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German Pages XI, 160 [166] Year 2020
Lernweltforschung
Rudolf Egger · Sandra Hummel
Stolperstein oder Kompetenzstufe? Die Studieneingangsphase und ihre Bedeutung für die Wissenschaftssozialisation von Studierenden
Lernweltforschung Band 16 Reihe herausgegeben von Heide von Felden, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, Deutschland Rudolf Egger, Karl-Franzens-Universität Graz, Graz, Österreich
Ausrichtung und Zielsetzung Innerhalb der derzeit dominierenden gesellschaftlichen Entwicklungen wird der Stellenwert der individuellen Handlungsfähigkeit der sozialen Akteure in den Vordergrund gerückt. Schlagworte wie „Wissensgesellschaft“ oder „Civil Society“ weisen auf die zentrale Bedeutung von Lern- und Bildungsprozessen für die politische, ökonomische und kulturelle Entwicklung hin. Diese Entwicklung schlägt entsprechend auf die einzelnen Biografien durch. Mit dem in dieser Reihe entfalteten Programm der Lernweltforschung werden diesbezüglich die hier eingelagerten Vielschichtigkeiten und Eigenwilligkeiten, die überraschenden Umgestaltungen und Suchbewegungen von Subjekten in Lern- und Bildungsprojekten untersucht. Die hier sichtbar werdenden eigensinnigen Aneignungsprozesse werden innerhalb der je konkreten Situationen und Strukturen analysiert. Lernwelten werden dabei zumindest in einer doppelten Bedeutung sichtbar: Sie sind Rahmen und Rahmungen zugleich, Blick und Gegenblick, in denen Erfahrungen (im Rückgriff auf ein System von Regeln) bewertet, als Bestandteile der sozialen Welt durch subjektive Bedeutungszuweisung (re-)konstruiert werden, und in denen auch das „Aneignungssystem“ selbst und der Prozess der Erfahrungsaufschichtung zur Disposition stehen.
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12485
Rudolf Egger · Sandra Hummel
Stolperstein oder Kompetenzstufe? Die Studieneingangsphase und ihre Bedeutung für die Wissenschaftssozialisation von Studierenden
Rudolf Egger Karl-Franzens-Universität Graz Graz, Österreich
Sandra Hummel Karl-Franzens-Universität Graz Graz, Österreich
ISSN 2512-1081 ISSN 2512-109X (electronic) Lernweltforschung ISBN 978-3-658-23282-5 ISBN 978-3-658-23283-2 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-23283-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Laux Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Das erste Studienjahr: Zwischen Null und Unendlich
Die Studieneingangsphase, der Übergang zwischen den Systemen Schule bzw. Beruf und Universität, ist heute, unter den Bedingungen eines dreigliedrigen Studiensystems mit einem sechssemestrigen Bachelor zu Beginn, eine zeitlich und inhaltlich hoch verdichtete Phase im Leben von Studierenden. Die Prozesse des ersten Zurechtfindens an der Universität werden durch die derzeitigen Studienordnungen und die vielfach großen Studierendenzahlen strukturell beschleunigt und haben nicht nur Auswirkungen auf die Entwicklung eigener Interessen im Studium, sondern auch auf die Grundlegung jener Prozesse, die wir Wissenschaftssozialisation nennen. Bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts war die Universität als gesellschaftliche Institution perspektivisch nahezu blind gegenüber den Lernenden als Personen. Die hochschuldidaktischen Bemühungen waren bis dahin vor allem an den wissenschaftsimmanenten Strukturen des jeweiligen Faches und an der Aufrechterhaltung von Autoritätsverhältnissen in der Lehre interessiert. Die unterschiedlichen Dimensionen studentischer Lebens- und Lernwelten wurden in der Ausgestaltung der Lehrbezüge kaum bis gar nicht berücksichtigt. Studierende tauchten in der Diskussion um eine umfassendere Bestimmung universitärer Lehre erst auf, als die Voraussetzungslosigkeit von Wissenschaft allgemein diskutiert wurde. Im Rahmen einer umfassenden Demokratisierungsdebatte an den Hochschulen wurde auch danach gefragt, wie die Lehre (der Unterricht) der Wissenschaft betrieben werden soll. Die damals sich etablierende Hochschuldidaktik zielte seit der sogenannten (westdeutschen) Studierendenbewegung vor allem auf strukturbildende Veränderungen hin zu einer gesellschaftlichen Öffnung der Universität ab. Dieser Fokus hatte auch Auswirkungen auf die Formen und Möglichkeiten des Verhältnisses von Wissen und Kommunikation an den Universitäten. Dabei wurden die aus dem
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Das erste Studienjahr: Zwischen Null und Unendlich
Bürgertum kommenden etablierten Formen der Hochschulbildung als Strategie angesehen, gesellschaftlich notwendige Dynamiken zu verhindern und die Rolle der Subjekte im Allgemeinen der Wissenschaft zu verschleiern. Neben erkenntnistheoretischen und wissenschaftspolitischen Ausrichtungen (z. B. Programme wie Aktions- und Frauenforschung) wurden nun auch Studierende als AkteurInnen im universitären Geschehen unmittelbar angesprochen und sichtbar gemacht. Diese Bemühungen haben die inneren Strukturen der Universitäten grundlegend verändert, wirken in ihnen auch noch vielfach nach, wenngleich die heutige Zuwendung zum „studierenden Subjekt“ noch ganz anderen Steuerungs- und Gestaltungszugängen unterworfen ist. Exemplarisch an der Studieneingangsphase kann gezeigt werden, wie sich deren Ausrichtung innerhalb eines neuen Paradigmas grundlegend gewandelt hat. Nach Anfängen einer demokratisch-kompensatorisch orientierten Studieneingangsbetrachtung in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts (vgl. Hentig 1963; Wagner 1977), die an einer gesellschaftlichen Funktion von Wissenschaft und Universitäten orientiert war, sind es heute vor allem „studientechnische“ Gründe, die die Bedeutung der Studieneingangsphase seit geraumer Zeit als ein überaus gewichtiges Thema im Bemühen, die Fähigkeiten und Voraussetzungen der inskribierten Studierenden genauer mit den Anforderungen in den einzelnen Studienfächern zu verbinden bestimmen (vgl. Kossack et al. 2012; Lehmann 2012; Webler 2012; Asdonk et al. 2013; Bargel 2015; Bosau 2013; Grützmacher und Willige 2015). Im Wesentlichen werden diese Bemühungen von zwei weitestgehend widersprüchlichen Sichtweisen getragen. Die derzeit stärkste Kraft geht von New-Public-Management-Steuerungsmodellen zur „Steuerung“ von Studierendenströmen aus, die sich in diesem Zusammenhang vor allem um die Begriffe Lebenslanges Lernen, Kompetenzorientierung, Schlüsselqualifikationen, Evaluierung oder Qualitätssicherung oder um die transnationalen politischen Ziele von Internationalisierung, Wettbewerb und Mobilität (vgl. u. a. Pongratz 2009, 2010; Egger 2012) gruppieren. Universitäten werden sich innerhalb dieser Entwicklungen der (vor allem in den „Massenstudien“) abnehmenden fachlichen Voraussetzungen und Bindungskräfte, bzw. auch der zunehmenden Heterogenität der StudienanfängerInnen (in Bezug auf die soziale Herkunft, das Alter, den kulturellen und sprachlichen Hintergrund, die beruflichen Erfahrungen oder den Schulabschluss, vgl. u. a. Elsholz 2015; Lübben et al. 2015; Dahm und Kerst 2016) immer stärker bewusst. Diese bedeutsamer in den Vordergrund tretenden Phänomene der diffusen Studienwahlen und der größeren Uneinheitlichkeit der Studierenden hat nicht nur Auswirkungen auf die Studierfähigkeit der Lernenden, sondern muss auch aus institutioneller Sicht Konsequenzen für
Das erste Studienjahr: Zwischen Null und Unendlich
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die Studienorganisation und das Gelingen des Studiums nach sich ziehen. Die hierzu entwickelten Formate haben diesbezüglich meist die Schaffung einer optimierten „Passgenauigkeit“ von Studienorganisation und Studierendenfähigkeiten im Fokus und reichen von Aufnahme- und Kompetenzchecks von StudienbeginnerInnen (vgl. Hachmeister 2008; Hiltmann 2013) bis hin zu Befähigungsnachweisen und flankierenden Fördermaßnahmen zum Hochschulzugang als Voraussetzung für die Erfüllung der Studienleistungen (vgl. CHE o. J.; Lewin und Lischka 2004). Die andere Seite der hochschuldidaktischen Bemühungen um die Studieneingangsphase versucht die verschiedenen studentischen Lebenswelten daraufhin zu analysieren und zu entwickeln, welcher Bedingungen es bedarf, damit Studierfähigkeit als selbstverantwortetes und kritisches Lernen in der individuellen Auseinandersetzung mit institutionellen Herausforderungen gelingen kann (vgl. Friebertshäuser 1992; Gapski und Köhler 1997; Webler 2005; Wosnitza 2007; Gale und Parker 2012; Kossack 2012; Bosse et al. 2014). Schon in dieser kurzen Gegenüberstellung wird ersichtlich, wie unterschiedlich die allgemeinen Bezugs- und Entwicklungslinien von Studierenden in dieser Phase ihres Studiums gesehen werden. Angesichts der großen Bedeutung der Studieneingangsphase für das Hineinwachsen in die Lernwelt Universität sollen im vorliegenden Band Perspektiven aufgezeigt werden, die Aneignungssysteme in akademischen Lernwelten analysierbar werden lassen. Diese betreffen insbesondere Lernprozesse im Zuge der Transition von Schule zu Hochschule, die sich im Wechselspiel zwischen gesellschaftlichen und institutionellen Strukturen und individueller Verfasstheit vollziehen (vgl. Egger 2006, 2008a).
Inhaltsverzeichnis
1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Die Hochschulsituation in Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Situation der Studierenden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 1.3 Der Studieneinstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.4 Universitäre Sozialisationsfelder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.5 Methodischer Zugang zu den universitären Sozialisationsfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS?. . . . . . . 31 2.1 Von der Lebenswelt in die Universität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.2 Die Statuspassage SchülerIn zu StudentIn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.3 Studieneignung und Studienneigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3 DER SOZIALRAUM STUDIUM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.1 Raumbezogene Subjektpositionierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.2 Soziale Etablierung in der Studieneingangszeit. . . . . . . . . . . . . . . . . 62 3.3 Die Rolle der Lehrenden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN. . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.1 Universitäre Lehr- und Lernarrangements. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4.2 Der fehlende rote Faden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.3 Das Format der Vorlesung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 4.4 Fehlende Praxisbezüge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4.5 Aneignung eines neuen Arbeits- und Lernstils . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 4.6 Digitalisierung als Hilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.7 Erste Begegnungen mit Wissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
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Inhaltsverzeichnis
5 ENKULTURATION UND WISSENSCHAFTSSOZIALISATION. . . . 123 5.1 Relevanzfaktoren für gelingende Studieneinstiege . . . . . . . . . . . . . . 123 5.2 Universitäre Lehr-Lernsituationen und ihre Verantwortlichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1
Abb. 1.2
Abb. 1.3 Abb. 1.4
Abb. 1.5
Abb. 1.6
Abb. 1.7 Abb. 1.8 Abb. 5.1
Ordentliche Studierende nach Hochschulsektor. (Quelle: Statistik Austria 2019b (©Reichenstein und Hummel 2019)) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Studienabschlüsse nach Altersklassen an öffentlichen Universitäten 2017/18. (Quelle: Statistik Austria 2019c (©Reichenstein und Hummel 2019)). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Studienabschlüsse nach Hochschule. (Quelle: Statistik Austria 2019b (©Reichenstein und Hummel 2019)). . . . . . . . . . 5 Ordentliche StudienanfängerInnen an öffentlichen Universitäten (2018/19). (Quelle: BMBWF 2019 (©Reichenstein und Hummel 2019)). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Studienwahlmotive der StudienanfängerInnen nach Geschlecht. (Quelle: Zaussinger et al. 2016 (©Reichenstein und Hummel 2019)). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Studienwahlmotive der StudienanfängerInnen nach Hochschule. (Quelle: Zaussinger et al. 2016 (©Reichenstein und Hummel 2019)). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Unterstützungsmaßnahmen (©Reichenstein und Hummel 2019). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Aufnahmeverfahren an Österreichs Universitäten (©Reichenstein und Hummel 2019) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Pyramide der Verantwortlichkeiten (©Egger 2019). . . . . . . . . . . 132
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DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
1.1 Die Hochschulsituation in Österreich In Österreich gibt es derzeit 22 öffentliche Universitäten (16 wissenschaftliche und 6 künstlerische) und 13 Privatuniversitäten. Die größte Bedeutung im Bereich der Hochschulbildung kommt den öffentlichen Universitäten zu, in denen rund 80 % aller derzeit 376.700 ordentlichen Hochschulstudierenden und Lehrgangs-Studierenden ausgebildet werden (vgl. Statistik Austria 2019a). Jährlich beginnen in Österreich ca. 376.700 Studierwillige (der Großteil gleich nach der Matura oder zivil- bzw. wehrdienstlichen Tätigkeiten) ein Studium an einer Universität. Ihre Aufnahme in der Alma Mater geschieht dabei grundsätzlich einmal durch die Formalakte der Immatrikulation und Inskription. Ist diese Phase der „Einschreibung“ (mit ihren unterschiedlichen Botschaften, wie Studierende administrativ und „studientechnisch“ wahrgenommen werden) absolviert, folgen die vielen kleinen Schritte in die Lebenswelt Universität. Die dabei zurückzulegenden Wege führen sie in die Fachkulturen der jeweiligen Studienrichtungen und deren Erwartungen an habituelle Entwicklungsmuster, in die unterschiedlichsten Formen von Beschulungsräumen, die spezifische implizite und explizite Muster des Lernens, Kommunizierens und Kooperierens vorbestimmen und in variable soziale Organisationsformen innerhalb der Institute, die unterschiedliche soziale Codes und Aufgaben an die Neueintretenden adressieren (Siehe Abb. 1.1). Wie in der Graphik ersichtlich wird, kommt den öffentlichen Universitäten in Österreich die größte Bedeutung hinsichtlich Studierendenzahlen zu: Mehr als drei Viertel aller Studierenden inskribieren an den wissenschaftlichen bzw. künstlerischen öffentlichen Universitäten. An zweiter Stelle folgen Inskriptionen an den Fachhochschulen gefolgt von den Pädagogischen Hochschulen und von © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Egger und S. Hummel, Stolperstein oder Kompetenzstufe?, Lernweltforschung 16, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23283-2_1
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
Absolute Anzahl Studierender
Ordentliche Studierende in Österreich nach Hochschulsektor
400000 350000 300000 250000 200000 150000 100000
50000
1955/56 1956/57 1957/58 1958/59 1959/60 1960/61 1961/62 1962/63 1963/64 1964/65 1965/66 1966/67 1967/68 1968/69 1969/70 1970/71 1971/72 1972/73 1973/74 1974/75 1975/76 1976/77 1977/78 1978/79 1979/80 1980/81 1981/82 1982/83 1983/84 1984/85 1985/86 1986/87 1987/88 1988/89 1989/90 1990/91 1991/92 1992/93 1993/94 1994/95 1995/96 1996/97 1997/98 1998/99 1999/00 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 2005/06 2006/07 2007/08 2008/09 2009/10 2010/11 2011/12 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19
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Öffentliche Universitäten Pädagogische Hochschulen
Jahr
Fachhochschulen Private Universitäten
Abb. 1.1 Ordentliche Studierende nach Hochschulsektor. (Quelle: Statistik Austria 2019b (©Reichenstein und Hummel 2019))
privaten Universitäten, wobei hier an allen Hochschulen ein kontinuierlicher Zuwachs zu verzeichnen ist. Bis zur Jahrtausendwende konnte über alle Hochschulen hinweg kontinuierlicher Studierendenzuwachs verzeichnet werden. Im Wintersemester 2001/02 fand mit Einführung allgemeiner Studiengebühren ein durchschnittlicher Studienrückgang von 20 % statt. Einer der maßgeblichen Gründe für diese erhebliche Reduktion der Studierendenzahlen lag in der Bereinigung der Verwaltungsdaten um sogenannte „Scheininskriptionen“ (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 32). Demnach kann in diesem Fall nicht von einem tatsächlichen Schwund der aktiven Studierenden die Rede sein. In den darauffolgenden Jahren konnte wieder eine beständige Zunahme der Studierendenzahl festgestellt werden und im Jahr 2009/10 führte der fast generelle Erlass der Studienbeiträge zu einem unmittelbaren Anstieg der Studierenden um 14 %. Seit dem Wintersemester 2017/18 gibt es eine durchaus bemerkenswerte Abnahme an Erstinskriptionen an öffentlichen Universitäten, wobei diese Tendenz nicht durch eine erneute Einführung an Beiträgen gebunden ist und die Frage aufwirft, wohin die Studierenden tatsächlich
1.1 Die Hochschulsituation in Österreich
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„abwandern“, da die aktuellen Inskriptionszahlen an Fachhochschulen keine so beträchtliche Zunahme an Studierendenzahlen aufweisen und daher für den Studierendenrückgang an den öffentlichen Universitäten nicht als ursächlich erachtet werden können. Die Tertiärstufe hat sich in den vergangenen Jahren strukturell erheblich verändert: Obwohl die Umstellung des traditionellen Studiensystems auf das gestufte Bachelor- und Mastersystem auf eine Vereinheitlichung der europäischen Hochschullandschaft abzielte, hat sie an österreichischen Hochschulen zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Studiengänge und einer großen Dynamik des Studienangebots geführt. In den 1990er Jahren wurde das Hochschulwesen um 21 stark berufs- und praxisorientierte Fachhochschulen erweitert, was zu einer Steigerung des regionalen Hochschulangebotes führte. Seit der Gründung der Fachhochschulen ist die Zahl der Studierenden, die diese besuchen, auf 53.401 angestiegen (vgl. Statistik Austria 2019a). Im Jahr 2007 wurden die pädagogischen Akademien in 14 Pädagogische Hochschulen umgewandelt und sind nun ebenfalls Teil des Hochschulbereichs. Derzeit gibt es neun öffentliche, fünf private Pädagogische Hochschulen und drei private religionspädagogische Studiengänge (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 18). Im Zuge des Bolognaprozesses wurden sukzessiv Diplomstudiengänge von sechs bis acht Semester dauernden Bachelorstudien und daran anschließenden zwei- bis viersemestrigen Masterstudien abgelöst. Der formal höchste Bildungsabschluss kann nach wie vor im Rahmen eines mindestens sechssemestrigen Doktoratsstudiums erlangt werden (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 16). Seit der Umstellung der Studienstruktur im Jahre 2000/01 und der Einführung der Bachelor- und Masterstudien in Österreich ist beinahe eine vollständige Umstellung des zweigliedrigen Studiensystems (Diplom/Doktorat) auf das dreigliedrige (Bachelor/Master/Doktorat) erfolgt. Im Wintersemester 2017/18 entfielen nur noch 17,8 % auf klassische Diplomstudien, jedoch bereits 56,6 % der belegten Studien auf BA-Studien, 18,9 % auf MA-Studien. 6,8 % belegten ein Doktoratsstudium, das entweder auf einem Diplom- oder einem Masterstudium aufbaute. Die Harmonisierung der europäischen Bildungssysteme machte auch an Fachhochschulen nicht halt. So entfielen im Wintersemester 2017/18 ganze 71 % aller Studien auf Bachelorstudien und 29 % auf Masterstudien. Diplomstudien sind hier demnach bereits so gut wie ausgelaufen. Der Tertiärsektor zeichnet sich zudem durch laufende Änderungen in allen Studiensystemen aus, die für eine verwirrende Begriffsvielfalt sorgen und neue Studiengänge selbst für ExpertInnen kaum vergleichbar werden lassen: An den öffentlichen Universitäten stehen 83 Diplomstudien, 200 Bachelorstudien, 216 Masterstudien und 158 Doktoratsstudien zur Auswahl. Immer mehr Studierende besuchen Universitätslehrgänge, die neben
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
den ordentlichen Studien angeboten werden. Im Wintersemester 2018/19 wurden diese Lehrgänge von 17.167 Studierenden besucht (vgl. Statistik Austria 2019a), wobei die Universität für Weiterbildung in Krems hier die Vorreiterrolle innehat. An öffentlichen Universitäten konnten 35.655 AbsolventInnen ihr Studium erfolgreich beenden, zusammen mit den Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen sind 16.652 Hochschulabschlüsse zu verzeichnen. Dazu kommen noch 1878 Abschlüsse aus Privatuniversitäten (vgl. Statistik Austria 2019c). Insgesamt wurden also über 54.000 Studien erfolgreich abgeschlossen, womit Österreich bei den Diplom- und Masterabschlüssen mit einer Quote von 16 % knapp Bachelor- und Masterabschluss nach Altersklassen an öffentlichen Universitäten (2017/18) Absolute Anzahl Studienabschlüsse
2500
Bis 22 Jahre 23 Jahre
2000
24 Jahre 25 Jahre
1500
26 Jahre 1000
27 Jahre 28 Jahre
500
29 Jahre 30 – 34 Jahre
0 Bachelor männlich Bachelor weiblich Master männlich
Master weiblich
40 Jahre und älter
Studienart
Promoon nach Altersklassen (2017/18)
700 600 500 400 300 200 100 0 Diplom männlich
Diplom weiblich
Studienart
Absolute Anzahl Studienabschlüsse
Absolute Anzahl Studienabschlüsse
Diplomabschluss nach Altersklassen (2017/18) 800
35 – 39 Jahre
800 700 600 500 400 300 200 100 0 Doktorat männlich
Doktorat weiblich
Studienart
Abb. 1.2 Studienabschlüsse nach Altersklassen an öffentlichen Universitäten 2017/18. (Quelle: Statistik Austria 2019c (©Reichenstein und Hummel 2019))
1.1 Die Hochschulsituation in Österreich
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Studienabschlüsse nach Hochschule und Geschlecht Absolute Anzahl Studienabschlüsse
60000 50000 40000 30000 20000 10000
2016/17
2017/18
2015/16
2014/15
2012/13
2013/14
2011/12
2010/11
2008/09
2009/10
2006/07
2007/08
2005/06
2004/05
2003/04
2002/03
2000/01
2001/02
1999/00
1998/99
1997/98
1995/96
1996/97
1994/95
1993/94
1992/93
1991/92
1990/91
0
Studienjahr Öffentliche Universitäten männlich Fachhochschulen männlich Pädagogische Hochschulen männlich Private Universitäten männlich
Abb. 1.3 Studienabschlüsse nach (©Reichenstein und Hummel 2019))
Hochschule.
Öffentliche Universitäten weiblich Fachhochschulen weiblich Pädagogische weiblich Private Universitäten weiblich
(Quelle:
Statistik Austria
2019b
unter dem europäischen Durchschnitt liegt. Insgesamt gab es im selben Zeitraum österreichweit 2640 Promotionen (Siehe Abb. 1.2). Im Schnitt werden Bachelorstudien in 8 Semestern, Masterstudien in 5,6 Semestern, Diplomstudien in 12,2 Semestern und Doktoratsstudien in 9,6 Semestern absolviert (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 68) (Siehe Abb. 1.3). In den letzten 20 Jahren verdreifachte sich die Abschlussquote an Hochschulen, wobei bemerkenswert ist, dass im Studienjahr 2017/18 jeder vierte akademische Grad an einer Fachhochschule erworben wurde. Erhebungen der Statistik Austria zu „Studienverläufen nach Studiengruppen“ (Statistik Austria 2019b) zeigen, dass die höchste Studienabschlussquote innerhalb von zehn Jahren bei medizinischen Diplomstudien erreicht wurde (73,1 %).1 Diese Erfolgsquote korreliert mit den zu Beginn der Erhebungen eingeführten Zugangsbeschränkung.
1Diese
Daten beziehen sich auf den Zeitraum Wintersemester 2006/07 bis Wintersemester 2016/17.
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
Naturwissenschaftliche Diplomstudien haben in Österreich die zweithöchste Abschlussquote mit 43,3 %, gefolgt von ingenieurwissenschaftlichen Bachelorstudien mit 42,4 %. Die Studienrichtungen Lehramt, Rechtswissenschaften und ingenieurwissenschaftliche Diplomstudien fanden innerhalb der beobachteten zehn Jahre die geringste Abschlussquote, allerdings geht aus den erhobenen Daten nicht hervor, dass in diesen Studien eine Umstellung von Diplom- auf Bachelor-/Masterstudium stattgefunden hat, weshalb die begonnenen Diplomstudien nicht als abgeschlossen aufscheinen. Innerhalb der ersten drei Studiensemester war die Abbruchquote an öffentlichen Universitäten (Bachelorstudien 39,4 %; Diplomstudien 28,3 %) wesentlich höher als an Fachhochschulen (Bachelor: 17,4 %) (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 64).
1.2 Situation der Studierenden Über 5000 weibliche und ca. 1200 männliche StudienanfängerInnen sind bei Eintritt in die Hochschule noch unter 18 Jahre alt, wobei die Zahl an weiblichen StudienbeginnerInnen in dieser Altersklasse ca. drei Mal höher ist als die ihrer männlichen Kollegen. Die meisten Studierenden beginnen ihr Studium zwischen 21 und 25 Jahren, was auf eine beträchtliche Anzahl an ErstinskripentInnen im zweiten Bildungsweg wie auch auf berufsbegleitende Studien hinweist (Siehe Abb. 1.4). Es zeigt sich, dass die soziale Herkunft der MaturantInnen erheblichen Einfluss auf ihre weitere Bildungsverläufe hat. Bei 31,4 % der StudienanfängerInnen hat zumindest eine erziehungsberechtigte Person einen akademischen Abschluss, bei 19,8 % haben zwei Erziehungsberechtigte eine Hochschule absolviert, wohingegen nur 3,6 % jener SchulabgängerInnen, deren Erziehungsberechtigte lediglich einen Pflichtschulabschluss haben, sich für ein Studium entscheiden. Die Studienwahl resultiert in erster Linie aus dem besonderen Interesse am Fach. Gleich an zweiter Stelle werden die eigenen Begabungen und Fähigkeiten als entscheidungsrelevant genannt und an dritter Stelle die persönliche Weiterentwicklung. Daraus geht hervor, dass eigene Stärken, Neigungen und Interessen vor lebenspragmatischen Faktoren entscheidungsrelevant sind (Siehe Abb. 1.5). Das Geschlecht spielt nicht nur eine Rolle hinsichtlich einer tendenziellen Disziplinenpräferenz, sondern es zeigt sich auch, dass männliche Studierende stärker von extrinsischen Motiven geleitet sind als Frauen: Berufs- und Verdienstmöglichkeiten, eine gesicherte Berufsposition und die Arbeitsmarktlage sind insbesondere für Männer entscheidungsrelevant (vgl. Zaussinger et al. 2016).
1.2 Situation der Studierenden
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Absolute Anzahl StudienanfängerInnen
Ordentliche StudienanfängerInnen an öffentlichen Universitäten (2018/19) 7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 Bis 18 Jahre
19 Jahre
20 Jahre
21 bis 25 Jahre 26 bis 30 Jahre 31 Jahre und älter
Altersklasse Frauen
Männer
Abb. 1.4 Ordentliche StudienanfängerInnen an öffentlichen Universitäten (2018/19). (Quelle: BMBWF 2019 (©Reichenstein und Hummel 2019))
In vielen Fällen wird das endgültige Studienfach erst während eines bereits begonnen Studiums gewählt. Bock (2001) zufolge liegen die Gründe für die Schwierigkeiten bei der Studienwahl nicht nur bei Ursachen wie Informationsmangel, sondern sind auch auf die Persönlichkeits- und Identitätsentwicklung (Transition von Jugendlicher bzw. Jugendlichem zu erwachsener Person) zurückzuführen, die gerade in diesem Lebensabschnitt einschneidende Veränderungen mit sich bringt. Diese subjektiven Faktoren sind eingebettet in soziodemografische und institutionelle Faktoren wie soziale und regionale Herkunft, Ausbildung, Beruf und Einkommen der Eltern, die eigene Bildungsbiographie oder Möglichkeiten der Studienfinanzierung (vgl. Hachmeister et al. 2007) (Siehe Abb. 1.6). Die Studienwahlmotive zeigen im Vergleich der unterschiedlichen Hochschulen durchaus gemeinsame Tendenzen auf. Große Unterschiede lassen sich ausmachen in den Bereichen „bessere Möglichkeiten im ausgeübten bzw. erlernten Beruf“ und „berufliche und fachliche Umorientierung“, die an öffentlichen Universitäten als Motiv für die Studienwahl eine deutlich niedrigere Ausprägung aufweisen. Das Betreuungsverhältnis liegt an öffentlichen Universitäten bei rund 118 (ordentlichen) Studierenden pro Professorin bzw. Professor (Vollzeitäquivalente)
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
Prozentualer Anteil StudienanfängerInnen
Studienwahlmove der StudienanfängerInnen nach Geschlecht 100 90 80
Frauen
Männer
70 60 50 40 30 20 10 0
Studienwahlmove
Abb. 1.5 Studienwahlmotive der StudienanfängerInnen nach Geschlecht. (Quelle: Zaussinger et al. 2016 (©Reichenstein und Hummel 2019))
und bei 20,6 Studierenden pro Lehrperson (ausgenommen drittmittelfinanzierte Universitätsbedienstete). An den Privatuniversitäten entfallen 9,9 und an den Fachhochschulen 6,7 Studierende auf eine Lehrperson. Um die Jahrtausendwende gab es kurzfristig einen sprunghaften Rücklauf dieser Quote, was auf die bereits erwähnte Einführung der Studiengebühren im Studienjahr 2001/02 und auf die Bereinigung der Verwaltungsdaten um „Scheininskriptionen“ zurückzuführen ist. Anschließend stieg das Betreuungsverhältnis wieder an. Die Quote stabilisierte sich im Studienjahr 2009/10 bei etwa 120 Studierenden pro Professur (vgl. Statistik Austria 2018, S. 86). Die Studierendengruppen zeichnen sich durch zunehmende Heterogenität aus, die auf die demografische Entwicklung, veränderte Bildungssituationen, flexiblere Mobilitätsprozesse oder konstant sich wandelnde gesellschaftliche Rahmenbedingungen zurückzuführen sind. Während Diversitätsmerkmale wie Geschlecht, Alter, Hautfarbe oder körperliche Behinderungen meist sichtbar zu
1.2 Situation der Studierenden
9
Studienwahlmove der StudienanfängerInnen nach Hochschule
Prozentualer Anteil StudienanfängerInnen
Öffentliche Universität
Private Universität
FH-VZ
FH-BB
PH
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0
Studienwahlmove
Abb. 1.6 Studienwahlmotive der StudienanfängerInnen nach Hochschule. (Quelle: Zaussinger et al. 2016 (©Reichenstein und Hummel 2019))
erkennen sind, bleiben Faktoren wie sozioökonomischer Hintergrund, kulturelle Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, familiäre Situation oder chronische Krankheiten in vielen Fällen außerhalb des unmittelbaren Wahrnehmungsbereichs. Die aus sichtbaren wie auch unsichtbaren Heterogenitätsmerkmale resultierende Vielfältigkeit lässt auch die Lehre zu einem zunehmend diversifizierten Raum werden, in dem Studierende ihre individuellen Biografien in das Studium mit einbringen: Soziokulturelle Hintergründe, unterschiedliche Lernstile und Lerntypen, genderspezifische Differenzen, unterschiedliche Sprachkenntnisse, Fürsorgepflichten, oder die Notwendigkeit der Studienfinanzierung sind nur einige konstitutive Aspekte der von Pluralität gekennzeichneten Lehr- und Lernräume an Universitäten und Hochschulen.
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
Das Geschlechterverhältnis unter den Studierenden glich sich im Laufe der Jahre zunehmend aus. Bei den ordentlichen Studierenden war mit der Jahrtausendwende Geschlechterparität erreicht (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 32) und lag bereits in den letzten zehn Jahren bei rund 53 %. Der Anteil an Erstabschlüssen durch Frauen lag in diesem Zeitraum bei knapp 60 %, Zweitabschlüsse wurden von 45 bis 50 % Frauen gemacht. Während noch im Jahr 1980/81 nur 13,5 % der Promotionen durch Frauen erfolgt sind, liegt die Frauenquote im Studienjahr 2017/18 bereits bei 45,4 % (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 42). Auch an den Fachhochschulen nimmt sowohl die Zahl der weiblichen Studierenden als auch der Absolventinnen von Erstabschlüssen sukzessive zu und liegt inzwischen ebenfalls bei rund 50 %. Im Bereich der Universitätsbediensteten stellten in den 1980er-Jahren Forschung und Lehre an Universitäten beinahe ausschließlich männliche Domänen dar. Seit 1980/81 versiebenfachte sich die Anzahl an Professorinnen, blieb jedoch mit 23,7 % im Studienjahr 2016/17 immer noch stark hinter jener ihrer männlichen Kollegen zurück (vgl. Statistik Austria 2018, S. 86). An den Fachhochschulen beträgt der Frauenanteil sowohl am Lehr- und Forschungspersonal als auch unter den StudiengangleiterInnen circa ein Drittel. Zudem wird deutlich sichtbar, dass der Frauenanteil mit jedem Schritt in der Karriereleiter bis hin zur Professur abnimmt. Dieses Bild zeigt sich auch im Bereich der Rektorate: 2019 wurden lediglich 7 der insgesamt 21 Rektoratspositionen von Frauen bekleidet, wohingegen diese Positionen an Fachhochschulen wie auch an Pädagogischen Hochschulen ausgeglichen besetzt sind. Verbessert hingegen hat sich die Situation auf Vize-Rektoratsebene, wo 39 von 78 Positionen, also exakt die Hälfte, an österreichischen Universitäten von Frauen besetzt wurden. Relativ ausgeglichen ist der Anteil von Männern und Frauen an Rektoratspositionen an den Pädagogischen Hochschulen – sowohl hinsichtlich RektorInnen als auch VizerektorInnen. Es lässt sich beobachten, dass jüngere Studierende häufiger im Elternhaushalt, Studentenheimen oder Wohngemeinschaften, fortgeschrittene Studierende häufiger in eigenständigen Haushalten (alleine oder mit PartnerIn) leben. Bis zum Alter von 21 Jahren stellt der Elternhaushalt die häufigste Wohnform von Studierenden dar. Studierende zwischen 21 und 25 Jahren leben vorwiegend in Wohngemeinschaften, ab einem Alter von 26 Jahren am häufigsten in einem gemeinsamen Haushalt mit PartnerIn. Dazu kommt, dass Studierende aus niedriger Schicht oftmals die ganze Studienzeit hinweg Altersgruppen in kostengünstigeren Wohnformen (Eltern, Wohnheim) verbleiben, während Studierende aus höherer Schicht eher in Einzelhaushalten und Wohngemeinschaften leben (vgl. Friebertshäuser 2008). Die Einnahmen der Studierenden setzen sich aus unterschiedlichen Quellen wie der Unterstützungen durch die Familie, staatliche
1.2 Situation der Studierenden
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Studienförderungen oder Selbsterhalt zusammen, die ökonomischen Rahmenbedingungen gestalten sich jedoch zusehends schwieriger, da insbesondere hohe Mietkosten in Universitätsstädten materielle Deprivation begünstigen. Dies führt dazu, dass immer mehr Studierende – vor allem jene, die in eigenen Haushalten leben – neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen: Vor 60 Jahren waren 16 % der österreichischen Studierenden erwerbstätig, heute sind dies 52 % aller inländischen Studierenden an Hochschulen. Dabei hat nicht nur der Anteil der Erwerbstätigen zugenommen, sondern insbesondere das Ausmaß der Erwerbstätigkeit. 61 % der Studierenden gehen einer Erwerbstätigkeit nach, wobei 40 % der Erwerbstätigen sich in erster Linie als Studierende betrachten, 21 % jedoch nach eigener Einschätzung Erwerbstätige sind, die nebenbei studieren. Mehr als die Hälfte der erwerbstätigen Studierenden geben an, Probleme mit der Vereinbarkeit von Studium und Berufstätigkeit zu haben. Für erwerbstätige Studierende kommt es durch die Doppelbelastung von Studium und Berufstätigkeit zu einem erhöhten Gesamtarbeitspensum, das sich sowohl auf den Studienerfolg als auch auf das individuelle Wohlbefinden negativ auswirkt. So lässt sich etwa ab einem Erwerbsausmaß von 6 Stunden pro Woche eine Verringerung der Studierzeiten feststellen, die sich mit zunehmender Berufstätigkeit – insbesondere ab elf Erwerbsstunden – deutlich reduziert (vgl. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung BMBWF 2016). 17,4 % der Studierenden an Fachhochschulen und 39,4 % der Studierenden an Universitäten (vgl. Statistik Austria 2019b, S. 64) gelingt die Herstellung einer Resonanzbeziehung zur Lernwelt Hochschule auf einer grundlegenden Basis nicht und sie verlassen die gewählten Studiengänge bereits in den ersten beiden Semestern. Nicht alle Dropouts sind dabei „echte“ StudienabbrecherInnen, die die Universität auf Nimmerwiedersehen verlassen, sondern der Großteil wechselt entweder das Fach oder geht an eine andere Hochschule. Diese Formen des Studien- und/oder Universitätswechsels kann durchaus als Probierhandeln auf hohem Niveau angesehen werden, in dem junge Menschen eben erst einmal herausfinden müssen, was sich (auch nach vielfachen Möglichkeiten der Studienberatung auf schulischer und universitärer Ebene) tatsächlich hinter einem Studientitel verbirgt. Mittlerweile tritt dieses Phänomen aber in einer Häufigkeit auf, dass hier durchaus von einem bildungspolitischen Problemfall gesprochen werden kann. Auch wenn die Hoffnungen vieler Bildungsverantwortlicher hier auf einer noch flexibleren Studienstruktur mit der Möglichkeit durchgängiger Anrechnungen von Vorleistungen ruhen (im Sinne der Europäischen Kommission der „flexible pathways“: „Promote development and testing of flexible and modular course design to support access to higher learning through specific priorities“ (European Commission 2017, S. 7), so bleibt die Auf-
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
gabe der Bestimmung der passenden Studienwahl und der damit zusammenhängenden Studierfähigkeit weiterhin bestehen, denn ein (auch mehrmaliger) Studienplatzwechsel muss nicht unbedingt zu einem Studienabschluss führen. Im Gegenteil, die hohen Dropout-Raten speisen sich vorwiegend aus der Gruppe der WechslerInnnen (vgl. Schneider 2015). Ca. 50 % derjenigen, die in den Studienjahren 2001/2002 bis 2014/2015 ein Studium in Österreich begonnen haben, haben in diesen 27 Semestern ihre Ausbildung nicht abgeschlossen. Auch wenn in diesen Zahlen Unschärfen bzgl. des Terminus „AbbrecherIn“ vorliegen2 (wenn Studierende zum Beispiel mehrere Studien inskribieren, in einem Fach abschließen und in den übrigen als Drop-outs zählen, oder etwa zehn Prozent „Stop-outs“ – sie kehren nach Unterbrechungen wieder an die Uni zurück (vgl. u. a. Thaler und Unger 2014), so merkt man doch auch an dieser hohen Dynamik, dass die Treffersicherheit in der Studienplatzwahl für das höchste Bildungssegment einer Gesellschaft doch niedrig ist. Die besorgniserregenden Studienabbrecher-Zahlen seit der 1990er Jahre führten zu einer beträchtlichen Zunahme an Beratungsangeboten für StudieneinsteigerInnen. Damals haben in Österreich etwa 50 % der angehenden Studierenden weder das erstgewählte noch ein anderes Studium erfolgreich abgeschlossen. Aus diesem Grund wurden seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Möglichkeiten gesucht, die Passgenauigkeit zwischen Studienwunsch, Studierfähigkeit und Studienplatzwahl zu erhöhen, wie es im Länderbericht Österreichs zu den „higher education institutions“ festgeschrieben wurde. „The official policy goals were to reduce drop-out rates and time to completion“ (European Union 2014, S. 8). Das
2Zur
Klärung der Inkohärenz von Dropout-Erhebungen: Erfolgt keine Rückmeldung zum Studium, kann nicht grundsätzlich von „Dropout“ gesprochen werden, wie das häufig der Fall ist. Ein Studienwechsel beispielsweise bedeutet zwar einen Dropout in einem Studienfach, es erfolgt jedoch kein Abbruch des universitären Bildungsverlaufs. Belegen Studierende etwa drei Studien und schließen eines mit einem akademischen Grad ab ohne die beiden anderen mit einem formalen Abschluss zu beenden, so kann im bildungspolitischen Sinn auch nicht von „Dropouts“ gesprochen werden, in statistischen Erhebungen jedoch scheinen diese Fälle als solche. Zum Studium gemeldete Studierende ohne Studienerfolgsnachweise, d. h. ohne Prüfungsaktivität, wären hingegen durchaus in die Kategorie „Dropout“ einzuordnen, dies wiederum wird in statistischen Erhebungen nicht entsprechend erfasst, was die Darstellungen erheblich verzerrt. Ausländische Studierende mit temporärer Aufenthaltsdauer (im Schnitt ein Viertel aller österreichischen Studierenden) wiederum werden von Dropout-Indikatoren erfasst, obwohl in diesen Fällen keinesfalls ein Studienabbruch vorliegt. D ropout-Zahlen weisen aus den genannten Gründen eine Diskrepanz zwischen Studienverlauf und Studienerfolg auf, die nur durch personenbezogene Erhebungen minimiert werden können.
1.2 Situation der Studierenden
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Beratungsangebot wurde sukzessive erweitert und zielte darauf ab, die Förderung der individuellen Voraussetzungen der Maturantinnen und Maturanten für eine personenangemessene Studien- bzw. Laufbahnwahlentscheidung und damit das Risiko einer Fehlentscheidung bzw. in der Folge die Wahrscheinlichkeit eines Studienwechsels oder -abbruchs möglichst einzuschränken (vgl. Bergmann 2011, S. 105). Unterstützungsmaßnahmen sollen die Orientierungs- und Entscheidungsfähigkeit der StudienanfängerInnen unterstützen und ihre Handlungsfähigkeit im universitären Kontext erweitern. Zu den meist frequentierten Unterstützungsmaßnahmen im österreichischen Hochschulkontext gehören beispielsweise folgenden Angebote (Siehe Abb. 1.7).
Unterstützungsmaßnahmen Studienberatung & Orientierungsangebote
Studienbegleitende Unterstützungsmaßnahmen
Zielgruppe: Studieninteressierte
Zielgruppe: StudienanfängerInnen
Tage der offenen Tür & Bildungsmessen
Tutorien • Erstsemestrigentutorien
Schnupperkurse • Studieren probieren
• Workshops zur Stundenplanerstellung
• Schnupperuni
Mentoring • Peer-Mentoring für Studierende
(Österreichische HochschülerInnenschaft) (Universität Graz)
• 1 Tag studieren (Universität Linz)
• Infoveranstaltungen und Führungen für Schulklassen Studienwahlberatung • Referat für Studien- und MaturantInnenberatung (ÖH) • Online Self-Assessments
• Peer-Mentoring für Studieninteressierte • Schulpsychologische Bildungsberatung (BMBWF) Informationsplattformen • 18Plus.at (BMBWF)
• Studiversum.at (BMBWF) • Studienwahl.at (BMBWF)
• Fachspezifisches StEOPMentoring
Welcome Day/Orientierungstage Studierendenberatung • 4students - Studien Info Service • Beratungszentrum der ÖH • Psychologische Studierendenberatung (BMBWF)
• Ombudsstelle für Studierende (BMBWF) Kostenpflichtige Kurse • IFS (z.B. Prüfungsvorbereitung, Lerncoaching, Rhetoriktraining)
Unterstützung wissenschaftlichen Arbeitens Zielgruppe: Studierende Unterstützung bei der Recherche • Rechercheworkshops
(Universitätsbibliothek Graz)
• Rechercheberatung (Universität Klagenfurt)
Unterstützung durch Schreibzentren • Schreibmentoring (Universität Wien)
• Schreibwerkstätten (Universität Wien)
• Schreibberatung
(Universität Klagenfurt)
• Lange Nacht des Schreibens (Universität Klagenfurt)
• Fachspezifische Schreibtutorien (Universität Klagenfurt)
Studienübergreifende Module • Grundlagen der Schreibkulturen und der Schreibwissenschaft (Universität Klagenfurt)
• Universitätsweites Basismodul (Universität Graz)
Unterstützung bzgl. empirischer Forschung • Methodenkompetenzzentren (Methodenberatung, Workshops) (Universität Graz)
Abb. 1.7 Unterstützungsmaßnahmen (©Reichenstein und Hummel 2019)
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
1.3 Der Studieneinstieg Als bedeutsame Maßnahme, um die Passgenauigkeit der Studienplatzwahl zu überprüfen, ist im österreichischen Hochschulgesetz für öffentliche Universitäten eine Eingangsphase vorgesehen. Mit dem UG 2002 wurde zunächst die STEP (Studieneingangsphase) eingeführt, deren legistische Vorgaben jedoch wenig konkret gefasst wurden. Mit der UG-Novelle 2009 wurde die STEP zur STEOP ausgeweitet, der Studieneingangs- und Orientierungsphase, wie sie aktuell an öffentlichen Universitäten implementiert ist. Diese findet jedoch nur bei jenen Bachelor- und Masterstudien Anwendung, deren Studienplatzvergabe nicht Aufnahmeverfahren oder anderen gesetzlichen Zulassungsregelungen obliegt. Die STEOP soll einen ersten Einblick in zentrale Themenbereiche, Problemstellungen und Methoden verschaffen und zur Selbstreflexion über die Passung von Studium und eine dem weiteren Studienverlauf entsprechende Herausforderung beitragen. Damit verfolgt sie das Ziel „dass sie der oder dem Studierenden einen Überblick über die wesentlichen Inhalte des jeweiligen Studiums und dessen weiteren Verlauf vermittelt und eine sachliche Entscheidungsgrundlage für die persönliche Beurteilung ihrer oder seiner Studienwahl schafft“ (§ 66 Abs. 1 UG 2002, i. d. F. vom 1. 10. 2009). Der Orientierungscharakter der STEOP wird dahin gehend interpretiert, dass Studierende im Zuge von Selbstreflexion erkennen, ob sie sich für das richtige Studium entschieden haben. Die Funktion der Selbstselektion wird auch in der folgenden Textpassage deutlich: „Die Studieneingangsund Orientierungsphase dient der Orientierung über die wesentlichen Studieninhalte und nicht als quantitative Zugangsbeschränkung“ (§ 66 Abs. 5 UG). Dafür sollen die Studierenden in die jeweilige Arbeits- und Lernkultur eingeführt und mit Wissenschaftstheorie und Methodologie vertraut werden. Den Studierenden wird ein Verständnis über die Strukturen des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens vermittelt, d. h., bevor sie sich mit spezifischen Inhalten, Fragestellungen und aktuellen Problemfeldern der jeweiligen Disziplin auseinandersetzen, sollen sie dafür notwendige theoretische und methodische Grundlagen kennenlernen. In der Auseinandersetzung mit Problemstellungen, Themenbereichen und Verfahrensweisen wird StudienanfängerInnen eine realistische Vorstellung vom gewählten Studium ermöglicht. Durch fokussierte Orientierungsleistung sollen damit Dropout-Raten in fortgeschrittenem Studienverlauf verringert und ein Ausstieg aufgrund „falscher“ Studienwahl bereits in die Studieneingangsphase vorverlagert werden. So gesehen zielt die Studieneingangsund Orientierungsphase durchaus auf eine gewisse Dropout-Quote ab, da diese ihrerseits einen der Studienrealität entsprechenden Selbstreflexionsprozess anregt und damit zur frühzeitigen Korrektur von Fehlentscheidungen führt.
