anderem Sinne, als der Name ihn hat, wenn wir von Ähnlichkeit der Figuren sprechen. Dagegen scheint es, man könne eine solche da aufweisen, wo eine Fläche, welche mit gleichem Maß der Variation von Rot zu Blau übergeht, mit einer anderen verglichen wird, wo die Variation von Rot zu Blau auch gleichmäßig, aber in stärkerem oder schwächerem Maß stattfindet. Greife ich eine einzelne Stelle heraus, wo hier und dort dieselbe Nuance des Violett gegeben erscheint, so zeigen sie sich doch eben so verschieden, wie die Richtungen zweier Kreise, von denen einer in den anderen fällt und welche eine gemeinsame Tangente haben, in ihrem Berührungspunkt. Vielleicht könnte man auch von der Ähnlichkeit zwischen diesen Farbenübergängen und der Krümmung einer Linie sprechen'). Sieht man näher zu, was diese Ähnlichkeit sei, so zeigt sich, daß sie dasselbe ist, was man auch Proportion oder Analogie nennt, dabei scheint es nähere und entferntere Analogien zu geben. Man könnte auch zwischen Obergängen von Schwarz zu Weiß und von Rot zu Blau eine Analogie finden. Am treffendsten wohl, wenn man An-

182

Wirkende Ursache

fang mit Anfang, Ende mit Ende, Mitte mit Mitte in Vergleich bringt und das Variationsmaß zu der Größe der Abstände von Rot und Blau einerseits und Schwarz und Weiß andererseits in Verhältnis setzt'). 4. Vom Begriff der wirkenden Ursache 1) 1. Das Wort Ursache wird nicht immer im Sinne der wirkenden Ursache gebraucht. Man hat auch von einer Zweckursache, von einer stofflichen Ursache, einer Formalursache, einer Totalursache, welche Stoffliches, Wirkendes und negative Bestimmungen einheitlich zusammenfaßt, gesprochen. Andere aber wollen vieles von dem, was hier mitbegriffen wird, nicht sowohl Ursache als conditio sine qua non nennen'). 2. In der Tat empfiehlt es sich, zu dem ursprünglichen Begriffe, dem der wirkenden Ursache zurückzukehren. Man hat nun freilich die Forschung nach dieser in Acht erklärt, aber daß dieser Begriff vorhanden sei, läßt sich nicht leugnen. Jede Kultursprache hat Namen dafür, die jedermann mit Leichtigkeit anwendet, mag er auch bei der Frage, was denn unter wirkender Ursache zu verstehen sei, in Verlegenheit geraten, ähnlich wie dies Augustinus bezüglich des allen geläufigen Zeitbegriffes bemerkt hat. Noch heute sind die Psychologen in ihrer Beantwortung nicht einig und jeder erscheint glücklicher, wo er die Bestimmung anderer beurteilt, als wo er die sein~ zu verteidigen sucht. Alle unsere Begriffe stammen aus konkreten Anschauungen und alle Begriffserklärung führt darum zuletzt auf solche Anschauungen zurück. Sind die Begriffe einheitlich gewissen Anschauungen entnommen, so gilt es, sie in Beispielen aufzuweisen; handelt es sich aber um zusammengesetzte Begriffe, so wird die Aufgabe die sein, sie in ihre Merkmale zu zerlegen und dann für jedes im einzelnen die entsprechende Anschauung aufzusuchen. L o c k e glaubte beim Begriff Ursache einen Fall der

Wirkende Ursache

183

ersten Art gegeben. Sensation wie Reflexion böten Beispiele dafür. Jene, wenn wir fühlen, daß Wärme das Wachs erweicht und zum Schmelzen bringt, oder sehen, daß Feuer Holz in Asche verwandelt. Diese, wenn wir bemerken, daß unser Wille die Glieder bewegt oder unseren Gedankengang beeinflußt. Aber schon L e i b n i z trug Bedenken, zuzugestehen, daß eine Sensation jemals außer der Sukzession ein wahres Wirken (faire) erfas~e. Und offenbar bemerken wir weder dies, noch daß der Wille unsere Glieder bewege, was er ja gar nicht unmittelbar zu tun vermag, sondern nur etwa unter VermitteJung von Nervenprozessen, die gar nicht ins Bewugtsein fallen. Dasselbe gilt von dem. was Locke über die Beeinflußung des Ideenverlaufes sagt. Nichtsdestoweniger pflegen Neuere wieder und wieder auf die Wahrnehmung des Willenseinflusses zurückzukommen, indem sie freilich nicht sowohl auf die resultierende Bewegung als auf ein Gefühl, das sie Gefühl des Willensimpulses nennen, verweisen, das besonders bei größerer Anstrengung sich merklich mache. Aber nichts anderes als eine Sensation zugleich mit einer Apperzeption desWollens liegt vor. Jene zeigt uns weder ein Wirken noch Gewirktwerden, und auch diese zeigt nichts der Art. Was zu der Täuschung führt, scheint der Umstand, daß das Wollen sich von anderem Verlangen dadurch unterscheidet, dag es etwas zu wirken begehrt und den Glauben an dessen Möglichkeit einschließt. Wir wollen einen Freund besuchen, aber wir sind nicht imstande zu wollen, daß es regne oder daß die Sonne scheine, so sehr wir es auch wünschen mögen. Es fehlt eben der Glaube, darauf einen Einfluß nehmen zu können. So setzt das Phänomen des Wollens die Vorstellung des Wirkcns voraus. ist aber nicht ihre Quelle. H um e, der den VersuchLockeseiner treffenden Kritik unterzogen, hielt den Begriff Ursache für einen solchen, der sich aus Elementen verschiedener Anschauungen zusammensetze. Wir bemerkten oft und ausnahmslos, daß

184

Wirkende Ursache

ein Ereignis dem anderen folge und erwarteten bei abermaliger Wiederkehr des ersten gewohnheitsmäßig das zweite. Daraufhin bezeichneten wir dann das Antecedens als Ursache, das Consequens als Wirkung. Auch diese Fassung bietet der Kritik auffallende Blößen. Schon Re i d bemerkte, daß dann die Nacht Ursache des Tages zu nennen wäre. Offenbar ist sie es nicht, wie auch ein Bahnsignal, auf das hin der kommende Zug erwartet wird, nicht Ursache seiner Bewegung. Von Späteren ist darum die Definition Humes mannigfach modifiziert worden. Mi ll erklärt die Ursache für die Gesamtheit positiver und negativer Tatsachen, auf welche eine andere Tatsache ausnahmslos folgen wird. Dabei denkt er offenbar keine der zu dieser Gesamtheit gehörigen Tatsachen müßig, so zwar, daß keine ohne Ersatz entfallen könnte, wenn das Consequens noch als Wirkung eintreten soll. Er nennt jede einzelne >>mitwirkend«. Doch nichts kann deutlicher sein, als daß er hier den Begriff des Wirkens verfehlt hat. Auch negativen Tatsachen käme es ja hienach zu, mitzuwirken, während nach dem wahren Begriffe des Wirkens es jedermann einleuchtet, daß ein Nichts nicht wirken kann. Der gleiche Vorwurf trifft alle anderen Bestimmungen, welche die wirkende Ursache als regelmäßiges Antecedens, dem notwendig das Consequens folgt, definieren, denn immer sehen sie sich genötigt, negative Tatsachen in das Antecedens aufzunehmen, um Hindernisse auszuschließen, die durch gegenwirkende Ursachen entstehen und die Wirkung vereiteln können. Im Gegensatze zu Locke und Hume hat K a n t an Begriffe geglaubt, die keiner Anschauung entstammen. Sie sollten Stammbegriffe des Verstandes sein und der Begriff der Ursache soll dazugehören. Auch ihm sind bis in die neueste Zeit manche angesehene Forscher gefolgt. Si g wart z. B. erklärt, daß der Begriff Ursache in gewissem Sinne a priori sei. Nachdem wir eine Kontinuität von Sukzession bemerkt hätten, dränge es uns, das Sichfolgende durch die Einheit des Grundes synthetisch zu-

Ursprung des Begriffes »Gewirktes«

185

sammenzufassen und als solchen das Wirken eines Dinges zu erdenken. Zeitliche und, soweit es sich um Körperliches handelt, auch räumliche Berührung seien dabei Mitbedingungen. Zwischen dem wirkenden Ding und diesen Mitbedingungen einerseits und der Wirkung andererseits bestehe ein notwendiger Zusammenhang. Ich will hier nicht auf die Bedenken eingehen, die diesem und ähnlichen Versuchen im besonderen anhaften, genug, daß er gegen eine Lehre verstößt, die von Aristoteles schon und wiederum von Berkeley wohl begründet worden ist, wonach es unmöglich ist, einen Begriff anders als aufgrund von konkreten Anschauungen zu gewinnen. Ich halte diese für genugsam untersucht und gesichert, um daraufhin jede derartige aprioristische Metaphysik von vornherein zu verdammen. 3. So wird uns denn nichts übrig bleiben, als uns nochmals und mit ungemindertem Vertrauen auf die Möglichkeit des Gelingens nach den wahren Anschauungen, aus denen der Begriff Ursache stammt, umzusehen. Wir werden sie wohl kaum an einem abgelegenen Orte zu suchen haben, da ja sonst der Begriff Ursache nicht dem gemeinen Manne vertraut und in beständigem Gebrauche sein könnte, vielmehr wird die Tatsache, daß so mancher tüchtige Forscher sie zur Erklärung des fraglichen Begriffes nicht gebührend verwertete, nur d>sein« dienen. Die Grammatiker unterscheiden eine doppelte Bedeutung, je nachdem das »sein« als Zeitwort für sich oder als Hilfszeitwort, und wenn jenes, als Hauptzeitwort oder als Kopula gebraucht wird. Sage ich »Ein Baum ist«, so stehe das »ist« als Hauptzeitwort; sage ich »Ein Baum ist grün«, so stehe es als Kopula'). Dagegen fällt es ihnen nicht ein, einen Unterschied der Bedeutung für das >>ist« zu behaupten, wenn gesagt wird •>Ein Baum ist eine Pflanze« - »Ein Baum ist neben einem Hause« - >>Ein Baum ist mir lieb« - »Ein Baum ist möglich«. Wenn ich aber, statt >>Ein Baum ist grün«, sage »Ein grüner Baum ist«, so sagen die Grammatiker, das »ist« habe die Bedeutung eines Hauptzeitwortes, und doch läuft sachlich das, was ich aussage, genau auf dasselbe hinaus, wie wenn ich sage »Ein Baum ist grün« 7 ). Dagegen scheint das >>ist« in dem Falle, wo gesagt wird --Ein Baum ist eine Pflanze« das Prädikat in ganz anderer Weise mit dem Subjekte zu verbinden, als wenn ich sage »Ein Baum ist neben einem. HauseEin Baum ist möglich«, braucht der Baum selbst gar nicht zu bestehen, damit der Satz wahr sei. Sieht man näher zu, so handelt es sich dabei sachlich gar nicht um die Verbindung eines Prädikats mit einem Subjekt, ja nicht einmal um eine Anerkennung (weder des Baumes noch seiner Möglichkeit). Vielleicht sagt einer: daß der Baum nicht anerkannt werde, müsse er zugeben, aber daß auch die Möglichkeit des Baumes nicht anerkannt werden solle, müsse er denn doch bestreiten. Man könne sogar sagen, daß die Möglichkeit des Baumes sei, indem das >>sein« als Hauptzeitwort gebraucht werde; sie bestehe oder existiere. Wenn man den Fall jedoch genauer untersucht, so findet man, daß Möglichkeit im eigentlichen Sinne gar kein Name ist, indem das Wort nicht wahrhaft etwas nennt. Eine Möglichkeit läßt sich nicht vorstellen'), sondern nur einer, der etwas als unmöglich verwirft, und daraufhin auch einer, der einen etwas evident als unmöglich Verwerfenden evident als unmöglich verwirft1°). Wenn ich also sage >>Ein Baum ist möglich«, so urteile ich, daß ich, indem ich einen den Baum als unmöglich Verwerfenden vorstelle, einen irrig Urteilenden vorstelle"). Man sieht also, daß das »ist«, w.elches nach dem Grammatiker hier ganz gleich fungieren würde, in Wahrheit eine gar sehr verschiedene Funktion übt. Wenn es sich um den Satz handelt: »Ein Mensch ist gesund«, so läßt er sich konvertieren in »Ein Gesundes ist Mensch«. Wenn ich aber sage: »Ein Goldstück ist falsch«, kann ich nicht den Satz konvertieren in >>Ein Falsches ist ein Goldstück«. Wenn ich sage: »A ist A«, so spreche ich nicht dem A ein Prädikat zu, sondern leugne nur, daß es ohne ein gewisses Prädikat sein könne 12 ). So auch, wenn ich sage: >>Ein Nichtseiendes ist ein Nichtseiendes« oder >>Ein rundes Viereck ist ein rundes Viereck«. Wenn ich sage: »Ein räumlich Ausgedehntes ist« und wiederum

der Vieldeutigkeit des "ist«

209

sage: »Eine räumliche Ausdehnung ist«, so gebrauche ich auch hier das Sein nicht im gleichen Sinne. Nur das Ausgedehnte, nicht aber die Ausdehnung ist ein Ding, und nur das Ausgedehnte, nicht aber die Ausdehnung kann darum auch vorgestellt werden; da es aber in unbestimmter Weise, einem allgemeinen Begriffe nach, vorgestellt werden kann, so kann ich auch sagen: es werde, insofern von allen sonstigen Merkmalen außer dem des Ausgedehnten, abstrahiert wird, nur seiner Ausdehnung nach vorgestellt. Auch von ihm, wie es wirklich ist, kann ich sagen, es sei seiner Ausdehnung nach wirklich, aber nicht, es sei nur seiner Ausdehnung nach wirklich 11 ). Wenn man sagt, es sei etwas im Geiste, so zeigt sich deutlich, daß das Sein eine andere Bedeutung hat, als bei eigentlichem Gebrauche, könnte doch sonst auch Widersprechendes im eigentlichen Sinne sein. Wenn man sagt: »Daß es keinen drei Meter hohen Menschen gibt, ist wahr«, so ist wiederum offenbar, daß das Sein nicht im eigentlichen Sinne gebraucht sein kann, sonst müßte das »Daß es keinen drei Meter hohen Menschen gibt« ein Ding sein. Ich glaube aber, daß die Grammatiker das >>ist«, wie es hier gebraucht wird, von dem >>ist« in dem Satze: »Ein Mensch ist denkend« gar nicht unterscheiden würden. 6. Wenn man die Verschiedenheiten dieser Funktion übersieht, so hat es für die Weisheitslehre die schlimmsten Folgen; man kommt dazu, zu glauben, daß es vieles gebe, was unabhängig von Gott von Ewigkeit existiere, ohne von ihm geschaffen zu sein, wie z. B. die Unmöglichkeit eines runden Vierecks, und daß dieses neben Gott von Ewigkeit existierende Ungeschaffene Gott in seiner Allmatht beschränke. Und weiter noch sieht man sich vor die Frage gestellt, ob man es bei diesem Vielen mit einer Vielheit von D i n g e n zu tun habe, oder ob noch etwas anderes Gegenstand unseres Denkens sein könne als Dinge"). Und wie man sich auch entscheide, kommt man zu neuen schweren Irrtümern, denn wer sagt,

210

Unechte Praedikationen

sie seien keine Dinge, und folgerichtig behauptet, unser Denken habe auch solches zum Gegenstand, was nicht unter denselben Begriff, wie die Dinge falle, verkennt die Einheit des Begriffes des Denkens. Ein Denkender ist ja einer, der etwas denkend zum Gegenstand hat, und wenn der Begriff »denkend« einer sein soll' 5 ), so muß auch mit dem »etwas« ein einheitlicher Sinn verbunden werden11 ). So sehen wir denn schon im Hinblick auf dies eine Beispiel von Vieldeutigkeit genugsam, daß trotz aller Grammatiker und Lexikographen dem Weisheitslehrer hier noch gar viel zu tun bleibt.

ß. Von den Arten der Prädikation A. Unechte Prädikationen 7. Von den Aussagen, bei welchen eine Einzelsubstanz als Subjekt gesetzt und ein Prädikat ihr zugesprochen scheint, sind a) manche gar keine kategorischen Sätze, keine Kompositionen, sondern einfache Positionen, wie »Dieser Mensch ist seiend« = »Dieser Mensch ist«. >>Dieser Mensch« wird mit dem Modus der Gegenwart vorgestellt und anerkannt. (Und dasselbe gilt vieHeicht von einer Anerkennung mit anderem Temporalmodus, wenn man sagt »Dieser Mensch ist gewesen« » . . . . . ist zukünftig« und einen bestimmten Temporalmodus bei der Vorstellung des Menschen anwendet17.) b) Manche schließen nicht einmal die Anerkennung des Subjektes ein, wie z. B. wenn ich sage »Dieser Mensch ist möglich« - »Dieser Mensch ist gedacht« - »Dieser Mensch ist ein Nichtseiendes«. c) Manche sind Fälle einer denominatio extrinseca. Hier liegt zwar die Anerkennung des Subjektes vor, zugleich aber noch die Anerkennung eines anderen, welches entfallen kann, wo dann an dem Subjekt sich nichts ändert,

Inhaerenzen

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aber das Prädikat ihm nicht mehr zukommt. So beim Bekleidetsein und bei Komparationen, wenn gesagt wird, es sei das Subjekt etwas mehr oder weniger als ein anderes es sei, z. B. »Dieser Mensch ist größer, als jener groß ist«. Auch wenn man sagt, es sei einer Herr eines anderen, hat man es mit einer Bestimmung zu tun, welche die Existenz des Subjektes einschließt, aber aufhören kann ihm zuzukommen, ohne daß sich etwas an ihm ändert 11). B. Echte Prädikation mit letzteinheitlichem Subjekt 8. Wir wollen hier nur solche Prädikate ins Auge fassen, die letzteinheitlichen Substanzen zukommen. Da kommen drei Fälle in Betracht: a) Die Prädikation von B e s c h a f f e n h e i t e n, wie z. B. einer Tugend. Hier kann das Subjekt das Prädikat verlieren, wenn es selbst erhalten bleibt, aber es wird durch den Verlust doch etwas an ihm selbst geändert. Es wird irgendwie modifiziert"). Das Prädikat ist hier dem Subjekt i n h ä r e n t. Das unterscheidet den Fall sehr wesentlich von der denominatio extrinseca, die infolge einer Veränderung verloren gehen kann, durch welche das Subjekt gar nicht berührt wird. b) Ein anderer Fall von Prädikaten ist der, wo das dem Subjekt zugesprochene Prädikat zwar auch etwas ist, was das Subjekt irgendwie modifiziert, aber ihm nicht inhärent ist, vielmehr nur solange· ihm zukommt, als es einer Einwirkung unterliegt. So geht es nicht durch eine Umwandlung, sondern durch eine einfache Sistierung des wirkenden Einflusses verloren. Es ist das, was in der antiken Zeit vielfach als "Bewegung" (xl"'ltn~;) bezeichnet wurde. Man könnte es auch eine Pas s i o n, eine passive Affektion nennen. Sehen, Hören und Empfinden überhaupt, ja. alles Denken20 ) scheint hiefür ein Beispiel. Zur Zeit als man noch nichts von dem Gesetz der Trägheit wußte und meinte, daß sich ein Körper nur solange fortbewege, als er einen Impuls empfange, rechnete man auch die örtliche Bewegung hieher. Auch Veränderungen,

212

Orts- und Zeitbestimmungen

die zu einem bleibenden Zustande führen, die aber, solange sie fortgesetzt werden, bewirkt werden, wurden zu dieser Klasse gezählt, z. B. Erwärmung, Abkühlung. c) Diesen beiden Fällen akzidenteller Prädikation sind gegenüber zu stellen die Fälle von Identität bei substanziellen Prädikaten'1 ). 9. Es gibt Prädikationen, welche Ortsbestimmungen enthalten. Diese Ortsbestimmungen, wenn sie nichts als Relativa sind, die man mit Beziehung auf Gegenstände gibt, deren Ort als bekannt vorausgesetzt wird, wie z. B. »auf dem Markte«, gehören unzweifelhaft zu den denominationes extrinsecae. Was aber die absoluten örtlichen Bestimmungen anlangt, so scheint man sagen zu müssen, daß sie substanzielle Differenzen sind, und es dürfte damit zusammenhängen, daß sich keine zwei Substanzen räumlich zu durchdringen vermögen. Solches würde geradezu gegen das principium indiscernibilium verstoßen"). 10. Wie die Frage »Wo?«, so kommt auch die Frage ••Wann?« in Betracht. Die Antworten darauf sind wesentlich verschieden, wenn man sagt: gegenwärtig, gestern, vor einem Jahr, morgen u. dgl., oder: zur Zeit von Christi Geburt, 100 Jahre nach Christi Geburt u. dgl. Die gleiche Bestimmung in der letzten Weise kann sukzessiv mit sehr verschiedenen in der ersten Weise zusammentreffen. Immer verschiebt sich dasselbe Datum mehr und mehr nach der Vergangenheit23 ). Was nun die ersten anlangt, so werden sie relativ zu dem, was gegenwärtig ist, gegeben und sie sind Surrogate für die Angabe eines Temporalmodus, mit welchem das Subjekt eigentlich vorzustellen wäre, um mit Recht anerkannt zu werden"). Reale Besonderheiten sind darin nicht angegeben und als Prädikate dem Su~jekt beigelegt. Ma mehr Recht könnte dies von der anderen Klasse von Zeitbestimmungen gesagt werden, und wenn etwas daran behindert, so ist es wohl nur der Umstand, daß auch hier bloß relative Angaben gemacht werden, während die

·Prädikation von Größe, Gestalt, Zahl

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absoluten Differenzen gar nicht zur Vorstellung gelangen, ja uns gänzlich transzendent sind 26 ). So sind denn die Bestimmungen, wie sie gegeben werden, allerdings denominationes extrinsecae, allein von denen, für welche sie als Surrogate dienen, könnte man vielleicht sagen, daß !>ie ebensoviel Recht haben als substanzielle") bezeichnet zu werden, als die lokalen. Im Gegensatz zu diesen, welche für jede Substanz, der sie zukommen, verschieden sind, besteht für die temporalen das Gesetz, daß sie fUr alle bestehenden Substanzen notwendig gleich sind und darum kann man sie in gewissem Sinne als Differenzen bezeichnen, die weder generische noch spezifische sind, insofern durch diese Bestehendes von Bestehendem sich unterscheiden soll 27 ).

C. Prädikationen mit einer Vielheit in Subjekt oder Prädikat 11. Wir haben zunächst bei der Unterscheidung der mannigfachen Weise der Prädikation und somit der Funktionen der Kopula nicht auf solche Prädikationen geachtet, bei welchen das substanzielle Subjekt ebensogut als-eine Vielheit, wie als eine Einheit von Substanzen betrachtet werden kann. Vvo dies der Fall ist, kommen noch andere Prädikationsweisen hinzu, so bei räumlicher Größe und Gestalt. Auch kommt es dadurch zu einer viel größeren Mannigfaltigkeit, daß eine Bestimmung dem Ganzen einem anderen und anderen Teile nach zugeschrieben wird. Man könnte auch die Zahlen zu diesen Prädikaten rechnen. (So kann ich sagen: »Diese Steine sind drei«.) 28 ) Ebenso haben wir auch noch nicht auf die Prädikationen Rücksicht genommen, v. o von einem einfachen Subjekte eine komplizierte Bestimmung ausgesagt wird, welche Teile unterscheiden läßt, von denen jeder für sich pradiziert werden könnte, wie schon in dem Fall, wo ich einen als einen mit mehreren Tugenden ausgestatteten bezeichne. Es scheint aber nicht nötig, hierauf des näheren einzu-

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Paasive Affektionen

gehen. Wie mit einem komplizierten Prädikat, hat man es hier eigentlich mit einer komplizierten Kopula zu tun"). Wenn ich einem S zwei ganz verschiedene Prädikate p 1 und p 1 beilege und wenn ich dieses p 1 und p 1 zusammen als P bezeichne, so besagt die Prädikation von P ganz dasselbe wie die zwei Prädikationen von p 1 und p 1 •

m. Von

den Erleidungen insbesondere

12. Nach dem, was wir über die passiven Affe kt i o n e n gesagt haben, ist klar, daß Hörendes und Hörendgemachtwerdendes dasselbe ist10). Damit ist aber nicht gesagt, daß, wer etwas als Hörendes vorstellt, es auch als Hörendgemachtwerdendes vorstellt. Andernfalls würde die Frage, wie wir zu dem Begriff eines Wirkenden oder Gewirkten gelangen, ungemein leicht und im Hinblick auf jedes Empfinden und Denken, das wir erfahren, zu beantworten sein. Daß das Hören und jedes Denken eine passive Affektion ist, leuchtet uns nicht analytisch aus der Vorstellung desselben ein, sondern steht uns durch Erfahrung fest 11 ). Schon Ar ist o t e I es sagt deshalb einmal vom intellektiven Denken, daß wir durch einen Analogieschluß dazu gelangen, es ähnlich wie das Empfinden für ein Leiden zu erklären. So· braucht denn auch, wer das Prädikat »denkend« einem Subjekt beilegt, zunächst gar kein Bewußtsein davon zu haben, daß er eine passive Affektion prädiziert. Nichtsdestoweniger ist es eine solche, und die Kopula verbindet darum mit dem Subjekt etwas, was in dem eigentümlichen Verhältnis einer passiven Affektion und nicht etwa in dem einer Inhärenz zu ihm steht. Wenn man fragt, ob man sagen könne: »Ich erleide das Denken (oder das Denkendsein oder das Denkendwerden)«, so ist dies vielleicht zu bejahen. Und wenn man daraufhin weiter fragt, ob man dann ein Erleiden erleide, so scheint dies folgerichtig ebenfalls zuzugestehen. Nur muß man sich hüten zu glauben, daß das Erleiden des Erleidens

Subetanzielle Erleidungen

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ein zweites Erleiden sei, vielmehr handelt es sich um ein und dasselbe. Man sieht auch, daß die entgegengesetzte Annahme zu einem Regreß in infinitum führen würde11). 13. Man könnte fragen, ob es nicht in Analogie zu den akzidentellen passiven Affektionen auch Substanzen geben könne, welche nur bestehen können, indem sie fort und fort bewirkt werden, und daß von vornherein die Möglichkeit nicht ausgeschlossen sei, steht außer Zweifel11). Was wäre dann aber von diesen p a s s i v s i c h e r h a I t c nd e n Substanzen zu sagen? Wären sie als gewirktwerdende mit einem Akzidens behaftet, welches etwa unter die passiven Affektionen zu rechnen wäre? Keineswegs. Vielmehr wäre das, was eine solche Substanz ist, insofern sie es ist, ebenso mit dem Gewirktwerdenden als solchem identisch, wie das Denken mit dem das Denken Erleiden identisch ist••). 14. Man könnte weiter fragen, ob das Gewirktwerdende oder eine passive Affektion Erleidende als solches zu den Relativen zu rechnen sei; und ob es dann nicht wie gewisse andere relative Bestimmungen zu den denominationes extrinsecae gehöre? Hier wäre zu erwidern, daß das Leidende als Leidendes wohl ein Wirkendes verlangt 35 ), daß es aber als Leidendes dasselbe bleiben kann, wenn Wirkendes mit anderem Wirkenden wechselt. Darum liegt hier nicht ein ähnlicher Fall vor, wie da, wo man sagt: »Cajus ist größer als Titus«. Es hätte mehr Ähnlichkeit mit dem Fall, wo man sagte: »Cajus ist größer als irgend etwas außer ihm«, wo der Satz wahr bliebe, wenn auch alles, was kleiner als er wäre, aufhörte und anderes••) an die Stelle träte. Von einer denominatio extrinseca kann auch darum nicht gesprochen werden. weil die Bestimmung, die ausgesagt wird 17 ), etwas ist, was ganz als Modifikation des Subjektes, dem sie zugesprochen wird, sich bietet. Sieht einer ihr nicht an, daß sie zu ihrem Bestehen des Bestandes eines Wirkenden bedarf, so nur darum nicht, weil die Bestimmung selbst unvollkommen und unvollständig ins Bewußtsein tritt' 8 ).

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Wirken kein reales Prädikat

Hieraus ist auch zu ersehen, was im besonderen inbezug auf eine Substanz gesagt werden muß, welche nur, indem sie stetig erhalten wird, besteht18 ). Für sie würde vielleicht nicht gelten, daß das sie erhaltende, wirkende Prinzip'0) wechseln und so eines durch ein anderes abgelöst werden könnte. Und so hätte man denn hier eine Relation zwischen einem und einem anderen bestimmten Einzelnen. Aber bei vollkommener und vollständiger Erkenntnis der gewirktwerdenden Substanz, würde in ihr die Erkenntnis der Substanz, zu der sie in Relation steht, selbst gegeben sein. Man hätte also auch hier keineswegs ein Recht von denominatio extrinseca zu sprechen"). 15. Wir haben gesehen, was von dem Leidenden und Gewirktwerden als solchen zu sagen ist. Sprechen wir nun auch über das Wirkende, als solches. Manche haben gemeint, die Erfahrung, welche zur Aufstellung des Gesetzes von der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung geführt habe, zeige, daß auch das Wirken zu dem zu rechnen sei, was das wirkende Subjekt modifiziert12). Und so würde es sich nur noch etwa darum handeln, ob man hier nicht vielleicht eine dritte Gattung von Modifikationen neben den lnhärenzen und passiven Affektionen anzunehmen habe. Allein dies ist durchaus unrichtig. In den Fällen von Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung erhält pas Wirkende eine Modifikation, aber nicht insofern es eine Wirkung gibt, sondern imofern es sie empfängt. Und so ist denn in keinem Falle das Wirkendsein etwas, was in dem Wirkenden auch nur die geringste Modifikation setzte. Es ist wirkend durch nichts anderes, als dadurch, daß das Leidende oder Gewirktwerdende ein von ihm Leidende~ oder Gewirktwerdendes11) ist. Hier handelt es sich also wirklich um eine denominatio extrinseca. Und wie andere relative Prädikate ist auch dieses in diese Klasse zu rechnen. Dagegen bildet es keinen Einwand, daß in der Kenntnis des Wirkenden, wenn es keine Mitbedingungen des Wirkens hat, die Erkenntnis des Gewirktwerdenden be-

Kausal- und Kontinualrc:lation

217

schlossen sein kann. Denn das, was hier die Erkenntnis der Wirkung impliziert, ist nicht eine durch das ausgehende Wirken hervorgebrachte Modifikation"). 16. Wie das Bewirktwerdende als solches von dem Bewirkenden in seinem Bestande abhängig ist, so auch der Punkt von etwas, dem er als Grenze zugehört. Und daß er dies tut, gehört zu seiner Natur. Er gehört zu einem Kontinuum, von dem aber ins Unendliche Teile entfallen könnten, ohne daß der Punkt in seinem Bestand beeinträchtigt wäre, und so kann man denn von keinem bestimmten Kontinuum sagen, daß sein Bestand zu dem Bestand eines gewissen Punktes im einzelnen erforderlich sei. Dies erinnert etwas an das, was wir von der passiven Affektion gesagt haben, die zu ihrem Bestand ein Wirkendes verlangt. Doch besteht hier ein gewisser Unterschied, denn damit derselbe individuelle Punkt bestehe, ist zwar kein individuell bestimmtes Kontinuum gefordert, wohl aber ein Kontinuum im allgemeinenu), welches mit jedem anderen, das statt seiner stehen könnte, einem Teile nach identisch ist, sonst würde es nicht denselben Punkt in derselben Pierose 48 ) zur Grenze haben. Wie bei der passiven Affektion gesagt wurde, daß Denkendes und Als-Denkend-Bewirktwerdendes identisch sei, so ist auch von einem Punkt zu sagen, daß er und em zu einem Kontinuum als Grenze Zugehöriges und so von ihm in seinem Bestand Bedingtes identisch sei. Dies Zugehörigsein und Bedingtsein ist keine denominatio extrinseca. Doch gilt dies nicht, wenn ich ihn als zu einem individuell bestimmten Kontinuum gehörig bezeichne, z. B. von einem Punkte sage, er sei ein Eckpunkt von einem Kubus, der einen Kubikmeter zum Inhalt habe. Hier hätte man es unzweifelhaft mit einer denominatio extrinseca zu tun. Wenn wir sagten, es könne etwas als Denkendes erfaßt werden, ohne daß man es zugleich als etwas Als-denkendBewirktwerdendes vorstelle, so gilt nicht ebenso, daß man etwas als Punkt erfassen könne, ohne es als Punkt einem

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Aristotelische Kategorienlehre.

Kontinuum zugehörig vorzustellen; nur das könnte geschehen, daß ein Punkt nicht als Punkt, sondern in noch weiter gehender Verallgemeinerung als ein Reales gedacht würde, und dann wäre es natürlich nicht gefordert, daß man ihn einem Kontinuum zugehörig dächte17). IV. Vergleich mit der aristotelischen Kategorienlehre. 17. Was wir eben über die Prädikationen sagten, bei welchen eine letzteinheitliche Einzelsubstanz als Subjekt gegeben ist oder gegeben scheint, hat sich vielfach mit dem berührt, was A r i s t o t e I e s in seiner Kategorienlehre ausspricht. Abweichungen fehlten allerdings nicht, sie hingen zum Teil damit zusammen, daß Aristoteles auch ausgedehnte Substanzen als letzteinheitlich gelten läßt, worin wir ihm nicht beipflichten können; dann damit, daß wir für das18), wofür Aristoteles verschiedene höchste Klassen aufstellt, einen gemeinsamen Charakter als denominationes extrinsecae nachwiesen. Die komparativen Relationen und das Wirken zogen wir mit in diese Klasse hinein. Auch mußten wir,wenn für uns die kontinuierliche Substanz als letzteinheitliche entfiel, dafür dem P u n k t besondere Beachtung schenken. Und wieder haben wir Ortsbestimmungen, welche nicht relativ, sondern absolut gegeben werden, nicht zu den akzidentellen, sondern, da sie individuaHsierend sind, zu den substanziellen gerecnnet. Daß dasselbe mit gewissen Antworten auf die Frage »Wann?« geschehen müßte, wenn sie uns nicht völlig transzendent wären, haben wir ebenfalls angedeutet''). Auch ein substanzielles Analogon der passiven Affektion auf akzidentellem Gebiet wiesen wir als denkbar nach" 0 ). Schon diese Abweichungen sind nicht unbedeutend, es muß aber noch zu ungleich bedeutenderen kommen, denn wenn Aristoteles behauptet, daß es keinen alles Seiende, was von einer Substanz zu prädizieren sei, einheitlich umfassenden Begriff des Seienden gebe, so irrt er, da vielmehr gar nichts Objekt des Denkens werden kann, was

Sinn der Unterscheidung von Kategorien

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nicht demselben höchsten allgemeinen Begriff unterliegt. Dies so gewiß, als der Begriff des Denkenden selbst eindeutig ist. Denn >>denken« heißt so viel wie etwas denkend zum Objekte haben und der Name »Denkendes« würde nicht synonym sein, wenn der Ausdruck »etwas« nicht in einheitlichem Sinne zu nehmen wäre61 ). 18. Hienach ist es nicht möglich, von einer vielfachen Bedeutung des Seienden, jt: nachdem das Seiende Substanz oder Akzidens ist und zu dieser oder jener Gattung von Akzidentien gehört, zu reden 52 ). Und man möchte sich fragen, ob überhaupt noch von Verschiedenheit der Kategorien gesprochen werden könne, da ja ihr Unterschied der Verschiedenheit des Begriffes des Seienden, je nachdem es als höchster Begriff einer Substanz oder einem Akzidens zukam, entsprechen sollte. Dennoch ist dies der Fall. Wenn nämlich jedes Akzidens im selben Sinn ein >>Etwas« ist wie eine Substanz, so hindert doch nichts, daß sein Verhältnis zu der Substanz, die sein Subjekt ist, ein anderes ist als das der betreffenden Substanz zu sich selbst, und so können auch die Unterschiede des Verhältnisses zum Subjekt zwischen verschiedenen Klassen von Akzidentien bestehen18). Diese Unterschiede sind natürlich dieselben, mögen dieAkzidentien von uns mehr universell oder mehr speziell gedacht werden, wenn sie auch bei der Unbestimmtheit des universelleren Denkens weniger, ja, bei seiner höchsten Unbestimmtheit gar nicht mehr in dem Begriffe hervortreten. Faßt man ein Denkendes ganz allgemein als >>Etwas«, so tritt nicht einmal das hervor, daß es nicht Substanz, sondern Akzidens ist. Faßt man es als Akzidens, so liegt darin, daß es ein Seiendes ist, welches ein anderes als Subjekt verlangt. Faßt man es als passive Affektion, so erscheint es auch noch von den lnhärenzen geschieden, und wenn es noch andere Klassen von passiven Affektionen neben dem Denken gibt, so mag auch dadurch, daß ein gewisses Denkendes als Denkendes bezeichnet wird, noch eine weitere Spezifikation seines Verhältnisses zu der Substanz, der

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Kriterium für Einheit der Kategorie

es als seinem Subjekte innewohnt, angezeigt sein. Wir werden also nicht zu leugnen haben, daß die realen Attribute einer Substanz in verschiedenen Prädikatsverhältnissen zu ihrem letzten substanziellen Subjekte stehen, sondern nur dies, daß sie deswegen nicht mehr in demselben Sinne ein Reales seien. Wie vidfach der Charakter des Verhältnisses zum letzten Subjekt ist und wie vielfach er sich zeigt, wo er infolge genügender Bestimmtheit des Begriffes voll hervortritt, so vielfach werden wir auch von Kategorien zu sprechen haben.

