Österreich-Ungarn, Deutschland und der Friede: Oktober 1916 bis November 1918 [1 ed.] 9783205211495, 9783205204107


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German Pages [972] Year 2020

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Österreich-Ungarn, Deutschland und der Friede: Oktober 1916 bis November 1918 [1 ed.]
 9783205211495, 9783205204107

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VERÖFFENTLICHUNGEN DER KOMMISSION FÜR NEUERE GESCHICHTE ÖSTERREICHS Band 120 Kommission für Neuere Geschichte Österreichs Vorsitzende  : Brigitte Mazohl Stellvertretende Vorsitzende: Reinhard Stauber, Kurt Scharr Mitglieder  : Franz Adlgasser Gunda Barth-Scalmani Peter Becker Ernst Bruckmüller Laurence Cole Werner Drobesch Margret Friedrich Elisabeth Garms-Cornides Andreas Gottsmann Margarete Grandner Hanns Haas Wolfgang Häusler Ernst Hanisch Gabriele Haug-Moritz Lothar Höbelt Thomas Just Katrin Keller

Grete Klingenstein Christopher Laferl Wolfgang Maderthaner Stefan Malfèr Lorenz Mikoletzky Gernot Obersteiner Hans Petschar Martin Scheutz Martin P. Schennach Arno Strohmeyer Arnold Suppan Werner Telesko Thomas Winkelbauer Helmut Wohnout Sekretär  : Christof Aichner

Georg Stacher

Österreich-Ungarn, Deutschland und der Friede Oktober 1916 bis November 1918

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Die in den Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs gemachten Aussagen sind die der jeweiligen Verfasser, nicht die der Kommission. Gedruckt mit Unterstützung der Universität Innsbruck und des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek  : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie  ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2020 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien, Zeltgasse 1/6a, A-1080 Wien Umschlagabbildung  : Kaiser Karl I. von Österreich und der deutsche Kaiser Wilhelm II. Photographie um 1917. © IMAGNO/Austrian Archives. Korrektorat: Ulrike von Düring-Ulmenstein, Köln Einbandgestaltung: Michael Haderer, Wien Satz: büro m’n, Bielefeld Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-205-21149-5

Inhalt

Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.

2.

3.1 3.2 3.3 3.4

. 

96

. 

131

. 

Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion  . .  143

2.1 Kontakte mit England? Die Reise Mensdorffs nach Skandinavien  . . . . 2.2 Pläne des Prinzen Sixtus – Gespräche mit dem Kaiserpaar  . . . . . . . . . . 2.3 Französische Sondierungen in der Schweiz?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Bethmann Hollweg in Wien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Mensdorffs Mission in der Schweiz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Der Gemeinsame Ministerrat vom 22. März 1917  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Sixtus in Wien – der Kaiser schreibt an den Prinzen  . . . . . . . . . . . . . . . 2.8 Die Aufnahme des Kaiserbriefes an Sixtus durch die Entente  . . . . . . . . 2.9 Die Berliner Konferenz vom 26. März 1917  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Kaisertreffen in Homburg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11 Czernins Denkschrift vom 12. April 1917  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.12 Italienisches Separatfriedensangebot? Kaiser Karls zweiter Brief an Sixtus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.13 Die Resonanz des zweiten Kaiserbriefes bei der Entente  . . . . . . . . . . . . 2.14 Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur  . . 2.15 Alois Musil – Schreiber, Konzeptor, Verfasser der Sixtusbriefe?  . . . . . . 3.

. 

17 17 58

Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

1.1 Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916  . . . . . . . . . 1.2 Zum uneingeschränkten U-Bootkrieg  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die USA brechen die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab – die Beziehungen zwischen Washington und Wien in der Schwebe  . . . . . . 1.4 Kriegserklärung der USA an Deutschland – Österreich-Ungarn bricht die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten ab  . . . . . . . .

9

. . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . .  . . . . 

143 151 160 165 170 181 183 191 199 203 209 215 231 238 280

Licht im Osten?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  289

Frieden ohne Annexionen? Das russische Manifest vom 9. April 1917  . . Die Kreuznacher Besprechungen vom April und Mai 1917  . . . . . . . . . . . Kontakte an der Ostfront – Waffenstillstand, Separatfrieden?  . . . . . . . . Die Angelegenheit Grimm  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . .  . . .  ...  . . . 

289 322 337 347

6 4.

Inhalt

Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917 . . . . . . . . . . . . . . . . .  358

4.1 Wie kam die Denkschrift in Erzbergers Hände?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl  . . 4.3 Czernins Denkschrift in der Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.

. . .  . . .  . . . 

Frieden durch den Papst?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  414

5.1 Die Note Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Britische und französische Erwägungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Verhandlungen ohne die Antwort der Mittelmächte  . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort  . . . . . . . . . . . . . 5.5 Eine besondere deutsche Erklärung über Belgien?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Kaiser Karl schreibt an Papst Benedikt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Die Affäre um das Gespräch „mit Grafen X“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Nach Flitsch und Tolmein – Annexion italienischer Gebiete? . . . . . . . . . . 5.9 Kaiser Karl wendet sich persönlich an den Papst – Hoffnungen Roms  . . 5.10 Die „Vertrauensperson“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.

358 374 388

. .  . .  . .  . .  . .  . .  . .  . .  . .  . . 

414 423 426 443 454 462 466 473 479 503

Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs – Notenwechsel mit Wilson  . . .  511

6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr  . . Reverteras Gespräche mit Armand im Februar und März 1918  . . . . . . . . . . Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918 . . . . Noch eine kaiserliche Privataktion? Lammasch und Herron  . . . . . . . . . . . Wilson antwortet – Czernin und Hertling replizieren  . . . . . . . . . . . . . . . . . Der US-Präsident erwidert auf die k. u. k. Note vom 17. Februar . . . . . . . . . Die Botschaft Kaiser Karls an Wilson vom 22. März 1918  . . . . . . . . . . . . . . Lammaschs Herrenhausrede vom 28. Februar und die folgende Polemik  . . Keine weiteren Bemühungen um Wilson  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7.

Die Sixtus-Affäre  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  635

7.1 Czernins Rede vom 2. April 1918  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Die Affäre  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Ministerielle Verantwortung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Eindämmung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Das Treffen in Spa – neuer Bündnisvertrag, Wirtschaftsabkommen und das polnische Problem  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.6 Um die Interpretation des Bündnisvertrages  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.7 Die Auswirkungen der Sixtus-Affäre auf die Haltung der Alliierten  7.8 Die Sixtus-Affäre in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.  .  .  .  .  .  .  .  . 

. . . . . .  . . . . . .  ......  . . . . . .  . . . . . .  . . . . . .  ......  . . . . . . 

511 536 558 571 591 603 610 623 631

635 646 698 704 714 739 762 766

7

Inhalt

8.

Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge . . . . .  793

8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7

Ist ein Verständigungsfriede noch möglich?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parlamentarisierung der deutschen Regierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wilson soll die Herstellung des Friedens in die Hand nehmen  . . . . . . . . . . Umwandlung Österreichs in einen Bundesstaat? Das kaiserliche Manifest  . . Wilsons Bedingungen; Andrássy und Lammasch  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Österreichisch-ungarisches Sonderfriedensangebot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . Waffenstillstand und Republik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9.

Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  893

.  .  .  .  .  .  . 

793 823 831 844 851 862 872

Abkürzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  905 Verwendete Quellen und Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  912 Personenregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  945 Ortsregister  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  968

Vorbemerkung zur Zitierweise: Quellenzitate sind in der Orthografie der Originaldoku­ mente wiedergegeben; offensichtliche Orthografie- und Schreibfehler wurden k­ orri­giert. In Dokumenten notwendig erscheinende Ergänzungen und Auslassungen sind mit Klammern bezeichnet. Abkürzungen in den Texten und Fußnoten sind im Abkürzungsverzeichnis erklärt. Die in den Fußnoten angeführten Hinweise beziehen sich auf Archivalien und andere Dokumente, Tagebuchaufzeichnungen, Notizen, Briefe und Erinnerungen, Artikel in Periodika sowie Werke der Sekundärliteratur und sonstige Quellen. Die in den Fußnoten zitierten Stellen sind innerhalb von Anführungszeichen kursiv gesetzt. Zum Verständnis notwendige Hinweise sind im Text in Klammern gesetzt. Die Hinweise erscheinen in abgekürzter Form, die Abkürzungen sind im Abschnitt „Abkürzungen“ aufgelöst.

Danksagung Der Autor des Buches möchte besonders danken Herrn Univ. Prof. Dr. Thomas ­Winkelbauer und allen anderen Mitgliedern der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs, Herrn Univ. Prof. Dr. Gernot Heiss, Herrn Tepperberg und allen Archivaren des HHSTA, seiner Frau Giselheid Stacher und den Vielen, die die Entstehung der Arbeit verfolgt und befördert haben.

Einleitung

Das reiche, zum Teil aber erst spät zugänglich gewordene Quellenmaterial über die Entscheidungen der in den letzten beiden Jahren des ­Ersten Weltkrieges an der Spitze Österreich-Ungarns Stehenden und deren auf eine Beendigung des Krieges abzielende Bemühungen wurde bis jetzt nur fragmentarisch aufgearbeitet und untersucht. Dabei blieben wesentliche Vorgänge und Entwicklungen unbekannt bzw. nicht oder wenig beachtet. Das gewonnene Bild der Geschehnisse muss daher als lückenhaft bezeichnet werden und ist überdies öfter durch eine Parteinahme für einen der bestimmenden Faktoren verzerrt. Die unmittelbar nach 1918 entstandenen Arbeiten stützten sich in erster Linie auf die Erinnerungen und Stellungnahmen des gewesenen k. u. k. Ministers des Äußern Ottokar Graf Czernin, des deutschen Staatssekretärs des Innern und Vizekanzlers im Kabinett Bethmann Hollweg, Karl Helfferich, die Berichte des Prinzen Sixtus von Bourbon-Parma bzw. den seines Vertrauten und Historiographen Georges de Manteyer und den des Vertreters des k. u. k. Ministeriums des Äußern bei ­Kaiser Karl, August Graf Demblin.1 Wesentliche Quellen für diese Arbeiten stellten weiters Veröffentlichungen von Dokumenten dar, wie die 1919 und 1924 vom deutschen Auswärtigen Amt und dem Reichsministerium des Innern herausgegebenen „Amtlichen Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes 1918“, die von Erich von Ludendorff, dem ehemaligen ­Ersten Generalquartiermeister der deutschen Obersten Heeresleitung, veröffentlichten „Urkunden der Obersten Heeresleitung“ und die Aussagen deutscher Staatsmänner und Militärs vor dem Untersuchungsausschuss der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung.2 Wichtige Hinweise konnten aus den Erinnerungen August von Cramons aus der Zeit seiner Tätigkeit als bevollmächtigter deutscher General beim k. u. k. Armee-Oberkommando, aus dem „Bericht über die Verhandlungen im Beleidigungsprozeß Matthias Erzbergers gegen Karl Helfferich“, aus in Karl Friedrich Nowaks „Sturz der Mittelmächte“ wiedergegebenen Aussagen maßgeblicher Personen, aus den „Betrachtungen“ des gewesenen Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg 3 und aus Erinnerungen und Stellungnahmen anderer Akteure gewonnen werden. 1

2 3

Czernin 1919, Helfferich Weltkrieg. 2 1919; Helfferich Weltkrieg. 3 1919, Helfferich Fort. 1919, (Sixtus) TDT 2., 3., 5. u. 6. Jän. 1920, (Sixtus) LO 3., 10. u. 17. Jän. sowie 10., 24. u. 31. Juli 1920, (Sixtus) LI 3. Jän. 1920, Sixtus 1920, Manteyer 1921, Demblin 1920 (abgedruckt ohne Dok. 13 – 16 u. 18 in Demblin Alex. 1997, 107 – 165). Amtl. Urk. 1919 u. 1924, Ludendorff 1920, DNV 1919 Sten. Ber. 15. A 1919, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. Verh. UA, 2. UnterA 1920, DNV 1919/20 Sten. Ber. 15. UA, 2 1920. Cramon 1920, Cramon Fleck 1932, Erzberger-Prozess 1920, Nowak 1921, Bethmann Hollweg 1922.

10

Einleitung

Französische Autoren konzentrierten sich zunächst auf die Frage, ob es nicht möglich gewesen wäre, wie die Berichte des Prinzen Sixtus es zu suggerieren schienen, den Krieg durch den Abschluss eines Separatfriedens der Ententemächte mit Österreich-Ungarn zu einem baldigeren Ende zu bringen. Von diesen Autoren begnügten sich Charles Appuhn, Mermeix (Gabriel Terrail) und s­ päter Albert Chatelle im Wesentlichen damit, das von Sixtus Geschilderte zu referieren und zu diskutieren.4 Antoine Redier verband 1930 lange Zitate aus dem Buch des Prinzen mit einem Lobpreis Kaiserin Zitas und P ­ hilippe 5 Amiguet nahm das Buch zum Anlass einer Glorifikation des Prinzen. Die ersten von Historikern angestellten Untersuchungen – Bertrand Auerbachs „L’Autriche et la Hongrie pendant la guerre“ und Richard Festers „Die Politik K ­ aiser Karls und der Wendepunkt des Weltkrieges“ – erschienen 1925.6 Beide Werke erbrachten, soweit damals möglich, ein den Geschehnissen im Großen und Ganzen gerecht werdendes Bild. Festers eingehende Studie war von einem pointiert habsburgkritischen Standpunkt aus geschrieben und wurde deshalb von einer Reihe späterer Autoren abgetan. ­Heinrich Srbik meinte, Fester spiele „allzu sehr die Rolle des unerbittlichen Staatsanwaltes, nicht die des Urteilschöpfers (…) der über den Parteien zu stehen sucht (…)“, an den „großen Linien seines Buches“ sei aber „nicht zu mäkeln“.7 Der französische Diplo­mat François Charles-Roux veröffentlichte 1929 anonym einen eingehenden Artikel „La paix des empires centraux 1916 – 1918“, für den er wohl auch aus den der Forschung damals noch nicht zugänglichen Wiener archivalischen Quellen schöpfen konnte.8 Karl Wortmann verfasste 1929 einen ganz im Tone Festers gehaltenen Artikel „Czernin und die Westmächte im Weltkriege“.9 Ausgewogenere Darstellungen veröffentlichten 1929 der gewesene k. u. k. Generalstabsoffizier und nunmehrige Direktor des Wiener Kriegsarchivs Edmund Glaise-Horstenau und 1932 Henry Allizé, der 1919/1920 zunächst als französischer Hochkommissar und dann als Chargé d’affaires der Gesandtschaft in Wien fungiert hatte.10 Die Literatur der folgenden Jahre wurde bestimmt durch die 1929 bzw. 1931 erschienenen Bücher von Arthur Polzer-Hoditz, Direktor der Kabinettskanzlei ­Kaiser Karls von Februar bis November 1917, und Karl Werkmann, der 1917/18 Leiter des Pressedienstes für die Allerhöchsten Herrschaften und nach dem Ende der Monarchie politischer Sekretär des exilierten Kaisers gewesen war.11 Beide Autoren waren bestrebt, das 4 5 6 7 8 9 10 11

Appuhn 1921, Mermeix 1921, Chatelle 1936. Redier 1930, Redier L’impératrice 1930, Amiguet 1934. Auerbach 1925, Fester 1925. Srbik 1926. Anonym (Charles-Roux) 1929. Wortmann 1929. Glaise-Horstenau 1929, Allizé 1932. Polzer-Hoditz 1929, Werkmann 1931.

Einleitung

11

Bild ihres verstorbenen Herrn hochzuhalten. Mit ihren Darstellungen im Vergleich zu denen Generalleutnant Cramons und Botho Graf Wedels, des bevollmächtigten deutschen Generals beim k. u. k. Armeeoberkommando 1915 bis 1918 bzw. des deutschen Botschafters in Wien von November 1916 bis Juli 1919, befasste sich 1933 Paul Molisch.12 Gottfried Zarnow veröffentlichte 1936 ein Buch mit dem Titel „Verbündet – verraten“, in dem er sich auf die bis dahin zugänglichen Quellen stützte; in der Schärfe des Tons stellte er Fester bei Weitem in den Schatten. Von Fester selbst erschienen 1937 und 1938 vier wohlfundierte Arbeiten zur Materie.13 Hugo Hantsch verlieh in einer 1938 erschienenen Broschüre seiner Gewissheit Ausdruck, K ­ aiser Karl, „gleichsam zum Frieden geboren“, habe „das größte Leid auf sich nehmen“ müssen, „das je über einen Monarchen kam“.14 Die Quellenlage war inzwischen durch die Veröffentlichung wichtiger deutscher Dokumente in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ im Februar 1922 und Victor Naumanns Buch „Dokumente und Argumente“, das 1925 bis 1929 erschienene Werk des Untersuchungsausschusses der Deutschen Verfassunggebenden Nationalversammlung und des Reichstags, die Publikation der Dokumente der Waffenstillstandsverhandlungen sowie der für den Zeitraum relevanten „Papers Relating to the Foreign Relations of the United States“ 15 erheblich besser geworden. Wesentliche Aufschlüsse erbrachten auch Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Erinnerungen wichtiger Entscheidungsträger. An Veröffentlichungen dieser Kategorie sind vor allem zu nennen die von Charles Seymour edierten „Intimate Papers“ des Wilson-Beraters Edward M. House, die Erinnerungen „Au service de la France“ Raymond Poincarés, im kritischen Zeitraum Präsident der Französischen Republik, die „War Memoirs“ von Premierminister David Lloyd George, die Tagebuchaufzeichnungen Ministerpräsident Alexandre Ribots, Staatssekretär Robert Lansings „War Memoirs“, die „Lansing Papers“ und das Tagebuch Luigi ­Aldrovandi ­Marescottis, des Kabinettschefs des italienischen Außenministers Sidney Sonnino.16 Gewürdigt wurden diese Quellen erst nach 1945, in den 1952 bis 1958 erschienenen Untersuchungen „L’Italia nella guerra mondiale“ von Luigi Albertini, „The United States and East Central Europe 1914 – 1918“ von Victor S. Mamatey und Karl E. Birnbaums „Peace Moves and U-Boat Warfare“, nicht jedoch in den gleichzeitigen Publikationen von ­Friedrich Funder, Rudolf Neck und Reinhold Lorenz.17 12 Molisch 1933. 13 Fester Friedensoffensiven. 1937, Fester Friedensvermittlungsversuche. 1937, Fester Sonderfriedensaktion. 1937, Fester 1938. 14 Hantsch 1938, 75. 15 MNN 1922, Naumann 1928, WUA 4. Rh.1925 – 1929, Waffenstillstand 1. 1928, PRFR 1916 – 1918. 1929 – 1933. 16 Seymour 2 1926, Seymour 3 1928, Poincaré IX 1932, Poincaré X 1933, Lloyd George WM, 4 1934, Lloyd George WM, 5 1934, Lloyd George WM, 6 1936, Ribot 1936, Lansing 1935, PRFR LP 1 1939. PRFR LP 2 1940. Aldrovandi Marescotti 1937. 17 Albertini 1952, Mamatey 1957, Birnbaum 1958, Funder 1953, Neck 1953, Lorenz 1959.

12

Einleitung

Die ersten gründlichen Aufarbeitungen des einsehbar gewordenen Materials (inzwischen umfasste ­dieses auch ansehnliche Aktenbestände) erfolgten durch die 1958 bis 1984 zum Teil einschließlich wichtiger Dokumente publizierten Studien Wolfgang ­Steglichs.18 Vor allem auf Aktenmaterial basiert waren die Arbeiten Hartmut Lehmanns über „­ Czernins Friedenspolitik 1916 – 18“, Arthur S. Links Band „Campaigns for Progressivism and Peace 1916 – 1917“ seiner Wilson-Biographie und Gerhard Ritters die Politik Czernins und die Sixtus-Affäre behandelnden Kapitel seines Werkes „Staatskunst und Kriegshandwerk“.19 Dasselbe gilt für Friedrich Engel-Jánosis Studien über die Beziehungen ­zwischen Österreich und dem Vatikan, „Die politische Korrespondenz der Päpste mit den österreichischen Kaisern“ sowie über die Gespräche des k. u. k. Diplomaten Nikolaus Graf Revertera mit dem im 2e Bureau, dem Auslandsnachrichtendienst des Generalstabs der französischen Armee, tätigen Grafen Abel Armand in den Jahren 1917 und 1918.20 Ladislaus Singers ebenfalls auf archivalische Quellen, zum großen Teil aber auf Sekundärliteratur gegründete Biographie Czernins und Robert Hopwoods „Count Czernin and Germany 1916 – 1918“ kamen 1965 heraus, Ingeborg Mecklings wohlfundiertes Werk über die „Außenpolitik des Grafen Czernin“ erschien 1969.21 Erich Matthias und Mitarbeiter veröffentlichten 1959 zwei umfangreiche Bände mit Materialien zum Interfraktionellen Ausschuss des deutschen Reichstages 1917/18, 1962 einen Band zur Regierung des Prinzen Max von Baden und 1969 zwei Bände zur Regierung der Volksbeauftragten 1918/19.22 Eine höchst wichtige und umfangreiche Edition von Akten des deutschen Auswärtigen Amtes erfolgte in den Jahren 1962 bis 1978 durch André Scherer und Jacques Grunewald.23 Walter Görlitz veröffentlichte 1959 die Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des Chefs des Marinekabinetts und General­ adjutanten K ­ aiser Wilhelms, Admiral Georg von Müller.24 Robert A. Kann fand im Nachlass des bedeutenden Parlamentariers, zeitweiligen k. k. Ministers und Präsidenten der Delegation des österreichischen Reichsrates bzw. Obmanns des Ausschusses für Äußeres der Delegation Joseph Maria Baernreither ein den Titel „Aktenmäßige Zusammenstellung der ‚Brief Affäre‘ 1917 und 1918 von Ottokar Czernin“ tragende, über weite Strecken steno­grafisches Manuskript, welches er als „offenbar nach Diktat (Czernins) geschrieben“ ansah. Kann transkribierte diese Niederschrift und veröffentlichte sie zusammen mit anderen Aufzeichnungen und Dokumenten Baernreithers 1963 und 1966.25 Vergleicht 18 19 20 21 22 23 24 25

Steglich 1958, Steglich 1 1964, Steglich 1970, Steglich 1974, Steglich 1984. Lehmann 1963, Link Wilson. 5 1965, Ritter 3 1964, Ritter 4 1968. Engel-Jánosi 2 1960, Engel-Jánosi 1964, Engel-Jánosi Friedensbemühungen. 1965, Engel-Jánosi 1966. Singer 1965, Hopwood 1965, Meckling 1969. Matthias 1 1959, Matthias 2 1959, Matthias Morsey 1962, Matthias Miller Potthoff 1969. SG 1 1962, SG 2 1964, SG 3 1976, SG 4 1978. Görlitz 1959. Kann 1963, Kann 1966.

Einleitung

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man Baernreithers Manuskript mit dem Typoskript „Aktenmäßige Zusammenstellung (…)“, das mit einem Konvolut von Papieren aus dem Nachlass Czernins 1994 bzw. 1996 ins Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv gelangte 26 und bis jetzt nur bruchstückweise und lediglich referierend veröffentlicht wurde,27 so wird klar, dass Baernreither längere Passagen ­dieses Typoskripts abgeschrieben, andere Teile aber nur referiert oder kommentiert hatte. Czernin verfasste die „Aktenmäßige Zusammenstellung“ wahrscheinlich Anfang 1920 und ließ, offenkundig sehr bald nach ihrem Entstehen, Baernreither in sie Einsicht nehmen. Golo Mann und Andreas Burckhardt gaben 1968 Erinnerungen und Dokumente Prinz Max von Badens heraus, Ernst Deuerlein publizierte 1973 die Korres­pondenz ­zwischen dem bayerischen Staatsminister Georg Graf Hertling und dem bayerischen Gesandten in Berlin, Hugo Graf Lerchenfeld, Reinhard Schiffers und Mitarbeiter brachten 1981 und 1983 zwei für unseren Zeitraum relevante Bände über den Hauptausschuss des Deutschen Reichstags heraus.28 Johannes Hürter editierte 1998 für die Tätigkeit Paul von Hintzes im Herbst 1918 aufschlussreiche Dokumente. Die Veröffentlichung der für diesen Zeitraum wichtigen Bände der „Papers of Woodrow Wilson“ erfolgte in den Jahren 1983 bis 1985, die der Akten des Prozesses zur Seligsprechung ­Kaiser Karls 1994.29 Elisabeth Kovács veröffentlichte 2004 eine Reihe interessanter, im Seligsprechungsprozess verwendeter und anderer ­Kaiser Karl betreffender Dokumente.30 Erst 2010/2011 erfolgte durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Historischen Institut in Rom und dem Vatikanischen Geheimarchiv die Kritische Online-Edition der Berichte des Apostolischen Nuntius in München, Eugenio Pacelli, an Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri und dessen Weisungen an den Nuntius.31 Eine Reihe von Darstellungen richtete sich an ein breiteres Publikum. Peter Feldl glaubte 1968 bei der Abfassung seines Buches ohne konkrete Quellenangaben auskommen zu können, ließ dafür aber erkennen, dass seine Sympathien ganz dem Kaiserpaar gehörten.32 Eine ebenso einseitige Liebe hegte der britische Journalist und Historiker ­Gordon Brook-Shepherd, dessen Buch „The Last Habsburg“ ebenfalls 1968 erschien. Bei 26 Czernin Aktenm. Z. HHStA PA I, 1092a 1 fol. 193 – 222. 27 Rauchensteiner 1995, Kovács 1 2004 668 – 675. 28 Max v. Baden 1968, Deuerlein 1 1973, Deuerlein 2 1973, Schiffers Koch Boldt 3 1981, Schiffers Koch Boldt 4 1983. 29 Link PWW 40 – 49 u. 51, 1983 – 1985, Congregatio. 1 1994. 30 Hürter 1998, Kovács 2 2004. – Kovács teilte mit „durch die vatikanische Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse ersucht worden zu sein, die Zeugenaussagen und (… die) als Belege vorgelegten Dokumente (…) auf den historischen Wahrheitsgehalt zu prüfen, sie als historische Quelle zu bestimmen und ihre wissenschaftliche Gültigkeit festzustellen“. Kovács 2005 52 – 53. 31 Nunt.-Ber. 2010/2011. 32 Feldl 1968.

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der A ­ uswahl der Quellen ging Brook-Shepherd entsprechend vor, wobei er größte Bedeutung Aussagen Exkaiserin Zitas beimaß, deren Gedächtnis er als „bis in die kleinsten Einzelheiten getreu und (…) weder durch Bitterkeit noch durch Voreingenommenheit auch nur im geringsten verzerrt“ erachtete.33 Seiner einmal gefassten, innigen Zuneigung blieb Brook-Shepherd auch in seinen Büchern „The Last Empress“ und „The Austrians“ 34 treu. Helmut Rumpler, der 1966 eine Studie über K ­ aiser Karls Manifest vom 16. Oktober 1918 herausgebracht hatte, publizierte 1971 und 2007 zwei auf Sekundärliteratur fundierte Aufsätze, in denen er den Leser mit sehr originellen Vermutungen konfrontierte. Dasselbe kann von das Thema berührenden Publikationen Emilio Vasaris und Heinz Rieders 35 gesagt werden. Gary W. Shanafelt dagegen schöpfte in seinem 1985 erschienenen Buch hauptsächlich aus archivalischen Quellen, würdigte aber auch die vorliegende Literatur.36 Ähnlich suchte Tamara Griesser-Pečar ihr über weite Strecken belletris­tisches Buch über Kaiserin Zita zu fundieren und „ein möglichst objektives Porträt vor dem Hintergrund der geschichtlichen Ereignisse zu zeichnen“, was ihr allerdings nur zum Teil gelang.37 In ihrer 1988 erschienenen, ebenfalls belletristischen „Mission Sixtus“ gelang dies noch weniger, wenngleich ihr, wie sie schrieb, „private Tagebuch-Notizen der Kaiserin Zita (…) so manches Rätselhafte aus jenen Tagen“ erhellten.38 Ein ausgewogenes Bild vermochte 1988 Anton Mayr-Harting in seinem „Untergang Österreich-Ungarns“ zu zeichnen; er stützte sich allerdings ausschließlich auf Sekundärliteratur.39 Ein abstruses, von Kaiserin Zita sowie ihr nahestehenden legitimistischen und integra­listisch-katholischen Kreisen gehegte Verschwörungstheorien tradierendes Buch ist das 1988 von François Fejtő veröffentlichte „Requiem pour un empire défunt“ (deutsch: „Requiem für eine Monarchie“, 1991). Aus ihm ist zu erfahren, dass das Freimaurertum „einen radikalen Kampf gegen Klerikalismus und Monarchismus, das heißt gegen die österreichisch-ungarische Monarchie“ geführt und so deren Untergang bewirkt habe.40 Ein durch kühne Vermutungen und Schlüsse sowie durch falsche Rückübersetzungen ins Französische verzeichnetes Bild gab Wolfdieter Bihl 1990 in seiner, abgesehen von Zeugenaussagen für den Prozess zur Seligsprechung ­Kaiser Karls und dem Buch des Prinzen Sixtus, fast ausschließlich auf Sekundärliteratur beruhenden „Mission de médiation (sic!) des princes Sixte et Xavier“.41 Manfried Rauchensteiner arbeitete 1995 für einen Buchbeitrag erstmals an 33 34 35 36 37 38 39 40 41

Brook-Shepherd 1968, 10. Brook-Shepherd 1991, Brook-Shepherd 1997. Rumpler 1966, Rumpler 1971, Rumpler 2007, Vasari 1975, Rieder 1981, Rieder 2004. Shanafelt 1985. Griesser-Pečar 1985. Griesser-Pečar 1988, 9. Mayr-Harting 1988. Fejtö 1991, 348. Bihl 1993 (Vortrag 1990).

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der „Aktenmäßigen Zusammenstellung der ‚Brief Affäre‘ 1917 und 1918“ aus Czernins Nachlass, verließ sich aber sonst zu sehr auf in der Sekundärliteratur unzutreffend als Fakten Präsentiertes.42 Ein umfangreiches Werk „Untergang oder Rettung der Donaumonarchie“ veröffentlichte 2004 Elisabeth Kovács.43 Ihre Darstellung, die darauf abzielte, „ein objektives Bild des von der Propaganda Entstellten, Verfemten und für den Untergang des Habsburgerreiches verantwortlich Gemachten“, des „von der göttlichen Vorsehung zur Herrschaft über verschiedene Völker bestimmten“ Kaisers Karl zu geben,44 kann nur als die Realität grob entstellend bezeichnet werden. Ein die realen Begebenheiten wenig widerspiegelndes Bild findet sich auch in einer Reihe mehr oder minder journalistischer Darstellungen, deren Verfasser sich in nur wenigen Fällen, und auch in diesen in sehr bescheidenem Ausmaß, auf Quellenmaterial beriefen und im Übrigen mit dem Referieren von Sekundärliteratur das Auslangen fanden. Vielfach aber waren die Verfertiger solcher Darstellungen von dem Glauben beseelt, ihre feste Überzeugung mache auch Fundamente solcher Art entbehrlich. Nicht wenige Autoren vor allem der letzteren Gruppen waren erklärter oder unerklärter Maßen bemüht, die Absichten und Entscheidungen ­Kaiser Karls in einem der „innerhabsburgischen Tradition“ 45 entsprechenden Lichte zu zeigen und damit den Bemühungen um seine Seligsprechung und um eine Restauration der Monarchie den Weg zu ebnen. Diese zum Teil mit tatkräftiger Förderung interessierter Personen und Kreise unternommenen Darstellungen gerieten daher vielfach zu Panegyriken oder Andachtsschriften.46 Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die von Herbst 1916 bis November 1918 die Außenpolitik bestimmenden, vor allem die auf eine Beendigung des Krieges abzielenden, Schritte der Führung Österreich-Ungarns und des Deutschen Reiches sowie die aus diesen Schritten erwachsenen Weiterungen aufgrund des in Archiven und Dokumenteneditionen zugänglichen Quellenmaterials wie auch von Tagebüchern, Briefen, Notizen und Erinnerungen am Geschehen beteiligter Personen zu erschließen und zu untersuchen. Die Arbeit konzentrierte sich dabei auf jene Vorgänge und Bemühungen, die in dem genannten Zeitraum für die Stellung der österreichisch-ungarischen Monarchie sowohl ihren Verbündeten als auch ihren Gegnern gegenüber von wesentlicher B ­ edeutung waren, deren bisherige Aufarbeitung jedoch nur anhand beschränkten Quellen­materials oder mit nur teilweiser Beachtung d ­ ieses Materials erfolgt und daher unzulänglich war. Als ­solche Geschehnisse erschienen die Entstehung des ­Friedensangebots der Mittelmächte 42 43 44 45 46

Rauchensteiner 1995. Kovács 1 2004, Kovács 2 2004. Kovács 1 2004, 14, 583. Kovács 1 2004, 13. Als Beispiele ­seien hier angeführt: Bogle Bogle 1990, Dugast Rouillé 1991, Lichem 1996, Sévillia 1997, Broucek 1997, Baier Demmerle 2002, Germain 2002, Broucek 2004, Demmerle 2004, Oberkofler 2006, Bourgne Uderzo 2007, Kovács 2007, Charpentier 2009, Sévillia 2009, Mercante 2009.

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vom 12. Dezember 1916, die Zustimmung der österreichisch-ungarischen Staatsspitze zum uneingeschränkten Unterseebootkrieg, ihre Bemühungen zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten, der von ihr herbeigeführte Abbruch dieser Beziehungen nach der amerikanischen Kriegserklärung an Deutschland, die Versuche, über Graf Mensdorff eine Verbindung zu den Ententemächten herzustellen, die Kontakte des Kaiserpaares und Minister Czernins mit Prinz Sixtus, die vom K ­ aiser an den Prinzen geschriebenen Briefe und deren Widerhall bei der Entente, die Denkschrift Czernins vom 12. April 1917 und ihre Aufnahme durch die deutsche Staatsführung sowie die Affäre um die Weitergabe dieser Denkschrift durch ­Kaiser Karl an Erzberger. Untersucht wurde auch der Umgang der Mittelmächte mit der revolutionären Entwicklung in Russland, ihre Beantwortung der päpstlichen Friedensnote vom 1. August 1917 und daran geknüpfte Hoffnungen, der Versuch ­Kaiser Karls, durch den Papst dem Frieden näherzukommen, die Bemühungen, durch Mensdorff mit England bzw. durch Revertera mit Frankreich eine Gesprächsbasis zu finden, die Gespräche Lammaschs mit George D. Herron, das Bestreben, durch Präsident Wilson zum Frieden zu kommen, die Affäre um das Bekanntwerden der Briefe ­Kaiser Karls an Sixtus im April 1918 und die durch sie bewirkten Folgen und schließlich die Hoffnungen des Herbstes 1918, doch noch einen Verständigungsfrieden erreichen zu können und, schon im Angesicht der Katastrophe, der Glaube an Wilson als einen Garanten für einen gerechten und ehrenhaften Frieden. Wo es zum Verständnis von Zusammenhängen bzw. zur Veranschaulichung des zeitlichen Kontextes notwendig erschien, wurden auch Geschehnisse bearbeitet und dargestellt, von denen andere Autoren ein wohl zutreffendes aber unvollständiges Bild gaben. Versucht wurde, die bearbeiteten Materien so weit wie möglich durch den Wortlaut der Quellen selbst darzulegen. Ziel der vorliegenden Arbeit war es darüber hinaus, die bisherige historische aber auch populärhistorische Literatur und die in ihr gegebenen Darstellungen der oben genannten Bemühungen, Versuche und Entwicklungen kritisch zu werten und zu kommentieren.

1. Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

1.1

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

Das Friedensangebot geht zurück auf einen Vorschlag des k. u. k. Ministers des Äußern Stephan Baron Burián, den dieser bei einem Besuch im deutschen Großen Hauptquartier am 18. Oktober 1916 machte. In einer handschriftlichen Aufzeichnung Reichskanzler Bethmann Hollwegs heißt es darüber: Burián trug mir gestern in Pleß folgendes vor: – Wenn mit dem Beginn des Winters eine Pause in den großen Offensiven unserer Feinde eintrete und der rumänische Feldzug zu einem gewissen Abschluß gekommen sein werde, müßten wir den Versuch machen (…) ein Ende des Krieges herbeizuführen. Dauere der Krieg fort, so würden wir im nächsten Jahr einer noch größeren Offensive (…) gegenüberstehen als in d ­ iesem Sommer. Selbst wenn wir sie siegreich abwiesen, würden wir damit keinen unserer Feinde zum Frieden zwingen, selbst aber dem Erschöpfungszustande nahe sein (…). Er schlage folgende Methode vor: – Wir sollten nicht die Friedensvermittelung eines oder aller Neutralen anrufen, weil ­solche Vermittelung stets eine uns wahrscheinlich abträgliche Stellungnahme des Vermittelnden zu den Friedens­bedingungen in sich schließen würde. Wohl aber sollten wir die Neutralen bitten, unser konkret ausgedrücktes Friedens­angebot unseren Feinden zu übermitteln. (…) Der Papst sei (…) durch eine Parallelaktion zu beteiligen. – Vernünftige Friedensbedingungen würden uns die Sympathien der Neutralen einbringen, die zweifellos bei allen feindlichen Völkern vorhandenen Friedensstimmungen so stärken, daß die feindlichen Regierungen ihrem Druck nachgeben müßten und im eigenen Lande die Stimmung wieder so aufrichten, daß unsere eigenen Völker, sollte es nicht zum Frieden kommen, dann auch entschlossen bis zum letzten Ende aushalten würden. – (…) Lehnten aber unsere Feinde unser Angebot ab, so würde die Tatsache, daß wir es gemacht hätten, (…) kaum mehr als Zeichen ­­ der Schwäche zu unseren Ungunsten in die Wagschale (sic!) fallen, jedenfalls (…) durch die uns günstigen Rückwirkungen auf die Neu­tralen, die feindlichen Pazifisten und auf unsere eigene Bevölkerung voll aufgewogen werden.

Burián denke sich das Friedensangebot etwa so: 1. Volle territoriale Integrität der vier verbündeten Mächte. – 2. Rückgabe der deutschen Kolonien. – 3. Volle Integrität des französischen Territoriums. – 4. Wiederherstellung Belgiens als souveräner Staat unter Sicherung der legitimen Interessen Deutschlands. (…) – 5. Einverleibung des Kongostaates in Deutschland. – 6. Strategische Grenzverbesserungen gegen Italien. (Es handle sich nur um einzelne unfruchtbare Berge (…). Besten Endes schien Baron Burián selbst zu gegenseitigen

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Grenzkorrekturen bereit.) – 7. Anerkennung des Königreichs Polen. – 8. Strategische Grenzverbesserungen gegen Rußland für Deutschland (hierunter also Kurland und Litauen zu subsumieren) und für Oesterreich-Ungarn (letztere ganz geringfügig). – 9. Strategische Grenzverbesserung gegen Rumänien, speziell am Eisernen Tor, wo die Donaumonarchie Herr im Hause sein müsse (…) – 10. Erweiterung Bulgariens durch die okkupierten Teile Serbiens und der Dobrudscha. – 11. Wiederherstellung des Königreichs Serbien unter Abtretung der unter 10 bezeichneten Gebietsteile an Bulgarien, nördlicher und nordwestlicher Teile an Oesterreich-Ungarn und albanischer Gebietsteile an Albanien. (Baron Burián will (…) Rußland auf dessen etwaiges Verlangen weit entgegenkommen, selbst wenn nötig den Fortbestand der Dynastie Karageorgewitsch konzedieren. Für sich will er die Matschwa 47 und Belgrad, auf Belgrad aber verzichten, wenn es Rußland so verlangt. Um Bulgarien zu beruhigen (…) wäre er bereit, ihm noch mehr Land als das bisher vereinbarte zuzugestehen (…). – Wie auch Ungarn jetzt endlich eingesehen habe, müsse Serbien durch wirtschaftliche Vorteile eng an die Donaumonarchie angeschlossen werden.) – 12. Wiederherstellung des Königreichs Montenegro unter Abtretung gewisser Gebietsteile an OesterreichUngarn und Albanien. (…) – 13. Selbständigkeit Albaniens unter österreichischem Protektorat. – 14. Aufhebung aller Kapitulationen in der Türkei und Ersetzung derselben durch internationale Verträge (…). – 15. Erfüllung der russischen Wünsche in bezug auf Durchfahrt durch die Meerengen. (…) – 16. Wiederherstellung territorialer Integrität Griechenlands. – 17. Verzicht unserer Feinde auf alle Abmachungen, ­welche Wiederherstellung normaler wirtschaftlicher Beziehungen (…) verhindern. Freiheit der Meere. – Kriegsentschädigungen will Baron Burián nicht fordern. (…) – K ­ aiser Franz Joseph ist mit diesen Vorschlägen einverstanden. (…) Er erbittet unsere Gegenäußerung. Würden wir einig, so müßten wir (…) Zustimmung der Türkei und Bulgariens einholen und unser Friedensangebot so vorbereiten, daß es im psychologischen Moment unverzüglich den Neutralen (…) übergeben werden könnte. – Ich habe ganz unverbindlich (…) erwidert, daß ich denselben Gedanken bereits seit langer Zeit ernstlich erwäge, die Richtigkeit mancher der vorgebrachten Argument anerkenne, in die Details (…) natürlich noch nicht eingehen könne, und habe weitere Antwort in Aussicht gestellt.48

Burián hielt am 30. Oktober in einer Aktennotiz fest: Am 18. Oktober hatte ich in Pleß in längerer Konversation mit dem Reichskanzler (…) angeregt, dem Friedensproblem in der Weise näherzukommen, daß wir unsere (…) gemäßigten Friedensbedingungen unseren Gegnern durch die Neutralen mitteilen und veröffentlichen. Dadurch wäre beabsichtigt, unsere Völker aufzuklären über die Kriegsziele, für die sie kämpfen müssen, die Neutralen für uns zu stimmen, den feindlichen Regierungen jeden Vorwand zu 47 Den nordwestserbischen Bezirk Mačva mit der Stadt Šabac. 48 Bethmann Hollweg, handschr. Aufz. 18. Okt. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 79 – 82 Dok. 75.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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nehmen für die gewohnten Anklagen (…) wegen unserer angeblich völkerfeindlichen Bestrebungen, den feindlichen Nationen aber zu zeigen, daß sie den Krieg wegen imaginärer, ihnen von ihren Regierungen vorgetäuschten Gefahren führen. – Der Reichskanzler hatte meinen Gedanken (…) zustimmend aufgenommen. (…) Er könne sich jetzt nur ganz persönlich äußern, würde aber über die Sache nachdenken und sie seinem ­Kaiser unterbreiten. (…) – Gestern traf nun (…) der Gesandte von Stumm hier ein, um mir mitzuteilen, daß der Reichskanzler meiner Anregung (…) mit Ermächtigung seines Herrschers beipflichtet und sie ehestens durchzuführen wünscht, allerdings (…) ohne Angabe von konkreten Friedensbedingungen.49

Stumm hatte für seine Mission in Wien von Bethmann Hollweg folgende Weisung erhalten: Bitte Baron Burián mitteilen, dass ich den Gedanken eines allgemeinen Friedensangebots (…) weiter reiflich überlegt und mich von seiner Zweckmässigkeit überzeugt habe. Nachdem (…) der grosse Balkanfeldzugsplan der Entente zusammengebrochen ist, scheint mir der psychologische Moment gekommen. Ein Warten auf etwa noch grössere Erfolge, z. B. die Einnahme von Bukarest (…), würde aller Wahrscheinlichkeit nach noch Wochen andauern. Dann aber wären wir unversehens in den Winterfeldzug hineingeraten, und wenn die Völker sich erst an diesen gewöhnt haben, besteht die dringende Gefahr, dass vor Frühjahr kaum wieder irgend eine Geneigtheit für die Aufnahme einer Friedensbotschaft zu erwarten ist. (…) – Von einer Konkretisierung unserer Bedingungen würde ich (…) abzusehen raten (…). Einerseits könnten unsere Gegner erklären, dass sie auf s­ olche Bedingungen überhaupt nicht eingehen könnten (…); andererseits würden wir uns (…) schon im voraus festlegen (…) Mein Gedanke ist, durch das öffentlich ausgesprochene Wort ‚Frieden‘ den heissen Wunsch aller Völker nach Beendigung des furchtbaren Kampfes soweit zu stärken, dass die feindlichen Regierungen mehr oder weniger in die Zwangslage kommen, auf unseren Vorschlag einzugehen (…). – Als modus procedendi schlage ich vor: – (…) Österreich-Ungarn, Deutschland, Bulgarien und die Türkei lassen den feindlichen Mächten (…) mitteilen, dass sie bereit sind, mit ihnen in Friedensverhandlungen einzutreten. Eine Mitteilung (…) erfolgt zugleich an alle europäischen Neutralen, an Vereinigte Staaten (…) sowie an (…) den Papst. (…) Da ich in der nächsten Woche im Reichstag über die auswärtige Lage sprechen muss, würde ich diese Gelegenheit auch für besonders geeignet halten, die (…) Aktion öffentlich anzukündigen. (…) – Da für den 4. November mit einer Rede Herrn Asquith in der Guild Hall zu rechnen, und es nicht ausgeschlossen ist, dass er dabei konkrete Friedensbedingungen (…) erörtert, müsste, damit wir die Initiative behalten, unser Angebot vorausgehen. Ich würde also als Tag der Ankündigung nächsten Donnerstag (2. Nov. 1916) vorschlagen.50

49 Burián, Notiz 30. Okt. 1916, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 308 – 311v u. 314; idem: HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 48 – 54. 50 Bethmann Hollweg (Weisung an Stumm?), Tel.-Entw., (28.) Okt. 1916, SG 1 1962, 532 – 534 Dok. 353.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Am folgenden Tag übermittelte der Kanzler einen in ­diesem Sinne gehaltenen „vorläufigen“ Entwurf des Friedensangebots an die deutsche Botschaft in Wien.51 Wie der Geschäftsträger der Botschaft, Wilhelm Prinz zu Stolberg-Wernigerode, nach Berlin berichtete, zeigte sich Burián angesichts d ­ ieses ihm von Stumm am 30. Oktober präsentierten Entwurfs „voller Bedenken. Findet, dass zunächst Polenmanifest 52 wirken muss, weil sonst Eindruck der Überstürzung hervorgerufen. Glaubt auch, dass formelle Erledigung und Verständigung mit Sofia und Constantinopel bis Ende der Woche nicht erreichbar. Hauptargument ist, dass Friedensangebot ohne konkrete Friedensbedingungen Eindruck der Schwäche machen und beabsichtigte Wirkung nicht erzielt wird.“ 53 Burián selbst notierte, er habe Stumm nicht im Zweifel darüber gelassen, dass er „das Programm des Reichskanzlers für nicht ganz zweckdienlich und nahezu unausführbar halte“. Er habe ihn ersucht, Bethmann Hollweg „Dank dafür auszusprechen, daß er meine Anregung sich im allgemeinen zu eigen gemacht hat“. Bedauern müsse er aber, dass der Kanzler „es ablehne, unsere Friedensbedingungen in konkreter Fassung mitzuteilen und dadurch auf die günstige Wirkung verzichte, ­welche die Kenntnis dieser Bedingungen voraussichtlich bei Freund und Feind hervorbringen würde“. Ihm, Burián, sei es unmöglich, sich dem vorgeschlagenen modus procedendi anzuschließen: „Die Note in dieser Form und in ­diesem Augenblick würde von unseren Feinden als Bitte um den Frieden aufgefaßt werden.“ Ein Grund, der es ihm verfehlt erscheinen lasse, jetzt mit einem Angebot hervorzutreten, sei „der zeitliche Zusammenhang mit der (…) polnischen Proklamation. (…) Die unmittelbar darauf abgehende Friedensnote würde die Eindrücke verwirren und jedenfalls würde man es Rußland, das durch unsere polnische Aktion doch am direktesten betroffen ist, (…) unmöglich machen, sich (…) an den Verhandlungstisch mit uns zu setzen. (…) Außerdem wäre es (…) undurchführbar, das (…) Einvernehmen mit unseren (…) Verbündeten so rasch herzustellen. (…) Es wird doch zu allererst nach den Bedingungen gefragt werden und wir haben gewiß keine Ursache zuzulassen, daß unsere Gegner zuerst die ihrigen nennen.“ Burián hielt in seiner Notiz fest: Ich werde demnächst den Anlaß ergreifen, (…) mit dem Reichskanzler den richtigen modus procedendi zur Durchführung meiner Idee mit der von ihm gewünschten Abänderung festzustellen, wofür ich einen neuen Vorschlag vorbereite. – Zu d ­ iesem würde dann die Zustimmung der Türkei und Bulgariens einzuholen sein. Die Sache würde keinen namhaften Aufschub zu 51 Bethmann Hollweg an dt. Botschaft Wien, Tel. 779, 28. Okt. 1916, ebd. S. 534 – 535 Dok. 354. 52 Die für den 5. Nov. 1916 geplante dt. und ö.-u. Proklamation eines selbständigen Königreichs Polen. Andrian an Burián, Tel. 187, 5. Nov. 1916, HHStA PA I, 502 XLVII/3 (12) fol. 246 – 246v. 53 Stolberg an A. A., Tel. 381, 29. Okt. 1916, SG 1 1962, 535 – 536 Dok. 355.

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erleiden haben. Sie käme in die richtige Distanz zur Proklamation des Königreiches Polen und verlöre den Charakter einer unverständlichen Ueberhastung.54

Botschafter Hohenlohe telegrafierte am 30. Oktober an Burián: Der Reichskanzler hat mich eben zu sich bitten lassen und mir in größter Aufregung mitgeteilt, Herr von Stumm habe berichtet, daß Euer Exzellenz den Vorschlag des Kanzlers abgeschlagen hätten, den gegnerischen Mächten jetzt (…) unsere Bereitwilligkeit bekannt zu geben, über Friedensmodalitäten in Verhandlungen zu treten. – Herr von Bethmann Hollweg erklärte, es sei seiner Ueberzeugung nach ganz ausgeschlossen, hiebei mit einem konkreten Programm hervorzutreten, wozu auch die Zeit fehle, man würde hierüber nur den psychologischen Moment, den er jetzt für gekommen halte, verpassen.55

Dieselben Argumente gebrauchte Staatssekretär von Jagow am nächsten Tag gegenüber Hohenlohe welcher berichtete: Herr von Jagow kam heute wieder darauf zurück, wie notwendig es sei, daß wir binnen kurzem den feindlichen Mächten unsere prinzipielle Bereitwilligkeit, über Frieden zu reden, aussprächen (…). Eine Konkretisierung der Friedensbedingungen sei nicht durchzuführen, da dies eine viel zu lange Zeit in Anspruch nehmen würde. (…) Schlügen die Gegner unseren Vorschlag ab, hätten wir damit nichts verloren, sondern, abgesehen davon daß wir uns die Sympathien aller Neutralen gewinnen, auch noch den eigenen Völkern und Armeen klar gemacht, daß es nicht an uns läge, wenn dieser Krieg ins Unendliche weitergeführt würde. – Ich habe (…) erwidert, Euer Exzellenz würden (…) Stumm jedenfalls die Gründe Ihrer Ablehnung entwickelt haben (…). – Ich (…) könne ihm nur das wiederholen, was ich gestern dem Kanzler gesagt hätte, daß ich eine Politik nicht verstehen könnte, bei der man gleichzeitig aus erobertem Gebiet ein neues Königreich aufrichte und (…) eine prinzipielle Aussprache mit den Gegnern über den Frieden wünsche. (…) Alles gleichzeitig zu machen, müsse (…) den Eindruck (…) des Nichtwissens, was man tun solle, hervorrufen. – (… Jagow) wollte dies nicht ganz zugeben (…) – Ich erwähnte noch, daß (…) es mir sehr wenig glücklich schiene, wenn vor einigen Tagen Feldmarschall von Hindenburg und General Ludendorff Interviews gewährten, bei denen sie in den höchsten Tönen von der deutschen Kriegsentschlossenheit gesprochen hatten. Das sei doch nicht die Art, die Oeffentlichkeit darauf vorzubereiten, daß wir über den Frieden reden wollten. (…) Herr von Jagow blieb (…) bei seiner Meinung, daß wir in längstens 14 Tagen (…) unsere prinzipielle Geneigtheit, über den Frieden zu reden, bekanntgeben

54 Burián, Notiz 30. Okt. 1916, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 308 – 311v u. 314. 55 Hohenlohe an Burián, Tel. 334, 30. Okt. 1916, HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 66.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

sollten (…). – Hiebei Friedensbedingungen zu konkretisieren sei nach des Kanzlers und seiner Auffassung ausgeschlossen.56

Auf allerhöchster Ebene kam es in der Sache zu einem Briefwechsel. Am 1. November übermittelte Bethmann Hollweg ein von ihm inspiriertes und gegengezeichnetes Telegramm seines Kaisers an K ­ aiser Franz Joseph, das den Standpunkt der deutschen Regierung dargelegte. Darin hieß es: Baron Burián hatte kürzlich mit Deiner Genehmigung dem Reichskanzler den Gedanken nahegelegt, wir sollten unseren Gegnern zu gegebener Zeit ein Friedensangebot machen. Ich halte diesen Vorschlag (…) für durchaus richtig. – Eine Meinungsverschiedenheit ­zwischen unseren leitenden Ministern besteht jedoch (…) erstens über den Moment, zweitens über die Form, ­dieses Friedensangebotes. (…) – Baron Burián steht ferner auf dem Standpunkt, wir sollten dem Angebot die konkreten Bedingungen beifügen, zu denen wir Frieden zu schließen bereit wären, während der Reichskanzler in einer so offenen Darlegung (…) Gefahren erblickt, denen ich mich ebenfalls nicht zu verschließen vermag. (…) Stellen wir ein Maximum unserer Forderungen auf, so würden wir unseren Feinden damit die Ablehnung erleichtern. (…) Nehmen wir aber das Minimum, so binden wir uns im voraus die Hände (…). Wir dürfen meines Erachtens daher die Basis der Verhandlungen nur etwa dahin definieren, daß wir nicht in einem Eroberungs- sondern in einem Verteidigungskrieg (…) die Zukunft unserer Völker sichern wollen (…) – Da die Angelegenheit mir sehr am Herzen liegt, und ich (…) nur in völliger Übereinstimmung mit Dir handeln möchte, so habe ich geglaubt, Dir (…) meine Ansichten persönlich darlegen zu sollen. Ich wäre Dir dankbar, wenn Du (…) Deine Meinung darüber mitteilen wolltest.57

Bethmann Hollweg sandte am 1. November ein im selben Sinne gehaltenes Telegramm an Stolberg. Darin hieß es: Herr von Stumm hat mir von den Bedenken Baron Buriáns gegen die von mir angeregte Durchführung seines Gedankens, an unsere Gegner mit einem allgemeinen Friedensangebot heranzutreten, Mitteilung gemacht. Bei richtiger Behandlung der Frage in der Öffentlichkeit glaube ich nicht, dass die vorgeschlagene Demarche vorwiegend den Eindruck der Schwäche hervorrufen würde. Immerhin verkenne ich keineswegs die Berechtigung des Arguments, (…) das Polenmanifest zunächst wirken zu lassen und erst dann mit der Friedensdemarche 56 Hohenlohe an Burián, Tel. 337, 31. Okt. 1916, ebd. fol. 68 – 68v u. 71. 57 Wilhelm II. an Franz Joseph I. (Bethmann Hollweg an Wedel), Tel. 791, 1. Nov. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 82 – 83 Dok. 76, idem: Pièce jointe zu Bethmann Hollweg an Botschaft Wien, SG 1 1962, 536 – 538 Dok. 357.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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hervorzutreten, wenn die öffentliche Diskussion darüber zu einem gewissen Stillstand gelangt ist, und insbesondere Russland sich damit abgefunden hat. (…) – Ich bin daher der Ansicht, dass wir (…) alle Vorbereitungen treffen sollten, um spätestens in der zweiten Hälfte ­dieses Monats mit dem geplanten Schritt hervortreten zu können. (…) – Baron Burián hat sich (…) erboten, einen Mittelweg ausfindig zu machen, der meinen Bedenken gegen eine Konkretisierung unserer Friedensvorschläge Rechnung trägt.58

Diese Depesche brachte Stolberg am 2. November Burián zur Kenntnis.59 Am nächsten Tag übergab ihm dieser ein Schriftstück in dem es hieß: Aus der gestrigen Mitteilung des Prinzen zu Stolberg hat Baron Burián mit Befriedigung ersehen, daß (…) die kaiserlich deutsche Regierung die auf die Herbeiführung des Friedens abzielende Aktion nicht mehr mit der Proklamation über die Errichtung Polens zeitlich nahe zusammen fallen lassen, sondern von derselben durch einen k­ urzen Zeitraum von etwa 2 bis 3 Wochen trennen will. – Der (…) Auffassung, daß die Vorbereitung der Friedensaktion (…) dringend sei, um ihre Ausführung für die zweite Hälfte des laufenden Monates zu sichern, schließt sich Baron Burián gleichfalls an. (…) – Baron Burián beschäftigt sich bereits damit, unter prinzipieller Annahme der von der kaiserlich deutschen Regierung (…) vorgeschlagenen Modalität und (…) der Struktur der deutscherseits beantragten Note,60 an der letzteren gewisse Änderungen zu beantragen und sie durch einen Zusatz zu ergänzen, welcher erkennen ließe, daß unsere Gruppe im Falle der Annahme ihres Anbotes (…) mit konkreten Propositionen in die Friedensverhandlungen einzutreten gesonnen wäre. Die Mitteilung der (…) vorgenommenen Abänderungen (…) wird allerehestens erfolgen. – Sodann wäre (…) der Moment gekommen, sowohl über die endgiltige Redigierung ­dieses Schriftstücks, wie auch über die beiderseitigen Friedensbedingungen eine Aussprache zu pflegen, an w ­ elche sich eine s­ olche mit den (…) Verbündeten anzuschließen hätte. – Bei entsprechend beschleunigter (…) Absolvierung der (…) umrissenen Aufgaben könnte der (…) ins Auge gefaßte Termin von 2 bis 3 Wochen nach der Erlassung der polnischen Proklamation wohl eingehalten werden.61

Einen Entwurf für die den gegnerischen Regierungen zu übermittelnde Note hatte Burián bereits Stumm vorgelegt 62 und, wie aus einem Telegramm Bethmann Hollwegs 58 Bethmann Hollweg an Botschaft Wien, Tel. 792, 1. Nov. 1916, SG 1 1962, 538 – 539 Dok. 358. 59 M. d. Ä., p. d. Notiz 5384, 2. Nov. 1916, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 316 – 317v; idem: HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 81 – 82v. 60 Bethmann Hollwegs „vorläufigen“ Entwurf; s. oben Fußnote 51. 61 Burián, Notiz für dt. Botschaft 5383, 3. Nov. 1916, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 325 – 326; idem: HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 87 – 88. Stolberg übermittelte das Schriftstück unverzüglich nach Berlin. Stolberg an A. A., Tel. 390, 3. Nov. 1916, SG 1 1962, 539 – 540 Dok. 359. 62 Dem Ges. v. Stumm vorgelegter Entw., o. D., HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 312 – 313.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

an Hindenburg vom 4. November 1916 hervorgeht, Stumm oder Stolberg gegenüber auch österreichisch-ungarische Bedingungen für einen Friedensschluss genannt. Als ­solche führte der Kanzler nämlich an: 1. Integrität der Monarchie, – 2. Geringfügige Grenzverbesserungen gegen Rußland, – 3. Strate­ gische Grenzverbesserungen gegen Rumänien (…), – 4. Wiederherstellung des Königreichs Serbien unter Abtretung – a) der an Bulgarien versprochenen Gebietsteile, – b) albanischer Gebietsteile an Albanien, – c) der Matschwa und von Belgrad an Oesterreich-Ungarn. Um Bulgarien zu befriedigen, will B(aron) Burián ­diesem eventuell noch mehr Land als das vereinbarte zugestehen. (…) Serbien soll wirtschaftlich eng an die Monarchie angeschlossen werden. – 5. Wiederherstellung des Königreichs Montenegro unter Abtretung gewisser Gebietsteile an Oesterreich-Ungarn u. Albanien, (…) – 6. Selbständigkeit Albaniens unter österr. Protektorat, – 7. Strategische Grenzverbesserung gegen Italien (…). Als ich den Minister darauf aufmerksam machte, daß die Italiener jetzt fast ganz auf österreichischem Gebiet kämpften, schien er auch zu gegenseitigen Konzessionen bereit.

Zu diesen Bedingungen merkte der Kanzler an: „Die österreichischen Wünsche scheinen mir zum Teil etwas hochgegriffen, namentlich ist es mir fraglich, ob von den Russen die Rückgabe von ganz Ost-Galizien und der Bukowina zu erreichen sein wird.“ Als deutscherseits zu stellende Bedingungen schlug er Hindenburg vor: 1. Anerkennung des Königreichs Polen. – 2. (…) Annexion kurländischer und litauischer Gebiete (…) derart, daß mit Einbegriff des künftigen Königreichs Polen eine gute, von Norden nach Süden laufende strategische Grenze gegen Rußland geschaffen wird. – 3. Garantien in Belgien, ­welche möglichst durch Verhandlungen mit König Albert festzusetzen sind. Sollten ­solche Garantien in nicht genügendem Masse zu erreichen sein, Annexion eines Gebietsstreifens mit Lüttich zum Schutz unseres westlichen Industriegebiets. – 4. Räumung des französischen Okkupationsgebiets mit Ausnahme von Briey und Longueville (recte: Longwy). (Von einer eventuellen ‚Grenzregulierung‘ mittels elsaß-lothringischer Grenzstreifen möchte ich zunächst nicht sprechen.) – 5. Rückgabe der Kolonien mit Ausnahme von Kiautschou, Karolinen und Marianen, bezw. eine allgemeine koloniale Verständigung.63

Hindenburg ließ dem Kanzler bereits am nächsten Tag durch Werner von Grünau, den Vertreter des Reichskanzlers und des Auswärtigen Amtes bei ­Kaiser Wilhelm II., antworten:

63 Bethmann Hollweg an Hindenburg, Tel. o. Z., 4. Nov. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 84 – 85 Dok. 78; idem, SG 1 1962, 542 – 543 Dok. 361.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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Ich zustimme folgenden Friedensbedingungen: – 1. Anerkennung des Königreichs Polen. Grenzverbesserungen (…) gegen Polen. Wirtschaftlicher Anschluß Polens an Deutschland, entscheidender Einfluß auf die Eisenbahn und sonstige wirtschaftliche Vorteile (…). – 2. Grenzregulierung (…) durch Annexion bis zur Linie Rigaer Meerbusen westlich Riga, östlich Wilna vorbei Richtung Brest Litowsk. Hierdurch soll auch mit Einbegriff des Königreichs Polen eine gut von Norden nach Süden laufende strategische Grenze (…) gewonnen werden. – 3. Garantien in Belgien. Ausnutzung der Bodenschätze der Campine. Wirtschaftlicher Anschluß an Deutschland, Inbesitznahme der Eisenbahnen. Besatzungsrecht. Den Verhandlungen mit König Albert stehe ich durchaus sympathisch gegenüber. Annexion von Lüttich mit entsprechendem Landstreifen bei nicht ausreichendem Besatzungsrecht. Kriegsentschädigung. – 4. Räumung des französischen Okkupationsgebiets mit Ausnahme von Briey und Longwy, gegen Räumung des von den Franzosen besetzten Gebietes im Elsaß (…). Von einer Grenzregulierung zugunsten Frankreichs darf auch meines Erachtens nicht gesprochen werden, dagegen kommen für uns Grenzberichtigungen im Elsaß und Lothringen in Betracht. – 5. Rückgabe der Kolonien mit Ausnahme von Kiautschou, Karolinen und Marianen, bezw. eine allgemeine koloniale Verständigung. Erwerbung des Kongostaates. – 6. Luxemburg tritt in den deutschen Staatsverband. – 7. Entschädigung der Auslandsdeutschen. – Bezüglich der Bedingungen ÖsterreichUngarns bin ich mit den Absichten auf der Balkanhalbinsel einverstanden. Die Erweiterung Bulgariens auf Kosten Serbiens wird Bulgarien leichter veranlassen, Kavalla und die der Türkei (…) abgenommenen Grenzstreifen zurückzugeben. Valona müßte möglichst an Griechenland fallen. – Grenzberichtigungen Italiens und Rußlands wird Oesterreich-Ungarn sich gefallen lassen müssen, nachdem es auf der Balkanhalbinsel Vorteile gewinnt. Vielleicht gelingt es, für Oesterreich-Ungarn Grenzberichtigungen in Rumänien zu erreichen (…).64

Die vom Kanzler genannten Bedingungen wurden also wesentlich erweitert. Bethmann Hollweg aber erklärte sich mit Hindenburgs „Detailzusätzen“, wie er diese nannte, einverstanden. Lediglich eine Kriegsentschädigung durch Belgien könne, so glaube er, nicht in das Programm aufgenommen werden: England, welches (…) die belgische Neutralitätsverletzung immer als Kriegsvorwand benutzt hat, hat bereits verschiedentlich die ‚Schadloshaltung‘ Belgiens gefordert. Wenn ich nun auch nicht bereit bin, hierauf irgendwie einzugehen, so würde doch die Forderung einer Kriegsentschädigung unsererseits die Verhandlungen sofort auf den toten Punkt bringen. Die, wenn auch bedingte, Herausgabe Belgiens bietet die Gegenleistung für die Rückgabe unserer (…) Kolonien. Zudem wollen wir noch den Kongostaat von Belgien fordern. Schließlich hat uns

64 Grünau an A. A., Tel. 895, 5. Nov. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II , 85 – 87 Dok. 79.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Belgien bisher bereits weit über eine Milliarde an Kriegskontributionen gezahlt und zahlt auch jetzt noch monatlich 40 Millionen (…).

Wien sollten diese Bedingungen „nur in ganz summarischer Form“ mitgeteilt werden, eventuell werde eine Aussprache mit Burián erforderlich sein.65 In der mit 5. November datierten Antwort K ­ aiser Franz Josephs auf das Telegramm Wilhelms II. brachte Burián seinen Standpunkt zum Ausdruck. In ihr hieß es: Aus Deinem freundlichen Telegramme (…) habe ich zu meiner Freude ersehen, dass Du den von meinem Minister des Aeußern (…) gemachten Vorschlag, an Unsere Gegner (…) mit einem Friedensangebot heranzutreten, für richtig hältst (…). – Die von Dir berührten Meinungsverschiedenheiten z­ wischen Unseren leitenden Ministern über den Zeitpunkt und die Form dieser Aktion werden sich (…) unschwer bereinigen lassen. (…) – Was den Inhalt des Friedensangebotes anlangt, so hätte ich (…) der von meinem Minister des Aeussern ins Auge gefassten Modalität den Vorzug gegeben und mir (…) eher einen Erfolg versprochen als von dem blossen allgemeinen Ausdrucke der Bereitwilligkeit, in Friedensverhandlungen einzugehen. Baron Burián ist indessen bemüht, eine Form zu finden, in welcher das Wesen des Vorschlages Deiner Regierung beibehalten (…) aber doch der Welt gezeigt würde, dass Wir im Falle der Annahme Unseres Angebotes in die Verhandlungen mit einem konkreten Friedensprogramme eintreten würden. (…) Es wird den vereinten Bemühungen Unserer Regierungen wohl gelingen, die geeignete Form für diesen historischen Akt zu finden, dessen Erfolg Uns beiden (…) am Herzen liegt.66

Am Tag zuvor hatte der Kanzler an die Wiener Botschaft telegrafiert: Bitte Baron Burián (…) zu sagen, dass ich eine tunlichst schleunige Mitteilung seiner (…) Vorschläge (…) erwarte. Ebenso würde auch ich ihm eine (…) Aufstellung unserer Friedensbedingungen ehestens zukommen lassen. Ich hoffe, dass wir alsdann unverzüglich zu einer (…) Besprechung und Vereinbarung (…) gelangen. Um den (…) in Aussicht genommenen Termin (…) innezuhalten erscheint es mir erforderlich die Vorarbeiten mit allen Mitteln zu beschleunigen, denn die (…) Verständigung mit unseren Bundesgenossen dürfte (…) einige Zeit in Anspruch nehmen.67

Stolberg kam der Weisung am folgenden Tag nach.68 Eine pro domo-Notiz des Ministeriums des Äußern vom 6. November hält dazu fest: 65 Bethmann Hollweg an Grünau, Tel. 1353, 6. Nov. 1916, ebd. p 87 Dok. 80. 66 Franz Joseph I. an Wilhelm II., 5. Nov. 1916, HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 93 – 94v (Entw.), SG 1 1962, 546 – 547 Dok. 364 (Ausfertigung). 67 Bethmann Hollweg an Botschaft Wien, Tel. 808, 4. Nov. 1916, SG 1 1962, 544 Dok. 362. 68 Stolberg an Burián, 5. Nov. 1916, HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 117 – 117v.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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In Beantwortung seines Schreibens (…) wurde dem deutschen Botschaftsrate heute mitgeteilt, daß die hiesigen Vorschläge zu dem Notenentwurf sowie unsere Friedensbedingungen (…) unserer Botschaft in Berlin behufs Uebermittlung an den Reichskanzler zukommen werden. Baron Burián sehe sodann der (…) Bekanntgabe der deutschen Friedensbedingungen entgegen. Nach wechselseitiger Kenntnisnahme (…) könnte eine Besprechung und einvernehmliche Fixierung dieser Grundlagen der (…) Friedensaktion stattfinden.69

Am 7. November sandte Bethmann Hollweg an Grünau zur Übermittlung an ­Kaiser Wilhelm ein Telegramm, in dem es hieß: Nachdem ich mich mit dem Herrn Generalfeldmarschall über die großen Linien unserer Friedensbedingungen ins Einvernehmen gesetzt habe, darf ich Euerer Majestät allergnädigste Genehmigung ehrerbietigst erbitten, dieselben (…) Baron Burián als Antwort auf seine (…) Mitteilung der österreichischen Bedingungen mitteilen zu dürfen: – 1. Anerkennung des Königreichs Polen. – 2. Annexionen kurländischen und litauischen Gebietes derart, daß mit Einbegriff des Königreichs Polen eine gute (…) strategische Grenze (…) gewonnen wird. – 3. Handelsvertrag mit Rußland bezw. wirtschaftliche Vorteile. – 4. Garantien in Belgien, w ­ elche möglichst durch Verhandlungen mit König Albert festzusetzen sind. Sollten ­solche nicht in genügendem Maße zu erreichen sein, Annexion von Lüttich mit entsprechendem Landstreifen. – 5. Räumung des französischen Okkupationsgebiets mit Ausnahme von Briey und Longwy gegen Räumung des von den Franzosen besetzten Teiles von Elsaß-Lothringen und strategische Grenzberichtigungen für uns in Elsaß-Lothringen, sowie Kriegsentschädigung (…). – 6. Rückgabe der Kolonien mit Ausnahme von Kiautschou, Karolinen und Marianen bezw. eine allgemeine koloniale Verständigung, Erwerb des Kongostaates oder eines Teils desselben. – 7. Entschädigung für die Auslandsdeutschen und den deutschen Besitz im Ausland (…). – 8. Einverleibung Luxemburgs (…). Dieselbe erscheint nötig für den Fall, daß wir Briey und Longwy erwerben sollten. – Die Mitteilung dieser Bedingungen ist einstweilen natürlich nur zur vertraulichen Kenntnis des Wiener Kabinetts bestimmt (…). – Voraussichtlich werde ich, dem Wunsche des Baron Burián entsprechend, mit demselben in den nächsten Tagen (…) eine mündliche Aussprache über die (…) berührten Fragen haben.70

Diese von ungebrochener Siegesgewissheit zeugenden Bedingungen, die den von ­ indenburg genannten weitgehend entsprachen, wurden in Wien am 9. November H übergeben. In einer Aktennotiz des Ministeriums des Äußern heißt es hiezu:

69 M. d. Ä. p. d. Notiz 5454, 6. Nov. 1916, ebd. fol. 116 – 116v. 70 Bethmann Hollweg an Grünau, Tel. 1360, 7. Nov. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 88 – 89 Dok. 82, idem: SG 1 1962, 552 Dok. 369.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Der deutsche Botschaftsrat hat heute hier die (…) deutschen Friedensbedingungen übergeben. – Dieselben wurden mit dem Bemerken entgegengenommen, daß sie nunmehr geprüft (…) würden und sodann (…) den Gegenstand eines mündlichen Ideenaustausches zu bilden haben werden.71

Der „mündliche Ideenaustausch“ fand anlässlich des Besuches Buriáns in Berlin vom 15. und 16. November statt. Der Minister notierte darüber unter anderem: Während meines zweitägigen Aufenthaltes in Berlin hatte ich Gelegenheit, die beabsichtigte Aktion (…) mit dem Reichskanzler und seinen Mitarbeitern einer eingehenden Besprechung zu unterziehen. Ich hatte vor meiner Ankunft in Berlin den k. u. k. Botschafter daselbst beauftragt (…) mitzuteilen, daß ich meinen ursprünglichen Vorschlag (…) fallen lasse und bereit sei, mir den Text des (…) deutschen Notenentwurfes mit der wesentlichen Modifikation anzueignen, daß wir gleichzeitig mit der Bereitwilligkeit, in Verhandlungen einzutreten, auch erklären müßten, daß wir unsere Bedingungen (…) mitbringen würden. Diese Modifikation ist deutscherseits angenommen worden. – Ich hatte die von uns und der deutschen Regierung bereits formulierten Friedensbedingungen in dem beigeschlossenen Elaborate zusammengefaßt (Beilage A.) und brachte dasselbe zu Beginn der ersten Sitzung zur Verlesung. Hiebei betonte ich (…), daß ich meinen ursprünglichen Vorschlag, diese Bedingungen den feindlichen Mächten (…) sofort bekannt zu geben, mit Rücksicht auf die (…) Bedenken des Reichskanzlers nur mit Bedauern fallen gelassen hätte (…) – Bevor man einen solchen Schritt durchführe, erscheine es mir aber unbedingt notwendig, daß vollständige Einigung (…) wegen der zu stellenden Friedensbedingungen bestehe. (…) Ich verwies hiebei darauf, daß die österreichisch-ungarischen Forderungen sich in zwei Gruppen teilen ließen, von denen die erste so vitale Interessen betreffe, daß wir auf deren integrale Durchführung bestehen müßten, wogegen bei der zweiten (…) eine Marge für Verhandlungen vorhanden sei (…). Zur ersten Gruppe gehörte die Wieder­herstellung der territorialen Integrität der Monarchie und die Festigung unserer Stellung in der Adria (…) wogegen die Forderungen nach Grenzberichtigungen teilweise kein so vitales Interesse darstellten (…). – Bei Erörterung der deutschen Forderungen war ich bestrebt, die deutschen Staatsmänner davon zu überzeugen, daß ein Teil ihrer Bedingungen, namentlich was Frankreich und Belgien anbelangt, (…) mir kaum realisierbar erschiene. – Den (…) Ausführungen des Reichskanzlers und der beiden Vertreter des Auswärtigen Amtes war zu entnehmen, daß auch sie nicht allzu großen Optimismus in diesen Belangen hegen (…) Herr von Bethmann Hollweg betonte, daß er wohl lebhaft wünsche, unsere Friedensbedingungen schon jetzt in großen Zügen festzusetzen, für (…) Forderungen, die unsere Gegner abschrecken würden oder in den Verhandlungen vielleicht aufgegeben werden müßten, erschiene ihm aber der Zeitpunkt noch nicht gekommen. (…) Die Formulierung des Punktes 1 bezüglich der 71 M. d. Ä. Notiz 9. Nov. 1916, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 234; Dt. Friedensbed. ebd. fol. 237 – 237v.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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territorialen Integrität würde jeder der Verbündeten für sich vornehmen. (…) – Wir einigten uns schließlich dahin, daß die deutschen Friedensbedingungen eine mehr allgemein gehaltene Formulierung erfahren sollten (…). – Es wurde hierauf der Text der an die (…) Schutzmächte zu richtenden Note geprüft und zwar in einer meinen Modifikationsvorschlägen im allgemeinen Rechnung tragenden (…) Redaktion. Doch wurde deutscherseits noch einmal versucht, den Passus, wonach ‚wir unsere Bedingungen zu den Verhandlungen mitbringen würden‘, zu streichen. Ich bestand auf dieser (…) Modifikation und es ist auch schließlich gelungen, den Reichskanzler zur Aufnahme des (…) Satzes in die Note zu bewegen. Eine Abschrift dieser letzten Redaktion liegt hier bei (Beilage B.).

Über die Besprechung vom 16. November heißt es in Buriáns Aufzeichnung, der Kanzler habe die nach der vortägigen Zusammenkunft neuformulierten deutschen Bedingungen (Beilage C) zur Verlesung gebracht und die Frage gestellt, ob es überhaupt notwendig sei, den Gegnern gegenüber ein einziges Friedensprogramm aufzustellen und man es nicht jedem der Verbündeten überlassen solle, seine Wünsche bei den Verhandlungen vorzubringen. Dem sei er, Burián, „sehr nachdrücklich“ mit der Erklärung entgegengetreten, dass er „eine solidarische Haftung für gewisse, alle verbündeten Mächte gleich interessierenden Bedingungen für ganz unerläßlich halte“; er habe sich schließlich auch „bezüglich der Ausarbeitung eines gemeinsamen Programms“ durchsetzen können. Bethmann Hollweg habe gemeint, dass ihm die österreichisch-ungarische Forderung nach einer Einverleibung Montenegros recht weitgehend erscheine: „Er wolle uns anheimstellen, ob wir nicht daran denken sollten, Montenegro mit Ausnahme des Lovcen und der Meeresküste mit dem neu zu errichtenden Königreich Serbien zu vereinigen (…).“ Jagow und Unterstaatssekretär Zimmermann hätten angeregt, „wir sollten das neue Königreich Serbien handelspolitisch in unser Wirtschaftssystem aufnehmen“ und ein „wirtschaftlich möglichst starkes Serbien herzustellen trachten, indem wir Montenegro damit vereinigten und (…) (ihm) auf Kosten Albaniens einen Ausgang an die Adria gewährten“. Jagow habe überdies die Frage aufgeworfen, ob man Albanien nicht ­zwischen Griechenland und Serbien aufteilen könnte. In Buriáns Aufzeichnung heißt es dazu, er sei diesen „Anregungen mit aller Entschiedenheit entgegengetreten“ und habe klar gemacht, dass er gegen eine Vereinigung Montenegros mit Serbien schwere Bedenken hege, „weil wir uns den Zugang zum albanischen Staate, dessen Protektorat wir zu übernehmen gedächten, wahren müßten“. In der Aufzeichnung des Ministers heißt es weiter: Auf eine Einwendung Dr. Zimmermanns, daß die Entente über unsere Forderung, Montenegro einzuverleiben, ein Wutgeheul anstimmen dürfte, machte ich (…) darauf aufmerksam, daß das deutsche Begehren nach Annexion französischen Gebiets (…) eine viel stärkere E ­ ntrüstung (…)

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

auslösen dürfte. (…) Was Albanien betreffe, sei ich der Ansicht, daß die bisher (…) gemachten Erfahrungen durchaus nicht zu einer pessimistischen Auffassung über die Zukunft ­dieses Landes berechtigten. (…) Auch wenn wir (…) mit unserer Forderung einer Selbständigkeit Albaniens unter österreichisch-ungarischem Protektorat nicht durchdringen sollten, müßten wir trachten, die Italiener aus Valona hinauszudrängen, eventuell indem wir Griechen und Bulgaren in höherem Maße an Albanien interessieren. Die dauernde Besetzung Valonas durch Italien bedeute für uns einen schweren Nachteil (…) sowie eine Gefahr für Triest und Fiume. (…) Sollte es aber ganz unmöglich sein, die Italiener zur Preisgabe Valonas zu bewegen, so würden wir uns gezwungen sehen, Nord-Albanien mit Durazzo enger an uns zu schließen (…).

Bethmann Hollweg habe noch den Versuch gemacht, ihn, Burián, „dazu zu bewegen, unseren Wunsch nach Grenzverbesserung gegenüber Italien aus den Friedensbedingungen zu eliminieren. – Ich erwiderte (…), daß ein solches Verlangen (…) in unseren Bedingungen figuriere, weil wir es hiedurch der italienischen Regierung erschweren würden, ihrerseits sofort mit einer ähnlichen Forderung hervorzutreten. Es würde uns immer noch möglich sein, auf ­dieses Petit (…) zu verzichten, wenn die Italiener sich zur Räumung des ganzen von ihnen besetzten österreichischen Gebietes bereit erklärten.“ Am Schluss der Besprechung sei vereinbart worden, das gemeinsame Friedensprogramm festzulegen, sobald Bulgarien und die Türkei ihre Bedingungen mitgeteilt hätten, und auch: „Falls die feindlichen Mächte sich bereit erklären, auf Grund unserer Anregung in Verhandlungen einzutreten, so können letztere in einer neutralen Stadt unverweilt beginnen.“ 72 Buriáns Aufzeichnung als „Beilage A“ beigeschlossen finden sich die von „der deutschen Regierung bereits formulierten (gemeinsamen) Friedensbedingungen (…)“, die wie folgt lauteten: I. Wiederherstellung der vollen Integrität des Territoriums der vier verbündeten Mächte auf den Besitzstand vor dem Kriege, somit Räumung – seitens der Gegner – Ost-Galiziens, der Bukowina, des Küstenlandes und Süd-Tirols, sowie Elsaß-Lothringens, ferner Armeniens und Mesopotamiens, endlich Wiederherstellung des Status quo ante bellum in Egypten und auf Cypern. – II. (…) Rückgabe sämtlicher deutscher Kolonien, mit Ausnahme von Kiautschou, Karolinen und Marianen, beziehungsweise eine allgemeine Kolonialverständigung. – III. Erwerb (…) des Kongostaates oder eines Teiles desselben. – IV. Räumung des französischen Okkupations­gebietes mit Ausnahme von Briey und Longwy und strategische Grenzberichtigungen (…). – V. Wiederherstellung Belgiens als souveräner Staat unter gewissen Garantien (…). Sollten s­ olche nicht in genügendem Maße zu erreichen sein, Annexion von Lüttich mit entsprechendem Landstreifen. – VI. Oertliche (…) Verbesserung der Grenze Oesterreich-Ungarns gegen Italien. – 72 Burián, Aufz. über Verh. in Berlin, 18. Nov. 1916, ebd. fol. 117 – 123v u. 132 – 138.

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VII. ­Anerkennung des von Deutschland und Oesterreich-Ungarn geschaffenen Königreiches

Polen. – VIII. (…) Annexion Kurländischen- und Lithauischen Gebietes an Deutschland, derart, daß mit Einbegriff des Königreiches Polen eine gut von Norden nach Süden laufende strategische Grenze gegen Rußland gewonnen wird. – IX. Einverleibung Luxemburgs in das Deutsche Reich für den Fall daß Deutschland Briey und Longwy erwerben sollte. – X. Angliederung Montene­ gros an Oesterreich-Ungarn mit Ausnahme der von Albanesen bewohnten, mit Albanien zu vereinigenden Gebiete. – XI. Strategische Verbesserungen der Grenze Oesterreich-Ungarns gegen Rumänien (…). – XII. Erweiterung der Grenzen Bulgariens durch (…) Gebiete im östlichen Serbien und in Mazedonien sowie die Dobrudscha. – XIII. Wiederherstellung des Königreiches Serbien unter Abtretung der im Punkte XII. angeführten Gebiete (…) an Bulgarien, eines Gebietsstreifens im Norden und Nordwesten an Oesterreich-Ungarn und der von Albanesen bewohnten Gebiete an Albanien. – XIV. Selbständigkeit (…) Albaniens unter dem Protektorate Oesterreich-Ungarns. – XV. Aufhebung sämtlicher Kapitulationen im Osmanischen Reiche (…). – XVI. Berücksichtigung der Wünsche Rußlands in Betreff der Durchfahrt durch die Meerengen (…). – XVII. Wiederherstellung der territorialen Integrität Griechenlands. Die für den Fall der Neutralität in Aussicht gestellte Grenzverbesserung im nördlichen Epirus. – XVIII. Verzicht auf (…) Vereinbarungen, ­welche ein Hindernis für die Wiederanknüpfung normalen Handels und Verkehres ­zwischen allen Ländern bilden würden. – Handelsvertrag, beziehungsweise wirtschaftliche Vorteile gegenüber Rußland für Oesterreich-Ungarn und Deutschland. Freiheit der Meere. – Sicherstellung der freien Schiffahrt auf der unteren Donau. – XIX. Kriegsentschädigung, beziehungsweise Kompensationen und Kriegsschädenersätze.73

Als „Beilage B“ ist der Aufzeichnung eine „Abschrift der letzten Redaktion“ der geplanten Note beigeschlossen 74 und als „Beilage C“ finden sich die vom „Reichskanzler (…) neu formulierten deutschen Bedingungen (…)“.75 Eine Abschrift der „letzten Redaktion“ des in Berlin vereinbarten Textes der Note sandte Burián am 19. November mit folgenden Worten an Hohenlohe: In der Anlage übersende ich (…) den anläßlich meiner jüngsten Besprechung mit dem deutschen Reichskanzler (…) vereinbarten deutschen Text der Note sowie eine hier angefertigte französische Uebersetzung (…) – Euer Durchlaucht wollen beide Entwürfe der deutschen 73 Ebd. Beil. A fol. 126 – 129; idem: HHStA I, 503 XLVII/3 (16) fol. 143 – 146; s. auch: Bethmann Hollweg an Wedel, Tel. 460, 23. Nov. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 91 – 92 Dok. 85 Anl. 2. 74 Burián, Aufz. über die Verh. in Berlin 18. Nov. 1916, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 Beil. B fol. 124 – 125. 75 Ebd. Beil. C fol. 130 – 130v, idem: HHStA PA I, 503 XLVII/3 (16) fol. 149 – 149v, s. auch: Bethmann Hollweg an Wedel, Tel. 460, 23. Nov. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 91 – 92 Dok. 85 Anl. 1 (mit den weiteren Punkten „Internationalisierung von Tsingtau“ u. „Wiederherstellung der territorialen Integrität Griechenlands, wenn es neutral bleibt. Die für den Fall der Neutralität in Aussicht gestellte Grenzverbesserung im nördlichen Epirus“).

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Regierung mit dem Ersuchen mitteilen, den französischen Text zu prüfen und falls derselbe (…) ihre Zustimmung findet, uns die letztere ehestens bekanntzugeben.76

Am 21. November starb ­Kaiser Franz Joseph. Mitteilungen, die ­Kaiser Wilhelm über sein Zusammensein mit dem neuen Kaiserpaar anläßlich der Begräbnisfeierlichkeiten in Wien Legationsrat Grünau gemacht hatte, gab dieser am 29. November an Bethmann Hollweg weiter: Kaiser Karl war zunächst in ziemlich gedrückter Stimmung; er empfindet die Schwere der auf ihm lastenden Verantwortlichkeit und sprach anfangs viel über die Notwendigkeit, bald Frieden schliessen zu müssen, namentlich im Hinblick auf die ungünstigen Verpflegungsverhältnisse in Österreich. Seine Majestät (…) hat ihm, wie er meinte mit Erfolg, Mut zugesprochen und auf den guten Verlauf des Feldzuges in Rumänien hingewiesen (…). Für die geplante Friedensnote ist der junge ­Kaiser sehr eingenommen. Seine Majestät konnte ihm mitteilen, dass die Regierungen von Bulgarien und der Türkei dem Plane zugestimmt haben, bemerkte aber, dass man die Wahl des Zeitpunktes von dem Urteil des Generalfeldmarschalls von Hindenburg über die militärische Lage abhängig machen müsse, womit sich ­Kaiser Karl einverstanden erklärte.77

Zwei Tage zuvor hatte der Reichskanzler an Hindenburg telegrafiert: Kleinere von Bulgarien angeregte Änderungen am Text der Note können im Laufe dieser Woche erledigt werden. (…) Ob und wann das Friedensangebot gemacht wird, entscheidet sich ausschließlich nach der militärischen Lage. In dieser Beziehung erscheint mir als notwendige Voraussetzung die Erreichung eines gewissen Höhepunktes (…) und gleichzeitige menschenmögliche Sicherheit vor etwaigen für die Gesamtlage entscheidenden Rückschlägen. (…) – Die Aussichten des Angebots bleiben ungewiß. (…) Der Entschluß, unsere Friedens­ aktion vorzunehmen, müßte wegen der notwendigen Verständigung mit unseren Verbündeten und der vertraulichen Information des Bundesrats, der politischen Parteiführer und der Presse immerhin 4 oder 5 Tage vor ihrer Ausführung gefaßt werden.78

Ein am 3. Dezember an den Staatssekretär im Auswärtigen Amt Arthur Zimmermann abgesandter Brief Botho Graf von Wedels, des neuernannten deutschen Botschafters 76 Abschr. eines streng geheimen Erlasses an Hohenlohe, Nr. 5609, 19. Nov. 1916, HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 147 – 151v. 77 Grünau an Bethmann Hollweg, Ber. 250, 29. Nov. 1916, SG 1 1962, 586 – 587 Dok. 398. 78 Bethmann Hollweg an Hindenburg, 27. Nov. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 92 – 94 Dok. 86, idem: SG 1 1962, 580 – 581 Dok. 396.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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in Wien, scheint darauf hinzuweisen, dass Burián den Eindruck gewann, die deutsche Regierung und die deutsche Oberste Heeresleitung wollten das Friedensangebot hinaus­ zögern. Wedel schrieb nämlich: Gestern sagte mir Baron Burián, Prinz Hohenlohe solle die Friedensaktion in Berlin nun ernstlich betreiben. Man scheine dort noch nicht recht überzeugt. Ich erwiderte, ein so ernster und bedeutungsvoller Schritt müsse doch gründlich geprüft werden. Darauf Baron Burián: Er sei nicht so optimistisch zu glauben, daß das Angebot angenommen werde; aber es werde nachwirken. Wir würden die Neutralen vereinigen und auf unsere Seite ziehen und teils direkt, teils durch diese auf die pazifistische Bewegung in Feindesland einwirken. Das ‚Gift‘ sei eingeflößt und werde zersetzend wirken. (…) Er sei für rasches Handeln, die militärische Lage sei günstig (…).79

Burián hatte Botschafter Hohenlohe tatsächlich eine Wedels Bericht entsprechende Weisung erteilt, denn Hohenlohe telegrafierte am selben 3. Dezember an den Minister: Dem Auftrag Euer (Exzellenz) entsprechend habe ich dem Reichskanzler sehr eindringlich nahegelegt, die Friedensdemarche doch nicht zu retardieren. H. v. Stumm habe mir vormittags gesagt, man sei im Begriffe, eine neue Note zu redigieren, die einen Compromiss darstellen solle ­zwischen unserer ursprünglichen und der bulgarischen. Ich bemerkte dass hiedurch doch nur wieder eine ganz unberechenbare Verzögerung hervorgerufen (…) würde. Wenn die deutsche Heeresleitung den Fall von Bukarest abwarten wolle, so sei dies doch eine grosse Ungeschicklichkeit, denn sei d ­ ieses Ereignis einmal vorbei, so könnten wir den Gegnern kaum mehr in augenfälliger Weise zeigen, wie kampfbereit und schlagfertig wir noch ­seien. (…) – Ich bemerkte weiters, dass auch König Ferdinand (…), den ich in Wien zu sprechen Gelegenheit hatte, ganz derselben Ansicht sei, und schloss mit der dringenden Bitte, der Kanzler möge den Intentionen E. E. entsprechend jede Neuredigierung unterlassen, damit unsere Aktion so rasch als tunlich durchgeführt werden könne. – Herr von Bethmann antwortete, er habe diese neue Note schon fertig und sei eben im Begriffe, sie nach Wien und Pless zur Begutachtung zu senden. – Ich entgegnete, darüber würden dann wieder Tage vergehen was wir unbedingt vermeiden müssten; ich bat ihn daher auf das Allerdringlichste, (…) sich auf keine weiteren Erörterungen hierüber einzulassen, sondern, falls sich in Wien oder Pless Bedenken hierüber ergeben sollten, einfach unsere ursprüngliche Note wieder in Kraft treten zu lassen und (…) sofort die Durchführung der Aktion zu beginnen. – Nach längeren Erörterungen hat (…) der Kanzler (…) erklärt, er sehe ein, dass wir ehetunlichst an die Ausführung dieser Friedens­ demarche schreiten müssten; er sei daher auch bereit, auf die alte Note zurückzugreifen, wenn die neue (…) nicht gebilligt werde.80 79 Wedel an Zimmermann, Brief, 3. Dez. 1916, ebd. pp 94 – 95 Dok. 88 bzw. pp 591 – 592 Dok. 402 Pièce jointe. 80 Hohenlohe an Burián, Tel. 386, 3. Dez. 1916, HHStA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 229 – 229v.

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Der deutsche Reichskanzler hatte den neuen Entwurf tatsächlich bereit und konnte am folgenden Tag an Grünau telegrafieren: Die bulgarische Regierung hat an dem (…) Notenentwurf (…) bemängelt, dass er nicht genügend der Mentalität der Neutralen Rechnung trage und eine andere Fassung vorgeschlagen. Die Fassung der bulgarischen Regierung bringt das Bewusstsein unserer Stärke nicht in genügendem Masse zum Ausdruck (…). Ich habe daher, was mir daraus brauchbar erschien, in unsern (…) Entwurf aufgenommen und den nachfolgenden neuen Entwurf ausgearbeitet, den ich (…) bitte Seiner Majestät (…) sowie dem Feldmarschall von Hindenburg zu unterbreiten. – (…) Der neue Entwurf lautet (…): – ‚Der furchtbarste Krieg, den die Geschichte gesehen hat, wütet seit bald zwei und einem halben Jahr (…). Die schicksalsschwere Katastro­ phe, die das Band einer gemeinsamen tausendjährigen Zivilisation nicht hat aufhalten können, trifft die Menschheit in ihren wertvollsten Errungenschaften. Sie droht den geistigen und materiellen Fortschritt, der den Stolz Europas (…) bildete, in Trümmer zu legen. – Deutschland und seine Verbündeten haben in ­diesem Kampf ihre unüberwindliche Kraft erwiesen. (…) Unerschütterlich haben ihre Linien den (…) Angriffen der tapferen Heere ihrer Feinde standgehalten. Der jüngste Ansturm im Balkan ist schnell (…) zunichte gemacht worden. Die erzielten Erfolge (…) haben bewiesen, dass auch eine weitere Fortdauer des Krieges ihre Widerstandskraft nicht zu erschüttern vermag. (…) – Zur Verteidigung ihres Daseins und ihrer nationalen Entwicklungsfreiheit wurden Deutschland und seine Verbündeten gezwungen zu den Waffen zu greifen. (…) Stets haben sie an der Überzeugung festgehalten, dass ihre eigenen Rechte und begründeten Ansprüche in keinem Widerspruch zu den Rechten der anderen Nationen stehen. Sie gehen nicht darauf aus, ihre Gegner zu zerschmettern oder zu vernichten. – Getragen von dem Bewusstsein ihrer militärischen und wirtschaftlichen Kraft und bereit, den ihnen aufgezwungenen Kampf gegebenen Falls fortzusetzen, zugleich aber von dem Wunsch beseelt, weiteres Blutvergiessen zu verhüten (…), schlagen die verbündeten Mächte vor, alsbald in Friedensverhandlungen einzutreten. Die Vorschläge, die sie zu diesen Verhandlungen mitbringen werden (…) bilden nach ihrer Überzeugung eine geeignete Grundlage für die Herstellung eines dauerhaften Friedens. – Wenn trotz ­dieses Anerbietens zu Frieden und Versöhnung der Kampf fortdauern sollte, so werden die vier verbündeten Mächte ihn bis zum Ende führen, lehnen aber ausdrücklich jede Verantwortung dafür vor dem Gewissen der Menschheit und der Geschichte ab.’81

Grünau konnte bereits am Folgetag an das Auswärtige Amt depeschieren: Seine Majestät und Oberste Heeresleitung sind mit neuem Entwurf einverstanden. Letztere (…) und regt folgende 2 Änderungen an: – Absatz 2 Schlussatz: ‚dass auch eine weitere ­Fortdauer 81 Bethmann Hollweg an Grünau, Tel. 1502, 4. Dez. 1916, SG 1 1962, 592 – 593 Dok. 403.

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usw. nicht zu erschüttern vermag, dass vielmehr die gesamte Lage zu der Erwartung weiterer Erfolge berechtigt‘. – Letzter Absatz: ‚bis zum – siegreichen – Ende führen. Sie lehnen aber ausdrücklich jede Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges vor dem Gewissen usw.‘ (…) – S. M. und Oberste Heeresleitung sind Ansicht, dass Note möglichst unmittelbar nach Fall von Bukarest abgesandt wird. Dieser kann (…) vielleicht schon in 1 bis 2 Tagen erfolgen.82

Kaiser Karl telegrafierte am selben Tag aus Teschen an Burián: „Sprach heute H ­ indenburg, derselbe meint, dass jetzt, wenn die Besetzung Bukarest’s definitiv ist, der Moment gekommen wäre, um die Demarche loszulassen, aber dass das Auswärtige Amt mit der Neuredigierung (…) Zeit verliere (…).“ 83 Bethmann Hollweg teilte am 5. Dezember abends Grünau mit: Ich habe den Anregungen der Obersten Heeresleitung entsprechend abgeänderten Entwurf nach Wien telegraphiert und Baron Burián um baldigste Zustimmung ersucht. Nach Eintreffen seiner Antwort (…) würde, das Einverständnis unserer Bundesgenossen vorausgesetzt, die Übergabe der Note erfolgen können, nachdem ich den Bundesrat und die Parteiführer informiert und die für die Vorbereitung unserer öffentlichen Meinung erforderlichen Massnahmen getroffen habe. (…). – Indem ich (…) bitte den Herrn Feldmarschall hiervon verständigen zu wollen, bemerke ich (…), dass ich ein Hervortreten mit der Friedensaktion unmittelbar nach dem Fall von Bukarest nicht für zweckmässig halte. Das Ereignis müsste erst einige Tage wirken und wir dürfen nicht den Verdacht hervorrufen, den Zustand der ersten Depression bei unseren Gegnern (…) ausnutzen zu wollen. Wir laufen sonst Gefahr, dass sie uns (…) ein ‚Nun erst recht nicht‘ entgegensetzen.84

Grünau antwortete tags darauf: „Oberste Heeresleitung materiell mit Standpunkt Euer Exzellenz einverstanden, auch damit, dass mit Absendung der Note noch einige Tage nach dem Fall Bukarest gewartet wird.“ 85 Botschafter Wedel aber berichtete am 6. Dezember: Baron Burián findet ersten Absatz unseres Entwurfs, der aus bulgarischem Entwurf übernommen sei, nicht glücklich. Er sei zu phrasenhaft und dick aufgetragen, er werde in England bespöttelt werden. – Gestern habe König Ferdinand Baron Buriáns letzten Entwurf ­eingehend geprüft

82 Grünau an A. A., Tel. 1016, 5. Dez. 1916, ebd. p 600 Dok. 406, unvollst.: DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/II, 94 Dok. 87. 83 Kaiser Karl an Burián, Tel. o. Z. durch MKSM, Teschen 5. Nov. (recte Dez.!) 1916, HHStA PA I, 955 Krieg 25p fol. 115. 84 Bethmann Hollweg an Grünau, Tel. 1512, 5. Dez. 1916, SG 1 1962, 600 – 601 Dok. 407. 85 Grünau an Bethmann Hollweg, Tel. (Nr. ?), 6. Dez. 1916, ebd. Anm. 5.

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und sehr gebilligt. – Der König (…) hat erst gestern von (Ministerpräsident) R ­ adoslawow’s Entwurf Kenntnis erhalten. Er habe sich sehr absprechend dazu geäussert. – Baron Burián bittet zu erwägen, ob nicht sein letzter Entwurf den Vorzug verdiene. – Nachdem ich betont, dass Wortlaut weniger wichtig als Zeitpunkt und weitere Verzögerungen sehr unerwünscht ­seien, erklärte Baron Burián schliesslich, er sei auch bereit, unseren Entwurf anzunehmen, wenn wir seinen (…) ablehnten.86

Der Kanzler wies, noch in Unkenntnis ­dieses Berichts, Wedel am selben Tag an: Bitte Baron Burián zu sagen, dass ich beabsichtige unser Friedensangebot auch auf Serbien zu erstrecken, ebenso wie auf Portugal. (…) Die Nichteinbeziehung Serbiens, würde (…) den naheliegenden Einwand unserer Gegner herausfordern, dass es für sie unmöglich sei in Friedensverhandlungen auf einer Grundlage einzutreten, die die Vernichtung der Existenz Serbiens vorsehe. Ich möchte daher Baron Burián zur Erwägung stellen auch seinerseits Serbien nicht auszuschliessen.87

Darauf antwortete Wedel: „Baron Burián gedenkt Serbien auch anzugeben um Unterschied mit uns zu vermeiden“, d. h. die Note auch der serbischen Regierung auf Korfu übermitteln zu lassen.88 Am 12. Dezember 1916, sechs Tage nach der Eroberung Bukarests durch die Truppen der Mittelmächte, wurde in Wien die den Friedensvorschlag enthaltende Note dem amerikanischen Botschafter, den Vertretern der anderen neutralen Länder und dem päpstlichen Nuntius zugestellt. Die österreichisch-ungarische Note folgte dem deutschen Entwurf vom 4. Dezember.89 Die Vertreter der Neutralen wurden ersucht, die Note ihren Regierungen zur Weitergabe an die gegnerischen Staaten übermitteln zu wollen. Die in Berlin am selben Tag von Bethmann Hollweg den diplomatischen Vertretern der Vereinigten Staaten, Spaniens und der Schweiz überreichte Note lautete gleich.90 ­Bethmann Hollweg erklärte bei der Übergabe an den amerikanischen Geschäftsträger Joseph C. Grew, die Reichsregierung bekunde mit der Note ihre Bereitschaft in Friedensverhandlungen einzutreten und erbitte die „good offices“ der Regierung der Vereinigten Staaten, dies den Regierungen Frankreichs, G ­ roßbritanniens, Japans, Rumäniens, R ­ usslands und 86 87 88 89

Wedel an A. A., Tel. 462, 6. Dez. 1916, ebd. pp 601 – 602 Dok. 408. Bethmann Hollweg an Wedel, Tel. 887, 6. Dez. 1916, ebd. p 602 Dok. 409. Wedel an Bethmann Hollweg, 9. Dez. 1916, ebd. Anm. 3. Ö.-u. Note 12. Dez. 1916, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 2 – 3 (frz. Version) u. fol. 7 – 8 (dt. Version), Druck: FB A 12. Dez. 1916, 1 – 2 (frz. u. dt. Version). Zum deutschen Telegramm siehe auch S. 28 ff. 90 Dt. Note 12. Dez. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/I, 28 – 29 Dok. 41; idem: L ­ udendorff 1920, 311 – 312 Dok. XVI/7, SG 1 1962, 613 – 614 Dok. 420, Grew an Lansing, Tel. 4726, 12. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 89 – 90 (frz. Version). Lansing 1935, 181 – 182 (Übers. ins Engl. durch State Dept.?), 40 1982, 231 – 233 Encl. 1 (Übers. durch A. A.).

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Serbiens zur Kenntnis zu bringen.91 Vor dem Reichstag erklärte der Kanzler am selben Tage, ­Kaiser Wilhelm habe „mit seinen hohen Verbündeten den Entschluß gefaßt, den feindlichen Mächten den Eintritt in Friedensverhandlungen vorzuschlagen“. Er habe „den Vertretern derjenigen Mächte, die unsere Rechte in den feindlichen Staaten wahrnehmen, (…) eine entsprechende, an alle feindlichen Mächte gerichtete Note mit der Bitte um Übermittlung übergeben“ die anderen neutralen Mächte würden von dem Schritt ebenfalls benachrichtigt. Das ­gleiche erfolge in Wien, Konstantinopel und Sofia. Im Weiteren verlas der Kanzler den Text der Note.92 Zugleich mit dem Friedensangebot erfolgte in Wien eine im Brustton der Unüberwindlichkeit, wenn nicht der Siegesgewissheit gefasste Amtliche Verlautbarung, in der es hieß: Im Vereine mit ihren in treuer Waffenbrüderschaft erprobten Verbündeten haben OesterreichUngarns Heer und Flotte (…) die Absichten der Gegner zuschanden gemacht. (…) – Nimmer können die Feinde hoffen, diesen Mächtebund zu besiegen (…). – Die Fortsetzung des mörderischen Krieges (…) stellt sich immer mehr als (…) ein Verbrechen an der Zivilisation dar. – Diese Ueberzeugung und die Hoffnung, daß die ­gleiche Einsicht auch im gegnerischen Lager zum Durchbruch gelangen könnte, hat bei dem Wiener Kabinett in voller Ueberein­stimmung mit den Regierungen der verbündeten Mächte den Gedanken gereift, einen offenen und loyalen Versuch zu unternehmen, um zu einer Aussprache mit den Gegnern zum Zwecke der Anbahnung des Friedens zu gelangen. (…) An den Gegnern ist es jetzt, vor der ganzen Welt Zeugnis ihrer Gesinnungen abzulegen.93

Präsident Wilson, der schon länger vorgehabt hatte, einen Vorstoß für einen baldigen Friedensschluss zu unternehmen, wurde durch die Note der Mittelmächte überrascht. Seinem Biographen Arthur S. Link zufolge zog er sich an den Vormittagen des 13. und des 14. Dezember in sein Arbeitszimmer zurück, um an seiner geplanten, eigenen Note zu arbeiten und entwarf, „obviously immensely pleased by Bethmann’s messages“, eine in herzlichen Worten gehaltene Antwort an den Reichskanzler, die er dann jedoch nicht absandte. Vor allem habe sich Wilson darüber Gedanken gemacht, „what he should say to the Allied governments when he transmitted the German peace note to them“.94 Außenminister Robert Lansing gab in seinen War Memoirs eine andere Darstellung der Reaktion des Präsidenten auf die Note der Mittelmächte:

91 Bethmann Hollweg, Ansprache an Grew 12. Dez. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/I, 27 – 28 Dok. 40; idem: SG 1 1962, 614 – 615 Dok. 420 Pièce jointe. 92 Bethmann Hollweg Rede 12. Dez. 1916, Verh. RT. 13. Leg.-Per., 80. Sitzg. pp 2331 – 2332. 93 F-B A 12. Dez. (1916), 1. 94 Link Wilson 5 1965, 215 – 216.

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As may be presumed, Mr. Wilson was much disturbed when he read the dispatches bearing the overtures of the Central Powers and realized the position in which he was placed by their forestalling his intended action. They had deprived him of the initiative which was a necessary factor to his obtaining even a moderately sympathetic hearing by the Entente Governments, without which he could expect to make no headway at all.

Vom Vorhaben einer eigenen Note sei er jedoch nicht abzubringen gewesen.95 Am 17. Dezember schloss Wilson die Arbeit an seiner eigenen Note ab, am Folgetag sandte sie Lansing an die Vertretungen der Vereinigten Staaten in den kriegführenden Ländern. In ihr hieß es: The President suggests that an early occasion be sought to call out from all the nations now at war such an avowal of their respective views as to the terms upon which the war might be concluded and the arrangements which would be deemed satisfactory as a guaranty against its renewal (…) as would make it possible frankly to compare them. (…) – He takes the liberty of calling attention to the fact that the objects which the statesmen (…) on both sides have in mind in this war are virtually the same (…). Each side (…) wishes itself to be made secure (…) against the recurrence of wars like this and against aggression or selfish interference of any kind. Each (…) is ready to consider the formation of a league of nations to insure peace and justice throughout the world. (…) however, each deems it necessary first to settle the issues of the present war upon terms which will certainly safeguard the independence, the territorial integrity, and the political and commercial freedom of the nations involved. (…) – The President, therefore, feels altogether justified in suggesting an immediate opportunity for a comparison of views as to the terms which must precede those ultimate arrangements for the peace of the world (…) – The President is not proposing peace; he is not even offering mediation. He is merely proposing that soundings be taken in order that we may learn (…) how near the haven of peace may be (…).96

In Berlin wurde die Note durch Botschaftsrat Grew am 21. Dezember Zimmermann überreicht, wovon dieser umgehend den Kanzler in Kenntnis setzte und die Note weiter­ leitete.97 Grew berichtete über die Aufnahme der Note an Lansing: Zimmermann listened to the reading (…) with earnest attention and expressed great satisfaction at and appreciates the President’s ‚wise and high-minded action‘ (…) he did not think that

95 Lansing 1935, 183. 96 Lansing an die Vertr. in den kriegführenden Ländern, 18. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 97 – 99. 97 Grew an Zimmermann, 21. Dez. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/I, 30 – 33 Dok. 44; Zimmermann an Bethmann Hollweg, 21. Dez. 1916, SG 1 1962, 624 – 627 Dok. 430, Übers. der Note ins Dt.: Ludendorff 1920, 313 – 315 Dok. XVI/10.

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an answer could be given or action taken until the Entente powers had replied to the Chancellor’s recent note. He said that he was quite sure Germany’s peace terms were more moderate than those of the Entente but that Germany could not be the first to divulge them (…).98

In Wien brachte Botschafter Frederic C. Penfield die Note am 22. Dezember Burián zur Kenntnis.99 Zu den Erwartungen, die der Präsident an seinen Schritt knüpfte, schrieb Sterling J. Kernek 1970 sicherlich zutreffend, Wilson habe gehofft, die kriegführenden Staaten „would announce moderate demands because of their fear of appearing intransigent and aggressive“ und, wenn dies erfolgt sei, „negotiations could be started“.100 In Berlin wurde umgehend eine Antwort auf die Note Wilsons entworfen. Bestrebt, sie von der deutschen und der k. u. k. Regierung etwa gleichlautend ergehen zu lassen, übersandte Zimmermann den fertiggestellten Entwurf Botschafter Wedel mit der Weisung, ihn in Wien vorzulegen.101 In einer Notiz des Ministeriums des Äußern vom 23. Dezember heißt es dazu: Der deutsche Botschafter hat heute hier vorgesprochen, um an der Hand eines Telegramms seiner Regierung deren Auffassung über den Vorschlag des Präsidenten (…) darzulegen. – Hiernach glaubt die deutsche Regierung an die Möglichkeit, daß die Friedensdemarche Mister Wilsons im Einverständnis mit England erfolgt sei, um der Entente einen Ausweg aus ihrer gegenwärtigen schwierigen Lage in der Friedensfrage zu bieten. Gerade wenn diese Annahme zutreffe, müsse aber unsere Gruppe trachten, sich die Führung in der Friedensfrage nicht wieder entwinden zu lassen. Es empfehle sich daher (…), eine tunlichst baldige zustimmende (…), etwa die beiliegende Antwort zu erteilen. (…) – Für die Antwort (…) schlägt man deutscherseits Dienstag, den 26. l. M. vor, falls nicht etwa mittlerweile die Antwort der Entente eintrifft und uns (…) zu einer veränderten Stellungnahme veranlaßt.102

Der von Wedel überreichte Entwurf, in dem betont wurde, dass die Mittelmächte, wie von ihnen am 12. Dezember vorgeschlagen, einen unmittelbaren Gedankenaustausch ­zwischen den Kriegführenden als am zielführendsten erachteten, entsprach weitgehend dem Text des drei Tage ­später an Wilson gesandten Aide-Mémoire.103 98 Grew an Lansing, Tel. 4764, 21. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 110 – 111 99 Penfield an Burián, 22. Dez. 1916, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 209 – 214, Übers. ins Dt.: fol. 222 – 226; Penfield an Lansing, Tel. 1593, 22. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 109 – 110. 100 Kernek 1970 13, 735. 101 Zimmermann an Wedel, Tel. 922, 23. Dez. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III, 108 Dok. 105. 102 M. d. Ä. Notiz 23. Dez. 1916, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 240 – 242. 103 Francis R. Bridge meinte wenig zutreffend: „Es entsprach der neuen Zuversicht und Härte Berlins, daß die Deutschen sich einfach nicht die Mühe gaben, Wien zu konsultieren, als sie ihre Antwort auf (…) Wilsons

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Nachdem Ottokar Graf Czernin, der seit 22. Dezember als Nachfolger Buriáns im Amt befindliche neue Minister des k. u. k. Hauses und des Äußern, sich mit dem Text einverstanden erklärt hatte, telegrafierte Zimmermann am 24. Dezember an Kurt Freiherrn von Lersner, den Vertreter des Auswärtigen Amtes im Großen Hauptquartier: Um einer Einmischung des Präsidenten Wilson in die Friedensverhandlungen vorzubeugen, haben wir uns zu einer Beantwortung seiner Note entschlossen, die im Sinne unserer Friedens­ aktion gehalten ist, aber klar zum Ausdruck bringt, daß wir mit unseren Gegnern direkt zu verhandeln wünschen. Die Antwort wird bereits am Dienstag (26. Dezember) übergeben werden, um, wenn möglich, der Antwort der Entente auf unser Friedensangebot zuvorzukommen (…). – Die Fassung, die nach Genehmigung durch S. M. (…) mit der österreichisch-ungarischen Regierung vereinbart worden ist und zweifellos die Zustimmung (…) in Sofia und Konstantinopel finden wird, ist folgende: – ‚Die kaiserliche Regierung hat die hochherzige Anregung des Herrn Präsidenten (…) Grundlagen für die Herstellung eines dauernden Friedens zu schaffen, in dem freundschaftlichen Geiste aufgenommen (…), der in der Mitteilung des Herrn Präsidenten zum Ausdruck kommt. Der Herrn Präsident zeigt das Ziel, das ihm am Herzen liegt, und läßt die Wahl des Weges offen. Der kaiserlichen Regierung erscheint ein unmittelbarer Gedankenaustausch als der geeignetste Weg, um zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen. Sie beehrt sich daher, im Sinne ihrer Erklärung vom 12. d. M. (…) den alsbaldigen Zusammentritt von Delegierten der kriegführenden Staaten an einem neutralen Orte vorzuschlagen. – Auch die kaiserliche Regierung ist der Ansicht, daß das große Werk der Verhütung künftiger Kriege erst nach Beendigung des gegenwärtigen Völkerringens in Angriff genommen werden kann. Sie wird (…) mit Freuden bereit sein (…) an dieser erhabenen Aufgabe mitzuarbeiten.‘104

Die Note wurde am 26. Dezember dem amerikanischen Botschafter in Berlin James W. Gerard übergeben. Darüber meldete Zimmermann ­Kaiser Wilhelm, der Botschafter habe sich über sie „sehr befriedigt“ gezeigt und sie als „a damned good note, a fine note, short and sweet“ bezeichnet.105 Die Antwort der k. u. k. Regierung lautete im Wesentlichen gleich.106 Friedensfühler formulierten.“ Bridge 2006, 51. 104 Zimmermann an Lersner, Tel. 1630, 24. Dez. 1916, Ludendorff 1920, 318 Dok. XVI /13, idem: SG 1 1962, 639 – 640 Dok. 439, Zimmermann an Gerard, 26. Dez. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/I, 34 – 35 Dok. 47, Gerard an Lansing, Tel. 4782, 26. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 117 – 118. 105 Zimmermann an Ks. Wilhelm, Tel. 26. Dez. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/I, 111 Dok. 111. 106 Aide-Mémoire für den Botschafter der USA 26. Dez. 1916, HHS tA PA I, 954 Krieg 25p fol. 291 – 291v u. 294, Übers. ins Engl.: Penfield an Lansing, Tel. 1635, 26. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 118 – 119.

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Wilson hatte eine konkretere Antwort der Mittelmächte erhofft. Darüber informierte der britische Botschafter in Washington, Sir Cecil Spring-Rice, das Londoner Foreign Office am 27. Dezember mit den Worten: „President is disappointed (…) as he expected Germany to inform him of terms and thus put matter in his hands.“ 107 Der Präsident scheint aber die Hoffnung auf eine Inanspruchnahme seiner guten Dienste keineswegs aufgegeben zu haben. Botschafter Johann Heinrich Graf Bernstorff nämlich telegrafierte nach einem Gespräch mit Colonel Edward Mandell House, dem engen Vertrauten und Berater des Präsidenten, am 29. Dezember an Zimmermann bzw. den Reichskanzler: House sagte mir als Wilsons Meinung, daß eine Friedenskonferenz ohne vorherige vertrauliche Verhandlungen nicht zustande kommen würde, da unsere Feinde, wie die Dinge jetzt lägen, die Einladung ablehnen bzw. ihre Annahme von Bedingungen abhängig machen würden. Diese Mitteilung von House war begleitet von einer Aufforderung zu unbedingt vertraulichen Verhandlungen, von denen nur er, Wilson und ich etwas wissen sollten. (…) – Ich bitte um baldige Weisung, ob ich s­ olche Verhandlungen ablehnen soll, oder ob Euer Exzellenz mich dazu ermächtigen und mit entsprechenden Instruktionen versehen wollen. Wie (…) berichtet, legt Wilson verhältnismäßig wenig Wert auf die territoriale Seite der Friedensbedingungen. Ich bin nach wie vor der Ansicht, daß das Hauptgewicht auf das zu legen ist, was hier als die ‚Garantien für die Zukunft‘ bezeichnet wird. Wenn wir Wilson s­ olche so weitgehend wie möglich geben könnten, glaubt er die Friedenskonferenz zustande bringen zu können, denn damit würde das Hauptargument unserer Feinde entwaffnet. Letztere behaupten nämlich immer, dass wir jetzt nur Frieden machen wollten, um bei günstigerer Gelegenheit den Krieg wieder anzufangen. (…) Die Wilson’schen Gedanken über s­ olche Garantien (…) bestehen in erster Linie in einer beschränkten Abrüstung zu Lande und zu Wasser (Freiheit der See), schiedsrichterliche Einrichtungen und Friedensliga. Glaube auf Grund Euerer Exzellenz Reichstagsrede, dass die Kaiserliche Regierung s­ olche Garantien unter der Bedingung geben würde, dass ein Friede zustande käme. – Ich habe mich House gegenüber vorwiegend zuhörend verhalten, um Euer Exzellenz in keiner Weise vorzugreifen. Indessen schließe ich mich der Auffassung des Herrn House an, daß eine Friedenskonferenz ohne Hilfe der Vereinigten Staaten nicht zustande kommen wird. (…) Welche Schritte Wilson tun wird, wenn mich Euere Exzellenz zu solchen Verhandlungen ermächtigen, (…) hängt wesentlich von Euerer Exzellenz Instruktionen ab. House dachte daran, eventuell selbst nach England zu reisen, da der britische Botschafter hier kein Vertrauen geniesst. (…) Ich unterbreite (…) obigen Vorschlag, weil ich überzeugt bin, daß unsere Feinde nicht auf Verhandlungen eingehen werden, wenn nicht von hier aus ein starker Druck ausgeübt wird.

107 Spring-Rice an Foreign Office 27. Dez. 1916, zit. nach Kernek 1970 13, 760.

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Letzteres wird aber m. E. geschehen, wenn Euer Exzellenz (…) glauben, amerikanische Vermittlung annehmen zu können.108

Zimmermann antwortete Bernstorff am 7. Jänner: Amerikanische Vermittlung für eigentliche Friedensverhandlungen ist uns schon wegen unserer öffentlichen Meinung durchaus unerwünscht. Auch müssen wir im gegenwärtigen Augenblick alles vermeiden, was den Eindruck bei unseren Gegnern vertiefen könnte, als sei unser Friedensangebot aus einer bei uns bestehenden Zwangslage heraus entstanden. (…) Wir sind der Überzeugung, den Krieg (…) zu siegreichem Ende bringen zu können. Die Frage der Mitteilung unserer Friedensbedingungen wollen Euere Exzellenz daher dilatorisch behandeln. Dagegen ermächtige ich Sie, schon jetzt unsere Bereitwilligkeit zur Mitwirkung an demjenigen Teil des Programms zu dokumentieren, für das sich Präsident besonders interessiert (…) Wir sind (…) bereit zu jenen Garantien, die in einer allgemeinen Konferenz im einzelnen festzusetzen wären, nachdem eine Konferenz der Kriegführenden einen Präliminarfrieden zustande gebracht hat. Um unsern guten Willen (…) zu beweisen, sind wir im Prinzip auch bereit, sofort in Verhandlungen mit Amerika über den Abschluß eines Schiedsvertrages und Bryanschen Friedensvertrags einzutreten. (…) – Bitte ferner, Oberst House und Präsident Wilson gegenüber zu betonen, daß unsere eigentlichen Friedensbedingungen sehr mäßig sind und sich im Gegensatz zu denen der Entente in durchaus vernünftigen Grenzen bewegen; dies gilt insbesondere auch bezüglich Belgiens, das wir nicht annektieren wollen. (…) Dagegen bleibt elsaß-lothringische Frage für uns indiskutabel. – Es wäre erwünscht, zu erfahren, wie Euere Exzellenz persönlich sich starken Druck vorstellen, den Präsident Wilson auf Entente ausüben könnte, um sie Friedensverhandlungen geneigt zu machen. (…) Sollten Euere Exzellenz Vorschläge zu machen haben, wie uneingeschränkter U-Bootkrieg ohne Bruch mit Amerika geführt werden kann, bitte ich um alsbaldigen Drahtbericht.109

Der Vatikan trachtete die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen dadurch zu fördern, dass er die Mittelmächte zur Angabe ihrer Kriegsziele zu bringen suchte, und dies durch die Nennung von Bedingungen, w ­ elche die Entente als Grundlage für ein Eingehen auf Verhandlungen ansehen könnte. Im Verfolg dieser Intention wurde Czernin am 26. Dezember 1916 durch den Apostolischen Nuntius, Erzbischof Graf Valfrè di Bonzo, eine Notiz Kardinalstaatssekretär Gasparris überreicht, wovon der Minister am selben Tage dem ­Kaiser berichtete: Der Apost. Nunzius (sic!) ist heute bei mir erschienen und hat mir auftragsgemäss eine Notiz eingehändigt, w ­ elche durch eine inoffizielle aber als Mandatar der E ­ ntentemächte 108 Bernstorff an Zimmermann, Tel. 192, 29. Dez. 1916, Bernstorff 1920, 321 – 323, idem. SG 1 1962, 649 – 650 Dok. 450. 109 Zimmermann an Bernstorff, Tel. 149, 7. Jän. 1917, ebd. pp 327 – 328 bzw. pp 668 – 669 Dok. 463.

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­handelnde Persönlichkeit dem Kardinalstaatssekretär überreicht worden sei. – (Sie …) führt in 11 Punkten die Bedingungen an, unter w ­ elchen die Entente angeblich zum Friedens­ schlusse bereit wäre. – Ich habe bei Entgegennahme der Notiz (…) bemerkt, dass dieselbe vorerst zum Gegenstande eines eingehenden Studiums gemacht werden müsse, verhehlte ihm aber nicht, dass mir soweit ich nach flüchtiger Durchsicht urtheilen konnte die Petite unserer Gegner indiskutabel erschien. – Mgr. Valfrè schien (…) nicht erstaunt, rieth aber nachdrücklich, dass, wie immer wir auch über die gegnerischen Forderungen denken mögen, dieser Fühler nicht a limine abgewiesen, sondern zum Ausgangspunkte von Friedensdiskussionen gemacht werden sollte. – Ich habe hierauf dem Nunzius in einigen Tagen eine (Einfügung von der Hand Czernins: „mündliche“) Antwort zugesagt. – Eine identische Notiz wird heute dem hiesigen deutschen Botschafter übergeben werden.110 In der Übersetzung des Ministeriums lauteten die als „Condizioni di pace possibile“ bezeichneten Bedingungen: I. Freiheit der Meere (…). – II . Allgemeine Abrüstung (…) – III . Frankreich. Evakuation des besetzten Gebietes und Abtretung des französisch sprechenden Teiles von Lothringen (…) gegen eine gerechte Entschädigung, zB eine Kolonie. – IV. Belgien. Evakuation (…) und vollständige Unabhängigkeit (…) mit festzusetzenden Garantien.111 – V. Italien. Triest Freistadt (cittá libera). Freie Hand in Albanien. Zession (durch die Monarchie) jener Territorien, wo die italienische Sprache das Uebergewicht hat, wobei Oesterreich auf das durch das Nationalitätenprinzip geforderte Plebiszit verzichtet. – VI. Serbien (… und) – VII. Rumänien. Wieder­herstellung abzüglich der durch den zweiten Balkankrieg erworbenen Territorien. – VIII. Monte­negro. Wiederherstellung; in der Folge wird das Volk (…) sich wahrscheinlich mit Serbien vereinigen wollen. – IX. England. Ebenso wie Deutschland die besetzten Gebiete (…) wird auch England die deutschen Kolonien zurückerstatten. – X. Rußland. Polen erlangt die Unabhängigkeit mit einem neutralen Fürsten an der Spitze (…) Rußland wird in Armenien entschädigt. – XI. Türkei. Finanzielle Entschädigung für den Verlust Armeniens.112

Botschafter Wedel meldete am 27. Dezember nach Berlin: Ein Freund der Entente (…) habe dem Kardinal (…) die Friedensbedingungen, die die Entente annehmen würde, überreicht. Wer der Vertrauensmann sei, wisse er nicht, aber sicher eine Persönlichkeit von Qualität: ‚évidement ce n’est pas un concierge‘. – Der Nuntius bat mich, ihm

110 Czernin, Tagesber. (an Ks. Karl) 26. Dez. 1916, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 51 – 51v, Druck: Steglich 1970, 53 – 54 Dok. 24 u. p 55 Dok. 26 SG 1 1962, 644 Dok. 445. 111 Im Original ist unter d ­ iesem Punkt auch angeführt: „Il Congo dovrebbe restare al Belgio.“ 112 „Dem Herrn Minister durch den Nunzius am 26. Dez. (1916) überreicht (Uebers. aus dem Ital.)“, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 52 – 52v, ital. Original: ebd. fol. 54 – 54v.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

bei der Krönung in Budapest 113 womöglich mitzuteilen, wie die Bedingungen seitens der Kaiserlichen Regierung beurteilt würden. Ich habe ihm keine Hoffnung auf eine Antwort gemacht.114

Wedel hatte schon am 19. Dezember nach Berlin gemeldet: „Nuntius besuchte mich heute, um mir im Auftrage des Papstes mitzuteilen, Herr Sonnino habe Papst erklärt, Italienische Regierung sei bereit über Friedensbedingungen mit Zentralmächten zu sprechen. (…) Papst bitte Seine Majestät und ­Kaiser Karl inständig, Diskussionsbedingungen den Alliierten mitzuteilen (…).“ Dazu hatte der Botschafter skeptisch angemerkt: „Papst würde sich brieflich direkt an beide Monarchen gewandt haben, wenn dieser Weg gangbar wäre.“ 115 Auf Wedels Bericht hin wurde der seit dem Kriegseintritt Italiens in Lugano residierende preußische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Otto von Mühlberg, angewiesen, sich mit dem das besondere Vertrauen des Papstes genießenden Monsignore Gerlach in Verbindung zu setzen. Mühlberg telegrafierte am 28. Dezember an diesen: Über Wien haben wir erfahren, der Nuntius hätte bemerkt, daß Seine Heiligkeit wünschte, ‚un petit peu‘ über unsere Friedensideen auf dem laufenden gehalten zu werden. Meine Regierung kommt folgendermaßen ­diesem Wunsche nach: – Die deutsche Friedensnote enthält gewisse führende Grundsätze. Erstens wird darin bestimmt ausgesprochen, daß die (…) Rechte der Alliierten (der Mittelmächte) und ihre begründeten Ansprüche in durchaus keinem Widerspruch stehen zu den Rechten der anderen Nationen. Ferner (…), daß die Verbündeten nicht darauf ausgehen, ihre Gegner (…) zu vernichten. Zweitens stellen die (…) Verbündeten fest, daß (…) ihre Vorschläge nach ihrer Überzeugung eine geeignete Grundlage für die Herstellung eines dauerhaften Friedens bilden werden. – Weiter können (… sie) mit ihrer Anregung nicht gehen (…) Denn es ist klar, daß die Partei, die in ihren Forderungen (…) ungebunden ist, eine vorteilhaftere Stellung einnimmt als diejenige, die sich auf ein öffentlich festgestelltes Programm verpflichtet hat. – Was (…) Belgien anbetrifft, so ist die (…) Regierung bereit, dem König Albert die Rückkehr (…) zu gestatten und die Restitution Belgiens unter gewissen Bedingungen und (…) Garantien zuzugestehen. – Euer Hochwürden bitte ich, (…) Seine Heiligkeit in Kenntnis zu setzen.116

Der Papst wertete, wie Gasparri dem Gesandten Mühlberg am 29. Dezember mitteilte, die Friedensnoten der Mittelmächte als „acceptables ou certainement discutables“ und 113 Bei der Krönung ­Kaiser Karls zum König von Ungarn am 30. Dez. 1916. 114 Wedel an Bethmann Hollweg, Ber. 367, 27. Dez. 1916, SG 1 1962, 643 Dok. 445, idem: Steglich 1970, 54 Dok. 25 u. p 55 Dok. 26. 115 Wedel an A. A., Tel. 487, 19. Dez. 1916, SG 1 1962, 620 Dok. 426. 116 Mühlberg an Gerlach, privat u. vertraulich 28. Dez. 1916, Steglich 1970, 56 Dok. 27.

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brachte dies den Regierungen der Entente-Staaten zur Kenntnis.117 Drei Wochen ­später gebrauchte er in seinem Handschreiben zum Geburtstag ­Kaiser Wilhelms dieselbe Formulierung: Er drückte seine Genugtuung über das Friedensangebot der Mittelmächte aus, gab aber zu bedenken, ob es nicht angebracht wäre, den gegnerischen Regierungen die Grundlagen, auf denen sich Deutschland zu einem Friedensschlusse bereit erkläre, zur Kenntnis zu bringen, etwa „le principe de la liberté des mers, celui de la liberté et de l’indépendance des petits États, la diminution proportionnelle des armements, de façon à rendre impossible à l’avenir les agressions des uns contre les autres, etc.“ Eine Verständigung über diese Grundlagen sei bestimmt leicht zu erreichen und würde den Weg zu konkreten Verhandlungen bahnen.118 Wilhelm II . antwortete dem Papst erst mehr als einen Monat s­ päter, nämlich am 27. Februar, und ging dabei auf die päpst­ lichen Anregungen nicht ein: Je partage de tout cœur les vœux de Votre Sainteté qu’il soit bientôt mis fin à la guerre terrible (…) – Votre Sainteté n’ignore pas que Nos propositions (…) ont été brutalement repoussées. (…) – Dans ces circonstances Nous sommes forcés à continuer la lutte et à employer tous les moyens dont Nous disposons afin d’atteindre le plus tôt possible Notre but qui est le rétablissement de la paix.119

Der bayerische Gesandte beim Heiligen Stuhl, Otto Freiherr von Ritter zu Groenesteyn, berichtete König Ludwig III. am 9. Jänner 1917, vertraulich erfahren zu haben, dass der Papst das Friedensangebot der Zentralmächte günstig beurteile. Auf die Frage, warum der Vatikan es nicht durch eine öffentliche Kundgebung unterstütze, habe sein Gewährsmann geantwortet, „daß der Papst ­diesem Zwecke besser zu dienen glaube, indem er unter der Hand z­ wischen den kriegführenden Parteien für den Frieden wirke“. Eine Unterstützung des Angebotes der Zentralmächte könnte seine Vermittlungstätigkeit „diskreditieren und brachlegen“. Im Übrigen sei die ganze Umgebung des Papstes „italienisch gesinnt und ängstlich besorgt, daß von seiten des Heiligen Stuhles nichts geschieht, was der italienischen Regierung mißfallen und damit – wie sie glauben – die Sicherheit des Vatikans und ihre persönliche Sicherheit gefährden könnte“. Der Gesandte berichtete auch, dass der Papst „Anhaltspunkte dafür zu haben (scheine), was die Entente zur Grundlage von Friedensbedingungen gemacht wissen möchte (…)“.120 117 Gasparri an Mühlberg, Note 29. Dez. 1916, ebd. p 57 Dok. 28. 118 Benedikt XV. an Ks. Wilhelm, Handschr. 16. Jän. 1917, SG 1 1962, 676 – 677 Dok. 470, idem: Steglich 1970, 63 – 64 Dok. 34. 119 Wilhelm II . an Benedikt XV ., Handschr. 27. Feb. 1917, SG 2 1966, 20 – 21 Dok. 12, idem: Steglich 1970, 72 – 73 Dok. 42. 120 Ritter zu Grünstein an Ludwig III., Ber. 7/I, 9. Jän. 1917, Steglich 1970, 59 – 62 Dok. 32.

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Sollte im Vatikan tatsächlich die Auffassung geherrscht haben, dass der Papst dem Zustandekommen eines Friedens besser dienen könne, wenn „er unter der Hand (…) für den Frieden wirke“, so sind nicht nur die von Valfrè überreichten Bedingungen, „unter ­welchen die Entente angeblich zum Friedensschlusse bereit wäre“, in d ­ iesem Sinne zu verstehen, sondern auch Kontakte Gasparris über seinen Cousin, den Senator Cesare Silj, zu dem italienischen Minister des Innern, Vittorio Emanuele Orlando. Zeitungen mutmaßten damals über Konzessionen, w ­ elche die Zentralmächte bereit wären, Italien im Falle eines Friedens einzuräumen. Am 24. Jänner teilte Silj, sicherlich nicht ohne Wissen Gasparris, Orlando mit, was der Heilige Stuhl darüber zu wissen glaube, und zwar über Konzessionen, die das Äußerste darstellten, wozu die Mittelmächte bereit wären: 1. die Abtretung des Trentino nicht nur bis Salurn, wozu Burián sich Botschafter Avarna gegenüber am 17. April 1915 bereit erklärt hatte,121 sondern bis (einschließlich?) Bozen; 2. die Abtretung der Gebiete westlich des Isonzo einschließlich der Stadt Görz und des Karsts; 3. die Abtretung Triests gegen irgendeine Kompensation im Bereiche der Adria, wobei die Stadt eine „autonomia commerciale“ erhalten und in Hinkunft für Österreich-Ungarn eine Stellung einnehmen solle wie jene Hamburgs für Deutschland. Nicht erwähnt waren die von Avarna am 10. April 1915 Burián übergebenen Forderungen nach Abtretung der adriatischen Inseln Lissa, Lesina, Curzola, Lagosta, Cazza, Meleda und Pelagosa, Anerkennung der italienischen Souveränität über Valona sowie des österreichischen Desinteressements an Albanien.122 Orlando hielt dazu fest, Siljs Mitteilungen ließen Vieles offen; hätte er aber um Klarstellungen gefragt, so wäre dadurch der Anschein einer Bereitschaft zu Verhandlungen erweckt worden. Also habe er sich mit einem Dank für die Information begnügt und die Sache auf sich beruhen lassen.123 Die Ententemächte nahmen die Note Wilsons vom 18. Dezember mit wenig Enthusiasmus auf. Der amerikanische Botschafter in Paris, William G. Sharp, berichtete am 21. Dezember an Lansing, Ministerpräsident Briand habe „quite frankly“ bemerkt, die „nearly coincident occurrence with the proposal offered by the Central powers makes the President’s communication unfortunately timed“.124 Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Rom, Thomas Nelson Page, berichtete über die Aufnahme, ­welche die Note bei Außenminister Sonnino fand: „He appeared somewhat disturbed by its presentation at this moment, saying that it would be difficult to disconnect it in the public mind from notes of Central powers.“ 125 Und aus London, wo Lloyd George am 19. Dezember im Unterhaus zur Note der Mittelmächte gesagt hatte: 121 122 123 124 125

Burián an Macchio 16. Apr. 1915, Ö.-u. Rotbuch. 1915, 134 – 140 Dok. 144. Memorandum der ital. Reg. 10. Apr. 1915, in: Burián an Macchio 11. Apr. 1915, ebd. pp 128 – 133 Dok. 141. Orlando Promemoria 25. Jän. 1917, Margiotta Broglio 1966, 325 – 326 Dok. 30. Sharp an Lansing, Tel. 1754, 21. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 104 – 105. Nelson Page an Lansing, Tel. 759, 21. Dez. 1916, ebd. p 107.

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To enter at the invitation of Germany, proclaiming herself victorious, without any knowledge of the proposals she proposes to make, into a conference, is to put our heads into a noose with the rope end in the hands of Germany (…). We will, therefore, wait until we hear what terms and guarantees the German Government offer other than those, better than those, surer than those which she so lightly broke (…). A formal reply will be delivered by the Allies in the course of the next few days.126

Am 26. Dezember meldete der US-Botschafter in London, Walter H. Page, über ein von ihm mit dem britischen Parliamentary Under-Secretary of State for Foreign Affairs, Lord Robert Cecil, geführtes Gespräch nach Washington: He informed me that he was deeply hurt by the President’s note because it seemed to pass judgment on the Allied cause by putting it on the same moral level as the German cause and because one sentence (the sentence about the position of neutrals becoming intolerable) might be a veiled threat.127

Eine offizielle Antwort der Entente-Mächte auf Wilsons Note erfolgte erst am 12. Jänner 1917.128 In ihrer deutschen Übersetzung heißt es: Die Alliierten Regierungen haben die Note (…) mit der Sorgfalt geprüft, w ­ elche gleichzeitig ihre richtige Empfindung von dem Ernst der Stunde und ihre aufrichtige Freundschaft für das amerikanische Volk gebot. Im allgemeinen legen sie Gewicht darauf zu erklären, daß sie den hohen Gesinnungen, von denen die amerikanische Note beseelt ist, den Zoll ihrer Anerkennung darbringen. (…) Die Alliierten empfinden ebenso tief wie die (…) Vereinigten Staaten den Wunsch, möglichst bald diesen Krieg beendet zu sehen (…); aber sie sind der Ansicht, daß es unmöglich ist, bereits heute einen Frieden zu erzielen, welcher ihnen die Wiedergut­ machungen (…) und Bürgschaften sichert, auf ­welche sie ein Recht haben (…). Mit Genugtuung nehmen sie zur Kenntnis, daß die amerikanische Mitteilung in keiner Weise (…) mit derjenigen der Mittelmächte zusammenhängt (…). – Eine historische Tatsache steht gegenwärtig fest, nämlich der Angriffswille Deutschlands und Oesterreich-Ungarns, um ihre Vorherrschaft in Europa und ihre wirtschaftliche Herrschaft über die Welt zu sichern. (…) Präsident Wilson (…) wünscht, daß die kriegführenden Mächte offen die Ziele bekanntgeben (…). Die Alliierten können auf diese Forderung (…) antworten. Ihre Kriegsziele sind wohl bekannt, (…) die Wieder­herstellung Belgiens, Serbiens und Montenegros, (…) die Räumung der besetzten 126 Lloyd George im Unterhaus 19. Dez. 1916, Hansard Ser. 5 88, 1333 – 1338. 127 Walter H. Page an Lansing, Tel. 5374, 26. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 115 – 116. 128 Sharp an Lansing, Tel. 1805 (frz. Fassung) u. Tel. 1806 (engl. Fassung), 10. Jän. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 5 – 9.

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Gebiete (…) mit den gerechten Wiedergutmachungen, die Reorganisation Europas, Bürgschaft für ein dauerhaftes Regime, das sowohl auf die (…) Rechte aller kleinen und großen Völker begründet ist wie auf (…) internationale Regelungen, ­welche geeignet sind, die Land- und Seegrenzen gegen ungerechtfertigte Angriffe zu ­schützen, die Zurückgabe der (…) Gebiete, die früher (sic!) den Alliierten durch Gewalt oder gegen den Willen ihrer Bevölkerung entrissen worden sind, die Befreiung der Italiener, Slawen, Rumänen, Tschechen und Slowaken von der Fremdherrschaft, die Befreiung der Bevölkerung, ­welche der blutigen Tyrannei der Türken unterworfen sind (sic!), und die Entfernung des Osmanischen Reiches aus Europa (…). – Wenn die Alliierten Europa der brutalen Begierde des preußischen Militarismus entreißen wollen, so war es selbstverständlich niemals ihre Absicht (…), die Vernichtung der deutschen Völker (…) anzustreben. Was sie vor allem wollen, ist die Sicherung des Friedens auf der Grundlage der Freiheit und Gerechtigkeit, der unverletzlichen Treue, w ­ elche die Regierung der Vereinigten Staaten stets beseelt hat. Die Alliierten (…) sind (…) entschlossen (…) den Streit zu einem siegreichen Ende zu führen, von welchem (…) die Zukunft der Zivilisation selbst abhängt.129

Über die Aufnahme, ­welche die Note der Entente-Mächte bei Wilson fand, schrieb ­Seymour aufgrund der Aufzeichnungen von Colonel House: (…) the refusal of the Allies to accept his proffered intervention aroused his (Wilsons) suspicions of their motives and led him to fear that, if we brought them military assistance, it would be used merely to further European nationalist aspirations. He distrusted intensely the real purposes of all the belligerent Governments, whatever their avowed war aims.130

Den Friedensvorschlag der Mittelmächte hatten die Staaten der Entente schon zuvor in einer gemeinsamen Note abgelehnt. Deren auf einer vom 26. bis 28. Dezember in London abgehaltenen britisch-französischen Konferenz ausgearbeiteter Text wurde am 29. Dezember Botschafter Sharp bekanntgemacht und von ­diesem sogleich an Lansing telegrafiert. Offiziell überreicht wurde die Note Sharp erst am nächsten Tag. Deutschland und Österreich-Ungarn wurden in ihr angeklagt, die Verantwortung für den Krieg auf die Alliierten abwälzen zu wollen und den Sieg der Mittelmächte zu verkünden. Eine „Anregung ohne irgendwelche Bedingungen für die Eröffnung von Verhandlungen“ sei kein Friedensangebot; sie erscheine „weniger als ein Friedensangebot, denn als ein Kriegsmanöver“. Die alliierten Regierungen lehnten es ab, „sich mit einem Vorschlag ohne Aufrichtigkeit und ohne Bedeutung zu befassen“. Ein Friede sei unmöglich, „solange 129 Antwort der Entente (…) auf die Note Wilsons vom 18. Dez. 1916, 12. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/I, 42 – 44 Dok. 55, idem: Ludendorff 1920, 324 – 326 Dok. XVI/18. In Paris war die Note schon am 10. Jänner 1917 Botschafter Sharp überreicht worden. 130 Seymour 2 1926, 414.

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nicht Gewähr besteht für die Wiederherstellung der verletzten Rechte und Freiheiten, für die Anerkennung des Grundgesetzes der Nationalitäten und der freien Existenz der kleinen Staaten, solange nicht eine Regelung sicher ist, endgültig die Ursachen zu beseitigen, die so lange die Völker bedroht haben“ und die Bürgschaften für die Sicherheit der Welt biete.131 Der deutschen Regierung wurde die Antwort der Entente am 31. Dezember durch eine Aussendung der Agentur Havas bekannt. Der Chef des Marinekabinetts und Generaladjutant Wilhelms II. Admiral Georg Alexander von Müller notierte an ­diesem Tag in sein Tagebuch: In den drahtlosen Nachrichten der Entente die Antwort auf unsere Friedensnote. Noch ­frecher als erwartet, aber (…) bittere Wahrheiten über unsere Regie des Kriegsausbruches enthaltend. – Der ­Kaiser offenbar verstimmt über die Antwort. Ob er Besseres erwartet hatte?132

Hohenlohe telegrafierte dazu am 1. Jänner 1917 an Czernin: Ich habe heute (…) mit dem Staatssekretär (Zimmermann), der mich noch gestern abends telefonisch über meine Ansicht hierüber fragte, gesprochen. – (…) eine Stellungnahme zu dem (…) Text kann (…) nur unter Vorbehalt erfolgen, daß derselbe der tatsächlichen Antwort entspricht. (…) Enthalte der Text (…) irgendeinen Passus, an den man mit gutem Gewissen weitere Verhandlungen anknüpfen könne, so ist man hier auch gerne bereit, dies zu erwägen. – Ist dies (…) nicht der Fall, so vertritt der Staatssekretär die Auffassung, daß wir uns durch das Erzwingen weiterer Verhandlungen sehr viel vergeben würden. Sehe die Entente jedoch unseren ernsten Willen, wenn es sein muß, den Krieg weiter zu führen, würde sie möglicherweise (…) bald in ganz anderen Tönen reden. Deutscherseits ist bereits, wie Herr Zimmermann mir streng vertraulich mitteilt, für den Fall einer glatten Ablehnung unseres Anbotes eine Denkschrift über die Behandlung bewaffneter Handelsschiffe ausgearbeitet worden, wonach völkerrechtlich nachgewiesen wird, daß dieselben ohne Warnung torpediert werden könnten.

Hohenlohe meinte dazu, man sei in Berlin der Ansicht, Washington werde „diesen Standpunkt akzeptieren und es hierüber auf keinen Fall zum Bruche kommen lassen“.133 Wie eine pro domo-Notiz Czernins über ein am 1. Jänner 1917 mit Botschafter Wedel stattgefundenes Gespräch zeigt, war der Inhalt der Note der Entente am 31. Dezember 131 Sharp an Lansing, Reply of the Allied Powers (…), Tel. 1770, 29. Dez. 1916, PRFR 1916 Suppl. 1929. 123 – 125, idem: Lansing 1935, 192, Übers. ins Dt.: DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/I, 35 – 37 Dok. 48; F-B A 8. Jän. (1917), 2 – 3 („authentische Uebersetzung“). 132 Müller TB-Eintr. 31. Dez. 1916, Görlitz 1959, 245 – 246. 133 Hohenlohe an Czernin, Tel. 2, 1. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 2 – 2v.

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auch in Wien bekannt geworden. In der Notiz ließ Czernin die leitenden Herren seines Ministeriums wissen: Ich habe dem (…) Botschafter (…) meine Ansichten über die Behandlungen der (…) Antwort auf unser Friedensangebot durch unsere Presse mitgeteilt und darauf hingewiesen, daß wir (…) vor allem vermeiden müßten, Friedensschamaden anzustimmen. Unsere Presse müßte einen männlichen Ton anschlagen und erklären, daß wir, da unser Friedensangebot zurückgewiesen wurde, entschlossen ­seien, den Krieg mit ganzer Kraft fortzuführen. (…) Vorläufig schiene es mir sehr erwünscht, daß wir auf diese Note eine Antwort erteilen, und so den Faden nicht abreißen lassen. Graf Wedel erklärte sich mit dieser meiner Auffassung vollkommen einverstanden und schien nicht daran zu zweifeln, daß man in Berlin derselben Ansicht sein werde, trotz der ursprünglich abweichenden Meinung Herrn Zimmermanns (…).134

Botschafter Wedel meldete Zimmermann am selben Tag über ­dieses Gespräch: Über Behandlung der Antwortnote (…) in Presse stimmt Graf Czernin Euerer Exzellenz zu und hat entsprechende Weisung gegeben. – Er (…) fand den Ton der Antwort impertinent, den Inhalt nicht ungünstig, da keine eigentliche Ablehnung, sondern ein Ausweichen vorliege. Die Möglichkeit, den Faden nicht abreißen zu lassen, sei gegeben, worauf er großes Gewicht lege.135

Czernin selbst drahtete an Hohenlohe: Ich kenne die Antwort der Entente bisher nur aus dem Auszug des k. k. Telegraphen-Korrespondenz-Bureaus. – Der Ton der Note hat mich nicht überrascht (…). Immerhin vertrete ich den Standpunkt, daß die (…) Note unbedingt eine Antwort der Zentralmächte erfordert. (…) Mir liegt viel daran, daß die (…) deutsche Regierung sich dieser Argumentation nicht verschließe und nicht durch eine (…) übereilte schroffe Antwort alle Brücken abbreche. – Euer Durchlaucht wollen darauf hinweisen, daß die Antwort nicht drängt und daß mein (…) Besuch in Deutschland die Gelegenheit einer Besprechung der so äußerst wichtigen Frage bieten wird. – (…) Ich beabsichtige, am 5. Jänner früh in Pleß einzutreffen und an dem Nachmittag desselben Tages nach Berlin abzureisen.136

Es handelte sich um die Antrittsbesuche Czernins bei ­Kaiser Wilhelm im Großen Hauptquartier in Pleß und beim Reichskanzler und der Regierung in Berlin. 134 Czernin über Gespräch mit Wedel, p. d. Notiz 40, 1. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (16) fol. 172 – 176. 135 Wedel an A. A., Tel. 1, 1. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III, 112 Dok. 113; idem: SG 1 1962, 654 Dok. 453. 136 Czernin an Hohenlohe, Tel. 1, 1. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 12 – 13.

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Der deutschen Regierung offiziell überreicht wurde die Note der Entente am 1. Jänner 1917 durch den schweizerischen Gesandten in Berlin. Bethmann Hollweg schrieb darüber am nächsten Tag an ­Kaiser Wilhelm: Im französischen Text (…) lautet die Note noch impertinenter, als in der bisher verbreiteten deutschen Übersetzung. Durch den Trick, unseren Friedensvorschlag abzulehnen, weil er unaufrichtig und bedeutungslos und durch die Erklärung der Bereitwilligkeit einen Frieden zu schliessen der réparation, restitution und garanties bietet, versucht die Entente uns die Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges zuzuschieben, der beleidigende Ton der Note verbietet es meines Dafürhaltens unbedingt, sie direkt zu beantworten. Ohne Erwiderung aber können ihre Winkelzüge nicht bleiben, wenn nicht der Erfolg unserer Friedensaktion sowohl bei den Neutralen, wie in den kriegsmüden Volksschichten unserer Feinde paralysiert werden soll. Ich denke an eine Note an diejenigen Neutralen, w ­ elche jetzt ihrerseits Friedensanregungen gemacht hatten, also an Amerika, die Schweiz und die skandinavischen Staaten. Natürlich wird jeder Anschein, als ob wir die Vermittlung dieser Neutralen nachsuchten, strengstens zu vermeiden sein, ebenso jeder Anschein, als ob wir der Entente irgendwie nachliefen. (…) Graf Czernin findet, wie Graf Wedel meldet, den Ton der Antwort impertinent, den Inhalt nicht ungünstig, da keine eigentliche Ablehnung sondern ein Ausweichen vorliege, also Möglichkeit, den Faden nicht abreissen zu lassen, sei gegeben, worauf er grosses Gewicht lege.137

Am nächsten Tag depeschierte Botschafter Hohenlohe an Czernin: Die Antwortnote der Ententemächte ist nunmehr hier überreicht worden und stellt dieselbe zweifellos die glatteste Ablehnung dar. – Der (…) angeschlagene Ton macht es nach hiesiger Auffassung unmöglich, (…) darauf zu antworten. – Man will daher (…) den Neutralen eine Antwort zukommen lassen, in der die von der Entente fälschlich aufgestellten Behauptungen richtiggestellt werden und die Verantwortung für alles Weitere abgelehnt wird. – (…) Euer Exzellenz (werden) in Pleß und Berlin Gelegenheit haben die Fassung dieser Antwort (…) zu besprechen.138

Die Wiener Zeitungen publizierten am 2. Jänner die deutsche Übersetzung des von der Agence Havas verbreiteten Textes der Antwort der Entente.139 Ganz wie Czernins Depesche an Hohenlohe vom 1. Jänner war ein im Ministerium des Äußern entworfenes und von Czernin gegengezeichnetes Telegramm gehalten, das ­Kaiser Karl tags darauf an ­Kaiser Wilhelm sandte. Darin hieß es: 137 Bethmann Hollweg an Ks. Wilhelm, 2. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III, 112 – 113 Dok. 114, idem: SG 1 1962, 654 – 655 Dok. 454. 138 Hohenlohe an Czernin, Tel. 5, 2. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 17 – 17v. 139 F-B M 2. Jän. (1917), 2; NFP M 2. Jän. (1917), 2; PT M 2. Jän. (1917), 1.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Die Antwort der Entente, insoweit wir sie kennen, ist zwar in ihren Konklusionen nicht erfreulich, schließt aber doch die Möglichkeit einer weiteren Fortspinnung des Friedensgedankens nicht aus. Mein von Dir gewiß geteiltes Bestreben geht dahin, die in der ganzen Welt bestehende starke Friedensstimmung fortgesetzt zu nähren und auf diese Art (…) zu ernsten Friedensverhandlungen zu gelangen. Hierin erblicke ich auch eine unserer Pflichten gegenüber unseren Völkern und der Menschheit.

Im Telegramm hieß es aber auch: Ich fürchte sehr, daß der von Deiner (…) Heeresleitung projektierte Armee- und Flottenbefehl (…) das definitive Abreissen des Friedensfadens zur Folge haben dürfte. Verzeihe dem so viel jüngeren treuen Freunde und Bundesgenossen, wenn er sich mit der Bitte an Dich wendet, nochmals einen diplomatischen Versuch zu unternehmen, bevor wir zu unseren Soldaten sprechen und dadurch die Brücken zu einem Verständigungsversuche (…) abbrechen (…).140

Czernin hatte am 2. Jänner nämlich durch eine Meldung Feldmarschall Conrad von ­ ötzendorfs von einem von der deutschen Obersten Heeresleitung geplanten Befehl H erfahren: Oberste Deutsche Heeresleitung plant nach Erhalt der Note folgenden (…) von Sr. Majestät ­Kaiser Wilhelm noch nicht genehmigten Armee- und Flottenbefehl zu erlassen: – ‚An mein Heer und meine Marine: – In frevelhafter Verblendung haben unsere Feinde die dargebotene Friedenshand zurückgestossen, ihr Machthunger will Deutschland’s Vernichtung. Der Kampf muss seinen Fortgang nehmen. Vor Gott und der Menschheit fällt auf unsere Feinde die schwere Verantwortung für alle weiteren furchtbaren Blutopfer zurück, die Mein Wille Euch hat ersparen wollen. Unsere gerechte Empörung über der Feinde anmassenden Frevel, der Wille die heiligsten Güter zu verteidigen und dem Vaterlande eine glückliche Zukunft zu sichern, werden Euere Waffen und Euere Entschlossenheit weiterhin stählen. Unsere Feinde haben eine Verständigung nicht gewollt. Mit Gottes Hilfe werden wir sie mit den Waffen zum Frieden zwingen.‘141

Am folgenden Tag, dem 3. Jänner, berichtete der Vertreter des Ministeriums des Äußern beim k. u. k. Armee-Oberkommando in Teschen, der Gesandte Baron Friedrich von Wiesner, an Czernin: 140 Ks. Karl an Ks. Wilhelm, Tel. 3, 2. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 34 – 34v (Entw. gez. ­„Czernin“); Grünau an A. A., Tel. 10, 2. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III , 113 – 115 Dok.116, idem: SG 1 1962, 656 – 657 Dok. 456. 141 Conrad an Czernin, Tel. o. Z., o. D. (2. Jän. 1917), HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 35 – 36v.(handschr., eingeschlagen in Entw. von Tel. 3, 2. Jän. 1917, ebd. fol. 34 – 34v).

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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Die mir (…) zur Weiterleitung an (…) den Deutschen ­Kaiser übermittelte Depesche (…) habe ich (…) dem gestern nachmittags nach Pless fahrenden deutschen Generale von Cramon mit der Bitte übergeben, sie sofort an ihre Adresse gelangen zu lassen. – (…) Andeutungen Baron Conrads (konnte ich) entnehmen, daß in Pless nicht die Absicht bestehe, auf die Hinausgabe des gedachten Armeebefehls zu verzichten und dass die (…) Depesche seiner (…) Majestät seitens ­Kaiser Wilhelms in ablehnendem Sinne beantwortet werden dürfte.142

Hohenlohe berichtete unter Bezugnahme auf Czernins Telegramm vom 1. Jänner am 3. Jänner aus Berlin: Deutscherseits teilt man völlig die Auffassung Eurer Exzellenz, daß es sehr verfehlt wäre, den angesponnenen Friedensfaden abreißen zu lassen, glaubt aber, es sei vorerst hiezu nötig, die Entente nicht im Zweifel darüber zu lassen, daß wir, sollten unsere Gegner den jetzt angeschlagenen Ton beibehalten, schweren Herzens, aber mit aller Entschlossenheit den Krieg weiterführen würden. Die Ententemächte dürften dann bald ganz anders reden, während sie, wenn wir Verhandlungen jetzt um jeden Preis erzwingen wollten, nur darin bestärkt würden, daß unser Friedensangebot von Hunger und Schwäche diktiert worden sei. – Ich habe dem Unterstaatssekretär (Stumm), der mir diesen Gedankengang heute ausführte, erwidert, daß diese Argumentation gewiß manches für sich habe, nur wisse er ebensogut wie ich, daß man dabei immer riskiere, von der Obersten Heeresleitung (…) vor ein sehr unangenehmes fait accompli gestellt zu werden, mit dem gegen alle Absicht der mühsam angesponnene Faden hoffnungslos abgerissen würde. Man möge (…) darauf achten, daß in Pleß keine s­ olche Ueber­ eilung vor sich gehe.143

Die in der Depesche K ­ aiser Karls an Wilhelm II . angesprochene „Möglichkeit einer weiteren Fortspinnung des Friedensgedankens“ beurteilte man in Pleß, worauf K ­ aiser Wilhelms Antwort vom 4. Jänner 1917 schließen läßt, sehr skeptisch. In dieser hieß es: Ich stimme ganz mit Dir darin überein, daß Wir im Geiste Unseres Friedensangebots die volle Verantwortung für den Fortgang des Krieges (…) in aller Deutlichkeit den Feinden zuschieben müssen. – Nachdem die Entente Unseren Vorschlag (…) in beleidigender Form zurückgewiesen hat, kann Unsere Antwort auf die Note Unserer Feinde (…) nicht an diese selbst, sondern nur an die Neutralen gerichtet werden. (…) – Da bis zu Unserer Erwiderung (…) noch einige Tage vergehen werden, haben Wir (…) die heilige Pflicht – wie es ja auch Deine Absicht ist – zu Unseren Heeren zu sprechen, die durch die beleidigende Note tief getroffen sind. (…) – Deine Erwägungen haben Mich indessen veranlaßt, in Meinem Heeresbefehl einige Aenderungen 142 Wiesner an Czernin, Tel. o. Z., 3. Jän. 1917, ebd. fol. 49 – 49v, 55 – 55v u. 51 – 51v. 143 Hohenlohe an Czernin, Tel. 8, 3. Jän. 1917, ebd. fol. 38 – 38v.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

vorzunehmen. Er hat nunmehr folgenden Wortlaut: – ‚An Mein Heer und Meine Marine! – Im Verein mit den Mir verbündeten Herrschern hatte Ich unseren Feinden vorgeschlagen, alsbald in Friedensverhandlungen einzutreten. Die Feinde haben Meinen Vorschlag abgelehnt. (…) Vor Gott und der Menschheit fällt den feindlichen Regierungen allein die schwere Verantwortung für alle weiteren furchtbaren Opfer zu (…) – Unsere Feinde haben die von Mir angebotene Verständigung nicht gewollt. Mit Gottes Hilfe werden unsere Waffen sie dazu zwingen!‘ – Ich glaube es wäre das beste, wenn Wir (…) bei dem Besuche Deines Ministers des Aeußern die letzten Vereinbarungen über die (…) Heeresbefehle treffen würden, so daß sie noch morgen ausgegeben werden können.144

Das Berliner Auswärtige Amt wollte, worauf der offenbar auf einer Meldung ­Hohenlohes beruhende Tagesbericht des Ministeriums des Äußern vom 4. Jänner 1917 schließen lässt, die Antwort auf die Ententenote „bis nach Bekanntwerden der Antwort der Entente auf die Note Wilson’s hinausschieben“.145 Ein Abwarten schien auch Czernin angebracht. Er versuchte am 5. Jänner in Pleß, wo sich auch Zimmermann und Hohenlohe einfanden,146 die Ausgabe des ihm für ein Fortspinnen des Fadens zu den Ententemächten wenig dienlich erscheinenden deutschen Armee- und Flottenbefehls hintanzuhalten. Dass er dabei erfolglos blieb, zeigt sein an d ­ iesem Tag an das Ministerium des Äußern gesandtes Telegramm, welches er bat, ­Kaiser Karl unverzüglich zur Kenntnis zu bringen: Wie ich erwartet hatte scheitern alle meine Versuche die Verlautbarung des deutschen Armeebefehls zu verhindern an dem Widerstande der deutschen Generale, deren Auffassung S. M. ­Kaiser Wilhelm sich vollinhaltlich anschliesst. – Angesichts dieser Sachlage beantrage ich alleruntertänigst Euer Majestät wollen geruhen den Euer Majestät gestern unterbreiteten Armeebefehl an unsere Truppen veröffentlichen zu lassen.147

Die Befehle an die beiden Armeen wurden am 5. Jänner erlassen.148 Im österreichischungarischen Armee- und Flottenbefehl richtete sich K ­ aiser Karl wie folgt an seine Truppen: Soldaten! Ihr wißt, daß Ich und die Mir verbündeten Herrscher versucht haben, dem von der ganzen Welt herbeigesehnten Frieden einen Weg zu bahnen. Die Entgegnung unserer Feinde 144 Wilhelm II. an Ks. Karl, Tel. o. Z., 4. Jän. 1917, ebd. fol. 62 – 63, Übermittlung aus Gr. H. Q. an A. A.: G ­ rünau an A. A., Tel. 15, 4. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III, 115 – 116 Dok. 117. 145 Tagesber. des M. d. Ä. 4. Jän. 1917 Beil. 2, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz. 146 Hohenlohe an Czernin, Tel. 7, 3. Jän. 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (17) fol. 1188. 147 Czernin an M. d. Ä., Tel. 3, 5. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 75. 148 Czernin bei Bespr. im A. A. vom 6. Jän. (1917) vormittags, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III, 119 – 121 Dok. 120; idem: SG 1 1962, 662 – 663 Dok. 460.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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ist nun da: Sie weisen, ohne überhaupt unsere Bedingungen zu kennen, die ihnen dargebotene Hand zurück. Wieder geht, Waffengefährten, Mein Ruf an euch! Euer Schwert hat in den dreißig Kriegsmonaten, die bald hinter uns liegen werden, eine klare, deutliche Sprache geführt. Euer Heldenmut und eure Tapferkeit sollen auch weiterhin das Wort behalten! Noch ist der Opfer nicht genug, neue müssen gebracht werden. Auf unsere Feinde allein fällt alle Schuld – Gott ist Mein Zeuge. (…) Wohlan denn – an euch ists, weiter eiserne Abrechnung zu halten! – Erfüllt von stolzem Vertrauen in Meine Wehrmacht, stehe Ich an eurer Spitze. Vorwärts mit Gott!149

Der entsprechende Befehl des deutschen Kaisers lautete so, wie er ihn am 4. Jänner ­ aiser Karl mitgeteilt hatte.150 K Czernin schrieb über seine Besprechungen in Pleß s­ päter, K ­ aiser Wilhelm habe ihm erklärt, er hätte „die Hand zum Frieden geboten, daraufhin habe ihm die Entente in das Gesicht geschlagen – und jetzt gäbe es nur den Krieg bis zu Äußersten“. Mit diesen Worten sei er eines Sinnes mit seiner Obersten Heeresleitung, die nun, um eine Entscheidung herbeizuführen, begonnen habe, auf eine in ihren Augen höchst erfolgversprechende Verschärfung des U-Bootkrieges zu drängen. Begründet habe sie ihr Drängen vordergründig damit, dass bei der bevorstehenden feindlichen Offensive nicht ausreichend Widerstand geleistet werden könne, wenn der Nachschub von feindlichen Truppen nach Frankreich nicht durch die Marine unterbunden oder zumindest gedrosselt würde. Bethmann Hollweg und Zimmermann hätten diese Art der Kriegführung jedoch entschieden abgelehnt.151 Am Nachmittag des 5. Jänner 1917 überreichte der amerikanische Botschafter in Wien die Antwort der Entente auf die Note der Mittelmächte vom 12. Dezember, und zwar vorerst ihre Übersetzung ins Englische.152 Botschafter Hohenlohe wurde davon noch am selben Tage unterrichtet, insbesondere auch davon, dass der Inhalt der Note „mit der uns bekannten Publikation der Agence Havas“ übereinstimme.153 Das Fremden-Blatt vom 8. Jänner enthielt eine „authentische Uebersetzung“ der Note,154 ihr französischer Originaltext sollte erst am 13. Jänner durch den amerikanischen Botschafter überreicht werden.155 149 F-B A 8. Jän. (1917), 1, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III, 113 – 115 Dok.116, idem: Purlitz 1917 1/1 1920, 29 – 30, Grünau an A. A., Tel. 10, 2. Jän. 1917, SG 1 1962, 657 Dok. 456. 150 F-B A 8. Jän. (1917), 1, Ludendorff 1920, 321 – 322 Dok. XVI/16, SG 1 1962, 660 – 661 Dok. 459. 151 Czernin 1919, 152. 152 Amerikanischerseits mitgeteilte Antwortnote der Ententemächte (vom 31. Dez. 1916) auf die Friedensnote (…) vom 12. Dez. 1916, 5. Jän. 1917, HHS tA PA I, 954 Krieg 25p fol. 88 – 94, idem: Tagesber. des M. d. Ä. 6. Jän. 1917, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz. 153 M. d. Ä. an Hohenlohe, Tel. 5, 5. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 85 – 85v. 154 F-B A 8. Jän. (1917), 2 – 3. 155 US-Botschaft an M. d. Ä., 13. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 258, frz. Text, 259 – 264.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Czernins Bemühungen, den Ententemächten keine „übereilte schroffe“ Antwort zu geben, fielen bei der am 6. Jänner in Berlin stattgefundenen Besprechung mit Bethmann Hollweg, Zimmermann und Stumm, an der auch Hohenlohe teilnahm, durchaus auf fruchtbaren Boden. Im deutschen Protokoll dieser Besprechung ist festgehalten: Graf Czernin liest den Entwurf zu einer Antwort (…) vor. Dieser Entwurf sei nicht in jeder Beziehung gut. Einer der springenden Punkte sei, ob wir den Gedanken aussprechen sollten, dass keine der beiden Parteien die Feinde ganz zerschmettern könne. Dies würde bei den Militärs wohl schwer durchzusetzen sein, sei auch eine Abweichung von den gestern erlassenen Tagesbefehlen. Immerhin glaube er, daß der Krieg nur durch ein Kompromiss abgeschlossen werden könne. (…) Der Herr Reichskanzler ist der Ansicht, dass schon jetzt eine Antwort an die Neutralen gegeben werden solle (…). Es sei kaum möglich, die Antwort der Entente ganz unerwidert zu lassen. Ihm gefalle besonders der Gedanke, dass wir im jetzigen Stadium des Krieges zwar unser defensives Kriegsziel schon erreicht hätten, dass dagegen die Entente noch durch eine grosse Kluft von ihren Kriegszielen getrennt sei; auch in dem Passus über Belgien sei manches gut. (…) – Staatsekretär Zimmermann hält die Antwort der Entente (…) für so niederträchtig, dass wir ihnen durchaus in unserer Erwiderung die Maske vom Gesicht reissen müssten (…). – Minister Graf Czernin: Die Note der Entente hat bei den Neutralen gerade wegen ihres Tones einen sehr schlechten Eindruck gemacht, wir müssen uns hüten, in den gleichen Ton zu verfallen (…).

Abschließend heißt es im Protokoll: Es wird beschlossen, aus dem österreichischen und dem deutschen Entwurf eine Note zusammenzustellen, mit der Absendung jedoch zu warten, bis die Antwort der Entente an den Präsi­ denten Wilson vorliege. Die textliche Identität der Note sei nicht erforderlich.156

Am nächsten Tag hatte Czernin in Berlin eine Besprechung mit Zimmermann. In ihr wurde vereinbart: Der Ton der Erwiderung der Entente auf unsere Note vom 12. 12. 1916 verbietet es uns, den Feinden direkt zu antworten. Andererseits ist es notwendig, (…) im Innern sowohl wie gegenüber den Neutralen und unseren Feinden die Verantwortung für die Weiterführung des Krieges klipp und klar festzustellen. In ­diesem Sinn soll eine Note an alle Neutralen gerichtet werden (…). Diese Note darf auf keinen Fall das Gefühl erwecken, als wollten wir den Frieden um jeden Preis haben; auf der anderen Seite darf auch die Tür zum Frieden nicht ganz zugeschlagen werden. Die Antwort soll bei den vier Verbündeten inhaltlich gleich, aber nicht textlich 156 Bespr. vom 6. Jän. (1917) vormittags, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III , 119 – 121 Dok. 120, idem, SG 1 1962, 662 – 663 Dok. 460.

Das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916

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identisch sein. (…) Die Antwort der Entente an Wilson braucht nicht abgewartet werden, da der Zweck unserer Note, vor aller Welt die Verantwortlichkeit festzustellen, ebensogut, wenn nicht besser, erreicht wird, wenn wir (…) jetzt gleich antworten. Sollte wider alles Erwarten die bevorstehende Note unserer Feinde an Wilson doch die Möglichkeit eines Friedens bieten, so müssen wir dann eventuell erneut Stellung nehmen.157

Einen Entwurf der von deutscher Seite geplanten Note an die Neutralen sandte Botschafter Wedel am 9. Jänner an Czernin,158 ihren definitiven Wortlaut teilte Prinz Stolberg dem Ministerium des Äußern am 11. Jänner mit.159 Die im Sinne dieser Besprechungen verfasste österreichisch-ungarische Note wurde am 11. Jänner den Vertretern der europäischen Neutralen, der Vereinigten Staaten und des Heiligen Stuhls überreicht. In ihr hieß es: Die Antwort der feindlichen Regierungen geht der Erwägung der Möglichkeiten der Beendigung des Krieges aus dem Wege. Sie beschränkt sich darauf, neuerlich die Vorgänge, ­welche zu dem Kriege geführt haben, die vermeintliche Stärke ihrer eigenen militärischen Situation und die angeblichen Beweggründe des Friedensvorschlages zu erörtern. (…) – Während (…) Oesterreich-Ungarn und seine Verbündeten den Krieg vom Anfang an (…) als Verteidigungskampf unternommen haben, ist bei den feindlichen Staaten das Gegenteil der Fall. Sie gehen (…) auf die Niederwerfung und Beraubung der österreichisch-ungarischen Monarchie, auf die Eroberung von Elsaß-Lothringen sowie auf die Aufteilung der Türkei und die Verminderung Bulgariens aus. (…) – Die Gegner sind es (…) w ­ elche, ohne ihrerseits Gegenvorschläge zu machen, es abgelehnt haben, den Inhalt des Vorschlages der vier verbündeten Mächte kennen zu lernen. Wenn die Gegner vor allem die Wiederherstellung der verletzten Rechte und Freiheiten, die Anerkennung des Grundsatzes der Nationalitäten und der freien Existenz der kleinen Staaten verlangen, so wird es genügen, auf das tragische Geschick des irischen und des finnischen Volkes, die Vernichtung der Freiheit und Unabhängigkeit der Burenrepubliken, die Unterwerfung Nordafrikas durch England, Frankreich und Italien und schließlich die (…) Vergewaltigung Griechenlands hinzuweisen. – Die k. u. k. Regierung stellt fest, daß sie und die (…) mit ihr verbündeten Mächte sich bereit erklärt hatten, durch einen mündlichen Gedankenaustausch mit den feindlichen Regierungen den Krieg zu beenden und daß es lediglich von dem Entschlusse der Gegner abhing, ob der Frieden angebahnt werden sollte oder nicht. Vor Gott und der Menschheit lehnt sie die Verantwortung für den Fortgang des Krieges ab.160

157 158 159 160

A. A., Akten-Aufz. über Bespr. mit Czernin 7. Jän. 1917, ebd. pp 121 – 122 Dok. 121 bzw. p 668 Dok. 462. Wedel an Czernin, Brief 9. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 138 – 141v. Stolberg an M. d. Ä. 11. Jän. 1917, HHStA PA III, 175 Varia 1918 (!) fol. 11. Zirkularnote (an die Neutralen) 11. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 179 – 181 (frz.), dt. Text: F-B M 12. Jän. (1917), 2 – 3, SSEG 1917/2 1920, 8 – 10.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Die entsprechende deutsche Note wurde am selben 11. Jänner in Berlin den Vertretern der neutralen Staaten überreicht.161 Botschafter Penfield übermittelte Staatssekretär Lansing am 12. Jänner eine Übersetzung der ihm in Wien überreichten Note ins Englische,162 James W. Gerard, der Botschafter der Vereinigten Staaten in Berlin, übermittelte den Text der deutschen Note.163

1.2

Zum uneingeschränkten U-Bootkrieg

Im deutschen Großen Hauptquartier war inzwischen die Entscheidung gefallen, am 1. Februar 1917 den uneingeschränkten U-Bootkrieg zu beginnen. Bethmann Hollweg hatte schon seit einer am 29. Dezember 1916 in Pleß stattgefundenen Konferenz die Hoffnung aufgegeben, die von Hindenburg und dem Chef des Admiralstabes, Admiral Henning Rudolf von Holtzendorff, vehement geforderte Verschärfung des U-Bootkrieges weiter verhindern zu können, obwohl er die Wahrscheinlichkeit eines durch sie bewirkten Eintrittes der Vereinigten Staaten in den Krieg als bei Weitem größer einschätzte als die Wahrscheinlichkeit eines durch diese Maßnahme erreichbaren Sieges.164 Am 23. Dezember hatte der Kanzler ein Telegramm Hindenburgs erhalten, in dem es hieß: Die Entente führt mit allen Mitteln den Krieg weiter. Daran besteht kein Zweifel, nachdem wir in allen Parlamenten eine so scharfe Absage bekommen haben. Auch Wilsons Bestrebungen können daran nichts ändern (…). Ich halte das Wilsonsche Angebot für von England hervorgerufen, um uns hinzuhalten. Wir können meines Erachtens (…) darauf jetzt nicht mehr eingehen. (…) Die Stimmung der Armee darf nicht übersehen werden, wenn ihr nicht die Kampffreudigkeit genommen werden soll. (…) Gelegentlich der Besprechungen Ende August in Pleß haben Euer Exzellenz den Entschluß zum verschärften U-Bootkrieg abhängig gemacht von meiner Erklärung, daß ich nach der militärischen Lage den Augenblick für gekommen ansähe. Dieser Augenblick wird Ende Januar da sein. Unser Sieg in Rumänien ist alsdann ausgereift. (…) Die diplomatischen und militärischen Vorbereitungen für den verschärften U-Bootkrieg müßten (…) jetzt schon in Angriff genommen werden (…).165 161 Tagesber. des M. d. Ä. 12. Jän. 1917, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz., idem: F-B A 12. Jän. (1917), 1, Note der dt. Reg. an die Neutralen 10. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/III, 122 – 124 Dok. 122, idem: SG 1 1962, 668 Dok. 465. 162 Penfield an Lansing, Tel. 1635, 12. Jän. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 10 – 11. 163 Gerard an Lansing, Tel. 4868, 12. Jän. 1917, ebd. Pp 12 – 14. 164 Bethmann Hollweg 2 1922, 137 – 138. 165 Hindenburg an Bethmann Hollweg, Tel. 16340 P, 23. Dez. 1916, Ludendorff 1920, 315 – 316 Dok. XVI/11, idem gekürzt u. mit kleinen Abweichungen: Bethmann Hollweg 2 1989, 215.

Zum uneingeschränkten U-Bootkrieg

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Der Kanzler hatte dem Feldmarschall geantwortet, er habe in einem Schreiben vom 6. Oktober 1916 seine „Stellungnahme dahin präzisiert, daß der uneingeschränkte U-Bootkrieg, da er sich (…) auch gegen neutrale Schiffe richtet, unmittelbar in unser Verhältnis zu den neutralen Staaten eingreift, daher einen Akt der auswärtigen Politik darstellt, für den ich die alleinige (…) verfassungsmäßige Verantwortung zu tragen habe, auch wenn für meine Stellungnahme im gegebenen Augenblick das Urteil Euer Exzellenz selbstredend von besonderer Bedeutung sein wird. (…) Was die Frage des uneingeschränkten Unterseebootkrieges betrifft, so habe ich bisher den Standpunkt vertreten, daß ein solcher nur in Frage kommen kann, wenn unsere militärische Lage mit Sicherheit darauf rechnen läßt, die europäischen Neutralen von einem Angriff gegen uns abzuhalten. (…) Unter dieser Voraussetzung und wofern ich mich mit Euer Exzellenz davon überzeugen kann, daß die Vorteile (…) größer sind als die Nachteile des Zutritts Amerikas zu unseren Feinden, werde ich bereit sein, auch die Frage des uneingeschränkten Unterseebootkrieges in Erwägung zu ziehen. Gegen Einleitung von Besprechungen mit der O. H. L. und dem Chef des Admiralstabes bestehen keine Bedenken, sobald (sic!) unsere Friedensaktion durch die eventuelle Antwort der Entente zu einem gewissen Abschluß gelangt ist.“ 166 Eine lange Erwägung war von Hindenburg als völlig unzureichend erachtet worden, was er am 26. Dezember in einem geharnischten Telegramm an den Kanzler zum Ausdruck brachte: Unsere militärische Lage erlaubt es (…) nicht, daß irgendwelche Verhandlungen eine einmal als richtig erkannte militärische Maßnahme hinausschieben und so die Energie der Kriegführung lähmen. Ich muß (…) daher meine Bitte wiederholen, ohne Verhandlungen den Unterseebootkrieg gegen bewaffnete Handelsschiffe beginnen zu lassen und unverzüglich in Besprechungen über den verschärften Unterseebootkrieg einzutreten.167

Bethmann Hollweg hatte daraufhin Hindenburg zu beschwichtigen und eine mit dem ­ aiser zu fällende Entscheidung als ausschlaggebend darzustellen gesucht: K (…) Euere Exzellenz gehen (…) von der Annahme aus, daß ich den U-Boot-Krieg gegen bewaffnete Handelsschiffe von Verhandlungen mit Amerika abhängig zu machen beabsichtige. Diese Annahme ist nicht zutreffend. (…) in der bereits vorbereiteten Note an die amerikanische Regierung wird vielmehr ausdrücklich betont, daß die bewaffneten feindlichen Handelsschiffe nunmehr von uns als kriegführende Schiffe behandelt und demgemäß ohne 166 Bethmann Hollweg an Hindenburg, Tel. 1628, 24. Dez. 1916, Ludendorff 1920, 316 – 317 Dok. XVI/12. 167 Hindenburg an Bethmann Hollweg, Fernschr. 16 377 P, 26. Dez. 1916, ebd. pp 318 – 319 Dok. XVI /14, gekürzt: Bethmann Hollweg 2 1989, 215.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Warnung torpediert werden. Ich bringe die Note nach Pleß mit und darf mir eine mündliche Aussprache mit Euerer Exzellenz sowohl über den Inhalt dieser Note wie über die anderen von Euerer Exzellenz angeregten Fragen vorbehalten.168

Karl Helfferich, damals deutscher Vizekanzler und Staatssekretär des Innern, schrieb ­später über die Tage vor der folgenschweren Entscheidung: Am Abend des 28. Dezember 1916 reiste der Kanzler mit (…) Zimmermann und mir nach dem Großen Hauptquartier. Wir besprachen auf der Fahrt die U-Bootfrage. Die Oberste Heeresleitung hatte die sofortige Absendung einer Note an die Vereinigten Staaten über die Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges gegen die bewaffneten Handelsschiffe ohne jede Rücksicht auf irgendwelche Friedensaktionen verlangt. Nun stellte sich auch Zimmermann auf den Standpunkt, daß ein solcher Schritt nicht länger verschoben werden dürfe; er schlug vor, höchstens bis zum 2. Januar 1917 zu warten. Ich setzte mich auf das entschiedenste zur Wehr. Die Wirkung (…) auf Amerika mußte nach allem, was vorangegangen war, dieselbe sein, wie diejenige einer Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges überhaupt. Wir zerschlugen mit eigenen Händen den letzten Rest einer Aussicht unserer eigenen und der Wilsonschen Friedensaktion; wir setzten uns darüber hinaus dem Verdacht aus, daß es uns mit unserm Friedensvorschlage gar nicht ernst gewesen sei (…). Der Kanzler stimmte mir bei, und auch Zimmermann schien überzeugt. – In Pleß fanden wir bei dem Feldmarschall und (…) L ­ udendorff – der K ­ aiser war nicht anwesend – einen Empfang, der mit den Worten ‚eiskalt‘ noch milde bezeichnet ist. (…) In der Sache erkannten die beiden Generäle unsern Standpunkt in der Frage der bewaffneten Handelsschiffe (…) als berechtigt an. Ich hatte den Eindruck, daß sie auf d ­ ieses Zwischenstadium keinen allzu großen Wert legten, daß es ihnen vielmehr auf die baldige Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges ankomme. In dieser Frage erklärte der Kanzler, seine Haltung von der endgültigen Stellungnahme der Entente zu dem Friedensschritt der Mittelmächte und Wilsons sowie von der weiteren Entwicklung der Gesamtlage abhängig machen zu müssen. (…) – Wenige Tage nach unserer Rückkehr nach Berlin traf die Antwort der Entente (…) ein. Der Kanzler hatte das berechtigte Gefühl, daß diese Antwort trotz aller ihrer Schroffheit eine vorsichtige Behandlung erfordere. (… es) mußte wenigstens (…) klargestellt werden, daß die Verantwortung für die Fortsetzung des Krieges ausschließlich auf die Entente falle. Ich habe Grund zur Annahme, daß (…) Czernin (…) der (…) gleichzeitig mit (…) Zimmermann im Großen Hauptquartier weilte, derselben Ansicht war.169 Am 8. Jänner setzten sich Hindenburg, Holtzendorff und Ludendorff über ihr Vorgehen zur Durchsetzung des uneingeschränkten U-Bootkrieges ins Einvernehmen. Holtzendorff drückte 168 Bethmann Hollweg an Lersner für Hindenburg, Tel. 1639, 26. Dez. 1916, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 216 – 217 Dok. 181. 169 Helfferich Weltkrieg. 2 1919, 396 – 398.

Zum uneingeschränkten U-Bootkrieg

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dabei seine Hoffnung aus, dass es möglich sein werde, d ­ ieses Ziel ohne Kanzlerwechsel zu erreichen. Ein solcher wäre deshalb problematisch, weil Bethmann Hollweg im ­Ausland doch beträchtliches Vertrauen entgegen gebracht werde und ein Konflikt mit den Vereinigten Staaten eher zu vermeiden sei, wenn er im Amt bleibe. Das Ergebnis dieser Besprechung resümierte Hindenburg so: „Also wir halten zusammen. Es muß sein. Wir rechnen mit dem Krieg mit Amerika und haben alle Vorbereitungen getroffen. Schlechter kann es nicht werden. Der Krieg muß mit allen Mitteln abgekürzt werden.“ 170 An Bethmann Hollweg ließ ­Hindenburg nach Berlin telegrafieren: „Eurer Exzellenz beehre ich mich unter Bezugnahme auf mein Telegramm vom 23. Dezember mitzuteilen, daß nach der militärischen Lage der verschärfte U-Boot-Krieg am 1. Februar einsetzen kann und daher auch einsetzen sollte.“ 171 In einem weiteren Telegramm ersuchte er den Reichskanzler zu einer Besprechung nach Pleß zu kommen. Darüber bemerkte Helfferich s­ päter: Die Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges könne keinesfalls über den 1. Februar hinaus verschoben werden. Kurz vorher hatte der Chef des Admiralstabes dem Kanzler eine neue Denkschrift übergeben, die (…) berechnete, daß man (…) mit einer Abschreckung von mindestens zwei Fünfteln der auf England fahrenden neutralen Tonnage mit Sicherheit rechnen könne. Dadurch werde der Seeverkehr Englands im Laufe von fünf Monaten um 39 von Hundert verringert, und eine ­solche Verringerung werde England nicht ertragen können. Der U-Boot-Kreuzerkrieg dagegen werde in derselben Zeit (…) nur 18 von Hundert des britischen Seeverkehrs in Wegfall bringen können. (…) Zwar sei der Krieg mit Amerika eine so ernste Angelegenheit, daß alles geschehen müsse, um ihn zu vermeiden; aber die Scheu vor dem Bruch dürfe nicht dazu führen, (…) vor dem Gebrauch der Waffe zurückzuschrecken, die uns den Sieg verheiße. Um rechtzeitig vor der neuen Ernte die nötige Wirkung erzielen zu können, müsse der uneingeschränkte U-Bootkrieg spätestens am 1. Februar beginnen. (…) Er, der Chef des Admiralstabes, stehe nicht an zu erklären, daß wir (…) mit dem uneingeschränkten U-Bootkrieg England in fünf Monaten zum Frieden zwingen könnten. (…) – Der Kanzler entschloß sich, noch am Abend des 8. Januar nach dem Großen Hauptquartier zu reisen. Vor seiner Abreise besprach er die Lage mit Zimmermann und mir. Ich machte starke Ausstellungen an den Berechnungen des Admiralstabes. Außerdem aber waren wir alle drei uns darüber einig, daß vor allem weiteren das Auswirken der Friedensaktion, zum mindesten die Antwort der Entente an Wilson, abgewartet werden müsse.172

170 Prot. über Sitzg. bei Hindenburg vom 8. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA Beil. 1/VII 1920, 318 – 321 Dok. 212. 171 Grünau an A. A., Tel. 31, 8. Jän. 1917, ebd. Beil. 1/IV, 217 Dok. 182. 172 Die erwartete Denkschrift wurde Czernin im Auftrag Holtzendorffs am 25. Jän. 1917 vom dt. Marine­ attaché in Wien, Korvettenkapitän Freyberg-Eisenberg-Allmendingen, übergeben. Freyberg an ­Czernin, 25. Jän. 1917, HHS tA PA I, 503 XLVII /3 (15) fol. 228 – 2 46 u. 248 – 2 49v; Helfferich Weltkrieg. 2 1919, 403 – 405.

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Admiral Holtzendorff trug am 8. Jänner in Pleß ­Kaiser Wilhelm die für die Aufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Krieges sprechenden Argumente vor und unterbreitete sie ihm am folgenden Tag auch in schriftlicher Form. In d ­ iesem Text heißt es: Alle von politischer Seite geltend gemachten Vorbedingungen für die Aufnahme des uneingeschränkten Unterwasserkrieges sind erfüllt: (…) – Gibt es ein anderes Mittel, um Englands Kriegswillen zu brechen? (…) Unser Friedensangebot ist von den Gegnern schroff zurück­ gewiesen worden (…). Also kann ihrem Vernichtungswillen nur der feste Siegeswillen (…) entgegen gesetzt werden, (…) mit vollem Einsatz all unserer Streitmittel. – Die militärisch-wirtschaftlich-politische Gesamtlage steht dafür jetzt zu unseren Gunsten, (…) – Amerika (…) ist uns nicht freundschaftlich gesinnt. (…) Der Beitritt zum Kriege bringt ihm keinerlei Vorteile, aber auch den Alliierten nur in ganz beschränktem (…) Umfange. (…) Englands Erliegen unter den Folgen des U-Krieges kann amerikanische Kriegshülfe nicht aufhalten. Macht aber England Friede, wer wird weiterkämpfen? (…) – Wie dem auch sei, die einzige, ernste Gefahr für den U-Krieg droht nicht von Amerika, sondern liegt (…) in seiner weiteren Verzögerung. (…) Versäumen wir diese (…) Gelegenheit zum Siegen – dann arbeitet die Zeit sicher gegen uns.173

Dieses Dokument trägt den handschriftlichen Vermerk des Kaisers: „Gr. H. Q. Pless 9/I 17. Einverstanden W. Befehl für den U-Bootskrieg am selben Tage gegeben.“ 174 ­Holtzendorffs Demarche war offenbar schon am 8. Jänner von Erfolg gekrönt, denn Admiral Müller notierte unter d ­ iesem Datum: (…) 7 Uhr abends Vortrag beim K ­ aiser, der sich etwas unerwartet plötzlich zu der Notwendigkeit des rücksichtslosen U-Bootkrieges durchgearbeitet hatte und sich sehr entschieden für diesen erklärte, sogar, wenn der Kanzler ihn ablehne. Er stellte sich dabei auf den sehr merkwürdigen Standpunkt, daß der U-Bootkrieg eine rein militärische Sache sei, die den Kanzler gar nichts anginge. Im übrigen käme es auch auf einen Personalwechsel nicht an!175

Als Bethmann Hollweg am Morgen des 9. Jänner 1917 in Pleß ankam, war, wie er in seinen Erinnerungen schrieb, „die Entscheidung de facto bereits gefallen. Oberste Heeresleitung und Admiralstab waren (…) entschlossen, den Ubootkrieg zu machen“.176 Zu Mittag fand noch eine Besprechung mit Hindenburg, Ludendorff und Holtzendorff statt. In ihr erklärte der Kanzler, die militärische Lage zeige, dass große zum Sieg führende Schläge kaum möglich s­ eien. Der uneingeschränkte U-Bootkrieg sei als die „letzte Karte“ 173 Holtzendorff an Wilhelm II., Stellungnahme 9. Jän. 1917 (handschr.), Birnbaum 1958, 317 – 318. 174 Ebd. 175 Müller TB-Eintr. 8. Jän. 1917, Görlitz 1959, 247. 176 Bethmann Hollweg 2 1922, 131.

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anzusehen, ihn zu beginnen ein sehr ernster Entschluss. Wenn ihn aber die militärischen Stellen für notwendig hielten, so sei er „nicht in der Lage, zu widersprechen“. ­Hindenburg replizierte: „Wir sind gerüstet, um allen Eventualitäten zu begegnen, gegen Amerika, Dänemark, Holland und auch die Schweiz. (…) Wir brauchen das energischste, rücksichtsloseste Handeln (…). Deshalb den rücksichtslosen U-Boot-Krieg vom 1.2.17 ab.“ 177 Auf den Einwand Bethmann Hollwegs, dass die Vereinigten Staaten bei Kriegseintritt, die Entente durch Lebensmittel, Geld, Flugzeuge und „Freiwilligen-Korps“ unterstützen würden, sagte Hindenburg: „Damit werden wir schon fertig. Die Gelegenheit für den U-Boot-Krieg ist so günstig, wie kaum jemals wieder. Wir können (…) und müssen ihn führen.“ Der Kanzler wusste dem nichts entgegen zu setzen als: „Ja, wenn der Erfolg winkt, müssen wir auch handeln.“ 178 Rudolf von Valentini, der Chef des Geheimen Zivilkabinetts K ­ aiser Wilhelms, notierte dazu, der Kanzler habe ihm nach der Besprechung „etwas erschöpft“ berichtet, er hätte „(…) über eine Stunde alle die schwerwiegenden Gründe gegen den verschärften U-Bootkrieg dargelegt, aber was wolle man machen, wenn der kommandierende Admiral sich dafür verbürge, daß England binnen sechs Monaten auf die Knie gezwungen sein und daß kein Amerikaner den Boden Frankreichs betreten werde (…).“ 179 Kurz nach dieser Besprechung erhielt Bethmann Hollweg ein langes Telegramm ­Helfferichs, in dem dieser gegen eine sofortige Entscheidung über den uneingeschränkten U-Bootkrieg eintrat.180 Helfferich äußerte 1919 über d ­ ieses Telegramm, das er nach der Abreise Bethmann Hollwegs nach Pleß entworfen hatte: Ich arbeitete in der Nacht noch einmal die (…) Denkschrift des Admiralstabes durch und schrieb ein ausführliches Telegramm (…), das ich am Morgen dem Kanzler (…) übermitteln ließ. – In d ­ iesem (…) wies (ich) darauf hin, daß im Falle des (…) infolge des uneingeschränkten U-Bootkrieges zu befürchtenden Eintritts der seefahrenden Neutralen in den Krieg die abschreckende Wirkung (…) auf die neutrale Schiffahrt mindestens zu einem erheblichen Teil aufgehoben werden würde. (…) – ‚Hat der uneingeschränkte U-Bootkrieg den Eintritt Amerikas in den Krieg (…) zur Folge, so ist Amerika an dem Siege Englands wie an einer eigenen Sache interessiert. Ist eine Niederlage Englands nur durch ausreichende Getreideversorgung abzuwenden, so muß und kann Amerika (…) ein Opfer bringen, an das es als neutraler Staat nicht denkt: die Einschränkung des eigenen Getreideverbrauchs zugunsten Englands. (…) 177 Aufz. über die Bespr. z­ wischen Bethmann Hollweg, Hindenburg u. Ludendorff zu Pleß, 9. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA Beil. 1/VII 1920, 321 – 322 Dok. 213, idem: Ludendorff 1920, 322 – 324 Dok. 17. 178 Ebd. 179 Schwertfeger 1931, 144 – 145. 180 Wahnschaffe für Helfferich an Bethmann Hollweg, Tel., 9. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/IV, 217 Dok. 183.

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Da die Union mehr als doppelt so viel Einwohner hat wie England, ist jede Beschränkung des Getreideverbrauchs pro Kopf (…) eine mehr als doppelt so große Zulage pro Kopf des Engländers. (…)‘. – Zu überstürzten Entschlüssen liege keine Veranlassung vor. Denn augenblicklich arbeite in Sachen der Versorgung Englands die Zeit nicht gegen, sondern für uns. (… Es bestehe) alle Aussicht, daß sich inzwischen die bereits knappen britischen Getreidebestände noch erheblich weiter verringerten. Je niedriger der Bestand beim Beginn eines uneingeschränkten U-Bootkrieges, desto rascher und sicherer werde der Erfolg sein.181

Helfferichs Telegramm konnte aber die Entscheidung, die bei einer Besprechung am frühen Abend des 9. Jänner 1917 getroffen wurde, nicht mehr verhindern. In Admiral Müllers Tagebuch findet sich dazu folgende Notiz: 6 Uhr (…) Vortrag beim ­Kaiser (Kanzler, Hindenburg, Ludendorff, Holtzendorff und die drei Kabinettschefs). – Der Kanzler fing an und führte etwas weitläufig (…) aus, wie die Verhältnisse lägen (…). – Der entscheidende Teil des Vortrages (…) war, daß bei der ganzen Auffassung der Lage durch den Generalstabs- und den Admiralstabschef er (…) dem rücksichtslosen U-Bootkrieg nicht entgegenstehen könne. Also nicht Billigung, aber doch Abfinden mit einer Tatsache. – Dann sprach Holtzendorff sehr warm für seine Sache und dann der Feldmarschall, welcher hervorhob, daß auch der Mann im Schützengraben die Hilfe des rücksichtslosen U-Bootkrieges erwarte. (…) – Dann sprach der K ­ aiser (…) sehr entschieden für den rücksichtslosen U-Bootkrieg und unterschrieb dann auch gleich den bereitgehaltenen Befehl dazu. Er (…) rechne durchaus mit der Kriegserklärung Amerikas. Komme es nicht dazu – und der Kanzler solle versuchen, es, evtl. auch durch besondere Zugeständnisse an die amerikanische Personenschiffahrt, herauszuhalten – um so besser!182

Der an Holtzendorff gerichtete kaiserliche Befehl lautete: Ich befehle, daß der uneingeschränkte Unterwasserkrieg am 1. Februar mit voller Energie einsetzt. Sie haben unverzüglich alle nötigen Vorbereitungen zu treffen, jedoch so, daß diese Absicht dem Feinde und den Neutralen nicht vorzeitig erkennbar wird.183

Über das Verhalten ­Kaiser Wilhelms in der entscheidenden Situation gab Helfferich in seinen Memoiren einen Bericht Bethmann Hollwegs wieder:

181 Helfferich Weltkrieg 2, 1919, 405 – 408. 182 Müller TB-Eintr. 9. Jän. 1917, Görlitz 1959, 248 – 249. 183 Abschr.: Holtzendorff an Bethmann Hollweg, 11. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/IV, 221 Dok. 186.

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Schon bei der Ankunft habe ihm der Chef des Marinekabinetts (…) mitgeteilt, der K ­ aiser habe sich (…) zu der Überzeugung durchgerungen, daß der uneingeschränkte U-Bootkrieg nicht zu vermeiden sei. In der Beratung am Vormittag beim Generalfeldmarschall habe dieser mit (…) Ludendorff auf das eindringlichste verlangt, daß das (…) in schweren Kämpfen stehende Landheer moralisch und materiell durch den uneingeschränkten U-Bootkrieg Unterstützung erhalte. (…) Jede Möglichkeit der Einschränkung der Zufuhr von Material und Mannschaften an den Feind müsse (…) wahrgenommen werden. (…) Wenn der uneingeschränkte U-Bootkrieg nicht zum 1. Februar eröffnet werde, könnten sie (…) die Verantwortung für den Gang der militärischen Operationen nicht übernehmen. Auf der anderen Seite s­ eien sie bereit, die Verantwortung für alle militärischen Folgen (…) zu tragen, auch für die (…) eines Eingreifens der europäischen Neutralen und Amerikas. Dem Eingreifen Amerikas legten sie übrigens keine allzu große Bedeutung bei. – (…) der Kanzler (habe) sich die Frage vorlegen müssen, ob er vor seinem Gewissen berechtigt sei, dem ­Kaiser zu raten, dem Antrag der Obersten Heeres­ leitung und des Admiralstabs nicht zu entsprechen. Sein nächster Gedanke sei gewesen, seinen Abschied zu erbitten. (…) Er habe sich jedoch (…) überzeugen müssen, daß er sich (…) nicht der Verantwortung entziehen dürfe. (…) Wenn er (…) seinen Abschied nehme, so werde das einerseits die Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges nicht verhindern, andererseits den inneren Streit (…) auf die Spitze treiben, ja die innere Front gänzlich zertrümmern (…).184

Ganz ähnlich äußerte sich Hugo Freiherr von Reischach, damals Oberhofmarschall ­ aiser Wilhelms, in seinen 1925 erschienen Erinnerungen: Bethmann Hollweg habe K ihm nach dem Kronrat des 9. Jänner gesagt: „Ich habe über eine Stunde gegen den verschärften U-Bootkrieg gesprochen, denn er wird uns den Eintritt Amerikas in den Krieg bringen. Das können wir nicht mehr vertragen.“ 185 Er werde aber nicht zurücktreten, er könne „nicht die Zwietracht in die Nation werfen, wenn Deutschland im Begriffe steht, sein letztes Atout auszuspielen“.186 Bethmann Hollweg selbst erklärte in einem am 23. Oktober 1918 an Prinz Max von Baden gerichteten Brief, er habe in seinem Vortrag an den K ­ aiser ausgeführt, dass er „die vom Admiralstab versprochene Wirkung des U-Boot-Krieges für ebenso unbeweisbar halte wie seine Unwirksamkeit. Seine materiellen Wirkungen ­seien trotz des reichlich beigebrachten Zahlenmaterials unkontrollierbare Schätzungen, die Bewertung seiner moralischen Wirkungen das Ergebnis persönlicher Anschauungen. Gelinge der U-Boot-Krieg nicht, so ­seien wir völliger Niederlage ausgesetzt. Denn sicher sei der Eintritt Amerikas in den Krieg, sicher auch die Unmöglichkeit, den Krieg anders als durch die alleinige Entscheidung der Waffen zu beenden.“ 184 Helfferich Weltkrieg 2, 1919, 409 – 411. 185 Reischach 1925, 283. 186 Ebd.

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Die Entente habe durch die Art, in der sie das Friedensangebot vom 12. Dezember ablehnte, gezeigt, „daß sie von Friedensverhandlungen nichts wissen wolle“. Unter diesen Umständen habe er (…) Seiner Majestät nicht raten (können), eine Entscheidung zu fällen, die sich mit dem Votum der Heeres- und Marineleitung in Widerspruch setze (…). Das einzige Mittel, das damals möglicherweise den U-Boot-Krieg hätte verhindern können, die Perspektive einer anderweitigen Beendigung des Krieges, war (…) nicht gegeben. (…) Vage und unsubstantiierte Hoffnungen (…) waren wirkungslos, wenn der U-Boot-Krieg als nach der Kriegslage militärisch notwendig, sein Beginn s­ päter als am 1. Februar, wegen der gerade in den Februar fallenden Haupttransporte, als gleichbedeutend mit völligem Verzicht auf wirksamen U-BootKrieg überhaupt bezeichnet wurde. (…) – Als Ergebnis kann nur festgestellt (…) werden, daß kein festbegründetes Vertrauen in Wilsons Vermittlungstätigkeit gesetzt werden konnte, sowie daß der in der Antwort auf unser Friedensangebot (…) strikt ablehnende Kriegswille der Entente es schlechterdings ausschloß, in absehbarer Zeit auf ihre Verhandlungsbereitschaft zu rechnen. (…) Der seit langem von einflußreichen Faktoren im Volk betriebene (…) U-Boot-Krieg ist zu einem Zeitpunkt, wo ich nach Ablehnung unseres Friedensangebots auf einen Erfolg irgendwelcher Friedensschritte (…) nicht mehr rechnen konnte, kraft der überragenden Autorität der Heeresleitung als ein von ihr für notwendig erklärtes Kriegsmittel beschlossen worden.187

Vor dem Untersuchungsausschuss der Verfassunggebenden Nationalversammlung sagte Bethmann Hollweg am 31. Oktober 1919: Am 9. Januar war es mir schlechterdings unmöglich zu sagen: Nein, der U-Boot-Krieg wird nicht gemacht, ich stehe dafür, daß wir demnächst zu Friedensverhandlungen kommen. Jedes Wort der Kollektivnote der Entente vom 30. Dezember (1916) hätte mich verstummen machen müssen, ja, ich hätte selbst nicht an das geglaubt, was ich gesagt hätte, denn das Vertrauen d ­ arauf, daß (…) Wilson, selbst wenn er es gewollt hätte, auch nur imstande sein würde, gewisser­maßen als unser Geschäftsträger die Entente an den Verhandlungstisch und zur Aufgabe ihrer exorbitanten Kriegsziele zu zwingen, (…) konnte ich nicht haben.188

Botschafter Hohenlohe erfuhr von der in Pleß getroffenen Entscheidung nichts. Daher konnte er am 12. Jänner 1917 an Czernin schreiben: 187 Bethmann Hollweg an Max v. Baden, 23. Okt. 1918, DNV 1919/20 Sten. Ber. 15. UA, 2 1920, 736 – 738, idem: Bethmann Hollweg 2 1989, 447 – 455. 188 Bethmann Hollweg Aussage 31. Okt. 1919, DNV 1919 Sten. Ber. 15. A 1919, 140, idem: Bethmann Hollweg 2 1989, 482.

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Die Frage bezüglich der Erweiterung des U-Bootkrieges wird, wie Euer Exzellenz aus den letzten Besprechungen in Berlin bekannt ist – immer akuter. – Auf der einen Seite drängen die maßgebenden Militär- und Marinestellen auf die baldigste Anwendung d ­ ieses Mittels (…) auf der anderen Seite erheben die Staatsmänner schwere Bedenken über die Rückwirkung ­dieses Vorgehens auf Amerika und die noch übrigen Neutralen. (…) (Dem) halten die militärischen Stellen entgegen, daß Amerika sich hüten werde, in den Krieg einzutreten, ja daß es dazu nicht einmal imstande sei (…) – Im Übrigen wiederholen die maßgebenden Marine­ stellen, man solle sich darauf verlassen, daß sie (…) imstande wären, binnen kurzem, und zwar bevor Amerika überhaupt eingreifen könne, das britische Inselreich so weich zu machen, daß die englischen Staatsmänner nur mehr den einen Wunsch haben würden, sich mit uns an einen Konferenztisch zu setzen. (…) – Zweifellos wird sich die deutsche Regierung, und zwar schon in nächster Zeit, zu einer definitiven Stellungnahme (…) entschließen müssen, und es ist ganz klar, daß (…) wir durch dieselbe ganz bedeutend in Mitleidenschaft gezogen werden. Nichtsdesto­weniger erschiene mir (…) unsererseits möglichst große Zurückhaltung geboten; (…) ich hielte es (…) für wenig ratsam, durch eine dezidierte Parteinahme für die eine oder andere Lösung der deutschen Regierung einen großen Teil der Verantwortung abzunehmen.189

Zurückhaltung schien auch dem Wiener Ministerium des Äußeren geboten. Darauf weist ein vom 2. Jänner 1917 datierter an Georg Graf von Hertling, den Vorsitzenden im bayerischen Ministerrat und Leiter des Staatsministeriums des Äußern, gerichteter Bericht von Victor Naumann 190 über seine Kontakte mit hohen Beamten des Ministeriums hin in dem es heißt: Mit Baron Flotow (…) habe ich ein sehr eingehendes Gespräch geführt (…) es will mir scheinen, daß er dem verschärften U-Bootkrieg mit der gleichen Sorge entgegen sieht wie Euere Exzellenz (…). Baron Musulin erklärte mir, seiner Meinung nach sei der Krieg verloren, wenn man den Schritt unternehme, Hoyos meinte, (…) daß im Fall des verschärften U-Bootkrieges Amerika kaum neutral bleiben werde.191

Zur Unterstützung der Versuche Botschafter Hohenlohes, dem Drängen nach einer Verschärfung des U-Bootkrieges entgegenzuarbeiten, sandte Czernin am 12. Jänner Sektionschef Ludwig Freiherr von Flotow nach Berlin und depeschierte an Botschafter Prinz Gottfried zu Hohenlohe-Schillingsfürst: 189 Hohenlohe an Czernin 12. Jän. 1917, Czernin 1919, 153 – 155. 190 Victor Naumann verfasste Berichte und Memoranden für Hertling, und zwar sowohl während dessen Zeit als bayer. Min.-Präs. als auch während dessen Reichskanzlerschaft, ebenso aber s­ olche für Aversa, den päpstl. Nuntius in München, und dessen Nachfolger Pacelli. 191 Naumann 1928, 201.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Ich habe mit schwerer Besorgnis in Berlin den Eindruck gewonnen, daß die deutsche Regierung so gut wie entschlossen ist, für den Fall des Fehlschlagens unserer Friedensaktion den verschärften Unterseebootkrieg mit allem Nachdruck zu beginnen. – Ich halte diesen Entschluß nach wie vor für einen verderblichen (…) – Er würde uns sofort in den Krieg mit den Vereinigten Staaten verwickeln und würde bei einer weiteren Verschlechterung der Kriegslage vermutlich auch die nordischen Staaten zum Eingreifen veranlassen. Beide Eventualitäten wären von ganz unabsehbaren Folgen (…) – Baron Flotow reist in meinem Auftrag heute Abend zu Euer Durchlaucht, um meine Bedenken noch des näheren mündlich zu ergänzen.192

Hohenlohe antwortete am nächsten Tag: (…) nach Rücksprache mit Baron Flotow habe ich sofort den Staatssekretär, den Kanzler konnte ich heute nicht sehen, aufgesucht und ihn den Intentionen Euer Exzellenz entsprechend darauf aufmerksam gemacht, man solle doch nicht vergessen, daß wir an den Folgen des Unterseebootkrieges ganz ebenso beteiligt wären wie Deutschland, woraus der deutschen Regierung die Verpflichtung erwachse, auch uns zu hören. Daß Euer Exzellenz bereits während Hochderen hiesigen Aufenthaltes sich dagegen ausgesprochen hätten, sei den leitenden deutschen Staatsmännern bekannt, ich käme aber nochmals als Dolmetsch Euerer Exzellenz, um diese Warnungen (…) zu wiederholen. (…) – Ganz besonders betonte Herr Zimmermann aber, daß er (…) mehr und mehr die Ueberzeugung gewinne, Amerika werde, speziell nach der Antwort der Entente an Herrn Wilson, die man als einen d ­ iesem angetanen Schimpf hinstellen müsse, es voraussichtlich gar nicht zum Bruche mit den Zentralmächten kommen lassen. – Ich habe mein möglichstes getan, um immer wieder die Verantwortung zu betonen, die Deutschland bei Entscheidung dieser Frage für sich und uns übernehme, wobei ich (…) betonte, daß, bevor eine Entscheidung (…) getroffen würde, unbedingt unsere Ansicht (…) eingeholt werden müsse, worin mir der Staatssekretär rückhaltlos zustimmte. – Ich habe das Gefühl, daß man sich hier der Auffassung, den Unterseebootkrieg auszugestalten, doch immer mehr zuneigt (…).193

Flotow berichtete über sein Gespräch mit Zimmermann noch am selben Tag nach Wien: 192 Czernin an Hohenlohe, Tel. 15, 12. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 439 – 439v. 193 Hohenlohe an Czernin, Tel. 22, 13. Jän. 1917, ebd. fol. 404 – 405, idem: Czernin 1919, 155 – 156. – Hannig schrieb 2013, Hohenlohe hätte durch ein „zunehmendes Verständnis für die deutsche Argumentation von der Notwendigkeit und Unausweichlichkeit des U-Boot-Krieges“ das „Misstrauen“ Czernins geweckt, der „deshalb“ Flotow nach Berlin entsandt habe. Hannig 2013: 245; Sie berief sich dabei auf die oben zitierten Briefe des Botschafters vom 12. und 13. Jänner 1917, aus denen ein „zunehmendes Verständnis“ wohl ebenso wenig herauszulesen ist, wie aus der Entsendung Flotows auf ein „Misstrauen“ des Ministers geschlossen werden kann.

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Ich teile ganz den Eindruck des Botschafters Prinz Hohenlohe, daß die Auffassung, den Unterseebootkrieg ausgestalten zu müssen, um ein Kriegsende herbeizuführen, bei den maßgebenden Persönlichkeiten hier immer mehr durchdringt. (…) – Ein Entschluß ist aber, wie Herr Zimmermann mir versicherte, noch nicht gefaßt. – Zu einer Beeinflussung unsererseits erscheint mir wenig Aussicht.194

Die von Hohenlohe und sicherlich auch von Flotow dem Staatssekretär gegenüber erhobenen Einwände blieben nicht ohne Wirkung. So notierte der im Hauptquartier in Pleß weilende Admiral Müller am 13. Jänner 1917 in sein Tagebuch: „Abends gab mir (…) Lersner ein Telegramm von Zimmermann, wonach die Österreicher Bedenken wegen des rücksichtslosen U-Bootkrieges tragen, und (…) Hohenlohe empfiehlt, einen ­Admiral zum ­Kaiser von Österreich zu ­schicken, um ihn über die Lage zu informieren.“ 195 Über die Stellung ­Kaiser Karls in dieser Frage gibt der Tagesbericht des Ministeriums des Äußern vom 14. Jänner 1917 Aufschluss: Seine Majestät haben gestern Abends telephonisch angefragt, ob bereits eine Meldung aus Berlin, betreffend die Frage des Untersee-Bootkrieges, vorliege und befohlen, eine ­solche, sobald sie eintrifft, Allerhöchstderselben zu telephonieren. Dies geschah heute Morgens (…). Seine Majestät nehmen davon mit (…) großer Besorgnis hinsichtlich der Wirkung auf die Neutralen Kenntnis (…).196

Außenminister Czernin depeschierte am selben Tage an Hohenlohe: Seine Majestät bestellen den Admiral Haus für (…) den 20. l. M. nach Wien zu einer Besprechung in der U-Bootfrage. – Seine Majestät wünschen, daß ein Vertreter der deutschen Marine zu dieser Besprechung hier eintrifft. – Ich lege das größte Gewicht darauf, daß d ­ iesem Wunsche (…) entsprochen werde, damit sich bei Allerhöchstdemselben nicht der Eindruck festsetzt, daß Berlin (…) vorgeht, ohne die Ansicht Seiner Majestät auch nur zu hören.197

Hohenlohe antwortete am folgenden Tag: Ich hatte in meiner gestrigen Unterredung mit Herrn Zimmermann bereits betont, daß ich es (…) für ganz ausgeschlossen hielte, daß irgendeine Entschließung in der Frage der Verschärfung des Unterseebootkrieges gefaßt werden könnte, ohne daß vorher (…) Einvernehmen mit 194 Flotow an M. d. Ä., Tel. 24, 13. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 406 – 407. 195 Müller TB-Eintr. 13. Jän. 1917, Görlitz 1959, 250. 196 M. d. Ä., Tagesber. 14. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 424 – 424v. 197 Czernin an Hohenlohe, Tel. 19, 14. Jän. 1917, ebd. fol. 430.

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der k. u. k. Regierung erzielt und auch die Ansicht der k. u. k. Kriegsmarine eingeholt worden sei, worin mir Herr Zimmermann vollkommen beipflichtete. – (…) Herr Zimmermann teilte mir mit, daß (…) K ­ aiser Wilhelm ohnehin die Absicht gehabt habe anzufragen, ob es Seiner k. u. k. (…) Majestät genehm wäre, den Vortrag eines der maßgebenden deutschen Seeoffiziere in dieser Frage entgegenzunehmen. – Dem Wunsche Seiner (…) Majestät entsprechend, könne (…) Admiral von Holtzendorff (…) am Samstag, 20. d. M., in Wien sein. – Gleichzeitig ersuchte mich der Staatssekretär anzufragen, ob es Seiner Majestät (…) genehm wäre, wenn er um dieselbe Zeit nach Wien käme (…) Ich glaube, Euer Exzellenz vorschlagen zu sollen, vielleicht zu veranlassen, daß aus Anlaß der Besprechung in der Unterseebootfrage auch der Marineattaché der k. u. k. Botschaft, Graf Colloredo, nach Wien berufen werde. Colloredo (…) könnte (…) von großem Nutzen sein.198

Flotow ließen die für eine Verschärfung des U-Bootkrieges vorgebrachten Argumente der deutschen Militärs nicht unbeeindruckt. Dies zeigen seine Aufzeichnungen vom 15. Jänner: Die Frage steht – nach den Worten Herrn Zimmermanns (…), z­ wischen der Heeres- und Marine­leitung und dem Auswärtigen Amt zur Erwägung; sie dränge aber zur Entscheidung. Denn soll es zum uneingeschränkten Unterseebootkrieg kommen, so müßte er zu einer Zeit einsetzen, wo seine Wirkung bereits in Ansehung der bevorstehenden mächtigen englisch-französischen Offensive an der Westfront sich fühlbar machen würde. Hiemit wies der Staatssekretär auf den Monat Februar hin. – Ich möchte im Nachstehenden jene Momente zusammenfassen, die zur Begründung der Notwendigkeit der verschärften Unterseebootkriegführung (…) vorgebracht werden: – Die Zeit arbeite gegen uns. (…) Über das Jahr 1917 hinaus können die Zentralmächte den Krieg mit Aussicht auf Erfolg nicht führen. Der Friede müßte also, solle er uns nicht schließlich von den Feinden kommen, noch im Laufe ­dieses Jahres gemacht, d. h. (…) von uns erzwungen werden. (…) – Und sei einmal der verschärfte Unterseebootkrieg im Gange, so würde der dadurch erzeugte Terror (Versenkung der Schiffe ohne Warnung) es mit sich bringen, daß sich die Schiffe gar nicht mehr auf die See wagen (…) – Herr Zimmermann sagte mir: ‚Glauben Sie mir, unsere Besorgnisse sind nicht geringer wie die Ihrigen (…) Zeigen Sie mir einen Weg, um zu einem möglichen Frieden zu kommen, und ich bin der erste, der den Unterseebootkrieg verwirft! Wie die Dinge heute liegen, habe ich (…) mich dazu schon beinahe bekehren lassen!‘199

Inzwischen waren in dem am 12. Jänner 1917 in Baden stattgefundenen ­Gemeinsamen Ministerrat unter Vorsitz K ­ aiser Karls auch die Kriegsziele in Verbindung mit der 198 Hohenlohe an Czernin, Tel. 27, 15. Jän. 1917, ebd. fol. 394 – 394v. 199 Aufz. Flotow 15. Jän. 1917, ebd. fol. 409 – 412v; Czernin 1919, 157 – 161.

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­ riedensfrage beraten worden. Teilnehmer waren Czernin, die Ministerpräsidenten F István Tisza Graf von Borosjenő und Szeged und Heinrich Graf Clam-Martinic, der Chef des Generalstabes Feldmarschall Conrad von Hötzendorf, der Leiter der Militärkanzlei des Kaisers Feldmarschalleutnant Ferdinand von Marterer und, als Protokollführer, Legationssekretär Ferdinand Graf Colloredo-Mannsfeld. Dem Protokoll zufolge erklärte der ­Kaiser, die Monarchie müsse das Militär-Gouvernement Lublin, „welches ein wertvolles Pfand für die Wiedergewinnung (…) Ostgaliziens und der Bukowina darstelle, unbedingt in der Hand behalten (…). Die Errichtung eines selbständigen polnischen Staates während des Krieges sei ein Ding der Unmöglichkeit.“ 200 Es wäre gut, sich darauf zu „beschränken, die Verwaltung in Kongreß-Polen auszubauen, weiter aber nichts zu verfügen“. Czernin meinte bezüglich der Kriegsziele der Monarchie, von der deutschen Regierung werde „nicht mehr zu erreichen“ sein als ein Beistand zur Erhaltung des Status quo. Dazu gab der ­Kaiser seiner Ansicht Ausdruck, dass es sich empfehle, ein Maximal- und ein Minimalprogramm aufzustellen. Das Maximalprogramm solle „die Angliederung Kongreßpolens, Montenegros und der Macwa beinhalten, ferner gewisse Rektifikationen der siebenbürgischen Grenze und (…) in Serbien die Ersetzung der Dynastie Karageorgewich durch ein anderes Königshaus. Das Minimalprogramm hingegen würde sich auf die Forderung der vollen Integrität des Gebietes der Monarchie, auf die Erwerbung des Lovcen und auf den Wechsel der Dynastie in Serbien beschränken“. Czernin zeigte sich wenig zuversichtlich, mehr als ein Minimum erreichen zu können: „Eine gänzliche Bezwingung des Feindes gehöre in das Gebiet des Unwahrscheinlichen, daher müsse mit einem Kompromißfrieden gerechnet werden.“ 201 Der ­Kaiser warf „die Frage eines Bündnisses mit Rußland“ auf, ein solches sei, „insbesondere in Anbetracht der offenbaren Unmöglichkeit einer Annäherung an die Westmächte oder an das treubrüchige Italien (…) sehr anstrebenswert “. Czernin erklärte, mit Tisza darin übereinzustimmen, „daß wir voraussichtlich nicht die physische Möglichkeit haben werden, ganz Serbien einzuverleiben“ und mit Clam-Martinic, „daß die Einigkeitsbestrebungen der Südslaven sich mit elementarer Gewalt durchsetzen werden, sei es mit uns oder gegen uns“. In einem wirtschaftlichen Entgegenkommen gegenüber Serbien sehe er den besten Weg, die Interessen der Monarchie zu wahren, „denn im Gefolge (…) würden sich auch die rein politischen Beziehungen bessern“. Das Protokoll schließt mit den Worten: Seine Majestät geruhen (…) dahin zu resumieren, daß in der polnischen Frage der Status quo aufrecht zu erhalten sei, daß unser Hauptkriegsziel die Erhaltung der Integrität der Monarchie 200 Komjáthy 1966, 440 – 452 Dok. 20. 201 Ebd.

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bilde, daß ferner Serbien weitgehende Existenzmöglichkeiten gesichert werden müssen und daß schließlich eine Annäherung an Rußland angestrebt werden solle.202

Am 15. Jänner 1917 wies Czernin Botschafter Hohenlohe an, „der deutschen Regierung gegenüber von ihrer, heute auch hier durch Grafen Wedel wiederholten, Zusage ausdrücklich Akt zu nehmen, wonach man deutscherseits in der Frage der Verschärfung des Unterseebootkrieges keinen Entschluß fassen wird, ohne sich vorher mit uns verständigt zu haben“.203 Der gerade in Berlin weilende Tisza nahm am selben Tage in einem Telefongespräch mit dem Leiter des Referates IV im Wiener Ministerium des Äußern, Botschafter von Mérey, auf ­dieses Telegramm Czernins Bezug: Aus Berliner Telegramm No. 22 ersehe ich mit Beruhigung, daß Staatssekretär Zimmermann die Einholung unserer Ansicht vor Entschlußfassung bezüglich U-Boot-Krieges zugesagt hatte. Wir sollten hievon Akt nehmen und betonen, daß uns die Aufklärungen rechtzeitig gegeben werden, ­welche Bildung eines Urteils ermöglichen. – Andererseits wäre meines Erachtens mit dem größten Nachdrucke dahin zu wirken, daß unsere Diplomatie in gemeinsamer Arbeit alles macht, um an der Hand der Ententeantwort die amerikanische Regierung in unserem Sinne zu beeinflussen. (…) – Ich glaube, eine (…) intensive Arbeit in ­diesem Sinne würde die Chancen erhöhen, daß Amerika uns nicht in die Arme fällt, falls wir gezwungen sind, schärfere Mittel zu ergreifen (…).204

Zur Mitteilung an den auf einer Fahrt nach Tirol befindlichen K ­ aiser telegrafierte ­Czernin am 15. Jänner an seinen im Hofzug mitfahrenden stellvertretenden Kabinettschef Colloredo-­Mannsfeld über die Entwicklung: Aus den Meldungen des k. u. k. Botschafters in Berlin und des heute von dort zurückgekehrten Sektionschefs Baron Flotow sowie auch aus Aeußerungen des deutschen Botschafters geht hervor, daß die militärischen und politischen Faktoren in Berlin sich ernstlich mit der Frage des rücksichtslosen Unterseebootkrieges befassen. – Maßgebend hiefür ist (…), daß die deutsche Heeresverwaltung tunlichste Unterbindung des Seeverkehrs Englands als dringend notwendig bezeichnet, einerseits um durch Erschwerung der Truppen- und Munitionstransporte (…) die für die nächste Zeit erwartete englisch-französische Offensive einzuschränken und andererseits auch, weil sie annimmt, daß die wirtschaftliche Lage in Frankreich und Italien durch den verschärften Untersee-Bootkrieg die schwersten Schädigungen erfahren müßte. Man erblickt 202 Ebd. 203 Czernin an Hohenlohe, Tel. 22, 15. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 402. 204 Tisza an Mérey, Tel.-Dep. o. Z., 15. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 295 – 295v.

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ferner in dieser Aktion das wirksamste, vielleicht einzige Mittel zur raschen Beendigung des Krieges (…). – Immerhin geht sowohl aus den Aeußerungen der deutschen Staatsmänner gegenüber Hohenlohe und Flotow (…), wie auch aus Mitteilungen des Grafen Wedel hervor, daß die deutsche Regierung keinen einschlägigen Entschluß fassen wird, ohne (…) eine Verständigung mit uns erzielt zu haben. Ein höherer deutscher Marineoffizier wird nach Wien entsendet um Seiner (…) Majestät die (…) für die Verschärfung des Unterseebootkrieges sprechenden Gründe darzulegen (…).205

Am Tag darauf depeschierte Czernin an Colloredo: Admiral von Holtzendorff (wird) auf Befehl des deutschen Kaisers am 20. d. M. in Wien eintreffen, um dem Wunsche Seiner k. und k. Apostolischen Majestät entsprechend, über den U-Bootkrieg Vortrag zu erstatten. Gleichzeitig ersucht (…) Zimmermann den Botschafter, anzufragen, ob es Seiner Majestät genehm wäre, daß er am selben Tage nach Wien komme, da sich (…) Fragen ergeben könnten, die am raschesten geordnet werden könnten, wenn er auch in Wien wäre. – Prinz Hohenlohe schlägt vor, daß der Marineattaché Graf Colloredo zu dieser Besprechung nach Wien berufen werde, nachdem er die deutsche Marine (…) kennt und Auskünfte erteilen könnte. – Da es mir wegen Zeitmangels nicht möglich ist, die Allerhöchsten Befehle einzuholen, habe ich (…) Hohenlohe, in Anhoffnung der Allerhöchsten nachträg­ lichen Genehmigung, angewiesen, dem Staatssekretär mitzuteilen, daß seine Aufwartung am 20. d. M. Seiner (…) Majestät genehm wäre. – Gleichzeitig ersuchte ich die Marinesektion den Grafen Hieronymus Colloredo für diesen Tag nach Wien zu berufen.206

Colloredo antwortete am folgenden Tag, dass der K ­ aiser d ­ iesem Plan zugestimmt habe.207 Zu der geplanten Besprechung mit Holtzendorff und Zimmermann gedachte der ­Kaiser zunächst nur Czernin, nicht aber die beiden Ministerpräsidenten beizuziehen,208 zur Hoftafel aber wollte er Holtzendorff und Zimmermann nicht laden lassen.209 Czernin beeilte sich, diese der Sache zweifellos wenig dienliche und auch wenig verständliche „Disposition“ in Frage zu stellen und telegrafierte an Colloredo, er möge dem K ­ aiser darauf aufmerksam machen, „daß auch (…) Zimmermann, welcher am 20. mit Admiral Holtzendorff hier eintrifft, um eine (…) Audienz bitten wird. – Außerdem kehren die beiden Ministerpräsidenten an ­diesem Tage von der Berliner Ernährungskonferenz 205 Czernin an Ferdinand Colloredo, Tel. 2, 15. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 396 – 397, idem: HHStA PA XL, 261 o. Fz. 206 Czernin an Ferdinand Colloredo, Tel. 3, 16. Jän. 1917, HHStA PA XL, 261 o. Fz. 207 Ferdinand Colloredo an Czernin, Tel. 2, 16. Jän. 1917, ebd. o. Fz. 208 Ferdinand Colloredo an Czernin, Tel. 3, 17. Jän. 1917, ebd. o. Fz. 209 Ferdinand Colloredo an Czernin, Tel. 4, 17. Jän. 1917, ebd. o. Fz.

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nach Wien zurück und werden den größten Wert darauf legen, von Seiner Majestät empfangen zu werden.“ 210 Am 18. Jänner telegrafierte Colloredo, der ­Kaiser habe befohlen, dass „entgegen der (…) gemeldeten Disposition (…) Zimmermann an der für den 20. ds. Mts. anberaumten Besprechung nicht teilnehme“.211 Daraufhin depeschierte Czernin am 19. Jänner an Colloredo: Der deutsche Botschafter hat hier mitgeteilt, daß (…) Zimmermann hauptsächlich deshalb gleichzeitig mit Admiral von Holtzendorff in Wien eintrifft, um auch vom politischen Standpunkt auf die Besprechungen und die eventuellen Entscheidungen in der Frage des U-Bootkrieges Einfluß zu nehmen und gegebenenfalls zu bremsen, falls der Admiral, der ein etwas temperamentvoller Herr sei, zu weitgehende Anträge stellen sollte. – Es scheint mir daher im Auswärtigen Amt in Berlin momentan die Tendenz zu herrschen, sich in der U-Bootfrage mehr unserem Standpunkt als dem der deutschen Marinekreise zu nähern. – Ich halte es von größter Wichtigkeit, diese augenblickliche Stimmung für unsere Zwecke auszunützen. – Ich ersuche Euer Hochgeboren daher (…) Seiner Majestät in meinem Namen zur Erwägung zu stellen, Staatssekretär Zimmermann der morgen Nachmittag stattfindenden Konferenz beizuziehen.212

Czernins Vorstellungen hatten Erfolg, denn Colloredo antwortete, der ­Kaiser werde Zimmermann „(…) morgen um ¾ 3 h in der Hofburg in Audienz empfangen. Auf ah. Befehl bitte ich E. E., H. Zimmermann auch zu der um 3 h stattfindenden Konferenz einzuladen.“ 213 Zu Botschafter Hohenlohe war immer noch nichts über die am 9. Jänner in Pleß gefasste Entscheidung durchgedrungen, den uneingeschränkten U-Bootkrieg mit 1. ­Febru­ar 1917 zu beginnen. So hieß es in einem Bericht, den er am 18. Jänner an Czernin sandte: Euer Exzellenz ist es bekannt, dass die Frage über eine eventuelle Verschärfung des U-Bootkrieges (…) unausgesetzt den Gegenstand von Beratungen und Besprechungen (…) bildet, Besprechungen, die ja am 20. auch in Wien fortgesetzt werden sollen. – Hiebei wird ausser der Frage, ob diese Verschärfung überhaupt eintreten soll, wohl auch noch die Art und Weise erwogen werden müssen, wie dieselbe einzuleiten wäre. So viel ich weiss, herrscht (…) hier die Ansicht vor, dass noch ehe man an die Ausführung ­dieses Entschlusses schreiten würde, die Neutralen verständigt werden müssten, die als Kriegszone erklärten Gewässer um England nicht zu befahren. Durch diese Erklärung hofft man (… dass) ‚Zwischenfälle‘ mit Schiffen 210 211 212 213

Czernin an Ferdinand Colloredo, Tel. 5, 17. Jän. 1917, ebd. o. Fz. Ferdinand Colloredo an Czernin, Tel. 6, 18. Jän. 1917, ebd. o. Fz. Czernin an Ferdinand Colloredo, Tel. 9, 19. Jän. 1917, ebd. o. Fz. Ferdinand Colloredo an Czernin, Tel. 7, 19. Jän. 1917, ebd. o. Fz.

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dieser Staaten (…) vermieden würden. – Andererseits muss man aber damit rechnen, dass eine offizielle Ankündigung der Absicht, den U-Bootkrieg weiter auszugestalten, eventuell Gegenmassnahmen aller Neutralen hervorrufen würde und zwar noch bevor dieser schärfere U-Bootkrieg überhaupt eingesetzt hat. – Die Ansicht, dass die Vereinigten Staaten es vermeiden werden, sich in den Kampf einzumengen, nimmt hier mehr und mehr zu. Man meint, dass Amerika aus dem Munitionsgeschäfte alles ‚herausgeholt‘ habe und nunmehr seinen Vorteil darin sehe, durch einen ehetunlichsten Friedensschluss in die Lage versetzt zu sein, Europa wieder mit Rohstoffen zu versorgen (…).214

Auf die Möglichkeit einer Mitsprache der österreichischen und der ungarischen Regierung bei der Entscheidung über eine Verschärfung des U-Bootkrieges pochte der sich noch in Berlin aufhaltende Tisza. Er bat am 19. Jänner Hohenlohe, telegrafisch an C ­ zernin mitzuteilen: Ich muß Dich vor der morgigen Konferenz unbedingt sprechen und bitte, hiefür für morgen vormittags eine Stunde zu bestimmen. Ich will in keiner Weise Schwierigkeiten machen, muß aber unbedingt bitten, daß vor Entscheidung Seiner Majestät bezüglich des Unterseebootkrieges beide Ministerpräsidenten bei völliger Kenntnis der einschlägigen Momente Stellung nehmen können.215

Auch in dieser Sache hatte Czernin Erfolg, denn Clam-Martinic und Tisza wurden schließlich der Konferenz beigezogen. Die Besprechung mit Holtzendorff und Zimmermann über die Verschärfung des U-Bootkrieges am 20. Jänner 1917 fand unter dem Vorsitz des Kaisers statt. An ihr nahmen neben Czernin auch Tisza, Clam-Martinic, der Flottenkommandant und Chef der Marinesektion des Kriegsministeriums Großadmiral Haus sowie Feldmarschall Conrad von Hötzendorf teil. Czernin schrieb darüber: „Der K ­ aiser, welcher, nicht in die Debatte eingriff, erklärte zum Schluß, seine Entscheidung s­ päter treffen zu wollen.“ 216 Am Nachmittag d ­ ieses Tages fand eine Konferenz unter Czernins Vorsitz statt, an der Zimmermann, Holtzendorff, Tisza, Clam-Martinic, Großadmiral Anton Haus, der deutsche Marine-Attaché Albrecht Freiherr Freyberg-Eisenberg-Allmendingen und der Marine-Attaché in Berlin Graf Colloredo-Mannsfeld teilnahmen. Ihrem Protokoll zufolge erklärte Holtzendorff, die deutsche Marine stelle sich „auf den Standpunkt der unbedingten Notwendigkeit der ehebaldigsten Aufnahme des verschärften U-Bootkrieges“, die Argumente dafür könnten so zusammengefasst werden: 214 Hohenlohe an Czernin, Ber. 9 A-C/P, 18. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 363. 215 Tisza durch Hohenlohe an Czernin, Tel. 31, 19. Jän. 1917, ebd. fol. 357. 216 Czernin 1919, 161.

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Die Zeit arbeitet gegen uns, schwindendes Menschenmaterial der Zentralmächte, progressive Verschlechterung der Ernteergebnisse, bevorstehende englisch-französische Offensive (…) und die sich hieraus ergebende Notwendigkeit, die (…) erforderlichen Nachschübe zu verhindern oder zum mindesten zu stören, Unmöglichkeit der Herbeiführung einer Entscheidung zu Lande, Notwendigkeit, die sinkende Moral der Truppen durch (…) Erfolge zeitigende Ausnutzung der zu Gebote stehenden Kriegsmittel zu heben, Sicherheit des Erfolges einer Verschärfung des U-Bootkrieges in Anbetracht der nur für zweieinhalb bis drei Monate reichenden Nahrungsmittelvorräte Englands sowie der Unterbindung der Munitionserzeugung und industriellen Produktion infolge der Verhinderung der Rohstoffzufuhr nach England, Unmöglichwerden der Kohlenzufuhr nach Frankreich und Italien usw. usw.217

Als Zeitpunkt des Einsetzens des uneingeschränkten U-Bootkrieges sei der 1. Februar in Aussicht genommen und man hoffe, „England in zirka vier Monaten zur Raison zu bringen“. Das Protokoll hebt hervor, dass „Holtzendorff sich expressis verbis dahin äußerte, er garantiere für den Erfolg“. Czernin und Tisza hätten vor den „desaströsen Folgen (…), ­welche ein Eingreifen Amerikas in militärischer, wie in moralischer, wirtschaft­ licher und finanzieller Hinsicht nach sich ziehen müßte“ gewarnt und „der Skepsis Ausdruck gegeben, daß eine Absperrung Englands auch tatsächlich gelingen werde (…)“.218 Czernin habe auch auf die „doch sehr vagen (…) Daten der deutschen Marineleitung“ hingewiesen und dass ihre „Argumente ein völliges Novum“ darstellten, nämlich „die Gefährdung der Westfront in Anbetracht der großen zu erwartenden englisch-französischen Offensive“. Bisher habe es immer geheißen, die Angriffe der Gegner prallten ab, während jetzt eine „zur Entlastung (…) unbedingt notwendige rücksichtslose Verwendung der Marine ins Treffen geführt“ werde. Czernin und Tisza hätten ihre „lebhaften Zweifel“ an einer solchen Notwendigkeit zum Ausdruck gebracht, Großadmiral Haus aber habe sich „rückhaltlos der Argumentation der deutschen Marineleitung“ angeschlossen und ausgeführt, „daß an die Möglichkeit eines Eingreifens Amerikas in militärischer Hinsicht keine weitgehenden Befürchtungen geknüpft werden sollten (…)“. Abschließend habe Czernin erklärt, „daß die definitive Entscheidung (…) den beiden Herrschern vorbehalten bleiben müsse, wozu die für den 26. d. M. anberaumte Begegnung Allerhöchstderselben (in Pleß) Gelegenheit geben werde“.219

217 Aufz. über eine am 20. Jän. 1917 im M. d.Ae. unter Vorsitz des Ks. stattgehabte Bespr., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 25 – 33, idem: Czernin 1919, 161 – 167. 218 Czernin schrieb, Tisza habe den U-Bootkrieg „nur mit großem Widerstreben geduldet, (…) weil wir die deutschen Militärs nicht an dieser Maßregel hindern konnten und weil er, ebenso wie ich, überzeugt war, daß das ‚Nichtmitmachen‘ uns keinen Vorteil bringen werde“. Czernin 1919, 178. 219 Aufz. über eine am 20. Jän. 1917 im M. d.Ae. unter Vorsitz des Ks. stattgehabte Bespr., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 25 – 33, idem: Czernin 1919, 161 – 167.

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Czernin schrieb ­später zur Sache: Ich fand beim K ­ aiser, w ­ elchen ich nach der allgemeinen Besprechung noch separat sprach, die ­gleiche Abneigung gegen ­dieses neue Kampfmittel und die ­gleiche Besorgnis wegen seines Effektes. Wir wußten jedoch, daß Deutschland bereits definitiv entschlossen wäre, unter allen Umständen mit dem verschärften U-Bootkrieg einzusetzen, daß daher alle unsere Argumente keinen praktischen Wert mehr haben könnten. (…) Dank der geringen Zahl unserer U-Boote hätte unser Beiseitebleiben keinen großen Einfluß auf das Endergebnis des Experimentes gehabt, (…) und so gaben wir schweren Herzens unsere Zustimmung.220

Darüber, was Holtzendorff K ­ aiser Wilhelm von der Wiener Besprechung berichtete, notierte Admiral Müller: Holtzendorff berichtet (…), daß er nach einiger Mühe und mit kräftiger Hilfe von Zimmermann die österreichischen Politiker (Graf Claus Martinez (sic!), Graf Czernin, Graf Tisza) und, wie er hoffe, auch den K ­ aiser, von der Richtigkeit unseres Vorgehens überzeugt habe. Die Militärs (Conrad von Hötzendorf und Großadmiral Haus) waren schon vorher gewonnen. ­Kaiser Karl behält sich aber vor, unserem K ­ aiser seine Ansicht erst zu sagen, wenn er am 26sten zur Kaisergeburtstagsfeier nach Pleß kommt.221

Am Tag nach der Konferenz mit Holtzendorff und Zimmermann telegrafierte Czernin an die diplomatischen Vertreter der Monarchie in den neutralen Ländern Europas, es werde sich (…) vielleicht die Notwendigkeit ergeben, um unsererseits den Krieg einem Ende zuzuführen, schon in allernächster Zeit mit dem uneingeschränkten U-Bootkriege einzusetzen. – Wir würden, wenn es dazu kommen sollte, selbstredend trachten, es den Neutralen zu ermöglichen, sich vor direkten Schäden zu bewahren (rechtzeitiges Zurückziehen ihrer Schiffe aus den gefährdeten Gewässern u. s. w.); immerhin würde der verschärfte U-Bootkrieg für die neutralen Länder 220 Czernin 1919, 167 – 168, Marterer, der dem Protokoll zufolge an keiner der Sitzungen vom 20. Jänner teilnahm, notierte in sein Tagebuch: „3h n. m. interessante Konferenz (…) über verschärften U. Bootkrieg. – (…) Holtzendorff entwickelte in großer Rede die Notwendigkeit mit der Verschärfung (…) einzusetzen. Unverblümt legte er dar, daß auch Deutschland Ende 1917 ausgepumpt sein werde (…) der U. B.Krieg sei das einzige Mittel die Engländer zum Frieden zu zwingen. (…) Haus stimmte ebenso zu wie Conrad. – Czernin, der nicht recht mit der Sache heraus rückte, legte einen großen Nachdruck auf die Besorgnisse, die er bezüglich des Eintretens der Neutralen in den Krieg gegen uns hege. (…) – S. M. schloß die Sitzung ohne ein entscheidendes Wort zu sprechen. Der ­Kaiser ist gegen die Sache. Er und Czernin hoffen immer noch auf einen sich ergebenden Frieden.“ TB-Eintr. 20. Jän. 1917, KA NL Marterer B/16:V. 221 Müller TB-Eintr. 21. Jän. 1917, Görlitz 1959, 251 – 252.

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indirekt einschneidende Wirkungen (…) haben. – Ich ersuche (…) mir ausführlich zu telegraphieren, ­welche Haltung (…) die dortige Regierung gegebenen Falles wohl einnehmen, wie die dortige öffentliche Meinung darauf reagieren würde, bzw. ob und nach welcher Richtung eine Einflußnahme der öffentlichen Meinung auf die Regierung bezüglich deren Stellungnahme den Zentralmächten gegenüber zu gewärtigen wäre. (…) Die Schweiz würde voraussichtlich wegen ihrer Ernährung stark in Mitleidenschaft gezogen werden; es wäre daher zu erwägen, ob mit der Möglichkeit zu rechnen wäre, daß die Eidgenossenschaft, einem starken (…) Drucke der Entente nachgebend, eine uns feindliche Haltung einnehmen könnte (…).222

Mit der Frage des uneingeschränkten U-Bootkrieges befasste sich auch der Gemeinsame Ministerrat vom 22. Jänner, an dem unter dem Vorsitz des Kaisers Czernin, Clam-­ Martinic, Tisza, Kriegsminister Conrad von Hötzendorf und Marterer teilnahmen.223 Dem Protokoll zufolge bemerkte ­Kaiser Karl, dass „der Deutsche ­Kaiser Allerhöchstihm die Entscheidung über das Einsetzen des verschärften U-Bootkrieges überlassen habe. Seine Majestät lege Wert darauf, die gegenständliche Ansicht der Anwesenden zu hören, bevor Er diesbezüglich einen Entschluß fasse.“ 224 Czernin erklärte, er sei (…) der Aufnahme des rücksichtslosen U-Bootkrieges (…) bisher ablehnend (gegenübergestanden. Jetzt aber würden) von den Deutschen (…) die Dinge in einem ganz anderen Lichte dargestellt. (…) (die) kommende Entente-Offensive (bringe) für die Westfront so manche Gefahrenmomente (…), falls nicht durch rücksichtslose Ausnützung der U-Bootwaffe die Zufuhr an (…) Munition unterbunden (werde …) Aber selbst wenn es gelingen sollte, den Anprall (…) aufzuhalten, müsse – so argumentiert man jetzt in Deutschland – unbedingt gegen Ende des Jahres 1917 (…) eine höchst kritische Situation eintreten. (…) dann müßten (…) Konsequenzen gezogen und der rücksichtslose U-Bootkrieg als einziges zu Gebote stehen­des Korrektivmittel herangezogen werden.

Feldmarschall Conrad erklärte, es stehe „kein anderes Mittel“ zur Verfügung, und auch Krobatin nahm „für die Verschärfung“ Stellung. Tisza äußerte, die Westfront sei gefährdet „falls keine Entlastung durch den U-Bootkrieg“ erfolge, und Clam-Martinic sprach „zu Gunsten des Einsetzens“. Das Protokoll schließt mit den Worten, der ­Kaiser habe geruht „dahin zu resumieren, daß Allerhöchstihm von allen an dem Gemeinsamen 222 Czernin an Missionen in Kopenhagen, Stockholm, Haag, Madrid u. Bern, Tel. 15, 13, 28, 26 bzw. 33, 21. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 9 – 10. 223 Neck schrieb, es sei „bezeichnend, daß der entschiedenste Gegner des rücksichtslosen U-Bootkrieges, Burián, obwohl er k. u. k. Finanzminister war, zu dem gemeinsamen Ministerrat (…) nicht beigezogen wurde“. Neck 1953 7, 301. 224 Komjáthy 1966, 452 – 458 Dok. 21.

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Ministerrat beteiligten Herrn geraten werde, den deutschen Vorschlag auf rücksichtsloses Einsetzen des U-Bootkrieges anzunehmen“.225 Im Wortlaut des Protokolls deutet nichts darauf hin, dass die Teilnehmer der Sitzung ihren einhelligen Rat einem „widerstrebenden jungen ­Kaiser“ gegeben hätten, wie dies 1953 Rudolf Neck meinte.226 Ähnlich hatte sich 1924 in seinen Memoiren A ­ lexander Musulin geäußert, der seit 24. Jänner 1917 als Gesandter in Bern fungierte. Er schrieb, der ­Kaiser habe ihm in einer Audienz an einem „kalten, stürmischen Januartag 1917“ erklärt: „Ich habe bis zur letzten Stunde alles getan, um den U-Bootkrieg zu verhindern. Ich habe aber schließlich, entgegen meinem Gefühle und meiner Einsicht, nachgeben müssen.“ 227 ­Kaiser Karl ließ sich jedoch, wie sein weiter unten zitierter Brief an ­Kaiser Wilhelm und auch eine Passage in Erzbergers Erinnerungen zeigen, offenbar von anderen Gefühlen bestimmen. Erzberger berichtete nämlich, der K ­ aiser habe ihm in seiner Audienz am 23. April 1917 erklärt, „er sei stets ein Gegner des uneingeschränkten U-Bootkrieges gewesen und habe nur aus Freundschaft zu ­Kaiser Wilhelm und dem Bündnis zuliebe den entsprechenden Befehl an die geringe Zahl der österreichisch-ungarischen U-Boote gegeben“.228 Wollte ­Kaiser Karl damit sagen, dass es bei der „geringen Zahl“ österreichisch-ungarischer U-Boote gar nicht darauf angekommen wäre, ob er den Befehl an sie gegeben hätte oder nicht? Faktum ist, dass K ­ aiser Karl offenbar unmittelbar nach dem Gemeinsamen Ministerrat vom 22. November ein Telegramm an Wilhelm II. sandte, in dem er seine Zustimmung zum uneingeschränkten U-Bootkrieg ausdrückte. Dieses Telegramm lautete: Die von Dir freundlichst verfügte Entsendung des Chefs des Admiralstabes Deiner Marine nach Wien sowie die gleichzeitige hiesige Anwesenheit Deines Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes hat mir Gelegenheit geboten, sowohl in die Gründe, ­welche für die (…) Verschärfung des Unterseebootkrieges maßgebend sind, wie auch in die marinetechnischen Einzelheiten (…) genauen Einblick zu gewinnen. – Die interessanten Darlegungen des Admirals (…) haben mir allerdings den Eindruck gegeben, daß von der Anwendung ­dieses weitgehenden ­Kriegsmittels ein ernster, unter Umständen entscheidender Erfolg gegenüber unseren Feinden erwartet werden darf. Dagegen vermochten sie nicht jene schweren Bedenken politischer Natur, w ­ elche ich und meine Regierung hinsichtlich der eventuellen gefährlichen Folgen eines derartigen 225 Ebd. – Rauchensteiner schrieb 1993 und ebenso 2013 das Ergebnis des Gem. Ministerrates vom 22. Jän. dem vom 12. Jän. 1918 zu: Es hätten sich „alle Teilnehmer (…) für den verschärften U-Boot-Krieg ausgesprochen und wollten den nicht nur im Atlantik, sondern auch im Mittelmeer geführt wissen. Der ­Kaiser (… habe) sich diesbezüglich nicht geäußert, sondern nur Meinungen gesammelt.“ Rauchensteiner 1993, 422; Rauchensteiner 2013, 702. 226 Neck 1953 7, 301. 227 Musulin 1924, 289 – 291. 228 Erzberger 1920, 118.

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Entschlusses hegen, völlig zu zerstreuen. Der Möglichkeit der Vermehrung der Zahl unserer Gegner (…) sehe ich nach wie vor mit ernster Besorgnis entgegen. – Andererseits kann ich mich aber den Erwägungen nicht verschließen (…), daß nach der ganzen Lage der Dinge uns ein anderes wirksames Mittel, einen durchschlagenden Erfolg über unsere Gegner zu erzielen (…) nicht mehr zur Verfügung steht. Angesichts dieser Sachlage (…) möchte ich somit, wenn auch im Gefühle eines schweren und weittragenden Entschlusses, Dir meine Zustimmung zu der geplanten Verschärfung des Unterseebootkrieges aussprechen.229

Auf das Formular ­dieses Telegramms schrieb K ­ aiser Karl mit Tinte: „Mit herzlichsten Grüßen bin ich Dein treuer Freund und Vetter Karl.“ Gesandt wurde das Telegramm über Botschafter Hohenlohe in Berlin, den Czernin instruierte, es „sogleich dem Auswärtigen Amt behufs umgehender Weiterleitung an seine höchste Bestimmung zu übergeben“.230 Marterer notierte am 24. Jänner in sein Tagebuch: Vorgestern wieder Min.Rat, dem – damit nicht allzu lange geredet werde, Burián nicht beigezogen wurde. Alle waren jetzt für den U B Krieg, obwohl Tisza anfangs so sprach, daß man glauben mußte, er sei dagegen. – Clam sprach wieder sehr gut u. trat dafür ein, Deutschland zu einer Erklärung zu veranlassen, bei großem Erfolge der U. B. Aktion, nicht auf eine sich ergebende Friedensmöglichkeit zu verzichten. – Gestern ging ein (…) Telegramm an K ­ aiser Wilhelm ab, in dem der K ­ aiser seine Zustimmung ausspricht, aber die endgiltige Redigierung am 26. in Pless besprechen will.231

Von dem letzteren (Faksimile 1a bis 1d) am 23. Jänner abgesandten Telegramm an ­Wilhelm II. ist ein mit Bleistift bzw. Tintenstift geschriebener Entwurf ­Kaiser Karls erhalten. Bei dem Faksimile 1d handelt es sich um die Abbildung einer Einfügung. Das Einfügungszeichen von ­Kaiser Karl findet sich in der Abbildung Faksimile 1c nach den Worten: (…) und Südfrankreichs erlaßen. Gerade so wie es Dir schwer gefallen sein dürfte Deine Entscheidung in der so gewichtigen und für das Sein und Nichtsein unserer Völker so ausschlaggebenden Frage des verscharften Ubootkrieges zu treffen ebenso habe auch ich erst nach den so klaren und Lichtvollen Vorträgen Deines Staatssekretars und Deines Admirals und nach der mit Ihnen übereinstimmenden Ansicht meiner Militarischen Faktoren meine großen Bedenken fallen gelassen und es freut mich sehr Dir nun erklaren zu können, daß auch ich mit der Verschärfung des 229 Ks. Karl an Ks. Wilhelm, Tel. o. Z., 22. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 328 – 330. 230 Ebd. 231 Marterer TB-Eintr. 24. Jän. 1917, KA NL Marterer B/16:V.

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Faksimile 1a  „Gerade so wie es Dir schwer gefallen sein durfte Deine Entscheidung in der so gewichtigen und für das Sein und Nichtsein unserer Völker so ausschlaggebenden Frage des verscharften Ubootkrieges zu treffen ebenso habe auch ich erst nach (…)“. (KA MKSM 69 – 6/1 1917 fol. 2)

Faksimile 1b  „(…) den so klaren und Lichtvollen Vorträgen Deines Staatssekretars und Deines Admirals und nach der mit Ihnen übereinstimmenden Ansicht meiner Militarischen Faktoren meine großen Bedenken fallen gelassen und es freut mich sehr Dir nun erklaren zu (…)“. (KA MKSM 69 – 6/1 1917 fol. 2, Text geschrieben vom unteren Rand des Blattes her.)

­ bootkrieges ­einverstanden bin. Ich werde auch ähnliche Befehle für die Blokade (sic!) Italiens U und ­Südfrankreichs erlaßen. Nachdem ich in voller Ubereinstimmung mit meinem Minister d. Äussern den großten Wert darauf lege, daß der verschärfte Ubootkrieg nicht angekündigt werde bevor ich nicht mit Dir die genauen Modalitaten selbst besprochen habe, so bitte ich Dich mit der erwähnten Kundmachung zu warten, bis ich Dich am 26ten wiederzusehen die Freude hatte. Ich

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg Faksimile 1c  „(…) können, daß auch ich mit der Verschärfung des Ubootkrieges einverstanden bin. Ich werde auch ähnliche Befehle für die Blokade (sic!) Italiens und Südfrankreichs erlaßen“. An dieser Stelle fügte ­Kaiser Karl, mit einem Einfügungszeichen versehen, den Text von Faksimile 1d ein. „Zum Schluße bitte ich Dich ob Du gestatten würdest daß ich Graf Czernin nach Pleß mit bringen könnte. Ergebensten Handkuß der Kaiserin und viele Grüsse. – Dein stets getreuer – Karl“ (KA MKSM 69 – 6/1 1917 fol. 2v

bitte Dich um eine diesbezügliche Antwort. Zum Schluße bitte ich Dich ob Du gestatten würdest, daß ich Graf Czernin nach Pleß mitbringen könnte. Ergebensten Handkuß der Kaiserin und viele Grüsse. – Dein stets getreuer – Karl.232 232 Ks. Karl an Ks. Wilhelm, eigenh. Tel.-Entw., o. D., KA MKSM 69 – 6/1 1917 fol. 2 – 2v u. 3 (Schreibweise wie im Original). – Kovács schrieb unter Berufung auf Hoyer zur Entstehung und zum Inhalt des Telegramms ­Kaiser Karls, dieser sei von der Zustimmung des Gemeinsamen Ministerrates zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg „ganz unbefriedigt“ gewesen und habe ein „eigenhändiges Schreiben an ­Kaiser Wilhelm (…) konzipiert“ mit der Bitte, „die Verschärfung noch nicht bekannt(zu)geben und die persönliche Besprechung der beiden Monarchen, die am 26. Jänner in Pleß stattfinden sollte, ab(zu) warten“. Diese Demarche des Monarchen sei jedoch „ohne Ergebnis“ geblieben. Kovács 1 2004, 117.

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Faksimile 1d  „Nachdem ich in voller Ubereinstimmung mit meinem Minister d. Äusseren den größten Wert darauf lege, daß der verschärfte Ubootkrieg nicht angekündigt werde bevor ich nicht mit Dir die genauen Modalitäten selbst besprochen habe, so bitte ich Dich mit der erwähnten Kundmachng zu warten, bis ich Dich am 26t wiederzusehen die Freude hatte. Ich bitte Dich um eine diesbezügliche Antwort“. (KA MKSM 69 – 6/1 1917 fol. 3)

Das Telegramm wurde ohne Änderungen abgesandt mit dem Vermerk: „An des Deutschen Kaisers Majestät in Geheimschrift übermittelt. ‚Cramon General à (sic!) la suite‘– Baden, 23. 1. 1917“.233 ­Kaiser Wilhelm antwortete noch am selben Tag: Hoyer wusste nichts von einer Unbefriedigtheit ­Kaiser Karls und einer ergebnislosen Demarche, sondern zitierte aus dem Telegramm, in dem ­Kaiser Karl mitteilte, „daß die ‚so klaren und lichtvollen Vorträge‘ Holtzendorffs und Zimmermanns und die mit ihnen übereinstimmenden Ansichten der eigenen militärischen Berater“ seine „ ‚großen Bedenken‘ zerstreut hätten“ und er nur bitte, „die Verschärfung des U-Boot-Krieges nicht anzukündigen, bevor er mit ihm (Kaiser Wilhelm) ‚die genauen Modalitäten selbst besprochen habe‘“. Hoyer 1972, 142. 233 KA MKSM 69 – 6/1 1917 fol. 1.

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Ich danke Dir für Dein Telegramm von heute und freue mich herzlich, dass Du meinem Entschluss zustimmst. – Ich hatte bereits befohlen, vor dem ersten Februar nichts in der Frage verlauten zu lassen und werde Deinem Wunsche entsprechend für die endgültige Festsetzung der Art der Ankündigung des verschärften U-Bootkrieges gern die Besprechung mit Dir am 26. d. M. abwarten. – Ich möchte Dir anheimstellen, ob Du nicht ausser Graf Czernin auch Deinen Ratgeber in Marine-Angelegenheiten hierher mitbringen willst; Admiral von H ­ oltzendorff wird auch hier sein. – Freue mich sehr, Dich hier zu sehen. Mit herzlichen Grüssen für die Kaiserin und Dich in treuer Freundschaft – Dein Wilhelm.234

Persönlich überbrachte ­Kaiser Karl die Zustimmung zum uneingeschränkten U-Bootkrieg bei seinem Besuch in Pleß am 25. und 26. Jänner 1917 anlässlich des Geburts­ tages ­Kaiser Wilhelms. Leopold Graf Berchtold, der als Zweiter Obersthofmeister mit in Pleß war, trug am 26. Jänner lakonisch in sein Tagebuch ein: „Im Ganzen Alle zufrieden mit Ergebnis der Plesser Besprechungen. Unterseebootkrieg à outrance beginnt ab 1. Februar.“ 235 Eine Verstimmung K ­ aiser Karls wegen des uneingeschränkten U-Bootkrieges ist auch aus seinem beim Besuch ­Kaiser Wilhelms in Laxenburg am 12. und 13. Februar 1917 ausgebrachten Trinkspruch nicht zu erkennen: Es gereicht mir zur wahren Freude, Euer Majestät hier herzlichst willkommen heißen zu können. – Schon während der Regierungszeit Weiland Seiner Majestät meines in Gott ruhenden Großoheims hat das enge (…) Bündnis, welches unsere Staaten aneinanderschließt und das im gegenwärtigen Kriege seine blutige Weihe erhalten hat, auch in der warmen Freundschaft ­zwischen den beiden Dynastien seinen erhebenden Ausdruck gefunden. Es liegt mir am Herzen, ­dieses teuere Vermächtnis (…) sorgsam zu hegen. (…) – In Leid und Freud’, in Krieg und Frieden vertrauensvoll geeint, wird es uns mit dem gnädigen Beistande des Allmächtigen gelingen, unsere Staaten einer glücklichen Zukunft entgegenzuführen.236

Graf Arthur Polzer-Hoditz, von Februar bis November 1917 Direktor der Kabinettskanzlei ­ aiser Karls, vermengte 1929 die Besprechung mit Zimmermann und H K ­ oltzendorff vom 20. Jänner 1917 mit dem zwei Tage s­ päter stattgefundenen Gemeinsamen Ministerrat und schrieb, der ­Kaiser sei „am 20. Jänner (…) von allem Anfang gegen den verschärften U-Bootkrieg“ gewesen und habe die Sitzung geschlossen, „ohne ein entscheidendes Wort zu sprechen“. Nach der Sitzung habe er Holtzendorff in Audienz empfangen und „die Zustimmung zum verschärften U-Bootkrieg in bestimmter Form“ abgelehnt. Als 234 Wilhelm II. an Cramon für Ks. Karl, Tel. o. Z., 23. Jän. 1917, ebd. fol. 4. 235 Berchtold TB-Eintr. 26. Jän. 1917, HHStA NL Berchtold 5, 5. Aug. 1916–Ende 1917 fol. 428. 236 Toast Ks. Karls auf Ks. Wilhelm 12. Feb. 1917, HHStA PA I, 606 d 134 fol. 259.

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Holtzendorff alle seine Argumente „an der grundsätzlichen und kategorischen Weigerung des Kaisers abprallen“ gesehen habe, sei er aufgestanden und habe erklärt, „es käme auf die Zustimmung Seiner Majestät ohnedies gar nicht mehr an, die Befehle ­seien bereits frühmorgens abgegangen, die U-Boote schon ausgefahren und getaucht“. So sei dem K ­ aiser „nichts anderes übrig (geblieben), als unter empörtem Protest seine Einwilligung zu geben“.237 Wie er zu dieser sehr farbigen und ­später von Cadars, Hoyer und Dugast Rouillé zitierten bzw. referierten Darstellung kam 238 und ob sie etwa auf Mitteilungen des Kaisers oder seiner nächsten Umgebung beruhte, ließ Polzer-Hoditz nicht wissen. An einer anderen Stelle schrieb er, nach der Kriegserklärung der Vereinigten Staaten an Deutschland habe der ­Kaiser ihm gegenüber geäußert: „Ich war immer gegen den U-Bootkrieg und ich habe mit allen Mitteln dagegen gekämpft; aber es war nichts zu machen (…).“ 239 Mit den Fakten kontrastieren auch die 1949 in Luxemburg im Zuge der Bemühungen um die Seligsprechung K ­ aiser Karls erfolgten Aussagen Exkaiserin Zitas und Karl ­Werkmanns, der von 15. Jänner 1917 an Leiter des bei der Generaladjutantur Seiner Majestät eingerichteten Pressedienstes für die allerhöchsten Herrschaften gewesen war.240 Zita 237 Polzer-Hoditz 1929, 272 – 274, Polzer-Hoditz wurde vom ­Kaiser am 7. Feb. 1917 „zum Kabinettssekretär und Sektionschef in meiner Kabinettskanzlei“ ernannt und mit deren Leitung betraut. Entw. eines A. h. Handschr., 7. Feb. 1917, HHStA Kab.-A. Dir.-Akten 1915 – 1917, Karton 21 fol. 15. 238 Cadars 1967 71, 48, Hoyer 1972, 141, Dugast Rouillé 1991, 63. 239 Polzer-Hoditz 1929, 267. – Meckling übernahm diese Schilderung kommentarlos und ebenso verfuhren ­später Novotny, Griesser-Pečar und Dugast Rouillé. Meckling 1969, 20, Novotny 1975, 98, Griesser-Pečar 1988, 43, Dugast Rouillé 1991, 64. Meckling schrieb aufgrund der Polzer-Hoditzschen Darstellung, der Gemeinsame Ministerrat habe den „Beitritt Österreich-Ungarns zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg mit schweren politischen Bedenken beschlossen“. Meckling 1969, 23, Abbé Delabays glaubte zu wissen, dass sich ­Kaiser Karl im Februar 1917 dem deutschen K ­ aiser gegenüber weigerte, mit den Vereinigten Staaten zu brechen, so wie er es ein Monat zuvor gegenüber Holtzendorff abgelehnt habe, sich am uneingeschränkten U-Bootkrieg zu beteiligen. Delabays 1945, 111. Rauchensteiner schrieb, Holtzendorff habe dem ­Kaiser mitgeteilt, „die deutsche U-Boot-Flotte wäre bereits (…) ausgelaufen und auch mit Hilfe von Radiotelegrafen gar nicht mehr von einer Gegenorder zu informieren (…) Der K ­ aiser und König war düpiert worden. Man hatte nur die Alternative, einen schweren Konflikt mit Deutschland ausbrechen zu lassen (…) oder sich zu fügen.“ Rauchensteiner 1993, 423, Rauchensteiner 2013, 703, eine Quelle für diese Aussage gibt Rauchensteiner nicht an, die zitierte Darstellung Polzer-Hoditz’ scheint ihm aber nicht unbekannt gewesen zu sein. Bridge meinte gar, die Monarchie sei über den Beginn des uneingeschränkten U-BootKrieges nicht konsultiert worden und „nur hilfloser Zuschauer der Ereignisse“ gewesen. Bridge 2006, 51. 240 Broucek Glaise-Horstenau 1 1980, 373. – Über die Werkmann von K ­ aiser Karl verliehene Funktion notierte der im K. d. M. tätige Gf. Walterskirchen am 20. Jän. 1917: „Von der Generaladjutantur (…) entsendet hat heute der Hauptmann Werkmann, der dem Kriegspressequartier (des AOK ) auf Allerhöchsten Befehl zugeteilt ist, um die Berichterstattung über Seine und Ihre Majestät einheitlich zu gestalten (…) vorgesprochen. – Er begann seine Ausführungen damit, daß er (…) seit März 1916, als er Kanzleidirektor des dem Befehl des damaligen Thronfolgers unterstellten Korps war, die Berichterstattung über

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sagte aus, der ­Kaiser sei „completamente contrario alla crudele guerra dei sottomarini“ gewesen. Die Deutschen hätten durch Holtzendorff versucht, den „Servo di Dio“ für eine Zustimmung zu gewinnen, was aber nicht möglich gewesen sei; sie hätten deshalb den U-Bootkrieg „senza il consenso dell’Austria“ begonnen.241 Werkmann sagte 1949 gar aus, der ­Kaiser habe bis zum letzten Moment gegen den U-Bootkrieg gekämpft; es hätten in dieser Sache unzählige Konferenzen im deutschen und im österreichisch-ungarischen Hauptquartier stattgefunden, bei denen es nie zu einer Einigung gekommen sei.242 In seinem 1923 erschienenen Buch „Der Tote auf Madeira“ hatte Werkmann dagegen geschrieben: „Kaiser Karl hat (…) schließlich dem Unterseebootkrieg zugestimmt, aus dem sachlichen Grunde, weil die Teilnahme unserer wenigen U-Boote keinen größeren Anteil an dieser Kriegführung als die nicht verweigerbare Überlassung von Häfen an deutsche Boote bedeutete.“ 243 Seine k. u. k. Hoheit hatte. So stammte auch der Bericht über die Durchbruchsschlacht bei Folgaria, der Bericht über die Reise der Frau Erzherzogin Zita durch Siebenbürgen und anderes aus seiner Feder.“ ­Walterskirchen, p. d. Notiz 79, 20. Jän. 1917, HHS tA PA I, 601 fol. 46 – 46v. Ein Anonymus schrieb 1919 über die Werkmann zugedachte Aufgabe: „Um (seine Volkstümlichkeit) wieder zu heben, kam der darauf erpichte ­Kaiser auf ganz merkwürdige Einfälle. Beispielsweise wurde (…) Werckmann (sic!) mit seinem Stab von Kinooperateuren und Photographen in der Hofburg untergebracht und mit der besonderen Aufgabe betraut, über den K ­ aiser, dessen Familie, die Erzherzoge und Erzherzoginnen verherrlichende Aufsätze zu verfassen, die mit allen Mitteln in der heimischen und neutralen Presse verbreitet wurden. (…) Werckmann und seine Mitarbeiter begleiteten den K ­ aiser sogar auf allen seinen Reisen zur Front und anderswohin (…).“ Anonym 1984. 247 (Erstausg. 1919). Werkmanns Tätigkeit beleuchtet auch ein Telegramm Sektionsrat Práznovszkys, des stellvertretenden Chefs des Pressdepartments im M. d. Ä., an Sekt.-Chef Müller: „Hauptmann Werkmann hat mich heute aufgesucht und mitgeteilt, dass er im Rahmen seiner eigentlichen Mission (Dynastische Propaganda im Hinterland) gute Beziehungen zu den sehr weit verbreiteten Volksblättern hat und glaubt in der Lage zu sein, diese Blätter in dem von uns gewünschten Sinne zu beeinflussen. (…) Da Seine Majestät, wie (…) Werkmann mir erwähnte, keine Zeitungen liest, nur sich über die Schreibweise Bericht erstatten lässt (…) habe ich (…) Werkmann, der sozusagen als eines der ausführenden Organe unseres Pressdepartments fungieren will, ermächtigt, die genannten Blätter zu der angegebenen Schreibweise zu veranlassen.“ Práznovszky an Müller, Tel. 245, 3. Feb. 1918, HHS tA PA I, 1081 Aus Wien 1918 fol. 153. Die Werkmann nach dem Ende der Monarchie zugedachte Rolle ist aus einem am 14. Nov. 1920 an Schager gerichteten Brief des Kaisers ersichtlich: „Mein (…) politischer Sekretär ist Hauptmann Karl Werkmann (…).“ Exkaiser Karl an Schager 14. Nov. 1920, Kovács 2 2004, 705 Dok. 221. 241 Zita Aussage 31. Dez. 1949, Congregatio. 1 1994, 535, 760; in einem Interview erklärte Zita 1922: „L’empereur (…) était absolument hostile à la guerre sous-marine.“ Le Matin 24. Jän. 1922, 1. 242 Werkmann Aussage 31. Dez. 1949, Congregatio, 1 1994, 465. 243 Werkmann 1923, 75. – Möglicherweise beeindruckt von diesen Aussagen, jedoch ohne sich auf s­ olche oder andere Quellen zu berufen, erklärte Feigl, Ludendorff (sic!) habe, „mutwillig und provokativ, gegen den erbitterten Widerstand ­Kaiser Karls, den U-Bootkrieg begonnen“. Feigl 2004, 164. Im selben Sinne und auch ohne irgendeinen Beleg anzuführen schrieb Bernard Charpentier, „secrétaire de la Ligue de prière Empereur Charles pour la Paix entre les peuples“ in Luxemburg: „Le 1er février, l’Allemagne déclenche la

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Folgt man einer von Cramon und Fleck wiedergegebenen Darstellung Conrad von Hötzendorfs, so trug dieser zur Entscheidung des Kaisers für den uneingeschränkten U-Bootkrieg ausschlaggebend bei. Er nämlich habe zu bedenken gegeben, „daß, wenn Seine Majestät (…) das schärfste Schwert, über das die Mittelmächte verfügten, in der Scheide rosten lassen wolle, er auch in Zukunft die volle Verantwortung für den Verlust des Krieges tragen müsse“.244 Czernin informierte am 23. Jänner 1917 die k. u. k. Missionen in den europäischen neutralen Ländern: Die Antwort der Entente (auf den Friedensvorschlag vom 12. Dez. 1916) ­welche sich die Zerschmetterung der Monarchie zur Aufgabe setzt, macht es uns zur heiligen Pflicht gemeinsam mit unseren Bundesgenossen den Kampf bis zum Aeussersten fortzusetzen. – Es wird daher schon in der allernächsten Zeit mit dem verschärften U-Bootkrieg sowohl in den nördlichen Gewässern als auch in der Adria eingesetzt werden. (…) – Sobald die öffentliche Ankündigung dieser neuen Kriegsphase erfolgt, wollen Euer ./. alles daran setzen, um bei der dortigen Regierung sowie in der Presse das richtige Verständnis für unseren Schritt zu erwecken und klarzustellen, daß uns gegenüber den eingestandenen Kriegszielen unserer Feinde leider keine andere Möglichkeit als der Kampf bis aufs Messer bleibt. – (…) Wir werden, wenn wir unseren Feinden die Überzeugung beigebracht haben, daß wir nicht zu vernichten sind, wieder bereit sein, einen Frieden zu schließen, der unsere Integrität, Freiheit und Entwicklung für die Zukunft sichert. – Wir haben einen Verständigungsfrieden angeboten, sie verlangten (sic!) unsere Vernichtung. Kein Neutraler, der objektiv urteilen will, kann sich der Wahrheit entziehen, daß es daher unsere heilige Pflicht ist, uns mit allen Mitteln zu wehren.245

Präsident Wilson hielt am 22. Jänner vor dem Senat eine Rede, in der er erklärte, die Mächte der Entente hätten auf seine Botschaft vom 18. Dezember 1916 viel ausführlicher guerre sous-marine à outrance, mettant Charles, qui veut s’y opposer, devant le fait accompli.“ ­Charpentier 2009 103, 1. 244 Cramon Fleck 1932, 176. – Kovács erklärte 2004, der „Widerstand Conrads gegen die Befehle ­Kaiser Karls“ habe „beim Kronrat vom 22. Jänner den Gipfel erreicht, als er alle Teilnehmer zum verschärften U-Boot-Krieg motivierte und dem jungen ­Kaiser die eigene Ohnmacht zu Bewußtsein brachte“. Kovács 1 2004, 119. Gar von einer Niederlage K ­ aiser Karls im Gemeinsamen Ministerrat vom 22. Jänner wusste Kovács 2007 zu berichten. In einem Beitrag zu einem von der Kanzlei des Ordens vom Goldenen Vlies herausgegebenen Band schrieb sie, Conrad habe „den Deutschen die österreichische Teilnahme am U-Boot-Krieg zugesagt, das diesbezügliche Votum im Kronrat herbeigeführt und damit den K ­ aiser überstimmt (…)“. Kovács 2007, 128 Einen Hinweis, worauf sie sich bei der Darstellung eines so unerhörten Ereignisses, welches bei der Lektüre des trockenen Protokolls der Sitzung niemand auch nur mutmaßen würde, stützte, blieb Kovács allerdings schuldig. 245 Czernin an Missionen in Kopenhagen, Stockholm, Haag, Madrid u. Bern, Tel. 16, 14, 32, 30 bzw. 37, 23. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 7 – 8v.

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geantwortet als die Mittelmächte und, „wenn auch nur in allgemeinen Umrissen, so doch mit genügender Bestimmtheit (…) die Vereinbarungen, Bürgschaften und Wiederherstellungen (…) angegeben, die ihnen als die unumgänglichen Bedingungen einer befriedigenden Lösung“ erschienen. Zur Beendigung des Krieges geschlossene Verträge müssten „Bedingungen verwirklichen, die einen Frieden schaffen, welcher wert ist, verbürgt und erhalten zu werden (…). Die Elemente ­dieses Friedens müssen Elemente sein, ­welche das Vertrauen der amerikanischen Regierung verdienen (…). Es werde nötig sein, eine Kraft zu schaffen, „die imstande ist, die Dauerhaftigkeit der Abmachung zu verbürgen (…).“ 246 Erforderlich sei nicht ein Gleichgewicht der Kräfte, „nicht organisierte Nebenbuhlerschaft, sondern organisierter Gemeinfriede“. Über diesen Punkt habe er glücklicherweise sehr ausführliche Versicherungen erhalten: „Die Erklärungen der beiden jetzt gegeneinander aufgebotenen Völkergruppen stellen in nicht mißzuverstehender Weise fest, daß es nicht in ihrer Absicht liege, ihre Gegner zu vernichten.“ Es müsse Frieden werden ohne Sieg: „Ein Sieg würde einen Frieden bedeuten, der den Unterlegenen aufgezwungen wird (…). Er würde als Demütigung, (…) als unerträgliches Opfer angenommen werden, er würde einen Stachel, Rachsucht, ein bitteres Gedenken hinterlassen, auf dem das Friedensgebäude (…) nur auf Flugsand ruhen würde.“ Nur ein Friede unter Gleichen könne Dauer haben. Er „halte es (…) für ausgemacht, daß die Staatsmänner überall darin einig sind, daß es ein einiges, unabhängiges, selbständiges Polen geben sollte, und daß (…) unverletzliche Sicherheit allen Völkern gewährleistet werden sollte, die bis jetzt unter (…) Regierungen gelebt haben, die (…) einem Zwecke gewidmet sind, der ihrem eigenen feindlich ist“.247 Soweit als möglich sollte jedes große Volk eines direkten Ausganges zur See „versichert sein“. Wo dies durch Gebietsabtretung nicht bewerkstelligt werden könne, werde es „durch Neutralisierung der Zugangswege unter allgemeiner Garantie erreicht werden können“. Die Freiheit der Meere sei „eine conditio sine qua non für den Frieden“. Er schlage vor: „Es mögen sich die Völker einmütig die Doktrin des Präsidenten Monroe (…) zu eigen machen, daß kein Volk danach streben sollte, seine Regierungsform auf irgendein anderes (…) zu erstrecken (…).“ 248 Er schlage weiters vor: Es mögen in Zukunft alle Völker unterlassen, sich in Bündnisse zu verwickeln, die sie in den Wettbewerb um die Macht hineintreiben (…) Wenn sich alle vereinigen, um in demselben Geiste zu demselben Zweck zu handeln, so wirken alle im gemeinsamen Interesse und g­ enießen die Freiheit (…) unter gemeinsamem Schutze.249

246 Penfield an Czernin, 22. Jän. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 361, Address by President Wilson ebd. fol. 362 – 372, Übers. ins Dt. fol. 373 – 378; Druck: F-B M 23. Jän. (1917), 2 – 3. 247 Ebd. 248 Ebd. 249 Ebd.