1.3 Der Studieneinstieg
15
Die Studieneingangsphase dient aber nicht nur der Selbstselektion, denn StudienanfängerInnen erhalten auch Hilfestellungen, um im neuen Lebensabschnitt besser Fuß zu fassen, soziale Kontakte an der Hochschule aufzubauen, den Stand ihrer vorhandenen Fachkenntnisse in Verhältnis zu den Studienanforderungen setzen zu lernen, mögliche Defizite zu identifizieren und bestehende Lücken zu füllen. In der Studieneingangsphase besteht eine zentrale Aufgabe der Universität darin, die StudienanfängerInnen mit den universitären Regeln und Konventionen vertraut zu machen und ihnen Möglichkeiten zu bieten, ihr Lernverhalten in der neuen Lernwelt fachspezifisch weiterzuentwickeln. Dazu gehören nicht nur die Vermittlung von Faktenwissen, die Bearbeitung wissenschaftlicher Problemstellungen von Problemdefinitionen bis zur Formulierung aussagekräftiger Ergebnisse, sondern auch Hilfestellungen im Umgang mit den Studienbedingungen sowie der spezifischen Studienkultur mit ihren impliziten Anforderungen und fachkulturellen Stilen. Hinter der formellen Organisation der Studieneingangs- und Orientierungsphase verbirgt sich somit ein Modell, das den Eintritt in das Universitätsleben als einen Statuswechsel betrachtet, den man mittels einer Einführung begleitet und dadurch erleichtert bzw. möglichst früh fehlende Passungen aufzeigt. In diesem Sinne kann man die Studieneingangsund Orientierungsphase durchaus als Initiationsmaßnahme betrachten, mittels derer die „Neuankömmlinge“ auf ihre Rolle als Studentin oder Studenten vorbereitet und in den fachspezifischen Habitus der studentischen Kultur eingeführt werden (vgl. Friebertshäuser 2008, S. 622). Sie soll dazu dienen, den Statuswechsel zur Studentin oder zum Studenten zu begleiten. Mit dem Universitätsgesetz 2002 wurde die STEOP auf eine Dauer von zwei Semestern begrenzt und der Verbindlichkeitscharakter erhöht, indem diese aus mindestens zwei Prüfungen bestehen muss, deren Absolvierung die Voraussetzung für die weitere Studienberechtigung darstellen. Eine Gesetzesnovelle aus dem Jahr 2013 macht es möglich, STEOP-Prüfungen zwei Mal zu wiederholen. Drei nicht bestandene Antritte führen zu einer Studiensperre von zwei Semestern, danach besteht wieder die Möglichkeit, zur selben Prüfung bis zu drei Mal anzutreten. Die tatsächliche Umsetzung der STEOP ergibt ein äußerst heterogenes Bild, da die Universitäten und Fachbereiche hier über großen Gestaltungsspielraum verfügen. Dies zeigt sich etwa in der großen Divergenz bei den ECTS-Punkten, die beispielsweise im Fach Informatik an unterschiedlichen österreichischen Universitäten zwischen drei und 30 ECTS-Punkten betragen. Nicht nur in der Quantität (Umfang an Lehrveranstaltungen und ECTS-Punkten) sondern auch in der Qualität (Auswahl des Lehrveranstaltungstyps, der Inhalte und der Anforderungen) zeigen sich erhebliche Differenzen. Eine mögliche Ausgestaltungsform der STEOP-Lehrveranstaltungen etwa besteht in der Bündelung
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
von Grundlagenfächern der gewählten Studienrichtung, die auch als Einführung in die betreffende Disziplin dienen und so den Studierenden einen entsprechenden Überblick über ihr gewähltes Studium verschaffen sollten. Jedoch scheint oftmals strittig zu sein, welche Inhalte sich eignen, um einen umfassenden Blick auf die Studienfachwahl zu ermöglichen, und welche sich als zu spezifisch für diese Zielsetzung erweisen. Auch die Einführung in methodologische Grundprinzipien und Wissenschaftstheorie sowie metatheoretische Überlegungen stellen einen oftmals gesetzten Schwerpunkt in der Einführungsphase dar. Hier besteht eine wesentliche Schwierigkeit darin, dass diese an der Disziplin selbst und der Sache gelernt werden müssten und StudienanfängerInnen in der Regel noch nicht über das dafür erforderliche Wissen verfügen. Auch eine fächerübergreifende Überblicksdarstellung grundlegender Inhalte benachbarter Studienrichtungen wird in der STEOP oftmals forciert, um so auf ein größeres Fachterrain zu verweisen und StudienanfängerInnen in der Feinabstimmung ihrer Interessensbereiche zu unterstützen. Die Breite der behandelten Themen und Disziplinen ermöglicht eine frühzeitige Auseinandersetzung mit Interdisziplinarität, allerdings wird die Behandlung „fachfremder“ Inhalte trotz Zeitknappheit sowohl von Lehrenden als auch von Studierenden immer wieder kritisch hinterfragt. Die thematische Konzentration auf ein breit angelegtes Thema (z. B. Nachhaltigkeit), das aus der Perspektive verschiedener Fächer und Disziplinen mit unterschiedlicher theoretischer Fokussierung und unter Anwendung verschiedener Methoden behandelt wird, ist ebenfalls eine gängige Variante für die Gestaltung der STEOP. Schwierigkeiten treten auch hier auf, da es wiederum an notwendigen inhaltlichen, fachlichen, wissenschaftlichen und methodischen Fähigkeiten fehlt, um eine differenzierte und fundierte Themenbearbeitung zu gewährleisten (vgl. Österreichischer Wissenschaftsrat 2014). Strukturelle Schwierigkeiten in der Gestaltung der STEOP bestehen insbesondere darin, dass viele Studienrichtungen in der Eingangsphase mit großen Studierendenzahlen konfrontiert sind. Lehrveranstaltungs- wie auch Prüfungsformen müssen daher kostengünstig sein, so gewählt werden, dass große Studierendenströme überhaupt bewältigbar sind, dennoch aber der Zielsetzung der STEOP entsprechen. Die Kombination aus Großveranstaltung (Vorlesung) und Kleinveranstaltung (Übung, Tutorium) scheint ein bewährtes Format zu sein, um diese Anforderungen pragmatisch, ökonomisch als auch konstruktiv zu bewältigen, denn während der Aufwand für die Abhaltung von Großveranstaltung insbesondere unter Einsatz von elektronischen Prüfungsformaten mit automatischer Ergebnisauswertung ungeachtet der TeilnehmerInnenzahl gleich bleibt, ermöglichen Kleinveranstaltungen Diskussionen zu den behandelten Themenbereichen, Diskussionen und die Verringerung von Anonymität.
1.3 Der Studieneinstieg
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eer-Interaktionen in Tutorien können zudem vorteilhaft sein, da die Begleitung P durch höhersemestrige Studierende bei AnfängerInnen durchaus die „Scheu“ vor Fehlern oder vor Unwissen verringern kann. Nicht nur die bereits genannten Unterstützungsmaßnahmen sollen den hohen Dropout Raten entgegenarbeiten, sondern auch die Entwicklung von Fachhochschulstudiengängen, die Möglichkeiten der Zugangsbeschränkungen zu Studien auf der Grundlage von Eignungstests, aber auch die temporäre flächendeckende Einführung von Studiengebühren sind dahingehend bedeutsame strukturelle Entwicklungen. Eine Reihe an Studienrichtungen, insbesondere mit mehr StudienbewerberInnen als Studienplätzen, sehen Aufnahmeverfahren für die Zulassung zum Studium vor, die vor der STEOP stattfinden. Jedes Rektorat kann entscheiden, ob ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder bis spätestens ein Semester nach der Zulassung durchlaufen werden muss. Während die STEOP auf einen Abgleich von Erwartungen, Fähigkeiten und Wünschen mit der Studienrealität abzielt, sind Zulassungsverfahren einerseits auf den Nachweis von notwendigen Studienvoraussetzungen orientiert, andererseits dienen sie insbesondere Studienrichtungen mit begrenzten Aufnahmekapazitäten der Zulassung der „geeignetsten KanditatInnen“. Besonders stark nachgefragte Studienrichtungen optieren zu mehrstufigen Aufnahmeverfahren, die meist eine online-Registrierung vorsehen und in vielen Fällen einen verpflichtenden Self-Assessment Test gefolgt von schriftlichen, meist computergestützten Aufnahmetests und mitunter auch Face-to-Face Gesprächen in kleinem Rahmen inkludieren. Letztere sind jedoch insbesondere in stark frequentierten Studien aus personellen, finanziellen und zeitlichen Gründen kaum in der Praxis durchführbar. Studienrichtungen mit besonderen Anforderungen wie etwa im Bereich des Sports, der Musik oder Fremdsprachen führen zudem weitere fachspezifische Aufnahmeprüfungen durch, um die Eignung für das Studium abzuklären. Die folgende Tabelle zeigt eine Auflistung der aktuellen Studien mit Aufnahmeverfahren (Siehe Abb. 1.8): Ist der Weg ins Studium geschafft, so ist die erste Zeit an der Universität für viele StudienanfängerInnen weichenstellend. Daher stellt die Gestaltung der Studieneingangsphase eine zentrale Herausforderung in der Entwicklung von Studiengängen dar. Aus wissenschaftssoziologischer und lerntheoretischer Sicht entwickeln Studierende vor allem im ersten Studienjahr ihre prägenden spezifischen Formen von Wissenschafts- und Lernhaltungen. Dabei spielen die fachund institutionsbezogenen Ordnungs- und Organisationsbedingungen sowohl für die Ausrichtung der Lernprozesse als auch für das „Hineinwachsen“ in das Wissenschaftshandeln eine entscheidende Rolle. Die Entwicklung akademischer Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsstrukturen, wie etwa von Fachidentifikation, der Entwicklung eines wissenschaftlichen Habitus und der Ausprägung
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
Aufnahmeverfahren an Österreichs Universitäten Aufnahmeverfahren für stark nachgefragte Studien Aufnahmeverfahren für Studien mit besonderen Anforderungen Aufnahmeverfahren für den Bereich der NC-Fächer (Medizin und Psychologie) Aufnahmeverfahren für Lehramtsstudien Aufnahmeverfahren für englischsprachige Studienangebote
Architektur/Städteplanung, Biologie/Biochemie, Ernährungswissenschaften, Informatik, Pharmazie, Wirtschaft
Sportwissenschaften, künstlerische Studienrichtungen
Humanmedizin, Zahnmedizin, Pflegewissenschaft, Molekulare Medizin, veterinärmedizinische Studien, Psychologie
Neue Zulassungsprüfungen für Lehramtsstudien ab dem Studienjahr 2014/15
Beispiel: Technical Chemistry & Chemical and Pharmaceutical Engineering (TU und Uni Graz)
Abb. 1.8 Aufnahmeverfahren an Österreichs Universitäten (©Reichenstein und Hummel 2019)
einer spezifischen professionellen Identität, ist dabei stets verbunden mit einem besonderen Typus sozialen Handelns und Kommunizierens und dem Hineinwachsen in die Scientific Community als soziale Organisation der Wissenschaft (vgl. Kuhn 1970; Schaeper 1997; Wildt 1985, 2001; Zinnecker 2004). Letzteres orientiert sich an institutionellen Imperativen, die in unterschiedlichem Maße das „wissenschaftliche Bewusstsein“ von StudienanfängerInnen prägen.
1.4 Universitäre Sozialisationsfelder Der Prozess der Hochschulsozialisation hängt einerseits von den bereits erworbenen Qualifikationen ab, andererseits erweisen sich die unterschiedlichen Bezugskulturen für die Studienbewältigung als bedeutungsvoll, wie etwa die Herkunftskultur der Studierenden, die studentische Kultur, die akademische Fachkultur und die antizipierte Berufskultur (vgl. Friebertshäuser 2008). „Für den Studienerfolg entscheidend ist die Entsprechung zwischen subjektiver Erfahrungsgeschichte, den in ihr erworbenen Interessen, Gewohnheiten und Zielen, die im Rahmen der familiären und der schulischen Herkunftskultur gebildet worden sind, und den aktivierbaren kulturellen, sozialen und ökonomischen Ressourcen des Studenten und der disziplinären Kultur – oder, anders ausgedrückt, die Entsprechung zwischen gewohntem alltäglichen Lebensstil und
1.4 Universitäre Sozialisationsfelder
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der durch die Fachkultur bestimmten und geforderten Lernform“ (Liebau und Huber 1985, S. 336). In Bezogenheit auf diese unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen hat universitäre Lehre die Kernaufgaben, Formen des wissenschaftsorientierten Problemlösens und die sich daraus ableitende Gewinnung professioneller Identität zu fördern, und das vom ersten Tag an. Ein kompetenzorientiertes Studium soll Studierende nicht nur dazu befähigen, Wissen kompetent anzuwenden, in komplexe Zusammenhänge zu stellen, kritisch zu prüfen und weiterzuentwickeln. Das Ziel der fachlichen Kompetenz wird ergänzt von überfachlichen Kompetenzen, die gleichfalls dazu beitragen, die Studierenden auf wissenschaftlich begründetes und professionelles Handeln in Berufsfeldern innerhalb wie außerhalb der Hochschule vorzubereiten. Für die Entwicklung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen oder Eigenverantwortung (vgl. Hattie 2014; Schneider und Preckel 2017) – grundlegende Fundamente für erfolgreiche Problemlösungen in variablen Situationen – braucht es Modelle, die neben studientechnischen Routinen systematisch auch Wege ermöglichen, die zu kreativem, kritischem und selbstständigem Handeln ermächtigen (vgl. Webler 2005, 2012). Die jeweiligen Studienbedingungen beeinflussen dabei das Erleben der Hochschulumwelt in ihren Grundzügen, weshalb Aspekte und Prozesse erster Wissenschaftssozialisation im Rahmen der konkreten Sozialisationsumwelt für StudienanfängerInnen maßgeblich sind. Daher soll die Rolle der Studierenden, die zwar formal durch das organisierte Lernen wissenschaftlicher Grundkenntnisse definiert ist, auch hinsichtlich ihrer außerinstitutionellen Bezüge bearbeitet werden: Biografische Erfahrungen wie auch die von Heterogenität und Diversität geprägten individuellen Voraussetzungen (Herkunft, Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Hintergrund, Wertehaltungen usw.) der Studierenden bilden wesentliche Bezugsschemata für stets subjektive und individuelle wissenschaftssozialisatorische Prozesse. Für die Herstellung eines Passungsverhältnisses zwischen individuellen Voraussetzungen von StudienanfängerInnen (auch als „Studierfähigkeit“ bezeichnet) und hochschulischen Anforderungsstrukturen ist eine komplexe Verknüpfung individueller und institutioneller Faktoren unabdingbar, da diese in Interdependenzverhältnis zueinanderstehen (vgl. Hanft und Kretschmer 2014, S. 75). Dieses Zusammenwirken von institutionellen Strukturen und individueller Verfasstheit kann mit dem „Lernweltkonzept“ gefasst werden (vgl. Egger 2006, 2008a). Lernweltforschung basiert einerseits auf der Strukturiertheit von Lebenswelt als einem Set vorbewusster Orientierungsstrukturen, andererseits gerät der Prozess individueller Aneignung der Subjekte in sozialen Situationen als spezifische Lernwelt in den Fokus des Interesses. Lernwelten werden demnach in ihrer
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
doppelten Bedeutung sichtbar: Sie sind zugleich Rahmen und Rahmungen, in denen Erfahrungen, im Rückgriff auf ein System von Regeln, durch subjektive Sinnkonstitution konstruiert und bewertet werden und in denen auch das „Aneignungssystem“ selbst, sowie der Prozess der Erfahrungsaufschichtung analysierbar werden (vgl. Egger 2008a). Die Lernwelt Universität bildet für das vorliegende Projekt jenen Handlungsraum, in dem wissenschaftssozialisatorische Lernprozesse erfolgen, und in dem sich StudienanfängerInnen mit ihren bislang erworbenen Wissensvorräten und Kompetenzen bewähren müssen. Die sich vollziehenden Aneignungsprozesse finden dabei subjektiv Anschluss an vergangene Erfahrungen, sind eingebettet in gegenwärtige Deutungsmuster und Interpretationsschemata, erfolgen mit Blick auf pragmatische Motive des Lebensvollzugs und entfalten individuelle Relevanzen hinsichtlich aktueller wie auch zukünftiger Lebensziele. Das Konzept der „Lernweltforschung“ verweist somit auf das Spannungsverhältnis pädagogischer Bezüge zu ihren normativen Fundierungen im sozialen Raum, die auf jeweils subjektive Sinnzuschreibungen stoßen. Diese multiperspektivische Betrachtung birgt beträchtliches Potential für eine differenzierte Analyse wissenschaftssozialistorischer Prozesse: Damit kann eine Brücke zwischen den analytischen Polaritäten einer entweder vorrangig auf strukturelle Bedingungsgefüge oder auf subjektive Sinnzuschreibung ausgerichteten Untersuchung geschlagen werden. Individuelle Sinnzuschreibung wird innerhalb maßgeblicher struktureller, institutioneller und personaler Bezugssysteme analysiert. Ein weiteres übergeordnetes theoretisches Bezugskonzept für die Studieneingangsphase als bedeutsame Zeit studentischer Wissenschaftssozialisation bildet die Transitionsforschung, die sich dem Wechselverhältnis zwischen Individuum und gesellschaftlichen Strukturen in zeitlich begrenzten Übergangsphasen widmet. Bezogen auf erste wissenschaftssozialisatorische Prozesse von StudienanfängerInnen verweist das Transitionskonzept, wie es etwa Welzer (1993) definiert, auf die individuelle Aneignung wissenschaftlicher Denk- und Handlungspotentiale innerhalb der relevanten Bezugsschemata. Der Einstieg in die Hochschule wird dabei als Phase verstanden, in der jene Schlüsselkompetenzen angeeignet werden, die besonderen Einfluss auf die erfolgreiche Bewältigung von Studienanforderungen und das Erreichen von Studienzielen haben: Aktive Gestaltungsfähigkeit, soziale Anschlussfähigkeit, Umgang mit Diskontinuitäten, Empfinden von Selbstwirksamkeit (vgl. Ausubel 1974; Bandura 1977) oder Fachidentifikation sind nur einige von den vielen Facetten, die wissenschaftssozialisatorische Prozesse grundlegend (mit-)bestimmen.
1.4 Universitäre Sozialisationsfelder
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Für die differenzierte Analyse fachwissenschaftlicher Sozialisations- und Reproduktionsprozesse bildet Bourdieus Habitus- und Sozialtheorie ein weiteres erkenntnistheoretisches Fundament (vgl. Bourdieu 1993). Das Habitus-Konzept richtet sich auf alltägliche Formen des sozialen Handelns und „Sich-Gebens“ (Sprache, Denken, Wahrnehmung, Geschmack, Einstellung etc.) und setzt dieses in Beziehung zur Struktur des sozialen Raumes: Wie sich eine Person präsentiert, wie sie wahrnimmt und denkt, ist bestimmt durch ihre Position in diesem Raum. Dies jedoch nicht im Sinne eines Determinismus, sondern im Sinne einer Einverleibung von Strukturen, die ihrerseits strukturierend wirken. Der Habitus ist maßgeblich in die Vermittlung zwischen Struktur (hier: Relation der wissenschaftlichen Disziplinen) und Praxis (Wahrnehmen, Denken, Handeln) involviert. Wissenschaftssozialisation ist damit immer auch Teil der Einübung in einen (fach-)spezifischen Habitus (vgl. Wild 2013). Die Studieneingangsphase wird in dieser Untersuchung definiert als das erste Studienjahr im Bachelorstudium (in einigen wenigen Fällen auch im Masterbereich). Wesentlich dabei ist der Umstand, dass die Studierenden in diesem Sample das erste Mal mit „ihrer“ Universität in Kontakt kamen, auch wenn Sie vielleicht davor schon an anderen tertiären Bildungseinrichtungen studiert hatten. Ausgangspunkt dieses Buches ist deshalb die Frage, welche Rolle das erste Studienjahr in der Entwicklung eines fachspezifischen und wissenschaftlichen Habitus spielt. Dabei soll der Fokus nicht nur auf eine Analyse der Studienorganisation gelegt werden, sondern es sollen in den Übergängen von der Schule/ vom Beruf zur Universität jene Parameter universitärer Lehr- und Lernprozesse daraufhin analysiert werden, welche universitätssozialisatorischen Effekte im ersten Studienjahr in den ausgewählten Studienrichtungen wirken. In der Rekonstruktion der studentischen Suchbewegungen zu Beginn ihres Studiums geht es um ihre Einschätzungen der sie umgebenden akademischen Haltungen und Erwartungsstrukturen (vgl. Huber 2010; BMBF 2014a; Bosse und Trautwein 2014). Der dazu gewählte interpretative, akteurInnenzentrierte Forschungsansatz soll die Vielschichtigkeit beginnender universitärer Sozialisation versteh- und erklärbar machen. Deshalb richten sich die zentralen Fragestellungen auf die alltägliche Praxis der Erstsemestrigen und die hier wichtigen Bedeutungs- und Handlungsstrukturen in der Entwicklung einer Rolle im universitären Raum, auf Motive und Begründungszusammenhänge erlebbarer Lehr- und Lernarrangements, auf das Zusammenspiel von sozialen und räumlichen Bezügen in der Universität. Die zu bearbeitenden Bereiche richten sich danach, wie sich die als wesentlich etikettierten Vorgaben der Institution Universität aus Sicht der StudienbeginnerInnen darbieten und welche individuell und strukturell ent-
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
scheidenden Botschaften hierbei wirken, um das Entstehen von Zentrifugal- oder Bindungskräften im ersten Studienjahr sowohl emotional als auch sozial und inhaltlich-fachlich darzustellen. Zu klären sind hier deshalb Fragen nach den Bedingungen der grundlegenden Formen der Wissenschaftssozialisation im Sinne des großen Bestrebens von Universitäten, „Bildung durch Wissenschaft“ zu entwickeln. Da es sich hier im empirischen Teil ausschließlich um die Eingangs- und Lebensweltbedingungen von StudienanfängerInnen handelt, wurden die fachspezifischen Sozialisationsimpulse nur großflächig behandelt. Der Fokus liegt dabei vor allem auf den universitätsallgemeinen Bedingungen der Bewältigung der Statuspassage Studienbeginn. Wird diese Phase zwar durchaus von den fachspezifischen Botschaften der einzelnen Studienrichtungen geprägt, so ist es Ziel dieser Studie, die durchgängigen Muster der Einfindung in die Lebenswelt Studium zu beschreiben. Die vorliegende Arbeit soll die Felder beginnender universitärer Sozialisation vor allem anhand folgender Dimensionen analysieren: • Zugangsdimensionen: Innerhalb dieser Dimensionen soll danach gefragt werden, wie das „Hineinwachsen“ in die Lernwelt Universität durch die eigenen Kompetenzen, aber auch durch die Organisationstruktur und die formalen Bedingungen eines Studiums geprägt sind. Grundlegend dafür ist die Rekonstruktion der konkreten Studienfachwahl, des Studien- bzw. Fachinteresses und der sich daraus ergebenden Selbstwirksamkeitserwartungen und der Leistungsmotivation (vgl. Alheit 2005; Schiefele et al. 2007). Aus dieser Beschreibung der Eingangsmerkmale und -voraussetzungen, die Studierende aus eigener Sicht mitbringen, lassen sich wertvolle Rückschlüsse darauf ableiten, wie sie ihre unmittelbare Studierfähigkeit einschätzen (vgl. u. a. Trapmann 2007; Asdonk et al. 2013). Wichtig sind in diesen Synchronisationsversuchen aber ihre Wahrnehmungen der Lernwelt Universität und warum sie gerade diese Universität ausgewählt haben. Welche impliziten und expliziten Botschaften sendet die Universität hier an Erstsemestrige aus und wie werden diese aufgenommen? (vgl. Fellenberg und Hannover 2006; Bargel et al. 2009) • Prozessdimensionen: Hierbei geht es um die vielen kleinen Elemente, die ein Studium ausmachen und um die dahinterliegenden strukturellen Bedingungen, die diese rahmen. Vor allem sind dies selbstverständlich die Bezüge zur Lehre und zu den Betreuungs- und Beratungsaktivitäten, die den alltäglichen Kontakt mit der Universität bestimmen. Gefragt wird hier danach, wie die verschiedenen Tätigkeitsebenen die Relationen zwischen dem, was die Studierenden an Leistungen zu erbringen haben und dem, wie sie darauf vorbereitet oder herausgefordert werden, beeinflussen (vgl. u. a.
1.4 Universitäre Sozialisationsfelder
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Huber 2011; Manarin und Abrahamson 2016). Was prägt die Lernaktivitäten der Studierenden, ihre Motivation? Welche sozialisatorischen Anpassungsleistungen müssen sie erbringen und welche Lernstrategien wenden sie dafür an? (vgl. Banscherus und Pickert 2013; Bargel 2015). Die prozessorientierten Leitfragen orientieren sich demnach daran, welche Elemente aus Studierendensicht wesentlich sind im „Hineinwachsen“ in die Lernwelt Universität, welche Organisationstrukturen und formalen Bedingungen hierbei gesehen werden und wie sich diese auf die Entwicklung einer eigenen Rolle als Studierende/r auswirken (vgl. u. a. Huber 2011; Manarin und Abrahamson 2016). • Strukturdimensionen: Die einzelnen Selbsteinschätzungen und auch die spezifischen Aktivitäten von Studierenden sind grundsätzlich gerahmt von den zentralen Steuerungselementen der Universität. Dies sind Studienordnungen, Schwerpunkte an Instituten, bestehende Infrastrukturen aber auch förderliche oder hemmende Betreuungsrelationen. Vor allem die inhaltliche Präsenz und Transparenz des Studienangebots, eine zumindest prinzipielle Kenntnis und Stimmigkeit des Studienaufbaus in Bezug auf die sich erst entwickelnde universitäre Sozialisation (Kazemzadeh et al. 1987; Schiefele et al. 2007; Heublein et al. 2009) sind hier wesentliche Bestimmungsstücke. Wie wird „akademischer Unterricht“ innerhalb der unterschiedlichen fachlichen und überfachlichen Eingangskompetenzen von StudienanfängerInnen eingangs gestaltet? (vgl. Wild und Esdar 2014; Bargel 2015). Wie geht die Universität z. B. mit Non-Traditionals, Studierenden mit nicht-linearen Bildungskarrieren oder anderen Sozialisationsbedingungen um, die andere Ansprüche und Anforderungen (als sogenannte Regelstudierende) an die Universität stellen? (vgl. Alheit 2005; Alheit et al. 2008, Banscherus und Pickert 2013; Brändle et al. 2013). Wie ist die Studieneingangsphase prinzipiell dafür konzipiert, den Boden für eine gemeinsame Auseinandersetzung inhaltlich und sozial zu schaffen? Welche (impliziten und expliziten) „Botschaften“ senden z. B. stark nachgefragte Studienrichtungen an ihre Studierenden, um spezifische Bedürfnisse nach Orientierungswissen wahrzunehmen? Alle diese Dimensionen gruppieren sich dabei um strukturell angelegte Formen und Möglichkeiten der Rahmung der Bedingungen von Studierenden zu Beginn eines Studiums • Soziale Kontextdimensionen: Die generellen Lebensbedingungen der Studierenden müssen zu Beginn eines Studiums meist explizit neugestaltet werden. Vielfach ist damit auch eine Transition weg vom Elternhaus verbunden, langjährige schulische Freundschaften „sortieren“ sich neu und die soziale
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE
Integration in den neuen Sozialraum Universität und in die jeweilige Fachkultur stellen große Herausforderungen dar (vgl. z. B. Dausien 2014; Kolland 2004). Diese Prozesse werden noch erschwert durch allgemeine Orientierungsschwierigkeiten oder unklare Erwartungen in Bezug auf das gewählte Fach und die Rolle von Studierenden. In all diesen Dimensionen wird den Wirkungen und der Wirksamkeit von Interventionen in der Studieneingangsphase innerhalb der verschiedenen Lernwelten und der spezifischen Sozialräume und Fachkulturen nachgegangen, um den spezifischen Kontexten der aus Studierendensicht wichtigsten institutionellen, organisatorischen und individuellen Ebenen nachgehen zu können. Ansetzend an den real-individuellen Bedingungen der Studierenden sollen die konzeptiven und empirisch erfassbaren Gestaltungsparameter im ersten Studienjahr analysiert und weiterentwickelt werden. Grundsätzlich werden hier relevante subjektive Aufschlüsse über großteils herausfordernde Situationen, Unsicherheiten des Studierens im ersten Semester erfasst, die für die gesamte Übergangsphase aus der Perspektive des ersten Semesters stehen. Es kann dadurch keine Entwicklung nachgezeichnet werden, sondern es geht darum, unmittelbare Eindrücke und Bewertungen zu erhalten. Der bewusste Verzicht auf vorab festgelegte Studienfächer sollte sicherstellen, dass unterschiedliche Bewältigungsmuster nicht bloß auf andersgeartete Fachkulturen abstellen. Damit sollte der allgemeinen Transitionsphase mehr Augenmerk geschenkt werden, um die einzelnen Wahrnehmungen und Einschätzungen der Anforderungen zu Studienbeginn und des Umgangs damit generell hervorzuheben. Die zweite Phase dient der Analyse und Entwicklung eines erweiterten Orientierungsrahmens zur Studieneingangsphase und baut auf der in der ersten Phase erhobenen Datengrundlage auf, um die Erkenntnisse aus unterschiedlichen Perspektiven und mit Blick auf einen Orientierungsrahmen zu ergänzen, aber auch zu interpretieren und zu verdichten. Das Ziel liegt darin, Kontexte zu analysieren, innerhalb derer die Betreuung der Studierenden und die Bedeutung der Lehrqualität an Universitäten im ersten Studienjahr verbessert werden kann. In konzeptioneller Hinsicht soll in diesem Sinne ein Beitrag zur fachund organisationsbezogenen Hochschulforschung, sowie zum Verständnis der Prozesse der universitären Sozialisation, deren Möglichkeiten bzw. Grenzen in der Studieneingangsphase geleistet werden. Ausgehend von den Ergebnissen des empirischen Zugriffs auf die subjektiven Beschreibungen wesentlicher Erfahrungen und Gegebenheiten wird versucht, universitäre Sozialisationsfelder auszumachen, die das erste Studienjahr rahmen. Mit dem Begriff des Sozialisationsfeldes soll betont werden, dass das Ein-
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finden in spezifische Milieus ein vielschichtiger Prozess ist, dessen spezifische Bedingungen (Sozialisationsanlässe, Probleme und Kontexte) zu Konsequenzen und Strategien des Handelns und zu ganz spezifischen Interaktionen führen (ähnlich dem Kodierparadigma von A. Strauss, 1991) mit seinen grundlegenden Elementen der Bedingungen, des Kontexts, der Strategien und der Konsequenzen). Sozialisationsfelder sind dabei sowohl Ausdruck von Internalisierungsprozessen (der Einpassung und Aneignung von neuen Erfahrungen) als auch von spezifischen Externalisierungsversuchen, innerhalb derer subjektive Erfahrungs- und Handlungsstrukturen aktiv mit sozialen Kontexten verknüpft werden und interaktiv wirksam werden. In Tagebuch- und Interviewpassagen wird dabei auf sehr differenzierte Art und Weise sichtbar, wie die neue Lernwelt der Universität mit den zur Verfügung stehenden Strategien und den bislang dominierenden Erfahrungs- und Wissensbasen in Verbindung gebracht wird, wie bestehende Vorstellungen modifiziert und transformiert werden und wo Bruchstellen in der Verknüpfung zu universitären Lehr- und Sozialformen auftreten. Diese Sozialisationsfelder werden in der Analyse in einem ersten Schritt thematisch geordnet, wobei vor allem den zeitlich begrenzten Verarbeitungs- und Lernprozessen im ersten Studienjahr nachgegangen wird. Aus diesem Grund spielen die Ebenen der Fachkulturen eine untergeordnete Rolle. So sehr sich die Sozialisationsfelder im biographischen Verlauf auch fachspezifisch als prägend herausstellen, kann die Eingangsgeschichte in die Universität doch auch allgemein als konkrete „Gestalt“ zu erfassen versucht werden. Dies hat auch damit zu tun, dass die anfänglichen Bindungen zu den einzelnen Studienrichtungen als gering gefestigt angesehen werden kann. Von vorrangiger Bedeutung ist zunächst die Vernetzung konkreter Sozialisationsfelder in studienorganisatorischer Hinsicht, um den Blick darauf auszurichten, welchen Aneignungs- und Lernkontexten welche Bedeutung für einen erfolgreichen Studienbeginn zukommt. Strukturell wurde das Material auf folgenden Ebenen gebündelt: • Studentische Lernwelten: Der Fokus liegt vor allem darauf, vor welche Herausforderungen sich Studierende im ersten Studienjahr gestellt sehen. Eine auf die studentischen Lernwelten gerichtete Betrachtungsperspektive soll einen Analyserahmen für die Anforderungen, die Schwierigkeiten und Hilfestellungen universitärer Interventionen in der Studieneingangsphase entwickeln. Im Fokus stehen dabei lern- und fachspezifische, soziale und kulturelle Ausgangssituationen und ihr Einfluss in der Entstehung eines fachlichen Habitus im ersten Studienjahr.
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• Universitäre Lebenswelten: Die Universität wird in diesem Projekt als komplexe „soziale Konstruktion“ betrachtet, deren strukturierte Rahmenbedingungen die biographischen Konstruktionen von Erfahrung und Lernen umformen. Dabei werden die individuellen Einflussmöglichkeiten der konkreten AkteurInnen (Lehrende, Bibliotheken, Sekretariate etc.) als lebensweltliche Horizonte sichtbar gemacht und ihre Einflussmöglichkeiten in der Studieneingangsphase analysiert. • Universitäre Orientierungsformate: Die Rekonstruktion universitärer Einführungs- und Informationsangebote konstituieren das Feld, in dem sich die Studieneingangsphase vollzieht. Auf dieser Ebene sollen in einem pragmatischen, evidenzbasierten Orientierungsrahmen bestehende Angebotsformate dokumentiert, analysiert und fachspezifisch weiterentwickelt werden. Die vorliegenden Analysen wissenschaftssozialisatorischer Prozesse in der Studieneingangsphase sind gleichermaßen auf Theoriebildung als auch auf die Schaffung gestalterischer Maßnahmen und einsetzbarer Materialien ausgerichtet, die der Optimierung hochschul- und wissenschaftssozialisatorischer Prozesse von StudienanfängerInnen zuträglich sind. In konzeptioneller Hinsicht leistet die vorliegende Studie in diesem Sinne einen Beitrag zur fach- und organisationsbezogenen Hochschulforschung, sowie zum Verständnis der Prozesse der Wissenschaftssozialisation, deren Möglichkeiten bzw. Grenzen in der Studieneingangsphase. Die Ergebnisse und Aussagen ermöglichen eine evidenzbasierte Weiterentwicklung universitärer Lehr- und Lernstrukturen und damit Qualitätssicherung im Bereich der Hochschuldidaktik. Ansetzend an den real-individuellen Bedingungen der Studierenden werden die konzeptiven und empirisch erfassbaren Gestaltungsparameter im ersten Studienjahr analysiert. Damit soll rekonstruiert werden, wie sich StudienanfängerInnen Denkweisen, Methoden und Handlungsstrategien aneignen, die dem Hineinwachsen in akademische Lernund Arbeitsweisen zuträglich sind.
1.5 Methodischer Zugang zu den universitären Sozialisationsfeldern Zur Exploration relevanter Studienerlebnisse wurden insgesamt 20 Tagebücher, verschriftlicht und 45 problemzentrierte Interviews (vgl. Witzel 2000; Lamnek 2005, S. 363–368) im Zeitraum von Oktober 2017 bis März 2018 durchgeführt.
1.5 Methodischer Zugang zu den universitären Sozialisationsfeldern
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Tagebücher T1 Pharmazie W T6 Pädagogik W T11 Geschichte W T16 Geographie W
T2 Volkskunde W T7 Pädagogik W T12 VWL W T17 Anglistik W
T3 BWL W T8 Jus W T13 Geschichte W T18 Psychologie M
T4 Philosophie M T9 Chemie W T14 Psychologie W T19 Philosophie W
T5 BWL M T10 Sprachwissenschaft W T15 Soziologie W T20 Pädagogik W
Die vielfältigen Formen des Tagebuchs sind in der bildungswissenschaftlichen Forschung weit verbreitet (vgl. Fuchs 1984; Schulze 1995; Fischer 2003; Altrichter und Posch 2007; Egger 2015). Dabei sind es vor allem die Elemente der Alltagsorientierung, der lebensgeschichtlichen Kontinuität und des Nachvollzugs von Reflexionen, die diese Formen des Zugangs zu biographischen Erfahrungsaufschichtungen als sozialwissenschaftliche Methode kennzeichnen. Gerade wenn es darum geht, subjektive Hintergrundkonstruktionen analytisch zugänglich zu machen, individuelle Handlungen innerhalb spezifischer Handlungsfelder aufeinander zu beziehen oder Lernprozesse reflektierend zu begleiten, ist diese Methode bedeutsam und ertragreich. Die in diesem Projekt verwendete Form des Lerntagebuchs (vgl. u. a. Friebertshäuser 2004) dient der Dokumentation und subjektiven Bewertung von Gestaltungs- und Lernprozessen bei erstsemestrigen Studierenden. Die Studierenden wurden mit folgendem Mail von der Studienund Prüfungsabteilung dazu eingeladen, all jene Begebenheiten, Anlässe und Erlebnisse im Umfeld ihrer ersten Kontakte mit der Universität zu beschreiben. Liebe Kollegin, lieber Kollege, herzlich willkommen an unserer Universität! Wir freuen uns, dass Sie die Karl-Franzens-Universität als Ihre Universität gewählt haben. Damit Sie hier Ihre Vorstellungen von Lernen auch verwirklichen können, brauchen wir Ihre Hilfe in Form von gezielten Rückmeldungen über Ihren Studienbeginn, denn das Wissen um Ihre Eindrücke hilft uns festzustellen, wo Handlungsbedarf unsererseits besteht. Das Zentrum für Lehrkompetenz, eine fakultätsübergreifende Einrichtung, versucht die Studieneingangsphase so passgenau wie möglich für Sie zu gestalten. Wir möchten Ihnen deshalb vorschlagen, durch das Schreiben eines Tagebuchs Ihre Erfahrungen in der Studienanfangszeit
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1 DER WEG IN DIE HOCHSCHULE mit uns zu teilen. Dieses Tagebuch, das Sie digital auf einem Medium Ihrer Wahl führen, wird in der Regel über einen Zeitraum von vier Wochen (gerne auch länger) geführt und beinhaltet alle jene Aufgaben, Erlebnisse, Eindrücke oder Wünsche, die Ihnen in Bezug auf Ihr Studium in diesem Zeitraum aufgefallen sind. Nichts ist dabei unwichtig – weder Ihre persönlichen Einschätzungen, noch die vielen kleinen Begegnungen mit dem „System Universität“. Leitfragen zum Tagebuch könnten sein: • Was waren meine (ersten) Eindrücke an der Universität? (Ort, Menschen, Anforderungen, …) • Wie habe ich das von mir gewählte Studium in den ersten Wochen erlebt? • Wer oder was hat mir geholfen, mich zurechtzufinden? • Was fällt mir besonders schwer/leicht? • Wie habe ich mein Leben rund um die Veranstaltungen an der Universität erlebt, organisiert? Ihre Schilderungen werden anonym ausgewertet und fließen sowohl in die Planung der konkreten Studieneingangsphase als auch in die Studie „Stolperstein oder Kompetenzstufe? Die Studieneingangsphase und ihre Bedeutung für die Wissenschaftssozialisation von Studierenden“, mit ein. Bitte senden Sie Ihre Zeilen unter Angabe ihres Studienfaches an:[…] Wir wünschen Ihnen einen schönen Studienbeginn!
Dieses Mail erhielten alle Erstsemestrigen und in großen Einführungsveranstaltungen wurde zusätzlich um die Verschriftlichung eines Tagebuchs in dieser Form gebeten. Ziel war es, die neuen und oft nur schwer durchschaubaren, komplexen Studienanfangssituationen auf einer subjektiven Erlebnisebene zugänglich zu machen. Insgesamt wurde diese Aufforderung von 20 Studierenden (s. o.) im Sinne eines tatsächlich zeitlich ausgedehnten Tagebuchs angenommen. Die Zeitspanne der Eintragungen bewegte sich dabei von 12 Tagen bis neun Wochen. Acht weitere zugesandte Mitteilungen lagen unter 3 Tagen und beinhalteten nur bruchstückhafte Mitteilungen, die nicht in die Auswertung miteingeflossen sind. Interviews Die Auswahl der Stichprobe für das Interview erfolgte über das Kriterium des ersten Studienjahres und durch fakultätsübergreifende Auswahlen am Campus der Karl-Franzens-Universität Graz (KFUG). Im Mittelpunkt standen dabei die subjektiven Bewertungsdimensionen der eigenen Studiensituationen. Die Interviews beinhalteten eine Darlegung der Absichten der Studie, eine Einführung über den Ablauf und die Besonderheiten des Interviews und die Erhebung der Studiendaten. Danach erzählten die Interviewten ohne Zwischen-
1.5 Methodischer Zugang zu den universitären Sozialisationsfeldern
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fragen über wichtige Erlebnisse und besonders im Gedächtnis gebliebene Studiensituationen in ihrem bisherigen Studium. Abschließend wurden alle Interviewten ergänzend und systematisch nach ausgewählten und vorab festgelegten Themenbereichen in den Kategorien Lehrveranstaltungen, Interaktionsbeziehungen zu Mitstudierenden und Lehrenden, Lern- und Prüfungssituationen sowie Studienzufriedenheit befragt. Die Datenauswertung erfolgte nach vollständiger Transkription in einer textstrukturellen Interviewanalyse (in Anlehnung an F. Schütze) auf deren Grundlage Dimensionen und Schlüsselkategorien auf der Basis der empirischen Daten gebildet wurden. Dadurch wurden die in der Studieneingangsphase relevanten Situations- und Bedingungskomplexe auf einer inhaltlichen und einer strukturellen Achse rekonstruiert und in weiterer Folge verdichtet. In der Beschreibung der studienrelevanten Differenzierungskategorien wurden diesbezüglich typische Kernsätze zur Charakterisierung der Erfahrungs- und Handlungsbasen der Befragten in verallgemeinernder Absicht ausgewählt. Fallvergleiche und Fallkontrastierungen wurden auf der Grundlage des vorhandenen empirischen Materials dort durchgeführt, wo studienrelevante Differenzierungskategorien dies zuließen, jedoch wurde auf die Formulierung von Typologisierungen verzichtet, da diese die Ergebnisse zu stark von kontextspezifischen Merkmalen „bereinigt“ hätten.
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STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS?
2.1 Von der Lebenswelt in die Universität Die Studienwahl gehört zu den bedeutsamsten, zukunftsweisenden Entscheidungen im Leben junger Erwachsener, die sich für eine akademische Ausbildung entscheiden. Dafür müssen diese sich zunächst der eigenen Ziele, Wünsche, Interessen und Stärken gewahr werden und die wachsende Vielfalt an Studienmöglichkeiten überblicken. Dass das Informationsangebot für StudienanfängerInnen deutlich steigt und zunehmend umfangreicher wird, scheint den Transfer dieser Informationen in die konkrete Studienplanung und -organisation für viele BeginnerInnen eher schwieriger als einfacher zu machen. Dies mag an der bereits erwähnten zunehmenden Komplizierung des Studienangebotes mit neuen Fächern und Fächerkombinationen liegen, denn in der Fülle der Informationsmöglichkeiten ist die Herausforderung groß, auf fokussierte Weise entsprechende Antworten für Fragen zu finden. Da steht alles Mögliche, im Netz und in Broschüren und so. Aber ich war dann nie sicher, ob das genau mein Studium betrifft, weil da gibt es alte Curricula und verschiedene Studienrichtungen wie Lehramt oder Master und Veranstaltungen, die anrechenbar sind. Und wenn ich dann finde, wo ich glaube, dass da die Antwort steht, dann bin ich meistens nicht sicher, ob ich das richtig verstehe oder was ich damit machen muss. Da suchst und liest du stundenlang und dann weißt du nicht viel mehr als vorher. (I36, Z. 11–16)
Einerseits bereitet es StudienanfängerInnen Schwierigkeiten, Recherchen in Hinblick auf eine zielgerichtete Informationsbeschaffung durchzuführen, andererseits scheitern sie oftmals daran, gefundene Informationen zweckentsprechend zu verstehen und die erforderlichen Schritte davon abzuleiten. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Egger und S. Hummel, Stolperstein oder Kompetenzstufe?, Lernweltforschung 16, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23283-2_2
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS? Aber am Anfang war es schon schwierig, weil ich alles nachschauen hab müssen. Internet, Leitfäden. Damit ich auch zu den Informationen komme. Weil teilweise waren mir Sachen nicht klar, ob ich das brauche oder nicht. Teilweise bin ich nur durch Zufall draufgekommen, dass ich die Karten alle Jahre habe abstempeln müssen oder so. Und das hat sich dann irgendwie so entwickelt. (I41, Z. 16–19)
Ein fehlender Überblick über die Inhalte und Anforderungen einzelner Studiengänge birgt die Gefahr, dass unrealistische oder ungenaue Studienerwartungen entstehen. Zwar erweist sich in großflächig angelegten Befragungen das Interesse an einem Fach als wichtigstes Motiv für die Studienfachwahl (S. 1.2), jedoch zeigen diese Untersuchungen eine große Schwierigkeit nicht auf, die sich SchulabgängerInnen durchaus in besonderem Maß stellt, zudem ihnen die Studienlandschaft wenig vertraut ist: ihre Interessensbereiche überhaupt einem entsprechenden Studienfach zuzuordnen. Ich wollte was mit Pflanzenzüchtung oder so machen und hab mich für das Biologiestudium entschieden. Dass es die BOKU in Wien gibt, hab ich gar nicht gewusst. Jetzt mach ich das Semester fertig und dann geh ich dorthin. (I45, Z. 28–30)
Um schnell an die benötigten Informationen zu gelangen, wird das Internet als meistkonsultierte Informationsquelle genannt. Das Studium zu organisieren war komplett schwierig, weil in meinem Umfeld war keiner, der studiert hat. Und ich habe auch keinen gekannt, der das gemacht hat. Dann am Anfang habe ich alles Mögliche googeln müssen. Was der Unterschied zwischen immatrikulieren oder einschreiben. Oder inskribieren. Was das alles heißt. Ich habe keine Ahnung gehabt, was da der Unterschied war irgendwie. Ich habe sicher zwei Wochen am Anfang gebraucht, bis ich den Überblick gekriegt habe und wo man hin muss. Und was man da braucht. Man hat schon alles gefunden im Internet. Ich habe echt Null Erfahrungen gehabt. Das war schon ziemlich zach. Ich habe auch nicht gewusst was eine VU oder VO ist. Da gibt es auf der Uni einen Leitfaden oder Broschüren. Die waren auch hilfreich. Also wenn man was gesucht hat, hat man es schon gefunden. Die waren schon richtig hilfreich. Im Internet etwas suchen ist nicht so kompakt. (I37, Z. 1–12)
Die Attraktivität des Internets für eine unkomplizierte Informationsbeschaffung ist in der zeit- und ortsentbundenen Zugänglichkeit begründet. Die Vielfältigkeit der Angebote und Profile unterschiedlicher Universitäten können nach Belieben abgerufen und verglichen werden. Universitäten nutzen die Möglichkeiten des Internets inzwischen sehr viel besser als noch vor einigen Jahren.
2.1 Von der Lebenswelt in die Universität
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Viele Unis haben schon klasse Homepages, das sieht dann auch sehr professionell und anspruchsvoll aus. Nur bei manchen wirkt das eher normal, also nicht irgendwie beeindruckend oder so. (I42, Z. 301–303)
In einer Zeit intensiveren Wettbewerbs zwischen den Hochschulen und knapper werdender finanzieller Mittel wird die Zahl der Studierenden als Indikator für die Attraktivität und Anziehungskraft einer Universität zu einem zunehmend wichtigen Faktor. Auch vor diesem Hintergrund gewinnt das Internet gegenüber den „traditionellen“ schriftlichen Informationsmaterialien und der Vor-Ort-Beratung immer mehr an Relevanz für die universitäre Öffentlichkeitsarbeit und das Hochschulmarketing. Ich habe fast gar nichts gewusst über die Uni und darüber, was man studieren kann. Dann hab ich halt Google strapaziert. So wie immer, wenn ich was nicht weiß. Ein bisschen hat’s geholfen, viel nicht. (I 32, Z. 6–8)
Allerdings haben die online-Informationen für MaturantInnen oft nur bedingten Aufklärungsgehalt, was vor allem daran liegt, dass es ihnen an hochschulspezifischem Kontextwissen fehlt. Zudem werden erwartungskonforme Informationen in der Regel besser verarbeitet und es wird häufig gezielt nach Informationen gesucht, die bereits bestehende Erwartungen bestätigen, was eine selektive Nutzung und Verarbeitung von Informationen zur Folge haben kann. Wird die Studienwahl auf der Grundlage mangelnder oder mangelhafter Informationen getroffen, so kann dies folgenreich sein: Wer schlecht informiert ist, kann über die vorherrschenden Studieninhalte nur mutmaßen und sich an stereotype Vorstellungen halten. Inwiefern diese Annahmen der tatsächlichen Studienrealität entsprechen, zeigt sich häufig erst nach Studienbeginn. Etwa ein Fünftel der StudienanfängerInnen gibt an, dass die eigenen Erwartungen nur teilweise oder gar nicht erfüllt wurden (Scheller et al. 2013). Die Ausbildung von Erwartungshaltungen, die der Studienrealität entsprechen, kann im Zuge gezielter Studienvorbereitungen erreicht werden, in der ausgeglichene Informationen bereitgestellt werden und auf häufige Fehlannahmen sowie wenig berücksichtigte Aspekte explizit verwiesen wird. Auf diese Weise wird die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen verringert. Ist die Studienwahl erstmal getroffen, so gilt es auch gleich eine Reihe an maßgeblichen und durchaus auch zukunftsweisenden Entscheidungen zu fällen: An welcher Hochschule etwa soll das Studium aufgenommen werden? Fachhochschule, Universität oder Berufsakademie? Soll das Studium an einer staatlichen oder privaten Institution absolviert werden? An welchem Studienort?
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS? Bei uns in Österreich ist es völlig egal, ob du in Innsbruck oder in Wien studierst. Hauptsache, du hast deinen Abschluss gemacht. Da hast du nachher keine besseren Jobaussichten und wirst nicht besser bezahlt, wenn du von einer besseren Uni kommst. (I35, Z. 14–16)
Während in vielen Ländern Ranking-Studien, die jedes Jahr zahlreich und in großem Umfang durchgeführt werden, vergleichend Auskunft über die Qualität von Hochschulen geben und eine bedeutsame Entscheidungsgrundlage für zukünftige Studierende hinsichtlich der Wahl der Hochschule darstellen, scheint diese Überlegung bei österreichischen StudienanfängerInnen kein maßgeblicher Entscheidungsfaktor zu sein. Der Stellenwert der besuchten Hochschule im nationalen und internationalen Vergleich hat aus Sicht österreichischer Studierender kaum bis keine Auswirkungen auf berufliche Perspektiven oder spätere Verdienstmöglichkeiten und ist daher für sie kaum entscheidungsrelevant. Da habe ich mir also keine großen Gedanken gemacht. Einige Schulkollegen sind nach Wien gegangen, aber das ist mir zu groß, und die Wohnungen sind noch teurer, aber Graz liegt da gerade gut mich. Und die BWL ist also auch ganz ok, wie alle gesagt haben. (I13, Z. 8–10)
Die tatsächlichen Motive für die Universitätswahl zeigen eine sehr stark regional gebundene Grundlage. Es ist nicht so sehr die Identifikation mit den bisherigen oder gegenwärtigen Leistungen der Universität (die in der Regel auch nicht eingeschätzt werden können), sondern deren Vorhandensein in einer erreichbaren, aber auch ansprechenden Umgebung. Dabei spielen das weit gefächerte Studienangebot (das sich dennoch in einigen „großen“ Studienrichtungen bündelt) eine Rolle, aber auch die Universitätsstadt insgesamt, die ausreichend Möglichkeiten für eine erweiterte universitäre Sozialisation bietet. Graz ist also schon toll, da hast du alles, was du brauchst, die Infrastruktur also, und bist auch gleich im Grünen. Ich wohne jetzt nicht mehr bei meinen Eltern, hab so eine kleine Wohnung, die aber meinen Eltern gehört und das ist also optimal für mich. Da passt alles. Das Weggehen und auch alles andere. (I29, Z. 17–20)
Daneben haben (über-)regionale Verkehrsanbindungen, eventuelle Nebenverdienstmöglichkeiten, ein attraktives Freizeit- und Kulturangebot (der Besuch von Cafés und Gastwirtschaften, Kinos und künstlerischen Aktivitäten) eine zumindest rahmende Bedeutung.