V. Aporetische Erörterung über das Kriterium für Einheit und Vielheit der Kategorie 19. Frägt man, bei welchem Grade von Spezifikation der Charakter der einzelnen Kategorie ausgesprochen sei, so könnte einer versucht sein, zu antworten, er trete voll hervor, sobald eine akzidentelle Bestimmung so gegeben werde, daß jede Mehrheit von Akzidentien dieser Art5 ') gleichzeitig ausgeschlossen sei, indem jede akzidentelle Bestimmung eines Subjekts die schon gegebene Bestimmtheit desselben in der betreffenden Weise des Bestimmtseins ausschließe. Nur Unbestimmtes könne bestimmt werden, wie nur etwas, was das Sein noch nicht hat, es empfangen könne. So könne z. B. ein Subjekt, das blau ist und blau bleibt, nicht rot werden, weil es inbezug auf die Weise, in welcher das Attribut »rot« es bestimmen würde, schon bestimmt sei56 ). Erwägt man das Gesagte, so scheint sich zu ergeben, daß man zur Feststellung der Zahl der realen Kategorien auf die Zahl der Gattungen achten müsse, deren Differenzen letzte spezifische Differenzen sind58). Es sind solche, von welchen Aristoteles nach dem ihm eigentümlichen Sprachgebrauch zu sagen liebte, daß sie eine andere und andere Materie haben. Für die Gegensätze innerhalb derselben letzten Gattung ist nach ihm die Materie eine und dieselbe, und keine Materie kann, zugleich zwei For-

Ob Prädikate derselben Kategorie vereinbar?

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men in sich aufnehmend, eine doppelte Verwirklichung erhalten87). 20. Allein aus dieser Antwort würden sich neue Schwierigkeiten ergeben68 ). So entsteht z. B. die Frage, ob eine und dieselbe Seele zugleich mehrere Akte des Denkens haben könne. Wenn man den Begriff so allgemein faßt, daß er auch das Empfinden einschließt, so scheint die Frage zu bejahen, denn man kann zugleich empfinden und begrifflich denken, ja sehen und hören und sogar zugleich Rot und Blau sehen mit verschiedener Lokalisation im Sehfelde, und das eine Sehen mag bleiben und das andere aufhören 5'). Auch scheinen wir zugleich eine Mehrheit von Begriffen zu denken und so oft einen großen Reichtum von Gedanken zu haben. Dazu kommt noch, daß wir zugleich affirmierend und negierend uns betätigen können, wie wir denn beim syllogistischen Denken zum Behufe eines Schlusses oft beide Denkweisen vereinigen. Ja, so oft wir leugnen, nehmen wir zugleich uns innerlich als Leugnende wahr und verbinden so ein affirmatives mit einem negativen Urteil. Wie nun, sollen wir, da ein so vielfaches Denken zugleich stattzufinden scheint, auf Grund des zuvor für die Unterscheidung der Kategorien vorgeschlagenen Prinzips von einer zunächst gar nicht übersehbaren Menge von Kategorien, die noch das Denkende als Denkendes unterscheiden ließen, sprechen? 21. Gewiß wird einer wenig Neigung verspüren, des halb weil wir oft zugleich Blau und Rot nebeneinander sehen, ja auch Rot und Rot nebeneinander sehen, für das Sehen an diesem und an jenem Ort verschiedene Kategorien zu statuieren; und so denn überhaupt nicht wegen der Vielheit gleichzeitiger psychischer Beziehungen, sei es zu demselben, sei es zu verschiedenen Objekten jene Oberfülle von Kategorien anzunehmen, welche das Argument als nötig zu erweisen schien. Um ihm zu begegnen, könnte man darauf hinweisen, daß nicht jede psychische Beziehung als ein besonderer

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Mehrheit gleichzeitiger psychischer

psychischer Akt betrachtet werden kann. So ist ja die Beziehung zum sekundären Objekt mit der Beziehung zum primären sicher nicht in zwei verschiedenen Akten gegeben, und ebensowenig sind es die mehrfachen Beziehungen, die zugleich zum sekundären Objekt gegeben sind, indem dasselbe sowohl vorgestellt als anerkannt wird und manchmal auch Gegenstand einer Gemütsbeziehung ist. So sehen wir denn, daß weder die Vervielfältigung der Objekte, noch die Vervielfältigung der Beziehungsweisen zu einem Objekt ein genügender Beweis für eine Vielheit der psychischen passiven Affektionen ist. Und dadurch könnte einer die Kraft des Arguments wesentlich erschüttert glauben. 22. Immerhin bliebe hier noch manches weitere zu untersuchen. Wir haben früher gesehen, daß auch ein Kollektiv ein Ding genannt werden kann, und wieder, daß es Dinge gibt, die als eine indefinite Vielheit von Dingen aufgefaßt werden können, deren letzte Elemente nichts für sich und etwas nur in Zugehörigkeit zu einem Ganzen sind, welches eine indefinite Vielheit solcher Elemente unterscheiden läßt••). So fanden wir es auf substanziellem Gebiete. Blickt man auf die Akzidentien, so findet man vor allem, daß sowohl die Substanz für sich als auch das Akzidens mit Einschluß der Substanz ein Etwas genannt werden kann, doch daß' es nicht erlaubt ist, das akzidentelle Etwas als aus zwei Etwas zusammengesetzt zu bezeichnen. Hat man es mit einer Substanz zu tun, welche zugleich Subjekt mehrerer Akzidentien ist, so kann sie sowohl für sich allein als mit einem, mehreren, ja allen Akzidentien zusammen als ein Etwas bezeichnet werden, nicht aber als eine Vielheit von Etwas11), obwohl in ihrer Gesamtheit sowohl die Substanz ein eigenes") Etwas ist, als auch die Substanz mit je einem einzelnen der Akzidentien und wieder die Substanz mit einer gewissen Mehrheit derselben. Kein Akzidens ist eben hier, mit der Substanz oder mit einem anderen Akzidens verglichen, etwas total Neues. Durch die Vervielfältigung ihrer Akzidentien wird

Akte im selbcn Subjekt

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eine Substanz, wenn sie selbst letzteinheitlich ist, nicht Subjekt von Vielem, sondern nur Subjekt von einem Vielfachen; und es kann geschehen, daß sie Subjekt von indefinit Vielfachem wird, und das indefinit Vielfache gehört nicht jedem anderen Teil seiner Mannigfaltigkeit nach unter eine andere Kategorie••). Vielmehr wird es nach einer indefiniten Vielheit solcher Teile ebensogut als nach jedem letzteinheitlichen noch als ein Beispiel derselben Kategorie erscheinen können. Es steht dabei nichts im Wege, daß von der Mannigfaltigkeit ein Teil für sich entfällt, wo dann die Substanz nur als Subjekt eines minder Vielfachen zurückbleibt, ohne daß der zurückbleibende Teil der Mannigfaltigkeit irgendwelche reale Änderung erleidet. So dürfen wir denn auch, wie mir scheint, sagen, daß, wenn ein Sehender zugleich hört und dann zu hören aufhört, er als Sehender noch ganz als dasselbe Reale fortbesteht. 23. M a r t y ") widerspricht dem Gesagten unter Berufung darauf, daß wir uns als Hörende und Sehende nicht vergleichen könnten, wenn wir nicht als Hörende und Sehende in e i n Bewußtsein fielen. Allein was hindert anzunehmen, daß wir von uns als Hörenden ein Bewußtsein haben, in welches wir nicht als Sehende fallen und auch nicht als uns als Sehende und Hörende Vergleichende, und daß wir jenes85 ) zugleich mit diesen beiden88 ) haben, sülange wir auch diese haben; daß wir es aber allein zurückbehalten87), wenn das Sehende entfällt, und manchmal auch mit dem Bewußtsein von uns als Sehenden, aber ohne das Bewußtsein von uns als V ergleichenden haben, wenn wir fortfahren zu hören und zu sehen, aber aufhören uns als Hörende und Sehende zu vergleichen88 )? Das Irrige in M a r t y's Lehre tritt in den Konsequenzen, die er zieht, hervor. Er folgert, daß· keine psychische Tätigkeit in uns eine andere zu bewirken vermöge, was der evidenten Erfahrung widerspricht und den Ursprung der Idee des Wirkens unerklärlich machen würde 81 ); denn einzig zwischen Psychischem und Psychi-

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Fälle positiver Opposition

schem nehmen wir ein Wirken wahr. M a r t y freilich behauptet, daß der Begriff des Realen den Begriff des Wirkens einschließe'•), was aber nur ein Zeugnis dafür ist, auf welche schiefe Bahn sich derjenige begibt, der, wie er, verkennt, daß jedes Denken auf Reales als seinen Gegenstand gerichtet ist. 24. Man beachte, daß die obige Erörterung keineswegs dartun wollte, daß alle Akzidentien eines Subjektes zu einer Kategorie gehören können und müssen. Es läßt sich also nicht wohl leugnen, daß das, was wir hier über das Kriterium für die Einheit oder Vielheit der Kategorien gesagt haben, aus gar manchem Grunde noch sehr der Überprüfung bedarf. So ist ja auch die Unvereinbarkeit von Rot und Blau in keiner Weise durch die Er f a hr u n g dargetan, da ja in Wirklichkeit keines von beiden zu existieren scheint. Die Erfahrung zeigt nur, daß wir nicht die Fähigkeit haben, denselben Teil des Sehfeldes mit der einen u n d der anderen Farbe erfüllt anzuschauen. Daß ein anderer zugleich, denselben Teil des Sehfeldes mit der anderen Farbe erfüllt anschauen kann, steht außer Zweifel, und daß Gott nicht einen schaffen könnte, der die Fähigkeit hätte, dasselbe Sehfeld zugleich zweimal und das einemal mit Blau, das anderemal mit Rot erfüllt zu schauen, wer könnte es als erwiesen betrachten?").

VI. Einheitliche Funktion der Kopula bei echten Prädikationen 25. Eine andere Frage drängt sich aber auf. Wie steht es mit dem Sein der Kopula und dem, welches durch »existieren« ersetzt werden kann, wie ich sage: »ein Baum ist«, gleichbedeutend mit »ein Baum existiert«? Und wenn von diesen beiden, soll nicht auch noch von dem Sein, wo es als Kopula gebraucht wird, gesagt werden, daß es vieldeutig sei, indem es zwar jedesmal eine Verbindung, aber

Einheit des •ist« bei echten Prädikationen

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doch je nach der Kategorie eine ganz andere Weise der Verbindung anzeigt? Um auf die letzte Frage zunächst einzugehen, da sie auf die Feststellung der verschiedenen Bedeutungen des Seins, die wir zu Anfang ins Auge faßten, sich bezieht, so wird man leicht erkennen, daß die Kopula als Kopula ganz gleichmäßig fungiert, was immer für einer Kategorie das Prädikat angehöre. Sahen wir doch, daß die universellsten Bestimmungen in gleicher Weise wie die SJ)ezifisch determiniertesten mit dem Subjekt vereinigt sind, wenn sie als Universalien für diese zu gelten haben. Die universellste aber von allen ist allen Akzidentien gemein, ja kommt ihnen gemeinsam mit der Substanz zu; wenn ich nun sage >>A ist etwas«, so kann doch niemand behaupten, die Kopula sei eine andere und habe eine andere Bedeutung in verschiedenen Fällen, weil es sich bald um ein Etwas dieser, bald um ein Etwas jener Kategorie handelt. Somit wird man es als das allein Richtige erkennen. daß die Verschiedenheiten der Kategorien sich nicht in einer Vieldeutigkeit der Kopula geltt'nd machen, sondern nur in der Verschiedenheit der Prädikate und auch in diesen nur, insoweit sie genügend generisch determiniert sind 72 ). 26. Dann aber kann man auch noch weiter gehen und leugnen, daß zwischen dem >>ist« der Kopula und dem für sich stehenden >>ist>ein Baum ist grün« und >>ein grüner Baum ist« oder auch >>es gibt einen grünen Baum>>, ganz auf dasselbe hinausläuft. Und daraufhin wage ich nuch, zu behaupten, daß es ganz auf dasselbe hinausläuft, wenn man sagt, »ein Baum ist grün» und >>ein Baum existiert grün« 73 ). Ja, auch das kann noch hinzugefügt werden, daß die Bedeutung des >>ist«, mag es nun alleinstehend oder als Kopula gebraucht werden, sich gar nicht ändert, wenn statt einer letzten Einheit ein Kollektiv als Subjekt gesetzt wird und auch mit dem Prädikat eine ähnliche Änderung

226

Fälle positiver Opposition

vor sich geht. Und natürlich gilt dann auch dasselbe, wenn als Subjekt keine Substanz, sondern ein Akzidem steht und vielleicht kein Akzidens, sondern ein substanzieller Begriff davon ausgesagt wird. Die Kopula »ist« sowohl als das »es gibt« sind Zeichen dafür, daß etwas anerkannt, und die »ist nicht« usw., daß etwas verworfen wird, und zwar auf Grund einer Vorstellung, die etwas als gegenwärtig vorstellt. Nachtrag zu §§ 19-24 Sind Akzidentien derselben Kategorie kompatibel ? 74) 27. Wir haben schon mehrere Klassen von Akzidentien unterschieden, wo von Verschiedenheit der Kategorie gesprochen werden kann. Ist auf diese Weise die Mannigfaltigkeit der Kategorie erschöpft, oder gilt es, noch andere Unterschiede in dem Verhältnisse der Akzidentien zu ihrem Subjekt aufzuweisen? Muß vielleicht, so oft zwei Akzidentien einem und demselben Subjekt zukommen, jedes von ihnen in einem anderen Verhältnis dazu stehen? Leuchtet es uns etwa darum ein, daß z. B. nichts zugleich die Beschaffenheit einer gewissen Tugend und des entgegengesetzten Lasters haben könne, weil beide dem Subjekte in derselben Weise zukommen würden? Und ist es aus dem gleichen Grunde unmöglich, daß etwas an derselben Stelle rot und blau sei, obgleich diese Beschaffenheiten, auf verschiedene Orte verteilt, nicht bloß phänomenal, sondern auch wirklich zusammen gegeben sein können? Da man gemeiniglich annimmt, es könnten bei wirklicher Existenz der sinnlichen Qualitäten zwar nicht Blau und Rot, wohl aber Blau und Warm einem und demselben Subjekt als Beschaffenheit zukommen, so müßte nach jener Voraussetzung das Verhältnis zum Subjekt auch bei den Temperaturbeschaffenheilen und den Farbenbeschaffenheilen ein anderes sein71 ).

Kompatibles und inkomp. Bewußtsein

227

(Es fehlt, nebenbei bemerkt, nicht an solchen, welche Rot und Blau im seihen Subjekt für vereinbar halten. Die sog. psychologischen Realisten meinen, wenn ein Farbenblinder etwas schwarz sieht, was der Normale rot sieht, sähen beide ganz richtig. Dasselbe Subjekt habe beide Farben, doch sähe davon jeder von ihnen nur eine und jeder eine andere 7 ').) 28. Wenden wir uns von diesem Spezialfall zu dem, wo es sich um psychische Tätigkeiten handelt. Da scheinen nicht bloß Hören und Sehen im seihen Subjekte vereinbar, sondern auch Blausehen und Rotsehen, wofern nur eben das Rote und Blaue verschieden lokalisiert erscheinen. Sollen für alle diese Akte, weil sie sich im Subjekt zusammenfinden können, verschiedene Weise der Innewohnung angenommen werden? Auch wenn wir etwas als ruhend anschauen, haben wir die Anschauung desselben Dinges, als eines jetzt und früher am gleichen Ort befindlichen; §Ollte das eine und andere Anschauen in anderer Weise Akzidens sein, weil beide dem Subjekte zugleich zukommen! Und wie ist es, wenn wir Begriffe kombinieren? Wir denken dann doch zugleich den einen und den andern, und sollte jedesmal das Verhältnis des Denkenden zum substanziellen Subjekt ein anderes sein? Auch kommt, wenn wir aus mehreren Prämissen einen Schlußsatz gewinnen, ein Urteil zum anderen hinzu; sollte bei jedem die Weise der Innewohnung wegen der Gleichzeitigkeit der Akte eine andere sein? Explizit kontradiktorische Urteile scheinen sich allerdings, im Unterschiede von anderen, gleichzeitig auszuschließen; somit hätten nach dem hier aufgestellten Kriterium Anerkennen und Verwerfen desselben Objekts allerdings als gleiche Kategorie zu gelten, - umso seltsamer dann, daß zwei Urteile mit verschiedenen Objekten, sogar wenn beide Anerkennungen sind, verschiedener Kategorie sein sollten77 )! Es dürfte also die Unvereinbarkeit hier einen anderen Grund haben 75 ).

228

Mehrheit gleichzeitiger psychischer Akte

29. Um die These, daß zwei Akzidentien nicht zugleich demselben in derselben Weise zukommen können, aufrechtzuerhalten, könnte einer auf den Einfall geraten, die Gesamtheit unserer psychischen Tätigkeiten, soweit sie gleichzeitig sind, sei ein real einheitliches Akzidens 78 ). Zeige doch die gleichzeitige Beziehung zum pnmaren und sekundären Objekt sich sicher in ein und derselben akzidentellen Tätigkeit gegeben, und ebenso fänden wir bei einheitlicher Tätigkeit Beziehungen mit dem Modus des Vorstellens, Urteilens und gemütlichen Verhaltens vereinigt. Mit jedem Wechsel des Denkens in einer Beziehung sei so das ganze und einzige Denken, das wir im selben Augenblick hätten, zu einem anderen geworden, das Verhalten des denkenden Ganzen zu seinem Subjekte zeige aber immer dieselbe Weise. Daß aber tatsächlich das ganze gleichzeitige Bewußtsein e i n einheitliches Akzidens bilde, gehe schon daraus hervor, daß es von einem einheitlichen sekundären Bewußtsein, ohne welches ja ein evidentes Vergleichen der Teile nicht möglich wäre, umspannt sei80 ). Dies erinnert an die Meinung derjenigen, welche überhaupt nicht zwischen substanziellen und akzidentellen Bestimmungen unterscheiden wollen, indem sie sich sie alle ähnlich wie verschiedene Universalien denken, welche, mit einander verbunden, eine bestimmte Vorstellung von demselben Dinge ergeben, das in jedem einzelnen Universale weniger bestimmt gedacht wird. Nuch dieser Lehre würde alles, was wir über ein akzidentelles Verhältnis zur Substanz gesagt haben, irrig sein, die Substanz wäre eine bloße Fiktion, und wir hätten es mit nichts als mit Univcr!lalien und ihren logischen Teilen zu tunH 0 •). 30. Allein sowohl diese Lehre als ihre Begründung ist irrig. Gegen das Argument aus der Tatsache eines alles umfassenden sekundären Bewußtseins ist folgendes zu sagen: Es steht nichts im Wege, daß einer, der zugleich vielfach ein Denken erleidet, von einzelnen Teilen seines Denkens ein besonderes Bewußtsein und von seinem gan-

Total- und Teilbewußtacin

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zen Denken ein Totalbewußtsein hat, zu dessen Objekt jenes besondere Bewußtsein selbst mitgehört. Entfällt dann ein Teil des Denkens, der außerhalb jenes besonderen Bewußtseins liegt, so kann natürlich auch das Totalbewußtsein nicht mehr weiter bestehen, aber jener andere Te1l des Denkens, von dem wir ein besonderes Bewußtsein hatten, kann als solcher noch ganz unverändert fortbestehen. So kann einer, der aufhört etwas zu riechen, insofern er gleichzeitig etwas hört, ganz unverändert bleiben81 ). Es ist aber auch die Lehre selbst irrig. Man könnte dagegen geltend machen, daß der gesunde Menschenverstand entschieden glaubt, es sei individuell da~selbe Ich, wovon unser Gedächtnis spricht und das jetzt existiert und denkt; es wäre aber gar nicht dasselbe, wenn bei jedem Wechsel nichts, was zu dem Denkenden gehört, individuell erhalten würde. Indes zwingend wäre dieses Argument nicht, denn wir erfassen uns in der inneren Wahrnehmung ja gar nicht unseren individuellen Differenzen nach, beständen also solche, so könnte die Erscheinung gleichwohl dieselbe sein. Dagegen scheint folgende Widerlegung zwingend. Oft tritt. wie eben erwähnt, in unserem Seelenleben eine Ande rung in der Art ein, daß gewisse Bestimmungen ohne jeden Ersatz entfallen. Einer, der hört und sieht, hört auf zu hören, während er zu sehen fortfährt; zur Sinneswahrnehmung kommt zuweilen ein verwickeltes Denken hinzu und entfällt wieder ohne Ersatz. Wir haben es da mit einfachem Entfall und Hinzutritt von Bestimmungen zu tun. Da nun jede Bestimmung zur Definition des Ganzen gehören würde, so wäre mit und ohne die Bestimmung ein Individuum gegeben, dem zur vollen Bestimmtheit nichts mangelte. Das ist aber unmöglich. Entfällt beim Individuum eine logische Bestimmung, so behält man kein anderes Individuum, sondern kommt zu einem Universale, bis man die entfallene Bestimmung durch eine andere positive Bestimmung ersetzt. So geschieht

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Einheit des Ich

es, wenn ich z. B. aus dem Begriff des Roten die qualitative Differenz entfallen lasse und nur das Farbige zurückbehalte, ohne es durch eine andere positive Differenz, wie z. B. Blau, zu determinieren. Auf unseren Fall angewandt ergäbe sich, daß einer, der hört und sieht, wenn er nur einfach aufhörte zu hören, aller Individualität verlustig ginge. Dem entgeht man nur, wenn man anerkennt, daß er nach dem Entfall des Hörens als Sehender noch individuell derselbe bleibt. Die Bestimmung als Hörender hatte nichts zur Individualität beigetragen. Ähnlich ist es dann auch umgekehrt. Dabei ist aber doch offenbar, daß dieser Sehende zu diesem Hörenden in einer anderen Beziehung steht, als zu einem anderen Hörenden, und dieser Unterschied liegt darin, daß dort der Sehende und Hörende nicht ganz verschiedene, sondern nur teilweise verschiedene Reale sind, während man es im andern Falle mit zwei total verschiedenen Realen zu tun hat. Der jenen gemeinsame Teil ist nun aber das Subjekt, d. h. die Substanz. (Aus der eben geführten Erörterung ergibt sich auch, daß der Hörende und Sehende und in anderer Weise psychisch Tätige nicht, wie die Gegner meinen, schlechthin als dasselbe individuelle Reale angesehen werden können.) 82 ) 31. So scheint sich also zu ergeben, daß man auf dem zuvor versuchten Wege nicht zu einer Feststellung verschiedener Weisen des Verhältnisses des Akzidens zu einem Subjekt und darum auch nicht zur Feststellung verschiedener Kategorien gelangt81 ).

Kategorienlehre (1916) Zweiter Entwurf

I. Psychognostische Unzulänglichkeit der Vorarbeiten der Grammatiker l. Die Grammatiker unterscheiden beim Wörtchen »sein« einerseits den Gebrauch als Zeitwort für sich, andererseits als Hilfszeitwort. Ahnlieh wie auch bei »werden« und »haben«, je nachdem man sagt »ein Ding wird«, »ein Ding hat« oder aber »ein Ding wird sein«, >•ein Ding wird tun«, >>ein Ding hat getan«. (In >>ein Ding wird tätig« scheint es ihnen als selbständiges Zeitwort zu gelten.) Dann scheiden sie das selbständige Zeitwort »sein«, insofern es etwas die Existenz zuspreche oder als Kopula ein Attribut mit einem Subjekte verbinde. Hiemit wäre nach ihnen alles erschöpft. Auf die Arten der Subjekte und der Pr~dikate nehmen sie keine Rücksicht. Insbesondere auch darauf nicht, ob das Subjekt durch das Prädikat eine Modifikation') erleidet, ja gewissermaßen aufgehoben wird oder ob es dadurch eine Oe~ termination erfährt. Selbst darauf achten sie nicht, ob das »ist«, während es zum Ausdruck einer Affirmation zu dienen scheint, nicht etwa vielmehr eine Negation ausdrücke. Vielleicht ist es kein zu hartes Urteil, wenn ich sage, daß sich die Grammatiker das Psychische, welches die Sprachen zum Ausdruck bringen, ebensowenig genugsam deutlich gemacht haben wie das Volk, das die Sprache baut. Sie scheiden die Fälle einfacher Position nicht klar von den Fällen der Komposition und glauben es auch bei

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»Ist« als Zeitwort, Hilfszeitwort. Kopula

jenen mit Prädikationen zu tun zu haben. Sagt man »ein A ist«, so nehmen sie das für einen abkürzenden Ausdruck von >>ein A ist seiendein A flieht« Abkürzung für >>ein A ist fliehend" ist. So würden sich denn die Fälle, wo das Sein als Kopula steht und wo es nicht als Kopula, aber als selbständiges Zeitwort steht, nur so unterscheiden, daß es im letzteren Falle die Bedeutung der Kopula mit der des Prädikats vereinigte. Auch diese Unterscheidung seiner Funktion als Kopula und als Hilfszeitwort liefe nur darauf hinaus, ob das Prädikat eine Partizipalform hat oder nicht, also in seiner äußeren Bildung durch Konjugation sich ergeben hat, was sachlich ohne Belang ist, denn Sätze wie >>N ist wohltuend>istist fliehend>ist ein Fliehender>ist ein Grünes« unterscheiden und das >>ist« in »ist grÜn>alle« eine doppelte Negation steckt, indem es soviel sagt wie »Kein A ist nicht B«. Ähnlich wäre es, wenn einer den Satz >>Nichts ist vorhanden« für eine Affirmation hielte mit »nichts« als Subjekt und »vorhanden« als Prädikat.

Unechte Prädikationen

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c) Man glaubt Prädikationen vor sich zu haben, wo in Wahrheit das vermeintliche Prädikat das Subjekt modifiziert, statt es ganz oder teilweise zu wiederholen oder zu bereichern. »Dieser Gulden ist falsch«, »Ein Zentaur ist eine Fiktion der Dichter«, »Ein goldener Aeroplan ist ein Ding der Unmöglichkeit«, »Ein Landgut ist Gegenstand meines Verlangens« (ein gewünschtes Landgut ist kein Landgut), »Dieses Messer ist ohne Klinge«, »Dieser Mann hat keinen Kopf«. d) Ebensowenig handelt es sich um Prädikation, wo das Subjekt kein Name ist, d. h. nicht wahrhaft etwas Reales nennt. »Daß etwas Viereckiges rund sei, ist eine Unmöglichkeit«, »Die Möglichkeit eines Pferdes schließt die Möglichkeit eines Tieres ein«, »Die Unmöglichkeit einer Vielheit von Göttern ergibt sich aus der Einheitlichkeit der Weltordnung«, »Das Nichtsein eines Teufels ist erwiesen«, »Das Dasein Gottes ist erwiesen«, »Irgendeine mögliche Figur ist ein mögliches Dreieck«, ••Ein von einem Gehaßtes ist von einem andern geliebt« 11 ). Zu diesen Namen, die nicht wahrhaft etwas nennen, gehören die Abstrakta, welche die Sprache wahren konkreten Namen zurseite stellt. Alle Sätze, worin ein abstrakter Ausdruck im Sinne der Aristotelischen >•Formen« zum Subjekt gemacht ist, sind nicht wahrhaft Prädikationen. Nicht Röte, sondern Rotes kann man vorstellen'"). Solche Pseudoprädikationen dienen aber doch als Ausdruck von dem, was wir denken. Sie lassen sich alle in der Art umgestalten, daß ohne Änderung des Sinnes nur wahre Namen angewandt werden und auch die psychischen Beziehungen zu den dadurch benannten Objekten aufs deutlichste hervortreten. Was steht im Wege, statt »Daß ein Rundes viereckig sei, ist eine Unmöglichkeit« zu sagen »Ein rundes Viereckiges ist unmöglich«, was eine apodiktische Leugnung des genannten Dinges ausdrückt? e) Zuweilen bringen wir zwei Behauptungen so zum Ausdruck, daß sie wie e i n e Prädikation erscheinen. Das Subjekt wird nach etwas benannt, was gar nichts damit

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Komparative Bestimmungen

zu tun hat und keinen Aufschluß darüber gibt. Es handelt sich da um sog. denominationes mere extrinsecae. So können wir z. B. statt >>A ist, und B ist nicht« sagen »A ist ohne B>A ist und B ist« sagen wir »A ist mit B«. Eine wahre Prädikation ist das nicht. f) Eine gewisse Ähnlichkeit mit den denominationes mere extrinsecae zeigen die Fälle komparativer Bestimmungen von einem Subjekt, wo die Anerkennung von etwas diesem Fremden und ganz Äußerlichen eingeschlossen ist. Z. B. >>Cajus ist tugendhafter, als Titus ist«. Das Äußerliche in der Bestimmung zeigt sich recht klar, wenn sie durch Zunahme der Tugend des Titus aufhört, richtig zu sein, ohne daß sich an Cajus etwas geändert hat. Das kann nicht geschehen bei »Cajus ist tugendhafter als Titus gewesen ist«, allein offenbar erschiene Cajus noch ganz als derselbe, wenn Titus nicht gewesen wäre, oder eine geringere Tugend besessen hätte, als Cajus sie hat. Immerhin ist durch diese komparative relative Bestimmung etwas gegeben, was unter Umständen auch über den Cajus und die ihm eigentümlichen Modi 13 ) einen Aufschluß gewinnen läßt. Und ohne weiteres wäre dies der Fall, wenn gesagt würde, >>Cajus kennt von den Konjugationen der Lateiner eine mehr als Titus, der nur die zwei ersten kennt«. Wohl bleibt auch hier noch eine Behauptung eingeschlossen, die Cajus nicht angeht, aber von einer denominatio mere extrinseca kann doch nicht mehr gesprochen werden. Und wie steht es mit den Fällen wie >>Dieses Farbige ist heller als reines Rot«, wobei ich nicht ein wirklich existierendes Rotes zum Vergleiche heranziehe, sondern nur eines, das, wie man sagt, begrifflich in meinem G~iste besteht? Unzweifelhaft handelt es sich hier nicht um eine denominatio mere extrinseca, und noch deutlicher dürfte dies hervortreten, wenn ich von dem Farbigen die komparative Bestimmung >>gleich reinem Rot« prädiziere, denn damit ist über das Subjekt gerade so viel kundgetan wie durch das universelle Prädikat >>ist reines Rot«.

Komparative Bestimmungen

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Immerhin dürfte ein gewisser Unterschied bestehen, insofern dort doch noch eine zweite Behauptung mitspielte, wenn nicht die, daß ein anderes Rotes ebenfalls wirklich sei, so doch die, daß ein Rotes-Denkender bestehe, oder daß man eine Farbenklasse, die den Namen des reinen Rot erhalten habe, unterscheide 1sa). g) Es gibt viele Prädikationen, in welchen komparative Bestimmungen mit anderen, die aber ganz dem Subjekte äußerlich sind und nur über das Prädikat noch mancherlei kundtun, enthalten sind. So war es eigentlich schon in dem Beispiele >>Cajus ist tugendhafter als Titus«, woraus Titus als eine männliche Person zu erkennen ist usw. Noch deutlicher ist dies an Beispielen wie »ist bewaffnet«, »ist beschuht«, »ist vergoldetist bemannt>EtwaS>Etwas>daß ein Rundes viereckig sei, ist eine Unmöglichkeit« zu sagen »ein rundes Viereckiges ist unmöglich«, was eine apodiktische Verwerfung des dadurch genannten Gegenstandes zum Ausdruck bringt. 31. Es könnte aber einer versuchen, das Verhältnis der nomina abstracta zu den nominibus concretis ganz anders zu fassen. Er könnte sagen, daß die einen wie die andern etwas nennen und darum wahre Namen von Dingen seien, daß sich aber hiemit ihre Leistung noch nicht erschöpfe. Wie schon gesagt, sind die Worte nicht dazu bestimmt, für sich allein, sondern mit andern zu einer Rede verbunden, gebraucht zu werden. Da könnte es denn recht wohl geschehen, daß die Beziehungen auf gewisse besondere Redeverbindungen bei der Form von Worten, die etwas nennen, mit maßgebend gemacht würden87 ). Man prädiziert Namen voneinander und zwar sowohl Abstrakta als Konkreta. Dabei scheint aber das Bereich der Prädikate für die Abstrakta enger als das für die Konkreta. Man kann z. B. wohl sagen »dieses Runde war viereckig«, aber nicht ··diese Rundung war Viereckigkeit«. Ja, auch für die Gegenwart »dieses Runde ist rot«, aber nicht »diese Rundung ist Röte«. Will ich bei der Prädikation das Konkretum als Subjekt setzen und doch das Bereich des Prädikablen ebenso restringieren, so kann ich sagen »das Runde a l s s o l c h e s ist nicht rot, während es als solches gestaltet, begrenzt u. dgl. ist«. Das Runde, könnte einer sagen, bezeichne das substanzielle Subjekt mit allen Eigenschaften, die ihm jeweils zukommen. So werde zur Wahrheit des Satzes »das Runde, das rot ist, war einmal blau«, die Identität des roten Runden mit dem blauen Runden, das einmal war, dem substanziellen Teile nach gefordert, während die Prädikation in abstracto mehr verlangt, da hiebei auch die akzidentelle Bestimmung in dem, was identisch genannt wird, inbegriffen sei. Genau besehen, scheint dies indes doch nicht durch-

Abstrakta sind Fiktionen

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führbar 8 "); so kann man recht wohl sagen »aus einem Kalten als solchen wird ein Warmes«, nicht aber »aus einer Kälte wird eine Wärme88 ). Es scheint doch, daß man sich die Wärme irgendwie als Teil des Warmen vorstellt100), sei es als Teil, der bei der Umwandlung des Kalten ins Warme gewonnen und des Warmen ins Kalte verloren wird, sei es als Teil, welcher einem allgemeinen Begriff entspricht, während speziellere und individuelle Bestimmungen, welche in den Begriff nicht eingehen, als andere Teile, die mit ihm in dem Ganzen des Objektes vereinigt sind, betrachtet werden. Das eine wie das andere wäre aber ein Irrtum. Das letzte ein Ultrarealismus tot), das erste, soweit es sich um Akzidentien handelt, eine Verkennung ihres Verhältnisses zur Substanz, durch welche sie individualisiert werden 102 ), und soweit es sich um Substanzen handelt, der Wahn, daß eine Möglichkeit etwas Reales und ein Element sein könne, das sich mit einer Wirklichkeit, als anderem Element, zusammensetze. Immerhin mag so viel zugestanden werden, daß die abstrakten Namen manchmal benützt werden, um bei Prädikationen demselben, was wir sagen wollen, wenn wir sagen, ein gewisses Konkretum sei als solches das und das, einen kürzeren Ausdruck zu gebent••).