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Er empfehle: Eine Regierung unter Zustimmung der Regierten, jene Freiheit der Meere, (…), und eine Beschränkung der Rüstungen, die aus den Heeren und Flotten lediglich ein Werkzeug der Ordnung, nicht aber (… für) eigensüchtige Gewalttätigkeiten macht. (…) Es sind die Grundsätze der Menschheit und sie müssen zur Geltung gelangen.250

Der Text der Rede wurde durch Botschafter Penfield noch am 22. Jänner Czernin übermittelt.251 Am 28. Jänner 1917 unterrichtete Czernin die k. u. k. Vertretungen, dass er wegen des verschärften U-Bootkrieges am 31. Jänner den Vertretern der neutralen Staaten eine diesbezügliche Note zukommen gelassen habe. Der Text dieser Note lautete: Oesterreich-Ungarn und seine Verbündeten haben im August 1914 den ihnen aufgezwungenen Kampf aufgenommen. Das Bewußtsein, daß es sich um die Verteidigung ihres Bestandes und ihrer Lebensinteressen handle, hat ihnen die Kraft verliehen, der Ueberzahl der Feinde standzuhalten und Erfolge zu erringen, an ­welche jene der Gegner nicht heranreichen. (…) – In dem Maße, als die Eroberungspläne der Feinde zunichte wurden, konnten OesterreichUngarn und seine Verbündeten ihre rein defensiven Kriegsziele als erreicht betrachten. Diese maßvolle Erkenntnis und der Wunsch, weiteres nutzloses Blutvergießen zu vermeiden, haben das Friedensangebot der vier verbündeten Mächte gezeitigt. Ihre Gegner (…) haben d ­ ieses Angebot schroff zurückgewiesen. (…) Gegenüber der Absicht der Gegner, die Heere Oesterreich-Ungarns und seiner Verbündeten zu bezwingen, ihre Flotten zu vernichten und ihre Bevölkerungen auszuhungern, muß der Kampf seinen Fortgang nehmen, (…) mit allen, auch den schärfsten Waffen. (…) In Ausführung dieser Absicht wird vom 1. Februar 1917 an in den (…) Sperrgebieten um Großbritannien, Frankreich und Italien (…) und im östlichen Mittelmeer jedem Seeverkehr (…) entgegengetreten werden.252

Von der am 31. Jänner erfolgten Überreichung einer an die Vereinigten Staaten gerichteten analogen Note 253 setzte Botschafter Penfield den Secretary of State noch am selben Tag in Kenntnis und von ihrem Inhalt am 1. Februar.254

250 Ebd. 251 Ebd. 252 Czernin an die Vertr. in den neutralen Staaten Europas, 28. Jän. 1917, HHS tA PA I, 503 XLVII /3 (15) fol. 15 – 18v. 253 Czernin an Penfield, Note 508, 31. Jän. 1917, ebd. fol. 130 – 133v; idem: HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 433 – 437. 254 Penfield an Lansing, Tel. 1674, 1. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 104 – 105.

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Die der österreichisch-ungarischen entsprechende deutsche Note an die neutralen Staaten brachte Botschafter Wedel am 29. Jänner 1917 dem Wiener Ministerium des Äußern zur Kenntnis, am 31. Jänner überreichte er Czernin ihren Text.255 Der deutsche Botschafter Johann Heinrich Graf von Bernstorff in Washington war vom Beschluss, den uneingeschränkten Unterseebootkrieg zu beginnen, am 16. Jänner durch Zimmermann in Kenntnis gesetzt worden: Nach schroffer Ablehnung unseres Friedensangebotes hat Entente in Antwort an Wilson zum Ausdruck gebracht, daß sie zur Fortsetzung des Krieges entschlossen ist, um Deutschland Provinzen im Westen und Osten zu rauben, Oesterreich-Ungarn zu zertrümmern, Türkei zu vernichten. (…) Aus Rücksicht auf Neutrale hat Deutschland von U-Boot-Waffe bisher nicht vollen Gebrauch gemacht. Nachdem Entente Verständigung auf der von Zentralmächten vorgeschlagenen Grundlage (…) unmöglich gemacht (…), kann Deutschland diesen Verzicht nicht weiter aufrecht erhalten. Wir zweifeln nicht, daß Präsident (…) einsehen wird, daß jetzt enthüllte Absichten der Entente Deutschland die in der Note vom 4. Mai 1916 vorbehaltene Freiheit der Entschließung wiedergeben. – Demgemäß wird Deutschland völkerrechtswidrigen Maßnahmen der Gegner dadurch begegnen, daß es vom 1. Februar ab in einem Gebiet um Großbritannien und Frankreich jeden – auch neutralen – Schiffsverkehr von und nach England und Frankreich gewaltsam verhindert. (…) – Von dieser Maßnahme verspricht sich die Deutsche Regierung die baldige Beendigung des Krieges (…) – Dortiger Regierung keine Andeutungen, sondern erst am 1. Februar (…) amtliche Mitteilung machen. (…) – Ich bin mir wohl bewußt, daß wir mit unserem Vorgehen Gefahr laufen, den Bruch und möglicherweise den Krieg mit den Vereinigten Staaten herbeizuführen. Wir sind entschlossen, ­dieses Risiko auf uns zu nehmen (…).256

Bernstorff versuchte hierauf erfolglos, Berlin von dem Beschluss abzubringen oder zumindest zu seinem Hinausschieben zu bewegen. Am 19. Jänner telegrafierte er: Krieg unvermeidlich bei beabsichtigtem Vorgehen. Gefahr Bruch könnte vermindert werden durch Ansetzung bestimmter Frist, etwa eines Monats, behufs Schonung neutraler Schiffe und Passagiere (…) – Wenn militärische Gründe (…) durchschlagend sind, wäre Aufschub dringend erwünscht. Wilson glaubt Frieden erreichen zu können auf Grundlage der von uns vorgeschlagenen Gleichberechtigung aller Nationen. House sagte mir noch gestern, daß ­Wilson in

255 Wedel an M. d. Ä., 29. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 160 u. 162 – 164, Tagesber. des M. d. Ä. 31. Jän. 1917 Beil. 2, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz. 256 Bethmann Hollweg an Bernstorff, Tel. 157, 16. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/1 1920, 45 – 47 Dok. 57.

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allernächster Zeit vorgehen wolle, da er infolge unserer Erklärungen über künftige Friedensliga usw. Friedenskonferenz für günstig halte.257

Bereits am 16. Jänner hatte der Botschafter berichtet, „daß (der) Präsident augenblicklich keinen anderen Gedanken hat, als Frieden zu stiften, und diese Absicht mit äußerster Energie (…) durchzuführen (…). In allernächster Zeit ist eine weitere Erklärung Wilsons vermutlich in Form einer Botschaft an den Kongreß zu erwarten. Anscheinend will er darin das amerikanische Volk auffordern, ihm zu helfen, den Frieden zu erzwingen (…).“ 258 Am 26. Jänner wurde Bernstorff von Zimmermann angewiesen: Amtliche Mitteilung an dortige Regierung ist am 31. Januar abends vorzunehmen. ­Ausdrückliches Betonen, daß auch neutrale Schiffe im Sperrgebiet versenkt werden, unterbleibt. Bestimmte Fristen für Schonung neutraler Schiffe und unbewaffneter feindlicher Passagierdampfer können nicht angegeben werden, weil dadurch Erfolg militärischer Maßnahmen schwer beeinträchtigt werden würde. – Neutrale Schiffe, die die Sperrgebiete befahren, tun dies auf eigene Gefahr, wenn auch Vorsorge getroffen ist, daß neutrale Schiffe, die am 1. Februar auf Fahrt nach Häfen der Sperrgebiete in deren Nähe gekommen sind, während einer angemessenen Frist geschont werden (…). Bitte (…) nachdrücklich betonen, daß Fristen genügend lange sind. (…) – Neutrale Schiffe, die in Häfen der Sperrgebiete liegen, können mit gleicher Sicherheit (…) (diese) noch verlassen, wenn sie vor dem 5. Februar auslaufen und den kürzesten Weg in freies Gebiet nehmen.259

Am 27. Jänner erging die Weisung an Bernstorff, den ihm zugleich mitgeteilten Wortlaut der Note über den Beginn des uneingeschränkten U-Bootkrieges der amerikanischen Regierung am 31. Jänner zur Kenntnis zu bringen, in Berlin werde die Note am selben Tage Botschafter Gerard überreicht.260 Dieser telegrafierte nach ihrem Erhalt an Lansing: Zimmermann gave me reckless submarine note and memorandum and maps. (…) He said that Bernstorff had been told to urge the President to make peace, that Germany was compelled to take this step, and that he hoped that the President will stay quiet for two months in which time he was sure they could by submarine war compel England to ask for terms (…).261

257 Bernstorff an A. A., Tel. 222, 19. Jän. 1917, ebd. pp 48 – 49 Dok. 60. 258 Bernstorff an A. A., Tel. 212, 16. Jän. 1917, ebd. pp 47 – 48 Dok. 59, idem: SG 1 1962, 675 – 676 Dok. 469. 259 Zimmermann an Bernstorff, Tel. 171, 26. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/1 1920, 55 – 56 Dok. 64. 260 Zimmermann an Bernstorff, Tel. 174, 27. Jän. 1917, ebd. pp 69 – 7 1 Dok. 66, idem: SG 1 1962, 681 – 683 Dok. 474. 261 Gerard an Lansing, Tel. 4972, 31. Jän. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931, 37.

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Bernstorff versuchte noch am 27. Jänner 1917, die Berliner Regierung von der Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges abzubringen. Colonel House habe ihn zu sich gebeten und ihm im Auftrag des Präsidenten mitgeteilt: Wilson anbietet zunächst vertraulich Friedensvermittlung auf Grund seiner Senatsbotschaft,262 d. h. also ohne Einmischung in territoriale Friedensbedingungen. Als nicht vertraulich betrachte Wilson sein gleichzeitig an uns gerichtetes Ersuchen um Mitteilung unserer Friedensbedingungen. – House entwickelte mir folgenden Gedankengang des Präsidenten: Unsere Feinde hätten ihre unmöglichen Friedensbedingungen offen ausgesprochen. (…) Nunmehr s­ eien auch wir moralisch verpflichtet, unsere Bedingungen bekanntzugeben, weil unsere Friedensabsichten sonst als nicht ehrliche angesehen werden würden. Nachdem Euer Exzellenz Herrn Wilson mitgeteilt hätten, daß unsere Friedensbedingungen gemäßigte ­seien (…) glaube Präsident, daß er mit seiner Senatsbotschaft unseren Absichten entsprochen hätte. – Wilson hoffe, daß wir ihm Friedensbedingungen mitteilen würden, w ­ elche hier und in Deutschland veröffentlicht werden dürften, (…) wenn wir nur in ihn Vertrauen hätten, sei Präsident überzeugt, daß er dann die beiden Friedenskonferenzen erreichen könne (…) und zwar so schnell, daß (…) Blutvergießen der Frühjahrsoffensiven verhindert werde.

Bernstorff fuhr fort: Wenn jetzt ohne weiteres U-Bootkrieg begonnen wird, wird Präsident dies als Schlag ins Gesicht betrachten, und Krieg mit den Vereinigten Staaten ist unvermeidlich. (…) Andernfalls, wenn wir auf Wilsons Vorschlag eingehen, allein Pläne trotzdem an der Hartnäckigkeit unserer Gegner scheitern, wird es dem Präsidenten sehr schwer werden, gegen uns in den Krieg zu gehen, selbst wenn wir dann uneingeschränkten U-Bootkrieg anfangen. Es handelt sich also vorläufig nur um einen Aufschub von kurzer Dauer, um unsere diplomatische Stellung zu verbessern. Ich selbst bekenne mich (…) zur Ansicht, daß wir jetzt durch Konferenzen einen besseren Frieden erreichen werden, als wenn sich die Vereinigten Staaten unseren Feinden anschließen.263

Auf ­dieses Telegramm hin fuhren, folgt man einer Depesche Hohenlohes an Czernin vom 29. Jänner 1917, Bethmann Hollweg und Zimmermann am Abend des 28. Jänner ins Große Hauptquartier nach Pleß, um Bernstorffs Anregungen dort zur Sprache zu bringen. Hohenlohe bemerkte dazu skeptisch, Unterstaatssekretär Stumm sei, „ich glaube 262 Vom 22. Jän. 1917. 263 Bernstorff an A. A., Radiotel. 239, 27. Jän. 1917, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 8 – 9, „vom dt. Botschafter am 29. Jän. 1917 mitgeteilt“; idem: 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/1 1920, 73 – 74 Dok. 69, SG 1 1962, 684 – 685 Dok. 475, Übers. ins Engl., PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 31 – 33, Link PWW 41 1982, 49 – 50.

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mit Recht, der Ansicht, daß dabei wohl gar nichts herauskommen dürfte, da die Zeit ja viel zu kurz ist, um an den gefaßten Entschlüssen noch irgend etwas zu ändern“.264 Admiral Müller trug dazu unter dem 29. Jänner in sein Tagebuch ein: Valentini kommt (…) und erzählt mir, der Reichskanzler würde gleich hier sein, um mit dem ­Kaiser die Nachrichten aus Washington zu besprechen. (…) Der ­Kaiser außer sich, daß ihm wieder eine Entscheidung zugemutet wird. – Um 12 Uhr wurde ich zu Sr. Majestät gerufen. Der Reichskanzler, Zimmermann, Hindenburg, Ludendorff, (Ernst Ludwig von) Hessen(-Darmstadt) und (Moriz von) Lyncker waren schon dort. Der Reichskanzler verlas den Entwurf zu einer Instruktion an den Botschafter in Washington als Antwort auf eine Mitteilung Wilsons an Bernstorff, worin er um Mitteilung unserer Friedensbedingungen bittet (…) – Die (…) Antwortinstruktion hält an dem rücksichtslosen U-Bootkrieg zum 1. Februar fest, kommt aber Wilson entgegen, in dem er aufgefordert wird, seine Friedensbemühungen fortzusetzen für den Zeitpunkt, in welchem der frivole Kriegswille der Entente gebrochen sein wird. – Zum Schluß werden Wilson (…), nur für seine Person bestimmt, die Friedensziele mitgeteilt, die wir bei der Friedensdemarche vom 12. Dezember gesetzt hatten. (…) – Der Kanzler verteidigte geschickt die Instruktion, die ohne Preisgabe des U-Bootkrieges die Möglichkeit schaffen sollte, daß Amerika wenigstens nicht gleich in den Krieg einträte. (…) – Hindenburg war einverstanden. Der ­Kaiser auch (…).265

Bethmann Hollweg wies daraufhin Bernstorff am 29. Jänner 1917 an: Bitte dem Präsidenten Dank (…) für seine Mitteilung aussprechen. Wir bringen ihm volles Vertrauen entgegen und bitten ihn, dasselbe auch uns zu schenken. Deutschland ist bereit, vertraulich angebotene Vermittlung zur Herbeiführung einer direkten Konferenz der Kriegführenden anzunehmen und wird seinen Verbündeten das Gleiche empfehlen (…).266

Er wies Bernstorff weiters an mitzuteilen, dass Deutschland seine Friedensbedingungen nicht nennen könne, „nachdem Entente Friedensbedingungen publiziert hat, die auf Entehrung und Vernichtung Deutschlands und seiner Bundesgenossen hinauslaufen und vom Präsidenten selbst als unmöglich bezeichnet werden“. Diese Bedingungen könnten nicht als „Bluff “ aufgefasst werden, da sie „sich genau mit Zielen decken, um 264 Hohenlohe an Czernin, Tel. 44, 29. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 167. 265 Müller TB-Eintr. 29. Jän. 1917, Görlitz 1959, 254. 266 Bethmann Hollweg an Bernstorff, Tel. 65, 29. Jän. 1917, HHStA PA I, 524 XLVII/13.1 fol. 9 – 11, „vom dt. Botschafter am 29. Jän. 1917 mitgeteilt“, idem: DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/1 1920, 74 – 76 Dok. 72, Ludendorff 1920, 342 – 344 Dok. XVI /25 (mit Anm.: „Der Generalfeldmarschall ­(Hindenburg) und ich (Ludendorff) haben ­diesem Schreiben zugestimmt.“), Link PWW 41 1982, 59 – 61.

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deretwillen Italien und Rumänien überhaupt in den Krieg eingetreten sind, auch, was die Türkei anlangt, den von England und Frankreich vertraglich an Rußland gemachten Zusicherungen entsprechen. Solange diese Kriegsziele unserer Gegner öffentlich aufrechterhalten werden, würde öffentliche Bekanntgabe unserer Friedensbedingungen als ­­Zeichen nicht vorhandener Schwäche unvertretbar sein und nur zur Verlängerung des Krieges beitragen.“ 267 Um jedoch dem Präsidenten einen Beweis ihres Vertrauens zu geben, teile ihm die deutsche Regierung „ganz ausschließlich für seine Person“ die Bedingungen mit, unter denen man bereit gewesen wäre in Friedensverhandlungen einzutreten: Rückerstattung des von Frankreich besetzten Teils von Oberelsaß. – Gewinnung einer Deutschland und Polen gegen Rußland strategisch und wirtschaftlich sichernden Grenze. – Koloniale Restitution in Form einer Verständigung, die Deutschland einen seiner Bevölkerungszahl und der Bedeutung seiner wirtschaftlichen Interessen entsprechenden Kolonialbesitz sichert. – Rückgabe der von Deutschland besetzten französischen Gebiete unter Vorbehalt strategischer und wirtschaftlicher Grenzberichtigungen sowie finanzieller Kompensationen. – Wiederherstellung Belgiens unter bestimmten Garantien für die Sicherheit Deutschlands (…). – Wirtschaftlicher und finanzieller Ausgleich auf der Grundlage des Austausches der beiderseits eroberten und im Friedensschluß zu restituierenden Gebiete. (…) – Verzicht auf alle wirtschaftlichen Abmachungen und Maßnahmen, ­welche ein Hindernis für den normalen Handel und Verkehr (…) bilden würden (…). – Sicherstellung der Freiheit der Meere. – (…) Wir sind ferner bereit, auf der Basis der Senatsbotschaft des Präsidenten Wilson in die von ihm nach Beendigung des Krieges angestrebte internationale Konferenz einzutreten.268

Bernstorff wurde instruiert, dem Präsidenten bei Übergabe der Note Mitteilung über die Verschärfung des U-Bootkrieges zu machen und Folgendes anzumerken: Wenn sein Angebot nur wenige Tage vorher erfolgt wäre, hätten wir den Beginn des neuen U-Bootkrieges vertagen können. Jetzt sei es (…) aus technischen Gründen leider zu spät, da (…) U-Boote mit neuen Instruktionen bereits ausgelaufen ­s eien. Form und Inhalt der feindlichen Antwortnote auf unser Friedensangebot und die Note des Präsidenten ­s eien derart schroff gewesen, daß wir angesichts des uns aufs Neue angekündigten Kampfes auf Leben und Tod die Anwendung des besten, zu schneller Kriegsbeendigung geeigneten Mittels nicht mehr hinausschieben (…) können. – Wie die Instruktion (…) ergibt, sind wir jederzeit bereit, den Bedürfnissen Amerikas nach aller Möglichkeit Rechnung zu tragen. Wir bäten den Präsidenten, seine Bemühungen trotzdem (…) fortzusetzen, und erklären 267 Ebd. 268 Ebd.

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uns zur Einstellung des v­ erschärften U-Bootkrieges bereit, sobald volle Sicherheit dafür geboten sei, daß die Bemühungen des Präsidenten zu einem für uns annehmbaren Frieden führen würden.269

Am selben Tag wies Zimmermann Botschafter Wedel an: „Bitte Graf Czernin unverzüglich entsprechend zu verständigen. Wir hoffen, daß er unserer Demarche, die wir wegen Dringlichkeit nicht vorher mit ihm erörtern konnten, zustimmt und analogen Schritt macht.“ 270 Am 31. Jänner schrieb Bernstorff Bethmann Hollwegs Weisungen folgend an Colonel House, die Reichsregierung habe „complete confidence in the President and hopes that he will reciprocate such confidence“ und informierte ihn entsprechend dem Telegramm von Bethmann Hollweg vom 29. Jänner. Um aber dem Präsidenten das Vertrauen der Reichsregierung zu bezeugen sei er angewiesen worden, Wilson persönlich die Bedingungen mitzuteilen „under which we would have been prepared to enter into negotiations, if our enemies had accepted our offer of December 12“. Nun bitte sie den Präsidenten „to continue his efforts to bring about peace“. Der U-Boot-Krieg werde beendet, „as soon as it is evident that the efforts of the President will lead to a peace acceptable for Germany“.271 Helfferich erklärte ­später, auf Bernstorffs Nachricht vom 27. Jänner hin, von deutscher Seite sei „das (…) überhaupt noch mögliche geschehen, um dem Präsidenten (…) freies Feld für diesen neuen Versuch zu geben“. Wilson habe es aber vorgezogen, „trotz der Mitteilung der von uns als Grundlage (…) ausgearbeiteten Bedingungen und trotz unserer Bereitwilligkeit, den uneingeschränkten U-Bootkrieg (…) einzustellen, wenn es ihm gelungen sei, erfolgversprechende Grundlagen für Friedensverhandlungen zu sichern, brüsk jede weitere Verhandlung abzuschneiden und die diplomatischen Beziehungen (…) abzubrechen“.272 Bethmann Hollweg sagte 1919 vor dem Untersuchungsausschuss der Verfassunggebenden Nationalversammlung über die Situation: „Wir haben in ­diesem Telegramm vom 29. Jänner dem Präsidenten ein sehr mäßiges Friedensprogramm mitgeteilt (…) wir würden den U-Boot-Krieg sofort aufheben, sobald er uns irgend eine Sicherheit eröffnen könne, daß wir zu annehmbaren Friedensverhandlungen kommen (…)“. Eine Vermittlertätigkeit Wilsons habe er, Bethmann Hollweg, abgelehnt: Wenn wir ihn „als unseren 269 Ebd. Steglich meinte zum Kriegszielprogramm: „Das Programm war der besonderen Lage, in der sich die deutsche Regierung befand, angemessen: In seinen unbestimmten Formulierungen konnten die Militärs ihre Wünsche berücksichtigt, die Staatsmänner aber ihren mäßigenden Einfluß verwirklicht sehen. Insofern war es also eine Kompromißformel.“ Steglich 1958, 176. 270 Zimmermann an Botschaft Wien, Tel. 5, 29. Jän. 1917, Steglich 1958, 176. 271 Bernstorff an House, 31. Jän. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 34 – 36, Link PWW 41 1982, 80 – 81. 272 Helfferich Weltkrieg. 2 1919, 427 – 428.

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Sachwalter akzeptierten, ja, dann waren wir doch gezwungen, alle ­Friedensbedingungen der Entente, die er uns vorlegte, anzunehmen. (…) Wir konnten ja nicht sagen: diese Bedingungen lehnen wir ab; das hätte die Erneuerung des Krieges (…) bedeutet, und dazu wäre das deutsche Volk nicht zu haben gewesen. (…) In unserem Telegramm (…) (s. Anm. 266) haben wir uns eine gewisse Sicherung gegen unmögliche Friedensbedingungen (…) bei einem durch Wilson vermittelten Frieden schaffen wollen. (…) Was hinderte ihn denn, das Telegramm (…) zu beantworten und uns zu sagen: Jawohl, hier habt ihr die Sicherheit (…), die Entente ist bereit, zu verhandeln, stellt sofort den U-Boot-Krieg ein, sofort! (…) Aber der Präsident (…) hat unsere Antwort (…) so mißachtet, daß er überhaupt keine Antwort darauf gegeben hat.“ 273 Bernstorff erklärte dagegen am selben Tag vor dem Ausschuss: „Ich war der Ansicht, daß es (…) nur eine einzige Möglichkeit gab, die Vereinigten Staaten aus dem Kriege herauszuhalten, indem wir (… ihre) Friedensvermittlung (…) annahmen (…).“ 274 Und am 14. April 1920 sagte er aus: Ich bin heute noch immer der Ansicht, daß durch die Friedensvermittlung Wilsons ein Friede herbeigeführt worden wäre. (…) Nachdem Deutschland die Friedensvermittlung abgelehnt hatte, die nach seiner (Wilsons) Ansicht zu einem Frieden ohne Sieg geführt hätte, hat er geglaubt, daß Deutschland eben durch den U-Boot-Krieg die Absicht hätte, einen entscheidenden Sieg herbeizuführen. Und das wollte er verhindern.275

Botschafter Hohenlohe gab sich darüber, wie die Erklärung des uneingeschränkten U-Bootkrieges auf die Neutralen wirken werde, frohen Hoffnungen hin. Er meinte in einem Bericht an das Ministerium des Äußern, „dass England durch die Blockade der Nordsee uns einen grossen Gefallen erwiesen habe, da die Verschärfung des U-BootKrieges allgemein als Gegenmassregel aufgefasst werden wird“.276

1.3

Die USA brechen die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab – die Beziehungen zwischen Washington und Wien in der Schwebe

Wie Wilson die Verschärfung des U-Bootkrieges persönlich aufnahm, geht aus einer Aufzeichnung von Colonel House über einen Besuch beim Präsidenten am 1. Februar hervor: 273 Bethmann Hollweg am 17. Nov. 1919, DNV 1919/20 Sten. Ber. 15. UA, 2 1920, 618 bzw. 657 – 658. 274 Bethmann Hollweg am 17. Nov. 1919, DNV 1919/20 Sten. Ber. 15. UA, 2 1920, 618 bzw. 657 – 658, Bernstorff Aussage ebd. p 652. 275 Bernstorff Aussage am 14. Apr. 1920, ebd. pp 760 – 762. 276 Tagesber. des M. d. Ä. 31. Jän. 1917 Beil. 3, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz.

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The President was sad and depressed (…). He was deeply disappointed in the sudden and unwarranted action of the German Government (…). – The question we discussed longest was whether it was better to give Bernstorff his passports immediately or wait until the Germans committed some overt act. When Lansing came (…) we all agreed that it was best to give him his passports at once, because by taking that course there was a possibility of bringing the Germans to their senses.277

Außenminister Lansing gab seiner Überzeugung, dass die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland sofort abgebrochen werden müssten, auch in einem Schreiben Ausdruck, das er am 2. Februar 1917 an Wilson richtete: „I am firmly convinced that we must without taking any preliminary step break off diplomatic relations by sending Bernstorff and his suite home and by recalling Gerard and closing our Embassy at Berlin.“ Das weitere Vorgehen jedoch müsse wohl überlegt werden. Dafür stünden zwei Möglichkeiten offen: First: To follow the severance of diplomatic relations by announcing to Congress this action with a statement that this Government must consider Germany to be an international outlaw, and (…) to warn Americans to keep away from the seas infested by its piratical craft. – Second: To follow up the severance of relations by announcing to Congress this action with a statement that Germany has forfeited every consideration by reason of her breach of faith, (…) and that no other honorable course remains but for this country to employ every resource which it possesses to punish the guilty nation and to make it impotent to commit in the future crimes against humanity.278

Für das erstere Vorgehen spräche, (…) that, while we would not be at war, we would be in a position to do certain things which we cannot do now consistently with strict neutrality. (…) As to the suggested warning of Americans, we could do it with propriety if we declare Germany outlaw, something which could not be done as long as we treated her as a friend. It has the disadvantage (…) that it will accomplish the very purpose which Germany sought a year ago by keeping American ships and citizens from going to Great Britain and her allies. So that it would result in Germany obtaining by threat of lawless action what she was unable to obtain through friendly negotiation.279

277 Seymour 2 1926, 442. 278 Lansing an Wilson 2. Feb. 1917, PRFR LP 1 1939. 591 – 592, Link PWW 41 1982, 99 – 100. 279 Ebd.

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Die zweite Möglichkeit des Vorgehens habe den Vorzug, dass sie auf die offene Erklärung hinauslaufe, (…) that an outlaw Government is an enemy of mankind, and (…) that the present military oligarchy must be eliminated for the sake of civilization and the future peace of the world. (…) It will give this country a prominent place in the peace negotiations which will prevent unjust treatment of the Central Powers and will be decidedly for their interests. (…) It will remove all charge of weakness of policy and satisfy, I believe, our own people.280

Colonel House hielt es zwar für klug, die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abzubrechen, war aber dafür, sich durch ein Nicht-Abbrechen der Beziehungen mit Österreich-Ungarn eine Verbindung zu den Mittelmächten offen zu halten. Darin stimmte er anscheinend mit Sir William Wiseman, dem Leiter der britischen Intelligence Mission in den Vereinigten Staaten, überein, worauf ein Schreiben hinweist, das er am 2. Februar an Wilson richtete. In ­diesem heißt es nämlich: „I talked with ­Wiseman this morning (…) He took it for granted that you would send Bernstorff home, but expressed the hope that some way would be found to keep Tarnowski. He believes it might be possible to continue peace negotiations through him (…).“ 281 Und kurz darauf notierte House: „Much to my surprise, Lansing agreed with the President and me that, if we could possibly retain the Austrian Ambassador, we should do so. I advised the President to begin at once with Tarnowski and see whether we could not make peace proposals through the Austrians.“ 282 Dem Rat Lansings und House folgend, entschloss sich Wilson zum Abbruch der diplo­ matischen Beziehungen mit Deutschland und kündigte dies am 3. Februar 1917 in einer Rede vor dem Kongress an: „I have (…) directed the Secretary of State to announce to his excellency the German Ambassador that all diplomatic relations between the United States and the German Empire are severed, and that the American Ambassador at Berlin will immediately be withdrawn.“ 283 Entgegen den Empfehlungen Lansings strich er den friedlichen Charakter seiner Politik heraus und nicht zuletzt auch die Hoffnung, diese fortführen zu können: We do not desire any hostile conflict with the Imperial German Government. We are sincere friends of the German people and earnestly desire to remain at peace with the Government which speaks for them. We shall not believe that they are hostile to us unless and until we 280 Ebd. 281 House an Wilson 2. Feb. 1917, Seymour 2 1926, 452 – 453. 282 House Notiz o. D., Seymour 2 1926, 452. 283 Wilson Rede vor dem Kongress 3. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931, 109 – 112, Link PWW 41 1982, 108 – 112.

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are obliged to believe it; and we purpose nothing more than the reasonable defense of the undoubted rights of our people.284

Lansing unterrichtete von ­diesem Schritt unverzüglich Bernstorff, und zwar in einem Telegramm, in dem es hieß: This Government has no alternative consistent with the dignity and honor of the United States but to take the course which it explicitly announced in its note of April 18, 1916, it would take in the event that the Imperial Government did not declare and effect an abandonment of the methods of submarine warfare then employed and to which the Imperial Government now purpose again to resort. – The President has, therefore, directed me to announce to your excellency that all diplomatic relations between the United States and the German Empire are severed, and that the American Ambassador at Berlin will be immediately withdrawn, and in accordance with such announcement to deliver to your excellency your passports.285

Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Wien wurde am 3. Februar angewiesen, C ­ zernin eine Kopie der Botschaft Wilsons an den Kongress zu überreichen und den Text auch der Presse zukommen zu lassen.286 Penfield kam dieser Weisung am 6. Februar nach.287 Die Vertreter in den neutralen Staaten wies Lansing an, deren Regierungen mitzuteilen, „that this Government, in view of the recent announcement of the German Government of its intention to renew indiscriminate submarine warfare, has no alternative but to pursue the course laid down in its note to the German Government of April 18, 1916“.288 Sie sollten auch erklären, Präsident Wilson zögere zu glauben, dass Deutschland seine Drohungen gegen die Handelsschiffahrt der Neutralen wahr machen werde. Sollte dies jedoch geschehen, so werde er sich vom Kongress ermächtigen lassen „to use the national power to protect American citizens engaged in peaceable and lawful errands on the high seas“.289 Der erst am 1. Februar 1917 in Washington eingetroffene designierte k. u. k. Botschafter, Graf Tarnowski, berichtete am 3. Februar nach Wien, das State Department habe ihn davon informiert, dass die österreichisch-ungarische Note über den Beginn des uneingeschränkten U-Bootkrieges soeben eingetroffen sei. Vertraulich habe man ihm jedoch mitgeteilt, „daß man Abbruch mit uns zu vermeiden wünsche. (…) Regierung möchte 284 Ebd. 285 Lansing an Bernstorff, Tel. 2307, 3. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 106 – 108. 286 Lansing an Penfield, Tel. 1518, 3. Feb. 1917, ebd. p 108. 287 US-Botschaft an M. d. Ä., No. 11558, 6. Feb. 1917, HHStA Krieg 61a U-Boot Krieg fol. 67 – 73. 288 Lansing an Vertr. in den neutralen Staaten, Zirkular-Tel. o. Z., 3. Feb. 1917, ebd. p 108, idem: Link PWW 41 1982, 116. 289 Ebd.

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Monarchie gegenüber (…) nicht selbe Haltung wie Deutschland gegenüber einnehmen (…) da wir bei Friedensschluss Brücke bilden würden“.290 Die „Identität unserer Note mit der deutschen“ habe man bedauert.291 Zu einem früheren Zeitpunkt d ­ ieses Tages hatte Tarnowski berichtet, von Lansing empfangen worden zu sein. Dieser habe sein Bedauern ausgedrückt, „daß meine (…) Ankunft mit deutscher Note zusammentreffe, zugleich spielte er auf in hiesiger Presse erschienene Meldung an, wonach Oesterreich-Ungarn mit deutscher identische Note abgeben werde. (…) – Bezüglich meines Antrittsbesuches beim Präsidenten sagte mir Lansing, er würde für baldigen Empfang sorgen.“ 292 Am nächsten Tag telegrafierte Lansing an Botschafter Penfield: Tarnowski called at Department Saturday morning, 3rd (…). Talked with Secretary. Tarnowski much disturbed over attitude German Government. Said he did not know what course his Government would pursue as he had no instructions. (…) He asked permission to send message through Department to his Government to see whether Austrian Government would take position which would make it possible for diplomatic relations to continue (…). Immediately after his departure your February 1, (telegram) No. 1674, arrived. Tarnowski immediately informed, visibly perplexed. He seemed to realize that continuation of diplomatic relations was most desirable (…). He presented two messages to be sent through you to his Government, which were forwarded last night (…) Department will probably take no action in regard to Austrian note until some reply is received by him, or this Department receives information directly from you. Department is holding back publication of Austrian note, although it is generally understood that some note has been received more or less in line with German note.293

Am 5. Februar 1917 musste Zimmermann an Werner Freiherr von Grünau im Auswärtigen Amt melden: „Botschafter Gerard teilte mir soeben im Auftrag seiner Regierung

290 Tarnowski an Czernin, Tel. 2 f.. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 18, HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 2. 291 Ebd. 292 Tarnowski an Czernin, Tel. 1, 3. Feb. 1917, ebd. fol. 16 – 16v bzw. fol. 1. – Steglich schrieb 1958 unfundierterweise, Wien habe zu dem Versuch, die diplomatischen Beziehungen fortzuführen, dem deutschen Bundes­genossen erklärt, „daß die Initiative dazu von amerikanischer Seite ausginge, während sie in Wirklichkeit (…) Tarnowski zuzuschreiben war“. Steglich 1958, 178. Rauchensteiner meinte, die USA hätten ihre Beziehungen zur Monarchie deshalb nicht abgebrochen, weil diese „tatsächlich keinen uneingeschränkten U-Boot-Krieg führen wollte (…)“. Während die deutsche Erklärung des uneingeschränkten U-Boot-Krieges „wahrscheinlich“ jenen Schritt dargestellt habe, „der die Niederlage“ brachte, sei die österreichische Führung einen von ihm nicht näher beschriebenen „anderen Weg“ gegangen, der „zweifellos vom ­Kaiser vorgegeben“ gewesen sei. Rauchensteiner 1993, 421, Rauchensteiner 2013, 701. 293 Lansing an Penfield, Tel. 1526, 4. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 112 – 113.

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den Abbruch der diplomatischen Beziehungen seitens der Vereinigten Staaten (…) mit und bat um die Pässe.“ 294 Der von Präsident Wilson am 3. Februar vor dem Kongress erklärte Abbruch der Beziehungen mit Deutschland bestärkte Czernin in seiner Gewissheit, dass die Zentral­ mächte den Krieg nicht über das Jahr 1917 hinaus führen könnten. Er war damit derselben Überzeugung wie Sektionschef Flotow, der bereits am 15. Jänner notiert hatte, „die Zeit arbeite gegen uns (…). Der Friede müßte also, solle er uns nicht schließlich von den Feinden kommen, noch im Laufe ­dieses Jahres gemacht (…) werden.“ 295 Der Minister trachtete daher die ihm von Tarnowski gemeldete Geneigtheit der USA zu fördern, die Beziehungen mit der Monarchie trotz deren erklärter Beteiligung am uneingeschränkten U-Bootkrieg aufrecht zu erhalten. In ­diesem Bemühen suchte Czernin am 4. Februar Botschafter Penfield auf und bat ihn, die folgenden persönlichen Worte an seine Regierung zu senden: Austria-Hungary and her allies were forced to commence the indiscriminate submarine warfare because the Entente declined the negotiations for peace on the basis proposed by Mr. Wilson, the basis that there were to be no victors and no vanquished. Austria-Hungary did not cease to point out to Mr. Wilson that she would be always ready to commence negotiations or peace on the basis above mentioned if the guarantees for it would be given.296

Penfield fügte hinzu, der Minister habe auf seinen Wunsch hin auch der Hoffnung Ausdruck gegeben, dass die guten Beziehungen ­zwischen den Vereinigten Staaten und Österreich-Ungarn aufrecht bleiben möchten.297 Am nächsten Tag setzte die k. u. k. Botschaft in Berlin Czernin von der Notifikation des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen der Vereinigten Staaten mit Deutschland in Kenntnis.298 Czernin ersuchte Botschafter Penfield unmittelbar nach Erhalt dieser Nachricht, Lansing ein Schreiben zu übermitteln in welchem er neuerlich erklärte, dass Österreich-Ungarn sehr froh wäre, wenn seine Beziehungen mit den Vereinigten Staaten aufrecht blieben. Die amerikanische Regierung müsse die Lage in Erwägung ziehen, in der sich die Monarchie befinde. Diese habe ehrlich erklärt, nur einen Verteidigungskrieg zu führen, und sei bereit, über ehrenhafte Friedensbedingungen zu verhandeln: „The basis according to which there should be neither victor nor looser was suggested 294 Zimmermann an Grünau, Tel. 230, 5. Feb. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 323 Dok. 214. 295 Aufz. Flotow, 15. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 415 – 423, Czernin 1919, 157 – 160. 296 Penfield an Lansing, Tel. 1680, 4. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 113. 297 Ebd. 298 Larisch an Czernin, Ber. 16/P A-C, 5. Feb. 1917, HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Verschärfg. fol. 222.

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by Mr. Wilson himself and it is now up to the Entente to accommodate themselves to that basis as we did.“ 299 Solange jedoch die Entente das in ihrer Antwort auf das Friedensangebot der Mittelmächte verkündete, auf die Zerstückelung Österreich-Ungarns abzielende Programm nicht aufgebe, müsse sich die Monarchie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen. Eine „technische Modifizierung“ des U-Bootkrieges sei nicht möglich, und zwar vor allem deshalb, weil an die vielen bereits aus ihren Häfen ausgelaufenen U-Boote keine Befehle übermittelt werden könnten. Wesentlich müsse es jetzt sein, dass Wilson, der ja einen Frieden ohne Sieg vorgeschlagen habe, seinen Einfluss bei den Entente-Mächten dahingehend ausübe, dass diese sich, so wie die Mittelmächte, auf der Basis seines Vorschlags zu Gesprächen mit ihren Gegnern bereitfänden. Czernins Schreiben schloss mit den Worten: I trust that the President (…) will continue the work of peace he began in a spirit of impartiality and I sincerely hope that he will induce the powers of the Entente to accept, like us, the American point of view, that there should be neither victor nor loser and that the peace concluded should be an honorable one for both sides – a lasting one for the whole world. – Should the President follow this line of conduct not only the terror of the submarine war, but war in general would come to a sudden end and Mr. Wilson’s name will shine with everlasting letters in the history of mankind.300

Eine Kopie d ­ ieses an Lansing überreichten Schreibens sandte Czernin am selben Tag an den Geschäftsträger der Botschaft in Berlin, Graf Larisch, ­welchen er auch von ­Tarnowskis Telegrammen in Kenntnis setzte. Diesem habe die „amerikanische Regierung (…) vertraulich mitgeteilt, daß man (einen) Abbruch mit uns zu vermeiden wünsche, da (…) wir bei Friedensschluß eine Brücke bilden könnten“ und zu verstehen gegeben, dass man „unsere Note nicht sofort veröffentlichen“ werde; er habe den Eindruck gewonnen, dass das State Department von Wien keine Zurücknahme, wohl aber eine „Modifikation, eventuell nur Interpretation der Untersee-Boot-Kriegsmaßnahmen“ erwarte. Die deutsche Note habe man „zuerst dahin aufgefaßt (…), daß in blockierte Zone einfahrende Schiffe nicht gleich versenkt, sondern ihr Eintritt verhindert würde“.301 299 Czernin an Lansing (durch Penfield) 5. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 36 – 41; 300 Ebd., Penfield an Lansing, Tel. 1683, 5. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 388 – 389. – Rauchensteiner schrieb, die Botschaft Czernins an Lansing sei „nichts anderes (gewesen) als die Quintessenz der Sitzung des gemeinsamen Ministerrats vom 12. Januar 1917“. Rauchensteiner 1993, 422; Rauchensteiner 2013, 701. Dass der uneingeschränkte U-Bootkrieg nicht im gemeinsamen Ministerrat des 12., sondern in dem des 22. Jän. 1917 behandelt wurde und die Quintessenz, die der ­Kaiser zog, dass ihm „von allen (…) beteiligten Herrn geraten werde, den deutschen Vorschlag auf rücksichtsloses Einsetzen des U-Bootkrieges anzunehmen“ (s. oben), in keiner Weise der Botschaft an Lansing entsprach, entging Rauchensteiner. 301 Czernin an Larisch, Tel. 58, 5. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 55 – 56.

Die USA brechen die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab

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Von dieser Entwicklung informierte Czernin am 5. Februar auch Botschafter Wedel, welcher darüber unverzüglich nach Berlin berichtete: Tarnowski hat dem Grafen Czernin gedrahtet (…) Wilson wünsche, wenn möglich, Beziehungen zu Österreich nicht abzubrechen. Zu ­diesem Zweck wäre es erwünscht, wenn Modifikationen des U-Boot-Krieges eintreten könnten und die österreichische Ankündigungsnote, die Wilson bisher verheimlicht hat, entsprechend abgeändert werden könnte. Lansing hat ­dieses als erwünscht bezeichnet, aber nicht gesagt, daß es eine Bedingung sei, und um sofortige Antwort gebeten.302

Czernin habe daraufhin durch Penfield an Lansing telegrafiert, auch er „würde es gerne sehen“, wenn die Beziehungen aufrechterhalten blieben. Er habe seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass Wilson „das von ihm begonnene Friedenswerk unparteiisch und objektiv weiterführen werde und sohin vor allem die Entente bewegen möge, sich ebenso wie (…) (die Monarchie) auf den amerikanischen Standpunkt zu stellen, wonach es keinen Sieger und keinen Besiegten gibt und wonach der Friede (…) ein ehrenvoller und für die ganze Welt ein dauernder werde“.303 Wedel bemerkte abschließend, Czernin „glaube, daß seine Antwort dem Geiste unserer letzten Antwort an Wilson entspreche, worin wir Einstellung des U-Boot-Krieges zugesagt hätten, wenn Wilson Friedenskonferenz garantiere“. Penfield habe die Hoffnung ausgesprochen, dass die Beziehungen z­ wischen den Vereinigten Staaten und der Monarchie aufrechterhalten werden könnten, worauf Czernin geantwortet habe, die Entscheidung liege in Washington, „unsre Aktion“, der uneingeschränkte U-Bootkrieg nämlich, „sei wohlerwogen und nicht zu ändern“.304 Am nächsten Tag telegrafierte Wedel an Zimmermann, Czernin rechne zwar damit, dass Wilson auch die Beziehungen zur Monarchie abbreche, glaube aber, dass er, um seine Friedenspolitik fortsetzen zu können, Tarnowski als Verbindung mit den Zentralmächten in Washington zu halten trachte. Der Minister habe erklärt, dass „Tarnowski dort nützlich sein“ könne und hoffe, dass dies auch der deutschen Regierung „genehm“ sei.305 Zimmermann antwortete noch am selben Tag: Die Mitteilung des Grafen Czernin an Wilson dürfte dem Geist unserer letzen Note kaum entsprechen. (…) – Wenngleich ich den Wunsch (…), einen Bruch mit Amerika zu vermeiden,

302 Wedel an A. A., Tel. 61, 5. Feb. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 323 – 325 Dok. 215. 303 Ebd. 304 Ebd. 305 Wedel an A. A., Tel 62, 6. Feb. 1917, ebd. p 325 Dok. 216.

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verstehe, so halte ich doch eine zu freundliche Haltung (…) für bedenklich gegenüber dem offenkundigen Bestreben des Präsidenten, ­zwischen uns und Österreich-Ungarn zu differenzieren. (…) Die jetzige Haltung Wilsons (…) zeigt ihn im wahren Licht als bedingungslosen Anhänger der Entente. Sein Ziel ist ersichtlich, uns militärisch zu behindern. Als Vermittler würde er sein ganzes Gewicht gegen uns einsetzen.306

Larisch gegenüber meinte der Staatssekretär zu Czernins Telegramm an Lansing, „daß es wohl sehr angezeigt gewesen sein dürfte, den Präsidenten in so freundlichen (…) Worten zu apostrophieren, um denselben bei guter Laune zu erhalten, wodurch sich hoffentlich einerseits der Abbruch (der) diplomatischen Beziehungen Amerikas zu Oesterreich-­Ungarn, andererseits dann auch eventuell ein kriegerischer Konflikt Amerikas mit Deutschland vermeiden ließe“.307 Tags darauf berichtete Larisch, Zimmermann habe geäußert, Wilson hätte sich „durchaus nicht als der ehrliche Friedensvermittler bewährt (…) Wäre es (…) Wilson ernstlich an dem Zustandekommen des Friedens gelegen (…), so hätte er nicht (…) die Beziehungen zu Deutschland abgebrochen. Wenn wir (…) uns zu einer unter seiner Führung stehenden Friedensconferenz bequemt hätten, so wäre unsere Lage dann zweifelsohne eine viel ungünstigere gewesen, da (…) es nur das Bestreben Wilsons gewesen wäre, einen der Entente günstigen Frieden herbeizuführen.“ 308 Am 7. Februar rechtfertigte Czernin seine im Telegramm an Lansing zum Ausdruck gebrachte Haltung in einer Depesche an Hohenlohe: Ich war mir wohl bewußt, daß der von mir (…) gebrauchte Ausdruck eines Friedens, ‚der weder Sieger noch Besiegte bringt‘, über den Rahmen unserer bisherigen Deklarationen hinausgeht. Ich habe den Ausdruck dennoch gewählt, weil er von Herrn Wilson geprägt wurde und weil ich das größte Gewicht darauf lege, (…) Wilson gegenüber der Entente in einen Widerspruch zu setzen. Gegenüber den (…) kategorischen Ausführungen des englischen Premiers, daß der Krieg nicht ohne Sieger enden dürfe, dürfte Herr Wilson Schwierigkeiten haben, der Welt klar zu machen, daß wir diejenigen sind, die den Frieden verhindern. – Andererseits hat das von mir gebrauchte Wort gar keine Nachteile im Gefolge. – Die Entente wird natürlich ihren Standpunkt jetzt nicht ändern (…). – Wenn (…) durch meine Antwort an Wilson, in welcher er statt verlangter Tatsachen nur Worte erhielt, die Beziehungen Amerikas zu uns (…) erhalten bleiben, so halte ich dies für einen sehr großen Vorteil, und zwar ebenso für Deutschland wie für uns. Euer Durchlaucht wollen Herrn Zimmermann eine Kopie ­dieses Telegramms

306 Zimmermann an Wedel, Tel 82, 6. Feb. 1917, DNV ebd. pp, 325 – 326 Dok. 217. 307 Larisch an Czernin, Tel. 69, 6. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 64 – 64v. 308 Larisch an Czernin, Ber. 17/P A-B, 7. Feb. 1917, ebd. fol. 76 – 7 7.

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­ bergeben und ihn ersuchen, diese (…) zur Kenntnis (…) des deutschen Kaisers zu bringen, ü falls Höchstderselbe die Vorgeschichte der Angelegenheit kennt.309

Hohenlohe übergab wie angewiesen dem Staatssekretär eine Kopie des Telegramms, welcher an deren Rande vermerkte: „Ich habe mich mit Schlußsatz einverstanden erklärt, im übrigen mich aber im Sinne unserer Instr(uktion) nach Wien geäußert.“ 310 An Tarnowski aber hatte Czernin bereits am 6. Februar im Wege der k. u. k. Botschaft in Berlin depeschiert: Ersuche Euer Exzellenz alles zu tun, was in Ihren Kräften steht, um Abbruch der Beziehungen ­zwischen uns und den Vereinigten Staaten hintan zu halten. – Geheim. Zwecks Beeinflussung der Presse lass ich Ihnen unter einem vorläufig telegraphisch 100.000 Dollars anweisen (…).311

Botschafter Penfield gab Lansing zu erkennen, dass auch er es für erstrebenswert erachte, die Beziehungen zur Monarchie aufrechtzuerhalten. Er sandte am 6. Februar 1917 ein Telegramm, in dem er die verzweifelte Situation und die aus ihr resultierende Friedenssehnsucht Österreich-Ungarns zu veranschaulichen trachtete: Long period of freezing weather with interrupt of traffic is accentuating scarcity of food. Economic life of Austria-Hungary seems paralyzed. Intelligent persons assure me Monarchy has food for but two or three months. Nearly every street in Vienna has bread line and misery and destitution visible everywhere. People all classes praying for peace.312

Colonel House jedoch erschien eine Aufrechterhaltung der Beziehungen nur unter der Bedingung möglich, dass sich die Monarchie vom uneingeschränkten U-Bootkrieg distanziere. In ­diesem Sinne wandte er sich am 7. Februar an Wilson: „If Austria holds to Germany’s new submarine policy, if I were you, I would send the whole lot home with the Germans.“ 313 Botschafter Bernstorff war indessen immer noch bemüht, die deutsche Regierung zu einem Einlenken in der Sache des U-Bootkrieges zu bewegen und darauf hinzuweisen, dass Wilson an der Neutralität festhalte. Er telegrafierte am 10. Februar, also eine Woche nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen, an den Reichskanzler: 309 Czernin an Hohenlohe, Tel. 66, 7. Feb. 1917, ebd. fol. 79 – 80. 310 Czernin an Botschaft in Berlin, Eingang 8. Feb. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 326 Dok. 218, Zimmermann, Randbemerkung datiert mit dem 8. Februar 1917. 311 Czernin an Larisch, Tel. für Botschaft in Washington per Radio Nr. 10, 6. Feb. 1917, HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 1 312 Penfield an Lansing, Tel. 1688, 6. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 39. 313 House an Wilson 7. Feb. 1917, Seymour 2 1926, 453.

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Da seit dem 1. Februar sich kein Zwischenfall ereignet hat, welcher Amerikaner betraf, ist Kriegsstimmung sehr vermindert, das Land will keinen Krieg. Falls ein Zwischenfall eintritt, wird Wilson zunächst nur Maßregeln zum Schutz amerikanischer Schiffe ergreifen und abwarten, was wir tun, wirklicher Krieg dürfte sich noch längere Zeit hinausschieben lassen, wenn wir nicht gegen die Vereinigten Staaten (…) selbst vorgehen. Verhandlungen können (…) durch österreichische Botschaft oder schweizerischen Gesandten geführt werden, ein Bündnis mit unseren Feinden wird Wilson keinesfalls eingehen.314

Ebenfalls am 10. Februar sprach Botschafter Wedel bei Czernin vor, um ihm die Wünsche seiner Regierung für das weitere Vorgehen bezüglich Tarnowskis zu überbringen. Über diese Demarche berichtete Wedel am Tag darauf nach Berlin: Habe gestern bei Graf Czernin angeregt, Graf Tarnowski anzuweisen, wenn noch möglich, von Überreichung Beglaubigungschreibens abzusehen und eventuelle Verwahrung gegen Verhetzungsversuch der Neutralen einzulegen. Minister erbat sich Bedenkzeit und antwortete mir heute: Er trage Bedenken, dem Botschafter die erstgenannte Anweisung zu geben, da das einem Abbruche von dieser Seite ähnlich sehe und eine halbe Maßregel sei, die (…) Tarnowski in eine schwierige Situation bringe, zudem die Lage verschärfe, was er und nach den Telegrammen des Botschafters Prinz Hohenlohe auch Euere Exzellenz zu vermeiden wünschen. – Eine Verwahrung gegen Wilsons Verhetzungsversuch würde jetzt (…) zu spät kommen, nachdem die Neutralen, insbesondere Schweden, Wilson bereits eine reinliche Abfuhr erteilt hätten. Er glaube, daß es als ein ­­Zeichen der Zuversicht und guter Nerven gedeutet werde, daß sich die Zentralmächte in dieser Sache nicht gerührt und den Neutralen ganz die Antworten überlassen hätten, die ja sehr befriedigend ausgefallen ­seien.315

Zugleich berichtete Wedel, dass Czernin die Zustimmung K ­ aiser Karls dafür eingeholt habe, im Fall einer Kriegserklärung der Vereinigten Staaten an Deutschland Botschafter Penfield unverzüglich die Pässe zuzustellen und Tarnowski aus Washington abzuberufen. Ob dieser sein Beglaubigungschreiben inzwischen habe überreichen können sei nicht festzustellen, da die amerikanische Regierung keine Telegramme mehr durchlasse. Es sei aber ein kurzes Telegramm des Botschafters eingegangen, wonach in Amerika keine Kriegslust bestehe, sondern der Wunsch, eine Verschärfung der Situation und einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Österreich-Ungarn zu vermeiden.316 ­Zimmermann antwortete Wedel umgehend:

314 Bernstorff an Bethmann Hollweg, Tel. 245, 10. Feb. 1917, Ludendorff 1920, 344 Dok. XVI/26. 315 Wedel an A. A., Tel. 71, 11. Feb. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 329 Dok. 223. 316 Ebd.

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Es ist ohne Zweifel in unserem Interesse, eine Kriegserklärung der Vereinigten Staaten an uns möglichst lange hinauszuschieben. Doch lege ich Wert darauf festzustellen, und bitte es auch Graf Czernin gegenüber zu betonen, daß für uns die Vermittlerrolle Wilsons ausgespielt ist. Sollte der Präsident mit einem solchen Anerbieten erneut an uns herantreten, so würden wir es entschieden ablehnen. – Für den Fall einer amerikanischen Kriegserklärung an uns wäre ich bei der jetzigen Sachlage damit einverstanden, daß dortige (Wiener) Regierung sich auf Abbruch der Beziehungen beschränkt.317

Wedel brachte Zimmermanns Stellungnahme unverzüglich Czernin zur Kenntnis, worüber dieser am 12. Februar Hohenlohe berichtete: Graf Wedel hat mir (…) drei Wünsche seiner Regierung übermittelt. – I. Graf Tarnowski möge sein Beglaubigungsschreiben nicht übergeben, bevor die Lage z­ wischen Deutschland und Amerika geklärt sei. – II. Graf Tarnowski möge bei Mr. Wilson dagegen protestieren, daß letzterer es versucht habe, die Neutralen gegen Deutschland aufzuhetzen. – III. Bei Kriegsausbruch mit Deutschland möge Graf Tarnowski abberufen werden. – Die ersten zwei Punkte habe ich abgelehnt, den letzten angenommen.318

Inzwischen hatte der Geschäftsträger der k. u. k. Botschaft in Washington, Erich Baron Zwiedinek von Südenhorst, nach Wien gemeldet, dass die amerikanischen Behörden es nicht mehr gestatteten, mittels eines ihnen nicht zur Kenntnis gebrachten Codes chiffrierte Depeschen zu senden. Ausnahmen machten sie nur, wenn es sich um dringende, sowohl die k. u. k. als auch die amerikanische Regierung betreffende Angelegenheiten handle. Derselben Einschränkung sei zuvor schon die deutsche Botschaft unterworfen worden.319 Dem Ministerium des Äußern gelang es bald, einen Ausweg aus dieser misslichen Situation zu finden, denn am 14. Februar depeschierte Czernin an Graf János Hadik von Futak, den k. u. k. Gesandten in Stockholm: „Ich bin sehr erfreut, daß es Euer Hochgeboren gelungen ist, unsere telegraphische Verbindung mit Grafen T ­ arnowski durch das schwedische Außenamt zu vermitteln.“ Zugleich bat er Hadik, folgendes Telegramm an Tarnowski zu senden: Euer Exzellenz wollen sofort durch schwedischen Gesandten in einem dort (in den USA) nicht lesbaren Chiffre genau über die politische Situation referieren und folgende Fragen besonders beantworten. (…) – In welcher Weise denkt sich die amerikanische Regierung oder die 317 Zimmermann an Wedel, Tel. 94, 11. Feb. 1917, ebd. pp, 328 – 329 Dok. 222. 318 Czernin an Hohenlohe, Tel. 74, 12. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 91. 319 Zwiedinek an Czernin, Tel. 8, o. D., ebd. fol. 221, idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 9.

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­öffentliche Meinung Amerikas das Eingreifen in den Krieg? (…) – Warum haben Euer Exzellenz Ihr Beglaubigungsschreiben noch nicht übergeben? – Sollte der Krieg z­ wischen Deutschland und Amerika ausbrechen, so wollen Euer Exzellenz sofort und ohne weitere Weisungen abzuwarten Ihre Pässe verlangen, mit Ihrem gesamten Personale zurückkehren und Vertretung unserer Interessen dem schwedischen Gesandten übergeben.320

Wie ein am 8. Februar 1917 an Botschafter Page in London gesandtes Telegramm ­Lansings erweist, zeigte sich Wilson dazu bereit, worum ihn Czernin drei Tage zuvor gebeten hatte. In ­diesem Telegramm heißt es: The President knows that peace is intensely desired by the Teutonic powers, and much more by Austria (…) He is trying to avoid breaking with Austria in order to keep the channels of official intercourse with her open so that he may use her for peace. The chief if not the only obstacle is the threat apparently contained in the peace terms recently stated by the Entente Allies that (…) they would insist upon a virtual dismemberment of the Austro-Hungarian Empire. Austria needs only to be reassured on that point, and that chiefly with regard to the older units of the Empire. It is the President’s view that the large measure of autonomy already secured to those older units is a sufficient guarantee of peace and stability (…) so far as national and racial influences are concerned and that what Austria regards as the necessities of her development, opportunity, and security to the south of her can be (…) satisfactorily secured to her (…) The President still believes and has reason to believe that, were it possible for him to give the necessary assurances to the Government of Austria (…) he could in a very short time force the acceptance of peace upon terms which would follow the general lines of his recent address to the Senate (…) He is urgently desirous that the Entente Governments should make it possible for him to present such terms and press them for acceptance. (…).321

Page antwortete am 11. Februar, er habe nach Erhalt des Telegramms unverzüglich Premierminister Lloyd George aufgesucht. Dieser habe ihm gesagt, Großbritannien beabsichtige nicht, Österreich-Ungarn zu zerstückeln und sei nicht dagegen, dass ihm Ungarn und Böhmen verblieben, „but we must stand by the nationals of our allies, such as the Roumanians, the Slavs, the Serbians, and the Italians. Their just demands must be met by the principle of nationality.“ Weder die britische Regierung noch ihre Alliierten könnten 320 Czernin an Hadik, Tel. 38, 14. Feb. 1917 (Czernin an Tarnowski, Tel. 13 f.. Feb. 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 115 – 115v; HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 3. 321 Lansing an Page, Tel. 4421, 8. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 40 – 4 1, Link PWW 41 1982, 158 – 159, dt.: Fester Friedensvermittlungsversuche 1937 15, 395 – 396 Anl. 1. Czernin hatte die Bitte geäußert, dass Wilson seinen Einfluss auf die Ententemächte gelten machen sollte, dass diese sich auf der Basis seines Vorschlags zu Gesprächen einfänden.

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riskieren, Italien als Verbündeten zu verlieren. Die Blockade Deutschlands würde durch einen Sonderfrieden mit Österreich-Ungarn aufgebrochen. Deutsche Truppen, die jetzt die österreichisch-ungarischen Armeen zusammenhielten, wären dann verfügbar, um wichtigere Abschnitte zu verstärken. Die Monarchie sei in zunehmendem Maße eine Bürde für Deutschland welches sich mit dieser rascher geschlagen geben würde als ohne sie. Sollte Wilson sich jedoch in der Lage sehen, nach den in seiner Rede vom 22. Jänner 1917 dargelegten Prinzipien erstellte Vorschläge Österreich-Ungarns entgegenzunehmen und sie ihm, Lloyd George, vertraulich mitzuteilen, so wäre er glücklich, sie zu prüfen.322 Am 10. Februar unterrichtete Lansing Präsident Wilson über ein langes Gespräch ­zwischen Unterstaatssekretär William Phillips und Tarnowski. Der Botschafter habe erklärt, seine Regierung sei äußerst bemüht, einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten zu vermeiden und hoffe, dass sich ein Thema für Gespräche finden lasse. Ein solches biete sich an, so meinte Lansing, „as Austria last spring complained of the illegal attacks of French submarines and we can ask an explanation of their attitude then and now“. Wenn die Entente dazu zu bringen wäre, ihre Friedensbedingungen soweit zu modifizieren, dass Österreich sie nicht mehr als verstümmelnd ansehen müsste, so könnte etwas unternommen werden, um die Abhängigkeit der Monarchie von Deutschland zu verringern. Einen Versuch in dieser Richtung zu unternehmen, erscheine angesichts der „desperate internal situation of Austria“ angebracht, auch stünde der Botschafter dann nicht mehr unter dem Einfluß seines deutschen Kollegen.323 Befürchtungen, die Vereinigten Staaten könnten ihre diplomatischen Beziehungen auch mit Österreich-Ungarn ebenfalls abbrechen, schienen angesichts der Tatsache, dass Wilson Tarnowski noch nicht zur Überreichung seines Beglaubigungsschreibens empfangen hatte, nicht unbegründet. Um einen Abbruch zu verhindern, erschienen Tarnowski, wie er am 14. Februar telegrafierte: „(…) kleine Konzessionen notwendig, schon damit unsere Auffassung von deutscher etwas abweiche. (…) Vorausgesetzt, daß unsere U-Boote nur Mittelmeer operieren, ließe sich vielleicht, da amerikanische Schiffe dort kaum verkehren, darin Stoff für (…) Erklärung finden.“ 324 In ihrer Verlegenheit wegen der österreichisch-ungarischen Note über den Beginn des verschärften U-Bootkrieges helfe sich die amerikanische Regierung durch deren „Nichtveröffentlichung“. Zur Aufnahme von Czernins Telegramm an Lansing vom 5. Februar 322 Page an Lansing, Tel. 5665, 11. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 41 – 44, Link PWW 41 1982, 211 – 214, dt.: Fester Friedensvermittlungsversuche. 1937 15, 396 – 400 Anl. 2. 323 Lansing an Wilson, 10. Feb. 1917, PRFR LP 1 1939. 596. 324 Tarnowski an Czernin, Tel. 10 im Wege der amerik. Botschaft, o. D. (14. Feb. 1917, in Wien indiziert 17. Feb. 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 110 – 110v; Tel. o. Z., 14. Feb. 1917 übermittelt durch schwed. A. A. (Hadik an Czernin, Tel. 31, 14. Feb. 1917), HHStA PA I, 1048 61a Herein März–Mai 1917 fol. 13.

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schrieb Tarnowski: „(…) da im Wesen ablehnend, wie auch wegen Anheimstellung Verweigerung Kriegsmateriales für Entente nicht gut aufgenommen und wollte man darin keine Basis für weiteren Meinungsaustausch finden.“ 325 Kurz darauf depeschierte Tarnowski: Zum unterbreiteten Vorschlage möchte ich ergänzend bemerken, daß (…) Erklärung der Beschränkung unserer Blockade auf bestimmte Häfen und Küsten im Mittelmeere von wesentlicher Wichtigkeit. Unter bestimmten Küsten werden – wie direkten Andeutungen heute entnommen – genau bezeichnete, nicht zu große Küstenstriche verstanden, nicht aber z. B. ganze italienische Küste. Sollten unsere U-Boote (…) nur Adria operieren, so wäre eventuell Berufung darauf besonders zweckentsprechend. – Zur allfälligen Verwertung in Antwort auf ­Aide-mémoire melde ich, daß laut hinterbrachter Aeußerung des Staatssekretärs unser Standpunkt insoferne weniger verletzt, als wir durch keine formellen Bürgschaften gebunden, sondern nur Versicherung gleicher Auffassung mit Amerika (anläßlich Ancona, Persia) gegeben‘.326

Botschafter Penfield erreichte am 14. Februar ein Telegramm Lansings, mit welchem er angewiesen wurde, von der Wiener Regierung mündlich eine eindeutige und definitive Erklärung über ihre Vorgangsweise im U-Bootkrieg zu verlangen und auch darüber, ob die Wiener Regierung die Versicherungen, ­welche sie nach der Versenkung der „Persia“ und der „Ancona“ gegeben hatte, einzuhalten gedenke. Eine Erklärung verlangte er inbesondere darüber, ob sie sich an ihr am 29. Dezember 1915 gegebenes Versprechen halten wolle, Handelsschiffe, vorausgesetzt dass sie nicht versuchten zu entkommen oder Widerstand zu leisten, nicht zu versenken bevor die an Bord befindlichen Personen in Sicherheit s­ eien. In der letzten Zeit ­seien nämlich im Mittelmeer mehrere Handelsschiffe, auf denen sich Amerikaner befanden, von U-Booten unter österreichisch-ungarischer Flagge ohne Warnung torpediert worden. Am Schluss hieß es: „If after your conversation it seems advisable, you may hand to the Minister a paraphrase of this instruction, leaving the quoted texts verbatim.“ 327 Penfield hatte der Weisung entsprechend mit Czernin am 18. Februar eine ausführliche Besprechung und überreichte auch ein Aide-Mémoire. An Lansing berichtete er am nächsten Tag, der Minister habe ihm erklärt, dass er in der Sache den Chef der Marinesektion des Kriegsministeriums und Rechtsexperten konsultieren müsse. Er habe aber neuerlich seinem Wunsch Ausdruck verliehen, dass es zu keinem Abbruch der 325 Ebd. 326 Tarnowski an Czernin, Tel. 19, o. D. (14. Feb. 1917?), HHS tA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 32. – Das ital. Passagierschiff Ancona war am 8. Nov., das brit. Passagierschiff Persia am 30. Dez. 1915 im Mittelmeer von einem deutschen, aber unter ö.-u. Flagge fahrenden U-Boot versenkt worden, wobei 581 Menschen, darunter neun Amerikaner, ums Leben kamen. 327 Lansing an Penfield, Tel. 1551, 14. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 131 – 133.

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­ iplomatischen Beziehungen kommen möge.328 Czernin erschien das überreichte Aided Mémoire so wichtig, dass er es am 20. Februar in ausgewählten Zeitungen der Monarchie mit dem Zusatz veröffentlichen ließ: „Wie wir hiezu erfahren, wird im Ministerium des Aeußern vom völkerrechtlichen Standpunkte aus der sachliche Inhalt ­dieses Aide-memoire einer eingehenden Prüfung unterzogen und sodann der Beantwortung zugeführt werden.“ 329 Tarnowski wurde offenbar über Penfields Aide mémoire informiert, denn in seinem Telegramm an Czernin vom 23. Februar 1917 nahm er dazu wie folgt Stellung: In Aide-mémoire (…) glaube ich nicht die Absicht verdächtigen zu sollen, sich Grund zu analogen Konsequenzen uns gegenüber zu verschaffen wie die, ­welche Deutschland gegenüber gezogen wurden. (…) In Aide-mémoire erblicke ich eher (…) Prinzipienreiterei des doktrinären Präsidenten, der nicht mit Absicht Bruches, sondern trotz Wunsches Bruch zu vermeiden, uns Gewisses vorhalten wollte.330

Davon dass das Schriftstück veröffentlicht wurde, habe man sich im State Department eher überrascht gezeigt. Tarnowski schlug vor, in der Antwort auf das Aide-Mémoire anzuführen, dass – sollte dies zutreffen – „unsere U-Boote nur im Mittelmeere operieren, um dort gewisse Häfen und Küsten zu blockieren“. Eine s­ olche Erklärung wäre dann „bloß Konstatierung faktischen Zustandes und dürfte weder U-Bootkrieg alterieren noch uns von Deutschland trennen“.331 Weiter bestärkt in seiner Idee, auf eine Loslösung Österreich-Ungarns von Deutschland und einen Separatfrieden hinzuarbeiten, wurde Wilson durch den Bericht, den Botschafter Page am 20. Februar nach Washington sandte. Lloyd George habe seine ablehnende Haltung gegen eine Herauslösung Österreich-Ungarns aus dem Bündnis mit Deutschland geändert; die britische Regierung werde, wenn Wilson ihr ein „peace commission proposal on behalf of Austria-Hungary“ formell unterbreite, d ­ ieses gerne entgegennehmen und prüfen, allerdings „on condition that every precaution be taken to insure the utmost secrecy, as if the Germans realize it they will stop“. Page fügte hinzu, er habe den Premierminister daran erinnert „what he had said about his willingness not to disrupt the Austro-Hungarian Empire by the loss of its older units Hungary and Bohemia. He repeated what I reported (…) on that subject.“ 332 Die Bereitschaft Lloyd Georges zu Verhandlungen mit der Monarchie sei, wie der Botschafter am nächsten 328 Penfield an Lansing, Tel. 1713, 19. Feb. 1917, ebd. p 137. 329 Deutscher Text u. a. in: F-B M 20. Feb. (1917), 2, NFP M 20. Feb. (1917), 1, PT M 20. Feb. (1917), 1, PL M 20. Feb. (1917), 2 – 3. 330 Tarnowski an Czernin, Tel. 16, 23. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 225 – 226. 331 Ebd. 332 Page an Lansing, Tel. 5714, 20. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 55 – 56; idem: Link PWW 41 1982, 260.

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Tag telegrafierte, durch George Curzon, der dem War Cabinet als Lord President of the Council angehörte, im Besonderen aber durch die Marine und vermutlich auch die Armee, die sich von einem „detachment of Austria-Hungary“ eine raschere Beendigung des Krieges versprächen, herbeigeführt worden.333 Am 22. Februar depeschierte Page an Wilson: „The situation, therefore, (…) is just as good as it would have been if the Prime Minister had given the answer we wanted when I first brought the subject to him (…).“ Er habe auch mit anderen maßgeblichen Personen gesprochen, so etwa mit Außenminister Arthur Balfour, dem Secretary of State for Foreign Affairs. Dieser sei „eager to see a proposal from Austria, provided he can believe it to be a genuine proposal. He and others have some fear of the hand of Germany in it – fear that it may be a trick. (…) They will give thorough and appreciative attention to any proposal that come(s).“ 334 Lansing beantwortete am 23. Februar Penfields Bericht vom 19. ­dieses Monats und wies dabei auf die besondere Wichtigkeit einer von der österreichisch-ungarischen Regierung abzugebenden Erklärung hin. Es müsse ihr in Anbetracht der faktischen Übereinstimmung ihrer den uneingeschränkten U-Bootkrieg ankündigenden Note mit der diesbezüglichen deutschen Note klar sein, dass die Vereinigten Staaten nicht zur selben Zeit die Beziehungen mit Deutschland abbrechen und Tarnowski empfangen könnten. Die Wiener Regierung müsse zumindest erklären, dass ihre Kriegführung nicht gegen das Leben von Amerikanern oder den Handel der Vereinigten Staaten gerichtet sei.335 Auf die höchste Dringlichkeit einer Erklärung zum U-Bootkrieg wies auch Tarnowski in seinem Bericht vom 24. Februar hin: Präsident soll zur Ansicht gelangt sein, daß längeres Fortbestehen jetziger unaufgeklärter Situa­ tion nicht mehr möglich und daß er, falls binnen nächster Tage Lösung U-Bootfrage z­ wischen uns und Amerika keinen Fortschritt aufweise, Beziehungen abbrechen müsse.336

Am selben Tag telegrafierte er: Indikationen, die ich (…) erhalten, gestatten positive Annahme, dass ganz geringes Entgegenkommen, eventuell nur das angeregte, (…) Regierung befriedigen würde. (…) – Sollte unsere Antwort nicht voll befriedigen, jedoch Fortsetzung Meinungsaustausches ermöglichen, möchte ich nunmehr auf meinem Empfang durch Präsident kategorisch bestehen.337

333 334 335 336

Page an Lansing, Tel. 5725, 21. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 56. Page an Wilson 22. Feb. 1917, Hendrick 3 1925, 371 – 372; idem: Link PWW 41 1982, 270 – 273. Lansing an Penfield, Tel. 1567, 23. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 143. Tarnowski an Czernin, Tel. 41, 24. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 230; HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 30. 337 Tarnowski an Czernin, Tel. 42, 24. Feb. 1917, ebd. fol. 234 – 235 bzw. fol. 31.

Die USA brechen die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab

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Am 22. Februar 1917 ließ Wilson Botschafter Penfield anweisen: When there is opportunity for you to see the Minister of Foreign Affairs alone you may say to him (…) that you have received information from the highest authority which convinces you that in arranging terms of peace the Allied Governments have no desire (…) to disrupt the Austro-Hungarian Empire by the separation of Hungary and Bohemia from Austria unless a continuance of the war causes a change of conditions (…).338

Für die Richtigkeit dieser Information könne, falls die österreichisch-ungarische Regierung erkennen lasse, dass sie einen baldigen Frieden anstrebe und Penfields gute Dienste für geheime Schritte in diese Richtung in Anspruch nehmen wolle, „undoubtedly a definite assurance“ erfolgen.339 Penfield kam dieser Weisung vier Tage ­später nach, worüber Czernin notierte: Am 26ten Februar theilt mir Penfield mit er habe folgenden Auftrag bei mir auszuführen: Wenn er Gelegenheit habe mich allein zu sprechen möge er mir sagen dass er Informationen von höchster Stelle habe w ­ elche ihn (sic!) überzeugen dass bei den Alliierten keine Absicht bestehe die oest. ung. Monarchie durch Lostrennung Ungarns und Böhmens zu vernichten falls nicht die Fortsetzung des Krieges eine Aenderung bedingt. Dass zweifellos hiefür eine definitive Sicherheit durch die amerikanische Regierung gegeben werden wird wenn wir wünschen dass völlig geheim an d ­ iesem Ziele gearbeitet wird. (…) Dieser Vorschlag muss völlig geheim gehalten werden, Penfield ist beauftragt bei der geringsten Indiskretion alles zu dementieren. Falls eine andere Regierung von d ­ iesem Schritte erfährt ist die Demarche null und nichtig geworden. – Meine Antwort darf nur durch Penfield erfolgen.340

Czernin fasste diesen Vorschlag als Angebot eines Separatfriedens auf. Als Antwort überreichte er Penfield ein Memorandum welches lautete: Oesterreich-Ungarn ist nach wie vor bereit dem nutzlosen Blutvergiessen ein Ende zu bereiten da es stets nur einen Verteidigungskrieg geführt hat. Es muss jedoch (…) betonen dass es in Friedensverhandlungen nur gemeinsam mit seinen Alliierten eintreten könnte und dass es die Sicherheit für die unveränderte Aufrechterhaltung der Monarchie erhalten müsste sowie die Garantien dafür dass sich seitens seiner Nachbarn nicht ähnliche Vorgänge wiederholen wie die ­welche zum Morde von Sarajewo geführt haben. – Die (…) von Mr. Penfield ­gemachten

338 Lansing an Penfield, Tel. 1566, 22. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 57 – 58. 339 Ebd. 340 Czernin, Notiz über Unterredung mit Penfield 26. Feb. 1917 (handschr.), HHStA PA I, 1092a 1 fol. 37 – 37v.

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und eventuell noch zu machenden Propositionen werden völlig geheim gehalten werden, doch verlangt Graf Czernin hierin völlige Reciprocität.341

Penfield berichtete am 27. Februar über sein Gespräch mit Czernin an Lansing. Czernin habe sich beeindruckt gezeigt und ihm das eben zitierte Memorandum überreicht. Der Botschafter fügte hinzu: Minister (…) is keenly desirous of peace and agrees that it must eventually come through President Wilson. (…) He thinks that Entente Governments are working for peace at Washington. If you can do so, please rush a telegram that may continue the negotiations.342

Am Tag zuvor hatte Penfield depeschiert: „I know that Minister (…) is doing all in power to keep good relations with you.“ Er habe versichert, die in einigen Tagen erfolgende österreichisch-ungarische Erklärung über die Führung des U-Bootkrieges werde die amerikanische Regierung befriedigen.343 Ebenfalls am 26. Februar telegrafierte Czernin an Tarnowski: Mein auch auf Unterredung mit Mr. Penfield basierter Eindruck geht dahin, daß Abbruch mit uns noch nicht nahe bevorstehend. – Euer Exzellenz wollen daher von jedem Schritte, welcher letzteren beschleunigen könnte, absehen und speziell Empfangsfrage nicht forcieren, sondern nach wie vor Ihre persönliche Behinderung sachlichen Erwägungen unterordnen.344

Und am Tag darauf depeschierte Czernin an Tarnowski: Meine Unterredungen mit amerikanischem Botschafter geben mir die Ueberzeugung, daß Amerika vorerst weder einen Krieg mit Deutschland noch den Abbruch der Beziehungen mit uns wünscht. – Mir liegt daran, diesen Zustand solange als möglich zu erhalten; ich wiederhole daher eindringlichst meinen (…) Auftrag, in ­diesem Sinne zu arbeiten und keinesfalls durch (…) Forcierung Ihres Antrittsbesuches die Situation zu verschärfen. – Unsere Note wird nächster Tage abgehen. Wenn (…) Wilson die Beziehungen mit uns erhalten will, so dürfte unsere Note ihm diese Möglichkeit geben (…).345

341 Ebd. fol. 39 – 39v, frz. Version fol. 41. 342 Penfield an Lansing, Tel. 1730, 27. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 62 – 63, idem: Link PWW 41 1982, 297 – 298. 343 Penfield an Lansing, Tel. 1728, 26. Feb. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 151. 344 Czernin an Tarnowski, Tel. 19, 26. Feb. 1917 (Czernin an Hadik, Tel. 49, 26. Feb. 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 244, idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 8. 345 Czernin an Tarnowski, Tel. 20, 27. Feb. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 251 – 251v.

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Vom Vorschlag Tarnowskis, in die Antwort auf Penfields Aide-Mémoire vom 18. Februar die Erklärung aufzunehmen, dass k. u. k. U-Boote nur im Mittelmeer operierten, zeigte sich Czernin sehr angetan. Er wollte dies jedoch nicht hinter dem Rücken der deutschen Regierung tun und telegrafierte am 27. Februar 1917 an Botschafter Hohenlohe: Der Entwurf unserer Antwort (…) ist bereits fertiggestellt. Derselbe bildet eine längere, unseren prinzipiellen Standpunkt in der Ubootfrage in keiner Weise modifizierende völkerrechtliche Abhandlung, somit eine ausführliche Polemik mit der amerikanischen Regierung (…) Er gipfelt in dem auch in der letzten Rede des Staatssekretärs (Lansing) verwerteten Argumente, daß die ‚vorherige Warnung‘ nicht nur von Fall zu Fall (…) sondern auch generell für alle in Betracht kommenden feindlichen Schiffe erlassen werden kann. (…) (Durch die Antwort werde) mit Ausnahme eines Absatzes (…) der Standpunkt der deutschen Regierung in der Frage des Ubootkrieges in keiner Weise präjudiziert (…) – Der erwähnte Passus lautet (…): ‚Wenn nun die k. u. k. Regierung daran geht, die Frage zu beantworten, ­welche die Botschaft der Vereinigten Staaten (…) gestellt hat, so bemerkt sie vorerst, daß die Tauchboote der k. u. k. Marine in der Adria und dem Mittelmeere operieren, daher eine Beeinträchtigung amerikanischer Interessen (…) kaum zu besorgen ist‘. – Auch dieser Absatz enthält (…) kein Abweichen von unsern gemeinsam mit Deutschland aufgestellten Grundsätzen, sondern lediglich eine tatsächliche Konstatierung (…).346

Diesen Passus nehme er in die Antwort auf, weil ihm sowohl von Tarnowski als auch von der amerikanischen Regierung nahegelegt worden sei, „durch ein derartiges Entgegenkommen, ohne Aufgabe unseres prinzipiellen Standpunktes (…) den Bruch mit Amerika zu vermeiden“. Er zweifle nicht, dass es deutscherseits nur begrüßt werden könne, (…) wenn wir durch eine ­solche nur scheinbare Konzession die Möglichkeit aufrechtzuerhalten trachten, durch die Vermeidung des Bruches mit Amerika eine Brücke z­ wischen demselben und unserer Gruppe zu erhalten. – Da ich aber Wert darauf lege, auch den Schein zu vermeiden, als wollten wir uns hinsichtlich irgendeines Details (…) von Deutschland trennen, so ersuche ich (…) der deutschen Regierung die vorstehenden Darlegungen und Erwägungen mitzuteilen (…).347

Hohenlohe kam Czernins Weisung unverzüglich nach und berichtete am 1. März: Ich habe (…) Zimmermann den Passus (…) vorgelesen, zu dem Euer Exzellenz die Zustimmung der deutschen Regierung wünschen. – Ich habe die Unverfänglichkeit dieser Erklärung 346 Czernin an Hohenlohe, Dep. 964, 27. Feb. 1917, ebd. fol. 260 – 265v. 347 Ebd.

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betont und ersucht, die deutsche Regierung möge dieselbe zustimmend zur Kenntnis nehmen. Der Staatssekretär erklärte sich damit einverstanden und hat keine weiteren Bedenken dagegen erhoben.348

Botschafter Wedel telegrafierte zur Frage der österreichisch-ungarischen Antwort auf das Aide-Mémoire Penfields am 1. März 1917 nach Berlin: Graf Czernin bemerkt dazu: Unbedingt sei die k. u. k. Regierung entschlossen, von dem am 31. Jänner angekündigten Tauchbootkrieg nicht um Haaresbreite abzuweichen. Von dem Gedanken ausgehend, daß es auch uns erwünscht sei, eine Kriegserklärung Amerikas zu vermeiden oder wenigstens hinauszuschieben, gedenke er ungefähr zu antworten, Österreich-Ungarn halte an den früheren Zusagen fest, die Schiffe würden nicht ohne Warnung torpediert. An Stelle der Warnung in jedem einzelnen Falle sei die generelle Warnung getreten durch Ankündigung einer genau abgegrenzten Gefahrzone. Er überlege, in welcher Weise unauffällig eingeflochten werden könne, daß Österreich-Ungarn den U-Boot-Krieg nur im Mittelmeere führe. (…) – Um meine persönliche Meinung befragt, habe ich bemerkt, die Erklärung über die Warnung weiche nicht von unserer Auffassung ab. Dagegen wolle mir die Feststellung, daß Österreich den Tauchbootkrieg nur im Mittelmeere führe, nicht unbedenklich erscheinen, weil dadurch ein Unterschied z­ wischen Deutschland und Österreich gemacht und Herrn Wilson eine Handhabe geboten werde zu differenzieren. Graf Czernin erwiderte, er teile ­dieses Bedenken und suche deshalb nach einer Erwähnung von Adria und Mittelmeer, als ob damit keine besondere Absicht verbunden sei. (…) Er glaube, daß Zeit gewinnen (…) von größter Wichtigkeit sei, da die Erfolge unserer U-Boote vielleicht in wenigen Wochen die Überzeugung des Sieges der Mittelmächte auch in Amerika verbreitet haben würden, so daß die Gefahr einer Kriegserklärung überwunden sein werde.349

Die Beantwortung des Aide-Mémoire Penfields erfolgte schließlich am 2. März 1917, und zwar sowohl mündlich im Rahmen eines Gesprächs Czernins mit dem Botschafter als auch schriftlich. In ­diesem Aide-Mémoire hieß es, auch nach Ansicht der k. u. k. Regierung müsse gelten, (…) daß feindliche Handelsschiffe, abgesehen von den Fällen des Fluchtversuchs und des Widerstands, nicht vernichtet werden dürfen, ohne daß für die Sicherheit der Personen an Bord gesorgt würde. (…) (Man könne) aus den Geboten der Menschlichkeit (…) den allgemeinen Grundsatz ableiten, daß bei Ausübung des Rechts der Vernichtung feindlicher 348 Hohenlohe an Czernin, Tel. 131, 1. März 1917, ebd. fol. 268. 349 Wedel an A. A., Tel. 104, 1. März 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 333 – 334 Dok. 230.

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Handelsschiffe der Verlust von Menschenleben soweit als irgend möglich vermieden werden soll. Diesem Grundsatz kann der Kriegführende nur dadurch gerecht werden, daß er vor der Ausübung des Rechts eine Warnung erläßt. Er kann hiebei den Weg einschlagen, den die (…) Unionsregierung weist, wonach der Befehlshaber des Kriegsschiffes die Warnung an das zu versenkende Fahrzeug selbst richtet, (…) oder aber es kann die Regierung des kriegführenden Staates (…) die Warnung (…) schon vor der Ausfahrt des Schiffs erlassen (…) oder (…) sich (…) einer allgemeinen, für alle (…) feindlichen Schiffe bestimmten Warnung bedienen. (…) (Dagegen dürften) Handels- oder sonstige Privatschiffe, ­welche (…) militärische Besatzung oder Waffen an Bord führen (…) nach geltendem Recht wohl ohne weiteres vernichtet werden.

Von österreichisch-ungarischen Kriegsschiffen sei übrigens „nicht ein einziges feindliches Handelsschiff ohne vorherige, wenn auch generelle Warnung“, versenkt worden. Den Grundsätzen der Menschlichkeit weit besser entspreche es aber, „Personen durch eine (…) Warnung von der Benützung gefährdeter Schiffe abzuhalten“. Der Grundsatz, dass (…) die Neutralen auch in Kriegszeiten die Vorteile der Meeresfreiheit genießen, gilt nur für neutrale Schiffe, nicht auch für neutrale Personen an Bord feindlicher Schiffe (…). Die Neutralen haben (…) keinen anderen Rechtsanspruch, als daß ihnen der Kriegführende das an den Feind gerichtete Verbot rechtzeitig bekannt gibt, damit sie vermeiden können, ihre Person und ihr Eigen feindlichen Schiffen anzuvertrauen.

Die Erklärung des uneingeschränkten U-Bootkrieges vom 31. Jänner 1917 stelle „nichts Anderes dar als eine Warnung (…), es möge kein Handelsschiff die in der Erklärung (…) bezeichneten Seegebiete befahren“.350 Enthalten im Aide-Mémoire war auch der von Tarnowski angeregte Passus, dass die österreichisch-ungarischen U-Boote „nur in der Adria und im Mittelmeer operieren und daß daher eine Beeinträchtigung amerikanischer Interessen (…) kaum zu besorgen ist“. Insgesamt bedürfe es nicht „der Versicherung, daß die Absperrung der (…) bezeichneten Seegebiete (…) dazu bestimmt ist, Großbritannien und dessen Verbündete, die – ohne eine rechtswirksame Blockade über die (…) Zentralmächte verhängt zu haben – den Seeverkehr der Neutralen mit diesen Mächten unterbinden, in die g­ leiche Lage der Isolierung zu versetzen und sie durch diesen Druck einem Frieden gefügig zu machen (…)“. Der Kampf, den Österreich-Ungarn führe, diene „nicht nur der Wahrung seiner Lebensinteressen (…), sondern auch der Verwirklichung der Idee des gleichen 350 Aide-Mémoire am 2. März 1917 Penfield von Czernin übergeben, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 277 – 289, idem: Czernin 1919, 381 – 388, fälschlich mit Datum 5. März 1917, engl. Version: Penfield an Lansing, Tel. 1739, 2. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 161 – 168.

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Rechts aller Staaten“. Es leuchteten ihm „in gleicher Weise die Grundsätze der Menschlichkeit voran (…), wie das Gebot der Achtung vor der Würde und den Interessen der neutralen Völker“.351 Von der Überreichung d ­ ieses Aide-Mémoire setzte Czernin noch am selben Tag ­Tarnowski in Kenntnis.352 An Hohenlohe sandte er zwei Kopien mit der Weisung, sie der deutschen Regierung „mit dem Beifügen zu übergeben, (…) daß auf Grund einer Vereinbarung mit Mr. Penfield unsere Antwort erst am 6. l. M. früh in der hiesigen Presse veröffentlicht werden wird, sie somit bis zu ­diesem Zeitpunkt geheim zu halten ist“.353 Wie angekündigt, wurde die Antwort in den Zeitungen der Monarchie am 6. März publiziert.354 Am 4. März erreichte Czernin ein Schreiben des ungarischen Ministerpräsidenten Tisza, in dem dieser bedauerte, dass ihm keine Gelegenheit geboten worden sei, die Antwort „vor deren Übergabe zu lesen“. Er könne seine (…) peinliche Überraschung darüber nicht verschweigen, dass wir wiederholt nachdrücklich zugeben, in unserer Ancona-Note eine Zusage gegeben zu haben. – (…) Damit (…) geben wir nur zu, dass unsererseits Verpflichtungen ihnen gegenüber bestehen. Trotz all der schönen und geschickten Argumentationen (…) wird es den Amerikanern nicht schwer sein den Beweis zu führen, dass unser jetziges Vorgehen sich mit der damaligen Äusserung nicht deckt; war diese (…) eine Zusage, so hat die amerikanische Regierung das Recht die Erfüllung derselben zu fordern.355

Tiszas Besorgnissen gegenüber rechtfertigte sich Czernin am 6. März: Wie man diese Zusage (…) wieder fortwischen hätte sollen, ist mir unverständlich, wir hätten uns in unwahren Argumentationen und Sophistereien verstrickt und wären erbärmlich eingegangen. Ich habe dem ­Kaiser (…) gesagt, dass Du mit ­diesem Passus nicht harmonierst, ich finde Offenheit ­zwischen uns allen das beste Mittel (…) Dies für den Fall, als S. M. mit Dir noch über die Note sprechen sollte.356

Und kurz darauf schrieb der Minister an Tisza: 351 Ebd. 352 Czernin an Tarnowski, Tel. 21, 2. März 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 324 – 324v u. 327 (Entw.), idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 12. 353 Czernin an Hohenlohe, Dep. 1027, 4. März 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 330 – 330v (Entw.). 354 F-B M 6. März (1917), 2 – 4, NFP M 6. März (1917), 2 – 3, PT M 6. März (1917), 1 – 3, PL M 6. März (1917), 1 – 3. 355 Tisza an Czernin 3. März 1917, Czernin 1919, 172 – 173, idem: Tisza 6 1937, 184 – 185. 356 Czernin an Tisza 6. März 1917, Tisza 6 1937, 185 – 186.

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Ich glaube, die Reaktion auf meine Amerika-Note ist keine schlechte und die von Dir gefürchteten Folgen sind nicht eingetreten. Ich hoffe, Du gibst selbst zu, dass diese Form besser war, als eine, die versucht hätte an unserer Ancona-Erklärung herumzudeuteln.357

Wie seine Schreiben an Tisza zeigen, war Czernin angesichts des Ausbleibens kritischer Äußerungen aus Washington voller Zuversicht, dass sein Aide-Mémoire vom 2. März dort mit Befriedigung aufgenommen worden sei. Weniger zufrieden war hingegen nicht nur der an der Botschaft der Vereinigten Staaten in Wien tätige Joseph C. Grew, sondern offenbar auch seine Regierung. Grew schrieb in seinen Erinnerungen: The Austro-Hungarian reply was (…) very long, it took seven hours of consecutive work (…) to translate it, and thirty hours to encode it. (…) It was a marvelous document, evidently intended to conceal the disagreeable points under a mass of agreeable verbiage. Its object was clearly to steer a middle course between Austria-Hungary’s duty to her ally, Germany, and her desire to remain on friendly terms with the United States. But our Government was not fooled by the wrapping paper and quickly recognized the salient points, namely that Austria-Hungary was trying to reconcile our demands that warning be given before torpedoing by issuing a general warning to all ships in advance which it regarded as satisfactory as a specific warning in each case; and also that American ships were not likely to be torpedoed by Austro-Hungarian submarines.358

Dass Czernins Aide-Mémoire in Washington keineswegs mit Genugtuung aufgenommen wurde, war dem Telegramm Tarnowskis vom 6. März 1917 zu entnehmen. Er berichtete darin: Unterstaatssekretär (…) las mir Text Antwort vor (…) Erster persönlicher Eindruck Mitredners, daß Antwort mit Absicht entgegenkommend, freundlichst verfaßt, im Wesen aber (Sicherheit neutraler Handelsschiffe, Verantwortung für Menschenleben) nicht befriedigend. Unter Versicherung, daß Wunsch amerikanischer Regierung, Beziehungen zu erhalten, unverändert, betonte Mitredner wiederholt, er hoffe, daß sich in Antwort Grundlage dazu finden lassen würde.359

Kurz darauf berichtete Tarnowski:

357 Czernin an Tisza 13. März 1917, ebd. p 186. 358 Grew 1 1952, 316 – 317. 359 Tarnowski an Czernin, Tel. 29, 6. März 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 51, 8. März 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 380.

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Baldige Information über Aufnahme unserer Antwort wurde mir von State Department in Aussicht gestellt, bis jetzt aber nicht erteilt. – Presse sagt übereinstimmend, Antwort in merito unannehmbar, da wir jedoch nur Mittelmeer, Adria operieren und unser Ton versöhnlich (…) könnten Beziehungen erhalten werden, so lange kein Zwischenfall mit Verletzung amerikanischer Interessen. – Laut indirekter Auskünfte entspräche obige Auffassung jener State Departments, wo man durch Vermeidung Bruches mit uns Unterschied ­zwischen hiesigen Dispositionen für Monarchie und Deutschland zum Ausdruck bringen wünsche.360

Auf Penfields Telegramm vom 27. Februar, in dem er über die Aufnahme berichtete, die seine Mitteilung bei Czernin fand, antwortete Lansing am 3. März: Assure Count Czernin that his confidence will be strictly observed (…) – You may further say to him that this Government appreciates the embarrassments of the Austro-Hungarian Government in discussing the desirability of obtaining assurances (…) Government earnestly hopes that Count Czernin will reconsider the subject giving especial weight to the fact that conditions in the future may be far less favorable to Austria-Hungary. (…) This Government is loath to believe that Count Czernin is unwilling to obtain for his country certain advantages which (…) might be obtained under existing conditions which may not continue long and may not come again (…).361

Penfield brachte Lansings Antwort am 9. März Czernin zur Kenntnis.362 Um die darin erwähnten, nicht lange anhaltenden und vielleicht nicht wiederkehrenden, Bedingungen ging es in einem vom 8. März datierten Schreiben Lansings an Wilson, in dem er vorschlug, die Politik der Vereinigten Staaten solle sich an einer von zwei Hypothesen orientieren, „that we will ultimately be at war with Germany or that we will continue the present state of unfriendly peace. – As to the second hypothesis I can see no satisfactory outcome. Suppose we continue as we are, then Germany will have gained all she seeks by preventing American vessels from visiting (…) the ‘danger zone’.“ 363 Dies würde sicherlich nicht zum Frieden führen:

360 Tarnowski an Czernin, Tel. 30, o. D. (Hadik an Czernin, Tel. 55, 10. März 1917), ebd. fol. 403 – 403v. 361 Lansing an Penfield, Tel. 1580, 3. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 63 – 64. Penfield machte hier klar, dass es nicht das Bestreben der Alliierten sei, Österreich-Ungarn durch die Trennung von Ungarn und Böhmen zu zerstören, es sei denn, eine Fortsetzung des Krieges verursache eine Änderung der Bedingungen („(…) no desire or purpose to disrupt the Austro-Hungarian Empire by the separation of Hungary and Bohemia from Austria unless a continuance of the war causes a change of conditions (…)“). 362 Lansing an Penfield, Czernin übergeben 9. März 1917, HHStA PA I, 1092a 1 fol. 43 – 44. 363 Lansing an Wilson, 8. März 1917, PRFR LP 1 1939. 616 – 618.

Die USA brechen die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab

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(…) it seems to me that we ought to proceed on the theory that we will in a short time be openly at war with Germany. (…) I think that our merchant vessels should be sent out under armed guards, that announcement of this policy should be made immediately and the guns and men placed on the vessels as soon as possible.364

Tarnowski telegrafierte am 12. März, dass er noch nicht über eine offizielle Aufnahme der Antwort auf Penfields Memorandum berichten könne. Alle ihm verfügbaren Informationen stimmten jedoch darin überein, (…) daß Präsident nicht brechen, sich jedoch gegen Meritum unserer Antwort verwahren wird, um amerikanischen Standpunkt Deutschland gegenüber nicht zu schwächen. Ob Replik bald erfolgen wird und ob so, daß wir darauf weitere Erklärung abzugeben hätten, sei noch ungewiß (…). – Unsere Sache würde zweifelsohne besser stehen, wenn nicht grenzenloses Mißtrauen gegen Deutschland wäre (…) Außer Depesche Zimmermanns soll amerikanische Regierung über anderweitiges Materiale (…) verfügen und Presse meldet täglich neue Komplotte. Wenn auch gar keine Animosität gegen uns, ruft Argwohn gegen Deutschland Befürchtung hervor, wir könnten nicht umhin, Verbündeten Dienste (zu) leisten.365

Am Folgetag berichtete der Botschafter von der Entscheidung der amerikanischen Regierung, Sperrgebiete befahrende Handelsschiffe zu bewaffnen.366 Penfield berichtete am 13. März 1917 nach Washington, er habe in Bezug auf die in ­Lansings Telegramm vom 3. März erörterten, auf die Aufnahme geheimer Gespräche zielen­den Vorschläge Czernins keine Zeit verloren, um die Sache mit dem Minister weiter zu diskutieren. Dieser sei „keenly alive to the matter (…). Naturally he has discussed matter with his Emperor (…).“ Der Minister habe ihm ein Memorandum überreicht, in dem er erneut seine Bereitschaft zu auf eine Beendigung des Krieges abzielenden Gesprächen erklärte, aber unter der Voraussetzung, dass es dabei um die Erreichung eines allgemeinen Friedens und nicht um einen Separatfrieden gehe, denn es sei „absolutely out of the question to separate Austria-Hungary from her allies“. Czernin sei überzeugt, dass es keiner der kriegführenden Gruppierungen gelingen könne, ihre Gegner zu vernichten und es daher zu wünschen wäre, dem Gemetzel, das in jedem Falle früher oder ­später zu einem für alle Mächte ehrenvollen Frieden führen werde, ein Ende zu bereiten. Falls die Entente ihren Vorschlag zu Gesprächen, bei denen die Erörterung eines Separatfriedens mit der Monarchie auf jeden Fall auszuschließen sei, aufrechterhalte, so wäre er bereit, 364 Ebd. 365 Tarnowski an Czernin, Tel. A, 12. März 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 58, 13. März 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 422 – 422v. 366 Tarnowski an Czernin, Tel. 31, 13. März 1917, ebd. fol. 442.

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zu solchen einen Mann seines Vertrauens in ein neutrales Land zu entsenden. Er habe sich übrigens erkundigt, von welcher Macht die Vorschläge zu Gesprächen ausgingen. Penfield schloss mit den Worten: No offer at this time can induce the Minister to debate any arrangement meaning a breaking away from Austria’s allies. There are rumors of Austria-Hungary’s tiring of the overlordship of Berlin, but fear alone is enough to stifle any governmental expression of this.367

Den Inhalt ­dieses Telegramms muss Penfield Czernin mitgeteilt haben, da Übersetzungen ins Deutsche und Französische ebenso wie eine Übersetzung von Lansings Telegramm an Penfield vom 3. März ins Deutsche im Nachlass des Ministers erhalten sind.368 Lansing richtete, nachdem er den Bericht Penfields erhalten hatte, am 17. März ein Schreiben an Wilson, in dem er betonte, dass auf die von Czernin vorgeschlagene Weise, insbesondere durch ein geheimes Treffen eines Vertreters der Allierten mit einem Vertreter Österreich-Ungarns, jedenfalls etwas erreicht werden könnte: If these two representatives come together to discuss general terms of peace, they may gradually drift into a discussion of a separate peace; and if Austria-Hungary once permits her representative to talk even on that subject, I believe that something will have been gained.369

Er glaube, so wie es auch Penfield habe anklingen lassen, dass die Wiener Regierung ihren mächtigen Verbündeten ebenso fürchte wie ihre Feinde. Österreich-Ungarn scheine in der wenig beneidenswerten Lage, dass, zu welchem Ende der Krieg auch kommen möge, andere über seine Interessen entscheiden würden: Im einen Fall wäre es Deutschland, im anderen die Entente. Die Regierung der Monarchie könnte es daher als zweckmäßig erachten, Abmachungen mit den Feinden zu treffen, bevor noch der Krieg entschieden sei: „That is what I hoped and still hope. The keen interest shown by Count Czernin further encourages this hope.“ Aus d ­ iesem Grunde solle auch Czernins Bestehen d ­ arauf nur Bedingungen für einen allgemeinen Frieden zu erörtern, nicht als entmutigend erachtet werden. Er müsse, um sein Ehrgefühl nicht zu verletzen und, sollte etwas von den Gesprächen publik werden, um Aktionen eines erzürnten Deutschland vorzubeugen, den Anschein der absoluten Loyalität gegenüber dem Verbündeten wahren. Man solle Czernins Streben nach Gesprächen unterstützen. Klar müsse ihm jedoch gemacht werden, dass sich in solchen kein Delegierter der Alliierten auf die Erörterung von Bedingungen 367 Penfield an Lansing, Tel. 1757, 13. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 65 – 66, Link PWW 41 1982, 398 – 399. 368 Penfield an Lansing (13. März 1917), HHStA PA I, 1092a 1 fol. 45 – 46, frz. Version fol. 47 – 48, Lansing an Penfield (3. März 1917), Czernin übergeben 9. März 1917, ebd. fol. 43 – 44. 369 Lansing an Wilson, 17. März 1917, PRFR LP 1 1939. 24 – 25, idem: Link PWW 41 1982, 421 – 422.

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für einen allgemeinen Frieden einlassen werde, insbesondere nicht mit einer Macht, die keine Möglichkeit habe, entscheidend auf ihre Verbündeten einzuwirken. Sobald dies Czernin bewusst geworden sei, bleibe ihm nichts übrig als Gespräche vorzuschlagen, die, sollten sie um den Frieden gehen, sich mit allein die Monarchie betreffenden Bedingungen befassen müssten. Bei derartigen Gesprächen könne der von den Vereinigten Staaten ins Auge gefasste Separatfrieden wohl abgelehnt, trotzdem aber besprochen werden. „It seems to me that we ought to take the opening offered. We may accomplish nothing or we may accomplish more than we expect. If we fail, I do not see that anything has been lost.“ Penfield solle Czernin zunächst fragen, ob er etwas dagegen hätte, wenn die Vereinigten Staaten einer der alliierten Mächte ­solche Gespräche vorschlagen, und zwar nicht als eine von Wien, sondern als eine von Washington ausgehende Initiative. Er solle auch sagen, dass aus Gründen der strikten Vertraulichkeit nicht mitgeteilt werden könne, um ­welche der alliierten Mächte es sich dabei handle.370 Die Hoffnungen, w ­ elche die von Penfield erwähnte Möglichkeit von Gesprächen in Czernin auslösten, spiegeln sich wider in einem am 31. März im Fremden-Blatt veröffentlichten Interview. In ­diesem antwortete Czernin auf die Frage, ob er nach wie vor eine Konferenz aller kriegführenden Staaten vorschlage, er „sehe nur diesen Weg, zu einem allgemeinen Ende zu kommen“. Auf die Frage, ob es nicht möglich wäre, den allgemeinen Rahmen der österreichisch-ungarischen Friedensbedingungen zu verkünden, sagte er: Ich habe öffentlich erklärt, daß wir einen uns aufgezwungenen Verteidigungskrieg führen, dessen Zweck die gesicherte, die ungestörte Entwicklung der Monarchie ist (…); sowie unsere Gegner ihre (…) Ideen, uns zu zerschmettern, fallen lassen, sowie sie bereit sind, über einen für sie wie für uns ehrenvollen Frieden zu verhandeln, steht den Verhandlungen nichts mehr im Wege.371

Czernin war damals und in seinen Erinnerungen der Überzeugung, die Bereitschaft zu Gesprächen sei von Russland ausgegangen: Am 26. Februar (1917) erschien bei mir eine Persönlichkeit, w ­ elche sich als berufener Vertreter einer neutralen Macht zu legitimieren imstande war, und teilte mir im Auftrag seiner Regierung mit, (…) daß die Gegner oder einer von ihnen bereit s­ eien, Frieden mit uns zu schließen, und daß die Bedingungen ­dieses Friedensschlusses für uns günstig sein würden. Insbesondere werde von einer Lostrennung Ungarns oder Böhmens (…) nicht mehr die Rede sein. Ich möge, falls ich bereit sei, auf diese Anregung einzugehen, sofort (…) meine Bedingungen mitteilen, werde jedoch darauf aufmerksam gemacht, daß die Vorschläge der feindlichen Regierung in 370 Ebd. 371 Czernin Über unsere Friedensziele. F-B M 31. März (1917), 1.

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dem Augenblicke null und nichtig ­seien, wo irgendeine andere mit ihr oder mit uns befreundete Regierung von ­diesem Schritte erfahre. (…) – Ich zweifelte keinen Augenblick daran, daß es sich um Rußland handle (…) Ich antwortete sofort (…) (d. h.) am 27. Februar, daß ÖsterreichUngarn (…) bereit sei, dem weiteren Blutvergießen sofort ein Ende zu machen und keinen wie immer gearteten Gewinn aus dem Frieden ziehen wolle, da wir (…) ja nur einen Verteidigungskrieg führten. Ich müsse jedoch darauf aufmerksam machen, daß die (…) Fassung der Anfrage es mir nicht ganz verständlich erscheinen lasse, ob der sich an uns wendende Staat einen Frieden mit uns allein oder mit unserer ganzen Mächtegruppe zu schließen bereit sei, und ich müsse Wert darauf legen, zu betonen, daß wir von unsren Bundesgenossen nicht zu trennen s­ eien. (…) – Daraufhin erfolgte am 9. März eine weitere Antwort, w ­ elche anscheinend meinen Standpunkt akzeptierte, die Frage jedoch, ob es sich um einen Frieden mit uns allein oder mit unseren Bundesgenossen handle, nicht direkt beantwortete. Um raschestens Klarheit zu schaffen (…) antwortete ich sofort: Ich ersuche die gegnerische Macht, einen Vertrauensmann in ein neutrales Land zu senden, wohin ich meinerseits sofort einen Delegierten abschicken würde (…). – Auf ­dieses zweite Telegramm ist nie mehr eine Antwort gekommen. Sieben Tage ­später, am 16. März, ist der Zar entthront worden.372

Auf eine Anregung Penfields hin depeschierte Czernin am 13. März 1917 an Hohenlohe: Der amerikanische Botschafter sprach mir heute ganz spontan den Wunsch aus, es möchten die nächsten nach England fahrenden amerikanischen Schiffe ‚übersehen‘ und nicht torpediert werden. Dies werde Wilson gegenüber seiner öffentlichen Meinung genügen; es würden daraufhin gewiß keine weiteren Schiffe fahren. Amerika müsse entweder selbst Krieg oder den Frieden machen. Im ersteren Falle werde es so wie so keine nennenswerte Munition mehr exportieren können, in letzterem – dem von Wilson gewünschten – Falle Komplikationen zu vermeiden trachten. – Obwohl ich die schwachen Seiten dieser Argumentation völlig zugebe, so ersuche ich Euer Durchlaucht dennoch, den Inhalt der Unterredung dem Herrn Reichskanzler zur Kenntnis zu bringen und hinzuzufügen, daß Herr Penfield auftragsgemäß gesprochen hat und die amerikanische Regierung wohl tatsächlich den Krieg vermieden wissen möchte.373

Hohenlohe übermittelte den Inhalt ­dieses Telegramms in Form einer Notiz am 14. März Zimmermann zur Weitergabe an den Kanzler.374 An Czernin telegrafierte er d ­ arüber: „Herr Zimmermann hat mir versprochen, in d ­ iesem Sinne an den A ­ dmiralstab 372 Czernin 1919, 192 – 193. 373 Czernin an Hohenlohe, Tel. 135, 13. März 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 426 – 426v, idem: HHStA PA I, 1092a 1 fol. 51 – 51v. 374 Notiz der ö.-u. Botschaft Berlin 14. März 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 335 Dok. 232.

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­ eranzutreten. – (…) Ich hatte nicht den Eindruck, daß Herr Zimmermann glaubt, h diesbezüglich (…) sehr viel zu erreichen.“ 375 Botschafter Wedel ließ sich von der Zuversicht Czernins, dass sein Aide-Mémoire vom 2. März in Washington mit Befriedigung aufgenommen worden sei, offenkundig anstecken. Darauf weist sein Bericht an Bethmann Hollwegvom 14. März 1917 hin: Die günstige Aufnahme der diesseitigen Tauchbootnote (…) nun auch in Amerika bedeutet für den Grafen Czernin einen Erfolg. (…) Er erblickt in der Haltung Amerikas ein ­­Zeichen, daß Wilson einen Krieg mit uns vermeiden wolle, und glaubt, daß sich derselbe bei geschickter Behandlung auch vermeiden lasse. Unter geschickter Behandlung versteht er eine ‚zufällige‘ Schonung der beiden angeblich abgefahrenen bewaffneten amerikanischen Handelsschiffe. – Ich habe demgegenüber geltend gemacht, daß die Bekanntmachung des Erlasses an unseren Gesandten in Mexiko 376 nicht für friedliche Intentionen Wilsons spreche, und daß die Entsendung bewaffneter Handelsschiffe ins Sperrgebiet eine Herausforderung bedeute. Die ‚zufällige‘ Schonung derselben würde wohl zur Folge haben, daß die Amerikaner die Munitionstransporte in vollem Umfange wieder aufnehmen würden, was der Tauchbootkrieg doch gerade verhindern solle.377

Das Berliner Auswärtige Amt fand Czernins bzw. Hohenlohes Notiz so wichtig, dass es ­Kaiser Wilhelm von ihr unterrichtete, der Holtzendorff zur Stellungnahme aufforderte. Der Admiral tat dies mit einem vom 18. März datierten Schreiben in dem es hieß: In der (…) Notiz (…) wird der ‚ganz spontane Wunsch‘ des amerikanischen Botschafters in Wien vorgetragen, die nächsten nach England fahrenden Schiffe ‚übersehen‘ und nicht torpedieren zu lassen. Auf ­diesem Wege glaubte Präsident Wilson in die Lage zu kommen, der öffentlichen Meinung genugzutun, und es würden dann ‚gewiß‘ keine weiteren Schiffe mehr fahren. – Diesem (…) Einfall kann die Seekriegsleitung auch bei größter Bereitwilligkeit nicht gerecht werden. Sind die vielfachen Nachrichten begründet, daß amerikanische Handelsdampfer – ob bewaffnet oder nicht kommt dabei nicht in Betracht – bereits in Fahrt gesetzt sind in unser Sperrgebiet, so kann ein Zusammenstoß mit den im Atlantik stehenden U-Booten stündlich erfolgen, ohne daß Sicherheit oder auch nur Wahrscheinlichkeit bestände, dies durch Funkspruchbefehle zu verhüten. – Sind aber amerikanische Schiffe bisher noch nicht abgelassen und wird der spontane Wunsch als Fühler ausgesprochen für unser Verhalten, wenn amerikanische Schiffe in das Sperrgebiet eintreten, so würde dies zunächst einen sechswöchigen Aufschub für die Ausgabe 375 Hohenlohe an Czernin, Tel. 165, 14. März 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 429. 376 Das „Zimmermann-Telegramms“. 377 Wedel an Bethmann Hollweg, Tel. 87, 14. März 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/ VIII, 334 Dok. 231.

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der erforderlichen U-Boot-Befehle voraussetzen. (…) Amerikanische Schiffe durchzulassen nach Feindesland, während wir die Schiffahrt der kleinen neutralen Staaten (…) daran hindern, würde (…) voraussichtlich das Gegenteil von dem angeblichen Wunsch des Präsidenten W ­ ilson, dem Frieden förderlich zu sein, bewirken. Aber auch abgesehen (… davon), hieße es dem Ziel (…) des U-Boot-Krieges geradewegs zuwiderhandeln, wollten wir die Handelssperre (…) durch Einlaß amerikanischer Zufuhr durchlöchern. – (…) Ich halte mich aber verpflichtet, auf das leichtfertige, frevelhafte Spiel (…) hinzuweisen, das sich in dem Gebaren des Präsidenten Wilson offenbart. Er will die Frage über Krieg und Frieden abhängig machen davon, daß wir ein Auge zudrücken bei der Passage einzelner amerikanischer Dampfer, (…) daß also wir der Gefahr ausweichen sollen, die er vor aller Welt sichtbar heraufbeschwört. (…) Darum scheint es mir (…) ratsam, das deutsche Volk wie die Neutralen über die Haltung des Präsidenten (…) zur Frage des Krieges mit Deutschland nicht länger im unklaren und uns nicht durch längeres Zuwarten und Herumtasten an Verständigungsmachenschaften (…) ins Unrecht schieben zu lassen.378

Kaiser Wilhelm las Holtzendorffs Stellungnahme noch am 18. März und vermerkte auf ihr: „Einverstanden, abzulehnen. – An Auswärtiges Amt (…) – Es ist jetzt ein für allemal Schluß mit Verhandlungen mit Amerika! Will Wilson Krieg, soll er ihn herbeiführen und ihn dann haben!“ 379 Wilson konnte sich weiterhin zu keiner Stellungnahme zur Antwort Czernins auf das Penfieldsche Memorandum und auch nicht zur Akkreditierung Tarnowskis entschließen. Darüber telegrafierte dieser am 16. März: Da ich nur privat mit Staatsdepartement verkehre, konnte ich (…) Staatssekretär nicht begegnen. – Beide Unterstaatssekretäre (…) meinten, Präsident hätte (…) noch keine Instruktionen erteilt, dürfte aber für zweckmäßigst halten, Stellungnahme (…) hinauszuschieben. Offenbar unter Eindruck Meldung amerikanischen Botschafters haben mir Mitredner (…) zu verstehen gegeben, daß es erschwerend wäre, wenn ich jetzt Empfang verlangte (…). – Ich versicherte (…), daß, anstatt Frage endlos pendent zu lassen, entsprechender wäre, auf Grundlage, die unsere Antwort böte, Gedankenaustausch aufzunehmen; um dies zu erleichtern, würde ich Euer Exzellenz um geheime Fortführung ersuchen (…). – Mitredner zeigten Interesse für Ausführungen und meinten, amerikanische Regierung hätte Geheimhaltung immer gewünscht, unsere erste Note nie veröffentlicht; von uns ausgegangene Publikation habe Rolle hiesiger Regierung erschwert, sonst hätte ich Begleitschreiben bereits überreicht.380

378 Holtzendorff an Ks. Wilhelm 18. März 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 335 – 336 Dok. 233. 379 Ebd. 380 Tarnowski an Czernin, Tel. 32 (im Wege des State Dept. u. amerik. Botschaft in Wien), 16. März 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 443 – 443v.

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In der Sache der Akkreditierung Tarnowskis hatte Penfield am 6. März 1917 an Lansing telegrafiert, er sei von Czernin gebeten worden zu tun was er könne, um den Empfang durch Wilson zu erreichen. Darauf, dass Penfield selbst einen solchen für sinnvoll hielt, weisen die Worte „my work in certain directions would be greatly facilitated were ­Tarnowski received“ in seiner Depesche hin.381 Kurz darauf erteilte Czernin Tarnowski die Weisung: Euer Exzellenz wollen Herrn Lansing sagen, daß ich sehr gerne bereit bin, den sich an meine Note knüpfenden Gedankenaustausch geheim und ohne Veröffentlichung fortzusetzen. (…) – Ich habe gestern energisch bei Herrn Penfield darauf gedrungen, damit Euer Exzellenz endlich von Herrn Wilson empfangen werden (…).382

Am 14. März telegrafierte Penfield an Lansing, Czernin frage täglich, weshalb Wilson Tarnowski noch immer nicht empfangen habe, er sei vom K ­ aiser um Aufklärung gebeten worden.383 Lansing antwortete am 18. März, das State Department verstehe die schwierige Situation, und möglicherweise könne bald ein Weg gefunden werden, sie zu erleichtern. Die Regierung wünsche ernstlich, mit Österreich-Ungarn in freundschaftlichen Beziehungen zu verbleiben, die öffentliche Meinung jedoch heiße, angesichts der Tatsache, dass die Monarchie sich offen zu einer Art der Kriegsführung bekannt habe, die mit den vitalen Interessen der Vereinigten Staaten in direktem Konflikt stehe und schon den Tod von mehr als 200 amerikanischen Bürgern gefordert habe, den Empfang des designierten Botschafters durch den Präsidenten zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut. Tarnowski sei aber seit seiner Ankunft alle Wertschätzung gezeigt worden und Beamte des State Department hätten ihm geraten, die Frage seines Empfangs zunächst ruhen zu lassen. Sollte die k. u. k. Regierung ein Fortbestehen der Situation für unmöglich erachten, so wäre die amerikanische Regierung für Anregungen seitens des Ministers dankbar.384 Penfield überreichte daraufhin Czernin am 21. März ein den Inhalt des Telegramms Lansings wiedergebendes Memorandum;385 eine offizielle Stellungnahme zur österreichisch-ungarischen Antwort vom 2. März bedeutete ­dieses aber keineswegs. Der Botschafter telegrafierte am nächsten Tage an Lansing, er tue sein Bestes, Czernin weiter hinzuhalten und ihm die Situation in Washington begreiflich zu machen. Der Minister zeige Verständnis, weise aber auf die zunehmend schwierige Lage hin, in der 381 Penfield an Lansing, Tel. 1746, 6. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 169. 382 Czernin an Tarnowski, Tel. B, 10. März 1917 (Czernin an Hadik, Tel. 58), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 411 – 411v (Entw.: fol. 410 – 410v, 414); idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 26. 383 Penfield an Lansing, Tel. 1760, 14. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 177. 384 Lansing an Penfield, Tel. 1606, 18. März 1917, ebd. pp 178 – 180. 385 Aide-Mémoire von Penfield am 21. März 1917 übergeben, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 464 – 466, dt. Text fol. 453 – 454v u. 471.

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sich seine Regierung befinde. Der Stolz des Kaisers sei getroffen, denn Tarnowski sei der erste von ihm ernannte Botschafter, und die Presse könne nicht länger unter Kontrolle gehalten werden. Penfield schloss: „It is obvious that Austro-Hungarian Government can not break with Germany. If so the enemies of the Dual Monarchy would crush it in few weeks. – (…) As the case now stands I foresee trouble for us.“ 386 Czernin selbst hatte am 21. März an Tarnowski telegrafiert: Euer Exzellenz wollen Herrn Lansing in sehr freundschaftlicher Form darauf aufmerksam machen, daß meine Situation ganz ungemein erschwert wird, wenn Euer Exzellenz nicht endlich (…) empfangen werden (…) daß die gesamte öffentliche Meinung der Monarchie sich gegen diese Vorgangsweise aufzulehnen beginnt, ein Umstand, welcher nur deshalb noch nicht zu Tage tritt, weil ich die Presse verhindere, darüber zu schreiben. Ich glaube, ich habe bewiesen, daß ich die Beziehungen zu Amerika aufrecht zu erhalten wünsche, ich glaube das Gleiche von Herrn Lansing, aber er möge meine Situation nicht unmöglich machen. (…) – Mit geheimer Fortführung des Gedankenaustausches über U-Bootfrage bin ich vollständig einverstanden, wenn auch Staatssekretär Geheimhaltung verspricht.387

Tarnowski depeschierte an einem der folgenden Tage : À l’occasion dernière conversation avec sécretaire d’État il m’a (…) exprimé ses regrets les plus vifs en raison du retard de ma réception (…), en expliquant que circonstances et situation dans laquelle se trouve placé le gouvernement (…) par notre point de vue concernant opérations des sous-marines, rendaient impossible que mes lettres de créance fussent acceptées à présent. – Mr. Lansing a appuyé avec emphase sur désir du gouvernement américain de maintenir relations diplomatiques (…) qu’il était convaincu qu’en vérité nous n’approuvons pas guerre sous-marine et la tolérions seulement par nécessité (…). En raison du manque de causes positives d’une rupture, celle-ci serait d’autant plus regrettable et gouvernement américain voulant l’éviter, ne voit pas autre moyen que laisser actuellement notre note sans réplique et attend réunion du congrés.388

Tarnowski sah die Entscheidung über einen Eintritt der USA in den Krieg als imminent an, glaubte aber, dass es bei defensiven Maßnahmen bleiben werde. So telegrafierte er am 27. März: 386 Penfield an Lansing, Tel. 1781, 22. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 177. 387 Czernin an Tarnowski, Tel. 30, 21. März 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 484 – 484v, idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 35. 388 Zwiedinek (für Tarnowski) an Czernin, Tel. 35, o. D. (eingelangt 26. März 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 506.

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Man hoffte hier, Deutschland würde die kursierenden amerikanischen Schiffe schonend behandeln. (…) – Kürzliche Versenkung von drei amerikanischen Schiffen nahm hiesiger Regierung obige Hoffnung (…) und Präsidenten (…) blieb kein Ausweg übrig, als Parlament einzuberufen. (…) Lage durch seitherige Versenkung weiterer amerikanischer Schiffe noch verschärft. – Entscheidung Kongresses wird von (…) Umständen, die bis 2. April noch eintreten können, abhängen (…). Allgemein wird erwartet, Parlament werde nicht Krieg ­erklären, sondern nur feststellen, daß Deutschland Kriegszustand geschaffen, was Defensivmaßnahmen erfordere (…).389

Am Tag zuvor hatte Tarnowski, der Weisung Czernins vom 21. März nachkommend, Lansing aufgesucht und ihm folgendes Schreiben überreicht: (…) Count Czernin has instructed me to draw (…) Your Excellency’s attention to the fact that the long delay of my reception by the President renders his position extremely difficult, the public opinion in Austria-Hungary resenting it already (…). – My Chief thinks to have shown his desire for the maintenance of the diplomatic relations between the Monarchy and the United States and he believes this desire to be shared by Your Excellency (…). – Besides Mr. Penfield’s situation is also growing very difficult as the public opinion begins to lose faith in his good will.390

Auf Tarnowskis Besuch hin schrieb Lansing an Wilson: Count Tarnowski called at my house (…) and discussed his situation here. He asked for the appointment on account of having received a communication from Count Czernin. After talking the matter over (…), I requested him to give me a transcript of Count Czernin’s dispatch which he had read to me. This he did and I enclose to you a copy. I told him that I would lay the matter before you and would endeavor to give him an answer today or tomorrow. Will you please advise me what I should say to Count Tarnowski?391

Wilson antwortete dem Staatssekretär, er solle Tarnowski sagen, dass das Bekenntnis der österreichisch-ungarischen Regierung zu jener Politik, deretwegen die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abgebrochen wurden, seinen Empfang durch den Präsidenten unmöglich mache. Diese Erklärung könne „of course be made in the most 389 Tarnowski an Czernin, Tel. G, 27. März 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 84, 28. März), ebd. fol. 512 – 512v, idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 21. 390 Tarnowski an Lansing, 26. März 1917 (Anh. zu Lansing an Wilson, 27. März 1917), PRFR LP 1 1939. 633, idem: Lansing 1935, 249 – 250; Link PWW 41 1982, 477. 391 Lansing an Wilson 27. März 1917, ebd. p 632 bzw. p 249 u. p 476.

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friendly spirit; and he can be told that we will relieve the embarrassment at Vienna by recalling Mr. Penfield (…)“. Der Präsident wies Lansing auch an: Penfield should express again to Count Czernin our regret that the Austro-Hungarian Government should have felt itself obliged to join Germany in its sub-marine policy and so interrupt relations which we had hoped might remain friendly in form as well as in fact (…).392

Durch diese Stellungnahme Wilsons sah sich Lansing am 28. März veranlasst, Botschafter Penfield zu Konsultationen nach Washington zu berufen. Überdies wies er ihn an Czernin mitzuteilen, dass es Wilson, „in view of the explicit acceptance and avowal by his Govern­ment of a policy which has led to our breach of diplomatic relations with Germany“, unmöglich sei, Tarnowski zu empfangen. Die amerikanische Regierung bedaure zutiefst, dass die österreichisch-ungarische Regierung sich verpflichtet habe, „to join Germany in its submarine policy even though it be only a verbal and not a physical cooperation, and so interrupt relations which we had hoped might remain friendly in form as well as in fact“. Czernin solle verstehen, dass Wilson, „in his inability to receive Count Tarnowski (…) is acting without feeling against Austria and merely on principle“.393 Tarnowski teilte der Staatssekretär am 29. März mit, dass es Wilson unmöglich sei, ihn zu empfangen. Darüber berichtete der designierte Botschafter am 1. und am 2. April nach Wien: Anläßlich Unterredung mit Staatssekretär und nachfolgenden Gesprächs mit erstem Unterstaatssekretär haben beide wiederholt besonders sympathische Gesinnung für uns betont; einerseits wünsche Präsident durchaus, Bruch mit uns zu vermeiden, andererseits, und schon gar am Vorabende wahrscheinlichen Krieges mit Deutschland, sei Entgegennahme meines Beglaubigungsschreibens, wodurch unser mit deutschem identischer U-Boot-Standpunkt anerkannt würde, unmöglich. (…) Regierung bedaure sehr (…) Unmöglichkeit meines Empfanges, wobei sie vollkommen begreife, daß Euer Exzellenz (…) auf meinen Empfang nicht länger warten wollen. Man wünsche, wir verstünden, daß Hinausschiebung meines Empfanges nur Wunsch zur Erhaltung der Beziehungen zu Grunde lag; nachdem längere Hinausschiebung unmöglich, bleibe, um Beziehungen zu erhalten, nichts übrig, als Vertretungen auf Geschäftsträger zu reduzieren (…) Unvorgreiflich Euer Exzellenz Entscheidung scheint mir mein längeres Verbleiben unmöglich (…). – Mit Gehässigkeit sprachen Mitredner von Deutschland, wobei sie Krieg gegen letzteres als kaum vermeidlich bezeichneten.394 392 Wilson an Lansing, 27. März 1917, ebd. pp 633 – 634 bzw. p 250 u. pp 477 – 478. 393 Lansing an Penfield, Tel. 1624, 28. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 188. 394 Tarnowski an Czernin, Tel. 37, 1. Apr. 1917, HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 77, ­Tarnowski an Czernin, Tel. H, 2. Apr. 1917 (Hadik an Czernin Tel. 108, 4. Apr. 1917), ebd. fol. 22.

Kriegserklärung der USA an Deutschland – Österreich-Ungarn bricht

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Am 2. April berichtete Tarnowski: Unsere letzte Demarche hat eingetretene Folgen deswegen hervorgerufen, da (…) Schritt Euer Exzellenz bei Penfield (…) und Verwendung Unterstaatssekretäre bei mir (…) vorangegangen, wobei Berichterstattung Penfields sicherlich das Meiste zur Impression beigetragen, daß Euer Exzellenz auf meinen Empfang länger zu warten nicht gesonnen, woraus Präsident Konsequenzen gezogen. – Heute wäre mein und Penfields Verbleiben, scheint mir, nur nach wesentlichen Konzessionen bezüglich U-Bootstandpunktes möglich, wobei mein Empfang erfolgen würde. Sonst Abreise, wie gemeldet, kaum vermeidlich, die, falls Euer Exzellenz meine nachmalige Rückkehr Washington wünschen, Charakter Urlaubes haben müßte.395

Botschafter Penfield hatte tags zuvor an Lansing berichtet, Czernin werde Tarnowski nun anweisen, sofort um freies Geleit anzusuchen und Amerika so bald wie möglich zu verlassen. Der Minister habe ihm mit großer Bestimmtheit versichert, dass, sollten die Vereinigten Staaten Deutschland den Krieg erklären, Österreich-Ungarn seine diplo­ matischen Beziehungen mit den USA unverzüglich abbrechen werde.396

1.4

Kriegserklärung der USA an Deutschland – Österreich-Ungarn bricht die diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten ab

Präsident Wilson und die wichtigsten Entscheidungsträger der Vereinigten Staaten waren inzwischen zur Überzeugung gekommen, dass ein Eintritt in den Krieg gegen Deutschland nicht zu umgehen sei. Wesentlich dazu trug das Bekanntwerden eines Telegramms bei, das Zimmermann am 16. Jänner 1917 „angehängt“ an eine oben zitierte Depesche Bethmann Hollwegs an Bernstorff d ­ iesem zur „ausschließlich persönlichen Information und Weitergabe (…) auf sicherem Wege“ an den deutschen Gesandten in Mexiko, Heinrich von Eckardt, gesandt hatte. In dem Telegramm hieß es: Wir beabsichtigen, am 1. Februar uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu beginnen. Es wird versucht werden, Vereinigte Staaten (…) trotzdem neutral zu erhalten. – Für den Fall, daß dies nicht gelingen sollte, schlagen wir Mexiko auf folgender Grundlage Bündnis vor: Gemeinsame Kriegführung. Gemeinsamer Friedensschluß. Reichliche finanzielle Unterstützung und Einverständnis unsererseits, daß Mexiko in Texas, Neu-Mexiko, Arizona früher verlorenes Gebiet zurückerobert. (…) Euer Hochwohlgeboren wollen vorstehendes Präsidenten (von 395 Tarnowski an Czernin, Tel. I, 2. Apr. 1917, ebd. fol. 11 bzw. Hadik an Czernin, Tel. 105, 4. Apr. 1917, ebd. fol. 31. 396 Penfield an Lansing, Tel. 1800, 1. Apr. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 193 – 194.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Mexiko) streng geheim eröffnen, sobald Kriegsausbruch mit Vereinigten Staaten feststeht, und Anregung hinzufügen, Japan von sich aus zu sofortigem Beitritt einzuladen und gleichzeitig ­zwischen uns und Japan zu vermitteln. – Bitte Präsidenten darauf hinzuweisen, daß rücksichtslose Anwendung unserer U-Boote jetzt Aussicht bietet, England in wenigen Monaten zum Frieden zu zwingen.397

Übermittelt wurde das Telegramm über Ersuchen des Auswärtigen Amtes von der amerikanischen Botschaft in Berlin, durch ­welche, dank des Entgegenkommens der US -Regierung, der telegrafische Verkehr Berlins mit der Botschaft in Washington abgewickelt werden konnte. Technisch gingen ­solche Depeschen über Kopenhagen und weiter über London an das State Department. In London wurden von ihnen – ohne Wissen der Vereinigten Staaten – für den Entzifferungsdienst der Intelligence Division des Admiralty War Staff Kopien angefertigt. Die deutsche Botschaft in Washington dechiffrierte das Telegramm und verschlüsselte es mit einem schon seit Längerem in Gebrauch befindlichen, für Depeschen nach Mexiko üblichen, Code neu. In dieser Form wurde es von Bernstorff über die Telegrafengesellschaft Western Union an die Gesandtschaft in Mexico City weitergeleitet.398 Die realen Gegebenheiten nicht weniger verkennend als bei dem genannten Telegramm sandte Zimmermann am 5. Februar eine weitere an Eckardt. Wegen der inzwischen abgebrochenen diplomatischen Beziehungen mit den Vereinigten Staaten wurde nun der Weg über das Außenministerium in Stockholm gewählt, der, weil seit Anfang August 1914 alle anderen Kabelverbindungen mit Amerika von den Briten unterbrochen worden waren, auch über London führte. Dieses Telegramm lautete: Sofern nicht Verrat Geheimnisses an Vereinigte Staaten zu befürchten, wollen Euer Hochwohlgeboren Bündnisfrage schon jetzt mit Präsidenten erörtern. Jedoch bleibt definitiver Abschluß Bündnisses abhängig von Kriegsausbruch ­zwischen Deutschland und Vereinigten Staaten. Präsident könnte von sich aus schon jetzt Japan sondieren. – Sollte Präsident aus Furcht vor späterer amerikanischer Rache ablehnen, sind Sie ermächtigt, Defensivbündnis nach Friedensschluß anzubieten, wofern es Mexiko gelingt, Japan in Bündnis einzubeziehen.399

397 Zimmermann an Bernstorff, Tel. 158 (Zimmermann an Eckardt, Tel. 1), o. D. (16. Jän. 1917), Anh. zu: Zimmermann an Bernstorff, Tel. 157, 16. Jän. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/ VIII, 337 – 338 Dok. 235. 398 Freeman 2006 30, 116 – 117. 399 Zimmermann an Eckardt, Tel. 11 („Im Anschluß an Tel. 1“), 5. Feb. 1917, DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1/VIII, 338 Dok. 236.

Kriegserklärung der USA an Deutschland – Österreich-Ungarn bricht

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Von d ­ iesem bereits in Berlin mit dem für Mexiko üblichen älteren Code chiffrierten Telegramm wurde in London ebenfalls eine Kopie angefertigt. Während die Dechiffrierung des ersten Telegramms nur zum Teil gelang, bereitete die des zweiten, nach dem bekannten älteren Code verschlüsselten, keine Schwierigkeiten. Vom Text der Depeschen wurde zunächst weder dem Foreign Office noch den Vereinigten Staaten Kenntnis gegeben, das letztere nicht zuletzt deshalb, weil die Überwachung des Telegrammverkehrs von und nach Washington nicht eingestanden werden konnte. Dem Foreign Office wurde der Text erst mitgeteilt, nachdem es einem Mitglied der britischen Gesandtschaft in Mexico City gelungen war, von einem Angestellten der Western Union unter der Hand eine Kopie des in Washington neu chiffrierten ersten Telegramms an Eckardt zu kaufen und es sich erwiesen hatte, dass d ­ ieses gleich lautete wie das in London kopierte, das nun auch zur Gänze entziffert werden konnte.400 Das Foreign Office händigte den Telegrammtext am 23. Februar Botschafter Page aus, welcher ihn am Folgetag dem State Department übermittelte,401 wo Wilson ihn noch am Abend zu Gesicht bekam. Zur Bestätigung der Authentizität des Textes ließ sich das State Department von Western Union eine Kopie des von Bernstorff an Eckardt weitergeleiteten Telegramms ausfolgen. Um dessen Wortlaut mit dem vom Foreign Office übergebenen vergleichen zu können, wies Lansing am 1. März Botschafter Page an Balfour zu ersuchen, einem Mitglied seiner Mission die Dechiffrierung der von Western Union erhaltenen Kopie mittels des in britischer Hand befindlichen Codes zu ermöglichen: This Government has not the slightest doubt as to its authenticity, but it would be of the greatest services if the British Government would permit you or someone in the Embassy to personally decode the original message which we secured from the telegraph office in Washington (…). Assure Mr. Balfour that the Department hesitated to make this request but feels that this course will (…) make it possible for the Department to state that it had secured the ­Zimmermann note from our own people.402

Page antwortete am 2. März: „Bell 403 took the cipher text of the German message (…) to the Admiralty and there, himself, deciphered it from the German code which is in the Admiralty’s possession.“ Es erwies sich, dass der Text der von Western Union ausgefolgten Kopie des Telegramms Bernstorffs an Eckardt mit dem des in London a­ ufgefangenen

400 401 402 403

Freeman 2006 30, 116 – 123. Page an Lansing, Tel. 5747, 24. Feb. 1917, Hendrick 3 1925, 332 – 334, idem: Link PWW 41 1982, 280 – 282. Lansing an Page, Tel. 4494, 1. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 155. Edward Bell, 2. Sekretär der Londoner US-Botschaft.

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Telegramms Zimmermanns an Bernstorff ident war, seine Authentizität konnte somit nicht mehr bezweifelt werden.404 In Washington wurde am 28. Februar beschlossen, der Associated Press inoffiziell eine Paraphrase des Zimmermann-Telegramms zu übergeben.405 Deren sensationeller Inhalt konnte dadurch auf den ersten Seiten der Zeitungen des 1. März erscheinen und erörtert werden – einen Tag bevor die von Wilson verlangten Maßnahmen gegen den uneingeschränkten U-Bootkrieg vom Kongress debattiert wurden.406 Europäische Zeitungen, so auch The Times, brachten den Text einen Tag s­ päter, das Fremden-Blatt enthielt ihn am 6. März.407 Am Tag der Debatte, dem 2. März, bestätigten Wilson und Lansing die Echtheit der Depesche und konnten so den Gegnern der vorgeschlagenen Maßnahmen den Wind aus den Segeln nehmen.408 Letzte Zweifel an der Echtheit des Telegramms beseitigte Zimmermann selbst, als er sich am 3. März vor dem Hauptausschuss des Reichstags zu ihm bekannte – erstaunlicherweise ohne zunächst damit eine Reaktion der Abgeordneten auszulösen.409 Erst zwei Tage darauf wurde das Telegramm im Hauptausschuss eingehend erörtert. Folgt man den Tagebuchnotizen Hans Peter Hanssens, damals als dänischer Abgeordneter für den nordschleswigschen Wahlkreis Hadersleben-Sonderburg Mitglied des Hauptausschusses, so erklärte der SPD-Abgeordnete Eduard David, sicherlich nicht viele der Anwesenden könnten das Vorgehen des Staatssekretärs als vorsichtig, klug und richtig bezeichnen. Es sei unbegreiflich, wie das Auswärtige Amt Mexiko zwei amerikanische Bundesstaaten habe anbieten können. Sei der Staatssekretär wirklich des Glaubens, Mexiko wäre imstande die USA zu zwingen, diese Territorien preiszugeben? Er, David, könne nicht glauben, dass Mexiko das Anbot ernst nahm, die deutsche Diplomatie habe sich vor aller Welt lächerlich gemacht. In Washington werde man Zimmermanns Vorgehen lange nicht vergessen, für die Deutschen in den Vereinigten Staaten sei es ein vernichtender Schlag. Auch der SPD- bzw. SAG-Abgeordnete Georg Ledebour griff die Regierung heftig an. Die übrigen Mitglieder des Hauptauschusses billigten Zimmermanns Aktion im Prinzip, zeigten sich aber darin einig, dass ihre Ausführung unglücklich gewesen sei.410 Lansing kommentierte Zimmermanns Eingeständnis vor dem Hauptauschuss mit den Worten: „By admitting the truth he blundered in a most astounding manner for a man engaged in international intrigues. Of course the message itself was a stupid piece of business, but admitting it 404 Page an Lansing, Tel. 5789, 2. März 1917, Hendrick 3 1925, 345 – 346, idem: PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 157 – 158. 405 Lansing Memorandum 4. März 1917, Link PWW 41 1982, 323. 406 TNYT 1. März 191, 1. 407 TT 2. März 1917, 7, F-B M 6. März (1917), 5. 408 Lansing Memorandum 4. März 1917, Link PWW 41 1982, 324. 409 Zimmermann, RT-HA 122. Sitzg., 3. März 1917, Schiffers Koch Boldt 3 1981, 1149 – 1150. 410 (RT-HA 123. Sitzg. 5. März 1917) Hanssen 1 1924, 274 – 279, geglättet u. nur zusammenfassend: Schiffers Koch Boldt 3 1981, 1152 – 1155, s. auch: Hanssen 1955, 175 – 179.

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was far worse.“ 411 Und Lloyd George meinte ­später, „the worst German blunder in the War, after the invasion of Belgium, was the quarrel with America. It was at best a reckless miscalculation: at its worst it was an inconceivable folly.“ 412 Im Gegensatz zu dem Telegramm Zimmermanns vom 16. Jänner 1917 machte das State Department jenes vom 5. Februar nicht der Öffentlichkeit bekannt, sodass diese davon erst im Zuge der Verhandlungen des Untersuchungsausschusses der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung erfuhr.413 Hohenlohe berichtete in der Sache am 4. März 1917: Im Auswärtigen Amt erklärt man mir, die Veröffentlichung des Bündnisantrages an Mexiko sei sehr ärgerlich, aber im Ganzen sei die Sache ziemlich bedeutungslos, da jeder Mensch doch einsehen müsse, daß Deutschland sich für einen Kriegsfall mit Amerika, wenn irgend tunlich, Bundesgenossen habe sichern wollen.414

Czernin antwortete einigermaßen harsch: Ich kann nicht leugnen, daß (…) ich den Inzidenzfall sehr bedaure, da er von der Entente ausgeschrottet werden wird. – Bei den ausgezeichneten Beziehungen, die Euer Durchlaucht sich mit Zimmermann zu schaffen gewußt haben, wird es Ihnen nicht schwer fallen, ihm in freundlicher, aber ernster Weise nahezulegen, daß die Summe der sich häufenden Entgleisungen für uns nicht angenehm ist.415

Lansing erklärte am 19. März 1917 in einem Schreiben an Wilson, er stimme mit ihm darin überein, dass die in letzter Zeit erfolgten U-Bootangriffe die internationale Lage nicht so wesentlich berührten, dass sie einen ausreichenden Grund für eine Kriegserklärung an Deutschland darstellten. Sie zeigten jedoch die Entschlossenheit der deutschen Regierung, von der angekündigten Vorgehensweise nicht abzustehen, und dies ohne Rücksicht auf Konsequenzen und auch ohne Ausnahmen für amerikanische Schiffe. Es sei daher lediglich eine Frage der Zeit, „before we are forced to recognize these outrages as hostile acts which will amount to an announcement that a state of war exists“. Er sei überzeugt, dass der Krieg mit Deutschland unausweichlich werde, nämlich dann, wenn es zu Kampfhandlungen z­ wischen einem bewaffneten amerikanischen Handelsschiff und einem U-Boot komme: „Whether that event will cause Germany to declare 411 412 413 414 415

Lansing Memorandum 4. März 1917, Link PWW 41 1982, 326. Lloyd George WM. 6 1936, 3351 – 3352. Lansing 1935, 226 – 231, Tuchman 1959, 168 – 183 Katz 1964, 359 – 364. Hohenlohe an Czernin, Tel. 145, 4. März 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 93. Czernin an Hohenlohe, Tel. 122, 5. März 1917, ebd. fol. 91 – 91v.

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war or will cause us to recognize a state of war I do not know, but I do not think that we can successfully maintain the fiction that peace exists.“ Ein amerikanisches Eingreifen in den Krieg scheine ihm auf der Prämisse zu beruhen, dass ­dieses unvermeidbar sei. Zwei weitere Prämissen s­ eien, dass die Ententemächte das Prinzip der Demokratie, die Mittelmächte aber das der Autokratie verkörperten und die Demokratie um des Wohlergehens der Menschheit und des Friedens willen siegen sollte. Ein Kriegseintritt der Vereinigten Staaten würde die neue demokratische Regierung in Russland stärken und dem demokratischen Element in Deutschland Auftrieb verleihen. Und schließlich: „(…) the longer we delay in declaring against the military absolutism which menaces the rule of liberty and justice in the world, so much the less will be our influence in the days when Germany will need a merciful and unselfish foe.“ 416 Am Abend des 2. April 1917 erklärte Wilson vor dem zu einer Sondersitzung versammelten Kongress, die gegenwärtige Führung des U-Bootkrieges stelle eine Kriegführung gegen die Menschheit dar, angesichts welcher die bewaffnete Neutralität schlimmer als fruchtlos sei. Er erachte es daher als seine verfassungsmäßige Pflicht, dem Kongress eine Erklärung zu empfehlen, dass die deutsche Kriegsführung „nothing less than war against the Government and people of the United States“ darstelle und dass er den dem Land aufgezwungenen Status eines Kriegführenden akzeptiere. Er empfehle sofortige Schritte „not only to put the country in a more thorough state of defense but also to exert all its power and employ all its resources to bring the Government of the German Empire to terms and end the war“. Die Vereinigten Staaten befänden sich nicht in einer Auseinandersetzung mit dem deutschen Volk, sondern mit dessen autokratischer Regierung, ­welche die gegenwärtige Situation verschuldet habe. Weiters erklärte Wilson: „The world must be made safe for democracy (…) We have no selfish ends to serve. We desire no conquest, no dominion (…) We are but one of the champions of the rights of mankind.“ Zum Unterschied von der deutschen Regierung hätten die mit dieser verbündeten Regierungen keine kriegerischen Akte gesetzt. Deshalb behalte er sich vor, eine Erörterung der Beziehungen mit der Regierung Österreich-Ungarns aufzuschieben, obwohl diese ihre uneingeschränkte Zustimmung zum „reckless and lawless submarine warfare“ erklärt habe. Ihr neu ernannter Botschafter, Graf Tarnowski, könne aber nicht empfangen werden.417 Lansing setzte noch am 2. April alle diplomatischen Missionen der Vereinigten Staaten von der Erklärung des Präsidenten in Kenntnis und davon, dass die Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses eine gemeinsame Resolution gefasst und den am 3. April tagenden Foreign Relations und Foreign Affairs Comittees zur Erwägung überwiesen hätten. Die Resolution laute: 416 Lansing an Wilson, 19. März 1917, PRFR LP 1 1939. 626 – 628. 417 Wilson War Message 2. Apr. 1917, Senate Doc. 5 1917. 3 – 8, idem: Link PWW 41 1982, 519 – 527.

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The state of war between the United States and the Imperial Government which has thus been thrust upon the United States is hereby formally declared; and – That the President be, and he is hereby, authorized and directed to take immediate steps not only to put the country in a thorough state of defense but also to exert all of its power and employ all of its resources to carry on war against the Imperial German Government and to bring the conflict to a successful termination.418

Über die Erklärung des Präsidenten und die durch sie neu geschaffene Situation depeschierte der Geschäftsträger der k. u. k. Botschaft in Washington am 3. April nach Wien: Devant Congrès réunie hier Président (…) déclara que guerre sous-marine était provocation humanité entière. (…) Président recommanda au congrès déclarer que procédés allemands créent état de guerre, d’accepter qualité de belligérant et prendre immédiatement tout mesures non seulement pour défense, mais aussi pour faire valoir toute la puissance et ressources du pays afin d’en coopérer avec Entente (…) – Président insista que guerre ne sera dirigée contre peuple allemand pour lequel Amérique ressent sympathie, mais contre ce gouvernement égoïste et autocrate prussien qui avait provoqué la guerre. Il dénonça intrigues et complots allemands du début de la guerre jusqu’à dépêche Zimmermann.419

Da aber die Monarchie sich nicht an feindseligen Handlungen gegenüber amerikanischen Bürgern beteilige, habe Wilson den Kongress ersucht, die Diskussion über die Beziehungen mit der Wiener Regierung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben zu dürfen. Nach neuerlichen Beteuerungen seiner aufrichtigen Freundschaft für das deutsche Volk habe er seine Rede mit der Versicherung geschlossen, dass Amerika ohne irgendwelche Eroberungsabsichten für die Befreiung der Völker einschließlich des deutschen und für die Demokratie kämpfen werde.420 Lansing schrieb in seinen War Memoirs, der wahre Grund für das Ersuchen ­Wilsons an den Kongress, die Diskussion über die Beziehungen mit der Wiener Regierung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben zu dürfen, sei gewesen, dass er gehofft hatte (…) that a way might (…) be found to drive a wedge between it and the German Government. The result (…) would be to (…) induce the Austro-Hungarian Government to make a separate peace (…) The possibility of such a peace was not visionary, for information had been received prior to April second indicating that the Austrian Government would be willing to listen to peace overtures, if there were sufficient assurances that the Empire would 418 Lansing an diplomat. Vertretungen, Zirkular-Tel., 2. Apr. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 194 – 203. 419 Zwiedinek an Czernin, Tel. 39, (3. Apr.) 1917, HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März-Mai fol. 2. 420 Ebd.

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be left p ­ ractically intact and would be protected from the revengeful hand of the German ­ overnment for its desertion.421 G

Tarnowski berichtete am 4. April: Daß Präsident so weit gehen würde, hat hier niemand erwartet. Entscheidung liegt beim ­ ongreß (…) bei Erbitterung gegen Deutschland, ­welche durch neue Versenkung amerikaniK scher Schiffe immer mehr vertieft, muß (…) Annahme Antrages Präsidenten erwartet werden. – Für diesen Fall erbitte Weisung, ob Erklärung Kriegszustandes amerikanischerseits als Kriegsausbruch ansehen (…) – Es ist meine Pflicht (…) Warnung zu erneuern: Das größte und fortgeschrittenste Land will (…) seinen unermeßlichen Vorrat an Reichtum und Energie in Wagschale (sic!) werfen, um – koste es was wolle – Sieg Deutschlands zu verhindern.422

In einem vorangegangenen Telegramm desselben Tages hatte er Czernin vorgeschlagen, mit einer allfälligen Entscheidung ihn betreffend den Beschluss des Kongresses abzuwarten: „Langsame Behandlung der Frage kann uns nur vorteilhaft sein.“ 423 Czernin antwortete Tarnowski am 5. April: Si Congrès acceptait message du Président, d’après lequel États-Unis se trouvent en guerre avec l’Allemagne, les relations entre Washington et nous sont rompues. – Veuillez dans ce cas rentrer avec toute l’Ambassade et les Consulats et remettre protection de nos connationaux à la Légation de Suède. – Mr. Penfield m’a déclaré au nom du Gouvernement américain celui-ci assume pleine garantie pour la sûreté de Votre rentré.424

Am selben Tag wies Czernin die Botschafter in Berlin, Sofia und Konstantinopel an: Euer ./. wollen der dortigen Regierung sofort mitteilen, daß, falls die Vereinigten Staaten sich als im Kriegszustand mit Deutschland befindlich erklären, wir die Beziehungen mit Washington sofort abbrechen und die Botschaft abberufen. – Euer ./. wollen an kompetenter Stelle zu verstehen geben, daß ich es für wünschenswert halte, daß die dortige Regierung d ­ iesem Beispiele folge, um der uns verbindenden Solidarität einen deutlichen Ausdruck zu geben.425 421 Lansing 1935, 245 – 246. 422 Tarnowski an Czernin, Tel. K, 4. Apr. 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 106, 4. Apr. 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 6 – 6v, idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 3. 423 Tarnowski an Czernin, Tel. J, 4. Apr. 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 107, 4. Apr. 1917), ebd. fol. 12 bzw. fol. 4. 424 Czernin an Tarnowski, Tel. 36, 5. Apr. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 18 (eigenh. Entw. Czernins in dt. Sprache fol. 31 – 33), idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 38. 425 Czernin an Hohenlohe, Otto Czernin u. Trauttmansdorff, Tel. 168, 115 u. 208, 5. Apr. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 15, idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Hinaus fol. 39.

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Am Vormittag des 6. April billigte der Kongress mit großer Mehrheit die ihm vorgelegte Resolution, in der es hieß: „(…) the state of war between the United States and the Imperial German Government (…) is hereby formally declared (…).“ 426 Lansing teilte am folgenden Tag den diplomatischen Vertretern der Vereinigten Staaten in allen Ländern telegrafisch mit: „On April sixth Congress declared and President proclaimed that a state of war exists between the United States and the Imperial German P (Government) so inform the government to which you are accredited“.427 Dieser Weisung folgend überreichte der noch in Wien weilende Penfield am 7. April Czernin eine entsprechende Note.428 Tarnowski hatte noch am 6. April (datiert 7. April) gemeldet: „Congrès passa résolution (…) qu’état de guerre entre l’Amérique et Gouvernement allemand qui a été imposé aux Américains soit déclaré formellement (…) – Président signa résolution aujourd’hui.“ 429 Am selben Tage hatte er berichtet: Meiner Ueberzeugung nach hätte Amerika von Krieg ferngehalten werden können. – Von gewissen Kreisen Ostens ausgehende Kriegsagitation wäre gegen überwiegend von Friedenswunsch erfüllte Mehrheit Bevölkerung nie aufgekommen. (…) Seit Anfang März hat sich (…) infolge Versenkungen amerikanischer Schiffe, Depesche Zimmermanns etc. Stimmung sprunghaft verändert und Ueberzeugung entstand, daß Deutschland auf Krieg mit Vereinigten Staaten ausgehe, weshalb, um ersterem nicht Wahl Zeitpunktes Krieges überlassen, man in diesen jetzt eingreift. – (…) – Amerikanische Regierung, die (…) Beziehungen mit uns erhalten will, glaubt jetzt, wir würden nicht umhin können, zu brechen.430

Czernin setzte am 8. April die beiden Ministerpräsidenten, die gemeinsamen Minister und die Marinesektion des Kriegsministeriums von der Entwicklung und den von Österreich-Ungarn gezogenen Konsequenzen mit folgender Note in Kenntnis: Nachdem die Vereinigten Staaten (…) erklärt haben, daß z­ wischen ihnen und der deutschen Regierung der Kriegszustand besteht, hat Oesterreich-Ungarn als Verbündeter des Deutschen Reiches beschlossen, die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten abzubrechen. – Die k. u. k. Botschaft in Washington sowie die in Betracht kommenden k. u. k. Konsularämter haben Weisung erhalten abzureisen und wurden dem hiesigen Geschäftsträger (der)

426 427 428 429 430

Declaration Of War Against Germany 6. Apr. 1917, Amdocs. Lansing an dipl. Vertr. in allen Ländern, Tel. 1202, 7. Apr. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 30. Penfield an Czernin, Note 12732, 7. Apr. 1917, ebd. fol. 30. Zwiedinek (für Tarnowski) an Czernin, Tel. 41, 7. Apr. 1917, ebd. fol. 36. Tarnowski an Czernin, Tel. L, 7. Apr. 1917 (chiffriert 6. Apr.) (Hadik an Czernin, Tel. 118, 9. Apr. 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 49 – 49v, idem: HHStA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 45.

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Vereinigten Staaten (…) heute die Pässe zugestellt. – Die königlich schwedische Regierung hat sich bereit erklärt, den Schutz unserer Interessen in den Vereinigten Staaten zu übernehmen.431

Der Öffentlichkeit wurde der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwei Tage ­später bekanntgegeben.432 Joseph C. Grew, seit der Abberufung Penfields Chargé d’Affaires ad interim der Wiener Botschaft, berichtete Lansing am 8. April: „Minister of Foreign Affairs has just informed me that the diplomatic relations between the United States and Austria-­ Hungary are broken (…).“ 433 Baron Zwiedinek erklärte Lansing am folgenden Tag, er sei angewiesen mitzuteilen, dass, nachdem Kongress und Präsident den Kriegszustand mit Deutschland erklärten, Österreich-Ungarn die diplomatischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten abbreche; Tarnowski habe die Instruktion erhalten zurückzukehren.434 Botschafter Wedel kommentierte das Vorgehen Czernins in einem am 8. April an Zimmermann gesandten Bericht: In Sachen Amerika hat Czernin sich ordentlich benommen. Im Februar habe ich ja ziemlich nachgeholfen, aber seitdem er einmal den richtigen Entschluß gefaßt hat, ist er fest geblieben und hat allerhand Versuchen von verschiedenen Seiten widerstanden. Als ich das Thema neulich wieder anschnitt, hatte er die Instruktion an Tarnowski bereits wiederholt. Ich gratulierte ihm und gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß er seinem Vaterlande einen guten Dienst geleistet habe, da sein rasches Handeln ein Dementi gegenüber den im Auslande kursierenden Gerüchten über den nahen Zusammenbruch Oesterreichs bedeute.435

Czernin war nun bestrebt, auch die Türkei dazu zu bewegen, ihre diplomatischen Beziehungen mit den USA abzubrechen, und wies den Geschäftsträger in Konstantinopel, Graf Trauttmansdorff-Weinsberg am 10. April an, gleichgerichtete Bemühungen des deutschen Botschafters zu unterstützen: (…) demselben aber in der Ausführung einschlägiger Demarchen den Vortritt (zu) lassen. – In Ihrer Argumentation wollen Euer Hochgeboren das Schwergewicht darauf legen, daß es bei unseren Feinden und den Neutralen einen für unsere Sache äußerst ungünstigen Eindruck machen müßte, wenn durch ein ungleichmäßiges Vorgehen unserer Verbündeten die Ansicht erweckt würde, daß die Einheitlichkeit, die ihr Vorgehen bisher gekennzeichnet hat, erschüttert ist.436 431 432 433 434 435 436

Note 255/K. d. M., 8. Apr. 1917 (Konzept), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 47. F-B A 10. Apr. (1917), 1. Grew an Lansing, Tel. 1823, 8. Apr. 1917, PRFR 1917 Suppl. 2/1 1932. 15 – 16. Zwiedinek an Lansing, 9. Apr. 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 594 – 595. Wedel an Zimmermann 8. Apr. 1917, MNN A 9. März 1922, 1, idem: SG 2 1966, 84 – 86 Dok. 52. Czernin an Trauttmansdorff, Tel. 180 (idem: Czernin an Hohenlohe, Tel. 223), 10. Apr. 1917, HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 69 – 69v.

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Tarnowski meldete am 14. (?) April 1917 nach Wien: Trotz Abbruches gar keine feindselige Stimmung, Grundton Bedauern. Presse meint, Druck Berlin Ursache. – Regierung behandelt Botschaft mit größter Courtoisie. Staatssekretär, den privat begegnete, freundlicher denn je, sagte mir (…) Regierung habe Erhaltung der Beziehungen gewünscht, bedaure Bruch, begreife jedoch, daß wir mit Rücksicht auf Deutschland nicht anders konnten; (…) Staatssekretär hofft, es werde, da (…) Freundschaft amerikanischer Regierung und Bevölkerung Monarchie unverändert, z­ wischen uns (…) nicht zum Kriege kommen, der übrigens nur theoretisch wäre (…). – Nachdem längere Beziehungen bedauerlicherweise unmöglich gewesen, schiene (…) auch aus wirtschaftlichen Rücksichten erwünscht, daß wenigstens Trübung vorhandener guter Dispositionen vermieden werden kann.437

Ganz in ­diesem Sinne wies Czernin am 15. April Tarnowski an, Lansing zu sagen, (…) daß der Abbruch der diplomatischen Beziehungen z­ wischen uns und den Vereinigten Staaten unvermeidliche Folge unseres Bündnisses ist und nichts an unseren Gefühlen zur Union ändert, mit welcher wir nach Wiederherstellung des Friedens die traditionellen freundschaftlichen Beziehungen (…) wieder aufzunehmen hoffen. Wir werden alles tun, um den Krieg mit den Vereinigten Staaten zu vermeiden.438

Zwei Tage ­später berichtete Tarnowski: Anläßlich privater Unterhaltung mit Staatssekretär (…) und mit Unterstaatssekretär sagten sie über Euer Exzellenz Fremdenblatt-Interview: (…) Euer Exzellenz hätten sich bloß auf seinerzeitigen Friedensvorschlag Zentralmächte berufen, der unannehmbar, da ohne Angabe Bedingungen Deutschlands. Die darauf erfolgte (…) Antwort Entente habe nur bezweckt, Deutschland zur Bekanntgabe seiner Bedingungen zu veranlassen, wonach Verständigung möglich gewesen wäre. (…) Verschärfter U-Bootkrieg habe bisher friedliche Stimmung Amerikas vollständig geändert; solange er nicht aufgegeben, werden Vereinigte Staaten Krieg führen. – (…) Abreise vermutlich 26. April.439

437 Tarnowski an Czernin, Tel. Q, 14. (?) Apr. 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 135, 14. Apr. 1917), ebd. fol. 126 – 126v bzw. fol. 77. 438 Czernin an Hadik für Tarnowski, Tel. 139, 15. Apr. 1917, ebd. fol. 152 – 152v bzw. fol. 40. 439 Tarnowski an Czernin, Tel. R, 17. Apr. 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 141, 17. Apr. 1917), HHStA PA I, 1047 Krieg 61a fol. 162 – 162v; idem: HHS tA PA I, 1048 Krieg 61a Herein März–Mai fol. 79, Fremden-Blatt 4. April 1917.

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Friedensangebot und uneingeschränkter U-Bootkrieg

Tarnowski und das Botschaftspersonal blieben zunächst in Washington. Erst am 2. Mai konnte er melden: „Unsere Abreise 4. Mai holländisches Schiff ‚Ryndam‘; wird Halifax anlegen müssen. – Amerikanische Regierung von London Versicherung erhalten, daß ich und Begleitung mit größter Rücksicht behandelt werden.“ 440 Am 3. Mai telegrafierte er: Vor meiner Abreise (…) statteten mir heute Unterstaatssekretäre privaten Abschiedsbesuch ab und über Ersuchen Herrn Lansings habe auch ihn privat gesehen. – Alle 3 erneuerten Versicherung freundlicher Gesinnung uns gegenüber; besonders emphatisch äußerten sich Staatssekretäre, Wunsch Erhaltung Friedens betonend. – Mit Oesterreich-Ungarn wäre (sic!) man Frieden, mit deutschem Volke auch; mit Preußen nicht. – Vereinigte Staaten ­seien zu allen Opfern bereit (…).441

Lansing notierte, er habe am 1. Mai auf Tarnowskis Klage („the Allies desire to partition the Austrian Empire (…) How can we make peace?“) geantwortet: I do not believe that it will come to actual partition; (…) Of course your own native land, Poland, may become independent, but Austria will never be absorbed unless it is by one power, and that is Germany. Your real danger lies there. (…) Your country will need a staunch and influential friend in the peace conference. I hope that the United States can be that friend. But that depends on Austria.442

440 Tarnowski an Czernin, Tel. GG, 2. Mai 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 200, 2. Mai 1917), ebd. fol. 245 bzw. fol. 127. 441 Tarnowski an Czernin, Tel. HH, 3. Mai 1917 (Hadik an Czernin, Tel. 210, 5. Mai 1917), ebd. fol. 253 – 253v bzw. fol. 8. 442 Lansing 1935, 254.

2. Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion 2.1

Kontakte mit England? Die Reise Mensdorffs nach Skandinavien

Um trotz der Zurückweisung des Friedensangebots vom 12. Dezember 1916 durch die Ententemächte, des Beginns des uneingeschränkten U-Bootkrieges und des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen der Vereinigten Staaten mit Deutschland einer Beendigung des Krieges näherzukommen, trachtete Czernin zunächst mit der britischen Regierung in Kontakt zu treten. Als geeignet, einen solchen Kontakt anzubahnen, war ihm schon Ende Dezember 1916 Graf Albert Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein erschienen, der bis zum Beginn des Krieges Botschafter in London gewesen und nun dazu ausersehen war, an die Höfe in Kopenhagen, Stockholm und Christiania 443 sowie nach Mecklenburg zu reisen, um die Thronbesteigung ­Kaiser Karls zu notifizieren.444 Ihn beauftragte der Minister Anfang Februar 1917 im Rahmen seiner Mission zu versuchen, mit englischen Diplomaten Fühlung aufzunehmen. Anweisungen für dabei zu führende Gespräche erteilte ihm Czernin mündlich und am 14. Februar 1917, als Mensdorff sich schon auf der Reise befand, auch noch in einem durch Botschafter Hohenlohe übermittelten Telegramm. In ­diesem waren Richtlinien angeführt, deren erster Punkt lautete: Ausdrücklichste Betonung der Unerschütterlichkeit unserer Bündnisse, die absolute Unmöglichkeit, uns jemals von Deutschland zu trennen, mit besonderer Betonung, daß wir auch den U-Bootkrieg gleich Deutschland bis zum Aeußersten durchführen werden.445

Mit Punkt 2 wurde Mensdorff angewiesen, „absolute Siegeszuversicht, die sich auf die militärische und wirtschaftliche Lage stützt (mit Erwähnung Rumäniens)“ zu zeigen und mit Punkt 3 zu betonen, „daß das Recht auf unserer Seite ist“, jedoch auf die Bereitschaft Österreich-Ungarns zu einem „Vermittlungsfrieden ohne Eroberungen“ hinzuweisen. Dabei solle er, wie unter Punkt 4 festgehalten, „von sich aus andeuten, daß der genaue status quo ante aus naheliegenden Gründen unmöglich ist (Polen) und Grenzrektifikationen von Seite unserer Feinde wie von unserer unerläßlich scheinen“ und als seine Idee „andeuten, daß wir wohl nichts dagegen hätten, wenn sich die Russen die Moldau nehmen würden“. Punkt 5 besagte: 443 Heute Oslo. 444 Czernin an Mensdorff 24. Dez. 1916, HHStA NL Mensdorff 1, Mission nach Schweden (…) o. Fz. 445 Czernin an Hohenlohe für Mensdorff, Tel. 77, 14. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 33 – 33v.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Ueber die Vorgeschichte des Krieges und die Anfangsstadien wollen sich Euer Exzellenz am besten nicht verbreiten, mit Hinweis darauf, daß Gespräche hierüber keinen praktischen Wert mehr haben; sollte ein solches Thema unvermeidlich sein, so wäre auf die serbischen Umtriebe, den Mord von Sarajewo und unsere Notwehr hinzuweisen, ferner darauf, daß Belgien durch seine Haltung Deutschland gezwungen hat, in der bekannten Weise vorzugehen.446

Punkt 6 lautete: „England gegenüber wäre immer wieder zu betonen, daß wir und Deutschland ein unzertrennbares Ganzes bilden und daß in den großen wie in den kleinen Fragen die vollste Harmonie ­zwischen Wien und Berlin (bestehe).“ 447 Punkt 7 wies Mensdorff an, „besonders hervorzuheben“, dass ­Kaiser Karl und sein Außenminister die in diesen Richtlinien festgelegten Grundsätze „zu ihrem politischen Glaubensbekenntnis“ zählten und Punkt 8 trug ihm „fortgesetzte genaue telegraphische Berichterstattung“ auf.448 Zwei Tage s­ päter sandte Czernin durch Dyonis Graf Széchényi, den k. u. k. Gesandten in Kopenhagen und Christiania, noch das folgende Telegramm an Mensdorff: „Um jedes Mißverständnis auszuschließen, bemerke ich, daß Grenzrekti­ fikationen auf Kosten österreichisch-ungarischer Gebietsteile natürlich keinesfalls in Frage kommen könnten.“ 449 Dass ­Kaiser Karl, wie weiter unten dargestellt, seinem Schwager Sixtus von BourbonParma am 13. Februar 1917 zur Weiterleitung nach Paris hatte mitteilen lassen, er nehme die ihm von ­diesem genannten Bedingungen der Entente für Friedensverhandlungen mit Österreich-Ungarn an,450 Bedingungen, die mit den Mensdorff erteilten Weisungen wenig im Einklang standen, war Czernin nicht bekannt. Um die Herstellung von Kontakten ­zwischen der Monarchie und der Entente bemühte sich auch eine Gruppe von Privatpersonen in Dänemark. Und zwar hatte der britische Gesandte in Christiania, Sir Findlay Mansfeldt de Cardonnel, das Foreign Office am 10. Jänner 1917 davon in Kenntnis gesetzt, dass ihm ein dänischer Kaufmann namens Axel Christensen über von ­diesem und dessen Geschäftspartner Knud Scavenius, einem Cousin des dänischen Außenministers, mit dem Legationsrat an der k. u. k. Gesandtschaft in Kopenhagen Otto Freiherrn von Franz und dem österreichischen Geschäftsmann Ernst Westfried 451 geführte Gespräche über einen Separatfrieden z­ wischen der Monarchie und der Entente berichtet habe. Diese Meldung des Gesandten wurde am 18. Jänner Gegenstand einer Beratung des War Cabinet, in der General Sir William 446 Ebd. 447 Ebd. 448 Ebd. 449 Czernin an Széchényi für Mensdorff, Tel. 40, 16. Feb. 1917, ebd. fol. 35. 450 Sixtus 1920, 55. 451 Fest zitierte ein Aktenstück des Foreign Office, das Westfried, möglicherweise unzutreffend, als „manufacturer of dynamite and landed proprietor in Hungary“ charakterisierte. Fest 1978, 51.

Kontakte mit England? Die Reise Mensdorffs nach Skandinavien

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Robertson, der Chef des Imperial General Staff, erklärte, dass vom militärischen Standpunkt aus ein Separatfrieden mit Österreich-Ungarn sicherlich sinnvoll wäre, während Lord Robert Cecil, der Minister of Blockade, zu bedenken gab, dass die Aufrechterhaltung der Blockade dadurch schwieriger werden könnte. Das War Cabinet beschloss der Sache nachzugehen und die Botschafter der Alliierten in London über sie zu informieren. Zunächst aber solle der Gesandte in Christiania nähere Informationen einholen. Balfour ersuchte schließlich am 23. Jänner den Civil Lord of the Admiralty Sir Francis Hopwood, der auch Mitglied des Privy Council war, sich nach Christiania zu begeben und die „bona fides of the proposals“ zu prüfen. Sollte er imstande sein sich von dieser zu überzeugen, so könne er mit einem Emissär der österreichischen Regierung zusammentreffen; von sich aus ein Treffen vorzuschlagen sei er aber nicht ermächtigt. ­Hopwood reiste am 1. Februar ab und besuchte Christiania, Stockholm und auch Kopenhagen, wo ihm Westfried seine Vorstellungen unterbreitete: Die Österreicher würden die Deutschen wissen lassen, dass sie willens s­ eien aus dem Krieg auszuscheiden. Sollten sich die Chancen auf einen Frieden mit der Entente konkretisieren, so könnte auf Berlin in dreifacher Weise Druck ausgeübt werden, und zwar durch das Einstellen der militärischen Aktivitäten, das Schüren politischer Agitation in der Monarchie und das Drohen mit dem Abschluss eines Sonderfriedens. Der von dem Gespräch benachrichtigte Balfour hieß diese Taktik gut, wies Hopwood aber an nichts zu sagen, was als ein Eingehen auf Verhandlungen gedeutet werden könnte. Mit der Ankunft Mensdorffs in Skandinavien schienen ­solche jedoch in Griffweite gerückt.452 Westfried informierte Széchényi von seinem Kontakt mit Hopwood, denn der Gesandte telegrafierte am 11. Februar 1917 an Czernin: Von dem Euer Exzellenz aus seinen Finanztransaktionen in Holland zur Genüge bekannten Wesztfried (sic!) wird angeregt, Begegnung z­ wischen Sir Francis Hopwood und Grafen Mensdorff zu arrangieren im Hinblicke auf inoffizielle Aussprache über Friedensmöglichkeit. – Wesztfried behauptet, Hopwood habe erklärt, mit Graf Mensdorff von früher befreundet gewesen zu sein, habe hiebei jedoch ausdrücklich betont, daß er weder auf diplomatischem Wege, noch durch einen dänischen Würdenträger Begegnung herbeigeführt zu sehen wünsche. – Hopwood ist gestern von hier nach Stockholm abgereist. Wesztfried behauptet, Begegnung mit ihm binnen 2 Stunden vermitteln zu können. – Trotzdem ich Wesztfried für einen Hochstapler halte, der als Vermittler ganz ungeeignet ist, glaube ich Euer Exzellenz Obiges melden zu sollen, damit eventuell Graf Mensdorff gewarnt werden könne.453

452 Zeman 1971, 128 – 130, Fest 1978, 51 – 54. 453 Széchényi an Czernin, Tel. 69, 11. Feb. 1917, HHStA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 40, idem: HHStA PA I, 951 Krieg 25a Allg. 1918 & Schluss fol. 40.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Und am selben Tage berichtete Széchényi: „(…) Hopwood soll seine Reise nach Stockholm im letzten Moment wieder verschoben haben.“ 454 Zu einer Begegnung Mensdorffs mit Hopwood kam es nicht. Zeman mutmaßte, „the two men did their best to avoid each other“.455 Lloyd George schrieb in seinen War Memoirs über die Aktion Westfrieds und seiner Gesprächspartner, der Gesandte Findlay habe das Foreign Office im Jänner 1917 benachrichtigt, dass Wien bestrebt sei Fühler auszustrecken. Der der k. u. k. Gesandtschaft in Kopenhagen und Christiania zugeteilte Baron Franz hätte sich dem norwegischen König gegenüber in d ­ iesem Sinne geäußert. Die Sache habe so ernst geklungen, daß „wir den Beschluß faßten (…) Sir Francis Hopwood (…) zu entsenden, um die Angelegenheit zu untersuchen“. Hopwood sei zwar mehrmals mit angeblichen Agenten zusammen­ getroffen, diese hätten aber keine Begegnung ­zwischen ihm und einem österreichischen Diplomaten zustande gebracht. Welchen Zweck Mensdorffs Reise verfolgte, sei ihm nicht klar geworden. Die Agenten hätten gemeint, (…) der österreichische Friedensschritt müsse durch den deutschen ­Kaiser unterdrückt worden sein, der soeben einen Besuch in Wien abgestattet hatte (…). Wahrscheinlich aber hatte der österreichische ­Kaiser sich gegen den Versuch entschieden, via Skandinavien Verhandlungen einzuleiten, und zog es vor, seinen Schwager, den Prinzen Sixtus, zu benützen.456

Auch ein anderer Vermittlungsversuch war zu jener Zeit im Gange, nämlich der des dänischen Schiffsmagnaten Hans Niels Andersen. Dieser hatte, wie Fest schrieb, in London „exploratory talks (…) with numerous influential politicians and the King“ geführt.457 Am 29. Jänner suchte Andersen den deutschen Gesandten in Kopenhagen Ulrich Graf Brockdorff-Rantzau auf, um ihm über seine in London gewonnenen Eindrücke zu berichten. Der Gesandte setzte davon unverzüglich das Auswärtige Amt in Kenntnis.458 Bald darauf meldete er nach Berlin: Herr von Scavenius (der dänische Minister des Äußern) erschien heute Mittag unangemeldet in Begleitung des Etatsrats Andersen bei mir und teilte mir mit, der König habe sich gestern 454 455 456 457

Széchényi an Czernin, Tel. 70, 11. Feb. 1917, ebd. fol. 41 bzw. fol. 41. Zeman 1971, 130. Lloyd George MA. 2 1934, 415 – 416, Lloyd George WM. 4 1934, 1987 – 1988. Fest 1978, 54. Nicolson schrieb, er sei „ein intimer Freund der dänischen königlichen Familie“ gewesen und habe durch diese König Georg, ­Kaiser Wilhelm und den Zaren kennengelernt. Während des Krieges habe er im Interesse des dänischen Handels Verhandlungen mit den kriegführenden Regierungen geführt und sei ständig ­zwischen London, Petersburg und Berlin unterwegs gewesen. König Georg und das Foreign Office hätten ihn „außerordentlich geschätzt“. Nicolson 1954, 319. 458 Brockdorff-Rantzau an A. A., Tel. 144, 30. Jän. 1917, SG 1 1962, 687 Dok. 477.

Kontakte mit England? Die Reise Mensdorffs nach Skandinavien

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entschlossen, Andersen, der morgen nach Berlin reist, ein Handschreiben an unseren Allergnädigsten Herrn mitzugeben. (…) – Der Grund für die Verzögerung der Reise Andersens (…) lag in der inzwischen erfolgten Ankunft des von dem König von England (…) hierher entsandten (…) Sir Francis Hopwood. Ich habe Scavenius direkt nach dem Zweck der Mission Hopwoods, der auch nach Stockholm reisen soll, gefragt. Der Minister erklärte mir im strengsten Vertrauen, Andersen habe gelegentlich seines (…) Aufenthalts in London anscheinend mehr erreicht als er selbst vermutete. Die (…) Entsendung eines besonderen Delegierten sei (…) damals ventiliert worden; (…) Hopwood sei hier von König Christian bereits empfangen worden und habe Höchstdemselben wie auch ihm den Eindruck eines (…) verständigen massvollen Mannes gemacht. – Als ich bemerkte, die Mission sehe doch fast nach dem Versuch geheimer direkter Verhandlungen mit den skandinavischen Staaten aus, erklärte der Minister (…), davon könne, jedenfalls soweit Dänemark in Frage komme, keine Rede sein, er habe viel mehr den Eindruck, dass man (…) in London zu der Überzeugung gelangt sei, mit der Ablehnung unseres Friedensangebots und der herausfordernden Antwort an (…) Wilson eine grosse politische Unklugheit begangen zu haben.459

In Berlin sprach Andersen mit Bethmann Hollweg, Zimmermann und Albert Ballin, dem einflussreichen, Kontakte mit K ­ aiser Wilhelm pflegenden Reeder. Dabei schlug er vor, einen deutschen Emissär nach Skandinavien zu entsenden, um mit Hopwood Gespräche über den Frieden zu führen. Von dem möglichen Eintreffen eines solchen Emissärs setzte Andersen sogleich Hopwood in Kenntnis, was dieser am 16. Februar dem Foreign Office meldete. Am Folgetag erkundigte sich Lloyd George sehr kritisch bei Balfour über dessen Stellung zu derartigen Kontakten. Er fragte an: „Do we want even informal conversations with Germany at this stage? Austria is quite a different matter. To open negotiations with Germany through the Danish king might destroy any chance there is of detaching Austria. What is your view?“ Wie aus einem am 17. Februar an Hopwood abgesandten Telegramm Balfours hervorgeht, war dieser von einer Kontaktaufnahme mit Deutschland ebensowenig angetan wie der Premierminister. H ­ opwood wurde angewiesen: Object of your mission was to test alleged Austrian desire for a separate peace. This object could obviously not be fulfilled under most unfavourable conditions. We have no desire to negotiate with Germany and we are clear that nothing should be said directly or indirectly to the Germans (…).460

459 Brockdorff-Rantzau an A. A., Tel. 222, 11. Feb. 1917, SG 2 1966, 6 – 7 Dok. 5. 460 Rothwell 1971, 66, Fest 1978, 54.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Hopwoods Mission war damit zu Ende und Andersens Bemühen, das zweifellos von Minister Scavenius und vom dänischen König als vielversprechend eingeschätzt worden war, musste ergebnislos bleiben. Die britische Politik aber sah in der Herbeiführung eines Separatfriedens mit dem militärisch und ökonomisch erschöpften Österreich-Ungarn mehr denn je das Mittel, Deutschland zu bezwingen. Lloyd George meinte dazu: (…) obgleich seine (Hopwoods) Mission negativ verlaufen war, glaubten wir uns nicht berechtigt, eine Gelegenheit zu vernachlässigen, (…) einen unserer Feinde aus dem mächtigen Bunde (…) loszulösen. Wir sollten binnen kurzem durch einen anderen Kanal erfahren, daß K ­ aiser Karl ehrlich bestrebt war, Verhandlungen mit den Alliierten zu eröffnen.461

Mit ­diesem „anderen Kanal“ bezog sich Lloyd George offenbar auf die Aktion des Prinzen Sixtus. Von dem eigentlichen Beweggrund der Entsendung Hopwoods, nämlich über die Bestrebungen Christensens und seiner Gesprächspartner und über die „bona fides“ von deren Vorschlägen Näheres in Erfahrung zu bringen, findet sich in Lloyd Georges Erinnerungen nichts. Mensdorffs erste Station war Kopenhagen. Von dort telegrafierte er am 19. Februar nach einem Déjeuner mit dem König nach Wien: Ich hob im Sinne Euer Exzellenz Weisungen unsere Bereitwilligkeit hervor, in Friedensverhandlungen einzugehen, ­welche bekannte Abweisung durch die unerhörten Bedingungen der Entente erfuhr. Ich sprach aber stets die persönliche Ueberzeugung aus, daß früher oder ­später Krieg doch durch Verhandlungen enden müsse; warum also auf Seite der Gegner dieselben verschieben, bis noch mehr Opfer gefallen sind? – König gab mir Recht (…) betonte aber, wie heikel Lage für die Neutralen sei. (…) – Nachmittags stattete ich Minister (…) Scavenius, Besuch ab. (…) Bezüglich Antwort der Entente auf unser Friedensangebot sagte er vertraulich, er habe Grund anzunehmen, daß auch in den Ententeländern von vernünftigen Elementen die für uns unmögliche Bedingungen enthaltende Antwort (…) als ein Fehler empfunden werde. Er meinte, daß die scharfe Betonung in unserm und dem deutschen seinerzeitigen Friedensangebot, daß wir Sieger ­seien, die Engländer besonders verletzte (…) – Von Lloyd George meinte er, in seiner letzten Manifestation sei der Ton doch schon gemäßigter (…) Auf meine Bemerkung, daß mit einem Demagogen wie Lloyd George es sich schwerer verhandeln ließe als mit Staatsmännern wie Asquith, Balfour und Grey, meinte Minister (…), vielleicht würde gerade ein Mann wie der gegenwärtige englische Premierminister – wenn dieser zur Erkenntnis käme, daß der Friede notwendig ist – leichter in der Lage sein, denselben durchzusetzen (…).462

461 Lloyd George MA. 2 1934, 416. 462 Széchényi (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 84, 18. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 37 – 38v.

Kontakte mit England? Die Reise Mensdorffs nach Skandinavien

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Am folgenden Tage meldete Mensdorff, (…) daß (ich) heute (…) wieder (eine) längere Privatkonversation mit (…) dem Könige hatte. (…) – Auf eine meiner Bemerkungen betreffend des eventuellen Zusammenarbeitens neutraler Herrscher Europas meinte er, jeder bringe seinen besonderen Wunsch (…) für eine gemeinsame Aktion vor und eine Einigung sei schwer. – Von Friedensmöglichkeiten überhaupt sprechend meinte König, jetzt würde man in den Ententeländern Standpunkt einnehmen, man könne unter gar keinen Umständen aussehen, als werde man durch den verschärften U-Bootkrieg gefügiger (…).463

Am Abend ­dieses Tages meldete Mensdorff: Heute abends (…) wieder längere Konversation mit (…) Scavenius gehabt. – Von England sprechend meinte er, ‚qu’il avait impression personnelle que le désir d’arriver à la paix gagnait du terrain. (…).’ – Scavenius führte aus, daß für England Krieg eine politische und eine kommerzielle Seite habe. Politisch spielen Kolonien eine Rolle; wie zum Beispiel Südafrika, das erklärt, unter keinen Umständen die eroberten deutschen Besitzungen wieder herauszugeben (…). – Von Frankreich meinte er, daß es sehr erschöpft sei, sich aber auf England berufen werde, indes England (…) die Sehnsucht Frankreichs nach Elsaß-Lothringen und den (…) Druck seiner Dominions, deutsche Kolonialbesitzungen zu behalten, in den Vordergrund stellen wird.464

Am 20. Februar 1917 traf Mensdorff in Stockholm ein. Tags darauf telegrafierte er nach Wien: „(Die) Ablehnung unseres Friedensangebotes bezeichnet der König als eine große Torheit der Alliierten (…).“ 465 Am 22. Februar depeschierte Mensdorff: Nach dem Hofdiner hatte ich Unterredung mit Staatsminister Hammarskjöld (…). – Er besprach objektiv die Lage in für uns sympathisch freundschaftlichem Tone. Er liess die Bemerkung fallen, dass ihn schon seit langer Zeit der Gedanke beschäftige, ob es denn nicht möglich wäre, in irgendeiner neutralen Hauptstadt Vertreter der kriegführenden Mächte dauernd versammelt zu halten, nominell zwecks Austausches der Gefangenen oder mit einem anderen Vorwande, damit wieder direkte Unterredungen ­zwischen Deutschen und Engländern, Österreichern und Ungarn und Italienern u. s. w. stattfänden.466

463 Széchényi (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 85, 19. Feb. 1917, ebd. fol. 39 – 39v; idem: HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 10 – 10v u. 13. 464 Széchényi (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 86, 19. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Varia 1917 fol. 41 – 41v. 465 Hadik (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 36, 21. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 43. 466 Hadik (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 37, 21. Feb. 1917, ebd. fol. 45 – 46.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Über ein weiteres Gespräch mit Hammarskjöld berichtete der Botschafter: Als ich das Gespräch auf die (…) Anregung einer dauernden Versammlung der Kriegführenden in einer neutralen Hauptstadt brachte, führte er (…) aus: Niemand dürfe mehr die Ansicht vertreten, dass der Krieg durch eine volle Niederwerfung eines Teiles ende. Folglich müsse Friedensschluss durch Verhandlungen herbeigeführt werden. Wenn die Hoffnung der Zentral­ mächte auf Erfolg des verschärften U-Bootkrieges sich verwirkliche, würde der psychologische Moment für ­solche Verhandlungen in absehbarer Zeit eintreten (…) Amerika sei jetzt als Medium ausgeschaltet, habe übrigens niemals den ernstlichen Versuch gemacht, die Neutralen zu einer Friedensmediation zu vereinigen. (…) Er scheint Wilson für unpraktischen Staatsmann anzusehen, betonte aber, dass seine Rede 467 hervorragend beachtenswerte Gedanken enthielt.468

Und am folgenden Tag telegrafierte Mensdorff: Aus meinen Gesprächen mit dem schwedischen Außenminister Knut Agathon Wallenberg und anderen politischen Persönlichkeiten empfing ich Eindruck, daß sie hier hoffen und eigentlich auch erwarten, daß Amerika es noch zu vermeiden wissen werde, am Kriege teilzunehmen. (…) – Als ich ihm für alle seine Liebenswürdigkeiten dankte, sagte mir der Minister (…): ‚Ich hoffe nur, daß Sie den richtigen Eindruck aus Schweden mitnehmen‘. Ich erwiderte: ‚Mein Eindruck ist, daß Sie hier sehr neutral, aber für uns freundlich sind‘, was er als vollständig zutreffend bezeichnete. Er sagte weiter, daß, wenn der richtige Moment komme (…) Schweden im Interesse des Friedens hervortreten werde.469

Eindeutig durch im k. u. k. Ministerium des Äußern gehegtes Wunschdenken gefärbt lautete der zur Unterrichtung des Kaisers formulierte Tagesbericht des Ministeriums vom 25. Februar 1917: Mensdorff hatte abermals Unterredungen mit dem König von Schweden und dem schwedischen Ministerpräsidenten. Der König erging sich in bitteren Klagen über die Brutalität und Rücksichtslosigkeit Englands. Drückte die Hoffnung aus, dass unsere Friedensbedingungen, wobei er das Wort Belgien aussprach, derartige sein würden, dass eine Verständigung möglich sei. (…) Der schwedische Ministerpräsident glaubt, dass der erste Eindruck des verschärften U.Boot-Krieges in England sehr starke Beunruhigung hervorgerufen habe. (…) Wenn der verschärfte U.BootKrieg seine Wirkung thue sei das psychologische Moment für (…) Verhandlungen gekommen.470 467 468 469 470

Die Botschaft Wilsons an den Senat vom 22. Jän. 1917, s. oben. Hadik (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 38, 23. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 47 – 48v. Hadik (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 40, 24. Feb. 1917, ebd. fol. 49. Tagesber. des M. d. Ä. 25. Feb. 1917 Beil. 4, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz.

Pläne des Prinzen Sixtus – Gespräche mit dem Kaiserpaar

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Nach seinem Aufenthalt am schwedischen Hofe begab Mensdorff sich nach Christiania, von wo er am 26. Februar meldete: Heute früh feierliche Audienz bei König Håkon (…) König ebenso wie Ministerpräsident und Minister des Aeußern (…) sprachen mir von den ungeheuren Schwierigkeiten Norwegens in gegenwärtiger Lage. (…) Allgemeine Lage wird hier rein vom Standpunkt des deutsch-englischen Konfliktes beurteilt, für andere Seite der Fragen wenig Interesse.471

Lloyd George schrieb in seinen Erinnerungen, König Håkon habe Hopwood am 6. März mitgeteilt, dass Mensdorff ihm gegenüber Österreichs Wunsch nach Frieden und tiefe Enttäuschung über die Antwort der Entente auf die Friedensnote vom 12. Dezember 1916 zum Ausdruck gebracht hätte, und zwar insbesondere über jenen Teil der Antwort, der sich mit den Nationalitäten Österreich-Ungarns beschäftigte; der letztere stelle eine Aufforderung an die Nationalitäten dar, sich zu empören und den Zerfall der Monarchie herbeizuführen.472 Auf der Rückreise sprach Mensdorff in Kopenhagen nochmals mit Außenminister Scavenius. Darüber berichtete er am 28. Februar: Bezüglich der Idee des schwedischen Ministerpräsidenten von vorbereitenden Besprechungen von Vertretern der kriegführenden Mächte habe ich Eindruck, dass Scavenius einem derartigen Gedanken skeptisch gegenüberstehe, weil schließlich ­solche Besprechungen doch nicht von den verantwortlichen Staatsmännern geführt werden könnten und wenig Bedeutung hätten. (…) – England kann aber niemals zugeben, zur See, auf seinem eigensten Gebiete, vor der U-Bootgefahr zurückzuweichen. (…) besonders nicht angesichts des in Deutschland angeschlagenen Tones, worin schon das Ende des Krieges als Erfolg der U-Boote proklamiert wird. (…) – Er freute sich, daß unsere Beziehungen mit Amerika nicht abgebrochen ­seien und fragte, ob amerikanischer Botschafter in Wien der Mann sei, nützlich zu wirken.473

2.2

Pläne des Prinzen Sixtus – Gespräche mit dem Kaiserpaar

Czernin war inzwischen, folgt man Polzer-Hoditz, am 17. Februar 1917 von ­Kaiser Karl und Kaiserin Zita davon unterrichtet worden, dass sie über Prinz Sixtus in Kontakt mit der französischen Regierung stünden.474 Der Darstellung des Prinzen zufolge war dieser 471 472 473 474

Hoyos (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 11, 26. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 50 – 50v. Lloyd George MA 2 1934, 416. Széchényi (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 98, 28. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 53 – 53v. Polzer-Hoditz 1929, 324.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

von seiner ­Mutter, der Herzogin Maria Antonia von Parma, aufgefordert worden, sie in Neuchâtel zu treffen. Dort habe er sie am 30. Jänner 1917 gebeten, K ­ aiser Karl Bedingungen zu übermitteln, die er für einen Friedensschluss der Entente mit Österreich-Ungarn als grundlegend erachtete. Diese Bedingungen waren: L’Alsace et la Lorraine de 1814 à la France sans aucune compensation coloniale ou autre en échange, la Belgique restituée et gardant le Congo, de même la Serbie, éventuellement agrandie de l’Albanie; enfin, Constantinople aux Russes. Si l’Autriche pouvait conclure un armistice secret avec la Russie sur cette base, ce serait là une bonne préparation de la paix souhaitée.475

Die Punkte standen im Einklang mit den Kriegszielen, die am 7. Oktober 1916 bei einem Treffen der wichtigsten Mitglieder der französischen Regierung und der Parlamentspräsidenten bei Raymond Poincaré genannt, wenn auch nicht definitiv beschlossen worden waren 476 und mit dem, was der Prinz in Gesprächen mit namhaften Persönlichkeiten in Paris erörtert hatte. So war er am 16. Oktober 1916 mit dem Minister ohne Geschäfts­ bereich Charles-Louis de Freycinet, am 27. Oktober mit Premierminister Aristide Briand und am 23. November 1916 mit Jules Cambon, dem Generalsekretär des Außenministeriums zusammengetroffen.477 Soweit die von Sixtus übergebenen Bedingungen Deutschland und die Türkei betrafen, nicht aber die Monarchie, hatte sich der K ­ aiser mit ihnen einverstanden gezeigt und dies dem Prinzen am 13. Februar 1917 durch Tamás (Thomas) Graf Erdődy in Neuchâtel mitteilen lassen: Er akzeptiere „dès maintenant les trois premiers points concernant la France, la Belgique et la Russie“, mit welchem er bereit sei einen Waffenstillstand abzuschließen. Die Unabhängigkeit Serbiens und die weitere Herrschaft von dessen Dynastie anzuerkennen zögere er jedoch. Er neige dazu, ein unter der Suzeränität seiner Krone stehendes, aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Albanien und Montenegro bestehendes autonomes Königreich zu schaffen. Die Krone eines solchen Staates würde ein Erzherzog tragen.478 475 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 5, Sixtus 1920, 40. 476 Soutou 1996, 331 – 332. 477 Sixtus 1920, 26 – 33. 478 Sixtus 1920, 55. – Zur Annahme der ersten beiden Bedingungen durch den K ­ aiser schrieb GriesserPečar: „Wahrscheinlich (…) standen diese Zugeständnisse (sic!) unter dem Vorbehalt, daß (… sie) auch von Deutschland akzeptiert würden. Nur so lassen sich Sixtus’ und Erdődys Berichte wie auch unmittelbar folgende Bekenntnisse Karls zur Bündnistreue widerspruchsfrei nebeneinander setzen.“ Griesser-Pečar 1988, 88. Was sie vermuten ließ, dass der K ­ aiser die Punkte 1 und 2 nur unter einem solchen „Vorbehalt“ akzeptierte, teilte Griesser-Pečar nicht mit. – Zur Annahme der Punkte 2 und 3 schrieb Kovács, der Prinz habe darin auch „die Rückgabe des Kongo“ und die „Vergrößerung Albaniens“ gefordert (Kovács 1 2004, 125), wo doch keine der Mächte Belgien den Kongo entzogen hatte und in den Bedingungen wohl von

Pläne des Prinzen Sixtus – Gespräche mit dem Kaiserpaar

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Sixtus hatte, nachdem ihm die Stellungnahmen des Kaisers zu den genannten „Grundbedingungen“ mitgeteilt worden waren, Erdődy wissen lassen, dass es unumgänglich sei, ein weiterhin unter seiner eigenen Dynastie stehendes unabhängiges Serbien wieder­ herzustellen und ihm durch Hinzufügung Albaniens einen angemessenen Zugang zum Meer zu geben. Sobald Einvernehmen darüber herrsche, müssten die Standpunkte Italiens und Rumäniens erörtert werden.479 Für den Fall, dass der ­Kaiser sich stark genug fühle, der Entente offen den Frieden anzubieten, und zwar „en séparent dès maintenant, d’une manière publique et décisive, les intérêts essentielles et conservateurs de la Monarchie des vues conquérantes, injustes et déraisonnables de l’Allemagne“, übersende er ihm den Entwurf für eine diesbezügliche Proklamation. Sollte der K ­ aiser es aber vorziehen, den Frieden mit der Entente geheim auszuhandeln, so lasse er ihn bitten, seinen Abgesandten ehebaldigst zu ermächtigen, die von ihm, Sixtus, vorbereitete „convention préliminaire“ zu unterzeichnen. Diese entspreche den von ihm am 30. Jänner seiner ­Mutter genannten und auch den nunmehr, nämlich am 11. Februar, von Jules Cambon gestellten Bedingungen für Friedensverhandlungen mit der Monarchie. Das mit „Paris, 12 février 1917“ datierte, sechs Punkte umfassende „Projet de convention“ für ein solches Übereinkommen ebenso wie das gleich datierte „Projet de proclamation pour l’Empereur“, sandte der Prinz am 13. Februar durch Erdődy dem ­Kaiser. Dieser möge in einem auf der Grundlage des „Projet de convention“ verfassten Schreiben bekunden, dass er keinen Einspruch gegen die Rückgabe Elsass-Lothringens in den Grenzen von 1814 an Frankreich und gegen die vollständige Wiederherstellung Belgiens erhebe, dass er bereit sei, auf der Basis einer Erklärung des Desinteresses an Konstantinopel und den Meerengen mit dem K ­ aiser von Russland in Verhandlungen zu treten, einer Wiederherstellung der vollen Souveränität Serbiens zustimme und d ­ ieses einen Zugang zur Adria erhalte, einen sofortigen Waffenstillstand mit Russland, Serbien, Italien und Rumänien schließen wolle und schließlich künftige Regelungen bezüglich Polens, Galiziens, Rumäniens, Serbiens und Italiens nicht als durch die vorangegangenen Punkte präjudiziert ansehe.480 Die wichtigsten der in den beiden „Projets“ genannten Bedingungen entsprachen also denen, die durch die Herzogin Maria Antonia dem K ­ aiser übermittelt worden waren und mit denen sich dieser durch Erdődy am 13. Februar bereits einverstanden erklärt hatte. Sixtus hielt in seinem Buch fest, dass von seiner am 13. Februar stattgefundenen Zusammenkunft mit Erdődy nur Poincaré, Jules Cambon und William Martin, der Proto­kollchef des Ministère des Affaires étrangères, sowie der ­Kaiser, die Kaiserin und einer eventuellen Vergrößerung Serbiens um das Gebiet Albaniens, nicht aber von einer „Vergrößerung Albaniens“ die Rede war. 479 Sixtus 1920, 55 – 56. 480 „Projet de convention“ u. „Projet de proclamation“ 12. Feb. 1917, (Sixtus) LO 17. Jän. 1920, 62 – 63, Sixtus 1920, 50 – 54.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

die Herzogin von Parma gewusst hätten. Czernin sei lediglich darüber informiert gewesen, dass der ­Kaiser einen Weg zu Verhandlungen gefunden habe.481 Bald darauf jedoch wurde der Minister auch davon unterrichtet, über ­welche Person die geheimen Kontakte liefen. Darüber schrieb Polzer-Hoditz: Den 17. Februar früh, in einundeinhalbstündiger Audienz, wurde Graf Czernin (…) davon in Kenntnis gesetzt, daß Prinz Sixtus die Vermittlerrolle übernommen habe. (…) Czernin identi­ fizierte sich mit der Fortsetzung dieser Vermittlungstätigkeit des Prinzen. Beweis dessen der an die Kaiserin gerichtete Brief des Grafen Czernin vom 17. Februar 1917 (…).

In ­diesem Brief habe der Minister geschrieben: Seine (…) Majestät haben befohlen, daß ich Euer Majestät täglich einen Bericht über die äußere Lage vorlegen darf, ein Befehl, dem ich von morgen an nachkommen werde. – Bei genauer Überlegung der Argumente Eurer Majestät in meiner heutigen Audienz würde ich den größten Wert darauf legen, wenn der Prinz Sixtus selbst zu Eurer Majestät käme. – Wenn Euer Majestät selbst mit ihm sprechen könnten, würde unsere Sache bedeutend weiterkommen.482

Bei der Audienz, bei der, wie aus dem Brief hervorzugehen scheint, die Kaiserin zugegen war, habe Czernin auch den Namen dessen erfahren, der im Auftrage ­Kaiser Karls mit dem Prinzen Gespräche führe, nämlich den des Grafen Erdődy.483 Interessant ist, dass sich ein derartiger Brief Czernins an Zita nicht unter den von Kovács publizierten Dokumenten befindet 484 und offenbar auch nicht für den Prozess zur Seligsprechung ­Kaiser Karls vorgelegt wurde.485 Folgt man weiter der Darstellung des Prinzen Sixtus, so berichtete ihm Erdődy am 21. Februar in Neuchâtel, dass ­Kaiser Karl es im Verlaufe des Besuches des deutschen Kaisers in Laxenburg am 13. Februar abgelehnt hätte, mit Amerika zu brechen, und dies „malgré la demande que l’empereur Guillaume est venu lui faire de l’assister dans sa querelle avec elle“. Czernin aber sei von nun an über die mit ihm, Sixtus, geführten 481 Sixtus 1920, 56 – 57. 482 Polzer-Hoditz 1929, 324 – 325. 483 Ebd. 484 Kovács 2 2004. 485 Kovács behauptete, Czernin habe am 17. Februar 1917 „auf Wunsch Bethmann Hollwegs (…) mit einem Brief an Kaiserin Zita zur Friedensouvertüre des Prinz Sixtus“ geraten. Kovács 1 2004, 383. Als Belege dafür führte sie eine Stelle im Tagebuch Friedrich Wiesers an, an der darüber jedoch nichts zu lesen steht. Wieser TB-Eintr. 11. Mai 1918, HHStA NL Wieser fol. 438 – 439, sowie ein Telegramm Wedels, in welchem davon ebenso wenig etwas erwähnt ist. Wedel an A. A., Tel. 298, 30. Mai 1917, SG 2 1966, 217 Dok. 131.

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Verhandlungen und auch „de la base sur la quelle porte la négociation“ informiert gewesen. Am 21. Februar habe Erdődy ihm, Sixtus, sowohl eine von Czernin diktierte „Note ostensible (…) en réponse au projet de convention rédigé à Paris le 12 février“ überreicht als auch ein von der Hand des Kaisers geschriebenes Dokument, das „les maladresses les plus flagrantes du texte incroyable que son ministre lui a soumis“ korrigiert habe. Die „Note ostensible“ des Ministers sei nämlich so ungeschickt gewesen, „tellement maladroit, pour ne pas dire plus“, dass sie, wäre sie in Paris ohne das beigefügte kaiserliche Schreiben vorgelegt worden, die gesamte Aktion zum Scheitern gebracht hätte.486 Der Text der von Sixtus sogenannten Note ostensible Czernins zeigt, dass der Minister weder von den von Sixtus am 30. Jänner 1917 genannten Bedingungen wusste noch von deren dem Prinzen am 13. Februar durch Erdődy mitgeteilten Annahme durch den ­Kaiser. Polzer-Hoditz zufolge handelte es sich bei der „Note ostensible“ um die Erdődy am 19. Februar von Czernin übergebenen „Richtlinien für die weiter zu führenden Verhandlungen durch die Vermittlung des Prinzen Sixtus“.487 Diese „Richtlinien“ stimmten weitgehend mit Czernins kurz zuvor Mensdorff erteilten Weisungen überein. Im ersten ihrer acht Punkte hieß es, was Sixtus natürlich nur als „incroyable“ bezeichnen konnte: „Das Bündnis z­ wischen Österreich-Ungarn, Deutschland, der Türkei und Bulgarien ist absolut unauflöslich. Ein Separatfriede eines dieser Staaten ist für immer ausgeschlossen.“ Punkt 3 hielt fest, „wenn Deutschland auf Elsaß-Lothringen verzichten wollte, würde Österreich-Ungarn dem natürlich kein Hindernis entgegenstellen“, Punkt 4, Belgien müsse wiederhergestellt und durch alle Kriegführenden entschädigt werden und Punkt 5, es sei ein „großer Irrtum zu glauben, daß Österreich-Ungarn sich unter der Vormundschaft Deutschlands befinde“. Weiters hieß es in der „Note ostensible“, Österreich-Ungarn habe „niemals an die Vernichtung Serbiens“ (Punkt 2) oder Rumäniens (Punkt 6) gedacht und führe „nur einen Verteidigungskrieg“ (Punkt 7). Punkt 8 wies im Hinblick auf die Bemühungen insbesondere der Tschechen in den Ententeländern darauf hin, dass „in Österreich-Ungarn (…) keine Privilegien für die verschiedenen Nationen (…)“ bestünden. Die „Note ostensible“ ist in „l’Opinion“ und in „l’Offre“ des Prinzen in ihrer, Sixtus zufolge, von seinem Bruder Xavier ins Französische übertragenen Form wiedergegeben,488 ihr hier zitierter Wortlaut entspricht der von Polzer-Hoditz ins Deutsche rückübersetzten Version der Prinzen.489 Die der von Sixtus so bezeichneten „Note ostensible“ Czernins von der Hand K ­ aiser Karls hinzugefügten „Addenda“ bzw. „corrections bien nécessaires“ hatten dem Prinzen zufolge den folgenden Wortlaut: 486 Sixtus 1920, 58. 487 Polzer-Hoditz 1929, 325. 488 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 7 – 8, Sixtus 1920, 58 – 60. 489 Polzer-Hoditz 1929, 597 – 598.

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Geheim. ad 3./ Wir werden Frankreich unterstützen und mit allen Mitteln auf Deutschland einen Druck ausüben; – ad 4./ Wir haben die grössten Sympathien für Belgien und wissen dass ihm Unrecht geschehen ist. Entente (sic!) und wir werden die grossen Schäden vergüten; – ad 5./ Wir stehen absolut nicht unter Deutscher Hand; so haben wir gegen Deutschlands Willen nicht mit Frankreich abgebrochen. Bei uns die Meinung Frankreich stehe ganz unter englischem Einflusse; – ad 7./ Auch Deutschland; – ad 8./ Bei uns gibt es keine Privilegien für einzelne Völker, die Slaven vollständig gleichberechtigt. Einheit aller Völker und Treue für Dynastie. – Unser einziges Ziel ist die Monarchie in ihrer jetzigen Grösse zu erhalten.490

Den einen Separatfrieden der Monarchie mit den Ententemächten ausschließenden und von Sixtus als „incroyable“ bezeichneten Punkt 1 der „Note ostensible“ des Ministers kommentierte der ­Kaiser nicht. Czernins „Note ostensible“ wurde, immer dem Bericht des Prinzen Sixtus folgend, von d ­ iesem nach ihrer durch seinen Bruder Xavier bewerkstelligten Übersetzung ins Französische und deren Unterzeichnung durch Graf Erdődy in Neuchâtel „zerstört“.491 Die „Addenda“ bzw. „corrections bien nécessaires“ des Kaisers habe er, Sixtus, auf Verlangen Erdődys in dessen Beisein verbrannt, am 23. Februar in Paris jedoch aus dem Gedächtnis rekonstruiert.492 Beide der aus diesen Prozeduren hervorgegangenen Texte habe er, so berichtete Sixtus weiter, am 5. März 1917 Poincaré vorgelegt. Dieser habe Czernins „Note ostensible“ mit den Worten abgetan: „Cette note est tout à fait insuffisante. Elle ne peut même pas être un minimum. Il me serait impossible de la montrer à nos alliés.“ Die ihm als „explications de l’empereur“ vorgelegten Kommentare bzw. „corrections“ hingegen habe der Präsident als „une base que la note ouverte ne donne absolument pas“ bezeichnet. Es gebe jedoch einen Punkt „qui semble bien devoir être la pierre d’achoppement“, nämlich Italien: Frankreich könne einen Separatfrieden mit der Monarchie nicht ohne Italien schließen. Jedenfalls müsse Österreich den vier Bedingungen des „Projet de convention“ vom 12. Februar zustimmen, dann könne man sehen, „s’il y a moyen de s’entendre pour conclure un armistice secret“. Im Interesse Frankreichs liege es nicht nur Österreich zu erhalten, sondern auch, es „au détriment de l’Allemagne (Silésie ou Bavière)“ zu vergrößern.493 Poincaré selbst notierte am 5. März 1917 in sein Tagebuch: „La note de Czernin contenait des propositions inacceptables, mais modifiées depuis“, wobei er sich mit den 490 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 8, Sixtus 1920, 60 – 61. 491 Sixtus 1920, 58 Anm. 1. 492 Ebd. p 60 Anm. 1. – Erdődy erklärte ­später dazu: „Die Behauptung, daß (…) die Originalbriefe (…) ‚verbrannt‘ worden s­ eien, ist, so romantisch sich dies ausgenommen hätte, durchaus unrichtig.“ Szemere Czech 1931, 120. 493 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 7, Sixtus 1920, 65 – 68.

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letzteren Worten offenbar auf die beigefügten Kommentare des Kaisers bezog. Er habe den Prinzen gebeten, ihm beide Dokumente auszuhändigen und ihm gesagt, dass er sie Aristide Briand zeigen werde. Mit ­diesem wolle er entscheiden, „s’il convient de laisser tomber les choses ou de faire communiquer aux Alliés les propositions rectifiées“. 24 Stunden ­später habe er die Dokumente vom Prinzen erhalten.494 Am 8. März trug ­Poincaré in sein Tagebuch ein: „J’ai (…) communiqué les documents de l’empereur Charles à Briand et je lui ai rapporté la conversation du prince Sixte.“ Mit dem Ministerpräsidenten sei er einer Meinung darüber gewesen, dass, „si les propositions prennent une forme officielle“, man sie den Regierungen in London, Petrograd und Rom mitteilen müsse und auch, dass nichts ohne Einvernehmen mit sämtlichen Alliierten unternommen werden dürfe. Im Übrigen sollten die Gespräche mit Österreich nicht fortgesetzt werden, wenn ­dieses nicht sofort seine Feindseligkeiten gegen Italien einstelle. Vor allem aber, „comment l’Autriche pourra-t-elle se passer du concours de l’Allemagne pour nous faire rendre l’Alsace et la Lorraine?“ 495 Lloyd George schrieb s­ päter über Czernins „Note ostensible“ und die Zusätze des Kaisers: Weder der Ton noch die Bedingungen des Czerninschen Memorandums hätten auf Seiten der Alliierten den Wunsch nach weiteren Verhandlungen wachrufen können. Ein kurzer persönlicher Begleitbrief K ­ aiser Karls enthielt einen Kommentar zu den Vorschlägen Czernins, der einen freundschaftlichen Charakter tragen sollte, obgleich er die Angelegenheit nicht sonderlich vorwärtsbrachte.496

Am 8. März berichtete Poincaré dem Prinzen von seinem Gespräch mit Briand. Dieser habe die Note Czernins „tout à fait insuffisante, même négligeable“ gefunden, die „commentaires oraux“, womit offenbar nicht die Kommentare des Kaisers zur Note des Ministers, sondern die des Prinzen ihm, Poincaré, gegenüber gemeint waren, hingegen als „une base de proposition formelle, nécessitent un échange de vues“ bezeichnet. Die vier am 30. Jänner und am 12. Februar 1917 genannten Bedingungen für Friedensverhandlungen stellten die conditio sine qua non gegenüber Österreich dar, nicht aber gegenüber Deutschland. Es müsse übrigens geklärt werden, unter w ­ elchen Voraussetzungen ein Waffenstillstand mit der Monarchie geschlossen werden könne. Ein solcher müsse sich auf alle Fronten erstrecken, die „menace très sérieuse“ eines österreichisch-deutschen Angriffs auf Italien erfordere eine diesbezügliche Garantie.497

494 Poincaré TB-Eintr. 5. März 1917, Poincaré IX 1932, 68 – 69. 495 Poincaré TB-Eintr. 8. März 1917, ebd. p 70. 496 Lloyd George MA. 2 1934, 418. 497 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 8, Sixtus 1920, 70 – 72.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Bald darauf, am 16. März, schrieb Sixtus an K ­ aiser Karl einen Brief, den er Erdődy bei einem neuerlichen Zusammentreffen zur Weiterleitung übergeben wollte. Diesem Brief schloss er ein vom 17. März datiertes „Projet de note“ bei, einen Entwurf für ein an ihn, Sixtus, zu richtendes Schreiben, mit welchem der K ­ aiser die darin angeführten vier Bedingungen annehmen solle. Frankreich erwarte dies als „préalable“, bevor noch auf die Ansprüche Italiens eingegangen werde. Die Aussichten auf einen Erfolg der gesamten Aktion s­ eien nach „démarches longues et difficiles“, Sixtus bezog sich damit auf seine Unterredung mit Poincaré und dessen Gespräch mit Briand, sehr viel besser geworden. Czernins „Note ostensible“ habe in Paris durch ihren „caractère d’imprécision et de réserve“, aber auch durch seine, des Prinzen, mündliche Kommentare, keinen Schaden anrichten können. Das durch seine Bemühungen dort Erreichte sei umso wertvoller, als man neben den im „Projet de note“ angeführten vier Punkten nicht auch auf einem fünften bestanden habe, darauf nämlich, dass der ­Kaiser zu einer Abtretung ­Triests bereit sein müsse. Sollte Italien die Stadt einnehmen und annektieren, so werde die Entente dies anerkennen; sollte es dazu aber nicht imstande sein, so scheine die Entente davon abstehen zu wollen, ihm den Besitz der Stadt zu garantieren. Sollte Italien nach Einigung der anderen Entente-Mächte über ein Abkommen mit der Monarchie auf die Anfügung eines Punktes bezüglich Triests bestehen, so könne der ­Kaiser einen solchen akzeptieren aber auch ablehnen. In deutschen Zeitungen sei übrigens von einer bevorstehenden Offensive gegen Italien die Rede. Er, Sixtus, verstehe, dass K ­ aiser Karl eine ­solche unternehmen wolle, es stehe aber zu befürchten, dass Russland, so wie im Vorjahr, Italien durch eine Offensive im Norden zu Hilfe komme. Außerdem könnten, im Falle eines „désastre italien“, Frankreich und England Truppen an die italienische Front entsenden. Und dies würde „ipso facto“ jeden Versuch von Verhandlungen verunmöglichen. Sixtus teilte in seinem Brief dem K ­ aiser auch mit, Briand sei von Poincaré in die Aktion eingeweiht worden und habe sein Stillschweigen versprochen. Die im „Projet de note“ angeführten Bedingungen waren um einiges umfassender als jene, w ­ elche Sixtus seiner M ­ utter Maria Antonia am 29. bzw. 30. Jänner genannt und mit denen sich K ­ aiser Karl, zumindest insofern sie ihn und die Monarchie nicht tangierten, am 13. Februar durch Erdődy einverstanden erklärt hatte.498 Die Bedingungen lauteten: 1° L’Autriche-Hongrie reconnaît, quant à elle, l’Alsace et la Lorraine à la France telles qu’elle les a possédées jadis, elle fera tous ses efforts pour appuyer les revendications de la France en ce sens. – 2° La Belgique doit être rétablie entièrement dans sa souveraineté, sous la dynastie actuelle, en gardant l’ensemble de ses possessions africaines, sans préjudice des dédommagements qu’elle pourra recevoir (…). – 3° L’Autriche-Hongrie n’a jamais songé à l’anéantissement de la Serbie. Elle se déclare prête à la rétablir dans sa souveraineté, sous sa dynastie actuelle. 498 Sixtus 1920, 40 bzw. 55.

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En outre, l’Autriche-Hongrie, en gage de sa bonne volonté envers ce royaume et pour lui assurer un accès (…) à la mer Adriatique, est prête à lui remettre les territoires albanais qu’elle occupe présentement. Elle est également disposée à assurer ses rapports amicaux avec lui par des larges concessions économiques. – 4° L’Autriche-Hongrie propose d’entrer en pourparlers avec la Russie sur la base du désintéressement de la monarchie de Constantinople en échange des territoires de la monarchie actuellement occupés par les troupes russes.499

Hinzugefügt war ein auf einen Waffenstillstand bezüglicher Satz, mit dessen Inhalt der ­ aiser sich ebenfalls einverstanden erklären sollte: „Dès l’acceptation des bases précédenK tes, S. M. l’empereur (…) se déclare prêt à maintenir ses troupes sur leurs lignes actuelles en état d’expectative, à condition que les troupes qui lui sont opposées observent la même attitude.“ Im „Projet de note“ wurde überdies zugesichert, dass, sollte Deutschland die Monarchie nach Abschluss eines Vertrages unter Druck setzen auf diesen zu verzichten, Frankreich und seine Verbündeten ihr zu Hilfe kommen würden.500 Mit vielerlei Argumenten bemühte sich der Prinz, seinen Schwager zu raschem Handeln zu bewegen. Es müsse unbedingt der Augenblick genutzt werden, denn im Falle eines Regierungswechsels in Paris müsste alles von vorne begonnen werden und in einer neuen Regierung würde sich sehr wahrscheinlich eine Anzahl von „ministres ardemment pro-italiens“ finden.501 Um in Unterhandlungen mit Frankreich treten zu können, gebe es nur einen Weg: Der K ­ aiser müsse möglichst bald „d’une manière précise et sans ambiguïté“ schriftlich erklären, dass er die im „Projet de note“ genannten vier Bedingungen annehme. Tue er dies nicht, so bleibe man in Paris unter dem Eindruck der dort als inakzeptabel beurteilten „Note ostensible“ Czernins. Bei seinem Schreiben solle er, um es zu keiner Verzögerung kommen zu lassen, sich möglichst an den Text des „Projet de note“ halten. Bei Annahme der vier Bedingungen sei man in Paris zu einem Frieden mit der Monarchie bereit. Den Krieg gegen Deutschland aber wolle man fortsetzen, bis es geschlagen sei.502 499 Sixtus 1920, 8 – 9 bzw. 78 – 79. 500 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 8 – 9, Sixtus 1920, 78 – 79. – Görlich und Romanik schrieben 1970 wie 1995, ­Sixtus’ Vorschläge hätten auch die „freie Durchfahrt für Rußland durch die Dardanellen“ und den Verzicht Österreich-Ungarns „auf eine Offensive gegen Italien“ beinhaltet. Görlich Romanik 1970, 477, 1995, 477. Von dem verlangten „désintéressement de la monarchie de Constantinople“ wussten diese Autoren offenbar nichts und überließen es ihren Lesern zu mutmaßen, was wohl für die Durchfahrt „Rußlands“ durch den Bosporus gegolten hätte. Dichterischen Ambitionen entsprang die Behauptung eines geforderten Verzichts „auf eine Offensive gegen Italien“. 501 Dass der als Schreckgespenst an die Wand gemalte Regierungswechsel inzwischen stattgefunden und das Kabinett Ribot am 20. März jenes Briands abgelöst hatte, war Sixtus zum Zeitpunkt des Schreibens seines Briefes offenbar unbekannt. 502 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 9 – 10, Sixtus 1920, 73 – 78.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Dem Buch des Prinzen ist weiter zu entnehmen, er und Xavier ­seien am 18. März 1917 in Genf mit Graf Erdődy zusammengetroffen. Dieser habe sie „dans une longue et pressante conversation“ dazu gebracht, heimlich nach Wien zu reisen, um die „échanges de vues“ abzukürzen.503 Wahrscheinlich aber musste sich Erdődy keineswegs „pressant“ geben um die Prinzen zu dieser Reise zu veranlassen, und Sixtus war einfach, wie dies Fester vermutete, zu der Überzeugung gekommen, „daß er sein Ziel nur persönlich in Wien erreichen konnte“.504

2.3

Französische Sondierungen in der Schweiz?

Am 18. Februar 1917 telegrafierte Baron Maximilian Gagern, der k. u. k. Gesandte in Bern, an Czernin, ein anonymer Anrufer habe ihm am Telefon mitgeteilt, „daß der politische Chefredakteur des ‚Matin‘, Herr Sauerwein, in der Schweiz weile und mit (… ihm) gerne zusammentreffen möchte“. Er, Gagern, habe ausweichend geantwortet und „Bedenkzeit bis übermorgen“ verlangt. Falls er bis dahin aus Wien keinen „Gegenbefehl“ erhalte, werde er das Ansinnen selbstverständlich ablehnen.505 Zwei Tage ­später berichtete Gagern über eine ihm von einem „vertrauenswürdigen österreichischen Polen“ zugekommene Information. Dieser zufolge habe ein Franzose, „der in inoffizieller Weise der hiesigen französischen Botschaft zugeteilt ist, um die welsch-schweizerische Presse im Sinne Frankreichs zu beeinflussen und der mit Jules Cambon und der Commission des affaires étrangères in Verbindung steht“ gefragt, ob er, Gagern, nicht „eine Konversation ­zwischen einem französischen Politiker, wahrscheinlich Mitglied der Commission des affaires étrangères und einem österreichisch-ungarischen Vertrauensmanne veranstalten könnte“. Den Namen des Franzosen dürfe der Pole erst nennen, „bis prinzipielle Zustimmung zur Konversation gegeben ist. Gewährleistet diese Erfolg, würde französischer Vertrauensmann von Paris eintreffen.“ 506 Czernin antwortete dem Gesandten am 21. Februar, seine Angaben erschienen ihm „zu vag, um schon daraufhin einem so präjudizierlichen und daher nicht unbedenklichen Schritte zuzustimmen (…)“. Er ersuche um (…) Angabe des Namens, der Stellung und der sonstigen zu einer Orientierung (…) dienenden Auskünfte über den Polen welcher Initiative in dieser Angelegenheit ergriff. – Vielleicht gelingt 503 Sixtus 1920, 80. In Sixtus’ „Récit du voyage à Vienne“ heißt es dagegen, er und Xavier hätten Genf am 19. März erreicht. (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 10, Sixtus 1920, 80. 504 Fester 1925, 68. 505 Gagern an Czernin, Tel. 96, 18. Feb. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Sauerwein (…) fol. 33, Jules-Auguste Sauerwein, Directeur des services étrangères der Pariser Tageszeitung Le Matin, Poincaré XI 1974, 30 Anm. 4. 1905 bis 1908 war er Sekretär der frz. Botschaft in Wien gewesen. 506 Gagern an Czernin, Tel. 101, 20. Feb. 1917, ebd. fol. 32.

Französische Sondierungen in der Schweiz?

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es (…) auch, den Namen und die gewöhnliche Berufsstellung des der französischen Botschaft in Bern zugeteilten Franzosen in Erfahrung zu bringen. – Schließlich müßte auch eine gewisse Klarheit darüber gewonnen werden, worauf sich die fragliche ‚Konversation‘ zu beziehen hätte.507

Die gewünschten Informationen, wenn auch nicht in Bezug auf die Frage, „worauf sich die fragliche ‚Konversation‘ zu beziehen hätte“, konnte Gagern bereits am nächsten Tag melden: „Bewusster Pole ist Dr. Bader, Leiter des hiesigen polnischen Pressbureaus,508 der als durchaus loyal, verlässlich und klug bezeichnet werden kann.“ Bader habe sich bewegen lassen, den Namen des Franzosen zu nennen. Es sei dies „Herr Haguenin, der viele Jahre in Berlin Literaturgeschichtsprofessor und damals schon Vertrauensmann Herrn Cambons war. Gegenwärtig leitet er die Presseabteilung hiesiger französischer Botschaft nach den Weisungen des Quai d’Orsay.“ 509 Obschon Czernin ein Teil der gewünschten Informationen nun vorlag, ließ er die Sache nicht weiterverfolgen. Und dies, wie aus einem ein Monat ­später an Baron ­Alexander Musulin, den Nachfolger Gagerns in Bern, abgesandten Telegramm hervorgeht, weil die von ihm am 21. März gestellte „Frage nach dem Gegenstande der angeregten Konversation (…) unbeantwortet geblieben war“.510 Musulin berichtete am 13. März 1917 von weiteren Kontaktversuchen Haguenins. Er höre seit seiner Ankunft von verschiedenen Seiten, (…) daß die Stimmung in Frankreich der Monarchie gegenüber sich in der letzten Zeit gebessert habe und daß in allerletzter Zeit eine neue Wandlung in derselben eingetreten sei. Während man nämlich zu Beginn der Besserung Hoffnung darauf setzte, uns von Deutschland zu trennen, soll man uns jetzt angeblich eine Mittlerrolle zudenken. Oberst von Einem erzählt mir, daß Oberst von Sprecher 511 ihm von wiederholten Besuchen des französischen Militärattachés Mitteilung gemacht habe, in denen immer davon die Rede gewesen sei, ob man nicht durch die Monarchie ‚etwas machen könne‘.512

507 Czernin an Gagern, Tel. 87, 21. Feb. 1917, ebd. fol. 40. 508 Dr. Stanisław Bader, Leiter des vom k. u. k. K. M. eingerichteten Polnischen Pressbureaus in der Schweiz. HHStA PA I, 804 Pers. II/456 Dr. Bader o. Fz. 509 Gagern an Czernin, Tel. 105, 22. Feb. 1917, HHS tA PA I, 957 Krieg 25w Sauerwein (…) fol. 42. Émile Haguenin war 1900 bis 1914 außerordentlicher Professor für frz. Literaturgeschichte an der Universität in Berlin gewesen. Seit Kriegsausbruch leitete er in Bern das frz. Pressebüro, das sich mit der Auswertung der dt. Presse sowie dem Aufbau eines Netzes von Kontaktpersonen und Informanten befasste. Köhler 1980, 272 – 273. 510 Czernin an Musulin, Tel. 160, 20. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 25. 511 Oberst William v. Einem war k. u. k. Militärattaché in Bern, Oberst Theophil Sprecher v. Bernegg Chef des Generalstabes der schweizerischen Armee. 512 Musulin an Czernin, Tel. 144, 10. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 2.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Haguenin aber habe am 8. März in einem Gespräch mit Graf Michael Nałęcz R ­ ostworowski, dem „bekannten Vertrauensmann des Evidenzbureaus (im k. u. k. Kriegsministerium), der seitens des (polnischen) Nationalkomitees hier mit der Aufgabe betraut ist, den russophilen Polen in der Schweiz entgegenzuarbeiten“, bemerkt, „daß die Versuche mit Deutschland zu reden erfolglos geblieben ­seien, da es nicht einmal auf eine Berührung des Themas Elsaß-Lothringen eingehen wollte und sich ausschließlich auf den Standpunkt des Siegers gestellt hatte. Er frage sich daher, ob nicht Oesterreich-Ungarn die Rolle eines Mittlers ­zwischen Frankreich und Deutschland übernehmen könnte um auf ­diesem Wege schließlich einen Kompromißfrieden zustande zu bringen.“ 513 Haguenin habe auch bemerkt, dass in Kürze „das Mitglied der Conférence du ministère des affaires étrangères, Herr de Moysset, (…) nach Bern kommen und wohl Gelegen­ heit haben werde, mit Graf Rostworowski zusammenzukommen“. Rostworowski vermute, „daß Moysset in ­diesem Falle (wie seinerzeit Haguenin Herrn Bader gegenüber) den Wunsch aussprechen werde, mit einem österreichisch-ungarischen Vertrauensmann in Verbindung gebracht zu werden“. Musulin berichtete weiter: Ich habe mich gegenüber den Mitteilungen des Grafen rezeptiv verhalten und nur bemerkt, daß Oesterreich-Ungarn, dessen Friedensangebot die Entente mit höhnischen Worten abgelehnt habe und das heute stärker gerüstet denn je die feindliche Offensive erwarte, keinerlei Anlaß hätte, sich gegenwärtig mit der Friedensfrage zu beschäftigen. Ich sei im Allgemeinen sehr mißtrauisch (…) gegenüber von Effusionen, die von nichtoffizieller Seite kämen. Da Graf Rostworowski mich nicht gefragt hat, ob er mit M. de Moysset reden könne, habe ich vermieden, ihm diesbezüglich eine Weisung zu erteilen. Falls Euer Exzellenz spezielle Befehle haben sollten, bitte ich um telegraphische Instruktion. Ich persönlich habe den Eindruck, daß es sich in ­diesem Falle, wie überhaupt bei dem Wechsel der französischen Methode uns gegenüber, um Versuche handeln könne, durch unsere Vermittlung Konzessionen in der elsaß-lothringischen Frage zu erlangen.514

Czernin erschienen die durch den Kontakt mit Haguenin sich eröffnenden Perspektiven als so verheißungsvoll, daß er eine ehebaldigste Zusammenkunft mit Bethmann Hollweg als unbedingt erforderlich erachtete. Er wies deshalb noch am 11. März Botschafter Hohenlohe an, er solle dem Kanzler „zu verstehen geben, daß Seine Majestät unser K ­ aiser etwas erstaunt ist, daß derselbe meinen Besuch in Berlin noch immer nicht erwidert hat“.515 Und an Musulin depeschierte er am 12. März:

513 Ebd. 514 Ebd. 515 Czernin an Hohenlohe, Tel. 131, 11. März 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 96.

Französische Sondierungen in der Schweiz?

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Ich möchte mich gegenüber der Eventualität einer Zusammenkunft eines österreichisch-ungarischen und eines französischen Vertrauensmannes in der Schweiz behufs Besprechung von Friedensmöglichkeiten nicht prinzipiell ablehnend verhalten. – Eine konkrete Zusage in dieser Beziehung könnte ich aber erst nach einer Fühlungnahme mit dem Berliner Kabinette und nach erfolgter Auswahl des betreffenden österreichisch-ungarischen Vertrauensmannes durch Graf Rostworowski an M. Haguenin gelangen lassen.516

Dies teilte Czernin am selben Tage auch Hohenlohe mit; zur Kontaktaufnahme mit der deutschen Regierung werde Botschafter Mérey in Berlin eintreffen, wovon er ersuchte, Zimmermann und „eventuell auch den Reichskanzler (…) in Kenntnis zu setzen und eine Besprechung (…) mit den deutschen Staatsmännern im Laufe des Mittwoch in die Wege zu leiten“.517 Hohenlohe kam dieser Weisung unverzüglich nach und berichtete darüber: „Der Reichskanzler wird noch heute Graf Wedel beauftragen anzufragen, ob sein Besuch, eventuell für zwei Tage, im Laufe dieser Woche in Wien genehm ist.“ 518 Mérey traf am 14.  März 1917 in Berlin ein, wo er mit Bethmann Hollweg und ­Zimmermann die Anregung Haguenins und die sich offenbar bietende Gelegenheit zu Gesprächen mit einem Vertrauensmann der französischen Regierung erörterte. Kanzler und Staatssekretär wussten durch vorangegangene Berichte Graf Harry von ­Kesslers, dass Haguenin, „dieser zweifellos wichtige Agent der französischen Regierung“, mit Jules Cambon und Briand in Verbindung stehe. Der deutsche Gesandte in Bern, Freiherr Konrad von Romberg, hatte am 26. Februar 1917 einen Bericht Kesslers über eine Unterredung mit Haguenin gesandt. Darin stand zu lesen, dieser habe die „Idee eines Bündnisses ­zwischen Frankreich, Deutschland und Russland mit der Spitze gegen England“ erwähnt und dass Briand für ein solches, wenn die Umstände dafür sprächen, zweifellos zu haben wäre. Der Hass gegen Deutschland sei zwar ungeheuer stark und „in allerletzter Zeit durch den unbeschränkten U-Bootkrieg wohl wieder gesteigert“, richte sich aber „weniger gegen das deutsche Volk wie gegen die deutsche Regierung“. Gegenüber Österreich-Ungarn sei seit der Thronbesteigung ­Kaiser Karls die Stimmung „eine ganz andere und weit freundlichere“. Es schiene fast, als ob die Franzosen mit dem Gedanken spielten, „über Oesterreich zu einem für sie günstigen Frieden mit Deutschland zu kommen“. Als „selbstverständliche Voraussetzung“ eines Bündnisses Frankreichs und Russlands mit Deutschland habe Haguenin genannt, „dass wir die Idee einer engeren Verbindung mit Oesterreich fallen liessen“. Frankreich und Russland müssten sich „bei ihrer durch den Krieg herbeigeführten Schwächung bedroht“ fühlen, „wenn auf der 516 Czernin an Musulin (Entw. Mérey, genehmigt Czernin), Tel. 125, 12. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 4. 517 Czernin an Hohenlohe (Entw. Mérey, genehmigt Czernin), Tel. 133, 12. März 1917, ebd. fol. 5 – 6. 518 Hohenlohe an Czernin, Tel. 160, 12. März 1917, HHStA PA III, 173 fol. 62.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

einen Seite ein weit mächtiger gewordenes England, auf der anderen ein unter Führung Deutschlands zusammengefasstes ‚Mitteleuropa‘ mit Bulgarien und der Türkei auf sie drücken. Daher die Vorbereitungen, um unter gewissen Umständen dieser doppelten Bedrohung durch ein Bündnis mit Deutschland, am liebsten auf dem Umwege über Oesterreich, zu entgehen und ­diesem Vorteile sogar die (…) Wiedergewinnung ElsassLothringens vorläufig zu opfern“.519 In einem vom 24. Februar datierten und von Romberg am 1. März nach Berlin übermittelten Bericht hatte Kessler erwähnt, Haguenin habe ihn sprechen wollen, weil es in Frankreich „Einige“ gebe, zu denen auch Briand gehöre, „die nicht nur Krieg, sondern wieder Politik zu machen wünschten“. Haguenin habe nicht zu verbergen gesucht, dass „seit einiger Zeit gewisse ‚attouchements‘ mit Oesterreich sich ergeben hätten (…)“ aber erklärt, er spreche ohne Auftrag: Wenn wir irgendetwas hätten, das Frankreich locken könnte, so liesse sich vielleicht jetzt Etwas erreichen (…) im Mittelpunkte jeder Friedensdiskussion stehe (…) nach wie vor Elsass-­ Lothringen. Kein Franzose könne sich das Kriegsende ohne die Rückgewinnung Elsass-­ Lothringens denken.520

Er, Kessler, habe Haguenin bedeutet, dass man deutscherseits nicht in der Lage sei, „Elsass-Lothringen gegen die gute Meinung, oder selbst die Liebe der Franzosen auszutauschen (…); auch führe zu Elsass-Lothringen kein Weg über Oesterreich“.521 Mérey telegrafierte am 14. März an Czernin, Bethmann Hollweg und Zimmermann hätten ihn eben wissen lassen, dass Haguenin ihnen „genau und sehr unvorteilhaft“ bekannt sei. Von österreichischer Seite solle deshalb keine offizielle Persönlichkeit entsandt und die Mitwisserschaft der deutschen Regierung geheimgehalten werden. Falls französischerseits, „wie dies bei ähnlichen Versuchen bisher die Regel“ gewesen sei, „die glatte Abtretung Elsaß-Lothringens verlangt würde“, solle dies „als indiskutabel“ bezeichnet werden. Allenfalls könne an die „Abtretung eines kleinen Stückchen ­Lothringens im Austausch gegen einen Teil des französischen Erzgebietes“ von BrieyLongwy gedacht werden.522 Am selben 14. März 1917 langte in Berlin eine Nachricht ein, über die der Reichskanzler ­später in seinen Betrachtungen schrieb: 519 Romberg an Bethmann Hollweg, Tel. 533, 26. Feb. 1917, Pièce jointe zu Ber. Kessler 15. Feb. 1917, SG 2 1966, 17 – 20 Dok. 11. 520 Romberg an Bethmann Hollweg, Tel. 580, 1. März 1917, Pièce jointe zu Ber. Kessler 24. Feb. 1917, ebd. pp 22 – 26 Dok. 14. 521 Ebd. 522 Mérey an Czernin, Tel. 166, 14. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 9.

Bethmann Hollweg in Wien

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Noch am Nachmittag (…) erhielt ich Kenntnis von einem aufgefangenen Funkspruch, der auf eine Revolution in Petersburg deutete. Der nächste Morgen brachte die Bestätigung. – Die ungeheure Tragweite der russischen Revolution war klar. Äußerpolitisch konnte sie den Frieden bringen. Innerpolitisch mußte sie die vorwärtstreibenden Kräfte, die positiv organischen, aber auch die negierenden des Umsturzes stärken. Die Mahnung an alle, auch an diejenigen, ­welche sich lebendiger Fortbildung in dem Glauben widersetzten, der Staat könne der Mitarbeit der unteren Klassen entraten, war eindringlich genug, – ich durfte hoffen, daß sie verstanden würde.523

Die am 15. März erfolgte Abdankung Zar Nikolaus II . zugunsten seines Bruders, des Großfürsten Michael, weckte bei den Staatsmännern der Mittelmächte Hoffnungen auf ein Übereinkommen mit einer neuen russischen Regierung, wenn nicht gar auf ein Ausscheiden Russlands aus der Front der Gegner. Czernin schrieb dazu 1919: Die russische Revolution stellte uns vor eine ganz neue Situation. Immerhin war es nicht zweifelhaft, daß der Osten die näherliegende Möglichkeit eines abzuschließenden Friedens bot, und alle unsere Bestrebungen waren darauf gerichtet, den ersten möglichen Moment zu benützen, um mit der russischen Revolution jenen Frieden zu schließen, den der bereits im Sturze begriffene Zar nicht mehr hatte schließen können.524

2.4

Bethmann Hollweg in Wien

Reichskanzler Bethmann Hollweg kam am 16. März 1917 zu dem vereinbarten zweitägigen Treffen nach Wien. Am ersten der beiden Tage fand unter dem Vorsitz Czernins eine Besprechung statt, an der von deutscher Seite auch Unterstaatssekretär Stumm und Botschafter Wedel, von österreichisch-ungarischer Seite Mérey und Hohenlohe sowie, als Protokollführer, Ferdinand Graf Colloredo-Mannsfeld teilnahmen. Dem Protokoll zufolge „rekapitulierte“ Czernin zu Beginn seine mit Bethmann Hollweg an d ­ iesem Tag bereits geführten Gespräche und erklärte, (…) dass er es für seine heilige Pflicht gehalten habe, (…) die Lage der österreichisch-ungarischen Monarchie so zu schildern, wie sie ist (…) Leider sei er nicht in der Lage gewesen, ein rosiges Bild zu entwerfen, denn die Monarchie stehe am Ende ihrer Kraft. – Die grösste Sorge bilde vorerst die Ernährungsfrage, ­welche als äusserst kritisch bezeichnet werden müsse. (…) – Nicht besser stehe es mit den zur Kriegführung unerlässlichen Rohmaterialen. Nach genauer 523 Bethmann Hollweg 2 1922, 173 – 174. 524 Czernin 1919, 193 – 194.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Erwägung aller Eventualitäten sei man zur Überzeugung gekommen, dass man mit dem vorhandenen und noch zu gewinnenden Rohmaterial wohl bis zum Herbste des Jahres das Auslangen finden könne, dass aber über diesen Zeitpunkt hinaus (…) ein weiteres Fortführen des Krieges ausgeschlossen sei. – Was endlich das Menschenmaterial betrifft, so stehe die Monar­ chie im Begriffe, ihre allerletzten Reserven heranzuziehen (…). – Unter diesen Umständen (…) müsse man mit allen Mitteln darauf hinarbeiten, (…) die nötigen Konsequenzen zu ziehen. (…) jeder Faden, der zu einem akzeptablen Frieden führen kann, (müsse) aufgegriffen werden.525 Eine ­solche Möglichkeit scheine sich jetzt mit Frankreich zu bieten, welches bereits wiederholt Friedensfühler ausgestreckt habe (…).526

Wenn sich das aus Bern gemeldete Herantreten als seriös herausstelle, so solle es nicht abgewiesen werden. In d ­ iesem Fall sei geplant, Graf Mensdorff zu Unterhandlungen nach der Schweiz zu entsenden; für die ihm zu erteilenden Instruktionen und die von ihm zu nennenden Friedensbedingungen müsse durch die Bündnispartner „womöglich ein Minimal- und Maximal-Programm“ aufgestellt werden. Bethmann Hollweg gab seiner Skepsis darüber Ausdruck, dass Frankreich durch Konzessionen gewonnen werden könne. Eine Abtretung Elsass-Lothringens, w ­ elche „zweifelsohne als conditio sine qua non einer Verständigung mit Deutschland gefordert werden würde“, könne er „weder bei seinem kaiserlichen Herrn befürworten, noch auch vor dem deutschen Volke rechtfertigen. Deutschland müsse darauf bedacht sein, seinen (…) Kolonialbesitz wiederzugewinnen. Als Faustpfand hiefür müsse Deutschland die besetzten Teile Frankreichs und Belgiens in der Hand behalten.“ 527 Keinesfalls wolle er einem Gespräch mit Frankreich aus dem Wege gehen und so begrüße er es, dass ein solches durch den Bündnispartner entriert werde. Er müsse aber darauf bestehen, (…) dass sich der österreichisch-ungarischerseits designierte Vertrauensmann (…) absolut rezeptiv verhalte und der Zukunft in keiner Weise präjudiziere. (…) Es sei nicht ausgeschlossen, dass die russischen Wirren verbunden mit den Erfolgen des U-Bootkrieges die Entente derart schwächen oder erschrecken, dass unsere Gegner von selbst den Friedenspfad betreten und (…) mit konkreten Vorschlägen an die Zentralmächte herantreten.528 525 Neck schrieb dazu, Czernin habe „die Lage der Monarchie in den dunkelsten Farben (gemalt), wie er es ähnlich auch ­später in der bekannten April-Denkschrift getan hat“. Neck 1953 7, 305. 526 Aufz. über am 16. März unter dem Vorsitz (…) von Czernin stattgehabte Bespr., HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 6 – 22v, idem: HHStA PA I, 536 1, Friedens-Fasc. fol. 137 – 153v, HHStA PA I, 1092a 1 fol. 52 – 68v, MNN A 23. Feb. (1922), 1 – 2, 24. Feb. 1922, 1 – 2 u. MNN S/S 25./26. Feb. 1922, 1, Komjáthy 1966, 492 – 499 Dok. 24, SG 2 1966, 32 – 39 Dok. 20. 527 Ebd. 528 Ebd.

Bethmann Hollweg in Wien

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Schwierig sei es zu sagen, w ­ elche Minimalforderungen Deutschland gegenüber Frankreich erheben würde. Allenfalls ließe sich über einen Tausch „der Erzlager von BrieyLongwy gegen Teile Lothringens oder des Elsass“ reden, „während der Erwerb von BrieyLongwy ohne eigene Gebietsabtretungen als Maximalbasis (…) in Betracht gezogen werden könnte“. Im Osten könne, „solange Deutschland nicht geschlagen sei, nur vom Ausmaße des Nehmens (…), schlimmstenfalls von einer Rückkehr zum Status quo ante bellum die Rede sein“. Was Kongresspolen betreffe, so bringe „die Aufrichtung eines polnischen Königreichs, d. h. das Hinausschieben der Grenze gegen Russland, für die Zentralmächte grosse Vorteile“. Sollte aber Polen an Russland zurückgegeben werden müssen, so „kämen für Deutschland bloss Grenzrektifikationen an der schlesischen und ostpreussischen Grenze in Betracht“. Czernin erklärte, für die Monarchie müsse „das erste (…) Ziel in der Erhaltung ihrer territorialen Integrität bestehen“. Die Rückerlangung der von den Russen besetzten Teile Galiziens und der Bukowina stünde für sie „unendlich viel näher als die Errichtung eines polnischen Königreiches. Solange daher der Feind diese Gebiete nicht geräumt habe, könne von einer Herausgabe des Generalgouvernements Lublin nicht die Rede sein“. Für den Fall eines Friedensschlusses wäre es „ein Ding der Unmöglichkeit“, dass Bulgarien „einen sehr bedeutenden und Deutschland, wie zu erhoffen, einen namhaften Territorialgewinn davontrage, während die (…) Monarchie mit leeren Händen, ja sogar verkleinert aus dem Völkerringen heimkehren sollte“.529 Er schlage daher vor, die „zu erhoffenden territorialen und wirtschaftlichen Vorteile in eine gewisse Übereinstimmung“ zu bringen. Rumänien könne so aufgeteilt werden, dass die Monarchie die Walachei und den ­zwischen Karpaten und Sereth gelegenen Teil der Moldau erhalte und Bulgarien die 1913 an Rumänien abgetretenen Teile der D ­ obrudscha, während die restliche Dobrudscha einen unter internationaler Kontrolle stehenden Staat bilden könnte. Die moldauischen Gebiete östlich des Sereth „könnten Russland angetragen werden, um ­dieses für einen baldigen Frieden geneigter zu stimmen“. Bethmann Hollweg und Stumm konnten den Ausführungen Czernins wenig abgewinnen und setzten ihnen entgegen, es wäre besser, wenn sich die Monarchie mit der Westwalachei begnügte. Deutschland strebe in Rumänien „ausschliesslich wirtschaft­ liche Vorteile an“. Ihre Stellungnahmen blieben nicht ohne Wirkung, wie aus den b ­ eiden Punkten hervorgeht, mit denen Czernin, die Sitzung abschließend, seinen Standpunkt präzisierte: 1. Bevor es nicht fest steht, dass die derzeit von den Feinden besetzten Landesteile an die Monarchie zurückerstattet werden, dürfe eine Herausgabe russischen oder Balkan-Gebietes nicht stattfinden. – 2. Die Neuerwerbungen Deutschlands und Oesterreich-Ungarns sollen 529 Ebd.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

in territorialer u. wirtschaftlicher Hinsicht in eine gewisse billige Relation gebracht werden: Werde der Friede derart geschlossen, dass sich Deutschland mit dem Status quo begnügen müsste, dann würde sich auch die Monarchie mit der vollen Integrität zufrieden geben. Sollte jedoch Deutschland Landerwerb einheimsen, dann müsse die Monarchie auf der Zuteilung der Walachei bestehen.

Im Protokoll ist dazu vermerkt: „Herr von Bethmann erklärt sich mit ­diesem prinzipiellen Standpunkt des Grafen Czernin einverstanden und sagt zu, in dem vorgeschlagenen Sinne vorgehen zu wollen.“ 530 Zur eindringlichen Beteuerung Czernins, „die Monarchie stehe am Ende ihrer Kraft“, teilte Botschafter Wedel zwei Tage ­später Unterstaatssekretär Stumm mit: Ich werde Czernin sagen, seine düsteren Schilderungen hätten Eindruck gemacht, man würde unsererseits jeden gangbaren Friedensweg beschreiten und jeden Annäherungsversuch der Gegner nicht a limine ablehnen, sondern ernstlich prüfen. Österreich aber dürfe keine Nervosität verraten, sonst erreiche er das Gegenteil von dem, was er wolle. Es komme drauf an, noch kurze Zeit auszuhalten und Unverzagtheit zu zeigen, damit ein akzeptabler Friede geboten werde. Das wird ihn beruhigen. (…) Es kommt jetzt hauptsächlich drauf an, sie noch eine Zeitlang aufrecht zu halten, indem man ihnen gut zuredet und (…) für ihre Lage Verständnis zeigt (…).531

Czernins Ankündigung einer sich abzeichnenden Möglichkeit zu Gesprächen mit Frankreich veranlasste den Reichskanzler – darauf weist das Protokoll der bald darauf in Berlin stattgefundenen Konferenz vom 26. März 1917 hin – dem Minister mitzuteilen, dass eine italienische Persönlichkeit zu einem Mitarbeiter der deutschen Gesandtschaft in Bern Kontakte aufgenommen habe, die auf eine Bereitschaft des Königs von Italien hindeuteten, mit Österreich-Ungarn über einen Separatfrieden zu verhandeln.532 Am zweiten Tage seines Besuchs, dem 17. März, wurde Bethmann Hollweg in Laxenburg von ­Kaiser Karl empfangen. Darüber notierte Marterer: S. M. sagte heute beim Referat: Heute schwieriger Tag mit Bethmann. Es wird ihm gesagt, daß wir keinen Winterfeldzug mehr haben wollen, sie (die Deutschen) sollten Frieden machen und Frankreich Konzessionen (sic!) im Elsaß machen. Auf meine Frage, ob deutscherseits schon an eine ­solche Lösung gedacht werde, sagte S. M.: ‚Ja, allerdings mit einem Tausch‘.“ 533 530 Ebd. 531 Wedel an Stumm, Privatschr. 18. März 1917, Steglich 1 1964, 429 Anm. 117. 532 Prot. Konf. in Berlin 26. März 1917, MNN M 2. März (1922), 1 – 2, idem: SG 2 1966, 50 – 60 Dok. 33. 533 Marterer TB-Eintr. 17. März 1917, KA NL Marterer B/16, V.

Bethmann Hollweg in Wien

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Am 18. März notierte Marterer, ­Kaiser Karl habe von Bethmann Hollweg gefordert: „Die Deutschen sollten an Frankreich Konzessionen (sic!) machen, sich dafür im Osten entschädigen.“ 534 Eine vom 19. März 1917 datierte, dem k. u. k. Kriegsministerium „zugekommene“ Aufzeichnung über Äußerungen Zimmermanns „gegenüber einem deutschen Politiker“ weist darauf hin, dass auch Zimmermann große Hoffnungen in die Vorgänge in Russland setzte. Er fasse diese „als günstig für den Frieden auf und spricht die Ueberzeugung aus, dass der Krieg nicht länger als bis zum Herbst d ­ ieses Jahres dauern kann. Er sieht als Folge der Revolution eine innere Zersetzung in Russland voraus.“ Er habe ferner gesagt, „dass die deutsche Regierung jederzeit bereit sei, mit Russland einen Frieden unter massvollen Bedingungen zu schliessen“. Auch habe er von Berichten gesprochen, ­welche „die Lage in Italien als nahezu unhaltbar schildern. Insbesondere sei die Kriegsmüdigkeit in der Armee ungeheuer. Die Desertionen nehmen riesig überhand. Es gibt sogar schon Anzeichen, (…) als wäre Italien nicht abgeneigt, mit uns über Frieden zu sprechen.“ 535 Zimmermann habe auch gesagt, (…) Graf Bernstorff (sic!) sowohl wie der deutsche Generalkonsul in New-York, der mit ihm zurückgekehrt ist, s­ eien der Ansicht, dass es vielleicht doch nicht zum Kriege mit Amerika kommen werde. 70 % der amerikanischen Bevölkerung s­ eien gegen den Krieg. Wenn amerikanische Handelsschiffe von unseren Unterseebooten angegriffen werden, so werde es wohl zur gegenseitigen Beschiessung kommen, aber durchaus müsse der Krieg noch nicht mit Notwendigkeit entstehen. Es werde vielleicht eine Art inoffiziellen Kriegszustandes ohne eigentliche Kriegserklärung Platz greifen.536

534 Marterer TB -Eintr. 18. März 1917, ebd. – Polzer-Hoditz schrieb, Marterer „habe ihm mitgeteilt, es sei Bethmann auf das Bestimmteste erklärt worden, daß wir unter allen Umständen im Herbst Schluß machen würden und daß Deutschland einen Teil von Elsaß-Lothringen werde herausgeben müssen (…)“. PolzerHoditz 1929, 334, Kovács meinte dazu, dass ­Kaiser Karl in Laxenburg „sehr energisch die Abtretung ElsaßLothringens gefordert haben dürfte“. Kovács 1 2004, 162. Als Belege dafür führte sie eineTagebuchnotiz Marterers vom 18. März an, in der von „Konzessionen“ die Rede ist, und seine von Polzer-Hoditz referierte Mitteilung, Deutschland werde „einen Teil von Elsaß-Lothringen herausgeben müssen“. Beide Stellen rechtfertigen wohl kaum Kovács’ Worte, dass der ­Kaiser „die Abtretung Elsaß-Lothringens gefordert haben dürfte“. 535 Äußerungen von Zimmermann über die russ. Revolution (handschr.: „Abschr. einer dem k. u. k. K. M. zugekommenen Aufzeichnung über Äußerungen des StS. Zimmermann gegenüber einem dt. Politiker, Mitscha, 19. März (1)917“ u. „gesehen Cz(ernin)“), HHStA PA III, 175 Varia 1917 fol. 8 – 9. 536 Äußerungen von Zimmermann über die russ. Revolution (handschr.: „Abschr. einer dem k. u. k. K. M. zugekommenen Aufzeichnung über Äußerungen des StS. Zimmermann gegenüber einem dt. Politiker, Mitscha, 19. März (1)917“ u. „gesehen Cz(ernin)“), HHStA PA III, 175 Varia 1917 fol. 8 – 9.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Vom Ministerium des Äußern wurde dem österreichischen sowie dem ungarischen Telegraphen-Korrespondenzbureau über die Wiener Beratungen am 20. März folgendes Communiqué übergeben: Die zweitägige Anwesenheit des deutschen Reichskanzlers in Wien hat den Leitern der auswärtigen Politik der beiden Mächte Gelegenheit zu einer eingehenden Besprechung der mit der gegenwärtigen politischen und Kriegs-Lage zusammenhängenden Fragen geboten. Hiebei trat in allen Punkten völlige Übereinstimmung (sic!) zu Tage.537

2.5

Mensdorffs Mission in der Schweiz

Am 18. März 1917 kündigte Czernin dem Gesandten Musulin an: Graf Albert Mensdorff trifft (…) allernächster Tage in Bern ein. Er hat die Aufgabe, eventuell mit Herrn de Moysset in streng vertraulichen und ganz unverbindlichen Kontakt zu treten. – Euer Hochwohlgeboren Aufgabe wäre es, durch Graf Rostworowski oder auf einem sonstigen geeigneten (…) Wege, sei es M. de Moysset, sei es, falls an dessen Stelle ein anderer französischer Vertrauensmann in die Schweiz käme, den letzteren ganz vertraulich wissen zu lassen, daß Sie selbst auf französische Annäherungsversuche selbstverständlich nicht eingehen konnten, da die Wiener Regierung nach der letzten schroffen Antwort der Entente mit dem Fortsetzen des Krieges rechnet, daß aber ein Privatmann von Distinktion in der Person des Grafen ­Mensdorff zufällig vorübergehend in Bern sei und daß dieser wohl kein Bedenken tragen dürfte, eine Begegnung mit Herrn de Moysset zu haben und dessen Ausführungen anzuhören. Dabei wäre, wenn notwendig, durchblicken zu lassen, daß Graf Mensdorff zu meinen persönlichen Freunden gehört und daher, obwohl keine offizielle Persönlichkeit, doch die Möglichkeit habe, mir alles Gehörte direkt mitzuteilen. (…) – Falls sich das Rendez-vous in dieser vorsichtigen Form herbeiführen läßt, wollen Sie sich weiterhin völlig passiv verhalten, da ich unter keinen Umständen wünsche, daß ein offizieller Vertreter der Monarchie die Hand dabei im Spiele habe. (…) – Graf Mensdorff kommt unter dem Vorwande, das System der Hospitalisierung in der Schweiz zu studieren (…).538 537 Communiqué für das k. k. u. das k. ung. Tel. Korr.-Bureau 20. März 1917, HHStA PA XL, 256 Varia interna 1917 fol. 137. 538 Czernin an Musulin, Tel. 148, 18. März 1917, HHS tA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 11 – 12 (Konzept fol. 10, 10v u. 15 gez. „Cz(ernin)“). – Polzer-Hoditz erging sich 1929 in losen Mutmaßungen, wenn er schrieb, es sei „nicht ganz klar, was Graf Czernin mit dieser Entsendung wollte. Man (…) dürfte aber nicht weit fehlgehen, wenn man annimmt, daß er damit die Absicht verfolgte, Deutschland von der Person des eigentlichen Friedensvermittlers des Prinzen Sixtus, abzulenken. Dies dürfte zumindest die Erwägung gewesen sein, mit der Czernin die Entsendung (…) dem K ­ aiser gegenüber

Mensdorffs Mission in der Schweiz

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Musulin bezeichnete am 19. März in einem Telegramm an Czernin die Entsendung Mensdorffs als verfrüht, da „ein konkretes Verlangen, mit einem österreichisch-ungarischen Vertrauensmann zusammenzukommen“, noch nicht erkennbar wäre. Sei er aber „einmal hier, so ist es allerdings wahrscheinlich, dass die Franzosen kommen, wenn es ihnen mit ihrer Anbiederung ernst war und ist“.539 Über ein solches „konkretes Verlangen“ konnte Musulin bereits am nächsten Tage berichten. Am Vortag habe die „englische Dame Alix Barton“, die, wie er gehört habe, „stets gute Beziehungen zu Staatsmännern wie Herrn Asquith, Sir Edward Grey etc.“ unterhalten hätte, dem mit ihr seit Langem befreundeten, an der k. u. k. Gesandtschaft in Bern tätigen Legationsrat Léon de Vaux mitgeteilt, dass sie von einem „französischen Staatsmann geradezu in offizieller Weise ersucht“ worden sei, „die Vermittlung zu übernehmen, damit ein Vertreter ÖsterreichUngarns – womöglich aber kein aktiver Diplomat – (…) eine Begegnung mit einem französischen Politiker“ haben könne. Zweck dieser Zusammenkunft wäre, sich über gegenseitige Friedensbedingungen auszusprechen. Die Eröffnungen Mrs. Barton’s sind (…) ein neuerlicher Beweis für die französischerseits vorhandene allgemeine Disposition zu reden, die durch die Anwesenheit Grafen Mensdorffs in Bern wahrscheinlich greifbarere Gestalt annehmen wird.540

Mensdorffs Abreise in die Schweiz erfolgte am 21. März 1917. An d ­ iesem Tag telegrafierte Czernin an Musulin, er habe (…) außer den (…) gemeldeten, noch andere Anzeichen, daß Frankreich in Berührung mit uns zu treten wünscht. (…) – Ich kann (…) nicht beurteilen, ob Baron de Vaux in der Lage ist, Madame Barton gesprächsweise mitzuteilen, daß Graf Mensdorff, welcher früher Diplomat war und jetzt bei dem Roten Kreuz tätig ist, zufällig heute nach Bern abreist und (…) seit ­vielen Jahren zu meinen intimsten Freunden gehört. – Sollte diese Mitteilung (…), möglich sein, so dürfte die erwähnte Dame wohl von selbst auf den Gedanken kommen, dem französischen Politiker ein Rendezvous mit (…) Mensdorff zu verschaffen.541

begründete. Es ist aber nicht unwahrscheinlich, daß Czernin damit auch den Nebenzweck verfolgte, die Friedensvermittlung in die Hand eines von ihm abhängigen (…) Berufsdiplomaten zu spielen. (…) Schließlich dürfte es (…) Czernin auch willkommen gewesen sein, durch ein ihm untergebenes Organ die Aktion des (…) Prinzen wenigstens einigermaßen kontrollieren zu können.“ Polzer-Hoditz 1929, 333 – 334. 539 Musulin an Czernin, Tel. 189, 19. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 18 – 20 (Vermerk Czernins: „fährt morgen alles bleibt wie bestimmt“). 540 Musulin an Czernin, Tel. 197, 20. März 1917, ebd. fol. 22 – 22v. 541 Czernin an Musulin, Tel. 168, 21. März 1917, ebd. fol. 29 – 29v.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Die Instruktionen, die Czernin Mensdorff für seine Mission erteilte, lauteten: 1) Derselbe hat sich rezeptiv zu verhalten. – 2) Er könnte in sehr vorsichtiger Weise durchleuchten lassen, dass eine Verständigung ­zwischen Frankreich und Deutschland auf Basis a) eines territorialen Austausches in Europa, b) eines allgemeinen kolonialen Abkommens und c) wirtschaftlicher Kompensationen ihm im Bereiche der Möglichkeiten zu liegen scheine. – 3) Müsste der Vertrauensmann die Frage stellen: wie wird sich England zu einem derartigen Arrangement stellen.542

Musulin berichtete am 24. März in dieser Sache: Baron de Vaux hatte vorgestern (…) gegenüber Madame Barton (…) erwähnt, dass Graf Mensdorff (…) nach der Schweiz komme (…) – Gestern abends nun teilte genannte Dame de Vaux ganz motu proprio mit, es sei eben ein Chiffretelegramm nach Paris abgegangen, um bewusste politische Persönlichkeit kommen zu lassen. – Sobald die letztere hier angekommen sein würde, wolle sie Namen derselben mitteilen und nach ihrer Meinung wäre es das beste, wenn der (…) französische Politiker mit Grafen Mensdorff (…) zusammentreffe. – Für die Seriosität der Eröffnung Madame Bartons würde Umstand sprechen, dass sie, die ja eine alte Freundin des Grafen Mensdorff ist, vermeiden will, mit ihm zusammenzutreffen, bevor er französischen Vertreter gesehen. (…) Da alle Hotels (…) von Spionen wimmeln, schiene mir das in (…) Bex gelegene Landhaus des Gesandten von Szilássy ein geeigneter Zusammenkunftsort.543

Noch am selben Tag telegrafierte Musulin: Dass die hiesige deutsche Gesandtschaft Anwesenheit des Grafen Mensdorff mit Aufmerksamkeit verfolgt, lässt sich vielleicht auch daraus erklären, dass man in Berlin kein ganz reines Gewissen hat. (…) Madame Barton bringt sogar die abenteuerliche Information, sie wisse von französischer Seite, dass ein Separatfriedensvertrag z­ wischen Deutschland und Russland schon abgeschlossen gewesen wäre und warnt vor ‚désillusions‘, was sich auf Italien beziehen lässt.544

Czernin antwortete am 25. März, also unmittelbar nach dem Besuch Sixtus’ und Xaviers in Wien, er sei „befriedigt von der Art und Weise, wie die Angelegenheit sich zu entwickeln scheint“ und versäumte nicht zu betonen, dass Mensdorffs Mission „mit voller Zustimmung“ Berlins erfolge und es daher keinen „Grund für den deutschen ­Gesandten

542 Czernin Instruktionen für Mensdorff o. D., HHStA NL Mensdorff 1, Mission nach Bern o. Fz. 543 Musulin an Czernin, Tel. 213, 24. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 32 – 32v. 544 Musulin an Czernin, Tel. 214, 24. März 1917, ebd. fol. 33.

Mensdorffs Mission in der Schweiz

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(gebe) zu ‚verhoffen‘“.545 Musulin konnte in dieser Causa alsbald berichten: „Deutscher Kollege hat (…) dem Grafen Mensdorff (…) mitgeteilt, daß er vom Reichskanzler kürzlich über geheimen Hintergrund seiner Reise informiert worden sei, und den Botschafter gefragt, ob auch ich Kenntnis von demselben hätte. Mensdorff hat das im allgemeinen bejaht (…).“ 546 Am 26. März berichtete Mensdorff an Czernin: Mein erster hier gewonnener Eindruck, daß die Frage des Friedens heute eigentlich eine Frage von Elsaß-Lothringen ist, bestätigt sich immer mehr. Von der ‚Vernichtung preußischen Militarismus‘ und ähnlichen Schlagworten sind die Franzosen bereits zurückgekommen und vernünftiger geworden; andererseits erlaubt der Raumgewinn, den sie in den von den Deutschen aufgegebenen Gebieten erzielten und (…) als Sieg empfinden, (…) ihrer Eitelkeit, an den Frieden zu denken. – In der Frage von Elsaß-Lothringen sind sie aber so verrannt, daß sie (…) wenigstens eine satisfaction d’amour propre haben müssen, wenn diese auch nicht in der Wiedergewinnung der verlorenen Provinzen selbst läge.547

Der eben aus Berlin zurückgekehrte Czernin erachtete diese Informationen als so wichtig, dass er eine Kopie des Telegramms an Hohenlohe sandte und diesen anwies, „bei der deutschen Regierung den Inhalt (…) über die Frage von Elsaß-Lothringen entsprechend (zu) verwerten“.548 Bald darauf aber, am 31. März, telegrafierte Mensdorff an Czernin über die, wie es ihm schien, zumindest für die allernächste Zeit nicht sehr vielversprechenden Aussichten seiner Mission: Baron Hennet hat Doktor Bader wiedergesehen. Anknüpfend an frühere Konversationen sprach er ihm von meiner zufälligen Anwesenheit in der Schweiz. – Bader hat seither darüber mit Monsieur Haguenin gesprochen. Dieser sagte, er wolle es weitergeben und nannte als eventuell mögliche Mittelsperson den französischen Deputierten Lazar Weiller, der Membre de la Commission des affaires étrangères sein soll. Hennet (…) erklärte dem Doktor Bader, man müsse jetzt doppelt vorsichtig sein, weil von italienischer Seite schon die Anklagen erhoben werden, daß Frankreich die italienischen Interessen preisgebe. – (…) Von Madame Barton nichts Weiteres. Baron de Vaux hat sie flüchtig am Hoteleingang begegnet. Sie sagte, man habe noch

545 Czernin an Musulin, Tel. 183 (handschr. Entw. paraphiert „Cz(ernin)“), 25. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 34 – 34v. 546 Musulin an Czernin, Tel. 227, 28. März 1917, ebd. fol. 39. 547 Musulin (Mensdorff) an Czernin, Tel. 221, 26. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission M ­ ensdorff ’s fol. 38. 548 Czernin an Hohenlohe, Tel. 187, 28. März 1917, ebd. fol. 40.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

keine Nachricht. Er bemerkte, man könne vielleicht die Gelegenheit versäumen, da ich wohl nicht ad infinitum in der Schweiz bleiben würde. Sie erwiderte, er dürfe nicht glauben, daß ihre Anregung nicht ernst sei; sie habe jetzt auch mit dem französischen Botschafter d ­ arüber gesprochen. Es ginge nicht so rasch. Baron de Vaux hatte Eindruck, daß sie etwas verlegen war. – Die Aussichten scheinen also nicht besonders hoffnungsvoll. Ich kann nur weiter warten und großes Interesse für die Hospitalisierungsfrage zeigen.549

Der Grund für Madame Bartons Verlegenheit, die Mensdorff Anlass gegeben hatte zu schließen, dass die Aussichten auf ein Zusammentreffen mit einem französischen Vertreter „nicht besonders hoffnungsvoll“ wären, lag in dem am 17. März erfolgten Rücktritt Briands und der Regierungsübernahme durch Alexandre Ribot drei Tage darauf. Im Tagebuch Poincarés ist unter dem Datum des 22. März 1917 festgehalten, Ribot habe den Ministerrat an d ­ iesem Tage über „certaines conversations qui se poursuivent secrètement en Suisse entre des Français qui se sont donné à elles-mêmes des missions officieuses, et des représentants de l’Autriche-Hongrie“ informiert. Diesen Kontakten, von denen Briand seinen Ministerkollegen keine Mitteilung gemacht hätte, habe er sogleich ein Ende bereitet.550 Und am 27. März trug der französische Präsident in sein Tagebuch ein, Jules Cambon habe ihm im Auftrage Ribots einen Brief des Botschafters in Bern, Paul Beau, gezeigt, in dem dieser über eine dort im Geheimen mit österreichischen Agenten konferierende Dame berichtete: „C’est une femme honnête et distinguée, qui n’agit certainement pas pour de l’argent.“ Sie habe von sich aus durch die Botschaft einen Brief an den Quai d’Orsay gesandt, dessen Inhalt Beau nicht kenne. Dem Ministerium habe sie die Mission, die sie sich anmaße, dargestellt und Briand habe ihr nicht abgeraten. Cambon fände jedoch, ebenso wie Ribot und er, Poincaré, selbst, dass es an der Zeit sei, Gesprächen, die zu nichts führten und die Schweiz und Italien verdrießen könnten, ein Ende zu setzen. Mensdorff erfuhr, wie seine Telegramme zeigen, von ­diesem Stand der Dinge nichts. Und so konnte, wie Poincaré am 27. März in sein Tagebuch eintrug, Botschafter Beau berichten, Mensdorff habe vorgeschlagen, den früheren französischen Gesandten in Sofia, Hector André de Panafieu, zu Gesprächen mit ihm in die Schweiz zu entsenden. Poincaré bemerkte dazu: „Wenn wir Gespräche suchen, erwecken wir den Anschein, dass wir erschöpft wären und bereit, die Waffen zu strecken.“ Im Übrigen hätten Unterhandlungen mit Mensdorff den Nachteil, dass sie die im Gange befindlichen Gespräche des Prinzen Sixtus mit ­Kaiser Karl behindern könnten. Die letzteren ­seien „évidemment plus sérieuses“.551 Und in Ribots Journal findet sich, allerdings unter dem 549 Mensdorff an Czernin, Tel. 247, 31. März 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 53 – 53v. Leopold Freiherr von Hennet war Mitarbeiter des k. u. k. Militärattaches in Bern. 550 Poincaré TB-Eintr. 22. März 1917, Poincaré IX 1932, 82 – 83. 551 Poincaré TB-Eintr. 27. März 1917, ebd. pp 84 – 85.

Mensdorffs Mission in der Schweiz

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späteren Datum des 16. April 1917, die Notiz: „En Suisse, le comte Mensdorff (…) nous fait demander de le mettre en rapport avec un fonctionnaire des Affaires étrangères. Refus. Le comte voit le ministre d’Angleterre qui communique avec lui par intermédiaire.“ 552 Der Gesandte Romberg konnte dem deutschen Auswärtigen Amt am 31. März 1917 wenig Konkretes über ein erstes Gespräch mit Mensdorff berichten, vor allem aber nichts Zutreffendes: Graf Mensdorff hier eingetroffen, erzählte mir nichts von seiner wirklichen Mission und blieb auch zurückhaltend, als ich ihm andeutete, daß ich orientiert sei. Nun höre ich zuverlässig, daß französischer Botschafter gestern telegraphisch in Paris angefragt hat, ob man jemand hersenden wolle, um mit Graf Mensdorff zu sprechen. Nach Ansicht meines Gewährsmannes dürfte die Sache über von Skrzynski Herzogin Uzes vermittelt worden sein. Pariser Antwort wird mir voraussichtlich sofort mitgeteilt werden. Hiernach scheint mir die Angelegenheit doch etwas anderen Verlauf zu nehmen wie gedacht, vor allem besteht anscheinend österreichische Initiative.553

Musulin wies Czernin am 1. April auf eine, wie ihm schien, nicht zu unterschätzende Gefahr hin: Ich hatte bereits Gelegenheit (…) zu melden, daß in Frankreich die austrophile Note speziell von den katholischen Kreisen angeschlagen wird. So sympathisch dies an und für sich, birgt es immerhin Möglichkeit einer Reaktion bei den herrschenden Klassen. Graf Mensdorff machte mich gestern auf Grund seiner hiesigen Konversationen auch seinerseits auf diese Gefahr aufmerksam. – Angesichts dieser Sachlage wäre es vielleicht zweckmäßig, wenn ein in internationalen Kreisen angesehener österreichischer oder ungarischer Sozialist mit den ­schweizerischen und (…) französischen Sozialisten Fühlung nehmen könnte, damit unser Draht nach Frankreich nicht ausschließlich über konservativ-klerikale Kreise führe.554

Czernin konnte, wie seine Antwort vom nächsten Tage zeigt, dieser Anregung wenig abgewinnen: „Ich möchte, mindestens vorläufig, von der Herbeiführung einer Fühlungnahme ­zwischen Sozialisten aus der Monarchie und solchen aus der Schweiz und Frankreich absehen.“ 555 552 Ribot TB-Eintr. 16. Apr. 1917, Ribot 1936, 66. 553 Romberg an A. A., Tel. 567, 31. März 1917, MNN A 8. März (1922), 1, idem: SG 2 1966, 65 – 66 Dok. 38. ­L adislaus Ritter v. Skrzynno-Skrzyński, Leg.-R. an der k. u. k. Gesandtschaft in Bern; Anne de ­Rochechouart de Mortemart Duchesse d’Uzès spielte prominente Rolle in der Pariser Gesellschaft. 554 Musulin an Czernin, Tel. 253, 1. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 54. 555 Czernin an Musulin, Tel. 217, 2. Apr. 1917, ebd. fol. 57.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Mensdorff bot sich auch weiterhin keinerlei Aussicht auf einen Kontakt mit einem französischen Abgesandten. Über diesen Stand der Dinge berichtete er am 2. April 1917: Ich habe gestern (…) flüchtig mit Madame Barton gesprochen. Heute kam diese zu Baron de Vaux und sagte ihm, daß die in Aussicht genommene Aktion durch die (…) französische Ministerkrise verzögert wurde. ‚L’éloignement de Berthelot du Quai d’Orsay est un désavantage pour vous, car, bien que je ne sache pas s’il avait beaucoup de sympathie pour vous, il n’avait aucune confiance en l’Italie. Vous ne savez pas quelle agitation règne à propos de la présence de Mensdorff dans les cercles de l’Entente. On est persuadé qu’il est ici pour faire la paix, mais ce qui rend toute conversation difficile, c’est qu’on croit qu’il est mis en avant par l’Allemagne (…). Avec vous on la ferait aujourd’hui’. – Nach dieser Aeußerung müßte man (…) glauben, daß doch auf eine Art Separatabkommen mit uns hingezielt wird, demgegenüber ich mich ablehnend verhalten müßte. (…) – Ohne zuviel Empressement zu zeigen, werde ich durch Baron de Vaux eine Begegnung mit Madame Barton für morgen oder übermorgen verabreden und hören, was sie zu sagen hat.556

Mensdorff berichtete an ­diesem Tag auch: Ich habe heute dem Bundespräsidenten Schulthess einen Höflichkeitsbesuch abgestattet. (…) Der Präsident sprach gleich von seinem sehnlichen Wunsche nach Beendigung des Krieges. Auf meine Bemerkungen über unsere Bereitwilligkeit zu reden, und meinen Hinweis auf Graf Czernins Interview meinte er, dass er die Ausführungen des Grafen Czernin nur begrüssen könne. (…) Wie sie aber auf der gegnerischen Seite aufgefasst würden, könne er (…) nicht beurteilen, mache sich aber leider wenig Hoffnung. (…) Genau in derselben Weise sprach mir der Minister (sic!) des Aeussern Hofmann 557 (…) Beide (…) sagten mir, sie hätten nicht viele Franzosen gesprochen, die jetzt gemässigte Ansichten zum Ausdruck brächten. (…) – Schliesslich möchte ich noch erwähnen, dass der Bundespräsident (…) die Bemerkung machte: ‚Eine Offensive Oesterreich-Ungarns und Deutschlands gegen Russland jetzt wäre ein psychologischer Fehler‘.558

Am 4. April berichtete Mensdorff nach Wien: Ich habe heute Grafen Rostworowski (…) gesprochen. Er sagte mir, daß vor einiger Zeit der französische Deputierte Lazar Weyller (…) hier war und demnächst wiederkehrt. U ­ nterdessen 556 Mensdorff an Czernin, Tel. 258, 2. Apr. 1917, ebd. fol. 55 – 55v. 557 Bundesrat Arthur Hoffmann, Chef des Eidgenössischen Politischen Departements. 558 Musulin (Mensdorff) an Czernin, Tel. 266, 2. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 60 – 61v.

