Steuerpolitische Ansatzpunkte der Anbieterinflationsbekämpfung [1 ed.] 9783428424313, 9783428024315


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German Pages 228 [229] Year 1971

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Steuerpolitische Ansatzpunkte der Anbieterinflationsbekämpfung [1 ed.]
 9783428424313, 9783428024315

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DIETER CANSIER

Steuerpolitische Ansatzpunkte der Anbieterinßationsbekämpfung

Volkswirtschaftliche Schriften Herausgegeben von Dr. J. Broermann, Berlin

Heft 157

Steuerpolitische Ansatzpunkte der Anbieterinflationsbekämpfung

Von

Dr. Dieter Cansier

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

@ 1971 Dunelter & Humblot, Berltn 41

Gedruckt 1971 bei Alb. Sayffaerth, Berltn 61 Printed in Germany ISBN S 428 02431 1

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

9

Erster Teil Die Bedeutung monopolistischer Lohn- und Preispolitik für die Entwicklung des Preisniveaus 1. Das Dilemma der Bekämpfung einer Anbieterinflation durch globale

Nachfragedrosselung

11

..... .......... ...... .................. .. .....

11

2. Die Bedeutung der Lohnbewegungen für die Inflation . . . . . . . . . . . . . . . .

18

3. Der Einfluß der Unternehmerischen Preispolitik auf die Entwicklung des Preisniveaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Kostenorientiertes Preisanpassungsverhalten und Preisstarrheiten 28 b) Inflatorische Einflüsse des Preisverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

Zweiter Teil Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung 1. Allgemeine Ansatzpunkte der Inflationsbekämpfung . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne zur Stabilisierung der Lohnentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Stabilisierung des Konsumgüterpreisniveaus durch Senkung der indirekten Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Problematik der Beeinflussung der Nettolohnentwicklung . . . . . . . . . .

73

3. Änderung des Preis- und Lohnverhaltens der Unternehmen mit Hilfe der Gewinnbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 a) Das Konzept einer Gewinnbesteuerung m it Abhängigkeit der Steuersätze von der Unternehmerischen Preisentwicklung . . . . . . . . 87 aa) Preis- und Lohneffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Wachstums-, Gerechtigkeits- und steuertechnische Aspekte .... 108

6

Inhaltsverzeichnis b) Beschränkung des Preisverhaltens oligopolistischer Großunternehmen mit Hilfe der Gewinnsteuer nach einem Vorschlag von G. C. Means .. ...... .. ......... . ..................... . ........... .... . 115 aa) Preis- und Lohnwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Bestimmung der Zielgewinnraten ... . . . ... ........... . . . ... . . 124

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung ........... .. .. . 143 a) Einflüsse der Gewinnbesteuerung auf das Wachstum der Unternehmen verschiedener Unternehmensgruppen .... . .... .. ...... . .. . . . . 144 aa) Wirkungen eines proportionalen und progressiven Gewinnsteuertarifs .... . .. . ... . .............................. . . .... 145 bb) Wirkungen des steuerlichen Verlustausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Wirkungen beschleunigter Abschreibungen .............. . . .. 167 b) Reform der Gewinnbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5. Produktivitätsförderungspolitik zur Verminderung der intersektoralen Unterschiede in den Produktivitätszuwächsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Bestimmungsfaktoren der Produktivitätsentwicklung . . . . . . . . . . . . 188 b) Steuerpolitische Aspekte .. . ............... . .................. . .. 201 Sdllußbemerkung

212

Anhang

215

Literaturverzeidlnls

218

Abkürzungen AER (Pap.) EJ ER FA HBR HdSw JbfNSt

American Economic Review (Papers and Proceedings) Economic Journal

JPE NTJ OEP ORDO

Journal of Political Economy National Tax Journal Oxford Economic Papers ORDO, Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Quarterly Journal of Economics Review of Economics and Statistics Review of Economic Studies Schriften des Vereins für Socialpolitik Southern Economic Journal Weltwirtschaftliches Archiv Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für Nationalökonomie

QJE RESt RES SdVfS SEJ WWA ZfB ZfdgStw ZfN

Economic Record Finanzarchiv Harvard Business Review Handwörterbuch der Sozialwissenschaften Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik

Einleitung Seit dem Zweiten Weltkrieg ist in den westlichen Industrieländern ein stetiger, nur vorübergehend durch kurze Perioden stabiler Preise unterbrochener Anstieg des allgemeinen Preisniveaus zu beobachten. In einer kaum noch überschaubaren Vielzahl von Untersuchungen wurde versucht, die Ursachen der schleichenden Inflation aufzudecken und wirksame Maßnahmen der Inflationsbekämpfung zu entwickeln. Die Forschungen bezogen sich, angeregt durch die Keynessche Theorie und durch die speziellen wirtschaftspolitischen Probleme der Nachkriegszeit, zunächst überwiegend auf die Kennzeichnung von Inflationsprozessen als Folge gesamtwirtschaftlicher Nachfrageüberschüsse, und zur Inflationsbekämpfung wurden bis in die jüngere Vergangenheit hinein fast ausschließlich Maßnahmen zur Steuerung der monetären Gesamtnachfrage, insbesondere mit Hilfe der Geld- und Budgetpolitik, diskutiert und angewandt. Mit der Weiterentwicklung der Inflations-, Lohn- und Preistheorie wurde der Bedeutung des Lohn- und Preisverhaltens der Gewerkschaften und Unternehmen für die Preisniveauentwicklung zunehmende Aufmerksamkeit geschenkt. Die Erfahrungen zeigten, daß mit Hilfe der globalen Nachfragesteuerung ein übermäßig starker Preisniveauanstieg zwar verhindert, jedoch leichte, aber stetige Preisniveausteigerungen nicht ausgeschaltet werden können. Es verbreitete sich die Auffassung, daß ein Zielkonflikt zwischen Geldwertstabilität und angemessenem Wirtschaftswachstum bei Vollbeschäftigung bestehe. Neue wirtschaftspolitische Maßnahmen wurden entwickelt und teilweise angewandt. Im Rahmen der einkommenspolitischen Literatur wurden zahlreiche Vorschläge zur Korrektur des Lohn- und Preisverhaltens der Gewerkschaften und Unternehmen herausgearbeitet und ausführlich diskutiert. Finanzpolitische Überlegungen traten dabei stark in den Hintergrund. Unausgesprochen oder ausgesprochen ging man davon aus, daß strukturelle, auf Marktmacht der Anbieter von Gütern und Faktoren beruhende Inflationsprozesse finanzpolitisch nicht gestaltbar seien. In der vorliegenden Untersuchung wird der Versuch unternommen, die wichtigsten Ansatzpunkte einer steuerpolitischen Bekämpfung der Anbieterinflation aufzuzeigen. Zur Darstellung der steuerpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten bedarf es zunächst einer Analyse des Lohn- und Preisverhaltens der Gewerkschaften und Unternehmen. Auf dieser Grundlage werden im Hauptteil

10

Einleitung

die wichtigsten allgemeinen steuerpolitischen Ansatzpunkte der Anbieterinflationsbekämpfung herausgearbeitet und, darauf aufbauend, einzelne steuerpolitische Konzepte ausführlich erörtert.

ERSTER TEIL

Die Bedeutung monopolistischer Lohn· und Preispolitik für die Entwicklung des Preisniveaus 1. Das Dilemma der Bekämpfung einer Anbieterinßation durch globale Nachfragedrosselung Die traditionellen finanzpolitischen Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung sind darauf gerichtet, die monetäre Gesamtnachfrage zu vermindern1. Durch Bildung von Budgetüberschüssen und Thesaurierung der zufließenden Mittel soll die Entstehung gesamtwirtschaftlicher Nachfrageüberschüsse mit daraus resultierenden anhaltenden Preisniveausteigerungen verhindert werden. Es wird unterstellt, daß die Preise und Löhne allgemein relativ flexibel auf Nachfrageüberschüsse reagieren und Preisniveausteigerungen im wesentlichen nur unter diesen Bedingungen auftreten (Nachfrageinflation). Theoretische Überlegungen zum Preisund Lohnverhalten sowie empirische Untersuchungen und Beobachtungen der Preisniveauentwicklung führen jedoch zu dem Ergebnis, daß die in den westlichen Ländern nach dem Zweiten Weltkrieg beobachteten langsamen, aber stetigen Preisniveausteigerungen nicht hinreichend mit Hilfe der Konzeption der Nachfrageüberschußinflation erklärt werden können. Selbständige inflatorische Impulse gehen von der Lohn- und Preispolitik der Gewerkschaften und Unternehmen aus (Anbieter- oder Kosteninflation)2 • Die Lohnpolitik der Gewerkschaften und Unterneh1 Vgl. Neumark, F.: Schleichende Inflation und Fiskalpolitik, "Kieler Vorträge", Heft 14, NF, Kiel 1959; neu erschienen in: Neumark, F.: Wirtschaftsund Finanzprobleme des Interventionsstaates, Tübingen 1961, S. 262 ff.; Haller, H.: Das Problem der Geldwertstabilität, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1966, S. 144 ff.; Musgrave, R. A.: Finanztheorie, Tübingen 1966, S. 397 ff. und S. 427 ff. 2 Vgl. aus der umfangreichen Literatur zur Inflationstheorie insbesondere: Ackley, G.: Administered Prices and the Inflationary Process, in: AER, Pap., Bd. 49 (1959), S. 419 ff.; Bowen, W. G.: The Wage-Price-Issue, Princeton 1960; Bronfenbrenner, M. und Holzman, F. D.: Survey of Inflation Theory, in: AER, Bd. 53 (1963), S. 593 ff.; Fellner, W., Gilbert, M., Hansen, B., Kahn, R., Lutz, F., de Volff, P. : The Problem of Rising Prices, Paris 1961; Holzman, F. D. : Inflation: Cost-Push and Demand-Pull, in: AER, Bd. 50 (1960), S. 20 ff.; Lerner, A. P.: Inflationary Depression and the Regulation of Administered Prices, in: The Relationship of Prices to Economic Stability and Growth, Compendium of Papers Submitted by Panelists Appearing before the Joint Economic Committee, 85th Congr., 2d Sess. 1958, S. 257 ff.; Schultze, Ch. L.: Recent Inflation in the

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

men begünstigt allgemeine Kostensteigerungen, und ein abgeschwächter Preiswettbewerb fördert die Überwälzung von Kostenerhöhungen in den Preisen, die Unterlassung von Preissenkungen bei Kosten- und Nachfragerückgängen sowie die Vornahme autonomer Preiserhöhungen. In der neueren Inflationstheorie wird die Annahme vollkommen flexibler Löhne und Preise fallengelassen. Die Löhne steigen nicht allein bei Nachfrageüberschüssen, und sie passen sich nicht beweglich Angebotsüberschüssen an. Die Gewerkschaften und Unternehmen besitzen ausreichende Macht, die Lohnentwicklung unmittelbar zu beeinflussen. Flexible Güterpreise bestehen zwar für zahlreiche Rohstoffe, Halbfabrikate und landwirtschaftliche Güter, die auf börsenmäßig organisierten internationalen, nationalen oder regionalen Märkten angeboten werden, aber auf der Mehrzahl der Märkte vermögen die einzelnen Anbieter oder Anbietergruppen die Preise unabhängig von der augenblicklichen Marktlage innerhalb gewisser Grenzen festzusetzen, ohne daß dadurch die Unternehmensentwicklung gefährdet würde. Die Unternehmerische Preissetzungsmacht geht zurück auf die Existenz heterogener Märkte und oligopolistischer Konkurrenzbeziehungen. Sie erhöht sich durch die weitverbreitete Neigung der Unternehmen, einen übermäßigen Preiswettbewerb zu vermeiden bzw. ein "faires", die "gemeinsame Geschäftsmoral" respektierendes Wettbewerbsverhalten zu sichern, was zu stärker oder schwächer abgestimmtem Preisverhalten zwischen konkurrierenden Unternehmen führt. Auf heterogenen Märkten kann der einzelne Anbieter seinen Preis erhöhen bzw. Preissenkungen unterlassen, ohne dadurch den größten Teil seiner Kunden zu verlieren. Darüber hinaus besteht ein Bereich "preispolitischer Autonomie", innerhalb dessen isolierte Preisänderungen nicht zu einer Ab- oder Zuwanderung von Käufern nach bzw. von anderen Anbietern am Markt, sondern nur zu verminderter oder zusätzlicher Nachfrage am Gesamtmarkt führen3 • Heterogene Märkte sind charakteristisch für den größten Teil der Volkswirtschaft. Homogene oder annähernd homogene Märkte bestehen - neben den börsenmäßig organisierten Märkten - für zahlreiche standardisierte Rohstoffe und Halbfabrikate. Mit zunehmender Be- und Verarbeitung der Grundstoffe wachsen die Möglichkeiten zur Produktdifferenzierung. Auf den Investitionsgütermärkten besitzen technische Gestaltung, Lebensdauer, Betriebskosten, die Möglichkeiten und Kosten der Integration neuer Anlagen in den vorhandenen Produktionsapparat' - insbesondere bei autoUnited States, Joint Economic Committee, Study Paper No. 1, Washington 1959; Scherf, H.: Untersuchungen zur Theorie der Inflation, Tübingen 1967; Konrad, A.: Monopolistische Preispolitik und Inflation, in: ORDO, Bd. 18 (1967), S. 311 ff. 3 Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 2. Bd., Berlin, Göttingen, Heidelberg 1963, 6. Aufl., S. 238 ff. 4 Vgl. zur Bedeutung dieses Faktors für die Präferenzbildung bei Investi-

1. Anbieterinflationsbekämpfung durch globale Nachfragedrosselung

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matisierter Fertigung - häufig innerhalb nennenswerter Preisgrenzen eine größere Bedeutung für den Käufer als der Preis. Der Wettbewerb der Produzenten konzentriert sich hier stärker auf die Anpassung des Angebots an die Bedürfnisse des einzelnen Kunden, wobei die individuellen Käuferansprüche je nach der Produktionsaufgabe und den gegebenen produktionstechnischen Bedingungen variieren. Außerdem läßt sich die Wirtschaftlichkeit von Investitionsgütern durch die Investoren nur relativ schwer und ungenau abschätzen. Bei Neuanschaffungen werden deshalb nicht selten renommierte Firmen - insbesondere auch Produzenten, mit denen der Investor bereits gute Erfahrung gemacht hatbevorzugt5 • Im Konsumgüterbereich sind heterogene Märkte am stärksten ausgeprägt. Die Bedürfnisse der Konsumenten variieren erheblich. Kaufmotive gewinnen an Bedeutung, die der Werbung ein breites Wirkungsfeld bieten. Die Konsumenten besitzen im Vergleich zu den Unternehmern relativ geringe Markt- und Qualitätskenntnisse. Unter Oligopolistischen Wettbewerbsbedingungen besitzen die einzelnen Anbieter oder Anbietergruppen einen so hohen Marktanteil, daß sie mit Hilfe der Preispolitik die Preise am Gesamt- oder auf einem Teilmarkt direkt beeinflussen können. Das spezifische oligopolistische Absatzrisiko, die Einsicht, daß bei preispolitischem Parallelverhalten durchschnittlich höhere Gewinne als bei kompetitivem Verhalten erreichbar sind sowie die- im Vergleich zu polypolistischen Märkten - leichteren praktischen Koordinierungsmöglichkeiten begünstigen darüber hinaus ein abgestimmtes Preisverhalten und erweitern damit den Preissetzungsspielraum der Unternehmen8 • Oligopolistische Wettbewerbsbeziehungen sind in modernen industriellen Volkswirtschaften weitverbreitet. Das gilt insbesondere für die Herstellung von Grundstoffen, Investitionsgütern7 , dauerhaften Konsumgütern7 und für die meisten Markenartikel8 • Oligopolistische Konkurrenzbeziehungen können auch durch kettenförmige Verflechtung einzelner Anbietergruppen auf Märkten mit einer Vielzahl von Unternehmen entstehen. Die einzelnenAnbieterstehen in direkter tionsgütern: Pfeiffer, W.: Integrale Qualität und Absatzpolitik bei hochautomatisierten Fertigungsanlagen, in: ZfB, 35. Jg. (1005), S. 109 ff. 5 Vgl. Beckerath, G. v.: Absatztheorie der Einsatzprodukte, Berlin 1965, S. 34. Die Betreuung der vorhandenen Anlagen durch die Hersteller fördert auch einen engen Kontakt und Erfahrungsaustausch zwischen Käufer und Investitionsgüterproduzent, "der auf die Dauer zur Entwicklung von ganz bestimmten Ausstattungen führt ... , für die oft ein Lieferant eine Vorzugsstellung erwirbt ... ". Ebd., S. 34. 1 Vgl. S. 35 ff. 7 Vgl. Kaysen, C.: Another View of Corporate Capitalism, in: QJE, Bd. 79 (1965), s. 45. 8 Vgl. Hax, H.: Vertikale Preisbindung in der Markenartikelindustrie, in: Beiträge zur Betriebswirtschaftlichen Forschung, Gutenberg, E., Hasenack, W., Hax, H. und Schäfer, E. (Hrsg.), Köln und Opladen 1961, S. 94; Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 2. Bd., a.a.O., S. 367.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

Rivalitätsbeziehung zu einer begrenzten Gruppe nahegelegener Substitute (Produkte, Nachbarbetriebe), während ferner gelegene Substitute durch absatzpolitische Aktionen eines Anbieters nicht fühlbar beeinflußt werden. EinzelneAnbieterstehen unterschiedlichen direkten Konkurrenten gegenüber. Alle Anbieter am Markt werden durch kettenmäßige Oligopolistische Verflechtung miteinander verbunden (Kettenoligopol)9• Unter Berücksichtigung dieses Aspektes besitzen viele üblicherweise als polypolistisch gekennzeichnete Märkte Oligopolistischen Wettbewerbscharakter10. Der Einfluß anbieterbestimmter Inflationskräfte wird durch empirische Untersuchungen und Beobachtungen der Preisniveauentwicklung gestützt. So stiegen die Preise und Löhne während der amerikanischen Rezessionen von 1953/54 und 1957/58 trotzstarker Arbeitslosigkeit weiter an11 • In der BRD kamen die Preisniveauerhöhungen während der Rezession 1966/67 nicht vollständig zum Stillstand12. Preisniveausteigerungen in Rezessionsphasen lassen sich mit Hilfe der Nachfrageinflationstheorie nicht hinreichend erklären. Ausführliche empirische Untersuchungen ergeben, daß die beobachteten stetigen Preisniveauerhöhungen in erheblichem Maße auf einen "Kostendruck" zurückzuführen sind13. Menges und Großmann gelangen im Rahmen einer ökonometrischen Untersuchung der Preisentwicklung in der BRD zu folgenden Ergebnissen14 : v Vgl. Chamberlin, E. H.: The Theory of Monopolistic Competition, Cambridge (Mass.), 1933, 7. Aufl. 1956, S. 102 f. 1° Krelle geht davon aus, daß das Oligopol unter Berücksichtigung von Oligopolnetzen die vorherrschende Marktform in modernen Volkswirtschaften darstellt. Vgl. Krelle, W.: Preistheorie, Tübingen, Zürich 1961, S. 42 f. 11 Die Arbeitslosigkeit stieg in der Rezession 1957/58 von 3,9 °/o im März 1957 auf 7,6 °/o im August 1958 an (saisonbereinigt). Die durchschnittlichen Stundenverdienste und der Konsumgüterpreisindex erhöhten sich um knapp 4 °/o, der Großhandelspreisindex um 2 °/o. Vgl. Holzman, F. D.: Inflation: Cost-Push and Demand-Pull, a.a.O., S. 37. 12 Im Mai 1967 lag der Index der Verbrauchsgüterpreise mit 106,9 um 0,3 Punkte über und der Investitionsgüterpreisindex mit 108,5 um 0,4 Punkte unter dem Vorjahresstand. Der Preisindex für die Lebenshaltung zeigte weiterhin eine von Monat zu Monat schwach steigende Tendenz. Im Mai 1967 lag er um 1,5 Ofo über dem Stand vom Mai 1966. Die Beschäftigung der Industrie verminderte sich im April1967 um 7 Ofo und der Index der industriellen Nettoproduktion um 6 Ofo gegenüber der Vorjahreszeitspanne. Vgl. Kunz, D.: Möglichkeiten der Preispolitik in der Rezession bei fortschreitender Kapitalintensivierung, in: Ott, A. E. (Hrsg.): Theoretische und empirische Beiträge zur Wirtschaftsforschung, Tübingen 1967, S. 37. 13 Vgl. Dicks-Mireaux, L. A.: The Interrelationship between Cost and Price Changes, 1946-1959: A Study of Inflation in Post-War Britain, in: OEP, Vol. 13 (1961), S. 267 ff.; Yordon, W. J.: Industrial Concentration and Prixe Flexibility in Inflation: Price Response Rates in Fourteen Industries, 1947- 1958, in: RESt, Vol. 43 (1961), S. 287 ff.; Scherf, H .: Zur Frage der Beziehungen zwischen Löhnen und Preisen in der Bundesrepublik Deutschland 1951 bis 1961, in: WWA, Bd. 93 (1964 II), S. 44 ff. 14 Vgl.Menges, G. und Großmann, J.: Ökonometrische Untersuchungen der Preisentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1968.

1. Anbieterinflationsbekämpfung durch globale Nachfragedrosselung

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1. "Wichtigste Ursache für die gesamtwirtschaftliche Preisentwicklung in der

BRD war in den Jahren 1950 bis 1965 der ,Kostendruck'. Besonders geeignet zur Messung des ,Kostendrucks' sind nach den Schätzergebnissen die Variablen ,Lohnkosten je Produkteinheit' und der Importindex15." 2. "Die Entwicklung des Erzeugerpreisindex der Gesamtindustrie wurde in der Bundesrepublik Deutschland von 1950 bis 1965 vor allem durch die Entwicklung des Importpreisindex für Grundstoffe und Halbwaren und durch die Entwicklung der Lohnkosten je Produkteinheit verursacht. Nachfragefaktoren waren, verglichen mit diesen beiden Kostenfaktoren, von untergeordnetem Einfluß16." 3. Wichtigste Ursache für die Entwicklung der Erzeugerpreisindizes in den einzelnen untersuchten Branchen war in den Jahren 1950 bis 1965 durchweg die Entwicklung der Materialkostenpreise, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Materialkostenpreise teilweise Änderungen der Lohnkosten in den vorgelagerten Stufen widerspiegeln. "Der Einfluß des Materialkastenpreisindex wird in 28 der untersuchten 30 Branchen nachgewiesen; nur in zwei Industriezweigen, in der chemischen und in der kunststoffverarbeitenden Industrie, ließen sich überwälzungen der Materialkosten nicht nachweisen. - Eine weitere wichtige Ursache für die Entwicklung der Erzeugerpreisindizes in den einzelnen Branchen war die Entwicklung der Lohnkosten. Nach den Schätzergebnissen scheint jedoch im industriellen Bereich grundsätzlich eine Lohnkostenüberwälzung schwerer durchführbar als eine Materialkostenüberwälzung. Eine Lohnkostenüberwälzung konnte nur für 23 der untersuchten 30 Branchen nachgewiesen werden . . . In 7 Branchen ließ sich keine Lohnkostenüberwälzung nachweisen: im Bergbau, in der eisenschaffenden Industrie, im Fahrzeugbau, in der elektronischen Industrie, in der papierverarbeitenden Industrie, in der ledererzeugenden Industrie und in der Textilindustrie. Die Entwicklung der Nachfragesituation (gemessen durch die Kapazitätsauslastung) war von 1950 bis 1964 ... vor allem für die Preisentwicklung in den Grundstoffindustrien von Bedeutung (für 8 der 11 untersuchten Grundstoffindustrien ließen sich die Einflüsse der Kapazitätsausnutzung mit positivem Parameter - nachweisen), während die Preisentwicklung in den Investitionsgüterindustrien von Veränderungen der Kapazitätsausnutzung völlig und in den Verbrauchsgüterindustrien weitgehend unbeeinflußt blieb (für die Investitionsgüterindustrien ließ sich der Einfluß der Kapazitätsausnutzung überhaupt nicht und für die Verbrauchsgüterindustrien nur für drei Branchen nachweisen) 17." Die grundlegende Problematik einer Anti-Inflationspolitik der globalen Nachfrageverminderung unter Bedingungen einer Kosteninflation beruht darauf, daß mit Maßnahmen operiert wird, die auf der Nachfrageseite ansetzen, obwohl Löhne und Preise in erheblichen Grenzen nicht oder nur gering und verzögert auf Nachfragesenkungen reagieren und Preisniveauerhöhungen auch dann auftreten, wenn keine Nachfrageüberschüsse bestehen. Bei total nachfrageinflexiblen Preisen und Löhnen würden Nachfragereduktionen ausschließlich zu Produktionseinbußen und 15

18 !7

Ebd., S. 14. Ebd., S. 15. Ebd., S. 16 f.

16

I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

Arbeitslosigkeit führen. Wenn auch tatsächlich nicht alle Preise und Lohnerhöhungen unverändert bleiben, so ist es doch wahrscheinlich, daß sie insgesamt nicht so stark zurückgehen werden, wie es zur Aufrechterhaltung des Absatzes und Beschäftigungsgrades erforderlich wäre. Zweifellos läßt sich bei hinreichender Dosierung der Restriktionsmaßnahmen Preisniveaustabilität erreichen, jedoch nur auf Kosten größerer Arbeitslosigkeit und Wachstumseinbußen.Der Zielkonflikt zwischen Vollbeschäftigung, angemessenem Wirtschaftswachstum und Preisniveaustabilität tritt bei inflexiblem Preis- und Lohnverhalten in verstärkter Form auf. Dabei gilt es zu berücksichtigen, daß vorübergehenden Restriktionmaßnahmen wenig Erfolg beschieden ist, vielmehr Preisniveaustabilität erst bei langfristig andauernder Unterbeschäftigung realisierbar erscheint. Ziel der Inflationsbekämpfung muß es sein, inflatorische Kräfte nicht nur vorübergehend, sondern auf lange Sicht auszuschalten. Im Falle einer Politik temporärer Nachfragedrosselung vertraut man darauf, daß Gewerkschaften und Unternehmenangesichts der größerenUngewißheit über die Beschäftigungs- und Absatzentwicklung ihr durch anhaltend hohe Beschäftigung und Nachfrage wesentlich begünstigtes autonomes Preis- und Lohnverhalten langfristig revidieren18• Die Auslösung einer solchen Schockwirkung erscheint jedoch sehr unwahrscheinlich. Zweifellos besteht bei anhaltender Vollbeschäftigung - selbst in Phasen konjunktureller Abschwächung sind die Arbeitslosenquoten im Vergleich zu den klassischen Konjunkturzyklen sehr gering- ein günstiges Klima für kostensteigernde Lohnerhöhungen, für die Überwälzung von Kostenerhöhungen in den Preisen und für die Unterlassung von Preissenkungen. Gewerkschaften und Unternehmen können bei Lohnerhöhungen, die über die Produktivitätsfortschritte hinausgehen, damit rechnen, daß die Nachfrageentwicklung allgemeine Preiserhöhungen ermöglicht. Der wichtigste Beitrag zu einem Vollbeschäftigungswachstum bei minimaler Arbeitslosigkeit geht von der staatlichen Wirtschaftspolitik aus. Ausgesprochen oder unausgesprochen bildet die Sicherung eines hohen allgemeinen Beschäftigungsgrades die wichtigste wirtschaftspolitische Zielsetzung. Schon geringe Arbeitslosenquoten erscheinen sozial- und gesellschaftspolitisch nicht vertretbar19 • Berücksichtigt man nun, daß für die Gewerkschaften und Unternehmen voraussehbar die Vollbeschäftigungssicherung primäres Anliegen der staatlichen Wirtschaftspolitik darstellt, so wirken angedrohte Restriktionsmaßnahmen unglaubwürdig, und bei tatsächlich ergriffenen Restriktionsmaßnahmen besteht die begründete Er18 Vgl. zu dieser Konzeption der Inflationsbekämpfung z. B. Smithies, A.: Statement, in: Relationship of Prices to Economic Stability and Growth, Hearings before the Joint Economic Committee, Congress of the United States, 85th Congr., 2d Sess., 1958, Bd. 1, S. 368. 10 Die Zielprojektion des Deutschen Bundeswirtschaftsministeriums vom Juni 1967 sieht für 1967/71 eine durchschnittliche Arbeitslosenrate von nur 0,8 Ofo vor.

1. Anbieterinflationsbekämpfung durch globale Nachfragedrosselung

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wartung, daß der Vollbeschäftigungszustand in naher Zukunft wieder hergestellt sein wird. Unter diesen Bedingungen besteht für die Arbeitnehmer und Unternehmen kein ernsthafter Grund, ihre Lohn- und Gewinnansprüche langfristig zu kürzen20. Darüber hinaus zeigen die Erfahrungen, daß die Durchsetzung einer temporären Verminderung der Lohn- und Gewinnziele bereits relativ hohe Arbeitslosigkeit voraussetzt. Zur Auslösung echter langfristiger Schockwirkungen erscheint dann ein noch höherer Unterbeschäftigungsgrad notwendig21 . Je schärfer die erforderlichen Restriktionsmaßnahmen aber sind, desto unwahrscheinlicher wird es, daß sie ergriffen werden. Kontraktionsprozesse lassen sich wirtschaftspolitisch nur schwer steuern und können leicht unerwünscht starke Ausmaße annehmen. Anstatt die Nachfrage temporär wesentlich zu vermindern, könnte angestrebt werden, sie so zu beeinflussen, daß langfristig ein Angebotsüberhang besteht22. Die Proponenten dieser Politik gehen davon aus, daß Preisniveaustabilität bei andauernder gemäßigter Unterbeschäftigung gesichert werden kann und daß gleichzeitig höhere Produktivitätssteigerungen und ein stärkeres Wirtschaftswachstum als bei Vollbeschäftigung realisierbar seien. Diese Auffassung ist jedoch ausgesprochen kontrovers23. Es bleibt die Ungewißheit, ob Preisniveausteigerungen bereits bei leichter, sozial- und gesellschaftspolitisch tragbarer Arbeitslosigkeit verhindert werden können. Da außerdem die Verminderung des langfristigen Beschäftigungsgrades den herrschenden beschäftigungspoliti20 Lerner glaubt, daß mit Wiederherstellung des Vollbeschäftigungszustandes die inflatorischen Kräfte verstärkt auftreten. Vgl. Lerner, A. P.: Employment Theory and Employment Policy, in: AER, Pap., Bd. 57 (1967), S. 14. 21 Phillips schätzt an Hand der von ihm zusammengestellten Daten über die Veränderungsrate der Geldlöhne und dem Grad der Unterbeschäftigung, daß für das Vereinigte Königreich Preisniveaustabilität bei 2,5 Ofo Arbeitslosigkeit erzielt werden könnte, ein gegebener Produktivitätsfortschritt von 2 Ofo vorausgesetzt. Vgl. Phillips, A. W.: The Relation between Unemployment and the Rate of Change of Money Wage Rates in the United Kingdom, 1861- 1957, in: Economica, Bd. 25 (1958), abgedruckt in: Readings in Macroeconomics, Mueller, M. G. (Hrsg.), New York, Chicago, San Francisco, Toronto, London 1966, S. 255 f. Samuelson und Solow schätzen nach der gleichen Methode für die USA, daß Preisniveaustabilität bei5-6 °/o Arbeitslosigkeit erreichbar wäre. Vgl. Samuelson, P. A. und Solow, R. M.: Analytical Aspects of Anti-Inflation Policy, in: AER, Bd. 50 (1960), S. 192; Perry ermittelt mit Hilfe eines ökonometrischen Modells für die USA eine zur Aufrechterhaltung der Preisstabilität notwendige Arbeitslosenquote von 6,4 Ofo. Vgl. Perry, G. L.: The Determinants of Wage RateChangesand the Inflation-Unemployment Trade-off for the United States, in: RES, Bd. 31 (1964), S. 287 ff. 22 Vgl. zu diesem Konzept der Inftationsbekämpfung: Morgan, E. V.: ls Inflation Inevitable?, in: EJ, Bd. 76 (1966), S.12 ff. 23 Vgl. Bombach, G.: Taktik und Strategie in der Wirtschaftspolitik, in: Kyklos, Bd. 20 (1967), S. 115 ff. Duesenberry, J. S.: Underlying Factars in the Postwar Inflation, in: Wages, Prices, Profits and Productivity, The American Assembly (Hrsg.), Columbia University, 1959, S. 88; Karmel, P. H.: Some Reflections on Inflation, Productivity and Growth, in: ER, Bd. 35 (1959), S. 355 ff.

2 Cansier

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

sehen Vorstellungen entgegensteht, besitzt dieses Konzept der AntiInflationspolitik keine Chancen, verwirklicht zu werden. Ein andauernd hoher Beschäftigungsgrad mit minimaler Arbeitslosigkeit muß als Datum der Inflationsbekämpfung betrachtet werden. Realistische Inflationsprozesse laufen unter den Bedingungen eines hohen Beschäftigungsgrades und hoher Nachfrage ab und müssen unter Aufrechterhaltung des Vollbeschäftigungszustandes bekämpft werden. Die Budgetpolitik ist aus diesen Gründen wenig zur Vermeidung langfristiger Preisniveausteigerungen geeignet. Es gilt zu untersuchen, inwieweit die Steuerpolitik durch gezielte Maßnahmen lohn- und preispolitisch induzierte Kosten- und Preiserhöhungen sowie Preisstarrheiten abzuschwächen oder zu beseitigen vermag. Während in anderen Disziplinen der Wirtschaftstheorie Lösungsansätze intensiv diskutiert werden, hat die Finanzwissenschaft diesen Fragen bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Um Ansatzpunkte für steuerpolitische Eingriffsmöglichkeiten herauszuarbeiten, muß ausführlich auf realistische Lohn- und Preisverhaltensweisen und ihre inflatorischen Wirkungen eingegangen werden.

2. Die Bedeutung der Lohnbewegungen für die Inflation Die Löhne werden im Rahmen kollektiver Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie individuell auf betrieblicher Ebene festgesetzt. Die Tariflöhne stellen in den meisten westlichen Ländern Mindestlöhne dar, die von den Unternehmen aufgrund gesetzlicher Regelung nicht unterschritten werden können. Die Tarifverträge werden bei gewerkschaftlichem Zusammenschluß der Arbeitnehmer auf Industriebasis als Verbands- oder Bezirksverträge, vereinzelt auch als Haus- oder Firmenverträge abgeschlossen. Die Effektivlöhne übersteigen in den westlichen Ländern im allgemeinen die Tariflöhne (wage drift). Effektivlohnerhöhungen können dann zurückgehen auf Tariflohnerhöhungen verbunden mit einer Aufstockung der Effektivlöhne und auf erhöhte übertarifliche Lohnzahlungen der Unternehmen bei gegebenen Tariflöhnen. Die Lohnsteigerungsrate wird bestimmt durch die lohnpolitischen Zielsetzungen der Gewerkschaften und Unternehmen, die Lohnansprüche der Arbeitnehmer sowie durch die allgemeine und branchenmäßige Wirtschaftslage. Die Unternehmen versuchen, Lohnerhöhungen niedrig zu halten, wobei sie sich darüber im klaren sind, daß gewisse periodische Lohnerhöhungen unabwendbar sind. Die wichtigsten ·Aktionsziele der Gewerkschaften sind die Kontrolle und Korrektur der Verteilung des Volkseinkommens auf Arbeitnehmer und Unternehmen, die Durchset-

2. Die Bedeutung der Lohnbewegungen für die Inflation

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zung und Aufrechterhaltung einer als gerecht betrachteten Lohnstruktur - insbesondere zwischen den Arbeitnehmern verschiedener Wirtschaftsbereiche- sowie die Sicherung der Arbeitsplätze ihrer Mitglieder. Lohndruck der Gewerkschaften und Lohnwiderstand der Unternehmen variieren mit der allgemeinen und branchenmäßigen Wirtschafts- und Beschäftigungslage. Mit steigenden Produktivitätsfortschritten und Gewinnen erhöhen sich die Lohnforderungen, und die Bereitschaft der Unternehmen zur Zahlung höherer Löhne wächst. Mit zunehmender Arbeitslosigkeit gewinnt die Zielsetzung der Beschäftigungssicherung gegenüber anderen lohnexpansiveren Zielsetzungen der Gewerkschaften allmählich an Bedeutung. Die Bereitschaft der Unternehmen zur Zahlung höherer Löhne geht mit steigender Arbeitslosigkeit zurück, da die Nachfrage nach Arbeitskräften abnimmt und Arbeitskräfte leichter beschaffbar sind. Die Gewerkschaften können auch wirtschaftspolitischen Zielsetzungen stärkere Beachtung schenken und zur Vermeidung von Preisniveausteigerungen lohnpolitische Zurückhaltung üben. Die geldwertpolitische Ausrichtung der gewerkschaftlichen Lohnpolitik ist aber noch wenig ausgeprägt. Die Gewerkschaften sehen häufig den Hauptgrund für Preisniveausteigerungen in dem Preisverhalten der Unternehmen und der staatlichen Wirtschaftspolitik24• Solange nicht gesichert ist, daß sich auch die Unternehmen preispolitische Beschränkung im gesamtwirtschaftlichen Interesse auferlegen und das Verhalten des Staates nicht zu inflatorischem Preisniveauauftrieb beiträgt, fehlen wesentliche Voraussetzungen für eine wirtschaftspolitisch abgestimmte gewerkschaftliche Lohnpolitik. Lohninduzierte Kostensteigerungen beruhen unter den herrschenden Verhältnissen im wesentlichen auf der allgemeinen Arbeitskräfteknappheit, der Lohnführerschaft strategisch wichtiger Branchen, der Erhöhung der Konsumgüterpreise und der Unternehmerischen Preispolitik25 • Bei hohem Beschäftigungsgrad besitzen die Gewerkschaften und Arbeitnehmer gegenüber den Unternehmen eine starke Verhandlungsposition, die die Durchsetzung relativ hoher allgemeiner Lohnsteigerungen wesentlich begünstigt. Die Lohnführerschaft überdurchschnittlich gewinn- und/ oder produktivitätsstarker Branchen (der Industrie) bewirkt, daß die in diesen Wirtschaftsbereichen auftretenden hohen Tariflohnsteigerungen auch auf andere Wirtschaftszweige übertragen werden, obwohl die Gewinn- und Produktivitätslage hier weniger günstig ist. Preisniveauerhö24 Vgl. z. B.: Interview mit Otto Brenner, dem Vorsitzenden der IG Metall, Frankfurt/Main, in: Wirtschaftsdienst, 47. Jg. (1967), S. 173 f. 25 Vgl. zur Bedeutung der Unternehmerischen Preispolitik für die Lohnentwicklung, S. 43 ff.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

hungen, gemessen am Preisindex für die Lebenshaltung oder am Verbrauchsgüterpreisindex, können zu Lohnanpassungen führen, denen keine entsprechend hohe Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität gegenübersteht. Die Bedeutung der Vollbeschäftigung für die Lohnentwicklung: Unter Vollbeschäftigungsbedingungen werden Lohnerhöhungen sowohl in Form erhöhter Tariflöhne als auch erhöhter übertariflicher Lohnzahlungen der Unternehmen wesentlich begünstigt. Auf betrieblicher Ebene bestehen Lohnsteigerungstendenzen - bei gegebenen Tariflöhnen während der Laufzeit der Tarifverträge - aus mehreren Gründen. Bei Vollbeschäftigung geht die vorhandene Arbeitslosigkeit maßgeblich auf strukturelle Faktoren (geringe fachliche und räumliche Mobilität der Arbeitskräfte) zurück. Darüber hinaus besteht eine Tendenz zur Übernachfrage nach Arbeitskräften. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß die Zahl der offenen Stellen die Anzahl der Arbeitsuchenden bei den herrschenden Effektivlöhnen häufig übersteigt. Geringe, weitgehend strukturell bedingte Arbeitslosigkeit und Nachfrageüberschüsse auf den Arbeitsmärkten erschweren den Unternehmen die Arbeitskräftebeschaffung und -erhaltung sowie die Sicherung einer hohen Arbeitseffizienz. Unternehmen und Wirtschaftsbereiche mit wachsendem Arbeitskräftebedarf können unter Vollbeschäftigungsbedingungen zusätzliche Arbeitskräfte im wesentlichen nur dadurch gewinnen, daß Arbeitnehmer von anderen Unternehmen überwechseln. Die Arbeitnehmer sind häufiger nur dann zum Arbeitsplatzwechsel bereit, wenn die neuen Arbeitgeber höhere Löhne zahlen. Andere Unternehmen werden dadurch veranlaßt, ebenfalls die Löhne anzuheben. Unternehmen, die Lohnerhöhungen unterlassen, müssen zwar nicht immer mit einer Abwanderung ihrer Arbeitskräfte rechnen, jedoch besteht für sie stets das Risiko einer Verschlechterung des betrieblichen Arbeitsklimas, des Arbeitswillens und damit der Arbeitseffizienz, da die Ausweitung der Lohnunterschiede zu benachbarten Unternehmen und Berufen von den Arbeitnehmern leicht als ungerecht empfunden wird26• "Workers who feel that their wages areunfair or who fail to recure increases which they regard as fair become less co-operative and more difficult to manage. Employers know that a dissatisfied labor force is inefficient and expensive" 27 • Darüber hinaus können sich bei Unterlassung von Lohnerhöhungen die langfristigen Rekrutierungs- und Selektionsmöglichkeiten von Arbeitskräften - insbesondere von Fachkräften - verschlechtern. Vor allem Großunternehmen sind häufig bestrebt, sich am Arbeitsmarkt den Ruf eines gutzahlenden Arbeitgebers zu sichern und höhere Löhne zu zahlen, als es die gegenwärtige ArbeitsVgl. Schultze, Ch. L.: Recent Inflation in the United States, a.a.O., S. 9. Slichter, S. H.: Do the Wage-Fixing Arrangements in the American Labor Market Have an Infiationary Bias?, in: AER, Pap., Bd. 44 (1954), S. 323. 26

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2. Die Bedeutung der Lohnbewegungen für die Inflation

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marktlage erfordert28 • So bestehen Tendenzen zur Ausbreitung der Lohnerhöhungen in Wirtschaftsbereichen mit Nachfrageüberschüssen nach Arbeitskräften auf andere Bereiche mit geringerem oder fehlendem Nachfragedruck oder mit einem Arbeitsangebotsüberhang. Impulse zu allgemeineren Lohnerhöhungen können auch von Unternehmen und Wirtschaftsbereichen mit besonders hohen Produktivitätsfortschritten, günstiger Gewinnlage und langfristigem Arbeitskräftebedarf ausgehen. Übertarifliche Lohnerhöhungen werden konzediert, um ein gutes Betriebsklima zu erhalten und leichte Rekrutierungs- und Selektionsmöglichkeiten von Arbeitskräften zu sichern, ohne daß auf den entsprechenden Arbeitsmärkten kurzfristig ein Nachfragedruck besteht. Lohnerhöhungen bleiben nicht auf einzelne Arbeitnehmergruppen innerhalb der Unternehmen beschränkt, sondern breiten sich früher oder später auf benachbarte Lohngruppen oder auf alle Arbeitnehmer eines Betriebs aus. Die betriebliche Lohnpolitik muß Anreize zur Erhaltung und Steigerung des Leistungsgrades der Arbeitnehmer schaffen. Daraus leitet sich das Streben nach leistungsgerechter Entlohnung mit einer vernünftigen, von den Arbeitnehmern als angemessen betrachteten qualitativen Abstufung der Arbeitnehmer in Leistungs- und Lohngruppen ab29 • Es bildet sich eine interne Lohnstruktur heraus, die in ihren Grundzügen nur in längeren Zeitabständen abgeändert wird80 • Lohnerhöhungen für einzelne Arbeitnehmergruppen führen deshalb häufig früher oder später zu gleichen oder ähnlichen Lohnerhöhungen benachbarter Leistungsgruppen oder aller Arbeitnehmer. Störungen des innerbetrieblichen Lohngefüges gehen bei Industrieunternehmen vor allem von den Leistungslöhnen aus31 • Beobachtungen und Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, daß unter Vollbeschäftigungsbedingungen die Akkordrichtsätze bei laufenden technischen und organisatorischen Fortschritten nicht oder nur selten revidiert werden82• Dadurch steigen langsam die Leistungseinkommen, ohne daß die Arbeiter sich mehr anstrengen oder geschickter arbeiten müssen. Um Spannungen im innerbetrieblichen Lohngefüge zu vermeiden, hat sich häufig die Praxis herausgebildet, "die 28 Vgl. Averitt, R. T.: The Dual Economy, New York 1968, 1. Aufl., S. 140; Bowen, W. G.: The Wage-Price Issue, a.a.O., Kap. 6; Kuhn, A.: Market Struc-

ture and Wage-Push Inflation, in: Industrial and Labor Relations Review, Bd. 12 (1959), S. 243 ff. 29 Vgl. Mayer, J.-P.: Lohnstruktur und Lohnpolitik, Zürich und St. Gallen 1967, S. 48 ff., und Mieth, W.: Ein Beitrag zur Theorie der Lohnstruktur, Göttingen 1967, S. 141 ff. Mieth weist auf das besondere Erfordernis einer straffen betrieblichen Ordnung der Lohnstruktur bei Großunternehmen hin. so Vgl. Mayer, J.-P., a.a.O., S. 101 f., und Mieth, W., a.a.O., S. 151. 31 Euler und Stevens schätzen, daß 50 °/o der Arbeiter in der BRD nach Leistungslähnen bezahlt werden. Vgl. Euler, H. und Stevens H.: Vorschlag für eine neue Methode der Leistungsentlohnung, Düsseldorf 1962, S. 11 ff. 32 Vgl. Busch-Lüty, Ch.: Gesamtwirtschaftliche Lohnpolitik, Basel und Tübingen 1964, S. 184 und die dort angegebene Literatur; Fettel, J.: Wenn Löhne steigen, in: Der Volkswirt, 21. Jg. (1967), S. 702; Mieth, W., a.a.O., S. 184 f.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

zurüCkbleibenden Zeitlöhne durch entsprechende Prämienzahlungen, Zuschläge oder auch AufstoCkung der Lohnsätze dem gestiegenen Niveau der Akkordverdienste anzupassen" 33• Mieth schätzt die durch die schleichende Leistungslohnsteigerungen ausgelöste Zunahme der durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Lohnrate auf 2 % 34• Zusammenfassend ergibt sich, daß die Effektivlöhne unabhängig von den Tariflöhnen bei Vollbeschäftigung eine steigende Tendenz aufweisen. Der Lohnmechanismus, der die wachstumsbedingte Wanderung der Arbeitskräfte herbeiführen muß, wenn Vollbeschäftigung herrscht und erhalten bleiben soll, arbeitet nur über Nominallohnerhöhungen, da wegen der Abhängigkeit der Löhne voneinander Lohnsteigerungen auch in Sektoren ohne Arbeitsnachfrageüberschuß auftreten. Verschärft werden die Lohnauftriebstendenzen dadurch, daß Lohnsenkungen selbst bei größeren Arbeitsangebotsüberschüssen unterbleiben35 • Die Starrheit der Löhne bei größerer Arbeitslosigkeit geht auf mehrere Ursachen zurück. Erstens ist die Bereitschaft der Arbeitnehmer, Lohnsenkungen zu akzeptieren, solange gering, wie nicht mit größeren Entlassungen in einem Betrieb gerechnet werden muß. Zweitens erhöht sich das Risiko einer Verschlechterung des Arbeitswillens der Beschäftigten, wenn in benachbarten Unternehmen die Löhne unverändert bleiben oder steigen. Darüber hinaus vermindert sich der Arbeitskräftebedarf für die einzelnen Arbeitnehmergruppen unterschiedlich; für Fachkräfte besteht häufig weiterhin ein erheblicher Bedarf. Lohnsenkungen, begrenzt auf die weniger qualifizierten Arbeitskräfte, führen aber zu Störungen der innerbetrieblichen Lohnstruktur. Andererseits werden die Arbeitnehmer, die weiterhin recht knapp sind, kaum bereit sein, Lohnsenkungen zu akzeptieren. Schließlich werden die Möglichkeiten der Unternehmen zur Durchsetzung von Lohnsenkungen dadurch beeinträchtigt, daß sie in realistischen Unterbeschäftigungssituationen nicht in der Lage sind, einen größeren Teil der beschäftigten Arbeitnehmer durch gleich oder ähnlich qualifizierte Arbeitskräfte bei niedrigerem Lohn zu substituieren. Abgeschwächt werden die Lohnauftriebstendenzen durch die unvermeidliche Ausdehnung höherer Lohnzahlungen für neue Arbeitnehmer auf die alten Arbeitskräfte30, durch die Schwierigkeiten, einmal gewährte Lohnerhöhungen rückgängig zu machen, und durch das Bestreben, keine 33 34

Busch-Lüty, Ch., a.a.O., S. 184. Mieth, W., a.a.O., S. 186.

35 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1964/65, Stabiles Geld - Stetiges Wachstum, Ziff. 247. 38 Kaldor vertritt die Auffassung, daß aus diesem Grunde nur "in cases where the individual employer hires only a single employee or a few employees .. . shortage of labour is likely to exert an upward pressure on the wage level from the side of demand". Kaldor, H. : Economic Growth and the Problem of Inflation, in : ders., Essays in Economic Policy, Vol. 1, London 1964, S. 192.

2. Die Bedeutung der Lohnbewegungen für die Inflation

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zu hohen Tariflohnsteigerungen zu provozieren, da Tariflohnerhöhungen praktisch nicht rückgängig gemacht werden können. Lohnsteigerungen in Form erhöhter übertariflicher Lohnzahlungen haben zur Folge, daß ein Teil der laufenden Zunahme der Arbeitsproduktivität den Arbeitnehmern bereits vor Tariflohnanpassungen zugute kommt. Dann führen schon Tariflohnerhöhungen im Ausmaß der Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität zu einem allgemeinen Lohnkostenanstieg, soweit die Tariflohnerhöhungen von den Unternehmen voll oder weitgehend in den Effektivlöhnen weitergegeben werden. Tariflohnerhöhungen entsprechend dem gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivitätsfortschritt stellen aber im allgemeinen mehr die Untergrenze für Lohnforderungen der Gewerkschaften dar. Andererseits bestehen gute Gründe, anzunehmen, daß Tariflohnerhöhungen auf die Effektivlöhne aufgestockt werden. Das gilt selbstverständlich für Wirtschaftsbereiche und Unternehmen mit "tarifwahren" Löhnen, nicht aber zwingend, wenn übertarifliche Löhne gezahlt werden und die Tarifverträge keine Effektivlohnklauseln vorsehen. Verschiedene Überlegungen sprechen dafür, daß eine weitgehende Anpassung der Effektivlöhne an Tariflohnerhöhungen unter diesen Bedingungen erfolgt: Die organisierten Arbeitnehmer erwarten Effektivlohnerhöhungen von Periode zu Periode. Tariflohnerhöhungen bei konstanten Effektivlöhnen bieten ihnen keinen finanziellen Vorteil. Zum einen wird dadurch auf die Gewerkschaftsführung ein Druck ausgeübt, Effektivlohnerhöhungen durchzusetzen, was sich in dem Streben der Gewerkschaften nach tarifwahren Löhnen, Effektivlohnklauseln und tariflicher Fixierung übertariflicher Lohnzahlungen37 niederschlägt. Zum anderen haben auch die Unternehmen ein Interesse an einer Anpassung der Effektivlöhne, um Spannungen zwischen Unternehmensführung und Belegschaft und eine Verschlechterung des Verhandlungsklimas mit den Gewerkschaften zu vermeiden. Außerdem übersteigen die Effektivlöhne nicht in allen Wirtschaftsbereichen und bei allen Unternehmen einer Branche die Tariflöhne38. Kleinere und schwächere Unternehmen eines Wirtschaftszweiges, teils ganze Wirtschaftszweige und Unternehmen, mit denen Haustarife abgeschlossen werden, zahlen tarifwahre Löhne. Das trifft auch für organisierte Staatsbedienstete zu (BRD). Da Tariflohnerhöhungen hier automatisch zu Effektivlohnerhöhungen führen, werden die Unternehmen mit übertariflichen Lohnzahlungen häufig bereit sein, die Effektivverdienste zu erhöhen, um eine Verschlechterung ihrer Position am Arbeitsmarkt zu verhindern. -Ein dritter wichtiger Grund für die Auf87 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1965/66, Stabilisierung ohne Stagnation, Ziff. 95. 88 Bandholz schätzt für die BRD, daß etwa 40 v. H. der Beschäftigten keine freiwillig gezahlten übertariflichen Lohnzuschläge erhalten. Vgl. Bandholz, E.: Der Lohn, Berlin 1962, S. 122 f.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

stockung der Effektivlöhne besteht darin, daß die Lohngruppenunterteilung in den Unternehmen wesentlich differenzierter ist als in den Tarifverträgen39 • Den höheren betrieblichen Differenzierungsansprüchen kann aber nur Rechnung getragen werden, wenn für die feiner abgestuften Lohngruppen, die zwischen den Tariflohngruppen liegen, übertarifliche Lohnzuschläge eingeführt werden 40 • Da bei Konstanz der Effektivverdienste nach einer Tariflohnerhöhung die übertariflichen Lohnzuschläge für die einzelnen Lohngruppen verändert würden, führt jede Tariflohnerhöhung bei unverändertem Differenzierungsgrad zu einer Erhöhung der Effektivverdienste41 • Tariflohnerhöhungen, die über die Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität hinausgehen, werden unter Vollbeschäftigungsbedingungen wesentlich begünstigt. Die Gewerkschaften besitzen gegenüber den Arbeitgeberverbänden eine starke Verhandlungsposition. Die Zielsetzung der Beschäftigungssicherung verliert für die Gewerkschaften an Bedeutung. Da die Nachfrage nach Arbeitskräften hoch ist, werden nennenswerte Arbeitskräftefreisetzungen infolge kostenerhöhender Tariflohnsteigerungen unwahrscheinlich. Substitutionsmöglichkeiten zwischen organisierten und nicht organisierten Arbeitnehmern sind für die Unternehmen irrelevant, wenn man sich vergegenwärtigt, daß auf organisierte Arbeitskräfte begrenzte Lohnerhöhungen unternehmenspolitisch nicht tragbar erscheinen und daß zusätzliche nicht organisierte Arbeitskräfte in Höhe der beschäftigten organisierten Arbeitnehmer bei Vollbeschäftigung und bei dem herrschenden gewerkschaftlichen Organisationsgrad nicht beschaffbar sind42 • Außerdem verfügen die Gewerkschaften über eine hohe Streikstärke, während die Arbeitgeber angesichts relativ hoher Gewinneinbußen im Falles eines Streiks und der günstigen Überwälzungsmöglichkeiten von Lohnkastensteigerungen in den Preisen unter Vollbeschäftigungsbedingunge n in besonderem Maße bestrebt sind, Streiks zu vermeiden. Die Gewerkschafts39 Vgl. Külp, B.: Lohnbildung im Wechselspiel zwischen politischen und wirtschaftlichen Kräften, Berlin 1965, S. 232 ff. 40 Vgl. ebd., S. 233. 41 Empirische Untersuchungen stützen die These, daß Tariflohnerhöhungen zu einer Aufstockung der Effektivlöhne führen. Vgl. Kiilp, B., ebd., S. 217 ff. Fellner, W.: The Problem of Rising Prices, a.a.O., S. 48 f.; Dicks-Mireaux, L. A. und Shepherd, J. R.: The Wages Structure and Some Jmplications for Incomes Policy, in: Economic Review, Nr. 22 (1962), S. 43 f.; Phelps Brown, E. H. und Browne, M. H.: Earnings in Industries of the United Kingdom, 1948-59, in: EJ, Bd. 72 (1962), S. 523. 4! In der BRD können Tariflohnerhöhungen unter bestimmten Bedingungen als allgemeinverbindlich für alle Arbeitnehmer eines Wirtschaftsbereiches erklärt werden (§ 5 Tarifvertragsgesetz vom 9. April 1949 mit Änderungen durch das Gesetz zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes vom 11. Jan. 1952). In der Praxis wird die Mehrzahl der Tariflohnvereinbarungen in dieser Weise auf die nicht organisierten Arbeitskräfte ausgedelmt. Vgl. Fellner, W.: The Problem of ]lising Prices, a.a.O., S. 319, ·

2. Die Bedeutung der Lohnbewegungen für die Inflation

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führungbenötigt zur Ausrufung eines Streiks die Zustimmung ihrer Mitglieder. Die Bereitschaft der Mitglieder, einem Streik zuzustimmen, hängt wesentlich davon ab, ob die Gewerkschaften in der Lage sind, angemessene Streikunterstützung en zu zahlen. Bei anhaltend hohem Beschäftigungsgrad über längere Zeit hinweg bestehen hierfür günstige Voraussetzungen, da die relativ große Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder und die relativ hohen Beitragszahlungen der Einzelnen - bei Staffelung der Mitgliedsbeiträge nach der Höhe des Lohnes - die Ansammlung einer hohen Streikkasse ermöglichen. Mit zunehmender Arbeitslosigkeit schwächen sich die Nominallohnforderungen der Gewerkschaften allmählich ab, wobei die Tariflöhne aber bei realistischen Graden branchenmäßiger und konjunktureller Unterbeschäftigung im allgemeinen weiter ansteigen. Die Beschäftigungszielsetzung beeinflußt jedoch nicht nur die Tariflohnforderunge n in zunehmendem Maße, sondern die Gewerkschaften werden gleichzeitig versuchen - insbesondere bei struktureller Arbeitslosigkeit -, spezifische beschäftigungserhöh ende Maßnahmen wie Arbeitszeitverkürzun g, Strekkung des Arbeitsablaufes, bezahlte Feierschichten, vorzeitige Pensionierung u. ä. durchzusetzen43 • Diese Maßnahmen sind teilweise, wie Lohnerhöhungen, mit einer Kostenbelastung verbunden. Durch Lohnsenkungen oder Lohnerhöhungen, die zu Lohnkostensenkunge n führen, läßt sich im allgemeinen keine strukturbedingte Arbeitslosigkeit beseitigen, selbst wenn die Unternehmen angesichts der Kostenreduzierung ihre Preise senken. Darüber hinaus üben Gewerkschaften und Unternehmen häufig einen Druck auf die staatliche Wirtschaftspolitik aus, vorhandene größere Arbeitslosigkeit schnell und nachhaltig zu bekämpfen. Die staatliche Vollbeschäftigungsp olitik richtet sich de facto auf die schnelle Beseitigung allgemeiner Arbeitslosigkeit im Konjunkturabschwu ng und bei struktureller Arbeitslosigkeit auf den Einsatz strukturpolitischer Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung in den strukturschwachen Wirtschaftszweigen und Regionen oder zur Sicherung der schnellen Wiederbeschäftigung der Arbeitslosen in anderen Berufen. Die Erwartung der Aufrechterhaltung eines hohen Beschäftigungsgrade s durch die staatliche Wirtschaftspolitik reduziert von vornherein das Risiko lohninduzierter Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig besteht für die Gewerkschaften und Unternehmen eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß lohnbedingte Nachfrageerhöhungen nicht oder nicht nennenswert durch Restriktionsmaßnahmen vermindert werden44. ' 8 Vgl. Eckstein, 0. und Wilson, Th.: The Determination of Money Wages in American Industry, in: QJE, Vol. 76 (1962), S. 382. 44 Vgl. Markham, J. W.: Administered Prices and the Recent Inflation, in: Inflation, Growth, and Employment, Commission on Money and Credit (Hrsg.), New York 1964, S. 150 f.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß bei anhaltender Vollbeschäftigung - unterbrochen durch eine leichte, temporäre Zunahme der Arbeitslosigkeit in den konjunkturellen Abschwungsphasen - die Zielsetzung der Beschäftigungssicherung bei den gewerkschaftlichen Lohnforderungen gegenüber lohnexpansiveren Zielsetzungen wie Absicherung der Löhne gegen Preisniveausteigerungen, Sicherung einer als angemessen betrachteten intersektoralen Lohnstruktur und Erhöhung des Anteils der Lohneinkommen am Volkseinkommen zu Lasten der Unternehmergewinne stark in den Hintergrund tritt.