2.1 Von der Lebenswelt in die Universität
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In Graz, da gibt es auch die Musik-Uni und die haben eine Jazz-Abteilung, da war ich schon bei Konzerten. Da gibt es echt viele Sachen im Konzertbereich, die sich auch ein Student leisten kann. (I11, Z. 64–66) Ich muss auch arbeiten auch neben dem Studium und da ist in Graz halt auch viel Angebot in der Gastronomie oder in der Nachhilfe. Das lässt sich also alles gut verbinden. (I17, Z. 101–103)
Das lebensweltliche Umfeld des Studienbeginns ist für viele Studierende ein nicht zu unterschätzender Faktor, besonders dort, wo es um ein ausreichendes und auch finanzierbares Wohnangebot geht. Das war für mich fast die schwierigste Prüfung am Anfang, dass ich ein Zimmer finde. Ich bin relativ spät von meinem Ferialjob zurückgekommen und dann war das trotz vorheriger Zusagen echt schwierig, dass ich wo untergekommen bin. Anfangs habe ich bei einer Freundin im Schlafsack geschlafen, aber irgendwann fragt man sich dann schon, was das soll. Was ich da für Angebote bekommen habe, möchte ich gar nicht schreiben, aber da kann ich schon mitfühlen mit den Flüchtlingen. (I23, Z. 18–23)
Eine große Herausforderung stellt die Suche nach einer leistbaren Unterkunft am Studienort zu akzeptablen Bedingungen dar. Diese sind durchaus schwer zu finden und bedingen teilweise Wartezeiten (S. 1.2). Der Besitzer hat mich auf eine Warteliste gesetzt. Aber mein Papa hat ihm gleich einmal dreihundert Euro gegeben, dann gab’s keine Warteliste mehr. (I39, Z. 22–23)
Die Wohnungssuche am Studienort wird in manchen Studienfächern dadurch erschwert, dass die Vorbereitungen auf das Studium auf einen immer früheren Zeitpunkt rücken: Anmeldefristen starten ab den Semesterferien, Voranmeldungen für Auswahlprüfungen (etwa Medizin) bereits zu Beginn des Kalenderjahres, Zulassungsfristen für reguläre Studien beginnen vor den Sommerferien, teilweise enden sie bereits während die Maturaprüfungen noch in vollem Gange sind. Insbesondere bei überlaufenen Studienrichtungen mit Zugangsbeschränkungen sind die StudienwerberInnen gefordert, sich auf die Aufnahmeprüfungen so intensiv wie für eine Jobbewerbung vorzubereiten. Wir mussten uns schon so früh fürs Studium entscheiden. Da bist noch voll im Maturastress und sollst eigentlich schon für Aufnahmeprüfungen lernen. Wie soll sich das alles ausgehen? (I44, Z. 9–11)
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS?
Einige Studienrichtungen terminieren die Ergebnisrückmeldungen von Aufnahmeprüfungen mit kurz vor Semesterbeginn. Das bringt StudienwerberInnen in eine schwierige Situation hinsichtlich ihrer Lebensplanung in der Universitätsstadt, da der Erhalt eines Studienplatzes und die damit verbundene Notwendigkeit der Wohnungssuche lange Zeit ungeklärt bleibt. Ja, Wohnungssuche. Bei Pharmazie hast erst im September die Aufnahmeprüfung. Und im Oktober hat es angefangen. Und du hast dann halt nicht wirklich viel Alternativen gehabt. Wir waren die ersten mit Aufnahmeprüfung. Wir waren quasi die Versuchskaninchen. Und wir haben nicht gewusst ob das funktioniert. Ob ich gut genug bin. Oder keine Ahnung wie viele Leute dort sind. Dann habe ich auf Verdacht eigentlich ein Studentenheim eingegeben und habe geschaut was günstig ist und in der Nähe. (I40, Z. 17–22)
Diese organisationalen Rahmenbedingungen der Studienaufnahme verlangen den Studierenden eine Planung „ins Leere“ ab, die mit beträchtlichem Aufwand und mit Kosten verbunden sein kann. Ich hab nicht gewusst, ob ich die Aufnahmeprüfung schaffe, aber es war klar: Wenn doch, dann geht’s gleich los. Also habe ich halt nur auf Google Maps geschaut. Und ich war vorher auch so nicht oft in Graz und hab mich eigentlich nicht gut ausgekannt. Dann bin ich erst an dem Tag, wo ich eingezogen bin, das erste Mal zu meinem Studentenheim gefahren und da hab ich erst gesehen, dass das genau vor meinem Studiengebäude ist. Ok, Glück gehabt. Das war alles ziemlich vage und ziemlich unorganisiert. Es war halt echt so blöd. Weil ich nicht gewusst habe, ob ich weitermachen kann oder nicht. (I39, Z. 41–46)
Sind alle vor Studienanfang erforderlichen Entscheidungen und Vorbereitungen erstmal getroffen, so lassen die nächsten Herausforderungen nicht lange auf sich warten. Dazu gehört etwa das Zurechtfinden am Campus. Gerade in den ersten Wochen des Studiums herrscht bei vielen StudienanfängerInnen Orientierungslosigkeit am Universitätsgelände, in den vielen Unigebäuden und Hörsälen. Ja, das ist schon unglaublich, womit man so alles nicht rechnet. Zum Beispiel, dass Raum IV nicht gleich Raum 4 ist. Und schon wartest du vergeblich allein vor der falschen Tür, wunderst dich eine Zeit lang, dass alle anderen so spät kommen, bis du merkst, dass niemand mehr auftaucht, dass irgendwas nicht stimmen kann. (I38, Z. 21–24)
Ein Überblick über zu besuchende Veranstaltungen, Abhaltungszeiten und Anmeldepflichten erleichtert die erste Zeit als StudentIn. Verpasste Fristen,
2.1 Von der Lebenswelt in die Universität
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Probleme mit dem Uni-Account oder fehlende Seminarplätze können die Studienanfangszeit erheblich erschweren und zu zeitlichen Verzögerungen führen. Der Studienanfang erfordert daher ein erhöhtes Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit in der eigenen Lebensplanung und damit Eigeninitiative und Engagement sowie die Entwicklung geeigneter Problemlösungsstrategien, was die befragten Studierenden vorwiegend als positiv, persönlichkeitsstärkend und horizonterweiternd wahrnehmen. Ich habe das alles mit dem Studentenheim selbst gemacht. Und dem Inskribieren. Z. B. Studienbeihilfe, lies dir das durch und schau wie es geht. Dann habe ich die ganzen Einträge eingebracht. Das war schon herausfordernd. Aber irgendwie hat mich das sicher gestärkt. Weil dann musst auf so viele Sachen achten, an die du vorher nie gedacht hast. Es war im Nachhinein nicht schlecht für mich. Weil ich da dann viel selbstständiger geworden bin. (I33, Z. 31–35) Ich bin sicher selbstbewusster geworden. Ich hab schnell gelernt, dass ich Sachen organisiere. Und auch, dass ich selbst die Verantwortung für mich habe. Das hat sich sicher entwickelt. Und dass man selber schauen muss, dass man weiterkommt im Leben und ein Ziel haben muss. (I32, Z. 23–25)
StudienanfängerInnen fehlen oftmals ganz grundlegende Informationen, die für die Gestaltung des Universitätsalltags jedoch unverzichtbar sind. Die Organisation des Studiums und Schwierigkeiten mit der Bürokratie oder Formalitäten wie die Beantragung oder Verlängerung des Studienausweises zählen zu den häufigsten erwähnten Problembereichen der Studienanfangszeit. Es ist halt sehr anders als in der Schule. Mit dem Studierendenausweis, der kontrolliert wird, mit der Matrikelnummer, die du auf das Blatt schreiben musst, die du auch noch nicht auswendig kennst. Davor kommt auch noch der Schritt mit der Prüfungsanmeldung, das ist auch noch einmal etwas anderes. Mir ist zum Beispiel gleich am Anfang passiert, dass ich mich mit dem falschen Studium für eine Prüfung angemeldet habe und danach sehr viel administrativer Aufwand auf mich gewartet hat, dass ich es mir für das richtige Studium anrechnen lasse. Das war definitiv eine Herausforderung und etwas, woraus ich gelernt habe. Bei der nächsten Prüfung habe ich alles sehr aufmerksam durchgeklickt und mich mit dem richtigen Studium angemeldet. (I39, Z. 632–640)
Studienspezifische Unterstützungsangebote, die über eben diese Erfordernisse aufklären, werden daher als überaus hilfreich angesehen. Der Welcome-Day war wichtig, weil ich da gemerkt habe, dass die anderen auch Vieles noch nicht wissen. Es war also sehr entspannt, was ich immer sehr schätze. (T16, Z. 2–4)
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS? Ich habe alles gemacht, was angeboten wurde, meine Freundin auch. Wir sind überall hinmarschiert und da lernt man viele Leute kennen. Ob mir das wirklich was gebracht hat, weiß ich nicht, aber ich möchte das alles sehen. (I16, Z. 16–19)
Auch die institutionelle Verantwortlichkeit für die Studienorganisation in Hinblick auf ein Gelingen des Studiums kommt in den Interviews zum Ausdruck. Informeller Austausch zwischen Studierenden wird als besonders hilfreich betrachtet, da hier ganz spezifische Einschätzungen und Erfahrungen ausgetauscht werden, die den StudienanfängerInnen durchaus als Anhaltspunkte für ihre eigenen Suchbewegungen dienen. Am Institut finden von der IG manchmal Treffen statt, wo du gezielt auf Probleme hingewiesen wirst. Die sagen dir dann Tipps, wie etwas leichter geht oder Dinge, an die man noch nicht gedacht hat, wie Zugänge zu Literatur oder wie du einen Lehrenden besser einschätzen kannst. (T6, Z. 75–78)
In Beratungssettings erhalten StudienanfängerInnen auch wertvolle taktische Tipps, wie sie innerhalb der organisationalen Rahmenbedingungen ein besseres Vorankommen im Studienverlauf und damit ein besseres Arrangement mit den – zum gegebenen Zeitpunkt in der Regel noch weitgehend unbekannten – institutionellen Strukturen erreichen können. Ich war sogar bei der Erstsemestrigenberatung vom Studium, da haben sie mir auch gezeigt, wie ich den ersten Abschnitt strukturiere. Und die haben mir auch gesagt, wie ich mich richtig anmelde für die Prüfungen, nämlich mit der Atomuhr am zweiten Reiter. Damit ich da schneller bin. Da war ich richtig gut, mit dem Anmelden. Ich bin immer reingekommen. Ein einziges Mal habe ich es nicht geschafft in einen Kurs, aber dann konnte ich in den zweiten, weil der noch offen war. (I37, Z. 41–45)
Diese durchaus nicht nebensächlichen Wissensbestände können zu einem Vorteil im Wettbewerb um Kursplätze führen. Ich finde, es sind schon gute Ansätze da. Die Tutorien sind schon gut. Weil es ist gut wenn man Ansprechpartner hat, die man jederzeit kontaktieren kann. Auch im späteren Verlauf im ersten Semester. Weil man erst später draufkommt auf gewisse Fragen, die man am Anfang noch nicht auf dem Schirm hat. Das mit den Leitfäden finde ich auch gut, dass das ausgeteilt wird. Gut wäre, wenn schon bei den Schulen mehr gemacht wird. Dass die schon vorher aufzeigen, was es danach gibt. Bei der Uni wäre es nicht schlecht einen Ansprechpartner zu haben, wo man jederzeit hingehen kann. (I42, Z. 31–37)
2.1 Von der Lebenswelt in die Universität
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Als Vorbereitung auf das Studium haben Studierende vielfältige Wege aufzuweisen, die von einem „Schnupperstudium“ über online-basierte Selbsteinschätzungshilfen bis zu Studienbegleitung durch Mentoring oder durch die Studierendenvertretung reichen (S. 1.2). Dabei zeigt sich, dass kollektive Beratungen durchaus als unverzichtbar betrachtet werden, um allgemeine Informationen zu erhalten, dass diese jedoch nicht notwendigerweise auf wichtige Detailfragen der StudienanfängerInnen eingehen. Das war eine ganz am Anfang, die im Lehrplan vorgesehen war. Da hätte ich mir gewünscht, dass es so etwas begleitend über das ganze Semester gegeben hätte. Weil man am ersten Termin noch gar keine Fragen hat. Oder man hat so viele Fragen, dass man gar nicht weiß, wo man beginnen soll. (I32, Z. 3–5)
Andersrum erhalten StudienbeginnerInnen mitunter Detailinformationen, die sie noch nicht mit dem eigenen Studium in Bezug setzen können. Ich war dann auch bei Mentorengruppen und das war auch nicht schlecht, weil man Leute kennen lernt. Aber die hatten dann auch nur die Basics und Antworten auf Fragen, die du da teilweise noch gar nicht hast. Das geht dann oft schon so ins Detail, dass die über Dinge reden, von denen du noch gar nicht weißt, dass es sie gibt. Und dann hast du gar keinen Plan mehr. (I42, Z. 15–18)
Individuelle Kontakte werden als besonders unterstützend hervorgehoben. Ein persönliches Gespräch, die Möglichkeit, Verständnisfragen umgehend zu klären, aber auch der persönliche Kontakt zu Universitätsbediensteten oder Studierenden höheren Semesters wird von StudienanfängerInnen gesucht und geschätzt. Es war sehr schwierig. Sehr, sehr schwierig. Ich habe mich überhaupt nicht ausgekannt. Ich musste für jede blöde Kleinigkeit eine Mail an die Four Students schreiben, die habe ich voll genervt. Dann habe ich zwischendurch der FV Jus geschrieben, um es abzuwechseln. (I37, Z. 24–26)
Je individueller und personenbezogener die Beratung erfolgt, desto passgenauer können Hilfestellungen erfolgen. Durch fokussierte Auskunft und Hilfestellung fällt die Herausforderung, eigenständig Antworten aus einer Flut an Informationen herauszufiltern, weg. Persönliche Bekanntschaften mit höhersemestrigen Studierenden, die sich neuen StudienkollegInnen unterstützend annehmen, werden immer wieder als wünschenswert hervorgestrichen. Eine wissende Bezugsperson als Anlaufstelle zu haben, die selbst in den universitären Kontext eingebunden ist und über einen
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS?
hilfreichen Erfahrungsschatz verfügt, kann die erste Zeit an der Universität erheblich erleichtern und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Die Cousine von der H., meiner Freundin, die ist zwei Jahre älter und die hat das Studium schon gemacht, Deutsch und Geschichte auf Lehramt, und die hat uns so viel geholfen. „Wo ist die Bibliothek, wo müssen wir da hin, was müssen wir da machen? und dann müssen wir das abgeben und uns da anmelden, so funktioniert das Vorlesungsverzeichnis und da finden wir die anderen Sachen“. Da hat sie sich echt drei, vier Tage hingesetzt und hat uns geholfen. Zum Beispiel für die Prüfungen anmelden und dass wir die richtigen haben und so. Das war voll gut. (I43, Z. 24–30)
Hier zeigt sich ein Desiderat, das in der Studieneingangszeit auf unterschiedliche Weise gedeckt wird: Fehlen persönliche Kontakte, werden diese mitunter auch über bezahlte Dienstleistungen hergestellt. Mein Vater hat da jemanden bezahlt, dass er mir das Studium also ziemlich genau erklärt hat. Das war einer, der in seiner Firma ist und gerade BWL abgeschlossen hat. Das war also schon wirklich sehr hilfreich. Ich habe da gleich das Institut von innen gesehen und gewusst, wo was wie zu machen ist. (I13, Z. 12–16)
Neben allgemeinen Schwierigkeiten mit der ersten Studienorganisation kommt für immer mehr Studierende eine weitere Erschwernis hinzu – jene der Studienfinanzierung. Viele Studierende gehen bereits im ersten Studienjahr zeitweise oder längerfristig einer studienbegleitenden Erwerbstätigkeit nach, um sich ihren Lebensunterhalt zu sichern, diesen zu ergänzen oder auch, um praxisrelevante Erfahrungen zu sammeln. Sonst ist es von den Zeiten schwierig mit der Arbeit zu organisieren. Es gibt von der Uni so viele Termine, wo du sein musst, und du musst aber auch immer bei der Arbeit sein. (I45, Z. 33–34) Ich glaube, meine Studienleistung ist durchschnittlich. Ich sehe auf jeden Fall einen Unterschied zu Beginn des Semesters und Beginn des Studiums. Da ist die Motivation dann ein bisschen höher. Ich bin nach wie vor bestrebt, mein Studium so gut wie möglich zu absolvieren, beziehungsweise jetzt auch den Umständen entsprechend, wie es sich mit meiner Arbeit vereinbaren lässt. In dem Zusammenhang merke ich einen Unterschied: Früher war das Studium meine alleinige Hauptaufgabe, mein Beruf, und jetzt ist es geteilt mit meinem wirklichen Job. Und natürlich habe ich da gewisse Einbußen in meinen Studienleistungen oder in der Intensität an Arbeit, die ich für Vorbereitungen der Lehrveranstaltungen reinstecke. Aber ich bin trotzdem noch zufrieden mit meiner Studienleistung. Ich habe es jetzt eher geschafft, zu kategorisieren, was mich wirklich interessiert und weiter bringt an Lehrinhalten, wo es sich lohnt, noch mehr zu investieren, und was vielleicht nicht so relevant ist und sich nicht mit meinen Interessen deckt. (I36, Z. 781–793)
2.2 Die Statuspassage SchülerIn zu StudentIn
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Die Struktur universitärer Studiengänge erschwert die Vereinbarkeit von Studium und Erwerbstätigkeit. Insbesondere der Umstand, dass die Lehrveranstaltungszeiten an den einzelnen Wochentagen variieren und dass aufgrund von Blockveranstaltungen unregelmäßige Abhaltungstermine stattfinden, ist mit den meist starren Arbeitszeiten der Berufswelt oft schwer zu koordinieren und erfordert in vielen Fällen die Priorisierung von Studium oder Beruf. Und dann musst du noch schauen, dass es mit dem Arbeiten zusammenpasst. Und dann fragst du dich, was wichtiger ist. Was soll ich zuerst machen? Soll ich zuerst abklären, wann ich arbeiten muss, oder soll ich mit meinem Chef dann den Stundenplan von mir diskutieren? Das ist auch nicht so einfach. Was ist deine Priorität? Auch wenn der Chef immer sagt, das Studium ist wichtig, ich will meinen Job auch behalten. (I33, Z. 42–46)
Die Doppelbelastung durch Studium und Erwerbstätigkeit schränkt die Freizeitund Erholungsräume der Studierenden ein, was zu erheblichen Stresssituationen führen und sich nachteilig auf die Studienleistungen auswirken kann. Ich hab samstags angefangen zu arbeiten, im Handel. Das hat mich genervt, weil ich dann nie mehr frei hatte am Wochenende außer Sonntag, und da musste ich auch was für die Uni tun. Im Verhältnis Arbeit und Studium ist die Terminkoordination schwierig. Da könnte schon was gemacht werden. (I37, Z. 28–31)
Eine bessere Vereinbarkeit von Studium und Erwerbstätigkeit durch verstärkte Möglichkeiten individueller Studiengestaltung verringert das Belastungsempfinden und das Risiko eines Studienabbruchs. Flexibilisierungsmaßnahmen, wie etwa ein gezielter Einsatz von Online oder Blended Learning Angeboten anstatt reiner Präsenzveranstaltungen, können hier Abhilfe schaffen.
2.2 Die Statuspassage SchülerIn zu StudentIn Mit dem Studienbeginn gibt es vielfältige neue Eindrücke und Informationen zu verarbeiten. Diese Phase ist verbunden mit einer völligen Neuorientierung hinsichtlich der eigenen Selbstständigkeit bei Lebensorganisation, neuer StudienkollegInnen, Lehrender, Räume, Abläufe, dem Erstellen eines Stundenplanes und der eigenen Motivation zum Lernen. Bislang wirksame Lernstrategien greifen nun möglicherweise nicht mehr.
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS? Es war ein lang hingearbeitetes Ziel. Und sich dann tatsächlich Studentin nennen zu dürfen ist schon eine coole Sache. Aber die ganzen Aufgaben und Herausforderungen, die dann auf einen warten, die wir vorhin auch schon besprochen haben, haben zwar nicht meine Freude geschmälert, aber das ist vielleicht nicht das, woran man in erster Linie denkt, wenn man sich vorher vorstellt, Studentin zu sein. Für mich war die Vorstellung, Studentin zu sein, ganz viel Freizeit zu haben oder zumindest sich gut selbst organisieren zu müssen, um die Notwendigkeiten in der freien Zeit, die man hat, unterzubringen. Neben den ganzen Studentenrabatten, die man bekommt. Obwohl ich auch sagen muss, dass in meiner Vorstellung auch sehr viel Unsicherheit mitgespielt hat. Aus dem Grund, weil man aus der stark strukturierten Lernumgebung der Schule in etwas sehr Freies, wie das Studium, kommt. Es waren nicht nur freudige Erwartungen, sondern auch durchaus Unsicherheit. (I38, Z. 2–15)
Nach dem engen Korsett des Schulalltags erscheint das Studium vielen StudienbeginnerInnen zunächst wie eine gelobte Zeit voller Freiheit. Es öffnen sich Pforten zu einem weniger von Restriktionen bestimmten Leben, das eigenständig gestaltet werden kann. Subjektiv erlebte Freiheitsgrade und Wahlmöglichkeiten führen zu vermehrtem Autonomieerleben. Dazu kommt eine veränderte Selbstwahrnehmung, die mit dem Statuswechsel von SchülerIn zu StudentIn einhergeht. Also in der Maturaklasse hast du schon auch mitbekommen, dass du jetzt nicht mehr wie die Kleine behandelt wirst. Wenn ich jetzt wo sage, dass ich Studentin bin, dann klingt das also noch einmal besser – glaube ich zumindest (I3, Z. 10–13).
Der Universitätseinstieg ist für viele StudienanfängerInnen begleitet von einem Gefühl der ersten Unabhängigkeit, des Erwachsenseins und ist oftmals verbunden mit der Wahrnehmung, sich durch eigene Anstrengungen diesen neuen Status als StudentIn erfolgreich erarbeitet zu haben. Es war ein cooles Gefühl, dass man schon so alt ist und jetzt studieren gehen kann. Und ein sehr selbstständiges und freies Gefühl, dadurch dass ich zum ersten Mal auch von daheim ausgezogen bin. So ein Freiheitsgefühl. Und auch so, als ob man ein bisschen was erreicht hat, obwohl eigentlich noch kein Studium abgeschlossen ist, aber so dass man es geschafft hat, dass man studieren geht. (I37, Z. 1–5)
Mit dem Statuswechsel geht in vielen Fällen eine veränderte Selbstwahrnehmung einher, die auch Einfluss auf die Selbsteinschätzung haben kann, wie die folgenden Aussagen verdeutlichen.
2.2 Die Statuspassage SchülerIn zu StudentIn
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Ich glaube, ich wurde in dem Sinn selbstbewusster, dass ich mir öfter eingestehe, dass wenn ich was nicht machen will, ich es nicht machen muss. Ich glaube, dass ich mich auch etwas weiterentwickelt habe, dadurch dass man in einem anderen Kreis von Menschen reinkommt und diese alten Beziehungen ein bisschen zur Seite rücken. (I45, Z. 88–91) Was vor allem anders ist, ist dass ich jetzt vielmehr selbst entscheide, was für mich richtig ist und was nicht. Da ist’s mir oft schon egal, was die anderen wollen oder denken. Da fühle ich mich selbstsicher und auch gut. Das ist erst so, seit ich studiere. (I40, Z. 70–73)
Die Studieneingangszeit ist eine Phase, die Selbstbildungsprozesse in besonderer Weise anregt. Vielfach wird die Zunahme an Eigenverantwortung und selbstkompetenten Handlungsentscheidungen wie auch die Weiterentwicklung des vorhandenen Werte- und Normsystems erkennbar. Bei mir hat sich mit Studienbeginn ganz schnell sehr viel verändert. Ich habe dann auch begonnen mir mehr Gedanken zu machen und mir eine Meinung zu bilden, die ich dann auch verteidigt habe. Was alles Mögliche betrifft – den Skandal um die FPÖ, Ausländer. Aber das war auch, weil ich mir plötzlich erwachsen vorgekommen bin und das Gefühl hatte, so, jetzt geht dich das auch was an. (I36, Z. 109–113)
Häufig wird in dieser Transitionsphase das vorhandene Selbstbild neu überdacht, was ebenfalls Ausdruck einer sich verändernden Identität ist. Wenn ich jetzt anschaue, wie ich nach der Schule war und jetzt, hat sich sehr viel getan in mir. Einerseits die Selbstreflexion, die ich habe. Das ich alles hinterfrage, über alles nachdenke. Und auch wenn ich mit anderen Personen, mit irgendwelchen Gruppen, unterwegs bin. Dann kommen immer unbewusst Sachen aus dem Studium, was man gelernt hat, irgendwelche Theorien und Annahmen, plötzlich in den Kopf. Man versteht mehr als am Anfang, was zwischenmenschlich oder in einem passiert. (I39, Z. 122–127)
Wie diese Interviewpassage verdeutlicht, begeben sich StudienanfängerInnen in eine facettenreiche Auseinandersetzung mit sich selbst in ihrer neuen Umwelt. Selbst- und Fremdverhältnisse werden neu bestimmt, Transferleistungen der im Studium erworbenen Kenntnisse auf die außeruniversitäre Lebenswelt und damit verbundene Abstraktionsprozesse gelingen zunehmend. Mit dem Studienbeginn werden differenzielle Sozialisationsinstanzen wirksam, die weichenstellend für die weitere berufliche wie auch persönliche Entwicklung der Studienanfängerinnen sein können. Gerade in der ersten Begegnung mit der neuen institutionellen und sozialen (Bildungs-)Umwelt nehmen die
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Sozialisationseffekte der Lernwelt Universität und der sich verändernden Kontexte maßgeblich Einfluss auf die individuelle Entwicklung der Studierenden (vgl. Vosgerau 2005, S. 13). Neue Verhaltensformen, die Aneignung spezifischer Arbeitsweisen und Kommunikationsstile, aber auch ein veränderter Lebensstil oder veränderte Handlungs-, Denk- und Wahrnehmungsmuster prägen sich sukzessive aus. Die entwickelten und sich entwickelnden Habitusformationen und die damit einhergehenden Interpretationsschemata und Deutungsmuster lassen auf identitätsstiftende Prozesse schließen. Du merkst, wie du dich veränderst, wie du dich selber anders wahrnimmst. Du fühlst dich anders, denkst anders und redest anders. Das ist so, als würdest du dich aus einem Kokon rausschälen und zu einem anderen Menschen werden. Vielleicht zu dem, der du im besten Fall sein kannst. (I42, Z. 433–436)
Der Studienbeginn bedeutet den Vollzug der Statuspassage in die Hochschule und die Auseinandersetzung mit Vorstellungen und Konzepten über die eigene Rolle als Studentin oder Student. Auch die Erwartungen an die Institution Hochschule und die Anforderungen des gewählten Studiums beeinflussen die Wahrnehmung dieser neuen Lernwelt, die Selbstpositionierung innerhalb dieser und das Hineinwachsen in die jeweilige studentische Kultur. Zudem sehen sich die Studierenden von der nun sich vollziehenden akademischen Sozialisation beeinflusst. Ich bin selbstbewusster geworden, hab jetzt auch einen ganz anderen Wortschatz, wo mein Freund dann teilweise schon genervt war von Wörtern wie „assoziieren“. Meine Interessen haben sich auch verschoben. Die Ferien nutze ich seit dem Studium für Reisen. Auf das hab ich vorher halt nicht so viel Wert gelegt. Dann bin ich am Studienanfang mit meinen besten Freunden aus der Schule zusammengezogen. Das hat ein Jahr funktioniert und dann sind wir im Streit auseinandergegangen. Wir hatten einfach ganz andere Ziele im Leben und das hat sich eben erst beim Zusammenwohnen herausgestellt. (I46, Z. 116–123)
Die Sichtweisen von StudienanfängerInnen sind in all ihren unterschiedlichen fachspezifischen Anforderungselementen grundsätzlich von einigen gemeinsamen Herausforderungen getragen. Die Statuspassage SchülerIn zu StudentIn zeichnet sich einmal durch die Herausbildung einer eigenen Rolle aus. Diese Rollenentwicklung wird einerseits von den gesellschaftlichen sehr positiv besetzten Zuschreibungen des Status von Studierenden und dem fachspezifischen Ansehen der speziellen Studienrichtung geprägt. Dies sind quasi kulturell verankerte „Vorschusslorbeeren“, mit denen die Gesellschaft Studierende für ihre Form der Berufsvor- und -ausbildung beschenkt. Diese Rollenvorgabe muss dabei
2.2 Die Statuspassage SchülerIn zu StudentIn
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aber auch mit den eigenen bislang eingenommenen Vorstellungen und Konzepten, was es bedeutet, StudentIn zu sein (bzw. als solche bezeichnet zu werden), verbunden werden. Hierbei geht es um die konkreten Funktionen, Aufgaben und antizipierten Ansprüche des Studiengangs und der Institution Universität insgesamt, aber auch um die subjektiven Bemühungen, sich in der unmittelbaren Umgebung als Studierende/r zu positionieren. Meine Eltern sehen mich definitiv jetzt anders, seit ich in Graz studiere. Das merke ich an vielen Dingen, auch wie sie das den Nachbarn erzählen und so. Sie sind da schon stolz darauf. (…) Für mich ist das ja auch neu. Manchmal muss ich selber schmunzeln, wie das klingt, Studentin. (I17, Z. 98–101) Alle waren stolz, die waren komplett stolz, weil ich die erste aus der Familie bin. Ja, komplett stolz. Sie waren alle sehr beeindruckt. Und jetzt studiert auch mein Bruder und eine Cousine habe ich, die hat studiert. Aber sonst bin ich die Einzige. (I42, Z.11–13) Diese ganze Sache mit Studentin und so, wie das halt klingt, das hat schon einen Reiz, weil du bist keine kleine Schülerin mehr und wirst halt so als frei gesehen, kannst was ausprobieren und das ist schon toll, wenn man aus so einem kleinen Familienverband kommt. (I2, Z. 12–15)
Die Studienwahl scheint auch aus sozialpsychologischer Perspektive beachtenswert, da diese je nach Studienrichtung zu spezifischen Zuschreibungen von Persönlichkeitseigenschaften, Einstellungen oder Haltungen führen kann. Also wenn du bei uns in der WG sagst, dass du Jus studierst, dann ist das so, als würdest du jetzt also unbedingt Anwalt werden, und da sehen dich die meisten schon also so ein bisschen als geldgierig und auch ein bisschen als so ein Snob. Wir haben in der WG einen der studiert Sozialarbeit auf der FH und da hast du ein ganz anderes Standing. Da bist du halt der, der sich für die Armen einsetzt und so. Also das kann ich schon immer wieder feststellen, dass da schon auch so eine Ideologie angesprochen wird. (I4, Z. 56–61)
Gleichzeitig müssen StudienbeginnerInnen aber auch damit zurechtkommen, dass sie in ihrem Studium von Höhersemestrigen oder auch von den Universitätsangehörigen als Unerfahrene behandelt werden. Ganz deutlich wird dies z. B. im Umgang mit der Bürokratie. Was ich jetzt schon gemerkt habe an unserem Institut ist, dass die Sekretärin also dich schon spüren lässt, dass du also nicht viel zu melden hast. Da wirst du also schon von oben herab behandelt. (I1, Z. 64–66) Daran musst du dich schon gewöhnen, dass du oft eher als Störenfried behandelt wirst, wenn du was brauchst von den Damen im Sekretariat. (I7, Z. 66–68)
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS? Ich wollte mich da für eine Gruppe ummelden, aber da war ich gleich wieder draußen bei der Tür. Da hab ich also schon einmal geschluckt. Ich glaube, dass man sich daran gewöhnen muss, dass das ebenso ist, wenn man sich noch nicht so auskennt. (I20, Z. 38–41)
Die Botschaft, die die Studierenden insbesondere in den stark nachgefragten Studien explizit und auch auf vielen informellen Ebenen bzgl. ihres Studienwunsches mitbekommen, ist eine oft ernüchternde. Dort, wo keine Zulassungsbeschränkungen vorhanden sind, ist die Haltung den Studierenden im ersten Semester gegenüber darauf ausgelegt, verschiedene Elemente der „Selektion“ spürbar werden zu lassen. Das ist jetzt schon sehr eindeutig, dass die Erstsemestrigen also nicht wirklich zählen. Da wird halt so etwas Futter hingeworfen und die Guten werden sich schon durchsetzen und die anderen stören ohnehin nur noch. (I2, Z. 19–22) Das merkst du auch z. B. im Institutssekretariat, wie die einen als Erstsemester behandeln und auch von den Professoren. Da bekommst du halt mit, hättest halt etwas anderes studiert, dann wäre das anders. (I1, Z. 32–34)
Die Frage von Zugehörigkeit ist gerade in der Phase des Studieneinstiegs von zentraler Bedeutung. Eng gebunden an das subjektive Zugehörigkeitsempfinden ist auch die Selbstpositionierung im universitären Gefüge, welche sich unmittelbar auf die Bereitschaft zur Teilhabe auswirken. Ich habe mich gut gefühlt. Es war was ganz Neues. Wenn du studierst, bist du was, würde ich mal sagen. Das ist zumindest bei uns zuhause so. Es studieren nicht viele und wenn man dann Studentin ist, dann hast du was erreicht, dass du überhaupt mal ins Studium kommst. Es gibt aber auch die andere Sichtweise, bei der es heißt „Studenten tun nichts, Studenten haben nur frei“. Also ich würde sagen, mit den zwei Seiten bin ich in Kontakt gekommen. Mama ist sehr stolz auf mich, aber der Papa ist eher so „Studenten tun eh nichts, ihr habt eh nur frei“. Er sieht das, glaube ich, ein bisschen unnötig, was ich hier mache. (I33, Z. 27–34)
Wie die Interviewpassage zeigt, sehen sich StudienanfängerInnen zum ersten Mal mit langjährig eingebürgerten Klischees und Vorurteilen über Studierende selbst konfrontiert. Oftmals stammen abwertende Zuschreibungen aus dem nahen Umfeld. Es ist cool, Studentin zu sein. Aber auf dich wird auch – das ist mir erst später aufgefallen – ein bisschen herabgesehen, von der arbeitenden Bevölkerung. Weil sie den Eindruck haben, dass Studenten gar nichts machen. Ich verteidige mich dann immer so stark, wenn ich das Gefühl habe, dass jemand so denkt, weil ich sage, es
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ist nicht so, dass Studenten gar nichts machen. Die haben halt eine andere Tagesaufteilung. Oft ist es sogar schwieriger, dass du deine Termine alle unter Dach und Fach kriegst, als wenn du einfach jeden Tag irgendwo hin gehst. Sicher ist es anstrengend, Vollzeit zu arbeiten und wenn du wirklich jeden Tag musst. Aber dass Studenten nichts machen. Sicher gibt es Studenten, die nichts machen, aber man kann nicht davon ausgehen, dass jeder Student nichts macht. (I44, Z. 456–465)
Zu Studienbeginn gibt es vielfältige neue Eindrücke und Informationen zu verarbeiten. Für viele Studierende bedeutet die Statuspassage des Studienbeginns zudem eine Raumpassage: Sie verlassen ihren bisherigen Heimatort und ziehen aus dem Elternhaus aus. Ein plötzlich stark verändertes Lebensumfeld und oft noch fehlende soziale Kontakte machen die erste Studienzeit aber auch zu einer emotional herausfordernden Phase. Mit Beginn des neuen Lebensabschnitts als StudentIn geht auch ein bedeutsamer Ablöseprozess von bislang ganz selbstverständlichen Lebensbereichen und dem vertrauten sozialen Umfeld einher. Die Wohnsituation war schon heftig, aus dem Elternhaus in eine größere Stadt, einige Stunden entfernt von daheim. Was mir ein bisschen gefehlt hat an der Uni, obwohl ich noch sehr motiviert war anfangs, zu den Vorlesungen zu gehen, ist, dass man in der Schule in einem Umfeld ist, in dem du mit deinen Schulkollegen und -kolleginnen von der früh bis mittags beisammen bist und deinen täglichen sozialen Austausch hast. (I38, Z. 76–80)
Der Studienbeginn erfordert eine völlige Neuorientierung in vielerlei Hinsicht, insbesondere dann, wenn am neuen Studienort auch die erste eigene Wohnung bezogen wird und Familie und Freunde nur noch medial erreichbar sind. In der Studienanfangszeit leiden viele Studierende unter der Anonymität an der Universität. Es fällt ihnen schwer, Anschluss zu finden und aus der Masse an KommilitonInnen Gleichgesinnte ausfindig zu machen. Das Kontakteknüpfen war für mich am schwierigsten, aber das liegt vielleicht auch ein bisschen an mir. Ich bin nicht eine, die leicht mit anderen ins Gespräch kommt. Meistens weiß ich nicht, was ich sagen soll. Dann spiel ich vor den Lehrveranstaltungen, wenn alle herumstehen, meistens mit dem Handy, schreib WhatsApps und so, und muss niemanden ansehen. (I44, Z. 98–101)
Viele StudienanfängerInnen fühlen sich nach dem Auszug aus dem Elternhaus einsam oder wünschen sich die frühere Zeit zurück, in der im vertrauten privaten und schulischen Umfeld „alles leichter und besser“ gewesen zu sein scheint.
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS? Mir ist es dann recht schlecht gegangen, ich weiß nicht, ob es der Umzug war. Ich hatte total Heimweh, das Studium hat nicht so gepasst. Und dann hab ich mir gesagt nein, das ist jetzt nicht mehr. Da musst du jetzt durch und dann wird es wieder besser. (I32, Z. 67–69)
Die Aufnahme eines Studiums weit weg von zuhause bedeutet nicht nur den Beginn sondern vor allem auch die aktive Gestaltung eines neuen Lebensabschnitts. Der Aufbau neuer Kontakte, Beziehungen und Freundschaften braucht Zeit und ein aktives Zugehen auf andere Mitstudierende. Alles war zum Verzweifeln. Einerseits, dass ich ausgezogen bin von zuhause, dass ich zuhause nur noch am Wochenende bin. Anderseits auch der Freundeskreis hat sich komplett verändert, weil viele arbeiten oder Schulfreunde, zu denen ich keinen Kontakt mehr hab, weil ich jetzt in Graz bin. Und auch die Beziehung zu meinem Freund, die hat sich ziemlich verändert. Zwischen meinem Freund und mir ist es komplizierter geworden. (I41, Z. 71–76)
Für die alten Kontakte aus der Schulzeit bleibt oft weniger oder gar keine Zeit, weshalb alte Freundschaften und Beziehungen schwerer aufrecht zu erhalten und zu pflegen sind. Eine Freundin hat das Studium aufgehört, weil sie ihre Freunde verloren hat. Die sind dann in andere Seminare gekommen oder sie ist nicht in ein Seminar gekommen. Und dann hat sie sich allein gefühlt, keine neuen Personen kennen gelernt und dann hat sie das Studium abgebrochen. Das war sicher nicht der einzige Faktor, aber sicher ein Faktor, der mitgespielt hat. Zudem glaube ich, ist es gut, wenn man Anlaufstellen an der Uni hat. (I43, Z. 102–106)
Nehmen Heimweh oder das Gefühl von Einsamkeit kein Ende, so kann an jeder Universität eine psychologische Beratungsstelle aufgesucht werden. Hier können Studierende ihre Problemlagen und ihr Befinden individuell und vertraulich besprechen.
2.3 Studieneignung und Studienneigung Studierfähigkeit als überaus vielschichtiges Phänomen vereint neben der durch die Schule generell beschleunigten Hochschulreife auch Phänomenen der kognitiven, fachlichen und sozialen Vorbereitung auf die neue Rolle. Gerade die fachwissenschaftlichen und wissenschaftsimmanenten Logiken in Verbindung mit einem als verbindlich angesehenen Studienverlaufsplan mit engen Fristen
2.3 Studieneignung und Studienneigung
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und einer dichten Abfolge von kleinteiligen Lehrveranstaltungsinhalten und doch häufig ungeregelter Präsenz machen den Studierenden am Anfang ihres Studiums durchaus zu schaffen. Da sie sich in der Regel am „Ganzen“ eines Faches in der Studienwahl orientiert haben, das ihnen meist sehr oberflächlich familiär oder medial vermittelt wurde, sehen sie sich plötzlich vielen Detailanforderungen gegenüber, bei denen sie sowohl die Professionskomponente als auch die alltagsweltliche Dimensionierung kaum erkennen können. Die von den Lehrenden „behaupteten“ Bezüge zur Berufswelt werden deshalb sehr oft kritisch betrachtet. Irgendwie muss ich da etwas verpasst haben, aber wenn ich meinen Stundenplan ansehe, habe ich also gerade einmal ein Fach, das mich interessiert im ganzen Semester. Da kann also was nicht passen, das ist ja noch ärger als in der Schule. Und die Lehrenden kümmert das also auch überhaupt nicht, weil die kennen sich ja dort gut aus, wo sie vortragen. Und das war’s auch schon. (I6, Z. 33–38) Ich weiß schon, dass das Studium theoretisch ist, aber ehrlich gesagt habe ich es mir nicht so abgehoben vorgestellt. (…) Vielleicht ist das auch mein Fehler, dass ich mir den Lehrplan zu wenig angesehen habe. (I4, Z. 6–9) Bei uns hat ein Lehrender also gleich in der ersten Stunde gesagt, dass wenn wir jetzt einen Beruf lernen wollen, gleich auf die FH gehen sollen. Er macht hier Wissenschaft. (I16, Z. 32–35)
Im Zuge von Selbsteinschätzung versuchen Studieninteressierte ihre Fähigkeiten und ihre Persönlichkeitseigenschäften mit Disziplinen in Bezug zu setzen, die ihren angenommenen Stärken entsprechen. Also wenn ich jetzt Chemie oder Physik studieren müsste, würde ich das sicher nicht schaffen, aber ich kann mir mein Studium ja selber aussuchen. Da gehe ich davon aus, dass die Leute schon wissen, was sie können und was ihnen besser liegt. (I2, Z. 48–51) Also mit 18 Jahren weiß ich schon grundsätzlich, wo meine Stärken liegen oder ob ich gut auswendig lernen kann, was man z. B. in Jus gut können muss. (I12, Z. 6–8)
Was die kognitiven und fachlichen Dimensionen beim Studieneintritt betrifft, so schätzen die meisten befragten Studierenden ihre Studierfähigkeit selbst als noch eher unklar definiert ein. Dort, wo nicht-vorhandenes Vorwissen wettgemacht werden muss, erscheinen die vorhandenen Sicherungsnetze allerdings oft nicht ausreichend. Das werde ich sicher noch sehen, ob das ausreicht, das kann ich noch nicht sagen. In französischer Grammatik fehlt mir definitiv was, das muss ich alleine nachlernen, weil im Kurs ist das nicht möglich. Das kostet echt viel Zeit. (I13, Z. 66–69)
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Die Identifikation fehlender Wissensbestände oder Kompetenzen für einen erfolgreichen Studieneinstieg ist SchulabgängerInnen kaum möglich. Hier wird Selbstüberlassenheit in Bereichen spürbar, die für einen gelingenden Studieneinstieg von zentraler Notwendigkeit sind und wo es meist konkreter Hilfestellungen bedarf. Was darüber hinaus auch noch mehrfach angesprochen wird, ist das Thema der konkreten fehlenden Vorkenntnisse, die ein Mitlernen erschweren. (I10, Z. 18–20) Ich merke schon, dass mir große Teile der Mathematik fehlen. Das muss ich nachlernen. Das habe ich auch unterschätzt, wie schnell die hier vorgehen. (I10, Z. 12–14) Vor allem in der Grammatik, da hapert es aber wirklich. Das geht aber nicht nur mir so. (13, Z. 46)
Die Matura verleiht zwar die allgemeine Hochschulreife und berechtigt zum Studium an einer Universität, gibt jedoch kaum weiter Auskunft über die tatsächliche Studieneignung. Der Zusammenhang zwischen Maturanoten und Studienerfolg ist allgemein umstritten und wird auch von StudienanfängerInnen in der Regel nicht als aussagekräftig für ihre Studieneignung betrachtet. Handelt es sich bei den Maturafächern nicht um unmittelbar mit dem zukünftigen Studium zusammenhängende Lerninhalte, so können Beurteilungen kaum als Prädikatoren für Studienleistungen herangezogen werden. Selbst wenn fachliche Bezüge gegeben sind, ist das Hochschulstudium doch mit anders gelagerten Herausforderungen versehen als schulisches Lernen. StudienanfängerInnen sehen daher die Matura eher als Hochschuleintrittsticket von zweifelhaftem Wert und schreiben ihr lediglich eine „Gatekeeper“-Funktion zu. Ich weiß jetzt nichts über die Matura der anderen oder aus welchen Schulen die kommen. Das ist aber auch nicht wichtig, außer wenn manche meinen, sie sind im K-Gym besser in Mathematik oder so. Wichtig ist, dass du die Matura hast. Mehr nicht. (I10, Z. 68–71) Also auf der Uni werden die Karten sowieso neu gemischt. Wenn du was nicht kannst, musst du halt schauen, dass du das selber nachlernst. Dass manche hier einen Vorteil haben, weil sie eine Sportart schon lange ausüben, mag schon sein, aber ein Thema ist das nicht. (I5, Z. 46–50)
Maturanoten berechtigen zu einem Studium „ad libitum“, wobei Selektionen im ersten Studienjahr meist durch schwer zu bestehende „Knock-out Prüfungen“ erfolgen.
2.3 Studieneignung und Studienneigung
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Also ich habe jetzt ja noch keine Klausur geschrieben, aber ich habe gehört, dass die Noten eher schlecht ausfallen müssen, weil sie aussieben sollen. Das drückt dann ehrlich gesagt schon meine Motivation für das Studium ein wenig. (I26, Z. 26–29) Eine Herausforderung war die erste große Prüfung, so eine Art Knock-Out Prüfung mit den 16 ECTS. Obwohl man noch gar nichts weiß vom Studium, muss man schon Strafrecht, Privatrecht – also bürgerliches Recht – und öffentliches Recht eigentlich schon in Grundzügen kennen bei der Prüfung. Und das nach einem halben Jahr, das ist schon sehr schwierig, weil du davor noch nie etwas davon gehört hast. Das war die erste große Herausforderung. (I36, Z. 52–56)
Die Entscheidung für ein Studium basiert letztendlich meist auf Vorstellungen, die in der Form von antizipierten Erwartungshaltungen ihren Ausdruck finden. Nicht nur realistische Erwartungen an das Studium, sondern auch eine gute Passung zwischen Studierenden und ihrer neuen Lernwelt führen zu mehr Zufriedenheit mit der Studienwahl. In der ersten Begegnung mit dem Studium wird vielen Studierenden die Diskrepanz zwischen den von ihnen an das Studium gestellten Erwartungen und der tatsächlichen Studienrealität bewusst. Dies betrifft nicht nur die Begegnung mit einer Bildungswelt, die sich in vielerlei Hinsicht fundamental von der langjährig vertrauten, schulischen Lernumgebung unterscheidet, sondern auch Vorstellungen hinsichtlich fachspezifischer Studieninhalte. Ich glaube, man muss wirklich früh wissen, was im Studium auf einen wartet und was man können muss, um das Studium zu schaffen. Im Bachelorstudium ist das oft das grundlegende Wissen. Aber oft geht’s um viel mehr als Wissen, das man schon hat. Das hat mit einem selbst zu tun, mit den Interessen, den Stärken und Schwächen und der ganzen Persönlichkeit. (I32, Z. 34–39)
Differenzen zwischen Erwartung und Realität müssen abgefedert und ausgeglichen werden, eine Notwendigkeit, die StudienanfängerInnen meist selbstüberlassen bewältigen müssen. Zwar könnten bereits erwähnte Betreuungs- und Beratungsleistungen schon vor der Aufnahme des Studiums einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, in den meisten Fällen gelingt eine umfassende Aufklärung jedoch nicht. Wissen SchulabgängerInnen nicht, was das gewählte Studium tatsächlich birgt und erfordert, können sie ihre Studienwahl nur auf ihre eigenen meist noch eher diffusen Einschätzungen und auf oft unsystematisch erhaltene Informationsfragmente stützen. Die typischen Erwartungen was die Vorurteile von Psychologen und Psychologinnen sind, hatte ich schon. Ich gehe jetzt in das Studium und dann weiß ich, was Menschen denken. Komplett naiv eigentlich. (I32, Z. 42–44)
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2 STOPOUTS, DROPOUTS ODER FLEXIBLE PATHWAYS?