Kategorienlehre (1916) Dritter Entwurf!)

I. Dem Metaphysiker fällt vielfach die Aufgabe zu, gewisse Begriffe im Hinblick auf gewisse Tatsachen, aus welchen sie zu schöpfen sind, zu klären. Dabei muß er auf die Frage, ob wir überhaupt allgemeine Vorstellungen haben, eingehen, da ja die Frage nach der Bedeutung dieses oder jenes allgemeinen Namens sonst sinnlos würde, wenn anders ein allgemeiner Name derjenige ist, an welchen eine allgemeine Vorstellung sich knüpft. B e r k e 1 e y hat die universellen Vorstellungen geleugnet, allein mit Unrecht, könnte es doch sonst keine allgemeinen Urteile und Schlüsse geben, an denen die Wissenschaft so reich ist. Auch ist es nicht etwa bloß die Abstraktion, die uns, wo ein Vergleichen Übereinstimmungen nachweist, zu allgemeinen Vorstellungen kommen läßt; die innere Wahrnehmung zeigt jeden sich selbst ohne individualisierende Bestimmungen. weshalb niemand angeben kann, worin er sich psychisch von einem anderen, der dasselbe dächte und liebte und haßte, unterscheiden soll, während doch ein solcher recht gut möglich wäre. Die Vorstellung erscheint also hier als eine allgemeine. Ja, es hat Psychologen gegeben, die eine solche Allgemeinheit nicht blofS für die Vorstellung der inneren Wahrnehmung, sondern auch für die der äuHeren behaupteten, so daß hier ein extremer Gegensatz zu Berkeley's Ansicht sich darzubieten scheint. Schon Aristoteles hat zu ihnen gehört"). 2. Meines Erachtens ist aber dieses Extrem ebenso wie das früher zurückgewiesene verwerflich. Die äußere Wahrnehmung stellt so sicher individualisierend vor, als

UniversaHa vor aller Abstraktion

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es unmittelbar erkannt wird, daß die Dinge räumlich undurchdringlich sind und alles, was in äußerer Wahrnehmung erscheint, lokalisiert erscheint. Liegt doch hierin, daß, was uns in räumlicher Wahrnehmung erscheint, uns so erscheint, daß niemals mehr als eines der Erscheinung entsprechen könnte. Da A r i s t o t e I e s selbst an der räumlichen Undurchdringlichkeit festhält und auch die Lokalisation für die Sinneserscheinungen ausnahmslos behauptet, so gibt er dadurch selbst gegen seine Lehre von der Universalität der äußeren Wahrnehmung Zeugnis. Wir werden alsbald sehen, wie sehr der erwähnte Umstand von Wichtigkeit ist 3 ). 3. Wenn an dem Bestehen allgemeiner Vorstellungen schon darum nicht zu zweifeln ist, weil manche schon vor aller Abstraktion universell befunden werden, so werden doch die meisten allgemeinen Vorstellungen erst durch Abstraktion gewonnen. Man gelangt dazu durch Vergleiche. Wo man zwischen Verschiedenem eine Obereinstimmung findet, da erkennt man auch das, worin die Übereinstimmung besteht, das sog. tertium comparationis. Dabei braucht das, was verglichen wird, nicht wirklich zu bestehen oder auch nur für existierend gehalten zu werden, es genügt vielmehr, daß man es vorstellt So muß ich nicht an ein wirkliches Rot und Blau glauben, um zu erkennen, daß, was blau und was rot ist, darin übereinstimmt, daß es farbig ist~~"). 4. Wenn wir nun so von den Gegenständen, die wir denken, alle mit allen vergleichen, so finden wir sie sämtlich darin übereinstimmend, daß sie im seihen Sinn e t w a s sind, und wir nennen dies ein Seiendes oder ein Reales. Wäre dieser Begriff•) nicht ein einheitlicher, so könnte auch der Begriff des Denkens selbst kein einheitlicher sein, denn Denkender und etwas Denkender besagt ein und dasselbe. 5. Die Frage ob auch mehrere Seiende zusammen ein Seiendes seien, haben zwar viele verneint und in ihrer Bejahung einen Selbstwiderspruch zu finden geglaubt, allein

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Universale und Kollektiv

ein solcher besteht in Wahrheit nicht; der wäre nur dann vorhanden, wenn von individuell ein und demselben Seiendem gesagt würde, daß es sowohl ein aus mehreren Seienden bestehendes Seiendes als auch einer von den Teilen sei, aus welchen dieses Seiende bestehe. Wer leugnet, daß auch eine Vielheit von Seienden im selben Sinn wie diese ein Seiendes sei, der hebt bereits die Einheit des Begriffs des Denkens auf, denn ohne Frage werden auch Vielheiten gedacht, und gar oft weiß man zunächst nicht, ob man es mit einer Einheit oder Vielheit zu tun habe. Auch zeigt die Kontinuitätslehre, daß die Leugnung des Satzes zu geradezu unlöslichen Schwierigkeiten führt, die manche zur Leugnung aller Kontinuität in Raum und Zeit veranlaßt haben. Läßt sich nicht bestreiten, daß eine Vielheit von Seienden selbst ein Seiendes sei, so mag man doch zwischen Seienden, die auch eine Vielheit von Seienden und solchen, die keine Vielheit von Seienden zu nennen sind, unterscheiden und jene im Unterschiede von diesen Kollektive nennen 5 ). 6. Man beachte sehr wohl den Unterschied zwischen einem Universale und einem Kollektiv. Die Kollektive sind auch als Kollektive in Wirklichkeit, die Universalien sind als solche nie in Wirklichkeit, sondern nur individualisiert. Ein Seiendes, das Teil eines Kollektivs ist, ist nie mit diesem identisch. Ein Universale, das als Merkmal in der individuellen Vorstellung eines Seienden enthalten ist, gibt uns eine Vorstellung von eben dem Seienden, welches auch die individuelle Vorstellung vorstellt, nur eine weniger bestimmte, was die Folge hat, daß es als Merkmal auch in der individuellen Vorstellung eines anderen Seienden vorkommen kann8 ). Man hat darum gesagt, es sei ein begrifflicher Teil, aber nicht ein realer Teil des in Wirklichkeit bestehenden Seienden, das dem Begriff entspreche. Wird ein wirkliches Seiendes in ein anderes verwandelt, welches mit ihm unter denselben allgemeinen Begriff fällt, so kann man darum

Subjekt Teil des Akzidens

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nicht sagen, es sei einem seiner Teile nach sachlich dasselbe geblieben7 ), vielmehr ist es sachlich durchaus neu, während ein Kollektiv recht wohl sachlich einem Teil nach korrumpiert werden, einem andern Teil nach sich als eben das, was es vorher war, erhalten kann. Man nennt ein Universale einen logischen Teil der individuellen Vorstellung, dagegen den Teil eines Kollektivs einen sachlichen Teil und ein Element desselben 8 ). 7. Es gibt aber außer den Kollektiven auch noch ein anderes reales Ganzes, bei welchem das Aufhören des Ganzen mit dem realen Fortbestande eines Teiles vereinbar ist, doch von dem Kollektiv dadurch unterschieden, daß ein solcher unversehrter Fortbestand nur für einen Teil denkbar ist, während außer ihm kein zweiter ebenso unverändert widerspruchslos erhalten werden könnte, wenn jener zu existieren aufgehört hätte. Und so könnte denn, wenn ein jenem Teil im besonderen eigener Begriff ganz entfiele, kein Begriff von dem, wodurch das Ganze sich von dem Teil unterschiede, noch festgehalten werden"). Das Verhältnis von Teil und Ganzem, an welches ich hier rühre, ist das von Subjekt und. Modus, welches, wo es sich um ein letztes Subjekt handelt, auch als das Verhältnis von Substanz und Akzidens bezeichnet wird (Wesen und zum Wesen Hinzukommendes). Auch der Name Akzidentalkollektiv, Akzidentellbefassendes wäre möglich10 ). Ein solches Subjektsverhältnis findet sich zwischen einem einen Freund Vorstellenden und nach ihm Begehrenden. Würde das Begehren entfallen, so würde das Vorstellen des Freundes unverändert fortbestehen können, dagegen wäre mit dem Entfall des Vorstellens auch das Begehren notwendig aufgehoben. Der Vorstellende als Vorstellender kann aber zwar als Subjekt, nicht jedoch als letztes Subjekt des Begehrenden bezeichnet werden, wenn es richtig ist, daß manchmal alles Denken entfallen und doch das, was gedacht hat, fortbestehen kann. Das ist dann vielleicht als wahres letztes Subjekt anzusehen,

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Individuation durch den Ort

und wenn dieses sich in seinem individuellen Bestande nicht weiter erhalten, sondern in ein anderes verwandeln würde, welches das gleiche zu denken und zu begehren fähig wäre, so könnte doch nicht mehr von demselben individuellen Denkenden und Begehrenden gesprochen werden 11 ). Wir haben gesagt, daß die innere Wahrnehmung uns selbst nicht individualisiert zeige, d. h., daß das, was das letzte Subjekt unseres Denkens ist, nicht individualisiert und darum auch nicht bis zur species specialissima spezifiziert erscheint. Wir haben dagegen von der äußeren Wahrnehmung gesagt, daß sie uns die Gegenstände individualisiert zeige, und damit ist zugleich gesagt, daß hier das letzte Subjekt mit seiner species specialissima gegeben sei 12 ). Dies kann dann keine andere als die räumliche Bestimmtheit selbst sein. Mit ihrer Änderung wären auch die sinnlichen Qualitäten individuell mitgeändert, während das Umgekehrte nicht behauptet werden kann. Es könnte zwar einer meinen, die Änderung der sinnlichen Qualität bringe ebenso eine individuelle Änderung des Ortlichen mit sich 13), wie denn auch bei Aufhebung jeder Qualität gar nichts Reales mehr zurückbleiben würde; ein qualitätsleerer Raum sei ein leerer Raum schlechtweg, d. h., er ermangle jeder Realität und sei auch gar nicht mehr sinnlich vorstellbar Allein es ist nicht richtig, daß ein von Qualität freier Raum als ein aller realen Bestimmtheit Entbehrendes, bloß Negatives zurückbliebe. Auch bei dem qualitativ bestimmten Lokalisierten gibt nicht nur die Qualifikation, sondern auch die Lokalisation eine wahre reale Bestimmung, und diese bliebe nicht bloß die gleiche, wenn ein Rotes statt eines Blauen oder ein Warmes statt eines Farbigen an dieselbe Stelle träte, sondern a.uch wenn alle diese Qualitäten an Intensität abnähmen und schließlich ganz verschwänden. Sinnlich anschaulich wäre uns diese reale Bestimmtheit für sich allein freilich mit keinem unserer Sinne"), allein mit dem Verstand könnten wir noch immer das betreffende Reale denken und es als

Bildung des Substanzbegriffes

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solches individuell erhalten denken, als das Wesen, das geblieben und nur von gewissen zu ihm hinzugekommenen qualitativen Bestimmungen frei wäre. Wir führten aus, wie der Begriff des Seienden im allgemeinen durch den Vergleich von allem, was wir denken, unter sich als das, worin alles mit allem übereinstimmte, gefunden werde. Den Begriff der Substanz im allgemeinen aber finden wir, indem wir, die Objekte äuHerer Wahrnehmung vergleichend, auf das Ortliehe im allgemeinen geführt werden, welches dem Qualitativen unterliegend und ihm durch seine letzte spezifische Bestimmtheit die individuelle Differenz gebend als letztes Subjekt für sie erscheint. Damit wären wir aber noch nicht zum Begriffe der Substanz im allgemeinen gelangt. Um ihn zu erreichen, müssen wir auch noch das Gebiet der inneren Wahrnehmung vergleichen. Hier haben wir gesehen, daß ein Denkendes als Subjekt für ein Begehrendes erschien, aber wir hatten kein Recht, es darum als letztes Subjekt zu bezeichnen, nur daß auch ein solches hier vorhandensein müsse, war gewiß, und ohne es wäre ja auch hier in Wirklichkeit keine Individualisation gegebenu). Wenn einer, der sieht und hört, zu hören aufhört und zu sehen fortfährt, so erscheint er als Sehender ganz unverändert, und alles spricht dafür, daß er noch individuell derselbe sei. Auch wer als Urteilender seine Meinung ändert, kann sich nicht wohl von der Überzeugung freimachen, daß er noch individuell derselbe sei, weshalb er ja auch, wenn er einigermaßen Egoist ist, sich für die Zukunft des betreffenden Individuums ungleich mehr interessiert und sich dafür müht als für die eines andern. Daraus ist nun erkennbar, daß wir auch hier an ein Wesen glauben, welches, von dem Sehenden wie Hörenden und so oder anders Urteilenden als solchen verschieden, ihnen als Subjekt unterliegt und sich bei deren Wechsel oder Entfall unverändert erhält, ähnlich wie ein Ortliebes als solches bei qualitativem WechseP•). Auch kann ich dieses Wesen nicht bloß von den genannten Denktätigkeiten, in welchen

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Substanz in innc:rc:r Wahrnehmung

es seinem allgemeinsten Begriffe nach ebenso eingeschlossen ist wie der Begriff des Ortlichen in dem des sinnlich Qualitativen, unterscheiden, wobei es für sie als einseitig abtrennbarer realer Teil erscheint, sondern auch mit dem Begriff des Ortlichen im allgemeinen vergleichen, wo es dann als noch allgemeiner und in dieser höheren Allgemeinheit mit ihm übereinstimmend erscheint. Und so sind wir denn wirklich zu dem aller-allgemeinsten Begriff einer Substanz als solcher gelangt17). Vielleicht glaubt einer, wir hätten auf psychischem Gebiet, ähnlich wie auf dem körperlichen, in dem allgemeinen Begriff einer Substanz, welche wir als Subjekt der Akzidentien gefunden, immer noch eine gewisse Spezifikation; denn wie der Gegenstand der äußeren Wahrnehmung sich als eine ausgedehnte Substanz, stelle jene sich als unausgedehnte dar. Allein dem ist nicht so. Etwas anderes ist es, sich nicht als ausgedehnt und etwas anderes, sich als unausgedehnt mit der positiven Eigentümlichkeit eines Nulldimensionalen zu erkennen zu geben, und gegen das zweite zeugt hier der Umstand, daß gar viele über die Substanz des Denkenden eine materialistische Ansicht hegen. Selbst Platon und Aristoteles, die den Materialismus bekämpften, haben nicht bloß für nötig gefunden, die Argumente zu häufen, sondern auch ihm starke Konzessionen gemacht, indem sie einem Teil der Denktätigkeiten ein körperliches Organ als Subjekt zuschrieben 18 ). Wie eine geistige Substanz und eine körperliche gleichmäßig unter den allgemeinsten Begriff der Substanz fallen würden, so auch noch Topoide vor. anderer Zahl der Dimensionen, ferner Kollektive, ebenso wie letzteinheitliche Substanzen, ja jedes körperliche Kontinuum würde selbst nicht zu den letzteinheitlichen Substanzen, zu welchen nur eine in ihm zu unterscheidende punktuelle Grenze zu rechnen wäre, sondern zu den Kollektiven, ja zu den Kollektiven von indefiniter Vielheit zu rechnen sein. 8. Zum sicheren Verständnis des Vorangegangenen

Bildung des Substanzbegriffes

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beachte man, daß es etwas anderes ist, in einem Kollektiv etwas als Element und daraufhin auch etwas als zweien Kollektiven gemeinsames Element18 ) zu bemerken, und etwas anderes, etwas in einer individuellen Vorstellung als universelles Merkmal und daraufhin etwas in zwei individuellen Vorstellungen als gemeinsames Merkmal zu unterscheiden20 ). Da, wo es sich um die Unterscheidung eines Subjektes in dem Modalbefassenden und so auch einer Substanz in dem Akzidentellbefassenden handelt21 ), findet ähnlich wie bei dem Bemerken des Elements im Kollektiv die Unterscheidung eines realen Teiles statt, der nur hier nicht mit einem zweiten realen Teil verbunden, sondern in einem modal erweiterten Ganzen enthalten scheint. Vergleicht man mit Hilfe des Gedächtnisbildes ein an derselben Stelle vorgestelltes Blau und Rot, so kann dies zur Vorstellung eines an dieser Stelle befindlichen Farbigen führen. Dann gelangen wir zu einem universellen Merkmal, welches aber die Vorstellung von etwas individuell Bestimmtem einschließt, und dieses erscheint als realer Teil eines modal befassenden Ganzen, welches als Ganzes nur universell vorgestellt wird 22 ). Das ist dieses Ortliche. Wenn ich nun dieses Ortliehe mit jenem Ortlichen vergleiche, welches in ähnlicher Weise durch den Vergleich von einem an jener Stelle befindlichen Blau und Rot als Teil eines modalumfassenden Ganzen unterschieden worden ist, so gelange ich zu dem allgemeinen Begriff eines Ortlichen als Subjekts von Farbigem. Zugleich erkenne ich, daß sowohl dieses als jenes Ortliehe vollkommen spezifisch determiniert und in dieser vollen spezifischen Determination individualisiert ist, daß es also selbst kein anderes Subjekt haben kann, was eine Eigentümlichkeit der Substanz ist23 ). Auch dem Ortlichen im allgemeinen kommt diese Eigentümlichkeit zu. Doch ist der Begriff des Ortlichen, sowohl wo er individualisiert, als wo er allgemein gedacht wird, nicht der allgemeine Begriff der Substanz. Vielmehr bedarf es, um zu ihm zu gelangen, noch des Verglei-

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Bildung des Substanzbegriffes

ches mit dem, was uns die innere Wahrnehmung zeigt. Diese nun bietet uns selbst als ein Denkendes, Urteilendes, Begehrendes, Hörendes, Sehendes u. s. w. ohne Individuation, führt uns aber doch dazu, darin im allgemeinen ein Wesen als Subjekt von diesem allen, als Modalbefassenden, zu unterscheiden. Auch das ist die Unterscheidung eines realen Teiles, welcher individuell derselbe für gleichzeitig von ihm wahrgenommenes Sehendes, Hörendes, Begehrendes u. s. w. ist. Er erscheint für sie alle als Subjekt und als etwas was selbst kein Subjekt haben kann. Vergleichen wir nun den Begriff dieses so allgemein gedachten Wesens mit dem Begriff des Ortlichen im allgemeinen, so finden wir, daß das Ortliehe sich als eine Spezies desselben darstellt, und erkennen so, daß er in der Tat der denkbar allgemeinste Begriff des Wesens oder der Substanz ist"). 9. Etwas ganz anderes als die Unterscheidung der Substanz in dem Akzidens ist die der universelleren Bestimmung in einer mehr spezialisierten. Um dies zu verdeutlichen, vergleiche man die Art, wie wir im Orange die Rötlichkeit und Gelblichkeit unterscheiden mit der, wie wir darin die Farbigkeit erfassen25 ), oder im Eindruck eines komplizierten Geruchs die Teilnahme einerseits an der Eigentümlichkeit dieses oder jenes einfachen Geruchs und andererseits am allgemeinen Charakter des Geruchseindrucks als solchen. Auch bei Geschmäcken erfassen wir sowohl den allgemeinen Charakter der ihnen mit anderen Geschmäcken gemein ist, als auch die Teilnahme an verschiedenen einfachen Sinneseindrücken, worunter sich auch Geruchs-, Temperatur- und Berührungsempfindungen finden. Wer im Orange Rot und Gelb bemerkt, erfaßt verschiedene letzte Spezies; und so auch, wer im hierseienden Rot das Hierseiende als solches vom Roten als solchen unterscheidet. Erfaßt man dagegen in dem Roten das Ortliehe im allgemeinen, so wird nicht von einer letzten Spezies eine andere unterschieden, wohl aber ein Gattungsbegriff, der nicht wie Farbiges ein Gattungs-

Substanz bei Kant, Locke, Mill, Herbart

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begriff des Roten ist. So unterscheiden wir denn auch, wenn wir in einem Denkenden das Wesen "7 ) von diesem Akzidens unterscheiden, nicht eine zweite species specialissima, sondern eine Gattung unter die er 28 ) nicht fällt, freilich aber eine solche, von der wir seinen Begriff ebensowenig freimachen können, wie den Begriff des Roten von dem des Ortlichen. Es ist dies jener Begriff1 '), der in seiner letzten Spezies zugleich die Individuation besitzt und sie, in dem Roten modal befaßt, diesem mitteilen würde. 10. Das Verhältnis von Substanz und Akzidens wird heutzutage vielfach verkannt, und daran trägt wohl z. T. die Verschiebung der Bedeutung, die durch K an t, welcher den überlieferten Ausdruck Substanz total mißverstanden hatte, vorgenommen worden ist, die Schuld. Doch sind auch andere Verwechslungen vorgekommen, wie denn manche den Begriff der Substanz mit dem von Kant's Ding an sich und den der Akzidentien mit dem der Phaenomene identifizierten, was dazu führte, die Substanz für etwas in sich selbst ganz Unerkennbares zu halten11). Auch schon Locke hatte gemeint, daß nichts von ihr in die Anschauung falle, vielmehr alles nur erschlossen werde. Wiederum kamen manche zu der Meinung, substanzielle Merkmale seien wohl da, unterschieden sich aber von den akzidentellen nur dadurch, daß an sie eine größere Menge gemeinsamer Eigentümlichkeiten sich knüpfe, wie z. B. an das Merkmal Sauerstoff und an das Merkmal Tier im Vergleich mit dem Merkmal rund. So J. St. M i ll. Da nun ein solches, wie man meinte, als substanziell ausgezeichnetes Merkmal sich meist oder immer als aus solchen zusammengesetzt erwies, die für sich genommen zu den akzidentellen zu rechnen gewesen wären, so leistete dies einer anderen Meinung Vorschub, welche Substanz und Akzidens in der Art unterscheiden wollte, daß die Substanz die Gesamtheit der miteinander verbundenen akzidentellen Merkmale sei. Wie aber wäre ihre Verbindung zu dieser substanziellen Einheit zu fassen? Etwa wie die von Elementen eines Kollektivs?

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Akzidentien sind nicht logische Teile

Wenn dies, dann würde man sich der Memung von H e rb a r t nähern, der zwar wohl wußte, daß man gemeiniglich ein solches bei der Unterscheidung einer Substanz und ihrer Akzidentien nicht im Auge hat, der aber ein Ding mit mehreren Merkmalen für etwas Widersprechendes erklärt und es durch die Annahme einer Vielheit von Dingen ersetzen wollte. Das war nun aber hier die Absicht nicht, man hat also wohl, wenn auch in unklarer Weise, die Sache so aufgefaßt, als ob die Akzidentien logische Teile und die Substanz ein logisches Ganzes wäre, welches durch jedes einzelne Akzidens nur unvollkommen determiniert erschiene, wie ein Individuum durch irgendeinen der allgemeinen Begriffe, unter die ts fällt' 1 ). Mit dieser letzten Auffassung insbesondere müssen wir uns noch auseinandersetzen. 11. Vor allem ist wohl zu unterscheiden einerseits das Verhältnis, in welchem ein Begriff wie Rotes zu einem Begriff wie Farbiges und noch weiterhin zu einem Begriff wie Sinnlich-Qualitatives und vielleicht auch noch zu einem höheren Begriff wie dem eines l'nhärierenden u. s. w. steht, wo es sich überall um das Aufsteigen von einer species specialissima zu mehr generellen Begriffen handelt, andererseits das Verhältnis in welchem die species specialissima Rot zu der species specialissima Warm, wenn sie miteinander vereinigt sind, sich findet. Ein weiteres Beispiel, das den Unterschied illustriert, liegt vor, wenn man einen Affirmierenden mit einem Urteilenden und dann einen Affirmierenden mit einem denselben Gegenstand Liebenden vergleicht, wo Liebe und Urteil miteinander verbunden sind. Im ersten Fall handelt es sich um das Verhältnis einer species specialissima zur Gattung, im zweiten Fall um das einer species specialissima zur andern. Es ist nun klar, daß eine Gattungsbestimmung, zur Speziesbestimmung hinzukommend, nicht zur Individualisation beitragen kann. Ist sie doch immer in der spezifischen Differenz mitbeschlossen. Ebensowenig aber kann

Begriff der Eigenschaft

271)

das Hinzukommen einer species specialissima, die nicht in sich -elbst individualisiert ist, zur andern ihr die Individuation geben"). So ist ein als Rotes-Warmes Bestimmtes immer noch ohne individuelle Bestimmung und ein einen gewissen Gegenstand Anerkennendes und Begehrendes ebenfalls. Und so würde denn die Vereinigung von noch so vielen species specialissimae zu keiner Individuation führen, wenn nicht eine derselben in ihrer spezifischen Differenzierung auch die individuelle Determination besäße11). Besitzt sie dieselbe aber, so unterscheidet sie sich dadurch in bedeutungsvollster Weise von allen anderen, die sie nicht besitzen und sie kann mit keiner zweiten durch ihre Spezifikation individualisierten Differenz verbunden sein, während die nicht individualisierten in Wirklichkeit die Verbindung mit einer solchen verlangen. Diese können auch begrifflich nicht gegeben sein, ohne daß der Begriff der Substanz, wenn auch vielleicht nicht in der species specialissima, doch in allgemeinerer oder wenigstens allerallgemeinster Weise darin beschlossen wäre:~~). S o ist in unserem Begriff des Roten im allgemeinen der Begriff eines Ortlichen im allgemeinen mitbefaßt und im Begriff des einen Gegenstand Anerkennenden der Begriff eines Wesens, welches anerkennt, mitbeschlossen. 12. Von den Akzidentien nennen wir die einen Eigenschaften, die andern passive Affektionen oder Erleidungen. Um den Begriff der E i g e n s c h a f t e n klar zu machen, weisen wir auf das hin, worin Farbiges, Tönendes und auch Geschmack, Geruch, Wärme u. s. w. übereinstimmen. Wir nennen diese alle ein Sinnlich-Qualitatives. Mit dem Sinnlich-Qualitativen rechnen wir aber auch disponierende Qualitäten und gewohnheitsmäßige Habitus zusammen, von denen wir keine Anschauung haben, die wir aber zur Erklärung gewisser Erscheinungen, welche in die Erfahrung fallen, benötigen, wie z. B. moralische Tugend und habituelles Wissen11). VieHeicht hat man auch Grund für die Fortdauer der Ruhe oder Bewegung eines Körpers nach dem Gesetz der Trägheit eine durch

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Begriff der Erleidung

eine äußere Ursache in ihm bewirkte, beharrliche Disposition anzunehmen 37 ). Alle diese fallen gemeinsam unter den Begriff der Eigenschaft, welche ein Akzidens ist, das seinem Subjekt anhaftet, so zwar, daß es keiner steten erneuernden Verursachung durch ein wirkendes Prinzip bedarf, um beharrlich seinem Subjekte zuzukommen. Anderes gilt von den E r 1 e i d u n g e n. Dieselben sind Akzidentien, die nicht allein von ihrem Subjekt getragen werden, sondern zu ihrem Fortbestand der Einwirkung eines wirkenden Prinzips bedürfen. Zu dieser Klasse ge~ hört alles Sehende, Hörende, Empfindende, Begehrende, überhaupt alles Denkende; wir denken etwas nur solange, als wir zum Denken bewegt werden. In manchen Fällen macht sich das, wovon das Denken bewirkt wird, in seiner Besonderheit bemerklich, wie z. B. beim Schließen, beim motivierten Wollen, bei der Erkenntnis eines Axioms ex terminis, bei der Liebe von etwas, die aus der Vorstellung des Objektes selbst entspringt 3 ~). Anderemale macht sich dagegen das Wirkende oder Bewegende nur ganz im allgemeinen bemerklich, sodaß der Erleidung nur der Charakter eines von irgendetwas Bewirktem anhaftet. So scheint es z. B. beim Sehen, Hören und anderem Empfinden der Fall zu seina'). Daß wir von dem, was das primäre Objekt der Empfindung ist, bewegt werden, ist nicht richtig• 0 ), allein gemeiniglich neigt man zu dieser Annahme, indem man wahrnimmt41 ), daß man von etwas zum Empfinden bewegt wird, und damit das primäre Objekt des Empfindens, das selbst von diesem verschieden ist und zugleich mit ihm erscheint, identifiziert. Sogar nachdem die Erfahrung längst aufs deutlichste gezeigt hat, daß die primären Objekte nicht so, wie sie uns erscheinen, in Wirklichkeit sind, macht es Schwierigkeit, sich von dem Wahne frei zu machen"). 13. Die Erleidungen sind teils solche, welche zu einem Werke führen, das von der Erleidung selbst verschieden ist, aber gewirkt wird, indem die Erleidung gewirkt wird, teils solche, bei denen die Wirkung in nichts anderem als

Umwandlungen

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der Erleidung selbst besteht. Das erste findet z. B. statt bei der Beschleunigung"), ja nach dem oben Gesagten vielleicht bei jeder Bewegung, welche von einem Ort zu einem anderen führt"). Diese Erleidungen heißen Umwand 1 u n g e n 15 ). Das letzte dagegen findet statt beim Empfinden und anderen Denken. 14. Auch die Eigenschaften zerfallen in verschiedene Gattungen, deren jede dem Subjekt in anderer Weise zukommt, während die ihr") unterstehenden species specialissimae, wie weit sie auch immer voneinander abstehen mögen, in derselben Weise ihrem Subjekt anhaften47 ). Von diesen können nie zwei zugleich demselben Subjekt innewohnen, wie z. B. eine örtliche Substanz nicht zugleich an derselben Stelle rot und blau sein könne. Dagegen wäre es, wenn sie zugleich an derselben Stelle rot und warm wäre, kein Widerstreit'8 ). Ähnlich kann ein Körper nicht zugleich eine Qualität haben, die ihm nach dem Gesetz der Trägheit die Tendenz gibt, in der Ruhe, und eine andere, die ihn treibt, in der Bewegung nach dieser oder jener Seite und mit dieser oder jener Geschwindigkeit zu beharren. Dagegen wäre eine solche zur Bewegung disponierende Eigenschaft mit der Eigenschaft der Röte wohl verträglich. Eigenschaften derselben letzten Gattung werden ineinander umgewandelt, und alle ineinander zu verwandelnden Eigenschaften sind in demselben Subjekt unverträglich. 15. Auch von den Erleidungen sind diejenigen, welche zu einem Werke führen, nicht bloß von anderer Gattung als diejenigen, welche es nicht tun, sondern auch unter sich der letzten Gattung nach verschieden, wenn die Werke, zu denen sie führen, der letzten Gattung nach verschieden sind"). Und wie diese Werke, wenn sie von einer letzten Gattung sind, in demselben Subjekt zugleich unverträglich sind, so auch die zu den Werken führenden Umwandlungen. So kann etwas nicht zugleich erhellt und verdunkelt werden. 16. Ganz anders ist es mit den Erleidungen, welche

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Inkompatible Bewußtseinszustände

keine Umwandlungen sind. Sie sind in demselben Subjekt, obwohl homogen, recht wohl verträglich50), wie wir denn an vielerlei zugleich denken und Vorstellungen mit Vorstellungen, Urteile mit Urteilen, Schlüsse mit Schlüssen, Absichten mit Absichten zu kombinieren vermögen. Allerdings bestehen faktisch auf dem Gebiet des denkenden Erleidens gewisse Inkompatibilitäten bei uns. So schließen in den Sinnesanschauungen sich Objekte, welche in Wirklichkeit widerstreiten, mit gleichem Temporalmodus angeschaut, aus, d. h. homogene species specialissimae mit derselben tJrtlichkeit. (Wenn das Violette an demselben Ort an Rot und Blau zu partizipieren scheint, so haben schon die alten jonischen Natur-Philosophen diese Erscheinung so gedeutet, daß wir nebeneinander erscheinende, unmerklich kleine Parzellen konfundieren51).) Ferner schließen sich explizit*) gefällte kontradiktatorische Urteile aus, und ebenso kommen ein dem andern explizit entgegengesetztes Wollen und NichtWollen, Wählen und relatives Verschmähen nicht zugleich zusammen in derselben Seele vor51 ). Allein diese Beschränkungen sind nicht einfach Folge einer Unmöglichkeit gleichzeitiger homogener Denkerleidungen51). Schon darum nicht, weil die Inkompatibilität sonst viel weiter gehen müßte. Sie sind wohl in irgendwelchen Besonderheiten unserer seelischen Natur begründet, die, wie sie selbst, uns nicht anschaulich gegeben sind, und sie erscheinen höchst teleologisch. Besonders deutlich ist dies bezüglich der psychologischen Unvereinbarkeit expliziter Kontradiktionen. Selbstverständlich ist es nicht, daß Urteile, die einander wider*) Dagegen kann auf dem intellektuellen Gebiete implizit kontradiktorisch geurteilt werden, und ebenso kann in unserem gemütlichen Erleiden implizit ein Widerstreit sich finden. Was aber die sinnliche Anschauung anlangt, so haben diejenigen ganz unrecht gehabt!i6), welche meinten, daß auch hier ein Widerstreit in den Erscheinungen sich finden könne, derselbe kommt hier so wenig als in Wirklichkeit vor57), und in der inneren Wahrnehmung ist es schon darum ausgeschlossen, weil diesf' unfehlbar, wie sie ist, uns nur Wirklichkeit bietet.