Lohnführerschaft überdurchschnittZieh gewinn- und/oder produktivitätsstarker Wirtschaftsbereiche der Industrie: Es ist zu beobachten, daß die gewerkschaftlichen Lohnforderungen in den meisten Branchen prozentual etwa gleich hoch sind und etwa gleich hohe Tariflohnerhöhungen von Branche zu Branche eingeräumt werden45 . Demgegenüber weichen die Arbeitsproduktivitätsfortschritte intersektoral stark voneinander ab46 • Intersektoral gleiche oder ähnliche Tariflohnerhöhungen weisen darauf hin, daß die Tariflohnsteigerungen in den einzelnen Branchen nicht voneinander unabhängig sind. Die Gewerkschaften und Regionalverbände einer Gewerkschaft orientieren sich bei ihren Lohnforderungen nicht nur an den Gewinnen, der Beschäftigungslage und den Produktivitätsfortschritten in ihren Wirtschaftsbereichen, sondern auch an den Tariflohnerhöhungen in anderen Branchen oder Bezirken, wobei in der Regel die überdurchschnittlich gewinn- und/oder produktivitätsstarken Wirtschaftsbereiche der Industrie den Anstieg des allgemeinen Lohnniveaus maßgeblich bestimmen. Sobald die Lohnführerschaftsgewerkschaften ihre Lohnforderungen durchgesetzt haben, versuchen die übrigen Gewerkschaften mit gleichen Lohnforderungen nachzuziehen. Es entsteht auf diese Weise eine Lohnrunde, bei der die Gewerkschaften nach und nach die Tarifverträge kündigen und neue Forderungen erheben47. Wichtigste Gründe für gewerkschaftliche Lohnvergleiche auf dieser Grundlage sind Gerechtigkeitsvorstellungen (gleicher Lohn für gleiche Arbeit, gerechte Lohndifferenzierung zwischen Arbeitnehmergruppen)48 und die oligopolistische Struktur der Gewerkschaftsbewegung49 verbunden mit Prestigeüberlegungen der Gewerkschaftsführun45 Vgl. Lampert, H.: Die Lohnstruktur der Industrie, Berlin 1963, S. 87 f. und die dort auf S. 88 Fn. 56 angegebene Literatur. Mieth schätzt für die BRD, daß wenigstens 90 v. H. aller Tarifabschlüsse prozentual gleiche Lohnerhöhungen vorsehen. Vgl. Mieth, W.: Ein Beitrag zur Theorie der Lohnstruktur, a.a.O.,

S.167 f.

u Vgl. Tabelle 1 und 2 im Anhang. Vgl. Fellner, W.: The Problem of Rising Prices, a.a.O., S. 53 ff. 48 Vgl. Backman, J.: Wage Determination, Princeton (N. J .), Toronto, New York, London 1959, S. 255; Scherf, H.: Untersuchungen zur Theorie der Inflation, a.a.O., S. 53. 49 Vgl. Lampert, H.: Die Lohnstruktur der Industrie, a.a.O., S. 182 f. 47

2. Die Bedeutung der Lohnbewegungen für die Inflation

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gen. Bei Vollbeschäftigung mit hoher allgemeiner Nachfrage nach Arbeitskräften, durchschnittlich hohen Gewinnen und günstigen Gewinnerwartungen und damit verbundenen recht hohen Lohnerhöhungen auf breiter Ebene besteht ein besonderer Druck der Arbeitnehmer auf die Gewerkschaftsführun g, gleiche oder ähnliche Tariflohnerhöhunge n wie in den Wirtschaftsbereichen mit relativ hohen Lohnzahlungen durchzusetzen. Wenn in zahlreichen Bezirken, Wirtschaftszweigen und Berufen die Löhne ansteigen, trifft das offenbar die nicht oder weniger begünstigten Arbeitnehmer stärker als bei mehr vereinzelt auftretenden höheren Lohnsteigerungen, und die Forderung nach "gerechter" Entlohnung erhält größeres Gewicht50. Unterstützung erhalten die Gewerkschaften für ihre lohnstrukturellen Ziele von der Öffentlichkeit und Schlichtungsinstanzen. Nach herrschenden Gerechtigkeitsvorste llungen erscheinen ähnliche Lohnerhöhungen in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen als erwünscht. Wie die Erfahrungen zeigen, können Schlichtungsinstanze n häufig Lohnkompromisse auf der Grundlage von Lohnvergleichen herbeiführen51. Schließlich fördern ähnliche Lohnerhöhungen in zahlreichen Wirtschaftszweigen die Überwälzung von Lohnkostensteigerun gen in den Preisen und damit gleichzeitig wiederum die Durchsetzung lohnführerschaftsbedingter allgemeinerer Lohnerhöhungen. Für die Unternehmen vermindert sich die Wahrscheinlichkeit eines verschärften Substitutionswettbewerbs durch andere Branchen bei Preiserhöhungen nach Lohnsteigerungen, und es festigt sich die Erwartung einer allgemeinen Anhebung der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage. Die Lohnführerschaft stellt eine bedeutsame Ursache für allgemeine Kostenauftriebstend enzen und unter Berücksichtigung realistischer Preisverhaltensweise n für anhaltende, leichte Preisniveausteigerun gen dar. Dabei brauchen die Lohnerhöhungen in den führenden Industrien nicht kostensteigernd zu wirken. Soweit die Lohnführerschaft von Bereichen ausgeübt wird, die besonders günstige Gewinnerzielungsmö glichkeiten bei durchschnittlichen oder unterdurchschnittlich en Produktivitätssteigerungen aufweisen, steigen auch in diesen Sektoren die Lohnkosten. Verschärft werden Lohnauftriebstenden zen, wenn die Gewerkschaften nicht nur ihre Position in der intersektoralen Lohnstruktur zu erhalten, sondern auch zu verbessern bestrebt sind. Es kommt dann zu Spannungen zwischen den autonomen Einzelgewerkschafte n, die sich in 50 " ••• the result is to widen the area of interwage comparisons and to multiply the number of points which each group of workers rests its particular standard of 'fair wages'." Turner, H. A.: Inflation and Wage Differentials in Great Britain, in: The Theory of Wage Determination, Dunlop, J. T. (Hrsg.), London 1957, S. 127. 61 Vgl. Bandholz, E.: Der Lohn, a.a.O., S. 173 f.; Fellner, W.: The Problem of Rising Prices, a .a.o ,, S. 53; Turner, H. A.: Inflation and Wage Differentials in Great Britain, a .a.O., S. 127.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

einer zusätzlichen Erhöhung des Tariflohnniveaus niederschlagen, ohne daß die intersektorale Tariflohnstruktur (nennenswert) verändert wird.

Tariflohnanpassungen an Preisniveauerhöhungen: Eine unmittelbare Beziehung zwischen Tariflohn- und Konsumgüterpreiserhöhungen besteht bei Lohn-Preisniveau-Gleitklauseln. Sie bezwecken, die Kaufkraft der Nominallöhne gegen Verteuerungen der Lebenshaltung abzusichern. Auch in Ländern ohne Lohn-Preisindex-Gleitklauseln - wie in der BRD - stellt die Sicherung der Reallöhne bzw. die Realisierung bestimmter geplanter Reallohnerhöhungen ein wichtiges Ziel der Gewerkschaften dar-52 , so daß ein Anstieg des Preisindexes der Lebenshaltung nach Überschreiten eines gewissen Schwellenwertes zusätzliche Lohnforderungen induziert. Die Gewerkschaften werden dabei durch die Öffentlichkeit, Schlichtungsinstanzen58 und Sachverständigenräte54 unterstützt. Erhöhungen des Preisindexes werden als gerechtfertigter Grund für kompensierende Tariflohnanpassungen anerkannt. Gleichzeitig besteht auf Unternehmerseite im allgemeinen die Bereitschaft, entsprechende zusätzliche Lohnerhöhungen zu konzedieren. Die Anpassung der Tariflöhne an fühlbare Erhöhungen des Konsumgüterpreisniveaus in den vergangenen und/oder zukünftigen Tarifperioden erhöht die inflatorische Störanfälligkeit der Volkswirtschaft. Den zusätzlichen Lohnerhöhungen stehen keine entsprechend hohen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritte gegenüber. Im Rahmen des Anpassungsprozesses steigen jetzt auch die spezifischen Lohnkosten in Branchen mit bisher stabilen Preisen und teilweise in Wirtschaftszweigen mit bisher sinkenden Preisen.

3. Der Einfluß der Unternehmerischen Preispolitik auf die Entwicklung des Preisniveaus

a) Kostenorientiertes Preisanpassungsverhalten und Preisstarrheiten Empirische Untersuchungen und theoretische Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß die Preise flexibler auf Kosten- als auf Nachfrage-

änderungen reagieren und Preissenkungen häufig unterlassen werden. Die Preise werden vielfach auf der Grundlage der Durchschnittskosten - der gesamten Stückkosten, teils auch nur der Lohn- oder Materialkosten je Leistungseinheit- plus einem relativ festen Gewinnaufschlag, der die Erwirtschaftung eines befriedigenden Gewinnes bzw. einer ange62 Vgl. z. B.: Interview mit Otto Brenner, dem Vorsitzenden der IG Metall, Frankfurt/Main, a.a.O., S. 172. sa Vgl. Bandholz, E.: Der Lohn, a.a.O., S. 17 ff. 54 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1965/66, Stabilisierung ohne Stagnation, Ziff. 201.

3; Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

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messenen Gewinnrate auf längere Sicht ermöglichen soll, festgesetzt. Die Aufschläge müssen nicht als vollkommen inflexibel betrachtet werden, ihre Beweglichkeit entspricht jedoch nicht der Preisfixierung zum Zwecke der kurzfristigen Gewinnmaximierung55 . Die Unternehmensmotive und Bedingungen, unter denen Preisentscheidungen getroffen werden, sind wesentlich komplexer als es die ältere Preis- und Unternehmenstheorie annimmt. Langfristiges Gewinnstreben, Sicherheits- und Praktikabilitätsüberlegungen spielen allgemein eine wichtige Rolle in der Preispolitik. Die Unternehmen sind auf Dauer gegründet. Ihr Fortbestand und Gedeihen soll für grundsätzlich unbegrenzte Zeit gesichert werden, so daß die kurzfristige Gewinnmaximierung nicht die Zielsetzung der meisten Unternehmen sein kann. Die Unternehmen versuchen, durch ihr Verhalten in der Gegenwart ihre wirtschaftliche Lage in der Zukunft günstig zu beeinflussen. Sie sind typischerweise bemüht, Präferenzen der Nachfrager heranzubilden, zu erhalten und auszudehnen56 • Die Bindung von Käufergruppen an eine Unternehmung erhöht den zukünftigen Absatz, vermindert die preisliche Konkurrenzabhängigkeit und ermöglicht deshalb eine stetigere und sichere Absatzentwicklung auf längere Sicht. Nichtpreisliche absatzpolitische Maßnahmen (Produkt- und Sortimentsgestaltung, Kundendienst, Werbung u. ä.} stellen die wichtigsten Mittel der Präferenzpolitik dar. Dadurch wird generell die Neigung zum Einsatz des Preises als Wettbewerbsinstrument abgeschwächt. Auf homogenen Märkten ist aus diesem Grund eher mit Freisanpassungen an Änderungen der Marktlage zu rechnen als auf heterogenen Märkten. Aber auch die Preisgestaltung spielt im Rahmen der langfristigen Präferenzpolitik eine wesentliche Rolle. Freisanpassungen an die jeweilige Marktlage lassen häufig ungünstige Rückwirkungen des jetzigen Käuferverhaltens auf die langfristige Entwicklung der Firmennachfrage erwarten, so daß langfristige Überlegungen in der Preispolitik relevant werden57. Käuferpräferenzen sind für ein Unternehmen nicht endgültig; sie 55 Vgl. Schuttze, Ch. L.: Recent Inflation in the United States, a.a.O., S. 55. Vgl. aus der umfangreichen Literatur zur Durchschnittskostenpreisbildung vor allem folgende weiteren theoretischen und empirischen Arbeiten: Andrews, P. W. S.: Manufacturing Business, London 1949; FeHner, W.: Average Cost Pricing and the Theory of Uncertainty, in: JPE, Bd. 56 (1948), S. 249 ff.; Fog, B.: Industrial Pricing Policies, Amsterdam 1960; HaU, R. L. und Hitch, Ch. J.: Price Theory and Business Behavior, in: Oxford Studies in the Price Mechanism, Wilson, T. und Andrews, P. W. S. (Hrsg.), Oxford 1951, S. 107 ff.; Heflebower, R. B.: Full Costs, Cost Changes, and Prices, in : Business Concentration and Price Policy. A Report of the National Bureau of Economic Research, Princeton 1955, S. 361 ff.; Saxton, C. C.: The Economics of Price Determination, Oxford 1948, 2. Aufl.; Wiles, P. J. D.: Price, Cost and Output, Oxford 1961. 56 Vgl. Banse, K .: Vertriebs-(Absatz-)politik, in: Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, Bd. 4, 1962, S . 5987. 57 Vgl. z. B. Kromphardt, J .: Kosten- und Preisanpassungsverhalten der Unternehmer und Einkommensverteilung (II), in: Zfdg Stw, Bd. 124 (1968), S. 702. - Ungünstige Rückwirkungen treten nicht auf, wenn der Kreis der

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

lassen sich nur langfristig heranbilden und können durch eine ungeschickte Preispolitik leicht aufgelöst werden. Bei Preiserhöhungen zur Ausnutzung günstiger kurzfristiger Marktchancen besteht für die Unternehmen das Risiko einer Verärgerung der Stammkunden und ihrer Abwanderung zu anderen Anbietern auf längere Sicht. Preissenkungen verursachen zwar unmittelbar keine Einbußen an Goodwill, jedoch erscheinen spätere Preiserhöhungen den Unternehmen häufig schwer durchsetzbax-58 • Die Pflege des Firmenmarktes mit persönlichen Käuferund Verkäuferbeziehungen wirkt so tendenziell auf eine Zurückhaltung mit Preiserhöhungen und Preissenkungen bei kurzfristigen Nachfrageänderungen. Die langfristige Ausrichtung der Preisplanung kann auf weitere Merkmale des Käuferverhaltens zurückgehen. Feste Preise werden von den Konsumenten für Güter, deren Qualität schwer abschätzbar ist, nicht selten als Garantie für gleichbleibende (oder verbesserte) Güterqualität betrachtet. Diesem Faktor wird von den Markenartikelherstellern im allgemeinen eine große Bedeutung beigemessen59 • Außerdem bestehen Präferenzen der Unternehmen als Nachfrager für stabile Preise. Feste Preise sichern der Industrie und dem Handel auf längere Sicht eine feste Kalkulationsgrundlage und vermindern die Dispositionsswierigkeiten. Wichtige Modifikationen des reinen Gewinnstrebens ergeben sich aus Sicherheits- und Praktikabilitätserwägungen. Preisentscheidungen sind unter Ungewißheit und komplexen internen und externen Bedingungen zu fällen. Besondere Schätzungsschwierigkeiten bestehen auf der Nachfrageseite. Die Unternehmen besitzen nur vage Vorstellungen über die Nachfrageelastizitäten der Güter ihres Produktionsprogramms. Bei Preiserhöhungen infolge erwarteter Nachfragesteigerungen wissen die Unternehmen nicht genau, wie die Kunden und Konkurrenten reagieren werden. Es ist ungewiß, ob die Gewinne nach Preiserhöhung langfristig höher sein werden als bei unveränderten Preisen. Sicherer ist es, die Entwicklung der Nachfrage zunächst einmal abzuwarten, bevor eine neue Entscheidung getroffen wird, zumalsich die Wirtschaftslage bereits bei unveränderten Preisen verbessert. Durch Produktionsausweitung und Abbau von Lagerbeständen steigen die Gewinne und erhöhen sich die liquiden Mittel sowie die Finanzierungsmöglichkeiten. Bei vollausgelasteten Kapazitäten wächst der Auftragsbestand, und die Unternehmensentwicklung erscheint für die nähere Zukunft gesichert. Unter diesen BeNachfrager in der laufenden Periode nicht mit den Nachfragern späterer Perioden übereinstimmt und eine Kommunikation zwischen beiden Gruppen fehlt oder gering ist. Vgl. ebd., S. 702, Fn. 113. 58 Vgl. Katona, G. : Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer, a.a.O., s. 272. 59 Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Bd. 2, a.a.O.,

s. 364 f.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

31

dingungen sind die Anreize zu neuen Entscheidungen relativ gering80 • Die Neigung zur Unterlassung von Preiserhöhungen ist bei Unternehmen, die zu den gegebenen Preisen bisher befriedigende Gewinne erwirtschaftet haben, besonders ausgeprägt. Andere Unternehmen werden eher das Risiko ungünstiger Rückwirkungen aus Preiserhöhungen in Kauf nehmen. Die Bereitschaft zu Freisanpassungen steigt, wenn sich angesichts der tatsächlichen Entwicklung die Erwartung herausbildet oder verstärkt, daß die Absatzsteigerungen fühlbar und langfristig andauernd sind. Bei (induziertem) hohem Kapazitätsauslastungsgrad kann die einzelne Unternehmung eher damit rechnen, daß die Konkurrenten ebenfalls die Preise heraufsetzen werden bzw. konkurrierende Unternehmen infolge von Kapazitätsengpässen zusätzlichen Nachfragesteigerungen bei unveränderten Preisen nur in begrenztem Ausmaß produktionell nachkommen können. Das Risiko einer Abwanderung von Stammkunden fällt außerdem weniger ins Gewicht, da neben den alten Kunden stärker neue Käufer auftreten. Abgeschwächt werden Preiserhöhungen dadurch, daß die Unternehmen bei langfristig erwarteter Nachfrageerhöhung geneigt sind, ihre Kapazitäten auszudehnen. Eventuelle Nachteile aus Preiserhöhungen können dann völlig ausgeschaltet werden. Ähnliche Erwägungen gelten für Preissenkungen bei Nachfragesenkungen. Da Nachfragesenkungen zu einer Verschlechterung der Wirtschaftslage der Unternehmen führen und deshalb einen stärkeren Anreiz zu neuen Entscheidungen als eine Verbesserung der Unternehmenslage auslösen, könnte man erwarten, daß die Unternehmen Preissenkungen eher und schneller als Preiserhöhungen vornehmen. Verschiedene Gründe sprechen aber dafür, daß dies häufig nicht der Fall ist. Katona weist auf Untersuchungen hin, die ergaben, daß Preissenkungen bei Nachfragerückgängen von den Unternehmen als riskanter beurteilt wurden als im umgekehrten Fall61 • Preissenkungen führen zu einer Verminderung der Gewinnspanne, während eine Verbesserung der Gesamtgewinne durch induzierte Absatzsteigerungen ungewiß und erst später zu erwarten ist62 • Da die Unternehmen bei Ungewißheit Sicherheitserwägungen größere Aufmerksamkeit schenken, besteht die Neigung, Preissenkungen eher zu unterlassen als Preiserhöhungen. Preise, die die Stückkosten und eine hohe Gewinnspanne decken, bieten außerdem eine gute Sicherheit gegen nicht antizipierte Nachfragesenkungen (und Kostenerhöhungen)63. Bei stärkeren Nachfragerückgängen erhöhen sich Vgl. Bowen, W. G.: The Wage-Price Issue, a.a.O., S. 296 f. u Vgl. Katona, G.: Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer, a.a.O., s. 270 f. 82 Vgl. Scitovsky, T.: Welfare and Competition, London 1961, 3. Aufl., S. 274. 83 Vgl. Fellner, W.: Average Cost Pricing and the Theory of Uncertainty, a.a.O., S. 249. 60

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

zwar die Motivationskräfte, die neue Entscheidungen herbeiführen, jedoch stellen Preissenkungen nur eine Aktionsalternative neben anderen dar. Die Firmen können verstärkt nichtpreisliche absatzpolitische Maßnahmen ergreifen. Die Suche nach neuen profitableren Gütern kann angeregt und die Produktion alter Güter eingestellt werden. Wesentlich ist darüber hinaus, daß bei stärkeren Nachfragesenkungen die Zielsetzung der Liquiditätssicherung in den Vordergrund der Unternehmenspolitik rückt, insbesondere bei kleineren und mittleren Unternehmen. Einschränkungen der Produktion, des Kaufes von Materialien, Abbau von Lagerbeständen u. ä. führen aber zu einer unmittelbareren, sicheren und nachhaltigeren Liquiditätsverbesserung als Preissenkungen. Besondere Risiken und praktische Hemmnisse gegen häufige Preisanpassungen an laufende Änderungen der Marktlage bestehen für Oligopolistische Unternehmen64, Unternehmen mit breitem Produktionsprogramm bzw. Sortiment und Herstellerfirmen, die Güter des differenzierten Massenbedarfs über den Handel absetzen. Bei Unternehmen mit breitem Produktionsprogramm müssen nicht nur die Einzelpreise bestimmt, sondern außerdem muß eine zweckmäßige interne Preisstruktur festgelegt werden, da zwischen den verschiedenen Gütern (Gütergruppen) des Produktionsprogramms Substitutions- und Komplementaritätsbeziehungen bestehen (können). Die Schätzung der Nachfrageelastizitäten stößt dabei auf sehr große Schwierigkeiten. Preisanpassungen für einzelne Güter an die jeweilige Marktlage sind besonders riskant, da sie eine grundlegende Störung der internen Preisstruktur mit weiteren unerwünschten Preisänderungen zur Folge haben können65 • Aggressive Preissenkungsmaßnahmen bergen die Gefahr, daß die Konkurrenten die Preise anderer Güter herabsetzen und deshalb die Unternehmung gezwungen ist, auch diese Preise anzupassen. Schließlich ist es Vielproduktunternehmen praktisch unmöglich, die Preise für die zahlreichen Güter von einem zum anderen Augenblick neu zu bestimmen. Bei Massenabsatz über den Handel streben die Herstellerfirmen danach, durch Werbung und Preispolitik (vertikale Preisbindung, Preisempfehlungen, die von den Händlern häufig befolgt werden) die für ihre Entwicklungsmöglichkeiten entscheidende Endnachfrage unmittelbar zu beeinflussen, weil das Risiko besteht, daß sich der Handel nicht genügend für den Absatz ihrer Güter einsetzt. Den Herstellerfirmen fehlt der unmittelbare Kontakt zu den Endnachfragern, so daß Nachfrageschätzungen erschwert werden. Häufige Änderungen gebundener oder empfohlener Preise erscheinen ihnen in der Regel unzweckmäßig, weil sie eine Neufestlegung der vertikalen Preisstruktur (Hersteller, Großhandel und Einzelhandel) erforderlich machen, die nicht nur kostspielig ist, sondern auch Konflikte 84

85

Vgl. S. 35 ff. Vgl. Galbraith: The New Industrial State, Boston 1967, S. 194.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

33

zwischen Hersteller und Händlern über angemessene Handelsspannen entstehen lassen können und die über Jahre hinweg herausgebildeten Beziehungen zu den Händlern beeinträchtigen können. Die Markenartikelpreise werden aus diesen Gründen - sowie angesichtsvon Präferenzen der Käufer für stabile Preise und oligopolistischer Konkurrenzbeziehungen - über längere Zeit hinweg unverändert gelassen und erst bei außergewöhnlichen Umständen neu festgelegt.

Freisanpassungen auf der Grundlage von Kostenänderungen mit relativ stabilen Aufschlägen tragen diesen verschiedenen Faktoren besser Rechnung. Die Durchschnittskosten lassen sich sicherer und einfacher abschätzen als die Nachfrageelastizitäten und Grenzkosten. Die Unternehmen verfügen im allgemeinen über eine besser ausgebaute Kostenrechnung als Absatzstatistik. Die Kosten sind stärker unternehmensintern kontrollierbar. Dem Gemeinkostenproblem bei Mehr- und Vielproduktunternehmen kann im Rahmen der Durchschnittskostenkalkulation durch Gemeinkostenaufschlüsselung auf verschiedene Erzeugnisse mit Hilfe eines gewissen prozentualen Aufschlags auf die direkten Kosten (Lohn- und Materialkosten) befriedigend Rechnung getragen werden66. Die Kostenschätzungen hängen in geringerem Maße von subjektiven Faktoren ab als die Nachfrageschätzungen67 • Zusammen mit der Anwendung gleicher oder ähnlicher Kostenrechnungstechniken innerhalb einer Branche werden allgemeine Kostenänderungen (Lohn- und Materialkosten) einheitlicher beurteilt als Nachfrageänderungen, was die Ungewißheit über die preispolitische Reaktion der Konkurrenten bei Kosten- gegenüber Nachfrageänderungen abschwächt. Schließlich wandeln sich die Kostenbedingungen weniger schnell als die N achfrageverhältnisse, so daß die Preiskalkulation auf der Grundlage der Durchschnittskosten der Neigung der Unternehmen entgegenkommt, allzu häufige Preisänderungen zu vermeiden88• Kostenschwankungen infolge von Nachfrageänderungen (Veränderung des Kapazitätsauslastungsgrades) und sonstige Kostenänderungen können außerdem gut durch Anwendung von Kostenstandards, insbesondere einer Standardbeschäftigung, in der laufenden Preiskalkulation ausgeschaltet werden. Empirische Untersuchungen zeigen, daß industrielle Unternehmen, besonders Großunternehmen, vielfach in ihrer Preis- und Kostenplanung von einer Standardoder Normalbeschäftigung für eine längere Zeitspanne ausgehen69 • Preis86 Vgl. Messerschmidt, M.: Das Preisverhalten industrieller Unternehmer in Theorie und Praxis unter besonderer Berücksichtigung der Existenz von Großunternehmen, Diss. Köln 1963, S. 185. 87 Vgl. Bowen, W. G.: The Wage-Price Issue, a.a.O., S. 287 f. 8s Vgl. ebd., S. 288. 89 Vgl. Lanzmotti, R. F.: Some Characteristics and Economic Effects of Pricing Objektives in Large Corporations, in: The Relationship of Prices to Economic Stability and Growth, Compendium of Papers Submitted by Panelists Appearing before the Joint Economic Committee, a.a.O., S. 446 f.; Matz, A.:

3 Cansier

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

anpassungen an tatsächliche Kostenänderungen erfolgen erst, wenn die angenommene durchschnittliche Kostenlage für eine gewisse Periode (ein halbes bis ein Jahr oder länger) angesichts der tatsächlichen Kostenentwicklung als überholt erscheint. Je stärkeren Schwankungen die wichtigsten Kostenfaktoren im Zeitablauf unterliegen, um so begrenzter werden die Möglichkeiten zur Anwendung von Kostenstandards, da die Schwierigkeiten einer hinreichend genauen Abschätzung der durchschnittlichen Kostenentwicklung zunehmen. Eine unmittelbare Anpassung der Verkaufspreise an laufende Änderungen der tatsächlichen Kosten besteht aus diesem Grund im Handel. Die Einkaufspreise stellen die wichtigste Komponente der Stückkosten dar. Sie schwanken für einen Teil der Güter des Sortiments erheblich. Da außerdem die Preise zahlreicher Güter zu bestimmen sind, erfolgt die Preissetzung typischerweise auf der Grundlage der laufenden Einkaufspreise mit fester Handelsspanne. Die Beweglichkeit der Preise in bezug auf Kostenänderungen unterscheidet sich für Kostenerhöhungen und Kostensenkungen. Unternehmerische Sicherheitserwägungen lassen es wahrscheinlich werden, daß Kostensteigerungen Preiserhöhungen eher auslösen als Kostenrückgänge Preissenkungen70 • Das Streben nach sicheren Gewinnen bedeutet, daß die Unternehmen in erster Linie daran interessiert sind, Gewinneinbußen nach Möglichkeit zu vermeiden71 • Da eine Kostensenkung zu einer Verbesserung des Geschäftsergebnisses führt und eine Kostensteigerung ein ungünstiges Ereignis darstellt, besteht ein besonderer Antrieb zur Vornahme von Preiserhöhungen. Zum zweiten berücksichtigen die Unternehmen unter Ungewißheit stärker die Gewinnmargen in ihrer Preispolitik. Höhere Durchschnittskosten begünstigen Preiserhöhungen, da bei unveränderten Preisen eine unmittelbare und sichere Verminderung der Gewinne je Leistungseinheit auftritt, während die Erwartung stärkerer Absatzrückgänge infolge einer Preiserhöhung ungewisser ist. Bei Preissenkungen nach Kostensenkungen steht hingegen einer recht ungewissen Absatzsteigerung eine sichere Abnahme der Gewinnspanne gegenüber, wodurch der Anreiz zur Vornahme von Preissenkungen geschmälert wird. Schließlich können die Unternehmen bei Kostensenkungen geneigt sein, die Gewinnmargen etwas zu erhöhen, um durch eine vergrößerte Sicherheitsmarge gegen zukünftige erzwungene Preissenkungen besser gewappnet zu sein. Aus den bisherigen Erörterungen ergibt sich zusammenfassend, daß kostenorientiertes Preisanpassungsverhalten gut mit dem allgemeinen Plankostenrechnung, Wiesbaden 1954, S. 74; Mourton, H. G.: Can Inflation be Controlled?, London 1958, S. 82 f . 70 Vgl. zum Folgenden Bowen, W. G.: The Wage-Price Issue, a.a.O., S. 294 f. 71 Vgl. auch Katona, G.: Das Verhalten der Verbraucher und Unternehmer, a.a.O., S. 243.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

35

Streben nach langfristigen und sicheren Gewinnen vereinbar ist. Die Preise werden stärker Kostenänderungen als Nachfrageänderungen angepaßt, wobei die Neigung besteht, Preissenkungen bei Kostensenkungen zu unterlassen. Diese Tendenzen werden gestützt, wenn man das Wettbewerbsverhalten der Unternehmer berücksichtigt. Unter Oligopolistischen Wettbewerbsbedingungen bestehen besonders starke Kräfte zu einer beweglicheren Anpassung der Preise an allgemeinere Kostenänderungen - Lohn- und Materialkostenänderungen als an Nachfrageänderungen und zur Unterlassung von Preissenkungen generell. Oligopolistische Unternehmen sehen sich einem spezifischen absatzpolitischen Ungewißheits- und Risikomoment gegenüber. Die Anbieter oder ein Teil der Anbieter am Markt stehen in direkter Rivalitätsbeziehung zueinander. Sie besitzen einen so großen Marktanteil, daß sie durch ihre Preispolitik die Absatzlage ihrer Konkurrenten unmittelbar und fühlbar beeinflussen können. Die gegenseitige Abhängigkeit führt zu einer Berücksichtigung möglicher preispolitischer Reaktionen konkurrierender Unternehmen auf eigene Preisänderungen. Erhöht ein Oligopolist autonom seinen Preis, so ist es für ihn ungewiß, ob die Konkurrenten folgen werden. Bei Preissenkungen muß ein Anbieter damit rechnen, daß die anderen Unternehmen ihre Preise ebenfalls herabsetzen werden, da sie bestrebt sind, ihre Marktstellung zu erhalten. Eine Verbesserung des Marktanteils durch aggressive Preissenkungen erscheint daher unwahrscheinlich, und Kampfmaßnahmen werden relativ selten vorgenommen. Oligopolisten verhalten sich typischerweise wirtschaftsfriedlich72. Die Labilität des Oligopolistischen Gleichgewichts wird dadurch gemildert, jenoch nicht beseitigt. Autonome Preissenkungen einzelner Unternehmen bei Nachfragerückgang können von den Konkurrenten leicht als Angriff auf ihre Marktposition mißverstanden werden und schwer kontrollierbare unprofitable Preissenkungsprozesse oder gar Preiskämpfe auslösen. Nachfrageschätzungen hängen stark von subjektiven Faktoren ab, und Nachfrageänderungen werden deshalb normalerweise unterschiedlich beurteilt. Häufigere Freisanpassungen an laufende Nachfrageänderungen mit dem Ziel der kurzfristigen Gewinnmaximierung bergen dann die Gefahr einer längerfristigen Störung des oligopolistischen Gleichgewichts. Diese besonderen Ungewißheitsmomente stellen einen starken Anreiz zur Herausbildung eines Gruppenbewußtseins mit mehr oder weniger stark abgestimmtem Preisverhalten dar73 . Das Streben nach Vermeidung von Störungen des labilen oligopolistischen Gleichgewichts bzw. nach 72 Rothschild, K. W.: Price Theory and Oligopoly, in: EJ, Bd. LVII (1947), S. 299 ff., Dt. Übersetzung: Preistheorie und Oligopol, in: Preistheorie, Ott, A. E. (Hrsg.), Köln, Berlin 1965, S. 363. 73 FeHner, W.: Competition Among the Few, New York 1960, S. 33 ff.; Röper, B.: Die Konkurrenz und ihre Fehlentwicklungen, Berlin 1952.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

"sicheren" Gewinnen73 a und die Anwendung entsprechender Preisverhaltensweisen, die keine oder nur relativ schwache Störungen erwarten lassen, treten in den Vordergrund. Abgestimmtes Preisverhalten erfolgt angesichts vergleichsweise hoher oligopolistischer Interdependenz in erster Linie im Preisbereich. Produktänderungen, erhöhte Werbungsanstrengungen, zusätzliche Investitionen u. ä. sind Maßnahmen, an die sich die Konkurrenten nicht so genau, weitgehend und schnell wie an Preisänderungen anpassen können und die - soweit erfolgreich - für die Konkurrenten erst längerfristig wirksam werden74• Gefördert wird die Herausbildung abgestimmten Preisverhaltens durch die Einsicht der Unternehmen, daß bei abgeschwächtem Preiswettbewerb durchschnittlich höhere Gewinne erzielbar sind als bei intensivem Preiswettbewerb. Die Intensität Oligopolistischen Parallelverhaltens variiert mit dem Grad oligopolitischer Interdependenz. Stärker abgestimmtes Preisverhalten in Form von Preisabreden, der Preisführerschaft eines marktbeherrschenden Unternehmens und der barometrischen Preisführerschaft - bei der ein bestimmtes Unternehmenkraft seiner guten Marktkenntnis und des Vertrauens der übrigen, gleich starken oder schwächeren Anbieter in die Loyalität dieses Unternehmens die Preisstruktur bestimmt - treten am ehesten auf relativ homogenen und konzentrierten Märkten auf. Mit abnehmender Anbieterkonzentration und zunehmender Heterogenität der Märkte vermindert sich die unmittelbare Reaktionsverbundenheit und die Verhaltenskoordinierung stößt auf größere praktische Schwierigkeiten. Schwächer abgestimmtes Preisverhalten geht wesentlich zurück auf die Anwendung gleicher oder ähnlicher Kostenrechnungstechniken und Preisbildung auf der Grundlage der Durchschnittskosten verbunden mit relativ stabilen Gewinnaufschlägen und primärer Anpassung der Preise an allgemeinere Kostenänderungen (Lohn- und Materialkosten). Eine preispolitische Koordination kommt in dieser Weise auch auf polypolistischenMärkten vor. Das Streben nach Verminderung des Wettbewerbsrisikos stellt ein generelles Anliegen für die Unternehmen dar75• Nach Auffassung einiger Autoren scheint sogar die Neigung zu einer Verminderung des Wettbewerbsdrucks besonders in Branchen mit relativ kleinen Unternehmen zu bestehen76 • Stark begünstigt wird die 7sa Vgl. Rothschild, K. W.: Preistheorie und Oligopol, a.a.O., S. 361. 74 Vgl. Gutenberg, E.: Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 2. Bd., a.a.O., S. 401 ff.; Fellner, W.: Competition Among the Few, a.a.O., S. 183 ff.

75 "Die wirtschaftliche Wirklichkeit ist ganz allgemein dadurch gekennzeichnet, daß das einzelwirtschaftliche Erwerbsstreben die ihm durch den Wettbewerb auferlegte Beschränkung und Unsicherheit, d. h. den dadurch bedingten Leistungszwang, nicht widerstandslos akzeptiert und daraus stets nur die erwartete Konsequenz einer realen Leistungssteigerung zieht, sondern auch versucht, sich von diesem Konkurrenzdruck und dem damit verbundenen Risiko soweit wie möglich zu befreien . .. " Zohlnhöfer, W. : Wettbewerbspolitik im Oligopol, Basel, Tübingen 1968, S. 16.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

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Durchsetzung eines preispolitischen Parallelverhaltens auf breiter Ebene durch die in allen Wirtschaftsbereichen übliche organisatorische Zusammenarbeit der Unternehmen in Wirtschaftsverbänden. Zum einen wird dadurch die Einsicht gefördert, daß durch "Ordnung des Wettbewerbs" Unsicherheiten vermindert und durchschnittlich höhere Gewinne erzielt werden können, und zum zweiten verbessern sich die praktischen Möglichkeiten der Verhaltensabstimmung. Die Wirtschaftsverbände versuchen, "den Preiswettbewerb unter Kontrolle oder zumindest in Grenzen zu halten und in ein von juristischen, ethischen und traditionellen Einflüssen bestimmtes Schema zu bringen" 77 . Durch die Forderung nach Anwendung "gesunder" oder "anerkannter" kaufmännischer Grundsätze78 bzw. durch Empfehlung bestimmter Kalkulationsgrundsätze und den Hinweis auf bestimmte branchenübliche Gewinnzuschläge geben die Verbände indirekte Preisempfehlungen, die in ihrer Wirkung Preisabreden sehr nahe kommen können 79 • "Der Corpsgeist und die Gefahr, daß eine Abweichung von der Generallinie des Verbandes mit Nachteilen verbunden sein könnte, machen die Preisempfehlungen zu einem wirksamen Instrument der Zusammenarbeit ... 80 ." Beobachtungen des Verhaltens der Wirtschaftsverbände zeigen, daß bevorstehende Preisänderungen von ihnen für die gesamte Branche angekündigt und Preiserhöhungen normalerweise mit allgemeinen Kostensteigerungen Lohn und Materialkostensteigerungen - gerechtfertigt werden. Koordiniertes Preisverhalten nach Lohnkostenerhöhungen wird zusätzlich gefördert durch die Zusammenarbeit der Unternehmen im Tariflohnbereich. Eine Ausdehnung des solidarischen Verhaltens auf die Gütermärkte erscheint innerhalb gewisser Grenzen naheliegend81 . Preisanpassungen an allgemeine Kostenänderungen bei konstanten oder relativ unveränderten Gewinnaufschlägen sind gut geeignet, Störungen des labilen oligopolitischen Gleichgewichts zu vermeiden oder in engen Grenzen zu halten. Im einzelnen sprechen hierfür folgende Gründe: (1) Oligopolistische Freisanpassungen an Kostenänderungen kommen dem Streben der Anbieter nach stabilen Preisen entgegen. Da sich die Kostenbedingungen weniger häufig als die Nachfrageverhältnisse ändern und die industriellen Unternehmen Rückwirkungen laufender Nachfrageänderungen auf die Kosten durch Standardkostenrechnung ausschalten können, brauchen die Preise nur relativ selten neu bestimmt zu 78 Vgl. Oehler, H.: Wettbewerbsregeln als Instrument der Wettbewerbspolitik, Marburg 1968, S. 37 und die dort in Fn. 203 angegebene Literatur. 77 Vgl. ebd., S. 38. 78 Vgl. ebd., S. 38. 79 Vgl. Giersch, H.: Allgemeine Wirtschaftspolitik, 1. Bd., Grundlagen, Wiesbaden 1960, S. 199. 80 Ebd., S. 199 f. 81 Vgl. Blair, J. M.: Administered Prices: A Phenomenon in Search of a Theory, in: AER, Vol. XLIX (1959), Pap., S. 439.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

werden. (2) Schätzungen der Nachfrageentwicklung hängen stärker von subjektiven Faktoren ab als Kostenschätzungen. Ein Einverständnis über preispolitisches Parallelverhalten kommt daher bei allgemeinen Kostenänderungen wesentlich leichter zustande. Bei allgemeinen Kostensenkungen können konkurrierende Unternehmen relativ sicher übersehen, daß Preissenkungen eines Anbieters nicht den Zweck verfolgen, ihre Marktstellung zu beeinträchtigen. (3) Ein Parallelverhalten ist um so eher und weitgehender zu erwarten, je gleichmäßiger und allgemeiner konkurrierende Unternehmen durch Kostenänderungen belastet oder begünstigt werden. Stärker unternehmensspezifischen Charakter weisen Kostensenkungen infolge von Produktivitätsfortschritten gegenüber Kostensenkungen infolge von Faktorpreissenkungen auf82 • Außerdem können die Anbieter produktivitätsbedingte Kostensenkungen ihrer Konkurrenten kaum hinreichend genau abschätzen, so daß kosteninduzierte Preissenkungen einzelner Unternehmen leichter zu Störungen der herrschenden Wettbewerbslage führen können. Sichere und langfristig häufig wirkungsvollere Anpassungsformen bei Produktivitätssteigerungen stellen nichtpreisliche Maßnahmen wie Erhöhung der Investitionstätigkeit, der Forschungs- und Entwicklungsaktivität, der Werbung und auch zusätzliche Lohnzahlungen83 dar. Preissenkungen bei unternehmensspezifischen Kostensenkungen werden weniger häufig vorgenommen als Preiserhöhungen nach entsprechenden Kostensteigerungen. Zwar bestehen Widerstände zur Anhebung der Preise im Ausmaß der zusätzlichen Kostenbelastung, jedoch können Preiserhöhungen, denen die Konkurrenten nicht folgen und die sich deshalb als unprofitabel erweisen, leichter zurückgenommen werden als Preissenkungen. Preissenkungsprozesse lassen sich von den einzelnen Unternehmen häufig nur schwer kontrollieren. Die vollständige Weitergabe von Lohn- und Materialkostenänderungen in den Preisen wird dadurch gehemmt, daß auch diese Kostenänderungen die einzelnen Unternehmen nicht völlig gleichmäßig treffen. Zweifellos sind aber die Lohn- und Materialpreisänderungen für die Anbieter auf den Märkten ähnlich hoch und treten zeitlich konzentriert auf, so daß Preissenkungen und Preiserhöhungen vom Wettbewerb her wenig Widerstände im Wege stehen. Auch hier besteht aber die Tendenz, die Preise eher zu erhöhen als zu senken, da Preissenkungen schwerer kontrollierbar sind. Begünstigt wird die allgemeine Kostenüberwälzung, wenn Unternehmen mit relativ hohen Produktivitätsfortschritten bereit sind, die Preise stärker anzuheben, als es ihrer zusätzlichen Kostenbelastung entspricht. Gefördert wird diese Bereitschaft durch die ZusammenVgl. Schultze, Ch. L.: Recent Inflation in the United States, a.a.O., S. 67. Vgl. Reynolds, L. G.: Wage-Push and All That, in: AER, Vol. 50 (1960), Pap., S. 200. 82

83

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

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arbeit der Unternehmen im gleichen Arbeitgeberverband. Da die Tariflohnerhöhungen sich stärker an der durchschnittlichen Wirtschaftslage der Unternehmen einer Branche ausrichten, müssen die überdurchschnittlich produktivitätsstarken Unternehmen den wirtschaftlichen Verhältnissen der übrigen Unternehmen in irgendeiner Weise Rechnung tragen. Vermutlich werden sie deshalb teilweise bereit sein, begrenzte Preiserhöhungen, die über ihre Kostenbelastung hinausgehen, vorzunehmen. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß unterschiedliche Freisanpassungen der Unternehmen auf einem heterogenen Markt möglich sind, ohne daß die Wettbewerbsposition der Unternehmen mit relativ hohem Kosten- und Preisanstieg (nachhaltig) beeinträchtigt wird. (4) Voraussetzung für ein abgestimmtes Preisverhalten bei Anpassung an allgemeine Kostenerhöhungen mit relativ stabilen Gewinnaufschlägen ist schließlich, daß die Unternehmen eine Verbesserung ihrer Gewinnlage gegenüber der Situation unveränderter Preise erwarten können. Mehrere Gründe sprechen dafür, daß dies häufig der Fall ist. Da die Unternehmen keine Preispolitik der kurzfristigen Gewinnmaximierung betreiben, sondern nach langfristig angemessenen Gewinnen bzw. Gewinnraten streben, liegen die Preise vielfach unter den Preisen bei kurzfristiger Gewinnmaximierung, und gewinnverbessernde Preiserhöhungen sind durchführbar. Zum zweiten ist das Preisverhalten zwischen den Oligopolisten nicht vollkommen aufeinander abgestimmt. Die Preise bewegen sich unter dem Monopolpreis. Durch parallele Freisanhebung werden die Preise stärker an den Monopolpreis herangeschoben. Wesentlich erleichtert werden Preiserhöhungen außerdem dadurch, daß in wachsenden Volkswirtschaften die Nachfrage auf den Märkten zunimmt. Der Spielraum zu Preiserhöhungen ohne Absatzeinbußen erweitert sich merklich. Schließlich werden Preiserhöhungen dadurch begünstigt, daß die Branchennachfrage auf Preisänderungen häufig nur wenig elastisch oder unelastisch reagiert, so daß bei allgemeinen Preiserhöhungen nicht mit einem (größeren) durchschnittlichen Absatzrückgang gerechnet werden muß. Bei einer Nachfrageelastizität von 1 (absolut) oder kleiner als 1 führen Preiserhöhungen - die sich realistischerweise bei Kostensteigerungen in engen Grenzen halten - stets zu Gewinnverbesserungen. Bei einer Elastizität von größer als 1 steigen die Gewinne, soweit die Verminderung der Gesamtkosten größer als die des Umsatzes ist. Empirische Untersuchungen zeigen, daß die Elastizität der Branchennachfrage in bezug auf Preisänderungen, insbesondere für Güter der Industrienachfrage und dauerhafte Konsumgüter, im allgemeinen recht gering ist84 • Dadurch erhöht sich die Bereitschaft zu Preissteigerungen, 84 Vgl. Blair, J. M.: Administered Prices: A Phenomenon in Search of a Theory, a.a.O., S. 433; Grijfin, L. E.: When is Price Reduction Profitable?, in: HBR, Bd. 38 (1960), S. 126 ff., abgedruckt in: Price Policies and Practices, Mulvihill, D. F. und Paranka, S. (Hrsg.), New York, London und Sydney 1967, S. 46 ff.;

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

soweit allgemeine Preiserhöhungen am Markt erwartet werden können, während gleichzeitig starke Widerstände gegen Preissenkungen bei Nachfragerückgängen bestehen85• Auf polypolistischen Märkten sind die Tendenzen zur Unterlassung von Preissenkungenange sichts geringer Branchennachfrageelastiz ität relativ schwach, da die einzelnen Anbieter bei autonomen Preissenkungen Rückwirkungen auf die allgemeine Preisentwicklung am Markt außer acht lassen. Ganz vernachlässigt werden kann dieser Aspekt jedoch nicht, da die organisatorische Zusammenarbeit der Unternehmen in Wirtschaftsverbände n die Berücksichtigung der Branchennachfrage in der Unternehmenspolitik begünstigt. Diese Faktoren fördern allgemein die Kostenüberwälzung in den Preisen; ihre Bedeutung ist nicht auf Oligopolistische Märkte beschränkt. Wachsende Nachfrage, die Beschränkung der Unternehmen auf das Streben nach befriedigenden Gewinnen, geringe Branchennachfragee lastizitäten sowie Abweichungen der tatsächlichen Preise von den Monopolpreisen fördern die allgemeine Erwartung, daß Preiserhöhungen nach Kostensteigerungen gewinnverbessernd vorgenommen werden können und daß die Preisbildung auf der Grundlage der Durchschnittskosten mit relativ festen Aufschlägen zur Bewältigung der preispolitischen Aufgaben gut geeignet ist. Zusätzliche Faktoren bestimmen bei Preisabreden und Preisführerschaft das Preisanpassungsverh alten oligopolistischer Unternehmen. Bestehen Preisabsprachen und enge Preisführerschaftsbe ziehungen, so könnte man erwarten, daß die Preise flexibler auf Nachfrageänderunge n reagieren als bei nicht oder schwächer abgestimmtem Preisverhalten. Weitere Überlegungen sprechen jedoch gegen diese Schlußfolgerung. Wegen verwaltungstechnisc her Schwächen von Preisabsprachen besteht die Tendenz, die Preise längere Zeit konstant zu halten. Es ist schwer, zwischen den Anbietern eine Einigung über einen neuen Preis zu erreichen. "Die Frage der Preise zu erörtern, kann ... zu einer regelrechten Schlacht führen, und man kann selten sicher sein, ob einem die Angelegenheit nicht aus den Händen gleitet. Ein häufiges Zurückgreifen auf dieses Gebiet politisch-ökonomisch er Entscheidung muß daher vermieden werden, Hirsch, W. Z.: On the Phenomenon of Inelastic Demand, in: SEJ, Bd. 18 (1951/52), S. 30 ff.; Kunz, D.: Möglichkeiten der Preispolitik in der Rezession bei fort-

schreitender Kapitalintensivierung, in: Theoretische und empirische Beiträge zur Wirtschaftsforschung, Ott, A. E. (Hrsg.), Tüblngen 1967, S. 33 ff. 85 "Die Preiselastizitäten für eine ganze Branche müssen auf Grund der empirischen Untersuchungen ganz allgemein als niedrig(< 121) angesehen werden. Diesen numerischen Wert nimmt die kritische Elastizität (bei der Preissenkungen die Gewinne unverändert lassen, der Verfasser) jedoch ... nur selten an; in der Regelliegt sie darüber." (Kunz, D., a.a.O., S. 34.) Dabei wurden langfristige Nachfrageelastizitäten zugrunde gelegt. Sie sind aber bei kurzfristiger Nachfrageanpassung geringer als bei langfristigen Änderungen, so daß die Neigung zur Unterlassung von Preissenkungen noch geringer ist, als es die langfristigen Koeffizienten vermuten lassen.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklu ng

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so werden Veränderungen so lange wie möglich hinausgeschoben86." Bei Preisabsprachen und Preisführerschaft werden die Unternehmen außerdem am ehesten die Preiselastizität der Branchennachfrage explizit berücksichtigen und angesichts zu niedriger Elastizitäten Preissenkungen bei Nachfragerückgänge n unterlassen. Gegen Preiserhöhungen sprechen jedoch das Streben nach Behinderung des Marktzutritts durch neue selbständige Anbieter sowie nach Vermeidung von Konflikten mit der Öffentlichkeit, dem Staat und den Gewerkschaften. Auf Oligopolistischen Märkten besteht neben dem spezifischen Ungewißheitsmoment als Folge des direkten Wettbewerbs zwischen den vorhandenen Anbietern für die etablierten Unternehmen das Risiko einer

Beeinträchtigung ihrer längerfristigen Gewinnchancen und Marktsteilung durch den Zutritt neuer Anbieter am Markt. Oligopolistische Unter-

nehmen mit hohem Marktanteil oder stark abgestimmtem Preisverhalten werden nicht selten bestrebt sein, die potentielle Konkurrenz in ihrer Preispolitik zu berücksichtigen, indem sie die Preise niedriger festsetzen, als es die laufende Marktlage gestattet, um durch Vermeidung zu hoher laufender Gewinne, den Zutritt neuer Anbieter am Markt zu behindern87 • Sie verzichten auf höhere kurzfristige Gewinne zugunsten höherer langfristiger Gewinne und zur Sicherung ihrer Marktstellung auf lange Sicht88• Vorteilhaft wird diese Preispolitik für die Unternehmen, wenn der Marktzugang nicht vollständig versperrt bzw. nicht völlig frei und offen ist. Im ersten Fall wären keine besonderen preispolitischen Maßnahmen zur Absicherung der eigenen Position erforderlich. Unter Bedingungen unbeschränkter Marktzutrittsmöglich keiten müßte der zutrittsbehindernde Preis so niedrig angesetzt werden, daß die längerfristig erzielbaren Gewinne bei einer Preispolitik, die der potentiellen Konkurrenz nicht Rechnung trägt, größer wären. Bei völlig freiem Marktzutritt

86 Stigler, G. J.: The Kinky Oligopoly Demand Curve and Rigid Prices, in: The Journal of Political Economy, Bd. 55 (1947), S. 432 ff. Neu erschienen in: Preistheorie, Ott, A. E. (Hrsg.), a.a.O., S. 332. 87 Vgl. Bain, J. S.: Industrial Organization, New York, London, Sydney 1968, 2. Aufl., S. 251 ff.; Harrod, R. F.: Theory of Imperfect Competition Revised, in: Economic Essays, London, New York 1952, S. 143 f.; Machlup, F.: The Economics of Seilers Competition, Baltimore 1952. Dt. Übersetzung: Wettbewerb im Verkauf, Göttingen 1966, S. 520 ff. Modigliani, F. : New Developments on the Oligopoly Front, in: The Journal of Political Economy, Bd. 66 (1958), S. 215 ff.; Osborne, D. K.: The Rule of Entry in Oligopol Theory, in: The Journal of Political Economy, Bd. 72 (1964), S. 396 ff.; Sylos-Labini, P.: Oligopoly and Technical Progress, Cambridge (Mass.) 1962. 88 Polypolisten und kleine Oligopolisten bzw. Unternehmen mit schwach abgestimmtem Verhalten berücksichtigen die potentielle Konkurrenz normalerweise nicht in ihrer Preispolitik, da sie einzeln entweder zu unbedeutend sind, um den Marktzutritt beeinflussen zu können, oder da die Konkurrenzbeziehungen zwischen den bestehenden Anbietern wichtiger erscheinen als die potentielle Konkurrenz. Vgl. Machlup, F.: Wettbewerb im Verkauf, a.a.O., S. 107 und s. 527 f.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

könnte schon eine kleine zusätzliche Absatzmenge durch neue Anbieter ohne Kostennachteil und ohne Erwartung eines Preisrückganges am Markt produziert werden. Der marktzutrittsbehindernde Preis müßte so niedrig angesetzt werden, daß er die Stückkosten und eine Gewinnspanne, die neuen Anbietern - aber gleichzeitig auch den bestehenden Unternehmen - nur die Erzielung von "Normalgewinnen" ermöglicht, deckt. In der Realität wird durch hohe kostenoptimale Betriebsgrößen (in Relation zur Marktgröße), Präferenzen der Käufer für bestehende Anbieter, durch hohen Kapitalbedarf u. ä. der Marktzutritt vielfach beschränkt89, so daß eine Preispolitik der Marktzutrittsbehinderung häufig profitabel erscheint. Andererseits ist der Marktzugang typischerweise auch nicht völlig versperrt. Kostenorientiertes Preisanpassungsverhalten steht in Einklang mit dieser Zielsetzung. Preiserhöhungen infolge allgemeiner Kostensteigerungen verbessern die Gewinnchancen für neue Anbieter nicht; Lohnund Materialpreiserhöhungen gelten auch für neue Anbieter. Preiserhöhungen bei Nachfragesteigerungen führen hingegen zu Gewinnsteigerungen und erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Marktzutritts neuer Anbieter. Preissenkungen bei Nachfragesenkungen werden durch die potentielle Konkurrenz andererseits nicht erzwungen, da sich die Ertragserwartungen verschlechtern. Da oligopolistische Unternehmen mit einer Preispolitik der Behinderung des Marktzutritts niedrigere Preise als die gewinnmaximalen Preise anstreben, bestehen auch von der Nachfrageseite her günstige Bedingungen, Preiserhöhungen nach Kostensteigerungen gewinnverbessernd vorzunehmen. Schließlich berücksichtigen Kartell-, Preisführerschafts- und sonstige Großunternehmen häufig in ihrer Preispolitik Reaktionen des Staates und der Gewerkschaften90 • Sie werden vermeiden, durch überhöhte Preise Eingriffe der Kartellbehörden sowie eine Verschärfung des Wettbewerbsrechtes zu verursachen. Die Ausnutzung günstiger temporärer Marktchancen kann außerdem zu einem relativ starken Lohnanstieg führen. Es erscheint zweckmäßiger, die Preise erst anzuheben, nachdem die Tariflöhne neu festgesetzt sind. Preiserhöhungen als Folge "unvermeidlicher" und weithin bekannt werdender Kostenerhöhungen (Materialpreise und Löhne) werden im allgemeinen in der Öffentlichkeit für vertretbar gehalten. 89 Vgl. Bain, J. S.: Economies of Scale, Concentration, and the Condition of Entry in Twenty Manufacturing Industries, in: AER, Bd. 44 (1954), S. 28 f. u. S. 37; Modigliani, F.: New Developments on the Oligopoly Front, a.a.O., S. 231. 90 Vgl. Bowen, W. G.: The Wage-Price Issue, a.a.O., S. 280 f.; Galbraith, J. K.: Market Structure and Stabilization Policy, in: RESt, Bd. 39 (1957), S. 128 f.; Lübbert, J.: Untersuchungen zur Theorie der gesamtwirtschaftlichen Einkommensverteilung, Tübingen 1964, S. 89 ff.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

43

b) Inflatorische Einflüsse des Preisverhaltens Inflatorische Impulse des Preisverhaltens gehen zurück auf eine geringe Beweglichkeit der Preise nach unten, die weitgehende Weitergabe von Lohn- und Materialkostensteigerungen in den Güterpreisen infolge eingeschränkten Preiswettbewerbs und - wenn auch von geringerer Bedeutung - auf autonome Preiserhöhungen infolge stärkerer Ausnutzung der Marktmacht zur Erhöhung der Gewinne.