Weichen die studienspezifischen Einschätzungen zu stark von der Realität ab, so stehen StudienanfängerInnen vor der Schwierigkeit, sich den tatsächlichen Gegebenheiten anzupassen. Gelingt die Herstellung dieses Passungsverhältnisses nicht, kann dies Studienfachwechsel, Hochschulwechsel oder überhaupt einen Studienabbruch zur Folge haben. Um jetzt gleich mal mutzumaßen über die anderen, glaube ich, dass es oft mit den Erwartungen zusammenhängt. Dass gewisse Erwartungen, und jeder hat natürlich Erwartungen an sein Studium, nicht erfüllt werden. Und definitiv sind die ersten zwei Semester eine kritische Phase, weil die Lehrveranstaltungen aufeinander aufbauen. Man hat zuerst die Grundlagen, die man am Anfang beherrschen muss. Manche empfinden das vielleicht zu theoretisch und trocken und finden noch nicht so wirklich den Weg, wo es Anwendung findet im späteren Berufsalltag. Um jetzt wieder auf mich zurück zu kommen: Ich habe meine Erwartungen sehr an dem orientiert, was ich auch wirklich durch die Informationssuche auf der Uni-Webseite zusammensammeln konnte. Dementsprechend war ich auch wirklich bis jetzt nicht an dem Punkt, an dem ich gerne eine Pause von meinem Studium gehabt hätte oder an einen Abbruch gedacht hätte. (I41, Z. 311–322)
Aus der Problematik fehlender Passung zwischen Erwartung und Realität kann abgeleitet werden, dass Studierende gerade in der ersten Phase gezielte Betreuung und Beratung benötigen. Nehmen Hochschulen die Studieneingangszeit als bedeutende Transitionsphase ernst, so zeigt sich, dass das Aufgreifen mitgebrachter Annahmen von StudienanfängerInnen insbesondere im ersten Studienjahr ein unverzichtbares Schlüsselelement darstellt. Also, so richtig weiß ich jetzt noch immer nicht, ob ich das richtige Studium mache. Ich meine, ob das zu mir passt und ich das überhaupt schaffen kann. Ob ich da hinpasse. Vielleicht bin ich eh im falschen Film. Aber das wird sich bald zeigen, nach den Prüfungen. (I35, Z. 56–59)
Die Freude darüber, nun nur noch das zu lernen, was wirklich den eigenen Interessen, Neigungen und Begabungen entspricht, weilt in vielen Fällen nur kurz. Das gewählte Fach splittet sich zu Studienbeginn schnell in Teilbereiche auf, deren Existenz zuvor oft nicht einmal erahnt wurde, und deren Notwendigkeit schwer nachvollziehbar ist. Uninformiertheit über wesentliche Studieninhalte erweist sich in einer Vielzahl an Fällen als ursächlich für Unzufriedenheit mit der Studienwahl.
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Ich dachte, jetzt lerne ich nur noch das, was mich interessiert. Also nicht mehr Mathe und Geographie und so wie in der Schule, sondern nur noch Französisch. Und dann hast erst wieder so viel anderes dabei. Landeskunde, Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und so. Das war echt furchtbar. Am liebsten hätte ich alles hingeschmissen, gleich am Anfang. Aber dann hab ich durchgebissen, weil ich dachte, wahrscheinlich musst du in jedem Studium viel machen, was dich nicht interessiert. (I41, Z. 38–43)
Mangelnde Informiertheit über das Studium, fehlender Praxis- und Anwendungsbezug in der Lehre sowie fehlendes Wissen, um eine fachliche Integration zu gewährleisten, gehören mit zu den großen Hürden in Zusammenhang mit einem erfolgreichen Studieneinstieg. Zudem tritt das „Fach“ für viele StudienanfängerInnen in anderen Bezügen in Erscheinung als angenommen. Im ersten Labor haben sie uns hineingestellt und haben gesagt: Fangt’s an. Und wir haben keine wirkliche Sicherheitseinführung gehabt. Die haben wir erst im zweiten Labor gehabt. Wir waren dann in einer Gruppe und 30 Leute sind drinnen gestanden und haben sich gedacht, was machen wir da? Das sind eure Aufgaben, das müsst ihr lösen. Dann haben wir qualitative und quantitative Analysen machen müssen. Wir haben unsere Laborausrüstung gerade bestellt gehabt. Hilfen von höheren Studierenden hat es gegeben. Die haben ein Skriptum zusammengestellt. Und wir haben gesehen, denen vor uns ist auch nicht besser gegangen. Aber das wurde von Generation zu Generation weitergegeben. (I44, Z. 65–73)
Die Abstimmung persönlicher Voraussetzungen und Dispositionen mit der tatsächlichen Studienrealität ist ein ganz zentraler Schritt für die Erreichung eines Passungsverhältnisses zwischen Studieneignung und Studienanforderungen. Es ist echt blöd, weil man das bei uns echt erst spät sieht, um was es wirklich geht. Das könnten sie vielleicht besser machen. Dass man vorher schon aufklärt mehr um was es geht und was das Ziel dieses Studiums ist. Und was auch mehr die Lerninhalte sind. Und was auf dich zukommt in den Laboren usw. Das habe ich eigentlich nicht gewusst. (I44, Z. 76–79)
Viele Universitäten bieten Online-Self-Assessments an, die verglichen mit der persönlichen Studienberatung den Vorteil haben, über uneingeschränkte Teilnahmekapazitäten zu verfügen. Zudem können sie auch in Zeiten genutzt werden, in denen die persönliche Studienberatung nicht zugänglich ist. Ja, da wird schon viel abgecheckt. Da geht’s um Wissen, sprachlichen Ausdruck und Verständnis, mathematische Aufgaben, um die eigene Persönlichkeit. Viele unterschiedliche Bereiche, die man offenbar alle braucht im Studium. (I37, Z. 19–21)
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Über Self-Assessments wird die Studienrealität etwa durch prototypische Aufgabenstellungen, die einen Einblick in das Studienfach geben, konkret bearbeitbar gemacht. Wer beispielsweise in einem Online-Self-Assessment für den Studiengang Französisch auf komplexe literaturwissenschaftliche Aufgaben stößt, dem wird es schwerfallen, weiterhin anzunehmen, dass nur Sprachausbildung eine Rolle spielt. Auf diese Weise wird ein Einblick in studienfachspezifische Themenkomplexe und Bearbeitungsformate gegeben und es erfolgt eine erste Erwartungskorrektur über das Lösen exemplarischer Studienaufgaben. Eine Freundin von mir ist nach Deutschland gegangen. Sie hat von der Uni Mannheim einen online Check zur Studienwahl gemacht. Das hat ihr echt geholfen, weil sie da gemerkt hat, dass sie sich vieles anders vorgestellt hat. Sie hat’s dann trotzdem gemacht, ist aber anders da reingegangen. (I33, Z. 48–51)
Eine Erwartungskorrektur erlauben auch konkrete Tests, die das Vorwissen abprüfen, das zu Studienbeginn vorhanden sein sollte. Diese verdeutlichen, welche Grundkenntnisse für einen guten Start ins Studium erforderlich sind. Bei unseren Studien kommst oft sehr spät drauf, ob es dir liegt oder nicht. Wenn du das erste Mal im Labor bist und dann draufkommst – puh ich mag das nicht, dann ist es echt schon blöd. Der Weg, bis du dort hinkommst, ist so anstrengend und fordernd. Ich habe echt gehofft, dass mir das taugt. Wenn das komplett blöd gewesen wäre, hätte ich nicht gewusst, was ich machen soll. (I45, Z. 66–70)
Insbesondere Studienrichtungen mit starker Nachfrage und begrenzten Studienplätzen stellen die Qualifikation der BewerberInnen durch Aufnahmeverfahren und Eignungstests fest, um vorab die „geeignetsten InteressentInnen“ zum Studium zuzulassen. Meist kommt das Verfahren nur dann zum Einsatz, wenn die Zahl der registrierten StudienwerberInnen die in den Leistungsvereinbarungen festgelegten Studienplätze überschreitet (S. 1.3). Im Wesentlichen zielen Zulassungsverfahren darauf ab, die Studiendauer zu optimieren, begrenzte Ausbildungskapazitäten bestmöglich zu nutzen und qualitativ bessere Leistungen zu erreichen. Also, bei der Aufnahmeprüfung, da hab ich schon schwer geschluckt. Vorher schon, weil da habe ich erst gemerkt, was ich für das Studium alles können sollte. Das hätte ich mir so nie gedacht. Und dann hab ich Panik bekommen so eineinhalb Monate vor dem Aufnahmetest und hab gelernt. Aber echt viel. Und so hab ich dann auch im ersten Semester weiter gemacht. (I44, Z. 39–43)
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Vor dem Hintergrund professionstheoretischer Überlegungen überprüfen Auswahlverfahren dem jeweiligen Studium entsprechende leistungsbezogene Kriterien. Zulassungstests dienen damit der Feststellung kognitiver, sozialer und emotionaler Kompetenzen, je nach Studienrichtung können auch technische oder physische Fähigkeiten Gegenstand des Eignungsverfahrens sein. Kritisch ist anzumerken, dass individuelle Entwicklungsverläufe und persönliche Eigenschaften wie Ausdauer, Kontinuität, Engagement und Belastbarkeit in diesen Verfahren nur bedingt berücksichtigt werden können, obwohl diese für den Studienerfolg bedeutsam sind. Viele Studien haben keine Aufnahmeprüfung. Wir haben das Glück gehabt, dass wir eine Aufnahmeprüfung hatten und dass wir uns somit schon einmal mit dem Thema befassen mussten. Und da haben sicher schon einige gemerkt, das ist eher was für mich oder nicht. Ich glaube, Aufnahmeprüfungen sind sehr sinnvoll für die Studien. (I39, Z. 40–44)
Erwartungschecks sind eine weitere Möglichkeit, um einen Erwartungsabgleich vorzunehmen. Indem sie Studieninteressierte zielgerichtet mit ihren eigenen Annahmen und Vorstellungen zum Studienfach konfrontieren, ermöglichen sie eine Abstimmung der eigenen Erwartungen mit der tatsächlichen Studienrealität und zeigen bestehende Fehlannahmen oder unrealistische Erwartungen auf. Erwartungschecks beinhalten Fragen bezüglich der Studienerwartungen und geben den Studieninteressierten ein direktes Feedback, inwiefern ihre Erwartungen mit der Studienrealität übereinstimmen. Dabei werden den Studieninteressierten wesentliche Aspekte des Studiums aufgezeigt und sie werden zugleich zur Reflexion der eigenen Erwartungen angeregt. Damit erfassen und korrigieren Erwartungschecks Studienerwartungen meist unmittelbarer, als dies über prototypische Aufgaben oder Tests zum Vorwissen möglich ist. Was ich jetzt aus der Schule mitbringe, kann ich selber nicht so einschätzen. Ich merke schon, dass ich von Mathematik profitiere, zumindest ein wenig, aber auf der Uni gibt es so nicht die klassischen Fächer. Da musst du auch noch etwas Anderes mitbringen. (I9, Z. 58–61) Am Anfang durch die Unsicherheit war ich komplett überfordert und dadurch hatte ich jetzt nicht wirklich Zweifel, ob das das Richtige ist, aber da war ich einfach unsicher und habe gedacht, dass andere vielleicht besser damit klarkommen. (I37, Z. 66–68)
Wie sich zeigt, sind Zweifel, ob das gewählte Studium überhaupt den eigenen Interessen, Neigungen, Begabungen und Fähigkeiten entspricht, bei vielen
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StudienanfängerInnen gegeben. Selbst wenn die Entscheidung bereits auf ein bestimmtes Studium gefallen ist, kann eine gut ausgestaltete Orientierungsphase einen wesentlichen Beitrag zum Abgleich zwischen Studienanforderungen und individuellen Voraussetzungen leisten, was jedoch nicht immer der Fall ist. Am Anfang muss man ja durch die STEOP. Da sollte man eigentlich erfahren, wie das Studium genau aussieht, also was noch kommt und auch, ob das Studium für mich passt. Davon habe ich aber nichts gemerkt. Ich glaub, da geht’s nicht darum, den Studierenden zu helfen, sondern die raus zu hauen, die nicht gut genug sind. So ein Auseinanderdividieren von Streu und Weizen. (I38, Z. 41–45)
Nach Aussagen von Erstsemestrigen erfolgt im Rahmen der STEOP zwar eine Einführung in das Studienfach, organisationale Aspekte wie auch die individuelle Passung der Studienwahl kommen in vielen Fällen jedoch zu kurz. Ich bin jetzt froh, dass ich Sport gewählt habe und dass ich aufgenommen wurde, weil da triffst du halt auch Leute, die irgendwo Sportler sind und das ist dann so eine Wellenlänge. Obwohl ich schon bis jetzt gemerkt habe, dass da schon viele andere Fächer auch wichtig sind, die einfach sehr theoretisch sind, aber das was mich jetzt konkret anspricht, ist der Sport, also der Spirit. Ich hoffe, da kommt im Studium noch mehr davon. (I5, Z. 26–31) Ich glaube, mein Interesse und das genaue Beobachten, das verträgt sich sehr gut mit meinem Studium. Vielleicht weniger mit meinem Studium verträgt sich – und das ist bestimmt auf mehrere Studien generalisierbar – teilweise meine chaotische Zeitplanung. Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass mir soziale Situationen sehr viel abverlangen, sehr viel Energie rauben. Da sehe ich manchmal Personen, denen das sehr leicht fällt, das würde ich von mir nicht behaupten. Und wenn man dann die psychologische Richtung, die direkt mit Personen, Klienten, zu tun hat, anstrebt, könnte das auf jeden Fall ein Hindernis oder eine Herausforderung sein, an der man noch arbeiten könnte. (I38, Z. 767–775)
Wie sich zeigt, ist die Begründung und Verfestigung des Studienwunsches vielfach durch ein Informationsparadoxon konterkariert. Das Unwissen über die gewählte Studienrichtung ist trotz wachsender Informationen zum Studienangebot über Bildungsmöglichkeiten im tertiären Sektor (z. B. Informationsmaterial, Tage der offenen Tür, Webpages oder auch konkreten Veranstaltungen) weiterhin groß. Die Informationsfülle führt keinesfalls automatisch zu einer adäquateren Entscheidungsgrundlage und kann auch die Bindungskräfte in den Studienrichtungen eingangs kaum festigen. In den Aussagen der Erstsemestrigen wird die eigene Studienwahl nach dem ersten Kontakt an der Universität kaum als „perfekt passend“ bezeichnet. Vielfach lassen die hier verlangten Orientierungsund Anpassungsleistungen diesbezüglich noch keine klare Einordnung zu. Wenn
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das Passungsverhältnis groß ist, dann spielen vor allem fachliche und soziale Elemente eine tragende Rolle dabei. Die einzelnen Lehrveranstaltungen werden grundsätzlich als sinnvoll und bereichernd eingeschätzt und die Lehrenden unterstützen diese Einschätzungen durch klare, strukturierte und hilfreiche Angebote in Form von sinnstiftenden Lehrveranstaltungen und durch Formen des intelligenten Übens und individuellen Förderns. Der weitaus größere Teil der Studierenden geht mit einer sehr pragmatischen Grundorientierung ins erste Semester, die von der Abarbeitung eines Pensums bis hin zum dezidierten Sondieren und Ausprobieren eines Studiums reicht.
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3.1 Raumbezogene Subjektpositionierungen Mit Studienbeginn finden die ersten Begegnungen mit und in universitären Räumen statt. Dabei geraten Raumbeschaffenheiten nicht nur als „Behältnis“ oder „äußere Hülle sozialen Geschehens“ (vgl. Löw 2001) in den Blick, sondern sind gerade in Einstiegsphasen insofern als dynamisierend zu betrachten, als diese mehr als nur Bedingung oder Effekt sozialen Handelns sind. Räume symbolisieren und strukturieren die Verräumlichung sozialen Geschehens, wobei räumliches Denken mit Ordnungsmustern und Konstruktionsmechanismen eng verwoben ist. Die in den Interviews wiederholt hergestellten Raumbezüge sind aufschlussreich für die vorliegende analytische Betrachtung hochschulsozialisatorischer Prozesse, da sie soziale Organisationsformen des Miteinanders bzw. Nebeneinanders wie auch die subjektive Konstruktionsleistung, die mit der wechselseitigen Beeinflussung von Raum- und Selbstwahrnehmung einhergehen, zum Ausdruck bringen. Wenn Studierende die universitären Räumlichkeiten erstmalig betreten, so finden ihre Vorannahmen und Vorstellungen von dieser neuen Lernwelt oftmals wenig Bestätigung. Die Universität, das war für mich so im Gymnasium immer so eine Harry-Potter-mäßige Institution, wo sich die Treppen verschieben und die vielen Bilder in der Aula, von den Männern mit Rauschebart, die einen anstarren. Ich war da nämlich mit bei einer Sponsion von meinem älteren Bruder. Das war alles so fremd, und jetzt gehe ich da aus und ein. Aber irgendwie ist es auch jetzt noch so, nur anders, weil im Grund bleibst du doch halt mit deinen Sachen alleine, wenn du den Zauberstab der Wissenschaft jetzt nicht vorweisen kannst, oder wenn du noch was anderes willst im Studium außer Wissenschaftlerin sein. (I19, Z. 48–56)
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Egger und S. Hummel, Stolperstein oder Kompetenzstufe?, Lernweltforschung 16, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23283-2_3
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Hier tritt das Bild einer beinahe mysteriösen, bislang verschlossenen Welt zutage, die nun – mit bestandener Reife- oder Studienberechtigungsprüfung als Eintrittsticket – frei betreten werden darf. Die Vorstellungen darüber, was eine oder einen hier tatsächlich erwartet und wie diese Welt aussieht, ist für viele StudienanfängerInnen zunächst noch diffus, fremdartig, die Welt respekteinflößender WissenschafterInnen, die ihrerseits sonderbar und abgehoben erscheinen. Zugehörigkeit ist dann möglich, wenn man im Besitz des „Zauberstabs der Wissenschaft“ gekommen ist. Eine solche Haltung mag in Zeiten vorwissenschaftlicher Arbeiten in der Schule, vielfacher Studienberatungs- und Begleitungsaktivitäten, zahlreicher hochschuldidaktisch versierter, forschungsnaher Lehrformate verblüffen, dennoch eröffnet sie ein aufschlussreiches Bild von beginnenden Studierenden und deren Zurechtfinden in der akademischen Welt. Da kommst dir schon vor wie eine Außerirdische, einfach, weil noch nichts vertraut ist und nichts was mit dir zu tun hat. In der Schule hast wenigstens von Anfang an bestimmte Orte, die für dich bestimmt sind. Ein Klassenzimmer, ein Sitzplatz mit Tischhälfte und Bankfach oder ein Platz in der Garderobe zum Beispiel. Das sind schon mal Fixpunkte, die am Anfang schon bleiben und auf die du dich verlassen kannst. Auf der Uni gibt’s da nichts. Da bist du im Transit. Und in der Schule gehörst du auch zu einer Klasse, ich meine, die Schüler. Da bist du gleich Teil einer Gruppe. An der Uni gehörst du nirgendwo hin und zu niemandem. (I39, Z. 105–111)
Die Universität als Ort bleibt für viele zunächst eine Durchgangszone, in der ein Kommen und Gehen vorherrscht und der kaum als soziale Begegnungszone wahrgenommen wird. Erst die Herstellung einer persönlichen Verbindung und die Möglichkeit, sich innerhalb der sozialräumlichen Gegebenheiten selbst zu positionieren und mit anderen in Bezug zu setzen, lässt für viele Studierende ein erstes Gefühl von Zugehörigkeit entstehen. Die Lehrveranstaltungen sind also am Tag so eher auseinandergezogen. Da hat man viel Zeit, die man vertrödeln kann oder die man halt wartet. Und da kann es schon passieren, wie mir auch schon, dass man dann eben nach Hause fährt oder im Lokal oder in der Wiese mit anderen sitzen bleibt. (I15, Z. 61–64)
Der erlebbare und konkret vorfindbare Universitätscampus wird von den Studierenden als wichtiger Begegnungsort gesehen und genutzt. So verstreut die einzelnen Institute auch im gesamten Stadtgebiet sind, so stellen diese doch stets wichtige lokale „Anspielplätze“ dar, um die einzelnen Lernanstrengungen zu rahmen. Solche „Zwischenräume“, die dem sozialen Austausch und dem
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subjektiven Zurechtfinden dienen, sind vor allem als Gegenstruktur zum getakteten und zielbezogenen Arbeiten in den Lehrveranstaltungen wichtig. Ich bin recht gerne in Institutsnähe. Ich habe gemerkt, dass es mich in den ersten zwei Wochen immer wieder dahingezogen hat, weil da ist jetzt so viel Leben und ich selber habe da auch das Gefühl, dass ich jetzt wirklich studiere. Da sind die Seminarräume und die anderen Studenten, das habe ich bis jetzt gebraucht, um mich selbst auch als Studentin zu sehen. (T3, Z. 65–70) Wichtig sind auch die Rasenflächen vor der Uni, vor allem jetzt in diesem schönen Herbst. Da krieg ich immer so ein Gefühl, dass das jetzt ein Ort ist, der mir schon vertraut ist. Da treffe ich auch andere Leute und ich muss nicht immer in ein Lokal gehen, was immer Geld kostet. (I15, Z. 87–90)
Dieser konkret erlebbare Raum wird aber auch ausgedehnt durch virtuelle Gemeinschaftsräume, die vor allem den Zugriff auf Vernetzungsleistungen um das individuelle Lernen mobiler machen. Dabei wird der physische Ort (meist der Lehrveranstaltungsraum oder die Bibliothek) erweitert und Platz für Kommunikation in und außerhalb der Lernprozesse geschaffen. Studierende haben im vorliegenden Sample auch ein beachtliches Maß an Forderungen an die Infrastruktur der Universität. Gestaunt habe ich schon, dass jetzt im ganzen Gebäude eher wenige Steckdosen sind. Ich habe das bei meinem Freund, der auf einer FH studiert gesehen, dass die weitaus besser ausgestattet sind. (T14, Z. 66–68) Das mit dem Stauraum und dem WLAN ist bei uns noch ausbaufähig auf dem ganzen Campus. Manchmal hast du Glück, dass du was ergatterst und du eine Verbindung hast, aber manchmal geht also nichts. (I4, Z. 53–56)
Die Verbindung von außerhalb der Universität angebotenen Serviceleistungen und den einzelnen Lehrveranstaltungen hat sich als überaus wichtige Erweiterung im Sinne der Studierfähigkeit erwiesen. Ich habe heute einmal an einem Chat teilgenommen in der Studierendenberatung. Das war total informativ und auch sehr persönlich. Beeindruckt war ich von der tollen Atmosphäre, die die da aufgebaut haben. Das kann ich wirklich jedem empfehlen, weil du gehst da gestärkt aus dem Chat raus und weißt, dass da jemand ist, dem du was anvertrauen kannst und was jetzt nicht gleich wieder im Studium landet. (I6, Z. 87–91)
Ganz wesentlich sind für die Studierenden insbesondere in der Eingangsphase ihres Studiums feste Arbeitsplätze. Gerade die Erschaffung und Nutzung der eigenen persönlichen „Lerninfrastruktur“ ist ein stabilisierender Faktor in dem
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Versuch, Ordnung in die gesamte Studienstruktur zu bringen. Die eigenen Dinge liegen lassen zu können, sich Zusammenhänge und Pläne visuell anschaulich zu machen, selbst geschaffene Anker zur Absicherung der eigenen Studierhaltung zu kreieren – all das sind Elemente, die helfen, zu bewältigende Aufgaben mit Strukturen und Ritualen zu verknüpfen. Was ich für mich jetzt gefunden habe ist also die Uni-Bibliothek. Da ist immer was los und da kann man auch super gut lesen und Leute treffen (T3, Z. 72–73). Wo ich am meisten lerne, ist mein eigener Schreibtisch. Da gehe ich alles noch einmal durch, was auf der Uni passiert ist. Da habe ich alles, was ich brauche und kann mir einen Plan machen, was noch zu tun ist. Das Leben auf der Uni ist doch meist sehr oberflächlich und schnell. Da ist es gut, wenn ich so einen Platz zum Nachdenken habe. (T4, Z. 76–80) Ohne eigenen Schreibtisch könnte ich nicht leben. Ich bin in allem was ich tu extrem visuell. Ich muss mir das alles bildlich vor Augen führen. Das habe ich immer schon an meinem Schreibtisch gemacht. (T9, Z. 61–63)
Momente räumlicher Ordnungen, privat wie öffentlich, bieten auf ganz spezifische Weise Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit Studieninhalten und prästrukturieren Arbeits- und Lernformate.
3.2 Soziale Etablierung in der Studieneingangszeit Der Wunsch nach Aufmerksamkeit und Anerkennung wird von StudienanfängerInnen besonders hervorgestrichen, wobei interessierte und zugewandte Interaktionen in der Studieneingangszeit eher vermisst werden. Damit wird deutlich, dass gerade in dieser sensiblen Phase wenig Positive Strokes erfahren werden. Da lächelt dir niemand zu, meisten sehen dich die anderen gar nicht an. Und vor allem sagt niemand, das hast du wirklich super gemacht oder hier musst du dich noch verbessern. In der Schule habe ich immer gewusst, wo ich besonders gut war, besser als die anderen. An der Uni hab ich keine Ahnung wo ich steh. Also bis jetzt nicht. Da hast du nur die Noten, die irgendwie was darüber aussagen. Ja, du bist halt eine Nummer, als Mensch nicht wichtig. (I36, Z. 143–148)
Anerkennung und Wertschätzung macht sich zunächst darin bemerkbar, dass die Studierenden an der Universität überhaupt Beachtung finden. Dies setzt voraus, dass Universitätsbedienstete den Einfindungsprozess von StudienanfängerInnen an der Universität und ihre Entwicklung mit den Mitteln der Pädagogik fördern und unterstützen (vgl. Hafeneger; Henkenborg und Scherr 2007, S. 8 f.).
3.2 Soziale Etablierung in der Studieneingangszeit
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Auch in der ersten Begegnung mit neuen KommilitonInnen machen sich schnell Heterogenitätsmerkmale bemerkbar, wobei die Variationsbreite sozialer und regionaler Herkunft, aber auch die Verschiedenheit des sprachlichen Ausdrucks an der Universität wesentlich größer ist als dies in der Schule meist der Fall war. In meiner Schule z.B., das ist eine Landwirtschaftsschule, da ist jeder von einem Bauernhof gekommen. In der Stadt ist das ganz anders. Da kommen auch Leute vom Gymnasium, die mit dem überhaupt nichts zu tun haben. Da habe ich schon gemerkt, da brauche ich gar nicht davon reden. Dann habe ich mich schon integrieren müssen. Vor allem als ich meine Matrikelnummer abgeholt habe. Da habe ich eine getroffen, die hat Hochdeutsch mit mir geredet. Dann habe ich gedacht, oh Gott wo bin ich da hingekommen. Mit solchen Leuten studiere ich. Ob das dann so passt. Da musste ich mich schon integrieren. Am Anfang habe ich mich eher ruhig verhalten. (I44, Z. 204–211)
Soziale Integration im Kontext eines Universitätsstudiums braucht Verständigungsbereitschaft und Akzeptanz – auch von Seiten der StudienanfängerInnen. Vielfach ist der Bezug zu anderen Studierenden zunächst eher lose. In den Lehrveranstaltungen sehe ich also schon immer die gleichen Gesichter, aber ich hab da noch keinen Kontakt wirklich aufgebaut. Man redet halt so Smalltalk oder schimpft ein bisschen über ein paar Dinge, die jetzt nicht so gut sind, aber dass da etwas daraus entstehen kann, was darüber hinaus Bestand hat, ist mir noch nicht gelungen. Vielleicht liegt das daran, dass ich schon älter bin oder wird in den nächsten Semestern ja was, bin schon gespannt. (I2, Z. 34–38)
Die Strukturen, die es zu Beginn eines Studiums zu entwickeln gilt (Wochen- und Tagesablauf, Semesterplanung, Freiraum für spontane Aktivitäten etc.), spielen in der sozialen Etablierung ebenfalls eine große Rolle. Sich gemeinsam mit kritisch empfundenen Studienbedingungen zu arrangieren, kann ein erster Schritt hin zu Gemeinschaftsbildung sein. Die Kontakte erfolgen hierbei jedoch eher beliebig (etwa beim Warten auf den Lehrveranstaltungsbeginn) und bleiben in vielen Fällen sporadisch und oberflächlich. Was ich bis jetzt also vermisse, ist so ein Gefühl für das Miteinander. Jeder macht so sein Ding hier, finde ich, da fühlt man sich am Anfang schon eingeschüchtert. Da ist man schon allein, wenn man jetzt etwas mehr will, als nur Smalltalk. (T10, Z. 22–25)
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3 DER SOZIALRAUM STUDIUM
Was den Studierenden am Anfang zur sozialen und institutionellen Etablierung stark hilft, sind vor allem frei gewählte Lerngruppen. Angeleitete Gruppenfindungsprozesse in den einzelnen Lehrveranstaltungen oder auch in der HochschülerInnenschaft bieten dabei oft einen willkommenen Anlass, sich auch außerhalb dieser mit KommilitonInnen zu treffen und sich gegenseitig zu unterstützen. Das Blöde ist, dass bei uns die Leute nach der Lehrveranstaltung alle gleich wieder verschwinden. Es gibt zwar einige Plätze am Institut, aber da sitzen selten Leute, die ich gerne ansprechen möchte. (I2, Z. 66–69)
Lerngruppen als wesentlicher Lernraum in dem unter Peer-Atmosphäre in Alltagssprache gemeinsam Aufgaben bewältigt werden und in dem die eigene Lerndisziplin immer wieder hergestellt und aufrechterhalten werden kann. Da solche Lerngruppen in der Regel zufällig und ohne externe Unterstützung aus einer wahrgenommenen Notwendigkeit oder aus Sympathie entstehen, ist es vor allem für Menschen mit eher nichtlinearen Bildungskarrieren (durch Ängste oder einfach auch durch Zeitnot) schwer, diese informellen Strukturen für sich in Anspruch zu nehmen. Die meist abweisenden und als „kalt“ erlebten Lernumgebungen unterstützen kaum im Vorhaben der Entwicklung von Selbstdisziplin im kontinuierlichen Besuch und der Vor- und Nachbereitung von Lehrveranstaltungen. Organisierte Lerngruppen sind ein weiteres wichtiges Mittel der Studierendensozialisation und Lernorganisation. Sie bieten den Vorteil, dass das oft sehr einsame konzentrierte Selbststudium durch spezifische Formen der gemeinsamen Lernstofferarbeitung mit informellen Austauschsettings flexibel verbunden werden kann. Der heutige Tag war also echt gut. Ich war eingeladen zu einer privaten Lesegruppe von Studenten in einem höheren Semester. Da haben wir viel geredet über das Studium allgemein und über die Lehrenden und auch die Prüfungen und alles, was Studium ist. Da habe ich einen ganz anderen Eindruck davon bekommen, was das Studium jetzt ist. (T15, Z. 43–47)
Solche Treffen finden meist in Gaststätten oder in privaten Wohnungen statt, was den informellen Charakter ebenfalls unterstreicht und es erleichtert, sozialen Anschluss zu finden. Der Aufbau eines sozialen Netzwerks zur Absicherung der lebensweltlichen Anforderungen ist für alle befragten Studierenden wichtig. Dabei leisten sowohl
3.2 Soziale Etablierung in der Studieneingangszeit
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offene Begegnungsmöglichkeiten in Lokalen als auch instituts- und universitätsweite Veranstaltungen eine große Rolle. Ich war jetzt bei zwei Treffen von der IG und die waren schon sehr, sehr wichtig für mich. Da bist du also gleich in einer Gruppe und wenn du dich in der Vorlesung triffst, kennst du schon jemanden. (I2, Z. 56–48) Was gut ist, ist die Atmosphäre bei uns. Da bist du also gleich integriert. Ich meine, da sind nicht alle Lehrenden so, aber bei manchen bis du also schon einmal gleichwertig, wenn sie reinkommen. Da geht alles leichter, wenn man auch einmal einen Kaffee am Automaten zusammen trinkt oder so. (I5, Z. 81–84)
Feste, Feiern und informelle Treffen sind am Studienbeginn wichtig, da sie eine soziale Absicherung der Statuspassage Studium bieten. Das habe ich jetzt also schon mitbekommen, wo die BWLer vor allem sind oder die Molekularbiologen. Das kriegst du also schnell mit und siehst du auch an der Kleidung oder wie die reden. Da bin ich also noch neugierig auch darauf. (I29, Z. 11–113) Wenn du also in die W. gehst, dann herrscht da ein total anderes Klima als im K. Das hängt also schon stark von den Studenten ab, was die studieren. Das ist schon sehr interessant. (I. 18, Z. 96–98)
Die hier stattfindenden Aktivitäten sind einerseits universitätsintern nach verschiedenen Fachzugehörigkeiten gebündelt (z. B. Instituts- und Fakultäts-Welcome-Days, Institutsgruppen, etc.). Andererseits wird innerhalb der weitgestreuten Lokal- und Kulturszene ein offener Sozialraum sichtbar, der die unterschiedlichen symbolischen Zugehörigkeitsriten (z. B. Kleidungs- oder Sprachstile) miteinander stärker in Kontakt bringt. Auch Rituale und Ritualisierungen spielen eine wesentliche Rolle in Bildungsund Sozialisationsprozessen. Sie sind Teil institutionalisierter Strukturen und ermöglichen es jenen, die sich erstmalig innerhalb dieser Strukturen bewegen, sich in die bestehende soziale Ordnung einzufügen. Eigentlich vorher hat man gemerkt, dass sie immer auf den Tisch geklopft haben. Da dachte ich mir, bitte wo sind wir denn da. Im Kindergarten. Irgendwann akzeptiert man das. Klatschen ist auch übertrieben. Aber klopfen – wer hat das erfunden. Was für mich angenehm war bei den Vorlesungen, dass man nicht anwesend sein musste. Ich war eh immer dort. Aber das mit den Sitzen, dass die nach oben schräg sind, das war auch ganz neu. Aber das habe ich eigentlich cool gefunden. (I41, Z. 360–365)
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3 DER SOZIALRAUM STUDIUM
Zum Einfindungsprozess in das Studium gehört auch die Übernahme von universitären Ritualen, Praktiken und Gesten. Diese Übernahme ist wesentlich für die Eingliederung in das neue Sozialisationsfeld. Auch wenn diese zunächst seltsam erscheinen, werden sie schnell Teil des eigenen symbolischen Ausdrucksrepertoires und bestimmen die veränderte Performativität der Handlungen. Gerade in der Transitionsphase von Schule zu Universität ist die eigene Inszenierung universitärer Rituale daher ein wesentlicher Bestandteil gelingender Hochschulsozialisation.
3.3 Die Rolle der Lehrenden Lehren ist eine anspruchsvolle und herausfordernde Tätigkeit, die auf unterschiedliche Lernbedürfnisse abgestimmt und vor dem Hintergrund zunehmend heterogener Zielgruppen sowie sich wandelnder gesellschaftlicher und hochschulpolitischer Veränderungen weiterentwickelt werden muss. Dabei sind Lehrende gefordert, universitäre Lernsituationen so zu gestalten, dass die jeweiligen hochschuldidaktischen Maßnahmen den Studierenden eine umfassende Kompetenzentwicklung erlauben. Die Interviewpassagen verdeutlichen Zusammenhänge zwischen Kompetenzentwicklung und der Lernendenperspektive und verweisen darauf, was Hochschulen und Lehrende tun können, um StudienanfängerInnen dabei zu unterstützen, sich erforderliche Fachqualifikationen und Schlüsselkompetenzen anzueignen. Bei uns ist es echt so bei den Vorlesungen, da hast nicht wirklich Kontakt zu den Vortragenden. Weil sie stehen vorne und gehen wieder. Das ist echt witzig. Weil man dann in ein Labor kommt und sie haben die Matrikelnummer mit Foto und merken sich die Studierenden. Weil das ist eine viel persönlichere Beziehung. Und darum habe ich die Labore voll angenehm empfunden. Weil du einfach einmal Kontakt hast zu den Professoren. Und dann kannst einfach einmal fragen wenn du irgendetwas brauchst. Das war bei den Vorlesungen überhaupt nicht der Fall. Sicher hätte ich aufzeigen können. Aber ich glaube nicht, dass sie sich dann intensiv damit auseinandergesetzt hätten. Vor allem wenn jeder eine Frage hat, dann hätten sie nicht so eine Freude. Das war beim praktischen Arbeiten viel besser, weil sie sich viel mehr Zeit für dich genommen haben. Und dafür mehr auf deine Probleme eingegangen sind. (I40, Z. 467–477)
Rückmeldungen und die Betreuungsangebote von ProfessorInnen besitzen zu Beginn des Studiums für Studierende eine hohe Relevanz in der Lehre. Gerade diese Lehrendengruppe ist für StudienbeginnerInnen aber oft schwer zu greifen
3.3 Die Rolle der Lehrenden
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(meist nur in den großen Massenlehrveranstaltungen) oder aktiv aufzusuchen (was wiederum mit Gefühlen der Angst und des Ausgeliefertseins verbunden ist). In den ersten zwei Semestern glaube ich nicht, dass mehr Kontakt nötig gewesen wäre. Aber im Zuge von Seminaren wäre es schon teilweise sinnvoll und wichtig, dass man mehr Austausch hat. Zum Beispiel, dass man vor der Seminareinheit das vorbereitete Referat durchbespricht und Ergänzungen bekommt. Ich finde das ziemlich störend, wenn Lehrpersonen zwischendurch dann Dinge kritisieren oder ergänzen. Da komm ich immer aus dem Konzept. Da wär es für mich sinnvoll, dass sie es zuvor bei einer Besprechung anspricht. Das machen zwar ein paar Lehrpersonen, aber nicht alle. Zumindest, dass man die Möglichkeit dazu hat. (I45, Z. 139–145)
Die Lernenden sind an der Universität von Anfang an gefordert, Verantwortung für die eigenen Lernfortschritte zu übernehmen. Individuelle Rückmeldungen zu Lernergebnissen und Beratungsangebote, die mitunter abseits der Lehrveranstaltungszeit erfolgen, sind für sie ganz wesentlich, um selbstverantwortetes Lernen erfolgreich gestalten zu können. Das war schon am zweiten Tag so, überfüllter Hörsaal, alle haben so gehetzt gewirkt und die Professoren waren auch irgendwie eingeschüchtert oder halt auch fast ein wenig verlegen. Aber was sollten sie denn machen, bei so vielen Studenten. (T3, Z. 41–44) Ich habe bis jetzt den Eindruck, dass die Professoren sich viel darauf einbilden, dass sie Wissenschaftler sind. Das kommt mir fast so vor wie eine Ritterrüstung. Es ist schon klar, dass die gescheit sind, aber im Unterricht ist das oft sehr schwer, das zu kapieren. Da habe ich oft den Eindruck, dass ihnen das zu niedrig ist, was sie hier vor uns machen müssen. (I10, Z. 22–26)
Auch im Rahmen von Lehrveranstaltungen gibt es vielfach Möglichkeiten, mittels übersichtlicher und gut strukturierter Präsentationsformen den Studierenden anzueignende Inhalte gut verständlich näher zu bringen. Wenn sich Lehrende an Universitäten aber damit schmücken, dass ihr Tafelbild (weil sie es ja niemals gelernt haben) oder die Flipchart grundsätzlich unleserlich sind, macht sie das nicht zu dynamischeren Lehrenden sondern schmälert das zumeist die Qualität ihrer Lehre. Die „Flucht“ vieler WissenschafterInnen vor der Didaktik und einer theoretisch fundierten Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Lehre, hat vielfach auch damit zu tun, dass dadurch der Nimbus des oder der autonom Forschenden zerstört werden könnte. Das allbekannte Bild Einsteins mit seinen verstrubbelten Haaren (und vielleicht auch dessen Zungenakrobatik) im Blick, soll Wissenschaft vor allem durch Pathos und eine funktionalistische Fachsprache
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3 DER SOZIALRAUM STUDIUM
vermittelt werden. Als lebensnah oder interessant wird von den Studierenden Vieles davon nicht wahrgenommen. Das musst du erst einmal so bringen, dass du alle gleich am Anfang also in einen Topf wirfst, dass eh die meisten zu blöd dafür sind und dass sie gleich gehen könnten, damit die Fleißigen wenigstens ungestört lernen können. Das ist schon eine besondere Form des Willkommens! (I14, Z. 23–24)
Die ersten Kontakte mit der Lehre an der Universität erfolgen über mannigfache Wege. Ein als besonders umstrittener Beitrag dazu ist die Begrüßung durch Lehrende verbunden mit einem Eingangsstatement über die hohen Durchfallsraten in der speziellen Lehrveranstaltung oder über die generell schlechten Berufsaussichten, die als Ansporn oder als potentielle Abschreckungsszenarien erlebt werden. Bei der Studienberatung und überall sagen sie dir, dass es besser ist, wenn du etwas studierst, was du auch wirklich willst, und dann bekommst du schon zu Beginn gesagt, dass das alles eh ziemlich umsonst ist, weil kaum Jobs da sind. Das motiviert ungemein! (I15, Z. 82–84)
Ohnehin verunsicherte Studierende erleben diese Eingangssequenz als eher bedrohlich, da sie (oft selbst nicht von ihrem Studienfach überzeugt) aufgezeigt bekommen, dass ihre eigenen Anstrengungen als kritisch eingestuft werden – und dies sowohl an der Universität als auch im (hoffentlich) darauffolgenden Berufseinstieg. Lernstarke Studierende wiederum lassen sich durch derartige Interventionen kaum verunsichern, sehen darin manchmal auch einen regelrechten Ansporn. Wie auch immer derartige „Realitätsprognosen“ bewertet werden, steht dahinter doch eine Botschaft der Universität, wie Studierende gesehen werden und wie sie lernen, sich durch die Brille der Lehrenden selbst zu sehen. Was mir bis jetzt aufgefallen ist, dass die Lehrenden also so ziemlich zurückhaltend sind in den Lehrveranstaltungen. Das merkst du am Reden und an ihren Rückmeldungen. Das ist anders als in der Schule, wo man gleich immer das volle Programm abbekommt, so das ist zu tun und das ist zu tun. Da halten sich die Uni-Leute also schon zurück. (…) Ich kann jetzt gar nicht sagen, ob das besser oder schlechter ist, es ist für mich jetzt also noch gewöhnungsbedürftig. (I19, Z. 68–75) Das was ich jetzt schon sehe ist, dass es den Lehrenden also schon ziemlich egal ist, was wir in den Vorlesungen machen. Sie bringen einfach ihren Stoff und was wir dann damit machen, das ist also uns selbst überlassen. In der Schule wirst du also fast permanent aufgefordert, das und das zu tun, hier ist das ganz anders. (I18, Z. 75–79)
3.3 Die Rolle der Lehrenden
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Wir haben jetzt also schon ein Paper schreiben müssen und auf Moodle stellen. Ich weiß nicht, ob ich das richtig gemacht habe, weil ich habe da noch keine Rückmeldung erhalten. (T17, Z. 14–17)
Neben den vielen Einführungs- und Informationsveranstaltungen ist es gerade der Kontakt mit den Lehrenden, der den akademischen Habitus und oftmals auch die Haltung zu den universitären Anforderungen ausschlaggebend bestimmen. Aus diesem Grund schlägt eine Studentin vor, dass Erstsemester großteils nur von Lehrenden unterrichtet werden sollten, die von ihrem Fach begeistert sind. Der macht das wirklich gut, weil er wirklich begeistert ist von seinem Fach. Das sollte also eine Grundbedingung sein überhaupt, dass im ersten Semester nur Leute unterrichten dürften, wo man auch merkt, dass sie sich für ihr Fach auch tatsächlich interessieren. (I1, Z. 45–48)
Wie die Lehrenden versuchen, die Studierenden mit den Inhalten aber auch mit den anderen Lernenden in Kontakt zu bringen, wird als großer Unterschied zur Schule angesehen. Lehrende, die Lernende schon in der Lehrveranstaltung durch überlegte Aufgaben oder Situationen zu einer eigenständigen Auseinander setzung mit Inhalten aktivieren, werden in den Interviews (je nach Veranstaltungsformen und den jeweiligen Fachkulturen variierend) als die Ausnahme bezeichnet. Die Lehrer sind also, ich sage das einfach einmal sehr vorsichtig, nicht gerade einladend zu uns. Ich weiß schon, dass alle keine Zeit haben, aber es ist auch oft diese Art, wie man aus dem Hörsaal geht. Da traut sich keiner an den heran. (I9, Z. 12–15) Ich glaube gar nicht, dass die alle auch so sind, wie sie sich in den Lehrveranstaltungen geben, aber ehrlich gesagt, habe ich da kein gutes Gefühl, wenn ich irgendwo jetzt hingehen müsste, um was zu fragen. Da schreibe ich lieber ein Mail. (I20, Z. 48–51)
Die Rolle von universitär Lehrenden wird (vor allem in den Vorlesungsformaten, die die StudienbeginnerInnen am Anfang ihrer universitären Sozialisation vermehrt besuchen) als kaum präsent wahrgenommen. Je größer die Gruppen hier sind, desto schwerer wird es, ein gestaltbares Mittelmaß zwischen dem Reagieren auf vorgefertigte Inhalte bzw. Lehrsettings und Möglichkeiten der Selbsttätigkeit zu erreichen. Um derartige Prozesse zu unterstützen wäre es hilfreich, Möglichkeiten zu schaffen, wie Erstsemestrige mit Lehrenden kommunizieren könnten, um die gerade erforderliche Unterstützung zu bekommen. Dazu stehen bislang vor allem zwei Wege zur Verfügung: die kurze Kontaktaufnahme
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3 DER SOZIALRAUM STUDIUM
unmittelbar nach den Lehrveranstaltungen, was sowohl für Lehrende und auch für Studierende aber vor allem aus Zeitgründen oft schwierig ist, und der Besuch der regelmäßig stattfindenden Sprechstunde, die von StudienanfängerInnen selten genutzt werden, da diese eine Art von Hemmschwelle empfinden. Ich habe gehört, dass jeder Lehrende eine Sprechstunde hat – wie beim Arzt – und dass man da hingehen kann, wenn man sich nicht auskennt. Ich weiß nicht, ob ich das machen werde. Das kommt mir also ein wenig komisch vor. (T3, Z. 26–29) Ich weiß schon, dass es Sprechstunden gibt, aber ich würde da jetzt nicht hingehen wollen, auch wenn es etwas Wichtiges ist, weil was ich bis jetzt gesehen habe, ist der Kontakt jetzt nicht so menschlich oder so. (I14, Z. 68–72)
Sind Erstsemestrige aus ihrer schulischen Sozialisation zwar grundsätzlich an Lehrformen mit hohen Fremdsteuerungsanteilen und rezeptive Lernhaltungen gewohnt (vgl. u. a. Streblow und Schiefele 2006; Schulmeister et al. 2011), so fühlen sie sich in universitären Lehr- und Lernumgebungen durch widersprüchliche institutionelle Botschaften herausgefordert. Auf der einen Seite „versorgen“ sie Hochschullehrende bevorzugt mit „One-Way“-Kommunikationsformen (besonders in Studienfächern, die von Studierenden stark nachgefragt werden). Andererseits wird von ihnen aber gefordert, dass sie sich aktiv in die Regulation und Organisation des eigenen Lernprozesses einbringen sollen. Im schulischen Lehrhandeln ist quasi durch die permanente Bezugnahme der Lehrenden auf die SchülerInnen die Verbindung zwischen Stoff und Prüfung, Präsentation und Rezeption stärker aneinandergekoppelt. Im universitären Alltag wird dies als weitaus grobmaschiger und weniger strukturell erlebt. Dieser Übergang verlangt, die bisher verwendeten Lernstrategien zu adaptieren und eigenständig zu erweitern. Dazu gehört auch der Umgang mit diffusen Lernsituationen, die in der Schule durch den Klassenverband oder die Aufsichtsleistungen der Lehrenden (zumindest partiell) geklärt werden. Diese Aufgabe der eigenständigen Regulation des Lernens ist eine oft neue Facette in der Entwicklung eines akademischen Lernhabitus, die durch konkrete Unterstützungsangebote und Ressourcen in den Lehrveranstaltungen (aber auch in den Studiengängen insgesamt) erleichtert werden könnte. Die Lehrenden habe ich bis jetzt schon als distanziert erlebt, bis auf einen, der gleich mit allen per Du war. Die kommen halt rein und laden ihr Ding ab und gehen wieder. Was soll man da schon erfahren. (T12, Z. 16–18)
In den Lehrveranstaltungen fehlt einem Teil der Studierenden (wie in den Interviews implizit oder explizit angesprochen) die „Lesbarkeit“ einer Führung
3.3 Die Rolle der Lehrenden
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im Unterricht und durch Unterricht. So werden Großteils dominante Lehrpersonen erlebt, die sowohl durch ihren Wissensvorsprung, aber noch mehr durch ihre Haltung, als LehrautokratInnen agieren, die die Verbindungslinien zwischen Lehren und Lernen, zwischen Anforderungen und Lernsituation in den institutionalisierten Bildungsräumen wenig ertragreich gestalten. So unterschiedlich Studierende Situationen in den Seminar- und Hörsälen auch wahrnehmen mögen, so sehr sind sie doch abhängig davon, dass der wie immer auch geartete Entwurf von Unterricht (und nicht nur von der Präsentation von „Stoff“) in der Lehrveranstaltung erkennbar ist. Dies betrifft grundsätzlich zuallererst den Umgang mit den „Wissensinhalten“ – wobei klar sein muss, was wie wann zur Leistungserbringung vonnöten ist. Er schließt aber auch das situative Geschehen in der Gruppe mit ein. Dieser zu organisierende Rahmen ist für Jungstudierende oft nicht klar erkennbar, für den Lernerfolg jedoch ebenso ausschlaggebend. Was ich bis jetzt gesehen habe ist, dass alle sehr gescheit sind, das habe ich schon verstanden. Das macht es für mich also jetzt nicht leichter. Ich habe also so immer das Gefühl, dass ich da so wie im Krankenhaus behandelt werde. Da redet wer was über mich und dann werde ich halt operiert, oder herumgeführt von einem zum anderen. Ich weiß schon, dass das halt Wissenschaft ist, aber man muss einem ja nicht immer nur zeigen, dass man selber also ganz klein ist, so winzig. Dieses Gefühl habe ich jetzt also bis jetzt fast in jeder Lehrveranstaltung bekommen. (I14, Z. 33–40)
Von den Lehrenden fordert eine solche Orientierungsleistung, dass sie inhaltliche und strukturelle Elemente unmissverständlich (er)klären und ordnen können. Darüber hinaus sind hier aber auch Kompetenzen für die situative Gestaltung von Lernprozessen erforderlich, um Lernende durch didaktisch gezielte Aufgabenstellungen und Anregungen zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den Lehrveranstaltungsinhalten zu veranlassen. Dazu gehört eine spezifische Feedbackkultur, die die Führung durch den Stoff auch um eine Leitung hin zu angemessenen Formen der Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung von Lernenden erweitert. Ehrlich gesagt weiß ich am Ende der Vorlesung meist nicht, was ich da jetzt gehört habe und was davon wichtig ist oder nicht. Ich höre mir halt alles einmal an und hoffe, dass es dann eine Liste mit Fragen gibt, was mir eine Kollegin schon gesagt hat, dass auf Facebook da etwas existiert. Das lerne ich dann eben. (I1, Z. 14–18) Bei den Vorlesungen ist das schon gewöhnungsbedürftig. Da siehst du einen ganz weit weg was reden, du hast die PowerPoint und der redet und redet und dann gehen alle halt wieder raus. Das wars also. Da schaue ich mir das lieber auf Youtube an. (I4, Z. 68–72)
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3 DER SOZIALRAUM STUDIUM Am Anfang, im ersten Semester, war ich in jeder Vorlesung, weil ich sehr unsicher war, wie die Prüfungen sein werden. Und im Endeffekt merkt man, dass vieles sinnlos ist. Wenn Professoren und Professorinnen einfach von den Folien runterlesen, kann ich das daheim auch durchmachen und habe einen Mehrwert, weil ich einen Zeitgewinn habe. (I37, Z. 411–414)
Was die Rolle der Lehrenden angeht, so sind die Wünsche der Studierenden zu Beginn ihres Studiums durchaus heterogen. Diese reichen von einem distanziert-kollegialen Umgang bis hin zu einem lebensweltlich fundierten Verständnis für den studentischen Alltag. Grundsätzlich geht es aber allen darum, den Studierenden in den ersten Studientagen das Gefühl zu vermitteln, dass sie als Studierende willkommen sind, dass ihnen etwas zuzutrauen ist und dass der Respekt vor Lehrenden nicht durch einschüchternde wissenschaftliche Attitüden untermauert wird. Das habe ich schon gemerkt in den ersten Tagen, dass in der Lehrveranstaltung eine große Hürde für eine Diskussion war, weil der Lehrende also alle ziemlich eingeschüchtert hat und weil das alles nicht wissenschaftlich war, was wir gesagt haben. Das macht nicht gerade Mut. (T14, Z. 41–44) Ich finde, man sollte Studenten schon ernst nehmen, auch wenn sie jetzt noch nichts veröffentlicht haben. Wir müssen das ja erst lernen. Da darf nicht alles gleich so in Frage gestellt werden, was von einem kommt. (T1, Z. 12–14)
Zurückhaltung in der Begegnung mit den Lehrenden wie auch die Wahrung von Distanz ist insbesondere neuen Studierenden ein Anliegen. Die Trennung zwischen privatem Bereich und Studium ist Teil der Herstellung einer professionellen Beziehung. Ich habe von einer Kollegin gehört, dass die Lehrende gleich den ganzen Kurs zum Abendessen nach Hause eingeladen hat. Also das möchte ich nicht. Das ist mir schon zu intim. (T7, Z. 66–68) Ich warte immer ab, bis ich etwas von mir sage. Das ist auch kein Desinteresse oder so, aber ich bin nicht der Typ, der gleich alles so heraussagt. Ich finde, das muss man auch akzeptieren. (T14, Z. 23–25)
Immer wieder wird auch auf die Zeitdimension in Bezug auf die Lehrangebote und die Entwicklung der eigenen Lernleistungen eingegangen. Ich habe da erst gestern mit meinem Papa gesprochen, was wir jetzt alles lernen müssen und er ist Landwirt, also der hat gemeint, dass die Professoren also bei uns immer nur säen wollen und keiner hat also die Zeit, dass er auch was ernten will, also jetzt die Zeit dazwischen, meine ich, die hat keiner mehr. Da
3.3 Die Rolle der Lehrenden
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ist nur das Hineinstopfen, von Anfang an, aber so wachsen kann da nichts mehr. (I29, Z. 148–151) Gleichzeitig werden sie durch die Lehrenden Großteils auch noch derart verstärkt, dass sie sich in den einzelnen Lehrveranstaltungen in der Regel an jenen leistungsstarken Studierenden orientieren, die sowohl ein dementsprechendes Vorwissen als auch die Bereitschaft zum bereitwilligen Mitarbeiten mitbringen. Was vielen Studierenden schon zu Beginn ihres Studiums auffällt, ist die oft sehr ungenügende Verzahnung und Abstimmung der Lehrenden untereinander. So gibt es vielfach Dubletten in den Ausführungen und die Lehrenden nehmen auch kaum Bezug auf die anderen Lehrveranstaltungen im ersten Semester. Ich war jetzt drei Mal im Tutorium und ich habe für die Vorlesung davon nichts profitiert. Die machen einfach irgendetwas und fragen auch nicht, wo wir vielleicht noch etwas wissen wollen. In der anderen Gruppe geschieht dies sehr wohl, aber bei uns ist das ein bisschen anders. Da kann ich also keinen Bezug sehen. (T6, Z. 22–25) Es ist schon klar, dass jeder seine LV für die wichtigste hält, aber ich würde mir schon wünschen, dass die Sachen und die Vortragenden sich mehr ergänzen. Vielleicht sehe ich auch noch nicht so den Horizont, aber gerade im ersten Semester würde mir das helfen, dass ich sehe, wie das zusammenhängt. (T11, Z. 2–5) Ich habe da jetzt schon gelernt, wer der Feind vom Anderen ist, was also gar nicht so wissenschaftlich jetzt ist. Ich kann das nicht wirklich einschätzen, aber man weiß bald, was die Lehrenden hören wollen und was nicht. (T3, Z. 18–20)
Dort wo in den Studiengängen wenig bis keine expliziten Fachkenntnisse zu Studienbeginn erwartet werden, dominieren wiederum jene Personen, die die sozialen Situationen in den Lehrveranstaltungen für sich so arrangieren können, dass sie genügend (fachliche aber auch soziale) Sicherheit verspüren, um aktiv zu werden. Aber auch hier sind Personen mit Selbstzweifeln grundsätzlich kaum bereit, sich einzubringen. Ich sehe das schon eher kritisch, dass sich immer die gleichen melden, aber ich wüsste auch nicht, wie sich das ändern lässt. Die sind einfach selbstsicherer und schneller. Das ist in den Gruppenarbeiten so. Im Grunde nimmst du in der Gruppe recht schnell deine Rolle an und die bleibt dann auch so. (I2, Z. 74–77)
Aus Sicht der Studierenden als leicht behebbar bezeichnete Hürden, die eine unnötige Herabsetzung oder Ausgrenzung von Studierenden hervorrufen, werden als besonders fragwürdig erlebt. Dies gilt sowohl für die Lehrenden als auch für die Studierendenseite.