Mensdorffs Mission in der Schweiz

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hat er seinen Sekretär hier gelassen, der gestern Rostworowskis Freund, Grafen Ludwik Morstyn, lang gesprochen hat. Sekretär machte Anregung, ob eine Begegnung Weyllers mit jemand von unserer Seite nicht zweckmäßig wäre. Graf Morstyn erwiderte, wenn Weyller zurückkomme, könne er fragen, ob eine Zusammenkunft ­zwischen ihm und Rostworowski stattfinden könnte. – Rostworowski meint, man müsse zwar mit größter Vorsicht vorgehen, er werde aber gegebenenfalls Weyller nahelegen, mich, der zufällig in der Schweiz sei, aufzusuchen. – Rostworowski wird wahrscheinlich auch Haguenin sprechen, wenn dieser nicht nach Paris abgereist ist, und mir dann seine Eindrücke mitteilen. (…) Es scheint mir sehr möglich, daß infolge der erregten Stimmung, die in Paris durch Rückzug und die Verwüstungen der Deutschen eingetreten ist, sowie wegen Eingreifen Amerikas und des Wunsches, Entwicklung in Rußland noch etwas abzuwarten, man in Frankreich wieder mehr zurückhaltend geworden ist.559

Ebenfalls am 4. April konnte Mensdorff berichten: Heute bei Baron de Vaux sehr lange Konversation mit Madame Barton gehabt, die in weitschweifiger, echt frauenhafter Weise sprach. Zuerst und immer wieder von dem Wunsche Englands und Frankreichs mit Oesterreich-Ungarn Frieden zu schließen. Wir müßten aber große Konzessionen an Italien machen, das wegen Triest und Trient in den Krieg eingetreten sei (…). Mit Deutschland wolle man aber keinen Frieden machen (…). – Meine Erwiderung war immer, ein Abschwenken Oesterreich-Ungarns von Deutschland sei ausgeschlossen. (…) Sie deutete an, Deutschland habe nicht gezögert, uns zu opfern und hätte mit ­Kaiser Nikolaus bereits Separatfrieden geschlossen mit der Preisgabe Galiziens. – Schließlich kam aus ihrem Gerede irgendwie heraus, daß, wenn wir Frieden schlössen, Italien auch aus dem Kriege ausscheiden würde, worauf ich ihre Idee formulierte, daß also einerseits wir, andererseits Italien und Rußland ausscheiden und der Krieg ­zwischen Deutschland und England-Frankreich weitergeführt werden sollte (…) – Sie drängte immer wieder, ob wir denn nicht allein Frieden machen wollten (…), England möchte gerne Oesterreich-Ungarn die Stellung wiedergeben, die es unter Maria Theresia hatte, für die Opfer an Italien könnten wir Ersatz an anderer Stelle finden, zum Beispiel Schlesien! Ich verwies darauf, daß zu der Zeit Triest ja uns geblieben und es eine seltsame Freundschaft sei, die uns vom Zugang zum Meere abschneiden wolle. – Sie erklärte immer wieder, niemand – auch Italien und Rußland nicht – hegte Feindschaft gegen Oesterreich-Ungarn, während die ganze Welt von Haß gegen Deutschland erfüllt ist. (…) Nach sehr viel Gerede meinte sie, England würde vielleicht Frieden machen, wenn Belgien inklusive Antwerpen restituiert werde. Frankreichs Bedingung wäre Elsaß-Lothringen und würde es dagegen etwas wie Madagaskar an Deutschland zedieren. – Ich erklärte, daß ich keine Ahnung habe, wie man sich in Berlin zu solchen Bedingungen stellen würde, v­ oraussichtlich 559 Musulin (Mensdorff) an Czernin, Tel. 272, 4. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 63 – 63v.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

ablehnend! Wenn aber jemand aus Frankreich oder England an mich herantreten würde, (…) so sei ich stets bereit, ihn anzuhören und meine (…) Eindrücke Eurer Exzellenz, mit dem ich eng befreundet sei, privat mitzuteilen. (…) – Wenn ich den Eindruck meiner 1½ stündigen Konversation (…) zusammenfasse, so ist es: I. Wünsche, uns von Deutschland zu trennen; II. starke Sehnsucht, Deutschland ganz zu demütigen, III. sehr ernste Verpflichtung Englands und Frankreichs, die Aspirationen Italiens zu erfüllen, IV. eine gewisse Indifferenz für russische und, wie mir scheint, (…) für rumänische Interessen und schließlich V. doch die Möglichkeit, um den Preis von Belgien und Elsaß-Lothringen Frieden schließen zu können. (…) – Was die Möglichkeit einer Begegnung eines französischen Vertrauensmannes mit mir betrifft, so glaubt sie heute, daß diese am Mißtrauen Italiens scheitere. Sie betonte immer wieder, wie ängstlich England und Frankreich bezüglich Italiens wären und wie präzis Italien seine Wünsche formuliere und auf deren Erfüllung dränge. – Ich sagte ihr für alle Fälle, daß ich in der zweiten Hälfte der nächsten Woche in Bern sein würde.560

Als Nachtrag telegrafierte Mensdorff: „Bei Besprechung von Triest betonte Mrs. Barton, es würde jedenfalls zum Freihafen gemacht werden, so daß wir die Benützung davon hätten; Italien aber müsse die Verwaltung der Stadt haben (…).“ 561 Aus Berlin berichtete Hohenlohe am 6. April an Czernin, (…) ein baltischer Herr (…) ist heute beim Staatssekretär des Aeußern erschienen und hat ­diesem mitgeteilt, er sei in der Schweiz mit verschiedenen Franzosen zusammengetroffen, unter anderem auch mit dem bekannten Journalisten Pelissier, einem intimen Freunde P ­ ainlevés. Herr Pelissier habe erklärt, dem Ministerium Ribot sei voraussichtlich nur eine sehr kurze Lebensdauer bestimmt, worauf Painlevé Ministerpräsident werden würde. Aber auch dies sei nur Uebergang bis Caillaux den Moment gekommen findet, selbst an die Spitze der Regierung zu treten. (…) Pelissier habe mit Wissen Painlevés angefragt, ob der erwähnte Balte nicht vermitteln könne, daß deutscherseits jemand zwecks Besprechung in die Schweiz gesendet werde. – Herr Zimmermann hat dem baltischen Herrn erwidert (…), es sei ein großer Irrtum, wenn man in Frankreich glaube, wir ­seien bereits ganz erschöpft; weder aus einer solchen (…) Annahme noch aus unserer eventuellen Angst vor der russischen Revolution und (…) aus dem Eintritte Amerikas in den Krieg solle man (…) ableiten, wir s­ eien zu allen möglichen und unmöglichen Konzessionen bereit. So lange er nicht die Ueberzeugung habe, daß man sich in Frankreich hierüber klar wäre, werde deutscherseits keine offizielle Person in die Schweiz gesendet (…); immerhin sei er aber bereit zu hören, was die Franzosen zu sagen hätten. Man werde daher mit dem baltischen Herrn einen geschickten Unterhändler, aber keine offizielle Persönlichkeit in die Schweiz senden, die dann hier Bericht erstatten könne. (…) – Derselbe Balte hat 560 Musulin (Mensdorff) an Czernin, Tel. 273, 4. Apr. 1917 (mit Paraphe „Cz(ernin)“), ebd. fol. 64 – 65v. 561 Musulin (Mensdorff) an Czernin, Tel. 275, 5. Apr. 1917, ebd. fol. 66.

Mensdorffs Mission in der Schweiz

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den Staatssekretär (…) spontan gefragt, ob er (…) Mensdorff kenne. Er müsse ihn darauf aufmerksam machen, daß derselbe eine sehr unglückliche Tätigkeit entfalte, den Franzosen und Amerikanern viel zu sehr nachlaufe und schon vielfach als Vermittler z­ wischen Deutschland und Frankreich angesehen werde. Herr Zimmermann (…) hätte (…) erwidert, es sei hierüber gar nichts bekannt. – Natürlich hat der Staatssekretär seine (…) bekannten Klagen über Mensdorff verdoppelt, worauf ich ihm erwidert habe, sein baltischer Freund werde wohl übertrieben haben und er selbst hätte (…) wohl auch noch etwas dazugegeben (…). – Der Staatssekretär führte dann aus, alles spräche dafür, daß die Franzosen ‚kämen und sprechen wollten‘. Trotz der Zeitungsreklame über den Eintritt Amerikas sei man sich in Frankreich klar darüber, daß Rußland in kurzem ausgeschaltet sein würde. – (…) In diesen nächsten entscheidenden Wochen (…) durch zu starkes Akzentuieren unseres Friedensbedürfnisses zu zeigen, daß wir am Ende unserer Kraft s­ eien, hielte (… er) für einen schweren Fehler, da hiedurch die Dispositionen der Entente, in friedliche Bahnen einzulenken, ganz verdorben werden könnten. – Ich teile diese Auffassung umsomehr, als aus den verschiedenen französischen Demarchen doch (…) hervorzugehen scheint, daß man von dort aus ‚reden‘ will. (…) noch bevor man gezwungen ist, die Offensive gegen die deutsche Westfront durchzuführen, (…) die man, (…) wenn irgend tunlich, vermeiden will.562

Als Antwort auf diesen Bericht telegrafierte der vom Ergebnis der Homburger Gespräche mit der deutschen Führung nicht gerade begeisterte Czernin am 7. April an Hohenlohe: Ich teile weder die so überaus optimistische Auffassung bezüglich Frankreichs, noch die Ansicht Herrn Zimmermanns betreffs Grafen Mensdorff. – Ich habe mich trotzdem entschlossen, ihn ‚zur Bericht-Erstattung‘ provisorisch zurückzuberufen, weil ich dies eine den Deutschen gegenüber nunmehr für richtigere Taktik halte, da dieselben laut Euer Durchlaucht obzittierten (sic!) Telegramms jetzt selbst einen Unterhändler nach Bern s­ chicken wollen. Sollten nämlich – wie zu erwarten – die deutschen Versuche erfolglos verlaufen, so würde das Berliner Kabinett stets (…) Mensdorff, respektive mir die Schuld geben und bestimmt behaupten, wir hätten ihnen das Konzept verdorben. – Euer Durchlaucht wollen diesen Grund Herrn Zimmermann von mir aus mitteilen, ihm aber dabei neuerdings zu verstehen geben, daß unsere interne Situation eine Fortführung des Krieges über die nächsten Monate hinaus unmöglich mache (…). Euer Durchlaucht wollen hinzufügen, daß mir Graf Wedel immer wieder versichert, Deutschland sei auch ganz außerstande, eine weitere Wintercampagne zu führen und müsse diesen Sommer Schluß machen; da ich meinerseits überzeugt bin, daß der furchtbare Druck Englands und das Eingreifen Amerikas die Entente länger aushalten lassen wird als uns, so kann ich der Berliner Regierung nur neuerdings auf das eindringlichste

562 Hohenlohe an Czernin, Tel. 223, 6. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s 67 – 68v.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

­empfehlen, durch weitgehende Konzessionen an der Westfront den Frieden zu erkaufen, bevor wir Frieden schließen müssen.563

Zugleich telegrafierte Czernin an Mensdorff, er möge, falls nicht „Besprechungen mit einem Mitglied der Entente für die allernächste Zeit bestimmt zu erwarten, (…) behufs Informationen so bald als möglich herkommen“.564 Und dieser antwortete umgehend: „Da Besprechungen für nächste Zeit nicht bestimmt zu erwarten, werde ich morgen abreisen und Mittwoch in Wien sein.“ 565 Romberg berichtete am 9. April nach Berlin, Mensdorff betrachte seine Mission als gescheitert, da „sich von der Entente bis heute (…) nichts gerührt habe. (…) Graf Mensdorff ist auf Grund hier gesammelter Eindrücke der Ansicht, dass der Zeitpunkt für Anknüpfungen durchaus ungünstig (…). Er will nur noch kurze Zeit abwarten und bat mich, ihm nach Österreich einen Wink zu geben, sobald ich glaubte, dass Aussichten besser geworden.“ 566 Zimmermann antwortete am selben Tag: Graf Mensdorff ist von Graf Czernin zurückberufen worden, weil ­diesem von dritter Seite Nachrichten zugegangen waren, dass Graf Mensdorff den Franzosen und Amerikanern förmlich nachläuft. Uns kann es nur recht sein, wenn seine Vermittlung ausgeschaltet wird.567

Eine Ausschaltung dieser möglichen Vermittlertätigkeit hatte Zimmermann mit der Informierung Hohenlohes über die Äußerungen des „baltischen Herrn“ offenbar beabsichtigt. Botschafter Wedel berichtete am 8. April nach Berlin, Czernin und Mérey h ­ ätten ihm erzählt, dass bisher niemand aus Frankreich gekommen sei, um Mensdorff zu sehen. Dieser habe den Eindruck, dass man in Frankreich nur an einen Separatfrieden mit der Monarchie denke und im Hinblick auf einen solchen Fühlung suche; er halte seine Mission daher für unfruchtbar und denke an baldige Rückkehr. Wedel kommentierte dies mit den Worten: Um so besser! Wir kochen unsere Suppe lieber selbst. Deschanel und Painlevé sind vielleicht die richtigen Leute. Dr. Czeps,568 der durch seine Pariser Briefe – seine Schwester ist dort 563 Czernin an Hohenlohe, Tel. 218, 7. Apr. 1917, ebd. fol. 69 – 69v (Stempel: KOP. F. S.MAJ. (Kopie für seine Majestät)), s. Tagesber. des M. d. Ä. 8. Apr. 1917 Beil. 3 u. 4, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz. 564 Czernin an Musulin für Mensdorff, Tel. 229, 7. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 73. 565 Musulin (Mensdorff) an Czernin, Tel. 287, 8. Apr. 1917, ebd. fol. 76. 566 Romberg an A. A., 9. Apr. 1917, MNN A 8. März (1922), 1, idem: SG 2 1966, 87 Dok. 54. 567 Zimmermann an Romberg, 9. Apr. 1917, zit. bei Romberg an A. A., 9. Apr. 1917, ebd. 568 Julius Szeps, Chefredakteur des Fremden-Blattes.

Der Gemeinsame Ministerrat vom 22. März 1917

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v­ erheiratet und verkehrt mit Clemenceau, Painlevé usw., die andere Schwester ist in der Schweiz und vermittelt die Briefe und Dr. Czeps ist hier einer der Mutigen – dort gut orientiert scheint, (…) bezeichnete Deschanel als Präsident und Painlevé als Premierminister der Zukunft. Ribot stehe stark unter Painlevés Einfluß, würde sich selbst aber kaum lange halten, er sei zu alt und verbraucht. Dr. Czeps sagte, nach seinen Briefen klinge es, als ob man in Paris den Frieden ­zwischen Juli und September erwarte. (…) Man wird wohl auch noch hoffen, daß Österreich bis zur nächsten Ernte nicht durchkommt. Die pessimistischen Redereien hierüber müssen ja ins Ausland gelangen, schon durch die Amerikaner.569

Aus einem Telegramm Musulins vom 13. April 1917 geht hervor, dass auch Mrs. Barton ein weiteres Warten Mensdorffs für aussichtslos hielt: Sie sprach ihr Bedauern aus, daß eine Konversation ­zwischen Graf Mensdorff und einem Vertreter der Entente nicht zustande gekommen sei. – Damals, als sie den Vorschlag einer solchen Unterredung machte (es war der 19. v.Mts.), wären sowohl England als Frankreich zu einem eventuellen Arrangement geneigt gewesen, Eintritt Amerikas hätte alles verändert. – Sie könne nun sagen, daß die Stimmung der Entente vor d ­ iesem Ereignis eine tief gedrückte gewesen sei (…). Jetzt aber herrsche echter unverfälschter Jubel (…) – Deutschland müsse wahnsinnig sein, um Amerika und mit ihm die ganze Welt herauszufordern. – Um Deutschland sei niemandem in der Entente leid, man bedaure nur Oesterreich-Ungarn, für das man allgemein Sympathie hege und das Deutschland mit sich in den Abgrund reiße. – (…) Vielleicht aber würde Amerika zurücktreten, falls Deutschland offen erklärte, es könne nicht gegen die ganze Welt kämpfen und wolle daher U-Bootkrieg einstellen.570

2.6

Der Gemeinsame Ministerrat vom 22. März 1917

Die mit den deutschen Staatsmännern bei der Konferenz in Wien am 16. März 1917 behandelten ­Themen kamen am 22. März im Gemeinsamen Ministerrat in Laxenburg nochmals zur Sprache, und zwar bei der zweiten der stattgefundenen Sitzungen. In dieser, an der unter K ­ aiser Karls Vorsitz Czernin, Tisza, Clam-Martinic, Finanzminister Burián, Kriegsminister Krobatin, General Arz und Marterer teilnahmen, wurde versucht, Richtlinien festzulegen, aufgrund welcher Czernin am 26. März in Berlin über die Friedensbedingungen verhandeln solle. Dazu legte der Minister seine Denkschrift Kriegsziele und die polnische Frage vor, in der er die Kriegsziele der Monarchie zur Diskussion stellte und insbesondere seine Idee, durch einen „Verkauf “ Polens, d. h. seines 569 Wedel an Zimmermann 8. Apr. 1917, MNN A 9. März (1922), 1, idem: SG 2 1966, 84 – 86 Dok. 52. 570 Musulin an Czernin, Tel. 301, 13. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25w Mission Mensdorff ’s fol. 77 – 7 7v.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

unter ­österreichisch-ungarischer Verwaltung stehenden Teiles, des Militär-Gouvernements Lublin, an Deutschland ­dieses zu einer von ihm als unabdingbar erachteten „partiellen Abtretung von Elsaß-Lothringen“ bewegen zu können. In der Denkschrift heißt es unter anderem: Ich sehe gar keine Möglichkeit, im Osten irgendwie auf unsere Kosten zu kommen. Alles aber weist uns kategorisch auf den Balkan hin. (…) Von Montenegro müssen wir aus militärischen Gründen den Lovcen haben, das verkleinerte Serbien soll (…) gezwungen werden, sein zukünftiges Heil (…) in immer engerem Anschluß an die Monarchie zu finden. (…) wir müssen die Walachei bekommen und die ganze Moldau bis zum Sereth. Den östlichen Teil der Moldau wollen wir Rußland antragen – und hier sehe ich eine wesentliche Erleichterung des Friedensschlusses -, die alte Dobrudscha soll an Bulgarien fallen und der (…) Rest mag das neue kleine Rumänien bleiben und dergestalt den doppelten Zweck erfüllen, als Keil z­ wischen Bulgarien und Rußland zu dienen und die Donaumündungen zu besitzen (…). – Anerkennt man, daß diese Lösung eine für uns nicht unvorteilhafte sei, so muß man sich fragen, wie man denn zu dieser Lösung gelangen kann. Wenn wir (…) Deutschland zu hindern trachten, den ‚germano-polnischen‘ Staat zu gründen, ohne gleichzeitig den Preis zu nennen, um w ­ elchen wir diesen (…) zu gestatten bereit sind, dann werden wir gar nichts anderes erreichen, als das Verhältnis zu Deutschland immer mehr (…) zu vergiften, wir werden schließlich doch nachgeben müssen (…) dann werden wir ­zwischen zwei Stühlen (…) sitzen und weder Rumänien noch Polen haben. (…) Ich bin überzeugt, der Schlüssel der Situation liegt im Westen. Wenn Deutschland Frankreich und Belgien herausgibt und noch etwas dazu, dann ist der Friede da. Der Reichskanzler hat mir d ­ ieses Opfer streng geheim zugesagt. (…) Nur dadurch, daß wir auf den Balkan gehen und Deutschland Polen verkaufen, kann der Gedanke an eine partielle Abtretung von Elsaß-Lothringen Gestalt annehmen.571

Der Gemeinsame Ministerrat akzeptierte die in der Denkschrift niedergelegten Gedanken und beschloss die folgenden Richtlinien: 1.) Die äussere Politik ist so zu leiten, dass soweit als möglich Deutschland eine gewisse Haftung für die Integrität der Monarchie übernehme, 2.) dass eine territoriale Vergrösserung 571 Denkschrift Kriegsziele u. die poln. Frage, HHS tA PA I, 524 XLVII /13.2 fol. 151 – 158v; der Umschlag (fol. 150) trägt den handschriftlichen Vermerk: „Notiz des Ministers Gf. Czernin über ‚Kriegsziele und die polnische Frage‘, ­welche das politische Exposé des Kronrates vom 20. (recte 22.) März gebildet hat, und deren Conclusionen im Kronrate acceptiert worden sind.“ – Nowak druckte den größten Teil der Denkschrift mit der unzutreffenden Angabe ab, Czernin habe sie K ­ aiser Karl „im Sommer 1917“ überreicht, Nowak 1921, 420 – 428 Werkmann gab die Denkschrift wider mit dem Bemerken, dass sie „undatiert“ sei und er sie Nowak „mit ausdrücklicher Ermächtigung K ­ aiser Karls (…) überbracht“ habe. W ­ erkmann 1931, 152 – 158.

Sixtus in Wien – der Kaiser schreibt an den Prinzen

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­ eutschlands in ein billiges Verhältnis zu einem österreichisch-ungarischen Landerwerb D gebracht werde. Bei letzterem käme vor allem eine territoriale Erwerbung am Balkan (Rumänien, Montenegro und Serbien) in Betracht.572

Der ­Kaiser bestand auf einer weiteren Festlegung, sodass ins Resumé der Sitzung noch ein Punkt 3 aufgenommen, wurde in dem es heißt: Was die Erwerbungen in Montenegro und Serbien anbelangt, so hat sich der k. u. k. Minister des Äussern (…) in seinen demnächst stattfindenden Besprechungen mit der deutschen Regierung darauf zu beschränken, ausschliesslich gewisse militärische Grenzrektifikationen (Lovčen, Antivari, Rektifikationen an der montenegrinischen und Sandjak-Grenze, serbische Brückenköpfe) zur Sprache zu bringen. Die Entscheidung über weitere Ansprüche auf serbisches oder montenegrinisches Gebiet bleibt einem demnächst einzuberufenden Ministerrate vorbehalten.573

Gegen die genannten Rektifikationen und eine allfällige Erwerbung der Walachei und der Moldau bis zum Sereth hatte der ­Kaiser offenbar nichts einzuwenden.

2.7

Sixtus in Wien – der Kaiser schreibt an den Prinzen

Folgt man der Darstellung des Prinzen Sixtus über die Entstehung des ersten an ihn gerichteten Briefes K ­ aiser Karls, so sandte er am Abend des 22. März 1917, an dem er und sein Bruder Xavier in Begleitung Erdődys in Wien angekommen waren, Erdődy mit dem bereits erwähnten vom 16. März datierten Schreiben an den ­Kaiser nach Laxenburg. Darin wies der Prinz seinen Schwager mit Nachdruck auf die Notwendigkeit einer schriftlichen Annahme der ihm am 12. Februar genannten vier Bedingungen hin, unter w ­ elchen Frankreich sich zu Verhandlungen über einen Separatfrieden mit der Monarchie bereit erkläre. Den Entwurf für einen entsprechenden, vom K ­ aiser an ihn zu richtenden Brief, das ebenfalls bereits erwähnte „Projet de note“, schloss Sixtus seinem Schreiben bei.574 Am Abend des folgenden Tages fuhren die Prinzen in Begleitung Erdődys zu Besprechungen mit dem Kaiserpaar nach Laxenburg.575 Sixtus schrieb, K ­ aiser Karl habe den politischen Teil der Gespräche damit eröffnet, dass er erklärte: „Il faut absolument faire la paix, je le veux à tout prix.“ Seine Pflicht sei es, das Unmögliche zu versuchen und 572 Min.-R. für Gem. Ang. 22. März 1917, Komjáthy 1966, 482 – 491 Dok. 24. 573 Ebd. 574 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 8 – 10, Sixtus 1920, 72 – 79. 575 Ebd. p 10 bzw. p 83.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

­seinen deutschen Verbündeten dazu zu bringen, in einen gerechten Frieden einzuwilligen. Wenn dies nicht gelinge, müsse er, weil er die Monarchie nicht der Verrücktheit seines deutschen Nachbarn opfern könne, einen Separatfrieden schließen. Er, Sixtus, habe den ­Kaiser auf die sich für Frankreich stellende absolute Notwendigkeit hingewiesen, Elsass und Lothringen in der Ausdehnung wiederzugewinnen, die sie bis 1814 gehabt hätten. Darüber hinaus müsse das gesamte linksrheinische Gebiet neutralisiert und der preußischen Herrschaft entzogen werden. Niemand in Frankreich würde einen Friedensschluss, der eine s­ olche Regelung nicht beinhalte, akzeptieren.576 Der ­Kaiser habe darauf erklärt, dass er die französischen Gefühle genau kenne und die absolute Notwendigkeit für Frankreich, die genannten Gebiete zurückzuerlangen. Auch die elsass-lothringischen Gefühle kenne er, und dies als Chef des Hauses Lothringen und Nachkomme der Grafen des Elsass. Was Belgien betreffe, so sehe er die Dinge ebenso wie der Prinz. Bezüglich Polens zähle er auf die „nombreuses sympathies austro-polonaises“, die bestens einhergingen mit der traditionellen Sympathie Frankreichs für Polen. Die Abdankung des Zaren stelle eine unmittelbare Schwächung Russlands dar, er glaube aber nicht, dass die neue russische Regierung sich werde halten können. Deshalb sehe er sich gezwungen, „de réserver toute réponse relative à Constantinople“. Bezüglich Serbiens sei für ihn die einzige vitale Frage die Unterdrückung der geheimen Gesellschaften, w ­ elche in der Monarchie eine revolutionäre Propaganda betrieben. Als Zugang zum Meer könne Serbien die albanische Küste überlassen werden. Sixtus hielt fest, er habe seiner Befürchtung Ausdruck verliehen, dass die gesamte Aktion an der „question la plus difficile“, der 576 Kovács ließ ihre Leser wissen, der ­Kaiser und Sixtus hätten sich bei ihren Gesprächen bezüglich ElsassLothringens „dem Plan Briands, ein eigenes neutrales Kondominium zu schaffen“, genähert, über „die Wiederherstellung Belgiens und die Restitution des Kongos“ wären sie sich sogar einig gewesen. Kovács 1 2004, 136. Worauf sie ihre Worte von einer Annäherung an den Plan eines „neutralen Kondominiums“ gründete, erklärte Kovács nicht. Ebenso erklärte sie nicht, was eine „Restitution des Kongos“ erforderlich gemacht haben könnte, der der belgischen Herrschaft doch von keiner Macht entzogen worden war. Verblüffung ruft im Leser auch Kovács’ Mitteilung hervor, dass „Rußland die Wiederherstellung Lothringens in seinen alten Grenzen (1790) unterstützen (wollte). Aus Elsaß-Lothringen sollte mit linksrheinischen Territorien ein autonomer, zentralistischer Staat gebildet werden.“ Ebd. p 134. Liest man in dem nach Kovács eine ­solche Absicht des Zarenreiches belegenden Dokument nach, so ergibt sich ein völlig anderes Bild. Dort heißt es nämlich, die russische Regierung habe bei Gesprächen Anfang 1917 Frankreich ihre Unterstützung zur Rückerlangung Elsass-Lothringens zugesagt, und dies „mindestens bis zum Umfange des früheren Herzogtums Lothringen (…) wobei die strategischen Notwendigkeiten berücksichtigt werden müssen, damit auch das ganze Eisenerzrevier Lothringens und das ganze Kohlenbecken des Saarreviers dem französischen Territorium einverleibt wird“. Frankreich könne mit russischer Unterstützung auch bei seiner Absicht rechnen, aus den linksrheinischen Gebieten Deutschlands ein „autonomes und neutrales Staatswesen“ zu errichten. Davon aber, dass Elsass-Lothringen Teil eines ­solchen Staatswesens werden solle, war in dem Dokument keine Rede. Pokrovski an Paléologue, Nr. 26, 14. Feb. 1917, WUA 4. Rh., 2. Abt. 12/1 1929, 185 Anl. 8, s. auch: SG 2 1966, 299 Dok. 181 Anm. 3, PRFR 1917 Suppl. 2/1 1932. 505 Encl. 9.

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­italienischen Frage, scheitern könnte. Deutschland halte dort den Hass gegen Österreich aufrecht, womit sich sein Verrat an der Monarchie zeige. Er könne, so schmerzlich dies den ­Kaiser auch berühren möge, nichts anderes tun als ihm zu raten, die Italiener im Rahmen der Möglichkeiten zufriedenzustellen. ­Kaiser Karl habe daraufhin erklärt, ein direktes Verhandeln mit den Italienern würde zu nichts führen. Zuerst müssten Frankreich, England und Russland sich dazu entscheiden, mit Österreich Frieden zu schließen. Dann könne man die italienischen Forderungen diskutieren und versuchen, ihnen nachzukommen. Dabei müssten jedoch Österreichs öffentliche Meinung und die gerechtfertigten Erwartungen seiner Völker in Rechnung gestellt werden.577 Über die tags zuvor im Gemeinsamen Ministerrat unter seinem Vorsitz erfolgten Festlegungen bezüglich territorialer Erwerbungen in Serbien, Montenegro und Rumänien ließ K ­ aiser Karl offenbar nichts verlauten. Der Darstellung Sixtus’ zufolge teilte ihm der ­Kaiser nach geraumer Zeit mit, dass er Czernin habe kommen lassen. Und dies nicht nur deshalb, weil er sein Minister sei, sondern auch weil dieser nie aufgehört habe die Idee des Friedens zu unterstützen, die delikate Situation, in der man sich gegenüber Deutschland befinde, am besten kenne und man offen mit ihm reden könne. Wenige Augenblicke nach dieser Eröffnung sei Czernin eingetreten, „long, maigre et froid“, und ungefähr 20 Minuten lang geblieben.578 Er, Sixtus, habe Czernin darauf aufmerksam gemacht, dass ein Friede nicht ohne Opfer zu erreichen sei. Darauf habe der Minister geantwortet, dass man sicherlich die erforderlichen Opfer bringen werde, es sei aber schwierig, diese jetzt schon zu präzisieren. Einen „guten Frieden“ werde man ohne Zögern schließen. Was die Deutschen angehe, so werde man sich wegen ihrer Weigerung auf Elsass-Lothringen zu verzichten, von ihnen eines Tages trennen müssen. Sixtus habe erklärt, Frankreich sei es erst dann möglich mit den Deutschen Frieden zu schließen, „quand l’Allemagne aura retiré ses troupes sur la rive droite du Rhin et nous aura rendu l’Alsace“. Zu einer konkreten Stellungnahme sei weder K ­ aiser Karl noch Czernin zu bewegen gewesen. Der K ­ aiser habe sich mit dem Minister besprochen und danach ihm, Sixtus, eine Antwort für den nächsten Tag zugesagt; Czernin werde ihn am Morgen in der Wohnung Erdődys aufsuchen, er selbst solle sich abends wieder in Laxenburg einfinden.579 Über das Gespräch, das er mit Czernin am folgenden Morgen hatte, schrieb Sixtus, es sei dabei nicht mehr herausgekommen als am Abend zuvor. Der Minister habe aber erklärt, das Bündnis mit Deutschland sei an dem Tag zu Ende, an dem es Österreich 577 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 11 – 12, Sixtus 1920, 84 – 89. 578 Werkmann dagegen schrieb, die Eintragungen vom 23. März 1917 ins Flügeladjutantenbuch zeigten, dass Czernin an der um etwa 8 Uhr abends begonnenen Besprechung von „9 h 30 (…) bis 10 h 45“ teilgenommen habe; Werkmann 1931, 209. 579 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 11, Sixtus 1920, 89 – 91.

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den Abschluss eines „raisonablen“ Friedens mit der Entente unmöglich mache.580 Welchen Frieden, abgesehen von einem solchen unter den im „Projet de note“ genannten Bedingungen, verstand Sixtus aber als „raisonable“? Erdődy bestritt in seinen Memoiren vehement, dass es das von Sixtus geschilderte Gespräch mit Czernin gegeben habe: „Vollständig unerfindlich ist es mir, wie Prinz Sixtus (…) die Behauptung aufstellen konnte, daß in meiner Wiener Wohnung Verhandlungen ­zwischen den Prinzen einerseits und mir und Czernin andererseits stattfanden.“ 581 Josef Maria Baernreither hingegen hielt in den Aufzeichnungen, die er sich offenbar aus Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung und auch von Gesprächen mit dem Minister gemacht hatte, folgende Aussage des letzteren fest: „Ich hatte mit (…) dem Prinzen Sixtus 3 lange Unterredungen. Zwei in Laxenburg in Gegenwart des Kaisers, die 3. in Wien in der Wohnung des (…) Gf. Erdődy (…).“ 582 In Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung selbst sucht man eine entsprechende Stelle vergebens. Dort ist lediglich zu lesen: „Auf des Kaisers Wunsch (…) erschien der Prinz (…) am 23. März in Wien, woselbst ich ein oder zwei Unterredungen mit ihm hatte (…).“ 583 Sollte Baernreither im Buch des Prinzen Gelesenes unbewusst Czernin zugeschrieben haben? Prinz Xavier berichtete in einem Memorandum, welches er Brook-Shepherd für dessen 1968 erschienenes Buch The Last Habsburg zur Verfügung stellte, ebenso wie sein Bruder Sixtus über ein in Erdődys Wohnung stattgefundenes Gespräch mit Czernin. Der deutschen Version von Brook-Shepherds Buch zufolge hieß es in ­diesem Memorandum Xaviers: „Obgleich der Minister sich erst sehr zurückhaltend zeigte, gelang es endlich doch, ihn zu einer Erklärung bedingungsloser Unterstützung aller in Laxenburg diskutierten Vorschläge zu bewegen.“ Die „entscheidenden Sätze in dieser Konversation“ hätten gelautet: Sixtus: Akzeptieren Sie – ja oder nein – die grundlegenden Vorschläge (…)? – Czernin: Aber natürlich stimme ich mit Seiner Majestät überein. Wir dürfen diese erste und vielleicht entscheidende Chance nicht verlieren. (…) – Sixtus: (…) Aber stehen Sie wirklich hinter Ihrem Souverän? Czernin (wie überrascht): Aber selbstverständlich. Ich bin sein Minister des Äußern.584 580 Ebd. p 12 bzw. 92. 581 Szemere Czech 1931, 98. – Erdődys Memoiren wurden von dem der kaiserlichen Familie treu ergebenen Polzer-Hoditz so eingeschätzt: „Als ­dieses ekelhafte Buch erschien (…) schrieb ich (…) einem Freund: ‚Die konkreten Daten, die ich nachzuprüfen in der Lage war, sind mit sehr geringen Ausnahmen falsch, nachweisbar falsch. (…) Der eine der zwei Verfasser, Paul Szemere (… ist) ein ekliger kleiner Jude kommunistischer Färbung, von dem es heißt – so hörte ich – (er) sei unter den Mördern Tiszas gewesen. Und einem solchen Kerl gibt der jetzt ganz dem Suff ergebene Tamás Erdődy seine Memoiren zu schreiben!‘“ Polzer-Hoditz Lebenserinnerungen, KA NL Polzer-Hoditz B/1499 Bd. IV, V/319. 582 Kann 1963 16, 433. 583 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 194. 584 Brook-Shepherd 1968, 74.

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Xaviers Darstellung widerspricht also völlig der seines Bruders, nach der bei dem Gespräch in Erdődys Wohnung nicht mehr herausgekommen sei als bei den Laxenburger Beratungen am Abend zuvor.585 Was den Verlauf des Abends des 24. März betrifft, an dem sich die Prinzen über Aufforderung des Kaisers wieder nach Laxenburg begaben, ist dem Buch Sixtus’ sehr wenig zu entnehmen. Der Prinz schrieb lediglich, K ­ aiser Karl habe ihm mit den Worten „voici les précisions promises“ den an ihn gerichteten Brief übergeben und gesagt, dass, sollte etwas darüber bekannt werden, ihn dies zwänge, Truppen an die französische Front zu ­schicken, was ihn sehr schmerzen würde. Darauf sei der ­Kaiser auf Italien zu sprechen gekommen und habe erneut dargelegt, dass er an diese Frage nur im Einvernehmen mit Frankreich, England und Russland herangehen könne. Derselbe Geist der Mäßigung, der seinen Brief beseele, werde ihn dann Vorschläge an Italien machen lassen, die für ­dieses „tout à fait acceptables“ wären. Sixtus solle aber nicht die militärische Situation vergessen. Den Italienern, die es zum von ihnen gewählten Zeitpunkt ihres Eintritts in den Krieg nicht gewagt hätten, mit ihrer frischen und über lange Monate heimtückisch vorbereiteten Armee seine „pauvres territoriaux de l’Isonzo“ anzugreifen, sei es bisher lediglich gelungen, „alors que nous nous battons avec les Russes, Serbes et Roumains“, Görz zu erobern: „Ces gens-là ne savent même plus donner un bon coup de poignard dans le dos.“ 586 Der Brief, den ­Kaiser Karl dem Prinzen am Abend des 24. März 1917 überreichte, erfüllte im Wesentlichen die von Sixtus seiner M ­ utter am 30. Jänner übergebenen und vom ­Kaiser am 13. Februar akzeptierten Grundbedingungen für einen Separatfrieden mit der Entente 587 sowie die vom Prinzen im „Projet de convention pour l’Empereur“ vom 12. Februar und nun auch im „Projet de note“ genannten Bedingungen. Für Sixtus stellte der Brief einen großen Erfolg dar. Der ­Kaiser habe damit nämlich „sans aucune réserve et avec la plus grande franchise“ diese Verhandlungen ermöglichenden Grundlagen akzeptiert, zumindest jene, die Frankreich, Belgien und Serbien betrafen.588 Die wichtigste Passage des Briefes, ­welche sich im weiteren Verlauf auch als die brisanteste herausstellen sollte, nämlich die über Elsass-Lothringen, lautete wie folgt: La France a montré (…) une force de résistance et un élan magnifique. Nous admirons tous, sans réserves, l’admirable bravoure traditionelle de son armée et l’esprit de sacrifice de tout le peuple français. – Aussi m’est-il particulièrement agréable de voir que (…) aucune véritable divergence de vues ou d’aspirations ne sépare mon Empire de la France et que je suis en droit 585 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 12, Sixtus 1920, 92. 586 Ebd. pp 12 – 13 bzw. 92 – 93. 587 Sixtus 1920, 55. 588 Ebd. p 94.

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de pouvoir espérer que mes vives sympathies pour la France, jointes à celles qui règnent dans toute la Monarchie, éviteront à tout jamais le retour d’un état de guerre pour lequel aucune responsabilité ne peut m’incomber. A cet effet, et pour manifester d’une façon précise la réalité de ces sentiments, je te prie de transmettre secrètement et inofficiellement à M. Poincaré (…) que j’appuierai, par tous les moyens et en usant de toute mon influence personnelle, auprès de mes alliés, les justes revendications françaises, relatives à l’Alsace-Lorraine.589

Über Belgien hieß es: „Quant à la Belgique, elle doit être rétablie entièrement dans sa souveraineté, en gardant l’ensemble de ses possessions africaines, sans préjudice des dédommagements qu’elle pourra recevoir pour les pertes qu’elle a subies“ und bezüglich Serbiens, „elle sera rétablie dans sa souveraineté et en gage de notre bonne volonté, nous sommes disposés à lui assurer un accès équitable et naturel à la mer Adriatique, ainsi que de larges concessions économiques.“ 590 Um eine Zustimmung zum letzten der vier Punkte des „Projet de note“ glaubte der ­Kaiser in Anbetracht der revolutionären Entwicklung in Russland herumzukommen und schrieb: „Les événements qui sont produits en Russie m’obligent de réserver mes idées à ce sujet jusqu’au jour où un gouvernement légal et définitif y sera établi.“ 591 Über Italien enthielt der Brief nichts. Prinz Sixtus schrieb, der ­Kaiser habe den Brief im Einvernehmen mit Czernin verfasst, und zwar nach dem Gespräch in der Wohnung Erdődys.592 Die Schilderung, die der Prinz über ­dieses Gespräch gab, lässt den Gedanken an ein solches Einvernehmen und an eine Geneigtheit des Ministers zum Akzeptieren der oben genannten Grundlagen allerdings nicht aufkommen. Dass Czernin gerade deshalb zur Abfassung des Briefes nicht herangezogen wurde und auch gar nichts davon wusste, dass der Brief entstand, geht klar aus einer nach dem Ende der Monarchie verfassten Aufzeichnung ­Kaiser Karls hervor. In dieser heißt es: „Da durch die Langeweile Czernins die Verhandlungen, die er in meinem Beisein mit ihnen (den Prinzen) führte, zu keinem Resultat zu führen schienen, verfaßte ich ohne Kenntnis Czernins den gewissen Brief.“ 593 Werkmann, der dem ­Kaiser nach dem November 1918 als dessen politischer Sekretär sehr nahestand, äußerte 1931 im selben Sinne:

589 Faksimile des Briefes: Anonym (Sixtus) LI 3. Jän. 1920, 1, 7 u. 8, Sixtus 1920, Anh., Manteyer 1921, Anh., Druck: (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 13, Sixtus 1920, 96 – 98, Manteyer 1921, 83 – 84, Übers. ins Dt.: F-B M 13. Apr. (1918), 1, NFP M 13. Apr. (1918), 2, PT M) 13. Apr. (1918), 1, PL M 13. Apr. (1918),1, auch in: C ­ zernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 214 – 216 u. Demblin 1920, 71 – 74 Dok. 9. 590 Ebd. 591 Ebd. 592 Sixtus 1920, 94. 593 Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 333 Dok. 87a.

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Der ­Kaiser hat niemandem je gesagt, daß Graf Czernin um den kritischen Brief gewußt habe. Sobald es einmal nichts mehr zu verschleiern gab und sobald der Friede auf Grund des Zusammenbruchs der Mittelmächte auf dem Wege war, hat der ­Kaiser mit der Wahrheit (…) gegenüber denjenigen nicht zurückgehalten, die ihn danach gefragt haben.594

Czernin selbst betonte stets, von den Briefen an Sixtus nichts gewusst zu haben. So erklärte er in einem Interview am 8. Jänner 1920: Die jetzt veröffentlichten Kaiserbriefe und Noten spielten sich alle ohne Wissen der verantwortlichen Regierung ab. Dies ist aus zwei in meinem Besitz befindlichen Dokumenten zu beweisen. Es sind dies Originalaufnahmen eines Hughesgespräches z­ wischen Sr. Majestät und mir am 10. (recte 9.) April nach Bukarest und ein Schreiben K ­ aiser Karls (…) vom 12. April 1918 in ­welchen Se. Majestät meine völlige Unkenntnis der Kaiserbriefe als selbstverständlich voraussetzt und mir seinen damaligen Standpunkt mitteilt, welcher sich durchaus mit jenem deckt, den Se. Majestät in seinen zwei bekannten (…) Telegrammen an ­Kaiser Wilhelm vertreten hat. (…) Se. Majestät knüpfte an das Schreiben vom 12. April den mündlichen Befehl, seinen Standpunkt, so wie er ihn mir schriftlich mitgeteilt, auch weiterhin allenthalben zu vertreten. Auf Grund dieser kaiserlichen Informationen erfolgten die Communiqués gegen C ­ lemenceau, erfolgte die Orientierung unserer Öffentlichkeit und die unserer Bundesgenossen (…).595

In Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung heißt es dazu: Die französischen Enthüllungen selbst erklären, dass der von mir (…) vertretene Standpunkt völlig unbefriedigend gewesen sei, gleichzeitig aber nahm (…) Sixtus einen Kaiserbrief mit, welcher neuerlich Elsass-Lothringen an Frankreich versprach – ein Widerspruch (…), welcher dem Prinzen bewiesen haben muss, dass ich auch von ­diesem geheimen Schreiben des Kaisers nichts wusste.596

Kaum dafür, dass Czernin der Inhalt des Kaiserbriefes vor dessen Publikation durch ­Clemenceau bekannt gewesen wäre, sprechen auch Zeitungsmeldungen vom 15. und 16. April 1918. In diesen heißt es nämlich, der Minister habe erklärt, „von Seiner Majestät über den Inhalt des Briefes (…) unterrichtet worden zu sein“.597 Hätte Czernin vom Inhalt gewusst, so wäre es wohl nicht vonnöten gewesen, dass ihn der Monarch 594 Werkmann 1931, 218. 595 (NFP M) 13. Jän. 1920, 2, (WZ), 13. Jän. 1920, 8 – 9, Polzer-Hoditz 1929, 604 – 606 Anl. XIV, Steglich 1 1964, 429 Anm. 133. – Das Datum des Artikels in der NFP gaben Polzer-Hoditz und, ­diesem offenbar folgend, Steglich fälschlich mit 17. Jän. 1920 an. 596 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 195 – 196. 597 (RP Mi), 15. Apr. 1918, 2, ähnlich F-B A 15. Apr. (1918), 1, NFP N 15. Apr. (1918), 2, PT M 16. Apr. (1918), 1.

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­darüber u ­ nterrichtete. Dies strich der Verfasser des Leitartikels der Arbeiter-Zeitung vom 16. April 1918 hervor, wenn er schrieb: Daß Graf Czernin von dem vielberufenen Brief nichts gewußt hat, steht so ziemlich fest; er hätte sich dann wohl gehütet, den Streit mit Clemenceau anzufangen. Überdies wird heute feierlich versichert, Graf Czernin habe ‚in das Konzept K ­ aiser Karls (…) Einsicht genommen‘ (…); das wäre natürlich überflüssig, wenn ihm auf die Verfassung des Briefes irgend ein Einfluß eingeräumt worden wäre (…).598

Kovács schrieb im Band 1 ihres Opus Untergang oder Rettung, für den ersten Brief an Sixtus ­seien „vermutlich 14 Entwürfe“ gemacht worden und K ­ aiser Karl habe „nach der Überlieferung des (…) Handelsministers Friedrich von Wieser (…) zur Abtretung des französischen Teiles von Lothringen damals bereits die Zustimmung von Bayern, Württemberg, Baden, Hessen und Sachsen“ gehabt.599 An anderer Stelle schrieb sie, ohne dies durch ein „vermutlich“ zu relativieren, der erste Brief des Kaisers sei „die erweiterte Endfassung eines von 14 Entwürfen“ gewesen, von denen einen „Czernin in seinem Archiv“ verwahrt hätte.600 Liest man in Wiesers Tagebuch nach, so heißt es dort am 10. Mai 1918, Alois Musil, Professor der biblischen Hilfswissenschaften und der arabischen Sprache an der Universität Wien und TitularHofkaplan, habe ihm „im Vertrauen unter Handschlag“ erklärt, der ­Kaiser hätte „im ersten Brief les aspirations justes bezüglich Elsaß-Lothringens (…) (aber nicht les justes aspirations!), d. h. es wurden ihre Ansprüche nicht überhaupt für justes erklärt, sondern nur diejenigen, die eben justes waren, worunter gemeint waren die Ansprüche auf den französisch sprechenden Teil von Lothringen; u. zw(ar) ist dies geschehen unter Zustimmung von Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Sachsen (…).“ 601 Woher Musils Wissen von einer „Zustimmung“ dieser Bundesstaaten rührte, muss wohl für immer im Dunklen bleiben. Was die „14 Entwürfe“ betrifft, von denen Kovács schrieb, geht die Kunde davon auf nicht mehr zurück als auf das, was Wieser seinem Tagebuch über Musils Erzählungen anvertraute, nämlich: „Im Ganzen sind 14 Briefe geschrieben u. zw. mit Wissen von Czernin.“ 602 Wiesers Tagebuchnotizen lassen übrigens erkennen, dass er aus den Erzählungen Musils nicht recht klug wurde und sich über deren Widersprüchlichkeit Gedanken machte. So notierte er am 21. Mai 1918: 598 A-Z M 16. Apr. (1918), 1. 599 Kovács 1 2004, 134. 600 Ebd. p 668. 601 Wieser TB-Eintr. 10. Mai 1918, HHStA NL Wieser fol. 429 – 430, Druck: Kovács 2 2004, 164 – 165 Dok. 34 Anm. 1. 602 Ebd.

Die Aufnahme des Kaiserbriefes an Sixtus durch die Entente

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Mittags bei Forchheimer (…). Mir wurde der von den Franzosen verbreitete Text des Kaiserbriefes gezeigt, den durchzulesen ich allerdings nicht die Zeit fand. Ich konnte nur konstatieren, daß er die Worte enthielt ‚Les justes revindications‘ (sic!), was nach Musil falsch ist.603

In einem 2007 publizierten Aufsatz glaubte Kovács nicht mehr wie 2004 darauf angewiesen zu sein, von „vermutlich 14 Entwürfen“ zu schreiben, denn nun erklärte sie, Czernin sei im Besitz eines der „14 Entwürfe des Briefes“ gewesen.604 Als Beleg für diese Zahl führte sie allerdings nur ihr 2004 erschienenes Werk an, dem ja nicht zu entnehmen ist, dass tatsächlich diese Anzahl von Entwürfen angefertigt worden wäre.

2.8

Die Aufnahme des Kaiserbriefes an Sixtus durch die Entente

Prinz Sixtus brachte den Brief des Kaisers am 31. März 1917 Präsident Poincaré und dem von Premierminister Ribot mit seiner Vertretung betrauten Generalsekretär des Außenministeriums Jules Cambon zur Kenntnis. Poincaré vermerkte darüber in seinem Tagebuch: „Le Prince (…) m’apporte une lettre personnelle de l’empereur Charles (…).“ Die Stelle des Briefes, in der es heißt, „je suis en droit de pouvoir espérer que mes sympathies pour la France, jointes à celles qui règnent dans toute la monarchie, éviteront à jamais le retour d’un état de guerre auquel nulle responsabilité ne peut m’incomber“, kommentierte Poincaré so: „Ces amabilités sont certainement sincères, mais si l’empereur croit son armée aussi forte et ses succès aussi éclatantes, il est peu probable qu’il nous propose des conditions de paix très satisfaisantes.“ 605 Auf jeden Fall liege es nicht in der Hand K ­ aiser Karls, Deutschland zur Annahme solcher Bedingungen zu bewegen; seine Versicherung „j’appuierai par tous les moyens les justes revendications françaises relatives à l’Alsace-Lorraine“, sei wertlos. Poincaré vermerkte auch die Aussagen des Prinzen, der K ­ aiser verstehe unter „Alsace“ nicht das Elsass von 1871, sondern jenes von 1790 und 1814, und es sei ihm klar, dass die Entente den Krieg gegen Deutschland bis zum vollständigen Sieg fortsetzen werde. Er und Cambon hätten Sixtus zu verstehen gegeben, dass man ohne Italien, „qui est notre alliée“, nicht verhandeln könne, was dieser auch eingesehen habe.606 Im Journal Ribots findet sich der Text eines Briefes, den Poincaré nach seiner Besprechung mit Sixtus am 31. März 1917 an Ribot richtete. Darin heißt es:

603 Wieser TB-Eintr. 21. Mai 1918, HHStA NL Wieser fol. 465. 604 Kovács 2007, 128. 605 Poincaré TB-Eintr. 31. März 1917, Poincaré IX 1932, 85 – 90. 606 Ebd.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

(…) l’empereur a été informé que les Alliés ne feraient pas la paix sans l’Italie et que (…) il faudrait accorder à celle-ci certains avantages. Le prince a fait entendre à l’envoyé de l’empereur (Erdődy) qu’en ce cas l’Autriche pourrait obtenir des compensations sur l’Allemagne, par exemple en Silésie. L’empereur n’exclut pas cette combinaison; mais il répond jusqu’ici qu’il tient le Trentin et qu’il ne tient pas la Silésie.607

Und Poincaré notierte am 1. April 1917 in sein Tagebuch, er habe über die Angelegenheit mit Ribot gesprochen. Dieser glaube nicht an die Möglichkeit eines Separatfriedens, ein solcher hätte den Bruch mit Italien zur Folge. Besser wäre ein Waffenstillstand, „qui permettrait de continuer la guerre contre l’Allemagne, en promettant des conditions bienveillantes à l’Autriche“.608 Ribot kommentierte in seinem Tagebuch den Brief des Kaisers und seine Nichterwähnung der italienischen Ansprüche trocken mit den Worten: Il est disposé à nous abandonner l’Alsace-Lorraine – à rétablir la Belgique – à faire des concessions à la Serbie; il céderait Constantinople à la Russie. (sic!) Tout cela ne lui coûterait pas n’étant pas en sa possession. Mais il ne dit rien de ce qu’il pourrait concéder à l’Italie et c’est là le point difficile. (…) Il serait de bonne politique de tâcher de maintenir l’Autriche-Hongrie en l’opposant à l’Allemagne; mais on est trop engagé envers l’Italie, la Serbie, la Roumanie, sans parler de la Pologne et de la Russie. Manquer à nos engagements serait coupable et dangereux: le faisceau des alliances serait rompu; la Russie se retirerait de la guerre ainsi que l’Italie. Comment amener l’Italie à se contenter du Trentin, alors qu’elle est entrée volontairement dans la guerre pour avoir Trieste que l’Autriche lui refusait?609

Und in Ribots Lettres heißt es über die Nicht-Erwähnung Italiens im Kaiserbrief: Il y avait une lacune volontaire dans la lettre (…). Pas un mot n’y était dit qui concernât l’Italie. C’est ce que M. Poincaré fit aussitôt remarquer au prince Sixte …. Le silence de l’empereur ne s’expliquait que trop par la déclaration (…), que tous les peuples de la monarchie étaient fermement unis pour maintenir (…) l’intégrité de l’empire. Il y avait un parti-pris de laisser l’Italie en dehors de la négociation qu’on nous offrait. – Devions-nous accepter, dans ces conditions, de pousser plus loin la conversation? Je crus que je ne pouvais prendre aucun parti sans m’être concerté avec M. Lloyd George. Je le rencontrai (…) à Folkestone (…).610

607 Poincaré an Ribot, 31. März 1917, Ribot 1936, 62 – 63 Anm. 1. 608 Poincaré TB-Eintr. 1. Apr. 1917, Poincaré IX 1932, 100. 609 16. Apr. 1917, Ribot 1936, 66 – 67Ribot TB-Eintr. 610 Ribot 1924, 270.

Die Aufnahme des Kaiserbriefes an Sixtus durch die Entente

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Ribot brachte bei dem Treffen in Folkestone vom 11. April 1917 Lloyd George den Inhalt des Kaiserbriefes zur Kenntnis. Wie er in seinen Lettres schrieb, bemerkte der britische Premier einige Augenblicke nachdem er ihm „la fameuse lettre“ übersetzt hatte, der Brief müsse unverzüglich auch dem italienischen Außenminister Baron Sidney Constantino Sonnino gezeigt werden. Dieser werde verstehen, dass es im italienischen Interesse liege, wenn nötig auf Triest zu verzichten und dafür Smyrna (Izmir) zu erlangen: „S’il est gêné par l’arrangement de 1915 (…),611 il a trop de patriotisme pour ne pas s’effacer et ne pas céder son portefeuille …. Nous marchons à la paix.“ Er, Ribot, habe Lloyd George zu bedenken gegeben, dass sie nicht autorisiert wären, Sonnino in das Geheimnis einzuweihen. Sixtus habe jedoch bald darauf eingewilligt, dass bei einem Treffen mit ­Sonnino mit einer „allusion discrète“ auf den Inhalt des Briefes hingewiesen werde.612 Lloyd George schrieb ­später über sein Gespräch mit Ribot: „I considered that we ought to proceed with the negotiations but that we must avoid every appearance of a breach of faith with the Italians and must therefore carry them along with us.“ Den Passus, mit dem der ­Kaiser in seinem Brief versicherte, dass er die „justes revendications françaises relatives à l’Alsace-Lorraine“ bei seinen Verbündeten „par tous les moyens“ unterstützen werde, kommentierte der Prime Minister mit den Worten: The cynical selfishness which thwarted every effort to establish world peace on just and therefore firm foundations was displayed in Karl’s approach to the Allies. Whilst he showed the greatest readiness to give up Germany’s conquests from 1870 to 1917 he was (…) most unwilling to make any concessions to Italy. (…) In view of the treaty under which Italy entered the War, we could not have deserted her now without being guilty of the greatest perfidy.613

An anderer Stelle schrieb Lloyd George über die Hoffnung des Kaisers, mit Frankreich und England zu einer Einigung zu kommen, ohne auf die Wünsche Italiens eingehen zu müssen: The Emperor evidently contemplated a peace in which her claims were brushed aside, and to which therefore she would be no party. This attitude was maintained throughout the subsequent negotiations and was largely responsible for their failure.614 611 Im Londoner Vertrag vom 26. Apr. 1915 hieß es: „Bei dem künftigen Friedensschluß soll Italien erhalten: die Gebiete des Trentino, das ganze südliche Tirol bis zu dessen natürlicher Grenze, als ­welche der Brenner zu betrachten ist, die Stadt Triest mit Umgebung, die Grafschaft Görz und Gradiska, ganz Istrien bis Quarnero mit den istrischen Inseln (…). – Ferner erhält Italien die Provinz Dalmatien (…) bis zu einer von der Küste bei Kap Planka nach Osten gezogenen Linie (…).“ Czernin 1919, 377 – 380, PRFR 1917 Suppl. 2/1 1932. 497 – 500 Encl. 4. 612 Ribot 1924, 271 – 272. 613 Lloyd George WM. 4 1934, 1991 – 2002. 614 Lloyd George WM. 4 1934, 1991 – 2002.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Poincaré notierte am 12. April in sein Tagebuch, Ribot habe ihm von den Gesprächen mit Lloyd George berichtet, der es als unumgänglich erachte, dass er und Ribot sich sobald wie möglich mit Sonnino träfen. Falls man Italien Smyrna und, wenn möglich, das ­Trentino anbiete, so werde es sich für einen Separatfrieden oder einen Waffenstillstand mit Österreich-Ungarn gewinnen lassen. Am Nachmittag, so hielt Poincaré weiters fest, sei er von Sixtus aufgesucht worden. Diesem habe er gesagt, Ribot erachte es, ehe weitere Schritte unternommen würden, als notwendig Sonnino zu informieren, was der Prinz „un peu hésitant“ aufgenommen habe. Poincaré bemerkte dazu: „L’Autriche cherche donc à s’échapper de la guerre; mais elle est, en réalité, prisonnière de l’Allemagne.“ 615 Sixtus hielt in seinem Buch fest, er habe am 12. April zunächst eine Besprechung mit Jules Cambon gehabt, in deren Verlauf dieser ihn im Auftrage Ribots davon in Kenntnis setzte, dass Lloyd George für eine Fortführung der Verhandlungen sei, es müsse darüber jedoch mit Sonnino gesprochen werden. Die beiden Premierminister hätten deshalb beschlossen, sich möglichst bald mit Sonnino zu treffen. Den von ihm, Sixtus, vorgebrachten Bedenken, dass es gefährlich sei, die Italiener in alles einzuweihen, habe sich Cambon angeschlossen und ihm empfohlen, dies Ribot auseinanderzusetzen: Es könnten zunächst die im Brief des Kaisers genannten vier Punkte erörtert werden, dann könne man von der Monarchie zu gewährende Grenzberichtigungen zugunsten Serbiens, Italiens und Rumäniens diskutieren; für ­solche könnte man Österreich kompensieren, er denke dabei stets an Schlesien. Man werde sehen, w ­ elche Forderungen Italien stelle und w ­ elchen davon die Alliierten zustimmen könnten. Sixtus schrieb weiter, er habe darauf bestanden, sich vor dem Treffen mit Sonnino nach London zu begeben und dort zumindest mit Lloyd George zu sprechen. Über seine ebenfalls am 12. April stattgefundene Zusammenkunft mit Poincaré und Ribot bemerkte der Prinz, er sei mit den beiden schließlich einer Meinung darüber gewesen, dass Sonnino in Kenntnis gesetzt werden müsse. Poincaré habe erneut erklärt, dass die Aktion keinesfalls auf einen Frieden mit Deutschland abzielen könne, ganz im Gegenteil. Ribot telegrafierte am Abend des 12. April an Camille Barrère, den französischen Botschafter in Rom, er und Lloyd George wünschten sich ehebaldigst mit Sonnino zu besprechen.616 Barrère schrieb über sein daraufhin mit Sonnino geführtes Gespräch, dieser habe zunächst erfahren wollen, worum es bei der geplanten Konferenz gehe. Er habe geantwortet, dass ihm dies selbst nicht bekannt sei, „es aber wohl der Wunsch der beiden Regierungen sein müsse, mit Italien über Probleme, an denen alle drei Mächte interessiert s­ eien, nämlich die griechische Frage und das künftige Schicksal Kleinasiens, in einen Gedankenaustausch einzutreten“. Da „die plötzliche Einladung das natürliche Mißtrauen“ Sonninos weckte, habe er Ribot um Auskunft über den Gegenstand der 615 Poincaré TB-Eintr. 12. Apr. 1917, Poincaré IX 1932, 111 – 112. 616 Ribot 1936, 64.

Die Aufnahme des Kaiserbriefes an Sixtus durch die Entente

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Konferenz gebeten. Dieser „begnügte sich jedoch damit, auf die baldige Einberufung der Konferenz zu dringen, die in St-Jean-de-Maurienne stattfinden sollte (…). Es wurde mit Sonnino vereinbart, daß man sich am 29. (recte 19.) April (…) treffen, und (…) Boselli ihn begleiten sollte.“ 617 Am 16. April trug Ribot in sein Tagebuch ein, Poincaré habe ihm in Anbetracht der durch Czernins Antwort auf das Manifest der russischen Provisorischen Regierung vom 9. April 1917 neuerlich erwiesenen Entschlossenheit Österreich-Ungarns, sich nicht von Deutschland zu lösen, geschrieben: Je me demande si la très dangereuse proposition de paix que le gouvernement d’Autriche-Hongrie adresse aujourd’hui à la Russie, nous permet de poursuivre les conversations avec le prince Sixte. L’empereur d’Autriche s’est présenté à nous (…) comme voulant rompre avec l’Allemagne. Tout au contraire, la déclaration publique de son gouvernement insiste sur le parfait accord de l’Autriche avec ses alliés et il est bien certain (…) que la nouvelle démarche a été concertée entre Vienne et Berlin. C’est assez pour rendre la première suspecte et pour justifier la défiance qu’elle nous avait d’abord inspirée. C’est assez, en tout cas, pour qu’il me paraisse maintenant impossible d’envisager sérieusement l’éventualité où l’Autriche traiterait en dehors de l’Allemagne. (…) – Nous sommes parfaitement autorisés à dire au prince Sixte qu’il y a un fait nouveau qui modifie tout.618

Und aus den Lettres Ribots geht hervor, dass er über das russische Manifest und dessen Beantwortung durch die Mittelmächte höchst beunruhigt war: Le manifeste du gouvernement provisoire russe était très périlleux, parce qu’il pouvait être considéré en Autriche et en Allemagne comme une incitation à la paix immédiate. (…) – Je crois que (…) notre effort exclusif doit consister en ce moment à éclairer le gouvernement et l’opinion russes sur le péril mortel de ces combinaisons austro-allemandes.619

Bei der „très dangereuse proposition de paix que le gouvernement d’Autrich0e-Hongrie adresse (…) à la Russie“, auf die sich Ribot bezog und als ein „fait nouveau qui modifie tout“ bezeichnete, handelte es sich um die vom 14. April 1917 datierte und am Folgetag publizierte offiziöse Erklärung der k. u. k. Regierung, mit der sie das Manifest der russischen Provisorischen Regierung vom 9. April beantwortete. Auf diese Erklärung wird unten eingegangen.

617 Barrère 1938 108, 721, dt.: Anonym (Barrère) 1938, 16, 741. 618 Ribot TB-Eintr. 16. Apr. 1917, Ribot 1936, 65 – 66. 619 Ribot 1924, 273.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Barrère schrieb in seinen Souvenirs diplomatiques, er habe den wahren Grund für das vereinbarte Treffen in Saint-Jean-de-Maurienne nach seiner Ankunft in Paris am 14. (15.?) April von Ribot erfahren. Der ihm von d ­ iesem mitgeteilte Inhalt des Kaiserbriefes habe ihn „sofort zu folgenden Überlegungen“ geführt: Erstens sei es ihm schwer gefallen zu glauben, „daß die Berliner Regierung nicht in der einen oder anderen Form von ­diesem Schritt des österreichischen Kaisers Kenntnis gehabt haben sollte. (…) Der genaue Wortlaut des Briefes mochte ­Kaiser Wilhelm vielleicht nicht vorgelegen haben. Aber daß der Schritt als solcher ihm verborgen geblieben und nicht (…) gebilligt worden sei, konnte ich nicht annehmen.“ 620 Zweitens sei aus dem Brief keineswegs ersichtlich gewesen, daß K ­ aiser Karl einen Sonderfrieden anstrebe: „Wenn der K ­ aiser es aufrichtig meinte, so lautete sein Vorschlag vielmehr dahin, daß er sich bei den Deutschen dafür einsetzen wolle, sie zur Annahme eines Vergleichsfriedens zu bewegen“. Drittens sei Italien nicht erwähnt worden: „Man schlug also abermals vor, einen Frieden ohne Italiens Mitwissen und offenbar auf seine Kosten abzuschließen. Der kaiserliche Schritt sollte demnach die Folge, wenn nicht gar den Zweck haben, die Verbündeten der Entente in einer kritischen Phase des Krieges zu veruneinigen.“ 621 Viertens habe er es als gefährlich erachtet, die Italiener nur zu dem Zweck nach St-Jean-de-Maurienne einzuladen, um sie „mit dem Vorschlag des Kaisers bekannt zu machen, ohne daß ihnen auch nur der Text des Briefes mitgeteilt“ würde. Die Eile, mit der das Treffen vereinbart worden sei, musste Sonnino „glauben machen, daß Frankreich und England das Friedens­gespräch mit Österreich mit dem heimlichen Wunsche fortsetzen wollten, Italien möge die gesamten Kosten desselben tragen“. Barrère habe Ribot daher versichert, „daß Sonnino jedes Gespräch mit K ­ aiser Karl rundweg zurückweisen würde“. Diese Erwägungen hätten auf Ribot „einen sehr starken Eindruck“ gemacht.622 Poincaré notierte am 18. April in sein Tagebuch, dass in dem an d ­ iesem Tag stattgefundenen Ministerrat auf die höchst beunruhigende Versorgungslage bei Getreide, Kohle und Käse hingewiesen wurde: Die Hälfte der auf dem Seeweg erwarteten Getreide­ lieferungen sei durch Torpedierungen verloren gegangen. Weiters notierte der Präsident, Ribot, Lloyd George und Barrère ­seien zum Diner bei ihm gewesen. Bei d ­ iesem habe sich Lloyd George, der in Paris eben erst mit Sixtus zusammengetroffen sei, vom Brief des Kaisers wesentlich weniger eingenommen gezeigt als in Folkestone. Barrère habe erklärt, dass man bei den Gesprächen mit Sonnino sehr vorsichtig sein müsse und keinesfalls den Eindruck erwecken dürfe, man habe „le désir de causer avec l’Autriche“. Man solle mit einer Erörterung der kleinasiatischen Frage beginnen und I­ talien

620 Barrère 1938 108, 722 – 723, dt.: Anonym (Barrère) 1938, 16, 742 – 743. 621 Ebd. 622 Barrère 1938 108, 722 – 723, dt.: Anonym (Barrère) 1938 16, 742 – 743.

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Smyrna anbieten.623 Barrère schrieb, er habe Lloyd George gesagt, „man dürfe sich über die Dispositionen Sonninos keinen Täuschungen hingeben: es bestünde nicht die mindeste Chance“, dass er unter den gegebenen Umständen einem Gespräch mit Österreich zustimme.624 Lloyd George berichtete ­später über sein Gespräch vom 18. April mit Sixtus, er habe diesen vergeblich gedrängt, Ribot und ihm selbst zu erlauben, dem italienischen Ministerpräsidenten Paolo Boselli und Sonnino über den Kaiserbrief in Kenntnis zu setzen „but he was unwilling to increase the burden of personal responsibility which he was carrying“.625 Über den Verlauf des Treffens in St-Jean-de-Maurienne am 19. April 1917 gibt Ribots Tagebuch Aufschluss. Man habe zunächst über die Italien in Kleinasien einzuräumende Zone gesprochen. Als dies geregelt gewesen sei, habe man sich der griechischen Frage zugewandt und schließlich „de l’accueil à faire aux propositions autrichiennes“. Sonnino habe in dieser Sache erklärt, weder seine Regierung noch der König könnten und wollten von den Bedingungen abgehen, die sie für den Eintritt ihres Landes in den Krieg gestellt hatten. Lloyd George habe dies enttäuscht und er sei so unklug gewesen, daraufhin zu sagen: „Si nous ne faisons rien ensemble, nous pourrons nous entendre avec l’Autriche.“ Schließlich habe man sich auf folgende Erklärung geeinigt: M. Lloyd George, M. Ribot et le baron Sonnino se sont entretenus des tentatives que l’Autriche serait disposée à faire auprès d’une ou plusieurs des puissances alliées pour obtenir une paix séparée. – Ils sont tombés d’accord qu’il ne serait pas opportun d’engager une conversation qui, dans les circonstances présentes, serait particulièrement dangereuse et risquerait d’affaiblir l’étroite union qui existe entre les Alliés et qui est plus nécessaire que jamais.626

Wie Sonnino die Sache sah, darüber berichtete am 2. Mai Barrère: Der Minister sei überzeugt, dass Österreich seine Köder im Einverständnis mit Deutschland oder sogar auf dessen Betreiben hin ausgelegt habe. Deutschland benütze die Aktion seines Verbündeten, um Zwietracht unter den Alliierten zu säen, „de fomenter ainsi entre les défiances qui lui permettraient de faire la paix allemande“.627 Poincaré bereitete die in St-Jean-de-Maurienne gezeigte Bereitschaft des britischen Premiers zu Gesprächen ohne Italiens Einbindung. Dies lässt ein an Ribot gerichteter Brief des Präsidenten vom 20. April erkennen, in dem es heißt:

623 Poincaré TB-Eintr. 18. Apr. 1917, Poincaré IX 1932, 114 – 115. 624 Barrère 1938 108, 723, dt.: Anonym (Barrère) 1938 16, 743. 625 Lloyd George WM. 4 1934, 2003. 626 Ribot TB-Eintr. 19. Apr. 1917, Ribot 1936, 68 – 7 1. 627 Barrère an Ribot, 2. Mai 1917, ebd. pp 88 – 89.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Je crois comme vous qu’il n’est pas prudent de laisser Lloyd George poursuivre en dehors de l’Italie des négociations ou même des conversations que les déclarations publiques austro-­allemandes rendent pour le moment assez vaines, et qui pourraient aisément devenir dangereuses.628

Derartige Befürchtungen sind auch aus Poincarés Tagebucheintragungen zu erkennen. So notierte er am 20. April, Lloyd George habe sich in St-Jean-de-Maurienne wieder enthusiastisch über den österreichischen Vorschlag geäußert. Boselli und Sonnino dagegen hätten erklärt, Italien sei bestimmter Ziele wegen in den Krieg eingetreten, auf die es nicht verzichten könne. Die gemeinsame Erklärung habe man auf S­ onninos Wunsch hin verfasst, um festzuhalten, „que les Alliés sentent plus que jamais la nécessité d’une union étroite, qu’ils s’engagent à continuer la guerre et à n’écouter aucune proposition autrichienne“.629 Ribot habe Lloyd George zu mehr Zurückhaltung geraten, dieser wolle indes auf seiner Rückreise nach London nochmals den Prinzen ­Sixtus treffen. Poincarés Befürchtungen über die Haltung Lloyd Georges waren jedoch übertrieben, denn dieser schrieb ­später über seinTreffen mit Sixtus vom 20. April: „I told the Prince that (…) as we were bound to Italy by our Alliance we could not make peace without her.“ 630 Die Haltung der französischen Regierung zum Kaiserbrief und das Ergebnis des Treffens von St-Jean-de-Maurienne wurden Sixtus, seinem Buch zufolge, am 22. April 1917 von Jules Cambon zur Kenntnis gebracht. Dieser habe ihm diktiert: Aucune proposition de paix ne peut être envisagée avec l’Autriche sans tenir compte des vues du gouvernement italien. Or, les propositions qui avaient été portées à notre connaissance passaient absolument sous silence les revendications italiennes. D’autre part, (…) le gouvernement italien n’est pas disposé à abandonner aucune des conditions qu’il avait mises à son entrée dans la guerre.631

Sixtus schrieb, er habe Cambon geantwortet, dass er sich der Schwierigkeit der italienischen Frage wohl bewusst sei aber nicht wisse, wie der ­Kaiser sie lösen könne „en tenant compte de l’opinion et la volonté de son pays“.632

628 Poincaré an Ribot 20. Apr. 1917, ebd. pp 71 – 72. 629 Poincaré TB-Eintr. 20. Apr. 1917, Poincaré IX 1932, 116. 630 Lloyd George WM. 4 1934, 2009. 631 Ribot gab diese Worte in seinem Journal als „Résumé de ce qu’a dit M. Jules Cambon au prince Sixte“ wieder ; Ribot 1936, 72 – 73. 632 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 19 – 20, Sixtus 1920, 150 – 151.

Die Berliner Konferenz vom 26. März 1917

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Sechs Monate ­später, am 12. Oktober 1917, begründete Ribot vor der Deputiertenkammer seine ablehnende Haltung gegenüber der im Kaiserbrief zum Ausdruck gebrachten Bereitschaft zu einer Verständigung mit den Worten: Hier, (…) s’était l’Autriche qui se déclarait disposée à faire la paix et à satisfaire nos désirs, mais qui laissait volontairement de côté l’Italie, sachant que si nous écoutions ses paroles fallacieuses, l’Italie reprenait sa liberté et devenait l’adversaire de la France qui l’aurait oubliée et trahie.633

2.9

Die Berliner Konferenz vom 26. März 1917

Auf der am 26. März 1917 in Berlin stattgefundenen Konferenz z­ wischen Bethmann ­Hollweg, Zimmermann, Stumm, Czernin und Botschafter Hohenlohe ging es in ­erster Linie um die allen Teilnehmern bewusste Notwendigkeit eines baldigen Friedensschlusses und um die Bedingungen unter denen es zu Verhandlungen mit der Entente kommen könnte. Dem Protokoll zufolge betonte Czernin gleich zu Beginn, wie er es schon am 16. März in Wien getan hatte: Nach dem übereinstimmenden Urteil aller kompetenten Autoritäten (…) ist die Nahrungsfrage, die Rohmaterialfrage und die Menschenfrage derart, dass Österreich-Ungarn am Ende seiner Kräfte angekommen ist. Über den Herbst hinaus können wir den Krieg unmöglich fortführen. Ob wir bis August oder September aushalten, ist nicht sicher, ich hoffe es.634

Zimmermann versicherte darauf, der Wunsch Frieden zu machen sei allgemein: „Wir dürfen uns aber nicht merken lassen, dass wir müde sind, sonst erreichen wir das gerade Gegenteil.“ Ein vierter Winterfeldzug wäre auch für Deutschland schwierig. Darauf repli­zierte Czernin: „Für uns ausgeschlossen.“ In der Folge entspann sich eine Diskussion über die Zweckmäßigkeit der am 21. März erfolgten Entsendung Mensdorffs zu Gesprächen in die Schweiz. Zimmermann erklärte, er stehe „auf dem Standpunkt, wir dürfen bei den Friedensgesprächen nicht die Initiative ergreifen, sondern müssen unsere Gegner an uns herankommen lassen. Deswegen war ich mit der Entsendung des Grafen Mensdorf (sic!) nicht einverstanden, der als früherer Botschafter einen zu offiziellen Anstrich hat. Es wäre besser gewesen, einen Abgeordneten (…) zu ­schicken.“ 635 633 Chatelle 1936, 145. 634 Prot. Konf. vom 26. März 1917, in 4 Teilen publ. (MNN M), 1. März 1922, 1 – 2, (MNN A), 2. März 1922, 1 – 2, (MNN A), 3. März 1922, 1 – 2, (MNN S/S), 4./5. März 1922, 1 – 2, idem: SG 2 1966, 50 – 60 Dok. 33. 635 Ebd.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Czernin erwiderte, er habe „keinen Abgeordneten, der für diese Missionen diskret genug und mit genügender diplomatischer Schulung versehen wäre. Graf Mensdorff soll sich in der Schweiz ja auch nur rezeptiv verhalten (…).“ Bethmann Hollweg meinte, für eine Diskussion dieser Sache sei es zu spät, ließ aber erkennen, dass er die Bedenken Zimmermanns teile: Graf Mensdorff ist schon in der Schweiz. Eine Besprechung, ob er der geeignete Mann für die Mission ist, dürfte also zu nichts führen. Ich glaube es besteht bei uns beiden volle Einigkeit darüber: Wir dürfen uns unseren Feinden gegenüber nicht an den Laden legen, dürfen aber auch keinen von der Feindesseite vorgestreckten Fühler vorübergehen lassen. (…) Der Gedanke, Serbien ans Meer zu lassen, erscheint mir zweckmäßig (…). Doch ist diese Frage in erster Linie ein österr.-ung. Interesse.636

Dazu erklärte Czernin, Serbien ans Meer zu lassen, wäre „eine kolossale Konzession von uns, von der ich nicht weiss, ob ich sie in der Monarchie durchsetzen könnte. Ich fürchte nur, die Entente wird als Entschädigung für die Verkleinerung Serbiens seine Zulassung ans Meer verlangen.“ 637 Und er versuchte nochmals, seinen Gesprächspartnern die äußerst prekäre Lage der Monarchie klarzumachen: Unsere Wochen und Monate sind gezählt. Sie haben durch das Friedensangebot die deutschen Arbeiter gewonnen, bei uns ist das nicht der Fall. Denn der polnische, tschechische, rumänische, slowakische Arbeiter legt gar keinen Wert darauf, dass der Deutsche siegt. Deutschland hat ein Kriegsziel, das vom ganzen Volk angestrebt wird, Österr.-Ung. (…), aus Nationalitäten zusammengesetzt, (…) hat das nicht. (…) Ich möchte es noch einmal wiederholen und kann es nicht eindringlich genug aussprechen: ich hoffe, dass wir bis zum August oder September aushalten. Sicher bin ich aber dessen durchaus nicht. Es ist zweifellos richtig, dass es besser wäre, wenn wir die Feinde kommen liessen und ihnen nicht zu sehr entgegen kämen, aber wir haben nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Dies natürlich nur pro foro interno. Dass wir pro foro externo (…) auf die Starken posieren, ist ganz selbstverständlich.638

Czernin brachte auch seine am 22. März im Gemeinsamen Ministerrat präsentierte Idee zur Sprache, Deutschland dadurch zu einer „partiellen Abtretung von Elsaß-Lothringen“ zu bewegen, dass Österreich-Ungarn ihm Polen „verkaufe“, während der Monarchie dafür der Weg für eine Expansion am Balkan geebnet werden könnte. In d ­ iesem Sinne erklärte er:

636 Ebd. 637 Ebd. 638 Ebd.

Die Berliner Konferenz vom 26. März 1917

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Zwischen der rumänischen und der polnischen Frage besteht für uns ein unzerreissbares Junctim. Wir können der Vorherrschaft Deutschlands in Polen nur zustimmen, wenn wir in der Walachei entschädigt werden. Die Frage der deutschen Petroleuminteressen in Rumänien wird sich regeln lassen. Auch wir haben Interessen in Polen 639.

Der deutsche Reichskanzler zeigte sich einem Ausgleich nicht abgeneigt, bemerkte aber: „Wir müssen Polen in den deutschen Zollverband aufnehmen; nur unter dieser Bedingung kann es jemals ein sicherer Nachbar für uns werden.“ Dem entgegnete Czernin: „Dagegen haben wir nichts, aber unter der einen Bedingung, (…) dass wir die Walachei bekommen.“ Czernin kam auch auf die Mitteilung zurück, die ihm Bethmann Hollweg zehn Tage zuvor in Wien gemacht hatte: Eine italienische Persönlichkeit habe zu einem Mitarbeiter der deutschen Gesandtschaft in Bern Kontakt aufgenommen, die eine Bereitschaft des italienischen Oberkommandos bzw. des Königs erkennen ließen, mit Österreich-Ungarn in Verhandlungen über einen Separatfrieden einzutreten. Dazu zitiert das Proto­koll der Konferenz Czernin so: Das Angebot des Königs von Italien (…) von dem mir der Herr Reichskanzler neulich in Wien Mitteilung gemacht hatte, habe ich Ihren Wünschen entsprechend meinem ­Kaiser gegenüber nicht erwähnt. Der ­Kaiser hat mir aber vor einiger Zeit einmal über die italienische Frage gesprochen und hat dabei geäussert, er würde lieber zugrunde gehen, als auch nur einen Quadratmeter (…) an Italien abtreten. Dies entspricht auch ganz meiner eigenen Auffassung. Die Italiener haben sich in ­diesem Krieg so gemein benommen, unsere Truppen an der italie­ nischen Front haben sich (…) so brillant geschlagen, dass niemand in der Monarchie es verstehen würde, wollten wir etwas an Italien abtreten.640

Im weiteren Verlauf entspann sich eine Diskussion über die von Czernin gestellte Frage, ob Deutschland eventuell bereit wäre, „einen Teil von Elsass-Lothringen an Frankreich abzutreten“. Dazu äußerte Bethmann Hollweg: „Graf Czernin hat soeben erklärt, er könnte auch nicht einen Quadratmeter österr. Bodens an Italien abtreten, wir aber sollen den Franzosen ein Stück der Reichslande geben.“ Der Angesprochene meinte darauf: „Wir bringen dafür das Opfer, dass wir Serbien evtl. ans Meer lassen und das ist ein sehr grosses Opfer.“ Kurz zuvor hatte Czernin erklärt: „Ich fürchte, wir werden die Serben ans Meer lassen müssen, die Entente wird es verlangen.“

639 Prot. Konf. vom 26. März 1917, in 4 Teilen publ. (MNN M), 1. März 1922, 1 – 2, (MNN A), 2. März 1922, 1 – 2, (MNN A), 3. März 1922, 1 – 2, (MNN S/S), 4./5. März 1922, 1 – 2, idem: SG 2 1966, 50 – 60 Dok. 33. 640 Ebd.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Der Reichskanzler erinnerte an den Verlust der deutschen Kolonien und des „ganzen grossen Aussenhandels“. Dazu gab Czernin zu bedenken: „Die Welt weiss nicht, was Sie mit den besetzten Gebieten Frankreichs und mit Belgien machen wollen. Es wird der Moment kommen, wo Sie sich werden erklären müssen.“ Bezüglich der Position der Mittelmächte bei einem Friedensschluss zeigte sich Bethmann Hollweg optimistisch und meinte: „Ich glaube (…), dass König Albert, nach allem, was wir im Kriege von ihm gehört haben, zu einem wirtschaftlichen Anschluss seines Landes an Deutschland gern bereit wäre.“ Frankreich betreffend gab der Kanzler, wie schon bei der Wiener Konferenz, seiner Ansicht Ausdruck, „möglicherweise einer Grenzberichtigung im Elsass (…) gegen die Abtretung des Erzbeckens von Briey zustimmen“ zu können. Czernin jedoch stellte die solchen Gedanken zugrundeliegende Vorstellung von der künftigen Position der Mittelmächte als Illusion hin, indem er sagte: „Ich glaube nicht, dass die Entente darauf eingehen wird, dass Sie sich Belgien wirtschaftlich anschließen und sich Briey nehmen.“ 641 Die deutschen Staatsmänner waren also durchaus weiter der Hoffnung, einen Verständigungsfrieden auf Basis der im Krieg bisher erzielten Erfolge schließen zu können. Dies jedenfalls spiegelt das im Protokoll vom 27. März 1917 enthaltene Résumé über die Konferenz wider, welches aber erkennen lässt, dass dieselbe Hoffnung auch in Czernin und Hohenlohe noch nicht gestorben war; in dem Résumé heißt es nämlich: Man einigte sich zunächst über ein Minimalprogramm, wonach beide Mächte in Aussicht nehmen, die Räumung der von ihren Armeen in Russland (einschließlich Polens), Montenegro, Serbien, Albanien und Rumänien besetzten Gebiete in erster Linie von der Wiederherstellung des territorialen status quo ante bellum der beiden Mächte im Osten und im Westen abhängig zu machen.642

Wie die folgende Passage des Résumés zeigt, erschien den Konferenzteilnehmern ein Sieg über die Ententemächte keineswegs außer Reichweite: Diese Besprechungen haben aber auch (…) ins Auge gefasst, dass der Krieg für unsere Gruppe einen günstigeren Abschluss findet, und dass die Mittelmächte (…) an dauernde Einverleibungen feindlichen Gebietes denken können. Für diesen Fall gelangte man übereinstimmend zu der Auffassung, dass die Gebietserweiterungen der beiden Mächte mit den beiderseitigen Leistungen in Übereinstimmung gebracht werden müssen. Für Deutschland käme hierbei hauptsächlich der Osten, für Österreich-Ungarn vor allem Rumänien in Betracht.643

641 Ebd. 642 Résumé der Konf. in Berlin 27. März 1917, HHStA PA I, 524 XLVII/13.3 fol. 149, Druck: Ludendorff 1920, 373 – 374 Dok. XVII/1 (unzutreffend als „Wiener Dokument vom 27. 3. 1917“ bezeichnet), WUA 4. Rh., 2. Abt. 12/1 1929, 200 Anl. 13, SG 2 1966, 60 Dok. 33 Résumé, Neck 1953 7, 307. 643 Ebd.

Kaisertreffen in Homburg

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2.10 Kaisertreffen in Homburg Unmittelbar nach seiner am 28. März 1917 erfolgten Rückkunft von der Berliner Konferenz regte Czernin bei ­Kaiser Karl ein Treffen mit dem deutschen ­Kaiser an, das vor allem dazu dienen solle, diesen für eine Verständigung mit Frankreich ermöglichende Schritte zu gewinnen. K ­ aiser Karl war rasch für Czernins Idee gewonnen und sagte deshalb eine Fahrt nach Siebenbürgen ab. Marterer hielt in seinem Tagebuch dazu fest, „der Flügeladjutant“ habe ihm am 28. März telefoniert, dass die Reise nicht stattfinde. Er kommentierte dies mit den Worten: „Jedenfalls hängt das mit der Rückkehr Czernin’s aus Berlin zusammen, der kurz vorher zu S. M. kam.“ Unter dem 29. März notierte Marterer: Cramon war gestern nach Laxenburg befohlen u. erhielt den Auftrag, dem deutschen ­Kaiser chiffriert zu teleg., S. M. möchte am 3. April nach Homburg kommen um Ihre Maj. der deutschen Kaiserin vorzustellen. Da er aber dabei auch ‚hochpolitisches‘ besprechen möchte, so möchte er auch Czernin mitnehmen u. ersuche um Beiziehung der beiden Minister des Aeußern (…).644

Nach Werkmann lautete d ­ ieses „mit der Chiffre des Generals von Cramon“ gesandte Telegramm: Es würde mich sehr freuen, wenn ich Zita Ihrer Majestät der Kaiserin vorstellen könnte. – Da ich anderseits aus allerdringlichsten politischen Gründen unbedingt noch vor Ostern mit Dir sprechen muß, so bitte ich um freundliche Nachricht, ob wir Dienstag, den 3. April, bei Dir eintreffen dürfen. – Ich bringe meinen Minister des Äußern mit und wäre Dir ganz besonders verbunden, wenn Du Deinen Reichskanzler ebenfalls (…) berufen würdest. – Die ausnehmende Wichtigkeit der geplanten Unterredung legt mir die Bitte nahe, Du möchtest in das Programm des Tages eine längere Konferenz z­ wischen uns beiden in Gegenwart der beiden Minister aufnehmen.645

Czernin telegrafierte am 28. März an Hohenlohe: Seine (…) Majestät wünschen, Ihre Majestät die Kaiserin Zita der deutschen Kaiserin vorzustellen. – Da dies nach Ostern für längere Zeit ausgeschlossen erscheint, so haben Seine Majestät den Allerhöchsten Besuch (…) für Dienstag, den 3. April in Aussicht genommen. Die Antwort auf die Anfrage ist noch ausstehend. – Ferner hat Seine Majestät wichtige politische Aussprache mit dem deutschen ­Kaiser in Aussicht und wünscht, daß ich derselben beiwohne, es wäre 644 Marterer TB-Eintr. 28. u. 29. März 1917, KA NL Marterer B/16:V. 645 Werkmann 1931, 221 – 222.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

daher unbedingt erwünscht, daß auch der Herr Reichskanzler (…) anwesend sei. In ­diesem Sinne hat Seine Majestät bereits direkt an ­Kaiser Wilhelm telegraphiert. (…) – Euer Durchlaucht wollen sich dann ebenfalls am 3. bei der Begegnung der beiden K ­ aiser (…) einfinden.646

Kaiser Wilhelms Antwort auf das Telegramm ­Kaiser Karls kam, Werkmann zufolge, am nächsten Tag und lautete: Herzlichen Dank für die Ankündigung Deines und Zitas Besuches. Die Kaiserin und ich freuen uns sehr, Euch am Dienstag in Homburg zu sehen. Deinen Wunsch wegen Zuziehung des Reichskanzlers werde ich gerne erfüllen und bitte Dich noch, wegen der jetzt stets mitsprechenden militärischen Fragen auch den General von Arz mitzubringen. Feldmarschall von Hindenburg und der Erste Generalquartiermeister werden auch zugegen sein.647

Über die Beweggründe, die Czernin dazu bestimmten, auf eine Begegnung der beiden ­Kaiser zu drängen, ist einer Aufzeichnung Baernreithers zu entnehmen: Am 30. März war ich bei Czernin. In seinen Worten lag der Friedensdrang. Die Revolution in Rußland entwickelte sich nicht so rasch und explosiv, als er gedacht habe, sondern sie ist ein Abbröckeln der heutigen Ordnung. (…) Man muß jetzt Alles daran setzen, die Menschen an den grünen Tisch zu bringen. Er wolle keine Behauptungen aufstellen und keine Hoffnungen aussprechen, aber es sei immerhin möglich, daß man in einigen Wochen beisammen sitze. Es wird leise angeklopft, und man klopft leise zurück. Czernin fährt Montag mit dem ­Kaiser in das deutsche Hauptquartier, (…) er will sehen, was sich mit den Deutschen machen läßt. Er klagt sehr darüber, daß die Deutschen immer noch sehr hoch sind (…) Czernin wird aber alles tun, um den vierten Kriegswinter zu verhindern.648

Unter den österreichisch-ungarischen Staatsmännern war Czernin nicht der einzige, der sich der kritischen Lage der Monarchie sowohl im Hinblick auf die zehrenden Auswirkungen des Krieges, als auch auf die revolutionäre Umwälzung in Russland bewusst war. So telegrafierte Botschafter Wedel am 31. März 1917 an das Auswärtige Amt: Ministerpräsident Graf Clam besuchte mich, um mir mitzuteilen, Österreich könne bis zur nächsten Ernte nicht durchhalten, die Lebensmittel reichten nur noch für 6 Wochen. Eine schwere Krise stehe bevor. Die Stimmung in den ärmeren Schichten und die Hinneigung der slavischen Stämme zum liberalen Russland lasse eine Katastrophe befürchten. Er habe es für 646 Czernin an Hohenlohe, Tel. 188, 28. März 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 1074. 647 Werkmann 1931, 222. 648 Baernreither Aufz., HHStA NL Baernreither 54 fol. 769 – 7 70, Mitis 1938, 193 – 194.

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seine Pflicht gehalten, dem K ­ aiser zu melden, dass Österreich am Ende seiner Kraft angelangt sei (…). In gleichem Sinne äusserte sich Graf Czernin (…). – Es gelang mir nicht, die beiden Minister aufzurichten. (…) Eine hingeworfene Bemerkung des Grafen Czernin, wenn er heute durch Preisgabe Galiziens den allgemeinen Frieden erkaufen könne, so würde er sich keinen Augenblick besinnen das Opfer vorzuschlagen, liess seinen Seelenzustand erkennen.649

Zwei Tage s­ päter berichtete Wedel: „Graf Czernin hofft uns zur Abtretung eines grösseren Teils (sic!) von Elsass-Lothringen ohne Briey als Gegenleistung zu bewegen. Er wiederholte, Österreich würde für allgemeinen Frieden zu Abtretung Galiziens oder Südtirols (d. h. des Trentino) sofort bereit sein.“ 650 Die Abreise ­Kaiser Karls und seiner Begleitung zu dem Treffen in Homburg erfolgte am 2. April. Marterer notierte in sein Tagebuch, Czernin sei gleich nach der Abfahrt des Hofzuges in Laxenburg, und zwar „noch vor Wien“, mit der Nachricht gekommen, „Italiener habe ein Friedensangebot gemacht, verlangen aber das Trentino. Undiskutabel“.651 Darüber, wem das Angebot als „undiskutabel“ erschien, ist Marterers Tagebuch nichts zu entnehmen. Der Umstand, dass er diese Klassifizierung nicht kommentierte, lässt jedoch den Schluss zu, dass sich der ­Kaiser mit dem Minister des Äußern ­hierüber einig war. Darauf deutet auch eine Stelle im Buch des damaligen Kabinettsdirektors Polzer-­Hoditz hin, der schrieb, der ­Kaiser habe ihm abends auf der Fahrt nach Homburg erzählt, Czernin hätte das „Friedensangebot“ als „indiskutabel bezeichnet“.652 Wäre der ­Kaiser anderer Meinung gewesen, so hätte er das wohl erkennen lassen. Dem Vertreter des Ministeriums des Äußern beim Armee-Oberkommando teilte Czernin an ­diesem Tag mit: „Italien hat gegen Abtretung des Trentino ein Separatfriedensangebot gemacht – dasselbe (wurde) abgewiesen.“ 653 In Homburg erklärte Czernin, wie er dies schon bei den Besprechungen mit den deutschen Staatsmännern am 16. März in Wien und zehn Tage ­später in Berlin getan hatte, dass Österreich einen vierten Winterfeldzug nicht durchhalten könne. In seiner Aufzeichnung „über politische Konversationen mit den deutschen Staatsmännern in Homburg am 3. April 1917“ heißt es darüber: Im Verlauf einer unter Anwesenheit der beiden ­Kaiser, des (…) Reichskanzlers sowie des Staatssekretärs der auswärtigen Angelegenheiten gepflogenen Besprechung entwickelte ich 649 Wedel an A. A., Tel. 145, 31. März 1917, SG 2 1966, 73 Dok. 42. 650 Wedel an A. A., Tel. 150, 2. Apr. 1917, ebd. pp 75 – 76 Dok. 45. 651 Marterer TB-Eintr. 5. Apr. 1917, KA NL Marterer B/16:V. 652 Polzer-Hoditz 1929, 340. 653 Czernin an Storck, Tel. 66, 2. Apr. 1917, HHStA PA I, 511 XLVII/5g fol. 753, idem: HHStA PA I, 524 XLVII/13.2 fol. 132, Entw. von der Hand Czernins fol. 131 – 131v, HHStA PA I, 1059 Hinaus fol. 258v, s. auch: Tagesber. des M. d. Ä. 3. Apr. 1917 Beil. 1, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz.

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die Anschauungen, nach ­welchen meiner Auffassung nach die auswärtige Politik der Monar­ chie geführt werden müsse, indem ich ausführte, daß eine Verlängerung des Krieges über das Jahr 1917 hinaus (…) mir für unsere Seite als ein Ding der Unmöglichkeit erscheine. (…) Namentlich glaubte ich vor weitgehenden annexionistischen Velleitäten warnen zu sollen. Hiebei wies ich auf die Umwälzungen in Rußland und die Gefahren hin, ­welche revolutionäre Strömungen auf die Stimmung und innerpolitische Entwicklung in unseren Staaten zeitigen könnten. (…) – Herr von Bethmann schloß sich meinen Ausführungen vollinhaltlich an.654

Die Gesprächspartner waren sich demnach darüber einig, dass ein Friedensschluss ehebaldigst erfolgen müsse, nicht zuletzt im Hinblick auf durch das russische Beispiel ausgelöste Bewegungen, und ein solcher nur durch schwere Opfer möglich werden könnte. Sie kamen deshalb überein, dass Opfer „in einem gewissen billigen Verhältnis von beiden Staaten zusammen getragen werden müßten, ebenso wie (…) namhafte Akquisitionen und Vorteile des einen Teiles zu den Erwerbungen des anderen in eine gewisse Relation gebracht werden sollen“.655 Czernins Aufzeichnungen ist darüber, ­welche Opfer gebracht werden müssten, um einen baldigen Friedensschluss zu ermöglichen, nichts zu entnehmen. Bethmann ­Hollweg aber schrieb in seinen Betrachtungen: Stark befremdet war ich, als Graf Czernin am 3. April (…) vorschlug, wir sollten ganz ElsaßLothringen abtreten und dafür eine Anwartschaft auf Polen einschließlich Galiziens eintauschen. Die Anwartschaft taugte nichts, und daß die freiwillige Zession der ganzen Reichslande für uns unannehmbar war, bedurfte keiner ausdrücklichen Feststellung.656

Der Kanzler war sich jedoch im Klaren darüber, dass (…) Elsaß-Lothringen eine Zentralfrage für jeden Frieden war, den wir nicht diktierten (und ebenso darüber, dass ein österreichischer Staatsmann verleitet sein musste, in der äußersten Gefahr seines Landes (…) die elsaß-lothringische Frage ebensowenig als ein noli me tangere anzusehen, wie wir die Frage des Trentino. (Er sei) daher nicht überrascht, daß Graf Czernin (…) wiederholt den Gedanken hinwarf, durch Konnivenz bezüglich französischer Grenzbezirke Elsaß-Lothringens die Aussichten für einen Verhandlungsfrieden zu erhöhen.657

654 Czernin Aufz. über pol. Konversationen 3. Apr. 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 24 – 25v. 655 Ebd. 656 Bethmann Hollweg 2 1922, 201 – 202. 657 Ebd.

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Ludendorff schrieb, Czernin habe den Vorschlag, Elsass-Lothringen aufzugeben, in einer Besprechung mit Bethmann Hollweg, Hindenburg, Arz und ihm gemacht: Czernin schlug vor, wir sollten zur Herbeiführung eines baldigen Friedens Elsaß-Lothringen an Frankreich geben. Österreich-Ungarn würde Galizien mit Polen vereinigen und für eine Angliederung Polens an Deutschland eintreten. In ­diesem Augenblick wurde unser Zusammensein (…), das etwa zehn Minuten gedauert hatte, unterbrochen. Der Reichskanzler und Graf Czernin wurden zu den beiden Kaisern gerufen. Damit war für mich der offizielle Teil der Kaiserzusammenkunft beendet.658

Die Besprechung hatte also ohne eine Diskussion geendet. Czernin beharrte in Homburg darauf, so wie er dies am 31. März Hohenlohe zur Mitteilung an Bethmann Hollweg aufgetragen 659 und bei der Berliner Konferenz vom 26. März erklärt hatte, dass österreichische Gebietsabtretungen an Italien nicht in Frage kommen könnten. Obschon es nicht verwunderlich gewesen wäre, wenn die deutschen Gesprächspartner in Anbetracht des Vorschlags, Elsass-Lothringen zum Teil oder sogar zur Gänze abzutreten, ­diesem Beharren Kritik entgegengebracht hätten, so ließ ihnen offenbar die Sorge um die Erhaltung eines guten Klimas in der Allianz eine konziliante Haltung als angebracht erscheinen. Czernin konnte daher in seiner Aufzeichnung über die Homburger Gespräche vermerken: „Hinsichtlich der Unmöglichkeit territorialer Abtretungen an Italien aus dem Besitzstande der Monarchie zeigten die deutschen Staatsmänner volles Verständnis.“ 660 Admiral Müller notierte am 3. April 1917 in sein Tagebuch, Czernin habe sich ihm gegenüber in Homburg sehr skeptisch über die Erfolge des U-Bootkrieges geäußert: Die Marine habe zwar „ihre Zusage an vernichtetem Schiffsraum noch erheblich übertroffen“, die erwartete Wirkung sei aber ausgeblieben. Von ihm vorgebrachten Verweisen auf die englische Presse, in der doch sehr über den U-Bootkrieg geklagt würde, habe der Minister erwidert: „Ich will Ihnen etwas sagen, wenn in drei Monaten der Krieg nicht zu Ende geht, dann werden die Völker ihn ohne die Regierungen beenden.“ 661 Cramon hielt fest, K ­ aiser Karl habe auf die Frage K ­ aiser Wilhelms, ob Czernin die Lage nicht doch zu düster male, geantwortet: „Graf Czernin übertreibt immer!“ 662 658 Ludendorff 1919, 350 – 351. 659 Czernin an Hohenlohe, Tel. 199, 31. März 1917, HHStA PA I, 511 XLVII/5g fol. 754, idem: HHStA PA I, 524 XLVII/13.2 fol. 137. 660 Czernin Aufz. über pol. Konversationen in Homburg, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 26. 661 Müller TB-Eintr. 3. Apr. 1917, Görlitz 1959, 270. 662 Cramon 1920, 112. Diese Antwort veranlasste Ritter zu dem Kommentar: „Der junge Monarch, politisch unreif und geistig unbedeutend, fühlte sich einer so lebendigen Persönlichkeit wie Wilhelm II. gegenüber völlig hilflos. Er hat sein eigentliches Anliegen anscheinend überhaupt nicht vorzubringen gewagt, sondern

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Kaiser Wilhelm war bestrebt, bezüglich Polens Entgegenkommen zu zeigen. ­Darüber notierte Czernin: Was die polnische Frage betrifft, so äußerte sich Seine Majestät (…) unserem allergnädigsten Herrn gegenüber spontan dahin, daß Er die Uebernahme der Regentschaft in ­diesem Lande durch (…) Erzherzog Carl Stephan begrüßen würde. Auch die seinerzeitige Uebernahme der polnischen Königskrone durch den genannten Erzherzog brachte ­Kaiser Wilhelm direkt in Anregung.663

Diese „Anregung“ sollte sich bald als nicht mit der deutschen Regierung abgesprochen herausstellen. Im Tagesbericht des Ministeriums des Äußern vom 8. April 1917 steht darüber nämlich zu lesen: Während der k. u. k. Vertreter in Warschau aus Berlin die Nachricht erhalten hat, dass man daselbst gegen die Kandidatur des Erzherzog Karl Stephan (…) keine Einwendung mehr erhebe, meldet der (…) Botschafter in Berlin, dass der von K ­ aiser Wilhelm (…) gemachte Vorschlag den Herrn Erzherzog (…) als Regenten (…) einzusetzen ein Extempore (…) gewesen ist. Niemand in der deutschen Regierung hatte eine Ahnung von ­diesem Vorschlage. Nach Rücksprache mit dem Kanzler sagte der Staatssecretär (Zimmermann) dem Prinzen Hohenlohe, dass die deutsche Regierung es für nicht sehr glücklich halten würde, bei der heutigen Gesamtlage noch ein weiteres fait accompli in Polen zu schaffen. Man sei eher dafür die Dinge im status quo zu belassen.664

Polzer-Hoditz schrieb, ungeachtet des dargestellten Sachverhaltes, der Anstoß zur Behandlung der polnischen Frage sei vom deutschen ­Kaiser ausgegangen. Dabei sei ­Kaiser Karl, „nachdem der Kompensationsvorschlag bezüglich Elsaß-Lothringens und Polens sich als undiskutierbar herausgestellt hatte, auf die austro-polnische Lösung“ zurückgekommen und habe von K ­ aiser Wilhelm die Zusage zur „Thronkandidatur“ (sic!) des Erzherzogs erreicht. Dies sei „das einzige, allerdings etwas dürftige Aktivum“ der Homburger Besprechungen gewesen.665 Botschafter Wedel dankte am 8. April 1917 Zimmermann für dessen mit einem Brief vom 6. April erteilte „Orientierung über die Homburger Besprechung, über die (…) Czernin nur eine Andeutung gemacht“ gemacht habe. Wedel schrieb, die Gedanken des Ministers ­seien in den letzten Tagen vor der Reise nach Homburg „zum Vorschein“ gekommen: es Czernin überlassen, die Lage Österreichs noch einmal schwarz in schwarz zu malen.“ Die Antwort ­Kaiser Karls sei „bezeichnend“ gewesen für seine „menschliche Schwäche“. Ritter 3 1964, 480. 663 Czernin Aufz. über pol. Konversationen in Homburg, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 26. 664 Tagesber. des M. d. Ä. 8. Apr. 1917 Beil. 8 u. 9, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz. 665 Polzer-Hoditz 1929, 344.

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Ich sagte Czernin, eine Lösung, wie er sie sich denke, sei unmöglich und dem deutschen Volk einfach nicht zuzumuten. Im übrigen sei unsere Lage nicht derart, daß wir einen Frieden erzwingen müßten. Er meinte, ich vertrete einen ‚gewollten Optimismus‘, der Reichskanzler verstehe ihn besser, sei eigentlich ganz seiner Meinung, würde auch bereit sein, ein bescheidenes Minus im Westen auf sich zu nehmen. Er habe diesen Eindruck bei seiner letzten Anwesenheit in Berlin gewonnen. Da hat er wohl aus ernsten Worten Gedanken herausgelesen, die seinen eigenen Wünschen entsprechen. Der junge ­Kaiser ist nicht in guter Gesellschaft. An sich schon weich wird er täglich von den Damen bearbeitet. (…) Alle reden dem ­Kaiser von der Revolutionsgefahr; kein Wunder, daß er ängstlich wird. Wir werden unsere Freunde festhalten müssen, damit sie nicht aus dem Sattel fallen und von Zeit zu Zeit werden sie einer besonderen Aufmunterung bedürfen.

Der Minister des Äußern jedoch sei aus Homburg „gestärkt und vor allem beruhigt (…) heimgekehrt, seine Nervosität hat sich gelegt. Er bestätigte mir, daß es mit Kaisers vortrefflich gegangen sei.“ 666 François Charles-Roux verglich 1929 den Mißerfolg Czernins und seines kaiserlichen Herrn in Homburg mit dem der Aktion ­Kaiser Karls und des Prinzen Sixtus: Die letztere sei gescheitert „d’abord, parce qu’elle n’a pas impliqué (…) l’offre de séparer son sort de celui de l’Allemagne; ensuite, parce qu’elle n’a comporté aucune satisfaction au profit de l’Italie“. Die Homburger Verhandlungen aber s­ eien fehlgeschlagen wegen der mangelnden Entschlossenheit, Deutschland zu einem gemeinsam abzuschließenden Frieden zu zwingen, und der fehlenden Bereitschaft, ihm durch eigene Opfer ein Beispiel zu geben. Um vom deutschen ­Kaiser und vom Reichskanzler ernst genommen zu werden, meint Charles-Roux, hätten K ­ aiser Karl und Czernin ihre Entschlossenheit ankündigen müssen, Italien durch die Abtretung des Trentino und Triests zufriedenzustellen. „Mais cette intention, ils ne l’avaient pas.“ 667

2.11 Czernins Denkschrift vom 12. April 1917 Der Verlauf des Homburger Treffens, das sich zu einer familiären Zusammenkunft der beiden Kaiserpaare entwickelt und kaum Zeit für politische Gespräche geboten hatte, war nicht dazu angetan, in Czernin die Gewissheit aufkommen zu lassen, dass ­Kaiser Wilhelm und den leitenden deutschen Staatsmännern die höchst kritische Lage, in der sich das erschöpfte Österreich-Ungarn befand und ein weiteres Durchstehenkönnen des Krieges als unmöglich erscheinen ließ, zu Bewusstsein gebracht werden konnte. Um den 666 Wedel an Zimmermann 8. Apr. 1917, (MNN A), 9. März 1922, 1, idem: SG 2 1966, 84 – 86 Dok. 52. 667 Anonym (Charles-Roux) 1929 53, 68 – 75.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Ernst der Stunde auch an Allerhöchster Stelle deutlich zu machen, verfasste Czernin eine Denkschrift, in der er K ­ aiser Karl die prekäre Situation der Monarchie schilderte und einen Frieden mit Opfern anriet. Sie lautete in ihren wesentlichen Punkten: Es ist vollständig klar, daß unsere militärische Kraft ihrem Ende entgegengeht. (…) Wenn ich auch hoffe, daß es uns gelingen wird, noch die allernächsten Monate durchzuhalten (…), so bin ich doch vollständig klar darüber, daß (…) Spätsommer oder Herbst um jeden Preis Schluß gemacht werden muß. – Die größte Wichtigkeit liegt zweifellos dabei auf dem Moment, die Friedens­ verhandlungen in einem Augenblick zu beginnen, in welchem unsere ersterbende Kraft den Feinden noch nicht zu vollem Bewußtsein gekommen ist. (…) – Ich kann hier (…) das Thema nicht beiseite lassen, auf welchem der Nachdruck meiner ganzen Argumentation liegt. Es ist dies die revolutionäre Gefahr, w ­ elche auf dem Horizont ganz Europas aufsteigt (…). Fünf Monar­ chen sind in ­diesem Kriege entthront worden, und die verblüffende Leichtigkeit, mit welcher jetzt die stärkste Monarchie der Welt gestürzt worden ist, möge dazu beitragen, nachdenklich zu stimmen (…). Euer Majestät wissen, daß der Druck, der auf der Bevölkerung lastet, einen Grad angenommen hat, der einfach unerträglich wird; (…) Treten aber (…) ernstere Unruhen bei uns oder in Deutschland zutage, so ist es unmöglich, ein solches Faktum vor dem Auslande zu verheimlichen, und in d ­ iesem Augenblicke sind auch alle (…) Bemühungen, den Frieden zu erreichen, erfolglos geworden. (…) – Wenn die Monarchen der Zentralmächte nicht imstande sind, in den nächsten Monaten den Frieden zu schließen, dann werden es die Völker über ihre Köpfe hinüber machen (…). – Die amerikanische Kriegserklärung hat (…) Situation wesentlich verschärft. (…) Ich hoffe (…), daß Rußland seine Stoßkraft (…) verloren hat, und daß ­dieses wichtige Moment ausgenützt werden kann. Trotzdem erwarte ich, daß eine französisch-englische, wahrscheinlich auch eine italienische Offensive unmittelbar bevorstehen, doch glaube und hoffe ich, daß es uns gelingen wird, diese beiden Angriffe abzuschlagen. Ist dies gelungen (…) müssen wir, bevor Amerika das militärische Bild (…) zu unseren Ungunsten verschiebt, einen (…) detaillierten Friedensvorschlag machen und uns nicht davor scheuen, eventl. große, schwere Opfer zu bringen. – Man setzt in Deutschland große Hoffnungen auf den U-Bootkrieg. Ich (…) konstatiere, daß der (…) vorausgesagte Erfolg nicht eingetreten ist. (…) Nichts ist gefährlicher in der Politik, als jene Dinge zu glauben, die man wünscht (…) und sich utopischen Illusionen hinzugeben, aus denen früher oder s­ päter ein furchtbares Erwachen erfolgen muß. (…) – Euer Majestät haben die wiederholten Versuche unserer Feinde, uns von unseren Bundesgenossen zu trennen, unter meiner verantwortlichen Deckung abgelehnt, weil Euer Majestät keiner unehr­ lichen Handlung fähig sind. Aber Euer Majestät haben mich gleichzeitig beauftragt, den verbündeten Staatsmännern (…) zu sagen, daß wir am Ende unserer Kräfte sind und daß Deutschland über den Spätsommer hinaus nicht mehr auf uns wird rechnen können.668 668 Czernin an Ks. Karl 12. Apr. 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 981 – 986 (Abschr.), idem: Czernin 1919, 198 – 204, Ludendorff 1920, 375 – 379 Dok. XVII/2. – Die im HHStA aufbewahrte Kopie der Denkschrift

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Czernin überreichte ­Kaiser Karl die Denkschrift am 12. April 1917 mit dem Ersuchen, sie an ­Kaiser Wilhelm weiterzuleiten. Der ­Kaiser sandte sie ­diesem unverzüglich, und zwar zusammen mit einem ebenfalls vom 12. April datierten persönlichen Begleitschreiben, welches lautete: Mein Minister des Aeußern hat mir beiliegendes Exposé unterbreitet, mit dessen Inhalt ich mich vollständig identifiziere und welches die Situation genau so darstellt, wie auch ich sie sehe. (…) Wir kämpfen gegen einen neuen Feind, welcher gefährlicher ist als die Entente: gegen die internationale Revolution, und die in der allgemeinen Hungersnot den stärksten Verbündeten findet. Ich beschwöre Dich, diese so schicksalsschwere Seite der Frage nicht zu übersehen und zu bedenken, daß uns eine rasche Beendigung des Krieges – eventl. unter schweren Opfern – die Möglichkeit bietet, den sich vorbereitenden Umsturzbewegungen mit Erfolg entgegenzutreten.669

Als Kurier bediente sich der K ­ aiser seines Flügeladjutanten Graf Josef Ledóchowski, der Denkschrift und Begleitschreiben am 14. April im Großen Hauptquartier in Kreuznach ­Kaiser Wilhelm überreichte. Dieser las die Schriftstücke noch am selben Tag und übergab sie dann Legationsrat von Grünau zur Übermittlung an Bethmann Hollweg. Grünau fügte ein Schreiben an den Kanzler bei: „Seine Majestät lassen (…) um Vorlage eines Antwortentwurfes bitten. Der ­Kaiser hat (…) Feldmarschall von Hindenburg Kenntnis von dem Schreiben gegeben. – Abschrift ist hier zurückbehalten worden.“ 670 Bethmann Hollweg legte die mit Randbemerkungen ­Kaiser Wilhelms versehene Denkschrift Zimmermann vor und beriet sich mit ihm über das vom K ­ aiser gewünschte Antwortschreiben. Der Staatssekretär telegrafierte in dieser Sache am 17. April an Grünau: Ich wäre dankbar, wenn O. H. L. mir die nötigen Unterlagen zur Beantwortung und Richtigstellung der militärischen Betrachtungen im Czerninschen Exposé baldtunlichst zugehen l­ assen wollte. (…) Der O. H. L. stelle ich zur Erwägung, in ihrem Memorandum den Gedanken anzudeuten, dass wir unter Umständen allein weiterfechten würden (…).671

wurde, worauf der Umschlag in dem sie sich befindet hinweist, „seitens Graf Czernin’s am 12. Dez. 18 an Baron Flotow übergeben“. Flotow war damals Leiter des M. d. Ä. in Liquidation. Das Typoskript zeichnet sich durch ungewöhnlich viele Schreibfehler aus. So etwa ist in ihm von einem „limtierten Erfolg des Unteressebottkrieges“ zu lesen sowie von der Pflicht Seiner Majestät, „das dynatische Prinzip und iren Thron“ zu verteidigen. 669 Ks. Karl an Wilhelm II. 12. Apr. 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 979. 670 Grünau an Bethmann Hollweg, „Brief des Kaisers Karl nebst einem Exposé des Grafen Czernin“, Dep. 196, 14. Apr. 1917, SG 2 1966, 103 – 108 Dok. 68. 671 Zimmermann an Grünau, Tel. 649, 17. Apr. 1917, ebd. pp 121 – 122 Dok. 74.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Bethmann Hollweg setzte Botschafter Wedel umgehend von der Denkschrift in Kenntnis und übermittelte ihm eine Abschrift.672 In der am 18. April 1917 an den Kanzler gerichteten Depesche Wedels, in der dieser zunächst klagte: „Graf Czernin hat mir gegenüber, obwohl ich ihn fast täglich sehe, das (…) Exposé mit keiner Silbe erwähnt (…)“, heißt es nämlich: Czernin spricht in seinem Exposé von schweren Opfern. Er hat mir gegenüber kurz vor der Homburger Reise zweimal betont, Österreich würde für die Erzielung eines allgemeinen Friedens sofort zu Opfern bereit sein, aber leider nütze ein Opfer Österreichs nichts, eine Preisgabe des Trentino werde höchstens Italien zu einem Sonderfrieden bewegen, womit nicht viel gewonnen sei, und mit Galizien als Preis sei erst recht nichts anzufangen. Damit soll angedeutet werden, dass wir das Opfer bringen müssten und dabei wird auf ein grösseres Stück von Elsass-Lothringen angespielt. (…) – Das Bedenkliche ist, dass ­Kaiser Karl, von Natur schon weich, von den hohen Frauen seiner Familie und von Geistlichen aus ethischen und religiösen Gründen und aus nervöser Revolutionsfurcht zum raschesten Friedensschluss gedrängt wird und dass Graf Czernin, selbst ängstlich geworden, dem zumindest nicht entgegenarbeitet.673

Admiral Holtzendorff nahm, der dringlichen Bitte Zimmermanns vom 17. April nachkommend, bereits am folgenden Tag ausführlich zu der Denkschrift Stellung: Die Ausführungen des Grafen Czernin über den U-Bootkrieg zeugen von einem Mangel an Vertrauen in den entscheidenden Erfolg dieser Waffe (…). Wenn in Wien so wenig günstige Nachrichten über die Wirkung des U-Bootkrieges vorliegen, so ist man dort anders unterrichtet wie wir (…). Das Tempo, in dem der U-Bootkrieg Schiffsraum vernichtet, schliesst jeden Gedanken daran aus, dass Schiffsneubauten den erforderlichen Frachtraum schaffen können. (…) – Graf Czernin hat leider nur einseitig geschildert (…). Auch Frankreich wird, schneller noch als Graf Czernin dies für Österreich fürchtet, am Ende seiner Kraft sein. (…) Das ­gleiche gilt in noch stärkerem Masse für Italien. Wenn Graf Czernin auch erwähnt, dass er auf die Schwächung Russlands durch die Revolution gewisse Hoffnungen setzen zu dürfen glaubt, so fehlt in seinen Ausführungen doch der Hinweis auf die Möglichkeit eines russischen Sonderfriedens, der die verbündeten Mittelmächte in eine militärisch so überwiegend starke Stellung (…) bringen würde, dass Frankreich und Italien zum schnellen Friedensschluss gezwungen würden. (…) Die Ausführungen des Grafen Czernin, die darin gipfeln: lieber einen

672 Vor dem 2. Unterausschuss des Untersuchungsausschusses des dt. Reichstages sagte Wedel am 18. Dez. 1922 aus: „Ich bekam eine Abschrift zugeschickt, ganz geheim (…).“ Wedel Aussage 18. Dez. 1922, Steglich 1984, 480 Dok. 338. 673 Wedel an Bethmann Hollweg, Dep. 116, 18. Apr. 1917, SG 2 1966, 126 – 128 Dok. 77, Fester 1925, 251 – 253 Anh. 2.

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­schlechten Frieden als Revolution, sind für einen Deutschen völlig unverständlich. (…) Eine Revolution wird aber gewiss nicht die Antwort des Volkes auf die Forderung des Herrschers sein, die wenigen Monate bis zu dem sicher in Aussicht stehenden siegreichen Frieden selbst unter Entbehrungen durchzuhalten.674

Am 19. April erreichte Zimmermann auch eine durch Grünau übermittelte Stellungnahme Ludendorffs. In ihr hieß es: Militärisch ist die russische Revolution für uns nur als Vorteil zu bezeichnen. Durch ihre Wirkungen hat sich die Kriegslage für uns so glücklich entwickelt, dass wir mit einer Offensive der Russen nicht mehr zu rechnen brauchen, und jetzt schon Kräfte fortziehen können. (…) – Erleichtert sich die Lage im Osten noch weiterhin, so können wir dort noch mehr Kräfte freimachen (…). Mit d ­ iesem Zuschuss gleichen wir die Kräfteverhältnisse im Westen zu unseren Gunsten aus. (…) – Auf der See wirken die U-Boote besser, als der Admiralstab es voraus­ gesagt hat. Die Zweifel des Grafen Czernin (…) sind unberechtigt: wir können erwarten, dass in (…) 5 – 6 Monaten ein voller Erfolg (Randbem. von der Hand Bethmann Hollwegs: ‚Was heisst das?‘) erzielt werden wird. – Die Aussicht (…) macht unsere Position so stark (…), dass wir jedem militärischen Ereignis mit vollem Vertrauen entgegensehen können und auch in der Lage sein werden, den Kampf auch ohne Österreich fortzusetzen. (…) – Die Verpflegungslage ist gewiss schwierig. (…) – Der Ausgang des Krieges ist mehr als je eine Nervenfrage geworden. Die Nerven unserer Feinde sind, wie die russische Revolution und Vorgänge in Italien, Frankreich und England zeigen, mindestens ebenso angespannt wie bei uns. (…) – Nur indem wir unseren Willen zum Weiterkämpfen offen bekunden, werden wir auch bei unseren Feinden die Überzeugung hervorrufen, dass wir (…) nicht nachgeben wollen. Nur so wird eine Grundlage geschaffen, die zu Friedensverhandlungen führen kann, bei denen die Interessen der Verbündeten nicht zu kurz kommen.675

Am 23. April schließlich ließ Ludendorff dem Auswärtigen Amt depeschieren: „Rohmaterial für Munitionserzeugung und Menschen reichen noch für beide Monarchien. Für Oesterreich-Ungarn sind Bedenken um so mehr abzuweisen, als auf dem östlichen Kriegsschauplatz in absehbarer Zeit ein größerer Verbrauch an Menschen und Munition nicht eintreten dürfte.“ 676 Über das an Holtzendorffs und Ludendorffs Stellungnahmen abzulesende Ausbleiben der erhofften Wirkungen von Czernins Denkschrift schrieb Bethmann Hollweg:

674 Holtzendorff an Zimmermann, Tel. 5140, 18. Apr. 1917, SG 2 1966, 122 – 124 Dok. 75. 675 Grünau an A. A., Tel. 528, 19. Apr. 1917, ebd. pp 130 – 131 Dok. 80. 676 Grünau an A. A., Tel., 23. Apr. 1917, (MNN A), 9. März 1922, 1.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Im Großen Hauptquartier wurden seine offensichtlichen Übertreibungen als Ausdruck zusammenbrechender Nerven, nicht aber als Wiedergabe von Tatsachen aufgefaßt. Nicht nur eine etwa beabsichtigte Beeinflussung der Obersten Heeresleitung wurde verfehlt, sondern auch sonstige Bemühungen um Verhütung übertriebener Erwartungen wurden geschwächt. Zudem war der Zeitpunkt besonders ungünstig gewählt. Wir standen unmittelbar vor dem Beginn der großen feindlichen Westoffensive (…).677

Am 4. Mai konnte der Reichskanzler seine Antwort auf Czernins Denkschrift K ­ aiser Wilhelm vorlegen. Er hielt in ihr, wie er ­später schrieb, „der pessimistischen Darstellung des Grafen Czernin die nicht minder berechtigten günstigen Momente unserer Lage entgegen“.678 In der Antwort hieß es: Die deutsche Armee hat den gewaltigen Anprall der an Zahl weit überlegenen Feinde aufgehalten (…) – Die Ostfront ist durch die politischen Umwälzungen in Rußland erheblich entlastet; mit einer Offensive der Russen im größeren Stil ist nicht mehr zu rechnen. (…) Die Entlastung im Osten würde ferner der österreichisch-ungarischen Monarchie weiteres Menschenmaterial zur erfolgreichen Durchführung der Kämpfe an der italienischen Front (…) verschaffen. (…) – Die durch den U-Bootkrieg bisher erzielten Erfolge (…) gehen weit über die seinerzeitigen Berechnungen und Erwartungen hinaus. (…) Schon jetzt (…) steht fest, daß die Lücken, die der U-Bootkrieg in den verfügbaren Frachtraum reißt, die Lebenshaltung der (britischen) Bevölkerung auf ein unerträgliches Maß herabdrücken und die Kriegsindustrie so lähmen werden, daß die Hoffnung, Deutschland (…) zu schlagen, aufgegeben werden muß. (…) Augenblicklich wäre ein allgemeiner Friede nur durch Unterwerfung unter den Willen unserer Feinde zu erkaufen. (…) Ruhe, Entschlossenheit und eine nach außen dokumentierte Zuversicht scheinen mir deshalb mehr denn je geboten. (…) Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß Rußland den Schein des Verrats an seinen Verbündeten wird vermeiden und einen Modus suchen wollen, der faktisch einen Friedenszustand ­zwischen Rußland und den Mittelmächten herbeiführt, äußerlich aber (…) das Präludium zum allgemeinen Frieden darstellt.679

Kaiser Wilhelm paraphierte die Stellungnahme des Kanzlers am 8. Mai und sandte sie am 11. Mai an ­Kaiser Karl,680 und dies zusammen mit einem persönlichen Schreiben, in dem es hieß: 677 Bethmann Hollweg 2 1922, 202 – 203. 678 Ebd. p 203. 679 Bethmann Hollweg an Ks. Wilhelm 4. Mai 1917, Ludendorff 1920, 380 – 383 Dok. XVII /2, SG 2 1966, 169 – 172 Dok. 104. 680 Antw. Bethmanns, 9. Mai 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 989 – 993, Czernin 1919, 204 – 210.

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Ich halte dafür, dass der Bericht die Gesamtlage richtig darstellt. Unsere Erfolge an der Westfront und zur See bestärken noch meine Zuversicht auf ein glückliches Endergebnis. – (…) Die wachsenden Schwierigkeiten (…) verkenne ich nicht und verschliesse auch nicht die Augen vor möglichen Rückwirkungen der russischen Revolution. Ich glaube aber, dass auch in dieser Beziehung die Verhältnisse bei den (…) auf den Schlachtfeldern siegreichen Zentral­ mächten anders liegen wie bei Russland (…). Uns könnte gerade ein Friede, der unseren Ländern grosse Opfer auferlegt, wegen der damit verbundenen Depression in unserem ganzen Wirtschafts- und Erwerbsleben im Zusammenhang mit der ja nicht gleich bei Friedensschluss behobenen allgemeinen Lebensmittelknappheit Gefahren (…) in sich bergen. – Ich gebe mich der Hoffnung hin, dass Du den Anschauungen beipflichten wirst, die mich in Bezug auf Krieg und Frieden erfüllen.681

2.12 Italienisches Separatfriedensangebot? Kaiser Karls zweiter Brief an Sixtus Am 26. März 1917, dem Tag an dem Czernin auf der Konferenz in Berlin von einem „Angebot des Königs von Italien evtl. einen Separatfrieden zu schliessen“ sprach, über welches ihm „der Herr Reichskanzler neulich in Wien Mitteilung gemacht“ habe, wurde Zimmermann vom Gesandten Romberg über ein von einer nicht näher charakterisierten Person übermitteltes italienisches Angebot in Kenntnis gesetzt: Simson berichtet: Einverständnis zur Fühlungnahme mit Wien auf dem von Ihnen­(­ Zimmermann) vorgeschlagenen Weg erteilt. Als vorläufige, zweifellos stark zu reduzierende Bedingungen werden genannt: Trient, Vorherrschaft in Istrien, wogegen sich über Besitz von Valona würde reden ­lassen. Trient wurde als conditio sine qua non bezeichnet. Gegenvorschlag wird schnellstens erwartet. Falls diese Verhandlung ermöglicht, werde (s)ich Separatfrieden innerhalb 14 Tagen schliessen lassen, der nach bestimmter Überzeugung der Gegenseite Zusammenbruch der Entente zur Folge haben würde. – Man rechne bestimmt mit unmittelbar bevorstehender österreichischer von uns unterstützter Offensive, die natürlich Verhandlungen unmöglich machen würde.682

681 Ks. Wilhelm an Ks. Karl 11. Mai 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 987 – 988, idem: SG 2 1966, 191 Dok. 113. 682 Romberg an A. A., Tel. 542, 26. März 1917, SG 2 1966, 61 Dok. 34. – Scherer und Grunewald merkten dazu an: „Les archives de l’Office des Affaires Étrangères ne contiennent pas de documents donnant des renseigne­ments précis sur les débuts de cette négociation. Deux documents (…) nous apprennent que Simson se rendit à Berlin le 10 février et le 9 mars 1917 pour conférer avec Zimmermann. Après la première entrevue, Zimmermann avait télégraphié à la Légation à Berne le 10 février (…): ,Bitte Froberg (?) umgehend anweisen, Carbone (…) mitteilen, es besteht hier Interesse an Angelegenheit (…)‘.“ Ebd. Anm. 1.

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Und am nächsten Tag telegrafierte der Gesandte präzisierend: Unter Trient ist Trentino bis einschließlich Stadt Trient zu verstehen. Was unter Begriff Vorherrschaft in Istrien zu verstehen, ist nicht auseinandergesetzt worden, da Simson jede Möglichkeit derartiger Konzession von vornherein abgelehnt hat. – Bedingungen vorläufig von Gegenseite nur ganz brieflich (sic!) übermittelt, da infolge unserer betreffenden Fühlungnahme mit Wien (…) Entsendung Unterhändlers erst nach grundsätzlicher Stellungnahme von Wien beabsichtigt. Entsendung Herrn von Bergens daher m. E. noch nicht erforderlich.683

Die von Romberg präzisierten Bedingungen ließ Zimmermann am 30. März telegrafisch an die Botschaft in Wien mit den Worten durchgeben: Bitte Graf Czernin mitteilen, dass nachstehende Ergänzung zu der ihm bekannten Meldung eingegangen ist. (…) Ich wäre dem Minister für Angabe der gewünschten Antwort dankbar. (Soll der Faden weiter gesponnen werden, möchte ich etwa folgende Fassung vorschlagen: ‚Wien ist zum Eintritt in Verhandlungen auf der Basis gegenseitiger Grenzkorrekturen bereit.‘)684

Dem Entwurf ­dieses Telegramms liegt im Akt eine vom 29. März datierte Notiz ­Bethmann Hollwegs bei, die erhebliche Zweifel des Kanzlers an der Seriosität der aus Bern berichteten Kontakte erkennen lässt. So heißt es in ihr: Ich möchte anheimstellen, das Telegramm nach Wien bei den Worten ‚Antwort dankbar‘ endigen zu lassen. Geben wir den danach folgenden Ratschlag, so antwortet Wien, dass es zur Abtretung des Trento bereit wäre, wenn wir ihm ein Stück Schlesien geben. Vor diese Alternative dürfen wir uns nicht stellen lassen, namentlich so lange gar nicht feststeht, ob der italienische Fühler seriös ist. – Ich würde ferner vorschlagen, an Romberg zu telegraphieren, dass der zweite Absatz seines Telegramms nicht ganz verständlich sei. Was ist betreffende Fühlungnahme mit Wien? Ich hatte Simson ausdrücklich beauftragt, dem Mittelsmann zu sagen, dass ich bei der diskreten Art, in der uns das italienische Angebot übermittelt sei, mit Wien überhaupt erst nach ausdrücklicher Zustimmung des Königs von Italien in Verbindung ­treten würde. Es ist also ganz unverständlich, wie ‚unsere betreffende Fühlungnahme mit Wien‘

683 Romberg an A. A., Tel. 550, 27. März 1917, SG 2 1966, 62 Dok. 35. 684 Zimmermann an Botschaft Wien, Tel. 196, 30. März 1917, SG 2 1966, 64 – 65 Dok. 37. – Bihl schrieb unter wenig gerechtfertigter Berufung auf Fester. Fester 1938, 42 dazu: „Le 30 mars, il fut possible de rendre publiques les conditions que l’Italie (sic!) avait posées à Vienne. L’Italie demanda le Trentin jusqu’à Trieste (sic!), y compris la ville de Trieste (sic!).“ Bihl 1993 43, 170, 51 (Vortrag 1990). Inwieferne Zimmermanns Telegramm an Czernin eine „Veröffentlichung“ der „conditions que l’Italie (sic!) avait posées“ hätte darstellen können, erklärte Bihl nicht.

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den König veranlasst haben könnte, keinen seriösen Mittelsmann zu ­schicken, sondern ganz unklare Propositionen brieflich zu übermitteln.685

Näheres über den „Mittelsmann“ und seine „unklaren Propositionen“ konnten B ­ ethmann Hollweg und Zimmermann nicht in Erfahrung bringen. Wie Rombergs Aussage von 1922 vor dem Untersuchungsausschuss zeigt, wusste auch er herzlich wenig über diesen „Mittelsmann“ und die mit ihm gepflogenen Kontakte: Es handelt sich darum, daß eine Persönlichkeit, deren Name und auch deren Stellung ich nicht mehr recht weiß, in Zürich sich an einen Vertreter der Gesandtschaft gewandt hat und angab, er käme im Auftrag des Generals Cadorna, und eine Friedensproposition machte. (…) Die Sache ist (…) mit Wien besprochen worden und ist dann mehr oder weniger im Sande verlaufen, weil, glaube ich, die Wiener Antwort unbefriedigend war. So ungefähr. Ich kann nur persönlich sagen, daß wir (…) nicht feststellen konnten, von wem diese Aktion wirklich inspiriert war. Die Persönlichkeit hat auch keine Beglaubigung mitgebracht. (…) Wir hatten den Eindruck, daß, da gerade eine Offensive gegen Italien spielte, man diese Offensive gern verhindern wollte. (…) – Die Verhandlungen sind hier zum großen Teile mündlich geführt worden, und zwar durch einen (sic!) Legationssekretär von Simson (…). Aufzeichnungen über seine Mitteilungen habe ich nicht gefunden.686

Sicher erscheint also lediglich, dass der „Mittelsmann“ bzw. die „Persönlichkeit“ zu den Gesprächen mit Simson keine Beglaubigung mitbrachte. Weshalb Romberg bei seiner Einvernahme reichlich unbestimmt von „einem Legationssekretär von Simson“ sprach und nicht von einem ihm vertrauten Angehörigen seiner Mission, wird klar aus Berichten der k. u. k. Gesandten in Bern. Gagern teilte am 20. Februar 1915 mit, dass Hermann Paul von Simson, „welcher kein Beamter ist, dem deutschen Generalkonsulat in Zürich (…) zugeteilt ist, um Verbindungen mit der schweizerischen Presse zu unterhalten. Derselbe soll ausserdem auch noch eine mit dem Lieferungswesen im Zusammenhang stehende vertrauliche Mission haben.“ 687 Und Musulin, der Gagern im Jänner 1917 auf dem Berner Posten ablöste, berichtete am 9. März ­dieses Jahres: „Der Betrieb des deutschen Kundschafterchefs (sic!) Simson in Zürich, der ein viel grösserer ist, als irgend ein anderer, fungiert seit Kriegsbeginn anstandslos unter der Firma eines Pressbureaus.“ 688 685 Notiz Bethmann Hollwegs, Anm. 3 zu: Zimmermann an Botschaft Wien, Tel. 196, 30. März 1917, SG 2 1966, 64 – 65 Dok. 37. 686 Romberg Aussage vor 2. UnterA 31. Jän. 1922, Steglich 1974, 205 – 206 Dok. 8. 687 Gagern an Burián, Ber. 16/P.-B, 20. Feb. 1915, HHStA PA I, 844 Krieg 5a fol. 121 – 121v. 688 Musulin an Czernin, Ber. 30D/P, 9. März 1917, HHStA PA I, 869 Krieg 5l, 6) fol. 56 – 56v.

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Auch in einem am 3. April 1917 an Musulin gerichteten Schreiben Ernst Maurigs, des k. u. k. Generalkonsuls in Zürich, ist von Simson und seiner Funktion die Rede. Maurig berichtete aus Anlass der Affäre um den Einbruch in das Büro des nachrichtendienstlich tätigen k. u. k. Linienschiffskapitäns Rudolf Mayer, die „mit dem Abwehrdienste betrauten Herren“ des Konsulats stünden nicht unter dem „Schutz der Exterritorialität“. Er habe (…) mit dem deutschen Konsulate über die Frage der Sicherheiten, ­welche die effektiven Beamten geniessen, besprochen, wobei festgestellt wurde, dass nur die Archive als (…) unantastbar angesehen werden. Infolgedessen hat (…) Simson auf allen seinen Türen die Aufschrift ‚Archiv des Generalkonsulates‘ angebracht. Er selbst wurde zum Mitglied der deutschen Gesandtschaft (…) ernannt, damit er (…) entsprechende Sicherheiten geniesse. Diese Vorsicht hat auch tatsächlich ihre Früchte getragen, als (…) Simson, dessen diplomatische Stellung dem Zürcher Strafgericht nicht bekannt war, vor dasselbe vorgeladen wurde.689

Czernin war angesichts d ­ ieses ihm zunächst durchaus real erscheinenden „italienischen Angebots“ bestrebt, einerseits seine Bereitschaft zu Gesprächen zu betonen, andererseits aber in Berlin keinen Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass seine bei der Konferenz vom 26. März 1917 abgegebene Erklärung, eine Abtretung österreichischen Gebietes an Italien könne nicht in Frage kommen, auch in Hinkunft Gültigkeit habe. In ­diesem Sinne wies er am 31. März Botschafter Hohenlohe an: „Euer Durchlaucht wollen dem Herrn Reichskanzler sofort mitteilen, daß territoriale Konzessionen an Italien ausgeschlossen sind. Auf Grund des status quo ante wären wir bereit einen Separatfrieden seitens Italien anzunehmen.“ 690 Der Botschafter kam, wie sein am 1. April an Czernin gesandtes Telegramm und eine vom selben Tag datierte Notiz Stumms zeigen 691, dieser Weisung umgehend nach. Hohenlohe berichtete nach Wien: Graf Wedel hat heute telegraphisch berichtet, dass sowohl Euer Exzellenz wie Graf Clam erklärt hätten, die Monarchie könne aus inneren Gründen unmöglich mehr länger wie sechs Wochen aushalten, müsse daher um jeden Preis Frieden schliessen. – Man kann sich im Auswärtigen Amt diese Meldung (…) mit der Erklärung Euerer Exzellenz, dass territoriale Abtretungen an Italien ausgeschlossen ­seien, nicht zusammenreimen.692 689 Maurig an Musulin, Ber. 7161 Res., 3. Apr. 1917, ebd. o. Fz.– Im Buch des Prinzen Sixtus wird Simson als „secrétaire de la Légation de l’empire allemand“ bezeichnet, also sein Dienstrang Legationssekretär als Angabe seiner Funktion angesehen. Sixtus 1920, 310. 690 Czernin an Hohenlohe, Tel. 199, 31. März 1917, HHStA PA I, 511 XLVII/5g fol. 754, idem: HHStA PA I, 524 XLVII/13.2 fol. 136 – 136v. 691 Stumm, Notiz 1. Apr. 1917, SG 2 1966, 73 – 74 Dok. 43. 692 Hohenlohe an Czernin, Tel. 210, 1. Apr. 1917, HHStA PA I, 524 XLVII/13.3 fol. 129.

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Marterer zufolge teilte Czernin, wie bereits erwähnt, dem ­Kaiser kurz nach der Abreise nach Homburg am 2. April mit, „Italiener habe ein Friedensangebot gemacht, v­ erlangen aber das Trentino“.693 Das Auswärtige Amt ließ in Anbetracht der durch Hohenlohe am 31. März mitgeteilten Erklärung Czernins, dass für Österreich-Ungarn ein Separatfrieden mit Italien nur auf Basis des Status quo ante in Frage komme, Romberg am 10. April wissen: „Auf den angegebenen Grundlagen lassen sich Verhandlungen mit Wien nicht ermöglichen.“ 694 Daraufhin erbat sich der Gesandte Weisung, ob dies „dem Vertrauensmann ohne weiteres mitgeteilt werden soll. Es liegt auf der Hand und ist auch Simsons bestimmter Eindruck, dass damit das Gespräch schroff und endgültig abgebrochen und SeparatFriedens-Gedanke begraben wäre.“ Es wäre überaus wünschenswert, „dass erst einmal eine Aussprache ­zwischen zwei autorisierten Unterhändlern stattfindet um festzustellen, ob überhaupt Verständigung möglich“.695 In Berlin scheinen diesbezüglich schwere Bedenken gehegt worden zu sein. Darauf weist ein Telegramm Zimmermanns an die Gesandtschaft in Bern vom 11. April hin, in dem es heißt: Die bisher italienischerseits mitgeteilten Bedingungen schliessen Erfolg von vornherein aus. Wien wäre eventuell für gegenseitige Grenzberichtigungen zu haben. Zu weiteren Konzessionen, namentlich zur Abtretung des Trentino könnten wir Wien schon deshalb nicht zureden, weil wir österreichisch-italienischem Separatfrieden skeptisch gegenüber stehen und wohl mit Sicherheit erwarten müssen, dass Wien im Falle des Zustandekommens von Frieden mit Italien auf Grund Abtretung des Trentino von uns zur Herbeiführung Friedens mit Frankreich Abtretung erheblicher Teile Elsass-Lothringens verlangen würde. Dagegen habe ich kein Bedenken gegen Mitteilung an Unterhändler, dass wir italienische Wünsche nach Separatverständigung in Wien zu empfehlen geneigt wären, wenn Italien sich mit Status quo unter gegenseitigen Grenzberichtigungen abfinden will.696

Johannes Prinz von Schönburg-Hartenstein, der seit dem Kriegseintritt Italiens in der Schweiz residierende k. u. k. Botschafter beim Heiligen Stuhl, berichtete am 14. April ebenfalls von einem italienischen Kontaktversuch, und zwar einen Erzberger involvierenden. Dieser habe „von einem Vertrauensmann des Generals Cadorna, wie schon früher einmal (…) Message mit Andeutungen erhalten, ob wir nicht zu Spezialverhandlungen bereit wären, wobei auch die einzuschlagenden Wege und Mittelspersonen Herrn 693 Marterer TB-Eintr. 5. Apr. 1917, KA NL Marterer B/16, V. 694 A. A. an Romberg, Tel. 642, 10. Apr. 1917, SG 2 1966, 89 – 90 Dok. 56 Anm. 1. 695 Romberg an A. A., Tel. 642, 10. Apr. 1917, ebd. pp 89 – 90 Dok. 56. 696 Zimmermann an Gesandtschaft Bern, Tel. 418, 11. Apr. 1917, SG 2 1966, 91 – 92 Dok. 58.

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Erzberger genau bekannt sind“.697 Mehr als diese „Andeutungen“ und Konkreteres über den „Vertrauensmann des Generals Cadorna“ wurde in der Folge weder von Schönburg noch von Erzberger gemeldet. Prinz Sixtus berichtete 1920 in l’Opinion und bald darauf auch in l’Offre de paix separée darüber, wie er von dem „italienischen Separatfriedensangebot“ Kenntnis erhalten habe. Und zwar sei ihm von Erdődy am 4. Mai 1917 in Neuchâtel mitgeteilt worden: „Il y a trois semaines environ, l’Italie a proposé la paix à l’empereur en n’exigeant que le seul Tyrol de langue italienne.“ Das Angebot gehe nicht von Rom und nicht von Sonnino aus, sondern vom italienischen Hauptquartier, in dem sich Cadorna als Diktator geriere. Obwohl die gestellte Bedingung von ­Kaiser Karl und Czernin als erfüllbar angesehen werde, habe der K ­ aiser es abgelehnt auf das Angebot einzugehen, „pour ne pas faire double emploi avec les négociations actuelles“. Mit diesen waren die mit Sixtus gepflogenen Kontakte gemeint, von „négociations“ zu sprechen war allerdings angesichts des Standes der Dinge und des keineswegs offiziellen Status des Prinzen reichlich gewagt. Erdődy habe auch gesagt, die Abhaltung eines Plebiszits im Trentino sei nicht möglich: Es fiele zwar gegen Italien aus, schüfe aber einen Präzedenzfall, den man der anderen Nationalitäten der Monarchie wegen nicht zulassen könne. Im Übrigen werde „la Russie“ der Monarchie den Frieden anbieten. Auf diese Mitteilungen Erdődys, die dringende Bitte ­Kaiser Karls – „il est absolument nécessaire que je te voie“ – und die von Erdődy überbrachte briefliche Aufforderung der Kaiserin – „Il y a des choses nouvelles (…) L’Italie veut obtenir davantage par vous que directement par nous. Viens“ – hin habe er, Sixtus, sich entschlossen, wieder nach Wien zu reisen. Und dies in der Absicht, den ­Kaiser dazu zu bewegen, das italienische Angebot unverzüglich anzunehmen, „car cette acceptation directe amènerait la paix séparée immédiate avec l’Entente tout entière et la capitulation de la Bulgarie aussi bien que celle de la Turquie“.698 Was Zita zu ihren Worten veranlasst hatte, Italien wolle durch Sixtus mehr erreichen „que directement par nous“, konnte dem Prinzen nur schleierhaft sein, was auch für die Nachgeborenen zutrifft. Dem Grafen Erdődy übergab Sixtus vor dessen Rückreise nach Wien am 5. Mai den Entwurf eines vom ­Kaiser an ihn zu richtenden Briefes.699 Über die Neuenburger Gespräche mit Erdődy ließ Sixtus durch seinen Vertrauten Georges de Manteyer den Protokollchef des Pariser Außenministeriums William Martin informieren, welcher wiederum Poincaré und Ribot in Kenntnis setzte. Der letztere hielt es, einer Tagebucheintragung Poincarés vom 10. Mai zufolge, für angebracht, Vorsicht walten zu lassen: K ­ aiser Karl könnte mit dem deutschen K ­ aiser im

697 Musulin (Schönburg) an M. d. Ä., Tel. 304, 14. Apr. 1917, HHStA PA I, 956 Krieg 25t fol. 381 – 381v. 698 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 20 – 21, Sixtus 1920, 159 – 163. 699 Sixtus 1920, 163 – 165.

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Einvernehmen stehen.700 Eine von Martin erstellte Zusammenfassung des ihm von Manteyer Berichteten sandte Ribot am 12. Mai an Lloyd George und äußerte sich dabei sehr skeptisch über die Nachricht von dem italienischen Anerbieten: „Il est invraisemblable qu’aucune démarche de ce genre ait pu être faite au nom du roi ou avec l’autorisation même tacite d’une personne responsable“. Die Mitteilungen des Prinzen ­seien aber insofern interessant, als sie auf den „état d’esprit de l’empereur“ und seine Bereitschaft schließen ließen, Italien das Trentino abzutreten.701 Lloyd George antwortete zwei Tage s­ päter, er erachte eine ehebaldigste Zusammenkunft mit Ribot und dessen „informateur“ als sehr wünschenwert.702 Ribot teilte dies unverzüglich Poincaré mit und stellte ihm auch vor, ­welche Schritte er für angezeigt erachte. Der Präsident hielt darüber am 19. Mai fest: Ribot me prévient qu’il a reçu, de Lloyd George, une lettre où celui-ci, très frappé de ses dernières conversations avec le prince Sixte, demande qu’on ne laisse pas tomber les propositions autrichiennes; mais Ribot estime qu’il est impossible d’aller plus loin sans se concerter avec l’Italie. (…) L’affaire, répète-t-il, est assez importante pour justifier une rencontre des chefs d’État.703

Auch Botschafter Barrère scheint über die Gespräche in Neuchâtel informiert worden zu sein. Er telegrafierte nämlich am 15. Mai an Ribot: Il serait chimérique de compter sur la possibilité d’amener l’Italie à sacrifier de bonne grâce ses aspirations nationales dont la satisfaction est subordonnée à la défaite de l’Autriche. Comme les autres Alliées, elle ne sacrifierait ses buts de guerre que devant l’impossibilité démontrée de vaincre. (…) L’idée de détacher l’Autriche de l’Allemagne avant de l’avoir réduite à subir la loi du vainqueur apparaît donc comme une utopie (…) incompatible avec la conservation de l’alliance italienne (…).704

Sixtus traf am Abend des 7. Mai in Wien ein. Folgt man seiner Darstellung, so teilte ihm ­Kaiser Karl am nächsten Tage in Laxenburg mehr ins Detail gehend das mit, was er ihm schon durch Erdődy hatte sagen lassen: Die Demarche sei in Bern erfolgt, „l’envoyé aurait été un colonel italien, sa personne était connue, il n’avait rien d’un intermédiaire marron“.705 Der geforderten Abtretung des italienischen Teils von Tirol könne er jedoch 700 Poincaré TB-Eintr. 10. Mai 1917, Poincaré IX 1932, 134 – 135. 701 Ribot an Lloyd George 12. Mai 1917, Ribot 1936, 105, Lloyd George WM. 4 1934, 2011 – 2013. 702 Lloyd George an Ribot 14. Mai 1917, Ribot 1936, 105 – 107. 703 Poincaré TB-Eintr. 19. Mai 1917, Poincaré IX 1932, 141 – 142. 704 Barrère an Ribot 15. Mai 1917, Ribot 193, 92. 705 Wie der K ­ aiser zu dieser Gewissheit kommen konnte, ist rätselhaft, denn in keinem Dokument ist von einem Offizier eines bestimmten Dienstgrades oder der Identität des „envoyé“ die Rede.

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nicht ohne eine Kompensation zustimmen. Darüber, worin eine ­solche bestehen könnte, scheint er sich nicht klar und auch nicht allen Vorschlägen des Prinzen zugänglich gewesen zu sein. Dieser schrieb dazu: „Ou trouver cette compensation? en Silésie ou dans les colonies allemandes?“ Sixtus habe schließlich geäußert, „qu’une colonie italienne pourrait faire l’affaire (…) l’Érythrée et la Somalie. (…) La nouveauté d’avoir un territoire en Afrique ne pourrait que plaire, surtout en échange d’une bande d’irrédentistes, tapageurs et insupportables. Le nègre vaut mieux que l’irrédentiste.“ 706 Zu dem Gespräch sei auch Czernin gestoßen, der die Erklärungen des Kaisers über die italienische Demarche wiederholt und erklärt habe, in Kürze „toutes les précisions nécessaires (nom de l’envoyé, date, etc.)“ mitzuteilen. Der Minister habe darauf bestanden, dass nur dann etwas an Italien abgetreten werden könne, wenn die Entente die Aufrechterhaltung des Status quo des übrigen Territoriums der Monarchie garantiere. Der ­Kaiser habe im Verlaufe des Gesprächs zugesagt, neuerlich einen Brief an ihn, ­Sixtus, zu schreiben, „dans laquelle il précisera sa volonté à l’égard de l’Italie et à laquelle l’Entente devra donner une réponse définitive (…)“.707 Am folgenden Tag, dem 9. Mai 1917, überreichte der ­Kaiser dem Prinzen tatsächlich einen Brief, in dessen erstem Abschnitt er sich genau an den ihm von Erdődy aus Neuchâtel überbrachten Entwurf hielt. Er erklärte darin mit Genugtuung feststellen zu können, dass Frankreich und England seine Ansichten über die Grundlagen eines Friedens teilten; beide Mächte setzten ihm jedoch ihre Entschlossenheit entgegen, nur dann in Verhandlungen einzutreten, wenn Italien an solchen mitwirke. Gerade Italien aber fordere ihn zum Friedensschluss auf, „en abandonnant toutes les prétentions inadmissibles de conquête qu’elle avait manifestées jusqu’ici sur les pays slaves de l’Adriatique“: Es beschränke seine Ansprüche nun auf den italienischsprachigen Teil Tirols. Die Prüfung der Aufforderung Italiens zum Friedensschluss habe er aufgeschoben, bis er die Antwort Frankreichs und Englands auf seine „ouvertures de paix“ kenne. Wer die Aufforderung in wessen Auftrag überbracht und was den Überbringer legitimiert habe, dies für Italien zu tun, ließ der K ­ aiser nicht wissen. Es verwundert nicht, dass Sixtus seinen Schwager darüber um nähere Auskunft bat 708 und auch über die Umstände, „qui ont accompagné l’invite italienne“.709 Im weiteren Text des Briefes aber hielt sich K ­ aiser Karl nicht an den Entwurf seines Schwagers, in dem es geheißen hatte, „je me déclare donc prêt à établir la paix entre la Monarchie et l’Entente, sur la base convenue avec la France et l’Angleterre, en y joignant la dernière demande faite par l’Italie (…). Cette base comporte (…) en 706 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 22, Sixtus 1920, 168 – 172. 707 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 22, Sixtus 1920, 168 – 172. 708 Ebd. 709 Sixtus 1920, 180.

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réponse à l’ouverture qui vient de m’être faite, l’abandon du Trentin de langue italienne à l’Italie (…).“ 710 Stattdessen schrieb der K ­ aiser höchst unbestimmt: „La bonne entente entre la Monar­ chie et la France et l’Angleterre sur un si grand nombre de points essentiels permettra, nous en sommes convaincus, de surmonter les dernières difficultés qui se présentent pour aboutir à une paix honorable.“ 711 Er übernahm auch nicht jene Passage des Entwurfes, in der es hieß: Cet établissement d’une paix séparée entre la Monarchie et l’Entente (…) ne peut, en aucun cas, m’amener à prendre les armes contre l’Empire allemand jusqu’à l’établissement de la paix générale. Cependant si, par méconnaissance de mes sentiments à son égard, l’Empire allemand venait (…) à attaquer la Monarchie, l’Entente devrait m’aider de toutes ses forces à repousser cette aggression inattendue (…).712

Statt dieser Sätze, die allein die leitenden Männer der Französischen Republik für eine Fortsetzung der Kontakte hätten gewinnen können, fand der ­Kaiser Worte des Dankes und Preises für sich, den Prinzen und das Haus Bourbon: „Je te remercie du concours que tu me prêtes maintenant pour cette œuvre de paix conçu par moi (…). Cette guerre t’a imposé (…) le devoir de rester fidèle à ton nom et au grand passé de ta Maison (…).“ 713 Wie Czernin in seiner Aktenmäßigen Zusammenstellung festhielt, forderte der ­Kaiser ihn am 9. Mai 1917 kurz vor der Abreise des Prinzen auf, ihm eine Zusammenfassung der Positionen der Monarchie zu übermitteln, damit er Sixtus „etwas Schriftliches als aide mémoire“ mitgeben könne. Czernin kam dieser Aufforderung nach und verfasste ein Aide-Mémoire in dem er festhielt: I. Eine einseitige Gebietsabtrennung ÖU. (Österreich-Ungarns) ist ausgeschlossen; bei einer Compensation durch anderes Gebiet wäre der Gedanke ventilirbar (sic!) falls in Betracht gezogen wird, dass der heldenhaft verteidigte, mit dem Blute unserer Soldaten getränkte Boden einen für uns unvergleichlich höheren Wert hat als irgend ein neues Gebiet. – II. Welches sind die Garantien die uns geboten werden dass bei der Conferenz die Integrität der Monarchie (mit den eventuell jetzt (sic! beschlossenen Grenzrectificationen) bestehen bleibt? – III. Eine definitive Antwort kann erst nach Beantwortung der vorstehenden zwei Punkte gegeben werden,

710 Ebd. 711 Ebd. 712 Ebd. p 164. 713 Ks. Karl an Sixtus 9. Mai 1917, Faksimile: Anonym (Sixtus) LI 3. Jän. 1920, 8 – 9, Sixtus 1920, Anh., ­Manteyer 1921, Anl., Druck: (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 23, Sixtus 1920, 177 – 178, Manteyer 1921, 145 – 146, Übers. ins Dt.: Polzer-Hoditz 1929, 603 Dok. XII.

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da ÖU. erst dann mit seinen Alliierten in Besprechungen eintreten kann. – IV. Immerhin ist ÖU. bereit die Besprechungen fortzusetzen und ist nach wie vor geneigt für einen ehrenvollen

Frieden zu arbeiten und damit auch den allgemeinen Frieden anzubahnen.714

Wie Sixtus schrieb, übergab ihm der ­Kaiser zugleich mit seinem Brief auch diese „note du comte Czernin“, als ­welche der Prinz das Schriftstück bezeichnete.715 Ein Faksimile ­dieses Aide-Mémoire des Ministers wurde, zusammen mit der von Sixtus vorgenommenen „Übersetzung“ des Textes ins Französische, ebenso wie Faksimiles der beiden Kaiserbriefe 1920 von der Pariser Wochenschrift l’Illustration und in l’Offre de paix séparée des Prinzen sowie 1921 im unter dem Namen Georges de ­Manteyers erschienenen Buch Austria’s Peace Offer publiziert, und dies ohne einen Hinweis ­darauf, wo diese Schriftstücke aufbewahrt würden und wer ihre Publikation ermöglicht habe.716 Die weitgehende Identität des anonymen Kommentars in l’Illustration mit entsprechenden Stellen im wenig ­später erschienenen Buch des Prinzen legt nahe, dass es sich bei dem Verfasser des Kommentars um Sixtus oder um seinen Vertrauten und Ghost writer, den Historiker Manteyer, handelte. Von l’Illustration wurde das Aide-Mémoire als Beweis dafür präsentiert, dass Czernins Behauptung vom 11. Dezember 1918, sich nie für einen Separatfrieden der Monarchie mit den Ententemächten eingesetzt zu haben – ein solcher Friede wäre „eine physische Unmöglichkeit“ 717 – erlogen sei. Und in seinen 1919 erschienenen Memoiren sei Czernin über die Sache seines Separatfriedensangebotes „comme chat sur braise“ gestiegen, herumgeschlichen wie die Katze um den heißen Brei. Dem des Deutschen kundigen Leser jedoch bewiesen das Faksimile des Czerninschen Aide-Mémoire und die bald darauf erfolgte Veröffentlichung seines deutschen Textes, dass der Minister tatsächlich nichts von einem Separat­frieden erwähnt und also keineswegs gelogen hatte. Aus dem deutschen Text des Punktes 2 über die Garantien, „dass bei der Conferenz die Integrität der Monarchie (mit den eventuell jetzt beschlossenen Grenzrectificationen) bestehen bleibt“, hatte Sixtus, so als ob Czernin bestimmte Grenzkorrekturen genannt oder ins Auge gefasst und einen bestimmten, die Integrität der Monarchie sichernden Modus verlangt hätte, komponiert: „En dehors de cette rectification de frontière envisagée, l’intégrité de la Monarchie doit être, dès à présent, garantié par l’Entente, de telle manière qu’elle soit assurée au moment où s’ouvrira la Conférence générale de la paix.“ Den Text des Punktes 3 aber: „Eine definitive Antwort kann erst nach Beantwortung der vorstehenden zwei Punkte 714 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 197. 715 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 23, Sixtus 1920, 178 – 179, Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 197. 716 Facsimile: Anonym (Sixtus) LI 3. Jän. 1920, 9, Sixtus 1920: Anh., Manteyer 1921, Anh., Druck: (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 23, Sixtus 1920, 178 – 179, Manteyer 1921, 146 – 147. 717 Czernin F-B M 12. Dez. (1918), 5 – 8.

Italienisches Separatfriedensangebot? Kaiser Karls zweiter Brief an Sixtus

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gegeben werden, da ÖU . erst dann mit seinen Alliierten in Besprechungen eintreten kann“, hatte der Prinz umgedichtet in: Aussitôt que les deux conditions sus-mentionnées (compensation à la rectification de frontière et garantie de l’intégrité de la Monarchie) auront été acceptées par l’Entente, l’Autriche-Hongrie pourra conclure sa paix séparée avec l’Entente. Alors seulement elle mettra ses alliés actuels au courant de la situation.718

Sixtus’ in l’Illustration vom 3. Jänner 1920 enthaltene „Übersetzung“ des Aide-Mémoire wurde am selben Tage in l’Opinion als „La Note de Czernin“ publiziert.719 Im Buch des Prinzen wurde der Text bald darauf als „Note autographe du comte Czernin jointe à la lettre impériale“ veröffentlicht, und dies sowohl in seinem deutschen Original als auch in der von Sixtus bewerkstelligten „Übersetzung“, in welcher er ihn, seinem Bericht zufolge, Poincaré zugleich mit dem Kaiserbrief vorgelesen hatte.720 Diese Veröffent­ lichungen zeigten, dass Sixtus mit seiner „Übersetzung“ den Wortlaut der Punkte 2 und 3 des Aide-Mémoire grob verfälscht hatte. So als ob er sich dessen nicht bewusst gewesen wäre, schrieb der Prinz über das Aide-Mémoire an einer anderen Stelle seines Buches als der „note du comte Czernin tendant à une paix séparée prochaine“.721 ­Czernin reagierte auf diese Publikation damit, dass er den deutschen Text zusammen mit einer ausführlichen Stellungnahme zum Artikel in l’Illustration der Korrespondenz Wilhelm anvertraute, sodass sich der Zeitungsleser am 13. Jänner über beides aus den Wiener Blättern informieren konnte.722 Die englische Ausgabe des Buches des Prinzen, die 1921 unter dem Titel Austria’s Peace Offer 1916 – 1917 erschien und für die Georges de Manteyer als Herausgeber, Sixtus hingegen nur als Autor des Introductory Letter genannt ist, enthält interessanterweise eine korrekte Übersetzung des deutschen Wortlautes des im Druck und auch als Faksimile wiedergegebenen Aide-Mémoire Czernins ins Englische. Korrekt ins Englische übertragen findet sich dort aber auch die durch den Prinzen bewerkstelligte „Übersetzung“ des Textes ins Französische.723 Eine Erklärung des Faktums, dass sich die Aussagen der beiden Texte grob unterscheiden, gab Manteyer nicht.724 718 Sixtus 1920, 178 – 180. 719 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 23. 720 Sixtus 1920, 178 – 180. 721 Ebd. p 346. 722 (A-Z M), 13. Jän. 1920, 2, (NFP M), 13. Jän. 1920, 1, (WZ), 13. Jän. 1920, 8 – 9. 723 Manteyer 1921, 147 – 149. 724 Kovács blieb es vorbehalten, d ­ iesem Manko Abhilfe zu schaffen. Sixtus habe sich zu dichterischen Freiheiten förmlich gezwungen gesehen: „Czernin (…) hatte so gewunden und unpräzis formuliert, daß Prinz Sixtus seine Bedingungen in der französischen Übersetzung ‚frisierte‘ (…).“ Kovács 2007, 128.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Sixtus fuhr noch am Abend des 9. Mai 1917 zurück nach Neuchâtel, zufrieden mit dem in Wien Erreichten und „dans l’espoir de voir la guerre se terminer bientôt et si heureusement“.725 Die von ihm erbetene Auskunft über die genauen Umstände, unter denen „l’invite italienne“ erfolgt war, habe ihm sein kaiserlicher Schwager durch Erdődy am 12. Mai mit den Worten erteilen lassen: Un envoyé spécial est venu du Grand quartier général italien à Berne (…) il offrait la paix à condition que l’Autriche céderait le seul Trentin, Goritz et Monfalcone restant à l’Autriche. (…) Seule l’Aquilée deviendrait italienne. Cette offre était motivée par l’attitude générale de l’armée italienne qui en a assez de la guerre et par la crainte d’une révolution. Sonnino ne savait rien de cette démarche. Il est certain, toutefois, qu’elle a eu lieu d’accord avec un grand parti politique (Giolitti, Tittoni) et qu’elle émane du roi. – l’Allemagne était priée de peser sur l’Autriche pour l’acceptation de cette demande.726

Aufgrund welcher Fakten oder Informationen ­Kaiser Karl glaubte sicher sein zu können, dass das Angebot im Einvernehmen mit einer großen politischen Partei erfolgt und vom König ausgegangen war, darüber ließ er den Prinzen ebenso wie spätere Generationen im Dunklen. Ob den völlig im Bereich des Vagen und Erratischen gebliebenen Eröffnungen des italienischen Emissärs im Frühjahr 1917 irgendeine Seriosität beizumessen war und ist, erscheint mehr als zweifelhaft. Wahrscheinlich ist, dass es sich lediglich um eine sondierende Aktion der italienischen Geheimdienste handelte. Sixtus schrieb weiters, Erdődy habe ihm nun mitgeteilt, dass der K ­ aiser für eine Abtretung des „Trentin de langue italienne“ unmittelbar realisierbare Kompensationen verlange, nicht etwa Schlesien: „Personne n’est maître d’enlever maintenant la Silésie à l’Allemagne. L’Autriche ne peut se payer sur son alliée: la compensation doit venir du pays qui profite de la cession. Parmi les colonies italiennes, la Somalia (…), l’Érythrée (…) – Salonique?“ 727 Seinen Bericht über die „dires nouveaux“ Erdődys vom 12. Mai im Zusammenhang mit dem von ihm, Sixtus, so bezeichneten „projet de paix séparée“ schloss er mit den Sätzen: „L’empereur envisage l’opportunité d’achever les négociations en Suisse“ – die Verhandlungen mit dem Prinzen – „pour aboutir au plus vite. Il propose d’envoyer au prince, la prochaine fois, vers le 15 juin, avec le comte Erdődy, le prince Kinsky (…) Le prince, de son côté, pourrait être accompagné d’un diplomate de l’Entente (M. William Martin?).“ 728

725 Sixtus 1920, 174 – 175. 726 Dires (nouveaux) de l’envoyé de l’Empereur, (Sixtus) LO 17. Jän. 1920, 63, Sixtus 1920, 181. 727 Ebd. 728 Ebd. p 64 bzw. 185.

Italienisches Separatfriedensangebot? Kaiser Karls zweiter Brief an Sixtus

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Zwei Seiten weiter schrieb Sixtus, seiner Empfehlung, das italienische Angebot zu akzeptieren, sei ­Kaiser Karl unglücklicherweise nicht gefolgt. Stattdessen habe er darauf bestanden, mit Italien nur durch die Entente zu verhandeln: Diese solle um den 15. Juni einen Diplomaten in die Schweiz entsenden („un seul et unique“), um dort mit dem „prince“ (recte Grafen) Kinsky den Separatfrieden auf der vereinbarten Basis zu unterzeichnen. Dazu würde es genügen, dass Italien der Monarchie „la moindre de ses colonies africaines“ im Austausch gegen das Trentino und Aquileja abtrete; Italien müsse jedoch erklären, dass es sich mit diesen Erwerbungen zufriedengebe. Der Prinz schloss den Abschnitt seines Buches mit den Worten: „Oui, certes, la paix séparée paraît faite.“ 729 Czernin nahm an, wie dies sein dem zweiten Kaiserbrief beigefügtes Aide-Mémoire erkennen lässt, die Aktivitäten des Prinzen ­seien mit der französischen, wenn nicht auch mit der englischen, Regierung akkordiert. Eine Einweihung des deutschen Bündnispartners erschien ihm daher angezeigt, wozu er Bethmann Hollweg nach Wien einlud. Dieser schrieb darüber, Czernin habe ihn, wenige Tage nachdem seine Antwort auf die Denkschrift vom 12. April durch ­Kaiser Wilhelm nach Wien gesandt worden war, „zum Zwecke einer wichtigen Mitteilung um eine mündliche Besprechung“ gebeten. Ein Friedensangebot der Feinde liege vor. Daraufhin habe er sich entschlossen, am 12. Mai nach Wien zu fahren.730 Kurz vor Bethmann Hollwegs Wien-Reise hatte Grünau Staatssekretär Zimmermann über eine Mitteilung der Obersten Heeresleitung in Kenntnis gesetzt, nach der „Italien trotz Londoner Vertrag zum Sonderfrieden bereit wäre“. Quelle dieser Mitteilung sei „ein Ludwigsburger Großkaufmann, dem ein Endinger Rektor erzählt hatte, was ihm ein Italiener aus Como, hinter dem Senatoren neutralistischer Tendenz und Abgeordnete der Lombardei stünden, anvertraut habe (…)“.731 Zimmermann antwortete am 10. Mai: Ähnliche Anregungen sind des öfteren an uns herangebracht worden (…) Zur Prüfung des (…) Falles wäre es erwünscht, den Namen des deutschen Vertrauensmannes (…) und seines Gewährsmannes zu erfahren. (…) Ich habe bisher Bedenken getragen, auf die italienischen Sondierungen mit präzisen Gegenschlägen zu antworten, weil die italienischen (…) Wünsche noch sehr weit gehen und (…) unerfüllbar sind; ausserdem bildet der populäre Krieg gegen Italien noch immer ein wirksames Gegengewicht gegen die bestehende Friedensneigung in Österreich-Ungarn.732

729 730 731 732

Sixtus 1920, 187. Bethmann Hollweg 2 1922, 202 – 203. Fester 1938, 43. Zimmermann an Grünau, Tel. 877, 10. Mai 1917, SG 2 1966, 188 Dok. 111.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

In Wien führte der Kanzler, wie aus seinem Bericht an Wilhelm II. vom 14. Mai 1917 hervorgeht, in der Angelegenheit Gespräche sowohl mit Czernin als auch mit ­Kaiser Karl. In dem Bericht, den K ­ aiser Wilhelm mit Randbemerkungen versah, hielt B ­ ethmann Hollweg fest: England, Frankreich und Italien haben Österreich-Ungarn das Angebot zu einem Sonderfrieden gegen Abtretung von Trento und einer oder der anderen Insel an Italien gemacht. Österreich-Ungarn würde uns durch den Abschluss eines solchen Friedens nicht schädigen, denn die an der italienischen Front freiwerdenden österreichischen Truppen könnten den Schutz unserer Ostfront so übernehmen, dass wir unsere (…) Osttruppen an die Westfront werfen könnten. Auch würde die Blockade in der Adria aufhören. Österreich-Ungarn könnte über die Adria Lebensmittel hereinbekommen und davon nach Bedarf an uns abgeben. (Randbem. Ks. ­Wilhelms: ‚?!‘) Allerdings müssten aus Russland kommende Waren (Ks. W.: ‚Getreide?‘) (…) durch Österreich-Ungarn (Ks. W.: ‚?‘) nach der Schweiz transitieren dürfen. – So das unklare Angebot. Graf Czernin hat geantwortet, er nähme von ihm Akt und werde nach Rücksprache mit seinen Verbündeten Antwort erteilen, worauf ihm erwidert worden ist, dass diese Rücksprache als selbstverständlich erachtet werde und dass man nur an einen legitimen Sonderfrieden denke. (Ks. W.: ‚Als Parallele zu dem deutsch-russ. Sonderfrieden, den die Entente nicht mehr zu verhindern vermag? (…)‘.) – Ich habe sowohl (…) dem K ­ aiser Karl als auch dem Grafen Czernin gesagt, dass ich (…) nur nach Vortrag bei Eurer Majestät Stellung nehmen könne. (…) – Auf Wunsch des Generalfeldmarschalls von Hindenburg und meine Bitte wird Graf Czernin am 17. d. M. in Kreuznach eintreffen, um über unsere gemeinschaftlichen Kriegsziele namentlich auf dem Balkan zu sprechen. Euerer Majestät wage ich alleruntertänigst vorzuschlagen, dass bei dieser Gelegenheit auch die der Entente zu gebende Antwort festgestellt wird (Ks. W.: ‚Ja‘.), nachdem ich zuvor über alles Vorstehende, insonderheit auch über meine Vermutungen bezüglich des mir nicht genannten Namens des Überbringers des Friedensangebots noch mündlich Vortrag gehalten haben werde. – Dass Wien uns untreu werden könnte ist nach den bündigen Erklärungen (…) des Kaisers Karl und des Grafen Czernin ausgeschlossen. Beide haben indes den Wunsch, dass der angesponnene Unterhaltungsfaden nicht abgerissen wird. (Ks. W.: ‚Das Angebot zeigt doch wohl, dass der Entente der Athem anfängt auszugehen!‘.).733

Auf dem Telegramm findet sich der Vermerk Grünaus: „Ich habe Feldmarschall von Hindenburg und General Ludendorff Telegramm nebst allerhöchsten Randvermerken vorgelesen.“ 734 733 Bethmann Hollweg an Ks. Wilhelm, Tel. 1, 14. Mai 1917, SG 2 1966, 199 – 200 Dok. 118, idem mit geringfügigen Abweichungen u. ohne Randbem.: (MNN S/S), 11./12. März 1922, 1 – 2. 734 Ebd.

Italienisches Separatfriedensangebot? Kaiser Karls zweiter Brief an Sixtus

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Bethmann Hollweg schrieb s­ päter, Czernin habe ihm auf die Frage, wer denn der Überbringer des Angebots gewesen sei, gesagt, dies „wegen ehrenwörtlicher Bindung nicht beantworten zu können“. Er, Bethmann Hollweg, habe daraufhin erklärt, er erachte ein „offenes Zusammenwirken bei jeder sich bietenden Friedensaussicht als ebenso selbstverständlich (…) wie die Verfolgung aller realen Friedensmöglichkeiten“ und seine Zustimmung dazu gegeben, dass Czernin die „dargestellte Angelegenheit weiter verfolge“. Später auf ihre weitere Entwicklung angesprochen habe der Minister geantwortet, „die feindlichen Mächte hätten sich nicht wieder gemeldet“. Rückblickend schrieb Bethmann Hollweg, dies sei „die Form gewesen, in der mir, und zwar zum ersten und einzigen Male, (…) von der Affäre Kenntnis gegeben worden ist, die den Namen Sixtus von Parma trägt. (Wenn ihm auch) die Beteiligung des Hauses Parma nicht zweifelhaft (gewesen sei) als Czernin erklärte, den Namen des Vermittlers nicht nennen zu können (…), (so sei ihm doch) von den wirklichen Hergängen nichts (…) bekannt geworden.“ 735 Czernin äußerte 1919 zu den Gesprächen mit dem Kanzler: Ich habe niemals geleugnet, daß ich Verhandlungen mit dem Prinzen Sixtus gebilligt, gewünscht und selbst geführt habe, und ich habe selbstverständlich die volle Verantwortung für alles das, was ich selbst dem Prinzen gesagt, sowie für das, was ihm mit meinem Wissen von anderer Seite gesagt wurde, übernommen. Hingegen habe ich die Verantwortung für Mitteilungen und Zusagen (…), die ohne mein Wissen und hinter meinem Rücken erfolgt sind, abgelehnt. Der Reichskanzler (…) wurde damals sofort, und zwar durch mich, über den Inhalt (sic!) der Unterredung unterrichtet. Über jene Dinge, die ich damals selbst nicht wußte, konnte ich auch den Reichskanzler nicht aufklären.736

In seinem oben zitierten Bericht an ­Kaiser Wilhelm hatte Bethmann Hollweg allerdings nichts Derartiges anklingen lassen.737 Auf das von Bethmann Hollweg sogenannte Friedensangebot der Feinde nahm Botschafter Wedel in seinem Telegramm ans Auswärtige Amt vom 15. Mai 1917 Bezug: Nach freundschaftlicher, kordialer, offener Aussprache mit Graf Czernin halte für dringend erwünscht, dass Minister aus Hauptquartier befriedigende Perspektiven über österreichische Kriegsziele mitbringt. Verstimmungen gegen uns und auch Misstrauen hier im Wachsen, auch 735 Bethmann Hollweg 2 1922, 205. 736 Czernin (NFP M), 19. Aug. 1919, 7. 737 Fester schrieb 1938 ohne Angabe einer Quelle, der Reichskanzler habe „bei seiner Ankunft in Wien von Wedel gehört (…), daß der Überbringer des Angebotes Prinz Sixtus gewesen sei“. Fester 1938, 57. Dies erscheint jedoch nicht nur in Anbetracht der eben zitierten Schriftstücke, sondern auch wegen des Fehlens irgendwelcher Hinweise darauf, dass Wedel über die Besuche des Prinzen informiert gewesen wäre, sehr unwahrscheinlich.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

bei Hof, wo römischer (d. h. vatikanischer) Einfluss anscheinend sehr stark. Misstrauen beruht auf Gefühl, dass wir im Siegesfalle österreichische Interessen nicht genügend berücksichtigen würden. (…) – Bevor Entente unterliegt, wird sie alle Hebel einsetzen, um Bundesgenossen von uns zu trennen und ihnen glänzende Angebote machen. Bekannte Verbindung zum hiesigen Hof erleichtert Verständigung. Angebot könnte günstiger ausfallen als unsere Zusicherungen. (…) Österreich könnte vor Wahl gestellt werden, günstigen Frieden mit Entente zu schliessen oder Krieg mit ungewissem und hier nicht optimistisch beurteiltem Ausgang an unserer Seite zu Ende zu führen (…).738

Dass ­Kaiser Wilhelm der Idee eines Separatfriedens Österreich-Ungarns wenig abgewinnen konnte, zeigt eine von ihm zu Bethmann Hollwegs Bericht über die Wiener Besprechungen angelegte Notiz, in der es heißt: Das Angebot ist an Österreich gegangen als locus minoris resistentiae unseres Bundes, und eine schwere Versuchung für den vom nervösen Czernin stets in Unruhe gehaltenen ­Kaiser. Das Angebot muss abgelehnt werden. In d ­ iesem Falle wird dann Entente gezwungen, nicht mit dem schwächeren Österreich, sondern mit dem starken Deutschland zu verhandeln, was Entente vermeiden möchte; kommen wird sie! Denn das Angebot zeugt von Schwäche und Gefühl, nicht mehr den Sieg erringen zu können. Darum jetzt unbedingt fest bleiben, Österreich bei der Stange halten, mit Russland bald abschliessen und den U-Bootkrieg auf das intensivste fortsetzen!739

Czernin äußerte sich 1919 über das aus Bern berichtete obskure Separatfriedensangebot so: Im Winter 1917 klopfte es leise von Italien an: zu w ­ elchen territorialen Konzessionen die Monar­ chie sich entschließen würde? Es war dies keine Anfrage der italienischen Regierung, sondern der Schritt eines Privatmannes, welcher mir durch eine befreundete Regierung übermittelt wurde. Solche Demarchen sind natürlich ungemein schwer (…) zu prüfen. (…) – In dem vorliegenden Falle aber stand die Sache so, daß Italien sich von seinen Bundesgenossen bestimmt weder trennen wollte noch konnte. (…) – Diese Anfrage konnte daher keinen anderen Zweck verfolgen als den, den Grad unserer Kriegsmüdigkeit zu konstatieren. Hätte ich geantwortet, ich sei bereit, die oder jene Provinz preiszugeben, so wäre dies als ein (…) Symptom unserer zunehmenden Schwäche verbucht worden, hätte uns aber dem Frieden nicht nähergebracht (…). – Ich erwiderte daher (…), die Monarchie bezwecke keine Eroberungen und sei bereit, 738 Wedel an A. A., Tel. 270, 15. Mai 1917, (MNN S/S), 11./12. März 1922, 1 – 2, SG 2 1966, 203 Dok. 121. 739 Wilhelm II., Bemerkungen zur Meldung des Reichskanzlers aus Wien, o. D. (15. Mai 1917), SG 2 1966, 200 – 201 Dok. 120.

Die Resonanz des zweiten Kaiserbriefes bei der Entente

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auf der Basis des vorkriegerischen Besitzstandes zu verhandeln. Darauf erfolgte keine Antwort (…).740

Zur Darstellung des Prinzen Sixtus, Erdődy habe ihm gegenüber am 4. Mai 1917 in Neuchâtel erklärt: „Déjà cinq fois on a proposé la paix à l’Autriche depuis 1915, du coté russe notamment. – Il y a trois semaines environ, l’Italie a proposé la paix à l’empereur en n’exigeant que le seul Tyrol de langue italienne“,741 schrieb Czernin, es habe sich um „zwei (…) völlig aus der Luft gegriffene Behauptungen (gehandelt), die ich sofort widerlegt hätte, wenn Seine Majestät mir ein Wort darüber gesagt hätte. Sonnino selbst hat seit dem bestätigt, dass er niemals ein Friedensangebot gemacht habe und Kerenski hat niemals etwas nach Wien sagen lassen.“ 742 Am 8. Jänner 1920 erklärte Czernin: „Ein Friedensangebot der italienischen Regierung ist mir (…) niemals zugekommen. (…) Auch ein Friedensangebot Cadornas oder Kerenskis (…) ist mir völlig unbekannt.“ 743

2.13 Die Resonanz des zweiten Kaiserbriefes bei der Entente Sixtus war gleich nach seiner Rückkehr nach Paris am 16. Mai 1917 bemüht, den neuen Kaiserbrief Poincaré zur Kenntnis zu bringen.744 Dieser notierte darüber am 18. Mai: „Sixte est revenue de Suisse, décidé à me voir. Il rapporte une nouvelle lettre de l’empereur (…). Celui-ci affirme que les Italiens (le roi et Cadorna) ont envoyé à Berne un émissaire qui s’est mis en rapport avec l’ambassadeur d’Allemagne en vue de la paix (…).“ 745 Ein Zusammentreffen Poincarés und Ribots mit dem Prinzen fand am 20. Mai, statt. Sixtus schrieb darüber: „Le prince, en arrivant, trouve M. Poincaré seul. Il lui remet l’original de la lettre de l’empereur que le président lit; le prince lui lit ensuite la note Czernin.“ 746 Als Ribot dazugekommen sei, habe ihm der Präsident den Brief gereicht, „que M. Ribot lit“.747 Poincaré vermerkte zu ­diesem Treffen in seinem Tagebuch:

740 Czernin 1919, 190 – 191. 741 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 21, Sixtus 1920, 160. 742 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 196. 743 (NFP M), 13. Jän. 1920, 2, (WZ), 13. Jän. 1920, 8 – 9. 744 Sixtus 1920, 189, 193. 745 Poincaré TB-Eintr. 18. Mai 1917, Poincaré IX 1932, 140. 746 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 24, Sixtus 1920, 194. 747 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 24, Sixtus 1920, 194.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Le prince nous communique une lettre de son beau-frère, écrite au crayon. L’empereur est, paraît-il, atteint d’une paralysie partielle ou d’une foulure de la main qui l’empêche d’écrire à l’encre. Dans cette lettre, l’empereur dit qu’il est d’accord avec l’Angleterre et avec la France. Ribot s’écrie qu’il n’en est rien, que la France, et même l’Angleterre ont toujours réservé une entente avec l’Italie. – (…) Ribot et moi nous interrogeons le prince sur un passage de la lettre (…) où il est parlé d’une démarche italienne. Le prince nous répond qu’un émissaire italien est venu à Berne de la part du roi et d’un certain nombre d’hommes politiques italiens, et qu’il a vu successivement le ministre d’Allemagne et le ministre d’Autriche-Hongrie. Ribot croit que cet émissaire a faussement invoqué le nom du roi et qu’il était, en réalité, envoyé par des Italiens germanophiles. (…) – Le prince pense que l’empereur consentirait à céder à l’Italie le Trentin de langue italienne, à la condition d’obtenir une colonie comme compensation territoriale.748

Poincaré registrierte also nicht nur die Skepsis Ribots, sondern stand den Eröffnungen des Kaisers und des Prinzen auch selbst sehr argwöhnisch gegenüber. Ribot vertraute seinem Journal über diese Besprechung unter anderem an: Dans le cabinet du président (…) avec le prince Sixte: lettre autographe écrite au crayon: prétendu démarche faite, au nom du roi d’Italie, à la légation d’Allemagne et à la légation d’Autriche à Berne: on se contenterait du Tyrol de langue italienne (…). Je ne ferai rien si l’Italie n’est pas mise au courant de tout ce qui nous a été dit. On accepte. – Le prince part demain pour Londres. J’écris lettres particulières à Lloyd George et à Barrère.749

Der Prinz berichtete, Ribot habe ihn gebeten, Genaueres über die italienischen Vorschläge mitzuteilen. Er habe geantwortet, der K ­ aiser und Czernin hätten ihn wissen lassen, ein Abgesandter des italienischen Hauptquartiers sei in der deutschen Gesandtschaft in Bern erschienen „se disant envoyé du roi et du général Cadorna, priant l’Allemagne de transmettre à l’Autriche la volonté du roi de faire la paix moyennant la cession du seul Trentin à l’Italie. (…) M. Sonnino n’a pas été mis au courant de cette démarche.“ Ribot habe es von sich gewiesen zu glauben, dass der König und sein Generalstabschef sich hinter dem Rücken Sonninos in einer solchen Weise engagiert hätten. Er, Sixtus, habe erwidert, die gespaltene politische Meinung in Italien gebe sehr wohl Anlass dies zu glauben, und zwar insbesondere in Anbetracht der bekannten Einstellung des stellvertretenden Generalstabschefs, General Carlo Porro. Ribot habe eingeräumt, dass es wohl Porro zuzutrauen sei, einen seiner Offiziere zu einer derartigen Sondierung entsandt zu haben, für den König und Cadorna sei dies aber auszuschließen; er sehe auch nicht, welches Interesse diese an einer solchen Aktion 748 Poincaré TB-Eintr. 20. Mai 1917, Poincaré IX 1932, 142 – 143. 749 Ribot TB-Eintr. 20. Mai 1917, Ribot 1936, 103.

Die Resonanz des zweiten Kaiserbriefes bei der Entente

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gehabt haben könnten.750 In Ribots Lettres steht über die Besprechung zu lesen: „Le 20 mai, nous reçûmes (…) communication d’une nouvelle lettre de l’empereur. (…) l’Italie vient de demander elle-même la paix à l’Autriche, en faisant savoir qu’elle se contenterait de l’abandon du Tyrol de langue italienne.“ 751 Dass tatsächlich eine s­ olche Anfrage erfolgt wäre, sei ihm, Ribot, und, als er Lloyd George von der Sache informiert habe, auch d ­ iesem als wenig wahrscheinlich erschienen: „Je ne sais ce que le prince Sixte pensait lui-même de cette déclaration de son beau-frère. On ne s’étonnera pas qu’en faisant part à M. Lloyd George, je me sois montré sceptique (…). Au nom de qui et par quelle personne autorisée aurait-elle été faite?“ 752 Dem britischen Premier schrieb Ribot unmittelbar nach dem Gespräch mit Sixtus am 20. Mai: Nous avons répété au prince qu’il nous était impossible de rien faire en dehors de l’Italie. Je persiste à penser que la démarche (…) n’a pas pu être autorisée par le roi. (…) Vous ne vous dissimulez pas qu’un accord sera très difficile; nous ne pourrions, en effet, sacrifier ni la S­ erbie, ni surtout la Roumanie (…) Nous devons en tout cas agir avec la plus grande prudence.753

Ribot kündigte überdies einen Besuch des Prinzen in London an. Lloyd George hielt zu ­diesem Schreiben fest, der Ministerpräsident habe darin betont sicher zu sein, dass das Angebot nicht von König Viktor Emanuel autorisiert gewesen sei, ihm selbst aber sei es als unerlässlich erschienen, „to get to the bottom of the matter“. Dazu habe er es als das Einfachste angesehen, mit dem König zu sprechen und ihn zu ­diesem Zweck nach Frankreich einzuladen.754 Es fällt auf, dass in den zitierten Aufzeichnungen Poincarés und Ribots wohl vom zweiten Brief ­Kaiser Karls die Rede ist, nicht aber davon, dass Poincaré durch den Prinzen, wie dieser behauptete,755 auch vom Inhalt des Aide-Mémoire bzw. der „note du comte Czernin“ informiert worden wäre. Ein Jahr s­ päter, am 7. Mai 1918, trug Poincaré in sein Tagebuch ein, Jules Cambon, William Martin und Stéphane Pichon, der letztere war damals Außenminister, s­ eien zu ihm gekommen, „pour contrôler leurs souvenirs“. Sie mussten nämlich an ­diesem Tag vor der mit der Untersuchung der Angelegenheit der Kaiserbriefe betrauten des Affaires étrangères Commission der Deputiertenkammer erscheinen. Martin habe versichert, er hätte die „note du comte Czernin“, auf w ­ elche 750 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 24, Sixtus 1920, 195 – 196. 751 Ribot 1924, 281 – 282. 752 Ebd. 753 Ribot an Lloyd George 20. Mai 1917, Ribot 1936, 107 – 108. 754 Lloyd George WM. 4 1934, 2020 – 2021. 755 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 23 f. – 25, Sixtus 1920, 179, 194.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

er in einem dem Dossier über die Kaiserbriefe beigefügten Vermerk hingewiesen habe, nie zu Gesicht bekommen, glaube aber, dass sie Ribot oder ihm, Poincaré, vom Prinzen zusammen mit dem Briefe des Kaisers übergeben worden sei. Poincaré hielt dagegen fest: „Mais le prince ne m’a ni remis ni lu cette note.“ 756 In Ribots Lettres à un ami wird auf eine Notiz Martins hingewiesen, nach welcher Sixtus d ­ iesem am 16. Juni 1917 über seine Gespräche mit Lloyd George und König George Bericht erstattete und dabei erklärte, dem Prime Minister den Brief des Kaisers vom 9. Mai zusammen mit der „note du comte Czernin“ zur Kenntnis gebracht zu haben. Was aber habe diese „note“ bedeutet? Sei die Sache damit von einer persönlichen des Kaisers zu einer der österreichisch-ungarischen Regierung geworden? „Man“, das heißt der Prinz, habe dies behauptet. Das Malheur sei jedoch, dass niemand diese „Note“ zu Gesicht bekommen habe. Lloyd George hätte erklärt, vom Prinzen keinerlei Note ­Czernins erhalten zu haben. Was ihn, Ribot, und Poincaré betreffe, so hätten sie vor der des Affaires étrangères du Sénat Commission im Frühjahr 1918 dasselbe erklärt.757 In Lloyd Georges War Memoirs hingegen ist die „note written by Count Czernin (…) attached to the Emperor’s letter“ erwähnt und in einer korrekten Übersetzung aus dem Deutschen wiedergegeben, und zwar genauso, wie sie in der unter dem Namen ­Manteyers erschienenen englischen Version des Buches des Prinzen Sixtus enthalten ist. Sollte der Premier seine Erinnerungen durch die Lektüre d ­ ieses Buches aufgefrischt oder gar ergänzt haben? Er schrieb: I studied both these documents with great interest, and got from them not too favourable an impression of the prospects of carrying through a peace negotiation with Austria. Czernin (…) contemplated not a separate peace talk with Austria. (…) Sixte (…) gave me all the further details he could about the alleged (sic!) Italian offer to Austria. It was clearly a story about the truth of which it would be hard to get verification unless the quarters in Italy responsible for the move saw fit to own up to their action.758

Ribot äußerte auch in einem am 20. Mai 1917, dem Tag des Gesprächs mit Sixtus und Poincaré, an Botschafter Barrère in Rom gesandten Schreiben, ihm erscheine es unwahrscheinlich, dass die Demarche vom italienischen König und vom Hauptquartier ausgegangen sei. Er sei „tout à fait sceptique“, ob eine ­solche überhaupt stattgefunden habe. Bezüglich des weiteren Vorgehens habe er sich Poincaré und Sixtus gegenüber dafür ausgesprochen, in der Sache nichts zu unternehmen, ohne Italien über sie zu informieren. Beide hätten dem zugestimmt: „On a reconnu que cela était, en effet, 756 Poincaré TB-Eintr. 7. Mai 1918, Poincaré X 1933, 161 – 162. 757 Ribot 1924, 283. 758 Lloyd George WM. 4 1934, 2023 – 2024.

Die Resonanz des zweiten Kaiserbriefes bei der Entente

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nécessaire.“ 759 Barrère antwortete am selben Tage und gab zu bedenken: „La recherche prochaine d’une paix séparée qui ne pourrait se faire qu’au prix d’une transaction dont l’Italie ferait les frais, comporte pour nous et pour les Anglais (…) des risques immédiats et futurs dont la mesure seule est sujette à incertitude.“ 760 In einem am 26. Mai an Barrère gerichteten Schreiben erklärte Ribot, es sei undenkbar, dass sich der König unter Umgehung Sonninos auf so etwas eingelassen habe.761 Der Botschafter zeigte sich in seiner Antwort „tout à fait d’accord“ mit Ribot „sur l’invraisemblance du rapport d’après lequel le roi et le quartier général auraient fait la démarche (…)“. Die italienische Regierung habe durch ihren Außenminister und den Ministerpräsidenten erklärt, dass sie die österreichischen Verlockungen als gefährlich einschätze; diese ­seien nur darauf ausgerichtet, unter den Alliierten Zwietracht zu säen.762 Barrère muss also die Regierung in Rom vom neuerlichen Brief des Kaisers informiert haben. Dafür spricht auch sein Bericht vom 1. Juni, in dem er schrieb, Cadorna sei sehr auf der Hut vor möglichen Wirkungen der österreichischen Avancen auf bestimmte der alliierten Mächte und habe sich gegen einen Separatfrieden mit Österreich-Ungarn ausgesprochen, weil die italienischen Kriegsziele bei einem solchen nicht erreicht werden könnten.763 Ribot bestand darauf, mit Italien im Einvernehmen zu bleiben und allen ihm gegenüber eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. In dem Sinne beantwortete er auch einen Bericht, den ihm Barrère am 4. Juni 1917 über eine Reise des Generalsekretärs des Jesuitenordens in die Schweiz sandte: Dieser, Pater Pietro Tacchi-Venturi SJ, habe dort mit Władimir Graf Ledóchowski, dem Generalsuperior der Jesuiten, Gespräche geführt und Zeitungen gegenüber erklärt, dass die österreichische Regierung sich von Deutschland zu lösen wünsche; sie könnte dazu gebracht werden, sich mit Italien zu vergleichen, indem sie das Trentino abtrete und die „haute souveraineté“ Italiens über Triest anerkenne. Tacchi-Venturis Aktivitäten stellten einen Teil der Anstrengungen der päpstlichen Kurie dar, die Entente für einen Vergleich mit Österreich günstig zu stimmen.764 Am 25. Juli 1917 fand in Paris eine Konferenz der Ententestaaten statt, auf der Ribot Außenminister Sonnino über seine und Poincarés Gespräche mit Sixtus informierte. In sein Tagebuch notierte Ribot an d ­ iesem Tag: „Après m’être mis d’accord avec M. Lloyd George, j’ai donné communication des pièces qui précèdent à M. Sonnino.“ Dieser habe daraufhin erklärt, dass es sich bei allem, was über „les prétendues démarches de l’Italie“ gesagt worden sei, um reine Erfindung handle. Er sei davon überzeugt, dass der 759 760 761 762 763 764

Ribot an Barrére 20. Mai 1917, Ribot 1936, 104 – 105. Barrère an Ribot 20. Mai 1917, ebd. pp 106 – 107 Anm. 1. Ribot an Barrère 26. Mai 1917, ebd. p 112. Barrère an Ribot 26. Mai 1917, ebd. pp 112 – 113. Barrère an Ribot 1. Juni 1917, ebd. pp 116 – 117. Barrère an Ribot 4. Juni 1917, ebd. pp 119 – 120.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

­ sterreichische ­Kaiser mit dem deutschen im besten Einvernehmen stehe und seine verö suchte Kontaktaufnahme mit Frankreich und England lediglich darauf abziele, die beiden von Italien zu trennen: „Ce qui suffit à prouver que l’Autriche n’a aucune intention de se brouiller avec l’Allemagne, c’est que dans la première lettre, l’empereur Charles parle d’user de son influence auprès de son allié pour nous faire restituer l’Alsace-Lorraine.“ 765 In Ribots Lettres ist über das Gespräch mit Sonnino und ein folgendes, an dem auch Lloyd George teilnahm, festgehalten: „Je mis donc M. Sonnino au courant des démarches (…) qu’aurait faite récemment l’Italie pour obtenir, à notre insu, une paix séparée. M. Sonnino me remercia très vivement. Il protesta avec énergie contre le rôle qu’on prêtait au roi et à lui-même.“ 766 Eine Notiz Sonninos über die Pariser Konferenz ist im Tagebuch seines Kabinettschefs, Luigi Conte Aldrovandi Marescotti, unter dem Datum des 25. September 1917 wiedergegeben. In dieser Notiz schrieb der Minister, Ribot habe ihn über das im Brief ­Kaiser Karls vom 9. Mai behauptete italienische Angebot informiert und auch über die Sixtus in die Schweiz überbrachte Präzisierung, es sei ohne sein, Sonninos, Wissen aber im Einverständnis mit dem König und dem Comando supremo erfolgt. Er habe Ribot und auch Lloyd George erklärt, garantieren zu können, „che nessuna trattativa (…) era stata mai iniziata tra il Governo o il Sovrano d’Italia e l’Austria-Ungheria“. Die Frage Ribots, ob ein derartiger Vorschlag nicht von hohen militärischen Stellen ausgegangen sein könnte, habe er verneint.767 Aldrovandi Marescotti schrieb, er habe, als er der Frage nachgehen wollte, sich zwar nicht mehr an den inzwischen verstorbenen Cadorna wenden können, wohl aber an dessen damaligen Stellvertreter, General Porro. Dieser habe ihm erklärt, das italienische Oberkommando sei nie, und zwar weder direkt noch indirekt über Vermittler, in auf Friedensverhandlungen abzielende Kontakte mit den Feinden eingetreten: „Le persone che si sono fatte credere a ciò autorizzate dal Comando supremo, hanno detto il falso.“ 768 Zu der Poincaré und Ribot gegenüber geäußerten Mutmaßung des Prinzen Sixtus, General Porro könnte beim Zustandekommen der fraglichen Demarche eine Rolle gespielt haben,769 wie auch zu dem von Sixtus berichteten für-möglich-Halten einer solchen Rolle durch Ribot, nahm Luigi Albertini in seinen 1952 posthum publizierten Erinnerungen Stellung: Die engen Beziehungen, die er mit General Porro gehabt habe, erlaubten es ihm auszuschließen, dass dieser „potesse e volesse assumersi iniziative 765 Ribot TB-Eintr. 25. Juli 1917, ebd. p 125. 766 Ribot 1924, 284 – 285. 767 Sonnino Aufz. in: Aldrovandi Marescotti TB-Eintr. 25. Sept. 1917, Aldrovandi Marescotti 1937, 126 – 128, Übersetzung ins Deutsche: Anonym Aus den Papieren 1937 15, 607 – 608. 768 Aldrovandi Marescotti 1938, 273. 769 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 24, Sixtus 1920, 196.

Die Resonanz des zweiten Kaiserbriefes bei der Entente

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di quel genere“. Porro habe sich weder in die Politik eingemengt, noch je auf eigene Faust gehandelt; dies treffe ebenso für Cadorna zu, der den Sieg gewollt und fest an ihn geglaubt habe.770 Poincaré trug über ein in Udine stattgefundenes Treffen mit König Viktor Emanuel, bei dem er diesen auf die Sache des „italienischen Friedensangebotes“ hin angesprochen habe, am 13. August 1917 in sein Tagebuch ein: „Le roi se défend très vivement d’avoir envoyé des émissaires à l’Autriche. Il se déclare très opposé, comme son gouvernement, à toute tentative de négociation.“ 771 Lloyd George scheint jedoch, wenn auch vielleicht nur im Rückblick, davon überzeugt gewesen zu sein, dass es ein italienisches Separatfriedensangebot gegeben hatte. Im vierten Band seiner War Memoirs, in denen er ein Kapitel ausschließlich den Bemühungen des Prinzen Sixtus widmete und sich dabei offensichtlich vor allem auf dessen bzw. Manteyers Darstellungen stützte, schrieb er nämlich: We discovered subsequently that the Italian General Headquarters had sent an emissary, a week before our meeting at St. Jean de Maurienne, to offer to the German and Austrian ministers in Switzerland a peace with Italy on the sole condition of the cession of the Trentino (…). And although the offer was unknown to Sonnino, it was definitely stated by the Emperor Karl in a communication sent (…) to Prince Sixte, that Giolitti and Tittoni approved it and that the offer came from the King of Italy. – This attempt to make a secret peace with Austria was inspired by Cadorna’s fear that the Italian Army had grown war-weary, and that the Italian people, who had never been as enthusiastic as their allies about the War, were on the brink of a revolution.772

Bei seiner Schilderung der Besprechung Poincarés und Ribots mit Sixtus vom 20. Mai hielt sich Lloyd George allerdings nicht an das Œuvre des Prinzen. Während dieser geschrieben hatte, Ribot habe wohl General Porro für imstande gehalten, einen seiner Offiziere zu einer Sondierung zu entsenden, sich aber geweigert zu glauben, dass der König oder Cadorna mit der Sache etwas zu tun hätten,773 behauptete Lloyd George, Ribot hätte gesagt, das Angebot käme zweifellos von der „Giolitti Party and from General Porro“ und er es nicht für möglich halte, dass „the King and Cadorna were privy to it“.774 Sixtus selbst versuchte, allerdings ohne konkreten Erfolg, Licht in die Sache des „italienischen Friedensangebotes“ zu bringen, auf welches hin, trotz seiner Empfehlung, „de prendre au mot l’offre (…) de Cadorna“, es der K ­ aiser abgelehnt habe, mit Italien 770 Albertini 2 1952, 443 Anm. 2. 771 Poincaré TB-Eintr. 13. Aug. 1917, Poincaré IX 1932, 239 – 240. 772 Lloyd George WM. 4 1934, 2008. 773 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 24, Sixtus 1920, 196, Manteyer 1921, 160 – 161. 774 Lloyd George WM. 4 1934, 2019.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

in Kontakt zu treten. Die italienische Demarche, so schrieb der Prinz 1920, sei in von ihm nicht näher definierten Berner diplomatischen Kreisen nicht unbemerkt geblieben. Czernin sei, „dit-on“, entweder durch den österreichischen Konsul in Zürich Maurig oder den Legationsrat bei der Gesandtschaft in Bern Graf Brandis von dem Angebot unterrichtet worden. Dessen genauen Wortlaut könne, da seither sowohl Maurig als auch Ferdinand Graf Brandis gestorben s­ eien, allein Czernin kennen; dieser aber scheine die ganze Affäre vergessen zu haben. Am 24. Mai 1919 jedoch habe man in, von Sixtus nicht näher definierten amerikanischen Kreisen in Bern sich erinnern zu können geglaubt, dass „le général Buccalo (?), au printemps de l’année 1917, s’était mis en rapport à Berne, non pas directement avec les Autrichiens, mais avec le ministre d’Allemagne pour faire une offre de paix à l’Autriche“. Der General habe aber keinen Erfolg gehabt. Einige Monate ­später sei unter dem Namen „Montecchio (?)“ ein zweiter Offizier nach Bern gekommen, der sich als Beauftragter des italienischen Generalstabes ausgegeben habe. Dieser sei jedoch, weil die italienische Gesandtschaft gegen ihn gearbeitet habe, sehr rasch nach Italien zurückgekehrt. Bei dem ersten Offizier habe es sich zweifellos um den damaligen italienischen Militärattaché in der Schweiz, Oberst Valentino Buccalo, gehandelt, der mit Oberst von Einem, dem österreichisch-ungarischen Militärattaché, über eine ­diesem sehr nahestehende Person in Kontakt gewesen sei. Von Einem seinerseits habe regelmäßige Beziehungen mit Maurig unterhalten. Was den zweiten Offizier betreffe, so habe dessen Name an den des damaligen Mitarbeiters der italienischen Gesandtschaft in Bern, G. Montecchio Parenzo, erinnert.775 Mehr als Vermutungen und Extrapolationen konnte Sixtus zur Lösung der Frage also nicht beitragen.

2.14 Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur Zum Zustandekommen, zur Absicht, zum Inhalt und zum Wortlaut, aber auch zur Verfasserschaft der Briefe und nicht zuletzt dazu, wie denn ihr Inhalt zu verstehen sei, nahmen die Autoren der vielen zu ­diesem Thema erschienenen historischen und populärhistorischen Publikationen sehr unterschiedlich Stellung. Ihre Aussagen waren dabei nicht nur von der Kenntnis geprägt, die sie von den Geschehnissen oder von Berichten über diese hatten, sondern, und zwar in sehr vielen Fällen, auch von ihrer Beziehung zu den handelnden Personen und deren Intentionen. Charles Appuhn bemerkte 1921 in einer Besprechung des Buches des Prinzen ­Sixtus, es sei klar, dass dieser einzig und allein auf einen Separatfrieden der Entente mit Österreich-Ungarn hinarbeitete. Etwas vorschnell habe er dabei an einen dem ­seinigen 775 Sixtus 1920, 259 – 260.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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­entsprechenden festen Willen des Kaisers zu einem solchen Frieden geglaubt und den Widerstand, den Czernin diesbezüglichen Bestrebungen entgegensetzte, zu wenig ernst genommen. Dies erkläre die vom Prinzen vorgenommene „traduction un peu audacieuse“ der dem zweiten Kaiserbrief beigegebenen „Note autographe du comte Czernin“, in deren deutschem Text das Wort „paix séparée“ nicht aufscheine.776 Und in einem 1935 erschienen Artikel urteilte Appuhn: „Czernin (…) n’a jamais été jusqu’à croire à la possibilité d’une paix séparée. Charles en a eu l’idée, probablement le désir, mais il n’avait pas la force de la faire“. Was das „italienische Angebot“ betrifft, so meinte Appuhn, ­Kaiser und Kaiserin hätten daran geglaubt. Die deutsche Regierung aber habe, nachdem ­Hohenlohe auf Czernins Weisung hin dem Kanzler erklärt hatte, territoriale Konzessionen der Monarchie an Italien ­seien „ausgeschlossen“, diese Haltung des Ministers gegenüber dem „italienischen Angebot“ benützt zur Rechtfertigung ihrer eigenen Weigerung auf Elsass-Lothringen zu verzichten.777 Mermeix (Gabriel Terrail) erklärte zum „italienischen Friedensangebot“ 1921: Était-il un agent allemand venu pour empêcher l’Empereur d’Autriche de consentir les concessions que (…) Sixte de Parme avait conseillé de faire à l’Italie? L’Empereur, trompé sur les prétentions de l’Italie, refuserait d’aller au-delà de ces prétentions telles que le roi lui-même les lui aurait fait connaître.778

Zum Punkt  1 der „Note autographe“ Czernins zum zweiten Kaiserbrief bemerkte ­Mermeix: „Promettre que l’Autriche ne serait pas diminuée dans son étendu, c’eût été manquer aux promesses que nous avions faites à nos Alliés“; einer solchen Perfidie hätten sich weder Poincaré noch Ribot schuldig machen können. Dass der Inhalt der Punkte 2 und 3, w ­ elche Mermeix in der „Übersetzung“ des Prinzen wiedergab, durch diese krass verfälscht war, fiel ihm nicht auf. Die Vertrauenswürdigkeit K ­ aiser Karls stellte Mermeix in Frage und ging dabei von dessen Ansprache bei der Geburtstagsfeier ­Kaiser Wilhelms kurz vor der Eröffnung des uneingeschränkten U-Bootkrieges aus: Quand (…) Charles félicite son ‚fidèle allié‘, il sait qu’il est lui-même en train de faire une infidélité bien grave à cet allié fidèle. Ce don de dissimulation, l’aisance avec laquelle l’Empereur se meut dans une situation fausse permettent-ils de lui accorder une confiance sans réserve? Ce trompeur n’a-t-il pas voulu nous tromper nous aussi?779

776 Appuhn 1921 106, 488 – 490. 777 Appuhn 1935 13, 220 – 223. 778 Mermeix 1921, 83 – 93. 779 Ebd.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Alfred Francis Přibram erklärte 1923 ohne sich auf eine Quelle zu berufen, Czernin sei über die „essentials in the negotiations“ mit Sixtus wohl informiert gewesen, den Text des kaiserlichen Briefes habe er jedoch nicht gekannt.780 Bertrand Auerbach machte 1925 auf die „Übersetzung“ der dem zweiten Kaiserbrief beigebenen „note du comte Czernin“ durch Sixtus aufmerksam: Ce qui rend suspecte la conduite du prince, c’est que dans la traduction française de la note (…) le prince s’est permis une addition qui dénature et dépasse la pensée du ministre. Il ajoute à l’article 3 qu’aussitôt que les conditions susénoncées auront été réglées, ‚l’Autriche-Hongrie pourra conclure une paix séparée avec l’Entente’. Rien de pareil dans le texte original (…).781

Richard Fester sah 1925 den Verfasser des ersten Kaiserbriefes in Sixtus. Dieser habe ihn „aufgesetzt und seinem Schwager nur die Ehre gelassen, ihn mit Tintenbleistift getreulich abzuschreiben. Die Behauptung des Prinzen, daß Czernin den Brief gekannt und gebilligt habe, widerlegt sich selbst. Von dem Herrscher (…) bleibt nichts übrig als ein der Fürsorge bedürftiger Jüngling, der dem (…) Thronprätendenten Frankreichs Vorspanndienste leistete.“ 782 In zwei 1937 bzw. 1938 erschienenen Publikationen erklärte Fester, es könne nun „das letzte Wort über die Entstehung des Briefes (…) gesprochen werden“. Zwischen dem Stil des 1931 von Werkmann publizierten „flüchtigen Entwurfs eines Handschreibens“ ­Kaiser Karls,783 über w ­ elchen Sixtus 1932 schrieb, „sa simplicité, son style rapide et heurté, cahoté même prouve que celui qui la dictait ne faisait pas de littérature“,784 und dem des Sixtus übergebenen Briefes liege eine unüberbrückbare Kluft. Schon Polzer-Hoditz 785 habe zugeben müssen, dass die Schreibart des Briefes „‚von der dem K ­ aiser eigentümlichen zu sehr abweiche‘, um den ­Kaiser selbst für den Verfasser zu halten“.786 Zum zweiten Brief an Sixtus schrieb Fester, der K ­ aiser habe einen im ersten Absatz „wörtlich mit dem Neuchâteler Entwurf “ des Prinzen übereinstimmenden Text „mit Tintenbleistift“ abgeschrieben. Er habe aber nicht gewagt, „diesmal, wo es sich weniger um Preisgabe des deutschen Verbündeten als um eigene Zugeständnisse handelte, (… sich) von den Richtlinien zu entfernen, die ihm Czernin (…) auf einem Zettel aufgezeichnet hatte. Dadurch, daß er Sixtus ohne Czernins Wissen das Original d ­ ieses 780 781 782 783

Přibram 1923, 107. Auerbach 1925, 294 – 295 Anm. 45. Fester 1925, 74. Ks. Karl „flüchtiger Entwurf …“, 14. Mai 1917, Werkmann 1931, 170 – 172, Cramon Fleck 1932, 218 – 221, s. auch Kovács 2 2004, 188 – 191 Dok. 47. 784 Sixtus 1932, 24 – 25. 785 Polzer-Hoditz 1929, 332. 786 Fester Sonderfriedensaktion 1937 15, 590, Fester 1938, 38.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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­ ettels ­aushändigte, sind wir einigermaßen instand gesetzt, dem Roman des Prinzen Z den historischen Verlauf der Gespräche (…) gegenüberzustellen (…).“ 787 Im „italienischen Friedensangebot“ sah Fester eine von Cadorna ausgehende Aktion, die eine befürchtete österreichische Offensive verhindern sollte.788 Richard Kralik zeigte sich 1926, er war damals Vizepräsident des legitimistischen Reichsbundes der Österreicher,789 davon überzeugt, dass der Prinz den ­Kaiser „überredet“ habe „mit Wissen Czernins einen Brief an ihn, Sixtus, zu schreiben (…)“.790 Wie er zu seiner Überzeugung gelangt war, gab Kralik nicht preis. Karl Wortmann erschien es 1929 klar: Czernin „hatte weder von der Tatsache, daß ein Brief übergeben wurde, noch von dessen Inhalt Kenntnis“. Die „Übersetzung“ der „note du comte Czernin“ durch Sixtus sah Wortmann in einem besonderen Licht, über dessen Quelle er sich bedauerlicherweise nicht ausdrückte. Ihm schien nämlich, dass „Czernins Punkt III doch nicht den tatsächlichen Gang der mündlichen Besprechung“ wiedergegeben habe und dem letzteren „dem Sinne nach“ eher die Darstellung von Sixtus gerecht werde.791 Arthur Polzer-Hoditz meinte 1929 zum Zustandekommen des Kaiserbriefes, es sei wenig wahrscheinlich, dass dies (…) auf den ersten Wurf erfolgte, (…) denn der Brieftext weist nicht unbedeutende Abweichungen auf gegenüber jenem Schriftstück (projet de note), welches Prinz Sixtus den gewünschten Präzisierungen zugrunde gelegt wissen wollte und aus welchem (…) die wesentlichen Punkte, teilweise wortwörtlich, in den Brief (…) übernommen worden sind. Die Annahme, daß Prinz Sixtus den Brief allein konzipiert hätte, scheint (…) gerade mit Rücksicht auf jene Abweichungen nicht richtig zu sein. In d ­ iesem Falle würde der Brief anders gelautet haben; denn der Standpunkt des Kaisers, wie er in seinem Brief zum Ausdruck kam, deckte sich durchaus nicht in allen Belangen mit jenem seines Schwagers (…) und dürfte bei der Besprechung mit Graf Czernin noch eine Korrektur erfahren haben. Daß ­Kaiser Karl den Brief allein verfaßt habe, halte ich für ausgeschlossen, da die Schreibart von der dem ­Kaiser eigentümlichen zu sehr abweicht. Daß die Kaiserin ihm dabei behilflich war, ist möglich; doch auch diese Annahme ist nicht genügend, da die Diktion des Briefes eine Gewandtheit in der spezifisch politischen Ausdrucksweise verrät, von der ich nicht glaube, daß sie der Kaiserin eigen sei. Es scheint mir außer Zweifel zu stehen, daß der Brief das Ergebnis eingehender Beratung und wechselnder Entwürfe (sic!) in gemeinsamer Arbeit war, an der Prinz Sixtus teilnahm.792

787 788 789 790 791 792

Fester 1925, 102 – 106. Ebd. p 58, Fester 1938, 43 – 44. Wagner 1956, 35 – 37. Kralik 1926, 11. Wortmann 1929, 216 – 221. Polzer-Hoditz 192, 331 – 332.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Einer Tagebuchnotiz Baernreithers vom 16. April 1918 zufolge hatte Polzer-Hoditz bereits damals an der alleinigen Autorschaft des Kaisers Zweifel gehegt. In ihr heißt es: „Der ­Kaiser ist nicht im Stande einen solchen Brief zu schreiben. Auch die Kaiserin nicht. (…) Der ­Kaiser kann nicht französisch schreiben.“ Baernreither notierte, Polzer-Hoditz habe sich dagegen verwahrt, selbst in die Abfassung des Briefes involviert gewesen zu sein: Er habe „weder die Telegramme 793 noch den Brief vom 31. (recte 24.) 3.1917 concipiert“.794 Polzer-­ Hoditz schrieb, der ­Kaiser sei überzeugt gewesen „voll berechtigt zu sein, zum Zweck der Erreichung eines Sonderfriedensangebots die Entente wissen zu lassen, daß er sich bei seinen Bundesgenossen für ein Opfer einsetzen werde, welches der verantwortliche Lenker der auswärtigen Politik Deutschlands bereits – wenigstens teilweise – zugesagt hatte“: Das Opfer, den von ihm im Brief an Sixtus als „justes“ bezeichneten „revendications françaises relatives à l’Alsace-Lorraine“ durch die Abtretung dieser Gebiete nachzukommen. Polzer-Hoditz bezog sich bei seiner Argumentation auf den Passus in ­Czernins Denkschrift Kriegsziele und die polnische Frage: „Wenn Deutschland Frankreich und Belgien herausgibt und noch etwas dazu, dann ist der Friede da. Der Reichskanzler hat mir d ­ ieses 795 Opfer streng geheim zugesagt.“  Er erklärte zwar, er könne, seit er den Inhalt der Wiener Verhandlungen vom 16. und der von Berlin vom 26. März sowie „im wesentlichen“ auch den der Homburger Gespräche vom April 1917 kenne, „an jene angebliche Zusage Bethmanns“ nicht mehr so recht glauben; sicher sei aber, dass „Czernin dem ­Kaiser von einer solchen Zusage offizielle Mitteilung“ gemacht und ihn „dadurch in seinem guten Glauben bestärkt“ habe.796 Dass der Minister vom Kaiserbrief gewusst oder gar bei dessen Formulierung mitgewirkt hätte, hielt Polzer-Hoditz für ausgeschlossen. Über den zweiten Kaiserbrief schrieb Polzer-Hoditz: Prinz Sixtus wollte von ­Kaiser Karl die sofortige bündige Bereitschaft zum Separatfrieden mit der Entente erreichen (…) K ­ aiser Karl ging auf diesen Vorschlag nicht ein. (…) Er wollte nur die Grundlagen für einen Separatfrieden gewinnen (…) und Deutschland vor die Alternative stellen: entweder schließt ihr Frieden unter den Bedingungen, unter denen allein ein Frieden (…) möglich ist, oder wir schließen den uns angebotenen Separatfrieden ab. (…) Um in tauglicher Frist eine Grundlage für einen Sonderfrieden zu erhalten, mußte man die Entente eindeutig erkennen lassen, daß der ernstliche Wille hierzu vorhanden sei. Czernin war zu ­diesem Schritt nicht zu bewegen. (…) ­Kaiser Karl mußte (… ihn) ohne Wissen seines Ministers unternehmen (…).797

793 An Ks. Wilhelm vom 10. u. vom 14. Apr. 1918. 794 Baernreither TB-Eintr. 16. Apr. 1918, HHStA NL Baernreither 7, XIX fol. 24. 795 Denkschrift Kriegsziele und die polnische Frage, HHStA PA I, 524 XLVII/13.2 fol. 151 – 158v. 796 Polzer-Hoditz 1929, 337. 797 Ebd. pp 367 – 368.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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Zur ihm nicht verborgen gebliebenen Diskrepanz z­ wischen der „note du comte C ­ zernin“ und ihrer „Übersetzung“ durch Sixtus meinte Polzer-Hoditz schonend, in der letzteren befänden sich „Unstimmigkeiten“. Sie sei jedoch für die Verhandlungen „nicht in Betracht“ gekommen, „da der deutsche Text (…) dem Brief des Kaisers beigelegt war und Poincaré – er ist ein geborener Elsässer – die deutsche Sprache vollkommen beherrscht“.798 Über die Natur der „Unstimmigkeiten“ gab Polzer-Hoditz keinen Aufschluss, und davon, dass Poincaré, der nicht im Elsass, sondern im weitab vom deutschen Sprachgebiet gelegenen Bar-le-Duc geboren war, das Deutsche beherrscht hätte, ist nichts bekannt.799 François Charles-Roux wies 1929 darauf hin, dass es in den Kaiserbriefen nicht um einen Sonderfrieden gegangen sei. Über die Gespräche K ­ aiser Karls mit Sixtus einerseits und die in Homburg andererseits schrieb Charles-Roux: Les deux négociations (…) ont des points d’analogie et de contact. (…) A la négociation avec l’ennemi (über Sixtus) manqua, pour réussir, la résolution de se séparer de l’allié. A la négociation avec l’allié fit défaut, pour aboutir, la volonté de le contraindre à la paix en commun et de lui donner l’exemple des sacrifices auxquels la paix était nécessairement subordonnée (…).800

In seinen 1958 herausgekommenen Souvenirs diplomatiques erklärte Charles-Roux ähnlich: Pas un instant (…) l’Empereur Charles n’admettait de conclure une paix séparée de sa part, c’est-à-dire en se séparant de l’Allemagne. Pas un instant, George V et Lloyd George, Poincaré et Ribot ne songeaient à faire une paix séparée de leur part, c’est-à-dire en se séparant de l’Italie. Donc, même l’Italie se fût-elle déclarée prête à conclure une paix blanche avec l’Autriche, – ce qui n’était pas le cas, – les trois Alliés de l’Entente se seraient trouvés bientôt en présence de l’Allemagne pour traiter de la paix avec elle.801

Der Genfer Journalist und Historiker William Martin äußerte sich 1929 zu den Kaiserbriefen wie folgt: Man hatte in Wien vergessen, daß Frankreich eine Republik war. Die Annahme, daß die Persönlichkeit des Prinzen Sixtus (…) und der gute Wille des Kaisers (…) in Paris auch nur den

798 Ebd. p 351 Anm. 2. 799 Fester meinte ebenso überzeugt, eine Übersetzung der „note du comte Czernin“ sei „für den des Deutschen kundigen Lothringer Poincaré eigentlich überflüssig“ gewesen. Fester 1938, 55. 800 Anonym (Charles-Roux) 1929 53, 74 – 75. 801 Charles-Roux 1958, 212.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

geringsten Eindruck machen könnten, war schon eine vollständige Verkennung der wirklichen Lage. (…) Man war mißtrauisch, witterte eine Falle und befürchtete ein taktisches Manöver Deutschlands. Man hatte auch Angst, (…) bei den Italienern den Eindruck zu erwecken, als ob man sie im Stiche ließe.802

Karl Werkmann erklärte 1931, der ­Kaiser habe in seinem ersten Brief an Sixtus (…) die Entschlossenheit aller Völker der (…) Monarchie (betont), für die Integrität des Reiches auch die schwersten Opfer zu bringen. (…) Mit Frankreich gab es keine Differenzen. Um seinen und der Monarchie wahren Gefühlen Ausdruck zu geben, sollte der Prinz dem Präsidenten der französischen Republik (…) sagen, daß er, der K ­ aiser, mit allen Mitteln und unter Einsatz seines persönlichen Einflusses die gerechten französischen Rückforderungsansprüche in bezug auf Elsaß-Lothringen unterstützen werde.803

Werkmann erklärte, er „lehne es ab, an den Worten des Kaisers herumzudeuteln. Der ­Kaiser hielt die französischen Rückforderungsansprüche (…) für gerecht (…).“ Wie erwähnt schrieb Werkmann auch: „Der ­Kaiser hat niemandem je gesagt, daß Graf ­Czernin um den kritischen Brief gewußt habe.“ 804 Von der Existenz des „italienischen Friedensangebotes“ überzeugt zeigte sich eine Reihe französischer Autoren katholisch-legitimistischer Richtung. So erklärte Antoine Redier 1930, Cadorna habe Österreich einen Waffenstillstand antragen lassen, „moyennant la cession du seul Tyrol italien“. Er sei sich dabei der Unterstützung des Königs und Giolittis sicher gewesen, Sonnino aber habe nichts gewusst.805 Quellen für seine Darstellung gab Redier nicht an, zitierte dagegen lange Passagen aus dem Buch des Prinzen Sixtus, des Bruders der Kaiserin, die nur Patriotin habe sein können: „Pour son mari, pour ses enfants, pour les siens mêmes, les Parme et les Bourbons (…) pour les peuples dont Dieu l’avait faite reine.“ Keine Zweifel hegte Redier darüber, was sie in ihrem „rêve humain“ herbeiwünschte: Dass der Krieg „entre elle et nous“, z­ wischen ihr und Frankreich, aufhöre und das hochmütige Deutschland „fût écrasée et punie“.806 Jérôme Troud schrieb 1931, König Viktor Emanuel habe Österreich hinter dem Rücken Sonninos durch einen „envoyé spécial du grand quartier général italien“ Friedensangebote gemacht. Eine finstere Rolle maß er Ribot zu: „Une fois de plus, Ribot (…) manifeste nettement sa volonté de tout arrêter et aucune réponse ne fut jamais faite par l’Entente à la lettre 802 Martin 1930, 243. 803 Werkmann 1931, 210 – 218. 804 Ebd. 805 Redier 1930, 175 – 176, Redier L’impératrice 1930, 60, 194. 806 Redier 1930, 177, 202.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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impériale du 9 mai (…).“ 807 Philippe Amiguet sah 1934 im „italienischen Angebot“ eine Aktion der italienischen Geheimdiplomatie. Man dürfe nicht übersehen, dass Mussolini zu dieser Zeit sein „œuvre magnifique de réformateur“ noch nicht unternommen, seiner inhaltsschweren Idee einer „école de volonté, de caractère, de contrôle de soi même (…), de l’ordre, de la discipline, de l’action (…)“ noch nicht zum Durchbruch verholfen hatte: Es ­seien noch die Giolitti, Tittoni, Salandra gewesen, die mit ihrer überlebten liberalen Ideologie die öffentliche Meinung beherrscht und so die Fundamente des „défaitisme italien“ gelegt hätten.808 Pierre Renouvin schrieb 1934, K ­ aiser Karl habe im ersten Brief an Sixtus bezüglich Elsass-Lothringens eine andere Haltung eingenommen als sein deutscher Verbündeter: „Mais il s’agit là d’un acte personnel, que le ministre des affaires étrangères (…) n’a pas connu.“ Im zweiten Brief habe er in vagen Wendungen ein Einvernehmen mit Frankreich und England als möglich erscheinen lassen, es jedoch Czernin überlassen, „les conditions d’une négociation“ zu nennen. Die Übersetzung dieser „conditions“ durch Sixtus habe „nullement“ dem Original entsprochen, sodass jede Beurteilung des „offre de Vienne“ ­diesem eine Bedeutung geben musste, die es nicht gehabt habe. Die Frage, ob ­Kaiser oder Minister einen Separatfrieden gewollt hätten, beantwortete Renouvin so: „Ni la lettre de l’empereur Charles du 24 mars, ni la note Czernin du 9 mai ne permettent de le supposer.“ Und zur Frage, ob K ­ aiser Karl die Absicht gehabt habe, gegen den Willen seiner Minister und Generäle mit Deutschland zu brechen, erklärte er: „était-il de taille à leur tenir tête?“ 809 Dreißig Jahre ­später schrieb Renouvin, der erste Brief des Kaisers habe lediglich seine Absicht erkennen lassen, Verhandlungen über einen allgemeinen Frieden den Weg zu bahnen: „Mais le prince Sixte, dans son entretien avec le président de la République, affirme que l’Empereur lui a indiqué le dessein de conclure, au besoin, une paix séparée.“ Zur „Übersetzung“ der Sixtus mit dem zweiten Brief übergebenen „note du comte Czernin“ äußerte Renouvin: Le prince Sixte a (…) fait dire au texte le contraire de ce qu’il contenait. (…) Peut-être, il est vrai, a-t-il estimé qu’il pouvait se permettre cette liberté parce qu’il savait, par ses conversations avec l’Empereur, que celui-ci admettait l’éventualité d’une paix séparée. Mais la note émanait du ministre (…) qui ne s’était jamais prononcé aussi nettement. La déformation des textes était donc une initiative grave, puisque le gouvernement français a été induit en erreur sur la portée de la note Czernin.810

807 808 809 810

Troud 1931, 93 – 94. Amiguet 1934, 125, 204. Renouvin 1934, 453 – 456. Renouvin 1964, 496 – 497.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Bertita Harding machte 1939 die im „Projet de note“ vom 17. März 1917 enthaltenen Vorschläge des Prinzen für den Brief des Kaisers zum „Offre de paix de l’Autriche“. Dieses „Offre“ habe der Monarch „with Czernin’s half-hearted aid (…) along the lines proposed by Poincaré“ ausgearbeitet. Über die Quellen, die ihr ­dieses Wissen zugetragen hatten, ließ sie nichts verlauten. Rein erfunden ist, was Harding über den zweiten Brief an Sixtus schrieb: K ­ aiser Karl habe darin „new sacrifices (…) in the ceding of still further territory“ versprochen. Welche Territorien seiner Verbündeten oder seines eigenen Herrschaftsbereiches der K ­ aiser über schon Geopfertes hinaus noch zu geben gesonnen gewesen sei, gab sie nicht an.811 Albert Pingaud schrieb 1940, an der Abfassung des ersten Briefes habe der Prinz, wie auch die Kaiserin, großen Anteil gehabt. Der zweite Brief des Kaisers und die beigefügte Note Czernins hätten im Ton genauso kontrastiert wie die Erdődy am 19. Februar 1917 übergebene „Note ostensible“ Czernins und dessen „Richtlinien für die weiter zu führenden Verhandlungen“ mit den „corrections bien nécessaires“ des Kaisers. Was das „italienische Angebot“ betreffe, so sei d ­ ieses aller Wahrscheinlichkeit nach ein Versuch des italienischen Generalstabes gewesen, Verhandlungen anzubahnen, um Zeit für Vorbereitungen gegen eine als bevorstehend erachtete österreichisch-deutsche Offensive zu gewinnen.812 Abbé Joseph Delabays berief sich auf Zita, wenn er 1945 von einer geheimen Demarche Cadornas schrieb, die dieser „à l’insu du président du gouvernement italien (…) Sonnino“ (sic!) unternommen habe. Dabei habe er mit Unterstützung des Königs und Giolittis der Monarchie um den Preis des italienischen Teils von Tirol den Frieden angeboten.813 Lord Charles Hardinge, 1916 bis 1920 Permanent Under-Secretary im Foreign Office, sah 1947 im ersten Kaiserbrief „the first step towards peace negotiations“. In der Meinung, Sixtus habe ihn zuerst in London präsentiert, schrieb Hardinge: „Our Government was naturally obliged to communicate and discuss the contents with the French Government.“ Dieses habe die Narretei begangen, den Brief der Presse mitzuteilen. Damit sei er zur Kenntnis ­Kaiser Wilhelms gekommen, „who rushed off to Vienna, and the outcome of his visit was that Austria was bound more closely to Germany than before“.814 In einem 1953 aus dem Nachlass Hans Karl Zeßner-Spitzenbergs, der Leiter der ­Kaiser-Karl-Gebetsliga  815 gewesen war, herausgegebenen Buch steht über die E ­ ntstehung 811 812 813 814 815

Harding 1939, 86 bzw. 103. Pingaud 3 1940, 172 – 178. Delabays 1945, 118. Hardinge 1947, 220 – 221. Ziel der 1925 gegründeten Gebetsliga war nach Neuhäuser: „Sühne für das vor Gott an Karl von Österreich so vielfach begangene Unrecht. Bitte um Verherrlichung seines Namens (…).“ Mit Gebeten zum verstorbenen Herrscher und dessen Verherrlichung sollte seine Seligsprechung unterstützt werden. Neuhäuser 1992, 35.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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des ersten Briefes zu lesen, Czernin sei in der Wohnung Erdődys durch Sixtus und Xavier „zu einer mündlichen, keineswegs aber zu einer schriftlichen Anerkennung dieser Verhandlungsgrundlage zu bewegen“ gewesen. Was Zeßner-Spitzenberg ­darunter verstand, teilte er nicht mit, dem Buch des Prinzen ist über eine „Verhandlungsgrundlage“ und ein an Czernin gestelltes Ansinnen, eine s­ olche schriftlich anzuerkennen, nichts zu entnehmen. Zeßner-Spitzenberg erklärte, auch der K ­ aiser habe, damit der Faden zur Entente nicht abreiße wenn der Prinz von seiner Wien-Reise „nichts Schriftliches“ mitbringe, „erwogen“, seine „persönlichen Intentionen in Form eines Privatbriefes (…) niederzulegen“. Dazu habe er sich „stundenlang (…) dem Konzept des Briefes“ gewidmet und „am Abend, als die Prinzen wiederkamen, die letzte und endgültige Fassung (sic!) vorweisen“ können. Worauf sich Zeßner-Spitzenberg bei dieser Erzählung stützte, ließ er nicht erkennen. Zum zweiten Kaiserbrief sei es gekommen, als Italien „unerwartet“ den Frieden angeboten habe „wenn es das Trentino und (…) Aquileja erhalte“. Ausgegangen sei die Aktion anscheinend von Cadorna, der „den kommenden furchtbaren Schlag von Flitsch und Tolmein geahnt haben mochte“. Den „Inhalt der Besprechung“ mit Sixtus vom 8. Mai 1917 habe Czernin in vier Punkte „komprimiert (…) die er mit eigener Hand zu Papier brachte und dem Prinzen ausfolgen ließ“. Was ihn davon überzeugte, dass Czernin „den Inhalt der Besprechung“ wiedergab, teilte Zeßner-Spitzenberg nicht mit. Durch seine Erklärung, die „Note autographe“ des Ministers sei vom ­Kaiser „durch ein persönliches Schreiben“ ergänzt worden, machte der Autor den Kaiserbrief zum Anhängsel und Czernins vier Punkte zur Hauptsache; die den letzteren durch Sixtus zuteil gewordene „Übersetzung“ ins Französische erwähnte er nicht.816 Ludwig Prinz Windisch-Graetz erklärte 1957, den ersten Kaiserbrief habe Czernin, der „verantwortliche Minister“, entworfen. Welche Hinweise Windisch-Graetz bewogen, dies zu schreiben, teilte er nicht mit. Fraglich erschien ihm aber, ob der Brief „textlich den Anforderungen eines so besonders heiklen Dokuments voll und ganz“ entsprochen habe.817 Victor S. Mamatey war 1957 sicher, dass Czernin nichts mit dem Brief zu tun hatte: „(…) the Emperor gave him (Sixtus), without the knowledge of Czernin, the later famous ‚Sixtus letter‘ (…) outlining a program considerably different from Czernin’s (…)“, und „the contents of the Emperor’s holograph (…) was apparently unknown to Czernin“.818 Robert Ehrhart schrieb 1958, K ­ aiser Karl habe Sixtus ermächtigt in Paris zu erklären, dass er

816 Zeßner-Spitzenberg 1953, 141 – 149. 817 Windisch-Graetz 1957, 44. 818 Mamatey 1957, 64, 325.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

(…) seinen Einfluß aufbieten (werde), um die ‚berechtigten Ansprüche‘ Frankreichs auf ElsaßLothringen der Erfüllung durch Deutschland zuzuführen. (…) Dabei war die Formulierung sehr glücklich, nämlich ungemein elastisch. Nicht von den Ansprüchen (…), sondern von den ‚berechtigten Ansprüchen‘. Die nächstgelegene Interpretation war also wohl die, daß er nicht das ganze Territorium, sondern jene Gebietsteile im Auge hatte, deren Bevölkerung französisch fühlte und zu Frankreich wollte.819

Weshalb es der ­Kaiser einer „nächstgelegenen Interpretation“ überlassen haben sollte, dass er lediglich „jene Gebietsteile im Auge hatte, deren Bevölkerung (…) zu Frankreich wollte“, erklärte Ehrhart nicht. Für Reinhold Lorenz war 1959 der erste Sixtusbrief „einmalig, weil sich hier ein Monarch ganz persönlich und unmittelbar bei einer sehr gewagten Friedenssondierung im anderen Lager unübersehbaren Mißverständnissen“ aussetzte, er sei „bis heute das umstrittenste Glied in der nicht abreißenden Kette schwerster Prüfungen im Kampfe des letzten Herrschers der Donaumonarchie um den Bestand des ihm anvertrauten Erbes geblieben“. Was die „Zurückforderung“ von Elsass-Lothringen betraf, so habe es K ­ aiser Karl geschienen, dass, „wenn schon territoriale Opfer gebracht werden müßten, (…) dazu Deutschland angesichts seiner festeren Innenstruktur leichter (…) imstande“ sei als sein eigenes Reich. Seine Unterstützung der Rückforderung habe „das Eis brechen und die rettende, vertrauliche Diskussion z­ wischen Wien und Paris nur als erste Etappe zum Weltfrieden in Gang“ bringen wollen. Der Brief sei ein Werk des Kaisers und des Prinzen Sixtus gewesen und durch ein „gegenseitige(s) Austauschen von Entwürfen und Anregungen“ entstanden, „bis dann die geschichtlich gewordene Fassung recht“ behalten habe, „deren überspitzte Tonart gerade in den heikelsten Partien die verhältnismäßige Inhaltsleere verdecken sollte“.820 Auf eine Erörterung der „verhältnismäßigen Inhaltsleere“ verzichtete Lorenz ebenso wie auf die Angabe von Quellen für seine Darlegungen. Ernst Joseph Görlich erklärte 1962, Czernin habe „wahrscheinlich (…) vom genauen Text des Briefes nichts gewußt“, wohl aber „die Vorstellungen, die der K ­ aiser (…) der französischen und der britischen Regierung (…) vortragen lassen wollte“, gekannt.821 Der Inhalt des Briefes könne ihn also nicht überrascht haben. Auf Quellen berief sich Görlich nicht. Jacques de Launay meinte 1963 zur „Übersetzung“ der dem zweiten Kaiserbrief beigegebenen „note du comte Czernin“ durch Sixtus, dieser habe „dans les rapports qu’il a adressés aux Alliés (…) fréquemment dépassé la lettre des messages dont il était porteur“. Ihm, de Launay, sei aber von Prinz Xaviér versichert worden, dass Sixtus Poincaré 819 Ehrhart 1958, 371 – 372. 820 Lorenz 1959, 330 – 336. 821 Görlich 1962, 95.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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und Lloyd George gegenüber „la volonté droite et tenace de l’Empereur“ zum Ausdruck gebracht und die erhaltenen Instruktionen nicht „d’une ligne“ überschritten habe. Zum „italienischen Friedensangebot“ erklärte de Launay, es gebe vielerlei Hinweise auf hinter dem Rücken der Alliierten erfolgte italienische „démarches secrètes“, diese ­seien aber alle „incontrôlables“.822 Gerhard Ritter schrieb 1964, Czernin habe sich in seiner Hoffnung geirrt, „er könne gefährliche Seitensprünge des jungen Monarchen verhindern, indem er sich selbst in dessen Gespräche“ mit Sixtus einschaltete: „Hinter seinem Rücken schrieb ­Kaiser Karl am 24. März einen (…) Brief an seinen Schwager (…) (wohl sicher nach dessen Diktat oder Vorlage), der zur Weitergabe an Poincaré bestimmt war (…).“ Bei dem „italienischen Angebot“ habe es sich „wahrscheinlich“ nur um „ein taktisches Manöver ­Cadornas“ gehandelt.823 Für Wolfgang Steglich war es 1964 klar, dass Czernin von dem von ­Kaiser Karl „eigenmächtig“ geschriebenen Brief „auf keinen Fall etwas gewußt“ hatte, es ergebe sich dies aus seinem und des Kaisers Verhalten beim Bekanntwerden des Briefes. Zum „italienischen Angebot“ meinte Steglich, dass es „nur eine Kriegsmaßnahme gewesen“ sein dürfte.824 Die Übersetzung der „Note autographe“ Czernins durch Sixtus bezeichnete er als (…) Fälschung (…) von großer Bedeutung, denn sie verbarg den österreichischen Plan, vor einem etwaigen Abschluß mit der Entente die Bundesgenossen zu unterrichten. Außerdem wurde in der französischen Neufassung (sic!) abweichend vom ursprünglichen Text direkt von einem Separatfrieden gesprochen. (… Der Prinz habe) ziemlich eigenmächtig als unverantwortliche Privatperson (gehandelt und) weder die erhaltenen Aufträge präzis ausgeführt, noch die beiden Parteien korrekt unterrichtet. (…) In Paris und London sprach der Prinz (…) immer wieder von der Bereitwilligkeit des österreichischen Kaisers, einen Separatfrieden abzuschließen, und erweckte damit unberechtigte Hoffnungen (…).825

Ladislaus Singer erachtete es 1965 als eine „unangreifbare Tatsache (…), daß die Verhandlungen mit Czernin den Prinzen in keiner Weise befriedigten und ihn verärgerten“. Czernin habe von dem ersten Brief, den „Zita und Sixtus (…) Karl abrangen, (…) keine Ahnung“ gehabt. Und: „Den Brief hat der K ­ aiser, obwohl er nur dürftig französisch sprach, in tadellosem Französisch eigenhändig geschrieben.“ Zum „italienischen Angebot“ stellte Singer die Frage: „War der ­Kaiser von dem angeblichen Friedensfühler Italiens so beeindruckt, daß er ­dieses inoffizielle Anerbieten als verbindlich ­betrachtete?“ 822 823 824 825

Launay 1963, 42 – 44. Ritter 3 1964, 461 – 477. Steglich 1 1964, 41 – 47. Ebd. pp 55 – 56.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Die „Note autographe“ habe der K ­ aiser Sixtus ohne Wissen Czernins ausgehändigt: „Aber was wurde aus dieser ‚Note‘ in der Hand des Prinzen!“ Bei Poincaré und Ribot aber habe Sixtus „nicht einmal mit dieser ‚Änderung‘ des Textes Erfolg“ gehabt.826 Friedrich Engel-Jánosi bemühte sich 1965 in einer Festschrift für Otto von Habsburg zu erklären, wie es zu dem Versprechen des Kaisers im ersten Briefe an Sixtus gekommen sei, dass er sich bei seinem Alliierten mit seinem gesamten persönlichen Einfluss für die „justes revendications françaises relatives à l’Alsace-Lorraine“ einsetzen werde. Dazu zitierte er die Stelle in Polzer-Hoditzs Buch, in der es heißt, Czernin habe dem ­Kaiser von Bethmann Hollwegs „angeblicher Zusage“, um den Preis des „Verkaufs“ Polens an Deutschland Teile von Elsass-Lothringen abzutreten, „offizielle Mitteilung“ gemacht. Durch diese „offizielle Mitteilung“ habe sich der ­Kaiser berechtigt geglaubt, „zum Zweck der Erreichung eines Sonderfriedensangebots die Entente wissen zu lassen, daß er sich bei seinen Bundesgenossen für ein Opfer einsetzen werde“,827 das heißt die „justes revendications françaises“ eben als „justes“ anzuerkennen. Davon ausgehend verstieg sich Engel-Jánosi, wie zuvor schon Ehrhart,828 in einer Anmerkung zu der Hypothese, mit „justes revendications“ könnte (sic!) der ­Kaiser lediglich Forderungen „insoweit sie ‚justes‘ gewesen wären“ gemeint haben. Weshalb aber die „offizielle Mitteilung“ Czernins den Monarchen „geneigt“ gemacht haben soll, die „so viel diskutierten Worte des ersten Sixtusbriefes zu gebrauchen“,829 erklärte Engel-Jánosi nicht. Darüber, dass diese Worte vorgegeben waren durch die vom Prinzen am 30. Jänner 1917 genannte und vom K ­ aiser am 13. Februar akzeptierte Elsass-Lothringen betreffende Bedingung für Verhandlungen mit Frankreich,830 die in dem von Sixtus seinem Schwager am 22. März 1917 überreichten „Projet de note“ wiederholt war,831 ging er hinweg. Engel-Jánosi schien übrigens die Echtheit der veröffentlichten Faksimiles der Kaiserbriefe und damit auch deren Wortlaut in Frage zu stellen. Er frug nämlich 1965: „Wo sind die Originale der (…) Kaiserbriefe? Ja, wer eigentlich hat die Originale je in Händen gehabt? Wenn wir näher zusehen, gründet sich fast alles, was von diesen Schriftstücken gesagt worden ist, auf sogenannte Kopien (…).“ 832 Leo Valiani meinte 1966, der Beweggrund K ­ aiser Karls in seinem zweiten Brief an Sixtus zu schreiben, „Italien“ habe ihm vorgeschlagen Frieden zu schließen „contro la cessione del solo Trentino“, sei es gewesen, seinen Widerstand gegen die italienischen

826 Singer 1965, 129 – 152. 827 Polzer-Hoditz 1929, 337. 828 Ehrhart 1958, 371 – 372. 829 Engel-Jánosi 1965, 39 – 42. 830 Sixtus 1920, 55. 831 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 8 – 9, Sixtus 1920, 78 – 79. 832 Engel-Jánosi 1966, 370.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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Forderungen zu rechtfertigen. Aus den vorliegenden Dokumenten könne nicht geschlossen werden, dass die vom ­Kaiser erwähnte „proposta italiana (…) avesse consistenza“.833 Louis Cadars erwies sich 1967 als, allerdings nicht immer aufmerksamer, Leser des Buches von Polzer-Hoditz. Dessen Stellungnahme zur Autorschaft des ersten Kaiserbriefes 834 schmückte Cadars mit den Worten aus: On n’a aucune certitude sur le véritable auteur de cette lettre dont le style ne serait pas du tout celui de l’empereur. La participation de l’impératrice semble possible par le tour assez souple et délie de certains passages. (…) La construction à la fois solide et habile du document peut être aussi l’œuvre d’une plume experte, professionnelle en quelque sorte, ou peut-être encore d’une collaboration à laquelle auraient, plus ou moins, participé tous les acteurs de cette partie émouvante, y compris le prince Sixte (…).835

Cadars behauptete, Czernin habe auf der Fahrt nach Homburg den ­Kaiser über das „italienische Angebot“ dahingehend unterrichtet, dass darin „tout le Tyrol“ gefordert werde, „ce qui était assurément inacceptable“.836 Polzer-Hoditz zufolge überbrachte der Minister hingegen die Nachricht, Italien verlange „Südtirol“ 837 – dem heutigen Sprachgebrauch entsprechend also lediglich das Trentino. Peter Feldl erklärte 1968 zur Frage, ob Czernin vom ersten Kaiserbrief und dessen Inhalt informiert gewesen sei: „Es dürfte wahr sein – wie Czernin immer behauptet hat –, daß er von ­diesem Brief (…) nichts wußte. Den vollen Inhalt dessen, was der ­Kaiser (…) als seine Friedensvorstellungen zu übermitteln Sixtus aufgetragen hatte, kannte er jedoch, und er billigte ihn auch.“ 838 Was ihn zur letzteren Feststellung kommen ließ, verriet Feldl leider nicht. Auf Kaiserin Zitas Erinnerungen an das Entstehen des ersten Kaiserbriefes berief sich Gordon Brook-Shepherd 1968: Die Kaiserin entsinnt sich, daß der K ­ aiser selbst verschiedene Entwürfe anfertigte. Zu einigen technischen Punkten und für die korrekte Formulierung gewisser diplomatischer Phrasen konsultierte er – über seine direkte Telephonleitung – den Außenminister. So kannte Czernin den Inhalt des Briefes, obwohl er ihn niemals gelesen zu haben scheint. Aber sowohl durch seine Teilnahme an den (…) Diskussionen, die vorausgegangen waren, als auch durch die

833 Valiani 1966, 468. 834 Polzer-Hoditz 1929, 331 – 332. 835 Cadars 1967 71, 53 – 54. 836 Ebd. 837 Polzer-Hoditz 1929, 340. 838 Feldl 1968, 112.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Beratung des Kaisers, während der Brief tatsächlich abgefaßt wurde, war er über alle Vorgänge informiert.839

Ein wenig anders drückte sich Brook-Shepherd 1991 aus und schrieb nun von einer maßgeblichen Mitwirkung der Kaiserin und ihrer Brüder an der Entstehung des Briefes: The whole of that day, 25 (recte 24) March 1917, was spent drafting and redrafting the written commitment Sixtus had virtually demanded. The princes returned to Laxenburg (…) to help; as, we may be sure, the empress did too. All the various versions were drawn up in French (…). As for the drafting, though the emperor spoke that language well enough, the presence around the table of three Bourbons who were dealing in their native tongue must have been decisive. On several technical points, the empress claims (sic!) that Czernin was consulted by telephone. This would have meant that the foreign minister knew roughly what was going on (…), though it is clear that he never saw the finished product.840

Und 1997 bemerkte Brook-Shepherd zu d ­ iesem Thema: „Charles (…) spent most of that day composing. He was aided (…) by his wife, while Czernin was consulted by telephone over certain diplomatic niceties. When Sixtus returned to give a further hand with the drafting, he ended up with a veritable prize for France.“ 841 Wenig belastet von Kenntnissen der kontinentaleuropäischen Geschichte machte Brook-Shepherd K ­ aiser Karl zum „Duke of Alsace-Lorraine“, welches Gebiet „for almost half of a century part of the German empire“ gewesen sei. Der ­Kaiser habe deshalb über etwas verfügt, „which no longer belonged to him“. K ­ aiser Karls Unterfangen, „as amateurish in style as it was over-ambitious in substance“, habe ihm und seinem Reich „a crippling price“ gekostet. Die gesamte Sixtus-Aktion sei „the last exercise in old-world dynastic diplomacy“ gewesen und „hardly a brilliant advertisement for the art“.842 Über das „italienische Friedensangebot“ schrieb Brook-Shepherd 1968 mit großer Emphase: Der treibende Faktor (…) Cadorna (…) handelte auch nicht nur aus eigenem. Einige politische Rivalen Sonninos – vor allem Giolitti und Tittoni – scheinen mit dieser Sondierung einverstanden gewesen zu sein, und König Viktor Emanuel selbst soll sie unterstützt haben. Die italienische Armee stellte selbst den Boten, und die Bedingungen waren, verglichen mit Sonninos raublüsternen Vorstellungen, geradezu mäßig. Anfang April (…) traf in Bern ein Stabsoffizier 839 Brook-Shepherd 1968, 87 – 88. 840 Brook-Shepherd 1991, 71. 841 Brook-Shepherd 1997, 192 – 193. 842 Ebd.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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des italienischen Hauptquartiers ein und sprach zunächst beim Militärattaché der deutschen Gesandtschaft vor. Er wäre ermächtigt zu erklären, daß Italien sofort mit Österreich Frieden zu schließen wünsche und lediglich die Abtrennung des Trentino und von Aquileja fordere.843

Was ihm die Gewissheit verlieh, dass alles sich tatsächlich so verhalten habe, darüber schwieg Brook-Shepherd sich aus. Zur Frage, weshalb österreichischerseits auf ­dieses Angebot nicht eingegangen wurde, schrieb er: Die Kaiserin berichtete über diese mysteriöse Episode folgendes: ‚Der K ­ aiser wollte in dieser Phase nicht in Schwierigkeiten mit Italien verwickelt werden, bevor eine Antwort der Entente auf seine durch Sixtus ausgestreckten Fühler gekommen war. (…).’ Eine mit Bleistift geschriebene Notiz des Grafen Czernin erliegt in einem Wiener Archiv und bezeichnet das Angebot als ‚abgelehnt‘.844

Auf ­welche „Notiz“ in welchem „Wiener Archiv“ sich Zita dabei bezog, ließen sie und Brook-Shepherd im Stockdunklen. Als der ­Kaiser am 9. Mai seinen zweiten Brief an Sixtus schrieb, habe Czernin „noch einmal“ eingegriffen und „ein kurzes Aide-mémoire hinzu(gefügt) – mit Bleistift geschrieben, in deutscher Sprache (…)“. Der „allgemeine Ton“ ­dieses Schriftstückes sei „keineswegs entgegenkommend“ gewesen; Anlass dafür „mag Czernins verletzte Eitelkeit gewesen sein, weil die entscheidende (…) Aktion nicht von ihm ausgegangen war“. Den deutschen Text des Aide-Mémoire gab Brook-Shepherd wieder, die Diskrepanz z­ wischen ­diesem und der durch Sixtus angefertigten „Übersetzung“ hielt er für nicht erwähnenswert.845 Bislang nirgends erwähnte Details über das „italienische Friedensangebot“ werden in Brook-Shepherds The Last Empress ausgebreitet. So heißt es dort, bedauerlicher Weise ohne jede Quellenangabe, „an Italian staff officer arrived in Berne and put out a separate set of unofficial peace feelers, first with the military attaché at the German legation and then with the Austrian minister (…). It could only be assumed that the emissary was speaking on behalf of General Luigi Cadorna (…).“ 846 Bemüht man sich, den verfügbaren Quellen Hinweise darauf zu entnehmen, dass dieser „staff officer“ mit seinen „feelers“ den deutschen Militärattaché oder den Gesandten Musulin erreicht habe, so wird man herb enttäuscht. Auch darauf, dass nicht er sich als Emissär Cadornas ausgegeben habe, sondern die mit den „feelers“ Erreichten nur annehmen konnten, dass er „on behalf “ des Generals spreche, findet sich nirgends ein 843 Brook-Shepherd 1968, 102 – 106. 844 Ebd. 845 Ebd. 846 Brook-Shepherd 1991, 76 – 78.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Fingerzeig. Auf die Diskrepanz z­ wischen Aide-Mémoire Czernins und dessen durch ­Sixtus angefertigter „Übersetzung“ ging Brook-Shepherd auch diesmal nicht ein, erklärte aber, Sixtus hätte den Text des Ministers „significantly sharpened“.847 Hans Herzfeld schrieb 1968 über das Zustandekommen und die Aussage des ersten Kaiserbriefes: Jener durch den Prinzen Sixtus diktierte Brief (…), in dem der Monarch – ohne Wissen ­Czernins – versicherte, daß er (…) die gerechte französische Zurückforderung Elsaß-Lothringens unterstützen werde, bedeutete (…) nicht, daß Karl schon bereit war, zu dem ihm durch den Prinzen im Auftrag Poincarés (sic!) zugemuteten Sonderfrieden die Hand zu bieten, obwohl die von ihm gewünschten Verhandlungen mit Frankreich, England und Rußland, und erst durch diese auch mit Italien, kaum auf einen anderen Weg hätten führen können.848

Ingeborg Meckling zeigte sich 1969 von der Geradlinigkeit des Kaisers überzeugt: Seinem schlichten, politisch ungeschulten Verstande gemäß meinte er, daß die Bezeugung echten Friedenswillens eher zum Ziele führe als taktisches Lavieren. (…) In dem Briefe, den er ohne Wissen Czernins seinem Schwager (…) mitgab, versuchte er daher bewußt, ganz neue Saiten anzuschlagen.849

Helmut Rumpler erklärte 1971, ­Kaiser Karl habe mit dem Brief an Sixtus „nichts anderes beabsichtigt, als seinen ganzen Einfluß auf den deutschen Bundesgenossen geltend zu machen für die Anerkennung der ‚gerechten Rückforderungsansprüche Frankreichs auf Elsass-Lothringen’“. Weshalb der K ­ aiser es vorgezogen haben sollte, seinen „ganzen Einfluß“ über seinen Schwager und die französischen Staatsmänner „geltend zu machen“ statt einen direkteren Weg zu wählen, erklärte Rumpler nicht. Er versicherte jedoch, mit dem Brief, und darin sei „das Unerhörte der persönliche(n) Initiative ­Kaiser Karls“ gelegen, habe sich Österreich-Ungarn „in die Reihe der diplomatischen Gegner Deutschlands (gestellt). Aus dieser Position hoffte der ­Kaiser, ohne zum Mittel des Bündnisbruchs greifen zu müssen, Deutschland tatsächlich auf den Weg allgemeiner Friedensverhandlungen zwingen zu können (…).“ 850 Rumpler meinte weiters, die „persönliche Initiative ­Kaiser Karls“ sei „durchaus im Einklang mit der Politik seines Außenministers“ gestanden. Dieses „entscheidende Faktum (… werde) angesichts des spektakulären Konflikts z­ wischen dem K ­ aiser und 847 Ebd. 848 Herzfeld 1974, 310. 849 Meckling1969, 121. 850 Rumpler 1971, 113 – 114.

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seinem Außenminister (…) nur allzu leicht übersehen“. Czernin habe es „nicht zweifelhaft“ sein können, dass die Verhandlungen mit Sixtus gar nicht zu führen gewesen ­seien „ohne das Problem Elsaß-Lothringen zu berühren“. Bei seiner Argumentation berief sich Rumpler, wie zuvor schon Polzer-Hoditz,851 auf die in Czernins Denkschrift Kriegsziele und die polnische Frage enthaltenen Sätze: „Wenn Deutschland Frankreich und Belgien heraus­gibt und noch etwas dazu, dann ist der Friede da. Der Reichskanzler hat mir ­dieses Opfer streng geheim zugesagt“. Diese Zusage habe Czernin „von Bethmann gleichsam erpreßt“.852 Über den gewichtigen Unterschied z­ wischen den Erklärungen des Ministers und jenen seines kaiserlichen Herrn ging Rumpler hinweg: Dass nämlich Czernin geschrieben hatte, der Friede sei da, wenn Deutschland die besetzten Gebiete Frankreichs und Belgiens herausgebe „und noch etwas dazu“, nämlich eine „partielle (sic!) Abtretung von Elsaß-Lothringen“, ­Kaiser Karl aber versprach, die „justes revendications françaises relatives à l’Alsace-Lorraine“, also die auf ganz Elsass-Lothringen zielenden französischen Forderungen, mit allen Mitteln unterstützen zu wollen. Die im Kaiserbrief enthaltene Wendung „les justes revendications“ bezeichnete Rumpler 2007 als eine „schlussendlich absichtlich unbestimmt stilisierte Formulierung“, erklärte aber nicht, inwieweit sie „unbestimmt“ sei. Weiters schrieb Rumpler, die „Vorstellung des Kaisers, das umstrittene Territorium nach sprachnationalen Kriterien zu teilen“, sei aus „dem Verhandlungszusammenhang argumentierbar“. Wodurch eine ­solche Vorstellung des Kaisers argumentierbar sei, vermittelte er den Lesern allerdings nicht. Weiters hätte Rumpler zumindest andeuten können, wie Paris und/oder Berlin diese weder Sixtus noch Anderen gegenüber zum Ausdruck gebrachte „Vorstellung des Kaisers“ als einen Weg gesehen haben könnten, „aus der Sackgasse des deutschen bzw. französischen Maximalismus herauszukommen“. Für den Leser von Rumplers Ausführungen ist es aber, im Hinblick auf den unter so vielen Mühen abgeschlossenen Seligsprechungsprozess, beruhigend zu erfahren, dass der Sixtusbrief, „wörtlich genommen, kein Angebot an Frankreich auf Kosten Deutschlands, daher auch nur begrenzt ein ‚Verrat‘ am Bündnispartner“ war.853 Sein Inhalt kann somit höchstens als ein den „heroischen Tugendgrad“ des Kaisers, ­welchen Seligsprechungen ja zur Voraussetzung haben, nicht beeinträchtigender lässlicher Fehltritt gewertet werden. Rumpler ließ 2007 auch mit der Mitteilung aufhorchen, Sonnino habe (…) das Verhandlungsangebot Italiens vom 12. April 1917 (?) mit einer Reduktion der (…) Ansprüche auf das italienischsprachige Trentino schon am 19. April in den Besprechungen mit Ribot und Lloyd George in Saint-Jean-de-Maurienne mit seinem Veto widerrufen. (…) 851 Polzer-Hoditz 1929, 337. 852 Rumpler 1971, 113 – 114. 853 Rumpler 2007, 17.

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­ llerdings hat er dabei Triest noch nicht beansprucht und sich mit einer Umwandlung zu einem A Freihafen einverstanden erklärt, aus der Überzeugung heraus, dass das eindeutig multinationale Triest mit dem nationalen Prinzip für Italien nicht zu fordern sei. Am 22. August 1917 hat er sich dann doch mit der Forderung nach Triest bei den Entente-Politikern durchgesetzt (…).854

Als Belege für diese detailreiche Schilderung führte Rumpler eine Passage bei Kovács und die Conclusion in Manteyers Austria’s Peace Offer an.855 Sieht man an diesen Stellen nach, so wird man bitter enttäuscht – sie enthalten nämlich, ebenso wie die gesamte übrige Literatur, nichts von einem derartigen „Widerruf “ Sonninos und auch nichts davon, dass Sonnino am 19. April 1917 „Triest noch nicht beansprucht und sich mit einer Umwandlung zu einem Freihafen einverstanden erklärt“ hätte. – Bei Czernins „Note autographe“ aber, ­welche der ­Kaiser zusammen mit seinem zweiten Brief Sixtus überreichte, habe es sich, Rumpler zufolge, um eine, wenn auch „nicht ganz“ entsprechende, „diplomatische Deutung“ der „weitergehenden Intentionen des Kaisers“ gehandelt. K ­ aiser Karl habe „in der Interpretation von Außenminister Czernin (…) ausdrücklich einen Sonderfrieden nicht angeboten, sondern nur die Bereitschaft erklärt, bei Annahme seiner Vorschläge die Besprechungen fortzusetzen und sich geneigt erklärt, für einen ehrenvollen Frieden zu arbeiten, um damit auch den allgemeinen Weltfrieden (sic!) anzubahnen“.856 Was Rumpler mit den „Vorschlägen“ des Kaisers meinte, überließ er zur Gänze der Interpretation des Lesers. Vor allem aber blieb Rumpler eine Antwort auf die sich aufdrängende Frage schuldig, weshalb K ­ aiser Karl nicht bestrebt gewesen sei, seine „weiter­gehenden Intentionen“ selbst zum Ausdruck zu bringen anstatt sich von der „diplomatischen Deutung“ des Ministers abhängig zu machen. Zbyněk Zeman schrieb 1971 zur Entstehung des ersten Kaiserbriefes: „Emperor Karl had little French, and was unable to write a long letter in that language. He drafted the original in German, and then had it translated, rather freely, by Sixtus. (…).“ Worauf sich Zeman bei der letzteren Aussage stützte, ließ er nicht erkennen. Er fuhr, nun auf festerem Terrain, fort: It now appears that Czernin, although he (…) had taken a part in the negotiations, knew nothing of the letter (…) The Emperor did not seem to (…) realize that for such an enterprise the support of his Foreign Minister was even more essential than the approval of his family. He lightheartedly broke faith with his Minister as well as with the Constitution.857

854 Ebd. p 20. 855 Ebd. 856 Ebd. pp 17 – 18. 857 Zeman 1971, 133 – 135.

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Die Worte im zweiten Brief des Kaisers, Italien fordere ihn zum Friedensschluss auf „en abandonnant toutes les prétentions inadmissibles de conquête (…). Elle réduit ses demandes à la partie du Tyrol de langue italienne“, nannte Zeman eine Lüge, „ill-considered, almost gratuitous“, weil es kein solches Angebot Italiens gegeben habe.858 Victor Rothwell sah 1971 in der „Übersetzung“ der „Note autographe“ Czernins durch Sixtus „a grave deception“ derjenigen, an die das Schriftstück gerichtet war. Der Prinz habe dessen Text verändert „to make it say that Austria was prepared to consider a separate peace whereas the original text spoke of a general peace only“.859 Giuseppe Dalla Torre, 1920 bis 1960 Chefredakteur des Osservatore Romano, gab 1972 ein auf den damals unveröffentlichten Akten des Prozesses zur Seligsprechung ­Kaiser Karls beruhendes, der „ricostruzione della vita spirituale dell’imperatore“ dienen sollendes Buch heraus, in dem er erklärte, die Verhandlungen des Prinzen Sixtus ­seien trotz des guten Willens Poincarés und der Könige von England und Belgien „miseramente e drammaticamente“ gescheitert, als zur Unterzeichnung einer „pace separata dell’impero austro-ungarico“ nur mehr 24 Stunden gefehlt hätten. Schuld daran trügen der Sturz des Ministeriums Briand, die „ferma opposizione“ der von Czernin unvorsichtigerweise informierten Deutschen und die in Saint-Jean-de-Maurienne erfolgten Mitteilungen der Alliierten an die italienischen Staatsmänner.860 Die von Dalla Torre nicht genannte Quelle für diese Behauptung war zweifellos Prinz Xaviers krude Aussage vom 24. April 1950.861 Für Hellmut Andics lag 1976 die Vermutung nahe, „daß Sixtus den (ersten) Brief konzipiert und Karl ihn nur abgeschrieben hat. Graf Czernin bekam das Schriftstück nicht zu Gesicht. Er erfuhr zunächst nicht einmal, daß ein solcher Brief überhaupt verfaßt wurde.“ 862 Erich Feigl ließ 1977 mit der einigermaßen sensationellen Eröffnung aufhorchen, ­Kaiser Karl habe den deutschen ­Kaiser „anläßlich eines Besuches“ in seine Friedenspläne „genauestens (…) eingeweiht“. Feigl berief sich dabei auf eine Erinnerung Prinz W ­ ilhelms von Thurn und Taxis an eine 1943 geführte Unterredung mit Herzog Ernst August von Braunschweig und Lüneburg, dem Schwiegersohn von K ­ aiser Wilhelm. In dieser habe der Herzog erklärt, er sei „Augen- und Ohrenzeuge“ eines Gesprächs gewesen, in dem ­Kaiser Karl „dem deutschen ­Kaiser Mitteilung davon machte, daß er beabsichtige, durch seine Schwäger (…) mit Frankreich Friedensgespräche einzuleiten“. K ­ aiser Karl habe damals gesagt: „Da ich mit Frankreich keine gemeinsamen Grenzen habe, aber schließlich ein Habsburg-Lothringen bin, habe ich eigentlich keine andere ­Möglichkeit, als 858 Ebd. 859 Rothwell 1971, 84. 860 Dalla Torre 1972, 58. 861 Prinz Xavier Aussage 24. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 770. 862 Andics 2 1976, 237.

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ihnen ‚dein Lothringen‘ mit deiner Einwilligung zu versprechen!“ ­Wilhelm II. habe sich dem gegenüber „in Erkenntnis der Zusammenhänge und wegen der Kompensationsbereitschaft des österreichischen Kaisers (…) ‚durchaus positiv eingestellt gezeigt‘“. Die Zuverlässigkeit der Berichte des Prinzen Sixtus stellte Feigl in Frage, wenn er schrieb: „Die Friedensgespräche, die über Vermittlung der Brüder Sixtus und Xavier zustande kamen, gingen auf Anregungen von seiten der französischen Regierung und des Grafen Czernin zurück.“ 863 Woher Feigl die letzteren Informationen hatte und ob diese, wie vielleicht auch die Erinnerungen des Prinzen Thurn und Taxis, irgendwo schriftlich niedergelegt wären, ließ er seine Leser nicht wissen. Wilfried Fest beurteilte 1978 die Seriosität des italienischen Angebots in Anbetracht der erhobenen sehr mäßigen Forderungen so: „These terms which were in contrast even to the opinion of Giolittian circles at that time, suggest that the offer was not honest, but rather an attempt to block Austrian military operations through negotiations, which would have given some breathing space to the Italian army.“ 864 Zur Verfälschung der „Note autographe“ Czernins durch Sixtus schrieb Fest, (…) both Karl and Czernin did not commit themselves to a separate peace. So Sixtus took refuge in the ‚device‘ of a very free translation (…). Sixtus deceived both sides about the degree of compromise to which the other (…) was inclined. His advantage of finding a way into the studies of all the leading policymakers concerned was more than balanced by his distortion of the information obtained.865

Heinz Rieder variierte 1981 Brook-Shepherds Beschreibung der Entstehung des Briefes. Der ­Kaiser habe Czernin telefonisch zu Rate gezogen, sodass dieser „über den ungefähren Inhalt (…) wenn auch nicht über die einzelnen Formulierungen“ informiert gewesen sei. Das Angebot des Monarchen an die Entente sei „großzügig und gewiß als Gesprächsbasis zu akzeptieren“, seine schwache Stelle aber „das Verschweigen Italiens“ (sic!) gewesen. Die Erklärung des Kaisers über die „gerechte französische Rückforderung Elsaß-Lothringens“ habe „an sich keinen Bruch seiner Bündnisverpflichtungen“ dargestellt, weil seine diesbezügliche Haltung „seit langem bekannt“ gewesen sei.866 Wie Rieder 2004 schrieb, habe „diese Erklärung (…) eine gewisse Rechtfertigung darin, daß Karl Chef des Hauses Habsburg-Lothringen war“.867 Feigls Erzählung von den ­Erinnerungen des Prinzen 863 Feigl 1977, 266 – 268. 864 Fest 1978, 73 – 76. 865 Ebd. 866 Rieder 1981, 129 – 131. 867 Rieder 2004, 566.

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Thurn und Taxis übernahm Rieder und meinte, ­Kaiser Karls „Verhandlungsfäden“ ­seien „eben Fühlungsnahmen auf rein dynastischer Ebene“ gewesen. Daran knüpfte er Betrachtungen über die Vorzüge von Aktionen (…) auf einer Ebene ­zwischen den Dynastien, denen die Völker anvertraut waren, die sozusagen als Treuhänder für das Wohlergehen ihrer Völker neben ihren Regierungen – und sogar hinter dem Rücken ihrer Regierungen – nach Wegen zum Frieden suchten. Als Verbindungskanäle wurden dabei auch die verwandtschaftlichen Beziehungen benützt, die ja (…) bewußt deshalb geschaffen worden waren, um dem Frieden (…) zu dienen (…).868

So betrachtet nimmt es nicht Wunder, dass K ­ aiser Karls Suche nach Wegen zum Frieden, die sich ja primär an das Dynastie- und damit treuhänderlose Frankreich richtete, zum Scheitern verurteilt war. Tamara Griesser-Pečar erklärte 1985 unter Berufung auf Brook-Shepherd, Kaiserin Zita habe „glaubhaft versichert (…) daß ihr Mann (am 24. März 1917) den ganzen Tag über eifrig an dem Brief gearbeitet habe und daß schließlich eine ganze Menge Entwürfe vorgelegen hätte“. Heftige Diskussionen s­ eien „später“ darüber entbrannt, inwieweit das Verfassen des Briefes an Sixtus vor Czernin geheim gehalten wurde. „Letztendlich“ aber sei es „wohl kaum wesentlich, ob er den Wortlaut des Briefes nun gekannt hat oder nicht. Entscheidend war, daß er bei den Beratungen anwesend war und genau wußte, w ­ elche Friedenswege nun beschritten werden sollten.“ 869 Ob aber, abgesehen von der Aussage Zitas, der K ­ aiser habe sich „über technische Details und einige konkrete Formulierungen mittels direkter Telefonleitung mit ihm beraten“, etwas darauf hindeutet, dass Czernin überhaupt vom Verfassen eines Briefes wusste und sich die mit ihm gepflogenen „Beratungen“ auf den zu erstellenden Inhalt des Schreibens bezogen, konnte Griesser-Pečar keine Auskunft geben. Wohl aber erklärte sie: „Tatsächlich hatte der Außenminister den Wortlaut des ersten Briefes nicht gekannt, doch war er bei allen Beratungen und Besprechungen zugegen gewesen (sic!) und mußte daher ziemlich genau darüber informiert gewesen sein, was er beinhaltete.“ 870 In ihrer 1988 erschienenen Mission Sixtus folgte Griesser-Pečar der These von Polzer-­ Hoditz und Engel-Jánosi, wie es zu ­Kaiser Karls Worten im Briefe an Sixtus gekommen sei, mit allen Mitteln die „justes revendications françaises relatives à l’Alsace-Lorraine“ unterstützen zu wollen. Sie verlieh dieser These aber eine neue Note und schrieb, ­Czernin habe im Passus seiner Denkschrift Kriegsziele und die polnische Frage in dem es heißt, „wenn Deutschland Frankreich und Belgien herausgibt und noch etwas dazu, dann ist der 868 Rieder 1981, 132 – 133. 869 Griesser-Pečar 1985, 121. 870 Ebd. p 138.

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Friede da“, mit „Frankreich“ Elsass-Lothringen gemeint. Mit den Worten, „der Reichskanzler hat mir d ­ ieses Opfer streng geheim zugesagt“, habe der Minister Bethmann Hollwegs Haltung falsch interpretiert. Diese Fehlinterpretation sei es „wohl vor allem“ gewesen, ­welche dem ­Kaiser „die Legitimation zu geben schien, dem Rückgabeanspruch Frankreichs (…) auf Elsaß-Lothringen so weit entgegenzukommen“.871 Sie meinte weiters: Das Wort ‚justes‘ kann durchaus so verstanden werden, daß der ­Kaiser die Ansprüche Frankreichs als ‚gerecht‘ anerkannte. Ebenso möglich ist aber (…), daß Karl die Ansprüche Frankreichs, sofern sie für gerecht gehalten werden konnten, unterstützen wollte. (…) Nicht ganz von der Hand zu weisen ist jedoch, daß diese etwas mißverständliche Sprache bewußt gewählt worden war.872

Dass Czernins „Fehlinterpretation“ der Worte Bethmann Hollwegs Schuld an K ­ aiser Karls „Entgegenkommen“ und am Inhalt seines Briefes gewesen sei, ist ein die Fakten aber außer Acht lassender Gedanke. Das „Entgegenkommen“ des Kaisers war ja keines, es ergab sich aus den von ihm schon Anfang Februar 1917 akzeptierten und im von Sixtus am 22. März überreichten „Projet de note“ neuerlich gestellten Bedingungen für Verhandlungen über einen Separatfrieden. Schuldig blieb es Griesser-Pečar zu erklären, was Czernin dazu bewogen haben könnte, mit „Frankreich“ nicht die von den deutschen Armeen besetzten Teile ­dieses Landes, sondern Elsass-Lothringen zu meinen. Stattdessen schrieb sie, „die Anwesenden auf der Kronratssitzung vom 22. März“ hätten sich „jedenfalls“ darauf geeinigt, dass „Deutschland für den Verzicht auf Elsaß-Lothringen mit Polen entschädigt werden“ und Österreich „dafür (…) die okkupierten Teile Rumäniens“ erhalten solle.873 Von einem Verzicht Deutschlands auf Elsass-Lothringen war aber, wie oben dargelegt, auf der Sitzung keine Rede gewesen und Czernin hatte in seiner Denkschrift bloß angeregt, Deutschland durch einen „Verkauf “ Polens zu einer von ihm als unabdingbar erachteten „partiellen (sic!) Abtretung von Elsaß-Lothringen“ zusätzlich zur Herausgabe der besetzten Gebiete Frankreichs und Belgiens zu bewegen.874 Griesser-Pečar übernahm mehr oder minder wörtlich die von Brook-Shepherd überlieferte Erzählung Prinz Xaviers über dessen und Sixtus’ Gespräche mit Czernin in Erdődys Wohnung.875 Über das bemerkenswerte Faktum, dass diese Schilderung Xaviers, nach der Czernin sich „endlich doch (…) zu einer Erklärung bedingungsloser 871 872 873 874

Griesser-Pečar 1988, 115. Ebd. p 149. Griesser-Pečar 1988, 115. Denkschrift Kriegsziele und die polnische Frage, HHStA PA I, 524 XLVII/13.2 Verh. mit den Verbündeten über die Friedensbed. 2. Teil. März–Okt. 1917 fol. 150 – 158. 875 Brook-Shepherd 1968, 74, Griesser-Pečar 1988, 144.