Kostenorientiertes Preisanpassungsverhalten und eine gewisse Unbeweglichkeit der Preise nach unten tragen in mehrere Hinsicht zu einem inflatorischen Preisniveauauftrieb bei. Einmal fördert ein paralleles Vorgehen der Unternehmen mit Preiserhöhungen bei Lohnkostensteigerungen die Durchsetzung und allgemeine Ausbreitung kostenerhöhender Lohnsteigerungen, und zum anderen verhindern nach unten starre Preise den zur Sicherung der Preisniveaustabilität erforderlichen Ausgleich von unvermeidlichen Preiserhöhungen durch entsprechende Preissenkungen. Bei Lohnkostensteigerungen bestehen günstige Möglichkeiten zu einem parallelen Vorgehen der Unternehmen mit Preiserhöhungen. Die Unternehmen können die Preise eher und stärker heraufsetzen als bei schärferem Preiswettbewerb. Bei höherem Preiswettbewerb bestehen größere Unsicherheiten über das Preisverhalten der Konkurrenten; die Anbieter müssen mit einer elastischeren Reaktion ihres Absatzes auf Preiserhöhungen rechnen. Die Lohnüberwälzung erfolgt hier weniger schnell, allgemein und stark. Bei abgestimmtem Preisanpassungsverhalten sind die Gewinneinbußen bei alternativen Lohnerhöhungen deshalb geringer, bzw. es bestehen günstigere Aussichten, die bisherigen Gewinne zu erhalten. Infolgedessen erhöht sich allgemein die Konzessionsbereitschaft der Unternehmen gegenüber höheren Lohnsteigerungen als bei kompetitiven Preisverhalten91 • Ebenso steigt die Neigung, Materialpreiserhöhungen zu akzeptieren. Darüber hinaus fördern nach unten starre Preise den Lohndruck der Gewerkschaften. Die Gewerkschaften müssen damit rechnen, daß überdurchschnittliche Produktivitätsfortschritte von den Unternehmen bei Tariflohnerhöhungen, die sich im Rahmen der durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritte halten, nicht in Form von Preissenkungen an die Konsumenten und Arbeitnehmer weitergegeben werden. Wenn die Preise hier nicht oder nicht genügend gesenkt werden und die Preise in Sektoren mit unterdurchschnittlichen Produktivitätsfortschritten angesichts erhöhter Lohnkosten steigen, besteht für die Gewerkschaften kein Anlaß, ihre Lohnforderungen auf den gesamtwirt81 Vgl. Reynolds, L. G.: Wage Behavior and Inflation: An International View, in: Wages, Prices, Profitsand Productivity, The American Assembly (Hrsg.): Columbia University, 1959, S. 127; Romanis, A.: Cost Inflation and Incomes Policy in Industrial Countries, a.a.O., S. 184 f.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

schaftliehen Produktivitätsfortschritt zu beschränken, da sich die relative Einkommensposition der Arbeitnehmer verschlechtern würde. Starres Preisverhalten fördert deshalb eine gewerkschaftliche Lohnpolitik, die sich an der sektoralen Gewinn- und Produktivitätslage, an Lohnvergleichen auf der Grundlage der Lohnführerschaft und an Erhöhungen der "Kosten" für die Lebenshaltung orientiert. Im Preisbereich wird durch die Unbeweglichkeit zahlreicher Preise nach unten der stabilitätspolitisch notwendige Ausgleich von unvermeidlichen Preissteigerungen durch Preissenkungen in anderen Sektoren erschwert. In einer wachsenden Wirtschaft steigen die Preise zwangsläufig in Wirtschaftsbereichen mit wachsender Nachfrage und fehlenden oder geringen Produktivitätsfortschritten (insbesondere im Dienstleistungssektor). Die Lohnerhöhungen gehen hier über die Produktivitätsfortschritte hinaus, und die Nachfrageentwicklung macht Preiserhöhungen wenig problematisch. Außerdem steigen die Preise bei Nachfrageüberschüssen auf einzelnen Märkten eher, als sie bei gleichzeitig bestehenden Angebotsüberschüssen in anderen Bereichen fallen. Bei Preiserhöhungen auf Märkten mit Nachfrageüberschüssen können wegen einer Verteuerung von Vorprodukten und höherer Lohnzahlungen die Preise in Angebotsüberschußbereichen sogar steigen. Gedämpft werden könnten Preisauftriebstendenzen eventuell dadurch, daß die Unternehmen häufig auf Preiserhöhungen bei Nachfragesteigerungen verzichten. Ungewiß ist der stabilisierende Einfluß fester Preise insofern, als die Unterlassung von Preiserhöhungen die Nachfrager veranlassen kann, einen größeren Teil ihrer Ausgaben auf andere Güter zu verlagern, wobei die Preise dieser Güter eventuell flexibler reagieren und infolge der Nachfrageerhöhung steigen. Zweitens steigt bei konstanten Preisen die Produktion stärker als bei Preiserhöhungen, wodurch sich die Bereitschaft der Unternehmen zur Zahlung höherer Löhne verstärken kann92. Aus konjunktureller zeitlicher Sicht ist schließlich darauf hinzuweisen, daß Preisstarrheiten in der Phase des Konjunkturabschwungs eine Kompensation der in der Aufschwungs- und Hochkonjunkturphase auftretenden Preisniveausteigerungen verhindern, so daß sich über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg das Bild eines steigenden Preisniveaus ergibt. Zusätzliche inflatorische Impulse können von dem Preisverhalte:n, ausgehen, wenn die Unternehmen durch weitgehendere Ausnutzung ihrer B! Andererseits führen Freisanhebungen bei Nachfragesteigerungen zu höheren Gewinnen als bei konstanten Preisen, was die Gewerkschaften zu entsprechend stärkeren Lohnforderungen veranläßt. Welcher Effekt stärker ist, läßt sich nicht abschätzen.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

45

Marktmacht autonome Preiserhöhungen zur Gewinnverbesserung vornehmen. Voraussetzung für die Verursachung anhaltender Preisniveausteigerungen ist dabei nicht, daß der Monopolgrad kontinuierlich zunimmt93. Preis- und Gewinnerhöhungen haben Rückwirkungen auf die Lohnentwicklung. Unter heutigen Verhältnissen führt eine Zunahme der Preise und Gewinne unweigerlich zu höheren Lohnforderungen. Versuchen die Unternehmen nach Lohnerhöhungen die Gewinnspanne zu halten, so kommt es abermals zu Preissteigerungen mit nachfolgenden neuen Lohnforderungen. Bei gegebenem Lohnanpassungsverhalten in bezug auf Gewinnsteigerungen und allgemeine Preisniveauerhöhungen hängt die Stärke der durch autonome Preiserhöhungen ausgelösten Inflationsimpulse ab von der Verbreitung autonomer Preiserhöhungen in der Volkswirtschaft, der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung dieser Bereiche, von der Häufigkeit autonomer Preiserhöhungen im Zeitablauf und von dem Preisanpassungsverhalten der Wirtschaftsbereiche, in deden Materialverteuerungen u. ä. auftreten. Verschiedene Gründe sprechen dafür, daß autonome Preiserhöhungen nur relativ geringe inflatorische Effekte zur Folge haben. Die Vornahme von autonomen Preiserhöhungen setzt bei den Unternehmen eine größere Monopolmacht voraus, die nicht in jedem Wirtschaftszweig angenommen werden kann94 • Auf heterogenen Märkten - wie sie allgemein überwiegen - besitzen die Unternehmen zwar einen gewissen Bereich preispolitischer Autonomie, und sie können, soweit sie ihren; Preissetzungsspielraum noch nicht voll ausgenutzt haben, die Preise heraufsetzen, jedoch müssen sie bei Preiserhöhungen, die über ein bestimmtes Ausmaß hinausgehen, mit Abwanderungen ihrer Kunden zu anderen Unternehmen rechnen. Die Marktmacht ist stärker, wenn das Verhalten der Unternehmen bei autonomen Preiserhöhungen aufeinander abgestimmt ist. Das gilt insbesondere für Preiskartelle und Preisführerschaften auf konzentrierten Oligopolistischen Märkten. Bei autonomen Preiserhöhungen existiert keine hinreichende Grundlage für losere Formen abgestimmten Preisverhaltens. Preiskartelle und Preisführerschaftsunternehmen sehen jedoch häufig von einer stärkeren Ausnutzung ihrer Marktmacht ab. Die Unternehmen streben im allgemeinen nach "angemessenen" langfristigen Gewinnen. Autonome Preiserhöhungen verbunden mit Gewinnerhöhungen können den Goodwill der Unternehmen beeinträchtigen; sie können für potentielle Konkurrenten einen Anreiz darstellen, auf den Markt zu treten. Außerdem müssen die Unternehmen damit rechnen, daß die Gewerkschaften höhere Lohnforderungen stellen und durchsetzen werden, die die Realisierung der gewünschten Gewinnerhöhung erschwert. Empirische Untersuchungen über das Preisverhales Vgl. Konrad, A.: Monopolistische Preispolitik und Inflation, a.a.O., S. 313 f. " Vgl. ebd., S. 322.

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I. Monopolistische Lohn- und Preispolitik und Preisniveauentwicklung

ten großer Unternehmen in den USA - die in der Regel eine führende Rolle auf den Märkten spielten - kommen schließlich zu dem Ergebnis, daß die Preisplanung sehr langfristig ausgerichtet ist, die Gewinnziele für eine längere Zeit gesteckt sind, so daß häufige Änderungen der Preise infolge einer Erhöhung der Gewinnziele im Zeitablauf selten erfolgen95 • Soweit autonome Preiserhöhungen in Teilbereichen der Volkswirtschaft auftreten, hängt der Preisniveaueffekt bei gegebenen Löhnen von dem Grad der Übertragung der Preiserhöhungen im Unternehmenssektor ab. Unter Preisführerschaftsbedingungen erfolgen Preiserhöhungen in der gesamten Branche. Autonome Preiserhöhungen auf heterogenen Märkten ohne preispolitische Abstimmung breiten sich weniger auf die Anbieter am Markt aus. Preiserhöhungen in einer Branche übertragen sich durch Materialverteuerung u. ä. auf vor- und/oder nachgelagerte Produktionsstufen, wobei die Preisübertragungen um so allgemeiner erfolgen, je größer der Verwendungsbereich der verteuerten Güter ist. Nachhaltigere Preiseffekte gehen vermutlich nur von den Schlüsselindustrien (insbesondere Stahl-, Aluminium- und Kupferindustrie) aus. Im Vergleich zu einem wage-push in Schlüsselbereichen verursachen sektorale Preiserhöhungen geringere Kostenauftriebstendenzen. Während Lohnerhöhungen in Schlüsselsektoren zu einer allgemeinen Erhöhung der Löhne in der Volkswirtschaft führen, gibt es bei Preiserhöhungen immer eine größere Anzahl von Wirtschaftszweigen, die von Preissteigerungen in anderen Wirtschaftszweigen nicht berührt werden. Empirische Untersuchungen zu den Preisniveaueffekten sektoraler Preiserhöhungen liegen für die amerikanische Stahlindustrie vor. Brainard und Lovell untersuchen mit Hilfe eines einfachen Input-OutputModells die Wirkung einer Erhöhung der Stahlpreise um 6 Dollar je Tonne (gleich 3,8 Ofo) auf den Preisindex für das Bruttosozialprodukt96• Unter den Annahmen konstanter Gewinnspannen in den übrigen Wirtschaftsbereichen sowie unveränderter Löhne wird von ihnen eine Erhöhung des Preisindexes um höchstens 0,11 v . H., bei Lohnanpassungen zur Erhaltung des Lohnanteiles um 0,27 v. H. und zusätzlich bei Anpassung der Gewinnspannen zur Erhaltung des Gewinnanteils um 0,32 v. H. errechnet. Sie schließen daraus, daß erst bei Lohn- und Gewinnspannenanpassungen autonome Preiserhöhungen im Stahlsektor einen ernsthaften inflatorischen Beitrag liefern. Eckstein und Fromm weisen in einer Besprechung dieser Untersuchung darauf hin, daß es immerhin erstaunlich ist, wenn ein einzelner Wirtschaftssektor bei Preiserhöhungen von 85 Vgl. Kaplan, A. D. H., Dirlam, J. B. und Lanzillotti, R. F .: Pricing in Big Business, a.a.O., S. 251 ff., und LanziHotti, R. F.: Pricing Objectives in Large Companies, a.a.O., S. 923 ff. 88 Vgl. Brainard, W. und Lovell, M. C.: Some Simple Propositions Concerning Cost-Push Inflation, in: AER, Bd. 56 (1966), S. 857 ff.

3. Unternehmerische Preispolitik und Preisniveauentwicklung

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3,8 Ofo das allgemeine Preisniveau unmittelbar um 0,1 v. H. zu erhöhen vermag97 • Allerdings ist zu berücksichtigen, daß der Stahlindustrie überragende gesamtwirtschaftliche Bedeutung zukommt. In einer früheren Studie kommen die beiden Autoren zu dem Ergebnis, daß bei fehlenden Lohn- und Gewinnspannenanpassungen der Großhandelspreisindex von 1947 bis 1958 in den USA ohne die Preiserhöhungen im Stahlsektor lediglich um 14 statt um 23 Punkte gestiegen wäre98•

Hinreichende empirische Untersuchungen über die Verbreitung und Häufigkeit autonomer Preiserhöhungen liegen nicht vor. Fellner u. a. schließen aus dem ihnen verfügbaren statistischen Material - das allerdings keine hinreichend genauen Aussagen zuläßt - sowie aus Beobachtungen des Preisverhaltens der Industrie, daß autonome Preiserhöhungen in den westlichen europäischen Ländern keine bedeutende Rolle gespielt haben, während sie in den USA größeres Gewicht besaßen99 • In der Inflationsliteratur wird überwiegend die Auffassung vertreten, daß die inflatorischen Wirkungen von Preisstarrheiten und kostenorientiertem Preisanpassungsverhalten wesentlich bedeutsamer sind als inflatorische Impulse aus autonomen Preiserhöhungen.

Vgl. Eckstein, 0. und Fromm, G.: Rejoinder, in: AER, Bd. 56 (1966), S. 867. Vgl. Eckstein, 0. und Fromm, G.: Steel and the Postwar Inflation, Study Paper No. 2, Employment, Growth and Price Levels, Joint Economic Committee, 86th Cong., Ist Sess., Washington 1959. Zitiert nach Brainard, W. und LoveH, M. C.: Same Simple Propositions Concerning Cost-Push Inflation, a.a.O., S. 861, 07

os

Fn. 7. 99

Vgl. Fellner, W.: The Problem of Rising Prices, a.a.O., S. 69 f.

ZWEITER TEIL

Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung 1. Allgemeine Ansatzpunkte der Inßationsbekämpfung Ansatzpunkte zur steuerpolitischen Bekämpfung inflatorischer Preisniveausteigerungen können bestehen in der Änderung des Lohn- und Preisverhaltens der Gewerkschaften und Unternehmen und in der Verminderung des allgemeinen Kostendrucks durch Förderung des Produktivitätswachstums. Im Rahmen der Verhaltensbeeinflussung müssen steuerpolitische Maßnahmen darauf gerichtet sein, möglichst gezielt den Lohndruck der Gewerkschaften zu verringern, den Widerstand der Unternehmen gegenüber kostensteigernden Lohnerhöhungen zu verschärfen und die Unternehmen zu veranlassen, die Preise bei Kosten- und Nachfragerückgängen zu senken und autonome Preiserhöhungen zu unterlassen. Erhöhter Lohnwiderstand und geringerer Lohndruck vermindern die Zuwachsrate des allgemeinen Lohnniveaus. Eine größere Flexibilität der Preise nach unten und Unterlassung autonomer Preiserhöhungen wirken einerseits unmittelbar und andererseits mittelbar über die Dämpfung des Lohnauftriebs preisniveaustabilisierend. Ein stärkeres Produktivitätswachstum schwächt Kostenerhöhungen und kosteninduzierte Preisniveausteigerungen ab, soweit die Löhne nicht vollständig an die Produktivitätsentwicklung angepaßt werden. Eine Beeinflussung der Lohn- und Preispolitik der Gewerkschaften und Unternehmen mit Hilfe der Steuerpolitik kann (1) bei den Lohneinkommen und Gewinnen ansetzen, indem steuerliche Anreize für die Gewerkschaften und Unternehmen geschaffen werden, sich stabilitätskonform zu verhalten. Darüber hinaus besteht (2) die Möglichkeit, durch Intensivierung des Wettbewerbs die Preissetzungsmacht der Unternehmen einzuschränken. (1) Nach dem ersten Konzept könnten steuerpolitische Maßnahmen auf die Beeinflussung der Nettolohneinkommen (nominal oder real) der Arbeitnehmer ausgerichtet sein, um die Lohnentwicklung durch eine Vermindung des Lohndrucks von seiten der Arbeitnehmer zu stabilisieren. Die Besteuerung müßte so ausgestaltet sein, daß Geldlohnerhöhungen über eine bestimmte stabilitätspolitisch akzeptable Steigerungsrate hinaus für

1. Allgemeine Ansatzpunkte der Inflationsbekämpfung

49

die Gewerkschaften und Arbeitnehmer unvorteilhaft werden. Einkommensteuer und indirekte Steuern vermögen die Nettolohn- und Nettoreallohneinkommen zu beeinflussen. Andererseits kann man davon ausgehen, daß die Gewerkschaften und Arbeitnehmer bei ihren Nominallohnforderungen eine Erhöhung der Nettolohneinkünfte und eine Verbesserung der Realeinkommen anstreben. Die Aufgabe der Steuerpolitik bestünde dann darin, sicherzustellen, daß die bei übermäßigen Geldlohnforderungen erreichbaren Netto(real)lohnerhöhungen niedriger sind als bei geringeren geldwertpolitisch ungefährlichen Lohnforderungen. Dieser Ansatz einer steuerpolitischen Anti-Inftationspolitik wurde insbesondere von B. Hansen herausgearbeitet1• Nach seiner Auffassung sollte der Staat durch Senkung der indirekten Steuern den Preisindex für die Lebenshaltung laufend konstant halten und die Einkommensteuersätze so festsetzen, daß die höchst erreichbaren Nettoreallohnerhöhungen bei Geldlohnsteigerungen in Höhe der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszunahme oder niedriger liegen. Hiermit werden wir uns im zweiten Abschnitt beschäftigen. Umfassender ist der Versuch, durch steuerliche Beeinflussung der Nettogewinne eine Korrektur der Verhaltensweisen herbeizuführen. Angestrebt wird die gleichzeitige Verminderung des Lohndrucks, Erhöhung des Lohnwiderstands und Modifikation des Preisverhaltens. Gewinnhöhe und Gewinnentwicklung stellen wichtige Bestimmungsgründe der allgemeinen Lohnentwicklung dar. Hohe Gewinne und starke Gewinnsteigerungen führen unter den herrschenden Verhältnissen zwangsläufig zu entsprechend hohen Lohnsteigerungen. Relativ hohe Gewinne und Gewinnzunahmen gehen auf verschiedene Faktoren zurück, unter anderem auf die Fähigkeit und Neigung der Unternehmen, Preissenkungen bei Kostensenkungen zu unterlassen, Gewinneinbußen bei Kostenerhöhungen durch Freisanhebung in engen Grenzen zu halten bzw. zu verhindern und durch autonome Preiserhöhungen die Gewinne zu verbessern. Berücksichtigt man darüber hinaus, daß eine Anti-Inflationspolitik aus sozial- und verteilungspolitischen Gesichtspunkten nicht einseitig auf Maßnahmen zur Kürzung der Lohnansprüche der Arbeitnehmer beschränkt bleiben kann, sollen sie durchsetzbar und wirkungsvoll sein, so wird die Gewinnbeeinflussung zu einem wichtigen Bestandteil der Stabilisierungspalitik2 • 1 Vgl. Hansen, B.: The Economic Theory of Fiscal Policy, London 1958, insbesondere S. 353 ff. 2 Zahlreiche einkommenspolitische Untersuchungen bringen zum Ausdruck, daß neben den Löhnen auch alle anderen Einkommensarten, zumindest jedoch die Gewinne, einer staatlichen Beeinflussung unterliegen sollten. Vgl. die umfangreichen Literaturangaben bei Larenz, K. F.: Untersuchungen zur Einkommenspolitik, Tübingen 1968, S. 5, Fn. 1.

4 Cansier

50

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

In der einkommenspolitischen Literatur wird als wichtigstes Mittel der Gewinnlenkung eine staatliche direkte Preispolitik, die von der bloßen Aufstellung von Richtlinien bis hin zum direkten Preisstopp reicht, diskutiert. Nur vereinzelt wurde in der Literatur bisher versucht, Möglichkeiten der Gewinnbesteuerung zur unmittelbaren Lenkung der Verhaltensweisen in stabilitätspolitisch erwünschter Richtung herauszuarbeiten. Hingewiesen sei auf die Konzepte von Scott und Means. Scott3 schlägt vor, neben dem Gewinn Preisänderungen in die Bemessungsgrundlage der Gewinnsteuer einzuführen und die Steuer bei gegebenem steuerpflichtigem Gewinn progressiv in bezugauf Preiserhöhungen auszugestalten. Die Erschwerung der Weitergabe von Kostensteigerungen in den Preisen soll den Widerstand der Unternehmen insbesondere gegenüber übermäßigen Lohnerhöhungen verstärken und dadurch kostenbedingte Preisauftriebstendenzen abschwächen bzw. verhindern. Das Konzept von Means4 ist darauf gerichtet, große marktbeherrschende oder marktstarke Unternehmen durch die Einführung einer Übergewinnsteuer zu einer Reduzierung der von ihnen angestrebten Profitraten zu bewegen, ohne dadurch die Neigung und Finanzierungsmöglichkeiten zur Einführung technischer Fortschritte und zur optimalen Verwendung der Ressourcen zu schmälern. Auf diese und ähnliche Überlegungen muß später ausführlich eingegangen werden. (2) Ein indirekterer Weg zur Beeinflussung der Verhaltensweisen besteht in der Förderung des Wettbewerbs. Bei intensivem Preiswettbewerb wird der Konflikt zwischen Vollbeschäftigung und Geldwertstabilität wesentlich gemildert. Schwacher Preiswettbewerb bildet ja die Voraussetzung für Preisstarrheiten und kostenorientiertes Preisverhalten. Je intensiver der Preiswettbewerb ist, desto geringere Marktmacht besitzen die Unternehmen, und Freisanpassungen an Kosten- und Nachfragesenkungen erfolgen eher, schneller und stärker. Die Weitergabe von Kostenerhöhungen in den Preisen wird erschwert, da die Unsicherheit der Anbieter über das Preisanpassungsverhalten der Konkurrenten zunimmt bzw. eine elastischere Reaktion des Firmenabsatzes bei Preiserhöhungen erwartet wird. Gleichzeitig verstärkt sich der Widerstand gegenüber expansiven Lohnforderungen der Gewerkschaften, und die Unternehmen üben größere lohnpolitische Zurückhaltung auf betrieblicher Ebene. Außerdem geht tendenziell der Lohndruck der Gewerkschaften zurück. Ist der Wettbewerb intensiv genug, um die unverzügliche Weitergabe überdurchschnittlicher Produktivitätsfortschritte in den Preisen zu erzwingen, so wird die Entstehung übermäßiger sektoraler Gewinne verhindert, die sonst die Branchengewerkschaften induzieren, Lohnforde3

Vgl. Scott, M. F. G.: A Tax on Price Increases?, in: EJ, Bd. 71 (1961), S.

350 ff.

4 Vgl. Means, G. C.: Pricing Power and the Public Interest, New York 1962, 1. Aufl., insbes. Kap. 18.

1. Allgemeine Ansatzpunkte der Inflationsbekämpfung

51

rungen zu stellen und durchzusetzen, die den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt übersteigen und unter Berücksichtigung schneller Lohnanpassungen in anderen Branchen das ganze Lohnniveau über das Maß des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts erhöhen5 • Eine gleichmäßigere Verteilung der Gewinne durch den Wettbewerb vermindert die Bedeutung des Lohnstrukturfaktors als Inflationsursache. Steuerpolitische Gestaltungsmöglichkeiten der Wettbewerbsbedingungen bestehen erstens in der Erleichterung des Marktzutritts für neue selbständige Anbieter. Eine intensive "Konkurrenz von außen" reduziert die Preissetzungsmacht der bestehenden Anbieter. Oligopolistische Unternehmen werden bei leichterem Marktzutritt teilweise veranlaßt, ihre Preise niedriger anzusetzen und Preissenkungen bei Kostenrückgängen eher und weitgehender vorzunehmen als bei stärkeren Marktzutrittsbeschränkungen. Treten neue Anbieter verstärkt am Markt auf, so steigt die Zahl der tatsächlichen Konkurrenten. Eine Koordination des Preisverhaltens wird schwieriger. Als Außenseiterkonkurrenz stört der Zugang neuer Anbieter die Zusammenarbeit im Oligopol und das Funktionieren der Kartelle8 • Die größere Zahl unabhängiger Anbieter schwächt oligopolistische Interdependenzbeziehungen ab, da autonome Preissenkungen eines Anbieters den Absatz einer größeren Zahl von Unternehmen tangieren, wodurch der Antrieb zu preispolitischen Reaktionen der einzelnen Konkurrenten zurückgeht. Mit wachsender Anbieterzahl weitet sich der Bereich kettenoligopolistischer Konkurrenzbeziehungen aus. Die einzelne Unternehmung steht stärker einer kleinen Gruppe direkter Konkurrenten und einer größeren Gruppe anonymer Wettbewerber gegenüber. Im Vergleich zu engeren Oligopolen werden autonome Preissenkungen eher vorgenommen. Die Konkurrenz von außen belebt den teils trägen Wettbewerb im Polypol (Schlafmützenkonkurrenz)1. Die "Konkurrenz von außen" bietet wegen dieser Auswirkungen wichtige Ansatzpunkte für eine aktive Wettbewerbspolitik. Obwohl die tatsächliche Intensität des Preiswettbewerbs nicht zwangsläufig erhöht wird - sei es, weil die tatsächlichen Wettbewerbshandlungen neuer Apbieter und die Reaktionen der vorhandenen Anbieter sich auf nichtpreisliche Aktionen erstrecken können oder sei es, weil neue Anbieter es für zweckmäßig halten, ihr Preisverhalten mit dem der bestehenden Anbieter abzustimmen -, besteht doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß die Beseitigung von künstlichen Marktzutrittshemmnissen auch zu einer Belebung des Preiswettbewerbs führt8 • Es muß deshalb sicher5 Vgl. Giersch, H.: Aufgaben der Strukturpolitik, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, H.-D. Ortlieb (Hrsg.), 9. Jahr, Tübingen 1964, S. 68. • Vgl. ebd., S. 65. 7 Vgl. ebd., S. 65. 8 Eine intensive "Konkurrenz von außen" bzw. Freiheit des Marktzu-

,.

52

li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinfiationsbekämpfung

gestellt werden, daß neue Konkurrenten ohne wesentliche steuerliche Behinderung auf den Markt treten können und junge (kleine) Unternehmen nicht durch steuerliche Diskriminierung gegenüber den etablierten Unternehmen in ihren leistungsbedingten Entwicklungsmöglichkeiten gehemmt werden, denn erst wenn sie sich langfristig am Markt zu behaupten vermögen, stellen sie für die älteren Anbieter eine echte kompetitive Herausforderung dar. Die Steuerpolitik kann darüber hinaus darauf abzielen, steuerliche Diskriminierungen nicht nur zu beseitigen, sondern junge Unternehmen effektiv zu begünstigen, etwa um nichtsteuerliche künstliche Wachstumshemmnisse auszugleichen. Ähnlich in seinen steuerpolitischen Konsequenzen ist ein zweiter Ansatzpunkt der Förderung der Wettbewerbsintensität. Es muß verhindert werden, daß Großunternehmen kraft steuerlicher Vorteile ihre Marktposition leichter auszubauen und zu verteidigen vermögen als kleinere Unternehmen bzw. die Aufstiegsmöglichkeiten kleinerer und mittlerer Unternehmen in höhere Größenklassen künstlich erschwert werden. Steuerliche Begünstigungen großer Unternehmen fördern neben anderen Faktoren die Anbieterkonzentration und die Entstehung marktbeherrschender Positionen einer kleinen Gruppe großer Unternehmen. Die Wahrscheinlichkeit einer Intensivierung des Wettbewerbs nimmt tendenziell mit abnehmenden Unterschieden in der Größe der Marktanteile, des Unternehmenswachstums und in der Finanzkraft der konkurrierenden Firmen bei gegebener Anbieterzabi und gegebenen Zugangsbeschränkungen am Markt zu9 • Marktstrategische und finanzwirtschaftliche Vorteile machen größere Unternehmen gegenüber einer leistungsmäßigen Herausforderung kleinerer und mittlerer Anbieter relativ unempfindlich. Kleinere Anbieter unterwerfen sich häufig in konzentrierten Oligopolen wegen ihres insgesamt relativ geringen Marktanteils der Preispolitik der wenigen Großen. Die Intensität der Oligopolistischen Interdependenz tritts - wird von zahlreichen Autoren allgemein als wichtiger wettbewerbsintensivierender Faktor betrachtet. Vgl. u. a. Bain, J . S.: Industrial Organization, a.a.O., S. 504; Economic Report of the President, Transmitted to the Congress January 1967 Tagether with the Annual Report of the Council of Economic Advisers, Washington 1967, S. 114; Edwards, C. D.: Maintaining Competition, New York 1949, S. 9 f.; Heuss, E.: Allgemeine Markttheorie, Tübingen, Zürich 1965, S . 265 ff.; Hoppmann, E.: Das Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität, in: JbfNSt, Bd. 179 (1966), S. 289f. und S. 312; Lutz, F. A.: Bemerkungen zum Monopolproblem, in : Ordo, Bd. 8 (1956), S. 30 ff.; TuchtfeZdt, E.: Wettbewerb und langfristige Wirtschaftspolitik, in: ZfN, Bd. 27 (1967), S. 3; Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium: Gutachten vom 23. Juni 1962, Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, in: Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium, Gutachten vom Aprill961 bis März 1966, 6. Bd., Göttingen 1966, S. 20 f. g Vgl. Müller, H.: Konzentration und Wettbewerb, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, Schriften des Vereins für Socialpolitik, N. F. Bd. 22, Neumark, F. (Hrsg.), Berlin 1961, S. 129; ZohZnhöfer, W.: Wettbewerbspolitik im Oligopol, Basel, Tübingen 1968, S. 13.

1. Allgemeine Ansatzpunkte der Inflationsbekämpfung

53

vermindert sich tendenziell mit abnehmender Anbieterkonzentration. Mit Sicherheit läßt sich allgemein sagen, daß mit zunehmender Konzentration des Angebots auf wenige, relativ große Produzenten für diese auch der Zwang zu einer die Interdependenz ihrer Entscheidungen berücksichtigenden Absatzpolitik zunimmt10• Die geringere Abhängigkeit der kleineren Unternehmen von den großen kann sie zu einer selbständigeren und aggressiveren Preispolitik bewegen. Die größere Zahl gleichstarker Unternehmen erschwert die Abstimmung des Preisverhaltens zwischen ihnen. Außerdem fördert eine gleichmäßigere Verteilung der Marktanteile auf die Anbieter den Marktzutritt durch neue Anbieter, da allein schon die Existenz von Großunternehmen den Zutritt zum Markt wesentlich erschwert11 • Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Förderung eines freien Marktzutritts sowie die Vermeidung steuerbedingter Konzentrationsprozesse zwischen bestehenden Anbietern eine Belebung des Preiswettbewerbs zu fördern vermag. Erzwungen werden kann dieser Effekt jedoch nicht, da die Korrektur des Unternehmerverhaltens indirekt über eine Änderung der Marktstruktur erreicht werden soll und da auch bei schwächerer Anbieterkonzentration wichtige Kräfte bestehen, die kostenorientiertes Preisverhalten und Preisstarrheiten begünstigen. Maßnahmen zur Beseitigung des Lohnkostendrucks könnten neben einer Beeinflussung des Lohn- und Preisverhaltens auf die Förderung des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschrittes abstellen. Eine Erhöhung der Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität vermindert bei nicht vollständig angepaßten allgemeinen Lohnerhöhungen die spezifischen Lohnkosten und schwächt den bestehenden Kostendruck ab. Die Problematik dieser Konzeption der Anti-Inflationspolitikbesteht darin, daß die Lohnentwicklung nicht unabhängig vom gesamtwirtschaftlichen und sektoralen Produktivitätswachstum ist. Arbeitsproduktivitätsfortschritte stellen neben anderen Faktoren eine wichtige Determinante der Tariflöhne und übertariflicher Lohnzahlungen dar. Die Gewerkschaften sind bestrebt, einen fairen Anteil der Arbeitnehmer an den Produktivitätsfortschritten durchzusetzen, und die Unternehmen sind gewillt, höhere Lohnzahlungen zu konzedieren. Eine gewisse längerfristige Verminderung des Lohnkostendrucks könnte eintreten, wenn die Löhne den zusätzlichen Produktivitätssteigerungen verzögert angepaßt würden. Lohnanpassungsverzögerungen bei induzierten Produktivitätssteigerungen sind jedoch nicht zu erwarten. Staatliche Maßnahmen zur Stimulierung der privaten Investitions-, Forschungs- und Entwicklungstätigkeit Vgl. Zohlnhöfer, W.: Wettbewerbspolitik im Oligopol, a.a.O., S. 19. Vgl. Müller, H.: Konzentration und Wettbewerb, a.a.O., S. 130 f. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium: Gutachten vom 23. Juni 1962, Reform des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, a.a.O., 10

11

s. 20f.

54

li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

u. ä. wirken sich erst längerfristig auf die Produktivitätsentwicklung aus. Die Gewerkschaften besitzen genügend Zeit, erhöhte Produktivitätsfortschritte in zukünftigen Perioden zu erkennen und in ihren Lohnforderungen zu berücksichtigen. Außerdem bestehen im Rahmen der betrieblichen Lohnpolitik Kräfte, laufende leichte Produktivitätssteigerungen in höheren übertariflichen Lohnzahlungen weiterzugeben. Lohnanpassungen an erhöhte gesamtwirtschaftliche Produktivitätsfortschritte treten in den einzelnen Wirtschaftszweigen in unterschiedlichem Maße auf, wenn man die Bedeutung des Lohnstrukturfaktors für die Lohnentwicklung berücksichtigt. In Lohnführerschaftsbereichen oder Sektoren mit überdurchschnittlich hohen Produktivitätssteigerungen werden die Löhne weitgehend der zusätzlichen Produktivitätserhöhung angepaßt, da die gewerkschaftlichen Lohnforderungen hier in erster Linie an den ökonomischen Bedingungen - wie sie durch die sektorale Produktivitäts- und Gewinnentwicklung wesentlich bestimmt werden ausgerichtet und die Unternehmen angesichts erhöhter Lohnzahlungsfähigkeit stärkere Lohnerhöhungen zu konzedie,ren bereit sind. In den Branchen mit unterdurchschnittlichen Produktivitätszunahmen hängen die Lohnforderungen der Gewerkschaften in starkem Maße von den Lohnerhöhungen in den übrigen Wirtschaftszweigen ab. Zusätzliche sektorale Produktivitätsfortschritte werden hier nicht zu einer entsprechenden Erhöhung der Tariflöhne führen, da auf der Grundlage von Lohnvergleichen höhere Lohnsteigerungen durchsetzbar sind12 • Produktivitätsinduzierte Tariflohnerhöhungen können jedoch nicht ausgeschlossen werden. Die Gewerkschaften in diesen Bereichen können bestrebt sein, ihre Position in der intersektoralen Lohnstruktur zu verbessern, zumal zusätzliche Lohnerhöhungen die Kostenlage der Unternehmen nicht verschlechtern müssen. Jedoch spielt die Erhaltung der traditionellen Lohnrelationen für die Gewerkschaften im allgemeinen eine bedeutendere Rolle. Außerdem können die Unternehmen von sich aus bereit sein, einen Teil der Produktivitätserhöhungen in Form zusätzlicher übertariflicher Lohnzahlungen an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Die Widerstände hiergegen werden aber gerade in Branchen mit besonders starkem Lohnkostendruck am größten sein. Die Lohnkostenentwicklung in den produktivitätsschwächeren Wirtschaftszweigen hängt bei einer wirksam betriebenen Produktivitätsförderungspolitik wesentlich von der Verteilung des erhöhten Produktivitätswachstums auf produktivitätsstarke und -schwache Branchen ab. Werden 12 Die Produktivitätsförderungspolitik wird die Struktur der intersektoralen Produktivitätsfortschritte realistischerweise nicht grundlegend zugunsten der produktivitätsschwächeren Wirtschaftszweige ändern, so daß sie jetzt überdurchschnittliche Produktivitätszuwächse aufweisen. Wäre das der Fall, dann würde die Lohnführerschaftsfunktion auf diese Branchen übergehen; der Lohnstrukturfaktor bliebe wirksam.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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Bereiche mit überdurchschnittlichen Produktivitätssteigerungen besonders begünstigt, dann führen gleich oder ähnlich hohe Lohnzuwächse in den übrigen Sektoren zu einer Erhöhung der Lohnkosten je Leistungseinheit. Die Produktivitätsförderungspolitik würde den allgemeinen Kostendruck in einer Volkswirtschaft forcieren. Begünstigen Förderungsmaßnahmen primär Wirtschaftsbereiche mit unterdurchschnittlicher Produktivitätszunahme, dann vermindert sich tendenziell in diesen Sektoren und allgemein der Lohnkostendruck, da die von den Lohnführerschaftsbereichen und überdurchschnittlich produktivitätsstarken Branchen übertragenen Lohnerhöhungen die zusätzlichen Produktivitätsfortschritte nicht kompensieren. Bei gleichmäßiger Verteilung induzierter Produktivitätsfortschritte auf die verschiedenen Wirtschaftszweige und voller Anpassung der Löhne in den produktivitätsstärkeren Branchen ändert sich am allgemeinen Lohnkostendruck nichts. Er vermindert sich generell, wenn in den produktivitätsstärkeren Wirtschaftsbereichen die Löhne nur unvollkommen an die Produktivitätsfortschritte angepaßt werden. Aus diesen Zusammenhängen ergeben sich wichtige Schlußfolgerungen für die Anti-Infiationspolitik. Durch Verminderung der Unterschiede in den Zuwächsen der sektoralen Arbeitsproduktivitäten kann der allgemeine Lohnkostendruck abgeschwächt werden13 • Eine entsprechend ausgerichtete selektive Produktivitätsförderungspolitik trägt dem Lahnstrukturfaktor als wichtigem Bestimmungsgrund der Lohnentwicklung Rechnung. Sie muß dabei so ausgestaltet sein, daß das Produktivitätswachstum in den produktivitätsschwächeren Wirtschaftssektoren angehoben wird. Eine Verminderung der Produktivitätssteigerungen in den produktivitätsstärkeren Branchen birgt die Gefahr ernsthafter Störungen des Wirtschaftswachstums. Eine Politik der allgemeinen ungezielten Förderung des gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritts erscheint unzweckmäßig, da sie den Lohnkostendruck verstärken kann und Angleichungen der Produktivitätssteigerungen mehr zufälligen Charakter haben.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne zur Stabilisierung der Lohnentwicklung

Gezielte steuerpolitische Maßnahmen zur Beseitigung des Lohndrucks können darauf gerichtet sein, dieNettolohn-oder Nettoreallohnerhöhungen mit Hilfe der Einkommensbesteuerung und indirekter Steuern zu 18 Hinweise zu diesem Konzept finden sich bei Ctark, J. M.: Competition as a Dynamic Process, Washington, D. C., 1961, 2. Aufl. 1963, S. 460 f., und Duntop, J. T.: The Theory of Wage Determination, Dunlop, J. T. (Hrsg.), London 1957, 2. Aufl. 1964, s. 417.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinftationsbekämpfung

beeinflussen. Die Grundidee des Stabilisierungskonzepts von B. Hansen besteht darin, die Nettoreallohnentwicklung steuerpolitisch in der Weise zu bestimmen, daß eine maximale Nettoreallohnerhöhung bei einer bestimmten als stabilitätskonform betrachteten durchschnittlichen Ziellohnsteigerungsrate erreichbar ist, während stärkere Geldlohnerhöhungen nur geringere N ettolohnsteigerungen ermöglichen 14 • Treten übermäßige allgemeine Lohnerhöhungen auf, wäre die Besteuerung der Lohneinkommen so zu erhöhen, daß die realisierbaren Nettolohneinkommenssteigerungen fühlbar unter den maximalen bei stabilitätskonformem Verhalten deklarierten Einkommensverbesserungen liegen. Eine Erhöhung des Konsumgüterpreisniveaus infolge übermäßiger Lohnsteigerungen soll durch eine Senkung der indirekten Steuern vermieden werden, wobei unterstellt wird, daß Steuersenkungen in den Preisen weitergegeben werden 15 • Da angenommen werden kann, daß die Gewerkschaften für ihre Mitglieder eine Verbesserung der Nettoreallöhne anstreben, besteht für sie bei fühlbaren Unterschieden der realisierbaren Nettolahnerhöhungen ein starker Anreiz, ihre Lohnforderungen an der wirtschaftspolitischen Ziellohnsteigerungsrate auszurichten. Eine Überwälzung der erhöhten Steuerbelastung der Lohnempfänger bei übermäßigen Lohnerhöhungen wäre nicht möglich, da zusätzliche Lohnerhöhungen zu einer weiteren Heraufsetzung der Steuersätze führen würden. Die steuerpolitischen Maßnahmen könnten sich auch auf die Beeinflussung der Nettolohnerhöhungen beschränken. Die Steuerung der Nettoreallohnentwicklungstellt den umfassenderen Ansatz dar und weist den Vorteil auf, daß preisniveauinduzierte Lohnerhöhungen besser vermieden werden können. Steigt das Konsumgüterpreisniveau, so vermindern sich bei gegebenen Geldlöhnen die Reallöhne, und die Gewerkschaften werden früher oder später bestrebt und in der Lage sein, kompensierende Lohnerhöhungen durchzusetzen. Gelingt es der Wirtschaftspolitik durch Senkung der indirekten Steuern das Konsumgüterpreisniveau konstant zu halten, so entfällt der preisniveauinduzierte Lohnauftrieb. Da die Besteuerung der Lohneinkommen erreichen soll, daß die Arbeitnehmer sich auf Lohnerhöhungen im Ausmaß einer als stabilitätskonform betrachteten wirtschaftspolitischen Ziellohnsteigerungsrate beschränken und bei Preisniveausteigerungen während der Übergangsphase (und/oder bei nicht lohnbedingten Preisniveauerhöhungen) die Gewerkschaften versuchen werden, die angestrebten Reallöhne zu sichern und die WirtVgl. Hansen, B.: The Theory of Fiscal Policy, a.a.O., insbes. S. 353 ff. Die Stabilisierung des Preisniveaus mit Hilfe einer Senkung der indirekten Steuern und ergänzender finanzpolitischer Maßnahmen wird auch von mehreren anderen Autoren empfohlen. Vgl. z. B. Johansen, L.: Public Economics, Amsterdam 1965, S. 98; Kalecki, M.: Three Ways to Full Employment, in: The Economics of Full Employment, Kelley, A. M. (Hrsg.), New York 1967, 2. Aufl., S. 39 und S. 55 f.; Pitchford, J. D.: A Study of Cost and Demand Inflation, Amsterdam 1933, S. 117 f. 14

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2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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Schaftspolitik praktisch nicht umhin kommt, in der Ziellohnsteigerungsrate Preisniveausteigerun gen rnitzuberücksichtigen , bestehen günstigere Erfolgsaussichten für eine Stabilisierungspoliti k der Beeinflussung der Nettoreallöhne als bei Beschränkung auf Maßnahmen zur Steuerung der Nettolohnentwicklun g. Senkungen der indirekten Steuern - vorausgesetzt die Preise werden weitgehend von den Unternehmen angepaßt - allein reichen aus naheliegenden Gründen zur Stabilisierung der Lohnentwicklung und zur Sicherung langfristiger Preisniveaustabilität nicht aus. Bei konstantem Preisniveau steigen die Nettoreallöhne gemäß den Geldlohnerhöhungen , wenn man von einer progressiven Lohneinkommensbe steuerung absieht. Da die Gewerkschaften eine Veränderung der Einkommensverteilu ng zugunsten der Arbeitnehmer anstreben, werden sie sehr wahrscheinlich nicht weiterhin an den bisherigen Vorstellungen über die erwünschte Reallohnerhöhung festhalten, sondern bestrebt sein, durch unverändert hohe Geldlohnforderunge n stärkere Reallohnsteigerunge n zu erreichen, zurnal sich auch die Fähigkeit der Unternehmen zur Zahlung entsprechender Lohnerhöhungen gegenüber der Ausgangslage nicht verschlechtert. Wenn nicht damit zu rechnen ist, daß die Gewerkschaften ihre Lohnforderungen auf die Ziellohnsteigerungsr ate reduzieren werden, entstehen bei konstant gehaltenem Konsumgüterpreisni veau in einer vollbeschäftigten Wirtschaft Nachfrageüberschüss e, die Preis- und Lohnauftriebstendenzen zur Folge haben. Von Periode zu Periode erneut vorgenommene Senkungen der indirekten Steuern verstärken die Bildung von Nachfrageüberschüss en im Zeitablauf. Eine Korrektur der Lohn- und Preisverhaltensweise n ist nicht möglich. Es bedarf weitgehenderer steuerpolitischer Maßnahmen zur Sicherung einer adäquaten Nachfrageexpansion, wobei im Rahmen dieses Konzeptes die Lohneinkommen erhöht zu besteuern sind. Zur Bestimmung der Besteuerung der Lohneinkommen müssen die Zuwachsrate des allgerneinen Lohnniveaus während einer Planungsperiode, die Ziellohnsteigerungsr ate sowie die bei Abweichung der tatsächlichen Lohnerhöhungen von der Zielrate wirtschaftspolitisch angestrebten Nettolohnerhöhunge n ermittelt und festgesetzt werden. Die Ziellohnsteigerungsr ate kann vereinfacht als die Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität definiert werden16• Produktivitätsproportionale Lohnerhöhungen wirken bei angenommenen konstanten spezifischen Kapitalkosten (durchschnittliche Kapitalverzinsung plus durchschnittlicher Abschreibungssatz multipliziert mit dem durchschnittlichen Kapitalkoeffizienten ) kostenniveauneutraL Unterstellt man, daß 18 Hansen unterstellt in seinen Ableitungen, daß die Lohnsätze konstant gehalten werden sollen, weist jedoch kurz darauf hin, daß diese Annahme nur bei temporären Produktivitätssteigerungen sinnvoll sei. Vgl. Hansen, B., a.a.O.,

8.359.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Preisniveausteigerungen allein oder maßgeblich auf einen Lohndruck der Arbeitnehmer zurückgehen, so bestehen dann keine kostenbedingten Inflationstendenzen. Zum anderen steigt die Konsumnachfrage der Lohnempfänger bei produktivitätsproportionalen Lohnerhöhungen, proportionaler Steuerbelastung und konstanter durchschnittlicher Konsumquote mit der gleichen Rate wie die Konsumgüterproduktion zu konstanten Preisen, so daß lohnbedingte Störungen des Nachfragegleichgewichts auf den Konsumgütermärkten nicht auftreten. Die Nettoreallohnerhöhung entspricht dann der Produktivitätszunahme. Steigt die durchschnittliche Sparquote der Arbeitnehmer mit wachsendem Einkommen, so kann durch Senkung der Lohneinkommensbesteuerung die durchschnittliche Nettolohnerhöhung (leicht) über die gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung angehoben werden, ohne einen Preisauftrieb zu fördern. Weitgehendere Nettoreallohnerhöhungen sind nur zu Lasten der Unternehmergewinne durchsetzbar. Durch verschärfte Besteuerung der Unternehmereinkommen wäre sicherzustellen, daß der Unternehmerkonsum in geringerem Maße als die Produktivitätszunahme steigt. Bei ständig über die Produktivitätsfortschritte hinaus gehenden deklarierten Nettoreallohnsteigerungen müßten die Gewinne von Periode zu Periode erhöht besteuert werden. Damit wird das steuerpolitische Konzept wesentlich kompliziert, und es besteht die große Wahrscheinlichkeit einer Bremsung des Wirtschaftswachstum. Wir brauchen bei der Untersuchung der Eignung des Konzeptes der Nettoreallohnbeeinflussung auf diese Zusammenhänge nicht weiter einzugehen. Um auf die Gewerkschaften und Arbeitnehmer einen Druck zur Modifikation ihrer Verhaltensweisen auszuüben, kommt es entscheidend auf die Differenz zwischen der deklarierten maximalen und untermaximalen Nettolohnerhöhung (bei übermäßigen allgemeinen Lohnsteigerungen) und auf die tatsächlichen Möglichkeiten der staatlichen Bestimmung der Nettoreallohnentwicklung an. Wir gehen deshalb im folgenden vereinfachend davon aus, daß die deklarierte Nettoreallohnsteigerung bei stabilitätskonformem Lohnverhalten dem Produktivitätsfortschritt entsprechen soll, bzw. bei zunehmender durchschnittlicher Sparquote der Lohnempfänger leicht darüber hinaus gehen kann. Stimmen die durchschnittlichen Geldlohnerhöhungen mit der Ziellohnsteigerungsrate überein, so bedarf es also keiner bzw. bei erhöhter Sparquote leichter Steueranpassungen von Zeit zu Zeit. Übersteigen die Geldlohnerhöhungen die Ziellohnsteigerungsrate, dann gilt es, die Steuerbelastung der Lohneinkommen zu erhöhen. Werden die Gewerkschaften nicht veranlaßt, ihre Lohnforderungen zu kürzen, so scheitert das Stabilisierungskonzept. Gelingt es der Wirtschaftspolitik, allein durch Ankündigung potentieller Eingriffe bei übermäßigen Lohnforderungen eine hinreichende lohnpolitische Zurückhaltung der Gewerkschaften und Arbeitnehmer zu erzielen, kommt das steuerpolitische

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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Instrumentarium nicht zur Anwendung. Hiermit kann jedoch nicht gerechnet werden. Die Gewerkschaften werden zumindest die praktische Wirksamkeit der steuerpolitischen Maßnahmen abwarten. Je lückenhafter der steuerpolitische Zugriff ist, desto größere Anreize bestehen, die traditionellen Verhaltensweisen beizubehalten. Die Verhaltenskorrektur bedarf - soweit sie überhaupt zu erwarten ist - einer gewissen Anpassungszeit. Je länger es dauert, bis der angestrebte Effekt voll er-

reicht wird, desto unwahrscheinlicher ist es andererseits, daß die Steuerpolitik in dieser Phase mit mehrfachen Steueranpassungen an ihrem Konzept festzuhalten vermag. Wiederholte Steuererhöhungen stoßen auf

starken politischen Widerstand der Arbeitnehmer, und es wird zunehmend fraglich, ob sich die Regierungen diesem Druck ohne eigene grav·i erende Nachteile entgegenstellen können. Außerdem wird bei mehrfachen Senkungen der indirekten Steuern relativ schnell die durch die Ausgangssteuersätze vorgegebene Grenze für mögliche Steuersenkungen erreicht. Eine Ergänzung des steuerpolitischen Instrumentariums durch allgemeine Subventionszahlungen erscheint wenig realistisch. Verzögert wird der Anpassungsprozeß durch die Stabilisierungspolitik selbst. Übersteigt die Zunahme des Lohnniveaus die Ziellohnsteigerungsrate, so liegt die deklarierte Nettolohnerhöhung im allgemeinen unter dem Produktivitätsfortschritt, wenn man berücksichtigt, daß die maximale Nettolohnsteigerung gleich oder etwas größer als die Produktivitätszunahme ist und zwischen den deklarierten Nettolohnsteigerungen eine fühlbare Differenz bestehen soll. Da das Konsumgüterpreisniveau durch Senkung der indirekten Steuern konstant gehalten wird, expandiert die Nachfrage der Lohnempfänger geringer als das Angebot. Um lohnbedingte Störungen des Nachfragegleichgewichts zu vermeiden, wären ergänzende expansive Maßnahmen erforderlich, die sich im Steuerbereich und im Rahmen dieses Stabilitätskonzepts auf die Nichtlohnempfänger beziehen müßten. Einer erhöhten Steuerbelastung der Arbeitnehmer steht eine Verminderung der Steuerbelastung der Unternehmer gegenüber. Das Steuerkonzept wird wesentlich kompliziert, und die Gewerkschaften werden Steuererhöhungen unter diesen Bedingungen erbitterten Widerstand leisten. Es kommt für die Realisierung des angestrebten Zieles maßgeblich darauf an, daß die Arbeitnehmer schnell zu einer Korrektur ihrer Verhaltensweisen bewegt werden können. Das ist um so eher zu erwarten, je wirksamer die Nettoreallohnentwicklung mit Hilfe der indirekten und der Lohneinkommensbesteuerung beeinflußt werden kann. Im folgenden müssen die Erfolgsaussichten dieser Stabilisierungspolitik näher untersucht werden, wobei die zwei Teilfragen "Stabilisierung des Preisniveaus durch Senkung der indirekten Steuern" und "Manipulation der Nettolohneinkommen mit Hilfe der Lohneinkommensbesteuerung" zu analysieren sind.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

a) Stabilisierung des Konsumgüterpreisniveaus durch Senkung der indirekten Steuern Änderungen der indirekten Steuern zur Stabilisierung des Preisniveaus beziehen sich primär auf allgemeine Verbrauchsteuern. Spezielle Verbrauchsteuern können ergänzend berücksichtigt werden; als Hauptstütze der Stabilisierungspolitik sind sie ungeeignet. Da Preisniveauerhöhungen auf den Anstieg zahlreicher Güterpreise zurückgehen, spezielle Verbrauchssteuern typischerweise nur relativ wenige Konsumgüter erfassen und da der Anteil der steuerlich belasteten Güter an der gesamten Güterproduktion relativ gering ist, wären zur Stabilisierung des Preisniveaus sehr starke Steuersatzsenkungen, vermutlich umfangreiche direkte Subventionszahlungen erforderlich. Diese Nachteile treten bei einer allgemeinen Verbrauchssteuer nicht auf. Im folgenden gehen wir davon aus, daß eine allgemeine Verbrauchssteuer in Form der Mehrwertsteuer mit vollständigem Vorsteuerabzug besteht und die Steuersätze der Mehrwertsteuer zur Konstanthaltung des Konsumgüterpreisniveaus herabgesetzt werden sollen. Die Steuerzahllast der Unternehmen ergibt sich bei der Mehrwertsteuer mit vollständigem Vorsteuerabzug in Höhe des Steuersatzes multipliziert mit dem steuerpflichtigen Umsatz abzüglich der in den Vorleistungen und der in den während der Steuerperiode erworbenen Investitionsgütern enthaltenen Mehrwertsteuer. Grundlegende Voraussetzung für die Stabilisierung des Preisniveaus durch Senkung der Mehrwertsteuer ist, daß die Steuerentlastungen von den Unternehmen allgemein in den Preisen weitergegeben werden. In der Steuertheorie überwiegt die Auffassung, daß indirekte Steuern normalerweise weitgehend überwälzt werden. Allerdings werden explizit fast ausschließlich nur die Preis- und Preisniveaueffekte einer Steuererhöhung (bzw. -einführung) diskutiert. Es ist jedoch nicht unmittelbar evident, daß sich diese Aussagen ohne weiteres mit umgekehrtem Vorzeichen auf Steuersenkungen übertragen lassen, so daß es erforderlich erscheint, das Preisanpassungsverhalten bei Steuersenkung genauer zu analysieren. Die Unternehmen können im Falle einer Steuersenkung bestrebt sein, ihre Gewinnspannen und Gesamtgewinne zu erhöhen, indem sie die Bruttopreise (Nettopreise plus Mehrwertsteuer) unverändert lassen oder in geringerem Maße herabsetzen als es der Steuerentlastung entspricht, und sie können sich mit den bisherigen Gewinnspannen zufrieden geben und die Bruttopreise voll den Steuersenkungen anpassen. Werden die Bruttopreise nicht (genügend) gesenkt, so erhöhen sich die Nettopreise. Da die in den Vorleistungen und Investitionsgütern enthaltene Mehrwertsteuer den Unternehmen vom Fiskus bei der Steuerzahlung voll angerechnet wird, stellt die Vorsteuer für die Unternehmen keinen Kostenfaktor dar. Entscheidend für die Unternehmer als Nachfrager sind die Nettopreise. Für die Endverbraucher sind die Brutto-

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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preise relevant, da die Konsumenten nicht zum "Vorsteuerabzug" berechtigt sind. Unterbleiben Bruttopreissenkungen auf der Endstufe, so kann der Anstieg des Konsumgüterpreisniveaus nicht vermieden werden. Steigen auf einzelnen Vorstufen die Nettopreise, weil die Bruttopreise nicht (genügend) herabgesetzt werden, so erhöhen sich auf den Nachstufen die Material- und Investitionskosten, und es bestehen Tendenzen zur Weitergabe der Kostensteigerung in den Preisen17• Je stärker auf den Vorstufen Bruttopreissenkungen unterbleiben, desto größer sind die Impulse zu allgemeinem kostenbedingtem Preisauftrieb und desto begrenzter sind die Möglichkeiten, das Konsumgüterpreisniveau stabil zu halten. Welche Preisanpassungsverhaltensweisen erscheinen bei Senkung der Mehrwertsteuer realistisch? Betrachtet sei zunächst die Preispolitik der Unternehmen, die ihre Güter (primär) an die Endverbraucher verkaufen. Steuersenkungen bei unveränderten Bruttopreisen erhöhen die Gewinnspannen und stellen insofern etwas Günstiges dar; neue Entscheidungen erscheinen weniger dringlich. Andererseits expandiert die gesamtwirtschaftliche Konsumnachfrage im Ausmaß der relativen Angebotsausweitung zu konstanten Durchschnittspreisen. Die Unternehmen müssen mit Absatzeinbußen bei nicht zurückgenommenen Preiserhöhungen rechnen und werden dadurch teils veranlaßt, die Preise zu senken. Verstärkt werden die Preissenkungstendenzen durch mehrere andere Faktoren: Die Steuersatzsenkung trifft dieAnbietereines Marktes prozentual gleichmäßig. Der Kostenentlastungseffekt ist leicht zu ermitteln und für Oligopolistische Unternehmen gegenseitig leicht abschätzbar. Steuerbedingte Preissenkungen eines Oligopolisten werden von den Konkurrenten nicht als Angriff auf ihre Marktposition verstanden, so daß die Gefahr gegenseitiger Preisunterbietungen oder gar von Preiskämpfen nicht besteht. Preisführerschaftsunternehmen und große Oligopolisten sehen sich bei Unterlassung von Preissenkungen einem starken Druck vonseitendes Staates, der Gewerkschaften, Verbraucherverbänden u. ä. gegenüber. Außerdem erhöhen sich die Anreize für potentielle Anbieter zum Markteintritt. Preissenkungen werden weiter dadurch begünstigt, daß die Steuersenkungen nicht nur für die engeren Substitutionsgüter, sondern auch für die entferntesten gelten. Anbieter einer Gütergruppe müssen damit rechnen, daß die Preise in entfernteren Gütergruppen gesenkt werden. Es wird für sie vorteilhaft, vorbeugend selbst Preissenkungen vorzunehmen, um ihre Gewinnsituation und Marktposition zu sichern und zu verbessern. Schließlich wird die Vornahme von Preissenkungen durch das Streben der Unternehmen nach angemessenen, befriedigenden Gewinnen oder Gewinnraten sowie durch die allgemeine Anwendung kostenorientierter Preissetzungsmethoden wesentlich gefördert. Unter17 Bei einer Bruttc-Allphasen-Umsatzsteuer würden die kostenrelevanten (Brutto-) Preise unverändert bleiben oder sinken.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

nehmen mit relativ langfristiger Preisplanung und Streben nach einer bestimmten Zielverzinsungsrate des investierten Kapitals bei Standardbeschäftigung und Anwendung sonstiger Kostenstandards werden angeregt, die Senkung der Steuerkosten relativ schnell in der Kostenplanung zu berücksichtigen, da die Steuersenkungen für eine längere Zeitspanne gelten werden. Besonderheiten des Preisanpassungsverhaltens bestehen für Unternehmen, deren Kunden andere Unternehmen sind. Die Unterlassung (adäquater) Bruttopreissenkungen bedeutet hier materiell autonome Preisheraufsetzungen. Autonome Preiserhöhungen sind jedoch im Wettbewerb nicht leicht durchsetzbar. Eine Koordinierung des Preisverhaltens trifft auf besondere Schwierigkeiten. Oligopolisten, die ihre Nettopreise heraufsetzen, müssen stärker als bei Kostenerhöhungen damit rechnen, daß die Konkurrenten nicht folgen werden. Außerdem sind die Anreize zu Preiserhöhungen bei Kostensenkungen relativ gering. Hinzu kommt, daß Nettopreiserhöhungen Absatzeinbußen bewirken können. Die im Wege der Inflation gestiegenen Nettopreise werden nicht gesenkt, sondern zusätzlich erhöht, obwohl die monetäre Nachfrage durch die Anhebung der Lohnsteuer zurückgeht. Zum anderen fördert der gesonderte Ausweis der Mehrwertsteuer auf den Rechnungen die Information der Käufer über das Preisverhalten der Anbieter. Die Nachfrager können ungerechtfertigte Nettopreiserhöhungen leicht erkennen. Die im Gegensatz zur bloßen Angabe von Bruttopreisen verbesserte Information der Käufer erhöht tendenziell die Elastizität der Nachfrage in bezug auf Preiserhöhungen, wodurch die Anbieter zu größerer preispolitischer Zurückhaltung veranlaßt werden. Außerdem begünstigt der gesetzlich vorgeschriebene gesonderte Ausweis der Mehrwertsteuer die allgemeine Anwendung gleicher Methoden zur Berücksichtigung der Steuer in der Preisfixierung, so daß die Ungewißheit des einzelnen Anbieters über das Preisverhalten der Konkurrenten im Oligopol stark abgeschwächt wird und schnelle, weitgehende Freisanpassungen an Steuersenkungen keine Störung des labilen Oligopolistischen Gleichgewichts erwarten lassen18• Schließlich bestehen keine besonderen praktischen Schwierigkeiten zu Preisanpassungen. Es ist davon auszugehen, daß die Unternehmen mit primärem Absatz ihrer Produktion an andere Unternehmen in Preislisten, Prospekten und Katalogen Nettopreise angeben19, so daß Steuersatzänderungen keine Korrekturen dieser Preisangaben notwendig machen. Vgl. Due, J. F.: Government Finance, Homewood (111.) 1959, 1. Aufl., S. 293. Vgl. Rau, G. und Dürrwächter, E.: Die Mehrwertsteuer, Köln 1967,8. Aufl., S.99. 18

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2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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Bei Verkauf an die Endverbraucher enthalten Kataloge typischerweise Bruttopreisangaben. Wegen der Aufwendungen verbunden mit einer Neufestlegung der Preise erfolgen Preissenkungen hier tendenziell verzögert. Die bisherigen Aussagen lassen sich vertiefen, wenn man den Zeitpunkt der Steuersenkung berücksichtigt und die Faktoren, die ohne steuerliche Eingriffe zu einem allgemeinen Preisauftrieb führen, zusammen mit der Steuerentlastung betrachtet. Unter zeitlichem Aspekt lassen sich drei Situationen unterscheiden: Die Steuersenkung erfolgt in dem Zeitpunkt, in dem Lohn- und Materialkostenänderungen sowie Änderungen der angestrebten Zielverzinsungsraten zur Überprüfung der bisherigen Preissetzung führen, bzw. die Steuersenkung wird früher oder später wirksam. Betrachten wir zuerst die erste Konstellation: 1. Unternehmen mit überdurchschnittlich hohem Produktivitätsfortschritt seien bestrebt, die Gewinnspannen im Ausmaß der Stückkostenverminderung anzuheben. Die Steuersenkung stellt hier einen spezifischen Anreiz dar, die Preise zu senken. Unveränderte Bruttopreise mit dem Ziel einer weitgehenderen Gewinnverbesserung sind für die Unternehmen besonders riskant. Je stärker die angestrebte Gewinnerhöhung ist, desto günstigere Bedingungen bestehen für den Marktzutritt neuer Anbieter und desto größer ist das Risiko der Einbuße an Goodwill in der Öffentlichkeit. Außerdem verbessert sich die Unternehmenslage bei unveränderten Bruttopreisen nach einem Kostenrückgang und vor Steuersenkung, so daß eine Anhebung der Nettopreise angesichts der Steuersenkung wenig dringlich erscheint.