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3 DER SOZIALRAUM STUDIUM Heute hat unser Assistent sich furchtbar aufgeregt, dass wir nicht sprechen könnten, nur weil ein paar die Fragen halb in Mundart beantwortet haben. Das war äußerst unangenehm, weil er hätte das ja nur am Anfang sagen brauchen, dass es Hochdeutsch sein soll und ich glaube nicht, dass jemand etwas dagegen gehabt hätte. Sowas nervt einfach nur! (T8, Z. 212–215) Das war letztens mit den Übungsaufgaben so schlimm, weil er hat sie absammeln wollen, aber die meisten (so auch ich) haben sie nicht gemacht. Schlicht und einfach aus dem Grund, dass er das nicht gesagt hat, bis wann wir das brauchen. So sind wir alle blöd dagestanden und das hat die Stimmung total versaut. Ich weiß, das sind Kleinigkeiten, aber mich ärgert das einfach, wenn ich nicht weiß, was zu tun ist. So jetzt bin ich das auch losgeworden. (T9, Z. 26–31) Was mich persönlich auch immer wieder stört, ist das Verhalten von manchen Studenten, die immer so tun, als ob für sie alles eine Zumutung wäre und die Lehrenden anjammern, dass sie eh schon so viel machen müssen. Die sollten einmal überlegen, warum sie eigentlich auf der Uni sind. (T4. Z. 12–14)
Diese Elemente werden als fehlende Abstimmungsprobleme bewertet, die durch eine gezielte Vorbereitung (auf beiden Seiten) leicht hätten vermieden werden können. Von der Lehrendenseite sollten die Arbeitsaufträge klar und präzise formuliert werden, damit „unklare“ Situationen vermieden werden. Gleichwohl müssen sich die Studierenden überlegen, welche Verpflichtungen sie mit der Aufnahme eines Studiums eingegangen sind. Gerade in den Massenstudien kann dadurch eine diffuse Stimmung der Leistungsabwertung entstehen, die gerade auch motivierte Studierende als ein „Ausgeliefertsein“ an eine für sie belastende Gruppenatmosphäre erleben.
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VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
4.1 Universitäre Lehr- und Lernarrangements Während in der Schule Wissensvermittlung nach einem vorgegebenen Bildungskanon konzipiert und von einem hohen Maß an Vorstrukturierung durch die Lehrperson sowie von kontinuierlichen Leistungsfeststellungen charakterisiert wird, folgt universitäre Lehre gänzlich anderen Paradigmen: Dieser liegt aktuelle internationale Forschung zugrunde, Lehr- und Lernfreiheit ist ein indiskutables Hoheitsprinzip, und Zeit-, Stoff- und Prüfungseinteilung sind in hohem Ausmaß in der Verantwortung der Lernenden verortet. Die Studierenden sollen dazu befähigt werden, ihre Lernprozesse selbstbestimmt zu gestalten und nach kritischer Abwägung selbst zu beurteilen, welcher Lehrmeinung sie den Vorzug geben. (Selbst-)Reflexion, Selbstorganisation und Selbstmotivation stellen vom ersten Tag des Studienantritts an eine Notwendigkeit dar, um selbstbestimmte und erfolgreiche Lernprozesse zu durchlaufen. Obwohl den StudienanfängerInnen in der Regel bereits vor Eintritt in die Hochschule bewusst ist, dass vermehrt Eigenverantwortung für die Studienund Lernorganisation auf sie zukommt, so zeigen sie sich doch vom Ausmaß an Selbstüberlassenheit überrascht, die sie letztendlich erfahren. Ich hab schon gewusst, dass ich an der Uni keinen Stundenplan in die Hand gedrückt bekomme, und dass ich mir da alles selbst zusammensuchen und organisieren muss. Aber ich hab nicht damit gerechnet, dass es so gar niemanden kümmert, wie ich das mach und ob das so passen kann. Alle erwarten von Anfang an, dass du voll dabei bist, deine Sachen eh hinbekommst. Und auch, dass du mitreden kannst, so, als wärst du schon lange dabei und hättest einen Überblick. (I39, Z. 611–616)
Gefragt nach den Unterschieden zwischen Schule und Universität sehen die Erstsemestrigen des Weiteren folgende Unterschiede: © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Egger und S. Hummel, Stolperstein oder Kompetenzstufe?, Lernweltforschung 16, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23283-2_4
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN Was mir bis jetzt aufgefallen ist, dass die Lehrpersonen anders sind als in der Schule. Man sieht sie ja nur für eine Lehrveranstaltung und dann sind sie wieder fast unsichtbar. Das ist in der Schule anders, da ist das irgendwie doch familiärer. Ich glaube, die wollen das auch nicht anders auf der Uni. (I14, Z. 41–44)
Das „System Universität“ hat eine spezifische Logik und Eigendynamik, die zwischen institutioneller Unterstützung, kräftezehrender Bürokratie und Selbstüberlassenheit pendelt. Dieses Organisationsumfeld zu kennen und zu verstehen, die eigene Rolle zu klären, sich erfolgreich darin zu bewegen und es mitzugestalten, kann den Studieneinstieg erleichtern. Dafür ist es wichtig, ein vertieftes Verständnis der Funktionsmechanismen, Systemlogik und Eigendynamik der Organisation Universität zu entwickeln, was etwa durch Erfahrungsaustausch unter Kolleginnen und Kollegen oder durch Reflexion eigener Erfahrungen, Erwartungen, Ziele und Perspektiven gelingen kann. Also in der Schule hat man Fächer, hier hat man Vorlesungen, Proseminare oder Übungen. Das habe ich am Anfang nicht so ernst genommen, jetzt weiß ich, dass es vor allem auf die Prüfung ankommt. In der Schule machst du in den Fächern Schularbeiten und Referate und solche Sachen, hier ist das eher getrennt. Also am meisten profitiert habe ich bis jetzt von den Vorlesungen. Das ist manchmal richtig interessant. In den anderen Seminaren wird meist zu viel herumgeredet, das ist eher so wie in der Schule, nur ohne Schularbeit. (I22, Z. 38–44)
Studieren bezeichnet im Allgemeinen aktives, selbständiges und forschendes Lernen und ist damit mehr als ein passives Aufnehmen von Faktenwissen. Daher kann sich studentische Sozialisation nicht mit der bloßen Aneignung von fachlichem Wissen und berufsspezifischen Qualifikationen begnügen. Lernen an der Universität braucht einen kohärenten Bezug zu den Vorstellungen, die Studierende über die Wissenschaft und über ihre zukünftige Profession entwickeln. Während fachspezifische Selektionseffekte zu Beginn des Studiums eine große Rolle spielen, werden im Laufe des Studiums Sozialisationseffekte wie die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Denken und Handeln zunehmend wirksam. Auch jene Informationskompetenz, die es Studierenden erlaubt, relevante von irrelevanter Literatur zu unterscheiden, wird zunehmend angeeignet. Meine Vorstellung während der Schule war, dass man Skripte von den Professoren ausgehändigt kriegt. Dass man Hefte oder einen Ausdruck kriegt, wo das in Sätzen aufgeschrieben ist. Und nicht dass es ist, wie es jetzt ist, dass man die Folien des Vortrags zur Verfügung gestellt kriegt. Für mich ist es ganz wichtig, dass die Sachen
4.1 Universitäre Lehr- und Lernarrangements
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in Sätzen formuliert sind, deswegen übertrag ich vielleicht auch die Folien in ein Skript, damit die Sachen in Sätzen stehen. Das Wort Skript verbinde ich auch schon mit Uni, da war meine Erwartung, dass es mehr aufbereitete Skripten von den Professoren gibt. Sonst muss ich selbst zusammensuchen, was mir für das Lernen hilft. (I38, Z.521–527)
Der Universitätseinstieg gibt vielfältige Lernanlässe, die in der äußeren Umwelt (neue Herausforderungen im Universitätsalltag, Lernumgebungen, Lernorganisation) oder bei der lernenden Person selbst (Reflexion, persönliche Erlebnisse, gesetzte Ziele etc.) liegen. Die Lernumgebung übt stets Einfluss auf individuelle Lernprozesse aus. Lernen und Entwicklung bedingen sich dabei gegenseitig, beruhen auf Veränderung und haben Wissens- bzw. Kompetenzerwerb zur Folge. Aus strukturgenetischer Sicht konstruiert jedes Subjekt sein Wissen selbst, indem es erworbene Erkenntnisstrukturen auf die erfahrene Umwelt anwendet und an das Erfahrene adaptiert. Ich habe jetzt schon immer sehr eigenständig gelernt, also ohne den Druck von Eltern oder Lehrern. Das ist für mich jetzt keine so große Umstellung, weil ich weiß wie das geht, wann ich anfange zu lernen und all das. (I3, Z. 23–26)
Besonders zu Studienbeginn gehört die Aneignung effektiver Arbeits- und Lerntechniken zu den besonderen Erfordernissen für ein erfolgreiches erstes Semester. Anders als im schulischen Lernkontext, wo die SchülerInnen einer relativ geschlossenen und überschaubaren Gruppe angehören, deren Lernaktivitäten weitgehend von der Lehrperson bzw. von Schulbüchern strukturiert und organisiert werden, sind StudienanfängerInnen vom ersten Tag an der Universität dazu angehalten, selbstständig und systematisch zu lernen. Das betrifft etwa die Auswahl der Lehrveranstaltungen, die bei Nichtbeachtung von Voraussetzungsketten eine erhebliche Verlängerung der Studienzeit nach sich ziehen können (jeweils bis zu einem Jahr, wenn seminaristisch orientierte Veranstaltungen oder Übungen nur im Sommer- oder Wintersemester angeboten werden), die Selektion des zu bearbeitenden Stoffes, die Fokussierung auf relevante Schwerpunkte bis hin zur Entwicklung geeigneter Arbeitstechniken. In manchen Lehrveranstaltungen wird uns genau vorgegeben, was wir bis zum nächsten Mal vorbereiten sollen und da wird gesagt, was wir für die Klausur lernen müssen. Da muss man sich nur mehr die Zeit fürs Lernen gut einteilen. Dann geht das. (I39, Z. 711–7713)
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Der schulisch geprägte Arbeits- und Lernstil wird von der Mehrheit der Erstsemestrigen anfangs beizubehalten versucht. Was dem allerdings zuwiderläuft, ist die weitaus eigenverantwortlichere und anfangs auch oft unüberschaubarere Planung und Vorbereitung von Leistungserbringungen. Dabei werden die Einschätzungen dieser „Möglichkeitsräume“ durchaus kontrovers diskutiert. Zu Hause hat meine Mutter also bis zur Matura mit mir Sachen diskutiert und mich auch für Prüfungen ausgefragt. Da weiß ich noch nicht, ob das auch so bleibt. Irgendwie passt das nicht mehr. (I13. Z. 23–25)
Universitäre Lerninhalte sind gekennzeichnet durch einen hohen Abstraktionsgrad und einen hohen Grad an Komplexität. Die Reduktion der Lerninhalte und das frühzeitige Lernen, angepasst an die Anforderungen des Leistungsnachweises, die nicht nur nach Lehrveranstaltungstyp (Vorlesung, Seminar, Übung, Tutorium etc.), sondern auch nach LehrveranstaltungsleiterIn variieren, ist an der Universität von den Studierenden eigens zu leisten. Anders als in der Schule gibt es an der Universität kaum oder nur bedingt Rückmeldung zum eigenen Leistungsfortschritt. Der Prozesscharakter des Lernens bleibt damit weitgehend unbestimmt und muss semesterbegleitet und eigenständig erfolgen. Aus bildungspraktischer Sicht ist zu beobachten, dass in den Curricula die Gestaltung der Module (als die wesentlichen Ordnungselemente in den Studiengängen) nicht nur inhaltlich bestimmt werden, sondern immer stärker auch auf die große Anzahl von Studierenden Rücksicht nehmen. Dies drückt sich vor allem in den Eingangssemestern durch eine hohe Anzahl an Vorlesungen aus, was gerade zu Beginn des Studiums die Lehr- und Lernbedingungen einseitig in Richtung eines rezeptiven Aneignungsstils treibt. Werden die aufgrund der oft überaus hohen Studierendenzahlen gestalteten didaktischen Settings großteils auch durch Tutorien oder begleitende Gruppen zu erweitern versucht, so ist hier die Botschaft der nachgefragten Studiengänge deutlich sichtbar: Ich gehe da also rein und das hat fast so gewirkt wie auf einem Bahnhof. Die einen haben geredet, die anderen haben was mit dem Handy gemacht oder gewartet. Und dann ist es losgegangen, so mit Gerede und ob alle die Unterlagen haben und dann haben wir eben abgeschrieben oder angestrichen und das war‘s dann auch schon wieder. Bis auf das, dass wir darauf hingewiesen wurden, dass wir uns selber organisieren müssen und dass wir das alles einmal brauchen werden, später im Studium. (I12, Z. 43–48)
In den Interviews wird wiederholt kritisiert, dass an der Universität ein sachbezogener Diskurs ohne Interaktivität dominiert.
4.1 Universitäre Lehr- und Lernarrangements
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Mit Studienbeginn steigt sowohl der Umfang als auch die Komplexität der Lerninhalte. StudienanfängerInnen sehen sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, innerhalb kurzer Zeit neue Lernstrukturen zu finden, um unter steigendem Druck ihre Lernprozesse zeitlich und selbstverantwortlich zu planen. Das Studieren an sich habe ich mir am Anfang nicht so schwierig erwartet. Die Schwierigkeiten, dass ich nicht wusste, wie gehe ich etwas an, wie lerne ich für eine Prüfung. Die erste Prüfung, die ich geschrieben habe, war im November/ Dezember – pädagogische Psychologie – und das war dann die Beispielprüfung. Da habe ich mir gedacht, wenn jetzt jede Prüfung so sein wird, dann wird es schlimm. Aber im Lauf des Studiums sieht man, es gibt einfache, es gibt schwerere. Man kriegt einfach ein Gefühl, wie man sich darauf vorbereiten soll. (I3, Z. 68–73)
Die Studienanfangszeit bedarf der Aneignung von Wissensformen auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst müssen sich StudienanfängerInnen innerhalb der neuen Organisation zurechtfinden, ihren Stundenplan selbst erstellen, wissen, wie, wo und wann sie sich für Lehrveranstaltungen anmelden, und sowohl die Prüfungsmodalitäten als auch die Anforderungen für die positive Absolvierung der Lehrveranstaltungen kennen. Auch das Wissen darüber, welche Qualifikationsarbeiten im Rahmen ihres Studiums zu verfassen sind, ist Teil dieses Organisationswissens. Dazu müssen sie sich wissenschaftliches Wissen, das sie etwa benötigen, um ihre schriftlichen Arbeiten unter Einhaltung der dafür erforderlichen Kategorien, Prinzipien und unter theoretischer Bezugnahme zu verfassen. Zudem benötigen sie ein metakognitives Wissen oder Kompetenzwissen, das es ihnen erlaubt, eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten realistisch einzuschätzen. Insgesamt münden vor allem die beiden letzten Wissensformen in eine wissenschaftliche Reflexionskultur, die als Grundlage jeder Wissenschaftssozialisation den Studierenden wissenschaftlich-disziplinäres Denken und Arbeiten näherbringt. Reflexion und darauf gründendes Handeln sind konstitutiv für akademische Professionalisierung und den Studierenden für ihr Studierhandeln von Anfang an nahe zu legen. Oft wusste ich ewig lang nicht, worum es in einer Lehrveranstaltung geht, weil ich allein schon den Titel nicht wirklich verstanden habe. In einem Proseminar wurde als erstes der Lehrveranstaltungstitel an die Tafel geschrieben, und dann mussten wir überlegen, was fällt uns alles dazu ein, was wissen wir schon darüber, warum ist das für das Studium wichtig und was kann man damit später machen im Beruf. Das war schon gut, denn so konnte man sich dann mehr darunter vorstellen, warum es Sinn macht, darüber was zu lernen. (I39, Z. 59–64)
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Studieninhalte können auf unterschiedlichen Reflexionsebenen anschluss- und bezugsfähig betrachtet werden. Wie sich in der Interviewpassage zeigt, kann schon der Titel einer Lehrveranstaltung auf der Mikro-, Meso- und Makroebene eingehend betrachtet und subjektive Bezüge und Einschätzungen damit in Verbindung gebracht werden. Die Mikroebene macht hier persönliche Erfahrungen und alltagsgeneratives Wissen reflexiv zugängig und bearbeitbar, die Mesoebene expliziert Sinnbezüge und Handlungsbereiche im studienspezifischen Kontext, und die Makroebene thematisiert grundlegende fach- und berufsspezifische Bezugsdimensionen der Inhalte. Die Zusammenschau dieser unterschiedlichen Sinnhorizonte bettet jene Inhalte, die über ein gesamtes Semester eingehend behandeln werden, von Anfang an in eine sinnkonstitutive Sphäre des eigenen Professionalisierungsprozesses ein. Neben einer subjektiven wie auch fachspezifischen Verortung lässt sich hier ein hochschuldidaktischer Zugang erkennen, der sowohl eine sinnkonstitutive als auch eine strukturelle Verankerung von Studieninhalten ermöglicht und damit Relevanzbezüge der Lehr- und Lernprozesse nachvollziehbar werden lässt.
4.2 Der fehlende rote Faden Wenn Studierende aus ihrem beginnenden studentischen Alltag berichten, so wird auch die Kleinteiligkeit der Studiensituation deutlich sichtbar. Sind die eingangs dominanten Perspektiven auf das gewählte Studium offensichtlich noch sehr großflächig, löst sich das Bild innerhalb der ersten Monate meist in ein unstrukturiertes, beinah pointilistisches Gemälde auf, innerhalb dessen Zusammenhänge oder ein möglicher Überblick kaum mehr wahrzunehmen sind. Dabei ist der Bedarf nach Zusammenhängen und nachvollziehbaren bzw. gestaltbaren Übergängen vor allem in den ersten Semestern überaus hoch. Die Orientierungslosigkeit kann sehr schnell auf unterschiedlichen Ebenen auftauchen. Inhaltlich, weil der „Blick auf das Ganze“ durch die permanente Präsentation isolierter Fakten in den Lehrveranstaltungen, aber auch durch die gering ausgeprägte Sichtbarkeit der Verbindung zwischen den einzelnen Lehrveranstaltungen nicht erkennbar ist: Wie das in dem Seminar jetzt zusammenhängt, habe ich noch nicht geschnallt. Jeder macht halt seines und ich bereite mich halt auch auf mein Referat vor. Von der Lehrveranstaltungsleiterin ist da also auch nichts gekommen, als ein paar kleine Bemerkungen. (I27, Z. 16–19) Ja, das ist echt nur so ein Teil nach dem anderen. Vielleicht bin ich zu blöd dafür, aber worauf das hinausläuft, ist glaube ich jedem egal. (I1, Z. 60–62)
4.2 Der fehlende rote Faden
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Studientechnisch, weil die Stoffmenge als überbordend eingeschätzt wird und dadurch der Leistungsdruck noch weiter verstärkt wird, weil die Strukturen zur Erarbeitung fehlen. Die im Curriculum beschriebenen Lehrziele geraten dabei weitgehend außer Sicht. Das sehe ich jetzt schon, dass da eine Lawine auf mich zukommt. In der Schule habe ich das auch so gemacht, aber was da jetzt auf mich zukommt, ist schon gewaltig. Weil das ist ja nicht ein Fach oder drei, sondern da sind jetzt schon glaube ich tausend Seiten im Skriptum und all das andere. (I14, Z. 51–54) Ich habe am Anfang jetzt schon versucht, sehr konsequent zu sein, aber ich hab auch relativ schnell, glaube ich, den Faden verloren, so die Übersicht. Das war eine Vorlesung nach der anderen und überall wirst du also voll mit Stoff versorgt. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt auch schaffen werde, aber zumindest jetzt habe ich also überhaupt keinen Überblick mehr. (I24, Z. 66–71)
Sinnspezifisch, weil kaum ein Übertrag auf Anwendungskontexte sichtbar wird und in Massenlernumgebungen die Probleme, sich fachlich zu orientieren und sozial zu vernetzen, noch erschweren. Manchmal zweifle ich schon an mir, was ich da studiere. Ich erzähle das manchmal auch meinem Freund, der an der Technik studiert und der wundert sich auch. (I28, Z. 24–25) Mein Vater fragt mich manchmal, was ich schon alles gelernt habe an der Uni, aber ich hab aufgehört, ihm was zu erzählen, weil das ist so abstrakt und weit abgehoben, dass ich da lieber nichts mehr sage. (I16, Z. 29–31)
Auch hier wären kooperative Lehr- und Lernmethoden vor allem von den ProfessorInnen die das Fach vertreten, wesentliche Hilfestellungen bei der Gestaltung des Studieneinstiegs. So wichtig TutorInnen dabei auf der Peer-Ebene sind, so wesentlich wäre es, dass das „Lernen am Modell“ von den LehrstuhlinhaberInnen unterstützt wird. Die Struktur der einzelnen Lehrveranstaltungen sollte darauf ausgerichtet sein, dass Studierende sowohl im Makrobereich der einzelnen Stunde als auch im gesamten immer wieder die Möglichkeit haben, sich zu orientieren. Ähnlich einem GPS-System könnte die aktuelle Position auf dem Weg zur Erreichung des Lernziels durch Information, Struktur aber auch durch kurze Zwischenüberprüfungen (Two-Minute-Tests) erfasst werden. Dabei könnte auch die Forcierung des exemplarischen Lernens und dessen anschließende Dekontextualisierung oder die Erarbeitung von studienspezifischen Wissenslandkarten (eine Methode aus dem Wissensmanagement, um Informationen vernetzt darzustellen) Studierende bei ihren Orientierungsbemühungen unterstützen. Was allerdings dabei nicht gelöst werden
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kann, sind das bereits mehrfach erwähnte „Sinndefizit“ und die sich daraus ergebenden geringen Motivations- und Bindungskräfte im Studium aufgrund einer diffusen Studienwahl. Besonders jene Studierende, deren „Eigensignatur“ von Zweifeln und Wissenslücken geprägt ist, sehen sich in solchen Lernsettings in ihrer Rolle noch bestätigt. Nein, das fällt mir bis jetzt also nicht so wirklich leicht, dass ich den roten Faden sehe. Bis jetzt sind das also nur einzelne Teile. Ich hoffe, das kommt noch beim Lernen. (I24, Z. 32–34) Das, was ich bis jetzt so gemerkt habe nach einem halben Jahr ist, dass ich das eigentlich überhaupt nicht einschätzen kann, was ich da mache. Das kenne ich gar nicht aus der Schule, da habe ich also immer wieder für eine Schularbeit gelernt und dann war alles wieder klar. Aber hier ist das total anders. Ich kann überhaupt nicht sagen, wo ich hier stehe. Das sehe ich ja dann nach der ersten Prüfung. Da habe ich also jetzt schon total Angst davor. (I25, Z. 46–50) Also die Lehrenden gehen meistens davon aus, dass man das weiß und kann. Das interessiert sie auch nicht, ob das tatsächlich auch so ist. Deswegen reden auch immer nur dieselben in den Lehrveranstaltungen. (I4, Z. 84–86)
Das Übermaß an vorgefertigtem Wissen, die noch geringe Ordnungsleistung der Studierenden, die Sperrigkeit der Wissensgegenstände und die dazugehörige Literatur mit ihren wenig anschlussfähigen (und neugierig machenden) Titeln, umrahmen das „Lernabenteuer“ Studium manchmal auf recht trostlose Weise. In drei Veranstaltungen habe ich bis jetzt Literaturlisten bekommen, Aufsätze und Bücher. Wir haben uns die Titel einmal gegenseitig vorgelesen und beinahe einen Lachkrampf bekommen. Erst einmal waren auf zwei Listen nur Männer und dann waren die Themen also wirklich so abgehoben. Da war kein einziges Buch dabei, wo wir gesagt hätten, das hätten wir uns auch so angeschaut. Aber vielleicht ist das ja so auf der Uni und das soll auch abschreckend wirken. (I3, Z. 68–73)
Gleichzeitig verstärken sie einen Zugang zu Wissenschaft, der die Verbindungen im Prozess wissenschaftlichen Handelns (das Sammeln, Analysieren, Verknüpfen und Kritisieren von Wissen) beinahe vollständig verunmöglicht. Strukturell wird von StudienbeginnerInnen immer wieder bemängelt, dass zwischen der Bewältigung des am Anfang meist diffusen Stoffes, dem „Überhang des Vorgefertigten“ und dem Appell zur Selbsttätigkeit, dem Vertrauen in das bereits erworbene Wissen, nur schwerlich Wege auszumachen sind. Gerade dort, wo es um die ersten (und deshalb so wichtigen) Anschlussmöglichkeiten von Wissen und bisherigen Erfahrungen geht, erschließt sich den Studierenden dieser Anreiz
4.2 Der fehlende rote Faden
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des Einordnens, der Indexikalität und auch der Sinndimensionierung dort nur spärlich, wenn die Maschen des Faches zu weitschweifig oder zu eng gezogen werden. Helfen könnte in einem solchen Fall die Einordnung der zu erbringenden Leistungen in spezifische Kontexte (die übergeordneten Sichtweisen des Fachs, des Habitus oder auch des Arbeitsmarktes). In den Interviews wird auch auf Situationen Bezug genommen, in denen die Studierenden den Lehrstoff fürs Erste zumindest gefühlsmäßig nachvollziehen oder gestellte Aufgaben meistern können. In solchen Lernsituationen wird die eigene Reflexions- und Handlungsfähigkeit im Sinne der Selbstwirksamkeit betont, was Studierende wiederum an die Lehrveranstaltung oder auch an das Studium binden kann. Was echt ein Gewinn war bis jetzt und da gehe ich auch jede Woche hin, ist die Vorlesung [X]. Der hat da also Sachen erzählt über Sozialforschung und tausende Geschichten und eigene Erfahrungen, wo man sich also wirklich was vorstellen kann. Ich meine der hat uns da nicht geschont mit seiner Sprache oder den Begriffen und so, aber du hast dir halt was vorstellen können und da ist alles zwar nicht gleich verstehbar aber zumindest interessant und unterhaltsam. (I2, Z. 84–90)
Was den Studierenden in der universitären Lernumgebung eingangs generell Probleme bereitet, sind das oft nicht nachvollziehbare Tempo in den Lehrveranstaltungen, die Anonymität in den Lehrveranstaltungen, das Fehlen von kommunikativen Lerndesigns und der geringe (auch informelle) Austausch mit Lehrenden. In diesem Sinne präsentiert sich Studierenden die Universität dort als prinzipiell anschlusserschwerend, wo eine Bildungsvorstellung vorherrscht, die sich hauptsächlich an fachlichen Wissenskomponenten orientiert. Dort wo an bereits bestehendes Vorwissen, an Erfahrungen und Lebenswelten angeschlossen werden kann, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, Bindungskräfte zum universitären Lernen aufzubauen, die verlässlich und systematisch als Ausgangspunkte von studentischen Lernprojekten gemacht werden können. Jede Wissenschaft, die mehr als das Ansammeln und Wiedergeben von Erkenntnissen sein will, ist dabei auf Kommunikation angewiesen – und dies gerade auch in der Lehre. Studierenden, die ja auch Forschungssubjekte und nicht nur AdressatInnen der Forschung sind, müssen hier in ihrer Wahrnehmung der Welt unterstützt und nicht nur prüfungstechnisch zurechtgestutzt werden. Es schaffen nur wenige Professoren, einen nützlichen Überblick zu geben. Man geht halt in die Lehrveranstaltung, aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich da lernen soll, wenn ich nicht selber ein Referat habe. Und dann bekommst du immer wieder eingetrichtert, man soll lesen, lesen, lesen. Aber was soll ich warum lesen, das sagt mir bis jetzt keiner. Ich hoffe, dass dies sich bald ändern wird. (I12, Z. 435–439)
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Die Frage dabei ist, wie die Lehre von der Wissenschaft es zuwege bringt, das Gelernte mit dem Regelsystem, das den Lernstoff hervorgebracht hat, zu verbinden. Das bedeutet, dass die Prozesse, durch die man gelernt hat und die Mittel und Verfahren anschaulich verbunden bleiben müssen. Es zeigt sich die Schwierigkeit, Zusammenhänge in Studienfragmenten zu erkennen oder zu konstruieren und Relevanzsetzungen vorzunehmen. Ich habe jetzt einen halbwegsen Wochenplan, da stehen halt die Veranstaltungen drinnen. Beim Lernen hab ich jetzt also noch keinen Plan. Aber was für mich echt ein Highlight ist, ist wenn ich also Argumente oder Namen aus dem Seminar auch sonstwo verwenden kann, in einer Diskussion, oder wenn ich beim Lesen was sehe, was ich jetzt schon gelernt habe. Das ist schon gutes Hintergrundwissen. (I3, Z. 97–101)
Wie didaktisch vorgegangen werden soll, wird sehr unterschiedlich (abhängig auch von den Studienrichtungen) bewertet und hängt auch stark vom besuchten Schultyp ab. So ist die Ausrichtung des Studienbeginns auf Falllösungsstrukturen in den Rechtsfächern sehr beliebt. Das ist immer sehr spannend, wenn man hier einen Fall im Hintergrund sieht. Das ist dann echt auch leichter, sich etwas vorzustellen, als wenn man nur den trockenen Text hat. (T8, Z. 17–20) Beim Lernen wird das viel leichter, wenn das etwas Greifbares ist. Das macht er sehr gut, dass er uns so Sachen erzählt, aus dem Gerichtssaal. Das merkt man auch am Lärmpegel, der dann deutlich niedriger ist. (I12, Z. 38-40) Also ich bin dafür, dass man den Stoff jetzt komplett abspeckt, weil nachschauen kann ich eh im Netz oder sonstwo. Es geht also viel mehr ums Kombinieren und um die Übersicht. (I4, Z. 45-47) Ich bin kein Freund von elendslangen Wiederholungen aus der Schule. Wenn das wer nicht kann, muss er sich das holen. Sonst braucht er das auch nicht studieren. (I10, Z. 33–35) Das ist wirklich ein großes Dilemma, dass das zu Beginn so unterschiedlich ist. Manche sind also jetzt schon wirklich gut und die melden sich auch und die Lehrenden gehen da also davon aus, dass das alle können. Bei mir ist das nicht so. Also ich weiß jetzt noch nicht, wie ich das aufholen soll. (T9, Z. 21–24)
Auch in den klassisch naturwissenschaftlich dominierten Fächern stehen die größeren Strukturen des Faches im Zentrum. Hier wird es als besonders schwierig angesehen, zu Beginn das richtige Niveau zu finden, da die Eingangsvoraussetzungen oft sehr verschieden sind.
4.3 Das Format der Vorlesung
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4.3 Das Format der Vorlesung Das Format der Vorlesung ist für StudieneinsteigerInnen das schwierigste. Es weist eine hohe Intransparenz und Inhomogenität in Bezug auf deren Vermittlungs- und Aneignungsfunktion von Wissen auf. Einführende Vorlesungen sind dazu noch vorwiegend Massenlehrveranstaltungen, die gleichzeitig aber sowohl studienspezifische als auch soziale Ankerpunkte bieten sollten. Dies kann dort gelingen, wo Studierende in ihrem bisherigen Lernverhalten gelernt haben, etwas zu tun, Ziele zu verfolgen, ohne gleich eine Belohnung dafür zu bekommen. Die dem zugrundeliegenden Selbstbestimmungsbedürfnisse speisen sich grundsätzlich aus einer Haltung des sich kompetent Erlebens und der sozialen Einbindung (der Wertschätzung und des Respekts) (vgl. u. a. Deci und Ryan 1993). Gerade aber in Vorlesungen sind diese Parameter schwer zu erfüllen, da hier Erfolgserlebnisse normalerweise erst in der Prüfung ermöglicht werden, weshalb der Grad der Fremdbestimmung erst einmal sehr hoch ist. Dieser Umstand rührt einerseits daher, dass Vorlesungen Studierende nicht mit Situationen oder Beobachtungen konfrontieren, die ihr Vorwissen aktivieren, sondern es werden Forschungsresultate, Antworten, Erklärungen oder Modelle präsentiert, die kaum Platz für eine aktive Integration des „neuen“ Wissens in bestehende Lern- und Wissensstrukturen bieten. Die Vorlesungen sind meiner Meinung nach bei wenigen Professoren wirklich gut und wirklich hilfreich. Die meisten lesen nur aus dem Buch vor praktisch. Oder haben nur das Buch auf der Powerpoint. (I31, Z. 222–223) Wenn ich jetzt an die erste OE [Orientierungslehrveranstaltung] denke, dann war das wirklich absurd in diesem Hörsaal. Die Vortragende ist da unten als kleines Pünktchen vorbeigetanzt und die anderen Studenten sind großteils auch bald wieder abgehaut, weil wenn die Liste durch war, war das auch erledigt. Da waren bald mehr Leute vor dem Hörsaal rauchen als drinnen. (I1, Z. 23–27)
So wird durch das gesamte Setting in den Lehrveranstaltungen (von der ersten Einführung über die (un)regelmäßige Teilnahme bis hin zur Prüfung für viele Studierende kaum genügend Bindungskraft erzeugt, um eventuellen Motivationsoder Überforderungsrisiken entgegenwirken zu können. Was ich bislang gesehen habe, ist, dass uns die Lehrenden schon versuchen zu motivieren, dass wir unsere Sachen auch selber gut machen und nicht nur alles von außen fordern. Das einzige Problem ist dabei für mich allerdings, dass ich oft nicht weiß, was jetzt konkret wichtig ist oder nicht. Z. B. das Beispiel mit den Literaturlisten. Da bin ich mir bis jetzt noch nicht sicher, was ich damit mache. Brauche ich das für die Prüfung oder ist das so zum Nachschauen? Oder wann fange ich an zu lesen? Und was ist da wichtig. (T6, Z. 61–67)
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Am Veranstaltungsformat der Vorlesung wird immer wieder starke Kritik geübt, da dieses als antiquierter akademischer Unterricht betrachtet und als „Vorlesestunde“ wahrgenommen wird. Eine gute Vorlesung jedoch kann Orientierung geben und durch persönlich durchdachte Inhalte sowie die Darlegung eigener wissenschaftlicher Auffassungen und prägnante Akzentsetzung die Lernenden zum Nachdenken anregen. Sowohl der „Geist des Faches“ als auch interdisziplinäre Bezüge können hier transportiert werden. Ich habe da sehr viel Vertrauen in Vortragende und LehrerInnen damals und lasse mir den Inhalt am liebsten von ihnen erzählen. Deswegen tu ich mir mit dem Aufbau von den Seminaren jetzt teilweise sehr schwer. Bei dem Aufbau der Seminare bevorzuge ich es doch, wenn noch sehr viel Input von den Lehrenden selbst kommt, weniger Referate. Ich finde, dafür sind sie da, die Profs, dass sie uns richtig was mitgeben fürs Studium und fürs Lernen. Wer sonst soll das können? (I39, Z. 200–205)
Leistet eine Vorlesung dies aber nicht, so ist die Anwesenheit der Studierenden hauptsächlich durch Prüfungsdruck motiviert. In den ersten zwei Semestern waren die Lehrenden unzugänglich. Beziehungsweise würde ich es jetzt auch noch so empfinden, dass viele Lehrpersonen nicht auf Mails reagieren oder nicht zurückschreiben und dadurch sehr unzugänglich sind. Ich mein, ich weiß, die haben sicher auch Stress und so. Aber eine kurze Mail mit „nein“ hätte gereicht. So das gar nicht drauf Reagieren find ich schlimm. Oder wenn man sich für ein Seminar krankmelden möchte und man nie eine Mail zurückbekommt. Also dass sie die Info erhalten haben oder so. Und dann stellt sich heraus, dass die Professorin die gar nicht gelesen hat. Also das Nicht-Beantworten der Mails ist super schlimm! (I45, Z. 219–226)
Wie sich zeigt, betrifft die Kritik an der Vorlesungssituation unterschiedliche Ebenen. Die einseitige Kommunikationssituation stellt für StudienanfängerInnen eine besondere Schwierigkeit dar. Ich bin jetzt seit zwei Monaten an der Uni und der Unterschied zur Schule ist, dass viel mehr Studierende in einer Gruppe sind und dass die Lehrenden viel arroganter sind – nicht alle, aber viele. Die wimmeln einen einfach immer ab, dabei können sie nicht einmal eine Flipchart so beschreiben, dass man es auch lesen kann. Wenn man dann fragt, was das heißt, sind sie auch noch stolz darauf, dass das keiner lesen kann. Wie blöd ist das denn! (I3, Z. 32–38)
StudienanfängerInnen bekommen leicht den Eindruck, dass Lehre auf einem sie nicht erreichenden Niveau ansetzt und sie selbst nicht als unmittelbare AdressatInnen angesprochen werden – ganz so, als würde hier eine Art „Selbstgenügsamkeit“ vorherrschen, eine Veranstaltungsform, für die es kein Gegenüber braucht.
4.3 Das Format der Vorlesung
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Da hast dann irgendwann so unglaublich viel Stoff und weißt nicht, wofür das überhaupt alles steht und warum du das alles brauchst. (I42, Z. 581–582)
Was zudem wenig nachvollziehbar wird, sind die vielfältigen Wissensressourcen, die es erst erlauben, sich mit Inhalten differenziert auseinander zu setzen, eigene Haltungen zu entwickeln, eigene Meinungen zu äußern und einen kritischen Diskurs argumentativ sachhaltig zu bewerkstelligen. Blöd ist es auch, wenn du zwischendurch nicht hingehst, weilst grad nicht magst, was Besseres zu tun hast oder weilst echt krank bist. Da kommst einfach nicht mehr mit, weil dir einfach komplett der Anschluss fehlt. Aber das hab ich auch erst mit der Zeit mitbekommen. (I36, Z. 433–435)
Bauen die einzelnen Vorträge stark aufeinander auf, so besteht schnell die Gefahr, dass durch das Versäumen von Terminen der Anschluss und damit auch der rote Faden verloren geht. Also wenn ich ehrlich bin, lasse ich mich jetzt schon ein bisschen auch treiben, weil das andere auch so machen und halt nicht in die Vorlesung gehe, sondern noch im Lokal bleibe oder einmal ausschlafe. Das mit dem festen Stundenplan ist schon auch eine gute Sache, aber ich mache mir da jetzt noch keine Sorgen darüber. Das wird sicher noch kommen. (T5, Z. 61–65)
Durch gruppendynamische Effekte (der „heimliche“ Lernplan) wird z. B. der Besuch der nicht anwesenheitspflichtigen Lehrveranstaltungen oft noch zusätzlich geschwächt. Die Rolle der Lehrenden ist hier überaus wichtig, da sie es aus Sicht der Studierenden wesentlich beeinflussen, ob die Anforderungen, die an die Studierenden gestellt werden, ausreichend organisatorisch, sozial und kognitiv unterstützt werden können. Dabei geht es für die Studierenden auch um die Einordnung der konkreten Lehrveranstaltung in einen größeren Kontext (im Curriculum, aber z. B. auch in der Praxis), damit die einzelnen Elemente in einem übergeordneten Größeren sichtbar gemacht werden können. Für mich ist es noch sehr offen und unüberschaubar. Ich fühle mich manchmal auch recht verloren, weil ich das noch nicht so recht kann, mir eigene Ziele stecken. Ich habe lieber einen Stundenplan und jemand, der mich ein wenig kontrolliert. Nicht zu viel aber doch so ein leichter Druck eben. Und das ist auf der Uni vor allem bei den Vorlesungen nicht so. Da stehen alle vor der Vorlesung vor dem Hörsaal und manche bleiben auch noch stehen, wenn es schon angefangen hat und da passiert nichts. (I16, Z. 46–52)
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Vorlesungen vermitteln den notwendigen Vorstellungsrahmen und die Ankerbegriffe, auf die man sein selbstständiges Lernen beziehen sollte. Was ich jetzt noch nicht kann, ist dass ich auf andere zugehe und sie um ihre Mitschriften frage, wenn mir etwas fehlt. Das traue ich mich einfach nicht, aber das muss ich noch lernen, weil ich oft das Gefühl habe, dass ich bei Vorlesungen jetzt nicht genau das Gelbe vom Ei mitgeschrieben habe, vor allem dort, wo ich mich noch nicht auskenne. Da wäre es gut, wenn es z. B. eine App oder eine Facebook-Gruppe geben würde, wo jeder was hineinstellen kann, und dann vergleicht man sich so. (T9, Z. 40–46) In der Vorlesung bin ich bis jetzt schon manchmal total hilflos und weiß oft nicht, was ich hier mitschreiben soll. Die Lehrenden sind oft so schnell, dass da keine Zeit zum Nachdenken bleibt und wenn ich dann zu Hause das Mitgeschriebene durchlese, bin ich oft noch ratloser. (T16, Z. 34–37)
Eine passive oder die Sinnhaftigkeit von Anwesenheit in Vorlesungen hinterfragende Grundhaltung wird wiederholt verdeutlicht. Die meisten Vorlesungen sind bei mir bis jetzt rein fachlich einfach vergeudete Zeit. Ich gehe da hin, weil es sich so gehört, aber sonst nichts. Da sitzt du also rein zusammengepfercht und lässt die Zeit herunterrinnen. Dass ich da viel mitnehme, ist also eher ganz selten der Fall. Das hat gar nicht so mit den Lehrenden zu tun. Die bemühen sich Großteils schon und stellen auch Fragen, aber es passt einfach nicht, wenn da hundert Leute um einen sitzen, da würde ich mich niemals melden. (I15, Z. 21–26)
Die Zusammenhänge von Lehren und Lernen im organisierten Rahmen von Vorlesungen, Seminaren, Übungen etc. sind für die Studierenden eingangs von den Formaten und vom situativen Geschehen her dort schwer durchschaubar, wo eine „offene“ Lehrveranstaltungsstruktur keine expliziten und schnell sichtbaren Aufgaben stellt. Ich lasse das jetzt einmal so auf mich zukommen. Ich habe schon einen Stundenplan und weiß, wo ich hin soll, aber das mit dem Lernen überblicke ich noch nicht so. Ich weiß, dass das nicht so wie in der Schule ist, wo einem alles gesagt wird. Aber Rhythmus habe ich da noch keinen für mich. (I9, Z. 36–39) Also ein schlechtes Gewissen wegen dem Lernen hab ich jetzt schon ein paarmal gespürt, weil ich da schon anfangen sollte. Aber ich bin eher der Drucktyp, der dann lernt, wenn es brennt. Das war ich so also auch in der Schule. (I12, Z. 53–56) Mein Bruder studiert also auch Jus und da habe ich gesehen, wie viele Freiheiten man also hat im Semester. Wenn ich einen Tipp brauche, dann frage ich also ihn, weil die meisten haben am Anfang eh noch keinen Schimmer, wie die Uni abläuft. Da bin ich froh, dass ich jemanden hab, den ich fragen kann. (I12, Z. 16–20)
4.3 Das Format der Vorlesung
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Die in Seminaren geforderte Anwesenheitspflicht hingegen wird von Studierenden am Studienbeginn größtenteils positiv eingeschätzt. Auch wenn sie sich Inhalte und auch ganze Skripten aus dem Netz holen, so ist der von außen erzeugte Druck doch ein nicht zu unterschätzendes Moment in der beginnenden universitären Sozialisation. Die Pflicht zur Anwesenheit beinhaltet dabei eine Form der Bindung, die, aus der Schule kommend, auch eine Art der Selbstversicherung des Status ist. Ich gehe schon gerne auf die Uni, weil das hat für mich auch etwas mit dem zu tun, was ich ja jetzt bin: Student. Das ist für mich schon ein wichtiger Punkt. (I5, Z. 68–69) Wenn jetzt also keine Unterschriftenliste durchgehen würde im Seminar, ich glaube ich würde trotzdem herkommen, aber ich weiß, dass ein bisschen Zwang mir nicht schadet. Bei Vorlesungen bin ich bis jetzt auch noch sehr konsequent. Ich weiß nicht, ob sich das noch ändert, aber ich will schon auf der Uni sein. (I25, Z. 88–90)
Überhaupt wird die Präsenz als relevanterer Faktor für den Studienerfolg beschrieben/eingeschätzt als das Selbststudium. Mir fällt es also bisher recht schwer mitzukommen und da, wenn ich jetzt nicht in die Lehrveranstaltungen gehen würde, würde ich sicher schon voll draußen sein. So habe ich noch das Gefühl, dass ich ja noch Student bin. Da ist der Zwang also auch in mir drinnen und die Professoren zwingen mich da fast zu wenig. (I7, Z. 96–99)
In den geisteswissenschaftlich dominierten Studienrichtungen ist vor allem am Anfang die Übermacht des bereits produzierten Wissens eine große Hürde. Vor allem die als stark erlebte Hinwendung zur sogenannten „Theorie“ wird vom Großteil der diesbezüglichen Rückmeldungen als „lebensfremd“ und vielfach auch nutzlos beschrieben, da die hier zu erlernenden Grundlagen ohne unmittelbaren Bezug für Studienanfänger als zu abstrakt eingeschätzt werden. Was der Großteil der Tagebucheintragungen betont, ist eine Art von Verständigungswissen notwendig, um sich auszutauschen, um „mitzukommen“. Der Großteil jener Bemühungen, die auf eine genaue Aneignung von Systemen abzielen, wird als bloße oberflächliche Akkumulation von Wissen angesehen, das letztlich keinen Sinnzusammenhang herstellen kann. Ich weiß, ich muss das lernen, aber das rauscht in der LV einfach nur vorbei. Da kann ich nirgendwo was für mich als Anhaltpunkt nehmen. (T13, Z. 22–23) Ich glaube nicht, dass ich da noch öfter hingehe. Es gibt ohnehin ein Skriptum und das lerne ich halt vor der Prüfung. In der Vorlesung verstehe ich sowieso nur Bahnhof. (I13, Z. 12–13)
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Ein explizites Anschlusslernen (was sowohl ein ständiges Mitlernen als auch einen Übertrag auf berufs- und lebensweltliche Anwendungskontexte betrifft), wird sowohl in der Darbietung des Lernstoffes als auch durch die bislang erfahrenen Formen der Selbstorganisation nur sehr begrenzt unterstützt. So wird das Semester meist als eine schwer überschaubare Wegstrecke hin zu Prüfungen erlebt. Wenn man sich erkundigt, wann jetzt die Prüfungen sind, dann weiß ich jetzt schon, dass sich das alles im Jänner drängt. Ich weiß nicht, warum das so sein muss, aber da krieg ich jetzt schon Angst davor. (I14, Z. 81–84) Ich hab‘ mich also schon umgehört und da lernt keiner was mit, außer es gibt Aufgaben zu machen. Das ziehst du dir halt vor der Prüfung rein und damit reicht das. (I22, Z. 12–15)
Selbst dort, wo die Lehrsettings Formen des „Explorieren-Lassens“ ermöglichen würden, treffen diese Gelegenheiten nur dort auf Interesse, wo das eigene Lernen und die Bezugnahme von Wissen auf persönliche Interessen fußen oder als sinnvoll erlebte vernetzte Austausch-Strukturen erlebt werden.