Aristoteles Irrtum bez. der Denkerleidungen

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sprechen, nicht faktisch gleichzeitig gefällt werden können"), und wo die Kontradiktion nicht bemerkt wird, geschieht es gar wohl, daß einer sie in einem sich selbst widersprechenden Denken vereinigt. Gibt es doch der absurden Behauptungen nur allzuviele. Von diesen Erleidungen, die keine Umwandlungen sind, glaube ich sagen zu dürfen, daß sie alle in derselben Weise dem Subjekt zukommen55 ). Man würde also hier fehlgehen, wenn man sich an die Analogie mit den Eigenschaften hielte. Aristoteles hat es getan. Er war der Meinung, daß wir eine gewisse Zahl von Empfindungsvermögen und außer ihnen ein Verstandesvermögen besäßen, welches - wie die Empfindungsvermögen Sensibles - Intelligibles erfasse; aber jedes der Sinnesvermögen sollte nur durch e i n wirkliches Empfinden gleichzeitig aktualisierbar sein und so auch der Verstand niemals mehr als ein Intelligibles zu denken vermöge. Hiebei leitete ihn die Analogie mit der Inkompatibilität auf dem Gebiet der Eigenschaften und Umwandlungen. Ferner könnte der Wettstreit der Sehfelder, die Verdrängung eines leiseren Hörens durch ein lauteres und ähnlich eines Geschmackes, Geruchs usw. durch andere homogene Empfindungen herangezogen werden. Für die Inkompatibilität des gleichzeitigen Erfassens mehrerer Intelligiblen schien dann weiter noch die schon für feststehend gehaltene Inkompatibilität homogener Sinneseindrücke als Anhalt zu dienen. Allein dieser Lehre stellen sich Schwierigkeiten entgegen, die sich z. T. schon Aristoteles bemerkbar machten und um deren Lösung er sich mit zweifelhaftem Erfolge bemühte. Schon auf dem sensibleh Gebiet zeigte sich, daß wir zugleich verschiedene Farben, wenn nicht am selben Ort, doch nebeneinander sehen. Aristoteles will dies daraus erklären, daß das Sehende ein kontinuierlich ausgedehntes Organ habe und wir von den nebeneinander erscheinenden Teilen des Bildes jeden andern Teil mit einem anderen Teil des Organs empfänden, was aber

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Kompatible Erleidungen

nicht richtig sein kann° 8 ). Und angenommen sogar, dies sei eine genügende Lösung der Schwierigkeit, so bliebe eine andere, welche Aristoteles entgangen zu sein scheint. Wir stellen nämlich beim Empfinden eines Nacheinander, wie z. B. beim Hören einer Rede, beim Schauen einer Bewegung u. dgl. zugleich entgegengesetzte Qualitäten als sukzessiv denselben Ort einnehmend vor, die eine als gegenwärtig, die andern als vor mehr minder kurzer Zeit gewesen. Aristoteles schreibt das Gedächtnis dem sensiblen Zentralorgan zu und hat ihm g~wiß auch die Empfindung von Ruhe und Bewegung, ja, wie es scheint, alles Empfinden zugeschrieben, aber wie dabei die gleichzeitig sensitiven Funktionen auf verschiedene Teile des sensitiven Zentralorgans verteilt werden soll, macht er nicht genugsam deutlich. Bei der Unterscheidung eines Sensiblen vom anderen soll das Sichberühren der sensitiven Erleidungen, sei es räumlich, sei es zeitlich, uns dienen, was wiederum eine sehr mißliche Annahme ist51). Neue Schwierigkeiten erheben sich auf dem Gebiet des intellektiven Denkens. So schon beim kategorischen Urteil; wie soll ein Begriff vom andern prädiziert werden, wenn man nicht zwei zugleich zu denken vermag? Aristoteles will die Schwierigkeit lösen, indem er die zwei Begriffe zeitlich im Geiste sich folgen und in dem Jetzt, das gewissermaßen zwei sei'0 ), sich berühren läßt. Aber was soll dann bei einem Schluß geschehen, wo es sich um mehr als zwei Begriffe handelt'1 )? Es scheint, daß Aristoteles meint, nach der Verknüpfung im kategorischen Urteil werde aus den zwei Intelligiblen ein Intelligibles, und so werde durch weitere Vereinigung von mehreren Intelligiblen zu einem die Einheit des Denkaktes gewahrt. In der Tat muß auf diese Weise ein ungeheuer kompliziertes Intelligibles noch als eines gelten, wenn ein verwickelter Plan von uns ausgedacht worden ist. Es bedarf wohl keines ausdrücklichen Nachweises, daß Aristoteles mit allem Aufwand von Scharfsinn sich nicht aus den Verlegenheiten zu helfen wußte, in welche er durch ein

Erkenntnis, daß etwas nicht in uns sei

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allzu rasches Vertrauen auf die Analogie mit dem Gebiet der Eigenschaften und Umwandlungen geraten ist. I 7. An das Gesagte") knüpft sich eine Schwierig-keit. Wie können wir erkennen, daß eine gewisse Denkerleidung nicht in uns besteht, beispielsweise, daß wir etwas nicht hören, etwas nicht glauben, etwas nicht wollen? Sagt man, man bemerke es nicht, so könnte die Frage wiederkehren, woher man denn wisse, daß man es nicht bemerkt? Auch ist es etwas anderes »nicht erkennen daß etwas sei« und >>erkennen, daß etwas nicht sei«. Wird gefragt, wie man überhaupt zu einer tatsächlichen Erkenntnis, daß etwas nicht sei, kommen könne, so scheint zu antworten, daß dies durch Vergleichen geschehe. Man stellt sich das tatsächlich positiv Erkannte und das, was das betreffende Merkmal enthält, vor, vergleicht das eine mit dem andern, findet sie verschieden und erkennt, daß das betreffende positive Merkmal auf der einen Seite den Unterschied ausmacht, worauf man es mit Recht dem andern aberkennt. Immerhin wäre das, was hier gesagt wird, zur Erklärung ungenügend, wenn nicht die Sicherheit bestände, daß alles, was wir psychisch erleiden, insoweit eine Selbstwahrnehmung mit sich führt, daß man sagen kann, es müsse jede psychische Erleidung wenigstens implizit in dem, war wir innerlich bemerken••), enthalten sein und, wenn es überhaupt zu dem explizit Bemerklichen gehöre, sobald sich die Aufmerksamkeit darauf richtet, auch explizit von uns bemerkt werden 84 ). Ich sage, wenn es überhaupt explizit bemerklich ist, und deute damit darauf hin, daß dies nicht von jeder innern Erleidung gelte. So nicht von dem Sehen eines ungemein kleinen Farbenflecks oder dem Hören eines sehr schwachen Tones; und wiederum von einzelnen Elementen eines sehr komplizierten Lust- und Schmerzgefühls. Ganz anderes gilt aber, wenn es sich um die Frage handelt, ob ich etwas glaube, oder zu etwas entschlossen sei u. dgl. 88 ). Die sog. Philosophie des Unbewußten findet da die Tore verriegelt, und auch diejenigen sind abzuweisen, welche unseren

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Relative Bestimmungen

Gedächtnisschatz nicht durch eigenschaftliehe Dispositionen, sondern durch die unbewußte Forterhaltung der Erleidungen gegeben glauben. Geraten sie doch dadurch mit sich selbst in Widerspruch, da, wenn alles Denken sich erhielte''), auch das Bewußtsein von allem Denken sich erhalten miigte, da ja das Bewugtsein eine Denkbeziehung ist. Es ist selbst evident, daß, wer ein primäres Objekt implizit denkt, auch implizit denkt und wahrnehmen muß, daß er es denkt. Ferner daß, wer ein primäres Objekt explizit vorstellt, anerkennt oder leugnet u. dgl. auch explizit denkt und anerkennt, also bemerkt, daß er es denke, anerkenne, oder leugne. Etwas bemerken und zugleich nicht bemerken, daß man es bemerkt, wäre sich selbst widerstreitend' 7 ). 18. Relative Bestimmungen nennen wir solche, die wir nicht vorstellen können, ohne in mehrfacher Weise etwas vorzustellen, in modo recto und in modo obliquo. Die Bestimmung eines Denkenden, sei es im allgemeinen, sei es irgendwie spezialisiert, gibt davon ein Beispiel, wer ein Denkendes als Denkendes in recto vorstellt, stellt auch etwas in obliquo vor, auf welches sich das Denkende als den Gegenstand seines Denkens bezieht. Man nennt das eine intentionale Beziehung. Auch wer ein Erleidendes als Erleidendes in recto vorstellt, muß etwas, wovon das Erleidende bewirkt wird, in obliquo vorstellen. Man spricht da von einer kausalen Beziehun.g, näher gesagt, einer Beziehung zur causa efficiens. Wiederum kann man eine Grenze als Grenze nicht in modo recto vorstellen, ohne etwas in obliquo vorzustellen, dem die Grenze als Grenze zugehört. Wir können dies eine Kontinuitätsbeziehung nennen. Bei jedem Akzidens tritt, wenn man in ihm das Subjekt deutlich unterscheidet, eine Abhängigkeitsbeziehung hervor, die es als modal erweiterndes Ganzes zu der Substanz als darin beschlossenem Teile hat. Man könnte dies eine Kategorial-Beziehung nennen, die sich noch mannigfach differenziert, je nach der Weise in welcher das Akzidens der Substanz zukommt. Ähnlich

Einteilung der Relationen

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könnte, wenn in einem Kollektiv ein Element deutlich unterschieden wird, von einer Beziehung des Ganzen zum Teil· gesprochen werden. Dazu kommen noch komparative Beziehungen, wie wenn von Gleichem, Verschiedenem, Entgegengesetztem, von mehr minder Abstehendem gesprochen wird. 19. Es ist klar, daß nicht immer der Terminus, zu welchem die relative Bestimmung in Beziehung setzt, bestehen muß, damit die relative Bestimmung selbst Bestand habe. So ganz offenbar bei der intentionalen Beziehung des Vorstellenden zu dem, was er vorstellt, des Leugnenden zu dem, was er leugnet, des Begehrenden zu dem, was er begehrt. Anders ist es bei der Beziehung des Gewirktwerdenden zu dem Wirkenden. Hier muß der Terminus zugleich mit dem Gewirktwerdenden wirklich sein, und nur solange dauert das Gewirktwerdende als solches, als ein Wirkendes als solches besteht. Etwas ähnliches gilt von den Kontinuitätsbeziehungen der Grenze zu dem Kontinuum, dem sie als Grenze zugehört. Freilich besteht bei der zeitlichen Grenze das Kontinuum nur dieser Grenze nach als gegenwärtig, muß aber doch nach allem, was sonst in seinem Begriff befaßt wird, mit gewissen anderen Temporalmodis bestanden haben oder in Zukunft bestehen88). Bei der Kategorialbeziehung und bei der Beziehung des Kollektivs zum Element ist ohnedies klar, daß auch der Bestand des Terminus der Beziehung mit anerkannt wird. Bei den komparativen Beziehungen sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Wenn man sagt »Karl ist größer als Fritz«, so heißt das soviel als »Karl ist größer als Fritz i s t«, und hier ist offenbar die Anerkennung des Terminus eingeschlossen. Wenn ich sage, »Karl ist größer, als Fritz vor einem Jahre gewesen ist«, so ist auch hier eine Anerkennung des Terminus eingeschlossen, nur mit einem andern Temporalmodus als dem der Gegenwart. Wenn ich aber sage, »Karl ist kleiner als zwei Meter«, so scheint das nicht mehr zu sagen als »Karl ist

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Ursächliche Beziehungen

kleiner, als er wäre, wenn er zwei Meter groß wäre«, und es liegt darin gar nicht beschlossen, daß es überhaupt ein zwei Meter Großes gibt oder gegeben hat oder geben wird. Vorausgesetzt wird nur, daß man mit dem Ausdruck »zwei Meter« etwas bezeichnet, eine Vorstellung von Großem verbindet. Man hat von mancher Seite hier zwischen relativen Bestimmungen und Relationen unterschieden, indem man den letzten Namen nur da anwandte, wo die Anerkennung des Terminus der Beziehung·, sei es modo praesenti, sei es wenigstens mit einem andern Temporalmodus, in der relativen Bestimmung impliziert ist8 '). 20. Von den eben genannten Beziehungen werden manche unter dem Namen ur sächliche Beziehungen zusammengefaßt. Dabei hat man aber oft gesagt, daß der Name hier nicht eindeutig, sondern vieldeutig gebraucht werde. I) Insbesondere scheiden sich die Fälle aus, wo man von einer m a t er i a I e n Ursächlichkeit sprechen möchte. Sie selbst zeigen sich merklich von einander verschieden. a) Es gehört nämlich dazu vor allem jeder Fall eines Kollektivs. Die Teile, aus welchen es besteht, erscheinen als eine Ursache desselben; jeder trägt zu seinem Bestande bei. Insbesonders gilt dies auch von seinen letzten Elementen. b) Dann gehört hieher die Beziehung dessen, was Subjekt ist, zu dem das Subjekt modal Befassenden und insbesondere die der Substanz zu einem ihrer Akzidentien Hier besteht nur der Unterschied, daß zum Subjekt nicht wie zu einem Element des Kollektivs ein anderer Teil hinzukommt, der nach Entfall des Subjekts noch für sich bestehen könnte. c) Zu den materiellen Verursachungen ist dann weiter auch noch die Beziehung einer Grenze zu dem Kontinuum, zu dem sie gehört, zu rechnen. Hier sind die Verhältnisse wieder eigentümlich andere und haben durch ihre Besonderheit die Forscher in Verwunderung gesetzt. Die Grenze, die als Element des Kontinuierlichen erscheint, erscheint nämlich notwendig nicht als Element eines ein-

Kontinualrelation

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zigen, sondern unzähliger Kontinua, von denen das eine das andere als Teil begreift, und wie kein Kontinuum ohne die ihm zugehörigen Grenzen, so kann auch keine Grenze ohne ein Kontinuum, ja unzählige Kontinua, zu denen sie als Grenze gehört, gedacht werden. Das Eigentümliche dieser Art Abhängigkeit ist nun aber dies, daß sie inbezug auf kein einziges der anzugebenden Kontinua besteht. Es wird nur im allgemeinen ein Kontinuum, welches Teil von irgendwelchem einzelnen angebbaren Kontinuum ist, wozu es gehört, zum Bestande der Grenze verlangt. Da es Teil ist, so ist es kleiner als jede bestimmte endliche Größe, und so hat man es indefinit klein genannt oder auch infinitesimal klein. Sobald man unter diesem Infinitesimal eine bestimmte individuelle Größe versteht, gelangt man zu etwas Absurdem. Die Abhängigkeit der Grenze besteht eben, wie gesagt, inbezug auf kein Kontinuum im einzelnen, sondern nur inbezug auf ein Kontinuum, ja unzählige Kontinua, welche das gemeinsam haben, daß die Grenze ihnen als Grenze zugehört. Man kann nun nicht wohl sagen, wie die Grenze materiale Ursache für das Kontinuum, sei auch das Kontinuum materiale Ursache für die Grenze, aber irgendwie möchte man doch hier von einer korrespondierenden Ursächlichkeit vonseiten des Kontinuums sprechen. Man könnte sie lnfinitesimalursächlichkeit nennen, wodurch auch deutlich hervorträte, daß das Infinitesimal nicht wahrhaft die Grenze selbst ist. Die Grenze ist immer individuell bestimmt zu denken, das Infinitesimal nur in unbestimmter, allgemeiner Weise. Der Gedanke der Grenze schließt den des lnfinitesimals in obliquo ein, wie ja auch der Gedanke des Erleidenden den des Wirkenden und der des Denkenden den des Gegenstandes seines Denkens in obliquo einschließt. In allen diesen Fällen mag das in obliquo Eingeschlossene, unbestimmt gedacht, eingeschlossen sein, beim Kontinuum immer70 ). Wenn beim Verhältnis von Substanz und Akzidens

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Ursächliche Beziehungen

gesagt wurde, daß kein zweiter Teil angegeben werden könne, welcher sich mit der Substanz zum Akzidens zusammensetze, um mit der Substanz das Ganze auszumachen, so gilt hier ähnlich, daß das Ganze, von welchem die Grenze ein Element ist, nicht aus ihr und einem davon ablösbaren Teile gebildet sich darstelle. Wohl sind in dem Kontinuum ins Unendliche Grenzen zu unterscheiden, und auch von einander ablösbare Teile werden sich darin finden, allein ein Teil, welcher nach Entfall der Grenze noch als der totale Rest zurückbliebe und sich zuvor mit der Grenze zu dem ganzen Kontinuum addiert hätte, ist nicht darin zu unterscheiden. d) Wenn wir einen Hörenden und einen von ihm verschiedenen Sehenden zu einem Kollektiv zusammenfassen, so bildet sowohl der Hörende als der Sehende eine Materialursache für das Kollektiv. Was aber sollen wir sagen, wenn ein und derselbe zugleich sieht und hört? Wir haben hier sozusagen ein Modalkollektiv, für welches offenbar das Subjekt Materialursache im früher erwähnten Sinne ist. Aber auch der Hörende als solcher erscheint noch in gewisser Weise als Materialursache des zugleich Hörenden und Sehenden; er ist ein Teil von ihm, der für das Ganze vorbedingend ist, aber seinerseits nicht von ihm bedingt wird. Er kann unverändert fortbestehen, wenn das Ganze zu bestehen aufgehört hat. Da wir beim Sehen eines Bildes so viele Teile des Sehens als Teile des Bildes zu unterscheiden haben, so haben wir hier ein Kontinuierliches, das ein einheitliches Subjekt modal befaßt, und darum auch bei ihm Grenzen, von welchen Analoges gelten wird wie von den Grenzen eines substanziellen Kontinuums. Alles, was wir früher von den charakteristischen Eigentümlichkeiten der Grenze gesagt haben, wäre hier zu wiederholen, nur mit dem Unterschied, daß hier in jeder Grenze dasselbe Subjekt ganz enthalten ist und darum das Kontinuierliche nicht eigentlich als ein kontinuierliches Vieles, sondern als ein kontinuierlich Vielfaches erscheint.

Wil"kende Ursache.

Werke

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2) Von diesen materialen ursächlichen Beziehungen sind andere zu unterscheiden, deren eine man die Beziehung zur wirkenden Ursache genannt hat. Diese Bewirkungsbeziehung finden wir bei jedem Erleidenden zu dem, was es erleidend macht und was man manchmal auch das bewegende Prinzip nennt. Oft geschieht es, daß ein Bewegendes zugleich seinerseits etwas erleidet. Allein dies Erleiden kommt ihm dann nicht als Bewegendem zu, sondern als Bewegtem. Es gibt Fälle der Wechselwirkung, wo man also zwei Bewegende und zwei Erleidende hat. 3) Wir haben schon früher gesagt, daß das Erleiden bald zu einem Werke führe, bald nicht. Und wieder, daß es bald eine Umwandlung sei, bald aber nur ein Obergang zu wirklichem Bestand. Dort ist das Entstehen zugleich Vergehen eines andern, hier dagegen nicht"), und so ist auch das, was man Vergehen nennen könnte, ein bloßes Aufhören, nicht aber als solches. ein Neubeginnen eines andern. Wo wir es nun mit einem Fall von Umwandlung zu tun haben, da haben wir nicht bloß eine Beziehung zum Wirkenden oder Bewegenden, zur Ursache, wovon es bewirkt wird, vor uns, sondern auch noch eine ursächliche Beziehung zu dem, woraus das Entstehende entsteht. So wird z. B., wenn etwas von einem Ort zu einem andern hinbewegt wird, aus dem Hierseienden ein Dortseiendes. Ähnlich mag etwas aus einem Warmen ein Kaltes und aus Wasserstoffhyperoxyd einesteils Wasser, andernteils reiner Sauerstoff werden. Man hat den Ausdruck »woraus«, den man hier anwendet, auch für die ursächliche Beziehung eines Kollektivs zu seinen Elementen gebraucht und ist sich dabei, scheints, oft nicht bewußt geworden, daß es sich hier um eine ganz andere Weise ursächlicher Beziehung handelt, in dem einen Falle um das, woraus etwas besteht, was als Bestandteil zu ihm beiträgt, in dem andern Fall um etwas, woraus es entsteht. Das Dortseiende entsteht aus dem Hierseienden, hat es aber nicht als Teil in sich. Nichtsdestoweniger ist die Eigentümlichkeit des Hier-

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Umwandlungsbeziehung

seienden wahrhaft vorbedingend für die Eigentümlichkeit des Dortseienden. Bei gleichem Anstoß wäre ein an anderem Orte Befindliches nicht in derselben Zeit dahin gelangt. Es ist also nicht zu billigen, wenn man hier von materialer Ursächlichkeit spricht. Allein auch von wirkender Ursächlichkeit kann man nicht wohl reden. Das Wirkende als solches kann unverändert beharren, das, was umgewandelt wird, schlechterdings nicht. Die Umwandlung ist sein Vergehen, möge sie nun eine plötzliche oder, wie im Falle der örtlichen Bewegung, eine allmähliche sein. Dabei kann man doch auch hier sagen, daß, wie Gewirktwerdendes und Wirkendes, auch Entstehendes und Vergehendes zugleich sein müssen. Sie müssen sich, möge es sich um plötzliche oder allmähliche Umwandlung handeln, solange die Umwandlung stattfindet, zeitlich berühren. Man könnte von einer Beziehung zur Prädisposition oder zur prädisponierenden Ursache oder von einer Beziehung zu einem Woraus des Entstehens sprechen (U rn wand I u n g s bezieh u n g). Mit der wirkenden Ursache, der Ursache-Wovon, hat diese Ursache-Woraus gemein, daß sie eine Ursache des Entstehens und eine äußere Ursache ist, während die materialen Ursachen Ursachen des Bestehens und innere Ursachen sind 71•). Nicht wenige glauben, es müsse, wann immer ein Wirken stattfinde, auch etwas, was eine Umwandlung erleidet, gegeben sein. Diesern Vorurteil entspringt es, wenn sie die Möglichkeit einer Schöpfung aus nichts leugnen. Demgegenüber ist es interessant, daß in keinem Falle von Verursachung, den uns die unmittelbare Erfahrung zeigt, eine Umwandlung gegeben ist. Wir entnehmen diesen Begriff auch nicht der äußeren Anschauung, sondern bilden ihn nur in Analogie zu der wirkenden Ursächlichkeit. Wir können in der vermeinten Anschauung der Bewegung nicht unterscheiden, ob nicht in unmerklich kleinen Zeiten eine kurze Ruhe der andern kurzen Ruhe folgt 71 ). Und wäre es selbst nicht so, so würden wir doch nicht eine

Die sog. Formalursache

289

Verursachung früherer und späterer Teile als phänomenal gegeben erkennen, vielmehr würde bei der Annahme, daß jeder folgende Teil ganz neu schöpferisch gewirkt sei, dieselbe Erscheinung als wahr festgehalten werden können11 ). Für die Umwandlung gilt das Gesetz, daß ein Übergang von einer species specialissima zur andern, ihr nächsthomogenen, d. h. mit ihr im genus specialissimum übereinstimmenden, statthat. 4) Außer diesen teils inneren, teils äußeren Ursächlichkeiten hat man noch andere unterscheiden wollen, und zwar sowohl eine innere, als eine äußere, sowohl eine Ursache des Bestehens, als eine Ursache des Entstehens. Die erste nannte man Form, die letzte Zweck. Beides ist nicht wohl zu billigen. Die Annahme der Form hängt damit zusammen, daß man nicht erkannte, wie bei dem Akzidens außer dem Subjekt kein zweiter Teil zu unterscheiden ist, indem vielmehr dem Subjekt, als Teil, nur das modalbefassende Ganze gegenübersteht. Der zweite, formale Teil, der hinzukommen und mit dem Subjekt, als materialem Teil, das Ganze bilden sollte, war eine bloße Fiktion, die aber dem Menschen so naheliegt, daß die Bildung der abstrakten Namen damit zusammenzuhängen scheint"). Das Große, sagt man, ist durch Teilnahme an der Größe groß und dgl. Nachdem man die Formen als Teile und innere Ursachen der Akzidentien zugelassen hatte, suchte man dann nach einem Analogon der akzidentellen Zusammensetzung aus substanziellem Subjekt und akzidenteller Form auf dem Gebiete der Substanz selbst, wo Substanz in Substanz verwandelt gedacht wurde, und kam so zur Lehre, die korruptible Substanz sei zusammengesetzt aus einer substanziellen Materie und einer substanziellen Form, welche letztere beim Entstehen aufgenommen, beim Vergehen verloren werde, während die substanzielle Materie sich unverändert erhalte. Diese substanzielle Materie sollte nichts 01.ls eine substanzielle Möglichkeit sein.

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Die sog. substanziellen Formen

Es ist klar, daß die Lehre von den Formen, wenn sie schon bei den Akzidentien eine Verirrung war, dies umsomehr in ihrer Anwendung auf die Substanzen ist. Es ist ein Wahn, daß bei jeder Umwandlung ein Subjekt bleibend zugrundeliegen müsse. Man findet ihn freilich sehr verbreitet. Von Philosophen der neueren Zeit hat ihn L o c k e geteilt und zu behaupten gewagt, daß von dem Entstehenden gar nicht mehr gesagt werden könne, daß es aus einem andern entstehe, wenn von dem Ver· gehenden nichts bleibe. Er scheint hier durch die Aequivokation in dem »Woraus«, von der wir gesprochen haben, getäusche6 ). Auch K a n t stand es von vornherein fest, daß jedem Wechsel ein Subjekt bleibend unterliege, und mit der wahren Bedeutung der Substanz unbekannt, identifizierte er sie einfach mit diesem bleibenden Subjekt. So wurde bei ihm die Substanz selbst zu etwas schlechthin Unwandelbarem. Von dem allgemeinen Gesetz 78 ) aber glaubte er nicht, daß es uns einleuchte, sondern als synthetisches Urteil a priori sich uns aufdränge. Die allgemeinen Fehler der Kantischen Philosophie machen sich bei diesem besondern Fehler mit geltend 77 ). Wie die formale Ursache, so ist auch die Zweckursache nur mißbräuchlich Ursache genannt worden. Sie gehörte, wie gesagt, zu den äußeren Ursachen, zu den Ursachen des Entstehens, bestände aber in nichts anderem als in den dem, was eine intelligente wirkende Ursache denkt und liebt und, da sie es in dem Bereich ihrer Kraft gelegen glaubt, zu bewirken sich vorsetzte. Man hat wohl auch gesagt, daß die Zweckursache eine doppelte Existenz habe, die eine sei die in dem Verstand des Werkmeisters, die andere sei die Form, welche in dem von ihm geschaffenen Werk durch ihn eingeführt werde 78). Dies träfe sachlich mit der formalen Ursache, von welcher wir zuvor gesprochen zusammen; jene aber wäre etwas, was gar keine Existenz hat, außer in jenem uneigentlichen Sinn, in welchem man sagt, ein Gedachtes bestehe im Verstand des Denkenden. In einem Verstande würde,

Die sog. Zweckursache

291

wenn überhaupt etwas, auch Absurdes bestehen können, da ja gar mancher einen absurden Gedanken sich ausgedacht hat. Allein in Wahrheit ist eben nic::ht das Gedachte, sondern der es Denkende. Und so ist denn auch nur dieser als äußere Ursache und zwar im Sinne des wirkenden Prinzips zu bezeichnen'~). Dabei bestehen natürlich bei einer solchen intelligenten Verursachung manche Eigentümlichkeiten, die bei andern fehlen. Wenn einer einen Plan ausdenkt, so führt ihn das Denken und Lieben von etwas, was er um seiner selbst willen liebt, dazu, auch anderes als Mittel zu erdenken und zu wollen. Ein Denken und Lieben bringt hier das andere, nicht aber ein Gedachtes und Geliebtes das andere Gedachte und Geliebte hervor. Sobald einer etwas denkt und will, ist auch die intentionale Beziehung zu etwas als Gedachtem und Gewolltem gegeben. Der Denkende und Wollende ist es, wozu das, was verwirklicht wird, in irgendwelcher, wenigstens mittelbarer, ursächlicher Beziehung steht. In Kürze sei auch noch bemerkt, daß man auch solches zu den Zweckursachen gerechnet hat, was, indem es besteht und von einem intelligenten Wesen als bestehend erkannt wird, ihm in der Art gefällt, daß es etwas ihm Ähnliches hervorzubringen beschließt, m. a. W., das sog. Vorbild. Auch hier hat man es mit einer besonderen Art von vermitteltem Wirken zu tun. Manche wollten auch noch Zweckursache im Sinne des Wonach und Zweckursache im Sinne des Wofür unterscheiden. Wenn ich für meinen Freund eine Anstellung erstrebe, so ist die Anstellung Zweckursache im ersten Sinn, der Freund im zweiten. Es bedarf dies keiner wei~) Darauf erkennen wir auch den von Kant begangenen Irrtum, daß man von Ursache und Wirkung nur auf phänomenalem Gebiete sprechen dürfe. Im Gegenteil, nur auf realem kann davon die Rede sein. Phänomene bestehen nicht im eigentlichen Sinn, und im uneigentlichen, in welchem man es sich erlaubt, zu sagen, sie seien, begännen, dauerten, endigten nur, indem ein Reales, nämlich der Denkende, Schauende als solcher, ist, beginnt, fortdauert oder endet.

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Homonymie von »Ursache•

teren Erläuterung, und was dazu diente, den ganz un«:igentlichen Gebrauch des Namens Ursache für die sog. Zweckursache im Sinne des Wonach zu erweisen, dient auch dazu, das Gleiche im Sinne des Wofür darzutun. 21. Angesichts der Vieldeutigkeit des Namens Ursache drängt sich die Frage auf, warum man denn diese verschiedenen Bedeutungen mit dem gleichen Namen verknüpft hat. Zufällig kann diese Homonymie doch nicht wohl sein. Vielleicht besteht für die Fälle, wo wir von materialer Ursache, und für jene, wo wir von wirkender Ursache sprechen, insofern eine Analogie, daß, wie dort das Verursachte nicht ohne die Ursache bestehen könne, wohl aber umgekehrt, hier das Verursachte nicht ohne die Ursache entstehen würde, während umgekehrt die Ursache als das, was sie ist, sein könnte, auch wenn sie kein Erleidendes bewirkte71 ). So scheint denn das Verursachte hier in seinem Entstehen, dort in seinem Bestehen, wenn auch in ganz verschiedener Weise, vorbedingt. Auch für jedes der Kontinua, zu welchem eine Grenze gehört, ist die Grenze Vorbedingung, und so steht von dieser Seite nichts im Wege, sie wahrhaft zu den materialen Ursachen des Bestehens zu rechnen. Nur bezüglich der reziproken lnfinitesimalursächlichkeit könnte man bedenklich werden, ob von einem Vorbedingen gesprochen werden dürfe. Ein beiderseitiges V o r bedingen scheint ja auch zu widersprechen und nur vielleicht ein beiderseitiges Sichbedingen widerspruchslos anzunehmen. Hierin und in dem Umstand, daß das Infinitesimale der individuellen Bestimmtheit ermangelt, mag denn auch der Grund dafür liegen, daß man hier schwankend wird, wenn man den Namen Ursache darauf anwenden will. 22. Man hat den Namen Ursache auch manchmal auf Naturgesetze angewandt, auf allgemeine Wahrheiten, unter welche speziellere fallen, z. B. wenn man sagte, die Ursache, warum ein Körper falle, sei, daß alle Körper schwer sind oder dem Gravitationsgesetz unterliegen. Ebenso hat man gesagt, die Ursache davon, daß eine ge-

Erkcnntnisrrund

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wisse ebene geradlinige Figur zur Winkelsumme zwei Rechte habe, sei, daß sie ein Dreieck sei; und die Ursache davon, daß das Quadrat über ihrer größten Seite gleich sei der Summe der beiden Quadrate über den kleinem, sei, daß sie ein rechtwinkliges Dreieck sei80 ). Wie uneigentlich hier das Wort Ursache angewandt wird, erkennt man schon daraus, daß ein Gesetz gar kein Ding ist und darum im eigentlichen Sinne gar nicht ist, also auch nichts verursacht. Wenn ich ein Gesetz seiend nenne, so ist das gerade so, wie wenn ich eine Unmöglichkeit seiend nenne. Sage ich, alle Dreiecke müßten zur Winkelsumme 2 R haben, so heißt das so viel wie: ein Dteieck, welches nicht 2 R zur Winkelsumme hat, ist unmöglich. Die Meinung aber, daß hier ein affirmatives Urteil gefällt werde, für welches die Unmöglichkeit eines Dreiecks ohne die Winkelsumme von 2 R den Gegenstand abgebe, ist ein Irrtum. Man spricht hier auch von E r k e n n t n i s g r u n d und zwar in doppeltem Sinn, indem das, woraus wir erschließen, oft nur für uns das Frühere sei, oft aber auch, wie man sagt, der Sache nach. Als dieses bezeichnet man das umfassendere Gesetz, mit dessen Zugrundelegung man deduziert, während man sich, von dem besonderen Fall ausgehend, nur induktiv und mit mehr minder Wahrscheinlichkeit zu jenem erhebt. Ein Grundgesetz unterscheidet sich von einem sekundären Gesetz in der Art, daß das zweite eine Komplikation mehrerer Grundgesetze darstellt. So ist z. B. das Gesetz für die Bewegung eines Planeten um die Sonne eine Komplikation des Gesetzes der Trägheit mit dem Gesetz, daß jeder Planet mit seiner speziellen Trägheitstendenz unter den allgemeinen Begriff des trägen Körpers fällt, und den Gesetzen der Gravitation, wonach die Körper im direkten Verhältnis ihrer Massen zur Annäherung tendieren, und wonach diese Tendenz im umgekehrten Verhältnis zu den Quadraten ihrer Entfernung steht, so wie dem, daß jeder Planet und die Sonne zu den massigen Körpern

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Erkenntnisgrund

gehören, die in emem gewissen Abstand von einander sich finden. Daß das Dreieck zur Winkelsumme 2 R hat, ist auch ein sekundäres Gesetz, welches auf den einfacheren Gesetzen beruht, daß ein Winkel in seiner Größe der Differenz der Richtung der beiden Schenkel entspricht, und daß die Summe der Winkel, die um einen Punkt liegen, gleich 4 R ist. Daraus ergibt sich, daß die drei Winkel des Dreiecks plus je einem Außenwinkel gleich 6 R sind, und ferner. diese 6 R minus 4 R, welche man erhält, wenn man eine verlängerte Dreieckseite sich um das Dreieck herumbewegen läßt, bis sie zur ursprünglichen Lage zurückkehrt, gleich 2 R sind, was die Größe von 2 R für die Summe der Winkel des Dreiecks ergibt81 ). Der Erkenntnisgrund quo ad nos ist oft eine bloße Tatsache, der Erkenntnisgrund an sich ist immer eine Vernunfteinsieht Dort hat man es mit einer assertorischen, hier mit einer apodiktischen Behauptung zu tun. Nicht immer ist uns die Vorstellung der Dinge, um die es sich handelt, zugänglich; häufig sind wir darauf angewiesen, sie durch Surrogatvorstellungen zu ersetzen. So insbesondere, wo es sich um die notwendige Existenz Gottes handelt. Wir bedienen uns negativer und analoger Bestimmungen, wie es schon T h e o p h r a s t in seinem metaphysichen Fragment aufs deutlichste ausspricht. So erkennen wir das Dasein Gottes nur mittelbar und gewinnen nie die unmittelbare Vernunfteinsicht, sondern nur einen empirischen Beweis dafür, daß mit der Anschauung Gottes die unmittelbare Vernunfteinsicht seiner notwendigen Existenz, also ein apodiktisches, anerkennendes Urteil verbunden sein würde 82 ). 23. Man hat manchmal von einer causa deficiens gesprochen und sie der causa efficiens gegenübergestellt. Man könnte aber, wenn man schon den Ausdruck causa deficiens brauchen will, eine solche auch der Umwandlungsursache und materialen Ursache, mit einem Worte der verursachenden Ursache überhaupt, als nicht wahr-

causa deficiens

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haft verursachende Ursache gegenüberstellen. Fehlt nämlich etwas, was etwas verursachen würde, so sagt man, sein Nichtsein sei die Ursache davon, daß jenes nicht sei. So wäre denn der Mangel eines Dritten die materiale causa deficiens dafür, daß nicht drei sind, und der Mangel eines guten Schützen causa deficiens für das Nichtgetroffenwerden der Scheibe. Solche negative Vorbedingungen sind nur in sehr uneigentlichem Sinne Ursache zu nennen.