Der Anreiz zu einer Anhebung der Gewinnspannen aus Sicherheitsgründen erscheint relativ gering, da die Sicherheitsmarge bereits durch Unterlassung von Preissenkungen vergrößert wird. 2. Unternehmen mit Kostensteigerungen seien primär bestrebt, ihre alten Gewinne möglichst zu erhalten und die Preise anzuheben. Versuchen sie angesichts der Steuersenkung, ihre Gewinnspannen zu erhöhen, so erfordert dies für Unternehmen, die an andere Unternehmen verkaufen, eine zusätzliche Erhöhung der für die Nachfrager relevanten Nettopreise. Dieses Verhalten wird dadurch wesentlich erschwert, daß Preiserhöhungen gewinnverbessernd um so schwieriger durchsetzbar sind, je stärker sie sind. Für Unternehmen, die primär an Konsumenten verkaufen, taucht dieses Problem nicht auf. Die für die Endverbraucher entscheidenden Bruttopreise brauchen nicht zusätzlich erhöht zu werden; sie können sogar gesenkt werden. Die gleichen Überlegungen gelten für Unternehmen, die autonome Preiserhöhungen vor Berücksichtigung des Steuerfaktors planen.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Die Steuersenkung wird für zahlreiche Unternehmen nicht in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihre Preiseangesichts von Kostenänderungen und aus anderen Gründen neu festzulegen beabsichtigen. Die Einzelpreise ändern sich nicht gleichzeitig. Steuersatzsenkungen erfolgen, nachdem Preisniveausteigerungen aufgetreten oder zu erwarten sind. Die Aussagen zum Preisanpassungsverhalten lassen sich von diesem Zeitaspekt her vertiefen. Tritt die Steuersenkung für einzelne Anbietergruppen ein, nachdem Preiskorrekturen aus nichtsteuerliehen Gründen erwünscht erscheinen, so können die Unternehmen die zukünftige Steuersenkung in ihrer gegenwärtigen Preisplanung mitberücksichtigen oder außer acht lassen. Werden Preissenkungen zeitlich vorgezogen, lassen sich Preisniveausteigerungen steuerpolitisch besser bekämpfen. Wenn die zukünftige Steuersenkung bei der Preisfestsetzung in der Gegenwart nicht berücksichtigt wird, treten Preissenkungen schwächer oder stärker verzögert nach Herabsetzung des Steuersatzes auf. Wichtige Unternehmensgruppen, die an die Endverbraucher verkaufen oder die Endverkaufspreise vertraglich festsetzen (vertikale Preisbindung), besitzen eine ausgeprägte Präferenz für längerfristig stabile Preise. Erneute steuerbedingte Preisänderungen können als unerwünscht betrachtet werden, wenn die Preise bereits vor Steuersenkung für eine längere Periode festgesetzt wurden20 • Die Präferenz der Unternehmen für stabile Konsumgüterpreise geht insbesondere auf das Sicherheitsstreiben oligopolistischer Unternehmen und das Streben nach Vermeidung ungünstiger Rückwirkungen häufiger Preisänderungen auf die langfristige Absatzentwicklung zurück. Beide Faktoren stehen einer schnellen Preisanpassung an die Steuersenkung nicht entgegen. Oligopolisten können Steuersenkungen ohne Gefahr der Störung des labilen Marktgleichgewichts in den Preisen weitergeben. Mit ungünstiger langfristiger Absatzbeeinflussung ist bei steuerbedingten Freisanpassungen nicht zu rechnen, da Preissenkungen für die Konsumenten generell vorteilhaft und spätere Preiserhöhungen aus Steuergründen nicht zu erwarten sind. Die Steuersenkung besitzt dauerhaften Charakter. Stärkere Preisanpassungsverzögerungen sind aus diesen Gründen nicht zu erwarten. Der geringe Widerstand gegen erneute Preiskorrekturen vermindert gleichzeitig die Neigung zur zeitlichen Vorwegnahme der zukünftigen Steuersenkung in der gegenwärtigen Preisplanung. Weitere Faktoren wirken in gleicher Richtung. Zeitlich vorgezogene Preissenkungen sind für die Unternehmen riskant. Werden die Bruttopreise beispielsweise nach einer Kostenerhöhung angesichts einer erwarteten Steuersenkung nicht oder nur geringfügig angehoben, dann vermindern sich - im Ver20 Dieser Aspekt ist für Anbieter, die ihre Waren und Leistungen an andere Unternehmen absetzen und keine Preisbindung vornehmen, nicht relevant, da die Nettopreise bei Steuersenkung nicht korrigiert werden müssen.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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gleich zu einer stärkeren Freisanhebung - die Gewinnspannen in der Zeit bis zum Eintreten der Steuersenkung. Bleiben die Bruttopreise nach der Steuersenkung konstant und entspricht die tatsächliche Steuersatzsenkungder erwarteten, steigen die Gewinnspannen wieder auf das alte Niveau. Insgesamt ergeben sich für eine längere Zeitspanne Gewinneinbußen, wenn man annimmt, daß die Verminderung der Gewinnspanne in der Anfangsphase auch einen Gewinnrückgang zur Folge hat. Wird der Steuersatz in geringerem Maße herabgesetzt, als erwartet wurde, tritt auch nach der Steuersenkung eine Gewinnverschlechterung auf. Das Risiko wird dadurch erhöht, daß die Bruttopreise unter Umständen nach der Steuersenkung herabgesetzt werden müssen. Bei stärkerer Steuersatzsenkung als erwartet und unveränderten Bruttopreisen tritt eine Gewinnverbesserung auf, wodurch die Gewinneinbußen der Anfangsphase längerfristig abgeschwächt, kompensiert oder überkompensiert werden. Jedoch erscheint es hier besonders fraglich, ob die Bruttopreise konstant gehalten werden können. Für Oligopolistische Firmen ist außerdem bedeutsam, daß bei zeitlicher Vorwegnahme einer erwarteten Steuersenkung keine hinreichend objektive Grundlage für ein preispolitisches Parallelverhalten besteht. Zusammenfassend ergibt sich, daß das Risiko der Antizipation einer zukünftigen Steuersenkung im Vergleich zu den möglichen Vorteilen relativ groß ist. Da spätere Preiskorrekturen eingeplant werden müssen, besteht auch vom Streben der Unternehmen nach stabilen Preisen her keine Veranlassung, steuerliche Freisanpassungen zeitlich vorzuziehen. Es ist allgemein anzunehmen, daß Freisanpassungen an eine Steuersenkung erst auftreten, nachdem die Steuersätze herabgesetzt wurden. Abschließend gilt es zu berücksichtigen, daß die Steuersenkung bei einzelnen Unternehmensgruppen vor der von ihnen aus anderen Gründen geplanten Neufestlegung der Preise erfolgt. Soweit die Unternehmen ihre Preise angesichts der Steuersenkung unabhängig von späteren Preiskorrekturen überprüfen, gelten die früheren allgemeinen Aussagen zum Preisanpassungsverhalten. Trifft das nicht zu, so können die Unternehmen eine Preiskorrektur zum Zeitpunkt der Steuersenkung oder zum Zeitpunkt der bisher vor Einführung der Steuersenkung geplanten Neufestlegung der Preise anstreben. Besondere Aspekte des Preisanpassungsverhaltens bestehen im zweiten Fall nicht; auch die zeitliche Vorwegnahme einer späteren Preiskorrektur erscheint praktisch wenig bedeutsam. Die Neigung zur Antizipation zukünftiger Kostenänderungen im Zeitpunkt der Steuersenkung ist gering. Zukünftige Kostenmehr- oder Kostenminderbelastungen können nicht genau abgeschätzt werden. Es fehlt eine hinreichend objektive Grundlage für schwächere Formen preispolitischen Parallelverhaltens. Großunternehmen sehen gerade in tatsächlichen Kostensteigerungen ein Alibi für Preiserhöhungen. Streben 5 Canaler

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li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

die Unternehmen der Endstufe vor Steuersenkung allerdings eine autonome Preiserhöhung zur Gewinnverbesserung an, bestehen nach Berücksichtigung der Steuersenkung günstige Bedingungen für die vorzeitige Verfolgung dieses Zieles, da die für die Konsumenten entscheidenden Bruttopreise nicht erhöht zu werden brauchen oder gar gesenkt werden können. Für Unternehmen auf den Vorstufen ist dieser Aspekt nicht relevant, da die Nettopreise unabhängig von der Zeitwahl erhöht werden müssen. Die Ausführungen zur Steuerüberwälzung lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß die Preise nach Herabsetzung des Mehrwertsteuersatzes in den meisten Wirtschaftszweigen gesenkt werden, und zwar der Steuerentlastung weitgehend entsprechend und relativ prompt. In Teilbereichen der Wirtschaft muß damit gerechnet werden, daß die Steuersenkung von den Unternehmen zur Verbesserung ihrer Gewinnlage ausgenutzt wird und die Preise nicht oder nicht angemessen reduziert werden. Auf homogenen polypolistischen Märkten ohne Verhaltensabstimmung zwischen den Anbietern sinken die Bruttopreise automatisch, vorausgesetzt, die Nachfrage reagiert auf Preissenkungen nicht vollkommen elastisch. Auf den monopolistischen und Oligopolistischen Märkten fördern der Wettbewerbsdruck, kostenorientiertes Preisverhalten, das Streben nach angemessenen und sicheren Gewinnen, der Druck von seitender Öffentlichkeit, die steuertechnische Ausgestaltung sowie der bei Unterlassung von Preissenkungen im Konsumgütersektor auftretende Produktionsrückgang die Weitergabe der Steuersenkung in den Preisen. Besonders starke Impulse zu Preissenkungen bestehen für Unternehmen, die an andere Unternehmen verkaufen und für Unternehmen mit günstiger Gewinnsituation vor Steuersenkung. Empirische Untersuchungen zum Preisanpassungsverhalten bei Senkung einer Mehrwertsteuer liegen nach Wissen des Verfassers nicht vor. Zur empirischen Fundierung der Aussagen sei deshalb kurz auf vorliegende Untersuchungen zur Überwälzung spezieller Verbrauchsteuern und auf die Preisniveauwirkungen der Umstellung der Umsatzbesteuerung in der BRD von der Brutta-Allphasen-Umsatzsteuer auf die Mehrwertsteuer eingegangen. Empirische Untersuchungen zu den Preiseffekten der Senkung spezieller Verbrauchsteuern liegen von Due und in jüngerer Zeit von Johnson und Woodard!Siegelman für die USA vor21 • Due und Johnson analysieren die Preiswirkungen der Verbrauchsteuersen21 Vgl. Due, J. F.: The Effect of the 1954 Reduction in Federal Excise Taxes upon the List Prices of Electrical Appliances - A Case Study, in: NTJ, Bd. 7 (1954), S. 222 ff.; Johnson, H. L.: Tax Pyramiding and the Manufacturer's Excise Tax Reduction of 1954, in: NTJ, Bd. 17 (1964), S. 297 ff.; Woodard, F. 0 . und Siegelman, H.: Effects of the 1965 Federal Tax Reduction upon the Prices of Automotive Replacement Parts - A Case Study in Tax Shifting and Pyramiding, in: NTJ, Bd. 20 (1967), S. 250 ff.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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kung für zahlreiche elektrische Haushaltsgeräte im Jahre 1954. Due kommt zu dem Ergebnis, daß die Steuersenkung fast alle betroffenen Herstellerbetriebe und Versandhäuser veranlaßt hat, ihre Preise prompt zu senken und der Einzelhandel Preissenkungen an die Verbraucher unmittelbar weitergegeben hat22 • Johnson ermittelt in einer umfassenderen Studie, daß 76 v. H. der Preise für große Haushaltsgeräte und 91 v. H. der Preise für kleinere Geräte gesenkt wurden23 • Due weist besonders darau:P hin, daß die Preise nicht um den Betrag der Steuerentlastung reduziert wurden. Bei kleineren Geräten besteht die Vermutung, daß die Hersteller die Handelsspannen erhöht haben, während die Endverbrauchspreise großer Haushaltsgeräte und die Preise der von Versandhäusern verkauften Güter relativ stark gesunken sind, und zwar vielfach über den Betrag der Steuerentlastung hinaus (tax pyramiding) 24 • Der wichtigste Grund hierfür stellt nach Due die prozentuale Aufschlagkalkulation dar. Geht die indirekte Steuer in die Kostengrundlage der Preisfixierung ein, so wird der Preis nach dieser Preissetzungsmethode um den Betrag der Steuerentlastung je Leistungseinheit plus der Steuerentlastung multipliziert mit dem Aufschlagssatz herabgesetzt25 • Auf den nicht der speziellen Verbrauchsbesteuerung unterworfenen Nachstufen vermindern sich bei gleichen Preissetzungsverfahren die Verkaufspreise prozentual zu dem - durch die Senkung der Vorproduktpreise induzierten - Rückgang der Kosten26 • Je mehr Umsatzstufen ein Gut vom steuerpflichtigen Hersteller bis zum Verbraucher durchläuft, desto stärker fällt der Endverkaufspreis im Vergleich zur Steuerentlastung des Endproduktes bei Aufschlagskalkulation mit konstantem prozentualem Aufschlag. Nach der Untersuchung von Johnson war das tax pyramiding nur in Wirtschaftsbereichen mit hohem Konzentrationsgrad weitverbreitet, wobei hier die führenden Firmen gegenüber den kleineren und schwächeren Unternehmen die stärksten Preissenkungen vornahmen27 • Woodard und Siegelman untersuchen die Preisanpassungen an die Steuersenkung für Kraftfahrzeugersatzteile im Jahre 1965. Sie ermitteln, daß die Preise von nur weniger als 50 v. H. der relevanten Güter gesenkt wurden28 • Soweit Preissenkungen erfolgten, wird das tax pyramiding durch die Daten gestützt28• 22 23

24

Vgl. Due, J. F., a.a.O., S. 223. Vgl. Johnson, H. L., a.a.O., S. 298. Vgl. Due, J. F., a.a.O., S. 224.

P = (k + t) (1 + g), llP = -llt (1 + g); P = Verkaufspreis, k = Kostenbasis, t = indirekte Steuer je Stück, g = Gewinnaufschlag. 28 Im Handel mit weitverbreiteter Anwendung der prozentualen Aufschlagskalkulation auf der Grundlage der Warenbeschaffungspreise (w) ergibt sich als Preisänderung: llP = -llw (1 + g), wobei llw gleich llt (1 + g) der Vorstufe ist, wenn die betrachtete Händlerstufe der besteuerten Herstellerstufe unmittelbar nachgelagert ist. 27 Vgl. Johnson, H. L., a.a.O., S. 301 f. 28 Vgl. Woodard, F. 0. und Siegelman, H., a.a.O., S. 253. 25

68

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Die genannten empirischen Untersuchungen zu den Preiseffekten der Senkung spezieller Verbrauchsteuern ergeben kein einheitliches Bild des Preisanpassungsverhaltens der Unternehmen. Die Unterschiede dürfen maßgeblich auf voneinander abweichende Marktbedingungen in den einzelnen Wirtschaftsbereichen zurückzuführen sein. Dieser Faktor läßt auch bei Senkung der Mehrwertsteuer sektoral unterschiedliche Freisanpassungen erwarten. Mehrere Gründe sprechen aber dafür, daß die Herabsetzung der Mehrwertsteuersätze eher, schneller und weitgehendere Preissenkungen induzieren würde als die Senkung spezieller Verbrauchsteuern. Erstens fördert die spezifische steuertechnische Ausgestaltung der Mehrwertsteuer die Steuerüberwälzung. Die Mehrwertsteuer muß gesondert in den Rechnungen ausgewiesen werden, was - wie früher dargestellt - ein Parallelverhalten der Anbieter bei Steuersenkungen begünstigt und die Nachfrager (Unternehmen) elastischer auf die Unterlassung von Preissenkungen reagieren läßt. Zum zweiten bedeutet die Unterlassung adäquater Preissenkungen eine autonome (Netto-) Preiserhöhung für Umsätze zwischen Unternehmen, während bei Senkung einer speziellen Verbrauchsteuer die relevanten Bruttopreise nicht erhöht werden müssen, sondern sogar gesenkt werden können, wenn eine Erhöhung der Gewinnspannen angestrebt wird. Preiserhöhungen stoßen aber bei den Nachfragern auf größeren Widerstand als die Unterlassung steuerlich möglicher Preissenkungen. Drittens besteht bei Senkung einer allgemeinen Verbrauchsteuer gegenüber einer speziellen Verbrauchsteuer ein stärkerer Konkurrenzdruck. Bei einer speziellen Verbrauchsteuer müssen die steuerpflichtigen Anbieter nicht damit rechnen, daß die Preise entfernterer Substitutionsgüter gesenkt werden, so daß Preissenkungen nach einer Steuerherabsetzung leichter unterlassen werden können. Außerdem soll die Konsumnachfrage nach dem hier erörterten Stabilitätskonzept proportional zur relativen Angebotserhöhung bei konstant gehaltenem Preisniveau expandieren. Bei allgemeinerer Unterlassung von Preissenkungen müssen die Unternehmen dann durchschnittlich mit Absatzrückgängen rechnen, was sie teils veranlaßt, ihre Preisforderungen herunterzusetzen. Es ist fraglich, ob die Nachfragesituation in den empirischen Beispielen dieser Bedingung entsprach. Schließlich kann damit gerechnet werden, daß die Öffentlichkeit auf die Unternehmen einen besonderen Druck ausübt, die Preise herabzusetzen, weil die Mehrwertsteuersenkung mit dem spezifischen Ziel der Konstanthaltung des Preisniveaus erfolgt. Was die Stärke der Preissenkung in Relation zur Steuerentlastung anbetrifft, so tritt ein tax pyramiding-Effekt als Folge der prozentualen Aufschlagskalkulation bei der Mehrwertsteuer nicht auf, wenn man - wie es realistisch ist - davon ausgeht, daß die Unternehmen ihre Preisforderungen nach der Nettopreiskalkulation festsetzen, d. h. auf die

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

69

Kosten (ohne Mehrwertsteuervorbelastung) plus der Gewinnspanne die Mehrwertsteuer aufschlagen oder auf die Wareneinstandskosten einen Rohaufschlag berechnen, der die Gewinnspanne plus Mehrwertsteuer enthält (Einzelhandel)29 • Unter Vernachlässigung des Problems der statistischen Ermittlung der tatsächlichen Preisänderungen - Listenpreise u. ä. tendieren dazu, Preissenkungen zu niedrig auszuweisen, da Preissenkungen in Form erhöhter Rabatte unberücksichtigt bleiben - kann zusammenfassend festgestellt werden, daß die empirischen Untersuchungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Preisverhaltens bei einer Mehrwertsteuersenkung die These von der weitgehenden Weitergabe der Mehrwertsteuersenkung in den Preisen stützen, ohne daß aber in Teilbereichen die Unterlassung (adäquater) Preissenkungen ausgeschlossen werden kann. Weitere empirische Anhaltspunkte für die Überprüfung der Aussagen zum Preisanpassungsverhalten bietet die Umstellung der Umsatzbesteuerung in der BRD von der Brutto-Allphasen-Umsatzsteuer auf die Mehrwertsteuer. Das Preisniveau sollte durch den Systemwechsel nicht erhöht werden. Grundvoraussetzung hierfür ist, daß die Preise von Gütern mit einer kumulativen Umsatzsteuerbelastung von mehr als 9,09 v. H. bzw. 4,76 v. H. (Mehrwertsteuersätze von 10 v. H. und 5 v. H. bezogen auf den steuerpflichtigen Umsatz einschließlich Mehrwertsteuer) gesenkt, die Preise mit geringerer kumulativer Umsatzsteuerbelastung erhöht worden wären und die Preise mit unveränderter Belastung konstant geblieben wären. Das Verbraucherpreisniveau ist jedoch gestiegen. Der Anstieg des Preisindexes für die Lebenshaltung betrug im Januar 1968 gegenüber Dezember 1967 1,3 v. H. 30• Berücksichtigt man, daß "systemfremde" Regelungen (Nichtentlastung der Altinvestitionen, unvollständige Entlastung der Altvorräte und Versteuerung des Selbstverbrauchs) kalkulatorisch zu einer Zunahme der Steuerbelastung führten, wodurch die Vornahme von Preissenkungen abgeschwächt und (stärkere) Preiserhöhungen von der Kostenseite her induziert wurden, daß einige Verbrauchsbereiche, die früher steuerbegünstigt waren, nun dem allgemeinen Steuersatz unterworfen wurden und daß konjunkturelle, saisonale u. ä. Faktoren den Anstieg des Preisniveaus mit beeinflußten, so gingen schätzungsweise zwei Drittel der Erhöhung des Preisindexes für die Lebenshaltung auf die Mehrwertsteuer zurück31 • Der mehrwertsteuerbedingte Preisanstieg resultiert daraus, daß Unternehmen mit unveränderter oder gestiegener Steuerbelastung ihre Preise angehoben bzw. stärker als steuerlich gerechtfertigt heraufgesetzt haben und Unteru Vgl. zur Preiskalkulation im Einzelhandel: Rau, G. und Dürrwächter, E.: Die Mehrwertsteuer, a.a.O., S. 97 f. 30 Vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, Mai 1968, 20. Jg., Nr. 5,

5.39. 31

Vgl. ebd.

70

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinfiationsbekämpfung

nehmen mit geringerer Steuerbelastung teils (adäquate) Preissenkungen unterlassen haben. Ausgehend von den Ergebnissen der Untersuchungen des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium32 und des Ifo-Instituts33 zur kumulativen Umsatzsteuerbelastung ausgewählter Konsumgüter ist anzunehmen, daß die Preise im Dienstleistungs- und Versorgungssektor stärker gestiegen sind, als es der Differenz zwischen der Mehrwertsteuerbelastung und der kumulativen Umsatzsteuerbelastung entsprach34 • Im Bereiche der Konsumgüterproduktion (Verbrauchs- und Gebrauchsgüter in der Statistik) sind die Preise zahlreicher Güter - wie es von der Steuerbelastung her zu erwarten war - gefallen. Wichtigste Ausnahme bilden die Nahrungsmittel. Nahrungsmittel unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von 5 v. H. (bzw. 5,5 v. H. ab 1. 7. 1968). Die meisten Nahrungsmittel waren nach der Umsatzsteuerreform steuerlich geringer belastet35 • Theoretisch konnte mit Preissenkungen von durchschnittlich mindestens 2 v. H. gerechnet werden. Anhaltspunkte über Ausmaß und Richtung der einzelnen Preisänderungen bietet eine Untersuchung des Instituts für angewandte Verbraucherforschung in Bonn36 • Bei 47 v. H. dererfaßten Nahrungsmittel blieben die Preise unverändert; bei 46 v. H. verbilligten sich die Güter. Davon entfiel eine Preissenkung von durchschnittlich bis zu 1 v. H. auf 25 v. H. der Güter. Preissenkungen bis zu 2 v. H. und darüber gab es nur in wenigen Fällen. Teurer wurden vor allem Getränke. Insgesamt stieg der Teilindex für Nahrungsmittel im Januar 1968 gegenüber Dezember 1967 um 0,6 v. H. (einschließlich saison-, ernte- und witterungsabhängiger Nahrungsmittel) an 37 • Da die Ausgaben für Nahrungs- und Genußmittel an den Gesamtausgaben der Haushalte den größten Teil ausmachen, hat die Preisentwicklung in diesem Bereich maßgeblich dazu beigetragen, daß der Preisindex für die Lebenshaltung nach dem Systemwechselleicht angestiegen ist. Insgesamt kann aus den vorliegenden Daten geschlossen werden, daß die Preise der meisten Konsumgüter mit geringerer Steuerbelastung herabgesetzt wurden. Das trifft auch für die Erzeugerpreise industrieller Produkte zu. Der Index der industriellen Bruttopreise ist zwar im Januar 1968 gegenüber Dezember 1967 um 4 v. H. angestiegen, jedoch sind 32 Probleme einer Nettobesteuerung, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 2, Bonn 1962, S. 76 f. aa Vgl. Petersen, J.-P. und Spanakakis, G.: Die kumulative Umsatzsteuerbelastung in der Bundesrepublik Deutschland, Ho-Institut München 1967, S. 19. ac Vgl. zur Preisentwicklung: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, 1968, S. 740*. as Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, a.a.O., S. 76 f. as Vgl. Institut für angewandte Verbraucherforschung, Untersuchungen über die Preisentwicklung nach Einführung der Mehrwertsteuer, 1968. 37 Vgl. Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, a.a.O., S. 39.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

71

die relevanten Nettopreise um etwa 5 v. H. gesunken, was ungefähr der Umsatzsteuervorbelastung abzüglich der nicht ausgeglichenen "systemfremden" Belastungen entsprochen haben dürfte88• Die Wahrscheinlichkeit der Vornahme von Preissenkungen bei Herabsetzung der Steuersätze einer eingeführten Mehrwertsteuer wird gegenüber der hier betrachteten Phase des Systemwechsels aus zwei weiteren Gründen erhöht. In der Übergangsphase läßt sich selbst bei modellgerechtem Unternehmerverhalten die kumulative Umsatzsteuerbelastung nicht genau ermitteln und eliminieren, so daß von der Kostenseite her Preissenkungstendenzen abgeschwächt und Preiserhöhungen verstärkt werden. Außerdem ist zu erwarten, daß die Unternehmen mit steuerlicher Minderbelastung in der Übergangsphase teils noch eine abwartende Haltung einnehmen, bis die vollen Auswirkungen dieses Systemwechsels auf die Kosten- und Gewinnsituation erkennbar sind89 . Insgesamt ergibt sich aus diesen Überlegungen, daß die Herabsetzung der Mehrwertsteuer im überwiegenden Teil der Volkswirtschaft Preissenkungen induziert. Abschließende Bemerkungen: Zur Stabilisierung des Konsumgüterpreisniveaus müssen die Preisentwicklung für eine bestimmte Planungsperiode abgeschätzt und die Steuersätze der Mehrwertsteuer bei Preisniveauerhöhungen entsprechend reduziert werden. Es erscheint realistisch, daß Steuersenkungen von den Unternehmen weitgehend in den Preisen weitergegeben werden und Freisanpassungen relativ schnell erfolgen. Nicht auszuschließen ist jedoch, daß gelegentlich (adäquate) Preissenkungen unterbleiben. Bei der Ermittlung der erforderlichen Steuersatzsenkung muß dies berücksichtigt werden. Zur Stabilisierung des Preisniveaus sind stärkere Steuersatzsenkungen erforderlich als bei vollkommener allgemeiner Preisanpassung an die Steueränderung. Dabei ist noch zu berücksichtigen, daß der Anreiz zur Unterlassung von Preissenkungen durch die Höhe der Steuersatzsenkung mitbestimmt wird. Der Druck zu Preissenkungen ist bei geringer Steuersenkung schwächer als bei einer großen Steuerherabsetzung, da kleine Preissenkungen für die Nachfrager nicht oder nur wenig fühlbar sind. Andererseits können die Unternehmen der Endstufe bei hoher Steuersenkung die Preise relativ stark herabsetzen und gleichzeitig verhältnismäßig leicht eine bestimmte Verbesserung ihrer Gewinne erreichen, da die erforderliche Erhöhung der Gewinnspannen vergleichsweise gering ist und da trotz Erhöhung der Gewinnspannen die Bruttopreise erheblich vermindert werden können. Diese Einflüsse werden jedoch das Preisanpassungsverhalten nicht entscheidend modifizieren. Die Ermittlung der erforderlichen Steuersatzsenkung dürfte in der Praxis nicht auf allzu große Schwierigkeiten sto-

Vgl. ebd., S. 38. Vgl. Müller, W. und Marbach, F.: Umsatzsteuerreform, Wiesbaden 1963, 5.96. 38 39

72

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

ßen. Bei Annahme einer vollkommenen allgemeinen Weitergabe der Steuersenkung in den Preisen, eines gegebenen erwarteten Preisniveauanstiegs, eines einheitlichen Mehrwertsteuersatzes, einer Steuerbelastung aller Güter und bei Nichtberücksichtigung steuerbedingter Änderung der Anteile der einzelnen Produktgruppen an der gesamten Konsumgüterproduktion (Konstanz der Gewichtungsfaktoren nach Steuersenkung bei Definition des Preisniveaus als gewogenes arithmetisches Mittel) läßt sich die notwendige Steuersatzsenkung der Mehrwertsteuer nach folgender Formel ermitteln40 : 1

Llt=1+t(t- 1 +LIP/P), ~ 0 Die Formel errechnet sich wie folgt: Das Konsumgüterpreisniveau kann definiert werden als gewogenes arithmetisches Mittel. Es gilt in der Ausgangslage:

L Pnti (1 + t)x;lx, n

Pt=

(1)

i=l

nach der Preisniveauerhöhung:

L Pn n

(2)

P2

=

i=l

2;

(1

+ t)x01x,

und bei Preisniveauerhöhung und Steuersatzsenkung:

L Pn2i ( 1 + t n

(3)

P3

=

i=l

Llt ) x;l x ,

Dabei bedeuten P das Konsumgüterpreisniveau, Pn; die Nettopreise der Güter verschiedener Produktgruppen, xtfx der Anteil der einzelnen Produktgruppen an der gesamten Konsumgüterproduktion und t der bisherige Steuersatz. Soll das Konsumgüterpreisniveau durch Steuersatzsenkung konstant gehalten werden, so muß gelten Pt = P8. Daraus folgt:

L Pn1i(1 + t)x;fx n

(4)

Lle

=

1

+

t -

_t=_i- - - - - -

L Pn n

l=i

2;

x/x

Da der Zähler des Quotienten gleich Pt und der Nenner gleich P.) (1 kann für (4) geschrieben werden: (5)

+ t)

ist,

1+t 1 Llt= 1 +t- PIP = 1 +t(l-1+LIPIP) 2

t

Wenn bei der Ermittlung der Höhe der erforderlichen Steuersenkung Preisniveaueffekte infolge struktureller Verschiebungen nicht eliminiert werden, so ist in die Formel ein entsprechend anderer Wert für die relative Erhöhung des Preisniveaus einzusetzen. Die Formel bedarf einer Modifikation, wenn durch die steuerbedingten Preiseffekte wesentliche Strukturverschiebungen induziert werden. Steuerbedingte Preisrelationsänderungen beruhen darauf, daß der Steuersatz einheitlich für alle Güter um einen bestimmten Betrag ge-

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

73

wobei t den bisherigen Steuersatz und !:J.P/P die Erhöhung des Konsumgüterpreisniveaus bezeichnen. Die hiernach errechnete Steuersatzsenkung wäre durch Berücksichtigung zusätzlicher Faktoren zu modifizieren. Selbstverständlich sind Steuersenkungen nur dann sinnvoll, wenn es der Steuerpolitik innerhalb einer nicht zu langen Zeitspanne gelingt, die Gewerkschaften zu einer Verminderung ihrer Lohnansprüche zu bewegen.

b) Problematik der Beeinflussung der Nettolohnentwicklung Das Stabilitätskonzept beinhaltet, daß die Besteuerung der Lohneinkommen erhöht wird, wenn die durchschnittlichen Lohnsteigerungen über die stabilitätspolitische Norm hinausgehen. Die Steuer kann um einen für alle Lohnempfänger gleichen Satz angehoben, oder sie kann nach Lohnempfängergruppen differenziert angepaßt werden. B. Hansen betrachtet den ersten Ansatz, wobei er allerdings kurz auf die Bedeutung eines differenzierten steuerpolitischen Zugriffs hinweist. Die zur Erreichung einer bestimmten durchschnittlichen Nettolohnerhöhung erforderliche einheitliche Anhebung des Steuersatzes im Rahmen der Lohneinkommensbesteuerung läßt sich unter den Annahmen, daß die in einer Planungsperiode erwartete durchschnittliche Lohneinkommenserhöhung ausschließlich auf Geldlohnsteigerungen zurückgeht (konstanter qualitativer und quantitativer Arbeitseinsatz, keine Strukturverschiebungen) bzw. die wirtschaftspolitischen Instanzen bei der Ermittlung der relevanten durchschnittlichen Geldlohnsteigerungsrate andere die durchschnittliche Einkommensentwicklung beeinflussende Faktoren eliminieren, daß eine proportionale Steuer besteht und ökonomisches und steuerpflichtiges Lohneinkommen übereinstimmen, mit Hilfe der Formel .1 t = (

Lll

T -

a) ( 1

1-t .1Ül)

+

errechnen41 , wobei !llll die tatsächliche durchschnittliche Geldlohnsteigerungsrate, a die vom Staat deklarierte Nettolohnsteigerungsrate und t den bisherigen Steuersatz bezeichnen. Bei Interpretation der Formel ist zu berücksichtigen, daß a nicht unabhängig von !ll/Z ist. Sinnvolle Ansenkt wird, die Entwicklung der Einzelpreise vor Steuersenkung jedoch recht unterschiedlich ist. Bei einheitlicher Steuersatzsenkung werden die Unterschiede zwischen den relativen Preisänderungen vermindert. Die Bruttopreisänderung eines Gutes nach einer gegebenen Steuersatzsenkung beträgt:

+ t - L1t)- PnL1t = L1Pn( 1 _ ~) _ ~. Pn ( 1 + t )j ,,~l\"ltnl Pn 1 +t 1+t wobei Pn den Nettopreis vor Preiserhöhung bezeichnet. 41 Das gesamte Lohneinkommen beträgt in der Ausgangslage (1) L 1 = lA (1-t), wobei I den durchschnittlichen Lohnsatz und A den Arbeitseinsatz be.1P!P= L1Pn(1

74

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinftationsbekämpfung

nahmen über die Beziehung zwischen Ziellohnsteigerungsrate und der realisierbaren maximalen Nettolohnsteigerung sind, daß die durchschnittliche Nettolohnerhöhung der Ziellohnsteigerungsrate entspricht oder darüber hinaus geht. Bei Übereinstimmung der Raten und zielkonformem Lohnverhalten bleibt dann der Steuersatz unverändert. Bei größerer deklarierter Nettolohnsteigerung errechnet sich nach der Formel die erforderliche Senkung des Steuersatzes. Übersteigt die Erhöhung des allgemeinen Lohnniveaus die Ziellohnsteigerungsrate, so liegt die deklarierte Nettolohnerhöhung unter der maximalen, und die tatsächliche durchschnittliche Geldlohnerhöhung übersteigt die angestrebte Nettolohnsteigerung, so daß sich nach der Formel die erforderliche Steuersatzerhöhung errechnet. Eine einheitliche Festsetzung der Steuersatzerhöhung auf der Grundlage der durchschnittlichen Steuerbelastung der Arbeitnehmer und der durchschnittlichen Lohnerhöhung in einer VW ist zwar steuertechnisch vergleichsweise einfach durchführbar, erscheint jedoch zur Verminderung des Lohnauftriebs und aus Gerechtigkeitsgründen ungeeignet. Sie ist nur zweckmäßig, wenn die Nominallöhne in den verschiedenen Wirtschaftszweigen, Gebieten und Berufsgruppen während einer wirtschaftspolitischen Planungsperiode (annähernd) gleichmäßig steigen und die Ausgangssteuersätze für alle Lohnempfänger gleich hoch sind. Diese Annahmen sind unrealistisch. Die progressive Einkommenbesteuerung führt zu unterschiedlichen anwendbaren Steuersätzen. Andererseits sind die Unterschiede in der Lohnentwicklung zwar auf mittlere Sicht im Vergleich zur sektoralen Produktivitäts- und Gewinnentwicklung gering, jedoch für sich betrachtet nicht so unbedeutend, daß sie hier vernachlässigt werden könnten. Bei einheitlicher Steuersatzanhebung werden die Nettolöhne der verschiedenen Lohnempfängergruppen prozentual unterschiedlich reduziert. Die Nettolohnerhöhung nach Geldlohnsteigerung und Steuersatzanhebung errechnet sich für den einzelnen Lohnempfänger nach der Formel: LI Ln

Lll

-y;;;=-z-

Llt ( 1

+ Ll1! l)

1-t

wobei !J.Zil die relative Geldlohnerhöhung, t den anwendbaren Ausgangssteuersatz, !J.t die Steuersatzerhöhung und !J.Ln/Ln die relative Zunahme des verfügbaren Lohneinkommens bezeichnen. Mit zunehmender Gelddeuten. Nach Erhöhung der durchschnittlichen Geldlöhne und Steuersatzerhöhung ergibt sich: (2) L2 = (l +Al) A (1-t-At). Die Differenz zwischen L2 und L1 in Relation zu L1 gesetzt soll gleich der gegebenen angestrebten Erhöhung der Nettolohneinkommen sein: a=

LII (1 - t - Llt) - l Llt l(l-t)

Durch Umrechnung ergibt sich daraus die oben angegebene Formel.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

75

Iohnsteigerung und bei gleichen Ausgangssteuersätzen und gegebenem einheitlichem Steuersatzanstieg erhöht sich die realisierbare relative Zunahme der Nettolohneinkommen. Das verfügbare Einkommen von Arbeitnehmern mit konstanten Nominallöhnen sinkt. Arbeitnehmergruppen mit produktivitätsproportionalen Lohnerhöhungen wird ihr stabilitätskonformes Verhalten nicht honoriert; die Nettolohnsteigerung ist geringer, als die bei zielkonformem Lohnverhalten deklarierte maximale Erhöhung der verfügbaren Einkommen. Durch die einheitliche Steuererhöhung werden die Unterschiede in der Nettolohneinkommensentwicklung verschärft. Für die autonomen Branchengewerkschaften und für die einzelnen Arbeitnehmer besteht nach wie vor ein Anreiz, möglichst hohe Lohnsteigerungen durchzusetzen, da die realisierbaren Nettolahnerhöhungen um so größer sind, je höher die relative Zunahme der Geldlöhne ist. Der Lohnauftrieb wird sogar durch die Besteuerung verschärft. Branchengewerkschaften mit stabilitätskonformem Verhalten sehen, daß ihre lohnpolitische Zurückhaltung wirtschaftspolitisch nicht honoriert wird, vielmehr die relative Einkommensposition ihrer Mitglieder in der Lohnstruktur verschlechtert wird. Sie sind bestrebt, durch erhöhte Lohnforderungen die traditionellen Nettolohnrelationen zu erhalten. Da tendenziell ein zunehmender Lohnauftrieb ausgelöst wird, müßte im Rahmen einer an Durchschnittsgrößen orientierten Stabilisierungspolitik der Steuersatz stärker heraufgesetzt werden. Damit wird das Problem jedoch nicht gelöst, vielmehr werden Lohnauftriebstendenzen weiter verstärkt, da die zusätzliche Steuererhöhung die Nettolohneinkommensstruktur stärker auseinanderzieht, und die Arbeitnehmer mit relativ geringen Lohnsteigerungen werden veranlaßt, erhöhte Lohnforderungen zu stellen. Bei unterschiedlichen Ausgangssteuersätzen für einzelne Lohnempfängergruppen und einheitlicher Lohnerhöhung und Steuersatzheraufsetzung werden cet. par. Arbeitnehmer mit niedrigen Ausgangssteuersätzen gegenüber Arbeitnehmern mit hohen Ausgangssteuersätzen geringer belastet. Für Lohnempfänger mit Geldlohnerhöhungen und Steuersätzen, die den gesamtwirtschaftlichen Durchschnittswerten entsprechen, werden die Nettolöhne in dem wirtschaftspolitisch angestrebten Ausmaß vermindert. Bei Arbeitnehmern mit höheren Ausgangssteuersätzen ist die realisierbare Nettolohnerhöhung geringer und für Lohnempfänger mit unterdurchschnittlichen Steuersätzen größer. Fallen relativ hohe Geldlohnerhöhungen und hohe Ausgangssteuersätze zusammen, so werden die Unterschiede in den Nettolohnerhöhungen gegenüber Lohnempfängern mit relativ geringen Geldlohnerhöhungen und niedrigeren Ausgangsstellersätzen abgeschwächt. Jedoch besteht weiterhin ein Anreiz, möglichst hohe Geldlohnsteigerungen durchzusetzen, da die Geldlohnerhöhungen infolge der Steuerprogression nicht zu einer kompensierenden

76

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

automatischen Anhebung der Ausgangssteuersätze führen. Treffen hohe Lohnsteigerungen und relativ niedrige Ausgangssteuersätze und hohe Ausgangssteuersätze und niedrige Lohnsteigerungen zusammen, so wird die erste Gruppe von Lohnempfängern relativ gering belastet; für sie besteht ein verstärkter Anreiz, hohe Geldlohnforderungen durchzusetzen. Auch die Arbeitnehmer mit niedrigen Lohnerhöhungen und hohen Ausgangsteuersätzen werden angeregt, möglichst hohe Lohnsteigerungen durchzusetzen, um ihre Nettoeinkommensposition gegenüber anderen Arbeitnehmergruppen nicht zu verschlechtern. Bei einheitlicher Steuersatzerhöhung erfolgt der steuerliche Zugriff also zu undifferenziert. Teilgruppen werden begünstigt, andere benachteiligt. Ein Anreiz zu möglichst hohen Geldlohnforderungen besteht weiterhin. Voraussetzung für diese Lohneffekte ist, daß die autonomen Branchengewerkschaften, Betriebsräte und die einzelnen Arbeitnehmer sich bei ihren Lohnforderungen nicht an der wirtschaftspolitisch deklarierten Nettolohneinkommenserhöhung bei übermäßiger Erhöhung des allgemeinen Lohnniveaus orientieren. Dies kann angenommen werden. Die Arbeitnehmer sind bestrebt, möglichst hohe Nettolohnsteigerungen zu realisieren. In den Lohnführerschaftsbereichen schenken die autonomen Branchengewerkschaften den Rückwirkungen relativ hoher Lohnsteigerungen auf das allgemeine Lohnniveau keine besondere Aufmerksamkeit. In den produktivitäts- und/oder gewinnschwächeren Sektoren versuchen die Gewerkschaften, die Position ihrer Mitglieder in der Lohnstruktur zu erhalten und möglichst ähnliche Lohnsteigerungen wie in den Lahnführerschaftsbereichen durchzusetzen, ohne dabei die Auswirkungen ihres Verhaltens auf die Entwicklung des allgemeinen Lohnniveaus zu berücksichtigen. Angesichts dieser Zusammenhänge und unter Berücksichtigung der Möglichkeit, mit steigenden Lohnforderungen trotz der Steueranpassung höhere Nettolohnzunahmen zu realisieren, besteht für die Gewerkschaften kein Anreiz, sich im Rahmen der Stabilisierungspolitik lohnpolitische Zurückhaltung aufzuerlegen. Das Stabilisierungsziel läßt sich bei einheitlicher Fixierung der Steuererhöhung somit nicht verwirklichen. Hansen weist auf diese Problematik kurz hin und hält aus diesem Grund eine starke Zentralisierung der Lohnverhandlungen (mit Hilfe gesetzlicher Maßnahmen) für notwendig42 • Bei hohem Zentralisierungsgrad besteht die Vermutung, daß die Gewerkschaften in der Lohnpolitik stärker wirtschaftspolitischen Zielsetzungen Beachtung schenken. Dazu wäre allerdings sehr wahrscheinlich die Zusammenfassung aller Gewerkschaften (und Arbeitgeberverbände) in einem einzigen Verband notwendig. Auch Hansen hält dies für erforderlich43 • Die Existenz von Dachorganisationen der Einzelgewerkschaften stellt erfahrungsgemäß 42 43

Vgl. Hansen, B.: The Economic Theory of Fiscal Policy, a.a.O., S. 363. Vgl. ebd.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

77

keine hinreichende Bedingung für die Induzierung einer an wirtschaftspolitischen Zielgrößen orientierten Lohnpolitik der Mitgliedsverbände dar. Die Macht der Dachverbände, die Lohnpolitik der Einzelgewerkschaften maßgeblich zu beeinflussen, darf nicht überschätzt werden. "They are leaders, not dictators, and politicalleadership involves survival by judicious responsiveness to pressure. Too tight a control on wages from the center would threaten the very structure of the union movement by driving up local initiative and membership support44." Selbst wenn eine totale Zentralisierung der Lohnverhandlungen besteht, ist es fraglich, ob die Gewerkschaft bestrebt ist, eine bestimmte durchschnittliche gesamtwirtschaftliche Tariflohnerhöhung zu realisieren. Innerhalb des Gewerkschaftsbereiches stimmen die Einzelinteressen nicht überein. Die Möglichkeit der Erreichung steigender Nettolohnerhöhungen mit zunehmenden Geldlohnsteigerungen besteht weiterhin, wenn auch jetzt unter veränderten organisatorischen Bedingungen. Eine bestimmte durchschnittliche Zunahme der Tariflöhne kann resultieren aus einheitlichen Lohnerhöhungen in allen Bereichen und aus einer entsprechenden unterschiedlichen Fixierung der Lohnforderungen in den einzelnen Sektoren, Gebieten und Berufsgruppen. Eine einheitliche allgemeine Tariflohnerhöhung zementiert die vor Steueranpassung bestehende Lohnstruktur, und es ist sehr wahrscheinlich, daß dies von einzelnen Arbeitnehmergruppen als ungerecht betrachtet wird. Andererseits erscheint die Differenzierung der Tariflohnsteigerungen in den einzelnen Bereichen mit dem Ziel der Herstellung und Erhaltung einer gerechten Nettolohnstruktur unwahrscheinlich, da nicht anzunehmen ist, daß sich im Arbeitnehmersektor eine einheitliche Meinung über die von allen als gerecht empfundene Lohnstruktur herausbilden wird. Schließlich besitzen die Regierungen und die Legislative in Staaten mit demokratischer Verfassung im allgemeinen nicht die Möglichkeit, durch institutionelle Regelungen den Zentralisierungsgrad des Lohnverhandlungsprozesses festzulegen. Soweit in den westlichen Ländern eine starke Zentralisierung besteht, ist dies das Ergebnis historischer Entwicklungen im Arbeitnehmer- und Unternehmenssektor45. Steuerliche Impulse zur Zentralisierung der Lohnverhandlungen existieren nicht. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß die durchschnittliche gesamtwirtschaftliche Lohnerhöhung neben Tariflohnsteigerungen auf erhöhte übertarifliche Lohnzahlungen der Unternehmen zurückgeht. Durch die Besteuerung der Lohneinkommen ändert sich an der Lohnzahlungsbereitschaft der Unternehmen nichts. Für die einzelnen Arbeitnehmer oder Betriebsräte ist andererseits die durchschnittliche gesamtwirtschaftliche 44 Reynolds, L. G.: Wage Behavior and Inflation: An International View, in: Wages Prices, Profits and Productivity, The American Assembly, Columbia University 1959, S. 132. 45 Vgl. ebd.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Lohnerhöhung völlig irrelevant. Ihr Interesse richtet sich auf die Durchsetzung möglichst hoher Geldlohnsteigerungen, die auch relativ große Nettolohneinkommenserhöhungen erwarten lassen. Die Steueranpassung trägt nicht dazu bei, Lohnerhöhungen auf betrieblicher Ebene zu vermindern. Dadurch geht gleichzeitig die Neigung der Gewerkschaften zur Berücksichtigung wirtschaftspolitischer Zielgrößen zurück. Die Gewerkschaften sind bestrebt, die wagedriftnicht zu groß werden zu lassen bzw. zu vermindern. Sie versuchen, durch Anhebung der Tariflöhne die Spanne zwischen Effektiv- und Tariflohnsteigerungen zu reduzieren. Soweit ihnen das gelingt, steigen die Effektivlöhne geringer als die Tariflöhne, so daß der Anstieg der Tariflöhne nicht zu einer zusätzlichen Steuerbelastung ihrer Mitglieder führen muß. Immer dann, wenn die Gewerkschaften versuchen, die wage drift abzuschwächen, gleichzeitig aber unter den herrschenden Verhältnissen zu erwarten ist, daß die Effektivlöhne nach Tariflohnsteigerungen angehoben werden, und wenn die Gewerkschaften dies ignorieren, scheitert die Politik der Manipulation der Nettolöhne zur Verminderung des Lohndrucks, da für die einzelnen Arbeitnehmer bei einheitlicher Steueranpassung keine Veranlassung besteht, auf erhöhte Effektivlohnzahlungen zu verzichten. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß mit Hilfe einer einheitlichen Steuersatzanhe-

bung das Lohnverhalten nicht wirksam beeinflußt werden kann, vielmehr Impulse zu einer Forcierung des allgemeinen Lohnauftriebs ausgelöst werden. Es bestehen weiterhin wesentliche Anreize zur Verfolgung der

traditionellen lohnpolitischen Zielsetzungen. Gesetzliche Maßnahmen zur Zentralisierung der Lohnverhandlungen erscheinen staatlich nicht durchsetzbar, und selbst bei hohem Zentralisierungsgrad wird der Lohnauftrieb steuerlich nicht beseitigt, allenfalls leicht abgeschwächt. Lohnsteigerungen infolge erhöhter übertariflicher Lohnzahlungen der Unternehmen sind steuerlich nicht beeinflußbar.

Eine wirksame Beeinflussung des Lohnverhaltens bedarf differenzierter Steueranpassungen für einzelne Arbeitnehmergruppen mit unterschiedlicher Lohnentwicklung und unterschiedlich hohen Ausgangssteuersätzen. Dort, wo die Geldlöhne im Ausmaß der Ziellohnsteigerungsrate zunehmen, muß der Steuersatz unverändert bleiben, und dort, wo der Lohnanstieg über die Ziellohnsteigerungsrate hinausgeht, muß der Steuersatz ansteigen. Bevor wir auf die steuertechnischen und öko-

nomischen Probleme dieses modifizierten Stabilisierungskonzepts eingehen, gilt es einen weiteren Aspekt zu berücksichtigen, der nach Aufgabe der Durchschnittsbetrachtung bedeutsam ist. Die Geldlohnerhöhungen in den verschiedenen Bereichen innerhalb einer bestimmten wirtschaftspolitischen Planungsperiode erfolgen nicht zum gleichen Zeitpunkt, sondern zeitlich verteilt. Damit stellt sich die Frage, wann Steueranpassungen bei übermäßiger Erhöhung des allgemeinen Lohnniveaus

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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vorgenommen werden sollen. Es bestehen grundsätzlich drei Möglichkeiten: Die Steuersätze werden erhöht (1) sobald festgestellt worden ist, daß ein allgemeiner Lohnauftriebsprozeß begonnen hat, (2) wenn der Lohnsteigerungsprozeß im Abklingen begriffen ist und (3) wenn Lohnerhöhungen in den einzelnen Bereichen auftreten. Die Steuerwirkungen auf das Lohnverhalten sind in diesen Fällen unterschiedlich. Erfolgt die Steueranpassung verzögert, so steigen in den relevanten Lohnbereichen die Nettolohneinkommen während der Verzögerungsphase im Ausmaß der Nominallohnerhöhungen (proportionale Einkommensbesteuerung vorausgesetzt); erst später werden die Nettolohnsteigerungen - soweit exzessiv - reduziert. In der gesamten wirtschaftspolitischen Planungsperiode geht der Anstieg der Nettolohneinkommen trotz erhöhter Besteuerung über die staatlich deklarierte relative Erhöhung der verfügbaren Einkommen hinaus, vorausgesetzt dieser zeitliche Aspekt bleibt bei der Fixierung der Höhe der zusätzlichen Steuerbelastung unberücksichtigt. Steigen die Geldlöhne beispielsweise um 10,- DM, so nimmt das verfügbare Lohneinkommen in der Verzögerungsphase um diesen Betrag zu (bei proportionaler Einkommensbesteuerung), während nach Steuererhöhung für die Restzeit der wirtschaftspolitischen Planungsperiode die Nettolöhne um angenommen 5,- DM gegenüber der Ausgangslage ansteigen. Bei einer Verzögerung um beispielsweise die Hälfte der Planungsperiode beträgt die Zunahme der verfügbaren Lohneinkommen für die gesamte Periode 7,50 DM, während der Staat einen Anstieg um 5,- DM anstrebt. Die Erhöhung der Nettolohneinkommen ist cet. par. um so größer, je stärker die Verzögerung zwischen Lohnerhöhung und Steueranpassung ist. Lohnempfängergruppen mit relativ spät erfolgenden Lohnerhöhungen werden steuerlich stärker belastet als Arbeitnehmergruppen mit relativ frühen Lohnsteigerungen innerhalb der Planungsperiode. - Eine höhere steuerliche Belastung als angestrebt, trifft die Lohnempfänger, für die Steuererhöhungen vor einer Anhebung der Geldlöhne wirksam werden. Die verfügbaren Einkommen werden hier bereits reduziert, bevor die Geldlöhne ansteigen. Die steuerliche Belastung ist um so größer, je später Lohnerhöhungen auftreten. Insgesamt

ergibt sich, daß gleich hohe Lohnsteigerungen bei genereller Steueranpassung in einem bestimmten Zeitpunkt steuerlich unterschiedlich belastet werden. Insbesondere werden Lohnempfängergruppen mit relativ spät erfolgenden Lohnerhöhungen diskriminiert. In den begünstigten Bereichen - Geldlohnerhöhungen treten vor der Anhebung der Steuersätze auf - kann infolge der relativ geringen Steuerbelastung die Erhöhung der realisierbaren Nettolohnsteigerungen der staatlich deklarierten maximalen Zunahme der Lohneinkommen entsprechen oder darüber hinaus gehen, bzw. der Unterschied kann erheblich abnehmen, so daß kein Anreiz zu stabilitätskonformem Lohnverhalten besteht bzw. die Anreize fühlbar abgeschwächt werden. Zur Vermeidung dieser Diskrimi-

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li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

nierungenbedarf es bei zeitverteilten Lohnerhöhungen und Steueranpassungen in einem bestimmten Zeitpunkt einer (zusätzlichen) Differenzierung der Steuerpolitik. In Bereichen mit relativ früh auftretenden übermäßigen Lohnsteigerungen müßten die Steuersätze stärker als bei Arbeitnehmergruppen mit relativ spät erfolgenden Lohnerhöhungen angehoben werden. Damit sind erhebliche steuertechnische Schwierigkeiten verbunden, die die praktische Anwendung dieser Stabilisierungspolitik in Frage stellen. Man könnte die Auffassung vertreten, einen Anreiz zu stabilitätskonformem Lohnverhalten einfach dadurch zu sichern, daß die Steuererhöhung in Anbetracht des Zeitfaktors verschärft wird, um die Spanne zwischen den realisierbaren Nettolohnsteigerungen bei stabilitätsinkonformem Lohnverhalten und der deklarierten maximalen Zunahme der verfügbaren Lohneinkommen bei zielgerechtem Verhalten zu erhöhen. Die steuertechnischen Schwierigkeiten sind hier relativ gering. Gegen diesen Lösungsansatz muß jedoch eingewandt werden, daß Diskriminierungen weiterhin bestehen bleiben. Dabei werden insbesondere die Bereiche mit relativ spät auftretenden Lohnerhöhungen zusätzlich belastet. Es ist zu erwarten, daß die Arbeitnehmer der Stabilisierungspolitik erheblichen Widerstand entgegensetzen werden, was die Durchsetzbarkeit dieser Politik in Frage stellt. Abgeschwächt werden die Belastungsunterschiede, wenn die Gewerkschaften in der Lage sind, Lohnerhöhungen in kürzeren Abständen als bisher gegenüber den Arbeitgebern durchzusetzen. Auf längere Sicht kann hiermit tendenziell gerechnet werden. Jedoch soll die Stabilisierungspolitik ihr Ziel nach relativ kurzer Zeit erreichen, und es ist sehr fraglich, ob die Gewerkschaften in dieser Zeitspanne vermögen, die Laufzeit der Tarifverträge fühlbar zu verkürzen. Durch automatische individuell unterschiedliche Steueranpassungen zum Zeitpunkt der Geldlohnsteigerung könnten die Nettolohneinkommenserhöhungen wirksamer beeinflußt werden. Es bedarf hierzu einer tariflich fixierten Differenzierung der Steuersatzanhebung in Abhängigkeit von der Höhe der Geldlohnsteigerung und der Ausgangsteuerbelastung. Zweckmäßig erscheint der steuerliche Zugriff in den Betrieben. Die Steuer auf die Arbeitnehmereinkommen wird in der Praxis nach dem Quellenabzugsverfahren, ergänzt durch den Lohnsteuerjahresausgleich und durch die Einkommensteuerveranlagung, erhoben. Eine eventuelle Steuermehrbelastung kann von den Unternehmen für ihre Arbeitnehmer ermittelt werden. Den Unternehmen müßten zusätzliche Verpflichtungen bei der Lohnsteuererhebung auferlegt und weitgehendere Informationen über die Ermittlung der Steuerschuld zur Verfügung gestellt werden. Bei der Ermittlung der relevanten Geldlohnsteigerungen müssen Lohneinkommenserhöhungen als Folge vermehrten und qualitativ verbesserten Arbeitseinsatzes eliminiert werden. Zweitens müssen die Unternehmen

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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Informationen über die Steuersatzänderungen bei alternativen Geldlohnerhöhungen und Ausgangssteuersätzen besitzen. Die Steuertabellen müssen entsprechend ergänzt werden. Die Angabe verschiedener Steuersatzerhöhungen kann sich auf eine relativ geringe Anzahl unterschiedlicher Datenkonstellationen beschränken, da die Geldlohnerhöhungen und die Ausgangssteuersätze für die einzelnen Lohnempfängergruppen nicht stark voneinander abweichen. Die Unternehmen hätten auf dieser Grundlage eine eventuelle Steuermehrbelastung zu ermitteln, sobald übermäßige Lohnerhöhungen auftreten. Einige weitere Ergänzungen können erforderlich werden, wenn die Lohnsätze zunächst erhöht und nach kurzer Zeit wieder gesenkt bzw. in kurzen Abständen angehoben werden. Da sich aber die Löhne nur selten innerhalb einer wirtschaftspolitischen Planungsperiode, die realistischerweise nicht über ein Jahr hinausgeht, ändern, sind hiermit keine wesentlichen steuertechnischen Komplikationen verbunden. Außerdem wäre noch zu berücksichtigen, daß Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz wechseln und vom neuen Arbeitgeber höhere Lohnzahlungen erhalten. Um die relevante Lohnsteigerung zu ermitteln, müßten die Unternehmen die Löhne zugrunde legen, die vergleichbaren älteren Arbeitnehmern im Betrieb (vor eventuellen Lohnerhöhungen) gezahlt werden. Entsprechende Angaben sind den Finanzämtern für Kontrollzwecke zu machen. Fehlt ein Vergleichsmaßstab- was selten der Fall sein dürfte-, dann bestehen keine steuerlichen Kontrollmöglichkeiten. Schließlich muß für zur Einkommensteuer veranlagte Arbeitnehmer sichergestellt werden, daß die Nichtlohneinkünfte nicht der erhöhten Besteuerung unterliegen. Insgesamt erhöhen sich die steuertechnischen Schwierigkeiten ge-genüber der herkömmlichen Lohneinkommensbesteuerung, jedoch erscheinen diese Probleme nicht unlösbar, zumal Steueranpassungen im Rahmen dieses Stabilisierungskonzeptes mehr einmaligen Charakter haben und nicht ständig vorgenommen werden sollen. Um genauere Aussagen zur Bedeutung der steuertechnischen Schwierigkeiten machen zu können, bedarf es ausführlicher Analysen konkreter Situationen, worauf im Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden kann. Gehen wir davon aus, daß die erwähnten steuertechnischen Probleme befriedigend gelöst werden können, so bleibt noch zu prüfen, welche Faktoren - neben den früher genannten allgemeinen Aspekten - der Realisierbarkeit dieses Stabilisierungskonzepts entgegen stehen können. Erstens ist auf das Prognoseproblem bei der Bestimmung der Ziellohnsteigerungsrate hinzuweisen, und zweitens resultieren ökonomische Nachteile aus der staatlichen Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Lohnstruktur bei einheitlicher Festsetzung einer bestimmten Ziellohnsteigerungsrate. 6 CI.D.IIier