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Unterstützung aller in Laxenburg diskutierten Vorschläge“ habe bewegen lassen, mit der Darstellung seines Bruders Sixtus, es sei bei dem Gespräch nicht mehr herausgekommen als bei jenem am Abend zuvor,876 sehr wenig harmoniert, ging Griesser-Pečar, so wie zuvor schon Brook-Shepherd, kommentarlos hinweg. Der zweite Kaiserbrief sei, so erklärte Griesser-Pečar 1985, zwar „weniger explosiv“ gewesen als der erste, habe „aber immerhin bezeugt (…), daß die bewußten Friedensschritte in vollem Einvernehmen mit dem Außenminister erfolgt waren“. Kaiserin Zita habe „immer wieder“ versichert – Griesser-Pečar berief sich dabei auf Brook-Shepherd – „daß die einzige Abschrift (des Briefes) damals Czernin übergeben worden sei, der sie eingesteckt und mitgenommen“ habe.877 In ihrer 1988 erschienenen Mission Sixtus erklärte Griesser-Pečar, Czernin habe, und sie verwies dabei auf „frühere Kapitel“ ihres Buches in ­welchen dies „gezeigt“ worden sei, „zumindest die Abschrift des zweiten Briefes (…) in der Hand gehabt“. Jedenfalls aber habe er den „Inhalt der Gespräche z­ wischen Karl und Sixtus sehr genau“ gekannt, da er „ja selbst an ihnen beteiligt gewesen“ sei.878 Diese Worte rechtfertigende Sätze sucht man in „früheren Kapiteln“ des Buches allerdings umsonst. Dort aber meinte sie vorsichtig, bei dem „italienischen Separatfriedensangebot“ habe es sich, „sofern hier dem Bericht des Prinzen Sixtus Glauben geschenkt werden darf (…), um ein Angebot des (…) Oberbefehlshabers Graf Luigi Cadorna“ gehandelt, hinter dem „der italienische König und politische Rivalen des (…) Außenministers Sonnino gesteckt sein (sollen), allen voran Giovanni Gioletti (sic!) und Tommaso (sic!) Tittoni“. Bezüglich der Seriosität des „Angebots“ zeigte sich Griesser-Pečar skeptisch und brachte Verständnis für die Haltung Czernins auf: Dieser habe nämlich angenommen, „daß es sich hier um eine Kriegslist handelte, um die Österreicher vorerst von einer Offensive (…) abzuhalten“. Vermuten lasse sich jedoch, „daß ­Kaiser Karl zu jener Zeit durchaus geneigt war, auf Italien bis zu einem gewissen Grad einzugehen, (…) Czernin (hingegen) (…) bestrebt war, jedenfalls den Deutschen gegenüber Unnachgiebigkeit (…) zu demonstrieren“. Der Minister habe befürchtet, dass „eine riesige Flut italienischer Ansprüche auf Österreich und Deutschland hereinbrechen könnte“.879 Was es war, das sie solches vermuten ließ, gab Griesser-Pečar nicht preis. Im Hinblick auf die vom K ­ aiser seinem zweiten Brief beigegebene „Note autographe“ Czernins stellte sie die Frage, weshalb wohl bei der Abfassung des letzteren ein „so schroffer“ Ton gewählt worden sei. Sie glaubte, dass dies „vor allem“ Befürchtungen Czernins zuzuschreiben gewesen sei, „der Monarch könnte übereilt irgendwelche Beschlüsse fassen, die nicht mehr rückgängig“ zu machen wären. Im Weiteren meinte sie: „Doch konnte 876 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 12, Sixtus 1920, 92. 877 Griesser-Pečar 1985, 138. 878 Griesser-Pečar 1988, 272. 879 Ebd. p 161.

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es auch gut sein, daß der zweite Kaiserbrief in Übereinstimmung mit dem des Ministers geschrieben worden war und dieser dann die vier Punkte hinzugefügt hatte.“ Welchen Brief sie mit „dem des Ministers“ meinte, verriet sie leider nicht. Zur Übersetzung der „Note autographe“ Czernins durch Sixtus erklärte Griesser-Pečar, der Prinz habe das Schriftstück „als zu scharf empfunden“ und es deshalb mit seiner Übersetzung „weicher interpretiert“. Dabei sei er aber zu weit gegangen; er habe „in einem Maße an dem Schreiben herum(interpretiert), das mit Sicherheit seriösen diplomatischen Gepflogen­ heiten nicht mehr“. Dies deshalb als eine Fälschung zu bezeichnen, wie das Steglich getan habe, gehe „allerdings zu weit“.880 Gary W. Shanafelt schrieb 1985 zur Frage, ob Czernin den ersten Kaiserbrief gekannt habe: Karl’s warmest apologists indicate that Czernin never actually read the final text. It was a mark of the Emperor’s naïve impulsiveness and the already perceptible differences between him and Czernin that such a note could be dispatched without the full knowledge of the Foreign Minister.881

Hans Magenschab meinte 1988: „Es steht heute – entgegen den Gerüchten und Diffamierungen – fest, daß Karl die Deutschen sehr wohl informierte“, von den Gesprächen mit Sixtus und dem an ihn gerichteten Brief nämlich, sodass „von einem ‚Dolchstoß‘ keine Rede gewesen sein kann; man diskutierte nämlich in Bad Homburg sogar die Frage von ‚Kompensationen‘ für Elsaß-Lothringen durch Landgewinn in Polen (…)“.882 Auf Belege für eine Informierung „der Deutschen“ konnte Magenschab nicht verweisen. François Fejtö erhob 1988 den Vorwurf, Ribot habe Italien vorgeschoben, „um das beinahe unterschriftsreife Übereinkommen mit Österreich zum Scheitern zu bringen“. Auf welches „Übereinkommen“ er sich bezog, erläuterte er nicht. Fejtö fühlte sich aber imstande mitzuteilen, dass ein „Offizier des italienischen Generalstabs den deutschen Militärattaché“ kontaktiert und „eine Botschaft des (…) Cadorna bei sich“ gehabt habe: Der Offizier „sollte sich ohne Wissen Sonninos, aber anscheinend mit Zustimmung des (…) Königs erkundigen, ob Österreich bereit wäre, einen Separatfrieden zu unterzeichnen“.883 ­Kaiser Karl aber habe „einen schweren Fehler begangen, indem er einen Mann (Czernin) bei sich behielt, der alle seine Pläne vereitelte und ihn daran hinderte, seiner Intuition und seinem Gewissen zu folgen und dem widernatürlichen Verhältnis zu Deutschland ein Ende zu setzen“.884

880 881 882 883 884

Ebd. pp 203 – 205. Shanafelt 1985, 129 – 130. Magenschab 1988, 176. Fejtö 1991, 234 – 235. Ebd. p 283.

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Alan Sked war mit den Fakten offenbar nur vom Hörensagen vertraut, wenn er 1989 (deutsche Ausgabe 1993) schrieb: Wie Clemenceau enthüllte, hatte ­Kaiser Karl (…) Frankreichs Rechte auf Elsaß-Lothringen anerkannt und angeboten, den Krieg zu beenden, indem er die Deutschen mit Galizien entschädigte. Das war das letzte Beispiel einer rein dynastischen Diplomatie in Europa und blieb (…) erfolglos, weil man die Hohenzollern nicht an den Unterhandlungen beteiligt hatte.885

Von Galizien oder einer Entschädigung „der Deutschen“ war bei den Unterhandlungen mit Sixtus aber nicht die Rede gewesen, und eine Beteiligung der „Hohenzollern“ an ihnen schon von ihrer Natur her ausgeschlossen. James und Joanna Bogle publizierten 1990 ihr Buch A Heart for Europe – The Lives of Emperor Charles and Empress Zita of Austria-Hungary (sic!), in dessen Vorwort Otto von Habsburg versicherte, die Autoren hätten „joined the widening circle of historians trying to present an objective picture“. So erklärten sie zum ersten Kaiserbrief: „In the letter Charles ceded, most importantly of all, Alsace-Lorraine. (…) Although AlsaceLorraine was a traditional Habsburg land (sic!), it in reality at this stage belonged to Germany (…).“ 886 Zu vermuten ist, dass diese der Wirklichkeit wenig verbundenen Sätze von Brook-­ Shepherd inspiriert waren. Wie dieser und Griesser-Pečar zeigten sich die Bogles überzeugt davon, dass es ein „italienisches Sonderfriedensangebot“ gegeben habe und schrieben: Incredibly, a separate peace gesture was to come from the Italian army commander, General Cadorno (…) An Italian officer arrived in Berne (…). In return for the cities of Trent (sic!) and Aquila (sic!) Italy desired peace and wanted the Germans to press the Austrians to agree.887

Auf die Fundamente dieser Schilderung gaben die Bogles keine Hinweise, Brook-­ Shepherds The Last Habsburg scheinen sie jedoch zumindest zum Teil als s­ olche verwendet zu haben. Sie wussten aber offenbar mehr als Brook-Shepherd: Während nach ­diesem Giolitti und Tittoni mit der „Sondierung“ Cadornas „einverstanden gewesen zu sein“ schienen, konnte sich den Bogles zufolge Cadorna, „although acting on his own initiative“, auf „some political support from Sonnino’s rivals such as Giolotti (sic!), Tittoni, and possibly King Victor Emmanuel himself “ stützen. Die Autoren hatten anscheinend auch bessere Informationen über die Absichten des Kaisers als Sixtus und als die heutige Geschichtswissenschaft. Sie glaubten nicht nur schreiben zu können: „The Emperor (…) 885 Sked 1993, 303. 886 Bogle Bogle 1990, III, 79 – 93. 887 Ebd.

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agreed to cede certain parts of the Trentino and (sic!) South Tyrol which he himself had defended in battle (…) It was a gesture of considerable magnitude, and incidentally more than the Italians themselves through Cadorno were wanting“, sondern auch: „Austria was quite prepared to make a separate peace and to negotiate away large sections of her territory even on the Italian front (…).“ 888 Die Bogles kündeten auch von des Kaisers Bereitschaft, sich von Gebieten zu trennen, deren Herrscher er nicht war, nämlich „to give up Lorraine and (…) even Italy (…)“. Von offenkundig durch Zitas von Brook-Shepherd überlieferte Erzählungen inspirierter Überzeugung geprägt erscheint der Satz: „Czernin had a copy of the second letter“.889 Ein Wirken überirdischer Kräfte vermutete Louis-Edouard Roulet in einem Beitrag zu einem 1990 stattgefundenen Kolloquium in Neuchâtel, zu dem Otto von Habsburg einleitende Worte sprach. Roulet meinte nämlich, „le 8 mai, dans le parc (…) de Laxenburg (…) le miracle semble s’opérer. Charles accepte la cession du Trentin de langue italienne.“ Im Tagebuch Maurice Boy de la Tours, in dessen Haus in Neuchâtel die Begegnungen des Prinzen mit Erdődy stattfanden, sei festgehalten, Sixtus habe dort im Mai 1917 erklärt „d’ici un mois, les envoyés plénipotentiaires signeront le document (…)“, nämlich den Abschluss eines Separatfriedens der Monarchie mit der Entente.890 Boy de la Tour hatte den Prinzen offenbar missverstanden, denn dieser schrieb lediglich, Erdődy habe ihm die Nachricht überbracht, dass der ­Kaiser den baldigen Abschluss der Verhandlungen mit ihm, Sixtus, ins Auge fasse: „Il propose d’envoyer au prince, la prochaine fois, vers le 15 juin, avec le comte Erdödy, le prince (recte comte) Kinsky (…) Le prince (Sixtus), de son côté, pourrait être accompagné d’un diplomate de l’Entente (…).“ 891 Wolfdieter Bihl übernahm auf dem genannten Kolloquium, ganz wie Engel-Jánosi und Griesser-Pečar, Polzer-Hoditzs These einer besonderen Bedeutung der von Czernin beim Gemeinsamen Ministerrat am 22. März 1917 präsentierten Denkschrift Kriegsziele und die polnische Frage bzw. ihrer Passage „der Reichskanzler hat mir ­dieses Opfer streng geheim zugesagt“, nämlich die besetzten Gebiete Frankreichs und Belgiens herauszugeben „und noch etwas dazu“, für den Inhalt des ersten Kaiserbriefes. Die „concession“ des Kanzlers, durch w ­ elche es geschienen habe, dass die „cession“ Elsass-Lothringens in den Bereich des Möglichen rücke, sei dem K ­ aiser nämlich „prématurement“ (?) mitgeteilt worden und habe diesen so angeregt, „les termes tant discutés de la première lettre à Sixte“ zu gebrauchen. Was Bihl verleitete, aus der Denkschrift, in der ausdrücklich und auch von ihm zitiert von einer „partiellen (sic!) Abtretung von Elsaß-Lothringen“ die Rede war, eine „cession“, eine vollständige Abtretung herauszulesen, ließ er 888 Ebd. 889 Ebd. 890 Roulet 1993 43, 170, 13 – 14 (Vortrag 1990). 891 (Sixtus) LO 17. Jän. 1920, 64, Sixtus 1920, 185.

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im Unklaren.892 Die historische Diskussion bereicherte Bihl durch eine Rückübersetzung der in Polzer-Hoditzs Buch enthaltenen deutschen Übersetzung des ersten Kaiserbriefes 893 ins Französische, wobei er den dieser Übertragung zugrundeliegenden Text als „version allemande“ des Briefes bezeichnete, so als ob es eine ­solche gegeben hätte. Seine Rückübersetzung bezeichnete Bihl interessanterweise als „le texte intégral de la première lettre de l’empereur“ und ließ darin den K ­ aiser erklären: „(…) j’emploierais tous les moyens dont je dispose et en utilisant toute mon influence personelle auprès de mes alliés pour leur faire comprendre la justesse des revendications françaises en ce qui concerne l’Alsace-Lorraine.“ 894 Bihl machte somit aus K ­ aiser Karls Versprechen der unbedingten Unterstützung der gerechten französischen Forderungen ein Versprechen, deren Gerechtfertigtheit seinen Verbündeten verständlich zu machen. Eine weitere Version der entscheidenden Stelle des ersten Kaiserbriefes, die sich von der oben zitierten wesentlich unterscheidet, dem Originaltext aber, wenn auch nicht was dessen sprachliche Schönheit so doch was dessen Substanz betrifft, näher kommt, gewann Bihl aus der Rückübersetzung einer GriesserPečarschen Übertragung ins Deutsche in die französische Sprache.895 Die an den Prinzen gerichtete Bitte des Kaisers ließ er nämlich so lauten: „(…) je te prie de porter de façon secrète et non officielle à la connaissance de M. Poincaré (…) que j’emploierai tous les moyens dont je dispose et j’utiliserai toute mon influence personelle auprès de mes alliés pour soutenir les justes revendications du retour de l’Alsace-Lorraine à la France.“ 896 Bihl bereicherte das Feld der Forschung auch um eine neue Version des zweiten Kaiser­briefes, die er, wie im Falle des ersten Briefes, durch eine Rückübersetzung des von Polzer-Hoditz ins Deutsche übertragenen Textes 897 ins Französische gewann.898 Luciano Tosi sagte 1990 bei dem Neuenburger Kolloquium zur Frage des italienischen Angebots: „Sonnino nia fermement l’offre de paix italienne (…). Selon toute probabilité, les autorités autrichiennes avaient été purement et simplement sondées au cours d’une des enquêtes habituelles imaginées par les services secrets.“ 899 Jean Bérenger entwarf 1990 ein höchst originelles Bild der Geschehnisse. Er schrieb, ­Kaiser Karl habe Anfang 1917 begonnen, „mit Frankreich (sic!) zu verhandeln“. Bei der „Konferenz in Kreuznach (recte Homburg) im April 1917“, habe er angeboten, „Galizien an Polen abzutreten, unter der Bedingung, daß Deutschland Elsaß-Lothringen an 892 893 894 895 896 897 898 899

Bihl 1993 43, 170, 43 (Vortrag 1990). Polzer-Hoditz 1929, 600 – 601. Bihl 1993 43, 170, 47 (Vortrag 1990). Griesser-Pečar 1988, 280. Bihl 1993 43, 170, 65 (Vortrag 1990). Polzer-Hoditz 1929, 603. Bihl 1993 43, 170, 55 – 56 (Vortrag 1990). Tosi 1993 43, 170, 115 (Vortrag 1990).

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Frankreich zurückerstattete“. Als der „deutsche Kanzler Michaelis (sic!), der sich von der militaristischen Partei (Hindenburg, Ludendorff) und den Pangermanisten bestimmen ließ“, dies verweigerte, habe der ­Kaiser „Sixtus (…), eine Geheimmission“ anvertraut. Wäre Briand Ministerpräsident geblieben, so hätten die Gespräche des Prinzen „einen Kompromißfrieden (…) bringen können“. Gescheitert ­seien sie „an Italien, das außer dem Trentino nichts erhalten hätte“.900 Michel Dugast Rouillé erschien es 1991 wie schon Polzer-Hoditz, auf den er sich berief, wenig wahrscheinlich, dass K ­ aiser Karl den Brief an Sixtus allein verfasst habe, der Stil des Briefes stimme viel zu wenig mit seinem „style habituel“ überein. Nicht unmöglich sei es, dass die Kaiserin daran mitgearbeitet habe, jedenfalls sei der Brief die Frucht „d’un travail en commun“ gewesen. Nicht auf Polzer-Hoditz berufen konnte sich der Autor, wenn er schrieb, Cadorna habe der Monarchie mit Unterstützung des Königs und ­Giolittis den Frieden angeboten „en exigeant seulement le Tyrol de langue italienne“ und dass der ­Kaiser, mit Rücksicht auf die laufenden Verhandlungen mit Sixtus, darauf „de manière évasive“ antwortete; überdies hätte auch Russland der Monarchie den Frieden vorgeschlagen.901 Manfried Rauchensteiner legte 1993 dar, K ­ aiser Karl habe den ersten Brief „am 17. März“ (sic!) geschrieben und sei darin auf „alle drei“ (sic!) der von Sixtus gewünschten Punkte eingegangen: „Österreich habe kein Interesse an Serbien, Belgien solle wieder souverän und Elsaß-Lothringen an Frankreich gegeben werden“. Diesen Brief habe Sixtus an Poincaré weitergereicht. Von Ribot sei der Prinz schließlich ersucht worden, „mit K ­ aiser Karl direkt in Kontakt zu treten“. Czernin habe bis zu Sixtus’ Besuch in Wien im Mai (sic!) 1917 „nichts von der Vorgeschichte gewußt“ und „in dem Besuch (…) den ersten Kontakt“ gewähnt. Rauchensteiner teilte auch Unerwartetes über den zweiten Brief mit: In ­diesem habe ­Kaiser Karl nämlich „abermals zum Ausdruck“ gebracht, dass er „in der deutschen Weigerung, auf Elsaß-Lothringen zu verzichten, das größte Friedenshindernis“ sehe. Entfernt anklingend an den tatsächlichen Inhalt des Briefes erfährt der Leser, der K ­ aiser habe geschrieben, „über die italienischen Forderungen könnte man sprechen“.902 In der überarbeiteten Fassung seines Werkes gab Rauchensteiner 2013 von einem am 17. März (sic!), und zwar, wie er nun ausführte, „in Abstimmung mit Graf Czernin“ geschriebenen Brief des Kaisers Kunde. Damit sei man aber nicht weitergekommen. „Um konkreter werden zu können“, ­seien Sixtus und Xavier nach Wien gereist, wo sie „Kaiser Karl und wohl auch (…) Czernin, der sich nachträglich nicht so genau erinnern wollte“, getroffen hätten. Der den Prinzen nun überreichte Brief sei „wahrscheinlich von Karl selbst verfasst, sicherlich aber unterschrieben worden“. Er sei aber 900 Bérenger 1995, 800. 901 Dugast Rouillé 1991, 75 – 82. 902 Rauchensteiner 1993, 553 – 554.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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nicht ganz das gewesen, „was sich Sixtus vorgestellt hatte, da das Wort ‚gerechtfertigt‘ doch etliche Interpretationsmöglichkeiten“ zugelassen habe.903 Von einem „über den italienischen Generalstabschef Luigi Cadorna gelaufenen Friedens­angebot“ berichtete Rauchensteiner 1995,904 belegte dies allerdings lediglich mit dem oben erwähnten Geschwafel Brook-Shepherds;905 2013 schrieb er dazu, Cadorna habe signalisiert, „dass Italien zwar die Abtretung des Trentino forderte, doch seine Aspirationen insgesamt durchaus reduzieren wollte“. Ein italienischer Oberst habe das Angebot am 12. April 1917 „im Auftrag Cadornas in Bern wiederholt und präzisiert: Italien wollte nur mehr das Trentino und Aquileja. Cadorna soll im Auftrag des italienischen Königs gehandelt haben“.906 Mit diesen Mitteilungen berief sich Rauchensteiner nun auf PolzerHoditz, der aber nicht mehr schrieb, als dass am 12. Mai in Neuchâtel Sixtus von Erdődy „nähere Mitteilungen über den italienischen Friedensvorschlag“ überbracht wurden.907 Heinz von Lichem ließ 1996 mit der Nachricht aufhorchen, Feigl habe nachgewiesen, dass „Kaiser Wilhelm und dessen militärische Umgebung“ über die Sixtus involvierenden „Friedensversuche und deren Details bereits im vorhinein durch K ­ aiser Karl korrekt informiert gewesen“ s­ eien. Der K ­ aiser habe seine „brieflichen Friedensversuche (…) nicht nur mit (…) Sixtus und Xavier, sondern ebenso mit seinen politischen Ratgebern und den führenden Staatsmännern seines Kabinetts (…) genau und langwierig“ abgestimmt. Es ­seien „die einzigen ernstzunehmenden Friedensversuche seitens einer der Großmächte“ gewesen, der ­Kaiser habe „weder untragbare Forderungen“ gestellt noch „einen unmöglichen Textstil“ gewählt. Dass er scheiterte, sei nicht an ihm gelegen: An seinem „erschütternden und ergreifenden Leben“ zeige es sich, „dass das Böse per se versucht hat, sein Wirken zu bekämpfen“. Zu Dank verpflichtet sah sich Lichem Otto von Habsburg und Erich Feigl.908 Jean Sévillia teilte 1997 mit, der erste Kaiserbrief an Sixtus sei in einem „français impeccable“ abgefasst. Alles deute darauf hin, dass Zita dabei geholfen habe, „au moins pour le style“. Durch einen italienischen Oberst habe der ­Kaiser ein Diskussionsangebot (sic!) erhalten „émanant sans doute du général Cadorna (…) agrée peut-être par le roi Victor-Emmanuel, mais à l’insu de Sonnino“. Die Bemühungen des Kaisers und Czernins ­seien an der Unversöhnlichkeit Sonninos und mehr noch an der Borniertheit Ribots gescheitert. Sixtus aber habe „l’austrophobie des milieux républicains, fondée sur les réminiscences anticatholiques de l’époque révolutionnaire“ unterschätzt. Für 903 904 905 906 907 908

Rauchensteiner 2013, 932. Rauchensteiner 1995, 151. Brook-Shepherd 1968, 103. Rauchensteiner 2013, 933. Polzer-Hoditz 1929, 351. Lichem 1996, 64 – 76.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

ihm bei ­seiner Arbeit gewährte Unterstützung dankte auch Sévillia „l’archiduc Otto de ­ absbourg“ und Erich Feigl.909 Der Herkunft des Diskussionsangebotes scheint sich H Sévillia 2009 nicht mehr so sicher gewesen zu sein wie 1997. Jetzt schrieb er nämlich, es habe wahrscheinlich, also nicht mehr „sans doute“, von einem mit dieser Mission von Cadorna betrauten italienischen Offizier gestammt. An der Redaktion des zweiten Kaiserbriefes hätten, wie an der des ersten, „plusieurs intervenants“ teilgenommen, ­darunter, Karl Johannes Bauer zufolge 910, „de nouveau, Mgr Musil“. Die „Note autographe“ Czernins habe Sixtus ins Französische übersetzt und, in der Absicht „de faire passer la pillule“, dabei „arrangiert“.911 Peter Broucek bezeichnete 1997 das „italienische Friedensangebot“ ohne Nennung einer Quelle als „von der Seite des italienischen Königs – und wahrscheinlich auch des (…) Comando Supremo“ gekommen. Czernin habe mit seiner „Note autographe“ den zweiten Kaiserbrief „weiter interpretiert“. Sicher sei, dass Sixtus den Kaiserbrief und Czernins Note „schwer überinterpretierte und in Frankreich von Österreich-Ungarns Bereitschaft, einen Sonderfrieden einzugehen, berichtete, was – allen Quellen nach – ­Kaiser Karl nur für den äußersten Notfall einer völligen Intransigenz angedeutet haben mochte“.912 Worauf diese „Intransigenz“ sich hätte beziehen müssen, ließ Broucek nicht erkennen. Er schrieb weiter, Poincaré und Lloyd George hätten „Brief samt Aide-mémoire bemerkenswert“ gefunden, Ribot aber sei „gegenüber den Verhandlungen immer zögernder“ geworden: „Er hielt in Wirklichkeit zu Sonnino, der das (…) italienische Angebot einfach als Manöver hinstellte, die Mittelmächte zu entzweien.“ 913 Ausgerechnet auf das ohne jede Quellenangabe auskommende Buch der Bogles 914 berief sich Norman Davies 1997 in seinem monumentalen Werk Europe – A History mit den Worten: „Austria’s young Friedenskaiser (…) was ready to make territorial concessions to Italy, and accepted French claims to Alsace-Lorraine. But he did not convince either the Italians (sic!) or the French of his ability to influence Berlin (…).“ 915 In den 1998 erschienenen, durch Literaturkenntnis unbelasteten Memoiren Egon ­Berger Waldeneggs ist Erstaunliches zu lesen, Sixtus, „ein Halbbruder Kaiserin Zitas“, habe ­Kaiser Karl in einem Brief „überraschend seine Vermittlung zur Herbeiführung eines Separatfriedens“ angeboten. Der ­Kaiser habe an ein „Ausspringen“ aus dem deutschen Bündnis nicht denken wollen und den Brief „vorerst unbeantwortet“ gelassen. Als 909 910 911 912 913 914 915

Sévillia 1997, 101 – 105 bzw. 301. Bauer 1984. Sévillia 2009, 101 – 102. Broucek 1997, 108 – 110. Broucek 1997, 108 – 110. Bogle Bogle 1990. Davies 1997, 910.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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ihm „kurze Zeit nachher“ Graf Nikolaus Revertera berichtete, „daß ihm von seriöser französischer Seite der Vorschlag eines günstigen Separatfriedens für die Monarchie zugekommen sei“, habe er die darin genannten Bedingungen „nicht nur akzeptabel, sondern sogar überaus günstig“ gefunden. Czernin sei dagegen gewesen und „verschiedene Gründe haben dann diese Lösung leider verhindert“. Die Sache sei aber „in Schwebe“ geblieben und „eines Tages“ habe der ­Kaiser „Czernin (…) die Mitteilung“ gemacht, dass er sich „nunmehr doch entschlossen habe, im Hinblick auf den ablehnenden Standpunkt der deutschen Regierung, der Idee (…) eines Sonderfriedens näher zu treten“. Dies habe er getan in Form eines „einzigen Briefes“, mit dem er „auf den Brief, den ihm seinerzeit Prinz Sixtus gesandt hatte“, antwortete.916 Stephan Baier und Eva Demmerle, beide erst Sekretäre und dann Pressesprecher Otto von Habsburgs, schrieben 2002, ­Kaiser Karl habe „schon im März“ 1917 beschlossen, „Verhandlungen über einen Separatfrieden mit Frankreich aufzunehmen“ und in ­Sixtus „einen idealen Vermittler“ gefunden. Der Prinz habe als französische Bedingungen unter anderem „die Wiederherstellung (…) Belgisch-Kongos“ und „Garantien (sic!) für die Wiederherstellung des Königreichs Serbien“ genannt. Die Autoren wussten auch zu erzählen, Czernin habe im Gespräch mit K ­ aiser Karl und Sixtus am 23. März (sic!) „die Forderungen nach Großserbien (sic!) und der Wiederherstellung Belgiens“ akzeptiert, „die Franzosen“ hätten „unterdessen signalisiert (…), dass ein Separatfrieden mit Österreich möglich sei“; der Brief an Sixtus sei „mit Hilfe der Kaiserin entstanden“. Czernin maßen die Autoren eine „katastrophale Rolle“ zu. Beim Treffen mit Bethmann Hollweg am 25. (recte 26.) März 1917 habe er „die Frage der Abtretung von Elsass-Lothringen“ erwähnt, „seinerseits Gebietsabtretungen Österreichs an Italien“ aber abgelehnt. Wollten die Autoren damit sagen, der ­Kaiser sei zu solchen bereit gewesen? Sie machten übrigens aus Feldmarschall Conrad einen „Generalfeldmarschall“, aus Jan Christiaan Smuts „Struts“, aus Kanzler Bethmann Hollweg einen solchen mit dem Vornamen „Moritz August“, aus Clemenceau einen „Staatspräsidenten“ und beförderten Ludendorff zum Generaloberst.917 Diese und andere Eigenheiten finden sich auch in der 2012 erschienenen 6., überarbeiteten und erweiterten Auflage ihres Buches. Um eine weitere Popularisierung der Darstellungen Brook-Shepherds, Griesser-Pečars, Vasaris und Feigls bemühte sich Eva Demmerle in ihrem 2004 erschienenen Buch ­Kaiser Karl I. – Selig, die Frieden stiften. Sie schrieb darin, die Franzosen hätten signalisiert, „daß ein Separatfrieden mit Österreich wohl möglich sei“; Czernin jedoch sei gegen die Abtretung von Elsass-Lothringen gewesen, „seine Vorbehalte“ hätten „den Schwachpunkt“ des Unternehmens gebildet. K ­ aiser Karl habe einen Tag damit verbracht „den Brief an die Ententemächte vorzubereiten“. Ohne sich auf eine Quelle zu berufen, erklärte 916 Berger Waldenegg 1998, 338 – 340. 917 Baier Demmerle 2012, 66 – 7 1.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

die Autorin, „Kaiser Karl informierte Czernin telefonisch über den Brief – s­ päter habe Czernin abgestritten, den Inhalt gekannt zu haben“. Aufs Neue meinte sie, der Minister habe eine „katastrophale Rolle“ gespielt, auch sei er nicht in der Lage gewesen, „in Einklang mit seinem Monarchen zu reden und zu handeln“. Dieser habe „eigentlich (…) einen Sonderfrieden vermeiden und Deutschland mit in die Friedensverhandlungen einbinden“ wollen. Demmerle wusste auch darzulegen, dass der ­Kaiser sich „an die Verhandlungen mit Cadorna, auf die er im zweiten Brief anspielt“, geklammert habe. „Allerdings“ habe Czernin ­diesem Brief ein Aide-Mémoire hinzugefügt, „das er bezeichnenderweise nicht unterzeichnete. Darin schloß er nochmals jede territoriale Konzession Österreich-Ungarns aus. Damit hatte Czernin die Verhandlungen erneut belastet.“ 918 Darüber, dass es keine „Verhandlungen mit Cadorna“ gab, die Czernin hätte „belasten“ können, ging Demmerle schwungvoll hinweg. Peter Broucek schrieb 2004, die beiden Missionen Sixtus s­ eien „unter Vorinformation des Deutschen Kaisers, Konsultation mit dem Deutschen ­Kaiser und ebenso Information des österreichisch-ungarischen Ministerrates“ erfolgt, „wie wir durch Überlegungen Friedrich Engel-Janosis und Rudolf Necks annehmen können“.919 Wo ­solche „Überlegungen“ nachzulesen wären, gab Broucek nicht an.920 Elisabeth Kovács, Mitglied der von der vatikanischen Kongregation für die Seligund Heiligsprechungsprozesse gebildeten Historikerkommission zur Überwindung der „Stagnation in der biographischen Forschung zu Karl von Österreich“,921 erklärte 2004: „Kaiser Karl wollte seinen gesamten persönlichen Einfluß aufbieten, um die gerechten Rückforderungsansprüche Frankreichs auf Elsaß-Lothringen zu erwirken (sic!).“ 922 Für sie stand also fest, dass die Worte des Kaisers im Brief an Sixtus seine Intentionen klar zum Ausdruck brachten. Wie Brook-Shepherd und Griesser-Pečar referierte sie die Erzählung Prinz Xaviers über seine und Sixtus’ Gespräche mit Czernin in Erdődys Wohnung und schrieb: „Zum Schluß gab er (Czernin) mündlich sein Einverständnis zum Friedensschritt des Kaisers und versicherte, hinter seinem Souverän zu stehen.“ 923 Darüber, dass Xaviers Behauptung, Czernin habe sich „endlich doch (…) zu einer Erklärung bedingungsloser Unterstützung aller in Laxenburg diskutierten Vorschläge“ bewegen lassen, mit der Darstellung Sixtus’, es sei bei dem Gespräch nicht mehr heraus­ gekommen als bei dem am Abend zuvor,924 keineswegs im Einklang steht, ging auch Kovács kommentarlos hinweg. 918 Demmerle 2004, 119 – 124. 919 Broucek 2004, 103. 920 Ebd. 921 Kovács 2 2004, 25. 922 Kovács 1 2004, 139. 923 Ebd. p 138. 924 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 12, Sixtus 1920, 92.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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Die Frage, ob es ein „italienisches Angebot“ gegeben habe und von wem es ausgegangen sei, erschien Kovács klar zu beantworten: Es sei „über die deutsche Botschaft (sic!) in Bern ein sehr ernst zu nehmender (sic!) italienischer Emissär im Auftrag von General Cadorna, Tommaso (sic!) Tittoni, Giovanni Giolitti und König Viktor Emanuel III. an Österreich-Ungarn herangetreten: Man war gegen die Abtretung von Aquilea und des italienischen Teiles von Trient (sic!) zum Frieden bereit.“ 925 Als Belege dafür, dass es ein „Angebot“ gegeben habe, führte Kovács die von Sixtus berichteten Äußerungen Erdődys in Neuchâtel am 4. Mai 1917 sowie drei von Scherer und Grunewald veröffentlichte Dokumente an. Nach Sixtus aber erklärte Erdődy wohl „l’Italie a proposé la paix à l’empereur“ und dass diese Proposition aus dem italienischen Hauptquartier gekommen sei, nicht aber, dass sie ein „sehr ernst zu nehmender (…) Emissär im Auftrag von General Cadorna (…)“ überbracht habe, sondern einer „se disant (sic!) envoyé de Cadorna et du roi (…)“.926 Das zweite der von Kovács als Belege zitierten Dokumente zeigt, daß Czernin am 26. März 1917 in Berlin als Urheber der Kontaktversuche wohl den italienischen König nannte, damit aber lediglich wiederholte, was Bethmann Hollweg ihm am 16. März in Wien gesagt hatte.927 In den beiden übrigen von Kovács zitierten Dokumenten steht über den oder die Auftraggeber des „Emissärs“ nichts zu lesen.928 Die Eröffnung des Prinzen, der ­Kaiser habe am 12. Mai 1917 durch Erdődy präzisiert, „Sonnino ne savait rien de cette démarche. Il est certain, toutefois, qu’elle a eu lieu d’accord avec un grand parti politique (Giolitti, Tittoni) et qu’elle émane du roi“,929 gab Kovács höchst freizügig mit den Worten wieder, der ­Kaiser habe Sixtus „das italienische Friedensangebot von Giolitti, Tittoni und König Viktor Emanuel III. (…), von dem Sonnino nichts wußte (…)“ bestätigt.930 Im Band 2 ihres Werkes schrieb Kovács zur „Präzisierung“ des Kaisers: „Ein Reflex dieser diplomatischen Bemühungen“ – so als ob es s­ olche gegeben hätte – finde sich in den Berichten Barrères vom 20. Mai und vom 29. Juni 1917 an Ribot.931 Liest man in Ribots die Berichte Barrères enthaltenden Journal nach, so sind dort keinerlei auf ein italienisches Friedensangebot hinweisende „Reflexe“ auszumachen. Barrère gab lediglich zu bedenken, er habe am 20. Mai darauf hingewiesen, dass ein Separatfrieden mit der Monarchie, wie er durch die Kaiserbriefe und die Mitteilungen des Prinzen möglich erscheine, mit für Frankreich und England in 925 Ebd. p 146. 926 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 21, s. auch p 24, Sixtus 1920, 160 – 162, 166 u. 195. 927 Prot. Konf. in Berlin 26. März 1917, in 4 Teilen publ. MNN M (1. März 1922), 1 – 2, MNN A (2. März 1922), 1 – 2, MNN A (3. März 1922), 1 – 2, MNN S/S (4./5. März 1922), 1 – 2, idem SG 2 1966, 50 – 60 Dok. 33. 928 Romberg an A. A., Tel. 550, 27. März 1917, SG 2 1966, 62 Dok. 35, Zimmermann an Botschaft in Wien, Tel. 196, 30. März 1917, ebd. pp 64 – 65 Dok. 37 Anm. 3. 929 (Sixtus) LO 17. Jän. 1920, 63, Sixtus 1920, 181. 930 Kovács 1 2004, 152. 931 Kovács 2 2004, 185.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

ihrem Ausmaß nicht abzuschätzenden „risques immédiats et futurs“ verbunden wäre.932 Und am 5. Juni 1917 trug Barrère in sein Tagebuch ein, er habe, wie ihm von Ribot aufgetragen, Sonnino gesagt, „qu’il ne pouvait pas douter de notre résolution de tenir tous nos engagements envers l’Italie“. Der Minister habe ihm daraufhin versichert, er und seine Regierung s­ eien „également résolues à tenir tous leurs engagements envers les Alliés et de continuer la guerre en étroit accord avec eux“.933 An einer anderen Stelle ihres Buches schrieb Kovács ebenso kategorisch: „Der italienische Friedensvorschlag war von König Viktor Emanuel III. ausgegangen (…).“ 934Und einige Seiten weiter erklärte sie: „Sonnino hatte (…) die Möglichkeit eines Friedens mit Österreich vertuscht (…) Die Kontakte zu Österreich-Ungarn hatte (…) Giovanni G ­ iolitti vermittelt und Sonnino damit in politische Schwierigkeiten gebracht.“ 935 Belege dafür, dass Sonnino „vertuscht“, Giolitti jedoch „vermittelt“ und „Sonnino damit in politische Schwierigkeiten gebracht“ hätte, gab Kovács nicht an, verwies dazu aber auf eine Passage in Giolittis Denkwürdigkeiten.936 Liest man in diesen nach, so findet sich dort wohl Giolittis Schilderung seiner 1915 erfolgten Bemühungen, den Kriegseintritt Italiens zu verhindern, nichts aber über irgendwelche „Vermittlungen“ im Jahr 1917. Dass es ein „italienisches Angebot an Österreich“ gegeben habe, schien Kovács auch ein Schreiben Kardinal Marchese Gaetano Bisletis an Kaiserin Zita zu bestätigen. Den Inhalt ­dieses Schreibens fasste sie nämlich so zusammen: Kardinal Bisleti übermittelt im Auftrag Papst Benedikts XV . Friedensvorschläge gegenüber Italien. Die italienische Regierung möchte den territorialen Status vor dem 1. Mai 1915 wiederhergestellt haben. Der Hl. Vater erbittet die Mitteilung der Maximalkonzessionen, ­welche die Monarchie gegenüber Italien machen kann.937

Diese Angabe ist falsch. Bisletis Schreiben enthielt keinerlei „Friedensvorschläge gegenüber Italien“ und nichts davon, dass „die italienische Regierung (…) den territorialen Status vor dem 1. Mai 1915 wiederhergestellt haben“ möchte. Bisleti berichtete vielmehr, der Papst werde sich „con ogni mezzo in Suo potere“ für die rasche Wiederherstellung des Friedens einsetzen und nehme an, dass die k. u. k. Regierung im Wesentlichen an ihrem vor dem Mai 1915 eingenommenen Standpunkt festhalte. Was damit gemeint war, ist nicht klar, denn dies konnte sich entweder auf die bis zum Kronrat vom 8. März 1915 932 933 934 935 936 937

Barrère an Ribot 20. Mai 1917, Ribot 1936, 106 – 107 Anm. 1. Ribot an Barrère 4. Juni 1917, Barrère an Ribot 5. Juni 1917, Ribot 1936, 120 – 122. Kovács 1 2004, 172. Ebd. pp 223 – 224. Giolitti 1923, 222 – 246. Kovács 1 2004, 223 – 224.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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eingenommene Haltung, an der territorialen Integrität der Monarchie nicht rütteln zu lassen, auf die am 27. März 1915 Botschafter Avarna von Außenminister Burián mitgeteilte Bereitschaft zu einer „Gebietsabtretung in Südtirol – die Stadt Trient inbegriffen“,938 oder aber auf den Avarna am 16. April 1915 von Burián überreichten Vorschlag, das Trentino bis zur Sprachgrenze bei Salurn abzutreten, beziehen.939 Bisleti schrieb weiter, der Papst wünsche zu wissen, was das Maximum an Zugeständnissen sei, das die Monarchie bereit wäre, Italien einzuräumen.940 In der von Kovács ebenfalls abgedruckten, wahrscheinlich Anfang Juni 1917 abgesandten Antwort der Kaiserin auf ­dieses Schreiben des Kardinals aber heißt es, sie, Zita, könne zur Zeit keine konkrete Antwort geben, ein Abgehen von der seit Kriegsbeginn eingenommenen Haltung der Monarchie, nämlich ihre territoriale Integrität auf keinen Fall in Frage stellen zu lassen, erscheine ihr „poco probabile“. Stattfinden könnten höchstens einige „regolamenti di frontiere pei guadagni di terreno ottenuti da una parte e dall’altra“.941 Ähnlich drückte sich die Kaiserin in einem undatierten weiteren, von Kovács als „konkrete Antwort an den Papst bezüglich Friedensverhandlungen mit Italien“ bezeichneten Schreiben an Bisleti aus: Wie sie vorausgesehen habe, sei eine Gebietsabtretung nicht möglich, man könne lediglich in Verhandlungen eintreten über „un regolamento di frontiera da ambedue le parti e forse per la cessione di una piccola parte del Trentino“. Eine ­solche Abtretung kleinen Ausmaßes müsse aber durch „un cambio soddisfacente per l’Austria“ kompensiert werden.942 Praktisch gleichlautend erklärte ­Kaiser Karl in seinem Schreiben vom 4. Oktober 1917 an den Papst, „la volonté de Nos peuples (…) s’opposerait à la moindre concession territoriale en faveur de l’Italie. Une pareille concession ne serait donc ni juste ni possible. – Peut-être pourrait-on tout au plus prendre en considération (…) des rectifications de frontière réciproques ne changeant en rien l’équilibre territorial existant avant la guerre entre l’Autriche-Hongrie et l’Italie.“ 943 938 Burián an Macchio, 28. März 1915, Ö.-u. Rotbuch 1915. 117 – 119 Dok. 131. 939 Burián an Macchio, 16. Apr. 1915, ebd. pp 134 – 140 Dok. 144. – Am 10. Mai 1915 hatten der k. u. k. Geschäftsträger Baron Macchio und der dt. Botschafter von Flotow an die Minister Salandra und Sonnino eine Liste gesandt, die folgende Angebote enthielt: Abtretung, soweit ital. Nationalität, des Trentino und des Westufers des Isonzo einschließlich Gradiscas; volle Gemeindeautonomie, ital. Universität, Status einer freien Stadt und Freihafen für Triest; Zustimmung zur Annexion Valonas und völliges Desinteresse Österreich-Ungarns an Albanien; wohlwollende Prüfung der Wünsche, ­welche Italien noch aussprechen sollte. Macchio an Burián, Tel., 10. Mai 1915, ebd. pp 171 – 173 Dok. 178, Macchio 1931, 117, Gottlieb 1957, 382 – 383. 940 Bisleti an Zita, 12. Mai 1917, Kovács 2 2004, 184 – 185 Dok. 44. 941 Zita an Bisleti o. D. (Anfang Juni 1917), ebd. pp 186 – 187 Dok. 45. 942 Zita an Bisleti o. D., o. J. (1917), ebd. p 187 Dok. 46. 943 Ks. Karl an Benedikt XV ., Handschr. 4. Okt. 1917, HHS tA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 177 – 178, Druck: Engel-Jánosi 1964, 397 – 399 Dok. 211, Steglich 1970, 381 – 382 Dok. 330, Rumi 1990, 35 – 36 Dok. 10, Kovács 2 2004, 258 – 259 Dok. 65.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Hoch sich über die Fakten erhebend erklärte Kovács an einer anderen Stelle ihres Werkes: Nach den Kontakten von Prinz Sixtus mit Wien und Paris (Jänner–Februar 1917) begannen bilaterale Gespräche Österreich-Ungarns mit Frankreich, England und Italien einerseits, mit Deutschland andererseits. Eine Gruppe um König Viktor Emanuel III., Innenminister Orlando und General Cadorna, schien geneigt, mit der Donaumonarchie Frieden zu schließen.944

Dass „bilaterale Gespräche“ keineswegs begannen, erfüllt den zum Träumen fast mitgerissenen Leser von Kovács’s Dichtung mit Wehmut. Er tröstet sich jedoch damit, dass es immerhin Kontakte des Prinzen mit K ­ aiser Karl, Czernin, Poincaré, Martin, Cambon und Ribot sowie s­ päter Lloyd George gab. Bei ihrer Aussage „Eine Gruppe um König Viktor Emanuel III., Innenminister Orlando und General Cadorna, schien geneigt, mit der Donaumonarchie Frieden zu schließen“ berief sich Kovács auf Griesser-Pečar,945 die wiederum auf die Passage im Buch des Prinzen Bezug nahm, in der es heißt, Erdődy habe in Neuchâtel erzählt, dass ein vom italienischen Hauptquartier nach Bern entsandter „envoyé spécial“ ein Friedensangebot überbracht habe und es sicher sei, dass diese Demarche im Einklang mit „un grand parti politique (Giolitti, Tittoni)“ erfolgt sei „et qu’elle émane du roi“.946 Von Orlando und Cadorna ist dort jedoch nicht die Rede. Weiters berief sich Kovács auf ein Schreiben des sächsischen Gesandten in Wien, Alfred von Nostitz-Wallwitz, in dem dieser an das Dresdner Außenministerium berichtete, es sei „Tatsache, daß von dort (Italien) aus wegen eines Separatfriedens sondiert worden ist“.947 Näheres aber war dem Gesandten unbekannt. Nicht minder überzeugt davon, dass es ein „italienisches Angebot“ gegeben habe, zeigte sich Kovács 2007, als sie schrieb, Bethmann Hollweg sei im Mai 1917 nach Wien gerufen worden, nachdem „aus Kreisen der Armee, des ehemaligen ­Ministerpräsidenten Giolitti und des Königs Viktor Emanuel III . über Deutschland ein Sonderfriedensangebot an Wien (ergangen sei), in dem man wieder einmal (sic!) nur das Trentino begehrte“, K ­ aiser Karl sich „zur Abtretung entschlossen (…) und diese Entscheidung dem 2. Sixtusbrief im Mai 1917“ nachgeschickt habe. Worauf sie ihre Behauptungen von einem kaiserlichen Entschluss zur Abtretung des Trentino und einem Nachschicken „dieser Entscheidung“ fundierte, ließ Kovács nicht wissen. Sie schrieb weiters, am 13. bzw. 14. Mai sei dem Reichskanzler von Czernin mitgeteilt worden, dass die Entente „Österreich den Frieden angeboten“ habe. Dazu meinte sie: „Zweifellos hatte Czernin 944 945 946 947

Kovács 1 2004, 127. Griesser-Pečar 1988, 161. Sixtus 1920, 181. Nostitz-Wallwitz an Außenministerium Dresden 10. Apr. 1917, Opitz Adlgasser 1990, 19.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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Deutschland gegenüber einen diplomatischen Trick angewendet und das österreichische Friedensangebot an Frankreich wegen des italienischen Angebotes an Österreich in eine ‚Invite‘ der Entente umgedreht.“ 948 Mit diesen Worten verwandelte sie nicht nur die mit dem ersten Kaiserbrief erfolgte weitestgehende Annahme der französischen Bedingungen für Verhandlungen über einen Separatfrieden und die im zweiten Brief erklärte Bereitschaft zu weiteren Gesprächen in ein „österreichisches Friedensangebot an Frankreich“, sondern suchte den Leser auch zu ihrem Glauben zu bekehren, dass es ein „italienisches Angebot an Österreich“ gegeben habe. Unter Berufung auf das Buch des Prinzen und auf Griesser-Pečar 949 konstruierte Kovács aus der Sixtus von Erdődy am 12. Mai 1917 in Neuchâtel gemachten Mitteilung, dass ­Kaiser Karl für die Abtretung des Trentino italienischer Zunge eine „compensation immédiatement possible“, etwa eine der italienischen Kolonien, vielleicht aber auch Saloniki, zu bekommen wünsche und es als zweckmäßig erachte, darüber möglichst bald zu verhandeln,950 einen überraschenden Vorschlag des Kaisers. Sie schrieb: „Kaiser Karl schlug vor, den Waffenstillstand am 15. Juni 1917 in der Schweiz zu schließen. Franz (Feri) Kinsky und Támas Erdödi sollten für Österreich-Ungarn, Prinz Sixtus und ein Diplomat (William Martin?) für die Entente unterschreiben.“ 951 Unterzieht sich der frappierte Leser der Mühe, in den genannten Werken diesbezügliche, ihm bislang offenbar entgangene Textstellen zu finden, so wird er herb enttäuscht. Er findet dort nämlich nichts über einen zu unterzeichnenden Waffenstillstand. Im Buch des Prinzen steht, wie oben bereits zitiert, lediglich zu lesen, Erdődy habe ihm von der Idee des Kaisers berichtet, zu den nächsten „négociations“ mit ihm, Sixtus, „vers le 15 juin“ neben Erdődy auch Kinsky zu entsenden, er aber könne von einem „diplomate de l’Entente“ begleitet werden. Zwei Seiten danach ist im Buch des Prinzen zu lesen, trotz seiner Empfehlung habe der K ­ aiser sich leider geweigert „de prendre au mot l’offre italienne“ und erklärt, mit Italien nur durch Vermittlung der Entente zu verhandeln. In Anbetracht des in den „échanges de vues“ bisher erzielten Einvernehmens habe es aber doch geschienen, dass ein Separatfriede geschlossen werden könne.952 Was die Sixtus vom ­Kaiser mit seinem zweiten Brief übergebene „Note autographe du comte Czernin“ betrifft, so blieb es Kovács vorbehalten, die Übersetzungskünste des Prinzen ohne wenn und aber zu rechtfertigen. Sie meinte, Sixtus habe Czernins Punkt 3, 948 949 950 951 952

Kovács 2007, 129. Sixtus 1920, 181 – 185, Griesser-Pečar 1988, 206 – 207. Sixtus 1920, 185. Kovács 1 2004, 154. Sixtus 1920, 185 – 187.

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„um die Gespräche nicht zu blockieren (…) in genauer Umkehrung“ übersetzt; seine höchst freie Übersetzung auch von Punkt 2 erwähnte sie nicht.953 An einer anderen Stelle ihres Opus bezeichnete Kovács diese Übersetzungen als „die sogenannten (sic!) Fälschungen des Prinzen Sixtus“;954 2007 wies sie die Schuld an der, wie sie sich 2004 ausgedrückt hatte, „Übersetzungsveränderung“ 955 des Prinzen sogar Czernin zu: Dieser habe seine vier Punkte nämlich „so gewunden und unpräzis formuliert, daß Prinz Sixtus seine Bedingungen in der französischen Übersetzung ‚frisierte‘“. Der „diplomatische Eiertanz“ des Prinzen habe sich „um den österreichischen Separatfrieden, den die Entente suchte, und um den allgemeinen Frieden, zu dem ­Kaiser Karl den deutschen Bundesgenossen motivieren wollte“, gedreht. Kovács bezeichnete übrigens die „Note autographe“ Czernins als von ­diesem (sic!) dem Brief des Kaisers angefügte „Propositionen“, w ­ elche „die Franzosen als ministerielles Einverständnis“ mit dem Inhalt des Briefes „anerkannt“ hätten. Der K ­ aiser habe nämlich „bei der Abfassung des 1. Sixtusbriefes (…) nicht auf der Gegenzeichnung (durch den Minister des Äußern bestanden,) ohne die laut Verfassung kein Staatsbrief zustande kam. (…) Erst dem 2. Sixtusbrief (…), als bereits ein italienisches Sonderfriedensangebot in Wien eingetroffen war, (… habe) Czernin Propositionen (angefügt).“ 956 Aus dem Anfügen der von ihr 2007 sogenannten Propositionen hatte Kovács bereits 2004 geglaubt, eine „Gegenzeichnung“ des zweiten Kaiserbriefes durch Czernin machen zu können.957 Sie hatte damals sogar behauptet, Czernin habe, weil „ohne ministerielle Gegenzeichnung kein kaiserlicher Regierungsakt gültig“ gewesen sei, versucht, „den zweiten Sixtusbrief, der diese Gegenzeichnung besaß, zu eliminieren und das kaiserliche Autograph mit Hilfe des ‚falschen Ehrenwortes‘ als Privatbrief des Kaisers hinzustellen“.958 Aufgrund welcher Dokumente oder Aussagen Kovács diese Behauptungen von sich gab, ließ sie nicht erkennen. Woraus sie glaubte schließen zu können, dass der ­Kaiser eine Gegenzeichnung seiner Briefe durch den Minister erwogen, Czernin dem Kaiserbrief an Stelle einer Gegenzeichnung seine Note angefügt habe und dass diese von den „Franzosen als ministerielles Einverständnis anerkannt“ worden sei, enthielt sie ihren Lesern ebenfalls vor. Zusammenfassend meinte Kovács zum Scheitern der Aktion des Prinzen Sixtus bzw. des Kaiserpaares:

953 954 955 956 957 958

Kovács 1 2004, 151. Ebd. p 677. Ebd. p 152. Kovács 2007, 128 – 129. Kovács 1 2004, 398. Ebd. p 669.

Die Briefe an Sixtus und das „italienische Angebot“ in der Literatur

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Ribot (…) blockierte als Instrument der französischen Logen alle Bemühungen. Sein Nachfolger Painlevé (…), ein moderater Freimaurer und nicht ‚austrophob‘, war, trotz der Aufnahme der Tschechischen Legion in die französische Armee, friedenswillig. George (sic!) Clemenceau schließlich (…), Mitglied des Grand Orient de France, war ganz ablehnend.959

Die Schuld am Untergang der Monarchie sei also vor allem dem finsteren Treiben der Freimaurer, insbesondere jenem der weniger „moderaten“ Logen zuzuschreiben 960 und ihrer „Tendenz (…) die feindlichen Völker von ihren Regierungen zu trennen – und damit expressis verbis Revolution anzusagen“.961 Pfarrer Friedrich Oberkofler publizierte 2006 ein Buch Von Gottes Gnaden. Karl von Habsburg-Lothringen, das er sehr frei und durch eigene Kompositionen überhöht in erster Linie auf die Unterlagen des Seligsprechungsprozesses 962 gründete. Er teilte den Lesern mit, die von Sixtus seiner ­Mutter Maria Antonia am 30. Jänner 1917 für den ­Kaiser übergebenen Bedingungen für einen Friedensschluss Österreich-Ungarns mit der Entente hätten vorgesehen, dass, „als Gegenleistung“ für die Rückgabe Elsass-Lothringens, die Wiederherstellung der Souveränität Belgiens und Serbiens sowie die Abtretung Konstantinopels, „das neu gegründete polnische Reich mit der Habsburger Monarchie vereint werden“ und „Österreich (…) mit seinem neuen Großterritorium die Vormachtstellung in Südosteuropa erhalten“ solle. Als Quelle für diese Nachricht führte er G ­ örlichs Der letzte ­Kaiser an, in dem sich davon aber gar nichts findet. Oberkofler schrieb weiter, der ­Kaiser habe dem „französischen Vorschlag durch einen Brief vom 24. März 1917 (…) mit einer Ausnahme (Abtretung Konstantinopels an Russland)“ zugestimmt. Außerdem habe er „sein Angebot gegenüber Italien, neben Istrien auch das Trentino a­ bzutreten“ 959 Kovács 1 2004, 254. 960 Ebd. p 254. 961 Ebd. p 344. – In ihrer so geäußerten Überzeugung wusste sich Kovács eins mit dem seliggesprochenen ­Kaiser, dem es schon 1920 gewiss gewesen war: „Die Freimaurerei hatte seit dem eucharistischen Kongress (1912) beschlossen, ‚Austria esse delendam (…)’.“ Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 633 Dok. 213. Von d ­ iesem ruchlosen Plan war ja auch die Kaiserin überzeugt. Sie erklärte in einer Aussage für den Seligsprechungsprozess, die Entscheidung der Freimaurerei „di liquidare la monarchia austro-ungarica“ sei schon 1912 aus Anlass des Eucharistischen Kongresses in Wien gefallen, ihr Gemahl habe davon schon „pochi giorni dopo“ erfahren. Zita Aussage 31. Dez. 1949, Congregatio. 1 1994, 541. In einer anderen Aussage holte sie weiter aus und nannte, wenn schon nicht alle, so doch die herausragendsten Feinde der Monarchie und ihres Gatten beim Namen: „I calunniatori principali si trovano fra gli apostati (Conrad von Hötzendorf), i traditori (conte Ottokar Czernin), gli emissari dell’idea marxista, che nello stesso tempo erano frammassoni e persecutori della religione, come Beneš, Masaryk, Adler jun., Bauer ecc., Clemenceau e Ribot in Francia, Lloyd George in Inghilterra, Sonnino in Italia. Anche la massoneria internazionale ebraica lo perseguitava nel modo più inesorabile.“ Zita Aussage 21. Apr. 1950, ebd. p 739. 962 Congregatio. 1 1994, Congregatio. 2 1994.

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wiederholt und die Entente gebeten, „im Falle eines Einmarsches der Deutschen, Österreich zu Hilfe zu kommen“. Für die letzteren Aussagen führte Oberkofler keine Quelle an, sie können, ebenso wie jene über die oben erwähnte „Gegenleistung“, wohl nur als Phantasmagorien bezeichnet werden. „Absolut nicht zustimmen“ können habe K ­ aiser Karl weiteren Forderungen Italiens: Dieses habe sich, „von Deutschland unterstützt (…) neben dem Trentino und Istrien auch Deutsch-Südtirol“ angliedern wollen. Die Verhandlungen ­seien schließlich ins Stocken geraten, trotz der Bereitschaft Poincarés und der Könige von England und Belgien sei „alles im letzten Augenblick, nur 24 Stunden vor der Unterschrift zu einer Vereinbarung mit Österreich, die einem Sonderfrieden gleichkam“, gescheitert, und dies durch „die Entfernung der Regierung Briand vom Amt“. Oberkofler schrieb auch, Prinz Xavier habe nachgewiesen (sic!), „dass die Freimaurerloge ‚Großer Orient‘ es nicht hinnahm, dass ein ‚klerikaler-österreichischer Friede’ geschlossen würde, und (… die) Absetzung Briands betrieb“. Der „Friedenswille“ des Kaisers und der anderen „Beteiligten“ sei „letztlich“ von dem „pangermanisch“ bzw. „fanatisch-großdeutsch“ gesinnten Czernin „leider mit Erfolg hintertrieben“ worden. Dieser habe „eine rigorose Einstellung gegen alle geheimen österreichischen Friedensinitiativen, die der ­Kaiser gefördert hatte“ gezeigt, so auch „gegen die Gruppe Maindl (sic!)“.963 Francis R. Bridge gab 2006, ohne sich auf irgendeine Quelle zu berufen, seiner Überzeugung Ausdruck, dass man in Berlin über die Kontakte mit Sixtus unterrichtet gewesen sei, wenn auch „die Deutschen wenig von den Verhandlungen erfuhren (…)“.964 Eine nicht unaufwendige Blüte der Verehrung ­Kaiser Karls ist ein 2007 erschienenes Buch von Marc Bourgne, das Marcel Uderzo, der Bruder des berühmten Mitschöpfers der Asterix-Hefte, Albert Uderzo, sehr schön illustrierte. Es trägt den Vermerk „Die Verfasser danken (…) Jean Sevillia für seine wertvolle Hilfe. (…) Jeder Abschnitt ­dieses Buches wurde von ihm geprüft und für richtig gefunden“. Die Texte entsprechen jedoch trotz Prüfung den wirklichen Begebenheiten nur unzulänglich. So etwa wenn die Autoren behaupten, Sixtus habe, als er im Mai 1917 nach London kam, einen Brief ­Kaiser Karls in der Hand gehalten, in dem dieser sich bereit erklärte, „das italienische Trentino abzutreten“.965 Bernard Charpentier schrieb 2009, ohne auf eine Quelle hinzuweisen, der italienische König und Giolitti hätten Österreich im Rücken der Entente „ouvertures“ für einen Separatfrieden gemacht und nicht mehr als die Abtretung des Trentino und Aquilejas verlangt. ­Kaiser Karl habe daraufhin Sixtus gebeten, neuerlich nach Wien zu kommen und sich ihm gegenüber am 8. Mai 1917 zu „justes sacrifices à l’Italie“ bereit erklärt, 963 Oberkofler. 2006, 75 – 78. 964 Bridge 2006, 52. 965 Bourgne Uderzo 2007, 38.

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sofern es sich dabei um Gebiete „de langue et de sentiment italiens“ handle und die Opfer kompensiert würden. Auf diese „propositions“ sei er in seinem Sixtus am 9. Mai überreichten Brief, den Czernin gegengezeichnet habe, zurückgekommen. Charpentier berief sich dabei auf Kovács, die bestätigt habe „que la seconde lettre était contresignée, ce qui signifie que Czernin en endossait la responsabilité“. Wahrscheinlich deshalb habe der Minister den zweiten Kaiserbrief aus den Archiven verschwinden lassen.966 Aus dem von Kovács behaupteten Versuch (sic!) Czernins, den Brief „zu eliminieren“,967 machte Charpentier also ein Faktum. Der katholische Priester Vincenzo Mercante behauptete 2009, ­Kaiser Karl und ­Czernin hätten, „sul finire del 1916 (…) dopo un incontro secreto a Vienna“, die Prinzen Sixtus und Xavier beauftragt „di sondare eventuali intenzioni di pace con la diplomazia francese, britannica e belga“. Mercante berief sich mit dieser verblüffenden Mitteilung auf Fejtö, in dessen Buch man Derartiges jedoch vergeblich sucht. Mercante ließ auch wissen, ­Kaiser Karl habe den ersten Brief an Sixtus „sotto dettatura del principe“ ­geschrieben und darin den Ententemächten (sic!) versprochen, „di sostenere con ogni mezzo le giuste rivendicazioni francesi sull’Alsazia-Lorena“, und zwar mit der Zusicherung „di convogliare anche i tedeschi al tavolo delle trattative“. Worauf er diese Aussagen gründete, gab er nicht an. Mercante behauptete, ganz so wie Bérenger 968 aber ohne diesen zu nennen, der K ­ aiser habe in seinem Brief vom 24. März 1917 erklärt, „se la Germania avesse rifiutato di ritornare sulla via della ragione, egli sarebbe trovato costretto ad abbandonare l’alleanza per stipulare una pace separata con l’Intesa“.969 Das letztere behauptete auch, mit sehr ähnlichen Worten, Roberto Coaloa 2012, und dies obwohl dem von ihm wiedergegebenen Wortlaut des Briefes eine s­ olche Erklärung des Kaisers nicht zu entnehmen ist.970 Paolo Pasqualucci meinte 2010, die Vorgangsweise ­Kaiser Karls, Italien in seinem ersten Brief an Sixtus in keiner Weise zu erwähnen und zu erwarten, Frankreich, England und Russland würden sich für eine Annahme des angestrebten Friedens auch durch Italien einsetzen, erinnere an das Verhalten des „grand-père“ (sic!) des Monarchen, nämlich Franz Josephs, im Jahre 1859, als er den Vorfrieden von Villafranca lediglich mit ­Napoleon III. schloss und ­diesem die Aufgabe überließ, Viktor Emanuel II. zu bewegen, der Vereinbarung beizutreten. Während aber Franz Joseph damals bereit gewesen sei, die Lombardei, wenn auch nur an Frankreich, abzutreten, sei ­Kaiser Karl zu keinerlei Abtretung an Italien bereit gewesen, abgesehen vielleicht von den bis zum März 1917 von der 966 967 968 969 970

Charpentier 2009 103, 2. Kovács 1 2004, 669. Bérenger 1995, 803. Mercante 2009, 53 – 56. Coaloa 2012, 118 – 120.

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italienischen Armee eroberten Gebieten. Diese fehlende Bereitschaft zu Konzessionen an Italien „a toujours été considérée comme l’une des raisons essentielles pour lesquelles l’offre, aussi positive et intéressante fût-elle, ne put être acceptée par la France et l’Angleterre“. Italien sei für ­Kaiser Karl „‚l’ennemi héréditaire’, ‚séculaire‘, et même ‚maléfique‘“ gewesen, dem es gegolten habe „à tout prix ne rien concéder“. Auf den oben zitierten Artikel Charpentiers entgegnete Pasqualucci, ein italienisches Doppel­spiel habe es nie gegeben. Es lägen keinerlei Hinweise darauf vor, dass Giolitti oder der König in Aktionen involviert gewesen wären, die dem behaupteten italienischen Angebot entsprochen hätten. Wenn der ­Kaiser oder Sixtus von der Existenz eines solchen Angebots überzeugt gewesen ­seien, so müsse im Lichte des heute Bekannten gesagt werden, „qu’ils se sont laissé tromper par de fausses impressions“.971

2.15 Alois Musil – Schreiber, Konzeptor, Verfasser der Sixtusbriefe? Besondere Beachtung wurde in der neueren historischen Literatur der möglichen Rolle einer Person geschenkt, die von den in die Entstehung der Briefe ­Kaiser Karls an Sixtus unmittelbar involvierten in keiner Weise erwähnt wurde, nämlich der von Alois Musil, Professor für biblische Hilfswissenschaften und arabische Sprachen an der Universität Wien. Musil war 1912 auf seiner Orientreise von Sixtus begleitet worden 972 und ging, folgt man Baernreither, seither nicht nur „in der Familie Parma aus und ein“, sondern stand auch mit Erzherzog Carl Franz Josef, dem späteren ­Kaiser, „in reger Verbindung“.973 Ausgangspunkt für das Interesse an der Rolle Musils war Karl Johannes Bauers 1984 approbierte Dissertation, in der die Behauptung Musils wiedergegeben wurde, er habe die „Briefe an den Prinzen Sixtus (…) geschrieben“.974 Diese Behauptung stellte Musil in einem Anfang 1919 an den Prorektor der Prager Tschechischen Universität und Generalsekretär der Tschechischen Akademie der Wissenschaften und Künste, den Orientalisten Rudolf Dvořák, gerichteten Brief auf, ­welchen der letztere in der Folge Präsident ­Masaryk, der Akademie der Wissenschaften in Prag und Mitgliedern der Nationalversammlung vorlegte.975 Mit ­diesem In memoriam betitelten Schreiben suchte sich Musil, der um Enthebung von seinem Wiener Lehramt eingekommen war, weil man ihn zunächst nicht für den deutschösterreichischen Staatsdienst angeloben wollte, als guter Tscheche 971 972 973 974 975

Pasqualucci 2010. Gardos 1970, 268. Baernreither Aufz., HHStA NL Baernreither 54 fol. 883, Mitis 1938, 230. Bauer 1984, 251, Bauer 1989, 287. Bauer 1989, 287. – Bauer hatte diesen Brief 1984 als „persönliches Memorandum“ bezeichnet und seinen Adressaten nicht genannt. Bauer 1984, 251.

Alois Musil – Schreiber, Konzeptor, Verfasser der Sixtusbriefe?

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zu präsentieren und seine Qualifikation für einen Lehrstuhl zu erweisen. Im Schreiben an Dvořák beteuerte Musil: „Ich war niemals ein Bewunderer der Habsburger, sondern einfach ein aufrichtiger Freund von Erzherzog Karl und Zita“; auf seiner Orientreise im Herbst 1917 habe er „nur gegen die Preußen gearbeitet“, dagegen sei er mit Engländern und Franzosen „in freundlicher Verbindung“ gestanden.976 Dass er aber auf der Reise – sie firmierte als „Orientmission des k. u. k. Kriegsministeriums“ und ging von Konstantinopel über Smyrna, Aleppo und Damaskus nach Jerusalem – in Anbetracht des Krieges wohl kaum „gegen die Preußen“ arbeiten und ebenso wenig mit Engländern und Franzosen „in freundlicher Verbindung“ gestanden haben konnte, liegt auf der Hand. Offizieller Zweck der Mission die an der „über Allerhöchsten Befehl“ auch der 23-jährige Oberleutnant Erzherzog Hubert Salvator teilnahm, war „das Studium aller für die Orientabteilung des k. u. k. Kriegsministeriums belangreichen Momente wirtschaftlicher, militärpolitischer und wissenschaftlicher Natur“.977 Den Betreibern der Mission am Kaiser­hof und auch Musil selbst war jedoch wohl vor allem vorgeschwebt, Möglichkeiten einer Nachfolgeregelung für die mit 9. September 1914 von der osmanischen Regierung aufgehobenen Kapitulationen auszuloten. Mit diesen hatte die Hohe Pforte Frankreich und ­später auch anderen Ländern Schutzrecht über ihre im Osmanischen Reich tätigen Staatsangehörigen zugestanden. Weiters waren damit „das Schutzrecht Frankreichs über die französische Geistlichkeit und die katholischen Institute“ 978 sowie das, wie es der k. u. k. Militärbevollmächtigte in Konstantinopel Generalmajor Josef Pomiankowski sah, „mehr oder weniger theoretische Schutzrecht über die heiligen Stätten in Palästina“ verbrieft gewesen.979 Die Aufhebung der Kapitulationen betraf aber auch bisher von der Hohen Pforte anderen Ländern eingeräumte bzw. von diesen erzwungene Privilegien, so auch das dem römisch-deutschen und in der Folge dem österreichischen ­Kaiser zugestandene Protektoratsrecht über die lateinischen Christen.980 Über die künftige „religiöskulturelle Thätigkeit“ der Monarchie im Osmanischen Reich hatte der im Ministerium des Äußern tätige Leo Freiherr Di Pauli ein vom 11. November 1915 datiertes Memorandum verfasst, in dem es unter anderem hieß: Es muß unser Streben sein (…) der katholischen Habsburger Monarchie (…) jene Rolle zu sichern, die Frankreich aufzugeben gezwungen wurde. – Die rechtliche Basis hiefür (…) ist vorhanden, da sich unser Katholikenschutzrecht theoretisch auf alle Katholiken des o ­ smanischen

976 Bauer 1984, 222 bzw. 250. 977 Stöger-Steiner an M. d. Ä., Schr. 339 res., 16. Aug. 1917, HHStA PA I, 802 II/426 fol. 2, idem: HHStA PA I, 593 fol. 1917/471. 978 Konsulat Damaskus an Berchtold, Ber. 77/P, 19. Okt. 1914, HHStA PA XII, 315 XXXIV/11 – 13 fol. 2. 979 Pomiankowski 1928, 305, Kunke 1918, 21 – 27, 38 – 43, 133, Sousa 1933, 189. 980 Kunke 1918, 21 – 27, 38 – 43, Sousa 1933, 72 – 88, Benna 1954, 15.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Reiches erstreckt (…). – Das eben erwähnte Ziel kann natürlich nur auf dem Wege erreicht werden, daß wir die Katholiken des türkischen Reiches immer mehr und mehr daran gewöhnen, in uns die beharrlichen Schützer der katholischen Interessen zu erblicken (…).981

Bei Kardinal Friedrich Gustav Graf Piffl hatte in dieser Sache am 25. November 1915 eine „Conferenz betreffend ‚Missionierung der Katholiken im nahen Orient‘“ stattgefunden, an der Vertreter aller österreichischen Diözesen und Orden, der Regierung sowie auch Erzberger und Musil teilnahmen. Dabei war man übereingekommen zu versuchen, die mit dem Kriegseintritt der Türkei ausgewiesenen, in nunmehr geschlossenen Einrichtungen tätig gewesenen französischen und italienischen Geistlichen durch s­ olche aus Österreich-Ungarn und Deutschland zu ersetzen.982 De facto inspizierte die „Orientmission“ in der Türkei k. u. k. militärische Formationen und Einrichtungen, visitierte unter österreichisch-ungarischer Ägide stehende Schulen und Wohlfahrtsanstalten und suchte die heiligen Stätten in Palästina auf. ­Pomiankowski schrieb darüber: Nach fünftägigem Aufenthalt in Konstantinopel reiste der Erzherzog mit der Mission am 8. September (…) über Smyrna, Afiun Karahissar, Aleppo nach Damaskus (…) besuchte Palästina, Jerusalem sowie die Sinaifront, kehrte (…) 8. November nach Konstantinopel zurück, besichtigte (…) alle Sehenswürdigkeiten, sowie die Umgebung der Stadt und reiste am 17. November nach Wien ab. (…) Hubert Salvator besuchte alle katholischen ­Kirchen, während Musil überall mit den katholischen Geistlichen, sowie mit hervorragenden Mitgliedern der katholischen Gemeinden konferierte und überall durch seine Verkleidung Erstaunen hervorrief.983

Kaiser Karl hatte ihm nämlich zunächst „das Tragen der Uniform eines k. u. k. Generals mit Feldmarschall-Leutnants Distinktion“ gestattet,984 dies jedoch, offenbar nach Vorstellungen militärischer Stellen, bald dahingehend abgeändert, dass er ihm die gleich hohe Charge eines Generaloberkriegsrates verlieh und bestimmte, dass er „die Uniform eines Militärbeamten der IV. Rangsklasse (…)“ zu tragen habe.985 In dem Schreiben an Professor Dvořák nicht erwähnt hatte Musil wohlweislich seine 1914/1915 unternommene, ihm zufolge vom deutschen Generalstab angeregte und je zur Hälfte von deutschen und österreichisch-ungarischen Stellen finanzierte Mission nach Syrien, Palästina und Mesopotamien. Im Zuge dieser hätte er, einer von ihm an das 981 982 983 984 985

Mémoire Di Paulis 11. Nov. 1915, HHStA PA I, 762 o. Fz. Notizen über Conferenz bei Cardinal Piffl, 25. Nov. bzw. 1. Dez. 1915, ebd. o. Fz. Pomiankowski 1928, 308. K. M. an Musil, Nr. 21855, 18. Aug. 1917, HHStA PA I, 802 II/426 fol. 4. Czernin an Trauttmansdorff, Tel. 407, 30. Aug. 1917, ebd. fol. 19.

Alois Musil – Schreiber, Konzeptor, Verfasser der Sixtusbriefe?

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Ministerium des Äußern gerichteten Eingabe zufolge, „zwischen den großen innerarabischen Stämmen und der osmanischen Regierung (…) vermitteln“ sollen, um so „den Rücken der türkischen im Hedschas, Syrien und Babylonien operierenden Truppen zu decken“.986 Als er damals das Ministerium des Äußern von dem „ihm gewordenen Anerbieten“ des deutschen Generalstabs in Kenntnis setzte, ließ er wissen, dass er „ein Unternehmen in Arabien, um die dortigen Beduinen gegen England aufzuwiegeln, für sehr aussichtsvoll halte (…)“.987 Während der Mission meldete Musil, seine Bemühungen z­ wischen den innerarabischen Stammesführern, insbesondere dem, Pomiankowski zufolge, sich „seit alter Zeit an England“ anlehnenden Ibn Saud und dem sich „traditionell auf die Türkei“ stützenden und von dieser „einen festen Gehalt“ beziehenden Ibn Raschid, zu vermitteln, ­seien erfolgreich. So ließ er, wohl kaum an Selbstunterschätzung leidend, im April 1915 durch den k. u. k. Konsul in Bagdad an Markgraf Johann ­Pallavicini, den Botschafter in Konstantinopel, melden: Alle Stämme nördlich des 27. Breitengrades ­zwischen dem Rothen Meere und dem persischen Golf für Regierung gewonnen. – Gegen den von den Engländern gekauften Minister des unfähigen Fürsten Ibn Reschid eine mächtige Partei gegründet, sein Sturz bevorstehend, so dass Ibn Reschid und Ibn Saud die England befreundeten Stämme bedrohen werden.988

An Burián selbst depeschierte Musil nicht weniger verheißungsvoll: Eben (Ibn) Saud selbst wollte und will keinen Krieg – und will die Engländer aus den arabischen Gebieten vertreiben, nur soll Eben Rasîd seine Stämme nicht behelligen. – Fällt der Minister Sa’ûd des Eben Rasîd, dann ziehen alle Stämme der (türkischen) Regierung zu Hilfe.989

Mit der Wirklichkeit harmonierten Musils Erfolgsmeldungen jedoch wenig. Pallavicini berichtete Burián am 4. Mai 1915, Enver Pascha, der osmanische Kriegsminister, habe ihm erklärt, „dass aus den ihm zugekommenen Berichten ein Erfolg der Thätigkeit Hofrat Musils nicht hervorgehe, und (…) die Thatsachen mit den Meldungen desselben nicht übereinstimmen. So sei z. B. Ibn Resid auch heute noch im Kampfe mit Ibn Saoud.“ 990 Wenig überzeugt von Musils Erfolgen zeigte sich auch Pomiankowski:

986 Musil an M. d. Ä., 29. Okt. 1914, HHStA PA I, 948 Krieg 24 fol. 47, s. auch Antragsbl. für eine Ah. Auszeichnung Jg. 1917 Nr. 52, Dr. Alois Musil, HHStA AR, F 46, 231 Ordensang. 1 f.fol. 264. 987 M. d. Ä. an Burián, Tagesber. 4655/p. d., 6. Okt. 1914, HHStA PA I, 948 Krieg 24 fol. 1 – 2. 988 Pallavicini an Burián (Weiterltg. einer Meldung Musils an Konsul Tahy in Bagdad), Ber. 31/P., 23. Apr. 1915, ebd. fol. 124 – 124v. 989 Musil an Burián (übermittelt durch Pallavicini), 20. – 24. Apr. 1915, ebd. fol. 130 – 133v. 990 Pallavicini an Burián, Ber. 33/P. C., 4. Mai 1915, ebd. fol. 134 – 135.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Nach mehrmonatiger Abwesenheit kehrte er krank und schlecht gelaunt nach Konstantinopel zurück. Er sagte mir nur ganz allgemein, daß er mit Ibn Saud und Ibn Raschid verhandelt habe (…) – Mit Rücksicht auf die Antezedenzien und das historische Verhältnis der beiden innerarabischen Emirate war eine Versöhnung derselben wohl schwer denkbar und die Aufgabe Musils kaum zu lösen. Das Verhalten Ibn Sauds bewies denn auch, daß die Verhandlungen Musils resultatlos verlaufen waren. Kurze Zeit danach nämlich überfiel Ibn Saud die türkische Provinz El Hassa, verjagte die schwachen türkischen Militärposten und einverleibte das Gebiet seinem Reiche.991

Die Wiener Abendpost teilte am 27. Juni 1918 über Musils Missionen mit: Seit dem Jahre 1909 war er oft und oft Vermittler z­ wischen der osmanischen Regierung und den Stämmen der Wüste. (…) Infolgedessen genießt er nicht nur bei den Stämmen, sondern auch bei den Bewohnern des Kulturlandes hohes Ansehen und mehr Einfluß als irgend ein Beamter. (…) – Im Sommer 1917 wurde Musil mit einer neuen Aufgabe betraut. Er führte eine Mission, an deren Spitze (…) Erzherzog Hubert Salvator stand, nach Konstantinopel und in alle größeren Städte des osmanischen Reiches, um über die Verhältnisse unserer Staatsangehörigen Erkundigungen einzuholen und neue Verbindungen anzuknüpfen. Bei dieser Gelegenheit kam Musil wieder in die Lage, nicht nur der osmanischen, sondern auch der deutschen Regierung gute Dienste zu leisten (…).992

Dass Musil, wie er dies 1919 beteuern sollte, „nur gegen die Preußen gearbeitet“, mit Engländern und Franzosen dagegen „in freundlicher Verbindung“ gestanden hätte, ließ der Artikel nicht erahnen. In dem erwähnten Schreiben an Professor Dvořák beteuerte Musil auch, wo immer möglich versucht zu haben, „seinen Landsleuten, den Tschechen zu helfen, z. B. zu wichtigen Posten in konsularischen Diensten, in den Ministerien und an der Universität. (…) Und mit Gottes Hilfe habe ich vielen und vielen geholfen. Manche Mitglieder der habsburgischen Familie haben mich deswegen sogar gehaßt.“ 993 Nicht zuletzt aber erklärte er: „Vom März 1917 an war ich überzeugt, daß die Entente siegen wird, und das wußte auch ­Kaiser Karl. Er wollte den Frieden. Die Briefe an den Prinzen Sixtus habe ich geschrieben.“ 994 991 Pomiankowski 1928, 172. – Gardos zeigte sich überzeugt, dass es Musil „dennoch“ gelungen sei, „zahlreiche Stämme Nordarabiens und Mesopotamiens zur Loyalität anzuhalten und ihre Fehden untereinander zu beenden“. Gardos 1970 23, 273. 992 WA 27. Juni 1918, 2 – 3. 993 Bauer, 1984, 256 bzw 251. 994 Ebd. s. Bauer 1989, 287.

Alois Musil – Schreiber, Konzeptor, Verfasser der Sixtusbriefe?

285

Musils Schreiben blieb nicht ohne die beabsichtigte Wirkung. Obwohl, wie der Prager Orientalist Felix Tauer 1968 schrieb, „die Prager Theologische Fakultät es abgelehnt hatte, ihn in ihren Lehrkörper aufzunehmen und auch an der Philosophischen Fakultät sich gewisse Schwierigkeiten ergaben, die sogar eine Interpellation in der (…) Nationalversammlung zur Folge hatten, wurde er (…) am 21. Jänner 1920 zum ordentlichen Professor der morgenländischen Hilfswissenschaften und des neueren Arabisch (…) ernannt.“ 995 Tauer führte diesen Erfolg jedoch nicht auf Dvořáks Einfluß zurück: Wie es Musil einst in Wien gelungen war, durch seinen Kontakt mit dem Hause Bourbon-Parma in die Nähe des letzten Kaisers (…) vorzudringen, so hat er es (…) in Prag zustande gebracht, sich bald den Weg zum Präsidenten (…) Masaryk zu bahnen. Die Rolle des Vermittlers spielte der Minister für Auswärtigen Handel Rudolf Hotowetz, der sich in seinen Träumen, die ehemaligen Handelsaspirationen Österreich-Ungarns im Orient (…) an die Tschechoslowakei zu reißen, von den Kenntnissen und Erfahrungen Musils sehr viel, vielleicht allzuviel versprach.996

Bauer meinte 1984, es bestehe „kein Grund, bei genauester äußerer und innerer Quellenkritik Musils (…) Behauptung zu bezweifeln“, die Briefe an Sixtus geschrieben zu haben.997 Was er unter „genauester äußerer und innerer Quellenkritik“ verstand, teilte Bauer nicht mit. Und in seinem 1989 erschienenen Buch erklärte er, ohne sich auf mehr als das zitierte Schreiben an Dvořák berufen zu können, es bestünde „aufgrund der, wenn auch spärlich, vorhandenen Quellen kaum ein Zweifel, daß Musil der Schreiber der Sixtusbriefe war“, es spreche „aus der Sicht von Musils Biographie (…) nichts gegen die Annahme der Echtheit und Wahrheit dieser Aussage“. Dabei musste Bauer aber einräumen: Wirft man einen Blick auf die Ereignisse um den 23. März 1917, (…) so ist von Musil keine Spur zu bemerken. Auch im Zusammenhang mit (…) der Überreichung des zweiten Briefes an ­Sixtus (…) fand sich (…) kein Anhaltspunkt einer Mitwisserschaft oder Beteiligung Musils.998

Bihl sah 1990 in den im Schreiben an Dvořák vorgebrachten Behauptungen Musils mehr als ein zweckbestimmtes Renommieren und erklärte, Bauers „recherches plus récentes“ schrieben die Formulierung der Briefe an Sixtus dem Prälaten Musil zu, und das „avec une presque certitude“. Er glaubte überdies mutmaßen zu dürfen, K ­ aiser Karls im April 1918 zunächst manifestiertes Vergessen, einen Brief geschrieben zu haben, könne 995 Tauer 1968, 12 – 13. 996 Ebd. 997 Bauer 1984, 252. 998 Bauer 1989, 278 – 288.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

durch Bauers Forschungsergebnisse erklärt sein, nämlich dadurch, dass der Brief nicht vom ­Kaiser selbst, sondern von Musil redigiert gewesen sei. In seiner Eingenommenheit von Bauers „recherches“ ging Bihl soweit, dass er versuchte, mit ihnen auch ­Kaiser Karls Behauptung zu erklären, er habe im ersten Brief an Sixtus nicht von Frankreichs gerechten Ansprüchen auf Elsass-Lothringen geschrieben, sondern davon, dass er sich für derartige Ansprüche einsetzen würde „si elles avaient été justes“.999 So erklärte Bihl: „D’après Bauer, Zita et Musil ont finalement présenté à l’empereur – et à son insu – la version dans laquelle, contrairement aux autres (versions), il était question des ‚justes revendications de la France de l’Alsace-Lorraine‘.“ 1000 Der ­Kaiser hätte also den Entwurf der Sixtus überreichten „Version“ des Briefes, in der die Forderungen Frankreichs als gerecht bezeichnet wurden, abgeschrieben ohne ihn zu verstehen und daher auch „à son insu“ unterfertigt. Bei Bauer ist jedoch davon, dass Zita und Musil dem K ­ aiser „finalement“ diese Version präsentiert hätten, nichts zu lesen. Im Gegensatz zu Bihls Worten hatte Bauer lediglich geschrieben, eine ­solche Unterschiebung der endgültigen Briefversion könnte eine „mögliche Erklärung“ dafür sein, dass der K ­ aiser, Zitas Darstellung zufolge, sich „einfach nicht mehr erinnert, aus welchem der Entwürfe (…) der echte erste Kaiserbrief hervorgegangen war“.1001 Bihl folgte Bauers „recherches“, oder richtiger Musils Behauptung, auch bezüglich des zweiten Sixtusbriefes und meinte, „là aussi, la formulation semble être celle du prélat Musil“.1002 Bihls 2010 erschienenes Kompendium Der Erste Weltkrieg zeigt, dass er von seiner Überzeugung inzwischen nicht abrückte: Er schrieb darin nämlich, bei dem Brief an Sixtus habe es sich um ein „höchstwahrscheinlich von Prälat Alois Musil formuliertes Schreiben“ gehandelt.1003 Rauchensteiner sah 1993 und auch 2013 in Musils Behauptung im Schreiben an Dvořák ebenfalls kein zweckbestimmtes Bramarbasieren und meinte unter Berufung auf Bauer, der Schreiber des Kaiserbriefes sei „wohl der Hofkaplan Alois Musil gewesen“.1004 Etwas vorsichtiger schrieb er 1995, „der Verfasser“ des ersten Kaiserbriefes sei „möglicherweise (…) der Beichtvater des Kaisers Prälat Alois Musil“ gewesen, bei dem es sich, wie er einige Seiten danach so wie 1993 meinte, vielleicht um den „Schreiber“ des Briefes gehandelt habe, was „natürlich nichts über Intention und Verfasserschaft“ aussage.1005 Die Gewissheit, mit der Rauchensteiner den ­Kaiser in die Schar der Beichtkinder des Prälaten einreihte, konnte er allerdings nicht von Bauer haben. Denn d ­ iesem zufolge 999 1000 1001 1002 1003 1004 1005

Ks. Karl an Sixtus „Entwurf“ o. D., Kovács 2 2004, 164 – 166 Dok. 34. Bihl 1993 43, 170, 46 (Vortrag 1990). Bauer 1989, 289. Bihl 1993 43, 170, 55 (Vortrag 1990). Bihl 2010, 156 bzw. 170. Rauchensteiner 1993, 556, Rauchensteiner 2013, 936. Rauchensteiner 1995, 158, 164.

Alois Musil – Schreiber, Konzeptor, Verfasser der Sixtusbriefe?

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hatte Musil, „wie es scheint, auch die Funktion eines Beichtvaters der Kaiserin“, wenn er auch „diese ‚Beschuldigung‘ (wie er es bezeichnet) (…)“ strikt von sich gewiesen habe.1006 Von einer „sehr wohl im Bereich des Möglichen“ liegenden Rolle Musils bei der Entstehung der Kaiserbriefe überzeugt zeigte sich Broucek, der, ohne Bauer als Quelle anzuführen, 1997 erklärte: „Derjenige, der den Brief nach Gedanken K ­ aiser Karls stili­ siert (sic!) hat, war der berühmte Orientalist und Priester, Universitätsprofessor Dr. Alois Musil.“ 1007 Sieben Jahre ­später scheint Broucek sich dessen nicht mehr so gewiss gewesen zu sein. In einem Beitrag zu einem erbaulichen Buch über den ­Kaiser „als Christ, Staatsmann, Ehemann und Familienvater“ schrieb er nämlich nun lediglich von den „von ­Kaiser Karl, und das anscheinend (sic!) mit Hilfe des großen Arabien-Forschers (…) Musil verfassten“ Briefen.1008 Kovács offenbarte sich 2004 als von der These Bauers vollkommen durchdrungen und schrieb, dessen Darstellung um ein Beträchtliches überhöhend: „Musil (…) hatte die delikate diplomatische Aufgabe erhalten, das österreichisch-ungarische Friedenspapier zu konzipieren“, er habe ein „schriftliches Bekenntnis“ abgelegt, „Konzeptor der ‚Sixtus-Briefe’ gewesen zu sein“.1009 Griesser-Pečar meinte 2004, man könne nicht ausschließen, dass Musil dem ­Kaiser beim Schreiben des Briefes, und dies „wohl nur redaktionell“, behilflich gewesen sei. Allerdings gebe es „bis heute keinerlei (…) Hinweise, daß Musil tatsächlich anwesend war“.1010 Überzeugt von Bauers These zeigte sich auch Rumpler. Er schrieb 2007, sich dabei sowohl auf Bauer 1011 als auch auf eine Tagebuchnotiz Wiesers vom 10. Mai 19181012 berufend: Neue Quellenfunde, eine genaue Textanalyse sowie die dramatischen Begleitumstände der Entstehung des Textes lassen mit einiger Sicherheit eine Deutung zu, die in der älteren Forschung unbeachtet blieb. Nach dem Zeugnis des Redaktors (sic!), des kaiserlichen Beichtvaters Musil, stand im ersten der 14 Textentwürfe ‚les aspirations justes‘ anstatt ‚les justes aspirations‘. Der ­Kaiser anerkannte also keineswegs die Rückforderungsansprüche Frankreichs als grundsätzlich gerecht. Die schlussendlich absichtlich unbestimmt stilisierte Formulierung ‚les justes revendications‘ ist so zu verstehen, dass ­Kaiser Karl die Ansprüche Frankreichs gegenüber Deutschland unterstützen wollte, soferne und soweit sie gerechtfertigt waren.1013

1006 Bauer 1984, 222 u. Fußnote 3. 1007 Broucek 1997, 105. 1008 Broucek 2004, 103. 1009 Kovács 1 2004, 134, Kovács 2 2004, 165 Anm. zu Dok. 34. 1010 Griesser-Pečar 2004, 230 – 231. 1011 Bauer 1989, 281 – 284. 1012 Wieser TB-Eintr. 10. Mai 1918, HHStA NL Wieser fol. 429 – 430. 1013 Rumpler 2007, 17.

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Intentionen, Sondierungen, Beratungen und eine kaiserliche Privataktion

Bei Bauer sucht man eine Rumplers Sätze stützende Stelle vergeblich, wohl aber scheinen Rumpler die Ausführungen Kovács’ im von ihm nicht zitierten Band 1 ihres Werkes 1014 nicht unbeeindruckt gelassen zu haben. Wiesers Tagebuch ist keineswegs zu entnehmen, dass „im ersten der 14 Textentwürfe ‚les aspirations justes‘ anstatt ‚les justes aspirations‘“ gestanden sei. Wieser notierte dort vielmehr, Musil habe ihm „im Vertrauen unter Handschlag“ erklärt, der K ­ aiser hätte „im ersten Brief “ – nicht im ersten von 14 Entwürfen – Frankreichs „aspirations justes bezüglich Elsaß-Lothringens zugegeben (…) d. h. (…) nur diejenigen, die eben justes waren worunter gemeint waren die Ansprüche auf den französisch sprechenden Teil von Lothringen (…)“.1015 Diesen in Wiesers Tagebuch festgehaltenen Äußerungen zufolge kannte Musil den Wortlaut des Kaiserbriefes also selbst nach dessen Publizierung durch Clemenceau offenbar nur vom Hörensagen, sonst hätte er wohl nicht von „justes aspirations“ (sic!), anstatt von „justes revendica­ tions“ gesprochen. Auch hätte er Wieser gegenüber sonst wohl nicht geäußert, der K ­ aiser habe „im zweiten (sic!) Briefe (…), nachdem Frankreich ganz Elsaß-Lothringen verlangt hatte, erklärt, daß diese Ansprüche nicht gerecht ­seien“.1016 Die Tagebuchnotizen Wiesers lassen erkennen, dass ihr Schreiber aus Musils Erzählungen nicht recht klug wurde. So notierte er am 21. Mai 1918 über den im französischen Communiqué zitierten Text des Kaiserbriefes, „daß er die Worte enthielt ‚Les justes revindications‘ (sic!) was nach Musil falsch ist“.1017 Und am 27. Mai 1918 notierte Wieser: „Gegen Czernin sprach sich Musil (…) auf das heftigste aus. Während er sich neulich so aussprach, als ob der (…) erste Brief an den Prinzen (…) nicht von ihm formuliert worden wäre, sagte er heute, daß alle Briefe von ihm (entweder persönlich oder im Ministerium) verfaßt worden s­ eien.“ 1018

1014 Kovács 1 2004, 134. 1015 Wieser TB-Eintr. 10. Mai 1918, HHStA NL Wieser fol. 429 – 430. 1016 Ebd. fol. 430, Druck: Kovács 2 2004, 165 Dok. 34 Anm. 1. 1017 Wieser TB-Eintr. 21. Mai 1918, HHStA NL Wieser fol. 465. 1018 Wieser TB-Eintr. 27. Mai 1918, ebd. fol. 475.

3. Licht im Osten?

3.1

Frieden ohne Annexionen? Das russische Manifest vom 9. April 1917

Am 7. April 1917 fasste das Exekutivkomittee des Petrograder Arbeiter- und Soldatenrates eine Resolution mit der es die Provisorische Regierung aufforderte, sie möge: „(…) der ganzen Welt erklären, daß Rußland zu seiner Verteidigung den Krieg so lange fortsetzen werde, als Deutschland und Oesterreich-Ungarn nicht erklärten, auf Eroberungen verzichten zu wollen und zu Friedensbedingungen ohne die Forderung einer Gebietsabtretung oder Kriegsentschädigung bereit zu sein.“ 1019 Diese kam der Aufforderung nach und erließ am 9. April ein Manifest, dessen zentrale Passagen in der zugleich veröffentlichten deutschen Übersetzung lauteten: Die Verteidigung unseres eigentlichen nationalen Vaterlandes (…) und die Befreiung des Landes vom Feinde, der über unsere Grenzen gedrungen ist, bildet die (…) wichtigste Aufgabe unserer Krieger. (…) – Die provisorische Regierung (…) hält es aber für (…) ihre Pflicht, schon jetzt zu erklären, daß das freie Rußland nicht das Ziel hat, andere Völker zu beherrschen, ihnen ihr nationales Erbe wegzunehmen und gewaltsam fremdes Gebiet zu besetzen, daß es vielmehr einen dauerhaften Frieden auf Grund des Rechtes der Völker, ihr Schicksal selbst zu bestimmen, herbeiführen will. Das russische Volk erstrebt nicht die Steigerung seiner äußeren Macht auf Kosten anderer Völker. (…) – Im Namen der Gleichheit entfernte es die Ketten, die auf dem polnischen Volke lasteten, aber das russische Volk wird nicht zugeben, daß sein Vaterland aus dem großen Kampfe erniedrigt und erschüttert in seinen Lebensbedingungen hervorgeht.1020

Czernin wies nach Eintreffen der Nachricht vom russischen Manifest Botschafter ­Hohenlohe an: Euer Durchlaucht wollen mir sofort telegrafieren, was hierüber im Auswärtigen Amt bekannt ist und ­welchen Standpunkt der Herr Reichskanzler (…) einnimmt. – Da sich diese Erklärung des Exekutivkomittees mit der letzten Rede des Herrn Reichskanzlers und meinem Interview ungefähr deckt, so wäre ich der Ansicht, daß wir dieser Bewegung neue Nahrung zuführen sollten. Dies könnte natürlich nur durch conforme Aeußerungen von Berlin und Wien erfolgen. (…) – Betreffs Polens würde ich glauben, daß wir uns auf den Standpunkt stellen sollten, daß 1019 F-B M 11. Apr. (1917), 3. 1020 F-B M 12. Apr. (1917), 1.

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Licht im Osten?

sich die Polen ihre zukünftige Stellung frei und selbständig wählen dürfen. Auf Annexionen im Osten müßte Deutschland selbstverständlich ebenso wie wir verzichten. – Sollte das Auswärtige Amt meine Ansicht, diesen Faden aufzunehmen teilen, so wären rasche Entschlüsse unbedingt von Vorteil.1021

Hohenlohe antwortete am 11. April: Man kann sich hier gar kein klares Bild über die Lage in Rußland machen. (…) – Hier liegt einerseits ein Telegramm der Petersburger Telegraphenagentur vor, in dem in einer (…) Verlautbarung dem Gedanken Ausdruck gegeben wird, Rußland wolle Frieden schließen, ohne an weitere Eroberungen oder Annexionen zu denken, wenn nur das ‚eigentliche Vaterland‘ erhalten bleibt. (…) Andererseits erklärte Miljukow, der als (…) Minister des Aeußern schließlich auch zu beachten ist (…) die österreichisch-ungarische Monarchie müsse reorganisiert und hiezu auf die deutschen und magyarischen Gebiete beschränkt werden. (…) Wenn man hier auch ganz der Ansicht Euer Exzellenz ist, russische Friedenswünsche, wenn nur irgend tunlich, nähren zu sollen, so sieht man bei der momentan allem Anschein nach in Rußland herrschenden Konfusion und Desorganisation gar keine Möglichkeit, mit Aussicht auf irgendwelchen Erfolg Fäden anzuknüpfen (…).1022

Der russische Außenminister Pawel Nikolajewitsch Miljukow hatte sich, einer Meldung aus Petersburg vom 7. April zufolge, Pressevertretern gegenüber in einer der Resolution des Exekutivkomitees des Arbeiter- und Soldatenrates und der Erklärung der Regierung völlig konträren Weise geäußert. Nur ein Sieg über Deutschland könne die „Verwirklichung der Bestrebungen Wilsons ermöglichen“, das Programm der Alliierten umfasse (…) zwei mit den nationalen Ansprüchen der Völker vollkommen vereinbarte Ziele, nämlich die Befreiung der der türkischen Herrschaft unterworfenen Völker und die Reorganisation Oesterreich-Ungarns von Grund auf. Die Schaffung eines czechisch-slowakischen Staates wird (…) gegen die usurpatorischen Pläne Deutschlands bezüglich der slawischen Länder dienen. Deutsch-Oesterreich und Ungarn müssen auf ihre ethnographischen Grenzen beschränkt werden. Die Italiener werden mit Italien, die Rumänen mit Rumänien vereinigt werden. Die ukrainischen Gebiete werden mit unserer Ukraine verschmolzen. Die natürlichen, von der Geschichte bezeichneten Probleme verlangen eine Vereinigung der serbischen Gebiete. Armenien muß unter russischen Schutz kommen (…).1023 1021 Czernin an Hohenlohe, Tel. 224, 10. Apr. 1917, HHStA PA I, 956 Krieg 25t fol. 400 – 401. 1022 Hohenlohe an Czernin, Tel. 242, 11. Apr. 1917, ebd. fol. 397 – 397v. 1023 F-B M (10. Apr. 1917), 1 – 2, NPZ M (10. Apr. 1917), 2.

Frieden ohne Annexionen? Das russische Manifest vom 9. April 1917

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Den amerikanischen Botschafter in Petersburg beruhigte Miljukow am 14. April dahingehend, dass es „absolutely certain no possibility of separate peace“ mit den Mittelmächten gebe. Die Provisorische Regierung werde Tag für Tag stärker, „soldiers returning to regiments and passing resolutions calling upon workmen to return to making munitions. Latter becoming more reasonable (…) in their demands.“ 1024 Bethmann Hollweg war inzwischen zur Auffassung gelangt, dass der sich bietende Faden aufgenommen werden müsse. Dies zeigt sein Entwurf für ein von ­Kaiser ­Wilhelm an den bulgarischen König zu richtendes Telegramm, den er am 12. April mit der Weisung an Grünau sandte, ihn umgehend dem ­Kaiser zur Kenntnis zu bringen. An ­Grünau selbst depeschierte er: Die Kundgebung der provisorischen Regierung deutet darauf hin, dass die auf Fortsetzung des Krieges eingestellten Elemente in Russland gezwungen sind, dem Druck der dem Frieden geneigten radikalen Richtung nachzugeben. Als ein indirektes Friedensangebot stellt die Kundgebung aber einen Vorgang dar, an dem wir mit Rücksicht auf den Stand unserer öffentlichen Meinung (…) nicht achtlos vorübergehen dürfen. Wir laufen sonst Gefahr, dass gegen die Regierung der Vorwurf erhoben wird, eine sich bietende Gelegenheit zum Frieden ausgeschlagen zu haben. (…) – Die Kundgebung der provisorischen Regierung hat die Sachlage geändert.1025

Im Telegrammentwurf an den bulgarischen König hieß es daher: So sehr wir uns hüten müssen, zu grossen Eifer zu zeigen, die uns entgegengestreckte Hand zu ergreifen, so möchte Ich es doch für ausgeschlossen halten, dass wir an der Kundgebung achtlos vorübergehen (…) Dass die Aussicht, ernsthaft verhandeln zu können, gerade wegen der zerfahrenen Verhältnisse in Russland noch eine recht ungewisse ist, darüber gebe Ich mich keinen Illusionen hin. Aber Ich möchte trotzdem glauben, dass wir unseren Völkern und der Welt zeigen müssen, dass wir zu solchen Verhandlungen (…) bereit sind. Auch in Wien scheint man dieser Ansicht zu sein, was Ich aus der dringenden Bitte (…) schliesse, bereits morgen einen Vertreter des Auswärtigen Amtes zu Besprechungen nach dem Ballplatz zu entsenden. – Mein Vorschlag geht dahin, dass die vier verbündeten Regierungen eine Kundgebung etwa folgenden Wortlauts ergehen lassen: – ‚Seine Majestät der ­Kaiser und die Ihm verbündeten Monarchen haben von der Erklärung der Provisorischen Regierung (…) Kenntnis erhalten. Danach hat das russische Volk nicht das Ziel, andere Völker zu beherrschen (…) und gewaltsam fremdes Gebiet zu besetzen. Es will vielmehr einen dauerhaften Frieden (…) auf Grund des Rechtes der Völker, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Mit dieser Erklärung kommt die Provisorische 1024 Francis an Lansing, Tel. 1192, 14. Apr. 1917, PRFR 1917 Suppl. 2/1 1932. 23. 1025 Bethmann Hollweg an Grünau mit Entw. für Tel. Wilhelms II. an Kg. Ferdinand, Tel. 599, 12. Apr. 1917, SG 2 1966, 94 – 96 Dok. 61.

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Licht im Osten?

Regierung dem Standpunkt entgegen, den die verbündeten Monarchen (…) in ihrem noch aufrechterhaltenen Friedensangebot vom 12. Dezember v. J. kundgegeben haben. (…) Dieses Angebot hat die frühere russische Regierung in Übereinstimmung mit den ihr verbündeten Regierungen in (…) herausfordernder Form zurückgewiesen. Dessen ungeachtet sind (…) der ­Kaiser und die ihm verbündeten Monarchen (…) bereit, dem furchtbaren, blutigen Ringen ein Ende zu bereiten. Sie wissen sich darin eins mit den Wünschen ihrer Völker. Auch diese wünschen nicht, dass das russische Volk aus dem Kampfe (…) in seinen Lebensbedingungen erschüttert hervorgeht. Sie wünschen vielmehr, (…) mit einem (…) zufriedenen russischen Volke in Frieden und Freundschaft zu leben. Ist dies das Ziel, das der Provisorischen Regierung vorschwebt, so wird es nicht schwer sein, den Weg zur Verständigung zu finden’. – Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir umgehend Deine Ansicht über ­dieses Manifest kundgeben wolltest, damit ich, wenn irgend möglich schon morgen, eine entsprechende Anregung in Wien machen kann.1026

Kaiser Wilhelm jedoch war von der Idee, das Manifest der Provisorischen Regierung zu beantworten, alles andere als angetan. Darüber telegrafierte Grünau noch am selben Tag an den Kanzler: Seine Majestät haben (…) geäussert, dass ein solcher Schritt doch ein zu starkes Heraustreten aus der (…) gebotenen Reserve bedeuten würde. (…) Wenn wir das letzte Manifest der russischen Regierung mit einer so feierlichen Erklärung beantworten, legen wir uns fest und laufen Gefahr, dass Russland darauf erwidert, es sei gleichfalls zum Frieden bereit, aber unter der Bedingung, dass wir auf jeglichen Landerwerb verzichten. Wir müssten dann unsererseits das russische Anerbieten ablehnen, was uns nach Aussen wie nach Innen in eine viel schwierigere Lage bringen würde, als wenn wir jetzt auf die russischen Friedenstöne offiziell zunächst nicht reagierten.1027

Abschließend berichtete Grünau: „Seine Majestät haben mich beauftragt, die Ansicht der O. H. L. festzustellen. General Ludendorff teilt die (…) Ansicht des Kaisers (…).“ 1028 Von dieser Nachricht ließ Bethmann Hollweg telefonisch den auf Einladung Czernins hin zu Besprechungen nach Wien entsandten Unterstaatssekretär von Stumm in Kenntnis setzen.1029

1026 Ebd. 1027 Grünau an A. A., Tel. 471, 12. Apr. 1917, ebd. pp 96 – 97 Dok. 62. 1028 Ebd. 1029 Hohenlohe an Czernin, Tel. 250, 12. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Unsere u. dt. Erklärungen (…) fol. 6.

Frieden ohne Annexionen? Das russische Manifest vom 9. April 1917

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Von Stumm depeschierte am 13. April morgens: Graf Czernin erklärt, dass innere Situation es ihm unmöglich macht, auf Erklärung provisorischer Regierung zu schweigen. Er wünscht morgen (…) Erklärung abzugeben, die klipp und klar besagt, dass Österreich zum Frieden ohne Annexion bereit ist. (…) er wisse, dass er damit bei uns besonders an militärischen Stellen Anstoss erregen werde. Erklärungen mit zweideutigen diplomatischen Wendungen halte er aber für zwecklos und schädlich. (…) Der österreichische Standpunkt ist verständlich, da ein Frieden ohne Annexionen ihnen Galizien wiedergibt. Ich habe den Minister darauf aufmerksam gemacht, dass, wenn er s­ olche Erklärung abgebe, das Drängen nach einem Separatfrieden in Österreich so stark werde, dass er sich dem nicht mehr werde widersetzen können. Er gab das zu, erklärte aber, dass innere Situation ihn zu ­diesem Vorgehen nötige. Schliesslich räumte er ein, dass er nicht ohne unser Einverständnis handeln wolle. Ich schlug ihm eine übereinstimmende Erklärung der verbündeten Mächte vor. (…) Das Angebot der provisorischen Regierung ist zu verlockend als dass sich die hiesige Regierung dem auf Dauer wird widersetzen können. (…) Ich möchte daher vorschlagen, dem Minister sofort zu antworten, dass Ew. Exc. eine seinen Wünschen in weitestem Masse entgegenkommende Erklärung durchzusetzen bemüht sein und baldigst mitteilen würden. Bis dahin bäten sie ihn von jeglichen Schritten abzusehen.1030

Bethmann Hollweg übermittelte Stumm daraufhin am Nachmittag des 13. April den eine Antwort auf das Manifest der Provisorischen Regierung eher ausschließenden Text von Grünaus Depesche und setzte ihn auch von einer am 10. März veröffentlichten „Entschliessung der Vertreter der Garnison Petersburg“ in Kenntnis, ­welche lautete: Fortsetzung des Krieges bis zum siegreichen Ende, indem die Armee sich bewusst ist, dass selbst ein Friede, der die alten Grenzen wiederherstellt, und ein Friedensschluss ohne Zustimmung der Verbündeten ein schimpflicher Frieden sein würde, der die neue Freiheit Russlands bedroht und (…) uns von dem freien England, dem republikanischen Frankreich, von Belgien, Serbien, Montenegro und Rumänien trennen würde (…).1031

Diese „Entschliessung“ kommentierte der Kanzler mit den Worten: Es erscheint hiernach sehr fraglich, ob Ministerpräsident Fürst Lwow (…) in der Lage sein würde, (…) in erfolgreiche Verhandlungen mit uns einzutreten (…). Ich teile die Ansicht des Grafen Czernin, dass die Erklärung der provisorischen Regierung nicht mit Schweigen übergangen werden sollte, doch möchte ich glauben, das (…) zu erstrebende Ziel, nämlich die 1030 Stumm an A. A., Tel. o. Z., 13. Apr. 1917, SG 2 1966, 97 – 98 Dok. 63. 1031 Bethmann Hollweg an Botschaft Wien für Stumm, Tel. 225, 13. Apr. 1917, ebd. pp 99 – 100 Dok. 65.

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Licht im Osten?

Friedenspropaganda und den Zersetzungsprozess in Russland zu fördern, weniger durch eine offizielle, uns unnötig festlegende Kundgebung erreicht werden würde, als durch einen entsprechenden Artikel in den beiderseitigen offiziösen Blättern (…).1032

Sein Telegramm an Stumm schloss Bethmann Hollweg mit den Worten: „Unter diesen Umständen möchte ich ernstlich empfehlen, keine übereilten, durch die politische Gesamtlage nicht begründeten Entschlüsse ohne Benehmen mit uns und unseren Verbündeten zu fassen.“ 1033 Dass es sich bei der vom Kanzler zitierten „Entschliessung“ allerdings nicht um eine „der Vertreter der Garnison Petersburg“ handelte, sondern um eine der Partei „Vaterland und nationale Armee“, geht aus Meldungen des Fremden-Blattes und der Neuen Preußischen Zeitung vom 13. April hervor.1034 Am Abend des 13. April rief der Reichskanzler Hohenlohe zu sich und ersuchte ihn, wie dieser umgehend berichtete, Czernin mitzuteilen: „Er wäre, sobald die (…) Erklärung der provisorischen Regierung erschienen sei, gleich der Ansicht gewesen, daß man dieselbe nicht (…) vorübergehen lassen dürfe, (…) schon mit Rücksicht auf die inneren Verhältnisse (…).“ 1035 In Hohenlohes Bericht hieß es weiter: Nun hat Herr von Stumm aus Wien telegraphiert, daß Euer Exzellenz eine offizielle Enunziation vorschlagen, in der unsere Mächtegruppe (…) feierlich verlautbaren solle, daß wir jeden Augenblick bereit wären, (…) Frieden ohne Annexionen zu schließen. – Der Kanzler bittet mich nun, Euer Exzellenz vor allem zu sagen, daß man hier ebenso dringend Frieden zu schließen wünsche (…). – Eine Enunziation, wie Euer Exzellenz sie ins Auge fassen, hält der Reichskanzler aber nicht für das Mittel, das uns dem Ziele näherführen würde. – In Rußland (…) widersprechen sich die Verlautbarungen der provisorischen Regierung, der Ausschußkomitees und dergleichen in so auffallender Weise, daß wir (…) durch ein allzueiliges Entgegenkommen nur die der beabsichtigten entgegengesetzte Wirkung erzielen würden. (…) da wir aber gezwungen sind, mit der Stimmung der eigenen Länder zu rechnen, so ist auch Herr von Bethmann Hollweg der Ansicht Euer Exzellenz, daß derselben (…) Rechnung getragen werden müsse. Zu ­diesem Zwecke möchte er (…) empfehlen, in offiziöser Weise zu erklären, daß wir von der Verlautbarung der provisorischen russischen Regierung mit großem Interesse Kenntnis genommen hätten und (…) versichern könnten, daß wir uns mit den darin ausgesprochenen großen Grundzügen einverstanden erklärten und (…) zu einem für beide 1032 Ebd. 1033 Ebd. 1034 F-B M (13. Apr. 19173), NPZ M (13. Apr. 1917), 1. 1035 Hohenlohe an Czernin, Tel. 255, 13. Apr. 1917, HHStA PA I, 956 Krieg 25t fol. 387 – 390.

Frieden ohne Annexionen? Das russische Manifest vom 9. April 1917

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Teile ehrenvollen Frieden bereit wären. – Dringend würde der Kanzler aber abraten, uns (…) durch eine Erklärung zu binden, wonach wir zu einem Frieden ohne jede Annexion bereit sind. England und Frankreich würden dies nur als Symptom unseres kompletten Zusammenbruches mit Jubel zur Kenntnis nehmen (…). Außerdem sprächen wir damit den Verzicht auf jede Annexion aus, ohne uns nur im geringsten klar darüber zu sein, ob man russischerseits unsere (…) Gebiete zu räumen bereit sei (…). – Der Kanzler (…) bittet mich, Euer Exzellenz (…) inständigst zu ersuchen, sich seinem Vorschlage anzuschließen.1036

Czernin erachtete den Vorschlag des deutschen Kanzlers, die Antwort auf das Manifest der Provisorischen Regierung nicht „durch eine offizielle, uns unnötig festlegende Kundgebung“, sondern „in offiziöser Weise“ zu geben, sofort als akzeptabel. Botschafter Wedel konnte daher noch am Abend des 13. April nach Berlin melden: Graf Czernin annimmt Vorschlag (…) und bittet um baldige Mitteilung des von uns aufgestellten Textes. Falls Genehmigung nicht erfolgt, will er Vorschlag (…) von Stumm, noch einige Tage damit zu warten, berücksichtigen. Er erklärt aber bestimmt, dass er Veröffentlichung unmöglich ganz vermeiden könne, es sei das Minimum, das so dringend von ihm verlangt werde (…).1037

Am selben Tag erreichte Bethmann Hollweg auch eine Depesche K ­ aiser Wilhelms, die nun doch eine Antwort in dem am 12. April vorgeschlagenen Sinne ermöglichte. Sie lautete: Auf dem Wege des Friedens sind wir einen Schritt vorwärts gekommen, eine weitgehende Übereinstimmung für einen beiderseits ehrenvollen Frieden ist nunmehr vorhanden. Die Verteidigung des ‚eigentlichen nationalen russischen Vaterlandes‘ ist kein Kriegsgrund für Russland gegen Deutschland, da ­dieses nie den Besitz solchen Gebietes anstrebte. Dem grössten Teil des von uns besetzten (…) Gebietes, dem Königreich Polen, habe Ich in Verbindung mit (…) dem ­Kaiser von Österreich volle Autonomie zugesagt; es ist mein bestimmter Wille, dass das polnische Volk in Übereinstimmung mit der russischen Regierungserklärung sein Schicksal selbst bestimmen soll. Russland soll weder erniedrigt noch in seinen Lebensbedingungen erschüttert (…), ebensowenig (…) dem russischen Volk und seiner Regierung Treulosigkeit gegenüber eingegangenen Verbindlichkeiten angesonnen werden. – Die Kundgebung der russischen Regierung legt mir (…) die ernste und angenehme Pflicht auf, Sie (…) zu ermächtigen, jederzeit mit der russischen Regierung Friedensverhandlungen einzuleiten auf der Grundlage der von uns (…) mit unseren Verbündeten aufgestellten Friedensvorschläge, die sich im wesentlichen mit der Erklärung der russischen Regierung decken.1038 1036 Ebd. 1037 Wedel an A. A., Tel. 174, 13. Apr. 1917, ebd. pp 100 – 101 Dok. 66. 1038 Wilhelm II. an Bethmann Hollweg, Tel. o. Z., o. D. (13. Apr. 1917), SG 2 1966, 98 – 99 Dok. 64.

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Über die zu erteilende Antwort wurde rasch Einigkeit erzielt, und am 14. April konnte Czernin die Vertretungen in Sofia und Konstantinopel instruieren: Nach hergestelltem Einvernehmen (…) erscheint heute nachts hier und in Berlin ein dem Sinne nach gleiches textuell verschiedenes Communiqué, (…) welches auf die jüngste Enunziation des Fürsten Lwow in entgegenkommender Weise reagiert. – Euer Hochgeboren wollen unverzüglich die Aufmerksamkeit der dortigen Regierung auf das in Rede stehende Communiqué lenken.1039

Das Wiener Communiqué wurde am 14. April dem Telegraphen-Korrespondenz-Bureau zur Publikation übermittelt, in der es hieß: Es kann demnach festgestellt werden, daß die österreichisch-ungarische (…) und die provisorische russische Regierung in gleicher Weise einen für beide Teile ehrenvollen Frieden anstreben (…) welcher, wie es in dem Friedensangebot Oesterreich-Ungarns und seiner Verbündeten vom 12. Dezember 1916 heißt, Dasein, Ehre und Entwicklungsfähigkeit der kriegführenden Staaten sichert. (…) Da hiemit (…) klar vor Augen geführt erscheint, daß Rußland nicht mehr gezwungen ist, für seine Verteidigung und für die Freiheit seiner Völker zu kämpfen, kann es bei dieser Gleichheit der Ziele (…) nicht schwer sein, den Weg der Verständigung zu finden – dies um so weniger, als (…) der K ­ aiser von Oesterreich und apostolische König von Ungarn in Uebereinstimmung mit den ihm verbündeten Monarchen den Wunsch hegt, in Zukunft mit einem in seinen inneren und äußeren Lebensbedingungen gesicherten und zufriedenen russischen Volke in Frieden und Freundschaft zu leben.1040

Das Echo, welches das österreichisch-ungarische Kommuniqué in Frankreich fand, wurde bereits erwähnt, Poincaré wertete das österreichisch-ungarische Kommuniqué als „très dangereuse proposition de paix (…) à la Russie“.1041 Die entsprechende offiziöse deutsche Erklärung erschien am 15. April in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung, wo es hieß: Die provisorische Regierung (…) hat unter dem 10. April eine Kundgebung erlassen, die in ihrem wesentlichsten Punkten mit den mehrfach wiederholten Erklärungen Deutschlands und seiner Verbündeten übereinstimmt. Danach erstreben beide Parteien nichts anderes als die Sicherung des Daseins, der Ehre und der Entwicklungsfreiheit ihrer Völker. (…) Sie haben

1039 Czernin an Otto Czernin in Sofia, Tel. 137, u. Trauttmansdorff in Konstantinopel, Tel. 196, 14. Apr. 1917, HHStA PA I, 956 Krieg 25t fol. 379. 1040 Kommuniqué ausgegeben 14. Apr. 1917 durch Korr.-Bureau, ebd. fol. 365 – 366, F-B M (15. Apr. 1917), 1, NFP M (15. Apr. 1917), 1, WZ (15. Apr. 1917), 9, PT M (15. Apr. 1917), 1, PL A (15. Apr. 1917), 1. 1041 Poincaré an Ribot 16. Apr. 1917, Ribot 1936, 65 – 66.

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(…) keinen anderen Wunsch, als mit einem zufriedenen Nachbarn in Eintracht und Freundschaft zu leben. (…) Wenn das russische Volk noch (…) leidet, statt sich ruhig und ungestört dem inneren Aufbau seiner Freiheit zu widmen, so ist nicht Deutschland daran schuld. (…) Das russische Volk wird – niemand wird es anders erwarten – den Verpflichtungen gegen seine Verbündeten treu bleiben. Aber das russische Volk soll wissen, daß seine Söhne noch fernerhin kämpfen und sterben müssen, weil seine Verbündeten es so wollen, um ihre eigenen Eroberungs- und Annexionspläne durchzusetzen.1042

Czernins und sicherlich auch Bethmann Hollwegs Hoffnung, die Umwälzung in Russland werde „den Weg der Verständigung“ finden lassen und „einen für beide Teile ehrenvollen Frieden“ ermöglichen, wurde auch durch Nachrichten über von E ­ rzberger gepflogene Kontakte genährt. Über diese berichtete Botschafter Schönburg am 11. April aus Bern: Von einer ihm nahestehenden Quelle (Alfred Salm-Dyck) erfahre ich (…): – Erzberger war in Stockholm, hatte dort Besprechungen mit russischen Delegierten. Seine Eindrücke brachte er (…) dem Reichskanzler (zur Kenntnis), welcher gleich darauf seine bekannte Rede über die Stellungnahme Deutschlands zur russischen Revolution hielt. – Erzbergers Auffassung ist sehr, vielleicht zu, optimistisch (…): Jede Partei am Ruder in Rußland sei genötigt, ausschließlich an die inneren Fragen zu denken, um sich (…) halten zu können; jede Partei wäre daher gezwungen, sich mit einem sogenannten ‚ehrenhaften‘ Frieden vollständig zu begnügen.1043

Und am 14. April berichtete Schönburg: Herr Erzberger ist (…) wieder nach Stockholm zurückgefahren, um mit russischen Delegierten (angeblich auch Regierungsmitgliedern) (…) zu verhandeln. – (…) Er wird mir demnächst (…) einige Aufzeichnungen über die (…) Verhandlungen zukommen lassen. (… Er) habe ferner von einem Vertrauensmann des Generals Cadorna (…) wieder Message mit Andeutungen erhalten, ob wir nicht zu Spezialverhandlungen bereit wären (…).1044

Musulin riet Czernin im Hinblick auf diese Informationen noch am selben Tag: Wie ich als übereinstimmende Auffassung der uns hier wohlgesinnten und gut informierten Faktoren melden kann, wäre keine Zeit zu verlieren, um mit Rußland auf der Basis des ­status 1042 F-B A (16. Apr. 1917), 1, SSEG 1917/1 1920, 406 – 407. 1043 Musulin (Schönburg) an Czernin, Tel. 296, 11. Apr. 1917, HHS tA PA I, 956 Krieg 25t fol. 344, idem: HHStA PA XL, Pol. Tel. 111 o. Fz. 1044 Musulin (handschr. „Schönburg“) an Czernin, Tel. 304, 14. Apr. 1917, ebd. fol. 343 bzw. o. Fz.

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quo ante, eventuell der Unabhängigkeit Polens, ein Ende zu machen. Geschieht dies nicht bald, so würde Rußland ins Fahrwasser der Entente getrieben und jede Hoffnung auf einen Separat­frieden könne als geschwunden betrachtet werden. – Als erster Schritt sollte eine offizielle öffentliche Erklärung unserer Regierungen erfolgen, worauf sich dann sehr bald herausstellen würde, mit wem die Verhandlungen mit Rußland geführt werden können. – Aus dem Kreise der (…) deutschen Gesandtschaft höre ich (…), daß man deutscherseits die Absichten auf die baltischen Provinzen noch nicht aufgegeben hat (Herr von Bethmann Hollweg, Herr Zimmermann und Herr von Stumm).1045

Dass die von ihm empfohlenen Erklärungen der Regierungen in Wien und Berlin gerade an ­diesem Tage erfolgten, kam für Musulin zweifellos überraschend. Am 16. April berichteten die Zeitungen von einer weiteren an die Provisorische Regierung gerichteten Aufforderung zu einem Frieden ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen. Diese ging vom Kongreß des allrussischen Arbeiter- und Soldatenrates aus, der tags zuvor eine aus fünf Punkten bestehende Entschließung gefasst hatte, deren dritter Punkt lautete: Der Kongreß ist überzeugt von der Notwendigkeit (…) eines Einflusses auf die provisorische Regierung, um diese zum tatkräftigen Kampf gegen die antirevolutionären Kräfte anzutreiben. Ferner von der Notwendigkeit (…) sie zu verpflichten, das gesamte Leben Rußlands zu demokratisieren und einen gemeinsamen Frieden vorzubereiten, ohne Annexio­nen und Kriegsentschädigungen, aber auf der Grundlage einer freien nationalen Entwicklung aller Völker.1046

Die Petrograder Erklärungen und Entschließungen fanden kräftigen Widerhall nicht nur in den Staatskanzleien, sondern auch auf dem am 18. und 19. April in Berlin tagenden Parteiausschuss der deutschen Sozialdemokratie. Philipp Scheidemann, der Vizepräsident des Reichstags, erklärte dort: Die Frage, ob die russische Revolution uns dem Frieden näher bringt, muß unbedingt mit Ja beantwortet werden. (…) Ganz selbstverständlich geht unser Bemühen darauf aus, den allgemeinen Frieden so schnell als möglich herbeizuführen. Gelingt uns das nicht, dann akzeptieren wir natürlich auch einen Sonderfrieden. (…) Nötig ist, daß wir auf den Beschluß des Arbeiter- und Soldatenrates eine Antwort geben, so deutlich wie möglich.1047 1045 Musulin an Czernin, Tel. 305, 14. Apr. 1917, HHStA PA I, 956 Krieg 25t fol. 382 – 382v. 1046 NFP N (16. Apr. 1917), 1, PL A (16. Apr. 1917), 2, NPZ A (16. Apr. 1917), 1. 1047 Tagung des Parteiausschusses der dt. Sozialdemokratie 18. u. 19. Apr. 1917, SSEG 1917/1 1920, 416 – 420, Eine Friedensresolution der dt. Sozialdemokratie, NPZ A (21. Apr. 1917), 1.

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Am Ende der Tagung wurde einstimmig eine Resolution beschlossen, in der es hieß: Wir begrüßen mit leidenschaftlicher Anteilnahme den Sieg der russischen Revolution und das durch ihn entfachte Wiederaufleben der internationalen Friedensbestrebungen. Wir erklären unser Einverständnis mit dem Kongreßbeschluß des russischen Arbeiter- und Soldatenrats, einen gemeinsamen Frieden vorzubereiten, ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen auf der Grundlage einer freien nationalen Entwicklung aller Völker. Wir betrachten es daher als die wichtigste Pflicht der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wie der Sozialisten aller anderen Länder, die Machtträume eines ehrgeizigen Chauvinismus zu bekämpfen, die Regierungen zum klaren Verzicht auf jegliche Eroberungspolitik zu drängen und so rasch wie möglich entscheidende Friedensverhandlungen auf dieser Grundlage herbeizuführen.1048

Victor Adler, der mit Karl Seitz und Karl Renner für die deutsche Sozialdemokratie Österreichs sowie Ernő Garami und Jakob Weltner für die ungarische Sozialdemokratie als Gast an der Tagung teilnahm, erklärte für die Vorstände der beiden Parteien, dass diese dem Beschluss, „sich einmütig anschließen“. Die Internationale Korrespondenz der SPD kritisierte die offiziösen Stellungnahmen der deutschen und der k. u. k. Regierung, es sei „von unendlich großer Bedeutung (…), daß die Friedenszielumschreibungen von unserer Seite ganz eindeutig, klar und einwandfrei (…) werden. (Sic!) Wir müssen jetzt darauf bestehen, daß unsere Regierung (…) die Formel der russischen Arbeiterklasse annimmt und sich ausdrücklich zu einem Frieden ohne Eroberungen und Entschädigungen (…) bereit erklärt.“ 1049 Von der Teilnahme der österreichischen und ungarischen Sozialdemokraten an der Tagung und ihrem Plan, auch nach Kopenhagen zu reisen, hatte Czernin am 11. April Botschafter Hohenlohe in Kenntnis gesetzt: Einige Führer der Sozialdemokraten (…) kommen morgen nach Berlin und reisen nach Rücksprache mit den deutschen Sozialisten nach Kopenhagen. – Die Herren reisen nicht als meine Mandatare, sondern im eigenen Namen, jedoch mit meiner vollen Zustimmung. – Euer ./. wollen den Herren in jeder Hinsicht behilflich sein und ihre eventuellen Telegramme chiffriert an mich gelangen lassen. – Allenfallsige Briefe der Herren an mich sollen durch Separatkurier an mich gesendet werden.1050

1048 Ebd. 1049 Ebd. 1050 Czernin an Hohenlohe, Tel. 227, 11. Apr. 1917, HHStA PA I, 954 Krieg 25p fol. 391 – 391v.

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Hohenlohe berichtete am 18. April: Die Herrn Adler, Seitz, Renner und Garbati (sic!) haben mich soeben aufgesucht und mich gebeten, Euer Exzellenz (…) mitzuteilen: – Sie erwarten heute je einen Herrn aus dem Haag und aus Stockholm und hoffen, von denselben Nachricht zu erhalten, ob und wann eine Zusammenkunft mit russischen Sozialisten in Stockholm möglich wäre, um darnach ihre Reise dahin fortzusetzen. Das internationale sozialistische Bureau begibt sich vom Haag nach Stockholm, um daselbst die Vorbereitungen für eine eventuelle allgemeine Besprechung zu treffen. – Die (…) Herrn haben erklärt, sie hoffen, daß es zu dieser allgemeinen Besprechung käme, möchten aber ausdrücklich betonen, daß sie (…) nur für den allgemeinen Frieden wirken könnten und nicht für einen Separatfrieden mit Rußland, durch den wir in die Lage kommen würden, gegen unsere anderen Gegner umso nachdrücklicher Krieg zu führen.1051

Und am 21. April telegrafierte der Botschafter: Abgeordneter Adler hat sich gestern abends behufs Besprechung mit russischen Sozialisten nach Zürich begeben. – Da seitens der russischen Regierung auf Betreiben Englands Ausreise der Sozialdemokraten (…) verhindert wird, haben die Herrn Seitz, Weltner und Garami beabsichtigte Reise nach Kopenhagen und Stockholm aufgegeben und fahren heute abends über Tetschen nach Wien.1052

Auf den Kommentar der Internationalen Korrespondenz der SPD zur Resolution des SPD-Parteiausschusses hin telegrafierte Czernin am 23. April an Hohenlohe: Laut hiesigen Preßmeldungen (…) hat ‚Internationale Korrespondenz‘ (…) an die deutsche Regierung die Aufforderung gerichtet, ihre Kriegsziele ‚ganz eindeutig, klar und einwandfrei‘ zu erklären und die Formel der russischen Arbeiterklasse anzunehmen, wonach Deutschland sich ‚ausdrücklich zu einem Frieden ohne Eroberungen und Entschädigungen (…) bereit erklärt’. – Es liegt auf der Hand, daß es für Deutschland große Schattenseiten hat, auf diese (…) Insinuation hin eine derartige (…) Erklärung abzugeben. Andererseits verhehle ich mir nicht, daß wir ein großes Odium auf uns laden, wenn wir diese Aufforderung mit Stillschweigen übergehen, da wir damit alle früheren friedlichen Erklärungen anullieren. – Ich beehre mich, Euer Durchlaucht zu ersuchen, bei der dortigen Regierung anzufragen, wie sie sich (…) zu verhalten gedenkt. – Zu Euer Durchlaucht Information füge ich bei, daß ich bereit wäre, sofort die Erklärung abzugeben, daß die Monarchie Rußland 1051 Hohenlohe an Czernin, Tel. 269, 18. Apr. 1917, HHStA PA XL, Pol. Tel. 112 o. Fz. 1052 Hohenlohe an Czernin, Tel. 285, 21. Apr. 1917, ebd. o. Fz.

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gegenüber zu einem Frieden ohne Eroberungen und Entschädigungen bereit wäre. – Dabei wollen Euer Durchlaucht auch darauf hinweisen, daß ein rechtzeitiger Separatfriede mit Rußland mir die einzige Möglichkeit (…) scheint, der immer drohenderen Nahrungssorge (…) zu begegnen.1053

Darauf antwortete Hohenlohe: Der Reichskanzler teilt ganz die Auffassung (…), daß es nicht anginge, den Artikel in der ‚Internationalen Korrespondenz‘ mit Stillschweigen zu übergehen. Andererseits hält er es für ganz ausgeschlossen, auf diese Aufforderung hin eine Erklärung in dem (…) gewünschten Sinne abzugeben. – Es wird, wie mir (…) Bethmann Hollweg sagt, in der ‚Norddeutschen Allgemeinen Zeitung‘ morgen ein kurzer Artikel erscheinen, in dem auf die wiederholten Erklärungen des Kanzlers verwiesen wird (…), daß man deutschererseits keine aggressiven Pläne gegen Rußland hege. Gleichzeitig wird aber der Sozialdemokratie nahegelegt, sie möge durch vorzeitige Enunziationen nicht der Entwicklung (…) vorgreifen und die Aufgabe der Regierung erschweren. – Was die von mir auftragsgemäß vorgebrachten Vorteile eines Sonderfriedens (…) bezüglich der Ernährungsfrage anbelangt, so ist man hier nicht der Ansicht, daß Rußland uns in absehbarer Zeit eine Erleichterung verschaffen könnte.1054

Von den am 23. April in Kreuznach gefassten und von Bethmann Hollweg, Zimmermann, Hindenburg, Ludendorff und Holtzendorff signierten Beschlüssen über die Kriegsziele waren weder Hohenlohe noch Czernin in Kenntnis gesetzt worden. In dem vom Kanzler avisierten Artikel in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung vom 25. April hieß es: An die Reichsleitung wird erneut (…) die dringende Aufforderung gerichtet, im Kampf der Meinungen über die Kriegsziele Stellung zu nehmen. Anlaß zu dieser Aufforderung hat die Erklärung der soz. Partei gegeben, die sich in Wiederholung früherer Erklärungen für einen Frieden ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen ausspricht. (…) Die Regierung hat das, was von ihr über die Kriegsziele gesagt werden kann, mitgeteilt und kann gegenwärtig keine weiteren Erklärungen geben.1055

Auch Czernin hielt es für angebracht, die Resolution des Parteiausschusses der SPD nicht unkommentiert zu lassen. So erschien im Fremden-Blatt vom 26. April 1917 eine 1053 Czernin an Hohenlohe, Tel. 277, 23. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Unsere u. dt. Erklärungen fol. 45 – 46. 1054 Hohenlohe an Czernin, Tel. 296, 24. Apr. 1917, ebd. fol. 47 – 47v. 1055 NAZ (25. Apr. 1917), SSEG 1917/1 1920, 455 – 456.

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offiziöse Stellungnahme, die um einiges konkreter war als jene der deutschen Regierung. In ihr wurde erklärt: Wenn (…) die Oeffentlichkeit eine neuerliche Erklärung hören will, so kann die österreichisch-ungarische Regierung ihr sagen, daß unsere Monarchie absolut keine aggressiven Pläne gegen Rußland verfolgt und auch nicht beabsichtigt, ihr Gebiet auf dessen Kosten zu erweitern. Von sozialdemokratischer wie von jeder anderen Seite wird man gewiß anerkennen, daß die (…) Regierung damit in vollkommen offener und freimütiger Weise (…) gesprochen hat.1056

Wie diese Stellungnahme zeigt, war Czernin der Überzeugung, dass ein Friede mit Russland möglich wäre, wenn sich die Mittelmächte auch offiziell zu einem Verzicht auf Annexionen bereit erklärten. Dass die deutsche Regierung zu einem solchen Verzicht nicht bereit war, zeigt der Bericht Hohenlohes vom 27. April: Die gestrige Enunziation des Fremdenblattes hat hier (…) außerordentlich verstimmt. Nach den letzten Besprechungen Euer Exzellenz mit Herrn von Stumm war man der Ansicht, Euer Exzellenz hätten die Idee fallen gelassen, den Verzicht auf Annexionen ausdrücklich auszusprechen, war daher peinlich überrascht, als diese Aeußerung nunmehr ohne jedes (…) Einvernehmen mit den hiesigen Stellen doch erfolgte.1057

Man sei in Berlin der Auffassung, (…) die Stellung des Kanzlers werde dadurch (…) geradezu unhaltbar. In der (…) Wiener Kundgebung liege eine indirekte Aufforderung an die hiesigen Parteien, auch von ihrer Regierung die Präzisierung der Kriegsziele zu verlangen und da die Kriegsziele der rechts stehenden Parteien jenen der links stehenden diametral entgegengesetzt ­seien, wäre eine ­solche Enunziation der Regierung ganz unmöglich, ohne die schwersten inneren Kämpfe hervorzurufen. (…) – Im übrigen frage man sich, wie Deutschland (…) Frieden schließen solle, wenn es bereits vor Beginn der Verhandlungen feierlich auf alle Faustpfänder, die es besitzt, verzichtet (…).1058

1056 Eine Antwort an die Sozialdemokratie, F-B M (26. Apr. 1917), 1. 1057 Hohenlohe an Czernin, Tel. 304, 27. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Unsere u. dt. Erklärungen fol. 49 – 50v, idem: HHStA Pol. Tel. 112 17. – 30. Apr. 1917 o. Fz. 1058 Hohenlohe an Czernin, Tel. 304, 27. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Unsere u. dt. Erklärungen fol. 49 – 50v, idem: HHStA Pol. Tel. 112 17. – 30. Apr. 1917 o. Fz.

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Er, Hohenlohe habe (…) sowohl dem Kanzler wie dem Staatssekretär erwidert, daß (…) man sicherlich auch in Wien nicht daran denke, eine Kluft z­ wischen den beiden (…) Reichen zu schaffen. Der Artikel des Fremdenblattes habe (…) nur nochmals wiederholt, was schon mehrfach gesagt worden sei (…).1059

Zimmermann und Stumm hätten ihm darauf erklärt: (…) gewiß liege darin keinerlei neue Stellungnahme (…), aber was die Sache (…) so peinlich mache sei (…) die ausdrückliche Verbeugung, die man in Wien damit (…) vor den Sozialisten gemacht habe (…) und darin auch noch die Hoffnung ausspreche, die Sozialdemokraten würden von dieser Enunziation befriedigt sein. Hiedurch erschwere man es (…) immer mehr, die deutsche Sozialdemokratie im Zaum zu halten; schon die bekannte Anfrage des Parteiausschusses an die Regierungen wäre (…) hauptsächlich von der österreichischen Sozialdemokratie durchgesetzt worden, indem Dr. Adler (…) die ‚deutschen Genossen‘ schließlich dazu bestimmte, die bekannte Resolution (…) zu fassen. Die Antwort im Fremdenblatt habe die Stellungnahme Herrn Adlers glänzend gerechtfertigt (…).1060

Am 28. April sandte Czernin an Hohenlohe ein Telegramm, welches er dem Kanzler zur Kenntnis zu bringen habe. Es lautete: Vorgestern kam es in einem kleinen Orte Mährens zu einer ernsten Hungerrevolte. Da die Gendarmerie nicht ausreichte, wurde Militär requiriert, welches zu schießen gezwungen war. Es sind 12 Tote und zahlreiche Verwundete. (…) Als ich Vorstehendes dem Grafen Wedel erzählte, erwiderte er: ‚In Deutschland würde das Militär überhaupt nicht mehr auf das Volk schießen‘. – Ich finde dies keine besonders trostreiche Aussicht.1061

Am selben Tag antwortete Czernin auf Hohenlohes Bericht vom Vortag: Ich bedaure lebhaft, wenn ich dem Herrn Reichskanzler Unannehmlichkeiten bereitet habe und noch mehr würde ich bedauern, wenn bei ihm der Eindruck entstünde, dass mein Vorgehen (…) nicht völlig loyal sei (…) – Seit der Anwesenheit Herrn von Stumms hat sich die S­ ituation 1059 Ebd. 1060 Ebd. 1061 Czernin an Hohenlohe, Tel. 284, 28. Apr. 1917, HHS tA PA I, 957 Krieg 25x Unsere u. dt. Erklärungen fol. 55 – 55v, das Tel. referierend: Tagesber. des M. d. Ä. 29. Apr. 1917 Beil. 2, HHStA PA XL, 57 TB o. Fz. Josef Redlich notierte am 28. Apr.: „Soeben erzählt mir (Bedřich) Hlavać, daß in Proßnitz bei einem Hunger­krawall 46 Menschen getötet und ebenso viele verwundet worden sind.“ Redlich TB-Eintr. 28. Apr. 1917, Fellner 2 1954, 203.

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insoferne geändert, als General Cramon Seiner Majestät deutlich zu verstehen gegeben hat, dass die deutsche Oberste Heeresleitung nunmehr entschlossen sei, mit Russland Friedensverhandlungen auf dem status quo ante bellum zu unternehmen! – Die deutsche Antwort war mir vor dem Erscheinen textuell gar nicht bekannt; ich hätte mich derselben auch nicht anschliessen können. – Abgesehen hievon, ist aber, eben weil die internen Verhältnisse hier ganz anders liegen (…) meine interne Stellung viel schwieriger wie die des Reichskanzlers. In Deutschland findet die Regierung in der Alldeutschen Partei ein gewisses Gegengewicht gegen die Sozialdemokratie; das fehlt hier. – Ferner findet unsere Sozialdemokratie in allen slavischen Ländern die stärksten Bundesgenossen für eine Verständigung mit Russland. – Die interne Situation in Oesterreich ist äusserst ernst. (…) Die meisten Truppen des Hinterlandes sind unverlässlich und ein Aufruhr größeren Stils würde (…) katastrophale Folgen nach sich ziehen. Es ist ein Gebot absoluter Notwendigkeit, die sozialdemokratischen Organisationen an uns zu binden und durch dieselben auf die breiten Massen einzuwirken. – (…) Die sozialdemokratische Organisation (…) verlangt als Preis ihrer Kooperation (…) die Erklärung des Friedens ohne Annexionen. – Wenn ich den Ratschlägen (…) der über unsere internen Verhältnisse nicht genügend orientierten Berliner Faktoren folgen würde, (…) so würde damit weder ihnen noch uns gedient sein. (…) – Ich würde es auf das lebhafteste beklagen, falls der Herr Reichskanzler meiner Darstellung (…) keinen vollen Glauben beimessen (…) und nicht das Seinige dazu beitragen würde, damit wir die Situation hier halten können.1062

Am 28. April setzte Czernin Hohenlohe auch über eine wegen des Artikels im FremdenBlatt vom 26. April 1917 erfolgte Demarche in Kenntnis: Graf Wedel hat mir gestern offenbar auftragsgemäß Vorwürfe gemacht, dass mein ‚politisches Vorgehen‘ in Berlin Unannehmlichkeiten verursache und dies mit verschiedenen Argumenten begründet, vor allem mit Zeitungsartikeln aus neutralem und dem Feindeslande, ­welche Divergenzen ­zwischen Berlin und Wien konstatieren. Er schien dabei den Verdacht zu haben, dass wir selbst ­solche Nachrichten im neutralen Auslande lancieren, eine vollständig irrige Auffassung, wie ich ihm ehrenwörtlich erklärte.1063

Er, Czernin, habe Wedel geantwortet: Das Faktum, dass die Berliner und Wiener Enunziation nicht völlig identisch ­seien, beweise (…) nicht, dass das Unrecht auf meiner Seite sei. Die (…) Antwort der deutschen Regierung 1062 Czernin an Hohenlohe, Tel. 286, 28. Apr. 1917, HHS tA PA I, 957 Krieg 25w Weiller-Rostworowski fol. 61 – 65. 1063 Czernin an Hohenlohe, Tel. 287, 28. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Unsere u. dt. Erklärungen fol. 58 – 59v.

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in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung sei (…) keine glückliche gewesen, denn es sei kein Argument, nichts Vernünftiges nach Rußland sagen zu wollen, weil England unmögliche Bedingungen stelle. Wenn ferner General Ludendorff an der Ostfront durch höhere Offiziere Friedensvorschläge auf Grund des Prinzipes keiner Eroberungen mache, wie General Cramon dies Seiner Majestät (…) zu verstehen gab, so sei mir die (…) Berliner Note noch unverständlicher. Man könne doch nicht glauben, dass die Ludendorffschen Vorschläge geheim bleiben würden (…) Ich könne mir schliesslich vorstellen, dass man in gänzlicher Verkennung der Situation an Eroberungsabsichten festhalte, aber niemals (…) begreifen, worin der Zweck ­liegen solle, durch die erwähnten widersprüchlichen Erklärungen das russische Misstrauen zu erhöhen. – Von mir zu verlangen, dass ich alle diese unverständlichen Schwankungen einer Politik mitmache, sei unmöglich.

Er habe Wedel erklärt, niemand wünsche mehr als er „die volle Harmonie z­ wischen Wien und Berlin, (…) aber um diese Harmonie zu erreichen, müssten wir uns auf einer Mittellinie treffen und es sei nicht begründet, dieselbe dadurch erreichen zu wollen, dass wir uns immer (…) den Berliner Enunziationen unterwerfen“. Hohenlohe möge „in demselben Sinne“ sprechen.1064 Der Botschafter kam Czernins Weisung noch am selben Tage nach. Auf Bethmann Hollweg machten Hohenlohes Mitteilungen offenbar den erwünschten Eindruck, denn er bat ihn, den Inhalt der Telegramme schriftlich niederzulegen. Die von Hohenlohe daraufhin verfertigte Aufzeichnung ist in den Akten des Auswärtigen Amtes erhalten.1065 Sie trägt einen Vermerk des Kanzlers vom 30. April, in dem es unter anderem heißt, er habe Hohenlohe ermächtigt, (…) dem Grafen Czernin mitzuteilen, dass mir die angebliche Äusserung des Generals ­Cramon unbekannt sei und (…) auf einem Missverständnis beruhen dürfte, und dass wir Friedensverhandlungen mit Russland (…) unbeschadet notwendiger Grenzberichtigungen nicht an Annexionswünschen scheitern lassen würden. – Im Hinblick auf die Unruhen in Mähren sah Prinz Hohenlohe die inneren Zustände Österreich-Ungarns bedrohlicher als bisher an und meinte, wir hätten doch keine Zeit mehr zu verlieren.1066

Über seine Demarche beim Kanzler berichtete Hohenlohe am 29. April an Czernin, Bethmann Hollweg habe gebeten,

1064 Ebd. 1065 Hohenlohe an Bethmann Hollweg 29. Apr. 1917, SG 2 1966, 165 – 166 Dok. 101. 1066 Ebd. Anm. 2.

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(…) Euer Exzellenz zu sagen, daß auch seiner Ansicht nach (…) das Zusammenarbeiten unserer beiden Kabinette unumgänglich nötig sei. (…) Er könne aber nicht umhin (…) darauf aufmerksam zu machen, daß die (…) Enunziation der Wiener Regierung (…) hier vielfach den Eindruck hervorgerufen habe, als wolle Oesterreich-Ungarn das Anbot eines Separatfriedens seitens Rußland provozieren (…). (Es sei) ihm nicht das geringste davon bekannt (…), daß die Oberste Heeresleitung auf dem Standpunkt stehe, mit Rußland Friedensverhandlungen auf dem status quo ante einzugehen: ganz im Gegenteil habe General Ludendorff bei der letzten Anwesenheit des Kanzlers im Hauptquartier für eine diesbezügliche Anregung, die er und der Staatssekretär vorgebracht hätten, sehr wenig Verständnis gezeigt.1067

Er, Hohenlohe, habe Czernins Wunsch hervorgehoben, der Kanzler (…) möge auch seinerseits alles tun, damit wir (…) einen sichtbaren Schritt dem Frieden entgegen tun könnten, solange die Regierungen noch Herren der Situation wären. (…) – Gleichzeitig müsse seitens der deutschen Regierung alles geschehen, was das Zustandekommen eines Separatfriedens mit Rußland erleichtern könne: in dieser Beziehung dürfe nicht das geringste versäumt werden (…).

Er habe den Kanzler daher gebeten, ihm „zu erklären, daß Deutschland einen Separatfrieden (…) nicht an Annexionsplänen scheitern lassen und daß II) man (…) nachzudenken bemüht sein werde, wie man dies in Rußland den richtigen Stellen zu wissen geben könne“.1068 Seine Ausführungen hätten einen gewissen Eindruck gemacht – „nach längerem Hinund Herreden“ habe der Kanzler nämlich erklärt, „jederzeit zu Friedensgesprächen mit Rußland bereit zu sein, die er unbeschadet militärischer Grenzrektifikationen nicht an annexionistischen Wünschen scheitern lassen würde (…)“. Auf die Frage „ob und wie man dies heute nach Rußland bekanntgeben könne“, habe er gemeint, „es sei sehr schwer, hiebei das Richtige zu treffen. Ganz aussichtslos erschien ihm (…) dies der provisorischen Regierung mitzuteilen, die es nur für sich behalten oder höchstens nach England weitergeben würde. – Es bliebe daher noch die Möglichkeit einer offiziösen Enunziation oder der Mitteilung (…) an den Arbeiterrat in Petersburg.“ 1069 Czernin suchte seine Sicht der Dinge und vor allem, dass es durch einen offiziellen Verzicht auf Annexionen möglich wäre, Russland für einen Sonderfrieden zu gewinnen, auch dem bayerischen Staatsminister Graf Hertling näherzubringen und sich dessen 1067 Hohenlohe an Czernin, Tel. 308, 29. Apr. 1917, ebd. fol. 81 – 83v, idem: HHS tA PA I, 956 Krieg 25t fol. 239 – 241v. 1068 Ebd. 1069 Ebd.

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Einflusses auf die Reichspolitik zu versichern. Dabei benutzte er die Vermittlung des in Wien anwesenden Victor Naumann, der im Auftrag des Nuntius in München, Msgr. Giuseppe Aversa, und „nach vorheriger Zustimmung (…) Hertlings“ eine Denkschrift über die „durch die russische Revolution geschaffene neue Lage und über die Gefahren und Möglichkeiten, die aus ihr sich für den Heiligen Stuhl ergeben“ erstellte. Über diese Denkschrift schrieb Naumann, er habe sie am 23. April einem Brief an Hertling beigefügt und sie überdies durch den preußischen Gesandten in München nach Berlin übermitteln lassen, damit „man auch dort unterrichtet sei“. Dem Grafen Hertling teilte Naumann mit, er habe sie „im Ministerium des Äußern diktiert, Graf Czernin kennt ihren Inhalt und findet ihn völlig richtig“. Und: Wir müssen zum Frieden gelangen trotz aller Widerstände, denn sonst sind wir verloren. Tritt Amerika in den Kampf ein und haben wir bis dahin mit Rußland keinen Frieden, so ist jede Aussicht auf Erfolg verschwunden. (…) Darum heißt es jetzt, die Stunde ausnützen und dem russischen Wunsch, zu einem Gesamtfrieden zu kommen, keine Schwierigkeiten bereiten. (…) Was nun die wirtschaftliche Lage anbelangt, so dürfen wir uns (…) keiner Illusion hingeben. Sie ist eine ­solche, daß ein nächster Winterfeldzug ausgeschlossen erscheint. Damit haben wir zu rechnen und danach unsere politischen Pläne einzurichten.1070

Czernin habe davon gesprochen, (…) wie notwendig es sei, zum Frieden zu kommen. (…) das A und O seiner Politik wäre, mit Deutschland zu gehen (…). Aber um in Berlin dem Kanzler zu helfen, bedürfe es einer starken Aktion. Er schätze (…) Hertling ungemein, habe aber noch nicht Gelegenheit gehabt, vertraulich mit ihm zu sprechen. Über die Gesandtschaft möchte er diesen Wunsch nicht gehen lassen, ob ich es übernehmen würde, Hertling hierzu zu veranlassen. Er würde Hertling alles entwickeln, was zugunsten einer friedlichen Aktion spräche.1071

Hertling ließ sich tatsächlich dazu bringen, eine Reise nach Wien zu unternehmen, wollte dies jedoch nicht ohne Einverständnis des Reichskanzlers tun und ohne Kenntnis von dessen Stellung zur Friedensfrage und zu den sich in Russland eventuell eröffnenden Möglichkeiten. Bethmann Hollweg begrüßte Hertlings Vorhaben angetan und ließ ihm durch Treutler mitteilen: In jüngster Zeit haben wir beim Grafen Czernin eine sehr starke Nervosität feststellen können und darauf wird man auch das zu weit gehende und unpolitische Entgegenkommen ­gegenüber 1070 Naumann 1928, 235 – 244. 1071 Ebd.

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der russischen Kriegszielerklärung zurückführen müssen. Der Minister ist der Ansicht, daß unsere (…) Kräfte schnell ihrer Erschöpfung entgegengehen und fürchtet sich vor einer Revolutionsgefahr (…). Daher drängt er auf Einleitung einer Friedensaktion unter Angabe von detaillierten Bedingungen; der Friede müsse evtl. auch unter schweren Opfern erkauft werden. In der ­Theorie wäre das Opfer von beiden Monarchien zu tragen; da aber ein allgemeiner Friede nach Czernins Ansicht nur durch die Abtretung größerer Teile der Reichslande zu erzielen ist, scheint es als ob dem Minister (…) vorschwebe, daß von Deutschland allein die Unkosten zu tragen und auf Ausnutzung seiner Erfolge vollständig verzichtet werden soll, nur um Österreich-Ungarn unversehrt aus dem Krieg hervorgehen zu lassen. – (…) Hertling wären wir sehr dankbar, wenn er sich der Mühe unterziehen wollte, (…) Czernin den Rücken zu stärken und gesprächsweise zu betonen, daß wir bei der günstigen (…) Lage im Westen, bei den (…) Erfolgen der U-Boote, der zwar schwierigen, aber keineswegs kritischen inneren Lage der verbündeten Monarchien und (…) dem zunehmenden Zersetzungsprozeß in Rußland keinen Anlaß hätten, uns in überstürzte Friedensverhandlungen einzulassen (…). Es wäre auch gut, der Ansicht entgegenzutreten, daß Österreich-Ungarn ohne erhebliche Opfer im Trentino und in Galizien einen Separatfrieden erlangen könne.1072

Hertling reiste daraufhin nach Wien, wo er mehrere Gespräche mit Czernin führte und vom ­Kaiser empfangen wurde.1073 Über seine in Wien gewonnenen Erkenntnisse telegrafierte Hertling am 30. April 1917 an den Reichskanzler: Aus meinen hiesigen Unterredungen habe ich den bestimmten Eindruck gewonnen, daß in der Frage der Friedensbedingungen gegenüber Rußland z­ wischen Berlin und Wien im Grunde keine Verschiedenheit der Auffassung besteht. An Annexionen im eigentlichen Sinne des Wortes, auf ­welche Oesterreich-Ungarn verzichtet, denkt ja meines Wissens auch die Reichsleitung nicht. – (…) Es kann (…) nur nachteilig auf die öffentliche Meinung in Deutschland und Oesterreich-Ungarn wirken (…) eine Spaltung z­ wischen den beiden Mittelmächten zu konstatieren. – Meiner Ueberzeugung nach wäre es daher äußerst wünschenswert, dieser Eventualität (…) vorzubeugen. – Es könnte dies (…) am besten in der Weise geschehen, daß durch eine gleichlautende feierliche Kundgebung beider Regierungen deren volle Solidarität (…) vor aller Welt dargetan würde. (…) Für eine derartige Kundgebung (…) bringe ich im Einvernehmen mit (…) Czernin folgende Fassung in Vorschlag: – ‚Aus Anlaß der Ausführungen des Wiener Fremdenblattes und der Berliner Norddeutschen Allgemeinen Zeitung zu der Stellungnahme der österreichischen, ungarischen und deutschen sozialdemokratischen 1072 Bethmann Hollweg an Hertling o. D., (Vermerk: „Übergeben vom preuß. Ges. von Treutler (…)“.), o. D., BHStA MA 964, idem: Deuerlein 2 1973, 1021 Dok. 45. 1073 F-B A (30. Apr. 1917), 3, SSEG 1917/2 1920, 72.

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Politiker hinsichtlich der Frage von Annexionen (…) sind in der feindlichen und einem Teile der neutralen Presse Artikel erschienen, w ­ elchen die (…) unzutreffende Annahme zugrunde liegt, es beständen in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten ­zwischen den Regierungen der beiden Mittelmächte. – Die Kabinette von Wien und Berlin legen daher Wert darauf (…) zu betonen, daß ­zwischen Oesterreich-Ungarn und Deutschland die g­ leiche ungetrübte und vorbildliche Eintracht, in welcher sie (…) auf den Schlachtfeldern (…) zusammenstehen, auch in der Friedensfrage obwaltet und daß beide Mächte (…) in rückhaltsloser Solidarität für ihre beiderseitigen Kriegsziele eintreten werden. Ebenso wie somit Oesterreich-Ungarn auf Annexio­nen russischen Gebietes verzichtet, wird auch Deutschland die Möglichkeit eines Friedens­schlusses mit Rußland nicht an der Forderung von Annexionen scheitern lassen, sondern sich mit jenen Grenzberichtigungen bescheiden, deren es zur Sicherung seiner Grenze (…) bedarf ’. – Hiemit wäre nicht nur die vermeintliche Divergenz aus der Welt geschafft, sondern auch Rußland gegenüber (…) festgestellt, daß es den Frieden mit den Mittelmächten um den geringen Preis von Grenzberichtigungen zu erhalten vermag.1074

Zur Entstehung des Telegramms Hertlings existiert eine handschriftliche Notiz Sektionschef Kajetan Méreys von Kapos-Mére, die lautet: Graf Hertling hat (…) dem Vorschlage der identischen Enunziation und dem von mir in ­diesem Sinne modifizierten Texte seines Telegramms an den Reichskanzler zugestimmt. Letzteren habe ich dem Gfn. Wedel (…) geschickt. Auch an Hohenlohe habe ich ein entsprechendes Telegramm abgehen lassen.1075

Bei dem Telegramm an Hohenlohe handelt es sich sicherlich um das am 30. April im Namen Czernins abgegangene, in dem es hieß: Meine Unterredungen mit dem (…) bayerischen Ministerpräsidenten haben auch der Frage unserer Friedensbedingungen gegenüber Rußland sowie den hierüber mit der deutschen Regierung im Zuge befindlichen Auseinandersetzungen gegolten. – Als Ergebnis dieser Besprechungen und im vollen Einvernehmen mit mir richtet Graf Hertling heute das folgende Telegramm an den Reichskanzler: (…)1076 – Ich ersuche Euer Durchlaucht, indem Sie sich über den Inhalt ­dieses Telegramms informiert zeigen wollen, sich bei dem Reichskanzler mit allem Nachdrucke dafür einzusetzen, daß er der darin vorgeschlagenen identischen Enunziation (…) nicht nur im Prinzipe, sondern auch in ihrem Wortlaute zustimme, damit der Gedanke, 1074 Hertling an Bethmann Hollweg, 30. Apr. 1917, BHStA MA 964 (Abschr. des Entw.), idem: HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 97 (Tel.-Text), Druck: Deuerlein 2 1973, 1021 – 1022 Dok. 46. 1075 Mérey, handschr. Notiz 30. Apr. 1917 abends, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 92. 1076 Text s. obenzit. Tel. Hertlings an Bethmann Hollweg.

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auch Deutschland verlange keine Annexionen russischen Gebietes, sondern nur Grenzrektifikationen, klar in die Erscheinung trete, nicht aber etwa durch redaktionelle Modifikationen verdunkelt oder gar in das Gegenteil verkehrt werde. – Unter allen Umständen aber wollen Euer Durchlaucht verhindern, daß die deutsche Regierung uns vor ein fait accompli stellt und einen eventuell veränderten Text einseitig publiziert. – Die vorgeschlagene Veröffentlichung könnte am 3. oder 4. Mai durch das hiesige Telegraphen-Korrespondenzbureau und das Berliner Wolff-Bureau erfolgen.1077

Hohenlohe antwortete am nächsten Tage: Herr von Bethmann Hollweg ließ mir (…) sagen, er habe eben das Telegramm Graf ­Hertlings – weswegen ich wahrscheinlich mit ihm reden wolle – erhalten. – Er sei bis abends (…) in Anspruch genommen und müsse, bevor er sich (…) äußern könne, noch Rücksprache mit dem Staatssekretär des Äußern nehmen. (…) Ich habe dann den Staatssekretär im Reichstag aufgesucht, (…) ihn aber nicht sehen können, da er aus der Sitzung nicht abkömmlich war. – Ich ließ hierauf (…) Herrn von Stumm aus der Sitzung bitten und ersuchte ihn eindringlich, beim Reichskanzler dahin zu wirken, daß er dem (…) Vorschlage zustimme. – Stumm erwiderte, der Kanzler hätte ihm (…) das (…) Telegramm mitgeteilt mit dem Bemerken, er sei sehr wenig geneigt darauf einzugehen, da seiner Ansicht nach durch eine derartige Anhäufung von Enunziationen die Friedensmöglichkeiten, statt vergrößert, verringert würden. – Ich habe Stumm (…) entgegnet, wir könnten uns (…) nicht mehr erlauben, die weitere Entwicklung der Verhältnisse in Rußland abzuwarten, sondern müßten (…) trachten, (…) in Verhandlungen zu treten (…). Einerseits erheische unsere innere Lage rasches Handeln und dann schiene es mir sehr wünschenswert, daß durch eine derartige Enunziation selbst der Schein eines Mißverständnisses ­zwischen Wien und Berlin (…) aus der Welt geschafft werde. – Schließlich sei es geboten, daß die Regierungen sich Rußland gegenüber spontan in ­diesem Sinne äußerten, bevor die gesamte Sozialdemokratie sich der Sache auf dem eventuell doch zustandekommenden Kongreß bemächtige und den Regierungen eine derartige Erklärung abnötige. – Ich würde dies morgen (…) beim Kanzler des Näheren ausführen, bäte ihn aber vorläufig eindringlichst, dafür zu sorgen, daß der Kanzler die Frage auch von ­diesem Gesichtspunkte betrachte.1078

Dem in Hertlings Telegramm enthaltenen Vorschlag, in einer gleichlautenden Kundgebung auf Annexionen russischen Gebietes zu verzichten bzw. zu erklären, einen Friedens­schluss nicht an der Forderung nach Annexionen scheitern zu lassen, konnten, wie Hohenlohe am 2. Mai 1917 an Czernin berichtete, weder Bethmann Hollweg noch ­Zimmermann etwas abgewinnen. Der Botschafter telegrafierte: 1077 Czernin an Hohenlohe, Tel. 288, 30. Apr. 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 88 – 90v. 1078 Hohenlohe an Czernin, Tel. 312, 1. Mai 1917, ebd. fol. 109 – 110.

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Ich hatte soeben eine lange Besprechung mit Kanzler und Staatssekretär. – Herr von ­Bethmann erklärte, er sei zwar vollkommen eines Sinnes mit Euer Exzellenz, daß wir um jeden Preis trachten müssen, zu Verhandlungen mit Rußland zu kommen und wiederholte, daß ein Friede unter keinen Umständen an deutschen Annexionswünschen (…) scheitern werde. In der (…) vorgeschlagenen Enunziation sehe er aber nicht das Mittel, um dem erstrebten Ziele näherzukommen. Vor allem würde hiedurch indirekt zugegeben, daß Differenzen z­ wischen Wien und Berlin bestanden haben (…) – Was den Eindruck der vorgeschlagenen Enunziation im Auslande anbelangt, so könne weder er noch der Staatssekretär die Ueberzeugung gewinnen, daß damit etwas erreicht würde, es würde (…) nur ein Mißtrauen gegen die (…) angekündigten ‚Grenzberichtigungen‘ hervorgerufen (…), die man als verkappte Annexionen auffassen würde. – Auf meinen Einwurf, man möge dies also weglassen, erklärten Kanzler und Staatssekretär, dies sei ganz ausgeschlossen, da die ganze Sozialdemokratie bereits am folgenden Tag die g­ leiche Erklärung für alle anderen Kriegsschauplätze fordern würde. (…) Man könne doch unmöglich alle Faustpfänder (…) abgeben, noch bevor man in Verhandlungen eintrete (…) Schließlich erklärte der Kanzler, daß er sowohl wie der Staatssekretär gerade in den letzten Tagen im Ausschusse des Reichstages erklärt hätten, es sei bei weitem zweckdienlicher, sich bezüglich der Kriegsziele nicht öffentlich zu äußern, dafür aber mit allen Mitteln zu arbeiten, daß man unter der Hand zu einer Verständigung käme. Nach langer Besprechung sei es schließlich auch gelungen, die Mehrheit der Abgeordneten hievon zu überzeugen (…) Er bittet daher (…) auf der gewünschten Erklärung nicht zu bestehen; andererseits mögen Euer Exzellenz überzeugt sein, daß die hiesige Regierung prinzipiell den Standpunkt der Enunziation (…) teile, es jedoch taktisch nicht für richtig halte, öffentlich damit hervorzutreten. – Ich entwickelte nun (…) alle die Gesichtpunkte, die ich gestern Herrn von Stumm gegenüber zum Ausdruck gebracht habe und betonte, ich hielte es außerdem für einen groben Fehler, daß wir jetzt (…) so gut wie untätig blieben. – Der Kanzler widersprach dem und erklärte, man habe von deutscher Seite bereits vor zirka 14 Tagen durch einen Abgeordneten, der Fühlung in Rußland habe, eine Erklärung abgeben lassen, die noch viel weitgehender gewesen sei, da sie einfach besagt habe, man reflektiere deutscherseits Rußland gegenüber auf keine Annexionen. Auch an der Front ­seien Verhandlungen zu erwarten; die Richtlinien hiefür (…) habe der Staatssekretär (…) bei General Ludendorff durchgesetzt (…) – Eine Zustimmung zu der öffentlichen Enunziation konnte ich (…) weder vom Kanzler noch vom Staatssekretär erlangen, wobei dieselben immer wieder betonten, (…) daß es ihnen (…) unbedingt daran liege, so rasch als tunlich in Verhandlungen mit Rußland zu treten.1079

Diese ablehnende Haltung brachte auch der Kanzler in einem Schreiben an Hertling zum Ausdruck. Darin hieß es:

1079 Hohenlohe an Czernin, Tel. 314, 2. Mai 1917, ebd. fol. 111 – 111v, idem: HHStA PA I, 956 Krieg 25t fol. 224.

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Ich halte es, in voller Übereinstimmung mit Euerer Exzellenz und Graf Czernin, für dringend geboten dem Eindruck entgegenzuwirken, daß ­zwischen der Berliner und der Wiener Regierung Uneinigkeit bestehe. Leider glaube ich mir von der vorgeschlagenen gemeinsamen Kundgebung (…) eine s­ olche Wirkung nicht versprechen zu können. Vielmehr befürchte ich, daß eine so feierliche Betonung der (…) Solidarität nach außen erst recht zu Zweifeln darüber führen würde, ob die nötige Eintracht wirklich weiter bestehe. – Dazu kommt, daß die Unterscheidung ­zwischen Annexionen und Grenzberichtigungen vieldeutig ist. (…) Die deutschen Chauvinisten würden sie als schwächlichen Verzicht, die Entente-Chauvinisten dagegen als Bauernfängerei bezeichnen und uns unterschieben, daß wir mit dem Ausdruck ‚Grenzberichtigung‘ doch nur Eroberungspläne verschleiern wollten. In Auslandskreisen wiederum würde (…) gefolgert werden, daß nun auch Deutschland teils aus eigener Schwäche, teils um der Schwäche Österreichs willen ganz bescheiden geworden sei. (…) – Wenn die Regierung (…) ein bescheidenes Friedensprogramm verkündigen würde, so träte neben den erwähnten politischen Nachteilen noch eine üble Wirkung auf die fest und zuversichtlich gestimmten Volkskreise und die kämpfende Wehrmacht ein. Unter diesen Umständen bleibt der Regierung nichts anderes übrig, als vorerst (…) zu schweigen.1080

Czernin aber gab sich nicht geschlagen und telegrafierte am 2. Mai an Hohenlohe: Falls der Reichskanzler sich tatsächlich weigern sollte, die (…) empfohlene Erklärung abzugeben, so wollen Euer Durchlaucht ihm sagen, daß ich ihn nochmals aufmerksam machen muß, daß die kleine, durch die zwei verschiedenen Enunziationen geschaffene Differenz z­ wischen Berlin und Wien sehr böse Folgen haben könnte. (…) – Ganz abgesehen von dem Eindruck im neutralen und im Feindeslande wirkt das Andauern d ­ ieses unerfreulichen Zustandes sehr schädlich auf alle nichtdeutschen Elemente in der Monarchie, ­welche die Parole auszugeben beginnen, daß der deutsche ‚Annexionshunger‘ die Monarchie in das Unglück zieht. – Die ablehnende Haltung des Herrn Reichskanzlers ist umso unverständlicher als (…) General Ludendorff sich bei den von ihm projektierten Aussprachen an der Ostfront ausdrücklich auf Grenzrektifikationen beschränkt. – Ich fürchte, der Herr Reichskanzler wird durch eine im Reichstag gegebene (…) Erklärung wieder versuchen, nichts Konkretes zu sagen, und ich kann diese unvernünftige Hartnäckigkeit, ­welche nur durch Furcht vor den Alldeutschen zu erklären ist, nur sehr bedauern. – Ich hoffe noch immer, dem großen Einfluß, den Euer Durchlaucht sich zu verschaffen wußten, wird es gelingen, diesen Eigensinn der Berliner Faktoren zu überwinden (…).1081

1080 Bethmann Hollweg (durch Treutler) an Hertling 3. Mai 1917, BHStA MA 964, Druck: Deuerlein 2 1973, 1023 Dok. 47. 1081 Czernin an Hohenlohe, Tel. 294, 2. Mai 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 118 – 119.

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Hohenlohe antwortete schon am folgenden Tag und berichtete: Dem Wunsche Euer Exzellenz entsprechend habe ich heute den Staatssekretär aufgesucht und speziell nochmals darauf hingewiesen, daß wir unmöglich zusehen könnten, wie man sich hier aus Scheu vor Auseinandersetzungen mit den Militärs und den Alldeutschen abhalten ließe, Entschlüsse zu fassen, die man sonst eventuell für zweckmäßig hielte. Schon die gestrige Unterredung wurde bei ­diesem Punkte sogar ziemlich erregt, da besonders der Staatssekretär erklärte, man scheue hier gar keine Kontroversen, der Beweis dafür ­seien die ‚Richtlinien‘ für Friedensverhandlungen an der Front, die er erst nach langen, mühsamen Verhandlungen bei Ludendorff durchgesetzt habe. (…) – Der Kanzler werde jetzt nicht im Reichstag sprechen (…) und ebenso wolle man dermalen keine anderweitige öffentliche Kundgebung erlassen. Soviel bisher feststeht, werde der Kanzler eventuell vor Schluß des Reichstages, zirka in drei Wochen, dortselbst sprechen und hoffe man, bis dahin (…) Rußland gegenüber vielleicht eine Antwort zu haben (…). – Jedenfalls werde sich Herr von Bethmann Hollweg vor einer derartigen Aeuße­rung mit Euer Exzellenz ins Einvernehmen setzen (…).1082

Hohenlohe replizierte am selben Tag: Admiral Holtzendorff, welcher mich gestern besucht hat, teilt völlig unseren Standpunkt, daß die Erklärung des Grafen Hertling sofort zu veröffentlichen sei. – Er wird diesbezüglich heute beim Herrn Reichskanzler vorsprechen, eventuell im Hauptquartier intervenieren.1083

Kurz darauf depeschierte Czernin an den Botschafter: Die Aufregung in der hiesigen öffentlichen Stimmung, w ­ elche dadurch verstärkt wird, dass allen Zeitungen Deutschlands angeblich der Eintritt in die Monarchie verwehrt wird, nimmt zu. Man bringt dies vielleicht mit der Notendifferenz in Zusammenhang. In den slavischen Teilen der Monarchie herrscht unverhohlene Genugtuung darüber, dass ‚ein Separatfriede und die Trennung von Deutschland bevorstehe‘. – Ich habe keine Möglichkeit den Reichskanzler zu zwingen, (…) ersuche aber (…) nochmals auf die Folgen (…) aufmerksam machen zu wollen und beizufügen, dass wir die Verantwortung für die gefährlichen Consequenzen ablehnen. – Der beste Beweis für die Berechtigung meines Standpunktes ist, wenn zwei so maassgebende (…) Factoren wie Graf Hertling und Admiral Holtzendorff meiner Ansicht rückhaltslos beipflichten. – Ich ersuche E. D. nochmals, mit dem H. Reichskanzler zu sprechen und (…) genau zu verfolgen, was Admiral Holtzendorf (sic!) diesbezüglich im Hauptquartier ausrichtet.1084 1082 Hohenlohe an Czernin, Tel. 320, 3. Mai 1917, ebd. fol. 130 – 133. 1083 Czernin an Hohenlohe, Tel. 298, 3. Mai 1917, ebd. fol. 124. 1084 Czernin an Hohenlohe, Tel. 300, 3. Mai 1917, ebd. fol. 126 – 129v (handschr. Entw.).

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Czernin versuchte offenbar auch, seinem Standpunkt durch einen Appell an ­Kaiser ­ ilhelm zum Durchbruch zu verhelfen. Noch am 3. Mai ließ er Hohenlohe nämlich wissen: W In Polen komplizieren sich die Verhältnisse und unangenehme Ueberraschungen sind möglich. – S. (…) Majestät entsenden daher auf meinen Rat den Grafen Berchtold in das deutsche Hauptquartier, um daselbst in direkter Aussprache mit ­Kaiser Wilhelm endlich die pendenten Fragen zu klären.1085

Am 4. Mai brachte der durch Czernins unbeirrbare Zuversicht, die deutsche Führung könne doch noch für eine gemeinsame Kundgebung gewonnen werden, deutlich gereizte Hohenlohe seine Sicht der Dinge in einem ausführlichen Schreiben an den Minister zum Ausdruck. Er habe, wie ihm aufgetragen, nochmals mit Zimmermann gesprochen. Dieser habe ihm bedeutet, „der Kanzler und er hätten mir die Gründe, die sie gegen eine Enunciation, wie Euer Excellenz sie wünschten, vorzubringen hätten, bereits mehrmals entwickelt und es sei ihnen ganz unmöglich, dieselben fallen zu lassen.“ 1086 Sehr kritisch äußerte sich Hohenlohe zu Czernins Versuch, die Oberste Heeresleitung durch Holtzendorff für eine ­solche Enunziation zu gewinnen: Holtzendorff war gestern beim Kanzler und hat d ­ iesem und dem Staatssekretär mitgeteilt, er sei nach Wien berufen worden, nicht so sehr wegen Rücksprache bezüglich des U-Bootkrieges, sondern um bezüglich der politischen Gesamtlage (…) gehört zu werden. Er (…) sehe keinen Grund, warum die deutsche Regierung nicht eine Erklärung wie Euer Excellenz sie wünschten, abgeben solle und werde diese Ansicht auch im Hauptquartier vertreten. – Der Kanzler, der hierüber sehr erregt war, hat erwidert, dies habe er zu entscheiden und er könne aus den Gründen, die er dem k. u. k. Botschafter gegenüber entwickelt hätte (…) auf diesen Wunsch (…) nicht eingehen. (…) – Euer Excellenz haben nach Verlautbarung der Enunciation im Fremdenblatt vom 26. April die deutsche Regierung zu veranlassen getrachtet, eine analoge Erklärung abzugeben; ich habe Alles getan, (…) um dies (…) zu erreichen, habe den Kanzler jedoch nicht dazu bewegen können. (…) – Euer Excellenz haben durch den Grafen Hertling aus Wien an den Kanzler telegraphieren lassen. Man hat an diese Tatsachen mir gegenüber hier nicht die geringste Bemerkung geknüpft, aber Euer Excellenz müssten das zum mindest komplizierte Verhältnis ­zwischen München und Berlin nicht kennen, um sich nicht zu sagen, dass man ­dieses Hertling’sche Telegramm (…) als einen Versuch (…) angesehen hat, (…) den Reichskanzler zur Nachgiebigkeit zu zwingen. – Mit den (…) Telegrammen vom 3. Mai haben Euer Excellenz mir mitgeteilt, (…) Holtzendorff habe sich (…) der Ansicht Euer Excellenz 1085 Czernin an Hohenlohe, Tel. 299, 3. Mai 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 153. 1086 Hohenlohe an Czernin, Ber. 65/P, 4. Mai 1917, HHS tA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 122 – 128, idem: HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 134 – 140.

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bezüglich der gewünschten (…) Enunciation angeschlossen und werde in d ­ iesem Sinne mit dem Kanzler und auch im Hauptquartiere sprechen. – Euer Excellenz kennen das Verhältnis des Kanzlers und des Auswärtigen Amtes zu den obersten militärischen und speziell zu den Marinestellen, und wissen, welcher Mühe es (…) bedurfte, um die Widerstände, die von den genannten Behörden hiesigen und den Wiener politischen Factoren entgegengesetzt wurden, zu überwinden. – Nun kommt (…) Holtzendorff (…) und teilt hier dem Staatssekretär (…) mit, Euer Excellenz hätten erklärt, ein Verhandeln mit Berlin führe so gut wie zu nichts, Euer Excellenz hielten es daher für weit empfehlenswerter, direct mit Ludendorff und ihm zu verhandeln (…) – Die Oberste Heeresleitung wird (…) diese Bundesgenossenschaft (…) mit Freuden acceptieren, aber nicht um mit Euer Excellenz im Sinne (…) unserer Interessen zu arbeiten, sondern nur, um den ihnen verhassten Bethmann endlich stürzen, an seine Stelle aber (…) einen der ihren setzen zu können. (…) – Was das für uns bedeuten würde, kann ich mir ersparen näher auszuführen.1087

Auf diese freimütige Epistel antwortete Czernin: Euer Durchlaucht Bericht (…) beruht auf falschen Voraussetzungen. (…) – Damit diese Konfusionen aber nicht weiter gehen (…) stelle ich vorerst (…) fest: – I.) Niemand hat Admiral Holtzendorff eingeladen. Derselbe ist (…) im deutschen Auftrage bei mir erschienen, um mir die militärische Lage zu erklären. – II.) Hiebei gab mir der Admiral zu verstehen, daß er meine Politik nicht billige (anscheinend besonders meine letzte Erklärung im Fremdenblatt). Daran knüpfte sich (…) meine Erklärung der internationalen Situation, w ­ elche meiner verantwortlichen Meinung nach diesen Artikel notwendig gemacht hat. – Auf die Frage des Admirals, warum der Reichskanzler die Erklärung bezüglich einer Grenzrektifikation nicht sofort abgebe, erklärte ich, seine Motive ebenfalls nicht erschöpfend zu finden und nichts dagegen zu haben, daß der Admiral unsere Unterredung dem Reichskanzler, eventuell (…) dem deutschen ­Kaiser wiederhole. (…) – III.) Graf Hertling ist, wie er mir sagte, mit Zustimmung des Reichskanzlers hiehergekommen. Wenn er glaubt, daß es (…) richtig ist, an den Reichskanzler einen Rat zu telegraphieren, so halte ich es nicht für meine Aufgabe, ihn daran zu verhindern. (…) – Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkte, daß es für uns unbedingt wünschenswert ist, daß der Herr Reichskanzler in seiner Stellung verbleibe. Was die Kette von Mißverständnissen anbelangt, w ­ elche auch bei Euer Durchlaucht den Eindruck zu erwecken scheinen, daß Obenerwähntes nicht mehr der Fall sei, so werde ich Seiner Majestät (…) vorschlagen, den Grafen Wedel unter irgend einem Vorwande zu empfangen und ihm seine Hochachtung und Sympathie für den Reichskanzler auszudrücken. (…) – Falls es Euer Durchlaucht die vorstehenden Daten ermöglichen, die Situation wieder normaler zu gestalten, so wäre ich dankbar.1088 1087 Ebd. 1088 Czernin an Hohenlohe, Tel. 309, 5. Mai 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 136 – 137.

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Eine ausführlichere Antwort sandte Czernin am 6. Mai in der Form eines Privatbriefes an Hohenlohe. Darin hieß es: Der Gedanke allein, daß ich Admiral Holtzendorff hätte kommen lassen, um ihn ‚bezüglich der politischen Gesamtlage zu hören‘, ist derart grotesk, daß es mir Mühe macht, mich in den Gedankengang Euer Durchlaucht hineinzufinden. (…) Holtzendorff hat sich, soviel ich weiß, in unserem Hauptquartier angefragt, um Seiner Majestät Bericht über den U-Bootkrieg zu erstatten. Es wurde ihm eine eher ablehnende Antwort zuteil, worauf er neuerlich insistierte, so daß seine Herreise (…) nicht zu verhindern war. Erst als er bei Seiner Majestät in Baden war, frug er sich zu einer Unterredung bei mir an, die ich ihm selbstverständlich gewähren mußte. (Anm. von der Hand Hohenlohes: ‚Bedarf noch einer Aufklärung, da mir der ­Kaiser sagte, ­Kaiser Carl habe Holtzendorff kommen lassen.‘) Bei derselben entwickelte er mir seine optimistischen Auffassungen bezüglich des U-Bootkrieges. Nachdem ­dieses Thema gründlichst besprochen worden war, ließ mich der Herr Admiral durchfühlen, daß er meine Politik für nicht richtig halte. Ich erklärte (…) Holtzendorff die Euer Durchlaucht bekannten Gründe interner Natur, w ­ elche mich zu meiner letzten Note im Fremdenblatt bewogen hatten und erklärte, daß ich (…) bei der eingeschlagenen Richtung zu verharren entschlossen sei. Der Herr Admiral (…) wünschte zu wissen, warum die moderaten Kriegsziele Deutschlands gegenüber Rußland nicht öffentlich bekanntgegeben würden. Ich entwickelte darauf (…) meinen sowohl wie den vom Herrn Reichskanzler eingenommenen Standpunkt und berührte hiebei das Telegramm des Grafen Hertling und gab dem Admiral meine Zustimmung, auch seinerseits direkt mit dem Herrn Reichskanzler über diese Frage zu sprechen sowie dieselbe (…) dem Deutschen ­Kaiser vorzutragen. – Ich betone, daß das Gespräch meinerseits, aber auch seitens des Admirals nicht eine einzige unfreundliche Note gegenüber dem Herrn Reichskanzler enthielt. (…) – Was nun den Grafen Hertling anbelangt, so kennen Durchlaucht (…) den Grund, weshalb ich die Herreise des bayerischen Premiers gewünscht hatte; (…). Graf Hertling, welcher die anscheinende Differenz z­ wischen Berlin und Wien lebhaft zu beklagen schien, entwickelte von selbst die Modalitäten, mit ­welchen diese kleine Differenz (…) aus der Welt zu schaffen wäre. Diesem Meinungsaustausch entsprang, ohne irgendeine Pression meinerseits, die vom Grafen Hertling an den Reichskanzler abgesandte Depesche. (…) Wenn Graf Hertling, der mit Erlaubnis des Reichskanzlers (Anm. Hohenlohes: ‚Absolut unrichtig, Hertling hat am Abend seiner Abreise nach Berlin telegraphiert – er reise eben nach Wien.’) (…) hier erschienen ist, es für richtig hält Herrn von Bethmann einen (…) Rat zu erteilen, so war es nicht meine Sache, mich dem entgegen zu stellen. (…) Graf Hertling ist alt genug, um selbst zu wissen was er macht. (Anm. Hohenlohes: ‚Gewiss! Aber grad weil er das weiss hat der alte Fuchs es ungeheuer genossen unter Wiener Vorspann dem preussischen Kanzler eins auszuwischen.‘) (…) – Der vierte Fall ist die Entsendung des Grafen Berchtold nach Kreuznach, ­welche, wie mir Graf Wedel mitteilt, verstimmt hat. (…) Es steht Seiner Majestät dem K ­ aiser frei, in direkten Verkehr mit dem deutschen K ­ aiser zu treten und ob er hiezu einen Brief oder

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einen Boten benutzt, ist seine Sache. – Seine Majestät (…) wird den Grafen Wedel übermorgen empfangen und ihm mitteilen, w ­ elche (…) Hochachtung er für den (…) Reichskanzler hegt, wie er gerade seine Ehrlichkeit und Offenheit und seinen staatsmännischen Blick schätzt und achtet und (…) keinen Zweifel darüber lassen, daß wir (…) einen jeden Wechsel in der Wilhelm­straße nur bedauern könnten. (…) – Ich erhoffe von Euer Durchlaucht, daß Sie auf Grund dieser Daten sowohl bei dem Herrn Reichskanzler als auch bei dem Herrn Staatssekretär eine Stimmung verschwinden machen werden, (Anm. Hohenlohes: ‚Geschehen bereits in Unterredung mit Kanzler und St.Secr. am 6./5 in Anwesenheit Berchtolds.’) die begreiflich ist, wenn die Tatsachen so gewesen wären, wie sie die Herrn anzunehmen scheinen.1089

Entgegen Czernins Dafürhalten war Holtzendorff keineswegs von „niemand“ eingeladen worden nach Wien zu kommen. In einer Tagebuchnotiz Admiral Müllers vom 30. April 1917 heißt es: „Abends mußte ich Se. Majestät noch fragen, ob Holtzendorff, dem Wunsche des Kaisers von Österreich folgend, morgen zum Vortrage nach Wien fahren könne.“ Nach seiner Rückkehr berichtete der Admiral offenbar nichts davon, dass Czernin gesagt hätte, Verhandlungen mit Berlin führten zu nichts und es sei daher empfehlenswert, direkt mit Ludendorff zu verhandeln. In der Tagebuchnotiz Müllers vom 4. Mai 1917 heißt es nämlich: Holtzendorff (…) referierte sehr interessant über seinen Besuch beim K ­ aiser von Österreich und Graf Czernin, bei denen doch die Stimmung recht flau. – Der K ­ aiser von Österreich sagte: ‚Ihr K ­ aiser hat es gut, er reitet ein stolzes nationales Roß. Ich habe vier Pferde mit ganz verschiedenem Temperament vor mir‘. – Und Graf Czernin: ‚Wir werden durchhalten bis zum Letzten, bis zum Sturze der Monarchie, aber bitte, sagen Sie mir, was haben Sie davon, wenn es so weit kommt?‘“ 1090

Am 6. Mai setzte Czernin Botschafter Hohenlohe auch auseinander, wie der Kanzler zu einer die Gleichartigkeit der von Deutschland und Österreich-Ungarn gegenüber Russland verfolgten Ziele klarmachenden Erklärung veranlasst werden könnte: Da die Berliner Faktoren nicht dafür zu haben scheinen, den Vorschlag des Grafen Hertling anzunehmen, so scheint es mir notwendig, wenigstens in einer (…) weniger feierlichen Form die ungetrübte (…) Bundestreue zu betonen. – Anlaß hiefür könnte das mir von Seiner (…) Majestät heute (…) verliehene Großkreuz des Stephansordens geben. – Euer Durchlaucht könnten dem Herrn Reichskanzler von dieser (…) Auszeichnung Kenntnis geben und falls 1089 Czernin an Hohenlohe, Privatbrief (2251) 6. Mai 1917, HHStA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 118 – 119v u. 131 – 132. 1090 Müller TB-Eintr. 30. Apr. 1917, Görlitz 1959, 281 – 282.

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derselbe die Absicht hat, mir zu gratulieren, ihm suggerieren, er möge in ­diesem Telegramme (…) die Gleichartigkeit unserer Kriegsziele und (…) Uebereinstimmung in allen Fragen betonen. Ich würde (…) in dem gleichen Sinne (…) antworten; natürlich wären beide Telegramme zu veröffentlichen. – Es würde dies vielleicht eine gute Einleitung für die (…) Reichstagsrede des Reichskanzlers bilden, worin der gewisse Passus über die Friedensziele vorerst bekanntlich mit mir besprochen und festgesetzt werden soll.1091

Am folgenden Tag musste Hohenlohe melden, der Kanzler sei auch für ein solches Vorgehen nicht zu haben. Dieser habe, als er dies ihm vorschlug, erklärt, „die Betonung der gleichen Kriegsziele (…) lieber vermeiden zu wollen, nachdem er diese wichtige Enunziation (…) seiner demnächstigen Reichstagsrede vorbehalten wolle“. Der Kanzler habe ihm aber den Text eines „in den allerwärmsten Tönen“ gehaltenen Glückwunschtelegramms skizziert.1092 Dieses Telegramm wurde am selben 6. Mai 1917 abgeschickt und lautete: Ich begrüße diesen neuen Vertrauensbeweis Ihres Allergnädigsten Herrn umso lebhafter, als er dem Leiter der auswärtigen Politik der eng verbündeten und befreundeten Donaumonarchie gilt, mit dem in dieser ernsten Zeit in vollstem Einvernehmen arbeiten und zum gemeinschaftlichen Wohle unserer Länder wirken zu dürfen, mir in politischer und menschlicher Hinsicht stets zu besonderer Freude gereichen wird.1093

Darauf antwortete Czernin: Das enge Bündnis mit dem Deutschen Reiche ist das Fundament der Politik OesterreichUngarns. (…) Wenn ein Bündnis wie jenes, welches Oesterreich-Ungarn mit Deutschland verbindet, auch von den persönlichen Beziehungen Einzelner unabhängig ist, so sichert das gegenseitige Vertrauen (…) umso fester das vollste Einvernehmen bei der gemeinsamen Arbeit in dieser ernsten, aber großen Zeit.1094

Beide Telegramme wurden sowohl in den österreichischen und ungarischen als auch in den deutschen Zeitungen publiziert.1095 Hohenlohe berichtete Czernin am 6. Mai auch Folgendes:

1091 1092 1093 1094 1095

Czernin an Hohenlohe, Tel. 305, 5. Mai 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 146 – 147. Hohenlohe an Czernin, Tel. 327, 6. Mai 1917, ebd. fol. 159. Bethmann Hollweg an Czernin, Tel. o. Z., 6. Mai 1917, ebd. fol. 170. Czernin an Bethmann Hollweg, Tel. o. Z. claris, 7. Mai 1917, ebd. fol. 186. F-B M (8. Mai 1917), 1, NFP M (8. Mai 1917), 1, PL M (8. Mai 1917), 2, NPZ M (9. Mai 1917), 1.

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Graf Berchtold (…) hatte bezüglich der polnischen Frage Besprechungen mit dem Kanzler und dem Staatssekretär (…), über die er Euer Exzellenz selbst berichtet. – Reichskanzler und Staatssekretär (…) waren sichtlich verstimmt. – Ich habe daher am Schlusse der Besprechungen mit dem Kanzler demselben gesagt, wir s­ eien viel zu gute Bekannte, als daß ich seine Verstimmung nicht merken würde, ich hielte es daher für meine Pflicht, Mißverständnisse, die vielleicht geeignet wären, Schatten auf die Beziehungen z­ wischen Berlin und Wien zu werfen, ehetunlichst zu beseitigen. – Ich wüßte (…) daß Admiral von Holtzendorff hier geäußert habe, als ob Euer Exzellenz erklärt hätten, es habe gar keinen Wert, mit Berlin zu verhandeln, es sei viel zweckmäßiger, dies nur mit Ludendorff und dem Marinestab zu tun. – Auf Grund eines Telegramms Euer Exzellenz (…) könne ich ihm aber mitteilen, daß Euer Exzellenz (…) nie daran gedacht hätten, die Berliner Regierung irgendwie ausschalten zu wollen. – Holtzendorff sei im deutschen Auftrage in Wien (…) erschienen und Euer Exzellenz hätten sich (…) sehr gefreut, mit ihm zu sprechen. Irgendeine Spitze gegen das Berliner Kabinett sei darin nicht gelegen gewesen, da es ja Euer Exzellenz ganz besonders daran liege, die glücklicherweise so vertrauensvollen Beziehungen (…) zu erhalten. – Herr von Bethmann Hollweg war sichtlich erfreut und bemerkte, er müsse offen gestehen, daß ihn die Erzählungen Holtzendorffs außerordentlich unangenehm berührt hätten, zumal gleich darauf (…) Berchtold ins Hauptquartier geschickt worden sei, um mit Ludendorff die polnische Frage zu besprechen. – Ich erwiderte, dies sei ein Mißverständnis; Berchtold sei mit einer direkten Message Seiner Majestät (…) an K ­ aiser Wilhelm geschickt worden (…). Er sei mir von Herzen dankbar, daß ich diese Mißverständnisse so rasch aus der Welt geschafft habe, und bitte mich Euer Exzellenz zu sagen, daß sie für ihn nicht mehr existierten; er hoffe, Euer Exzellenz würden die Möglichkeit haben, nächste Woche mit ihm zusammenzukommen (…).1096

Berchtold benachrichtigte Czernin über seine mit dem Kanzler und Zimmermann geführten Gespräche am selben 6. Mai.1097 Am 8. Mai schließlich telegrafierte Czernin an Hohenlohe: Mein Interesse richtet sich jetzt vor allem auf die vom Reichskanzler projektierte Rede mit Präzisierung der Friedensziele. (…) Ich vermute, daß (… er) mir den gewissen Passus vorher durch Euer Durchlaucht mitteilen lassen wird, wie dies der getroffenen Abmachung entspricht.1098

Darauf konnte Hohenlohe am nächsten Tag antworten: Der Reichskanzler beabsichtigt, heute oder morgen in das Große Hauptquartier zu fahren. Soviel bisher festgestellt, dürfte er anfangs nächster Woche im Reichstag sprechen; jedenfalls wird er 1096 Hohenlohe an Czernin, Tel. 329, 6. Mai 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 160 – 163. 1097 Berchtold an Czernin, Tel. 331, 6. Mai 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 1044 – 1044v. 1098 Czernin an Hohenlohe, Tel. 319, 8. Mai 1917, HHStA PA I, 957 Krieg 25x Div. Erkl. fol. 194 – 194v.

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(…) Euer Exzellenz noch vorher den in Frage kommenden Passus mitteilen. – Ich tue mein möglichstes, um dem Kanzler direkt und indirekt nahezulegen, er möge (…) Russland gegenüber die bestimmte Erklärung abgeben, daß Deutschland keine Gebiete annektieren wolle. (…) – Wie Euer Exzellenz wahrscheinlich direkt aus dem Hauptquartier wissen, ist man dortselbst momentan auf Grund des wirklich großen Erfolges an der Westfront wieder einmal davon durchdrungen, dass der Krieg bereits gewonnen ist (…) – Diese Stimmung (…) trägt natürlich das ihrige dazu bei, den Kreis der Kanzlergegner mehr und mehr zu vergrößern. Die Angriffe gegen den (schlappen) Kanzler werden jetzt (…) beinahe schon bis an die Grenze der Sozialdemokraten geführt. Meine Befürchtungen um die Stellung Herrn von Bethmanns werden leider täglich ernster.1099

Czernin hingegen konnte Hohenlohe über die von ihm angeregte Audienz Botschafter Wedels bei ­Kaiser Karl berichten: Seine Majestät hat heute den Grafen Wedel empfangen und sich in der lobendsten Weise über den Herrn Reichskanzler ausgesprochen. Seine Majestät hat betont, welch unendlichen Wert für uns gerade die Person des Herrn Reichskanzlers hat, und bezeichnete eine eventuelle Nachfolgerschaft eines ‚scharfen‘ Kanzlers, so insbesondere die von Tirpitz, als direkte Katastrophe. – Graf Wedel schien sehr erfreut und wird Obiges durch Bericht melden.1100

Am 12. Mai abends fuhr Bethmann Hollweg nach Wien zu einer Besprechung mit ­Czernin, über ­welche dieser Hohenlohe so informierte: Der Herr Reichskanzler wird Euer Durchlaucht über die Details unserer Unterredung streng geheim informieren. – Betreffs des Entwurfes seiner übermorgigen Rede habe ich einige Aende­ rungen geraten, auf w ­ elche (… er) einzugehen schien. – Ich lege das größte Gewicht darauf, daß er eine Unterscheidung in der Behandlung ­zwischen den Westmächten und Russland mache. Vielleicht wird der Herr Reichskanzler Euer Durchlaucht die von mir angeratenen Aenderungen erklären, in welchem Falle Euer Durchlaucht meine Bestrebungen noch unterstützen könnten.1101

Welche Änderungen Czernin angeregt hatte noch ob der Kanzler diese in seiner am 15. Mai gehaltenen Rede berücksichtigte, ist ungewiss. Jedenfalls hatte sich Czernin entschlossen, der von Bethmann Hollweg über Wunsch Hindenburgs ausgesprochenen Einladung zur Kreuznacher Konferenz Folge zu leisten.1102 1099 1100 1101 1102

Hohenlohe an Czernin, Tel. 337, 9. Mai 1917, ebd. fol. 200 – 200v. Czernin an Hohenlohe, Tel. 324, 9. Mai 1917, ebd. fol. 202. Czernin an Hohenlohe, Tel. 333, 13. Mai 1917, ebd. fol. 216. Bethmann Hollweg an Ks. Wilhelm, Tel. 1, 14. Mai 1917, MNN S/S (11./12. März 1922), 1 – 2, SG 2 1966, 199 – 200 Dok. 118.

Frieden ohne Annexionen? Das russische Manifest vom 9. April 1917

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Bethmann Hollweg beantwortete vor dem Reichstag am 15. Mai 1917 eine Anfrage der Konservativen über die Friedensbedingungen und eine Anfrage der SPD. Mit der letzteren wurde, unter Hinweis darauf, daß die russische Provisorische und die k. u. k. Regierung in gleicher Weise erklärt hätten, zum Abschluss eines Friedens ohne Annexio­ nen bereit zu sein, die Frage gestellt: Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu tun, um eine Übereinstimmung aller beteiligten Regierungen darüber herbeizuführen, daß der kommende Frieden auf Grund gegenseitigen Einverständnisses ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen geschlossen wird?1103

Der Kanzler erklärte dazu: Die (…) beiden Interpellationen verlangen von mir eine (…) Erklärung zur Frage der Kriegsziele. Die Abgabe einer solchen Erklärung im gegenwärtigen Augenblick würde den Interessen des Landes nicht dienen. Deshalb muß ich sie ablehnen. (…) – Nicht um Eroberungen zu machen, sind wir in diesen Krieg gezogen (…), sondern ausschließlich, um unser Dasein zu sichern und die Zukunft der Nation fest zu gründen. (…) Ebensowenig wie ein Verzichtsprogramm hilft ein Eroberungsprogramm den Sieg gewinnen und den Krieg beenden. Im Gegenteil. (…) – Es scheint, als ob das neue Rußland alle gewaltsamen Eroberungspläne von sich ablehnte. Ob Rußland im gleichen Sinne auf seine Verbündeten wirken will und wirken kann, vermag ich nicht zu übersehen. (…) Wenn (…) Rußland weiteres Blutvergießen von seinen Söhnen fernhalten will, wenn es alle (…) Eroberungspläne für sich aufgibt, wenn es ein dauerndes Verhältnis friedlichen Nebeneinanderlebens zu uns herstellen will (…) dann ist es doch eine Selbstverständlichkeit, daß wir (…) das dauernde Verhältnis der Zukunft nicht (…) durch Forderungen unmöglich machen werden, die sich mit der Freiheit und dem Willen der Völker selbst nicht vertragen, und (…) nur den Keim zu neuer Feindschaft legen würden.1104

Eine klare Erklärung, dass die deutsche Regierung bereit sei, in Verhandlungen über einen Frieden ohne Annexionen und Kriegsentschädigungen einzutreten, enthielt, gegen Czernins Hoffnungen, die Rede des Kanzlers also nicht.

1103 Bethmann Hollweg Rede 15. Mai 1917, Verh. RT. 13. Leg.-Per., 109. Sitzg. pp 3395 – 3398, Thimme 1919, 238 – 243. 1104 Ebd.

322 3.2

Licht im Osten?

Die Kreuznacher Besprechungen vom April und Mai 1917

Hoffnungen, die sich an ein durch die revolutionäre Entwicklung in Russland bewirktes Ausscheiden dieser Macht aus dem Bündnis der Gegner knüpften, veranlassten die deutsche Oberste Heeresleitung, auf eine Festlegung der Kriegsziele bzw. Friedens­ bedingungen der Mittelmächte zu drängen. In dieser Sache telegrafierte Hindenburg am 5. April 1917 an Bethmann Hollweg: Ihr Beginn kann durch die Ereignisse in Russland beschleunigt werden. – Euerer Exzellenz Zustimmung glaube ich sicher zu sein, wenn ich ausspreche, dass wir in Friedensverhandlungen (…) erst eintreten dürfen, wenn wir mit unseren Bundesgenossen über die Friedens­bedingungen im wesentlichen Einigung erzielt haben. (…) – Um aber in Beratung mit unseren Bundesgenossen eintreten zu können, ist es erforderlich, dass wir zunächst uns selbst darüber klar werden, was wir fordern wollen, Mindestforderungen und Ausgangsforderungen festlegen.1105

Am 16. April schrieb der Kanzler sehr zurückhaltend an Hindenburg: Unser Bestreben wird es nach wie vor sein müssen, zu einem Separatfrieden mit einem unserer Feinde zu gelangen. Vor einigen Wochen lagen (…) Anzeichen dafür vor, dass es vielleicht möglich sein werde, mit Frankreich eine Verständigung zu erreichen. Dies hat sich inzwischen vollständig geändert. Unser Rückzug und die dadurch bedingten (…) Zerstörungsmassnahmen haben den Kriegswillen Frankreichs erneut entfacht. Heute bietet sich die Möglichkeit eines Separatfriedens eher bei Russland. Es liegt aber auf der Hand, dass wir dem ersten unserer Gegner, der zum Frieden bereit ist, goldene Brücken bauen müssen, und ich sehe daher kaum die Möglichkeit für die Aufstellung eines unter allen Umständen durchführbaren Programms fest umschriebener Maximal- und Minimalforderungen. (…) Der leitende Gedanke wird es (…) sein, die (…) Koalition unserer Gegner zu sprengen und den einen oder mehrere derselben (…) auf unsere Seite zu bringen. Dieser Gesichtspunkt wird auch bei dem Ausmass der ins Auge zu fassenden Annexionen zu berücksichtigen sein.1106

Deutlicher, insbesondere hinsichtlich der Erörterung bestimmter Kriegsziele in der Öffentlichkeit, drückte sich der Kanzler zwei Tage ­später in einer Depesche an Grünau aus: Der Umstand, dass wir zur Zeit auf einen Sonderfrieden mit Russland hinarbeiten, macht ausführliche Kriegszielerörterungen in der deutschen Presse gerade jetzt besonders unerwünscht. 1105 Hindenburg an Bethmann Hollweg, Dep. 18491P, 5. Apr. 1917, SG 2 1966, 80 Dok. 49. 1106 Bethmann Hollweg an Hindenburg, Schr. o. Z., 16. Apr. 1917, SG 2 1966, 114 – 115 Dok. 71.

Die Kreuznacher Besprechungen vom April und Mai 1917

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(…) – Der Rechten und besonders den Alldeutschen wird man (…) klar machen müssen, dass unsere Lage trotz ihrer unverkennbaren Vorteile keineswegs derart ist, dass wir den Frieden in absehbarer Zeit nach unseren Wünschen diktieren könnten. Es komme vielmehr darauf an, einen für uns günstigen Verhandlungsfrieden zustande zu bringen, bevor Amerika wirksam eingreifen könne. (…) – Bitte in ­diesem Sinne Seiner Majestät Vortrag halten und ihm melden, dass ich auf obiger Grundlage mit Feldmarschall von Hindenburg Verständigung über die Einwirkung auf die Öffentlichkeit erstreben würde.1107

Hindenburg antwortete am 20. April und machte klar, dass er von Annexionen größeren Umfanges keinesfalls Abstand nehmen wolle: Zu meinem lebhaften Bedauern habe ich ersehen, dass Euer Exzellenz nicht in der Lage zu sein glauben, Beratungen zur Festlegung von Mindest- und Ausgangsforderungen für kommende Unterhandlungen mit unseren Bundesgenossen und s­ päter mit unseren Gegnern anzuordnen. (…) – Auf einen Frieden mit Russland auf der Grundlage des status quo ante (…) vermag ich aus militärischen Gründen nicht einzugehen. Trotzdem können wir Russland auf dem Wege der Kompensation goldene Brücken bauen. Die unumgänglich notwendige Erwerbung von Kurland und Litauen können wir m. E. erreichen, wenn wir Russland dafür die von ihm besetzten Teile von Ostgalizien und der Bukowina überlassen und Österreich vielleicht in Serbien oder der Walachei entschädigen.1108

Am selben Tage telegrafierte Grünau an den Kanzler, und zwar ebenfalls in Bezug auf dessen Depesche an Hindenburg vom 16. April: Der ­Kaiser (…) beauftragte mich, Euerer Exzellenz folgendes zu sagen: – Wir müssten damit rechnen, dass wir in absehbarer Zeit plötzlich vor Friedensverhandlungen mit Russland stehen und müssten hierauf vollkommen gerüstet sein. Es sei unbedingt erforderlich, dass der K ­ aiser und die Oberste Heeresleitung über die Pläne Euerer Exzellenz orientiert würden und eine Verständigung über ein wenigstens in grossen Zügen umrissenes Programm erzielt werde, das die Maximal- und Minimalforderungen enthalte. (…) – Ich hob die in dem Schreiben Euerer Exzellenz enthaltenen Gesichtspunkte hervor, der K ­ aiser liess sie aber nicht gelten und betonte, dass wir in eine unmögliche Situation kämen und von vornhinein im Nachteil wären, wenn erst angesichts eines russischen Angebots Verhandlungen z­ wischen Berlin und hier sowie ­zwischen uns und unseren Bundesgenossen stattfänden.1109

1107 Bethmann Hollweg an Grünau, Tel. 660, 18. Apr. 1917, ebd. pp 125 – 126 Dok. 76. 1108 Hindenburg an Bethmann Hollweg, Dep. 18791P, 20. Apr. 1917, ebd. p 132 Dok. 81. 1109 Grünau an A. A. für Bethmann Hollweg, Tel. 533, 20. Apr. 1917, ebd. pp 133 – 134 Dok. 82.

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Licht im Osten?

Und in einem weiteren Telegramm vom 20. April teilte Grünau dem Kanzler mit: Beim heutigen Vortrag hat Admiral von Holtzendorff als seinen und des Feldmarschalls Wunsch vorgebracht, Klarheit über die anzustrebenden Friedensbedingungen (…), insbesondere bezüglich Russlands zu erhalten. Seine Majestät teilen (…) diesen Wunsch und lassen Euere Exzellenz bitten am Montag den 23. April hierher zur Besprechung (…) zu kommen.1110

Bethmann Hollweg fuhr also ins Hauptquartier nach Kreuznach, wo am 23. April 1917 die deutschen Kriegsziele festgelegt wurden. Die wichtigsten der gefassten Beschlüsse waren: Osten. – 1. Kurland und Litauen sind bis zu der von der O. H. L. bezeichneten Linie (…) zu gewinnen. Sollte sich der Erwerb von Teilen der übrigen Ostseeprovinzen (…) erreichen lassen, so ist er anzustreben. (…) – 2. Die Gestaltung der deutschen Grenze gegen Polen ist abhängig vom zukünftigen Verhältnis Polens zum Deutschen Reich, über das mit Österreich-Ungarn (…) Verständigung gefunden werden muss. (…) – Bei Festlegung der polnischen Ostgrenze gilt der Gedanke, dem polnischen Staat eine Ausdehnungsmöglichkeit nach Osten zu geben. (…) – 3. Für Kurland und Litauen kann Russland in Ostgalizien, da Österreich auf die Wiedererwerbung ­dieses Gebiets verzichtet, und der Moldau entschädigt werden. Österreich-Ungarn kann in der Moldau bis zum Sereth, in der Westwalachei und in Serbien Gebiet erhalten. (…) Serbien könnte, soweit es nicht Bulgarien zugestanden ist, mit Montenegro und Albanien als südslawischer Staat an Österreich-Ungarn angegliedert werden. – Bulgarien darf in der ­Dobrudscha über die bis 1913 gewesene Grenze hinaus nur geringes Gebiet erhalten. (…) – Die Sicherung der deutschen Ölinteressen in Rumänien muss erreicht werden. – W ­ esten. – 1. Belgien bleibt bestehen und wird in deutsche militärische Kontrolle genommen (…), bis es für ein Schutz- und Trutzbündnis (…) politisch und wirtschaftlich reif ist. (…) Jedoch verbleiben (…) in deutschem Besitz (oder in 99jähriger Pacht): Lüttich und die flandrische Küste mit Brügge. Die Abtretungen (sic!) sind unabweisbare Bedingungen für den Frieden mit England. (…) – 2. Die Abtretung des südlichen Zipfels von Belgien (Gegend Arlon) wird (…) von der O. H. L. gefordert in der Annahme, dass dort Erze lagern. Der deutsche Teil von Arlon kann auf Wunsch an Luxemburg fallen. – Luxemburg darf nicht an Frankreich grenzen und wird deutscher Bundesstaat (…). – 3. Das Erz- und Kohlenrevier von Briey-Longwy muss (…) erworben werden. – An der übrigen reichsländischen Grenze sind Grenzverbesserungen kleinerer Art (…) zu fordern (…) – 4. Für die Abtretung an Frankreich kommen (…) nur einzelne Grenzzipfel und südwestlich Mülhausen ein schmaler Grenzstreifen in Betracht, um einen Frieden (…) nicht daran scheitern zu lassen. (…) – Allgemein. – Ein Waffenstillstand bezieht sich nur auf den Landkrieg. Der Seekrieg geht weiter. – Die (…) Fragen des Balkans und in Kleinasien,

1110 Ebd. Anm. 3.

Die Kreuznacher Besprechungen vom April und Mai 1917

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(…) der in der Denkschrift des Admiralstabes geforderten Stützpunkte, sowie (…) der Kolonien müssen noch (…) geregelt werden.

Unterzeichnet wurde die Vereinbarung von Bethmann Hollweg, Zimmermann, ­Hindenburg, Ludendorff und Holtzendorff.1111 Auf ihren an den Kanzler übermittelten Entwurf vermerkte dieser: Meines Dafürhaltens ist gegen den Text (…) nichts einzuwenden. Für die diesseitigen Akten wird hiermit ausdrücklich vermerkt, dass ich (…) wiederholt und ausdrücklich hervorgehoben habe, dass ich die festgelegten Friedensbedingungen nur für erreichbar halte, wenn wir den Frieden diktieren können. Nur unter dieser Voraussetzung habe ich ihnen zugestimmt.1112

Und Zimmermann notierte darauf: „Ich habe hinsichtlich der belgischen Kriegsziele betont, dass ihre Durchsetzung die völlige Niederwerfung Englands zur Voraussetzung hat. Das wurde von Oberster Heeresleitung und Admiralstab zugegeben.“ 1113 Admiral Müller trug über den 23. April in sein Tagebuch ein: Kritischer Tag erster Ordnung. Verabredung der territorialen Kriegsziele z­ wischen Oberster Heeresleitung und Reichskanzler (…) – Nachmittags 6 Uhr gemeinsamer Vortrag beim K ­ aiser zur Herbeiführung der Allerhöchsten Genehmigung (…) Mein Eindruck: Völlige Maßlosigkeit im Osten wie im Westen (…) – . Dem Reichskanzler und Zimmermann konnte man den Gedanken aus den Augen ablesen: Es schadet ja nichts, daß wir Maximalziele festsetzen. Es kommt ja doch anders. – Zunächst soll mit Österreich in Verbindung getreten werden. Ich sagte dem K ­ aiser: ‚Graf Czernin, der schnell Frieden haben möchte, wird einen schönen Schreck bekommen, wenn er sieht, worauf wir hinaus wollen.‘1114

Am 25. April ließ Ludendorff dem Kanzler durch Grünau eine offenbar von Cramon stammende Nachricht mitteilen, w ­ elche, wie er meinte, ganz im Sinne der Obersten Heeresleitung zeige, dass auch im ö.-u. AOK eine gemeinsame Festlegung der Kriegsziele bzw. der Bedingungen für Friedensverhandlungen erwünscht sei: Aus Baden erhalte ich folgende Drahtung über die Unterredung eines Offiziers des k. u. k. AOK mit Graf Czernin: – Das sozialistische Unternehmen mit der Stockholmer Besprechung ist

1111 Grünau an Bethmann Hollweg, Schr. 219, Aufz. über die Bespr. am 23.4.17, 24. Apr. 1917, WUA 4. Rh., 2. Abt. 12/1 1929, 200 – 202 Anl. 14, SG 2 1966, 149 – 151 Dok. 87 Pièce jointe. 1112 SG 2 1966, 149 – 151 Dok. 87 Pièce jointe Anm. 6. 1113 Ebd. 1114 Müller TB-Eintr. 23. Apr. 1917, Görlitz 1959, 278 – 279.

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Licht im Osten?

ziemlich hoffnungslos. Dort wird ein allgemeiner Friede propagiert werden, an dem uns nichts gelegen ist. Aussenminister ist mit Wege über die russische Front 1115 einverstanden, ­bittet sogar darum (…). Bedingungen dafür sind nach meiner (des k. u. k. Offiziers) Ansicht: – a) Unverbindliche Verhandlungen müssen aufhören, an ihrer Stelle Verhandlungen z­ wischen bevollmächtigten höheren Offizieren; – b) Klare Bedingungen; – c) Rasche Vereinbarung ­zwischen Deutschland und der Monarchie über diese Bedingungen, wobei zu berücksichtigen wäre, dass bei einem Sonderfrieden mit Russland andere Bedingungen in Frage kommen als bei einem allgemeinen Frieden. (…) – Es wird für zweckmässig angesehen, Vertreter der beiden Obersten Heeresleitungen und (…) Auswärtigen Ämter sich in Berlin möglichst bald über diese Fragen einigen zu lassen.

Dem fügte Ludendorff hinzu: „Der baldigen Einigung mit Österreich über die Kriegsziele im Osten auf Grund der Kreuznacher Besprechung vom 23. 4. steht somit nichts im Wege.“ 1116 Auf diese Mitteilung Ludendorffs antwortete, zweifellos im Einvernehmen mit dem Kanzler, Zimmermann am 26. April: Ich bin gern bereit, mich mit Wien wegen Festlegung unserer Friedensbedingungen ins Benehmen zu setzen und werde zu ­diesem Behuf Graf Wedel anweisen, die einschlägigen Fragen nach Massgabe der Kreuznacher Besprechung mit dem Grafen Czernin zu erörtern. Bei der augenblicklichen Nervosität und weichen Friedensgeneigtheit des Ministers wird unser Botschafter indes nur behutsam vorgehen dürfen. Graf Czernin nimmt (…) den Standpunkt ein, dass in den Verhandlungen mit Russland Annexionswünsche fallen gelassen werden sollen; er befürchtet, dass ein etwaiger Separatfrieden mit Russland (…) durch territoriale Forderungen gefährdet werden könne. Sein Bestreben geht sichtlich dahin, die territoriale Inte­ grität der Donaumonarchie (…) zu retten. Wir werden daher mit unserer Forderung, einen Teil Ostgaliziens zu opfern, um uns Erwerbungen in Kurland und Littauen zu ermöglichen, selbst bei unserer Desinteressementserklärung auf Rumänien beim Minister auf stärksten Widerstand stossen; letzterer wird sich (…) nur durch entsprechend dosierte Gespräche und Einwirkungen allmählich überwinden lassen. Graf Wedel (…) wird mit entsprechenden Weisungen versehen.1117

Czernin telegrafierte am 25. April über eine ihm von Generalstabschef Baron Arthur Arz von Straußenburg zugegangene Mitteilung an Hohenlohe:

1115 D. h. einer Anbahnung von Gesprächen durch Kontakte mit militärischen Stellen an der Front. 1116 Grünau (Ludendorff) an A. A., Tel. 592, 25. Apr. 1917, SG 2 1966, 152 – 153 Dok. 89. 1117 Zimmermann an Grünau, Tel. 753, 26. Apr. 1917, ebd. p 154 Dok. 91.

Die Kreuznacher Besprechungen vom April und Mai 1917

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Die beiden Obersten Heeresleitungen ventilieren die Idee an der russischen Front durch höhere Offiziere Friedensverhandlungen einzuleiten (…). – Es scheinen gewisse Möglichkeiten für ein Resultat zu bestehen. (…) Arz hält es für unerlässlich (…) dass den Russen eine gewisse Basis des möglichen Friedens erklärt werde. Diese Basis könnte voraussichtlich nur der s­ tatus quo ante (…) sein. Ob die Idee durchführbar ist, den Russen die Moldau anzutragen und dafür Deutschland eine Grenzrektifikation in Kurland und uns in der Walachei, scheint mir (…) zweifelhaft. – Ich habe Gen. Arz meine Einwilligung gegeben dass von uns aus der status quo ante (…) als Bedingung für einen Separatfrieden ausgesprochen werde. (…) – Ich ersuche (…) daher mit den deutschen Factoren zu sprechen und zu versuchen dieselben ebenfalls auf diesen Standpunkt zu bringen.1118

Hohenlohe sprach daraufhin mit Bethmann Hollweg und Zimmermann und berichtete am 27. April, der Staatssekretär habe erklärt, dass man „schon aus strategischen Gründen auf gewissen Grenzrektifikationen werde bestehen müssen“. Es handle sich vor allem darum, (…) ob Rußland auf die Idee, sich an Rumänien schadlos zu halten, eingeht. Sei dies der Fall, so wäre er ganz der Ansicht, daß man versuchen solle, (…) den Russen für abzutretendes Gebiet in Kurland und Lithauen einen Ersatz in der Moldau zu geben. Die Sache wäre ihnen durch Zugabe einiger ostgalizischer Dörfer vielleicht schmackhafter zu machen, wofür wir uns in der Walachei schadlos halten könnten. Vor allem käme es wohl darauf an, in Erfahrung zu bringen, wie sich die Russen prinzipiell zu ­diesem Ansinnen verhielten. Sollten sie demselben nicht ablehnend gegenüberstehen, müßte man sich z­ wischen Wien und Berlin schleunigst über eine neue Grenze einigen.1119

Hohenlohe fügte hinzu, er halte es „für höchst unwahrscheinlich, daß eine in humanitären, freiheitlichen Phrasen schwelgende russische Regierung, die schon von uns nichts annektieren will, sich bereit finden sollte, der Aufteilung des Gebiets eines alliierten (…) Staates zuzustimmen.“ 1120 Botschafter Wedel aber erhielt von Zimmermann am 28. April folgende Weisung: Behufs grundsätzlicher Festsetzung der von uns zu erstrebenden Kriegsziele haben ­zwischen der politischen und der Obersten Heeresleitung kürzlich Besprechungen stattgefunden, deren Ergebnis, soweit der Osten in Frage kommt, in der (…) beigefügten Aufzeichnung niedergelegt ist. – Wie Euere Exzellenz aus der Anlage ersehen wollen, gehen unsere Wünsche in 1118 Czernin an Hohenlohe, Tel. 279, 25. Apr. 1917, HHStA PA I, 1050 Krieg 66a o. Fz. 1119 Hohenlohe an Czernin, Tel. 303, 27. Apr. 1917, ebd. o. Fz. 1120 Ebd.

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erster Linie auf territoriale Erwerbungen in Kurland und Litauen; die Verwirklichung dieser Wünsche wird (…) von der Erfüllung der zu erwartenden russischen Gegenforderung auf Abtretung Ost-Galiziens, eventuell auch der Bukowina abhängen. Die O. H. L. ist (…) von der Voraussetzung ausgegangen, dass Österreich-Ungarn keinen besonderen Wert auf Wiedererwerb (…) legen würde. Ich möchte dagegen aus den Äusserungen und jüngsten Friedenskundgebungen des Grafen Czernin schliessen, dass (… er) seine Hauptaufgabe in der Erhaltung der territorialen Integrität der Monarchie erblickt. – Die O. H. L. legt grossen Wert auf baldige Herbeiführung eines Einverständnisses mit Österreich-Ungarn und hatte zu d ­ iesem Zweck die sofortige Anberaumung einer Konferenz von Vertretern der beiderseitigen Obersten Heeresleitungen und Regierungen beantragt. (…) – Euerer Exzellenz wird nunmehr die schwierige Aufgabe zufallen, den Minister (…) davon zu überzeugen, dass (…) der Abschluss eines Friedens mit Russland, der auch unseren Interessen gerecht wird, höchstwahrscheinlich nur durch territoriale Konzessionen Österreich-Ungarns an Russland zu erlangen sein wird. (…) Sie wollen darauf hinweisen, dass Österreich-Ungarn in der glücklichen Lage ist, für Objekte zweifelhaften Wertes reichlich Entschädigungen an anderen Stellen (Serbien und Rumänien) zu finden und dass es bei den dahingehenden Wünschen auf die Unterstützung Deutschlands rechnen kann. Natürlich würden territoriale Konzessionen von Seiten der Monarchie (…) nur für den Fall in Betracht kommen, dass der Friede ohne ­solche nicht zu erreichen ist.1121

An der Front war es inzwischen zu Kontakten russischer Abgesandter mit deutschen Offizieren gekommen, sodass sich die Notwendigkeit ergab, für künftige Gespräche dieser Art Richtlinien auszuarbeiten. Die Initiative hiezu ging von Ludendorff aus. Er ließ, wie Zimmermann am 29. April notierte, (…) telefonisch mitteilen, dass angeblich ernst zu nehmende russische Unterhändler demnächst an unserer Front erscheinen würden, um über einen Waffenstillstand und eventuelle Friedensbedingungen in Meinungsaustausch zu treten. Er bitte um meine Zustimmung, die deutschen Offiziere mit nebenstehenden Instruktionen zu versehen.1122

Um w ­ elche Instruktionen, zu denen Zimmermann durch Legationssekretär Lersner, den Vertreter des Auswärtigen Amtes bei der O. H. L., dem General umgehend seine Zustimmung übermitteln ließ, geht aus dem Telegramm hervor, das Lersner am Nachmittag desselben Tages an den Staatssekretär sandte:

1121 Zimmermann an Wedel, Tel. 203, 28. Apr. 1917, SG 2 1966, 159 – 160 Dok. 96. 1122 Lersner an A. A. für Zimmermann, Tel. 621, 29. Apr. 1917, mit Randbem. Zimmermanns u. beigefügten Notizen Bethmann Hollwegs u. Zimmermanns, ebd. pp 162 – 163 Dok. 98.

Die Kreuznacher Besprechungen vom April und Mai 1917

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1. Von den russischen Führern zur Teilnahme an den Wahlen einen Waffenstillstand von 3 – 4 Wochen zu fordern. – 2. Nichteinmischung in russische Verhältnisse, daher Abstandnahme von einer Offensive, falls auch die russische Armee Gefechtstätigkeit einstellt. – 3. Gute Dienste bei Regelung der Dardanellen- und aussereuropäischen Fragen, falls Russland auf Eroberung Konstantinopels verzichtet (…). – 4. Finanzielle Unterstützung des Aufbaus Russlands und enge wirtschaftliche Beziehungen. Keine Kriegsentschädigung, aber Grenzberichtigung, soweit Deutschland in Betracht kommt, aus Litauen und Kurland. – 5. Polen soll ein Staat werden.

Aus einer Notiz Zimmermanns am Rande des Telegramms geht hervor, dass er mit dem ursprünglichen Vorschlag Ludendorffs nicht zur Gänze einverstanden war. In ihr heißt es nämlich: Ich erklärte mich mit den Vorschlägen 1 – 3 und 5 ohne weiteres einverstanden, da sie unseren stets vertretenen Ansichten Rechnung tragen. Zu 4 war ursprünglich als Grenzberichtigung die Annexion ‚grosser Teile Litauens und Kurlands‘ ausdrücklich vorgesehen. Ich empfahl dagegen obige Formulierung, die den Eintritt in ernste Verhandlungen zweifellos erleichtern würde. Gleichzeitig brachte ich zum Ausdruck, dass ich, falls es wirklich zu ernsten Verhandlungen kommen sollte, selbstverständlich einen Vertreter (…) entsenden würde.1123

Der Kanzler erklärte zu den oben angeführten Punkten in einer dem Akt beigefügten Notiz: Ich bin ganz einverstanden. Grosse Hauptsache ist, dass ein Vertreter des Auswärtigen Amtes an den Verhandlungen beteiligt wird. Dieser kann (…), wenn erforderlich, die Formulierung sub 4 (…) dahin fassen: ‚keine Kriegsentschädigung und keine Annexionen, sondern lediglich Grenzberichtigungen (…) usw.’. Damit würden wir (…) den Türken einen guten Dienst erweisen.1124

General Arz wurden Ludendorffs Bedingungen durch Cramon mitgeteilt.1125 Arz berichtete darüber Czernin: Mit den (…) Richtlinien (…) erklärte ich mich (…) einverstanden mit dem Zusatze, daß analoge Richtlinien an die k. u. k. Truppen ergehen werden, ergänzt nach Vereinbarung mit Euer Exzellenz durch Betonung des Standpunktes Ö.-Ungarns gegenüber Rußland. – Ich bitte Euer 1123 Ebd. 1124 Ebd. 1125 Cramon an Arz, 30. Apr. 1917, HHStA PA I, 1050 Krieg 66a o. Fz.

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Licht im Osten?

Exzellenz um telegraphische Stellungnahme. – Die Verhandlungen mit russischen Deputierten werden auch weiterhin durch Nachrichtenoffiziere geführt werden unter eventueller Zuziehung höherer Offiziere, falls die Russen auch ­solche entsenden.1126

Czernin setzte von ­diesem Sachverhalt am folgenden Tag Hohenlohe in Kenntnis.1127 Wie aus einer am 29. April durch Lersner an Bethmann Hollweg gesandten Depesche hervorgeht, warb Ludendorff dafür, Russland für den Verlust Litauens und Kurlands mit österreichisch-ungarischen Gebieten schadlos zu halten. In dieser Depesche heißt es: Das monarchische Ansehen in Deutschland wird leiden, wenn der Frieden uns nicht KurlandLitauen bringt. (…) Demgegenüber hat das österreichisch-ungarische Volk für Ostgalizien nichts übrig. (…) Kein Mensch denkt daran, für seine Wiedereroberung einen Mann zu opfern. Das Ansehen der Monarchie in Österreich-Ungarn wird nicht leiden, wenn (…) ÖsterreichUngarn anderweitig entschädigt wird. (…) Die Einverleibung eines Teiles von Serbien und die Gründung eines Neuserbien unter der montenegrinischen Königsfamilie im engen Anschluss an Österreich-Ungarn dürfte (…) einen vollen Ersatz bedeuten (…) Ein vollständiges Desinteressement unsererseits in Rumänien würde zu weit gehen und entspricht auch nicht der Kreuznacher Aufz(eichnung).1128

Kurz darauf, am 2. Mai 1917, teilte Grünau dem Auswärtigen Amt mit, General Arz habe Ludendorff sagen lassen, „Graf Czernin bedaure ausserordentlich, dass er wegen Klärung der (…) Kriegsziele mit dem Auswärtigen Amt gar nicht in Verbindung kommen könne (…)“. Er habe gebeten, bei der OHL „dahin zu wirken, dass die beiden Auswärtigen Ämter mit einander mehr Fühlung in dieser Angelegenheit nehmen“. Ludendorff sei daraufhin (…) erneut dafür eingetreten, dass wir uns zunächst mit Österreich (…) über die im Osten und Südosten anzustrebenden Ziele aussprechen und nicht abwarten sollten, bis wir wüssten, auf w ­ elche Bedingungen wir uns etwa mit Russland einigen könnten, um dann ÖsterreichUngarn vor eine Art fait accompli zu stellen. (…) Gewiss werde Graf Czernin wegen Aufgabe Ostgaliziens zunächst Schwierigkeiten machen, diese dürften aber zu überwinden sein, da allgemein in Österreich nur geringes Interesse für ­dieses Gebiet bestehe.1129

1126 Arz an Czernin, A. O. K. op. 253, 30. Apr. 1917, ebd. o. Fz. 1127 Czernin an Hohenlohe, Tel. 289, 1. Mai 1917, ebd. o. Fz. 1128 Ludendorff durch Lersner an A. A. für Bethmann Hollweg, Tel. 627, 29. Apr. 1917, SG 2 1966, 164 – 165 Dok. 100. 1129 Grünau an A. A., Schr. 650, 2. Mai 1917, ebd. p 168 Dok. 103.

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Botschafter Wedel versuchte zur Überwindung solcher Schwierigkeiten Czernin „allmählich davon zu überzeugen, dass (…) der Abschluss eines Friedens mit Russland (…) höchstwahrschlich nur durch territoriale Konzessionen Österreich-Ungarns an Russland zu erlangen sein“ werde. In dieser Sache konnte Wedel am 6. Mai an den Kanzler berichten, er habe bisher zwei Unterredungen mit dem Außenminister gehabt. Dieser sei zunächst betroffen gewesen, „dass Österreich die Abtretung von Teilen Galiziens und der Bukowina zugemutet werde, da (…) vereinbart sei, (…) dass die Integrität der verbündeten Reiche gewahrt werden müsse“. Er, Wedel, habe erklärt, (…) wir hielten auch heute noch an ­diesem Ziel fest, wir würden ehrlich trachten, die (…) noch besetzten Gebiete der Monarchie zurückzugewinnen (…). Nun stehe aber fest, dass wir auf einer Grenzregulierung an unserer Ostgrenze bestehen müssten. (…) Dieser (…) werde Russland aber wahrscheinlich die Forderung einer Grenzregulierung (…) in Galizien und Bukowina gegenüberstellen. (…) Für den Fall, dass es unmöglich sei, diese Gebiete der Monarchie zu bewahren, sehen wir keinen anderen Ausweg, als dass sich Österreich-Ungarn in ein unvermeidliches Opfer finde und sich an anderer Stelle zu entschädigen suche, wobei ich in erster Linie auf Serbien-Montenegro, in zweiter auf Teile der westlichen Walachei (…) hinwies.1130

Czernin habe erwidert, „der Vergleich z­ wischen dem reichen Gewinn Deutschlands und dem Verlust Österreichs“ würde die Wiener Regierung „in eine sehr schwierige Lage bringen, eventuell sogar die Dynastie gefährden“. Wedel berichtete weiter: In meiner zweiten Unterredung war Graf Czernin nicht ganz ablehnend (…) Er erklärte, ein Gebietsverlust in Galizien-Bukowina könne jedenfalls nur dann in Frage kommen, wenn die Kompensationen erstens gesichert und zweitens befriedigend ­seien. (…) Wie aber steht es (…), wenn es zu einem Sonderfrieden mit Russland komme, der doch in erster Linie anzustreben sei? Dann müsse Österreich in eine Gebietsabtretung einwilligen, während die Kompensationen in der Luft hingen. (…) – Anders liege die Sache, wenn es zu einem allgemeinen Frieden komme. Dann könne er sich vorstellen, dass Österreich auf Grund gesicherter (…) Kompensationen das verlangte Opfer bringen könne. Er fürchte freilich, dass Kompensationen in Serbien-Montenegro wegen Widerstandes der Westmächte sehr schwer erreichbar ­seien, ja er habe sich mit dem schmerzlichen Gedanken vertraut gemacht, in die Wiederherstellung eines bis an die Adria reichenden selbständigen serbischen Staates einzuwilligen. (…) – Dann kam er auf Rumänien zu sprechen. Er habe (…) an die Einverleibung der ganzen Wallachei gedacht unter (…) Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen Deutschlands. (…) Wenn man nun mit der Möglichkeit rechne, dass Österreich (…) Teile Galiziens und der Bukowina 1130 Wedel an Bethmann Hollweg, Dep. 141 durch Feldjäger, 6. Mai 1917, ebd. pp 173 – 176 Dok. 106.

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­hergeben, sich ferner mit der Errichtung eines selbständigen serbischen Adria-Staates abfinden müsse, und als Kompensation eine Grenzberichtigung an der siebenbürgischen Grenze, Teile der westlichen Wallachei, erhalten solle, so sei der Verlust ja nicht annähernd gedeckt, (…) während Deutschland in Kurland-Litauen mit Angliederung eines polnischen Staates einen erheblichen Gewinn erhalte. (…) – Aus dem allen ersah ich, dass Graf Czernin beginnt, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, eventuell einer Abtretung in Ostgalizien und Bukowina zuzustimmen, aber unter der Voraussetzung, dass die Kompensation gesichert wird und befriedigend ist (…).1131

Berchtold führte, wie erwähnt, in Berlin am 6. Mai mit Zimmermann und Bethmann Hollweg Gespräche über die polnische Frage. Der Kanzler äußerte dabei den Wunsch, mit Czernin möglichst bald die „zukünftigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Mittelmächte zu Polen klarzustellen“ und schlug dazu eine „baldige persönliche Begegnung, womöglich in Kreuznach“ vor.1132 Czernin wies daraufhin Hohenlohe an, dem Kanzler zu sagen, dass er „ebenfalls das allergrößte Gewicht darauf legen würde, ihn bald zu sehen“. Er sei aber „dermaßen mit Arbeit überhäuft“, dass „vielleicht eine Begegnung in Berlin vorzuziehen wäre“.1133 Czernin war mittlerweile, wie bereits dargestellt, eine Einweihung des deutschen Bündnispartners in die sich mit den Aktivitäten des Prinzen Sixtus bietende Möglichkeit zu Kontakten mit der französischen Regierung als angebracht erschienen. Dazu sowie zu einer Erörterung des angeblichen italienischen Angebots bat er Bethmann Hollweg um direkte Besprechung. Der Kanzler zögerte nicht, fuhr am 12. Mai abends nach Wien und besprach sich am folgenden Tage ausführlich mit Czernin.1134 Dabei trug er dem Minister auch die deutschen Wünsche nach einer baldigen Konferenz zur Festlegung der Kriegsziele vor. Czernin ging darauf sogleich ein, sodass Bethmann Hollweg in seinem Bericht vom 14. Mai an ­Kaiser Wilhelm ankündigen konnte: „Auf Wunsch (…) von Hindenburg und meine Bitte wird Graf Czernin am 17. d. M. in Kreuznach eintreffen, um über unsere gemeinschaftlichen Kriegsziele namentlich auf dem Balkan zu sprechen.“ 1135 Czernin hatte bereits am 11. Mai General Arz ersucht, ihn über die vom k. u. k. Generalstab erstrebten Kriegsziele zu unterrichten. In der von Arz daraufhin übersandten Stellungnahme hieß es: 1131 Ebd. 1132 Berchtold an Czernin, Tel. 331, 6. Mai 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 1044 – 1044v. 1133 Czernin an Hohenlohe, Tel. 317, 7. Mai 1917, ebd. fol. 1045 – 1045v. 1134 Bethmann Hollweg 2 1922, 203 – 204. 1135 Bethmann Hollweg an Ks. Wilhelm, Tel. 1, 14. Mai 1917, MNN S/S (11./12. März 1922), 1 – 2, SG 2 1966, 199 – 200 Dok. 118.

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Bezüglich der Kriegsziele erlaube ich mir zu bemerken, daß ich vom militärischen Standpunkt nicht nur jedes Abtreten auch nur eines Quadratmeters an Italien für ausgeschlossen, sondern auch gewisse uns zugute kommende Grenzkorrekturen für unerläßlich halte. An der ungarisch-rumänischen Grenze sind ebenfalls Grenzkorrekturen dringendst notwendig. Dem Weiterbestehen Montenegros und Serbiens kann ich (…) nicht zustimmen; auch ist das Creieren eines albanischen Staates unseren militärischen Kraftverhältnissen nicht förderlich. Galizien bedarf gewisser Grenzberichtigungen, sowohl am unteren San als auch bei Krakau. – Da ich vom militärischen Standpunkt das Hauptgewicht auf eine Besserung unserer territorialen Verhältnisse am Balkan lege, schiene mir, um uns in dieser Beziehung die Unterstützung Deutschlands zu sichern, eine Grenzänderung in Ostgalizien zugunsten Rußlands und damit indirekt zugunsten Deutschlands zulässig. Dadurch könnte eine territoriale Kompensation in der Walachei gefordert werden.1136

Kaiser Wilhelm sah damals Ziele als erreichbar an, ­welche die in Kreuznach am 23. April vereinbarten weit in den Schatten stellten. Ein als „Anhaltspunkt“ dienen sollendes Programm ließ er am 13. Mai Zimmermann übermitteln. Es nannte als „Mindestforderung“: 1. Freiheit der Meere mit Garantie. – 2. Entschädigung an alle Firmen die geschlossen, oder auf black list stehen, auch die nichtdeutschen (…). – 3. Wiederherstellung der Handelsverträge und Meistbegünstigung. – 4. Wiederherstellung aller Patente. – 5. Herausgabe aller beschlagnahmten Vermögen. – 6. Herausgabe aller von Entente besetzten Mittelmeerinseln. Malta an uns, Gibraltar an Spanien. – 7. Cypern, Egypten, Mesopotamien an Türkei. Azoren, Madeira, Kap verde an uns. – 8. Französischer und englischer Congo an uns, ebenso Ostafrika, Kamerun, Südwestafrika? – 9. Südsee-Ansprüche an Japan verkaufen (…). Handelsvertrag. – 10. Belgien aus Wallonien und Flamland geteilt. Festungen besetzt bis geschleift und Militärkonvention mit Flandern, wodurch Küste Ostende-Seebrügge (…) Banken und Eisenbahnen in unserer Hand. Meistbegünstigung. – 11. Von Frankreich Longwy-Briey. Längere Kriegsdauer erhöht Ansprüche. – 12. Polen frei. Kurland, evt. autonom, an uns (…), ebenso Lithauen. Ukraine, Livland, Estland autonom mit Freistellung, sich ­später an uns anzuschliessen; Handelsvertrag, Militärkonvention, Austausch der Bevölkerungen, d. h. die deutschen Kolonnen (sic!) heraus zu uns, die Polen von uns zur Abwanderung nach Neu-Polen kouragieren und auskaufen. – 13. Kriegsentschädigung zunächst in Naturalien, je 30 Milliarden Dollars von England und Amerika, 40 Milliarden Francs von Frankreich, 10 (…) von Italien, (…). Frankreich zediert uns sein Guthaben an Russland und liefert Erz und Speiseöl. Eventuell 12 seiner neuesten ­Drednoughts (sic!). – Russland liefert Getreide, Petroleum. – Amerika liefert Baumwolle, Kupfer, Nickel. – England Wolle, Erze (aus Australien). – (…). 1136 Storck (Arz) an Czernin, Tel.-Dep. o. Z., 12. Mai 1917, HHStA PA XL, Pol. Tel. 113 o. Fz., idem: HHStA PA I, 1050 Krieg 66a o. Fz.

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Licht im Osten?

Grünau setzte hinzu: „(…) Die erwähnten Kriegsziele sind den Anregungen des Herrn Weil zu verdanken.“ 1137 Wie K ­ aiser Karl über die Beziehungen zum deutschen Bündnispartner und über terri­toriale Veränderungen dachte, geht aus seinem bereits erwähnten „flüchtigen Entwurf “ eines Handschreibens an Czernin hervor, den er, Werkmann zufolge, am 14. Mai 1917 auf der Fahrt nach Tirol verfasste, wo er den Jahrestag des Beginns der Frühjahrs­ offensive 1916 gegen Italien „im Kreise seines alten Korps“ begehen wollte. Veranlasst zu dem Entwurf sah er sich nicht durch das bevorstehende Treffen in Kreuznach, sondern durch die beim Gemeinsamen Ministerrat vom 6. Mai 1917 diskutierte „Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Deutschen Reiche (…) durch einen über den Rahmen eines gewöhnlichen Handelsvertrages hinausgehenden, der Meistbegünstigung nicht unterworfenen Vertrag“.1138 In dem Schriftstück heißt es: So wie ich jede Militärkonvention mit Deutschland auf das entschiedenste zurückgewiesen habe, so muß ich auch jeden Handelsvertrag, der uns in intimere Beziehungen zu Deutschland als zu jedem anderen Staate bringt, perhorreszieren. Der Zweck ­dieses Handelsvertrages für Deutschland ist ganz klar, es ist dies ein Baustein im großen Werke der Hohenzollern, Österreich in ihre vollständige Abhängigkeit à la Bayern zu bringen. (…) Ein eklatanter militärischer Sieg Deutschlands wäre unser Ruin. (…) Der Friede à l’amiable auf dem status quo wäre für uns das Allerbeste, denn dann wäre Deutschland nicht zu übermütig und wir hätten es uns mit den Westmächten, die eigentlich gar nicht unsere Feinde sind, nicht ganz verdorben. Dies müssen wir erreichen, und wir dürfen, ohne Italien zu spielen,1139 nichts versäumen, was uns auch eventuell gegen den Willen Deutschlands zum Frieden im oben angedeuteten Sinne bringt. Ein Zugrundegehen mit Deutschland nur aus reiner Noblesse wäre Selbstmord (…) – Ich bin überzeugt von der Loyalität des Kaisers Wilhelm, er meint es nach seiner Art sehr gut mit uns, aber seine Ratgeber (…) – Resümierend glaube ich, daß für Österreich die einzige Möglichkeit, gut aus dieser Schlamastik herauszukommen, ist, einen Frieden ohne Annexion und nach dem Kriege außer Deutschland als Gegengewicht ein Bündnis mit Frankreich.1140 1137 Grünau an A. A. für Zimmermann, Tel. 46, 13. Mai 1917, SG 2 1966, 194 – 195 Dok. 115. – Der mit einer argentinischen Getreidehandelsfirma am Weltmarkt sehr erfolgreich gewesene Hermann Weil brachte es während des Krieges zum Berater des Admiralstabes und, 1917 bis 1918, auch Ks. Wilhelms. 1138 Min.-R. für Gem. Ang. 6. Mai 1917, Komjáthy 1966, 499 – 510 Dok. 25. 1139 Ohne Italien ins Spiel zu bringen. 1140 Ks. Karl, „flüchtiger Entwurf eines Handschr. an Gf. Czernin“ 14. Mai 1917, Werkmann 1931, 170 – 172; abgedruckt in Cramon Fleck 1932, 218 – 221 u. Kovács 2 2004, 188 – 191 Dok. 47. – Renouvin bemerkte zu ­diesem „flüchtigen Entwurf“, er sei nie abgeschickt worden und dies möglicherweise „parce que l’Empereur avait conscience que, s’il voulait abandonner l’Allemagne, il ne serait suivi ni par ses ministres ni par ses généraux“. Renouvin 1964, 499.

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Czernin hatte kurz vor seiner Abreise nach Kreuznach noch eine Unterredung mit Botschafter Wedel über ­welche dieser nach Berlin berichtete: Nach (…) kordialer, offener Aussprache mit Graf Czernin halte für dringend erwünscht, dass Minister aus Hauptquartier befriedigende Perspektiven über österreichische Kriegsziele mitbringt. Verstimmungen gegen uns und auch Misstrauen hier im Wachsen, auch bei Hof, wo römischer Einfluss anscheinend sehr stark. Misstrauen beruht auf Gefühl, dass wir im Siegesfalle österreichische Interessen nicht genügend berücksichtigen würden.1141

An den Kreuznacher Gesprächen nahmen neben Czernin, Bethmann Hollweg, Zimmermann, Hindenburg und Ludendorff auch Holtzendorff und Admiral Eduard von Capelle teil. Gegenstand der Gespräche war neben den Kriegszielen auch die Frage der Stellung eines zukünftigen polnischen Staates. Für die Monarchie wichtig war es, die Polen Galiziens und deren Vertreter im Reichsrat nicht vor den Kopf zu stoßen. Deutscherseits nahm man vor allem gegen die von Österreich-Ungarn erstrebte Nominierung eines Regenten für Polen Stellung, weil eine s­ olche dem neuen Russland von der Entente als „Vorstoß“ gegen die republikanische Staatsform dargestellt und damit „unsere Friedensanbahnung kompromittiert“ werden könnte.1142 Sich in Kreuznach diesbezüglich durchzusetzen gelang Czernin nicht, und so telegrafierte er von dort am 18. Mai: „Leider ist es mir nicht gelungen, meine Absicht zu verwirklichen (…), durch Bewilligung eines polnischen Regenten unsere Polen wieder in die Majorität zurück zu führen.“ 1143 Dem ­Kaiser berichtete Czernin: Ich hoffe ein schriftliches Abkommen mitzubringen welches E. M. den Besitz von ganz Rumänien überlässt (und) die Bestimmung dass der geschlossene polnische Vertrag geheim bleibt. – Leider habe ich (…) nicht erreichen können dass jetzt ein polnischer Regent eingesetzt werde.1144

Die getroffenen Vereinbarungen wurden in der von Bethmann Hollweg und Czernin am 18. Mai paraphierten „Aufzeichnung über die Kreuznacher Besprechung“ festgehalten. In dieser heißt es: 1) Österreichisch-ungarischerseits wird die volle Integrität der Monarchie gefordert. – Dazu der Lovcen, militärische Grenzberichtigungen in Serbien (insbesondere die Mačva), Gründung

1141 Wedel an A. A., Tel. 270, 15. Mai 1917, MNN S/S (11./12. März 1922), 1 – 2, SG 2, 203 Dok. 121. 1142 Berchtold an Czernin, Tel. 331, 6. Mai 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 1044 – 1044v. 1143 Sc. in die die Regierung Clam-Martinic stützende Majorität im Abg.-Haus. Czernin an M. d. Ä., Tel. 3, 18. Mai 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 1001. 1144 Czernin an K. d. M. für Ks. Karl, Tel. 4, 18. Mai 1917, ebd. fol. 1022.

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eines kleinen Neuserbiens ohne Hafen, Wiederherstellung Montenegros und Nordalbaniens, womöglich mit Pristina und Prizren, alle drei Staaten militärisch, politisch und wirtschaftlich abhängig von Österreich-Ungarn. – Eine (…) Gründung eines von Österreich-Ungarn abhängigen Neuserbiens mit einem Ausgang zur Adria wird als großes Opfer Österreich-Ungarns bezeichnet. – Den bulgarischen Wünschen in Serbien (…) wird Österreich-Ungarn tunlichst entgegenkommen. (…) – Deutschland befürwortet ein großes Neuserbien (Westserbien, Montenegro) und ein Neualbanien, beide eng an Österreich-Ungarn angegliedert (…). – Italien muß aus Valona entfernt werden. – Die Angliederung Südalbaniens an Griechenland ist zu erstreben. (…) – Die Erklärung Salonikis zum Freihafen soll angestrebt werden. – 2) Falls Deutschland die (…) Angliederung Kurlands und Litauens sowie die (…) Anlehnung Polens durchsetzt, so ist es einverstanden, daß das besetzte Rumänien, mit Ausnahme der bulgarischen D ­ obrudscha (Grenze bis 1913) und eines Grenzstreifens südlich der Bahn Cernavoda-Constanza (…) in die Interessensphäre Österreich-Ungarns fällt, unter Sicherung wirtschaftlicher Beteiligung Deutschlands (…). Hierüber werden Sonderberatungen stattfinden, bei denen Sicherheit (…) gefordert wird, daß nicht Zoll- und Tarifmaßnahmen den Nutzen der (…) Beteiligung gefährden. Die Grundlage für eine ­solche Sicherheit kann dadurch gewonnen werden, daß die Verhandlungen über ein einheitliches deutsch-österreichisch-ungarisches Wirtschaftsgebiet zum Abschluß kommen. – (…) – 3) Österreich-Ungarn verzichtet unter den in Ziffer 2 gegebenen Voraussetzungen auf ein Condominium in Polen und wird sich (…) am Königreich Polen desinteressieren. (…) – 4) Österreich-Ungarn und Deutschland verpflichten sich, auf dieser Grundlage in Verhandlungen über Regelung der Verhältnisse im Osten und auf dem Balkan einzutreten und (…) die beiderseitigen Erwerbungen und wirtschaftlichen Vorteile in einem entsprechenden Verhältnis zu einander zu halten.1145

Darüber, wie Czernin die in Kreuznach erzielten Ergebnisse sah, berichtete Botschafter Wedel am 23. Mai 1917 an Bethmann Hollweg: Der Minister sei „befriedigt“ heimgekehrt, wenn er auch geäußert habe, man hätte „ungefangene Fische geteilt“. Man wisse aber nun, „dass bei einem günstigen Ausgang des Krieges für die (…) Monarchie ein grosses Ziel zu erreichen sei“. Auf die Frage, wie sein Vortrag von ­Kaiser Karl aufgenommen worden sei, habe Czernin geantwortet, „Seine Majestät denke genau so wie er“. Wedel berichtete, der Minister scheine auch „mit der Behandlung der polnischen Frage“ zufrieden zu sein, da „seine diesbezüglichen Wünsche berücksichtigt wurden“. Bedenken geäußert habe er gegen wirtschaftliche Forderungen Deutschlands, die dahin führen könnten, dass ­diesem „in Rumänien der Kern zufalle und Österreich nur die Schale (…)“. In Bezug auf Serbien sei der Minister skeptisch: 1145 Aufz. über die Kreuznacher Bespr. 18. Mai 1917, PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 29 – 30v, idem: HHStA PA I, 524 XLVII/13.3 fol. 18 – 19v, Druck: Ludendorff 1920, 388 – 390 Dok. XVII/4c, WUA 4. Rh., 2. Abt. 12/1 1929, 202 – 204 Anl. 15, SG 2 1966, 204 – 206 Dok. 123.

Kontakte an der Ostfront – Waffenstillstand, Separatfrieden?

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Er scheint damit zu rechnen, dass die Bildung eines kleinen, von Österreich abhängigen serbischen Binnenstaates grossen Schwierigkeiten begegnen und Österreich-Ungarn einen serbischen Adriastaat wird zugestehen müssen, der sich dank der Meeresküste auch wirtschaftlich von Österreich-Ungarn abwenden könnte.1146

Befriedigt gezeigt habe sich Czernin besonders „über die Zusage der Wahrung der Integrität der Monarchie. Auf meine Bemerkung, dann werde wohl nichts übrig bleiben, als Ostgalizien wieder zu erobern, wusste er keine andere Antwort, als, ein Wiederaufleben des Kampfes mit Russland müsse unbedingt vermieden werden.“ 1147 Dies kommentierte Wedel mit den Worten: „Kommt es einmal so, dass Österreich vor die Wahl gestellt wird, hier auf Gebietsteile zu verzichten oder den Krieg fortzusetzen, so dürfte die diesseitige Friedenssehnsucht noch ein gewichtiges Wort mitsprechen.“ 1148 Ludendorff schrieb 1919, Czernin habe schon bald aufs Neue „mit großem Eifer und Geschick die austro-polnische Lösung“ vertreten und damit den Blick auf „ÖsterreichUngarns wahres Gesicht“ freigegeben: „Es war die klare Absicht des Grafen Czernin, uns sowohl in Polen wie auch in Rumänien an die Wand zu drücken.“ 1149

3.3

Kontakte an der Ostfront – Waffenstillstand, Separatfrieden?

Über ein an der Front stattgefundenes Gespräch deutscher Offiziere mit russischen Abgesandten berichtete Lersner am 7. Mai an Bethmann Hollweg: Bericht des Nachrichtenoffiziers Armee Eichhorn über Unterredung mit zwei russischen Deputierten (…). – Die beiden Deputierten sagten, dass zwei Kuriere am 4. Mai nach Petrograd entsandt ­seien, um Steklow (Seklow), den ersten Vertreter Tscheidzes (Tschcheïdses), (…) zu veranlassen, an Ort zu kommen, dass Steklow zu Kompromissen geneigt sei, weshalb er es für wertvoll erachte, auch unsererseits einen Parteigenossen zu senden. (…) Wenn Deutsche damit einverstanden ­seien, brauchten Russen keine Rücksicht auf die Entente zu nehmen, sondern würden Separatfrieden schliessen. (…) Die Deputierten fragten, ob Nachrichtenoffizier einer Einladung nach Petrograd (…) Folge leisten würde, worauf Nachrichtenoffizier hinwies, dass alle wichtigen Besprechungen an neutralem Ort stattfinden müssten. (…) – Deputierte sagten weiter: – In Russland sei (…) die einzige brennende Frage (…) ein baldigster Friedensschluss. (…) – Nachrichtenoffizier wies dann darauf hin, dass es zu einer Verständigung nur dann 1146 Wedel an Bethmann Hollweg, Dep. 163, 23. Mai 1917, SG 2 1966, 212 – 213 Dok. 127. 1147 Ebd. 1148 Ebd. 1149 Ludendorff 1919, 352.

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Licht im Osten?

kommen könnte, wenn es den beiden grossen Völkern klar ist, dass sie ihre innerpolitischen Verhältnisse selbst regeln ohne von aussen kommende Einmischung. Deputierter war mit dieser Ausführung vollständig einverstanden (…) – General Ludendorff bittet Euere Exzellenz einen zuverlässigen Sozialdemokraten und ein Mitglied einer nationalen Partei als Ausgleich (etwa Freikonservativer) zur Teilnahme an den Verhandlungen zu bestimmen. Militärischerseits wird (…) Oberst von Winterfeldt (…) als Leiter der Verhandlungen (…) in Aussicht genommen. Vielleicht gäben Euere Exzellenz ihm einen jüngeren Diplomaten, der die Vorgänge kenne, bei. – Als Verhandlungsort hält der General neutralen Ort für ausgeschlossen. Mitau, Riga oder ein Ort ­zwischen den Linien (…) wäre geeignet.1150

Daraufhin depeschierte Bethmann Hollweg an Grünau: Es begegnet meinem vollen Einverständnis, einen zuverlässigen Sozialdemokraten und zwar voraussichtlich den Abgeordneten David, der für (…) ‚Grenzberichtigungen gegenüber Russland‘ Verständnis zeigt, und ein Mitglied einer bürgerlichen Partei zur Teilnahme (…) zu bestimmen. (…) Herrn von Winterfeldt wird als Beamter des Auswärtigen Amtes Geheimrat von Rosenberg beigegeben werden. (…) – Um den Russen gegenüber das Wort ‚Annexion‘ und die ihnen wohl ebenfalls unsympathische ‚Grenzberichtigung‘ zu vermeiden, scheint mir (…) erwägenswert, den Russen den Verzicht auf Kurland und Litauen dadurch schmackhaft zu machen, dass man sie als selbständige Staaten zu frisieren sucht, die (…) jedoch militärisch, politisch und wirtschaftlich an uns angeschlossen werden.1151

Am 9. Mai setzte Grünau das Auswärtige Amt davon in Kenntnis, dass Ludendorff an Prinz Leopold von Bayern, den Oberbefehlshaber Ost, telegrafierte: 1. Russischer Vorschlag, mit Stecklow (sic!) zu verhandeln, wird angenommen. (…) – 2. Als Verhandlungsort ist (…) Mitau oder ein (…) z­ wischen den Linien gelegener Ort vorzuschlagen. (…) – 3. (…) Leiter der Verhandlungen Oberst von Winterfeldt (…), Teilnehmer ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, sozialdemokratischer Abgeordneter David, ein noch zu bestimmender bürgerlicher Abgeordneter. (…) – 4. Grundlage der Verhandlungen bilden Richtlinien vom 29.4. (…) – 5. Ausserdem sollen erörtert werden: a) Regelung der Handelsbeziehungen; Lieferung von Brotgetreide an Deutschland für günstigen Preis; b) Regelung der Schadenersatzpflicht; c) Aufhebung der Konfiskation deutschen Privateigentums (…) und Schadenersatz; d) Entschädigung für Unterhalt der Kriegsgefangenen und Austausch, unter Berücksichtigung ihrer Notwendigkeit für die deutsche Arbeit bis zum allgemeinen Frieden; e) Austausch der Zivilgefangenen. (…) – 6. Der Verzicht auf Gebiete aus Litauen und Kurland ist den Russen 1150 Lersner an A. A. für Bethmann Hollweg, Tel. 687, 7. Mai 1917, SG 2 1966, 176 – 178 Dok. 107. 1151 Bethmann Hollweg an Grünau, Tel. 848, 7. Mai 1917, ebd. pp 179 Dok. 108.

Kontakte an der Ostfront – Waffenstillstand, Separatfrieden?

339

zu erleichtern: a) Durch Hinweis auf die (…) Forderung von Geldentschädigung für die über 1 Million (…) Kriegsgefangenen in unserer Hand; b) Durch Betonung unserer Absicht, die völkischen Ansprüche der Litauer und Kurländer (…) weitgehend zu achten. Litauen darf nicht geteilt werden. Die Bezeichnungen ‚Annexion‘ und ‚Grenzberichtigung‘ sind zu vermeiden. – 7. Die Frage einer allgemeinen Friedenskonferenz ist nicht zu erörtern. Deutschland und Russland werden allein schneller miteinander sich einigen.1152

Dem Kanzler übermittelte Ludendorff am 12. Mai jene Punkte, die der deutsche Vertreter als grundlegend für Verhandlungen über einen Waffenstillstand nennen solle. Bethmann Hollweg hieß sie noch am Abend ­dieses Tages gut, sie lauteten: 1. Nichteinmischung in russische Verhältnisse. – 2. Keine Kriegsentschädigung (…) nur Geldentschädigung für Unterhalt der (…) Kriegsgefangenen. Anschluss Litauens und Kurlands an Deutschland (…) Absicht, die völkischen Ansprüche der Litauer und Kurländer (…) weitgehend zu achten. (…) – 3. Austausch der Kriegsgefangenen unter Berücksichtigung ihrer Notwendigkeit für die deutsche Arbeit bis zum allgemeinen Frieden. Austausch der Zivilgefangenen. – 4. Selbständigkeit Polens unter Anlehnung an die Mittelmächte. Festlegung der Grenze ­zwischen Litauen und Polen nach den militärischen Notwendigkeiten. Bei Regelung der Ostgrenze Polens Rückgabe besetzten Gebietes an Russland. – 5. Räumung der Moldau, Ostgaliziens und Armeniens durch Russland. – 6. Anbietung unserer guten Dienste bei Regelung der Dardanellen- und anderen aussereuropäischen Fragen, falls Russland auf die Eroberung Konstantinopels verzichtet. – 7. Finanzielle Unterstützung des Aufbaues Russlands und enge wirtschaftliche Beziehung; (…) Lieferung von Brotgetreide und Petroleum an Deutschland für günstigen Preis. – 8. Die Rechtsverhältnisse der beiderseitigen Staatsangehörigen in den Hoheitsgebieten beider Parteien werden wiederhergestellt; (…). – 9. Das Deutsche Reich und seine Verbündeten sind jederzeit bereit, in Verhandlungen mit den Verbündeten Russlands einzutreten, wenn Russland die Vermittlung übernimmt. – 10. Falls die russischen Vertreter Besorgnis vor dem Eingreifen Japans gegen Russland äussern sollten: Zusicherung, dass Deutschland (…) Russland nicht in den Rücken fallen wird.1153

Unmittelbarer Anlass für die Formulierung dieser Punkte war eine am 11. Mai 1917 stattgefundene Kontaktaufnahme deutscher Offiziere mit General Abraham Michailowitsch Dragomirow, dem Oberkommandierenden der russischen Nordfront. Am folgenden Tag hatte der Oberbefehlshaber Ost an Dragomirow geschrieben:

1152 Grünau an A. A., Tel. 706, 9. Mai 1917, ebd. pp 187 – 188 Dok. 110. 1153 Ludendorff an Bethmann Hollweg, 12. Mai 1917, Pièce jointe zu: Leopold v. Bayern an Dragomirow, 3690/17, 12. Mai 1917, ebd. pp 192 – 193 Dok. 114.

340

Licht im Osten?

Es ist mir gemeldet worden, dass eine Abordnung von drei deutschen Offizieren, einer an der Front überbrachten Einladung Folge leistend, (…) von Euerer Exzellenz empfangen worden sind. Euere Exzellenz hätten diesen Offizieren die Erwartung geäussert, dass sie Vorschläge überbringen würden, auf welchem Wege einer Beendigung des Krieges näher getreten werden könne. – Die deutschen Offiziere (…) konnten schon wegen dieser k­ urzen Zeit nicht bevollmächtigte Überbringer von Vorschlägen sein, sondern hatten erwartet, dass ihnen Vorschläge von russischer Seite mitgegeben würden. – Wenn es aber der Wunsch Euerer Exzellenz ist, unsere Ansicht und unsere Bedingungen über die Möglichkeit einer, wenigstens vorläufigen, Beendigung der Feindseligkeiten entgegenzunehmen, so bin ich bereit, d ­ iesem Wunsche nachzukommen und einen von der Deutschen Obersten Heeresleitung beglaubigten und bevollmächtigten Offizier mit Begleiter zu entsenden. Dieser Offizier würde berechtigt sein, unsere Waffenstillstandsbedingungen (…) bekannt zu geben und über die Möglichkeit (…) eines Waffenstillstands zu verhandeln. – Um Missverständnissen vorzubeugen erlaube ich mir anknüpfend an Euerer Exzellenz Bemerkung über die Unmöglichkeit eines Sonderfriedens hervorzuheben, dass es sich jetzt nicht um Vorschläge zu einem Sonderfrieden handeln kann, sondern zunächst um die vorläufige Einstellung der Feindseligkeiten. Also um die Erfüllung eines Wunsches, der aus den Reihen der russischen Armee (…) an zahlreichen Stellen uns übermittelt worden ist und der vom deutschen Volke und seinen Verbündeten geteilt wird.1154

Sektionsrat Wiesner, der Leiter des Pressdepartments im Ministerium des Äußern, berichtete darüber „auf Grund soeben eingelangter telephonischer Mitteilung von der Operationsabteilung des Armee Oberkommandos“ am 13. Mai 1917 an Czernin: 1. Ein Abgesandter des deutschen Armee Oberkommandos wurde vom (…) General ­Dragomirow, in Dünaburg empfangen (…). Auf Befragen über seine Aufträge erklärte der Vertreter des deutschen Kommandos, er sei (…) angewiesen, eine Zusammenkunft von Vertretern (…) zur Einleitung von Waffenstillstandsverhandlungen zu vereinbaren (…). Bedingungen hiefür (…) sei er nicht ermächtigt bekanntzugeben. – General Dragomirow (…) erklärte, auf einen Sonderfrieden dürfe man deutscherseits nie rechnen; man sei enttäuscht, die Bedingungen der Deutschen nicht zu erfahren, etc. Eine Antwort auf die deutschen Vorschläge wurde in Aussicht gestellt. – 2. Von deutscher Seite wird verlangt, dass unsere Armee Erzherzog Josef nicht früher in Verhandlungen (…) eintrete, als bis die Entwicklung bei der Armee ­Dragomirow erkennbar werde. Das k. u. k. Armee Oberkommando hat dies abgelehnt und Erzherzog Josef beauftragt, Schritte einzuleiten, um sich mit dem gegenüberstehenden russischen Oberkommando in (…) Verbindung zu setzen. – 3. Von der deutschen Heeresleitung wurden Vorschläge für einen

1154 Leopold v. Bayern an Dragomirow, 3690/17, 12. Mai 1917, ebd. pp 192 – 193 Dok. 114.

Kontakte an der Ostfront – Waffenstillstand, Separatfrieden?

341

Waffenstillstand ausgearbeitet, ­welche vom Armee Oberkommando nur zum Teile akzeptiert werden. Der Text des (…) Vorschlages wird mir nächstens zugesendet (…).1155

Das AOK sah aber, wie General Arz am 16. Mai Czernin mitteilte, keine Veranlassung, auf einen baldigen Waffenstillstand hinzuarbeiten: „Die normale Frontpropaganda und Aufklärung russischer Deputationen wird ohne Rücksicht auf diese Verhandlungen fortgesetzt. (…) Die günstige Lage der Mittelmächte und die fortschreitende Zersetzung der russischen Armee gestatten es, daß wir Waffenstillstandsverhandlungen nicht zu forcieren brauchen.“ 1156 Den russischen Generalstabschef, General Michail Wassiljewitsch Alexejew, veranlasste das Gespräch mit Dragomirow zu einem am 15. Mai veröffentlichten Befehl in dem es hieß: Um verschiedenen Gerüchten und Vermutungen, die die Armee erregten, ein Ende zu machen (…), gestattete ich (…) das Verhör der Parlamentäre unter der Bedingung, daß es nicht geheim geführt würde. (…) Sie erwähnten verschiedene Male in äußerst widersprechenden und verschwommenen Ausdrücken, daß sie die Aufgabe hätten, auf dem Wege der Verhandlung mit Vertretern unserer Armee den Boden für Friedensverhandlungen z­ wischen den Regierungen vorzubereiten und dergleichen. (…) Auf diese Weise wurde es (…) klargestellt, daß die deutschen Offiziere absolut keine Vollmachten von ihren höchsten Vorgesetzten gehabt haben, und umso weniger von ihrer Regierung. (…) Alles Obengenannte berichte ich der Prov. Regierung und bestätige von neuem meinen Befehl Nr. 3292, in dem ich alle unerlaubten Verhandlungen mit den Gegnern als Verrat gekennzeichnet habe. Ich befehle, Parlamentäre nicht anzunehmen. (…) Unsere Sache ist (…) die Führung eines mitleidslosen Krieges mit dem Feinde (…).1157

Bald darauf, am 4. Juni, wurde Alexejew, der für eine neue Offensive eingetreten war, durch heftige Angriffe seitens des Petrograder Arbeiter- und Soldatenrates zum Rücktritt gezwungen.1158 Am 4. Juni bot der deutsche Oberbefehlshaber Ost der Provisorischen Regierung telegrafisch einen Waffenstillstand und Verhandlungen über einen Sonderfrieden an, eine offizielle Antwort erfolgte nicht. Der Petrograder Arbeiter- und Soldatenrat beschloss jedoch am 9. Juni einstimmig, das Telegramm zu veröffentlichen und zugleich einen Aufruf an das russische Heer zu richten, dessen wesentliche Passagen lauteten: 1155 1156 1157 1158

Wiesner an Czernin 13. Mai 1917, HHStA PA I, 1050 Krieg 66a o. Fz. Arz an Czernin, A. O. K. Op. Geh. 279/I, 16. Mai 1917, ebd. fol. 67. Befehl General Alexejews, 14. (?) Mai 1917, SSEG 1917/2 1920, 689 – 690. Ebd. p 698.

342

Licht im Osten?

Was bietet der General des Deutschen Kaisers dem revolutionären Heer des freien Rußland? Er behauptet, unserm Heer das zu bieten, wonach es strebt: den Weg zu einem ehrenvollen Frieden. (…) Aber für uns bedeutet ein ehrenvoller Friede ausschließlich einen Frieden ohne Annexionen und ohne Entschädigung. Was der General des Kaisers unter einem ehrenvollen Frieden versteht, davon spricht sein vielsagendes Schweigen. Der deutsche Oberstkommandierende sagt, daß er uns den Weg zur Beendigung der Kriegsoperationen zeigen will, ohne daß wir genötigt ­seien, das Verhältnis zu unseren Verbündeten zu brechen. So sagt er, da er weiß, daß ein (…) Angebot eines Sonderfriedens (…) von unserem revolutionären Heer mit Empörung abgeschlagen werden würde. (…) Indem die revolutionäre Demokratie Rußlands alle Provokationen von seiten der deutschen Generäle ignoriert, schreitet sie (…) ihrem Ziele entgegen, nämlich dem allgemeinen Frieden. Alle arbeitenden und unterdrückten Menschen werden aufgefordert, am Kampfe für einen allgemeinen Frieden teilzunehmen. (…) Rußland hat die Aufgabe übernommen, die Demokraten in allen kriegführenden Ländern zu vereinigen gegen einen weltbeherrschenden Imperialismus. Rußland wird diese Aufgabe nicht lösen können, wenn es sich von den deutschen Imperialisten dazu gebrauchen läßt, Zwiespalt z­ wischen Rußland und seinen Verbündeten zu schaffen (…). Auf die Provokationen des deutschen Generalstabes gibt es nur eine würdige Antwort, nämlich, daß wir uns enger um die Fahne der Revolution schließen und unsere Energie verdoppeln in der gemeinsamen Arbeit, Rußlands Kriegsmacht neu zu schaffen. Denkt daran, daß diese (…) nicht zu Eroberungen dienen soll, sondern zur Verteidigung der russischen Freiheit, zum Kampf für den allgemeinen Frieden.1159

Von ­diesem durch die Petrograder Telegrafenagentur verbreiteten Aufruf setzte Arz am 15. Juni Czernin in Kenntnis.1160 In Wien stand im Mittelpunkt des Bestrebens, wie Wedel am 23. Mai an Bethmann Hollweg berichtete, „ein Wiederaufleben des Kampfes mit Russland“ zu vermeiden.1161 Ein solches erschien jedoch angesichts der in Kreuznach festgehaltenen deutschen Aspirationen auf eine Angliederung Kurlands und Litauens sowie auf eine Anlehnung Polens ans Reich keineswegs ausgeschlossen. Czernins diesbezügliche Befürchtungen wurden verstärkt durch einen Bericht Hauptmann Moritz Fleischmanns von Theißruck, des Verbindungsoffiziers des AOK beim Oberbefehlshaber Ost. Wedel berichtete darüber am 8. Juni an Zimmermann: Gestern Abend bat mich Czernin zu sich und erzählte nicht ohne Erregung folgendes: Hauptmann Fleischmann (…) habe Seiner Majestät berichtet, die Stimmung in der russischen Armee 1159 Aufruf des Petrograder A.- u. S.-Rates, 9. Juni 1917, ebd. pp 698 – 699. 1160 Arz an Czernin, A. O. K. Op. Geh. 304/I, 15. Juni 1917, HHStA PA I, 1050 Krieg 66a fol. 16 – 17. 1161 Wedel an Bethmann Hollweg, Dep. 163, 23. Mai 1917, SG 2 1966, 212 – 213 Dok. 127.

Kontakte an der Ostfront – Waffenstillstand, Separatfrieden?

343

sei völlig umgeschlagen infolge unseres in ‚herausfordernder Tonart‘ gestellten Verlangens einer ‚Annexion‘ Kurlands und Lithauens.1162

Czernin brachte daher K ­ aiser Karl dazu, diese Sorge Wilhelm II . in einem Brief vor Augen zu führen. In ­diesem hieß es: Verschiedene mir (…) zukommende (…) Nachrichten lassen keinen Zweifel darüber übrig, dass Russland die Feindseligkeiten definitiv einstellen würde, wenn es die Gewissheit erhielte, dass auch Deutschland ebenso wie Österreich-Ungarn den status quo ante bellum akzeptiert. – Die Forderung Deiner Regierung nach bedeutenden Grenzerweiterungen (…) haben in Russland (…) leider die Kriegslust neu entfacht. (…) Ich weiss, dass Du ebenso wie ich ein Ende ­dieses unseligen Krieges wünschst und bin sicher, dass es auch Deinen Intentionen entsprechen würde, Russland um jeden Preis (Randbem. Ks. Wilhelms: ‚?‘) auszuschalten, weil uns damit der definitive Sieg garantiert wäre. Ich kann Dir leider nicht verhehlen, dass die Situation hier immer schwieriger wird und dass insbesondere die nichtdeutsche Majorität meines Reiches nicht mehr zu verstehen beginnt, warum wir den Krieg nicht beenden. Solange die Menschen glaubten, dass es ausserhalb unserer Macht läge, den Krieg zu beenden, ergaben sie sich in ­dieses Schicksal; es dämmert ihnen aber jetzt, dass die Möglichkeit, mit Russland zu Ende zu kommen, vorhanden war, und dass die Forderungen Deutschlands die Ausschaltung Russlands unmöglich gemacht haben. (…) – Nochmals appelliere ich an Dich (…) Deiner Regierung auftragen zu wollen, sie möge gemeinsam mit uns nach Petersburg den Vorschlag machen, auf Grund des status quo ante bellum (Ks. W.: ‚Thut es nicht.‘) Frieden zu schliessen. (…) – Der Friede mit Russland ist der Schlüssel der Situation. Mit ihm findet der Krieg ein rasches günstiges Ende. (Ks. W.: ‚Wenn wir nachgeben!‘).1163

Kaiser Wilhelm antwortete am 22. Juni: Aus meinen schriftlichen und mündlichen Äusserungen wirst Du ersehen haben, dass ich mich mit Dir in dem aufrichtigen Wunsch begegne, unseren Völkern und der Welt sobald als möglich den Frieden wiederzugeben. Auch teile ich Deine Ansicht, dass eine Verständigung mit Russland eine gewisse Aussicht bietet, zu d ­ iesem Zwecke zu gelangen. Im Sinne dieser übereinstimmenden Auffassung (…) bewegte sich insbesondere die Propagandatätigkeit an der Ostfront, die nach Massgabe (…) der z­ wischen unseren beiden Heeresleitungen vereinbarten Grundzüge betrieben worden ist. Als Richtlinie (…) wurde darin festgesetzt, dass für Österreich-Ungarn die Räumung Ostgaliziens und der Bukowina, für Deutschland eine 1162 Wedel an Zimmermann, 8. Juni 1917, Anm. 2 zu Ks. Karl an Wilhelm II., 7. Juni 1917, SG 2 1966, 224 – 225 Dok. 136. 1163 Ks. Karl an Wilhelm II., 7. Juni 1917, ebd.

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Licht im Osten?

Grenzberichtigung aus Litauen und Kurland als erstrebenswert anzusehen wäre. Die deutschen Wünsche (…) sind Dir ja bekannt. Für ihre Vertretung hat Deine Regierung uns ihre (…) Unterstützung zugesichert. Über das Ausmass der (…) Grenzberichtigungen ist in die (…) Richtlinien keine nähere Angabe aufgenommen worden (…) auch hat meine Regierung nach Russland keinerlei Forderung nach territorialen Konzessionen gelangen lassen. Unter diesen Umständen vermag ich mir nicht vorzustellen, auf ­welche Grundlage sich die Nachricht stützen könnte, dass deutsche Forderungen (…) eine Verständigung mit Russland vereitelt (…) hätten. (…) Unser Bestreben muss (…) dahin gehen, auf die breiten Massen zu wirken und sie von unserer Friedensbereitschaft zu überzeugen. – (…) Auf die herausfordernde Botschaft des Präsidenten Wilson an Russland ist auf Veranlassung meines Reichskanzlers – nach Benehmen mit dem Grafen Czernin – eine offiziöse Erwiderung in der ‚Norddeutschen Allgemeinen Zeitung‘ vom 16. d. M. veröffentlicht worden, in der die Frage unserer Kriegsziele im Sinne Deines Briefes klargestellt worden ist. Die Übereinstimmung unserer Auffassungen ist sodann durch die offiziösen Verlautbarungen in österreichischen Blättern festgestellt worden. Es wird sich (…) empfehlen, zunächst die Wirkung dieser Kundgebung abzuwarten. Jede weitere Betätigung unsererseits, die ein besonderes empressement gegenüber Russland erkennen liesse, würde ich zur Zeit für bedenklich halten.1164

Kaiser Wilhelm bezog sich in d ­ iesem Schreiben auf die Botschaft Präsident Wilsons die Botschafter David Francis am 25. bzw. 29. Mai der Provisorischen Regierung überreicht hatte. In dieser hieß es, Amerika suche „keinen sachlichen Gewinn oder eine Vergrößerung seines Gebietes (…), sondern (…) die Befreiung aller Völker von den Angriffen einer autokratischen Regierung“. Die herrschenden Klassen Deutschlands hätten ein gegen „den Frieden und die Freiheit der Welt“ gerichtetes Netz gesponnen: „Die Maschen d ­ ieses Netzes müssen zerrissen werden (… und) Maßnahmen dagegen getroffen werden, daß es jemals wieder gewebt oder ausgebessert wird.“ Auch dürfe der Krieg nicht im Status quo ante enden. 1164 Wilhelm II. an Ks. Karl, Schr. 420, 22. Juni 1917, ebd. pp 234 – 236 Dok. 143. – Meckling zitierte nicht den Text des Briefes Ks. Wilhelms, sondern einen Entwurf hiefür. In d ­ iesem heißt es nach der Erwähnung der in Kreuznach geäußerten „Wünsche bezüglich Kurlands und Litauens“, dass Deutschland „etwaige Friedensverhandlungen mit Rußland unbeschadet der notwendigen Grenzberichtigungen selbstverständlich nicht an Annexionswünschen scheitern lassen“ würde, eine Versicherung, die im Brieftext nicht enthalten ist. Dazu meinte Meckling, den Deutschen wäre es dadurch, dass „Czernin einerseits ständig Gespräche mit dem Gegner auf der Basis des status quo ante forderte, andererseits aber auch ein anderes, weit günstigeres Kriegsresultat in seine Bündnispolitik einkalkulierte“, möglich gewesen, „den einen Zug der Politik des Ballhausplatzes mit dem anderen fortzudiskutieren, indem sie lediglich die Stufenfolge der Czerninschen Überlegungen umkehrten“. Ks. Wilhelm habe so an erster Stelle die „Wünsche bezüglich Kurlands und Litauens“ erwähnen können und erst an zweiter Stelle das, was für Czernin von erst­rangiger Bedeutung gewesen sei, nämlich, den (etwaigen) Verzicht auf Annexionen. Meckling 1969, 246.