4.4 Fehlende Praxisbezüge Die Verbindung theoriebasierter Wissenselemente mit praxisorientierten Bezügen ist ein wesentliches sinnkonstitutives Merkmal für universitäre Aneignungsprozesse. Bereits in der Studieneingangsphase scheint es Studierenden leichter zu fallen, ein erweitertes, akademisch fundiertes Kompetenzspektrum aufzubauen, wenn dieses an den Auf- und Ausbau praxisbasierter Erfahrungen anknüpft. Insofern stellt die explizite Auseinandersetzung mit Theorie-Praxis-Relationen einen vielversprechenden Weg hin zur Zusammenführung wissenschaftlichen Denkens und Handelns und dem Erwerb instrumentaler Kompetenzen dar. StudienanfängerInnen erwarten sich bereits in der ersten Studienzeit die persönliche Involviertheit in Professionalisierungsprozesse und bleiben desillusioniert zurück, wenn diese im Rahmen des Studiums für sie nicht erkennbar werden. Ich dachte schon, dass ich, sobald ich studiere, voll die Juristin bin. Mich gleich auskenne und weiß, wie Juristen denken. Und dass ich dann auch fachlich gut unterwegs bin. Oder auch, wie ich als Mensch in diesem Beruf dann bin und was für mich da überhaupt alles möglich ist, das hätte mich schon interessiert. (I31, Z. 72–75)
4.4 Fehlende Praxisbezüge
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Die frühzeitige Entwicklung einer professionsspezifischen Identität im Rahmen eines universitären Studiums kann durch didaktische Maßnahmen unterstützt werden, die die Herstellung konkreter Bezüge zum Berufsfeld ermöglichen, wie etwa stark fallbasierte und problembezogene Bearbeitungsformate. Dieser Zugang erlaubt es, Handlungs- und Anforderungsstrukturen der bevorstehenden Berufsausübung präzise zu bestimmen und zu beschreiben und das Besondere und Typische der jeweiligen professionellen Tätigkeit zu verdeutlichen. Auch institutionell verankerte Einflussnahmen durch extern initiierte Praxiserfahrungen können professionalisierende Wirkungen erzielen und zur Entwicklung eines professionsspezifischen Habitus beitragen. Dass man sich wie eine Juristin fühlt, das hat sich erst erfüllt, seit ich angefangen habe, in dem Bereich nebenbei zu arbeiten. (I31, Z. 58–59) Das Studium habe ich angefangen, weil ich Anwältin werden wollte. Das Gefühl, bald mal Anwältin zu sein, hatte ich aber gar nicht. Ganz im Gegenteil. Das ist mir immer weiter weg vorgekommen, je länger ich an der Uni war. (I31, Z. 67–69)
Die eigene Eingebundenheit in das Berufsfeld und Möglichkeiten der eigenen organisationalen oder institutionellen Verortung im beruflichen Handeln unter reflexiver Bearbeitung von Überzeugungen, Dispositionen und Interpretationsschemata trägt weiter zur Herstellung persönlicher professionsspezifischer Bezüge bei. Es ist schwierig, wenn du nur immer theoretische Sachen lernst und die meiste Zeit nicht weißt, wie du das im Beruf einsetzen kannst. Ich denke, es braucht alles: Du musst viel wissen, aber du musst auch wissen, was du damit machen kannst und wie das geht, musst du im Tun auch noch lernen. (I42, Z. 88–91)
Eine Herausforderung, die sich bereits in der Studieneingangsphase stellt, ist die Differenzierung vorwiegend regelgeleiteten Wissens in Bezug auf berufliche Herausforderungen. Der Wunsch nach einer Verknüpfung unterschiedlicher Wissensbereiche und Wissensarten mit Erfahrungswissen wird hier deutlich. Nur wenn du das Berufsfeld richtig kennst, dann kannst auch das ganze Umfeld dort und die beteiligten Menschen mitberücksichtigen. Ich finde, das ist eine wichtige Voraussetzung für das Lernen an der Uni. (I31, Z. 82–84)
Für die Ausbildung professioneller Handlungskompetenz braucht es daher kontextbezogene und situationsspezifische Erfahrungsräume, in denen sich die
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Studierenden in ihrem professionellen Handeln selbst erfahren können. Dabei ist es von zentraler Bedeutung, die Studierenden durch konkrete didaktische Maßnahmen dahin gehend zu unterstützen, dass sie sukzessiv vom regelgeleiteten und zunächst noch wenig vernetzten Wissen (knowing that) zu einem erfahrungsbasierten knowing how gelangen (vgl. Ryle 1949). Dieser hochschuldidaktische Ansatz birgt Möglichkeiten der professionellen Begleitung individueller Entwicklungsprozesse und entspricht damit auch der vielfach geforderten Kompetenzorientierung in der Lehre. Ich finde es ziemlich cool bei unserem Studium. Weil ich finde ein praktischer Zugang ist ein viel wichtiger. Weil da lernt man es dann richtig. Weil das habe ich erst richtig gemerkt im zweiten Semester. Da haben wir eine VO gehabt. Anorganische Chemie. Da habe ich mir überhaupt nichts drunter vorstellen können. Ich habe das einfach nur irgendwie gelernt. Und dann habe ich mir voll schwer getan eigentlich beim Theorie lernen. Und dann beim praktischen Labor habe ich mir gedacht, das ist eh logisch. Und vor allem ich habe bei der Prüfung einen Vierer geschrieben. Und jetzt denke ich mir, ich könnte das viel besser jetzt. Sicher ist die Theorie wichtig. Aber ist dann auch wichtig, dass ich das praktisch erarbeite. (I39, Z. 455–462)
Die Synthese theoretischer Konzepte und praktischer Anwendungsmöglichkeiten erlaubt einen Transfer gelernter Inhalte auf Berufsfelder und die Erschließung neuer Perspektiven in Hinblick auf den eigenen Professionalisierungsprozess. Ich verstehe oft erst, was Theorien und Modelle bringen, wenn ich ein Beispiel habe, so wie Unterrichtsplanung, wo ich das dann mitdenke. Lebensweltorientierung zum Beispiel. (I40, Z. 388–390)
Umgekehrt können Erfahrungen aus Praxisfeldern oder die exemplarische Auseinandersetzung mit situativen Anforderungsprofilen (etwa inhaltlich, sozial, strukturell oder prozessual) weiteren wissenschaftlichen Überlegungen, aber auch der Weiterentwicklung bestehender Theorien und Konzepte zuträglich sein. Manchmal ist es umgekehrt, da verstehe ich die Theorie, Lerntheorien zum Beispiel, weil ich sofort an Situationen aus meiner eigenen Schulzeit denke, wo die genau dazu passen. Und dann kann ich diese Beispiele ganz anders durchdenken und verstehen und hab das Gefühl, dass ich wirklich schon eine Kompetenz hab. (I40, Z. 401–404)
Dieser fallbasierte Zugang in der Anwendung theoretischer Zugänge erleichtert Studierenden das Erlangen eines vertieften Verständnisses ihrer Wirkungs- und
4.5 Aneignung eines neuen Arbeits- und Lernstils
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Relevanzbereiche, das über rein reproduktives Denken hinaus geht. Die selbstständige Bearbeitung von Problemstellungen, aber oftmals auch eine kooperative Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Problemlösungsansätzen, wird gerade in der ersten Studienzeit als hilfreich wahrgenommen. Die Studierenden können auf diese Weise eher ein flexibel angewandtes Wissen erwerben und merken, dass sie bereits über erste wissenschaftlich basierte Problemlösungskompetenzen verfügen. Gerade diese Erfahrung des Kompetenzzuwachses fördert die Motivation für wissenschaftsfundiertes Arbeiten. Es gibt aber auch einige Studierende, die nicht nur dem reinen Anwendungsbezug folgen wollen, sondern ein Studium weiter fassen. Was mich bei meinen Kollegen oft wirklich nervt, ist, dass es gar keine Gespräche über Theorien gibt. Da blocken sie total ab, als ob das was Abartiges wäre. Ich habe in der großen Einführungsvorlesung bis jetzt total viel mitgenommen, habe mir auch Bücher angeschafft oder im Netz nachgeschaut. Das vermisse ich, dass wir uns da austauschen. (T4, Z. 22–25)
Es wird durchaus gesehen, dass die beinahe technokratische Anwendungsperspektive dort ihre Grenzen hat, wo es um Einschätzung, Abwägung und Denkprozesse hinsichtlich theoretisch fundierter Wissensordnungen oder Strukturen geht, da ja daraus erst die Möglichkeiten für ein Verständnis und die Verknüpfung von Wissen entstehen kann. Damit in Zusammenhang steht auch die Rolle der Vorlesung, die (im besten Fall) die Möglichkeit bietet, den „Stoff“ herzuleiten.
4.5 Aneignung eines neuen Arbeits- und Lernstils Lernen ist eine individuelle Konstruktionsleistung, erfolgt in konkreten Lernumgebungen situativ verankert und bringt die Erzeugung von Wissen, Können und Kompetenzen mit sich. An der Universität ist Lernen durch eine grundlegend wissenschaftsfundierte Auseinandersetzung mit Sachverhalten gerahmt, die sich auf die Rolle der Lehrenden hinsichtlich ihrer Aufgaben und Funktionen (die sich vielfach in einer reinen Wissensvermittlung und in Betreuungsleistungen erstreckt), auf die Spezifität der Lerninhalte, auf Sozialformen, Medien und Methoden wie auch auf die Wiedergabe von Lernergebnissen im Rahmen von Prüfungen auswirkt. Die erste Herausforderung, an die ich mich erinnern kann, was jetzt nur das Lernen betrifft, war auf jeden Fall die erste Prüfung, die ich aufgrund der ganzen Dynamik, die im Studiengang entstanden ist, vorgezogen habe und früher geschrieben habe,
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN als im eigentlichen Zeitplan geplant wäre. Ich hab zwar schon gelernt, aber viele Fragen konnte ich nicht beantworten. Das war eine komplett andere Logik. Also was ich gelernt hab und was ich hätte hinschreiben sollen, da war ein Universum dazwischen. (I37, Z. 489–495)
Der Großteil der Studierenden besitzt zu Beginn ihres Studiums meist sehr geringes Wissen darüber, wie sie kompetent und selbstgesteuert lernen können (vgl. z. B. Bjork et al. 2013). Über die Prüfungen hätte ich mehr wissen müssen am Anfang, wie ich es am besten angehe, wie ich richtig lerne. Ehrlich gesagt habe ich ewig lang nicht mal gewusst, wie ich richtig lerne, weil ich es in der Schule auch nie gemacht habe. (I44, Z. 77–80) Das einzige, was ich immer gemacht habe, waren die Hausübungen. Ich glaube, deshalb war ich auch so gut, weil da wiederholst du es ja immer automatisch. Deswegen finde ich, wäre so eine Art Hausübungen auch im Studium klasse, weil dann wiederholst du es einfach so gut, finde ich. (I41, Z. 531–534)
Besonders fehlen hierbei metakognitive Strategien (vgl. Schunk und Zimmermann 1998; Bannert 2003), die den Lernfortschritt prozesshaft absichern könnten. Abseits einer schulischen Lernkontrolle, die traditionell durch die Unterrichtenden in Form von Hausarbeiten, Zwischentests etc. übernommen wurde, ist es aber gerade die Entwicklung einer aktiven Selbststeuerung zur Fundierung des eigenen Lernverhaltens, die Studierenden im Eingangssegment oft nicht gelingt. In der Schule habe ich also gewusst, wann der Test ist oder das Referat und man hat sich da also auch in der Klasse absprechen können. Auf der Uni ist das für mich noch nicht so klar. Die Prüfungen werden erst viel später im System eingetragen und man muss auch nicht zum ersten Termin antreten. Das ist für mich also noch gewöhnungsbedürftig. (T18, Z. 11–15)
Den Lernprozess ohne externe Hilfe oder Kontrolle zu gestalten, die Lernschritte selbst zu planen, die Auswahl zentraler Themengebiete, die zeitliche und effektive Planung der Aneignung des Lernstoffs, das alles sind Aufgaben, die im universitären Alltag anfänglich große Anforderungen an Studierende stellen. Also ich muss ehrlich sagen, dass ich jetzt so in den ersten Wochen mir selber also innerlich freigegeben habe, dass ich also vor allem herumschnuppere und mich da nicht stresse mit Prüfungsangst und so. Obwohl ich also schon versuche, in die Vorlesungen zu gehen, aber ganz drinnen in dem System bin ich jetzt also noch nicht. (T19, Z. 16–19)
4.5 Aneignung eines neuen Arbeits- und Lernstils
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Neue Studienzeitregelungen, große Stoffmengen im Studium und begrenzte finanzielle Mittel zwingen viele Studierende zudem dazu, ausschließlich Lehrveranstaltungen zu besuchen, die für ihren Studienabschluss obligatorisch sind, eine zeitökonomische Lernhaltung einzunehmen und möglichst zweckmäßige Studientechniken und Arbeitsweisen anzuwenden. Es ist nie möglich, dass ich mich richtig gut auf Prüfungen vorbereite. Ich wüsste auch gar nicht, wie sich das ausgehen soll. Ich geh zu den Lehrveranstaltungen, muss meistens vorher was dafür vorbereiten, hab Referate, muss Sachen lesen, dann arbeite ich noch fünfzehn Stunden in der Woche. Und dazu kommt noch das eigentliche Lernen für die Prüfung. (I41, Z. 92–95)
Zu Studienbeginn ist für viele jedoch nicht ersichtlich, wie sie ihre Lernorganisation effektiv gestalten und die erforderlichen Leistungen erbringen können. Ich habe also in der Schule auch immer erst am letzten Drücker gelernt oder wenn der Professor mir das Messer angesetzt hat. Ich glaube, ich werde das auch jetzt einmal so beibehalten und schauen, was kommt. (T5, Z. 34–37)
Didaktische Vermittlungsformen und die Auseinandersetzung mit Arbeitstechniken und Kommunikationsverhalten im Rahmen der STEOP können zu einem verantwortlichen und effizienten Studierverhalten beitragen und zu einer Verkürzung der effektiven Studienzeiten führen. Am Anfang habe ich mich noch sehr bemüht. Weil ich auch gute Noten haben wollte. Dann bin ich bei zwei leichten Prüfungen eingefahren. Einfach weil die ganz schnell machen wollte und die ECTS kriegen wollte. Das war eigentlich der voll falsche Zugang. Dann bin ich eh in die Labore hineingekommen. Dann war irgendwie der Druck weg, dass ich die Prüfungen machen muss. Und dann ist auch meine Leistung wieder gestiegen. (I33, Z. 581–586)
Insbesondere lehrveranstaltungsbezogene Arbeitsmethoden und eine entsprechende Lernorganisation, die zur Erarbeitung von Lerninhalten, zur Aneignung von Kompetenzen oder zur Einübung von Fertigkeiten dienen, können als hilfreiche Unterstützungsmaßnahmen dienen. Bei uns muss man ganz viele Fälle lösen. Du solltest dann durch die Fälle verstehen, um was es geht. Du musst schon auch Theorie können. Und ich habe es ein bisschen vergessen, dass ich eigentlich den Stoff oder die Fälle noch einmal im Kopf durchgehe, so, dass ich es wirklich verstehe. Nicht nur durchmache, dann schreibst
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN du halt und machst es, aber dass du es dann auch wirklich komplett ohne Hilfe noch einmal im Kopf durch gehst, damit du es wirklich weißt, das habe ich übersehen am Anfang des Studiums. Weil so hätte ich viel effektiver gelernt. Das sagt dir aber auch niemand. Sicher liest du manchmal irgendetwas, wenn du nur googelst, „wie lernt man besser“ oder so. Aber das ist nicht persönlich auf dich zugeschnitten. (I39, Z. 681–690)
Abhängig von der Strukturiertheit des gewählten Studienfaches werden in manchen Fällen Wege und Lösungsstrategien in unterschiedlichem Ausmaß vorgegeben, in anderen wiederum bleiben sie gänzlich offen. Letzteres braucht wesentlich intensivere Problemlösungskompetenzen, die bei StudienanfängerInnen oftmals noch nicht ausreichend vorhanden sind. Du liest deinen Fall durch, dann schaust du, was für Themen vorkommen, wenn du die Themen schon kannst, kannst du eh schon anfangen mit dem Falllösen. Wenn du es noch nicht weißt, liest du dir zuerst einmal die Themen im Buch durch und dann löst du mithilfe des Kodex und einem Theoriewissen den Fall. Du musst dann immer die Gesetzesstellen richtig zitieren, keine Verweise auf andere Gesetzesstellen vergessen. Da ist es wichtig, dass du ein System in deinem Kodex hast, Post-its, Verweise reingeschrieben, wo du hinspringen musst und dass du ja keine vergisst. Das ist am Anfang kaum zu schaffen. (I34, Z. 712–719)
Neue Arbeitsmethoden aber auch noch nicht erfolgte sinnerschließende Aneignung der Fachterminologie erschweren oftmals eine sinnvolle Vernetzung neuer Informationen und lassen leicht Verunsicherungen entstehen. Da lernst du die richtigen Begriffe für dein Fach. Die musst du verstehen und dann halt auch richtig verwenden. Ich glaub, ich hab noch immer echt viel nicht richtig verstanden, das merke ich schon beim Lernen, weil ich mir nicht viel unter den Sachen vorstellen kann. (I38, Z. 614–617)
Hier zeigen sich Bemühungen hin zur Entwicklung eines kohärenten begrifflichen Schemas. Das Lernen großer Stoffmengen nimmt im Studium jedoch so viel Arbeitszeit in Anspruch, dass die Auseinandersetzung mit komplexen sprachlichen Ausdrücken eher eine „Zusatzarbeit“, vielleicht sogar eine „Fleißarbeit“ darstellt, die erst dann leistbar ist, wenn das Gros an Lernmenge abgearbeitet wurde. Diese restriktiven Lernbedingungen erschweren gerade die Auseinandersetzung mit jenen neuen Wissensbeständen, die einem nachhaltigen Aneignungsprozess zuträglich sind. Wie die Interviewpassage erkennen lässt, bedarf die semantische Erschließung fachterminologischer Sinnhorizonte eines theoretischen Verstehensprozesses, der eben nicht allein durch alltagssprachliche Bezüge geleistet werden kann. Es braucht
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daher eine intensive Auseinandersetzung mit Fachterminologie, damit diese sowohl verstehend als auch produktiv in den regelhaften wissenschaftlichen Sprachgebrauch überführbar wird. Ein interessensgeleiteter individueller Lernprozess braucht die Herstellung konkreter Bedeutungszusammenhänge, damit eine sinnstiftende Aufschichtung von Wissensstrukturen überhaupt erreicht werden kann. Nicht nur Umfang und Zeit des Lernens, sondern auch die selektive Fokussierung auf subjektiv notwendige Erschließungsprozesse sowie die Wahl einer geeigneten Lernmethodik und Arbeitsorientierung sind voraussetzungsvoll für individuelle Lernfortschritte im Rahmen eines Hochschulstudiums. Vor allem bei interessanten Sachen gibt es eine starke Nachbereitung, in der ich mich in meiner Freizeit oder aus Interesse hinsetze und Studien nachlese oder mich in ein Thema genauer einlese. Das mache ich dann meistens so, dass ich mir die interessanten Schlagworte in meinen Terminkalender notiere und mich dann später dazu setze und die Sachen google oder mich einlese. (I42, Z. 841–845)
Die eigenständige Lernorganisation stellt StudienanfängerInnen vor die Herausforderung, eine Balance zwischen Lernzeit und Freizeit herzustellen. Egal, ob sie ein hoch- oder ein niedrigstrukturiertes Studium gewählt haben, hier handelt es sich um die Herstellung eines Verhältnisses zwischen Arbeits- und Freiraum, das sowohl ein effizientes und seriöses Studierverhalten als auch die Möglichkeit freier Aktivitäten erlaubt. Es hat kein Privatleben mehr gegeben. Ich habe viele Freunde zu Hause. Mit denen habe ich mich viel getroffen. Und dann nur mehr monatlich. Weil ich entweder in Graz geblieben bin oder eben gelernt habe. Vor allem am Anfang war es noch chilliger. Weil ich geglaubt habe, ich mache die Prüfungen zum Schluss. Und dann auf einmal haben alle gesagt, Prüfungen machen. Und dann habe ich nur mehr gelernt irgendwie. (I35, Z. 422–426) Es gab sehr viele Vorlesungsprüfungen am Anfang, das war schwierig, weil das würde dann heißen – ich glaube, im ersten Semester waren es neun Vorlesungen, die wir besucht haben – dass du in der Prüfungswoche neun Prüfungen hast. Und für mich und meinen Lerntyp ist das unmöglich oder schwer möglich. Deswegen habe ich es sehr begrüßt, dass man bei Vorlesungsprüfungen innerhalb des Semesters mehrere Prüfungstermine hat und es sich innerhalb des Jahres sehr gut aufteilen kann. Und dann habe ich es mir so gelegt, dass ich genug – mindestens eine Woche – Zeit hatte, um mich bei einer Vorlesungsprüfung auf den Stoff zu konzentrieren. Ich hab es damit dann vermieden, innerhalb von ein, zwei Wochen bis zu zehn Prüfungen zu schreiben. (I36, Z. 549–558)
Die über das Semester variierenden Anforderungen brauchen eine ständige Adaptation der Tages- bzw. Wochenplanung. In Prüfungszeiten ist eine wesentlich
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straffere Zeitstruktur erforderlich, als etwa in vorlesungsfreien Zeiten, wo es durchaus auch empfehlenswert ist, den eigenen Interessen unbeschwert nachzugehen. Bei mir ist das immer so, wenn ich eine Prüfung gemacht habe, dann lasse ich mir einen Tag Freizeit. Das ist bei unserem Studium so. Du kannst keine Zeit verschwenden, weil du eh schon so lange brauchst. Dann musst halt einen Tag frei machen und dann musst dich wieder auf das Nächste konzentrieren. Weil wenn du einmal einen Einbruch hast, das kann man sich fast nicht leisten. Wenn ich zum Beispiel was Chemisches lerne, beschäftige ich mich nicht mit irgendwas Anderem. Weil es schon so energieraubend ist. Weil das oft ja nur eine Grundlage ist und du musst dich auch mit anderen Dingen auseinandersetzen. Vor allem bei mündlichen Prüfungen können sie alles Mögliche fragen. Da fangen sie z. B. mit dem Klimawandel an. Wie wirkt sich das auf die Krankheit aus. Dann musst du dich auch mit dem beschäftigen. (I45, Z. 621–631)
Auch wenn die Studierenden bereits geeignete Lernstrategien für die Bewältigung unmittelbar bevorstehender Prüfungsanforderungen kennen, so wenden sie diese in der Praxis oftmals nicht an. Wie in der folgenden Interviewpassage deutlich wird, ist oftmals eine weitere Beschäftigung mit den Lehrveranstaltungsinhalten notwendig, um Prüfungsfragen in vollem Umfang beantworten zu können. Blöd ist halt nur, dass ich immer nur das lerne, was ich grad lernen muss. Oft würde mich noch was interessieren, was auch damit zu tun hat, aber halt nicht geprüft wird. Dafür bleibt meistens aber keine Zeit. (I43, Z. 444–446)
Zeitmangel ist jedoch ein wesentlicher Faktor, der Studierenden nur selten weitere Auseinandersetzungen mit den vorzubereitenden Inhalten erlaubt. Eine frühzeitige Lernprozessplanung und -strukturierung wie auch das zeitgerechte Suchen geeigneter weiterführender Ressourcen für eine umfassende und gelingende Prüfungsvorbereitung sind daher von wesentlicher Bedeutung. Es war bei der Aufnahmeprüfung. Da haben sie uns schon gesagt, dass man zwei Bücher kaufen muss. Die müssen wir lernen. Das waren so fette Duden. Da habe ich mir schon gedacht, wie soll ich das machen. Ich kann jetzt nicht das ganze Buch lernen. Dann habe ich mir das Buch durchgelesen und habe mir Fragen herausgeschrieben. Das war eigentlich ganz ok. Ein paar Fragen waren echt komisch. Z. B. wie schnell die Hainbuche das Wasser aufzieht. Dann habe ich später nachgeschaut. Dann war das irgendeine Tabelle. Bei uns war es dann so, dass jeder aufgenommen wurde, weil einfach zu wenige Anmeldungen waren. Ich weiß nicht, wenn es mehr gewesen wären, ob ich das geschafft hätte. Weil es eine Computerprüfung war, wo du ankreuzeln musst. Das waren teilweise auch so Fangfragen. Aber da habe ich schon gemerkt, dass man das Lernverhalten ändern muss und viel intensiver lernen muss. Und viel zusammenhängender lernen muss. (I45, Z. 642–653)
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Autonomes Arbeiten, das Setzen realistischer Lernziele, Selbstorganisation, die Überwachung des eigenen Lernfortschritts und die Aneignung verschiedener Lernstrategien, die zudem je nach Anforderungsstruktur passend gewählt und eingesetzt werden, sind wesentliche Kompetenzen selbstregulierten Lernens. Auch die Fähigkeit zur Selbstüberprüfung des eigenen Lernverhaltens ist voraussetzungsvoll für das Erreichen der anvisierten Studienerfolge. Dass Auswendiglernen nicht geht, habe ich gleich in der ersten Prüfungsphase im Jänner gemerkt, wo mehrere Prüfungen gleichzeitig waren. Das ist dann ziemlich unmöglich, es auswendig zu lernen, weil es soviel Stoff ist. Das hat mich vor allem am Anfang ziemlich verunsichert. Denn ich konnte es nicht 1:1 einfach runter schreiben. Vor der Prüfung hab ich den Stoff noch durchgemacht und dann war ich super nervös. Das war total verunsichernd für mich. Also den Stoff nicht auswendig zu können. Ich hatte total Angst bei Aufzählungen oder so etwas zu vergessen, weil ich es ja nur auf Verständnis gelernt hab. Ich hab es zwar verstanden, aber dass ich in der Prüfung dann die Dinge nicht mehr ganz weiß und Punkteabzug bekomme. Nach der ersten Prüfung zeigte sich aber, dass ich die gleiche Leistung bringen konnte. (I32, Z. 543–562)
Nach und nach entwickeln Studierende eigene Strategien für die Bewältigung universitärer Anforderungsstrukturen, wie etwa effizientes Zeitmanagement, angemessene Arbeitstechniken oder langfristig wirksame Lernstrategien für die Bewältigung großer Stoffmengen. Zudem können nachhaltig entwickelte Fähigkeiten wie etwa Organisationstalent, Kommunikationsvermögen, Ausdauer oder Teamfähigkeit im Rahmen des Studiums Erfolgserlebnisse verschaffen, welche Studienzufriedenheit fördern und die Selbstmotivation so weit stärken, dass diese als treibende Kraft beim Erreichen von Zielen wirksam wird.1
1Dennoch
treten bei vielen Studierenden erhebliche Schwierigkeiten auf, das Studium zu bewältigen. Im Sommersemester 2015 gaben 49 % der Studierenden an, in ihrem bisherigen Studium durch mindestens einen der folgenden Stressfaktoren beeinträchtigt gewesen zu sein: Fehlende Studienmotivation (25 %), Arbeits- und Konzentrationsschwierigkeiten (23 %), stressbedingte gesundheitliche Beschwerden (22 %), Schwierigkeiten bei Selbstorganisation des Studiums (17 %). 42 % waren laut eigenen Angaben durch mindestens eine der folgenden psychischen Beschwerden im Studium beeinträchtigt: Versagensängste oder Prüfungsangst (24 %), Existenzängste (20 %), mangelndes Selbstwertgefühl (17 %), depressive Stimmungen (17 %), Kontaktschwierigkeiten und soziale Isolation (13 %). Frauen fühlen sich häufiger als Männer von psychischen Beschwerden (46 % vs. 37 %) sowie von Stressfaktoren (51 % vs. 47 %) in ihrem Studienerfolg behindert. (Vgl. Sedlak 2007, S. 259).
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Wenn es die Zeit und der Umfang der Prüfung zulässt, dann schreibe ich es noch einmal gerne nieder. Meistens am Laptop, nicht handschriftlich. Das muss dann aber auch ein Umfang sein, der bewältigbar ist. Wenn es jetzt 700 Folien gibt, die ich abschreiben müsste, mache ich es nicht. Dann reicht es auch, wenn ich mir die Folien durchlese. Aber wenn es viel Ergänzungsbedarf gibt, es gibt ja auch Folien, die sind besser, voller, informativer als andere, und wenn die Folien weniger informativ sind, macht es schon Sinn, sie zu ergänzen in einem eigenen Skript. (I43, Z. 567–573)
Auch die Bewusstmachung lernhinderlicher Faktoren und ein konstruktives Umgehen dieser können zu einem effizienten Lernerfolg einen wesentlichen Beitrag leisten. Dafür müssen Strategien entwickelt werden, die einen angemessenen Umgang mit Lernhindernissen erlauben. Durch die Zeit, die ich ins Lernen investiere. Und auch durch private Gegebenheiten, die das Lernen blockieren. Da ich dadurch nicht mein ganzes Potential entfalten kann. Wenn ich irgendeinen privaten Stress habe, führt es dazu, dass ich meinen Kopf nicht frei habe zum Lernen und dadurch keine Prüfungen mache. Oder im ersten Jahr vor allem durch meine WG-Kolleginnen. Also da bin ich ja mit meinen besten Freunden zusammengezogen. Das hat sich als äußerst schwierig herausgestellt, da wir ganz andere Interessen hatten. Die anderen zwei sind gerne fort gegangen und ich hab vor allem in den ersten beiden Semestern viel gelernt. Weil eben so viele Prüfungen waren. Und da gab es öfter die Situation, dass sie sich mit Freunden bei uns in der Wohnung getroffen haben. Und die waren dann bis Mitternacht oder so da. Und am nächsten Tag hatte ich Prüfung. Das war dann schon ziemlich ungut. (I42, Z. 811–822)
Wie sich zeigt, zählen Lernorganisation und Zeitmanagement zu den größten Herausforderungen in der Studienanfangszeit. Dafür ist allerdings nicht notwendigerweise fehlende Planungskompetenz ausschlaggebend, sondern der fehlende Überblick an zu erbringenden Studienleistungen verunmöglicht es StudienanfängerInnen mitunter, Ziele zu definieren, Prioritäten zu setzen, zu erledigende Aufgaben davon abzuleiten und die Operationalisierbarkeit ihres Lernmanagements einzuschätzen. Früh genug anfangen ist wichtig. Aber eigentlich musst du so viel Glück haben zur Prüfung, weil du kannst nie alles perfekt können. Also würde ich mal sagen: Früh anfangen, Glück und Ruhe haben. Ich brauche so viel Ruhe beim Lernen, das ist so anstrengend. Ich könnte zum Beispiel nie in einem Café lernen, da kann ich mich nicht konzentrieren. Wenn ich genug Ruhe habe, dann geht es. Und nicht zu viel Freizeitstress nebenbei. (I40, Z. 399–403)
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Auch der Zeitaufwand für einzelne Aufgaben (z. B. Literaturrecherche, Bearbeitung und Erstellung eines Exzerpts) ist noch schwer festzulegen, da noch wenig Erfahrung und Übung vorhanden ist und zudem oftmals noch weitere Aufgaben dringlich werden, die zunächst noch gar nicht ersichtlich waren. Den Studienalltag erfolgreich zu managen unterliegt einem eigenen Lernprozess, der wie jedes Lernen auf Widerstände stoßen lässt. Das ist bei mir eher eine Stärke. Weil ich eher selten aufgebe. Oder selten sage, das ist nichts für mich. Das hätte schon komplett schlimm sein müssen, dass ich da aufhöre eigentlich. Vor allem nach dem ersten Semester, da hörst du nicht auf. Weil da hast du schon so viel Kraft und Energie reingesteckt. Schwächen, dass ich ab und zu zu genau bin. Zu lange mit Sachen mich beschäftige, die eigentlich unnötig sind. Vor allem beim Lernen oder so. Dann schweife ich irgendwie ab. Dadurch habe ich, glaube ich schon, Zeit verloren. Durch Druck gelingt es mir dann immer wieder, zu fokussieren. Vor allem wenn andere schon die Prüfung gemacht haben. Komm, konzentriere dich auf das Wesentliche. Es ist gut aber auch irgendwie anstrengend, dass du das immer wieder im Hinterkopf hast. Wenn du weißt, du brauchst schon viel zu viel Zeit für die Prüfung. Bei mir ist dann immer so, dass ich viel schlechter schlafe oder so. Das ist dann wieder eher belastend. Aber irgendwie brauche ich auch den Druck, dass ich weiterkomme. (I37, Z. 699–712)
Hoch gesteckte Ansprüche an die eigenen Studienleistungen sind ein weiteres ernstzunehmendes Lernhindernis, das im universitären Kontext jedoch wenig Beachtung findet. Bei ambitionierten Studierenden sind nicht mangelnde Motivation, fehlende Ausdauer oder zu wenig Engagement ausschlaggebend für schlechte Prüfungsergebnisse, sondern das Bestreben, wirklich alles gelesen und sich möglichst perfekt vorbereitet zu haben. Während dies in der Schulzeit oft noch möglich ist, tun sich im universitären Kontext zwangsläufig Grenzen auf, da es nie möglich sein wird, alles zu wissen und zu können. So verlieren sich „perfektionistisch“ arbeitende Studierende oftmals zu sehr im Detail, was es ihnen letztendlich verunmöglicht, den ganzen Prüfungsstoff in vollem Umfang zu bearbeiten und letztendlich diesen in komplexen Zusammenhängen darstellen zu können. Dies kann eine immense Stresssituation (psychischen Druck, Schlaflosigkeit und innerer Unruhe) zur Folge haben, die sich auf die Prüfungssituation zusätzlich negativ auswirkt. Bei den Vorlesungen, da redet einer ununterbrochen und du sitzt nur da und schreibst dir die Finger wund. Klasse Lehrmethoden sind das! (I45, Z. 376–377) Ich muss schon mitschreiben, auch wenn’s ein Skript gibt. Weil ich mach das mit meinen Worten und mit meiner Schrift. Das ist fürs Lernen wichtig. Und wenn ich nicht mitschreiben würde, dann würde ich mich sowieso wegbeamen in Gedanken. Oder einfach abschalten. (I41, Z. 522–524)
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Auch gewohnheitsmäßige Beibehaltung vieler schulischer Arbeitstechniken erweist sich an der Universität schnell als nicht zweckdienlich. Techniken des Mitschreibens und Notierens etwa können nunmehr nicht mehr wortwörtlich erfolgen, sondern brauchen zunehmende Reduktions- und Abstraktionsleistungen, über die StudienbeginnerInnen selten verfügen, und die erst eingeübt werden müssen. Hierfür sollten bereits in der Maturaklasse entsprechende Vorbereitungsleistungen getroffen werden, die sich gerade in der ersten Studienzeit als äußerst hilfreich erweisen könnten. In der Schule haben wir meistens von der Tafel abgeschrieben oder die wichtigsten Infos diktiert bekommen. An der Uni hab ich am Anfang auch versucht alles mitzuschreiben. So richtig alles. Aber das geht gar nicht. Während du noch am selben Satz hängst, ist der vorne schon wieder ganz woanders und beim Mitschreiben hast eine Lücke. Ja und mitdenken geht so auch nicht. (I40, Z. 455–459) Der Lernstoff wird sehr schnell vorgetragen. Das Mitschreiben ist oft mühselig, weil sehr schnell geredet wird und dann hat man was versäumt. Langsamer vorgehen wäre schon besser. (T3, Z. 48–50)
Die Notwendigkeit der Anfertigung einer eigenen Mitschrift wird von vielen StudienanfängerInnen unterschätzt, vor allem dann, wenn fertige Skripten erworben werden können. Einerseits können Inhalte und Schwerpunktsetzungen von Semester zu Semester variieren, andererseits zwingt der Akt des Schreibens zu Aufmerksamkeit und strukturiert die eigenen Gedankengänge. Zudem halten Studierende Inhalte so fest, wie sie diese selbst verstanden haben, wie sie also im Rahmen ihrer eigenen Konstruktionsleistungen sinnkonstitutiv werden und nehmen dabei Fokussierungen vor, die verstehendes Lernen beim Wiederholen des Stoffes begünstigen. Meistens ist es ein Lernen auf Verstehen und nicht mehr das Auswendiglernen. Meine Art, die Dinge zu lernen, kommt ganz auf das Fach darauf an. Prinzipiell versuche ich, wenn Zeit da ist, Zusammenfassungen zu schreiben und bereits beim Zusammenfassen Dinge auf Google oder in Büchern nachzuschlagen, die ich nicht gleich verstehe. Anders als in der Schule schreibe ich bei den Zusammenfassungen nicht alles 1:1 aus dem Buch ab, sondern versuche die Inhalte in eigenen Worten wiederzugeben. Dann lerne ich eben mit dieser Zusammenfassung und wiederhole wirklich oft. Also pro Prüfung wiederhole ich bestimmt sieben Mal den gesamten Prüfungsstoff, weil ich mir dann einfach sicher bin. Mit Fragenkataloge lerne ich nicht so gerne, da sie mich eher verunsichern und ich dann wieder in das Auswendiglernen zurückfalle. (I33, Z. 461–470)
4.5 Aneignung eines neuen Arbeits- und Lernstils
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Werden Sachverhalte in eigenen Worten wiedergegeben, so erfolgt gleichzeitig eine Kontrolle dahin gehend, ob man das eben Gesagte überhaupt sinnkonstitutiv erfasst hat und damit dem Vortrag folgen kann. Durch die Reformulierung vernommener Lerninhalte werden diese zudem in eine „eigene Sprache übersetzt“, da die Lernenden (abgesehen von Fachterminologien) zu Ausdrucksformen tendieren, die ihrem alltäglichen Ausdrucksrepertoire entsprechen, was Verständnisleistungen im Zuge von Prüfungsvorbereitungen erheblich erleichtern kann. Die Anfertigung der Mitschriften ermöglicht daher eine individuelle Dokumentation des eigens Vernommenen und damit auch eine subjektive Protokollierung und Strukturierung der Lerninhalte. Mitschriften sind somit ein höchst individualisiertes, schriftliches Gedächtnis. Wenn ich das Wichtigste nach der Vorlesung noch unterstreiche oder ein paar Punkte zusammenfasse, kann ich gut lernen und ich merke mir dann auch gleich das Allerwichtigste. (I36, Z. 200–202)
Die Nachbereitung der Mitschrift in der Form von Ergänzungen oder der Beantwortung von Fragen, die in der Lehrveranstaltung offengeblieben sind, erlaubt es den Studierenden, inhaltliche Lücken zu schließen. Auch das nachträgliche Hervorheben zentraler Aussagen oder Begriffe ist im Zuge der Weiterbearbeitung bedeutsam und dient zugleich der Wiederholung und Akzentuierung von Kerngedanken. Ich hab mir echt schwer getan und bin zu einer Lerngruppe dazu gegangen. Das hat mir extrem geholfen, weil die haben sich über den Stoff unterhalten und versucht, das mit eigenen Worten wiederzugeben. Da hab ich‘s auch besser verstanden und durchs Reden darüber hab ich’s mir leichter gemerkt. (I35, Z. 69–72)
Auch die gemeinsame Nachbereitung in Lerngruppen oder zu zweit, in denen die Lerninhalte noch einmal durchbesprochen und diskutiert werden, ist gerade bei großen Stoffmengen oder komplexen Sachverhalten hilfreich. Insbesondere dann, wenn unterschiedliche Auffassungen vorherrschen oder Missverständnisse bzw. Verständnislücken vorhanden sind, kann eine gemeinsame Auseinandersetzung mit diesen zu einer Klärung beitragen. Ich hab dann gedacht, passt, dann gehe ich nur mehr zur Lerngruppe und kopiere die Mitschriften der anderen. Das war aber zu wenig, weil die haben ja nur über manche Inhalte gesprochen, nicht über alles. Den Rest konnte ich dann nicht richtig aus den fremden Aufzeichnungen lernen. (I39, Z. 301–304)
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Lerngruppen bieten vielfältige Gelegenheiten, die Lerninhalte selbstständig und kooperativ zu vertiefen und eine arbeitsteilige Prüfungsvorbereitung vorzunehmen. Somit können Lernprozesse effizienter gestaltet werden, wobei der Lernerfolg aller Gruppenmitglieder von Bedeutung ist. Das Lernen in der Gruppe kann jedoch die Teilnahme an Lehrveranstaltungen nicht ersetzen, sondern sollte diese lediglich ergänzen. Insbesondere für versäumte Einheiten kann eine Lerngruppe hilfreich sein, um den behandelten Stoff eingehend aufzuarbeiten. Dass das Durchlesen nicht reicht, habe ich bemerkt, als ich die Prüfungen nicht geschafft habe. Man muss es meiner Meinung nach wirklich über die Fälle angehen. Ich weiß nicht, wie ich es dann gemacht habe – durch diese bezahlten Kurse glaube ich. Dadurch bin ich draufgekommen, wie man das richtig macht. Vielleicht auch durch das Arbeiten. (I44, Z. 511–515)
Um in der Studieneingangsphase Übersicht und Struktur bzgl. der zu erbringenden Leistungen zu entwickeln, sind auch Tutorien von großer Bedeutung, wenngleich deren Sinn von manchen anfangs nicht gänzlich verstanden wird. Im Tutorium war ich bis jetzt zweimal, aber da herrscht für mich vor allem Chaos, weil alle durcheinanderreden und das verwirrt mich dann noch mehr. Prinzipiell halte ich das schon für gut, aber viele Studierende haben einfach keinen Respekt vor den Leitern, wenn die selber Studenten sind. (T20, Z. 26–28) Das Tutorium hab ich jetzt schon zwei Mal besucht, das hilft schon. Aber ich habe das Gefühl, dass ich das nie aufholen kann. (I6, Z. 17–18)
Tutorien ermöglichen akademische Wissenserschließung in einer Peergroup. Unter Anleitung einer Tutorin oder eines Tutors werden vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen und eigener Verstehensleistungen sinnerschließende Prozesse angeregt. Gemeinsam werden Inhalte diskutiert, reflektiert und bearbeitet, wobei insbesondere Textarbeit, die Erschließung von Modellen und Theorien oder auch Erkenntnisgewinn bearbeitbar gemacht werden. Damit unterscheidet sich das Lernen in Tutorien ähnlich wie jenes in Lerngruppen maßgeblich vom Zuhören, Mitdenken und Mitschreiben in der Vorlesung oder vom Lesen und Üben am eigenen Schreibtisch. Tutorien bilden eigene universitäre Lernorte, die selbstgesteuerte Prozesse in enger Verbindung zwischen eigenständigen mit kooperativen Arbeitsformen initiieren und brauchen geeignete Lernaufgaben, die eben dieses Zusammenwirken ermöglichen.
4.5 Aneignung eines neuen Arbeits- und Lernstils
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Wir haben uns da schon getroffen und geredet, aber das war eher ein bisschen wirr. Vielleicht wird das ja noch, aber bis jetzt ist das eher so ein Kennenlernen und Abwarten. Ich habe auch probiert, jemanden anzusprechen zum gemeinsamen Lernen, aber das war auch nicht erfolgreich. (T13, Z.41–44)
Die Tutorin oder der Tutor ist das Bindeglied zwischen DozentIn und Studierenden, soll über Inhalte und Ziele der ko-betreuten Lehrveranstaltung bestens Bescheid wissen und den Studierenden dabei helfen, die gesetzten Lernziele zu erreichen. Wesentlich ist dabei, dass ein strukturierter Ablauf mit zielbezogenen Arbeitsaufträgen gegeben ist, dass die Lernenden zur Formulierung eigener Gedanken angeregt werden und sie ihre Unsicherheiten oder Verständnisprobleme offenlegen und diese so bearbeitbar machen. Die Unterstützung durch TutorInnen erfolgt vorwiegend in Form einer Lernbegleitung und Lernunterstützung. In der Hinsicht ist schon sehr viel passiert, durch das Tutorium, das im ersten und zweiten Semester stattfindet, bei dem Studenten aus höheren Semestern den Erstund Zweitsemestern helfen. Ohne das hätt ich da glaub ich nie reingefunden, in diese Art des Denkens. (I40, Z. 455–459)
TutorInnen sind erfahrene Studierende, die Raum zum Nachdenken anregen und eine freie, rekonstruierende und individuell erschließbare Auseinandersetzung mit den Lehrveranstaltungsinhalten und damit bedeutsame Bildungsprozesse ermöglichen sollen. Neben einer guten Zusammenarbeit mit der Dozentin oder dem Dozenten benötigen sie daher zusätzlich zu Fachwissen auch m ethodisch-didaktische Fähigkeiten und Kompetenz in der Steuerung von Gruppenprozessen. Was für mich wichtig ist, sind die Phasen, wo ich diese theoretischen Dinge aus den Vorlesungen praktisch üben kann. Das kann ich nicht allein, da brauche ich Menschen, die schon mehr wissen als ich. Und es muss also auch die Angst weg sein, dass man was falsch machen könnte. Ich war bis jetzt einmal in so einem Tutorium, aber da waren auch sehr viele Leute. Ich würde mir die Gruppe kleiner wünschen. (T6, Z. 12–17)
Um interaktive Lern- und Arbeitsformen zu ermöglichen, setzen Tutorien eine angemessene Gruppengröße voraus. Finden hier keine Möglichkeiten der Binnendifferenzierung und der Berücksichtigung unterschiedlicher Wissensbestände statt, so ist die vertiefende Inhaltsbearbeitung orientiert an den individuellen Bedürfnissen der Studierenden kaum möglich.
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4 VERÄNDERTE LEHR- UND LERNKULTUREN
Ich habe gleich am Anfang ein Sozialtutorium besucht. Habe es auch sehr geschätzt, dass es das Angebot gab. Davor habe ich in eine Facebook Gruppe geschrieben, ob jemand Interesse hätte, sich schon vor der ersten Vorlesung laut Studienplan zu treffen, um sich kennen zu lernen, weil ich sehr bestrebt und bemüht war, schnell Kontakte zu knüpfen, um zum Beispiel zur ersten Vorlesung nicht allein hin zu müssen. Das hat sehr gut geklappt, es hat vor der ersten Vorlesung ein Treffen gegeben, aus dem sich dann auch langfristige Freundschaften ergeben haben. Das Sozialtutorium ist gleich in der ersten Woche und dann über mehrere Wochen hinweg. Ich habe aber nur zwei Termine davon wahrgenommen. Aber es ist auf jeden Fall cool, weil man kann mit älteren Studierenden Fragen klären, was das Studium betrifft, aber man kann auch, abgesehen von den Inhalten und dem ganzen Organisatorischen, einfach nur Freundschaften knüpfen bei den Sozialtutorien. (I36, Z. 812–823) Was ich im Tut toll finde ist, dass wir da auch noch nachher auf ein Bier gegangen sind, also das ist so wirklich eine tolle Sache, weil da ist dann der Druck echt weg und da bist du halt auch eine Person und nicht nur Student. (T11, Z. 34–37)
Für StudienanfängerInnen bieten Tutorien auch Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und Anschluss zu finden. Die gemeinsame Bearbeitung von Lehrveranstaltungsinhalten aber auch der Austausch über die Studienorganisation, über Lehrende oder über die subjektive Wahrnehmung des neuen Lebensabschnittes geben vielfältige Anlässe für sozialen Austausch. Zudem folgt auf Tutoriensitzungen nicht selten ein weiteres Zusammensein im informellen Bereich.