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

(1) Die wirtschaftspolitischen Instanzen müssen die Ziellohnsteigerungsrate für eine zukünftige Planungsperiode festlegen. Erforderlich ist hierfür eine Prognose der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsentwicklung. Das Ungewißheitsmoment läßt sich nicht ausschalten. Die statistischen Schwierigkeiten jeder Prognose sind hinreichend bekannt und bedürfen keines weiteren Kommentars. Die tatsächliche Produktivitätsentwicklung - wie sie ex post feststeht - kann bei der Steuerplanung über- oder unterschätzt werden, so daß die angestrebte Ziellohnsteigerungsrate entweder zu hoch oder zu niedrig fixiert wird. Korrekturmaßnahmen werden erforderlich. Bei zu hoch angesetzter Ziellohnsteigerungsrate und zielkonformem Lohnverhalten steigen die Lohnkosten, und die Konsumnachfrage der Lohnempfänger expandiert stärker als das Konsumgüterangebot zu konstanten Preisen. Ein Preisniveauanstieg in der Planungsperiode ist unvermeidlich. Nachträglich erscheint es notwendig zur Sicherung eines konstanten Preisniveaus über eine längere Zeitspanne hinweg, die Besteuerung der Lohneinkommen zu erhöhen und die indirekten Steuern zu senken, wobei eine erhöhte Lohnbesteuerung jedoch nicht gerechtfertigt ist, da die Arbeitnehmer sich zielkonform verhalten haben. Bei zielinkonformem Lohnverhalten erweist es sich angesichts der überschätzten Produktivitätszunahme, daß die indirekten Steuern zu gering herabgesetzt und die Lohneinkommen steuerlich zu gering belastet worden sind. Die Steueranpassungen müßten nachträglich entsprechend korrigiert werden. Wurde der Produktivitätsfortschritt unterschätzt, so vermindern sich bei zielkonformem Lohnverhalten die Lohnkosten und die Konsumnachfrage der Lohnempfänger wächst in geringerem Maß als das Angebot zu konstanten Preisen. Da nicht damit gerechnet werden kann, daß das Preisniveau ausreichend sinkt, um den Beschäftigungsgrad unverändert zu lassen, bedarf es nachträglich einer Senkung der Lohneinkommensbesteuerung. Bei zielinkonformem Lohnverhalten erweist es sich, daß die indirekten Steuern zu stark reduziert und die Lohneinkommen steuerlich zu hoch belastet worden sind. Entsprechende Korrekturmaßnahmen werden erforderlich. Die Prognosep1·oblematik kompliziert somit das steuerpolitische Stabilisierungskonzept und erschwert gleichzeitig seine praktische Durchsetzung, da wiederholte steuerpolitische Eingriffe notwendig werden. Daraus soll jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß das Stabilisierungskonzept unanwendbar wird. Durch Korrekturmaßnahmen können immerhin prognosebedingte Fehlentwicklungen abgeschwächt werden. Außerdem läßt die anhaltende Weiterentwicklung der Prognosetechnik vermutlich auch eine spürbare Verbesserung der Prognose gesamtwirtschaftlicher Produktivitätsfortschritte erwarten46 • Schließlich besteht das

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

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Prognoseproblem bei jeder wirtschaftspolitischen Maßnahme, ohne daß deshalb auf wirtschaftspolitische Eingriffe verzichtet wird. (2) Bisher wurde angenommen, daß im Rahmen der Stabilisierungspolitik eine für alle Wirtschaftszweige, Gebiete und Berufsgruppen einheitlich geltende Ziellohnsteigerungsrate festgelegt wird. Die verschiedenen Lohnempfängergruppen sollen angeregt werden, ihre Lohnforderungen auf die gleiche Lohnerhöhungsrate zu reduzieren. Wird diese Wirkung erreicht, so beeinflußt die Wirtschaftspolitik entscheidend die gesamtwirtschaftliche Lohnstruktur. Die Lohnstruktur wird zwar nicht völlig zementiert - Lohnänderungen bis zur Höhe der Ziellohnsteigerungsrate können vom privaten Sektor frei vorgenommen werden -, jedoch bleibt der Spielraum für marktbedingte und von den Gewerkschaften und Arbeitnehmern angestrebte Lohnstrukturänderungen sehr eng begrenzt. Einerseits läßt sich kaum zwischen Arbeitnehmern und dem Staat eine Einigung über die von allen Arbeitnehmern als gerecht betrachtete Lohnstruktur erzielen, was aber für die langfristige Wirksamkeit des Stabilisierungskonzepts erforderlich erscheint. Die Gewerkschaften und Arbeitnehmer werden einer ihnen aufgezwungenen und als ungerecht empfundenen Lohnstruktur nicht widerstandslos begegnen. Da nach den Erfahrungen kaum jemals eine bestimmte Lohnstruktur von der Mehrzahl der Arbeitnehmer als gerecht empfunden wird, treten wiederholt Konfliktmöglichkeiten auf, die erneute Steueranpassungen erforderlich machen. Die politische Durchsetzbarkeit des Stabilisierungskonzepts wird aus diesen Gründen erheblich erschwert. Die Problematik wird zweitens wesentlich dadurch verschärft, daß durch die staatliche Beeinflussung der Lohnstruktur die Steuerungsfunktion der Löhne auf den Arbeitsmärkten erheblich beeinträchtigt wird. In der einkommenspolitischen Literatur wird aus diesem Grund vielfach darauf hingewiesen, daß Lohnleitlinien nicht allein am gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivitätsfortschritt, sondern zusätzlich an den Arbeitsmarktverhältnissen in den verschiedenen Bereichen ausgerichtet sein sollten47 • In Industrien und Berufszweigen mit Arbeitskräfteknappheit sollten die Lohnsteigerungen den gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt in dem Ausmaß übersteigen, das notwendig ist, um zusätzliche Arbeitskräfte zu attrahieren. Andererseits sollten die Lohnerhöhungen den Produktivitätsfortschritt in Industrien und Berufsgruppen mit Arbeitskräfteüberschuß unterschreiten, um eine Zuwanderung von Arbeitskräften zu vermeiden. Auch die in der wirtschaftspolitischen Praxis an46 Vgl. Ott, A. E.: Leitlinien für die branchenmäßige Lohnfindung, Düsseldorf 1968, S. 47. 47 Vgl. u. a. Lerner, A. P .: Inflationary Depression and the Regulation of Administered Prices, in: The Relationship of Prices to Economic Stability and Growth, a.a.O.; neu erschienen in: Readings in Macroeconomics, Mueller, M. G. (Hrsg.), New York 1966, S. 371.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

gewandten Lohnleitlinien sehen teils entsprechende Differenzierungen vor. Bekanntestes Beispiel stellen die vom Council of Economic Advisers formulierten Modifikationen der am Produktivitätsfortschritt orientierten allgemeinen Lohnleitlinie dar: "(1) Wage-rate increases would exceed the general guide-rate in an industry which would otherwise be unable to attract sufficient Iabor; or in which wage rates are exceptionally low compared with the range of wage earners elsewhere by similar Iabor, because the bargaining position of workers has been weak in particular Iabor markets. (2) Wage-rate increases would fall short of the general guide-rate in an industry which could not provide jobs for its entire Iabor force even in turn of generally full employment; or in which wage rates are exceptionally high compared with the range of wages earned elsewhere by similar Iabor, because the bargaining position of workers has been especially strong48." Die Stabilisierungspolitik wird unter Berücksichtigung dieser Faktoren wesentlich kompliziert. Umfangreiche Sonderregelungen sind erforderlich. Adäquate Kriterien zur Beurteilung der Arbeitsmarktverhältnisse müssen herausgearbeitet werden. Selbst wenn diese Probleme befriedigend gelöst werden können, stehen der Steuerpolitik unüberwindbare Schwierigkeiten entgegen. Es genügt jetzt nicht mehr, die Steueranpassungen lediglich nach der Höhe der Geldlohnsteigerungen und Ausgangssteuersätze auszurichten, da die Lohnentwicklung in den verschiedenen Wirtschaftszweigen, Gebieten und Berufsgruppen gesamtwirtschaftlich unterschiedlich zu beurteilen ist. Eine entsprechend weitgehende Steuerbelastungsdifferenzierung erscheint nicht durchführbar; die Steuerpolitik wäre unter diesen Bedingungen überfordert. Die Ergebnisse der Analyse seien abschließend kurz zusammengefaßt. Grundlegende Voraussetzungen für die Abschwächung oder Beseitigung des Lohndrucks sind, daß die Gewerkschaften und Arbeitnehmer sich bei ihren Lohnforderungen an den Nettoreallöhnen orientieren und die Nettoreallohnentwicklung hinreichend genau und schnell steuerlich beeinflußt werden kann. Es erscheint realistisch, daß Gewerkschaften und Arbeitnehmer sich nach einer gewissen Übergangszeit bei ihren Lohnforderungen an den Nettoreallöhnen orientieren werden, da sie bei erfolgreicher Stabilisierungspolitik die Erfahrung machen, daß ihnen zu hohe Geldlohnforderungen keinen Vorteil, vielmehr einen finanziellen Nachteil bringen. Je lückenhafter der steuerpolitische Zugriff ist, desto begrenzter und verzögerter tritt eine Anpassung der Lohnverhaltensweisen ein. Zur wirksamen Beeinflussung der Nettoreallöhne bedarf es 48 Economic Report of the President together with the Annual Report of the Council of Economic Advisers, Washington 1962, S. 189.

2. Beeinflussung der Nettoreallöhne

85

komplexer steuerpolitischer Eingriffe. Einerseits gilt es, das Konsumgüterpreisniveau mit Hilfe der indirekten Steuern konstant zu halten, was ohne allzu große Schwierigkeiten erreichbar erscheint, soweit Steueränderungen nicht fortwährend, sondern nur für eine Übergangsphase notwendig sind, bzw. soweit übermäßige allgemeine Lohnsteigerungen relativ schnell beseitigt werden können. Die Senkung der Mehrwertsteuer führt überwiegend zu Bruttopreissenkungen, jedoch ist es unvermeidbar, daß Unternehmen gelegentlich (adäquate) steuerlich gerechtfertigte Preissenkungen unterlassen. Die steuerpolitische Bestimmung der Nettolohneinkommensentwicklung stellt die schwierigste Aufgabe im Rahmen dieses Stabilisierungskonzeptes dar. Zur wirksamen und schnellen Beeinflussung des Lohnverhaltens bedarf es differenzierter Steueranpassungen für einzelne Lohnempfängergruppen mit unterschiedlichen Geldlohnerhöhungen und unterschiedlichen Ausgangssteuersätzen, und zwar zum Zeitpunkt des Auftretens exzessiver Lohnerhöhungen. Bei einheitlicher Fixierung der Steuersatzerhöhung werden einzelne Arbeitnehmergruppen diskriminiert, und es bestehen weiterhin starke Anreize, möglichst hohe Lohnsteigerungen durchzusetzen. Differenzierte Steueranpassungen vermeiden diese Nachteile, es erscheint aber wahrscheinlich, daß wiederholte steuerpolitische Maßnahmen ergriffen werden müssen, da die Anpassung des Lohnverhaltens nicht sofort erfolgt, da Fehleinschätzungen des Prod uktivitätsfortschritts spätere Korrekturmaßnahmen notwendig machen und da eventuell erforderlich werdende steuertechnische Vereinfachungen Lücken bei der Erfassung der Löhne entstehen lassen können. Die steuertechnischen Schwierigkeiten der Stabilisierungspolitik sind erheblich; ohne genaueempirische Untersuchungen läßt sich keine Aussage darüber machen, ob die Durchführbarkeit der Stabilisierungspolitik wegen der praktischen Probleme in Frage gestellt ist oder nicht. Unüberwindbare praktische Schwierigkeiten treten auf, wenn die mit der Stabilisierungspolitik bei einheitlicher Festlegung der Ziellohnsteigerungsrate verbundenen ökonomischen Nachteile und Ungerechtigkeiten als sehr gravierend beurteilt werden. Unter diesen Bedingungen muß auf die Stabilisierungspolitik verzichtet werden. Soweit die Stabilisierungspolitik zur Anwendung gelangen soll, bedarf es ergänzender wirtschaftspolitischer Maßnahmen zur Vermeidung einer eventuell gleichzeitig auftretenden übermäßigen nicht lohnbedingten Nachfrageexpansion und zur Bekämpfung der Unterlassung von Preissenkungen bei Kostenrückgang sowie unter Umständen zur Verhinderung autonomer Preiserhöhungen. Es ist nicht gerechtfertigt, einseitig die Arbeitnehmer zu belasten, wenn als Folge eines allgemeinen Nachfragedrucks auf den Güter- und Arbeitsmärkten die Löhne übermäßig ansteigen. Es müssen rechtzeitig konjunkturpolitische Maßnahmen ergriffen werden, um die Entstehung eines gesamtwirtschaftlichen Überschusses

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

zu vermeiden. Außerdem ist zu erwarten, daß die Unternehmerische Preispolitik bei zielkonformen allgemeinen Lohnerhöhungen Preissteigerungsprozesse auslöst. In Sektoren mit Kostenrückgang werden die Preise häufig nicht gesenkt, während sie in Bereichen mit steigenden Lohnkosten schnell nach oben angepaßt werden. Mit Hilfe einer Senkung der indirekten Steuern kann die Preispolitik der Unternehmen nicht modifiziert werden. Die Steuersenkung hätte lediglich zur Folge, daß sich die Gewinnquote (Gewinne in Relation zum Nettosozialprodukt zu Faktorkosten) erhöht und die Lohnquote sinkt. Aus verteilungs- und antiinflationspolitischen Gesichtspunkten müssen ergänzende Maßnahmen zur Beeinflussung der Unternehmerischen Preispolitik ergriffen werden.

3. Xnderung des Preis- und Lohnverhaltens der Unternehmen mit Hilfe der Gewinnbesteuerung Die herkömmliche Gewinnbesteuerung der Unternehmen übt auf die Unternehmen keinen speziellen Anreiz zur Modifikation ihres Preisund Lohnverhaltens in stabilitätspolitisch erwünschter Richtung aus. Die Besteuerung ist nicht gezielt auf die Beeinflussung des Preis- und Lohnverhaltens ausgerichtet. Zum einen werden die Unternehmergewinne unabhängig von der Art des Preissetzungs- und Preisanpassungsverhaltens besteuert. Zum anderen können die Unternehmen mit zunehmenden Bruttogewinnen steigende Nettogewinne realisieren, so daß für sie kein ökonomischer Anreiz besteht, niedrigere Bruttogewinne anzustreben und niedrigere Preisforderungen zu stellen. Der antiinflationspolitische Einsatz der Gewinnsteuer beschränkt sich üblicherweise auf eine Erhöhung der Steuersätze, um durch Verminderung der privaten Investitionsnachfrage gesamtwirtschaftliche Nachfrageüberschüsse zu beseitigen. Diese Politik erscheint bereits zur Bekämpfung einer Nachfrageinflation nicht unbedenklich, da sie nicht nur zu einer Verminderung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageexpansion, sondern auch zu einer Abschwächung des Wachstums des realen Angebots auf längere Sicht beiträgt. Noch problematischer ist diese Maßnahme, wenn sie zur Bekämpfung von Preisniveausteigerungen bei gemäßigter Vollbeschäftigung und Unterbeschäftigung ergriffen wird, da die Gefahr der Verursachung übermäßig hoher Arbeitslosigkeit vergleichsweise groß ist und die Preisund Lohnentwicklung nicht flexibel auf eine Verminderung des gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsgrades reagiert. Eine Reform der Gewinnbesteuerung zur Beeinflussung des Preis- und Lohnverhaltens der Unternehmen kann von verschiedenen Ansätzen ausgehen. Eine erste Möglichkeit besteht darin, die Steuersätze (zusätzlich) mit den Preisänderungen der vom einzelnen Unternehmen während

3. Lenkung d. Unternehmerverhaltens mit Hilfe d; Gewinnbesteuerung

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einer Steuerperiode verkauften Güter variieren zu lassen. Dieser Ansatz wurde von Scott herausgearbeitet49 • Eine weniger unmittelbare Beeinflussung des Preisverhaltens monopolistischer Unternehmen könnte darauf abstellen, die Unternehmen durch hohe Steuerbelastung der Gewinne zu veranlassen, niedrigere Bruttogewinne anzustreben und niedrigere Preise zu fordern. Hierbei wäre sicherzustellen, daß Unternehmen mit Zielprofitraten, die über eine bestimmte wirtschaftspolitische Norm hinausgehen, nur Nettogewinnraten in Höhe der "Norrnalprofitraten" oder geringer zu realisieren vermögen, wobei die wirtschaftspolitischen Zielgewinnraten ausreichend hoch anzusetzen sind, um das Wirtschaftswachstum nicht zu beeinträchtigen. Da für die Unternehmenspolitik die Nettogewinne maßgebend sind, besteht für die Unternehmen dann ein besonderer Anreiz, ihre Preise niedriger zu fixieren. Auf diesen Grundgedanken baut das steuerpolitische Konzept von Means auf50 • Ähnliche steuerpolitische Überlegungen wurden von Föhl angestellt51 • Im folgenden sollen diese verschiedenen steuerpolitischen Konzepte der Beeinflussung des Preis- und damit auch des Lohnverhaltens der Unternehmen ausführlich analysiert werden.

a) Das Konzept einer Gewinnbesteuerung mit Abhängigkeit der Steuersätze von der Unternehmerischen Preisentwicklung Nach dem Vorschlag von Scott sollten die Gewinnsteuersätze (zusätzlich zur herkömmlichen Steuersatzdifferenzierung) mit der Höhe und Richtung von Preisänderungen der von einem Unternehmen innerhalb der Steuerperiode verkauften Güter variieren. Es sollte bei konstantem unternehmerischem Preisniveau gegenüber der letzten Steuerperiode der herkömmliche gewinnabhängige Steuersatz, im Falle steigender Preise höhere Steuersätze und bei sinkenden Preisen niedrigere Steuersätze zur Anwendung gelangen. Zur Illustration mag folgendes willkürlich gewähltes Beispiel einer preisabhängigen Steuersatzdifferenzierung dienen. Die gewinnabhängigen Steuersätze wurden dabei nicht berücksich49

Vgl. Scott, M. F. G.: A Tax on Price Increases?, in: EJ, Bd. 71 (1961),

50

Vgl. Means, G. C.: Pricing -Power and the Public Interest, New York 1962,

s. 350 ff.

l. Auf!., insbesondere Kapitel 18; ders.: Statement, in: Administered Prices,

Hearings before the Subcommittee on Antitrust and Monopoly of the Comm:ittee on the ·Judiciary, United States Senate, 85th Congr., 1st. Sess., Part 29 Public Policy on Administered Prices, Washington 1963, S. 17 974 ff.; ders.: The Corporate Revolution in America, o. 0. 1962, 1. Aufl., Kap. 8. 51 Vgl. Föhl, C.: Ursachen und Beeinflußbarkeit der Vermögenskonzentration, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, Neumark, F. (Hrsg.), SdVfS, N. F. Bd. 22, S. 184 ff.; ders.: Kreislaufanalytische Untersuchung der Vermögensbildung, Tübingen 1964, S. 81 ff.

88

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

tigt. In der Praxis muß die Steuersatzvariation sorgfältig festgelegt und nach den Erfahrungen angepaßt werden. Preisänderungen in v.H.

Steuersatzänderungen in Prozentpunkten

-4 bis -3

-3 -2

-3bis -2 -2 bis -1 -1 bis 0 0 bis 1 1 bis 2 2bis 3 3 bis 4

-1 0

+1

+2

+3

+4

Das steuerpolitische Konzept zielt darauf ab, den Widerstand der Unternehmen gegenüber Kostensteigerungen, insbesondere als Folge übermäßiger Lohnsteigerungen, zu erhöhen, indem die Nettogewinne nach Preiserhöhungen reduziert werden52• Damit setzen die steuerpolitischen Regelungen an einer wichtigen Determinante der Lohninflation an, denn unter den herrschenden Verhältnissen können kostenerhöhende Lohnsteigerungen von den Unternehmen relativ leicht in den Preisen weitergegeben werden, so daß der Lohnwiderstand fühlbar abgeschwächt wird. Soweit die Steuer von den Unternehmen nicht überwälzt werden kann, wachsen die Nachteile übermäßiger Lohnsteigerungen für die Unternehmen, und sie werden bestrebt sein, niedrigere Lohnerhöhungen durchzusetzen. Außerdem könnten die Unternehmen veranlaßt werden, Preiserhöhungen trotz Kostensteigerungen zurückhaltender und Preissenkungen eher als bisher vorzunehmen, da Preiserhöhungen zu einer Steuermehr- und Preissenkungen zu einer Steuerminderbelastung führen. Im folgenden gilt es zu untersuchen, ob eine steuerbedingte Änderung des Preissetzungs- und Preisanpassungsverhaltens wahrscheinlich erscheint und ob die Steuer von den Unternehmen überwälzt werden kann oder nicht. aa) Preis- und Lohneffekte

Wirkungen auf das Preisanpassungsver halten: Die Wirkungen der vorgeschlagenen Steuer sind unterschiedlich, je nach dem ob die Unternehmen eine kurzfristige, über eine Steuerperiode nicht hinausgehende oder eine langfristige Preispolitik verfolgen. Zunächst sei von einer kurzfristigen Unternehmerischen Preispolitik ausgegangen. Im Falle einer durchsz

Vgl. Scott, M. F. G., a.a.O., S. 353.

3. Lenkung d. Unternehmerverhaltens mit Hilfe d. Gewinnbesteuerung

89

schnittliehen Preiserhöhung der Güter des Produktionsprogramms eines Unternehmens vermindern sich infolge der Steuersatzerhöhung cet. par. die Nettogewinne in dieser Periode. Die Preiserhöhung führt im Vergleich zur Situation konstant gehaltener Preise zu einer Verbesserung der Bruttogewinne, andererseits tritt jedoch eine Steuermehrbelastung auf. Vom Nettogewinnziel her ist es unzweckmäßig, die Preise anzuheben, wenn die realisierbaren Nettogewinne geringer sind als bei unveränderten Preisen. Bei unveränderten Preisen und als konstant angenommenem gewinnabhängigem Steuersatz entspricht die relative Nettogewinneinbuße (~Gn1/Gn1) nach einer bestimmten Kostenerhöhung (~Ko) der relativen Kostensteigerung dividiert durch das Verhältnis der Bruttogewinne zu den Kosten in der Ausgangslage (Gbn/Ko 1)53 : L1Ko 1 t Ko 1

L1Gn1

(1)

Im Falle einer Preiserhöhung beträgt die relative Änderung des Nettogewinns (~Gn2/Gn1): (2)

L1Gn 2

-- = Gn1

L1t

--

1- t

+

Ll U- LIKo Gbr1

(1 -

Llt/1 - t ) '

wobei ~t die preisbedingte Steuersatzerhöhung und ~U die preisbedingte Umsatzsteigerung (bei vereinfachend angenommenem konstantem Absatzvolumen) bedeuten54 • Gelingt es den Unternehmen durch Preiserhöhungen ihre alten Bruttogewinne wieder zu erreichen (~U-~Ko = 0), dann beträgt die relative Nettogewinneinbuße: (3)

Um zu beurteilen, ob eine Preiserhöhung nach Kostensteigerung vorteilhaft ist, müssen Gleichung (2) bzw. (3) und (1) miteinander verglichen werden. Sie ist vorteilhaft bei: (4)

53

und

LIKol Ko 1 Llt ---< --Gbr1 1 Ko 1 1- t

+

LI U- LIKo Gbr1

(1- Llt/1- t)

bzw.

Es gelten Gn 1 = Gbr1 (1-t), AGbr1 = -AKo1, so daß AGn 1 =-AKo 1 (1-t) L1Gn 1

LIKo1

L1Ko 1 1Ko 1

Gn 1

Gbr1

Gbr11Ko1

- - = - - - = - --=--------=

Es gilt: Gn2 = (Gbr1 -AK +AU) (1-t-M). Da Gn1 = Gbr1 (1-t) ergibt sich AGn2 = -Gbr1At-(AK-AU) (1-t-M) und als relative Nettogewinnänderung Gleichung (2). 64

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

90 (5)

L1Kol Ko 1

Llt

Gbr1 1Ko1

1- t

----=-orn, R. C.: Efflciency and Profitability in Relation to Size, in: Harvard Business Review, Bd. 29 (1951), S. 89.

Aus den theoretischen Überlegungen und den Ergebnissen der empirischen Untersuchungen kann geschlossen werden, daß kleinere und mittlere Unternehmen gegenüber Großunternehmen nicht zwangsläufig niedrigere durchschnittliche Gewinnraten aufweisen; es ist zu vermuten, daß sie häufig annähernd gleich hohe und nicht selten höhere Gewinnraten erwirtschaften. Das gilt vor allem für risikofreudige kleinere Unternehmen. Die proportionale Gewinnsteuer beeinträchtigt aus diesen Gründen kleinere, mittlere und dynamische Unternehmen in ihren selbstfinanzierungsbedingten Wachstumsmöglichkeiten nicht selten stärker alsgroße Aktiengesellschaften und weniger risikofreudige Unternehmen der gleichen oder unterschiedlicher Größenklassen. Zu (2): Weitere Nachteile für kleinere wachsende Gesellschaften beruhen darauf, daß sie häufig in stärkerem Maße Gewinne zur Investitionsfinanzierung einbehalten als große Unternehmen. Diese Annahme wird durch die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen von Butters und Lintner gestütztl 46 • Es konnte nachgewiesen werden, daß der Anteil der Dividendenzahlungen am Nettogesamtgewinn typischerweise mit steigender Unternehmensgrößenklasse zunahm. Die relativ hohen Selbstfinanzierungsquoten kleinerer wachsender Gesellschaften sind im wesentlichen darin begründet, daß diese Unternehmen in besonderem Maße auf einbehaltene Gewinne zur Finanzierung des Unternehmenswachstums angewiesen sind. Die Möglichkeiten der Außen- und Abschreibungs148

Vgl. Butters, J. K. und Lintner, J., a.a.O., S. 66 f.

150

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

finanzierung sind begrenzter als für Großunternehmen. Die kleineren Unternehmen sind weniger bekannt, der Kreis der Kapitalgeber ist wesentlich enger, die Unternehmensentwicklung verläuft diskontinuierlicher, Fehlinvestitionen und Konjunkturabschwächungen schlagen sich stärker auf den Unternehmenserfolg nieder. Kleinere Gesellschaften weisen eine höhere Konkursquote auf als große Aktiengesellschaften147 • Potentielle Kapitalgeber sind aus diesen Gründen nur bereit, ihr Kapital zu relativ hohen Zinssätzen bzw. niedrigen Ausgabekursen neuer Aktien anzulegen. Junge Unternehmen mit sehr unsicherer Geschäftsentwicklung sind in besonderem Maße auf die Selbstfinanzierung angewiesen. Auch weisen kleinere risikofreudige Unternehmen häufig Investitionen auf, die im Verhältnis zum vorhandenen Kapitalstock relativ hoch sind148• Sie werden zur Durchführung der Investitionen stärker auf einbehaltene Gewinne zurückgreifen als Unternehmen mit gleich hohen Gewinnraten, jedoch mit geringerem Wachstum des Kapitalstocks. Außerdem sind die Anteilseigner kleiner Aktiengesellschaften mit eng begrenztem Aktionärskreis häufiger darauf bedacht, ihre Kontrollposition - wie sie sich aus ihrem Anteil am Grundkapital ergibt - zu erhalten, so daß sie wenig geneigt sind, externes Eigenkapital aufzunehmen. Ähnlich ist die Geschäftsführung bestrebt, ihre Unabhängigkeit gegenüber Außenstehenden zu wahren. Da die Kreditgeber bei relativ riskanter Kapitalanlage auch bestrebt sind, auf die Geschäftspolitik Einfluß auszuüben, wird das Management bei der Kreditaufnahme zurückhaltend verfahren. Verschärft werden die steuerbedingten Wachstumsnachteile junger, kleiner und dynamischer Unternehmen weiter tendenziell dadurch, daß Dividendenkürzungen nach Besteuerung zur Erhaltung des Selbstfinanzierungsvolumens nur in enger begrenztem Umfang durchführbar sind und die Gewinnbesteuerung die Außenfinanzierungsmöglichkeiten eher bzw. stärker verschlechtert als die der übrigen Unternehmensgruppen. Eine hohe Gewinnbesteuerung führt im allgemeinen dazu, daß die einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinne vermindert werden. Die WachstumseinhuBen sind um so geringer, je weitgehender es der Unternehmensleitung nach Besteuerung gelingt, die Dividendenzahlungen zu kürzen. Erscheint eine wesentliche Änderung gegenüber den Aktionären durchführbar, so hängt die Möglichkeit der Erhaltung des bisherigen Selbstfinanzierungsvolumens von der Höhe des vor Besteuerung gegebenen Anteiles des nichtentnommenen Gewinnes ab149• Da aber die einbehaltenen Gewinne bei jungen, kleineren und dynamischen Unternehmen vielfach anteilsmäßig vergleichsweise hoch sind, besitzen diese Unter147 Vgl. Singh, A., Whittington, G. und Burley, H. T.: Growth, Profitability and Valuation, a.a.O., S. 92. 148 Vgl. Lintner, J. und Butters, J. K., a.a.O., S. 248. 149 Vgl. Butters, K. J. und Lintner, J ., a.a.O., S. 86.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

151

nehmen nur relativ geringe Möglichkeiten, dhr Selbstfinanzierungsvolumen zu erhalten bzw. Selbstfinanzierungsbeschränkungen in engen Grenzen zu halten. Zu (3): Im Hinblick auf die steuerlichen Außenfinanzierungswirkungen bestehen für diese Unternehmen Nachteile sowohl im Bereich der Fremdfinanzierung als auch im Bereich der Eigenfinanzierung. Kreditgeber erachten aus Sicherheitsgründen eine gewisse Eigenkapitalausstattung der Unternehmen für notwendig. Bei ungünstigerer Kapitalstruktur sind sie nur bereit, Kredite zu höheren Zinssätzen und eventuell durch Einflußnahme auf die Geschäftspolitik zu gewähren. Da die Gewinnbesteuerung die Selbstfinanzierung der Unternehmen einschränkt und einbehaltene Gewinne haftendes Kapital darstellen, verschlechtern sich tendenziell die Bedingungen der Frerndkapitalbeschaffung. Da aber die Selbstfinanzierung kleinerer, dynamischer und junger Unternehmen besonders stark eingeschränkt wird, sehen sie sich auch größeren Schwierigkeiten gegenüber, zur Sicherung des Unternehmenswachsturns in verstärktem Maße auf Fremdmittel zurückzugreifen. Die vermehrte Aufnahme von Eigenkapital arn Kapitalmarkt kann allgernein durch eine hohe Körperschaftsteuer behindert werden, da die Ertragserwartungen der Anleger zurückgehen. Davon werden arn ehesten kleinere wachsende und risikofreudige Unternehmen betroffen. Die kumulativen restriktiven Besteuerungseffekte als Folge eingeschränkter Selbstfinanzierung fallen hier besonders ins Gewicht. Zum einen wird es diesen Unternehmen bei Unterlassung profitabler Investitionen erschwert, höhere zukünftige Unternehmerische Gewinnraten zu erzielen bzw. gleich hohe Gewinnraten wie bisher zu erwirtschaften, und zum anderen steigt das Verlustrisiko. Das Verlustrisiko erhöht sich für Firmen, die in relativ hohem Maße Investitionen unterlassen, deshalb ganz besonders, weil die verminderte Anwendung kostensparender Neuerungen und geringere Möglichkeiten zu Produktverbesserungen, zum Ausbau des Produktionsprogramms und zur Vornahme von Erweiterungsinvestitionen die Wettbewerbsstellungbeeinträchtigen und die Anfälligkeit des Unternehmens gegenüber Konjunkturrückgängen und Fehlinvestitionen in Teilbereichen der Unternehmerischen Tätigkeit verstärken. Potentielle Anleger werden deshalb tendenziell ihr Kapital verstärkt in große Aktiengesellschaften mit sicherer Gewinnentwicklung investieren. Kleinere und dynamische Gesellschaften müssen bei der Aufnahme von Aktienkapital die Ausgabekurse stärker herabsetzen. Die Eigenkapitalkosten der Beschaffung eines bestimmten Kapitalbetrages erhöhen sich (stärker). Die Eigenfinanzierung wird zusätzlich erschwert, wenn die Aktionäre kleinerer Gesellschaften bestrebt sind, ihre Kontrollposition - wie sie sich aus ihrem Anteil arn Grundkapital ergibt - möglichst zu erhalten. Steuerbedingte Kursrückgänge bewirken, daß zur Aufnahme eines bestimmten

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Kapitalbetrages mehr Aktien als vor Besteuerung ausgegeben werden müssen. Der Kapitalanteil der alten Aktionäre wird deshalb eher und stärker abnehmen als für Anteilseigner großer Aktiengesellschaften mit günstigerer Kursentwicklung. Bestehen die Aktionäre bei einer geplanten Kapitalerhöhung auf Aufrechterhaltung eines bestimmten Kapitalanteils, so werden sie tendenziell nur einer geringeren Kapitalaufnahme zustimmen150 • Die Ausführungen ergeben zusammenfassend, daß junge, kleinere und kleinere dynamische Gesellschaften von einer proportionalen Gewinnsteuer in ihren Wachstumsmöglichkeiten ganz besonders betroffen werden. Die Besteuerung wirkt in Richtung auf die Erhaltung und Verfestigung der bestehenden Anbieterstrukturen. Diese Einflüsse treten verstärkt auf, wenn ein gespaltener Körperschaftsteuersatz mit erheblich geringerer Steuerbelastung der ausgeschütteten als der einbehaltenen Gewinne zur Anwendung kommt. Die niedrigere Besteuerung der ausgeschütteten Gewinne fördert allgemein die Beteiligungsfinanzierung. Die Unternehmen können durch hohe Dividendenzahlungen die durchschnittliche Steuerbelastung der Körperschaftsgewinne niedrig halten, und die Anteilseigner realisieren bei erhöhten Dividendenzahlungen eine höhere Verzinsung des investierten Kapitals (Dividenden plus Kapitalgewinne in v. H. des investierten Kapitals). Die Anleger üben deshalb tendenziell einen Druck auf die Geschäftsleitungen aus, geringere Anteile der erzielten Gewinne zurückzuhalten. Für die Geschäftsführung kleinerer Gesellschaften kommt hinzu, daß die großen Gesellschaften mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Dividendenzahlungen erhöhen, wodurch die Mindestrenditeansprüche potentieller Kapitalgeber auch gegenüber kleineren Gesellschaften angehoben werden. Für Unternehmen, die zur Wachstumsfinanzierung vor allem auf einbehaltene Gewinne angewiesen sind, verschlechtern sich im Vergleich zu anderen Unternehmen die Finanzierungsmöglichkeiten. Weisen sie vergleichsweise hohe Selbstfinanzierungsquoten auf, so übersteigt bei unveränderter Dividendenpolitik die durchschnittliche Steuerbelastung der Gewinne die der großen Gesellschaften, und es bestehen für sie deshalb kompetitive Nachteile als Nachfrager von Eigenkapital am Kapitalmarkt. Sind die Geschäftsleitungen dieser Unternehmen bestrebt, eine übermäßige Verschlechterung der langfristigen Eigenkapitalbeschaffungsmöglichkeiten zu vermeiden, dann müssen sie wegen der höheren durchschnittlichen Steuerbelastung auch tendenziell die Dividendenzahlungen besonders stark anheben. Das hat eine im Vergleich zu den großen Gesellschaften höhere Verminderung des Selbstfinanzierungsvolumens zur Folge. Bei gleich hohen Selbstfinanzierungsquoten der Unternehmen vor Besteuerung besteht für die Großunternehmen der Vorteil, daß sie leichter und zu günstigeren Bedingun150

Vgl. Lintner, J. und Butters, J. K., a.a.O., S. 265.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

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gen Aktienkapital zur Finanzierung des Unternehmenswachstums aufnehmen können.

Wirkungen einer progressiven Gewinnsteuer sowie steuerliche Einflüsse auf das W.achstum personenbezogener Unternehmen im Vergleich zu Kapitalgesellschaften: Die Wirkungen einer progressiven Gewinnbesteuerung auf die finanzierungsbedingten Wachstumsmöglichkeiten von Personenunternehmen und die steuerlichen Einflüsse auf das Wachstum personenbezogener Unternehmen im Vergleich zu den nach der proportionalen Körperschaftsteuer besteuerten Kapitalgesellschaften sind differenzierter und weniger eindeutig ableitbar als die Wachstumswirkungen einer proportionalen Gewinnsteuer. Im folgenden sollen zunächst die steuerlichen Einflüsse auf das Wachstum junger Unternehmen dargestellt werden. Neue selbständige Unternehmen werden zum größeren Teil als kleine personenbezogenen Firmen gegründet. Sie durchlaufen in den ersten Jahren eine Entwicklungsphase, in der Verluste oder nur geringe und langfristig noch nicht gesicherte Gewinne auftreten. Die junge Unternehmung hat Marktwiderstände zu überwinden, bevor sie eine Entwicklungsstufe erreicht, in der angemessen hohe und relativ kontinuierlich auftretende Gewinne erwirtschaftet werden können. Anfängliche Periodengewinne sind erst dann endgültig verdient, wenn die Unternehmung nach einer längeren Zeit eine gesicherte Marktstellung erworben hat151 • Zentrales Problem bildet in den ersten Jahren nach der Unternehmensgründung die Beschaffung ausreichender Finanzmittel zur Sicherung der Liquidität und zur Überwindung der Unternehmensverluste152. Die Finanzierungsmöglichkeiten junger selbständiger Unternehmen sind wesentlich begrenzter als die etablierter Firmen. Solange Verluste auftreten, scheiden Gewinne als Finanzierungsquelle aus, und die Möglichkeit der Abschreibungsfinanzierung entfällt oder ist nur von sehr geringer Bedeutung, da die Abschreibungen nicht oder nur teilweise verdient werden. Treten erste leichte Gewinne auf, so verbessern sich die internen Finanzierungsmöglichkeiten; sie sind jedoch weiterhin wesentlich begrenzter als die etablierter Unternehmen. Von dem Einsatz dieser Gewinne und der über verdiente Abschreibungen freigesetzten Mittel hängt es maßgeblich ab, ob es der jungen Unternehmung gelingt, ihre Existenz auf Dauer zu sichern. Die externen Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten sind eng begrenzt, da die Kapitalanlage in junge Unternehmen mit noch sehr unsicheren Entwicklungsaussichten für Außenstehende besonders riskant ist. Die Besteuerung der ersten langfristig noch nicht endgültig verdienten Gewinne entzieht dem jungen Unter151 Vgl. Hirsch, H.: Die Selbstfinanzierung in der Steuerpolitik, in: FA, N. F. Bd. 25 (1966), S. 439. 152 Vgl. ebd., S. 439.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

nehmen Finanzmittel, die zur Stabilisierung der Unternehmerischen Entwicklung und zum weiteren Unternehmensaufbau dringend erforderlich sind. Die Gefahr eines frühzeitigen Scheiterns der Unternehmen wächst, und zwar um so stärker, je höher die Gewinnsteuerbelastung ist. Dieses Problem wird für etablierte Unternehmen selbst bei merklich höherer Steuerbelastung nicht akut. Die differenzierenden Wirkungen der Gewinnbesteuerung auf die finanzierungsbedingten Wachstumsmöglichkeiten von Unternehmen mit langfristig relativ gesicherte Marktstellung hängen neben den früher genannten Faktoren von der Höhe der Steuerbelastung der einzelnen Unternehmensgruppe ab. Unterschiedliche Wachstumswirkungen können zunächst für Personenunternehmen der gleichen Größenklasse mit (annähernd) gleich hoher durchschnittlicher Steuerbelastung der Gewinne auftreten. Personenunternehmen mit relativ hohen Gewinnraten und/ oder Anteilen der einbehaltenen Gewinne an den Gesamtgewinnen werden in ihren finanzierungsbedingten Wachstumsmöglichkeiten besonders eingeschränkt. Das trifft vor allem die dynamischen, risikofreudigen Unternehmen einer Größenklasse. Da ein hohes Investitionsrisiko die Abgeltung durch eine entsprechend hohe Risikoprämie verlangt - sollen die Investitionsvorhaben durchgeführt werden -, weisen risikofreudige erfolgreiche Unternehmen auch vergleichsweise hohe Gewinnraten auf. Zum anderen sprechen mehrere Gründe dafür, daß die Anteile der einbehaltenen Gewinne an den Gesamtgewinnen bei diesen Unternehmen relativ hoch sind. Die Selbstfinanzierung stellt eine im Vergleich zur externen Finanzierung sichere und die Unabhängigkeit der Unternehmenseigner besser bewahrende Finanzierungsform dar. Gegenüber der Kreditfinanzierung entfallen Zinszahlungen. Zukünftige Zinsverpflichtungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Unternehmensverlusten und das Liquiditätsrisiko. Die Fremdfinanzierung trägt also im Gegensatz zur Selbstfinanzierung dazu bei, das Risiko bereits besonders riskanter Investitionen zusätzlich zu erhöhen. Aus Risikogründen werden diese Unternehmen deshalb stärker auf einbehaltene Gewinne zur Wachstumsfinanzierung zurückgreifen. Hinzu kommt, daß Kreditgeber langfristige Kredite an besonders risikofreudige Unternehmen nur zu vergleichsweise hohen Zinssätzen und eventuell durch Kontrolle der Geschäftspolitik zu gewähren bereit sind. Im Hinblick auf die Eigenfinanzierung kann externes Kapital aus den sonstigen Einkünften der Unternehmer oder durch Aufnahme neuer Gesellschafter bereitgestellt werden. Die verfügbaren Einkommen aus nichtunternehmerischer Tätigkeit sind typischerweise gering. Die Einkommen der Selbständigen setzen sich primär aus den Unternehmensgewinnen zusammen. Neue Gesellschafter werden nur ungern aufgenommen, um die eigene Position innerhalb der Unternehmung zu erhalten. Die Unternehmer sind

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

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bestrebt, die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten soweit wie möglich auszuschöpfen, bevor Außenstehende an der Unternehmung beteiligt werden. Grenzen der Selbstfinanzierung sind ihnen bei gegebenen Gewinnen durch das Ziel der Sicherung eines angemessenen Lebensstandards gesetzt. Dynamische Unternehmer nehmen vermutlich eher eine Verminderung ihres Konsumniveaus in der Gegenwart zugunsten eines höheren Lebensstandards in späteren Perioden in Kauf. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, daß risikofreudige Unternehmen häufig hohe Investitionen in Relation zum vorhandenen Kapitalstock aufweisen. Das geplante Unternehmenswachstum ist dann höher als das anderer Unternehmen mit gleich hohen gegenwärtigen Gewinnen. Selbst dann, wenn zusätzliche Investitionen einheitlich von den Unternehmen zu einem bestimmten Teil oder ganz aus zurückbehaltenen Gewinnen finanziert werden und die Gewinnraten gleich hoch sind, liegt der Anteil der einbehaltenen Gewinne an den Gesamtgewinnen zwangsläufig bei dynamischen Unternehmen höher. Beispielsweise verwenden die Eigentümer von Unternehmen mit im Zeitablauf konstantem Kapitalstock die Gewinne voll oder weitgehend für Konsumzwecke. Aus ähnlichen Gründen wie bisher dargestellt, sind dynamische Unternehmen nach Besteuerung weniger in der Lage und bereit, steuerbedingte Selbstfinanzierungseinbußen durch eine entsprechend starke Verminderung der Gewinnentnahmen und Aufnahme externen Kapitals auszugleichen. Darüber hinaus gilt es zu berücksichtigen, daß angesichts der relativ hohen Selbstfinanzierungsanteile auch die entnommenen Gewinne relativ stark gekürzt werden müßten, und vermutlich sind dynamische Unternehmer häufig nicht bereit, eine so weitgehende Einschränkung ihres gegenwärtigen Lebensstandards in Kauf zu nehmen. Diese Wirkung tritt um so schärfer auf, je höher die Steuerbelastung ist. Die steuerlichen Einflüsse auf die finanzierungsbedingten Wachstumsmöglichkeiten von Unternehmen verschiedener Größenklassen und unterschiedlicher Steuerbelastung sind differenzierter. Mit steigender Steuerbelastung verschlechtern sich cet. par. die Finanzierungsmöglichkeiten. Insofern besitzen kleinere Unternehmen steuerlich bedingte kompetitive Vorteile. Diese Vorzüge können jedoch durch andere Faktoren abgeschwächt, aufgehoben oder überkompensiert werden. Das kann darauf beruhen, daß große Unternehmen geringere Gewinnraten und niedrigere Anteile der einbehaltenen Gewinne an den Gesamtgewinnen aufweisen sowie günstigere Subsitutionsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Finanzierungsformen besitzen. Steuerbedingte Nachteile kleinerer und dynamischer Unternehmen treten um so eher und stärker auf, je geringer die Steuerbelastungsunterschiede zwischen den einzelnen Unternehmensgruppen sind. Unterliegen kleinere wachsende Unternehmen einer geringeren Steuerbelastung als große Unternehmen, so vermindern sich

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

ihre Selbstfinanzierungsmöglichkeiten cet. par. weniger stark und die geringere Reduktion der Nettogewinne fördert die Kapitalanlage bei diesen Unternehmen. Für dynamische Unternehmen steigt die zukünftige Steuerbelastung stärker an als für gleich große Unternehmen mit konservativer Geschäftspolitik, wenn sich die riskanten Investitionen als erfolgreich erweisen. Es wird ihnen erschwert, in höhere Größenklassen vorzudringen. Verstärkt wird diese Wirkung dadurch, daß die Gewinnentwicklung von Unternehmen mit relativ hohem Risikograd weniger stetig verläuft und die Gewinnraten und Anteile der einbehaltenen Gewinne an den Gesamtgewinnen im zeitlichen Durchschnitt höher sein können. Bei gleich hohen Gewinnraten über eine längere Zeitspanne hinweg unterliegen risikoreiche Unternehmen mit weniger stetiger Gewinnentwicklung und kleinere Unternehmen mit enger begrenztem Produktionsprogramm angesichts der progressiven Ausgestaltung der persönlichen Einkommensteuer und des Prinzips der Jahresgewinnbesteuerung einer höheren langfristigen durchschnittlichen Steuerbelastung als Unternehmen mit kontinuierlicherer Gewinnentwicklung. Auf die Bedeutung der Höhe der Gewinnraten und der anteilsmäßigen Gewinneinbehaltungen für die unternehmerischen Wachstumsmöglichkeiten wurde bereits hingewiesen. Relativ hohe Gewinnraten kleinerer und dynamischer Unternehmen können den Vorteil aus niedrigerer Steuerbelastung abschwächen, ausgleichen oder überkompensieren. Besonders dynamische Unternehmen weisen vermutlich nicht selten relativ hohe Gewinnraten auf. Fraglich erscheint es aber, ob die Unternehmen der oberen Unternehmensgrößenklassen geringere Gewinnraten erwirtschaften als kleine und mittlere wachsende Unternehmen. Empirische Untersuchungen zur Frage nach der Abhängigkeit der Gewinnraten von der Größe personenbezogener Unternehmen sowie nach der Höhe der Gewinnraten der Personenunternehmen im Vergleich zur Kapitalverzinsung der Aktiengesellschaften sind dem Verfasser nicht bekannt. Genaue Aussagen sind nur bei Kenntnis der spezifischen Unternehmensbedingungen und der konkreten Ausgestaltung der Steuertarife möglich. Relativ hohe Selbstfinanzierungsanteile und begrenzte Substitutionsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Finanzierungsformen kleinerer und kleinerer besonders risikofreudiger Unternehmen beruhen auf ähnlichen Faktoren, wie sie früher dargestellt wurden. Besonders hingewiesen sei hier auf Unterschiede gegenüber Kapitalgesellschaften mit Zugang zum organisierten Kapitalmarkt. Die Geschäftsleitungen großer Aktiengesellschaften besitzen einerseits wie die Eigentümer-Unternehmer ein ausgeprägtes Interesse an der Selbstfinanzierung, und sie verfügen über günstige Möglichkeiten, erhebliche Teile der erzielten Gewinne zurückzuhalten. Die Publizität der Aktiengesellschaften gegenüber den Gesellschaftern ist im Vergleich zu Personenunternehmen gering, so

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daß es den Geschäftsleitungen relativ leicht gemacht wird, ohne Wissen und Zustimmung der Aktionäre Gewinne für Investitionszwecke zurückzuhalten153. Auch kann der Druck der Aktionäre zu hohen Gewinnausschüttungen schwächer als bei den Eigentümer-Unternehmern sein. Während der Gewinn für den Einzelunternehmer bzw. für die Gesellschafter einer Mehrpersonenunternehmung die primäre Einkommensquelle zur Finanzierung des Konsums darstellt, machen die Dividendeneinkünfte und Kapitalgewinne der Aktionäre im allgemeinen nur einen geringen Teil ihrer Einkommen aus. In entgegengesetzter Richtung wirkt jedoch, daß die Aktiengesellschaften Dividenden in angemessener Höhe auszahlen müssen, um den Aktionären eine gewisse Vermögensbildung zu ermöglichen154• Dieses Erfordernis taucht bei Personenunternehmen nicht auf, da die Verwendung des Gewinnes für Investitionszwecke in der Unternehmung persönliches Sparen darstellt. Diesen Gründen, die nicht für eine höhere anteilsmäßige Selbstfinanzierung von Personenunternehmen sprechen, stehen jedoch gewichtigere Finanzierungsnachteile kleinerer Unternehmen gegenüber. Kleinere Unternehmen sind zur Wachstumsfinanzierungunter den herrschenden Verhältnissen in besonderem Maße auf einbehaltene Gewinne angewiesen. Die Großunternehmen besitzen sehr viel günstigere Möglichkeiten der Außen-, Abschreibungsund Rückstellungsfinanzierung155 • Sie können daher stärker auf die Selbstfinanzierung verzichten, bzw. sie können bei ähnlich hohen und höheren Anteilen der einbehaltenen Gewinne an den Gesamtgewinnen als bei kleineren Unternehmen leichter Selbstfinanzierungseinbußen durch vermehrte Aufnahme anderer Finanzmittel ausgleichen. Den Personenunternehmen und personenbezogenen Kapitalgesellschaften, die die Börsenzulassungsbedingungen nicht erfüllen, ist der Zugang zum organisierten Kapitalmarkt versperrt. Die Eigen- und Fremdkapitalanteile sind nicht fungibel. Nur die relativ kleine Gruppe großer Aktiengesellschaften besitzt auf Grund ihrer Rechtsform die Möglichkeit, weitgestreu153 Vgl. Lenel, 0.: Ursachen der Konzentration, Tübingen 1962, S. 146. m Vgl. Cosciani, C.: The Effects of Differential Tax Treatment of Corporate and Non-Corporate Enterprises, OECD 1959, S. 59. 155 Lipjert, H. (Wandlungen von Kapitalstruktur und Finanzierungsformen deutscher Industrie-Aktiengesellschaften, in: Strukturwandlungen einer wachsenden Wirtschaft, SdVfS, N. F. Bd. 30/II, Neumark, F. (Hrsg.), Berlin 1964, S. 591 ff. und S. 618) ermittelt für die Gesamtheit der statistisch erfaßten deutschen Industrie-Aktiengesellschaften, daß im Jahresdurchschnitt von 19531960 jährlich rund 64 v. H. aller Mittel durch Innen- und 36 v. H. durch Außenfinanzierung bereitgestellt wurden. Die Anteile der einzelnen Finanzierungsformen an der Gesamtfinanzierung betrugen für die Fremdfinanzierung 24 v. H., die Eigenfinanzierung 12 v. H., die Abschreibungsfinanzierung 45 v. H., die Rückstellungsfinanzierung 10,7 v. H. - Die Innenfinanzierung erreichte im Jahresdurchschnitt 1953 - 1960 nicht weniger als 98,2 v. H. des Sachanlagenzugangs. Da hierbei die stillen Gewinne nicht voll berücksichtigt sind, liegt die Deckungsquote sogar noch höher. Allein die Abschreibungen in v. H. des Sachanlagenzugangs betrugen rd. 67 v. H. Sie waren somit in der Lage, zwei Drittel aller Sachanlagenzuwächse zu tragen (vgl. ebd., S. 594).

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tes Beteiligungs- und Fremdkapital aufzunehmen156. Die vergleichsweise ungünstigen Eigenfinanzierungsbedingungen der Personenunternehmen setzen gleichzeitig der Beschaffung langfristigen Fremdkapitals enge Grenzen. Eine zu geringe Eigenkapitalbasis impliziert das Fehlen ausreichender dinglicher Sicherheiten für die Kreditgeber. Vielen Kleinund Mittelunternehmen ist es aus diesem Grund nicht möglich, zusätzliches langfristiges Fremdkapital zu erhalten 157. "Die Fähigkeit, dingliche Sicherheiten zu bieten, verringert sich in der Regel mit abnehmender Betriebsgröße, die Anforderungen der Kreditinstitute bezüglich dieser Sicherheitsmittel nehmen dabei zugleich zu158." Höhere Zinskosten für langfristiges Fremdkapital resultieren weiter daraus, daß die Gewinnentwicklung kleinerer Unternehmen weniger kontinuierlich verläuft und ihre Sterblichkeitsrate relativ hoch ist, so daß Kreditgeber eine höhere Risikoprämie bei der Fixierung ihrer Zinsforderungen ansetzen159. Auch können sie angesichts der geringeren Auswahlmöglichkeiten nicht immer das am Markt angebotene niedrigst verzinsliche Fremdkapital aufnehmen160. Da außerdem die bei der Vergabe eines Kredits entstehenden Kosten nur in geringem Maße von der Höhe des Kredits abhängen, ist ein Großkredit selbst bei sonst gleichen Konditionen billiger. Schließlich können Großunternehmen vielfach einen langfristigen Kapitalbedarf zunächst mit Hilfe von Bankkrediten decken, bis sich ein günstiger Zeitpunkt für die Aufnahme langfristigen Kapitals etwa durch Ausgabe niedrig verzinslicher Obligationen ergibt161. Ähnliche Überlegungen sprechen dafür, daß die Eigenkapitalbeschaffungsschwierigkeiten kleinerer 156 Von den Mitte 1961 in der BRD vorhandenen 2,1 Mill. Unternehmen waren 98,6 v. H. Einzelunternehmen (einschließlich Gesellschaften des Bürgerlichen

Rechts), offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung, während der Anteil der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien nur 0,1 v. H. betrug. Vgl. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden: Fachserie C, Unternehmungen und Arbeitsstätten, Arbeitstättenzählung vom 6. 6. 1961, Vorbericht S, Unternehmen nach Rechtsformen und Ländern, Stuttgart und Mainz 1964, S. 6 ff. Höher liegt der Anteil der Kapitalgesellschaften an der Gesamtzahl der Unternehmen in den USA. 1962 betrugen die Anteile für Einzelunternehmen 80,7 v. H., für Personengesellschaften 8,2 v. H. und für Kapitalgesellschaften 11,1 v. H. Vgl. Statistical Abstract of the U.S. 1965, Washington, D. C., U.S. Government Printing Office, 1965, S. 490. 157 Vgl. Hax, K.: Die Entwicklungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmungen. Betriebswirtschaftliche Grundlagen und Probleme, in: Internationales Gewerbearchiv, 10. Jg. (1962), S. 12 und Johnson, G. F.: Long-Term Senior Financing for Small Business, in : The Financing of Small Business: A Current Assessment, a.a.O., S. 229 f. 158 Gellner, B.: Wird die kleine und mittlere industrielle Unternehmung diskriminiert?, Berlin 1968, S. 47. 159 Vgl. Brigham, E. F.: The Cost of Capital of the Small Firm, in: The Financ~ ing of Small Business: A Current Assessment, a.a.O., S. 107. 160 Vgl. ebd., S. 107 f. 181 Vgl. Hax, K.: Betriebswirtschaftliche Probleme der Konzentration, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, SdVfS, N. F. Bd. 22, Neumark, F. (Hrsg.), Berlin 1960, S. 87.

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Personenunternehmen gegenüber großen Personenunternehmen und Aktiengesellschaften besonders groß sind. Im Hinblick auf die Abschreibungsfinanzierung weisen große Unternehmen sehr viel höhere absolute periodische Abschreibungsbeträge als kleine und mittlere Unternehmen auf. Sie können die über verdiente Abschreibungen freigesetzten Mittel besser zur Finanzierung bestimmter Investitionsvorhaben einsetzen. Pensionsrückstellungen als Grundlage der Investitionsfinanzierung kommen bei kleinen und mittleren Unternehmen nur in Ausnahmefällen in Betracht, während sie bei Großunternehmen eine bedeutende Rolle spielen. Rückstellungen sind definiert als Aufwand, verbunden mit einer zukünftigen, der Höhe und dem Fälligkeitszeitpunkt nach nicht genau bekannten Ausgabeverpflichtung. Da erst in späteren Perioden Ausgaben auftreten, stehen die durch verdiente Rückstellungen freigesetzten Mittel der Unternehmung bis zum Zeitpunkt der Ausgabeverpflichtung zur Verfügung. Typisch langfristigen Chrakter besitzen die durch Pensionsrückstellungen freigesetzten Finanzmittel; sie sind deshalb zur Investitionsfinanzierung gut geeignet. Empirische Untersuchungen für die BRD zeigen, daß ein sehr hoher Teil der gesamten Pensionsrückstellungen auf die Großunternehmen entfälltl62. Dies beruht darauf, daß die Höhe der betrieblichen Pensionsrückstellungen direkt von der Anzahl der Betriebsangehörigen abhängt und das mit diesen Sozialleistungen verbundene Risiko (z. B. infolge vorzeitiger Invalidität und gefährdeter Unternehmensexistenz) für kleinere Unternehmen ganz besonders ins Gewicht fällt und die Verpflichtungen bei Versicherungsgesellschaften in Deckung gegeben werden müßten163 • Abschließend kann festgehalten werden: Im Gegensatz zu den Wirkungen einer proportionalen Körperschaftsteuer auf die finanzierungsbedingten Wachstumsmöglichkeiten kleinerer, kleinerer besonders risikofreudiger und großer Gesellschaften lassen sich bei unterschiedlicher Steuerbelastung der einzelnen Unternehmensgruppen keine hinreichend genauen allgemeinen Aussagen machen, solange nicht ein bestimmter Einkommen- und Körperschaftsteuertarif vorgegeben ist. Um gesichertere Ergebnisse ableiten zu können, bedarf es darüber hinaus empirischer Untersuchungen über die Höhe der Gewinnraten, der Anteile der einbehaltenen Gewinne an den Gesamtgewinnen sowie über die Finanzierungsbedingungen der einzelnen relevanten Unternehmensgruppen. Es ist durchaus möglich, daß Großunternehmen in ihren finanzierungsbedingten Wachstumsmöglichkeiten stärker behindert werden; dies er102 Vgl. Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, Bundestagsdrucksache IV/2320 (1. Bd.), 1964, S. 61. 183 Vgl. Pohmer, D.: Die steuerliche Beeinflussung der Unternehmenskonzentration unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West), a.a.O., S. 1071.