Kontakte an der Ostfront – Waffenstillstand, Separatfrieden?

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Dieser Status quo ante war es, von dem dieser schreckliche Krieg ausgegangen ist (…). Dieser Status muß in einer Art geändert werden, daß verhütet wird, daß so etwas Schreckliches je wieder entstehe. – Kein Volk darf unter eine Herrschaft gezwungen werden, unter der es nicht zu leben wünscht. – Kein Gebiet darf den Besitzer wechseln, außer (…) um denjenigen, die es bewohnen, eine gute Möglichkeit zum Leben und zur Freiheit zu sichern. (…) Wenn wir zusammen halten, ist der Sieg gewiß und die Freiheit, ­welche der Sieg sichern wird.1165

Die deutsche Regierung hatte darauf am 15. Juni in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung Stellung genommen: (…) Wenn Wilson soviel Wert darauf legt, daß das ganze menschliche Geschlecht wisse, für ­welche Zwecke Amerika den Krieg führt, wird er darauf dringen müssen, daß die Kriegsziele seiner Alliierten (…) aller Welt bekanntgemacht werden. Erst dann wird die Welt klar urteilen können, ob die friedlichen und freiheitlichen Ziele, die Wilson proklamiert, mit den Zielen der Entente noch vereinbar sind. Und dann wird das Kartenhaus von dem autokratischen intrigenhaften Deutschland zusammenbrechen. (…) – Das neue Rußland hat (…) die Formel des Friedens ohne Annexionen und Kriegskontributionen geprägt. Diese Formel bildet keinerlei Hinderungsgrund für einen Frieden z­ wischen Rußland und den verbündeten Mächten, die von Rußland nie Annexionen oder Kontributionen gefordert haben. Die Mittelmächte und ihre Verbündeten wollen (…) einen Zustand schaffen, der (…) ein friedliches, freundnachbarliches Nebeneinander (…) gewährleistet.1166

Czernin hatte am 15. Juni an ­Kaiser Karl telegrafiert: Graf Wedel war gestern spät abends noch bei mir, um mir im Auftrag des Reichskanzlers mitzuteilen, daß die deutsche Regierung nunmehr bereit sei, (…) zu erklären, daß sie keine Annexionen wünsche, falls wir hiemit einverstanden s­ eien. – Dies ist offenbar der Erfolg des Briefes Eurer Majestät an K ­ aiser Wilhelm. – Ich erwiderte mein volles Einverständnis und betonte, daß ich besonderen Wert darauf legen würde, daß endlich klar erklärt werde, daß Deutschland Rußland gegenüber den status quo ante bellum akzeptiert. – Letzteres, d. h. eine (…) klare diesbezügliche Erklärung scheint jedoch wieder vermieden zu werden.1167

Die russische Duma nahm am 17. Juni eine Resolution an, die „einen Sonderfrieden oder eine verlängerte Untätigkeit an der Front als Verrat gegenüber den Alliierten“ b­ ezeichnete 1165 Wilson an Prov. Regierung, (22. Mai) 1917, PRFR 1917 Suppl. 2/1 1932. 71 – 73, F-B M (12. Juni 1917), 4, s. Francis an Lansing, Tel. 1348, 31. Mai 1917, PRFR 1918 Russia 1 1931. 86. 1166 F-B M (16. Juni 1917), 2 – 3. 1167 Czernin an Walterskirchen für S. M., Tel. o. Z., 15. Juni 1917, HHStA PA I, 1092a 1 fol. 85.

346

Licht im Osten?

und eine „unverzügliche Offensive als für die Sicherheit und Aufrechterhaltung der gewonnenen Freiheiten notwendig“ forderte.1168 Minister Irakli Zereteli erklärte am folgenden Tag vor dem Allrussischen Kongress der Arbeiter- und Soldatendeputierten: Wir sind der Ansicht, daß das schlimmste Ergebnis unseres Ringens um den allgemeinen Frieden ein Sonderfrieden mit Deutschland wäre, da er die Errungenschaften der (…) Revolution vernichten würde. (…) Ein derartiger Friede würde Rußland in einen neuen Krieg auf Seite der germanischen Koalition hineinziehen.

Zereteli rechtfertigte sodann „die Regsamkeit“ des Kriegsministers Kerenski: „Wenn das Land der Bedrohung durch eine Offensive von außen ausgesetzt ist, ist es Pflicht der revolutionären Armee, ihrerseits zum Vorgehen bereit zu sein. Die Untätigkeit an unserer Front hat (…) zur Schwächung der Revolution geführt.“ Lenin bezeichnete in seiner Rede Kerenskis Aufruf zur Offensive „als Verrat an den Interessen des internationalen Sozialismus“. Kerenski entgegnete, „die von Lenin gepriesene Verbrüderung an der Front (sei) ein Heilmittel (…), das sich mit den Wünschen des deutschen Generalstabes decke“.1169 Nicht zuletzt auf diese Erklärung des Ministers hin wurde am 25. Juni die von Sozialrevolutionären und Menschewiki vorgeschlagene Entschließung gefasst: Der Kongreß (…) sieht, daß erstens die Beendigung des Krieges auf dem Wege der Niederlage eines der kriegführenden Teile den Ausgangspunkt neuer Kriege bilden und die Unstimmigkeiten z­ wischen den Völkern vergrößern (…) ihre volle Erschöpfung, Hungersnot und schließlich ihren Ruin herbeiführen wird, zweitens, daß ein Separatfrieden eine der kriegführenden Parteien stärken und ihr die Möglichkeit geben würde, einen (…) Sieg über die andere Partei davonzutragen, daß er weiters die (…) Bestrebungen der herrschenden Klassen fördern (…) und die internationale Einigung der Arbeiter verhindern würde. Infolge dessen weist der Kongreß jede Politik, die auf den Abschluß eines Separatfriedens oder (…) Sonderwaffenstillstandes (…) hinzielt, zurück. (…) Schließlich erklärt der Kongreß, daß, solange der Krieg nicht durch die Bemühungen der internationalen Demokratie beendigt werde, die russische revolutionäre Demokratie auf jede Weise zur Stärkung der Kampffähigkeit unserer Armee (…) beitragen müsse (…), daß die Frage der Offensive ausschließlich aus dem Gesichtspunkte rein militärischer und strategischer Erwägungen zu lösen sei.1170

Durch diese Entwicklung und die massive Unterstützung von Seiten ihrer Verbündeten fühlte sich die Provisorische Regierung stark genug, den Befehl zu der seit längerem 1168 F-B M (19. Juni 1917), 3, SSEG 1917/2 1920, 705. 1169 SSEG 1917/2 1920, 702. 1170 F-B M (28. Juni 1917), 5 – 6, in anderer Übers.: SSEG 1917/2 1920, 704 – 705.

Die Angelegenheit Grimm

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v­ orbereiteten „Kerenski-Offensive“ zu geben, die am 1. Juli 1917 einsetzte, womit die Bemühungen um einen Sonderfrieden oder zumindest einen Waffenstillstand gescheitert waren.

3.4

Die Angelegenheit Grimm

Um mit der russischen Provisorischen Regierung ins Gespräch zu kommen, wurde von deutscher Seite auch der Versuch unternommen, hiezu einen Aufenthalt des schweizerischen sozialdemokratischen Nationalrates und Sekretärs der Internationalen Sozialistischen Kommission (I. S. K.) Robert Grimm in Petersburg zu benützen. Grimm, der eine wesentliche Rolle bei der Anbahnung der Heimkehr Lenins und anderer Emigranten aus der Schweiz über Deutschland und Schweden nach Russland gespielt hatte, war vom Zürcher russischen Emigrantenkomitee und der I. S. K. beauftragt worden, „sich nach Stockholm zu begeben und von dort aus mit der russischen Regierung in Verbindung zu treten, um einen Austausch ­zwischen russischen politischen Flüchtlingen und deutschen Zivilinternierten einzuleiten“.1171 Um nach Stockholm gelangen zu können, wo die vom Internationalen Sozialistischen Bureau einberufene Friedenskonferenz stattfinden sollte, war Grimm an Bundesrat Arthur Hoffmann, den Chef des Eidgenössischen Politischen Departements, mit der Bitte herangetreten, sich für eine Reiseerlaubnis durch Deutschland einzusetzen. Hoffmann sagte zu und wandte sich an den Gesandten Romberg, welchem er in Zusammenhang mit der Heimkehr russischer Emigranten schon des Öfteren über mit Grimm geführte Gespräche berichtet hatte.1172 Romberg depeschierte daraufhin am 14. April 1917 an das Auswärtige Amt: Der sozialistische Nationalrat Grimm hat Bundesrat Hoffmanns Vermittlung erbeten, um ihm Erlaubnis Hin- und Rückreise Stockholm zu erwirken, von wo er eventuell Petersburg gehen würde. Er glaube, seine Anwesenheit sei notwendig, um friedensschädliche Aktion Brantings zu bekämpfen.1173 Die Gelegenheit zu Sonderfrieden mit Russland müsse unbedingt ausgenützt werden; dann werde allgemeiner Friede folgen.1174 1171 Balabanoff 1928, 56. 1172 Romberg an A. A., Tel. 554, 29. März 1917, Hahlweg 1957, 67 – 68 Dok. 23, Romberg an A. A., Tel. 568, 31. März 1917, Hahlweg 1957, 74 Dok. 28 (ins Engl. übers.: Zeman 1958, 29 Dok. 20), idem: SG 2 1966, 71 Dok. 41, Romberg an A. A., Tel. 607, 5. Apr. 1917, Hahlweg 1957, 80 Dok. 36. 1173 Karl Hjalmar Branting, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Schwedens, suchte, „gesinnungsmäßig auf Seiten der Entente stehend“, als Vorsitzender der Stockholmer Konferenz z­ wischen den Lagern zu vermitteln. Hahlweg 1957, 51. 1174 Romberg an A. A., Tel. 663, 14. Apr. 1917, Hahlweg 1957, 51 – 54 Dok. 10 (ins Engl. übers.: Zeman 1958, 46 – 48 Dok. 46), idem: SG 2 1966, 101 – 103 Dok. 67, Lademacher 1 1967, 575 – 576.

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Licht im Osten?

Hoffmann sei, „obwohl persönlicher Gegner Grimms (…) geneigt, Genehmigung zu befürworten“, er halte ihn „in punkto Friedensbestrebungen für durchaus ehrlich“. Grimm habe Romberg sein (…) Anliegen persönlich vorgetragen (…). – Er möchte in Petersburg: – 1. Erreichen, dass russischen Emigranten in Schweiz (…) die Erlaubnis zur Rückkehr über Deutschland offiziell oder wenigstens vom Komitee 1175 erteilt werde. (…) – 2. Will er wegen Friedensmöglichkeit sondieren und uns gegebenenfalls durch schweizerische Gesandtschaft in Petersburg seine Eindrücke mitteilen. Es müsse schnell gehandelt werden und zwar sollte (…) gemässigten (…) Mitgliedern der deutschen Arbeitsgemeinschaft wie Kautsky, Mehring, Haase 1176 Erlaubnis gegeben werden, mit Russen in Stockholm zu sprechen.1177

Dem hatte Romberg hinzugefügt: Hoffmann wie Präsident Schulthess scheinen besonders unter Eindruck amerikanischer Kriegserklärung nervös und besorgt, dass Gelegenheit, mit Russen zum Frieden zu gelangen, ungenützt bleiben könnte, deuten an, ob wir uns nicht unter Verzicht auf Annexionen im Osten und mit Schaffen von Grenzländern mit garantierter Autonomie begnügen könnten. (Er glaube) unter diesen Umständen Genehmigung wie Reise Grimms angelegentlich befürworten zu sollen (…). Nachdem Grimm für uns wertvolle Reise Lenins und Genossen durchgesetzt, wäre es nicht verständlich, wenn man ihn an Reise verhindern wollte. (…) Sicher ist, dass russische Revolutionäre auf (…) Grimm mehr hören werden, wie auf deutsche Sozialisten (…).1178

Zimmermann hatte tags darauf geantwortet: „Der Durchreise Grimms auf Hin- und Rückfahrt steht nichts im Wege.“ 1179 An der Erlaubnis änderte sich auch nichts, als ­Zimmermann nach Bern telegrafierte, Scheidemann und Ebert warnten vor Grimm, er neige der Entente zu.1180 Darauf antwortete Romberg: 1175 Dem Exekutivkomittee des Rates der Arbeiter- und Soldatendeputierten. 1176 Zur Sozialistischen Arbeitsgemeinschaft fanden sich jene SPD-Abgeordneten zusammen, die sich am 21. Dez. 1915 geweigert hatten, weiteren Kriegskrediten zuzustimmen und nach der Anti-Kriegsrede Hugo Haases im RT am 24. März 1916 aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen worden waren. Aus der SAG, deren Vorsitzender Haase war, ging im April 1917 die USPD hervor. 1177 Romberg an A. A., Tel. 663, 14. Apr. 1917, Hahlweg 1957, 51 – 54 Dok. 10 (ins Engl. übers.: Zeman 1958, 46 – 48 Dok. 46), idem: SG 2 1966, 101 – 103 Dok. 67, Lademacher 1 1967, 575 – 576. 1178 Ebd. 1179 Zimmermann an Romberg, Tel. 428, 15. Apr. 1917, Hahlweg 1957, 54 – 55 Dok. 11 (ins Engl. übers.: Zeman 1958, 48 Dok. 47), idem: Lademacher 1 1967, 577. 1180 Zimmermann an Romberg, Tel. 429, 16. Apr. 1917, Zeman 1958, 49 Dok. 48 (ins Engl. übers.), von Hahlweg 1957, 56 Dok. 13 Anm. 67 erwähnt unter dem falschen Datum „14. 4. 1917“.

Die Angelegenheit Grimm

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Auftrag war schon ausgeführt. Bleibe ebenso wie (…) Hoffmann der Ansicht, daß Entscheidung richtig war, um so mehr als Fürst Lwoff dem schweizerischen Gesandten äußerte, die Abreise der Emigranten aus der Schweiz sei ihm äußerst unbequem. Daß sie möglich wurde, ist Grimms Verdienst. (…) Mir sagte er heute, Entente verbreite, wir wollten russischen Sonder­ frieden, um uns auf Frankreich zu stürzen; er sei bemüht, der Auffassung entgegenzutreten. (…) Grimm kann (…) schwerlich in Rußland andere Politik verfolgen wie (…) Lenin, d. h. Fortführung der Revolution (und) auch gegen jetzige Regierung Frieden zu erzwingen. – (…) Meines Erachtens kommt es jetzt darauf an, (…) russische Revolution zu schüren und dafür Mitarbeit selbst eines Grimm nicht zu verschmähen (…). – Da er (…) fragte, was er nach Rußland mitbringen könne, bitte Ermächtigung ihm zu sagen, wir ständen auf Boden heutiger deutsch-österreichischer Friedenskundgebung.1181

Mit dem letzten Satz bezog sich Romberg auf die deutsche und die österreichisch-ungarische Stellungnahme vom 15. bzw. 14. April zum Manifest der Provisorischen Regierung vom 9. April 1917. Der Geschäftsträger der russischen Gesandtschaft in Bern telegrafierte in dieser Sache am 17. April an das Außenministerium in Petrograd: Das Züricher Emigrantenkomitee teilte der Gesandtschaft mit, daß Grimm beauftragt worden sei, mit (…) Kerenski wegen der Rückreise der russischen Emigranten über Deutschland zu verhandeln. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß dies nur ein Vorwand ist. Grimm hat den lebhaftesten Anteil an den Verhandlungen mit den deutschen Sozialisten genommen, worauf die deutsche Regierung einer Gruppe russischer Pazifisten die Durchreise gestattete (…). Es hält sich hartnäckig das Gerücht, Grimm hätte den schweizerischen Minister des Äußeren um seine Unterstützung bei den Verhandlungen mit den Deutschen ersucht.1182

Der Gesandte Musulin meldete am 20. April nach Wien: Nationalrat Grimm, (…) ist nun auch nach Petersburg gereist. Da er als höchst unparteiisch gilt, wird diese Entsendung kaum von allen Freunden unserer Sache goutiert, man tröstet sich aber damit, daß er mit Rücksicht auf die notwendige Rückreise durch Deutschland keine Seitensprünge machen werde.1183

1181 Romberg an A. A., Tel. 672, 16. Apr. 1917, Hahlweg 1957, 55 – 56 Dok. 13 (ins Engl. übers.: Zeman 1958, 49 – 50 Dok. 49), Lademacher 1 1967, 578. 1182 Russ. Geschäftsträger an A. A. Petrograd, Tel. 239, 17. Apr. 1917, Dok. russ. Geh.-Arch. 1918, 279. 1183 Musulin an M. d. Ä., Tel. 328, 20. Apr. 1917, HHStA PA I, 959 Krieg 25z fol. 34.

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Licht im Osten?

Am 18. Mai meldete der von Czernin zur Beobachtung der Stockholmer Konferenz der dortigen Gesandtschaft zugeteilte Emil Prinz Fürstenberg nach Wien: „Delegation deutscher sozialistischer Partei Oesterreichs, aus Renner, Seitz, Ellenbogen, Hartmann und Hueber bestehend, heute morgens hier eingetroffen.“ 1184 Das Eintreffen der ungarischen Delegierten meldete er am 24. sowie auch das von Victor Adler einen Tag s­ päter.1185 Am 21. Mai berichtete er: Robert Grimm (…) übernahm vor etwa Monatsfrist die Aufgabe, sich nach Petrograd zu begeben, um dort den Austausch von 250 in der Schweiz befindlichen russischen Emigranten gegen eine ­gleiche Anzahl deutscher in Russland zurückgehaltener Zivilgefangener zu negotiieren. Miljukoff wusste jedoch die Einreise Grimms (…) zu verhindern (…). – Neben seiner offiziellen (… war) Grimm noch mit einer geheimen Mission betraut (…). Er sollte in Petrograd eine (…) Agitation gegen den Imperialismus der Westmächte in Szene setzen und eine Annäherung der dortigen radikalen Sozialisten mit den ihnen gleichgesinnten (…) in Deutschland herbeizuführen trachten. (…) – Dagegen entschloss sich Robert Grimm (…) dazu, eine allgemeine Konferenz (…)einzuberufen.1186 (…) – Die Einladung wurde angenommen von den extremen sozialistischen Parteien Rumäniens, Bulgariens, Schwedens und der Schweiz (…). Die russischen radikalen Fraktionen scheinen außer Lenin nicht geneigt zu sein, sich (… damit) zu identifizieren. (…) – Angesichts d ­ ieses mehr als mageren Resultats der Grimm’schen Aktion kann dieselbe als gescheitert betrachtet werden.1187

Oscar Bam, ein Informant Czernins, berichtete dagegen am 25. Mai aus Stockholm: „Grimm weilt seit zwei Tagen in Petersburg, wo er diesbezüglich mit den russischen Sozialisten verhandelt.“ 1188 Angelica Balabanoff zufolge (sie war Mitglied der I. S. K.) begleitete Grimm die zweite Gruppe der zurückkehrenden Emigranten von Stockholm zur russischen Grenze. In ­Petrograd habe er auf dem Kongress der Menschewiki am 23. Mai referiert und sei dabei für einen sofortigen Waffenstillstand eingetreten. Am 9. Juni sei „in Petrograder vertrauten Kreisen“ das Gerücht umgegangen, „Grimm habe von der deutschen Regierung durch die schweizerische Gesandtschaft telegraphisch Friedensvorschläge zur Übermittlung an die russische Regierung erhalten“. Eine Aufforderung der sozialistischen Minister, eine Erklärung zu unterzeichnen, wonach er „das Gerücht als Provokation der 1184 Hadik (Fürstenberg) an M. d. Ä., Tel. 254, 18. Mai 1917, ebd. fol. 214. 1185 Hadik (Fürstenberg) an M. d. Ä., Tel. 282, 24. Mai bzw. Tel. 285, 25. Mai 1917, HHStA PA I, 958 Krieg 25z fol. 12 bzw. 11. 1186 Sie fand schließlich vom 5. – 12. Sept. 1917 statt. (Lademacher 1 1967, 456 – 482). 1187 Fürstenberg an Czernin, Ber. 37/P. C., 21. Mai 1917, HHStA PA I, 959 Krieg 25z fol. 247 – 249v, 259. 1188 Oscar Bam an M. d. Ä., Ber. 25. Mai 1917, HHStA PA I, 959 Krieg 25z fol. 291 – 301.

Die Angelegenheit Grimm

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deutschen Regierung und als Neutralitätsbruch von Seiten der schweizerischen Regierung betrachte“, habe er abgelehnt, er wisse nichts von dem Telegramm. Daraufhin sei er ausgewiesen worden.1189 Grimm hatte, um für seine Gespräche Konkretes über die Kriegsziele der beiden Mächtegruppen zu erfahren, den schweizerischen Gesandten in Petrograd, Édouard Odier, am 25. Mai gebeten, Hoffmann folgendes Telegramm zu übermitteln: Friedensbedürfnis ist allgemein vorhanden. Ein Friedensschluss ist in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht zwingende Notwendigkeit. Diese Erkenntnis ist an massgebender Stelle vorhanden. Hemmungen bereitet Frankreich, Hindernisse England. Die Verhandlungen schweben gegenwärtig und die Aussichten sind günstig. (…) Die einzig mögliche und gefährlichste Störung aller Verhandlungen könnte nur durch eine deutsche Offensive im Osten erfolgen. (…) Eine vom Arbeiterrat einberufene internationale Konferenz ist ein Teil der Friedenspolitik der neuen Regierung. Das Zustandekommen dieser Konferenz gilt als sicher, sofern die Regierungen keine Passschwierigkeiten machen. (…) Unterrichten Sie mich, wenn möglich, über die Ihnen bekannten Kriegsziele der Regierungen, da die Verhandlungen dadurch erleichtert würden. Ich halte mich noch zirka 10 Tage in Petrograd auf.1190

Hoffmann setzte von Grimms Anfrage umgehend den ­Ersten Sekretär der deutschen Gesandtschaft in Bern, Dietrich Bethmann Hollweg, in Kenntnis, der den Inhalt des ihm vorgelesenen Telegramms am 29. Mai Zimmermann mitteilte. Hoffmann habe ihn ersucht, „ihm betr. Kriegsziele etwas an die Hand zu geben, was er Grimm telegraphieren könne. Er halte es für nützlich den durch Grimm zu den massgebenden Persönlichkeiten in Petersburg angeknüpften Faden weiterzuspinnen.“ Eine Offensive betreffend habe er Hoffmann gesagt, er glaube „ihm versichern zu können, dass wir an eine s­ olche nicht dächten“.1191 Tags darauf berichtete Romberg nach Berlin: Hoffmann sagte mir, er habe doch grosse Bedenken, Grimm positive Angaben über unsere Kriegsziele zu machen, da sich Grimm sonst die Rolle eines offiziösen Vermittlers anmassen könnte (…). Er würde dagegen empfehlen, Grimm einige allgemeine Gesichtspunkte anzugeben, die er zur Stärkung der Friedenspartei in Russland verwenden könnte.1192

1189 Balabanoff 1928, 58 – 60. 1190 Odier an Div. des Affaires étrangères du Dépt. politique, Tel. 80, 26./27. Mai 1917, DDS 6. 1981, 560 Dok. 313. 1191 Dietrich Bethmann Hollweg an A. A., Tel. 938, 29. Mai 1917, SG 2 1966, 216 – 217 Dok. 130. 1192 Romberg an A. A., Tel. 956, 30. Mai 1917, ebd. pp 221 – 222 Dok. 133.

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Licht im Osten?

Zimmermann antwortete am 31. Mai, der Gesandte solle Hoffmann streng vertraulich (…) folgende allgemeine Gesichtspunkte unseres Friedensprogrammes gegenüber Russland mit dem Anheimstellen geeigneter (…) Verwertung bei Nationalrat Grimm mitteilen (…). Vielleicht empfiehlt es sich, dass H. sich dabei nicht auf offizielle Äusserung der Kaiserlichen Regierung sondern auf unbedingt zuverlässigen Eindruck beruft den er aus zahlreichen Unterhaltungen massgebenden deutschen Persönlichkeiten gewonnen habe. – Wir wollen uns (…) mit nachstehenden Bedingungen begnügen: – 1. Für beide Teile ehrenvoller Friede als Grundlage eines dauernden Freundschafts-Verhältnisses (…). Finanzielle Unterstützung Russlands bei seinem Wiederaufbau; enge wirtschaftliche und Handelsbeziehungen. – 2. Nichteinmischung in Russlands innere Verhältnisse. – 3. Freundschaftliche Verständigung über Polen, Litauen, Kurland und Berücksichtigung der völkischen Eigenart, Sprache, Kultur und Religion ihrer Bewohner. Bei Regelung der Ostgrenze Polens, Rückgabe besetzten Gebietes an Russland, das seinerseits den Bundesgenossen Deutschlands besetztes Gebiet zurückgibt. – 4. Keine Festsetzung Englands in Ösel, Dagö, Livland oder anderen Punkten Russlands. – 5. Möglichst baldiger Austausch der Kriegsgefangenen. (…) – 6. Austausch der Zivilgefangenen. Freie Rückkehr der vertriebenen Russen deutscher Abstammung. – 7. Rechtsverhältnisse beiderseitiger Staatsangehöriger werden wiederhergestellt. (…) – 8. Wir und unsere Verbündeten sind jederzeit bereit, mit Russlands Bundesgenossen (…) in Verhandlungen einzutreten. – 9. Um die Ausarbeitung der Friedensbedingungen (…) zu ermöglichen sofortiger Waffenstillstand. – Wir werden keine Offensive unternehmen solange gütliche Einigung mit Russland möglich erscheint.1193

Der Inhalt dieser Nachricht, der im Wesentlichen den am 12. Mai von Ludendorff dem Kanzler übermittelten, bei Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu nennenden Bedingungen entsprach, wurde Hoffmann offenbar unverzüglich zur Kenntnis gebracht, denn Dietrich Bethmann Hollweg berichtete am 2. Juni nach Berlin: „Hoffmann will Gesichtspunkte unseres Friedensprogramms (…) als allgemeinen Eindruck seiner Konversationen weitergeben, um Anschein Auftrags zu vermeiden.“ 1194 Die am 3. Juni schließlich an die Gesandtschaft in Petersburg gesandte Depesche lautete: Bundesrat Hoffmann ermächtigt Sie, Grimm folgende mündliche Mitteilungen zu machen: Es wird von Deutschland keine Offensive unternommen werden, so lange mit Rußland gütliche Einigung möglich scheint. Aus wiederholten Besprechungen mit prominenten Persönlichkeiten habe ich die Überzeugung, daß Deutschland mit Rußland beiderseits ehrenvollen Frieden anstrebt mit künftigen engen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen und finanzieller 1193 Zimmermann an Romberg, Tel. 641, 31. Mai 1917, ebd. pp 222 – 223 Dok. 134. 1194 Anm. 2 zu Romberg an A. A., Tel. 956, 30. Mai 1917, ebd. p 222 Dok. 133.

Die Angelegenheit Grimm

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Unterstützung für Wiederaufbau Rußlands. Nichteinmischung in Rußlands innere Verhältnisse, freundschaftliche Verständigung über Polen, Litauen, Kurland unter Berücksichtigung ihrer Völkereigenart. Rückgabe besetzten Gebietes gegen Rückgabe von Rußland besetzten Gebietes an Österreich. Bin überzeugt, daß Deutschland und seine Verbündeten auf den Wunsch von Rußlands Verbündeten sofort in Friedensverhandlungen eintreten würden. – (…) Deutschland wolle keine Gebietserweiterungen zum Zwecke der Vergrößerung sowie der politischen und wirtschaftlichen Machterweiterung.1195

Die Nachricht wurde Grimm mündlich mitgeteilt.1196 Fürstenberg meldete am 19. Juni in dieser Sache nach Wien: Nach Angabe eines Mitglieds holländisch-skandinavischen Komitees ist der Text des an schweizer Vertreter in Petersburg gerichteten Zifferntelegramms, welches für Grimm bestimmt, deutsche Friedensbedingungen enthielt, in die Hände Sir Buchanans 1197 gelangt, der denselben unverzüglich russischer Regierung mitteilte, worauf Arbeiter- und Soldatenrat sich für Ausweisung Grimms entschieden. – (…) Kompromittierung Grimms in Augen aller seiner Gesinnungsgenossen (…).1198

Eine am 20. Juni 1917 in den Wiener Zeitungen enthaltene Meldung hellte das Dunkel um die „schweizerische Friedensvermittlung“ etwas auf. In ihr hieß es: Das Reutersche Bureau sowohl wie eine Petersburger Telegraphen-Agentur bringen eine Mitteilung betreffend die Uebermittlung des Angebotes eines deutschen Friedens in Petersburg (…) vermittels des (…) Nationalrats Robert Grimm (…). – (…) Am 27. Mai 1917 hatte (…) Grimm die schweizerische Gesandtschaft in Petersburg (…) ersucht, dem Bundesrat ­Hoffmann ein Telegramm zu übermitteln, in welchem er (…) ausführte, das Friedensbedürfnis sei allgemein vorhanden, ein Friedensschluß (…) in politischer, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht eine zwingende Notwendigkeit, die Erkenntnis hievon sei an maßgebender Stelle vorhanden. Die einzig mögliche und gefährlichste Störung aller Verhandlungen könnte durch eine deutsche Offensive im Osten erfolgen (…). Daran wurde die Bitte geknüpft, (…) Hoffmann möchte über die ihm bekannten Kriegsziele der Regierungen Nationalrat Grimm unterrichten, da die Verhandlungen dadurch erleichtert würden. – Am 3. Juni 1917 ist folgendes chiffriertes 1195 Div. des Affaires étrangères du Dépt. politique an Gesandtschaft Pétrograd, Tel. 90, 3. Juni 1917, DDS 6. 1981, 563 Dok. 316. 1196 Schweizerischer Bundesrat, VIII. Neutralitätsbericht (…) 10. Sept. 1917, Ruchti 1 1928, 231 – 232, Bericht der zur Untersuchung der Angelegenheit Grimm eingesetzten Kommission an Geschäftsleitung und Parteivorstand (der SPS) 28. Aug. 1917, Platten 1985, 98 Anh. 1197 Sir George Buchanan, britischer Botschafter in Petersburg. 1198 Hadik (Fürstenberg) an M. d. Ä., Tel. 354, 19. Juni 1917, HHStA PA I, 959 Krieg 25z fol. 238 – 238v.

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Licht im Osten?

­Antworttelegramm an die Schweizer Gesandtschaft in Petersburg abgegangen (…) – Dieses Telegramm ist von unbefugter Seite entziffert und in der Zeitung ‚Socialdemokraten‘, dem Organ Brantings, in Stockholm veröffentlicht worden. – Dieser Schritt ist von (…) Hoffmann ohne jede Beeinflussung im Interesse der Förderung eines baldigen Friedens und damit im eigenen Landesinteresse unternommen worden.1199

Am selben Tag berichteten die Wiener Blätter auch vom Rücktritt Hoffmanns als Bundes­rat. Der Gesandte Musulin bedauerte in einer Depesche vom 19. Juni an ­Czernin ­Hoffmanns Rücktritt. Dieser sei die „einflußreichste und bestgesinnte Stütze unserer hiesigen Bestrebungen“ gewesen. Es werde deshalb notwendig sein, (…) unsere hiesige informatorisch-publizistische Tätigkeit zu cordinieren (sic!). Dies gilt insbesondere auch für die durch den k. u. k. Militärattaché vermittelte Tätigkeit des Armeeoberkommandos. – (…) Verkehr (…) wird noch mehr als bisher überwacht werden und die Entente (…) sich durch die erfolgte Belastung unseres Kontos zu Aktionen ermutigt fühlen, die sie sonst nicht gewagt hätte.1200

Czernin wies daraufhin den Vertreter des Ministeriums beim AOK Legationsrat Storck an, den Generalstabschef und die Nachrichtenabteilung von Musulins Telegramm zu informieren und darauf hinzuweisen, „daß es wenigstens für die nächste Zeit (…) dringend nötig erscheint, bei Ausübung des (…) Kundschafterdienstes in der Schweiz die weitgehendste Vorsicht zu beobachten (…)“.1201 Eine entsprechende Warnung ließ ­Czernin am 25. Juni Botschafter Wedel zusammen mit „Confidentennachrichten“ zugehen, „welche ein Licht auf die Sympathien und Antezedentien des Haupt-Akteurs bei dem so bedauerlichen Zwischenfalle werfen, dem Bundesrat Hoffmann zum Opfer gefallen ist“. In diesen hieß es: Grimm (…) galt überall als ein mit seinen Sympathien auf der uns feindlichen Seite stehender Politiker, der stets die landläufigen Phrasen von der notwendigen Niederwerfung des preußischen Militarismus, dem Kampfe für Freiheit und Gerechtigkeit u. s. w. im Munde führt. (…) Nach solchen Antezedentien rief es (…) lebhaftes Erstaunen hervor (…), daß ebendieser Mann im Einvernehmen mit der schweizerischen und deutschen Regierung sich nach Petersburg begebe, um als Friedensapostel zu wirken. (…) – Wenn man bedenkt, daß (…) Hoffmann wegen seiner Sympathien für die Zentralmächte der Entente stets ein Dorn im Auge war, (…) so liegt (…) der begründete Verdacht nahe, daß Grimm als ‚agent provocateur‘ handelte, als er 1199 A-Z M (20. Juni 1917), 3, F-B M (20. Juni 1917), 3, NFP M (20. Juni 1917), 2 – 3. 1200 Musulin an Czernin, Tel. 563, 19. Juni 1917, HHStA PA I, 1067 fol. 117. 1201 Czernin an Storck, Tel. 111, 20. Juni 1917, ebd. fol. 118.

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an Hoffmann die Frage nach den Kriegszielen der deutschen Regierung richtete. – Der Wunsch, den Frieden zu fördern, ließ den sonst umsichtigen (…) Hoffmann nach Rücksprache mit den maßgebenden deutschen Persönlichkeiten in die Falle gehen.1202

Ende Juni 1917 setzte die Sozialdemokratische Partei der Schweiz eine Untersuchungskommission ein und gab Grimm die Gelegenheit, dem Nachfolger Hoffmanns als Vorsteher des Politischen Departements, Gustave Ador, Hoffmann selbst sowie dem zur Berichterstattung einberufenen Gesandten Odier die Geschehnisse darzustellen. Am 15. Juli überreichte Grimm Ador einen schriftlichen Bericht: Am Politischen Departement sei ihm, als er sich dorthin mit der Bitte wandte, für ihn um eine Reise­ bewilligung durch Deutschland nach Schweden nachzusuchen, gesagt worden, er solle sich direkt mit der deutschen Gesandtschaft in Verbindung setzen. Diese habe ihm die Bewilligung erteilt, und die dort erfolgten Gespräche hätten sich ausschliesslich auf die „erforderlichen Formalitäten sowie auf die Bedingungen eines allfälligen Austausches von russischen Emigranten gegen deutsche Internierte“ bezogen. Vor der Abreise habe er „auf dem politischen und Handelsdepartement vorgesprochen“ und gefragt, „ob in dem Falle, dass mir im Auslande Reiseschwierigkeiten gemacht werden oder irgendwelche Informationen aus der Schweiz mir nötig sein sollten, es gestattet sei, mich an die betreffende Gesandtschaft zu wenden“. Dies sei „mit dürren Worten bejaht“ worden, „von irgendwelchen Abmachungen, Verabredungen, Aufträgen“ sei keine Rede gewesen. In Stockholm bemühte ich mich um die Reisebewilligung für Russland. Sie wurde mir versagt, nachdem man mich volle vier Wochen hingehalten hatte. Dann traf (…) ein zweiter Emigrantenzug aus der Schweiz ein. Man bat mich, die Heimkehrenden zu begleiten und gleichzeitig machte ich (…) diesmal erfolgreiche Anstrengungen (…) für die Erlangung der Einreise­ bewilligung. Unser Zug fuhr am 18. Mai in Stockholm weg und am 22. Mai erreichten wir die russische Landeshauptstadt.1203

Er, Grimm, habe seine Anfrage an das Politische Departement formuliert, wo „die Kenntnis vorhandener Absichten (…) vermutet werden konnte (…) Dass ich meiner Bitte um Mitteilung der in Bern bekannten Kriegsziele der Regierungen eine kurze Wiedergabe meiner Eindrücke vorausschickte, war zur Begründung meines Gesuches notwendig.“ 1204 Die Antwort Hoffmanns sei „der Entente in die Hände gefallen“. Er sei überzeugt, dass die Entente vorhatte, „den Inhalt der Depesche (…) zu benützen (…) um unsere 1202 Czernin an Wedel, Privatschr. 25. Juni 1917 (1 Beil.), HHStA PA III, 175 Varia 1917 fol. 42 – 44. 1203 Grimm an Ador 15. Juli 1917, Lademacher 1 1967, 629 – 638. 1204 Ebd.

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immer stärker werdende Friedensaktion zu treffen, die Stimmung für die (…) geforderte Offensive zu schüren und der ententephilen Agitation in der Schweiz (…) Nährstoff zu bieten (…)“.1205 Deshalb sei einem Teil der Entente-Presse das „Versehen“ passiert, jene Stelle der Depesche Hoffmanns, die von allgemeinen Friedensverhandlungen sprach, glatt zu unterschlagen. Er, Grimm, habe vor allem getrachtet, durch keine Aussage „die Möglichkeit zu geben, dass daraus die Authentizität des Telegramms nachgewiesen werde und die Urheber der Dechiffrierung (…) der Mühe enthoben s­ eien einzugestehen, auf ­welche Weise sie in den Besitz der Depesche gelangten“.1206 Grimm schloss: „Ich habe keinerlei Schritte getan, die mit der Neutralität des Landes irgendwie im Widerspruch standen, keine Mittel angewendet, die unstatthaft sind (…).“ 1207 Die von der SPS eingesetzte Kommission kam zu folgenden Schlussfolgerungen: 1. Der gegen Genossen Grimm geäußerte Verdacht, daß er im Interesse des deutschen Imperialismus oder gar als Agent Deutschlands seinen Schritt unternommen habe, hat nicht die geringste Bestätigung erhalten. (…) – 2. (…) Grimm stand (…) unter dem Eindruck, daß im Falle der Fortsetzung des Krieges die Errungenschaften der Revolution gefährdet s­ eien. Deshalb hat er (…) die Idee vertreten, man müsse von der provisorischen Regierung verlangen, dass sie bei den verbündeten Mächten einen sofortigen und allgemeinen Waffenstillstand fordere (…). An den Vorsteher des Politischen Departements habe er sich gewandt, weil er gewusst habe, dass dieser (…) über die (…) Kriegsziele der kriegführenden Mächte am ­ehesten orientiert sei (…).

Die Schlussfolgerungen wurden vom Vorstand der SPS mit 18 Stimmen gutgeheißen, aber 15 Stimmen erhielt ein Antrag, in dem es hieß: „Der Parteivorstand (…) missbilligt den von Grimm gegenüber (…) Hoffmann unternommenen Schritt, weil dieser der sozialistischen Auffassung über die Diplomatie widerspricht, eine Gefahr für den Frieden heraufbeschwor und die schweizerische Neutralität verletzte.“ 1208 Im Zuge der in der Folge von der schweizerischen Neutralitätskommission verlangten Untersuchung durch den Bundesrat rechtfertigte der Gesandte Odier sein Eingehen auf Grimms Wunsch, die Depesche an Hoffmann zu senden, damit, dass er „sich in wichtigen Angelegenheiten von Landsleuten wiederholt der Geheimschrift (…) bedient habe und sich darum auch nicht für befugt erachtete, dies einem Nationalratsmitglied zu 1205 Ebd. 1206 Ebd. 1207 Ebd. 1208 Bericht der zur Untersuchung der Angelegenheit Grimm eingesetzten Kommission an die Geschäftsleitung und den Parteivorstand (der SPS) vom 28. August 1917 und Beschluss des Vorstands der SPS vom 1. Sept. 1917, Lademacher 1 1967, 638 – 644, Platten 1985, 98 – 103 Anh.

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verweigern, umso weniger, da der Chef des Politischen Departements selbst beurteilen würde, ob er die an ihn gestellten Fragen beantworten wolle“.1209 Hoffmann aber erklärte, „daß er von der Überzeugung durchdrungen war, eine längere Kriegsdauer würde die Schweiz namentlich in wirtschaftlicher Hinsicht vor unüberwindliche Schwierigkeiten stellen“. Deshalb habe er es „nicht nur für sein Recht, sondern auch für seine gebieterische Pflicht (gehalten), jede sich bietende Gelegenheit zu ergreifen, an der Herbeiführung eines allgemeinen Friedens zu arbeiten. Eine ­solche Gelegenheit schien ihm die Depesche Grimms zu sein (…).“ Auch habe er gemeint, „daß es ihm umso eher gestattet sei, davon Gebrauch zu machen, als er nicht (…) als Vorsteher des Politischen Departements, sondern rein persönlich handeln wollte“.1210 Der Bundesrat urteilte zur Erklärung Hoffmanns, es scheine ihm (…) nicht zulässig zu sein, daß ein von einem Mitgliede der Regierung ausgehendes Telegramm in einer so heiklen Angelegenheit (…) als persönlicher Schritt betrachtet werden könne. Eine Frage von solcher Wichtigkeit hätte dem Bundesrat unterbreitet werden sollen, der für deren Erledigung allein zuständig ist. Herr Hoffmann hatte, wie er erklärte, niemals einen Separatfrieden z­ wischen Rußland und den Zentralmächten im Auge gehabt; der Inhalt seines Telegramms konnte jedoch (…) leicht den gegenteiligen Verdacht aufkommen lassen und so die Interessen des Landes ernstlich gefährden, während doch der Bundesrat (…) stets strikteste Neutralität verkündet hatte.1211

1209 Schweizerischer Bundesrat, VIII. Neutralitätsbericht (…) 10. Sept. 1917, Ruchti 1 1928, 259 – 260. 1210 Ebd. 1211 Ebd.

4. Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

4.1

Wie kam die Denkschrift in Erzbergers Hände?

In Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung heißt es über den Beginn der Affäre um die Denkschrift: Am 22. August 1917 meldet Hohenlohe aus Berlin, (…) dass dieser mein Bericht in unbefugte deutsche Hände und von dort möglicherweise in die Schweiz und in die Hände von Ententevertretern gelangt sei, denn Erzberger hat denselben in Frankfurt a. M. vor ungefähr 200 Personen verlesen (…) Die deutsche Regierung sowie Hohenlohe drängten auf Klarstellung des Sachverhaltes. Der K ­ aiser, sofort von mir unterrichtet, war empört; er erklärte, es könne nur eine grobe Fahrlässigkeit – wenn nicht mehr – seitens des Ministeriums des Aeussern vorliegen und er befahl mir eine sofortige Untersuchung einzuleiten und den Schuldigen strenger Strafe zuzuführen. Die Nachforschungen im Ministerium ergaben jedoch die völlige Schuldlosigkeit der Beamten.1212

Tatsächlich hatte Erzberger die Denkschrift am 23. Juli 1917 im Zuge seiner Rede bei der gemeinsamen Sitzung des Reichsauschusses der Zentrumspartei und des Vorstandes des Augustinusvereins zur Pflege der katholischen Presse in Frankfurt vorgelesen. Nach Karl Bachem, dem Chronisten des Zentrums, war die Sitzung einberufen worden, weil Wählerschaft und Presse der Partei nicht verstanden, was mit der vor allem auf Initiative Erzbergers zu Stande gebrachten Friedenszielresolution beabsichtigt gewesen sei. In dieser hieß es unter anderem: Der Reichstag erstrebt einen Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frieden sind erzwungene Gebietserwerbungen und politische, wirtschaftliche oder finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar. Der Reichstag weist auch alle Pläne ab, die auf eine wirtschaftliche Absperrung und Verfeindung der Völker nach dem Kriege ausgehen. (…) Nur der Wirtschaftsfriede wird einem freundschaftlichen Zusammenleben der Völker den Boden bereiten. Der Reichstag wird die Schaffung internationaler Rechtsorganisationen tatkräftig fördern.1213

1212 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 200. 1213 Verh. RT. 13. Leg.-Per., 116. Sitzg. 19. Juli 1917, 3573.

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Vom Reichstag war die Resolution am 19. Juli 1917 mit 214 Stimmen, und zwar denen der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Fortschrittlichen Volkspartei, gegen 126 Stimmen bei 17 Enthaltungen und zwei ungültigen Stimmen angenommenen worden.1214 Über Erzbergers Auftreten bei der Frankfurter Sitzung schrieb Bachem: In (…) fast zweistündiger Rede legte er die Gründe dar, ­welche zu der Friedenszielresolution geführt hatten. Der Eindruck war für viele (…) einfach niederschmetternd (…). Schließlich stimmte am folgenden Tage die Versammlung, soweit ersichtlich einstimmig (…) der Haltung Erzbergers und der Fraktion zu. (…) – Während seiner Rede las Erzberger zur Rechtfertigung seines Vorgehens eine Denkschrift über die Lage in Österreich und Ungarn, ­welche (…) Graf Czernin (…) unter dem 12. April seinem Souverän (…) erstattet hatte. Erzberger machte im voraus darauf aufmerksam, daß von ­diesem Bericht unbedingt nichts in die Öffentlichkeit dringen dürfte. Alle Anwesenden wurden ehrenwörtlich verpflichtet, nicht das mindeste nach außen (…) verlauten zu lassen. Alle Türen waren verschlossen und von außen bewacht. ­Erzberger betonte, daß keinerlei schriftliche Notizen gemacht werden dürften. Er verlas dann den Bericht in einem äußerst raschen Zeitmaß, so daß man nur schwer folgen konnte.1215

Darüber sagte Erzberger Anfang 1920 in dem Prozess, den er wegen Beleidigung gegen Helfferich angestrengt hatte, aus: Der Bericht ist in seinen wesentlichsten Stellen von mir dort verlesen worden. Niemand hat mitgeschrieben (…); niemand durfte sich Notizen machen, und diese Maßnahme ist auch von dem Vorsitzenden überwacht worden, sodaß der Bericht aus dieser Sitzung garnicht bekannt werden konnte.1216

Er erklärte aber auch: Die Verhandlungen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß (…) werden beweisen, daß Abschriften ­dieses Berichtes schon vorher in der Schweiz bekannt waren, daß der Bericht nicht durch mich bekannt geworden ist, daß Abschriften des Berichtes auch nach Deutschland hereingekommen sind.1217

Das so Behauptete konnte allerdings weder durch den Untersuchungsausschuss des Reichstages noch s­päter bewiesen werden. Vor dem Ausschuss erklärte der 1214 Ebd. 1215 Bachem 1932, 437 – 438. 1216 Erzberger, Aussage 20. Jän. 1920, Erzberger-Prozess 1920, 38. 1217 Ebd.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

­ entrumsabgeordnete Johannes Bell am 15. Mai 1926, seiner Fraktion sei die DenkZ schrift „in einem vertrauten Kreise in Frankfurt zur Kenntnis gebracht worden“. Auf den Zwischenruf „Vor 200 oder 300 Hörern!“ antwortete er: „Vor d ­ iesem großen Kreise ist nur eine allgemein gehaltene Erläuterung gegeben worden. Die Einzelheiten wurden nur vor einem ganz kleinen Kreise erörtert.“ Der Abgeordnete Joseph Joos ergänzte dazu, „200 bis 300 Menschen warteten ungefähr eine Stunde, bis die interne Besprechung zu Ende war. Und dann wurde verlangt, daß Erzberger ein paar Bemerkungen machen sollte. Das ist denn auch geschehen.“ Die Frage, ob die Denkschrift vor der Friedens­ resolution bekannt gewesen sei, verneinte Bell, Joos aber sagte aus: „Meiner Erinnerung nach ist (…) der Czerninsche Bericht oder die darin enthaltenen Gedanken mitbenutzt worden, um die Friedensresolution etlichen Leuten gegenüber zu begründen (…).“ 1218 Darauf meinte Bell: „Das mag richtig sein.“ 1219 Auf Hohenlohes Meldung vom 22. August 1917 hin, die Denkschrift sei in unbefugte deutsche Hände gelangt und damit möglicherweise auch in die von Ententevertretern, befahl K ­ aiser Karl eine Untersuchung darüber einzuleiten, wie dies habe geschehen können. Hohenlohe ließ er anweisen, eine Untersuchung auch im Berliner Auswärtigen Amt zu fordern. Über die daraufhin dort erfolgte Demarche des Botschafters schrieb Richard von Kühlmann, der am 6. August August Zimmermann als Staatssekretär des Auswärtigen Amtes abgelöst hatte, in einer vom 30. August 1917 datierten handschriftlichen Aufzeichnung, in welcher er „Bergmann“ für Erzberger setzte: Prinz Hohenlohe übergab mir die anliegende Notiz und äußerte seine bestimmte Überzeugung, daß nach derselben die Entente von dem besagten Memorandum Kenntnis habe. (…) – Er habe die Angelegenheit nochmals mit seinem Herrn ausführlich besprochen. Es habe sich mit absoluter Sicherheit ergeben, daß das (…) Schriftstück weder von seinem Herrn persönlich, noch von irgend jemand aus seiner Umgebung an Bergmann übergeben worden sei. Es bleibe also nur die Möglichkeit, daß Bergmann sich ­dieses hochwichtige Dokument auf unredliche Weise verschafft habe. Sein Herr sei außerordentlich aufgebracht darüber, daß ein ganz geheimes Schriftstück, das er durch Flügeladjutanten dem verbündeten Souverän zur persönlichen Kenntnisnahme übersandt hätte, durch das unqualifizierbare Vorgehen Bergmanns (…) zur Kenntnis unserer Gegner gekommen sei. (…) – Hohenlohe bat, man möchte sofort eine eingehende Untersuchung einleiten. Denn sein Herr sei entschlossen, nicht eher zu ruhen, bis der Vorgang in allen Einzelheiten völlig aufgeklärt sei. Nach Andeutungen, die mir der Botschafter machte, versteigt man sich in Wien sogar zu der Annahme, daß Bergmann im Solde der Entente stehe (…).1220 1218 UA Sitzg. 15. Mai 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/1 1928, 310 – 311. 1219 Ebd. 1220 Kühlmann, Aufz. 30. Aug. 1917, Steglich 1984, 416 – 417 Dok. 315.

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Die Kühlmanns Aufzeichung „anliegende Notiz“ ist nach Steglich „offenbar“ eine Abschrift der von Hohenlohe übergebenen, das Bekanntwerden der Czerninschen Denkschrift bei der Entente belegen sollenden Notiz. Sie lautet: Das Armee-Oberkommando hat Legationsrat von Storck nachstehende Mitteilung gemacht: – Ein Kundschafter in deutschem Solde hat, wie Armee-Oberkommando inoffiziell erfährt, aus der Schweiz nachstehende Meldung mitgebracht: Die Berner Ententekreise versichern, daß Graf Czernin in einem Immediatberichte an K ­ aiser Karl den kommenden November als den Zeitpunkt bezeichnet habe, über ­welchen hinaus mit einer wirksamen Widerstandskraft der Monarchie nicht mehr zu rechnen wäre.1221

Ein Schriftstück des AOK über eine derartige Meldung oder die Mitteilung einer solchen an Storck konnte von uns im Wiener Kriegsarchiv und im HHStA nicht gefunden werden. Abgesehen von Kühlmanns Notiz über die in ihrer Aussage wenig konkrete Mitteilung liegen keinerlei Hinweise dafür vor, dass die Denkschrift tatsächlich im Bereich der Entente bekannt geworden wäre. Dies wurde schon im Dezember 1921 vom 2. Unterausschuss des Untersuchungsausschusses festgestellt. In einer Aufzeichnung seines Geschäftsführers, Ludwig Herz, über die Vernehmung Kühlmanns heißt es dazu: In der Pressepolemik, namentlich aber auch von Herrn Helfferich, ist das Scheitern der Friedens­aktion (des Papstes vom August 1917) darauf zurückgeführt worden, daß durch eine Erzbergersche Indiskretion der Czerninsche Bericht gerade in der kritischen Zeit in die Hände der Alliierten gelangt sei. (…) Die Akten ergeben dafür nichts.1222

Und in der Sitzung des 4. Unterausschusses vom 10. März 1925 erklärte Herz: Nicht erwiesen ist die Behauptung über den Verrat des Czerninschen Berichtes durch Erzberger. Wir haben uns im 2. Unterausschuß lange darüber unterhalten, wie dieser (…) Bericht damals bekannt geworden ist, ohne daß wir zu einem sicheren Resultat hätten kommen können. Namentlich ist nicht erwiesen worden, daß aus der (…) Zentrumsbesprechung etwas ins Ausland gelangt ist.1223

Botschafter Wedel hatte 1922 vor dem 2. Unterausschuss wohl erklärt, man habe „in Frankreich wie in England zugegeben“, dass die Denkschrift dort bekannt geworden sei, in Paris sei sie „sogar während des Krieges im ‚Temps‘ besprochen worden“, Konkretes 1221 Ebd. p 417 Dok. 315 Anl. 1222 Herz, Aufz. o. D. (Dez. 1921), Steglich 1974, 67 Dok. 3. 1223 Herz 10. März 1925, WUA 4. Rh., 1. Abt. 1 1925, 354.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

war ihm aber nicht bekannt. Im Vagen war Wedel auch bei einer von ihm wiedergegebenen Erzählung Czernins geblieben, nach der dieser nach dem Kriege von einem Mitglied der französischen Mission in Wien von einem Bekanntwerden der Denkschrift in Paris gehört hätte.1224 Über die Reaktion Kühlmanns auf K ­ aiser Karls Forderung einer „eingehenden Untersuchung“ im Auswärtigen Amte ist Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung zu entnehmen: „Am 30. August 1225 berichtete Hohenlohe: Der Staatssekretär sei sehr erregt und fest entschlossen den Fall um jeden Preis zu klären; Herr von Kühlmann würde, wenn nötig, Herrn Erzberger zu einer eidlichen Aussage darüber, woher das Schriftstück stammt, verhalten.“ 1226 Dies brachte Czernin wahrscheinlich umgehend dem ­Kaiser zur Kenntnis und überlieferte dessen Stellungnahme dazu mit den Worten: „Kaiser Karl (…) erklärte ‚vor einem Rätsel zu stehen‘, da er Erzberger seit dem Winter überhaupt nicht gesehen habe. Er betonte, es müsse eine grobe Indiscretion in Berlin vorliegen, ­welche beweise, dass ein vertraulicher Meinungsaustausch mit der Wilhelmstrasse unmöglich sei.“ 1227 Anders als er vorgab, hatte ­Kaiser Karl Erzberger aber sehr wohl gesehen, und zwar kurz nach dessen Rückkehr aus Stockholm. Erzberger hatte über seinen Aufenthalt in Wien „am Sonntag, 22. und Montag, 23. April“ und seine am zweiten der beiden Tage stattgefundene Audienz beim K ­ aiser am 24. April Bethmann Hollweg und tags darauf auch Zimmermann berichtet und letzterem „eine Reihe von mündlichen Erläuterungen und Ergänzungen, die sich der schriftlichen Wiedergabe entziehen (…)“ in Aussicht gestellt. Am 22. April habe er „abends 6½ Uhr eine Besprechung mit Graf Czernin“ gehabt. In dieser habe der Minister ausgeführt, dass (…) Krieg und Revolution respective der Hunger jetzt miteinander um die Wette laufen. Bis zur neuen Ernte gehe es in Oesterreich. Rußland gegenüber glaube er an eine Versumpfung des Krieges, nicht an einen Frieden, den die Entente immer verhindern werde. Er wolle vorerst keine öffentliche Aktion zugunsten des Friedens unternehmen. (…) Er lasse keine Sozialdemokraten zu Verhandlungen über den Frieden abreisen. (…) Jetzt sei notwendig, daß die katholische Internationale spreche. Einige Kardinäle sollten sich vielleicht in Bern treffen (Spanier, Italiener, Franzosen, Deutsche, Oesterreicher, Ungarn usw.) und eine Kundgebung erlassen. Ich wies darauf hin, daß es aussichtsreicher sei, wenn der Papst eine Weltaktion einleiten würde, was er begrüßte. – In der U-Boot-Frage wiederholte er seine Darlegungen aus dem Briefe an

1224 Wedel, Aussage vor 2. UnterA 18. Dez. 1922, Steglich 1984, 473 – 478 Dok. 338. 1225 In Baernreithers von Kann publizierten Aufzeichnungen aus der Aktenm. Z. lautet die Datumsangabe fälschlich „30.4.“ Kann 1963 16, 437. 1226 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 200. 1227 Ebd.

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den ­Kaiser.1228 Ich antwortete ihm, die Wirkungen des verschärften U-Boot-Krieges könnten sich noch gar nicht geltend machen. (…) Aushungern könne man England nicht, aber der U-Boot-Krieg würde sehr störend wirken. Wenn ein Armeekörper täglich 100 Waggon nötig habe und täglich 10 in die Luft gesprengt würden, so gehe anfangs alles glatt, aber in wenigen Wochen und Monaten entstehe eine ungeheure Verwirrung, die schließlich alles lahmlege. So sei es auch mit dem U-Boot-Krieg.1229

Am 23. April, so berichtete Erzberger weiter, sei er nachmittags um 5 Uhr in Laxenburg in Audienz empfangen worden. In dieser habe ihm der ­Kaiser auf das bestimmteste erklärt, (…) daß in den nächsten drei bis vier Monaten eine Friedensaktion eingeleitet werden müsse, um im Herbst zum Schluß zu kommen, wenn nicht bis dahin der Friede von selbst sich anbahne. (…) An einen Frieden durch die U-Boote glaube er nicht. Er anerkenne, daß die U-Boote ungemein viel leisten, er sei aber stets ein Gegner des U-Boot-Krieges gewesen und glaube nicht an den erwarteten politischen Erfolg. Dagegen sei er fest davon überzeugt, daß die Fronten halten. Eine Revolution werde in Oesterreich unter keinen Umständen kommen, Oesterreich könne keine Republik ertragen. Die Dynastie und der Katholizismus s­ eien das Band, das Oesterreich zusammenhalte. Man müsse also versuchen, mit der heutigen liberal-radikalen Regierung Rußlands zum Frieden zu kommen. Von der Schaffung Polens befürchte er für Oesterreich eine sehr schlimme Irredenta. Die beste Lösung sei eine Personalunion mit der Krone von Oesterreich, die auch für Deutschland nur Vorteile bringe.1230

Erzberger berichtete, dass weder bei Czernin noch in der Audienz von der Denkschrift die Rede gewesen sei, wenngleich Minister und K ­ aiser sich in ihrem Sinne geäußert hätten.1231 In seinen Erlebnissen stellte er seine Wiener Gespräche sehr ähnlich dar. Dort allerdings schrieb er, der K ­ aiser habe nicht nur gesagt, er „sei stets ein Gegner des uneingeschränkten U-Bootkrieges gewesen“, sondern auch, dass er „nur aus Freundschaft zu ­Kaiser Wilhelm und dem Bündnis zuliebe den entsprechenden Befehl an die geringe Zahl der österreichisch-ungarischen U-Boote gegeben (…)“ habe.1232 Botschafter Hohenlohe hatte am 31. August 1917 in Berlin eine Unterredung mit ­Erzberger. Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung ist darüber zu entnehmen:

1228 Der Denkschrift vom 12. Apr. 1917. 1229 Erzberger an Zimmermann 25. Apr. 1917, MNN A (10. März 1922), 1 – 2, Erzberger an Bethmann H ­ ollweg 24. Apr. 1917, referiert in: Epstein 1976, 194 – 195. 1230 Ebd. 1231 Ebd. 1232 Erzberger 1920, 117 – 118.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

Am 31. August 1233 meldet Hohenlohe über seine Unterredung mit Herrn Erzberger, welcher angab im Berliner (Auswärtigen) Amte habe man ihm ein einziges Mal nur ganz oberflächlich von dem Bericht Erwähnung getan mit den 2 Sätzen: ‚Österreich komme nicht in den U-Bootkrieg und befürchte innere Wirren’; gezeigt habe man ihm (…) den Bericht nicht. Er – ­Erzberger – habe darauf geantwortet: ‚dieser Wiener Standpunkt sei ja nichts Neues‘, worauf die Sache in weniger als 2 Minuten abgetan gewesen sei. Er sei jedoch sodann zu ­Kaiser Karl (…) gereist, woselbst alles, was in dem erwähnten Vortrag stand, durchbesprochen worden sei.1234

Erzberger hielt diese Unterredung mit Hohenlohe in seiner am 15. September dem Gesandten Diego von Bergen, dem im Auswärtigen Amt für Österreich-Ungarn zuständigen Dezernenten, übergebenen Aufzeichnung fest.1235 Über die Reaktion Hohenlohes auf die ihm von Czernin mitgeteilte Erklärung ­Kaiser Karls, Erzberger seit dem Winter nicht gesehen zu haben, ist in Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung festgehalten: „Hohenlohe, von mir darüber informiert, dass der ­Kaiser jede Unterredung mit Erzberger negiert, entgegnete, diese Behauptung sei unrichtig.“ Für den Botschafter habe sich dies daraus ergeben, dass Erzberger während des Gesprächs mit ihm „aus seiner Tasche die Verständigung der Kabinetskanzlei (sic!) hervorzog, wonach Seine (…) Majestät Herrn Erzberger am 23. April um 5.30 Uhr nachm. in Laxenburg empfangen werde.“ 1236 Erzberger habe ihm über die Audienz mitgeteilt, (…) er sei bis 7.20 bei ­Kaiser Karl verblieben und habe tags darauf von einer dem ­Kaiser sehr nahestehenden Persönlichkeit die Schrift erhalten, wobei er auf Grund seiner Unterredung mit ­Kaiser Karl tags vorher und nach der Art, wie ihm die Schrift übergeben wurde, den Schluss ziehen musste, dass dies, wenn es auch nicht ausdrücklich erwähnt wurde, über Auftrag oder doch zumindest mit Wissen Seiner Majestät geschah. Auf die Frage Hohenlohes, wer ihm die Schrift übergeben habe, verweigerte Herr Erzberger die Antwort, betonte jedoch, es sei keine mit dem Ministerium des Aeussern in Verbindung stehende Persönlichkeit.1237 1233 In den von Kann veröffentlichten Aufzeichnungen Baernreithers lautet das Datum fälschlich „3. August“. Kann 1963 16, 437. 1234 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 201. 1235 Aufz. Erzberger, Steglich 1984, 421 – 423 Dok. 319. 1236 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 201. 1237 Ebd. – Eine etwas andere Schilderung des Berichtes Hohenlohes über dessen Unterredung mit Erzberger als in der Aktenm. Z. gab Czernin in einer in seinem Nachlass erhaltenen Stellungnahme, die er im Zuge seiner Auseinandersetzung mit Adalbert Gf. Sternberg an „die Herren des Komitées“ gesandt hatte. Czernin Stellungnahme o. D. (26. Feb. 1920?), ebd. fol. 241 – 258. Verfasst hatte er diese undatierte, in die Punkte I bis VI sowie VIII  – ein Punkt VII fehlt – gegliederte Stellungnahme jedenfalls nach dem 4. Feb. 1920, dem Datum eines in ihr genannten Briefes Reverteras an Czernin. Bei

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In Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung ist über Hohenlohes Unterredung mit Erzberger weiters zu lesen, der Botschafter habe in ihr den Eindruck gewonnen, dass dieser „völlig offen, wahrhaft und ehrlich spreche und (…) optima fide der Ueberzeugung gewesen sei, im Sinne des Kaisers gehandelt zu haben“. Erzberger hätte „nicht einen Augenblick geglaubt, dass die Person, die ihm das Dokument übergeben habe, Unrecht tue“. Und weiter heißt es: Hohenlohe schloss seinen Bericht mit dem Ersuchen, ich möge dem K ­ aiser seine Demission unterbreiten, da er nach den ihn irreführenden Angaben Seiner Majestät nicht mehr im Amte bleiben könne. – Ich legte dem ­Kaiser den Bericht Hohenlohes vor. Seine Majestät war sehr betroffen und verliess nach dem Lesen (…) das Zimmer. Nach ungefähr einer Viertelstunde kam er wieder und erklärte: ‚er habe sich tatsächlich geirrt; auf die Audienz Erzbergers habe er vergessen und das Exposé habe er irrtümlicherweise in ein Erzberger adressiertes Couvert gesteckt‘. – Ich erwiderte (…), dass ich ebenso wie Hohenlohe meine Stelle niederlege. Es sei unmöglich für einen Minister im Amte zu bleiben, wenn sein K ­ aiser ihm wissentlich und absichtlich die Unwahrheit sage. (…) Der ­Kaiser war äusserst niedergeschlagen, gab den Fehler (…) zu, beschwor mich jedoch, wir möchten unsere Demission zurückziehen, unser Ausscheiden werde die Lage nur ungemein verschärfen. Niemand könne beweisen, dass die in die Schweiz gelangte Kopie nicht eine Fälschung sei, diese Behauptung werde aber unmöglich, wenn wir demissionierten, denn der Zusammenhang werde der Entente klar sein und sie werde damit die Sicherheit für die Echtheit des Dokuments erhalten. (…) Er versprach mir, dem „Komitée“ handelte es sich, wie aus einem am 18. März 1920 an Czernin gerichteten Schreiben hervorgeht, um das Komitee für Ehrenangelegenheiten des Wiener Jockey-Clubs. Dieses setzte ihn davon in Kenntnis, dass Sternberg zu den „im Schreiben Euer Exzellenz vom 26. Februar angeführten Punkten Stellung“ genommen habe, jedoch „seine beleidigenden Anklagen gegen Euer Exzellenz auch weiter aufrecht“ halte. Jockey-Club an Czernin 18. März 1920, ebd. fol. 299. Das Schreiben Czernins „vom 26. Februar“ ist offenbar mit seiner im Nachlass erhaltenen undatierten Stellungnahme ident. In dieser erklärte er, Erzberger habe am 31. Aug. in der Unterredung mit Hohenlohe gestanden, die Denkschrift vom 12. April, „weder von ­Kaiser Karl noch von einem Mitgliede des Ministeriums des Aeussern (…), sondern von einer andern, dem K ­ aiser nahestehenden, nicht Amtlichen Persönlichkeit“ erhalten zu haben; „die Art und Weise, wie ihm – Erzberger – der Bericht übergeben worden sei, hätte ihn glauben machen müssen, dass dies im Auftrage oder wenigstens mit Wissen S. M. (…) geschähe“. Interessanterweise erklärte Czernin in dieser Stellungnahme auch, „die Untersuchung“, nämlich die Unterredung mit Erzberger, habe ergeben, dass dieser „nur den Besuch in Schwarzau“, der Residenz der Familie Bourbon-Parma, „gemacht hatte – es ward also völlig klar, dass das S. M. gegebene Exemplar nach Schwarzau und von da in die Oeffentlichkeit gelangt sei“. Czernin Stellungnahme o. D. (26. Feb. 1920?), ebd. fol. 245 – 246. Eine zweite im Nachlass Czernins erhaltene Version der Stellungnahme ist mit der obgenannten Version was die Punkte I bis VI sowie VIII betrifft ident, sie enthält jedoch auch einen Punkt VII . Ebd. fol. 275 – 276. Diese Version mit ihrem gegenüber der erstzitierten möglicherweise modifizierten Punkt VII übergab Czernin offenbar 1928 dem mit seiner Ehrensache gegen Polzer-Hoditz befassten Kapitel des Ordens vom Goldenen Vlies.

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dass er niemals wieder hinter dem Rücken seiner verantwortlichen Ratgeber handeln werde. – Die Argumentation, dass unser Ausscheiden die schädlichen Folgen vergrössern müsste, war richtig und so gelang es mir, Hohenlohe zur Rücknahme seiner Demission zu veranlassen und ich selbst blieb schweren Herzens im Amte. (…) Vollständige Klarheit über den Vorfall habe ich niemals erhalten, doch ist es zweifellos, dass eine verfassungsmässig unverantwortliche Persönlichkeit aus der unmittelbaren Umgebung des Kaisers und der Kaiserin den Bericht an Erzberger übermittelt und (…) dass Erzberger sich durch diese Persönlichkeit wie durch den ­Kaiser selbst für ermächtigt hielt, den Bericht nicht geheim zu halten.1238

Wann Czernin den ­Kaiser mit Hohenlohes Bericht konfrontierte, geht aus der Aktenmäßigen Zusammenstellung nicht hervor, es muss dies aber vor dem 2. September, an dem ­Kaiser Karl eine Fahrt zur Heeresfront Erzherzog Josef antrat, geschehen sein.1239 Darauf weist auch Erzbergers am 15. September dem Gesandten von Bergen übergebene Aufzeichnung hin, in der unter anderem vermerkt ist: Sonntag, den 2. September bat mich der Botschafter zu sich um 4 Uhr und erklärte, der K ­ aiser sei vollkommen überzeugt von meiner Loyalität. Er erinnere sich auch genau, daß er mich in längerer Audienz empfangen habe. Der ­Kaiser (…) wisse nicht genau, ob er selbst mir das Schriftstück gegeben habe oder ob er jemand beauftragt habe, mir dies zu überreichen.1240

In sehr ähnlicher Weise wie in seiner Aktenmäßigen Darstellung beschrieben brachte Czernin die Angelegenheit am 14. April 1918 Sektionschef Gustav Gratz zur Kenntnis. Gratz, der bei den Verhandlungen in Bukarest in näheren Kontakt mit Czernin gekommen war, begleitete den Minister an d ­ iesem Tag nach Baden. Dieser habe ihm, so hielt er in seinem Tagebuch fest, auf der Fahrt erzählt: Im August (recte April 1917) verfaßte er auf Wunsch des Kaisers eine Denkschrift darüber, daß wir den Krieg nicht mehr lange fortsetzen können. Plötzlich stellte es sich heraus, daß ­Erzberger sich im Besitz einer Abschrift (…) befände. Wie er sie erhalten hat, war nicht heraus­ zubekommen, die Vermutung war, daß ein Mitglied der Familie Parma sie ihm ausgefolgt habe. Erst als ihm Czernin mit der Kriminalanzeige wegen Entwendung von Aktenstücken drohte, erklärte er sich bereit, mitzuteilen, wie er in den Besitz der Denkschrift gelangt sei. – Doch könne er es nur dem ­Kaiser unter vier Augen sagen (…).1241

1238 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 201 – 204. 1239 Möller 1954, 116, Kovács 1 2004, 657. 1240 Aufz. Erzberger, Steglich 1984, 421 – 423 Dok. 319. 1241 Gratz TB-Eintr. 14. Apr. 1918, KA NL Gratz B/19 9.

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Der ­Kaiser habe Czernin dann erklärt: Also, die Sache hat sich vollständig aufgeklärt, – es handelte sich um eine einfache Confusion. Ich habe Erzberger einige Schriftstücke übergeben, und habe nicht bemerkt, daß auch die Denkschrift mitgerutscht ist, die sich gerade auf meinem Schreibtisch befand.1242

Am 1. September 1917 absolvierte Kühlmann seine Antrittsaudienz bei dem in der Villa Wartholz bei Reichenau weilenden ­Kaiser. Über diesen Tag ist in einer mit 2. ­September datierten Aufzeichnung Kühlmanns festgehalten: „Auf der zweistündigen Automobilfahrt ­zwischen Wien und Reichenau und ebenso auf der Rückfahrt war ausgiebige Gelegenheit zu politischer Unterhaltung mit dem Grafen Czernin.“ 1243 Von den dabei b ­ erührten ­Themen nannte der Staatssekretär an erster Stelle: „Die Angelegenheit B ­ ergmann (d. i. Erzberger): – Der Minister nimmt die Sache sehr ernst. Er drohte, falls Aufklärung nicht erzielt werde, unter Umständen seine Demission geben zu wollen.“ 1244 Über seine Audienz beim ­Kaiser notierte Kühlmann: Seine Majestät sprachen sehr angeregt fast eine Stunde mit mir über die verschiedensten Gegenstände: am längsten und ausführlichsten über die Bergmann-Affäre. (…) – Nach der Audienz fand eine Frühstückstafel statt, zu der auch Botschafter Graf Wedel, Gesandter von Bergen und General Cramon zugezogen waren.1245

In einem Bericht an Grünau erwähnte Kühlmann am 3. September 1917 von dem Gespräch mit Czernin über die „Angelegenheit Bergmann“ nichts.1246 Jahre ­später, am 23. Oktober 1930, nahm Kühlmann in einem Gespräch auf die Fahrt mit Czernin Bezug. Karl Friedrich Nowaks Aufzeichnungen zufolge sagte er dabei: „Als ich mich in Wien als Staatssekretär vorstellte, fuhr ich nach dem Schloss Watols (recte Wartholz). Das war eine etwa zweistündige Autofahrt, die ich mit Czernin machte. Auf der Hinreise platzte die Erzberger-Geschichte.“ 1247 Eingehend schilderte Kühlmann die am Tag seiner Antrittsvisite gewonnenen Eindrücke in seinen erst 1948 publizierten Erinnerungen. Auf der Fahrt von Wien nach Reichenau und zurück sei die Unterhaltung mit Czernin durch die Denkschrift und Erzberger bestimmt gewesen. Der Minister habe ihn bestürmt, „Erzberger festsetzen zu 1242 Ebd. 1243 Kühlmann, Aufz. 2. Sept. 1917, SG 2 1966, 381 – 385 Dok. 233. 1244 Ebd. 1245 Ebd. 1246 Kühlmann an Grünau, Tel. 432, 5. Sept. 1917, Steglich 1984, 64 – 66 Dok. 21. 1247 Nowak, Aufz. über Mitteilung Kühlmanns, Souper bei Horcher 23. Okt. 1930, KA NL Nowak B/163 Karton 13 – 15, 15 fol. 39.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

lassen, um von ihm durch scharfe Befragung herauszubekommen, wie er in den Besitz ­dieses ebenso wichtigen wie geheimen Staatsdokumentes gekommen sei“. – In Reichenau sei er sogleich vom ­Kaiser empfangen worden. Die Konversation habe sich zunächst in konventionellen Bahnen bewegt. Nach einiger Zeit aber habe der K ­ aiser plötzlich gefragt: ‚Kennen sie auch den Abgeordneten Erzberger?‘ Ich erwiderte (…), daß ich ihn sehr gut kenne, da er ja zu den Führern der Zentrumspartei gehöre, mit der wir durch die Verhältnisse eng zusammenzuarbeiten gezwungen ­seien. ‚Was ist das für ein Mensch?‘ fragte der K ­ aiser weiter, ‚ist er diskret und zuverlässig? Würde er ein ihm anvertrautes Geheimnis unter allen Umständen zuverlässig bewahren?‘ Ich antwortete, (…) im allgemeinen glaubte ich, könne man die Frage eher bejahen. Anknüpfend erzählte ich dem ­Kaiser, daß sein Außenminister mich (…) bestürmt habe, ich solle alsbald nach meiner Rückkehr nach Berlin Erzberger verhaften lassen und unter Anwendung des schärfsten Druckes von ihm herauszubekommen versuchen, wie er in den Besitz der (…) Denkschrift (…) gekommen sei. (…) Ich sah sofort, wie sich während meiner Darlegungen das Gesicht des Kaisers verdüsterte. Kaum hatte ich geendet, sagte er mir in seinem sehr ausgesprochen österreichischen Dialekt: ‚Nein, mein Lieber, wissen Sie, das Kriminalistische mag ich schon gar nicht. (…) Geben Sie mir gleich die Hand darauf, daß Sie sich auf derartige Schritte gegen Erzberger unter keinen Umständen einlassen‘. Als ich schwieg, fuhr er fort: ‚Wissen Sie, wenn man eine ungeheure Post hat und die Expedition eilt sehr, so steckt man eben die verschiedenen Schriftstücke in ihre jeweiligen Couverts. Da ist es doch menschlich, daß einem eben ein Irrtum unterläuft und man ein Schriftstück in ein Couvert steckt, in welches man dasselbe gar nicht hineinzutun beabsichtigte. Kommt bei Ihnen niemals so etwas vor?‘ Ich erwiderte, daß ich mir wohl denken könnte, daß so etwas vorkomme. Es würde aber bei uns mit der denkbar größten Vorsicht verfahren, und gottlob könne ich mich an keinen derartigen Vorfall erinnern. Der ­Kaiser (…) fuhr fort, mir begreiflich zu machen, wie bei einer solchen Menge von Schriftstücken, wie sie sich tatsächlich täglich auf seinem Schreibtisch anhäuften, ein derartiges Versehen nur allzu leicht mit unterlaufen könne. Am Schluß der Audienz (…) kam er wieder auf Erzberger zurück und sagte: ‚Also das ist abgemacht, gegen den Herrn Erzberger wird nichts unternommen, und vor allem schon nicht kriminalistisch vorgegangen, denn das mag ich schon ganz und gar nicht‘. – Im Vorzimmer erwartete mich Czernin. Ich sagte ihm: ‚Mein Lieber, ich weiß genau, von wem Erzberger den Wortlaut ihrer Denkschrift erhalten hat: von niemand anders als vom K ­ aiser selbst‘. (…) Der K ­ aiser hatte, wie er behauptete aus Versehen, meiner Ansicht nach wohl überlegt, eine Abschrift (…) in ein für Erzberger bestimmtes Couvert gelegt, damit dieser bei seiner Agitation für den Frieden das Exposé Czernins verwenden solle; wenn er ihn nicht gar zu einer derartigen Verwendung ausdrücklich ermächtigt hatte.1248

1248 Kühlmann 1948, 490 – 493.

Wie kam die Denkschrift in Erzbergers Hände?

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Kaiser Karl, der erklärt hatte, „Erzberger seit dem Winter überhaupt nicht gesehen“ zu haben, musste also eingestehen, auf dessen Audienz „vergessen“ und die Denkschrift „irrtümlicherweise in ein an Erzberger adressiertes (…) Couvert gesteckt“ zu haben.1249 Die Sache scheint ihn nicht weiter belastet zu haben, denn Wedel berichtete am nächsten Tage „Botschafter Pallavicini, der gestern nachmittag von K ­ aiser Karl empfangen wurde, sagte mir, Seine Majestät sei über Unterredung mit Staatssekretär sehr befriedigt gewesen“.1250 Kühlmann sah als folgenschwerste Auswirkung der Handlung des Kaisers das Bekanntwerden der Denkschrift im Bereiche der Entente an. Vor dem 2. Unterausschuss des Untersuchungsausschusses erklärte er 1923, in Frankreich habe es „den allerverheerendsten Eindruck gemacht, als die geheime Denkschrift (…) im Wortlaut bekannt wurde“.1251 In seinen Erinnerungen schrieb er, die Haltung der Entente habe sich wesentlich verhärtet sodass „die Friedensbemühungen Deutschlands auf eine viel ungünstigere Aufnahme stießen (…)“.1252 Auf ein Bekanntwerden der Denkschrift in einem Lande der Entente gab es allerdings damals und auch späterhin keinerlei konkreten Hinweis. Erzberger übergab, gewiss einer Aufforderung des Gesandten von Bergen Folge leistend, d ­ iesem am 15. September die bereits erwähnte zusammenfassende Darstellung der Affäre. Sie wurde von Steglich publiziert: Sonnabend, den 21. April: Vormittags Referat beim Reichskanzler (…) und Mitteilung über Verhalten in Wien, wohin ich gleichen Tages abfuhr. Der Reichskanzler und (…) Zimmermann teilten mir Inhalt des Schreibens des Grafen Czernin an K ­ aiser Karl nebst allen Begleitumständen mit und erklärten, (…) von Bergen möge mir den Inhalt des Briefes zugängig machen. Ich begab mich sofort zu (…) Bergen, der mir in seinem Zimmer den Brief, eingeheftet in ein Aktenfaszikel, zu lesen gab. Wir sprachen die Hauptpunkte durch. – Sonnabend, den 21. April abends: Abreise nach Wien. – Sonntag, den 22. April, Montag, den 23. April: Besprechungen und Audienzen (sic!) in Wien (sic!), Empfang des Schriftstückes. Alle Modalitäten und die Art und Weise des Empfanges wurden von mir streng geheim gehalten und niemandem mitgeteilt. Vom Inhalt des Schriftstückes wurde gegenüber niemandem Gebrauch gemacht. – Montag, den 23. Juli: Sitzung des Reichsausschusses in Frankfurt a. Main ganz vertraulich. In dieser (…) Kernstücke des Schriftstückes gelesen, wobei dieser Vorgang als doppelt vertraulich bezeichnet wurde. – Dienstag, den 14. August fragte (…) Bergen, von wem ich das Schreiben des Grafen Czernin erhalten habe. Er habe in München gehört, daß Teile davon in Frankfurt bekanntgeworden sind. Ich teilte mit, daß ich es im April in Wien (sic!) erhalten habe und Näheres nicht 1249 1250 1251 1252

Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 202, Kann. 1963 16, 438. Wedel an A. A., Tel. 574, 2. Sept. 1917, Steglich 1984, 62 – 63 Dok. 19. Kühlmann Aussage vor 2. UnterA 30. Jän. 1923, ebd. p 521 Dok. 340. Kühlmann 1948, 568.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

sagen könne. – Donnerstag, den 30. August bat (…) Bergen mich abends zu sich. Botschafter von Hohenlohe (…) wünsche unbedingt zu wissen, wie der Inhalt des Schriftstückes bekanntgeworden sei. (…) – Freitag, den 31. August hatte ich Besprechung mit (…) Hohenlohe, der mir (mitteilte), daß vom deutschen Militärattaché in Bern die Nachricht an die (…) Oberste Heeresleitung gekommen sei, in Ententekreisen spreche man von einem Immediatbericht des Grafen Czernin, wonach Österreich bis November aushalten könne. Ich erzählte ihm die Vorgänge in Berlin, sagte aber, daß ich gebunden sei, über die Vorgänge in Wien (nicht) zu sprechen. Ganz überraschend sei mir, daß man der Auffassung sei, daß das Schriftstück nicht auf legale Weise in meine Hände gelangt sei, (…) Hohenlohe erklärte mir, der ­Kaiser habe gesagt (…), er habe mich nicht empfangen. Ich konnte die von der Wiener Kabinettskanzlei stammende Einladung auf den 23. April vorzeigen und erklärte (…) auf das bestimmteste, daß ich nicht glaube, daß irgendeine unrechtmäßige Verwendung des Schreibens vorliege. Die Sache müsse auf einem Mißverständnis beruhen. – Sonnabend, den 1. September fragte der Botschafter telephonisch an, ob der 23. April das einzige Mal gewesen sei, wo ich mit dem ­Kaiser gesprochen habe, was ich bejahte. – Sonntag, den 2. September bat mich der Botschafter zu sich um 4 Uhr und erklärte, der ­Kaiser sei vollkommen überzeugt von meiner Loyalität. Er erinnere sich auch genau, daß er mich in längerer Audienz empfangen habe. Der ­Kaiser sei sehr nervös und wisse nicht genau, ob er selbst mir das Schriftstück gegeben habe oder ob er jemand beauftragt habe, mir dies zu überreichen. Er empfange täglich 100 Personen und mehr; er lasse mich dringend bitten, mitzuteilen, wie ich in den Besitz des Schriftstückes gekommen sei. Ich möchte keine Rücksicht nehmen, auch wenn es ein Mitglied seiner Familie sei. (…) – Ich erklärte, daß ich selbstverständlich dem Wunsche des Kaisers entsprechen würde; ich sei aber augenblicklich nicht in der Lage, (…) den Namen zu nennen, und auch nicht, in einer Niederschrift den Namen kundzutun. Ich müßte noch eine Rücksprache nehmen, weil ich vor einem ganz neuen Tatbestand stände. Für mich sei das Schriftstück in keinem Augenblick ein Staatsgeheimnis gewesen, weil ich es schon in Berlin kannte. Ich hoffte, bis zum Donnerstag eine Mitteilung an ihn gelangen zu lassen. Damit erklärte sich der Botschafter einverstanden und zufrieden. – Nach Rücksprache mit dem Vermittler 1253 übergab ich am 7. September (…) Hohenlohe ein Schreiben mit dem Inhalt‚ ‚daß der gewünschte volle Aufschluß in den allernächsten Tagen Euerer Majestät gegeben wird‘. – Am 14. September (sic!) erhielt ich von dem Vermittler die Mitteilung: ‚Die Sache ist zur vollsten Befriedigung erledigt. Sie sind fein heraus; Ihre Diskretion wird hoch geschätzt, die Sache als erledigt zu betrachten‘. Ich möchte von der ganzen Angelegenheit nirgends mehr Erwähnung tun.1254

1253 S. Kapitel Die „Vertrauensperson“. 1254 Aufz. Erzberger, Steglich 1984, 421 – 423 Dok. 319. – Als Datierung des Dokuments gab Steglich den 5. September 1917 an. Dies hatte er auch schon 1974 getan, als er das Protokoll der Sitzung des 2. Unterausschusses des Untersuchungsausschusses vom 7. April 1922 publizierte. Prot. Sitzg. 2. UnterA des UA, 7. Apr. 1922, Steglich 1974, 285 Dok. 11 Anm. 25. Dort war ein Teil der Erzbergerschen Aufzeichnung

Wie kam die Denkschrift in Erzbergers Hände?

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In Erzbergers Nachlass erhaltene und offenbar vor der Überreichung seiner zusammenfassenden Darstellung der Affäre an Bergen gemachte Aufzeichnungen weisen darauf hin, um wen es sich bei dem von ihm genannten „Vermittler“ handelte. In diesen Notizen heißt es nämlich zum 22. und zum 23. April 1917: Besprechungen und Audienzen in Wien. Empfang des Schriftstückes. Alle Modalitäten und die Art und Weise des Empfanges wurden von mir streng geheim gehalten und niemandem mitgeteilt als nur am 3. September P. C. S. (…) Montag, den 3. September Besprechung mit P. C. S., der vertrauliche Rücksprache mit seiner Majestät zusagte, nach Rücksprache mit P.1255

Unter dem von Erzberger gebrauchten Akronym „P. C. S.“ ist zweifellos Pater ­C ölestin Schwaighofer 1256 und unter „P.“ der apostolische Nuntius in München Eugenio Pacelli zu verstehen. In von Wilhelm Patin veröffentlichten Aufzeichnungen Pater ­C ölestin Schwaighofers findet sich in einer Aufzählung von ihm geleisteter „Handlangerdienste“, bei denen seine „Betätigung nicht besonders in den Vordergrund getreten ist, teilweise vergessen wurde und meistens keinen irdischen Dank“ erhalten habe, folgender Eintrag: „Sehr difficile Sendung nach Wien zur Bereinigung der Angelegenheit, als der Geheimerlaß des Grafen Czemin (sic!) über die weitere Kampf­unfähigkeit Österreichs unvorsichtigerweise bekanntgegeben wurde und am anderen Tage sofort nach Paris fand.“ 1257 Obschon Pater Cölestin nicht erwähnte, zu welchem Zeitpunkt diese „sehr difficile Sendung“ stattgefunden hatte, handelte es sich ganz offenbar um die von ihm am 3. September 1917 Erzberger zugesagte „vertrauliche Rücksprache mit seiner Majestät“. Kaiser Karl vertrat seine Kühlmann am 2. September 1917 gegebene Darstellung, er habe Erzberger die Denkschrift nur „irrtümlich“ oder aus „Versehen“ zukommen lassen, auch gegenüber Generalleutnant Cramon, und dies möglicherweise am selben Tag. ­Cramon schrieb dazu 1920 in seinen Erinnerungen, der ­Kaiser habe ihn „im Herbst 1917“ 1258 nach Reichenau rufen lassen, und erzählte ihm: verlesen worden, zu deren Datierung Steglich bemerkte: „In der Vorlage heißt es unrichtig: 15. September.“ Dass die Aufzeichnung jedoch sehr wohl vom 15. und nicht vom 5. September datiert ist, ergibt sich daraus, dass Erzberger in ihr schrieb, er habe „am 7. September (…) Hohenlohe ein Schreiben“ übergeben und „am 14. September (…) die Mitteilung“ erhalten. Die von Steglich mitpublizierten, auf dem Schriftstück befindlichen Vermerke „Von Herrn Erzberger übergeben. B(ergen) 15.IX.“ und „Eingetragen 16.IX.1917“ (Steglich 1984, 421 – 423 Dok. 319) weisen ebenfalls darauf hin, dass die Datierung 15. Sept. 1917 die richtige ist. 1255 Erzberger TB-Eintr. 20. Apr.–3. Sept. 1917, zit. nach Kovács 1 2004, 671 Anm. 30. 1256 S. Kapitel Die „Vertrauensperson“. 1257 Aus den Aufz. P. Cölestin Schwaighofers, c) Handlangerdienste Nr. 28, Patin 1942, 303. 1258 Aus dem Kontext ist klar, dass dies schon Ende August/Anfang September der Fall war.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

Er hätte vor einiger Zeit einen längeren Brief an K ­ aiser Wilhelm geschrieben (…). Dieser unbedingt vertrauliche Brief wäre durch grobe Indiskretion in die Hände des Abgeordneten Erzberger geraten, und letzterer hätte die Dreistigkeit gehabt, ihn in einer großen Versammlung vorzulesen. Er – der ­Kaiser – hätte (…) Erzberger überhaupt nicht empfangen und wäre empört, daß mit seinem Handschreiben derartig leichtfertig verfahren wäre. Eine strenge Untersuchung erschiene unbedingt notwendig (…).1259

Die Untersuchung habe – so Cramon – „die Schuld des Kaisers“ erbracht: Er oder (…) die Damen Parma hatten den Abgeordneten (…) doch empfangen und ihm (…) mehrere Schriftstücke übergeben, unter denen sich – angeblich aus Versehen – auch der Entwurf (sic!) zum Schreiben an K ­ aiser Wilhelm befand. (…) Als ich ­Kaiser Karl von ­diesem Ergebnis (…) Meldung erstattete, ging er schnell darüber hinweg und bezeichnete die ganze Angelegenheit als ‚bedauerliches Mißverständnis‘.1260

Dazu merkte Cramon an: Kaiser Karl (…) muß geradezu angenommen haben, es würden andere die Schuld auf sich laden, um ihn (…) nicht Lügen zu strafen. Ich hätte die Angelegenheit überhaupt nicht erwähnt, wenn sie nicht eine Eigenschaft des jungen Kaisers hervortreten ließ (sic!), die sich künftighin noch stärker bemerkbar machen sollte: den Hang, auf verschwiegenen Wegen zu erreichen, was auf offenen nicht gelingen wollte. Stellten sich dann nachträglich Schwierigkeiten ein, so sollte die einfache Ableugnung über alles hinweghelfen. Die Parma-Briefaffäre ist der Höhepunkt dieser Taktik.1261

Im von Cramon 1932 zusammen mit Paul Fleck veröffentlichten Buch Deutschlands Schicksalsbund heißt es fast gleichlautend und ebenfalls ohne Nennung eines bestimmten Datums: Gegen seine Gewohnheit kam mir der ­Kaiser schon im Garten seiner Villa entgegen und klagte mit beweglichen (sic!) Worten, daß ein Schreiben, das er an den deutschen ­Kaiser gerichtet habe, durch eine Indiskretion in die Hände des (…) Reichstagsabgeordneten Erzberger gelangt und von d ­ iesem in einer Zentrumsversammlung urbi et orbi vorgelesen worden sei. Auf diese Weise habe auch England von dem Inhalt des Schreibens (…) Kenntnis bekommen. (…) Der ­Kaiser war sehr unwillig darüber, daß sein Schreiben überhaupt in Hände habe finden ­können, 1259 Cramon 1920, 114 – 115. 1260 Ebd. 1261 Ebd.

Wie kam die Denkschrift in Erzbergers Hände?

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in die es nimmermehr gehöre, und bestand darauf, daß ich eine strenge Untersuchung der Angelegenheit im deutschen Hauptquartier anregen solle, weil er ja sonst gar nicht mehr in der Lage sei, an den deutschen K ­ aiser zu schreiben. – K ­ aiser Karl kam dann noch auf Erzberger zu sprechen, fragte mich nach d ­ iesem Mann und sagte, er habe ihn nie gesehen. (…) – Dem mir erteilten Befehl gemäß meldete ich den Vorfall unserem K ­ aiser und bat um eine Untersuchung des Vorkommnisses (…).1262

In der Folge habe er, Cramon, mehrere Wochen nichts von der Sache gehört. Da rief mich General Ludendorff plötzlich an und bestellte mir im Allerhöchsten Auftrage (…), ich solle (…) meinem österreichischen Brotherrn melden, daß die Sache (…) sich sehr eigentümlich aufgeklärt habe. Erzberger habe bei einer Audienz ja selbst vom ­Kaiser Karl den bekannten Bericht des Grafen Czernin (…) erhalten, und da er durch keine Schweigepflicht gebunden gewesen sei, im Gegenteil den Auftrag erhalten habe, in Deutschland für den Frieden zu wirken, so hätte er auch kein Bedenken getragen, diesen (…) Bericht in einer Zen­ trumsversammlung bekanntzugeben. (…) ­Kaiser Karl ging, als ich bei der nächsten Audienz den Sachverhalt meldete, schnell über die Angelegenheit mit den Worten hinweg, daß hier ein unglückliches Mißverständnis vorläge.1263

Darauf, dass im deutschen Großen Hauptquartier eine Untersuchung stattgefunden hätte, gibt es keinerlei Hinweise. Ludendorff dürfte, ebenso wie K ­ aiser Wilhelm, vom Auswärtigen Amt über das Ergebnis der dort erfolgten Untersuchung informiert worden sein und sich gegenüber Cramon auf ­dieses bezogen haben. Eine Version der Affäre, die sichtlich nicht von Wissen um die vorstehenden Informationen geprägt war, gab Exkaiserin Zita 1950 bei ihrer Aussage im Prozess zur Seligsprechung ­Kaiser Karls zu Protokoll: Als dieser Czernin „gegenüber absolut leugnete, Erzberger das Dokument gegeben zu haben“, sei er „der Lüge bezichtigt“ 1264 worden: Faktisch war sein Exemplar nicht aufzufinden. (…) Als (Kaiser Karl) im Jahre 1919 in der Schweiz im Exil war, hatte er einmal Gelegenheit, Erzberger die Frage nach dem Woher seines Dokument stellen zu lassen. Dieser antwortete der Vertrauensperson sehr überrascht, dass er ja das Dokument von ihm erhalten habe.1265 1262 Cramon Fleck. 1932, 179 – 181. 1263 Ebd. 1264 Der Monarch war von niemandem „der Lüge bezichtigt“ worden. Wohl aber war, der Aktenm. Z. Czernins zufolge, im von ­diesem dem ­Kaiser vorgelegten Bericht Hohenlohes über dessen Gespräch mit Erzberger von „irreführenden Angaben Seiner Majestät“ die Rede. Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 202. 1265 Zita Aussage 22. Apr. 1950, ins Ital. übers.: Congregatio. 1 1994, 766 – 767, dt. Text o. D., Kovács 1 2004, 670 – 671 Anm. 29.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

Erzberger habe dem ­Kaiser in der Audienz ein „umfangreiches Schriftstück zum lesen (sic!) gegeben“ mit der Bitte, es ihm am Abend wieder zukommen zu lassen. Der ­Kaiser habe das Schriftstück in eine Lade seines Schreibtischs gelegt und einen Teil davon durchgeblättert. Am Abend habe er „die auseinandergefallenen Papiere rasch in ein Kouvert“ geräumt, ­dieses verschlossen und durch einen Flügeladjutanten an Erzberger gesandt. Auf diese Weise sei auch die in derselben Lade aufbewahrt gewesene Denkschrift ­Czernins in die Hände Erzbergers gekommen: „Als dieser seine Papiere am selben Abend ordnete, fand er das Memorandum ­zwischen seinen Blättern eingeschoben.“ Nachdem der Denkschrift kein erklärendes Wort beigefügt gewesen sei und der K ­ aiser „von dieser Sache“ auch nicht gesprochen habe, habe Erzberger geglaubt, dass der Monarch ihm „unter der Hand und ohne es zu erwähnen, Einblick in eine Aktion geben wollte, von der er wusste, dass dies“ Erzbergers Friedensbemühungen „unterstützen würde“.1266 Die Episode der Befragung Erzbergers durch eine „Vertrauensperson“ wird auch in Werkmanns Deutschland als Verbündeter geschildert, die „Vertrauensperson“, nämlich „P. Zölestin Schweighofer“ (sic!) aber beim Namen genannt.1267 Pater Cölestin selbst nahm am 22. Oktober 1921 zur Frage, auf w ­ elche Weise Erzberger in den Besitz der Denkschrift gekommen sei, in einem Brief an Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri wie folgt Stellung: „Anche quell’affare tanto discusso in tutto il mondo, in riguardo all’ottenimento ‚Rapporto Czernin all’Imperatore‘, sembra in realtà essere avvenuto in modo assolutamente innocente e non intenzionato da ambedue le parte.“ 1268 Die Übergabe sei also sowohl was den K ­ aiser als auch was Erzberger betreffe auf eine „absolut unschuldige und unbeabsichtigte Weise“ erfolgt.1269

4.2

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

Nach dem Eklat, den das Bekanntwerden des Briefes ­Kaiser Karls an Sixtus im April 1918 hervorgerufen hatte, gab es in der Öffentlichkeit Gerüchte über einen Brief Czernins an ­Kaiser Karl, eben die Denkschrift vom 12. April 1917, der beim Zustandekommen der unter maßgeblichem Engagement Erzbergers vom deutschen Reichstag am 19. Juli 1917 mit großer Mehrheit gefassten Friedensresolution eine Rolle gespielt hätte. Über den Widerhall, den diese Gerüchte in sächsischen Zeitungen fanden, berichtete am 18. April 1918 der k. u. k. Gesandte in Dresden Carl Freiherr von Braun an den eben wieder zum Minister des Äußern ernannten Grafen Burián: 1266 Ebd. 1267 Werkmann 1931, 176. 1268 P. Cölestin Schwaighofer an Gasparri 22. Okt. 1921, Kovács 2 2004, 772 – 7 77 Dok. 248. 1269 Ebd.

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

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Ueber den angeblichen Brief des Grafen Czernin an Seine (…) Majestät vom Frühjahr v. J., der dazu beigetragen haben soll, die Geister für die Friedensresolution reif zu machen, weiß (…) die ‚Sächsische Volkszeitung‘ folgendes mitzuteilen: – ‚(…) Der Brief blieb in Deutschland nicht unbekannt. Das Original und Abschriften kursierten in verschiedenen Kreisen und sie mögen auf die Entschließung des Reichstages eingewirkt haben. (…)’ – Zu d ­ iesem Kapitel lassen sich die alldeutschen ‚Leipziger Neuesten Nachrichten‘ wie folgt vernehmen: Das Dementi der österreichischen Botschaft gegenüber der ‚Deutschen Tageszeitung‘, worin bestritten wird, daß Czernin dem Abgeordneten Erzberger jemals irgend ein Schriftstück übergab, mag richtig sein. (…) Wohl aber darf mit gutem Grunde angenommen werden, daß eine Person aus der Umgebung des österreichischen Kaisers ­dieses Geschäft besorgt hat, und so ist es auch gewesen.1270

Eine Polemik größeren Ausmaßes um das Zustandekommen der Friedensresolution entspann sich im Juli 1919. Die Protagonisten dieser Auseinandersetzung waren Karl Helfferich, der von Mai 1916 bis November 1917 deutscher Vizekanzler und Staatssekretär des Innern gewesen war, der nunmehrige Vizekanzler und Reichsfinanzminister Erzberger, Botschafter Wedel und Czernin. Sie begann damit, daß Helfferich in der Neuen Preußischen Zeitung vom 1. Juli 1919 erklärte, was Deutschland ins Verhängnis geführt habe: Wahnideen, die unserem Volke in Heer und Heimat in leichtfertiger und geradezu verbrecherischer Weise eingeimpft worden sind, (…) die sich schließlich in vielen Millionen von Köpfen zu der Ueberzeugung verdichteten: der Verteidigungskrieg ist eine Lüge; (…) wir könnten längst einen erträglichen und ehrenvollen Frieden der Verständigung haben, wenn nicht die Eroberungsgelüste unserer Gewalthaber ihn verhinderten. (…) Den entscheidenden Antrieb haben diese Wahnideen erhalten in den parlamentarischen Vorgängen des Juli 1917 (…). Es war (…) Erzberger, der den ersten Streich führte. (…) Herr Erzberger, dem leider vom Kanzler wie vom Auswärtigen Amt (…) eine Vertrauensstellung eingeräumt worden war, wie sie niemals bisher ein Außenstehender gehabt hat, machte diesen für die politische Führung des Krieges so folgenschweren Vorstoß, ohne vorher die Reichsleitung von seiner Absicht zu unterrichten, ja ohne auch nur seiner eigenen Partei diesen Vorstoß anzukündigen. Dagegen muß hervorgehoben werden, daß (…) Herr Erzberger seinen Vorstoß im Einverständnis mit dem Leiter der österreichischen Politik, ja auf dessen Anstiften unternommen hat. (…) Herr Erzberger gab sich dazu her, die Geschäfte der Wiener Politik gegen die eigene Regierung zu besorgen (…) und damit den Boden zu bereiten für einen Frieden nicht etwa der Verständigung, sondern des Verzichts und der Unterwerfung, wie ihn die Wiener Politik damals uns zumutete. Die männlichen und weiblichen Röcke, vor denen Bismarck so eindringlich gewarnt hat, haben dabei ihre verhängnisvolle Rolle gespielt. – (…) Die feindlichen Staatsmänner, die 1270 Braun an Burián, Ber. 85/P, 18. Apr. 1918, HHStA PA I, 951 Krieg 25a Allg. 1917 – 1918 fol. 94 – 94v.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

von dem Brief des Kaisers Karl Kenntnis hatten, konnten sich die Hände reiben: Nach dem moralischen Zusammenbruch Oesterreich-Ungarns, wie er in dem Kaiserbrief zum Ausdruck gekommen war, kündigte sich jetzt in der Erzberger-Aktion der moralische Zusammenbruch Deutschlands an.1271

Auf diesen Artikel hin brachte die regierungsnahe Deutsche Allgemeine Zeitung des nächsten Tages eine „von besonderer Seite“, zweifellos von Erzberger, verfasste Zuschrift, in der zur Vorgeschichte der Friedensresolution unter anderem zu lesen stand: Der frühere Minister Dr. Helfferich beteiligt sich (…) an dem Bestreben, die Geschichte des Krieges zu fälschen. So erzählt er, um diese Resolution als reichsschädigend hinzustellen, Herr Erzberger habe sie betrieben, ohne vorher die Reichsleitung von seiner Absicht zu unterrichten, und fährt fort: ‚Dagegen muß hervorgehoben werden, daß Herr Erzberger seinen Vorstoß im Einverständnis mit dem Leiter der österreichischen Politik, ja auf dessen Anstiften unternommen hat‘. – Da die Juliresolution als das Ereignis, von dem ab noch einmal die ­Katastrophe hätte verhindert werden können, geschichtlich eine große Rolle spielen wird, sei (…) folgendes festgestellt: Die Bemühungen um diese Kundgebung erfolgten nach eingehender Rücksprache mit dem Reichskanzler (…), der sie als Kampfmittel gegen die Alldeutschen billigte, mit den Staatssekretären Graf Roedern und Dr. Solf und auch mit Dr. Helfferich (…). Die zweite (Unwahrheit) ist die Behauptung, die Resolution sei im Einverständnis, ja auf Anstiften Czernins erfolgt. Czernin hat in einer Rede behauptet, die Schilderungen eines seiner Freunde über die Lage in Wien hätten Erzberger und Südekum in ihren Bestrebungen bestärkt. Daraus macht Herr Dr. Helfferich ein Einverständnis, ja, ein Anstiften (…). E ­ rzberger hatte aber die Rücksprache eines Freundes des Grafen gar nicht nötig. Im April 1917 war ein dringlicher Bericht Czernins (die Denkschrift vom 12. April) in Berlin eingegangen, die Monarchie stünde vor den ernstesten inneren Zersetzungen, über das Jahr hinaus sei an einen Widerstand nicht zu denken. Daraufhin reiste Erzberger in Bethmanns Auftrag nach Wien und erreichte in Verhandlungen mit dem K ­ aiser Karl und Czernin, daß überstürzte Friedensschritte unterblieben.1272

Zweck und Ergebnis dieser Wien-Reise sei gewesen, „gerade was Dr. Helfferich als notwendig und angeblich unterlassen bezeichnet, ‚Österreich-Ungarn bei der Stange zu halten und ihm den Rücken zu stärken“.1273 Die Auseinandersetzung wurde, insbesondere was die Frage betraf, ob die Reichsleitung vom beabsichtigten Vorstoß Erzbergers im Reichstag informiert gewesen war oder 1271 Helfferich NPZ A 1. Juli 1919, 1 – 2, idem: Helfferich Fort. 1919, 10. 1272 DAZ A 2. Juli 1919, 1; Helfferich Fort. 1919, 12 – 13. 1273 Ebd.

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

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nicht, noch einige Tage fortgeführt. Gegen die in der Deutschen Allgemeinen Zeitung gegebene Darstellung der Rolle Czernins bzw. dessen „dringlichen Berichtes“ wandte sich Botschafter Wedel in einem Artikel in den Hamburger Nachrichten vom 23. Juli 1919. Darin schrieb er: Aus der (…) Notiz (…) muß der Leser den Eindruck gewinnen, daß Herr von Bethmann ­Hollweg Erzberger ob des Czerninschen Berichts (…) ins Vertrauen zog und nach Wien sandte, um ­Kaiser Karl und Czernin aufzurichten und überstürzte Friedensschritte zu verhindern. (…) Wie ich höre, bestreitet Herr v. Bethmann, Herrn Erzberger Mitteilungen aus dem Immediatbericht Czernins gemacht (… und) Herrn Erzberger nach Wien gesandt zu haben. (…) Herr Erzberger hat während des Krieges oft aus eigener Initiative Reisen ins Ausland, nach der Schweiz, nach Oesterreich und Ungarn unternommen. Er versäumte nicht, vorher beim Reichskanzler oder im Auswärtigen Amt zu seiner Orientierung vorzusprechen, und man suchte seine Sprache zu regeln. Herr Erzberger berief sich dann im Auslande auf diese Besprechungen, und man hielt ihn für einen Abgesandten der Regierung. (…) Herr Erzberger hat am 25. April 1917 dem Staatssekretär Zimmermann eine Aufzeichnung über Besprechungen in Wien am 22. und 23. April mit dem ­Kaiser, Mitgliedern der Familie Parma und Braganza und dem Grafen Czernin zugestellt.1274 (…) Erzberger erzählt darin seine Eindrücke aus den Aeußerungen des Kaisers und seines Ministers, namentlich deren Zweifel an der Wirkung des U-Bootkrieges. Im Zusammenhang damit erwähnt er Graf Czernins Bericht (…), ohne auf den Inhalt näher einzugehen. (…) Erzberger wußte also (…) einiges von Czernins Bericht und seinem Inhalt. (…) Später stellte es sich heraus, daß Herr Erzberger den streng geheimen Bericht selbst in Händen hatte. Man war davon peinlich überrascht, insbesondere von dem Gebrauch, den Herr Erzberger einige Zeit s­ päter davon gemacht hatte. (…) Graf Czernin drohte schließlich mit einer Anklage wegen Diebstahls einer Geheimakte, bis es sich herausstellte, daß Herr E ­ rzberger den Bericht zwar aus Österreich, aber von anderer Seite bezogen hatte.1275

Zu Wedels Artikel erklärte Erzberger am 25. Juli 1919 vor der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung, er habe in den „Immediatbericht“ vom 12. April 1917 schon vor seiner Reise nach Wien Einsicht nehmen können, und zwar im Auswärtigen Amt auf Anordnung des Kanzlers. In Wien jedoch sei ihm der Bericht „übergeben worden“. Zur Frage von wem, sagte er: Die Person nenne ich nicht und werde ich niemals nennen (…). Ich wahre die Diskretion! Diesen Bericht habe ich frei zu meiner Verfügung bekommen, damit ich dem Frieden dienen 1274 Dass es sich tatsächlich so verhielt, erwies der drei Jahre ­später von den MNN gedruckte Bericht ­Erzbergers. Erzberger an Zimmermann 25. Apr. 1917, MNN A (10. März 1922), 1 – 2. 1275 Wedel Hamburger Nachrichten 23. Juli 1919, zit. nach Helfferich Fort. 1919, 43 – 44.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

konnte, und um ihn so zu verwerten, wie ich es für richtig hielt. Das war die einzige Bedingung, die daran geknüpft worden ist.1276

Diese Worte und Wedels Erklärung, Erzberger habe den Bericht nicht von amtlicher österreichischer, sondern „von anderer Seite“ bezogen, waren für Helfferich klare Hinweise darauf, auf wen Wedel mit anspielte. Er schrieb daher in der Neuen Preußischen Zeitung vom 26. Juli 1919: Erzberger (…) wird von ­Kaiser Karl empfangen und erhält von d ­ iesem, was (… er) schamhaft verschweigt, – ohne Wissen des Grafen Czernin! – den Czerninschen Immediatbericht. Mit dem Immediatbericht in der Hand treibt von Stunde an Herr Erzberger mit der ihm angeborenen gedankenlosen Geschäftigkeit im Effekt habsburgische Politik.1277

In die Auseinandersetzung griff nun auch Czernin ein und erklärte in einem vom 27. Juli 1919 datierten und in der Neuen Freien Presse vom nächsten Tag veröffentlichten Erklärung: Was meinen von Erzberger erwähnten Bericht vom April 1917 anbelangt (…) so war dieser (…) ausschließlich für die beiden K ­ aiser und den Reichskanzler bestimmt. (…) Von einer nicht verantwortlichen Seite wurde dieser Bericht ohne mein Wissen und hinter meinem Rücken Herrn Erzberger, welcher denselben nicht geheim hielt, übermittelt. Ich muß aber ausdrücklich konstatieren, daß Erzberger bona fide vorging und der begründeten Überzeugung war, im Sinne seiner Auftraggeber zu handeln, als er die streng geheimen Tatsachen preisgab. (…) Die Darstellung des Grafen Wedel ist daher, soweit sie mir bekannt ist, vollständig richtig. (…) Ich erfuhr von der Übergabe meines Berichtes an Erzberger erst, als es zu spät war. (…) Die vom Grafen Wedel (…) besprochenen Tatsachen sind aber nur Glieder einer ganzen Kette unverantwortlicher Nebenpolitik, deren Gänze ich erst ein Jahr ­später entdeckte und ­welche meine Demission veranlaßten.1278

In ähnlicher Weise äußerte sich Czernin auch in seinem bald darauf erschienen Buch Im Weltkrieg: Es fielen schwere Indiskretionen und Einmischungen vor, ­welche von Personen ausgingen, die, ohne in verantwortlicher Stellung zu sein, Einblick in die diplomatischen Vorgänge erhalten 1276 Erzberger Rede 25. Juli 1919, Verh. VDNV 1919/20. 1932 – 1933. 1277 Helfferich NPZ A (26. Juli 1919), 1 – 2, idem: Helfferich Fort. 1919, 55, zum Teil wiedergegeben in: NFP M (27. Juli 1919), 8. 1278 NFP N (28. Juli 1919), 2.

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

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hatten. Es hat keinen Zweck, hier Namen zu nennen, um so weniger, als selbst den verantwortlichen Leitern der Politik die näheren Details dieser Vorgänge erst viel s­ päter und auch dann vorerst in unvollständiger Form zur Kenntnis kamen.1279

Der frühere Minister wies also, ohne den K ­ aiser und seine Umgebung expressis verbis zu nennen, mit seinen Worten „von einer nicht verantwortlichen Seite“ und „einer ganzen Kette unverantwortlicher Nebenpolitik“ klar auf diesen bzw. diese hin. Helfferich nahm zu Czernins Erklärung in der Neuen Preußischen Zeitung des 29. Juli 1919 Stellung: Die Aussage des Grafen Czernin geht dahin, daß Erzberger seinen (…) Immediatbericht vom April 1917 hinter dem Rücken und ohne Wissen des Grafen von einer ‚nichtverantwortlichen Seite‘ erhalten hat, (…) den Bericht ‚nicht geheim hielt‘ und daß durch das Vorgehen des Herrn Erzberger der Inhalt des Berichts zur Kenntnis unserer Feinde kam. Die ‚nichtverantwortliche Seite‘ war der K ­ aiser Karl selbst, der wenige Wochen zuvor an (…) den Prinzen von Parma, gleichfalls hinter dem Rücken seines Außenministers, jenen unverantwortlichen und verräte­ rischen Brief geschrieben hatte. Herr Erzberger machte also mit dem K ­ aiser Karl und seiner Gemahlin (…) hinter dem Rücken der verantwortlichen Männer in Oesterreich-Ungarn und in Deutschland (…) habsburgische Politik.1280

Auf die Denkschrift ging Helfferich auch in einem am 1. September 1919 gehaltenen und im selben Jahr als Broschüre publizierten Vortrag, ein in welchem er sagte: „Die Denkschrift hatte Graf Czernin verfaßt (…) Herr Erzberger hat sie hinter dem Rücken des Grafen Czernin durch den ­Kaiser von Österreich erhalten. Er hat sie nicht geheim gehalten, sondern sie unter anderem auf einer Parteiversammlung (…) bekannt gegeben.“ 1281 Sehr ähnlich drückte sich Helfferich im 3. Band seines Buches Der Weltkrieg aus.1282 In der 1925, ein Jahr nach seinem Tode, erschienenen Ausgabe ­dieses Werkes in einem Band zeigte er sich nicht mehr so überzeugt davon, dass die Weitergabe des Berichts dem ­Kaiser anzulasten sei. Dort heißt es nämlich: Erzberger hat damals aus dem unmittelbaren Kreise der österreichischen Kaiserfamilie, mit deren weiblichen Mitgliedern aus dem Hause Bourbon-Parma er Beziehungen angeknüpft hatte, den Geheimbericht (…) vom 12. April 1917 erhalten (…) Herr Erzberger hat späterhin in der (…) Nationalversammlung (…) behauptet, den Bericht ohne einen anderen Auftrag als 1279 Czernin 1919, 220. 1280 Helfferich NPZ M (29. Juli 1919), 1 – 2, idem: Helfferich Fort. 1919, 74. 1281 Helfferich 1919, 37 – 38. 1282 Helfferich Weltkrieg. 3. 1919, 578 – 580.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

den der Geheimhaltung seiner Herkunft erhalten zu haben. Das hat offenbar seine Richtigkeit; denn auch Graf Czernin (…) sagt ausdrücklich, daß Herr Erzberger dabei ‚im Sinne seiner Auftraggeber‘ gehandelt habe.1283

Erzberger selbst führte vor der Verfassunggebenden Nationalversammlung am 29. Juli 1919 Czernins tags zuvor veröffentlichte Erklärung in der Neuen Freien Presse als Zeugnis dafür an, dass er, als er die Denkschrift in Frankfurt vorlas, der Überzeugung sein konnte, im Sinne desjenigen zu handeln, der sie ihm übergeben hatte. Czernin anerkenne, (…) daß ich in bestem Glauben gehandelt habe (…), im Sinne der Stelle, von der ich das Material bekommen habe. Ich sage weiter: ich habe nicht nur in bestem Glauben gehandelt, sondern (…) meine Pflicht getan, wenn ich durch Bekanntgabe ­dieses Berichtes meine Partei bewogen habe, definitiv auf den Boden des Verständigungsfriedens zu treten.1284

Im Prozess gegen Helfferich erklärte Erzberger am 20. Jänner 1920, so wie er es schon vor der Verfassunggebenden Nationalversammlung getan hatte, die erste Kenntnis von Czernins Denkschrift unmittelbar vor seiner Reise nach Wien durch Bethmann H ­ ollweg erhalten zu haben: Er sagte mir: ‚Vor ihrer Reise muß ich sie hinweisen auf einen Bericht, den Graf Czernin vor einigen Tagen hierhergeschickt hat. Kennen Sie ihn?‘ Ich sagte: ‚Nein (…)‘. Darauf sagte der Reichskanzler: ‚Lassen Sie sich den Bericht im Auswärtigen Amt geben‘. Er teilte mir dann einige Stellen aus dem Bericht mit. Ich ging daraufhin in das Auswärtige Amt zu dem zuständigen Dezernenten, Herrn von Bergen, und habe ihm diesen Wunsch des Reichskanzlers unterbreitet (…) Er sagte: ‚Gehen Sie zu dem Herrn Staatssekretär Zimmermann, der nebenan sitzt (…)’. Das tat ich, und dann habe ich den Bericht gelesen (…) Dann ist mir der Wunsch übermittelt worden, in Österreich (…) dahin zu wirken, daß (…) die Bemühungen Österreichs um einen Sonderfrieden nicht fortgesetzt werden sollten. (…) Die Behauptung aber, daß der Bericht durch mich bekannt geworden ist, diese Vermutung des Angeklagten (Helfferich) ist nicht zutreffend. Dieser Bericht, der mir in einwandfreiester Weise zugestellt worden ist, ist bei mir geblieben; ich habe keinen Gebrauch davon gemacht bis zu dem Moment, wo ich es für notwendig hielt, daß wir in Deutschland zum Frieden kämen. Ich habe von dem Bericht den ersten Gebrauch gemacht in einer vertraulichen Sitzung, ­welche die Zentrumspartei (…) in Frankfurt am 25. Juli (1917) abgehalten hat. Das war nicht nur mein Recht, sondern das war meine Pflicht (…).1285 1283 Helfferich 1925, 466. 1284 Erzberger Stellungnahme 29. Juli 1919, Verh. VDNV 1919/20. 2057. 1285 Erzberger Aussage 20. Jän. 1920, Erzberger-Prozess 1920, 37 – 38.

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

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Zu Erzbergers Aussagen vom 20. Jänner 1920, auf w ­ elche Weise die Denkschrift zu seiner Kenntnis und in seinen Besitz gekommen war, nahm Wedel in einer Mitteilung an die Nachrichtenagentur Telegraphen-Union Stellung. In dieser am 14. Februar 1920 in der Neuen Preußischen Zeitung und in der Täglichen Rundschau veröffentlichten Stellungnahme bezog sich Wedel vor allem auf die Ende August 1917 von Hohenlohe an ­Czernin übermittelten Berichte, über die ihn der letztere „genau orientiert“ und von deren Inhalt er sich Aufzeichnungen gemacht habe. Der Wortlaut dieser Aufzeichnungen lässt, wie erwähnt, erkennen, dass Wedel für sie zumindest Teile von Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung vorgelegen haben müssen – über weite Strecken sind sie nämlich fast ident mit den entsprechenden Passagen der letzteren,1286 lediglich deren Ich-Form ist zugunsten der auktorialen Perspektive verlassen.1287 Kann fiel die weitgehende Identität des Wortlauts der Stellungnahme Wedels mit der Baernreitherschen Überlieferung der Aktenmäßigen Zusammenstellung nicht auf. Er meinte aber, durch Wedels Stellungnahme werde, ebenso wie durch den Inhalt des am 9. April 1918 über ein Hughes-Gerät geführten „Gesprächs“ z­ wischen ­Kaiser Karl und Czernin, Demblins Darstellung der Sixtusaffäre „weitgehend unterstützt“.1288 In Wedels Stellungnahme hieß es auch, und zwar ohne Entsprechung in der Aktenmäßigen Zusammenstellung: Herr Erzberger will die (…) Denkschrift nicht vom ­Kaiser selbst, sondern am Tage nach der Audienz von einer dem ­Kaiser sehr nahestehenden Seite erhalten haben. Nach seiner dem Auswärtigen Amt überreichten Aufzeichnung über seinen Wiener Aufenthalt galten seine Besuche am Tage nach der Audienz den Damen der Häuser Parma und Braganza. Das war der spezielle Vertrauenskreis Herrn Erzbergers. Bei seinen Besuchen in Wien versäumte er vor allem nicht, nach Schwarzau zur Herzogin von Parma hinauszufahren.

Erzberger selbst hatte nie erklärt, die Denkschrift nicht vom K ­ aiser selbst zu haben. Wedel glaubte aus der ihm als erwiesen geltenden besonderen Vertrautheit Erzbergers mit Kaiserin Zita und vor allem der Herzogin Maria Antonia schließen zu können, dass er die Denkschrift von dort erhalten hatte. Als einen Hinweis darauf führte er an: Bald nach Übernahme der Wiener Botschaft entdeckte ich, daß Herr Erzberger mit dem amtlichen Courier geschlossene Briefe schickte, die von der Kanzlei (der Botschaft) ­weiterbefördert wurden. Der letzte Feldjäger hatte eine geschlossene Sendung an die Kaiserin Zita mitgebracht. Auf der Kanzlei erfuhr ich, daß s­ olche Korrespondenzen Herrn Erzbergers bereits seit geraumer 1286 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 200 – 202. 1287 NPZ M (14. Feb. 1920), 1 und (TR M 14. Feb. 1920), 1, abgedruckt in Demblin 1920, 77 – 82. 1288 Kann 1963 16, 417 – 418.

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Zeit Usus geworden ­seien. Auf der Kanzlei habe man geglaubt, daß ­dieses mit Zustimmung und unter Kontrolle des Auswärtigen Amtes geschehe. Nachdem ich durch (…) Anfrage festgestellt hatte, daß der Leiter des Auswärtigen Amtes von dieser Korrespondenz nichts wußte, erreichte ich durch meine Intervention in der Angelegenheit der Sendung an die Kaiserin Zita, daß ­Kaiser Karl und Kaiserin Zita nicht umhin konnten, durch die Botschaft und das Auswärtige Amt sich für die Zukunft jeden ‚Anbiederungsversuch‘ Herrn Erzbergers zu verbitten, was die hohen Herrschaften nicht abhielt, ihn bei der nächster Gelegenheit wieder zu empfangen. (…) Seit dieser Zeit suchte Herr Erzberger in Berliner politischen Kreisen für einen Wechsel in der Wiener Botschaft Stimmung zu machen.1289

Dass Wedels Bericht nicht aus der Luft gegriffen ist, erweist das Einlaufbuch des Wiener Ministeriums des Äußern. In d ­ iesem ist unter Zahl 6743 und „eingelangt 17/VII (1917)“ festgehalten: „Übermittlung eines Briefes des Reichstagsabgeordneten Erzberger an Kaiserin Zita“.1290 Und im Bericht Hohenlohes vom 20. Juli 1917 an Czernin heißt es: Ich habe Herrn von Stumm den Vorfall mit dem Brief Erzbergers an Seine (Ihre!) Majestät mitgeteilt und ihn gefragt, wieso es denn dahin komme, daß Erzberger sich immerfort des deutschen Kuriers nach Wien bediene. – Stumm sagte mir, Erzberger sei schon zu Kriegsbeginn mit der Propaganda im Auslande betraut worden, wobei er so manchen Unsinn gemacht, aber oft auch ganz Nützliches durchgeführt habe. Für diese Tätigkeit stünden ihm natürlich die (…) Kuriere zur Verfügung. Man werde aber (…) Sorge dafür tragen, daß er dieselben nicht zu derlei Taktlosigkeiten mißbrauche. – Auf einem langen Spaziergange mit (…) K ­ aiser Wilhelm habe ich heute morgens die Rede auf Erzberger gebracht und erwähnt, derselbe habe die Unverfrorenheit gehabt, direkt an Ihre Majestät die Kaiserin zu schreiben. Ich bemerkte, daß Herr Erzberger diesen Brief wahrscheinlich vor einem möglichst großen Publikum adressiert haben dürfte, um so den Anschein zu erwecken, welch ‚hervorragende‘ Stellung er bei uns besitze. (…). – Der K ­ aiser erwiderte, Erzberger sei ein unverschämter Kerl und er hoffe, im Wiederholungsfalle würden ihm s­ olche Sendungen uneröffnet zurückgestellt werden mit dem Bemerken, er möge sich weiterer derartiger Belästigungen enthalten.1291

Bethmann Hollweg äußerte sich am 26. Februar 1920 im Prozess gegen Helfferich als Zeuge kritisch zu Erzbergers Aussage vom 20. Jänner ­dieses Jahres: Sehr wohl möglich ist es, daß ich Herrn Erzberger gesagt habe: Leider würden skeptische Anschauungen auch vom Grafen Czernin geteilt. (…) Ich werde weiter (…) gesagt haben: 1289 NPZ M (14. Feb. 1920), 1 und TR M (14. Feb. 1920), 1, abgedruckt in Demblin 1920. 77 – 82. 1290 HHStA PA I, 378 Zl. 6743, 17. Juli 1917. 1291 Hohenlohe an Czernin, Tel. 492, 20. Juli 1917, HHStA PA III, 174 fol. 304 – 304v.

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

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‚Lassen Sie sich, bevor Sie nach Wien abreisen, vom Referenten im Auswärtigen Amt noch näher informieren‘. Ich wußte, daß Herr v. Bergen in fortlaufendem nahen Verkehr mit Herrn Erzberger stand. Für ausgeschlossen halte ich es allerdings, daß ich Herrn Erzberger gesagt habe: ‚Bitte, Herr Erzberger, gehen Sie nach dem Auswärtigen Amt und lassen Sie sich den Bericht des Grafen Czernin vorlegen‘. (…) Hätte ich das Herrn Erzberger erklärt, dann hätte ich unzweifelhaft (…) direkt dem Auswärtigen Amt die Anweisung gegeben: (…) Denn ohne eine s­ olche Anweisung hätte er unter keinen Umständen den Bericht vorgelegt bekommen. (…) Ich glaube also, daß sich Herr Erzberger in seinem Gedächtnis irrt.1292

Erzberger jedoch beharrte auf seiner Aussage: Und ich erinnere mich ganz genau, daß der Herr Reichskanzler sagte: ‚Lassen Sie sich von Herrn v. Bergen diesen Czerninschen Bericht zur Einsichtnahme geben, Sie müssen ihn genau kennen, damit Sie die Stimmung in Wien kennen und dagegen wirken können‘. (…) Ich ging hinüber und habe mir auf diese Anweisung hin den Bericht geben lassen und im Zimmer des Herrn v. Bergen durchgesehen.1293

Der Erste Staatsanwalt beurteilte die Sache so: Bliebe also nur noch die Möglichkeit, daß v. Bergen ohne die ausdrückliche Genehmigung des Reichskanzlers (…) diesen Bericht Erzberger zugänglich gemacht hat. (…) Ich nehme nicht an, daß er auf die bloß mündliche Angabe Erzbergers, der Bericht solle ihm gezeigt werden, ­diesen vorgelegt hätte. Eine Rückfrage an den Kanzler ist seitens des Herrn v. Bergen aber nicht erfolgt. (…) Ich halte für erwiesen, daß Erzberger auf andere Weise (…) zu d ­ iesem Bericht (…) gekommen ist, vielleicht erst in Wien (…) Einblick erhalten hat.1294

In seinen 1920 publizierten Erinnerungen berichtete Erzberger: Es ist noch nicht die Zeit gekommen, öffentlich darzulegen, wie ich in den Besitz der Niederschrift des Berichts des Grafen Czernin (…) gekommen bin; es geschah auf die korrekteste Weise der Welt. Die Abschrift selbst hielt ich gegenüber jedermann absolut geheim; ich verwendete sie nicht, auch nicht dem Inhalt nach, bei der Begründung der Friedenszielresolution, und noch viel weniger bei meinen Darlegungen über die Notwendigkeit des Friedensschlusses in der Zentrumsfraktion. Wohl aber mußte ich mich (…) für verpflichtet halten, gegenüber einem fortgesetzten Widerstand gegen Herbeiführung eines Verständigungsfriedens von 1292 Bethmann Hollweg Aussage 26. Feb. 1920, Erzberger-Prozess 1920. 738. 1293 Erzberger Aussage 26. Feb. 1920, ebd. p 738. 1294 Plädoyer des E ­ rsten Staatsanwalts 4. März 1920, ebd. p 849.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

­ iesem Bericht Gebrauch zu machen. Das geschah nach Annahme der Friedensresolution auf d der Tagung des Reichsausschusses (…) in Frankfurt. (…) Es ist ganz und gar ausgeschlossen, daß aus dieser (…) heraus der Wortlaut des (…) Berichtes bekannt werden konnte.1295

Erzberger beschrieb auch, auf ­welche Weise Hohenlohe und Czernin versuchten heraus­ zubekommen, wie und von wem er die Denkschrift erhalten habe: Ende August 1917 bat mich der (…) Botschafter (…) um einen Besuch und überraschte mich mit der Mitteilung, daß der Czerninsche Bericht in London bekannt geworden sei, und zwar über die Schweiz; man wisse in Wien, daß ich eine Abschrift des Berichtes besitze; ich möchte mitteilen, woher diese stamme. Ich erklärte, eine Abschrift zu besitzen, und (…) von mir oder durch mich niemand eine Abschrift (…) erhalten habe, daß auch die Art der Verlesung (…) in Frankfurt es unmöglich gemacht habe, eine Abschrift anzufertigen, daß ich es aber ablehnen müsse, mitzuteilen, auf ­welche Weise ich in den Besitz des Berichtes gekommen sei. Der Botschafter drängte mich und schlug mir vor, ich möchte in einem privaten Brief an ­Kaiser Karl ­diesem mitteilen, wie der Bericht mir zugestellt worden sei (…). Ich lehnte ­dieses auch dann noch ab, als der Botschafter darauf hinwies, daß Wien sich unter keinen Umständen gefallen lassen könne, daß ­solche Berichte weitergegeben würden und daß ein Prozeß wegen Hochverrats eingeleitet werden müsse. Ich erklärte mich nur bereit (…) K ­ aiser Karl unmittelbar Aufschluß zu geben. Als (…) anfangs September Graf Czernin in Berlin weilte, hatten wir (…) eingehende Aussprache (…). Czernin wollte unbedingt (…) wissen, wie ich in den Besitz (…) gelangt sei; dabei deutete er offen auf die Herzogin von Parma hin. Ich konnte und mußte dieser Auffassung widersprechen und (…) erklären, daß Graf Czernin abwarten möge, bis ­Kaiser Karl Aufklärung erhalten habe. (…) ich ließ (…) durch einen zuverlässigen Mittelsmann 1296 die Sachlage aufklären, worauf in Wien die Angelegenheit als erledigt angesehen wurde.1297

Diese Darstellung entsprach also jener, die Erzberger in seiner am 15. September 1917 dem Gesandten Bergen überreichten Aufzeichnung gegeben hatte. Am 22. März 1920 äußerte sich Albin Schager-Eckartsau, damals Generaldirektor der Habsburg-Lothringischen Privatvermögensverwaltung,1298 Vertreter Exkaiser Karls „in politischen Angelegenheiten“ 1299 und vielleicht auch schon dessen „Vertreter bei allen die Restauration anstrebenden monarchistischen Organisationen und Elementen“ 1300 in 1295 1296 1297 1298 1299 1300

Erzberger 1920, 120 – 121. P. Cölestin, vgl. Kapitel Die „Vertrauensperson“. Erzberger 1920. 120 – 121. Broucek Glaise-Horstenau 1 1980, 236. Ks. Karl Instruktionen u. Richtlinien (…) o. D. (erste Hälfte 1920), Kovács 2 2004, 558 Dok. 188. Ks. Karl an Schager 14. Nov. 1920, ebd. pp 705 – 707 Dok. 221. – Schager war vom ­Kaiser noch am 10. Nov. 1918 der Freiherrnstand mit dem Prädikat von Eckartsau verliehen worden. Feigl schrieb über

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

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der Wiener Sonn- und Montags-Zeitung zur Denkschrift: Der K ­ aiser und Czernin hätten nach ihrer Rückkehr aus Homburg „in vollstem Einvernehmen nach einem neuen Mittel“ gesucht, Deutschland davon zu überzeugen, dass der Friede nur zu erlangen sei, wenn es Elsass-Lothringen opfere. Dabei sei „in gemeinsamer Arbeit“ das „neuerdings ad majorem Czernini gloriam als Beweis ausschließlich Czerninscher Voraussicht ausgeschrieene“ Memorandum entstanden.1301 Mit diesen Worten polemisierte Schager gegen die Darstellung im 1919 erschienenen Buch Czernins, in der es hieß: „Im April (…) hatte ich einen Bericht an ­Kaiser Karl geschrieben, in welchem ich ihm unsere Situation schilderte mit dem Ersuchen, denselben an ­Kaiser Wilhelm weiterzuleiten.“ 1302 Worauf Schager sich stützte, wenn er erklärte, die Denkschrift sei das Produkt „gemeinsamer Arbeit“ gewesen, ließ er betrüblicher Weise offen. Diesbezüglich beeindruckt haben dürften ihn aber Äußerungen Zitas, sie nämlich erklärte bei ihrer Aussage 1950, die Schrift sei von K ­ aiser Karl gekommen und der deutschen Regierung (sic!) nur „sotto il nome di Czernin“ übersandt worden.1303 Acht Wochen s­ päter erwähnte Schager in der katholisch-legitimistischen Wochenschrift Das Neue Reich 1304 wohl gemeinsame Überlegungen des Kaisers und Czernins bezüglich der Denkschrift, nichts mehr aber von einer „gemeinsamen Arbeit“ an ihr: „Monarch und Minister sannen nach einem Mittel, von der Notwendigkeit jenes Opfers (Elsass-Lothringen) zu überzeugen. Es entstand das berühmte Memoire des Grafen Czernin (…), das ­Kaiser Karl mit einem Handschreiben nach Kreuznach sandte.“ 1305

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1305

ihn: „General Alfred Krauß schleuste Schager in die Militärkanzlei des Kaisers ein, und in den Umsturztagen (…) empfahl ihn (der Chef der Militärkanzlei) Alfred Freiherr von Zeidler-Sterneck dem ­Kaiser. Auf diese Weise wurde Schager ‚Vermögensverwalter‘.“ Schager habe jedoch insgeheim gegen den ­Kaiser gearbeitet und es nicht nur verstanden, „den Monarchen von seinen Getreuen sowohl in Österreich als auch in Ungarn und in Böhmen vollständig zu isolieren, sondern auch den Flug nach Ungarn zu verraten“. Als Beweis dafür sah Feigl eine am 20. Jän. 1921, also vor Karls erstem Restaurationsversuch, von Schager dem Wiener Polizeipräsidenten Schober übersandte „Liste jener Personen (…), die (…) nicht in die Schweiz fahren sollten“, an. Feigl 1977, 490 – 495. WSMZ (22. März 1920), 4 – 5. Czernin 1919, 198. Zita Aussage 22. Apr. 1950, ins Ital. übers.: Congregatio 1. 1994, 766 – 767, dt. Text o. D. in: Kovács 1 2004, 670 – 671 Anm. 29. Das Neue Reich wurde unter dem Namen Die Monarchie gegründet und sollte, wie in ihrer ersten Nummer vom 1. Okt. 1918 erklärt, „unbeirrt durch die stets wechselnden Strömungen der Tagespolitik fußend auf dem unwandelbaren Fundament der christlichen Lehre, überzeugt von dem in der Geschichte (…) festverankerten, von erhabenen Ideen gestützten Weltberuf der habsburgischen Monarchie (…) das Programm der Sammlung aller katholischen Kräfte zu gemeinsamer Arbeit zum Ausdruck (…) bringen“. Bisher hätten (unter Anderen) Matthias Erzberger, Friedrich W. Förster, Richard v. Kralik, Alfred Graf Mensdorff, P. Graf Nostitz SJ, P. Wilhelm Schmidt SVD und Ignaz Seipel „ihre Mitarbeit (…) zugesagt und z. T. auch bereits Arbeiten eingesendet“. DM 1. Okt. 1918, 3. DNR (16. Mai 1920), 531 – 532.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

Dabei tradierte Schager die Version des Kaisers, er habe Erzberger die Denkschrift nur „irrtümlicherweise“ oder aus „Versehen“ zukommen lassen, wie er sich Czernin und Kühlmann gegenüber ausgedrückt 1306 bzw. durch ein „bedauerliches“ respektive „unglückliches Mißverständnis“, wie er es Cramon bedeutet hatte.1307 Schager erklärte: „Aus der Angabe Erzbergers, er hätte von dem Inhalt des Memoires bereits Kenntnis gehabt, ehe er es, versehentlich, aus Wien erhielt, geht (…) hervor, was man von der Behauptung des (…) Grafen Wedel zu halten habe, das Haus Bourbon-Parma habe jenes Memoire Erzberger in die Hände gespielt (…).“ 1308 Damit bezog sich Schager auf Erzbergers Aussagen im Prozess gegen Helfferich und Wedels Artikel in den Hamburger Nachrichten vom 23. Juli 1919. Wedel hatte in d ­ iesem jedoch keineswegs geschrieben, Erzberger habe den Bericht vom Hause Bourbon-Parma erhalten, sondern er sei ihm „von anderer Seite“, nicht vom K ­ aiser, ausgehändigt worden. Das Wort „versehentlich“ war weder in Wedels Artikel noch in den Aussagen E ­ rzbergers und auch nicht in dessen Rede vor der Verfassunggebenden Nationalversammlung oder in seinen Erinnerungen gebraucht worden.1309 Wer aber, wenn schon nicht „das Haus Bourbon-Parma“, dafür verantwortlich gewesen sein konnte, dass Erzberger das Mémoire „versehentlich“ erhielt, darüber wusste Schager keine Auskunft zu geben. In Schagers Artikel im Neuen Reich erblickte auch die bereits erwähnte Erzählung von den Erlebnissen des Flügeladjutanten Graf Ledóchowski im Großen Hauptquartier in Kreuznach das Licht der Publizität. Auf w ­ elche Informationen sich Schager bei dieser Erzählung stützte, gab er nicht an, aus ihr geht jedoch klar hervor, dass es sich dabei nur um Mitteilungen handeln konnte, die er von seinem kaiserlichen Herrn oder dessen Gemahlin bzw. aus deren unmittelbarer Umgebung erhalten hatte. Schager zufolge konnte Ledóchowski, der über den Inhalt der von ihm überbrachten Denkschrift nicht informiert gewesen sei, „aus Bemerkungen der deutschen Suiten bei der Abendtafel entnehmen, daß das Memorandum bereits der Umgebung des deutschen Kaisers und den Offizieren der Obersten Heeresleitung bekannt geworden war“.1310 Wie aber der über den Inhalt der Denkschrift nicht informierte Ledóchowski erkennen hätte sollen, dass sich die Bemerkungen der Suiten auf sie bezogen, darüber schwieg sich Schager aus. Eine Beantwortung dieser Frage scheint auch Kaiserin Zita, die bei ihrer Zeugenaussage 1950 eine ähnliche Darstellung gab, nicht für erforderlich gehalten zu haben.1311 1306 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 202, Kühlmann 1948, 492. 1307 Cramon 1920, 114, Cramon Fleck. 1932, 181. 1308 Schager DNR (16. Mai 1920), 532. 1309 Erzberger Rede 25. Juli 1919, Verh. VDNV 1919/20. 1932 – 1933, Erzberger 1920. 1310 DNR (16. Mai 1920), 532. 1311 Zita Aussage 22. Apr. 1950, ins Ital. übers.: Congregatio 1. 1994, 766.

Auseinandersetzung um die Denkschrift, Erzberger und Kaiser Karl

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Auf ­welche Weise Erzberger zu der Denkschrift gekommen war, beschäftigte auch den Untersuchungsausschuss des Reichstages. Vor ­diesem sagte am 7. April 1922 der Gesandte Bergen, ihm sei nur bekannt, dass Erzberger sie „aus Wien mitgebracht (…) und daß er sie entweder vom K ­ aiser oder jedenfalls von einem Angehörigen des Kaisers erhalten“ habe. Darüber befragt ob, und wenn ja, in welchem Ausmaße Erzberger vor seiner Wien-Reise im Auswärtigen Amt vom Inhalt der Schrift Kenntnis erhalten habe, sagte Bergen: Erzberger war beim Kanzler (…) und kam dann zu mir hinüber, indem er bemerkte, der Kanzler ließe mir sagen, ich möchte Herrn Erzberger informieren. Aus seiner Äußerung ersah ich, daß damit die (…) Denkschrift gemeint war. Er hat diese (…) bei mir nicht zu lesen bekommen. Sie lag, soweit ich mich entsinne, auf dem Tisch, und ich las ihm nur die Stellen vor, die uns für seine Mission besonders interessierten. Es waren Bemerkungen über die Ergebnislosigkeit des U-Bootkrieges und die schwierige Lage Deutschlands.1312

Mit der Darstellung Erzbergers, die Schrift sei für ihn „in keinem Augenblick ein Staatsgeheimnis gewesen“ weil er sie schon von Berlin her gekannt habe, konfrontiert, sagte Bergen, er halte dies nicht für ganz richtig, denn Erzberger sei aus ihr „nur vertraulich mitgeteilt“ worden.1313 Bergens Aussagen standen damit in Widerspruch zur Darstellung Erzbergers im Prozess gegen Helfferich. Erzberger hatte damals ja erklärt, der Kanzler habe ihm gesagt: „Lassen Sie sich den Bericht im Auswärtigen Amt geben.“ Dort habe ihn Bergen beschieden: „Gehen Sie zu (…) Zimmermann, der nebenan sitzt und teilen Sie ihm diesen Wunsch des Reichskanzlers mit (…).“ Das habe er getan „und dann (…) den Bericht gelesen (…)“.1314 Darüber, wie Erzberger und Bergen zueinander standen, hatte Helfferich am 20. Dezember 1921 ausgesagt: „Ich kannte (…) den engen Konnex ­zwischen Erzberger und von Bergen, den Erzberger fast täglich im Auswärtigen Amt besucht hat.“ 1315 Bergen erklärte bei seiner Aussage am 7. April 1922 weiters: Ich entsinne mich, daß Graf Czernin feststellen wollte, wie Erzberger in den Besitz des Schriftstückes gekommen war. (…) Czernin ließ durchblicken, daß die Aushändigung durch das Auswärtige Amt erfolgt wäre. Wir wiesen darauf hin, daß die Aushändigung nur von Wien aus hätte geschehen können. K ­ aiser Karl leugnete damals, Erzberger überhaupt empfangen zu haben. Darauf wies Erzberger auf Grund der Einladung des Wiener Hofmarschallamtes nach, 1312 Bergen Aussage vor 2. UnterA 7. Apr. 1922, Steglich 1974, 285 – 289 Dok. 11. 1313 Ebd. 1314 Erzberger Aussage 20. Jän. 1920, Erzberger-Prozess. 1920, 37. 1315 Helfferich Aussage vor 2. UnterA 20. Dez. 1921, Steglich 1974, 143 Dok. 6.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

daß er empfangen worden war. (…) Später hat ­Kaiser Karl, ich glaube dem Grafen ­Czernin, gesagt, es wäre möglich, daß er Erzberger diese Denkschrift aus Versehen mit anderen ­Papieren gegeben hätte.1316

Graf Wedel sagte am 18. Dezember 1922 aus: Als es herauskam, daß die Denkschrift bekanntgeworden sei, daß Herr Erzberger sie habe, gab es in Wien eine Untersuchung. ­Kaiser Karl gab sich nämlich den Anschein, als müsse die Indiskretion in Deutschland begangen worden sein. Es wurde ihm aber gesagt (…) Erzberger habe bereits zugegeben, daß er die Denkschrift in Wien bekommen hätte; aber nicht gesagt von wem. Damals hat ­Kaiser Karl dem Grafen Czernin erklärt, es müßte im Ministerium eine große Indiskretion begangen worden sein, und er solle genau untersuchen, wer sie begangen hätte. (…) Es scheint doch, daß Herr Erzberger das Original, das der K ­ aiser Karl gehabt hat, bekommen hat. Daß er die Schrift von dieser Seite erhielt, wurde ja schließlich durch (… ihn) selber festgestellt. Er hat dabei nicht den ­Kaiser (…) genannt, aber (…) gesagt, es sei ihm von einer dem K ­ aiser sehr nahestehenden Persönlichkeit und in einer Form überreicht worden, daß er nicht daran habe zweifeln können, daß der ­Kaiser gewußt habe, die Schrift sei ihm übergeben worden, und (…) auch (…) zu welchem Zweck. Das ist dann dem ­Kaiser selber mitgeteilt worden (…). Dann ist der ­Kaiser verlegen gewesen.1317

4.3

Czernins Denkschrift in der Literatur

Was bereits über die Behandlung der Briefe des Kaisers an Sixtus in der historischen und populärhistorischen Literatur gesagt wurde, trifft auch für die Darstellung der Affäre um die Denkschrift vom 12. April 1917 und die spätere Auseinandersetzung über sie zu. Viele der Autoren sahen sich zu Anklage- oder Verteidigungsschriften bemüßigt. Hier wird ihrer Stellung insbesondere zu den Fragen, wie Erzberger zur Kenntnis bzw. in den Besitz der Denkschrift gelangte, und ob es Anhaltspunkte dafür gibt, wer die Denkschrift verfasste (Czernin, Czernin gemeinsam mit ­Kaiser Karl oder der ­Kaiser allein), nachgegangen. Heinrich Frenzel schrieb 1919, das „Schreiben des Grafen Czernin (…) an den übeln (sic!) ­Kaiser Karl vom 12. April 1917“ habe „eine verhängnisvolle Rolle gespielt“, da es „durch Erzbergers Verschulden (…) zur Kenntnis weiterer Kreise und (…) zu der ­unserer Feinde gelangt“ sei. Erzberger habe versucht,

1316 Bergen Aussage vor 2. UnterA 7. Apr. 1922, Steglich 1974, 285 – 286 Dok. 11. 1317 Wedel Aussage vor 2. UnterA 18. Dez. 1922, Steglich 1984, 479 – 480 Dok. 338.

Czernins Denkschrift in der Literatur

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(…) sich damit herauszureden, daß der Czerninsche Bericht ihm ‚frei zur Verfügung gestellt‘ worden sei (…) Darüber, von wem Erzberger den verhängnisvollen Brief erhalten hat, will er sich nicht äußern. Es kann sich nach der ganzen Sachlage nur um den charakterlosen K ­ aiser Karl selbst oder dessen deutschfeindliche Schwiegermutter, die Herzogin von Parma, handeln.1318

Frenzel schrieb auch, und berief sich dabei auf The Times vom 29. Juli 1919: „Der Geheimbericht des Grafen Czernin (…) ist etwa Juli 1917 dem englischen Ministerrat zugegangen und hat den Gegenstand eingehender Beratungen gebildet. Danach noch mit Deutschland zu verhandeln, wäre nach Ansicht aller Minister heller Wahnsinn gewesen.“ 1319 In der Londoner Zeitung findet sich jedoch weder am angebenen Datum noch in den Ausgaben davor oder danach ein entsprechender Artikel. Im 1920 publizierten Buch des Prinzen Sixtus ist über die Denkschrift zu lesen: „(…) le Comte Czernin écrivit, le 12 avril, sur la demande de son souverain, un exposé (…) où quelques-unes de vérités dites à Hombourg étaient répétées (…)“; ähnlich lautet die Stelle in der 1921 unter dem Namen Manteyers erschienenen englischen Version des Buches.1320 Sowohl für den Bruder der Kaiserin als auch für dessen Vertrauten und Historiographen stand demnach die Autorschaft Czernins an der Denkschrift außer Zweifel. August Demblin erklärte 1920, es sei „nunmehr erwiesen, daß dadurch, daß der Geheimbericht vom April 1917 (…) ohne Czernins Wissen (…) Erzberger gezeigt wurde, von dem er auf dem Wege von Indiskretionen in die Schweiz und in Feindesland geriet“, die bei der Entente „bestandene Neigung, sich in Gespräche über allgemeine Friedensmöglichkeiten einzulassen, mit einem Male“ geschwunden sei. Und weiter: „Aber auch das persönliche Vertrauen Czernins zum K ­ aiser, der den Empfang Erzbergers kategorisch geleugnet hatte, erlitt durch ­dieses Vorkommnis (…) einen argen Stoß.“ 1321 Darüber, wer Erzberger die Denkschrift „gezeigt“ habe, äußerte sich Demblin nicht und auch nicht darüber, was ihn veranlasste zu schreiben, sie sei von Erzberger „auf dem Wege von Indiskretionen in die Schweiz und in Feindesland“ geraten. General Alfred Krauß bezeichnete 1920 Czernin als den Schuldtragenden daran, dass Erzberger in den Besitz der Denkschrift gelangte: Daß ein Minister des Äußeren (…) einen Bericht, der in falsche Hände gelangt, die unheilvollsten Folgen haben mußte, (…) dem K ­ aiser zur Übersendung übergibt, daß er also selbst veranlaßt, daß eine nicht zu übersehende Anzahl unverantwortlicher Personen mit ­diesem 1318 Frenzel 1919, 25 – 30. 1319 Ebd. 1320 Sixtus 1920, 129 – 130, Manteyer 1921, 109. 1321 Demblin 1920, 49.

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(…) in Berührung kommt (, habe) dem Mißbrauch Tür und Tor (geöffnet…. Er) mußte den Monarchen schwer in nachteiliger Weise beeinflussen. Er scheint ihm die ganze Besonnenheit geraubt zu haben und ihm das Mittel gewesen zu sein, auf verwerflichen Nebenwegen in unverantwortlicher Weise ans Ziel zu kommen.1322

Krauß warf Czernin auch vor, sich um den „gefährlichen Bericht (…) offenbar gar nicht mehr weiter gekümmert“ zu haben. Denn er habe, „wie er angibt, erst nach dem Kriege erfahren, wohin dieser Bericht gekommen ist. (…) Er gelangte an (…) Erzberger, der als Partner Czernins im bedenkenlosen Erstreben des Friedens um jeden Preis gelten konnte (…) (und durch diesen) in die Hände der Ententeminister.“ 1323 Karl Friedrich Nowak erklärte, sein 1921 herausgekommenes Buch Der Sturz der Mittelmächte beruhe „auf dem Studium von Geheimakten und Kronratsprotokollen und auf (…) ausführlichen, intimen und authentischen Darlegungen nahezu sämtlicher führenden Staatsmänner und Militärs (…)“.1324 Welche „Geheimakten“ und wessen „Darlegungen“ ihm zur Verfügung standen ließ er nicht wissen.1325 Nowaks Beschreibung der Weise, auf w ­ elche Erzberger in den Besitz der Denkschrift kam, ähnelt jedoch sehr jener in Werkmanns 1931 erschienenem Buch Deutschland als Verbündeter.1326 Gemeinsam ist den beiden Darstellungen, der K ­ aiser habe E ­ rzberger eigentlich nicht empfangen wollen und dies nur auf Drängen Czernins hin getan, die Erwähnung von Franzensfeste und die Beteuerung, der Monarch habe Erzberger die Schrift nur aus Versehen übermitteln lassen. Nowak schrieb, „Erzberger galt (…) 1322 Krauß 1920, 284 – 285. 1323 Ebd. 1324 Nowak 1921, VII. 1325 Eine seiner Auskunftspersonen war offenbar Berchtold, worauf zwei Notizen in dessen Tagebuch hinweisen. Die eine lautet: „Domenica, 8. Mai 1921. (…) A(uf) d(em) Schiff nach Lindau mit Karl Friedrich Nowak zusammengetroffen. In Kempten Erzh. Isi (Ehzgn. Isabella) von Lindau kommend eingestiegen. Ich mit Nowak Rest(aurant) Wagen soupiert.“ In der anderen ist festgehalten: „22. Oktober 1921. (…) Nowak im Zuge getrof(fen).“ Berchtold TB-Eintr. 8. Mai 1921 u. 22. Okt. 1921, HHStA NL Berchtold 5, 1921 – 1942 fol. 690 – 691. Ein weiteres Zusammentreffen belegt eine in Nowaks Nachlass erhaltene Visitenkarte Novaks, auf der notiert ist: „Graf Berchtold Tutzing Hotel Simson“. KA NL Nowak B/163 Karton 1 – 9, 3, Kuvert Werkmann fol. 130v. 1326 Werkmann spielte eine wichtige Rolle für die Darstellungen Nowaks. In seinem Nachlass finden sich drei Visitenkarten mit undatierten handschriftlichen Notizen, die er offenbar im Zuge eines Gespräches mit Werkmann gemacht hatte. Bei einer der Notizen geht es um Erzbergers Audienz am 23. April 1917 und wie dieser in den Besitz der Denkschrift vom 12. April kam. Auf der Karte ist zu lesen: „Czernin 3 mal – Franzensfeste – grosse Aufmerksamkeit – Erzberger Rom versch(iedene) ­Memoirs. Abends (…) Schreibtisch Gardereiter – Erzberger: Was bringen Sie denn da! Das kenne ich schon.“ Nowak Visitenkarte, KA NL Nowak B/163 Karton 1 – 9, 3, Kuvert Werkmann fol. 127 – 127v u. 129 – 130. Auch aus Briefen Nowaks geht hervor, dass er mit Werkmann in näherem Kontakt stand. Ebd. Karton 13 – 15, 13, Mappe Werkmann.

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Czernin als ein Politiker von größtem Gewicht (…)“, er habe ihn „nach Wien gebeten, indes, der ­Kaiser lehnte den Empfang ab“. Und Werkmann erklärte: „Czernin versprach sich eine bessere Kaptivierung ­dieses beweglichen (…) Politikers von einem Empfang durch K ­ aiser Karl. Er bestimmte daher den Monarchen, dem (…) Parlamentarier eine Audienz zu erteilen.“ 1327 In einer Reihe von Punkten divergieren die Schilderungen der beiden Autoren. So wurde der K ­ aiser nach Nowak „auf der Rückfahrt von einem seiner Tiroler Frontbesuche in Franzensfeste (durch) eine eindringliche, lange Hughesdepesche“ aufgehalten, wogegen Werkmann, den Fakten entsprechend, nichts von einem „Frontbesuch“ schrieb und auch nichts von einem Aufgehaltenwerden: Am 21. April 1917 begab sich der K ­ aiser zur Eröffnung der Kunstschau der Tiroler Kaiserjäger nach Bozen. Am 22. April (…) wurde die Rückfahrt angetreten. In Franzensfeste rief mich der ­Kaiser in sein Coupé und verlangte Auskünfte über (…) Erzberger.1328

Nach Nowak wurde Erzberger die Audienz erst gewährt, als Czernin dies „unmittelbar nach der Ankunft des Kaisers in Wien zum drittenmal (…) begehrte“; Werkmann wusste davon nichts und schrieb: Aus dem Tagebuch des diensttuenden (…) Flügeladjutanten (ist) festzustellen, daß (…) in Salzburg ein Schreiben des Grafen Czernin an den K ­ aiser in den Hofzug gereicht und am 23. April ½ 6 Uhr nachmittags (…) Erzberger in einstündiger Audienz empfangen wurde.1329

Was in der Audienz besprochen wurde und was in ihrem Gefolge geschah, darüber gehen die Darstellungen Nowaks und Werkmanns auseinander. Nowak schrieb, Erzberger, der sich, wie der Autor unzutreffender Weise behauptete, „mitten im Kriege (…) mit allerlei kirchenstaatlichen Plänen (…) Zutritt zum Papste in Rom verschafft“ hatte, habe von „römischen Erlebnissen, von allerlei Denkschriften“ berichtet und diese „der Durchsicht des Kaisers zur Verfügung“ gestellt. Ein Gardereiter brachte sie abends dem Eigentümer zurück, zu dessen Verwunderung nicht in einem Umschlag, vielmehr in zwei Briefhüllen: Noch verwunderter war der Abgeordnete, da er den einen Umschlag geöffnet hatte und die Denkschrift des Grafen Czernin darin fand –

1327 Nowak 1921, 88, Werkmann 1931, 175. 1328 Ebd. – Bei Kovács, die die Reisen K ­ aiser Karls auflistete, findet sich: „April 21 – 23 (1917): Wien – Bozen – Wien (mit Kaiserin Zita zur Eröffnung der Kunstschau)“. Kovács 1 2004, 655S. auch Möller 1954, 116 u. Artikel „Das ­Kaiser-Paar in Bozen“ im Fremden-Blatt. F-B A (23. Apr. 1917), 1 – 2. 1329 Werkmann 1931, 176 – 178.

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worüber der Gardereiter ­später Erzbergers Ausruf meldete: ‚Was bringen Sie mir denn da? Das kenn ich ja schon.‘1330

Weiter heißt es in Nowaks Buch: „Unermittelt blieb, ob der Gardereiter unklaren kaiserlichen Befehl erhalten hatte, ob aus Versehen überhaupt nur den Befehl, dem Abgeordneten die Briefschaften zu übergeben.“ Nach Werkmann versuchte Erzberger den K ­ aiser für „von ihm erwogene Lösungen der Römischen Frage und russische Sonderfriedensverhandlungen zu interessieren“ und habe ihm dazu „einschlägige Schriften mit Bitte um Rücksendung“ zurückgelassen. Dieser Bitte sei der Monarch nachgekommen: Auf dem Schreibtisch wurde Ordnung gemacht. (…) ‚halt, das wollte ja (…) Erzberger zurückhaben!’ Ein Kuvert herbei, mit großen Buchstaben der Name Erzberger darauf gemalt. (…) Am nächsten Morgen klopfte ein Leibgardereiter (…) an die Tür Erzbergers. (…) Er überreichte einen mächtigen, (…) mehrfach gesiegelten Umschlag. (…) – Erzberger (…) ließ das Kuvert achtlos liegen. Erst etwas ­später riß er es auf. Unter den erwarteten Akten lag auch die Denkschrift (…). ‚Wozu das? – Das kenne ich ja ohnehin schon!’ Er schob das Czerninsche Elaborat in ein neues Kuvert und schickte es dem K ­ aiser zurück. Dies der Tatbestand, den ich vom ­Kaiser erfuhr und den Erzberger bestätigt hat.

Werkmann meinte also, die Schrift sei aus Versehen an Erzberger gelangt; einer „späteren Mitteilung des Kaisers“ zufolge habe dieser „gar keinen Grund gehabt, Erzberger die Denkschrift auszufolgen oder ausfolgen zu lassen, da (… dieser) selbst über alle Einzelheiten (…) gesprochen“ habe. Unmittelbar anschließend an die Stelle, der zufolge Erzberger die Denkschrift nicht bei sich behielt, schrieb Werkmann: Als der ­Kaiser schon im Schweizer Exil (…) weilte, (…) wurde Erzberger vom P. Zölestin Schweighofer gebeten, den Tatbestand (…) für den K ­ aiser zu rekonstruieren. Erzberger teilte dem Priester mit, daß er die (…) Denkschrift zuerst in Berlin gesehen habe und daß sie ­später den ihm vom ­Kaiser zurückgeschickten Schriftstücken (…) beigelegen sei.1331

Davon, dass er sie dem ­Kaiser retourniert hätte, erwähnte er P. Cölestin gegenüber offenbar nichts. Im Helfferich-Prozess sagte Erzberger, wie zitiert, ganz im Sinne der Version Nowaks aus: „Dieser Bericht, der mir in einwandfreiester Weise zugestellt worden ist, ist bei mir geblieben (…).“ 1332 Kaiserin Zita sagte 1950 aus, der K ­ aiser habe 1330 Nowak 1921, 88 – 89. 1331 Nowak 1921, 88 – 89, Werkmann 1931, 176 – 178. 1332 Erzberger Aussage 20. Jän. 1920, Erzberger-Prozess 1920, 37.

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die Schrift zusammen mit den Ausarbeitungen Erzbergers ­diesem am Abend nach der Audienz zustellen lassen; von einer Rücksendung wusste auch sie nichts zu berichten.1333 Nowak und Werkmann führten Erzbergers Kenntnis der Denkschrift auf eine nicht vertrauliche Behandlung der ­Kaiser Wilhelm durch den Flügeladjutanten Ledóchowski überbrachten Schrift in Kreuznach zurück, ihre Übersendung an Erzberger durch den ­Kaiser, „versehentlich“ oder nicht, wäre somit belanglos gewesen. Werkmann schrieb, über den Inhalt der Schrift sei „ganz ungeniert an der Tafel in Kreuznach vor Lakaien gesprochen“ worden. Er bezog sich damit auf die Teilnahme Ledóchowskis an der dortigen Abendtafel und an dieser geführte Gespräche. Einige Seiten zuvor stellte Werkmann die Sache anders dar: Ledóchowski sei „nicht wenig erstaunt“ gewesen, als er beim Mahle „in ein Gespräch verwickelt wurde, das die österreichische pessimistische Auffassung der Lage bekämpfte. Erst viel ­später wurde ihm (…) bewußt, daß man gegen den Inhalt des Schriftstückes polemisiert hatte (…).“ 1334 Demnach wäre also über die „österreichische pessimistische Auffassung“ gesprochen worden und nicht über den Inhalt der Denkschrift. Ähnlich schrieb Nowak, Ledóchowski sei (…) in einige Verwirrung (geraten), denn die gesamte Tafel warf, wie auf Verabredung, ein Thema über Oesterreich-Ungarns angeblichen Niederbruch auf (…). Sein befremdeter Bericht in Wien brachte (…) unliebsame Erkenntnis. Die Tafel (…) hatte die Eröffnungen der Denkschrift mit überraschender Sorglosigkeit durchgesprochen.1335

Die Darstellungen Werkmanns und Nowaks gehen offenbar auf Kaiserin Zita zurück: Sie nämlich sagte 1950 aus, der ­Kaiser sei angesichts dessen, dass Ledóchowski zahlreiche deutsche Offiziere offen darüber sprechen gehört habe, was in der von ihm überbrachten Schrift stand, davon überzeugt gewesen, dass dadurch auch Erzberger zur Kenntnis ihres Inhalts gelangt sein müsse.1336 Sowohl Nowak wie Werkmann sahen im Autor der Denkschrift einzig und allein Czernin. Werkmann schrieb, die Denkschrift habe ihren Zweck verfehlt, Czernin habe sich „in der Darstellungsweise vergriffen. Es waren die grellsten Töne gewählt worden.“ 1337 General Moritz Auffenberg-Komarów schrieb 1921, der durch „Indiskretion“ zur Kenntnis der Entente gelangte „Immediatbericht“ Czernins hätte zur Verlängerung des Krieges beigetragen: 1333 Zita, Aussage 22. Apr. 1950, ins Ital. übers.: Congregatio 1. 1994, 766 – 767, dt. Text: o. D., Kovács 1 2004, 670 – 671 Anm. 29. 1334 Werkmann 1931, 174 – 178. 1335 Nowak 1921, 89. 1336 Zita, Aussage 22. Apr. 1950, ins Ital. übers.: Congregatio 1. 1994, 766. 1337 Werkmann 1931, 174 – 178 bzw. 223.

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Dieser Bericht (…) brachte ein Sittenbild unserer politischen und militärisch-politischen Lage, das, in den dunkelsten Tönen gehalten, unseren militärischen, politischen und wirtschaft­lichen Zusammenbruch als nahe bevorstehend signalisierte. (… Er war) für unsere Gegner die wertvollste (…) Mitteilung, die ihnen werden konnte.1338

Darüber wie und durch wen es zur „Indiskretion“ gekommen sei, äußerte sich ­Auffenberg nicht.1339 Für Alfred Francis Přibram stand 1923 die Autorschaft Czernins an der Denkschrift außer Frage: „Count Czernin, on April 14, sent to the Emperor William a report, drawn up by himself for the Emperor Charles in person, in which the internal situation of the Habsburg Monarchy was painted in the blackest colours (…).“ 1340 Dezidiert äußerte sich 1924 unter dem Pseudonym Jörg der evangelische Pfarrer Friedrich Hochstetter: Im April 1917 steckt Erzberger in Wien mit ­Kaiser Karl und Kaiserin Zita zusammen, läßt sich vom Grafen Czernin den berühmten Geheimbericht (…) in die Hände spielen, den er dann in einer Versammlung seiner Parteifreunde in Frankfurt mitteilt, worauf dieser Geheimbericht mit oder ohne Erzbergers Mitschuld in die Hände der Feinde geriet.1341

Welche Informationen ihn zu seiner Gewissheit führten, gab Hochstetter nicht an.1342 Michael Károlyi zweifelte nicht an Czernins Autorschaft und erklärte 1924: „Czernin hatte schon im April ein Memorandum für den König geschrieben.“ 1343 Bertrand Auerbach schrieb 1925, Erzberger habe vom Wiener Hof den „rapport alarmiste de Czernin“ erhalten. Dieser habe in der Neuen Freien Presse vom 28. Juli 1919 versichert, Erzberger hätte die Denkschrift der Öffentlichkeit in der Überzeugung zur Kenntnis gebracht, er handle damit im Sinne seines Auftraggebers. Wer als solcher in Frage kam, darüber glaubte sich Auerbach gewiss sein zu können: „Czernin la connaissait, comme tout le monde: c’était une des dames de Parme.“ 1344 Victor Naumann meinte 1925, die Denkschrift sei „Erzberger von sehr unvorsichtigen Händen in sehr unvorsichtige Hände gegeben“ worden.1345

1338 Auffenberg 1921, 486. 1339 Ebd. 1340 Přibram 1923, 108. 1341 Jörg 1924, 30 – 31. 1342 Ebd. 1343 Károlyi 1924, 272. 1344 Auerbach 1925, 314 – 315. 1345 Naumann 1925, 245.

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Richard Fester sah 1925 in der Übergabe der Denkschrift an Erzberger eine Aktion ­ aiser Karls, die mit den Anstoß zur Friedensresolution gegeben habe. Zu dem 1922 K in den Münchner Neuesten Nachrichten veröffentlichten Bericht Erzbergers an ­Zimmermann über seine am 22. und 23. April 1917 mit Czernin und dem K ­ aiser geführten Gespräche 1346 schrieb Fester, er verschweige, „daß Erzberger von ­Kaiser Karl eine Kopie der Denkschrift (…) erhielt in der Erwartung, daß er damit im geeigneten Augenblick die Panik in den Reichstag verpflanzte. Der Same zu der Friedensresolution war ausgestreut.“ 1347 In einem Buchbeitrag erklärte Fester 1925, die „Mehrheitssozialisten“ hätten „von Czernin angestiftet und im Bunde mit Erzberger jene Panikstimmung verbreitet, die für die Reichstagsresolution eine Mehrheit schaffen sollte“.1348 Über die August- und Septembertage 1917, in denen es sowohl dem Wiener als auch dem Berliner Außenamt klar wurde, auf w ­ elche Weise Erzberger in den Besitz der Denkschrift gekommen war, schrieb Fester und stützte sich dabei zweifellos auf die ihm zugänglich gemachte Aufzeichnung Kühlmanns vom 30. August 1917:1349 Wie zur Krönung (…) lief jetzt beim (k. u. k.) Armee-Oberkommando (…) die Mitteilung (…) ein, die Berner Ententekreise versicherten, daß Graf Czernin in einem Immediatbericht ­Kaiser Karl gesagt hätte, über den November hinaus wäre auf eine wirksame Widerstandskraft der Monarchie nicht mehr zu zählen. (…) Es kennzeichnet die Bestürzung der Wiener Intriganten über das Bekanntwerden der Denkschrift, daß sie zunächst die Verantwortung abzuschieben suchten. (…) Czernin hatte im April vier Ausfertigungen herstellen lassen, eine für ­Kaiser Karl, eine zweite für ­Kaiser Wilhelm II ., eine dritte für die (…) Botschaft in Berlin und eine vierte zu eigenem Handgebrauch. Mit welchem Exemplare Mißbrauch getrieben worden war, konnte nicht lange verborgen bleiben. (…) Im Auswärtigen Amt hat man (…) schon damals befürchtet, daß eine Nachschrift (…) durch einen der 200 Teilnehmer der Frankfurter Zen­trumsversammlung (…) in die Hände der Entente gelangen könnte. Als bereits eine Woche ­später die Meldung über das Berner Ententegespräch einlief, ließ sich Czernin durch die Empörung ­Kaiser Karls verleiten, die Spur über Erzberger hinaus weiter zu verfolgen in der Meinung, der Nebenregierung des Hauses Parma einen Schlag zu versetzen. Wie Karl sich 1918 an den Sixtusbrief nicht erinnern wollte, so verstieg er sich jetzt zu der Behauptung, Erzberger müsse auf unredliche Weise in den Besitz der Denkschrift gekommen sein, weder von ihm noch von irgend jemand aus seiner Umgebung wäre sie ihm übergeben worden. (…) Czernin hat noch am 1. September dem (…) Staatssekretär (Kühlmann) v­ ersichert, er 1346 1347 1348 1349

Erzberger an Zimmermann 25. Apr. 1917, MNN A (10. März 1922), 1 – 2. Fester 1925, 87 – 88. Fester Dolchstoßprozeß. 1925, 226. Steglich 1984, 416 – 417 Dok. 315.

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werde seinen Abschied nehmen, wenn keine Aufklärung erzielt würde. (…) der ­Kaiser blieb (…) am gleichen Tag in der Audienz Kühlmanns und des Generals von Cramon bei seinen Behauptungen (…).1350

Über Hohenlohes Bemühungen, Erzberger zu bewegen ihm anzuvertrauen, von wem er die Denkschrift erhalten habe, schrieb Fester: Der ­Kaiser, sagte ihm Hohenlohe, erinnert sich jetzt an die Audienz. Er (…) weiß nicht genau, ob er selbst Ihnen das Schriftstück gegeben oder jemand beauftragt hat, es Ihnen zu überreichen. Erzberger wurde aufgefordert, dem Botschafter oder dem ­Kaiser in einem versiegelten Schreiben mitzuteilen, wie er in den Besitz der Denkschrift gekommen sei.1351

Dass Fester auch in die im Auswärtigen Amt aufbewahrte Aufzeichnung Erzbergers vom 15. September 1917 Einsicht nehmen konnte, zeigt, dass er Passagen aus ihr wörtlich wiedergab. So heißt es in der Aufzeichnung: „Am 14. September erhielt ich von dem Vermittler die Mitteilung: ‚Die Sache ist zur vollsten Befriedigung erledigt. Sie sind fein heraus (…).’“ 1352 Fester aber schrieb: „Die Aufklärung endigte mit der Bloßstellung des jungen Kaisers und dem Triumphe Erzbergers, dem (…) aus Wien geschrieben wurde: ‚Die Sache ist zur vollsten Befriedigung erledigt, Sie sind fein heraus.‘“ 1353 Mit der von Werkmann überlieferten Behauptung K ­ aiser Karls, er habe Erzberger die Denkschrift versehentlich zukommen lassen, befasste sich Fester 1937: Werkmann will von ­Kaiser Karl und (…) Schonta 1354 erfahren haben, daß Erzberger (…) in dem Umschlag der Schriftstücke, die er am 23. in der einstündigen Badener Audienz zurückgelassen hatte, zu seinem Erstaunen die ihm bereits bekannte Denkschrift fand und dem K ­ aiser zurückschickte. Gekannt hat er aber (…) vor der Audienz nur die Bemerkungen Czernins ‚über die Ergebnislosigkeit des U-Bootkrieges und über die schwierige Lage Deutschlands’, die ihm (…) auf Veranlassung des Reichskanzlers (…) von Bergen vorgelesen hatte (…). 1350 Fester 1925, 180 – 182. Entgegen Festers Darstellung wurde Kühlmann, dessen Erinnerungen zufolge, am 1. September allein in Audienz empfangen. Kühlmann 1948, 491 – 493. Cramon könnte jedoch am selben Tag in Audienz gewesen sein: Er war nämlich in der Villa Wartholz zugegen und, wie Kühlmann, Wedel, Bergen und Czernin, der kaiserlichen Frühstückstafel „zugezogen“. Kühlmann Aufz. 2. Sept. 1917, SG 2 1966, 381 – 388 Dok. 233, die Darstellung in seinem Buch lässt es aber möglich erscheinen, dass er schon an einem der letzten Augusttage in Audienz war. Cramon 1920, 114. 1351 Fester 1925, 182 – 183. 1352 Aufz. Erzberger, Steglich 1984, 421 – 423 Dok. 319. 1353 Fester 1925, 182 – 183. 1354 Werkmann berief sich lediglich auf ­Kaiser Karl, Schonta erwähnte er nicht. Werkmann 1931, 178.

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Zur Frage, wie Erzberger mit der Denkschrift weiter umgegangen sei, meinte Fester: „Er hat also die schwerlich zufällig in den Umschlag geratene (…) Denkschrift entweder nicht zurückgegeben oder vor der Rückgabe abgeschrieben.“ 1355 Für Dietrich Schäfer, Sachverständiger des 2. Unterausschusses des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und vor dem November 1918 Vizepräsident der Vaterlandspartei, war es 1926 klar, wer der Autor war: „Graf Czernin setzte seinem ­Kaiser in einer Denkschrift auseinander, daß weiterer Widerstand unmöglich sei.“ 1356 Richard Kralik erklärte 1926: „In einem vertraulichen Schreiben (…) an den K ­ aiser gab Czernin der ernsten Lage der Dinge Ausdruck.“ 1357 Zweifel an der Autorschaft des Ministers ließ damit auch Kralik nicht erkennen. Edvard Beneš schrieb 1928, Czernin habe dem K ­ aiser am 12. April 1917 ein Memorandum überreicht, worin er nachwies, (…) daß Österreich-Ungarn den Krieg nicht weiterführen könne, daß man bald Friedensverhandlungen einleiten müsse und daß eine Bedingung zur Erreichung erfolgreicher Verhandlungen die Abtretung wenigstens eines Teiles von Elsaß-Lothringen sei. (Erzberger habe) offenbar von der Herzogin von Parma (…) eine Abschrift (erhalten).1358

Dafür, dass diese zur Kenntnis der Entente gekommen sei, habe Czernin „die Umgebung des Kaisers und der Kaiserin verantwortlich“ gemacht.1359 Arthur Polzer-Hoditz beschrieb 1929, wie er mit der Sache in Berührung gekommen sei: Am 29. August 1917 (…) ließ mich der ­Kaiser rufen und richtete folgende Frage an mich: ‚Sie erinnern sich doch, daß ich Ihnen (…) das Konzept eines Briefes an den deutschen K ­ aiser zur Abschrift gegeben habe. Dieser Brief ist (…) zur Kenntnis der Entente gelangt. Es muß eine strenge Untersuchung darüber eingeleitet werden; denn das ist mehr als eine Indiskretion, das ist Verrat’. (…) Ich antwortete, daß ich mich sehr wohl erinnere (…). Ich hätte (…) den Brief bei verschlossenen Türen abgeschrieben und sodann (…) Seiner Majestät übergeben. (…). Soweit ich mich erinnern kann (…) war es ein Vorschlag, gemeinsam mit Deutschland ein Friedensangebot an Rußland zu machen (…)’. ‚Nein‘, erwiderte der ­Kaiser, ‚um diesen Brief handelt es sich gar nicht. Es war ein Promemoria Czernins, das ich mit einigen einbegleitenden Worten ­Kaiser Wilhelm übersendet habe‘. (…) Der K ­ aiser (…) sagte mir, daß in d ­ iesem (…) unsere (…) Lage in den schwärzesten Farben geschildert worden sei, und daß durch dessen

1355 Fester Friedensoffensiven. 1937 15, 676 – 678. Fester 1938, 53. Fast gleichlautend äußerte sich Fester 1938. 1356 Schäfer 1926, 208 – 209. 1357 Kralik 1926,12. 1358 Beneš 1928, 260 – 263. 1359 Ebd.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

Bekanntwerden bei der Entente deren Friedensbereitschaft jäh umgeschlagen habe. (…) Erst nach ungefähr vierzehn Tagen sagte mir der K ­ aiser, die Indiskretion sei durch (…) Erzberger begangen worden. Es sei nun alles aufgeklärt.1360

François Charles-Roux schrieb 1929, Czernin habe K ­ aiser Karl nach der Rückkehr von Homburg in einem Memorandum vorgestellt, dass die Monarchie bald nicht mehr imstande sein werde, den Krieg fortzusetzen.1361 Karl Wortmann meinte 1929: „Kaiser Karl hat sein Exemplar des Berichtes (…) Erzberger in die Hände gespielt, wovon Czernin allerdings nichts wußte.“ Daran, dass der Bericht zur Kenntnis der Entente gelangt sei, gab Wortmann Czernin die Schuld: „Seinen Aprilbericht (…) vermochte er in den Nebenexemplaren nicht derart hinter Schloß und Riegel zu halten, daß der Inhalt Geheimnis der Mittelmächte blieb.“ 1362 Bei diesen Worten berief er sich erstaunlicherweise auf Alfred Krauß’ Buch.1363 Was die Verfasserschaft an der Denkschrift betrifft, so zitierte Wortmann kommentarlos Schagers Artikel vom 22. März 1920 in dem es heißt: „In gemeinsamer Arbeit (von ­Kaiser Karl und Czernin) entstand das bekannte Mémoire (…) vom 12. April (…).“ 1364 Edmund Glaise-Horstenau erklärte 1929 die Entstehung der Denkschrift so: In ­Czernin habe sich schon im Vorfrühling 1917 (…) die Auffassung festgesetzt, daß der Friede nur (…) durch ein Gebietsopfer Deutschlands in den Reichslanden zu erreichen sein werde. (…) Die Versuche Czernins, den Bundesgenossen für seine Auffassung zu gewinnen, begannen am 16. März 1917. An ­diesem Tag bot er dem (…) Reichskanzler als etwaiges Entgelt für ein Opfer im Westen Kongreßpolen an. Als er mit ­diesem Vorschlage (…) wenig Gegenliebe fand, schlug er am 3. April in Homburg noch Galizien hinzu (…). Als auch ­dieses Angebot nicht wirkte, rückte er mit seiner der Form nach für ­Kaiser Karl, in der Sache für Deutschland bestimmten Denkschrift vom 12. April heraus (…).1365

Die alleinige Autorschaft Czernins an der Denkschrift stand für Glaise-Horstenau also fest. In seinen 1980 publizierten Erinnerungen steht zu lesen, „die in unberufene Hände geratene oder gelegte Denkschrift Czernins“ habe, noch mehr als die Sixtusaktion, „dem Feind authentische Beweise der Schwäche der Mittelmächte und insbesondere Österreich-Ungarns“ geliefert.1366 1360 1361 1362 1363 1364 1365 1366

Polzer-Hoditz 1929, 344 bzw., 478 – 480. Anonym (Charles-Roux) 1929 53, 69. Wortmann 1929 24, 219, 248. Krauß 1920, 285. WSMZ (22. März 1920), 4 – 5, zitiert in Demblin 1920, 88 – 95 und Wortmann 1929 24, 217. Glaise-Horstenau 1929, 121. Broucek Glaise-Horstenau 1. 1980, 413.

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Antoine Redier scheint in seinem 1930 publizierten Lobpreis Kaiserin Zitas von der alleinigen Autorschaft Czernins überzeugt gewesen zu sein, wenn er schrieb, „le 12 avril, le comte Czernin, sur l’ordre de son maître, (…) rédigeait un exposé de la situation (…).“ 1367 Henry Allizé erklärte 1932 zur Weitergabe der Denkschrift, der ­Kaiser habe, „dit-on (…) reconnut avoir mis par erreur son exemplaire dans une enveloppe destinée à un Allemand“.1368 Auf wessen Aussagen sich Allizé mit seinem „dit-on“ bezog, ließ er offen, die Worte „par erreur“ lassen jedoch darauf schließen, dass ihn die kurz zuvor erschienene Darstellung Werkmanns nicht unbeeindruckt gelassen hatte. Unter dem „Alle­ mand“, den er im Dunkel der Anonymität beließ, ist zweifellos Erzberger zu verstehen. Herbert Vivian schrieb 1932, Ledóchowski habe bei der Tafel in Kreuznach feststellen müssen, dass der Inhalt der vom ­Kaiser „gemeinsam mit Czernin verfassten Denkschrift (…) bereits dem ganzen Gefolge bekannt“ gewesen sei. Quellen nannte Vivian nicht, er stützte sich aber offenkundig auf die Schilderungen Schagers und ­solche, die aus der allernächsten Umgebung des Exkaisers stammten. Diesen bezeichnete er als „einen großen Führer (…), der die heilige Einheit von Krone und Volk in sich verkörperte, einen richtigen Sportsmann, edelmütig und voll von Scharm, einen Heiligen, von dessen Grab bereits Wunder ausgehen. (…) wenn der ­Kaiser im Felde stand, wurden alle Operationen unter einem glücklichen Stern durchgeführt.“ 1369 Für Paul Molisch stand es 1933 fest, auf w ­ elche Art Erzberger in den Besitz der Denkschrift gelangt war: Er habe sie erhalten, „um für den Frieden zu wirken, doch dürfe er nicht sagen, von wem“. In die Enge getrieben habe er aber zugegeben, „den Bericht vom K ­ aiser erhalten zu haben“ und damit erreicht, dass weitere Untersuchungen eingestellt wurden. Mit dieser Darstellung, die er auf eine nicht näher belegte „Mitteilung des Grafen Wedel“ gründete,1370 setzte sich Molisch über die Tatsache hinweg, dass Erzberger das eben Zitierte keineswegs „zugegeben“, sondern erklärt hatte: „Die Person nenne ich nicht und werde sie niemals nennen, denn ich habe keinen Grund, sie zu nennen.“ 1371 Viktor Bibl schrieb1933, K ­ aiser Karl habe einen Verständigungsfrieden gewollt für ­welchen Deutschland die besetzten Gebiete in Belgien und Frankreich preisgeben und Elsass-Lothringen abtreten hätte sollen. Um Berlin diesbezüglich unter Druck zu setzen, habe Czernin „unter dem starken Eindruck der russischen Märzrevolution“ die Denkschrift verfasst. Diese sei „durch eine Indiskretion“ in Erzbergers Hände gelangt und habe 1367 1368 1369 1370 1371

Redier L’impératrice. 1930 60, 191, 202. Allizé 1932 8, 818. Vivian 1935, 9 bzw. 155 u. 187. Molisch 1933 231, 22 – 23. Erzberger Rede 25. Juli 1919, Verh. VDNV 1919/20. 1932 – 1933.

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so „die auf das feindliche Ausland den Eindruck einer ‚Bankrotterklärung‘“ machende Friedensresolution des Reichstages auslösen können. Ähnlich äußerte sich Bibl 1937.1372 Gottfried Zarnow kommentierte 1936 die Darstellung Werkmanns, K ­ aiser Karl habe Erzberger die Denkschrift aus Versehen zukommen lassen, mit den Worten: Ist diese Darstellung zutreffend und kein raffinierter Versuch, von der richtigen Spur abzulenken, dann hat die (…) Denkschrift Czernins vom 12. bis zum 23. April offen auf dem Schreibtisch des Kaisers, d. h. so lange gelegen, bis sie an den Mann fehlgeleitet werden konnte, in dessen Händen sie allein zur Unterstützung der von ­Kaiser Karl und von seinen Allerhöchsten und höchsten Frauen verfolgten Politik wirksam werden konnte.

Zarnow zitierte die Mitteilung Graf Wedels, Erzberger habe auf Hohenlohes Frage, wie er in den Besitz der Denkschrift gekommen sei, geantwortet, er habe sie „von einer dem ­Kaiser sehr nahestehenden Seite“ erhalten.1373 Daraus schloss Zarnow: „Alle Feststellungen deuten und alle Spuren lenken auf die ­Mutter der Kaiserin Zita und damit auch auf diese selbst (…).“ 1374 In den 1937 erschienenen Erinnerungen des gewesenen Hofsekretärs in der Kabinettskanzlei des Kaisers Stefan Kray heißt es: „Daß Graf Czernin von der schließlichen Erfolglosigkeit einer Fortführung des Krieges (…) überzeugt war (…), geht aus seinem an den ­Kaiser am 12. April 1917 (…) gerichteten Memorandum deutlich hervor (…).“ Czernins Autorschaft stand für Kray also fest, ihm zufolge wäre es auch höchst ungewöhnlich gewesen, wenn das Mémoire den K ­ aiser selbst zum Autor gehabt hätte. Er schrieb nämlich: „Aufgabe der Kabinettskanzlei war es auch (…), die kaiserlichen Handschreiben (…) zu konzipieren, sowie (…) jene Reden zu verfassen, ­welche der Monarch (…) hielt.“ 1375 Kunz Iring (Karl Itzinger) ließ 1938 wissen, dass die „unfaßbar miesmacherische Denkschrift“ Czernins eigentlich für ­Kaiser Wilhelm bestimmt gewesen sei, und zwar, um diesen „einem Verzichtfrieden nach den Plänen des Wiener Hofes geneigt zu machen“. Sie sei Erzberger „in die Hände gespielt“ worden, und zwar „entweder vom ­Kaiser Karl selbst oder über die Herzogin von Parma!“ Nach Erzbergers Verlesen der Denkschrift in Frankfurt und seiner anschließenden Reise in die Schweiz sei der Vierbund „bald in Kenntnis der (…) geradezu niederschmetternden Feststellungen des (…) Außen­ ministers“ gewesen.1376 Als Quellen für seine Ausführungen führte Iring die Bücher des Prinzen Sixtus, Szemere und Czechs, Werkmanns, Cramons und Festers an. 1372 1373 1374 1375 1376

Bibl 1933, 87, Bibl 1937, 535. NPZ M (14. Feb. 1920), 1 u. TR M (14. Feb. 1920), 1, wiedergegeben in Demblin 1920, 77 – 82.

Zarnow 1936, 207 – 214. Kray 1937, 144 – 145 bzw. 30. Iring 1938, 17 – 21.

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Bertita Harding bezeichnete 1939 die Denkschrift als „the long memorandum composed by Karl during his Homburg visit“. Ihrem Bemühen um einen gelungenen Roman sind offenbar die Worte zuzuschreiben, die sie dem von der Aufnahme der Denkschrift durch Wilhelm II. enttäuschten K ­ aiser Karl in den Mund legte: „Very well (…) I shall work singlehanded from now on and seek a separate peace.“ 1377 Für Albert Pingaud stand 1940 die Autorschaft am „mémoire rédigé par Czernin“ außer Frage. Als Verfasser stand der Minister auch 1945 für Abbé Joseph Delabays, 1949 für Eva Priester, 1952 für Erzbischof Alois Hudal und 1953 für Rudolf Neck fest.1378 Hans Karl Zeßner-Spitzenberg hielt sich in einem 1953 aus seinem Nachlass herausgegebenen Buch offenkundig an Schagers Darstellung: Die Denkschrift sei „aus gemeinsamer Arbeit des Kaisers und seines Außenministers“ entstanden. Schagers Schilderung der Erlebnisse Ledóchowskis bei der Tafel in Kreuznach 1379 wusste Zeßner-Spitzenberg um einen dramatischen Aspekt zu bereichern: „Wie auf Verabredung fiel man (…) von allen Seiten über Ledóchowski her (der den Inhalt des Schreibens gar nicht kannte), in der Meinung, den Österreichern ‚Mut zum Ausharren‘ einreden zu müssen (…).“ 1380 Keinen Zweifel an Czernins Autorschaft hegte Victor S. Mamatey, wenn er 1957 schrieb: „Czernin gave the Emperor for transmittal to the Germans a memorandum in which he described the internal situation of the Monarchy in the darkest colors.“ 1381 Reinhold Lorenz schrieb 1959: Czernin (…) suchte damals durch einen (…) Bericht über die innere Lage der Monarchie, der formell an ­Kaiser Karl gerichtet, (… aber) zur Kenntnisnahme durch K ­ aiser Wilhelm bestimmt war, einen Druck zur (…) Annahme seines Elsaß-Polen-(Galizien)-Vorschlages auszuüben.1382

Auf w ­ elche Grundlagen er sich stützte, gab Lorenz nicht an, seine Worte erinnern jedoch an die 1929 von Glaise-Horstenau gebrauchten.1383 Die Frage, wie Erzberger in den Besitz der Denkschrift gekommen sei, löste Lorenz auf überraschende Weise. Er billigte ihr nämlich eigenes Streben und Walten zu und meinte: „Daß aber eine Abschrift (…) selbständig ins politische Spiel geraten werde, das konnten beide Staatsmänner (Czernin und Tisza) damals nicht voraussehen.“ 1384

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Harding 1939, 100 – 102. Pingaud 3 1940, 174, Delabays 1945, 113, Priester 2 1949, 582, Hudal 1952, 306, Neck 1953 7, 303. WSMZ (22. März 1920), 4 – 5, DNR (16. Mai 1920), 532. Zeßner-Spitzenberg 1953, 146 – 147. Mamatey 1957, 135. Lorenz 1959, 339 – 342. Glaise-Horstenau 1929, 121. Lorenz 1959, 339 – 342.

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Klaus Epstein erklärte 1959, Bergen habe Erzberger die Denkschrift auf Weisung Zimmermanns mit Billigung Bethmann Hollwegs lesen lassen, bevor der Kanzler in Wien versuchte, „der österreichischen Kriegsmüdigkeit entgegenzuwirken“, die in „dem Gerücht, Österreich versuche einen Sonderfrieden zu schließen“, zum Ausdruck gekommen sei. ­Kaiser Karl habe am 23. April Erzberger, wie aus dessen Erlebnissen „implizite“ hervorgehe, eine Abschrift der Denkschrift mit der Ermächtigung überreicht, sie „nach Gutdünken zu benutzen, wenn es das gemeinsame Ziel eines baldigen Friedensschlusses fördern könne“. Ritterlicherweise habe Erzberger sich jedoch geweigert, „dies zu Lebzeiten des Kaisers zu behaupten“.1385 Heinrich Benedikt enthielt sich 1962 jeder Stellungnahme zu dem damals vorliegenden Quellenmaterial und zur einschlägigen Literatur und meinte schlicht, es sei „ungewiß von wem“ Erzberger eine Abschrift der Denkschrift erhalten habe.1386 Emmy Gehrig schrieb 1962: „Am 12. April übersandte ­Kaiser Karl eine mit Czernin gemeinsam verfaßte Denkschrift. Sie sollte den deutschen ­Kaiser über unsere Lage aufklären.“ 1387 Woraus sie auf eine gemeinsame Verfasserschaft schloss, gab sie nicht an, ihre Sichtweise war aber deutlich geprägt von Schager oder einem der Autoren, die sich erklärter- oder unerklärtermaßen 1388 auf diesen oder dessen Informanten stützten. Hartmut Lehmann meinte 1963, Czernin habe „die deutschen Forderungen im Westen“ weder in Homburg ändern können, noch „durch ein langes Memorandum“ (jenes vom 12. April), „in dem er die innere Situation der Monarchie in den düstersten Farben schilderte und (…) zusammen mit einem persönlichen Brief K ­ aiser Karls an Wilhelm II. an die deutsche Regierung (sic!) schickte“.1389 Lehmann sah in Czernin also nicht nur den Verfasser, sondern auch den Versender des Memorandums.1390 Gerhard Ritter erklärte 1964, man habe Erzberger im Auswärtigen Amt „Czernins düsteres Zukunftsbild vom 12. April“ gezeigt, um ihn für seine Wien-Reise vorzubereiten. Das Ergebnis dieser Reise sei gewesen, dass Erzberger sich „vom österreichischen Pessimismus“ habe anstecken lassen und ­Kaiser Karl ihm „eine Abschrift des Memorandums aushändigen ließ mit der Ermächtigung, sie nach Gutdünken zu benützen. Diesen Schritt hat Karl aber seinem Minister streng geheim gehalten und ­später, als das Memorandum im Ausland bekannt geworden war, mit kalter Stirn abgeleugnet.“ 1391

1385 1386 1387 1388

Epstein 1976, 193 – 195. Benedikt 1962, 142 – 143. Gehrig 1962, 128. Zeßner-Spitzenberg 1953, 146, WSMZ (22. März 1920), 4 – 5, Wortmann 1929 24, 217, Redier L’impératrice. 1930 60, 191. 1389 Lehmann 1963, 52. 1390 Ebd. 1391 Ritter 3 1964, 515 – 518.

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Als Quellen für seine Darstellung gab Ritter summarisch die Bücher Czernins, ­ rzbergers, Werkmanns, Cramon und Flecks sowie Ludendorffs Urkunden und E E ­ psteins Erzberger-Biographie an. Wenn er schrieb, der K ­ aiser habe Erzberger ermächtigt, die Denkschrift „nach Gutdünken zu benützen“, so gab er damit Epsteins Extrapolation 1392 wörtlich wieder. Für Wolfgang Steglich stand 1964 Czernins Autorschaft an der Denkschrift außer Frage. Er schrieb, Ende August 1917 sei es in Wien klar geworden, „daß die Berner Ententekreise den Inhalt der Denkschrift vom 12. April kannten“, die vom ­Kaiser befohlene Untersuchung habe „das Mißgeschick nicht ungeschehen machen“ können. An anderer Stelle meinte er: „Nach Eintreffen der Nachricht, daß die (…) Denkschrift (…) in die Hände der Gegner gelangt war, mußten österreichisch-ungarische Friedensversuche vorläufig wenig aussichtsvoll erscheinen.“ 1393 Ohne auf Belege verweisen zu können schrieb Steglich 1970, die Denkschrift sei der Entente „möglicherweise infolge der Fahrlässigkeit Erzbergers“ bekannt geworden.1394 Wie sie in die Hände Erzbergers gelangte, berührte Steglich nicht. Ladislaus Singer schrieb 1965, ­Kaiser Karl habe Czernin erklärt, (…) Erzberger müsse die Denkschrift auf unredliche Weise erhalten haben, weder von ihm noch aus seiner Umgebung wäre sie (… ihm) übergeben worden. Er ermuntert sogar C ­ zernin, die Spur des Verrats über Erzberger hinaus zu verfolgen, und spricht die Vermutung aus, daß Erzberger (…) ein Entente-Spion wäre und das Dokument wahrscheinlich noch vor der Frankfurter Versammlung an den Feind ausgeliefert habe.1395

Woraus er auf eine ­solche Vermutung des Kaisers schloss, verriet Singer nicht. Er schrieb auch: „In dem (…) Verleumdungsprozeß gegen Helfferich behauptete Erzberger, die Abschrift habe ihm das Auswärtige Amt auf Bethmanns Befehl gegeben.“ 1396 Dem Bericht über den Prozess zufolge sagte Erzberger allerdings aus, er habe die Denkschrift dort nur zu lesen bekommen.1397 Robert F. Hopwood erklärte 1965, Czernin habe ­Kaiser Karl nach dem Homburger Treffen eröffnet, aus dem Verhalten Wilhelms II . könne geschlossen werden, dieser „could be won over“. Er habe daher „a lengthy memorandum (…) designed to be sent to Wilhelm“ verfasst.1398 Zweifel an der Autorschaft Czernins hegte Hopwood also nicht. 1392 Epstein 1976, 195. 1393 Steglich 1 1964, 163 bzw. 227. 1394 Steglich 1970, 7. 1395 Singer 1965, 183 – 184. 1396 Ebd. 1397 Erzberger Aussage 20. Jän. 1920, Erzberger-Prozess. 1920, 37 – 38. 1398 Hopwood 1965, 131 – 133.

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Friedrich Engel-Jánosi meinte 1965 bzw. 1966, ohne einen Beleg anzuführen, ­Czernins „Denkschrift (…), die im Lager der Gegner bekannt geworden war“, habe wesentlich dazu beigetragen, diese von der Kriegsmüdigkeit der Monarchie zu überzeugen.1399 Die Schrift sei „durch irgendwelche Umstände den Westmächten bekannt“ geworden.1400 Leo Valiani schrieb 1966, Czernin habe „nel suo celebre memoriale“ zugegeben, dass Österreich den Krieg nicht über das Jahresende hinaus fortführen könne.1401 Louis Cadars bezeichnete die Denkschrift 1967 als „mémorandum Czernin, document remarquable dont il est impossible de ne pas reconnaitre la lucidité, la logique et la solidité“ und als „le mémoire secret de Czernin (…), qui fit le plus grand honneur à son auteur (…)“.1402 Hans Herzfeld meinte 1968, Czernin habe Bethmann Hollweg dadurch für einen Verzicht auf Elsass-Lothringen und Belgien gewinnen wollen, dass er in „jener sehr pessimistischen Denkschrift (…) den Zusammenbruch der erschöpften Donau­monarchie schon im Verlauf des Jahres 1917 voraussagte (…)“. Der Kanzler habe ihm daraufhin klarzumachen versucht, „daß das deutsche Volk (…) niemals freiwillig auf die Reichslande (…) verzichten werde“, wiewohl er selbst „bestrebt sei, einen möglichen Frieden nicht an der elsaß-lothringischen Frage scheitern zu lassen“. Diese Haltung des Kanzlers habe Czernin veranlasst, „Erzberger über den Inhalt seiner (…) Denkschrift (…) zu unterrichten“. ­Kaiser Karl aber habe Erzberger „eine Abschrift des Dokuments zu beliebiger Verwertung aushändigen“ lassen.1403 Eine Quelle für seine Darstellung gab Herzfeld nicht an, die zuletzt zitierten Worte weisen jedoch auf Epsteins diesbezüg­ liche Mutmaßung hin. Hugo Hantsch schrieb 1968, Frankreich habe die „geheime Denkschrift Czernins in die Hand“ bekommen. Worauf er diese Aussage stützte, gab er nicht an.1404 Gordon Brook-Shepherd erklärte 1968, die Denkschrift habe „keineswegs aus der Feder Czernins“ gestammt. Kaiserin Zita, deren Gedächtnis, soweit er es beurteilen könne, „bis in die kleinsten Einzelheiten getreu und (…) weder durch Bitterkeit noch durch Voreingenommenheit auch nur im geringsten verzerrt“ sei,1405 habe ihm nämlich mitgeteilt: Nach der Konferenz von Homburg kam ­Kaiser Karl auf den Gedanken, ein Memorandum zu verfassen, um den Deutschen eindringlich klar zu machen, wie verzweifelt die Situation 1399 Engel-Jánosi Friedensbemühungen. 1965, 282 – 285. 1400 Engel-Jánosi AÖG. 1966 125, 267. 1401 Valiani 1966, 290. 1402 Cadars 1967 71, 55 – 63. 1403 Herzfeld 1974, 312 – 313. 1404 Hantsch 2 1968, 532. 1405 Brook-Shepherd 1968, 10.

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geworden war. Er schrieb es in der Hauptsache (sic!) selbst. Aber im Einvernehmen mit Graf Czernin wurde (es …) als Bericht des Außenministers bezeichnet.1406

An einer anderen Stelle meinte Brook-Shepherd, ­Kaiser Karl habe das Memorandum „selbst verfaßt, aber im Namen des Grafen Czernin K ­ aiser Wilhelm am 10. April 1917 (sic!) (…) zugehen lassen“.1407 Im Gegensatz zu der 1968 von ihm überlieferten Erzählung der Exkaiserin schrieb Brook-Shepherd 1991 die Autorschaft an der Denkschrift mit entschiedenen Worten Czernin zu: Charles and Czernin resolved on one more desperate attempt. This consisted of a special report, written along agreed lines by the foreign minister to his ruler painting the war outlook in the darkest colours imaginable. (…) It was trenchant, even brilliant, stuff and, whoever’s idea the memorandum had been, much of the wording bore the unmistakable stamp of Czernin’s style.1408

Nicht weniger überzeugt von Czernins Autorschaft muss Brook-Shepherd 1997 gewesen sein, als er schrieb: „Czernin composed a dramatically pessimistic memorandum for his sovereign, who forwarded it with a personal note to William II.“ 1409 1968 gab Brook-Shepherd auch wieder, was ihm Zita über die Kreuznacher Erlebnisse Ledóchowskis anvertraut hatte: Ledóchowski, der das Memorandum (…) gebracht hatte, aber nicht wußte, was es enthielt, hörte (…) eine höchst freimütige Diskussion über dessen Inhalt an der kaiserlichen Tafel (…) in Anwesenheit aller Ordonnanzen. ­Kaiser Karl war bei Besuchen angesichts dieser (…) Messeordonnanzen sehr vorsichtig. (…) Man hatte den Verdacht, daß unter ihnen Spione (…) waren, deren Intelligenz sie befähigte, die Bedeutung der belauschten Gespräche zu verstehen. Diese Vermutung wurde durch gewisse Nachrichten getroffen, die bestätigten, daß (…) an der Tafel geführte Gespräche im Ausland bekanntgeworden waren (…).1410

Auf derartigen Erzählungen Zitas hatten wahrscheinlich auch schon die Schilderungen Schagers, Nowaks und Polzer-Hoditzs 1411 sowie die zweite, nicht aber die erste, in ­Werkmanns Buch gegebene Darstellung 1412 gefußt.

1406 Brook-Shepherd 1968, 95 – 96. 1407 Ebd. pp 95 – 96 bzw. p 124. 1408 Brook-Shepherd 1991, 74 – 75. 1409 Brook-Shepherd 1997, 194. 1410 Brook-Shepherd 1968, 96. 1411 Schager DNR (16. Mai 1920), 532, Nowak 1921, 89, Polzer-Hoditz 1929, 345. 1412 Werkmann 1931, 176 bzw. 174.

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Für Ingeborg Meckling stand 1969 die Autorschaft Czernins an der Denkschrift fest. Mit dieser habe er versucht „den deutschen Bundesgenossen von der Notwendigkeit eines baldigen Friedensschlusses und einer Revision der bisherigen Taktik gegenüber den Gegnern zu überzeugen“. Davon, dass „Czernins Exposé (…) bei den Ententepolitikern bekannt geworden war“, war Meckling überzeugt, es habe auf diese Weise „die Hoffnungen der Westmächte erneuert“. Auf mehr als auf on-dits beruhende Äußerungen Erzbergers, Kühlmanns und Czernins konnte sie sich dabei allerdings nicht berufen.1413 Helmut Rumpler ließ 1971, als er in einem Buchbeitrag Czernins „große Denkschrift“ erwähnte, nicht erkennen, dass er an des Ministers alleiniger Verfasserschaft zweifelte.1414 Theodor Eschenburg schrieb 1973, Erzberger sei die Denkschrift von Zimmermann gezeigt worden. „Auf Bethmann Hollwegs Bitte“ sei der Abgeordnete am 21. April 1917 nach Wien gefahren, um dort „übereilte Friedensaktionen zu verhindern“. In Wien habe „Czernins mündliche Erläuterung seiner Denkschrift“ auf ihn einen „nachhaltigen Eindruck“ gemacht, ­Kaiser Karl aber habe sie ihm „zur beliebigen Verwendung“ übergeben.1415 Auf ­welche Grundlagen sich Eschenburg bei seinen Darlegungen bezog, ließ er offen, die diesbezügliche Stelle bei Epstein scheint ihm jedoch nicht unbekannt gewesen zu sein. Emilio Vasari (Emil Csonka) erklärte 1975 in seinem Lobpreis Zitas: „Nach ihrer Rückkehr aus Bad Homburg arbeiteten Karl und Czernin ein Memorandum aus (…) um Karl die Möglichkeit zu geben, eine Kopie davon ­Kaiser Wilhelm zu ­schicken“. Worauf er sich stützte, gab Vasari nicht an, empfahl seinen Lesern aber Hans Karl Zeßner-­Spitzenberg als „einen der hervorragendsten Kenner der damaligen Wiener Situation“.1416 Wolfgang Ruge meinte 1976, Erzberger sei die Denkschrift im Laufe seiner Bemühungen um die Zustimmung der deutschen Zentralbehörden zu seinem Projekt eines deutsch-russischen Waffenstillstands bekannt geworden. Nach Wien sei er gefahren, um „zu erkunden, wie lange Österreich-Ungarn noch ausharren könne“, vor allem aber, um ­dieses zu beschwören, „alle Versuche, aus dem Kriege auszuscheiden, mit Deutschland zu koordinieren“. Er sei mit Czernin und ­Kaiser Karl zusammengetroffen, welch letzterer „ihm eine Abschrift der Denkschrift übergab und ihn dabei ermächtigte, sich des Berichts zu bedienen, sofern dies einem baldigen Friedensschluß förderlich sei“.1417 Worauf er seine Darstellung gründete, gab Ruge nicht an, sie weist jedoch klar auf ­Epsteins Annahme hin. 1413 1414 1415 1416 1417

Meckling 1969, 116 u. 140. Rumpler 1971, 117. Eschenburg 1973, 60 – 61. Vasari 1976, 82 – 86. Ruge 1976, 65 – 66.

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Erich Feigl gab 1977 eine Erzählung Zitas wieder, ohne zu verraten, wem sie diese wann gemacht habe. Ihr zufolge sei dem K ­ aiser nach dem Treffen in Homburg ein Gedanke gekommen, (…) der vielleicht in der Geschichte der zwischenstaatlichen Beziehungen in dieser Form einzigartig ist. (… Er) beschloß, den Verantwortlichen in Deutschland ein umfassendes Memorandum zu unterbreiten (…). Aus taktischen Gründen (…) Czernin erfreute sich in Berlin eines guten Rufes, den es (…) zu nützen galt – sollte (…) Czernin als Verfasser (…) aufscheinen, nicht ­Kaiser Karl. Ich (Zita) möchte aber ausdrücklich festhalten, daß (…) ­Kaiser Karl selbst der Verfasser ist.1418

Feigl interpretierte die Erzählung wenig zögerlich und, ganz so wie Zita, übernatürliche Gaben des Kaisers keinesfalls ausschließend: Die Anrede ‚Eure Majestät‘, die Czernin (in der Denkschrift) an seinen ­Kaiser richtet, kann absolut als an den Deutschen ­Kaiser gerichtet gelten, denn ­Kaiser Karl war ja nicht von der Notwendigkeit des Friedens zu überzeugen; er war von dem (…) wirklich prophetischen Inhalt des von ihm selbst verfassten Memorandums vollkommen überzeugt.1419

An anderer Stelle erklärte Feigl, die „geradezu seherische Begabung ­Kaiser Karls und auch die Urheberschaft des berühmten ‚Memorandums‘, dessen Autor einzig und allein ­Kaiser Karl ist, und nicht Czernin“, sei durch einen Brief des Kaisers an Czernin bewiesen. Im wiedergegebenen Text d ­ ieses Briefes wird das Memorandum allerdings überhaupt nicht erwähnt. Keinen Hinweis gab Feigl darüber, worauf er sich stützte, wenn er schrieb, Erzberger sei „durch ein Mißverständnis in den Besitz des streng geheimen Dokuments gelangt.“ 1420 Feigl gab auch die Erzählung Zitas über Ledóchowskis Erlebnisse in „Bad Homburg (sic!) in Gegenwart der von ­Kaiser Karl so gefürchteten“ Ordonnanzen wieder, die Ursache für das Bekanntwerden der Denkschrift sei also bei diesen zu suchen. Dazu zitierte Feigl die Kaiserin wie folgt: „Später, als sich die Warnungen und Vorhaltungen in ­diesem Memorandum geradezu Silbe für Silbe bewahrheiteten und der Reihe nach

1418 Im Vorwort zur 5., textlich fast unveränderten Auflage ­dieses Buches schrieb Feigl 1991, er sei bei der „Arbeit an ­diesem Buch in ständigem Kontakt mit Ihrer Majestät, mit ihrer Familie, mit ihrem hinreißenden Bruder Prinz Xavier, (…) Professor Ludwig Jedlicka, Dr. Peter Broucek, (…) Erich Thanner und seiner Gemahlin Zita Thanner, (…) Gräfin Anna Coreth, (…) Kardinal Mindszenty, (…) Erzherzogin Elisabeth, (…) und Otto von Habsburg“ gestanden. Feigl 1991, 8 – 9. 1419 Feigl 1977, 299 – 300. 1420 Ebd. pp 239 – 244 bzw. p 303.

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in Erfüllung gingen, mußte natürlich ein Sündenbock gefunden werden (…) man fand ihn in Erzberger, und damit indirekt in Wien.“ 1421 „(S)ich bewahrheiten“ und „in Erfüllung gehen“ mußten die „Warnungen und Vorhaltungen“ dann, wenn man so wie die Kaiserin festen Glaubens war, dass der Autor der Denkschrift „einzig und allein“ der ­Kaiser war. Dies umso mehr als, folgt man Kardinal ­Mindszentys Vorwort zu Feigls Buch, sie es war, die „als erste die religiöse Genialität ihres Mannes erkannte und sie bis zum heroischen Ende auf Madeira so zu gestalten und zu entfalten wußte, daß sich immer mehr Menschen in aller Welt mit der Bitte an die ­Kirche wenden, sie möge unfehlbar feststellen, daß K ­ aiser Karl (…) der Ehre der Altäre würdig sei (…).“ 1422 Imre Gonda bezweifelte 1977 Czernins Autorschaft an der Denkschrift nicht. Zu ihrem möglichen Bekanntwerden bei der Entente meinte Gonda: „(…) einerseits erhielten das Schriftstück K ­ aiser Wilhelm II. und ein ziemlich breiter Kreis von Mitarbeitern (…). Andererseits bestand ­zwischen dem (…) Herrscher und seinen auf der anderen Seite der Front stehenden Verwandten ein unmittelbarer Kontakt (…).“ 1423 Gary W. Shanafelt hielt 1985 über die Denkschrift fest und verwies dabei auf ­Epsteins Mutmaßung: „Erzberger obtained a copy of it. (…) How he got it was a source of considerable dispute (…); it seems that Karl personally gave him a copy.“ Zu der von Brook-Shepherd und Feigl tradierten Behauptung Zitas über die Autorschaft des ­Kaisers an der Schrift schrieb Shanafelt: „More recently, (…) Zita asserted that (… it) was not written by Czernin at all but by Karl (…). Czernin, however, claimed his authorship both at the time and later in his memoirs, and so it has been accepted by all (…) involved (except Zita).“ 1424 Ebensowenige Zweifel an der Autorschaft Czernins an der Denkschrift ließ Gábor Vermes erkennen, wenn er 1985 schrieb: The most frequently used weapon in the arsenal of the foreign minister were his repeated warnings to the Germans that the Monarchy was close to the brink of total exhaustion (…). He made his point during his negotiations with Bethmann Hollweg in Vienna on 16 March and again in his 12 April memorandum (…).1425

Tamara Griesser-Pečar glaubte 1985 eine Mitautorschaft der Kaiserin an der Denkschrift nicht ausschließen zu sollen. Und zwar hätten, nach ihrer Rückkehr von Homburg, „Karl, Zita und Czernin einen nochmaligen Versuch“ unternommen, „Deutschland 1421 1422 1423 1424 1425

Ebd. p 304. Ebd. pp 10 – 11. Gonda 1977, 359 – 361. Shanafelt 1985, 224 Anm. 38. Vermes 1985, 388.

Czernins Denkschrift in der Literatur

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­ mzustimmen. Am 12. April 1917 schickten sie dem Bündnispartner eine Denkschrift.“ u Später sei „ein Streit darüber entstanden, ob Czernin den Text selbst verfaßt hatte oder ob dieser in der Hauptsache von Karl und Zita abgefaßt worden war“.1426 Um Einiges vorsichtiger schrieb Griesser-Pečar 1988: Kaum in Wien angekommen, (…) überlegten sie sich, was sie noch tun könnten, um die Deutschen (…) umzustimmen. So wurde nun eine Denkschrift verfaßt, adressiert an ­Kaiser Karl, unterzeichnet von Czernin, die Österreichs Situation (…) begreifbar machen sollte. Zita behauptete ­später nicht unplausibel, ­Kaiser Karl selbst habe ­dieses Memorandum verfaßt. Im Einvernehmen mit Graf Czernin sei es als Bericht des Außenministers deklariert worden. (…).1427

In einer Anmerkung meinte Griesser-Pečar: „In ­diesem Sinne zu Recht Brook-Shepherd (…).“ 1428 Dieser jedoch hatte lediglich eine Erzählung Zitas wiedergegeben.1429 Bei der Beantwortung der Frage, wie Erzberger in den Besitz der Denkschrift gekommen sei, berief sich Griesser-Pečar 1985 auf Werkmanns Schilderung.1430 Unter den ­Erzberger vom K ­ aiser übersandten Papieren habe sich zu Erzbergers „Erstaunen ein Kuvert mit der besagten Denkschrift“ befunden. Der Monarch habe ­später erklärt, die Übersendung „sei aus Versehen geschehen“. Es sei jedoch gemutmaßt worden, „der ­Kaiser habe dies lediglich auf sich genommen, weil er eine andere Person aus seiner unmittelbaren Umgebung ­schützen wollte“.1431 In einer Anmerkung schrieb GriesserPečar, Werkmann habe sich erinnert, dass Erzberger die Denkschrift (…) mit der Bemerkung wieder an den ­Kaiser zurückgeschickt habe: ‚Das kenne ich ja ohnehin schon.‘ Er hatte (… sie) demnach schon von anderer Seite erhalten und (…) sich möglicher­ weise durch die Tatsache, daß sie der ­Kaiser (aus Versehen?) oder sonst wer (sic!) seinen Papieren beigegeben hat, für ausdrücklich autorisiert gehalten, sie zu publizieren. (… Die Denkschrift sei) tatsächlich (…) schon mehreren Personen bekannt (gewesen), einige mußten schon von ihr etwas gewußt haben, ehe sie K ­ aiser Wilhelm erhielt. Denn (…) Ledóchowski, der dem deutschen K ­ aiser das versiegelte Schriftstück überreichte, stellte fest, daß die Denkschrift bereits an demselben Abend im Hauptquartier Kreuznach heftig diskutiert (wurde).“ 1432

1426 1427 1428 1429 1430 1431 1432

Griesser-Pečar 1985, 132 bzw. 304 Anm. 8. Näheres über diesen „Streit“ erwähnte sie nicht. Griesser-Pečar 1988, 168 – 169. Ebd. p 367 Anm. 47. Brook-Shepherd 1968, 96. Werkmann 1931, 177 – 178. Griesser-Pečar 1985, 143 – 144. Ebd. pp 307 – 308 Anm. 13.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

Die Stelle bei Werkmann, auf die sich Griesser-Pečar berief, lässt eine ­solche Aussage nicht zu. Es heißt dort nämlich, wie erwähnt, die „österreichische pessimistische Auffassung der Lage“ sei diskutiert worden,1433 nicht die Denkschrift. Dass „einige“ von ihr „etwas gewußt haben“ mussten „ehe sie K ­ aiser Wilhelm erhielt“, hatte vor Griesser-Pečar niemand vermutet. Mit den Worten, „der K ­ aiser (aus Versehen?) oder sonst wer“ habe die Denkschrift den Erzberger zugesandten Unterlagen beigesetzt, stellte Griesser-Pečar Werkmanns Schilderung in Frage, dass nämlich der ­Kaiser dies selbst veranlasst hatte.1434 Zita habe ihr gegenüber zur Frage, wie Erzberger in den Besitz der Schrift gekommen sei, geäußert, dies sei „nie eindeutig geklärt“ worden.1435 Die Darstellung Werkmanns, „Dies der Tatbestand, den ich vom ­Kaiser erfuhr und den Erzberger bestätigt hat“,1436 schien für Zita also nicht unbedingt der Wirklichkeit zu entsprechen. Griesser-Pečar zufolge zeigte sich diesbezüglich Zitas Sohn Otto – zum fraglichen Zeitpunkt war er 5 Jahre alt – von größter, wenn auch vielleicht lediglich von tiefem Glauben geprägter, Gewissheit: Er nämlich habe ihr versichert, „daß die Denkschrift tatsächlich versehentlich in Erzbergers Papiere geraten sei“.1437 Ein etwas anderes Bild der Vorgänge gab Griesser-Pečar 1988. Erzberger sei am 23. April 1917 vom K ­ aiser in Laxenburg empfangen worden: „Und dabei kam er eben auch in den Besitz jener Denkschrift – ‚auf die korrekteste Weise der Welt‘, wie er in seinen Erinnerungen schrieb (…)“.1438 Ihrer Darstellung legte Griesser-Pečar nun die von Kann edierten Aufzeichnungen zugrunde, die sich Baernreither von Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung gemacht hatte. Sie gab auch den dort enthaltenen Bericht Hohenlohes über Erzbergers Antwort auf die Frage, wie er in den Besitz der Denkschrift gelangt sei, wieder. Er habe sie „von einer dem K ­ aiser sehr nahestehenden Persönlichkeit (…) erhalten, wobei er (…) den Schluß ziehen mußte, daß dies (…) über Auftrag oder zumindest mit Wissen Sr. Maj. geschah“.1439 Werkmann, der „Privatsekretär des Kaisers“, habe sich „tatsächlich (erinnert), daß dies so gewesen sei“.1440 Werkmann war zum kritischen Zeitpunkt allerdings nicht „Privat­ sekretär des Kaisers“, sondern wurde dies erst nach dem November 1918. Er konnte deshalb nicht in der Lage sein, sich daran zu erinnern, dass „dies“ 1917 „so gewesen sei“. In seinem Buch ist von einer solchen „Erinnerung“ auch nicht die Rede.1441 1433 Werkmann 1931, 174. 1434 Ebd. p 178. 1435 Griesser-Pečar 1985, 144. 1436 Werkmann 1931, 178. 1437 Griesser-Pečar 1985, 144. 1438 Griesser-Pečar 1988, 238. 1439 Griesser-Pečar 1988, 238 – 239. 1440 Ebd. 1441 Werkmann 1931, 178.

Czernins Denkschrift in der Literatur

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Wolfdieter Bihl berief sich 1990 in seinem Vortrag in Neuchâtel auf Griesser-Pečar, wenn er zur Frage der Autorschaft an der Denkschrift meinte: „Après l’échec des entretiens de Hombourg, (… Czernin) rédigea un mémorandum. L’empereur et son ministre étaient d’accord sur le contenue, peut-être Charles en était-il même le véritable auteur.“ 1442 Der Aussage, auf die sich Griesser-Pečars Gewährsmann Brook-Shepherd 1443 gestützt hatte, nämlich der der Exkaiserin, scheint sich Bihl, wie das einschränkende „peut-être“ zeigt, nicht ganz sicher gewesen zu sein und meinte auch: „Lorsqu’il ne reste plus que les déclarations de Zita comme unique source, l’historien ne doit pas oublier les points d’interrogation (…).“ 1444 Ohne irgendeine Quelle zu nennen bestand Bihl übrigens darauf, dass die Denkschrift „par une indiscrétion des Allemands“ zur Kenntnis der Alliierten gekommen sei.1445 Das sich vor allem auf von Brook-Shepherd referierte Äußerungen Kaiserin Zitas stützende Ehepaar James und Joanna Bogle tat 1990 sein auf dieser Basis errungenes Urteil über die Autorschaft an der Denkschrift ohne Umschweife mit den Worten kund: „Although technically signed by Czernin and addressed to Charles it was clearly the work of Charles himself.“ 1446 Otto, der Sohn des Kaiserpaares, attestierte den Bogles denn auch, dem „widening circle of historians trying to present an objective picture“ anzugehören.1447 Michel Dugast Rouillé dagegen wies 1991 die Autorschaft Czernin zu. Der K ­ aiser habe nach dem Homburger Treffen nochmals versucht, sich mit seinem Verbündeten zu verständigen und den Minister beauftragt, ein Memorandum für K ­ aiser Wilhelm zu erstellen. In ­diesem habe Czernin unter anderem auf die revolutionäre Gefahr hingewiesen.1448 Manfried Rauchensteiner ließ 1995 keine Zweifel an der Autorschaft Czernins an der Denkschrift, die dieser „ausschließlich für die Augen K ­ aiser Karls und K ­ aiser Wilhelms verfaßt hatte“, erkennen. Zur Frage, wie Erzberger in ihren Besitz gelangt sei, berief sich Rauchensteiner auf Czernins Aktenmäßige Zusammenstellung und schrieb, vom Minister zur Rede gestellt habe der K ­ aiser gemeint, er hätte „das Exposé (…) irrtüm­ licherweise in ein an Erzberger adressiertes, mit anderen Schriftstücken gefülltes Couvert gesteckt“.1449 Dass ­dieses „mit anderen Schriftstücken gefüllt“ gewesen sei, ist der Aktenmäßigen Zusammenstellung allerdings nicht zu entnehmen.1450

1442 1443 1444 1445 1446 1447 1448 1449 1450

Bihl 1993 43, 170, 51 (Vortrag 1990). Brook-Shepherd 1968, 95 – 96. Bihl 1993 43, 170, 73 (Vortrag 1990). Ebd. p 53. Bogle Bogle 1990, 82. Ebd. p III. Dugast Rouillé 1991, 79. Rauchensteiner 1995, 162. Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 202.

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Die Affäre um Czernins Denkschrift vom 12. April 1917

Peter Broucek schrieb 1997: „Nach der Rückkehr (von Homburg) formulierte C ­ zernin – oder der ­Kaiser selbst – eine Denkschrift (…).“ Worauf Broucek sich, was eine eventuelle Autorschaft des Kaisers betrifft, stützte, enthielt er dem Leser vor. Zu der Frage, wie Erzberger in den Besitz der Schrift gelangte, meinte er, sie sei ihm „‚von der Umgebung des Kaisers‘ (vielleicht von der Schwiegermutter, der Herzogin von Parma, die von der Kaiserin, die ihrem Mann helfen wollte, darum gebeten worden war?) überreicht worden“.1451 Was ihn zu diesen Vermutungen veranlasste, gab Broucek nicht preis. Elisabeth Kovács schrieb 2004, Erzberger habe die Denkschrift „vermutlich mit Wissen ­Kaiser Karls, bekommen“.1452 Worauf sie ihre Aussage fundierte, gab Kovács nicht an. Interessant ist ihre Darstellung, der ­Kaiser habe bei der Audienz mit Kühlmann „sehr angeregt und ausführlich die Bergmann-Affäre, nämlich die Indiskretionen, die im deutschen Reichstag zur Darstellung der österreichischen Situation vom 12. April 1917 erfolgten und die Erzberger zur Last gelegt wurden“, besprochen.1453 Folgt man Kühlmanns Bericht,1454 so ging es in der Audienz nicht um Indiskretionen im Reichstag, sondern darum, wie Erzberger in den Besitz der Denkschrift kam. Was Kovács zu ihrer Behauptung bewog, „der Bericht Erzbergers an das Auswärtige Amt vom 15. September 1917“ habe gezeigt, „daß auch die DOHL ­dieses (…) Memorandum kannte, es der Rheinisch-Westfälischen Zeitung zugespielt und auf d ­ iesem Weg in die gegnerische Presse gebracht hatte“, ließ sie nicht wissen.1455 Die Passage in der von ihr als Typoskript A bezeichneten Aktenmäßigen Zusammenstellung, auf die sie den Leser hinweist, enthält nämlich davon nichts. Die ihrer Behauptung dort am ehesten nahe kommende Stelle lautet lediglich: Auf der anderen Seite liessen viele Anzeichen darauf schliessen, dass die Entente nicht mehr mit dem gesicherten Bestande des Vierbundes rechne. Da ich (Czernin) zu dieser Zeit von den ‚Kaiser-Briefen’ keine Ahnung hatte, so vermutete ich zuerst, dass dieser Verdacht auf die Preisgabe meines geheimen Berichtes vom 12. April zurückzuführen sei. (…) – Ich weiss heute noch nicht, ob (…) ausser den erwähnten ­Kaiser-Briefen noch andere Nachrichten ohne mein Wissen nach Frankreich gesendet wurden (…).1456

Kovács bezichtigte Czernin, er habe die „Erzberger-Angelegenheit“ hochgespielt und so versucht, „seinen politischen Kurswechsel und seine Unloyalität gegenüber K ­ aiser Karl zu verdecken und zu motivieren“. Er habe sich damals „mit den politischen Zielen 1451 1452 1453 1454 1455 1456

Broucek 1997, 106 – 113. Kovács 1 2004, 672. Ebd. p 219. Kühlmann 1948, 491 – 493. Kovács 1 2004, 671. Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 205.

Czernins Denkschrift in der Literatur

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­Kaiser Wilhelms II.“ solidarisiert und seit Ende August 1917 nicht mehr „die Friedenspolitik K ­ aiser Karls mit ihrer Tendenz zur Föderalisierung Österreich-Ungarns“ verfolgt, sondern an der „Integration“ der Monarchie in das Deutsche Reich gearbeitet.1457 Was ihr die Gewissheit gab, dass es sich so verhielt, ließ sie nicht erkennen. Friedrich Oberkofler schrieb 2006 kurz und bündig, die Denkschrift sei vom ­Kaiser „mit Czernin“ verfasst worden. Dadurch, dass sie „in die Hände der Alliierten“ gefallen sei, hätten sich „die Weltmächte motiviert“ gesehen, weiter Krieg zu führen.1458 Bernard Charpentier wusste 2009 darzulegen, K ­ aiser Karl habe Wilhelm II . am 13. April (sic!) 1917 ein Memorandum übersandt, „dénonçant l’alliance avec le Reich pour le 11 novembre 1917 au plus tard“.1459 Wie er zu d ­ iesem Glauben fand, gab C ­ harpentier nicht an.

1457 Kovács 1 2004, 671 – 679. 1458 Oberkofler 2006, 78. 1459 Charpentier 2009 103, 2.

5. Frieden durch den Papst?

5.1

Die Note Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917

Der Friedensappell Benedikts XV. vom 1. August 19171460 wurde, zusammen mit einem Begleitschreiben Kardinalstaatssekretär Gasparris,1461 mittels Kurier an den Nuntius in München, Monsignore Pacelli, gesandt und von d ­ iesem dem Gesandten von Bergen zur Weiterleitung übermittelt.1462 Reichskanzler Georg Michaelis erhielt das Dokument am 14. August, ­Kaiser Wilhelm am Tag darauf.1463 ­Kaiser Karl wurde die Note am 18. August von Nuntius Teodoro Valfrè di Bonzo überreicht, die Reichspost meldete dazu: Nach der einstündigen Audienz, bei welcher der K ­ aiser das kurze päpstliche Schreiben durchlesen und erwägen konnte, wurde der Nunzius von (…) Kaiserin Zita empfangen. Von ­Reichenau begab sich Graf Valfrè nach (…) Schwarzau. Mit großer Verspätung traf daher der Nunzius in seinem Palais (…) ein, so daß die Uebergabe einer Kopie (…) an (…) Grafen ­Czernin auf Sonntag (19. August) verschoben werden mußte.1464

Der Wortlaut des Friedensappells wurde in den deutschen Zeitungen am 18., in denen der Monarchie am 19. bzw. 20. August veröffentlicht. Am 15. August informierte Pacelli Bergen über eine Depesche Kardinal Gasparris bezüglich einer Antwort auf die päpstliche Note: Seine Eminenz würde es für notwendig erachten, dass man es in der (…) Antwort vermeidet, in Einzelheiten einzugehen, ­welche die Lösung der Hauptfragen verwirren würden. (…) Der hl. Vater wünschte eine einfache Antwort, nämlich dass Deutschland und die Verbündeten den Vorschlag des hl. Stuhles annehmen als Unterlage für die Erörterungen.1465 1460 Benedikt XV. Aux chefs des peuples belligérents 1. Aug. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 685 – 687v, idem: SG 2 1966, 308 – 310 Dok. 183, Steglich 1970, 160 – 162 Dok. 124, Kovács 2 2004, 239 – 242 Dok. 57, Übers. ins Dt.: F-B A (20. Aug. 1917), 2 („authentischer Wortlaut“), Ludendorff 1920, 423 – 425 Dok. XIX/2. 1461 Gasparri an Michaelis, Schr. 38817, 2. Aug. 1917, Steglich 1970, 159 Dok. 122, Gasparri an Wilhelm II., Schr. 2. Aug. 1917, ebd. pp 159 – 160 Dok. 123. 1462 Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 13. Aug. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8064. 1463 Michaelis an Grünau, Tel. 405, 14. Aug. 1917, Steglich 1970, 163 Dok. 125. 1464 RP M (19. Aug. 1917), 3 – 4. 1465 Pacelli an Bergen, Schr. 1019, 15. Aug. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 10034, dt. Text: SG 2 1966, 337 – 338 Dok. 205.

Die Note Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917

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Michaelis setzte davon am 17. August Wedel in Kenntnis.1466 Gasparris Wunsch sollte der Reichsregierung schließlich als Begründung dafür dienen, in ihrer Antwort auf die Zukunft Belgiens und der besetzten französischen Gebiete nicht einzugehen. Die am 23. April in Kreuznach festgelegten Kriegsziele – nämlich: „Belgien bleibt bestehen und wird in (…) militärische Kontrolle genommen (…) bis es für ein Schutz- und Trutzbündnis mit Deutschland politisch und wirtschaftlich reif ist. (…) Jedoch verbleiben aus militärisch-strategischen Gründen dauernd in deutschem Besitz (oder in 99jähriger Pacht): Lüttich und die (…) Küste mit Brügge (…)“ 1467 – schienen ihr ebenso wie die Erwerbung des Erz- und Kohlenreviers von Briey-Longwy 1468 nach wie vor erreichbar. Die Kriegsziele wurden auch beim Treffen von Czernin und Michaelis in Berlin am 14. und 15. August 1917 erörtert. Dies lässt ein am 17. August an Czernin gerichtetes Privat­ schreiben des Kanzlers erkennen, in dem es heißt: Das Leitmotiv meiner auswärtigen Politik wird stets die sorgsame Pflege unseres (…) Bündnisses mit Österreich-Ungarn (…) bilden. Wird der Bündnisgedanke – und in ­diesem ­Bestreben weiß ich mich eins mit Euer Exzellenz – auch weiterhin so hochgehalten, (…) so würde es selbst unseren Gegnern ausgeschlossen erscheinen, daß einer der Bundesgenossen in Sonder­ verhandlungen, die ihm etwa angetragen werden, eintritt, ohne von vornherein zu erklären, die Besprechungen würden nur unter dem Gesichtspunkte für möglich gehalten, daß sie einen allgemeinen Frieden zum Ziele haben. (…) – Euere Exzellenz hatten die Güte gehabt, die Frage an mich zu richten, ob die ‚Wiederherstellung des Status quo‘ eine geeignete Grundlage für die Aufnahme von Verhandlungen bilden könne. Ich darf meinen Standpunkt zu dieser Frage wie folgt präzisieren: – Wie ich bereits im Reichstag zum Ausdruck gebracht habe, erstrebt Deutschland keine gewaltsame Verschiebung der Machtverhältnisse (…) und ist zu Verhandlungen bereit, soweit (…) nicht die Herausgabe von Deutschem Reichsgebiet gefordert wird (…). – Deutschland ist bereit, die besetzten französischen Gebiete zu räumen, muß es sich aber vorbehalten, (…) das Gebiet von Longwy und Briey wirtschaftlich für sich nutzbar zu machen (…). Nennenswerte Gebiete von Elsaß-Lothringen (…) abzutreten, sind wir nicht in der Lage. – Ich möchte für die Verhandlungen freie Bahn dafür behalten, daß Belgien mit Deutschland militärisch und wirtschaftlich verbunden wird. Die von mir aus einer Aufzeichnung über die Kreuznacher Verhandlungen vorgelesenen Bedingungen – militärische Kontrolle Belgiens bis zum Abschluß eines Schutz- und Trutzbündnisses mit Deutschland; Erwerb (oder langfristige Pachtung) von Lüttich und der flandrischen Küste – sind die Maximalforderungen der Obersten Heeresleitung und der Marine. Die Oberste Heeresleitung ist 1466 Michaelis an Botschaft Wien, Tel. 584, 17. Aug. 1917, Steglich 1970, 250 – 251 Dok. 160. 1467 Aufz. über Kreuznacher Bespr. endgültige Fassung 23. Apr. 1917, WUA 4. Rh., 2. Abt. 12/1 1929, 200 – 202 Anl. 14. 1468 Ebd.

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Frieden durch den Papst?

sich mit mir darüber klar, daß diese Bedingungen (…) nur zu erreichen sind, wenn England der Friede aufgezwungen werden kann.1469

Zu diesen Stellungnahmen Michaelis’ schrieb Czernin 1919: Ich antwortete dem Reichskanzler, (…) seinen Optimismus nicht teilen zu können (…), daß die zunehmende Kriegsmüdigkeit, sowohl in Deutschland wie bei uns, es notwendig machte, rechtzeitig, d. h. vor Eintritt revolutionärer Erscheinungen, zu einem Frieden zu gelangen (…). Der deutsche Standpunkt in der belgischen Frage scheine mir ein völlig irrtümlicher, denn niemals würden sich die Entente und Belgien den entwickelten Bedingungen fügen, ich könne ihm daher nicht verschweigen, daß sein Standpunkt ein schweres Friedenshindernis sei; er sei (…) in direktem Widerspruch mit dem Willen des Reichstages (…). – Ich besprach sodann die Notwendigkeit, über das Minimum der Kriegsziele endlich ins klare zu kommen (… und) daß ich auf dem Standpunkte des (…) Reichstages stände, einen Frieden ohne Annexionen und Entschädigungen zu verlangen, und es für ganz ausgeschlossen hielte, daß die deutsche Regierung den (…) Beschluß des Reichstages werde ignorieren können oder wollen. (…) es sei meine Pflicht, ihn rechtzeitig aufmerksam zu machen, daß wir zu einem Ende des Krieges kommen müßten.1470

Die Frage, auf ­welche Weise man die im päpstlichen Friedensappell enthaltenen Anregungen beantworten solle, beschäftigte die zuständigen Stellen in Wien und Berlin über einige Wochen hin, Czernin und Michaelis vereinbarten bei ihren Besprechungen vom 14. und 15. August, „erst nach gepflogenem beiderseitigen Einvernehmen Stellung“ zu beziehen.1471 Botschafter Wedel telegrafierte in dieser Sache am 18. August an ­Kühlmann: „(…) Graf Czernin wird Euerer Exzellenz Entwurf seiner Antwort zugehen lassen und dankbar sein, wenn Euere Exzellenz ihm (…) dortigen Entwurf zukommen lassen, damit Übereinstimmung in der Antwort gesichert werde, wie in Berlin verabredet worden sei.“ 1472 Wedel setzte das Auswärtige Amt am 28. August von einer ihm zugekommenen Äußerung Nuntius Valfrès in Kenntnis: Hiesiger bulgarischer Gesandter (…) sagte mir vertraulich, Nuntius habe ihm erzählt, ­Kaiser Karl habe Friedensschrift des Papstes mit aufrichtigen Dankesworten entgegengenommen

1469 Michaelis an Czernin, Schr. o. Z., 17. Aug. 1917, Czernin 1919, 214 – 218, SG 2 1966, 346 – 349 Dok. 211. 1470 Czernin 1919, 218 – 219. 1471 Czernin an Hohenlohe, Tel. 516, 19. Aug. 1917, HHS tA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 655 – 655v, Druck: ­Steglich 1970, 255 – 256 Dok. 168, s. auch: „Notiz Kühlmanns für Michaelis“, 16. Aug. 1917, Steglich 1970, 250 Dok. 159. 1472 Wedel an A. A. (Kühlmann), Tel. 539, 18. Aug. 1917, Steglich 1970, 252 Dok. 163.

Die Note Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917

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aber erklärt, auf die Anregungen des Papstes bezüglich Trients könne er unmöglich eingehen. Nuntius ist über die Antwort sehr enttäuscht gewesen und hat bulgarischem Gesandten gesagt, damit sei die Papstdemarche zur Hoffnungslosigkeit verurteilt.1473

Kaiser Karl sah s­ olche „Anregungen“ offenbar in der Passage des päpstlichen Appells zum Ausdruck gebracht, in der es hieß: Was die territorialen Fragen anbelangt, wie beispielsweise jene, die den Gegenstand des Streites ­zwischen Italien und Oesterreich sowie ­zwischen Deutschland und Frankreich bilden, so besteht die Hoffnung, daß die streitenden Teile (…) im Rahmen der Gerechtigkeit und Möglichkeit den Wünschen der Völker Rechnung tragen.

In Berlin bereitete die Frage Schwierigkeiten, wie man mit dem Passus der Note umgehen solle. Friedensverträge könnten nicht geschlossen werden ohne gegenseitige Rückgabe der besetzten Gebiete. Michaelis sah sich bald gezwungen, den Reichstag bzw. prominente Mitglieder desselben über die beabsichtigte Antwort an den Papst zu informieren. Er wies am 19. August Wedel an, Czernin mitzuteilen: Die Einberufung des Reichshaushaltsausschusses mit der (…) Absicht der Parteien, auf die päpstliche Friedensnote eingehen zu wollen, nötigt zu schleuniger Stellungnahme. Die erste Sitzung findet am Dienstag 21. d.Mts. statt. – Ich beabsichtige, dem Ausschuß mitzuteilen, daß eine Antwort an den Papst erst nach Benehmen mit unseren Bundesgenossen erfolgen könne. Ich werde mich deshalb, dortiges Einverständnis vorausgesetzt, darauf beschränken, in allgemeinen Ausdrücken die (…) Absicht des Papstes, auf Friedensschluß hinwirken zu wollen, sympathisch zu begrüßen. Da (…) der Ausschuß (…) eine erregte Debatte über die in der päpstlichen Note enthaltenen Einzelvorschläge herbeiführen und sich nicht damit zufriedengeben wird, daß ich eine Erklärung über die Friedensziele in d ­ iesem Stadium ablehne, erwäge ich, (…) den Führern der Parteien in geheimer Vorbesprechung nachstehende (…) Richt­linien meiner Politik mitzuteilen: – 1. Für die Freiheit der Meere einzutreten, hat von jeher zu den leitenden Grundsätzen der deutschen Politik gehört. Die Kaiserliche Regierung ist bereit, auf der Friedenskonferenz an der Festsetzung von Normen mitzuarbeiten, die d ­ ieses Ziel (…) verwirklichen. – 2. Die (…) Regierung würde die Beendigung des (…) Wettrüstens als eine Wohltat für die Menschheit betrachten. Sie wird es daher begrüßen, wenn die Friedenskonferenz Mittel und Wege findet, wie die Rüstungen (…) eingeschränkt werden können. – 3. Die (…) Regierung ist damit einverstanden, daß die Friedenskonferenz mit der Vereinbarung von Normen betraut wird, (…) die Erledigung internationaler Streitfälle auf schiedsgerichtlichem Wege sicherzustellen. – 4. Deutschland verlangt die Rückgabe seiner (…) überseeischen ­Besitzungen 1473 Wedel an A. A., Tel. 553, 28. Aug. 1917, ebd. p 290 Dok. 216.

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Frieden durch den Papst?

(… und) ist bereit, über die Rückgabe der besetzten französischen Gebiete (…) zu verhandeln. Frankreich würde seinerseits die besetzten deutschen Gebiete zu räumen haben. (…) – Deutschland ist ferner bereit, den belgischen Staat wiederherzustellen unter Bürgschaften für die Sicherheit Deutschlands, die (…) durch Verhandlungen der Deutschen mit der Belgischen Regierung zu regeln wären. Belgien kann jedoch erst geräumt werden, wenn England sich vom Festland zurückzieht. – 5. Die (…) Regierung ist der Meinung, daß nur der Wirtschaftsfriede einem freundschaftlichen Zusammenleben der Völker den Boden bereiten wird.1474

Czernin antwortete dem Kanzler: Punkt 1 – 4 finde ich völlig der Situation entsprechend. – Bei Punkt 5 (recte Punkt 4) glaube ich dass es von sehr grossem Vortheile wäre, wenn (…) eingeschaltet würde: ,Diese Bürgschaften involvieren jedoch keineswegs eine Veränderung der bestehenden belgischen Grenzen.’ – Das Unterlassen ­dieses Zusatzes würde den Glauben an (…) geplante Annexionen (…) verstärken. – Der Entwurf meiner Antwort an den Papst wird E(urer) E(xzellenz) allernächster Tage zur Begutachtung übermittelt werden.1475

Der sich auf dem Bogen findende Vermerk „Vom deutschen Botschafter zwecks (…) Weiterleitung (…) übernommen“ weist darauf hin, dass Czernin seine Antwort unmittel­ bar nachdem ihm das Telegramm des Kanzlers durch Wedel zur Kenntnis gebracht wurde, verfasste und sie d ­ iesem gleich zur Übermittlung anvertraute.1476 Vom Inhalt der Punkte 3 bis 5 des Schreibens des Kanzlers wie auch von seiner Antwort setzte Czernin am selben Tage Hohenlohe in Kenntnis.1477 Außenminister Czernin beauftragte drei Sektionschefs seines Ministeriums (Ludwig Freiherr von Flotow, Rudolf Pogatscher und Ludwig von Callenberg), mit dem Leiter des Pressedepartements, Friedrich Ritter von Wiesner, eine entsprechende Antwort für den Papst auszuarbeiten: Die Note wäre in folgendem Sinne zu beantworten. – Sehr entgegenkommend und die pazifistischen Ideen des h. Vaters anerkennend. Auch die Grundidee des Ganzen ist acceptabel: Vermeidung weiterer Kriege, (…) allgemeine Abrüstung woraus die Notwendigkeit militärischer Grenzcorrecturen entfällt vorausgesetzt dass ersteres gelingt. – Vor allem kommt ­hiebei das Meer in Betracht, denn ­dieses ist international, und (…) muss vor Allem (…) von der

1474 1475 1476 1477

Michaelis an Botschaft Wien, Tel. 589, 19. Aug. 1917, Steglich 1970, 256 – 257 Dok. 169. Czernin an Michaelis, 20. Aug. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 646 – 647 (handschr. Entw.). Czernin an Michaelis, durch Wedel an A. A., Tel. 543, 20. Aug. 1917, Steglich 1970, 257 Dok. 170. Czernin an Hohenlohe, Tel. 519, 20. Aug. 1917, HHS tA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 636 – 638v, Druck: ­Steglich 1970, 258 Dok. 171.

Die Note Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917

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­Militarisierung befreit werden. – Entgegenkommen auch zu Lande abzurüsten soll betont werden. – Ich frage mich ob der richtige Weg nicht der wäre auf die Idee des Papstes so (…) einzugehen dass man sagt: Sein ganzer Plan ist auf der zukünftigen Abrüstung basirt (sic!); daher müsse man mit Beratungen hierüber beginnen. – Mir liegt daran der Öffentlichkeit und Rom unser Entgegenkommen zu zeigen. – Eine Räumung der von uns besetzten Gebiete ohne gleichzeitige Freigabe unseres Gebietes durch Italien ist (…) ganz ausgeschlossen.1478

Den aufgrund dieser Weisungen zustande gekommenen Entwurf sandte Czernin am 21. August mit den Worten an Hohenlohe: In der Anlage erhalten Euer Durchlaucht den Entwurf der (…) Antwortnote, ­welche ich (…) ersuche, dem Herrn Reichskanzler mit folgenden erläuternden Bemerkungen zu übergeben. – Die Antwort wurde äußerst kurz gehalten, um jede mögliche Bindung in Einzelheiten zu vermeiden, und (…) im wesentlichen auf den Satz beschränkt, daß die vom Papste für die Herbeiführung des Friedens bezeichneten (…) Vorschläge geeignete Grundlagen für die Einleitung von Verhandlungen bilden. Wir haben es selbstverständlich vermieden, in eine Erörterung oder Kritik dieser fünf konkreten Vorschläge (Abrüstung, Schiedsgerichtsbarkeit, Freiheit der Meere, Rückstellung der besetzten Gebiete und gegenseitige Kompensation der Entschädigungen) einzugehen, da es uns ja doch nur darauf ankommt, (…) eine befriedigende Antwort zu erteilen und vor der Öffentlichkeit das ganze Odium des, wie heute ja bereits klar ist, (…) Scheiterns des päpstlichen Friedensvorschlages auf unsere Gegner abzuwälzen. Wenn wir (…) hervorheben, daß Vereinbarungen über die Abrüstung, die Freiheit der Meere und über das Schiedsgerichtsverfahren – (…) von denen es a priori sicher ist, daß sie (…) speziell am Widerstande Großbritanniens scheitern würden – die Sicherheit für den Fortbestand der Monarchie bieten würden, so hat uns hiebei die Absicht geleitet, damit anzudeuten, daß das Zustandekommen von Vereinbarungen über diese drei Punkte (…) die Voraussetzung für die eventuelle Annahme (der) in unserer Antwortnote nicht berührten (…) Vorschläge des Papstes (Räumung der besetzten Gebiete und Verzicht auf Entschädigung) bildet. – Ich beehre mich (…) zu ersuchen (…) berichten zu wollen, ob der Herr Reichskanzler sich dem (…) vorgeschlagenen Modus der Beantwortung (…) anschließe, und füge vertraulich bei, daß es mir schwerlich gelingen dürfte, Seine (…) Majestät zu einer anderen Antwort zu bewegen. – In formaler Beziehung möchte ich nur bemerken, daß wir zunächst nicht beabsichtigen, diese Antwortnote zu veröffentlichen, sondern nur in einem k­ urzen Kommuniqué bekanntgeben würden, daß wir die (…) Vorschläge des Heiligen Vaters als geeignete Grundlagen für die Einleitung von Verhandlungen mit unseren Feinden bezeichnet haben.1479 1478 Czernin an Flotow, Pogatscher, Wiesner, Callenberg, 20. Aug. 1917 (handschr.), HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 627 – 627v u. 634. 1479 Czernin an Hohenlohe, Erlaß 1956/5, 21. Aug. 1917, Steglich 1970, 264 – 265 Dok. 181.

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Frieden durch den Papst?

In dem Hohenlohe übersandten Entwurf hieß es unter anderem: Wie Unsere gemeinsame Regierung dies in Übereinstimmung mit Unseren Verbündeten wiederholt betont und geradezu vorgeschlagen hat, sind Wir bereit, mit den kriegführenden Mächten Verhandlungen einzuleiten, um mit ihnen im Geiste der Versöhnlichkeit und Mässigung die Bedingungen eines für alle Teile ehrenvollen und dauerhaften Friedens zu besprechen, welcher den Fortbestand der öst.-ung. Monarchie und deren ungehemmte ruhige Entwicklung sichert. – Von dem Gedanken beglückt, dass die Absicht Eurer Heiligkeit auf das ­gleiche Ziel gerichtet ist (…) erblicken Wir in den (…) Vorschlägen, die Sie, heiliger Vater, zur Erreichung des Friedens bezeichnen, geeignete Grundlagen für die Einleitung von Verhandlungen mit unseren heutigen Gegnern. Vereinbarungen über (…) wechselseitige Abrüstung (…), w ­ elche auch die volle Freiheit der Meere (…) garantieren würde, ebenso wie Abmachungen über die Einführung des Schiedsgerichtsverfahrens könnten tatsächlich jene Sicherheiten bieten, deren die (…) Monarchie für ihren Fortbestand und für ihre glückliche und friedliche Entwicklung bedarf.1480

Den Text sandte Czernin auch an die k. u. k. Vertreter in Konstantinopel und Sofia, wobei er diesen, um größeren Änderungswünschen der dortigen Regierungen vorzubeugen, mitteilte: „Zu E.~ persönlicher Information füge ich bei, daß die Absendung der Note unsererseits binnen wenigen Tagen (sic!) erfolgen wird und wir uns auf eine Abänderung der Redaktion kaum einlassen könnten.“ 1481 Michaelis telegrafierte kurz darauf an Wedel, auch seines Erachtens müsse man bestrebt sein, „das Odium eines etwaigen Scheiterns des päpstlichen Vermittlungsversuches auf unsere Gegner abzuwälzen (…)“. Er beabsichtige, „die Angelegenheit ziemlich dilatorisch zu behandeln und mit der Absendung (… einer) Antwort zu warten, bis eine genauere Kenntnis der Stimmungen und Absichten unserer Gegner“ es ihm ermögliche, „zu den verschiedenen Fragen die uns zweckdienlichste Stellung einzunehmen (…)“. Er habe „aus Courtoisie für den Papst“ die Genehmigung ­Kaiser Wilhelms dafür erbeten, Pacelli (…) zur Weitergabe nach Rom mitteilen zu lassen, daß die (…) Friedensanregung des Papstes bei Seiner Majestät einen lebhaften und sympathischen Widerhall gefunden habe. Allerhöchst Dieselben hätten wiederholt (…) den Wunsch ausgesprochen, der leidenden Menschheit die Segnungen des Friedens wiederzuschenken, und die aufrichtige Bereitwilligkeit bekundet, (…) einen für alle Teile ehrenvollen Frieden abzuschließen.1482

1480 Anm. 2 zu Wedel an A. A., Tel. 551, 25. Aug. 1917, SG 2 1966, 368 – 369 Dok. 222. 1481 Czernin an Pallavicini u. Otto Czernin, Tel. 392 bzw. 314, 21. Aug. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 588 – 593. 1482 Michaelis an Wedel, Tel. 599, 22. Aug. 1917, Steglich 1970, 268 – 269 Dok. 187, s. zwei Tage s­ päter abgesandten Brief Bergens an Pacelli, ebd. pp 271 – 272 Dok. 191.

Die Note Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917

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Nuntius Pacelli telegrafierte in dieser Sache am 26.  August fast gleichlautend an ­Gasparri.1483 Hohenlohe berichtete Czernin am 24. August: Herr Michaelis meinte, es scheine ihm nicht geboten, bereits heute zu erklären, daß die vom Papste ‚für die Herbeiführung des Friedens bezeichneten (…) Vorschläge geeignete Grundlagen für die Einleitung von Verhandlungen wären’. Eine (…) Antwort könne doch erst auch nach Einvernehmen mit Bulgarien und der Türkei erteilt werden, und da (…) Pacelli im Auftrage des Vatikans (…) habe wissen lassen, daß der Heilige Vater vor allem eine möglichst vage unverbindliche Antwort wünsche, habe man (…) Seiner Heiligkeit vorerst durch ­Kardinal Gasparri den Dank des Kaisers für den Brief übermitteln lassen, den der genannte K ­ ardinal im päpstlichen Auftrage an ­Kaiser Wilhelm geschrieben habe, und eine weitere Antwort nach Besprechung mit den Bundesgenossen in Aussicht gestellt. Über die von Euer Exzellenz vorgeschlagene Antwortnote (…) will sich Michaelis nach Rücksprache mit K ­ aiser Wilhelm äußern, – doch sei er auch türkischer- und bulgarischerseits ersucht worden, die deutsche Regierung möge sich (…) noch mit ihnen verständigen. Dies (…) werde eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, während welcher sich die Entente vielleicht äußern werde, was ja auch Euer Exzellenz für sehr vorteilhaft erklärt hätten.1484

Wedel telegrafierte in der Sache am 25. August an Michaelis: Graf Czernin stimmt der Ansicht Euerer Exzellenz zu, dass unsere Aufgabe sei, Odium etwaigen Scheiterns päpstlichen Friedensschrittes auf Alliierte fallen zu lassen. Er glaube aber, einziger Weg dazu sei zu antworten, Vorschläge würden als geeignete Grundlagen für Einleitung von Friedensverhandlungen betrachtet, wie in dem (…) Euerer Exzellenz durch (…) Hohenlohe unterbreiteten Entwurf gesagt sei. Das sei eine sehr vage vorsichtige Zustimmung, die aber dem Vatikan genüge. ­Kaiser Karl werde vom Vatikan zu derartiger Antwort gedrängt und sei dazu fest entschlossen, da Aufschiebung (…) als Unfreundlichkeit empfunden würde. (…) Die österreichische Antwort werde daher in wenigen Tagen in der Euerer Exzellenz bekannten Form abgehen. Daran könne er nichts ändern, da er nicht die Kabinettsfrage stellen könne wegen einer Entschliessung, die seiner eigenen Überzeugung entspreche. Er bitte daher zu bedenken, dass Unterschied z­ wischen Deutschland und Österreich-Ungarn in Behandlung päpstlichen Schreibens unverzüglich gegen uns ausgenutzt werden würde. (…) – Graf Czernin wäre (…) für möglichst baldige Mitteilung über endgültigen Entschluss dankbar.1485

1483 Pacelli an Gasparri, Tel. 1139, 26. Aug. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8073. 1484 Hohenlohe an Czernin, Tel. 554, 24. Aug. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 559 – 559v. 1485 Wedel an A. A. (Michaelis), Tel. 551, 25. Aug. 1917, SG 2 1966, 368 – 369 Dok. 222.

422

Frieden durch den Papst?

Über die Aufnahme, die d ­ ieses Telegramm bei Kühlmann fand, berichtete Hohenlohe am folgenden Tag an Czernin: Herr von Kühlmann erklärt, er sei im Prinzipe ganz der Ansicht Euer Exzellenz und werde in seinem Antwortentwurf eine ebenso zustimmende Fassung gebrauchen, in der der päpstliche Vorschlag akzeptiert wird. Ueber Details solle noch beraten werden, außerdem das Einvernehmen mit den übrigen Bundesgenossen hergestellt werden. Ohne weiteren Gegenvorschlag (…) dem Entwurf (…) zuzustimmen, sei er aber nicht imstande, außerdem sei man ja übereingekommen, sich hierüber ins Einvernehmen zu setzen. – Die Wendung, daß die päpstliche Note ‚(…) Vorschläge enthalte, die eine geeignete Grundlage für die Einleitung von Verhandlungen wären’, scheint dem Staatssekretär (…) zu weitgehend, wenn er auch (…) überzeugt zu sein bittet, daß sein Entwurf im Wesen dasselbe enthalten wird. – Nach der dem Heiligen Vater erteilten Zwischenantwort schiene ihm die Sache auch gar nicht so eilig, umsomehr als von Seite des Vatikans vertraulich immer wieder hieher bekanntgegeben werde, man solle sich mit der Antwort ja nicht beeilen und sie nur recht vage halten. – Euer Exzellenz möchten daher versichert sein, daß der deutsche Entwurf (…) die päpstliche Note in der allerentgegenkommendsten Weise akzeptieren und den Vatikan (…) umsoweniger froissieren werde, als man ja (…) in steter Fühlung mit ihm stehe.1486

Czernin erachtete es aber weiterhin als erforderlich, die päpstliche Note möglichst rasch zu beantworten und damit der Entente zuvor zu kommen. Wedel berichtete darüber am 28. August nach Berlin: Graf Czernin hat, wie er mir mitteilt, mit ‚unendlicher Mühe‘ beim ­Kaiser erreicht, daß Antwort (…) noch aufgeschoben wird. (…) Er könne Aufschub nur für kurze Zeit erreichen und bitte daher dringend, unsere Antwort bald aufzustellen. Minister gab zu, in Berlin Gedanken zugestimmt zu haben, den Gegnern Vorhand zu lassen. Er habe damals angenommen, (… sie) würden ablehnen. Jetzt glaube er, (… sie) würden detaillierte Antwort geben, ohne direkt abzulehnen. Dadurch würden Mittelmächte kaum um detaillierte Antwort herumkommen können. Aus ­diesem Grunde sei ­Kaiser und er selbst dafür, vorher zu antworten, da man dann allgemein gehaltene zustimmende Antwort geben könne, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Dazu komme, daß Vatikan hier anders spreche als in Berlin. Hier dränge Vatikan auf baldige Antwort, und vatikanische Einflüsse ­seien hier groß.1487

1486 Hohenlohe an Czernin, Tel. 560, 26. Aug. 1917, HHS tA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 522 – 522v, Druck: ­Steglich 1970, 283 Dok. 206. 1487 Wedel an A. A., Tel. 555, 28. Aug. 1917, SG 2 1966, 376 Dok. 229, Steglich 1970, 291 Dok. 217.

Britische und französische Erwägungen

5.2

423

Britische und französische Erwägungen

Außenminister Balfour wies den britischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Sir John Count de Salis, am 21. August an: You should take a convenient opportunity of pointing out to the Cardinal Secretary of State that we have not yet had an opportunity of consulting our Allies on the subject of the Pope’s Note. (…) You should add that, in our opinion, no progress is likely to be made until the Central Powers (…) have officially announced the objects for which they are carrying on the war, the measure of restoration and reparation which they are prepared to concede, and the methods by which the world may be (…) guaranteed against any repetition of the horrors from which it is now suffering. Even as regards Belgium (…) we have no clear intimation of their intention either to restore its complete independence or to repair the injuries (…) inflicted upon it. – His Eminence will doubtless have present to his mind the statements which the Allies made in reply to (…) Wilson’s Note.1488 No corresponding statements have been issued either by Austria or Germany; and it seems to us useless to attempt to bring the belligerents into agreement until we know clearly the points on which they differ.1489

Und zwei Tage s­ päter wurde Salis angewiesen, Gasparri mitzuteilen, die französische Regierung wünsche sich den obigen Erklärungen Arthur James Balfours anzuschließen.1490 Ribot hatte am 22. August an de Fleuriau, den Chargé d’affaires der französischen Botschaft in London, geschrieben: Bien que les instructions envoyées au comte de Salis n’aient en vue qu’une conversation (…) avec le secrétaire d’État (Gasparri), elles n’en abordent pas moins des questions de fond (…). – Tout en regrettant que M. Balfour n’ait pas cru devoir vous donner communication préalable de ces instructions, j’estime qu’il conviendrait que le comte de Salis reçût mandat de nous associer à cette réponse verbale (…).1491

Salis meldete am 24. August: „Cardinal (… said) Germans had declared their intention of restoring independence of Belgium.“ Als er, Salis, dies in Frage stellte, habe Gasparri auf die Friedensresolution hingewiesen, in der es ja hieß: „Der Reichstag erstrebt einen 1488 Die Erklärungen der Ententemächte in ihrer vom 10. Jän. 1917 datierten Antwort auf Wilsons Note vom 18. Dez. 1916. 1489 Balfour an Salis, Tel. 32, 21. Aug. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 1626, Druck: Steglich 1970, 335 Dok. 272, Link PWW 44 1983, 23 – 24. 1490 Lord Cecil an Salis, Tel. 33, 23. Aug. 1917, Steglich 1970, 337 Dok. 274. 1491 Ribot an de Fleuriau, 22. Aug. 1917, Ribot 1936, 185.

424

Frieden durch den Papst?

Frieden der Verständigung und der dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frieden sind erzwungene Gebietserwerbungen und politische, wirtschaftliche oder finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar.“ 1492 Dagegen habe er eingewandt „that Reichstag did not command in Germany“. Von Gasparri um seine Meinung gefragt habe er, bedacht nichts zu sagen, was als „encouraging to discussions of any sort with German Government“ hätte gedeutet werden können, erklärt, dass eine deutsche Erklärung über Belgien wünschenswert und ein vor allem für England wichtiger Punkt sei, allerdings nur „one of many“. Staatssekretär Lord Cecil merkte dazu an: „Count de Salis should be warned that it is undesirable to intervene in any way in the negotiations between the Pope and Germany and if asked his opinion should decline to give it.“ 1493 Eine entsprechende Weisung an Salis ging am 26. August ab.1494 Inzwischen hatte Camille Barrère, der französische Botschafter am Quirinal, Ribot seine Bedenken über die Aktionen Salis’ zum Ausdruck gebracht: Le Saint-Siège y verra et il sera autorisé à y voir une entrée en matière, l’assurance de conversations, par son intermédiaire, entre l’Angleterre et la France, d’une part, l’Allemagne, l’Autriche et leurs alliés, d’autre part. Il y trouvera l’assentiment de Londres et de Paris à la négociation en vue de laquelle sa note a eu pour but d’offrir ses bons offices. (…) la diplomatie de nos ennemis trouvera en lui un auxiliaire pour exploiter, au détriment de nos intérêts, la compromission à laquelle il nous aura entraînés.1495

Von ­diesem Schreiben setzte Ribot am 25. August Aimé Joseph de Fleuriau, Geschäftsträger der französischen Botschaft in London, in Kenntnis und bemerkte dazu: Les remarques de M. Barrère sont justes. Lorsque nous avons demandé au Foreign Office de nous associer aux observations verbales que M. de Salis devait présenter au cardinal Gasparri, nous pensions que ces observations seraient purement officieuses (…). Elles devaient nous permettre de ne faire aucune autre réponse. Or il résulte du télégramme de M. Barrère que M. de Salis a appuyé sa conversation d’un document écrit qu’il a laissé entre les mains du cardinal (…), et s’est engagé dans une discussion au sujet de la Belgique. C’est faire le jeu du Vatican (…) qui peut entraîner le ministre d’Angleterre plus loin qu’il ne pense et dans laquelle (…) nous ne saurions nous laisser conduire. Veuillez faire connaître d’urgence notre point de vue au Foreign Office. Je me plais à penser qu’il (…) fera le nécessaire pour 1492 Salis an Lord Cecil, Tel. 43, 24. Aug. 1917, Steglich 1970, 337 – 338 Dok. 275/276. 1493 Ebd. 1494 Lord Cecil an Salis, Tel. 34, 26. Aug. 1917, ebd. pp 338 – 339 Dok. 277. 1495 Barrère an Ribot, (?) Aug. 1917, Ribot 1936, 186.

Britische und französische Erwägungen

425

que son représentant à Rome décourage chez (…) Gasparri toute tentative ultérieure d’intervention officieuse.1496

Fleuriau kam dieser Weisung am 26. August nach und schrieb an Cecil: „Permettezmoi de saisir cette occasion pour vous entretenir d’une (…) question plus importante, dont je risquerai de ne pouvoir vous parler avant qu’elle soit discutée par vous et par le War Cabinet.“ 1497 Seine Regierung habe sich den Gasparri von Salis gegebenen Erklärungen zur Note des Papstes angeschlossen, weil sie glaubte, dass damit eine eingehendere Antwort überflüssig würde. Nun aber sei dem Kardinal ein „document écrit“ übergeben und damit eine Diskussion über Belgiens Zukunft ausgelöst worden: „Ce n’est pas ce que nous désirions et il est à craindre que nous soyons entraînés beaucoup plus loin que nous ne le voulions.“ Ribot hoffe, dass die britische Regierung seine Meinung teile und Salis anweise, alles zu unterlassen, was weitere Versuche Gasparris, ­zwischen den Kriegführenden zu vermitteln, ermutigen könnte.1498 Cecil telegrafierte in dieser Sache am nächsten Tage an Francis Leveson Bertie, 1. Viscount Bertie of Thame, den britischen Botschafter in Paris: „The French Chargé d’Affaires came to see me this afternoon, and I read to him the telegram (No. 34) to Count de Salis (…) – He expressed his gratification at the telegram and said that he thought it would entirely meet the views of his Government.“ 1499 Am selben 27. August sandte Lansing die Antwort Wilsons auf den päpstlichen Appell an Botschafter Page in London mit der Bitte, sie dem Papst zu übermitteln und eine Kopie Balfour auszuhändigen. In der Antwort hieß es: Every heart that has not been (…) hardened by this terrible war must be touched by this moving appeal of His Holiness the Pope (…). – His Holiness in substance proposes that we return to the status quo ante bellum, and that then there be a general condonation, disarmament, and a concert of nations based upon an acceptance of the principle of arbitration; that (…) freedom of the seas be established; and that the territorial claims of France and Italy, the perplexing problems of the Balkan states, and the restitution of Poland be left to such conciliatory adjustments as may be possible in the new temper of such a peace (…). – The object of this war is to deliver the free peoples of the world from the menace (…) of a vast military establishment controlled by an irresponsible government (…). – To deal with such a power

1496 Ribot an Fleuriau, 25. Aug. 1917, ebd. p 188. 1497 Fleuriau an Cecil 26. Aug. 1917, „aus dem Stegreif ins Dt. übersetzt“ von Kühlmann bei Aussage vor 4. UnterA 15. Dez. 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928, 65, Steglich 1970, 339 Dok. 278a. 1498 Ebd. 1499 Cecil an Bertie, Dep. 639, 27. Aug. 1917, Steglich 1970, 275 Dok. 278b.

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Frieden durch den Papst?

by way of peace upon the plan proposed by His Holiness (…) would, so far as we can see, involve a recuperation of its strength and a renewal of its policy; (…) – We cannot take the word of the present rulers of Germany as a guarantee of anything that is to endure, unless explicitly supported by such conclusive evidence of the will and purpose of the ­German ­people themselves as the other peoples (…) would be justified in accepting. Without such guarantees treaties of settlement, agreements for disarmament, covenants to set up arbitration in the place of force, territorial adjustments, reconstitutions of small nations (…) no nation could now depend on. We must await some new evidence of the purposes of the great peoples of the Central Powers.1500

5.3

Verhandlungen ohne die Antwort der Mittelmächte

Um auf den päpstlichen Appell mit Rückendeckung durch den Reichstag antworten zu können, schlug Michaelis seinem Hauptausschuss am 25. August 1917 die Bildung einer aus je sieben Vertretern der Parteien und des Bundesrates zusammen gesetzten, den parlamentarischen Geschäftsordnungsbestimmungen nicht unterstehenden, „freien“ Kommission vor. Ihre Mitglieder sollten mit ihm die Richtlinien beraten „in denen wir uns zu bewegen haben“ und weder „als Vertreter der (Landes-)Regierungen, denen sie angehören“ noch „als Vertreter der Parteien, von denen sie delegiert sind“ agieren. Der Vorschlag wurde angenommen; der Kommission gehörten die Abgeordneten Constantin Fehrenbach und Erzberger für das Zentrum, Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann für die Sozialdemokraten, Kuno Graf Westarp für die Deutschkonservativen, Gustav Stresemann für die Nationalliberalen und Friedrich von Payer bzw. Otto Wiemer für die Fortschrittliche Volkspartei an.1501 Hohenlohe berichtete darüber am 27. August: Um den immer dringender erhobenen Forderungen der Reichstagsparteien nach Einflussnahme (…) nachzukommen, hat der Reichskanzler (…) einen Ausschuss eingesetzt, welcher (…) unter dem Vorsitz des Reichskanzlers selbst am 28. d. M. zum ersten Male zusammentreten wird. (…) Dieser Ausschuss wird vorläufig sowohl seitens der Regierung, als auch seitens der die vollständige Demokratisierung erstrebenden Parteien (…) als Versuch auf ­diesem Wege gedacht. Genannte Parteien betrachten den erwähnten Ausschuss, wie sie im Hauptausschuss (…) haben erklären lassen, ‚nur als Beginn der ‚Demokratisierung‘.1502 1500 Wilson an Benedikt XV., 27. Aug. 1917, in: Lansing an Walter H. Page, Tel. 5348, 27. Aug. 1917, PRFR 1917 Suppl. 2/1 1932. 177 – 179, Link PWW 44 1983, 57 – 59. 1501 RT-HA 175. Sitzg. 25. Aug. 1917, Schiffers Koch Boldt 3 1981, 1679. 1502 Hohenlohe an Czernin, Ber. 121/P A-C, 27. Aug. 1917, HHStA PA III, 173 fol. 357 – 357v.

Verhandlungen ohne die Antwort der Mittelmächte

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Der Siebener- oder Freie Ausschuss trat erstmals am 28. August 1917 zusammen; an der Sitzung nahmen auch Kühlmann, Vizekanzler Helfferich, die Unterstaatssekretäre Max Wallraf und Hans Joachim von Graevenitz, der Vertreter der OHL beim Kanzler Oberst Detlof von Winterfeldt, Legationsekretär Friedrich von Prittwitz und, als Gast, der Präsident des Reichstages Johannes Kaempf teil. Protokoll wurde keines geführt. Einer Aufzeichnung Stresemanns zufolge erklärte Kühlmann eingangs, es erscheine der Regierung (…) wünschenswert, der Entente bei dem Spiel (der Beantwortung des päpstlichen Appells) die Vorhand zu lassen und sie so in eine unbequeme taktische Lage zu bringen, da sie, wenn sie ablehnt, als Störenfried gebrandmarkt würde, während sie sich sonst auf den Boden der päpstlichen Kundgebung stellen und das Wort Frieden, das sie bisher abgelehnt hat, amtlich in den Mund nehmen muß.1503

Wie in der deutschen Regierung meine man auch in Österreich, man solle sich „in der Antwort auf die allgemeinen großen Grundsätze (…) beschränken und es (…) vermeiden, auf einzelne Punkte einzugehen (…)“. Scheidemann dagegen habe verlangt, dass in der Antwort die Stellung „zu dem belgischen Problem (…) klar präzisiert werden müsse“. Die anderen Mitglieder ­seien derselben Meinung gewesen, Erzberger habe erklärt, die ganze Aktion hänge davon ab und Ebert: „Es muß gesagt werden, daß wir Belgien nicht vergewaltigen wollen.“ Nur Westarp habe „sehr entschieden vor einer Festlegung bezüglich Belgiens“ gewarnt.1504 Scheidemann sagte 1922 vor dem Untersuchungsausschuss über die Sitzung aus: Es kam zu einer sehr langen Auseinandersetzung (…), von sozialdemokratischer Seite (…) wurde besonders verlangt, daß man auf Belgien hinweisen müsse (…): Man muß (…) sagen, daß man Belgien nicht behalten will! Dann hat (…) Kühlmann gesagt, daß er im großen und ganzen mit uns vollständig einverstanden sei; man dürfe aber jetzt (…) nicht eine Antwort formulieren, sondern es solle sozusagen nur (…) ausprobiert werden, wie der Siebenerausschuß denkt, damit man wisse, wie der Reichstag (…) über diese Sache urteilt. Dann sollte vor endgültiger Abfassung der Note noch einmal der Siebenerausschuß zusammentreten, damit man höre, wie die Regierung sich (…) entschieden habe.

Kühlmann habe „nicht den geringsten Zweifel darüber gelassen (…), daß die Art der Antwort, wie er sie vorgeschlagen hat, bei der Kurie durchaus befriedigen würde. (…) – Die Kurie bestehe in keiner Weise darauf, daß über Belgien in der Antwort öffentlich geredet würde.“ 1505 1503 Erste Sitzg. des Siebener-Ausschusses 28. Aug. 1917, Matthias 1 1959, 168 – 180. 1504 Ebd. 1505 Scheidemann Aussage vor 2. UnterA 8. Juni 1922, Steglich 1974, 294 – 307 Dok. 12.

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Frieden durch den Papst?

Zu seiner damaligen Haltung sagte Kühlmann 1922 aus: Grundsätzlich waren sowohl der Reichskanzler wie ich, wie die anderen maßgebenden Herren der Auffassung, daß Belgien zurückgegeben werden müsse. (…) So, wie wir die Lage ansahen, schied (…) aus, daß eine öffentliche Erklärung über Belgien die Wirkung haben würde, die ein großer Teil der deutschen Politiker damals davon erwartete. (…) Wir hätten unser Pulver verpufft, die Gegner hätten die öffentliche Erklärung ad acta genommen, ohne im geringsten mit einer Gegenkonzession zu reagieren.1506

Folgt man dem Bericht Hugo Graf Lerchenfelds, der als Vertreter Bayerns im Bundesrat an der Sitzung teilnahm, an den damaligen bayerischen Staatsminister Hertling, so erklärte Ebert, (…) für England sei das Schicksal Belgiens die entscheidende Frage. Wir haben zwar bisher zugesagt, Belgien nicht annektieren zu wollen, aber unsere Erklärung mit dem Vorbehalt der militärischen und wirtschaftlichen Interessen sei eine unklare gewesen. (…) Die Unabhängigkeit Belgiens (…) müsse einwandfrei durchgesetzt werden.1507

Michaelis wolle „vorläufig eine möglichst allgemeine Antwort erteilen (…). Wie sich aber gezeigt habe, werde dieser Standpunkt von einzelnen Rednern nicht geteilt. Er sei (…) nicht in der Lage, eine bestimmte Erklärung abzugeben, solange die V ­ erhandlungen mit unseren Bundesgenossen noch dauerten.“ 1508 Nuntius Pacelli erhielt durch Erzberger genaue Angaben über die Sitzung des Siebener-Ausschusses und leitete diese am 30. August an Gasparri weiter: Man solle sich auf eine klare und präzise „proclama di pace“ beschränken. Die Delegierten der Sozialdemokraten, des Zentrums und der Fortschrittlichen hätten verlangt, dass die Antwort eine Belgien die volle Unabhängigkeit zusichernde Erklärung beinhalte. Dagegen habe der Vertreter der Konservativen gefordert, über Belgien nichts zu sagen, ­dieses müsse wirtschaftlich und militärisch „sotto la supremazia della Germania“ kommen. Einige Redner hätten auf die Notwendigkeit hingewiesen, ein unabhängiges Belgien am Abschluss von Verträgen mit den Feinden zu hindern. Der Kanzler habe schließlich erklärt, eine im Allgemeinen gehaltene Antwort geben zu wollen, weil alles vermieden werden müsse, was die Einleitung von Verhandlungen behindern könnte; die Vorschläge der Regierung würden dem Ausschuss in dessen nächster Sitzung unterbreitet.1509 1506 Kühlmann Aussage vor 2. UnterA 8. Juni 1922, ebd. p 299 Dok. 12. 1507 Lerchenfeld an Hertling, Ber. 695, 28. Aug. 1917, Steglich 1970, 238 – 241 Dok. 155. 1508 Ebd. 1509 Pacelli an Gasparri, Ber. 1213, 30. Aug. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 398.