4.6 Digitalisierung als Hilfe Mit den neuen digitalisierten Formen des Lehrens und Lernens haben sich quasi unter der Hand für einige Studierende neue Wege eröffnet, um nicht im Dickicht von hypertrophen Vorlesungen stecken zu bleiben. Sie wenden sich damit einerseits von einer Form der rhetorischen Spezialisierung von Lehrenden ab und greifen auf Angebote im Netz zu, andererseits wollen sie damit ein selbstverständlich gewordenes Medium (das Internet mit seinen weit verzweigten Möglichkeiten) in die Lehr-Lernprozesse integrieren. Ich habe jetzt die ersten Vorlesungen gemacht und meine Begeisterung hält sich in Grenzen. Mein Freund lernt also seit zwei Jahren nur mehr mit Youtube-Videos, da ist alles tausend Mal besser erklärt. Das werde ich auch machen. (I7, Z. 34–35) Wenn ich das jetzt vergleiche, was der uns in Lineare Algebra vorgerechnet hat und was ich da im Netz gefunden habe, ist also echt kein Vergleich, auch wenn das in Englisch ist. Außerdem kann ich da immer zurückspulen, wann ich will. Das hilft mir also extrem. (I8, Z. 12–14)
4.6 Digitalisierung als Hilfe
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Ich hab‘ das in der Schule schon so gemacht, dass ich mir, wo es geht, etwas im Internet heraussuche, wo ich das besser verstehen kann. Ich hab‘ da schon wirklich tolle Sachen gefunden, die also jetzt auch viel mehr Hintergrund zeigen können. (I9, Z. 32–34)
Die Frage, mit welchen Medien gelernt wird, schließt an die bisherigen Lernerfahrungen an. Wesentlich ist hier aber auch, dass das „Primat der Universität“ im Aufbereiten des Lernstoffes brüchig geworden zu sein scheint. Lernspezifische Entscheidungen werden prinzipiell auch mit universitätsfremden technischen Mitteln verknüpft, die weit über die Funktion eines Zusatzelements hinausgehen, da sich die gesetzten Ziele mit den digitalen Medien in einigen Fällen besser, rascher und evtl. auch nachhaltiger erreichen lassen als auf dem althergebrachten Weg einer Vorlesung. Dabei bleiben aber durchaus viele Fragen unbeantwortet, die den „Stoff“, die Prüfung oder auch die tatsächliche Anschlussqualität des im Netz vorhandenen Materials betreffen. Nichts desto trotz sind Studierende schon zu Beginn ihres Studiums überaus offen dafür, sich alternative Wege der Informationsgewinnung zu erschließen. Die daraus sich ergebenden komplexen Interdependenzen zwischen Lehre und Lernen, Stoffvermittlung und Aneignung, Lernort und Lernprozess, werden dabei bewusst in Kauf genommen. Ob ich mir dabei etwas erspare, weiß ich jetzt nicht, aber ich denke schon, weil auch wenn er dann nicht genau so fragt in der Prüfung, dann habe ich halt auch ein Hintergrundwissen. In dem Sinn habe ich schon was davon. (I8, Z. 22–23) Natürlich musst du das abgleichen mit dem Vorlesungsstoff, weil das passt ja nie 1:1, das ist klar, aber ich tu mir beim Lernen wahrscheinlich jetzt schon leichter, wenn ich das noch anders vorher höre. (I9, Z. 41–42)
Das Verständnis für die Erweiterungsmöglichkeiten ihres Lernens mithilfe der Digitalisierung scheint in diesem Sinne auch zu wachsen, wenngleich zu Studienbeginn die Einordung des „Gefundenen“ in das curricular Geforderte vage ist. Eine Unterstützung durch Lehrende wäre aus Sicht von Studierenden hilfreich – wenngleich dies wiederum neue Fragen nach der Rolle von Lehrenden in ihrer Vermittlungsfunktion aufwerfen würde. Also ich habe jetzt so eine Gruppe, wo wir uns auch URLS oder Videos zusenden, wenn wir was Gutes im Netz gefunden haben, was jetzt dazu passt. Wir haben das auch schon einmal einem jungen Professor nach der Vorlesung gezeigt und der hat gesagt, dass er sich das anschaut, aber er hat sich da also nicht mehr gerührt. (I6, Z. 56–59) Ich mache da also noch wenig, eher so im Zug, wenn ich Zeit habe, aber ich habe da auch eine Homepage gefunden, die für Erstsemestrige in unserem Fach ist und da würde ich schon gerne wissen, ob das alles auch so passt oder ausreichend ist für die Prüfung. (I4, Z. 112–114)
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Die Versuche der eigenständigen Informationsbeschaffung, die aus einer eher medienaffinen und/oder lernunterstützenden Perspektive vorgenommen werden, wirken aber auch noch anderweitig in den Alltag universitärer Lehre hinein, wenn es z. B. um die wahrgenommene Effizienz in der Erarbeitung von Kenntnissen und den dahinterliegenden Einstellungen geht. Was mich auch so nervt, ist diese ganze endlose Diskutiererei. Ständig wird da was dahergeredet, muss man eine Meinung haben und dann wird das Ganze noch einmal beredet. Und dann oft noch ein Plakat geschrieben, das wieder diskutiert wird. Das geht mir schon nach drei Wochen total auf den Senkel! Ich kann schon keine Flipchart mehr sehen! (I1, Z. 56–58)
Für Studierende, die sich gerne an der Systematik eines Faches abarbeiten wollen, die die Ordnung des Gegenstandbereichs für wichtig und notwendig erachten, ist das Herleiten von Einstellungen zu Wissen und dessen Umgang meist Zeitverschwendung, wenn nicht gar beinahe ein Akt der Irreführung. Die meisten Studierenden wünschen sich als Kontakt- und Unterstützungstool eine verstärkte Nutzung von sozialen Medien. Dabei geht es vor allem um die Schaffung von Möglichkeiten der Kommunikation über die Organisation von Lehrveranstaltungen. Dies betrifft einerseits raumzeitliche Dimensionen wie Absagen von Einheiten, Verwaltung von Aufgabenstellungen für die Lehrveranstaltung oder allgemeine Informationen über die LV-Materialien, andererseits geht es auch um Formen der Unterstützung bei der Selbstorganisation. Wir haben in der Schule so WhatsApp-Gruppen gehabt, wo wir uns also alles selber organsiert haben. Hier an der Uni ist das jetzt nicht so. Da könnten die Lehrenden vielleicht auch darauf hinweisen, dass das hilfreich ist, dann machen das vielleicht mehrere auch noch. (I7, Z. 75–77) Was also wirklich hilfreich wäre, wäre ein besserer Umgang mit den Medien jetzt. Ich bin ja jetzt kein Freund von Facebook, aber ich habe gute Erfahrungen mit Instagram und Google + . Das könnte man jetzt im Studium wirklich toll nutzen, zur Information und zum Abstimmen. Von unseren Lehrenden macht also kein Einziger was damit, das finde ich persönlich sehr schade. (I23, Z. 37–41)
Der Wunsch nach dem Einsatz von digitalen und sozialen Medien in der Lehre spielt allerdings keine allzu große Rolle und wird eher kritisch gesehen, sofern der Medieneinsatz didaktisch nicht geplant ist. Also was ich sinnvoll finde, sind Materialien, die ich brauche, dass die digital sind. Aber wie das jetzt fast alle machen, dass sie ihr Gerät offenlassen in der Vorlesung oder im Seminar und man da jede Minute draufschaut, das find ich also wirklich
4.7 Erste Begegnungen mit Wissenschaft
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ablenkend. Mir wäre also lieber, wenn das generell verboten würde. Ich mache das ja selber, aber ich merke schon, wie ich da schlechter im Unterricht aufpasse. (I26, Z. 39–43) Also ich bin da auch gespalten, weil ich nutze das auch für Notizen und Mitschriften, aber gleichzeitig bin ich schon immer online und ehrlich gesagt, lasse ich mich schon sehr leicht ablenken dadurch. (I28, Z. 96–98) Wenn jetzt alles also nur noch digital ist, also jede Vorlesung nur noch so ein Podcast ist, dann würde mir persönlich schon etwas abgehen. Das ist dann für mich also keine Universität mehr, wo man andere Leute trifft und sich auch austauscht oder so. Ok, wenn ich etwas versäume, dann hätte ich das auch gerne, aber sonst weiß ich nicht. (I6, Z. 102–106)
In der Lehre können digitale Medien unterschiedliche Funktionen übernehmen, die von der individualisierten Bearbeitung von Arbeitsaufträgen, dem Bereitstellen authentischen Materials bis hin zur Förderung von Austausch und Kooperation zwischen den Studierenden wie auch zwischen Lehrenden und Lernenden in der Lehre führen kann. Jedoch wird die Universität als ein Lernort betrachtet, bei dem der zwischenmenschliche Austausch nicht nur online-basiert sondern in direkter Begegnung erfolgt.
4.7 Erste Begegnungen mit Wissenschaft Die Möglichkeiten, „studierend“ die Welt zu erfahren, zu ordnen und zu gestalten hat einerseits viel damit zu tun, den Wert des systematischen Einsatzes von intersubjektiv geprüften Erkenntnissen bzw. von wissenschaftstheoretisch abgesicherten Erkenntnismethoden zu begreifen und kompetent zu entfalten. Andererseits geht es aber stets auch um die Entwicklung persönlicher und gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit, die das kodifizierte Wissen fruchtbar mit dem Alltags- und Berufswissen verbinden kann. Gerade im Übergang von schulischen oder lebensweltlichen Erkenntnisweisen zu wissenschaftlicher Wissensgenerierung ist es wichtig, die Bezüge zwischen Erfahrung und Wissen, Handlung und Erkenntnis in den Lernprozessen der Studierenden und in der Lehre nicht aus den Augen zu verlieren. Die Erwartungen von StudienanfängerInnen darüber, was wissenschaftlich orientierte Erkenntnis- und Verfahrensweisen bieten können, sind dabei grundsätzlich von schulischen Lernprozessen geprägt, deren Abarbeitung am „Stoff“ vielfach rein äußerlich bleibt. In der Schule war mir eigentlich immer klar, worüber der Lehrer gerade redet und worum es gerade geht. Und dann an der Uni war das schon ein Schock. Da sitzt du in der Vorlesung, bemühst dich gut aufzupassen und alles Wichtige mitzuschreiben,
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und dann merkst du, dass du nicht mitkommst. Du weißt oft nicht, was du aufschreiben sollst, weil du gar nichts wirklich verstanden hast. Und dass du alles wörtlich mitschreibst, was gerade gesagt wurde, das geht sich zeitlich nicht aus. Und wenn du ehrlich bist, merkst du, dass du einfach über lange Strecken nicht dabei bist. Dass du den Sinn nicht mitbekommst. Und du fragst dich, woran das liegt. (I35, Z. 871–878)
Während der Unterricht an allgemeinbildenden Schulen vorwiegend mit konkreten, anschauungsgebundenen Objekten arbeitet und auf den Erwerb von Kompetenzen ausgerichtet ist, die zur Bewältigung konkreter Anforderungsstrukturen des Alltags, Berufs oder gesellschaftlichen Lebens befähigen sollen, hat ein Hochschulstudium die Vermittlung fachspezifischer Begrifflichkeiten, Theorien und Arbeitsweisen der jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin zum Gegenstand. Die damit verbundene Abstraktheit der Inhalte, bei der Charakteristika von Gegenständen unabhängig von ihren realen Erscheinungsformen betrachtet werden und mit Begriffen fernab von ihren Repräsentanten operiert wird, erweist sich als besondere Hürde in der Studieneingangsphase und erschwert einen mit konkreten Bezügen versehenen Begriffsaufbau (vgl. Harel und Tall 1991). Da findest du dich echt in seltsamen Situationen wieder. Der Prof redet von etwas und du glaubst, dass du das eh verstehst. Und dann später stellt sich heraus, dass Worte, die du kennst an der Uni was anderes heißen. Also, wenn du sie so verstehst und verwendest, wie du es immer getan hast, dann passt das nicht. Und die tun so, als wäre alles, was du von dir gibst, unwichtig. (I45, Z. 719–723) Das haben wir ja schon in der Schule gehabt, wissenschaftliche Arbeitstechniken, und hier wird das noch einmal vorgekaut und alles ist verboten, WIKIPEDIA und eine eigene Meinung haben. Die machen schon sehr viel Tamtam um die Wissenschaft. Manchmal habe ich bis jetzt so den Eindruck: Hauptsache wenig verständlich, dann passt es schon. (T5, Z. 16–20)
Fachterminologische Sinnkonstruktion wird erschwert durch die Inkohärenz von concept image und concept definition (vgl. Vinner 1991). Das concept image umfasst individuelle mentale Repräsentation eines Begriffs in der Form erfahrungsgebundener Vorstellungen und prototypischer Repräsentanten, während die concept definition die formale Definition des Begriffs bezeichnet (vgl. Reichersdorfer et al. 2014, S. 39). Divergiert das lebensweltlich geprägte oder schulisch angeeignete concept image von der in der Hochschule eingeführten concept definition, so bleiben den StudienanfängerInnen nach Vinner drei Verarbeitungsmöglichkeiten: Im Falle der Akkomodation verändert sich das concept image und es wird in kohärenten Bezug mit der concept definition
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gebracht. Während diese erste Variante einem sinnkonstitutiven Begriffsaufbau zuträglich ist, tritt bei StudienanfängerInnen jedoch häufig der zweite Fall auf: Das concept image bleibt bestehen und die Definition wird in die mentale Repräsentation integriert. Damit werden zwar Bezüge hergestellt, eine sachrichtige und kohärente Entsprechung ist jedoch nicht oder nur eingeschränkt gegeben. Der dritte Fall kann als worst case bezeichnet werden, da er einen erfolgreichen Studienverlauf maßgeblich erschwert: Beide Konzepte bleiben ohne enge Verknüpfung nebeneinander bestehen. Diese dritte Verarbeitungsform behindert einen disziplinspezifischen Begriffsaufbau, der Verständnis auf der einen Seite und Operationalisierbarkeit in der Anwendung der Begriffe hinsichtlich einer akkuraten Bedeutungszuschreibung andererseits verunmöglicht. Eine Akkomodation von concept image und concept definition im Rahmen der Hochschullehre kann nach Vinner durch das Hervorrufen kognitiver Konflikte, aber auch durch das Ergründen tiefliegender Strukturen oder durch fallbasierte Arbeit unter präziser Verwendung der Begriffe und der Bearbeitung anschaulicher Beispiele (ev. durch die Diskussion von Spezialfällen) erreicht werden. Insbesondere zu Studienbeginn müssen in Lehrveranstaltungen Verknüpfungen herstellbar werden, welche die Generierung neuer concept images für disziplinspezifische Definitionen ermöglichen. Die sukzessive Aneignung eines fachspezifischen Begriffsapparates ist eine besondere Herausforderung der Studieneingangsphase, da insbesondere zu Studienbeginn Verknüpfungen zwischen concept images und concept definition nur geringfügig vorhanden sind und daher modifiziert, adjustiert oder präzisiert werden müssen. Und dann gibt’s so Haarspaltereien wie Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit, und Gleichheit darfst du nicht sagen, weil die gibt es gar nicht. Dann fragst du dich schon, was das soll und warum es das Wort dann überhaupt gibt. (I36, Z. 789–791)
Der hohe Formalisierungsgrad in der Kommunikation und eine fachgerechte Nutzung der Sprache als exaktes Ausdrucksmittel gehören zu jenen Kompetenzen, die insbesondere in der Studieneingangsphase entwickelt werden müssen und besonderer (didaktischer) Aufmerksamkeit bedürfen, da die exakte und widerspruchsfreie Darstellung von Inhalten wie auch eine kohärente Argumentationsführung wichtige kommunikativen Anforderungen einer Hochschule oder Universität darstellen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind in ihrer quantifizierten oder schematischen Form gerade dort oft schwer zu verstehen, wo persönliche Erfahrungshintergründe einen Abgleich mit den Erkenntnissen der Forschung
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ermöglichen. Gerade in solchen Momenten sind alltagsnahe und wertbezogene Eigeneinschätzungen oft hemmend, da sie bislang unhinterfragte Gewissheiten zur Disposition stellen und so den subjektiven Einschätzungen individueller Erfahrungen nicht entsprechen. Die Rolle des eigenen Blicks, die eigene Wahrnehmung ist für StudienbeginnerInnen noch sehr unklar bestimmt und kann leicht in eine Zuschreibung des „Abgehobenseins von Wissenschaft“ führen, die sich (auch im universitären Alltag) durch eine überzogene Wissenschaftsskepsis auszeichnet. Studentische Zuschreibungen zum System Wissenschaft pendeln hier anfangs zwischen einer unkritischen Wissenschaftsgläubigkeit und einem saloppen Wissenschaftsdefätismus. Das Wichtigste ist, dass man neutral an die Sache herangeht. Keine Erwartungen hat, wie das zu enden hat. Objektiv an die Sache herangeht und nicht das Ergebnis erarbeitet, das man sich wünscht. Sondern das akzeptiert das man herausbekommt. (I39, Z. 801–803)
StudienanfängerInnen treten erstmals mit formal analytischen Beweisschemata in Kontakt, anhand derer kohärente deduktive Argumentation Erkenntnisse liefern, die sie als valide anerkennen lernen, selbst wenn ihre eigenen Alltagserfahrungen eine andere Interpretation der selben oder einer ähnlichen Realität nahelegen. Ein entstehendes Bewusstsein, dass es sich hier um allgemeingültige, überprüfte Tatsachen handelt, die auch bei mangelnder Passung mit den eigenen Erfahrungswelt ihre Richtigkeit behalten, stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung Wissenschaftssozialisation dar. Das Eintauchen in die Lernwelt Universität könnte als eine Art des Gestaltens der in Lehr- und Lernprozessen eingelagerten Vielschichtigkeit und auch der Eigenwilligkeit gesehen werden. Die bislang gemachten schulischen Erfahrungen sind in der Regel meist keine gute Vorbereitung darauf. Auch die Aufnahme im Studium wird eingangs von den vielen Ordnungsrufen der Institution Universität und deren Vorstellungen formalisierten Lehr- und Lernprozessen geprägt, die selten zu einer Erweiterung der tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten beitragen. Gewohnt an schulisch organisierte Lernprozesse fügen sie sich meist recht bald auch in die von der Universität verlangten Bewegungsmuster ein. Die universitäre Lehr- und Lernwirklichkeit wird dabei als eine Art lückenlos zusammenhängendes Lehr-/Lerngeschehen gesehen, das zwischen den festgelegten Bereichen des Faches, des Stoffes oder „der Sache“, der pädagogischen Situation und der Aneignungsleistung vermittelt. Dieser Vermittlungsprozess soll dabei möglichst reibungslos den festgefügten Wissenskanon „eins zu eins“ in die Hirne der Lernenden transportieren – einen Vorgang, den der Kybernetiker und
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Konstruktivist Heinz von Foerster (1998, S. 65 f.) als eine „Trivialisierung“ (im Sinne eines kalkulierten Input-Output-Modells) bezeichnet hat. Gerade aber in der Studieneingangsphase tauchen hierbei auch vermehrt Phänomene der Desorientierung und der Verschlossenheit der neuen Lebensrealität auf, die sich im pädagogischen Handlungskontext drastisch auswirken. Gerade diese Elemente der Diffusität und der eingeschränkten Organisationsfähigkeit, aber auch der Unübersichtlichkeit und Diversität des neuen Umfelds wirken sich unmittelbar auf das Unterrichtsgeschehen aus. Wie viele Studien zeigen, kann z. B. nicht länger von einer homogenen, geradlinigen oder zielbezogenen Studierendenschaft ausgegangen werden (vgl. z. B. Banscherus und Pickert 2013; Alheit 2005; Bosse 2015), die sich umstandslos in die ebenso heterogene universitäre Struktur einfügen lässt. Dennoch hat es den Anschein, als würden die Parameter, nach denen Universitäten ihre Ziele (inhaltlich, strategisch und auch didaktisch) ausrichten, immer gleichförmiger. In der konkreten Lehre ist diese Gleichförmigkeit besonders dadurch bestimmt, dass die Funktionen und Begegnungen zwischen Lehrenden ausschließlich über Inhalte (eben im Sinne des Input-Output-Modells) definiert werden. Unterricht wird hier als eine Maßnahme gesehen, die wie eine Maschine gesteuert werden kann, und nicht als soziales und immer wieder auch ergebnisoffenes Geschehen. Lehren und Lernen im organisierten Rahmen einer Universität kann aber stets nur ein Entwurf in einem situativen Geschehen sein. Dass dazu Inhalte dargestellt, kontextualisiert und vermittelt werden müssen, liegt dabei genauso auf der Hand, wie jene Elemente im Lehr- und Lerngeschehen, die Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung von Lernenden zum Ziel haben. Naturgemäß kann die Kritik an Wissenselementen erst dann erfolgen, wenn der Sachverhalt einigermaßen klar dargestellt werden kann. Aber wie kann der Sachverhalt überhaupt entstehen, wenn die Versuche des Vergleichs und des Vernetzens nicht getätigt werden können? Der Leitsatz „Lerne erst einmal die Regeln, dann wirst auch mitreden können“ wird dort ad absurdum geführt, wo der Wille zur gemeinsamen Kommunikation fehlt. Wissenschaft erreicht die Studierenden hier gewissermaßen nur indirekt, indem sie sich hinter einer Bastion aus Begriffen und Abwehrhaltungen der Lehrenden versteckt, die das zu studierende Fach immer weiter zerstückelt und nur noch als Fraktale wahrnehmbar macht. Die von den Lehrenden vorgebrachten Einteilungen sind faktisch absolut, haben den Charakter von Gesetzen, deren Schemata lückenlos reproduziert werden müssen. Letztes mal haben wir etwas über Bindungen von Kindern gelernt und dann einen kleinen Film gesehen und bestimmen müssen, welches Kind jetzt also gut gebunden ist, welches ambivalent unsicher usw. Als Mutter von zwei Kindern habe ich das
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ehrlich schwer ausgehalten, dass aus einer solchen Lappalie, wie das Kind sich jetzt in einer Situation verhält, auf ein ganzes Verhalten geschlossen wird. Ich habe mich also geweigert das zuzuordnen, weil ich von meinen Kindern weiß, wie schwer es ist, da etwas herauszulesen. (T6, Z. 36–42)
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind in ihrer quantifizierten oder schematischen Form gerade dort oft schwer zu verstehen, wo persönliche Erfahrungshintergründe einen Abgleich mit den Erkenntnissen der Forschung ermöglichen. Gerade in solchen Momenten sind alltagsnahe und wertbezogene Eigeneinschätzungen oft hemmend, da sie bislang unhinterfragte Gewissheiten zur Disposition stellen. Die Rolle des eigenen Blicks, die eigene Wahrnehmung ist für StudienbeginnerInnen noch sehr unklar bestimmt und kann leicht in eine Zuschreibung des „Abgehobenseins von Wissenschaft“ führen, die sich (auch im universitären Alltag) durch eine überzogene Wissenschaftsskepsis auszeichnet. Studentische Zuschreibungen zum System Wissenschaft pendeln hier anfangs zwischen einer unkritischen Wissenschaftsgläubigkeit und einem saloppen Wissenschaftsdefätismus. Trotz zahlreicher bereits in der Schule gesammelter Erfahrungen mit wissenschaftlichem Handeln und Denken, sind Formen eines differenzierteren Problemverständnisses von Wissenschaft und Forschung selten vorhanden. Das, was Studierende aus der Schule mitbringen, ist nach eigener Einschätzung großteils nur ein Formalsystem (richtiges Zitieren, vorschriftsmäßiges Ausgestalten von Arbeiten oder Power-Point-Aufbereitungen). Ein Gestus der (zumindest möglichen) Neugierde in der Bearbeitung von konkreten Problemstellungen durch wissenschaftliches Handeln wurde solcherart kaum vermittelt. Bei uns bist du also traktiert worden mit Zitierregeln, wo ich aber jetzt gesehen habe, dass die das auf der Uni anders machen. Das ist so ein totaler Druck gewesen, dass ja die Paginierung der Seiten passt und all so ein Zeugs. Ich glaube, inhaltlich hat das eh so keinen wirklich interessiert. (I27, Z. 33–37) In der VWA [vorwissenschaftlichen Arbeit] wurde bei uns also fast nur Angst erzeugt, dass das nicht wissenschaftlich genug ist, dass da falsch zitiert wird usw. Am meisten haben wir darüber gestritten, ob wir WIKIPEDIA verwenden dürfen oder nicht. (I25, Z. 73–76)
Wissenschaft wird auf diese Weise auf ein Formalsystem reduziert, das wenig mit akademischen Wissenskulturen im Sinne eines Problemlösens und eines kritischen Argumentierens zu tun hat. Dadurch entstehen schon im schulischen Bereich häufig emotionale und diffuse Abwehrhaltungen gegenüber Wissenschaft. Ein universitär ansprechendes Verhältnis von Bildung durch Wissenschaft
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(das wiederum in verschiedenen Variationen auftreten kann) wird dadurch (sowohl für Lehrende als auch für Studierende) verunmöglicht. Im Gegenteil – der gegenseitige Erwartungshorizont verstärkt den Abstand zwischen Neugierde, Beobachtung, Methode und Systematisierung noch weiter. Problemorientierte Zugänge verschwinden diesbezüglich immer stärker hinter die Vermittlung von Grundlagen auf der Basis von Abstraktionen. Dort, wo sowohl der Bezug dieser Grundkenntnisse auf konkrete Anwendungen als auch die beruflich-fachliche Bezugnahme fehlen, ist eine sinnstiftende Öffnung des Studiums über abstrakte Grundlagen vor allem zu Studienbeginn sehr schwer herzustellen und kann daher keine tragfähige Gegenbewegung zur rein „formaltechnischen“ Zurichtung von Wissenschaft darstellen. Wie sich den folgenden Interviewpassagen entnehmen lässt, repräsentiert die Hochschule selbst in Hinblick auf die Hinführung der Studierenden zu ersten wissenschaftssozialisatorischen Erfahrungen keine homogene Entität, sondern umfasst ein durchaus breites Spektrum an unterschiedlichen (fachspezifischen) Begleitmodi. Es zeigt sich deutlich, dass disziplinspezifische Kontexte individuellen wissenschaftssozialisatorischen Prozessen von StudienanfängerInnen insbesondere im ersten Studienjahr auf unterschiedliche Weise begegnen und damit auch die subjektive Wahrnehmung des Studiums maßgeblich beeinflussen. Ich hab zuerst mit einem Studium begonnen, da haben sie uns gar nichts dazu gesagt, wie wir Proseminar oder Seminararbeiten schreiben sollen. Dann hast geschrieben, echt mühsam, und deine Arbeit abgegeben. Und dann war’s halt nicht gut. Sicher, man kann sagen, durch die Rückmeldungen auf die Arbeit lernst du das dann. Aber das ist ein schlechter Zeitpunkt, weil da bist du dann ja schon beurteilt worden. Das könnten sie dir schon alles vorher beibringen, weil das ist schon was, was man lernen kann und muss. Aber nein, die lassen dich ins offene Messer rennen. Und selbst hast du das Gefühl, als wärst du schlecht. Eigentlich ist das echt geringschätzig. (I41, Z. 861–868)
Die Wegfindung vom formalisierten Regelwerk wissenschaftlicher Textgestaltung hin zu einer kohärenten und inhaltlich aussagekräftigen Arbeit bleibt nicht selten den StudienanfängerInnen selbst überlassen. Hierbei vollzieht sich jedoch ein hochkomplexer und vielschichtiger Lernprozess, der die Entwicklung akademischer Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsstrukturen einschließt. Erste Fachidentifikation, die Entwicklung eines wissenschaftlichen Habitus und der Ausprägung einer spezifischen professionellen Identität, die unmittelbar mit Prozessen von Wissenschaftssozialisation einhergehen, sind weitere integrale Bestandteile dieser Wegfindung. Damit verbunden ist auch ein besonderer
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Typus sozialen Handelns und Kommunizierens sowie das Hineinwachsen in die Scientific Community als soziale Organisation der Wissenschaft (vgl. Kuhn 1970; Schaeper 1997; Wildt 1985, 2001; Zinnecker 2004). Dieses Hineinwachsen orientiert sich an institutionellen Imperativen, die in unterschiedlichem Maße das „wissenschaftliche Bewusstsein“ von StudienanfängerInnen prägen. In Psychologie gibt es dazu überhaupt keine LV. Also da haben wir es im praktischen Tun gelernt, würd ich sagen. Vor dem ersten Referat und vor der ersten Seminararbeit haben wir so eine kurze Einführung bekommen. Das war es dann schon. In Pädagogik gab es ein Seminar dazu, durch mein Vorwissen aus Psychologie fand ich es aber nicht sehr lehrreich. Also man muss sich schon selbst auch damit auseinandersetzen, würd ich sagen. (I39, Z. 849–853) Ich weiß bis jetzt also noch gar nicht, was jetzt wichtig ist, dass ich es lerne. Da ist so viel und was jetzt genau wichtig ist, das ist mir noch nicht klar. In der letzten Vorlesung „Wissenschaftstheorie“ da wurde viel erzählt und aufgeschrieben, aber der Lernstoff ist mir nicht so strukturiert vorgekommen. (T7, Z. 28–31)
Neben dem Umgang mit den Richtlinien wissenschaftlichen Arbeitens brauchen StudienanfängerInnen eine verlässliche Begleitung für einen soliden Einstieg ins Studium. Dazu gehören grundsätzliche Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens, eine aktive Auseinandersetzung mit der Theorie der Disziplin als auch eine Reflexion der persönlichen Stärken und Schwächen in der Diskussion fachspezifischer Inhalte. Ich glaube, das Strukturierte hilft mir ganz gut, vor allem bei Fällen. Dass du ein Schema im Kopf hast, was du alles abarbeiten musst, damit du nichts vergisst. Das hilft dir extrem, und das mache ich auch in meiner Freizeit gerne, dass ich alles strukturiert und organisiert habe. Und im Vorhinein einen Plan habe. Spontan bin ich nicht wirklich. Und ich glaube, das passt ganz gut. Und ich fühle mich eigentlich – ich weiß nicht, das kann man so allgemein nicht sagen – so, als wäre ich eine Juristin. Und das sagt mir, dass ich das richtige genommen habe. Weil ich mich wohl fühle in dem, was ich mache, wenn ich jetzt zum Beispiel bei der Arbeit bin. Das Analysieren, Strukturieren, Aufarbeiten. Ich mag es sehr gerne zu schreiben und das hilft mir auch voll. Ich arbeite lieber einen Text schriftlich auf, als zu reden. Ich bin jetzt vielleicht nicht die typische Staatsanwältin, aber das Schreiben-Können braucht man als Juristin. (I40, Z. 781–792)
Da Wissenschaft in hohem Grad formalisiert und institutionalisiert ist, hilft den StudienanfängerInnen insbesondere Wissen über allgemeine theoretische und methodische Grundlagen wie auch über disziplinspezifische Regeln und Standards, die ihnen als Fundament aller weitergehenden wissenschaftlichen Auseinandersetzungen dienen. Recherche und Bearbeitung von Quellen, inhaltliche
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Durchdringung des Gegenstandsbereiches wie auch digitale Informationsverarbeitung sind basale Wissensbestände für einen gelingenden Forschungsprozess, bei dem Erkenntnisse systematisch hergeleitet und formuliert werden können. Oft mussten wir uns selber ein Thema suchen. Ich wusste ja gar nicht, wie und wo ich überhaupt anfangen soll, wo ich hindenken soll. Also allein schon, was ist überhaupt forschenswert. Aber das traust du dich am Anfang nicht vor allen sagen. Und wenn du dann ein Thema hast, geht das Dilemma eh gleich weiter. Wie gehst du weiter vor und so, wie schreibst du was nieder. Da schaut niemand so genau hin. (I36, Z. 902–906) Themenfindung, wie man richtig recherchiert, ob schon einmal etwas zu dem Thema geschrieben wurde, damit man auch nichts vergisst, das würde mir helfen. Weil mit diesen Suchdatenbanken ist es auch nicht so einfach. Du kannst ja auch nicht nur bei der Uni Graz suchen, du musst ja in ganz Österreich, eigentlich auf der ganzen Welt. Und da darfst du dann nicht über das gleiche Thema schreiben. Das ist schwierig. (I41, Z. 889–893)
Die sukzessive Hinführung zu wissenschaftlichen Arbeitsmethoden beinhaltet, dass StudienanfängerInnen Forschungsinteressen entwickeln, Grundannahmen dazu ausweisen und im Zuge ihres Schreibprozesses stringent und logisch argumentieren, wobei sie bereits in Grundzügen über ein fachterminologisches und rhetorisch adäquates Ausdrucksrepertoire verfügen müssen. Für die erste Zeit brauchen sie Unterstützung im Eruieren interessanter Forschungsthemen, der Einschätzung von Relevanz möglicher Forschungsfragen, in der Konzeption des Forschungsprozesses und in der Nachvollziehbarkeit der Darstellungen. Wir müssen selbst Zugänge finden, wie man das lösen kann und sollte. Wir haben grob gewusst, was auf uns zukommt und dann haben sie uns die Aufgabe gegeben und wir haben das lösen müssen und auch nachvollziehbar protokollieren. Das war dann schon hilfreich. Wir haben freie Wahlfächer, die Wissenschaftstheorie oder so heißen. Das war schon auch hilfreich. Weil wir auch gelernt haben, wie man an die Sache herangeht. Z.B. wenn man Studien anschaut. Da haben wir gelernt, ob das eine gute oder schlechte Studie ist. (I35, Z. 911–917)
Die Einnahme einer kritischen Grundhaltung, die sich von auf Gewissheit ausgerichtetem alltäglichem Denken und Handeln unterscheidet, bedarf ebenfalls gezielter Hinführung. Eine umfassende Einführung in Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens und eine eingehende Auseinandersetzung mit Hypothesenformulierung, der Berücksichtigung und kritischen Beleuchtung des aktuellen Forschungsstandes ist gerade in der Studienanfangszeit unabdingbar. Auch die Transparentmachung von Erkenntnissen durch Klassifizierungen, der Herstellung von Beziehungen, der Berücksichtigung von Gültigkeitsbereich und Reichweite
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sowie forschungsethische Facetten im Zuge des gesamten Forschungsprozesses sind für StudienanfängerInnen zunächst Neuland. Ich habe gerade ein Seminar „Methodik und Praxis des wissenschaftlichen Arbeitens“ und ich habe gedacht, ich lerne, wie es funktioniert, aber ich lerne es nicht. Sie philosophieren mit uns nur über die Rechtstheorie. Klar, das muss ich wissen, für die wissenschaftliche Arbeit, aber es bringt mir nicht konkret was. Und ich hoffe, dass das im Laufe des Semesters noch irgendwie gemacht wird. Sonst lernt man gar nichts über wissenschaftliches Arbeiten. Das muss du schon explizit machen. (I43, Z. 722–727) Sie machen nicht den Inhalt, den wir wollen. Ich habe auch mit Kollegen, die im Seminar sitzen, darüber geredet und die sagen alle, das ist für den Hugo, was wir da machen. Sie wollen alle auch wirkliches Werkzeug haben. Aber wir kriegen kein Werkzeug, sie wollen, dass wir uns das selbst erarbeiten. (I44, Z. 927–930)
Einführungsveranstaltungen in wissenschaftliches Arbeiten behandeln nicht notwendigerweise jene Fragestellungen, die StudienanfängerInnen besonders dringlich erscheinen, um ihre ersten Seminararbeiten erfolgreich verfassen zu können. Hier zeigt sich ein fehlendes Passungsverhältnis zwischen Lehrveranstaltungsinhalten und Lernbedürfnissen bzw. Lernbedarfen. Eine gelungene erste Begegnung mit wissenschaftlichem Arbeiten hingegen zeigt sich in der Bewusstwerdung über wissenschaftliche Anforderungsstrukturen und die Einnahme einer wissenschaftlichen Haltung. Für mich hat wissenschaftliches Arbeiten ganz viel mit dem Sprachstil zu tun. Dass man schwammige Formulierungen vermeidet und die Sachen ganz konkret benennt. Für mich macht die Sprache ein gutes wissenschaftliches Werk aus. Dann die Verständlichkeit: Nicht, je komplexer und fremder die Worte sind, desto hochwertiger die Arbeit. Das gar nicht, sondern dass auch jemand, der sich in das Thema nicht so eingelesen und eingearbeitet hat, es versteht. Und dann kommt auch das dazu, dass man sich ein umfangreiches Bild über die Studienlage gemacht hat, dass man mehrere Seiten beleuchtet hat und nicht nur die, in die das Denken sowieso schon geht. Zum Beispiel bei uns in der Psychologie, wenn wir Studien machen, kriegen wir ein Ergebnis, das auf unsere Hypothese passt oder nicht passt und in beiden Situationen tendieren wir eher dazu, die Erklärung für das Ergebnis heranzuziehen, die uns am besten passen würde und uns am Stimmigsten erscheint. Und es zeichnet für mich dann eine gute wissenschaftliche Arbeit aus, wenn dann aber mehrere Aspekte, mehrere Beleuchtungen der Erklärungen für das Ergebnis, in der Arbeit aufbereitet werden. (I42, Z. 953–966)
In dieser Interviewpassage zeigt sich die Übernahme einer forschenden Einstellung, die das Denken und Handeln im wissenschaftlichen Kontext prägt und bereits auf Erkenntnisgewinn ausgerichtet ist. Sowohl sprachliche Präzision als
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auch formal analytische Kriterien finden explizit Berücksichtigung und werden als Maßstab für die Qualität wissenschaftlicher Arbeit herangezogen. Zudem erfordert eine forschende Einstellung die Einsicht, dass es sich hier nur um die Gewinnung begründeter Erkenntnisse handelt, die sich dadurch von Alltagstheorien, Vermutungen, Meinungen und persönlichen Überzeugungen unterscheiden. Die Benennung der Notwendigkeit systematischen und methodisch kontrollierten Vorgehens mit stetem und zielorientiertem Blick auf die Fragestellung, die Anbindung an Theorien und bereits vorliegenden wissenschaftlichen Befunden wie auch die Möglichkeit der Überprüfung sorgfältig, eigenständig, fach- und disziplinspezifisch generierten Wissens zeugen von einem erfolgreichen Schritt in Richtung Wissenschaftssozialisation. Was für mich so schwierig war, war, dass ich mich immer mit fremden Gedanken so genau auseinandersetzen musste, damit meine eigenen überhaupt Berechtigung gefunden haben. Also immer so, was haben andere sich überlegt und dann erst, was kann ich vielleicht noch dazu sagen, was die noch nicht herausgefunden haben. (I40, Z. 964–967)
In diesem Zitat wird die Herausforderung eigenständiger und kreativer Überlegungen, die durch intensive und kritische Auseinandersetzung mit theoretischen Zugängen oder Erkenntnissen (hier bezeichnet als „fremde Gedanken“) zum Ausdruck gebracht wird. Das Aufdecken von Zusammenhängen und das Begründen der eigenen Perspektiven, um neue Aspekte aufzuzeigen, stellt für StudienanfängerInnen durchaus eine ganz wesentliche Hürde dar. Um valide Aussagen treffen zu können, müssen StudienanfängerInnen sich auf eine Diskussion der relevanten Forschungsergebnisse einlassen, wozu es ihnen noch an Wissen und an methodischem „Werkzeug“ fehlt. Und oft freust du dich, weil du was gefunden hast, und im nächsten oder übernächsten Text, den du in die Hand nimmst, steht das dann schon wieder drin. Und dann hast du wieder nichts. Wenn was frustrierend ist, dann das. (I37, Z. 986–988)
Auch ein sprachliches Ausdrucksrepertoire, das überhaupt erst eine inhaltliche Durchdringung und eine nachvollziehbare Ergebnisdarstellung erlaubt, müssen sich StudienanfängerInnen sukzessive aneignen. Aber auch dann, wenn du echt was rausgefunden hast, hast du noch immer einen langen Weg vor dir. Weil das musst du erst einmal so schreiben, dass es passt. Und man glaubt ja nicht, was da alles nicht passen kann. Die Fragestellung, jeder Punkt, jeder Beistrich, ob du „und“ oder „oder“ schreibst, was du zuerst schreibst und was nachher, alles ist wichtig. Und in den beiden Studien, die ich mache, wird das auch noch unterschiedlich bewertet. Da gibt’s immer wieder böse Überraschungen. (I39, Z. 977–982)
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Grundsätzlich sind für den systematischen Aufbau wissenschaftlicher Arbeiten insbesondere in der Studienanfangszeit Kriterien des Instituts und der Lehrveranstaltungsleitung maßgeblich. Diese sind – bei konzentrierter Fokussierung auf die Einhaltung wissenschaftlicher Anforderungen – den StudienbeginnerInnen nicht notwendigerweise einsichtig und bedürfen damit besonderer Explizierung und Transparenz. Für eine gelingende formale und stilistische Gestaltung erster wissenschaftlicher Arbeiten, aber auch die Findung einer Textstruktur, die in ihrer Abfolge und ihrem Zusammenhang kohärent und kohäsiv ist, braucht es in der Studienanfangszeit daher besonders intensiver Hinführung und Begleitung. In meinem Studium hatten wir dann eine Einführungsveranstaltung in wissenschaftliches Arbeiten. Und in den Veranstaltungen mussten wir immer wieder kleine Arbeitsaufträge machen, die dann komplett zerlegt und genauestens besprochen wurden. Und genau so lernst du das. Nicht nur an den eigenen Sachen, sondern auch, wenn das von den Kollegen behandelt wird. An den ganzen Beispielen. Wie geht’s nicht und wie soll’s sein. Wie machen das die anderen? Wo haben alle gleiche Probleme und was können die anderen besser als du selbst. Das lernt man so am allerbesten. Was kann ich überhaupt herausfinden, was brauche ich dazu und was sagt das dann aus. Aber das braucht viel Zeit und da geht sonst in den Veranstaltungen nicht viel. (I39, Z. 899–907)
Die Hinführung zu wissenschaftlichem Arbeiten bedarf einer eingehenden Auseinandersetzung mit Arbeitsergebnissen der Studierenden und ist ein kleinschrittiger und immer auch individualisierter Prozess, der durch komparativ ausgerichtete Gruppenprozesse Erweiterung und Vertiefung erfahren kann. Didaktisch stellt sich die Frage, wie Lehre gestaltbar ist, welche Inhalte, Aufgabenstellungen und Methoden geeignet sind, um die Studierenden an eine differenziert analytische Bearbeitung wissenschaftlicher Fragestellungen heranzuführen und am Ende für die jeweilige Reichweite aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Insbesondere sind exemplarische Bearbeitungen wie Formulierungsvorschläge von Forschungsinteressen und Forschungsfragen, Konzeptualisierungsversuche von Forschungsdesigns, die genaue Betrachtung analytischer Verfahrensweisen im Zuge des Erkenntnisgewinns und Möglichkeiten einer kohärenten und theoretisch abgesicherten Ergebnisdarstellung die maßgeblichen Säulen in der didaktischen Hinführung zu wissenschaftlichem Arbeiten und Denken. Bei jeder noch so kleinen Übung wird wissenschaftliches Arbeiten von uns verlangt. Es hat Professoren gegeben, die sehr penibel waren, und das war während wir die Arbeit aufbereitet haben etwas aufreibend. Aber im Endeffekt haben die Professoren es uns am ehesten aufgezeigt. Bei den Zitierweisen zum Beispiel wurde über das Kursivschreiben eines Beistrichs diskutiert. Aber es hat uns aufgezeigt, dass das ein Qualitätskriterium ist, wenn man das einheitlich und exakt macht. (I45, Z. 905–910)
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Der kritische Umgang mit den eigenen Leistungen der Studierenden zeigt ihnen ihre Stärken und Schwächen in der Anwendung grundlegender methodischer Konzepte auf, regt zu Selbstreflexion und zunehmender Prozesskontrolle an und ermöglicht es ihnen, Fehler in der Durchführung eigener Studien zunehmend zu vermeiden. Dazu braucht es vertiefende Übungen in den Lehrveranstaltungen mit praktischen Arbeitsaufträgen, die als Transfer- und Anwendungsaufgaben dienen. Statistik zum Beispiel geht Hand in Hand mit dem wissenschaftlichen Arbeiten. Das hat uns sehr viel gelehrt. Alle Ergebnisse, die wir in Statistik niedergeschrieben haben, schreibt man genau so in einem Paper. Und das ist uns schon sehr eindringlich aufgezeigt worden, wie es funktioniert, und das im ersten Semester. Und das ist etwas, was ich immer noch so mache wie aus dem ersten Semester. (I36, Z. 857– 861)
Die systematische Rückmeldung zu studentischen Leistungen, die sie in Beziehung zu akademischen Standards, wissenschaftlichen Denkprozessen, Texterfordernissen und auch eigenen Ansprüchen setzen ist integraler Bestandteil wissenschaftsbasierter Lehre. Sie regt zu zielbezogener, selbstständiger Forschungsarbeit an, zeigt zu überarbeitende Elemente der Textproduktion auf, ermöglicht den Transfer von Lernleistungen durch reflexive Durchdringung eigener Leistungen und kann als Teil kollaborativen Lernens Beziehungen über fachlichen Austausch organisieren. Ich hab schon Rückmeldungen bekommen, von Lehrenden und anderen Studierenden. Die gab’s direkt im Seminar, oder manchmal schriftlich, wenn wir was zuschicken mussten. Einmal auch über Moodle, da hat jeder von uns zu einer anderen Arbeit Feedback geben müssen. Davon hätte ich noch viel mehr gebraucht. Viel mehr. (I43, Z. 927–930)
Sowohl formatives Feedback auf Teile des Forschungsprozesses als auch summative Rückmeldungen auf wissenschaftliche Endergebnisse, die sowohl von Lehrenden, als auch von studentischen TutorInnen oder StudienkollegInnen in der Form von Peer-Feedback eingeholt werden können, veranlassen zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit ersten Forschungsaufträgen. Kollaborative Bearbeitungen wissenschaftlicher Arbeiten können dabei zu gegenseitiger Unterstützung und damit zu Gemeinschaftsbildung führen und Kompetenzaustausch als motivierenden Lernverstärker fruchtbar machen. Auf diese Weise kann durch gezielt überlegte didaktisch-methodische Lehrplanung fokussierte fachliche Kommunikation über akademische Arbeitsweisen sowie die Einnahme eines analytischen Blickes erreicht werden, sowohl innerhalb der Lehrveranstaltung in face-to-face Situationen als auch auf elektronischem Weg über Mails oder
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online Lernplattformen. Auf diesem Weg wird wissenschaftliche Textproduktion zu einem Begegnungsfeld mit und zwischen Studierenden, das auch im weiteren Studienverlauf eigeninitiativ organisiert und aktiviert werden kann. Und wenn du dann Literatur verwendest, die grad ein bisschen mehr als 10 Jahre alt ist, aber echt gut zum Thema passt, dann tun die, als wäre das Steinzeitliteratur und stellen dich hin, als wärst du zu faul, was Aktuelleres zu suchen. (I41, Z. 744–746)
Die aktuellen Bedingungen wissenschaftlichen Arbeitens erfordern einen konstruktiven und effizienten Umgang: Beständig wird neues Wissen produziert und beinahe zeitgleich mit ihrer Generierung online weltweit distribuiert. Wissensbestände – je nach Art des Wissens – zeichnen sich hinsichtlich ihrer Relevanz und Aktualität durch immer kürzere Zeitspannen aus, rasant ansteigende wissenschaftliche Entwicklungen und der technische Fortschritt der Ergebnisdissemination führen dazu, dass sich die „Halbwertszeit“ von Wissen zunehmend verringert (vgl. Puls 2011, S. 167 f.). Dies hat beträchtlichen Einfluss auf das wissenschaftliche Arbeiten, das sich immer stärker durch lokale Entbundenheit und zunehmende Mobilität kennzeichnet. Es zeigt sich ein Wandel der Lernorte. Was schon super ist, ist dass es super online-Sachen gibt, die du überall nutzen kannst. Egal wo du grad bist, du kannst eigentlich immer wissenschaftlich was tun. (I37, Z. 697–698)
So findet wissenschaftliches Arbeiten immer weniger in klassischen Bibliotheken oder vor einem Computer statt, sondern mobile Endgeräte entgrenzen den Zugang zu Informationen und ermöglichen Lernen praktisch überall – etwa im Zug, im Garten oder im Schwimmbad. Auch die Aufbereitung der Lernmaterialien bspw. in Moocs, über online Plattformen, Lernapps etc. auf kleinen Displays weisen eine veränderte Organisation und Struktur der Arbeitsmaterialien auf und lassen neue Lernkulturen entstehen (vgl. Ebner und Schön 2012, S. 10). Der Anpassungsrhythmus an neue Erkenntnisse wird immer kürzer, die Anforderungen an die Studierenden hinsichtlich Selbstorganisation, Zeitmanagement sowie multimediale Informationskompetenz und die Fähigkeit, Dokumente zu systematisieren und zu ordnen immer größer. Dies alles sind neben fachlichen und methodischen Kompetenzen voraussetzungsvolle Kontextfaktoren für eine erfolgreiche Wissenschaftssozialisation bereits in der Studieneingangsphase.