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scheint jedoch vielfach nicht wahrscheinlich, da der einbehaltene Gewinn für die kleineren wachsenden und kleineren besonders risikofreudigen Unternehmen unter den herrschenden Verhältnissen häufig die einzige nachhaltige und entscheidende Kapitalquelle darstellt164 und da die Steuertarife in der Praxis nicht hinreichend differenziert ausgestaltet werden können, um den spezifischen Finanzierungsbedingungen der einzelnen Unternehmensgruppen annähernd Rechnung zu tragen. Innerhalb der Gruppe etablierter Unternehmen treten Wachstumsnachteile vor allem für Unternehmen mit hohem Risiko, insbesondere für kleinere Unternehmen mit in Relation zum vorhandenen Kapitalstock hohen Investitionen auf. Eindeutige Steuernachteile bestehen für junge Unternehmen. bb) Wirkungen des steuerlichen Verlustausgleichs Die investitionshemmenden Wirkungen der Gewinnbesteuerung werden abgeschwächt, wenn steuerliche Verlustausgleichsregelungen bestehen und die Zensiten ausreichend hohe Gewinne (und sonstige Einkommen, soweit die Unternehmer der persönlichen Einkommensteuer unterliegen) zu erwirtschaften vermögen, um Verluste gegen Ge"Y:inne (und sonstige steuerpflichtigen Einkünfte) aufrechnen zu können. Der Fiskus beteiligt sich unter diesen Bedingungen nicht nur an den Gewinnchancen, sondern auch an den Verlustrisiken, und die im Vergleich zum fehlenden Verlustausgleich verminderten Steuerzahlungen verbessern die Unternehmerischen Selbstfinanzierungsmöglichkeiten. Die herrschenden Steuerregelungen in den westlichen Ländern sehen vor, daß Verluste eines Jahres mit Gewinnen (und sonstigen Einkünften) einer begrenzten Anzahl vorhergehender undtoder künftiger Jahre aufgerechnet werden können (zeitlicher Verlustausgleich, Verlustrück- und Verlustvortrag). Darüber hinaus ist es steuerlich zulässig, partielle Verluste mit Gewinnen der gleichen Periode aus anderen Tätigkeitsbereichen innerhalb einer Unternehmung sowie (für die Eigentümer-Unternehmer) Unternehmensverluste mit Nichtunternehmenseinkünften des gleichen Jahres zu verrechnen (vertikaler Verlustausgleich). Im Falle einer proportionalen Gewinnsteuer und eines vollkommenen vertikalen Verlustausgleichs oder eines vollkommenen Verlustrücktrags wird die durchschnittliche erwartete Ertragsrate einer Investition (r) proportional zum Steuersatz reduziert, da sich der Fiskus in gleichem Maße an den Gewinnchancen (g) und den Verlustrisiken (v) zum Zeitpunkt der Entstehung erwarteter Gewinne und möglicher Verluste beteiligt. Es 184 Vgl. hierzu noch: Hagenmüller, K. F.: Der langfristige Kredit für den gewerblichen Klein- und Mittelbetrieb, München 1962, S. 17; Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft: Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, a.a.O., S. 22; Industriekreditbank AG, Düsseldorf, Geschäftsbericht 1964/65, S. 28.

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gelten die Gleichungen T = g-v (vor Besteuerung) und Tn = g(1-t) -v(1-t) (nach Besteuerung)185• Um diesen Zusammenhang an einem Beispiel zu verdeutlichen, sei angenommen, daß vor Besteuerung für ein bestimmtes Investitionsvorhaben die Summe der mit den subjektiven Wahrscheinlichkeiten gewogenen erwarteten Gewinnraten (g) 70 v.H. und die Summe der mit den subjektiven Wahrscheinlichkeiten gewogenen möglichen Verlustraten (v) 40 v. H. beträgt, so daß sich eine durchschnittliche erwartete Ertragsrate von 30 v.H. ergibt. Eine proportionale Gewinnsteuer in Höhe von 50 v.H. vermindert bei gegebenen subjektiven Wahrscheinlichkeiten die erwartete Gewinnrate auf 35 v.H. und die Verlustrate auf 20 v.H. Die durchschnittliche Ertragsrate nach Besteuerung beträgt somit 15 v.H. Bei fehlendem Verlustausgleich wird die durchschnittliche Ertragsrate einer Investition überproportional zum Steuersatz reduziert; die Risikokompensation je Risikoeinheit durch den Gewinn nimmt nach Besteuerung ab. Es gilt Tn = g(1-t)-v. Die Ertragsrate würde im genannten Beispiel bei fehlendem Verlustausgleich auf -5 v.H. reduziert werden. Im Falle eines tatsächlichen Verlustausgleichs von beispielsweise 10 v.H. (30 v.H.) der möglichen Verlustrate ergäbe sich eine Nettoertragsrate von -3 v.H. (1 v.H.). Investitionsneigung und Finanzierungsmöglichkeiten werden je nach dem Grad des tatsächlichen steuerlichen Verlustausgleichs unterschiedlich beeinflußt. Mit zunehmendem Verlustausgleich nehmen die periodischen Steuerzahlungen ab bzw. steigen die Steuerrückzahlungen (im Falle des Verlustrücktrags), so daß sich auch die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten entsprechend verbessern. Auch im Hinblick auf die Investitionsneigung schwächen sich die investitionshemmenden Wirkungen der Besteuerung mit wachsendem Verlustausgleich ab. Bei unvollkommenem Verlustausgleich vermindert sich die Risikokompensation je Risikoeinheit durch den Gewinn, und zwar um so stärker je begrenzter der Verlustausgleich ist. Die Investoren erhalten keine angemessene Abgeltung des Risikos durch den Ertrag, und sie werden deshalb weniger riskante Investitionen vorziehen, wobei das Investitionsvolumen konstant bleiben kann, typischerweise jedoch abnimmt (Substitutionseffekt der Besteuerung). Andererseits aber führt die Verminderung der Nettoerträge aus Investitionen zu einer Schmälerung der verfügbaren Unternehmereinkommen, und die Unternehmer können zur Sicherung ihrer bisherigen Einkommen bestrebt sein, riskantere Investitionen mit höheren Erträgen vorzunehmen (Einkommenseffekt). Substitutions- und Einkommenseffektder Besteuerung wirken also in entgegengesetzter Richtung. Mit abnehmenden Verlustausgleichsmöglichkeiten steigt die Be185 Vgl. Domar, E. D. und Musgrave, R. A.: Proportional Income Taxation and Risk-Taking, in: QJE, Bd. 58 (1944), wieder abgedruckt in: Readings in the Economics of Taxation, Musgrave, R. A. und Shoup, C. S. (Hrsg.), London 1966, 2. Aufl., S. 497 ff. und S. 512.

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deutung des Substitutionseffektes. Bei fehlendem oder eng begrenztem Verlustausgleich wird der Substitutionseffekt mit ziemlicher Sicherheit dominieren 168• Können Verluste in voller Höhe mit Gewinnen und sonstigen Einkünften der gleichen oder vorhergehender Perioden aufgerechnet werden, dann tritt kein Substitutionseffekt auf und das Streben nach Einkommenserhaltung wirkt einer Verminderung der Investitionstätigkeit entgegen. Diese Wirkungen beziehen sich sowohl auf die Investitionsneigung der Unternehmensleitungen als auch auf die Bereitschaft externer Kapitalgeber zur Kapitalanlage bei den Unternehmen, so daß auch die Außenfinanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen durch den Unternehmerischen Verlustausgleich beeinflußt werden. Die Kapitalanlage ist je nach den spezifischen Verlustausgleichsbedingungen unterschiedlich rentabel und riskant. Besondere Wirkungen des Verlustausgleichs bestehen für Unternehmen, die der progressiven persönlichen Einkommensteuer unterliegen. Selbst dann, wenn Verluste voll gegen Gewinne oder sonstige Einkünfte aufgerechnet werden können, beteiligt sich der Fiskus tendenziell stärker an den Gewinnchancen als an den Verlustrisiken einer Investition167• Während der erwartete Gewinn aus einer geplanten Investition den steuerpflichtigen Unternehmerischen Gesamtgewinn erhöht bzw. einen Unternehmensgewinn entstehen läßt, nimmt der steuerpflichtige Gewinn im Falle des Eintretens von Verlusten ab. Die den Gewinnen bei erfolgreicher Investitionstätigkeit zurechenbaren Grenzsteuersätze liegen angesichts der Steuerprogression tendenziell höher als die den Verlusten im Falle eines Fehlschiagens der Investition zurechenbaren Grenzsteuersätze, was zur Folge hat, daß sich der Fiskus stärker an den Gewinnen als an den Verlusten einer Investition beteiligt. Der Substitutionseffekt der Besteuerung tritt um so eher bzw. stärker auf, je höher der Grad der Steuerprogression und das Investitionsrisiko sind. Mit zunehmender Steuerprogression wächst die Wahrscheinlichkeit, daß die den Gewinnen und Verlusten zurechenbaren Steuersätze voneinander abweichen, bzw. nimmt die Differenz zwischen den steuerlichen Be- und Entlastungssätzen zu. Mit steigendem Risikograd der Investitionsvorhaben erhöhen sich andererseits die erwarteten Gewinne und die möglichen Verluste, so daß die Be- und Entlastungssätze bei gegebener Steuerprogression eher oder stärker differieren. Junge, kleine und mittlere, insbesondere risikofreudige kleinere Unternehmen ziehen aus den steuerlichen Verlustausgleichsregelungen nicht in gleichem Maße Vorteile wie die größeren Unternehmen, zum einen weil die tatsächlichen Möglichkeiten des Verlustausgleichs begrenzter Vgl. Domar, E. D. und Musgrave, R. A., a.a.O., S. 495. Vgl. Domar, E. D. und Musgrave, R. A., a.a.O., S. 524 und Lintner, J . und Butters, J. K.: Effects of Taxes on Concentration, a.a.O., S. 251. 166

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sind und zum anderen weil sich der Staat bei Personenunternehmen in· folge der Steuerprogression in höherem Maße an den Gewinnen als an den Verlusten beteiligt. Zunächst seien die differenzierenden Wirkungen des vertikalen Verlustausgleichs bei proportionaler Körperschaftsbe· steuerung dargestellt. Großunternehmen besitzen besonders günstige Möglichkeiten, Verluste gegen Gewinne der gleichen Periode aufzurech· nen. Ihr Produktionsprogramm ist typischerweise weit verzweigt, und die Gewinnentwicklung verläuft kontinuierlicher als bei kleineren Un· ternehmen. Diskriminiert werden vor allem junge Gesellschaften und dynamische kleinere Unternehmen, die durch relativ hohe, riskante In· vestitionen versuchen, in höhere Unternehmensgrößenklassen vorzu· dringen. Für junge Unternehmen, die in den ersten Jahren nach der Un· ternehmensgründung noch keine Gewinne zu erwirtschaften vermögen, entfällt die Möglichkeit zum vertikalen Verlustausgleich. Versuchen sie, durch neue Investitionen ihre Entwicklungsmöglichkeiten zu verbessern, so besteht kein Einkommen, um mögliche Verluste bei einem Fehlschla· gen der Investitionen steuerlich aufzurechnen, während Gewinne voll besteuert werden. Erzielen junge Unternehmen Gewinne, dann sind die vertikalen Verlustausgleichsmöglichkeiten angesichtsder typischerweise eng begrenzten Produktionsprogramme relativ gering, wenn neue In· vestitionen zu Verlusten führen. Ähnliches gilt für ältere kleinere Unter· nehmen mit hohem Risikograd. Die Investitionen dieser Unternehmen sind häufig in Relation zum bestehenden Produktionsapparat groß, so daß bei Fehlinvestitionen keine oder nur sehr begrenzte Verlustaufrechnungsmöglichkeiten bestehen168• Da die Entwicklung dieser Unternehmen außerdem mit einem hohen Risiko verbunden ist, nimmt infolge der Besteuerung bei gegebenem begrenztem Verlustausgleich auch die Risikokompensation je Risikoeinheit durch den Gewinn relativ stark ab. Mit steigendem Verlustrisiko vermindert sich bei gegebenem begrenztem Verlustausgleich der steuerlich verrechenbare Teil möglicher Verluste. Die Anreize zu risikoreichen Investitionen der kleineren und mittleren Unternehmen werden besonders abgeschwächt. Große Unternehmen erhalten auch angesichts der besseren vertikalen Verlustausgleichsmöglichkeiten einen größeren Anreiz, bestimmte Investitionsvorhaben mit hohem (objektbezogenem) Teilrisiko vorzunehmen als kleinere Gesellschaften. Die bereits für kleinere und dynamische Gesellschaften aus dem Steuertarif resultierenden Diskriminierungen werden durch diese Einflüsse verstärkt. Hinzu kommt, daß infolge des begrenzteren vertikalen Verlustausgleichs auch die Finanzierungsmöglichkeiten weitgehender eingeengt werden. Die stärkere Verminderung der Ertragsraten von Investitionen schwächt die Bereitschaft externer Kapitalgeber zur Anlage ihres Kapitals bei diesen Unternehmen tendenziell ab, und die im 188

u•

Vgl. Lintner, J. und Butters, J. K., a.a.O., S. 248.

164

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

zeitlichen Durchschnitt höhere Steuerbelastung der Gewinne verschlechtert ihre Selbstfinanzierungsmöglichkeiten in höherem Maße. Für Personenunternehmen sind die Wirkungen des vertikaLen VertustausgLeiches im Vergleich zu den Kapitalgesellschaften insofern unterschiedlich, als die Gewinne der progressiven Einkommensteuer unterliegen und die Eigentümer-Unternehmer Unternehmensverluste gegen Nichtunternehmenseinkünfte steuerlich aufrechnen können. Infolge der Steuerprogression beteiligt sich der Fiskus stärker an den Gewinnen als an den Verlusten einer Investition. Für junge Unternehmen, die durch neue Investitionen versuchen, in die Gewinnzone zu gelangen und für ältere kleinere Unternehmen mit hohem, jedoch besonders riskantem Wachstumspotential fallen die steuerlichen Be- und Entlastungssätze eher und stärker auseinander als für andere Unternehmen. Die Möglichkeiten der Aufrechnung partieller Verluste gegen partielle Gewinne der gleichen Periode sind begrenzter. Auch sind diese Unternehmen primär auf einbehaltene Gewinne und eigene private Mittel der Eigentümer angewiesen, so daß nur ein sehr enger Spielraum besteht, Unternehmensverluste mit Nichtunternehmenseinkünften steuerlich zu verrechnen. Im Vergleich zu Kapitalgesellschaften ergeben sich für Personenunternehmen ähnliche Nachteile aus dem vertikalen Verlustausgleich. Bei vollkommenem vertikalem Verlustausgleich beteiligt sich der Fiskus infolge der progressiven Ausgestaltung mit einem höheren Anteilsatz an den Gewinnen als an den Verlusten einer Investition, während die Gewinnchancen und Verlustrisiken bei Kapitalgesellschaften proportional zum Körperschaftsteuersatz reduziert werden. Je schärfer die Steuerprogression und je riskanter die Investitionstätigkeit ist, um so größer fällt die Differenz zwischen den steuerlichen Be- und Entlastungssätzen für Personenunternehmen aus und um so stärker vermindert sich die Investitionsneigung dieser Unternehmen im Vergleich zu Kapitalgesellschaften. Erweisen sich die Investitionen kleiner und mittlerer Unternehmen mit hohem, jedoch besonders riskantem Wachstumspotential als nicht erfolgreich, und kommt es zum Unternehmenszusammenbruch, so büßen die Eigentümer-Unternehmer im Gegensatz zu den Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften nicht nur ihr Unternehmensvermögen, sondern auch teilweise ihr Privatvermögen ein169• Große Kapitalgesellschaften besitzen außerdem angesichts der breiteren Streuung der Produktionsprogramme günstigere Möglichkeiten partielle Verluste gegen partielle Gewinne der gleichen Perioden aufzurechnen. Abgeschwächt werden die Nachteile kleinerer Unternehmen dadurch, daß die Eigentümer-Unternehmer im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften Unternehmensverluste mit Nichtunternehmenseinkünften steuerlich verrechnen können. Jedoch ist dieser Spielraum häufig gering, insbesondere was junge und kleinere 169

Vgl. Lintner, J. und Butters, J. K., a.a.O., S. 251.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

165

Unternehmen anbetrifft, da die Unternehmenseigner zur Wachstumsfinanzierung primär auf einbehaltene Gewinne und eigene private Mittel angewiesen sind und das Unternehmensvermögen deshalb den überwiegenden Teil des gesamten ertragbringenden Vermögens der EigentümerUnternehmer darstellt. Die Steuernachteile junger, kleiner und mittlerer sowie kleinerer besonders dynamischer Unternehmen aus dem vertikalen Verlustausgleich können abgeschwächt werden, wenn neben dem vertikalen Verlustausgleich ein steuerlicher Verlustrücktrag und/oder Verlustvortrag zugelassen ist. Der Verlustrücktrag diskriminiert Unternehmen, die in der Rücktragsperiode keine oder nicht ausreichend hohe Gewinne (und sonstige Einkommen) erzielt haben. Das gilt vor allem für junge Unternehmen, da sie im allgemeinen in den ersten Jahren nach ihrer Gründung keine oder nur geringe Gewinne zu erwirtschaften vermögen. Entweder können sie vom Verlustrücktrag überhaupt keinen Gebrauch machen, oder die Verlustrücktragsmöglichkeiten sind innerhalb der typischerweise kurzen Verlustrücktragsperiode (1- 2 Jahre) eng begrenzt. Die älteren Unternehmen mit relativ gesicherter Marktstellung und vergleichsweise höheren und stetiger auftretenden Gewinnen können temporäre Unternehmensverlusteweitgehend mit Gewinnen früherer Perioden aufrechnen. Sie werden um so stärker begünstigt, je länger die zulässige Verlustrücktragsperiode ist. Während sie in relativ hohem Maße Steuerrückzahlungen erhalten und die zusätzlichen Finanzmittel zur Sicherung der Liquidität und zur Überwindung der Unternehmensverluste einsetzen können, bietet der Verlustrücktrag jungen Unternehmen keine oder nur eine bescheidene Hilfe zur Stabilisierung der Unternehmensentwicklung. Abgeschwächt werden die Nachteile junger Unternehmen gegenüber etablierter Unternehmen aus dem vertikalen Verlustausgleich dann, wenn die älteren Unternehmen mögliche Verluste aus Neuinvestitionen bereits voll im Rahmen des vertikalen Verlustausgleichs aufrechnen können, junge Unternehmen hingegen nicht. Der Verlustrücktrag kommt nur Unternehmen zugute, die insgesamt Verluste erwirtschaften (bzw. deren Eigentümer nicht über ausreichend hohe laufende sonstige Einkünfte verfügen). Unter den gleichen Bedingungen und bei einer proportionalen Gewinnbesteuerung sowie vollkommener Verlustrücktragsmöglichkeiten entfallen die Nachteile aus einem begrenzteren vertikalen Verlustausgleich für kleinere Unternehmungen gegenüber Großunternehmen. Können hingegen Unternehmensverluste bei den großen Unternehmen nicht im Wege des vertikalen Verlustausgleiches steuerlich voll aufgerechnet werden, dann besitzen sie weiterhin Vorteile. Sie brauchen nur einen geringeren Teil der Verluste zurücktragen, so daß die Chance eines vollkommenen Verlustausgleiches innerhalb der typischerweise eng begrenzten Rücktragsperiode größer ist. Zum anderen verläuft ihre Gewinn-

166

li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinftationsbekämpfung

entwicklung relativ stetig, so daß die rücktragsbedürftigen Verluste niedriger sind und eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, daß in der Rücktragsperiode ausreichend hohe Gewinne erwirtschaftet wurden. Auch die Möglichkeiten des steuerlichen Verlustvortrags sind für die Unternehmen unterschiedlich. Für junge Unternehmen, die in den ersten Jahren nach ihrer Gründung Verluste aufweisen, erscheint es sehr ungewiß, ob es ihnen gelingt, dauerhaft auf den Märkten Fuß zu fassen. Scheitert das Unternehmen in der näheren Zukunft, so können gegenwärtige Verluste steuerlich nicht aufgerechnet werden. Können in der näheren Zukunft keine oder nur niedrige Gewinne erwirtschaftet werden, dann sind die Verlustvortragsmöglichkeiten relativ eng begrenzt. Selbst wenn ein teilweiser oder vollständiger Verlustvortrag möglich erscheint, bietet der Verlustvortrag jungen Unternehmen nur eine bescheidene Hilfe zur Verbesserung der Unternehmenslage. Die Investitionsanreize werden zwar weniger stark abgeschwächt, das zentrale Problem junger Unternehmen bildet jedoch die Kapitalknappheit. Solange sie sich in der Verlustphase befinden, tritt keine finanzielle Entlastung ein, obwohl sie gerade in diesem Stadium zusätzliche Finanzmittel dringend und dringender als in späteren Gewinnjahren benötigen. Auch kleinere etablierte Unternehmen besitzen geringere Kompensationsmöglichkeiten als Großunternehmen. Für kleinere Unternehmen mit im Vergleich zu den Großunternehmen diskontinuierlicherer Gewinnentwicklung tritt eine finanzielle Verbesserung in stärkerem Maße erst in späteren Jahren auf, während die großen Unternehmen infolge besserer vertikaler Verlustausgleichsmöglichkeiten zum Zeitpunkt der Verlustentstehung weitgehend Verluste steuermindernd aufrechnen können. Außerdem sind die Steuervorteile aus dem Verlustvortrag ungewisser als die Begünstigungen infolge des vertikalen Verlustausgleichs (und Verlustrücktrags), da nicht bekannt ist, ob die Unternehmungen in der Vortragsperiode ausreichend hohe Gewinne zu erzielen vermögen oder nicht. Je riskanter die Unternehmensentwicklung beurteilt wird, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines vollkommenen Verlustvortrags. Das gilt in besonders ausgeprägtem Maße für kleinere dynamische Unternehmen mit im Vergleich zum vorhandenen Kapitalstock hohen Investitionen, da bei einem möglicherweise auftretenden Fehlschlagen der Investitionsvorhaben, die Unternehmensexistenz in Frage gestellt ist. Die Gefahr eines Unternehmenszusammenbruch es ist für kleinere Unternehmen ganz allgemein höher als für Großunternehmen170 • Schließlich ergibt sich für Unternehmen, die Verluste primär im Wege des Verlustvortrags steuerlich aufzurechnen vermögen, gegenüber anderen Unternehmen ein ZinsnachteiL Während beirrt vertikalen Verlustausgleich und Verlust170 Vgl. Simons, G.: Comment on Tax Provisions which Promote Concentration, in: Taxation and BusineS'.; Concentration, Symposium Conducted by the Tax Institute, Princeton, New Jersey 1952, S. 79.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

167

rücktragdie Steuerminderung bzw. die Steuerrückerstattung im Jahr der Verlustenstehung erfolgt, vermindern sich die Steuerzahlungen beim Verlustvortrag erst in späteren Jahren. Infolge der Zinseinbuße nimmt die durchschnittliche erwartete Nettoertragsrate einer Investition und damit der Investitionsanreiz stärker ab. Die Abschwächung der Investitionsanreize ist um so größer, je höher die in das Investitionskalkül eingehenden Zinsraten sind. Die Ableitungen führen zu dem Ergebnis, daß die verschiedenen Formen des Verlustausgleichs zu wettbewerbspolitisch unerwünschten Wirkungen führen. Junge, kleinere und kleinere besonders risikofreudige Kapitalgesellschaften werden gegenüber den Großunternehmen stärker in ihren Wachstumsmöglichkeiten begrenzt. Eventuelle Steuervorteile kleinerer Personenunternehmen gegenüber größeren Unternehmen als Folge niedrigerer anwendbarer Steuersätze werden durch die herrschenden Verlustausgleichsregelungen tendenziell abgeschwächt, eventuell sogar ausgeglichen oder überkompensiert. Für kleinere Unternehmen, die bereitstrotzniedrigerer Steuersätze steuerbedingte Wachstumsnachteile gegenüber größeren oder weniger dynamischen Unternehmen besitzen, verstärken sich die Schwierigkeiten, in höhere Größenklassen vorzudringen. Jungen Unternehmen wird es erschwert, eine gesicherte Marktstellung zu erlangen. cc) Wirkungen beschleunigter Abschreibungen Die Einkommen- und Körperschaftsteuergesetze in den westlichen Ländern sehen im allgemeinen vor, daß die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Investitionsgutes schneller abgeschrieben werden können als es der Abschreibungsmethode mit gleichmäßiger Verteilung der Investitionskosten auf die tatsächliche Nutzungsdauer eines Investitionsgutes - vereinfachend als lineare Abschreibung definiert - entspricht. Abschreibungsmethoden, die im Vergleich zur linearen Abschreibung eine zeitliche Vorwegnahme von Abschreibungen bewirken, werden als beschleunigt bezeichnet. Der höchste Beschleunigungsgrad besteht, wenn die Investitionsausgaben im ersten Nutzungsjahr in voller Höhe als laufender Aufwand verrechnet werden können (Sofortabschreibung). Üblicherweise sind als beschleunigte Abschreibungsmethoden degressive Abschreibungsverfahren und Sonderabschreibungen steuerrechtlich zugelassen. Beschleunigte Abschreibungen führen gegenüber der linearen Abschreibung zu temporären oder langfristigen Steuerersparnissen171 • Be171 Vgl. zur Literatur über die Wirkungen beschleunigter Abschreibungen vor allem: Dobrovolsky, S. P.: Depreciation Policies and Investment Decisions, in: AER, Bd. 41 (1951), S. 906 ff.; Domar, E. D.: Depreciation, Replacement and Growth, in: EJ, Bd. 63 (1953), S. lff.; ders.: The Case of Accelerated Depre-

168

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

trachtet man isoliert ein einziges Investitionsgut, geht man also davon aus, daß der Unternehmerische Kapitalstock nur aus einem einzigen Investitionsgut besteht, so übersteigen die Abschreibungsbeträge nach der beschleunigten Abschreibung in den ersten Nutzungsperioden die Abschreibungsbeträge gemäß der linearen Abschreibung, während in den späteren Nutzungsjahren · die Abschreibungsbeträge nach der beschleunigten Abschreibung entsprechend niedriger sind, da die Abschreibungssumme nach den beiden Methoden gleich hoch ist. In den ersten Jahren vermindern sich die Steuerzahlungen eines Unternehmens in Höhe des Abschreibungsmehrbetrages nach den beschleunigten Abschreibungen multipliziert mit dem Grenzsteuersatz, während in den späteren Nutzungsjahren die Steuerzahlungen um den Mehrbetrag der Abschreibungen nach der linearen Abschreibung multipliziert mit dem Grenzsteuersatz höher sind. Vorausgesetzt ist dabei, daß die Unternehmen ausreichend hohe Bruttogewinne (und sonstige Einkommen) erwirtschaften, um die Abschreibungen steuermindernd verrechnen zu können. Bei gleichen Grenzsteuersätzen entsprechen die verminderten Steuerzahlungen in den ersten Abschreibungsjahren den vermehrten Steuerzahlungen in den späteren Nutzungsperioden. Die Summe der Steuerschuld ist über die Lebensdauer eines Investitionsgutes hinweg konstant. Die Unternehmen erhalten in den ersten Nutzungsperioden einen Kredit vonseitendes Staates, der in den folgenden Jahren sukzessiv zurückgezahlt wird. Dadurch verbessern sich zum einen die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten, und zum anderen erzielen die Unternehmen Zinsgewinne, da die staatlichen Kredite unverzinslich sind und die den Unternehmen zusätzlich verfügbaren Finanzmittel zinsbringend angelegt werden können. Die Zinsersparnis erhöht die Nettoertragsrate geplanter Investitionen. Der Zinsgewinn kann auch als Verminderung des Preises eines Investitionsgutes betrachtet werden172• Die Aussagen sind zu modifizieren, wenn der Grenzsteuersatz während der Nutzungszeit eines Investitionsgutes nicht konstant ist. Übersteigt der Grenzsteuersatz in den ersten Nutzungsjahren mit erhöhten Abschreibungen den anwendbaren Grenzsteuersatz in den folgenden Jahren, dann entstehen echte Steuerersparnisse. Die Summe der Steuerzahlungen während der Nutzungsdauer eines Investitionsgutes ist bei beschleunigter Abschreibung jetzt geringer als bei der linearen Abschreibung. Die in den ersten Jahren entstehenden staatlichen Kredite müssen nicht zu 100 v.H. zurückgezahlt werden. Die ciation, in: QJE, Bd. 67 (1953), S. 493 ff.; Brown, E. C.: The New Depreciation Policy Under the Income Tax: An Economic Analysis, in: NTJ, Bd. 8 (1955), S. 81 ff.; Goode, R.: Accelerated Depreciation Allowances as a Stimulus to Investment, in: QJE, Bd. 69 (1955), S. 191 ff.; Binder, R.: Die steuerliche Abschreibung in den Vereinigten Staaten, in: WWA, Bd. 80 (1958 I), S. 139 ff.; Weichsel, L.: Beschleunigte Abschreibung, Wachstum und Konjunktur, Köln und Opladen 1964, 1. Aufl. 172 Vgl. Brown, E. C., a.a.O., S. 92.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

169

Unternehmen kommen neben dem Zinsgewinn in den Genuß einer "Investitionsprämie". Entsprechend gilt, daß bei höherem Grenzsteuersatz in den späteren Nutzungsjahren die vom Staat eingeräumten Kredite de facto verzinslich sind173• Beschleunigte Abschreibungen können bei isolierter Betrachtung eines Investitionsgutes die Unternehmerischen Investitionsneigungen nicht nur auf Grund des Zinseffektes anregen, sondern sie können auch dazu beitragen, das Investitionsrisiko zu mildern. Die Investoren müssen häufig damit rechnen, daß die Wahrscheinlichkeit der Erzielung von Periodengewinnen mit zunehmender Nutzungsdauer eines Investitionsgutes abnimmt bzw. die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Verlusten zunimmt. Beschleunigte Abschreibungen führen gegenüber der linearen Abschreibung in den ersten Nutzungsjahren mit relativ günstigen Ertragserwartungen zu einer höheren Verminderung des steuerpflichtigen Gewinns und der Steuerzahlungen, während die Abschreibungsbeträge in späteren Jahren mit ungesicherteren Gewinnen bzw. mit höherer Verlustwahrscheinlichkeit geringer sind. Je niedriger die in den späteren Jahren zu verrechnenden Abschreibungen sind, desto geringer sind die Steuerrabatte auf Abschreibungen, die nicht mehr realisiert werden können, wenn Verluste auftreten. Vorausgesetzt ist dabei, daß keine steuerlichen Verlustausgleichsmöglichkeiten bestehen. Die zeitliche Vorwegnahme von Abschreibungen in Jahren mit relativ sicherer Gewinnentwicklung bewirkt also, daß die Unternehmen sicherer damit rechnen können, daß ihnen die abschreibungsbedingten Steuerrabatte zugute kommen, bzw. das Risiko nicht realisierbarer Steuerrabatte auf Abschreibungen geringer ist. Können die Abschreibungen nicht steuermindernd verrechnet werden, so beteiligt sich der Fiskus stärker an den Gewinnen als an den Verlusten. Beschleunigte Abschreibungen wirken deshalb in gleicher Richtung wie steuerliche Verlustausgleichsregelungen. Der risikomindernde Effekt beschleunigter Abschreibungen entfällt, wenn die Unternehmen ausreichende Möglichkeiten des vertikalen Verlustausgleichs besitzen, da dann die Abschreibungen zum Zeitpunkt der Entstehung eines partiellen Verlustes in voller Höhe steuermindernd verrechnet werden können. Bestehen ausreichende Verlustrücktrags- und Verlustvortragsmöglichkeiten, schwächt sich der risikomindernde Effekt beschleunigter Abschreibungen ab, er wird jedoch nicht aufgehoben. Im Vergleich zum Verlustrücktrag verbessern beschleunigte Abschreibungen bereits in den ersten Nutzungsperioden, in denen Gewinne erwirtschaftet werden, die Finanzierungsbedingungen und die Liquiditätslage der Unternehmen, während die Steuerrückzahlungen im Rahmen des Verlustrücktrags erst in den Verlustjahren erfolgen. Der Verlustrück173

Vgl. Domar, E. D.: The Case for Accelerated Depreciation, a .a.O., S. 493,

Fn.4.

170

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

trag wird deshalb dem Sicherheitsbedürfnis der Unternehmen nicht vollauf genügen174• Der Verlustvortrag wird andererseits nur wirksam, wenn die erwarteten Verluste vorübergehender Natur sind, während beschleunigte Abschreibungen auch bei anhaltenden zukünftigen Verlusten, die zum Konkurs führen oder dieangesichtsder Länge der Verlustvortragsperiode nicht oder nur teilweise aufrechnungsfähig sind, risikomindernd wirken. Bei temporären Verlusten verbessern sich im Falle des Verlustvortrages die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen außerdem erst in der Zukunft, während beschleunigte Abschreibungen bereits in den früheren Gewinnperioden die Finanzkraft stärken. Bisher wurde angenommen, daß der Kapitalstock eines Unternehmens nur aus einem einzigen Investitionsgut besteht. Beschleunigte Abschreibungsmethoden führen zu zusätzlichen Steuervorteilen, wenn von Jahr zu Jahr mehr oder weniger gleichmäßig Reinvestitionen und Nettoinvestitionen vorgenommen werden, wie es in wachsenden Volkswirtschaften für den gesamten Unternehmenssektor typisch ist. Eine Unternehmung mit zunächst wachsendem und dann für die weitere Zukunft konstantem Kapitalstock gelangt bei konstanten Grenzsteuersätzen und ausreichend hohen Gewinnen in den Genuß eines relativ langfristigen zinslosen Kredits von seiten des Staates. Während der Übergangsphase übersteigen aufgrundder Nettoinvestitionen die Steuerminderzahlungen - nach der beschleunigten Abschreibung gegenüber der Basisabschreibung - bei neueren Investitionsgütern die Steuermehrzahlungen bei älteren Investitionsgütern, so daß per Saldo in jeder Periode der Übergangsphase Steuerkredite entstehen. In der darauffolgenden Phase kontinuierlicher Reinvestitionen sind die periodischen Abschreibungsbeträge nach beiden Abschreibungsmethoden gleich hoch, so daß neue Steuerkredite nicht auftreten. Die Reinvestitionen bewirken, daß die früher entstandenen staatlichen Kredite erhalten bleiben. Die eingeräumten Kredite sind um so größer, je höher der Wert der Nettoinvestitionen in der Übergangsphase ist, und die Kredite stehen um so länger zur Verfügung, je kontinuierlicher Reinvestitionen vorgenommen werden. Bei permanenten kontinuierlichen Ersatzinvestitionen besitzen die Kredite praktisch eine unendliche Fristigkeit, und sie sind einer echten Steuersparnis gleichzusetzen. Unternehmen mit regelmäßiger Reinvestitionstätigkeit kommen somit in den Genuß höherer Steuervorteile als Unternehmen mit diskontinuierlicher Vornahme von Ersatzinvestitionen. Erfolgen langfristig von Jahr zu Jahr regelmäßig Nettoinvestitionen, so übersteigt das Mehr an Abschreibungen bei neuen Investitionsgütern nach der beschleunigten Abschreibung im Vergleich zur linearen Abschreibung über längere Zeit das Weniger an Abschreibungen bei älteren Investitionsgütern. Es entstehen in jeder Periode neue Steuert74

Vgl. Weichsel, L., a.a.O., S. 56 f.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

171

kredite. Je kontinuierlicher Nettoinvestitionen im Zeitablauf getätigt werden, desto höher ist das Volumen der eingeräumten Kredite. Die Investitionstätigkeit wachsender Unternehmen wird somit in besonderem Maße angeregt, und zwar um so stärker, je höher die Wachstumsrate des Kapitalstocks ist. Beschleunigte Abschreibungen begünstigen die Unternehmen nicht in gleichem Maße. Für junge Unternehmen, die sich in der Anfangsphase ihrer Entwicklung befinden und die in den ersten Jahren nach ihrer Gründung häufig Verluste oder niedrige Gewinne aufweisen, stellen beschleunigte Abschreibungen nur eine begrenzte Hilfe zur Stabilisierung der Unternehmensentwicklung dar. Treten in Perioden erhöhter Abschreibungen Verluste auf und bestehen keine Verlustausgleichsmöglichkeiten, dann entfallen Steuervergünstigungen aus erhöhten Abschreibungen. Können junge Unternehmen leichte Gewinne erwirtschaften, so erscheint es fraglich, ob die. Gewinne ausreichend hoch sind, um zusätzliche Abschreibungen in voller Höhe steuerlich verrechnen zu können. Da etablierte Unternehmen seltener Verluste aufweisen und da sie höhere Gewinne zu erwirtschaften vermögen, können sie auch die Steuervorteile beschleunigter Abschreibungen besser ausnutzen. Mit steigendem Grad der Abschreibungsbeschleunigung nimmt für junge Unternehmen die Wahrscheinlichkeit ab, daß zusätzliche Abschreibungen in voller Höhe steuerlich angerechnet werden können. Diese Nachteile für junge Unternehmen werden abgeschwächt, wenn ausreichende Verlustausgleichsmöglichkeiten bestehen, wobei hier vor allem der Verlustvortrag bedeutsam ist. Die steuerliche Verrechnung erhöhter Abschreibungen in späteren Jahren im Wege des Verlustvortrags kommt einer Verminderung des Beschleunigungsgrades der Abschreibungsmethode gleich. Die staatlicherseits gewährten Kredite fallen für junge Unternehmen aus diesem Grunde tendenziell relativ gering aus, die Fristigkeit der Mittel ist kürzer und Zinsgewinne sind niedriger als für etablierte Unternehmen mit günstigerer Gewinnentwicklung. Da das zentrale Problem junger Unternehmen die Kapitalknappheit darstellt und die Steuerkredite im Wege des Verlustvortrages erst in späteren Gewinnjahren realisiert werden können, bieten beschleunigte .Abschreibungen jungen Unternehmen in der Verlustphase keine Hilfe, dauerhaft an den Märkten Fuß zu fassen. Zinsgewinne werden kaum die Investitionsneigung dieser Unternehmen stärken. Einerseits wird die Investitionsneigung hier in hohem Maße durch nichtsteuerliche Faktoren bestimmt und zum anderen sind die Zinsgewinne bei beschleunigten Abschreibungsmethoden mit zeitverteilter Abschreibung zu gering, als daß sie die Investitionsneigung nachhaltig beeinflussen könnten. Die Höhe des Zinsgewinns hängt bei gegebenem beschleunigtem Abschreibungsverfahren, gegebenem Steuersatz und ausreichend hohen Bruttogewinnen von der Höhe des in den Investi-

172

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

tionskalkül eingehenden Zinssatzes und der Lebensdauer des Investitionsgutes ab. Mit steigendem Zinssatz und zunehmender Nutzungsdauer eines Investitionsgutes steigt der Zinsgewinn zunächst an und fällt nach Erreichen eines Maximums. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Höhe des Zinsgewinns in Abhängigkeit vom Zinssatz und der Lebensdauer eines Investitionsgutes, wobei als beschleunigte Abschreibungsmethode die digitale Abschreibung zugrunde gelegt ist. Die Differenz der Gegenwartswerte der Abschreibungen - nach der digitalen und linearen Abschreibung - in Relation zu den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eines Investitionsgutes multipliziert mit dem Grenzsteuersatz gibt den Zinsgewinn beschleunigter Abschreibungen in v.H. der Investitionsausgaben an. Tabelle 2

Gegenwartswerte der Absdueibungsbeträge in v.B. der Anschaffungsoder Derstellungskosten bei digitaler und linearer Abschreibung

Nut- digitale Abschreibg. (1) zungsZinssätze in v. H. dauer 4 12 20 10 20 30 40 50 100

85 72 68 &1 56 37

66 48 38 31 26

14

lineare Abschreibg. (2) Zinssätze in v. H . 20 4 12

50 33 25 20 16 9

81 68 57 49 43 24

55 36 25 20 16 8

39 22 15 11

9 5

(1)-(2) Zinssätze in v. H. 4 12 20 4 7 11

12 13 13

11

12 13 11

10 6

11

11

10 9 7 4

Quelle: Brown, E. C.: The New Depreciation Policy Under the Income Tax: An Economic Analysis, a.a.O., S. 92.

Die relativen Zinsgewinne liegen nach diesem Beispiel bei Annahme eines konstanten Grenzsteuersatzes von 50 v .H. (30 v.H.) zwischen 2 v.H. und 6,5 v .H . (1,2 und 4 v.H.). Beträgt beispielsweise der Zinsgewinn 5 v .H. und die Nettoertragsrate einer Investition bei linearer Abschreibung 10 v.H. (20 v.H.), so steigt die Ertragsrate auf 10,5 v.H. (21 v.H.) an. Weichsel ermittelt für die BRD, daß die Zinsersparnis im Durchschnitt wenig mehr als 3 v.H. beträgt, wenn man eine Abschreibungsdauer von 12 Jahren, einen Grenzsteuersatz von 50 v. H . und einen Zinsfuß von 8 v.H. zugrunde legt175• Es erscheint sehr unwahrscheinlich, daß eine derart geringe Verbesserung der Nettoerträge die Investitionsanreize fühlbar erhöht. Diese Auffassung wird auch in der angelsächsischen Lite175

Vgl. Weichsel, L., a.a.O., S. 53.

4. Steuerpalitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

173

ratur vertreten178 • Vor allem für junge Unternehmen, deren Zinsersparnisse niedriger ausfallen als die älterer Unternehmen, sind keine investitionsstimulierenden Einflüsse zu erwarten. Auch ist nicht zu vermuten, daß der risikomindernde Effekt beschleunigter Abschreibungen die Investitionsneigung junger Unternehmen nachhaltig zu verbessern vermag. Im Unterschied zu den etablierten Unternehmen besteht für junge Unternehmen eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß in den ersten Nutzungsjahren der Investitionsgüter Verluste und erst in späteren Perioden Gewinne erwirtschaftet werden. Der risikomindernde Effekt beschleunigter Abschreibungen beruht jedoch darauf, daß verstärkte Abschreibungen in den ersten Nutzungsjahren mit relativ sicherer Gewinnentwicklung vorgenommen werden können. Da dies für junge Unternehmen vielfach nicht zutrifft, wird auch das Investitionsrisiko dieser Unternehmen nicht oder nur in geringem Maße reduziert. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, daß junge Unternehmen in der Mehrzahl als kleinere personenbezogene Unternehmen gegründet werden und die Gewinne der progressiven Einkommensteuer unterliegen. Treten in den ersten Jahren keine Gewinne auf, dann führen erhöhte Abschreibungen bei fehlendem Verlustausgleich nicht zu einer temporären Steuerentlastung, während in späteren Nutzungsperioden eines Investitionsgutes, in denen Gewinne erwirtschaftet werden, die Steuerbelastung infolge der beschleunigten Abschreibung zusätzlich ansteigt, da in diesen Jahren die Abschreibungen nach der beschleunigten Abschreibung niedriger sind als nach der linearen Abschreibung. Abgeschwächt wird diese Wirkung, wenn erhöhte Abschreibungen der ersten Jahre im Wege des Verlustvortrages in den späteren Gewinnjahren steuerlich angerechnet werden können. Auch für junge Unternehmen, die in den einzelnen Nutzungsperioden Gewinne zu erwirtschaften vermögen, vermindert die Steuerprogression die Steuervorteile beschleunigter Abschreibungen, da in den ersten Jahren die Gewinne noch relativ gering sind und mit Verbesserung der Unternehmensentwicklung die Gewinne und die Steuerbelastung ansteigen. Es besteht dann stärker als bei anderen Personenunternehmen mit kontinuierlicherer Gewinnentwicklung die Tendenz, daß die Grenzsteuersätze in den ersten Nutzungsjahren der Investitionsgüter niedriger als in den späteren Jahren liegen, wodurch die abschreibungsbedingten Steuervorteile abgeschwächt oder aufgehoben werden. Die Ausführungen ergeben, daß junge Unternehmen aus beschleunigten Abschreibungen häufig keine entscheidende Hilfe zur Verbesserung 178 Dobrovolsky, S. P., a.a.O., S. 908; Goode, R., a.a.O., S. 195; Brown, E. C., a.a.O., S. 93; Edmonds, W. J.: The Effect on Business Decisions of Changes in Tax Depreciation Policy, in: NTJ, Bd. 8 (1955), S. 106.

174

li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

ihrer Unternehmenslage erlangen. Etablierte Unternehmen werden begünstigt, weil sie höhere und regelmäßigere Gewinne zu erwirtschaften vermögen und weil sie bessere Verlustausgleichsmöglichkeiten besitzen. Beschleunigte Abschreibungen beeinflussen auch die Wachstumsmöglichkeiten älterer Unternehmen nicht gleichmäßig. Großunternehmen besitzen gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen vielfach Vorteile. Die Gewinnentwicklung verläuft bei ihnen relativ stetig, und sie können Verluste besser gegen Gewinne steuerlich aufrechnen. Zum zweiten sind die periodischen Abschreibungen der Großunternehmen sehr viel höher als die kleinerer Unternehmen, so daß die als Folge beschleunigter Abschreibungen auftretenden staatlichen Kredite sehr viel größer sind und mit Hilfe dieser Mittel in höherem Maße bestimmte Investitionsvorhaben finanziert werden können. Kleinere Unternehmen müssen bei der Vornahme neuer Investitionen stärker auf andere Mittel zurückgreifen. Die Erfahrungen mit der Anwendung beschleunigter Abschreibungen in den USA bestätigen, daß die staatlichen Kredite als Folge beschleunigter Abschreibungen für das "small business" vielfach zu niedrig sind, um zusätzliche Investitionen finanzieren zu können177 • Außerdem können die laufenden Ausgaben für Forschung und Entwicklung in der Regel als Betriebsausgaben verrechnet werden, obwohl es sich in Wirklichkeit um "Fortschrittsinvestitionen" handelt, und Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen mit Anlagencharakter können nicht selten besonders schnell abgeschrieben werden. Da aber in den forschungsintensiveren Wirtschaftszweigen innerhalb eines breiten Unternehmensgrößenbereiches eine positive Abhängigkeit zwischen Forschungs- und Entwicklungsaufwand und Unternehmensgröße besteht und kleinere Unternehmen vielfach überhaupt keine Forschungs- und Entwicklungsausgaben tätigen178, besteht eine recht erhebliche Begünstigung der Großunternehmen durch die beschleunigte Abschreibung179• Empirische Untersuchungen stützen darüber hinaus die These, daß große Unternehmen kontinuierlicher Ersatz- und Nettoinvestitionen vornehmen, als kleine und mittlere Unternehmen180, so daß sie in den Genuß relativhoherund langfristiger staatlicher Kredite gelangen. Die großen Unternehmen 177 Vgl. Bellstedt, C.: Die Steuer als Instrument der Politik, Berlin 1966, S. 328 und die dort angegebene Literatur. m Vgl. Brockhoff, K.: Forschungsaufwendungen industrieller Unternehmen, in: ZfB, 34. Jg. (1964), S. 335 f. und Reuter, A. L.: Konzentration und WirtsC'haftswachstum, Köln und Opladen 1967, S. 53 ff. 178 Vgl. auch Pohmer, D.: Die steuerliche Beeinflussung der Unternehmenskonzentration unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West), a.a.O., S. 1070 und Wei chsel, L., a.a.O., S. 158. tso Vgl. Singh, A., Whittington, G. unter Mitarbeit von Burley, H. T. : Growth, Profitability and Valuation, a.a.O., S. 92 f. und Hymer, S. und Pashigian, P.: Firm Size and Rate of Growth, in: JPE, Bd. 70 (1962), S. 558.

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können aus diesem Grunde gleichzeitig damit rechnen, daß die weitere Unternehmensentwicklung recht kontinuierlich verlaufen wird, während für kleinere Unternehmen die zukünftige Entwicklung mit größerer Unsicherheit behaftet ist. Da für Großunternehmen deshalb zukünftige Steuervorteile aus beschleunigten Abschreibungen sicherer absehbar sind, werden sie auch eher und stärker zu zusätzlichen Investitionen angeregt als kleinere Unternehmen. Kontrovers ist hingegen die Frage, ob Großunternehmen vergleichsweise hohe Wachstumsraten aufweisen. Im Falle höherer Wachstumsraten würde das Unternehmenswachstum der großen Unternehmen zu Lasten der kleineren Unternehmen verbessert, da die Höhe des Steuervorteils aus beschleunigten Abschreibungen mit steigender Wachstumsrate des Kapitalstocks zunimmt. Je höher die Wachstumsrate ist, desto größer sind die Prozentsätze, um die die beschleunigten Abschreibungen die linearen Abschreibungen in den einzelnen Perioden übersteigen181 • Die vorliegenden empirischen Untersuchungen zur Frage der Abhängigkeit der Wachstumsraten von der Unternehmensgröße kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen und lassen deshalb keine endgültige Aussage zu. Singh, Whittington und Burley ermitteln, daß die durchschnittlichen Wachstumsraten kleinerer und größerer Aktiengesellschaften über eine längere Zeitspanne hinweg keine bedeutenden Unterschiede aufweisen, allerdings konnten leichte Tendenzen zu höheren Wachstumsraten bei den Unternehmen der höchsten Größenklasse (Unternehmen mit einem Nettovermögen von mehr als 2 Mio. Pfund) gegenüber kleinen und mittleren Gesellschaften nachgewiesen werden182 • Hymer und Pashigian konnten für die 1000 größten amerikanischen Industrieunternehmen aus zehn Wirtschaftszweigen in der Zeitspanne von 1949 bis 1955 keine eindeutige Beziehung zwischen der Höhe der Wachstumsraten und der Unternehmensgröße feststellen 183 • Albach und Samuels ermitteln höhere Wachstumsraten der Großunternehmen184• Zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangen Meyer und Kuh sowie Mansfield185. Diese Untersuchungen lassen vermuten, daß die Wachstumsraten 181 182

S.92.

Vgl. Weichsel, L., a.a.O., S. 30. Vgl. Singh, A., Whittington, G. unter Mitarbeit von BurZey, H. T., a.a.O.,

Vgl. Hymer, S. und Pashigian, P., a.a.O., S. 558. Vgl. AZbach, H.: Zur Theorie des wachsenden Unternehmens, in: Theorien des einzelwirtschaftlichen und des gesamtwirtschaftlichen Wachstums, SdVfS, N. F. Bd. 34, Krelle, W. (Hrsg.), Berlin 1965, S. 15; SamueZs, J. M.: Size and the Growth of Firms, in: RES, Bd. 32 (1965), S. 105 ff. - Auch die Konzentrationsenquete für die BRD kommt zu dem Ergebnis, daß die kleinen und mittleren Unternehmen, insbesondere die Industrieunternehmen, in ihrer Entwicklung wesentlich hinter den Großunternehmen zurückgeblieben sind. Vgl. Bundesamt für gewerbZiehe Wirtschaft, Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft, a.a.O., S. 18 ff. und S. 34. 185 Vgl. Meyer, J. R. und Kuh, E.: The Investment Decision, Cambridge, Mass. 1957, S. 161 ff.; MansfieZd, E.: Entry, Gibrat's Law, Innovation and the Growth of Firm, in: AER, Bd. 52 (1962), S. 1034. 183 184

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

großer Unternehmen häufig zumindest nicht niedriger liegen als die kleinerer Unternehmen, so daß insofern kleine und mittlere Unternehmen steuerlich nicht bessergestellt sind. Vorteile können sich für kleinere besonders dynamische Unternehmen ergeben, da die Investitionen hier nicht selten in Relation zum vorhandenen Kapitalstock und damit auch die staatlichen Kredite hoch sind. In entgegengesetzter Richtung wirkt jedoch, daß die in den Anfangsjahren der Nutzung der Investitionsgüter auftretenden hohen Abschreibungen zu buchmäßigen Verlusten führen können und daß bei einem Fehlschlagen der Investitionen die erhöhten Abschreibungen im Wege des Verlustvortrags nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang steuerlich verrechnet werden können. Für kleinere Unternehmen mit relativ hohen risikoreichen Investitionen können sich die laufenden Gewinne leicht als zu gering erweisen, und die Gefahr eines Unternehmenszusammenbruchs ist besonders groß. Kleinere risikofreudige Unternehmen können aus diesen Gründen gegenüber großen Unternehmen mit zurückhaltender Investitionstätigkeit in ihren Wachstumsmöglichkeiten steuerlich stärker behindert werden. Differenzierende Wirkungen beschleunigter Abschreibungen auf das Unternehmenswachstum resultieren schließlich aus der Ausgestaltung der Steuertarife. Da sich die Höhe der Steuerkredite bzw. Steuerersparnisse aus dem Produkt von Grenzsteuersatz und zusätzlicher Abschreibung errechnet, nehmen die Steuervorteile mit steigendem Grenzsteuersatz zu. Für Personenunternehmen, die der progressiven Einkommensteuer unterliegen, wächst demnach die Steuerersparnis mit steigendem Gewinn, d. h. in der Regel mit steigender Unternehmensgröße186• Kapitalgesellschaften weisen im Durchschnitt eine höhere Steuerentlastung auf als kleinere personenbezogene Unternehmen, da für sie ein vergleichsweise hoher Grenzsteuersatz zur Anwendung gelangt. Beschleunigte Abschreibungen begünstigen deshalb tendenziell größere Unternehmen stärker als kleinere. Nachteile der Personenunternehmen gegenüber den Kapitalgesellschaften, die der proportionalen Körperschaftsteuer unterliegen, beruhen bei diskontinuierlicher Reinvestitionstätigkeit außerdem darauf, daß während der Nutzungsdauer eines Investitionsgutes die Steuerbelastung ansteigen kann. Steigen die Gewinne, so erhöhen sich tendenziell die anwendbaren Grenzsteuersätze, und die zusätzlichen Abschreibungen in den ersten Nutzungsjahren führen zu einer temporären Steuerersparnis, die geringer ist als die Steuermehrzahlungen in den späteren Nutzungsjahren mit niedrigeren Abschreibungsbeträgen nach der beschleunigten Abschreibung im Vergleich zur linearen Abschreibung. Diese Wirkung besteht bei einer proportionalen Körperschaftsteuer nicht. Sie tritt auch für Personenunternehmen mit wachsendem Kapitalstock nicht auf, weil unter dieser Bedingung die periodischen Abschreitsa

Vgl. Weichsel, L., a.a.O., S. 157.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

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bungsbeträge nach der beschleunigten Abschreibung auf längere Sicht höher sind als bei der linearen Abschreibung. Da die Unternehmen jedoch keine sichere Kenntnis über die zukünftige Unternehmensentwicklung besitzen, erscheinen mögliche Steuervorteile aus beschleunigten Abschreibungen für Personenunternehmen mit Wachstumsaussichten weniger gewiß als für vergleichbare Kapitalgesellschaften, so daß auch die Investitionstätigkeit dieser Unternehmen vermutlich in geringerem Maße angeregt wird.