Anhang Die Natur der Körperwelt im Lichte der Kategorienlehre (30. Januar 1915) 1 ) 1. Man unterscheidet in der Körperwelt zwei Teile, von denen der eine die Körper umfaßt, welche teils fest, teils flüssig, teils gasförmig die Gesamtmasse der gewöhnlich so genannten Materie bildet, der andere als Aether ihr gegenübersteht. Über die Natur des letzten herrscht große Uneinigkeit. Manche wollten ihn aus winzig kleinen, fort und fort in raschester Bewegung befindlichen diskreten Partikelehen bestehen lassen; andere wollten ihn als einheitliches, zusammenhängendes Kontinuum denken, für welches gegenüber den Körpermassen das Gesetz der Undurchdringlichkeit nicht bestehe. Die Fortpflanzung des Lichtes und der elektrischen Strahlen sollte den Aether zum Träger haben. 2. Man macht sich dabei aber nicht immer genügend klar, wie völlig das eigentliche \Vesen der Körperwelt uns verborgen ist. Als man L o r d K e I v i n') gegenüber einmal bemerkte, ob man nicht besser tun würde, von einem Aether gar nicht mehr zu reden, nachdem wir über sein Wesen so gut wie gar nichts auszusagen vermöchten, erwiderte er, so dunkel auch die Natur des Aethers für uns sei, so sei doch die der körperlichen Materie nach seiner Ueberzeugung uns noch ungleich mehr verschleiert. In der Tat ist die Psychologie, soweit sie deskriptiv ist, der Physik ungleich überlegen 3 ). Das Denkende (Vorstellende, Urteilende, Wollende), das wir innerlich wahrnehmen, ist so, wie wir es wahrnehmen, aber die sog. äußere Wahrnehmung zeigt nichts, was so, wie es uns

Theorien über die Materie

297

erscheint, wirklich ist'). Den sensiblen Qualitäten entsprechen die äußeren Objekte") in ihrer Beschaffenheit nicht, und hinsichtlich der Ruhe und Bewegung und der Gestalt und Größe unterliegen wir den mächtigsten Täuschungen'). Hätten diejenigen recht, welche Körperliches zum Subjekt unseres Denkens und Empfindens und der analogen Tätigkeiten der Tiere machen, so würden wir gewisse Akzidentien der Körper uns anschaulich vorstellen können; allein eine sorgfältige Analyse der psychischen Erscheinungen führt zu dem sicheren Ergebnis, daß dieselbe nicht etwas räumlich Ausgedehntes, sondern etwas Geistiges zum substanziellen Träger haben 7 ). Unter solchen Umständen könnte es sich treffen, daß die mechanischen Gesetze auf etwas ganz anderes gingen, als man bisher angenommen hat. 3. Was ich meine, wird sofort durch eine nähere Erläuterung verständlich werden. In älterer Zeit war man allgemein der Meinung, daß die Materie aus körperlichen S u b s t a n z e n bestehe, die bald ruhend einen Ort einnähmen, bald von Ort zu Ort sich bewegten. Die Atomisten glaubten, sie seien durch leere Zwischenräume getrennt, was ihre Bewegung möglich mache, andere ließen die körperlichen Substanzen sich durchwegs einander berühren, aber, sei es wegen eines vollendet flüssigen Zustandes, sei es wegen der Möglichkeit einer Dehnung und Kondensation, welche der Verlangsamung und Beschleunigung einer Bewegung in der Zeit zu vergleichen wäre, dennoch eines Ortswechsels fähig sein78 ). In neuester Zeit kam Lord Kelvin auf den Gedanken, an die Stelle von Atomen Wirbel zu setzen, die in einem vollkommenen Fluidum statthätten. Auch hier handelte es sich wohl noch um eine Fortbewegung substanzieller Teile des Fluidums, aber doch war ein ganz anderes Bild gegeben. Wenn früher, bei der Fortbewegung eines Atoms, dieselbe Substanz Trägerio der Bewegung blieb, ging nach der Auffassung von Lord Kelvin die Wirbelbewegung, indem sie sich erhielt und Stelle mit Stelle ver-

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Das Raumkontinuum als einzige

tauschte, von einem Teil der flüssigen Substanz auf den anderen über. So gewiß bei diesem Uebergang das substanzielle Subjekt ein anderes und anderes wurde, war auch der Wirbel in seinem Fortrücken nicht mehr individuell derselbe. 4. Es ist nun augenscheinlich, daß die im Vorhergehenden betonte Unkenntnis der wahren Natur der Materie, wie sie den von Lord Kelvin vollzogenen Wechsel der Anschauungen möglich machte, auch noch andere Möglichkeiten offen läßt. Und so könnte einer so weit gehen, zu vermuten, daß die Gesamtheit des Körperlichen als eine einzige ruhende Körpersubstanz zu fassen sei, welche, wie nach Lord Kelvin die einheitliche Flüssigkeit da und dort Wirbel enthalten sollte, da und dort mit gewissen besonderen Akzidentien behaftet wäre, und daß unsere mechanischen Gesetze, sowie auch alles Weitere, was Physik, Chemie und Physiologie festgestellt haben, sich auf diese Akzidentien, ihre Veränderungen und wechselseitigen Einwirkungen bezöge. 5. An die Stelle des Aethers träte die ruhende, einheitliche Substanz. An die Stelle von dem, was man früher als Substanz der körperlichen Materie betrachtete, träten Akzidentien, welche, an der Substanz haftend, von einem Teil auf den anderen sich übertrügen8 ). Auf ihren Stellenwechsel und auf ihr ruhiges Beharren bezögen sich die Gesetze der Mechanik. Es stände nichts im Wege, zwischen ihnen an der Substanz Stellen anzunehmen, wo sie von jedem Akzidens frei wäre. Auch Undurchdringlichkeit käme ihnen zu. Sie wäre Inkompatibilität verschiedener Qualitäten an der gleichen Stelle der Substanz. Auch Änderungen der Qualität könnten gesetzmäßig eintreten und in ihrer Besonderheit zu Folgen führen, welche die Erscheinung der s. g. Elastizität erklärten und das Gesetz der Erhaltung der Energie möglich machten. Wenn man beachtet, daß nachweisbar Akzidentien auf psychischem Gebiete Subjekt anderer Akzidentien werden können8 ), so ist Ähnliches auch für die Akzidentien,

Substanz, die Körper als deren Akzidentien

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welche diese Hypothese an die Stelle der körperlichen Substanzen treten läßt, anzunehmen, und um so weniger Schwierigkeiten hat es, sie alles das leisten zu lassen, was man früher für Leistungen der Substanz gehalten hat. Hinsichtlich der Strahlungen von Licht und Elektrizität fehlte es nicht an der Möglichkeit, sich Vorstellungen zu bilden, welche mit einer Emissionstheorie für diese Strahlen und auch mit einer Undulationstheorie eine gewisse Analogie hätten und geeignet wären, den Erscheinungen ebensogut wie diese, wenn nicht besser, gerecht zu werden. Um Schwingungen oder Verschiebungen von Teilen der den Strahlen, wie allem anderen KörperlichQualitativem, unterliegenden Substanz würde es sich natürlich nicht handeln, sondern nur um Verschiebungen'P) von Qualität~n. die in sehr kleine Parzellen geteilt gedacht werden mögen. So bliebe alles im Wesentlichen unverändert, und nur der Unterschied bestände, daß die Substanz, die als die einzige zurückbliebe 11 ), gar nicht selbst von den mechanischen Gesetzen getroffen wäre. Wenn ein System von Qualitäten in seinem Schwerpunkt ruht oder sich geradlinig fortbewegt, so ist der Umstand, daß die Substanz in beiden Fällen gleichmäßig ruht, nichts, was eine Veränderung des relativen Verlaufs der qualitativen Verschiebungen zur Folge haben könnte. Sie selbst zählt ja nicht mit unter die qualitativen Komponenten, welche allein das sind, wofür die physikalischen Gesetze und insbesondere die Gesetze der rationellen Mechanik Geltung hätten. Ich glaube, daß nur durch eine solche Umbildung unserer Auffassung der Körperwelt gewisse Paradoxien, vor welche unsere Physiker sich durch das Ergebnis des Michelsousehen und verwandter Versuche gestellt sehen, sich und zwar aufs leichteste lösen ließen. Damit wäre ein gewisses tieferes Verständnis der Körperwelt angebahnt; der Gedanke der einheitlichen Substanz, die an die Stelle des Aethers träte, wäre viel faßlicher als das, was man von dessen Eigenheiten und namentlich seiner

300

Vorteile der Hypothese einer

Durchdringlichkeit gelehrt hatte, und auch die sogenannte Materie erschiene in einem ganz neuen Lichte. Höchst iHteressant wäre es, zu sehen, wie physikalische Experimente zu einer solchen tiefgreifenden Reform unserer Ansichten über das Transzendente die Mittel bieten können"). 6. Daß unsere Seele zu den der einheitlichen körperlichen Substanz inhärierenden Qualitäten ganz ebenso in Wechselwirkung gedacht werden könnte wie früher zu den körperlichen Substanzen, braucht nicht ausdrücklich bemerkt zu werden. 7. Dagegen hebe ich hervor, daß die einheitliche körperliche Substanz keineswegs nach Länge, Breite und Tiefe unbegrenzt gedacht werden müsse wie der leere Raum, in welchen man die körperlichen Substanzen versetzte13). Gelangt eine Qualität, indem sie sich nal~h den Gesetzen der Mechanik geradlinig verschiebt, an das Ende der einheitlichen Körpersubstanz, so wird an die Stelle der geradlinigen Verschiebung nicht ein Stillstand treten, sondern eine Art Umkehr, wie im Fall der Repulsion von einer Schranke, bei welcher die Schranke als völlig unelastisch zu denken ist, aber die Elastizität der zur Schranke gelangten Qualität selbst zu einer Gestaltsänderung und rückläufigen Verschiebung führt. 8. Daß man in den Grenzen der einheitlichen Substanz eine solche natürliche Schranke für das Gebiet gewinnt, innerhalb deren die Verschiebungen statthaben, ist noch als ein besonderer Gewinn anzusehen. Man hat oft von dem zu fürchtenden allgemeinen Wärmetod gesprochen, während man sich wenig oder nicht mit dem noch viel augenscheinlicher zu erwartenden Untergang der Welt durch Dispersion der kleinsten Teile beschäftigt hat, wenn die Körperwelt endlich, der leere Raum aber unendlich ist. Eine solche Dispersion ist für die Qualitäten, welche an die Stelle der Substanzen getreten sind, wegen der Begrenzung der ihnen unterliegenden einheitlichen Substanz schlechterdings ausgeschlossenH). 9. Auch in Bezug auf andere unlösbar scheinende

einheitlichen RaumsubstanE

301

Schwierigkeiten bekommt man eine gewisse Hilfe. So in der Frage, wie der Determinismus 11 ), der doch unabweislich ist, sich mit der, wie es scheint, vollkommenen Gleichgiltigkeit bei der Wahl zwischen der jetzt bestehenden körperlichen Ordnung und der eines Spiegelbildes von ihr, ja eines unter beliebigem Winkel aufgenommeno;!n Spiegelbildes vertrage. An die Stelle des unencUichen leeren Raumes ist eine endliche körperliche Substanz getreten, die schlechter.dings unbeweglich und in ihrer Lage unveränderlich ist, die aber Grenzen hat und deren Begrenzung keineswegs so gleichmäßig und darum indifferent wie die einer Kugel gedacht werden muß. Es kann also daraufhin keineswegs mehr gesagt werden, daß es gleichgiltig sein werde, ob die qualitativen Verschiebungen, denen sie unterliegt, in der einen oder anderen Richtung verlaufen18). 10. Gewiß gereicht es einer Hypothese zur Empfehlung, wenn sie nicht bloß einem Problem gerecht wird, sondern uns zugleich zur Beantwortung anderer Fragen, welche eine solche bisher gänzlich vermissen ließen, die Mittel bietet.

ANMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

Erste Abteilung

I. 1. Das Seiende im eigentlichen und in uncigentlichem Sinne (26. I. 1914) 1. (S. 4.) Nur solche unmittelbare Erkenntnisse a priori nennt ein uakter Sprachgebrauch Axiome. Verwendet man dieses Wort für Sätze, die man in der Wissenschaft verwendet findet, ohne sie für einleuchtend oder beweisbar zu halte.n, so sollte man sich darüber klar sein, daß solche Sätze nicht gerechtfertigt sind. Unter dem Einfluß Kants ist die üble Gewohnheit aufgekommen, ihre Rechtfertigung darin zu sehen, daß sie Bedingungen der Möglichkeit der Wissenschaft seien. Seltsame Täuschung, da man doch, um zu erkennen, ob eine vermeintliche Wissenschaft wirkliche Wissenschaft sei, zuvor die Berechtigung jener Sätze erkannt haben müßte! 2. (S. 4.) Darum verwirft Brentano auch jeden Versuch, das Dasein Gültes a priori zu beweisen. Vgl. seine Kritik des ontologischen Arguments, Vom Dasein Gottes, S. 39. 3. (S. 5.) Atom hier im alten Sinne, d. h. als Partikelchen, das seinen Raum lückenlos erfüllt. 4. (S. 6.) Man sagt ja nicht »Das Rote ist die Röte«. 5. (S. 8.) Natürlich auch das Angeschaute, z. B. der sog. Sehraum. Existierten die Orte, die wir sehen, so wäre nicht, wie H i II eb r a n d meint, zwischen ihnen und einem ihnen korrespondierenden Tc:.il des wirklichen Raumes zu unterscheiden, sondern sie wären dieser T.eil. Vgl. dessen Lehre von den Gesichtsempfindungen S. 113, !55, 195. 6. (S. 9.} Daß das Wort Nichts, für sich allein genommen, überhaupt keinen Sinn hat, d. h. daß es kein Name ist und daß es einen Begriff des Nichts gar nicht gibt, verkannte die spekulative Philosophie nach Kant, die man den deutschen Idealismus nennt. Ganz in ihrem Geiste macht Martin H e i d egge r das Nichts zum eigentlichen Objekt der Metaphysik (Was ist Metaphysik? 1929). Gegen das Wiederaufleben dieser Nichts-Philosophie wendet sich mit echter, wissenschaftlicher Sprachkritik 0. Kraus in seinem Vortrage »Ueber Alles und Nichtsist« bedeutet ja keinen Begriff, also auch nicht den allgemeinsten allq unserer Begriffe. Dieser aber, den man synonym bald mit Etwas, bald mit Reales, bald mit Seiendes bezeichnet, ist es, der sich deckt mit dem des Zeitlichausgedehnten. Daß ein solches existiere, läßt sich aber seinem allgemeinsten Begriffe nicht entnehmen, d. h. es läßt sich nicht a priori erkennen, wohl aber liegt im allgemeinen Begriffe des Seienden (= Etwas = Ding = Reales), daß es nicht sein kann, ohne als Gegenwärtiges von Früherem oder Späterem abzustehen, d. h. als etwas, was i s t, von solchem, was war oder sein w1rd. 8. (S. 13.) Weil sich diese Homonymie schier in allen Sprachen findet. 9. (S. 13.) Ueber die Verwertung solcher Fiktionen im Schlußverfahren s. Psychologie II, S. 164ff. Ueber die in der Anm. erwähnten Urteilsverbindungen, die nicht restlos auflösbar sind, vgl. Anm. 73 zu S. 225. 10. (S. 15.) Vermöge dieser Fi~tion werden insbesondere auch die primären Objekte der Sinnesempfindungen wie etwas, was ist, behandelt. Ist man sich dieser Fiktion nicht bewußt, so gerät man in Scheinprobleme und Irrtümer. Völlig ernst nehmen die Existenz dieser Sinnesdinge die naiven Realisten. Um aber nicht mit der Physik in Konflikt zu kommen, greifen andere zu dem Auswege, die Gegenstände der Sinneswahrnehmung für Eigenschaften des Wahrnehmenden, diesen also für farbig, ausgedehnt, rund, eckig etc. zu halten. {Inkonsequenterweise bekennen sie sich gleichwohl nicht alle zum Materialismus.) Andere wieder sprechen vom Farbigen und vom Sehenden als unmittelbar Gegebenem, ohne zu beachten, daß sie nicht im selben Sinne gegeben sind {nur der Sehende ist sich selbst gegeben im Sinne unmittelbarer Erkenntnis, während ihm das Blaue nur gegeben ist im Sinne blinden Geglaubtseins), ja sie lehnen es, wie die Positivisten, geradezu ab, zwischen Sehendem und Farbigem zu unterscheiden. 3. Vom undgentliehen Sein des Allgemeinen {9. II. 1914) 1. (S. 18.) Zur Universalienfrage vgl. Psych. II S. 199ff, III S. 89ff, lllff. Wahrheit und Evidenz S. 74, 112. Ferner in diesem Bande S. IR f, 60 f, 260 f. Weil Be r k el e y den fiktiven Charakter des sog. Seins der idea, d. h. des Gedachten als solchen, verkannte, glaubte er mit der Verwerfung unbestimmter Dinge auch die des unbestimmten Vorstellens verbinden zu müssen. 2. (S. 18.) Zur Begründung dieser Lehre vgl. Psych. II Anhang, ferner Wahrheit und Evidenz, S. 92 ff, 107 f, 109 ff. 4. Vom Seienden im uneigentlichen Sinne, insbesondere von den Universalien und ihrer Spezifizierung (März 1916) 1. (S. 18.) Diese Abhandlung ist dem dritten Entwurfe der Kategorienlehre entnommen, wo sie unmittelbar nach § 23 (S. 295) folgt, paßt aber besser in die erste Abteilung dieses Bandes, welche

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der Enthüllung der entia irrealia als sprachlicher Fiktionen gewidmet ist. Vgl. Psych. II, 158ff. Wahrheit und Evidenz 73ff, 87ff. 2. (S. 19.) D. h. man bedient sich, indem man sagt, der gedachte Mensch se1, einer Fiktion, welche das Synsemantikon »gedachter Mensch« behandelt, als ob es ein Name wäre. 3. (S. 19.) Ueber die wahre Funktion der Abstrakta vgl. S. 60H, 260ff. 4. (S. 19.) So BoI z an o in seiner Lehre von den Sätzen und Vorstellungen an sich. Deren Absurdität wird nicht aufgehoben, wenn man diese Inhalte einem »Bewußtsein überhaupt«, dem sog. »transzendentalen Bewußtsein«, zuweist, sondern verstärkt, sowahr c:in Bewnfhsein, das niemand hat, ein Widersinn ist. Der mystische: Herr »Überhaupt« ist identisch mit dem »Niemand«. Vgl. Wahrheit und Evidenz, Einleitung des Herausgebers. 4 a. (S. 20.) Mehr im Sinne Brentanos wäre »entia elocutionis«. 5. (S. 21.) Wenn man sagt, jedes Ding müsse ein vollkommen bestimmtes Ding sein, so wird hier von dem Subjekt Ding nicht c:in reales Prädikat »bestimmt« ausgesagt. Die Ausdrücke bestimmtunbestimmt sind synsemantisch, hingegen sind »ein etwas bestimmt Vorstellendes«, »ein etwas unbestimmt Vorstellendes« echte Namen. Wer sagt, es könne kein unbestimmtes Ding geben, stellt einen c:in Ding unbestimmt Vorstellenden vor, und leugnet, daß es zwei Dinge: geben könne, von denen beiden sich prädizieren läßt, was jener vorstellt, ohne daß sie sich irgendwie unterscheiden. Es handelt sich, wie: man sieht, um das principium identitatis indiscernibilium. Die in der Anm. 18 zu S. 40 aufgedeckte Äquivokation von »Gegenstand« hat zur Folge. daß man von etwas, was gar nicht Gegenstand des Vorstellens ist, sagt es sei unbestimmt vorgestellt, weil es unter gewisse Begriffe fällt, die einer tatsächlich denkt. Man nenne zur Vermeidung eines Mißverständnisses sein begriffliches Denken lieber universell, ~tatt unbestimmt. 6. (S. 24.) Dieses per accidens ist von dem ens accidens im metaphysischen Sinne zu unterscheiden. Einem Gedachten kann pc:r accidens auch eine substanzielle Bestimmung zukommen, wie denn das oben verwendete Beispiel einer Ausdehnung (zweischuhig} eine: solche: war. Vgl. S. 145, 237. 7. fS. 24.) Derselbe Ort kann nicht zugleich rot und blau, dassc:lbc: Urteil nicht zugleich anerkennend und dasselbe verwerfend, wohl aber zugleich anerkennend und evident sein. Dasselbe Bewegte kann zugleich in besonderer Richtung und mit besonderer Geschwindigkeit sich bewegen. Vgl. S. 319, Anm. 8. 8. (S. 25.i Nach Aristotelc:s erscheint dc:r Grad einer Qualität allerdings als etwas, was dieser per accidens zukommt. Quantität soll ja eine besondere akzidentelle Kategorie neben der Qualität sc:in. 8 a. (S. 25.) Der Zusamrnmhang ist der: kommen einem Individuum mehrere Bestimmungen zu, von denen keine der anderen untergeordnet ist, so können sie nach Aristoteles wegen dc:s § 6 angeführten Gesetzes nicht Differenzen derselben Gattung sein. Vgl. Anm. 3 zu S. 146. 9. (S. 25.) Wenn unsere Sinnesanschauung keine: absoluten, sondern nur relative: Ortsbc:stimmungc:n in spc:cie enthält, so gilt von dc:r

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so

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äußeren Wahrnehmung ebenfalls, daß sie der vollen Bestimmtheit entbehrt. Vgl. Anm. 3 zu S. 265 und Psych. II, S. 270.

5. Über die absonderliche Unterscheidung von Existenz und Sein {22. III. I 916) 1. (S. 30.) S. Anm. 4 zur vorigen Abhandlung. 2. (S. 31.) Sondern, wo das »ist« zum Ausdruck eines einfachen Anerkennens mit dem modus praesens {d. h. dem modus rectus temporalis) dient, nicht eines prädikativen Urteils. M. a. W. es gibt nicht zwei Spezies von Anerkennen. Vgl. S. 224 ff. Um diese kleine Abhandlung vor Mißverständnissen zu schützen, sei noch folgendes hinzugefügt. Brentano lehrt hier, daß »an etwas glauben«, >-etwas anerkennen«, »ein Ding anerkennen«, »ein Ding als existierend anerkennen«, »die Existenz eines Dinges anerkennen« alles ein und dasselbe bedeutet. Es gibt nur e i n e Spezies von anerkennendem Urteil, und wer ein solches Urteil fällt, fällt es über ein Ding. Hingegen würde man Brentano schwer mißverstehen, wenn man meinte, daß er die Worte Existenz und Seiendes im Sinne von Etwas (Ding, Reales) für synonym hielt. Das letzte ist ein Name und bedeutet den allgemeinsten aller unserer Begriffe, das erste ist kein Name, sondern bedeutet für sich selbst gar nichts, gehört vielmehr zu den Synsemantika. d. h. es bedarf, damit es überhaupt zur Erweckung eines Sinnes komme, der Ergänzung durch andere Worte. Eine solche liegt z. B. vor, wenn man sagt, »ein die Existenz von etwas Anerkennender«, was aber wiederum gar nichts anderes heißt »ein etwas Anerkennender«. A. Werner (Die psychologisch-erkenntnistheoretischen Grundlagen der Metaphysik Franz Brentanos, Hildesheim 19!11, S. 114) glaubt, nach Brentano bedeute »der a!;>strakte Name Existenz nichts anderes, als daß ein ein Ding Anerkennender ist«. Das stimmt nicht. Vielmehr bedeutet das Wort Existenz (und ebenso Existierendes, Möglichkeit, Mögliches etc.) nach Brentano, isoliert, überhaupt n i c h t s. Es ist synsemantisch. Hingegen hat der Satz »A ist existierend« sehr wohl einen Sinn, aber durchaus n ich t denselben Sinn wie der Satz »Ein A Anerkennendes existiert« (Vgl. auch Anm. 1 zu S. 59), ferner Kat k o v, Bewußtsein, Gegenstand, Sachverhalt, Kap. 111. {Archiv f. d. ges. Psych., Bd. 75, Heft 3/4.) li 1. Universale, Gattung, Spezies und Individuum (S. 32-43) (30. IX. 1908) 1. (S. 32.) Aus einem Diktat »Ontologische Fragen« (1908). 2. (8. 32.j Vgl. S 15, § 5. Man beachte das in der Einleitung d. H. über die Aquivokation von •unbestimmt gedacht« Gesagte. Vgl. auch Anm. 5 zu S. 21 und Anm. 18 zu S. 40. 3. (S. 32.) Die hitr vertn.tene Lehre von der wechselseitigen Durchdringung von Ort uncl Qualität hat Brentano später fallen lassen. Siehe S. 268. 275. Vgl. Anm. 5 zu S. 36. 4. (S. 32.) S. Anm. 3.

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 36 bis 39

5. (S. 36.) Das Verständnis dieses Absatzes 1st durch ein Doppeltes erschwert. Brentano illustriert die aristotelische Lehre von den letzten spezifischen substanziellen Differenzen durch Beispiele, die AJistoteles für akzidentelle gehalten hat (Ort und Qualität). Ja diese Beispiele gelten auch für Brentano selbst, auf seinem späteren Standpunkte, nicht mehr in vollem Umfange für substanziell. Zur Zeit dieser Abhandlung (1908) hielt er noch Ort und Qualität dafiir, meinte aber, daß weder eine Ortsspezies noch eine Spezies von Qualität für sich allein zur Individualisierung ausreiche. Das hat er später berichtigt. Zwar blieb er dabei, daß eine letzte qualitative Differenz, wie z. B. Rot oder Warm, ein Universale sei, da ja beliebig viele Dinge diese gleiche Beschaffenheit haben können; aber er kam davon ab, sie unter die substanziellen zu rechnen, kehrte also in dieser Hinsicht zur Auffassung des Aristoteles zurück. Hingegen wahrte er ihm gegenüber den Ortsbestimmungen nach wie vor den substanziellen Charakter, und entfernte sich, was diese betrifft, vom Standpunkte der vorliegenden Abhandlung nur insofern, als er qualitätsfreie Orte als möglich erkannte (s. S. 268, 275). Damit fiel das vermeintliche substanzielle genus Ortlich-Qualitatives, und das körperliche Individuum erschien nun nicht mehr »nach den beiden nächsten Differenzen, unter die es fällt, derselben Gattung untergeordnet«. 6. (S. 36.) tnO'l.* = Reihe. Homostoichetische Differenzen wären Farbiges-Rotes; heterostoichetische Richtung und Geschwindigkeit. Vgl. S. 24, § 6. 7. (S ..'16.) Im vorigen Paragraphen sollten nur substanzielle Differenzen behandelt werden. Da B. damals auf physischem Gebiete sowohl Ort als Qualität fiir solche hielt, mußte er hier für Beispiele von Akzidentien das psychische heranziehen. 8. (S. 36.) Oder die~enige, welche sie allein bestimmt. 9. (S. 37.) Da eine Seele, die zu denken aufhört, noch dasselbe Ich bleibt, so wäre statt »individuell« hier deutlicher »eindeutig bestimmt« zu setzen. 10. (S ..'J7.) In diesem Beispiele verrät sich die Tendenz, die Klasse der Vorstellungen zu eliminieren und alles Denken in Anerkennen und Verwerfen sich differenzieren zu lassen, von der Brentano aber wieder abgekommen ist. 11. {S. 37.) Was Brentano für das physische Gebiet hier im § 5 selbst lehrte, aber später (S. 268, 27 5) berichtigte. 12. (S. 38.) Dieses Rote i s t das Farbige, nicht aber enthält es dieses als Teil. Vom Teil kann man nicht sagen, daß er das Ganze sei. Der Finger ist nicht die Hand. 13. (S. 39.) Man wird hier immer ratlos bleiben, solange man nicht Brentanos radikale Lösung annimmt, wonach nur Konkreta - sei es individuelle, se1 es universelle - Begriffe bedeuten, d. h. Namen sind. Das Farbige, welches dieses Rote ist. ist ein Ding; die Farbe aber, die im Roten und im Blauen sein soll, ist Fiktion. 14. {S. 39.) Es sind dies eben zwei Vorstellungen (wenn auch demselben Ich zukommend). Real identisch wäre z. B. dieser Rotsehende mit diesem Sehenden und ebenso dieser Anerkennende mit diesem Urteilenden.

AmBerkungen des Herausgebers zu Seite .'19 bis 41

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1!:1. (S. 39.) Modale Differenzen hier im Gegensatz zu substanziellen, also gleichbedeutend mit akzidentellen, ein Sprachgebrauch wie schon bei Descartes. 16. (S. 39.} Gewiß handelt es sich bei »bestimmt« und »unbestimmt« um einen inneren Unterschied des Vorstellens. und zwar um einen positiven. Das unbestimmte Vorstellen ist ebenso eine positive Spezies des Vorstellens wie das bestimmte, keine bloße Privation. Die Frage ist nun, unter welchem Gesichtspunkte, in welcher »Serie« sich das Vorstellen so differenziere. ob in der Serie der Intentionalität oder in der Serie, die sich in die Differenzen von modus rectus und obliquus spaltet, oder in derjenigen, die man die Serie der Objektsdifferenzen nennt, oder in einer hier noch nicht aufgezählten. Dies ist es, was B. untersucht, mit dem Ergebnis, daß es sich um Objektsdifferenzen handelt. Hier sind aber wieder zwei sich kreuzende Reihen zu unterscheiden, die eine, wofür Rotvorstellen, Warmvorstellen. Ortvorstellen Beispiele sind, die andere, in welche der Unterschied nach den Grallen der Bestimmtheit fällt, also z. B. bei Qualitativesvorstellen, Farbigesvorstellen. Rotesvorstellen. In der zweiten Weise dem Gegenstande nach verschieden sind auch z. B. die beiden Begriffe »ein den Begriff Ding Denkender« und »ein irgend ein Ding Denkender«., wobei der zweite Gedanke universeller ist als der erste. obwohl ich heidemale modo obliquo dasselbe zum Gegenstande habe. nämlich Ding im allgemeinen. 17. (S. 39.) D. h. ohne daß es sich um Differenzen ilf der Serie der intentionalen Beziehung handelte. 18. (S. 40.) Korrekter vielleicht: das Ding erscheint als das, als was es Gegenstand ist. Dasselbe Ding ist einmal als Stein, das andermal als dieser Kieselstein· Gegenstand. Dabei ist eine Äquivokation zu beachten. Sage ich von jemandem, der den allgemeinen Begriff des Dinges denkt. er habe dadurch ebenso einen Stein wie einen Menschen oder einen Baum zum Gegenstande, nur nicht eben a I s Stein etc., sondern als Ding, so fungiert das Wort Gegenstand zwar heidemale synsemantisch. aber diese mitbedeutende Funktion ist eine andere, wenn ich sage. er habe, indem er den Begriff des Dinges denkt, ein Ding zum Gegenstande, als wenn ich sage, er habe dann ebensogut einen Stein wie einen Menschen zum Gegenstande. Die erste Verwendung ist die eigentliche. die zweite eine übertragene. Ich meine in der zweiten Aussage. er habe eigentlich nicht einen Stein zum Gegenstande, wohl aber lasse sich von einem Stein dasjenige prädizieren, was jener wirklich zum Gegenstande hat, denn ein Stein ist ein Ding. Es handelt sich um keine besondere Art des Vorstellens, sondern um eine verwickelte denominatio extrinseca. Am besten wäre es. diese alt überkommene Redeweise »etwas als etwas Vorstellen«, weil sie psychologisch irreführend ist, ganz zu unterlassen. Vgl. die Analyse in Psych. JH/1, p. XLVI der Einleitung des Herausgebers. Ebenso die Einleitung zum vorliegenden Bande. 19. (S. 41.) Ober Brentanos Lehre von der Quantität der Urteile vgl. Psych. 1111. S. 164 f. 20. (S. 41.) M. a. W. zwischen Akzidens und Substanz ist nicht blol~ ein begrifflicher Unterschied. sondern ein sachlicher. Die Substanz ist nicht das Akzidens. aber das Akzidens ist nicht etwas ganz an-

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 42 bis 44

derea als die Substanz. Es ist mehr an Realem da, wenn statt der bloßen Substanz ein Akzidens vorhanden ist; aber von einem höherem Grade oder Range der Rralität zu sprechen, wäre nach Brentano durchaus unangebracht. 21. (S. 42.) Man hat es befremdlich gefunden, daß sich Blausehen und Rotsehen durch das Objekt unterscheiden sollen, während es doch weder Blaues noch Rotes gibt. Aber dies scheint mir ebensowenig ein Problem wie die Frage, wieso man Rotes sehen könne, da es doch nichts Rotes gibt. 22. (S. 48.) Vgl. Dasein Gottes, S. 428. 23. (S. 48.) Also letztes Substrat. Brentano gebraucht das Wort Wesen bald im weiteren Sinne = Ding, bald im engeren = Substanz. Vgl. Anm. 40, zu S. 128. 2. Von den Verknüpfungsweisen gedanklicher Elemente (SO. IX. 1908) 1. (S. ·J!J.j Aus einem Diktat »Ontologische Fragen«. 2. (S. 48.) Bestimmt, d. h. so, daß es nur ein einziges Ding geben kann, das der Vorstellung entspricht. Bestimmt gedacht ist, was vollständig, was allen seinen Merkmalrn nach gedacht ist, aber dieses bestimmte Denken ist &olange kein deutliches, als diese Merkmale nicht voneinander unterschieden werden. Das relativ vollständigste Denkrn, dessen wir überhaupt fähig sind, ist die- Anschauung, von der man gesagt hat, sie sei ohne Begriffe blind, d. h. hier soviel wie konfus (wobei man allerdings unbeachtet läßt, daß es auch ein sinnliches Unterscheiden gibt, vor aller Abstraktion). Nach der erst 1916 ausgebildeten definitiven Lehre Brentanos ist auch unsere sinnliche Anschauung nicht vollkommen bestimmt, es kann ihr mehr als ein Ding entsprechen, von dem ihr Gegenstand prädiziert werden kann. Diese Unbestimmtheit wird von H i 11 e b r a n d geleugnet, aber aufgrund vollkommener Verkennung der Motive Brentanos. Er mrint nämiich, dieser schlitße auf den Mangel an individueller Bestimmtheit aus der bekannten Tatsache, daß dieselbe Anschauung bald dies, bald jenes zur Ursache haben kann, während doch Brentano sich auf :lie ganz andere Tatsache bezieht, daß ihr in gleicher Wdse verschiedene Dinge »als Gegenstände« (in dem eben definierten Sinne\ entsprechen können. (S. Hillebrand, Lehre von den Gesichtsempfindungen, S. 195, Brentano, Psych. II, S. 199 ff.) 3. (S. 48.} Realer Teil ist nur solches, was isoliert als vollständiges Individuum bestehen kann, wie z. B. die Teile eines Kollektivs oder eines Kontinuums oder die Substanz, der sog. metaphysische Teil des Akzidens. Ein logischer Teil hingegen ist, was nur begrifflich unterschieden werden kann, wie z. B. vom Artbegriff der darin eingeschlossene Gattungsbegriff. Natürlich handelt es sich hier um eine Homonymie des Synsemantikums »Teil«. (Vgl. Anm. I zu S. II.) 4. (S. 44.) D·as Wort Identität wird .bisweilen - auch von Brentano selbst - in einem weiteren Sinne gebraucht, nämlich für alles, was von einander mit Recht prädiziert werden kann. Hier dagegen in einem engeren, denn er unterscheidet offenbar Prädikationen, die identifizierend sind, von solchen, die nicht identifizieren. 5. (S. 44.) Attribution mit substanziellem Subjekt: diese Seele