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5.1 Relevanzfaktoren für gelingende Studieneinstiege Im Einfindungsprozess in ein Studium lässt sich deutlich erkennen, dass das Ausmaß und die Reichweite der Identifikation mit der gewählten Fachdisziplin in allen Studienrichtungen generell niedrig sind. Fällt die Verknüpfung von eigenem Vorwissen oder Vorannahmen mit Berufsbildern und Tätigkeitsfeldern schon schwer, so verhält es sich im Bereich der Verortung der Studienwünsche mit curricularen Vorgaben noch weitaus prekärer. Trotz eines in den letzten Jahren stetig gewachsenen Informationsangebots sind die Orientierungsund Abstimmungsprobleme vor allem in den „Massenstudien“ überaus gewichtig. Der Beginn der Internalisierungsprozesse in Bezug auf die Standards wissenschaftlichen Arbeitens ist unweigerlich an soziale Beziehungsmuster gekoppelt und beinhaltet neben den Einführungsseminaren in Techniken und Formalia zu diesen Themenbereichen auch Möglichkeiten eines intuitiven Erfassens von Regelsystemen. Erst dadurch führt der Sozialisationsprozess zur Herausausbildung eines wissenschaftlichen Habitus. Dies verlangt zuallererst eine interaktive Struktur zwischen Hochschullehrenden (professionellen WissenschafterInnen) und Studierenden, wobei es aber nicht nur um die Vermittlung von ExpertInnenwissen geht. Was Studierende hier grundsätzlich erfahren, ist ein kognitivistisches Regelsystem, das in einer Art von Scheinkommunikation „vermittelt“ wird. Das vorrangige Ergebnis dieser Bemühungen wird meist als diffuse Verknüpfung von Forschung und Lehre, von Lehrenden und Lernenden, charakterisiert. Die dominanten Rollenmuster innerhalb derer sich Studierende in ihrem Studium sehen, sind vor allem an der möglichst unaufwendigen Herausbildung © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Egger und S. Hummel, Stolperstein oder Kompetenzstufe?, Lernweltforschung 16, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23283-2_5
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von Strategien zur Abarbeitung an den fachspezifischen Arrangements und den curricularen Vorgaben im Studium orientiert. Nur zu einem äußerst geringen Anteil tauchen hierbei Leitbilder eines für sie nachvollziehbaren Wissenschaftsoder Intellektuellentypus auf, der neben den dominanten Wissensstrukturen auch Wertbindungen an kognitive und ethische Dimensionen und Standards wissenschaftlichen Arbeitens sichtbar werden lässt. Was Großteils erlebt wird, ist eine Übermacht des Wissens und der Definitionsmacht der Lehrenden, die kaum Möglichkeiten für eine „Sinndeutung durch Wissenschaft“ zulassen. Sozialisatorisch wird dadurch die Funktion der Aneignung des Systems Wissenschaft in einem intellektuellen, kritischen und gesellschaftlichen Sinn auf die Bewältigung von Stoffmassen verringert. Die Auswertung der Interviews und Studieneingangstagebücher bringt multiple Zusammenhänge unterschiedlicher Faktoren zur Darstellung, die auf Gelingensbedingungen für einen erfolgreichen Studieneinstieg wie auch auf Hintergründe für Studienabbrüche schließen lassen. Das Passungsverhältnis zwischen individuellen Faktoren und institutionellen Rahmenbedingungen erweist sich dabei als ein ganz zentrales Schlüsselelement, wobei gerade das Wissen um diese Elemente Möglichkeits- und Gestaltungsperspektiven für eine studierendenorientierte Studieneingangsphase eröffnet, deren zentrale Herausforderung darin besteht, Studienabbruchsquoten zu verringern, ohne den Leistungsanspruch an ein wissenschaftliches Studium zu Lasten von (fach-) wissenschaftlichen Standards zu senken. Die Ergebnisse der Datenauswertung verweisen daher auf (unter Umständen) folgenschwere Stolpersteine, von denen zentrale Determinanten für einen gelingenden Studieneinstieg abgeleitet werden können. Orientierung im Übergang Schule – Universität • Die Möglichkeiten, schulisch auf die Lernwelt Universität vorbereitet zu werden, sind vielfältig. Wesentlich und unverzichtbar sind (neben einem guten Allgemeinwissen) die Ausbildung in Formen des wissenschaftlichen Arbeitens, die Herstellung von Anwendungsbezügen von „Theorie“ und die Verbindung schulischen Wissens mit akademischen Perspektiven, bzw. die Weckung der Begeisterung für universitäre Fächer. • Informationsmöglichkeiten und Vorbereitungsmaßnahmen werden als integrale Bestandteile des Lehrplans aller Maturaklassen benötigt. Auch Unterrichtsfreistellungen für die Teilnahme an Schnuppertagen in den jeweiligen Studienfächern oder Ermutigung zur Teilnahme an Vorlesungen sollte als Aufgabe der Schulen betrachtet werden.
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• Die Studienwahl kann allerdings nur partiell durch schulische Informationsund Entscheidungshilfen beeinflusst werden, wobei deren Grenzen besonders deutlich sichtbar werden, wenn es z. B. darum geht, eine Zunahme des Interesses von Schülerinnen an den sogenannten MINT (mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen) Fächern zu erreichen. Besonders schwierig wird es, die Kluft zwischen Schule und Universität zu überbrücken, wenn bei den Jungstudierenden (wie es in dem vorliegenden Sample häufig der Fall war) kaum handfeste Motive für ihre Studienwahl vorhanden sind. • Informationsflut und widersprüchliche Informationen erhöhen die Orientierungslosigkeit der StudieninteressentInnen oder -beginnerInnen vielfach. Um dem entgegen zu wirken sind einerseits ausgewählte Informationsmaterialien für unterschiedliche Phasen der Studienaufnahme hilfreich, andererseits brauchen StudienbeginnerInnen individuelle Anlaufstellen, um ihre je eigenen Fragen zu klären. • „Blackbox Studium“: Sowohl die im Studium tatsächlich vorfindbaren Anforderungen als auch die konkreten Studienbedingungen, Arbeitsweisen und zukünftigen Berufsfelder sind dort sehr diffus, wo die eigenen Wunschvorstellungen inhaltlich wenig differenziert sind. Daher ist es auch schwierig, die Erwartungen der Studierenden mit den Anforderungen in der Universität im jeweiligen Studienfach abzugleichen oder so weit wie möglich anzupassen. Es gilt hier sprichwörtlich jenes Sprichwort von Mark Twain: „Wer nicht weiß, wohin er will, der darf sich nicht wundern, wenn er ganz woanders ankommt.“ • Sichtbarmachung der Studienvoraussetzungen: Was in den Interviews immer wieder ersichtlich wurde, ist die weiterhin große Diskrepanz zwischen Studienwunsch und der Einschätzung der konkreten Anforderungen im Studium. In den naturwissenschaftlichen Studiengängen scheint nach Aussagen der StudienbeginnerInnen das Passungsverhältnis noch etwas zufriedenstellender auszufallen, als in den übrigen Studienfächern, wenngleich auch hier im ersten Semester große Lücken (vor allem in mathematischen und technischen Kenntnissen) entdeckt werden. Trotz zahlreicher Informationsund Beratungsangebote wissen Studierende generell sehr wenig darüber, welche Stärken und Schwächen sie in Hinblick auf ihr Studium tatsächlich mitbringen. Daraus entstehen Haltungen, die zwischen Selbstüberschätzung, pragmatischen Anpassungsstrategien bis hin zu tief greifenden Zweifeln über die eigenen Kompetenzen liegen. Erschließt sich in einem Studium grundsätzlich erst im Laufe der Zeit die Bandbreite des gewählten Faches, so ist für die Entwicklung eines eigenen Studienstils vor allem das erste Studienjahr
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ausschlaggebend. Die hier generierten Einstellungen und Praktiken wirken sich stark auf das tatsächliche Verhalten im Studium in Bezug auf die Einschätzung der eigenen Leistung, der subjektiven Sinngebung des Studiums und auch auf den Kompetenzerwerb und deren Entwicklung während des Studiums aus (vgl. Heublein et al. 2009; Bülow-Schramm et al. 2009; BülowSchramm und Rebenstorf 2010; Merkt 2012). • Passgenauigkeit des Studienfaches: Diejenigen Studierenden, die ihre Studieninteressen klar benennen können, sind meist auch in der Lage, ihre Studienneigung mit ihrer Studieneignung einzuschätzen. Dafür brauchen sie jedoch einen konkreten Einblick in den Aufbau des Studiums, in die Zusammensetzung fachspezifischer Themenkomplexe und Arbeitsweisen wie auch in kognitive und soziale Anforderungen. • Abgleich zwischen studentischen Erwartungen und Studienrealität: Neben den klassischen Formen der Informations- und Beratungsleistungen und den einführenden Lehrveranstaltungen werden schwerpunktmäßig auch interaktive, webbasierte Selbstinformations- und Selbstprüfungsverfahren für einzelne Studiengänge angeboten, um die Passung zwischen disziplintypischen Ansprüchen und den Vorstellungen der Studieninteressierten zu verbessern. • Die Studierbarkeit wird eingangs auf eine harte Probe gestellt: Vielfach ist trotz guter Beratung der Studienaufbau nicht erkennbar, große Stoffmengen und unflexible Regulierungen führen schnell zu erstem Stolpern. Daher sollten für die Zeit zwischen Schulabschluss und Studienaufnahme von den Universitäten (online) Vorbereitungsmöglichkeiten bereitgestellt werden, die sowohl über den Studienaufbau als auch über fachliche Inhalte informieren, sowie studienspezifische Lern- und Organisationsstrategien aufzeigen. • Der Unübersichtlichkeit des Aufbaus der Universität sollte durch gezielte Maßnahmen entgegengewirkt werden: Der vorherrschende sozialisatorische Kontext der Universität für Erstsemestrige liegt für dieses Sample in der Bewältigung der bürokratischen Einstiegshürden, der (oft nur rudimentären) Zurkenntnisnahme einer spezifischen Fachwissenschaftlichkeit, gefolgt von einer meist als unspezifisch antizipierten Arbeitsmarktvorbereitung und von nur partiell wirkenden Formen der Persönlichkeitsbildung. Studierendenorientierung und soziale Integration • Im zunehmenden Prozess der Diversifizierung von Bildungsbiografien wird das Bachelor und Master-System verstärkt dazu genutzt, vielfältige berufliche und studentische Erfahrungsebenen zu verknüpfen. Die klassischen Veranstaltungsformate entsprechen diesen heterogenen Bildungsbiografien noch kaum. Das Regelstudium ist in der Studieneingangsphase weiter-
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hin auf Vollzeitstudierende ausgerichtet, die keine Gelegenheit für passgenauere Betreuungs- und Beratungsangebote bieten, sodass die individuellen Voraussetzungen der Studierenden mit ihren vielgestaltigen fachlichen und strukturellen Anforderungen an ein Studium kaum Platz darin finden. • Anonymität und die Schwierigkeit, sich sozial zurechtzufinden: Studierende, die durch vom Mainstream abweichende Merkmale (vor allem Alter, Geschlecht, Nationalität) „auffallen“ und dadurch die heterogene Vielfalt verstärkt mitbestimmen, haben es in der Regel schwerer, sich sozial in bestehende Gruppen zu integrieren. Dies hat vor allem damit zu tun, dass Gründe der Studienorganisation schwer mit ihren sozial dominierenden Mustern kompatibel sind, wenn z. B. Zeitbudgets für Begegnungen außerhalb der Lehrveranstaltung fehlen oder Hemmnisse aufgrund der Sprache (formal aber auch wissenschaftsbezogen) auftauchen. • Das hohe Vortragstempo bereitet StudienanfängerInnen besondere Schwierigkeiten, zudem sie meist noch nicht relevante Inhalte prägnant festhalten können. Das liegt einerseits an fehlenden Fokussierungsleistungen auf die wesentlichen Aussagen und Relevanzbereiche – ein in der Tat kein einfaches Unterfangen – sowie an fehlenden Protokollierungstechniken, die nicht auf wortwörtliche Wiedergaben abzielen, sondern die Kernaussagen dokumentieren. • Die Frage, ob Lehrende MotivationskünstlerInnen zur Steigerung der Leistungsbereitschaft der Studierenden sein sollen, ist umstritten. Es können aber nur dort motivationale Elemente verstärkt werden, wo schon Motivstränge vorhanden sind. Auf jeden Fall kann zur Steigerung der Sinnkonstruktionen beigetragen werden, indem ausdrücklich Verbindungslinien des Stoffs mit der Lebenswelt der Studierenden oder mit spezifischen beruflichen Anforderungen hergestellt werden. • Die Umstellung von schulischen Lernstrategien auf universitäre Arbeitsformen bedarf eines eigenen Entwicklungsprozesses, bei dem Lernen um die Sinndimension zu erweitern und nicht auf bloßen Kenntnis- oder Fähigkeitserwerb zu reduzieren ist. • Studierende brauchen Zeit für individuelle Lernwege, damit nicht Abarbeitungslogiken oder Scheineffektivität ihre Lernprozesse dominieren, sondern Formen der Persönlichkeitsbildung stattfinden, indem die Lernwelt Universität eine tiefenerschließende Aneignung von Welt ermöglicht. • Selbstwirksamkeitsempfinden muss sukzessiv durch eigene erfolgreiche Handlungen und durch die Erfahrbarkeit von Anerkennung aufgebaut werden. Differenzierte Rückmeldungen sind daher bereits ab dem ersten Studiensemester voraussetzungsvoll, um die StudienanfängerInnen dahingehend zu
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unterstützen. Zudem sollten Studierende die eigenen Leistungen realistisch einschätzen lernen, damit diese auch dann ihren Wert behalten, wenn von Lehrenden kein aussagekräftiges Feedback gegeben wird. • „Motivation, Gefühle und Handlungen von Menschen resultieren in stärkerem Maße daraus, woran sie glauben oder wovon sie überzeugt sind, und weniger daraus, was objektiv der Fall ist“ (Bandura 1977, S. 71). Die sich daraus ergebenden Einschätzungen in der Bewertung des eigenen Handelns, ob und wie schwierige Anforderungen erfolgreich bewältigt werden können, spielen eine große Rolle für das eigene Kompetenzerleben, die soziale Einbindung und auch die Selbstbestimmung (Deci und Ryan 1985). Dabei spielt (neben der kognitiven Kompetenz) vor allem die Sinnkonstruktion eine entscheidende Rolle. Dort, wo es Studierenden schwerfällt, eine Verbindung der an der Universität präsentierten Inhalte und Methoden mit eigenen oder beruflichen Anforderungen zu erkennen, und wo auch der Leistungs- und Funktionalitätswillen gering ausgeprägt sind, werden auch zu erbringenden Studienleistungen diffus und unüberschaubar. So wesentlich hierbei die permanente Kommunikation und Transparenz in Bezug auf die Anforderungen (Lernziele, Materialien etc.) und der Bewertung (Kriterien, Gewichtung, Punktevergabe, Notenverhältnis) auch sind, kann die Unsicherheit dort kaum vermindert werden, wo eben keine Einschätzung des eigenen Leistungsvermögens oder der eigenen Defizite aufgrund der Distanz zum Studium möglich ist. Für diejenigen, deren Orientierungsbedarf aber stark aufgabenorientiert ist, ist die Unterteilung der oft übergroßen Semester‐ Ziele in kleinere Teilziele (z. B. für ein Semester‐Drittel und eine Woche) wesentlich, um die Resultate der eigenen Anstrengungen sehen zu können, um wiederum positive Verstärkung der Anstrengungsbereitschaft zu erleben. Inwieweit hier unterschiedliche Leistungsniveaus berücksichtigt werden können, um auf verschiedenen Wegen schaffbare und dennoch anspruchsvolle Aufgaben zu stellen, ist von den jeweiligen Lehrkontexten abhängig, aber in der Regel durchaus sinnvoll. • Die Bildung von Netzwerken ist sozialer Integration und der Entwicklung studienspezifischer Ressourcen zuträglich. Informelle Austausch- und Lernprozesse eröffnen bessere Einblicke in die Lebens- und Studienwelt und fördern die institutionelle Integration wie auch die Identifikation mit dem Studienfach. • Die soziale Einbindung in den Lehr-/Lernprozess kann durch regelmäßiges, konstruktives und treffsicheres Feedback erhöht werden. Dabei ist es wesentlich, konkrete und bewältigbare Möglichkeiten der Weiterarbeit zur Verfügung zu stellen. Dies gilt auch für die Lehrenden, indem sie selbst mehrmals im
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Semester Feedback einholen und so den Studierenden die Möglichkeit und den Anreiz geben, sich stärker einzubringen. • Diversifizierende Maßnahmen sind nicht nur im Sinne der Verringerung von Leistungsunterschieden wichtig, sondern auch hinsichtlich Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit wesentliche Ziele. Indem prozessbezogen die individuellen Anstrengungen durch eine größere Flexibilität bei der Lösungssuche gesehen werden können, ist die Chance sehr hoch, dass es langfristig auch zu einer realistischeren Selbsteinschätzung kommt, was wiederum ergebnisbezogen motivationsfördernd sein kann. Lehr- Lernarrangements • Die oftmals geringe Reflexionsbereitschaft der Lehrenden hinsichtlich der Gestaltung eines gelingenden Lehr-Lernarrangements scheint sich auch auf die Lernenden auszuwirken. Oftmals fehlt auf beiden Seiten die Verinnerlichung einer kritischen und überlegten Haltung, die das Zusammenwirken von Lehren und Lernen in Bezogenheit aufeinander in den Blick nehmen. Mangelt es reflexiver Lehrentwicklung, so haben die Studierenden meist wenig Anlass zu einer daran anknüpfenden reflexiven Lernentwicklung. Das führt dazu, dass Lehren wie auch Lernen sich in ihrem Verhältnis zueinander auf eine Input-Output Perspektive beschränken, anstatt in einen interaktiven und kollegialen Austausch zu gelangen. • Ein wesentliches Element des Studienerfolgs ist die Lerndisziplin. Durch den oft ungewohnt langen Zeitraum zwischen Lehrveranstaltung und Prüfung wird das Lernhandeln (so es nicht durch Zwischenarbeiten gefordert ist) temporär sehr weit ausgedehnt. Das hat zur Folge, dass sowohl die Stoffmenge als auch die prinzipielle Überforderung in den einzelnen Lehrveranstaltungen zunimmt. Wird nicht zu Beginn des Studiums ein Modus der kontinuierlichen Mitarbeit verlangt oder selbstständig entwickelt, kann dies zu einer Kumulation von Aufgaben und letztlich auch wiederum von Insuffizienzgefühlen führen. Zwischenprüfungen, Teilleistungen oder auch Abmachungen mit anderen Studierenden in Lerngruppe sind dabei für viele Studierende mögliche Wege, der fehlenden eigenen Selbstdisziplinierung entgegenzuarbeiten. Stabile und lernförderliche Lerngruppen bilden jedoch eher die Ausnahme. • Das Lernen im akademischen Kontext braucht neue Organisations- und Arbeitsformate. Auch die Lehr- und Lernbedingungen können aktiv gestaltet werden: Sowohl Lernorte als auch die soziale Lernumgebung sollten sich nicht willkürlich „ergeben“, sondern überlegt arrangiert bzw. ausgewählt werden. • Gerade in den Eingangsvorlesungen braucht die große Themenvielfalt eine besonders klare Strukturierung und Einbettung in lebensweltliche wie auch
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fachspezifische Zusammenhänge. Hier sind die didaktischen Fähigkeiten der Lehrenden in besonderem Maße gefragt. • Organisation des Studienalltags und die Lernorganisation bedürfen für sich schon eines eigenen Einfindungsprozesses, der zudem im Falle zahlreicher Studierender durch die Notwendigkeit von Erwerbstätigkeit oder durch Betreuungsaufgaben erschwert wird. Auch die Balancefindung zwischen Studierzeit und Freizeit ist ein herausforderndes Element der neuen Lebensorganisation. Werden zwischen den einzelnen Lebensbereichen keine klaren Grenzlinien gezogen, so bleiben die Übergänge diffus, drohen ineinander überzugehen und sich in einem kräfteraubenden Konglomerat bestehend aus den unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Anforderungsstrukturen zu materialisieren. Unterstützungsmaßnahmen • Studierenden fehlt ein konkretes Supportsystem, sowohl bei fachlichen als auch lernspezifischen und studienorganisatorischen Problemen. Wenn die Mitstudierenden hier nicht aushelfen (und das ist gerade bei übergroßen Lehrveranstaltungen ob des fehlenden Zugehörigkeitsgefühls oft schwer), fällt es Erstsemestrigen oft nicht leicht, den Weg zu den Lehrenden zu finden. • StudienanfängerInnen benötigen zudem Unterstützung, um die individuellen sozialen und/oder kognitiven Schwerpunkte zu bewältigen. Machen sie Erfahrungen des Scheiterns, so brauchen sie klar ausgewiesene Anlaufstellen, die ihnen adäquate Bewältigungsstrategien aufzeigen. Die Schaffung formeller studienbegleitender Coachingangebote für die Erarbeitung von Fachwissen, institutionellem Wissen wie auch von Handlungsstrategien in den Bereichen Lernen, Prüfen oder Selbstorganisation sind daher ein zentrales Desiderat in der Studieneingangsphase. • Eine Schlüsselfähigkeit könnte demnach der Umgang mit Rückschlägen sein, was durch die Fähigkeit der „academic buoyancy“ (vgl. u. a. Martin und Marsh 2008; Kerres und Schmidt 2011) charakterisiert ist. „Academic buoyancy has been defined as a capacity to overcome setbacks, challenges, and difficulties that are part of everyday academic life. Academic resilience has been defined as a capacity to overcome acute and/or chronic adversity that is seen as a major threat to a student’s educational development“ (Martin 2013, S. 488). Es liegt nahe, dass Copingstrategien zu entwickeln sind, die das Selbstwirksamkeitsempfinden in keinem zu hohen Maß und vor allem nur mit temporärer Wirkung verringern, damit ein auf Gelingen gerichtetes Studierverhalten beibehalten werden kann.
5.2 Universitäre Lehr-Lernsituationen und ihre Verantwortlichkeiten
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• Hilfreich sind vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern fachspezifische Brückenkurse, die das gezielte Nachholen fehlender Wissensbestände ermöglichen und so Frustrationen während des Studieneinstiegs verhindern. Diese entlasten dabei sowohl Studierende als auch Lehrende in der Vermittlung und Aneignung fachspezifischer Inhalte. Hier könnten auch eigens für jedes Studienfach eingerichtete Peer-Mentoring Angebote oder Tutoriate ganz wesentlich Hilfestellungen bieten.
5.2 Universitäre Lehr-Lernsituationen und ihre Verantwortlichkeiten Die Relevanz der im Studium vermittelten Kompetenzen der jeweiligen Fachdisziplin für die antizipierte zukünftige Berufspraxis wird StudienanfängerInnen kaum nachvollziehbar dargestellt. Die Erwartungen an „nützliches Wissen“ werden vorrangig an die Bereiche Praxisnähe und Lebensweltrelevanz geknüpft; Perspektiven auf professionsspezifische Anwendungsmöglichkeiten werden in den meisten Studienfächern marginal thematisiert oder bleiben vollends unbeachtet. Dem entspricht eine Studienmotivation, die wissenschaftliches Lernen in erster Linie als Zukunftsinvestition in ,,human capital“ betrachtet. Das Problem der sozialisatorischen Interaktion liegt hier darin, dass kognitive Rationalität nur in reduzierter Form vermittelbar ist. Der Eigenwert theoretischer Abstraktion und die generalisierende Distanz wissenschaftlicher Perspektiven steht hier unvermittelt den konsumatorischen Bedürfnissen nach Nutzanwendung und spezifischen Problemlösungen gegenüber. Das grundlegende Dilemma zwischen dem Generalisten und dem Anwender wird hier nicht gesehen: Einerseits impliziert wissenschaftliches Lernen immer ein Mehr gegenüber dem praktisch notwendigen Wissen, andererseits reicht das operable Wissen der Akademikerin oder des Akademikers nicht aus, um die Besonderheiten eines Arbeitszusammenhangs, der unter Umständen nur vage Zukunftsaussicht ist, zu beherrschen (Abb. 5.1). Die Herstellung von Verbindlichkeit Als Fundament jeglicher Lehrbestrebungen wird die Herstellung von Verbindlichkeit betrachtet. Nur wenn es möglich ist, dass sich Lehrende und Lernende zumindest grundsätzlich in einem prinzipiell erkennbaren Zusammenhangsmodus begreifen, kann universitäre Lehre auch tatsächlich ihre Funktionen erfüllen. Anders als im schulischen Kontext wird hier darauf hingewiesen, dass der
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Abb. 5.1 Pyramide der Verantwortlichkeiten (©Egger 2019)
Zwangscharakter von Beschulung und die daraus entstehenden Übertragungsphänomene (autoritätsbezogen, funktional oder auch persönlich) in der Universität im Allgemeinen keine Rolle spielen. Hier stehen sich erwachsene Menschen gegenüber, deren vorrangige Aufgabe die Herstellung und Anwendung von Wissensbezügen ist. Lehrende haben deshalb in diesem Zusammenhang den Auftrag, durch eine möglichst klare und eindeutige Strukturierung ihrer Lehrveranstaltung die zu erbringenden Leistungen der Studierenden zu bestimmen, zu unterstützen und zu bewerten. Dafür sind ein Rahmen- und ein Ablaufplan der einzelnen Stationen, Inhalte und Bewertungsschritte notwendig. Lehrende müssen alle erforderlichen Punkte eindeutig kommunizieren und den Studierenden zeitnahe Rückmeldungen über die bislang erbrachten Leistungen geben. Dazu wird in einem Interview das Bild eines „Lehr-GPS“ verwendet, das in der Lage ist, die zurückgelegte Wegstrecke und die noch zu leistenden Aufgaben zu bestimmen. Dies kann nach Ansicht der Befragten in Seminaren oder Übungen durch die Bewertung mehrerer Arbeitsaufträge über ein Semester erfolgen, wobei klar sein sollte, welchen Stellenwert die einzelnen Arbeitsschritte für die Endnote haben. In größeren vorlesungszentrierten Lehrveranstaltungen sollte diese Verbindlichkeit durch Zwischenklausuren oder über eine intervallmäßige konkrete Wiederholung des Stoffes in Hinblick auf die Abschlussprüfung erfolgen. Für die Lernenden beinhaltet die Herstellung von Verbindlichkeit ebenfalls eine Basisbedingung jedes Studiums. Diese wird von
5.2 Universitäre Lehr-Lernsituationen und ihre Verantwortlichkeiten
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den Lehrenden darin gesehen, dass für die Erledigung der beabsichtigten Arbeiten ein fundamentaler Lernwille, eine erwachsenengerechte Form der Leistungsbereitschaft, unumgänglich ist. Jede hochschuldidaktische Bemühung endet für die Lehrenden dort, wo sie diese Lernbereitschaft nicht voraussetzen können. Die Konstruktion von Sicherheit Aufbauend auf Formen einer verbindlichen Lehr- und Lernstruktur wird in den Interviews immer wieder darauf hingewiesen, dass sich Lehrende, sowohl in fachlicher als auch in didaktischer Hinsicht, eigene Formen eines sicheren „Standings“ erwerben müssen. Dabei spielen in erster Linie forschungsspezifische Elemente eine entscheidende Rolle. Die Aufschichtung von Fach- und Erfahrungswissen benötigt hier für die Lehrenden genügend Raum und Zeit zur Definition und Abklärung der Erwartungen und Aktivitäten in Hinblick auf die eigene Karriere. Besonderes der Bereich des Aufbaus von „Feldwissen“ an der Arbeitsstelle und die Sichtbarkeit im Wissenschaftsbetrieb spielen eine fundamental wichtige Rolle für eine sichere und zufriedenstellende Science-Teaching-Balance. Darüber helfen didaktisches Wissen und Lehrstrategien, um die Möglichkeiten und auch die Grenzen von Lehre zu begreifen. Ziele der Hochschuldidaktik sind hier das Sichtbarmachen der nötigen Handlungsschritte für eine erfolgreiche Lehre, die Definition der eigenen Erwartungen und der Ressourcen und Potentiale, aber auch das Erkennen institutioneller, struktureller und individueller Hindernisse. Von den Lernenden wird hier vorausgesetzt, dass sie sich ihre Formen der Sicherheit durch eine individuelle Standortbestimmung, die biografische Verortung ihres Studiums und deren potenziellen Berufsmöglichkeiten zumindest partiell schaffen können. Das Erkennen der eigenen Ressourcen und Potentiale ist dabei aber nur eine geforderte Bedingung. Konkret fordern die Lehrenden hier auch das Vorhandensein (bzw. die Entwicklung) von unterstützenden Lerntechniken, die die Studierenden in die Lage versetzen, akademischen Standards in der Bewältigung ihrer Lernaufgaben zu entsprechen. Dazu gehören für sie vor allem kognitive und allgemeinbildende Kompetenzen, aber auch spezifische Sozialformen universitären Lehrens, die sich in der Integration von Lese- und oder Lerngruppen ausdrücken. Die Frage der Motivation Ein vielfach diskutierter Punkt ist auch die Frage nach dem Zustandekommen bzw. der Verantwortung für ein motivationsgesättigtes Lehrgeschehen. Hier lassen sich grundsätzlich zwei Haltungen erkennen. Die Erste geht in die Richtung, dass Lehre durch eine Vielzahl unterschiedlicher Handlungen geprägt ist, die auf
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heterogene Studierendenlagen treffen. Daraus ergibt sich für diese Gruppe, dass sich durch das von Studierenden gewählte Fach und durch das spürbare Interesse daran der oder die Lehrende jegliche zusätzliche Motivationsverstärkung (im Sinne von Überzeugungsarbeit) erspart. Ist die „Berufung“ der Lehrenden nur deutlich genug zu bemerken, werden hier prinzipiell habituell fachspezifische Muster reproduziert, die die vorhandenen Motivlagen der Studierenden verstärken. Sind diese Motivlagen nicht vorhanden, dann helfen auch alle Motivationsschübe nichts, weil keinerlei Bezug zum Thema gegeben ist. Diese Vorstellungen werden vielfach in Zweifel gezogen, weil Lehrende durchaus die Erfahrung gemacht haben, dass Anreizstrukturen motivationaler Art durchaus positive Effekte in Hinblick auf die Übernahme von Eigenverantwortung und den Lernerfolg haben. Motivationale Effekte werden hier vor allem durch die Forcierung unterschiedlicher Kooperationsbeziehungen (Beteiligungsangebote, Diskussionen etc.) zu erzielen versucht. Die Übernahme von derartigen Aufgaben hat durchaus einen geschlechtsspezifischen (weiblichen) Hintergrund, ist aber auch in fachspezifische Lehrkulturen verwoben. Die Motivation der Studierenden wird (trotz der oben formulierten hohen Ansprüche) sehr pragmatisch gesehen. Das Grundinteresse am Studium wird zwar als unumgänglich eingefordert, jedoch wird pragmatisch das Interesse an den erforderlichen „Scheinen“ als die härteste Währung in der Motivation der Studierendenwelt gesehen. Die Auseinandersetzung mit dem „Stoff“ Erst auf der Grundlage dieser sich einander bedingenden Bedeutungsebenen geraten die Lehrveranstaltungsinhalte ins Zentrum der Bemühungen. Diese Sichtweise bedeutet auch, dass eine auf rein fachspezifische oder aber auch auf pädagogische Bezüge beschränkte Hochschuldidaktik als zu kleinräumig angesehen wird.
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Die Jahre weltanschaulich fundierter studentischer Proteste scheinen an den Universitäten derzeit vorbei zu sein. Die Phase der universitären Identitätsbildung von Studierenden ist derzeit vor allem an pragmatischen Lösungen von Problemen der konkreten Studienorganisation und der sich verschärfenden Eingangsbedingungen in den jeweiligen Studienfächern orientiert. Die jeweils konkrete Studienstruktur rahmt dabei das Bedürfnis nach universitärer Sinngebung fundamental derart, dass die „Abarbeitungsprozesse“ von Studierenden stärker auf organisatorische Belange bezogen sind als auf die Entwicklung eines wissenschaftlichen Habitus. Das große gesellschaftliche Subsystem Wissenschaft wird in weiten Bereichen weder allgemein noch in den Fachdisziplinen dahin gehend als wichtig empfunden, wo es um kulturelle Weltdeutungen und Formen der Selbstinterpretation geht. Das Agens eines Studiums, die „Aneignung der Welt im genauen Sinne“, wird kleinteilig zwar im Erlernen von sogenanntem Stoff oder durch das Ausprobieren von Forschungsmethoden prinzipiell erfahrbar gemacht, es stößt aber habituell dort an seine Grenzen, wo kaum mehr Sinndeutungsbedürfnisse an die Institution Universität herangetragen werden. „Die geschilderten Strukturprobleme unserer heutigen Universitäten hängen zusammen mit ihrem Wandel von Institutionen der Rekrutierung wissenschaftlich gebildeter Eliten zu Institutionen der Vermittlung höherer Bildung für einen wesentlich größeren Anteil der Bevölkerung als dies noch vor Jahrzehnten denkbar schien. Und dieser Anteil wird auch weiterhin wachsen“ (Münch 1986, S. 175). Als Sozialisationsinstanz für Studierende ist der erlebbare Möglichkeitsraum, innerhalb dessen sich „die Wissenschaft“ als Erkenntnis- und Gestaltungsmittel präsentiert, nur äußerst selten als Gemeinschaft von Forschenden, Lehrenden und Lernenden spürbar. Die Hauptbotschaften, die die Universität hier für Neuankömmlinge aussenden, beinhalten kaum affektive Bindungsangebote. Im
© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Egger und S. Hummel, Stolperstein oder Kompetenzstufe?, Lernweltforschung 16, https://doi.org/10.1007/978-3-658-23283-2_6
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Gegenteil! Großteils sind die sichtbaren Formen der sozialen Beziehungen (neben den fachimmanenten Abständen) durch eine große sozialemotionale Distanz zwischen den WissenschaftlerInnen/Lehrenden und den Studierenden/Lernenden gekennzeichnet. Diese wird noch durch eine zunehmende Bürokratisierung in der Abwicklung der Studien verstärkt. Die Universität wird deshalb vor allem als „Lernfabrik“ wahrgenommen, die durch die ECTS-Regelungen und deren Workload-Bestimmungen formal getaktet ist. Das dahinterstehende Vollarbeitszeitmodell (30 ECTS zu je 25 h in einem Semester) drückt für Studierende dabei den Rahmen einer Soll-Leistung aus, die großteils weder nachvollziehbar noch lebensweltlich real ist, sind ihre Zeitbudgets doch sehr stark auch anderweitig beansprucht. So ist die Studienzeit für Studierende meist keine Zeitspanne mehr, die frei von beruflichen Tätigkeiten ist und in der hauptsächlich den Aufgaben im Studium entsprochen oder die persönliche Erkenntnissuche vorangetrieben wird. Diese zu erbringenden Anforderungen werden von sehr heterogenen Studierendengruppen mit unterschiedlichen Wünschen und Zielen im universitären System bzw. durch ihre (zumindest partielle) Berufstätigkeit gerahmt. So arbeiten 84 % der österreichischen Studierenden neben dem Studium (vgl. auch Unger et al. 2012), in Deutschland liegt der Prozentsatz bei 69 % (Middendorff et al. 2016). Wie sich in verschiedenen Studien zeigt, ist der negative Einfluss der Nebenbei-Arbeit besonders im ersten Studienjahr der Studienleistung abträglich: „We find that student work has the worst effects in the first year of study, which is in line with evidence on the difficulties with adjusting to college studies (…). For our overall measure of study effort – the probability of passing a year – the largest effect is as large as 6.8 percentage points when students work more than 7 months (per study year) compared to those who work less than 2 months“ (Bartolj/Polanec 2018, S. 421). In den Tagebüchern und Interviews wird der Eintritt in die Universität als lebensweltlich herausfordernde Statuspassage thematisiert, in der die Herausbildung eines studentischen Habitus (die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, die bestimmen, wie die Umwelt wahrgenommen wird, vgl. Bourdieu 1970) durch unterschiedliche Entwicklungselemente ihre Bedeutung erhalten. In der Aneignung der noch fremden Lebenswelt spielen sozialisatorisch recht unterschiedliche Elemente eine Rolle (wobei fach-, geschlechts- und altersspezifische Unterschiede an dieser Stelle vernachlässigt werden). Generell sind es vor allem folgende Dimensionen, die als entscheidend angesehen werden: • Die Bewältigung der „bürokratischen“ Strukturen in der Universität allgemein und in den jeweiligen Studienrichtungen konkret: Durch die Voranmeldungsaktivitäten oder auch durch Eingangstests haben Studierende
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schon vor Beginn des regulären Semesters Erfahrungen mit dem universitären System gesammelt. Werden diese Kontakte aber in der Regel als eher lose und unspezifische Begegnungen betrachtet, so führen die Kontakte mit der Studien- und Prüfungsabteilung bzw. mit den Anmeldeformen zu Lehrveranstaltungen an den Instituten durchaus schon zu stärker akzentuierten Wahrnehmungen über die sie konkret erwartende Institution. Dabei geht es in erster Linie um die Einhaltung von Fristen bzw. um die Aufnahme in Lehrveranstaltungen. Eigenartigerweise wird auch dort, wo in den Massenstudien die Anmeldezyklen nicht nach einem „first come, first serve-Prinzip“ funktionieren, dennoch der Zeitdruck als überaus belastend beschrieben. Hier beherrscht vor allem die Sorge um den Zugang zu Proseminaren das Erleben. • Der Besuch von Lehrveranstaltungen: Das Hineinfinden in die universitäre Welt wird naturgemäß dort am Stärksten spürbar, wo es um die zu absolvierenden curricularen Vorgaben geht. Der Besuch der ersten Lehrveranstaltung kann hierbei gleichsam als Beginn eines Initiationsritus angesehen werden, der mit unterschiedlichen Gefühlen, Befürchtungen, Botschaften und antizipierten Aufgaben verbunden ist. Vor allem die sogenannten „Orientierungslehrveranstaltungen“, mit ihren großen HörerInnenzahlen, werden diesbezüglich dann als sinnvoll erlebt, wenn die Informationsphasen zu unklar mit zu absolvierenden Aufgaben verbunden werden. Das Herausfinden, welche Rollen in den einzelnen Lehrveranstaltungen eingenommen und welche Aufgaben damit zu erfüllen sind, ist anfangs dort aufwändig, wo es zu viele unterschiedliche Botschaften der Lehrenden in den einzelnen Studienrichtungen gibt. Gibt zwar die Lehrveranstaltungsart hier einen Rahmen vor, so verlangen die Lehrenden dennoch recht unterschiedliche Beteiligungsarten von den Studierenden, die erst langsam „sortiert“ werden müssen. • Die Kontaktaufnahme mit Lehrenden: Die Rollenbeziehungen zwischen Lehrenden und Lernenden, bzw. deren gegenseitige Erwartungen ergänzen sich in der Eingangsphase eines Studiums eher selten. Studierendenkontakt als Belastung auf der einen Seite (wahrgenommen vor allem im Bereich der ProfessorInnen, in geringerem Ausmaß im Mittelbau) und eine beachtliche Diffusität bzgl. der Studienwahl oder eines inhaltlich begründeten Studienziels auf der anderen Seite, lassen anfangs eine oft beliebige Studiensituation entstehen. Die Lehrenden werden von den StudienanfängerInnen anfangs als eher distanziert, wenig präsent und ohne großes Interesse für studentische Anliegen beschrieben (dies könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass die eigene Rolle und die damit in Beziehung stehenden Erlebnisformen noch wenig ausgeprägt sind). Die Kontakte beschränken sich anfangs dabei
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vor allem auf eher passive Formen der Übernahme von Arbeitsaufgaben und die zur Verfügungstellung von Wissensinhalten. Ausgehend von in der Regel eher geringen Identifikations- und/oder Passungsverhältnissen der Neueintretenden mit den von ihnen gewählten Studienrichtungen verstärken diese dominanten Rollenmodelle der Lehrenden die studentische Distanz zum Studium noch. Dort, wo die Aufnahmestruktur sehr funktional ausgeprägt ist und die Erwartungsmuster der Lehrenden an die Studierenden ebenfalls vor allem auf formalen Elementen fußen, werden Phänomene der Orientierungslosigkeit weitaus stärker spürbar. Wenn Lehrende hingegen aktiv an Studierende herantreten und z. B. im Sinne der Intersektionalität (vgl. Walgenbach 2011) das Zusammenwirken heterogener Studierendengruppen und – interessen vor allem zu Beginn ihres Studiums zum Thema zu machen, zeigt sich, dass (trotz oft fehlender studienspezifischer Bindung) durchaus Neugier und ein systematischer Entdeckungssinn im Studium entstehen kann, die die Grundanforderungen im Studium motivational stärker rahmen können. Auch dort, wo Studierende in die vielfältigen Formen des forschenden Lernens mit einbezogen werden, ergeben sich im Kontakt mit den Lehrenden aktivere Formen der beginnenden universitären Sozialisation. • Die Vorbereitungen auf die zu erwartenden Leistungsfeststellungen: Der Beginn eines Studiums wird für die Mehrzahl der Studierenden von einer großen Unsicherheit bzgl. der zu erbringenden Leistungen gekennzeichnet. Aus den eingangs erlebten Interaktionsflächen zwischen Lehrenden und Studierenden fehlt aus studentischer Sicht vielfach eine strukturelle Form der Berechenbarkeit des Handelns und die Verbindlichkeit gegenüber spezifischen Leistungserwartungen. Die unterschiedlichen Prüfungsformate, aber mehr noch die unterschiedlichen Formen der Vorbereitungen darauf, sind sozialisatorisch deswegen eine Herausforderung. Die betrifft vor allem den Beginn der Vorbereitungen als auch die Formen der kontinuierlichen Arbeit. Wird von Studierenden der offene Charakter in der Kursgestaltung und auch der Lehrveranstaltungsbegleitmaßnahmen einer Universität (im Gegensatz zu einer Fachhochschule) betont, so birgt dies die Gefahr des N icht-Hineinfindens oder des verstärkten Schleifen-Lassens in Bezug auf zu erbringende Anforderungen oder Selbststrukturierungsleistung. Damit dies nicht geschieht, werden Lerngruppen und Tutorien als besonders hilfreich geschildert. • Die Teilnahme an kollektiven Veranstaltungen: Feste, Feiern und informelle Treffen stellen am Studieneingang eine wesentliche Form des Hineinfindens in die soziale Welt des Studiums dar. Dabei lassen sich mehrere Ebenen unterscheiden. Offene Begegnungsmöglichkeiten an den Instituten sind vor allem für die fachspezifische Orientierung und Rollenentwicklung wichtig.
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Hier passiert die kognitive und sozialemotionale „Einordnung“ durch die KommilitonInnen und setzt sich oft auch in den Lehrveranstaltungen in spezifischen Formen und Sozialstrukturen fort (Arbeitsgruppenzusammensetzungen, Aufgabenverteilungen etc.). Diese Begegnungen sind deshalb wichtig, da hier (quasi als Gegenstück zum „Klassencharakter“) die unmittelbare und fachbezogene Rollenbasis für eine gemeinsame Entwicklung (wenn oft auch nur in rudimentärer Form) geschaffen wird. Gesamtuniversitäre Veranstaltungen bieten Gelegenheiten, sich außerhalb der Fachgrenzen und der peerspezifischen Rückmeldungen neue Anknüpfungspunkte und Rollenmodelle studentischen Lebens zu erarbeiten. Eine Schnittstelle aus beiden Bereichen, gepaart mit weitaus stärker lebensweltlichen Komponenten, bilden die verschiedenen studentischen Milieus innerhalb der Kneipen- und Szenekultur vor Ort. Hier wird sozialisatorisch ein studentischer Habitus entwickelt, verfeinert und zelebriert, der auf andere habituelle und lebensweltliche Formen trifft. Dieser Kontakt zur „anderen Welt“, zu anderen Berufsgruppen und Lebenslagen, hat zwar mit der studienspezifischen Sozialisation wenig bis gar nichts zu tun, ist entwicklungsspezifisch aber überaus bedeutsam. Hier wird der Status „StudentIn“ auf seine Tragfähigkeit hin untersucht, werden gesellschaftliche Normen spürbar, die mit der Statuspassage „Studium“ in Zusammenhang stehen. Besonders in diesen nicht von vornherein fachspezifisch konnotierten sozialen Räumen, entstehen Muster spezifischer „studentischer Kulturen“ (durchaus aus dem Fach heraus aber allgemein an die Bedingungen der Universität bzw. der Universitätsstadt gebunden), die im ersten Semester zumindest als Folie, als Wunsch oder Aufgabe in der Entwicklung eines studentischen Habitus existieren. • Die Erfahrungen mit und die potentielle Übernahme von subkulturellen studentischen Regeln, Codes und Einstellungen: Eng mit den bereits skizzierten Rollenentwicklungen im informellen Raum in Zusammenhang stehen die vielen kleinen zu erfüllenden Ordnungen und Aufgaben, die zu Beginn eines Studiums erlernt werden müssen. Hier herrscht eine große Variabilität bezüglich der Anforderungen, zusammengefasst machen diese Elemente aber einen wesentlichen Teil der fachspezifischen Sozialisation aus. • Erfahrungen mit dem symbolischen Raum des gewählten Studiums: Dabei geht es grundsätzlich um die Zuschreibung von Wertigkeit und Wissenschaftlichkeit des jeweiligen Studiums. Studierende lernen in Kontakten mit KollegInnen aus anderen Studienrichtungen aber auch im Alltagsleben recht schnell auch jene symbolische Kapitalsorten kennen, die ihr Studienfach im Sinne der Akkumulationslogik des ökonomischen Kapitals bewerten. Diese Beziehungsgrößen im universitären und gesellschaftlichen Feld geben ein
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grob geteiltes Ranking der Fächer und Fakultäten vor, zu dem sich Studierende verhalten (müssen). Dabei geht es einmal um das Ausmaß zugeschriebenen intellektuellen und/oder antizipierten ökonomischen Kapitals. Im oberen Bereich dieses symbolischen Raums liegen dabei vor allem naturwissenschaftliche Fächer oder Jus und Medizin, am unteren Rand sind vor allem die Geisteswissenschaften angesiedelt. An zugeschrieben Merkmalsdimensionen werden hier vor allem die Kategorien Wissenschaftlichkeit, fachspezifisches Know-how und Berufsaussichten verhandelt. Diese Konstruktionen werden durch weitere Ebenen des sozialen Nutzens und der kreativen Ermöglichungspotenziale ergänzt. Der solcherart geführte „Kampf um Anerkennung“ rahmt die fachspezifisch studienbezogenen Haltungen in weiterer Folge, aber auch die Entwicklung der Verbindungen von (Lebens-)Zielen, und das Verhältnis von Bildung und Qualifikation. So gehen Studierende in den von ihnen betitelten „brotlosen Studien“ einerseits sehr sorglos mit eventuellen Berufsaussichten um, andererseits wird hier auch offensiv damit argumentiert, dass eben viele gesellschaftlich wertvolle Aufgaben persönliches Engagement voraussetzen und nicht allein dem Markt und der top-down-Steuerung überlassen werden dürfen. Gleichzeitig wird hier auch noch auf kritisches Rationalitätspotential gegenüber den vorherrschenden Gewissheiten, Erklärungen und Legitimitätsansprüchen hingewiesen, um auch andere „sozialkulturelle Werte“ und Auseinandersetzungen in der Gesellschaft miteinbeziehen zu können. Die Fragen, die hier von den StudienbeginnerInnen beantwortet werden müssen, beschäftigen sich im Wesentlichen damit, ob bzw. wie sie ihre diesbezüglichen Haltungen und Einstellungen als identitätsstiftende Merkmale als Studierende entwickeln und kommunizieren können. Diese Haltungen sind einerseits individuelle Konstrukte, aber auch überindividuelle, soziale Zuschreibungen, denen sie sich nicht entziehen können. Interessant dabei sind die jeweils zur Erklärung herangezogenen Bestimmungen, die als phänomenologische Orientierungen dienen können. Ein zielführender Weg, wie mit den strukturellen Passungsschwierigkeiten von Studierenden im tertiären System umgegangen werden kann, ist die Forcierung einer subjektiv bedeutsamen Perspektive in der Unterstützung von Studierenden. Ein Schlüsselmerkmal für einen erfolgreichen Studienbeginn und -abschluss kann darin gesehen werden, die universitätsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen (vgl. Bandura 1977) von Studierenden zu erhöhen. Orientiert man sich an solchen hochschuldidaktischen Impulsen zur Steigerung des studentischen Kompetenzerlebens, der sozialen Einbindung und der Selbstbestimmung (vgl. Deci und Ryan 1985) sind grundsätzliche Veränderungen im hochschuldidaktischen Handeln der
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Lehrenden aber auch im Lernhandeln der Studierenden vorzunehmen. Die Entwicklung von z. B. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen oder studentischer Eigenverantwortung (vgl. Hattie 2014; Merkel 2015; Schneider und Preckel 2017) muss (neben den studientechnischen Routinen) Modelle berücksichtigen, die systematisch Wege ermöglichen, die auch zu kreativen, kritischen und selbstständig Handelnden führen können (vgl. Webler 2005, 2012). Ein Studium ist in diesem Sinne kein Mineral, das man ausgräbt, kein Wissensreservoir, das man anzapft, sondern eher ein Gewebe, das es sorgsam zwischen Lehrenden und Studierenden, zwischen Wissenschaft und Lebenswelt zu flechten gilt. Für Lehrende bedeutet dies, dass sie die notwendige Verbindung von Erkenntnis und Kommunikation in ihrer Arbeit mit Studierenden auch tatsächlich ernst nehmen. Für Studierende wiederum ist es wesentlich, ihre Fähigkeiten zur Selbstreflexion, den eigenen Willen in Bezug auf das Studium, aber auch Neugierde und Mut zu stärken. Diese Aufgaben kann ihnen keine Universität abnehmen. Gleichzeitig sind diese Elemente sowohl für die Persönlichkeitsbildung, als auch für die akademische Ausbildung von Studierenden essenziell und entscheiden letztlich auch darüber, ob die Studieneingangsphase zu einem Stolperstein verkommt oder doch als eine Kompetenzstufe angesehen werden kann.
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