Zusammenfassend ergibt sich, daß beschleunigte Abschreibungen Monopolisierungstendenzen begünstigen187• Konzentrationsprozesse können ausgelöst oder verstärkt werden. Zwar wirken eventuell auftretende besonders hohe Steuervorteile kleinerer dynamischer Unternehmen mit hohen Investitionsraten dezentralisierend, jedoch kommt diesem Einfluß insgesamt nur eine bescheidene Bedeutung zu, zumal auch die Investitionsraten der meisten kleinen und mittleren Unternehmen nicht höher sind als die der großen Unternehmen. Abschließend sei kurz auf die Wirkungen von Pensionsrückstellungen eingegangen. Die Einflüsse auf das Unternehmenswachstum sind ähnlich wie die beschleunigter Abschreibungen. Pensionsrückstellungen können zu Steuerkrediten mit mehr oder weniger langer Fristigkeit führen. Steuervorteile entstehen, wenn die laufenden Pensionsrückstellungen steuerlich höher angesetzt werden können als es dem Gegenwartswert der zukünftigen Pensionszahlungen unter Berücksichtigung eines adäquaten Diskontierungssatzes entspricht. Soweit der steuerlich vorgeschriebene (Mindest-)Diskontierungszinssatz niedriger ist als der Zinssatz, den eine Unternehmung bei Anlage der freigesetzten Mittel erzielen kann - was häufig zutrifftiSs -, entstehen in den einzelnen Perioden stille Gewinne, die nicht besteuert werden. Zum Zeitpunkt der Einlösung der Pensionszusagen werden, infolge der Auflösung der stillen Reserven, die verminderten Steuerzahlungen früherer Jahre nachgeholt. Bei konstantem Grenzsteuersatz und isolierter Betrachtung der Pensionsrückstellungen für eine einzige Pensionszusage ist die Steuerschuld während der Zeitspanne von Beginn der Pensionsrückstellung bis zur Einlösung der Pensionszusage gleich hoch wie bei Pensionsrückstellungen, die nicht zu stillen Gewinnen führen. Stehen den zur Auflösung kommenden stillen Reserven aus älteren Pensionszusagen gleich hohe oder höhere periodische stille Gewinne aus neueren Pensionszusagen gegenüber - werden also kontinuierliche Pensionsrückstellungen gebildet -, dann kommen die Unternehmen in den Genuß sehr langfristiger staatlicher Kredite, die praktisch echte Steuerersparnisse darstellen. Es gelten die gleichen Zum gleichen Ergebnis gelangt Weichsel, L., a.a.O., S. 159. Vgl. Oberhauser, A.: Finanzpolitik und private Vermögensbildung, Köln und Opladen 1963, 1. Auf!., S. 127. 187

188

12 Cusier

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li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinftationsbekämpfung

Wirkungszusammenhänge, wie sie für beschleunigte Abschreibungen bedeutsam sind. Die mit Pensionsrückstellungen verbundenen Steuervorteile kommen vor allem den Großunternehmen zugute. Wie bereits dargestellt, werden Pensionsrückstellungen überwiegend von Großunternehmen vorgenommen. Zum einen ist die Höhe der Pensionsrückstellungen direkt von der Anzahl der Betriebsangehörigen und damit von der Unternehmensgröße abhängig, und zum anderen fällt das mit Pensionszusagen verbundene Risiko für kleinere Unternehmen ganz besonders ins Gewicht. Außerdem hängt die Höhe der Steuerkredite bzw. Steuerersparnisse von der Höhe der Grenzsteuersätze ab, so daß mit wachsender Unternehmensgröße die Steuervorteile zunehmen.

b) Reform der Gewinnbesteuerung Reformmaßnahmen müssen darauf gerichtet sein, steuerliche Diskriminierungen junger, kleiner und mittlerer Unternehmen möglichst weitgehend zu beseitigen. Man könnte zunächst daran denken, die Gewinnbesteuerung in den oberen Gewinn- und Einkommensklassen stärker progressiv auszugestalten, insbesondere die Körperschaftsgewinne progressiv zu besteuern. Von der Steuerprogression gehen tendenziell dekonzentrierende Impulse aus, und zwar um so eher und stärker, je höher die Steuersätze der großen Unternehmen im Vergleich zu den kleinen und mittleren Unternehmen sind. Kleinere Personenunternehmen können eher zu den großen Unternehmen aufschließen, und junge und kleinere Kapitalgesellschaften besitzen bessere Möglichkeiten, sich im Wettbewerb mit den großen Aktiengesellschaften zu behaupten. Häuser betont, daß eine hohe proportionale oder leicht progressive Gewinnsteuer vor allem den Großunternehmen einen wirksamen Schutz gegen neue Unternehmen bietet, da eine hohe Besteuerung eine wesentliche Hürde für "new-comers" darstellt, in den Kreis der traditionellen Anbieter einzubrechen189. "Die Marktstellung der Titanen wird ... durch die Existenz der Steuer unangreifbar gemacht, und zwar um so mehr, je höher die Steuersätze sind und je geringer dabei der Grad der Progression ist190 ." Die Verschärfung der Steuerprogression in den oberen Gewinnklassen bietet jedoch nur recht beschränkte Möglichkeiten, den spezifischen Unternehmensverhältnissen der verschiedenen Unternehmensgruppen Rechnung zu tragen und sie in ihren Wachstumsmöglichkeiten gleichmäßig zu beeinflussen. Die Steuertarife gelten allgemein und die Gewinnhöhe stellt kein hinreichendes Kriterium für die Marktstellung und die 189 Vgl. Häuser, K.: Steuerliche Beeinflussung der Einkommens- und Vermögenskonzentration in der Bundesrepublik, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, Arndt, H. (Hrsg.), SdVfS, N. F. Bd. 20/II, a.a.O., S. 1105 f. 190 Ebd., S. 1106.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

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Wachstumsbedingungen der einzelnen Unternehmen dar, so daß mit Hilfe von Steuersatzdifferenzierungen keine hinreichend gezielte Einflußnahme möglich ist. Unternehmen mit gleich hohen Gewinnen unterliegen beispielsweise cet. par. der gleichen Steuerbelastung, obwohl das Wachstum junger und besonders risikofreudiger Unternehmen steuerlich stärker gehemmt wird als das anderer Unternehmen. Da die Steuertarife für den gesamten Unternehmenssektor einheitlich gelten, können auch mit Hilfe der Steuerprogression nicht die besonderen Unternehmensverhältnisse in den einzelnen Wirtschaftszweigen und Branchen erfaßt werden. Die Verstärkung der Steuerprogression erhöht außerdem die Steuervorteile der Großunternehmen aus beschleunigten Abschreibungen und Pensionsrückstellungen, so daß die bei isolierter Betrachtung der Steuerprogression gegebenen Dekonzentrationswirkungen abgeschwächt werden. Da eine hinreichend stark differenzierte Ausgestaltung der Steuertarife nicht möglich ist und da die Steuervergünstigungen großer Unternehmen aus beschleunigten Abschreibungen und Pensionsrückstellungen mit zunehmender Steuerprogression ansteigen, können Reformmaßnahmen nicht auf eine Änderung der Steuertarife beschränkt bleiben. Es bedarf gezielterer (ergänzender) steuerpolitischer Eingriffe. Auf der Grundlage der früheren theoretischen Erörterungen ergeben sich als wichtigste weitere Reformmöglichkeiten der Gewinnbesteuerung: (1) die Einführung von Steuerstundungen, eventuell auch von Steuerbefreiungen für junge Unternehmen, (2) die Verbesserung des steuerlichen Verlustausgleichs und (3) die Ersetzung der degressiven Abschreibungsmethode durch die lineare Abschreibung und die Einführung der Abzugsfähigkeit erhöhter Abschreibungen (Sonderabschreibungen) von der Steuerschuld anstatt des Abzugs vom Gewinn, soweit aus wachstumspolitischen Gründen ein gewisser Beschleunigungsgrad der Abschreibungen angezeigt erscheint. Zu (1): Durch Einführung von Steuerstundungen191 oder Steuerbefreiungen werden die Entwicklungsmöglichkeiten junger Unternehmen

nachhaltig verbessert. Die Unternehmen können die einbehaltenen Bruttogewinne in voller Höhe zur Finanzierung des weiteren Unternehmensaufbaus verwenden. Das Risiko eines vorzeitigen Scheiterns vermindert sich, und die Zeitspanne bis zur Erreichung einer relativ gesicherten Unternehmensexistenz wird verkürzt. Erscheint die Unternehmensexistenz nach einer gewissen Übergangsphase als hinreichend gesichert, so sind die laufenden Gewinne gemäß der normalen Gewinnsteuer zu belasten, und die in früheren Jahren gestundeten Steuern müssen zurückm Die Gewährung von Steuerstundungen für junge Unternehmen wurde in jüngerer Zeit von Hirsch, H. (Die Selbstfinanzierung in der Steuerpolitik, a.a.O., S. 438 ff.) vorgeschlagen. 12°

180

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinfiationsbekämpfung

gezahlt werden. Steuerbefreiungen bieten jungen Unternehmen offensichtlich die größten Vorteile. Sie führen über eine längere Zeitspanne hinweg zu einer Verminderung der Steuerschuld, während im Falle von Steuerstundungen die Steuerschuld im zeitlichen Durchschnitt unverändert bleibt. Jedoch erscheint die Einführung temporärer Steuerbefreiungen für junge Unternehmen unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten sehr problematisch. Nicht bedenklich ist dabei ihre formal präferierte Steuerbehandlung gegenüber älteren Unternehmen, da die traditionellen Anbieter in ihren steuerbedingten Wachstumsmöglichkeiten häufig, wenn auch nicht immer, weniger stark eingeschränkt werden. Der wichtigste Einwand bildet die Diskriminierung der Empfänger von Arbeitseinkommen, zumal auch die Unternehmensgründer häufig wohlhabender sind als Unselbständige. Steuerbefreiungen junger Unternehmen erscheinen deshalb nicht gerechtfertigt und politisch auch nur sehr schwer durchsetzbar. Die Zulassung einer Stundung von Steuern auf den einbehaltenen oder gesamten Gewinn in der Anfangsphase der Unternehmensentwicklung erscheint hingegen unproblematisch, da die gestundeten Steuern später in voller Höhe zurückgezahlt werden müssen. Steuerstundungen sind aus diesen Gründen gegenüber temporären Steuerbefreiungen vorzuziehen. Auch weisen Steuerstundungen im Vergleich zur Festsetzung niedrigerer Steuersätze für junge Unternehmen wesentliche Vorteile auf. Die jungen Unternehmen sind zur Erreichung einer gesicherten Marktstellung in besonderem Maße auf die Selbstfinanzierung angewiesen. Im Falle der Steuerstundung stehen ihnen die einbehaltenen Bruttogewinne in voller Höhe zur Finanzierung des weiteren Unternehmensaufbaus zur Verfügung, während bei Besteuerung zu niedrigeren Steuersätzen, die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Außerdem ist es nicht möglich, die Steuersätze den besonderen Anforderungen der einzelnen jungen Unternehmen anzupassen, während Steuerstundungen den unterschiedlichen Gewinnverhältnissen voll Rechnung tragen. Eventuelle finanzielle Anspannungen in späteren Jahren bei Zahlung der gestundeten Steuern sind für die Unternehmensentwicklung im Anfangsstadium nicht relevant, da die Steuerzahlungen erst erfolgen, wenn die Unternehmensexistenz hinreichend gesichert erscheint. Durch zeitliche Streckung der Steuerzahlungen auf mehrere Jahre können eventuell auftretende übermäßige Belastungen in späteren Jahren vermieden werden192 • Zur Bestimmung des Kreises der Unternehmen, die in den Genuß von Steuerstundungen kommen sollen, muß festgelegt werden, für welche Zeitspanne Steuerstundungen geltend gemacht werden können. Eine ein182 Für junge Unternehmen, die nach einigen Jahren kräftig genug sind, um normale Steuern zu tragen, die jedoch mit der Tilgung der akkumulierten Steuerschuld überfordert sind, schlägt Hirsch die Umwandlung der Steuerschuld in eine staatliche Kommanditbeteiligung vor. Vgl. Hirsch, H.: Die Selbstfinanzierung in der Steuerpolitik, a.a.O., S. 440.

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heitliche Fixierung dieser Zeitspanne erscheint problematisch, da die Unternehmensbedingungen junger Unternehmen in verschiedenen Wirtschaftszweigen und innerhalb einer Branche nicht übereinstimmen. Geht man beispielsweise von einer Regelung aus, die vorsieht, daß junge Unternehmen der normalen Besteuerung unterliegen, soweit sie in zwei oder drei aufeinanderfolgenden vorhergegangenen Jahren Gewinne erwirtschaften konnten, so werden junge Unternehmen, deren Existenz bereits früher gesichert erscheint, ungewollt begünstigt, während Unternehmen mit einer längeren Übergangsphase diskriminiert werden. Diese Nachteile können durch eine sektoral unterschiedliche Festsetzung der Zeitspannen, für die Steuerstundungen zugelassen sind, gemildert werden, da vermutlich die Unternehmerischen Anlaufphasen vor allem in verschiedenen Wirtschaftszweigen stärker voneinander abweichen. Um den spezifischen Verhältnissen einzelner junger Unternehmen noch besser Rechnung zu tragen, sollte es ihnen ermöglicht werden, gegebenenfalls durch Antrag beim Finanzamt länger in den Genuß von Steuerstundungen zu gelangen, als es die allgemeinen Regelungen vorsehen. Um die Kontrollmöglichkeiten für den Fiskus zu erleichtern, sollte die Beweislast bei den Unternehmen liegen. Sie hätten ausführlich zu begründen, weshalb eine Sonderbehandlung notwendig erscheint. Da die Unternehmen ein Interesse daran haben, möglichst lange in den Genuß von Steuervergünstigungen zu kommen, bedarf es einer eingehenden Prüfung der Anträge durch den Fiskus auf der Grundlage eigener oder von öffentlich bestellten Gutachtern erarbeiteter Unternehmens- und Marktanalysen. Schwierigkeiten der Kontrolle sind darin begründet, daß eindeutige Aussagen über die Entwicklungsmöglichkeiten junger Unternehmen an Hand der vergangenen und laufenden Gewinne nicht möglich sind, da die zukünftige Entwicklung von zahlreichen nicht genau bekannten Faktoren abhängt. Kann zwischen den Zensiten und dem Fiskus keine Einigung erzielt werden, so sollte aus Gerechtigkeitsgründen ein endgültiges Urteil durch gerichtliche Instanzen herbeigeführt werden. Zwar können auch Gerichte die Unternehmerischen Entwicklungsaussichten nicht genau abschätzen, jedoch sollte es ihnen möglich sein, festzustellen, ob die unternehmerischen Forderungen zu hoch bzw. die Schätzungen des Fiskus zu niedrig liegen. Zweifellos führt die differenzierte Behandlung der einzelnen Unternehmen zu einer nicht unerheblichen Komplizierung der Steuererhebung; jedoch erscheinen diese Schwierigkeiten nicht unüberwindbar. Zur steuertechnischen Vereinfachung könnte die Dauer der Gewährung von Steuerstundungen allgemein recht großzügig bemessen werden. Dabei wird aber in Kauf genommen, daß einzelne junge Unternehmen besonders gefördert und ältere Unternehmen steuerlich benachteiligt werden können. Es muß Experten überlassen bleiben, die technischen Probleme eingehender zu untersuchen und praktikable und wirksame Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Zu (2): Großzügige steuerliche Verlustausgleichsregelungen sind geeignet, die steuerlichen Wettbewerbsnachteile junger und kleinerer Unternehmungen abzuschwächen. Ein verbesserter steuerlicher Verlustausgleich kommt weniger den Großunternehmen als den jungen und kleineren Unternehmen zugute, da sie bereits bei begrenzteren steuerlichen Verlustausgleichsregelungen Verluste in voller Höhe oder zu einem relativ hohen Teil gegen Gewinne aufrechnen können. Es sind mehrere Möglichkeiten der Verbesserung des steuerlichen Verlustausgleichs denkbar. Die weitgehendste Reformmaßnahme besteht darin, daß sich der Fiskus an Verlusten, die nicht im Wege des vertikalen Verlustausgleichs aufgerechnet werden können, unabhängig von den Gewinnen vorhergehender oder nachfolgender Jahre in Höhe eines bestimmten Anteilssatzes beteiligt. Weniger einschneidende Neuregelungen stellen die Einführung eines Verlustrücktrags- soweit bisher noch nicht zugelassenund die Verlängerung der Verlustrücktrags- und Verlustvortragsperioden dar. Die größten Vorteile für junge und kleinere Unternehmen bietet die erste Methode des steuerlichen Verlustausgleichs. Die Unternehmen erhalten in Verlustjahren unabhängig von früheren und/oder späteren Gewinnen staatliche Ausgleichszahlungen. So kommen vor allem auch junger Unternehmen mit bisher fehlenden Gewinnen und kleinere besonders risikofreudige Unternehmen mit relativ geringen Gewinnen in der jüngeren Vergangenheit in den Genuß einer Beteiligung des Staates an den Unternehmensverlusten. Die beim Verlustvortrag bestehende Unsicherheit über die Höhe der in der näheren Zukunft aufrechenbaren Verluste entfällt, und die staatliche Beteiligung an den Verlusten erfolgt bereits zum Zeitpunkt der Verlustentstehung, so daß die zusätzlichen Finanzmittel sehr früh zur Verbesserung der Unternehmenslage eingesetzt werden können und die beim Verlustvortrag entstehenden Zinseinbußen nicht auftreten. Da sich der Fiskus stets an den Verlusten beteiligt, wird auch im Vergleich zum beschränkten Verlustausgleich die Investitionsneigung der Unternehmen steuerlich weniger beeinträchtigt. Den Großunternehmen kommen diese Vorteile in geringerem Maße zugute als jungen und kleineren Unternehmen, weil sie bereits im Wege des vertikalen Verlustausgleichs partielle Verluste besser aufzurechnen vermögen und die nicht unmittelbar anrechnungsfähigen Verluste deshalb vergleichsweise niedrig sind.

Problematisch erscheint dieser Reformvorschlag aus steuertechnischen und teils aus ökonomischen Gründen. Durch die unmittelbare, stets gewährleistete Beteiligung des Fiskus an den Unternehmensverlusten, können unwirtschaftliche Unternehmen gestützt werden183, obwohl Hilfestellungen aus gesamtwirtschaftlichen, insbesondere strukturpolitischen 193

Vgl. Brown, E. C.: Business-Income Taxation and Investment Incentive,

in: Readings in the Economics of Taxation, a.a.O., S. 536.

4. Steuerpolitische Aspekte der Wettbewerbsförderung

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Gründen nicht vertretbar sind. Steuertechnische Schwierigkeiten bestehen bei der Festlegung der Höhe der staatlichen Verlustbeteiligung. Bei einer proportionalen Gewinnsteuer tauchen hierbei keine besonderen Probleme auf. Der Beteiligungssatz wäre in Höhe des Steuersatzes zu fixieren. Dadurch wird erreicht, daß sich der Fiskus in gleicher Höhe an den Gewinnen wie an den Verlusten beteiligt. Jedoch kommen in der Praxis gespaltene Körperschaftsteuersätze zur Anwendung, und Personenunternehmen unterliegen der progressiven Einkommensteuer. Der staatliche Verlustbeteiligungssatz ist unter diesen Bedingungen nicht mehr unmittelbar aus dem Steuertarif ableitbar. Die durchschnittliche Körperschaftsteuerbelastung variiert mit den Anteilen der einbehaltenen und ausgeschütteten Gewinne, und die Steuerbelastung der Personenunternehmen hängt bei gegebenem Steuertarif von der Gewinnhöhe und weiteren Faktoren ab. Ein einheitlicher Verlustbeteiligungssatz für alle Unternehmen kann auf Grund der unterschiedlichen Gewinnsteuerbelastung nicht zur Anwendung kommen, wenn Gewinne und Verluste steuerlich möglichst gleichmäßig erfaßt werden sollen. Es bedarf zur Bestimmung angemessener Anteilssätze mehr oder weniger grober Hilfskonstruktionen. Unzweckmäßig erscheint es, von Beteiligungssätzen auszugehen, die den Steuersätzen entsprechen, wenn aufgetretene Verluste fiktiv als Gewinne betrachtet werden. Es ist zu vermuten, daß die Verluste häufig niedriger ausfallen als die durchschnittlichen Normalgewinne, so daß bei einer entsprechenden Festsetzung der Verlustbeteiligung die Nettogewinne im zeitlichen Durchschnitt stärker als die Nettoverluste reduziert würden. Geeigneter erscheint es, die Beteiligungssätze in Höhe der durchschnittlichen Steuerbelastung eines Unternehmens während einer längeren vergangenen Periode anzusetzen. Jedoch auch dieses Verfahren ist mit erheblichen Problemen verbunden. Zum einen erfordert es die isolierte Bestimmung der Verlustbeteiligungssätze für die einzelnen Unternehmen, die Verluste aufweisen. Zum zweiten kann die zukünftige Unternehmensentwicklung und damit die zukünftige Steuerbelastung der Gewinne an Hand der Daten der Vergangenheit nur recht ungenau erfaßt werden, so daß es nicht möglich erscheint, die Gewinne und Verluste über eine längere Zeitspanne hinweg steuerlich gleichmäßig zu vermindern. Schließlich kann den spezifischen Verhältnissen junger Unternehmen nur schwer Rechnung getragen werden, da sie in den vorhergegangenen Jahren häufig noch keine Gewinne aufweisen oder da sie überhaupt erst seit kurzer Zeit bestehen. Sehr viel einfacher läßt sich eine Ausdehnung des zeitlichen Verlustausgleichs durchführen. Durch Zulassung oder Verlängerung des Verlustrücktrags werden vor allem die Nachteile kleinerer älterer Unternehmen gegenüber Großunternehmen abgeschwächt, während junge Unternehmen angesichts fehlender oder geringer Gewinne in der jüngeren

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Vergangenheit aus dieser Reformmaßnahme keinen oder keinen nachhaltigen Nutzen ziehen. Den kleineren etablierten Unternehmen bietet der Verlustrücktrag eine um so größere Hilfe, je länger Verluste gegen Gewinne vorhergehender Jahre angerechnet werden können. Andererseits besteht aber bei langer Rücktragsmöglichkeit das Risiko einer wirtschaftspolitisch nicht gerechtfertigten Stützung ineffizienter Unternehmen. Berücksichtigt man außerdem, daß junge Unternehmen mit zunehmender Länge der Rücktragsperiode gegenüber den traditionellen Anbietern verstärkt benachteiligt werden und daß ein zu weitgehender Verlustrücktrag das Problem bedeutender Steuerrückerstattungen aufwirft, dann erscheint es angezeigt, den Verlustrücktrag auf wenige Jahre zu beschränken (etwa zwei bis drei Jahre).- Eine Ausdehnung des Verlustvortrags kommt vor allem jungen und kleineren risikofreudigen Unternehmen zugute, soweit sie sich auf den Märkten zu behaupten vermögen. Die Möglichkeiten des Verlustausgleichs sind dann für sie um so besser, je länger Verluste zeitlich vorgetragen werden können. Vor allem für junge Unternehmen besteht jedoch ein hohes Risiko, daß ein zeitlicher Verlustvortrag nicht geltend gemacht werden kann, und sie erhalten in der besonders kritischen Anlaufsphase ihrer Entwicklung, in der zusätzliche Finanzmittel dringend erforderlich sind, keine finanzielle Unterstützung von seiten des Staates. Steuerstundungen stellen für sie erst dann eine Hilfe dar, wenn sie Gewinne erzielen, nicht aber wenn Verluste auftreten. Aus diesen Gründen bieten sich zur Verbesserung des steuerlichen Verlustausgleichs folgende Reformmaßnahmen an: 1. Um Diskriminierungen kleinerer Unternehmen möglichst zu vermeiden, erscheint es angezeigt, den zeitlichen Verlustausgleich hinreichend lang auszudehnen, um sicherzustellen, daß diese Unternehmen Verluste in voller Höhe gegen Gewinne vorhergehender und nachfolgender Jahre aufrechnen können. Eine differenzierte Festlegung der Verlustrücktrags- und Verlustvortragsperioden für Unternehmen verschiedener Größenklassen ist nicht erforderlich, da die Großunternehmen Verluste relativ schnell steuerlich auszugleichen vermögen, so daß ein langer steuerlicher Verlustausgleich vor allem den kleineren Unternehmen zugute kommt. 2. Da junge Unternehmen, die noch Verluste erwirtschaften, aus dem zeitlichen Verlustausgleich in geringerem Maße Nutzen ziehen als etablierte Unternehmen, erscheint es gerechtfertigt, für sie die direkte staatliche Verlustbeteiligung einzuführen. Es gilt, geeignete Verfahren zur Bestimmung der Höhe der staatlichen Verlustbeteiligung zu entwickeln. Der Einwand, daß durch diese Regelung unwirtschaftliches Verhalten begünstigt wird, verliert in diesem Zusammenhang an Bedeutung, da es die vorrangige Zielsetzung der Geschäftsleitungen junger Unternehmen ist, Unternehmensverluste so schnell wie möglich zu überwinden.

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Zu (3): Die Konzentrationswirkungen beschleunigter Abschreibungen können wesentlich abgeschwächt werden, wenn die Absetzungen für Abnutzung gemäß der degressiven Abschreibung durch die Abschreibung mit gleichbleibenden Beträgen ersetzt werden. Diese Reformmaßnahme wurde in jüngerer Zeit vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen vorgeschlagen. Sowohl im Hinblick auf den Zweck der Abschreibungen, die Investitionsausgaben entsprechend dem nutzungsbedingten Wertverzehr auf die Lebensdauer des Anlagegutes zu verteilen, als auch aus wettbewerbs-und konjunkturpolitischen Gründen erscheint die Beseitigung der degressiven Abschreibung nach Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats wünschenswert1° 4 • Vorteile großer Unternehmen lassen sich allerdings bei linearer Abschreibung nicht vollständig ausschalten, da eine gewisse Beschleunigung der Abschreibungen insofern bestehen bleiben kann, als die Abschreibung der Investitionsgüter in einer kürzeren Zeitspanne als der tatsächlichen Nutzungsdauer möglich ist. Die tatsächliche Lebensdauer der Anlagegüter ist ex ante nicht genau bekannt, so daß die Unternehmen im allgemeinen einengewissen Ermessensspielraum bei der Festlegung der steuerlichen Abschreibungsperiode besitzen. Die Nutzungsdauer wird in der Regel von den Unternehmen vorsichtig abgeschätzt. Die Begünstigungen großer Unternehmen fallen jedoch offensichtlich wesentlich höher aus, wenn die degressive Abschreibungsmethode steuerlich zugelassen ist.

Soweit aus wachstumspolitischen Gründen ein höherer Grad der Abschreibungsbeschleunigung als er sich bei linearer Abschreibung ergeben kann, wünschenswert erscheint, sollte anstelle der Abzugsfähigkeit erhöhter Abschreibungen (Sonderabschreibungen) vom steuerpflichtigen Gewinn der Abzug von der Steuerschuld eingeführt werden, ein Verfahren, das teilweise in den USA zur Anwendung kommt105 und das auch vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen befürwortet wird 100 • Den Unternehmen kann nach dieser Methode eingeräumt werden, im ersten Nutzungsjahr eines Investitionsgutes oder in den ersten zwei bis drei Nutzungsperioden einen bestimmten Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten von der Steuerschuld abzuziehen. Da im Rahmen der beschleunigten Abschreibung die Summe der Ab19' Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, .Gutachten zur Reform der direkten Steuern, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 9, Bad Godesberg 1967, S. 20 f. 195 Vgl. Institut "Finanzen und Steuern", Heft 71, Die Steuerreform in den Vereinigten Staaten, Bonn 1963, S .10 ff. und Gübbels, B.: Die steuerliche Abschreibung im In- und Ausland, Institut "Finanzen und Steuern", Heft 76, Bonn 1964, S. 59 f. 19• Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, a.a.O., S. 49. Vgl. auch Institut "Finanzen und Steuern", Brief 112, Zur Reform der Einkommensteuer-Abzüge bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage oder Abzüge von der Steuerschuld? - Bonn 1969, S. 32 ff.

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schreibungen den Investitionskosten entspricht, müssen die Sonderabschreibungen zu einer Verminderung des Buchwertes eines Investitionsgutes führen, anderenfalls hat die Sonderabschreibung den Charakter einer Investitionsprämie. Die Besonderheit des Abzugs erhöhter Abschreibungen von der Steuerschuld anstatt vom steuerpflichtigen Gewinn besteht darin, daß der Steuerkredit bzw. die Steuerersparnis bei ausreichend hoher Steuerschuld ausschließlich von der Höhe des Abzugsbetrages und nicht auch von der Höhe des Einkommens und damit von der Höhe der Steuersätze abhängt. Die Unternehmen erhalten bei ausreichend hoher Steuerschuld eine Steuergutschrift in Höhe der Sonderabschreibungen. Da ein für alle Unternehmen einheitlicher Sonderabschreibungssatz zur Anwendung gelangt, kommen die einzelnen Unternehmen in den Genuß einer gleich hohen relativen Steuergutschrift (erhöhte Abschreibungen in v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten). Kleinere und mittlere Unternehmen mit ausreichend hoher Steuerschuld werden gegenüber größeren Unternehmen nicht diskrimi-niert. Wettbewerbsnachteile junger, kleiner und mittlerer Unternehmen können jedoch auftreten, weil diese Unternehmen infolge von Verlusten oder geringen Gewinnen nicht selten weniger als große Unternehmen in der Lage sind, in voller Höhe in den Genuß der Steuergutschrift zu gelangen. Das gilt vor allem für junge und kleinere Unternehmen mit in Relation zum vorhandenen Kapitalstock hohen Investitionen. Deshalb erscheint es angezeigt, daß der Fiskus entweder in Höhe der nicht aufrechnungsfähigen Sonderabschreibungen Barzahlungen an die Unternehmen leistet - eine Regelung, die vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen befürwortet wird - 197 oder daß zeitliche Rücktrags- und/oder Vortragsmöglichkeiten für den nicht unmittelbar abzugsfähigen Teil erhöhter Abschreibungen eingeräumt werden. Barzahlungen bieten offensichtlich jungen und kleineren Unternehmen größere Vorteile. Subventionen können jedoch bedenklich erscheinen, da sie eventuell die Vornahme wirtschaftlich nicht vertretbarer Investitionen begünstigen. Aus mehreren Gründen kommt diesem Einwand keine große Bedeutung zu. Zum einen erscheint es fraglich, ob unwirtschaftliche Unternehmen in nennenswertem Maße Neuinvestitionen vornehmen, so daß die zusätzlichen vom Staat bereitgestellten Finanzmittel häufig zu gering sein werden, um damit weitere Investitionen zu finanzieren, zumal auch die Sonderabschreibungen in der Praxis kaum über 10 v. H. der Investitionskosten hinausgehen werden. Zum zweiten werden Investitionen nicht primär durchgeführt, um in den Genuß abschreibungsbedingter Steuervorteile zu gelangen. Werfen Investitionsvorhaben unabhängig von Steuergutschriften keine Erträge ab oder sind die erziel197 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, a.a.O., S. 49.

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baren Ertragsraten gering, dann werden diese Investitionen auch nach Berücksichtigung von Sonderabschreibungen nicht oder nur selten vorgenommen. Schließlich haben die Steuervorteile aus der Steuergutschrift keinen endgültigen Charakter. Den Steuergutschriften in den ersten Nutzungsperioden stehen später erhöhte Steuerzahlungen gegenüber, soweit nicht langfristig mehr oder weniger kontinuierlich Reinvestitionen vorgenommen werden. Dies wird vielfach für ineffiziente Unternehmen nicht zutreffen, so daß Steuergutschriften nicht fühlbar dazu beitragen, die Investitionsneigung dieser Unternehmen zu erhöhen. Die Gewährung von Steuergutschriften in Höhe des nicht von der Steuerschuld abzugsfähigen Teiles erhöhter Abschreibungen erscheint deshalb nicht besonders problematisch. Zumindest sollten Steuergutschriften für junge Unternehmen eingeführt werden, da ihren besonderen Verhältnissen mit Hilfe des Vor- und Rücktrags nicht unmittelbar abzugsfähiger Sonderabschreibungen nicht genügend Rechnung getragen werden kann. Fehlende oder geringe Gewinne in Vorjahren schränken den Wert des Rücktrags nicht unmittelbar abzugsfähiger Sonderabschreibungen ein. Auch Vortragsmöglichkeiten erscheinen für junge Unternehmen weniger vorteilhaft als für etablierte Unternehmen, da sie gerade in der besonders kritischen Entwicklungsphase keine finanzielle Unterstützung erhalten. Die Einführung von Barzahlungen in Höhe der nicht abzugsfähigen Sonderabschreibungen für junge Unternehmen erscheint deshalb aus wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten erforderlich. Den übrigen Unternehmen sollte zumindest ein hinreichend langer zeitlicher Übertrag nicht unmittelbar abzugsfähiger erhöhter Abschreibungen gewährt werden. Die bisherigen Ableitungen ergeben, daß bei Abzugsfähigkeit erhöhter Abschreibungen von der Steuerschuld unter Berücksichtigung entsprechender Ausgleichsregelungen die verschiedenen Unternehmen in Perioden erhöhter Abschreibungen in den Genuß einer gleich hohen relativen Steuergutschrift gelangen, und Konzentrationseffekte, wie sie nach der Methode des Gewinnabzugs beschleunigter Abschreibungen aus dem Steuertarif resultieren, entfallen. Betrachtet man jedoch die gesamte Nutzungszeit eines Investitionsgutes, so werden kleinere Unternehmen gegenüber größeren Unternehmen durch das Verfahren der Steuergutschrift sogar begünstigt. Da während der Nutzungszeit eines Investitionsgutes die Summe der Abschreibungen gleich den Investitionskosten ist; stehen den Sonderabschreibungen der ersten Jahre in gleicher Höhe Minderabschreibungen in den späteren Nutzungsjahren gegenüber verglichen mit nicht beschleunigten Abschreibungen. Während sich der Fiskus an den Sonderabschreibungen zu 100 v. H. finanziell beteiligt, müssen die Unternehmen in den späteren Jahren nur Steuern in Höhe des Weniger an Abschreibungen- im Vergleich zur nicht beschleunigten Abschreibung - multipliziert mit dem Grenzsteuersatz nachzahlen. Da

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die Grenzsteuersätze unter 100 v. H. liegen, vermindert sich nach der Methode des Abzugs erhöhter Abschreibungen von der Steuerschuld die Summe der Steuerzahlungen über die Lebensdauer eines Investitionsgutes hinweg im Vergleich zur nicht beschleunigten Abschreibung. Nehmen wir beispielsweise an, der Grenzsteuersatz sei konstant, dann beträgt die Verminderung der Steuerschuld Sa-t Sa, wobeiSadie Sonderabschreibungen und t den marginalen Steuersatz bezeichnen. Es treten also im Gegensatz zur Methode des Abzugs erhöhter Abschreibungen vom Gewinn stets echte Steuerersparnisse auf. Die Steuerersparnis steigt mit abnehmendem Grenzsteuersatz. Da mit wachsender Unternehmensgröße die Grenzsteuerbelastung ansteigt, vermindert sich cet. par. die Steuerschuld der großen Unternehmen weniger als die der kleineren Unternehmen, und steuerliche Wettbewerbsnachteile junger, kleiner und mittlerer Unternehmen, wie sie sich aus anderen Gründen ergeben, werden gemildert.

5. Produktivitätsförderungspolitik zur Verminderung der intersektoralen Unterschiede in den Produktivitätszuwächsen a) Bestimmungsfaktoren der Produktivitätsentwicklung

Neben einer Beeinflussung des Lohn- und Preisverhaltens der Gewerkschaften und Unternehmen sowie des Wettbewerbs können wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Bekämpfung der Anbieterinflation darauf gerichtet werden, die Unterschiede in den Arbeitsproduktivitätsfortschritten zwischen den einzelnen Wirtschaftsbereichen zu vermindern. Dieser Ansatzpunkt trägt dem Einfluß der produktivitätsstarken Industriezweige auf die allgemeine Lohn- und Preisniveauentwicklung Rechnung. Da die Zuwächse der Arbeitsproduktivität in den verschiedenen Wirtschaftszweigen wesentlich stärker voneinander abweichen als die Geldlohnsteigerungen198 und die an den sektoralen Produktivitäts198 Vgl. die Literaturangaben aufS. 18, Fn. 2. Die Tabellen im Anhang geben einen überblick über die Entwicklung der intersektoralen Produktivitätsfortschritte und der Lohneinkommen je geleisteter Beschäftigtenstunde bzw. je Arbeitnehmer. Vgl. zur Produktivitätsentwicklung daneben noch folgende Untersuchungen: Fuchs, B. R.: Productivity Trends in the Goods and Service Sectors, 1929-61, New York 1964; Lydall, H. F.: Technical Progress in Australian Manufacturing, in: EJ, Bd. 78 (1968), S. 807 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1965/ 66, Stabilisierung ohne Stagnation, Stuttgart 1965, S. 140 f.; Worton, D. A.: The Service Industries in Canada, 1946- 66, in: Production and Productivity in the Service Industries, Fuchs, V. R. (Hrsg.), New York und London 1969, S. 260 ff.; Zeitel, G.: Bestimmungsfaktoren der Preis- und Produktivitätsstruktur, in: Strukturwandlungen einer wachsenden Wirtschaft, Neumark, F. (Hrsg.), SdVfS, N. F. Bd. 30/11, Berlin 1964, S. 695.

5. Produktivitätsförderungspolitik

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bedingungenorientierten Lohnerhöhungen in den Industriezweigen mit überdurchschnittlich hohen Produktivitätsfortschritten die allgemeine Lohnentwicklung maßgeblich mitbestimmen und zusätzliche Produktivitätssteigerungen in den produktivitätsschwachen Bereichen nicht zu einer vollkommenen Anpassung der Geldlöhne führen, trägt eine mittel- und langfristige Politik der Verminderung der intersektoralen Produktivitätsfortschritte durch Anhebung der Produktivitätszuwächse in den produktivitätsschwächeren Bereichen dazu bei, den allgemeinen Lohnkostenauftrieb und Preisniveausteigerungen zu mildern 199. Die zu beobachtenden wesentlichen Unterschiede in den Produktivitätszuwächsen gehen auf mehrere Faktoren zurück, die teils einer wirtschaftspolitischen Beeinflussung zugänglich und teils durch die Eigentümlichkeiten der Produktionsweise bestimmt und daher wirtschaftspolitisch als gegeben zu betrachten sind. Die Erfolgsaussichten steuerpolitischer Förderungsmaßnahmen sind deshalb von vorherein recht begrenzt. Abweichungen der Produktivitätsfortschritte können begründet sein in Unterschieden in der Stärke und der Art des kostensparenden technischen Fortschritts, in Unterschieden in der Kapitalintensivierung bei gegebenem technischen Wissen sowie unterschiedlichen Möglichkeiten zur Ausnutzung von "economies of scale", d. h. der Anwendung effizienterer Fertigungs- und Organisationsverfahren mit wachsender Betriebs- und Unternehmensgröße200. Unter kostensparendem technischen Fortschritt soll die betriebliche Anwendung neuer Produktions- und Organisationsverfahren, die es ermöglichen, eine gegebene Produktionsmenge mit geringeren realen Kosten bzw. eine größere Produktionsmenge mit gleichen realen Kosten herzustellen, verstanden werden. Kosteneinsparungen können dann zurückgehen auf eine allgemeine Erweiterung des technischen Wissens, verbunden mit einer unmittelbaren betrieblichen Einführung der Neuerungen sowie auf die Anwendung bereits bekannter, bisher aus verschiedenen Gründen noch nicht genutzter kostengünstigerer Techniken (Rationalisierung)201. Kostensparende Neuerungen führen typischerweise zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität202, während die Kapitalproduktivität ansteigen, konstant bleiben oder abnehmen kann. Gleichzeitig nimmt im allgemeinen die Kapitalintensität der Produktion zu202. Technologische Neuerungen erfordern den Einsatz von Sachkapital. Die Forschungs- und Vgl. S. 53 ff. Daneben können differenzierende Wirkungen von einer intersektoral unterschiedlichen Entwicklung der Arbeitsqualität ausgehen. Es ist aber zu vermuten, daß dieser Faktor für die intersektorale Produktivitätsstruktur keine nennenswerte Bedeutung besitzt. Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, a.a.O., Ziff. 223 e). 201 Vgl. Ott, A. E.: Technischer Fortschritt, in: HdSw, Bd. 10, S. 303. 202 Vgl. ebd., S. 310 f. 199

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Entwicklungstätigkeit der Unternehmen sowie die unternehmensexterne Beschaffung wesentlich verbesserter Produktionsgüter ist im allgemeinen mit Nettoinvestitionen verbunden. Kleinere Verbesserungen können häufig über Ersatzinvestitionen eingeführt werden. Organisatorische Fortschritte sind nicht an den Einsatz von Kapitalgütern gebunden203 und sind deshalb in der Regel weniger kostspielig. Kostensparende organisatorische Verbesserungen können vor allem erzielt werden durch Typisierung und Standardisierung der Produktion, Anwendung moderner statistischer Methoden der Leistungs- und Fehlerkontrolle, durch eine leistungsfähigere Arbeitsorganisation, Verbesserung des Arbeitsklimas und durch Anregung der Leistungsfähigkeit und -Willigkeit der Belegschaft. Verstärkt werden die Kräfte zur Erhöhung der Kapitalintensität und der Arbeitsproduktivität durch die zu beobachtende Veränderung der Faktorpreisrelationen zugunsten des Faktors Kapital204 • Die relative Verteuerung des Faktors Arbeit übt einen ständigen Druck zur Substitution von Arbeit durch Kapital aus. Darüber hinaus hängt die Arbeitsproduktivitätsentwicklung maßgeblich von der Möglichkeit der Anwendung effizienterer Fertigungs- und Organisationsverfahren mit wachsender Betriebs- und Unternehmensgröße ab. Die Produktivität des gesamten Faktoreinsatzes kann bei gegebenem technischen Wissen mit wachsender Betriebs- und Unternehmensgröße steigen, konstant bleiben oder fallen. Größenvorteile bestehen bei der Herstellung einzelner Güter(-gruppen) als Folge einer besseren Spezialisierung des Arbeitseinsatzes im Produktions- und Verwaltungsbereich sowie als Folge des Einsatzes größerer, spezialisierterer und stärker mechanisierter Maschinen und Anlagen, die bei geringen Produktionsniveaus wegen der Unteilbarkeit der Anlagen und des hohen Fixkostenanteils nicht rentabel sind206 • Größenvorteile, die unabhängig von der Produktionsmenge einzelner Güter sind, treten im wesentlichen im Bereich der Unternehmensverwaltung als Folge verstärkter Spezialisierung und Mechanisierung der dispositiven Funktionen auf200 • Economies of scale sind in den meisten Wirtschaftszweigen zu beobachten, ihr Ausmaß und Größenbereich ist aber intersektoral sehr unterschiedlich207 • Da die Nachfrageentwicklung die Ausnutzung von 203 Vgl.Neumann,M.: Kapitalbildung, Wettbewerb und ökonomisches Wachstum, Heidelberg 1968, S. 25 f. 204 Vgl. Hoffmann, W. A.: Zur Struktur der Kapitalintensität, der Arbeitsproduktivität und der relativen Löhne in den wachsenden Industriestaaten, in: Kyklos, Bd. 21 (1968), S. 431. 205 Vgl. Kantzenbach, E.: Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, Göttingen 1966, 1. Aufl., S. 55; Bain, J. S.: Industrial Organization, a.a.O., S. 166. 206 Vgl. Kantzenbach, E., a.a.O., S. 57. 207 Vgl. ebd., S. 65 und die dort aufS. 64 in Fn. 4 angegebene Literatur; Bain, J. S., a.a.O., S. 175 f.; Wittmann, W.: Konzentrationsprobleme in der Betriebssphäre, in: Die Konzentration in der Wirtschaft, Neumark, F. (Hrsg.), a.a.O., S. 272 ff. - Gutenberg, E. (Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, 1. Bd., Die

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economies of scale beschränken kann, der technische Fortschritt in der Industrie die Tendenz hat, die optimale Losgröße - definiert als Herstellungsmenge eines Gutes, bei der die technologischen Stückkosten am geringsten sind - und damit die optimale Unternehmensgröße weiter hinauszuschieben207 a und da finanzielle Engpässe, monopolistischer Wettbewerb und Trägheitsfaktoren Anpassungen an den modernsten technischen Stand hemmen, besteht vielfach produktionstechnisch die Möglichkeit zur weiteren Ausnutzung von economies of scale. Wesentliche Unterschiede im technischen Fortschritt, der Ausnutzung von economies of scale und faktorpreisbedingter Faktorsubstitutionen sind auf mittlere und lange Sicht in den natürlichen und technischorganisatorischen Eigentümlichkeiten der Produktionsweise begründet. Nach Hauptwirtschaftsbereichen untergliedert, hängt die Produktivitätsentwicklung im Dienstleistungssektor stark hinter den Produktivitätszuwächsen der Industrie (und der Landwirtschaft) zurück. Im tertiären Sektor überwiegt der Einsatz menschlicher Arbeitskraft. Arbeitsproduktivitätsfortschritte werden in besonderem Maße durch die menschlichen und persönlichen Fähigkeiten limitiert208• Eine Kapitalintensivierung stößt auf wesentlich engere Grenzen als im industriellen Sektor. Economies of scale sind relativ schnell erschöpft209 • Technische Fortschritte sind weniger weitgehend realisierbar als im industriellen Bereich, da der Spielraum zur Verbesserung der Arbeitsqualität geringer ist als die Möglichkeit der Erhöhung der Effizienz der Kapitalgüter. Der Dienstleistungssektor weist allerdings produktionstechnisch eine starke Heterogenität auf. Die kapitalintensive Dienstleistungserstellung ist dem sekundären, industriellen Sektor zuzurechnen (Verkehrs-, Nachrichten- und Energiewesen sowie Teilbereiche des Handels). Im industriellen Sektor gibt der Sachkapitaleinsatz (Maschinen, Motoren, Apparate, Werkzeuge u. ä.) der Produktion ihr typisches Gepräge2 10• Produktivitätssteigerungen werden deshalb primär durch mechanische, technologische und organisatorische Faktoren bestimmt211 • Es bestehen hier besonders günstige Möglichkeiten zum technischen Fortschritt, zur Kapitalintensivierung und zur Ausnutzung von economies of scale. Unternehmenseigene Forschung und Entwicklung wird praktisch nur von den Unternehmen der Industrie betrieben. Innerhalb der Industrie weichen die Produktivitätsfortschritte Produktion, Berlin, Göttingen und Heidelberg 1960, 5. Aufl., S. 323) gelangt zu der Ansicht, "daß die Kostenkurve bei langfristiger Anpassung ... für praktisch in Frage kommende Intervalle eine abnehmende Tendenz aufweisen wird". 2o1a Vgl. Kantzenbach, E., a.a.O., S. 65. 208 Vgl. Wolfe, M.: The Concept of Economic Sectors, in: QJE, Bd. 69 (1955), s. 418. 109 Vgl. Kaldor, N.: Causes of the Slow Rate of Economic Growth of the United Kingdom, Cambridge 1966, 8.17. 210 Vgl. Wolfe, M., a.a.O., S. 406 und S. 416. zu Vgl. ebd., S. 416.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

erheblich voneinander ab. In Wirtschaftszweigen, die Produkte in großen Mengen herstellen und in denen ein kontinuierlicher Produktionsablauf organisierbar ist, lassen sich kostensparende Verbesserungen infolge von economies of scale weitgehender realisieren als bei Einzelfertigung und kleinen Serien212 • Zu diesen technisch begünstigten Industrien gehören große Bereiche der Grundstoff-, Produktionsgüter-, Nahrungs- und Genußmittel- und Gebrauchsgüterindustrien213• Die Mehrzahl der Investitionsgüterindustrien - mit geringen Produktionsserien und nicht selten sogar mit Einzelfertigung - und einige Grundstoffindustrien mit starker Abhängigkeit der Produktion von natürlichen Faktoren gehören zu den technisch benachteiligten Industrien214• Bei gleicher Nachfrageentwicklung wie in den anderen Bereichen lassen sich hier nur vergleichsweise geringe Produktivitätssteigerungen realisieren. Am stärksten begünstigt sind Industriezweige mit rascher Nachfrageexpansion und mit in hohem Ausmaß und innerhalb eines weiten Bereichs ausnutzbarer economies of scale. Empirische Untersuchungen führen zu dem Ergebnis, daß eine enge Beziehung zwischen Produktionswachstum und Produktivitätsfortschritt in der Industrie besteht und dies zu einem wesentlichen Teil auf die Existenz von economies of scale zurückzuführen ist215• Kaldor weist plausibel nach, daß die empirische Beziehung zwischen Produktionswachstum und Produktivitätszunahme hinreichend nur mit der Hypothese erklärbar ist, daß Produktivitätssteigerungen die Folge der Produktionsausdehnung und nicht umgekehrt das Produktionswachstum Folge der Produktivitätsfortschritte sind210 • Zeitel ermittelt für die BRD (1950- 60), daß die von Nachfragesteigerungen im Zusammenhang mit der Ausnutzung stückzahlbedingter realer Kostensenkungen ausgehenden Produktivitätseffekte einen wesentlichen Einfluß auf die interindustrielle Produktivitätsstruktur ausgeübt haben217• Typische Beispiele für hohe Produktivitätsfortschritte infolge rascher Absatzausdehnung und starker economies of scale waren die Kraftfahrzeug-, die chemische, die kunststoffverarbeitende und die elektronische Industrie2 18 • Neben dem Einfluß der Größenvorteile bestehen in relativ rasch expandierenden In212 Vgl. Friedrichs, G.: Technischer Wandel und seine Auswirkungen auf Beschäftigung und Lohn, a.a.O., S. 238 f. 213 Vgl. ebd., S. 238 f. und Zeitel, G., a.a.O., S. 676 f. 214 Vgl. Friedrichs, G., a.a.O., S. 238 f. und Zeitel, G., a.a.O., S. 677 f. 21 5 Vgl. Downie, J. : The Competitive Process, London 1958, S. 181 f.; Fabricant, S.: Employment in Manufacturing, 1899- 1939, New York 1942, S. 88 und S. 146; Kendrick, J. W.: Productivity Trends in the United States, Princeton 1961, S. 207 ff.; Reddaway, W. B. und Smith, A. D.: Progress in British Manufacturing Industries in the Period 1948-54, Cambridge 1965, S. 23 ff.; SaUer, W. E. G.: Productivity and Technical Change, Cambridge 1966, S. 123. 21a Vgl. Kaldor, N., a.a.O., S. 13 f. 217 Vgl. Zeitel, G., a.a.O., S. 676 ff. 218 Vgl. ebd., S. 676 f.

5. Produktivitätsförderungspolitik

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dustriezweigen besonders günstige Möglichkeiten zur Forschung und Entwicklung und zur schnellen Anwendung unternehmensextern beschaffbarer kostensparender Neuerungen. Günstige Ertragserwartungen und Finanzierungsmöglichkeiten fördern die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit - allerdings nicht nur die Verfahrensforschung, sondern auch die Produktinnovation - sowie die kontinuierliche Vornahme von Ersatz- und Nettoinvestition, wobei Neuinvestitionen normalerweise mit der Anwendung verbesserter, konstengünstigerer Kapitalgüter verbunden sind. Höhere Forschungs- und Entwicklungsaktivität, eine relativ kontinuierliche und hohe Investitionstätigkeit sowie ein daraus resultierendes geringes Alter des Kapitalapparates führen dazu, daß in Industriezweigen mit raschem Nachfragewachstum häufig höhere Produktivitätssteigerungen auftreten als in Wirtschaftsbereichen mit relativ schwacher N achfragexpansion. Die Möglichkeiten zur Unternehmerischen Forschung und Entwicklung sind auch bei gleicher oder ähnlicher Nachfrageentwicklung in den einzelnen Industriezweigen recht unterschiedlich. Zu den forschungsund entwicklungsintensiven Wirtschaftsbereichen gehören die Luftfahrt-, die Elektro- und die chemische Industrie, die feinmechanische und optische Industrie und in einigem Abstand die Automobilindustrie und der Maschinenbau218a. Der größte Teil der Unternehmerischen Forschungsund Entwicklungsausgaben entfällt also auf Wirtschaftszweige mit relativ hohem Konzentrationsgrad. Allerdings sind dem Verfasser keine Zahlen über die Anteile der Verfahrens- und Produktforschung in den Forschung- und Entwicklung treibenden Industriezweigen bekannt, so daß keine genauen Aussagen darüber möglich sind, inwieweit Unterschiede in der Unternehmerischen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zu wesentlichen Unterschieden der intersektoralen Produktivitätsfortschritte beitragen. Es ist zu vermuten, daß in den forschungsintensiven Wirtschaftszweigen auch die Verfahrensforschung nicht selten intensiver betrieben wird als in anderen Bereichen. Zu einem wesentlich Teil gehen die interindustriellen Unterschiede in der Forschung und Entwicklung zurück auf Unterschiede in der "technischen Basis", verstanden als alle technischen Kenntnisse, die notwendig sind, um die gegenwärtigen Produkte einer Unternehmung (eines Industriezweigs) herzustellen219 • "Die Intensität industrieller Forschungs- und Entwicklungstätigkeit hängt wesentlich von der Art, der Reife und dem Umfang der technischen Basis einer Unternehmung ab. Dabei kennzeichnen naturwissenschaftliche, ingenieurmäßige oder handwerkliche Fundierung der augewandten Produktionstechnikdie Art der technischen Basis. Zwischen der Art und der uea Vgl. Schätzle, G.: Forschung und Entwicklung als Unternehmerische Aufgabe, Köln und Opladen 1965, S. 150f. und Kramny, L.: Die "Großen" sind keine Fortschrittsbremse, in: Der Volkswirt, 23. Jg. (1969), Nr. 10, S. 29. 21s Vgl. Schätzle, G., a.a.O., S. 154 ff. 13 CaDiier

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Reife (oder dem Alter) der technischen Basis bestehen insofern Wechselbeziehungen, als die naturwissenschaftlich fundierten Industriezweige (Produkte) tendenziell ein geringes Alter aufweisen. Der Umfang der technischen Basis wird vor allem von der Breite des bisherigen Produktionsprogramms einer Unternehmung bestimmt220 ." So besitzen Unternehmen der Elektro- und chemischen Industrie eine breite technische Basis, "d,a die technischen Prinzipien dieser Industriezweige für zahlreiche Produkte verwendbar sind. Natürlich erfordert jedes Produkt Spezialkenntnisse, aber ein bestimmter Grundstock an Kenntnissen ist vorhanden. Je größer er ist, desto enger ist der Grad der Verwandtschaft zwischen den zur Herstellung verschiedener Produkte notwendigen Kenntnisse. - Die Möglichkeiten, Forschung und Entwicklung im vertrauten technischen Gebiet zu betreiben, werden tendenziell um so größer sein, je breiter die technische Basis einer Unternehmung ist" 221 • Eine geringe unternehmenseigene (Verfahrens-) Forschung und Entwicklung kann auf mehrere weitere Faktoren zurückgehen. Forschungsund Entwicklungsinvestitionen sind gegenüber sonstigen Investitionen besonders riskant und erfordern vielfach recht erhebliche finanzielle Aufwendungen. Die Produktion von Wissen ist mit erheblichen Unsicherheiten verknüpft. Der Ertrag der Forschung und Entwicklung läßt sich nicht genau quantifizieren. Der Erfindungsprozeß ist zufallsabhängig und läßt sich nicht genau steuern. Es besteht das Risiko, daß Forschungsergebnisse anfallen, die von dem Unternehmen selbst nicht verwertet werden können. Die Forschungstätigkeit erstreckt sich typischerweise über eine lange Zeitspanne, bevor neue Verfahren entdeckt und bis zur Produktionsreife entwickelt sind. Unbekannt ist die Höhe der erforderlichen Aufwendungen bis zur Realisierung von Neuerungen. Dabei sind die Ausgaben für die Entwicklung von Erfindungen bis zur Produktionsreife im allgemeinen wesentlich höher als die eigentlichen Forschungsaufwendungen. Hohes Risiko der Forschung und Entwicklung erfordert eine entsprechend hohe Abgeltung durch Gewinne. Soweit die Gewinnchancen keine hinreichende Kompensation der Verlustrisiken gestatten, unterbleiben Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten oder halten sich in engen Grenzen. Am ehesten und stärksten begrenzt wird die Unternehmensforschung und -entwicklung im allgemeinen durch die Finanzierungsmöglichkeiten. Um effiziente Forschung, insbesondere Entwicklung betreiben zu können, sind häufig hohe Aufwendungen erforderlich, die die finanzielle Kapazität der Unternehmen übersteigen. Je höher die für eine effiziente Forschung und Entwicklung notwendigen Mindestaufwendungen sind, desto wahrscheinlicher ist es, daß die Unternehmen finanziell überfordert sind und sich mit geringen Forschungs- und Entwick220 221

Vgl. ebd., S. 158. Vgl. Schätzle, G., a.a.O., S. 157.

5. Produktivitätsförderungspolitik

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lungsanstrengungen zufrieden geben oder auf die eigene Entwicklung kostensparender Verfahren völlig verzichten. Risiko- und Rentabilitätserwägungen sowie die Finanzierungsmöglichkeiten können die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in den einzelnen Industriezweigen in unterschiedlichem Ausmaß begrenzen. Sektorale Unterschiede sind vor allem zwischen Wirtschaftszweigen mit durchschnittlich großen Unternehmen und Wirtschaftsbereichen mit durchschnittlich kleinen und mittleren Unternehmen zu erwarten. Die Unternehmensgrößestellt einen wichtigen Bestimmungsfaktor der Forschungsund Entwicklungstätigkeit dar. Verschiedene Faktoren sprechen dafür, daß Großunternehmen häufig günstigere Bedingungen für eine effiziente Forschung und Entwicklung vorfinden als kleine und mittlere Unternehmen. Vorteile können zurückgehen auf economies of scale verbunden mit großen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, auf das geringere Forschungs- und Entwicklungsrisiko und günstigere Finanzierungsmöglichkeiten. Häufig erfordert die Forschung und Entwicklung komplexe Versuchsapparaturen und Laboreinrichtungen, die nur voll genutzt werden können, wenn zahlreiche Forschungsobjekte durchgeführt werden. Bei einfachen, weniger aufwendigen Versuchsanlagen ist der Nachteil aus einer unvollständigen Auslastung nicht groß. Es besteht aber in der modernen Forschung und Entwicklung eine Tendenz zu komplizierten, kapitalintensiven und teuren Forschungs- und Entwicklungsausrüstungen. In großen Forschungs- und Entwicklungsabteilungen können außerdem Spezialisten eingesetzt werden, deren wirtschaftliche Beschäftigung bei geringem Umfang der Forschung und Entwicklung nicht oder nicht in gleichem Maße möglich ist. Auch kann die Parallelforschung an verschiedenen Forschungsprojekten und die wechselseitige Zusammenarbeit des Forschungspersonals befruchtend wirken, und Großunternehmen können eine besondere Anziehungskraft auf qualifizierte Forscherpersönlichkeiten ausüben, sei es wegen relativ hoher Lohnzahlungen, günstiger Forschungsmöglichkeiten oder aus Prestigegründen. Andererseits bestehen gute Gründe, anzunehmen, daß eine effiziente Forschung in zahlreichen Wirtschaftszweigen auch bei kleinen, insbesondere mittleren Forschungseinrichtungen betrieben werden kann222 • Eine Überlegenheit der Großunternehmen beruht daneben auf vergleichsweise günstigen Risikoverhältnissen und Finanzierungsbedingungen. Die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Großunternehmen ist aus verschiedenen Gründen weniger riskant. Zum einen bestehen bessere Möglichkeiten des internen Risikoausgleichs zwischen verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Geht man davon aus, daß große und kleinere Unternehmen relativ gleich viel für Forschung und Ent222 Vgl. Lenel, H. 0.: Die Bedeutung der großen Unternehmen für den technischen Fortschritt, Tübingen 1968, S. 16 ff.

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wicklung ausgeben, dann kann die Großunternehmung angesichts des absolut wesentlich höheren Forschungsbudgets mehr Forschungsprojekte durchführen, und es besteht eher die Chance, daß partielle Fehlschläge und erfolgreiche Forschungsvorhaben sich die Waage halten223 • Der interne Risikoausgleich gelingt um so eher, je größer die Anzahl und je geringer der Umfang der einzelnen Forschungs- und Entwicklungsvorhaben ist. Zum zweiten besitzen Großunternehmen mit weit gestreutem Produktionsprogramm und breiter technischer Basis günstigere Möglichkeiten der Verwertung von Forschungsergebnissen. Forschungsergebnisse, die für den angestrebten Zweck nicht verwendbar sind, können eher in anderen Produktionsbereichen verwertet werden. Darüber hinaus befinden sich kleinere Unternehmen angesichts wesentlich niedrigerer absoluter Gewinne und ungünstigerer Finanzierungsmöglichkeiten in einer riskanteren Lage. Es besteht die Gefahr, daß durch einen einzigen Fehlschlag Unternehmensverluste entstehen und die Unternehmung in finanzielle Bedrängnis gerät224 • Die ungünstigeren Finanzierungsverhältnisse erschweren es den kleinen Unternehmen, zusätzliches Kapital zu beschaffen, um Finanzierungsengpässe zu überwinden und die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit über eine längere Zeit hinweg durchzuhalten. Die günstigeren Risikoverhältnisse großer Unternehmen führen insgesamt dazu, daß die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit hier weniger riskant ist. Da nicht anzunehmen ist, daß die Risikobereitschaft großer Unternehmen geringer ist als die kleinerer Unternehmen, besitzen Großunternehmen deshalb vielfach eine ausgeprägtere Neigung zur Forschung und Entwicklung. Verstärkt werden diese Unterschiede in der Forschungs- und Entwicklungsintensität durch die unmittelbaren Vorteile großer Unternehmen als Folge günstigerer Finanzierungsmöglichkeiten. Kleinere Unternehmen sind weniger als Großunternehmen in der Lage, einen bestimmten Forschungsaufwand zu finanzieren, und sie besitzen eine geringere Finanzkraft, um kostspielige und riskante Forschungs und Entwicklungsprojekte durchzuführen. An der Kostspieligkeit zahlreicher Forschungs- und Entwicklungsvorhaben kann kein Zweifel bestehen225, wobei die Verhältnisse allerdings in den einzelnen Industriezweigen unterschiedlich sind. Dort, wo die Forschung und Entwicklung von der Beherrschung breiter wissenschaftlicher Grundlagen und von systematisch experimenteller Forschung abhängt und wo die Neuerungsaktivität deshalb hohe finanzielle Mittel erfordert, insbeson223 Vgl. Duesenberry, J. S. : Statement, in: Hearings on Employment, Growth and Price Levels, Part 7, The Effect of Monopolistic and Quasi-monopolistic Practices upon Prices, Profits, Production, and Employment, Joint Economic Committee, Washington, D. C. 1959, S. 2 324 ff., abgedruckt in: Economic Policy, Grampp, W. D. und Weiler, E. T . (Hrsg.), Homewood (Ill.) 1961, 3. Aufl., S. 98 ff., hier S. 101. 224 Vgl. ebd., S. 102. 22s Vgl. Schätzle, a.a.O., S. 183.

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dere in der Grundstoffindustrie, Teilen der Elektroindustrie und im Flugzeugbau, ist die Überlegenheit der Großunternehmen am ausgeprägtesten228. Weitgehend unbestritten ist die Auffassung, daß die Finanzierungsmöglichkeiten vielfach die Forschungs- und insbesondere die Entwicklungstätigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen wesentlich stärker begrenzen als die der großen Unternehmen227• Da die Aufwendungen für die Entwicklung von Erfindungen bis zur Produktionsreife im allgemeinen wesentlich höher sind als die eigentlichen Forschungsaufwendungen und da die Entwicklungsphase stärker als die Forschung systematisches Vorgehen erlaubt, der Einsatz schöpferischer Talente also nicht in gleichem Maße Vorteile bietet, besteht vor allem auf diesem Gebiet eine Überlegenheit der Großunternehmen gegenüber kleineren Unternehmen und Einzelerfindern22s. Mit fortschreitender Kapitalintensivierung der Forschung und Produktion verschärfen sich die Finanzierungsprobleme der Klein- und Mittelbetriebe. Empirische Untersuchungen stützen die These, daß Großunternehmen günstigere Forschungs- und Entwicklungsbedingungen vorfinden und forschungs-und entwicklungsintensiver sind als kleine und mittlere Unternehmen. Kleinere Unternehmen betreiben vielfach überhaupt keine Forschung und Entwicklung229, und Großunternehmen geben häufig relativ mehr für Forschungs- und Entwicklungszwecke aus als kleinere Unternehmen mit eigener Forschung und Entwicklung230. Auch an der Gemeinschaftsforschung sind kleinere Unternehmen nur zu einem geringen Teil beteiligt231 • In Industriezweigen mit durchschnittlich großen Unternehmenseinheiten können aus diesen Gründen höhere Produktivitätssteigerungen auftreten als in Wirtschaftszweigen mit durchschnittlich kleinen und mittleren Unternehmen, zumal auch in den konzentrierten Industriezweigen die technische Basis häufig breit ist und economies of scale relativ weitgehend ausnutzbar sind. Die differenzierenden Wirkungen der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Unternehmen verlieren allerdings an Bedeutung, wenn man berücksichtigt, daß in der arbeitsteiligen Wirtschaft die Anwendung neuer, kostensparender Produktionsverfahren in den Unternehmen meist aus verbesserten Erzeugnissen anderer Unternehmen und Wirtschaftszweige (Investitionsgüterindustrie und 228 Vgl. Sölter, A.: Fortschrittsträger oder fortschrittsträge?, in: Handelsblatt vom 7./8. März 1969. 221 Vgl. Schätzle, G., a.a.O., S. 183. 228 Vgl. ebd., S. 39. 229 Vgl. ebd., S. 152. 230 Vgl. ebd., S. 161, Tab. 11 und Reuter, A. L.: Konzentration und Wirtschaftswachstum, a.a.O., S. 56 ff. und die dort angegebene Literatur. 231 Vgl. Freund, E.: Forschung - der dritte Faktor, Mainz 1966, S. 52.