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 45 bis 51

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dc:nkt; mit akzidentellem: dieses Denkende urteilt. Ober Akzidenti(n höh(rer Ordnung vgl. Anm. 5 zu S. II. 6. (S. 45.) Nämlich in diesem Kollektiv. 7. (S. 45.) Diese sog. disjunktiven Begriffe sind keine realen Prädikate, keine echten Begriffe. Es handelt sich um Synsemantika. Vgl. die Anm. I zu S. II, über das vermeintliche Prädikat "Teil von etwas«. 8. (S. 46.) Man denke z. B. an den Fall, wo ich von jemandem weiß, daß er an seinen abwesenden Bruder denkt, nicht aber, ob er von dessen Erkrankung Kunde habe. Indem ich gleichwohl sage, er denke an einen Kranken, gebe ich kein reales Prädikat des Denkenden an; das ersieht man am besten daraus, daß es falsch werden kann, ohne daß sich an seinem Denken etwas ändert {z. B. wenn der Bruder genest). So ist meine Aussage, daß· er an einen Kranken denke, keine Prädikation, sondern eine denominatio extrinseca. Vgl. Anm. 18 zu S. 40. 9. (S. 46.) Hier wird die Identifikation jenes in obliquo vorgestellten Dinges mit etwas, was ich in recto vorstelle, vorgenommen. Es ist einer der Fälle des aristotelischen ens per accidens. Vgl. Brentano, Psych IL Register unter Identifikation in obliquo. 10. (S. 46.) Die Summanden dieser Addition sind einerseits das Jo'arbige, anderaseits. der Farbiges Denkende; identifiziert aber wird das Farbige mit dem Roten. 11. (S. 46.) Brcntano hat dies früher selbst getan, ließ diese Ausdrucksweise später aber nur im Sinne einer Fiktion gelten. Vgl. Wahrheit und Evidenz, S. 131 ff. 12. (S. 46.) Es handelt sich da um die alte, in »Wahrheit und Evidenz« widerlegte Adäquationstheorie. 13. (S. 46.) In Wahrheit gibt es hier nur ein relatives Prädikat, nämlich »Farbe-Vorstellendes« selbst. 14. (S. 46.) Ergänze im Sinne der vorigen Anmerkung »bezw. oft nur im bildlichc:n Sinne verwendet wird•. 15. (S. ·17.) Auch daß es ihm ähnlich sei oder mit ihm übereinstimme, ist nicht mehr als eine solche Fiktion. 16. (S. 47.) D. h. das Denkende ändert sich, wenn es anderes denkt. Vgl. oben Anm. 21 zu S. 42. 17. (S. 47.) Z. B. das eine vorstellend, das anckre urteilend. 18. (S. 48.) Ober dieses symbolische Denken vgl. Marty, Untersuchungen zur Grundlegung der allgemeinen Grammatik und Sprachphilosophie (Halle 1908). 3. Wesen, Einheit und Wesensteile {28. IX. 1908)

1. (S. 48.) Ebenfalls aus der Abhandlung Ontologische Fragen. 2. (S 49) Wesen= Ding = Reales. Vgl. Anm. 23 zu S. 43. 3. (S. !H) Vgl. Psychologie II, 25.'3. 4. (S. 51.) Die eingeklammerten Worte sind vom Herausgeber eingefügt. Man kann zwei Körper nicht aneinanderfügen, ohne daß wenigstens der eine durch den Ortswechsel seine Individualität ändert. Der in Ruhe verbliebene aber würde, falls er dadurch kontinuierlich an den anderen anschlösse, wenigstens insofern eine An-

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 51 bis 58

derung erfahren, als die alte Grenzfläche, die vorher in unvollkommener Pll'rose war, jetzt die vo)le Pierose erhielte, d. h. was äuf~ere Grenze war. wird innere Grenze. Aber man kann nicht sagen. daß durch die Verkleinerung eines Kontinuums etwas entstünde. was nicht schon vorher dagewesen sei. 5. (S . .H.) Vgl. über Pierose Psychologie II 241. Ferner die im Register dieses Bandes bezeichneten Stellen. 6. (S. 52.) Es handelt sich also wohl nicht um einen Namen, sondern um ein Synsemantikum. Negativa sind ja nicht Dinge. Daß etwas keine Teile hat, die Dinge für sich sind. ist keine reale Bestimmung, die zu seinen übrigen Bestimmungen hinzukäme. 7. (S. 52.) E i n Kiirper können sie durch Zusammenschieben nicht werden, ohne daß einer von ihnen oder beide ihre Individualität ändern, da ja die absoluten Ortsdifferenzen individualisieren, wohl aber durch Ausfüllung ihres Zwischenraumes. 8. (S . .52.) Nicht aber zugleich als ein Reales von bestimmter Ausdehnung und als Vielheit von Realen. von denen jedes die gleiche: Ausdehnung wie das Ganze hat. 9. (S. 53.) Ueber die Funktion der Abstrakta, vgl. S. 66 f. 260 ff. 10. (S. 54.) Vgl.IBrentano, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles, Freiburg, Herder 1862. 11. (.S. 55.) Es wären dann die beiden Vorstellungen S und P die Subjekte und die sie identifizierende Vorstellung ,.p seiendes S«, bezw. das Urteil ,.s ist p.. das ihnen gemeinsam zukommende Akzidens. 12. (S. 55.) Dieses Beispiel für sekundäre Akzidentien erwähnt Brentano sonst nirgends. 13. (S. 55.} Dieser Satz soll den (nicht ausgesprochenen) Einwand beantworten, daf~. was Lei sekundären Akzidentien. auch bei primären möglich sein müsse, daß nämlich ein und dasselbe primäre Akzidens zwei Subjekten zukomme. Vielleicht wäre aber eher zu schließen, daß es sich hier nicht um sekundäre Akzidentien handle. 14. (S. 56.) Das Gewirkhein als ein Akzidens dessen, was gewirkt wird, zu behandeln, wäre aber natürlich ganz unhaltbar. so wahr alles, was überhaupt eine Ursache haben kann. mit Notwendigkeit gewirkt ist. d. h. nicht sein kann, ohne gewirkt zu sein. Auch käme man so zu einer unendlichen Komplikation. Vgl. S. 215. 15. (S. 57.) Ergänze ,.falls Richtung und Intensität des Stoßes dieselbe ist«. 16. (S. 57.) Der Hinweis auf das Verursachende liegt eben in dem passiven Charakter des Verursachten als solchen (Vgl. den letzte-n Satz des vorigen §). Unbestimmt wäre er darum zu nennen, weil eine Ursache durch die andere ersetzbar ist, ohne daß am Gewirkten als solchen irgend ein Unters(.hied festzustellen wäre. 17. (S. 57.) Zum besseren Verständnis vgl. S. 120, 133. 215. 18. (S . .'Ji.) Ergänze: während ein letzteinheitliches Akzidens. das überhaupt Teile nicht unterscheiden läßt, nicht auf verschiedene Individuen, als seine Subjekte, verteilt werden kann. V 1{1. auch

s. 120.

19. (S . .SB.) Es handelt sich im § 13 nur um komparative Re-lationen. deren Analvse man S. 252 west'ntlich vervollkommnt't findet.

Anmerkun1ren des Herausgehers zu Seite 59 bis 61

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4. Fiktive Teilungen des Seienden

1.

rs.

{4. II. 1914) 59.) Was Brentano damit sagen will. läßt sich vielleicht am

besten durch ein Beispiel verdeutlichen. Der Satz »Eine Unmöglichkeit ist• kann sinnlos sein. er kann sinnvoll, aber falsch und er kann wahr sein. Sinnlos ist er dem, der glaubt, daß das »ist• hier die normale Funktion haben solle, einen vorhergegangenen Namen zur Aussage eines anerkennenden U rtcils zu ergänzen, der aber erkennt. da!~ gar kein Name da ist. (»Unmöglichkeit• nennt ja kein Ding und ruft keinen Begriff wach). Sinnvoll, aber falsch ist er, wenn ihn einer ausspricht, der das nicht erkennt und glaubt, es gehe ein Ding Unmöglichkeit. Ein wahres Urteil aber drückt er aus für den, der dem »ist• hier nicht die Funktion zuschreibt, ein Anerkennen auszudrücken. sondern ein apodiktisches Verwerfen, und der erkennt, daß der Satz nichts anderes bedeute, als Etwas (z. B. ein eckiger Kreis) ist unmöglich. d. h. es kann keinen eckigen Kreis geben. Nicht zu verwechseln mit dieser Lehre von der Synsemantie d~s »ist«. ist e>, wenn Ca r n a p (Überwindung der Metaphysik, Erkenntnis, Bd. li) einerseits lehrt. daß Existentialsätze (oder zum mindesten solche mit individualisiertem Gegenstande) sinnlos seien, andererseits, daß es keinen allgemeinen Begriff des Seienden (= Etwas = Reales = Ding) gebe. Solange die Lehre von der Homonymie des Seienden nicht wirklich verstanden ist, fehlt es an der Legitimation zu einer wissenschaftlichen Kritik an aller Metaphysik. wie der Wiener Kreis sie zu iiben intendiert. 2. (S. :i9.) D. h. etwas. was wie ein Name aussieht, aber keiner ist, weil es keinen Begriff wachruft und kein Ding nennt. 3. (S. 59.) D. h. hier >>wenn sie im eigentlichen Sinne wären• (denn dann wären sie natürlich Dinge). Ober die Motive, die zur Einführung der Abstrakta bestimmt haben mögen. vgl. S. 260 ff. 4. (S. 59.) Definition im Aristotelischen Sinne. d. h. eine einheitliche Serie, die vom niedersten Artbegriffe hinaufreicht bis zur höchsten Gattung und dt:ren sämtliche Stufen vom selben Dinge prädikabel sind. sobald es die niederste ist. Beispiel: Rotes, Farbiges, Qualitatives. Akzidentelles, Ding. Ein Aristotelisches Beispiel folgt sogleich unten. Vgl. auch Anm. I b zu S. 146. 5. (S. 60.) Die Natur der Katze wäre darnach eine einheitliche. nur einmal existierende Substanz mit vielen Akzidentien. indem nämlich jede einzelne Katze als ein solches Akzidens davon ·anzusehen wäre. 6. (S. 61 .) Der Sinn scheint folgender: Die Tiernatur und die Katzennatur, wenn sie wirklich Teile wären. diese ein Teil des Katers Hidigeigei. jene ein Teil der Katzennatur des Hidigeigci, so wäre jeder Teil ein anderes Ding. Denn das gilt immer von echten Teilen. kei'ner ist der andere. jeder ist ein Ding, das kein anderer Teil ist. Man denke an die beiden Hälften eines Körpers. Dann aber ergibt sich folgender Widersinn. Fragt man nach dem individualisierenden Moment der rechten Hälfte, so darf die Antwort nicht lauten, es sei die linke oder ein Teil der linken. denn nichts, also auch kein echter Teil, kann durch etwas, was außerhalb seiner liegt, individualisiert werden. Bei jenen fiktiven Teilen aber würde dieser

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 61 bis 63

selbstverständliche Satz nicht gelten. Jeder von ihnen würde individualisiert durch etwas, was er nicht selbst enthält, sondern was 'Vielmehr ihn enthält, d. h. wovon er ein Teil ist. Die Tiernatur von der Katzennatur und di'!se vom Kater Hidigeigei. - Die Universalien im platonischen Sinne, auf die Brentano Zeile 3 dieses Absatzes als Absurda anspielt, sind absurd, weil sie nicht individualisiert sind, die prädizierten Universalien aber, weil sie zwar individualisiert, aber durch etwas, was sie nicht selbst enthalten, individualisiert sein sollen. 7. (S. 61.) Nach der hier besprochenen Theorie wäre das Verhältnis von Substanz und Akzidens ein gam. anderes, als nach der Lehre Brentanos. Dieser gilt die akzidentell erweiterte Substanz als ein letzteinheitliches Ding: jene hält es für ein Kollektiv aus zwei gegenseitig trennbaren Dingen. So wäre z. B. ein etwas Verwerfendes ein Kollektiv. bestehend aus dem Dinge »ein Ich« und dem Dinge »dieses Verwerfen«. Jenes Ding wäre die Substanz, dieses das Akzidens. Für diese~ indh·iduelle Akzidens gäbe es aber eine Mehrzahl passender ab~trakter Namen, außer »dieses Verwerfen«, auch »dieses Urteilen«, »dieses Denken«, und alle drei bezeichneten, nur eben unter Vermittelung von Begriffen verschiedener Allgemeinheit, dieses gleiche individuelle Akzidens. Darin liegt der Unterschied von der im vorigen Paragraphen behandelten Theorie gewisser Universalien. Die Katzennatur und die Tiernatur sollen jede ein anderes Ding sein, wenn auch beide zusammentreffend im gleichen Kater. 8. (S. 61.) Dieser Verwerfende ist dieser Urteilende und dieser Urteilende ist dieser Denkende. 9. (S. 62.) Ließe sich Kupfer in Gold umwandeln und umgekehrt, so bestünde nach dieser Theorie in dem Kupfer ein Ding »Möglichkeit, Gold zu werden«, und nach der Umwandlung im Gold ein Ding »Möglichkeit in Kupfer zurückverwandelt zu werden«. Vgl. Brentano, Aristoteles und seine Weltanschauung, S. 55 ff. 10. (S. 62.) Das Gold wäre Gold vermöge eines ihm innewohnenden substanziellen Teiles, der den Namen Goldform oder Natur des Goldes trüge, das Kupfer wäre Kupfer vermöge der ihm innewohnenden Kupferform oder Natur des Kupfers. 11. (S. 62.) Was keine Fiktion ist, denn wir können sowohl Substanzen als Akzidenticn (d. h. akzidentell erweiterte Substanzen} zum Gegenstande des Denkens machen. 12. (S. 62.) »Des wirklichen Akzidens«, d. h. »des wirklichen abstrakten Akzidens« in dem Anm. 7 erläuterten Sinne. Das Ding Rotes wäre ein Kollektiv, bestehend aus dem Dinge »dieser Ort« und dem Ding »diese Röte«. Dieses zweite Ding, das abstrakte Akzidens, bestünde wieder aus zwei Teildingen, der Rotform, welche bei der Umwandlung in Blaues verschwände, und der akzidentellen Materie, welche bei dieser Umwandlung beharrte. 13. (S. 68.) Nämlich jenes fiktive Ding, das den Namen Akzidens führend .-zur Substanz hinzukommen soll. Vgl. Anm. 7. 5. Das Verhältnis von Teil und Ganzem beim Kollektiv, Kontinuum und Akzidens (16. XII. 1915) l. (S. 68.) D. h. es handelte sich bei Wortfolgen wie »Es gibt viele

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 6.3 bis 67

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Steine« gar nicht um den Ausdruck eines Urteils, sondern um sinnlose »Sätze«. 2. (S. 6!t.) Vgl. Dasein Gottes, S. 42.3. 3. (S. 64.) Zu den bekannten Versuchen einer solchen Ableitung. wie D c d e k i n d und P o in c a r e sie unternommen haben, wird im Bande über das Kontinuum kritisch Stellung genommen werden. Hier nur eine bei der .Frage nach der Anschauung von Kontinuierlichem wichtige Unterscheidung: Man muß sekundär und primär Kontinuierliches unterscheiden. Ein roter Körper z. B. ist, sofern er eine infinitesimale Variation von absoluten Ortsspezies einschließt, also seiner Substanz nach primäres Kontinuum, das Rote als solches. insofern es jene Orte erfüllt. ist sekundär kontinuierlich (Es ist ja nicht eine unendliche Vielheit von Farbenspezies, sondern nur eine einzige Spezies). Daß wir dieses Rote als Ausgedehntes, d. h. daß wir das akzidentelle d. h. sekundäre Kontinuum anschauen, steht außer Frage. aber um das Substanzielle in voller Bestimmtheit anzuschauen, müßten w1r die absoluten Ortsspezies anschauen, was nicht zutrifft. Unsere Raumanschauung hat das räumlich Substanzielle nur in genere zum Gegenstande, nicht ein Kontinuum absoluter Ortss}>ezies. Dies macht es begreiflich, daß die Unterscheidung des primär Kontinuierlichen vom sekundär Kontinuierlichen zumeist verabsäumt wird, und dies wieder erklärt das Zustandekommen dC'r absurden Annahme eines krummen Raumes. Eine Krümmung ist in Wahrheit nur bei sekundär Kontinuierlichem möglich oder bei äußeren Grenzen eines primär Kontinuierlichen. Ein krummer Raum ist ebenso unsinnig wie eine krumme Zeitstrecke. Näheres darüber im Bande über das Kontinuum. 4. (S. 64.) Vgl. oben S. 51. 5. (S. 64.) Versuch über die Erkenntnis, S. 207 ff. Um das actu Unendliche zu retten, sagen manche. daß es zwar nicht unendlich viele oder unendlich große D i n g e, wohl aber eine unendliche Zahlenreihe gebe. Da es aber Zahlen überhaupt nicht im eigentlichen Sinne gibt, sondern nur zählbare bezw. teilbare Dinge, handelt es sich hier offenbar um Fiktionen. 6. (S. 65.) Der Multiplikator muß eine unbenannte Zahl sein. 7. (S. 65.) D. h. es handelt sich nicht um wirkende Ursachen. Über die verschiedene Bedeutung des Wortes Ursache s. auch S. 189. 8. (S. 6.1.) Absurd wäre dagegen ein Moment ohne jeden zeitlichen Zusammenhang mit Früherem oder Späterem. Es wäre ein Zeitpunkt ohne Plerosc. also etwas Universelles. und solches kann es nicht geben. 9. (S. 66.) Hier, wie öfter, bedient sich Brentano zur Veranschaulichung der Teleiose der Fiktion eines Farbenkontinuums, das er in Wirklichkeit nicht für möglich hält, da ihm die Zwischenfarben nicht l'ür einfache Qualitäten gelten. Vgl. S. 81 ff. Da die Grenze nichts für sich ist, so bedarf das »Bedingtsdn« des Kontinuums durch sie einer Erläuterung. Vgl. S. 217, 282, 285. 10. (S. 66.) Zur Charakteristik des bewegten gegenüber dem ruhenden Orte vgl. S. 69 f, S. 71 ff. 11. (S. 67.) Nicht alles Denkende ist also Akzidens. Nur so wird es auch verständlich, wie Gott ohne Widerspruch Denken zugeschrieben werden kann, obwohl ihm kein Akzidens zukommt.

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 68

111. I. Über unvollkommene Entelechie und Intensität (13. IIJ. 1907) 1. (S. 68.) Die nachfolgende Erklärung ist eine Umdeutung, indem sie die Lehre des Aristoteles ins Licht von Analysen rückt, die erst Brentano angestellt hat in seinen Untersuchungen über die Teleiose. In einem alten Kollegienhefte aus der Würzburger Zeit (um das Jahr 1870) findet sich ein anderer Interpretationsversuch des Aristotelischen Begriffes der unvollendeten Wirklichkeit. »Eine unfertige (unganze, unvollendete, unvollkommene) Wirklichkeit, heißt es da, darf nicht mit einer fertigen (vollendeten) verwechselt werden. Unter der ersten verstehe ich eine Seinsbestimmung, welche eine stetige Veränderung ist, z. B. örtliche Bewegung, Ausgedehntwerden und dgl. Sie sind unvollendete Wirklichkeiten, weil sie, auch wenn sie sind, immer gewissen Teilen nach nicht sind-. »Eine Kugel bewege sich mit gleichmäßiger Schnelligkeit in drei Stunden von a nach d. Während der zweiten Stunde ihrer Bewegung kommt ihr d1e Bewegung den Teilen a-b und c-d nach nicht zu, sondern nur dem Teile b-c nach; aber auch diesem Teile ·nach kommt sie ihr nur in unfertiger Weise zu. Sie bewege sich z. B. im zweiten Viertel der zweiten Stunde, so kommt ihr· die Bewegung nicht bloß nicht nach dem Teile a-b und c-d, sondern auch nicht nach den Teilen b-f und g-c zu, und auch dem Teile f-g nach kommt ihr die Bewegung nur in unfertiger Weise zu, und so kann ich ins Unendliche kleinere und kleinere Teile ausscheiden, nach welchen die Bewegung nicht ist.« (f und g sind Punkte auf der Strecke b-c), »Trotzdem ist die ganze Bewegung eine Einheit, sie ist ja eine stetige Veränderung, nicht also mit einer Vielheit aufeinanderfolgender Bewegungen zu verwechseln, wenn sie auch in eine solche zerlegt werden kann. (Unterbrechungen. Substanzielle Umwandlung des Subjekts). Daher falsch: dem Körper kommt (nur) dieser Teil der Bewegung zu; sondern die ganze, aber in unfertiger Weise, also nicht allen ihren Teilen nach. Und umso mehr ist falsch: es kommt ihm nur dieser Moment der Bewegung zu. Im ersten Falle würde Kontinuum mit Diskretum, im letzten eine Grenze mit einem Teil des Dinges oder vielmehr mit dem ganzen Dinge verwechselt Dennoch geschieht besonders das Letzte häufig, weil man, die Natur der unfertigen Wirklichkeit verkennend, dafür ohne Fehler, ja mit größerer Genauigkeit eine fertige glaubt setzen zu können, und als solche bietet sich dann nichts als ein Moment (augenblickliches Hier). Nein, ich muß sagen: die ganze Bewegung kommt ihm zu, aber eben als Bewegung, als stetige Veränderung, also in unganzer, unfertiger Weise, d. h. nicht allen ihren Teilen nach. D. h. bei der Zerlegung der einen Bewegung in eine Vielheit von (Teil-)Bewegungen würden einige von ihnen nicht sein, sei es daß sie zu sein aufgehört oder noch nicht begonnen haben würden Sonst, wenn ich sagte, nur ein Moment der Bewegung sei, ergäbe sich sofort ein doppelter Unsinn, erstens insofern ein Moment etwas für sich sein würde (Unlöslichkeit der Grenze, z. 8. eines Punktes. Kein Punkt folgt einem Punkt. Auseinandernehmen mehrerer in einem Punkte sich berührender Linien);

Amuerkungen des Herausgebers zu Seite 68 bis 71

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zweitens insofern in weiterer Konsequenz das Bewegte sich nicht bewegen würde, denn ein Moment, der ihr zukäme, wäre ein Nichts von Bewegung.« »Man bemerke, daß es deshalb falsch ist, wenn einer sagte, die Bewegung sei nur einem Moment nach, denn dies hieße einem Nichts (von ihr) nach. Die Grenze wäre zwar nicht mehr mit dem Ganzen, aber mit einem Teile verwechselt. Aristoteles nennt nicht unpassend die unvollendete Wirklichkeit ,.Wirklichkeit des in Möglichkeit Seienden«, denn da sie nur einem Teile nach ist, so ist das, was dem einen Teile nach die unvollendete Wirklichkeit hat, noch in Möglichkeit, einem andern Teile nach dieselbe Wirklichkeit zu haben.« (Die Lehre Brentanos über das Kontinuum hat natürlich im Verlaufe seiner immer wieder zu diesem Gegenstande zurückkehrenden Untersuchungen. manche Wandlung erfahren. Darüber Ausführlicheres in dem vorbereiteten Bande Ueber Raum Zeit und Kontinuum.} 2. (S. 68.) D. h. die absurde Annahme eines unendlich kleinen Körpers außerhalb eines ausgedehnten· Körpers. 3. (S. 68.) Womit dann die bekannten Zenanisehen Aporien wieder aultreten. 4. (S. 70;) D. h. insofern der Ort, den der Körper in diesem bestimmten Moment einnimmt mit seinen früheren und seinen späteren Orten zu~ammenhängt. Vom Zusammenhange mit den gleichzeitigen angrenzenden Orten wird im § 5 die Rede sein. S. '(S. 70.) Es wird bei der Bewegung kein Ort und kein Zeitpunkt übersprungen, sondern alle zwischen Anfang und Ende der Bahn liegenden Orte und alle zwischen Beginn und Ende der Bewegung liegenden Zeitpunkte· werden in Anspruch genommen. Dies zum Unterschiede z. B. von einer Variation der Farbe nach. Rotes kann blau werden, ohne vorher violett geworden zu sein. &: (S. 70.) D. h. keiner, der sich in bestimmter Weise angeben ließe. In Wirklichkeit aber hat natürlich das vergangene oder künftige Stück, womit die gegenwärtige Grenze zusammenhängt, immer eine bestimmte Gröf~e gehabt bezw. wird eine bestimmte Größe haben; aber wie groß dieses Stück ist, ist für den Charakter der Grenze, für das, was sie ist, gleichgiltig. Vgl. über die sog. Kontinualrelation S. 170 ff, 282, 285. 7. (S. 71.) Indefinit = beliebig klein, nicht aber unendlich klein. Vgl. S. 285. 8. (S. 71.) Wenn hier gesagt wird, der bewegte Punkt habe eine wes e n t I ich andere Wirklichkeit als der ruhende und die Unter- · schiede der Geschwindigkeit und des Richtungszusammenhanges seien wes e n t I ich e Differenzen der örtlichen Bestimmtheit. so bedeutet wesentlich· hier soviel wie substanziell. Diese Auffassung vom substanziellen Charakter der hier behandelten Differenzen ist eine Konsequenz davon, daß Brentano damals sowohl den Ort als auch die ihn erfüllende Qualität (korrekt ausgedrückt das lokalisierte Qualitative) für substanziell gehalten hat. Er nahm einen einheitlichen dem alljemeinen Substanzbegriffe untergeordneten Gattungsbegriff Ortlicb-\lualitatives an, der sich in mehreren Serien differenziere. Die Differenzierung in der einen dieser Serien ergebe die Unter-

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 71

schiede der Qualitäten, die Differenzierung in der anderen die Unterschiede der Lokalisation. Letztere aber verliefen abermals in mehreren Serien, deren letzte spezifische Differenzen einander kreuzten. In der einen dieser Serien ergäben sich die Unterschiede des Hier und Dort, unendlich an Zahl, von denen keiner der denkbar größte, keiner der denkbar kleinste ist, in einer anderen der lokalen Serien die Unterschiede der Geschwindigkeit mit dem Grenzfalle der Ruhe und ohne denkbares Maximum, in der dritten die unemllich vielen Mögl.ichkeiten des Richtungszusammenhanges, einerseits mit Früherem unrl Späterem, andererseits mit Gleichzeitigem. Es erheben sich hier aber zwei interessante Fragen. Erstens die Frage, ob uns alle diese kontinuierlichen Variationen in diversen Serien der Ortlichkeit wirklich in der Anschauung gegeben sind, oder ob es sich hier um eine Konstruktion handelt, die auf Transzendentes übergreift. Brentano muß damals das erste geglaubt haben, aber seine definitive Meinung kann das nicht gewesen sein. Es lag ihr ja die Annahme zugrunde, daß wir in sinnlicher Anschauung ein Kontinuum absoluter Ortsspezies gegeben haben. Dies hat er später berichtigt. Vgl. Anm. 3 zu S. 265. Die Anschauung von lokalen Differenzen enthält nichts anderes als relative Unterschiede, wie nämlich Qualitatives von Qualitativem in verschiedener Entfernung und in verschiedener Richtung örtlich apsteht. Was die einzelne Ortspezies an sich ist, d. h. wie sich ihr spezifisch bestimmter Begriff von dem allgemeinen Begriffe des Ortes unterscheiden wiirde, das ist uns transzendent. und somit sind uns auch jene anderen hier erwähnten serialen Differemierungen des Ortlichen transzendent. Wir ermangeln ihrer eigentlichen Begriffe und müssen uns mit Surrogaten dafür, wie sie die erwähnten relativen Bestimmungen uns bieten. behelfen. Die zweite Frage bezieht sich darauf, ob wir die nunmehr als transzendent erkannten Differenzen für substanzielle zu halten haben, wie dies Brentano an dieser Stelle zweifellos lehrt. Auch hierin mußte sich ein Wandel ergeben, nachdem er erkannt hatte, daß die Qualitäten vielmehr ak7.identeller Natur sind. Nur das primäre Ortskontinuum, welches auch ohne qualitative Erfüllung, als sog. leerer Raum existieren könnte, ist Substanz. Das den Ort erfüllende Qualitative, d. h. das sekundäre Ortskontinuum, ist Akzidens. Es handelt sich bei Ruhe und Bewegung um Unterschiede in der Weise. wie der Ort der Qualität innewohnt, m. a. W. um kategoriale Unterschiede. Denn die sog. Kategorien scheiden sich nach der Lehre Brentanos, welche dieser Band in großer Ausführlichkeit darbietet, nach der Weise, wie das Akzidens die Substanz in sich einschließt oder, was dasselbe sagt, wie diese jenem subsistiert. Da sich nun vgl. unten S. 244 - bei den substanziellen Prädikationen, d. h. bei solchen, wo .Subjekt und Prädikat substanzielle Begriffe sind, keine Unterschiede der Kategorie ergeben sollen, so muß es sich, wenn bei Bewegung und Ruhe um kategoriale Differenzen, um solche akzidenteller Natur handeln. Doch liegt es auf der Hand, daß jeder akzidentelle Wechsel des Lokalisierten als solchen, d. h. jeder Ortswechsel, zugleich einen substanziellen und zwar sowohl einen örtlichen als auch einen temporalen einschließt. So ist denn, was die

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 71 bis 73

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Frage betrifft, ob die hier aufgedeckten transzendenten Differenzen inbezug auf Ruhe und inbezug auf Geschwindigkeit und Richtungszusammenhang des Bewegten substanzielle oder akzidentelle seien, zu antworten: es handelt sich um Unterschiede vou Akzidentien, aber um solche, die notwendig auch Unterschiede der Substanzen einschließen. 9. (S. 71.) Immerhin noch nicht ganz vollkommen, da ja auch, wie § 5 ausführt, die Unterschö~de der Pierose Berücksichtigung heischen. 10. (S. 72.) Also ni,ht die Ruhe enthält mehr Sein als die Bewegung, wohl aber hat unser Denken mehr Inhalt, wenn wir »hier Ruhendes« als wenn wir »hier Bewegtes« denken. Denn der zweite Begriff läßt manches offen, was zur vollen Individualisierung erforderlich wäre. Nicht um Grade der Existenz des Dinges handelt es sich, sondern um Grade der Bestimmtheit unserer Vorstellung von dem Dinge. Der vorletzte Satz des Abschnittes bedarf wohl einer besonderen Erläuterung. »Dieses vielfache Maßgebendsein (nämlich der örtlichen Differenz beim Ruhenden im Vergleiche mit der Ortsspezies beim Bewegten)« ist nur ein anderer Ausdruck für das schon Gesagte, daß nämlich der Begriff "hier Ruhendes« ein bestimmterer ist als der Begriff »hier ßewcgtes«. • Unter dem »Mangel. der einen vollkommenen Ersatz findet,« ist zu verstehen, daß der ruhende Körper, obwohl ihm weder Richtung noch Geschwindigkeit zukommen. doch ein komplettes Ding ist. U. (S. 72.) D. h. jede absolute Ortsspezies. 12. (S. 73.) Dieses Mehr und Minder beruht darauf, daß auch der Punkt noch Teile hat, von denen beliebig viele entfallen können. Dieser Entfall ergibt dann kein Weniger an Existenz - was ein absurder Gedanke wäre - , wohl aber ein Weniger von dem, waa existiert. Vgl. den Schluß des folgenden Absatzes. 13. (S. 78.) Statt .. wie sie auch« hiel~e es deutlicher »obgleich sie dann«. 14. (S. i 3.) DaH etwas kein Ding für sich ist, sondern nur als Grenze ist, besagt keinen geringeren Existenzgrad, sondern ist ein sachlicher Unterschied. 15. (S. i3.j D. h. der Qualität nach ist jeder blaue Punkt jedem anderen spezifisch gleich, dem Orte nach von jedem anderen spezifisch verschieden. 16. (S. 73.) Hier ist die Diktion wohl allzu knapp, um sofort verständlich zu sein. Es sollen zwei Gedanken zum Ausdrucke kommen: a) Wäre das Mehr oder Minder der Pierose ein Unterschied im Existenzgrade, so mül~ten auch die Qualitäten in verschiedenem Grade existieren, nicht nur die Orte; denn auch sie nehmen an den Unterschieden der Pierose teil (insofern sie Orte einnehmen, also sekundär kontinuierlich sind). b) Aber diese Unterschiede der Pierose begründen in Wahrheit keine solchen des Existenzgrades, denn es handelt sich bei ihnen um Entfall von Teilen des Punktes. Vgl. Anm. 12. 17. (S. 73.} Damit sind nicht mehr die Unterschiede der Plerose, sondern diejenigen gemeint, die Brentano solche der Teleiose nennt. Wo immer es einen kontinuierlichen Wechsel gibt, muß er einen bestimmten Grad haben. dol'h kann dieser ein konstanter oder ein