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Erzberger schrieb in seinen Erlebnissen, Czernin habe ihn zur Zeit der ersten Sitzung des Siebener-Ausschusses wissen lassen, „daß in die deutsche Antwort ein Abschnitt über die volle Selbständigkeit Belgiens aufgenommen werden müsse“. Er habe daraufhin am 30. August „eine längere Unterredung“ mit Kühlmann gehabt, in welcher dieser sich derselben Meinung gezeigt aber erklärt habe, er versuche zunächst „auf diplomatischem Wege festzustellen, ­welche neuen Sicherungen die feindlichen Mächte für die vollkommene Unabhängigkeit Belgiens geben wollten und ob (… sie) nach der deutschen Erklärung über Belgien bereit ­seien, sofort in Friedensverhandlungen einzutreten“.1510 Gasparri hatte inzwischen am 24. August Pacelli eine Kopie des Telegramms Balfours an Salis vom 21. d ­ ieses Monats gesandt und ihn gebeten, sein Augenmerk besonders auf dessen Belgien betreffende Passage zu lenken. Eine eindeutige Erklärung der deutschen Regierung über ihre Bereitschaft, die völlige Unabhängigkeit Belgiens wieder herzustellen und es für die erlittenen Verwüstungen zu entschädigen, liege nicht vor, die Friedensresolution des Reichstags sei für die Regierung nicht bindend. Er bitte den Nuntius sein Möglichstes zu tun, dass die deutsche Regierung eine s­ olche Erklärung abgebe und in Erfahrung zu bringen, w ­ elche Garantien sie für die Unabhängigkeit Belgiens fordere. Sollte die Erklärung befriedigend ausfallen, so wäre dies für die Erreichung der Ziele des Heiligen Stuhles wesentlich.1511 Der Weisung Gasparris Folge leistend, schrieb Pacelli am 30. August an den Kanzler: Ich habe die hohe Ehre (…) die Abschrift eines Telegrammes zu übermitteln, das von (…) dem Herrn Gesandten (…) des Königs von England (…) dem Herrn Kardinalstaatssekretär übergeben wurde; die französische Regierung schließt sich den (…) Darlegungen an. – Seine Eminenz (Gasparri) ist voll des Verlangens jene Bemühungen für baldige Erreichung eines gerechten und dauerhaften Friedens wirksam fortzusetzen (… und) hat mich (…) beauftragt, die Aufmerksamkeit Euerer Excellenz (…) auf den Punkt hinzulenken, welcher sich auf Belgien bezieht und zu erreichen: – 1. Eine bestimmte Erklärung über die Absichten der Kaiserlichen Regierung bezüglich der vollen Unabhängigkeit Belgiens und der Entschädigung für den (…) verursachten Schaden; – 2. Eine gleichfalls bestimmte Angabe der Garantien für politische, ökonomische und militärische Unabhängigkeit, ­welche Deutschland verlangt. – Sei diese Erklärung befriedigend, so meint Seine Eminenz daß ein bedeutender Schritt zu weiterer Entwicklung der Verhandlungen gemacht würde. Tatsächlich hat der erwähnte Gesandte (…) seine königl. Regierung bereits verständigt, dass der hl. Stuhl auf die im angegebenen

1510 Erzberger 1920, 276. Matthias zufolge geht aus Erzbergers Nachlass hervor, dass Czernin sich des ukrainischen Reichsratsabgeordneten Nykolai Ritter von Wassilko als Mittelsmann bediente. Matthias 1 1959, 181 Anm. 3. 1511 Gasparri an Pacelli, Schr. 1212, 24. Aug. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 1625, Übers. ins Dt.: Lama 1925, 36.

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­ elegramm enthaltenen Mitteilungen antworten wird, sobald er (…) die Antwort der KaiserT lichen Regierung erhalten haben wird.1512

Bei Michaelis langte ­dieses Schreiben am 5. September ein. Er sagte dazu 1926 aus: Der Brief des Nuntius Pacelli war ein vertraulicher Brief (… Gasparri) hatte Material, das, wie sich (…) herausgestellt hat, von ihm überschätzt worden ist, das er aber damals für ein wichtiges Moment für die Friedensbereitschaft unserer Gegner im Westen hielt, und unter Hinweis auf ­dieses Material wollte er uns veranlassen, eine Erklärung über Belgien abzugeben, die auf eine glatte Freigabe hinauskam.1513

Kühlmann traf, wie bereits erwähnt, am 1. September 1917 in Wien ein und fuhr mit Czernin nach Reichenau zur Antrittsvisite bei ­Kaiser Karl. Darüber hielt er fest: Auf der zweistündigen Automobilfahrt (…) und ebenso auf der Rückfahrt war ausgiebige Gelegenheit zu politischer Unterhaltung mit (…) Czernin. Das Gespräch berührte: 1. Die Angelegenheit Bergmann (…). – 2. Beantwortung der Papstnote: – Graf Czernin erkundigte sich, in ­welchen Sinne wir beabsichtigten, (… sie) zu beantworten. Ich teilte ihm als vorläufig ganz unverbindliche Grundlage die unserem Entwurfe zugrundeliegenden Hauptideen mit, wie sie sich aus der letzten Besprechung der freien Siebenerkommission, den Mitteilungen unserer Verbündeten, des (…) Nuntius und der (…) Sachverständigen im Auswärtigen Amte ergaben. – Der Minister mahnte, die Antwort nicht zu lange hinzuziehen (…). Ich wies ihn darauf hin, dass Wichtigkeit der Sache, Notwendigkeit den freien Siebenerausschuss zu konsultieren und mit unseren Bundesgenossen Fühlung zu halten, auch placet unseres Allergnädigsten Herrn und der Obersten Heeresleitung (…) einzuholen, ein sehr rasches Arbeiten fast unmöglich mache. – 3. Polen (…) – 4. Das französische Sonderfriedensangebot (…). – 5. ­Zusammentreffen mit einem französischen Staatsmann (…). – Seine Majestät (…) sprachen sehr angeregt fast eine Stunde mit mir (… und) erkundigten sich auch nach dem Stande der Papstnote. Ich gab Erläuterungen analog meinen Mitteilungen an den Minister (…).1514 1512 Pacelli an Michaelis, Schr. 1214, 30. Aug. 1917, beigeschl. Salis an Gasparri, o. D., Erzberger 1920, 277 – 278; Michaelis 1922, 342 – 344, Lama 1925, 37, SG 2 1966, 376 – 378 Dok. 230, Steglich 1970, 342 – 343 Dok. 280; ital. Originaltext (ohne Note Salis’ an Gasparri): Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 10019. 1513 Michaelis Aussage vor 4. UnterA 14. Dez. 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928, 12. – Ritter kommentierte 1968 Pacellis Demarche mit den Worten: „Man sieht: die päpstliche Diplomatie (…) benutzte die Tatsache, daß die Engländer nicht direkt ablehnend, sondern nur hinhaltend auf ihren Friedensappell geantwortet hatten, sofort zu einer förmlichen Vermittlungsaktion. In Berlin sollte der Eindruck erweckt werden (und wurde auch erweckt), als hätte das Foreign Office die Hand zu einem Friedensfühler ausgestreckt.“ Ritter 4 1968, 37. 1514 Kühlmann Aufz. Besuch in Wien 2. Sept. 1917, SG 2 1966, 381 – 385 Dok. 233.

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Kühlmanns in Wien und Reichenau gewonnene Eindrücke und Informationen fanden ihren Niederschlag auch in einer vom 3. September 1917 datierten Denkschrift, mit welcher er Michaelis seine Pläne und Hoffnungen darlegte. Darin schrieb er unter anderem: Es liegen zahlreiche Anzeichen und direkte Mitteilungen vor, aus denen hervorgeht, daß Österreich-Ungarn (…) danach strebt, die Friedensvermittlung in die Hand zu bekommen. (…) – Meines Erachtens wäre es für uns politisch höchst unglücklich, wenn wir im Schlepptau Österreichs in die Friedensverhandlungen eintreten müßten. (…) Die wichtigsten (…) F ­ ragen sind rein westliche (…): Belgien und Elsaß-Lothringen – also Fragen, die (…) Österreich überhaupt nichts angehen. – Ich bin dafür (…) den Grundsatz zu wahren: jeder verhandle in ­erster Linie nur über diejenigen Fragen, die ihn unmittelbar berühren. (…) Die belgische Frage ist immer mehr in den Mittelpunkt des (…) Interesses gerückt, so daß sie augenblicklich als die brennende Frage bezeichnet werden kann. – In England vollzieht sich eine für uns bedeutungsvolle innere Entwicklung. Lloyd George ist (…) an die Spitze gestellt worden, den Krieg um jeden Preis (…) zu Ende zu bringen. (…) – Asquith hat im Unterhause (…) die Anfrage an Deutschland gerichtet, was es mit Belgien zu tun gedenke. (…) Es ist (…) zu erwarten, daß, wenn erst die leitenden englischen Staatsmänner volle Sicherheit dafür haben, daß die spezifisch englischen Ziele (Freihaltung der belgischen Küste und Befreiung Belgiens im allgemeinen) sich ohne Winterfeldzug erreichen lassen, sie auf Frankreich im Sinne eines Verzichtes auf elsaß-lothringische Aspirationen drücken werden. (…) Der Antrag, der sich aus dem oben Gesagten (…) ergibt, lautet: – Selbst wenn eine Entscheidung über das künftige Schicksal Belgiens nicht sofort getroffen werden soll, wolle der Herr Reichskanzler nach Einvernehmen mit der Obersten Heeresleitung die Zustimmung (…) des Kaisers einholen, daß der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes auf diskreten (…) Wegen sich darüber vergewissere, welches die Minimalforderungen der Westmächte in bezug auf Belgien sind, und ob eine vorläufig nur von Regierung zu Regierung vertraulich zu gebende, aber bindende Erklärung über die künftige Gestaltung der Dinge in Belgien die Eröffnung von Friedensvorverhandlungen (…) zur Folge haben würde.1515

Der auf der nächsten Sitzung des Siebener-Ausschusses für die Beantwortung der Papstnote einzuschlagende Weg und die Notwendigkeit, zu dessen konsequenter Verfolgung das Einverständnis ­Kaiser Wilhelms und der Obersten Heeresleitung einzuholen, wurde Michaelis hiemit klar vor Augen geführt. Am 5. September teilte Pacelli dem Gesandten von Bergen zur Information der Regierung mit, Gasparri habe ihm von einem Gespräch mit Salis berichtet, in dem dieser eindringlich betont hätte, dass Großbritannien als den wichtigsten Punkt einer deutschen

1515 Kühlmann Denkschrift für Michaelis 3. Sept. 1917, Michaelis Wilhelm 1961 12, 429 – 432 Anl. 1.

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Stellungnahme zum Papstappell eine „favorevole risposta“ bezüglich Belgiens erachte.1516 Wenig s­ päter, am 8. September, wies Gasparri den Nuntius an, Berlin klarzumachen, dass eine „risposta categorica circa assoluta indipendenza Belgio“ unbedingt erforderlich sei.1517 Pacelli kam dieser Weisung unverzüglich nach und schrieb an Bergen, Gasparri habe ihm mitgeteilt, „dass eine categorische Antwort bezüglich der unbedingten Unabhängigkeit Belgiens notwendig ist“, und äußerte die Bitte, „dass die Antwort (…) mir vertraulich einige Tage vorher mitgeteilt wird, bevor dieselbe (…) abgesendet wird (…)“.1518 An Gasparri berichtete er erfahren zu haben, dass die Antwortnote günstig laute und wahrscheinlich in der nächsten Woche abgehen werde. Belgien wolle man in einer eigenen Note behandeln, wofür mehr Zeit erforderlich sei. Er ersuche um Weisung, ob er mitteilen solle, dass eine gleichzeitige Veröffentlichung der beiden Dokumente sinnvoll wäre.1519 Kühlmann wandte sich in der Frage einer Erklärung bezüglich Belgiens am 8. September neuerlich mit einer Denkschrift an den Kanzler. In dieser hielt er fest: Geht man von der Voraussetzung aus, daß Deutschland eine (…) für die englische Politik erträgliche Erklärung abgeben könnte, so dürfte (…) dies nicht erfolgen, bevor festgestellt wäre: – 1. daß die Abgabe einer solchen Erklärung (…) den Ausgangspunkt für Friedensbesprechungen bilden würde, – 2. daß gewisse Grundzüge auch unseren Gegnern annehmbar erscheinen. – Eine Abgabe weittragender Erklärungen über Belgien ohne diese beiden Voraussetzungen wäre ein schwerer politischer Fehler. Diese Erwägung führt zu dem Schlusse, daß (…) vor einer derartigen Deklaration auch die wichtigsten Grundzüge des Gesamtfriedens (…) von unseren Gegnern (…) angenommen werden müßten. (…): – 1. Die Integrität des deutschen Territoriums, wie es vor dem Kriege bestanden hat. – 2. Die grundsätzliche Restitution des deutschen Kolonialbesitzes (…). – 3. Die Frage einer Entschädigung an Belgien ist, wenn sie im Sinne eines amtlichen Zugeständnisses einer schuldhaften Verletzung bestehender Verträge durch Deutschland aufgefaßt werden soll, abzulehnen. Trüge sie den Charakter einer freundnachbarlichen Hilfe (…) so wird sie als diskutierbar bezeichnet. Es würde aber vorgezogen, sie (…) als deutsch-belgische Frage der Diskussion mit der belgischen Regierung vorzubehalten. – (…) Für etwaige Pourparlers muß (…) an dem Grundsatze festgehalten werden, daß sie von Macht zu Macht und nicht von Gruppe zu Gruppe erfolgen. (…) Bei dem ungeheuern Umfang der Probleme läßt sich eine Fortsetzung der Diskussion nur ermöglichen, wenn (…) über die oben genannten Fragen (…) Klarheit geschaffen ist.1520 1516 Pacelli an Bergen, Schr. 1290, 5. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 10033, Druck: SG 2 1966, 407 Dok. 237, Steglich 1970, 344 Dok. 282. 1517 Gasparri an Pacelli, Tel. 1331, 8. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 1628. 1518 Pacelli an Bergen, Schr. 1332, 9. Sept. 1917, ebd. Dok. 10032, dt. Text: SG 2 1966, 411 – 4 12 Dok. 243, ­Steglich 1970, 345 – 346 Dok. 284. 1519 Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 9. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8078. 1520 Kühlmann Denkschrift für Michaelis 8. Sept. 1917, Michaelis Wilhelm 1961 12, 432 – 433 Anl. II, Steglich 1970, 524 – 526 Dok. 441.

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Am 10. September fand die zweite Sitzung des Siebener-Ausschusses statt. Scheidemann sagte 1922 über sie und was ihr voranging aus: Zwischen der ersten und zweiten Sitzung (…) hat mich Herr von Kühlmann (…) zu einer vertraulichen Besprechung eingeladen. (…) – In dieser (…) suchte mich (…) Kühlmann zu bestimmen, davon Abstand zu nehmen, daß die scharfe Formulierung in bezug auf Belgien in der Note behandelt werden sollte. (…) – Ich habe mich nicht (…) überzeugen lassen, daß man von Belgien schweigen müsse, und mußte (…) auf das zurückkommen, was ich in der ersten (Sitzung) gefordert hatte. Ich wurde dabei lebhaft von Ebert unterstützt (…). Es wurden aber von der Mehrheit (…) merkwürdig schnell Konzessionen gemacht. Der Siebenerausschuß, Erzberger als erster, waren (sic!) sofort einverstanden, (…) weit vorsichtiger über Belgien zu sprechen, nachdem Kühlmann von der Möglichkeit gesprochen hatte, daß man sich vielleicht in bezug auf Friedensverhandlungen etwas verschütten könnte. (…) – (Es) wurde dann (…) vereinbart (…), daß unter allen Umständen (…) gesagt werden müsse, daß die Regierung auf dem Boden der Friedensresolution stehe; denn nach (… dieser) sei es ausgeschlossen, daß man auf Eroberungen ausging. (…) – Ich war felsenfest überzeugt, daß Herr von Kühlmann mit uns einverstanden war, daß er Belgien herausgeben wollte. (…) Er wollte nur nicht die öffentliche Erklärung haben (…).1521

Im Dezember 1926 erklärte Scheidemann vor dem Untersuchungsausschuss über die Sitzung, Kühlmann habe ihm mitgeteilt, „er persönlich stehe nach wie vor ganz auf unserem Standpunkt; Belgien könne nicht behalten werden, (…) aber inzwischen s­ eien ihm Dinge zur Kenntnis gekommen, die es als unklug erscheinen ließen, jetzt die Erklärung über Belgien abzugeben; sie sei auch nicht notwendig, da die Kurie informiert sei.“ 1522 Kühlmann sei „mit allen möglichen Andeutungen“ gekommen und habe gesagt: Stellen Sie sich einmal vor, wenn jetzt die Gelegenheit geboten wäre, über diese Dinge mit einer fremden Macht (…) in Verbindung zu gelangen; (…) dann kommen wir doch auch wahrscheinlich in ein allgemeines Friedensgespräch; wenn wir also jetzt die Erklärung über Belgien abgeben, dann fällt die ganze Aussprache ins Wasser.1523

Er, Scheidemann, sei jedoch bei seiner Forderung, den Verzicht auf Belgien klar auszusprechen, geblieben.1524

1521 Scheidemann Aussage vor 2. UnterA 8. Juni 1922, Steglich 1974, 294 – 297 Dok. 12. 1522 Scheidemann Aussage vor 4. UnterA 14. Dez. 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928, 23 – 24. 1523 Ebd. 1524 Ebd.

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Kühlmann sagte 1921 über die zweite Sitzung des Siebener-Ausschusses aus: In dieser (…) vertrat die Sozialdemokratische Partei mit Nachdruck (…) das Postulat einer öffentlichen Erklärung. Die Zentrumspartei und die anderen Parteien ließen sich (…) überzeugen, daß eine öffentliche Erklärung nicht angebracht erschiene. Der Ausschlag wurde dadurch gegeben, daß ich (…) Michaelis den Vorschlag machte, wir wollten den Parteien erklären, die Reichsregierung verpflichte sich, die belgische Frage nach den Grundsätzen der Papstnote (…) zu behandeln. Diese Verpflichtung war ja eine sehr weitgehende, denn sie schloß (…) jede annexionistische Politik vollkommen aus. (…) Auch die Sozialdemokratie hat nach dieser Erklärung einen formulierten Widerspruch nicht mehr aufrechterhalten, so daß der Siebenerausschuß, soweit mich meine Erinnerung leitet, damals einstimmig den Entwurf der Papstnote, wie er ihm vorgelegt war, annahm.1525

Dem vorangehend hatte Kühlmann ausgesagt: Ich hatte gegen die öffentliche Erklärung die allerschwerwiegendsten Bedenken aus der Erwägung heraus, (…) daß, wenn wir (…) zu formellen Verhandlungen mit den Gegnern kämen, diese uns sagen würden: über Belgien sprechen wir überhaupt nicht mehr, über die französischen besetzten Gebiete auch nicht, denn das habt Ihr durch Euere öffentlichen Erklärungen vorweggenommen.1526

Vor dem 4. Unterausschuss erklärte Kühlmann 1926: Wir waren ja auch (…) durch die Form, in welcher das Votum im Kronrat erfolgte, behindert. Wenn wir die (…) Erklärung über Belgien abgegeben hätten, ohne irgendeine Gewähr dafür zu haben, (… wie sie) von den Gegnern aufgenommen (…) und ­welche Wirkung sie in bezug auf den Frieden haben würde, hätten wir unsere Vollmacht überschritten.1527

Und in seinen Erinnerungen hielt er fest: Wenn ich auch in der Form sehr gemäßigt blieb, da ja meine Absicht war, mit der Mehrheit der Friedensresolution weiter im Einverständnis zu bleiben, so ließ ich doch gar keinen Zweifel darüber, daß, wenn die Reichstagsmajorität auf einer öffentlichen Erklärung über Belgien bestehen sollte, ich am Tage darauf (…) meine Demission würde unterbreiten lassen.1528 1525 Kühlmann Aussage vor 2. UnterA 6. Dez. 1921, Steglich 1974, 15 Dok. 1. 1526 Ebd. 1527 Kühlmann Aussage vor 4. UnterA 15. Dez. 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928, 83. 1528 Kühlmann 1948, 478.

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Erzberger erklärte einer in seinem Nachlass enthaltenen Aufzeichnung zufolge bei der Sitzung: Da in der belgischen Frage die Reichstagsresolution absolute Richtschnur sei, so herrsche ­zwischen der Mehrheit des Reichstags und der Regierung volle Übereinstimmung. Was die formelle Behandlung der belgischen Frage in der Note betreffe, so müsse die Regierung volle Freiheit haben (…). Die Reichstagsresolution müsse allerdings (…) zustimmend erwähnt werden.1529

Eine präzise Stellungnahme zu Belgien erachtete er also nicht für erforderlich. Dies offenbar nicht zuletzt deshalb, weil, wie er 1920 in seinen Erinnerungen schrieb, ­Kühlmann sich bereit erklärte, dem Vatikan „nicht nur in allgemeinen Wendungen (zu) sagen (…), die Reichstagsresolution sei die absolute Richtschnur für die Lösung der belgischen Frage“, sondern auch „über alle wichtigen Punkte in der belgischen Frage Aufschluß“ zu geben.1530 Scheidemann sagte vor dem Untersuchungsausschuss 1926, Ebert und er ­seien der Meinung gewesen: „Wenn man sich in präziser Form auf die Friedensresolution bezieht, dann ist eine Annexion von Belgien unmöglich (…).“ 1531 Lerchenfeld berichtete Hertling über ein am 14. September 1917 geführtes Gespräch mit Kühlmann, dieser habe erklärt, im Siebener-Ausschuss „nur hypothetisch geäußert“ zu haben, dass man „unter Umständen die Bedingungen, unter denen wir Frieden schließen wollen, der Kurie bekannt geben“ könne. Nun aber habe er gemeint, „wenn ich die Bedingungen mitteile, dann kann der Papst nichts anderes tun als sie den Engländern mitzuteilen und damit hätten wir uns ohne Gegenleistung verausgabt“.1532 Zur österreichisch-ungarischen Antwortnote auf den päpstlichen Friedensappell und zum Termin für die Übergabe der Antworten an den Papst depeschierte Czernin am 10. September an die Botschaft in Berlin: Ich ersuche (…) der deutschen Regierung mitzuteilen, dass ich unseren Entwurf (…) dem deutschen Texte angepasst habe und dass ­dieses Notenprojekt von Seiner Majestät heute (…) genehmigt wurde. Ich schlage nun vor, dass Deutschland und wir die Antwortnote gleichzeitig und zwar Samstag, den 15. d. M. übergeben. Sollte (…) Auswärtiges Amt früheren Termin wünschen, dann würde ich auch hiemit einverstanden sein. – Den (…) Missionen in Cospoli (Konstantinopel) und Sofia teile ich (…) den Text unserer Antwortnote mit dem Ersuchen mit, sie den betreffenden Regierungen mit dem Bemerken zur Kenntnis zu bringen, dass unsere

1529 1530 1531 1532

Erzberger in 2. Sitzg. des Siebener-Ausschusses 10. Sept. 1917, Matthias 1 1959, 190. Erzberger 1920, 279. Scheidemann Aussage vor 4. UnterA 14. Dez. 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928, 25. Lerchenfeld an Hertling, „Dienstliches Privatschreiben“ 14. Sept. 1917, Deuerlein 2 1973, 899 – 890 Dok. 396.

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Antwort und jene der deutschen Regierung sich inhaltlich decken und (…) ich lebhaft wünschen würde, wenn auch die ottomanische und bulgarische Regierung analoge Antwort und zwar gleichzeitig mit uns (…) erteilen würden.1533

Geschäftsträger Graf Larisch konnte am nächsten Tage antworten: Deutscherseits ist ebenfalls der 15. September zur Übergabe der Antwort in Aussicht genommen, doch wird dieselbe erst heute (…) ­Kaiser Wilhelm zur Genehmigung vorgelegt (…). – Der Siebenerausschuß (…), welcher sich gestern (…) mit der Antwort befaßte, hat noch den Wunsch nach Aufnahme eines Passus (…) ausgesprochen, in welchem die Friedensresolution (…) zum Ausdrucke gebracht werden soll. Diesem Wunsche dürfte Rechnung getragen werden. – Die deutsche Antwort wird (…) an den Münchener Nuntius zur Weiterleitung nach Rom geschickt, und schlägt die (…) Regierung der Kurie den 22. d. M. zur Veröffentlichung in Rom und Berlin vor. – Auswärtiges Amt hat (… die) Missionen in Konstantinopel und Sofia angewiesen, bei den dortigen (…) Regierungen auf die Erteilung analoger und gleichzeitiger Antworten einzuwirken.1534

Und am Abend ­dieses Tages berichtete Larisch: (…) Um die Empfindlichkeiten der bulgarischen und türkischen Regierungsstellen zu schonen und (…) zur Prüfung des Schriftstückes mehr Zeit (…) zu lassen, empfiehlt der Staatssekretär (…) die Übergabe (…) erst am 19. oder 20. d.Mts., und bittet (…) seiner Anregung zustimmen zu wollen.1535

Nach der zweiten Sitzung des Siebener-Ausschusses fand eine Beratung des deutschen Kabinetts statt. In dieser gelang es Kühlmann, wie er 1948 schrieb, durch ein „Frage- und Antwortspiel“ mit Admiral Eduard von Capelle, dem Staatssekretär des Reichsmarineamtes, den Regierungsmitgliedern (…) den Bankrott des U-Bootkrieges plastisch vor Augen zu führen, denn der U-Bootkrieg war (…) die letzte Karte derjenigen, ­welche (…) den Verständigungsfrieden ablehnten. (…) Nur wenn man überzeugt war, daß ein reiner Siegfrieden kaum mehr im Bereich des Mög­lichen lag, konnte man sich unbedingt für einen Verständigungsfrieden entscheiden und auch auf die zweifellos erforderlichen Opfer eingehen (die ein solcher kosten würde).1536

1533 Czernin an Larisch, Tel.-Dep., 10. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 463 – 464, Druck: SG 2 1966, 412 – 413 Dok. 244, Steglich 1970, 302 – 303 Dok. 231. 1534 Larisch an Czernin, Tel. 584, 11. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 441 – 441v, Druck: Steglich 1970, 304 – 305 Dok. 233. 1535 Larisch an Czernin, Tel. 588, 11. Sept. 1917, ebd. fol. 442 bzw. p 305 Dok. 234. 1536 Kühlmann 1948, 479.

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Als ihm spät am Abend eine Aufzeichnung K ­ aiser Wilhelms 1537 überbracht wurde „aus der sich ergab, daß er nicht daran dächte, auf die flandrische Küste zu verzichten“, habe er noch den Kanzler aufgesucht und ihm erklärt, die Ermächtigung durch den ­Kaiser für den am folgenden Tag anberaumten Kronrat „Belgien und die flandrische Küste in (…) eventuellen Verhandlungen mit England zu verwerten“, stelle einen wesentlichen Bestandteil seines „diplomatischen Feldzugsplanes“, d. h. seiner auf eine Vermittlung durch Rodrigo de Saavedra y Vinent Marqués de Villalobar, den spanischen Gesandten in Brüssel, gegründeten Hoffnungen dar.1538 Der Kanzler sagte nicht nur zu, dem ­Kaiser noch vor dem Kronrat in der Sache Vortrag zu halten, sondern konnte den Monarchen auch für sie gewinnen. Er schrieb darüber ­später: Am anderen Morgen bat ich den K ­ aiser, eine Stunde vor der Kronratssitzung zu ihm kommen zu dürfen. Er empfing mich im Park, und in einem einstündigen Spaziergang klärten wir die Sachlage (…) mit dem Schlußergebnis, daß mir der ­Kaiser für die Besprechung im Kronrat völlig freie Hand ließ.1539

Am Kronrat vom 11. September nahmen unter Vorsitz K ­ aiser Wilhelms neben Michaelis, Kühlmann, Helfferich, den Staatssekretären Capelle und Siegfried Graf von Roedern und anderen auch Hindenburg, Ludendorff, Holtzendorff, Ludwig Freiherr von Falkenhausen und Kronprinz Wilhelm teil. Über den Verlauf der Beratung schrieb Kühlmann: Der ­Kaiser eröffnete die Sitzung, indem er dem Reichskanzler das Wort erteilte. Dieser legte (…) die Situation dar und bezeichnete es als Notwendigkeit, daß der politischen Leitung Vollmacht erteilt würde, falls bei geheimem Gedankenaustausch mit dem britischen Kabinett es sich als notwendig erweisen sollte, eine Wiederherstellung Belgiens einschließlich der flandrischen Küste anbieten zu können. Sowohl die Oberste Heeresleitung als die Marine sprachen sich auf das schroffste dagegen aus, daß die flandrische Küste, die stets die Möglichkeit eines Angriffs auf die britischen Inseln gewährleiste, jemals wieder herausgegeben würde. Ich legte im Auftrag des Kanzlers die von ihm knapp zusammengefaßten Gedankenreihen (…) dar. Als die Rednerliste erschöpft war, resümierte der ­Kaiser (…), daß der politischen Leitung die erbetene Vollmacht zu gewähren sei, (…) vorläufig für die Dauer des laufenden Jahres.1540

Vor dem 4. Unterausschuss sagte Kühlmann 1926 über diesen Kronrat aus: „Der Herr Reichskanzler hat damals die Verhandlungen mit einer allgemeinen Ansprache ­eingeleitet 1537 Ks. Wilhelm, Aufz. 10. Sept. 1917, Michaelis Wilhelm 1961 12, 433 Anl. III, Steglich 1970, 525 – 527 Dok. 442. 1538 Kühlmann 1948, 479 – 480, s. Steglich 1 1964, 207 – 217 u. Steglich 1984, LIX–XCIII. 1539 Michaelis 1922, 346. 1540 Kühlmann 1948, 481 – 482.

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und hat mir dann das Wort erteilt zur Formulierung des Antrages der Reichsregierung (…).“ 1541 Dieser Antrag hatte fast denselben Wortlaut wie der oben zitierte in Kühlmanns Denkschrift für Michaelis vom 3. September 1917, nämlich: Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts möge bevollmächtigt werden (…) sich darüber zu vergewissern, welches die Minimalforderungen der Westmächte in bezug auf Belgien sind, und ob eine vorläufig von Regierung zu Regierung vertraulich zu gebende, aber bindende Erklärung für die zukünftige Gestaltung der Dinge in Belgien die Eröffnung von Friedensverhandlungen unmittelbar zur Folge haben wird.1542

Michaelis berichtete 1919, ­Kaiser Wilhelm habe das Ergebnis des Kronrates in einem „eigenhändig unterschriebenen Vermerk“ so zusammengefasst: Die Annexion Belgiens sei bedenklich. Belgien könne wiederhergestellt werden. Die flandrische Küste sei zwar sehr wichtig, und Zeebrügge dürfe nicht in englische Hand fallen. Aber die belgische Küste allein sei nicht zu halten. Es müßte enger wirtschaftlicher Anschluß Belgiens an Deutschland herbeigeführt werden.1543

Er, Michaelis, habe mit Kühlmann vereinbart, (…) daß durch eine (…) geeignete Persönlichkeit zu sondieren sei, ob auf englischer Seite in der Tat der Wille vorhanden sei, den bisherigen Standpunkt übertriebener Friedensziele, wie sie (…) zu unserer Kenntnis gekommen waren, aufzugeben und auf einer annehmbaren mittleren Linie zu verhandeln. (…) Voraussetzung für Verhandlungen mit England sei das Anerkenntnis: – a. daß unsere Grenzen intakt blieben, – b. daß unsere Kolonien zurück­gewährt würden, – c. daß keine Entschädigungen gefordert werden dürfen, – d. daß von einem Wirtschaftskrieg Abstand genommen würde.1544

Wie Kühlmann in seinen Erinnerungen schrieb, ermächtigte er Marqués de Villalobar, auf diese Vereinbarung hin den britischen Gesandten im Haag „in Umrissen“ von seiner Mission zu informieren und dabei hervorzuheben, dass er „ermächtigt sei, authentische Mitteilungen der deutschen Regierung in der belgischen Frage zu geben“. Der Gesandte war dazu ausersehen, einen Besuch Villalobars in London vorzubereiten.1545 1541 Kühlmann Aussage vor 4. UnterA 15. Dez. 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928, 68. 1542 Ebd. 1543 Michaelis 26. Juli 1919, Steglich 1970, 609 – 610 Dok. 515. 1544 Ebd. 1545 Kühlmann 1948, 485.

Verhandlungen ohne die Antwort der Mittelmächte

439

Admiral Müller trug unter dem Datum des 11. September 1917 in sein Tagebuch ein: Abends war noch Holtzendorff bei mir und erzählte von den Verhandlungen im Kronrat, bei denen die Oberste Heeresleitung gänzliches Desinteressement hinsichtlich der flandrischen Küste gezeigt und nur Lüttich behalten wollte. (…) – Holtzendorff ist sehr für das Behalten der Küste gewesen, zum wenigsten in der Form, daß wir unsere Geschütze dort lassen zum Schutze Belgiens gegen englische Angriffe. – Vorher hatte ich (…) gehört, daß (…) Kühlmann sehr geschickt vertreten hatte, durch Verzicht auf Belgien eine Möglichkeit baldigen Friedens zu schaffen, den unsere Verbündeten dringend verlangen. Österreich würde jedenfalls nicht weiter kämpfen, nur um uns Belgien zu verschaffen. Endergebnis: Verzicht auf Belgien.1546

Einige Tage ­später notierte Müller: Nach meinem Vortrag gab mir Se. Majestät einen Überblick über den Kronrat vom 11ten. Er sei einverstanden mit einer über Rom erfolgten Anfrage Englands, ob wir im Interesse des Zustandekommens des Friedens Belgien herausgeben würden. Der ­Kaiser lobte die Haltung von Holtzendorff bei der Beratung. Er habe die Interessen der Marine an der flandrischen Küste sehr betont und es für möglich erklärt, auch ohne Annexion Belgiens auf dem Wege der Verständigung die künftige Sicherheit Belgiens gegen englische Landungen zu gewährleisten.1547

Michaelis schrieb 1922, er habe am Tag nach dem Kronrat folgendes Schreiben an ­Kaiser Wilhelm gerichtet: Euer Majestät danke ich alleruntertänigst für die gestern (…) geschaffene Klarstellung (…) hinsichtlich Belgiens. Sie wird uns, so hoffe ich, die Möglichkeit geben, mit England in aussichtsreiche Verhandlungen zu kommen. – Über die Zusammenfassung der Besprechung durch Euer Majestät habe ich (…) eine Aufzeichnung diktiert, die ich anliegend in Abschrift alleruntertänigst überreiche.

In dieser hieß es: Seine Majestät (…) äußerte, das neue (…) sei, daß ein positiver Friedensvorschlag vorliege. England wolle wissen, was mit Belgien werden soll. Er habe immer auf eine Anregung der Feinde gewartet. Jetzt komme England, zwar vorsichtig, aber es komme. (…) – Was die Kriegsziele mit Belgien betrifft, so habe Seine Majestät früher dem Falkenhaynschen Gedanken zugestimmt, also Annexion bis zur Nordsee. Heute sei die Lage eine andere. (…) Er halte die Annexion 1546 Müller TB-Eintr. 11. Sept. 1917, Görlitz 1959, 319. 1547 Müller TB-Eintr. 17. Sept. 1917, ebd. pp 320 – 321.

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Frieden durch den Papst?

Belgiens für bedenklich (…). Der Kardinal Hartmann habe ihm dringend (…) abgeraten unter Hinweis auf den gefährlichen Klerus (…) Belgien könne also wiederhergestellt werden, der König (…) könne wiederkommen. – (…) Die flandrische Küste sei nicht zu halten, wenn nicht Belgien annektiert werde. Er sehe ein, daß das nicht möglich sei, aber die Aufgabe müsse mit Kompensationen verknüpft sein. (…) Dazu rechne er neben der völligen Ausschaltung des englischen Einflusses wirtschaftliche Kautelen und die Lösung der Flamenfrage. Das ­seien aber (…) rein belgisch-deutsche Fragen. (…) – Auch die Lütticher Frage möchte Seine Majestät nur ­zwischen Deutschland und Belgien geregelt sehen. – Die Kriegslage (…) zwinge dazu, daß, wenn wir dem Volke einen ehrlichen anständigen Frieden bringen können, die flandrische Küste uns hieran nicht hindern könne. Es müßte aber engster wirtschaftlicher Anschluß an Deutschland gefordert werden (…).1548

Zugleich mit d ­ iesem Schreiben habe er, Michaelis, dem K ­ aiser Entwürfe für die Antwort auf die Papstnote und für zwei Schreiben übersandt, die er an Hindenburg bzw. an ­Holtzendorff zu richten beabsichtigte. K ­ aiser Wilhelm habe sich mit dem Wortlaut aller dieser Schriftstücke einverstanden erklärt, nur gegen den Passus der Antwort an den Papst, in dem von Abrüstung oder Rüstungsbeschränkung die Rede war, eingewandt: „Darauf kann sich kein König von Preußen oder ­Kaiser einlassen.“ Dazu schrieb Michaelis: Der ­Kaiser ließ aber diesen Widerspruch (…) fallen, da er sich überzeugte, daß in dem Satz (…): ‚Die Kaiserliche Regierung wird dabei jeden Vorschlag unterstützen, der mit den Lebensinteressen des Deutschen Reichs und des Volkes vereinbar ist‘, eine genügende Reserve für etwaige Verhandlungen lag. Meine Briefe und das Resümee des Kaisers ergeben klar, daß für Belgien freie Hand gegeben war.1549

In dem von ­Kaiser Wilhelm für gut befundenen Schreiben Michaelis’ an Hindenburg hieß es: Nach Abschluß der gestrigen Verhandlung (…) drängt es mich, Ihnen und General Ludendorff den Dank dafür auszusprechen, daß Sie (…) mich darin unterstützt haben, maßvolle Kriegsziele für den Fall zu umgrenzen, daß wir bald (…) zu Friedensverhandlungen kommen. – Ich nehme (…) in unsere Verhandlungspläne auf, daß Sie beide zum Schutz unserer westlichen Industrie in erster Linie Lüttich und ein Sicherungsgelände fordern, daß Sie beide von einem (…) engen wirtschaftlichen Anschluß Belgiens an Deutschland einen Zustand erhoffen, der es den Belgiern (…) ausgeschlossen erscheinen lassen wird, mit uns in kriegerische Differenzen zu geraten, und daß daher (…) die militärische Sicherung fortfallen kann. Lüttich usw. 1548 Michaelis 1922, 349 – 351, Steglich 1970, 528 – 529 Dok. 443. 1549 Michaelis 1922, 351.

Verhandlungen ohne die Antwort der Mittelmächte

441

würde daher nur als Sicherungsfaktor und auf Zeit gefordert werden. – An Eure Exzellenz habe ich nun die dringende Bitte, daß, wenn (…) Besucher ins Hauptquartier kommen, die (…) einen Frieden bezüglich Belgiens auf der angedeuteten Grundlage als einen faulen ansehen, diesen von Ihrer Auffassung Kenntnis zu geben (…). – Man muss den Leuten vorhalten, was (…) wir erreichen. (…) Im Westen intakte Grenzen und die gesicherte Aussicht der Nutzung der Rohstoffe in den besiegten Gebieten. (…) Einfluß auf die deutsch-orientierte flämische Bevölkerung, Auferlegung zum Selbsttragen der von uns (…) zugefügten schweren Schäden. Ausschaltung des englischen Einflusses an der Küste Flanderns und Nordfrankreichs und die Forderung des Rückerwerbs unserer Kolonien als Ausgleichsobjekt. (…) – Helfen Sie also bitte, für Aufklärung zu sorgen!1550

Kühlmann merkte zu dem Schreiben an Hindenburg an: „Die Mitteilung (…) legte dem Briefschreiber eine Bindung auf, zu der keinerlei Zwang vorlag. (…) Hindenburg hat die Gelegenheit sofort ergriffen, um den Reichskanzler in seinem Schreiben vom 15. September (…) festzulegen.“ 1551 Darin hieß es: Ich werde, Euerer Exzellenz Wunsch entsprechend, helfen, um führende Männer über unsere Absichten mit Belgien aufzuklären, über die (…) nunmehr für den Fall Klarheit besteht, dass wir in ­diesem Jahr einen Frieden erhalten. – Ich verhehle mir nicht, dass in der Marine und in weiten patriotischen Kreisen ein Verzicht auf die flandrische Küste als ein schwerer Schlag empfunden werden wird, der nur dann gemildert wird, wenn (…) Kompensationen zur Tat werden. Ich sehe mit General Ludendorff diese Kompensationen in Stützpunkten in und ausserhalb unseres Kolonialreiches. – Zu zwei Punkten (…) darf ich noch Ausführungen machen: – 1. Die wirtschaftliche Angliederung Belgiens an Deutschland wird ohne Druck (…) nicht abgehen. Hierzu wird eine mehrjährige Okkupation dienen (…). – Über (… diese) hinaus muss die deutsche Stellung in Lüttich wirken. Sie hat als Hauptzweck den (…) Schutz des niederrheinisch-westfälischen Industriegebiets. (…) – General Ludendorff hat in anliegender Denkschrift seine Äusserungen in Berlin zusammengefasst und in Bezug auf Longwy-Briey, auf Landwirtschaft und Überseehandel erweitert. (… Sie) deckt sich mit meiner eigenen Auffassung (…). – Ich darf die Hoffnung aussprechen, dass nun auch die anderen Kriegszielfragen bald eine Klärung finden (…).1552

1550 Michaelis an Hindenburg, 12. Sept. 1917, Ludendorff 1920, 434 Dok. XIX/7, Michaelis 1922, 352 – 353; SG 2 1966, 421 – 422 Dok. 247, Steglich 1970, 530 – 532 Dok. 444. – In ähnlicher Weise richtete sich der Kanzler am selben Tag an Holtzendorff. Michaelis 1922, 355. 1551 Kühlmann 1948, 483. 1552 Hindenburg an Michaelis, Schr. 15. Sept. 1917, SG 2 1966, 428 – 430 Dok. 251, Steglich 1970, 532 – 533 Dok. 445, Verh. VDNV 68. Sitzg. 28. Juli 1919 ff.. unvollst.: Ludendorff 1920, 435 Dok. XIX/7.

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Frieden durch den Papst?

In Ludendorffs Denkschrift hieß es: Das lothringische Erzbecken verlangt einen Geländezuwachs nach Westen. (…) Selbstverständlich bleibt das Gebiet (…) gefährdet und wird starke Sicherungsmaßnahmen nötig machen (…). – Um so dringender ist die Unversehrterhaltung des niederrheinisch-westfälischen Gebiets. Was die flandrische Küste für Luftangriffe auf England (…) ist – das ist die Maas-Linie bei Lüttich (…) für das Industriegebiet. (…) – Der Besitz der Maas-Linie allein genügt nicht, um dem Industriegebiet die erforderliche Sicherheit zu geben. (…) Dies kann nur dadurch geschehen, daß Belgien wirtschaftlich so eng an uns angeschlossen wird, daß es auch seinen politischen Anschluß (…) sucht. Der wirtschaftliche Anschluß wird ohne (…) längere Okkupation – und ohne Besitzergreifung von Lüttich nicht ins Werk zu setzen sein. (…) Ganz sicher wären wir erst (…) wenn wir ganz Belgien militärisch besetzten (…). – Es fragt sich, ob wir um d ­ ieses Ziel den Krieg fortsetzen müssen. Das ist m. E. der Fall, wenn die Engländer einen Gebietsstreifen in Frankreich (Calais) behalten. (…) – Wir müssen dann die von der flandrischen Küste aus erstrebte Einwirkung auf England auf Umwegen erreichen können. Ich halte dies für möglich, wenn Belgien, wirtschaftlich mit dem (…) Reich eng verbunden und, in Wallonien und Vlamland geteilt, mit der Zeit den Schutz gegen Frankreich und England selbst übernimmt (…).1553

Als „maßvoll“ konnten die von Hindenburg und Ludendorff vertretenen Kriegsziele also nicht gelten. Michaelis trat 1919 über den Kronrat vom 11. September 1917 mit einer auch von Helfferich, Hindenburg und Ludendorff unterzeichneten Erklärung an die Öffentlichkeit. In ihr hieß es: Am 5. September 1917 ging in Berlin das Schreiben des (…) Nuntius (…) an den Reichskanzler ein, das auf Grund einer (…) Mitteilung der britischen Regierung (…) der kaiserlichen Regierung eine Erklärung über ihre Absichten bezüglich Belgiens nahelegte und (…) aussprach, daß durch eine befriedigende Erklärung ein bedeutender Schritt zu weiterer Entwicklung der Verhandlungen gemacht würde. – Ich war mit (…) Kühlmann (…) der Meinung, daß angesichts des begleitenden Kommentars des Kardinal-Staatssekretärs zwar die starke Möglichkeit eines ernsthaften englischen Friedensfühlers vorliege, daß jedoch aus (…) der Mitteilung des Foreign Office an den britischen Gesandten beim Vatikan sich nicht mit (…) Sicherheit die Ernsthaftigkeit der englischen Bereitschaft ergebe, auf einer (…) annehmbaren Grundlage in Friedensverhandlungen einzutreten. Deshalb habe ich mit Herrn von Kühlmann vereinbart, 1553 Ludendorff Denkschrift 14.  Sept. 1917, Ludendorff 1920, 428 – 433 Dok. XIX /6, Anl. R. K.  14535 K. J. 14. Sept. 1917 zu Hindenburg an Michaelis, R. K. 24535 K. J., 15. Sept. 1917, SG 2 1966, 428 – 435 Dok. 251, Steglich 1970, 533 – 537 Dok. 446.

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort

443

daß zunächst durch einen (…) neutralen Diplomaten 1554 die englische Regierung auf ihre Bereitschaft sondiert werden sollte. – Um der politischen Leitung für diese Aktion die nötige Bewegungsfreiheit zu sichern, erschien mir eine alle Instanzen bindende Entscheidung des Kaisers erforderlich. (…) – Im Kronrat vom 11. September beantragte ich (…) die kaiserliche Ermächtigung, gegebenenfalls erklären zu dürfen, daß Deutschland zur Wiederherstellung der territorialen Integrität und Souveränität Belgiens bereit sei. (…) Der K ­ aiser entschied im Sinne meines Antrages, mit dem Vorbehalt einer erneuten Prüfung, falls der Verzicht auf Belgien nicht bis zum Jahresende den Frieden sichern (…) sollte. – Auf dieser Grundlage habe ich den Staatssekretär (…) beauftragt, seinen neutralen Vertrauensmann zu instruieren. (… Diesem) wurde (…) eröffnet, unsererseits sei Voraussetzung für Verhandlungen (…) die Erhaltung unseres Besitzstandes vor dem Krieg einschließlich der Kolonien, der Verzicht auf Entschädigungen und die Abstandnahme von dem Wirtschaftskrieg nach dem Kriege (…).1555

5.4

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort

Am 12. September 1917 übermittelte Legationsrat Larisch Czernin den ihm „soeben zugekommenen neuredigierten Text der deutschen Antwort“ an den Papst – den Text, der Pacelli am folgenden Tag als „in Aussicht genommene Antwort“ übersandt werden sollte. Larisch schrieb dazu: „Wie Euer Exzellenz demselben entnehmen wollen, ist dem Wunsche des Siebenerausschusses (…) durch Einfügung der Worte ‚und der Friedenskundgebung des Reichstages vom 19. Juli’ Rechnung getragen (…).“ 1556 Der Minister entgegnete am selben Tag: Mit Übergabe der Antwort (…) am 20. d. M. einverstanden. Ich telegraphiere in ­diesem Sinn nach Konstantinopel und Sofia. – Als Tag der Veröffentlichung der Note in Wien, Berlin und Rom schlage ich 27. d. M. vor. Weiters würde ich proponieren, am Tage der Übergabe (…) ein kurzes Kommuniqué herauszugeben, in welchem wir bekanntgeben, daß Papstnote in entgegenkommendem Sinne beantwortet wurde und daß wir uns bereit erklärt haben, auf Grund päpstlicherseits vorgeschlagener (…) gleichmäßiger und sukzessiver Abrüstung, Freiheit der offenen Meere und obligatorischer Schiedsgerichtsbarkeit für internationale Streitfälle in Verhandlungen mit Feinden einzutreten. – Ich ersuche (…) mir Zustimmung deutscher Regierung zu diesen Vorschlägen zu telegraphieren (…).1557

1554 Marqués de Villalobar. 1555 Michaelis et al. Erklärung 7. Aug. 1919, NPZ A (7. Aug. 1919), 1 – 2, NFP M (8. Aug. 1919), 5, Ludendorff 1920, 439 – 441 Dok. XIX/10, Steglich 1970, 627 – 630 Dok. 520. 1556 Larisch an Czernin, Ber. 129 B/P, 12. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 427 – 430v, Druck: Steglich 1970, 307 Dok. 237. 1557 Czernin an Larisch, Tel. 569, 12. Sept. 1917, ebd. fol. 414 – 414v u. 416 bzw. p 307 Dok. 238.

444

Frieden durch den Papst?

Daraufhin berichtete Larisch: Nachdem es – wie mir der Staatssekretär sagt – der deutschen Regierung erst nach sehr langwierigen (…) Auseinandersetzungen mit dem Siebenerausschuß gelungen war, den Wortlaut der (…) Antwort festzusetzen, und sie den Mitgliedern des Ausschusses als Tag der Veröffentlichung den 22. d. M. in sichere Aussicht gestellt hatte, ist Herr von Kühlmann (…) außerstande, Euer Exzellenz Wunsch, die Veröffentlichung erst am 27. d. M. vorzunehmen, zu entsprechen (…). – Auch dem Vorschlage (…), am Tage der Übergabe (…) ein kurzes Kommuniqué heraus­ zugeben, bedauert der Staatssekretär (…) nicht zustimmen zu können, da die alldeutschen und konservativen Zeitungen (…) sofort bei Erscheinen des Kommuniqués, wo von Abrüstung, Schiedsgericht etc. gesprochen wird, (…) dieselbe auf das schärfste verurteilen würden. (…) – Wie ich (…) erfahre, wird dem (…) Nuntius auf dessen dringendes Ersuchen die deutsche Antwort inoffiziell schon früher mitgeteilt (die offizielle Übergabe erfolgt am 20. d. M.).1558

Diese Meldung Larischs telegrafierte Sektionschef Müller am 15. September an den mit ­Kaiser Karl auf einer Fahrt nach Bozen, Trient und an die Tiroler Front befindlichen Czernin.1559 Czernin ersuchte daraufhin Botschafter Hohenlohe, die „deutsche Regierung verständigen zu wollen, daß ich mit der vorgeschlagenen Vorgangsweise einverstanden bin: Uebergabe der Papstnote wird auch hier am 20. d. M., inoffizielle Mitteilung an Wiener Nuntius vor Uebergabe, Publikation am 22. d. M. erfolgen.“ 1560 Pacelli teilte Gasparri am 12. September mit, dass die deutsche Antwort demnächst zu erwarten sei. Wohl aufgrund einer Mitteilung Erzbergers berichtete er, Kühlmann habe am 10. im Siebener-Ausschuss erklärt, Belgien sei in Anbetracht der immer noch sehr großen Forderungen der Feinde sehr wertvoll als Pfand, welches Deutschland verliere, wenn es seine Karten auf den Tisch lege. Pacelli bat um Weisung, ob er der deutschen Regierung klarmachen solle, dass das Ausbleiben einer eindeutigen Erklärung bezüglich Belgiens Friedensverhandlungen absolut im Wege stehe.1561 Am selben Tag übersandte Bergen dem Nuntius „die in Aussicht genommene Antwort“ zur „streng vertraulichen Kenntnisnahme“, sie müsse noch „zur Allerhöchsten Genehmigung unterbreitet werden“. Die Regierung lege „aus innerpolitischen Gründen Wert darauf, das Schreiben (…) am 22. d. M. der (…) Presse zu übergeben, und würde es mit besonderem Dank erkennen, wenn die entsprechende Veröffentlichung im ‚Osservatore Romano‘ am gleichen Tage erfolgen könnte“.1562 1558 1559 1560 1561 1562

Larisch an Czernin, Tel. 594, 13. Sept. 1917, ebd. fol. 412 – 412v bzw. pp 310 – 311 Dok. 244. Müller an Czernin, Tel. 18, 15. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 381 – 381v. Czernin an Hohenlohe, Tel. 6, 15. Sept. 1917, ebd. fol. 376, Druck: Steglich 1970, 314 Dok. 250. Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 12. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8079. Bergen an Pacelli 12. Sept. 1917, SG 2 1966, 424 Dok. 249, Steglich 1970, 346 – 347 Dok. 286.

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort

445

In der „in Aussicht genommenen Antwort“ hieß es: In Würdigung der Bedeutung, die der Kundgebung Seiner Heiligkeit zukommt, hat die Kaiserliche Regierung nicht verfehlt, die darin enthaltenen Anregungen (…) gewissenhafter Prüfung zu unterziehen; die besonderen Massnahmen, die sie, in engster Fühlung mit der Vertretung des deutschen Volkes für die Beratung und Beantwortung der aufgeworfenen Fragen getroffen hat, legen davon Zeugnis ab, wie sehr es ihr am Herzen liegt, im Einklang mit den Wünschen Seiner Heiligkeit und der Friedenskundgebung des Reichstages vom 19. Juli d. J. (…) Grundlagen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu finden. – (…) Wir teilen die Auffassung Seiner Heiligkeit, dass bestimmte Regeln und (…) Sicherheiten für eine (…) Begrenzung der Rüstungen (…) sowie für die wahre Freiheit und Gemeinsamkeit der hohen See diejenigen Gegenstände darstellen, bei deren Behandlung der neue Geist, der künftig im Verhältnis der Staaten zu einander herrschen soll, den ersten (…) Ausdruck finden müsste. Es würde sich sodann (…) die Aufgabe ergeben, (…) internationale Meinungsverschiedenheiten (…) durch friedliche Mittel, insbesondere auch auf dem Wege des Schiedsverfahrens entscheiden zu lassen. (…) Die Kaiserliche Regierung wird dabei jeden Vorschlag unterstützen, der mit den Lebensinteressen des Deutschen Reiches und Volkes vereinbar ist. (…) – Wenn die Völker (…) erkannt haben (…), dass es gilt, mehr das Einigende als das Trennende (…) zu betonen, wird es ihnen gelingen, auch (…) Streitpunkte so zu regeln, dass (…) eine Wiederkehr der grossen Völkerkatastrophe ausgeschlossen erscheint. (…) – Diese ernste (…) Überzeugung ermutigt uns zu der Zuversicht, dass auch unsere Gegner in den von Seiner Heiligkeit zur Erwägung unterbreiteten Gedanken eine (…) Unterlage sehen möchten, um (…) der Vorbereitung eines (…) Friedens näher zu treten.1563

Auf die im Appell des Papstes für das Zustandekommen des Friedens als unabdingbar genannten deutschen Vorleistungen, nämlich die „évacuation totale de la Belgique, avec garantie de sa pleine indépendence politique, militaire et économique“ und die „évacuation également du territoire français“, ging der Text nicht ein. Pacelli benachrichtigte Gasparri am 14. September, dass er die „in Aussicht genommene Antwort“ erhalten habe. Er gab einen k­ urzen Überblick über ihren Inhalt und wies darauf hin, dass der Text des Antwortentwurfs in „intimo contatto con rappresentanza popolo tedesco“ abgefasst und nicht nur mit den Wünschen des Heiligen Vaters übereinstimme, sondern auch mit der Friedensresolution des Reichstages.1564 Wichtig am Text erscheine ihm die Berufung auf die Friedensresolution, weil damit 1563 Michaelis an Gasparri, 12. Sept. 1917, Anl. zu Larisch an Czernin, Ber. 129 B/P, 12. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 427 – 430v, Druck: SG 2 1966, 424 – 426 Dok. 249 Pièce jointe, Steglich 1970, 197 – 202 Dok. 140 Entw. H. 1564 Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 14. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8080.

446

Frieden durch den Papst?

­Gebietserwerbungen ausgeschlossen würden, ebenso wie „violazioni politiche, economiche e finanziarie“, was für die belgische Frage von Bedeutung sei. Die in der Antwort enthaltenen guten Ideen ­seien, der deutschen Mentalität entsprechend, leider „affogate in un mare di parole inutili o inopportune e di frasi complicate ed involute“. Nachdem sie nur einen Entwurf darstelle (die definitive Antwort werde aus Rücksicht auf die osmanische und die bulgarische Regierung erst am 20. September überreicht), stehe es Gasparri frei, Änderungen vorzuschlagen. Er, Pacelli, habe sich erlaubt, Vorschläge seinerseits in die italienische Übersetzung einzufügen.1565 Gasparri antwortete umgehend und wies Pacelli an, der Regierung energisch klarzumachen, dass das Fehlen einer konkreten Erklärung bezüglich Belgiens das Scheitern der päpstlichen Friedensaktion bedeute: Dadurch wäre es der Entente möglich, den jede Annexion ausschließenden „dichiarazioni dei due Parlamenti“ (gemeint war die Friedensresolution des Reichstags, denn entsprechende Erklärungen der österreichischen und ungarischen Parlamente gab es ja nicht), jede Ernsthaftigkeit abzusprechen. Überdies würde eine Erklärung, Belgien freigeben zu wollen, ja nicht die sofortige Herausgabe eines Pfandes bedeuten. Im höchsten Interesse Deutschlands wäre es, eine so klare Erklärung abzugeben, dass alle Völker, auch die der Gegner, den Verantwortlichen für die Fortsetzung des Krieges in der Entente sähen.1566 An Nuntius Valfrè in Wien telegrafierte Gasparri am folgenden Tag, Pacelli habe ihm mitgeteilt, dass die deutsche Antwort an den Papst nichts über die volle Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens beinhalten werde. Valfrè solle sofort den Minister des Äußern und wenn möglich auch den K ­ aiser „sia positiva e concreta“ bitten, ihren Einfluss in Berlin dahingehend geltend zu machen, dass die Antwort eine Erklärung darüber enthalte. Er solle auch klarmachen, dass eine s­ olche Erklärung ja lediglich die Zusicherung einer „evacuazione nel giorno della firma della pace“ bedeute.1567 Am 15. September berichtete Pacelli über ein an ­diesem Tag in der Münchener Nuntiatur mit Kühlmann geführtes Gespräch. Es sei darin lange um Belgien gegangen und er hoffe, den Staatssekretär von der Notwendigkeit einer diesbezüglich befriedigenden Antwort überzeugt zu haben. Kühlmann habe ihm von Schwierigkeiten gesprochen, ­welche die Militärs und die Alldeutschen bereiteten, und von absolut divergierenden Vorstellungen über die Zukunft Belgiens, die von einer Annexion bis hin zur Neutra­ lisierung reichten. Die militärische Lage Deutschlands habe Kühlmann als bestens bezeichnet. Überdies beginne England der Aufdringlichkeit der Amerikaner müde zu werden.1568 1565 1566 1567 1568

Pacelli an Gasparri, Ber. 1406, 14. Sept. 1917, ebd. Dok. 5010. Gasparri an Pacelli, Tel. (Nr. ?), 14. Sept. 1917, Martini 1963, 382 – 383. Gasparri an Valfrè, Tel. (Nr. ?), 15. Sept. 1917, Rumi 2003, 268. Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 15. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8622.

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort

447

Knapp eine Woche nachdem er die „in Aussicht genommene Antwort“ erhalten hatte, telegrafierte Pacelli am 18. September an den Gesandten Bergen: „Bitte Sendung und Veröffentlichung (…) Dokumentes aufschieben. Brief folgt.“ 1569 Im so angekündigten Brief schrieb der Nuntius am selben Tag: Beehre mich, anmit Ihnen einen Brief zu übersenden, den ich im Auftrage (…) des Herrn Kardinal-Staatssekretärs an (…) den Herrn Reichskanzler (…) geschrieben habe. – Euere Exzellenz haben bisher mit solch hoher Einsicht und (…) edlem Eifer daran gearbeitet, die päpstliche Initiative zu einem guten Abschluß zu führen (…), darum erlaube ich mir, Sie zu bitten, auch das, was den Inhalt meines erwähnten Briefes ausmacht, zu unterstützen, da es von hoher Wichtigkeit ist, um die Fortsetzung der Verhandlungen zu ermöglichen.1570

An den Kanzler wandte sich Pacelli mit den Worten: Ich habe nicht versäumt, allsogleich nach Eintreffen (…) des Entwurfes der Antwort (…) einen ausführlichen und genauen Auszug aus dem wichtigen Dokumente an (…) den Herrn Kardinalstaatssekretär zu telegrafieren. – Nun tut mir die erwähnte Eminenz kund, dass der hl. Stuhl tief gerührt und erkenntlich ist für die Gesinnungen von der Versöhnlichkeit und Friedfertigkeit, die in der (…) Antwort so vornehm zum Ausdruck kommt (sic!). – Da jedoch Seine Heiligkeit die Stimmungen der Mächte, mit ­welchen Deutschland sich im Kriege befindet, wohl durchschaut, verhehlt Sie sich nicht (…), dass eine einigermassen unbestimmte Antwort, wie der vorliegende Entwurf (…), eine absolute Abweisung von Seite der Entente herbeiführen und (…) den Weg zu jeder weiteren Verhandlung verschliessen würde. – Im (…) Interesse der grossen Friedenssache hat daher Seine Eminenz mir den Auftrag erteilt, die hohe (…) Regierung zu bitten (…) eine Abänderung des (…) Entwurfes in Erwägung zu ziehen, indem die ausdrückliche Annahme des 3. und 4. Abschnittes der päpstlichen Vorlage eingeschaltet wird 1571. Wenn dies unmöglich wäre (…) dann beauftragt mich Seine Eminenz, Euere Excellenz zu bitten, ob wenigstens die Worte in der Antwortnote ‚im Einklang mit der Friedenskundgebung des Reichstages (…)’ die Annahme der (…) Abschnitte 3 und 4 in sich schliessen und ob der hl. Stuhl bevollmächtigt ist, (…) der Entente dies zu erklären. Der hl. Stuhl bittet auch, die Veröffentlichung des (…) Dokumentes hinauszuschieben, bis sich das oben Angeführte geklärt hat.1572

1569 Pacelli an Bergen, Tel. o. Z. (1464), 18. Sept. 1917, ebd. Dok. 10031, dt. Text: Steglich 1970, 348 Dok. 288. 1570 Pacelli an Bergen, Schr. 18. Sept. 1917, Steglich 1970, 348 Dok. 289. 1571 Verzicht auf Ersatz der Schäden und der Kriegskosten, Herausgabe der besetzten Gebiete, d. h., ­Belgiens und Frankreichs seitens Deutschlands und der dt. Kolonien seitens der Entente. 1572 Pacelli an Michaelis, Schr. 1469, 18. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 10030, dt. Text: SG 2 1966, 439 Dok. 256, Steglich 1970, 349 Dok. 290.

448

Frieden durch den Papst?

Bergen telegrafierte noch am selben Tag an Pacelli, ein Aufschub der Absendung und der Veröffentlichung sei seines Erachtens nicht möglich.1573 Die offizielle Antwort der deutschen Regierung übersandte Bergen dem Nuntius zur Weiterleitung an Gasparri am 19. September.1574 Sie unterschied sich bis auf zwei minimale Änderungen nicht vom Entwurf.1575 Am selben Tag beauftragte Michaelis den preußischen Gesandten in München, Karl Georg von Treutler, Pacelli mündlich mitzuteilen: Bei Abfassung unserer Antwort (…) – hätten wir (uns) in erster Linie durch den im Schreiben des Nuntius vom 15. v. M. übermittelten Wunsch, ‚eine einfache Antwort‘ zu erteilen und nicht ‚in Einzelheiten einzugehen, w ­ elche die Lösung der Hauptfragen verwirren würden‘, leiten lassen. Wir wären dementsprechend auf die von S(einer) H(eiligkeit) als s­ olche gekennzeichneten Hauptfragen besonders eingegangen und hätten dabei ein weitgehendes Entgegenkommen an den Tag gelegt. Im übrigen dürfte ich auf den Schlussatz unserer Antwort verweisen. – Ein Aufschub der – hinsichtlich des Zeitpunktes auch mit unseren Bundesgenossen vereinbarten – Übergabe und Veröffentlichung unserer Antwort wäre nach (…) Besprechung mit den massgebenden deutschen Stellen und nach Genehmigung durch S. M. nicht angängig. Auch erwarten Reichstag und Presse die Bekanntgabe am 22. d. M.1576

Treutler antwortete nach erfülltem Auftrag am folgenden Tag: Nuntius ist ausserordentlich enttäuscht und deprimiert, dass Anregungen seines Briefes vom 18. des Monats nicht entsprochen wurde. Er las mir Telegramm des Kardinalstaatssekretärs vor, (…) das Scheitern des Friedenswerkes vorhersieht, wenn es bei jetzigem modus procedendi bleibt. Er gab zu, dass wir weit entgegengekommen ­seien, und dass an unserem guten Willen nicht zu zweifeln sei, meinte aber, auf der anderen Seite sei so wenig guter Wille, dass ‚Unbestimmtheit unserer Konzessionen‘ zu glatter Abweisung führen würde. Seine inständige Bitte ging dahin, ob man nicht doch noch den Text im Sinne der Punkte 3 und 4 abändern könne. Als ich ihm sagte, dies sei meiner Ansicht nach völlig aussichtslos, bat er, der Weisung des Kardinals folgend, wiederholt, Heiliger Vater möge ausdrücklich ermächtigt werden, unseren Feinden die Worte, die auf die Friedensresolution (…) Bezug nehmen, so zu interpretieren, dass sie die Punkte 3 und 4 einschlössen. – Zum mindesten aber möge man die Publikation verschieben, damit der Vatikan (…) Zeit bekomme, mit unseren Gegnern zu verhandeln, ehe 1573 Bergen an Pacelli, Tel. o. Z., 18. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 10029, Steglich 1970, 350 Dok. 292. 1574 Bergen an Luckwald für Pacelli, 19. Sept. 1917, Steglich 1970, 350 Dok. 293, Pacelli an Gasparri, Ber. 1492, 20. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 5011. 1575 Michaelis an Gasparri, 19. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 7090, Druck: NPZ M (22. Sept. 1917), 1, F-B M (22. Sept. 1917), 3, Ludendorff 1920, 435 – 437 Dok. XIX /8, Lama 1932, 226 – 228, SG 2 1966, 424 – 426 Dok. 249, Steglich 1970, 197 – 202 Dok. 140. 1576 Michaelis an Treutler, Tel. 86, 19. Sept. 1917, SG 2 1966, 441 – 442 Dok. 258, Steglich 1970, 351 Dok. 294.

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort

449

die Presse sich der Angelegenheit annehme und alle Versuche versöhnlicher zu wirken, ausschliesst. Ich machte ihn darauf aufmerksam, ­welche Hindernisse sich der Erfüllung seiner Bitten entgegenstellten.1577

Am selben Tag schrieb Pacelli an Bergen: Herr von Treutler (…) hat mir heute mündlich die Antwort der kaiserlichen Regierung (…) überbracht auf meinen Brief, ­welchen ich am 18. ds. an (…) den Herrn Reichskanzler richtete. – Unter anderem hat er mir gesagt, daß die (…) hohe Regierung geglaubt hat, sich mit dem Wunsche Seiner Heiligkeit (übermittelt mit meinem Brief vom 15. August l. J.) in Einklang zu setzen, indem sie eine allgemein gehaltene Antwort gab, die es vermied, in Einzelheiten einzugehen (…). – Damit es nun nicht scheine, als sei ein Widerspruch z­ wischen den verschiedenen Mitteilungen des hl. Stuhles, erlaube ich mir, die Aufmerksamkeit Euerer Exzellenz darauf hinzulenken, daß ohne Zweifel mein oben angeführtes Schreiben (…) eine einfache Antwort erbat, aber auch ausdrücklich die Annahme der päpstlichen Vorschläge verlangte, während es der künftigen Konferenz überlassen sein sollte, die besonderen Punkte genauer zu bestimmen (…); Annahme findet sich nicht, wenigstens nicht klar und ausdrücklich, in der Antwortnote. (…) – Endlich kann ich es nicht genug wiederholen, wie es notwendig gewesen wäre, die Antwortnote nicht zu veröffentlichen, während die Verhandlungen dauern, und dem hl. Stuhl es zu überlassen, den (…) Tag für die gleichzeitige Veröffentlichung (…) zu bestimmen.1578

Am nächsten Tag berichtete Treutler an den Kanzler: Ich traf gestern abend (…) nochmals mit dem Nuntius zusammen (…). Er war etwas ruhiger wie am Vormittag und gab zu, daß (…) die Ansicht des Papstes und des Staatssekretärs über die Aufnahme unserer Antwort durch die Entente sich als zu pessimistisch erweisen könne. Er habe aber doch die Pflicht (…) wiederzugeben, was ihm aus Rom zugehe. – Übrigens sagte mir Graf Hertling, daß der Nuntius auch ihm gegenüber dieselbe pessimistische Ansicht vertreten und ihn um seine Ansicht gefragt habe. Graf Hertling hat ihn, ähnlich wie ich, auf die Unmöglichkeit der Erfüllung der (…) Wünsche des Vatikans hingewiesen. Mir gegenüber meinte (… Hertling), ob es nicht möglich sei, dem Kardinalstaatssekretär zu suggerieren, er möge die auf die Reichstagsresolution bezüglichen Worte so interpretieren, wie es ihm gut scheine (…).1579

1577 Treutler an A. A., Tel. 172 (Telefondurchsage), 20. Sept. 1917, ebd. pp 443 – 444 Dok. 260 bzw. p 352 Dok. 295. 1578 Pacelli an Bergen, Schr. 1493, 20. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 10027, dt. Text: Steglich 1970, 353 Dok. 296. 1579 Treutler an Michaelis, Ber. 265, 21. Sept. 1917, Steglich 1970, 354 Dok. 297.

450

Frieden durch den Papst?

Am selben Tag übermittelte Treutler folgendes Telegramm Pacellis an Bergen: „Im Interesse des Friedens wird Heiliger Stuhl Antwort der Kaiserlichen Regierung nicht veröffentlichen, bis Berlin letztes Wort wird gesprochen haben über Abschnitt drei und vier päpstlichen Vorschlages.“ 1580 Treutler schrieb dazu: „Habe Nuntius mitgeteilt, daß nichts mehr zu ändern sei. Er schien (…) keine andere Entscheidung erwartet zu haben, wiederholte aber, daß (…) die Friedensaktion des Papstes damit als gescheitert anzusehen sein dürfte.“ 1581 Der zur Übergabe der Antwort an Pacelli nach München entsandte Legationssekretär Erich von Luckwald notierte über seine dort gewonnenen Eindrücke: Weisungsgemäss habe ich am 20. d. M. (…) unsere Antwort (…) übergeben. Gleich anschliessend kam Herr von Treutler, um dem Nuntius mitzuteilen, dass die (…) Regierung nicht beabsichtige, den Text der Antwort abzuändern oder (…) die Veröffentlichung zu verschieben. – Mittags sprach der Nuntius (…) lange mit Herrn v. Treutler. Letzterer hat mich beauftragt, über diese Unterredung folgendes mitzuteilen: – 1. Der Nuntius habe den Eindruck (…), dass er die Verhandlungen als abgebrochen betrachten müsse, wenn wir nicht unseren Standpunkt hinsichtlich der letzten Vermittlungsvorschläge abänderten. Wir sollten den Nuntius wenigstens inoffiziell autorisieren, unser Einverständnis mit den Vorschlägen (des Papstes) der Gegenpartei weiterzugeben. – Der Nuntius habe einen ehrlich enttäuschten Eindruck gemacht. (…) – 2. Herr von Treutler habe erklärt, niemand könne verlangen, dass wir 2 Schritte des Entgegenkommens täten, unsere Gegner (…) aber keinen einzigen. Hierauf habe der ­Nuntius geantwortet: Sie sind es ja auch, die den Frieden wünschen, und nicht Ihre Gegner. – Am 21. d. M. abends suchte mich der Nuntius (…) auf, um mir einen Brief an Herrn von Bergen zu geben, der abermals davon handelte, wir möchten unseren Standpunkt aufgeben. (…) Er habe am Morgen erneut von Rom Befehl erhalten, alles zu tun, was in seinen Kräften stände, um ein Entgegenkommen der deutschen Regierung herbeizuführen. (…) Inzwischen habe er zwei (…) Telegramme nach Rom gesandt, um unsere Auffassung der Lage darzulegen. Der Nuntius war ziemlich aufgeregt.1582

Dem Auswärtigen Amt erstattete Luckwald darüber am 27. September „gehorsame Anzeige“.1583 Pacelli berichtete am 22. September an Gasparri, er habe weder eine Änderung noch eine spätere Veröffentlichung der Antwort erreichen können. Die deutsche Regierung sei der Ansicht, sie hätte für einen ersten Schritt sehr viel zugestanden und glaube, dass 1580 1581 1582 1583

Treutler (Pacelli an Bergen), Tel. 173, 21. Sept. 1917, ebd. p 356 Dok. 299. Treutler an A. A., Tel. 175, 21. Sept. 1917, ebd. p 357 Dok. 300. Luckwald, Notiz 22. Sept. 1917, SG 2 1966, 446 Dok. 263, Steglich 1970, 358 – 359 Dok. 303. Luckwald an A. A. 27. Sept. 1917, Steglich 1970, 364 Dok. 309.

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort

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ihre Antwort den Weg zu weiteren Erörterungen offenlasse. Treutler habe ihm gesagt, dass Kühlmann von der Unzufriedenheit des Heiligen Stuhls einigermaßen überrascht und enttäuscht sei.1584 Über die Aufnahme, w ­ elche die Antwort bei Gasparri fand, schrieb Pacelli am 1. Oktober an Lerchenfeld: Gestern erhielt ich (…) einen ganz vertraulichen, nur an mich persönlich gerichteten Brief, in welchem Seine Eminenz mir in sehr lebhaften Ausdrücken (…) die Enttäuschung kundgab über die Antwort der kaiserlichen Regierung (…) und mir seine schweren Bedenken äußerte für die Zukunft und (…) hinzufügte, daß der Hl. Stuhl (…) sein Möglichstes getan hat im Interesse des Friedens (…), – daher lehnt der Hl. Stuhl jegliche Verantwortung für die Fortsetzung ­dieses grauenhaften Krieges ab.1585

Die österreichisch-ungarische Antwort auf den päpstlichen Friedensappell wurde am 20. September in der Form eines kaiserlichen Handschreibens Nuntius Valfrè übergeben. Sie blieb, wie die deutsche Antwort, im Allgemeinen. ­Kaiser Karl erklärte in ihr, er stimme mit dem Papst darin überein, (…) daß Verhandlungen der Kriegführenden zu einer Verständigung darüber führen sollten und könnten, wie, unter Schaffung entsprechender Sicherheiten, die Rüstungen zu Lande, zu Wasser und in den Lüften gleichzeitig, wechselseitig und sukzessive auf ein bestimmtes Maß herabzusetzen s­ eien und wie die (…) hohe See von der Herrschaft oder Vorherrschaft e­ inzelner befreit und der gleichmäßigen Benützung aller zu eröffnen wäre.1586

Er, bzw. die Monarchie, sei auch bereit, über den Vorschlag „internationale Streitfragen der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen (…) in Verhandlungen zu treten“. Auf die im päpstlichen Appell zur Erreichung des Friedens als unumgänglich genannten Punkte, nämlich „évacuation totale de la Belgique, avec garantie de sa pleine indépendence (…); évacuation également du territoire français“, und auf die Empfehlung, territoriale Fragen, „par exemple celles qui sont débattues entre l’Italie et l’Autriche (…) avec des dispositions conciliantes“ zu prüfen, ging die Antwort mit keinem Wort ein.1587

1584 Pacelli an Gasparri, Ber. 1523, 22. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 5012. 1585 Pacelli an Lerchenfeld, Brief 1. Okt. 1917, Deuerlein 1954/1955. 1586 Ks. Karl an Benedikt XV., Handschr. 20. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 14 – 18, Druck: F-B M (22. Sept. 1917), 1, Engel-Jánosi 1964, 394 – 397 Dok. 210c, Steglich 1970, 208 – 211 Dok. 144, Rumi 1990, 33 – 35 Dok. 9, Kovács 2 2004, 255 – 257 Dok. 64, dt. Text: HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 103 – 108 (Vermerk „war Sr. Maj. vorgelegen“ u. Paraphe „Karl“), F-B M (22. Sept. 1917), 1 – 2, Steglich 1970 219 – 222 Dok. 148. 1587 Ebd.

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Frieden durch den Papst?

Offenbar am selben 20. September übergab Kaiserin Zita Nuntius Valfrè ein Schreiben an Kardinal Marchese Gaetano Bisleti, welches sie im Namen des Kaisers bat, dem Papst unter absoluter Geheimhaltung mündlich zur Kenntnis zu bringen. Das Schreiben solle das kaiserliche Handschreiben durch Punkte ergänzen, deren offizielle Erwähnung der ­Kaiser für nicht opportun gehalten habe. Erstens sei die von den Gegnern ausgegebene Losung vom Selbstbestimmungsrecht der Völker eine Erfindung subversiver Elemente, um Österreich zu schaden. Die großen Völker der Monarchie hätten sich in ihr „di libera scelta e decisione“ zusammengefunden. Die von der Regierung geplante „autonomia nazionale“ ziele darauf ab, jedem Volk die Möglichkeit zu geben, „di organizzare la sua vita nazionale“. Zweitens könne die Frage der Schuld am Kriegsausbruch, auf ­welche die Gegner ständig zurückkämen, nur von Gott entschieden werden. Drittens s­ eien „wir“ überglücklich, dass Deutschland sich in seiner Antwort ebenso wie „wir“ für die Abrüstung ausgesprochen und damit das Argument der Gegner, das Hindernis für den Frieden bestehe im preußischen Militarismus, zunichtegemacht habe. Viertens werde der ­Kaiser als Oberhaupt der katholischen Großmacht sein Bestes tun, um die großen Leiden der Armenier zu lindern.1588 Der Geschäftsträger der k. u. k. Gesandtschaft in München, Graf Felix BrusselleSchaubeck, berichtete am 26. September 1917 über den Eindruck, den die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort auf die Münchener Nuntiatur bzw. auf Pacelli machten: Auf der (…) Nuntiatur scheint man von den deutschen Antworten (…) nicht voll befriedigt zu sein: Inhaltlich, weil man offenbar bis zum letzten Moment ein intensiveres Eingehen auf die eigentlichen Friedensbedingungen, besonders (…) zu Belgien, erhofft hatte, formell, weil die Note nicht vom (…) ­Kaiser direkt an den Papst gerichtet war, sondern vom Reichskanzler unterschrieben worden ist. (…) Pacelli, den ich vorgestern zu sehen Gelegenheit hatte, sprach sich nicht über seinen Eindruck (…) aus. Auch auf den Einwurf, dass die Bemühungen des Heiligen Vaters doch wohl jedenfalls fortgesetzt werden (…), antwortete er mir zögernd und mit allgemeinen Ausdrücken. – Aus seiner nächsten Umgebung erfahre ich aber, dass die Antwort (…) unseres Allergnädigsten Herrn (…) auf ihn den allerbesten Eindruck gemacht habe, teils weil dieselbe persönlich an den Papst adressiert war, teils weil sie in herzlicheren 1588 Zita an Kardinal Bisleti, o. D., Kovács 2 2004, 242 – 243 Dok. 58. – Kovács glaubte als Datierung des Schreibens den 17. Aug. 1917 angeben zu können, aus seinem Inhalt wird aber klar, dass es vom 20. Sept. oder einem der unmittelbar vorangegangenen Tage stammen muss. Sie meinte, es sei im Schreiben um das Selbstbestimmungsrecht der Völker gegangen, „das in bestimmter Tendenz verwirklicht, die Grundlagen der Monarchie zerstören würde“. Die darin zum Ausdruck gebrachte Erleichterung darüber, dass die dt. Antwort das Argument, das Hindernis für den Frieden sei der preußische Militarismus, zunichtegemacht habe, dichtete Kovács um in „der deutsche Militarismus ist immer noch ein Hindernis für den Frieden“. Kovács, Kommentar zu Dok. 58, ebd.

Die deutsche und die österreichisch-ungarische Antwort

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Ausdrücken abgefasst ist und in klarerer und deutlicherer Form die Absicht ausspricht, auf die Vorschläge Seiner Heiligkeit einzugehen.1589

Ein rosiges Bild von der Reaktion des Vatikans auf die beiden Antworten scheint sich Monsignore Marchetti-Selvaggiani, dem Apostolischen Delegaten in der Schweiz, geboten zu haben – zumindest wenn man dem Bericht des Gesandten Schönburg vom 29. September 1917 folgt: „Marchetti ist der Ansicht, daß unsere Antwortsnoten, obwohl sie sich mit den territorialen Fragen gar nicht befassen, (…) im Vatican doch befriedigen würden.“ 1590 Ähnliches ist Erzbergers Bericht an Bergen vom 11. Oktober zu entnehmen: „Marchetti läßt mir mitteilen, daß die Antwort der Zentralmächte im Vatikan günstig aufgenommen worden sei. Man verstehe dort auch die Gründe des Schweigens wegen Belgien. Die Kurie sei verstimmt wegen des Schweigens der Intesa (…).“ 1591 Ganz abwegig erscheint Marchetti-Selvaggianis Sichtweise nicht, hält man sich das an Salis zur Weiterleitung an Lloyd George gerichtete Schreiben Gasparris vom 28. September 1917 vor Augen, in dem es heißt: La risposta della Germania contiene una accettazione esplicita del primo e secondo punto dell’Appello pontificio. Degli altri quattro punti l’accettazione e implicita, quale si deduce da varie frasi della risposta. In quanto alle parole: ‚in conformità della manifestazione di pace del Reichstag del 19 Luglio p. p.’ la Santa Sede ha (…) forte ragione di ritenere ed affermare che esse debbono veramente intendersi in questo senso, cioè per l’accettazione (…) del terzo e quarto punto dell’Appello pontificio. Nella risposta austriaca e anche più chiara l’accettazione delle proposte pontificie (…); ed essendo state redatte di comune intesa, non sembra potersi dubitare che le due risposte si completino a vicenda. – Certamente sarebbe stato a desiderarsi (…) che le risposte a tutti e singoli i punti fossero esplicite; pur tuttavia deve riconoscersi che esse lasciano la porta aperta ad uno scambio di idee; e se in massima i Governi dell’Intesa (…) non si rifiutino ad entrare in trattative, la Santa Sede e disposta a prestar l’opera sua per domandare, come da se, ulteriori schiarimenti e determinazioni sopra i punti che le venissero indicati.1592

1589 1590 1591 1592

Brusselle an Czernin, Ber. 54 A-D/P, 26. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 271 – 271v u. 274. Schönburg an Czernin, Ber. 69/Pol A-E, 29. Sept. 1917, ebd. fol. 261 – 261v u. 264. Erzberger an Bergen, Schr. 11. Okt. 1917, Steglich 1970, 457 Dok. 398. Gasparri an Salis 28. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 1636 (Kopie für Pacelli: Anl. zu Gasparri an Pacelli, Schr. 1711, 1. Okt. 1917, ebd. Dok. 1635), Druck: „Gasparri an Lloyd George“, 28. Sept. 1917, ­Steglich 1970, 453 – 454 Dok. 394.

454 5.5

Frieden durch den Papst?

Eine besondere deutsche Erklärung über Belgien?

Kaiser Karl trug sich mit dem Gedanken, neben seiner offiziellen Antwort auch ein persönliches Schreiben an den Papst zu richten. Im letzteren wollte er mitteilen, sich bei der deutschen Regierung dafür eingesetzt zu haben, dass diese eine den im päpstlichen Appell zum Ausdruck gebrachten Empfehlungen entsprechende Erklärung über Belgien abgebe. Ein derartiges Schreiben zu verfassen beauftragte er, offenbar auf telefonischem Weg, am 18. September Czernin. Dieser sandte nämlich am 19. September einen von Sektionsrat Wiesner verfassten und von ihm selbst korrigierten Entwurf an den ­Kaiser, an ­welchen er sich mit den Worten wandte: Da es mir gestern nicht möglich war, (…) ein gewichtiges Bedenken zum Ausdruck zu bringen, welches (…) gegen die derzeitige Absendung des fraglichen Briefes spricht, erbitte ich mir die allergnädigste Erlaubnis, ­dieses (…) darlegen zu dürfen. – Wenn nämlich die in Berlin in der belgischen Frage zu treffende Entscheidung nicht in dem angestrebten, befriedigenden Sinne fallen sollte, dann wird diese Tatsache päpstlicherseits dahin ausgelegt werden, dass der Einfluss Euerer Majestät in Berlin nicht so weit reicht, als dies Seine Heiligkeit hofft (…). Da es mir jedoch empfehlenswert schiene, das Auftauchen eines solchen Eindruckes (…) zu vermeiden, würde ich mir den (…) Vorschlag zu machen erlauben, mit der an Seine Heiligkeit zu richtenden Mitteilung zuzuwarten, bis die Berliner Entscheidung vorliegt. Fällt diese in dem erwünschten Sinne, dann könnte die (…) Mitteilung an Seine Heiligkeit noch immer zeitgerecht abgehen.1593

Um eine befriedigende Erklärung der deutschen Regierung zur belgischen Frage zu erreichen, bediente Czernin sich Botschafter Wedels. Dieser telegrafierte nämlich am 20. September ans Auswärtige Amt: Graf Czernin liess mich soeben zu sich bitten und sagte mir, er hielte es für seine Pflicht, mir mitzuteilen, dass (…) die gegen Deutschland gerichtete Stimmung in der Monarchie in besorgniserregender Weise an Boden gewinne. Besonders erschreckt hätten ihn die Unterredungen, die er heute mit ungarischen Politikern gehabt habe (…). Die öffentliche Meinung klammere sich (…) an die Hoffnung, dass die Antwortnote (…) durch Erklärungen über Belgien eine dem Frieden günstige Wendung bringen werde. Die Enttäuschung über die darin mangelnde positive Stellungnahme Deutschlands (…) könnte sogar bedenkliche Folgen haben, falls nicht gleichzeitig mit Veröffentlichung der Antwortnote die Öffentlichkeit (…) darüber aufgeklärt würde, dass dem Papst (…) besondere Mitteilungen über Belgien zugegangen s­ eien. Ganz besonders aber fürchtet Graf Czernin, dass der Herr Reichskanzler in seiner nächsten ­Reichstagsrede 1593 Czernin an Ks. Karl, Immediatvortrag 19. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 184 – 184v (Konzept), Druck: Steglich 1970, 366 – 367 Dok. 312.

Eine besondere deutsche Erklärung über Belgien?

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auch keinen positiven Standpunkt zur belgischen Frage einnehmen und sich auf allgemeine Redewendungen beschränken könnte. (…) – Graf Czernin wies darauf hin, dass es ihm bezüglich der elsass-lothringischen Frage ja gelungen sei (…) den deutschen Standpunkt hier verständlich zu machen, bezüglich Belgiens sei er aber nicht in der Lage, der Strömung, die auf ein deutsches Desinteressement in Belgien drängt, erfolgreich entgegenzutreten.1594

Kühlmann antwortete Wedel umgehend: Ich habe mich mit (…) Czernin bei unseren letzten Begegnungen eingehend über die belgische Frage unterhalten. Der Minister (…) weiß, dass die von mir in Aussicht genommene Behandlung dieser (…) eminent wichtigen Angelegenheit in keiner Weise eine Hemmung für die Einleitung von Friedensverhandlungen bildet. Diese Politik hat seitdem die Zustimmung aller massgebenden Faktoren gefunden. – Für die Einzelheiten der (…) Durchführung muß ich mir aber (…) völlige Freiheit vorbehalten. (…) – Hiernach möchte ich annehmen, dass es Graf Czernin (…) leicht fallen müsste, die ungarischen Politiker (…) davon zu überzeugen, dass er uns in der Art, wie wir diese Frage zu behandeln gedenken, nicht drängen kann. – Der Münchener Nuntius hat (…) gebeten, in unsere Antwort (…) noch eine bindende Erklärung bezüglich der Räumung der besetzten Gebiete aufzunehmen und die Veröffentlichung der Antwort aufzuschieben. Ich habe geantwortet, wir hätten (…) dem Wunsch des Papstes, die Antwort allgemein zu halten und nicht mit Einzelheiten zu belasten, Rechnung getragen; die Veröffentlichung könne (…) nicht mehr verschoben werden (…). Durch unsere (…) entgegenkommenden Erklärungen werde, wenn Gegenseite von gleichem Geiste der Versöhnung (…) durchdrungen sei, die Bahn für weitere Verhandlungen weit geöffnet. – Bitte Grafen Czernin (…) Kenntnis zu geben.1595

Czernin scheint damals gehofft zu haben, dass die deutsche Regierung neben ihrer Antwortnote ein ihre Absichten bezüglich Belgiens darlegendes separates Schreiben an den Vatikan sende, und er scheint sogar überzeugt gewesen zu sein, dass sie dies bereits getan habe. Auf letzteres weist jedenfalls seine am 20. September an die Botschaft in Berlin gesandte Depesche hin: Ich würde den allergrößten Wert darauf legen, baldigst den genauen Text der geheimen Nachricht zu erfahren, w ­ elche Deutschland an den Vatikan in Ergänzung der (…) Antwort auf die Papstnote hat gelangen lassen. – Angeblich soll Deutschland darin sein völliges Desinteressement an Belgien ausgesprochen haben.1596 1594 Wedel an A. A., Tel. 622, 20. Sept. 1917, SG 2 1966, 444 – 445 Dok. 261, Steglich 1970, 370 Dok. 315. 1595 Kühlmann an Wedel, Tel. 677, 22. Sept. 1917, SG 2 1966, 447 – 448 Dok. 264, Steglich 1970, 373 – 374 Dok. 319. 1596 Czernin an Hohenlohe, Tel. 584, 20. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 327 (eigenh. Konzept Czernins fol. 325 – 325v); Druck: Steglich 1970, 367 Dok. 313.

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Frieden durch den Papst?

Der Weisung des Ministers wurde, wie eine Notiz Bergens zeigt, prompt versucht Folge zu leisten. Bergen hielt nämlich fest: Graf Czernin hat durch die hiesige Botschaft um Textangabe der Mitteilung gebeten, die wir geheimen Nachrichten zufolge der Kurie (…) bezüglich Belgiens gemacht hätten. – Ich habe (…) geantwortet, die Kurie hätte von uns (…) keine andere Äußerung erhalten als diejenige, die in dem (…) bekannten Promemoria enthalten wäre.1597

Hohenlohe sprach mit Kühlmann über die Sache und berichtete am 21. September an Czernin: Der Staatssekretär sagte mir, daß die deutsche Regierung dem Vatikan keinerlei geheime Mitteilung als Ergänzung ihrer offiziellen Antwort (…) gemacht habe. – (…) Mit öffentlichen Verhandlungen, wozu er Mitteilungen an die Kurie zählt, sei (…) nichts zu erreichen, man binde sich (…) nur einseitig, was seitens der Entente natürlich angestrebt werde. Er sei (…) nicht geneigt, ihr diesen Gefallen zu tun, hoffe vielmehr (…) es würden sich auch andere Kanäle zu direkten Verhandlungen unter der Hand ergeben, und bat mich, Euer Exzellenz zu sagen, es werde seinerseits sehr eifrig, und er hoffe, nicht erfolglos, in dem gemeinsam besprochenen Sinne gearbeitet.1598

Mit „anderen Kanälen“ bezog sich Kühlmann zweifellos auf seine Versuche, durch ­ illalobar zu Friedensgesprächen mit England zu kommen.1599 V Hohenlohes Telegramm konnte den Argwohn Czernins nicht dämpfen, denn am 23. September depeschierte er an den Botschafter: „Die deutsche Regierung hat den Münchener Nuntius nach Rom entsendet, um zu erfahren, ob der Papst dafür garantiert, daß England in Friedensverhandlungen eintritt, wenn das Desinteressement an Belgien offen erklärt wird.“ 1600 Und Johann Duglas Graf Thurn, den Leiter der Gesandtschaft in München, wies er am selben Tag an, er solle in „unauffälliger Weise feststellen, ob dortiger Nuntius verreist ist, bejahendenfalls, wohin er sich begeben hat“.1601 Hohenlohe antwortete drei Tage ­später: 1597 Bergen, Aufz. 21. Sept. 1917, Steglich 1970, 371 Dok. 316. 1598 Hohenlohe an Czernin, Tel. 613, 21. Sept. 1917, HHS tA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 319 – 319v, Druck: ­Steglich 1970, 371 – 372 Dok. 317. 1599 S. Steglich 1 1964, 207 – 217 u. Steglich 1984, LIX-XCIII. 1600 Czernin an Hohenlohe, Tel. 585, 23. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 293 (eigenh. Entw. Czernins fol. 292 – 292v), Druck: Steglich 1970, 375 Dok. 321. 1601 Czernin an Thurn, Tel. 41, 23. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 290, Druck: Steglich 1970, 374 Dok. 320.

Eine besondere deutsche Erklärung über Belgien?

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Ohne daß ich etwas von dem Inhalt obzitierten Telegrammes (…) erwähnte, habe ich aus meinen Gesprächen mit Herrn von Kühlmann den bestimmten Eindruck gewonnen, daß die Nachricht, als hätte die deutsche Regierung den Münchner Nuntius nach Rom entsendet, um zu erfahren, ob der Papst dafür garantiere, daß England in Friedensverhandlungen eintritt, wenn deutscherseits das Desinteressement an Belgien offen erklärt würde, den Tatsachen nicht entspricht. – Soviel ich übrigens weiß, war Monsignore Pacelli in den allerletzten Tagen noch in München, wo ihn der unermüdliche Herr Erzberger besuchte.1602

Dass Czernin von der Notwendigkeit einer unmissverständlichen Erklärung der deutschen Regierung über ihre Absichten bezüglich Belgiens überzeugt war, zeigt auch ein vom 22. September datiertes Schreiben Victor Naumanns an den mit ihm in gutem Einvernehmen stehenden Oberregierungsrat in der Berliner Reichskanzlei Fritz von ­Eichmann. Naumann berichtete darin: Wie Du weißt, fuhr ich ja von Berlin nach Wien, wo ich 14 Tage blieb (…). – Mit Czernin hatte ich lange Besprechungen. Zunächst handelt es sich um die Beantwortung der Papstnote. Er war über unseren Text nicht sehr erfreut, weil er Belgien für den springenden Punkt hält und der Anschauung ist, (…) daß England von seinen Verbündeten gezwungen worden wäre, auf die Konferenz zu gehen, wenn wir den Punkt Belgien erwähnt hätten. (…) Pacelli, der (…) sonst mit der Note sehr zufrieden ist, neigt der gleichen Anschauung zu (…).1603

Bestärken in seiner Haltung bezüglich einer Erklärung über Belgien konnte Czernin ein ihm in diesen Tagen zugegangener Bericht Botschafter Schönburgs, in dem es hieß: Von dem zunächst liegenden Zwecke der Friedensanbahnung aus betrachtet, wird man vielfach das Bemerkenswerteste an der deutschen Note (…) dasjenige finden, was in derselben – leider – nicht steht, nämlich eine Erklärung über die Zukunft Belgiens. (…) – Den s­ päter nicht mehr wieder zu bringenden Anlass der Papstnote wird man nicht vorüber gehen lassen dürfen, ohne denselben, nach allen uns für die Friedensanbahnung erwünschten Seiten hin, vollkommen ausgenützt zu haben.1604

Czernins Argwohn, die deutsche Regierung könnte ein Belgien betreffendes Schreiben nach Rom geschickt oder den Nuntius mit dem Auftrag dorthin entsandt haben, in Erfahrung zu bringen, ob der Papst im Falle einer Erklärung des Desinteressements 1602 Hohenlohe an Czernin, Tel. 627, 25. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 281, idem: Müller an Czernin, Tel. 4, 2. Okt. 1917, HHStA PA XL, 261 o. Fz., Druck: Steglich 1970, 375 Dok. 322. 1603 Naumann an Eichmann, Privatschr. 22. Sept. 1917, Steglich 1970, 372 – 373 Dok. 318. 1604 Schönburg an Czernin, Ber. 67 A-B/Pol, 22. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 309 – 311.

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Frieden durch den Papst?

an Belgien ein Eintreten Englands in Friedensverhandlungen garantieren könne, war möglicherweise zurückzuführen auf Hinweise darauf, dass sich die Berliner Regierung neuerlich an den Vatikan wandte oder dies zu tun beabsichtige. Tatsächlich sollte ja am 24. September ein Brief des Kanzlers an Pacelli abgehen, in dem es hieß: Wie ich aus dem Schreiben Euerer Exzellenz entnehme, will der Herr Kardinalstaatssekretär seine Bemühungen für baldige Herbeiführung eines gerechten und dauerhaften Friedens wirksam fortsetzen (…) – Euere Exzellenz wollen mir gestatten, zu der mir gütigst übermittelten Abschrift eines Telegrammes der Königlich Großbritannischen Regierung 1605 nachstehendes zu bemerken: – Die Kaiserliche Regierung schließt sich der Auffassung an, daß eine genaue Präzisierung der Kriegsziele denjenigen Weg bildet, auf dem sich unter Umständen eine Einigung (…) wird erzielen lassen. (…) Für die Behandlung der zu untersuchenden Punkte (…) werden (…) die auf Belgien bezüglichen Fragen in erster Linie Beachtung zu finden haben. (…) – Wenn sich unsere (…) Gegner darauf berufen, daß sie als Antwort auf die Note des Präsidenten Wilson 1606 ihre Kriegsziele mitgeteilt hätten, so dürfte es nicht überflüssig sein, (…) darauf hinzuweisen, daß die damals bekanntgegebenen Kriegsziele als Grundlage eines Meinungsaustausches nicht in Erwägung gezogen werden können, da sie einen Ausgangspunkt zur Voraussetzung haben, der (…) niemals eintreten wird: nämlich eine völlige Niederwerfung Deutschlands und seiner Verbündeten. (…) Sollte es (…) zu Gesprächen (…) kommen, so könnten sie nur auf einer neuen Grundlage geführt werden, (…) nämlich, daß (…) keine von beiden Parteien besiegt sei und keine der anderen (…) etwas zumute, was von einem stolzen Volk (…) nicht ertragen werden könnte. – Sind wir mithin (…) noch nicht in der Lage, (…) eine bestimmte Erklärung (…) im Hinblick auf Belgien und auf die von uns gewünschten Garantien abzugeben, so liegt der Grund hierfür keineswegs darin, daß die Kaiserliche Regierung grundsätzlich der Abgabe einer solchen Erklärung abgeneigt wäre (…), sondern lediglich darin, daß ihr gewisse Vorbedingungen (…) nicht genügend geklärt zu sein scheinen. – Hierüber Klarheit zu gewinnen, wird das Bestreben der Kaiserlichen Regierung sein, und sie hofft (…) in nicht allzu ferner Zeit in der Lage zu sein, Euere Exzellenz über die Absichten und nötigen Forderungen (…), insbesondere in bezug auf Belgien, genauer unterrichten zu können.1607

Dieses Schreiben des Kanzlers sandte Pacelli zugleich mit einer Paraphrase davon am 27. September an Gasparri. Der Nuntius teilte d ­ iesem auch mit, Michaelis habe am 1605 Der von Pacelli am 30. Aug. übermittelten Abschrift der Telegramme Balfours an Salis vom 21. Aug. und Lord Cecils an Salis vom 23. Aug. 1917, s. oben. 1606 Vom 18. Dez. 1916. 1607 Michaelis an Pacelli, Brief 24. Sept. 1917, Ludendorff 1920, 437 – 439 Dok. XIX/9, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928. 76 – 7 8, Lama 1932, 271 – 273, SG 2 1966, 454 – 456 Dok. 267, Steglich 1970, 361 – 363. Dok. 307. ­Steglich zufolge stammte sein Entwurf von Bergen und war von ­diesem sowie Bussche, Kühlmann und ­Michaelis paraphiert.

Eine besondere deutsche Erklärung über Belgien?

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25. September in einer geheimen Besprechung mit den Parteiführern erklärt, die Regierung könne sich deshalb nicht eingehender über ihre Kriegsziele äußern, weil dies den Interessen Deutschlands schade und von den Feinden als ­­Zeichen der Schwäche gedeutet würde.1608 Erzberger hielt in seinen Erlebnissen über das Schreiben vom 24. September fest, es sei ihm „erst im Juli 1919“ bekannt geworden.1609 Michaelis sagte 1926 vor dem Untersuchungsausschuss: Wir waren uns einig – der ­Kaiser, v. Kühlmann und ich – über den Weg, auf dem dieser Friedensfühler, wofür wir den Brief von Pacelli 1610 hielten, an uns gelangt war, nichts bekanntwerden zu lassen (…). Wir waren gebeten worden, vertraulich etwas über Belgien zu sagen, auch wenn wir es ablehnen zu sollen meinten, es in einer offiziellen Antwortnote zu tun. Die Antwort lautete: Wir können jetzt noch nicht antworten; aber grundsätzlich sind wir nicht dagegen, und was wir über Belgien zu sagen haben, wird nie ein wirkliches Hindernis des Friedens bilden. (…) Es war ein Zwischenbescheid (…): Verliert nicht die Geduld, wir verhandeln; wir hoffen, demnächst eine endgültige Antwort geben zu können; wir werden selbstverständlich gewisse Forderungen stellen müssen (…).1611

Kühlmann sagte aus, das Schreiben sollte „unterstreichen, daß die Regierung (…) zur Abgabe der Erklärung (über Belgien) bereit sei, sie aber pro tempore noch nicht abgeben könne“.Kursiv:1612 Scheidemann erklärte, er und die Mitglieder des Siebener-Ausschusses ­seien höchst überrascht gewesen, als sie „nach Jahr und Tag hörten“, dass neben der publizierten Antwort auf die Papstnote „eine geheime Antwort abgegangen war (…). Ich habe mit (…) Kühlmann und (…) anderen Herren sehr oft (…) Besprechungen gehabt, nicht mit einer Silbe ist der Brief jemals erwähnt worden.“ 1613 Die Absendung des Schreibens vom 24. September an Pacelli völlig geheim zu halten, gelang aber nicht. Eine in den Münchner Neuesten Nachrichten enthaltene und von anderen Zeitungen und dem Wolffschen Telegraphenbüro kolportierte Meldung von einer neuerlichen deutschen Note an den Papst, in der es um Belgien gegangen sei, zwang schließlich Michaelis und Kühlmann zu einer Stellungnahme. Diese gab der Staatssekretär am 28. September 1917 im Hauptausschuss des Reichstages ab, indem er erklärte: „Vor allem will ich (…) auf die in den heutigen Morgenblättern ­erschienenen 1608 Pacelli an Gasparri, Ber. Prot.-Nr. 1603, 27. Sept. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 6007. 1609 Erzberger 1920, 282. 1610 Pacelli an Michaelis, Schr. 1214, 30. Aug. 1917, beigeschl. Salis an Gasparri, o. D., Erzberger 1920, 277 – 278, Michaelis 1922, 342 – 344, Lama 1925, 37, SG 2 1966, 376 – 378 Dok. 230. 1611 Michaelis Aussage vor 4. UnterA 14. Dez. 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/2 1928. 41 – 45. 1612 Kühlmann Aussage vor 4. UnterA 15. Dez. 1926, ebd. p 81. 1613 Scheidemann Aussage vor 4. UnterA 14. Dez. 1926, ebd. p 25.

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Frieden durch den Papst?

Nachrichten eingehen, es existiere eine deutsche Note über Belgien. Es ist eine der dreistesten Erfindungen, die mir jemals (…) vorgekommen ist. Sie ist wahrscheinlich französischen Ursprungs.“ 1614 Und als Stresemann namens seiner Fraktion einen Verzicht „auf Belgien und andere Faustpfänder“ ablehnte und die Regierung aufforderte zu erklären, dass es keine amtliche Note über ein Desinteressement an Belgien gebe, antwortete Kühlmann: Der Artikel in den ‚Münchner Neuesten Nachrichten‘ über die belgische Frage ist eine Redaktionsarbeit, für die daher (…) seitens der Reichsleitung die Verantwortung nicht übernommen werden kann. Seine Verbreitung durch das Wolffsche Bureau ist ohne Kenntnis des Reichskanzlers oder einer anderen leitenden Reichsstelle erfolgt.

Michaelis aber sagte im Hauptausschuss: „Ich muß den Standpunkt der Reichsleitung klar feststellen (…), daß ich zurzeit ablehnen muß, unsere Kriegsziele zu präzisieren. (…) Ich stelle fest: die Reichsleitung hat für mögliche Friedensverhandlungen freie Hand. Dies gilt auch für Belgien.“ 1615 Über die Aufnahme, die das Schreiben vom 24. September bei Pacelli fand, schrieb Naumann am 29. September an Eichmann: „Pacelli ist nicht mehr ganz so optimistisch wie früher und beklagt tief die belgische Sache. Selbst wenn wir Neutralen unter der Hand einiges über unsere Absichten mitgeteilt haben sollten, so hält er das (…) nicht für ganz genügend.“ 1616 Kritische Worte des Nuntius sind auch in einer Notiz des im Auswärtigen Amt tätigen Legationsrates Franz Xaver von Stockhammern über ein am 11. Oktober mit Pacelli geführtes Gespräch festgehalten: In (…), wie er betonte, (…) vom Geist der Freundschaft diktierten Ausführungen legte der Nuntius dar, daß er wie der Heilige Stuhl die Lage sehr pessimistisch ansähen. (…) – Über die Enttäuschung, die die publizierte Note (…) mit sich gebracht habe, sei man im Vatikan hinweggekommen und habe sich (…) der Einsicht nicht verschlossen, daß es der deutschen Regierung nicht möglich gewesen sei, sich anders (…) auszudrücken. Dagegen bedeute die sekrete Antwort (…) das vorläufige Scheitern der Friedensaktion des Heiligen Stuhles. England und auch der Papst hätten (…) eine brauchbare, wenn auch nur andeutungsweise Erwähnung der belgischen Frage erwartet (…).1617

1614 Erklärungen des Reichskanzlers (u. Kühlmanns) im RT-HA 28. Sept. 1917, F-B M (29. Sept. 1917), 2 – 3; Schiffers Koch Boldt 3 1981, 1735 – 1741. 1615 Ebd. 1616 Naumann an Eichmann, Brief 29. Sept. 1917, Steglich 1970, 454 Dok. 395. 1617 Stockhammern, Aufz. 13. Okt. 1917, ebd. pp 457 – 458 Dok. 399.

Eine besondere deutsche Erklärung über Belgien?

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Czernin war, wie ein Privatschreiben Hohenlohes an ihn zeigt, auch Anfang Oktober noch um eine Änderung der Haltung der deutschen Regierung bezüglich einer Erklärung über Belgien bemüht. In dem Schreiben des Botschafters heißt es: Ich habe in meinen Unterredungen mit Hr. v. Kühlmann natürlich auch die belgische Frage eingehend erörtert. (…) Kühlmann ist fest entschlossen, dermalen keine (…) Erklärung über Belgien, sei es officiell direkt an die Entente oder semi-officiell durch die Curie oder eine neutrale Macht, abzugeben. – Der St.Secr. begründet dies damit, dass ein jedes solches vor der Öffentlichkeit gemachte Anbot von der Entente ohne Zweifel werde zurückgewiesen werden – da sich dieselbe schon viel zu festgelegt habe – um vor allen Bundesgenossen auf deutsche Vorschläge einzugehen. (…) Wenn Hr. Erzberger erkläre er habe mit dem N ­ untius mit Wissen der Regierung verhandelt so sei dies pure Phantasie und ebenso gehörten alle diesbezüglichen Zeitungsmeldungen in den Bereich der Fabeln.1618 – Thatsächlich liege die Sache so, daß es ihm (Kühlmann) nach heftigen Kämpfen mit Reichstag und Oberster Heeres­ leitung gelungen sei, Belgien in seine Hand zu bekommen und er werde dies ganz im eigenen und E. E. Sinne auszunützen wissen um zu Friedensverhandlungen (…) zu gelangen. – Er wolle s­ olche Vorschläge aber vertraulich direct an England gelangen lassen (…) da er auf eine directe Anfrage (…) eine viel aufrichtigere und klarere Antwort erwarte als auf jedes officielle Angebot. – Falls sie trotzdem ablehnend ausfalle werde er allerdings nicht zögern – sein Angebot und die erhaltene Antwort zu veröffentlichen – damit auch nicht der leiseste Schatten des Verdachtes auf Deutschland haften bleiben könne – als habe d ­ ieses durch Rückhältigkeit und Unentschlossenheit die Schuld auf sich geladen, den Krieg zu verlängern. (…) Sollte England aber auf die von ihm gemachten Vorschläge eingehen – dann sei das Spiel gewonnen. (…) E. E. möchten die große Liebenswürdigkeit haben ihn in seiner Aktion nach Thunlichkeit zu unterstützen.1619

Mit den von Hohenlohe überlieferten Worten von einer „directen Anfrage an England“ bezog sich Kühlmann zweifellos auf den Versuch, durch Villalobar mit England ins Gespräch zu kommen. Wie Balfour diesen Versuch sah, ist einem Bericht des amerikanischen Botschafters in London, Walter H. Page, an Wilson vom 6. Oktober 1917 zu entnehmen. Dort heißt es nämlich:

1618 Steglich folgerte aus dem zitierten Satze etwas kühn, dass Czernin „an Hohenlohe ebenfalls einen Privatbrief gerichtet hatte“, in welchem „von Erzberger die Rede gewesen sein“ müsse und auch, „daß ­Hohenlohe zu Kühlmann von geheimen, mit Wissen der Reichsregierung geführten Verhandlungen ­Erzbergers mit Pacelli gesprochen haben“ müsse. Steglich 1 1964, 493 Anm. 520. 1619 Hohenlohe an Czernin, Privatschr. 2. Okt. 1917, HHStA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 94 – 94v, 97 – 97v u. 95 – 96, Druck orthogr. überarb. mit Auflösung aller Abkürzungen u. ohne Wiedergabe des Textes von ebd. fol. 97: Steglich 1970, 379 – 380 Dok. 328.

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Frieden durch den Papst?

Mr. Balfour (…) called the Ambassadors of the United States, France, Italy, Russia and Japan to meet him (…). He read us a telegram from the British Ambassador at Madrid saying that the Spanish Foreign Secretary had informed him that the Spanish Government had received a request to inquire whether the British Government would receive from Germany a communication regarding peace. (…) – Mr. Balfour then gave us each a copy of the British reply (…) to the (…) Ambassador at Madrid. It is as follows: – ‚His Majesty’s Government would be prepared to receive any communication that the German Government may desire to make in relation to peace (…).‘ – Mr. Balfour (…) expressed his strong suspicion that this move was only an effort to divide the allies. He suspects that Germany hopes to satisfy the United States and Great Britain by a proposition regarding Belgium, to satisfy France by a proposition regarding Alsace-Lorraine, and so all the way around separately dishearten one government after another. (…) I have strong but not conclusive evidence that the K ­ aiser sent for Villalobar, (…) who is an extreme pro-German and an unscrupulous intriguer, and that Villalobar conveyed the message to the Spanish Government.1620

5.6

Kaiser Karl schreibt an Papst Benedikt

Kaiser Karl hielt in Anbetracht der vermuteten Mitteilung der deutschen Regierung über ihre Absichten bezüglich Belgiens an den Vatikan den Zeitpunkt für gekommen, sein geplantes Schreiben an den Papst zu richten. Dies zeigt eine am 26. September aus Reichenau an Sektionschef Müller zur Weiterleitung an Czernin durchgegebene Depesche Demblins. In ihr heißt es: Seine (…) Majestät lassen Euer Exzellenz Erwägung anheimfallen, ob es angesichts der von Herrn von Kühlmann dem Apostolischen Nuntius gegenüber abgegebenen Erklärung bezüglich Belgiens nunmehr nicht an der Zeit wäre, das Allerhöchste Schreiben an (…) den Papst abzusenden. Doch würde Seine Majestät es für angezeigt erachten, daß dem Schreiben (…) zwei Zusätze eingefügt würden: – I. Daß zwar – wie schon erklärt worden sei – von einer Abtretung österreichisch-ungarischen Gebietes an Italien keine Rede sein könne, wohl aber eventuell eine Grenzrektifikation gegen entsprechende jenseitige zugestanden werden könnte. – II. Daß Oesterreich-Ungarn der Frage einer Wiederherstellung des staatlichen Bestandes Serbiens und Montenegros nicht von vornherein ablehnend gegenüberstehe. Dieser zweite Punkt müßte jedoch so gefaßt sein, daß daraus weder der Verzicht (…) auf territorialen Gewinn gegenüber diesen beiden Staaten abgeleitet werden könnte, noch auch den Aspirationen Bulgariens präjudiziert würde. – Für den Fall, daß Euer Exzellenz Vorstehendem beipflichten,

1620 Page an Wilson, Tel. 7355, 6. Okt. 1917, Link PWW 44 1983, 318 – 320.

Kaiser Karl schreibt an Papst Benedikt

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lassen Seine Majestät ersuchen, eine entsprechende Neuredaktion des Allerhöchsten Schreibens zu veranlassen.1621

Czernin beauftragte Sektionschef Baron Ladislaus Müller umgehend: „Ich ersuche Punkt I. zu entwerfen, jedoch vor Absendung mein Eintreffen abzuwarten. – Punkt II. ist nicht zu erwähnen.“ – Auf dem im Ministerium eingegangenen Telegramm findet sich der handschriftliche Vermerk: Laut telefonischer Meldung des Gf. Demblin vom 27.IX .17 soll (…) auf Ah. Auftrag das Wort ‚jenseitige‘ durch das Wort ‚Kompensationen‘ ersetzt werden. – Der Herr Minister, dem hievon Meldung erstattet wurde, hat angeordnet, dass der Neuredaktion der erste (sein, Czernins) Auftrag zu Grunde zu legen sei; er werde die Sache in ­diesem Sinne bei S.Mj. vertreten.1622

An Demblin telegrafierte Czernin: „Das aufgetragene Telegramm (…) wird entworfen. Punkt I lässt sich gewiss klar sagen, bezüglich Punktes II werde ich mündlich Seiner Majestät referieren.“ 1623 Weitere den Text des Schreibens an den Papst betreffende Wünsche gehen aus einer Notiz von Sektionschef Wiesner vom 3. Oktober 1917 hervor. In dieser heißt es: (…) der Herr Minister hat den Auftrag gegeben, den Entwurf (…) dahin zu ergänzen, dass im Anschluss an seine, am 2. Oktober l. J. in Budapest gehaltene Rede der Verzicht auf die Erwerbung von Gebiet am Balkan ausgesprochen, gleichzeitig jedoch der Vorbehalt gemacht werde, dass wir uns, falls unser Friedensangebot nicht alsbald angenommen werde, auch in dieser Frage volle Aktionsfreiheit vorbehalten. – Gleichzeitig haben Seine (…) Majestät durch den Grafen Demblin anzubefehlen geruht (…), dass in den Brief auch ein Passus aufgenommen werde, welcher, die mit Italien schwebenden Territorial-Fragen anbelangend, hervorhebt, es liege auch im päpstlichen Interesse, dass Oesterreich-Ungarn als erste katholische Macht aus ­diesem Krieg unversehrt hervorgehe.1624

1621 Demblin an M. d. Ä. (Müller), Tel.-Dep. 9791 u. Müller an Czernin, Tel. 3, 26. Sept. 1917, HHStA PA I, 524 XLVII/13.3 fol. 33 – 33v, idem: HHStA PA XL, 261 o. Fz., nach Erhalt der im Folgenden referierten Dep. Czernins an das M. d. Ä. (Müller) von Hand korrigierte Version des Textes: HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 182 – 182v, Druck: Steglich 1970, 376 Dok. 323. 1622 Czernin an M. d. Ä. (Müller), Tel. 1, 26. Sept. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 181, Druck: S­ teglich 1970, 377 Dok. 324 u. 325. 1623 Czernin an Demblin, Tel. 2, 26. Sept. 1917, HHStA PA XL, 261 o. Fz. 1624 Wiesner, Notiz 3. Okt. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 179, Druck: Steglich 1970, 380 Dok. 329.

464

Frieden durch den Papst?

Czernin hatte in Budapest gesagt: Wenn die internationale Abrüstung, die wir von ganzem Herzen ersehnen, von unseren heutigen Feinden angenommen, zur Tatsache wird, (…) können wir auf Vergrößerungen der (…) Monarchie verzichten, vorausgesetzt natürlich, daß auch der Feind unser eigenes Gebiet völlig geräumt hat. (…) ich würde es für ein Verbrechen halten, wegen irgendwelcher (…) Vorteile diesen Krieg auch nur einen Tag länger fortzuführen, als es die Integrität der Monarchie und die Sicherheit der Zukunft erfordert. Aus ­diesem Grunde allein bin ich für einen Verständigungsfrieden gewesen und bin noch heute für denselben (…).1625

In dem persönlichen Schreiben ­Kaiser Karls an Benedikt XV. hieß es schließlich: En exprimant (…) Notre fervent espoir, que l’accueil que Nos ennemis actuels feront à la démarche de Votre Sainteté, permettra d’entamer dans un prochain avenir, des pourparlers entre les belligérants (…). – Désireux de prêter tout Notre concours à la réalisation des idées (…) de Votre Sainteté, Nous n’avons pas manqué de faire valoir Notre influence auprès du Gouvernement Allemand afin qu’il se conforme, en ce qui concerne la question de la Belgique, aux vues de Votre Sainteté. – Convaincus que le Cabinet de Berlin (…) est inspiré comme Nous du désir d’arriver aussitôt que possible à une paix durable et honorable pour tous, Nous avons bien de croire que Notre intervention ne sera pas dépourvue de succès.

Der ­Kaiser erklärte weiters: Nous ne voulons pas omettre de parler à cette occasion de certaines aspirations territoriales que l’Italie croit devoir soutenir (…). Comme Nous et Notre Gouvernement l’avons déclaré à plusieurs reprises, la paix que Nous envisageons doit être une paix juste et durable (…). Or, la volonté de Nos peuples sans distinction de nationalité s’opposerait à la moindre concession territoriale en faveur de l’Italie. (…) – Peut-être pourrait on tout au plus prendre en considération au moment de la conclusion de la paix des rectifications de frontière réciproques ne changeant en rien l’équilibre territorial existant avant la guerre (…). – Les intérêts du Saint Siège se rencontrent à ce sujet avec les Nôtres, vu qu’il s’agit de maintenir la pleine intégrité de la première puissance catholique en Europe.1626

1625 Czernin, Rede in Budapest am 2. Okt. 1917 bei einem ihm von Min.-Präs. Wekerle gegebenen Diner, HHS tA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 216 – 219, Druck: F-B M (3. Okt. 1917), 1 – 3, Czernin 1919, 236 – 242 (unvollst.); Steglich 1970, 400 – 404 Dok. 348. 1626 Ks. Karl an Benedikt XV., Handschr. 4. Okt. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 177 – 178, Druck: Engel-Jánosi 1964, 397 – 399 Dok. 211, Steglich 1970, 381 – 382 Dok. 330, Rumi 1990, 35 – 36 Dok. 10, Kovács 2 2004, 258 – 259 Dok. 65.

Kaiser Karl schreibt an Papst Benedikt

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Was den Balkan betreffe, so gebe es „aspirations légitimes“ der Verbündeten der Monar­ chie, diese selbst könne, falls eine Friedensregelung zustande komme, auf Gebietserwerbungen verzichten. Sollten die Feinde sie aber zwingen, den Krieg fortzusetzen, so müsse sie sich die volle Handlungsfreiheit vorbehalten.1627 Mehr als die Hoffnung, dass die deutsche Regierung auf eine von ihm unternommene „intervention“ bezüglich Belgiens hin sich der Meinung des Papstes anschließen werde, konnte der ­Kaiser in dieser Sache also nicht vorbringen.1628 Die im Schreiben Michaelis’ an Pacelli vom 24. September enthaltene Erklärung, die deutsche Regierung hoffe „in nicht allzu ­ferner Zeit in der Lage zu sein (…) eine bestimmte Erklärung (…) im Hinblick auf Belgien“ abzugeben, kann wohl kaum als das Ergebnis einer Intervention ­Kaiser Karls angesehen werden. Das kaiserliche Handschreiben veranlasste Benedikt XV . nur zu dem Kommentar, den er auf den Bogen schrieb: „importante mais décourageante“.1629 Am 5. Oktober erreichte Czernin ein Bericht des Münchner Gesandten Brusselle, in dem dieser berichtete, Pacelli habe sich über die am 2. Oktober in Budapest bei einem ihm von Ministerpräsidenten Wekerle gegebenen Diner gehaltene Rede des Ministers „ausserordentlich günstig und befriedigt“ ausgedrückt. Der Nuntius habe übrigens erklärt, durch ihn s­ eien „keinerlei deutsche Propositionen bezüglich Belgiens, weder mündlich noch schriftlich, vermittelt worden“; die deutsche Antwort auf die Papstnote habe „leider (…) in bezug auf Belgien gar keine Klarheit geschaffen, (…) die Unklarheit erschwere ungemein die Fortsetzung der Bemühungen des Heiligen Vaters“. Der Papst werde in seinen Anstrengungen gewiss nicht erlahmen, der Kardinalstaatssekretär jedoch sei „‚très pessimiste‘ in seiner Beurteilung der Chancen für die Weiterführung der Verhandlungen durch den Heiligen Stuhl“.1630

1627 Ebd. – Kovács wusste mitzuteilen, der K ­ aiser habe dem Papst in seinem Schreiben versichert, „auf den dalmatinischen Inseln wäre ein Kompromiß herzustellen“. Kovács 1 2004, 222. Einen derartigen Passus sucht man in dem kaiserlichen Handschreiben (in dessen von Kovács publiziertem Text) vergebens. 1628 Zur Frage, worin denn die „intervention“ bestanden habe, schrieb Engel-Jánosi 1960, dies sei „nicht bekannt“, und 1964, dies könne „noch nicht erkannt werden“. Engel-Jánosi 2 1960, 322 bzw. Engel-Jánosi 1964, 78. Fakten, die eine Beantwortung dieser Frage ermöglichen würden, konnten auch in den mehr als fünfzig seither verstrichenen Jahren nicht entdeckt werden. 1629 Martini 1963, 384 – 385. 1630 Brusselle an Czernin, Ber. 56 C/P, 5. Okt. 1917, HHS tA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 243 – 243v, Druck: ­Steglich 1970, 455 – 457 Dok. 397.

466 5.7

Frieden durch den Papst?

Die Affäre um das Gespräch „mit Grafen X“

Ende September 1917 erhielt Kühlmann einen Brief des Reichstagsabgeordneten ­Conrad Haußmann von der Fortschrittlichen Volkspartei (FVP), mit dem dieser die Aufzeichnung eines Gesprächs übersandte, welches ein ihm „persönlich vertrauenswürdiger Gewährsmann mit dem Ministerpräsident (sic!) Grafen Czernin“ geführt habe. Die von ­diesem darin geäußerten Worte, „eine Erklärung Deutschlands über Belgien bringe, eine Unterlassung verderbe den Frieden“, lege Wien „die Beweislast und die Pflicht auf, seine Beweise nicht vorzuenthalten“.1631 In der Aufzeichnung ist Czernin offenbar nicht genannt, zumindest weist darauf der von Steglich publizierte Entwurf des S­ chriftstückes hin, in dem sein Name stets durchgestrichen ist.1632 In einer ebenfalls von Steglich veröffentlichten eigenhändigen Notiz Haußmanns vom 2. Oktober ist dazu festgehalten: Ich hatte vorigen Donnerstag (27. Sept. 1917) H(errn) v. H(aeften) mündlich über das Gespräch G.’s 1633 mit Grafen C(zernin) unterrichtet, der darauf sofort zu Kühlmann fuhr, ihn aber ohne psychologische Resonanz fand. – Am Freitag gab ich H. v. H. (…) den inzwischen von G. empfangenen Text ohne Namen. Er wollte ihn K(ühlmann) ­schicken, da er aber ­diesem meinen Namen genannt hat, war es richtiger, daß ich selbst den Text ohne Namen (sic!) mit Verdeutlichung im Begleitbrief Kühlmann übersandte. – Am Samstag (…) sagte mir Kühlmann: Ich habe Ihren Brief erhalten: ‚Ich kenne den nervösen Herrn‘, worunter er Czernin verstand. (…) – Heute, Mittwoch vormittag, berichtete mir Herr v. H. (…), Exzellenz L(udendorff) habe ihm aufgetragen, mir (…) zu sagen: (…) Für die Äußerung über Belgien komme in Betracht: In ­diesem Augenblick sei von der Entente keine Resonanz zu erwarten. Denn es stehen im Oktober große militärische Dinge der Entente bevor (…). – Es werde (…) nach der Schlußbilanz, die die nächsten Wochen für 1917 militärisch bringen, für alle Kriegführenden leichter und notwendiger sein, entgegenkommender Stellung zu nehmen, und dann werde die Erklärung über Belgien die Resonanz herbeiführen.1634

Hohenlohe berichtete Czernin in seinem Privatschreiben vom 2. Oktober 1917 auch, Kühlmann habe ihm streng vertraulich anvertraut, „in den Kreisen der linken Abgeordneten“ kursiere eine Aufzeichnung „über ein Gespräch eines dieser Herren mit einem der hervorragendsten österr. Staatsmänner, in dem dieser der Hoffnung Ausdruck gibt – 1631 Haußmann an Kühlmann, Schr. 29. Sept. 1917, Steglich 1970, 377 Dok. 326. 1632 Ber. über eine Unterredung des Gf. Czernin mit einem Besucher aus Deutschland 20. Sept. 1917, ebd. pp 368 – 369 Dok. 314. 1633 Steglich zufolge könnte es sich bei „G.“ um Bernhard Guttmann, den Leiter des Berliner Büros der Frankfurter Zeitung, gehandelt haben. 1634 Haußmann, Aufz. 2. Okt. 1917, Steglich 1970, 377 – 378 Dok. 327.

Die Affäre um das Gespräch „mit Grafen X“

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der (…) Reichstag möge die Regierung zu einer officiellen Erklärung bezüglich Belgiens zwingen“.1635 Die linken Parteien s­ eien in jeder Weise bestrebt, den Inhalt d ­ ieses Gespräches auszunützen. Hohenlohe schrieb: Da der St. Secr. andeuten zu wollen schien, daß E. E. selbst eine derartige Unterredung (…) gehabt hätten – bemerkte ich, dies scheine mir ganz ausgeschlossen, da E. E. meines Wissens in der letzten Zeit gar kein (…) Reichstagsmitglied empfangen hätten. Es würde mich aber sehr interessieren, diese Aufzeichnung zu haben – worauf mir (…) Kühlmann versprach sie mir zukommen zu lassen.1636

Zwei Tage s­ päter konnte Hohenlohe die Aufzeichnung Czernin übersenden und bemerkte, Kühlmann zufolge herrsche in Abgeordnetenkreisen die Ansicht vor, „es handle sich um ein Gespräch mit E. E.“.1637 Im Wiener Außenministerium wurde die Aufzeichnung nicht zusammen mit ­Hohenlohes Schreiben abgelegt, erhalten ist jedoch eine von K ­ aiser Karl durch D ­ emblin an Czernin gesandte „Abschrift“ der Aufzeichnung, die Cramon am 8. Oktober dem ­Kaiser vorgetragen hatte. In der Abschrift heißt es: Der Besucher: Kommt der Friede? – Graf X: Das hängt von Deutschland ab. Erklärt Deutschland (…), dass es auf Belgien verzichtet, so ist der Friede da. Belgien muß neutralisiert werden wie die Schweiz. Das ist der beste Schutz für Deutschland (…). Dieses Zugeständnis muß Deutschland machen. Gebietsabtretungen darf man ihm nicht zumuten; und wenn es hier Leute gibt, die davon sprechen, es solle Teile von Elsaß-Lothringen abtreten, so ist das natürlich Unsinn. Aber Deutschland muß sich endlich zu einer Erklärung über die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens aufschwingen, die keinen Zweifel mehr gestattet. (…) So wie Bethmann Hollweg jahrelang gesprochen hat und auch der neue Reichskanzler begonnen hat zu sprechen, geht es nicht mehr weiter. (…) Und wenn die (…) Regierung sich nicht (…) zu dieser Klarheit entschließt, so muß der (…) Reichstag sie von ihr fordern. (…) Bleibt die Mehrheit des Reichstages fest, (…) nötigt sie die Regierung zu einer klaren Stellungnahme (…), so wird das einen vorzüglichen Eindruck in der Welt machen (…). – Der Besucher bemerkte, daß vielleicht die Militärs einer bedingungslosen Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens widersprechen würden. – Graf X: Der Friede ist reif. Wird er durch die Schuld Deutschlands verdorben, so kann ich für nichts mehr einstehen. Ich habe es oft genug gesagt, – will man mich in Deutschland nicht hören, so wasche ich meine Hände in Unschuld. Dann ist die Situation hier nicht mehr 1635 Hohenlohe an Czernin, Privatschr. 2. Okt. 1917. Vgl. oben Fußnote 1440. 1636 Ebd. 1637 Hohenlohe an Czernin, Privatschr. „Concept“ 4. Okt. 1917, HHS tA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 90; Druck: Steglich 1970, 383 Dok. 331.

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Frieden durch den Papst?

zu halten. – Der Besucher warf hier ein, daß er in der Tat während eines zweimonatlichen Aufenthaltes in Österreich überall eine große Mißstimmung gegen Deutschland gefunden habe. – Graf X: (…) Erzählen Sie das zu Hause, sagen Sie es allen Ihren Bekannten im Reichstag! Sagen Sie ihnen, daß der Friede in der Luft liegt, daß aber zugleich furchtbare Eventualitäten drohen. Sie haben hier nur mit Deutschen gesprochen. (…) Bei den Tschechen herrscht ein wilder Haß gegen Deutschland, bei den Südslaven ist es nicht besser. Und in Ungarn – Sie wissen, wie groß die Begeisterung für Deutschland in Ungarn war. Aber gerade heute waren sehr maßgebende Herren aus Ungarn bei mir, die ganz unumwunden erklärt haben, daß Ungarn sich nicht von den deutschen Annexionisten weiter in den Krieg hineinreißen lassen will. Wird der Friede durch Deutschland verdorben, so nehmen hier die Dinge ihren Lauf. (…) Springen wir ab, so müssen die Türkei und Bulgarien das Gleiche tun (…). Dann steht Preußen allein gegen die ganze Welt. Ich selbst bin ein Gegner der Loslösung (…) vom Bündnis mit Deutschland, nicht nur wegen der Ehrenfrage, (…) sondern auch, weil ich es den Interessen Österreich-Ungarns für schädlich halten würde (…). Aber kein Minister kann, wenn der Krieg durch die Schuld Deutschlands sich verlängert, hier den Lauf der Entwicklung aufhalten. Sagen Sie das in Deutschland! (…) Sagen Sie es allen, daß es eine höchst kritische Stunde ist, daß die Mehrheit des Reichstags den Frieden und die Zukunft Deutschlands in der Hand hält.1638

Czernin antwortete Hohenlohe am 6. Oktober, die Aufzeichnung enthalte „teils frei erfundene Lügen, teils Aeusserungen die (… er) Mitgliedern der öst. ung. Delegation gegenüber gemacht habe, als dieselben eine energischere Haltung (…) gegenüber Berlin verlangten“. Botschafter Wedel habe ihm tags zuvor „spontan von der gleichen Sache gesprochen und mitgeteilt, daß die Anklagen (…) gar nicht von der Wilhelmstraße, sondern von der (…) OHL“ stammten.1639 Von dieser Stellungnahme Czernins setzte Hohenlohe Kühlmann in Kenntnis,1640 der sie am 9. Oktober Haußmann mitteilte.1641 Einer der Abgeordneten, die zur Kenntnis des Gesprächs „mit Grafen X“ gelangten, war Scheidemann. Er sagte 1926 vor dem Untersuchungsausschuss: Zu mir kam ein Bekannter, der in Wien gewesen war, ein sehr angesehener Journalist. Der hatte mit (…) Czernin über die ganze (päpstliche) Aktion gesprochen. Die Mitteilung, die mir der Herr machte, war so wichtig, daß ich ihn gebeten habe, sie aufzuzeichnen und mir zu übergeben.1642 1638 Ber. über eine Unterredung des Gf. X mit einem Besucher aus Deutschland am 20. Sept. 1917, Anl. zu: Demblin an Czernin (Semmering), Tel. 1 u. 2, 8. Okt. 1917, HHStA PA XL, 263 o. Fz. 1639 Czernin an Hohenlohe, Tel. 611, 6. Okt. 1917, HHStA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 89, Druck: Steglich 1970, 383 – 384 Dok. 332. 1640 Hohenlohe, Notiz für Kühlmann 6. Okt. 1917, ebd. fol. 81 – 88v bzw. p 384 Dok. 333. 1641 Kühlmann an Haußmann, Schr. 9. Okt. 1917, Steglich 1970, 386 Dok. 335. 1642 Scheidemann Aussage 15. Mai 1926, WUA 4. Rh., 2. Abt. 7/1 1928. 297 – 299.

Die Affäre um das Gespräch „mit Grafen X“

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Die ihm daraufhin ausgefolgten Aufzeichnungen glichen jenen, die Kühlmann von ­ außmann erhalten hatte. Als Scheidemann mit ihnen Kühlmann aufsuchte und d H ­ arauf hinwies, dass es sich bei dem Gesprächspartner des Journalisten um einen österreichischen Staatsmann handle, habe der Staatssekretär gemeint: „Also sagen wir, es war Czernin. Ach Gott, wissen Sie, der ist sehr nervös. Wenn ich ihn zur Rede stelle, ob er das gesagt hat, schwört er zehn Eide, daß er nie etwas Derartiges gesagt habe.“ 1643 Die OHL befasste Generalleutnant Cramon mit der Angelegenheit. Dieser meldete am 10. Oktober Hindenburg, er habe bereits auf Wunsch des Generals Arz ­Kaiser Karl in der Sache Vortrag gehalten und „über das Ergebnis dieser (…) Besprechung“ ­Kaiser Wilhelm bei dessen Durchreise durch Wien Bericht erstattet. In Cramons Meldung an Hindenburg heißt es: Der ­Kaiser Karl sagte mir, dass (…) Czernin der ganzen Sache gänzlich fern stünde. Der Graf habe in den letzten Monaten überhaupt keinen Deutschen empfangen, geschweige denn am 20.9. – Gewiss habe er mit österreichischen wie ungarischen Politikern die Friedensfragen des öfteren erörtert und auf deren Wunsch hin zugesagt, in Deutschland für den Frieden zu wirken; in (…) der geschilderten Weise habe er sich nie ausgesprochen, sodass hier entweder eine Verwechselung mit (sic!) der Persönlichkeit (…) oder aber ein künstliches Zusammentragen von dann und wann (…) getanen Äusserungen vorzuliegen schiene. – Über die Bundestreue Österreich-Ungarns könne keinerlei Zweifel herrschen, nachdem zum Beispiel auch wiederholte Angebote der Entente, die Österreich für einen Sonderfrieden eine glänzende Stellung in Europa versprochen hätte, ohne weiteres abgelehnt worden wären. – (…) Der ­Kaiser garantiere aber, dass, solange Er etwas zu sagen habe, eine Untreue Deutschland gegenüber ausgeschlossen sei. – Die Kriegsziele Deutschlands hinsichtlich Belgiens und (…) trotz Zustimmung zur Selbständigkeit ­dieses Staates Sicherungen dafür zu schaffen, dass Frankreich und England nicht abermals von Belgien aus Deutschland bedrohen könnten, schienen Sr. Majestät einzuleuchten; der Hohe Herr äusserte den Wunsch, mit (…) Czernin und mir zusammen diese Frage nochmals zu besprechen, damit für die Zukunft Missverständnisse ausgeschaltet würden; auch sollte dabei festgelegt werden, ­welche (…) schriftliche Garantien dafür gegeben werden könnten, dass Österreich nicht abspringen werde. – (…) Unser Allergnädigster K ­ aiser hat mir befohlen, Euerer Exzellenz zu melden, dass er angesichts dieser loyalen Erklärung Seiner Apostolischen Majestät (…) auf schriftliche Garantien verzichte. – Zum Schluss baten Seine (…) Majestät, doch ja keine Schritte zu tun, die auf einen ev. Sturz des Grafen Czernin hinzielten. Der Graf sei unzweifelhaft deutschfreundlich (…) und einen deutschfreundlicheren Minister des Äussern werde Er (…) nicht finden können.1644 1643 Ebd. 1644 Cramon an Michaelis, Schr. 6128, 10. Okt. 1917, Anl.: Cramon an Hindenburg, 10. Okt. 1917, SG 2 1966, 497 – 499 Dok. 285, Steglich 1970, 386 – 388 Dok. 336.

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Frieden durch den Papst?

Eine Abschrift seines Vortrags sandte Cramon über Befehl ­Kaiser Wilhelms am 10. Oktober an Michaelis.1645 Unmittelbar auf Cramons Vortrag hin hatte K ­ aiser Karl am 8. Oktober Demblin an Czernin telegrafieren lassen, der General habe ihm den beigeschlossenen Bericht über eine Unterredung, die Haußmann „mit einer ‚österreichischen Persönlichkeit‘ gehabt haben will“, unterbreitet. Cramon habe gesagt: Effekt ­dieses Berichtes könnte nur wettgemacht werden durch Brief Baron Arz’s an Ludendorff, des Inhalts, dass wir Deutschlands Kriegsziele zu unseren eigenen machen. – Seine Majestät hat Cramon auf aus obigem Bericht geschöpften, mehr minder deutlich vorgebrachten Verdacht, dass wir ausspringen möchten, entsprechend geantwortet worauf C(ramon …) meinte, dass dann Notwendigkeit erwähnten Briefes entfalle. – Auf Zumutung uns mit deutschen Kriegszielen zu identifizieren ging S. M. nicht ein, sondern erklärte, dass er Angelegenheit mit E. E. besprechen und Cramon dieser Unterredung zuziehen werde. – Im Verlaufe Audienz bestätigte Cramon nicht nur das was ich E. E. schon gestern gemeldet habe, sondern erklärte sogar, K ­ aiser Wilhelm würde eher auf unsere weitere Bundesgenossenschaft als auf Lüttich verzichten und Krieg sogar gegen Willen deutschen Volkes weiterführen bis ­dieses Ziel erreicht! – Zugleich brachte er versteckte Drohung vor, dass Offensive gegen Italien eventuell deutscherseits aufgegeben würde, wenn wir nicht einlenken.1646

Im weiteren Text der Depesche richtete sich ­Kaiser Karl selbst an Czernin: K(aiser) W(ilhelm) behauptete mir dies gelegentlich der Unterredung von (Wort fehlt) mitgeteilt zu haben, was nicht stimmt, nachdem mir der K. damals erklärte Belg(ien) gänzlich restituieren, und sich nur gewisse eisenbahntechnische u. wirtschaftliche Cautelen sichern zu wollen. Gen. Cr(amon) erklärte mir, dass K. W. sogar in dem Falle, dass wir ausserstande wären, den Krieg weiterzuführen wegen Lüttichs allein den Krieg fortsetzen würde: Er habe die Grenzrektifikation bei Lüttich auch in England verlangt. Ich glaube, dass dadurch engl. Aktion (…) illusorisch wird. Die Hauptaufgabe Gen. C’s bestand darin, zu sondieren, ob wir (…) durch innerpol. Verhältnisse genötigt wären Deutschland in Stich zu lassen. Ich erwiderte sehr kategorisch, dass von alldem keine Rede wäre u. dass ich unbedingt Herr im eigenen Land sei. (…) Schliesslich brachte er versteckte Drohung vor, die Offensive in Italien nicht zu (unterstützen), wenn wir nicht sicher wären. – Nach all dem kam ich auf obiges Schriftstück zurück u. erklärte ihm kategorisch, dass wir mit demselben absolut nichts zu tun hätten u. dass mich u. Österreich alle diese Verdächtigungen schwer kränken. (…) dem Anwurfe dass Sie (Czernin) zuviel 1645 Ebd. 1646 Demblin (u. Ks. Karl) an Czernin (Semmering), Tel. 1 u. 2, 8. Okt. 1917, HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck ohne die Worte des Kaisers: Steglich 1984, 425 – 426 Dok. 322.

Die Affäre um das Gespräch „mit Grafen X“

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die Friedensbereitschaft betonen, begegnete ich damit, dass ich sagte, dass Sie alles mit meiner Kenntnis tun u. ich das vollste Vertrauen zu Ihnen habe. (…) Das traurige Resumé (…) ist, dass die Deutschen scheinbar wieder durch ihre Dummheit den engl. Frieden vereitelt haben.1647

In einer weiteren Depesche hatte Demblin an Czernin berichtet: S. M. wollte unter Eindruck der Erklärungen Cramons Reise 1648 sofort abbrechen (…). Ich glaubte S. M. davon abraten zu sollen, darauf hinweisend, dass Er (…), da Cramon (…) Grund plötzlicher Rückreise natürlich erraten würde, zu sehr zeigen würde, ­welche Bedeutung Er Sache beimisst (…) Reisedispositionen bleiben nunmehr aufrecht, doch hat S. M. (…) geäussert, (…) gleich nach Rückkunft E. E. am Semmering aufzusuchen. Zusammentreffen mit ­Kaiser Wilhelm findet nicht statt.1649

Am 11. Oktober telegrafierte Czernin an Botschafter Hohenlohe: Seine Majestät hat verschiedene sich widersprechende Nachrichten über Demarchen erhalten, ­ elche die deutsche Regierung in Ergänzung der Papstnote gemacht haben soll. – Die eine vom w General Cramon aus Kreuznach überbrachte lautet dahin, daß Deutschland den Lütticher Kreis für sich verlangt, die zweite von dem deutschen K ­ aiser herrührende (…) besagt, daß Deutschland in London habe sagen lassen, es verlange keine Annexion belgischen Gebietes und wolle alles Nähere direkt mit dem König von Belgien ausmachen. – Eine dritte Nachricht stammt von unserem Gesandten aus dem Haag, der meldet, daß die Entente in London beschlossen hätte, das deutsche Angebot zurückzuweisen, ohne jedoch anzugeben, welcher Art d ­ ieses Angebot sei. – Einige Spuren weisen darauf hin, daß Spanien, andere, daß der Vatikan die einschlägige Vermittlerrolle ausübt. – Seine Majestät ersuchen (…) in Erfahrung zu bringen, ob und ­welche geheimen Messagen in der belgischen Frage nach London gegangen sind.1650

Am selben Tag sandte Czernin an Kühlmann, der sich auf einer Reise nach Sofia und Konstantinopel befand, eine Depesche, in der es hieß: In Anbetracht der Message, ­welche General Cramon meinem Kaiserlichen Herrn überbracht hat (…) ist eine Aussprache z­ wischen Euer Exzellenz und meiner Wenigkeit äußerst erwünscht,

1647 Ebd. 1648 Zur Heeresgruppe Linsingen. 1649 Demblin (Hofzug) an Czernin (Semmering), Tel. 3, 8. Okt. 1917, HHS tA PA XL , 263 o. Fz., Druck: ­Steglich 1984, 427 Dok. 323. 1650 Czernin an Hohenlohe, Tel. 2, 11. Okt. 1917, HHStA PA I, 841 Krieg 4k fol. 9 – 9v, idem: HHStA PA I, 963 Krieg 27α fol. 83 – 83v; Druck: Steglich 1984, 431 – 432 Dok. 326.

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Frieden durch den Papst?

um gewisse (…) schädliche Mißverständnisse definitiv aus der Welt zu schaffen. – Ich ersuche Euer Exzellenz daher dringendst, sich auf Ihrer Rückreise in Wien aufhalten zu wollen. – Mein Kaiserlicher Herr ist hochbeglückt durch die Message (…) des Kaisers Wilhelm, w ­ elche ihm heute von General Cramon überbracht wurde und w ­ elche besagt, daß Deutschland absolut keine territorialen Erwerbungen in Belgien beabsichtigt und sich (…) direkt mit König Albert verständigen will. (…) – Ich bin nicht orientiert über die Absichten der (…) deutschen Regierung in der belgischen Frage und wäre äußerst dankbar, wenn Euer Exzellenz auch d ­ ieses 1651 Thema in das Gebiet unserer Wiener Besprechung einbeziehen wollten (…).

Am 12. Oktober berichtete Hohenlohe: Es ist für mich infolge der Abwesenheit Herrn von Kühlmanns dermalen sehr schwer, (…) Auskünfte darüber zu erhalten, ob und ­welche geheimen Messagen deutscherseits in der belgischen Frage nach London gegangen sind. Ich habe aber heute noch mehrfach Gelegenheit genommen, im Auswärtigen Amte und auch anderwärts ­dieses Thema zur Sprache zu bringen und von den betreffenden Herren (…) die Antwort erhalten, sie müßten doch hierüber etwas wissen, tatsächlich sei ihnen aber diesbezüglich gar nichts bekannt. – Was die Nachricht General Cramons anbelangt, so halte ich sie nicht für richtig, da mir (…) Kühlmann zu oft erklärt hatte, das Verfügungsrecht über Belgien habe er von der obersten Heeresleitung für sich erkämpft, was er ja (…) auch in seiner Reichstagsrede (vom 9. Oktober) erklärt hat. Ist dies nicht der Fall, so hätte er nicht nur mich, sondern auch den (…) Reichstag angelogen, was mir unwahrscheinlich vorkommt. – Was die Bemerkung des deutschen Kaisers anbelangt, so könnte es vielleicht sein, daß der Höchste Herr in seiner impulsiven Art einen eventuell in Aussicht genommenen Schritt bereits als vollzogen bezeichnet hat. – Eine der Meldung unseres Gesandten im Haag analoge Mitteilung ist (…) hieher gelangt, wurde mir aber (…) als englisches Machwerk bezeichnet, mit der Absicht (…), sich mit dem Refus d ­ ieses nicht näher bezeichneten Anbotes zu brüsten. (…) – Kühlmann hat mir (…) immer nur wiederholt, die Rederei, es sei (…) eine Demarche in England (…) erfolgt, sei ‚pure Phantasie‘. (…) Er arbeite unausgesetzt daran, den richtigen Kanal ausfindig zu machen, um sich mit England in Verbindung zu setzen (…). – Später erwähnte (er, …), die Engländer schienen leider noch immer entschlossen, das französische Verlangen nach Elsaß-Lothringen zu unterstützen; er hoffe aber, sie würden dies (…) aufgeben, und sei dies einmal geschehen, wäre man dem Frieden sehr nahe. (…) – Falls sich diesbezüglich Neues ereignet hat, bin ich überzeugt, daß Kühlmann Euer Exzellenz (…) gelegentlich seiner Rückreise Mitteilung machen wird.1652 1651 Czernin an Otto Czernin für Kühlmann, Tel. 1, 11. Okt. 1917, HHStA PA I, 841 Krieg 4k fol. 2 – 3v (Entw.), 4 – 4v (Ausfertigung); Druck: Steglich 1984, 430 – 431 Dok. 325. 1652 Hohenlohe an Czernin, Tel. 663, 12. Okt. 1917, HHStA PA I, 841 Krieg 4i fol. 7 – 8, Druck: Steglich 1984, 432 – 433 Dok. 327.

Nach Flitsch und Tolmein – Annexion italienischer Gebiete?

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Nach Flitsch und Tolmein – Annexion italienischer Gebiete?

Nach dem am 24. Oktober 1917 bei Flitsch und Tolmein erfolgten Durchbruch der österreichisch-ungarischen und deutschen Truppen durch die italienischen Stellungen, der Einnahme weiter Teile Venetiens und dem Vorschieben der Front bis zum Piave war der Vatikan darum bemüht, die Zusicherung zu erhalten, dass die Monarchie keine Angliederung italienischen Territoriums beabsichtige. Im Tagesbericht des Ministeriums des Äußern vom 17. November hielt Sektionschef Flotow fest: Der päpstliche Nuntius hat hier das Ersuchen gestellt, (…) dem Herrn Minister nachstehendes zu unterbreiten: – Der Heilige Vater bittet, Ihm womöglich eine Zusicherung darüber zukommen zu lassen, daß Österreich-Ungarn sich nicht mit der Absicht trägt, das (…) besetzte Gebiet (…) oder Teile desselben zu annektieren. – Ein jedes solches Vorhaben, das in offenem Widerspruch zu Seiner Friedensnote stünde, würde Ihm (…) die Fortsetzung seiner Bemühungen um die Wiederherstellung des Friedens unmöglich machen.1653

Czernin führte daraufhin ein Gespräch mit Nuntius Valfrè, worüber es in seiner vom 18. November datierten Notiz heißt: In Beantwortung der (…) Anfrage des Nuntius habe ich demselben (…) mitgeteilt: – Wir hätten niemals (…) Krieg mit Italien gesucht. Italien (…) hat uns angefallen, um uns Provinzen zu rauben. Nun sei die Sache anders ausgefallen, und wir stünden tief (…) auf italienischem Gebiete. Jetzt zu uns kommen und von uns verlangen, wir möchten à tout jamais auf italienisches Gebiet verzichten, sei doch ein Ding der Unmöglichkeit. Das hiesse (…): Wenn wir bei Kriegsende noch italienisches Gebiet besetzt haben, müssen wir es herausgeben; wenn die Italiener aber österreichisches besetzt haben, können sie es behalten. (…) – Auf die Frage (…), ob kein italienisches Friedensangebot vorläge, erwiderte ich, mir sei nichts dergleichen bekannt, aber selbstverständlich würde sich unser Standpunkt ändern, wenn ein Angebot erfolgen würde und wenn der Verzicht auf fremdes Territorium (…) von Italien ebensogut wie von uns festgelegt würde. Ich fügte dem hinzu, dass wir den allergrössten Wert darauf legen, dass der Heilige Vater (…) die Intentionen meines Handelns verstehen möge. Der Nuntius erwiderte (…) der Heilige Vater werde es ganz gewiss verstehen, es sei tatsächlich eine (…) Zumutung, einseitig verzichten zu sollen. – Die Unterredung schloss in freundschaftlichster Form mit wiederholten Wünschen des Nuntius, die italienische Regierung möge endlich einen Frieden anbieten.1654 1653 Flotow, Tagesber. 6018 p. d., 17. Nov. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 Entw. fol. 201 – 201v, Ausfertigung fol. 202, Druck: Steglich 1970, 464 Dok. 405. 1654 Czernin, Notiz ad circulandum bei den auswärtigen Missionen 18. Nov. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 196 – 196v u. 198, Druck: Steglich 1970, 465 Dok. 406.

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Frieden durch den Papst?

Demblin telegrafierte in dieser Sache am Tag darauf an Czernin: Seine Majestät fragte mich, was Euer Exzellenz dem Nuntius, falls dieser die ihm anbefohlene Demarche wegen Verzichtes unsererseits auf jegliche Annexion (…) ausführen sollte, antworten würden (…). Ich antwortete, ich nähme an, daß Euer Exzellenz (…) aus inner- wie außerpolitischen Gründen nicht daran dächten, italienisches Gebiet zu annektieren, es sei denn, daß eventuell (…) kleine Grenzrektifikationen im Gebirge verlangt würden (ein Verlangen, dem von (…) militärischer Seite sehr das Wort geredet wird). – Seine Majestät erklärte ­hierauf, daß Er auch gegen Grenzrektifikationen sei und daß Er hoffe, Euer Exzellenz würden dem Nuntius über unsere territoriale Anspruchslosigkeit gegenüber Italien keinen Zweifel lassen; Seine Majestät glaube, daß dies in Italien großen Eindruck machen und die Stellung der dortigen Friedensfreunde sehr stärken würde. (…) – Seine Majestät (…) beauftragte mich (…), Euer Exzellenz für alle Fälle zu melden, daß (…) wir von Italien territorial nichts, auch keine Grenzrektifikationen verlangen sollten.1655

Nuntius Valfrè konnte am 21. November an Gasparri berichten: „Ho potuto ieri consegnare personalmente lettera S. Padre a Sua Maestà (…).“ Aus den Worten des Kaisers und aus solchen Czernins glaube er folgern zu können, „che non si nutrono propositi di annessione“. Andererseits aber wolle man „assolutamente finire una volta per sempre con le aspirazioni irredentiste“, und zwar durch einen Verzicht Italiens „a tali aspirazioni“.1656 Eine gleichartige Demarche wie Valfrè hatte auf Weisung Gasparris 1657 Nuntius Pacelli am 15. November bei dem eben erst zum Reichskanzler ernannten Grafen Hertling unternommen und d ­ iesem folgende Notiz übergeben: „Angesichts der beständig fortschreitenden österreichisch-deutschen Offensive (…) beschwört der Heilige Stuhl (…) die Kaiserlichen Regierungen (…), jede Absicht auf Annexion (…) aufzugeben, entsprechend dem im päpstlichen Aufruf enthaltenen Grundsatze.“ 1658 Am selben Tag berichtete Pacelli, Hertling sei der Meinung, dass Österreich an keine Annexion denke. Die Frage, ob er den Moment für eine neuerliche päpstliche Friedensaktion geeignet halte, habe Hertling verneint, obschon Czernin eine ­solche wünsche und ­Kaiser Karl den Heiligen Stuhl bitten wolle, Italien begreiflich zu machen, dass es, wenn es sich nicht sehr rasch zu Verhandlungen bereit erkläre, den Ruin und die Revolution zu gewärtigen habe. Hertling glaube nicht an die Möglichkeit einer Loslösung Italiens von England, von dem es, was Lebensmittel und Kohle betreffe, abhängig sei. 1655 Demblin an Czernin, Tel. 35, 19. Nov. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 195 – 195v, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck: Steglich 1970, 465 – 466 Dok. 407. 1656 Valfrè an Gasparri, Tel. (Nr. ?), 21. Nov. 1917, Rumi 2003, 270. 1657 Gasparri an Pacelli, Tel. 12, 14. Nov. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 3362. 1658 Prittwitz an A. A. (Pacelli, Notiz für Hertling) 15. Nov. 1917, Steglich 1970, 464 Dok. 404.

Nach Flitsch und Tolmein – Annexion italienischer Gebiete?

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Was Elsass-Lothringen anbelange, so sei Hertling nicht gegen Grenzkorrekturen, bei denen „alcuni punti nazionalità Francese“ abgetreten werden könnten, ein Eintreten in derartige Diskussionen erachte er jedoch als nicht angezeigt.1659 Am 21. November 1917 sandte der deutsche K ­ aiser aus Anlass des Sterbetages ­Kaiser Franz Josephs an ­Kaiser Karl einen Brief, in dem es hieß: Es liegt durchaus nicht im Rahmen meiner Politik, durch Förderung annexionistischer Aspirationen, insbesondere in der belgischen Frage, eine Verlängerung des schweren Kampfes zu riskieren. Wir verfolgen in Belgien kein anderes Ziel, als zu verhindern, dass es von unseren heutigen Gegnern in Zukunft als Offensivbrückenkopf gegen uns ausgenutzt werden kann. Die Wiedererrichtung eines wirklich nach allen Seiten neutralen Belgiens ist mit der Politik meiner Regierung vollkommen vereinbar.1660

Der Brief wurde zusammen mit einem Begleitschreiben Botschafter Wedels am 22. November Czernin überreicht.1661 Über die Aufnahme, die der Brief bei K ­ aiser Karl fand, berichtete Demblin am 24. November an Czernin: S. M. erblickte in dem mittleren Satz (wir verfolgen u. s. w.) eine erneute Hinterhältigkeit; ich glaubte demgegenüber darauf verweisen zu sollen, dass der Passus (…) einen grossen ­Fortschritt bedeute, da annektionistische Tendenzen zum erstenmal klar von sich gewiesen würden und dass speziell das Wort ‚Wiedererrichtung‘ im letzten Satz uns die Handhabe bieten könnte, K ­ aiser Wilhelms Worte (…) als Versprechen der von den Gegnern verlangten Wiederherstellung auszulegen.1662

Noch am 24. November berichtete Demblin: „Seine Maj. kam (…) darauf zurück, dass ihn auf Belgien bezüglicher Passus des Briefes ­Kaiser Wilhelms nicht befriedige. – Die (…) zu erteilende Antwort werde er mit Euer ~ nach seiner Rückkunft nach Laxenburg besprechen.“ 1663

1659 Pacelli an Gasparri, Tel. 44, 15. Nov. 1917, ebd. Dok. 6065. 1660 Ks. Wilhelm an Ks. Karl, Handschr. 21. Nov. 1917, zit. nach: Demblin an Czernin, Tel. 12, 24. Nov. 1917, HHStA PA III, 175 Varia 1917 fol. 81 – 81v (unvollst.), idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. (unvollst.), Druck: Steglich 1984, 436 – 437 Dok. 332 (vollst.). 1661 Wedel an Czernin, Begleitschr. 22. Nov. 1917, HHStA PA III, 175 Varia 1917 fol. 79. 1662 Demblin an Czernin, Tel. 11, 24. Nov. 1917, ebd. fol. 80 – 80v, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck: Steglich 1984, 438 Dok. 333. 1663 Demblin an Czernin, Tel. 13, 24. Nov. 1917, HHStA PA III, 175 Varia 1917 fol. 80 – 80v, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck: Steglich 1984, 439 Dok. 335.

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Frieden durch den Papst?

Den am 22. Oktober z­ wischen Czernin und Kühlmann akkordierten „unverbind­lichen Richtlinien (…) betreffend die Kriegsziele sowie die weitere Orientierung Deutschlands und Oesterreich-Ungarns“ zufolge sollte die Monarchie nämlich mit dem Reich unter „ganz bestimmten Bedingungen ein zwanzigjähriges Schutz- und Trutzbündnis (…) und eine militärische Abmachung von derselben Dauer“ schließen, Deutschland sich aber verpflichten, „in der belgischen Frage eine Lösung anzunehmen, w ­ elche dafür garantiert“, dass diese „kein Friedenshindernis bildet. Keine Vergewaltigung weder in territorialer noch in staatsrechtlicher Hinsicht, sondern ein direkter Vergleich mit dem Könige von Belgien (…).“ 1664 Czernin erklärte am 6. Dezember vor dem Ausschuss für Äußeres der ungarischen Delegation, die Monarchie sei sich (…) auf der Basis die hier (…) ungeteilte Zustimmung gefunden hat, ­welche im deutschen Reichstag als Richtlinie für die Kriegsziele festgelegt wurde, und ­welche (…) Dr. von Kühlmann (…) sehr klar und deutlich präzisiert hat, indem er den Satz aussprach: ‚Es gibt kein Friedenshindernis als Elsaß-Lothringen’ (mit Deutschland einig.) Wenn mir nun von mancher Seite der Vorwurf gemacht wird, (…) daß diese Politik uns zwinge, den Krieg länger fortzusetzen, als es sonst der Fall wäre, ja daß wir für deutsche Eroberungen kämpfen müßten, so setzte ich (…) ein kategorisches ‚Nein‘ entgegen. Wir kämpfen für die Verteidigung Deutschlands eben so gut, wie Deutschland für die unsere. (…) Wenn jemand fragt, ob wir für Elsaß-Lothringen kämpfen, so antworte ich: Jawohl, wir kämpfen für Elsaß-Lothringen genau so wie Deutschland für uns kämpft und für Lemberg und Triest gekämpft hat. Ich kenne da keinen Unterschied ­zwischen Straßburg und Triest.1665

Weiters sagte der Minister: „Italien kann heute in bestem Falle hoffen, den Status quo ante bellum zu erreichen. (…) Ich habe ein Ziel und das heißt: Die baldigste Erreichung eines ehrenvollen Friedens. Dabei weigere ich mich, unseren Feinden Prämien auf die Kriegsverlängerung auszusetzen.“ 1666 1664 Oktober-Abmachungen (22. Okt.) 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (20) fol. 833 – 834v. – Auf dem von Scherer und Grunewald publizierten Exemplar der Richtlinien ist die dt. Verpflichtung bezüglich der belg. Frage interessanterweise durchgestrichen. SG 2 1966, 521 – 522 Dok. 299. – Steglich schrieb: „Die am 22. Oktober vorgesehene Formel war gewiß klarer gewesen, unterschied sich aber nicht grundsätzlich von den Ausführungen des Handschreibens (Kaiser Wilhelms), weil sie vor allem festlegte, was nicht zulässig sein sollte. (…) Bei der Beurteilung der beiden Dokumente muß (…) berücksichtigt werden, daß es den Intentionen des Staatssekretärs völlig zuwiderlief, dem verbündeten K ­ aiser eine eindeutige Erklärung über die deutsche Bereitwilligkeit zur Freigabe Belgiens in die Hand zu geben, die bei den Friedensaktionen der Wiener Regierung gegenüber den Gegnern als Trumpf ausgespielt werden konnte.“ Steglich 1 1964, 226. 1665 F-B M (7. Dez. 1917), 3 – 4, NFP M (7. Dez. 1917), 1, PL M (7. Dez. 1917),6. 1666 Ebd.

Nach Flitsch und Tolmein – Annexion italienischer Gebiete?

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Czernin wies „annektionistische Tendenzen“ also nicht ganz von sich. Wedel interpretierte diese Rede so: „Immerhin darf nicht übersehen werden, daß seit der erfolgreichen Offensive der Gedanke an Eroberungen in manchen Köpfen spukt und daß vor allem in klerikalen Kreisen die Wiedererwerbung Venetiens als wünschenswert bezeichnet wird.“ 1667 Anfang Dezember 1917 wies Czernin Botschafter Schönburg an, in der Sache der von Nuntius Valfrè unterbreiteten päpstlichen Anfrage mit Pacelli zu sprechen. Schönburg berichtete über sein Gespräch mit Pacelli am 4. Dezember in München vom 10. Dezember nach Wien: I. Pacelli hatte denselben Auftrag aus Rom erhalten wie der Wiener Nuntius. Als Hertling am 15. v.Mts. in München war, richtete also Pacelli an ihn dieselbe unsere Absichten betreffende Frage. Hertling antwortete (offenbar mehr im Konversationstone als offiziell): ‚Ich glaube nicht, daß man Absicht hat, von den jetzt in Italien besetzten Gebieten etwas zu behalten‘. Dies hat Pacelli, der mir sein Telegramm zeigte, ziemlich wörtlich nach Rom chiffriert. (…) – Von der präzisen Mitteilung Eurer Exzellenz meinte Pacelli, jedermann müsse unbedingt zugeben, daß sie ‚absolut logisch sei‘. – II . Auch Pacelli ist der (…) Ansicht, daß unsere glänzend gelungene Offensive keine Friedenswirkung erwarten läßt, eher sogar das Gegenteil, (…) was speziell Stimmung in Italien betrifft, weil die dortigen Parteien, w ­ elche schon pazifistisch zu werden anfingen, sich jetzt wieder mit den übrigen zusammengeschlossen haben. (…) – III . Lage des Papstes. (…) IV . Wir kamen schließlich auf das vor einigen Tagen im ‚Osservatore Romano‘ erschienene offizielle Dementi des (…) Gerüchtes zu sprechen, daß der Papst eine neue Friedensmanifestation beabsichtige. – Pacelli erklärte (…), der Papst werde ‚jetzt‘ (…) nichts Neues unternehmen, außer wenn er von einer kriegführenden Partei (oder selbstverständlich noch mehr von beiden) ausdrücklich hiezu aufgefordert werden sollte. Mein Mitredner ließ sehr deutlich durchblicken, daß man dem Papst mit dieser Aufforderung natürlich die allergrößte Freude bereiten würde. – (…) Bemerkenswert scheint mir (…) nachfolgende Äußerung Pacellis, als ich ihn (…) über jetzige bedrohliche Lage des Papstes fragte, ob die Zentralmächte (…) etwas tun könnten, um diese Lage zu verbessern. Nach kurzem Zögern antwortete mir Pacelli mit Nachdruck: ‚Man könnte Papst noch dadurch helfen, daß man ihn zur Friedensintervention aufforderte‘. – (…) Abgesehen von der Friedensfrage selbst sollte meines Erachtens (…) in unserem Interesse auch die letzterwähnte Möglichkeit (…) ventiliert werden.1668

Kurz vor dem Eintreffen des Berichtes Schönburgs hatte Demblin am 8. Dezember über die Antwort des Papstes auf den Brief ­Kaiser Karls vom 4. Oktober informiert: 1667 Wedel an Hertling, Ber. 386, 24. Dez. 1917, Steglich 1970, 475 Dok. 415. 1668 Musulin (Schönburg) an Czernin, Tel. 1124, 10. Dez. 1917, ebd. fol. 88 – 89 bzw. 470 – 471 Dok. 411.

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Frieden durch den Papst?

Der Papst dankt Seiner Majestät für Seine Bemühungen um den Frieden, insbesondere in (…) der belgischen Frage, und wiederholt, daß die essentielle Friedensbedingung der Entente die deutsche Zustimmung zur politischen, militärischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit Belgiens sei. Er bitte Seine Majestät, Seine Bemühungen fortzusetzen, um Dessen Verbündeten zu einer ausdrücklichen Erklärung in d ­ iesem Sinne zu veranlassen. – Sodann geht der Papst auf die Frage der Abtretung des Trentino über und zitiert die Aeußerung, die Seine Majestät dem Nuntius in München gemacht habe, nämlich, dass, da Oesterreich-Ungarn nicht geschlagen sei, eine Abtretung des ganzen oder eines Teiles des Trentino nur möglich wäre gegen Kompensationen, wenn auch nur kolonialer Natur. Er beschwört Seine Majestät, diesen Standpunkt nicht zu verlassen, denn nur dann könne in Zukunft ein freundnachbarschaftliches Verhältnis ­zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien bestehen.1669

Zu welchem Zeitpunkt Valfrè das päpstliche Schreiben dem ­Kaiser überreichte, konnte nicht eruiert werden. Der Nuntius hatte es jedenfalls bereits Mitte November in Händen gehabt und Czernin um Rat gefragt, wie er es dem auf einer Fahrt durch die eroberten Gebiete im Küstenland und in Venetien befindlichen K ­ aiser überbringen könne. Der Minister telegrafierte nämlich am 18. November an Demblin: „Ich ersuche daher, Seiner Majestät die Bitte zu unterbreiten (…), dem Nuntius behufs Ueberreichung des (…) Handschreibens eine Audienz gewähren zu wollen.“ 1670 Valfrè wurde nach der Rückkehr des Kaisers in Audienz empfangen und Demblin konnte dem Minister am 8. Dezember eine Abschrift des Handschreibens übersenden.1671 In ­diesem hieß es: In particolar modo ringraziamo Vostra Maestà di quanto si è degnata fare, in conformità dei Nostri voti e suggerimenti, a favore del Belgio. Oltre l’affetto spéciale che nutriamo per il popolo belga (…) il fatto che nella sua piena indipendenza politica, militare ed economica, si è posta dalle Potenze dell’Intesa la precipua essenziale condizione della pace, Ci mosse a rivolger Ci ripetutamente con piena fiducia alla Maestà Vostra, affinché, mediante il Suo valevole intervento presso il Potente Alleato, tale piena indipendenza venisse ammessa, e fin d’ora venire detta in proposito una esplicita parola rassicuratrice, la quale faciliterebbe moltissimo l’inizio delle trattative di pace.1672

Die Frage, was denn K ­ aiser Karl „a favore del Belgio“ unternommen habe, warf das Schreiben nicht auf. Was die italienischen Forderungen betraf, so versuchte der Papst dem 1669 Demblin an Czernin, Tel. 16, 8. Dez. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 175, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck: Steglich 1970, 389 – 390 Dok. 338. 1670 Czernin an Demblin, Tel. 40, 18. Nov. 1917, HHStA PA XL, 262 o. Fz. 1671 Demblin an Czernin, Privatschr. 8. Dez. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 171, Druck: Steglich 1970, 390 Dok. 339. 1672 Ebd.

Kaiser Karl wendet sich persönlich an den Papst – Hoffnungen Roms

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­ aiser nahezulegen, zu seiner Pacelli am 30. Juni 1917 bekundeten Bereitschaft zu stehen, K das Trentino oder einen Teil davon gegen eine Kompensation an Italien abzutreten 1673. Nell’invitare (…) i Capi degli Stati belligeranti, ad esaminare con spirito conciliativo (…) le questioni territoriali particolari (…) intendemmo soltanto indicare e raccomandare ciò che poteva attuare al più presto (…) la pace durevole. – Ci sembra che da questo intendimento non fosse difforme il pensiero di Vostra Maestà, manifestato nell’udienza accordata al Nostro Nunzio di Monaco, nella quale si compiacque dirgli: ‚Che sarebbe stata anche disposta cedere tutto o parte del Trentino, ma non essendo l’Austria vinta, sarebbe stato indispensabile qualche compenso anche soltanto coloniale, per non eccitare l’opinione pubblica austriaca’. – Noi apprezziamo il punto di vista di Vostra Maestà, anzi La scongiuriamo a non recedere da esso, escludendo, come nella lettera di Vostra Maestà ed in recenti dichiarazioni del Suo Governo, qualsiasi cessione. – Non sentiamo il bisogno di far rilevare a Vostra Maestà che con una pace mediante compensi (…) l’amor proprio dei popoli resterebbe soddisfatto; (…) e si eliminerebbe una fomite di futuri conflitti assicurando per sempre rapporti amichevoli di buon vicinato tra i due popoli.1674

5.9

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Auf die erwähnte Demarche Nuntius Valfrès vom November 1917 und die Reaktion ­Kaiser Karls hierauf bezieht sich zweifellos eine Aufzeichnung des bayerischen Kapuziner­paters Cölestin Schwaighofer, in der es heißt: Einst kam ich nach Wien. Kaum hatte ich ein Gespräch mit der Herzogin von Parma begonnen, so erklärte dieselbe mir, der K ­ aiser sei etwas verstimmt über eine Anfrage, w ­ elche Papst ­Benedikt XV. an ihn gerichtet hatte und worin er sich erkundigte, was der ­Kaiser zu tun gedenke mit den Gebieten, w ­ elche er gerade damals an der Piave gewonnen hatte. – Ich setzte auseinander, daß um jeden Preis ein solches Mißverständnis behoben werden müsse. Da wurde mir der Auftrag: ‚Nun, setzen Sie einen Brief an den Papst auf!‘ – Ich vollzog diesen Auftrag (… und) schrieb einen Brief ungefähr folgenden Inhalts: ‚Heiliger Vater! – Ich bin tief gerührt über das väterliche lnteresse, das Euere Heiligkeit einer Nation entgegenbringen, deren Regierung sowohl Euerer Heiligkeit als höchst derem Vorgänger schon so viele bittere Stunden bereitet hat. Ich

1673 Kaiser Karl hatte Pacelli am 30. Juni 1917 seine Bereitschaft erklärt, „tutto o parte Trentino“ gegen irgendeine Kompensation, wenn auch nur kolonialer Art, an Italien abzutreten. Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 30. Juni 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 6047, Rumi 2003, 269. 1674 Benedikt XV. an Ks. Karl, Handschr. 24. Okt. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 172 – 173, Druck: Engel-Jánosi 1964, 399 – 401 Dok. 212, Steglich 1970, 388 – 389 Dok. 337, Rumi 1990, 37 – 38 Dok. 11, Kovács 2 2004, 260 – 261 Dok. 66.

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Frieden durch den Papst?

möchte mich aber an Großmut von Euerer Heiligkeit nicht übertreffen lassen und darum die Frage Euerer Heiligkeit dahin beantworten, daß, falls mir Gott den Endsieg verleihen sollte, ich die eroberten Gebiete nur (…) benützen werde, um sie bei (…) Friedensverhandlungen in die Wagschale (sic!) zu werfen zur Erreichung jener Pläne, ­welche Euere Heiligkeit dann offenbaren werden zur Lösung der römischen Frage etc.’1675

Vom ­Kaiser abgesandt wurde ein derartiger Brief nicht. Die Idee jedoch, „die eroberten Gebiete (…) in die Wagschale zu werfen zur (…) Lösung der römischen Frage etc.“, findet sich in einem undatierten Schriftstück wieder, welches Pacelli am 10. oder 11. März 1918 auf seiner Reise nach Rom von einem Beauftragten des Kaisers in der Schweiz überreicht bekam.1676 Die am 10. Dezember von Botschafter Schönburg gemeldete Äußerung Pacellis, dass man dem Papst mit der Aufforderung zu einer neuen Friedensinitiative „die allergrößte Freude bereiten würde“, und die Erfordernis, ihm für sein Handschreiben vom 24. Oktober zu danken, weckten in ­Kaiser Karl die Absicht, umgehend ein persönliches Schreiben an Papst Benedikt zu richten. Einen wesentlichen Anstoß zu d ­ iesem Vorhaben des Kaisers gab wahrscheinlich eine ihm schon zuvor mitgeteilte Idee Erzbergers, dem päpstlichen Friedensappell doch noch zu einem Erfolg zu verhelfen. Welches Vorgehen er dazu als zielführend angesehen habe, darüber schrieb Erzberger 1920: Ein Ausweg schien mir wohl offen zu sein: die Mittelmächte hinterlegten zu treuen Händen des Vatikan ihre Kriegsziele, genau umschrieben mit dem Vorbehalt, daß sie nicht zur Veröffent­ lichung bestimmt ­seien und daß Deutschland sich nur eine gewisse Frist daran gebunden halte. Dem anfangs November in München weilenden neuen Reichskanzler Graf Hertling unterbreitete ich diesen Plan, der ihn für gut fand, aber die Entscheidung erst in Berlin treffen wollte. Dem ­Kaiser von Österreich ließ ich diese Absicht auch mitteilen.1677

Den unmittelbaren Anlass für ein persönliches Schreiben an den Papst gab ­Kaiser Karl aber offenbar eine ihm zugegangene Äußerung Pacellis. In einem eigenhändigen Entwurf des Kaisers für ein Telegramm an Czernin heißt es nämlich: Erfahre eben von Mgr. Pacelli (…) daß Reichskanzler und König von Bulgarien beabsichtigen, dem Hlg. Vater ihre Kriegsziele respektive Friedensbedingungen durch Pacelli der zu ­diesem Zweck nach Rom reist mündlich bekannt zu geben. Da wir aber als die einzige katholische Großmacht uns nicht von den zwei anderen übertrumpfen lassen können werde Ich 1675 Aus den Aufz. P. Cölestin Schwaighofers a), o. D., Patin 1942, 300 – 301 Beil. 11. 1676 Ks. u. Kg. Karl an Benedikt XV. o. D., Kovács 2 2004, 311 – 313 Dok. 85. 1677 Erzberger 1920, 283.

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im ­Antwortschreiben an den Hlg. Vater, das sich nicht mehr aufschieben läßt, außer einigen sonstigen höflichen unpolitischen Phrasen sagen daß wir als katholische Großmacht dem Hlg. Vater durch Pacelli unsere Friedensbedingungen sagen wollen. Hiedurch glaubt der Hlg. Vater, der von den Schritten der beiden anderen nichts weiß, daß wir die Initiative hiezu gegeben haben. Ich brauche nicht zu erwähnen daß man von All dem (sic!) den Deutsch. + Bulg. nichts sagen darf. Ich werde wenn Paccelli (sic!) dann wirklich reist, ihn nochmals im Sinne unserer mannigfaltigen Friedenserklärungen unterrichten.

Dieser Text wurde, nur leicht redigiert, über kaiserlichen Auftrag am 21. Dezember 1917 dem zu den Friedensverhandlungen mit Russland nach Brest-Litowsk abgereisten Czernin übermittelt.1678 Zum Entwurf des Kaisers für eine Antwort an den Papst ließ Demblin den Minister am 21. Dezember wissen: Ich machte S. M. darauf aufmerksam, dass es vielleicht doch ratsam sei, die Mitteilung Pacelli’s (die Seiner Majestät durch die Kaiserin zugekommen sein dürfte), vorerst kontrollieren zu lassen, da es sich um ein Manöver handeln könne uns zu einer Erklärung unserer Kriegsziele zu veranlassen. S. M. wollte dies nicht gelten lassen, meinte jedoch, dass er Pacelli gegenüber nur allgemein erwähnen werde, dass wir auf dem Prinzip des Friedens ohne Annexionen und Entschädigungen stünden. – Da S. M. immer wieder darauf zurückkommt, dass wir ‚Schluss machen‘ und allen unseren Feinden den annexionslosen Frieden anbieten müssen und ich nicht die Autorität besitze noch auch sich mir stets die Gelegenheit ergibt um ihm jedesmal mit Erfolg zu opponieren, möchte ich (…) anregen, dass E. E. ihm in einem ausführlichen Telegramme die Gründe darlegen, aus ­welchen es ganz ausgeschlossen ist, schon heute, (…) ohne vorherige Verständigung mit Deutschland, das auf Russland angewendete Prinzip des annexionslosen Friedens auf unsere sämtlichen Feinde auszudehnen (…). – Ich werde (…) versuchen S. M. zu veranlassen wenigstens so lange nichts zu unternehmen bis E. E. zum obigen Telegramm des Kaisers Stellung genommen haben.1679

In der Meinung, ­Kaiser Karls Schreiben an den Papst sei bereits abgegangen, antwortete Czernin am folgenden Tag aus Brest: Euer Majestät Telegramm (…) habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. – Soviel ich (…) konstatieren konnte, beabsichtigen weder Deutschland noch Bulgarien ihre Kriegsziele dem H ­ eiligen

1678 Ks. Karl (eigenh. mit Tintenstift) an Czernin, Tel.-Entw. o. D., HHS tA PA I, 1092a 2 o. Fz., Druck: Kovács 1 2004, 349 Anm. 82. 1679 Demblin an M. d. Ä. für Czernin, Tel. 40, 21. Dez. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 163 – 163v, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz., Weiterltg. an Czernin: Müller an Czernin, Tel. 77, 22. Dez. 1917, HHStA PA I, 1078 Hinaus-Tel. fol. 247 – 247v, Druck: Steglich 1970, 473 – 474 Dok. 413.

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Vater mitteilen zu lassen. – Es würde ein solcher Schritt auch die hiesigen Verhandlungen ungemein erschweren und direkt bedrohen, da die Russen, um sich selbst an der Macht zu erhalten, die Uebermittlung der Friedensvorschläge auf sich nehmen wollen und sollen. (…) – Wenn die Bolschewiki aber fallen, ist der Separatfriede mit Russland auf lange Zeit wieder unmöglich gemacht. – Ich bedauere daher ganz unendlich, daß Euer Majestät ohne meine ergebenste Berichterstattung abzuwarten und ohne meine verantwortliche Meinung zu hören, dem Papste die erwähnte Mitteilung gemacht haben. Euer Majestät können über die hiesigen (…) schwierigen Verhältnisse natürlich nicht orientiert sein, aber wenn Allerhöchstdieselben eben deshalb selbständige Aktionen einleiten, w ­ elche unsere hiesigen Anstrengungen paralysieren, dann kann ich leider die Gefahr nicht verhehlen, daß wir hier (…) scheitern werden. – Dann werden wir nichts anderes erreicht haben, als daß wir den Ausgang, der sich für uns dank Russlands innerer Situation eröffnet hat, wieder verrammelt haben.1680

Wie ein ebenfalls am 22. Dezember an den Minister abgegangenes Telegramm Demblins erkennen lässt, scheint sich K ­ aiser Karl nicht sicher gewesen zu sein, ob die Nachricht der Übermittlung der Kriegsziele an den Papst von bulgarischer und deutscher Seite der Wahrheit entsprochen habe. Demblin berichtete nämlich: Seine Majestät ist persönlich von der absoluten Nützlichkeit des von ihm beabsichtigten Schrittes und von der Verläßlichkeit der Mitteilung Pacellis nicht mehr ganz überzeugt. Er konzedierte, letzterem nicht mehr zu sagen, als was in seinem letzten Brief an den Heiligen Vater stand, und gab zu, daß die Sache keine so große Eile habe.1681

Am 23.  Dezember 1917 sandte der K ­ aiser aber doch einen persönlichen Brief an ­Benedikt XV., und dies ohne Czernins Meinung dazu gehört und ohne ihn oder das Ministerium des Äußern bezüglich der Formulierung konsultiert zu haben. In dem Brief erklärte er bald und, wie er annehme, gemeinsam mit den zuständigen deutschen Autoritäten, die Friedensbedingungen – „quello che si chiama oggi ‚fini di Guerra‘“ – zur Kenntnis bringen zu wollen. Er hoffe, dass Pacelli sich zur Überbringung dieser gemeinsamen Ziele bzw. Bedingungen nach Rom begeben könne. Sollte dies möglich sein, so werde er diesen bitten, auch seine erst zu erstellende Antwort auf das päpstliche Handschreiben vom 24. Oktober zu überreichen.1682 1680 Czernin an Müller für S. M., Tel. 88, 22. Dez. 1917, HHStA PA I, 1078 Hinaus-Tel. fol. 243 – 244. 1681 Demblin an Czernin durch Müller, Tel. 80, 22. Dez. 1917, HHStA PA I, 962 Krieg 25/26 fol. 162, idem: HHStA PA I, 1080 fol. 248; Druck: Steglich 1970, 474 – 475 Dok. 414. 1682 Ks. Karl an Benedikt XV. 23. Dez. 1917., Rumi 1990, 38 – 39 Dok. 12, Kovács 2 2004, 270 – 271 Dok. 70. – Kovács machte aus der im Schreiben geäußerten Hoffnung des Kaisers, der Nuntius werde dem Papst die Botschaft persönlich überbringen können, ein Ersuchen, „Pacelli für Friedensverhandlungen mit Italien einsetzen zu dürfen“. Sich kühn über die Fakten erhebend, schrieb sie: „Wie im Frühling d ­ ieses

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Einen Tag nach der Absendung d ­ ieses kaiserlichen Schreibens telegrafierte Demblin an Czernin: S. M. lässt E.E ausrichten‚ ‚er habe in dem Brief an den Papst (…) nur gesagt, er werde gelegentlich einmal Pacelli unsere Friedensbedingungen mitteilen’. S. M. meint, diese Mitteilung lasse sich ja leicht hinausschieben und man könne dann immer noch P(acelli) sagen, was man eben für gut finde. Er glaube daher wirklich nichts getan zu haben, was die Friedens­ bemühungen E. E. durchkreuzen könnte (…). Ich habe Eindruck, dass E. E. Telegramm 1683 seine gute Wirkung getan und dass S. M. nichts weiteres unternehmen wird, ohne (…) E. E. Meinung eingeholt zu haben.1684

Um sich mit Reichskanzler Hertling über eine Mitteilung der Kriegsziele an B ­ enedikt XV. ins Einvernehmen zu setzen, bediente sich ­Kaiser Karl nicht der offiziellen Wege, sondern Pater Cölestin Schwaighofers. Dieser berichtete am 28. Dezember 1917 an Otto Ritter von Dandl, den Nachfolger Hertlings als bayerischer Staatsminister, „durch eine Verkettung von Umständen“ habe es sich ergeben, dass er von „dem K ­ aiser und König von Österreich-Ungarn bei Abfassung eines wichtigen für den Papst bestimmten Antwortschriftstückes ins Vertrauen gezogen wurde“. Im Konkreten ließ P. ­C ölestin Dandl wissen: Seine (…) Majestät möchte in einem mit der Friedensfrage zusammenhängenden Punkte zur Übermittlung an seine Heiligkeit die Initiative ergreifen, damit der Schritt gleichzeitig mit der deutschen Reichsleitung vollzogen werde. Auch König Ferdinand (…) hat seine Anteilnahme zugesagt. Seine Apostolische Majestät haben seinen Minister des Äußeren dahin instruiert, daß er in dieser Sache vorderhand keinerlei diplomatische Verhandlungen zu den Verbündeten einleiten will, sondern (…) nur auf privat-vertraulichem Wege sondieren lasse. lm Zusammenhang damit haben Seine (…) Majestät mich beauftragen lassen, möglichst unauffällig nach Berlin zu gehen und beim Herrn Reichskanzler die betreffende Frage zu stellen. Ich gedenke am 1. Januar mich dahin zu begeben und, um nicht durch persönliches Erscheinen im Reichskanzlerpalais Verwunderung zu erregen, durch eine ehrenwörtlich zum Schweigen verpflichtete Mittelsperson die Sache beim Herrn Reichskanzler vertreten zu lassen. Ich werde am 3. Januar morgens zurück sein und ungefähr am 4. Januar mich nach Wien begeben. Daselbst ist mir eine Audienz (…) in Aussicht gestellt. (…) Seine Apostolische Majestät hoffen, daß wenn die

Jahres ließ auch um Weihnachten 1917 K ­ aiser Karl getrennt verhandeln, einerseits mit England, Frankreich und den USA (sic!), andererseits mit Italien, wozu er die Vermittlung des Papstes in Anspruch nahm.“ Kovács 1 2004, 349. 1683 Jenes vom 22. Dez. 1917, s. o. Anmerkung 1609. 1684 Demblin an Czernin, Tel. 2, 24. Dez. 1917, HHStA PA XL, 263 o. Fz.

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Frieden durch den Papst?

Angelegenheit, in welcher er die Initiative ergreifen will, genügsam gereift ist, Msg. Pacelli zur mündlichen Berichterstattung und zwar ausschließlich nur an die Person des Heiligen Vaters sich nach Rom begeben werde.1685

Eine Erklärung über die deutschen Kriegsziele erlangen zu können, erschien ­Kaiser Karl in greifbare Nähe gerückt, nachdem er am 5. Jänner 1918 Generalleutnant Cramon in Audienz empfangen hatte. Demblin berichtete darüber am 5. Jänner an Czernin, der ­Kaiser habe Cramon gebeten, „doch einmal klipp und klar zu erklären, wie sich die DOHL den Frieden im Westen vorstelle“. Der General habe geantwortet, „er sei nicht ganz informiert, doch glaube er, dass Deutschland einen Gebietsstreifen bei Lüttich zum Schutze des rheinischen Industriegebietes verlangen, sonst aber Belgien – ­eventuell sogar unter seinem jetzigen Herrscher jedoch wirtschaftlich zu Deutschland orientiert – bestehen lassen werde“.1686 Cramon habe schließlich „sowohl im Auftrage K ­ aiser Wilhelms als auch der DOHL (gebeten), wir möchten uns mit ihnen bald über die Kriegsziele und die weiteren militärischen Operationen ins Einvernehmen setzen“. ­Kaiser Karl habe „dies freudigst begrüsst und ­Kaiser Wilhelm durch Cramon (…) sagen lassen, dass er sich sehr freuen würde, wenn die beiderseitigen leitenden Staatsmänner, die militärischen Stellen und die b­ eiden ­Kaiser selbst sich baldmöglichst (…) aussprechen würden“.1687 Cramon berichtete darüber am 5. Jänner ­Kaiser Wilhelm, (…) dass ich heute in sehr langer Audienz (…) Gelegenheit hatte, Euerer Majestät Instruktion gemäss alles eingehend zum Vortrag zu bringen. – Die (…) von mir abgegebene Erklärung, dass nach dem ganzen Vertrauensverhältnis, welches z­ wischen Euerer Majestät und dem K ­ aiser Karl bestünde (…) Euere Majestät unmöglich die Absicht eines Abgehens von der Bundestreue auch nur annehmen könnten, machte sichtlich einen tiefen Eindruck. – Seine Apostolische Majestät wurden ganz still und ernst, sprachen Sich sodann aber hochbeglückt über das von Euerer Majestät erneut hiermit bekundete Freundschaftsverhältnis aus, betonten nur, dass es doch nach den vielfachen Erklärungen über den Willen zum Frieden schwer gewesen wäre, Allerhöchstihren Völkern die Notwendigkeit begreiflich zu machen, gegebenen Falls nur dafür weiter kämpfen 1685 Cölestin an Dandl, Ber. 28. Dez. 1917, BHStA MA 948, Druck: Patin 1942, 254 – 255. Cölestin erwähnte in ­diesem Schreiben auch: „Der (…) Nuntius in Wien ist ein sehr frommer verehrungswürdiger Kirchenfürst, versteht aber nicht, sich das österreichische Vertrauen im besonderen Maße zu erwerben. Man zieht darum dort vor, in besonders delikaten Betreffen die Vermittlung des Münchener Nuntius in Anspruch zu nehmen. Wie bereits früher angedeutet, glaube ich, diese Konstellation als in unserm diesseitigen Interesse gelegen erachten zu sollen.“ 1686 Demblin an Czernin, Tel. 3, 5. Jän. 1918, HHStA PA I, 1077 Aus Wien fol. 251 – 254, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. 1687 Ebd.

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zu müssen, dass Deutschland Litauen und Kurland (…) erhielte. – Ich habe hierauf (…) mir zu bemerken gestattet, dass Euere Majestät dankbar dafür gewesen wären, wenn diese Bedenken vielleicht etwas früher zur Sprache gebracht worden wären, weil dann Missverständnisse (…) zu vermeiden gewesen würden (…). – Hinsichtlich der Polenfrage scheinen Seine Apostolische Majestät die austro-polnische Lösung auch nur als das geringere der polnischen Übel überhaupt anzusehen. Den Wunsch, die Frage aber in d ­ iesem Sinne gelöst zu sehen, begründeten Seine (…) Majestät ausser mit dem Streben, durch Zuteilung von Galizien an (…) Polen den polnischen Einfluss auf die innere Politik Österreich-Ungarns auszuschalten, mit der Notwendigkeit, der Monarchie ein Äquivalent für den Machtzuwachs zu geben, der Deutschland durch (…) Litauen und Kurland zuteil würde. – Meine Bemerkung, dass Serbien, Montenegro und (…) Albanien doch einen beträchtlichen Landgewinn bedeuten würden, wurde damit beantwortet, dass man den Erwerb dieser Länder nicht wünsche, weil hiermit das slavische Element in der Monarchie einen zu grossen Zuwachs erhielte. (…) – Im grossen und ganzen habe ich den Eindruck (…), dass die im Namen Euerer Majestät von mir abgegebenen Erklärungen sehr gut gewirkt haben, denn Seine Apostolische Majestät äusserten zum Schluss den dringenden Wunsch, Sich sobald als möglich mit Euerer Majestät über alle schwebenden Fragen eingehend auszusprechen (…). – In dieser Besprechung sollten (…) alle Kriegsziele Deutschlands und Österreich-Ungarns offen und klar erörtert, auch alle (…) Absichten über die Fortführung des Krieges, namentlich im Westen, wofür k. u. k. Truppen soweit nur irgend möglich zur Verfügung stünden, festgesetzt, auch die Ergebnisse dieser Erörterungen (…) unterschrieben werden, damit in Zukunft alle Missverständnisse und (…) Meinungsverschiedenheiten ausgeschaltet würden.1688

Über die Bereitschaft ­Kaiser Karls, Truppen an die Westfront zu entsenden, hatte ­Czernin schon am 2. Jänner an Hohenlohe telegrafiert: S. M. haben mir heute mitgeteilt dass Allerhöchstdieselben bereit sind Truppen zur gemeinsamen Verteidigung an die Westfront zu senden. – Kleinere Verbände, so vor Allem Artillerie, könnte sofort (…) abgehen, grössere erst nach Massgabe ihres Freiwerdens und der angeblich notwendigen speciellen Ausbildung für die Westfront. (…) – Euer Durchlaucht wollen diesen Beweis dass wir zum Zwecke der gemeinsamen Verteidigung keine territorialen Unterschiede kennen denkbarst verwerten.1689

P. Cölestin erstattete ­Kaiser Karl am 5. Jänner 1918 über seinen Besuch bei Hertling schriftlich Bericht und nannte dabei Erzberger als den von ihm Dandl gegenüber erwähnten Vermittler. Er schrieb, er sei als päpstlicher Beamter bei der Abfassung der Antwort ­Kaiser Karls auf das päpstliche Schreiben vom 24. Oktober zu Rate gezogen worden: 1688 Cramon an Ks. Wilhelm, Brief 5. Jän. 1918, SG 3 1976, 205 – 207 Dok. 145. 1689 Czernin an Hohenlohe, Tel. 2, 2. Jän. 1918, HHStA PA I, 841 Krieg 4a fol. 7 – 7v.

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Frieden durch den Papst?

Ich bin (…) beauftragt (…) mitzuteilen, daß im genannten Allerhöchsten Schreiben sich folgende Stelle befindet: ‚Bestrebt Eurer Heiligkeit zur Vermittlung des Weltfriedens die mit Recht gebührende hohe Mittlerstellung zu sichern, ist es mein Vorsatz, in nächster Zeit die Kriegsziele meiner Regierung zur Kenntnis Seiner Heiligkeit zu bringen. – Ich nehme an, daß dieser Schritt gemeinsam mit der deutschen Reichsleitung geschehen kann (…)’. Dann fügte ich bei: Seine (…) Majestät wollen die Angelegenheit nicht auf diplomatischem Wege erledigt wissen, sondern in privat-vertraulicher Weise. (…) Ich habe noch zu bemerken, daß nach meinem Eindrucke, Seine (…) Majestät (…) die Initiative ergreifen will, um (…) dem Papste die ihm gebührende Stellung im Völkerrate zu sichern und damit einer glücklichen Lösung der Römischen Frage vorzuarbeiten (…). – Ich bin nicht informiert, was Seine (…) Majestät tun wird, falls Deutschland in vorgetragener Angelegenheit nicht mitwirken würde. Ich halte es aber für sehr leicht möglich, daß Seine (…) Majestät (…) selbständig sich betätigen würde. – Ich habe noch zu melden, daß (…) König Ferdinand (…) mir sagte, daß er bereit sei, an einem gemeinsamen Schritte in Rom sich zu beteiligen (…), daß Seine Apostolische Majestät (…) nur eine mündliche Übermittlung (…) wünscht, und zwar direkt an den Papst, nicht an den Kardinalstaatssekretär. (…) – Der Reichskanzler zeigte sich erfreut (…) machte aber kein Hehl daraus, daß (…) die deutsche Reichsleitung sich über gewisse Einzelheiten (…) noch nicht klar ist. – Ich entgegnete, ich glaube, daß ­dieses auch in Österreich der (Fall) ist, aber dennoch werden die allgemeinen Richtlinien mitgeteilt werden können und es wird einzelne Punkte geben (…) w ­ elche notifiziert werden könnten und (…) dem Papst eine Mittlerstelle sichern würden. Z. B. betreffs Belgien. – Der Reichskanzler sagte: Sie glauben nicht, w ­ elche Schwierigkeiten uns die Alldeutschen machen. (…) Wir waren dadurch an einer genaueren Angabe über Belgien gehemmt. (…) – Seine Exzellenz (…) zeigte sich für die Allerhöchste Anregung entgegenkommend, sagte dann aber: Ich möchte die Sache nicht allein entscheiden. Ich werde nächste Tage, 7. oder 8. Jänner, den ­Kaiser sprechen und die Angelegenheit vortragen. Der Kanzler versprach, das Resultat der Besprechung mir sofort nach Schwarzau mitteilen zu lassen.1690

Bei Hertling bedankte sich Cölestin am 6. Jänner für die erteilte Audienz mit einem Brief, in dem er schrieb: Je mehr (…) die staatserhaltenden Elemente wünschen, daß eine konservative Gewalt und nicht die gefahrbringende Sozialdemokratie den Weg zum Weltfrieden bahne – je mehr (…) ersehnt werden muß, daß der Apostolische Stuhl eine (…) unabhängige Stellung erlangt, wozu die Mittlerstellung zum Völkerfrieden das beste Präludium bieten würde – (…) je unangenehmer unsere Isolierung sich gestalten müßte, wenn Österreich, eventuell auch Bulgarien (…), einseitig vorginge, desto mehr muß es ethisch verdienstvoll und staatsmännisch groß erscheinen, wenn es Eurer Excellenz gelingt, nach Österreich eine hoffnungsvolle Andeutung gelangen 1690 Cölestin an Ks. Karl, Ber. 5. Jän. 1918, Kovács 2 2004, 277 – 283 Dok. 74.

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lassen zu können. – (…) Ich wähne, daß die hohen Ziele (…) wenigstens teilweise erreicht würden, wenn ein paar markante Punkte (…) geoffenbart würden. Denn (…) dadurch wäre die Mittlerstellung Seiner Heiligkeit angebahnt (…). – Ich darf (…) erinnern, daß nur mündliche Mitteilungen (…) an die Person Seiner Heiligkeit (…) intendiert ist und (…) keiner­lei diplomatischer Instanzengang (…).1691

Über seine Berlin-Reise informierte P. Cölestin nicht nur ­Kaiser Karl, sondern auch Dandl. In einem vom 30. Jänner 1918 datierten Schreiben nahm er auf eine ihm von Dandl am 6. Jänner gewährte Audienz Bezug, in der er „über die Arbeit der letzten Zeit Mitteilung machen“ durfte.1692 In den Aufzeichnungen Cölestins über von ihm geleistete Dienste ist unter Punkt 7 angeführt: „Sendung im Auftrag ­Kaiser Karls nach Berlin (auf Wunsch des Reichskanzlers (…) in Zivil, damit ich nicht auffalle, im Staatsanzug des Oberbürgermeisters Borscht von München und mit dem Zylinder Erzbergers) zur Erlangung der Bekanntgabe der Kriegsziele (…) für den Papst.“ 1693 Erzberger schrieb über diese Aktion, ­Kaiser Karl habe ihn Anfang Jänner 1918 wissen lassen, (…) daß er bereit sei, die Kriegsziele Österreich-Ungarns und, wenn gewünscht, auch Deutschlands dem Heiligen Stuhl zu treuen Händen zu unterbreiten, um ihm Gelegenheit zu geben, die Vermittlerrolle vor Aufnahme der Frühjahrsoffensive auszuüben; eine Vertrauensperson sei zur Übermittlung bereits gewonnen.1694

Der ­Kaiser habe „seinen Beauftragten“ mit der Bitte zum Reichskanzler gesandt, (…) daß Deutschland den Schritt, mit dem der König von Bulgarien einverstanden sei, mitmachen solle. Der Beauftragte hatte den Eindruck, daß der K ­ aiser (…) entschlossen sei, bei deutscher Ablehnung auch allein den Schritt zu unternehmen. (…) Hertling erklärte sich persönlich mit dem Vorgehen einverstanden, wollte aber erst Rücksprache mit anderen Stellen nehmen. Trotz allen Drängens kam erst am 21. Januar die Antwort des Reichskanzlers an den Beauftragten (…), dahingehend, daß die Situation sich verändert habe und die Friedens­ bedingungen nicht mitgeteilt werden könnten. Ob der K ­ aiser von Österreich dann für sich allein den Schritt in Rom unternommen hat, ist mir nicht bekannt geworden.1695

1691 1692 1693 1694 1695

Cölestin an Hertling, Brief 6. Jän. 1918, Kovács 2 2004, 283 – 284 Dok. 75. Cölestin an Dandl, Ber. 30. Jän. 1918, BHStA MA 948. Aus den Aufz. P. Cölestin Schwaighofers, c) Handlangerdienste Nr. 7, Patin 1942, 302 Beil. 11. Erzberger 1920, 285. Ebd. Kovács schrieb dazu: „Wir konnten die Antwort Hertlings an P. Cölestin nicht finden, nach dem Telegramm ­Kaiser Karls an Czernin dürfte sie positiv gewesen sein.“ Kovács 1 2004, 350. In dem

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Frieden durch den Papst?

Dass Hertling dem Papst im Jänner 1918 befriedigende Erklärungen über die deutschen Absichten bezüglich Belgiens hätte geben können, ist mehr als unwahrscheinlich. Im Résumé einer im Großen Hauptquartier am 18. Dezember 1917 stattgefundenen Besprechung ­Kaiser Wilhelms mit Hertling, Kühlmann, Hindenburg und Ludendorff heißt es nämlich: Nachdem die Voraussetzung für den Beschluss des Kronrats vom 11. September 1917 – Frieden bis zum Frühwinter – sich nicht erfüllt hat, erklärte Seine Majestät, dass nunmehr bei dem anzustrebenden Separatfrieden mit Belgien in Abänderung der Beschlüsse des Kronrats (…) ein dahingehendes Abkommen (…) anzustreben sei, dass die belgische Küste, die wir befestigt haben, nicht unter englischen Einfluss kommen darf, sondern (…) die Belgier sich verpflichten müssen, (…) diese Küste unter allen Umständen (…) zu s­ chützen (…). – Seine Majestät erklärte, dass das rheinisch-westfälische Industriegebiet geschützt werden müsse, ohne auf die dazu notwendigen Massnahmen (…) einzugehen. Die Frage der Dauer der Okkupation Belgiens blieb offen. – Kein Zweifel besteht über die in der Kronratssitzung vom 11. September gebilligte Notwendigkeit der Gewinnung Belgiens durch wirtschaftliche Massnahmen und der Weiterführung der Flamenpolitik.1696

Auch die Pacelli Mitte Dezember übermittelte Bitte Kühlmanns, dem Papst zu versichern, er stehe „pienamente sul terreno della lettera del 24 settembre“, lässt nicht auf eine ­solche Möglichkeit schließen.1697 Die am 24. Jänner 1918 im Hauptausschuss des Reichstages abgegebenen Erklärungen Hertlings waren ebenfalls kaum geeignet, den Papst zu befriedigen. Der Kanzler sagte dort wohl: „Was die belgische Frage betrifft, so ist von meinen Amtsvorgängern wiederholt erklärt worden, daß zu keiner Zeit (…) die gewaltsame Angliederung Belgiens an Deutschland einen Programmpunkt der deutschen Politik gebildet habe“, fuhr dann aber fort: „Solange unsere Gegner sich nicht rückhaltlos auf den Boden stellen, daß die Integrität des Gebietes der Verbündeten die einzig mögliche Grundlage von Friedensbesprechungen bieten kann, muß ich (…) eine Vorwegnahme der belgischen Angelegenheit aus der Gesamtdiskussion ablehnen.“ 1698 Der am 23. Dezember 1917 abgesandte persönliche Brief K ­ aiser Karls an den Papst wurde von ­diesem zunächst nur mit einem vom 7. Jänner 1918 datierten Schreiben quittiert, in welchem er seiner Freude über die „nobili e generosi propositi“ des Kaisers Ausdruck gab, a­ ngesprochenen Telegrammentwurf (!) ist von einer Antwort Hertlings jedoch keine Rede. Ks. Karl (eigenh.) an Czernin, Tel.-Entw. o. D., HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz., Druck: Kovács 1 2004, 349 Anm. 82. 1696 Ergebnis der Bespr. im Gr. H. Q. 18. Dez. 1917, Aufz. BK 15728 K. J., o. D. (18. Dez. 1917), SG 3 1976, 138 – 140 Dok. 99. 1697 Pacelli an Gasparri, Ber. 3047, 19. Dez. 1917, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 6064, Druck: Fattorini 1992, 296 – 299. 1698 Hertling Rede vor RT-HA 24. Jän. 1918, F-B M (25. Jän. 1918), 4 – 5.

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auf den Inhalt des Briefes aber nicht näher einging.1699 Dem ­Kaiser überreicht wurde ­dieses Schreiben um den 20. Jänner. Sektionschef Müller telegrafierte nämlich am 17. Jänner an Czernin: „Der apostolische Nuntius hat heute die Bitte vorgebracht, ihm eine Audienz (…) erwirken zu wollen zwecks Ueberreichung zweier Schreiben Seiner Heiligkeit (…).“ 1700 Als ­Kaiser Karl gegen Ende Jänner 1918 durch eine „persona di sua fiducia“, bei welcher es sich zweifellos wieder um P. Cölestin handelte, Pacelli fragen ließ, ob dieser die für ihn erbetenen Instruktionen vom Papst erhalten habe, musste der Nuntius, wie er an Gasparri berichtete, antworten, in dieser Angelegenheit aus Rom keinerlei Mitteilung oder Weisung erhalten zu haben. Die Vertrauensperson habe ihn daraufhin eindringlich gebeten, beim Heiligen Stuhl vorzubringen, dass sie so bald wie möglich eine klare und eingehende Antwort erwarte, ­welche sie dem ­Kaiser übermitteln könne.1701 Am 10. Februar 1918 teilte Gasparri Nuntius Pacelli mit, dass ihm ­Kaiser Karl die Friedensbedingungen seiner Regierung übersenden werde und wies ihn an, diese Bedingungen auf sichere Weise per Kurier oder durch einen Angehörigen der Nuntiatur nach Rom weiterzuleiten. Sollte er es als erforderlich erachten, sie selbst zu überbringen, so könne er dies tun.1702 Pacelli berichtete Gasparri einige Tage ­später, die Vertrauensperson habe ihm mitgeteilt, der K ­ aiser wünsche, dass er die Botschaft dem Papst mündlich überbringe. Es bleibe ihm also nichts übrig, als selbst nach Rom zu reisen: „Non vi sarebbe quindi altra via possibile.“ Zur Vermeidung von Missverständnissen habe er ersucht, dass man ihm die vom K ­ aiser gestellten Bedingungen auf eine authentische und sichere Weise zukommen lasse.1703 Zu wünschen sei ein ehebaldigster Beginn von Friedensverhandlungen, durch ­welche die bevorstehende Offensive vielleicht verhindert werden könne. Am 17. Februar teilte Gasparri dem Nuntius mit, auf ­welche Weise seine Reise nach Rom kaschiert würde: Er werde ihn durch ein chiffriertes und auch durch ein offenes persönliches Telegramm auffordern, wegen des Gesundheitszustandes seiner ­Mutter sofort nach Rom zu kommen.1704 Vier Tage darauf telegrafierte Gasparri an Pacelli, es sei angebracht, dass der ­Kaiser bei der Nennung seiner Friedensbedingungen Verhandlungen mit Sonnino, dem Hauptschuldigen am Kriege, ablehne. Er zweifle nicht, dass dies Sonnino zum Rücktritt zwänge, was ein wichtiger Schritt zum Frieden wäre.1705 1699 Benedikt XV. an Ks. Karl, 7. Jän. 1918., Rumi 1990, 39 Dok. 13, Kovács 2 2004, 277 Dok. 73. 1700 Müller an Czernin, Tel. 134, 17. Jän. 1918, HHStA PA I, 1077 Nach Wien fol. 154, idem: HHStA PA I, 1081 Aus Wien 1918 fol. 95. 1701 Pacelli an Gasparri, Ber. 4069, 30. Jän. 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 6074, Druck: Kovács 2 2004, 309 – 310 Dok. 84 Anm. 2. 1702 Gasparri an Pacelli, Tel. 64, 10. Feb. 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 1610. 1703 Pacelli an Gasparri, Tel. 122, 13. Feb. 1918, ebd. Dok. 8306. 1704 Gasparri an Pacelli, Tel. 68, 17. Feb. 1918, ebd. Dok. 1613, Druck: Latour 1996:210, Kovács 2 2004, 312 Dok. 85 Anm. 3. 1705 Gasparri an Pacelli, Tel., 21. Feb. 1918, Latour 1996, 210.

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Pacelli berichtete Gasparri am 25. Februar, er habe der Vertrauensperson zu verstehen gegeben, dass die Gelegenheit genützt werden müsse, Friedensverhandlungen anzuregen und sobald wie möglich in s­ olche einzutreten. Deshalb habe er darauf bestanden, bezüglich der Friedensbedingungen nicht nur eine authentische Erklärung über den Standpunkt ­Kaiser Karls zu erhalten, sondern auch eine ­solche über den Standpunkt Czernins. Empfohlen habe er, für die Gegner annehmbare Bedingungen zu stellen, und er habe in dieser Sache auf sein mit dem K ­ aiser am 30. Juni 1917 geführtes Gespräch hingewiesen.1706 Die Vertrauensperson sei am Morgen nach Wien abgereist, eine Nachricht von dort könne sich aber verzögern, weil der ­Kaiser sich fern von Wien im Hauptquartier befinde.1707 Der Papst teilte K ­ aiser Karl in einem vom 28. Februar 1918 datierten Schreiben mit, dass er Pacelli gerne die Erlaubnis gebe, ihm die angekündigten Friedensbedingungen zu überbringen, „per sottomerle al Nostro esame“. Er gestatte sich dazu zwei Wünsche zu äußern: Erstens, so rasch mit Friedensverhandlungen zu beginnen, dass die bevorstehenden Offensiven, „delle quali si parla“, noch verhindert werden könnten. Zweitens, Italien Bedingungen anzubieten, ­welche geeignet s­ eien, die wichtigsten Ursachen der Konfrontation zu beseitigen und einen dauerhaften Frieden sicherzustellen.1708 Das päpstliche Schreiben wurde von Monsignore Marchetti-Selvaggiani am 4. März in Bern Botschafter Schönburg übergeben. Dieser sandte es am selben Tag per Kurier an Czernin und schrieb dazu: „Ueber den Inhalt (…), welchem scheinbar eine gewisse Wichtigkeit zukommt, konnte mir Msgr. Marchetti keine nähere Mitteilung machen.“ 1709 Das Ministerium des Äußern leitete das Schreiben über Demblin an den ­Kaiser weiter. Pacelli wurde am 28. Februar von Gasparri angewiesen, die Vertrauensperson nach ihrem Eintreffen aus Wien zu ersuchen, in München zu warten, bis er selbst aus Rom zurückgekehrt sei.1710 Die Vertrauensperson kam offenbar am 5. März in München an, denn Pacelli berichtete an ­diesem Tag davon, in Kenntnis gesetzt worden zu sein, dass ihm die österreichisch-ungarischen Bedingungen auf eine authentische Weise mitgeteilt würden – aus Vorsicht aber nicht in München, sondern erst auf seiner Reise nach Rom in der Schweiz. Er bitte um Weisung bezüglich seiner Abreise und um einen Pass.1711 1706 Die vom K ­ aiser damals erklärte Bereitschaft, „tutto o parte del Trentino“ gegen irgendeine Kompensation an Italien abzutreten. 1707 Pacelli an Gasparri, Tel. 126, 25. Feb. 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8308, Druck: Kovács 2 2004, 312 Dok. 85 Anm. 3. 1708 Benedikt XV. an Ks. Karl 28. Feb. 1918., Rumi 1990, 39 – 40 Dok. 14, Kovács 2 2004, 309 – 310 Dok. 84. – Kovács erklärte erstaunlicherweise, der Papst habe mit diesen Worten „die Mission Pacellis zu italienisch-österreichischen Friedensverhandlungen“ genehmigt. (Kovács 1 2004, 360). 1709 Schönburg an Czernin, Ber. 26/Pol, 4. März 1918, Schr. S. Heiligkeit an S. M., HHStA PA I, 606 d 137 fol. 284 – 284v. 1710 Gasparri an Pacelli, Tel. 79, 28. Feb. 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 1614. 1711 Pacelli an Gasparri, Tel. 133, 5. März 1918, ebd. Dok. 8309, Druck: Kovács 2 2004, 312 Dok. 85 Anm. 3.

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Am 8. März depeschierte Gasparri, Pacelli solle die Vertrauensperson anweisen, statt in München in der Schweiz auf seine Rückkehr aus Rom zu warten.1712 Der Nuntius trat darauf seine Reise noch am 10. März an.1713 Die Pacelli in der Schweiz anvertrauten Friedensbedingungen waren offenbar in einem Schreiben angeführt, dessen Inhalt dem eines für den Prozess zur Seligsprechung ­Kaiser Karls vorgelegten Schriftstücks entsprach. Kovács charakterisierte ­dieses mit den Worten: „Mündliche, geheime Friedensvorschläge zuhanden des Papstes, um nach den Intentionen des Papstes den Weltfrieden herbeizuführen. Österreichischungarische Kriegsziele.“ Von der Hand Zitas sei darauf vermerkt: „Dies ging (…) 1917? oder 1918? durch P. Cölestin Schwaighofer OFM Cap. So viel ich weiß, wurde es durch diesen direkt (…) Msgr. Pacelli übergeben und via ­diesem dem Hl. Vater (…).“ Das Schriftstück ist undatiert, Kovács vermutete, es sei „Februar/März“ 1918 entstanden. In ihm ist angeführt: Wiederherstellung von ‚M‘(ontenegro). Jedoch bleibt der Lovcen bei Österreich. Für ‚M‘ günstige Handelsverträge. Wiederherstellung von ‚S‘(erbien), womöglich unter einer anderen Dynastie; Zugang zum Meere, der Schienenstrang unter österreichischem Einfluß; für ‚S‘ günstige Handelsverträge namentlich hinsichtlich des Exportes von Schweinen (…) – ‚R‘(umänien) Status quo ante; eventuelle Grenzregulierungen; Verhandlungen mit der jetzigen dortigen Dynastie; für ‚R‘ günstige Handelsverträge. (Ohne Einmischung hinsichtlich der eventuellen Ansprüche einer (…) befreundeten Macht.) ‚Al‘(banien) selbständig unter virtuellem Protektorate Österreichs. ‚Po‘(len) vollständig freie Selbstbestimmung. – Vollständige Wiederherstellung ‚Bel‘(giens). ‚I‘(talien). Die derzeitige Okkupation bezweckt vor allem: ein Faustpfand zu besitzen, um einwirken zu können, – 1. damit dem Heil. Vater die ihm gebührende Mittlerstellung gesichert werde, 2. damit eine Regelung der römischen Frage in der Weise angebahnt werde, wie Seine Heiligkeit es im geeigneten Augenblick als Seinen Intentionen entsprechend offenbaren wird. – 3. Die Zurückstellung des okkupierten Gebietes hängt also von dem Maße des it. Entgegenkommens ab. – Das in München gemachte Angebot 1714 kann bei der inzwischen geänderten Situation unter notwendiger Berücksichtigung der Volksstimmung nicht mehr in vollem Maße aufrecht erhalten bleiben. Es würde sich eventuell ein Modus vivendi betr. Valona finden lassen. – Vorstehendes sind die öst.-ung. Ziele. – Hartnäckige Zurückweisung seitens der Gegner könnte (…) teilweise oder ganze Zurückziehung dieser Angebote

1712 Gasparri an Pacelli, Tel. Prot.-Nr. 5010, 8. März 1918, ebd. Dok. 1617, Druck: Kovács 2 2004, 312 Dok. 85 Anm. 3. 1713 Schioppa an Gasparri, Tel. Prot.-Nr. 5052, 10. März 1918, ebd. Dok. 860. 1714 Sc. der Pacelli gegenüber am 30. Juni 1917 geäußerten Bereitwilligkeit des Kaisers, „tutto o parte del Trentino“ gegen irgendeine Kompensation an Italien abzutreten. Pacelli an Gasparri, Ber. 5028, 10. März 1918, Nunt. Ber. 2010/2011 Dok. 2556.

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Frieden durch den Papst?

und Auferlegung von Kriegsentschädigungen notwendig machen. – (…) Zweck dieser Unterbreitung der Kriegsziele (sic!) ist nicht Anregung von Separatfriedensschlüssen, soweit ­solche der Treue gegen verbündete Mächte entgegen wären, sondern: daß durch das hierin bewiesene Entgegenkommen das Zustandekommen des Weltfriedens auf dem vom Hl. Vater gezeigten (Wege) versucht werde. (…) – (Zusatz von der Hand des Kaisers:) 3. Integrität der Monarchie, wobei Grenzregulierungen im beiderseitigen Einvernehmen bei Aufrechterhaltung des heutigen Besitzstandes der Monarchie nicht ausgeschlossen sind.1715

Dass ­Kaiser Karl damals zu keinen substanziellen Konzessionen an Italien bereit war, ist auch aus seinem mit Czernin am 8. März 1918 geführten Hughes-„Gespräch“ über die Wilson zu gebende Antwort zu ersehen, in dem er erklärte: Die Verhaeltnisse in der Adria müssen bleiben wie vor dem Kriege. (…) Bezueglich Italiens muesste detailliert verwiesen werden dass – 1.) Triest heute mehr Slaven und Deutsche hat als Italiener und seit 1500 bei Oesterreich ist. – 2.) der Karst überhaupt slavisch ist. – 3.) die Ebene von Goerz nicht italienisch sondern friaulisch ist und – 4.) Suedtirol (d. h. das Trentino) nie zu Italien gehoert hat – die Suedtiroler nicht zu Italien wollen, da sie wirtschaftlich ruiniert sind (wegen Wein).1716

Ähnlich hieß es in der Message des Kaisers an Wilson vom 22. März 1918.1717 In der Sache des über Marchetti-Selvaggiani und Botschafter Schönburg an K ­ aiser Karl gesandten Schreibens des Papstes vom 28. Februar berichtete Demblin am 17. März an den in Bukarest weilenden Außenminister: 1715 Ks. Karl an Benedikt XV ., Schreiben o. D., Kovács 2 2004, 311 – 313 Dok. 85. – Kovács meinte, die Bitte des Kaisers, das Schriftstück „nach Allerhöchster Kenntnisnahme“ zu vernichten, „dürfte“ in Rom erfüllt worden sein: „In der (…) Chiffren- und Briefsammlung des Kardinalstaatssekretärs (…) sind Telegramme von und Instruktionen für Pacelli zu finden, die Botschaft des Kaisers fehlt.“ Kovács 2 2004, 312 Dok. 85 Anm. 3. Die keine Zweifel am Sieg verratenden Punkte der „Skizze“ wertete Kovács als „äußerst moderat und akzeptabel“. Kovács 1 2004, 350. Ihre in Anm. 1 aufgestellte Behauptung, das Schreiben sei „summarisch /Grunewald III, 318–“ wiedergegeben in „Scherer 319“, ist aus der Luft gegriffen. – Der Kaisersohn Otto schrieb 1965 in einer Besprechung von Engel-Jánosi 1964, die „nur rudimentär erhaltenen Quellen“ ließen „die Grenzen erraten, in denen sich die verlorene Korrespondenz ­Kaiser Karls mit Benedikt XV. bewegt haben kann“, sie schlössen „auch die leiseste Vermutung aus, der ­Kaiser könnte jemals etwas anderes gewollt haben als die rascheste Beendigung des Krieges auch um den Preis territorialer Opfer“. Habsburg Otto 1965, 157. Aus der zitierten „Skizze“ seines Vaters kann Otto diese Überzeugung wohl nicht gewonnen haben. 1716 Hughes-„Gespräch“ Ks. Karls mit Czernin 8. März 1918, HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz. 1717 M. d. Ä. (Czernin) an Fürstenberg (Ks. Karl an Wilson), Tel. 108 (Folge 1) u. Tel. 109 – 113 (Folge 2), 22. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh., dt. Version wie Entw. (gez. „K“) fol. 144 – 149 (Korrekturen berücksichtigt), frz. Version wie fol. 150 – 155.

Kaiser Karl wendet sich persönlich an den Papst – Hoffnungen Roms

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Ich habe den Brief S. M. unterbreitet, der ihn vor mir öffnete, einen Blick hineinwarf und mir auf meine Frage, ob etwas zu veranlassen sei, antwortete, der Brief sei vollkommen unpolitischen Inhalts, es handle sich um eine K ­ irche. – Ich habe trotzdem allen Grund zur Annahme, dass der Brief politischen Inhalts ist und zwar dass es sich um einen Vermittlungsversuch des Papstes z­ wischen uns und Italien handelt. (…) – Da ich jedoch schwer S. M. gegenüber auf den Brief zurückkommen kann, bitte ich E. E. mich zu ermächtigen ihm zu sagen, E. E. hätten Nachrichten erhalten denen zufolge der Papst vorhätte, an S. M. mit einem neuen Vermittlungsvorschlag heranzutreten und E. E. bäten S. M. falls dies zutreffe, Hochdieselben sofort wegen der daraufhin zu unternehmenden Schritte (in Ineinklang-Bringung mit der Aktion Wilson) zu benachrichtigen.1718

Die erbetene Ermächtigung erteilte Czernin am nächsten Tag.1719 Außerdem berichtete Demblin noch am 17. März: Ich habe nicht nur Grund zur Annahme, sondern ich weiss durch jemanden, der Gelegenheit hatte, bewussten Brief zu lesen, dass es sich darin um Vermittlung des Papstes ­zwischen uns und Italien handelt. – Brief scheint Antwort auf ein Schreiben S. M. zu sein; es soll darin gesagt werden, S. M. solle doch Italien einige Konzessionen machen, sie würden ja durch Aussicht, von nun ab wirklich freundlich gesinnten Nachbarn zu haben, vollauf kompensiert sein. – Als ich diesen Sachverhalt erfuhr, hatte ich zuerst vor, S. M. gleich zu interpellieren, ging aber dann davon ab, in der Erwägung, dass es ihm leichter fallen werde mit der Wahrheit herauszu­rücken wenn er sie nur einmal verleugnet hatte. – Ich glaube, dass Sache in merito nicht sehr gefährlich, denn gerade in italienischer Frage ist S. M. noch am festesten, auch kann er sich nicht in direkten Gegensatz zu dem, was er Wilson sagt, stellen. Vorfall ist aber bezeichnend für Einfluss der parmesanischen Geheim-Politik auf S. M.1720

Auf diese Telegramme Demblins antwortete Czernin: Euer Hochgeboren wollen, wenn (…) irgend möglich (…), Seiner Majestät von sich aus sagen, wie verletzend es für einen Minister des Aeussern ist, wenn der K ­ aiser hinter seinem Rücken derartig wichtige Verhandlungen führt. Euer Hochgeboren wollen (…) sagen, dass Sie mich genau kennen und bestimmt wissen, dass ich sofort (…) meine Entlassung fordern würde, wenn ohne mein Wissen irgend ein fait accompli geschaffen würde. – Es liegt mir viel daran, Seine

1718 Demblin an Czernin, Tel. 62, 17. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz., idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck (gekürzt): Demblin Alex. 1997:242. 1719 Czernin an Demblin, Tel. 55, 18. März 1918, HHStA PA I, 1089 Nach Hofzug o. Fz. 1720 Demblin an Czernin, Tel. 63, 18. März 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck: Demblin Alex. 1997, 242.

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Frieden durch den Papst?

Majestät jetzt zu überzeugen, dass die Politik hinter meinem Rücken zu einem Bruch ­zwischen ihm und mir führen muss.1721

Demblin antwortete am selben Tag: Ich habe mich heute S. M. gegenüber zu der in meinem Tel. N° 62 vorgeschlagenen Weise vernehmen lassen. S. M. erwiderte, sobald er vom ‚Hl. Vater den angekündigten Brief erhalte, werde er ihn E. E. mitteilen’. Daran anknüpfend sagte er, es sei sehr schwer, auf derlei Vermittlungsvorschläge zu antworten, denn man komme ja damit doch nicht vom Fleck. Aus der ganzen Art und Weise wie S. M. meine Meldung entgegennahm und darauf antwortete gewann ich den Eindruck, dass er, der gewiss nur von der Kaiserin zu dieser geheimen Korrespondenz gezwungen wird, keine Lust hat, dem Papst sobald zu antworten, und dass er – wenn er es tut – es in einer Weise tun wird, die kein fait accompli schafft. In dieser Ansicht werde ich auch durch die Tatsache bestärkt, dass (…) S. M. gerade Italien gegenüber am wenigsten zu irgendwelchen Konzessionen geneigt ist (…), denn, wie bei ihm alles nur Stimmung ist, spielt auch in der Italien gegenüber zu befolgenden Politik die persönliche Erinnerung an Folgaria bei ihm die entscheidende Rolle; der Umstand, dass er gegen Italien mit Erfolg kämpfte und dass das Andenken an jene Zeit zu seinen liebsten Erinnerungen gehört, ist (…) die beste Gewähr dafür, dass er Italien gegenüber am wenigsten schwach werden wird. – Mein Gespräch mit S. M. fand vor Erhalt E. E. Telegramm N° 58 statt; ich werde bei der ersten sich irgendwie bietenden Gelegenheit im Sinne dieser letzteren Weisung vorgehen.1722

Zwei Tage danach berichtete Demblin: Ich habe gestern mit S. M. im Sinne E. E. Telegramms No. 58 gesprochen. – Ich sagte ihm, ich nähme an, dass E. E. gewiss darüber orientiert sind, dass Prinz Schönburg einen Brief des Papstes an S. M. vorgelegt hat. Es läge nahe, dass dieser Brief, dessen Inhalt Monsignore Marchetti als wichtig bezeichnete, politischen Charakters sei, und wenn E. E. hierüber nichts erführen, so müsse sich – dies sei wenigstens meine Ansicht – der Gedanke aufdrängen, dass S. M. mit Ausschaltung E. E. Politik mache. Dass aber auch eine ­solche blosse Vermutung E. E. die Führung der Geschäfte ungeheuer erschweren, wenn nicht unmöglich, machen muss, sei klar, denn wie könnten E. E. ihr Ziel mit der notwendigen Energie (…) verfolgen, wenn Hochdieselben nicht bestimmt wüssten, dass in den komplizierten Bau der auswärtigen Politik nicht von anderer Seite Steine eingefügt werden, die in die Konstruktion nicht passen? Aber abgesehen von diesen (…) Erwägungen sei es auch persönlich für den Minister des Aeussern ungemein kränkend, wenn der Monarch hinter seinem Rücken Politik macht, denn welch 1721 Czernin an Demblin, Tel. 58, 18. März 1918, HHStA PA XL, 262 o. Fz. 1722 Demblin an Czernin, Tel. 65, 18. März 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz., Druck: Demblin Alex. 1997, 243.

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andere Erklärung solle er dafür suchen als die, dass der Monarch ihm nicht vertraut? Endlich drittens sei die persönliche Politik des Monarchen auch für diesen selbst gefährlich, denn das Wort des Monarchen sei bindend, man könne es nicht mehr zurücknehmen, während wenn Situationen eintreten, die die Zurücknahme von Versprechungen eines Ministers notwendig machen, dieser äusserstenfalls zurücktritt. (…) Aus all diesen Gründen sei ich, wie ich E. E. kenne und auch S. M. E. E. kennen müsse, überzeugt, dass Hochdieselben (…) ganz bestimmt daraus die einzig mögliche Konsequenz ziehen, nämlich zurücktreten würden. Um nun zu vermeiden, dass eine ­solche Vermutung sich E. E. aufdränge, sowie auch darum, um eventuell schon gegebene Erklärungen S. M. mit der offiziellen Politik womöglich noch in Einklang bringen zu können, bäte ich ihn dringendst mich über den Inhalt des bewussten Briefes, falls er auch nur im entferntesten politische Th ­ emen streift, aufzuklären. – S. M. gab nun sofort zu, dass in dem Brief tatsächlich auch von der Friedensfrage die Rede gewesen sei. Es sei aber gar nichts neues darin enthalten und deswegen habe er E. E. gar nicht erst damit befassen wollen. Der Papst habe s. z. S. M. gebeten, Italien territoriale Konzessionen zu machen, worauf S. M. mit einem kategorischen ‚nein‘ geantwortet habe. Nun sei der Papst darauf zurückgekommen indem er sein Bedauern über ­dieses refus ausdrückte, da ja doch ein Entgegenkommen gegenüber Italien auch für uns, die wir in unserem südlichen Nachbarn einen wahren Freund gewinnen könnten, von Nutzen wäre. – Ausserdem habe S. M. dem Papst in seinem s. z. Brief nur noch die bereits bekannten Phrasen wiederholt, dass wir an eine Zertrümmerung Serbiens und Montenegros (unter Wahrung der (…) Ansprüche Bulgariens) nicht dächten und (…) für die Wiederherstellung Belgiens s­ eien. Aus alledem ersähe ich dass S. M. nichts gesagt habe, was mit der von E. E. befolgten Politik in Widerspruch stehe, und dies sei der einzige Grund warum er E. E. über diese Korrespondenz gar nicht benachrichtigt habe. – Ich widersprach dem, indem ich ihm sagte, die wiederholte Zusicherung, dass wir Serbien und Montenegro nicht zertrümmern wollen, sei zumindest unnütz gewesen, denn wie sich die Verhältnisse diesen beiden Ländern (…) gegenüber entwickeln würden, sei noch ganz unbestimmt, und auch in Serbien hätten wir, wie er doch wisse, territoriale Ambitionen. Was endlich Belgien anbelangt, so hätten darüber nicht wir zu verfügen, eine s­ olche Erklärung unsererseits sei also ganz nutzlos und präjudiziere nur der Stellung der Zentralmächte als ganzem, denn wenn in der Folge deutscherseits bezüglich Belgiens noch Schwierigkeiten entstünden, so würden die Gegner von vornherein einen Gegensatz z­ wischen uns und Deutschland konstruieren, und jede s­ olche Hoffnung der Feinde wirke unbedingt kriegsverlängernd. Endlich fragte ich, ob z­ wischen S. M. und dem Papst über Elsass-Lothringen die Rede gewesen sei, was er verneinte. Ich bat S. M. dann nochmals, in Zukunft lieber über jeden ihm auch noch so harmlos erscheinenden politischen Meinungsaustausch E. E. zu informieren, da sonst unberechenbare Schwierigkeiten entstehen könnten. – S. M. war von all meinen Ausführungen mehr impressioniert als ich erhofft hatte, wurde sehr nachdenklich und kam immer wieder darauf zurück, ich möge versichert sein, dass er nie etwas unternehmen würde, was zu der Politik E. E. in Gegensatz stünde (…) und dass

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er schon gar nicht auch nur im Entferntesten daran denke, hinter dem Rücken E. E. Politik treiben zu wollen. Er insistierte ich möchte nur ja trachten, dass E. E. nicht einen solchen Argwohn fassen und Hochdieselben insbesondere über den Inhalt des letzten Briefes des Papstes so rasch als möglich beruhigen. – Da S. M. natürlich glaubte, dass die ganze vorstehende Unterredung ohne Wissen E. E. stattfand, bat er mich auch meinerseits nur über den Inhalt des Papstbriefes, und nur von mir aus, zu informieren.1723

Bei Gasparri riefen die Ankündigung K ­ aiser Karls im Schreiben an den Papst vom 23. Dezember 1917, seine und der Verbündeten „condizioni di pace“ in Bälde mitzuteilen, und die dasselbe verheißende Mitteilung Pacellis vom 10. Februar 1918 zusammen mit Nachrichten über die Smuts-Mensdorff-Gespräche offenbar große Hoffnungen hervor. Als ihm sein Cousin, der Senator Cesare Silj, vom Wunsch Ministerpräsident Orlandos berichtete, der Heilige Stuhl möge in Wien anfragen, w ­ elche Zugeständnisse an Italien die Monarchie bei den Genfer Gesprächen genannt habe, schrieb Gasparri am 14. Februar an Finanzminister Francesco Saverio Nitti, die Regierung könne dies wohl besser bei Lloyd George in Erfahrung bringen. Er ließ Nitti auch wissen, Orlando habe Silj gegenüber erwähnt, dass Italien sich auch jetzt nicht mit dem Parecchio von 19151724 zufriedengeben werde, es habe ja in den Londoner Verträgen weitaus umfassendere Zusicherungen erhalten, deren Realisierung nahe sei. Dagegen gab Gasparri zu bedenken, dass die Situation sich radikal geändert habe. Ihm scheine es erwägenswert, ob sich Italien nun nicht mit einer in manchen Punkten verbesserten Version des Parecchio zufriedengeben könnte.1725 Und Silj teilte in einem Brief vom 27. Februar Orlando mit, dass er am 19. Februar mit Gasparri gesprochen habe. Dieser erachte es als angebracht, dass Italien für seine Forderungen ein Maximal- und ein Minimalprogramm festlege. Man könne nicht wissen, was Smuts und Mensdorff bezüglich Italiens erörterten, die Zurückhaltung, die Lloyd George ihm, Orlando, gegenüber 1723 Demblin an Czernin, Tel. 70, 20. März 1918, HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz. (Entw.), Druck (mit einigen kleinen Fehlern): Demblin Alex. 1997, 243 – 246. – Kovács schrieb, der Brief des Papstes sei „statt auf vertraulichem Weg“ über den „in Friedenssondierungen mit Italien“ stehenden Kardinalstaatssekretär „offiziell“ nach Wien gelangt, der „Apostolische Delegat in der Schweiz habe ihn Schönburg überreicht“. Zum Verhalten Demblins erklärte Kovács, er habe „das Monopol der Czerninschen Außenpolitik gezielt verteidigt, der ­Kaiser sei in seine Falle gegangen“. Und: „Diese Entdeckung angeblicher Alleingänge des Kaisers schien die Vorbereitungen Czernins, den ­Kaiser zum Rückzug zu drängen, zu rechtfertigen.“ Kovács 1 2004, 360 – 362. Demblin vertraute seinem Tagebuch unter dem Datum des 19. März an: „In Franzensfeste am Perron auf- und abgehend schwieriges Gespräch mit dem ­Kaiser wegen seiner hinter dem Rücken Czernins geführten Korrespondenz mit dem Papst, auf die ich ihm draufgekommen war.“ Demblin TB-Eintr. 19. März 1918, Demblin Alex. 1997, 73. 1724 Min.-Präs. Giolitti hatte am 24. Jän. 1915 von Ö.-U. als Preis für die Aufrechterhaltung der ital. Neutra­ lität einzig und allein die Abtretung des Trentino gefordert. 1725 Gasparri an Nitti 14. Feb. 1918, Monticone 1961, 393 Dok. 13, Margiotta Broglio 1966, 349 Dok. 44.

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diesbezüglich an den Tag lege, „l’assoluto riserbo, che, al riguardo, mantenne con te“, spreche für sich.1726 Am 18. März richtete Gasparri einen Brief an Nitti mit dem Ersuchen, Nitti und Orlando möchten ihm versichern, dass, sollte der Heilige Stuhl von der italienischen Regierung bekannt gegebene Friedensvorschläge Österreich-Ungarn übermitteln, ein auf deren Basis geschlossener Friede von der großen Mehrheit der italienischen Nation akzeptiert würde. Dabei könne es sich nicht um einen Separatfrieden handeln, an der Herbeiführung eines solchen würde ohne Einverständnis der anderen Kriegführenden der Heilige Stuhl nicht mitwirken, sondern um einen Vertrag, der den Weg zum allgemeinen Frieden ebne.1727 In seinen Erinnerungen schrieb Gasparri, er habe diesen Brief aufgrund einer Vereinbarung mit Nitti geschrieben, die aus drei Punkten bestanden habe: Dass erstens der Heilige Stuhl Österreich-Ungarn nur von der italienischen Regierung formulierte Bedingungen übermitteln und sich für deren Annahme einsetzen werde, zweitens der König und alle Regierungsmitglieder mit diesen Bedingungen einverstanden sein und drittens alle Verbündeten Italiens das Vorgehen der Regierung gutheißen müssten, sodass ein eventueller Friede mit Österreich-Ungarn der erste Schritt zum allgemeinen Frieden wäre.1728 Nitti antwortete Gasparri daraufhin am 21. März, er könne garantieren, dass sich niemand einer derartigen Aktion des Heiligen Stuhles entgegenstellen werde. Auch könne er versichern, dass Orlando in der Erlangung eines gerechten Friedens seine erhabenste Aufgabe sehe.1729 Am 30. März schließlich übersandte Nitti dem Kardinalstaatssekretär Vorschläge für ein Übereinkommen Italiens mit Österreich-Ungarn, das geeignet sei, alle Spannungen ­zwischen den beiden Staaten zu beseitigen. Die Vorschläge beinhalteten fünf Punkte: Punkt 1 sah die Abtretung von Somalia und Benadir an Österreich-Ungarn vor; sollte das letztere diese Gebiete ablehnen, so werde Italien Tripolitanien und den Fezzan einschließlich der „zona Sirtica“ abtreten. Punkt 2 sah „Grenzberichtigungen“, zur Herstellung einer „cordialen“ Nachbarschaft vor. Die neue Grenze sollte vom Stilfser Joch über den Ortler zur Cima Trenta und weiter zum Gipfel des Penegal gehen. Von d ­ iesem sollte sie über über die unmittelbar südlich Bozens gelegenen Orte Montiggl und Branzoll zum Schwarzhorn und über Latemar, Boespitze, Valparolapass, Seekofel, Monte Cristallo, die Drei Zinnen und den Zwölferkofel zum Kreuzbergsattel, dann entlang der Grenze von 1914 bis zum Rombon, von d ­ iesem zur Einmündung der Koritnica in den Isonzo, in der Folge entlang des Isonzo bis zur Einmündung der Wippach und schließlich entlang 1726 1727 1728 1729

Silj an Orlando 27. Feb. 1918, Margiotta Broglio 1966, 350 – 351 Dok. 45. Gasparri an Nitti 18. März 1918, Monticone 1961, 394 – 395 Dok. 15, Margiotta Broglio 1966, 352 Dok. 46. Dalle Memorie del cardinale Gasparri, Margiotta Broglio 1966, 355 Dok. 47. Nitti an Gasparri 21. März 1918, Monticone 1961, 395 – 396 Dok. 16, Margiotta Broglio 1966, 355 – 356 Dok. 47.

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der Wippach und des Doberdò-Tales bis zu nicht näher bestimmten „Bagni di Mare“, also zu einem Punkt an der Adria gehen. Die „Grenzberichtigungen“ bedeuteten damit die Abtretung des Trentino einschließlich des Deutschnonsberg, des Fassatals sowie des Ampezzano, aber auch des damals überwiegend deutschen Bozener Unterlandes mit Gemeinden wie Kaltern, Tramin, Neumarkt und Salurn, nicht aber des Kanaltales an Italien. Abgetreten werden sollten auch, neben der mehrheitlich italienischen Stadt Görz sowie den fast rein italienischsprachigen Städten Gradisca, Cormons, Aquileja und Monfalcone, die slowenischen Gebiete von Flitsch, Karfreit und östlich von Görz. Punkt 3 lautete kurz und bündig „Vallona all’Italia“ und Punkt 4 „Trieste all’Italia“, und dies mit einem „entsprechenden“ Hinterland. Die Stadt sollte ein Freihafen werden, im Kriegsfalle jedoch neutral sein. Punkt 5 forderte die Abtretung „einiger“ der „isole Curzolari“, d. h. der fast ausschließlich von Kroaten bewohnten, der dalmatinischen Küste ­zwischen Spalato und Ragusa vorgelagerten Inseln. Punkt 6 sah vor, dass Triest, sollten die Punkte 4 und 5 für Österreich-Ungarn „absolut“ unannehmbar sein, mit einem adäquaten Hinterland zu einem unabhängigen und neutralen Staat zu erklären sei. Zudem solle die Monarchie den Italienern ihres Staatsgebietes ihre nationale Existenz gewährleistende schulische und religiöse Einrichtungen zugestehen.1730 Die von Nitti mitgeteilten Forderungen entsprachen also in etwa jenen, die Außenminister Burián am 10. April 1915 durch Botschafter Avarna in Wien überreicht worden waren.1731 Allerdings wurde diesmal nicht die 1810 festgelegte Nordgrenze des Regno Italico gefordert, w ­ elche das Etschtal z­ wischen Meran und Bozen, das Sarntal etwa in seiner Mitte und das Eisacktal bei Klausen durchschnitten und somit rein deutsche Gebiete von Tirol abgetrennt hätte. Auch beinhalteten sie nur mehr die Abtretung „einiger“ statt sämtlicher „isole Curzolari“ und nicht das völlige Desinteressement Österreich-Ungarns an Albanien.1732 Die nunmehr gestellten Forderungen gingen aber um einiges weiter als die Orlando am 24. Jänner 1917 von Silj mitgeteilten Konzessionen, ­welche die Mittelmächte bzw. Österreich-Ungarn, wie der Vatikan damals zu wissen glaubte, Italien für den Fall eines Friedensschlusses einzuräumen bereit gewesen wäre(n).1733 Gasparri brachte Nittis Brief durch Silj Ministerpräsident Orlando zur Kenntnis. Dieser hieß die Vorschläge, abgesehen von dem eventuellen Verzicht auf Tripolitanien und den Fezzan gut, es müssten aber, sollte Triest zu einem unabhängigen Staat werden, Görz und Zara an Italien abgetreten werden. Dabei übersah Orlando, dass die Abtretung von Görz durch die oben beschriebene Grenzziehung ohnehin vorgesehen 1730 Nitti an Gasparri 30. März 1918, Margiotta Broglio 1966, 357 – 359 Dok. 47. 1731 Memorandum der ital. Reg. Burián übergeben 10. Apr. 1915, zit. in: Burián an Macchio 11. Apr. 1915, 128 – 133 Dok. 141. 1732 Vgl. Engel-Jánosi, 2 1960, 227 u. Monticone 1982, 136 – 137. 1733 Orlando Promemoria 25. Jän. 1918, Margiotta Broglio 1966, 325 – 326 Dok. 30.

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war. Orlando wies den Kardinalstaatssekretär darauf hin, dass Verhandlungen nur nach einer Übereinkunft mit den Alliierten beginnen könnten und einen ersten Schritt zu einem allgemeinen Frieden darstellen müssten. Angesichts der „österreichisch-deutschen“ Offensive im Westen halte er Verhandlungen jedoch für verfrüht. Gasparri hielt in seinen Aufzeichnungen fest, dass die Vermittlungsaktion des Heiligen Stuhles somit als gescheitert anzusehen gewesen sei.1734 Pacelli war inzwischen am 14. März in Rom angekommen und wurde am 24. März von Benedikt XV. in Audienz empfangen.1735 Welche Aufnahme die von ihm überreichten Bedingungen K ­ aiser Karls fanden, kann nur gemutmaßt werden. Dass die sie leitenden Vorstellungen keinerlei Möglichkeiten zu einem Ausgleich mit den von Nitti übergebenen Forderungen erkennen ließen, war nicht dazu angetan, auf vatikanischer Seite gehegten Hoffnungen neue Impulse zu verleihen. Ausgehen konnten s­ olche jedenfalls nicht von den Erklärungen des Kaisers, dass die Rückstellung von Österreich-Ungarn okkupierter Gebiete vom Maße des italienischen Entgegenkommens in der „römischen Frage“ abhänge, das in München gemachte Angebot, Teile oder das ganze Trentino gegen eine Kompensation an Italien abzutreten, „bei der inzwischen geänderten Situation (…) nicht mehr in vollem Maße aufrecht erhalten bleiben“ könne und Albanien „unter virtu­ ellem Protektorate Österreichs“ bleibe. In Rom hielt sich Pacelli noch bis zum 2. April auf. Am 31. März wurde der Münchener Nuntiatur mitgeteilt, Pacelli werde in zwei Tagen abreisen, der „noto Religioso“ solle in München auf ihn warten.1736 Pacelli berichtete Gasparri am 5. April, er sei in Lugano eingetroffen und werde am folgenden Tag nach Zürich weiterfahren.1737 Dort erreichte ihn ein Telegramm Gasparris: Es sei ratsam, den Ausgang der Offensive an der Westfront im Auge zu behalten, er solle sich der Vertrauensperson gegenüber darauf beschränken zu erklären, dass die italienische Regierung zu einer Übereinkunft, allerdings auf einer breiteren Grundlage, und zu Kompensationen bereit sei. Sie wünsche zu wissen, ob der Inhalt des kaiserlichen Briefes (damit war wohl eher der Inhalt des Handschreibens vom 4. Oktober 1917 als jener des von Pacelli überreichten Schreibens mit den Bedingungen ­Kaiser Karls gemeint), als unumstößlich zu betrachten sei oder den Weg zu Verhandlungen offen lasse.1738 Eine Bereitschaft der italienischen Regierung zu einer Übereinkunft zu signalisieren hatte Gasparri, wie oben dargestellt, wohl kaum ein Recht.

1734 Dalle Memorie del cardinale Gasparri, ebd. p 359 Dok. 47, s. auch: Controproposte italiane, ebd. pp 360 – 361 Dok. 48 u. Monticone 1961, 396 – 397 Dok. 17. 1735 Gasparri an Pacelli, Tel. 5104, 14. März 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 1618. Engel-Jánosi 2 1960, 337; Latour 1996, 211. 1736 Gasparri an Schioppa, Tel. 92, 26. März 1918, ebd. Dok. 1620. 1737 Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 5. Apr. 1918, ebd. Dok. 3445. 1738 Gasparri an Pacelli, Tel. 92bis, 6. Apr. 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 5192.

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Pacelli erreichte am 8. April wieder die bayerische Hauptstadt.1739 Am 12. April setzte er den Kardinalstaatssekretär davon in Kenntnis, dass er zwei Unterredungen mit dem „noto religioso“ gehabt und d ­ iesem dabei ein nach den letzten Weisungen Gasparris modifiziertes Aide-Mémoire überreicht habe.1740 Von welchem Aide-Mémoire dabei die Rede war, konnte nicht eruiert werden. Bei dem „noto religioso“ handelte es sich zweifel­los um P. Cölestin und nicht, wie es im Kommentar der Kritischen Online-Edition der Nuntiaturberichte zu ­diesem Telegramm heißt, um Graf Thurn und Valsássina, den Leiter der k. u. k. Gesandtschaft in München. Botschafter Schönburg berichtete am 1. Mai an den neuen Außenminister Graf Burián, er habe von Pacelli eine vom 17. April datierte „streng vertrauliche“ und nur für ihn bestimmte Mitteilung bekommen: Der Vatikan werde, falls sich „eine günstige Gelegenheit bieten sollte (…), neuerlich versuchen, eine Annäherung z­ wischen den Kriegführenden herbeizuführen“. Was Deutschland anbelange, so sei nach Meinung Pacellis „jetzt wohl nicht der Moment, ihm mit Friedensvorschlägen zu kommen. Erst müsse der Ausgang der grossen Offensive im Westen abgewartet werden.“ Anders stehe es bezüglich Österreich-Ungarns. Der Vatikan (…) wäre geneigt, (zwischen ihm und Italien) die Vermittlerrolle zu übernehmen. Unter Annäherung wäre natürlich nur eine Vorbereitung des Terrains zu verstehen, ein Gedankenaustausch ­zwischen den beiden Regierungen über die (…) Bedingungen, die man bei einer späteren allgemeinen Friedensconferenz stellen würde. Von einem Separatfrieden (…) könne selbstverständlich nicht die Rede sein, denn Italien wäre ja aus zahllosen Gründen der Entente ausgeliefert.1741

Pacelli habe weiters mitgeteilt: Sollte aber der durch Vermittlung des Vaticans eventuell zustandekommende Gedankenaustausch ­zwischen Oesterreich und Italien zu einem positiven Resultat führen, d. h. dass sich die beiden Staaten bezüglich ihrer Kriegsziele einigen könnten, so wäre Italien (…) in der Lage, behufs Einleitung allgemeiner Friedensverhandlungen auf die Entente einen Druck auszuüben.1742

Der Inhalt der Mitteilungen des Nuntius entsprach also genau dem in den Kontakten Gasparris mit Nitti im März 1918 erreichten Konsens über eine mögliche Vermittlerrolle des Vatikans und durch eine s­ olche zu erzielenden Ergebnissen. 1739 Pacelli an Gasparri, Tel. o. Z., 8. Apr. 1918, ebd. Dok. 3446. 1740 Pacelli an Gasparri, Tel. 163, 12. Apr. 1918, ebd. Dok. 8311. 1741 Schönburg an Burián, Ber. 47/P, 1. Mai 1918; PA I, 951 Krieg 25a Allg. 1918 & Schluss fol. 98 – 99v, Druck: Steglich 1970, 493 – 494 Dok. 428. 1742 Ebd.

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Am 7. Mai telegrafierte Pacelli dem Kardinalstaatssekretär, er habe am 1. Mai einen persönlichen Brief des „Abate Primate“, d. h. ­Kaiser Karls, bekommen. Dieser enthalte jedoch nichts als „vaghe risposte“, was erklärlich sei in Anbetracht der in der letzten Zeit entstandenen Polemiken, aus denen sich eine für den K ­ aiser sehr delikate Situation ergeben habe.1743 Bei den „vaghe risposte“ handelte es sich offenbar um Antworten auf von Pacelli dem „noto religioso“ zur Übermittlung an den ­Kaiser aufgetragene Fragen bezüglich Vorschlägen bzw. Bedingungen für Gespräche mit Italien. Der Monarch schrieb s­ päter über diese Kontakte, die ja zur selben Zeit stattfanden wie der Briefwechsel mit Präsident Wilson, er habe versucht, „durch den Heiligen Vater Verhandlungen anzuknüpfen, indem ich einige Freundlichkeiten für Italien sagte (unbedingte Integrität der Monarchie, jedoch beiderseitige Grenzkorrekturen nicht ausgeschlossen)“.1744 Worin die „Freundlichkeiten“ bestanden, kann weder aus diesen Worten noch aus ­Kaiser Karls oben zitierten „Mündlichen, geheimen Friedensvorschlägen zuhanden des ­Papstes“ erkannt werden. Italien erschien dem K ­ aiser damals ganz offenbar als geschlagen und der Abschluss eines für die Monarchie vorteilhaften Separatfriedens mit ­diesem Land, wenn nicht überhaupt ein Sieg der Mittelmächte, als im Bereich des Wahrscheinlichen. Dass der K ­ aiser auch Ende Mai oder Anfang Juni 1918, also am Vorabend der mit großen Hoffnungen begonnenen alsbald aber völlig fehlgeschlagenen österreichisch-ungarischen Offensive in Venetien, nicht daran dachte, das Pacelli „in München gemachte Angebot“ 1745 aufrechtzuerhalten oder gar zu erneuern, sondern die Abtretung italienischer Gebiete der Monarchie strikt ablehnte, zeigt ein dem Leiter der Gesandtschaft in München, Graf Thurn, erteilter Auftrag. Über diesen berichtete Thurn am 5. Juni 1918: Ich bitte (…), Seiner (…) Majestät meine (…) Meldung unterbreiten zu wollen, daß ich mich heute des mir (…) erteilten allerhöchsten Auftrages an den (…) Nuntius wortgetreu entledigt habe, indem ich demselben mitteilte, daß unser Allergnädigster Herr (…) jederzeit bereit wäre, etwa von italienischer Seite kommende Propositionen zu hören, vorausgesetzt, daß dieselben in keiner Weise die Integrität der Monarchie berühren. (…) – Im weiteren Verlaufe unserer Unterredung frug mich Monsignore Pacelli, wie (…) ‚Integrität der Monarchie‘ (…) zu interpretieren sei und ob (…) dieser Begriff auch (…) im Tauschwege vorzunehmende (…) Gebietsveränderungen, insoweit s­ olche (…) zugunsten Italiens erfolgen würden, ausschließe. – Ich erwiderte, daß sich mein Auftrag auf die ihm gegebene Erklärung beschränke und (… ich) zu irgendwelcher Interpretation nicht berechtigt sei. (…) – Auf die Frage (…), ob ich es auch für 1743 Pacelli an Gasparri, Tel. 180, (7.) Mai 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 8313. Gemeint waren die Polemiken im Zuge der Sixtus-Affäre. 1744 Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 327 Dok. 87a. 1745 Vom 30. Juni 1917.

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möglich halten würde, daß (…) für (…) zugunsten Italiens vorzunehmende Grenzrektifikationen (…) Kompensationen auf kolonialem Gebiete gesucht würden, erwiderte ich, daß ich dies persönlich für (…) ausgeschlossen hielte. (…) – Von Interesse schien mir die Bemerkung des Nuntius, daß dem Heiligen Vater (…) nicht die Herbeiführung eines Separatfriedens z­ wischen der Monarchie und Italien vorschwebe, sondern daß Er dieselbe vielmehr als eine Vorarbeit zur Anbahnung eines allgemeinen Friedens betrachte.1746

Pacelli berichtete über das Gespräch mit Thurn inhaltsgleich an Gasparri. Er, Pacelli, habe erklärt, die Geschichte würde Österreich-Ungarn, brächte es das Opfer von Abtretungen, das Verdienst zumessen, der die Welt verwüstenden schrecklichen Geißel Einhalt geboten zu haben; K ­ aiser Karl würde es den Titel eines Friedenskaisers eintragen.1747 Am 8. Juni 1918 depeschierte Schönburg an Burián, er sei in München mit Pacelli zusammengetroffen. Dieser habe ihm mitgeteilt, dass der Vermittlungsversuch des Papstes „auf einer Anregung von offizieller italienischer Stelle“ basiere. Er vermute, dass es sich „also um den italienischen Ministerpräsidenten selbst oder um einen anderen Minister“ handle. Der päpstliche Vorschlag ziele auf „Rectificationen und Compensationen“, die „ersteren zu unseren Ungunsten, (…) die letzteren zu unseren Gunsten und zwar auf colonialem Gebiete“. Dies kommentierte Schönburg mit den Worten: Die Idee der uns zu überlassenden Colonien ist allerdings mehr originell als (…) beachtenswerth. Aber giebt es nicht noch andere Arten von ‚Compensationen‘? So fiele unter den Begriff ‚Compensationen‘ beispielsweise auch die Zustimmung zu gewissen vernünftigen territorialen Lösungen (auf der Balcanhalbinsel, etc.) und noch viel mehr natürlich die Unterstützung bei der Durchsetzung solcher Lösungen.1748

Kaiser Karl konnte sich auch Ende August 1918, als an der Westfront die Übermacht der Alliierten immer drückender wurde und eine Niederlage der Mittelmächte immer mehr in den Bereich des Möglichen, wenn nicht des Wahrscheinlichen rückte, keineswegs mit dem von Seiten des Vatikans lancierten Gedanken einer Abtretung italienischsprachiger Gebiete gegen anderweitige Kompensationen anfreunden. Als er am 28. August in München König Ludwig III. einen Besuch abstattete, führte er auch ein längeres Gespräch mit Pacelli. Dieser berichtete darüber an Gasparri, der ­Kaiser habe 1746 Thurn an Burián, Privatschr. 5. Juni 1918, HHStA PA I, 511 XLVII/5g fol. 718 – 7 18v, 720 – 720v u. 719v–719, Druck: Steglich 1970, 495 – 497 Dok. 429. 1747 Pacelli an Gasparri, Ber. Prot.-Nr. 6915, 7. Juni 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 6019, Kovács 2 2004, 354 – 356 Dok. 96. 1748 Schönburg an Burián, Ber. o. Z., 8. Juni 1918 (zu Ber. 47/Pol vom 1. Mai 1918), HHStA PA I, 956 Krieg 25s Friedensaktion der Frau Grebner fol. 110 – 111v, Druck: Steglich 1970, 497 – 498 Dok. 430.

Die „Vertrauensperson“

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klar erkennen lassen, dass er nicht mehr auf einen Sieg der Mittelmächte vertraue und geäußert, man müsse um jeden Preis zum Frieden kommen. Die Frage des Kaisers, ob Graf Thurn seine Bedingungen für Verhandlungen mit Italien übermittelt hätte, habe er, Pacelli, bejaht, aber darauf hingewiesen, dass es unklar geblieben sei, ob die Integrität der Monarchie nur dann als gewahrt betrachtet würde, wenn es zu nicht mehr als reziproken Grenzberichtigungen komme – dann könnte an Verhandlungen irgendwelcher Art nicht gedacht werden – oder auch im Falle von Gebietsabtretungen an Italien gegen koloniale Kompensationen. Der K ­ aiser habe daraufhin erklärt, er sehe die Integrität der Monarchie auch dann als gewahrt an. Vor allem wegen der bekannten Angriffe gegen ihn und die Kaiserin 1749 sei er jedoch gezwungen, sehr vorsichtig zu sein, zudem habe er über eine derartige Option noch nicht mit Außenminister Burián sprechen können; er werde aber durch Graf Thurn eine Antwort geben. K ­ aiser Karl redete sich also, wie bei so manch anderem Anlass, darauf raus, dass er selbst wohl möchte – in d ­ iesem Fall also Gebiete gegen Kompensationen abtreten –,andere bzw. die Umstände die Ausführung seiner Absicht jedoch nicht zuließen. Hinweise darauf, dass er sich mit Burián nach dem Gespräch mit Pacelli über die Sache ins Einvernehmen gesetzt hätte, liegen nicht vor. Pacelli berichtete weiters, dass er auch kurz mit Burián habe sprechen können. Dieser habe ihm gesagt, die Mittelmächte s­ eien trotz einiger Gebietsverluste sicher, die Westfront halten zu können, nach dem Abklingen der gegenwärtigen Offensive würden sie einen Friedensversuch unternehmen. Über Italien habe Burián sich nur flüchtig geäußert, dabei aber eine tiefe Verachtung für den einstigen Verbündeten erkennen lassen.1750

5.10 Die „Vertrauensperson“ Wie bereits erwähnt, handelte es sich bei der von K ­ aiser Karl, Pacelli, Gasparri, E ­ rzberger und auch von Kaiserin Zita als „Vertrauensperson“ oder als „Vermittler“ bezeichneten Person um den bayerischen Kapuziner Cölestin Schwaighofer. Erzberger hatte ihn offenbar im Februar 1915 kennengelernt, und zwar im Zuge seiner im Auftrag des Auswärtigen Amtes zusammen mit dem Fürsten Bernhard von Bülow, dem damaligen deutschen Sonderbotschafter beim Quirinal, unternommenen Anstrengungen, den Eintritt Italiens in den Krieg zu verhindern. In seinem ersten, wahrscheinlich am 28. ­Februar 1915 verfassten, Bericht aus Rom an Bethmann Hollweg bezeichnete Erzberger P. Cölestin als eine jener „Persönlichkeiten, w ­ elche in den maßgebenden Wiener Kreisen genügenden Einfluß besitzen“, um Widerstände gegen ein Übereinkommen mit Italien ­überwinden zu 1749 Nach dem Bekanntwerden seines Briefes an Sixtus. 1750 Pacelli an Gasparri, Ber. 8825, 28. Aug. 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 6025, idem: Kovács 2 2004, 377 – 378 Dok. 105.

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Frieden durch den Papst?

helfen.1751 Auf ­welche „Wiener Kreise“ sich Erzberger bezog, zeigt ein Bericht P. ­Cölestins vom 26. Februar 1915, mit dem dieser Graf Hertling, den damaligen bayerischen Staatsminister, über von ihm in päpstlichem Auftrag am 13. und 14. Februar in Wien geführte Gespräche informierte: Er habe mit „Frau Erzherzogin Maria Theresia v. ÖsterreichUngarn, Herzogin v. Braganza, (…) (Stiefgroßmutter des Erzherzog-Thronfolgers)“ und „Frau Herzogin v. Parma (Mutter (…) der Frau Erzherzogin Zitta (…)) zwei sehr eingehende Besprechungen“ gepflogen, desgleichen auch mit Kardinal Friedrich Gustav Piffl, Prälat Dr. Ernst Seydl, „K. & K. Hof= & Burg=Pfarrer (Beichtvater des Kaisers)“, P. Andreas, „Guardian des Kapuzinerklosters in Wien (einstiger Religionslehrer, derzeitiger Hauskaplan im Hause der Erzherzogin Maria Theresia)“, und „R. P. (Carl Maria) Andlau, S. J. (Beichtvater im Hause des Thronfolgers & in den einflussreichsten Kreisen Österreichs)“.1752 Zweck dieser Besprechungen sei es gewesen, die Genannten dazu zu bringen, ihren Einfluss bei ­Kaiser Franz Joseph dahingehend geltend zu machen, dass er zur Vermeidung des Kriegseintrittes Italiens trotz seiner „für Concessionen wenig günstigen Stimmung“ in eine Abtretung des Trentino einwillige. Seinen Gesprächspartnern habe er „die unmassgeblichste Meinung“ unterbreitet, „dass Stimmungen an Allerhöchster Stelle manchmal auch durch einseitige Berichte einer nächsten Umgebung hervorgerufen werden (…); sollte dies hier der Fall sein, so wäre es ein grosses Verdienst (…) einseitige Informationen zur Allseitigkeit zu ergänzen.“ 1753 Der Papst sei neutral und müsse es „aus transscedenten (sic!) Gründen“ sein, gewiss aber sei er es nicht „den Plänen der Freimaurer gegenüber“. Als Resultat seiner Bemühungen hätten die „Mitglieder des Kaiserlichen Hauses“ versprochen, „die Gemahlin des Thronfolgers mit den vorgetragenen Gesichtspunkten vertraut machen zu wollen“. Am meisten Hoffnung setze Cölestin auf den „sehr einflussreichen P. Andlau, welcher (…) versprach, nach Rückkehr des Thronfolgers (…) eingehendst denselben zu informieren“. P. Cölestin schloss seinen Bericht mit den Worten: „Wieder zeigt sich auch ­hierin, dass die Basis auf welcher in Österreich am ehesten Einigung und Verständigung erzielt werden könnte, der religiöse Gedanken ist.“ 1754 Auf seine guten Beziehungen zu Herzogin Maria Antonia wies er auch in einem Schriftstück hin, in welchem er ­später für seine „lieben Mitbrüder“ die von ihm geleisteten „Handlangerdienste“ aufzählte. Unter diesen führte er nämlich an: „Öfterer Aufenthalt in Wien in religiös-politischen Angelegenheiten (zugleich im Dienst im Lazarett der Kaiserin ­Mutter).“ 1755 1751 Erzberger Erster Ber. an Bethmann Hollweg o. D. (28. Feb. 1915?), Epstein 1976, 141 – 144. 1752 Cölestin an Hertling, 26. Feb. 1915, Ber. über Bespr. in Wien 13. & 14. Feb. 1915, BHStA MA 948. 1753 Ebd. 1754 Ebd. 1755 Aus den Aufz. P. Cölestin Schwaighofers, c) Handlangerdienste Nr. 18, Patin 1942, 303 Beil. 11.

Die „Vertrauensperson“

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Die „im Auftrag des Papstes“ geführten Besprechungen P. Cölestins in Wien und durch sie bewirkte Interventionen an Allerhöchster Stelle riefen den Unmut zumindest Außenminister Buriáns hervor. Dies lässt ein Schreiben erkennen, mit dem Graf ­Lerchenfeld, der bayerische Gesandte in Berlin, Hertling darüber informierte, was Botschafter Tschirschky am 15. März 1915 über ein Gespräch mit Burián ans Berliner Auswärtige Amt berichtet hatte. Darin heißt es unter anderem: Italien wünscht, daß die Abtretung des Trentino noch vor dem Friedensschluß erfolge. Wie Herr von Tschirschky meldet, wird Baron Burián darauf nicht eingehen (… und) hofft, daß hierin Italien nachgeben wird. (…) Baron Burián sprach (…) den Wunsch aus, daß Deutschland jetzt seinen Einfluß auf Italien wirken lassen und auch den Fürsten Bülow hiezu (…) anhalten möge. Der Fürst solle nicht fortfahren, wie bisher durch Entsendung von Privatpersonen einen Druck auf die österreichische Regierung zu versuchen, was in Wien nur böses Blut gemacht habe.1756

Am 23. März reiste P. Cölestin neuerlich nach Wien, und dies mit dem Auftrag des Papstes, Kardinal Piffl und Kardinal Janós Csernoch, den Fürstprimas von Ungarn, über die Situation zu informieren.1757 Die Besprechungen der „freiwilligen Politiker“, zu denen auch Erzberger zählte, mit den genannten Personen wurden laufend intensiviert. Erzberger berichtete darüber am 12. April 1915 an Hertling: Es fanden Besprechungen statt mit Botschafter von Tschirschky, Minister von Morawski, Minister a. D. Gessmann, Prinz (Aloys) Liechtenstein, einer Anzahl maßgebender österreichischer Beamter des Auswärtigen Amtes, Kardinal Pfiffel (sic!), Erzherzogin Maria Theresia, Erzherzogin Zita, Herzogin (Maria Antonia) von Parma, Pater von Andlau und Pater Cölestin. Bei allen diesen Konferenzen kam (…) zum Ausdruck, daß Österreich gewillt sei, Italien beträchtliche Konzessionen zu machen (…). – Prinz Liechtenstein begab sich im Auftrag der christlichsozialen Partei zum Minister Baron Burián, um ­diesem zu sagen, daß seine Partei – wenn auch schweren Herzens – zu weiteren Konzessionen bereit sei, und (…) unter allen Umständen den Bruch mit Italien verhindert wissen wolle. In den Konferenzen mit den Erzherzoginnen zeigte sich anfangs ein gewisser Unterton der Verstimmung gegen Deutschland, weil die Pression zu stark gewesen sei (…). – Ich glaube (…) sagen zu dürfen, daß durch meinen Besuch in Wien erreicht worden ist, daß die weitgehenden Forderungen Italiens nicht mit einem glatten ‚Nein‘ und einem Abbruch der Verhandlungen beantwortet werden.1758

1756 Lerchenfeld an Hertling, 15. März 1915, BHStA MA 957b, Druck: Deuerlein 1 1973, 412 Dok. 162. 1757 Monticone 1982, 113 – 114. 1758 Erzberger an Hertling, 12. Apr. 1915, BHStA MA 947, Druck: Lutz 1962 57, 276 – 277.

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Frieden durch den Papst?

Von diesen Bemühungen zeugt auch eine von Erzberger und dem damaligen Legationsrat an der bayerischen Gesandtschaft am Quirinal, Franz von Stockhammern, gezeichnete Depesche, die der in Rom weilende Erzbischof von Kalocsa, Árpád Várady, am 2. Mai 1915 Tisza zur Kenntnis brachte. Sie lautete: Durch Botschaft Wien für: – a) Pater Graf Andlau (…) – b) Pater Cölestin Schwaighofer (…) – c) Landmarschall Prinz Li(e)chtenstein. – Die Sache steht auf des Messers Schneide. (…) – (Zusatz für Andlau:) Bitte in ­diesem Sinne auf Frau Schnell (Schratt?) mit dem ganzen Ihnen zur Verfügung stehenden Einfluß zu wirken. Sie entsprechen damit dem ausgesprochenen Willen des Papstes. Cölestin und Li(e)chtenstein in derselben Richtung verständigt. (…) – (Zusatz für Cölestin:) Bitte in ­diesem Sinne auf Frau Schwarz (Herzogin Maria Antonia?) zu wirken. (…) – (Zusatz für Li(e)chtenstein:) Bitte Burián nachdrücklichst vorzustellen und auf beschleunigte Erledigung zu dringen.1759

Alberto Monticone referierte 1982 ein in den Akten des Berliner Auswärtigen Amtes erhaltenes Telegramm Stockhammerns vom 30. April 1915 an P. Cölestin, das diesen aufforderte, „vor allem bei Erzherzog Karl auf den österreichischen Konzessionen“ zu bestehen. Cölestin habe Stockhammern daraufhin gebeten, er möge ihm, „damit er den Thronfolger besser informieren könne, eine Depesche s­ chicken, die den Ernst der Lage und die drohende Gefahr eines Bruches veranschauliche“. In der Folge habe Stockhammern ein „in dramatischem Ton gehaltenes Telegramm“ gesandt, in dem er Cölestin aufforderte, „mit dem Thronfolger zu sprechen, an sein Gewissen zu appellieren, ihm seine Verpflichtungen (…) vor Augen zu führen und dabei auch auf die Pläne der Freimaurer für den 5. Mai anzuspielen“.1760 Für diesen Tag, den Jahrestag der Einschiffung der Mille, der Tausend Rothemden Garibaldis, zu ihrer Fahrt nach Sizilien in Quarto, war dort nämlich eine große Feierlichkeit vorgesehen, bei der eine Denkmalsenthüllung mit einer Rede Gabriele D ­ ’Annunzios stattfinden und daran erinnert werden sollte, dass es immer noch eine Italia irredenta gebe. Auf Stockhammerns Telegramm hin habe Cölestin „unverzüglich mit dem Hof “ Verbindung aufgenommen, der Thronfolger, „auf den er alle seine Hoffnungen für eine Einigung mit Italien“ setzte, sei aber „vorsätzlich von den Verhandlungen ferngehalten“ worden. Er habe deshalb Kardinal Piffl gebeten, „sich dafür einzusetzen, daß der Erzherzog in Wien bleibe, und sich darum zu bemühen, daß der Tätigkeit des Italienreferenten Mérey“ im Ministerium des Äußern entgegengewirkt werde; überdies habe er dem Kardinal bestätigt, „daß ein vermittelndes Einschreiten des Papstes sehr nützlich sei“. Jenen, die sich „um eine Einigung mit Italien“ bemühten, sei es aber weniger 1759 Várady an Tisza 2. Mai 1915, Tisza 1 1928, 238 – 239, vgl. Monticone 1982, 194 Anm. 52. 1760 Monticone 1982, 202 – 203.

Die „Vertrauensperson“

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darum gegangen, „daß der Papst in Wien intervenierte. Vielmehr sollte er versuchen, bei der italienischen Regierung Zeit zu gewinnen“. Die deutschen Diplomaten in Rom hätten sich darauf konzentriert, den „zu erwartenden gefährlichen Schlag von Quarto zu parieren“, nämlich den eines Aufwallens des Nationalgefühls und daraus resultierenden Rufes nach einem Kriegseintritt zur Befreiung der Italia irredenta. Sie hätten aufgeatmet, „als bekannt wurde, daß die Minister und der König der Veranstaltung nicht beiwohnen würden“, jedoch „über das Weiterbestehen der Kriegsgefahr keine Illusionen“ gehegt. Erzberger habe mit aller Kraft für die weitere italienische Neutralität gearbeitet und sich dabei an süditalienische Abgeordnete und Angehörige des Klerus gewandt.1761 Cölestin hielt ­später fest: Januar bis März 1915 hatte ich mich dreimal von Rom nach Wien zu begeben, um (…) mir bekannten Persönlichkeiten daselbst (Mitgliedern des kaiserlichen Hauses, der Aristokratie etc.) (…) darzulegen, warum (…) eine Verständigung mit Italien, eventuell mit TerritorialZession gegen (…) Kompensation, wünschenswert erscheinen müßte. Ich hatte vor allem die (…) religiös-politischen Momente darzulegen, mit besonderem Hinweis auf die Lage des Apostolischen Stuhles (…). – Für (…) Kommissionsübertragung an mich hatten sich bemüht: Botschafter (…) Bülow, Staatssekretär Jagow, Reichstagsabgeordneter Erzberger, Legationsrat von Stockhammern.1762

Darauf, dass Erzberger 1915 Cölestins Einflussmöglichkeiten auf den Wiener Hof nicht überschätzte und diese fortbestanden, weist eine Tagebuchnotiz Marterers vom 28. Jänner 1917 hin: Am 28. waren zwei interessante Geistliche beim Essen (an der Hoftafel). – Prälat Gerlach, ein junger, höchst eleganter Salonmann, Sekretär des Papstes (…), und der Kapuzinerpater Cölestin Schweighofer (sic!), gebürtiger Tiroler, vom Stift Altötting in Bayern (…). – Charakteristisch ist, daß S. M. verbot, irgendeine Notiz über diese Geistlichen in die Zeitung kommen zu lassen.1763

Prälat Rudolf Gerlach, Vertrauter des Papstes und Cameriere Segreto participante, hatte, um seiner Verhaftung wegen einer möglichen Involvierung in Spionage- und Sabotageaktivitäten zuvorzukommen, mit stillschweigender Duldung der italienischen Behörden Rom Anfangs Jänner 1917 verlassen. Einen darüber handelnden Bericht des seit Kriegsbeginn in Lugano residierenden preußischen Gesandten beim Heiligen Stuhl, Otto von Mühlberg, leitete der Gesandte Romberg am 8. Jänner 1917 an das Auswärtige Amt 1761 Ebd. 1762 Aus den Aufz. P. Cölestin Schwaighofers d), Patin 1942, 303 – 304 Beil. 11. 1763 Marterer TB-Eintr. 30. Jän. 1917, KA NL Marterer B/16:V; etwas ungenau: Lorenz 1965, 492.

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Frieden durch den Papst?

weiter: „Monsignore Gerlach (…) wird sich nach kurzem Aufenthalt in München nach Berlin begeben und dem Gesandten von Bergen die Einzelheiten über seine Beurlaubung berichten.“ 1764 Steglich zufolge depeschierte Zimmermann am 14. Januar ins Große Hauptquartier, der in Berlin eingetroffene Gerlach habe gebeten, ihm eine Audienz bei ­Kaiser Wilhelm „behufs Übermittelung von Mitteilungen Seiner Heiligkeit zu erwirken. (…) Gerlach soll demnächst von dem König von Bayern und der Kaiserin Zita empfangen werden.“ 1765 Graf Moritz Pálffy ab Erdöd, Geschäftsträger der ebenfalls in Lugano residierenden k. u. k. Botschaft beim Heiligen Stuhl, berichtete, „den Inzidenzfall mit Mgr. v. Gerlach betreffend“, am 12. Jänner 1917 an Czernin: Der genannte Prälat, den ich persönlich gut kenne, genoss bei Benedikt XV . eine geradezu exzeptionelle Vertrauensstellung und da seine persönlichen Sympathien natürlich ganz und gar den Zentralmächten galten, war er für die Förderung unserer Interessen ein unschätzbares Element im Vatikan.1766

Eine Audienz bei ­Kaiser Wilhelm konnte für Gerlach tatsächlich erwirkt werden; sie fand am 19. Jänner 1917 im Großen Hauptquartier in Pleß statt. Admiral Müller trug darüber in sein Tagebuch ein: Zu Mittag Monsignore v. Gerlach, der ausgewiesene Privatsekretär des Papstes. Er erzählte von sehr empfindlicher Lebensmittelnot in Italien und von sehr freundlicher Gesinnung des Papstes für die Mittelmächte, die freilich in den Regierungsakten nicht immer in Erscheinung treten könnte. Ferner sprach er vom Friedensbedürfnis des Königs der Belgier, und daß der Bruder der Kaiserin von Österreich, der als Offizier in französischen Diensten stünde, die Vermittlerrolle übernehmen werde.1767

Am 26. Jänner kam Gerlach in Begleitung P. Cölestins in Wien an und überreichte zwei Tage ­später ­Kaiser Karl einen Brief des Papstes, der in seinen Grundzügen möglicherweise dem erwähnten, vom 16. Jänner 1917 datierten Schreiben Benedikts XV. an Wilhelm II. entsprach. In Polzer-Hoditzs Erinnerungen ist darüber etwas fabulierend festgehalten: (…) zu dieser Zeit hatten die Friedensbestrebungen des Kaisers bereits konkrete Formen angenommen. Schon im Jänner und Februar stand er wegen eines zu erreichenden Friedens mit Italien in unmittelbarem brieflichem Verkehr mit Papst Benedikt XV. Der Vermittler dieser 1764 Romberg an A. A., Tel. 33, 8. Jän. 1917, Steglich 1970, 58 – 59 Dok. 30. 1765 Steglich über: Zimmermann an Lersner, Tel. 88, 14. Jän. 1917, ebd. pp 62 – 63 Dok. 33 Anm. 1. 1766 Pálffy an Czernin, Ber. 2C/Pol, 12. Jän. 1917, HHStA PA I, 809 III/41 o. Fz. 1767 Müller TB-Eintr. 19. Jän. 1917, Görlitz 1959, 251.