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Rohmaterialerzeugung) resultiert 232 • Die unternehmenseigene Verfahrensforschung spielt nur eine untergeordnete Rolle. Die Nachteile kleinerer Unternehmen in Wirtschaftszweigen mit durchschnittlich kleinen und mittleren Unternehmen, die sich für sie aus fehlender oder geringer eigener Forschung und Entwicklung ergeben, werden dadurch verringert, im allgemeinen jedoch nicht beseitigt. Großunternehmen gelangen zum einen ebenso wie kleinere Unternehmen in den Genuß der Forschungsund Entwicklungsergebnisse anderer Branchen; zum zweiten können die extern entwickelten Verfahrensverbesserungen nicht immer den spezifischen Unternehmensverhältnissen der einzelnen Unternehmen einer Branche Rechnung tragen wie die eigene Forschung und Entwicklung. Schließlich bestehen aus Risiko-, Rentabilitäts- und Finanzierungsgründen auch im Hinblick auf die unternehmensexterne Beschaffung kostengünstigerer Produktionsmittel bei den kleineren Unternehmen größere Widerstände und engere Grenzen als bei den Großunternehmen. Das gilt sowohl für die Anwendung neuer Verfahren, die bisher noch nicht bekannt gewesen sind, als auch für die Durchführung von Rationalisierungsinvestitionen, wobei die Schwierigkeiten und Risiken um so größer sind, je neuartiger und grundlegender die Änderungen der Produktionstechnik sind. Finanzierungsnachteile bestehen für Wirtschaftszweige mit durchschnittlich kleinen und mittleren Unternehmen aus den früher geschilderten Gründen. Hinsichtlich der Investitionsneigung werden kapitalgebundene und sonstige Neuerungen um so eher und schneller eingeführt, je höher und sicherer die erwartete Gewinnverbesserung ist. Die Einführung von Neuerungen kann im einzelnen dadurch gehemmt werden, daß die erwartete Nachfrageentwicklung nur geringen Gewinn erwarten läßt, Neuerungen erst bei wesentlich größerer Produktion wirtschaftlich sind, die Anwendung neuer Verfahren unerwünschte Rückwirkungen auf die bestehenden Produktionsprozesse nach sich ziehen kann, dadurch daß die alten, noch nicht voll abgeschriebenen Investitionsgüter die Netto-Kostenersparnis neuer Kapitalgüter wesentlich vermindern und daß vom Wettbewerb auf den Gütermärkten kein nachhaltiger Druck auf die Unternehmen ausgeübt wird, Neuerungen schnell und weitgehend anzuwenden. Spezifische Unsicherheiten beim Einsatz neuer Produktionsmittel ergeben sich hinsichtlich ihrer Eingliederungsmöglichkeiten in den vorhandenen Produktionsapparat im Hinblick auf eventuell erforderliche Änderungen der Qualität des Arbeitseinsatzes, Änderung der Art und Qualität der Einsatzstoffe sowie im Hinblick auf eventuell auftretende Änderungen der Qualität der Endprodukte, ohne daß diese Wirkungen und die erforderlichen betrieblichen Anpassungsmaßnahmen genau überschaubar sind. Außerdem kann die Einführung neuer Produktionsverfahren zur frühzeitigen Entwertung der bestehenden, ut Vgl. Schätzle, G., a.a.O., S. 53.

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noch nicht voll abgeschriebenen Produktionsanlagen führen. Dadurch entstehen Kapitalverluste, die den Neuerungen als Kostenfaktor zuzurechnen sind233 • Ein Unternehmen, das vor der Entscheidung steht, eine kostengünstigere Anlage zu kaufen (oder selbst zu entwickeln) und daß durch die Wettbewerbsverhältnisse nicht zur sofortigen Einführung gezwungen ist - wie es bei monopolistischen Wettbewerbsverhältnissen im allgemeinen der Fall ist -, wird bei Fehlen sonstiger Investitionshemmnisse häufig nur dann zum sofortigen Einsatz bereit sein, wenn es nach Berücksichtigung der Kapitalverluste noch eine fühlbare Kostenersparnis zu realisieren vermag. Die Höhe der Kapitalverluste hängt von dem Restwert der veralteten Anlagen (nach Abzug des Schrottwertes) ab. Der Restwert unterschreitet in der Regel den Neuwert der alten Investitionsgüter. Bestehen keine sonstigen Hemmnisse gegen die Einführung neuer Verfahren, so kommen die Verfahrensverbesserungen spätestens dann zur Anwendung, wenn die alten Anlagen voll abgeschrieben worden sind. Mit zunehmender Restlebensdauer der vorhandenen Anlagen steigt der Widerstand gegen eine schnelle Einführung kostensparender Verbesserungen. Schließlich gehen vom Wettbewerb auf den Absatzmärkten wesentliche Wirkungen auf die Schnelligkeit und das Ausmaß der Anwendung neuer Techniken (und auch auf die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit) aus. Je höher die Wettbewerbsintensität auf den Absatzmärkten ist, desto größer sind die Anreize zur schnellen Einführung kostensparender Verbesserungen. Unternehmen in Branchen mit. intensivem Preiswettbewerb stehen unter einem hohen Marktzwang, Kosteneinsparungen vorzunehmen, um ihren Gewinn zu erhalten und auszudehnen, bzw. um nicht durch Preisunterbietungen der Konkurrenten aus dem Markt gedrängt zu werden. Soweit die Unternehmen eine relativ starke Marktposition innehaben, ist es weniger der anonyme Wettbewerbsdruck, der einen Anreiz zu Kostensenkungen ausübt, sondern mehr das Streben der Unternehmen, ihren Marktanteil zu erhalten und auszudehnen. Bei abgeschwächtem Wettbewerb besitzen die Unternehmen einen gewissen autonomen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Anwendung kostensparender Neuerungen, ohne daß bei verzögerter Anpassung die Existenz der Unternehmen in Frage gestellt ist. Ein scharfer Wettbewerb übt nicht nur einen hohen Druck auf die Unternehmen aus, neue, von anderen Unternehmen entwickelte Verfahren anzuwenden, sondern erhöht auch tendenziell die Bereitschaft zur Entwicklung neuer verbesserter Produktionsmittel und stärkt den Widerstand gegenüber höheren Preisforderungen - bzw. gegenüber der Unterlassung möglicher Preissenkungen - der Produktionsmittelproduzenten. Schließlich fördert ein intensiver Wettbewerb 233 Vgl. Noll, W.: Volkswirtschaftliche Auswirkungen eines kostensparenden technischen Fortschritts, Berlin 1967, S. 161 f.

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in den produktivitätsschwachen Bereichen den Druck zu Rationalisierungen, wie er hier bereits aufgrundder ungünstigeren Lohnkostenentwicklung gegenüber den produktivitätsstärkeren Wirtschaftszweigen in höherem Maße gegeben ist. Je günstiger die Möglichkeiten zur Lohnkostenüberwälzung sind, desto schwächer sind die lohnbedingten Rationalisierungsanreize. In Wirtschaftszweigen mit hoher Wettbewerbsintensität, hohem Lohnkostenanstieg und arbeitsintensiver Produktion bestehen deshalb relativ starke Anreize zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Können die Lohnkostenerhöhungen in diesen Wirtschaftszweigen jedoch leicht in den Preisen weitergegeben werden, so schwächen sich die Kräfte, die in Richtung auf eine Verminderung der intersektoralen Produktivitätsfortschritte wirken, ab. Das gilt vor allem für den arbeitsintensiven Dienstleistungsbereich, da Preiserhöhungen angesichts der raschen Nachfrageexpansion und der damit verbundenen Abschwächung des Wettbewerbs vielfach ohne besondere Schwierigkeiten durchsetzbar sind. Zusätzlich gemildert werden die in Richtung auf eine Verminderung der Produktivitätsunterschiede wirkenden Kräfte, wenn man berücksichtigt, daß in Sektoren mit sinkenden Lohnkosten das Kostenanpassungsverhalten kein Spiegelbild der Kostenanpassungen an steigende Lohnkosten darstellen wird, vor allem weil sinkende Lohnkosten die Unternehmen im allgemeinen nicht veranlassen werden, "den technischen Fortschritt zu verlangsamen, da das Sinken der Lohnkosten, das den Unternehmern bei konstanten Preisen erhöhte Gewinne einbringt, ein Resultat des technischen Fortschritts darstellt" 234 • Das gleiche dürfte bei konstanten Lohnkosten zutreffen. Abgeschwächt werden können die Wirkungen eines hohen Wettbewerbsdrucks auf die Neuerungs- und Rationalisierungsbemühungen der Unternehmen dadurch, daß bei hoher Wettbewerbsintensität die Gewinne der Unternehmen niedriger sind als bei schwächerem Wettbewerb und die Unternehmen deshalb zur Durchführung von kostensparenden Neuerungen nur über geringe Finanzierungsmöglichkeiten verfügen. Genaue Aussagen über die relative Bedeutung der beiden gegenläufigen Wettbewerbswirkungen sind nach dem herrschenden Stand der Forschung nicht möglich. Es gibt aber genügend Anzeichen dafür, daß ein hoher Wettbewerb besondere Impulse zur Kostensenkung ausübt235 , und daß relativ hohe Produktivitätsfortschritte häufig in Branchen erzielt werden, in denen ein starker Wettbewerb besteht und denen der Weg steigender Preise verschlossen ist238• Zeitel gelangt für die BRD zu der Aussage, daß in Verarbeitungszweigen, die einem verhältnismäßig 234 Vgl. Kromphardt, J.: Kosten- und Preisanpassungsverhalten der Unternehmer und Einkommensverteilung, a.a.O., S. 536. 235 Vgl. ebd., S. 535. 238 Vgl. Leibenstein, H.: Allocative Efftciency Vs. "X-Efftciency", in: AER, Bd. 56 (1966), S. 408 f.

5. Produktivitätsförderungspolitik

201

hohem Wettbewerbsdruck ausgesetzt waren (Textilien, Leder), starke Tendenzen zur Kapitalintensivierung bestanden237 •

b) Steuerpolitische Aspekte Aus den bisherigen Erörterungen ergeben sich einige wichtige Konsequenzen für die produktivitätsorientierte Steuerpolitik. Zunächst erfordert die Produktivitätsförderungspolitik eine intersektorale Ausrichtung der zur Erhöhung der Arbeitsproduktivitätsfortschritte geeigneten Maßnahmen. Es gilt unter den konkreten Bedingungen einer Volkswirtschaft die Wirtschaftsbereiche mit relativ geringen Produktivitätsfortschritten festzustellen, und sicherzustellen, daß Produktivitätsförderungsmaßnahmen hier gezielt wirksam werden. Nach Hauptwirtschaftsbereichen unterschieden, besteht die Aufgabe in einer Begünstigung der Produktivitätsentwicklung des Dienstleistungsbereiches, da in diesem Sektor die Arbeitsproduktivitätsfortschritte typischerweise am stärksten hinter der allgemeinen Produktivitätsentwicklung zurückbleiben. Gelingt es in diesem Sektor die Produktivitätssteigerungen merklich anzuheben, dann vermindert sich der vom industriellen Sektor ausgehende Lohnkostendruck, auf den industriellen Sektor zurückwirkende Kostenerhöhungen werden abgeschwächt, und die Verminderung der Beschäftigungsexpansion im Dienstleistungssektor führt langfristig zur Entspannung auf den Arbeitsmärkten. Da jedoch auch innerhalb des industriellen Sektors die Produktivitätsentwicklung erheblich voneinander abweicht und (hohe) Lohnkostensteigerungen in den produktivitätsschwächeren Industriezweigen auftreten, erscheint es zur wirksamen Ausgestaltung der Produktivitätsförderungspolitik angezeigt, umfassendere Maßnahmen zu ergreifen, die auch zu einer Milderung der interindustriellen Unterschiede in der Produktivitätsentwicklung beitragen. Damit wäre unmittelbar und mittelbar ein preisniveaustabilisierender Effekt verbunden, mittelbar insofern, als die geringeren Kostensteigerungen in den produktivitätsschwächeren Wirtschaftszweigen über die Input-OutputVerflechtung innerhalb der Industrie und zwischen der Industrie und dem Dienstleistungssektor und der Landwirtschaft allgemeinere Kostenauftriebstendenzen mildern. Nicht wahrscheinlich erscheint es, daß durch die Förderung produktivitätsschwacher Industriezweige - die nicht selten über die durchschnittliche gesamtwirtschaftliche Produktivitätszunahme hinausgehende Produktivitätssteigerungen aufweisen -, der allgemeine Lohnauftrieb verstärkt wird. Es ist zu vermuten, daß lohnführerschaftsbedingte übermäßige allgemeine Lohnerhöhungen vor allem von den Industriezweigen ausgehen, deren Produktivitätssteigerungen über dem industriellen Durchschnitt liegen. m

Vgl. Zeitel, G., a.a.O., S. 675.

202

II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Diesektorale Produktivitätsförderungspolitik stößt allerdings auf relativ enge Grenzen. Sektorale Produktivitätsunterschiede, die in den natürlichen und technischen Eigentümlichkeiten der Produktionsweise begründet sind, lassen sich wirtschaftspolitisch nicht beeinflussen. Auch Unterschiede in den Produktivitätsfortschritten, die auf eine unterschiedliche intersektorale Nachfrageentwicklung zurückgehen, entziehen sich praktisch dem steuerlichen Zugriff. Die Steuerpolitik ist ungeeignet, die langfristige Nachfrageexpansion in Wirtschaftszweigen mit geringer Nachfragesteigerung gezielt zu erhöhen. Die Einkommensteuer kann nicht nach Einkommensverwendungsbereichen sektoral ausgestaltet werden. Der Charakter der allgemeinen Umsatzsteuer würde verfälscht, wenn die Steuersätze sektoral differenziert festgelegt würden. Außerdem hängt die Nachfrageentwicklung nicht allein von den Güterpreisen ab. Spezielle Verbrauchsteuern, die eine gezieltere Nachfragebeeinflussung ermöglichen, bestehen andererseits typischerweise nur für wenige Güter, deren Produktion häufig auch nicht mit besonders geringen Produktivitätsfortschritten verbunden ist. Daneben führt die Senkung der Verbrauchsteuersätze vielfach nicht zu einer nachhaltigen Erhöhung der Nachfrage, da die von speziellen Verbrauchsteuern erfaßte Nachfrage in der Regel nur wenig elastisch oder unelastisch auf Güterpreissenkungen reagiert. Da schließlich zur Erhöhung der langfristigen Raten des Produktivitätsfortschritts die Nachfrage über mehrere Perioden hinweg durch wiederholte Steuersenkung stimuliert werden müßte, wäre früher oder später eine Situation erreicht, in der keine (nachhaltig wirksamen) Steuersatzsenkungen mehr vorgenommen werden können. Berücksichtigt man, daß Kapitalintensivierung und Rationalisierung von der Entwicklung der Arbeitskosten abhängen, so könnte ein Ansatzpunkt der Steuerpolitik zur Verminderung der intersektoralen Produktivitätsfortschritte in der Besteuerung des Arbeitseinsatzes bei den Unternehmen der produktivitätsschwachen Wirtschaftsbereiche gesehen werden. In jüngerer Zeit wurde in Großbritannien mit ähnlicher Zwecksetzung eine selektive Beschäftigungsteuer eingeführt, die den Dienstleistungssektor (mit Ausnahme des Verkehrs- und Nachrichtenwesens und der öffentlichen Wirtschaftsdienste, jedoch einschließlich des Baugewerbes) belastet238• Durch relative Verteuerung des Faktors Arbeit kann eine beschleunigte Substitution von Arbeit durch Kapital und beschleunigte Anwendung bekannter, bisher aus verschiedenen Gründen noch nicht genutzter kostensparender technischer und organisatorischer 238 Vgl. Her Majesty's Stationary Office, Selective Employment Tax, London 1966. - Die ursprüngliche Steuerregelung sah vor, daß die Unternehmen der Industrie nicht nur die zunächst gezahlte Steuer voll zurückerstattet erhielten, sondern darüber hinaus prämienberechtigt waren. Diese Regelung wurde mit Wirkung vom 18. November 1967 aufgehoben. Vgl. Frankfurter Allgemeine vom 20. Nov. 1967.

5. Produktivitätsförderungspolitik

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Verbesserungen induziert werden. Die Besteuerung des Arbeitseinsatzes erhöht cet. par. die Kosten und vermindert die Gewinne, sie führt beigegebenen Produktionstechniken zur dauerhaften Kostensteigerung, da die Unternehmen unter den herrschenden Verhältnissen im allgemeinen nicht in der Lage sind, die zusätzlichen Arbeitskosten auf die Arbeitnehmer zurückzuwälzen. Die Gewerkschaften und Arbeitnehmer werden geringeren Lohnsteigerungen einen erheblichen Widerstand entgegensetzen und wirksam ausüben können, zumal nur bestimmte Wirtschaftsbereiche steuerlich belastet werden und die Unternehmen unter einem hohen Druck stehen, ähnlich hohe Lohnsteigerungen zu konzedieren wie in den produktivitätsstarken Wirtschaftszweigen. Die Eignung einer selektiven Beschäftigungsteuer zur Förderung der Produktivitätsfortschritte erscheint jedoch ausgesprochen problematisch, vor allem wenn schwergewichtig der Dienstleistungssektor steuerlich erfaßt wird. Zweifellos gehen von einer Arbeitskostenmehrbelastung gewisse Anreize zur Faktorsubstitution und Rationalisierung aus, jedoch bestehen gleichzeitig entgegengesetzte Einflüsse, die in Richtung auf eine Unterlassung zusätzlicher Investitionen wirken. Die Kostenmehrbelastung vermindert cet. par. die Nettogewinne und als Folge die Unternehmerischen Finanzierungsmöglichkeiten. Aus diesen Gründen erweisen sich steuerpolitische Maßnahmen, die die Nettogewinne der Unternehmen erhöhen, gegenüber der Faktorbesteuerung als effizienter. Da die Finanzierungsmöglichkeiten gerade bei den durchschnittlich kleineren Unternehmen des Dienstleistungssektors und in anderen Wirtschaftszweigen mit geringen Produktivitätsfortschritten und durchschnittlich kleinen und mittleren Unternehmen häufig die Investitionstätigkeit begrenzen, erscheint es sehr fraglich, ob eine fühlbare Verstärkung der Kapitalintensivierung induziert wird. Kostenanpassungen sind am ehesten im organisatorischen Bereich, namentlich in Form der Verbesserung der Arbeitsorganisation zu erwarten, da diese Unternehmerischen Anpassungsmaßnahmen geringere finanzielle Mittel erfordern als an den Einsatz von Kapitalgütern gebundene Faktorsubstitutionen und Rationalisierungen. Im Vergleich zu den Wirkungen steigender Lohnkosten auf das Kostenanpassungsverhalten besteht der Unterschied, daß in den produktivitätsschwachen Bereichen, insbesondere im Dienstleistungssektor, ein permanenter Lohnkostendruck wirksam ist, der einen ständigen hohen Anreiz zu Kosteneinsparungen ausübt, während die Beschäftigungsteuer typischerweise nicht von Periode zu Periode angehoben werden dürfte. Am ehesten sind fühlbare Einflüsse auf die Anreize zu Kosteneinsparungen bei einer Beschäftigungsteuer zu erwarten, die den Charakter einer Wertsteuer (lahnabhängige Steuer) trägt, weniger von einer Kopfsteuer. Weil jedoch die Lohnentwicklung von entscheidender Bedeutung für die Lohnkastenentwicklung ist und die Lohnentwicklung bei einer lahnabhängigen Beschäftigungsteuer- mit im Zeitablauf konstanten Sätzen - die Ursache

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li. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinftationsbekämpfung

zusätzlicher Steuerbelastungen ist, übt die Lohnentwicklung einen nachhaltigeren Einfluß auf das Kostenanpassungsverhalten aus als die lohnahhängige Beschäftigungsteuer. Die Anreize zur Faktorsubstitution und Rationalisierung werden wesentlich eingeschränkt, wenn die zusätzliche Steuerbelastung von den Unternehmen weitgehend in den Güterpreisen überwälzt werden kann. Die Beschäftigungsteuer kann zum einen als Kostensteuer relativ leicht überwälzt werden. Zum anderen expandiert die Nachfrage im Dienstleistungssektor relativ rasch und kontinuierlich, so daß steuerinduzierte Preiserhöhungen ohne nennenswerte Absatzeinbußen durchführbar sind. Außerdem reagiert die Nachfrage nach Dienstleistungen relativ preisunelastisch. Es sind daher mit ziemlicher Sicherheit Preiserhöhungen im Dienstleistungssektor zu erwarten, die nicht nur die Anreize zu Kosteneinsparungen wesentlich beeinträchtigen, sondern auch unmittelbar und mittelbar über die Verflechtung mit dem industriellen und landwirtschaftlichen Sektor einen kostenbedingten Preisniveauauftrieb begünstigen. Bei Ausdehnung der Beschäftigungsteuer auf einzelne Industriezweige, insbesondere aus produktivitätspolitischer Sicht auf den Investitionsgütersektor, sind ähnliche Überwälzungsprozesse zu erwarten. Was die Besteuerung des Arbeitseinsatzes im Investitionsgüterbereich anbelangt, so treten vermutlich ähnlich weitgehende Preiserhöhungen auf wie im Dienstleistungssektor, da die Investitionsgüternachfrage typischerweise relativ unelastisch auf Erhöhungen der Anschaffungspreise reagiert und da in einer wachsenden Wirtschaft langfristig die Investitionsgüterindustrie günstige Wachstumsmöglichkeiten besitzt. Aus diesen Gründen erscheint es sehr fraglich, ob die selektive Besteuerung des Arbeitseinsatzes geeignet ist, die Arbeitsproduktivität in wichtigen Teilbereichen der Wirtschaft nachhaltig zu erhöhen. Die Erfahrungen mit der selektiven Beschäftigungsteuer in Großbritannien lassen vermuten, daß dies nicht zu erwarten ist239 • Außerdem erscheint es wachstums- und strukturpolitisch ungeeignet, die in den modernen Volkswirtschaften zu beobachtende zunehmende Ausweitung des Dienstleistungssektors durch wirtschaftspolitische Maßnahmen künstlich zu behindern. Die Erfolgaussichten der produktivitätsorientierten Steuerpolitik sind günstiger zu beurteilen, wenn anstelle einer Steuererhöhung die Gewinnsteuerbelastung der Unternehmen in Wirtschaftszweigen mit relativ geringen Produktivitätsfortschritten reduziert wird. Dadurch erhöhen sich in diesen Bereichen sowohl die Anreize zur Investition bzw. zur Anwendung kostengünstigerer Produktionsverfahren als auch die Finanzierungsmöglichkeiten. Eine Differenzierung der Steuersätze nach Wirtschaftsbereichen kommt offensichtlich wegen des allgemeinen Charak239 Vgl. Jefferson, M.: Fallacies and Failures of the Selective Employment Tax, in: Economic Age, Bd. 1 (1969), S. 26.

5. Produktivitätsförderungspolitik

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ters des Einkommensteuertarifs nicht in Frage. Grundsätzlich geeignet erscheinen hingegen die Gestaltung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Forschungs- und Entwicklungsausgaben, der Abschreibungsmöglichkeiten von Investitionsgütern allgemein, des Verlustausgleichs sowie eventuell die Zulassung von Steuerbefreiungen für bestimmte Gewinnteile, die zur Finanzierung gewisser Investitionsvorhaben verwandt werden. Da zu vermuten ist, daß Produktivitätsfortschritte in Wirtschaftszweigen, in denen kleinere Unternehmen dominieren oder in denen kleine und mittlere Unternehmen neben großen Unternehmen eine erhebliche Bedeutung besitzen, schwerer realisierbar sind als in Wirtschaftsbereichen mit durchschnittlich großen Unternehmenseinheiten und da die herrschenden allgemeinen steuerlichen Regelungen häufig die kleineren gegenüber den großen Unternehmen benachteiligen, wäre zumindest sicherzustellen, daß die Unternehmen unterschiedlicher Größenordnungen annähernd gleichmäßig in ihren Neuerungsaktivitäten und Wachstumsmöglichkeiten steuerlich beeinflußt werden. Dieses Postulat deckt sich mit dem Ziel einer wettbewerbsneutralen Gewinnbesteuerung, so daß die im vorherigen Kapitel aufgezeigten Reformmaßnahmen auch aus produktivitätspolitischer Sicht zweckmäßig erscheinen. Die Beseitigung steuerlicher Diskriminierungen kleinerer Unternehmen hätte nicht nur tendenziell zur Folge, daß kostensparende Verbesserungen gleichmäßiger in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen angewandt werden, sondern stimuliert auch indirekt durch tendenzielle Erhöhung des Wettbewerbs - namentlich in Wirtschaftsbereichen, in denen kleine und mittlere Unternehmen neben Großbetrieben eine bedeutende Rolle spielen die Anreize zur Neuerung und Rationalisierung. Da die lnvensivierung des Wettbewerbs auf eine steuerliche Entlastung der kleineren und jungen Unternehmen zurückgeht, spielt auch die mit zunehmendem Wettbewerb tendenziell verbundene Beschränkung der Gewinne und Finanzierungsmöglichkeiten als Hemmnisfaktor für Neuerungen und RationaHsierungen eine geringere Rolle als bei einem aus anderen Gründen bestehenden hohen Wettbewerb. Soweit die Beseitigung steuerlicher Wettbewerbsverfälschungen nicht ausreicht, um die Produktivitätsfortschritte in wichtigen produktivitätsschwachen Wirtschaftsbereichen nachhaltig anzuheben, wären zur Beeinflussung der Produktivitätsstruktur weitgehendere selektiv wirkende Maßnahmen notwendig, die jedoch in Widerspruch zu den Zielen "Wettbewerbsneutralität der Besteuerung" und "Steuergerechtigkeit" stehen können und die deshalb nicht unproblematisch sind.

(1) Förderung von Forschung und Entwicklung kleinerer Unternehmen: Die herrschenden Steuerregelungen begünstigen die Forschungsund Entwicklungstätigkeit großer Unternehmen und verstärken damit die Vorteile, die diese Unternehmen bereits aus anderen Gründen vielfach

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

besitzen. Infolge der besseren Verlustausgleichsmöglichkeiten können partielle Verluste aus Fehlschlägen der Forschungs- und Entwicklungsvorhaben weitgehender gegen Gewinne aus anderen Unternehmerischen Aktivitäten steuerlich aufgerechnet werden. Da die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit mit einem hohen Risiko verbunden ist, führen Mißerfolge bei kleineren Unternehmen mit eigener Forschung und Entwicklung zu relativ hohen Verlusten oder gar zur Gefährdung der Unternehmensexistenz, so daß für sie die Möglichkeiten des zeitlichen steuerlichen Verlustausgleichs besonders unsicher und begrenzt sind. Die stärkere Beteiligung des Fiskus an den erwarteten Gewinnen als an möglichen Verlusten bei den kleineren gegenüber den großen Unternehmen hat zur Folge, daß das Forschungs- und Entwicklungsrisiko dieser Unternehmen durch die Gewinnbesteuerung nur in relativ geringem Maße abnimmt, und der Substitutionseffekt der Besteuerung dazu führt, daß Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen eher unterbleiben. Außerdem verschlechtert sich die finanzielle Situation dieser Unternehmen stärker, so daß auch von der Finanzierungsseite die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit stärker beeinträchtigt wird. Zur Vermeidung dieser steuerlichen Diskriminierungen kleiner und mittlerer Unternehmen erscheint die Einführung großzügiger steuerlicher Verlustausgleichsregelungen erforderlich. Dadurch wird einerseits ein Schritt in Richtung auf eine wettbewerbsneutrale Gewinnbesteuerung getan, und zum anderen wird dem Ziel der Verminderung der intersektoralen (und intrasektoralen) Unterschiede in den Produktivitätsfortschritten besser entsprochen. Bei allgemeiner Ausdehnung des zeitlichen Verlustausgleichs ist so zu verfahren, daß weitgehend alle Unternehmen in die Lage versetzt werden, mögliche Verluste in voller Höhe steuerlich aufrechnen zu können. Da hieraus vor allem die kleineren Unternehmen Nutzen ziehen, erscheint diese Maßnahme geeignet, Unterschiede in der Produktivitätsentwicklung zu mildern. Außerdem besitzt diese Regelung den wachstumspolitischen Vorteil, daß die Stimulierung der Neuerungsaktivität kleinerer Unternehmen nicht mit einer Beeinträchtigung der Forschungsund Entwic..khmgsaktivität der großen Unternehmen verbunden ist. Die Steuerpolitik könnte sich auch darauf beschränken, den steuerlichen Verlustausgleich lediglich in den produktivitätsschwachen Bereichen großzügiger zu gestalten oder gar in den besonders zurückhängenden, jedoch entwicklungsfähigen Sektoren eine direkte staatliche Verlustbeteiligung unabhängig von Gewinnen früherer oder zukünftiger Jahre einzuführen. Da aus wettbewerbspolitischen Gründen eine einheitliche allgemeine Regelung angezeigt erscheint, erscheint eine selektive Festsetzung des steuerlichen Verlustrücktrags und Verlustvortrags nicht vertretbar. Direkte staatliche Kompensationszahlungen bei Unternehmensverlusten bieten zwar den Unternehmen der produktivitätsschwächeren Wirtschaftszweige die größten Vorteile, sie sind jedoch problematisch,

5. Produktivitätsförderungspolitik

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weil unwirtschaftliche Unternehmen gestützt werden können und weil die Festsetzung der Höhe der Kompensationszahlungen für einen relativ großen Kreis von Unternehmen mit unterschiedlicher Steuerbelastung sehr erhebliche praktische Schwierigkeiten mit sich bringt. Der allgemeinen Zulassung großzügiger steuerlicher Verlustrücktrags- und Verlustvortragsmöglichkeiten ist aus diesen Gründen der Vorzug zu geben. Die Wirkungen einer Ausdehnung des Verlustausgleichs auf die intersektorale Produktivitätsentwicklung dürfen allerdings nicht überschätzt werden. Die Forschung und Entwicklung wird nicht unmittelbar angeregt, weil der steuerliche Verlustausgleich allgemein für Unternehmensverluste und nicht allein für mögliche Verluste aus Neuerungsaktivitäten gilt. Da die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in der Regel jedoch mit einem relativ hohen Risiko verbunden ist, Fehlschläge also eher als bei anderen Investitionen zu erwarten sind, besteht vermutlich auch ein gewisser unmittelbarer Anreiz zur Forschung und Entwicklung. Zum zweiten ist nicht mit einer allgemeineren Förderung der Forschung und Entwicklung in den produktivitätsschwächeren Wirtschaftsbereichen zu rechnen, da im wesentlichen nur in der Industrie und auch hier in den einzelnen Branchen recht unterschiedlich hinreichende Voraussetzungen für eine rentable Forschung und Entwicklung bestehen. Im Dienstleistungssektor und in der Landwirtschaft sind kaum nennenswerte Impulse zu erwarten. Auch im industriellen Bereich erscheint es fraglich, ob Unternehmen in produktivitätsschwächeren Wirtschaftszweigen mit bisher fehlender eigener Forschung und Entwicklung einen nachhaltigen Anreiz erhalten, auf einem bisher unbekannten Gebiet tätig zu werden. Am ehesten sind Einflüsse in Wirtschaftszweigen zu erwarten, in denen die Unternehmen bisher bereits eigene Forschung und Entwicklung - wenn auch in bescheidenem Umfang- betrieben haben. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, daß die Unternehmen sich vor allem der Produkt- und weniger der Verfahrensforschung widmen werden. Direktere Einwirkungen auf die Produktivitätsstruktur gehen von der steuerlichen Begünstigung von Forschung und Entwicklung mit Hilfe beschleunigter Abschreibungen aus. Es besteht in den westlichen Ländern zunehmend die Tendenz, die beschleunigte Abschreibung von Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, die praktisch "Fortschrittsinvestitionen" darstellen, zuzulassen240 • Laufende Forschungs- und Entwicklungsausgaben können häufig unmittelbar als Betriebsaufwand 240 Vgl. u. a. Bundesministerium der Finanzen, Informationsdienst zur Finanzpolitik des Auslandes, Nr. 2/1968 vom 1. Juni 1968, S. 17 f.; Gübbels, B.: Die steuerliche Abschreibung im In- und Ausland, a.a.O.; Gesetz über die Gewährung von Investitionszulagen und zur Änderung steuerrechtlicher und prämienrechtlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 1969) vom 18. August 1969, Bundesgesetzblatt 1969, Nr. 79, S. 1211 ff.; Slitor, R. E.: The Tax Treatment of Research and Innovative Investment, in: AER, Bd. 56 (1966), S. 217 ff.

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

steuerlich angerechnet werden, während für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die an den Einsatz von Sachkapital gebunden sind, vielfach Sonderabschreibungen in den ersten Nutzungsjahren eingeräumt werden. Beschleunigte Abschreibungen sind zur Förderung der unternehmerischen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit grundsätzlich geeignet, da sie die Selbstfinanzierung verbessern, die Investitionsneigung erhöhen und da sie - angesichts der im Vergleich zur linearen Abschreibung geringeren Kapitalverluste bei alten Anlagen nach Einführung neuer Verfahren- die schnellere Anwendung von Neuerungen begünstigen. Die allgemeine Zulassung erhöhter Abschreibungen für Forschung und Entwicklung erscheint jedoch unter dem steuerpolitischen Aspekt der Verminderung der intersektoralen Unterschiede in den Produktivitätsfortschritten problematisch. Die Regelungen begünstigen vor allem die Großunternehmen. Zum einen sind hier die Forschungs- und Entwicklungsausgaben absolut wesentlich höher als bei kleineren Unternehmen, so daß auch der absolute Steuervorteil wesentlich größer ist und Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, die einen bestimmten Mindestaufwand erfordern, von ihnen eher durchgeführt werden können. Zum zweiten gelangen die Großunternehmen bei Abzugsfähigkeit von Sofortabschreibungen und Sonderabschreibungen in den ersten Nutzungsjahren vom steuerpflichtigen Gewinn (Einkommen) - ein Verfahren, das im allgemeinen zur Anwendung kommt - auch in den Genuß eines relativ hohen Steuervorteils, da diese Unternehmen relativ hohen Steuersätzen unterliegen und die Steuerkredite bzw. -ersparnisse aus beschleunigten Abschreibungen mit zunehmenden Grenzsteuersätzen ansteigen. Deshalb erscheint es angezeigt, anstelle der Abzugsfähigkeit erhöhter Abschreibungen von der Steuerbemessungsgrundlage den Steuerschuldabzug einzuführen. Die Abzugsfähigkeit von der Steuerschuld schaltet Konzentrationswirkungen der progressiven Gewinnbesteuerung aus. Die Steuerschuldabzugsmethode gewährleistet jedoch nicht hinreichend, daß die Unternehmen in Wirtschaftszweigen mit durchschnittlich kleinen oder mittleren Unternehmen - bzw. in Bereichen, in denen kleinere Unternehmen neben größeren eine wichtige Rolle spielen - und in denen die Produktivitätsfortschritte relativ gering sind, gegenüber den Unternehmen der konzentrierten Wirtschaftszweige gleichmäßig steuerlich begünstigt werden. Infolge absolut höherer Forschungsund Entwicklungsausgaben und höherem absolutem Steuervorteil können die Großunternehmen besser Forschungs- und Entwicklungsvorhaben einer bestimmten Größe und Effizienz durchführen. Außerdem bleiben auch bei Ausweitung des zeitlichen Verlustausgleichs Vorteile aufgrund eines weitgehenderen vertikalen Verlustausgleichs bestehen. Da auch die Gewinne der Großunternehmen absolut wesentlich höher sind als die kleinerer Unternehmen, können Fehlschläge der Forschung und Entwicklung von ihnen leichter getragen werden. Kleinere Unternehmen

5. Produktivitätsförderungspolitik

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sehen sich stärker der Gefahr einer Gefährdung der Unternehmensexistenz gegenüber, so daß die Anreize zu zusätzlicher Forschung und Entwicklung geringer sind als bei Großunternehmen. Es gilt aus diesen Gründen Sonderregelungen für produktivitätsschwache Wirtschaftszweige einzuführen. Die Aufhebung oder Einschränkung der herrschenden Regelungen, die überwiegend den Großunternehmen zugute kommen, erscheint aus wachstumspolitischen Gründen nicht vertretbar, da häufig nur Großunternehmen wesentliche Forschungs- und Entwicklungsaufgaben durchzuführen in der Lage sind und die Neuerungsaktivitäten dieser Unternehmen von großer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung sind. Eine Ausklammerung der Wirtschaftsbereiche von den Sonderregelungen, in denen die Unternehmenaufgrund der spezifischen Verhältnisse nicht oder kaum zur eigenen Forschung und Entwicklung fähig sind, erscheint nicht notwendig und zweckmäßig, da Unternehmen, die keine eigene Forschung und Entwicklung betreiben, sowieso nicht in den Genuß der Sonderbehandlung gelangen, und da dadurch die praktischen Schwierigkeiten der Bestimmung der zur Forschung und Entwicklung fähigen Unternehmen umgangen und eine ungewollte Diskriminierung von Unternehmen, die entgegen den Erwartungen zur Forschung und Entwicklung angeregt werden können, vermieden wird. Benachteiligt werden allerdings durch die Festsetzung von Sonderregelungen für produktivitätsschwächere Wirtschaftszweige Unternehmen in anderen Wirtschaftszweigen, in denen für einen Teil der Unternehmen ähnliche Bedingungen wie in den produktivitätsschwachen Bereichen gegeben sind. Das gilt vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen in Wirtschaftszweigen, in denen Großunternehmen eine erhebliche Rolle spielen. Neben oder anstelle der Einführung von Sonderregelungen für einzelne Wirtschaftszweige könnten deshalb generell günstigere steuerliche Abschreibungsregelungen für kleinere und mittlere Unternehmen eingeführt werden. Während nach Wirtschaftszweigen selektiv ausgestaltete steuerliche Abschreibungen nicht auf wesentliche praktische Schwierigkeiten stoßen vergleiche zum Beispiel die in den westlichen Ländern angewandten Differenzierungen der steuerlichen Abschreibung nach verschiedenen Unternehmensgruppen -, ist die Bestimmung der relevanten Unternehmensgrößen komplizierter, zumal auch für einzelne Wirtschaftsbereiche unterschiedliche Größenmaßstäbe anzulegen sind. Betrachtet man die praktischen Probleme als gelöst, so gehen von diesen Steuerregelungen tendenziell Impulse aus, die in Richtung auf eine Verminderung der intersektoralen (und intrasektoralen) Produktivitätsfortschritte wirken. Die steuerlichen Anreize zur Forschung und Entwicklung sind unmittelbarer als bei einer Ausweitung des zeitlichen Verlustausgleichs, da die Steuervorteile unmittelbar mit der Vornahme von Forschung und Entwicklung verknüpft sind. Die Erfolgsaussichten sind jedoch weiterhin recht begrenzt, da nicht mit einer allgemeinen Stimulierung der Forschung und 14 Cansier

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II. Steuerpolitische Möglichkeiten der Anbieterinflationsbekämpfung

Entwicklung zu rechnen ist, zusätzliche Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen nicht notwendig effizient sein müssen und die Unternehmen vorwiegend zur Produktverbesserung und -innovation anstatt zur Verfahrensforschung und -entwicklung angeregt werden. Um die Verfahrensforschunggezielt zu stimulieren, könnten sich die selektiven Förderungsmaßnahmen auf diesen Forschungs- und Entwicklungsbereich beschränken.

(2) Förderung der Investitionstätigkeit in den produktivitätsschwachen Wirtschaftsbereichen zur Anregung von Rationalisierungsmaßnahmen: Größere Bedeutung als der Förderung von Forschung und Entwicklung kommt vom Ziel eines gleichmäßigeren intersektoralen Produktivitätswachstums her der Förderung von Rationalisierungsinvestitionen zu. Die unternehmenseigene Verfahrensforschung spielt nur eine relativ geringe Rolle, wichtiger ist die Anwendung kostengünstigerer Techniken durch Kauf verbesserter Produktionsmittel, insbesondere von Investitionsgütern. Produktivitätsfördernde Maßnahmen müssen deshalb in erster Linie bei den Nachfragern von Produktionsmitteln oder bei den Rohmaterial- und Investitionsgüterproduzenten ansetzen. Dabei erscheint vor allem eine Anknüpfung bei den Nachfragern - die relativ geringe Produktivitätsfortschritte aufweisen - zweckmäßig. Von einer generellen Begünstigung der Forschungs- und Entwicklungsaktivität in den Rohmaterial- und Investitionsgüterindustrien würden alle in Frage kommenden Investoren unabhängig von ihrer Produktivitätsentwicklung profitieren. Beschränkungen der Förderungsmaßnahmen auf bestimmte Produktionsgüterindustrien oder auf bestimmte Produktionsgüterverkäufe zur Begünstigung bestimmter produktivitätsschwacher Wirtschaftszweige erscheinen praktisch kaum durchführbar. Außerdem besteht unter diesen Bedingungen für die Nachfrager produktivitätsschwacher Bereiche kein besonderer Anreiz, effizientere Produktionsmittel tatsächlich zu kaufen. Einfacher zu handhaben und gezielter ausgerichtet sind Förderungsmaßnahmen, die bei den Nachfragern von Investitionsgütern und Rohmaterialien ansetzen und sie veranlassen, ihren Produktionsapparatschneller und weitgehender dem modernsten technischen Stand anzupassen. Zur Förderung der Rationalisierung in den produktivitätsschwachen Bereichen kommen die gleichen Maßnahmen, wie sie zur Förderung von Forschung und Entwicklung und zur Wettbewerbsförderung dargestellt wurden, in Frage. Hinsichtlich der Gestaltung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten wäre noch nachzutragen, daß es zweckmäßig erscheint, in den arbeitsintensiven Wirtschaftszweigen, die im allgemeinen relativ geringe Produktivitätsfortschritte aufweisen, günstigere Abschreibungsmöglichkeiten als in den kapitalintensiveren Bereichen zuzulassen, da beschleunigte Abschreibungen die kapitalintensiven Indu-

5. Produktivitätsförderungspolitik

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striezweige besonders begünstigen, da hier sowohl absolut - infolge des im allgemeinen höheren Kapitaleinsatzes - wie relativ - infolge des höheren Kapitaleinsatzes im Verhältnis zum Arbeitseinsatz - höhere Steuervorteile auftreten. Wesentliche praktische Schwierigkeiten der Abgrenzung arbeitsintensiver Wirtschaftsbereiche bestehen nicht. Anstelle selektiver Steuerbegünstigungen im Rahmen der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten könnten produktivitätsorientierte Förderungsmaßnahmen auch in der Form eingeführt werden, daß Gewinnteile, die für Rationalisierungsmaßnahmen zu verwenden sind, bei den Unternehmen in produktivitätsschwachen Bereichen nicht besteuert werden, sondern als Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage241 oder als Abzug von der Steuerschuld verrechnet werden können. Um Wettbewerbsverfälschungen aus der Steuerprogression auszuschalten, ist der Methode des Steuerschuldabzugs der Vorrang zu geben. Die Steuerbefreiung bestimmter Gewinnanteile wäre nur soweit zuzulassen, als diese Mittel für bestimmte Rationalisierungsmaßnahmen innerhalb einer bestimmten Zeitspanne verwandt werden; andernfalls hätte eine Nachversteuerung zu erfolgen. Durch die Steuerbefreiung werden nicht nur zusätzliche Mittel für kostensparende Verbesserungen bereit gestellt, sondern es wird auch ein direkter Anreiz zur Durchführung solcher Maßnahmen geschaffen. Außerdem besteht der Vorteil, daß nicht beabsichtigte Anreize zu Neuinvestitionen alter Technik vermieden und in den Katalog der steuerlich begünstigten Rationalisierungsmaßnahmen nicht nur Rationalisierungen verbunden mit dem Einsatz von Sachkapital, sondern auch organisatorische Verbesserungen aufgenommen werden können. Da in den arbeitsintensiven Wirtschaftsbereichen Produktivitätssteigerungen vielfach in erster Linie nur durch organisatorische Verbesserungen erzielt werden können, erhalten deshalb diese Bereiche einen größeren Anreiz zur Vornahme von Kosteneinsparungen als bei beschleunigten Abschreibungen. Die Steuerbefreiung von Gewinnteilen für Rationalisierungszwecke vermag somit vor allem einen Beitrag zur Verminderung der Produktivitätsunterschiede zwischen dem Dienstleistungsbereich und der Industrie zu liefern. Es erscheint deshalb in erster Linie die Einführung von Steuerbefreiungen in den produktivitätsschwachen Dienstleistungsbereichen gerechtfertigt, während in den produktivitätsschwächeren Sektoren der Industrie günstigere Abschreibungsmöglichkeiten eingeräumt werden könnten.

241 Steuerfreie Rücklagen für Investitionen bestehen beispielsweise in Schweden, Dänemark, Norwegen, Österreich und Spanien. Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Informationsdienst zur Finanzpolitik des Auslandes, a.a.O., S.

14f.

Schlufihemerkung Die Ausführungen haben deutlich werden lassen, welche komplexe Aufgabe der Steuerpolitik mit dem Ziel der Anbieterinflationsbekämpfung gestellt ist. Es wurden die wichtigsten steuerpolitischen Ansatzpunkte herausgearbeitet und die Mittel steuerpolitischer Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt. Es konnte nicht das Anliegen dieser Arbeit sein, fertige Lösungsvorschläge zu entwickeln, vielmehr mußten wir uns auf den Versuch beschränken, einen Überblick über die grundlegenden Fragen zu geben und die in der Literatur vorliegenden, häufig nur angedeuteten und nicht auf die spezielle Fragestellung dieser Arbeit zugeschnittenen Lösungsansätze zu sichten und ausführlich zu analysieren. Genaue Aussagen über die relative Bedeutung der einzelnen Inflationsursachen und über die Wirkungen der verschiedenen Maßnahmen konnten nicht gemacht werden. Angesichts des herrschenden Stands der Inflations-, Lohn- und Preistheorie sowie der empirischen Forschung sind zwar hinreichend fundierte Aussagen über die Wirkungsrichtung der Einflußkräfte und Maßnahmen möglich, die Wirkungsintensität läßt sich hingegen nicht genügend präzise abschätzen. Erforderlich erscheinen vor allem ausführliche empirische Untersuchungen über das Lohn- und Preisverhalten der Gewerkschaften und Unternehmen, über die Wettbewerbsverhältnisse und die Produktivitätsentwicklung in einzelnen Wirtschaftsbereichen. Erst wenn beispielsweise für eine bestimmte Volkswirtschaft hinreichend nachgewiesen ist, daß Oligopolistische Großunternehmen unmittelbar und mittelbar Preisniveauauftriebstendenzen nachhaltig begünstigen, erscheint der Einsatz der aufgezeigten steuerpolitischen Lenkungsmaßnahmen angezeigt. Oder: Solange nicht bekannt ist, welche Wirtschaftszweige eine Lohnführerschaftsfunktion ausüben und in welchem Ausmaß dieser Faktor in anderen Wirtschaftsbereichen die sektorale Lohnentwicklung beeinflußt, steht die Berechtigung der angedeuteten produktivitätsorientierten Steuerpolitik noch nicht endgültig fest, und die steuerpolitische Aufgabe ist noch nicht hinreichend konkretisiert. Besonders problematisch erscheinen die auf die unmittelbare Beeinflussung des Lohn- und Preisverhaltens der Gewerkschaften und Unternehmer ausgerichteten Maßnahmen (Anpassungen der Lohneinkommensbesteuerung, preisabhängige Gewinnsteuer, hohe Gewinnsteuerbelastung oligopolistischer Großunternehmen mit nicht stabilitätskonfor-

Schlußbemerkung

213

mem Verhalten). Zum einen werden sehr weitgehende Eingriffe in die Entscheidungen des Einzelnen und der Arbeitnehmergruppen notwendig, und zum anderen können Steuerungerechtigkeiten und nicht immer leicht zu bewältigende steuertechnische Schwierigkeiten auftreten. Unsere Analyse rechtfertigt aber nicht die Schlußfolgerung, daß diese Maßnahmen zur Anbieterinflationsbekämpfung ungeeignet sind. Es muß weiteren Untersuchungen überlassen bleiben, die Teilfragen ausführlicher zu erörtern und gegebenenfalls geeignete steuertechnische Lösungen zu entwickeln. Wenn auch die einzelnen Konzepte in ihrer reinen Form unter den heutigen Verhältnissen nur geringe Realisierungschancen besitzen, so könnte die praktische Steuerpolitik dem Inflationsproblem immerhin durch Berücksichtigung wichtiger Teilaspekte dieser Konzeptionen besser Rechnung tragen. Unkontrovers ist hingegen die Zielsetzung einer wettbewerbsneutralen Gewinnbesteuerung. Zwar dürfen die mit einer Intensivierung des Wettbewerbs verbundenen inflationshemmenden Kräfte nicht überschätzt werden, jedoch im Zusammenhang mit gezielten steuerpolitischen Maßnahmen der Lohnbeeinflussung, eventuell der Verhaltenslenkung oligopolistischer Großunternehmen sowie der Beeinflussung der Produktivitätsstruktur kommt diesem Aspekt eine nicht zu vernachlässigende Bedeutung zu. Auch mit Hilfe der Verminderung der intersektoralen Unterschiede in den Produktivitätsfortschritten kann der inflatorische Auftrieb in gewissen Grenzen entschärft werden, ohne daß gegen die erforderlichen steuerpolitischen Maßnahmen schwerwiegende Einwände vorgebracht werden können. Die Aufgabe der produktivitätsorientierten Steuerpolitik wäre im einzelnen noch weiter zu konkretisieren. Außerdem gilt es, die Erfolgsaussichten nichtsteuerlicher finanzpolitischer Maßnahmen zu überprüfen. Die vorliegende Untersuchung beschränkte sich darauf, die wichtigsten Ansatzpunkte für steuerpolitische Maßnahmen aufzuzeigen. Es bestehen weitere Anknüpfungspunkte, die jedoch von untergeordneter Bedeutung sind bzw. die sich aus den dargestellten Grundkonzepten ableiten lassen. Hier sei abschließend noch kurz auf den Aspekt der Förderung der Arbeitsmobilität hingewiesen. Eine Erhöhung der Arbeitsmobilität übt im Arbeitsbereich teilweise ähnliche Wirkungen aus wie eine Wettbewerbsförderung in den Gütersektoren. Mit zunehmender Arbeitsmobilität nimmt die Bereitschaft der Arbeitnehmer zu, bei geringeren Lohnunterschieden als bisher zu anderen Unternehmen überzuwechseln, so daß die Unternehmen mit wachsendem Arbeitskräftebedarf cet par. geringere Lohnerhöhungen konzedieren müssen, um Arbeitskräfte anzuziehen. Andererseits bestehen aber gegenläufige Wirkungen. Die Erhöhung der Arbeitsmobilität verstärkt wegen der Verminderung der Arbeitslosigkeit und der besseren Möglichkeiten der einzelnen Arbeitnehmer bei anderen Unternehmen eine Beschäftigung zu finden, die Macht der Gewerkschaf-

214

Schlußbemerkung

ten und einzelnen Arbeitnehmer, wodurch höhere Lohnsteigerungen induziert werden können. Wenn die einzelnen Arbeitnehmer beispielsweise ohne Schwierigkeiten an anderer Stelle Beschäftigung finden können, sind sie in der Lage, gegenüber ihren Arbeitgebern höhere Löhne zu fordern. Die Unternehmer andererseits sindangesichtsder allgemeinen Arbeitskräfteknappheit auf die vorhandenen beschäftigten Arbeitnehmer angewiesen. Sie werden häufig höheren Lohnerhöhungen zustimmen als bei geringerer Arbeitsmobilität, um die Arbeitskräfte zu halten und Verschlechterungen der Arbeitseffizienz zu verhindern. Es erscheint aus diesen Gründen fraglich, ob mit Hilfe der Mobilitätsförderung die lohnbedingten Inflationskräfte nennenswert vermindert werden können. Außerdem sind der steuerpolitischen Förderung der Arbeitsmobilität enge Grenzen gesetzt.

Anhang Tabelle 1

Produktivitäts- und Lohneinkommensentwicklung je Arbeitnehmer BRD ohne Saarland und West-Berlin

Wirtschaftsbereiche

Arbeitsproduktivität

a)

Arbeitseinkommen je Arbeitnehmer b)

Durchschnittliche jährliche Wachstumsraten c) 1951-54 1955-60 1951-60 1951-54 1955-60 1951-60 Land- und Forstwirtschaft Produz. Gewerbe Industrie Baugewerbe Verarb. Handwerk Dienstleistungen ohne Staat Handel Banken und Versieh. Gewerbe Verkehr und Nachrichtenübermittlung Priv. Dienstleistungen Staat Insgesamt

10,6 6,2 6,2 7,0 5,6

8,7 4,7 4,4 2,8 8,4

9,4 5,3 5,1 4,5 7,3

9,4 8,5 8,5 9,2 8,9

6,9 7,3 6,8 7,5 9,9

7,9 7,8 7,4 8,2 9,5

1,1 -3,4

2,4 2,5

1,9 0,1

10,4 4,2

7,0 6,7

8,4 5,7

2,7

1,2

1,8

9,1

5,7

7,1

2,6 3,6 3,4 4,4

4,9 0,5 3,2 3,8

4,0 1,7 3,2 4,0

11,1 20,5 7,5 8,8

6,9 9,5 5,6 6,9

8,5 13,9 6,4 7,7

a) Bruttoinlandsprodukt (in Preisen von 1954) je beschäftigten Arbeitnehmer. - b) Brutto-Arbeitseinkommen (Löhne und Gehälter) ohne Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber. - c) Veränderungen gegenüber dem jeweiligen Vorjahresstand in v. H . Quelle: Hahn, H.: Unterschiede der Entwicklung von Produktivität, Lohn- und Preisniveau in den einzelnen Wirtschaftsbereichen der Bundesrepubllk, Strukturwandlungen einer wachsenden Wirtschaft, Neumark, F. (Hrsg.), SdVfS, N. F. Bd. 30/II, Berlin 1964 s. 661, Tabelle 5.

1. Tabakverarbeitende Industrie 2. Erdölgewinnung 3. Mineralölverarbeitung 4. Luftfahrzeugbau 5. Kunststoffverarb. Industrie 6. Eisenerzbergbau 7. Chemische Industrie 8. Kali- und Steinsalzbergbau 9. Textilindustrie 10. Sonstiger Bergbau 11. Glasindustrie 12. Holzverarbeitende Industrie 13. Sägewerke u. holzbearb. Ind. 14. Musikinstrumenten- und Spielwaren-lndustrie 15. EBM-Industrie 16. Zellstoff- u. Papiererzeugung 17. Kohlenbergbau 18. Feinkeramische Industrie 19. Industrie d. Steine u. Erden 20. Feinmechanische und optische Industrie 21. Metallgießereien

Industriezweig

8,10 7,57 7,16 5,02 7,38 7,00 7,53 7,26

7,02 6,90 6,29 6,C3 5,98 5,90 5,77 5,68

I

10,36 7,25 7,68 8,14 7,66 6,52 7 21 6,92 7,00 6,63 8,00 7,96 7,25

2

15,82 15,68 15,37 11,33 9,92 9,45 9,08 8,19 8,08 7,98 7,96 7,59 7,51

1

je geleisteter Beschäftigtenstunde

NettoLohn- u. produkGehaltstionssummeb) lvolumena)

1958-1966

!

1,76 1,58

1,08 0,67 0,87 -1,01 1,40 1,10

-5,46 -8,43 -7,69 -3,19 -2,26 -2,93 -1,87 -1,27 -1,08 - 1.35 0,10 0.37 -0,26

3

(2)-(1)

Durchschnittliche jährliche Zunahme c) in v. H.

I

I

I

i

20 21

14 15 16 17 18 19

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

4

Spalte 1

15 23

6 13 28 42 18 32

1 25 10 5 11 40 26 33 31 37 7 8 24

5

Spalte 2

Rangreihe

I

Lohn- u.

I

I

8,15 9,73

9,37 10,55 14,00 10,47 7,86 11,37

115,24 71,56 96,57 8,19 14,82 16,25 22,38 14,39 10,12 8,37 11,03 9,16 11,98

6

I I

1966

DM

5,00 5,35

33 26

29 21 12 22 38 18

4,85 5,00 5,46 6,60 4,79 5,18

8 1 3 2 43 9 7 6 11 24 31 20 30 16

I

Spalte 6

4,82 6,11 7,35 6,01 4,75 5,89 6,60 6,29 4,54 5,03 ö,34 4,78 4,37

7

je geleisteter Beschäftigtenstunde

29 23

41 30 22 3 33 23

32 8 1 8 36 10 4 6 38 31 24 33 40

9

Spalte 7

produkGehaltsRangreihe tionssumme b) volumen a) -·--------

No«o-

Tabelle 2: Arbeitsproduktivität a) und Lohn- und Gehaltssumme b) je geleisteter Beschäftigtenstunde 1966 und deren durdlscbnittlicbe jährliche Zunahme c) 1958 - 1966 in der Industrie der Bundesrepublik

....

~ ~

I)>

0)

!>:)

Industrie

0,75

7,01

6,26

Industrie insgesamt

I I

4,89 5,44

23,31 12,00

I I

I

11 25 2

12 16 19 28 26

43

13 20 15

14

7 10

5

36 42

33

17

21

37

Quette: Friedrlchs, G.: Technischer Wandel und seine Auswirkungen auf Beschäftigung und Lohn, in: Lohnpolitik und Einkommensverteilung, Arndt, H. (Hrsg.), SdVfS, N. F. Bd. 51, Berlin 1969, S. 704 f.

I

1,77

7,64

5,87

I

5,94 5,56 4,66

6,53

16,51 9,34 9,33

12,21

37 14 10

5,77 5,32 6,82 7,78 13,42 14,81

19

5

15 23 4 41 42 38 32 34 35

!

I

28 40 13 17

8

27

5,71 5,54 5,66 4,01 5,71 5,64 5,62 5,08 5,20

5,70

4,70 4,12 6,31 6,23 5,63

311

25

12,17 10,27 22,50 6,93 6,37 7,41 8,31 7,92 7,89

11,13

9,40 7,00 13,46 11,83 22,46

5,63 4,55

-1,10 2,63 0,73

6,67 7,40 7,61

9,47 15,79

4,!11

5,46

5,38

39 34 4

41 42 43

7,31

10,07

1,15

7,77 4,77 6,88

I I

7,32

41 36 38 9 20 27 19 30 29

32 33 34 35 36 37 38 39 40

I

I

11,98

-2,14

8,42

!),25

3,65

1,93 2,15 2,33 8,91 3,69 3,79 4,05 3,77 4,15

31

2,10

27

2 3 43 21 17

26 27 28 29 30

3,62 3,80 0,09 2,52 2,71

6,17

6,61 6,91 8,18

I

I

I

I

I

14

25

12

23 24

ltl

22

llll

2,37

2,34

1,114 1,81

5,23

I

I

6,51 6,65 6,63 7,87 7,28 7,17 7,31 7,02 7,15

7.53

7,37

2,96 1,66 -0,24

4,53 4,50 4,30 3,96 3,59 3,38 3,26 8,25 3,00

5.59

Bergbau (ohne KohlenwertstoffIndustrie) Verarbeitende Industrien Grundstoff- und Produktionsgüterindustrien Investitionsgüterindustrien Verbrauchsgüterindustrien Nahrungs- und GenußmittelIndustrien

rie d Margarine-Ind.

mg undTemper-

~de

:chl. Waggonbau)

·ie td Asbestverarstrie Umschmelz- und :e :i Kaltwalzwerke 1d Mälzerelen 1dustrie

ltende Industrie :ie Industrie

rungs- und tdustrie .ppe verarbeitende

,

Schuhindustrie ;ehe Industrie d Vervielfälti-

~ ::s



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