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 74

variabler sein. Zieht man die absoluten Orte eines ruhenden Körpers in Betracht, so zeigen sie sich von einander verschieden und zwar umsomehr, je weiter ihr Abstand von einander ist. Es kommt nun nicht vor, ja es wäre geradezu absurd, daß innerhalb einer ruhenden Linie die erste Hälfte mehr Ortspunkte enthielte als die zweite, d. h. die Variation von Ort zu Ort hat beim Ruhenden in allen Teilen immer den gleichen Grad. 18. (S. 74.) In diesem § wird die Polemik gegen die Aristotelische Lehre von den Wirklichkeitsgraden fortgesetzt, indem gezeigt wird, daß auch die Unterschiede der Teleiose nicht als solche Wirklichkeitsgrade gelten können. Zu diesen Unterschieden der Teleiose zählt Brt'ntano nicht nur die verschiedenen Geschwindigkeiten einer Bewegung, sondern auch die des Richtungswechsels im Verlaufe von Linien und Flächen. Man kann nicht sagen, daß eine mehr gekrümmte Linie dieselbt' Richtung habe wie eine weniger gekrümmte oder eine gerade, nur in geringerem Grade, sondern es handelt sich um spezifisch verschiedene Richtungen. - Zum Schlusse wird die Frage gestreift, ob man. sowohl bei Krummen als auch bei Geraden von »Richtung« redend, dieses Wort synonym oder homonym verwendet. Über die Unmöglichkeit, ohne den Begriff der Richtung ein.e Geometrie aufzubauen, vgl. Dasein Gottes S. 499. 19. (S. 74.) Der Inhalt der von der herkömmlichen Intensitätslehre grundverschiedenen Theorie Brentanos über das Wesen der Intensität i~t nach der knappen Zusammenfassung in Psychologie 111/1 S. 66 § 14 - folgender: Man pflegt intensive Gröl~t'n und extensive zu unterscheiden und hält sie für wesentlich verschieden. Die letzten sollen nämlich Teile enthalten, die ersten nicht. Damit ist aber schon zugegeben, daß ea sich bei der sog. Intensität gar nicht um Größe im eigentlichen Sinrie handeln kann. Das Wort Größe, darauf angewandt, hat hier seine Bedeutung geändert, ähnlich wie wenn man von der Größe eines Abstandes spricht, nicht weil er selbst ein Großes ist, wohl aber dasjenige groß ist und Teile hat, wodurch der Abstand überbrückt wird. Es verhält sich nämlich nach Brentano mit der Intensität ähnlich wie mit den Mischfa1bcn. Wenn zwei Farben. z. B. Rot und Blau, in unmerklichen Teilchen mit einander abwechseln, erscheint das Ganze violett, also als rötlichblau, und in diesem Ganzen erscheint sowohl das Rot als auch das Blau, aber minder kräftig als reines Rot und reines Blau erscheinen würden. Denkt man sich aus dem Sinnesfelde eine vo~> den beiden genannten Qualitäten ganz eliminiert und das Feld entsp1echend lückenhaft (nicht mit Schwarz, als Ersatz für die entfallene Farbe, sondern von leeren Stellen durchsetzt), so ergibt sich für die zurückgebliebene Qualität das, was man verminderte Intensität nennt. Wären die erfüllten Stellen und ebenso die leeren groß genug, daß man jt:de für sich bemerkte, so ergäbe sich ein deutliches Nebeneinander von Voll und Leer, und nichts, was zur Annahme einer intensiven Größe im Sinne einer Größe ohne Teile, verfiihren könnte. Weil sie aber im einzelnen unmerklich sind und nur einen Gesamteindruck von Schwächerem ergeben, kommt es zu dem Wahn, daß hier wahrhaft und im eigentlichen

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 74 bis 76

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Sinne Grol)es ohne Teile, m. a. W. daß eine neue Art von Größe, die intensive, im Unterschiede von der extensiven, vorliege. In Wahr.heit hat man es bei der sog. Intensität eb'=nfalls mit extensiv Großem zu tun, mit einem Mehr und Minder von Teilen. Es handelt ~ich m. a. W. um nichts anderes als um größere oder geringere Dichtigkeit der Erscheinung (unterhalb der Schwelle der Merklichkeil lokaler Differenzen). Brentano hat diese Theorie der Intensität zum erstenmale auf dem Miinchencr Psychologenkongreß 1896 vorgetragen und ciann im Kongreßberichte publiziert. - Unter dem Titel »Über Individuation, multiple Qualität und Intensität sinnlicher Erscheinungen« erschien jener Vortrag dann als ein Teil sein'!r Untersuchungen zur Sinnespsychologie Leipzig 1907. Dieses Werk ist vergriffen, aber es hat wenig Wirkung geübt. Die Sinnespsychologen nehmen nach wie vor die von Brentano aufs zwingendste nachgewiesenen Absurditäten der alten Intensitätslehre in Kauf und beweisen damit nur, wie verhängnisvoll die Abtrennung der Psychologie von der im engeren Sinne philosopltischen Forschung ist. Die Intensitätslehre Brentanos wird im dritten Bande der Psychologie, zweite Abteilung, enthalten sein. Daß ich aber die Abhandlung über das Verhältnis der herkömmlichen Intensitätstheorie zur Aristotelischen Lehre von der unvollkommenen Entelechie lieber in diesem Bande untergebracht habe, bedarf wohl bei ihrem tiefen metaphysischen Gehalte keines Wortes cler Rechtfertigung. 20. (S. i4) Zwischen der unvollkommenen Entelechie eines schneller Bewegten und der eines weniger Intensiven. 21. (S. 74.) Nach Brentanos Lehre mit Unrecht, denn wenn (ine Qualität ihren Sinnesraum lückenlos erfüllt, läßt sich ihre Intensität nicht mehr steigern. Daß die Intensität prinzipiell keine oberste Grenze habe, spricht ein Psychologe dem andern nach, aber keinem fällt es ein, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie uns denn dieser Satz einleuchten könne; ein Zeichen mehr der Oberflächlichkeit, mit der hier vorgegangen wird. 22. (S. 74.) Bei der Intensität {z. B. eines Tones). 23. (S. 75.) Ein Bewegungsmoment kann nicht isoliert - zwischen vorausgegangener Ruhe und nachfolgender Ruhe - sich finden. 24. (S. 75.} Ohne daß zugleich ein anderer oder gar unendlich viele andere, mehr und minder intensive, mitgegeben sein müßten. 25. (S. 75.) Nach der hergebrachten Lehre würde ja die Intensität unabhängig von jedem Wechsel der Qualität oder ihres Ortes variieren, also ähnlich zur Qualität sich verhalten, wie zu dieser der Ort. Da nun alle Sinnesqualitäten an Intensität teilhaben, so müßte diese ebenso als »gemeinsames Sinnesobjekte gelten wie das lokale Moment. 26. (S. 75.i Von Teilen des betreffenden Wirklichen. 27. (S. 76.} Vvas den roten Fleck hier von dem roten Fleck dort unterscheidet, ist eine spezifische Differenz aus der Gattung Ort. Was den leiseren Ton vom lauteren unterscheide, wäre nach der hier konstruierten Theorie eine spezifische Differenz aus einer nicht weiter definierbaren Gattung X, die den Sinn des Wortes Intensität ausmachen soll.

324:

Anmerkungen des

Herau~gebers

zu Seite 76 bis

7~

28. (S. 76.) Nämlich der Tonqualität, z. B. eines gesungenen a oder c. 29. (S. iu.) .Jener hypothetischen Gattung (Anm. 27). 30. (S. 76.) Ergänze »oder Einschränkung«. 31. (S. 76.) Die sinnliche Qualität. z. B. der Ton a. 32. (S. 16. I Ihr gleiche, wir wenn z. B. eine rot.:: Fläche an Ausdehnung wäch~t. 33. (S. 77.) Im Manuskript findet sich hier, aber von Brentano wieder gestrichen, folgender Absatz: ~Nehmen wir an, e! gebe eine rechteckige Fläche, die auf der einen Seite mit einer rein blauen geraden Linie beginne, auf der anderen mit einl'r rein roten endige und ganz allmählich gleichmäßig von Blau zu Rot überginge. Das Blau sowohl als das Rot wie auch jede Zwischenstufe von V10lett wären in unvollkommener Teleiose gegeben und dies um so mehr, je kürzer die Fläche wäre und je rasrwerfen. 11. (S. 208.) Auch diese Formulierung ist noch nicht definitiv, denn »irrig«, zu urteilend gefügt, ergibt kein reales Prädikat. Es sagt nur aus, daß einer, der evident urteilen würde, ihm widersprechen müßte. Will man den Gedanken »Ein A ist möglich« ohne Zuhilfenahme von Fiktionen. verdeutlichen, so muß man sagen, es werde das durch die Vorstellung von A motivierte Urteil gefällt, welches einen A apodiktisch und evident Verwerfenden apodiktisch und evident verwirft. 12. (S. 208.) »Ohne ein gewisses Prädikat«. Gemeint ist hier »ohne das Prädikat A«. Um ein Ding eines gewissen Prädikates entbehrend zu denken, muß man in recto einen denken, der es ihm evident abspricht. Vgl. über das Denken der sog. Negativa Psych. II, S. 165, 147, 274 ff, 313. Vgl. 0. Kraus »A ist A« und seine Beziehung zur Identitätsphilosophie, Ztschr. Hochschulwesen (1932). 13. (S. 209.) Aus d1eser Bemerkung ist Brentanos Stellung zum sog. Universalienstreit ersichtlich. Vgl. auch oben S. 16, 20 ff, 32 ff. Er widerspricht nicht nur den Realisten, welche universaHa in rebus lehrend sich das konkrete Ding (z. B. eine rote Kugel) aus mehreren abstrakten Teilen (Röte, Kugelgestalt) zusammengesetzt denken, sondern auch jenen Konz~ptualisten, die zwischen konkreten und abstrakten Begriffen unterscheiden wollen. Nur die konkreten Namen bedeuten allgemeine Begriffe, die Abstrakta sind Fiktionen. Hingegen ist Brentano Konzeptualist dem Nominalismus gegenüber, der gar keine universellen Vorstellungen anerkennt. Dies ist so falsch, daß sogar unsere sinnlichen Anschauungen der vollen, individuellen Bestimmtheit entbehren, Vg. Psych. II, S. 200 f, 204 ff, Psych III/1, S. 91 ff, 114 f. 14. (S. 209.) Das Wort Ding hier als Name fiir den allgemeinsten unserer Begriffe, also nicht wie bei Reh m k e in der Einschränkung auf Körper. 15. (S. 210.) Einer d. h. ein einheitlicher. 16. (S. 210.) Vgl. Wahrheit und Evidenz, Register unter Etwas. 17. (S. 210.) Dieser vom Herausgeber eingeklammerte Satz entspricht nicht der letzten Auffassung Brentanos von den Temporalmodi, da er später nur für das Gegenwärtige ein Anerkennen in

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite

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bis

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modo recto angenommen hat. Etwas für vergangen halten, heiße nichts anderes, als etwas mit dem modus rectus (d. h. als gegenwärtig) anerkennen und zwar als jenem gegenüber Späteres, was dann selbst modo temporali obliquo vorgestellt wird. Die in Klammer gesetzte Bemerkung wäre besser unter b) am Platze. 18. (S. 2Jl.) Zu diesen denominationes extrinsecae gehört es auch, wenn ich von einem sage, er urteile zwar blind, aber wahr. Ich meine damit, dal~. wer evident über dasselbe urteilt, ihm nicht widersprechen könne. Ist ein solches Urteil assertorisch, so kann es, ohne daß sich daran etwas änderte. aus einem wahren zu einem falschen werden, wenn nämlich das Ding, worüber es urteilt, sich ändert. Um eine denominatio extrinseca handelt es sich auch, wenn man von einem Dinge sagt, es aei wertvoll. Man spricht damit kein Prädikat von diesem Dinge aus, sondern urteilt über einen, der dieses Ding liebt, daß er richtig liebt. Vgl. S. 253. Aber auch diesem es Liebenden wird damit nur in dem Falle ein reales Prädikat gegeben, wenn man meint, er liebe mit einer als nchtig charakterisierten Liebe. Sagt man jedoch von einem, der blind liebt, er liebe richtig so ist dies eine denominatio extrinseca, analog der beim blinden, aber wahren Urteil. Ueber den Begriff der als richtig charakterisie-rte-n Gemiitstätigkeit s. ßrentano, Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis. 19. (S. 211.) Nach dem Verluste des Akzidens ist die Substanz ein Ding für sich geworden, was sie vordem nicht war. Modifiziert heißt hier akzidentell determiniert. 20. (S. 211.) Denken im weitesten Sinne, wie bei Descartes, für alle-s •Etwas zum Objekt Haben«, also auch für sinnliches Anschauen und Wahrnehmen. 21. (S. 212.) Wenn z. B. eine Seele eine Substanz genannt wird. 22. (S. 212.) Sie würden sich gar nicht von einander unterscheiden und sollten doch zwei sein. Bei voller qualitativer Gleichheit müsstn sich zwei gleich große, gleich gestaltete Körper durch ihre Orte, zwei D(;nkende durch ihr Ich unterscheiden. 23. (S. 212.) Der absolute Zeitpunkt eines Geschehens wird nähere und nähere Zukunft, dann Gegenwart und nähere und weitere Ver~angenheit.

24. (S. 212.) Indem das Gegenwärtige in der (Anm. 17) angedeuteten Wdse in einer der beiden zeitlichen Richtungen davon abstehend vorgestellt wird. 25. (S. 2U.) Transzendent sind sie uns in specie, dagegen haben wir den allgemeinen Begriff des Zeitlichen im absoluten Sinne. Er ist nämlich identisch mit dem des Dinges. Psych. 111/1, S. 120. 26. (S. 213.) Die lokalen sind unter den substanziellen Bestimmungen diejenigen, welche dem Körperlichen die Individualität geben. Nicht alle substanziellen individualisieren, wohl aber ist alles, was individualisiert, substanziell. Die substanziellen Temporalbestimmungen, auch in specie, individualisieren nicht, denn sie sind für alles, was ist, die gleichen. Darum wäre zwar ein Ding, das nur Ortskontinuum ist, nicht aber eines, das nur Zeit ist, möglich, da es ja unbestimmte Dinge nicht geben kann. 27. (S. 213.) Was ist, unterscheidet sich. falls es Körper ist,

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zwar örtlich von allen Körpern, die sind, aber natürlich nicht zeitlich. 28. (S. 213.) Subjekt dieser Prädikation ist das betreffende Kollektiv. Es ist ein realer Unterschied, ob ein solches von gewissen Dingen mehr oder weniger als Teile enthalte, somit handelt es sich hier nicht um bloße denominationes extrinsecae. 29. (S. 214.) D. h. der Satz drückt hier eine Mehrheit von Urteilen aus. 30. (S. 214.) Vgl. § 8 b. Würde das Hören nicht mehr gewirkt werden, so verschwände es überhaupt, im Unterschiede von einer Bewegung, die nach dem Gesetze der Trägheit den Impuls überdauert. 31. (S. 214.) In unmittelbarer Wahrnehmung glaubt Brentano aber nur in den S. 185 aufgezählten Fällen ein Gewirktwerden gegeben. Doch vgl. S. 266. 32. (S. 215.) Darum darf man auch nicht glauben. daß ein Denkendes, als gewirktes, mit einem sc:kundären Akzidens behaftet sei, denn diese müßte selbst gewirkt sein, und so ins Unendliche. Vgl. Anm. 14 zu S. 56. 33. (S. 215.j Auch die Wirklichkeit behauptet Brentano. Jedes kontingente Ding muß, solange es besteht, von einem unmittelbar notwendigen Prinzip seiner Substanz nach gewirkt werden. Vgl. S. 192, 196. 34. (S. 215.) Die gegenteihge Annahme führte zu einer unendlichen Komplikation. 35. (S. 215.) Nach »verlangt« ergänze »also zum Relativen gehört«. 36. (S. 215.) Nach •anderes« ergänze »aber ebenfalls Kleineres«. 37. (S. 215.) Z. B. die Bestimmung Denkender. 38. (S. 215.) VgL § 12, S. 214. 39. (S. 216.) Vgl. Anm. 33. 40. (S. 216.) Wenn nämlich diese erhaltende Ursache Gott ist. 41. (S. 216.) »auch hier« d. h. beim Erhaltenwerden alles Kontingenten durch das unmittelbar notwendige göttliche Prinzip. 42. (S. 216.) Modifizierende Bestimmung hier, wie auch schon im § 8, im Sinne von determinierender, während sonst bei Brentano für solrhe Bestimmungen, die das Subjekt aufheben, wie abgesetzter König, falsches Geld, vermeintliche Entdeckung. 43. (S. 216.) Ähnlich wie »etwas ist gedacht« nichts anderes besagt als »einer denkt etwas«. 44. (S. 217.) Wenn A die einzige Ursache von B ist und keiner Mitwirkung bedarf, wüßte, wer die vollständige Vorstellung von A hätte, auch vom Gewirktsein des B. Es würde aus der Vorstellung von A einleuchten, nicht aus der Vorstellung ,. Wirken des A«, denn nicht Wirkendes, sondern Gewirktes ist eine reale Bestimmung. 45. (S. 217.) Während es denkbar ist, daß für eine wirkende Ursache eine andere als Ersatz eintritt, ohne daß das Gewirkte als solches sich änderte, ist dies bei der Grenze nicht möglich. Diese kann unverändert nur solange bestehen, als irgendein, wie immer kleiner Teil des Kontinuums, dessen Grenze sie ist, unverändert fortbesteht. Über den Begriff der Kontinualrelation und des lnfinitesimals S. I 70, 282, 295. 46. (S. 217.) Über den Begriff der Pierose vgl. Anm. 6 zu S. 172.

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47. (S. 218.) Außer einem zeitlichen Kontinuum. Denn nichts kann sein, was nicht eine Dauer oder einen infinitesimalen Verlauf entweder begönne oder fortsetzte oder beendigte. 48. (S. 218.) Soll heißen ,.für manches von dem, wofür ... « 49. (S. 218.) Für die absoluten Orte im § 9, für die absoluten Zeitspezies im § 10. Wie diese, so erkannte Brentano später auch jene als transzendent, d. h. er erkannte, rlaß sie in keiner unserer Anschauungen gegeben seien. S. Anm. I zu S. 203. 50. (S. 218.) Im § 13. 51. (S. 219.) Vgl. Wahrheit und Evidenz, Register unter •Etwas«. 52. (S. 219.) Vgl. S. 126 ff. . 53. (S. 219.) Auch diesem Gesichtspunkte sucht schon die Aristotelische Kategorienlehre Rechnung zu tragen, wie Brentano bereits in seiner ersten Schrift Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles, Freiburg i. B. 1862, dargelegt hat. 54. (S. 220.) Was heißt hier •von dieser Art?« Offenbar nicht dasselbe wie •von dieser Kategorie«, denn das wäre ein hysteron proteron. Den Sinn erklärt der folgende Paragraph. Unter Gleichartigem ist hier solches zu verstehen, wofür der nächstübergeordnete Gattungsbegriff gemeinsam ist, wie etwa Farbe für Rot und Blau. 55. (S. 220.) Es hat den Anschein, als sollte hier für die Unvereinbarkeit positiver Gegensätze ein Beweis erbracht werden; aber wenn sie nicht unmittelbar einleuchtet, so würde sie auf diese Weise, die mit Fiktionen operiert, kaum einleuchtend gemacht. 56. (S. 220.) S. Anm. 54. 57. (S. 221.) Daß es sich hier um den Schein einer Begründung mit Zuhilfenahme von Fiktionen handelt, hat Brentano gelegentlich ausgesprochen. Aristoteles und seine Weltanschauung S. 55 ff. 58. (S. 221.) Die im § 19 begonnene und ohne endgiltige Lösung im § 20 abgebrochene aporetische Erörterung ist nicht leicht verständlich und sei darum Absatz für Absatz kommentiert: Das Problem ist die Frage, woran man erkenne. ob in einem gegebenen Falle Akzidentien derselben Kategorie oder solche verschiedener Kategorien vorliegen. Man könnte si.::h, um ein Kriterium zu gewinnen, führt Brentano im § 19 aus, dabei auf ein Prinzip stützen, das durch Verallgemeinerung des Satzes, daß Blau und Rot am selben Orte unverträglich ist, gebildet werden kann. Es lautet: dieselbe Substanz kann nicht zugleich zwei Akzidentien derselben Kategorie haben. Daraufhin würde man, wo immer die Erfahrung eine Substanz mit einer Mehrheit von Akzidentien behaftet zeigt, diese verschiedenen Kategorien zuweisen müssen. Allein gegen dieses vorgeschlagene Kriterium erhebt Brentano alsbald (20) folgendes Bedenken: Wir können gleichzeitig sehen und hi.iren, und es ist kein Zweifel, daß es sich dabei um zwei Akte, um zweifach Akzidentelles handelt, denn sie sind gegenseitig abtrennbar, wie dies ja sogar schon von verschiedenen Teilen des Sehens selbst gilt (entsprechend den Teilen des Gesehenen). Aber man wird sich nicht entschließen, deswegen zu sagen, dem Sehakt wohne das Subjekt in anderer Weise inne als dem Hörakte oder gar jedem Teil des Sehaktes in anderer als jedem andern. Somit kann das Kriterium nicht stimmen. Um es gleichwohl aufrecht zu halten, könnte einer

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bestreiten, daß überhaupt zur gleichen Zeit am selben Subjekt .eine Mehrheit von Denkakten sich finde. Allein dies widerspricht der Erfahrung, sowahr es berechtigt ist, aus der Tatsache gegenseitiger Abtrennbarkeil auf Mehrheit der Akte zu schließen. Es ist zwar richtig, daß im selben Akte, unbeschadet seiner Einheit, eine Mehrheit psychischer Beziehungen gegeben ist, aber ebenso unbestreitbar 1st, daß dasselbe Ich, ohne dadurch zu einer kollektiven Vielheit zu werden, zugleich mehrere Denkakte, wie Sehen, Hören, begriffliches Denken etc., haben kann {21, 22). Marty hat. dies aus unzulänglichen Gründen und unter Preisgabe der gesicherten Tatsache, daß wir wahrnehmen, wie ein Akt den anderen wirkt, bestritten {2!1). Am Schluß von § 24 schickt sich Brentano zu einer Ueberprüfung des Satzes von der Unvereinbarkeit mehrerer Akzidentien derselben Kategorie an, indem er nochmals den speziellen Fall der Inkompatibilität zweier Farbenspezies am selben Orte in Erwägung zieht. Doch bricht er gleich darauf die Untersuchung ab, um sie erst später (§ 26 des folgenden Entwurfes, S. 256) wieder aufzunehmen, wo jener Satz nicht mehr im vollen Umfange aufrechterhalten, sondern auf solche Akzidentien eingeschränkt wird, die Iohärenzen sind, während passive Affektionen für kompatibel erklärt werden. (Vgl. auch S. 277 ff.) Dem Verständnisse dieses Abschnittes dürfte es dienen, wenn man die Behandlung desselben Problems in einem Diktat Zur Metaphysik, vom 16. XII. 1915, damit vergleicht, die ich als Nachtrag unten S. 226 folgen lasse. Sie scheint der um zwei Monate späteren Fassung an Übersichtlichkeit überlegen. 59. (S. 221.) Was eben auf eine Mehrheit psychischer Akte deutet. 60. (S. 222.) Gemeint ist das Kontinuum, als indefinite Vielheit von Grenzen. 61. (S. ·222.) Wenn derselbe Mensch sieht und hört, so ist er nicht als eine Mehrheit empfindender Wesen aufzufassen. 62. (S. 22'2.) Eigenes d. h. ein Ding, das für sich bestehen kann, im Unterschiede von einer bloßen Grenze, die zwar auch etwas ist, aber nicht für sich, nicht isoliert etwas ist. 63. (S. 223.) Ergänze: wie nach dem obigen Kriterium zu erwarten wäre. 64. (S. 223.) Marty, Raum und Zeit. (Halle 1916.) 65. (S. 223.) Nämlich das Bewußtsein zu hören. 66. (S. 22!1.) Mit diesen beiden, nämlich mit dem Bewußtsein zu sehen und dem Bewußtsein des Vergleichens von Hören und Sehen. 67. (S. 223.) Das Bewußtsein zu hören. 68. (S. 223.) Der Hörende ist seinem Wesen nach ein sich selbst Wahrnehmender. Primäres und sekundäres Bewußtsein, d. h. das vom Ton und das vom Hören, machen erst den Akt des Hörens aus und sind nicht von einander zu lösen. Das Sehen gehört nicht zum selben Akte wie das Hören, und das Vergleichen gehört einem dritten an, der ein sekundäres Akzidens beider ist. 69. (8. 223.) Denn dieser Begriff ist aus innerer Wahrnehmung geschöpft. Vgl. S. 185. 70. (S. 224.) Vgl. Brentano, Psych. III/1, S. 108. 71. (S. 2U.) Der § 24 bedarf einer Erläuterung sowohl seines Zu-

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sammenhanges mit dem Vorangehenden als gewisser Einzelheiten. Die Untersuchung über das Kriterium für Einheil oder Vielheit der Kategorie hat ihren Ausgangspunkt von dem Satz genommen, daß dieselbe Substanz nicht zwei Akzidentien derselben Kategorie haben könne. Dieser Satz hat sich nach den bisherigen Erörterungen als höchst anfechtbar erwiesen. Von vornherein scheint nichts dagegen zu sprechen, daß mehrere Akzidentien der Substanz in gleicher Weise zukommen, also zur seihen Kategorie gehören können. Ebensowenig •pricht aber von vornherein dafür, daß a II e gleichzeitigen Akzidentien einer Substanz derselben Kategorie angehören müssen. Die Sache bedarf eben noch sorgfältiger Untersuchung. Doch geht Brentano hier nicht sofort in diese ein, sondern bricht den Exkurs vorläufig ab. Zum Schluß wirft er nur noch einen Blick auf den Grund, der zu dem voreiligen Glauben an die Unvereinbarkeit mehrerer Akzidentien gleicher Kategorie im selben Subjekte verführen mochte. Man stützt sich dabei wohl auf gewisse besondere Fälle von Inkompatibilität, wie z. B. auf die Überzeugung, daß Rotes und Blaues am seihen Orte unverträglich seien. Wie steht es mit diesem Satze? Leuchtet er wirklich ein? Als einen Erfahrungssatz kann man ihn jedenfalls nicht gelten lassen, weil es ja gar kein Rotes und Blaues gibt. Ob er a priori einleuchtet, untersucht Brentano hier nicht. (Es ist aber, wie man aus den Erörterungen auf S. 88 f entnehmen kann, tatsächlich Brentanos Meinung, daß die Inkompatibilität in diesem Falle a priori gesichert sei ) Hingegen macht er darauf aufmerksam, daß die Unvereinbarkeit von Rotem und Blauen am seihen Orte durchaus noch nicht besage, daß es unmöglich sei, Rotes und Blaues zugleich am seihen Orte zu s e h e n. Brentano spricht hier unter der Voraussetzung, daß unser Sinnesfeld absolllte Ortsbestimmtheilen zum Gegenstande hätte. Nur unter dieser Voraussetzung hat es ja einen· Sinn, zu sagen, daß dasselbe Sehfeld zugleich zweimal gegeben sc.in könne. Absurd wäre es nur, daß dasselbe Sehfeld mit derselben qualitativen Erfüllung zweimal gegeben wäre (bei gleichem Temporalmodus), nicht aber unmöglich, daß ein und dasselbe Subjekt zugleich zwei spezifisch gleiche Ortskontinua anschaute, von denen jedes anders erfüllt wäre. \Väre so etwas tatsächlich der Fall, so würde es sich offenkundig um mehrere Empfindungsakte handeln. Das Sehen des mit Blau erfüllten Feldes könnte ja auch ohne das Sehen des mit Rot erfüllten Feldes vorkommen und umgekehrt. Niemand aber würde es wagen, zu sagen, es seien Akzidentien verschiedener Kategorie. Da sie gleichwohl zugleich gegeben sein können, erweist sich das im § 15 versuchsweise angenommene Kriterium für die Verschiedenheit der Kategorie als unbrauchbar. (Diese Kritik ist ganz unabhängig davon, ob unsere Sinnesanschauung tatsächlich absolute Orte enthält oder bloß relative lokale Differenzen. Es genügt, daß so etwas möglich wäre. Die Argumentation bleibt darum auch aufrecht, wenn man, wie dies Brentano später tat, die Frage des tatsächlichen Gegebenseins von absoluten Ortsbestimmungen in dc:r sinnlichen Anschauung verneint.) 72. (S. 125.) Diese Behauptung von der Eindeutigkeit der Kopula »ist• bei echten Prädikationen steht nicht im Widerspruch mit dem Grundgedanken der Kategorienlehre, daß das Prädikat dem Subjekte

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in verschiedener Weise zukomme (exakter, daß das Subjekt dem Prädikate in verschiedener Weise innewohnen könne). Denn dort ist unter Prädikation die synthetische Urteilsfunktion gemeint, die die gleiche bleibt, was immer den Urteilsgegenstand bilde; hier aber bedeutet Prädikat soviel wie Akzidens und Subjekt soviel wie Substanz. Die Äquivokation erklärt sich daraus, daß bei der sog. naturgemäßen Prädikation die Substanz zum Subjekt des prädikativen Urteils gemacht wird. 73. (S. 225.j In der Beantwortung der Frage, ob das »ist« des Existenzialsatzes dieselbe synsemantische Funktion habe wie das der Kopula, schwankt Brentano, weil er zwei Auffassungen von der Struktur der prädikativen Urteile hat und bald der einen, bald der anderen den Vorzug gibt. Die eine besagt, daß das prädizierende Urteil eine Verbindung von Anerkennen mit einem modifizierten Anerkennen, dem Zuerkennen, sei (bezw. mit einem modifizierten Verwerfen, dem Absprechen). Zuerkennen und Anerkennen sind darnach primäre Urteilsdifferenzen, aber dem einfachen (thetischen) Anerkennen gegenüber nicht selbständig, da sie vielmehr ein solches immer einschließen. Diese Theorie des sog. Doppelurteils hat Marty akzeptiert und ausgebaut. Vgl. Untersuchungen zur Grundlegung der allgem. Grammatik und Sprachphilosorhie, S. 341 ff, sowie Gesammelte Schriften Bd. II/1, S. 227 ff, 309 f (Halle 1916/20). In Brentanos Psychologie (Bd. li, S. 146) findet sich aber noch eine andere Auffassung von der Struktur des prädikativen Urteils. Es soll schon auf dem Gebiete des Vorstellens eine Synthese geben, ein identifizierendes Vorstellen, das als solches noch kein Prädizieren ist, d. h. kein identifizierendes Glauben. Wird ein solches zur Materie eines anerkennenden Urteils, so liege eine Prädikation vor. Nach dieser Theorie wäre also das Zuerkennen nicht eigentlich eine innere Differenz im urteilenden Verhalten, sondern die synthetische Funktion gehörte primär dem Vorstellungsgebiete an und nur sekundär dem Urteil. Nur auf dem Standpunkte dieser Theorie ließe sich sagen, daß das ,.ist• der echten prädikativen Aussagen die gleiche Funktion habe wie das des Existenzialsatzes. (Eine andere Frage ist, ob denn wie das Zusprechen als ein Anerkennen von vorstellend Identifiziertem, so auch das Absprechen (S ist nicht P) als ein Anerkennen von vorstellend Differenziertem zu deuten sei. Dies scheint kaum statthaft, und Brenlano hat es, wenn wir seine Darlegungen darüber richtig verstanden haben. auch nicht getan, vielmehr nach wie vor ein Absprechen als Urteilsmodus gelehrt. Vgl. über den Sinn der Formel .. s ist P« auch die Anm. des Herausgebers zum II. Bd. der Psvchologie, S. 299 f. ~4. (S. 226.) Aus einem Diktat Zur Metaphysik vom 16. XII. 1915. Vgl. oben Anm. 58 Schluß. 75. (S. 226.) Was Brentano S. 239 selber lehrt. 76. (S. 227.) Brentano hält zwei Iohärenzen derselben Art, wie es z. B. Blau und Rot wären, für inkompatibel, würde also, wenn beide am selben Orte gesehen würden, darin nur einen Beweis dafiir sehen, daß die Sinneswahrnehmung Falsches zeigt. 77. (S. 227.) Der Sinn ist: wer die psychologische Tatsache, daß wir nicht imstande sind, ein und dasselbe explizit zugleich zu glau-

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ben und zu leugnen, auf ein Gesetz der Inkompatibilität von Akzidentien derselben Kategorie zurückführen wollte, müßte dann folgerichtig Anerkennen und Verwerfen verschiedener Gegenstände, weil "sie kompatibel sind, für kategorial verschieden halten, was zweifellos verkehrt wäre. 78. (S. 227 .) Sie ist höchst teleologisch. 79. (S. 228.) Vgl. das § 23 gegen Marty Gesagte. 80. (S. 228.) Der letzte Satz ist zur Vervollständigung des Gedankens vom Herausgeber hinzugefügt. 80 a. (S. 228.) Es lag nicht in der Absicht Martys, den Unterschied von Substanz-Akzidens aufzuheben, wohl aber eine Mehrheit von Akzidenticn desselben Subjektes. Darum sagt Brentano auch bloß, Martys Lehre erinnere an die Meinung derjenigen, welche überhaupt nicht zwischen substanziellen und akzidentellen Bestimmungen unterscheiden wollen. Jener verwirft die gegenseitige Ablösbarkeil der Akzidentien von einander, diese die Ablösbarkeit der Substanz vom Akzidens. Zu den Letzten gehört Descartes. Auf psychischem Gebiete kennt er kein Subjekt ohne Denken, auf physischem keinen Ort ohne Körper. Ja, was das Physische anlangt, teilte Brentano selbst lange Zeit diese Auffassung. Er hielt dafür, daß es weder Qualitatives ohne Ort, noch einen .Ort ohne qualitative Erfüllung gebe. Beide Begriffe würden das Physische, wenn man den einen ohne den anderen denkt, selbst in specie specialissima gedacht, nur universell vorstellen. Mit dem Wegfall der Qualität würde auch der Ort selbst wegfallen. Es bliebe kein Subjekt übrig, das bald Träger dieser, bald jener Qualität sein könnte. Erst mit der Anerkennung der Möglichkeit unqualifizierter Orte (S. 24 7) wird die Unterscheidung von Substanz und Akzidens für Brentano auf Physisches anwendbar. 81. (S. 229.) Der vorangehende Teil des § 30 hatte im Originale eine spätere Stelle, die in unserer Ausgabe dem § 9 des zweiten Entwurfes entspricht (S. 241). Vgl. II. Entwurf, § 26, S. 256. 82. (S. 280.) Sie sind eben nur dem Subjekte nach identisch. 83. (S. 2!lO.) Vide § 27, l. Abs. Kategorienlehre 1916 (zweiter Entwurf)

1. (S. 2.,1.) Hier ist von Modifikation nicht wie S. 216 im Sinne von determinierenden, $Ondern von Bestimmungen, die das Subjekt aufheben, gesprochen. 2. (S. 132.) Nach ,.betrachten« ergänze· in »ist ein Grünes« dagegen als Kopula. 3. (S. 283.) Denn d1e einfache Existentialformel erschiene in der Volkssprache ~künstelt. 4. (S. 288.) Echte Prädikationen: ist rund, ist rot, ist denkend ... , unechte: ist gewesen, ist geglaubt, ist unmöglich . . . 5. (S. 288.) Indem statt »iat frierend .. gesagt wird ,.friert•, wo daa Verb die Funktion der Kopula implizit, während dort das »ist« sie explizit übt. 6. (S. 2!18.) Ebensowenig wie das Partizip ist der Infinitiv ein

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Verbum. Ober den Sinn dieses grammatischen Terminus vgl. MartyFunke, Satz und Wort (Reichenberg 1925) S. 44, 46, 48, 53. 1. (S. 2S4.) Ein Vorstellen ohne Temperalmodus hält Brentano fiir ebenso unmöglich wie ein Urteilen ohne Qualität. 8. (S. 284.) D. h. er ergänzt ein Nennen zu einer Aussage, zum Urteilsausdruck. 9. (S. 284.j Den viel verbreiteten Glauben an einen durchgehenden Parallelismus der sog. grammatischen und psychologischen Kategorien hat insbesondere A. M a r t y in seinen Schriften zur Sprachphilosophie als einen für die Psychologie verhängnisvollen Irrtum bekämpft. Seine Arbeiten, einschließlich der von 0. F u n k e herausgegebenen Nachlaß-Schriften verdienen eine weit größere Beachtung, als sie bis jetzt gefunden haben. Sie enthalten das Exakteste, was bisher über die semantische Funktion der Sprachmittel gesagt worden ist, und sind durch die Benutzung der Forschungsresultate Brentanos auf dem Gebiete der deskriptiven Psychologie nicht nur den Arbeiten von Wund t und S t eint h a I, sondern auch der «idealistischen« Richtung in der Sprachphilosophie unserer Tage unvergleichlich überlegen. In der Scheidung von autosemantischen und synsemantischen Sprachzeichen zieht Marty allerdings die Grenze anders als Brentano, indem er zwar Abstrakta und intentionale Gegenstände, nicht aber ebenso die sog. Urteilsinhalte in ihrem Charakter als sprachliche Fiktionen erkannt hat. 10. (S. 284.) Brentano meint damit nicht, in dem Satze »A ist« sei die ,. Vorstellung von A« primäres Objekt, dies ist vielmehr A selbst. Natürlich wird aber das A, da es anerkannt wird, einschließlich auch vorgestellt, und zwar hier mit dem modus praesens. Das Letzte haben wohl diejenigen nicht beachtet, welche Impersonalien wie »Es regnet« nicht für den Ausdruck eines einfachen anerkennenden Urteils gelten lassen wollten, weil der Regen hic et nunc gemeint sei. Das hic ist nur eben nicht ausdrücklich ausgesprochen, aber deshalb hat man noch keinen Grund, es für eine Prädikation zu halten, das nunc aber liegt darin, daß die Anerkennung mit dem Präsentialmodus erfolgt. U. (S. 285.) Um das eigentliche Subjekt und Prädikat zutagetreten zu lassen, muß man umformen: Der eine ist ein etwas Hassender, der andere ein dasselbe Liebender. Hier sind Hassender, Liebender echte Prädikate. 12. (S. 285.) »Röte« ist synsemantisch, »Rötehabendes« aber ein Name, gleichbedeutend mit »Rotes«. 13. (S. 2S6.) Modi = Akzidentien. 13 a. (S. 287.) Vgl. S. 260 ff. 14. (S. 2S7.) D. h., nicht »von etwas geschoben werden« ist denominatio extrinseca, sondern die nähere Bestimmung, die über jenea Etwas gemacht wird. Um den Terminus der Relation gegenüber seiner besonderen Determination hervortreten zu )aasen, müßte man sagen: von etwas geschoben, was ein Jäger ist. 15. (S. 2S7.) Ariatoteles hätte gesagt, er denke an den Jäger xn.d an den Verheirateten .~tmd (11)1-'fl•Bt~xo.;, Zu der Ausdrucksweise, er denke ihn als Jäger, nicht als Verheirateten, vgl. Anm. 18 zu 40.

avTo

s.