Die „Vertrauensperson“

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Geheimkorrespondenz war (…) Gerlach. Am 28. Jänner (1917) wurde er (Gerlach), nachdem er einen Brief des Papstes überreicht hatte, der Hoftafel beigezogen. (…) Der Versuch blieb, da die italienischen Forderungen ganz unerfüllbar waren, ergebnislos.1768

Dass Gerlach Rom Anfang Jänner 1917 hatte verlassen müssen, war Polzer-Hoditz offenbar unbekannt. Auch weisen die Worte K ­ aiser Karls bei dem am 12. Jänner 1917 abgehaltenen Gemeinsamen Ministerrat, mit denen er von „der offenbaren Unmöglichkeit einer Annäherung (…) an das treubrüchige Italien“ sprach und „daß unser Hauptkriegsziel die Erhaltung der Integrität der Monarchie bilde“ 1769, nicht auf eine Bereitschaft zu einem Entgegenkommen an Italien hin. Ein solches ist auch kaum aus der Nicht-Erwähnung Italiens im ersten Brief an Sixtus abzuleiten oder aus den von d ­ iesem referierten Worten des Kaisers, dass er auf die italienische Frage nur im Einvernehmen mit Frankreich, England und Russland herangehen könne: Den Italienern sei es bisher lediglich gelungen, Görz zu erobern: „Ces gens-là ne savent même plus donner un bon coup de poignard dans le dos.“ 1770 Auf Gerlachs Visite in Wien bezieht sich ein eigenhändiges Schreiben des Papstes vom 20. Februar 1917 an ­Kaiser Karl, welches zu überreichen Nuntius Valfrè beauftragt war. Das Schreiben beginnt mit den Worten: Monsignore Rudolf Gerlach (…) hat Uns wissen lassen, daß Eure (…) Majestät in der ihm gnädigst gewährten Audienz mit von kindlicher Liebe überfliessenden Worten Ihre tiefe und unwandelbare Ergebenheit gegenüber Unserer Person und dem Heiligen Stuhle bezeugt haben.1771

Gerlach nahm in der Folge die Gastfreundschaft des Bischofs von Chur, Georg Schmid von Grüneck, in Anspruch. Botschafter Schönburg berichtete darüber am 30. März

1768 Polzer-Hoditz Lebenserinnerungen, KA NL Polzer-Hoditz B/1499 Bd. IV, V/314. – Nach Kovács wurde Gerlach nach Wien entsandt, um „die Vertrauensbasis zu erhalten“, die wegen einer durch die „Vergangenheit des Nuntius“ Valfrè di Bonzo bewirkten „Verstimmung ­zwischen Wien und Rom“ in Frage gestellt schien. Hinfort ­seien die Kontakte über Pacelli und „Geheimkuriere“ oder den Apostolischen Delegaten in Bern „direkt zu Papst Benedikt XV.“ gelaufen. Kovács 1995 33, 296. Dass Pacelli erst am 20. April 1917 zum Nuntius in München ernannt wurde, war Kovács bzw. der Person, die sie über eine durch die „Vergangenheit des Nuntius“ bewirkte „Verstimmung“ ­zwischen Wien und Rom unterrichtet hatte, offenbar entgangen. 1769 Min.-R. für Gem. Ang. 12. Jän. 1917, HHStA PA XL, 313 KZ 4–GMRPZ 530 fol. 2 – 26, idem: HHStA PA I, 1092a 1 fol. 1 – 24, Druck: Komjáthy 1966, 440 – 449 Dok. 20. 1770 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 12 – 13, Sixtus 1920, 92 – 93. 1771 Benedikt XV. an Ks. Karl, 20. Feb. 1917, HHStA PA XI, 255 o. Fz., ital. Text: Rumi 1990, 31 Dok. 7, S­ teglich 1970, 67 – 68 Dok. 38, Kovács 2 2004, 158 Dok. 32.

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Frieden durch den Papst?

1917, der Bischof, der „ganz auf unserer Seite steht“, biete Gerlach „ein nicht zu ­unterschätzendes Asyl“.1772 Gerlach blieb in Chur offenbar nicht untätig. In einem Bericht des k. u. k. Honorar­konsuls für Graubünden, Julius Stępski-Doliwa, heißt es nämlich, er hole dort „unter dem Deckmantel sybaritischer Pflege seiner Gesundheit und weltlichen Wohllebens in ebenso geschickter als vorurteilsloser Weise politische Informationen ein (…), um diese regelmäßig Seiner Heiligkeit, sowie Seiner Majestät unserem allerhöchsten Herrn (via Wartegg) zu berichten (…)“.1773 Auf die Rolle, die P. Cölestin als „Vermittler“ z­ wischen Erzberger und K ­ aiser Karl spielte, wurde im Kapitel 4.1 eingegangen.

1772 Schönburg an M. d. Ä., Ber. 17 A-F, 30. März 1917, HHStA PA XI, 255 fol. 41. 1773 Stępski-Doliwa an Burián, Ber. 805 res./pol., 23. Sept. 1918, HHS tA PA I, 951 Krieg 25a Allg. 1918 & Schluss fol. 315 – 316.

6. Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs – Notenwechsel mit Wilson 6.1

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr

Die Genfer Gespräche ­zwischen Graf Mensdorff und General Smuts im Dezember 1917 und ihre Vorgeschichte wurden von Steglich, Ritter, Meckling, Fest 1774 und anderen mit unterschiedlicher Akribie und Ausführlichkeit bearbeitet und dargestellt, Steglich publi­ zierte in dieser Sache wichtige österreichisch-ungarische und britische ­Aktenstücke.1775 Lloyd George schrieb über die Gespräche, mit denen das britische War Cabinet ausloten wollte, ob Österreich-Ungarn aus seinem Bündnis mit dem Deutschen Reich zu lösen wäre: Als wir erfuhren, daß der österreichische Ministerpräsident (sic!), Graf Czernin, bereit sei, den Grafen Mensdorff in die Schweiz zu ­schicken, um mit einem Vertreter des britischen Kabinetts über den Abschluß eines Friedens zu verhandeln, hatten wir das Gefühl, daß die Entsendung eines solchen Vertreters der beste Beweis sei, daß die österreichische Regierung es ernst meine und wirklich eine friedliche Beilegung des blutigen Streites wünsche. (…) Wir beschlossen (…), General Smuts zur Begegnung mit Mensdorff in die Schweiz zu s­ chicken. Philip Kerr (…) sollte den General begleiten. Sie erhielten Anweisung, sich auf die Besprechung eines Sonderfriedens mit Österreich zu beschränken und sich auf keine Unterredung über einen allgemeinen Frieden einzulassen.1776

Smuts hielt in seinem Bericht über die Gespräche vom 18. und 19. Dezember fest: Ehe ich London verließ, erörterte ich mit Lloyd George, dem Ministerpräsidenten, sowohl wie mit Balfour die bei den Besprechungen einzuhaltende Linie und entnahm daraus, daß der Zweck meiner Sendung ein zweifacher war: nämlich erstens, den Österreichern klarzumachen, daß sie unserer vollen Sympathie und Unterstützung gewiß sein könnten, wenn sie sich von der deutschen Vorherrschaft loslösen und im Einvernehmen mit dem Britischen Reich einen neuen Anfang machen würden; zweitens sollte ich soviel wie möglich in Erfahrung zu bringen suchen, dabei aber jede Erörterung von Friedensbedingungen, soweit sie Deutschland 1774 Steglich 1 1964, 249 – 263 (–281), Steglich 1984, CVIII-CXXVIII, Ritter 4 1968, 260 – 262, Meckling 1969, 317 – 323, Fest 1978, 160 – 177. 1775 Steglich 1984, 268 – 376. 1776 Lloyd George MA 3. 1936, 15.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

­ eträfen, ablehnen. – (…) Als drittes hatte ich im Sinn, wenn irgend möglich, Österreich zu b einem Separatfrieden zu veranlassen.1777

Dass für die Monarchie ein solcher nicht in Frage kam, geht klar aus den von Mensdorff niedergeschriebenen „Direktiven“ für die von ihm zu führenden Gespräche hervor. In ihnen ist an erster Stelle angeführt: „Separatfriede ausgeschlossen, es wäre ein Zeitverlust, darüber zu reden“.1778 Smuts wies in seinem Bericht auf das Bestreben Mensdorffs hin, ihn von der Idee eines Sonderfriedens mit der Monarchie abzubringen: Er versuchte (…) das Gespräch auf allgemeine Friedensbedingungen zu lenken und meinte, daß nunmehr die Zeit gekommen sei, vorläufige Besprechungen z­ wischen Großbritannien und Deutschland zu eröffnen, und wenn Österreich (…) dabei vermitteln könne, würde das mit Freuden geschehen. Ich dankte ihm, sagte aber, daß die Zeit noch nicht gekommen sei, mit Deutschland (…) zu reden, und daß unsere Besprechungen sich ganz und gar auf österreichischungarische Fragen beschränken müßten. Darin fügte er sich, doch mit sichtlichem Bedauern; und ­später versuchte er noch mehrere Male, die (…) deutschen ­Friedensbedingungen hineinzuziehen, was ich aber stets kurz ablehnte. (…) Er schien zu denken, daß meine Weigerung, allgemeine Friedensbedingungen zu besprechen, nur ein Manöver sei, und als er schließlich seinen Irrtum einsah, war er (…) sehr enttäuscht.1779

Mensdorff ließ am 19. Dezember 1917, nach seiner ersten Unterredung mit Smuts, ein „Vorläufiges Resumé“ an das Ministerium des Äußern telegrafieren: England wünscht mit uns gut zu stehen und künftige Entwicklung der Monarchie auf Basis autonomer Fortentwicklung der Völker zu fördern – absolut nicht Zertrümmerung der Monar­ chie. (…) – Leider gar keine Neigung, vorläufig mit Deutschland zu reden; noch sei in England öffentliche Meinung nicht reif für Friedenskonversationen mit Deutschland. – Er (Smuts) verstand vollkommen und nahm davon Akt, daß wir jederzeit für Schaffung von Friedensgarantien und für jede Friedensvermittlung zu haben sind, nicht aber für Separatfrieden oder einen illoyalen Akt gegen Deutschland.1780

1777 Smuts, Ber. über Bespr. mit Mensdorff 18. – 19. Dez. 1917, ebd. pp 16 – 29, Lloyd George WM 5. 1934, 2461 – 2480, Steglich 1984, 308 – 317 Dok. 247. 1778 Mensdorff, Direktiven für meine bevorstehenden Unterredungen o. D. (Dez. 1917), HHStA PA I, 963 Krieg 27β fol. 286 – 289, Druck: Steglich 1984, 345 – 347 Dok. 270. 1779 Smuts, Ber. über Bespr. mit Mensdorff. Wie Fußnote 1730. 1780 Musulin (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 1148, 19. Dez. 1917, HHStA PA I, 963 Krieg 27β fol. 199, Druck: Steglich 1984, 357 Dok. 280.

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr

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Steglich meinte 1964 zu den britischen Absichten: „Ein einfacher Sonderfriedensversuch war die Aktion von Smuts nicht.“ Lloyd George habe sich durch das Ausscheiden Russlands aus dem Krieg vor der Notwendigkeit gesehen, „erst recht den deutschen Gegner militärisch zu überwältigen“. Als von untergeordneter Bedeutung habe es der Premier erachtet, „ob dies durch einen Separatfrieden oder durch eine während des Krieges vorbereitete und nach Friedensschluß vollzogene Neuorientierung der Monarchie bewerkstelligt wurde“.1781 Und 1984 stellte Steglich sogar die Frage, „ob damals auf britischer Seite lediglich ein Separatfrieden mit der (…) Monarchie angestrebt oder ob auch eine andere Lösung in Betracht gezogen worden ist, die eine diplomatische Auseinandersetzung mit Deutschland einschloß“.1782 Ritter sah 1968 keinerlei Anzeichen, dass eine s­ olche „diplomatische Auseinandersetzung“ erwogen worden wäre. Er wies auf den erwähnten Bericht Smuts’ an das War Cabinet hin sowie auf den Kommentar Lloyd Georges dazu 1783 und auch auf dessen Stellungnahme vom 27. November 1917 im neugeschaffenen Supreme War Council, der aus den Premiers Frankreichs, Großbritanniens und Italiens, jeweils einem weiteren Regierungsmitglied und einem militärischen Vertreter sowie, nur mit Beobachterstatus, Colonel House als Vertreter Wilsons bestand. Diese Stellungnahme Lloyd Georges gab Poincaré in seiner Tagebucheintragung vom 30. November mit den Worten wieder: „La Russie est maintenant défaillante. (…) C’est le moment de détacher un allié de nos ennemis. Si non, nous risquons d’être écrasés.“ 1784 Und Colonel House notierte über sie: Lloyd George (…) proposed that we should find out what Austria’s peace terms are. Austria has made several advances to the British (…). George asked if I would back him if he insisted that this latest offer of Austria should be probed. I cheerfully acquiesced. (…) A conference was held (…) with Clemenceau, Pichon, de Margerie, representing France; Lloyd George, Balfour, and Addison representing Great Britain; Orlando and Sonnino representing Italy. (…) – George precipitated the discussion by making a vehement argument in favour of investigating the Austrian peace feeler. Sonnino at once resented this and, for a moment, it looked as if there would be a first-class row. (…) We finally got Sonnino and Orlando to consent to the proposal.1785

1781 Steglich 1 1964, 262. 1782 Steglich 1984, CIX. 1783 Lloyd George MA 3. 1936, 29. 1784 Poincaré TB-Eintr. 30. Nov. 1917, Poincaré IX 1932, 394. 1785 House TB-Eintr. 29. Nov. 1917, Seymour 3 1928, 282 – 283.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Über den gefassten Beschluss berichtete House am 30. November an Wilson: (…) England was authorized to instruct her representatives in Switzerland to ascertain what terms Austria had to offer for a separate peace, which she has indicated a desire to make. (…) This action was taken because of the probability of Russia soon making a separate peace.1786

Dass es für die britische Seite einzig um die Herauslösung der Monarchie aus dem deutschen Bündnis ging, zeigten, so Ritter, auch Smuts’ Erklärungen in der Sitzung des War Cabinet vom 18. Jänner 1918: Mit diesen habe der General „seinen Auftrag, mit ­Mensdorff ‚only the possibility of a separate peace with Austria‘ zu diskutieren, so unzweideutig bekundet, daß dadurch der überkünstliche Versuch W. Steglichs (…), ­zwischen ‚Separat­ frieden‘ und ‚Isolierung Deutschlands‘ zu unterscheiden, hinfällig wird.“ 1787 Lloyd George folgerte aus Smuts’ Bericht über seine Gespräche mit Mensdorff, dass weitere Verhandlungen mit Österreich-Ungarn angesichts dessen Ablehnung eines Separat­friedens unangebracht ­seien. Als „nützlich“ erachte er hingegen Mensdorffs Vorschlag, die britischen Friedensbedingungen darzulegen, „so daß unsere Feinde über unsere Kriegsziele nicht mehr im Zweifel sein könnten“.1788 Wenig Beachtung in der historischen Literatur fanden sowohl die österreichisch-ungarischen als auch die britischen Versuche, die in Genf geknüpften Kontakte in irgendeiner Form weiterzuführen.1789 Smuts ließ bei den Gesprächen mit Mensdorff seine Erwartung klar erkennen, dass es nicht bei den wenig ergiebigen Sondierungen bleiben werde und versicherte, seine Regierung sei keineswegs an einem Untergang, sondern lediglich an einem Umbau der Monarchie interessiert. Mensdorff erwähnte dies in seinem ausführlichen Bericht vom 19. Dezember 1917 an Czernin mit den Worten: Der General sprach von der Möglichkeit einer späteren, abermaligen Begegnung (…). – Zum Schlusse sagte er mir noch einmal, daß von (…) der Zerstückelung der Monarchie keine Rede sei, und ich wiederholte ihm (…), daß Euer Exzellenz jederzeit bereit ­seien, alles zu unterstützen, was zum Frieden führe (…) und den künftigen Frieden sichern könnte.1790

1786 House an Wilson, Tel. o. Z., 30. Nov. 1917, ebd. p 283, idem: Link PWW 45 1984, 151 (fälschlich datiert 28. Nov. 1917). 1787 Ritter 4 1968, 260 Anm. 10. 1788 Lloyd George MA 3. 1936, 29 – 30. 1789 Ritter 4 1968, 271 – 275; Fest 1978, 191 – 208. 1790 Mensdorff an Czernin, Ber. 1/P, 19. Dez. 1917, HHStA PA I, 963 Krieg 27β fol. 218 – 240, idem: HHStA PA I, 1092a 1 fol. 121 – 138, HHStA NL Mensdorff 2, Begegnung mit Gen. Smuts, Von Wien m ­ itgenommen fol. 193 – 206v bzw. 230 – 237, Druck: Anonym 1937 15, 401 – 4 13, Steglich 1984, 360 – 368 Dok. 284 bzw. 369 – 372 Dok. 285.

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr

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Er habe Smuts versichert: „You can count on us absolutely in this respect, short of a separate peace or an act of disloyalty towards our German ally.“ Weiters schrieb Mensdorff: Zu beklagen ist das Faktum der vorläufig absoluten Ablehnung eines noch so privaten Gedankenaustausches mit Deutschland. (…) – Zu begrüßen ist der Umstand, daß ein Kontakt mit uns gesucht, daß ein starkes Österreich-Ungarn (…) gewünscht wird; allerdings (…) als ein (…) Reich von möglichst autonomen Ländern und Nationalitäten mit Verbindungen mit Polen und eventuell Anschluß Serbiens, vielleicht sogar Rumäniens als friedliches Gegengewicht gegen das Deutsche Reich.1791

Im zweiten, vom 20. Dezember 1917 datierten Teil seines Berichtes schrieb Mensdorff: Ich ließ (…) als wir von eventuellen späteren Begegnungen sprachen – (…) die Bemerkung fallen, daß ich bereit wäre, Euer Exzellenz vorzuschlagen, mit einem englischen Staatsmann zusammenzukommen (…). Wir diskutierten (…) diese Möglichkeit, die ihm sehr sympathisch zu sein schien, wobei wir übereinkamen, daß bei einer solchen Begegnung von englischer Seite schon etwas Greifbares gebracht werden, Euer Exzellenz hingegen in der Lage sein sollten, mehr über deutsche Kriegsziele zu sagen. Zur Vorbereitung einer solchen Zusammenkunft (…) wäre vielleicht noch eine Begegnung, wie es unsere jetzige war, zweckmäßig. (…) – Für eventuelle weitere Begegnungen kamen wir überein, dieselbe Verbindung – Skrzyński/Parodi – zu benützen.1792

Smuts berichtete dem War Cabinet, Mensdorff habe erklärt, (…) der Krieg müsse zu Ende gebracht werden, und Österreichs brennender Wunsch sei es, das Werkzeug zur Herbeiführung ­dieses Endes zu werden. Ein Sonderfriede sei unmöglich, aber Österreich, das (…) mit Großbritannien sympathisiere,1793 wünsche in Zukunft mit ­diesem zusammenzuarbeiten. Es könne (…) zur Herbeiführung des Friedens helfen (…). Er hoffe, wir würden bald wieder zusammentreffen, um die Unterredungen fortzusetzen und dabei (…) mehr ins einzelne zu gehen. Er sei überzeugt, das nächste oder übernächste Mal werde Graf 1791 Mensdorff an Czernin, Ber. 1/P, 19. Dez. 1917, HHStA PA I, 963 Krieg 27β fol. 218 – 240, idem: HHStA PA I, 1092a 1 fol. 121 – 138, HHStA NL Mensdorff 2, Begegnung mit Gen. Smuts, Von Wien mitgenommen fol. 193 – 206v bzw. 230 – 237, Druck: Anonym 1937 15, 401 – 413, Steglich 1984, 360 – 368 Dok. 284 bzw. 369 – 372 Dok. 285. 1792 Mensdorff an Czernin, Ber. 1/P, 19. Dez. 1917, u. Ber. 2/P, 20. Dez. 1917, HHStA PA I, 963 Krieg 27β fol. 218 – 240, idem: HHStA PA I, 1092a 1 fol. 121 – 138, HHStA NL Mensdorff 2, Begegnung mit Gen. Smuts, Von Wien mitgenommen fol. 193 – 206v bzw. 230 – 237, Druck: Anonym 1937 15, 401 – 413, ­Steglich 1984, 360 – 368 Dok. 284 bzw. 369 – 372 Dok. 285. 1793 „Austria, whose sympathies were really with Great Britain (…).“ Lloyd George WM 5. 1934, 2478.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Czernin (…) kommen, wenn wir jemanden wünschten, der mit größerer Autorität sprechen könne. (…) Wenn wir mit Deutschland nicht verhandeln wollten, so könnte man sich ja wieder auf einen Frieden mit Österreich beschränken. Wenn wir jedoch eine mehr allgemeine Besprechung wünschten, aber noch immer nicht im Beisein der Deutschen, so könnten wir (…) Czernin (…) dazu benutzen, die (…) Schwierigkeiten mit Deutschland aus dem Wege zu räumen. (…) – Ich wiederholte, daß ich nicht glaube, daß man auf unserer Seite bereit sei, mit Deutschland zu verhandeln. Wir würdigten seine Anregung, die Besprechungen fortzusetzen, und würden in Erinnerung behalten, was er über Czernin gesagt habe. Wenn Österreich wieder mit uns zu sprechen wünsche, würde dieselbe Vermittlung genügen, es sei denn, daß Geheimhaltung einen anderen Weg erforderlich mache.1794

Am 2. Jänner 1918 entschied das War Cabinet „that Smuts might with advantage resume his contacts with the Austrians“.1795 Nach der Sitzung gab Balfour die Anweisung, den Inhalt des Smuts’schen Berichtes Colonel House zur Information Wilsons mitzuteilen. Im Telegramm an House hieß es: A British and an Austrian representative met in Switzerland last week (…). – The British representative acting on instructions refused (…) to discuss the question of a general peace which should include Germany. The Austrian representative (…) held out no hopes whatever of Austria separating herself from Germany (…). In these circumstances no conclusions could be (…) arrived at (…). Nevertheless our representative (…) was able to convey some important suggestions. – He gathered that Austria was undoubtedly anxious for peace and that though she would not and could not abandon her ally, she would be prepared to exert the strongest pressure to induce that ally to accept a ‚reasonable settlement‘. (…) – His statement that the destruction of Austria was no part of the British war aims was received by the Austrian representative with much satisfaction and his expression of our strong desire to see the various nationalities of which the Empire is composed given an opportunity for autonomous development was received with (…) a sympathy (…) said to reflect opinions in highest quarters. – The Austrian representative expressed the earnest wish that these conversations should be renewed at an early date, a wish with which the British Government will probably comply.1796

Als jedoch Lloyd George am 8. Jänner im War Cabinet zur Diskussion stellte, ob es nicht an der Zeit sei, den Beschluss vom 2. Jänner zu verwirklichen, erklärte Smuts, dass es 1794 Smuts an War Cabinet, Ber. über die Bespr. mit Mensdorff. 1795 Fest 1978, 191. 1796 Ronald Hugh Campbell an House, Tel. o. Z., 2. Jän. 1918, Link PWW 45 1984, 430 – 431. – Mamatey schrieb dazu: „Balfour’s statement that the Austrian nationalities should be given ‚an opportunity for autonomous development‘ appeared verbatim in the Fourteen Points“. Mamatey 1957, 175.

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ein Fehler wäre, zu viel Interesse an neuerlichen Gesprächen zu zeigen. Es wurde daher beschlossen, die Reaktion der Monarchie auf die Rede des Premiers vom 5. Jänner vor dem Trades Union Congress, in der er erstmals die britischen Kriegsziele genannt hatte, abzuwarten.1797 Lloyd George hatte in dieser Rede erklärt: Die Vernichtung oder Teilung Deutschlands (…) ist niemals (…) unser Ziel gewesen. (…); vielmehr wollen wir Deutschland von Hoffnungen und Plänen abbringen, die auf militärische Vorherrschaft gerichtet sind. (…) – Die erste Forderung (…) die die britische Regierung und ihre Verbündeten stets erhoben haben, ist die völlige Wiederherstellung der Unabhängigkeit Belgiens in politischer, territorialer und wirtschaftlicher Beziehung, sowie Wiedergutmachung (…) für die Zerstörung seiner Städte und Provinzen. (…) Danach kommt die Wiederherstellung Serbiens, Montenegros und der besetzten Teile Frankreichs, Italiens und Rumäniens. (…) – Wir sind entschlossen, der französischen Demokratie bis zum Äußersten beizustehen in ihrer Forderung auf Rückgängigmachung des großen Unrechts von 1871. (…) Wir glauben (…), daß die Herstellung eines unabhängigen Polens (…) für die Sicherheit Westeuropas von unerläßlicher Notwendigkeit ist. – Wir stimmen (…) Wilson darin zu, daß die Aufteilung Österreich-Ungarns nicht zu unseren Kriegszielen gehört, glauben jedoch, daß es nicht möglich ist, die (…) Unruhe in jenem Teil Europas (…) zu beseitigen, wenn den verschiedenen Völkerschaften (…) keine wirkliche Selbstverwaltung nach demokratischen Grundsätzen zugebilligt wird (…). – Aus demselben Grunde halten wir es für äußerst wichtig, daß die berechtigten Ansprüche der Italiener auf Vereinigung mit ihren (…) Sprachgenossen befriedigt werden. Wir wollen ebenso darauf dringen, daß den Menschen (…) rumänischer Sprache Gerechtigkeit widerfährt. Wenn diese Bedingungen erfüllt werden, wird Österreich-Ungarn eine Macht (…), die einen dauernden Frieden und die Freiheit in Europa fördert, anstatt lediglich ein Werkzeug in der Hand der verderblichen Militärautokratie Preußens zu sein (…).1798

Am 11. Jänner 1918 berichtete der britische Gesandte in Bern, Sir Horace Rumbold, nach London: Herr von Skrzynski kam gestern nach Genf, um sich mit Dr. Parodi zu besprechen. Nach seiner Angabe enthielten die Reden Lloyd Georges und Präsident Wilsons (vom 8. Jänner 1918) verschiedene Punkte, denen die Regierung Österreich-Ungarns zustimme. (…) Graf ­Czernin habe (…) in Berlin einen harten Kampf durchfechten müssen, um die Annahme ­seiner 1797 Fest 1978, 191. 1798 Lloyd George Rede vor Trades Union Congress 5. Jän. 1918, Lloyd George MA 3. 1936, 53 – 62 Anh. II; s. auch: F-B A (7. Jän. 1918), 1 – 3, NFP N (7. Jän. 1918), 2 – 3, PL A (7. Jän. 1918), 1 – 2.

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Formel ‚keine Annexionen‘ durchzudrücken. (…) Als Gegenleistung für die Zustimmung Deutschlands zu seiner Formel (… habe) Graf Czernin sich genötigt gesehen, der Entsendung österreichisch-ungarischer Regimenter an die Westfront zuzustimmen (…). Skrzynski hielt es für wünschenswert, daß die Presse der Entente dieser militärischen Hilfe nicht zu große Wichtigkeit beilege, da Deutschland sie (…) nur durch eine Art Erpressung erlangt habe.1799

Czernin werde in die Schweiz kommen, wenn Lloyd George mit ihm zusammentreffen wolle.1800 Parodi hatte ebenso wie Prinz Tussun, ein Cousin des nach dem Kriegseintritt der Türkei von den Briten wegen seiner Unterstützung der nationalistischen Bewegung abgesetzten Vizekönigs von Ägypten, Abbas II. Hilmi, eine wichtige Rolle bei der Anbahnung der Gespräche ­zwischen Mensdorff und Smuts gespielt. Tussun war möglicherweise von Rumbold beauftragt worden, weiter Kontakte mit österreichisch-ungarischen Vertretern zu pflegen. Darauf deutet Musulins Bericht an Czernin vom 13. Jänner hin: Prinz Tussun, der vor einigen Tagen Besuch des (…) englischen Gesandten empfangen haben dürfte, ersuchte Herrn von Skrzynski, Euer Exzellenz durch Grafen Mensdorff zu bitten, dahin zu wirken, dass unsere Truppen nicht an die Westfront abgehen oder, falls dies schon geschehen sei, in Reserve gehalten würden. – Er (…) sei überzeugt, dass die englische Regierung das Gespräch mit uns wieder aufnehmen möchte. Lloyd George sei mit dem Ergebnis der Unterredung Grafen Mensdorffs mit General Smuts absolut befriedigt gewesen. Erscheinen unserer Soldaten an der Westfront aber würde eine furchtbare Presskampagne gegen uns entfesseln und weitere Zusammenkünfte z­ wischen Staatsmännern aus der Monarchie und aus England wären sozusagen unmöglich. – Auf Herrn von Skrzynski’s Bemerkung, ob ­Tussun ihm bald etwas über eine zweite Begegnung zu sagen haben werde, antwortete der Prinz: Auf keinen Fall vor dem 18. d. M., denn Lloyd George muss sich diesbezüglich mit Herrn ­Clemenceau besprechen.1801

Das War Cabinet beriet am 18. Jänner über Rumbolds Telegramm vom 11. Jänner. Nach Fest war dabei auch davon die Rede, dass die Mittelmächte versuchen könnten, sich mit den Alliierten zu verständigen, „before committing themselves to the hazardous and risky offensive in the Western theatre“. Übereinstimmung habe darüber geherrscht, dass Kühlmann von Skrzyńskis Vorschlag wisse. Doppelte Vorsicht scheine daher geboten, 1799 Lloyd George MA 3. 1936, 40 – 41. – Dr. Humbert Denis Parodi war als englisch-ägyptischer Beamter Chef der „Mission scolaire égyptienne“ in der Schweiz. Lloyd George WM 5. 1934, 2505. Nach ­Steglich betreute er „die ägyptischen Studenten (…) und stand in dauernden Beziehungen zur britischen Gesandtschaft in Bern, zum britischen Generalkonsulat in Genf und vor allem zu Captain Binns, einem Mitarbeiter des britischen Militärattachés“. Steglich 1984, CXII–CXIII. 1800 Ebd. 1801 Musulin an Czernin, Tel. 23, 13. Jän. 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 184 – 184v.

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denn die Alliierten könnten so zu einer Friedenskonferenz verlockt werden, bevor die von ihnen gestellten Bedingungen akzeptiert wären.1802 Lloyd George schrieb, er persönlich sei sehr dafür gewesen, die Verbindungen mit der Monarchie aufrechtzuerhalten: Kam etwas dabei heraus, so würden wir einen Feind weniger zu bekämpfen haben. Wenn sie aber auch zu keinem Erfolge führten, so würde Österreich doch weniger geneigt sein, durch die Entsendung von Truppen nach Frankreich die Westmächte gegen sich einzunehmen.1803

Er habe daher im War Cabinet darauf gedrängt, „von jeder Annäherung, die zu einem Sonderfrieden mit Österreich führen könnte“, Gebrauch zu machen.1804 Es wurde beschlossen, Smuts neuerlich in die Schweiz zu entsenden; dort könnten wertvolle Informationen gewonnen werden, „not only about the enemy’s war aims but about their general disposition towards the question of peace and war“.1805 Mit der Fühlungnahme zur Anbahnung neuerlicher Gespräche wurde offenbar ­Rumbold betraut. Musulin übersandte dem Ministerium des Äußern nämlich am 31. Jänner eine „Relation“ Skrzyńskis vom 26. des Monats, in der es heißt: Prinz Tussun ersuchte mich gestern um eine Begegnung. – Er teilte mir folgende Idee mit, die er als die seine bezeichnete. (Ich weiss, dass sie ihm von (…) Rumbold (…) souffliert wurde). – Er schlägt einen ständigen Kontakt z­ wischen unseren Regierungen vor, u. zw. den Beginn eines ununterbrochenen Austausches von Verbalnoten bezüglich der ‚wenigen Punkte‘ die noch dem Frieden im Wege stehen. Er stellt sich das so vor, dass ihm ein englischer Legationsrat oder Sekretär, mir ein jüngerer Diplomat aus Wien zugegeben werden sollte und dass wir den Austausch von in London und Wien ‚mit Approbation der beidseitigen Bundesgenossen‘ concipierten Noten zu besorgen hätten. – Ich frug Tussun (…) warum das nicht ­zwischen den beiden Gesandtschaften in Bern geschehen könnte. Er erwiderte, die Engländer würden sich noch scheuen, dem Notenaustausch ganz offiziellen Charakter zu geben, – andererseits die Sicherheit haben wollen, mit nur wenigen verlässlichen Leuten zu arbeiten (…) – Ich antwortete Tussun, ‚meiner rein persönlichen Ansicht nach‘ sei es denkbar, dass meine Regierung die Idee eines Verbalnotenaustausches im Prinzipe akzeptiere, ich würde Graf Czernin darüber Meldung erstatten (…). – Tussun erzählte mir ferner streng vertraulich, dass bald nach der Genfer Entrevue die Deutschen krampfhaft nach Kontakten mit England zu suchen begannen. Rumbold hätte ihm erzählt, sie hätten die Naivität gehabt, sich sogar direkt an ihn zu wenden. Der Gesandte von Hindenburg (…) hätte sich auch durch einen deutschen Aegypter (…) an 1802 Fest 1978, 196. 1803 Lloyd George MA 3. 1936, 41. 1804 Ebd. 1805 Fest 1978, 196.

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ihn gewendet und zu Gesprächen vorgeschlagen. Gleichzeitig hätten Erzberger und seine Suite Kontakte (…) mit ‚unglaublicher Indiskretion zu erzwingen‘ gesucht. Das Resultat wäre gewesen, dass ein Zirkular englischen Diplomaten und Konsularbeamten verboten hätte, in irgendein Gespräch einzugehen, das Kontakte mit Deutschen zum Gegenstande hätte (…). – Was mir weniger gefiel ist, dass mir Tussun etwas levantinisch schlau bemerkte, (…) dass er von deutscher Seite leicht Millionen erhalten könnte, auch ein Teil der englischen Staatsmänner verwerfe die Idee eines Gespräches mit Berlin im Voraus nicht so ganz.1806

Mérey sandte Skrzyńskis Bericht mit folgenden Worten an Czernins Kabinettschef ­Colloredo nach Brest: Meine Ansicht über diese Skrzyński’sche Friedens-Mache, die uns (…) viel geschadet, aber nicht das Geringste genützt (…), kennst Du. Auch der Widerspruch mit dem vorgestrigen Versailleser Communiqué 1807 ist eklatant. (…) Sehr inopportun finde ich, daß Skrzyński nun schon in einer Reihe solcher Berichte die ganz geheime Begegnung Mensdorff-Smuts so bespricht, als handle es sich um eine allgemein bekannte Sache.1808

Czernins Reaktion ist aus seinem auf der Nachricht angebrachten Vermerk ersichtlich: „Der von Tussun proponierte Vermittlungsapparat ist abzulehnen.“ 1809 Über diese Entscheidung informierte Colloredo am 5. Februar Mérey, der am 11. Februar an Musulin schrieb: „Es ist nunmehr der Auftrag hier eingelangt, Hrn. von Skrzyński dahin zu instru­ieren, daß er den von Prinz Tussun vorgeschlagenen Vermittlungs-Apparat ablehnen möge.“ 1810 Am 7. Februar 1918 brachte die englische Wochenschrift Justice einen Artikel über die Smuts-Mensdorff-Gespräche, der eine so gute Kenntnis über sie erkennen ließ, dass er Fragen über die Politik des War Cabinet aufwerfen musste. Justice war das Organ der 1806 Musulin an Czernin, Ber. 20/P A-E, 31. Jän. 1918, Anl. Skrzyński – Kontakt mit England 26. Jän. 1918, HHStA PA XXVII, 61 fol. 134 u. 146 – 148. 1807 Dem nach dem Treffen des Supreme War Council vom 2. Feb. 1918 veröffentlichten Communiqué, in dem es unter anderem hieß: „The Supreme War Council gave the most careful consideration to the recent utterances of the German Chancellor and of the Austro-Hungarian Minister for Foreign Affairs, but was unable to find in them any real approximation to the moderate conditions laid down by all the Allied Governments. (…) Under the circumstances, the Supreme War Council decided that the only immediate task before them lay in the prosecution with the utmost vigour (…) of the military efforts (…), until such time as the pressure of that effort shall have brought about in the enemy Governments and peoples a change of temper which would justify the hope of the conclusion of peace on terms which would not involve the abandonment (…) of all the principles of freedom, justice and the respect for the Law of Nations which the Allies are resolved to vindicate.“ Lloyd George WM 5. 1934, 2495 – 2496. 1808 Mérey an Colloredo, Schr. o. Z., 5. Feb. 1918, HHStA PA XXVII, 61 fol. 137 – 137v. 1809 Ebd. 1810 Mérey an Musulin, handschr. Entw. o. Z., 11. Feb. 1918, ebd. fol. 135 – 135v.

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linken, aber den Kampf gegen Deutschland als notwendig erachtenden National Socialist Party, die sich von der Social Democratic Federation abgespalten hatte. Der Artikel motivierte den liberalen Abgeordenten Alexander Frederick Whyte am 13. Februar im Unterhaus zu einer parlamentarischen Anfrage: Es sei schwer zu sehen, wie die Regierung erwarten konnte, zu einem Sonderfrieden mit Österreich-Ungarn zu kommen. „I think the House must insist on an assurance that negotiations which are conducted in future will be carried on in good faith, and as an exact expression of the general goodwill of the people of this country.“ Im weiteren Verlauf der Debatte kritisierte Whyte nochmals den Versuch, Österreich-Ungarn für einen Separatfrieden zu gewinnen und überhaupt die Hoffnung, durch Separatfriedensschlüsse dem Sieg näherzukommen. Balfour erklärte hierauf, Whyte habe „the whole character and scope“ der Politik der Regierung nicht verstanden und scheine den Grundsatz zu vertreten, „that no effort should ever be made to detach a single enemy from the coalition with whom you were at war“. Er verstehe nicht, von welchem moralischen Prinzip ein solcher Grundsatz abgeleitet werden könnte und versicherte, „if it were possible to break up the coalition nobody would rejoice more than myself “.1811 Als die Debatte im Unterhaus durch Agenturmeldungen bekannt wurde, telegrafierte Musulin am 16. Februar an Czernin: Im Verlaufe der Debatte (…) im Unterhause kam der radikale Deputierte Whyte auf ein Gerücht zu reden, wonach Member (sic!) in der Schweiz mit (…) Mensdorff eine Begegnung gehabt habe. (…) Es liege hier ein wahnwitziger Versuch vor, mit einem der Feinde in Sonderverhandlungen einzutreten.1812

Das Ministerium des Äußern wurde darauf von Czernin am 20. Februar angewiesen: Falls es (…) unvermeidlich sein sollte (…) sich über die s. z. geheime Begegnung z­ wischen Botschafter (…) Mensdorff und dem General Smuts (…) zu äußern, wäre auszuführen, daß diese (…) von englischer Seite angeregt war, daß General Smuts hiebei in sehr vager Form die Friedenspostulate der Entente skizzierte, daß Graf Mensdorff sich im Wesen rein rezeptiv verhielt, aber betonte, wir würden uns keinesfalls zu einer illoyalen Haltung gegenüber Deutschland bewegen lassen, und daß die Begegnung keine Fortsetzung gehabt hat.1813

Inzwischen hatte Musulin am 17. Februar an Czernin depeschiert, Skrzyński bitte ihn um Weiterleitung der Meldung: 1811 Whyte u. Balfour im Unterhaus 13. Feb. 1918, Hansard Ser. 5 103, 166 – 169. 1812 Musulin an Czernin, Tel. 105, 16. Feb. 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27β fol. 177 – 177v. 1813 Czernin an M. d. Ä., Tel. o. Z., 20. Feb. 1918, ebd. fol. 168.

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Tussun und Parodi teilten mir offiziös streng geheim mit: ‚L’Angleterre prévoit qu’après le traité de Brest il n’y aura plus aucune conversation possible avec l’Autriche-Hongrie. L’Entente craint qu’une conversation avec Czernin ne serve de prétexte à l’Allemagne pour s’immiscer et mêler ses buts de guerre à cette conversation.’ (…) – Ueber Ukraine sprechend, erinnerte mich Tussun daran, er hätte mir offiziös vorausgesagt, daß die englische Regierung an einem großen Polen festhalten werde. Sein (…) Eindruck sei, daß man in London eventuell den Prinzen Sixtus (…) als König von einem solchen Polen akzeptieren würde. (…) – Der Unterschied z­ wischen den Reden Wilsons und Lloyd Georges sei angeblich unter diesen verabredet worden. – Parodi fragte mich von sich aus, ob ich glaube, daß Deutschland zulassen würde, daß Euer Exzellenz Oberst House als Vertreter Wilsons (…) akzeptieren und (…), wenn Oberst House herreisen sollte, zu dieser Begegnung kommen würden.1814

Dazu telegrafierte Musulin am 20. Februar noch folgende Meldung Skrzyńskis: Rumbold scheint vorgestrige Demarche Parodis als eine Anfrage, ‚ob Graf Czernin in einen Gedankenaustausch ausschließlich bezüglich österreichisch-ungarischer Interessen eingehen würde?’ aufzufassen. – Tussun, der an das Zustandekommen weiterer Gedankenaustäusche nicht mehr zu glauben vorgibt, will im März nach Paris übersiedeln.1815

Am 27. Februar übermittelte Musulin einen weiteren Bericht Skrzyńskis: Rumbold ließ mir offiziös (…) durch Tussun mitteilen: – ‚L’Angleterre revenant sur la question de causer avec l’Autriche-Hongrie des affaires personnelles considère que ces questions sont: l’Italie, l’Albanie, la Serbie, la Pologne et la Roumanie (nicht ein Wort über Montenegro). (…) – Si le gouvernement austro-hongrois voulait entrer dans un échange d’idées (…), on pourrait procéder (…) au choix des délégués.’ – Tussun glaubt, angeblich von sich aus, daß es nicht ausgeschlossen wäre, daß in der Delegation auch Herr Wilson sich vertreten ließe.1816

An demselben Tag teilte Musulin auch mit: „Skrzyński meldet (…): – Tussun kam wieder auf den Prinzen von Parma als eventueller polnischer König zu sprechen. Er sagte dabei: – ‚Je sais que l’Angleterre ne veut favoriser en rien une autre candidature au trône de la Pologne que celle de l’Empereur Charles (…).‘“ 1817 1814 Musulin an Czernin, Tel. 87, 17. Feb. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Wilson’s Senatsbotschaft fol. 13, idem: HHStA NL Mensdorff 2, Friedensgespr. Frühjahr 1918 fol. 302 – 302v. Mit dem Vertrag von Brest wurde am 9. Februar 1918 unterzeichnete Friedensvertrag mit der Ukraine gemeint. 1815 Musulin an Czernin, Tel. 95, 20. Feb. 1918, HHStA NL Mensdorff 2, Friedensgespr. Frühjahr 1918 fol. 307. 1816 Musulin an M. d. Ä. (Czernin), Tel. 107, 27. Feb. 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 432. 1817 Musulin an Czernin, Tel. 108, 27. Feb. 1918, HHStA PA XXVII, 61 fol. 297.

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Man sei offenbar bestrebt, den K ­ aiser dadurch zu gewinnen, dass man ihm den polnischen Thron in Aussicht stelle. Sektionschef Müller leitete Musulins Telegramme an Czernin weiter und erklärte, er beabsichtige das erstere der beiden, „insolange als mich Euer ~ von hochderen für (…) Skrzynski bestimmten Instruktionen nicht in Kenntnis setzen, Seiner (…) Majestät nicht zu unterbreiten“.1818 Müller legte ­dieses Telegramm Mensdorff vor und teilte Czernin am selben Tag folgende „Erwägungen“ des Botschafters mit: Wenn Euer ~ nichts anderes verfügen, wäre es vielleicht zweckmäßig (…) Skrzyński anzuweisen, (…) zu antworten, dass (…) voraussichtlich einige Tage vergehen dürften, bevor eine Entscheidung Euer ~ anher gelangt. – Persönlich könnte er erklären, er befürchte, man sei in Wien unangenehm davon berührt (…), dass die von uns so streng geheim gehaltene Genfer Entrevue (…) in England bekannt wurde. – Diese Instruktion hätte den Vorteil eine Beantwortung hinaus zu schieben, bis die Verhandlungen in Brest (…) und Bukarest zum Abschlusse gelangt sind, nach w ­ elchen das Thema Rumänien unsererseits von jeder Conversation ausgeschlossen werden könnte. Wir würden kein Empressement zeigen und doch die Möglichkeit offen lassen, den Faden wieder aufzunehmen (…).1819

Czernin ersuchte umgehend, Skrzyński in ­diesem Sinn zu instruieren, was Müller am 2. März tat.1820 Am 3. März übermittelte Müller ein vom 1. März datiertes Telegramm Musulins an Czernin.1821 Darin berichtete Skrzyński: Ich verlangte von Parodi (…) authentische Bestätigung dessen, was mir gestern Tussun im Namen Rumbolds offiziös mitteilte. Was mir Parodi vorlas, weicht von der Version Tussuns etwas ab; es lautet (…): – ‚Dites que, si l’on obtenait de l’Autriche-Hongrie l’assurance simple (…) que pendant l’échange de vues projeté la délégation austro-hongroise ne discuterait que des questions concernant uniquement l’Autriche-Hongrie, cela faciliterait beaucoup les choses. Ces questions sont l’Italie, la Pologne, l’Albanie, la Serbie et la Roumanie.‘ – Bloß soviel ist authentisch. (…) – In der Frage eventueller Absichten Seiner Majestät auf den polnischen Thron (…) bestätigte mir Parodi voll Tussuns Mitteilung, Rumbold erblickt darin angeblich eine ehrerbietige Courtoisie Englands Seiner Majestät gegenüber.1822 1818 Müller an Czernin, Tel. 83, 28. Feb. 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 429, idem: HHStA PA I, 1089 Nach Wien o. Fz. 1819 Müller an Czernin, Tel. 85, 28. Feb. 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 427 – 427v. 1820 Czernin an Müller, Tel. 50, 1. März 1918, ebd. fol. 424, Müller an Musulin für Skrzyński, Tel. 112, 2. März 1918, ebd. 421 – 421v. 1821 Müller an Czernin, Tel. 110, 3. März 1918, ebd. fol. 417. 1822 Musulin an Czernin, Tel. 113, 1. März 1918, ebd. fol. 418 – 418v.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Czernin wies Skrzyński daraufhin am 4. März an: „Euer ~ wollen sich vorerst aller Berührung mit Vertretern feindlicher Staaten enthalten (…). – Es wird offenbar versucht, mit uns ein falsches Spiel zu spielen.“ 1823 Am 7. März telegrafierte Musulin eine Nachricht Skrzyńskis vom Vortag, in der es hieß: Vorgestern (am 4. März) teilte mir Parodi im Auftrag Rumbolds mit: – ‚Mr Balfour vient de télégraphier qu’il approuve la phrase de Rumbold que si le Gouvernement austro-hongrois était disposé de déclarer que lors des pourparlers avec l’Angleterre et ses alliés il ne parlera que des questions d’Italie, de Pologne, de Serbie, d’Albanie et de Roumanie, cela faciliterait les choses. Ministre d’Angleterre vient de demander à Balfour (…) s’il pouvait assurer qu’en cas de réponse favorable du Comte Czernin l’échange de vues pourrait avoir lieu immédiatement. (…) – Vu le malentendu provoqué par Tussun (…), il a été décidé que dorénavant je (Parodi) dois communiquer directement avec vous (Skrzyński) sans son intermédiaire.‘ (…) Da obiges nichts neues enthält, erwarte ich (Skrzyński) die in Aussicht gestellte Mitteilung (…). – Dazwischen kam der (…) Auftrag (Czernins) vom 5. d. M. (…) Ich werde mich somit von nun an aller Berührung mit Vertretern feindlicher Staaten enthalten. Soll ich aber Parodi Abbruch mitteilen, oder bloß bei nächstem Ersuchen um Begegnung abwinken und erwartete Mitteilung nicht mehr akzeptieren?1824

Das War Cabinet hatte inzwischen am 5. März entschieden, zwar nicht Smuts, aber doch Philip Kerr in die Schweiz zu entsenden, „to try and get to the bottom of a message we have had from Czernin, indicating that he wants to meet someone“.1825 Für neuerliche Gespräche hatte sich neben Lloyd George vor allem Smuts ausgesprochen und dies unter Hinweis auf die Risken, die das Empire eingehe, wenn es die Kontakte mit der Monarchie ganz den Vereinigten Staaten überlasse. Aufgrund der Akten des Foreign Office schrieb Fest zur Mission Kerrs, diese habe einen „purely informative character“ gehabt. Er sollte herausfinden, „1) whether the present proposals proceeded from the Emperor or Czernin or both, – 2) whether they were made with or without German cognizance, – 3) whether Austria was prepared to discuss a separate peace, and – 4) if so, the general lines of the Austrian programme“.1826 Am 9. März telegrafierte Musulin an Czernin, Skrzyński habe gemeldet:

1823 Czernin an M. d. Ä. für Skrzyński, Tel. 72, 4. März 1918, ebd. fol. 413. 1824 Musulin an Czernin, Tel. 134, 7. März 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 412 – 412v. 1825 Hankey 2 1961, 738. Interessanter- aber fälschlicherweise erklärte Lloyd George in seinen Kriegs­ memoiren, Smuts sei in die Schweiz geschickt worden und habe Kerr wieder mit sich genommen. Lloyd George MA 3. 1936, 42. Diese Fehlinformation übernahmen ungeprüft Autoren wie Mamatey ­(Mamatey 1957, 230) und Brook-Shepherd (Brook-Shepherd 1968, 161 – 162). 1826 Fest 1978, 204.

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr

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Parodi bat am 7. d. M. telephonisch um Begegnung. Da ich nicht weiss, ob ich mich bloss jeder Berührung enthalten oder auch Abbruch mitteilen soll, antwortete ich, ich sei krank, auch gefalle mir das Ganze absolut nicht mehr. – Da ich schon bei der letzten Begegnung, den (…) Auftrag (…) befolgend, Misstrauen ausdrückte, was sowohl ihn wie englischen Gesandten in hellste Aufregung brachte, ereiferte sich nun Parodi und sagte (…) im Telephon: ‚Ich soll Ihnen sagen, dass Artur (Balfour) soeben telegraphisch mit seinen verbündeten Kollegen verhandelt; wahrscheinlich schon nächster Tage, vielleicht morgen werde ich Ihnen bindenden präzisen Vorschlag mitteilen können.’ Auf meine Antwort, ich hielte das Ganze für Manöver, versicherte er ganz ausser sich: ‚Artur und Horace (Rumbold) (…) meinen es ganz ehrlich (…) und Horace hoffe, qu’on laissera la porte au moins entr’ouverte si l’on trouvait que s’est impossible maintenant car cela deviendra peut-être faisable après l’offensive.’ Darauf brach ich ab. – Heute (8. März) bat mich Parodi (…) schon zweimal zum Telephon, er hätte sehr wichtiges zu sagen. Ich ging nicht hin und liess antworten, dass ich krank und vor vier Tagen weder telephonisch, noch anders zu sprechen sei. Bis dahin dürfte ich Instruktionen erhalten. – Im selben Moment klopft jemand bei mir an. Parodi tritt herein. Ich erkläre ihm, dass ich darüber nicht mehr reden will. Er sagte mir daraufhin, er müsse mir mitteilen, dass Lloyd George (…) Philipp Karr (sic!) nach der Schweiz sandte (…) Karr kommt am 10. d. M. in Genf an. Bitte dringend um Instruktionen. (…) – Parodi sagte mir ferner: – Karr wird den 10. d. M. in Bern mit englischem Gesandten konferieren. Dieser lasse mir sagen, dass, da ich krank bin, Karr mich in Montreux am 11. d. M. besuchen werde, er hoffe, dass (… dies) überzeugen werde, wie ernst und ehrlich man es in London meint. – Ich lehnte Karr’s Besuch ab und war nun gezwungen, Parodi zu erklären, dass ich fernerhin keine Mitteilung entgegennehmen dürfe. – Er las mir daraufhin die Depesche Balfour’s an englischen Gesandten vor. Balfour erinnert daran, dass Graf Mensdorff mich (…) Smuts gegenüber als jenen nannte, der eventuelle Mitteilung bezüglich Kontakte an Grafen Czernin weiterzuleiten hätte. Darauf beruft sich nun englischer Gesandter (…). – Karr beabsichtigt zirka 5 Tage in der Schweiz zu bleiben. Ich werde ihn nicht empfangen, ausser ich erhalte Ermächtigung dazu (…).1827

Czernin wies Skrzyński daraufhin an: Euer Hochwohlgeboren wollen Herrn Karr bei sich empfangen, falls er sich anfragt, sich aber hiebei ausschließlich rezeptiv (…) verhalten und mit keinem Worte auch nur die geringste Annäherung versuchen und, falls dies nicht im Widerspruch mit Ihren früheren Aeußerungen ist, hinzufügen, ich wüßte nichts von dieser Unterredung (…). – Euer Hochwohlgeboren können (…) sagen, daß Sie wissen, ich hätte das Gefühl, daß England nicht ernstlich den Frieden wolle, sondern nur versuche, uns von unserem Bundesgenossen zu trennen.

1827 Musulin an Czernin, Tel. 141, 9. März 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 410 – 411.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Denselben Text sandte Czernin an Müller mit dem Zusatz: Graf Demblin teile ich das Telegramm aus Bern (…) in extenso mit (…). – Euer Hochgeboren wollen von Vorstehendem Seiner Majestät Meldung erstatten und beifügen, ich hielte diesen (…) wieder aufgenommenen Faden für viel (…) erfolgversprechender als die Konversation mit Wilson. – Ich würde Seine Majestät über den Fortgang (…) natürlich stets am Laufenden erhalten.1828

Demblin berichtete dem Minister am 12. März über die Aufnahme, die Skrzyńskis Telegramm beim ­Kaiser fand: Ich habe gestern abends S. M. von der Meldung Herrn von Skrzyńskis Mitteilung gemacht und auf die Bedeutung dieser mit einem so grossen Empressement englischerseits unternommenen Wiederanknüpfung (…) hingewiesen. S. M. war von der Nachricht sehr freudig impressioniert, zum erstenmal hörte ich aus seinem Munde Worte, wie dass es der Entente doch schon recht schlecht gehen müsse und das Ende des allgemeinen Kampfes nun vielleicht doch schon in greifbare Nähe gerückt sei. Ich habe diese Stimmung S. M. selbstverständlich (…) ausgenützt um ihm vor Augen zu halten um wieviel rascher und besser wir zum Ziele gelangen, wenn wir konsequent und unbeirrt eine Politik verfolgen, die zum allgemeinen Frieden führen muss, als wenn wir mit sprunghaften Separataktionen unsere Kräfte zersplittern und unseren moralischen Wert in der Welt mit Experimenten vergeuden. Zugleich legte ich dar, dass wir nur dann zum Ziele gelangen können wenn wir alles auf das Peinlichste vermeiden, was bei den Gegnern den Gedanken stärken oder wieder aufkommen lassen könnte, dass wir von unseren Verbündeten zu trennen s­ eien. Einen (…) Beweis für den Nutzen, der die ostentative Solidarität mit unseren Verbündeten (…) uns bringe, lieferten die letzten Ereignisse in der Schweiz: Zuerst habe England uns zu einem Separatgespräch aufgefordert, welches glatt abgelehnt wurde; dann habe Clémenceau wissen lassen auf welcher Basis wir mit ihm sprechen würden – die Antwort war: Hände weg von Elsass-Lothringen. Und daraufhin als Resultat das kolossale Empressement Englands mit uns Gespräche über den allgemeinen Frieden fortzusetzen und die Furcht, dass der Faden nur ja von uns nicht abgerissen werde. – Durch diese Tatsache wurde (…) bewiesen, dass es gar nicht nützlich sei, den Feinden (…) nachzulaufen, sondern dass sie (…) zu uns kommen, wenn wir uns fest zeigen.1829

1828 Czernin an Musulin, Tel. 7 (Czernin an Müller, Tel. 151), 10. März 1918, HHStA PA I, 1088 o. Fz., idem: HHStA NL Mensdorff 2, Friedensgespr. Frühjahr 1918 fol. 326 – 326v. 1829 Demblin an Czernin, Tel. 39, 12. März 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz., idem: HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz.

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Inzwischen hatte Musulin Czernin am 11. März mitgeteilt: Herr von Skrzynski (…) meldet, daß Karr sich bei ihm bereits gestern angemeldet hatte, daß er aber instruktionsgemäß abgelehnt hat, ihn zu empfangen. (…) falls aber Euer Exzellenz dies wünschten, bittet er um dringendste Instruktion, ob er Karr doch wissen lassen soll, daß er ihn empfangen würde.1830

Daraufhin wies der Minister am 12. März Skrzyński nochmals an: Ich ersuche Euer Hochwohlgeboren von sich aus, ohne Empressement zu zeigen, und falls dies, ohne Anschein eines Auftrages zu erwecken, möglich wäre, eine Begegnung mit Herrn Karr zustande zu bringen. Im übrigen wollen sich Euer Hochwohlgeboren an die in meinem Telegramm Nr. 7 vom 10. d. M. enthaltene einschlägige Instruktion halten.1831

Am folgenden Tag telegrafierte Musulin: Skrzynski meldet (…): – ‚Wie Euer Exzellenz (…) bekannt, hat Parodi (…) meine Tür am 8. d. M. forciert. – Den Besuch Karrs kündigte er mir schon für Montag an und hob hervor, (…) daß sich Balfour gelegentlich der Mission Karrs auf Vereinbarungen Graf Mensdorffs und General Smuts berief, und bat mich, ihn ehetunlichst wissen zu lassen, falls ich Karr doch empfangen könnte. – (…) Ich wartete die (…) Weisung vom 12. d. M. (…) ab und telephonierte Parodi heute, daß ich nun wohl genug bin, den Besuch (…) entgegen zu nehmen. – (…) Er teilte mit, er werde mich mit seinem Freunde morgen Nachmittag besuchen.’1832

Lloyd George gab in seinen Kriegserinnerungen den Bericht wieder, den ihm Kerr kurz nach seiner Ankunft in der Schweiz, Hankey zufolge am 12. März,1833 übersandte. Er schrieb, Kerr habe anfangs die Chancen für ein Einvernehmen „in einem sehr günstigen Licht“ gesehen und ihm telegrafiert: Ich glaube (…) daß eine Unterredung ­zwischen Czernin und einem britischen Vertreter (…) zu einer erfolgreichen Regelung ­zwischen Österreich-Ungarn und der Entente führen kann, vorausgesetzt, es wird volle Klarheit darüber geschaffen, daß wir jegliche Erörterung von Friedens­ bedingungen mit Deutschland ablehnen. Vielleicht kommt es dahin, daß alle drei Verbündeten Deutschlands (…) die Waffen niederlegen. Auch sehe ich keine Gefahr, die daraus entstehen 1830 1831 1832 1833

Musulin an Czernin, Tel. 147, 11. März 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 408. Czernin an M. d. Ä., Tel. 167, 12. März 1918, ebd. fol. 407. Musulin an Czernin, Tel. 150, 13. März 1918, ebd. fol. 406 – 406v. Hankey 2 1961, 738.

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könnte, solange die Besprechungen nicht zu Unstimmigkeiten unter unsern Verbündeten führen oder (…) unsere Bedingungen unvernünftig sind. In d ­ iesem Falle würde Czernin sich zurückziehen und sein Volk unter Hinweis auf die grenzenlose Habgier der Entente wieder zusammenschließen. Mir scheint es daher wichtig, die Grundlagen eines Sonderfriedens mit Österreich-Ungarn so bald wie möglich mit unseren Verbündeten einschließlich Serbiens zu beraten; denn wenn es zu einem Zusammentreffen mit Czernin kommt, muß er in die Lage versetzt sein, zu einer vorläufigen Verständigung zu kommen (…).1834

Folgt man Fest, so ergab sich die optimistische Sicht Kerrs aus Gesprächen mit ­Rumbold und Parodi. Die beiden hätten gemutmaßt, „that the Austrians, and this time Karl and Czernin, were not just acting as brokers for a general peace, since they realized that they could not succeed in bringing the war to an end like that“.1835 Als Motive für den Gesinnungswandel des Kaisers und Czernins hätten sie deren wachsende Angst vor der deutschen Übermacht und vor einer „internal revolution or national revolt“ bezeichnet. Lloyd George habe Kerrs Bericht so sehr beeindruckt, dass er ihn zu einem Gespräch mit Skrzyński ermächtigte, dabei aber klarstellte „that there was no question of discussing terms with Germany“.1836 Skrzyńskis Gespräch mit Kerr fand am 14. März 1918 statt, seinen Bericht hierüber sandte Musulin am Folgetag an Czernin. Er lautete: Mr. Karr (sic!) sagt mir, daß er als Lloyd George’s erster politischer Sekretär und ständiger Mitarbeiter die Ideen der britischen Regierung kenne. (… Sie) habe ihn hergeschickt, damit er mit mir spreche und zu erfahren trachte: ‚quelles seraient les bases sur lesquelles on pourrait parler avec l’Autriche-Hongrie, le gouvernement britannique désirant se rendre compte s’il y a entre lui et le comte Czernin assez des points de vue communs pour qu’une rencontre puisse mener à des résultats pratiques.’ – Ich antwortete, ich sei nicht berechtigt, mich in ein Gespräch einzulassen, was er mir zu sagen hätte, dürfte ich aber anhören. Da er mich in ein Gespräch dennoch zu verwickeln versuchte, sagte ich, ich fühle mich zu einer desto größeren Reserve verpflichtet, weil ich wisse, daß Graf Czernin an einen ernsten Friedenswunsch Englands nicht glaube, sondern bloß an einen Versuch, uns von Deutschland zu trennen. – Karrs weitere Ausführungen sind wörtlich folgende: – ‚(…) D’après les très beaux discours du comte Czernin,1837 très appréciés à Londres, on pense qu’il avait une communauté de vues suffisante si (…) Czernin était vraiment décidé à mettre en pratique les principes énoncés (…). – Alors une rencontre pourrait être le premier pas vers une paix générale. (…) – Le but du ­gouvernement britannique, d’accord avec 1834 Kerr Ber. an Lloyd George o. D. (12.) März 1918, Lloyd George MA 3. 1936:42. 1835 Fest 1978, 204 – 205. 1836 Ebd. 1837 Vor den Ausschüssen für Äußeres der ungar. u. der ö. Del. am 6. Dez. 1917 bzw. 24. Jän. 1918.

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ses alliés et M. Wilson, est d’arriver à une paix générale. (…) Une paix, pour être réelle, doit être une paix juste pour tous. Il faut se rendre compte que l’Angleterre et ses alliés ne pourraient pas sanctionner des injustices que l’on commettrait au détriment des nations alliées. (…) Par exemple (…) on a l’impression que la Roumanie a été très sévèrement traitée, la Serbie devrait être traitée d’une façon juste et des concessions basées sur le principe de nationalité devraient être faites à l’Italie.’ – (Er sagte nicht: ‚concessions territoriales‘ – ich erwähnte absichtlich beim Durchlesen das Wort ‚territoriales‘, er wiederholte bloß ‚concessions‘.)1838

In der Fortsetzung des Berichtes Skrzyńskis hieß es, Kerr habe erklärt: La paix ne pourrait se baser sur compensations ou échanges de territoire, elle devra compter surtout avec la justice pour les peuples. (Ich bemerkte, es sei schon vernünftiger als ‚volonté des peuples‘ und er war sehr ausgesprochen meiner Ansicht. Es war meine einzige Bemerkung, um (…) zu erfahren, ob man das Rezept ‚volonté des peuples‘ (…) aufgebe.) (…) Cette base de justice devrait exclure ‚les hégémonies‘ ainsi que ‚l’équilibre des rivalités’ entre les peuples. On ne veut pas détacher l’Autriche-Hongrie par des concessions injustes d’une coalition pour mieux vaincre l’Allemagne, on veut une paix juste pour l’Allemagne aussi et, si l’Allemagne veut jamais avoir la paix, elle devra accepter les mêmes principes. – Ce qu’on veut, c’est de savoir si le comte Czernin croit pouvoir discuter avec un représentant des alliées une paix basée sur les principes précités. Il y a tant des points communs entre les discours du comte Czernin et ceux de Mr. Wilson que l’on pense qu’on pourrait arriver à un accord sur un certain nombre des points pratiques, ce serait un grand pas vers la paix universelle. (…) – On pense que maintenant le seul grand obstacle à la paix sont (sic!) des gens qui (…) détiennent le vrai pouvoir à Berlin. Ce n’est que pour cela que le gouvernement britannique ne désire pas à être entraîné dans une conversation avec l’Allemagne (…).1839

In der Folge habe Kerr ihm drei Fragen gestellt: I° Maintenant pouvez-vous me dire (…) si ces vues correspondent aux vues de votre gouvernement? – II° Pouvons-nous discuter les modalités pour le cas qu’une entrevue devienne possible? – III° Pouvez-vous me dire que votre gouvernement refuse toute rencontre?1840

Alle drei Fragen habe er, Skrzyński, mit „Nein“ beantwortet. Kerr habe ihn gebeten, „den obigen von ihm (…) gelesenen und gut befundenen Text Euer Exzellenz e­ inzuberichten. 1838 Musulin (Skrzyński) an Czernin, Tel. 156, 15. März 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 404 – 405; idem: HHStA PA XL, 262 o. Fz. 1839 Musulin an Czernin, Tel. 157, 16. März 1918, ebd. fol. 402 – 403 bzw. o. Fz. 1840 Ebd.

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Ich versprach es ihm, sagte (…) aber, daß ich ihm nicht versichern könne, daß eine Antwort erfolgen werde. – Karr reist morgen (…) zurück, bat mich, eine eventuelle Antwort durch Parodi weiterzuleiten.“ 1841 Zu diesen Berichten Skrzyńskis sandten die Sektionschefs Mérey und Müller am 18. März „Erwägungen“ Mensdorffs an Czernin. In diesen hielt Mensdorff fest, er habe Smuts gegenüber wiederholt betont, „wie sehr er enttäuscht sei, dass England uns nicht als Brücke z­ wischen sich und Deutschland benützen wolle, da ja (…) irgend eine Verbindung (…) hergestellt werden muss, um zu dem allgemeinen Frieden zu gelangen, der unser Ziel ist“.1842 Skrzyński solle angewiesen werden Parodi zu erklären, man sei österreichischerseits der Ansicht, dass, „wenn eine weitere Conversation auf die Punkte ‚concernant l’Autriche-Hongrie seulement’ limitiert würde, sie nicht viel Erfolg haben könnte und dass einem neuen Gedankenaustausch ein etwas weiteres Feld eingeräumt werden müsste“.1843 Czernin sandte den Bericht Skrzyńskis mit den Fragen Kerrs zur Unterrichtung K ­ aiser Karls am 19. März an Demblin und bemerkte dazu: Ich habe darauf geantwortet, dass ich zu einer Unterredung erst bereit bin, wenn ich irgend eine Aussicht auf Erfolg erblicke, dass ich (…) das einzige Hindernis in den annexionistischen Wünschen Frankreichs und Italiens erblicke und (…) nach Beseitigung ­dieses Friedenshindernisses einer Konferenz nichts mehr im Wege stehen würde.1844

Czernins Antwort entsprach der Weisung, die er am 22. Februar Revertera für die Gespräche mit Armand erteilt hatte.1845 Über einen Einwand des Kaisers gegen diese Weisungen findet sich in den Akten nichts. Wie Lloyd George schrieb, habe im Verlauf der Unterredung z­ wischen „Smuts“ (tatsächlich Kerr) und Skrzyński der letztere der Befürchtung Ausdruck gegeben, „daß die Entente nur versuche, Österreich-Ungarn lahmzulegen, um Deutschland zu isolieren und zu besiegen“. Sein Gesprächspartner dagegen habe versichert, „daß die Entente nur eine Regelung suche, die für alle einen gerechten und dauernden Frieden herbeiführe, mit Aussicht auf allgemeine Abrüstung. (…) bedauerlicherweise ständen die mit Rußland und Rumänien abgeschlossenen Friedensverträge (…) nicht im Einklang mit diesen Grundsätzen.“ 1846 1841 Musulin an Czernin, Tel. 157, 16. März 1918, ebd. fol. 402 – 403 bzw. o. Fz. 1842 Mérey, Müller an Czernin, Tel. 283, 18. März 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 398 – 399. 1843 Ebd. 1844 Czernin an Demblin, Tel. 60, 19. März 1918, HHStA PA XL, 262 o. Fz. 1845 Czernin an Musulin für Revertera, Tel. 95, 22. Feb. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Tätigkeit R ­ everteras fol. 97, Druck: Steglich 1984, 75 Dok. 27a. 1846 Lloyd George MA 3. 1936, 43. – Im englischen Originaltext ist von „pourparlers“, also von Unterhandlungen, die Rede und nicht von „Vorbesprechungen“. Lloyd George WM 5. 1934, 2502.

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr

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Bei Lloyd George heißt es weiter: Die Lage war nach Austausch der Ansichten am 14. März 1918 die folgende: Wenn eine Unterredung stattfinden sollte, würde sie dem Zwecke dienen, alle noch offenstehenden Fragen ­zwischen Österreich-Ungarn und der Entente zu bereinigen. Der Grundsatz sollte dabei sein, nicht Gebiet gegen Gebiet zu verhandeln, sondern allen Völkern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Auf keiner andern Basis könne ein dauernder Friede aufgebaut werden. (…) Ferner war Klarheit darüber geschaffen, daß die Alliierten es ablehnten, sich in die Erörterung eines Friedens mit Deutschland hineinziehenzulassen.1847

Aus der Unterredung habe die englische Seite den Schluss gezogen, dass z­ wischen dem Zeitpunkt, zu dem sie „zuerst vorgeschlagen war, und dem Eintreffen Skrzynskis in der Schweiz (…) eine Änderung in der Haltung des Grafen Czernin sich vollzogen hatte und daß dessen Wunsch zu Vorbesprechungen (…) inzwischen stark herabgemindert“ gewesen sei.1848 Darüber heißt es in Kerrs Memorandum über das Gespräch mit Skrzyński: Zunächst mag das die Wirkung des russischen Zusammenbruchs und in Verbindung damit Deutschlands verbesserter militärischer Lage zuzuschreiben sein. Graf Czernin hat es vielleicht für das beste gehalten, Sonderverhandlungen aufzugeben und abzuwarten, ­welche neue Bedingungen wir unter dem Druck der militärischen Lage oder einer gegen die Zivilbevölkerung (…) gerichteten Friedenspropaganda ihm vorzuschlagen genötigt sein könnten. Zweitens läßt sich die veränderte Haltung durch die (…) Unterhandlungen mit Amerika erklären. Czernin glaubt vielleicht, auf dem Wege über Amerika leichter zu einem Abschluß kommen zu können, da die Vereinigten Staaten nicht durch Vertrag mit Italien gebunden sind und daher geneigt sein möchten, für maßvolle Bedingungen einzutreten (…). Drittens mag Graf Czernin sich gesagt haben, daß er wegen (…) der zum Frieden drängenden öffentlichen Meinung in der Monarchie nicht mehr zurückkönne, wenn die Verhandlungen mit einem britischen Generalbevollmächtigten einmal begonnen hätten, und daß dies unbedingt entweder zu einem Sonderfrieden oder zu einem Auseinanderfall der Monarchie führen müßte.1849

Balfour ließ über Kerrs Gespräch mit Skrzyński am 22.  März an Colonel House telegrafieren: 1847 Lloyd George MA 3. 1936, 43. 1848 Ebd. Im englischen Originaltext ist von „pourparlers“, also von Unterhandlungen, die Rede und nicht von „Vorbesprechungen“. Lloyd George WM 5. 1934, 2502. 1849 Kerr Memorandum o. D., Lloyd George MA 3. 1936, 43 – 44, Lloyd George WM 5. 1934, 2502 – 2503.

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Our messenger reports (…) change of attitude on the part of Czernin, who no longer proposed meeting with British statesman on alleged ground that Allies are not so much interested in coming to real settlement with Austria-Hungary as in manoeuvring to detach her from Germany. Our messenger explained that H. M. Government’s whole object (…) was not peace manoeuvre but final settlement of European problems on the principle of justice to all peoples (…). He added that if H. M. Government were to agree to a meeting it would not merely be to discuss abstract principles, but their practical application (…), and mentioned (…) Italy, Serbia, Roumania, to all of which Austria-Hungary would have to make concessions in accordance with above principles. (…) – He finally made it clear that inasmuch as the German Government stood for exactly opposite principles (…). Allies would not consent (…) to be drawn into discussion of peace with Germany. – Austrian Agent thought this statement (…) of interest to Czernin. He was very anxious to avoid any statement or suggestion that purpose of a meeting should be settlement of (…) a separate peace and he would have liked our messenger to commit himself in this sense. – Our messenger definitely refused this and suggested only course was to leave matter open. – Position appears to be that if Czernin again proposes a meeting it will be for the purpose of arriving at settlement of all questions outstanding between Austria-Hungary and Allies – principle being, no bargaining of territory, but that of justice for all peoples in South Eastern Europe.1850

Czernin äußerte sich zu den Berichten Skrzyńskis am 18. März und wies diesen an: Euer ./. wollen durch Herrn Parodi dem Herrn K. (Kerr) sagen lassen, dass Sie nicht verfehlt hätten, mir die Demarche des letzteren zu melden. Ich hätte darauf erwidert, mir scheine der Schritt des Ernstes zu entbehren, nachdem der eigentliche Grund der Kriegsfortsetzung vollkommen von Herrn K. verschwiegen (…), hingegen allgemeine Phrasen vorgebracht wurden. (…) In dem Augenblick, wo Italien und Frankreich erklären, dass sie auf österreichisches und deutsches Gebiet verzichten, sei es doch ganz klar, dass gar kein ernstes Friedenshindernis mehr besteht. Euer ./. wollen hinzufügen, dass die Vermeidung zukünftiger Kriege (…) erst besprochen werden könne, bis es gelungen sei, den jetzigen Krieg zu beenden. (…) Solange England aber die Postulate seiner Bundesgenossen unterstützen wird, wird es niemanden bei den Zentralmächten geben, welcher ernstlich glauben könnte, dass England wirklich den Frieden will.1851

1850 Balfour an House, Tel. 66, 22. März 1918, in: House an Wilson 23. März 1918, Link PWW 47 1984, 122 – 123. 1851 Czernin an Musulin für Skrzyński, Tel. 9, 18. März 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 386 – 386v, idem: Czernin an M. d. Ä., Tel. 245, 19. März 1918, ebd. fol. 397 – 397v. Czernins Gedanken entsprachen etwa denen in der Antwort an Wilson von 22. März 1918, siehe unten.

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr

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Skrzyński zögerte nicht, den Inhalt ­dieses Telegramms Parodi und damit Rumbold zur Kenntnis zu bringen. Musulin telegrafierte darüber am 28. März an Czernin: Skrzynski meldet: – ‚Habe am 23. d.Mts. das Anbefohlene Parodi mitgeteilt. Dieser sagte, er würde mir sofort wissen lassen, falls er daraufhin Weisung erhielte, etwas zu erwidern. (…) Da ich mich streng an Euer Exzellenz vertrauliche Weisung vom 5. d.Mts., Nr. 116, halten will, bitte ich um (…) Instruktion, ob ich eine weitere Mitteilung entgegenzunehmen hätte, falls Parodi (…) beauftragt werden sollte, mir eine ­solche (…) zu machen (…).’1852

Czernin wiederholte darauf seine bisherigen Instruktionen: „Ich ersuche Euer ./. Herrn Parodi zu empfangen, falls sich derselbe bei Ihnen ansagen sollte, und sich bei dieser Gelegenheit rein rezeptiv zu verhalten.“ 1853 Rumbold depeschierte über das am 23. März stattgefundene Gespräch z­ wischen Skrzyński und Parodi an Balfour: (…) Skrzynski stated that he had received a long memorandum from Czernin in reply to report he had made of conversation (…) with Mr. Kerr (…). He was authorised to communicate to Parodi principal points of this memorandum which may be considered as exactly representing Czernin’s views on the subject of peace. – Parodi took these points down in writing and then read them over to Skrzynski so as to avoid all possibility of a misunderstanding.1854

Der Inhalt der im Weiteren übermittelten Aufzeichnungen Parodis entsprach genau den Skrzyński am 18. März von Czernin erteilten Weisungen. Rumbold bemerkte dazu: I think it is now clear (…) that either Skrzynski owing to his not being in close personal touch with his Government has throughout exaggerated what Czernin was prepared to do in order to obtain peace and resumed his conversations with Parodi under the impression of strikes and economic distress in Austria or that Czernin is a thorough opportunist and is waiting to see result of German offensive. In any event Czernin’s reference to Alsace Lorraine question shows he has abandoned if he ever accepted formula of only discussing questions concerning Austria. (…) No useful purpose would seem to be served by allowing Parodi to see Skrzynski again for the present and I hope subject to your approval to tell Parodi that if Skrzynski seeks another interview he should reply that we are too far apart to make such an interview profitable. It is probable that quite apart from results of offensive situation in A ­ ustria 1852 Musulin an Czernin, Tel. 197, 28. März 1918, ebd. fol. 384. 1853 Czernin an Musulin, Tel. 166, 30. März 1918, ebd. fol. 383. 1854 Rumbold an Balfour, Tel. 429, 26. März 1918, Lowe Dockrill 3 1972, 615 – 617 Dok. 131.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

will change (…) when Austrians realise that they will not get much relief from Ukraine and if there is a recurrence of strikes (…). But I am convinced there is nothing to be done with Austria for the moment.1855

Balfour ließ Rumbolds Bericht auch Colonel House zur Kenntnis zu bringen und wies Drummond am 3. April an, Sir William Wiseman zu telegrafieren: Please inform Col. House that we have received through an intermediary (Parodi) a memorandum drawn up by Austrian Minister for Foreign Affairs dealing with recent conversations between our messenger (Kerr) and Austrian Agent (Skrzyński).1856

Der „Austrian Agent“ habe die Haltung seiner Regierung klar gemacht: He said there could be no question of surrendering Trentino which had never been Italian territory. (…) If Trentino were to belong to Italy it would be ruined. (…) – There would, however, be no difficulty in establishing an Italian University at Trieste (…). Land owners and peasants were all for Austria and Irredentists are all lawyers, doctors, and intellectuals who engage in politics and have no money. Italy has many ports already and ought not to deprive Austria of her only outlet to sea. (…) – If Allies had occupied Alsace-Lorraine, Trieste or Trentino new position might have arisen.1857

Rumbold meinte, diese Worte trügen eindeutig „traces of German inspiration“; sie stellten entweder die Haltung Czernins übertrieben dar oder der letztere sei ein Opportunist, der das Ergebnis der deutschen Offensive abwarte. Der österreichische „Agent“ habe die Möglichkeit weiterer Gespräche angedeutet, es sei ihm aber klar gemacht worden, dass es für ­solche keine Grundlage gebe. Die Depesche schloss: „In general evidently nothing more to be done at present.“ 1858 Die am 21. März 1918 begonnene deutsche Offensive im Westen war jedoch, wie die zitierten Schriftstücke zeigen, nicht der Grund für die geschwundene Bereitschaft der britischen Regierung zu weiteren Gesprächen mit Vertretern Österreich-Ungarns. Ebensowenig waren dies jene Gründe, die Czernin in einem Telegramm für den ­Kaiser anführte: Aus einer absolut sicheren Quelle erfahre ich, dass die Entente vor kurzem die feste Absicht hatte, über Wien den allgemeinen Frieden anzubahnen. (…) Im letzten Augenblick schlug der 1855 Ebd. 1856 Drummond (Balfour) an Wiseman für House, Tel. 73, 3. Apr. 1918, Link PWW 47. 1984, 239 – 241. 1857 Ebd. 1858 Ebd.

Fortführung der Mensdorff-Smuts-Gespräche durch Skrzyński und Kerr

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Wind in Paris und London um, weil die Meinung die Oberhand gewann, dass dank der innerpolitischen Zustände (…) die Monarchie bald wehrlos sein müsse, es daher nicht mehr dafür stünde, mit uns zu verhandeln. Es scheint, dass insbesondere von tschechischer Seite dieser Gedanke in Paris und London genährt wird.1859

Nach der Entlassung Czernins waren Skrzyński und auch Musulin bestrebt, den am 17. April 1918 wieder zum Minister des Äußern bestellten Burián von der Nützlichkeit der Kontakte zur Berner britischen Gesandtschaft über Tussun und Parodi zu ü ­ berzeugen. Dies scheint jedenfalls aus einer Depesche hervorzugehen, die Musulin am 7. Mai an den neuen Minister richtete: Herr von Skrzynski bittet mich, nachstehendes Telegramm weiterzuleiten. – ‚Ich war fast zwei Monate nicht in Genf, um mich nicht politischen Annäherungsversuchen Tussuns auszusetzen, den ich seit Jahren kenne. Da ich in zirka zehn Tagen Wien reisen möchte, bitte um Instruktion, ob es nicht opportun wäre, daß ich Tussun zufällig begegne und ihm (…) meine Reise ankündige. Es ist wahrscheinlich, daß er dann gleich Rumbold avisiert und nicht ausgeschlossen, daß Engländer meine Reise zu einer mündlichen Mitteilung an den Herrn Minister ausnützen. Dies wäre noch wahrscheinlicher, wenn ich Parodi begegnen könnte. Meinerseits würde ich keinem der beiden gegenüber etwas sagen, was als Herausforderung zu einer Mitteilung gedeutet werden könnte.’1860

Burián jedoch entschloss sich, offenbar in Anbetracht des durch die Sixtusbrief-Affäre belasteten Verhältnisses zum deutschen Bündnispartner und der eine siegreiche Beendigung des Krieges in greifbare Nähe zu rücken scheinenden Offensive im Westen, die Kontakte in der Schweiz vorerst nicht weiterführen zu lassen. Er wies Musulin am 10. Mai 1918 an Skrzyński zu verständigen, „er möge sich bis auf weiteres jeden Kontaktes mit Organen (…) der Entente enthalten“.1861 Diese Weisung veranlasste Skrzyński, dem Minister die Vorgeschichte und den Inhalt der Gespräche mit Kerr kurz darzustellen. Seine vom 10. Mai datierte Aufzeichnung lautet: Die Begegnung Graf Mensdorff – General Smuts bezweckte, wie beiderseits betont wurde, bloss ein échange de vues. Die Initiative derselben nahm Prinz Djemil Tussun vollständig auf sich (…). Auch Balfour stellte nicht in Abrede, dass die Initiative eher von englischer Seite ausging, er betonte bloss, dass er sich für berechtigt halte, zu versuchen, uns zu einem Separat­frieden zu bewegen. Bevor sich General Smuts von Graf Mensdorff trennte, haben diese 1859 Czernin an Demblin, Tel. 82, 28. März 1918, HHStA PA XL, 262 o. Fz. 1860 Musulin an Burián, Tel. 299, 7. Mai 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 382. 1861 Burián an Musulin, Tel. 247, 10. Mai 1918, ebd. fol. 379.

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­ erren Parodi und mich als diejenigen genannt, die eventuell weitere Mitteilung ­zwischen H Ballplatz und Foreign office weiterzugeben hätten. – Darauf berief sich nun Lloyd George, als er (…) Mr. Karr nach Montreux sandte. Mr. Karr musste einige Tage warten, bis ich von Grafen Czernin ermächtigt wurde, ihn zu empfangen. Dann kam er zu mir.1862

Im Weiteren führte Skrzyński die wichtigsten der Äußerungen Kerrs an und schrieb: Die Antwort, die ich dann Mr. Karr durch Parodi zukommen liess, war, dass wir an den Friedens­willen Englands nicht glauben können, solange es Ansprüche auf Elsass-Lothringen und Trentino unterstütze. – Nun deutet Manches darauf, dass eventuell nahende revolutionäre Bewegungen England mit einer analogen Gefahr bedrohen, wie Oesterreich-Ungarn. Ein Teil der englischen Regierung möchte daher den Krieg ehetunlichst beenden. Die Ueberzeugung, dass die Monarchie heute sozusagen ohnmächtig ist, bewirkt, dass der leichtere Weg über Wien vielen heute nicht mehr gangbar erscheint – es bleibt der direkte Weg über Berlin – was aber den Entschluss, Friedenssondierungen zu versuchen, sehr wesentlich erschwert. – Aus dem Vorstehenden schliesse ich, dass falls wir in absehbarer Zeit uns mit England in Kontakte einlassen wollten, dies noch auf keine unüberwindbaren Schwierigkeiten stossen würde.1863

6.2

Reverteras Gespräche mit Armand im Februar und März 1918

Graf Nikolaus Revertera hatte, wie von Steglich eingehend dargestellt,1864 im August 1917 mit Comte Abel Armand, dem Leiter der Section des renseignements généraux im Deuxième bureau des Generalstabs der französischen Armee, auf eine Verständigung mit Frankreich abzielende, aber ergebnislos gebliebene Gespräche geführt. Ort dieser Gespräche war das Haus des Arztes Henri Reymond 1865 in Fribourg gewesen. Bei einer ersten Zusammenkunft am 7. August 1917 hatte Armand Vorschläge für einen Separatfrieden überreicht, die lauteten: 1. L’Autriche-Hongrie se retirera de la guerre et observa une stricte neutralité. – 2. Elle cédera à l’Italie le Trentin et Trieste, ou, tout au moins, en fera un port franc. – 3. Il sera attribué à la Monarchie (…): a) la Pologne reconstituée dans ses limites (…) de 1772; b) Le royaume de

1862 Musulin an Flotow, Schr. o. Z., 15. Mai 1918, Anl.: Skrzyński Aufz. Kontakte mit England 10. Mai 1918, ebd. fol. 375 u. 376 – 377v. 1863 Ebd. 1864 Steglich 1984, XIV–XXXVIII. 1865 Reymond wurde im Bericht des 2e bureau vom 17. Juli 1917 als „informateur très sûr“ bezeichnet. Les négociations Armand-Revertera (Sixtus) LO 10. Juli 1920, 34, Steglich 1984, 7 Dok. 1 Anm. 4.

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Bavière; c) la Silésie dans les limites au moment de la cession à Frédéric II. – 4. La Silésie fera partie des États héréditaires autrichiens. La Pologne et la Bavière entreront dans la Fédération des États que l’empereur d’Autriche exprime l’intention de former. – 5. Si la double Monarchie exécute les clauses relatées dans les numéros 1 et 2, l’Angleterre et la France la soutiendront de toutes leurs forces pour la réalisation des clauses relatées sous le numéro 3.1866

Darüber, wie sich sein Gesprächspartner über die zu erwartende Reaktion K ­ aiser Karls auf diese Bedingungen äußerte, berichtete Armand am 12. August an Painlevé. Zu der Italien betreffenden Bedingung habe Revertera bemerkt: (…) le Trentin est baigné de sang autrichien. L’empereur considérerait comme une félonie envers les populations qui lui sont restées fidèles de les abandonner. – Quant à Trieste, nous ne pouvons céder cette ville, il nous faudrait même des garanties territoriales pour nous préserver d’une nouvelle aggression.1867

Und in Bezug auf die Verheißungen bezüglich Bayerns und Schlesiens: „L’empereur est un parfait gentilhomme, il me répondra qu’on achète sa trahison en le payant sur le dos de son allié.“ Zu den Gesprächen als solchen aber habe Revertera gemeint: „Cette voie secrète mettant l’empereur en rapport avec les gouvernements de l’Entente est très précieuse.“ Diese Stellungnahmen kommentierte Armand mit den Worten: „En somme animosité extrême, amour-propre violement en jeu.“ Revertera habe aber gebeten, die Gespräche um keinen Preis abzubrechen, „car l’empereur désire la paix par dessus tout (…)“.1868 In Reverteras von Steglich publizierten Aufzeichnungen ist über die Aufnahme, w ­ elche die französischen Vorschläge bei ­Kaiser Karl fanden, festgehalten: Zuerst mit Staunen, dann mit unverhohlener Entrüstung vernahm der K ­ aiser, was man ihm zuzumuten wagte. Mit Empörung und in den stärksten Ausdrücken wies er den ihm vorgeschlagenen Treubruch zurück; damit würde er sich, so meinte er, die Moral gewisser Staatsmänner der Entente aneignen, ­welche von Ehre und Heiligkeit des gegebenen Wortes keinen Begriff hätten. (…) Hingegen sei er bereit, diskutable Vorschläge der Entente (…) in Berlin vorzulegen, ja sogar zu befürworten, wenn sie ihm gerecht erscheinen sollten.1869

1866 Armand an Painlevé, Conditions transmises à I. V. (Revertera) 7. Aug. 1917, (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 88, Sixtus 1920, 271 – 272, Steglich 1984, 46 Dok. 3. 1867 Armand, Ber. an Painlevé 12. Aug. 1917, (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 88 – 89. 1868 Ebd. 1869 Revertera Aufz., Steglich 1984, 17 Dok. 1.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Der ­Kaiser erteilte ihm, so erklärte Revertera 1922, „den gemessenen Auftrag, den Sonder­ frieden a limine abzulehnen und für weitere Verhandlungen eine andere Basis zu finden, die nicht nur vom Standpunkt Österreich-Ungarns, sondern auch von jenem seiner Verbündeten annehmbar erschiene“.1870 Painlevé entsandte Armand am Tag, an dem er dessen Bericht vom 12. August erhielt, zu weiteren Gesprächen nach Fribourg. Er solle trachten, über zwei Punkte Klarheit zu erlangen: 1. L’Autriche est-elle définitivement intransigeante au sujet de Trieste? 2. L’Autriche est-elle sincère et, dans le cas où elle s’accorderait avec les Alliés sur des conditions équitables ((…) notamment le retour de l’Alsace-Lorraine à la France), a-t-elle vraiment la volonté de rompre avec l’Allemagne si celle-ci repoussait ces conditions?1871

Bei dem Treffen, das am 22. August 1917 stattfand, teilte Armand Bedingungen für einen allgemeinen Frieden mit. Unter diesen waren ­solche, die von Deutschland, aber auch von der Monarchie wohl nur im Falle einer völligen Niederlage akzeptiert worden wären. Sie lauteten: Wiederherstellung Belgiens, vollständiger Schadenersatz; Räumung aller in Frankreich besetzten Gebiete, Abtretung Elsass-Lothringens bis an die Grenzen von 1814; Kohle- und Holzlieferungen an Frankreich und Belgien während der Zeit des Neuaufbaus, Schadenersatz für versenkte Schiffe, Instandsetzung zerstörter Fabriken; Sicherstellungen, dass in den deutschen Gebieten links des Rheins keine Vorbereitungen für einen neuen Krieg getroffen werden können; Luxemburger Bahnen deutschem Einfluss entzogen; Abtretung Helgolands; Wiederherstellung Rumäniens nach den Bedingungen des Bukarester Vertrags von 1913; Wiederherstellung Serbiens in den Grenzen von 1914 mit Angliederung Montenegros und eines Adriahafens; Abtretung des Trentino und Triests an Italien; Wiederherstellung Polens in den Grenzen von 1772; Freiheit der Durchfahrt zum Schwarzen Meer, Sicherung des Schicksals der christlichen Völkerschaften im Osmanischen Reich. Dagegen würde sich Frankreich dafür einsetzen, dass Deutschland Kolonien erhielte, „par voie de restitution ou d’échange“.Kursiv:1872 In Reverteras Aufzeichnungen zu d ­ iesem Gespräch heißt es dazu, Armand habe erklärt: Nur über zwei Punkte könne man nicht diskutieren: die territoriale Wiederherstellung Belgiens und die Zession von Elsaß-Lothringen. (…) Madagaskar, Indochina, ein gutes Stück des belgischen Kongo s­ eien als Kompensationsobjekte in Aussicht genommen; auch über die 1870 Revertera 1922 169, 516. 1871 Painlevé, Instruktion für Armand 12. Aug. 1917, (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 91, Sixtus 1920, 276. 1872 Conditions de paix communiquées à I. V. (Revertera) 22. Aug. 1917, (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 90 – 91, Sixtus 1920, 284 – 286, Steglich 1984, 52 – 53 Dok. 9.

Reverteras Gespräche mit Armand im Februar und März 1918

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(russischen) Ostseeprovinzen lasse sich reden, eine Zession derselben im beiläufigen Ausmaß von Elsaß-Lothringen werde auf keine unüberwindliche(n) Hindernisse stoßen.1873

Armand übergab auch eine „note réservée pour l’Autriche“, mit der neuerlich versucht wurde, den ­Kaiser für einen Sonderfrieden zu gewinnen. In ihr hieß es: La guerre peut aboutir à la germanisation de l’Autriche, résultat que la France et l’Angleterre estiment déplorable et qui serait nettement défavorable aux vrais intérêts de l’Autriche et à ceux des populations de la monarchie (…). – Le véritable avenir de (…) c’est celui-là même auquel semble songer (…) Charles Ier. Car d’après ce que l’Entente a pu percevoir des généreuses initiatives du souverain, il envisagerait une fédération des nations actuellement sous son autorité. (…) – La Pologne libérée (…) graviterait aux côtés de la fédération (…) et se lierait d’autant plus (…) à elle, que son premier souverain pourrait être de la maison de Habsbourg. – À l’égard d’une telle fédération, la France et l’Angleterre (…) auraient leurs sympathies attirées au point de contracter avec elle une véritable alliance (…). – Dans le cas où les événements amèneraient l’Autriche à se séparer de l’Allemagne, la France et l’Angleterre trouveraient naturel tout désir de l’Autriche de récupérer son influence sur les populations allemandes qu’elle avait jadis sous son égide (…). – La France s’efforcera d’obtenir les relations de bon voisinage entre la Serbie et l’Autriche. – Des rectifications de frontière sont possibles entre l’Autriche et le Monténégro. – Il doit subsister une bienveillance réciproque et même une sorte de contre-assurance mutuelle entre l’Autriche et la France.1874

Revertera fuhr unmittelbar nach d ­ iesem Gespräch nach Wien und setzte noch am 26. August, dem Tag seiner Ankunft, Czernin von diesen Bedingungen in Kenntnis. Dabei wurde er vom Minister ersucht, die Aufzeichnungen über sein Freiburger Gespräch „mit Randbemerkungen zu versehen, ­welche Armands mündliche Kommentare in ihren wichtigsten Punkten wiedergeben sollten“. Revertera schrieb dazu: „Ich entledigte mich sofort d ­ ieses Auftrages; dann kam Hohenlohe zu mir, las meine Aufzeichnungen steckte die Papiere zu sich, besprach nochmals deren Inhalt, blieb aber bei seiner Ansicht, daß (…) nichts in Berlin damit anzufangen sei“. ­Kaiser Karl beauftragte Hohenlohe, die Aufzeichnungen „der kompetenten deutschen Stelle zur Kenntnis zu bringen“.1875 Der Botschafter teilte sie am 30. August Kühlmann mit 1876, und überreichte ihm ein Schriftstück das festhielt, was Czernin nach Paris antworten würde: 1873 1874 1875 1876

Steglich 1984, 20 Dok. 1. Note réservée pour l’Autriche, (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 91, Steglich 1984, 53 – 54 Dok. 10. Revertera 1922 169, 518. Revertera verkürzte Aufz. (Kühlmann übergeben 30. Aug. 1917), Steglich 1984, 57 Dok. 12.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

1. Daß er ­solche Vorschläge nicht diskutieren und schon gar nicht nach Berlin weiterzuleiten in der Lage sei, da sie selbstverständlich nur abgelehnt werden könnten; es sei ihm nicht möglich zu sagen, w ­ elche Basis das Berliner Kabinett für Verhandlungen akzeptieren würde; auf keinen Fall könne er auf einer anderen als auf folgender Basis einen Versuch machen, sich mit Berlin (…) in ein Gespräch einzulassen: – a) Bezüglich Belgiens wäre Berlin vielleicht geneigt, den status quo ante bellum zu akzeptieren; da Deutschland aber (…) in Belgien große wirtschaftliche Interessen hatte, so müßte es darauf bestehen, daß ihm dieselben gesichert würden. – b) Wenn Frankreich von einer Grenzrektifikation im Elsaß spricht, so müßte es (…) genau sagen, w ­ elche Kompensationen es Deutschland dafür antragen will. – c) Unbedingt müßte Deutschland darauf bestehen, im Osten eine militärische Grenzrektifikation zu erhalten. – d) Eine Entschädigung wäre ausgeschlossen; es sei denn, daß alle kriegführenden Staaten etwas für Belgien tun wollten. – 2. a) Österreich-Ungarn tritt an Italien nichts ab. – b) Österreich-Ungarn stand wie Deutschland auf dem Standpunkt ‚keine Annexionen‘. Wenn Frankreich durch den Wunsch einer Grenzrektifikation im Elsaß ­dieses Prinzip durchbricht, so müssen auch Deutschland und Österreich-Ungarn etwas fordern. Österreich-Ungarn fordert daher Grenzrektifikationen in Montenegro und in Serbien. – c) keine Kriegsentschädigungen. – 3. Polen und Rumänien können sich in freier Wahl ihre Zukunft (…) wählen; doch wechselt Rumänien die Dynastie. – 4. Eine Besprechung hat nur dann einen Zweck, wenn ein österreichisch-ungarischer, ein deutscher, ein englischer und ein französischer Delegierter sich geheim treffen.1877

Hohenlohe berichtete über sein Gespräch mit Kühlmann an Czernin: Der Staatssekretär (…) erklärte, er könne sich hiezu selbstverständlich offiziell noch in keiner Weise äussern. (…) – Jedenfalls sei er aber der Ansicht, dass man den Faden der Verhandlungen, falls Frankreich wirklich bereit sei, ihn anzuknüpfen, aufnehmen müsse (…), ja er glaube sogar, (…) dass ihm hieraus eine Hilfe erwachsen könne, um einen Druck auf die Oberste Heeresleitung auszuüben. – Was ihm (…) vielleicht zu weitgehend schiene, wäre, dass Euer Excellenz (…) sich zu der ersten ganz unbestimmten Konversation sofort selbst begebe. (…) – All dies will (…) Kühlmann mit Euer Excellenz (…) besprechen.1878

Kühlmann übermittelte den Inhalt der ihm von Hohenlohe überreichten Dokumente noch am 30. August Reichskanzler Michaelis, dem er berichtete, „Painlevé erbiete sich zu Unterredung nach (der) Schweiz zu kommen, Graf Czernin sei bereit, sich dort mit ihm zu treffen“. Die französischerseits vorgeschlagene Verhandlungsbasis betrachte ­Czernin 1877 Aufz. „Graf Czernin würde antworten“, Steglich 1984, 58 Dok. 13. 1878 Hohenlohe an Czernin, Ber. 123/P, 30. Aug. 1917, HHStA PA I, 951 Krieg 25a Allg. 1917 – 1918 fol. 562, Druck: Steglich 1984, 59 Dok. 14.

Reverteras Gespräche mit Armand im Februar und März 1918

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aber „als schlechten Witz“. Er, Kühlmann, habe Hohenlohe gesagt, dass die meisten der in diesen genannten Punkten „in den rein deutschen Interessenkreis“ gehörten und ihm viel wohler wäre, wenn Österreich-Ungarn „in Fragen, die in erster Linie deutschfranzösisch und (…) deutsch-englisch wären, nicht die Vermittlerrolle übernähme“, sondern seine Dienste „auf das Zusammenbringen feindlicher Unterhändler mit deutschen auf neutralem Gebiet beschränken würde“. In ­diesem Sinne beabsichtige er auch mit ­Czernin zu reden.1879 Michaelis antwortete: „Ich bin mit Ihren Vorschlägen einverstanden. Den K ­ aiser möchte ich erst benachrichtigen, nachdem Sie mir (…) weiteren Bericht erstattet haben.“ 1880 Am 1. September kam Kühlmann, wie bereits erwähnt, nach Wien und fuhr mit ­Czernin nach Reichenau, wo sich der ­Kaiser aufhielt. Während der zweistündigen Fahrt sei auch das französische Sonderfriedensangebot berührt worden. Kühlmann hielt fest: Ich sagte dem Minister, die Entente habe diesen Christbaum sehr sinnig geschmückt. Mit solchem Speck fange man die politischen Mäuse nur dann, wenn sie sehr dumm s­ eien. – Wie schon früher berichtet, ist das Sonderfriedensangebot a limine abgelehnt worden. (…) – Graf Czernin kam auf die Eröffnungen zurück, die ihm wegen Zusammentreffens mit (…) Painlevé gemacht worden s­ eien. (…) – Ich wies den Minister erneut darauf hin, dass es zuviel sei, wenn er selbst ginge. Er meinte aber, für sich selbst könne er am besten einstehen und (…) sich ein richtiges Bild von den französischen Dispositionen machen. (…) – Ich erwiderte (…), ich hätte noch keine Gelegenheit gehabt, die ganze Angelegenheit mit dem Kanzler zu besprechen. Deswegen könne das, was ich ihm sage, nur als Ausfluss meiner persönlichen Meinung gelten. Wenn er sich darauf beschränke, den Franzosen (…) zu sagen, dass die beiden Kaiserreiche zusammenhielten wie Pech und Schwefel, und dass über (…) das deutsch-französische Verhältnis (…) am besten in einen direkten Meinungsaustausch mit uns einzutreten sei, so würden unsere Bedenken gegen eine s­ olche Entrevue voraussichtlich viel geringer sein (…). – Der Minister schien nicht ganz damit zufrieden, dass ich implicite die österreichische Vermittlung in Fragen, die uns betreffen, ganz ablehnte, und meinte, er möchte doch (…) in der Lage sein, den Franzosen anzudeuten, auf welcher Linie sich unsere Forderungen bewegen würden. Ich erwiderte ihm, in Bezug auf die wichtigste Frage – die belgische – sei ich nicht in der Lage, über das ihm bereits bekannte hinaus unsere Stellung näher zu präzisieren. – Ich stehe auf dem Standpunkte, dass es für unsere Interessen ausserordentlich abträglich wäre, wenn Österreich die Friedensvermittlung in die Hand nähme und dadurch auch Einfluss auf die Gestaltung der rein deutsch-französischen bezw. deutsch-englischen Fragen, insbesondere Belgien, erhielte. Es würde uns unter geschickter Ausspielung der Reichstagsmehrheit (…) zu Konzessionen ohne 1879 Kühlmann an Michaelis, Tel. 38, 30. Aug. 1917, SG 2 1966, 378 – 380 Dok. 231, s. auch Steglich 1984, 60 Dok. 15. 1880 Michaelis an A. A. u. Botschaft Wien, Zirkular-Tel. o. Z., 1. Sept. 1917, Steglich 1984, 61 – 62 Dok. 17.

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Gegenleistungen drängen, nur um (…) sich den Ruhm der Friedensvermittlung zu sichern und seine Friedenswünsche auf Kosten unserer Interessen möglichst bald erfüllt zu sehen.1881

Czernin telegrafierte über seine Gespräche mit dem Staatssekretär am 2. September 1917 an Hohenlohe: „Kühlmann sieht vollständig ein, daß eine eventuelle Zusammenkunft ­zwischen einem französischen Minister und mir schon deshalb vorteilhaft wäre, weil ich demselben die Hoffnung auf einen Separatfrieden nehmen würde“.1882 Hohenlohe antwortete am folgenden Tag: Kühlmann sagt mir, Euer Exzellenz hätten seine Bedenken mit Bezug auf die bewußte Reise Euer Exzellenz bis zu einem gewissen Grade zerstreut (…). – Falls Euer Exzellenz bereits in den nächsten Tagen nach Berlin zu kommen wünschen, werde ihm dies sicherlich sehr willkommen sein, sonst würde er alle die mit Euer Exzellenz besprochenen Fragen lieber zuerst in foro interno besprechen.1883

Wie Revertera in seinen Aufzeichnungen festhielt, habe er von Dr. Reymond am 14. Jänner einen Brief mit der Eröffnung erhalten, er wolle mit ihm „zusammenkommen“.1884 Revertera setzte davon sogleich das Ministerium des Äußern in Kenntnis, worauf Sektionschef Flotow Reverteras Bericht an Czernin nach Brest depeschierte: (…) Ich habe aber die Avance in keiner Weise provoziert; Franzose sucht anscheinend eine Zusammenkunft, aus eigenem Antrieb oder im Auftrag seiner Regierung? Da ich am 21. d. M.

1881 Kühlmann, Aufz. Besuch in Wien 2. Sept. 1917, SG 2 1966, 381 – 385 Dok. 233. 1882 Kühlmann, Aufz. Besuch in Wien 2. Sept. 1917, SG 2 1966, 381 – 385 Dok. 233.HHStA PA I, 951 Krieg 25a Allg. 1917 – 1918 fol. 573 – 574, Druck: Steglich 1984, 62 Dok. 18. 1883 Hohenlohe an Czernin, Tel. 572, 3. Sept. 1917, HHStA PA I, 951 Krieg 25a Allg. 1917 – 1918 fol. 577, idem: HHStA PA XL, Annexe 218 Herein fol. 293, Druck: Steglich 1984, 63 Dok. 20. – Kovács schrieb über Czernins Umgang mit den französischen Bedingungen, der Minister habe sich während des Besuches Kühlmanns oder bald danach „von dem Friedensangebot Painlevés“ distanziert, wenn er auch zu weiteren Verhandlungen bereit gewesen sei. In der Folge aber habe er, „von dem ­Kaiser Karl energisches Handeln für den Frieden erwartete, unter dem Einfluß von Graf Tisza und Gottfried Hohenlohe seine politische Einstellung“ geändert und sei „zur Schachfigur Kühlmanns“ geworden. So habe er sich geweigert, die Bedingungen für einen allgemeinen Frieden „an Berlin weiterzugeben und an einen österreichischen Separat­frieden überhaupt nur zu denken“. Dass die genannten Bedingungen für einen allgemeinen ebenso wie jene für einen Separatfrieden den realen Möglichkeiten in keiner Weise Rechnung ­trugen, überging Kovács. Sie übersah auch, dass sie selbst geschrieben hatte: „Bereits am 30. August hatte ­Kühlmann die von Revertera ergänzte Fassung des französischen Friedensangebotes an Österreich-Ungarn in Händen.“ (Kovács 1 2004, 248). Inwiefern Revertera „ergänzte“ und auf ­welche Weise Kühlmann zu dieser „ergänzten Fassung“ kam, nämlich wie oben erwähnt durch Hohenlohe, teilte sie nicht mit. 1884 Revertera Aufz., Steglich 1984, 35 – 36 Dok. 1.

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mit meiner Frau nach Freiburg zu fahren gedenke, werde ich – ob ich will oder nicht – mit ihm zusammenkommen. Spricht er von Politik, so muß ich mich defensiv verhalten, würde aber sagen, daß ich keinerlei Instruktion besitze und betonen, daß unsere Konversation nicht über den Rahmen eines privaten Gedankenaustausches hinausgehen darf. (…) – Seiner Majestät mache ich ohne Befehl des Ministers keine Meldung, und zwar aus naheliegenden Gründen, die Graf Czernin gewiß würdigen wird (…).1885

Czernin wies Flotow daraufhin an, Revertera mitzuteilen: Ich bin sehr einverstanden, wenn Euer Hochgeboren den Freund des Laryngologen wiedersehen. – Am besten wäre es, wenn Euer (…) dem Herrn, falls er, wie zu erwarten, von der politischen Lage beginnt, etwas geärgert antworten würden: Diese fortwährenden tastenden Versuche hätten gar keinen Sinn; wenn Frankreich eine Aussprache wünsche, so möge der dortige Minister des Aeußern mit mir in der Schweiz zusammentreffen, oder (…) einen Vertreter bestimmen, welcher mit meinem Repräsentanten spricht. Dies würde viel schneller Klarheit schaffen, als alle die ‚laryngologischen Experimente‘.1886

Revertera zufolge waren es also Armand bzw. die hinter ihm stehenden französischen Stellen, die eine erneute Zusammenkunft anstrebten. Von diesen war ja, folgt man seinen Aufzeichnungen, auch im Juni 1917 die Initiative ausgegangen. Damals habe Reymond eines Tages „offenbar tastend“ bemerkt, dass er (…) bedaure, am österreichischen Hofe nicht ebenso bekannt zu sein, wie beispielsweise am spanischen; er wäre sonst in der Lage, (…) dem ­Kaiser Mitteilungen zu machen, die ihm von berufener französischer Seite zugekommen und wohl danach angetan s­ eien, die Aufmerksamkeit Unseres Allergnädigsten Herrn auf sich zu lenken.1887

Im weiteren Verlauf habe Reymond erklärt, (…) er stehe mit einer unbedingt ernst zu nehmenden französischen Persönlichkeit in engster Fühlung; zwar könne er (…) keinen Namen nennen, doch versichere er, daß der Betreffende, mit maßgebenden Mitgliedern der Pariser Regierung auf vertrautem Fuße lebend, in der Lage

1885 Flotow an Brester Kanzlei (Czernin), Tel. 112, 16. Jän. 1918, HHS tA PA I, 523 XLVII /12e Tätigkeit ­Reverteras fol. 117 – 118v, idem: HHS tA PA I, 1081 Aus Wien 1918 fol. 24 – 25, Druck: Steglich 1984, 67 – 68 Dok. 23. 1886 Czernin an Flotow für Revertera, Tel. 132, 17. Jän. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Tätigkeit Reverteras fol. 112, idem: HHStA PA I, 1077 Nach Wien fol. 93, Druck: Steglich 1984, 68 – 69 Dok. 24. 1887 Revertera Aufz., Steglich 1984, 5 Dok. 1.

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wäre, höchst wichtige Mitteilungen an Seine Majestät gelangen zu lassen, und diese hätten auf die Eventualität eines Friedensschlusses Bezug. Sofortiger Friede mit Frankreich wäre möglich, wenn Deutschland in gewisse territoriale Konzessionen einwilligen wollte, wobei natürlich Elsaß-Lothringen in Betracht käme.1888

Dass die Initiative von französischer Seite ausgegangen sei, erklärte Revertera auch am 1. Februar 1921, also nach der Publikation der Aufzeichnungen Armands in l’Opinion und im Buch des Prinzen Sixtus, in einem an den letzteren gerichteten Brief: Selon Vos déductions et selon les affirmations de Monsieur Clemenceau l’initiative de ma mission serait attribuable à l’Autriche, et au Comte Czernin en particulier. Rien n’est moins exact. Au mois de juin 1917, lorsque je vins en Suisse pour des raisons de famille, j’étais placé entièrement en dehors des affaires (…). C’est donc à mon grand étonnement qu’à cette époque je me vis approché par le Comte Armand, qui me fit certaines avances par l’entremise d’un intermédiaire neutre (Reymond), avec lequel nous étions, tous deux, lies d’amitié.1889

Darauf, dass der Anstoß zu den Gesprächen z­ wischen Revertera und Armand tatsächlich vom letzteren bzw. dem Deuxième bureau ausging, weist nicht nur die im Juli 1920 erfolgte Publikation der Vorgeschichte der Gespräche in l’Opinion hin,1890 sondern auch die 2006 erschienene, sich auf die Akten des Service historique de la Défense in den Archives de la Guerre in Vincennes stützende Arbeit Michaël Bourlets hin. In dieser ist festgehalten, der Leiter des Deuxième bureau, Oberstleutnant Antoine Goubet, habe in der Nutzung der Beziehungen Armands eine Möglichkeit gesehen, seine auf einen Separatfrieden mit Österreich-Ungarn und dessen Loslösung von Deutschland gerichteten Projekte zu verwirklichen. In Verfolgung ­dieses Ziels habe Goubet sich über die Monarchie und ihren Herrscher Gedanken gemacht: La guerre, si elle se termine pour lui par une défaite, peut avoir pour conséquences un démembrement de ses États; si elle se termine par une victoire, l’Autriche ne sera plus que le vassal de l’Allemagne. Ce qu’il faut à l’empereur Charles, c’est (…) une paix sans victoire allemande, une paix qui lui assurerait l’essentiel de son héritage sans donner à l’Allemagne une puissance prépondérante.1891

Durch die Verbindungen Armands zu Revertera und Raymond hätte sich Goubet, wie dieser in seiner Erklärung für die von den Commissions des Affaires extérieures et de 1888 Ebd. 1889 Revertera an Sixtus 1. Feb. 1921, Steglich 1984, 79 – 81 Dok. 29. 1890 (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 32 – 37. 1891 Bourlet 2006 221, 33 – 49.

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la Guerre der Abgeordnetenkammer und des Senats im April 1918 angestellten Untersuchungen geschrieben habe, Ende Mai oder Anfang Juni 1917 die Möglichkeit zur Herstellung eines Kontakts mit der Monarchie geboten.1892 Den für die Publikation in l’Opinion im Juli 1920 verwendeten Unterlagen und den mit diesen offenbar identen Akten im Service historique de la Défense zufolge suchte Goubet Anfang Juni 1917 Painlevé auf, „pour lui faire part du projet“. Am 24. Juli 1917 habe der inzwischen informierte Chef des Generalstabes, General Ferdinand Foch, für die geplanten Gespräche folgende Weisung erteilt, (…) maintenir la conversation, la laisser se développer en faisant connaître qu’on est favorable au principe de l’unité de l’Empire, pourvu que la répartition des différents États, qui le composeront, assure le respect des nationalités et leur représentation propre; sans toutefois qu’on puisse, dès à présent, préciser l’atteinte qui pourrait être portée à l’intégrité du territoire.1893

Armand habe nach seiner Rückkehr vom ersten Gespräch mit Revertera im Kriegsminis­ terium versichert, die Monarchie sei entschlossen, sich von Deutschland zu trennen. Die Revertera beim nächsten Gespräch übermittelten Vorschläge hätten Painlevé und Goubet ausgearbeitet.1894 Die Initiative zu den neuerlichen Gesprächen z­ wischen Armand und Revertera im Februar 1918 könnte jedoch, worauf in l’Opinion und im Buch des Prinzen Sixtus veröffentlichte Akten hinweisen,1895 auch von österreichisch-ungarischer Seite ausgegangen sein. So teilte etwa der „intermédiaire suisse“, d. h. Reymond, am 10. November 1917 an das Deuxième bureau mit, er sei von Revertera benachrichtigt worden, dass ­Kaiser Karl daran denke, die Gespräche, auf deren Fortführung er im September verzichtet habe, wieder aufzunehmen; Revertera habe angefragt, ob dies möglich wäre.1896 Nach diesen veröffentlichten Akten entwickelte sich die Angelegenheit in der Folge so: Am 16. November brachte Generalmajor Henri Alby, der stellvertretende Generalstabschef, die Nachricht Reymonds zusammen mit einer Darstellung der Gespräche vom August 1917 dem damals erst zwei Tage im Amt befindlichen Clemenceau zur Kenntnis und fragte ihn, ob die Sache weiter verfolgt werden solle. Der Premier erklärte, er sehe in ihr eine Möglichkeit Informationen zu gewinnen, worauf Alby die Weisung erteilte: „En tout cas à suivre avec la plus extrême prudence pour conserver le contact 1892 Ebd. 1893 (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 32 – 35. 1894 Bourlet 2006 221, 33 – 49. 1895 Steglich bemerkte: „Leider war es nicht möglich, die in der Opinion abgedruckten Quellen an Hand der Originale zu überprüfen und zu ergänzen, da sie in den einschlägigen Aktenkartons des Deuxième bureau (…) nicht aufgefunden werden konnten.“ Steglich 1984, 4 – 5. 1896 Reymond an 2e bureau 10. Nov. 1917, (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 116, idem: Sixtus 1920, 310.

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des intermédiaires“. Dem fügte Clemenceau am 18. November hinzu: „Écouter ne rien dire.“ 1897 Zwei Tage darauf sandte Armand an Reymond einen Brief in dem es hieß, der Freund Reverteras, d. h. ­Kaiser Karl, sei recht unentschlossen; er habe vor drei Monaten (?) eine ausgezeichnete Gelegenheit „de se remettre à flot“ verpasst, jetzt s­ eien die Umstände weniger günstig. Sollte er jedoch einen Entschluss fassen, so würden ­diesem seine, Armands, Freunde ihre Ohren nicht verschließen. Was ihn selbst angehe, so versicherte er: „J’irai très volontiers écouter (…) Nous pourrons nous rencontrer comme nous l’avons déjà fait (…).“ 1898 Der von ­diesem Brief benachrichtigte Revertera ließ Reymond umgehend wissen: „Je viendrai en Suisse un peu tard, à moins que vos amis ne me donnent l’occasion d’y venir plus tôt.“ 1899 Poincaré wurde von der Sache am 26. Dezember durch den sie offenbar sehr skeptisch sehenden Clemenceau mit den Worten in Kenntnis gesetzt: Nous avons en Suisse un agent qui a été plusieurs fois approché par un ami de l’empereur (…). Cet ami l’a prévenu qu’il reviendrait le voir en janvier ou plus tôt s’il le désirait. J’ai donné l’ordre de ne pas répondre et s’attendre janvier. A ce moment, on l’écoutera, mais je ne pense pas que cela donne grand-chose.1900

Der Darstellung, wonach die Initiative zu einem neuerlichen Zusammentreffen Armands mit Revertera nicht von französischer, sondern von österreichisch-ungarischer Seite ausgegangen sei, entspricht auch der Inhalt der ersten Sätze des weiter unten zitierten französischen Communiqués vom 6. April 1918.1901 Painlevé jedenfalls war in seiner am 17. April 1918 vermutlich an Clemenceau gesandten Stellungnahme zu den Gesprächen bemüht, diese auf österreichisch-ungarische Bemühungen zurückzuführen. Er schrieb nämlich: Au début de juin 1917, le Colonel Goubet (…) me fit savoir qu’un de ses officiers, – parent par alliance d’un haut personnage autrichien, ami de l’Empereur Charles, – était invité par ce personnage à venir s’entretenir avec lui en Suisse. – L’intermédiaire était un Suisse francophile, informateur précieux, qui connaissait les deux interlocuteurs éventuels; le haut personnage autrichien était le Comte Revertera, l’officier français était le Comte Armand (…). – L’intermédiaire affirmait, d’après le Comte Revertera, que l’Autriche désirait ardemment la paix, qu’elle

1897 Alby u. Clemenceau Notizen 16. bzw. 18. Nov. 1917 zu Reymond an 2e bureau 10. Nov. 1917, (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 116, idem: Sixtus 1920, 310. 1898 Armand an Reymond 20. Nov. 1917, ebd. p 116 bzw. pp 313 – 314. 1899 Revertera an Reymond, „Ende Nov. 1917“, ebd. p 116 bzw. p 314. 1900 Poincaré TB-Eintr. 26. Dez. 1917, Poincaré IX 1932, 433. 1901 Frz. Communiqué 6. Apr. 1918, F-B A (8. Apr. 1918), 1 – 2.

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était prête à souscrire à toutes les justes revendications de la France (restitution intégrale de la Belgique, retour à la France de l’Alsace-Lorraine de 1814, garanties non-territoriales de sécurité sur la rive gauche du Rhin, etc.). Si l’Allemagne n’acceptait pas une telle paix, l’Autriche serait décidée à se séparer de son alliée.1902

Aufgrund welcher Mitteilungen Reverteras Reymond glaubte dies versichern zu können, ist alles andere als klar. Painlevé äußerte sich in seiner Stellungnahme zur Frage, wer den Anstoß zu den Gesprächen im Februar 1918 gegeben habe, nicht. In einem Entwurf für die Stellungnahme heißt es aber: „Le 10 novembre (…) une nouvelle demande d’entretien est adressée au Second Bureau (…).“ 1903 Bei der „nouvelle demande“ handelte es sich um die erwähnte Meldung Reymonds, von Revertera benachrichtigt worden zu sein, dass ­Kaiser Karl daran denke, die Gespräche wieder aufzunehmen. Steglich wies auf Indizien dafür hin, dass die Anregung zu den Gesprächen weder von Revertera noch von Armand bzw. dem Deuxième bureau ausging, sondern von ­Reymond und einem „Auftraggeber von höchster Kompetenz“.1904 Im Bericht des Deuxième bureau vom 17. Juli 1917 sei nämlich festgehalten, man habe durch Reymond Ende Mai 1917 vom Wunsch K ­ aiser Karls „de faire une paix séparée“ erfahren.1905 Einiges spricht dafür, dass Reymond auch als Mittelsmann z­ wischen dem Deuxième bureau und dem von Steglich vermuteten „Auftraggeber von höchster Kompetenz“ fungierte. So etwa sein Bericht vom 10. November 1917 an das Deuxième bureau, in welchem er mitteilte, Revertera habe ihn benachrichtigt, K ­ aiser Karl denke die Gespräche bald wieder aufnehmen zu können. Steglich bemerkte dazu, dass diese in l’Opinion 1920 veröffentliche Mitteilung „einerseits als authentisch betrachtet werden muß, andererseits aber nach Ausweis aller (…) österreichisch-ungarischen Unterlagen unter keinen Umständen auf Revertera zurückgehen“ könne.1906 Sixtus erwähnte Reymond als „intermédiaire (…) utilisé par l’état-major français“,1907 was nicht darauf hindeutet, dass er ihn als Mittler eines „Auftraggebers von höchster Kompetenz“, nämlich als einen solchen seines kaiser­lichen Schwagers, seiner ­Mutter oder seiner Schwester, erachtet hätte. Fester meinte 1925, die Nachricht Reymonds könnte ihre Wurzel in einer „Extratour“ Zitas haben, Anhaltspunkte für eine ­solche besaß er aber nicht.1908 1902 Painlevé Stellungnahme zu den Gesprächen Armand-Revertera, definitive Fassung der Aufz. A, S­ teglich 1984, 84 – 85. 1903 Ebd., frühere Fassung der Aufz. A, p 91 Anm. a4. 1904 Steglich 1984, XIX. 1905 Bericht des 2e bureau 17. Juli 1917, (Sixtus) LO 10. Juli 1920, 34, Revertera Aufz., Steglich 1984, 8 Dok. 1 Anm. 4. 1906 Steglich 1984, XIX. 1907 Sixtus 1920, 310. 1908 Fester 1925, 211, 289.

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Auf Verbindungen z­ wischen der Kaiserin bzw. der Herzogin Maria Antonia und ­ eymond weist jedoch eine von George D. Herron an Hugh R. Wilson, den GeschäftsR träger der amerikanischen Gesandtschaft in Bern, zur Übermittlung nach Washington gesandte Kopie eines Berichtes über die Revertera-Armand-Gespräche hin. Sie war ­Herron vom Verfasser des Berichtes, dem Chef des Intelligence Service des Foreign Office in der Schweiz Sir Hugh Whittall, überlassen worden. Darin heißt es: 1. The central person of the whole affair is Princess Sarsina, who (…) has strongly clerical sympathies. She is on friendly terms with the Dowager Duchess Maria Antonia of Parma (…). Princess Sarsina is also on extremely friendly terms with the Empress Zita herself, with the Emperor Charles and with many (…) influential persons at the Court of Vienna. Disapproving of Italy’s declaration of war against Austria, Princess Sarsina left Italy in the spring of 1915 and since that date has been residing in a villa just outside Fribourg (…) Princess Sarsina’s house has been during the last three years scene of many meetings between various members (…) of the house of Bourbon and many Roman Catholic dignitaires and others who have been active pacifists. – 2. Count Revertera is a son-in-law of Princess Sarsina. Countess Revertera has paid many long visits to her mother at Fribourg and Count Revertera has been a very frequent visitor at the house. – 3. Count Armand has been a lifelong friend of the Sarsina family. (…) – 4. The Duchess of Parma (…) has visited Princess Sarsina (…) on three or four occasions since 1915. – 5. On these occasions she has met (…) with Italian Catholics and it is also believed that she met Count Armand. (…) – 6. It is known (…) that the Duchess (…) has made repeated efforts to initiate peace negotiations between Austria on the one side and France and Italy on the other side. To what extent she acted on her own initiative and to what extent (…) on behalf of the Emperor Charles cannot be estimated with any degree of certainty. – 7. Letter from Empress Zita. – It is known that early in 1917 the Empress Zita wrote a letter to the Princess Sarsina similar to the one written by the Emperor (…) to Prince Sixte of Bourbon. The (…) letter contained a reference to French rights in regard to Alsace-Lorraine. At the foot of this letter Emperor Charles appended a word of greeting over his signature. – 8. This letter was shown to a number of influential Roman Catholics at Fribourg as a proof of Austria’s desire to come to terms with France and they were informed that the Emperor’s footnote was intended to signify that he endorsed the contents of the letter. (…) – 12. The Swiss Political Department believes that Count Czernin had no knowledge of the letter written by Emperor Charles to Prince Sixte (…) and also no knowledge of the Empress Zita’s letter to the Princess Sarsina.1909

Ein den Inhalt ­dieses Berichts in etwas gekürzter Form wiedergebendes Telegramm des Gesandten Rumbold vom 17. April 1918 fand Steglich in den Akten des britischen Foreign 1909 Herron an Hugh R. Wilson für State Dept. 3. Mai 1918, Herron III A-1 item XXIX, Steglich 1984, 76 – 79 Dok. 28 Anl. IV.

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Office. Im Schweizerischen Bundesarchiv hingegen konnte er über die nach Whittall aus dem Eidgenössischen Politischen Departement stammenden Informationen nichts finden. Steglich resümierte, dass es aufgrund dieser Hinweise nicht auszuschließen sei, dass die Fürstin Sarsina „auf Wunsch der Kaiserin Zita und der Herzogin Maria ­Antonia (…) im Jahre 1917 für die Rettung des Habsburgerreiches (…) tätig wurde, dabei auch einen Separatfrieden nicht von der Hand wies und den in Whittals Memorandum erwähnten Brief der Kaiserin mit dem eigenhändigen Zusatz ­Kaiser Karls als Legitimation gegenüber Reymond verwendet“ habe.1910 Er wies ferner darauf hin, dass eine Verbindung des Kaiserhofes mit der Fürstin Sarsina auch durch einen anderen Schwiegersohn Sarsinas hergestellt worden sein könnte, und zwar durch Alexander Graf Esterházy, seit 11. Dezember 1916 Obersthofmeister der Kaiserin. Als weitere Indizien für eine direkte Einflußnahme des Kaiserpaares führte Steglich die Aussagen von Painlevé und Albert Thomas vor der Kommission für auswärtige Angelegenheiten der Abgeordnetenkammer am 30. April 1918 an. Painlevé machte dort auf die verblüffende Differenz ­zwischen den in den Aufzeichnungen Armands festgehaltenen und den von Reymond referierten Äußerungen Reverteras aufmerksam. Reymond zufolge wiesen nämlich, anders als von Armand berichtet, Reverteras Eröffnungen dieselben Grundzüge auf wie die aus dem „dossier du Prince Sixte“ bekannten, nämlich: „Alsace de 1814, garanties sur la rive gauche du Rhin“. Auch Albert Thomas habe darauf hingewiesen, dass sich die Freiburger „initiative autrichienne“ derselben Worte bediene wie die „négociation antérieure“ des Prinzen. Als weiteres Indiz führte Steglich die Aussage Painlevés an, Armand habe ihm, als er diesen vor den Gesprächen mit Revertera vom 22. August 1917 darauf aufmerksam machte, dass es vielleicht etwas gefährlich sei, die Rückgabe des Elsass in seinen Grenzen von 1814 zu fordern, entgegnet: „Puis qu’on nous l’offre, pourquoi ne pas l’inscrire?“ Zusammengenommen lasse dies „den Schluß zu, daß es Reymond gewesen ist, der jene weitgehenden Forderungen bezüglich des Elsaß von 1814 und des linken Rheinufers ins Gespräch gebracht hat. Offenbar folgte er dabei den Wünschen von Persönlichkeiten, die bei den Besprechungen in Fribourg an die Friedenstätigkeit des Prinzen Sixtus anknüpfen wollten und über die von Sixtus vertretenen Bedingungen Bescheid wußten.“ Revertera sei über die Sixtusmission sicherlich nicht informiert gewesen und habe auch s­ päter jeden Zusammenhang z­ wischen dieser und seiner eigenen bestritten. S­ teglich schrieb schließlich: Reymond und erst recht die Fürstin Sarsina wären zur Kontaktaufnahme mit dem (…) Nachrichtendienst einer kriegführenden Großmacht sicher nie fähig und bereit gewesen, wenn nicht eine nahestehende (…) Persönlichkeit diese Institution ihnen gegenüber repräsentiert 1910 Steglich 1984, 76 – 79.

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hätte. Man mag daher noch so sehr betonen, daß Armand lediglich im Auftrag seiner Vorgesetzten gehandelt habe (…), ausschlaggebend war letztlich doch, daß die Fürstin Sarsina oder Reymond ihn für den geeigneten Unterhändler hielten und einen anderen Gesprächspartner schwerlich mit Revertera zusammengebracht hätten.1911

Nahezu unvorstellbar sei es, dass ein Mann von der Reputation Reymonds, um die Gespräche „in Gang zu bringen und (…) im Sinne eines österreichisch-ungarischen Separatfriedens zu beeinflussen (…)“, dem Deuxième bureau „unbegründete Informationen“ zur Kenntnis gebracht hätte. Es gebe „schwerlich eine überzeugendere Erklärung für das (…) Verhalten Reymonds als eben die Möglichkeit, daß die Fürstin Sarsina im Einverständnis mit der Herzogin Maria Antonia (…) und dem (…) Kaiserpaar, aber ohne Wissen ihres Schwiegersohnes, auf die Anbahnung, Zielsetzung und Wiederaufnahme der Friedensgespräche in Fribourg mit Reymonds Hilfe eingewirkt“ habe.1912 Interessant ist, dass Revertera, als er in seinen Aufzeichnungen schrieb, er habe Mitte Juni 1917 in Fribourg seine Frau besucht, nichts davon verlauten ließ, dass seine Schwieger­mutter, die Fürstin Sarsina, in der Stadt lebte und er während seiner Aufenthalte bei ihr zu wohnen pflegte. Dies nämlich geht aus einem 1937 an Fester gerichteten Brief der Schwester Reymonds hervor.1913 Auf die Zustimmung Czernins zu neuerlichen Gesprächen hin traf Revertera am 1. Februar 1918 in Fribourg mit Armand zusammen. Tags darauf ließ er dem Minister depeschieren: Ich habe (…) mit unserem französischen Gewährsmann gesprochen. (…). Er teilte mir mit, daß die anfangs Oktober vorigen Jahres von Euer Exzellenz erteilte Antwort 1914 (…) in Paris sehr enttäuscht habe. Jetzt stehe man in Frankreich unter dem Eindruck, daß wir uns im Schlepptau der Alldeutschen befinden, weil die angeblich unter dem Einflusse der Militärpartei gehaltenen Reden des Reichskanzlers und Kühlmanns von Euer Exzellenz vollinhaltlich gutgeheißen worden ­seien (…).1915 Unter solchen Umständen, meinte er, wäre eine Zusammenkunft von zwei Bevollmächtigten ziemlich aussichtslos; doch sei er bereit, jeden konkreten Vorschlag seiner 1911 Steglich 1984, XIX–XXVI. 1912 Ebd. 1913 Alice Reymond an Fester 27. Nov. 1937, ebd. p 82 Dok. 31. 1914 S. Notiz des 2e bureau vom 24. Okt. 1917: „I. S. (Reymond) fait dire qu’il a reçu le 23 octobre à 12 heures de I. V. (Revertera) un télégramme (…) disant: – ‚Que le malade (Kaiser Karl) va mieux, que les conditions des médecins (der frz. Regierung) sont trop sévères pour y donner suite (…).’“ (Sixtus) LO 24. Juli 1920, 94, idem: Sixtus 1920, 304. 1915 Vgl. die Erklärung Czernins vom 24. Jän. 1918 vor dem Ausschuss für Äußeres der ö. Del.: „Den vorkriegerischen Besitzstand unserer Bundesgenossen werden wir verteidigen wie den eigenen.“ F-B A (24. Jän. 1918), 2.

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Regierung zu übermitteln. Ich habe den Eindruck, daß letztere s­ olche konkrete Gegenvorschläge erwarte, um die Entrevue zu ermöglichen. – Ich erklärte mich bereit, Euer Exzellenz letzteres zu melden (…); unsererseits würde man wohl gegen eine ­solche Besprechung (…) nichts einzuwenden haben, wenn eine Basis gefunden werden könnte, die ein Resultat nicht a priori ausschließe.1916

Ebenfalls am 2. Februar berichtete Revertera brieflich um einiges ausführlicher: Er hat im Kriegsministerium dieselbe Stellung inne, lebt mit Clemenceau auf vertrautem Fusse (…) und tut nichts ohne Mitwissen des Ministerpräsidenten. (…) – Nach (… dieser) Einleitung kam Armand auf die heutige Stimmung in Frankreich zu sprechen. Es bestehe immer der Wunsch, sich mit Oesterreich-Ungarn zu verständigen; der Krieg z­ wischen (…) uns sei bisher nicht viel mehr als eine Formalität gewesen; es wäre daher nichts natürlicher, als den Weg zum Frieden über Oesterreich-Ungarn anzubahnen. (…) Noch immer habe Deutschland seine Kriegsziele nicht bekanntgegeben, man könne aber bei jeder offiziellen Emanation ­zwischen den Zeilen lesen, dass man den unerhörten Ansprüchen der Alldeutschen Rechnung tragen wolle. (…) Es sei unglaublich, dass Oesterreich-Ungarn sich dazu hergeben sollte, für ­solche Zwecke den Krieg weiterzuführen, und doch hätte Euer Excellenz in der letzten Rede sich ohne die geringste Restriktion mit den Deutschen solidarisch erklärt. Das habe in Paris um so mehr enttäuscht, als man auf die Friedensliebe Seiner Majestät (…) grosse Hoffnungen gesetzt habe. (…) – Bei diesen Äusserungen konnte ich mein Erstaunen nicht länger unterdrücken und bemerkte (…), dass (…) die Reden Hertlings und Kühlmanns, ganz besonders aber jene Eurer Excellenz, einen ganz andern Eindruck auf mich (…) gemacht hätten. (…) Es müsse einmal Klarheit geschaffen werden: unter gewissen Voraussetzungen wäre man bei uns einer Entrevue zweier Bevollmächtigter, eventuell der beiderseitigen Minister, nicht abgeneigt; wie denke man in Paris darüber? Die von dort erhaltenen Vorschläge s­ eien nicht akzeptabel gewesen und hätten keine genügende Basis geboten, um eine Verhandlung mit irgendwelcher Aussicht auf Erfolg zu ermöglichen. In allererster Linie sei die Forderung nach Abtretung von Elsass-Lothringen ein absolutes Hindernis jeder Verständigung. (…) Man möge jegliche Hoffnung aufgeben, uns dazu zu bestimmen, eine Pression auf Deutschland auszuüben, solange ­dieses eine gerechte Basis nicht verlassen wolle; von ungerechten, übertriebenen Forderungen wüsste ich vorläufig nichts. (…) Wie stehe also vor allem die Sache mit Elsass-Lothringen? – Diese Frage beantwortete Armand zwar dahin, dass Frankreich die Abtretung beider Provinzen nach wie vor verlange, doch war sein Ton entschieden viel weniger kategorisch wie vor 5 Monaten. (…). – Im Laufe des Gespräches tauchte auch der Gedanke auf, dass (…) ein Separatfrieden ­zwischen Frankreich einerseits und Oesterreich-Ungarn andrerseits manche 1916 Musulin (Revertera) an Czernin, Tel. 9, 2. Feb. 1918, HHStA PA I, 1079 Aus Bern fol. 41, Druck: ­Steglich 1984, 69 – 70 Dok. 25a.

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Vorteile bieten könnte. Da ich schon die Ehre hatte, diese Eventualität mit Euer Excellenz zu besprechen, und mir die dagegen obwaltenden Bedenken bekannt sind, vermied ich es, auf diesen Gedanken näher einzugehen. (…) – Um Euer Excellenz ein klares Bild (…) zu geben, möchte ich mir erlauben, das greifbare Resultat unserer Besprechungen (…) zusammenzufassen: – 1) steht es fest, dass Comte Armand heute ebenso im Einvernehmen mit Clemenceau vorgeht, wie dies (…) mit Painlevé der Fall war (…); – 2) Clemenceau ist (…) bereit mit uns zu verhandeln; – 3) die französische Regierung wünscht concrete Gegenvorschläge zu den von ihr im vorigen Sommer gemachten Eröffnungen; – 4) sie hegt den Wunsch, auf Grund dieser Gegenvorschläge eine Grundlage zu finden, auf welcher eine Zusammenkunft beiderseitiger Bevollmächtigter, eventuell der beiden Minister, vereinbart werden könnte.1917

Armand sandte über das Treffen mit Revertera vom 1. Februar 1918 einen ausführlichen, in Dialogform gehaltenen Bericht an das Deuxième bureau. Darin heißt es: X (Armand): Je vous ai fait, à la fin d’août, des communications empreintes d’une grande bonne volonté à l’égard de l’Autriche. Nous avons reçu, au commencement de novembre seulement, l’avis d’un refus pur et simple. – I: (Informateur, das ist Revertera): Voici la réponse qui avait été faite, le 19 septembre, par le comte Czernin: – ‚1. Le ministre n’a pu être à même de transmettre à Berlin les propositions qui lui sont communiquées, car elles ne lui paraissent pas acceptables. – 2. Une paix séparée ne peut être envisagée comme possible dans ces circonstances. – 3. Le ministre croit pouvoir arriver à un arrangement sur les bases suivantes: – a) Empêchement de guerres futures par un désarmement général et l’institution d’une cour d’arbitrage internationale; – b) Principe du statu quo ante, en admettant la possibilité de certains échanges territoriaux. – Si la France était prête à causer sur cette base, le ministre serait disposé à envoyer un représentant officiel (au besoin il viendrait lui-même), s’entretenir avec un représentant français de même autorité’. – L’empereur voulait que je vienne vous porter cette note.1918 Je lui ai dit que je vous savais décidés à ne pas céder sur la question d’Alsace-Lorraine, que, par conséquent, (…) mon voyage serait sans objet. – X: Cette réponse n’a d’ailleurs plus qu’un intérêt historique (…). Si vous me chargez de transmettre ceci, je le ferai; mais je n’en vois ni l’utilité ni la possibilité. La situation est aujourd’hui celle-ci: – (…) Hertling et von Kühlmann (…) ne cachent pas un programme d’annexion à l’Est, ils gardent sur la Belgique un silence menaçant, 1917 Revertera an Czernin, Brief 2. Feb. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Tätigkeit Reverteras fol. 105 – 108v, idem: HHStA PA I, 963 Krieg 27β fol. 70 – 74, Druck: Anonym 1937 15, 413 – 418, Steglich 1984, 70 – 73 Dok. 25b. 1918 Diese „note“ vom 19. Sept. 1917 war von Czernin als „Entwurf einer Antwort“ auf die von Armand am 22. Aug. 1917 übermittelten frz. Bedingungen für den Abschluss eines allgemeinen Friedens und in Reaktion auf die Revertera Mitte Sept. von Reymond zugegangene Nachricht, „man sei in Paris über unser Schweigen befremdet; es errege bei der Entente Überraschung, Ungeduld, Mißtrauen“, konzipiert worden. Steglich 1984, 28 Dok. 1 u. Anm. 33 hiezu.

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ils ne renoncent pas à prélever en Lorraine française des territoires miniers. – En Autriche, il y a: – a) Une réponse secrète à l’Angleterre répudiant toute paix séparée; – b) Et des déclarations publiques du comte Czernin (…) affirmant une solidarité complète avec son allié. (…) – I: Ce n’est pas cela. (…) Il est opposé à Ludendorff (…) Czernin est le seul homme d’État des empires centraux (…). – Il mènera la politique extérieure de Berlin (…). – En septembre dernier, l’empereur a fait venir Hohenlohe pour examiner avec lui et Czernin votre communication (…). L’opinion d’Hohenlohe était que l’Allemagne y verrait la volonté d’un vainqueur, qu’il n’y avait aucune chance de la faire céder (…). – Pour l’Alsace, l’Allemagne y met son point d’honneur; la restitution est le signe de sa défaite. – Pour la Belgique, elle l’abandonnerait (…). Mais Hohenlohe nous a dit que l’Allemagne ne voulait pas déclarer dès maintenant renoncer à la Belgique, car l’Entente considérait ce point comme acquis et élèverait de nouvelles prétentions. (…) – Nous ne pouvons soutenir votre revendication sur l’Alsace-Lorraine. (…) Admettre (…) votre point de vue contre nos allies serait une félonie. (…) – X: En août, vous m’avez laissé entendre que l’Allemagne céderait l’Alsace-Lorraine moyennant des compensations coloniales ou en Russie. – I: (Propos confus (…) se terminant par:) Si vous étiez en Allemagne, vous imposeriez votre volonté par la force (…). – X: Il n’y a donc qu’à laisser continuer la guerre. (…) – I: Si nous faisons une paix séparée avec la France maintenant, (…) l’Allemagne serait privée de notre aide. Je ne suis pas chargé officiellement de vous le dire, mais je puis vous révéler que l’idée a été examinée. – X: C’est inattendu (…). Et puis, permettez-moi de vous dire que nous nous croyons tellement menés par l’Allemagne, que cette proposition paraîtrait émaner d’elle. On y verra un piège. – I: Je vous assure que non. L’Allemagne ne serait pas prévenue. Ce serait un énorme affaiblissement pour elle; (…) et surtout, la contagion de l’idée de la paix viendrait difficilement résistible chez elle. (…) – X: Pour le moment, la guerre continue. (…) Le temps travaille pour nous (…) – I: (…) mais (…) comment pourvoir arrêter cette guerre? L’empereur veut la paix (…). – X: Tant que la Prusse n’est pas vaincue, il faut continuer. – I: Mais si vous faisiez la paix et que la France s’unisse à l’Autriche, la Prusse serait hors d’état de nuire. (…) – X: On ne peut avoir aucune confiance en elle. Elle se soumettra qu’à la force.1919

Über ein weiteres, am 3. Februar mit Revertera geführtes Gespräch heißt es in den für das Deuxième bureau angefertigten Aufzeichnungen Armands: I: J’ai télégraphié à Vienne que nous avions eu tort d’envoyer un refus pur et simple, que par vous nous pouvions toujours faire une communication (…) au président du Conseil de France et que je demandais des instructions. – Je vous répète que Czernin est toujours disposé à venir (…) s’il est certain de se rencontrer avec un ministre. (…) Mais, d’après ce que vous me dites, il n’y a guèrre de chance que cette conversation soit utile. – L’Angleterre (…) ne vous soutiendra 1919 Armand Conversations entre un informateur autrichien tres sûr (I) et un agent (X) 1. Feb. 1918, (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 116 – 118, unvollst.: Sixtus 1920, 321 – 323.

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pas pour l’Alsace-Lorraine. (…) nous arriverons plus vite à nous entendre avec elle qu’avec la France. (…) – J’insiste encore sur le fait que Czernin est indépendant, n’a à rendre compte de rien à Berlin, agit de sa propre autorité et y est soutenu par l’empereur. Je voudrais que vous détruisiez l’idée de piège. De notre côté, une entrevue serait gardée secrète.1920

Zu ­diesem 1920 publizierten Bericht Armands schrieb Revertera am 1. Februar 1921 an Sixtus: Les ‚conversations‘ publiées dans ‚l’Opinion‘ n’ont aucune valeur historique; évidemment rédigées de mémoire et après coup, elles contiennent nombre de renseignements inexacts et même absolument faux qui sont dus, sans doute, à des malentendus ou à une imagination trop fertile. (…) C’est en effet un roman (…), et un historien sérieux ne pourrait y puiser que sous peine d’être victime de graves erreurs.1921

Sehr ähnlich äußerte er sich kurz darauf in einem Brief an Fester 1922, und wenig s­ päter schrieb er an diesen: Die Publikation der ‚Conversationen‘ halte ich nicht in dem Sinne für eine Fälschung, daß sie etwa nicht aus der Feder Armands stammen würden (…); hingegen stelle ich fest, daß während der Besprechungen unser Gedankenaustausch nicht zu Papier gebracht wurde, daß der phantasievolle Franzose diese Besprechungen erst nachträglich niederschrieb (…) und Manches einfließen ließ, was entweder gar nicht oder in einem ganz anderen Sinne gesagt worden war.1923

In einer „Richtigstellung“ schrieb Revertera 1922 sogar von „angeblichen Aufzeichnungen“ Armands.1924 – Fester meinte: „Selbstverständlich kann der Historiker aus diesen Notizen keinen Dialog rekonstruieren, aber er wird sie doch nicht als reine Phantasieprodukte in Bausch und Bogen verwerfen.“ 1925

1920 Armand Conversation 3. Feb. 1918, (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 118, unvollst.: Sixtus 1920, 324 – 326. 1921 Revertera an Sixtus 1. Feb. 1921, Steglich 1984, 79 – 81 Dok. 29. 1922 Referiert in Fester 1925, 258. – Im Konzept ­dieses Briefs hieß es: „Ich möchte schließlich noch darauf aufmerksam machen, daß die zuerst von (…) ‚l’Opinion’, dann vom Prinzen Sixtus (…) veröffentlichten ‚Conversationen‘, die ich mit Armand geführt haben soll, dem Gebiete der Phantasie angehören. Wenn diese Dialoge wirklich aus der Feder Armands stammen, sind sie offenbar erst einige Zeit nachher aus dem Gedächtnisse niedergeschrieben und dem Geschmacke des sensationslüsternen französischen Publi­ kums angepaßt worden. Als Roman mögen sie unterhaltend zu lesen sein, als Geschichtsquelle sind sie selbstverständlich ganz unbrauchbar.“ Revertera Konzept für Brief an Fester 11. Feb. 1921, zit. in Steglich 1984, 3 Dok. 1. 1923 Revertera an Fester 21. Feb. 1921, Fester 1925, 258 – 259. 1924 Revertera Nochmals 1922 169, 129 – 130. 1925 Fester 1925, 259 – 260.

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Auf neue Aufträge aus Wien wartete Revertera vergebens. So ließ er am 19. Februar durch Musulin an Czernin depeschieren: Da ich abermals von Paris aus befragt wurde, ob Euer Exzellenz geneigt wären, durch Gegenvorschläge auf die französischen Propositionen die bewusste Zusammenkunft von Bevollmächtigten anzubahnen, erlaube ich mir die ergebene Bitte um hohe Weisung, ob ich Beziehungen abbrechen soll oder Vorschlag in Aussicht stellen respektive überreichen darf (…).1926

Auf diese Anfrage Reverteras antwortete Czernin am 22. Februar: „Sowie Frankreich auf seine Eroberungsabsichten verzichtet ist ein Gespräch mit Aussicht auf Erfolg möglich, ohne dem halte ich es für aussichtslos.“ 1927 Daraufhin kam es zu weiteren Gesprächen ­zwischen Revertera und Armand. Über das vom 23. Februar fertigte der letztere eine Aufzeichnung für seinen Pariser Auftraggeber an, in der es hieß: A. (agent, das ist Armand): (…) Vous devez savoir qu’en France, en Angleterre et aux ÉtatsUnis, résident des agitateurs des différentes nationalités d’Autriche-Hongrie (…) I. V. (informateur viennois, das ist Revertera): Oui, ce sont des révolutionnaires. – A.: Naturellement (…) – Leurs aspirations s’étendent (…) ils ont passé à des projets d’indépendance. Or, tout dernièrement, un agent allemand important a été arrêté en France. (…) Il a (…) révélé qu’il fournissait des subsides à vos agitateurs et a parlé de ce que l’Allemagne attendait. – Pour résumer, la Prusse favorise un mouvement d’où sortirait la formation de plusieurs républiques ou états indépendants avec des morceaux de l’Autriche-Hongrie: république de Bohême, États serbo-croate, slovènes (…) – I. V.: Dans cette éventualité, les provinces autrichiennes iraient à l’Allemagne. – A.: Les Habsbourg disparaîtraient comme dynastie régnante. Les Hohenzollern atteindraient ce résultat (…). Vous voyez que l’on vous joue du poignard dans le dos. (…) – I. V.: (…) j’ai télégraphié de nouveau à Vienne, et à l’Empereur lui-même, disant qu’il fallait absolument que je puisse transmettre une communication au gouvernement français. – Je suis allé à Berne ce matin, le télégramme m’est arrivé. Il dit en substance que si le gouvernement français accepte la base du statu quo ante bellum, un de nos ministres est prêt à venir s’entendre avec un ministre français. – A.: Et l’Alsace? – I. V.: Le télégramme dit le statu quo ante. – A.: Alors, il n’y a aucune chance que cela aboutisse. – I. V.: Mais alors, faut-il même que vous le transmettiez? Et cependant ce sont des instructions officielles que je reçois. – A.: Du moment que vous m’en parlez, mon devoir est de le transmettre. Et pour le faire sans erreur, je vous serais reconnaissant de rédiger une note à tête reposée, que vous me remetterez ou que vous 1926 Musulin an Czernin, Tel. 93, 19. Feb. 1918, HHS tA PA I, 523 XLVII /12e Tätigkeit Reverteras fol. 98, Druck: Anonym 1937 15, 418 – 419, Steglich 1984, 74 Dok. 26. 1927 Czernin für Revertera, Tel. 95, 22. Feb. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Tätigkeit Reverteras fol. 97, idem: HHStA PA XL, 256 Varia interna 1917 fol. 666, Druck: Steglich 1984, 75 Dok. 27a.

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me dicterez. – Mais, vous savez, cela n’a absolument aucune chance d’aboutir. – I. V.: (…) La cession de l’Alsace-Lorraine ne peut faire partie des conditions d’une paix raisonnable dont le refus par l’Allemagne donnerait à notre Empereur le moyen de se séparer de son allié. Il ne veut pas de félonie. (…) L’Alsace-Lorraine n’est plus pour la France qu’une question d’amourpropre. – A.: Non, (…) nous y voyons une nécessité. (…) – I. V.: Mais alors cette guerre durera des années! – A.: Remettez-moi votre note (…) mais encore une fois, ne comptez pas qu’elle puisse avoir une suite.1928

Revertera kam, wie in seinem Bericht an Czernin erwähnt, dem Wunsch Armands nach und verfasste tatsächlich eine „Note“. Seinen Aufzeichnungen ist darüber zu entnehmen: „Da nun Armand schon im Begriff war abzureisen, reichte die (…) Zeit nur dazu hin, das mit großer Vorsicht abgefaßte Schriftstück in einem Exemplar auszufertigen, und war es mir nicht mehr möglich, dasselbe für unsere Akten abzuschreiben.“ 1929 Armand zufolge hieß es darin: Au mois d’août 1917, des pourparlers avaient été engagés dans le but d’obtenir du gouvernement français en vue de la paix future, des propositions faites à l’adresse de l’Autriche-Hongrie, qui seraient de nature à pouvoir être appuyées par celle-ci auprès du gouvernement de Berlin. D’ordre de Sa Majesté (…), le Ministre des Affaires étrangères (…) se déclarait (…) à les appuyer de toute son autorité, si elles paraissaient acceptables. Or, elles ne pouvaient être considérées comme telles, que dans le cas (…) où elles n’impliqueraient pas (…), l’abandon pur et simple d’un allié. – D’accord avec le gouvernement anglais, les propositions françaises furent formulées et transmises à Vienne où on les soumit à un sérieux examen. Elles y furent cependant considérées comme inacceptables, parce qu’elles exigeaient de l’Allemagne (…) la cession de territoires qu’elle possède de droit (…). – Au cours de ces pourparlers, l’idée surgit qu’il serait sans doute désirable que les ministres français et austro-hongrois des Affaires étrangères ou des fonctionnaires désignés par eux (…) se rencontrassent en pays neutre afin d’échanger leurs vues et de fixer la voie à prendre pour s’acheminer vers la paix. Une entrevue de cette espèce (…) ne pouvait mener à un résultat que si l’on parvenait à fixer préalablement une base pour les négociations. Cette base ne put être établie grâce aux revendications territoriales de la France. – L’Autriche-Hongrie reste néanmoins disposée à entrer en pourparlers (…), si le gouvernement français voulait déclarer qu’en cas de négociations de paix, il ne viserait à aucune espèce d’annexion, c’est-à-dire qu’il accepterait (…) le principe du statu quo ante bellum.1930 1928 Armand Compte rendu du voyage de A. en Suisse, Entrevue 23. Feb. (1918), (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 119, unvollst.: Sixtus 1920, 326 – 329, Steglich 1984, 38 – 39 Dok. 1 Anm. 44. 1929 Revertera Aufz., Steglich 1984, 38 – 40 Dok. 1. 1930 Revertera Note remise à A(rmand) o. D., (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 120, idem: Sixtus 1920, 330 – 331.

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Nach der Übergabe ­dieses Schriftstücks habe Revertera geäußert: „Pour le moment, il ne s’agit que de préparer une entrevue des plénipotentiaires (…). Les deux fonctionnaires (…) traiteraient, naturellement de la paix générale (…).“ 1931 Armand kehrte mit dieser die Vorstellungen Czernins referierenden „Note“ R ­ everteras nach Paris zurück. Über die dort von Clemenceau getroffene Entscheidung schrieb er am 28. Februar an Reymond zur Weiterleitung an Revertera: „Un mot en hâte. J’ai soumis le projet de Girardin (Czernin) à une sommité dans la matière (Clemenceau). Dites-lui (Revertera) que jamais les points de vue des gens de métier n’ont été plus éloignés des théories qu’il expose. Donc, rien à faire.“ 1932 Revertera hielt darüber fest: „Am 2. März kam Clemenceaus Antwort, sie war rund ablehnend, wie ich es vorausgesehen hatte.“ 1933 Von ­diesem wenig verheißungsvollen Ausgang seiner Gespräche setzte Revertera am 3. März Czernin in Kenntnis: „Herr ­Clemenceau (war …) nicht in der Lage Euer Exzellenz Vorschlag betreffs Verzichtleistung Frankreichs auf jedwede Annexion zu akzeptieren. Somit wäre nach beiderseitiger (?) Ansicht eine Zusammenkunft derzeit zwecklos.“ 1934 Über diesen Stand der Dinge den ­Kaiser zu unterrichten, wies Czernin am 10. März Demblin an: Er solle (…) Seiner Majestät mitteilen, dass Herr Clemenceau mir durch (…) Revertera hat sagen lassen, ob nicht eine Aussprache z­ wischen Paris und Wien die Situation klären könnte, und ich möge die Basis angeben, auf welcher dieselbe stattfinden müsste. Ich habe darauf erwidert, dass ich sehr gerne zu einer Aussprache bereit sei, dass ich überzeugt sei, dieselbe werde nicht nur eine Klärung hervorrufen, sondern den allgemeinen Frieden näher bringen, vorausgesetzt dass Frankreich auf Elsass-Lothringen verzichtet. Darauf hat Herr Clemenceau geantwortet, (…) auf dieser Basis sei nicht zu sprechen. Es ist also vollständig klar, dass die grosse Westoffensive, so bedauerlich sie ist, unter allen Umständen unvermeidlich sein wird.1935

1931 Armand an 2e bureau 25. Feb. 1918, (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 119 – 120, idem: Sixtus 1920, 331 – 332. – Kovács behauptete, Revertera habe in einem auf Ersuchen Armands angefertigten „Resümee“ geschrieben: „Würde Deutschland die Abtretung von Elsaß-Lothringen (…) verweigern, könnte K ­ aiser Karl die Möglichkeit haben, sich von seinem Verbündeten zu trennen.“ Kovács 1 2004, 364. In den von Kovács nur vage genannten Quellen, nämlich „Steglich (…) Aufzeichnungen Reverteras, Berichte und Telegramme aus dem HHStA“, findet sich kein derartiger Satz. 1932 Armand an Reymond für Revertera 28. Feb. 1918, (Sixtus) LO 31. Juli 1920, 120, Sixtus 1920, 332, S­ teglich 1984, 40 Dok. 1 Anm. 49. 1933 Revertera Aufz., Steglich 1984, 38 – 40 Dok. 1. 1934 Musulin für Revertera an Czernin, Tel. 2., 3. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Bern o. Fz., Weiterltg. nach Bukarest: Müller an Czernin, Tel. 137, 5. März 1918, HHStA PA I, 1085 o. Fz., Druck: Anonym 1937 15, 419, Steglich 1984, 75 – 76 Dok. 27b. 1935 Czernin an Demblin, Hughes-Tel. 34, 10. März 1918, HHStA PA I, 1089 Nach Hofzug o. Fz.

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Dass ­Kaiser Karl Czernins Erwiderung adäquat fand, zeigt ein zwei Tage s­ päter an den Minister gesandtes Telegramm Demblins: „Aufträge S. M.: 1.) Ich möge E. E. bitten, die Clémenceau gegebene Antwort, Basis für Friedensgespräch sei Verzicht Frankreichs auf Elsaß-Lothringen, den Deutschen gegenüber möglichst auszuschlachten.“ 1936 Die hochgespannten Hoffnungen, ­welche die ersten Erfolge der deutschen Offensive im Westen in Czernin erweckten, sind an seinem Telegramm vom 29. März an ­Demblin zu erkennen: Ich werde mich sowohl bei Seiner Majestät als beim Armee Oberkommando aufs äusserste dafür einsetzen, dass so rasch als irgend möglich eine Offensive gegen Italien beginne. Die fabelhaften Erfolge der Deutschen (…) zwingen geradezu hiefür, nachdem wie es scheint, ununterbrochen Truppen aus Italien nach dem Westen abgezogen werden, dadurch einerseits eine Erleichterung bei der Offensive zu erwarten ist, andererseits wir die Westaktion unterstützen können, indem wir die Italiener anpacken. (…) Nachdem wir leider im Westen so schwach beteiligt sind, so sollten wir trachten, diesmal unserem militärischen Prinzip, immer und bei jeder Gelegenheit zu spät zu kommen, untreu zu werden und die Gelegenheit ­ergreifen, solange es noch Zeit ist.1937

6.3

Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918

Wenige Tage nachdem Präsident Wilson am 8. Jänner 1918 vor dem Kongress seine 14 Punkte als „The programme of the world’s peace, (…) the only possible programme, as we see it“ präsentiert hatte,1938 setzte der sich bei den Friedensverhandlungen in Brest aufhaltende Czernin das Ministerium des Äußern davon in Kenntnis, dass er die Gesandten im Haag und in Stockholm die Weisung erteilt habe, sie sollten „auf eine nicht auffällige Art und Weise und in nicht offizieller Form (aber durch die dortige Regierung) nach Amerika sagen lassen, daß ich die gewissen 14 Friedenspunkte Herrn Wilsons aufmerksam studiert hätte und beabsichtige, demnächst darauf zu antworten. – Sie enthalten nach meiner Ansicht Wahres und Falsches, aber vielleicht ist eine Annäherung möglich, wenn wir erst einmal über das sprechen, was man in Wien und Washington Wahres findet.“ 1939

1936 Demblin an Czernin, Tel. 41, 12. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz., idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. 1937 Czernin an Demblin, Tel. 86, 29. März 1918, HHStA PA XL, 262 o. Fz. 1938 Wilson Rede 8. Jänner 1918, Link PWW 45. 1984, 534 – 539. 1939 Czernin an (Demblin), Tel. 123, 16. Jän. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Wilsons Sen.-Botsch. fol. 37.

Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918

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In der Monarchie hatte in diesen Tagen eine durch die katastrophalen Ernährungsverhältnisse und die immer mehr um sich greifende Kriegsmüdigkeit hervorgerufene große Streikbewegung eingesetzt. Sektionschef Mérey depeschierte am 19. Jänner 1918 an Czernin eine Mitteilung des Herrenhausmitgliedes Josef Maria Baernreither, des Vorsitzenden des Ausschusses für Äußeres der österreichischen Delegation: Arbeiterbewegung immer bedrohlicherer Charakter. Sozialistenführer scheinen nicht mehr Herren der Situation zu sein. – Ernährungsfrage nicht mehr ausschliesslich der Grund, sondern beabsichtigter Druck auf Friedensschluss. Arbeitseinstellungen in weitem Umfang. – Stellung der Regierung sehr schwach. Sehr schlechte Stimmung gegen die Regierung in den allerbesten Kreisen. (…) – Abgeordnetenhaus am nächsten Dienstag voraussichtlich sehr stürmisch. Sieben Anfragen von Slawen und Sozialisten wegen Friedensverhandlungen. Möglich, dass Einberufung des Ausschusses für Aeusseres (der österreichischen Delegation) verlangt wird. An der Hand der jetzigen Situation wird von beachtenswerter Seite Dein Herkommen lebhaft gewünscht. Ich kann selbstverständlich nicht beurteilen, ob das (…) möglich ist, bleibe aber dabei, den Aussenausschuss in Deiner Abwesenheit nicht einzuberufen.1940

Dem setzte Mérey hinzu: „Dr. Baernreither ersuchte mich beizufügen, dass, falls Euer Exzellenz für einige Tage nach Wien kämen, die Abhaltung wenigstens einer Sitzung des Ausschusses (…) unvermeidlich wäre.“ 1941 Czernin zeigte sich gleichzeitig in Brest gegenüber der ukrainischen Delegation zu Konzessionen bereit. Er erklärte, diese wären doppelte: 1.) Die Einwilligung dazu, daß der Cholmer Kreis der zukünftigen ukrainischen Republik angehöre; – 2.) Ein Passus, welcher ungefähr so zu lauten hätte: – ‚Die (…) vertragschließenden Teile (…) sind beseelt von dem Wunsche, in dauerndem, freund-nachbarlichen Verhältnisse zu leben, weshalb Oesterreich der innerhalb seiner Grenzen wohnenden ukrainischen Bevölkerung, die Ukraina aber den in ihren Grenzen verbleibenden polnischen Minoritäten die volle freie, nationale und kulturelle Entwicklung gewährt’. – Ich füge dem hinzu (…), daß die Ukrainer Ostgaliziens eine eigene Provinz innerhalb Oesterreichs bilden würden. Diese Konzessionen (…) würden (…) nur unter ganz bestimmten Gegenbedingungen in Kraft treten und dies wären folgende: – 1.) Abschluß des definitiven oder provisorischen Friedensvertrages (…) bis längstens 30. d. M.; – 2.) nach Abschluß hat sofort ein beide (…) Teile befriedigender intensiver Warenaustausch zu beginnen (…). – 3.) sollte vor dem 30. nur ein Präliminarfriede abgeschlossen werden, so wird die sofortige Einleitung von d ­ efinitiven

1940 Mérey an Czernin, Tel. 168, 19. Jän. 1918, HHStA PA I, 1081 Aus Wien 1918 fol. 253. 1941 Ebd.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Friedensverhandlungen festgestellt, ­welche längstens bis zum 15. Februar abgeschlossen werden müssen.1942

Kühlmann hatte schon am Vortage an Hertling telegrafiert, die Delegationen der Mittelmächte versuchten, den „Vertrag mit den Ukrainern mit Nachdruck zu fördern“. Czernin habe sich „etwas beruhigen lassen. (Kühlmann …) möchte aber zur Wiederherstellung besseren und vertrauensvolleren Verhältnisses nochmals dringend befürworten, (der Monarchie) in Nahrungsmittelfragen irgendwie entgegenzukommen – selbst wenn, es nur eine Kleinigkeit ist: ut aliquid fecisse videatur.“ 1943 Czernin notierte über seine Bereitschaft zu Zugeständnissen an die Ukraine unter dem 20. Jänner in sein Tagebuch: Die Frage muß in Wien entschieden werden, und das österreichische Ministerium muß das entscheidende Wort sprechen – (…) ohne ukrainisches Getreide sei die Katastrophe unmittel­bar bevorstehend. (…) – Alle Boten berichten, daß die Ukraine große Überschüsse hat. Die Frage ist nur, ob wir sie rechtzeitig herausbekommen. Ich hoffe es. Wenn wir aber nicht rasch zum Frieden kommen, so werden sich die Unruhen zu Hause wiederholen, und mit jeder Demonstration in Wien wird der Friede hier teurer– (…). Wenn die Leute, die diese Demonstrationen gemacht haben, wüßten, wie sehr sie sich damit die Zufuhr ukrainischer Lebensmittel erschwert haben! (…) – Die ostgalizische Frage werde ich dem österreichischen Ministerium überlassen (…). Die Cholmer Frage nehme ich auf mich. Ich kann und darf, um uns die polnischen Sympathien zu erhalten, nicht zuschauen, wie Hunderttausende verhungern (…).1944

An ­Kaiser Karl telegrafierte Czernin: „Ich habe mich mit der ukrainischen Republik auf die Prinzipien des Friedens geeinigt, was heute in feierlicher Plenarsitzung der gesamten Welt verkündet werden wird. (…) Wir hoffen, den Frieden die ersten Tage Februar zu unterzeichnen, wenn der Kronrat (…) meine Vorschläge akzeptiert.“ 1945 Czernin wies Hohenlohe am 20. Jänner an, in Berlin mitzuteilen, dass er gezwungen sei, (…) in dem voraussichtlich für Donnerstag (24. Jänner) anberaumten Ausschuss der österreichischen Delegation zum Friedensprogramm Herrn Wilsons Stellung zu nehmen. Ich werde auf die einzelnen Punkte (…) eingehen und werden meine Ausführungen darin gipfeln, dass 1942 Bespr. pol. Fragen z­ wischen dt., ö.-u. u. ukr. Del. 19. Jän. 1918, HHStA PA I, 1083 fol. 996 – 1005v. 1943 Kühlmann an Hertling, Tel. 157, 18. Jän. 1918, Steglich 1984, pp 284 – 285 Dok. 182. 1944 Czernin TB-Eintr. 20. Feb. 1918, Czernin 1919, 325 – 326. 1945 Czernin an Müller für S. M., Tel. 171, 20. Jän. 1918, HHStA PA I, 1077 Nach Wien fol. 204.

Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918

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ich erkläre, das Wilsonsche Programm könnte, wenn der Präsident einige allerdings bedeutende seiner in jetziger Form unannehmbaren Punkte (…) fallen lässt respektive modifiziert, die Grundlage zu einer Discussion zwecks Herbeiführung des allgemeinen Friedens bilden.1946

Diesem Auftrag kam Hohenlohe unverzüglich nach und telegrafierte am 22. Jänner an Czernin nach Brest, Kühlmann habe dies zur Kenntnis genommen und bemerkt, „Graf Hertling beabsichtige in seiner Rede im Hauptausschusse (am 24. Jänner) in ähnlicher Weise auf die Reden Lloyd George’s und Wilson’s zu reflektieren“.1947 Czernin setzte noch am 22. Jänner Hohenlohe auseinander, was er in seiner Rede sagen werde, und wies ihn an, den Reichskanzler sofort darüber in Kenntnis zu setzen und ihn zu fragen, ob er den Inhalt von dessen „Rede noch vor Donnerstag erfahren könnte“.1948 Der Botschafter konnte am nächsten Tag berichten: „Der Reichskanzler (…) teilt mir mit, daß der Gedankengang seiner (…) Rede im allgemeinen der g­ leiche sein werde.“ 1949 Noch am selben Tag meldete Hohenlohe: Der Reichskanzler hat mir soeben den Gedankengang seiner Rede übermitteln lassen (…) Ebenso wie Graf Hertling zu erklären beabsichtigt, daß er das nähere Eingehen auf spezielle österreichisch-ungarische Fragen dem Grafen Czernin überlasse, bittet er Euer Exzellenz zu erwägen, ob Hochdieselben bezüglich jener Fragen, die speziell Deutschland tangieren, sich nicht in analoger Weise äußern wollten.1950

Am 22. Jänner 1918 fand in Laxenburg unter Vorsitz des Kaisers ein Gemeinsamer Ministerrat statt, auf dem das weitere Vorgehen bei den Verhandlungen mit der von Trotzki geführten russischen Friedensdelegation und mit den Vertretern der Ukrainischen Republik festgelegt werden sollte. An der Beratung nahmen Czernin, die Ministerpräsidenten Seidler und Wekerle, die gemeinsamen Minister Burián und Stöger-Steiner, Generalstabschef Arz, Sektionschef Gratz, Demblin und, als Schriftführer, Legationsrat Colloredo teil. Czernin gab zunächst eine Darstellung des Standes der Verhandlungen, der gekennzeichnet sei durch Auseinandersetzungen der deutschen Delegation mit den Bolschewiki „vornehmlich um die von der (…) Obersten Heeresleitung, nicht von der Regierung, geforderte (…) Regelung der Territorialfrage (…), w ­ elche mehr oder minder 1951 auf ein (…) Annexionspetit hinausläuft“. 1946 Czernin an Hohenlohe, Tel. o. Z. (handschr. Entw.), 20. Jän. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Wilsons Senatsbotschaft fol. 44 – 45v. 1947 Hohenlohe an Czernin, Tel. 53, 22. Jän. 1918, ebd. fol. 46. 1948 Czernin an Hohenlohe, Tel. 36, 22. Jän. 1918, ebd. fol. 48 – 49v. 1949 Hohenlohe an Czernin, Tel. o. Z., 23. Jän. 1918, ebd. fol. 50. 1950 Hohenlohe an Czernin, Tel. 57, 23. Jän. 1918, ebd. fol. 51 – 52; idem: HHStA PA XL, Pol. Tel. 129 o. Fz. 1951 Komjáthy 1966, 627 – 633 Dok. 34.

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Diesem Verlangen setzte die russische Seite „bisher den zähesten Widerstand entgegen“. Dennoch sei zu hoffen, dass ein Frieden zustande komme. Keinesfalls könnten die „österreichisch-ungarischen Vertreter mit leeren Händen von Brest-Litowsk heimkehren“. Er bitte daher „um die Allerhöchste Ermächtigung, mit Herrn Trotzki einen Separatfrieden abzuschliessen für den Fall, daß die Verhandlungen ­zwischen Deutschland und den Bolschewiki an Kurland und Lithauen (…) scheitern sollten“.1952 Ein solcher Separatfriedensvertrag dürfe nur den einen Artikel beinhalten, dass „der Kriegszustand ­zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland aufgehört“ habe: „Eine derartige Abmachung würde hierzulande gewiss einen guten und beruhigenden Eindruck machen (…).“ Dass ein solches Vorgehen zu einer „starken Verstimmung mit Deutschland“ führen würde, sei ihm klar. Er glaube dies aber „dadurch paralysieren zu können, daß den Deutschen gleichzeitig im Westen eine ausgiebigere militärische Unterstützung zugesagt wird, um (…) den Verteidigungskrieg und nur diesen (…) weiterzuführen“.1953 Kühlmann habe er von dieser Absicht in Kenntnis gesetzt und sei bei ihm auf „volles Verständnis“ gestoßen. Weit wichtiger als ein Separatfrieden mit den Bolschewiki sei jedoch eine „Verständigung mit den Ukrainern“. Diese hätten zunächst die Abtretung Ostgaliziens gefordert, nunmehr begnügten sie sich mit der Schaffung eines aus Ostgalizien und der Bukowina bestehenden ukrainischen Kronlandes innerhalb der Monarchie. Außerdem forderten sie die „Einverleibung des Cholmerlandes“, des mehrheitlich von Ukrainern bewohnten, bisher zu Russisch-Polen gehörenden Gouvernements Cholm, „wodurch die Möglichkeit der Realisierung der austro-polnischen Lösung (…) einen starken Stoß erleiden würde“. Als Gegenleistung versprächen sie ein „Handelsabkommen, welches (…) uns den sofortigen Bezug von Getreide gestatten würde“. – Daraufhin gab Seidler seiner Befürchtung Ausdruck, die Schaffung eines ukrainischen Kronlandes werde zu einer Opposition der Polen „in der allerschärfsten Form“ und zur „vollständigen Ummodelung der Majoritätsverhältnisse und den heftigsten parlamentarischen Kämpfen“ führen. – Wekerle erschien „vor der Schaffung eines fait accompli eine nochmalige eindringliche Aussprache mit der deutschen Regierung“ geboten. – Czernin erklärte, er sei der glühendste Verfechter des Bündnisses mit Deutschland, „aber alles habe seine Grenzen: an deutschen Annexionsveilleitäten (…) dürfte der Friede nicht scheitern. Im Gegensatze zu der vernünftigen Haltung der deutschen Regierung übe die (…) OHL eine Art Diktatur aus, gegen deren Ansichten jedwedes Argument versage; wir sind daher gezwungen, eine schärfere Tonart anzuschlagen und es komme nur darauf an, unser dezidiertes Auftreten in eine Form zu kleiden, durch ­welche dem Bündnisgedanken kein Abbruch geschieht.“ 1954 1952 Ebd. 1953 Ebd. 1954 Ebd.

Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918

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Was die Zweiteilung Galiziens anbelange, so verkenne er keineswegs die großen Gefahren, ­welche sie in sich berge, aber was bleibe ihm übrig, wenn man ihm erkläre, „die ungarische Aushilfe an Nahrungsmitteln könne uns nur über die zwei nächsten Monate hinweghelfen und daß nach dieser Zeit unvermeidlich der Zusammenbruch kommen müsse, wenn wir nicht von irgendeiner Seite Getreidezuschübe“ erhielten, und wo könnten diese gefunden werden, „wenn nicht in der Ukraine“. Wekerle bestritt, „daß die Ernährungsverhältnisse derart desolate ­seien, daß sie den verhängnisvollen Schritt der Schaffung einer ukrainischen Provinz (…) rechtfertigen“. Arz meinte: „Ob wir mit Herrn Trotzki einen Frieden zustandebringen oder nicht“, sei gleichgültig, dagegen müsse ein Bruch mit Deutschland vermieden werden. Czernin erklärte darauf, die austro-polnische Lösung sei, trotz der Zugeständnisse an die Ukraine, möglich, wenn das die Deutschen wollten. Sollten diese aber, „oder besser gesagt General Ludendorff, auf der Abtretung der Dąbrowaer Kohlengruben und einer verstümmelnden Grenzrektifikation im Norden bestehen, dann (…) müßten wir auf die austro-polnische Lösung verzichten“. Ihm schwebe deshalb vor, der deutschen OHL zu erklären: „Die austropolnische Lösung können wir nur dann akzeptieren, wenn wir ein im wesentlichen unbeschnittenes Kongresspolen erhalten.“ Gehe man auf diesen Vorschlag nicht ein, so wäre „als Ersatz für Kongresspolen eine Verbindung Rumäniens mit der Monarchie in der Form einer Personalunion anzustreben“. Sektionschef Gratz äußerte, die austro-polnische Lösung, so wie sie den Deutschen vorschwebe, sei unannehmbar. Dagegen hätten ein Verzicht auf Polen und „die rumänische Kompensation, das heisst der engere Anschluss ­dieses immens reichen Landes an die Monarchie“, vieles für sich, obwohl es nicht einfach sein werde, mit Deutschland darüber einig zu werden. Die Ergebnisse der Beratung fasste ­Kaiser Karl so zusammen: Der Minister des Aeussern ist ermächtigt – 1. eventuell und falls es nicht anders gehen sollte, mit den russischen Maximalisten in der von Grafen Czernin vorgeschlagenen Form ein Separatabkommen abzuschliessen, – 2. wenn die Versorgungsverhältnisse in der Monarchie eine Fortführung des Krieges unmöglich erscheinen lassen sollten (…) mit der Ukraine auf der Basis einer Zweiteilung Galiziens in Verhandlungen einzutreten. (…) – 3. Die austropolnische Lösung, so bedauerlich dies auch sei, vorläufig zurückzustellen. (…) – 4. Den Deutschland zu gewährenden (…) Konzessionen (…) könnte erst dann nähergetreten werden, wenn die Territorialfragen gelöst sein werden.1955

1955 Ebd. – ­Kaiser Karl stellte in einer vom 8. Sept. 1920 datierten Aufzeichnung die Frage der Zugeständnisse an die Ukraine und deren Behandlung durch den Gemeinsamen Ministerrat vom 22. Jän. 1918 so dar: „Die Ukrainer versprachen Getreide, und dies wirkte bei uns allen (…) wie ein Zauberwort. Graf Czernin ließ sich aber durch den schlauen General Hoffmann bewegen, weitergehende Conzessionen zu machen, als zur Erreichung unseres Zweckes vielleicht notwendig war: nämlich die Zuerkennung des

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Am 24. Jänner 1918, zwei Tage nach dem Gemeinsamen Ministerrat, erklärte Czernin in seiner Rede vor dem Ausschuss für Äußeres der österreichischen Delegation über die Verhandlungen in Brest: „Vorweg sei es gesagt: die Basis, auf welcher ÖsterreichUngarn mit den verschiedenen, neu entstandenen russischen Reichen verhandelt, ist die ‚ohne Kompensationen und ohne Annexionen‘. Das ist das Programm, (…) welches ich den russischen Machthabern auf ihr erstes Friedensangebot hin wiederholt habe (…).“ Weiters äußerte der Minister: Obwohl ich mich keinen Illusionen darüber hingebe, daß die Frucht des allgemeinen Friedens nicht über Nacht reifen wird, so bin ich dennoch überzeugt, daß sie im Reifen begriffen ist und (…) es nur eine Frage des Durchhaltens ist, ob wir einen allgemeinen, ehrenvollen Frieden erhalten oder nicht. – Ich bin in dieser Ansicht neuerdings bestärkt worden durch das Friedensangebot, welches der Herr Präsident der Vereinigten Staaten (…) an die ganze Welt gerichtet hat. Es ist dies ein Friedensangebot; denn in 14 Punkten entwickelt Herr W ­ ilson jene Grundlagen, auf w ­ elchen er den allgemeinen Frieden herbeizuführen versucht. Es ist ganz selbstverständlich, daß kein solches Angebot ein Elaborat darstellen kann, welches in allen Details akzeptabel erscheint. (…) – Aber ich nehme keinen Anstand, zu erklären, daß ich in den (…) Vorschlägen des Präsidenten Wilson eine bedeutende Annäherung an den ö.-u. Standpunkt finde, und daß sich unter seinen Vorschlägen einzelne befinden, ­welchen wir sogar mit großer Freude zustimmen können (…). Soweit sich die Vorschläge auf unsere Verbündeten beziehen – es ist von dem deutschen Besitz von Belgien (Punkt 7) und von dem Türkischen Reiche (Punkt 12) darin die Rede –, erkläre ich, daß ich (…) für die Verteidigung der Bundesgenossen bis zum äußersten zu gehen fest entschlossen bin. Den vorkriegerischen Besitzstand unserer Bundesgenossen werden wir verteidigen wie den eigenen. (…) – Zweitens habe ich zu bemerken, daß ich die Ratschläge,

Cholmerlandes an die Ukraine und die Garantie (…) für eine weitgehende Autonomie der Ukrainer in Galizien. (…) Es war bestimmt die Absicht des geriebenen Preußen, uns hiedurch für lange Zeit mit den Polen zu verfeinden und diese den deutschen Aspirationen willfähriger zu machen. Graf Czernin kam mit dem Resultat seiner Besprechungen nach Wien zurück; vom Einflusse Hoffmanns wußte ich damals noch nichts. Trotz der für den Sieger gegenüber einem so schwachen Staate sehr harten Bedingungen, stimmte ich angesichts unserer desparaten Ernährungslage beim Kronrat in Laxenburg diesen zu.“ Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 628 – 629 Dok. 213. Demnach hätte Czernin dem Gemeinsamen Ministerrat nicht Forderungen der Ukrainer vorgelegt, sondern ihm durch General Max Hoffmann nahegelegte, von den Ukrainern gar nicht verlangte „weitergehende Conzessionen“. – Kühlmann war von solchen Aktionen Hoffmanns nichts bekannt, über die ukrainische Delegation aber schrieb er, sie habe „Czernin durch Sonne, Mond und Sterne hindurch erbarmungslos erpreßt, bis er ihnen Punkt für Punkt alles zugestanden hatte, was ihnen (…) einigermaßen wünschenswert erschien“. Kühlmann 1948, 531.

Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918

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wie wir bei uns im Innern zu regieren haben (Punkt 10), höflich, aber entschieden ablehne. Wir haben in Österreich ein Parlament des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechtes (…) und d ­ ieses Parlament zusammen mit den übrigen verfassungsmäßig berechtigten Faktoren allein hat das Recht, über interne Angelegenheiten Österreichs zu entscheiden. (…) Was den russischen Passus (Punkt 6) anbelangt, so beweisen wir bereits mit Taten, daß wir bestrebt sind, ein freundnachbarliches Verhältnis zu schaffen. – Was Italien (Punkt 9), Serbien, Rumänien und Montenegro (Punkt 11) betrifft, so kann ich nur den Standpunkt wiederholen, den ich (…) in der ungarischen Delegation zum Ausdruck gebracht habe. (…) – Ich weigere mich, unseren Feinden (…) einseitig Konzessionen zu machen (…). – Möge Herr Wilson den großen Einfluß, den er zweifellos auf alle seine Bundesgenossen ausübt, dazu benutzen, daß sie ihrerseits die Bedingungen erklären, unter denen sie zu sprechen bereit sind, so wird er sich das unermeßliche Verdienst erworben haben, die allgemeinen Friedensverhandlungen ins Leben gesetzt zu haben. (…) – Was schließlich den Punkt 13 anbelangt, so ist es ein offenes Geheimnis, daß wir Anhänger des Gedankens sind, es möge ein unabhängiger polnischer Staat, der die zweifellos von polnischer Bevölkerung bewohnten Gebiete einschließen müßte, errichtet werden. (…) Und wenn der Präsident seine Vorschläge durch den Gedanken eines allgemeinen Völkerbundes (Punkt 14) krönt, so wird er wohl nirgends (…) auf Widerstand stoßen. – Wie sich aus dieser Vergleichung meiner Ansichten und jener Herrn Wilsons ergibt, stimmen wir nicht nur in den großen Prinzipien (…) im wesentlichen überein, sondern unsere Auffassungen nähern sich auch in mehreren konkreten Friedensfragen. Die Differenzen, w ­ elche übrig bleiben, scheinen mir nicht so groß zu sein, daß eine Aussprache über diese Punkte nicht zur Klärung und Annäherung führen könnte. Diese Situation, w ­ elche sich wohl daraus ergibt, daß Österreich-Ungarn einerseits und die Vereinigten Staaten (…) andererseits jene Großmächte (…) sind, deren Interessen einander am wenigsten widerstreiten, legt die Erwägung nahe, ob nicht gerade ein Gedankenaustausch ­zwischen diesen beiden Mächten den Ausgangspunkt für eine versöhnliche Aussprache ­zwischen allen jenen Staaten bilden könnte, die noch nicht in Besprechungen über den Frieden eingetreten sind.1956

An den vorgeschlagenen „Gedankenaustausch“ knüpfte Czernin, folgt man dem Tagebuch Sektionschef Gratzs, offenbar sehr hochfliegende, auch die Möglichkeit eines Separatfriedens ­zwischen den beiden Mächten nicht ausschließende Hoffnungen. Gratz notierte nämlich unter dem 6. Februar 1918, der Minister habe ihm gegenüber geäußert: „(…) ich habe Wilson mitgeteilt, daß ich bereit bin, über einen Separatfrieden zu verhandeln, er kann heute oder morgen telegrafieren, daß er oder Lansing zu d ­ iesem Zweck in die Schweiz kommt (…).“ 1957 1956 Czernin, Rede vor dem Ausschuss für Äußeres der österr. Delegation 24. Jän. 1918, F-B (24. Jän. 1918), 1 – 3, NFP A (24. Jän. 1918), 1 – 4, Czernin 1919, 395 – 407. 1957 Gratz TB-Eintr. 6. Feb. 1918, KA NL Gratz B/19 6.

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Reichskanzler Hertling ging in seiner am 24. Jänner gehaltenen Rede ebenfalls detailliert auf die 14 Punkte ein: (…) 6. Räumung des russischen Gebietes. Nachdem die Ententestaaten es abgelehnt haben, innerhalb der von Rußland und den vier verbündeten Mächten vereinbarten Frist sich den Verhandlungen anzuschließen, muß ich im Namen der letzteren eine nachträgliche Einmischung ablehnen. Wir stehen hier vor Fragen, die allein Rußland und die vier verbündeten Mächte angehen. (…) Was die belgische Frage betrifft, so ist von meinen Amtsvorgängern wiederholt erklärt worden, daß zu keiner Zeit (…) die gewaltsame Angliederung Belgiens (…) einen Programmpunkt der deutschen Politik gebildet habe. (…) Solange unsere Gegner sich nicht rückhaltlos auf den Boden stellen, daß die Integrität des Gebietes der Verbündeten die einzig mögliche Grundlage von Friedensbesprechungen bieten kann, muß ich (…) eine Vorwegnahme der belgischen Angelegenheit aus der Gesamtdiskussion ablehnen. – 8. (…). Die okkupierten Teile Frankreichs sind ein wertvolles Faustpfand in unserer Hand. Auch hier bildet die gewaltsame Angliederung keinen Teil der amtlichen deutschen Politik. Die Bedingungen und Modalitäten der Räumung (…) sind ­zwischen Deutschland und Frankreich zu vereinbaren.

Bezüglich Elsass-Lothringens sagte Hertling: „Das Reichsgebiet, von dem mehr als 87½ Prozent die deutsche Muttersprache sprechen, werden wir uns (…) nicht wieder abnehmen lassen.“ 1958 Zu den maßgeblich auch Österreich-Ungarn oder andere Verbündete bzw. Polen berührenden Punkten Wilsons äußerte sich der Reichskanzler so: Was die (…) unter 9 f.und 11 behandelten Fragen betrifft, so berühren sie (…) mit den italienischen Grenzfragen (…) und den Fragen der Zukunft der Balkanstaaten Punkte, bei denen (…) die politischen Interessen unseres Verbündeten Oesterreich-Ungarn überwiegen. Wo deutsche Interessen im Spiele sind, werden wir sie auf das nachdrücklichste wahren, doch möchte ich die Beantwortung der Wilsonschen Vorschläge in diesen Punkten in erster Linie dem auswärtigen Minister der österreichisch-ungarischen Monarchie überlassen. (…) – Ebenso möchte ich in den unter Punkt 12 von Wilson berührten Angelegenheiten, die (…) die Türkei betreffen, in keiner Weise der Stellungnahme ihrer Staatsmänner vorgreifen. (…) – Punkt 13 behandelt Polen. Nicht die Entente, die (…) vor dem Kriege nie (…) für Polen eingetreten ist, sondern das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn waren es, die Polen von dem (…) zaristischen Regiment befreiten. So möge man es auch Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Polen überlassen, sich über die zukünftige Gestaltung d ­ ieses Landes zu einigen. (…) – Der letzte Punkt behandelt den Verband der Völker. Was diesen Punkt betrifft, so stehe ich (…) jedem G ­ edanken

1958 Hertling, Rede vor RT-HA 24. Jän. 1918, F-B M (25. Jän. 1918), 4 – 5, NFP M (25. Jän. 1918), 2 – 3.

Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918

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sympathisch gegenüber, der für die Zukunft die Möglichkeit (…) von Kriegen ausschaltet und das friedliche (…) Zusammenarbeiten der Völker fördern will.1959

Abschließend erklärte Hertling: Unsere Gegner wollen Deutschland nicht vernichten, aber sie schielen begehrlich nach Teilen unserer und unserer Verbündeten Länder. Sie sprechen mit Achtung von Deutschlands Stellung, aber dazwischen dringt immer wieder die Auffassung durch, als s­ eien wir die Schuldigen, die Buße tun und Besserung geloben müssen. So spricht (…) der Sieger zum Besiegten, so spricht derjenige, der (…) Aeußerungen der Friedensbereitwilligkeit als (…) ­­Zeichen der Schwäche deutet. Von (…) dieser Täuschung sollen sich die Führer der Entente (…) losmachen. – Mögen sie sich gesagt sein lassen: – Unsere militärische Lage war niemals so günstig wie sie jetzt ist. – (…) unser Ziel ist kein anderes, als die Wiederherstellung eines dauernden allgemeinen Friedens. Aber dieser (…) ist solange nicht möglich, als die Integrität des Deutschen Reiches (…) und die Würde unseres Vaterlandes nicht gewahrt bleiben.1960

Eine Übersetzung der Rede übermittelte der amerikanische Gesandte im Haag bereits am 24. Jänner Staatssekretär Lansing.1961 Czernin wies die Gesandten im Haag und in Stockholm an, den Text seiner Rede über die jeweiligen Außenminister nach Washington gelangen zu lassen. Graf Széchényi, der Gesandte im Haag, berichtete am 27. Jänner, der niederländische Außenminister habe nach der Lektüre der Rede den amerikanischen Gesandten „sofort zu sich bitten lassen und ihn auf deren (…) große Bedeutung und entgegenkommenden Ton etc. aufmerksam gemacht und an ihn (…) Frage gerichtet, ob dieselbe nicht zu einer Annäherung, beziehungsweise Aussprache z­ wischen uns und Amerika und auf d ­ iesem Wege dann mit der Entente führen könnte“.1962 Der Minister habe, „unter nachdrücklicher Betonung, daß er gänzlich aus eigener Initiative spreche“, geäußert, er stehe, „sei es privatim, sei es als holländische Regierung (…) gerne zur Verfügung“. Széchényi meldete auch, er habe erfahren, (…) daß sich amerikanischer Gesandter über (…) Rede dahin geäußert hat, dieselbe werde in Amerika sicher sehr guten Eindruck machen: er (…) bemängle nur, daß es unklar (…) sei,

1959 Ebd. 1960 Ebd. 1961 Garrett an Lansing, Tel. 1932, 24. Jän. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 38 – 42. 1962 Széchényi an Czernin, Tel. 32, 27. Jän. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Wilsons Senatsbotschaft fol. 41, idem: HHStA PA XL, Pol. Tel. 129 o. Fz.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

ob Verzicht auf Annexionen nur Rußland gegenüber gemeint sei und (…) Frage des Selbstbestimmungsrechtes der Völker der Monarchie (…) nicht erwähnt (sei).1963

Graf Hadik, der Gesandte in Stockholm, telegrafierte dagegen am 30. Jänner, er habe „endlich Gelegenheit gehabt“, dem Minister die Rede übergeben zu können. Als er ihm, „wie aus eigener Initiative kommend“ suggeriert habe, er solle den Text nach Washington weitergeben, habe der Minister gesagt, er könne dies „leider aus Prinzip (…) nicht tun“ aber versprochen, ihn „dem amerikanischen Gesandten mit der Bitte zu überlassen, er möge den auf Herrn Wilsons Rede sich beziehenden Passus wo möglich nach Washington weiterleiten“.1964 Über die Aufnahme der Reden Czernins und Hertlings in der britischen Presse berichtete Botschafter Walter H. Page am 26. Jänner an Lansing: The British press regards German Chancellor’s speech as the voice of Hindenburg to which is added an effort to induce every belligerent to enter into separate negotiations (…) The milder tone of the Austrian (…) Minister is noted but the substance of his speech is thought to show the same guiding hand in Berlin.1965

Colonel House schienen, folgt man seiner Tagebuchnotiz vom 29. Jänner, die Antworten Czernins und Hertlings auf die von Wilson verkündeten 14 Punkte klar zum Ausdruck zu bringen, dass „the (s)chism which we have tried to create by this speech is more successful than we dared to hope“. Wilson habe geäußert: We (Wilson and Lansing) have tentatively decided to answer (…) in this way: In reply to Hertling’s assertion that differences between Russia and Germany must be settled between the two, and questions between France and Germany should be settled in like manner, we will call attention to the fact that this is the old diplomacy which has brought the world into such difficulties (…).1966

Der Präsident und er hätten erwogen, auf ­welche Weise die Antwort erfolgen solle. Lansings Vorschlag, sie in Form eines Interviews zu geben, habe Wilson abgelehnt und erklärt, er wolle „make a habit of delivering through Congress what he had to say“.1967 Am 30. Jänner sandte der Korrespondent der United Press und des Philadelphia Evening Ledger in der Schweiz, Carl William Ackerman, offenbar im Auftrag Hugh R. 1963 Ebd. 1964 Hadik an Czernin, Tel. 79, 30. Jän. 1918, HHStA PA I, Krieg 29 Senatsbotschaft fol. 127. 1965 Walter H. Page an Lansing, Tel. 8406, 26. Jän. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 43. 1966 House TB-Eintr. 29. Jän. 1918, Link PWW 46. 1984, 167 – 168, unvollst.: Seymour 3 1928, 377 – 378. 1967 Ebd.

Czernin und Hertling reagieren auf Wilsons Rede vom 8. Jänner 1918

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Wilsons, des amerikanischen Geschäftsträgers in Bern, ein Telegramm an Lansing, in dem er sich für eine neuerliche Erklärung des Präsidenten aussprach: Hertling’s speech (…) exposed vulnerable points of Central Powers which apparently make it essential United States strike again through declaration by President. President has accomplished object of his last speech to drive wedge between sections German public opinion, our object now to force issue of war on Germany’s terms or peace on our own terms. – Vulnerable points in enemy countries today are: – One. Public demand for liberal peace. – Two. Open gap between Vienna and Berlin. – Three. Difference between pan-German party and rest of Germany. – Four. Feeling of uncertainty in Bulgaria and Turkey. (…) – Concerning point two, whether Czernin’s reply made with understanding of Germany, it now stands not as important as effect on wide gap between terms of Berlin and Vienna. Apparently Czernin had two objects; – A, to aid German liberals and quiet Austro-Hungarians who desire peace at any price, – B, to make it possible for America to act as intermediary between Austria-Hungary and Allies knowing that if America showed any interest in proposal, troops of Dual Monarchy might not have to be used on western front. – (…) While not recommending confidential discussion with Vienna, I believe if President publicly encourages desire for negotiations in Austria (…), he would indirectly bring pressure to bear on Berlin, would create further dissatisfaction over use of Austrian troops in France and so increase peace sentiment in Austria that it might be possible, if Berlin does not alter aims, to discuss separate peace with Austria at later date. – Regarding point three; Hertling’s speech gives another opportunity to attack German Government for not representing people.1968

Am 2. Februar wurden die Reden Hertlings und Czernins Gegenstand einer zwei Tage darauf publizierten Erklärung des Supreme War Council, in der es hieß: The Supreme War Council gave the most careful consideration to the recent utterances of the German Chancellor and of the Austro-Hungarian Minister for Foreign Affairs, but was unable to find in them any real approximation to the moderate conditions laid down by all the Allied Governments. This conviction was only deepened by the (…) contrast between the professed idealistic aims with which the Central Powers entered upon the present negotiations at Brest Litovsk, and the now openly disclosed plans of conquest and spoliation. Under the circumstances, the Supreme War Council decided that the only immediate task before them lay in the prosecution with the utmost vigor (…) of the military effort of the Allies, until (…) the pressure of that effort shall have brought about in the enemy Governments and peoples a change of temper which would justify the hope of the conclusion of peace on terms which would not 1968 Ackerman durch Hugh R. Wilson an Lansing für Colonel House, Tel. 2535, 30. Jän. 1918, Link PWW 46. 1984, 172 – 173.

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involve the abandonment (…) of all the principles of freedom, justice and the respect for the Law of Nations which the Allies are resolved to vindicate.1969

Colonel House, der die Erklärung als der Sache der Alliierten wenig hilfreich fand, appellierte am 3. Februar an Wilson, nicht von seiner Absicht abzugehen, die Reden Hertlings und Czernins in einer Rede vor dem Kongress zu beantworten. Er schrieb: I am disturbed at the statement given out by (…) the Supreme War Council. It seems to me a monumental blunder. It is the old belligerent tone and will serve the purpose of again welding together the people of the Central Empires back of their governments. – I would not let this deter me from making the statement to Congress you have in mind. I think it is now more necessary than ever. It is a pity that the Entente will insist upon undoing your work, built up with so much care.1970

Auch Wilson sah die Erklärung des Supreme War Council mit sehr kritischen Augen und wandte sich am 4. Februar an Lansing um Rat: There is infinite stupidity in action of this sort. It stiffens every element of hatred and belligerency in the Central Powers and plays directly into the hands of their military parties. These people have a genius for making blunders of the most serious kind and neutralizing each thing that we do. Do you think that anything can be done to hold them off from making fools of themselves again and again?1971

Am 3. Februar ließ Colonel House dem Präsidenten ein von William C. Bullitt verfasstes Memorandum zugehen, in dem die Reden Hertlings und Czernins verglichen wurden. Darin heißt es gleich eingangs: „Czernin and Hertling undoubtedly discussed the subject matter of their addresses before delivering them. This is proved by the similarity of their replies to all questions which both treated – except the question of Poland – and by the points which each omitted in deference to the other.“ Die Unterschiede z­ wischen den beiden Reden ergäben sich fast zur Gänze aus „the warmth of Czernin’s tone“: Sein „sincere desire for immediate peace“ habe ihn veranlasst, „to strive to improve his case by the manner of its presentation“. Beide hätten versucht, ihre kriegsmüden Völker mit der Aussicht auf einen unmittelbar bevorstehenden Frieden mit der Ukraine und dessen günstige ökonomische Auswirkungen zu aktivieren, wobei es besonders bemerkenswert sei, dass Czernin das Prinzip „Keine Annexionen, keine Kriegsentschädigungen“ 1969 Lloyd George WM 5. 1934, 2495 – 2496, dt.: Lloyd George MA 3. 1936, 39. 1970 House an Wilson, 3. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 221. 1971 Wilson an Lansing, 4. Feb. 1918, ebd. p 233.

Noch eine kaiserliche Privataktion? Lammasch und Herron

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­lediglich für die russische Front anwenden wolle. Unterschiede z­ wischen den Stellungnahmen Czernins und Hertlings lägen in folgenden Punkten: Erstens habe Czernin einen direkten Vorschlag für einen Meinungsaustausch ­zwischen Österreich-Ungarn und den Vereinigten Staaten gemacht. Zweitens habe er mehr Sinn für den Geist, in dem die Friedensfrage behandelt werden müsse, an den Tag gelegt und gesagt: „Our task is to build a new world and to rebuild all that the most trying of wars has (…) trampled to the ground.“ Er habe übrigens an keiner Stelle erklärt, dass offene Fragen nur von den durch sie berührten Staaten behandelt werden sollten, während Hertling diese Position sowohl in Hinblick auf die Räumung der besetzten Gebiete als auch auf die Schaffung eines unabhängigen Polen eingenommen habe. LIoyd George sah ebenfalls lediglich im Ton Unterschiede ­zwischen Hertlings und Czernins Reden. Er erklärte am 12. Februar 1918 im Unterhaus: It is perfectly true, as far as tone is concerned, that there was a great difference (…), but I wish that I could believe that there was a difference in substance. I cannot (…) accept that interpretation of Count Czernin’s speech. It was extraordinarily civil in tone and friendly, but when you came to the real substance of the demands put forward by the Allies, it was adamant. (…) When it came to the demands of Italy, Count Czernin simply said that certain offers had been made before the War, and that they were now withdrawn. As far as the Slavonic population of Austria was concerned it was purely a polite statement (…) that it was none of our business to inquire. There was not a single definite question dealt with on which Count Czernin did not present the most definite refusal to discuss any terms that might be regarded as possible terms of peace. (…) I confess that an examination of these two speeches proved profoundly disappointing to those who are sincerely anxious to find any real and genuine desire for peace in them.1972

6.4

Noch eine kaiserliche Privataktion? Lammasch und Herron

Um eine Privataktion K ­ aiser Karls oder zumindest eine nicht ohne sein Wissen unternommene Aktion handelte es sich bei den von Julius Meinl und in der Folge von Heinrich Lammasch Ende 1917 und Anfang 1918 in der Schweiz geführten Gesprächen. Sie wurden 1962 von Heinrich Benedikt eingehend beschrieben,1973 seither zugänglich gewordene Quellen und erfolgte Veröffentlichungen erfordern jedoch eine diese berücksichtigende neue Darstellung, die hier zu geben versucht wird. Hugh R. Wilson berichtete Lansing am 31. Jänner 1918, dass Lammasch sich in Zürich befinde. Er habe Benjamin de Jong van Beek en Donk, den Generalsekretär der 1972 LIoyd George im Unterhaus 12. Feb. 1918, Hansard Ser. 5 103, 22 – 23. 1973 Benedikt, 1962.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

­ entralorganisation für einen dauernden Frieden, gebeten, folgende Botschaft für PräsiZ dent Wilson zu übergeben: K ­ aiser Karl habe ihm im August 19171974 und nun aufs Neue die Ministerpräsidentschaft angeboten; er habe darauf erklärt, diese Funktion nur unter der Bedingung übernehmen zu können, „that Austria should not negotiate for peace through Prussia but should make a separate peace“, was ihm der ­Kaiser zugesagt habe. Einer Regierungsübernahme stehe aber sein Gesundheitszustand entgegen. Eben habe ihn Meinl benachrichtigt, es könne, falls Wilson sich „favorably“ über Czernins Rede äußere, mit absoluter Sicherheit damit gerechnet werden, dass Österreich Deutschland auffordere, „to change tone of Hertling’s address“. Sollte Deutschland dies ablehnen, so sei Österreich bereit mit ihm zu brechen und durch amerikanische Vermittlung einen Separatfrieden abzuschließen. Weiters habe Lammasch gebeten mitzuteilen: While we do not trust Czernin absolutely we do trust the Monarch, who is prepared to grant all demands of Democratic Party and is prepared to break with Germany if latter refuses to make (peace) on basis President Wilson’s message. (…) The Emperor is prepared to throw over all his former associates and cast in his lot with a nation founded on consent of the governed.1975

Nicht recht davon überzeugt, dass diese Schilderungen die Realität widerspiegelten, schloss Hugh R. Wilson: (…) what the Emperor proposes to do seems almost unbelievable. That he, a young man, should cut loose from the German-Austrian circles who have always (depended) on the strength of Germany to maintain their (predominance) and reach out over them to rest his power (on the) consent of the people, would demand a view and a strength of character which would 1974 Polzer-Hoditz schrieb, er habe, als ­Kaiser Karl im Juli 1917 erwog, ein Kabinett „mit großem Programm“ zu ernennen, Lammasch genannt. Der K ­ aiser habe diesen als „gewiß die richtigste Wahl“ bezeichnet und ihn telegrafisch rufen lassen. Am 21. Juli habe Lammasch jedoch erklärt, „nicht annehmen zu können (…), er sei physisch einer solchen Bürde nicht gewachsen“. Polzer-Hoditz 1929, 469 – 470. Wedel berichtete am 20. Juli 1917 an Michaelis: „Der junge K ­ aiser (…) scheint ganz in den Gedanken vertieft, daß es ihm gelingen müsse und werde, den allgemeinen Frieden zu ‚machen‘. (…) Seine Hauptratgeber sind (…) Professor Lammasch (…), Professor Redlich (…) und (…) Professor Förster. Diese drei (…) vertreten den Standpunkt, dass Deutschland an der Verlängerung des Krieges die Schuld trägt und dass Österreich, überall beliebt, zur Vermittelung berufen sei.“ Wedel an Michaelis, Tel. 226, 20. Juli 1917, BHS tA MA 947, s. auch SG 2 1966, 272 – 274 Dok. 170. Romain Rolland notierte am 11. Sept. 1917 in sein Tagebuch: „Seippel (…) me dit que Foerster a été récemment appelé à Vienne par le jeune empereur. (…) L’empereur (…) lui a offert d’entrer dans un ministère. Foerster eût accepté (…) et il proposait pour président Lammasch. On sollicita ce dernier, qui, septuagénaire et fatigué, déclina (…).“ Rolland 1952, 1302. 1975 Hugh R. Wilson an Lansing, Tel. 2544, 31. Jän. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 60 – 62, idem: Link PWW 46. 1984, 198 – 200.

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(make) me skeptical of the whole matter were it not that it (is coupled with) a man of such undoubted integrity as Lammasch.1976

Lammasch berichtete über seine Beziehungen mit de Jong und dem amerikanischen Gesandtschaftsträger George D. Herron: Donnerstag den 31. Jänner 1918 kam Beek Donk in Bern mittags zu mir 1977 und fragte mich im Auftrage des amerikanischen Chargé d’affaires (…), ob ich ihm (…) sagen könne, ob die friedensfreundlichen Äußerungen Czernins 1978 ernst zu nehmen oder ob das Ganze nur ein abgekartetes Spiel mit verteilten Rollen z­ wischen Wien und Berlin sei. Ich sagte ihm, ich sei von der Aufrichtigkeit des (…) geäußerten Friedenswillens vollkommen überzeugt. Selbst wenn Czernin nicht vom Anfang an ganz durchdrungen gewesen wäre von dem Wunsche, den Frieden wieder herzustellen, so hätte er doch sehen müssen, welch überragenden Eindruck seine Erklärungen gegenüber denen seines deutschen Kollegen gemacht haben, wie er sich (…) überall Sympathien und Vertrauen erworben habe. (…) Und selbst wenn man an ihm zweifeln wollte, so könnte doch (…) niemand an der Ernsthaftigkeit des Friedenswillens unseres Kaisers zweifeln. (…) Er sei ein Mann echt christlichen Geistes, unabhängig von den Vorurteilen einer volksfremden Aristokratie und habe gewiß nicht nur an der von ihm selbst unterzeichneten Antwortnote an den Heiligen Vater, sondern auch an Czernins Budapester Rede einen hervorragenden Anteil.

Auf die Frage de Jongs, ob er an die Möglichkeit einer Verständigung via Washington glaube, habe er erwidert, dass er diesen Weg für den einzig möglichen halte. Die Frage, ob er „geneigt wäre (…) mit einem Manne, der das besondere Vertrauen des Präsidenten Wilson habe, zusammenzukommen“, habe er bejaht, worauf de Jong ein solches Treffen für den 3. Februar arrangiert habe: Eine halbe Stunde nach uns kam (…) Herron. Er sagte, daß er durchaus keinen Auftrag von Wilson habe, aber glaube, in seinem Sinne zu sprechen. (…) Durch Förster hatte er gehört, daß mich der ­Kaiser (…) als Ministerpräsidenten berufen wollte. Er fragte mich, ob ich deshalb abgelehnt habe, weil der ­Kaiser meinen Friedenstendenzen nicht zugestimmt hätte. Ich antwortete, daß dies durchaus nicht der Fall gewesen sei (…). Herron erwiderte,

1976 Hugh R. Wilson an Lansing, Tel. 2544, 31. Jän. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 60 – 62, idem: Link PWW 46. 1984, 198 – 200. 1977 Nach Benedikt suchte de Jong am 31. Jän. Lammasch in Salzburg auf, sei „nur eine halbe Stunde“ geblieben und dann gleich nach Bern zurückgekehrt. Benedikt, 1962. 230. Was Benedikt glauben machte, die Besprechung habe in Salzburg stattgefunden, ließ er nicht erkennen. 1978 Vom 24. Jän. 1918.

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daß auch Amerika von dieser Gesinnung des Kaisers überzeugt sei und (…) keinen Grund zur Feindschaft gegen Österreich habe, nur müsse Amerika den Krieg gegen uns als den Bundes­genossen des Deutschen Reiches führen. (…) Nach diesen (…) Erörterungen lenkte er das Gespräch auf die spezielle Frage, wie Amerika und Österreich-Ungarn den Frieden herbeiführen könnten. Er fragte mich, wer nun zuerst sprechen solle: Präsident Wilson oder ­Kaiser Karl. Ich antwortete, Czernin habe jetzt das letzte Wort gehabt; es sei nun die Reihe an Wilson. Ich hielte es für das zweckentsprechendste, wenn Wilson in seiner nächsten Rede die allgemeinen Probleme in den Vordergrund stellen würde (…). Ich riet, die territorialen Fragen mehr in den Hintergrund zu stellen und das Schwergewicht darauf zu legen, daß die einzelnen Nationalitäten auch in ihrem gegenwärtigen Staatsverbande durch Gewährung eines weitgehenden Selfgovernment die Befriedigung ihrer berechtigten Wünsche finden könnten. (…) Man könne Deutschland nicht zumuten, (…) Elsaß-Lothringen herauszu­ geben und ebensowenig Österreich, auf das Trentino zu verzichten. (…) Österreich könne (…) Deutsch-Tirol und Italienisch-Tirol als selbständige Provinzen ausbilden und jeder von ihnen volle Autonomie gewähren. Wenn Präsident Wilson (…) darauf verzichte, (…) die Ordnung der nationalen Schwierigkeiten durch territoriale Absonderung zu fordern, sondern auch die (…) Lösung durch Ausgestaltung der Autonomie offen zu halten, so wäre der Weg zur Verständigung sehr erleichtert. Elsaß-Lothringen (…) könnte ein selbständiger Bundesstaat werden mit allen Rechten (…) ‚und mit republikanischer Verfassung wie Hamburg‘ fügte Herron ein. ‚Vor allem aber‘, setzte er fort, ‚müßten Sie (…) erklären, daß Österreich (…) die Selbständigkeit und den Territorialbestand Belgiens anerkennt. Wenn ­Kaiser Karl (…) dies ausdrückt und (…) in einer Proklamation an seine Völker ihnen (…) volle Autonomie zusichert, würde eines der größten Hindernisse des Friedens beseitigt sein. Selbstverständlich wäre auch eine Voraussetzung dafür der Verzicht auf alle Eroberungen, Angliederungen und Protektorate (…).’

Lammasch habe geantwortet: Wenn man auch mit dem Inhalte dieser Forderungen einverstanden sein könnte, so hätte ich doch Bedenken gegen die Proklamation und würde ein Schreiben an den Papst vorziehen. Darauf (…) wollte Herron offenbar nicht gerne eingehen. (…) Die einzigen, die den Frieden zustande bringen können, ­seien ­Kaiser Karl und Wilson. (…) Zum Schlusse stellte er noch die Frage, ­welche Garantien Amerika dafür hätte, daß Österreich, wenn der ­Kaiser eine Proklamation oder einen Brief an den Papst in dem angeführten Sinne erließe, damit Ernst machte. (…) Ich erwiderte, (…) daß ich nicht glaube, Czernin würde sich dem (…) Willen des Kaisers widersetzen (…). ‚Und Deutschland‘, fragte er, ‚würde es nicht einen zu großen Druck auf Sie üben? Und wird Österreich allenfalls einen Separatfrieden schließen?‘ Darauf sagte ich: ‚Das können wir nicht, wohl aber (…) auf Deutschland (…) Druck ausüben, daß es r­ äsonable Friedensbedingungen nicht ablehnen wird. (…).’ Er sagte, daß er die ganze Unterredung sofort

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nach Washington telegraphieren werde und bat mich um eine neuerliche Zusammenkunft am nächsten Tage.1979

Ein Memorandum Herrons über das am 3. Februar geführte Gespräch mit Lammasch übermittelte Hugh R. Wilson am Folgetag Lansing.1980 Diesem mit eigenen Einfällen Herrons offenbar reichlich versetzten Memorandum zufolge hatte Lammasch erklärt, „that he had no official mandate“; er sei lediglich gekommen, um mitzuteilen: „The Emperor, urged on by the Empress, was getting more and more anxious for a change, and they wanted to find some way of getting a confidential message through to President Wilson that would not be known by Germany.“ 1981 Über Czernin und seine Rede habe Lammasch gesagt (…) that Czernin was not to be trusted; that Czernin, although he wanted to be liberal in a sense, had no less the Prussian mentality, and was under the influence of Prussia; and that the 1979 Lammasch in: Lammasch Sperl 1922, 96 – 101. – Kovács wusste ihren Lesern über den Inhalt der Gespräche mehr mitzuteilen, als dies Lammasch imstande war. Sie erklärte nämlich: „Das Papier über die Umgestaltung der (…) Monarchie hatte Lammasch gemeinsam mit ­Kaiser Karl entworfen“, ein ähnliches, aus „1921/22“ stammendes, Dokument habe sich im Nachlass des Kaisers gefunden. Kovács 1 2004, 352. Woher sie die Kunde von einem gemeinsam entworfenen „Papier“ hatte, ob Lammasch es präsentierte und wo es etwa einzusehen wäre, gab sie nicht preis. Dem Leser bleibt es daher verwehrt zu beurteilen, ob d ­ ieses „Papier“ eine Ähnlichkeit mit dem aus „1921/22“ stammenden aufweist, das Kovács als „Reflexionen“ des exilierten Kaisers über „Die Einteilung und Verfassung eines neuen Österreichs und dessen politische Ziele“ bezeichnete. In diesen höchst phantasievollen „Reflexionen“ über gehegte Träume heißt es unter anderem: „Ich stelle als oberstes Prinzip auf, man muß im Anfang den Völkern noch gewisse Spielereien lassen, wie selbständige Diplomatie, Heer, zahllose Ministerien etc. Man muß aber (…) den Leuten beibringen, daß diese Spielereien (…) sehr teuer sind. Die Leute werden, durch eine gutgeführte Presse beeinflußt, ihren eigenen Vorteil wahrnehmen. Der Chef des Generalstabes wird eines schönen Tages einen K. u. K. Kriegsminister zur Seite bekommen. Der Oberste Wirtschaftliche Rat wird (…) vielleicht eine etwas längere Lebensdauer haben (…). Aus ihm wird notwendigerweise (…) das K. u. K. Ministerium des Äußeren (…). – Der Angelpunkt (…) ist ein dauerndes inniges Bündnis mit Frankreich. (…) Das Ziel unserer (…) Politik muß, nachdem wir uns mit Frankreichs Hilfe wieder zusammengeschweißt (…) haben, ein doppeltes sein: erstens die friedliche Beseitigung von Preußens Hegemonie im Reich (…) zweitens das Einbeziehen Rumäniens, Serbiens und Polens in unsere Interessensphäre. (…) – Wenn diese Zertrümmerung Preußens gelungen, muß man an die Restauration der übrigen Bundesfürsten schreiten. Ist diese perfekt, muß dann die Kaiserwahl stattfinden, und dabei muß der ­Kaiser von Österreich zum deutschen ­Kaiser gewählt werden. (…) – Polen (…) braucht unseren Flankenschutz und es wird Sache der französischen Diplomatie und unserer langjährigen polnischen Beziehungen sein, auch hier die richtige Lösung, Personalunion mit Österreich, zu finden. Dieser Block von Calais bis ans Schwarze Meer und von Danzig bis Triest wird die ganze Welt beherrschen. England wird sich um unsere Freundschaft bemühen müssen.“ Ks. Karl Reflexionen Dez. 1921–März 1922, Kovács 2 2004, 816 – 831 Dok. 272. 1980 Hugh R. Wilson an Lansing, 4. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 241 – 247. 1981 Ebd.

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Emperor personally forced Czernin to make that speech, and also exacted from him a promise that the speech should be transmitted formally to President Wilson (…).1982

Der Minister habe dies auch versucht, jedoch „Germany stopped it. Didn’t permit it to go out.“ Über den Inhalt der Rede habe Lammasch geäußert: „The speech was a pale and halting presentation of the way the Emperor wanted himself to have it said. It was a case of force majeure.“ Weshalb der ­Kaiser den Minister nicht dazu habe bringen können, die Rede seinen Wünschen gemäß zu halten und weshalb er sich der „force majeure“ Czernins gebeugt habe, ist in Herrons Memorandum nicht zu lesen. In ­diesem heißt es weiters, Lammasch habe erklärt: „The whole heart of the Emperor is in effecting a great change in the constitution of the Monarchy, in getting extricated from Prussian hegemony, and in getting a reorientation, especially with America.“ Dazu sei der ­Kaiser ehrlich entschlossen und „especially backed up by the Empress whom he describes as extraordinarily clever and forcible“.1983 Der von Lammasch mit dem ­Kaiser ausgearbeitete Plan sehe folgendermaßen aus: First President Wilson would make a public address of some kind in recognition of Czernin’s address as indicating some sort of preparedness on the part of Austria toward peace. (…) Then the next move would be that the Emperor himself would write a long letter to the Pope, at the same time publishing the letter to the world, in which he would set forth (…) the desire for the integration and separate development of the people within the (…) Monarchy. (…) – Second. The desire for mutual disarmament and the society of nations, exactly as proposed by President Wilson, with the additional statement that if the peace congress would begin with these principles instead of the geographic details, then the questions of the old frontiers would lose their significance (…). That is, (…) every people (…) should have the right of choice of self-government, or at least autonomy. If the principle were made so that it included (…) Ireland as well as the irridenta (sic!), then it didn’t become so important as to what particular governmental centre the different (…) people belong. (…) then the questions of Alsace-Lorraine, of the irridenta (sic!) and all other questions would be easier of negotiation.1984

In der Folge habe Lammasch seinen Plan für ein neues Österreich dargestellt: He would group all the Yugo-Slavs (…) in the bounds of the Austrian Empire into a new state. (…) And he would group all the Poles into another state; the (German) Austrians into another state; Transylvania into another, the Magyars (…) into another state; the Italians left 1982 Ebd. 1983 Ebd. 1984 Ebd.

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within (…) the Empire into (…) an independent province, making Trieste an international port, something like the old free cities.1985

Dieses neue Österreich könne nicht zustande gebracht werden „by virtue of any power that the Emperor, or (…) Lammasch or their friends now possess (…) America must help us to do this.“ Österreich habe zwei große Feinde: die Ungarn, „whose power is so great that we can do nothing“, und Preußen. Dieses übe wegen der inneren Situation der Monarchie „practically a hegemony“ aus: „America must save us from these two enemies.“ Auf die Frage, wie dies erfolgen könne, habe Lammasch geantwortet: „By making it the explicit (…) condition of peace that Austria shall give (…) autonomy to all the (…) national groups within (…) the Austrian Empire.“ Herron habe Lammasch gefragt, ob er meine, dass die Vereinigten Staaten die innere Struktur der Monarchie diktieren sollten. Dieser habe geantwortet: „We will not only permit you, we beg you. The Emperor will embrace you. (…) If America will make those explicit conditions of peace to us, we will accept them. We will then confront Germany with the demand that she make peace, and that we accept those conditions.“ 1986 Auf die Frage, was geschehe, wenn Deutschland ablehne, habe er gesagt: „If Germany refuses, (…) all South Germany will refuse and join us, and, therefore, Germany dare not refuse (…).“ Wenn es aber dennoch ablehne? „Then as a last resort Austria will separate and make her own peace.“ Von Lammasch um seine Meinung zu diesen Eröffnungen gefragt, habe er, Herron, ihn auf den nächsten Tag vertröstet. Herron kommentierte Lammaschs Eröffnungen in seinem Memorandum so: First of all, Austria is not playing Germany’s game. (…) I am sure that she is trying to use America to get free of Germany. (…) Secondly, she is playing the Pope’s game. Behind all this nationality conversation that comes out, and he (Lammasch) used the expression two or three times – a dream of the young Emperor encouraged in every way by the Pope to restore (…) in a modernized form the Holy Roman Empire. That I saw as of that the whole pattern was being woven (…).

Als Lammaschs bestimmende Motive bezeichnete Herron „(one) to save Austria; (two) (…) a very paternal feeling (…) toward the young Emperor (…)“.1987 Der ­Kaiser und Lammasch ­seien bemüht „to capture and use“, nicht aber „to serve the new order“. Sie versuchten, die Methode anzuwenden „by which Constantine adopted Christianity and destroyed it“. Besonders verwies Herron auf ihre Vorstellung „of 1985 Ebd. 1986 Ebd. 1987 Ebd.

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handing out in a paternal way (…) liberties of a kind to peoples, thereby binding them by better chains, chains with more gold even, to the throne“, dies sei „simply reactionism masquerading“. Sollten die Vereinigten Staaten darauf eingehen, so heiße das „that Austria wouldn’t be walking into the future, but America would be walking into the past“. Resümierend schrieb Herron über sein Gespräch mit Lammasch: Good man that he is, I couldn’t see that (…) there was anything that indicated he understood the programme which President Wilson had presented (…) of (…) making the world a world (…) of free, self-governing peoples. I couldn’t see that either he or the Emperor (…) had grasped that (…) it was only a somewhat glorified and yet no less masquerading and sordid self-preservation that they were seeking for. – We could take advantage of this situation and make separate peace with Austria. (…) but we would betray (…) the hopes of all these peoples (…) that are looking to us. (…) I came away with the feeling that this is a case of Satan appearing as an angel.1988

Lammasch schrieb über das zweite, am 4. Februar mit Herron geführte Gespräch: Am Montag trafen wir uns wieder (…), nur kam er diesmal insbesondere auf die südslawische Frage zu sprechen, in der er die Vereinigung der Südslawen Österreichs mit jenen Ungarns zu einem Verwaltungsgebiete (…) wünschte. Ich sagte ihm, daß auch bei uns sehr viele diesen Wunsch teilen, der aber bei den Magyaren auf größten Widerstand stoße. Vielleicht würde es auf der Friedenskonferenz eher gelingen, diesen Widerstand zu brechen, als jetzt, da wir (…) mit den Magyaren keinen Streit anfangen können. In Bezug auf Serbien forderte er natürlich den Zugang zum Meere (…). Amerika scheint sich nur für diejenigen zu interessieren, (…) denen gegenüber es gewisse Verpflichtungen übernommen zu haben scheint; zu diesen (…) dürften Rumänien und Rußland nicht mehr gehören. Deshalb wohl interessieren ihn (…) nur die Italiener und die Südslawen, von den Tschechen sprach er nicht.1989

Am 6. Februar depeschierte Hugh R. Wilson an Lansing, Herron habe den Eindruck, der ­Kaiser und Lammasch zielten mit dem vom letzteren unterbreiteten Vorschlag primär darauf ab, „to save and glorify Hapsburg dynasty and to establish a modernized Holy Roman Empire (…)“, der Vorschlag fordere einen Kompromiss mit dem Geist des Mittelalters. Wilson habe Herron dagegen erklärt „that what Emperor and Lammasch propose was in reality a great step in advance and that it was but hardly (…) possible to expect more at the present time“. Lammasch solle aber den K ­ aiser für 1988 Herron, Memorandum of Conversation 3. Feb. 1918, Encl. 2 zu Hugh R. Wilson an Lansing, 4. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 241 – 247, idem: Herron III A-1 item IV, Benedikt 1962. 232 – 236. 1989 Ebd.

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„whole measures and not half way ones“ gewinnen, die Gelegenheit für ­solche sei nur noch kurz gegeben. Er solle an ihn appellieren „to act on his own initiative and give liberty of choice to his subjects as an act of faith rather than relying on external pressure“. Herron habe auf L ­ ammaschs Frage, wie die Italiener der Monarchie behandelt werden sollten, geantwortet: Could not you create of the Irrendenta (sic!) an Italian province giving Trieste the university that it wants and giving this (…) province autonomy without string to it, asking it to remain within the Empire for short time but agreeing after five or ten years (…) to have a plebiscite to decide what they wish?1990

Entschlösse sich K ­ aiser Karl zu einem solchen Schritt, so wäre ihm der Beifall nicht nur Präsident Wilsons, sondern ganz Amerikas gewiss. Lammasch habe daraufhin versichert, er werde dies dem K ­ aiser klarmachen. Herron habe er gefragt, was den Präsidenten hindern könnte, auf Czernins Rede freundlich einzugehen; täte er dies, so wäre es dem K ­ aiser möglich, den dargelegten Plan zu verfolgen. Überdies könnte der Präsident damit vielleicht entscheidend darauf einwirken, ob die Deutschen die von ihnen geplante Offensive durchführten oder nicht. Hugh R. Wilson wies schließlich auf die Probleme hin, die sich bei der Realisierung von Lammaschs Plan ergeben könnten: Admitting that the Emperor is striving for the glorification of his dynasty, his manner of achieving this end is such that it would give to the subject races a far higher form of political freedom (…) and as great a measure of autonomy as many desire. It must be considered that the agreement by the Emperor to take this step (…) without being able to offer the hope of immediate peace as recompense will very possibly plunge his country into civil war with a foreign enemy with Irredentist dreams still on its flank. (…) As for the feasibility of the plan outlined by Lammasch, I fail to see how America can lose by a first declaration such as the Emperor desires. (…) It must be borne in mind, however, that the Emperor and Lammasch will encounter tremendous opposition which may be so strong as to render impossible the realization of any portion of their program.1991

Eine weitaus ausführlichere Version d ­ ieses sowie seines Berichtes vom 4. Februar sandte Hugh R. Wilson am 8. Februar 1918 an Lansing. Dabei teilte er mit, er habe Kenntnis von ­zwischen de Jong und Meinl gewechselten Telegrammen bekommen und übermittelte deren ins Englische übersetzte Texte. Der ins Deutsche rückübersetzte Wortlaut eines der Telegramme de Jongs lautet: 1990 Hugh R. Wilson an Lansing, Tel. 2582, 6. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 261 – 263. 1991 Ebd.

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Rechtsberater (Herron) ersucht mich Ihnen mitzuteilen, Sie sollten seiner persönlichen Meinung nach dem Generaldirektor (dem K ­ aiser) des Unternehmens an dem wir interessiert sind (der Monarchie) klarmachen, dass die Art, auf die er und seine Berater die Geschäfte führen, den Bankrott und die Auflösung des Konzerns zur Folge haben werde. – Im Augenblick biete sich die vielleicht nie wiederkehrende Gelegenheit, das Unternehmen zu reorganisieren und auf eine neue, kooperative Grundlage zu stellen. – Dies könne jedoch, so meint der Rechtsberater, nur erfolgen, wenn der Generaldirektor den Aktionären (den Nationalitäten) öffentlich erkläre, dass in Hinkunft sie das Unternehmen kontrollieren würden so wie die ­Inhaber von Schuldscheinen und von Vorzugsaktien (…). Diese Erklärung (…) müsse in allen Einzelheiten darlegen, auf ­welche Weise die einzelnen Zweige des Unternehmens zukünftig geführt würden: Die Befugnisse der örtlichen Leiter, die Art ihrer Auswahl und ihre Befugnisse in der zentralen Unternehmensführung müssten genau umrissen werden. – (…) Die Aktionäre haben das Vertrauen zum Generaldirektor und zum Vorstand (zur Regierung) v­ erloren. Andere Firmen (die Entente und die USA ) haben das Vertrauen ebenso verloren und bis ­dieses (…) wieder­hergestellt ist, können die Geschäftsbeziehungen (…) nur unter größten Schwierigkeiten fortgeführt werden. Der erste Schritt müsse es sein, die Zusammenarbeit mit den Aktionären h ­ erzustellen und deren Vertrauen zu gewinnen. Sei dies geschehen, so könne das Zutrauen der Firmen, die mit dem Unternehmen Geschäftsbeziehungen hatten, leichter gewonnen werden als dies jetzt der Fall sei. – Wir empfehlen wärmstens, dass der General­ direktor sich (…) auf das Vertrauen der Aktionäre verlasse und (…) alles offenlege. So wird er das Zutrauen und den Respekt der gesamten Geschäftswelt gewinnen und sich unter seinen Aktionären eine Position sichern, die jeder andere Unternehmensleiter mit Neid betrachten und bald nachzuahmen versuchen werde – Umstände, die Ihr Unternehmen und andere, an denen Sie interessiert sind, retten werden.1992

Meinl habe darauf geantwortet: „Geschaeft wird unser(er)seit(s) zu(v)erlaessig durchgefuehrt, was den (er)freulichen Effekt haben wird, dass andere General Versammlung analoges Geschaeft verlangt, wofuer wir derselben vorher Option gesichert haben koen(n)ten.“ 1993 Aus ­diesem Text wird nicht klar, ob Meinl den Sinn der Botschaft zur Gänze erfasst hat. Seine Worte „Geschaeft wird (…) zu(v)erlaessig durchgefuehrt“ wiesen aber darauf hin, dass in Wien alles den ersehnten Lauf nehme. Hugh R. Wilson teilte Lansing schließlich mit, Herrons mit Lammasch geführte Gespräche ­seien „to some extent“ dem französischen Botschafter und dem britischen Gesandten zur Kenntnis gekommen. Diese habe er, weil sie sonst jedes Vertrauen in seine „frankness“ verloren hätten, davon u ­ nterrichtet 1992 Die hier gegebene Rückübersetzung d ­ ieses Telegramms ins Deutsche divergiert von der Benedikts, die nur als verunglückt bezeichnet werden kann. Benedikt 1962. 244 – 245. 1993 Benedikt 1962. 244 – 245.

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„that an informal meeting was to take place and that Dr. Herron had consented to be present merely to report anything that Dr. Lammasch might want to say“, Herron aber nicht beauftragt sei, irgendeine Botschaft der US-Regierung zu übermitteln.1994 Die weiter oben zitierte, von Hugh R. Wilson am 8. Februar Lansing gemeldete Depesche de Jongs hatte Meinl gekürzt und entschärft schon am 3. Februar durch den im Kabinett des Außenministers tätigen Grafen Joseph von Walterskirchen mit den Worten zur Kenntnis Czernins gebracht: Trotzdem ich fürchte, daß derartige Mitteilung meinerseits als Störung empfunden werden, halte ich es für meine Pflicht, Euer Exzellenz von folgendem Telegramm zu benachrichtigen, das ich heute aus Bern erhielt: ‚Mein (de Jongs) Genfer Ratsmann (Herron) empfiehlt nach eingehender Besprechung mit seinem hiesigen Chef, daß Euer Generaldirektor aus eigener freier Initiative baldigst in Einzelheiten feierlichst bekannt gebe, wie künftiges Verhältnis sein wird ­zwischen Zentralverwaltung und Bezirksgruppen derartig, daß das ganze (Reich) auf kooperativer Grundlage reorganisiert (…) und in allen Bezirken das Vertrauen in die Generaldirektion wieder hergestellt werde. Bitte Bestätigung.’ – (…) Der Hauptsinn der Mitteilung ist der, daß, wenn nationale Autonomie für Oesterreich auf föderativer Grundlage prinzipiell und auch detailliert erklärt wird, sich für Amerika namentlich mit Bezug auf den Trento jede territoriale Auseinandersetzung mit Oesterreich erübrigen wird.1995

Das Ministerium des Äußern schlug offenbar eine von Meinl an de Jong zu richtende Antwort vor, denn Colloredo teilte Walterskirchen am 5. Februar mit: „Minister ist damit einverstanden, dass Depesche Meinl’s in vorgeschlagener Fassung abgehe.“ 1996 Sie lautete: „Gewünschte Reorganisation kommt unbedingt von selbst, da sie neuerliches Verlangen aller Beteiligten. Sie wird desto eher und leichter durchzuführen, je weniger Einfluß von außen.“ 1997 Lammaschs Mitteilungen an Herron bzw. dessen Berichte an Hugh R. Wilson sind höchst bemerkenswert – dass nämlich Czernin nicht zu trauen sei, er die preußische Mentalität habe, der K ­ aiser ihn vor die Wahl gestellt habe, die Rede vom 24. Jänner entweder zu halten und ihren Text zu übersenden oder zurückzutreten, dass der Minister dies auch versucht habe, von Deutschland aber daran gehindert worden sei und, nicht zuletzt, dass seine Rede lediglich „a pale and halting presentation of the way the Emperor wanted himself to have it said“ gewesen sei, der ­Kaiser diesbezüglich aber einer „force 1994 Hugh R. Wilson an Lansing, Tel. 2356, 8. Feb. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 82 – 105. 1995 Meinl an Czernin, Tel. o. Z., 3. Feb. 1918, HHStA PA I, 805 II/474 fol. 234 – 234v, Druck: Meisels 1961, 108 – 109, Walterskirchen an Colloredo, Schr. o. Z., 3. Feb. 1918, ebd. fol. 230 – 230v. 1996 Colloredo an Walterskirchen, Tel. o. Z., 5. Feb. 1918, ebd. fol. 229. 1997 Meinl an de Jong, Tel. o. Z., o. D., ebd. fol. 235.

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majeure“ gegenüber gestanden habe. Ob es sich bei diesen Eröffnungen um zur Beeindruckung Herrons verwendete Einfälle Lammaschs handelte, um Wiedergaben bzw. Interpretationen Lammaschs ihm vom K ­ aiser oder von der Kaiserin gemachter Mitteilungen oder aber um Klitterungen Herrons 1998, ist schwer zu entscheiden. Dass jedoch, Herron zufolge, Lammasch besonders hervorhob, der K ­ aiser werde „especially backed up“ von der Kaiserin, die er als „extraordinarily clever and forcible“ beschrieb, lässt vermuten, dass die Eröffnungen des Professors zumindest zum Teil auf solchen Äußerungen Allerhöchster Personen fußten. Darauf weist auch Lammaschs von ­Herron referierte Erklärung hin, der ­Kaiser habe sich einer „force majeure“ gegenübergesehen. Ähnliches pflegte der Monarch ja nicht selten vorzubringen, wenn es darum ging, eigene Entscheidungen post festum damit zu rechtfertigen, dass er sie gar nicht treffen wollte, „mit allen Mitteln dagegen gekämpft“ habe, aber „nichts zu machen“ gewesen sei.1999 In seinem nach dem Ende der Monarchie verfassten „Vineta-Fragment“ über den „unglückseligen Gewaltfrieden von Brest-Litowsk“, den Friedensvertrag mit Russland vom 3. März 1918, explizierte ­Kaiser Karl: „Wir sind daran ganz unschuldig, mußten ihn nolens volens mitunterschreiben.“ 2000 Interessant ist übrigens, dass weder im „Vineta-Fragment“ noch in den mit 8. September 1920 datierten Aufzeichnungen des Kaisers über den Zeitraum vom 21. November 1916 bis 24. März 1919 über Lammaschs Gespräche und Bemühungen irgendetwas erwähnt ist. Wohl aber heißt es in diesen Aufzeichnungen: Lammasch war ein schwarz-gelber Patriot mit gesunden föderalistischen Ideen, aber leider Professor à la Wilson, an den er wie an ein Evangelium glaubte. Er schwärmte von

1998 Darauf, dass Herron sich bei seinen Berichten nicht immer an die Wahrheit hielt, weist eine Tagebucheintragung Romain Rollands hin. Er referierte darin eine im Juni 1918 in der Berner Zeitschrift Stimmen der Vernunft erschienene „protestation indignée“ de Jongs gegen ein von Herron der Daily Mail gegebenes Interview über eine Besprechung mit dem deutschen Pazifisten Ludwig Quidde. De Jong sei Teilnehmer dieser Besprechung gewesen und schreibe nun, Herron habe nicht nur „violé l’intimité de cet entretien purement personnel“, sondern auch „entièrement faussé les conversations“. De Jong könne seine Verachtung dieser Lügen nicht genug zum Ausdruck bringen und richte sich an Wilson „pour lui demander de désavouer Herron, qui prétend agir et parler en son nom“. Rolland merkte zu Herrons Verhalten an: „C’est comme une rage (…) ils font des derniers pacifistes restés fidèles à leur foi des agents de leurs gouvernements impérialistes, afin de ruiner leur crédit à jamais.“ Rolland 1952, 1485. Sir W ­ illiam Wiseman schrieb 1918 an Arthur Murray: „I do not think you ought to take Herron too seriously. He is one of the many people who pose as an agent of the Administration with very little justification. It is ­rather amusing to hear that Herron has obtained the President’s sanction for his reports to be sent to A. J. B. (Arthur James Balfour) The President (…) probably (…) does not know that Herron is sending reports to anybody. House gets all Herron’s reports and (…) finds most of them rather nonsense.“ Wiseman an Murray 14. Sept. 1918, Link PWW 51. 1985, 10. 1999 Polzer-Hoditz 1929, 267. 2000 Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 318 – 336 Dok. 87a.

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­Selbstbestimmungsrecht der Völker, Völkerbund, 14 Punkten etc. (…) – Vielfach ist die Ansicht verbreitet, wenn ­Lammasch früher gekommen wäre, hätte er Österreich retten können; dies ist falsch, er war sicher ein sehr pflichttreuer Mann, aber dem Professor fehlte die für jede staatliche Umgestaltung so notwendige Energie (…).2001

In den Wilson Papers findet sich ein vom 10. Februar 1918 datiertes, von Außenminister Lansing verfasstes Memorandum, in dem Lammasch das volle Vertrauen ausgesprochen wird. In dem Schriftstück heißt es unter anderem: I knew Dr. Lammasch very well (…). – In fact my personal view is that Lammasch is entirely sincere in all that he says, that he believes that if his suggestions are followed, Austria will make peace regardless of Germany’s attitude, and that Austria would openly break with Germany if the latter refused to make peace along the lines laid down by the President. Whether the Emperor Karl would dare to do this or be able to resist the political power of the Austrian statesmen under German influence is open to serious question, but I am convinced that ­Lammasch firmly believes that he possesses the power.2002

Lansing schrieb auch: Furthermore we know from reports received (…) that the new Emperor was most democratic which he showed by abolishing many of the imperial and ancient formalities, even riding in civilian dress in the tram-cars to hear what the people were talking about. Everything that has come to us indicates a sincere purpose on his part to reestablish the Empire on democratic principles. All this fits in with the statements of Lammasch.2003

Welche Berichte Lansing an diese, wie Mamatey und ­später Meckling schrieben, an Harun al Raschid gemahnenden Einstellungen und Taten des jungen Kaisers 2004 glauben ließen, gab er in seinem Memorandum nicht preis. Am 15. November 1917 hatte er jedoch einen ihm wenig zuvor von George Talbot Odell zugegangenen Bericht an den Präsidenten weitergeleitet, der den Urgrund seines Glaubens klar erkennen lässt. Nach einem Artikel der New York Times über den Prozess gegen Edward Rumely, den Heraus­geber der New York Evening Mail, hatte Odell, der Korrespondent ­dieses Blattes in Berlin und Washington gewesen war, Botschafter Bernstorff nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen nach Deutschland begleitet. Nach drei Monaten in Berlin 2001 Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, ebd. pp 604 – 694 Dok. 213. 2002 Lansing Memorandum on (…) Lammasch, 10. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 315 – 316. 2003 Ebd. 2004 Mamatey 1957, 224 Anm. 189, Meckling 1969, 330.

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and sechs weiteren Monaten in Stockholm sei er nach New York zurückgekehrt und habe ein Manuskript mit sich gebracht, das Deutschland als unschlagbar, über unbeschränkte Ressourcen und eine zufriedene Bevölkerung verfügend darstellte. Rumely habe das Manuskript mit dem Bemerken nach Washington gesandt, dass es für die Regierung von Interesse sein könnte, deren „publicity expert“ aber habe es als ein „most beautiful piece of German propaganda“ bezeichnet.2005 Der Prozess gegen Rumely im Juli 1918 war wegen Meineids angestrengt worden: Entgegen seiner dem Alien Property Custodian gegebenen Erklärung, die Evening Mail sei in seinem Besitz, lagen nämlich Hinweise darauf vor, dass die Zeitung der deutschen Regierung gehörte.2006 In dem Lansing zugegangenen Bericht Odells hieß es: Mr. G. Sil-Vara (recte: Géza Silberer) of Vienna, a literary man with whom I had a previous acquaintance and whom I met again in Stockholm this summer, came to me about two days before I left that city. He had with him a letter signed by Count Czernin, Premier of the Austrian government, addressed to him, in which Czernin stated that he was exceedingly anxious that those in authority in the American government should have a clearer understanding of present political conditions in Austria and should know what changes have already occurred and what Emporer Karl is aiming to accomplish (…), but that under present circumstances it was practically impossible to communicate these things through diplomatic channels. (…) I may add that Mr. Sil-Vara offered to give me the letter from Czernin but I refused to accept it knowing that my papers would be examined in Halifax. I may also say (…) that I know that Mr. Sil-Vara is a Corp brother of ­Kaiser Karl and that he has long been a close personal friend of the Emporer. The message which Mr. Sil-Vara then gave me is as follows (…): – K ­ aiser Karl (…) desires to give his people a thoroughly democratic form of government. He has abolished all forms of monarchial oppression; he has done away with all the court forms which pertained to the old court regime. Great stress must be laid upon the fact that he is parading before the people (…) as a democratic sovereign because he believes that he can thereby show his people what democracy means, educating them by showing them the difference between monarchy and democracy in terms they can understand and that his open and almost violent espousal of democratic forms will help to weaken the strength of the monarchists who are still a powerful factor. The Emperor goes about a great deal in civilian clothes. He (…) mingles much with the crowds on the streets and rides on tramcars in order to hear what the people are saying. – The Emperor has insisted that the Austrian Diet shall pass the government bill abolishing political censorship. That bill is sure to be passed within the next few weeks. (…) The Emperor (…) wishes the American government to understand that he has the same ideals of democracy which animate President Wilson and the American people. He wishes the American government to know also that he is in a position to 2005 TNYT 5. Aug. 1918, 1. 2006 Ebd. 9. Juli 1918, 1.

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bring considerable pressure upon (…) the German government. The Emperor is of the opinion that (…) he, as the friend and ally of Germany, could (…) be a more potent factor in bringing about the acceptance of democratic reforms by the German government than the enemies of Germany could do through threats or otherwise. He has already exerted his influence (…) and he was confident that within the next weeks (…) the pressure which he could exert upon the German government would be still more potent. – Emperor Karl is anxious to do everything (…) to bring about an early termination of the war. Animated by this desire and a sincere wish to see the spread of democracy, he is seeking to gain a clear understanding of the aims of the American government and would be glad to be encouraged by the President to exert the full force of his influence upon his ally to secure the acceptance of those aims. – The above constitutes the message in as nearly the words of (…) Mr. Sil-Vara as I am able to give them. I may add that a few days later in Copenhagen, I was informed by (…) a Progressive Liberal member of the German Reichstag,2007 that the war aims resolution of the Reichstag of last July was (…) accepted largely through the influence of the Austrian government.2008

Es nimmt Wunder, dass ein Mann von der Erfahrung Lansings die Eröffnungen ­dieses von märchenhaften Passagen strotzenden Berichts für bare Münze nehmen konnte. Die Quelle, aus dem sie Odell zufolge sprudelten, der Schriftsteller Sil-Vara (d. i. Géza ­Silberer), war vor dem Kriege ständiger Mitarbeiter und London-Korrespondent der Neuen Freien Presse. In deren Auftrag verfasste er über seine Kriegserlebnisse von 1914/15 die Feldpostbriefe von einem Wiener Landsturmmann. Noch 1915 wurde er ins Kriegspressequartier kommandiert und arbeitete dort als Referent der Literarischen Gruppe; 1917/18 war er, weiter dem Ministerium des Äußern bzw. dessen Pressdepartment unterstellt, der Gesandtschaft in Stockholm als Pressereferent zugeteilt.2009 Dort stand er offenbar mit Korrespondenten großer Zeitungen in Kontakt.2010 Am 18. Februar 1918 übergab Mensdorff Czernins Kabinettschef Colloredo zwei Notizen, von denen die eine lautete: Sil Vara erzählt mir, er stehe im fortlaufenden freundschaftlichen Verkehre mit Mr. Prince, der Privatsekretär des amerikanischen Gesandten Morris in Stockholm und (…) Mitglied der amerikanischen Gesandtschaft daselbst ist. – Prince habe ihm wiederholt zu verstehen gegeben, er stünde zur Verfügung, um eventuelle Mitteilungen nach Washington zur Kenntnis Wilsons gelangen zu lassen (…).2011

2007 2008 2009 2010

Gerhart von Schulze-Gaevernitz. Lansing an Wilson 15. Nov. 1917, Beil.: Odell an Lansing 10. Nov. 1917, Link PWW 45. 1984, 55 – 56. ÖBL 12 2004, 261, Sil Vara Rilke im Kriegsarchiv, PT 1. März 1931, 2 – 3. Mensdorff, Notiz 2. Nov. 1917, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 52, s. auch: Sil-Vara an Czernin, 3. Dez. 1917, HHStA PL , 294 fol. 1 – 3. 2011 Zwei Notizen Gf. Mensdorff ’s 18. 2. 1918 über Unterredungen mit ‚Sil Vara‘, HHStA PA XL, 257 o. Fz.

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Diese Notizen wurden Czernin vorgelegt, was aus den mit Blaustift angebrachten Vermerken „20/2 18 Cz“ ersichtlich ist.2012 Sil-Varas Mitteilungen an Mensdorff können durchaus der Wahrheit entsprochen haben. Dass er jedoch einen Auftrag Czernins erhalten haben oder gar mit der Weiterleitung einer Message betraut worden sein könnte, ist mehr als unwahrscheinlich, der Inhalt des Berichtes Odells erweist dies als ausgeschlossen. In Wirklichkeit hatte Sil-Vara wohl, nicht ohne Wissen oder sogar im Auftrag des Pressdepartments, lediglich versucht, über Odell, der den deutschen Diensten vielleicht nicht fern stand, Lansing zu einer der Monarchie freundlicheren Haltung zu stimmen. Keineswegs auszuschließen ist, dass es sich bei dem Lansing übermittelten Bericht um eine Privataktion Odells handelte. Dessen Versicherungen, Sil-Vara sei ein „Corp brother“ und ein „close personal friend“ des Kaisers, waren sichtlich dazu bestimmt, seinem Bericht Gewicht zu verleihen. Fantasievoll sind auch die Schilderungen von Begebenheiten, die dem Außenminister zumindest aus den regelmäßigen Zusammenstellungen von Berichten österreichischer, ungarischer und deutscher Zeitungen nicht hätten verborgen bleiben können, so etwa, K ­ aiser Karl habe darauf bestanden, dass das österreichische Parlament „shall pass the government bill abolishing political censorship“. Dies trifft auch zu für die Eröffnung, der ­Kaiser wünsche der amerikanischen Regierung klarzumachen, dass ihn dieselben „ideals of democracy“ beseelten wie Wilson und das amerikanische Volk und dass er als Freund und Verbündeter Deutschlands „a more potent factor in bringing about the acceptance of democratic reforms by the German government“ sein könne als die Feinde Deutschlands „through threats or otherwise“.2013 De Jong erhielt am 16. Februar eine Nachricht über die Aufnahme, ­welche die von Herron angeregten Vorschläge Lammaschs bei ­Kaiser Karl gefunden hätten. Und zwar telegrafierte ihm Meinl: „Heinrich (Lammasch) hat für Vorschläge gute Aufnahme gefunden und auch Ihr an mich gerichtetes langes Telegramm zweiten Februars weitergegeben. (… Er) hält geschäftliches Abkommen mit Chef (Wilson) von Ratsmann (Herron) für sehr wahrscheinlich, bitte diesen benachrichtigen.“ 2014 De Jong depeschierte daraufhin „dringend“ an Lammasch: „Unser Freund würde sehr erfreut sein (zu) vernehmen, dass nach verabredetem ersten Schritt der zweite Schritt eurerseits folgen wird, dann wäre alles hoffnungsvoll.“ 2015 Abschriften beider 2012 Ebd. 2013 Sil-Vara schrieb übrigens für das 1918 von Werkmann, damals Leiter des Pressedienstes für die Ah. Herrschaften, herausgegebene Büchlein „Unser Kaiserpaar“ den Beitrag Kindheit, Jugend und Erziehung des Kaisers. Sil-Vara 1918, 1 – 23. Darin finden sich wohl die vom Herausgeber erwarteten Artigkeiten, aber keine märchenhaften Passagen. 2014 Meinl an de Jong, Tel. 691, 15. Feb. 1918 bzw. de Jong an Lammasch, Tel. 2979, 16. Feb. 1918, HHStA PA I, 805 II/474 fol. 225 bzw. 224, Druck: Meisels 1961, 119 – 120. 2015 Ebd.

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­ elegramme wurden von der Ministerialkommission im Kriegsministerium dem VerT treter des ­Ministeriums des Äußern zur Kenntnis gebracht. De Jong leitete Meinls Telegramm an Herron weiter und legte, wie Benedikt schrieb, ­diesem nahe, „sobald in Wien eine Entscheidung getroffen würde, Meinl aufzufordern, nach der Schweiz zu kommen“.2016 Herron teilte die Nachricht Hugh R. Wilson mit, welcher am 19. Februar Lansing in Kenntnis setzte und hinzufügte: „Telegram (…) appears to indicate that ­Lammasch found Emperor favorably disposed towards ideas advanced by Herron and that Lammasch considers peace through America highly probable.“ 2017 Ein von Meinl am 18. Februar an de Jong gesandtes Telegramm lautete: Ich hoffe, Sie haben das in Wien aufgegebene Telegramm vom 15. erhalten, ebenso mein heutiges von hier. Die Besprechung war einige Tage verzögert, weil der andere Teil (Kaiser Karl) abwesend war. Sie fand am 14. statt. Ich bin von ihr sehr befriedigt. Die Wiener Verlagsbuchhandlung (der ­Kaiser) geht auf die Offerte ein und wird nächstens Ihnen dies in aller Form bekannt geben. Ich hoffe auch die Umstände des Kompagnons (Deutschlands) werden nicht schaden. Das so lange erwartete Buch wird daher bald erscheinen können. Ich bitte davon Hermann (Herron) und Gum. (Gümligen, d. i. Muehlon) zu verständigen.2018

Die Zensurstelle Feldkirch kopierte auch diese Depesche und brachte sie zur Kenntnis des Ministeriums des Äußern. De Jong übermittelte den Text Herron und dieser, so wie er ihn interpretierte, Hugh R. Wilson: Because of absence of Emperor the conversation was delayed several days. It took place on the fourteenth and I am very well satisfied with it. The Emperor accepts Herron’s views concerning Austria’s future and will soon announce this formally. I hope that the intrigues of Germany will do no harm. The proclamation of the Emperor (granting autonomy to racial units) which has been expected for so long will therefore soon appear.2019

Hugh R. Wilson übersandte Herrons Nachricht am 1. März Lansing.2020 De Jong aber telegrafierte am 22. Februar an Meinl: „Telegramm mit Freude empfangen und weitergegeben. Es wäre vielleicht nützlich, falls Sie oder Heinrich nach Entscheidung wieder

2016 de Jong an Herron 18. Feb. 1918, Herron III A-1 item X, Benedikt 1962. 243. 2017 Hugh R. Wilson an Lansing, Tel. 2676, 19. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 388. 2018 Lammasch an de Jong für Herron, 18. Feb. 1918, HHStA PA I, 805 II/474 fol. 216, idem: Herron III A-1 item IX; Benedikt 1962. 243 – 244, unvollst.: Meisels 1961, 120. Die Gespräche z­ wischen Lammasch und Herron fanden im Schweizerischen Gümligen in der Villa von Johann Muehlon statt. 2019 Herron an Hugh R. Wilson, Herron III A-1 item IXA. 2020 Hugh R. Wilson an Lansing, Tel. 2749, 1. März 1918, Link PWW 46. 1984, 580 – 581 Anm. 1.

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hier kämen um Aufklärung geben. Ich weiss, dass die beiden ausgezeichneten Eindruck machten und dass ihr beider Wort Vertrauen weckt.“ 2021 Darauf, dass die von Meinl erwähnte „einige Tage verzögerte“ Besprechung mit dem ­Kaiser tatsächlich am 14. Februar stattfand, weist eine Notiz in Redlichs Tagebuch hin, in der es heißt: „(Lammasch) erzählte mir, dass er gestern (14. Februar) beim ­Kaiser gewesen, hat ihm mitgeteilt, was er mit dem amerikanischen Gesandten in Bern besprochen hat.“ 2022 Und Polzer-Hoditz schrieb: Als mich der K ­ aiser für den 14. Februar 1918 zur Audienz befahl (…) traf ich zu meiner Freude Hofrat Lammasch, der für fünf Uhr zur Audienz befohlen worden war. Er erzählte mir, daß er in der Schweiz war und mit einem Vertrauensmann, einige Tage darauf mit einem offiziellen Bevollmächtigten Wilsons gesprochen habe. Wir hätten es in der Hand, uns dem Frieden zu nähern, wenn wir eine Erklärung abgeben würden in bezug auf Abrüstung, Gewährung nationaler Autonomie und in bezug auf Belgien.2023

Am 27. Februar depeschierte Meinl an de Jong: „Ihr Telegramm erhalten und an Chef (Czernin) nach Rumänien sofort weitergeleitet. (…) Trachten Sie, dass Chef (Wilson) von Ratsmann (Herron) im günstigen Sinne respondiert, was einen weiteren grossen Fortschritt zum Frieden in Deutschland auslösen würde.“ 2024 Darauf antwortete de Jong am 1. März: Habe gestern Ratsmann besucht, der Fortschritt anerkannt und meint, günstige Antwort würde sehr erleichtert, wenn Heinrichs Vorschlag baldigst in aller Form ausgeführt. Ausserdem wäre wichtig, falls Sie versichern können, dass bei allgemeinen Verhandlungen auch östliche Fragen wieder behandelt werden können. Bitte Antwort auf beide Punkte.2025

Meinl antwortete am 4. März: „Nach Heinrichs Mitteilung Chef (Kaiser) für günstige Erledigung, hoffte auch Prokurist (Czernin) einverstanden. Personalveränderung nicht ausgeschlossen. Wiederbehandlung (östlicher Fragen) mit Rücksicht auf Kompagnon (Deutschland) zweifelhaft.“ 2026 Meinl konnte also über einen Fortschritt in der Sache der „proclamation of the Emperor“, abgesehen davon, dass dieser, Lammasch zufolge, für deren „günstige 2021 de Jong an Meinl, Tel. 4121, 22. Feb. 1918, HHStA PA I, 805 II/474 fol. 222, unvollst.: Meisels 1961, 120 – 121. 2022 Redlich TB-Eintr. 16. Feb. 1918, Fellner Corradini 2 2011, 379. 2023 Polzer-Hoditz 1929, 532, s. auch Eintragung 14. Feb. 1918 in Möller 1954, 109. 2024 Meinl an de Jong, Tel. 371, 27. Feb. 1918, HHStA PA I, 805 II/474 fol. 220. 2025 de Jong an Meinl, Tel. 2548, 1. März 1918, ebd. fol. 212. 2026 Meinl an de Jong, Tel. 502, 4. März 1918, ebd. fol. 217.

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­ rledigung“ sei, nichts berichten. Alle drei Depeschen brachte Alexander Pleasent ­Stovall, E der amerikanische Gesandte in Bern, am 8. März Lansing zur Kenntnis.2027 Eine Erklärung des Kaisers, dass er auf „Heinrichs Vorschlag“ eingehe, ließ jedoch auf sich warten. Am 6. März erhielt de Jong ein für Herron bestimmtes Telegramm Lammaschs, in dem es hieß: „Buchhandlungschef einverstanden, der Druckereileiter schwieriger, Compagnon verweigert Revision letzten Bogens.“ Eine Abschrift davon erhielt das Wiener Ministerium des Äußern bereits am nächsten Tag.2028 Stovall berichtete Lansing am 9. März, de Jong interpretiere ­dieses Telegramm Lammaschs so: „Emperor agrees with Herron’s proposals but Czernin (or perhaps Seydler (Ernst Seidler von Feuchtenegg, österr. Ministerpräsident)) is making difficulties. Germany refuses revision of last treaties“, nämlich der Friedensverträge mit der Ukraine und mit Russland. Stovall meldete auch, dass ihm de Jong folgenden Bericht zukommen ließ: „Very bitter struggle is going on in Vienna now, that Germany is very hostile towards Austria and fearful that Austria might take such an initiative as would put lead of European affairs into her hands rather than in Germany’s.“ 2029 Über die Protagonisten d ­ ieses „bitter struggle“ und worum es bei d ­ iesem konkret gehe, wusste de Jong offenbar nichts zu berichten. Stovall setzte Lansing zudem von de Jongs Meldung in Kenntnis, dass die schweizerische Post sich weigere, seine Telegramme weiterhin anzunehmen, wenn er nicht seinen Zifferncode bekanntgebe. Weil das nicht in Frage komme, sei dieser Weg in Hinkunft ungangbar.2030 De Jong wies Lammasch in einem (von der Zensurstelle Feldkirch dem Ministerium des Äußern zur Kenntnis gebrachten) Brief vom 15. März 1918 darauf hin, wie notwendig es sei, dass der K ­ aiser möglichst bald eine Erklärung im Sinne der mit Herron geführten Gespräche abgebe: Ich muss Ihnen leider im Namen meines Freundes Herrmann (Herron) mitteilen, dass die Ereignisse der letzten Wochen C(arl)’s Credit stark abgeschwächt haben. Die Zögerung mit Herausgabe Ihres Buches ist fatal. Es ist höchste Zeit für die Erscheinung. (…) – Ich kann Ihnen nicht energisch genug versichern, wie die Verträge von B(rest)-L(itowsk) und Bukarest 2027 Stovall an Lansing, Tel. 2811, 8. März 1918, Link PWW 46. 1984, 580 – 581. 2028 Lammasch an de Jong für Herron, Tel. 502, 6. März 1918, HHStA PA I, 805 II/474 fol. 218, idem: Herron III A-1 item XVI. 2029 Stovall an Lansing, Tel. 2818, 9. März 1918, Link PWW 46. 1984, 589 – 590. 2030 Ebd. – Rauchensteiner schrieb Lammasch und Wilson 1993 und gleichlautend 2013 diesen und auch den Heutigen verborgen Gebliebenes zu. Er erklärte: „Karl hatte tatsächlich noch einmal versucht, Gespräche mit den Amerikanern zu beginnen, und sich dabei an Heinrich Lammasch gewandt. Der tat, was von ihm verlangt wurde, und brachte den gewünschten Kontakt zustande. In der Tat reagierte Präsident Wilson auch damit, daß er eine konziliante Interpretation seiner 14 Punkte und vor allem des Punkts 10 vornahm.“ Rauchensteiner 1993, 554, Rauchensteiner 2013, 934.

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das Misstrauen vermehrt haben. Es ist entsetzlich, wie man jetzt über Ihr Land und dessen Bundesgenossen hier spricht. Nur eine baldige Befolgung der Unterredung mit Herrmann kann noch Hilfe bringen.2031

Das Warten auf eine Erklärung des Kaisers erwies sich als vergeblich. Lammasch gab seiner Enttäuschung darüber in einem vom 3. Mai datierten Brief so Ausdruck: Die Verbindungen mit dem Chef des Grosshandlungshauses (dem K ­ aiser), von denen ich Ihnen im vorigen Sommer Andeutungen machte, haben seit einiger Zeit für mich aufgehört. War schon der frühere Prokurist (Czernin) mir durchaus nicht hold, so wird es der neue (Burián) aller Wahrscheinlichkeit nach noch weniger sein. Und der Chef selbst ist dadurch, dass allerlei Spekulationen ihm misslungen sind, sehr verstimmt und verzagt. Auch das Haus Meinl ist von ­diesem Wandel nicht unberührt geblieben.2032

Mit den Worten „allerlei Spekulationen“ bezog sich Lammasch zweifellos auf die Briefe an Sixtus, deren Bekanntwerden und die hieraus erwachsenen Folgen.2033 Weshalb das „so lange erwartete Buch“ bzw. die „proclamation“ ­Kaiser Karls nie das Licht des Tages erblickte, vermeinte Herron nach dem Krieg aus einer Mitteilung Prinz Ludwig Windischgraetzs, den er als „Austro-Hungarian Foreign Minister“ bezeichnete, erkennen zu können. Das Dekret „reconstituting the Austro Hungarian Empire“ sei nach Lammaschs Plan erstellt und dem ­Kaiser von Windischgraetz vorgelegt worden. Er und Lammasch hätten seine Unterzeichnung erwartet: But the Emperor delayed from hour to hour, and finally asked for two days’ longer delay. Meanwhile, Czernin had discovered (…) that something had taken place on the occasion of (…) Lammasch’s visit to Berne, and suspected the nature of our conversations. He hurried with his suspicions to Berlin. And Berlin served what was practically an ultimatum on Vienna. K ­ aiser Karl wavered, and then failed. The Decree was not signed, the letter to the Pope not written, the golden bridge not built.2034

2031 de Jong an Lammasch, Brief 15. März 1918, HHStA PA I, 805 II/474 fol. 201. 2032 Lammasch an Lange, Brief 3. Mai 1918, ebd. fol. 163. 2033 Kovács meinte 2005, Ks. Karls „Konzept, zusammen mit Papst Benedikt XV. den allgemeinen Frieden zu vermitteln und sich mit Hilfe der USA bei Friedensverhandlungen vom deutschen Waffenbruder zu trennen“, sei „vom eigenen Außenminister durch die sogenannte ‚Sixtusaffäre‘ zerstört“ worden. In Anbetracht des oben Dargestellten und des Faktums, dass weder der ­Kaiser selbst noch Lammasch je etwas über ein solches „Konzept“ verlauten ließen, ist dies eine einigermaßen verwunderliche Aussage. Kovács 2005, 61. 2034 Herron in: Lammasch Sperl 1922, 195.

Wilson antwortet – Czernin und Hertling replizieren

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Mit dem Wahrheitsgehalt dieser Geschichte verhält es sich zweifellos so wie mit dem der Erklärung, der Prinz sei Minister des Äußern gewesen. Zum fraglichen Zeitpunkt war Windischgraetz Chef des ungarischen Ernährungsamtes und Minister ohne Portefeuille, im Ministerium des Äußern war er erst vom 24. Oktober bis zum 2. November 1918 tätig, und zwar als politischer Sektionschef extra statum.

6.5

Wilson antwortet – Czernin und Hertling replizieren

Wilson beabsichtigte, zu den Reden Czernins und Hertlings vom 24. Jänner 1918 im Kongress Stellung zu nehmen. Sir William Wiseman setzte davon am 4. Februar Balfour sowie dessen Privatsekretär Drummond in Kenntnis und depeschierte unter anderem: He wants to take the heart out of the German offensive by showing that German Government are sacrificing their soldiers for conquest, and (…) are not fighting a defensive war. He would say all questions at issue must be settled on basis of common sanction of all belligerents and not between any two. He remarked that as far as he was concerned he would not allow Ireland to be dragged into a Peace Conference. (…) He is anxious to reaffirm most strongly the doctrine ‚No annexations and no punitive indemnities‘, with (he says) the accent on ‚punitive‘. He proposes to point out the difference between Austrian and German aims, and say he would listen to any proposal from Austria but it would have to be made in public. (…) This would not be intended as offer of separate peace between America and Austria, but as the United States leading the way to a separate peace between Austria and the Allies. – (…) I pointed out the danger of Germany purposely misinterpreting ‚No annexations‘ and accepting it as an offer to return to the statu quo. Also there might be some danger in publicly offering separate peace to Austria owing to Italians who might consider such peace would be made at their expense. He took the first point, but is not very sympathetic to Italian aims.2035

Eine daraufhin am 7. Februar abgesandte Depesche Balfours an Colonel House zeigt, dass man sich in London von einer neuerlichen Botschaft Wilsons große Wirkungen auf Österreich-Ungarn und sogar dessen Ausscheiden aus dem deutschen Bündnis versprach. Balfour bat House, dem Präsidenten das Folgende „as a personal message“ zu übermitteln: Die britische Regierung habe von einer „source in touch with Count Czernin“ folgende Information erhalten:

2035 Wiseman an Balfour u. Drummond, Tel. 49, 4. Feb. 1918, Fowler 1969, 259 – 262, idem: Link PWW 46. 1984, 247 – 250.

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Czernin is understood to be in favor of a separate peace but wishes to find a pretext for breaking with Germany such as that his hand has been forced by the Austrian nation. (…) The Emperor (…) himself is in favor of a speedy peace as he fears the red wave. (…) If Austria could be given to understand that in concluding a separate peace she would obtain from America the financial assistance which is absolutely indispensable to her, public opinion would be strong enough to impose such a peace even on partisans of a ‚war to the end‘. (…) This is the first authentic suggestion we have received that Austria is contemplating the possibility of a separate peace. (…). If they are willing to do so I would (…) suggest that while on one hand it is important that Count Czernin should not feel his message has been ignored so on the other hand no haste should be shown in coming to closer quarters with Austrian negotiators. All our accounts go to prove that the condition of Austria is very bad not merely economically but socially (…) this will probably combine with and reinforce (South) Slav, Bohemian and Polish National aspirations which are threatening the unity of the (…) Empire.2036

Weiters hieß es in Balfours Telegramm auch: „We know by experience that mere rumour of negotiations in Vienna on the basis of an undivided Austria not only causes great alarm in Italy but is at once used by Austrian diplomats as a proof that the Entente has abandoned the cause of all the subject nationalities under the Hapsburg rule (…).“ 2037 Am selben Tag sandte Colonel House durch Gordon Auchincloss ein Memorandum William Christian Bullitts an Wilson, welches die durch die Streiks in Deutschland geschaffene Lage anhand deutscher Zeitungen darstellte. Bullitt schrieb darin höchst kritisch über die Erklärung des Supreme War Council vom 2. Februar: No blow at the German Socialists, no blow at world liberalism, has ever been better timed than that declaration. No words have ever been more welcome to the German Government. (…) And unless the President shall deliver another great liberal statement before the meeting of the Reichstag, the German annexationists may well succeed in their present attempt to discredit the Socialists (…).2038

Antworte Wilson auf Hertlings und Czernins Reden „in the most liberal spirit“, so könne er den Effekt der Erklärung des Supreme War Council aufheben, „he might produce another revolt of the weary, disillusioned Viennese proletariat and in consequence, a great renaissance of the strike spirit in Germany“.2039 2036 Balfour an House (= Drummond an Wiseman), Tel. 49, 7. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 271 – 272. 2037 Ebd. 2038 Auchincloss an Wilson 7. Feb. 1918 mit Anh. Bullitt, Memorandum for Colonel House 7. Feb. 1918, ebd. pp 265 – 268. 2039 Ebd.

Wilson antwortet – Czernin und Hertling replizieren

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Wilson nahm schließlich zu Czernins und Hertlings Reden am 11. Februar in einer gemeinsamen Sitzung der beiden Häuser des Kongresses Stellung. Czernin sehe in den 14 Punkten „a sufficiently encouraging approach to the views of his own Government to justify him in believing that it furnishes a basis for a more detailed discussion of purposes by the two Governments“. Hertlings Antwort dagegen sei „very vague and very confusing (…) full of equivocal phrases and leads it is not clear where“, seine „acceptance of our general principles“ führe ihn zu keinerlei „practical conclusions“. Dazu erklärte Wilson: „The method the German Chancellor proposes is the method of the Congress of Vienna. We cannot and will not return to that. (…) What we are striving for is a new international order based upon broad and universal principles of right and justice, – no mere peace of shreds and patches.“ 2040 Die beiden Mächtegruppen müssten „join in the settlement of every issue anywhere involved in it; because what we are seeking is a peace that we can all unite to guarantee and maintain and every item of it must be submitted to the common judgment whether it be right and fair, an act of justice, rather than a bargain between sovereigns.“ 2041 Anders als Hertling scheine Czernin die Grundlagen eines künftigen Friedens zu erkennen: He sees that an independent Poland, made up of all the indisputably Polish peoples (…) must of course be conceded; that Belgium must be evacuated and restored (…) and that national aspirations must be satisfied. (…) If he is silent about questions which touch the interest (…) of his allies more nearly than they touch those of Austria only, it must (…) be because he feels constrained, I suppose, to defer to Germany and Turkey (…).2042

Wilson nannte schließlich vier Prinzipien, nach denen bei Friedensgesprächen vorgegangen werden müsse: First, that each part of the final settlement must be based upon the essential justice of that particular case and upon such adjustments as are most likely to bring a peace that will be permanent; – Second, that peoples and provinces are not to be bartered about from sovereignty to sovereignty as if they were mere chattels and pawns in a game (…); but that – Third, every territorial settlement (…) must be made in the interest and for the benefit of the populations concerned, and not as a part of any mere adjustment or compromise of claims amongst rival states; and – Fourth, that all well defined national aspirations shall be accorded the utmost 2040 Wilson, Rede vor dem Kongress 11. Feb. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 108 – 113, idem: Link PWW 46. 1984, 318 – 324. 2041 Ebd. 2042 Ebd.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

­satisfaction (…) without introducing new or perpetuating old elements of discord and antagonism that would be likely in time to break the peace of Europe and consequently of the world.2043

Bis ein auf diesen Grundlagen geschlossener Frieden erreicht sei, bleibe keine andere Wahl als den Krieg fortzuführen.2044 Czernin suchte das Wohlwollen, das seine Rede vom 24. Jänner 1918 bei Wilson hervorgerufen hatte, durch eine Antwort auf die genannten vier Prinzipien zu befestigen. Eine entsprechende, vom K ­ aiser unterzeichnete und formal an den spanischen König Alfons gerichtete Note wurde am 17. Februar mit der Weisung an Botschafter Karl Emil Prinz zu Fürstenberg in Madrid gesandt, sie dem König zur Vermittlung nach Washington zu übergeben. Ihr waren folgende Worte ­Kaiser Karls an den König vorangesetzt: Die öffentlichen Reden des Herrn Wilson einerseits und des Grafen Czernin andererseits haben die europäische Lage wesentlich geklärt und die wichtigsten strittigen Punkte auf ein gewisses Minimum reduziert. Es scheint mir somit der Augenblick gekommen zu sein, in welchem eine direkte Aussprache ­zwischen einem meiner Vertreter und einem Vertreter Herrn W ­ ilsons die Situation dermaßen klären könnte, daß einem Zusammentritte eines Weltfriedenskongresses nichts mehr im Wege stünde. – Deine (…) so unendlich großherzige Intention, (…) den Friedensbestrebungen Deine mächtige Unterstützung zu leihen, veranlaßt mich, die Bitte an Dich zu richten, auf streng geheime Weise nachfolgende Message an Präsident Wilson gelangen zu lassen.

Die Note selbst lautete: In seiner Rede vom 12. (recte: 11.) Februar hat der Herr Präsident (…) vier Grundprinzipien als Vorbedingung einer zu erhoffenden Einigung aufgestellt. Meine Stellung zu diesen vier Grundsätzen kann ich folgendermaßen kennzeichnen. – Im Punkt 1 verlangt der Herr Präsident (…), ,daß jeder Teil einer endgültigen Vereinbarung auf der Gerechtigkeit in dem bestimmten Fall und auf einem solchen Ausgleiche aufgebaut sein muß, von dem es am wahrscheinlichsten ist, daß er einen Frieden, der dauernd ist, herbeiführen wird’. Diesen Leitsatz nehme ich an. (…). – Punkt 2 und 3 gehören zusammen und besagen, ,daß Völker und Provinzen nicht von einer Staatsoberhoheit in eine andere herumgeschoben werden, als ob es sich lediglich um Gegenstände oder Steine in einem Spiele handelte, (…) daß jedoch jede Lösung einer 2043 Ebd. 2044 Ebd. Nichts weist darauf hin, dass Wilson, wie Meckling schrieb, zu seiner Antwort weniger durch die „Politik des Ballhausplatzes als vielmehr (durch) die Meldung (…) Herrons über Mitteilungen von Professor Lammasch“ bewogen worden wäre. Meckling 1969, 327.