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 237 bis 241

16. (S. 237.) Dieses Akzidentelle ist zu unterscheiden von der echten Prädikation eines Akzidens, wie sie z. B. vorliegt in den Sätzen: Ein Ding ist farbig; ein Ding denkt. S. den folgenden §. 17. (S. 238.) Vgl. Anm. 16. 18. (S. 238.) Ein Denkender erleidet in diesem Sinne das Denken, aber das erworbene Wissen hat er. § 6 zum Teile nach einem Diktat Zur Metaphysik vom 16. XII. 1915. 19. (S. 239.) Solche Habitus sind unbewußt, aber sie sind nicht ein unbewußtes Denken oder Wollen, kein Etwas zum Objekt Haben, sondern uns transzendent!' Beschaffenheilen der Seele, an die es sich knüpft, daß diese unter gewissen Umständen notwendig ein gewisses Bewußtsein hat. In diesem Sinne hat Fr e u d recht, wenn er sagt, psychisch und bewußt seien nicht identische Begriffe; er irrt aber, wenn er meint, jenes Unbewußte sei wirklich ein Denken, Begehren, Schließen etc. Die richtige Mitte hat hierin schon Brentanos Psychologie vom empirischen Standpunkte (1874) eingehalten. Vgl. Anm. 80 zu 254. 20. (S. 239.} D. h. nach der Art, wie die Substanz dem Akzidens innewohnt. 21. (S. 239.) Zum Begriffe der Umwandlung gehört nicht, daß der Prozeß infinitesimal verlaufe. Sie kann auch eine plötzliche sein, wofür die Umwandlung eines mit Blau erfüllten Ortes in denselben, aber mit Rot erfüllten ein Beispiel wäre, da es zwischen beiden keine mittlere einfache Qualität gibt. 22. (S. 239.) Hier wird der oben versuchsweise aufgestellte Satz, daß Vereinigung im seihen Subjekte die Einheit der Kategorie ausschließe, nicht mehr für alle Akzidentien aufrechterhalten, sondern nur mehr für die lnhärcnzen. 23. (S. 239.) Insofern es die Substanz einschließt, ist natürlich jedes Akzidens etwas Relatives. Vgl. S. 28!1. 24. (S. 239.) Aber auch bei äußerster Allgemeinheit bleibt insofern etwas Relatives zurück, als wir zwar nichts seiner absoluten Zeitspezies nach vorstellen können, aber doch alles, was wir vorstellen, als temporal von etwas abstehend vorstellen müssen. Vgl. Anm. 47 zu S. 248. 25. (S. 240.) Vgl. Anm. llll. 26. (S. 240.) Der Ort als solcher ist Substanz, die Bewegung ist sekundärkontinuierlich und nur dort möglich, wo ein Orte Erfüllendes ist. Darum fungiert sie unter den Akzidentien. Vgl. Anm. 8 z. S. 71. 27. (S. 240.) Vgl. S. 212 oben. 27 a. (S. 240.) Das Denken führt zur Bildung von Denkdispositionen, die Brentano aber darum nicht als "Werk« des Denkens bezeichnd, weil dieses sich nicht in die Disposition verwandelt. Das Denken kann ja, nach Bildung der Disposition weiterdauern; das, woraus sich etwas durch Umwandlung gebildet hat, kann aber das Werk nicht üb!'rdauern. Das, woraus etwas wird, kann dasjenige, was daraus wird, höchskns im seihen Zeitpunkte, mit entgegengesetzter Pierose berühren, nicht aber eine Zeit lang mit ihm fortdauern. Vgl. S. 191. 28. (S. 241.) Alle, d. h. alle, die in unsere Erfahrung fallen. 29. (S. 241.) Die modi obliqui sind in diesem Beispiele spezifisch verschieden.

s.

Anmerkungen des Herausgebets zu Seite 241 bis 245

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30. (S. 241.) Der Gedanke ist: sowahr es sich in diesen Beispielen um einheitliche Akte handelt, so unmöglich ist es, daß dasjenige, was darin vereinigt ist, der Substanz in verschiedener Weise zukomme. Doch ist hier nur an das primär Akzidentelle gedacht, und nirht :tn den Unterschied. der darin besteht, daß Aklidentien da~ Subjekt unmittelbar und andt're mittelbar einschließen. Dafür ergibt sich zufolge des nächsten Paragraphen ein Unterschied in der Prädikationsweise. 31. (S. 241.) Vgl. dagegen S. 279. 32. (S. 242.) In der ersten Beziehung steht ein bewegter Körper zu dem, der ihn bewegt (durch Zug, Stoß), in den beiden anderen zu den Orten, die er sukzessive einnimmt und verläßt, indem er aus einem Hierseienden ein Dortseiendes wird. 33. (S. 242.) Damit soll aber natürlich den Iohärenzen nicht jeder rdative Charakter abgesprochen werden. Schon, indem von ihnen gesagt wird, daß sie sich ineinander umwandeln können, wird ja eine relative Bestimmung gegeben. Und so müßte denn überhaupt die Untersuchung auf Iohärenzen zurückgreifen, da bisher ja nur Relatives in der Kategorie der passiven Affektionen behandelt wurde. Jetzt soll in der Einteilung der relativen Akzidentien fortgefahren werden. Es geschieht dies aber mehr im negativen Sinne als im positiven, indem nämlich ausführlicher von solchem gesprochen wird, was nur scheinbar hieher gehört, von den Vergleichsbestimmungen, insofern sie denominationes extrinsecae enthalten. Einen positiven Beitrag zur Klassifikation der relativen Akzidentien bringt auch § U nicht. Denn soweit Bewußtseinszustände in Kontinualrelation stehen, ergibt sich, wie dort ausdrücklich gesagt wird, keine besondere Prädikationsweise. Wo sind also die weiteren relativen Akzidentien zu suchen? Offenbar bei den lnhärenzen. Hier ergeben sich neben den bereits erwähnten Umwandlungsbeziehungen noch andere Relative. So z. B. die des Richtungszusammenhanges und der Geschwindigkeitsunterschiede, von denen als relativen akzidentellen schon früher die Rede war. Es sei aber nochmals darauf hingewiesen, daß die Kontinualrelationen nur, msofern es sich um sekundär Kontinuierliches handelt, dem Gebiete der Akzidentien angehören. 34. (S. 242.) Was alles nach Brentano keine Einteilung des Relativen als solchen begründet, da es sich um die damit verbundenen denominationes extrinsecae handelt. 35. (S. 242.) Das eine modo recto, das andere modo obliquo vorgestellt. 36. (S. 243.) Eine bedeutsame Bemerkung. Man sieht daraus, wie verfehlt es ist, wenn die Relationstheoretiker die Natur der Relationen mit Vorliebe am Beispiele del' Komparationen studieren wollen, die gar keine echten relativen Bestimmungen ergeben. Vgl. S. 252. 37. (S. 243.) Nämlich daß die zur absoluten Bestimmung hinzukommende Vergleichsbestimmung keine neue Weise der Innewohnung Cl gi_bt. 38. (S. 244.) VEI. Anm. 30. 39. (S. 244.) Vgl. Anm. 11 zu S. 151. 40. (S. 245.) Die Relationstheoretiker neigen schon seit Aristoteles dazu, den Relationen ein minderes Sein als den absoluten Bestim-

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 245 bis 247

mungen zuzuschreiben, ja manche scheuen sich nicht zu sagen, daß Relationen zwar in Wahrheit bestünden, aber nicht real seien. Damit widersprechen sie sich unmittelbar. Auch ist zu beanständen, daß sie Relationen wie etwas, was man denkend zum Gegenstand haben könne, behandeln, während sich dies korrekterweise nur vom Relativen sagen läßt. Dieses aber hat so wenig ein •minderes Sein«, daß vielmehr selbst Gott ein Relatives zu nennen wäre, insofern er denkt, und insofern er in zeitlicher Relation zu sich selber steht. Was aber die kontingenten Dinge anlangt, so findet sich Relatives sowohl unter den Substanzen als unter den Akzidentien. Schon die Kontingenz der Substanzen zeigt diese als etwas Relatives, insofern sie ständig gewirkt sind von dem unmittelbar notwendigen Prinzip. 41. (S. U5.) Vermöchten wir von einem Körper seinen absoluten Ort anzugeben, so wäre dies eine substänzielle Bestimmung in specie specialissima. Da wir dies nicht können, sind wir genötigt, uns mit rdativen Ortsbestimmungen, durch Angabe seines örtlichen Abstandes nach Größe und Richtung von anderen Körpern zu behelfen. Aber auch diese örtlichen Bestimmungen sind substanzielle, nur eben universellere, weil ja unzählige Körperpaare von einander in der gleichen Weise abstehen können. Was wir nebenbei über den Bezugskörper aussagen, ist in Rücksicht auf jenen ersten Körper natürlich bloße denominatio extrinseca. Ähnliches gilt von den zeitlichen Bestimmungen. Der absolute Zeitpunkt ist uns transzendent, wir erkennen es nur a priori als sicher, daß er für alle Dinge, die sind, spezifisch gleich sein muß. Indem wir also von einem Dinge sagen, es habe absolute zeitliche Bestimmtheit wie ein anderes, das ebenfalls ist, so geben wir eine Bestimmung, die zugleich relativ und substanziell ist. Ebenso ist es eine relative und substanzielle Bestimmung, wenn wir von einem Ereignis sagen, es liege ein Jahr zurück. Sie ist uns Surrogat für die uns transzendente absolute Zeitbestimmung, die dieses Ereignis allerdings nicht hat, sondern gehabt hat und die natürlich, da sie ihm zukam, ebenfalls eine substanzielle war. Fügen wir zu der Bestimmung, es sei ein Jahr früher gewesen als das, was jetzt ist, irgend eine Bestimmung nicht temporaler Art über das, was jet:zt ist, z. B. daß Friede herrsche, hinzu, so handelt es sich in Rücksicht auf jenes vergangene Ereignis um eine denominatio extrinseca. 42. (S. 246.) Brentano setzt hier noch stillschweigend voraus, daß unsere sinnliche Anschauung individuell bestimmt sei, was er später fallen ließ. Vgl. Anm. I zu S. 203. Statt »die innere Wahrnehmung zeigt uns die Substanz nur ihrem allgemeinsten Begriff nach in den p$ychischen Akzidentien enthalten« sollte es korrekt heißen, sie zeige uns etwas, aber unbestimmt was, als Subjekt in den psychischen Akzidentien enthalten; denn es gibt zufolge dem in Anm. 40 und 42 zu S. 128 Gesagten eigentlich keinen Begriff Substanz. 43. (S. 247.) S. die vorhergehende Anm. 44. (S. 247.) Hier liegt, ein Versuch vor, die Fälle positiver Oppositi(ln als Fälle \·on Kontradiktion zu fassen. 45. (S. 247.) Der Raum ist Substanz, aber nicht unmittelbar notwendig, sondern kontingente Substanz. Da nicht alle möglichen Orte :zusammen wirklich seiu können - unendlicher Raum ist ab-

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 247 bis 248

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surd - so bedari es einer erklärenden Ursache für die Tatsache, daß ein bestimmter Teil des möglichen Raumes verwirklicht ist. 46. (S. 247.) Angenommen, u gebe eine rote Kugel und sie könnte sic:h in eine blaue verwandeln, so wäre das ein Wechsel ihrer akzidentellen Bestimmtheit. Änderte sie ihren Ort, indem sie sich bewegte, so wäre der Wechsel ein substanzieller. Die ruhende ist substanziell als primäres Ortskontinuum, akzidentell als sekundäres, d. h. als diesen Raum erfüllendes Rotes. Man kann dieses Stück Raum mit Rücksicht auf seine Farbe eine akzidentell erweiterte Substanz nennen. Denkt man sich die Farbe crsatzlos entschwunden und nur das Ortskontinuum qualitätlos zurückbleibend, so ist, was geblieben ist, ein Ding, das keinem Akzidens als Subjekt innewohnt. Denkt man sich auch diese selbst vernichtet, was bleibt dann übrig? Manche werden sagen: ein leerer Raum von gleicher Gestalt wie es die Kugel war, aber nicht mehr ein Ding zu nennen. Brentano sagt: das ist ein Widerspruch; es bleibt eben überhaupt nichts übrig, und was man da »leeren Raum« nennt, i s t nicht etwas, sondern man fingiert etwas. Die Worte »leeren Raum«, wenn damit sowohl geleugnet werden soll, daß Qualität als daß Orte wirklich seien, sind kein Name; sie sind gleichbedeutend mit »Möglichkeit für ein Ding von bestimmter örtlicher Position, Größe, Gestalt«; wer aber sagt, eine solche Möglichkeit bestehe, spricht damit kein anerkennendes Urtfil aus, sondern widerspricht dem, der ein hier befindliches, so gestaltetes räumliches Ding für unmittelbar absurd hielte. 47. (S. 248.) Wohl nicht anders als der Ort. Wodurch sich ein Ort vom andern innerlich unterscheidet, d. h. die absoluten Orts~rzies als solche, kennen wir nicht und haben keinen eigentlichen Begriff davon. Ebensowenig von den einander als gegenwärtig folgenden absoluten Zeitspezies. Was aber Ortliebes im allgemeinen besagt, verstehen wir wohl, und so sind wir denn auch gewisser axiomatischer Einsichten fähig, die sich darauf beziehen, daß ein jedes Ortliehe seiner Substanz nach ohne Widerspruch nach allen Richtungen, die im Raume denkbar sind, erweitert oder vermindert werden könnte. Aber auch, was Zeitliches im allgemeinen besagt, ist uns wohl verständlich. Man kann dagegen nicht einwenden, daß wir wohl das Ortliehe im allgemeinen vom Seienden im allgemeinen, nicht aber das Zeitliche vom Seienden zu unterscheiden vermögen, denn dies hat seinen Grund in nichts anderem als darin, daß beide Begriffe, Zeitliches und Etwas, identisch sind. Räumliches, zu etwas gefügt, determimtrt diesen Begriff, verer..gt seinen Umfang, Zeitliches dagegen nicht. Ohne den, wie immer unbestimmten, Begriff des Zeitlichen wären wir auch nicht imstande, gewisse Zeitaxiome einzusehen, wie z. B. daß es keinen Zeitwinkel und keine temporale Krümmung geben könne. 48. (S. 248.) Vgl. S. 19.3, 196. 49. (S. 248.) Vgl. oben S. 24, 130, 146. 50. (S. 248.) Ergänze: im seihen Individuum. 51. (S. 248.) D. h. nach Aristotelcs kann demselben Ding nicht ein zweifaches no'o" oder ein mehrfaches norTO'II ctc. zukommen. 52. (S. 248.) Im vorigen war gesagt, daß ein und dasselbe Individuum nach Aristotcles nicht zugleich zwei Bestimmungen derselben

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 248 bis 251

Kategorie haben könne; kann es also, so wird man darauf fragen, zwei Bedimmungen haben, von denen jede einer anderen Kategorie zugehört? Auch dies nicht, lautet die Antwort, denn was verschiedenen Kategorien angehört, fällt nach der Aristotelischen Lehre gar nicht unter denselben Begriff des Realen. Was aber nicht ein Seiendes im selben Sinne ist, das kann auch nicht eine reale Einheit bilden, es kann nicht zusammen ein und dasselbe Ding ausmachen. Dagegen wird man einwenden, ob denn Aristoteles die Substanz mit den zugehörigen Akzidentien nicht für ein einheitliches Ding gehalten habe? Brentano antwortet: nein, er hielt die akzidentell erweiterte Substanz für eine Art Kollektiv eines Seienden im eigentlichen Sinne mit einer Zugabe von Seiendem in Uneigentlichern Sinne. (Vgl. S. 104.) 53. (S. '248.) »Rotes« sagt dasselbe wie Rotes-Farbiges-Qualitatives. 54. (S. 248.) Beachte die Anm. 26 zu S. 21.'1. 55. (S. 249.) Vgl. auch das oben über die Mehrheit der Serien, in denen sich z. B. das urteilende Verhalten differenziert, Gesagte. 56. (S. 249.) Die Verantwortung für den hier gemachten Einschnitt und Titel trifft den Herausgeber. Im Original läuft die Paragraphierung ohne Caesur weiter. 57. (S. 249.) Z. B. eine Seele denkt. 58. (S 2-19.) Eine denkende Seele urteilt. 59. (S. 249.) Eine Seele oder eine punktuelle Grenze eines Körpers. 60. (S. 249.) Z. B. Diese Kugel ist rot. (Da der Körper ein Kontinuum von Orten, der Ort aber etwas Substanzielles ist.) 61. (S. 249.) Nur Gott selbst. 62. (S. 249.) Alle Dinge außer Gott. Vgl. S. 192, 196. 63. (S. 249.) Z. B. die ausdehnungslose Seele. 64. (S.· 250.) D. h., man kann nicht mit Recht von einer letzteinheitlichen und für sich bestehenden Substanz eine zu einem Kontinuum gehörige Substanz und ebensowenig von der unmittelbar notwendigen eine gewirkte Substanz prädizieren. Den ersten Fehler begehen die Materialisten, indem sie die Seele ausgedehnt denken, den zweiten die Pantheisten, indem sie Gott mit der Welt identifizieren. 65. (S. 2.50.) Dies verkannte Aristoteles. Er hielt es für unmöglich, daß einer letzteinheitlichen Substanz ein in irgendwelchem Sinne ausgedehntes Akzidens zukomme und statuierte darum für die Sensationen ein körperliches Subjekt. Vgl. Dasein Gottes, S. 425. 66. (S. 2.50.) Auf physischem Gebiete wären die Qualitäten, die uns in genere und specie völlig transzendent sind, das Akzidentelle, und zwar lnhärenzen. 67. (S. 251.) Ein Beispiel der ersten Art ist das Denken eines allgemeinen Begriffes. ein solches der zweiten jeder infinitesimale Teil einer farbigen Fläche. 68. (S. 2SI.) So daß eine Ursache durch die andere ersetzt werden könnte. Bei den passiven Substanzen fällt dieser Unterschied weg, denn die erhaltende Ursache ist für alle eine und dieselbe, nämlich Cott. 69. (S. 251.) Dieser Ort ist Beispiel einer substanziellen, dieser blaue Punkt Beispiel einer akzidentellen Grenze. 70. (S. 251.) Restlos läßt sich das nicht durchführen, da alles, was wir denken, einem zeitlichen Verlaufe angehörig gedacht werden muß.

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite

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bis 253

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71. (S. l?.'il.) Das folgende Beispiel (Rotes) zeigt beide Unabhängigkeilen, es ist weder Grenze, noch passive akzidentelle Affektion. Daß es als Akzidens eine Substanz einschließt. die selber den Charakter der passio hat, bleibt hier unberücksichtigt. 72. (S. 252.) Hier folgen im Diktat die Worte »und so kommt es denn zu cmer komparativen Beziehung zu einem Wirklichen, dessen Vorstellung in recto die Vorstellung des von ihm Gedachten in obliquo involviert«. Ich habe sie ausgelassen, weil sie den Zusammenhang stören und darum das Verständnis erschweren. Die Relation. von der hier die Rede ist, ist nicht selbst eine komparative, sondern es ist ein Beispiel der intentionalen Relation. Fragt man. was das Motiv für diese Bemerkung gewesen sei, so ist folgendes zu sagen: Brentano (lenkt an Fälle, wo wir zwischen zwei Dingen einen Vergleich anstellen, ohne an eines dieser beiden zu glauben. (Vgl. S. 265, § 3.) So wenn wir, obwohl wir wissen, daß es weder Rotes noch Violettes gibt, sagen, sie seien einander ähnlich. Hier scheint weder der Terminus, noch das Fundament des Vergleiches anerkannt; wovon wird also die relative Bestimmung eigentlich ausgesagt? Antwort: ich sage von mir, dem Rotes und Violettes Vorstellenden aus, daß ich ein dem andern Ähnliches vorstelle. So bin denn ich selber Subjekt (aber auch Terminus) des Vergleiches. Man könnte übrigens noch eine andere Antwort versuchen: es werde. indem wir so vergleichen, überhaupt nicht eine relative Bestimmung positiv von einem Subjekte ausgesagt, sondern vielmehr das einleuchtende Urteil gefällt, daß Rotes und Violettes nicht sein könnten, ohne einander ähnlich zu sein. 73. (S. 2.12.) Bildlieber Ausdruck für: er hat es vorstellend zum Gegenstande (und zwar modo obliquo, als Terminus des Vergleiches). 74. (S. 252.) So wenn ich sage, das Vermögen jemandes sei kleiner als eine Million, aber auch schon, wenn von einer Menge gesagt wird, sie sei kleiner als 5, denn von solchen Mengen haben wir keine amchauliche Vorstellung, wir denken sie durch das den Begriff vertretende Zahlzeichen, also durch ein Surrogat. 75. (S. 252.) Sage ich von einem Dinge, statt es sei blau, seine Farbe sei heller als schwarz, so ist meine Angabe weniger bestimmt. Aber auch eine minder bestimmte Farbenvorstellung ist noch eine Vorstellung von Farbigem, also von einem Dinge. Hier handelt es sich um Akzidentelles. Ein entsprechendes Beispiel für Substanzielles wäre es, wenn von einem Körper, statt er sei eine Kugel, gesagt würde, er sei einem Ei ähnlicher als einem Würfel. 76. (S. 258.) Worunter Urteile mit sog. negativem Prädikatsbegriffe verstanden werden. Vgl. 0. Kraus, Deutsche Literaturzeitung 1931, S. 1398H. 11. (S. 253.) Sage ich von einem Dinge, es sei denkfähig, so habe ich außer diesem Dinge noch einen apodiktisch Urteilenden zum Objekte. Ich behaupte nämhch, aufgrund der Vorstellung jenes Dinges, daß einer, der es als etwas Denkendes apodiktisch und evident verwirft, unmöglich sei. 78. (S. 25.'J.) Sage ich von einem Dinge, es sei wertvoll, so spreche ich ihm damit nicht eigentlich ein Prädikat zu, sondern ich urteile über einen, der es liebt, daß seine Liebe berechtigt sei. (Oder ich

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 254 bis 258

urteile, daß es unmöglich sei, es mit Recht zu hassen, bezw. daß es niemand zum Objekt eines als richtig charakterisierten Interesses haben könne, ohne es zu lieben.) Diese Aussage kann richtig sein, auch wenn es das betreffende Ding gar nicht gibt, denn während man nicht mit Recht anerkennen kann, was nicht ist, kann man es doch berechtigt lieben. Natürlich muß das Wertvolle gewisse reale Bestimmungen haben, damit es Gegenstand einer richtigen Liebe werden könne, und sich dadurch von etwas Hassenswertem unterscheide. 78a. (S. 254.) Vgl. Anm. 40 zu 128. 79. (S. 2.~4.} Siehe S. 226. 80. (S ..'!54.} Was das Reale an der Seele ist, woran es sich knüpft, was wir Begabungen, Wissen, Charakter nennen, davon fehlen uns adaequate Begriffe ebenso wie von den qualitativen Bestimmtheiten dtr transzendenten Körper, den inneren Beschaffenheiten der sog. Materie. Diese Transzendenz scheinen die Wortführer der sog. verstehenden Psychologie zu verkennen. Glauben doch manche, daß man Charaktere »schauen« könne. Vgl. dagegen 0. Kraus und oben Anm. 19 zu 2.39 und 0. Kraus, Geisteswissenschaft und Psychologie, Euphorion XXVIII, S. 497 ff. 81. (S. 255.) Nicht die seelische Disposition selbst ist eine passive Affektion, sie überdauert ja den Prozeß, der sie bewirkt hat; aber sie vtrdankt einem Umwandlung~prozeß ihr Entstehen, und dieser ist nicht wie sie selbst eine Inhärenz, sondern eine Erleidung. Er währt solange, als die darauf gerichtete Kraft wirksam ist. Hat er mit der Herstellung der Disposition seinen Abschluß gefunden, so dauert diese als Inhärenz solange fort, bi& eine sie umwandelnde Kraft in Wirksamkeit tritt. 82. (S. l55.} Vgl. S. 1!)7 ff. 83. (S. 255.} V gl. dagegen S. 298 letzte Zeile. 84. (S. 256.} Hier wäre, um den Gedanken zu Ende zu führen, zu ergänzen: und von den gleichzeitigen (sowie von den sukzessiven) Teilen eines solchen Aktes könnten immer einige entfallen ohne Allt:ration der andt:ren. 85. (S. 256.} Diese inneren Wahrnehmungen, die entfallen können und, wo sie auftreten, sekundäre Akzidentien sind, sind natürlich primäres, nicht sekundärf's Bewußtsein. 86. (S. 256.} Das aktuelle Denken, im Unterschiede von Denkdispositionen. 87. (S. 257.) Es hätten dann diejenigen recht, welche z. B. beim Verspiiren von Druckempfindungen diese als gewirkt wahrzunehmen vermeinen, und nicht nur diese, sondern auch diejenigen, die Analoges vom Sehen, Hören, kurz von allen Sinnesempfindungen glauben. Nur würden sie sich zu unrecht einbilden, auch zu erfassen, worin das Wirkende besteht. Schon Descartes hat sich zu weit vorgewagt, wenn er die Sinnesempfindungen als ideae adventitiae an~pricht, denn schon dieses »von außenher« wäre eine nähere Bestimmung_ über das wirkende Prinzip. Vgl. auch Locke s Lehre, daß die Materie als das einen Widerstand Leistende erfaßt werde. 88. (S. 2.57.) Gemeint sind Wahrnehmung von Bewegungen oder Melodien etc. 89. (S. 258.) K an t dürfte dies geglaubt haben, sonst wäre sein

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 1158 bis 1163

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Ausspruch, die Anschauung habe im Gegensatze zum Begriff ihren Gegenstand unmittelbar bei sich, ganz unverständlich. Allerdings tritt er dabei in Widerspruch mit seiner Lehre von der Unanwendbarkeit der Kausalität auf Dinge. Vgl. Versuch über die Erkenntnis.

s.

46.

90. (S. 258.) Der letzte Satz besagt: so wie man es wahrscheinlich der Sinneswahrnehmung nicht unmittelbar anmerkt, daß sie passiv ist, so auch nicht dem frischen Gedächtnis. Hier wie dort bringt man den Gedanken an eine Ursache, den man schon anderswoher hat, erst hinzu. Das Gedächtnisurteil sei zwar ein unmittelbares Glauben, aber keine unmittelbare Einsicht. Um es zu rechtfertigen, berufe man sich auf Erfahrungen, wo es sich bewährt habe. Man erklärt sich das Zustandekommen dieses Vertrauens daraus, daß die Ereignisse wirklich stattgefunden hätten und so Ursache, wenigstens mittelbare Ursache dafür seien. Mein o n g hat freilich eine solche Rechtfertigung des Gedächtnisses durch das induktive Verfahren für unmöglich gehalten, weil die Daten, von denen man dabei ausgehen müßte, Fälle richtiger Gedächtnisurteile sein müßten, also, wenn kein solches unmittelbar evident wäre, allesamt nicht als sichere Grundlage der Induktion gelten dürften. So griff er, um der Schwierigkeit zu entgehen, zu der Lehre, daß auch Gedächtnisurteile unmittelbar evident, aber doch nur Vermutungen seien. Das Auskunftsmittel war absurd, aber auch überflüssig. Die Tatsachen, welche man der Hypothese von der Verläßlichkeit eines gewissen Gedächtnisurteils zugrundelegt, sind unter Umständen durchaus gesichert. Wie z. B. das Eintreffen eines Briefes. Ich erkläre mir dieses und seinen Inhalt durch die Annahme, daß mein Gedächtnis, das mir von dem Schreiber und seinen Umständen berichtet, richtig urteile, und kann diese Hypothese, wenn ich sie mit den denkbaren konkurrierenden Hypothesen vergleiche, zu sehr hoher Wahrscheinliclrkeit erhoben finden. 91. (S. 258 zu § 28.} Das Azidens ist schon als solches etwas Relatives. Wer es als Akzidens denkt, muß in obliquo etwas - und sei es auch nur ganz allgemein - als darin eingeschlossenes Subjekt denken. So bildet die Kategorienlehre einen Teil der allgemeinen Relationstheorie. 92. (S. 259.) Vgl. S. 126 und Anm. 40 zu S. 128. 93. (S. 260.) Diese Untersuchung über die Motive zur Bildung der Abstrakta steht im Diktat an anderer Stelle. In diesem Exkurs untergebracht, dient sie der besseren Obersicht und vereinfacht die Darstellung. 94. (S. 261.) Es gibt kein Ding und es läßt sich keines vorstellen, welches nach Abzug der Substanz von einem Akzidens übrig bliebe, somit kann auch der abstrakte •Name• kein solches nennen. 95. (S. 261.) Vgl. Aristoteles und seine Weltanschauung. S. 55 H. 91. (S. 261.) D. h., es gibt kein nur Farbiges. 97. (S. 262.) D. h., durch den Wechsel der Wortform würde ein anderer Redezusammenhang angedeutet. 98. (S. 26!J.) Brentano bestreitet nicht, daß sich eine abstrakte Prädikation vollkommen sinngetreu in die konkrete Form übersetzen lasse. •Röte ist nicht Gestalt« bedeutet nichts anderes als •Rotes ist

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Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 263 bis 264

nicht a I s Rotes ein Gestaltetes sondern ein Farbiges«, doch übersieht er nicht, daß dabei eine gewisse Beglcitvorstellung, die nicht eigentlich zur Bedeutung gehört, sondern nur innere Sprachform ist, verloren geht. Welcher Art diese ist, wird gleich gesagt: das Bild von einem dem Konkretum innewohnenden Teil. Ober den Unterschied von Bedeutung und innerer Sprachform s. Marty Ges. Sehr. I/1 S. 67 ff, 11/2 S. 68, Untersuchungen S. 134 ff. 99. (S. 263.) Klingt aber nicht so befremdlich wie etwa »das Warme ist Temperatur«. Man sagt ebenso leicht ,. Wärme hat in Kälte umgeschlagen« wie »Aus Freundschaft ist Feindschaft geworden«. 100. (S. 263.) Ist das Subjekt ein Konkretum, so pflegt man als Prädikat nicht ein Abstraktum zu verwenden. Wenn man es aber tut, so verbindet man es mit dem Subjekt nicht durch die Kopula »ist«, sondern durch »hat«. •Das Warme ist Wärme« geht nicht, wohl aber »Das Warme hat Wärme«, ähnlich wie m;an von einem Ganzen sagt, es habe den Teil, nicht aber es sei der Teil. Ohne Zweifel sind aber die: Sät~e »Das Warme ist ein Warmes« und das •Warme hat Wärme« gleichbedeutend, nur fehlt beim ersten die innere Sprachform, die beim zweiten mitspielt. (Nimmt aber einer die Fiktion ernst, d. h., glaubt er wirklich, dem Warmen wohne ein Teil inne, der den Namen Wärme führt. so hat der Satz mit dem Abstraktum allerdings einen anderen Sinn, er ist aber dann ein Irrtum.) 101. (S. 263.) Das Letzte, d. h. wenn dem Terminus Warmes (oder Wärme) ein Teil in dem warmen Dinge entspräche, denn dieser Teil wäre ein Ding und zwar ein Ding, das nur warm ist und nichts anderes, also auch nicht örtlich. 102. (S. 263.) Faßt man ernstlich die Wärme als ein Etwas, das bei der Umwandlung des Warmen in Kaltes verloren und bei der umgekehrten gewonnen wird, so macht man sie zu einem Akzidens, das keine Substanz einschließt, also der Individualität entbehrt. 103. (S. 263.) ·Röte ist Farbec ist kürzer als »Ein rotes Ding ist als rotes ein farbiges«. Kategorienlehre (Dritter Entwurf) (März 1916) 1. (S. 264.} Diese Abhandlung ist einem am 29. März 1916 begonnenen Diktat entnommen, das zur Hälfte mit Fragen der Erkenntnistheorie sich befaßt. Es enthält 45 §§, wovon ein Teil, § 1-17, Psychologie, Band 111/1, S. 12 ff unter dem Titel "Von der inneren Wahrnehmung im engeren und weiteren Sinne« bereits publiziert wurde. 2. (S. 264.) Vgl. die folgende Bemerkung in einem Briefe an Kraus (29. IX. 1909): »Und in der Tat faßte selbst Aristoteles die sinnliche Anschauung schon wie eine Art Abstraktion, wenn er sagt, der Sinn erfasse die Form ohne Materie. Und wenn Sie bedenken, daß nach ihm die Individualität durch die Substanz gegeben wird, und verrlC'ichen, was er als gemeinsame Sinnesobjekte anführt, so werden Sie finden, daß das lndividuatlonsprinzip in dem Sinneainhalt nicht enthalten encheint«.

Anmerkungen des Herausgebers zu Seite 265 bis 270

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3. (S. 265.) Diese Lehre hat Brentano noch im seihen Jahre dahin berirhtigt, daß auch die äußere Wahrnehmung ihre Gegenstände nicht individualisiert vorstellt, müßte sie doch sonst absolute spezifisC"he Ortsbestimmungen enthalten, während sie faktisch nur relative aufweist. Wir unterscheiden gleiche Qualitäten, wie Rotes von Rotem, nicht durch ihren