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­Gebietsfrage (…) im Interesse und zu Gunsten der betroffenen Bevölkerungen (…) getroffen werden müsse’. – Die Gebietsfrage wird sich, wie ich glaube, sehr einfach lösen lassen, wenn alle Staaten ausdrücklich erklären, daß sie auf Eroberungen und Kriegsentschädigungen verzichten. (…) Ist der Herr Präsident (…) bemüht, seine Verbündeten auf dieser Basis zu ralliieren, so wird Österreich-Ungarn alles tun (…), um seine Verbündeten zu dem gleichen Schritte zu bewegen. (…). Das Prinzip muß jedoch bleiben, daß (…) der Besitzstand aller Staaten vor dem Kriege als Maßstab gilt. – Punkt 4 (…) – Auch dieser Satz ist (…) akzeptierbar. Ich lege selbstverständlich ebenfalls das allergrößte Gewicht darauf, daß eine Neuregelung der Verhältnisse in Europa die Gefahr künftiger Konflikte nicht vergrößert, sondern verringert. Die loyalen Worte, w ­ elche der Herr Präsident (…) gesprochen hat als er sagte, ,daß die Vereinigten Staaten es gerne hinnehmen werden, wenn man ihnen verständlich macht, daß Lösungen, die sie vorgeschlagen haben, nicht die besten oder dauerhaftesten sind’, erweckt in mir die volle Hoffnung darauf, daß wir uns auch in diesen Fragen einigen können (…). Wir werden (…) den vollgültigen Beweis zu erbringen in der Lage sein, daß es nationale Ansprüche gibt, deren Befriedigung weder eine gute und dauerhafte noch auch eine den Wünschen der dadurch betroffenen Völker entsprechende Lösung (…) darstellen würde, wie wir dies (…) bezüglich der nationalen Ansprüche Italiens auf das von Italienern bewohnte österreichische Gebiet mit einer Unzahl von (…) Willensäußerungen der Bevölkerung d ­ ieses Teiles der Monarchie zu beweisen in der Lage sind. (…). – In dem (…) Prinzipe des vollkommenen Verzichtes auf Annexionen erscheint die geforderte vollständige Freigabe Belgiens natürlich ebenfalls mitinbegriffen. Alle anderen Einzelfragen (…) lassen sich in einer vorbereitenden Diskussion gewiß klären (…). – Das zweite Hauptprinzip (…) besteht in der unbedingten Vermeidung eines künftigen Wirtschaftskrieges. Ich stimme dem voll und ganz bei. – Bezüglich des dritten Hauptprinzipes (…) besteht ­zwischen dem Herrn Präsidenten und mir ebenfalls keinerlei Meinungsverschiedenheit. – Ich glaube (…) daß z­ wischen den vom Herrn Präsidenten (…) aufgestellten Grundsätzen einerseits und meinen Anschauungen anderseits jener Grad von Übereinstimmung vorhanden ist der nötig ist, um von einer direkten Aussprache ein Resultat erhoffen zu können, und daß eine s­ olche Aussprache die Welt dem (…) heißersehnten Frieden wesentlich näher bringen könnte.2045 2045 Ks. Karl an Fürstenberg für Alfons XIII . zur Weiterltg. an Wilson, Tel. 66 u. 67 – 69, 17. Feb. 1918, HHS tA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 41 – 44v, Druck: Nowak 1921, 431 – 433 (unvollst.), Kovács 2 2004, 296 – 299 Dok. 81, Übers. ins Engl.: Span. Botschaft Washington an Wilson von Alfons XIII. 25. Feb. 1918, Seymour 3 1928, 393 – 395, Link PWW 46. 1984, 440 – 442. – Folgt man einer von BrookShepherd wieder­gegebenen Erklärung Exkaiserin Zitas, so sei der mit dieser „Message“ hergestellte „neue geheime Kontakt auf höchster Ebene (…) ausschließlich eine Idee des Kaisers“ gewesen. Czernin habe, „genau wie bei der Sixtus-Affäre, den Text und den Ton des Gedankenaustausches stets in Richtung auf größere Härte und nicht auf Ausgleich, (…) auf Unbestimmtheit statt auf Präzision“ beeinflusst. Brook-Shepherd 1968, 163 – 164. In den vorhandenen Akten finden sich in Bezug auf keine dieser Behauptungen Zitas irgendwelche Hinweise darauf, dass sie nicht bloße Behauptungen wären.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Czernin hielt es offenbar für durchaus möglich, dass Wilson auf den Vorschlag von direkten Gesprächen eingehe, denn er wies Fürstenberg am 19. Februar an: „Falls Herr Wilson auf den Vorschlag (…) eingeht (…) so möge er Jemanden auswählen, der französisch oder deutsch spricht, da ich englisch nicht genügend für eine sachliche Konversation beherrsche.“ 2046 Fürstenberg meldete am 22. Februar: „In der gestern 21. d. M. stattgehabten Audienz habe ich (…) Message Seiner Majestät überreicht. Seine Majestät (…) wird Weiterleitung an Herrn Wilson veranlassen.“ 2047 Und tags darauf depeschierte er folgende Mitteilung des Königs für K ­ aiser Karl: „Deinem Wunsche gemäss übermittle Ich Meinem Botschafter in Washington Deine Message an den Präsidenten (…).“ 2048 Sektionschef Müller leitete das Telegramm zur „Vorlage an Seine (…) Majestät“ an Demblin weiter und setzte davon Czernin in Kenntnis.2049 Am 23. Februar berichtete Fürstenberg ausführlich über seine geheime Audienz zwei Tage zuvor: Als ich Seine Majestät (…) über den Zweck meines Erscheinens (…) aufklärte, schien Höchstderselbe mir etwas betroffen. Ich las hierauf die Depesche vor, einige Stellen (…) übersetzend und erläuternd. Je weiter die Lektüre gelangte, desto mehr gewann ich den Eindruck, dass die Seiner Majestät (…) etwa aufgestiegenen Bedenken sich nach und nach zerstreuten. Als ich zum Schlusse gelangt war, erklärte sich der König mit Freude bereit, die Uebermittlung der (…) Message zu übernehmen, ersuchte mich jedoch auch darauf aufmerksam zu machen, dass seinen Erfahrungen gemäss bei der im Weissen Hause herrschenden Disziplinlosigkeit Indiskretionen und Filtrationen in die Presse zu befürchten ­s eien (…). – König Alfons stellte mir auch die Frage, ob (…) der Schritt K ­ aiser Karls mit Zustimmung des deutschen Kaisers und der deutschen Regierung erfolgt ist, was von eingreifender Bedeutung wäre.2050

Müller leitete die Depesche an Czernin weiter und bat „um Weisung, ob und wie Prinz Fürstenberg hinsichtlich der (…) Anfrage des Königs (…) zu instruieren ist“. Czernins Antwort ist auf dem Telegramm vermerkt: „Geheim. Deutsche wurden post festum verständigt.“ 2051

2046 Czernin an Fürstenberg, Tel. 71, 19. Feb. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 53. 2047 Fürstenberg an Czernin, Tel. 86, 22. Feb. 1918, ebd. fol. 61, Weiterltg. an Ks. Karl: Müller an Demblin, Tel. 36, 23. Feb. 1918, HHStA PA XL, 262 o. Fz. 2048 Fürstenberg an M. d. Ä., Tel. 88, 23. Feb. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 57. 2049 Müller an Demblin u. Czernin, Tel. 40 bzw. 39, 25. Feb. 1918, ebd. fol. 63. 2050 Fürstenberg an M. d. Ä., Tel. 89, 23. Feb. 1918, ebd. fol. 58 – 58v. 2051 Müller an Czernin, Tel. 55, 26. Feb. 1918, ebd. fol. 67 – 67v.

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Die Message des Kaisers wurde durch den spanischen Botschafter in Washington am 26. Februar Wilson überreicht.2052 Colonel House notierte darüber in sein Tagebuch: The President said he had difficulty in composing his face and in trying to look surprised. – He has written a memorandum in reply to Emperor Charles which he read to me last night and which I thoroughly approve. It is non-committal and seeks further information. – No one can know the amount of discussion the President, Lord Reading,2053 Sir William Wiseman, Lansing, Gordon (Auchincloss) and I have had concerning what action the President should take (…), and what attitude he should assume toward the Entente in regard to it.2054

Wilson hatte deshalb „difficulty (…) in trying to look surprised“, weil ihm die Note schon bekannt war – sie war nämlich von der Intelligence Division des britischen Admiralty War Staff aufgefangen worden. Botschafter Page hatte ihren Text schon am 20. Februar an Lansing übermittelt und dazu ausgeführt: It should be observed that the Emperor Karl’s message is to be communicated in writing to the King of Spain, which makes it appear certain that it is sent with the knowledge and approval of the German Government. – The Emperor Karl proposes preliminary discussions without mentioning terms, in anticipation of a final world’s peace conference. This is what the Germans have aimed at from the beginning, notably, the encouragement of attempt last September, also through Madrid, to bring about preliminary discussions with the British authorities without the knowledge of Great Britain’s allies.2055

Und wenig ­später depeschierte Page: The Austro-Hungarian Minister of Foreign Affairs has sent the (…) supplementary message to the Ambassador at Madrid: If Mr. Wilson assents to the (…) proposal and sends a representative to discuss matters with me he should send some one who speaks either French or German as I do not know English well enough to discuss such weighty matters.2056

Auch diese Depesche war also aufgefangen worden. Am 26. Februar berichtete ­Wiseman an Drummond: 2052 Span. Botschaft (Kg. Alfons) an Wilson 25. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 440 – 442 (Engl. Übers.). 2053 Seit Jän. 1918 brit. Botschafter in Washington. 2054 Edward Mandell House, TB-Eintr. 26. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 467 – 468, auszugsweise: Seymour 3 1928, 385 – 386. 2055 Walter Page an Lansing, Tel. 8748 u. 8749, 20. Feb. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 126 – 128. 2056 Walter Page an Lansing, Tel. 8764, 21. Feb. 1918, ebd. pp 128 – 129.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

A message was delivered yesterday afternoon to Adramyti (Wilson) by Spanish Ambassador practically identical with the intercepted one (…). Adramyti thinks he ought not to delay answer. Adramyti and Brussa (House) are inclined to encourage further discussion. I have begged them to await your view, pointing out that Berlin may know of Vienna’s action and the danger of being drawn into a conference (…).2057

Auch auf deutscher Seite hielt man es für angebracht, sich zu Wilsons vier Prinzipien zu äußern. Hertling tat dies am 25. Februar in einer Rede vor dem Reichstag. Am Vortag meldete Hohenlohe nach Wien: „Ich habe heute eine längere Unterredung mit dem Reichskanzler über seine morgige Rede gehabt und ihm hiebei nochmals eindringlichst wiederholt was ich kürzlich Herrn von Kühlmann auseinandergesetzt habe.“ 2058 Der Kanzler habe sich zu der Ansicht bekannt, dass es wünschenswert sei, noch vor Beginn der Offensive im Westen in Verhandlungen mit den Westmächten einzutreten. Im Telegramm Hohenlohes hieß es weiter: Auf meine dringende Bitte, dies doch durch eine klare Bezeichnung der deutschen Kriegsziele speziell bezüglich Belgiens zu ermöglichen, erwiderte Hertling, er werde (…) unzweideutig erklären, dass Deutschland nicht daran denke, Estland und Livland zu behalten (…), was Belgien anbelange, so werde er auch hierüber deutlicher als bisher reden. Auf meinen Vorschlag, die Wiederherstellung Belgiens unter bestimmten namentlich anzuführenden Bedingungen klipp und klar auszusprechen, wollte Hertling nicht ganz eingehen. (…) Hertling ist (…) auf jeden Fall entschlossen, so klar zu sprechen, dass er nicht missverstanden werden kann. (…) – Wenn Hertling seine Rede nicht nicht im letzten Augenblick noch abschwächt, so glaube ich doch, dass seine Enunziationen morgen bestimmter klingen werden als bisher, wobei ich allerdings die Befürchtung nicht unterdrücken kann, dass dies noch immer nicht bestimmt genug sein wird.2059

In seiner Rede nahm Hertling zunächst Bezug auf eine Äußerung des liberalen britischen Unterhausmitgliedes Walter Runciman, dass man „dem Frieden weit näher käme, wenn (…) Vertreter der kriegführenden Mächte sich in engerem Kreise zu einer gegenseitigen Aussprache vereinigen wollten“. Dazu erklärte der Kanzler: Ich kann dem nur zustimmen. Es wäre der Weg, alle die vielen gewollten und ungewollten Mißverständnisse auszuräumen und unsere Gegner zu nötigen, unsere Worte so zu nehmen, wie sie gemeint sind, und auch ihrerseits mit der Sprache herauszurücken. (…) Eine 2057 Wiseman an Drummond, Tel. 60, 26. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 464. 2058 Hohenlohe an Czernin, Tel. 123, 24. Feb. 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Berlin o. Fz. 2059 Ebd.

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­ useinandersetzung im engen Kreise würde zudem allein zu einer Verständigung über die A vielen Einzelfragen führen können (…) deren Erledigung erst den Ausgleich wirklich herbei­ führen kann.2060

Er denke dabei besonders an die deutsche Position zu Belgien: Zu wiederholten Malen ist von dieser Stelle aus gesagt worden, daß wir nicht daran denken, Belgien zu behalten, (…) daß wir aber (…) vor der Gefahr behütet bleiben müssen, daß das Land (…) zum Gegenstande oder zum Aufmarschgebiet feindlicher Machenschaften würde. Über die Mittel, ­dieses Ziel zu erreichen und damit dem (…) Weltfrieden zu dienen, sollte in einem derartigen Kreise verhandelt werden.2061

Einstweilen scheine es aber nicht, dass Runcimans Anregung auf offene Ohren stoßen könnte, und so müsse er, Hertling, „die bisherige Methode des Dialogs (…) beibehalten“. Die Botschaft Wilsons vom 11. Februar jedoch stelle einen Schritt zur Annäherung dar. Allen der in ihr genannten vier Prinzipien könne er „grundsätzlich beistimmen“ und erklären, „daß ein allgemeiner Friede auf solchen Grundlagen erörtert werden kann“. In Bezug auf die Kriegsziele erklärte Hertling, Deutschlands Ziel sei „von Anfang an die Verteidigung des Vaterlandes gewesen, die Aufrechterhaltung unserer territorialen Integrität und die Freiheit unserer wirtschaftlichen Entwicklung (…). Unsere Kriegsführung, auch wo sie aggressiv vorgehen muß, ist ihrem Ziele nach defensiv.“ 2062 Dies betone er, um keine Missverständnisse über die eben wieder aufgenommenen Operationen im Osten aufkommen zu lassen: „Nach dem Abbruch der Friedensverhandlungen seitens der russischen Delegation am 10. d.Mts. hatten wir Rußland gegenüber freie Hand. Der (…) Vormarsch unserer Truppen hatte lediglich den Zweck, uns die Früchte des mit der Ukraine geschlossenen Friedens zu sichern.“ 2063 Hertling fuhr fort: Gestern (…) ist die Nachricht eingetroffen, daß die Petersburger Regierung unsere Friedensbedingungen angenommen und Vertreter zu weiteren Verhandlungen nach Brest-Litowsk abgesandt hat. (…Der) Friedensschluß muß in kürzester Zeit erfolgen.2064

2060 Verh. RT. 13. Leg.-Per., 133. Sitzg. pp 4140 – 4148. 2061 Ebd. 2062 Ebd. 2063 Ebd. 2064 Ebd.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Polen sei durch die Mittelmächte „befreit worden, mit der Absicht, einen selbständigen Staat ins Leben zu rufen, der (…) ein Pfeiler für den Frieden Europas werden solle“. Deutschland werde von dem neuen Polen „nur das aus militärischen Gründen Unerläßliche“ fordern. Aus seinen Ausführungen ergebe sich, dass der „Frieden an der gesamten Ostfront (…) in greifbare Nähe gerückt“ sei. Die Entente habe (…) im Gegensatze zu den Mittelmächten (…) von Anfang an Eroberungsziele verfolgt. Sie kämpft für die Herausgabe von Elsaß-Lothringen (…), den Erwerb österreichisch-ungarischer Gebietsteile durch Italien (…), für Abtrennung von Palästina, Syrien und Arabien vom türkischen Reiche. (…) Und angesichts dieser durch und durch aggressiven, auf Aneignung fremder Gebiete gerichteten Politik wagen es die Staatsmänner der Entente immer noch, (…) Deutschland als den Störenfried hinzustellen, der im Interesse des Weltfriedens in die engsten Schranken verwiesen, wenn nicht vernichtet werden müsse.2065

Hertling war also nicht von den Hohenlohe gegebenen Zusagen abgegangen. Czernin anerkannte dies offenbar freudig in einem an den Kanzler gerichteten Telegramm, denn dieser antwortete am 1. März mit den Worten: Euer Exzellenz danke ich aufrichtigst für die so freundlichen Worte zu meiner jüngsten Reichstagsrede. Es sollte mich lebhaft freuen, wenn durch meine entgegenkommende Behandlung der Wilson’schen Anregung und meine Betrachtungen zur belgischen Frage ein neuer Baustein zu dem von uns erwünschten Frieden gelegt worden wäre.2066

Hohenlohe gegenüber äußerte Hertling zu seiner Rede am 3. März, er habe „alles getan, um den Gegnern die Gelegenheit zum Einlenken zu geben. Weiterzugehen, vertrage sich nicht mehr mit der Würde des Deutschen Reiches, abgesehen davon, dass es ein ganz aussichtsloses Beginnen wäre.“ 2067 Wenig konnte William C. Bullitt in einem vom 6. März datierten Memorandum für dem Counselor des State-Departements, Frank Polk, und Colonel House der Rede des Reichskanzlers abgewinnen. Er schrieb, es wäre „highly advisable that the President should not reply to Hertling until the present unity in Germany has again been disrupted“. Der Präsident müsse, bevor er sich wieder an die Mittelmächte wende, unbedingt auf Czernins Rede „and a new swing of the pendulum in Germany“ warten – Bullitt erwartete offenbar, dass nach Hertling auch Czernin mit einer Rede hervortreten würde. Die Linie Deutschlands sei nun klar: Im Falle von Friedensverhandlungen würde es England, 2065 Ebd. 2066 Hertling an Czernin, Fernschreiben o. Z., 1. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Berlin o. Fz. 2067 Hohenlohe an Czernin, Tel. 135, 3. März 1918, ebd. o. Fz.

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Frankreich, Italien und Belgien so etwas wie den status quo ante bellum anbieten, und dies nur unter der Voraussetzung, dass sie die Etablierung abhängiger Staaten ­zwischen den Mittelmächten und Russland erlaubten: „Finland will be wholly independent, but (…) wholly within the German sphere of influence (…). Esthonia and Livonia (…) will be kept in a condition of semi-dependence, by means of the pro-German upper c­ lasses who will be maintained by German bayonets.“ Die Selbstverwaltung Kurlands und Litauens werde, „one may safely assume, (…) be established beneath the guiding hand of a German general“. Diese Länder würden „either (…) be attached outright to the German Empire or (…) brought within the Imperial Customs Union and lapse into the position of Luxemburg“. Polen stehe anscheinend eine neue Teilung bevor. Hertling habe offen zugegeben, Teile Russisch-Polens annektieren zu wollen und versucht, „Germany’s extreme humanity“ dadurch zu erweisen, dass es nur das aus militärischen Gründen Unerlässliche fordere. Die deutsche Regierung habe anscheinend erkannt, dass es unmöglich sei, die Polen mit Deutschland zu versöhnen und aus ihnen „docile vassals“ zu machen. Deshalb und um das Land so weit zu schwächen, dass es zu keinem Widerstand fähig sei, würden Litauen und der Ukraine Territorien versprochen, die rechtmäßig Polen zustünden. Aus der völlig auf „Teuton bayonets“ angewiesenen Ukraine wolle man eine Art von österreichisch-deutschem Protektorat machen. Ungarn wolle die rumänische Seite der Karpatenpässe und darüber hinaus soviel annektieren, dass das verbleibende Rumänien der Gnade der k. u. k. Armee ausgeliefert sei. Die neu geschaffenen Staaten würden von weiteren militärischen Erfolgen der Mittelmächte abhängen: Were it not for German interference all these states would be controlled by the revolutionary proletariat. (…) All through this strip (…) the nobles, the bourgeoisie, the White Guards rely on Germany. The common people look for help to Russia. The Red Guards and the Poles are our only possible allies against Germany.2068

Bullitt schloss sein Memorandum mit der Versicherung, es werde nicht lange dauern, bis der Präsident sich wieder an die deutschen Sozialisten und Liberalen wende. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber würde eine Anprangerung der deutschen Ostpolitik lediglich das Volk in seiner Unterstützung der Regierung einen: „For the present, therefore, we had better fight and say nothing.“ 2069 Der Berner Gesandte Romberg schätzte die Wirkung der Rede Hertlings auf die amerikanischen Staatsmänner und insbesondere auf Wilson um einiges zu optimistisch ein, und dies, nachdem er von dem bayerischen sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten 2068 Bullitt, Memorandum für Polk u. House 6. März 1918, Link PWW 46. 1984, 567 – 569. 2069 Ebd.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Adolf Müller eine Aufzeichnung de Jongs über eine Unterredung mit Herron erhalten hatte. In dieser sogleich nach Berlin weitergeleiteten Aufzeichnung hieß es: Herron (…) teilte mir mit, dass seines (…) Erachtens Präsident Wilson gut tun würde, indem er in allgemeine Friedensverhandlungen mit den Zentralmächten eintreten und seine Bundesgenossen zu einem ähnlichen Verfahren veranlassen würde und zwar auf der Grundlage der vom (…) Grafen Hertling angenommenen vier Hauptprinzipien. – (…) Herron meinte jedoch, dieser Gedanke werde für die Entente nur annehmbar sein, falls die Zentralmächte genehmigen, dass der kommende Friede nicht aus einer Anzahl von Separatfrieden zusammengesetzt sei, sondern (…) einen, aus gemeinsamem Einverständnis aller Kriegsführenden entstandenen, Gesamtfrieden bilde. – Falls die Zentralmächte sich zur Annahme ­dieses Grundsatzes bereit erklären, würden also auch die eben getroffenen Abkommen mit Russland der Möglichkeit einer Revision ausgesetzt sein (…) Wenn eine neutrale Regierung imstande wäre, festzustellen, dass Deutschland und seine Bundesgenossen (…) zu einer allgemeinen Friedenskonferenz im obigen Sinne bereit wären, so würde Präsident Wilson, nach der Meinung (…) Herrons, eine von neutraler Seite gemachte Einladung zu allgemeinen Besprechungen (…) begrüssen. – Ich fühle mich auf Grund gewisser (…) Berichte zu der Erklärung veranlasst, dass die niederländische Regierung bereit sein würde, die (…) erforderlichen Schritte zu unternehmen. – (…) Herron hat sich bereit erklärt (…) Wilson zu fragen, ob dieser seine (Herrons) persönliche Anschauung in der Tat teilt.2070

Dazu bemerkte Romberg: Herron scheint die Ansicht zu vertreten, dass nach der Annahme der Wilson’schen Grundsätze in der letzten Kanzlerrede der Zeitpunkt gekommen ist, um allgemeine Besprechungen anzubahnen. (…) Der Sondierungsversuch, den (…) Herron und van Beek en Donk offenbar beabsichtigen, erscheint mir nicht unbedenklich. (…) Müller hält es nicht für ausgeschlossen, dass es sich darum handelt uns eine Falle zu stellen und uns darauf festzulegen, dass die Regelung der Verhältnisse im Osten noch nicht als vollendete Tatsache zu betrachten sei. Meines Erachtens ist es nicht ausgeschlossen, dass sich van Beek en Donk auch mit österreichischen Kreisen in Verbindung gesetzt hat. – Dass (…) Herron Beziehungen zu Präsident Wilson besitzt, scheint mir festzustehen. Welcher Natur dieselben aber sind und ob den (…) Äusserungen (…) Herron’s mehr Bedeutung als blossen persönlichen Meinungsäusserungen zukommt, vermag ich nicht zu sagen.2071

2070 Romberg an Hertling, Dep. 575, 9. März 1918, SG 4 1978, 15 – 17 Dok. 14. 2071 Ebd.

Der US-Präsident erwidert auf die k. u. k. Note vom 17. Februar

6.6

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Der US-Präsident erwidert auf die k. u. k. Note vom 17. Februar

Außenminister Lansing stellte, nachdem ihm und Präsident Wilson die von der Intelligence Division des britischen Admiralty War Staff aufgefangene österreichisch-ungarische Note vom 17. Februar 1918 bekannt geworden war, Überlegungen an, wie auf sie zu antworten wäre. In dieser Sache schrieb er am 23. Februar an den Präsidenten: It seems to me we might do this: Give the text to our principal cobelligerents and say to them that through the same channel as we received the communication we intend to reply by asking whether the document has been submitted to the German Government and, if so, whether it meets with its approval as no answer could be made until we are advised of German knowledge or ignorance of Austria’s action. – This would furnish an acknowledgement to Austria without saying we have the communication under consideration, and I cannot see how it would arouse any suspicion or cause any offense among the Allies. Then whichever way Austria replies we will be in a position to do as we please for either reply offers possibilities since we can avoid giving any indication which one we desire.2072

Colonel House notierte unter dem Datum des folgenden Tages in sein Tagebuch, der Präsident und er hätten beschlossen, die Meinung des britischen Außenministers B ­ alfour einzuholen und sich auf folgendes Telegramm geeinigt: In view of the intercepted message (…) the President would very much appreciate any comments or suggestions you may be kind enough to make. (…) How far would you think it necessary to go in apprising the Entente Governments of the character of the message from Austria?2073

Über Balfours Haltung zur österreichisch-ungarischen Note berichtete Botschafter Page am 27. Februar: He left the impression (…) that he regards the Austrian approach made separately to the United States as another class (case?) of the German policy of trying to create trouble between the Allies. It is admitted in Furstenberg’s telegram of February 23 that the German Government is essentially a partner in this approach and Hertling’s speech also makes this partnership plain. Balfour pointed out that there are several ways in which conversation between the United States and Austria (…) might be hoped by Germany to create dissension. One way is this. The British and French treaty with Italy, which is regrettable (…) cannot be overcome to square with the President’s just conditions of peace. If this fact leaked out (…) and (should) be made 2072 Lansing an Wilson 23. Feb. 1918, PRFR LP 2 1940. 104. 2073 House TB-Eintr. 24. Feb. 1918, Seymour 3 1928, 385, Tel.-Text auch in: Link PWW 46. 1984, 435.

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known by Germany, Italy might abandon the war. (…) – Another possible unfortunate effect might be a dampening of war spirit in the United States if it became known that peace conversation was going on (…). – Mr. Balfour (…) remarked that nothing could bring disagreement between the United States and Great Britain but that many complications might arise with other governments. (…) – He knows that Austria is most eager for peace, but in this move through Madrid the hand of Berlin is visible. The real wishes of Austria are much more clearly set forth in the Herron conversations (…) – It is certain that he (Balfour) hopes that the President will decline to discuss a general peace with Austria alone.2074

Balfour selbst richtete sich an ­diesem Tag telegrafisch an Colonel House: A) I am profoundly impressed by the decided difference between Austrian Minister for Foreign Affairs’ official utterance conveyed through the King of Spain and personal policy of Emperor (…) as embodied in a conversation between Professor Lammasch and Dr. Herron of which we had an account from our Minister in Berne. First does not appear to go beyond a suggestion for a return to the Status Quo Ante (…). These proposals are known to the German Emperor and doubtless represent his policy. They (…) can hardly be reconciled with the President’s public declarations on the subject of peace terms. – B) The proposals of (…) Lammasch through Dr. Herron are of a very different nature and I presume represent opinion of the Emperor of Austria (in his then mood) unaffected by German influences.2075 (…) ­Lammasch lays down with great emphasis (…) the right of peoples to choose their own form of Government and the Emperor is reported as expressly desiring to see this principle applied to his own Dominion. – As far as it goes this scheme is in harmony with the principles laid down by the President and might therefore form a starting point for discussions. But there are two very serious objections. In the first place it ignores Italy and in the second place, (…) it may alienate the subject races of Austria whom the President desires to help. (…) C) I need not insist on the dangers both from the Italian and Austrian side which conversations begun on Lammasch basis must carry with them. The future of the war largely depends on supporting Italian enthusiasm and on maintaining anti-German zeal of Slav population in Austria. (…) – I fear that Austrian statesmanship will not be above using any indications that the President has a tenderness for the Austrian Empire as a means of convincing the Slavs that they have nothing to hope for from the Allies (…). – D) Some risk, however, must be run and 2074 Walter H. Page an Lansing, Tel. 8826, 27. Feb. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 140 – 141. 2075 Mamatey schrieb zur Diskrepanz ­zwischen dem Inhalt der Botschaft an Wilson und den Eröffnungen Lammaschs: „What caused the Emperor to depart from Lammasch’s proposals is not known. Lammasch had reported to him on his conversations with Herron on February 14, and four days later informed ­Herron that the Emperor approved what they had agreed upon and would soon act on it. Yet the Imperial message (…) was of an altogether different tenor. (…) The conflicting reports illuminate the weakness and vacillations of the Emperor.“ Mamatey 1957, 227.

Der US-Präsident erwidert auf die k. u. k. Note vom 17. Februar

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(…) it might be worth while to take steps to ascertain if the Lammasch conversations really represented the mind of the Emperor (…).2076

Wilson sah den Inhalt der österreichisch-ungarischen Message als ausreichende Grundlage für die Anknüpfung von Gesprächen an, erachtete jedoch eingehendere Stellungnahmen zu seinen am 11. Februar genannten vier Prinzipien als erforderlich. Ein vom 28. Februar 1918 datierter und vom Präsidenten überarbeiteter Entwurf der von ­Lansing vorgeschlagenen Antwort auf die Botschaft Balfours ist in Form eines Schreibens an König Alfons gehalten und lautet: I am gratified that my recent statement of the principles that ought to be observed in formulating terms of peace should in so large a measure be accepted by (…) the Emperor of Austria and that His Majesty should desire a more particular comparison of views between the two governments and I would be very glad if His Majesty felt at liberty to be more explicit concerning the application of the four principles I outlined in my address to the Congress. (…) My address (…) merely undertook to state (…) the principles which I had sought definitely to apply in my address to the Congress on the eighth of January (…). I assume that the Emperor has my address (…) and that he has already before him the detailed programme which I think should form the basis for a general peace (…). It would greatly aid me in determining whether a more intimate personal comparison of views would be worth while if I might have (…) an equally explicit programme from him. His Majesty says (…) that he believes that he has convincing evidence (…) that certain settlements which have been proposed in connection with the complicated Balkan situation would be (…) more likely to breed further antagonisms than the settlements which Austria herself would propose, and that certain settlements desired by Italy would be unacceptable to the populations most directly concerned, but he does not give me (…) the benefit of his own affirmative suggestions. (…) I would in particular like to know how His Majesty would (…) satisfy the national aspirations of the Slavic peoples (…); what dispositions he would suggest with regard to the Adriatic littoral; how the rivalries and antagonisms of the Balkan states (…) might (…) be allayed; what concessions (…) to make to Italy; and what protection (…) to throw around the non-Turkish peoples now subject to the Ottoman Empire. I understand him to be practically of my own purpose and opinion 2076 Balfour an House, Tel. 53 (54), 27. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 483 – 484, Seymour 3 1928, 386 – 388 (ins Dt. übers. u. gekürzt: House 1932, 248 – 2 49, danach: Benedikt 1962. 241 – 2 43). – Fest schrieb zu dieser Depesche: „What Balfour did not tell the Americans was that the British Cabinet was just then discussing official advances from Austria, or at least what were believed to be official communications.“ Damit bezog sich Fest wenig treffend auf die Kontakte mit Skrzyński über Tussun bzw. Parodi und fuhr fort: „Differing from Balfour, the Prime Minister was not in favour of leaving the case to America, because Wilson might agree to conditions which were unacceptable to Britain.“ Fest 1978, 202.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

with regard to Belgium and Poland. (…) I beg to assure His Majesty that I am seeking (…) no advantage of any kind, but only a just settlement which will give the world a righteous and therefore lasting peace.2077

Colonel House notierte am 28. Februar 1918 in sein Tagebuch: I (…) was with the President for an hour before his appointment with the French Ambassador. We concluded that there was nothing in the message 2078 which prevented the President from carrying out our plan of sending the message he had prepared to the Austrian Emperor. (…) – Lansing (…) approved the text with the exception of one paragraph. In submitting it to the President later he asked if I agreed with Lansing. Upon receiving an affirmative reply, he cut out the paragraph .(…) – The President was pleased with his interview with the French Ambassador. He expected rather a stormy time because he intended to tell him of his communication to the Austrians. Jusserand thought he was acting wisely. (…) – The Secretary (Lansing) and I discussed (…) the question as to whether the President should make known to the Entente the exact context (contents?) of his message to the Emperor. (…) Lansing was strongly in favor of doing so and I agreed with some mental reservations. – Sir William Wiseman called (…) to say he had advised Lord Reading of the (contents) of the President’s message which I had requested him to do, but asked Reading not to cable his Government until he had official information.2079

Wilsons Antwort wurde in der durch Lansing gutgeheißenen Form an König Alfons gesandt, durch w ­ elchen sie am 5. März über Botschafter Fürstenberg nach Wien gelangte. Zur Depesche Balfours vom 27. Februar nahm Colonel House am 1. März mit den Worten Stellung: The President is glad to find (…) your view is substantially in accordance with his own. He has replied to the (…) message in a way which will not close the door to further discussion, but rather develop and probe what the Emperor of Austria has in mind. We feel that if this message indicates a genuine desire to meet the just demands of the Allies, it ought not to be rejected. (…) The President (…) cannot, of course, in any sense commit the Allies by these conversations, but he wishes to assure you that he has no intention of allowing the United States to be committed to any further steps unless the Central Powers are prepared to translate general principles into frank and concrete assurances. – The President (…) is bearing in mind the very just observations you make in your message.2080 2077 Wilson an Alfons XIII. (Entw.), 28. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 486 – 487. 2078 Der ö.-u. Note vom 17. Feb. 1918. 2079 House TB-Eintr. 28. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 487 – 490. 2080 House an Balfour 1. März 1918, Seymour 3 1928, 388 – 389.

Der US-Präsident erwidert auf die k. u. k. Note vom 17. Februar

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Lansing schrieb in dieser Sache ebenfalls am 1. März an Botschafter Reading: The President has received (…) a message in which the Emperor expresses agreement with the four principles of peace which were formulated by the President (…) and in effect invites a further comparison of views through personal representatives. In reply the President has asked the Emperor for as definite a programme for the application of the four principles (…). The President hopes in this way that he may possibly obtain what has so long been desired a definite programme of the war aims of the Central Powers. He feels at liberty while making this effort to accede to the wish of the Emperor (…) that this interchange of messages be personal and private.2081

Fürstenberg berichtete am 1. März nach Wien: Der König ließ mich gestern, 28. v. M., abends zu sich bescheiden und las mir das eben von dem (…) Botschafter in Washington eingelangte Telegramm vor, mittelst welchem derselbe über seine Unterredung mit Wilson und über den Eindruck berichtet, den die Message Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät auf den Präsidenten machte. – (…) Der König zeigte sich über die Aufnahme, w ­ elche seine Demarche beim Präsidenten fand, sehr befriedigt und hält sie für vielversprechend.2082

Das Telegramm, in dem Fürstenberg eine persönlich vom spanischen König verfasste Zusammenfassung des Berichtes aus Washington für ­Kaiser Karl übermittelte, lautete: Herr Wilson las das Dokument, welches er als ‚transcendental‘ bezeichnete, mit dem grössten Interesse und sagte, er müsse es in Anbetracht seiner schwerwiegenden Bedeutung eingehend prüfen, bevor er darüber ein Urteil abgebe. (…) Er fügte hinzu, Deine Message bringe ihn deshalb in eine etwas schwierige Lage, weil er bei verschiedenen Anlässen erklärt habe, er sei kein Anhänger von geheimen Verhandlungen. (…) er werde diese Sache, da an ihr nicht nur die Vereinigten Staaten sondern auch deren Verbündete interessiert ­seien, mit der grössten Aufmerksamkeit und in dem Bestreben studieren, nach Möglichkeit eine für Oesterreich annehmbare Lösung zu finden. Als mein Botschafter die Hoffnung aussprach, dass Deine Vorschläge eine zum Frieden führende Verständigung anbahnen könnten, erklärte der Präsident, dass niemand aufrichtiger als er den Frieden wünsche, und wiederholte, was er in seinen (…) Messagen bereits gesagt hat, dass nämlich ein Friede, welcher (…) nur aus Einzelverständigungen ­zwischen den Staaten hervorgehe, weder angenommen werden dürfe, noch von Dauer sein könne (…).2083 2081 Lansing an Reading, 1. März 1918, PRFR 1917 Suppl. 2/1 1932. 109 – 110, idem: Aide-Mémoire ca. 1. März 1918, Link PWW 46. 1984, 508. 2082 Fürstenberg an M. d. Ä., Tel. 98, 1. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 75. 2083 Alfons XIII. an Ks. Karl (Fürstenberg an M. d. Ä. Tel. 99), 1. März 1918, ebd. fol. 76 – 76v.

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Beide Depeschen, die Balfours und die Wilsons, wurden am 3. März an Demblin zur Vorlage beim ­Kaiser und an den in Bukarest weilenden Czernin weitergeleitet.2084 Angesichts der Eröffnungen König Alfons’ hielt es Czernin für angebracht, über die mit Wilson geknüpften Kontakte Kühlmann zu informieren, der darüber am 4. März an Hertling berichtete: Graf Czernin hat mir (…) mitgeteilt, der König von Spanien stehe mit ­Kaiser Karl in Verbindung und wolle den Versuch machen, auf Grund der Wilson’schen Kundgebung (vom 11. Februar) ­zwischen den Kriegführenden zu vermitteln. K ­ aiser Karl habe in einer Mitteilung an den König (…) die bekannten vier Punkte als den Spielraum der Verhandlungsgrundlage bezeichnet. – Auf diese (…) Mitteilung habe der Präsident (…) geantwortet. Das Wesentliche seiner (Wilsons) Antwort sei gewesen, die Welt brauche, um zu einem dauernden Frieden zu gelangen, einen allgemeinen Frieden. Diesem Grundsatze ständen die jetzt geschlossenen Sonderfrieden entgegen. – Graf Czernin ist mit mir der Ansicht (…), dass eine Diskussion der geschlossenen Sonderfrieden (…) unannehmbar sei, dass wir auch an dem wichtigen Grundsatz der Verhandlungen von Macht zu Macht (…) unbedingt festhalten sollten. Er beabsichtigt die Fortsetzung der Korrespondenz mit (…) Wilson dilatorisch zu behandeln und den K ­ aiser zunächst auf den mündlichen Vortrag nach seiner Rückkehr aus Bukarest zu vertrösten. – Der Minister macht kein Hehl daraus, dass die durch Furcht vor Revolution nervös heftig hervortretende Friedenssehnsucht seines Monarchen ihm bei Führung der auswärtigen Politik die grössten Schwierigkeiten bereite, ich unterliess es nicht, ihm mein (…) Befremden über derartige Sonderaktionen zum Ausdruck zu bringen, die dazu beitragen könnten (…) unser (…) Vertrauensverhältnis zu gefährden. Er versprach mir, die (mit Wilson) gewechselten Mitteilungen tunlichst im Wortlaut vorzulegen.2085

Am 5. März 1918 telegrafierte Fürstenberg den ins Deutsche übersetzten Text der A ­ ntwort Wilsons an den spanischen König: Es gereicht mir zur Befriedigung, daß meinen jüngsten Erklärungen über die Grundsätze, die bei Aufstellung der Friedensbedingungen beobachtet werden sollen, von Seiner Majestät dem ­Kaiser (…) in solchem Umfange zugestimmt wurde und daß Seine Majestät die Gesichtspunkte der beiden Regierungen in eingehender Weise verglichen zu wissen wünscht, und ich würde es sehr begrüßen, wenn Seine Majestät zu größerer Ausführlichkeit bezüglich der vier Grundsätze bereit wäre, die ich in meiner Botschaft an den Kongreß (…) skizzierte. (…) Es würde mir wesentlich erleichtert (…) festzustellen, ob ein intimer (…) Vergleich der Gesichtspunkte der Mühe Wert sein könnte, wenn ich in ein ebenso ausführliches Programm des Kaisers (…) Einblick gewinnen 2084 Müller an Czernin, Tel. 116, 3. März 1918, ebd. fol. 77. 2085 Kühlmann an A. A., Tel. 56, 4. März 1918, SG 4 1978, 1 – 2 Dok. 1.

Der US-Präsident erwidert auf die k. u. k. Note vom 17. Februar

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könnte. – Laut der mir (…) mitgeteilten Message glaubt (…) der ­Kaiser überzeugende Beweise dafür zu besitzen, daß (…) hinsichtlich der (…) Balkanhalbinsel vorgeschlagene Arrangements für die interessierten Völker minder annehmbar, vielmehr geeignet sein würden, neue Gegensätze (…) ins Leben zu rufen als jener Ausgleich, den der ­Kaiser (…) vorschlagen werde, und daß gewisse von Italien gewünschte Arrangements für die interessierten Bevölkerungen unannehmbar sein würden; aber Er gewährt mir nicht das, was ich (…) genauestens zu erfahren wünsche: die Gunst seiner positiven Vorschläge. (…) Speziell wäre es mir erwünscht zu wissen, ­welche Vorschläge Seine Majestät für die Beseitigung der Balkanwirren und die Befriedigung der (…) Aspirationen jener slawischen Völkerschaften machen würde (…); ­welche Dispositionen Er hinsichtlich der adriatischen Küste anregen würde; ­welche (…) Konzessionen an Italien Er als gerecht betrachten würde; (…) und unter w ­ elchen Schutz (…) die nicht-türkischen Nationalitäten, ­welche von dem ottomanischen Reiche abhängen, gestellt werden sollen. Soweit ich verstehe, hat Er bezüglich Belgiens und Polens dieselben Ansichten wie ich. (…) Ich muß Euer Majestät versichern (…), daß ich keinerlei strategische Vorteile suche (…), sondern ein gerechtes Arrangement, welches der Welt einen gerechten und somit (…) dauerhaften Frieden gibt.2086

Die Depesche Fürstenbergs enthielt auch folgende Worte Königs Alfons’ an den ­Kaiser: Der Präsident empfing meinen Botschafter mit der größten Liebenswürdigkeit. Er äußerte, daß er, um eine vollkommene Geheimhaltung sicherzustellen, die Message, ­welche er ihm übergebe, persönlich auf der Schreibmaschine geschrieben habe. Mein Botschafter sagte ihm, wie sehr er sich (…) freue, daß der Präsident in Deiner (…) Message Material gefunden habe, welches die Grundlage für eine künftige Verständigung bilden könnte (…), welcher Aeußerung der Präsident zustimmte; er erwiderte, daß er trotz seiner Haltung bezüglich der Oeffentlichkeit solcher Verhandlungen der Ansicht sei, daß (…) der Umstand, daß er Dir antworte, seiner Haltung nicht widerspreche, daß aber, wenn dieselben eines Tages greifbare Gestalt annähmen, er sich genötigt sehen würde, seine Verbündeten von den selben in Kenntnis zu setzen. – Der Eindruck des Botschafters ist (…) ziemlich günstig und er glaubt, daß man, wenn Du den Fragen des Präsidenten gegenüber ausführlich sein wolltest, dem Ende (…) näher gekommen sein wird.2087

Am 5. März berichtete Fürstenberg: Seine Majestät (König Alfons) erblickt in dem Faktum des Eingehens des Präsidenten (…) auf die Diskussion, beziehungsweise in dem (…) Wunsche nach genauer Beantwortung gewisser 2086 Wilson bzw. Alfons XIII. an Ks. Karl (Fürstenberg an M. d. Ä. Tel. 104 – 107), 5. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 83 – 84v, Druck (unvollst.): Nowak 1921, 434 – 435. 2087 Wilson bzw. Alfons XIII. an Ks. Karl (Fürstenberg an M. d. Ä. Tel. 104 – 107), 5. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 83 – 84v, Druck (unvollst.): Nowak 1921, 434 – 435.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

von ihm präzisierter Fragen einen unbedingten Erfolg, wenn auch Wilson (…) vorderhand nur einen weiteren direkten Gedankenaustausch ­zwischen den beiden Staatsoberhäuptern im Auge hat. Der Präsident scheint sich auf den Standpunkt zu stellen, dass Besprechungen ­zwischen Vertretern bereits als Verhandlungen zu betrachten wären, von denen er seine Verbündeten unterrichten müsste. Deshalb stellt Seine Majestät den (…) Antrag (…) Herrn Wilson nahelegen zu lassen, dass die von Seiner k. u. k. (…) Majestät vorgeschlagene Unterredung zweier Vertreter dazu bestimmt ist, eben über die von Wilson aufgeworfenen Fragen und eventuell noch andere Klärung zu schaffen, zumal eine s­ olche mündliche Auseinandersetzung (…) rascher und müheloser zu einer Orientierung des Präsidenten (…) führen würde, als es noch so viele, durch mehrere Zwischenstellen gehende Depeschen zustande brächten.2088

6.7

Die Botschaft Kaiser Karls an Wilson vom 22. März 1918

Auf ­welche Weise Präsident Wilson zu antworten sei, darüber kontaktierte ­Kaiser Karl am 8. März den bei den Verhandlungen in Bukarest befindlichen Czernin. Dabei kam es am Hughes-Fernschreiber zu folgendem Dialog: Kaiser Karl. Was soll man Wilson antworten, da er erst unsere genauen Vorschlaege wissen will. – Man muesste, glaube ich, sagen die Beseitigung der Balkanwirren und die Befriedigung der nationalen Aspirationen jener slavischen Voelker, ­welche so nahe dem eigenen Lande angesiedelt sind, wird dadurch erreicht, dass Serbien, soweit es von Serben bewohnt ist, vulgo Altserbien, mit besseren wirtschaftlichen Bedingungen und Zugang zur Adria wieder hergestellt werde, jedoch nicht mehr mit den Karageorgewitsch (…). – Bulgarien erhaelt die ihm national gebuehrenden Teile Neuserbiens. – Montenegro wird wieder hergestellt, kann sich, wenn es will, mit Serbien vereinigen. – Albanien soll selbstaendig sein, jedoch auch nicht als Stuetzpunkt für die italienische Vorherrschaft in der Adria dienen (…). – Die Verhaeltnisse in der Adria müssen bleiben, wie vor dem Kriege. – Es wird von mir aus alles geschehen, damit die Suedslaven der Monarchie moeglichst zufrieden gestellt werden. – Bezueglich Italiens muesste detailliert verwiesen werden dass – 1.) Triest heute mehr Slaven und Deutsche hat als Italiener und seit 1500 bei Oesterreich ist. – 2.) der Karst überhaupt slavisch ist. – 3.) die Ebene von Goerz nicht italienisch sondern friaulisch ist und – 4.) Suedtirol nie zu Italien gehoert hat – die Suedtiroler nicht zu Italien wollen, da sie wirtschaftlich ruiniert sind (wegen Wein). – 5.) will Italien einen Eroberungskrieg machen, da es Suedtirol bis zum Brenner und Krain bis Laibach verlangt. (…) – Dies widerspricht ja dem einfachen Selbstbestimmungsrecht der Voelker. – (…) Was ist mit unseren Grenzrektifikationen? – Czernin. (…) Die Antwort an Wilson muss ungemein 2088 Fürstenberg an M. d. Ä., Tel. 108, 5. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 82 – 82v (Bleistiftnotiz: „Wurde (…) Demblin für S. M. ausgehändigt. 7. 3. 1918 Müller“).

Die Botschaft Kaiser Karls an Wilson vom 22. März 1918

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genau ueberlegt (…) und sehr klar abgefasst sein. – Ich bitte Ew. Majestaet dringendst keine Antwort zu geben bis ich nicht in Wien (…) meine Vorschlaege unterbreitet habe; die grosse Schwierigkeit liegt darin, dass der blosse (Wunsch) Euer Majestaet die Suedslaven usw. zu befriedigen nicht genuegt sondern dass wir in irgend einer Form beweisen muessen, dass wir imstande sind selbstaendig bei uns Ordnung zu machen. – Der blosse Wunsch (…) dem kein Resultat folgt, wuerde (…) den Eindruck, dass man sich in unsere Verhaeltnisse einmischen muss, noch bestaerken. Vieles von dem was Euer Majestaet sagen halte ich für verwertbar, ich bitte aber (…) mit der Antwort zu warten bis ich in Audienz habe erscheinen koennen. Die Angelegenheit ist (…) nicht so furchtbar dringend weil ich an Botschafter Fuerstenberg telegrafiere, er moege den Koenig ersuchen, uns die Erlaubnis zu geben, die Antwort (…) durch den spanischen Kurier zu senden, (…) weil die telegrafische Uebermittlung so langsam und (…) eine grosse Gefahr von Konfusionen mit sich bringt. Ich halte die Antwort Wilsons fuer guenstig und glaube dass wir weiterkommen werden. Wir muessen aber so manoeuvrieren dass wir alle unsere Bundesgenossen mit uns schleppen und daher muss die Antwort ungeheuer sorgfaeltig abgefasst sein. (…) Die Grenzrektifikationen machen gar keine Schwierigkeiten, die Rumaenen scheinen dieselben ein ganz natuerliches Verhalten zu finden. Das Ausmass (…) ist noch nicht bestimmt, doch duerften dieselben ungemein geringfuegig werden. Es existiert eigentlich nurmehr eine einzige grosse Schwierigkeit, das ist die Raeumungsfrage. (…) – Die Deutschen stellen hier unmoegliche Forderungen, doch ist es mir – glaube ich – gestern endlich gelungen, die Deutschen soweit herunter zu druecken als es unsere Interessen einerseits und die rumaenischen Wuensche andererseits ertragen. – K ­ aiser Karl. Der spanische Kurier ist laengst kompromittiert! Ich fuerchte, wenn wir zu lange tandeln, wird alles (…) viel schwieriger. – (…) Ich werde jedenfalls mit der Antwort warten, bis Sie zurueckkommen. (…) – Czernin. Ich danke (…) vielmals fuer die guetige Zusage meine Ankunft abwarten zu wollen. Sollte sich dieselbe hinausziehen, so werde ich trachten den Entwurf einer Antwort hier fertigzustellen und Euer Majestaet (…) zu ­schicken (…).2089

Czernin wies im Anschluss an ­dieses Hughes-„Gespräch“ Demblin an, dem ­Kaiser zu melden: Ich bin der Ansicht, dass die Antwort an Wilson zwei Schwierigkeiten hat (…). Schnelligkeit allein hilft gar nichts. (…) Erstens sind wir nicht allein. (…) Wilson verlangt aber eine Antwort auf die zahlreichen in seiner vorletzten Rede angegebenen Punkte, in welcher er auch

2089 Hughes-„Gespräch“ Ks. Karls mit Czernin 8. März 1918, HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz. – Meckling schrieb unerklärlicherweise und völlig unzutreffend, Czernin sei es zwecklos erschienen, dass Ö.-U. sich noch einmal an Wilson wende, weil „sich die Intentionen des Amerikaners (…) auf einen Sonderfrieden, auf beträchtliche territoriale Opfer der Donaumonarchie und eine riskante Umwälzung im Innern hinausliefen“, weshalb er „Kaiser Karl lebhaft davon“ abgeraten habe. Meckling 1969, 336.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

(…) von Deutschland spricht. – Zweitens, wenn Wilson so eindringlich von (…) denjenigen Völkern spricht, ­welche der Monarchie angehören und (…) gleichen Stammes sind wie die Balkanstaaten, so meint er ganz klarer Weise (…) vor allem die südslawische Frage. Die Antwort Seiner Majestät, dass er wünsche oder hoffe, dass deren Los mit der Zeit ein befriedigendes werden werde, hilft selbstverständlich gar nichts. Wenn diese (…) erhoffte Befriedigung (…) nicht eintritt, dann wird doch die ganze Welt nur sagen, dass Seine Majestät die südslawische Frage nicht lösen kann oder (…) will, und daraus den Schluss ziehen, dass sie über seinen Kopf hinüber gelöst werden müsse. Aus ­diesem Grunde habe ich (…) immer wieder Seine Majestät gebeten, eine Verfassungsreform (…) anzubahnen, w ­ elche Hoffnung auf irgend ein greifbares Resultat gibt. – Es wurde mir bei meiner letzten Anwesenheit in Wien der Staatsrat, welcher diese Verfassungsreform ausarbeiten sollte, von Seiner Majestät wie vom Ministerpräsidenten zugesagt. Ich fürchte, dass dies alles wieder ins Wasser gefallen ist.2090

Weiter sollte Demblin den ­Kaiser darauf hinweisen, (…) dass die vollständige Apathie und Planlosigkeit im Innern uns Schritt für Schritt von dem Frieden entfernt. Ich habe die feste Ueberzeugung, dass die drei geschlossenen Frieden uns dem allgemeinen Frieden nicht näherbringen, wenn wir nicht endlich diese wichtige Seite der internen Reform angreifen. Dass der (…) Ministerpräsident niemals im Stande sein wird, auch nur das geringste Resultat zu erreichen, ist mir vollständig klar. Da sich jedoch Seine Majestät nicht von ihm trennen will, so habe ich sehr wenig Hoffnung, dass die Aktion mit Wilson weiterkommen kann. (…) Unbedingt vermieden muss es werden, dass die ungarische Frage gleichzeitig aufgerollt werde.2091

Demblin konnte dem Minister in dieser Sache bereits am nächsten Tag in zwei aufeinander folgenden Telegrammen berichten. Im ersten hieß es: Ich habe mit S. M. (…) gesprochen und suchte, ihm (…) darzulegen, dass wir uns vor der ­Wilson zu erteilenden Antwort unbedingt mit den Verbündeten ins Einvernehmen setzen müssen (…) da eine Antwort, die unsere Verbündeten ­später desavouieren würden, gar nichts nützen, im Gegenteil unsere Stellung als Sprecher der Vierbundes schwächen und das mit Amerika begonnene Gespräch (…) zum Abbruch bringen könnte. – Es war schwer, S. M. (…) zu überzeugen, da er scheinbar nicht recht einsieht, dass ein Friedensgespräch welches den Zweck hat, (…) den allgemeinen Frieden herbei zu führen, anders geartet sein muss als wenn es sich einfach um einen Separatfrieden (…) handeln würde. (…) – Wenn es mir auch – glaube ich – gelungen ist, S. M. zu überzeugen, dass Wilson (…) über die zur Erreichung des allgemeinen 2090 Czernin an Demblin, Tel. 32, 8. März 1918, HHStA PA I, 1089 Nach Hofzug o. Fz. 2091 Ebd.

Die Botschaft Kaiser Karls an Wilson vom 22. März 1918

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Friedens ihm notwendig erscheinenden Voraussetzungen (…) die diesbezüglichen Ansichten des Staatsoberhauptes der Gegenpartei (…) kennen lernen möchte, so stiess ich (…) bei der über die Balkanfragen Wilson zu erteilenden Antwort auf Ideen, die der Wirklichkeit leider gar nicht entsprechen. Nachdem nämlich S. M. prinzipiell zugegeben hatte, dass es sich nicht nur um die Österreich-Ungarn direkt berührenden Fragen handle, meinte Er, da wir mit Wilson (…) über Belgien und Polen eines Sinnes ­seien, bleibe nur die (…) nur Österreich angehende italienische Frage und das Balkanproblem. Dieses letztere aber sei in erster Linie eine österreichische Frage, wir s­ eien die Balkangrossmacht, die Deutschen brauche man da nicht viel zu fragen und die Bulgaren ­seien überhaupt nur ein ‚Hilfsvolk‘. Ich wies (…) auf die Tatsache hin, dass in der Politik nicht Ideen darüber, wie es sein sollte, sondern die Machtverhältnisse das letzte Wort sprechen, und dass die (…) leider so lägen, dass wir uns auch am Balkan um die Meinung unserer Verbündeten kümmern müssen. Leider hätten nicht wir allein, sondern auch die Deutschen und Bulgaren Serbien erobert, und in Rumänien sei dasselbe der Fall (…).2092

Im zweiten Telegramm berichtete Demblin: Ich kam dann auf den zweiten Hauptpunkt der Wilson zu erteilenden Antwort, auf unsere inneren Verhältnisse zu sprechen. Auch da befand sich S. M. in einem (…) Irrtum, indem er meinte, Wilson interessiere sich nur für die italienische, nicht aber auch für unsere anderen nationalen Fragen, speziell die südslavischen. Der betreffende Passus ist der, worin es heisst: Wilson wünsche zu wissen, w ­ elche Vorschläge S. M. für die Befriedigung der nationalen Aspirationen jener slavischen Völkerschaften machen würde, w ­ elche so nahe seinem eigenen Lande angesiedelt sind und mit grossen Massen seiner Untertanen in so enger Beziehung stehen. Ich machte S. M. darauf aufmerksam, dass wenn auch rein grammatikalisch sich dieser Satz auf die ausserhalb seines Landes angesiedelten Völkerschaften beziehe, dem Sinne nach natürlich auch die innerhalb seines Landes wohnenden (…) gemeint ­seien (…). – Im Anschlusse hieran entwickelte ich S. M. unter Gebrauch der Argumente E. E. die unbedingte Notwendigkeit, Wilson mit etwas Konkretem zu kommen, und suchte die Auffassung S. M., Wilson würden ein paar allgemeine Phrasen genügen, zu entkräften. Auf den hier gemachten Einwurf S. M., die innere Reform werde ja durchgeführt werden (…), entgegnete ich, dass ein (…) blosses Versprechen gar nichts nütze. Wie soll, wenn die Feinde sagen: wir machen nur Frieden, wenn Österreich reformiert wird, der (…) Minister des Äussern Frieden schliessen solange diese Reform nicht einmal begonnen wurde. – Die durch die obige Forderung (…) begangene Einmischung in unsere inneren Verhältnisse sei ja gewiss nicht angenehm, aber wenn wir sie durch (…) allgemeine Phrasen abzuwehren trachteten, so kämen wir vom Regen in die Traufe, denn wenn die Reform nicht komme, so würden sich die Feinde erst recht (…) einmischen, denn dann 2092 Demblin an Czernin, Tel. 33, 9. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz., idem: HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz.

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würden sie die Reform zu erzwingen suchen. – S. M. bestritt nicht die Stichhaltigkeit ­dieses Arguments, sagte mir, (…) Seidler werde in wenigen Tagen mit einem Reformvorschlag betreffs Einführung der nationalen Autonomie hervortreten (dass wir bei unseren parlamentarischen Verhältnissen der Welt hiemit ein furchtbares Fiasko vorführen werden, bestreitet S. M. – ‚Seidler und ich werden es schon machen‘), ­später würde auch an die Bereinigung der dalmatinischen Frage im Einvernehmen mit Ungarn herangetreten werden (…) und er ermächtige E. E., d ­ ieses Umstandes in der Wilson zu erteilenden Antwort entsprechend Erwähnung zu tun. Dass aber diese Antwort möglichst bald erfolge, halte er deshalb für notwendig weil 1.) Anzeichen vorhanden ­seien, dass die Entente sich über unser Gespräch mit Wilson aufzuregen beginne, weshalb die Gefahr bestehe, dass sie Wilson von der Fortsetzung desselben abzubringen trachte, und 2.) weil S. M. befürchtet, dass nach der bevorstehenden Offensive im Westen Sieger und Besiegte (…) weniger denn je zum Frieden geneigt sein würden.2093

Czernin antwortete Demblin umgehend: Es handelt sich darum, Seiner Majestät zu erklären, was wir eigentlich wollen. Wenn wir mit Amerika zu einem Separatfrieden gelangen wollen, so ist der von ihm gewünschte Weg vielleicht zweckentsprechend, obwohl ich an der Lostrennung Amerikas von seinen Bundesgenossen sehr lebhaft zweifle. Ein Separatfriede mit Amerika (…) hilft uns aber gar nichts. Wir wollen doch, und darin glaube ich ist Seine Majestät mit mir einig, durch Amerika die Entente zum Frieden bringen. (…) Zu ­diesem Zwecke müssen wir aber doch eine Antwort geben, ­welche eine Verständigung Deutschlands und der Entente möglich erscheinen lässt. (…) Es wäre daher von allergrösstem Vorteil gewesen, wenn (…) mir die Möglichkeit geboten worden wäre, etwas diesbezügliches vorzubereiten. – Ein zweiter Irrtum Seiner Majestät scheint mir, ‚dass Er mit Wilson bezüglich Belgiens und Polens einer Meinung sei‘. Was Belgien anbelangt, so ist die Meinung Seiner Majestät sowie die des Präsidenten ziemlich nebensächlich, und massgebend (…) ist die Meinung Englands, Deutschlands und Belgiens. (…) – Was Polen anbelangt, besteht ganz bestimmt ein ganz kolossales Missverständnis. Wilson meint, dass alle polnischen Teile Europas in ein selbständiges Polen vereinigt werden sollen. Das heisst also, er will uns Galizien wegnehmen, dem neuen Polen angliedern und es demselben überlassen, sich eine Staatsform zu suchen, die es wünscht. (…) Niemals werde ich meine Zustimmung geben, dass (…) wir jetzt am Ende des gigantischen Ringens Galizien hinwerfen. – Da ich wenig Hoffnung habe, Seine Majestät von der Richtigkeit meiner Argumentation zu überzeugen und das ewige Drängen beendigen will, so werde ich Allerhöchstdemselben eine Antwort an Wilson telegraphisch vorschlagen, ­welche mir in Anbetracht der noch sehr verworrenen Umstände möglich scheint.2094 2093 Demblin an Czernin, Tel. 34, 9. März 1918, HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz. 2094 Czernin an Demblin, Hughes-Tel. 34, 10. März 1918, HHS tA PA I, 1087 Friedensdelegat. Bukarest o. Fz.; idem: HHS tA PA I, 1089 Nach Hofzug o. Fz., HHS tA PA I, 1092a 2 o. Fz. – Daraus, dass Czernin

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An den ­Kaiser aber depeschierte Czernin am 9. März: „Da Euer Majestät eine rasche Antwort an Wilson wünschen, so werde ich mein Möglichstes tun, um die Bundesgenossen so weit zu präparieren, dass ich (…) einen Vorschlag an Euer Majestät telegrafieren kann.“ 2095 Auf diese Depesche bezog sich Demblin am 12. März, als er dem Minister berichtete: Ich habe Seiner Majestät (…) Vortrag erstattet, konnte ihn aber vom Drängen nach der Antwort an Wilson nicht abbringen. Der Grund ist der, dass es Seiner Majestät nunmehr gar nicht mehr so um die Vermittlung des allgemeinen Friedens als (…) um einen Separatfrieden mit Amerika zu tun ist, für den er den Augenblick wegen der Meldungen über Unstimmigkeiten z­ wischen der Entente und Amerika und den amerikanisch-japanischen Gegensatz für besonders günstig hält. Meine Einwendungen, dass es ein sehr gefährliches Experiment wäre, bei Wilson den Eindruck zu erwecken, als ob wir es auf die Losreissung Amerikas von der Entente abgesehen hätten, und (…) es doch jammerschade wäre, wegen des uns gar nichts nützenden Friedens mit Amerika die sich uns bietende Brücke zum allgemeinen Frieden abzubrechen, fruchteten gar nicht. Seine Majestät blieb dabei, dass auch ein Separatfrieden (…) sehr zu begrüssen wäre, (…) weil wir dadurch die Gefahr der amerikanischen Hilfe in Italien los würden (…). – In Wirklichkeit ist die Sache die, dass Seine Majestät den Abbau des Krieges darin erblickt, dass man möglichst rasch möglichst viele Einzelfriedensschlüsse macht, auf das Wie kommt es ihm dabei gar nicht an, wenn’s nur ein Frieden ist. (…) – Da es aber doch schade wäre, (…) die Chancen eines günstigen allgemeinen Friedens zu verderben, so habe ich daran gedacht, ob es nicht möglich wäre, in die (…) Antwort an Wilson nur jene Punkte aufzunehmen, über die Euer Exzellenz sich mit den Verbündeten rasch einigen könnten (…), alles andere aber einer Wilson vor(zu) schlagenden mündlichen Unterredung zweier Vertrauenspersonen vorzubehalten (…). Ich habe diese Idee Seiner Majestät gegenüber (…) unter Betonung, dass ich absolut nicht wisse, ob Euer Exzellenz sie für durchführbar halten, gestreift und glaube, dass Seine Majestät, dem es ja wie gesagt nur auf das ‚rasche irgendwie Antworten‘ ankommt, darauf eingehen würde.2096

Über weitere Bemühungen, den ­Kaiser von der Idee eines Separatfriedens mit Amerika abzubringen und ihn für eine auf den allgemeinen Frieden abzielende Politik zu gewinnen, berichtete Demblin am folgenden Tag: ein Überstürzen der Antwort für „fehlerhaft“ hielt, zu schließen, wie Shanafelt dies tat, er habe alles getan, um des Kaisers Enthusiasmus für Wilson zu dämpfen und deshalb die Antwort „despite all the Emperor’s urgings (…) in as dilatory a fashion as he could“ behandelt, kann nur als irrig bezeichnet werden. Dasselbe gilt für Shanafelts Urteil, Czernin habe, im Hinblick auf die erfolgversprechende deutsche Offensive im Westen und um einen Bruch mit dem Bündnispartner zu vermeiden, „scuttled all the peace feelers of 1918 (…). Every prospect of peace now had to be blocked – except that which lay in a victory of the German army.“ Shanafelt 1985, 183 – 186. 2095 Czernin an Demblin für Ks. Karl, Tel. 33, 9. März 1918, HHStA PA I, 1089 Nach Hofzug o. Fz. 2096 Demblin an Czernin, Tel. 36, 11. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz.

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Ich habe diese Stimmung S. M. (…) ausgenützt, um ihm vor Augen zu halten um wieviel rascher und besser wir zum Ziele gelangen, wenn wir konsequent und unbeirrt eine Politik verfolgen, die zum allgemeinen Frieden führe (…). Zugleich legte ich dar, dass wir nur dann zum Ziele gelangen können, wenn wir alles (…) vermeiden, was (…) den Gedanken stärken oder wieder aufkommen lassen könnte, dass wir von unseren Verbündeten zu trennen ­seien.2097

Im zweiten Teil seines Telegramms führte Demblin aus: Ich brachte dann das Gespräch wieder auf Amerika (…) und erklärte S. M. vor Allem, dass es (…) ganz aussichtslos (…) sei, auf einen Separatfrieden mit Amerika hinzuarbeiten, welch Letzteres ja gerade um einen allgemeinen (…) Frieden herbeizuführen in den Krieg getreten sei (…). Ich habe auch in dem mir aufgetragenen Sinne über Polen gesprochen, was S. M. einleuchtete wenn er auch Zweifel darüber aussprach, ob Wilson sich zum austro-polnischen Programm bekehren lassen würde. – Im Allgemeinen erreichte ich wenigstens (…), dass S. M. sich damit einverstanden erklärte die Antwort an Wilson so zu verfassen, dass sie das Gespräch über die Grundlagen eines allgemeinen Friedens fortsetzt.2098

Am 15. März ließ Czernin seinen Entwurf der Antwort an Präsident Wilson zur Vorlage an den K ­ aiser an das Außenministerium übermitteln. Die wichtigsten Passagen des Entwurfes für das an den spanischen König gerichtete Schreiben für Wilson lauteten wie folgt: Die Antwort, ­welche der Herr Praesident (…) auf (…) Meine Stellungnahme zu den (…) von ihm aufgestellten Grundprinzipien eines gerechten und dauerhaften Friedens Mir zu uebermitteln die Freundlichkeit hatte, bestaerkt Mich in der Ueberzeugung, dass ­zwischen den von ihm aufgestellten Grundsaetzen einerseits und Meinen Anschauungen andererseits jener Grad von Uebereinstimmung vorhanden ist, der noetig ist, damit eine Aussprache ueber die Bedingungen des von allen Voelkern so heiss herbeigesehnten Friedens (…) eingeleitet werden koenne. (…) Allerdings bestaerkt sie Mich auch in der Auffassung, dass die Pruefung der Frage, ob derselbe Grad von Uebereinstimmung (…) auch bei der Anwendung dieser Grundsaetze auf die einzelnen zu loesenden Fragen vorhanden ist, am besten in einer direkten muend­ lichen Aussprache ­zwischen einem Meiner Vertreter und einem Vertreter des Herrn Wilson erfolgen koennte. (…) Ich glaube, dass es in einer solchen Aussprache gelingen wuerde, den Herrn Praesidenten (…) davon zu ueberzeugen, dass in den von ihm erwähnten speziellen Fragen auch wir eine Loesung anstreben, von welcher es, um seinen Ausdruck zu gebrauchen, ‚am wahrscheinlichsten ist, dass sie einen dauernden Frieden herbeifuehren wird‘. – Ich kann 2097 Demblin an Czernin, Tel. 39, 12. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz., idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz., s. oben. 2098 Demblin an Czernin, Tel. 40, 12. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz.

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(…) versichern, dass die Befriedigung jeder gerechten nationalen Aspiration jener slavischen Voelkerschaften, ­welche so nahe Meinem (…) Lande angesiedelt sind, auch schon deshalb Mein aufrichtiger Wunsch sein muss, weil nicht nur unsere Absicht, einen gerechten Frieden zu ermoeglichen, sondern auch unsere (…) Interessen ein gutes Verhaeltnis ­zwischen uns und jenen Voelkern verlangen, von w ­ elchen der Herr Praesident (…) hervorhebt, dass sie mit grossen Mengen Meiner Untertanen in so engen Beziehungen stehen. Wenn (…) auf ihrer Seite ­dieses Bestreben ein gleiches ist, werden wir gern hilfreiche Hand bieten, um (…) die Bedingungen ihrer Existenz und ihres weiteren Fortschrittes guenstiger zu gestalten, andererseits koennen wir das Recht, Voelker und Provinzen ohne, ja gegen das ernste Interesse der (…) betroffenen Voelker von einer Staatsoberhoheit in die andere herumzuschieben (…) auch denjenigen Voelkern nicht zuerkennen, die es mit dem falsch ausgelegten Gesichtspunkt einer nationalen Einheit begruenden, ­welche (…) in anderen Staaten lebenden, historisch anders entwickelten Voelkersplitter(n …) gar nicht erwuenscht ist und ­welche infolge der bunten nationalen Mischung in diesen Teilen Europas (…) nicht geloest werden kann, ohne gegen gleichwertige Rechte anderer Voelker zu verstossen. Eine muendliche Aussprache wuerde auch den Beweis dafuer liefern, dass wir (…) nicht die Absicht haben, die Machtverhaeltnisse an der adriatischen Kueste zu unseren Gunsten zu verschieben, dass es aber (…) ein unerlaessliches Erfordernis (…) ist, (…) keinem der an ihr lebenden Voelker eine unverhaeltnismaessig grosse Machtstellung (…) zu sichern, ­welche dazu fuehren koennte, sie gegen die anderen Voelker auszunuetzen. In einer direkten Aussprache wuerde es gewiss auch gelingen, den (…) Weg zu finden, auf welchem sich die Rivalitaeten (…) ­zwischen den Balkanstaaten beseitigen liessen. Diese (…) waren bisher darauf zurueckzufuehren, dass es (…) noch zu keiner (…) Konsolidierung der territorialen Verhaeltnisse gekommen ist. Diese kann jedoch erreicht werden, wenn man ernstlich bemueht ist, die einzelnen Fragen lediglich im Interesse (…) der betreffenden Bevoelkerungen zu loesen (…). Ich habe auch schon angedeutet, dass (…) die Vereinigung der bulgarischen versprengten Minoritaeten mit ihrem Mutterlande, die Gewaehrung der noetigen wirtschaftlichen Expansionsmoeglichkeiten fuer Serbien und andere Staaten jene Fragen sind, fuer ­welche eine (…) Loesung (…) zu suchen und sicher auch zu finden sein wird. (…) Der Herr Praesident (…) fragt auch, w ­ elche (…) Konzessionen an Italien Ich als gerecht betrachten wuerde. (…) Italien hat verlangt, dass ihm das (…) Gebiet bis zum Brenner und bis Laibach (…) abgetreten werde. Das sind Forderungen, w ­ elche einen Eroberungskrieg charakterisieren und (…) allen von Herrn Wilson aufgestellten Grundsaetzen (…) Hohn sprechen. Die Bevoelkerung der Gebiete, um die es sich hier handelt, ist in ihrer ungeheuren Mehrheit deutsch oder slavisch, und beide Voelker haetten es als ein unertraegliches Joch empfunden, einem fremden Staate (…) unterworfen zu werden. Wenn Ich also die Frage Herrn Wilsons so auffasse, wie sie nach all seinen Darlegungen allein aufgefaßt werden kann: welch ganz bestimmte Wuensche Italiens (…) ‚im Interesse und zugunsten der betroffenen Bevoelkerungen‘ erfuellt werden sollen, so ist es nicht moeglich, irgendwelche Zugestaendnisse als gerecht anzusehen. Italien strebt nach dem Besitz von Triest, das heute von weit mehr Slaven und Deutschen als

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Italienern bewohnt ist, dessen Bevoelkerung – die italienische Minoritaet mit inbegriffen – (…) eine Vereinigung mit Italien als die aergste Katastrophe empfinden wuerde. (…) Es strebt nach Gegenden im Karstgebirge, deren Bevoelkerung durchwegs slavisch ist (…). Es strebt nach dem Besitz der Ebene von Goerz, deren Bevoelkerung nicht italienisch, sondern friaulisch ist (…). Und es strebt endlich nach dem Besitz von Suedtirol, das nie zu Italien gehoert hat (…). Der Herr Praesident (…) wird sich aus dem Gesagten davon ueberzeugt haben, dass (…) auch Ich aufrichtig bemueht bin, fuer die Beendigung des Krieges eine Grundlage zu finden, die den gerechten Anspruechen der beteiligten Voelker angemessen ist und die daher die Elemente der Dauerhaftigkeit des (…) Friedens in sich birgt (…). Was noch festzustellen waere, ist, ob wir (…) in der Anwendung dieser Grundsaetze auf die (…) eine Loesung erheischenden Fragen ebenso uebereinstimmen. Die von Mir vorgeschlagene direkte Aussprache haette gerade den Zweck, hierueber Gewissheit zu verschaffen (…). Ich glaube, wir sind es den Voelkern schuldig, kein Mittel unversucht zu lassen, das irgendwelche Hoffnungen darauf bietet, ihnen den (…) Frieden wiederzugeben. Das wesentlichste Erfordernis scheint es mir zu sein, dass alle kriegfuehrenden Staaten sich (…) verpflichten, auf die Angliederung fremder Voelker zu verzichten, und (…) dass, wenn der Herr Praesident (…) bemueht sein will, seine Verbuendeten auf dieser Basis zu ralliieren, auch Oesterreich-Ungarn alles aufbieten wird, um seine Verbuendeten zu demselben Schritte zu bewegen. Es gibt nur mehr ein Friedenshindernis, welches nicht in offener Aussprache und wechselseitigem Einvernehmen zu loesen ist, und das ist die Eroberungslust Italiens und Frankreichs. Wenn der Herr Praesident es erreicht, daß diese beiden Staaten auf ihre Eroberungsplaene verzichten, so wird er dem Weltfrieden die Tuere geoeffnet haben.2099

Sektionsrat Wiesner telegrafierte in dieser Sache an Demblin: „Im Auftrag S. E. des Herrn Ministers bitte ich Euer Hochgeboren, die Genehmigung Seiner Majestät (…) einzuholen und letztere sodann an mich zurückschicken zu wollen.“ 2100 Am selben 15. März depeschierte Demblin an Czernin, er habe dem ­Kaiser auf dessen Nachfrage, wie es um die Antwort von Wilson stehe, geanwortet, dass der Außenminister „jedenfalls daran sei, sich mit den Verbündeten diesbezüglich ins Einvernehmen zu setzen, was natürlich einige Zeit in Anspruch nehme“.2101 Tatsächlich übergab Czernin am 16. März Kühlmann, der mit ihm in Bukarest weilte, eine Kopie des Antwortentwurfs. Der Staatssekretär sandte das Schriftstück in der irrigen Meinung, es handle sich um den bereits abgegangenen Text, mit den Worten an Hertling:

2099 Mittag an M. d. Ä., Tel. 208, 15. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 29 – 39, idem: HHStA PA I, 1092a 1 fol. 150 – 156. 2100 Wiesner an Demblin, Tel. o. Z., 15. März 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2101 Demblin an Czernin, Tel. 49, 15. März 1918, ebd. o. Fz.

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Graf Czernin übergibt mir mit der Bitte um ganz streng geheime Behandlung – in erster Linie nur für die persönliche Information Euerer Exzellenz – Abschrift der von K ­ aiser Karl an den König von Spanien übermittelten Aufzeichnung, die offenbar zur Weitergabe an den Präsidenten Wilson bestimmt ist.2102

Die Sektionschefs Flotow und Müller schlugen Czernin am 17. März vor, den Text der Antwort an zwei Stellen abzuändern: Zu dem Triest betreffenden Passus (… ist) zu bemerken, daß die Bevölkerung der Stadt auch nach unserer amtlichen Statistik eine italienische Mehrheit (…) aufweist. Es würde sich also vielleicht empfehlen nach den Worten ‚Italien strebt nach dem Besitze von Triest‘ die Worte ‚und des umliegenden Gebietes‘ einzuschalten (…). – Ebenso (…) bei der Wiedergabe der italienischen Forderungen anstatt ‚bis Laibach‘ zu sagen ‚fast bis Laibach‘, da die von Italien verlangte Grenze tatsächlich in einiger Entfernung (circa 35 – 40 Kilometer) von Laibach verläuft.2103

Der Minister antwortete umgehend, dass er mit diesen Änderungen einverstanden sei.2104 Am selben 17. März telegrafierte Czernin an Sektionschef Müller: Seine (…) Majestät hat mir (…) den Wunsch ausgedrückt, an zwei Stellen (…) der Antwort an Wilson kleine Aenderungen anzubringen. Ich habe ­diesem (…) Wunsche zugestimmt und lauten die Aenderungen wie folgt: – 1) Dort wo von der Regelung der Verhältnisse am Balkan die Rede ist, soll es heissen: ‚Wenn daher (…) die Bedingungen ihrer Existenz und ihres weiteren Fortschrittes (nun kommt der Zusatz) und ihres Handels nach aussen günstiger zu gestalten.’ – 2) An der Stelle, wo von der Adria die Rede ist, soll (…) folgender Satz eingefügt werden: ‚So sind wir insbesondere Anhänger der Selbständigkeit Albaniens und wir würden es daher mit den eben aufgestellten Prinzipien nicht für vereinbarlich halten, wenn Italien dort einen territorialen Gewinn zu erringen versuchen würde.‘“ 2105

Zwei weitere vom K ­ aiser gewünschte Änderungen meldete Demblin am selben Tag an Sektionschef Müller: In dem Passus über Triest soll in dem Satze ‚Italien strebt (…)‘ das Wort ‚heute‘ wegfallen, während die Worte ‚weiter mehr‘ und ‚italienische Minorität‘ ersetzt werden sollen durch

2102 Kühlmann an Hertling, Dep. 636, 16. März 1918, SG 4 1978, 39 – 42 Dok. 27. 2103 Flotow/Müller an Czernin, Tel. 270, 17. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 107 – 108, idem: HHStA PA I, 1088 o. Fz. 2104 Czernin an Flotow, Tel. 230, 17. März 1918, ebd. fol. 129 bzw. o. Fz. 2105 Czernin an M. d. Ä., Tel. 232, 17. März 1918, ebd. fol. 127 – 127v bzw. o. Fz.

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‚wenigstens ebensoviel‘ beziehungsweise ‚Italiener‘. – (…) In dem Passus über Südtirol hat der Satz ‚und es strebt (…)‘ folgendermaßen zu lauten: ‚und es strebt endlich nach dem Besitze von Südtirol, das nie zu Italien gehört hat, dessen Bevölkerung (…)’.2106

Demblin schrieb dazu: „Ueber die Aenderungen (…) hat Seine Majestät, wie Er mir sagt, mit Graf Czernin per Hughes gesprochen, der Wortlaut ist jedoch dem Herrn Minister nicht bekannt“.2107 Müller benachrichtigte am 18. März Demblin, der Minister habe der Änderung des Triest betreffenden Passus zugestimmt und ersuche, „die Genehmigung Seiner Majestät einzuholen, diese Einschaltung zu machen und bei Streichung des Wortes ‚heute‘ den übrigen Teil des Passus in seiner ersten wirkungsvolleren Fassung zu belassen“. Müller teilte überdies mit, er habe Czernin „vorgeschlagen, bei der Wiedergabe der italienischen Forderungen anstatt ‚bis Laibach‘ zu sagen ‚fast bis Laibach‘ (…)“. Demblin wies er an, er möge „die Genehmigung (…) zu dieser von Grafen Czernin gutgeheißenen Einschaltung erbitten und die Ah. Entscheidung anher telegraphieren“.2108 Den Text ­dieses Telegramms sandte Müller gleichlautend auch an den Minister und erbat dessen Zustimmung zur Änderung des Passus über Südtirol.2109 Czernin antwortete: „Ich bin mit den (…) Aenderungen in dem Passus über Süd-Tirol (…) sowie in dem Bulgarien betreffenden Satz einverstanden.“ 2110 Und Demblin depeschierte an Müller: „S. M. ist mit den vorgeschlagenen Änderungen einverstanden.“ 2111 Als Vorlage für die Antwort an Wilson diente der so entstandene und als „definitiver Text“ bezeichnete Entwurf. Auf ihm finden sich, vom K ­ aiser mit Bleistift geschrieben, die Einfügungen „und ihres Handels nach Außen“, „So sind wir insbesondere Anhänger der Selbständigkeit Albaniens und wir würden es daher mit den eben aufgestellten Prinzipien nicht für vereinbarlich halten, wenn Italien dort einen territorialen Gewinn zu erringen versuchen würde“ und „dessen Bevölkerung“ sowie die Paraphe „K“.2112 2106 Demblin an M. d. Ä., Tel. 92, 17. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 128 – 128v, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2107 Ebd. 2108 Müller an Demblin, Tel. 53, 18. März 1918, ebd. fol. 130 – 130v, 133 u. 129 bzw. o. Fz. 2109 Müller an Czernin, Tel. 287, 18. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 130 – 130v, 133 u. 129. 2110 Czernin an Müller, Tel. 258, 19. März 1918, ebd. fol. 136, idem: HHStA PA I, 1088 o. Fz. 2111 Demblin an M. d. Ä., Tel. 95, 19. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 134, inhaltlich gleich: Demblin an Ambrózy (M. d. Ä.), Tel.-Dep., 20. März 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2112 Entw. einer Ah. Antwort an den Präs. der Vereinigten Staaten (Bleistift: „Definitiver Text“ u. Paraphe „K“.) o. D., HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 144 – 149, frz. Version ebd. fol. 150 – 155. – Von der von Kovács als „Eigenhändige Einfügung ­Kaiser Karls“ bezeichneten Passage „auf den durch keine Staatengrenzen behinderten freien Verkehr mit den anderen Gebieten der österreichisch-ungarischen Monarchie stützen kann“ (Kovács 2 2004, 313 – 318 Dok. 86) sind lediglich das Wort „kann“ und das der Passage vorangehende Wort „allein“ von des Kaisers Hand.

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Kaiser Karl hatte also an Czernins Entwurf der Antwort an Wilson nur wenig auszusetzen und verlangte, von den oben erwähnten abgesehen, keinerlei Änderungen. In nach dem Ende der Monarchie gemachten Aufzeichnungen jedoch schrieb er erstaunlicher­ weise, Czernin habe, „wie leider so oft, gute friedliebende Sätze, die ich hineingeben wollte, derart herabgemindert und verklausuliert, daß die Sache wirkungslos verpuffte“.2113 Werkmann meinte 1931: „Man wird (…) das als wenig glücklich ansehen müssen, was nun Graf Czernin dem Präsidenten sagen lassen wollte. Es erhob sich kaum über Wilsonsche Banalitäten und führte zudem einen Hieb gegen die Assoziierten Wilsons, von denen man den Frieden haben wollte.“ 2114 Dass die „wenig glückliche“ Antwort an den Präsidenten keineswegs hinter dem Rücken K ­ aiser Karls verfasst worden war und dieser nur minimale Änderungen gewünscht hatte, war Werkmann offenbar nicht bekannt. Eine „Erinnerung“ Exkaiserin Zitas an die Entstehung der Messagen an Wilson gab Brook-Shepherd wieder: Der ­Kaiser hatte alle ursprünglichen Entwürfe der Botschaften an (…) Wilson selbst abgefaßt. Sobald sie jedoch an Graf Czernin weitergeleitet worden waren, verschärfte dieser stets die Formulierungen, zum Beispiel strich er einige Hinweise ­Kaiser Karls auf ‚die Bereitschaft zu gewissen Grenzberichtigungen‘ heraus. In ein oder zwei Fällen war der vom K ­ aiser entworfene Text – während er selbst nicht anwesend war – noch unmittelbar vor der Absendung der Botschaften geändert worden.

Die Antwort an Wilson vom 22. März sei so formuliert gewesen, (…) als wolle man die Verhandlungen abbrechen. (…) Das Angebot des Kaisers, Trient an Italien abzutreten, um Friedensgespräche in Gang zu bringen – ein Zugeständnis, das neun Monate zuvor gegenüber Prinz Sixtus in Laxenburg gemacht wurde –, schien nun plötzlich fallengelassen worden zu sein. Denkt man an die Sixtus-Affäre und an die (…) Haltung des Kaisers in der Frage Elsaß-Lothringen, so ist der antifranzösische Ton, der in dieser zweiten Botschaft zutage tritt, ganz unverständlich.

Die Message habe „mit dem für Karl unglaublichen Satz: ‚Es gibt nur ein Hindernis für den Frieden (…) und das ist die Eroberungsgier Italiens und Frankreichs’“ geendet. Dies aber sei „eher die Sprache des deutschen Kaisers (…). Es war jene Gleichsetzung Straßburgs mit Triest durch Czernin.“ 2115 2113 Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 327 Dok. 87a. 2114 Werkmann 1931, 240. 2115 Brook-Shepherd 1968, 169.

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Später dagegen sah Brook-Shepherd Czernin als Autor der Message, er habe in ihr „a typically brusque tone“ angeschlagen, „his final reply to the White House, sent in the emperor’s name, might have been written by Ludendorff “.2116 Anhand unserer Darstellung, die ein etwas anderes Bild der Genese der beiden Botschaften bietet, kann der Leser erkennen, dass Brook-Shepherd nicht gut beraten war, sich ganz auf Zitas Gedächtnis zu verlassen, von dem er meinte, es sei „bis in die kleinsten Einzelheiten getreu und (…) weder durch Bitterkeit noch durch Voreingenommenheit auch nur im geringsten verzerrt“.2117 Was das von Zita erwähnte „Angebot des Kaisers, Trient an Italien abzutreten“ betrifft, so geht aus dem Obigen klar hervor, dass K ­ aiser Karl ein solches Angebot in keiner Phase des Entstehens der Messagen an Wilson zur Sprache brachte oder gar verlangte. Auch ließ er in seinem wahrscheinlich Anfang März 1918 verfassten Brief an den Papst keinerlei Bereitschaft zu einer Abtretung des Trentino erkennen.2118 Am 21. März wies Czernin Sektionschef Müller an, die Antwort an Wilson „sofort doppelt an Prinz Fürstenberg zu telegraphieren“.2119 Am selben Tag erhielt Czernin ein Telegramm mit der Nachricht: „Die deutsche Offensive an der Westfront hat heute morgens begonnen. Unsere Artillerie ist an der Angriffsaktion beteiligt.“ 2120 Die Antwort an Wilson und das kaiserliche Handschreiben an König Alfons wurden am 22. März in einer Telegrammfolge an Botschafter Fürstenberg gesandt. Dieser wurde instruiert, „den König ehebaldigst in Kenntnis zu setzen und (…) zu bitten, die (…) Message für den Präsidenten (…) möglichst bald an Herrn Wilson zu leiten“.2121 Flotow 2116 Brook-Shepherd 1991, 90. 2117 Brook-Shepherd 1968, 10. 2118 Ks. Karl an Benedikt XV., o. D., Kovács 2 2004, 311 – 313 Dok. 85. – Kovács behauptete, die Antwort an Wilson habe in ihrem „zweiten Teil“, dessen letzte Sätze „provokant“ gewesen ­seien, von Czernin gestammt, der das Schreiben als „verschwendete diplomatische Munition“ betrachtet habe. Sie berief sich dabei zu Unrecht auf Meckling, die über eine „negative Einstellung Czernins zum Friedensprogramm“ geschrieben habe. Kovács 1 2004, 362. In Mecklings Buch findet sich über eine ­solche ­Einstellung ­Czernins nichts, sie nahm vielmehr auf das oben zitierteTelegramm Demblins an Czernin vom 12. März 1918 Bezug, in dem es hieß: „Ich (…) erklärte S. M. vor Allem, dass es (…) ganz aussichtslos und nur Verschwendung diplomatischer Munition sei, auf einen Separatfrieden mit Amerika hinzuarbeiten, welch Letzteres ja gerade um einen allgemeinen, dauernden Frieden herbeizuführen in den Krieg getreten sei (…).“ Meckling 1969, 329. 2119 Czernin an Flotow, Tel. 277, 21. März 1918, ebd. fol. 140. 2120 Wiesner an Czernin, Tel. 312, 21. März 1918, HHStA PA I, 841 Krieg 4a fol. 122. 2121 M. d. Ä. an Fürstenberg, Tel. 108 (wie Weisung Czernin an Fürstenberg HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 141 u. 187) u. Tel. 109 – 113 (Ks. Karl an Wilson dt. Version wie korr. Entw. ebd. fol. 144 – 149, frz. Version wie ebd. fol. 150 – 155 u. Handschr. Ks. Karl an Alfons XIII. wie kalligraphisches Schr. ebd. fol. 142 – 142v) 22. März 1918. – Kovács behauptete zu Unrecht, Czernin habe „diesen Brief“ bzw. eine „Abschrift des Kaiserbriefes“, d. h. die Antwort an Wilson, bereits am 16. März Kühlmann übergeben. Kovács 1 2004, 362 – 363 Anm. 142 bzw. 147.

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und Müller berichteten Czernin am 23. März: „Die zwei Telegramme für den König (…) sind heute in doppelter Ausfertigung an Prinz Fürstenberg abgegangen.“ 2122

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Am 28. Februar 1918 hielt Lammasch im Herrenhaus eine Rede, in welcher er erklärte: „Noch niemals sind wir in Österreich dem Frieden, und zwar einem für uns ehrenvollen, einem für uns günstigen Frieden so nahe gewesen als im gegenwärtigen Zeitpunkte.“ Außenminister Czernin habe das Verdienst, „daß Amerika uns ziemlich deutlich die Hand entgegenstreckt, vielleicht noch nicht zum Frieden, aber wenigstens zum Eintreten in Verhandlungen für einen Frieden“. Das Verhältnis der Monarchie zum wichtigsten Bundesgenossen habe Czernin ausgezeichnet in zwei lapidaren Sätzen charakterisiert: Der eine (…) ist der, daß wir verpflichtet sind, den vorkriegerischen Besitzstand des Deutschen Reiches zu verteidigen. Der andere (…), daß wir, ebenso wie Deutschland uns geholfen hat, Triest zu verteidigen, verpflichtet sind, Straßburg zu verteidigen.2123

Daraus folge aber nicht, (…) daß wir (…) verpflichtet sind, jenen Verfassungszustand, der in Elsaß-Lothringen vor dem Kriege bestand, (…) aufrecht zu erhalten. Wenn der Friede möglich sein wird unter der Voraussetzung, daß Elsaß-Lothringen ein selbständiger Bundesstaat werde mit allen Rechten eines solchen und mit einer von der Bevölkerung frei gewählten Verfassung, dann ist für uns kein Grund, den Krieg (…) weiterzuführen (…).2124 Und es sind Anzeichen vorhanden, daß die Gegenseite sich mit jenem Zugeständnis zufriedenstellen würde. (…) Unsere Pflicht geht dahin, auch in Österreich den einzelnen Nationen ein höheres Maß an selfgouvernment zu geben; nur dadurch werden wir unsere Verhältnisse konsolidieren. (…) Die Politik, ‚keine Annexionen‘, ist feierlichst proklamiert worden. Zu dieser (…) gehört auch, daß wir nicht andere Völker zwingen, in eine militärische, politische, ökonomische oder andere Abhängigkeit von uns zu treten. Die Politik der Eroberungen (…) ist dadurch desavouiert (…), daß sie nur dazu führen kann, den Kriegszustand ­zwischen den Staaten zu perpetuieren. (…) Der

2122 Flotow/Müller an Czernin, Tel. 330, 23. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 188 – 189. 2123 Lammasch, Rede 28. Feb. 1918, Sten. Prot. HH XII. Leg.-Per., XXII. Sess. 28. Sitzg. pp 812 – 817, ­Lammasch 1919, 160 – 172. 2124 Kovács interpretierte diesen Satz höchst eigenwillig so: „Lammasch trat für einen selbständigen Bundes­ staat Elsaß-Lothringen ein, es wäre kein österreichisches Kriegsziel, das Rheinland (?!) zu erhalten.“ Kovács 1 2004, 360.

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sogenannte Siegfriede (…) wäre (…) nur ein Waffenstillstand vor einem noch gewaltigeren und entsetzlicheren Waffengang.2125

Er (Lammasch) müsse berichten, welches Urteil über Czernin er in neutralen Ländern angetroffen habe: „Im Gegensatz zu der großen Sympathie und Bewunderung für unseren ­Kaiser kommt man (…) Czernin in diesen Ländern ziemlich skeptisch entgegen.“ Dort beruhige man sich aber damit, „daß im monarchischen Staate die auswärtige Politik nicht durch den Minister, sondern durch den Monarchen gemacht wird, und gerade (…) zu unserem Monarchen hat man das allergrößte Zutrauen“. In der letzten Botschaft Wilsons ­seien territoriale Fragen nicht berührt worden, „imperialistische Neigungen – insbesondere Italiens“ unterstütze Amerika nicht. „Und die eingehendste Darstellung der Friedensziele der Gegner, die 14 Punkte (…), haben auch von seiten des Grafen Czernin die Anerkennung gefunden, daß sie vollständig diskutabel, daß manche Punkte sogar annehmbar sind.“ 2126 In Unkenntnis der österreichisch-ungarischen Note vom 17. Februar 1918 sagte ­Lammasch: „Bedauerlich ist es, daß, obwohl die Konversation ­zwischen Österreich und Amerika von Österreich ausgegangen ist, sie nicht von Österreich, sondern vom Deutschen Reiche fortgesetzt wurde.“ Hertlings Rede vom 25. Februar bedeute einen sehr großen Fortschritt. Amerika scheine sich erst jetzt bewusst geworden zu sein, w ­ elche Schwierigkeiten es erwarteten, wenn es ernstlich in den Krieg eintrete. Darum suche es einzulenken. Es sei „selbstverständlich, daß ein Volk, (…) das seine heiligsten Güter zu verteidigen hat, bis auf äußerste durchhalten muß. Aber im gegenwärtigen Moment entsteht die Frage: wodurch werden die höchsten Güter (…) mehr befördert, durch eine Fortsetzung des Krieges oder durch den Abschluß eines ehrenvollen Friedens?“ ­Lammasch schloss mit dem Appell: Hören Sie darum (…) auf die Stimme der Menschlichkeit, auf die Stimme der Vernunft, auf die Stimme des Christentums, (…) die Stimme des Heiligen Vaters, hören Sie auf die Stimme der Völker, auf die Stimme derjenigen, die alles hingegeben haben, (…) um ihr Vaterland zu verteidigen, aber nicht für Eroberungsziele, weder für eigene noch für fremde. (…) Weisen wir das Anerbieten Amerikas (…) zurück, so wird der Krieg noch jahrelang dauern. (…) Drüben ist es Amerika, das allein den Frieden machen kann, hier ist es Österreich-Ungarn unter der Führung unseres Kaisers, dem alle Völker Vertrauen und Hochachtung entgegenbringen.2127 2125 Lammasch, Rede 28. Feb. 1918, Sten. Prot. HH XII. Leg.-Per., XXII. Sess. 28. Sitzg. pp 812 – 817, ­Lammasch 1919, 160 – 172. 2126 Ebd. 2127 Ebd.

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Lammasch wurde wiederholt durch Zwischenrufe unterbrochen, es kam zu heftigen Diskussionen. Fürst Aloys Schönburg-Hartenstein erklärte im Namen des Exkutiv­ komitees der Mittelpartei, Lammaschs Ausführungen hätten dessen Ansichten „in sehr vielen Teilen“ widersprochen.2128 Kurz zuvor hatte der in Brest weilende Czernin durch abgefangene Telegramme de Jongs von den hinter seinem Rücken erfolgten Kontakten Lammaschs mit Herron Kenntnis erhalten. Am 18. Februar hatte ihm zudem Kühlmann eine Notiz über Berichte eines „Vertrauensmannes aus der Schweiz“ überreicht, in der es unter anderem hieß: Professor Lamasch (sic; …) sagte dem (…) nordamerikanischen Bevollmächtigten, ­Kaiser Karl wünsche nichts so heiß, als sich so bald wie möglich aus Deutschlands Umklammerung zu befreien. Er fühle, daß es sonst mit Oesterreich zu Ende geht. Der Professor gab sich ohne weiteres als Vertrauensmann des Kaisers, für dessen guten Willen er mit bewegten Worten eintrat. Man dürfe aber (…) nicht vergessen, w ­ elche (…) Hemmungen d ­ iesem guten Willen entgegenstünden. Graf Czernin (…) hätte nicht das Ohr des Kaisers – im Gegenteile: er wäre ihm in Charakter und Temperament so unsympathisch, daß er sich seiner längst entledigt haben würde, wenn er Ellbogenfreiheit hätte. Dem ungeachtet werde schon die Stimmung des Volkes dafür sorgen, daß in nächster Zeit ein gründlicher Wandel eintrete (…).2129

Der Verfasser der Notiz hatte dazu angemerkt: Rechnet man zu dem allen die weitverzweigte bis nach Washington reichende tschechische und irredentistisch-italienische, dem Zusammenbruche Oesterreichs zustrebende Propaganda hinzu, so kann man sich leicht vorstellen, welches Bild man sich in Paris, London und Washington von der Bundestreue und Widerstandskraft Oesterreichs machen kann (…).2130

Am 25. März telegrafierte Czernin an Demblin, er solle dem ­Kaiser melden, (…) dass nachfolgender Bericht des Hofrats Lammasch (…) von einer Nachrichtenabteilung (…) entziffert worden ist (…): – ‚Der Annahme des Friedensangebotes (von Amerika?) stand nichts im Wege bis Deutschland mit seinen Sonderwünschen kam. Seine Majestät ist (…) noch immer der Sache geneigt, aber Graf Czernin neigt mehr nach der Seite Deutschlands. Allerdings schien es einige Tage, als würde Seine Majestät die Energie haben, sich auf eigene Füsse zu stellen. Ob Er es wirklich tut?’ 2128 Ebd. 2129 Notiz, von Kühlmann Czernin übergeben 18. Feb. 1918, HHStA PA III, 175 Varia 1918 fol. 28 – 28v. 2130 Ebd.

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Dazu merkte Czernin an: „Die verächtliche Art, in der Lammasch von Seiner Majestät spricht, spricht für sich.“ 2131 Demblin antwortete am 26. März: „Der abgefangene Brief (…) hat auf S. M. seinen Eindruck nicht verfehlt. S. M. gab zu, dass Lammasch ein gefährlicher Mensch sei, der im Trüben fische.“ 2132 Lammaschs Rede im Herrenhaus hatte eine heftige Polemik im Gefolge. Der Leiter des Pressdepartments des Ministeriums des Äußern, der Gesandte Wiesner, depeschierte darüber an Czernins Kabinettschef Colloredo: Ich muss ihnen eine grosse Pressgeschichte mit der Bitte mitteilen, Seiner Exzellenz davon Meldung zu erstatten: – Nach der letzten Rede von Lammasch (…) haben deutsche Blätter heftige Angriffe gegen ihn gerichtet, darunter auch die Vossische Zeitung in einem Artikel von Friedjung. Nun ist die Vossische mit einem neuen Artikel von Friedjung erschienen, in welchem sie erzählt: Lammasch habe vor einiger Zeit Seiner Majestät eine Denkschrift überreicht in welcher er anregt, nach dem Krieg das Bündnis mit Deutschland zu kündigen, von dieser Absicht aber schon jetzt die Entente zu verständigen, wodurch der Friedensschluss erleichtert würde (…).2133 Nun ist dieser Artikel (…) in die ganze deutsche Presse übergegangen, wo er grosses Aufsehen erregt. (…) Das Neue Wiener Journal hat seinen Korrespondenten in Salzburg zu Lammasch geschickt, welcher sehr gewunden erklärte, dass man über Dinge die in Audienzen vorsichgehen, Stillschweigen beobachten musste, (…) die ganze Sache unter dem Siegel des amtlichen Geheimnisses stehe. (…) nun werden unsere Blätter die Nachricht aus der Vossischen (…) übernehmen, wogegen (…) nichts einzuwenden wäre, wenn nicht einzelne (…) die Gelegenheit benützen würden, bei d ­ iesem Anlasse auf die antideutschen Strömungen bei Hof hinzuweisen (…). Soweit die Polemik sich gegen Lammasch richtet ist sie nur gesund, dagegen wird sie (…) zu dem Schlusse führen, dass jemand der ­solche Gedanken propagiert nicht bei Seiner Majestät vorzulassen wäre. Wegen des letzteren Umstandes werfe ich die Frage auf, was zu tun wäre, um die Bedeutung der Audienzen des Herrn Lamasch bei Seiner Majestät zu nullifizieren.2134

Colloredo anwortete: Falls Interview Lammasch im ‚Neuen Wiener Journal‘ als ein Dementi aufgefaßt werden kann, wäre es dem Herrn Minister erwünscht, wenn die Blätter zu einer scharfen Kampagne gegen die Lammaschschen Ideen veranlaßt werden könnten. In den (…) Angriffen wäre nachdrücklichst

2131 Czernin an Demblin, Tel. 74, 25. März 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz., idem: PA XL, 262 o. Fz. 2132 Demblin an Czernin, Tel. 89, 26. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz., idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2133 VZ M (2. März 1918), 2, VZ M (8. März 1918), 1 – 2. 2134 Wiesner an Colloredo, Hughes-Tel. o. Z., o. D. (vor 12. März 1918), HHStA PA I, 1088 o. Fz.

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hervorzuheben, daß selbstverständlich keine Aussicht vorhanden sein könne, daß derart mit dem Bündnisgedanken (…) in krassestem Widerspruch stehende Ideen an Allerhöchster Stelle Gehör finden könnten. Die Frage der angeblich antideutschen Umgebung Seiner Majestät wäre nicht zu berühren. – Vorstehende Gedankengänge wollen Euer ./. der Presse gegenüber von sich aus erläutern, ohne den Anschein eines Auftrages zu erwecken.2135

Über den Fortgang der Polemik unterrichtete Wiesner Czernin am 17. März: Die Diskussion über das (…) Seiner Majestät angeblich übergebene Memorandum, worin Lammasch angeregt haben soll, nach Friedensschluss das Bündnis mit Deutschland zu lösen, wird immer allgemeiner. Sie scheint durch die recht zweideutige und hinterhältige Beteiligung von Lammasch selbst (…) zu dessen Kompromittierung zu führen. (…) Nachdem Lammasch in seinem Interview mit dem Mitarbeiter des ‚Prager Tagblattes‘ (…) sich hinter die ihm obliegende Diskretion (…) verschanzt hatte (…) aber indirekt zugab, wiederholte Unterredungen mit Seiner Majestät gehabt und (…) Denkschrift unterbreitet zu haben und (…) nicht in Abrede stellte, dass deren Inhalt dem von Friedjung angegebenen entspreche, nannte er in (…) ‚Salzburger Chronik‘ (…) Friedjung einen unsauberen Artikelschreiber und erklärte (…), dasz die ihm imputierten Anregungen in der fraglichen Denkschrift auf freier Erfindung beruhen. (…) am selben Tage erschien aber im ‚Neuen Wiener Tagblatt‘ eine Äusserung des Dr. Friedjung, (…) dasz Lammasch selbst die fragliche Denkschrift einem Gelehrten zur Lektüre gegeben habe (…) (es ist dies, wie ich vertraulich beifüge, Professor Ludo Hartmann, ein stark zur sozialdemokratischen Partei hinneigender Freidenker!) dieser sei jederzeit bereit, dies zu bestätigen. (…) Das heutige ‚Fremdenblatt‘ knuepft an die in der englischen und französischen Presse lebhaft besprochene Frage an, ob Österreich-Ungarn zum Abfall vom Bündnis mit Deutschland zu bewegen sei, und kommt hiebei auf die Affäre Lammasch zu sprechen. In einer (…) sehr schonenden Form wird ­diesem vorgehalten, dasz er mit seinem ersten Dementi den Schein erweckt habe, als ob er ein intimer Ratgeber des Kaisers wäre. Diesen (…) Schein hätte er nicht erwecken dürfen, nachdem er Ansichten geäussert habe, die von der Politik Österreich-Ungarns so sehr abweichen. Freilich wisse man (…) in allen einigermaszen urteilsfähigen Kreisen, dasz unser jugendlicher Monarch für so gefährliche Phantasien unzugänglich sei. (…) Bemerkenswert ist, dasz Lammasch in seiner Zuschrift an die ‚Neue Freie Presse‘ (…) erklärt, er habe das ihm wiederholt angebotene Justiz­portefeuille stets abgelehnt, und hinzugefügt: ‚eine andere Ablehnung ist minder bekannt wenngleich nicht völlig verborgen geblieben‘.2136

2135 Colloredo an Wiesner, Tel. 169, 12. März 1918, ebd. o. Fz. 2136 Wiesner an Czernin, Hughes-Tel. 277, 17. März 1918, HHStA PA I, 1085 o. Fz., idem: HHStA PA I, 1088 o. Fz.

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Daraufhin depeschierte Czernin an Wiesner: Es liegt mir viel daran, dass die Angelegenheit Lammasch nicht einschläft und alles mögliche gemacht werde, um diesen gefährlichen Menschen gründlich unmöglich zu machen. (…) Das ‚Fremdenblatt‘ hat (…) nochmals, und zwar energischer, (…) zu betonen, dass es vollständig ausgeschlossen ist, dass unser edeldenkender Monarch an der Bündnistreue auch nur im geringsten deuteln lassen würde, dass aber das Verhalten des Dr. Lammasch, welcher andeutet ein Ratgeber Seiner Majestät zu sein, imstande ist, nichtorientierte Kreise zu verwirren (…). Ich lege besonderen Wert darauf, dass der Unterschied in der Auffassung z­ wischen Seiner Majestät und Dr. Lammasch stark betont werde. (…) Ferner sind sämtliche Gesandtschaften in den neutralen Ländern (…) aufmerksam zu machen und es soll versucht werden, in der neutralen Presse Dr. Lammasch möglichst anzugreifen.2137

Auf dem Telegrammentwurf findet sich der Vermerk Czernins: „Auch die reichsdeutsche Presse ist geschickt zu influencieren, damit sie Lammasch angreift.“ 2138 Am selben Tag meldete Wiesner: Die ‚Kreuzzeitung‘ vom 17. d. druckt eine Zuschrift ab, w ­ elche ihr von einer der Verfassungspartei unseres Herrenhauses nahestehenden Seite zukommt. Darin wird konstatiert, dass der heftige Widerspruch, welcher die letzte Rede des Professor Lammasch (…) ausgelöst hat, nur den Anstoss zu dieser Demonstration bildete, da alle Mitglieder des Herrenhauses, w ­ elche Anhänger des Bündnisses mit Deutschland sind, schon längst gegen Lammasch entrüstet sind. Dieser benütze seine Verbindungen, um der Krone Memoranden vorzulegen, die seine politischen Ratschläge enthalten. So sei die Amnestie der tschechischen Parteiführer durch ein solches (…) angeregt worden.2139

Zwei Tage ­später berichtete Wiesner, (…) dass die ‚Zeit‘ vom 19. Maerz eine Erklaerung des Hofrates Lammasch bringt, in welcher dieser mitteilt, an Allerhoechster Stelle niemals geraten zu haben, das Buendnis mit dem Deutschen Reich zu loesen. In hoechst zweideutiger Weise fuegt er bei, dass ‚die Eroerterungen des Doktor Friedjung (…) teils auf Erfindung, teils auf grobem Missverstaendnis beruhen’. (…) – Einen langen Artikel (…) bringt der ‚Pester Lloyd‘ vom 17., wo es nach Darlegung der ganzen Frage heisst: all dies sind nebensaechliche Einzelheiten im Vergleich zu der (…) Tatsache, dass (…) gewagt wurde (…) die Krone in eine Debatte zu ziehen, die bis zu einem so ueberaus 2137 Czernin an M. d. Ä. für Wiesner, Tel. 235, 18. März 1918, HHStA PA I, 1088 o. Fz. 2138 Ebd. 2139 Wiesner an Czernin, Tel. 284, 18. März 1918, HHStA PA I, 1085 o. Fz.

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heiklen Thema vorgedrungen war. (…) Lammasch (…) hat oeffentlich über Unterredungen mit seiner Majestaet berichtet und geglaubt, sich von seiner Verantwortung dadurch losloesen zu koennen, dass er die erwaehnten Denkschriften für streng vertraulich erklaerte. Aus der Herrenhausrede von Lammasch geht hervor, dass er der Ansicht ist, man mache im Auslande einen grundlegenden Unterschied z­ wischen (…) der Politik des Koenigs und jener des Grafen Czernin. Durch diese Aeusserung im Zusammenhalte mit der Vorlage von Denkschriften an den ­Kaiser hat Lammasch das Ausland glauben machen koennen, dass seine Auffassungen an oberster Stelle gebilligt werden.2140

Am 23. März berichtete Wiesner, Lammasch schreibe im Abendblatt der „Zeit“ vom 21. März, (…) dass er von Doktor Ludo Hartmann einen Brief erhalten habe, in welchem sich dieser als Informator Friedjungs bekenne. Er gebe zu, d ­ iesem ohne Auferlegung des Stillschweigens eine Denkschrift (…) vorgelegt zu haben, die nicht an Allerhoechste Stelle gerichtet war, (…) aber doch von einer dritten Person dem K ­ aiser unterbreitet worden sein koenne (die Denkschrift wurde, wie in unterrichteten Kreisen angenommen wird, Herrn von Polzer übergeben, der sie selbstverstaendlich Seiner Majestaet unterbreitet hat). Was den Inhalt (…) anbelange, so sei sie eine Polemik gegen Naumanns ‚Mitteleuropa‘ und vertrete den allgemeinen Staatenverband im Sinne Wilsons, der (…) die einzige Garantie für den Frieden bilde. (…) In einer Zuschrift an die ‚Neuen Freien Presse‘ vom 22. reagiert Friedjung auf die letzten Erklaerungen von Lammasch. Er verweist, dass man jetzt nicht mehr (…) davon sprechen könne, dass er Erfindungen mitgeteilt habe, dass die vielbesprochene Denkschrift existiere, (…) zur Kenntnis Sr. Majestaet gebracht wurde und (…) darauf hinauslaufe, dem Buendnis mit Deutschland ein Ende zu bereiten, darauf habe Lammasch an Allerhoechster Stelle hingearbeitet (…). Wer gegen das Buendnis sei, sollte sich offen dazu bekennen, aber nicht (…) so zoegernd wie Lammasch (…).2141

Über die weitere Entwicklung in der Causa berichtete Wiesner am 24. März: In die Pressdiskussion (…) greift nun auch Dr. Ludo Hartmann ein. Er erinnert Herrn ­Lammasch daran, dass dieser ihm (…) von einer Audienz sprach, die (… er) bei Sr. Majestaet gehabt habe und (…) ihm dann die fragliche Denkschrift uebergab (…). Im uebrigen (…) betont (Hartmann), dass er (…) in einem Brief an Lammasch die gegen das Buendnis (…) gerichtete Spitze der Denkschrift sofort sehr energisch (…) bekaempft habe.2142 2140 Wiesner an Czernin, Tel. 299, 20. März 1918, ebd. o. Fz., PL M (17. März 1918), 2. 2141 Wiesner an Czernin, Tel. 338, 23. März 1918, HHStA PA I, 1086 o. Fz. 2142 Wiesner an Czernin, Tel. 346, 24. März 1918, ebd. o. Fz.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

Im ‚Fremdenblatt‘ heiße es, (…) dass es unstatthaft war, wenn Lammasch sich (…) aeusserte, als ob er ein intimer Ratgeber des Monarchen waere und (…) den Glauben erwecken konnte, seine bundesfeindlichen Ansichten könnten an Allerhoechster Stelle Einfluss ueben (…). Alle politisch in Betracht kommenden Personen wuessten (…) dass ­Kaiser Karl unerschuetterlich am Buendnisgedanken festhalte (…). Nach Besprechung der ganzen Kontroverse (…) wird die Frage aufgeworfen, wie ein Mann von hohem wissenschaftlichen und politischen Ansehen den Gedanken fassen konnte, dass dieser Plan bei einem K ­ aiser aus dem Hause Habsburg Gehoer finden wuerde.2143

Am 27. März schließlich telegrafierte Wiesner: In Beantwortung des offenen Briefes des Dr. Ludo Hartmann versendet Herr Lammasch an die Blaetter (…) eine gewundene Zuschrift, in welcher er nicht bestreitet, dass er (…) H ­ artmann gegenueber von einer Audienz gesprochen habe, aber bemerkt, er habe dies ‚jedenfalls nicht im Zusammenhange mit jener Denkschrift‘ erwaehnt. Die Konklusionen, w ­ elche Hartmann aus (…) der Denkschrift gezogen habe, dass sie (…) auf die Loesung des Buendnisses (…) hinausgelaufen sei, bezeichnet Lammasch nur als ‚moegliche, keineswegs notwendige Konsequenz‘. (…) – Die mir (…) aus allen Parteilagern zu Kenntnis gebrachten Urteile (…) lauten (…) dahin, dass Lammasch aus der Campagne (…) schwer havariert hervorgeht und selbst (…) in katholisch-konservativen Kreisen und seinen neuesten Verteidigern in ­radikalliberalen und sozialistischen Kreisen keine Stuetze mehr findet.2144

Demblin berichtete am 26. März an Czernin, dass der K ­ aiser verlangt habe, gegen einen Artikel der Leipziger Neuesten Nachrichten vom 17. des Monats in Berlin und Leipzig zu protestieren: „Ich sagte Sr. M., dass es mich nicht wundere, dass deutsche Blätter so schreiben, wenn Leute vom Schlage Lammasch’s sie hiezu herausfordern, dass mir aber (…) sein Auftrag umso willkommener scheine, als Prinz ­Hohenlohe bezw. Baron Braun (…) Gelegenheit haben werden, Lammasch (…) offiziell zu desavouieren.“ 2145 In Verbindung mit der Affäre stand auch eine der amerikanischen Gesandtschaft in Bern zugegangene und von Stovall an Außenminister Lansing weitergeleitete Meldung, in der es hieß: 2143 Ebd. 2144 Wiesner an Czernin, Tel. 401, 27. März 1918, ebd. o. Fz.; NFP M (28. März 1918), 6. 2145 Demblin an Czernin, Tel. 93, 26. März 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz., idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. Karl Frh. von Braun war k. u. k. Gesandter in Dresden am sächsischen Hof.

Keine weiteren Bemühungen um Wilson

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From reliable source (sic!) it is reported that German Government is furious at Professor Lammasch (…), and German Embassy made definite complaint to Austrian Government that Lammasch was engaged in pernicious agitation against Germany. It is stated that the representations amounted to a precipitate ultimatum. It was demanded that Emperor Charles disapprove Lammasch or face prospect of German occupation of Vienna. Austrian Government was obliged to (…) tentative disavowal of Lammasch’s negotiations in Switzerland. Emperor personally stands by Lammasch and latter has announced he will fight to death to complete Austrian federation with autonomous states, complete separation from German policy, and a reorientation in accord with the Western Powers.2146

Dass Stovall die Verlässlichkeit der „reliable source“ und ihrer Meldungen nicht in Frage stellte, ist erstaunlich.

6.9

Keine weiteren Bemühungen um Wilson

Die am 22. März an Botschafter Fürstenberg gesandten Depeschen mit der Antwort an Wilson wurden von der Intelligence Division des britischen Admiralty War Staff abgefangen. Botschafter Page meldete den Erhalt dieser Depeschen und des Telegramms Fürstenbergs, mit dem dieser die Message König Alfons’ mit Wilsons Note nach Wien gesandt hatte, am 28. März an Lansing.2147 Wie Wilson die Antwort vom 22. März aufnahm, ist nicht überliefert. Möglicherweise traf zu, was Mamatey vermutete: „(…) the resumption of military activity on the Western Front had forced the President to suspend the public debate over war aims and the secret parleys over peace conditions.“ 2148 Fürstenberg meldete Czernin am 29. März: „Wegen der enormen Arbeit, die das Entziffern, Feststellen des genauen Wortlautes und Reinschreiben dieser langen, wie gewöhnlich sehr verstümmelt eingelangten Depeschen (…) verursacht, kann Uebergabe (…) an den König voraussichtlich nicht vor Uebermorgen, Ostersonntag, erfolgen.“ 2149 Am 1. April aber berichtete er: Nachdem König Alfons an Gelbsucht erkrankt, (…) eine Audienz daher ausgeschlossen erscheint, so händigte ich gestern (…) dem Privatsekretär des Königs die beiden Texte der (…) Message in 2146 Stovall an Lansing, Tel. 2921, 23. März 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 173. – Kovács übersetzte den letzten Satz sehr frei: Der ­Kaiser habe erklärt, „er würde bis zu seinem Tod für die Donaukonföderation (…) kämpfen“. Kovács 1 2004, 362. 2147 Walter H. Page an Lansing, Tel. 9268, 28. März 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 182 – 186, idem: Link PWW 47. 1984, 176 – 177. 2148 Mamatey 1957, 232. 2149 Fürstenberg an Czernin, Tel. 147, 29. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 195.

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Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

versiegeltem Kuvert mit der Bitte ein, bei der Uebergabe das Ersuchen Seiner (…) Majestät um baldmöglichste (…) Weiterleitung an Herrn Wilson bei seinem Höchsten Herrn zu stellen. Gleichzeitig bat ich ihn auch, dem König zur Kenntnis zu bringen, daß ein spanischer Kurier sich dieser Tage mit einem Allerhöchsten Handschreiben und der Message nach Madrid begeben wird.2150

Bezüglich ­dieses Kuriers teilte Czernin am nächsten Tag Fürstenberg mit: Derselbe ist beauftragt Euer ~ einen versiegelten Briefumschlag zu übergeben, in welchem sich das bewußte Handschreiben (…) und die collationierten Chiffrements der für (…) Wilson bestimmten Message (…) befinden. – Euer ~ wollen die Letzteren dechiffrieren lassen und Abschriften (…) als Beilagen des Allerhöchsten Handschreibens dem König überreichen.2151

Die Übergabe der Messagen an König Alfons verzögerte sich, worüber Fürstenberg am 13. April berichtete: Wenn ich auch keinen bestimmten Anhaltspunkt dafür besitze, so kann ich nicht umhin zu vermuten, daß die mehrtägige Verzögerung (…) nicht allein auf das Unwohlsein des Königs zurückzuführen ist, sondern daß König Alfons auch vielleicht Bedenken (…) gegen die Aktion zu überwinden hatte. Jedenfalls trugen zum Entschlusse, einen Spezialkurier nach Washington zu entsenden, auch technische Schwierigkeiten bei, da (…) zu befürchten stünde, ein derartig langes Telegramm in Ziffern werde die Aufmerksamkeit der Entente erregen, nebstdem sei auch der französische Chiffre der (…) Regierung kompromittiert. – (…) Spezialkurier aus Wien ist bis heute, 13. d. M., nicht eingetroffen, da die französische Grenze wiederum (…) gesperrt ist. – Um König Alfons (…) den Inhalt des Allerhöchsten Privatschreibens nicht länger vorzuenthalten, wäre es vielleicht angezeigt, die Allerhöchste Genehmigung einzuholen, damit ich dem Könige eine Abschrift (…) übergeben könnte.2152

Daraufhin telegrafierte Czernin am 15. April: „Euer ~ waren bereits (… aufgrund) meines Telegramms vom 22. v. M. Nr. 108 ermächtigt, Seiner Majestät (…) vom Wortlaut des Allerhöchsten Handschreibens Kenntnis zu geben. – Ich ersuche (…) dies nachzuholen.“ 2153 Inzwischen hatte ­Kaiser Karl im Zuge der durch das Bekanntwerden seines Briefes an Sixtus ausgelösten Krise Außenminister Czernin entlassen und Burián zum Nachfolger bestellt. Über die Wirkung dieser Geschehnisse auf die maßgebenden Faktoren in Madrid telegrafierte Fürstenberg am 18. April an Czernin: 2150 2151 2152 2153

Fürstenberg an Czernin, Tel. 195, 1. Apr. 1918, ebd. fol. 196. Czernin an Fürstenberg, Tel. 122, 2. Apr. 1918, ebd. fol. 197 – 198. Fürstenberg an Czernin, Tel. 174, 13. Apr. 1918, ebd. fol. 205 – 205v. Czernin an Fürstenberg, Tel. 141, 15. Apr. 1918, ebd. fol. 204 – 204v.

Keine weiteren Bemühungen um Wilson

633

Die Demission Euer Exzellenz (…) übte in Spanien eine geradezu vernichtende Wirkung auf das Ansehen und die politische Stellung Seiner Majestät aus und hatte zur Folge, daß die Person Seiner (…) Majestät jetzt noch mehr in die Diskussion gezogen wird, als es (…) bedauerlicher Weise in den letzten Tagen bereits der Fall war. Der (…) Rücktritt Euer Exzellenz wird als Beweis angesehen, daß in den jüngsten Auseinandersetzungen z­ wischen Euer Exzellenz und dem französischen Ministerpräsidenten letzterer den vollen Sieg davon trug, wodurch eine erfolgreiche Vertretung der Wiener amtlichen Verlautbarungen nunmehr nahezu zur Unmöglichkeit wird.2154

An Burián telegrafierte Fürstenberg drei Tage ­später: Bei dem gestrigen Diplomatenempfange teilte mir Minister des Aeußern mit, daß die Expedition der Allerhöchsten Message nach Washington durch Spezialkurier nicht durchführbar sei, nachdem die spanischen (…) Dampfer wegen der U-Bootgefahr ihre Fahrten nach Nordamerika eingestellt und es bisher noch nicht gelungen sei, mit der deutschen Regierung behufs (…) Geleitscheinen zu einem Einvernehmen zu gelangen. – Die Message müsse daher mittels Chiffredepesche gekabelt werden. Minister vorzeigte das bereits fertiggestellte Chiffrement und fragte mich, ob ich mit Rücksicht auf das Gesagte, aber auch (…) auf den Zwischenfall mit dem französischen Ministerpräsidenten kein Bedenken trage, daß die Depesche abgesandt werde. Ich antwortete, daß, obzwar ich keinen Auftrag erhalten habe die Message zurückzuhalten, (…) ich ihn dennoch bitte, (… sie) zurückzuhalten bis ich eine Direktive (…) eingeholt hätte. Ich (…) ersuche um Weisung.2155

Burián scheint in Anbetracht der infolge der Publikation des Briefes an Sixtus und der wenig glücklichen Versuche ­Kaiser Karls, die Authentizität des veröffentlichten Textes zu leugnen, erschütterten Beziehungen der Monarchie zum deutschen Verbündeten die bisher nicht erfolgte Weiterleitung der Botschaft an Wilson nicht unwillkommen gewesen sein. Darauf lässt jedenfalls sein Telegramm vom 25. April an Fürstenberg schließen: Euer ~ wollen Minister (…) ersuchen, mit der Weiterleitung der Message (…) insolange zuzuwarten, als es nicht möglich ist, dieselbe durch einen spanischen Courier nach Washington gelangen zu lassen. – Sollte sich diese Möglichkeit späterhin ergeben, würde ich Wert darauf legen, hierüber 10 bis 14 Tage vor dem Abgange des (…) Couriers informiert zu werden. – Bei ­diesem Anlasse wollen Euer ~ (…) einfließen lassen, daß mein Amtsvorgänger dem Staatssekretär von Kühlmann von (…) der durch (…) den König von Spanien vermittelten ­Friedensaktion 2154 Fürstenberg an Czernin, Tel. 182, 18. Apr. 1918, HHStA PA XX, 67 fol. 95. 2155 Fürstenberg an Burián, Tel. 185, 21. Apr. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 212 – 212v.

634

Versuche Skrzyńskis, Reverteras, Lammaschs; Notenwechsel mit Wilson

streng geheim Kenntnis gegeben und ihm den Text des Entwurfes der zweiten Message (…) an den Präsidenten (…) mitgeteilt hat.2156

Diese Weisung erteilte Burián augenscheinlich nicht, ohne sich über den Sachverhalt orientiert zu haben. In den Akten findet sich nämlich eine vom Tag der Absendung des Telegramms datierte Notiz des Leiters des Referates III des Ministeriums, Ludwig Graf Ambrózy, die lautet: Im Auftrag (…) des Herrn Ministers habe ich S. E. den Grafen Czernin gefragt, ob und inwieweit er die deutsche Regierung in die (…) durch Vermittlung des Königs von Spanien (…) eingeleitete Aktion zur Anbahnung von Pourparlers über die Wiederherstellung des Friedens eingeweiht habe. – Wie mir Graf Czernin antwortete, hat er (…) Kühlmann (…) den Text des ursprünglichen Entwurfes der zweiten Message (…) an Herrn Wilson mitgeteilt. Auf den Wunsch des (…) Staatssekretärs ihm auch den Wortlaut der ersten Message (…) zu zeigen, sei er nicht eingegangen, weil er besorgte, daß der auf Wunsch Seiner Majestät (…) aufgenommene Passus über die vollständige Freigabe Belgiens (…) die deutsche Regierung verstimmen könnte.2157

Wenig s­ päter ließ Burián, wie erwähnt, auch die über Skrzyński gelaufenen Kontakte zumindest vorläufig aufs Eis legen.2158

2156 Burián an Fürstenberg, Tel. 150, 25. Apr. 1918, ebd. fol. 214 – 216. – Etwas anders als eben dargestellt sah Werkmann das Ende des Versuches, mit Wilsons Hilfe dem Frieden näherzukommen. Er gab die Schuld an ­diesem Ende nicht Burián, der die Weiterführung des Dialogs zumindest für den gegebenen Zeitpunkt als nicht opportun erachtete, und schon gar nicht dem durch die Ereignisse so weit abgelenkten ­Kaiser, dass er daran, ob die Antwort an Wilson nun weitergeleitet werde oder nicht, keinen Gedanken wenden konnte. Stattdessen wies Werkmann die Schuld einerseits Czernin und andererseits „Spanien“ zu, das „nicht mehr mittun“ wollte. Werkmann 1931, 244 – 246. – Brook-Shepherd schob die Schuld ebenfalls Spanien zu: „König Alfons und seine Berater, denen diese Antwort unmöglich erschien, entschlossen sich, auf Zeitgewinn zu spekulieren.“ Brook-Shepherd 1968, 169. – Klar darüber, wer die Schuld am Ende des Versuches hatte, war sich Kovács. Sie schrieb voll des finsteren Argwohns: „Vermutlich hielt man in Spanien auf Weisung Czernins die Nachricht (…) zurück.“ Ihr Argwohn steigerte sich zur keinerlei Fakten als Grundlage bedürfenden Gewissheit, der sie mit den Worten Ausdruck verlieh: „Czernin hatte die letzten, vielleicht erfolgversprechenden Friedensbemühungen K ­ aiser Karls gestoppt, seine Zusage an Kühlmann eingehalten, den K ­ aiser und Lammasch, seinen präsumptiven Nachfolger und alten Feind, besiegt und sich gründlich gerächt.“ Kovács 1 2004, 363. 2157 Ambrózy, p. d. Notiz 25. Apr. 1918, ebd. fol. 211 – 213. 2158 Burián an Musulin, Tel. 247, 10. Mai 1918, HHStA PA I, 963 Krieg 27δ fol. 379.

7. Die Sixtus-Affäre

7.1

Czernins Rede vom 2. April 1918

Nach dem Abbruch der Gespräche z­ wischen Revertera und Armand wurde, wie C ­ zernin in seiner Aktenmäßigen Zusammenstellung schrieb, in Besprechungen ­zwischen dem ­Kaiser und ihm beschlossen, (…) ich möge öffentlich erklären, dass das französische Postulat nach der Eroberung von Elsass-Lothringen uns verhindere, die Pourparlers fortzusetzen, mit anderen Worten: dass die Bündnistreue Karls der Grund der abgebrochenen Verhandlungen sei. Es wurde des zweiten vereinbart, dass Seine Majestät nach meiner Enunziation diesen von mir betonten Standpunkt des Festhaltens an Deutschland noch selbst durch eine Aeusserung unterstreiche.2159

Diese Erklärung wollte Czernin möglichst bald vor einem geeigneten Forum abgeben und dabei auch auf die Friedensverträge mit der Ukraine, Russland und Rumänien sowie nicht zuletzt auf die dadurch erhoffte Linderung der drückenden Ernährungslage eingehen. Zunächst dachte er daran, als ­dieses Forum den Ausschuss für Äußeres der österreichischen Delegation zu benutzen und versuchte am 16. März telegrafisch, dessen Präsidenten Baernreither für die Abhaltung einer Sitzung zu gewinnen: Ich würde Wert darauf legen, sofort eine einzige Sitzung des (…) Delegationsausschusses abzuhalten, um über die verschiedenen Friedensschlüsse zu referieren und (…) andere wichtige Themata zu sprechen. – Ich bitte (…) um Nachricht, ob Sie der Abhaltung einer Sitzung trotz Osterferien zustimmen und dieselbe für möglich halten.2160

Baernreither antwortete am nächsten Tag: „Ob ich in der Osterwoche eine Sitzung (…) einberufen kann, hängt davon ab, ob ich (…) der Majorität vollkommen sicher bin. Die Abgeordneten haben nach Vertagung des Abgeordnetenhauses Wien verlassen; von den Herrenhausmitgliedern (…) sind auch die Mehrzahl (…) abwesend.“ 2161

2159 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 206. 2160 Czernin an M. d. Ä. für Baernreither, Hughes-Tel. 222, 16. März 1918, HHStA PA I, 583 fol. 219, idem: HHStA PA I, 1088 o. Fz. 2161 Baernreither durch Müller an Czernin, Tel. 274, 17. März 1918, HHStA PA I, 583 fol. 224 – 224v, idem: HHStA PA I, 1085 o. Fz.

636

Die Sixtus-Affäre

Einige Tage ­später führte Baernreither dem Minister vor Augen, was einer Sitzung entgegenstehe: Eine Hauptschwierigkeit (…) liegt darin, daß nicht genau bekannt ist, wann Euer Exzellenz zurückkommen. Unbedingt müsste ­zwischen der Ankunft und der Ausschussitzung die genügende Zeit sein, damit Euer Exzellenz (…) mit der Majorität des Ausschusses in Fühlung ­treten, um den Verlauf der Sitzung genau zu vereinbaren und sich (…) auch mit den Aussenstehenden, die der Politik Euer Exzellenz nicht grundsätzlich entgegenstehen, in Verbindung zu setzen. Ohne diese Vorsicht muss ich die Verantwortung ablehnen, da die Majorität im Ausschuss, die Polen zur Opposition gerechnet und mich als Vorsitzenden ausgenommen, nur eine Stimme beträgt. Ein(e) Aenderung in der polnischen Haltung, jedoch nur bezüglich Exzellenz Bilinskis, könnte vielleicht (…) erzielt werden. Ausserdem kommt in Betracht, dass alle deutschen Delegierten verreist sind (…). Die Einladungen müssten daher mindestens vier bis fünf Tage vorher erlassen werden und die Sitzung könnte (…) spätestens am Mittwoch den 27. stattfinden (…). Meine Fühlungnahme mit den hier anwesenden Herrenhausdelegierten hat durchaus ein negatives Resultat ergeben, da alle (…) der Meinung sind, daß (…) eine Sitzung in der Karwoche nicht geeignet (…) wäre. Ich muss daher mein Votum in abratendem Sinne zusammenfassen.2162

Czernin nahm dies zur Kenntnis und antwortete: „Da Euer Exzellenz gegen die Einberufung des Ausschusses in den Osterfeiertagen sind, so sehe ich von meinem Ersuchen ab.“ 2163 In der Folge ersuchte er Sektionsrat Wiesner, die Realisierbarkeit eines anderen Vorgehens zu sondieren: Ich wünsche (…) baldigst nach meiner Rückkehr nach Wien öffentlich zu sprechen. (…) Ob es nicht möglich wäre, dass der Gemeinderat von Wien in Ernährungsfragen (Ukraina) sich an mich wendet und gleichzeitig um einige politische Aufklärungen ersucht? Dann könnte ich alle jene Dinge vorbringen, die raschestens vorgebracht werden müssen. – Euer (…) wollen den Herrn Bürgermeister von sich aus sondieren, obige Idee lancieren und nur sagen, dass Sie wüssten, dass ich gerne noch vor Ostern sprechen möchte (…).2164

Wiesner konnte zwei Tage ­später melden: Ich habe soeben Herrn Bürgermeister aufgesucht und ihn (…) gefragt, wie er über meine Idee denken würde, dass der Gemeinderat (…) Euer Exzellenz durch eine Anfrage über 2162 Baernreither durch Müller an Czernin, Tel. 297, 20. März 1918, PA I, 1085 o. Fz. 2163 Czernin an Müller für Baernreither, Tel. 268, 20. März 1918, HHStA PA I, 583 fol. 228. 2164 Czernin an M. d. Ä. für Wiesner, Tel. 269, 20. März 1918, HHStA PA I, 1088 o. Fz.

Czernins Rede vom 2. April 1918

637

­ rnährungsfragen Gelegenheit zu einer (…) öffentlichen Aussprache über politische Fragen E geben würde. Dr. Weisskirchner (sic!) hat diese Idee sofort als eine ihm sehr erwünschte aufgegriffen und ihr folgende Gestalt gegeben: Er würde (…) mit etwa 10 Mitgliedern des Gemeinderates bei Euer Exzellenz (…) erscheinen um Hochdieselben um Mitteilung (zu) bitten, wie das Ergebnis der Verhandlungen mit Rumänien auf den Abtransport von Lebensmitteln aus der Ukraina wirken wird und w ­ elche Nachrichten über die Aufbringung von Brotgetreide aus der Ukraina vorliegen. Die Anfrage würde so gestellt werden, dass sie zu einer Beantwortung auch anderer (…) Fragen Gelegenheit bieten würde. – In Anbetracht der Feiertage würde der Herr Bürgermeister (…) Mittwoch den 27. d. M. oder (…) 28. d. M. ins Auge fassen.2165

Czernin antwortete umgehend: „Mit Vorschlägen einverstanden. – Ich kann jedoch den Tag meines Eintreffens in Wien und daher auch den des Deputationsempfanges noch nicht fixieren, da dies von dem Abschlusse der hiesigen Verhandlungen abhängt.“ 2166Drei Tage ­später teilte er Wiesner mit: Ich beabsichtige die Deputierten (…) Ostermontag 1. April oder Dienstag 2. April zu empfangen (…). Euer ./. wollen sofort antworten, ob dieser Termin dem Herrn Bürgermeister passt. Bejahendenfalls wollen Euer ./. ein bis zwei Tage vorher eine Notiz in die Zeitungen geben, ­welche ungefähr (…) lautet: ‚Wie wir an unterrichteter Stelle erfahren wird der Minister (…) sofort nach seiner Rückkehr den Herrn Bürgermeister von Wien an der Spitze einer Deputation des Gemeinderates empfangen, um demselben (…) Aufschlüsse über die durch die Friedens­ schlüsse herbeigeführten Ernährungsverhältnisse zu geben. Es ist wahrscheinlich, daß der Minister (…) auch die allgemeine politische Situation besprechen wird. (…).’2167

Weiskirchner entschied rasch, wovon Wiesner Czernin sogleich in Kenntnis setzte: Der Bürgermeister habe „für den Empfang der Deputation des Gemeinderates (…) den 2. April vormittags 10 Uhr gewaehlt“.2168 Am 26. März hatte, wie Müller an Czernin telegrafierte, der Präsident des Ausschusses für Äußeres der ungarischen Delegation, Béla von Berzeviczy, angefragt, ob es dem Minister „genehm wäre, wenn der Ausschuß (…) noch einmal zusammen­ treten und so Hochdemselben die Gelegenheit geboten würde, (…) über die wichtigen 2165 2166 2167 2168

Müller an Czernin, Tel. 317, 22. März 1918, ebd. o. Fz. Czernin an M. d. Ä. für Wiesner, Tel. 285, 22. März 1918, ebd. o. Fz. Czernin an M. d. Ä. für Wiesner, Tel. 316, 25. März 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz. Wiesner an Czernin, Tel. 391, 27. März 1918, HHStA PA I, 1086 o. Fz. – Notizen mit einem in ­diesem Sinne abgeänderten, sonst aber Czernins Vorschlag entsprechenden, Text erschienen unter dem Titel „Bevorstehende Erklärungen des Grafen Czernin“ in den Zeitungen des 30. März 1918. F-B M (30. März 1918), 1, NFP M (30. März 1918), 1.

638

Die Sixtus-Affäre

­außenpolitischen Ereignisse der letzten Zeit zu sprechen“. Er würde es sehr begrüßen, wenn der Minister „in der Lage wäre, dieser Anregung zuzustimmen, da es langjähriger Brauch sei, daß bei der in Wien stattfindenden Delegationstagung die ungarische Delegation die Vorhand habe, wie dies der österreichischen zukomme, wenn die Delegationen in Budapest tagten“.2169 Czernin zeigte sich von der Gelegenheit, vor d ­ iesem Forum zu sprechen, sehr angetan und antwortete Müller: Ich bin gerne bereit eine Sitzung, jedoch bloss eine einzige, des ungarischen Ausschusses (…) abzuhalten, vorausgesetzt, dass diese ­zwischen dem 2. und 5. April stattfinden kann. Bejahendenfalls wäre es mir jedoch unmöglich, gleichzeitig eine politische Rede an die Vertreter des Wiener Gemeinderates zu halten, da ich (…) ungefähr dasselbe sagen müsste. – Euer ./. wollen daher raschestens sich mit Herrn Berceviczy (sic!) in Verbindung setzen, ob er den Ausschuss einzuberufen beabsichtigt. In d ­ iesem Falle möge Herr von Wiesner (…) zum Bürgermeister gehen und ihm erklären, dass mir die Möglichkeit, eine (…) Rede vor dem Gemeinderat zu halten, durch diese neue Variante abgeschnitten worden ist und sehr liebenswürdig (…) vermeiden, dass bei Weiskirchner eine Verstimmung eintritt.2170

Berzeviczy sah sich jedoch, wie Flotow am 29. März an Czernin meldete, nicht in der Lage, den Ausschuss für den gewünschten Termin mit Rücksicht auf die Osterfeiertage einzuberufen.2171 Am 29. März reiste Czernin mit Kühlmann von Bukarest nach Wien ab. Zuvor hatte er an Demblin telegrafiert: „Ich möchte Sonntag oder Montag (31. März oder 1. April) bei Seiner Majestät in Audienz erscheinen.“ 2172 Czernin wurde bereits am Vormittag des 31. März, des Ostersonntags, empfangen. Bei d ­ iesem Anlass war es ihm sicherlich möglich, mit K ­ aiser Karl auch seine vor der Abordnung des Gemeinderates zu haltende Rede zu besprechen, ihren Text ließ er dem Monarchen am 1. April durch Demblin „zur Kenntnisnahme und Genehmigung“ vorlegen. Demblin hielt darüber fest: „Der ­Kaiser behielt das Konzept bis zum nächsten Tage bei sich, ging es sodann in meiner Anwesenheit nochmals durch und gab an der Hand von Notizen, die er sich gemacht hatte, wegen einiger Stellen der Rede gewissen Bedenken Ausdruck. An dem Passus über Frankreich hatte der ­Kaiser nichts auszusetzen.“ 2173

2169 Müller an Czernin, Tel. 385, 27. März 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz. 2170 Czernin an M. d. Ä., Hughes-Tel. 344, 27. März 1918, ebd. o. Fz. 2171 Flotow an Czernin, Tel. 421, 29. März 1918, HHS tA PA I, 583 fol. 233 – 234v, idem: HHS tA PA I, 1086 o. Fz. 2172 Czernin an Demblin, Hughes-Tel. 83, 28. März 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz. 2173 Demblin 1920, 17, Demblin Alex. 1997, 116.

Czernins Rede vom 2. April 1918

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Das K ­ aiser Karl „zur Kenntnisnahme und Genehmigung“ vorgelegte Konzept der Rede ist im Nachlass Demblins erhalten. Der Umschlag, in dem es sich befindet, trägt den von der Hand Czernins mit rotem Farbstift angebrachten Vermerk „Für SM“. Auf dem Schriftstück selbst finden sich Unterstreichungen und seitliche Markierungen einiger Passagen mit Rotstift. Die Passage „Gott ist mein Zeuge, daß wir alles versucht haben, was möglich war, um die neue Offensive zu vermeiden“, ist mit blauem Farbstift unterstrichen, außerdem findet sich neben ihr auf dem linken Blattrand von der Hand Czernins mit Blaustift vermerkt: „Deutschland weiß daß ich das sagen werde.“ Von der Passage „Bulgarien muß gewisse Gebiete mit serbischer Bevölkerung erhalten“ sind die Worte „mit serbischer Bevölkerung“ mit Tintenstift unterstrichen, mit Bleistift hingegen ist „serbischer“ durchgestrichen und „bulgarischer“ darübergeschrieben. Schließlich sind von dem Satz „Die Feinde müssen, nachdem sie militärisch erobert wurden, auch moralisch erobert werden (…)“ die letzten drei Worte mit blauem Farbstift unterstrichen, am Rand daneben ist mit Tintenstift ein Rufzeichen angebracht. In Anbetracht der Tatsache, dass Czernin bei allen seinen auf Aktenstücken angebrachten Vermerken und Paraphen blaue oder rote Farbstifte verwendete, der K ­ aiser aber fast immer Tintenstift gebrauchte, können die An- und Unterstreichungen auf dem Konzept klar jeweils einer der beiden Personen zugeordnet werden. Von wem die mit Bleistift erfolgte Änderung stammt, ist ungewiss. Die die Tschechen betreffenden Passagen unterscheiden sich in Konzept und veröffentlichtem Redetext, gleichen sich aber in ihren Aussagen und in deren Schärfe. Die folgende Passage hingegen wurde durch keinerlei An- oder Unterstreichungen oder sonstigen Vermerk hervorgehoben: Herr Clemenceau hat einige Zeit vor Beginn der Westoffensive bei mir angefragt, ob ich zu Verhandlungen bereit sei und auf welcher Basis. – Ich habe sofort im Einvernehmen mit Berlin geantwortet, daß ich hiezu bereit sei und gegenüber Frankreich kein Friedenshindernis erblicken könne, als den Wunsch Frankreichs nach Elsaß-Lothringen.2174

Entgegen ­diesem Sachverhalt und Demblins Bericht, der ­Kaiser sei das Konzept in seiner Anwesenheit „nochmals“ durchgegangen, habe „wegen einiger Stellen (…) gewissen Bedenken Ausdruck“ gegeben und „an dem Passus über Frankreich (…) nichts auszusetzen“ gehabt,2175 sowie auch entgegen der Erklärung Czernins: „Der ­Kaiser kontrollierte vor meiner Rede nochmals den genauen Text (…) und sanktionierte denselben“,2176 suchte ­Kaiser Karl nach dem November 1918 sein Sanktionieren des Textes im Allgemeinen und des fraglichen Passus über Frankreich im Besonderen in einem anderen 2174 Czernin Konzept „Für SM“, HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz. 2175 Demblin 1920, 17, Demblin Alex. 1997, 116. 2176 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 206.

640

Die Sixtus-Affäre

Licht erscheinen zu lassen: Er habe „kein Veto gegen diese unheilvolle Ansprache“ eingelegt, obwohl er „mit deren provokatorischen Ausdrücken nicht ganz einverstanden“ gewesen sei; zudem sei ihm „die ganze Rede, nach einem sehr anstrengenden Tage abends, während der Fahrt zur Front überreicht“ worden.2177 Die Fahrt, auf die allein er sich beziehen konnte, begann allerdings erst am Abend des 3. April, als die Rede längst gehalten war. Sie ging überdies nicht „zur Front“, sondern ins Isonzotal, nach Görz und nach Istrien, nach Landstrichen also, die seit dem November 1917 weit hinter der Front lagen. Kaiserin Zita ging weiter und meinte in einem undatierten Aperçu, der ­Kaiser habe das Konzept der Rede „so spät erhalten“, dass er es „nicht mehr durchlesen“ konnte.2178 Unter Berufung auf Zitas „Diary“ schrieb Brook-Shepherd, dem ­Kaiser sei die Rede erst am Ostermontag, 1. April, spät abends gezeigt worden, „when travelling back on the court train to Vienna“. Er hätte „serious reservations“ gehabt: „These he had marked for discussion with his (…) minister on arrival in the capital, in the mistaken belief that the address was not to be delivered until the Tuesday evening. By the time the train pulled in, Czernin had already spoken.“ 2179 Auf welcher Reise sich der ­Kaiser befunden habe, von der er erst nach Czernins Rede zurück nach Wien gekommen sei, erwähnte der Autor nicht.2180 Polzer-Hoditz hatte 1929 geschrieben: Die Rede wurde dem ­Kaiser in ­später Abendstunde vorgelegt, so daß es d ­ iesem an der nötigen Zeit gebrach, die Wirkungen dieser hochpolitischen Rede zu überdenken. Als er den nächsten Tag, als ihm einiges in der Rede doch bedenklich vorkam, stoppen wollte, war es bereits zu spät. Es war dem K ­ aiser dabei nicht nur um außen-, sondern auch um innenpolitische Dinge zu tun; denn die Rede enthielt auch die schärfsten Ausfälle gegen die Tschechen. Und diese (…) hielt er für sehr unangebracht.2181

2177 2178 2179 2180

Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 334 Dok. 87°. Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 Dok. 87b. Brook-Shepherd 1991, 93. Kovács schrieb: „Am Ostersonntag (…) übergab er (Czernin) dem K ­ aiser das Typoskript seiner (…) Rede. ­Kaiser Karl dürfte den Text nicht oder nur ‚diagonal‘ gelesen haben“. (Kovács 1 2004, 393, ähnlich ebd. p 674) Aufgrund welcher Informationen sie ein lediglich „diagonales“ Lesen vermuten zu dürfen glaubte, gab sie nicht preis. Demblins Mitteilung, er habe das Konzept dem K ­ aiser zur Genehmigung vorgelegt, stellte Kovács in Frage, und dies weil er, der ihm gewährte Audienzen stets in seinem Tagebuch notiert habe, ­solche bei den Eintragungen vom 1. und 2. April nicht anführte. Dass Demblin dienstliche Kontakte mit dem ­Kaiser auch sonst nicht als Audienzen erwähnte, entging Kovács. Die zur Unterstützung ihrer Schilderung angeführten Worte aus Zitas Aperçu, „Demblins Darstellung ist an manchen Punkten leicht der Lüge nachzuweisen“, können wohl nicht als Unterstützung gewertet werden. Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 339 Dok. 87b. 2181 Polzer-Hoditz 1929, 377.

Czernins Rede vom 2. April 1918

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Der ­Kaiser selbst erinnerte sich in seinen Aufzeichnungen nicht daran, dass er „­stoppen“ wollte oder die „Ausfälle gegen die Tschechen (…) für sehr unangebracht“ gehalten hätte.2182 Beim Empfang der Gemeinderatsabordnung am Vormittag des 2. April 2183 wies Bürger­ meister Weiskirchner zunächst darauf hin, dass es „an den notwendigsten Lebensmitteln“ mangele, der Bevölkerung „auch die kleinsten Quoten (…) nicht immer geboten werden“ werden könnten, „das Ernährungsdefizit (…) von Tag zu Tag“ wachse und die Gefahr bestehe, „daß die dem Hinterlande auferlegte Kriegsarbeit auf die Dauer nicht in ausreichendem Maße geleistet werden“ könne. Nach ihm sprach Czernin. Er hielt sich in den wichtigen Passagen seiner Rede, wie dies aus ihrem in den Zeitungen publizierten Text hervorgeht, genau an das dem K ­ aiser vorgelegte Konzept. Er hätte „gerne vor dem kompetenteren Forum, den Delegationen, gesprochen“, da es jedoch nicht möglich gewesen sei, deren Ausschüsse für Äußeres einzuberufen, so ergreife er „gerne die Gelegenheit, den anwesenden Herrn ein kurzes Bild der gegenwärtigen internationalen Situation zu entwickeln“. Mit den Friedensschlüssen mit Russland, der Ukraine und Rumänien sei „ein Kapitel des Krieges (…) erledigt“. Seine am 24. Jänner 1918 vor dem Ausschuss für Äußeres der österreichischen Delegation gehaltene Ansprache habe Präsident Wilson am 11. Februar in einer Rede beantwortet. Die in dieser entwickelten Grundsätze habe Reichskanzler Hertling am 25. Februar als „eine Basis, auf welcher der allgemeine Frieden erörtert werden“ könne, bezeichnet. Er, Czernin, stimme dem vollkommen bei. „Ob der Herr Präsident in seinen Bestrebungen, seine Verbündeten auf dieser Basis zu ralliieren, Erfolg haben wird oder nicht, steht dahin. – Gott ist mein Zeuge, daß wir alles versucht haben, was möglich war, um die neue Offensive zu vermeiden. Die Entente hat es nicht gewollt.“ 2184 Diesen Erklärungen folgten in der Rede jene für die weitere Entwicklung bestimmenden Worte, mit denen sich Czernin auf die Wiederaufnahme der Gespräche ­zwischen Revertera und Armand bezog: Herr Clemenceau hat einige Zeit vor Beginn der Westoffensive bei mir angefragt, ob ich zu Verhandlungen bereit sei und auf welcher Basis. – Ich habe sofort im Einvernehmen mit Berlin geantwortet, daß ich hiezu bereit sei und gegenüber Frankreich kein Friedenshindernis ­erblicken könne, als den Wunsch Frankreichs nach Elsaß-Lothringen. – Es wurde aus Paris erwidert, auf dieser Basis sei nicht zu verhandeln. Daraufhin gab es keine Wahl mehr.2185 Das

2182 2183 2184 2185

Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 333 – 334 Dok. 87a. 2. Apr. 1918, 3 F-B M (3. Apr. 1918), 1 – 4, NFP M (3. Apr. 1918), 2 – 4, PT M (3. Apr. 1918), 1 – 3, NPZ M (3. Apr. 1917), 2. Broucek schrieb 1997 wenig einleuchtender Weise, sicher scheine zu sein, dass Czernin mit den „Passagen der Rede, die Clemenceau als Kriegsverlängerer brandmarken sollten (…), auch ­Kaiser Karl belehren, zurückdrängen oder gar demütigen wollte“. Broucek 1997, 146.

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Die Sixtus-Affäre

gewaltige Ringen im Westen ist bereits entbrannt. (…) Unsere Armeen werden der Entente beweisen, daß die französischen und die italienischen Aspirationen auf unsere Gebiete Utopien sind, die sich furchtbar rächen werden. – (…) Wir kämpfen nicht für imperialistische, annexionistische Ziele, weder für eigene noch für deutsche – wohl aber werden wir gemeinsam bis zum Schluß gehen für unsere Verteidigung, für unser staatliches Leben und für unsere Zukunft.2186

Danach wandte sich Czernin dem Friedensvertrag mit Russland, durch w ­ elchen „die erste Bresche in den Kriegswillen unserer Feinde geschlagen“ worden sei, und jenem mit der Ukraine sowie dem bevorstehenden Friedensschluss mit Rumänien zu. Bei den Verhandlungen mit der Ukraine und mit Rumänien sei ihm „in erster Linie der Gedanke vorgeschwebt, die Versorgung der Monarchie mit den notwendigsten Lebensmitteln und sonstigen Rohstoffen sicherzustellen. Rußland kam hiefür nicht in Betracht, da es infolge seiner weitgehenden Desorganisation gar nicht in der Lage ist, für sich selbst die notwendigen Rohstoffe aufzubringen.“ Bestrebungen, die Monarchie auf Kosten der Besiegten zu vergrößern, wies Czernin klar zurück: Erstens werden (…) Angliederungen fremder Völker den allgemeinen Frieden erschweren und zweitens sind s­ olche (…) nicht unbedingt eine Stärkung des Reiches, im Gegenteil, bei der Konstellation der Monarchie würden sie viel eher eine Schwächung bedeuten. Was wir brauchen, sind nicht territoriale Annexionen, sondern wirtschaftliche Sicherungen für die Zukunft.2187

Den Balkan betreffend erklärte der Minister: Wir wollen alles versuchen, um (…) einen Zustand dauernder Ruhe zu schaffen. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß mit dem Zerfall Rußlands jener Faktor zu existieren aufgehört hat, welcher es uns bisher unmöglich gemacht hat, einen definitiven friedlichen Zustand am Balkan herzustellen. (…) Wir wissen, daß in Serbien der Wunsch zum Frieden sehr groß ist, jedoch das Land durch die Ententegroßmächte verhindert wird, denselben zu schließen. Bulgarien muß gewisse, von Bulgaren bewohnte Gebiete erhalten, aber wir wollen Serbien nicht vernichten, nicht zertrümmern, wir wollen ihm die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln, wir würden einen engeren wirtschaftlichen Anschluß Serbiens an uns nur begrüßen, wir wollen das zukünftige Verhältnis Serbiens und Montenegros zur Monarchie nicht durch Motive beeinflussen, ­welche einem freundnachbarlichen Verhältnisse widersprechen.2188 2186 F-B M (3. Apr. 1918), 1 – 4, NFP M (3. Apr. 1918), 2 – 4, PT M (3. Apr. 1918), 1 – 3, NPZ M (3. Apr. 1917), 2. 2187 Ebd. 2188 Ebd.

Czernins Rede vom 2. April 1918

643

Er habe seit seinem Amtsantritt (…) nur ein Ziel gehabt, dem Reich einen ehrenvollen Frieden zu bringen und (…) alles Menschenmögliche zu machen, damit dieser entsetzliche Krieg für undenkliche Zeit der letzte sei. (…) Aber ich versuche nicht, diesen Frieden zu erbetteln, (…) sondern ihn durch unser moralisches Recht und unsere physische Kraft zu erzwingen.2189

Jede andere Taktik halte er für kriegsverlängernd. Leider müsse er sagen, „dass in den letzten Wochen und Monaten (…) in Österreich vieles gesprochen und getan worden (sei), was zweifellos diesen schrecklichen Krieg verlängere“.2190 Die Kriegsverlängerer teilten sich in verschiedene Gruppen: Da sind erstens diejenigen, die ununterbrochen um den Frieden bitten (…). In Frankreich nennt man diese Sorte ‚Defaitisten‘, allerdings aber springt man dort weniger sanft mit ihnen um als bei uns. (…) Der Friedenswunsch der breiten Massen ist ebenso natürlich wie verständlich, er ist auch keine österreichische Spezialität (…) – aber die Führer des Volkes müssen bedenken, daß gewisse Äußerungen im feindlichen Auslande das Gegenteil dessen erreichen, was sie anstreben. Ich möchte diesen Menschen das Beispiel unseres Monarchen vorführen, welcher gewiß den Frieden will, aber niemals einen anderen als einen ehrenvollen Frieden schließen wird (…).2191

Die zweite Gruppe der Kriegsverlängerer ­seien die Annexionisten. Ihnen sei zu sagen, dass es eine Verdrehung wäre zu behaupten, „daß Deutschland im Osten Eroberungen gemacht habe. Die Leninsche Anarchie hat die Randvölker in die Arme Deutschlands getrieben und sie veranlaßt, in einer Anlehnung an das Deutsche Reich Zuflucht vor den entsetzlichen Zuständen zu suchen, ­welche in Großrußland wüten. Soll Deutschland verweigern müssen?“ 2192 Defaitisten wie Annexionisten hätten „dasselbe Resultat aufzuweisen, daß sie unsere Feinde stets zu neuem Widerstand aufpeitschen. Aber ich bin gerne bereit, den beiden (…) Gruppen die bona fides zuzugestehen.“ Einer dritten Gruppe von Kriegsverlängerern könne er diese nicht zubilligen: Die Hoffnung unserer Feinde auf den endgiltigen Sieg gründet sich nicht mehr bloß auf militärische Erwartungen und die Blockade. Unsere Armeen haben bewiesen, daß sie unbesiegbar sind (…). Die den Krieg verlängernde Hoffnung unserer Gegner sind vielmehr zum großen 2189 Ebd. 2190 Ebd. 2191 Ebd. 2192 Ebd.

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Die Sixtus-Affäre

Teile unsere innerpolitischen Verhältnisse und (…) gewisse politische Führer, nicht zuletzt im czechischen Lager.2193

Vor Kurzem sei – Czernin bezog sich auf die Gespräche z­ wischen Revertera und A ­ rmand – die Monarchie nahe daran gewesen, (…) in Verhandlungen mit den Westmächten zu treten. Da schlug plötzlich der Wind um und, wie wir genau wissen, beschloß die Entente, es sei besser, noch zu warten, denn die parlamentarischen und politischen Vorgänge bei uns berechtigen zu der Hoffnung, daß die Monarchie bald wehrlos sein werde. – Welch furchtbare Ironie! Unsere Brüder und Söhne kämpfen wie Löwen auf dem Schlachtfelde, Millionen von Männern und Frauen im Hinterlande tragen heroisch ihr hartes Los (…) – und gewisse Führer des Volkes, Volksvertreter, wühlen gegen das deutsche Bündnis, (…) fassen Resolutionen, die mit keinem Haar mehr mit dem Staatsgedanken zusammenhängen, finden kein Wort des Tadels für czechische Truppen, die verbrecherisch gegen ihr eigenes Vaterland und ihre Waffenbrüder kämpfen, wollen Teile aus dem ungarischen Staate herausreißen, halten unter dem Schutze der Immunität Reden, ­welche nicht anders verstanden werden können, als ein Ruf an das feindliche Ausland, den Kampf fortzusetzen, um ihre eigenen politischen Bestrebungen zu unterstützen. (…) – Der elende, erbärmliche Masaryk ist nicht einzig in seiner Art. Es gibt auch Masaryks innerhalb der Grenzpfähle der Monarchie.2194

Er erhebe keine allgemeine Anklage: Ich weiß, daß das czechische Volk im ganzen loyal (…) denkt, ich weiß, daß es czechische Führer gibt, deren österreichischer Patriotismus rein und klar ist, aber ich erhebe die Anklage gegen jene Führer, die durch einen Sieg der Entente (…) ihr Ziel zu erreichen wünschen. (…) Alle wollen, daß der Krieg ein Ende nehme, aber (…) sie sehen nicht, daß einzelne ihrer Vertreter es sind, die den Krieg (…) systematisch verlängern.2195

Über „jene Führer“ sagte Czernin: (D)iejenigen, ­welche den Sieg der Entente erhoffen, um mit ihm ihre politischen Ziele zu realisieren, treiben Hochverrat und dieser (…) ist ein Gift in den Adern des Staates und bildet die letzte kriegsverlängernde Hoffnung unserer Feinde. – Wenn wir d ­ ieses Gift ausscheiden, dann ist der allgemeine ehrenvolle Frieden näher als die große Öffentlichkeit ahnt!2196 2193 Ebd. 2194 Ebd. 2195 Ebd. 2196 Ebd.

Czernins Rede vom 2. April 1918

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Der Vorsitzende des Klubs der tschechischen Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus, Gustav Habrman, telegrafierte am Tag nach der Rede an den Minister: Wir protestieren entschiedenst gegen den unerhörten Angriff Eurer Exzellenz gegen das czechische Volk. Das hat das czechische Volk für die gewaltigen Opfer und Verluste, ­welche es während des Krieges erlitt, nicht verdient! Das czechische Volk, die czechischen Mütter, wie die deutschen und die magyarischen Mütter, wünschen den Frieden, freilich einen gerechten und dauernden Frieden ohne Annexionen und Kontributionen, auf Grundlage einer wirklichen und ehrlich durchgeführten demokratischen Selbstbestimmung der Völker, welchem hohen Gedanken so ungerechte, parteiische und gehässige Angriffe (…) nur schaden.2197

Ebenfalls am 3. April fanden sich die Abgeordneten Frantisek Staněk und Vlastimil Tusar bei Ministerpräsident Ernst Seidler von Feuchtenegg ein und protestierten namens des Präsidiums des Czechischen Verbandes des Abgeordnetenhauses: Czernin habe „die schwersten Beschuldigungen gegen das czechische Volk und dessen Delegation“ gerichtet, die Form, in welcher er dies getan habe, sei ein Signal „zum Aufflammen neuer innerer Kämpfe“. Sie verlangten die sofortige Einberufung der Delegation und erklärten, alle Mittel anwenden zu wollen, um Czernin „die gebührende Antwort zu geben“.2198 Vier tschechische Herrenhausmitglieder sandten „gewiß in Uebereinstimmung mit sämtlichen bürgerlichen Herrenhausmitgliedern tschechischer Nationalität“ ein Schreiben an Seidler, mit dem sie „energische Verwahrung gegen die (…) Pauschalanklage“ einlegten, „die der Minister des Aeußern in seiner Privatkundgebung (…) gegen die verfassungsmäßigen Vertreter des tschechischen Volkes und hierdurch gegen die politischen Bestrebungen des Volkes selbst erhoben hat“.2199 – Zustimmung fand Czernin hingegen bei der Christlichsozialen Vereinigung des Abgeordnetenhauses. Ihr Obmann, der Präsident der österreichischen Delegation Prälat Johann Hauser, erschien am 3. April beim Minister, um ihm „den Ausdruck des Vertrauens zu übermitteln, das die Vereinigung der Leitung unserer auswärtigen Politik ausgesprochen hat“. Er drückte ihm „die vollste Zustimmung zu seinen gestrigen Erklärungen aus. Im besonderen billigte er unsere Bündnispolitik mit dem Deutschen Reiche und erklärte, daß die christlichsoziale Partei jede andere Politik für unbedingt unmöglich erachte.“ 2200 In Berchtolds Tagebuch findet sich über einen Aspekt, durch den Czernins Rede dem ­Kaiser bemerkenswert erschien, und über dessen am 3. April angetretene Fahrt ins Küstenland folgende Eintragung: „In Baden stieg S. M. ein & nahm mich gleich zu sich zum 2197 2198 2199 2200

Habrman an Czernin, Tel. o. Z. („Übersetzung aus dem Böhmischen“), 3. Apr. 1918, ebd. fol. 21 F-B M (4. Apr. 1918), 2. PT M (5. Apr. 1918), 2. F-B M (4. Apr. 1918), 2, RP M (4. Apr. 1918), 4.

646

Die Sixtus-Affäre

Vortrag. Erzählte zum Schluß lachend über Anrempelung Czernins durch einen Sozialisten während Empfangs des Bürgermeisters & Gemeinderatsausschusses durch Czernin.“ 2201 Hohenlohe depeschierte am 3. April: Hr. v. Kuehlmann ersucht mich, E. E. seine allerwärmsten Glueckwuensche zu der (…) Rede auszusprechen. Er identificire sich vollkommen mit den in derselben zum Ausdruck gebrachten Gedanken und zweifle nicht, dass der Eindruck dieser inhaltsreichen Rede in unseren beiden Ländern ein gleich tiefer und in jeder Beziehung vorteilhafter und wuenschenswerter sein werde.2202

Und einige Tage danach telegrafierte Hohenlohe, „daß Seine Majestät der ­Kaiser Wilhelm sich in überaus anerkennender und erfreuter Weise über die (…) Rede Euer Exzellenz ausgesprochen habe“.2203 Die Agence Havas aber meldete am 3. April, Czernin habe erklärt, „daß einige Zeit vor der gegenwärtigen Offensive Ministerpräsident Clemenceau bei ihm angefragt habe, ob er zu Verhandlungen bereit sei und auf welcher Basis. – (…) C ­ lemenceau, der von den Erklärungen des (…) Ministers des Äußern heute vormittag an die Front Kenntnis erhalten hat, hat einfach geantwortet: ‚Graf Czernin hat hierin gelogen.‘“ 2204 Paul Cambon, der französische Botschafter in London, kommentierte die Rede in einem Brief vom selben Tag mit den Worten: „Le discours de Czernin (…) proteste contre toute idée de paix séparée de l’Autriche. J’espère que Lloyd George comprendra qu’il faut abandonner ce rêve.“ 2205 Der Startschuss für die Auseinandersetzung ­zwischen Clemenceau und Czernin, die sich zur Sixtus-Affäre ausweiten sollte, war damit gefallen.

7.2

Die Affäre

Auf die Havas-Meldung vom 3. April 1918 über das Diktum Clemenceaus hin depeschierte Czernin am Vormittag des 4. April an Demblin: In meiner (…) Rede findet sich (…) folgender Passus, der von Euer ./. am 1. d. M. Seiner (…) Majestät zur Kenntnisnahme und Genehmigung vorgelegt worden war: ‚Herr Clemenceau hat einige Zeit vor Beginn der Westoffensive bei mir angefragt, ob ich zu Verhandlungen bereit sei und auf welcher Basis. Ich habe sofort im Einvernehmen mit Berlin geantwortet, dass ich

2201 Berchtold TB-Eintr. 3. Apr. 1918, HHStA NL Berchtold 5, 1. Jän.–3. Juni 1918 fol. 542. 2202 Hohenlohe an Czernin, Tel. o. Z., 3. Apr. 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Erklärungen fol. 10. 2203 Hohenlohe an Czernin, Tel. 215bis, 6. Apr. 1918, ebd. fol. 13. 2204 F-B M (5. Apr. 1918), 1, NFP M (5. Apr. 1918), 1, PL M (5. Apr. 1918), 1. 2205 Cambon an Charmes 3. Apr. 1918, Cambon 3. 1946 239.

Die Affäre

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hiezu bereit sei und (…) kein Friedenshindernis erblicken könne, als den Wunsch Frankreichs nach Elsass-Lothringen. Es wurde aus Paris erwidert, auf dieser Basis sei nicht zu verhandeln.‘ – Laut einer hier eingelangten Meldung (…) hat Herr Clemenceau mit Bezug auf diese Stelle meiner Rede erklärt, ‚Graf Czernin hat hierin gelogen‘. – Die gesamte inner- und aussenpolitische Situation lässt es nicht zu, dass ich in dieser wichtigen Frage ein und noch dazu in diese Form gekleidetes Dementi unerwidert lasse. Hiebei ist es auch die in Frankreich zu erzielende Wirkung gegen das heutige kriegshetzerische Kabinett, w ­ elche mitbestimmend dafür ist, dass ich mit einer ruhigen, aber mit allen nötigen Daten versehenen Erwiderung (…) antworte. Ich sehe mich daher veranlasst, in einem heute auszugebenden amtlichen Communiqué meine oben zitierte Erklärung zu reproduzieren, (…) die Erklärung Clemenceaus zu veröffentlichen und hieran folgende Erklärung zu schliessen. – Ich beehre mich, Euer ./. zu ersuchen, hievon Seiner (…) Majestät Meldung zu erstatten.2206

Czernins „folgende Erklärung“ lautete: Im Auftrage des k. u. k. Ministers des Aeussern hatte (…) Graf Nikolaus Revertera mit dem (…) nach der Schweiz entsendeten Vertrauensmanne Herrn Clemenceaus, dem im französischen Kriegsministerium zugeteilten Grafen Armand, dortselbst wiederholte Besprechungen. Anlässlich einer am 2. Februar l. J. (…) stattgehabten Unterredung (…) wurde die Frage erörtert, ob und auf welcher Grundlage z­ wischen den Ministern des Aeussern Oesterreich-Ungarns und Frankreichs (…) eine Aussprache über die Herbeiführung eines allgemeinen Friedens möglich wäre. Hierauf hat Graf Revertera nach Einholung der Weisungen des (…) Ministers des Aeussern (…) dem Grafen Armand (…) erklärt, Graf Czernin sei zu einer Aussprache mit einem Vertreter Frankreichs bereit und halte ein Gespräch mit Aussicht auf Erfolg für möglich, sobald Frankreich nur auf seine Eroberungsabsichten betreffend Elsass-Lothringens verzichtet. (…) Revertera wurde hierauf im Namen Herrn Clemenceaus erwidert, dieser sei nicht in der Lage, die vorgeschlagene Verzichtleistung Frankreichs auf diese Annexion anzunehmen, so dass eine Zusammenkunft von Vertretern (…) derzeit zwecklos wäre.2207

Das in der Folge publizierte österreichisch-ungarische Communiqué vom 4. April 1918 entsprach d ­ iesem Text,2208 der seit dem 3. April auf der Reise ins Isonzotal und nach Istrien befindliche K ­ aiser war in die Entscheidung, Clemenceau in dieser Form zu ­antworten, offenbar nicht eingebunden. Darauf lässt ein Telegramm schließen, das 2206 Czernin an Demblin, Hughes-Tel. 4361/27a, 4. Apr. 1918, HHS tA PA I, 523 XLVII /12e Angebl. Brief fol. 71 – 7 1v u. 74, idem: Czernin (Wiesner) an Demblin, Tel. 74, 4. Apr. 1918, ebd. fol. 446 – 446v u. 449, HHStA PA XL, 262 fol. 262 – 262v. 2207 Ebd. 2208 WZ (5. Apr. 1918), 8, F-B M (5. Apr. 1918), 1, PL M (5. Apr. 1918), 1.

648

Die Sixtus-Affäre

Demblin am 5. April an Czernin sandte: „S. M. sagt mir, er billige vollkommen das von E. E. ausgegebene amtliche Communiqué (…). Der einzige Nachteil sei der, daß der Kanal Revertera-Armand nun nicht mehr gangbar sei.“ 2209 Clemenceau antwortete ohne Umschweife mit einem vom 6. April datierten Communiqué. Dieses lautete in seiner durch die Agence Havas verbreiteten deutschen Version: Bei Übernahme der Regierung fand Clemenceau in der Schweiz auf Initiative ÖsterreichUngarn’s eingeleitete Beprechungen ­zwischen dem Grafen Revertera, einem persönlichen Freunde des Kaisers, und dem Major Armand (…) vor (…). Herr Clemenceau glaubte nicht, die Verantwortung auf sich nehmen zu dürfen, diese Besprechungen zu unterbrechen, die bisher kein Ergebnis geliefert hatten, die aber nützliche Informationsquellen bieten konnten. – Major Armand konnte sich also über eine Bitte des Grafen Revertera neuerlich nach der Schweiz begeben. Die Instruktion, ­welche ihm (…) von Herrn Clemenceau gegeben worden war, lautete: Anhören und nichts sagen. Als Graf Revertera sich endlich die Überzeugung verschafft hatte, daß sein Versuch, den Köder für Deutschland auszuwerfen, ohne Erfolg geblieben sei, übergab er, um seine Mission genau zu charakterisieren, am 25. Februar (1918) dem Major Armand eine von seiner Hand geschriebene Note, deren erster Satz lautete (…): – ‚Im Monat August 1917 waren Besprechungen in der Absicht eingeleitet worden, um von der französischen Regierung im Hinblick auf einen künftigen Frieden Vorschläge zu erhalten, w ­ elche (…) so geartet wären, daß sie von Österreich-Ungarn bei der Berliner Regierung unterstützt werden könnten.’ Bittsteller und nicht Gebetener, gibt also Graf Revertera mit diesen Worten zu, daß es sich darum handelte, (…) Friedensvorschläge zu erhalten, w ­ elche an Österreich-Ungarn adressiert und für Berlin bestimmt sein sollten. – Dies ist der (…) Sachverhalt, ­welchen Graf Czernin mit folgenden Worten umzudeuten wagt: ‚Clemenceau hat einige Zeit vor Beginn der Westoffensive bei mir angefragt, ob ich zu Verhandlungen bereit sei und auf welcher Basis.‘ Indem er so sprach, hat Graf Czernin nicht nur nicht die Wahrheit gesagt, sondern das Gegenteil von Wahrheit, was wir in Frankreich ‚Lüge‘ nennen. – Es ist nur zu natürlich, daß Herr Clemenceau seine Entrüstung nicht zurückhalten konnte, als er sah, daß Graf Czernin (…) in so kühner Weise die Rollen vertauschte und die französische Regierung so hinstellte, als ob sie in der selben Stunde um den Frieden gebettelt habe, in welcher wir uns (…) anschickten, den Mittelmächten die letzte Niederlage zuzufügen. – Es wäre leicht, daran zu erinnern, bis zu welchem Grade Österreich-Ungarn mit seinen Bitten um einen vorgeblichen Separatfrieden Rom, Washington und London ermüdet hat (…). Wer kennt nicht die Geschichte der auch in der Schweiz jüngst erfolgten Zusammenkunft eines früheren Botschafters Österreich-Ungarns mit einer hohen Persönlichkeit der Entente? Diese Konferenz dauerte nicht mehr als einige Minuten. Auch diesmal war es (…) die österreichisch-ungarische Regierung, w ­ elche die Zusammenkunft erbeten hatte. – Könnte sich Graf Czernin nicht an einen anderen Versuch der gleichen Art erinnern, 2209 Demblin an Czernin, Tel. 119, 5. Apr. 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz.

Die Affäre

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welcher nur zwei Monate vor der Unternehmung Revertera durch eine im Range weit über ihm stehende Persönlichkeit in Paris und London gemacht worden ist? Auch da ist, wie im gegenwärtigen Fall ein authentisches, aber noch bezeichnenderes Beweisstück vorhanden.2210

Am Abend des 6. April meldete Demblin aus dem auf der Rückfahrt aus Istrien befindlichen Hofzug dem Ministerium des Äußern telefonisch, „dass seine Excellenz der Herr Minister (…) fuer morgen Sonntag 10 Uhr vormittags (…) nach Baden zur Audienz befohlen ist“.2211 In dieser Audienz legte Czernin dem K ­ aiser zweifellos seinen Entwurf für das Communiqué vom 7. April 1918 vor, in dem es unter anderem hieß: Wenn Herr Clemenceau behauptet, daß bei seinem Amtsantritte Besprechungen ­zwischen dem Grafen Revertera und dem Grafen Armand im Gange gewesen s­ eien, so ist dies unrichtig. Erst im Januar 1918 nahm Graf Armand, diesmal im Auftrage Herrn Clemenceaus, mit dem Grafen ­Revertera neuerlich Fühlung. Der im August 1917 abgerissene Faden ist also von Herrn ­Clemenceau selbst im Jänner 1918 wiederaufgenommen worden. Aus dieser neuerlichen Fühlungnahme ergaben sich dann die im amtlichen Communiqué vom 4. April mitgeteilten Besprechungen. (…) – Der gegen Grafen Czernin (…) erhobene Vorwurf der Lüge ist demnach auch in jener Einschränkung, w ­ elche das vorliegende Communiqué der französischen Regierung vornimmt, nicht aufrecht zu erhalten. – Von ‚Bitten um einen angeblichen Separatfrieden‘, mit ­welchen Österreich-Ungarn die Regierenden in Rom, Washington und London ermüdet habe, ist der (…) Regierung nichts bekannt. Richtig ist (…), daß in der Schweiz z­ wischen dem Botschafter Grafen Mensdorff und dem General Smuts eine von der englischen Regierung im Unterhause zugegebene Unterredung stattgefunden hat, die aber nicht einige Minuten, sondern in mehreren Zusammenkünften mehrere Stunden dauerte. – Wenn Herr Clemenceau den k. u. k. Minister des Äußern fragt, ob er sich erinnere, daß ‚zwei Monate vor der Unternehmung Revertera‘ – also etwa vor Jahresfrist – ein ‚Versuch der gleichen Art durch eine im Range weit über ihm stehende Persönlichkeit‘ gemacht worden sei, so nimmt Graf Czernin keinen Anstand, dies zu bejahen (…). – Durch die von Herrn Clemenceau aufgeworfene Streitfrage ist übrigens die Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Kernpunkte der Äußerung des Grafen Czernin abgelenkt worden. Das Wesentliche daran war nicht so sehr, wer die Besprechungen (…) angeregt, sondern wer sie zerschlagen hat. Und das hat Herr ­Clemenceau nicht geleugnet, daß er sich geweigert hat, auf der Basis des Verzichts auf den Rückerwerb Elsaß-Lothringens in Verhandlungen einzutreten.2212 2210 WA (8. Apr. 1918), 1, F-B A (8. Apr. 1918), 1 – 2, PT A (8. Apr. 1918), 1, PL A (8. Apr. 1918), 1, NPZ M (8. Apr. 1917), 2. – Mit den letzten beiden Sätzen wollte Clemenceau – so sagte er am 19. April 1918 vor der Commission des Affaires étrangères du Sénat aus – den ­Kaiser davor warnen ihn herauszufordern „à dire toute la vérité. Mais l’avertissement n’a pas été entendu.“ Clemenceau Aussage 19. Apr. 1918, Proc. CAÉS 69. S 265, 1497. 2211 Demblin an M. d. Ä., Tel.-Dep. 5769, 6. Apr. 1918, HHStA PA XL, 57 Vertr. des M. d. Ä. o. Fz. 2212 Ö.-u. Communiqué 7. Apr. 1918, WA (8. Apr. 1918), 1 – 2, F-B A (8. Apr. 1918), 1 – 21.

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Die Sixtus-Affäre

Unter der im französischen Communiqué erwähnten „im Range weit über ihm ­(Revertera) stehenden Persönlichkeit“ wurde, wie Demblin 1920 schrieb, „selbstverständlich niemand anderer als Prinz Sixtus (…) verstanden; daß sein Name in der österreichischen Entgegnung nicht genannt wurde, ist auf einen diesbezüglichen Wunsch des Kaisers zurückzuführen, der seinem Schwager ‚eventuelle Unannehmlichkeiten‘ ersparen wollte.“ 2213 Revertera vermerkte in seinen Aufzeichnungen angesichts der im französischen Communiqué enthaltenen Mitteilung, er habe Armand am 25. Februar 1918 eine „von seiner Hand geschriebene Note“ überreicht, diese Handlung bereut zu haben. Mit dem ersten Satz dieser „Note“, welcher in der Übersetzung der Agence Havas lautete: „im Monat August 1917 waren Besprechungen in der Absicht eingeleitet worden, um von der französischen Regierung im Hinblick auf einen künftigen Frieden Vorschläge zu erhalten (…)“, habe Clemenceau nämlich beweisen wollen, „daß die Initiative der Freiburger Zusammenkünfte auf uns zurückzuführen sei“. Dies sei nicht der Fall gewesen, „die nicht ganz glückliche Textierung der Czerninschen Rede“ habe jedoch (…) den irrtümlichen Eindruck hervorgebracht, die Annäherung sei spontan von C ­ lemenceau ausgegangen. (…) Überdies hatte Czernins Rede, – so viel war mir augenblicklich klar geworden, – uns die Initiative aus der Hand gerissen, die mühsam geknüpften Beziehungen zur Entente abgebrochen, das Mißtrauen unserer Gegner im höchsten Grade wachgerufen und uns auch in politischer Hinsicht der Führung Deutschlands untergeordnet.2214

Berchtold, der Revertera am 8. April begegnete, notierte unter ­diesem Datum in sein Tagebuch: Revertera sichtlich deprimiert über Vorgehen Czernins, der, ohne ihn zu befragen, in seiner Rede die so ängstlich geheimgehaltenen Pourparlers zw(ischen) Armand & Revertera (…) der Öffentlichkeit preisgegeben! Revertera findet dies rücksichtslos gegen seine Person & überdies unpolitisch, da nun jede Möglichkeit abgeschnitten, je wieder direkte Fühlungnahme mit Paris herzustellen; wir werden – wie er meint – dadurch verurteilt, hinter Deutschland hertrippelnd zu den Friedensverhandlungen zu gehen!2215

In dem von Kovács publizierten Aperçu Exkaiserin Zitas ist über das französische Communiqué und die Antwort Czernins nicht ganz zutreffend zu lesen:

2213 Demblin 1920, 18, Demblin Alex. 1997, 117. 2214 Revertera Aufz., Steglich 1984, 39 – 41 Dok. 1. 2215 Berchtold TB-Eintr. 8. Apr. 1918, HHStA NL Berchtold 5, 1. Jän.–3. Juni 1918 fol. 544.

Die Affäre

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6. April: Clem(enceau) spielt an, droht vorsichtig mit der Enthüllung einer Negotiation ‚par un personnage d’un rang fort au-dessus due sein’ (sic!). – 7. April: Daraufhin reizt Cz(ernin) Clem. zum äußersten, deckt rücksichtslos die ganze Armand-Revertera-Angel(egenheit) auf. (…) Gibt ‚personnage‘ zu – und reist nach Bucarest ab!2216

Tatsächlich fuhr der Minister wieder zu den Friedensverhandlungen nach Bukarest, wo er am 9. April morgens eintraf.2217 Clemenceau reagierte auf das Communiqué vom 7. April mit einem vom 9. April datierten Communiqué, in dem es hieß: Auch eine verwässerte Lüge bleibt eine Lüge. Die Lüge Czernins besteht darin, daß er gesagt hat, Clemenceau habe ihn (…) fragen lassen, ob er bereit sei, in Verhandlungen einzutreten und auf welcher Basis. Clemenceau hat dieser Behauptung jenen Passus aus der (…) Note ­Reverteras gegenübergestellt, wo es heißt, daß es sich für Österreich-Ungarn darum handelte, ‚von Frankreich Friedensvorschläge zu erhalten‘. Dieser Text (…) ist authentisch, und Czernin hat es nicht gewagt, ihn zu bestreiten. – (…) So bleibt Czernin (…) nur die Behauptung übrig, daß die Herrn Clemenceau angedichtete Aktion ohne Wichtigkeit sei. In Wirklichkeit handle es sich (…) nicht so sehr darum, zu wissen, wer die Initiative zu den Besprechungen (…) ergriffen, sondern wer sie zerschlagen habe. Warum also all’ dieser Lärm? Etwa um festzustellen, daß jede französische Regierung, ebenso wie Frankreich selbst, in der elsässisch-lothringischen Frage keine Nachgiebigkeit kennt? Wer hätte geglaubt, daß man eines Revertera bedurft habe, um den Geist Czernins über die Frage aufzuklären, über die der K ­ aiser von Österreich selbst das letzte Wort gesprochen hat? Denn ­Kaiser Karl ist es, welcher in einem Brief vom Monat März 1917 mit eigener Hand seine Zustimmung ‚zu den gerechten Rückforderungsansprüchen Frankreichs mit Bezug auf Elsaß-Lothringen’ bestätigt hat. Ein zweiter kaiserlicher Brief stellt fest, daß der K ­ aiser ‚mit seinem Minister einig‘ sei. So bleibt Czernin nichts übrig, als sein Selbstdémenti hinzunehmen.2218

Wie ­dieses Communiqué auf Czernin wirkte, ist der Tagebuchnotiz Gustav Gratzs, der als Leiter der Handelspolitischen Sektion im Ministerium des Äußern an den ­Bukarester Verhandlungen teilnahm, vom 9. April zu entnehmen: Um 4 Uhr wurde ich plötzlich (…) aus einer Sitzung abgeholt. Czernin lasse mich dringend bitten. Ich finde ihn konsterniert. Eine Depesche aus Berlin teilte den (… Text des) Clemenceau’schen Communiqué’s mit, laut welchem der ­Kaiser ‚seine Zustimmung zu den gerechten 2216 Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 Dok. 87b. 2217 Czernin an Gratz, Tel. 457, 7. Apr. 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Wien o. Fz., Friedensdel. Bukarest an M. d. Ä., Tel. 767, 9. Apr. 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz. 2218 Frz. Communiqué 9. Apr. 1918, F-B M (11. Apr. 1918), 1, NFP M (11. Apr. 1918), 1.

652

Die Sixtus-Affäre

Rückforderungsansprüchen Frankreichs auf Elsaß-Lothringen’ zum Ausdruck gebracht haben soll. Cz. hält es nicht für ausgeschlossen daß der K ­ aiser seinem Schwager einen solchen Brief geschrieben hat, obgleich ihn der K ­ aiser noch vor seiner Rede vom 2. April des Gegenteils versichert hat. Er ist konsterniert. Wenn so etwas geschehen ist, so setzt sich der K ­ aiser dem berechtigten Vorwurf aus, daß er dazu beigetragen hat, den Krieg um ein Jahr zu verlängern. Und dann die Rückwirkungen auf unser Verhältnis zu Deutschland! Es wäre eine Katastrophe, was soll geschehen? Sanatorium – Regentschaft? Cz. denkt daran, sich selbst zu opfern und die Sache auf sich zu nehmen (…), obgleich er sich damit zum Betrüger qualifizieren würde, der öffentlich eine Politik verkündet, im Geheimen eine andere (…) betrieben hat. (…) Schließlich sprechen wir darüber, daß es das Beste sei, den ­Kaiser zu fragen, was er eigentlich geschrieben habe. (…) Wenn Clemenceau einen Brief veröffentlicht, so muß seine Authenticität in Abrede gestellt werden. Veröffentlicht er ein Facsimile, so muß das eine Fälschung sein. (…) Depesche an ­Kaiser Wilhelm koncipiert. – Geht die Sache ohne Katastrophe ab, so kann sie ihre heilsamen Wirkungen haben und den ­Kaiser aus dem Bann gewisser unseliger Einflüsse ziehen. (…). – Cz. spricht abends per Hughes mit S. M. welcher entschieden erklärt, er habe nie einen solchen Brief geschrieben. – Abends fährt Cz. (nach Wien) zurück.2219

Im von Gratz erwähnten „Gespräch“ am Hughes-Gerät am Abend des 9. April 1918 erklärte ­Kaiser Karl, bei der neuen Mitteilung des französischen Ministerpräsidenten handle es sich um (…) Lug und Trug, (…) wir können in der ganzen Sache reines Gewissen haben. Falls ­Clemenceau wirklich etwas sagen sollte, was über den Rahmen dessen hinausgeht, was Sie ohnedies wissen, so beabsichtige ich, K ­ aiser Wilhelm ein Telegramm zu senden, worin ich meine Entrüstung über d ­ ieses Lügengewebe der Feinde ausdrücke, nochmals unsere unbedingte Bundestreue versichere und zum Schluss erkläre, dass ich als Souverain zu hoch stehen würde, um mich in weitere Diskussion mit einem Kerl wie Clemenceau einzulassen und ich die ganze Angelegenheit als erledigt betrachte.2220

Auf die Antwort Czernins, er werde „sofort nach Berlin sagen lassen, dass Clemenceau gelogen hat“, replizierte der K ­ aiser: „Danke, bin mit allem sehr einverstanden. In einem Brief an Prinzen von Parma ist niemals etwas Politisches gestanden.“ 2221 Über diese Behauptungen ­Kaiser Karls schrieb Czernin ­später: 2219 Gratz TB-Eintr. 9. Apr. 1918, KA NL Gratz B/19 9. 2220 Ebd. 2221 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 211 – 212, Druck: Demblin 1920, 95 – 96 Dok. 17, Demblin Alex. 1997, 164 – 165. – Kovács schrieb, das „Gespräch“ sei „höchst dramatisch inszeniert“ worden, der ­Kaiser habe darin beabsichtigt, „entsprechend seiner Abmachung mit dem Prinzen, die F ­ riedenssondie­rung

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Ich glaube heute noch, dass Seine Majestät (…) offen und ehrlich mit mir gesprochen und auf seine Briefe nach Frankreich vollkommen vergessen hat; nur so lässt es sich erklären, dass der ­Kaiser meine Enunziation über Elsass-Lothringen an Clemenceau (…) nicht nur billigte, sondern wünschte. Denn er musste sonst voraussehen, dass ich durch diese Enunziation (…) die Aufdeckung seiner geheimen Briefe direkt provozierte.2222

Unmittelbar nach dem „Gespräch“ am Hughes-Apparat entschloss sich Czernin, nach Wien zurückzufahren. Sein Kabinett in Wien beauftragte er, dem K ­ aiser zu melden, er wünsche „gleich nach seiner Ankunft (…) in Audienz empfangen (zu) werden“. Legationsrat Eugen Marsovszky de Jablonfalva präzisierte: „Audienz ist zu verlangen, wenn die Ankunft auch spät erfolgt (…). Sollte in der Nacht Audienz erhalten, so soll ihn (…) Wiesner mit Militärauto zur Fahrt nach Baden am Ostbahnhof erwarten.“ 2223 An Wiesner telegrafierte Czernin: „Bis zu meiner Ankunft in Wien darf in Angelegenheit der Erklärungen Herrn Clemenceaus nichts geschehen. Jede Veröffentlichung in den Zeitungen ist zu unterdrücken, unsererseits darf keinerlei Erklärung erfolgen.“ 2224 An Botschafter Hohenlohe und auch ans Ministerium des Äußern ließ Czernin telegrafieren: Seine Majestät teilt mir soeben mit, dass alles, was Clemenceau sage, Lug und Trug sei, Er vollständig reines Gewissen habe und spricht mit Entrüstung über ­dieses Lügengewebe. Niemals habe er Brief politischen Inhalts an Parmas gerichtet. Es handelt sich also offenbar um eine Fälschung. – Euer ./. wollen dies sofort an massgebender Stelle mitteilen und hinzufügen, dass ich morgen Abend in Wien bin und unser Dementi von dort aus losgehen wird, dass mir aber sehr viel daran liege, dass die Nachricht in Deutschland nicht früher bekannt werde.2225

Von Legationsrat Alfred von Horstmann, einem Mitglied der deutschen Delegation in Bukarest, wurde über Czernins Abreise an das Auswärtige Amt gemeldet: Graf Czernin scheint am späten Nachmittag ganz unvorbereitet Kenntnis erhalten zu haben, dass Clemenceau in seiner Erwiderung auf bekannte Rede Ministers sich auf ein anscheinend an eine dritte Person gerichtetes Handschreiben ­Kaiser Karls berufen hat, in dem dieser die Ansprüche Frankreichs auf Elsass-Lothringen anerkannt haben soll. Graf Czernin hat umgehend (…) Verbindung mit K ­ aiser am Fernschreiber gesucht. (…) Aus allen Einzelheiten seines

2222 2223 2224 2225

zu leugnen“. Kovács 1 2004, 395 – 396. Wer der geschickte Metteur en scène gewesen sei oder gewesen sein könnte, darüber schwieg sich die Autorin leider aus. Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 205 – 207. Marsovszky an K. d. M., Tel. 443, 9. Apr. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 63. Czernin an Wiesner, Tel. 446, 9. Apr. 1918, ebd. fol. 62. Czernin an Hohenlohe, Tel. 15, Czernin an M. d. Ä., Tel. 445, 9. Apr. 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz.

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und seiner Umgebung Verhaltens (…) vor der überstürzten Abreise (…) ist zu schliessen, dass die Nachricht die grösste Bestürzung hervorgerufen hatte.2226

Am 10. April 1918 versicherte der ­Kaiser auch Demblin, an die Prinzen Parma niemals einen Brief politischen Inhalts gerichtet zu haben. Davon setzte Demblin umgehend den auf der Fahrt nach Wien befindlichen Czernin in Kenntnis: Seine Majestät sagt mir, es sei klar, daß Clemenceau, um sich selbst über Wasser zu halten, Euer Exzellenz stürzen wolle; daher seine verzweifelten Versuche, Euer Exzellenz Deutschland gegenüber zu kompromittieren. Clemenceau spiele das Spiel all’ der Leute (…) deren Ziel es sei, einen Lammasch auf den Ballplatz zu setzen. – In der Sache selbst versicherte Seine Majestät (…), Er habe nie an wen immer etwas Derartiges geschrieben, wie Clemenceau behauptet. Er sprach (…) von Seinem Vorhaben, die Sache K ­ aiser Wilhelm gegenüber richtig zu stellen, möchte aber, daß die Polemik mit Clemenceau nicht weiter verfolgt werde, was wohl darauf hindeutet, daß Er doch nicht ganz sicher ist, ob letzterer nicht mit weiteren unangenehmen Enthüllungen kommen würde. Ich kann natürlich nicht beurteilen was besser: – Die Diskussion mit Clemenceau abzubrechen und sich mit einer internen Auseinandersetzung mit den Deutschen zu begnügen oder aber Clemenceau zu erwidern, damit aber Gefahr zu laufen, daß weiß Gott was für unangenehme Ueberraschungen noch heraufbeschworen werden (…). Sollte nach Auffassung Euerer Exzellenz das erstere möglich sein, so hätte ganze Affaire wenigstens das eine Gute, daß Seine Majestät nun einsehen mußte, wie furchtbar gefährlich die Geheimpolitik ist, und daß Euerer Exzellenz Stellung Ihm gegenüber gefestigt, die der Hetzer ­(Lammasch, Polzer und Konsorten) aber kompromittiert ist (…).2227

Im selben Sinne, wie er sich am Hughes-Apparat gegenüber Czernin und am 10. April Demblin gegenüber ausgedrückt hatte, äußerte sich K ­ aiser Karl in seinem an d ­ iesem Tag an den deutschen K ­ aiser gesandten Telegramm. Den Entwurf für d ­ ieses Telegramm 2226 Horstmann an A. A., Tel. 298, 10. Apr. 1918, SG 4 1978, 101 – 102 Dok. 69. – Dass Horstmann nicht feststellen konnte, ob Czernin „Verbindung mit ­Kaiser“ nicht nur suchte, sondern auch fand, spricht gegen PolzerHoditz’ Argumentation, „die Czernin (…) am Hughes-Gerät gegebene Versicherung K ­ aiser Karls, bei der Mitteilung Clemenceaus handle es sich um ‚Lug und Trug‘, beweise nichts, denn der ­Kaiser sei ‚ja gar nicht in der Lage (gewesen …) offen zu sprechen, da d ­ ieses Gespräch doch vor zwei Zeugen geführt wurde, von denen der K ­ aiser den einen, das ist den Beamten am Apparat in Bukarest, der auch ein deutscher Offizier hätte sein können (sic!), gar nicht kannte’.“ Polzer-Hoditz 1929, 378. Feldl übernahm, ohne eine Quelle zu nennen, diese Argumentation und gab sich bestens informiert über die Verhältnisse in Bukarest: „Die Fernschreibverbindungen Bukarests wurden damals von deutschen Offizieren kontrolliert. Der K ­ aiser konnte also (…) gar nichts anderes tun als seinen Brief an Sixtus (…) einfach abzuleugnen.“ Feldl 1968, 178. 2227 Demblin an Czernin, Tel. 124 (nach Bukarest), glltd. Tel. 110 (nach Budapest), 10. Apr. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 37 – 37v.

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und auch den für die Replik auf Clemenceaus Communiqué vom 9. April hatte C ­ zernin auf seiner unmittelbar nach dem „Gespräch“ am Hughes-Gerät angetretenen Fahrt nach Wien verfasst und am frühen Nachmittag des 10. April aus Temesvár an Wiesner durchgegeben mit dem Auftrag: Aenderungen im Texte beider Stücke dürfen ohne mein Wissen nicht gemacht werden. Sollte Seine Majestät auf Aenderung bestehen, so wäre darauf zu verweisen, daß mein Eintreffen abgewartet werden müsse. – Falls Euer Hochwohlgeboren mit Seiner Majestät einig werden, brauche ich nachts nicht nach Baden zu fahren, falls Sie nicht einig werden, ist (…) morgen früh für meine Audienz Zeit, da die Veröffentlichung dann erst in den Nachmittagsblättern erfolgen kann.2228

Gratz trug darüber in sein Tagebuch ein: Früh ein Communiqué gegen die Erklärungen Clemenceau’s verfaßt. Czernin will es bis nach seiner Unterredung mit dem ­Kaiser aufschieben. Ich überrede ihn, nicht zu warten und es wird von Temesvár telegraphisch abgegeben, mit der Weisung noch heute dem K ­ aiser vorgelegt und im Fall seiner unveränderten Genehmigung veröffentlicht zu werden.2229

Den Aufzeichnungen Demblins vom 10. April ist darüber zu entnehmen: Ich fahre nachmittag im Auftrag des Kaisers im Auto nach Wien um den Text des französischen Communiqués zu holen. (…) Zum Souper wieder in Baden. Dann kommt noch ­Wiesner, um die Genehmigung zu unserer Antwort auf das französische Kommuniqué und zum Telegramm an ­Kaiser Wilhelm einzuholen.2230

An den sich noch auf der Fahrt nach Wien befindlichen Czernin telegrafierte Demblin: „Da die Ankunft E. E. in Wien erst spät abends (11 h 40) erfolgt, wird S. M. hochdieselben morgen 10 Uhr vormittags in Baden empfangen.“ 2231 Gratz notierte über die Ankunft in Wien in sein Tagebuch: „Abends erwartet uns Wiesner und erklärt, daß die Genehmigung“ der Texte für Communiqué und Telegramm an ­Kaiser Wilhelm erfolgt sei. Der ­Kaiser bleibe, was seinen Brief an Sixtus betreffe, dabei, „nichts ähnliches geschrieben zu haben“.2232 Berchtold notierte an ­diesem Tag: „Ehepaar Aladár Zichy getroffen. (…) 2228 Czernin an Wiesner, Tel. o. Z., 10. Apr. 1918, ebd. fol. 38 – 38v bzw. 53 – 53v. 2229 Gratz TB-Eintr. 10. Apr. 1918, KA NL Gratz B/19 9. 2230 Demblin TB-Eintr. 10. Apr. 1917, Demblin Alex. 1997, 76 – 7 7. 2231 Demblin an Czernin, Tel. in claris 109, 10. Apr. 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2232 Gratz TB-Eintr. 10. Apr. 1918, KA NL Gratz B/19 9.

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Aladár meinte, es werde noch Ärgeres herauskommen als bisherige Enthüllungen über Reverteras Aktion. (…) Im Min. d. Ä. sagte mir Flotow, S. M. leugne fragl(ichen) Brief geschrieben zu haben!“ 2233 Die amtliche Replik auf das französische Communiqué, in der es hieß, die Angaben Clemenceaus über die „Äußerungen (…), ­welche ­Kaiser Karl brieflich getan haben soll“, nämlich dass er „den gerechten Wünschen Frankreichs auf eine Rückerwerbung Elsaß-Lothringens zustimme“, s­ eien „vom Anfang bis zum Ende erlogen“, ging also nach Genehmigung durch den ­Kaiser noch am Abend des 10. April hinaus, so daß sie die Zeitungen am 11. April bringen konnten.2234 Dasselbe gilt für das Telegramm an K ­ aiser Wilhelm, auf dessen Entwurf der ­Kaiser mit Bleistift schrieb: „In treuer Freundschaft – Karl“. Auf dem Umschlag für den Entwurf vermerkte Flügeladjutant Emmerich Freiherr von Schonta: „Auf A. h. Befehl (…) sofort abzugeben. – Diesen Entwurf, sowie abgebener (sic!) Hughes-Streifen morgen früh rückstellen. 10./IV.18 – 11 h pm (…).“ Das Telegramm an ­Kaiser Wilhelm lautete: Der französische Ministerpräsident, in die Enge getrieben, sucht dem Lügennetz, in das er sich selbst verstrickt hat, zu entrinnen, indem er immer mehr und mehr Unwahrheiten anhäuft und sich nicht scheut, nunmehr auch die völlig falsche und unwahre Behauptung aufzustellen, dass Ich irgendwelche ‚gerechten Rückforderungsansprüche Frankreichs auf Elsass-Lothringen’ anerkannt hätte. Ich weise diese Behauptung mit Entrüstung zurück. In einem Augenblick, in welchem die österreichisch-ungarischen Kanonen gemeinsam mit den deutschen an der Westfront donnern, bedarf es wohl kaum eines Beweises dafür, dass Ich für Deine Provinzen genau so kämpfe (…) als gelte es Meine eigenen Länder zu verteidigen. Obwohl ich es angesichts d ­ ieses (…) Beweises einer völligen Gemeinschaft in den Zielen, für w ­ elche Wir seit nunmehr fast vier Jahren den Krieg fortführen, für überflüssig halte, auch nur ein Wort über die erlogene Behauptung Clemenceaus zu verlieren, liegt Mir doch daran, Dich (…) der vollständigen Solidarität zu versichern, die z­ wischen Dir und Mir, z­ wischen Deinem und Meinen Reichen besteht. Keine Intrige, keine Versuche, von wem immer sie ausgehen mögen, werden Unsere Treue Waffenbrüderschaft gefährden. Gemeinsam werden Wir den ehrenvollen Frieden erzwingen. – In treuer Freundschaft – Karl.2235

2233 Berchtold TB-Eintr. 10. Apr. 1918, HHStA NL Berchtold 5, 1. Jän.–3. Juni 1918 fol. 546 – 547. 2234 Ö.-u. Communiqué 10. Apr. 1918, F-B M (11. Apr. 1918), 1, NPZ A (11. Apr. 1918), 1. 2235 Ks. Karl an Ks. Wilhelm, Tel.-Entw. o. D., HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 32 – 34, Anweisung Schontas ebd. fol. 31, mit Tel.-Entw. identer Text: Hughes-Tel. 78, 11. Apr. 1918, ebd. fol. 29 mit handschr. Vermerk: „an Hofzug des deutschen Kaisers abgeschickt 11/4 1220 vm Cz … (unleserlich)“; idem: Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 213, F-B M (11. Apr. 1918), 1, PT M (11. Apr. 1918), 1, PL M (11. Apr. 1918), 1, NPZ A (11. Apr. 1918), 1.

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Kaiser Wilhelm antwortete am nächsten Tag mit den Worten: Empfange meinen herzlichsten Dank fuer Dein Telegramm, worin Du die Behauptung des franzoesischen Ministerpraesidenten und ueber Deine Stellung zu den franzoesischen Anspruechen auf Elsasz-Lothringen als voellig haltlos zurueckweist und aufs neue die Solidaritaet der Intereszen betonst, die ­zwischen uns und unseren Reichen besteht. Ich beeile mich Dir zu sagen, dasz es in meinen Augen einer solchen Versicherung Deinerseits gar nicht bedurfte, denn ich bin keinen Augenblick darueber im Zweifel gewesen, dasz Du unsere Sache in gleichem Masse zu der Deinigen gemacht hast, wie wir fuer die Rechte Deiner Monarchie eintreten. – Die schweren aber erfolgreichen Kaempfe dieser Jahre haben dies (…) klar erwiesen; sie haben das Band nur fester geknuepft. Unsere Feinde (…) schrecken vor den unlautersten und niedrigsten Mitteln nicht zurueck. (…) umsomehr erwaechst uns die Pflicht die Feinde auf allen Kriegsschauplaetzen ruecksichtslos (…) zu schlagen.2236

Am Morgen des 11. April erschien Czernin in Baden in Audienz. In dieser habe ihn, wie er ­später zu Papier brachte, der ­Kaiser mit den Worten überrascht, seine Ausführungen vom 9. April am Hughes-Gerät ­seien (…) nicht ganz richtig gewesen, er habe doch einen politischen Brief an seinen Schwager geschrieben, jedoch sei derselbe ganz unverfänglicher Natur, er besässe eine Kopie und werde mir dieselbe zeigen. Auf mein Drängen, mir die Kopie sofort zu übergeben, antwortete der ­Kaiser, er habe dieselbe angeblich nicht bei der Hand, werde sie mir aber in den nächsten Tagen zeigen können. Erst einen Tag ­später (12. April) zeigte mir der ­Kaiser einen französischen Brief – die angebliche Kopie – ­welche dann die Grundlage der einschlägigen ­Dementis gebildet hat.2237

Nach der Audienz sprach Czernin offenbar mit Botschafter Wedel, denn dieser berichtete am Abend ­dieses Tages nach Berlin: „Graf Czernin sagt mir in Briefangelegenheit sei ­Kaiser Karl ‚so unschuldig wie ein neugeborenes Kind‘. Er habe seinen Kaiserlichen Herrn noch niemals so ‚wütend‘ gesehen wie über die Infamie Clemenceaus.“ 2238 Feldmarschall Conrad war, wie er Nowak gegenüber erwähnte, am 11. April ebenfalls in Audienz. In deren Verlauf habe der ­Kaiser, nachdem er ihn „so nebenhin“ gefragt

2236 Ks. Wilhelm an Ks. Karl, Tel. Hofzug S. M. 315, 11. Apr. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 26, idem in: Demblin an Czernin, Tel.-Dep. o. Z., 11. Apr. 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz., F-B M (13. Apr. 1918), 2, NPZ M (13. Apr. 1918) 1. 2237 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 213. 2238 Wedel an A. A., Tel. 261, 11. Apr. 1918, SG 4 1978, 103 Dok. 71.

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habe, wie es ihm gehe, ausgerufen: „Was sagen Sie zum Clemenceau? Aber ich habe jetzt Schluß gemacht!“ 2239 Weshalb der ­Kaiser die „Kopie“ seines Briefes an Sixtus Czernin nicht sogleich zeigen konnte, suchte Zita ­später in zwei sehr divergierenden Stellungnahmen zu erklären. Die eine gab sie in ihrer am 22. April 1950 erfolgten Aussage für den Prozess zur Seligsprechung K ­ aiser Karls ab,2240 die andere in ihrem bereits erwähnten, von Kovács 2004 publizierten Aperçu zur Sixtusaffäre, das im Prozess offenbar nicht vorgelegt wurde.2241 Kovács zufolge wurde ­dieses Aperçu „aus dem Tagebuch (Zitas) maschinschriftlich zusammengefaßt“, und zwar, wie an den in ihm enthaltenen „Bemerkungen zu den Publikationen Cramons und August Demblins 2242 erkennbar, (…) nach dem 25. 06. 1920“.2243 Dass das Aperçu tatsächlich auf einem Tagebuch basiert, erscheint aufgrund seiner Schreibweise und der Bemerkungen zu Cramons und Demblins Publikationen sowie über Czernins Urlaub und eine Beschwerde Buriáns wenig wahrscheinlich. Viel eher stellt es eine nach dem von Kovács genannten Datum erfolgte Aufzeichnung von Erinnerungen Zitas dar. Ein Vergleich seines Inhalts mit dem des von Brook-Shepherd als „diary“ der Kaiserin bezeichneten Schriftstücks, welches er in seinen 1991 bzw. 1997 erschienenen Büchern The Last Empress und The Austrians zitierte bzw. referierte,2244 zeigt, dass es sich bei Aperçu und „diary“ um ein und denselben Text handelt. Brook-Shepherd erklärte, das „diary“ sei die einzige erhalten gebliebene Aufzeichnung Zitas „of her time as empress“; er selbst habe es in den „Habsburg private archives“ gefunden.2245 Zita sei bei seiner Abfassung „for the one and only time (…)“ von ihrer eisernen Regel abgegangen, „never to put on record anything about political events“.2246 Dass dieser Text auch schon Griesser-Pečar bekannt und von ihr 1988 zitiert worden war, wusste Brook-Shepherd offenbar nicht. Griesser-Pečar schrieb, bei dem Text handle es sich um „private Tagebuch-Notizen (…), die hier erstmalig veröffentlicht werden (…)“ bzw. um „unveröffentlichte und niemals für eine Publikation gedachte, daher glaubwürdige Tagebuchnotizen“.2247 Dem Aperçu der Exkaiserin ist zur Frage, weshalb K ­ aiser Karl die „Kopie“ bzw., wie Zita erklärte, den „Entwurf “ seines Briefes Czernin nicht sogleich vorweisen konnte, zu entnehmen: 2239 2240 2241 2242 2243 2244 2245 2246 2247

Nowak 1926, XLIII. Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 763. Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 Dok. 87b. Cramon 1920, Demblin 1920. Kovács 2 2004, 336. Brook-Shepherd 1991, 96 – 97, Brook-Shepherd 1997, 207 – 208. Brook-Shepherd 1991, 91. Brook-Shepherd 1997, 207, ähnlich Brook-Shepherd 1991, 91. Griesser-Pečar 1988, 9 bzw. p 294.

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11. April: Demblin bittet um Entwurf des (…) Briefes vormittags. Ich gelegen, Briefe in einer Kiste unter anderen schweren in meinem Schlafzimmer. Dies wegen Complott. Daher Antwort S. M., er hat sie nicht bei der Hand, schickt sie nachmittags. Ich suche dann, finde das vorgewiesene Conzept, nichts anderes. (…) S. M. übersendet es mit der Bedingung, daß (…) Cz(ernin) keinen Gebrauch davon macht, Niemandem zeigt! Cz. läßt sagen, er garantiert dafür.2248

Etwas anders schilderte die Kaiserin die Sache am 22. April 1950 in ihrer Aussage für den Seligsprechungsprozess. Der Übersetzung dieser Aussage ins Italienische zufolge erklärte sie nämlich: „In breve: presso l’atto che aveva il Servo di Dio (der ­Kaiser) si trovavano due o tre minute della prima lettera, stese nelle diverse fasi delle trattative. Sulle prime non sapevamo noi stessi, quale fossa quella definitiva. La redazione, che il Servo di Dio consegnò a Czernin, non era quella della lettera partita.“ 2249 Von einer Kiste in ihrem Schlafzimmer, in der sich „das vorgewiesene Conzept, nichts anderes“ gefunden habe, sprach sie 1950 also nicht, dagegen von einem in ihrem Aperçu nicht erwähnten „Akt, den (Kaiser Karl) hatte“. In ­diesem hätten sich „zwei oder drei Entwürfe, die in den diversen Phasen der Verhandlungen entstanden waren“, gefunden; welcher von diesen Entwürfen „der endgültige“ gewesen sei, hätten sie und der ­Kaiser „anfänglich selbst nicht“ gewusst. Zitas Aussage zufolge handelte es sich aber bei dem Czernin vom K ­ aiser übersandten Text nicht um den „des abgegangenen Briefes (…)“.2250 Weshalb enthält ihr Aperçu nichts von einem „Akt, den (Kaiser Karl) hatte“, und weshalb suchte sie, wenn es einen solchen gab, nicht in ihm, sondern in der Kiste? Sollte Zita zunächst nur Zutritt zu der Kiste in ihrem Schlafzimmer gehabt haben und nicht zu dem von ihr erst 1950 erwähnten „Akt“? Oder war es eben dieser „Akt“, der im Schlafzimmer aufbewahrt wurde? Wie konnte dann, dem Aperçu zufolge, in der Kiste das „Conzept, nichts anderes“ gefunden werden, der „Akt“ aber „zwei oder drei Entwürfe“ enthalten haben? Was veranlasste das Kaiserpaar im letzteren Fall, Czernin aufs Geratewohl einen der „zwei oder drei Entwürfe“ als „Kopie“ des Briefes zu übersenden, obschon es, Zita zufolge, wusste, dass der Text ­dieses „Entwurfes“ nicht der „des abgegangenen Briefes“ war und somit keine „Kopie“ des Briefes sein konnte? Prinz Sixtus schrieb über die Rettung aus der misslichen Situation, die sich das Kaiserpaar vom „Finden“ des „Entwurfes“ erhofft hatte: „En tout cas, ce système de négation affirmé par le brouillon (…) est trop contradictoire avec la suite assurée des faits pour pouvoir tromper qui que ce soit.“ Den Verantwortlichen für das „système de négation“ sah er in Czernin. Im „Entwurf “ erkenne man deutlich „la marque de son esprit“, er 2248 Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 Dok. 87b. 2249 Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 763, dt. Text, Kovács 1 2004, 397 Anm. 145. 2250 Ebd.

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habe den „Entwurf “ selbst geschrieben und sein Opfer, den ­Kaiser, gezwungen, ihn zu unterzeichnen.2251 Am 12. April 1918 ließ Clemenceau das Communiqué publizieren, das den Text des Kaiserbriefes vom 24. März 1917 enthielt. Es begann, in seiner Übersetzung ins Deutsche, mit den Worten: In dem Gewirr von Lügen ergibt sich ein fester Punkt, indem K ­ aiser Karl unter den Augen Berlins die lügenhaften Dementis des Grafen Czernin auf sein Konto nimmt und so die französische Regierung in die Notwendigkeit versetzt, Beweise zu liefern. Nachstehend der Text des eigenhändigen Briefes, w ­ elchen Prinz Sixtus (…) dem Präsidenten der Republik, Herrn Poincaré, am 31. März 1917 zur Kenntnis gebracht hat und welcher unmittelbar hierauf mit Zustimmung des Prinzen dem französischen Ministerpräsidenten bekanntgegeben wurde.2252

Die schlimme Lage, in der sich K ­ aiser Karl nun befand, charakterisierte Ribot am 12. April in seinem Tagebuch: „La publication de la lettre (…) va mettre ce souverain dans une piteuse situation. Il n’a pas cru que son beau-frère eût laissé une copie au président de la République, et il a eu la sottise de nier l’existence de la lettre (…).“ 2253 Zugleich notierte er: „Je constate que l’opinion commence à se répandre que Clemenceau n’avait pas le droit de manquer à la promesse donnée, quelque indigne qu’eût été la conduite de ­Czernin et de l’Empereur lui-même.“ 2254 Und Lansing notierte am selben Tag: The action of Monsieur Clemenceau in making public yesterday the letter (…) by the Emperor Karl to Prince Sixtus de Bourbon is, in my opinion, a piece of the most astounding stupidity, for which no sufficient excuse can be made. If Clemenceau sought to prove that Count Czernin was a liar, he possibly succeeded but at what cost. His disclosure has thrown Austria boldly into the arms of Germany. The Austrian Emperor has no other course now but to eat his words and affirm in the most unequivocal terms his loyalty to his domineering ally (…). It is unfortunate that ‘The Tiger’ of France does not possess a better control over his impulses (…), unfortunate for his country as well as for the cobelligerents of France. There was always the possibility of something resulting from the evident desire of the (…) Emperor for peace almost at any price. That possibility the folly of Clemenceau has destroyed. (…) I cannot see how Czernin can remain at the head of the

2251 Sixtus 1920, 346 – 347. 2252 Frz. Communiqué 12. Apr. 1918, F-B M (13. Apr. 1918), 1, Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 214 – 216, Demblin 1920, 71 – 74 Dok. 9, in anderer Übers.: NPZ A (13. Apr. 1918), 1. 2253 Ribot TB-Eintr. 12. Apr. 1918, Ribot 1936, 245. 2254 Ebd.

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Austrian Government. He will certainly be forced to resign, for he either knew and lied about the Emperor’s letter or else he was not in full confidence of his royal master. (…) His successor will be more (…) amenable than he to German influences. We will lose a decided advantage by this change of government, and we will not have the opportunity to approach secretly this new Premier (…). Only a military victory (…) can again open the door which Clemenceau has slammed shut.2255

Über die Aufnahme der Nachricht durch den im Großen Hauptquartier in Spa befindlichen ­Kaiser Wilhelm telegrafierte Grünau kurz vor Mitternacht des 12. April an das Auswärtige Amt: Havasdepesche mit Brief Kaisers Karl an Prinz von Parma heute abend hier bekannt geworden. Zugleich eintraf Telegramm des Generals von Cramon, wonach K ­ aiser Karl mit Rücksicht auf die jüngsten Vorkommnisse sehr viel daran gelegen sei, Seiner Majestät bald Besuch im Hauptquartier abzustatten und Westfront zu sehen. – Seine Majestät war von Havas­ depesche naturgemäss stark beeindruckt, hat aber doch die ganze Sache verstandesmässig und nicht gefühlsmässig aufgefasst. Das Ergebnis der Erörterung, bei der allerhand Möglichkeiten (…) zur Sprache kamen und bei der sich die Anwesenheit des Fürsten (Max Egon) Fürstenberg als sehr glücklicher Umstand erwies, war: entweder ist der Brief überhaupt eine Mystifikation oder vom Prinzen (…) zurecht gestutzt, dann ist es gut, oder der Brief ist echt, dann bleibt dem ­Kaiser nichts übrig, als die Sache abzuleugnen, und wir müssen so tun, als ob wir es glaubten. Ein Besuch des Kaisers Karl (…) wird natürlich den Eindruck der Veröffentlichung verwischen. Die Einladung, die (…) Cramon anregt, würde meines Erachtens aber erst erfolgen können, nachdem österreichischerseits Erklärung zu Havasdepesche vorliegt.2256

Botschafter Hohenlohe berichtete am 12. April an Czernin: Die heute hier eingelangte letzte Publikation Herrn Clemenceaus hat im Auswärtigen Amte einen geradezu niederschmetternden Eindruck gemacht. Man steht vor einem Rätsel, da ­diesem vom K ­ aiser unterfertigten (…) Staatsdokument von schwerstem Gewicht das gestrige Telegramm Seiner (…) Majestät gegenübersteht. Andererseits kann man hier nicht annehmen, daß Clemenceau d ­ ieses (…) Schriftstück erfunden und gefälscht hat. (…) – Ist der publizierte Brief authentisch, so nützt auch ein Ableugnen nichts, da der Prinz (…) in Paris jedenfalls eidlich einvernommen würde. – Herr von Kühlmann ist geradezu verzweifelt (…) und sagt mir, daß, wenn die Sache wahr ist, er wirklich nicht sehe, wie ihm (…) sowie überhaupt der deutschen 2255 Lansing 1935, 265 – 266. 2256 Grünau an A. A., Tel. 202, 12. Apr. 1918, SG 4 1978, 103 – 104 Dok. 72.

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Regierung ein Weiterarbeiten mit uns möglich wäre, nachdem Seine (…) Majestät (…) sich in dieser Weise zu unseren Gegnern geäußert habe.2257

In der „Kopie“ des an Sixtus gerichteten Briefes, die der ­Kaiser durch Demblin am 12. April Czernin überbringen ließ, lautete die Passage über Elsass-Lothringen: „J’aurais usé de toute mon influence personnelle auprès de mes alliées pour les revendications françaises relatives à l’Alsace-Lorraine si elles avaient été justes. Mais elles ne le sont pas.“ 2258 Die Aussage des wirklichen Briefes war somit in ihr Gegenteil verkehrt. Überdies waren die im wirklichen Brief geäußerte Bitte des Kaisers, Poincaré von seinen „vives sympathies pour la France“ und seiner Unterstützung der „justes revendications françaises“ zu informieren, wie auch der Belgien betreffende Absatz in der „Kopie“ nicht enthalten.2259 Zita stellte in ihrem Aperçu die Ereignisse des 12. April wie folgt dar: Cz(ernin) telephoniert nach dem Mittagessen, kommt dann heraus. Clem(enceau) hat inzwischen Text publiziert. Cz. bringt beide 2260 mit. Sagt, er weiß, welcher Text richtig, aber daß, wenn S. M. ihn zugibt, verständigt er sofort Berlin, das einmarschbereit. Dann verliest er die Clem.-Note; fragt dann S. M., ob er dazu etwas zu sagen habe. S. M. schweigt, erkennt auch, ­welche die richtige ist. – Cz. drängt und droht zugleich: S. M. schweigt weiter. Sodann erkundigt sich Cz. (…), ob S. M. sich an einen zweiten Brief erinnert. (Cz. hatte die Copie!) Da dieser S. M. total entfallen und nicht im Faszikel war, sagt der K ­ aiser mit Entschiedenheit nein.

2257 Hohenlohe an Czernin, Tel. 232, 12. Apr. 1918, HHStA PA XL, 256 Varia int. 1917 fol. 828 – 828v. 2258 Demblin 1920, 20 – 21, Demblin Alex. 1997, 119. 2259 Kovács präsentierte, ohne diesen Sachverhalt eines Wortes zu würdigen, den Czernin übersandten Text als eine von Zita für den Schriftenprozess zur Seligsprechung des Kaisers aus dessen Nachlass vorgelegte „beglaubigte Kopie eines Entwurfes“ des Briefes an Sixtus. Ks. Karl an Sixtus „Entwurf“ o. D., Kovács 2 2004, 164 – 166 Dok. 34. Kovács schrieb auch, ein „Vergleich uns zugänglicher Entwürfe mit dem Autograph“, also der „Entwürfe“ mit dem Sixtus eingehändigten Briefe, lasse erkennen, dass „der Punkt über Elsaß-Lothringen zur Umdisposition“ gestanden sei: „Im ersten Entwurf“, als solchen bezeichnete sie die Czernin übersandte „Kopie“, habe der Passus über die Wiederherstellung Belgiens, in einem im Besitze Czernins befindlichen „brouillon“ dagegen „der Punkt über Elsaß-Lothringen“ gefehlt. Kovács 1 2004, 134. Als Beleg dafür, dass Czernin diesen „brouillon“ besessen habe, wies sie auf das im Band 2 ihres Werkes publizierte Dokument 34 hin, in welchem sich jedoch kein Hinweis dafür findet, dass es im Besitz Czernins gewesen sei; in ihm fehlt ebenso wie in der Czernin übersandten „Kopie“ der Passus über die Wiederherstellung Belgiens, sehr wohl enthalten ist aber der „Punkt über Elsaß-Lothringen“. Ks. Karl an Sixtus „Entwurf“ o. D., Kovács 2 2004, 164 – 166 Dok. 34. Woher Kovács wissen konnte, dass es sich bei der „Kopie“ um den „ersten Entwurf“ zum Brief handelte, tat sie ihren Lesern nicht kund. 2260 Die ihm vom ­Kaiser übermittelte „Kopie“ bzw. den „ersten Entwurf“ des Briefes und dessen durch das französische Communiqué publizierten Text.

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Erst darauf zog Cz. das von seiner (…) Hand geschriebene, in Wien vorbereitete Ehrenwort (Praemeditation ist aufs deutlichste bewiesen!) und sagt S. M., er habe das zu unterschreiben. S. M. weigert sich. (…) Nach langem Kampf droht Cz. endlich, Schluß zu machen und unterschreibt S. M. – Jetzt, da er das hat, verlangt er, den irrtümlichen Conzepttext zu publizieren. S. M. verweigert das absolut. Nun geht das Ringen wieder (…) los. Beständige Drohungen, endlich wird es 5 Uhr, S. M. muß andere dringende Audienzen empfangen. Bittet Cz. zu warten. Als er fertig ist, ist Cz. abgefahren. (…) Kein Telephon Cz(ernins). Endlich ruft S. M. ihn an und telephoniert mit ihm ‚wie ums Leben‘ bis 10¼. Cz. will Veröffentlichung erzwingen, es ist die Rettung der Brüder, er garantiert mit dem Kopf für sie; endlich droht er, sich am Telephon zu erschießen. Dann sagt er plötzlich in ganz ruhigem Ton: ‚Es ist ja sowieso ganz einerlei, ich habe das Communiqué ohnedies schon heute nachmittag herausgegeben.‘ S. M. sollte nach Pest fahren, versäumte Zug (sic!).2261

Inwiefern der „Conzepttext“, den sie „wegen Complott“ in ihrem Schlafzimmer aufbewahrte, „irrtümlich“ gewesen sei, erklärte Zita nicht, ebensowenig wie der K ­ aiser, der ja im Hofzug zu reisen pflegte, diesen hätte „versäumen“ können. In Marterers Tagebuch findet sich dazu die Eintragung: „12. April 1918. 10h ab(ends) Abfahrt Budapest. – Wir hatten uns im Zuge schon etabliert, als 5 (Minuten) vor Abfahrt die Reise abgesagt wurde.“ 2262 Im Prozess zur Seligsprechung sagte Zita am 22. April 1950 aus, der K ­ aiser habe ihr gegenüber nach der Unterzeichnung des Ehrenwortes geäußert: „Ho posto il mio onore nelle mani d’un ricattatore. E’stato il sacrificio più difficile ch’io abbia dovuto fare per i miei popoli. Non ho potuto agire diversamente (…).“ 2263 Auch im Seligsprechungsprozess sprach Zita von einem zweiten, nicht „im Faszikel“ enthaltenen Brief: Oltracciò, quando il conte Czernin gli chiese della seconda lettera, il Servo di Dio dichiarò molto categoricamente che una tale non esisteva, e cioè perché l’aveva completamente dimenticata. Questo è spiegabile, perché nell’atto, che si trovava presso di lui, non si trovava nessuna minuta d’una seconda lettera. In séguito risultò che tale minuta si trovava presso il Ministro degli esteri nell’atto sulle trattative, e che (…) Czernin la conosceva esattamente. (Che la seconda lettera esistesse e quale ne fosse il contenuto, il Servo di Dio lo apprese solanto (sic!) nella primavera 1919 (…), quando rivide là i miei fratelli (…).2264 2261 Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 – 338 Dok. 87b. 2262 Marterer TB-Eintr. 12. Apr. 1918, KA NL Marterer B/16:V. 2263 Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 764. 2264 Ebd. p 763. – Kovács gab diese Stelle der Aussage sehr frei wieder: „Im Verlauf der weiteren Unterredung erkundigte sich Czernin bei ­Kaiser Karl, ob er sich an den zweiten Sixtusbrief vom 9. Mai 1917 erinnere. Er fehlte im Schlafzimmer der Kaiserin und war im Außenministerium aufbewahrt worden! ­Kaiser Karl verneinte mit Entschiedenheit: Der Streß von Frontreisen und Alltag – er empfing täglich bei

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Wie und wann es sich herausgestellt habe, dass der Entwurf des zweiten Briefes „nell’atto sulle trattative“ im Ministerium des Äußern lag und Czernin ihn genau kannte, darüber gab Zita leider keine Auskunft. Interessant wäre auch, wie ein Akt über die „trattative“ hätte angelegt werden können, wo diese doch über weite Strecken vor dem Minister geheim gehalten worden bzw. nicht in dessen Beisein erfolgt waren. ­Kaiser Karl schrieb, er habe auch beim Treffen in Spa im Mai 1918, bei dem es gelungen sei, „die überschlauen Preußen furchtbar hinein zu legen (…) im besten Glauben, das Bestehen des zweiten Briefes“ geleugnet. Er habe ihn, „auch wegen seiner geringeren Bedeutung, in dem Trubel dieser aufgeregten Zeit vollständig vergessen“ und erst 1919 „wieder von dessen Existenz“ erfahren.2265 Bei ­diesem „zweiten Brief “, der Zitas Aperçu zufolge „S. M. total entfallen und nicht im Faszikel“ gewesen und dessen „Copie“ Czernin gehabt habe bzw., Zitas Aussage im Seligsprechungsprozess zufolge, „nell’atto sulle trattative“ im Ministerium des Äußern aufbewahrt worden sei, handelte es sich offenkundig nicht um den Kaiserbrief vom 9. Mai 1917, sondern um ein Phantom. Denn weder im Brief vom 9. Mai noch in dem Sixtus zugleich überreichten Aide-Mémoire Czernins, und auch nicht in der vom Prinzen bewerkstelligten „Übersetzung“ des letzteren ins Französische, war davon die Rede, dass „der ­Kaiser ‚mit seinem Minister einig‘“ sei, wie dies in Clemenceaus Communiqué vom 9. April erklärt wurde. Zita aber bezog Czernins Erkundigung nach einem zweiten Brief sehr wohl auf den vom 9. Mai. Im Aperçu ist nämlich unter „10. oder 11. April“, also nach der Absendung des österreichisch-ungarischen Communiqués vom 10. April, vermerkt: „Es existiert kein Brief. (Er (Czernin) selbst hat den vom 9. Mai!)“. Und in einer undatierten Passage gegen Ende des Aperçus heißt es: „Nach seinem Urlaub 2266 nahm er Akten aus dem Ministerium mit und unter anderem blieb der (sic!) Conzept vom 9. Mai Brief seitdem unauffindbar.“ 2267 Ähnlich sagte Zita am 22. April 1950 aus, Czernin sei nach seinem Urlaub ins Ministerium gegangen und habe, ohne um Erlaubnis zu fragen, „una cartella piena di documenti, fra i quali si trovava anche la minuta della seconda lettera (…)“, mitgenommen.2268

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hundert Personen – hatte diesen zweiten Brief, zu dem die Gegenzeichnung Czernins erfolgt war, verdrängt.“ Kovács 1 2004, 398. In ihrer Aussage hatte Zita weder ein „Fehlen“ im Schlafzimmer noch eine „Gegenzeichnung Czernins“ erwähnt. Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 618 – 619 Dok. 213. Czernin trat den Urlaub nach dem 25. April 1918 an, denn an ­diesem Tag übersandte das AOK dem M. d. Ä. die für „Czernin samt Familie und Gefolge (…) ausgestellten Passierscheine giltig zur Reise von Wien nach Abbazia (…)“. HHStA AR F 4, 64, 25. Apr. 1918 fol. 45. Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 – 339 Dok. 87b. Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 766 – 767. – Zita erklärte in ihrer Aussage auch: „Quando il Servo di Dio era a Prangins, Czernin tentò di ricattarlo, volendo pubblicare i due documenti insieme.“ Mit dem einen der beiden bezog sie sich auf den „Entwurf des zweiten Sixtus-Briefes“, über die Natur

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Was Zita die Gewissheit verlieh, dass das Konzept für den „9. Mai Brief “ im Ministerium aufbewahrt und von Czernin „nach seinem Urlaub“ mitgenommen worden sei, erklärte sie nicht. Jedenfalls erzählte sie Brook-Shepherd, die „Copie“ des „zweiten und weniger wichtigen“ Briefes „vom 9. Mai“ habe sich in den Händen Czernins befunden: Von ­diesem Schreiben war eine als ­solche ordentlich bezeichnete Abschrift in Laxenburg angefertigt worden – allerdings nur ein einziges Exemplar –; diese hatte Graf Czernin mit sich genommen und behalten. Auch in der ersten Phase der Schwierigkeiten im April 1918 befand sich diese Briefkopie noch im Besitz des Grafen. In seinem Hughes-Gespräch aus Bukarest bezog er sich auf diese. Graf Czernin hatte dem K ­ aiser die Kopie niemals gezeigt, ­Kaiser Karl wiederum hatte angesichts der Fülle der seither eingetretenen Ereignisse völlig darauf vergessen.2269

Czernin hatte sich in seinem Hughes-„Gespräch“ mit dem ­Kaiser jedoch keineswegs auf eine Kopie des Briefes „vom 9. Mai“ bezogen, sondern auf den ersten Brief an den Prinzen. Und zwar hatte er, im Hinblick darauf, dass das französische Communiqué vom 9. April von einem Brief sprach, in dem „Kaiser Karl (…) mit eigener Hand seine Zustimmung ‚zu den gerechten Rückforderungsansprüchen Frankreichs mit Bezug auf Elsaß-Lothringen’ bestätigt“ habe, erklärt: „Ich habe die Furcht, daß Euer Majestät auf einen Brief, den Sie doch geschrieben, vergessen haben (…). Es handelt sich offenbar um Briefe an die Prinzen Parma, deren Inhalt sich meiner Kenntnis selbstverständlich vollkommen entzieht.“ 2270 Die von Brook-Shepherd wiedergegebene Erzählung Zitas entsprach im wesentlichen Punkt ihrer Aussage von 1950.2271 des zweiten machte sie keine Andeutungen. – Wenig klug werden kann man aus der von Feigl publizierten Aussage einer Tochter des Kaiserpaares, der Erzherzogin Elisabeth, verehelichten Prinzessin Liechtenstein, zu dem „zweiten Brief“. Sie lautete nämlich: „Die Tatsache ist ja bekannt, daß mein Vater sich an diesen speziellen Briefentwurf (…) nicht erinnerte. Meine ­Mutter erzählte immer, daß, als dieser Entwurf bekannt wurde und Czernin ihn erpressen wollte, mein Vater sich die Akte ‚Sixtus-Xavier’ hernahm und alles durchschaute, ob vielleicht ein solcher Entwurf, unter den vielen (…), die gemacht worden waren, vorhanden sei. Es war aber kein solcher darunter. Daß Czernin diesen unerlaubterweise an sich genommen hatte, ahnte mein Vater nicht. Daher konnte er mit reinem Gewissen sagen, daß dieser Brief nicht existiere. (…) Czernin hat den Brief behalten, um meinem Vater zu schaden, und ein Sohn Czernins gab meinem Bruder Otto nach dem 2. Weltkrieg die ganzen Erklärungen dazu. (…) Natürlich ist der Entwurf nie in d ­ iesem Text als Brief geschrieben worden.“ Ehzgn. Elisabeth Anm. zu handschr. Aufz. Ks. Karls Juni 1919–Sept. 1921, Feigl 1987, 160 – 161. 2269 Brook-Shepherd 1968, 177 – 179. 2270 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 211 – 212, Demblin 1920, 95 – 96 Dok. 17, Demblin Alex. 1997, 164 – 165. 2271 Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 766.

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Czernin hielt in der Aktenmäßigen Zusammenstellung über seine Audienz am Nachmittag des 12. April fest: Ich beschwor den K ­ aiser mir die volle Wahrheit zu sagen; ich sagte ihm, ich sei das Pferd, das vor seinen Wagen gespannt ist und es ist sinnlos, dem eigenen Pferd die Augen zu verbinden, denn dann müsse es stolpern. Ich könne nicht das Richtige raten, wenn ich nicht wisse, was vorgefallen sei. Der ­Kaiser blieb lächelnd dabei, mir alles gesagt zu haben, ‚im Uebrigen möge ich mich beruhigen, in 8 Tagen werde kein Mensch mehr von der ganzen Sache sprechen’. – Ich ersuchte den K ­ aiser, mir seinen Standpunkt (…) schriftlich zu geben. Der K ­ aiser ging darauf ein und ich besitze ein von mir geschriebenes und von ­Kaiser Karl unterschriebenes Dokument folgenden Inhalts: – ‚Ich gebe meinem Minister des Aeussern mein Kaiserliches Ehrenwort, dass ich nur einen Brief an den Prinzen Sixtus von Bourbon geschrieben habe und dass die dem Minister des Aeussern am 12. April 1918 übergebene Kopie des Briefes wortgetreu und authentisch ist. Prinz Parma hat von mir keine Ermächtigung erhalten, den Brief der französischen Regierung zu zeigen. Belgien wurde gar nicht erwähnt und der Absatz über Elsass-Lothringen ist in dem Entwurf Clemenceaus gefälscht. – Baden 12. April 1918, Carl’.2272

Nach dem Ende der Monarchie diktierte ­Kaiser Karl seiner Gemahlin über das C ­ zernin gegebene Ehrenwort: „(…) ich gab ihm dies Ehrenwort, weil ich sah, daß Czernin damals nicht ganz normal war (…) und ich schließlich auch die Verhandlungen mit dem Deutschen K ­ aiser über Elsaß-Lothringen – Galizien nicht der hiesigen Öffentlichkeit verraten konnte.“ 2273 Sicherlich nicht ohne Konsens des Kaiserpaars schrieb Schager 1920, der ­Kaiser habe sich zunächst lange geweigert, das Ehrenwort zu unterfertigen, dann aber „dafür entschieden, dem Wohl und den Interessen seiner Völker das (…) geheischte Opfer zu bringen. Es kann aber auch kaum einem Zweifel unterliegen, daß Graf Czernin (…) als er unter dem denkbar stärksten Drucke dem (…) K ­ aiser die besprochene Erklärung abrang, sich dessen bewußt gewesen sein mußte, daß der Inhalt dieser Erklärung nicht durchaus der Wahrheit entspreche.“ 2274 Ähnlich schrieb Werkmann, der seine Informationen ebenfalls nur vom Kaiserpaar haben konnte: Graf Czernin ließ sich die Authentizität des ihm zur Verfügung gestellten Wortlautes vom ­ aiser bestätigen. Der Minister hatte dem K K ­ aiser vorgestellt, daß er einer solchen Erklärung zur Beruhigung Deutschlands unbedingt bedürfe. Deutschland würde sonst Österreich-Ungarn 2272 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 213. 2273 Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 335 Dok. 87a. 2274 Schager in RP M 15. Feb. 1920, 3.

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angreifen. Dem K ­ aiser ist die Situation (…) in so düsteren Farben erschienen, daß er das Opfer seiner Unterschrift unter die von Czernin vorgeschriebene Erklärung brachte.2275

In Demblins Tagebuch findet sich unter dem Datum des 12. April 1918 folgende Eintragung: In der Früh um 9h mit Erdődy beim ­Kaiser (…). Fahre dann per Auto nach Wien mit dem angeblichen Text (der ‚Kopie‘) des vom K ­ aiser an Prinz Sixtus gerichteten Briefes. Lügt der ­Kaiser wieder oder ist der Text authentisch? Inzwischen veröffentlicht Clemenceau seinen Text und der Skandal ist da! Wer glaubt dem K ­ aiser noch? Wir sind Deutschland und der Entente gegenüber furchtbar kompromittiert, es gibt kaum mehr einen Ausweg aus dem Gewebe an Verstellung und Lüge, da der K ­ aiser, statt Czernin gleich reinen Wein einzuschenken, nur langsam mit der Wahrheit herausrückt und morgen widerrufen muß, was er heute als Wahrheit bekräftigt. Soweit sind wir mit der parmesanischen Politik gekommen! – Ich esse (…) fahre dann gleich wieder per Auto (nach Baden) heraus, da Czernin inzwischen eine Audienz verlangt hat und sofort berufen wurde. (…) Nach seiner Audienz fahre ich mit ihm über die Stadtgrenze hinaus, wir gehen dann eine Stunde lang zu Fuß (…) und besprechen, was zu tun sei; es gibt kaum mehr einen Ausweg (…) Ausweisung der Herzogin von Parma und dgl. sind Auskunftsmittel, um die öffentliche Meinung zu beruhigen, den Schandfleck des Betruges schaffen wir nicht aus der Welt. (…) Am Abend um 8h schickt mich der ­Kaiser nochmals per Auto nach Wien samt einem ganz unmöglichen Entwurf einer Erwiderung auf die französische Veröffentlichung des berühmten Briefes. (…) Czernin (…) hatte ein langes Telefongespräch mit dem K ­ aiser und erwirkte die Genehmigung meines Erwiderungsentwurfes. Czernin ist entschlossen, sobald als möglich zu demissionieren (…) da sein Verhältnis zum ­Kaiser nachgerade ein unmögliches geworden sei.2276

In seiner im Juni 1920 veröffentlichten Broschüre äußerte sich Demblin über die Ereignisse des 12. April 1918 wie folgt: Am Vormittag (…) sandte mich der ­Kaiser mit dieser Abschrift nach Wien, um sie Czernin zu übergeben. Danach hat der ­Kaiser bekanntlich an Prinz Sixtus gerade das Gegenteil dessen geschrieben, was das französische Communiqué behauptet hatte, nämlich daß er die französischen Ansprüche, als nicht gerecht, nicht anerkennen könne. (…) Ebenso fehlte (…) der im 2275 Werkmann 1931, 260. – Giovanna Brizi schrieb 2004, im Prozess zur Seligsprechung Ks. Karls habe der Generalrelator hinsichtlich der Abgabe des falschen Ehrenwortes argumentiert: „Abgesehen von allen denkbaren ‚reservationes mentales‘ befand sich der Diener Gottes in einem wirklich unlösbaren ‚casus complexus‘ und litt überdies an einer akuten Herzattacke. (…) Und man konnte nicht voraussehen, dass Czernin zum blinden Werkzeug Ludendorffs, der ‚schwarzen Seele‘ des deutschen Generalstabs, werden würde.“ Brizi 2004, 66. 2276 Demblin TB-Eintr. 12. Apr. 1917, Demblin Alex. 1997, 77 – 78.

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Clemenceauschen Text enthaltene Auftrag an den Prinzen, dem Präsidenten der französischen Republik von der Anschauung des Kaisers über die elsaß-lothringische Frage Mitteilung zu machen. Im übrigen waren beide Texte gleichlautend. – Als ich zu Czernin kam, war ihm das neue Communiqué Clemenceaus soeben vorgelegt worden. Er gab den Auftrag, die Veröffentlichung desselben vorläufig noch zurückzuhalten, und fuhr am Nachmittag zum ­Kaiser. Angesichts des von Clemenceau veröffentlichten Textes beschwor er den K ­ aiser nochmals, ihm die volle Wahrheit zu sagen (…). Doch der ­Kaiser blieb dabei, daß er Czernin alles gesagt habe. Nunmehr ersuchte Czernin den K ­ aiser, ihm die Authentizität des von ihm (Ks. Karl) mitgeteilten Brieftextes schriftlich ehrenwörtlich zu bestätigen, welchem Ersuchen der K ­ aiser nachkam. Zugleich unterbreitete ihm Czernin den Entwurf einer Erwiderung auf das jüngste französische Communiqué, in welcher mit Berufung auf einen (…) kaiserlichen Auftrag dem französischen Text des Briefes (…) entgegengehalten wurde. Der ­Kaiser sträubte sich zwar anfänglich (…), hieß aber schließlich den Entwurf gut. Nachdem Czernin gegangen war, kam er doch wieder auf seine Bedenken zurück, faßte – wie es scheint, nach Beratung mit der Kaiserin – selbst einen Erwiderungsentwurf ab und sandte mich mit ­diesem gegen abends nochmals nach Wien. Ich übergab den Entwurf Czernin, der ihn in meiner Gegenwart durchlas. Laut ­dieses Entwurfs wäre, soweit ich mich erinnere, in gewundener Art auf den Umstand hingewiesen worden, daß des Kaisers Handschrift infolge seinerzeitiger in der Schweiz begangener Indiskretionen bekannt sein oder doch leicht verschafft werden konnte, wodurch die Möglichkeit vorhanden sei, sie nachzuahmen. Danach sollte also der (…) Clemenceausche Text als Fälschung hingestellt werden. Czernin bezeichnete (…) diesen Entwurf als ganz unmöglich und rief sofort den ­Kaiser an, um sich mit ihm telephonisch zu besprechen.2277

Diesem „nach Beratung mit der Kaiserin“ entstandenen „Erwiderungsentwurf “ des Kaisers entspricht offenbar das im Seligsprechungsprozess vorgelegte und von Kovács publizierte Schriftstück, in dem es heißt: 1) Der durch Clemenceau veröffentlichte Brief ändert gar nichts am (ö.-u.) Communiqué (vom 10. April). – 2) Vor allem sei erklärt, daß unter der im Range weit über dem Minister des Äußern stehenden Persönlichkeit, von der im Communiqué vom 7. April 2278 erklärt wurde, daß sie Friedensschritte unternommen hatte, nicht Seine Majestät, sondern Prinz Sixtus (…) verstanden werden mußte (…). Von ­diesem (…) behauptet nun Clemenceau, den Brief zu haben. Es eröffnen sich nun zwei Möglichkeiten, entweder hat Herr Clemenceau wissentlich ein falsches Dokument herausgegeben oder wurde der Prinz, dessen loyaler und edler Charakter allgemein bekannt ist, das Opfer eines schändlichen Betruges. – 3) Eine Handschriftfälschung wäre umso leichter möglich, als Seine Majestät im Frieden mit verschiedenen französischen 2277 Demblin 1920, 20 – 22, Demblin Alex. 1997, 118 – 120. 2278 Im frz. Communiqué vom 6. Apr. 1918.

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Persönlichkeiten korrespondierte. – 4) Der im Communiqué des (…) Ministerpräsidenten vom 9. April l. J.2279 erwähnte zweite Brief des Kaisers, in welchem Seine Majestät erklärt haben soll, daß ‚Er mit seinem Minister einig sei‘, erwähnt das französische Communiqué (vom 12. April) nicht mehr, was darauf schließen läßt, daß das französische Ministerium die Existenz ­dieses zweiten Briefes nicht mehr aufrecht erhält.

Anscheinend direkt auf diesen Entwurf schrieb ­Kaiser Karl: Lieber Czernin – ad 1 und 2: Ich habe die Sache genau überlegt. Ich bleibe selbstverständlich auf dem Standpunkte, daß, wenn die Prinzen gegen uns auftreten, sie unbedingt desavouiert werden. Wir wissen aber nun nicht, ob die Prinzen dem Clemenceau eventuell gar nichts gesagt haben und (…) ob nicht derselbe den Brief in der Schweiz gestohlen hat. Denn e­ rwiesenermaßen waren alle Akte mit Maschinschrift, das sind dieser von Ihnen und mein Brief im Feber in die Schweiz. Ad 3. Ich würde es nicht für opportun halten, irgendeinen Brief (…) während des Krieges nach Frankreich zuzugeben, da aber doch die Handschrift erklärt werden muß, bin ich auf diesen Ausweg gekommen.2280

Mit den Worten „dieser (Akt) von Ihnen und mein Brief im Feber in die Schweiz“ bezog sich der K ­ aiser offenkundig auf Czernins, dem Prinzen am 21. Februar 1917 durch Erdődy übergebene „Richtlinien für die weiter zu führenden Verhandlungen“, die von Sixtus sogenannte Note Czernin bzw. „Note ostensible“,2281 und die diesen „Richtlinien“ von ihm, ­Kaiser Karl, angefügten „Addenda“ bzw. „corrections bien nécessaires“.2282 Den von seiner Hand geschriebenen Brief an Sixtus, um den es eigentlich ging, erwähnte der K ­ aiser nicht. Er klammerte sich also an die Möglichkeit, dass „die Prinzen dem Clemenceau eventuell gar nichts gesagt haben“ bzw. Clemenceau die Echtheit des von ihm eventuell „in der Schweiz gestohlen(en)“ Briefes nicht werde nachweisen können, weil doch „erwiesenermaßen (…) alle Akte mit Maschinschrift“ gewesen ­seien. ­Kaiser 2279 Kovács löste die Abkürzung „l. J.“ fälschlich mit „letzten“ statt mit „laufenden Jahres“ auf. Kovács 2 2004, 342. 2280 Ks. Karl zur „Sixtusaffaire“ in der Antwort an Czernin, Apr. 1918, Kovács 2 2004, 341 – 342 Dok. 89. – Kovács behauptete, beim Hauptteil des zitierten Schriftstückes habe es sich um eine „Vorlage ­Czernins für den K ­ aiser gehandelt“, bei den von ­Kaiser Karl hinzugefügten Worten dagegen um die auf die „Vorlage“ gegebene „Antwort“. Im Schriftstück weist jedoch nichts darauf hin, dass es sich so verhalten könnte. Aus dem Faktum, dass zum Punkt 3 der „Vorlage“, in dem es heißt „eine Handschriftfälschung wäre umso leichter möglich“, in der „Antwort“ bemerkt ist: „da aber doch die Handschrift erklärt werden muß, bin ich auf diesen Ausweg gekommen“, geht vielmehr klar hervor, dass beide Teile des Schrift­ stückes vom ­Kaiser selbst stammen. 2281 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 7 – 8, Sixtus 1920, 58 – 60, Polzer-Hoditz 1929, 597 – 598. 2282 (Sixtus) LO 3. Jän. 1920, 8, Sixtus 1920, 60 – 61.

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Karl wiegte sich damals und, wie dies ein seiner Gemahlin diktierter Text zeigt auch noch nach dem November 1918, in der Hoffnung, dass „Clemenceau niemals die volle Authentizität des Briefes beweisen“ werde können. Dies deshalb, weil er, der K ­ aiser, ­Sixtus gebeten habe, „das Original des Briefes bei keinem der Machthaber der Entente zu belassen, sondern ihn selbst aufzuheben“.2283 Die Übersetzung der in der Czernin überbrachten „Kopie“ des Kaiserbriefes enthaltenen Passage über Elsass-Lothringen ins Deutsche wurde vom Ministerium des Äußern mit dem vom 12. April datierten amtlichen Communiqué über das TelegraphenKorrespon­denzbureau publik gemacht und konnte so den Zeitungen des Folgetages entnommen werden. Diese brachten aber auch das französische Communiqué vom 12. April mit dem vollen Text des Sixtus wirklich überreichten Briefes. In dem neuen Communiqué ließ ­Kaiser Karl, so wie er es Czernin gegenüber schon am Tag zuvor getan hatte, nun auch öffentlich erklären: Der von dem französischen Ministerpräsidenten in seinem Communiqué vom 12. April veröffentlichte Brief Seiner (…) Majestät ist verfälscht: – Vor allem sei erklärt, daß unter der ‚im Range weit über dem Minister des Äußern stehenden Persönlichkeit‘, ­welche, wie in der amtlichen Verlautbarung vom 7. April zugegeben wurde, im Frühjahr 1917 Friedensbemühungen unternommen hat, nicht Seine (…) Majestät, sondern Prinz Sixtus von Bourbon verstanden werden mußte (…), da Prinz Sixtus im Frühjahr 1917 mit der Herbeiführung einer Annäherung der kriegsführenden Staaten befaßt war. – Zu dem von Herrn Clemenceau veröffentlichten Brieftext erklärt das k. u. k. Ministerium des Äußern über Allerhöchsten Befehl, dass Seine (…) Majestät Seinem Schwager, dem Prinzen Sixtus (…), im Frühjahr 1917 einen rein persönlichen Privatbrief geschrieben hat, der keinen Auftrag an den Prinzen enthielt, eine Vermittlung beim Präsidenten der französischen Republik oder sonst wie einzuleiten. (…) Dieser Brief erwähnt die belgische Frage überhaupt nicht und enthielt bezüglich Elsaß-Lothringens folgende Stelle: ‚Ich hätte meinen ganzen persönlichen Einfluß zugunsten der französischen Rückforderungsansprüche bezüglich Elsaß-Lothringens eingesetzt, wenn diese Ansprüche gerecht wären; sie sind es jedoch nicht.2284

Zita behauptete in ihrem Aperçu, der K ­ aiser hätte die Veröffentlichung des Communiqués, das die im „irrtümlichen Conzepttext“ enthaltene Passage über Elsass-Lothringen zitierte, zunächst „absolut“ verweigert.2285 Dies kann angesichts des von ihm verfassten „Erwiderungsentwurfes“ 2286 bzw. des oben zitierten von Kovács ­veröffentlichten 2283 2284 2285 2286

Ks. Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 333 Dok. 87a. Ö.-u. Communiqué vom 12. Apr. 1918, F-B M (13. Apr. 1918), 1, NPZ A (13. Apr. 1918), 2. Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 338 Dok. 87b. Demblin 1920, 22, Demblin Alex. 1997, 120.

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S­ chriftstückes, das d ­ iesem ganz offenbar entspricht,2287 jedoch kaum der Fall gewesen 2288 sein. Czernin schrieb, der ­Kaiser habe verlangt, „ich möge eine neuerliche Erklärung veröffentlichen, in welcher ich feststelle, dass ich (Czernin) den Brief selbst verfasst hätte, daher dafür bürge, dass die (im Communiqué) veröffentlichte Kopie echt sei, und die volle Verantwortung für den Vorfall übernehme“. Dieses kaiserliche Verlangen habe er abgelehnt.2289 In fast allen österreichischen und ungarischen Zeitungen blieben das französische Communiqué vom 12. April und der darin publizierte Kaiserbrief zunächst unkommentiert. Die Arbeiter-Zeitung jedoch brachte auf den beiden ersten Seiten ihrer Morgenausgabe vom 13. April einen Artikel, in dem es unter anderem heißt: Clemenceau hat den angeblichen Brief des Kaisers jetzt im vollen Wortlaut veröffentlicht, und nachdem man zwei Tage lang die Oeffentlichkeit mit der Vorstellung erfüllt hatte, daß überhaupt kein Brief vorliege, überhaupt nichts, was den Behauptungen des französischen Minister­ präsidenten auch nur den Schein einer Grundlage bieten könnte, muß man jetzt zugeben, daß ein Brief des Kaisers existiert (…) und vermag nur zu bestreiten, daß er dem Wortlaut voll entspricht. (…) Da man doch von dem wahren Brief gewußt hat (…) so ist es geradezu unbegreiflich, warum man nicht gleich die ganze Wahrheit gesagt hat (…). Was der K ­ aiser sonst geschrieben hat, erfahren wir nicht – aber vielleicht wird man auch hier gezwungen sein, den Wortlaut (…) zu veröffentlichen –, es ist also nicht zu erkennen, inwieweit man es hier mit einem Privatbrief (…) oder mit der Aktion eines Kaisers zu tun hat. (…) Von zwei Dingen eines: entweder ist das ganze ohne Wissen des Ministers des Aeußern geschehen, dann scheint an der Umsicht der verantwortlichen Politik vieles zu fehlen, oder Graf Czernin war mit dem Brief einverstanden (…) – dann wäre seine Vorsicht sehr gering (…). Es wird jetzt zugegeben, daß Prinz Sixtus ‚mit der Herbeiführung einer Annäherung der kriegführenden Staaten befaßt war‘. Aber diese ‚Befassung‘ kann doch nicht bloß in dem Empfang eines Privatbriefes seines Schwagers bestanden haben (…); sie war keine Privatangelegenheit, sondern eine politische Sache, die der Kontrolle des Ministers nicht entbehren konnte und wohl auch nicht entbehrt hatte. Daraus ergibt sich (…), daß eine löbliche Unternehmung gründlich verpfuscht wurde. Und das ist das eigentlich Traurige daran: der Antrieb zum Frieden, der da wirksam ward, ist 2287 Ks. Karl zur „Sixtusaffaire“ in der Antwort an Czernin, Apr. 1918, Kovács 2 2004, 341 – 342 Dok. 89. 2288 Die Version der Kaiserin gab Kovács wieder, indem sie unter Hinzufügung eigener Vermutungen schrieb, ­Kaiser Karl habe, „als die Audienzen jenes Freitags (12. April 1918) vorbei waren“, telefonisch versucht, „Czernin von der Veröffentlichung des Kommuniqués abzubringen (…). Der ­Kaiser dürfte an die Minister­ verantwortlichkeit appelliert und von Czernin verlangt haben, die volle Verantwortung für den von ihm verursachten Vorfall zu übernehmen. Der Außenminister sollte öffentlich zu dem Friedensversuch durch Prinz Sixtus stehen und den ­Kaiser ‚decken‘, dessen verfassungskonformes Verhalten bestätigen. Czernin lehnte ab. Er drohte wieder mit Selbstmord, und das Kommuniqué ging hinaus.“ Kovács 1 2004, 399 – 400. 2289 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 217.

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nun völlig gelähmt (…) und der Rest sind Entschuldigungen, Beschönigungen und Verleugnungen, die der österreichisch-ungarischen Politik jeden Halt nehmen.2290

Aus Berlin telegrafierte Hohenlohe am 13. April an Czernin: Der von Clemenceau publizierte Brief (…) ist hier, wenn auch nicht veröffentlicht, bereits in der Hand der meisten Chefredakteure der hiesigen Zeitungen und wird lebhaft besprochen. – Ich habe alle Herrn der Botschaft angewiesen, den Standpunkt zu vertreten, daß es sich nur um eine Fälschung handeln könne, woran auch die Tatsache nichts ändern werde, daß man in Paris eventuell ein Facsimile d ­ ieses angeblichen Briefes veröffentlichen werde. – Im Auswärtigen Amt (…) weist man auf die Möglichkeit hin, daß Seiner Majestät von irgendeiner Seite ein Brief zur Unterschrift vorgelegt worden sei, den Er nicht oder nur oberflächlich gelesen habe. Es würde sich dann darum handeln, demselben eine harmlose Deutung zu geben. – Ich habe hierauf erklärt, daß diese Auffassung, zumal nach dem Depeschenwechsel z­ wischen den Allerhöchsten Herrn, unter allen Umständen zurückzuweisen sei und ich daran festhalten müsse, daß es sich unbedingt um eine Fälschung handle und auch bei allen weiteren Publikationen von Paris nur um eine ­solche handeln könne.2291

Und kurz darauf berichtete Hohenlohe: Der (Wort fehlt) des heute veröffentlichten Clemenceau’schen Communiqués mit dem Briefe Seiner Majestät (…) hat hier einen konsternierenden Eindruck gemacht, der auch durch die Erwiderung der k. u. k. Regierung nicht abgeschwächt wurde. (…) – Herr von Kühlmann ist in größter Bestürzung und erklärt, die ganze Politik, für die er bisher eingetreten sei, habe den allerschwersten Stoß erlitten. Das Vertrauen zu Oesterreich-Ungarn sei dermaßen erschüttert, daß er vorläufig noch vergeblich nachdenke, wie man diese Erschütterung, wenn auch vorerst nur oberflächlich, ausgleichen könne. (…) – Soviel steht jedenfalls fest, daß dieser tief beklagens­werte Vorfall uns einen heute noch gar nicht zu übersehenden Schaden zugefügt hat, was umso tragischer ist, als er in die Zeit so großer militärischer Erfolge fällt.2292

Demblins Tagebucheintragung über die Ereignisse des 13. April lautet: „Ich fahre in der Früh mit Czernin nach Baden. Er hatte mit dem K ­ aiser telephonisch ausgemacht zu ihm zu kommen, wird aber von der Kaiserin empfangen; der ­Kaiser bleibt unsichtbar.“ 2293 Und am nächsten Tag trug Demblin ein: 2290 A-Z M (13. Apr. 1918), 1 – 2. 2291 Hohenlohe an Czernin, Tel. 234, 14. Apr. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 12 – 12v. 2292 Hohenlohe an Czernin, Tel. 235, 13. Apr. 1918, HHStA PA XL, 256 Varia interna 1917 fol. 832 – 832v. 2293 Demblin TB-Eintr. 13. Apr. 1917, Demblin Alex. 1997, 78.

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Czernin hatte gestern dem K ­ aiser telephonisch, der Kaiserin mündlich auseinandergesetzt, daß nur ein zeitweiliger Rücktritt des Kaisers von den Regierungsgeschäften die grässliche Lage wirklich zu sanieren im Stande wäre. Er hat erreicht, daß wenigstens ein Ministerrat einberufen werde, um Regentschaftsfrage, falls dieselbe akut werden sollte, prinzipiell zu ordnen.2294

In dem nicht vor dem 25. Juni 1920 verfassten Aperçu der Kaiserin aber steht über die Geschehnisse des 13. April 1918 zu lesen: Cz(ernin) telephoniert in der Früh. Brüder in großer Gefahr, erschossen zu werden, er kommt gleich. S. M. hatte einen Herzkrampf, konnte ihn nicht gleich empfangen, bat mich, ihn anzuhören. Ich spreche mit ihm (Czernin) von 10 Uhr bis 11¾. (…) Vorschlag: um die Brüder zu retten – denn der Text Cl(emenceaus) ist ja der echte, er (Cl.) weiß es aus den seinerzeitigen Verhandlungen – muß S. M. erklären, er leide an zeitweiligen geistigen Lücken, er ziehe sich von der Regierung zurück, da er in so einem Anfall den Cl.-Brief geschrieben habe. Cz. wird der ‚eiserne Kanzler‘, Regent, der aber nichts zu sagen hat, Erzherzog Eugen; sie verhandeln einen Anschluß an Deutschland und wenn dann alles perfect ist, kann S. M. als gesund erklärt werden. S. M. lehnt kategorisch ab. Zuerst durch mich, dann steht er (…) auf und kommt es nochmals selber sagen. Als ich Refus überbringe, schlägt er (Czernin) Selbstmord à trois vor. Als er sagt, er wisse, die Clem(enceausche Fassung) sei die richtige, sagte ich ihm: ‚Dann geben Sie mir das gestrige Schriftstück zurück und ich zerreiße es hier vor Ihnen!‘ Nein. Von mir zu Rede gestellt, wie er sagen könne, er habe nichts gewußt, antw(ortete) er, er habe von dem Brief nichts gewußt und da Lügen eine Sünde sei (…) sage er lieber, er habe von gar nichts gewußt, als auszusehen, als ob er was vom Brief gewußt hätte. (…) Nachdem er also wiederholt versichert hatte, er wisse, daß Conzept irrtümlich (sic!) sagte er Cramon, er solle sich den Text von S. M. ansehen (jedenfalls um S. M. noch mehr hineinzulegen) und sandte ihn zum ­Kaiser. Diesem kündigte er an, daß Cramon zu ­diesem Zweck komme. Hier Bericht von Cramon 2295 sehr lügenhaft. S. M. sagte bloß: ‚Hier ist das Conzept, von dem (Czernin) Ihnen sprach!’ (S. M. war äußerst erstaunt über die Darstellung von Cramon (von 1920!), glaubte es nicht für möglich, so zu lügen!)2296

Inwieferne das „Conzept irrtümlich“ gewesen sei, gab Zita auch diesmal nicht zu erkennen. Dass ihre Angabe, Czernin habe Cramon zum K ­ aiser gesandt, „um S. M. noch mehr hineinzulegen“, eine Entsprechung in der Realität gehabt haben könnte, erscheint angesichts der weiter unten zitierten Darstellung des Generals mehr als unwahrscheinlich. Die Passage des Aperçu: „Cz. wird der ‚eiserne Kanzler‘, Regent, der aber nichts zu sagen 2294 Demblin TB-Eintr. 14. Apr. 1917, ebd. 2295 Der Bericht von Cramon erschien 1920, Cramon 1920. 2296 Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 338 – 339 Dok. 87b.

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hat (…) sie verhandeln einen Anschluß an Deutschland“, reflektiert Zitas beständiges, wohl kaum begründetes Bangen vor einem „Complott“ und einer Mediatisierung des Hauses Habsburg durch die Hohenzollern, nicht zuletzt aber die deutschösterreichischen Anschlussbestrebungen seit dem Oktober 1918. Czernin selbst schrieb über seinen dem K ­ aiser am 13. April gemachten Vorschlag, sich zeitweilig von den Regierungsgeschäften zurückzuziehen: Ich sagte ihm, er sei tatsächlich überanstrengt und seine Nerven in einem dermassen herunter­ gekommenen Zustande, dass ich ihn nicht für ganz zurechnungsfähig halte. Er möge sich krank erklären, sich für einige Monate irgendwohin zurückziehen und dem Erzherzog Eugen die provisorische Regentschaft übergeben. Sein Nervenzustand würde eine Erklärung für die letzten Vorgänge sein und in einigen Monaten werde hoffentlich die Situation es ihm ermöglichen, nach Wien zurückzukehren. Der ­Kaiser griff diesen Plan freudigst auf und erklärte, er sei bereit, für einige Zeit ‚vollständig zu verschwinden, er werde aber nicht nach Wartholz gehen, sondern irgendwo ganz abgeschieden ins Gebirge‘.2297

Baernreither trug in sein Tagebuch ein: Aufsehen das der Brief des K. Karl gemacht hat ungeheuer. (…) Heute (13. April) früh bei Czernin. Er erklärt: noch nie habe er den K ­ aiser in hellem Zorn gesehen. Diesmal war er heftig u. ausser sich, sprach von ‚Schweinerei‘ u. gab Cz(ernin) sein heil(iges) Wort, dass er den Brief nicht geschrieben habe. Weiter erklärte mir Cz. warum er in seiner Rede die Sache von Clemenceau vorgebracht. Es sei dies (…) geschehen, um alle diese giftigen Verbindungen abzuschneiden (…) er wüsste wie viel Unheil diese Verbindungen schaffen, nannte Lammasch, Förster, Meinl u. tutti quanti als die gefährlichen Zwischenträger. Als ich aber meinte, die ­seien wohl weniger gefährlich als die Parma, antwortete er, dies ­seien die Verwandten ‚seines Kaisers‘ u. wich aus (…). Der K ­ aiser müsse intakt herauskommen sagte er als ich abermals auf die Parmaverbindungen hinwies. Dann erkundigte er sich, was man über seine Stellung spreche, worauf ich: man sei überzeugt, dass er von diesen Machenschaften nichts gewusst habe. (…) Sehr stark u. wiederholt betonte er, dass durch diesen Zwischenfall das Bündnis gefestigt worden sei, was das heute Nachm. erschienene Telegramm K(aiser) Wilhelms beweisen würde.2298

Ludwig Windischgraetz schrieb 1920, er sei am 13. April „zur Audienz (…) befohlen“ worden. In dieser habe der ­Kaiser gesagt:

2297 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 219. 2298 Baernreither TB-Eintr. 12. (recte 13.) Apr. 1918, HHStA NL Baernreither 7, XIX fol. 9, Druck mit einigen Übertragungsfehlern: Kann 1963, 424 – 425.

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Sie haben gesehen, daß Clemenceau meinen Brief veröffentlicht hat. Ich kann Czernin nicht verstehen; es ist mir unbegreiflich (…). Natürlich war es mein Bestreben, einen raschen Frieden herbeizuführen (…) aber es war ja Czernin selber, der mir angeraten hatte, im Wege meiner Schwäger Anknüpfung in Frankreich zu suchen (…). Jetzt will man meinen Brief als Treubruch an Deutschland hinstellen?2299

Cramon hielt in seinen im Nachlass erhaltenen Erinnerungen fest: Alle die diese Enthüllungen miterlebten wissen, wie dieselben auf die öffentliche Meinung gewirkt haben. Es war gradezu katastrophal. Der K ­ aiser erschien als Lügner und als hinterhältiger Bundesgenosse, der mit dem Gegner unter einer Decke steckte. Czernin hatte laut vor aller Welt verkündet, die Monarchie kämpfe für Straßburg ebenso wie für Triest, und der ­Kaiser sagte in seinem Schreiben, daß er die französischen Ansprüche auf Elsaß-Lothringen durchaus anerkenne. Was war nun richtig und was war falsch?! Die allgemeine Meinung ging dahin, daß der ­Kaiser gelogen hatte. – Arz kam am Morgen ­dieses denkwürdigen Tages (…) auf mein Büro und sagte etwa folgendes: Ich traue mich kaum Ihnen in’s Auge zu sehen, aber unsere treue Kameradschaft und unsere persönliche Freundschaft trieben mich dazu mich mit Ihnen auszusprechen. Es ist dies der furchtbarste Tag meines Lebens denn ich habe erfahren, ‚daß mein ­Kaiser lügt‘. Rechnen Sie es seiner Jugend und Unerfahrenheit, dem Einfluß, dem er dauernd ausgesetzt ist, und seiner unseligen Neigung, unter allen Umständen Frieden zu schließen zu und urteilen Sie nicht zu schroff, aber zu entschuldigen ist dabei nichts. Es lag mir daran Ihnen ­dieses zum Ausdruck zu bringen, wollen Sie der Dolmetsch meiner Gefühle dem Herrn Generalfeldmarschall von Hindenburg und dem General Ludendorff gegenüber sein. Ich bin überzeugt, daß Sie der ­Kaiser auch wird rufen lassen und Sie bitten wird, dem deutschen K ­ aiser entsprechende Aufklärung zu geben. – Alle die es gut mit uns meinten erschienen gleichfalls in Laufe des Tages bei mir um mir ihre tiefe Trauer und Beschämung über ­dieses unerhörte Vorkommnis auszusprechen.2300

Und Josef Redlich notierte am 14. April: „Wie ich höre, hat ­Kaiser Karl am 7. April (…) Czernin ausdrücklich erklärt, er habe keinen Brief nach Frankreich geschrieben und darauf hat dieser letztere seine Pressepolemik gegen Clemenceau fortgeführt.“ 2301 Kläglich fand Redlich das amtliche Communiqué vom 12. April: (E)s wird behauptet, der Satz, in dem ­Kaiser Karl die Gerechtigkeit der Ansprüche Frankreichs auf Elsaß-Lothringen anerkennt, sei gefälscht (…). Unerhört dumm, s­ olche Ausflüchte 2299 Windischgraetz 1920, 187 – 189. 2300 Cramon Erinnerungen, KA NL Cramon B/1246 4. Fs. fol. 61v–62. 2301 Redlich TB-Eintr. 14. Apr. 1918, Fellner Corradini 2 2011, 389 – 390.

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zu machen! Wenn nun der Brief photographisch publiziert wird! Und der K ­ aiser hat doch versichert, daß dieser Passus eine Fälschung ist!2302

Lansing kommentierte 1935 die Erklärung des Communiqués vom 12. April 1918, die fragliche Stelle im Brief an Sixtus habe gelautet, der K ­ aiser hätte die Ansprüche auf Elsass-Lothringen unterstützt, wenn sie berechtigt gewesen wären; sie waren es aber nicht, wie folgt: „To write to a Frenchman such words was simply unbelievable but (…) somehow the young Emperor (…) had to explain why (…) he had written something about Alsace-Lorraine to Prince Sixtus. So he concocted this lamentably weak explanation.“ 2303 Botschafter Wedel telegrafierte am 13. April über einen Besuch beim Minister des Äußern nach Berlin: Gf. Czernin (…) war sehr elegisch und einsilbig. Wollte anscheinend seinen Kaiserlichen Herrn nicht noch mehr belasten (…). Er bemerkte nur, er sei überzeugt, dass (…) Brief in Wortlaut und Sinn in Paris verändert sei. Auf meine Anregung will er K ­ aiser Karl vorschlagen, Abschrift des Briefes Seiner Majestät (Kaiser Wilhelm) zu unterbreiten. Er hatte aber selbst bisher keine Abschrift gesehen. (…) Gegenwärtige Situation günstig, um unsere Wünsche durchzusetzen, kann sich aber bald ändern, zumal, wie ich aus guter Quelle weiß, Haus Parma und sein Anhang mit Hochdruck auf den Sturz des Ministers hinarbeiten. Insbesondere ist es die Herzogin von Parma, die sich in masslosen Ausdrücken über Gf. Czernin ergeht. Der Kandidat der Gesellschaft ist Botschafter Prinz Schönburg, zwar ein ehrenwerter Mann aber beschränkt und ganz klerikal.2304

Kühlmann depeschierte an ­diesem Tag an Grünau: Es ist schon um Clemenceau und der Entente nicht den Eindruck zu geben als habe ihr Vorstoss (…) die Festigkeit der persönlichen Beziehungen beider Monarchen und des Bündnisses (…) erschüttern können sehr erwünscht, dass in den nächstenTagen eine Manifestation der fortwährenden Solidarität erfolgt. Ein Besuch an der Westfront wäre hierfür (…) die geeignetste Form (…). Doch wäre mit der Einladung (…) besser noch ein bis 2 Tage zu warten bis man über Auswirkungen bei uns und in Österreich-Ungarn etwas klarer sieht. Eine ritterliche und grossherzige Haltung Unseres Herrn gegen K ­ aiser Karl in dieser für ihn so schweren Lage kann (…) politisch jedenfalls nur nützlich sein.2305 2302 Ebd. 2303 Lansing 1935, 264. 2304 Wedel an A. A., Tel. 269, 13. Apr. 1918, SG 4 1978, 109 Dok. 76. 2305 Kühlmann an Grünau, Tel. 318, 13. Apr. 1918, ebd. p 108 Dok. 75.

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Über den nächsten Tag, den 14. April, findet sich im Tagebuch von Sektionschef Gratz die folgende Eintragung: Um 10 Uhr läßt mich Cz. holen und fragt, ob ich Lust hätte, ihn nach Baden zu begleiten (…). Ich bin natürlich sofort bereit dazu. – (…) Cz. erz(ählt), daß in der Briefaffaire neue Complicationen zu erwarten ­seien. Der ­Kaiser habe erst ganz geleugnet, (…) einen Brief politischen Inhalts geschrieben zu haben. (Das ist Tatsache, denn ich habe das Hughes-Gespräch gelesen, das Cz. in Bukarest mit dem ­Kaiser führte und daß die Behauptung Clemenceau’s von der Existenz eines solchen Briefes erlogen sei, worauf Cz. antwortete: ‚Mir fällt ein Stein vom Herzen.‘ Auch dem Gesandten Wiesner, der ihm am Abend unserer Ankunft den Text des von der Bahn aus (…) telegraphierten Communiqués sowie die Depesche an K ­ aiser Wilhelm vorlegte, hat der ­Kaiser gesagt: in den Briefen, die er an seinen Schwager gerichtet habe, sei nie von Politik die Rede gewesen.) In der Donnerstag-Audienz (vom 11. April) scheint der K ­ aiser ein halbes Geständnis abgelegt zu haben, denn bevor ich nach Budapest abging sagte Cz. unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß wenngleich der K ­ aiser nach wie vor leugnet, den Brief geschrieben zu haben, er aus der ganzen Art und Weise, wie der K ­ aiser sprach, doch den Schluß ableite, daß etwas geschehen sei. Ich hatte schon damals den Eindruck, daß (…) der ­Kaiser ihm gegenüber die Absendung eines Briefes (…) zugegeben habe. Was Cz. heute erzählte, bestätigt dies. Er sagte, der ­Kaiser habe zugegeben, einen Brief geschrieben zu haben, jedoch hinzugefügt, daß derselbe nicht den Wortlaut gehabt habe, den Cl(emenceau) veröffentlichte. Er besässe noch das Concept des Briefes, könne es aber momentan nicht finden. Erst am nächsten Tag zeigte er ihm das angebliche Concept, das bis auf drei Puncte (Elsaß-Lothringen, Belgien und (4 bis 5 Worte unleserlich)) mit dem von Clemenceau veröffentlichten Text übereinstimmte. Es bestand der starke Verdacht, daß ­dieses Concept (…) nachträglich angefertigt wurde. (…) Cz. hält es für unmöglich, bei einem solchen Mangel an Aufrichtigkeit gegenüber dem (…) verantwortlichen Ratgeber der Krone die Geschäfte weiterzuführen. Die Einflüsse, ­welche den Brief veranlaßt haben, müssen gebrochen werden. Es sei die Familie Parma, w ­ elche den K ­ aiser immer zur Entente zerrt. Besonders die Kaiserin, ­welche mit dem Gesichtskreis eines Pensionatmädchens in die heikelsten politischen Angelegenheiten eingreife. Auch diesen Brief habe wahrscheinlich sie geschrieben – der K ­ aiser könne nicht soviel Französisch (…). Es gebe keinen anderen Ausweg aus der Krise, als daß sich der ­Kaiser für einige Zeit ganz zurückziehe. Dazu hat ihn Cz. gestern zu bewegen gesucht. Er war gestern unter dem Eindruck der Ereignisse krank, lag fiebernd im Bette, – die Kaiserin machte alles für ihn. Er (Czernin) schlug ihm eine Regentschaft mit Erzherzog Eugen vor. Jagte der Kaiserin einen Schreck ein, indem er ihr das Schicksal Marie Antoinettes vormalte. Gestern habe sich der ­Kaiser diesen Ideen zugänglich gezeigt, er hat jedoch nicht die geringste Illusion darüber, daß er heute umfallen wird. In d ­ iesem Falle würde er seine Demission geben und zu seinem Nachfolger Tisza vorschlagen. (…) Meiner Ansicht nach gibt es zwei Möglichkeiten: Das kategorische Ableugnen oder ein offenes Bekenntnis. Wenn der ­Kaiser erklärt, er habe dem Frieden dienen wollen, sehe aber ein, den falschen Weg gewählt zu haben, – vom Bündnis wolle er

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sich nicht entfernen usw., wenn er gleichzeitig für einige Wochen an die deutsche Front geht, so könnte man den Dingen eine für den ­Kaiser nicht ungünstige Wendung geben, die ihn vielleicht sogar populär machen, die geheimen Einflüsse lahmlegen und die Bündnispolitik festigen würde. (…) – In Baden angelangt treffen wir vor dem Kaiserhaus Burián, Wekerle u. Stöger-Steiner. (…) Der Kronrat hat den Zweck, die Regentschaft zu organisieren. Ich gehe ein wenig auf und ab und setze mich dann in ein Kaffeehaus gegenüber dem Kaiserhaus. Nach etwa einer Stunde kommt Czernin mit Demblin heraus. Als ich auf ihn zutrete, begrüßt er mich mit den Worten: ‚Ich bin ein freier Mann. Gratulieren Sie mir. Ich habe eben meine Demission gegeben.‘ Wir setzen uns dann in sein Auto. Der ­Kaiser ist tatsächlich (…) umgefallen, was ja voraus zu sehen war. Er habe sich heute darauf berufen, er sei der Herr im Hause, er sei der Kapitän auf dem Schiffe. (Das ist ja recht schön, – meint Cz. – wenn wir nur nicht auch im Schiffe wären.) Er habe dem Deutschen ­Kaiser telegraphiert, damit sei die Sache abgeschlossen. Er halte es für unter seiner Würde, auf Clemenceau weiter zu reagieren. (…) Czernin hielt (…) sein Demissionsangebot aufrecht und der ­Kaiser nahm es sofort an. Ich bin glücklich über die Demission, – sagte ihm Cz. – vielleicht noch glücklicher als Eure Majestät. Der ­Kaiser (bot) ihm eine Brigade an, was Cz. dankend acceptierte. ‚Ich glaube, es ist leichter eine Brigade zu leiten, als das Ministerium des Äußern unter Eurer Majestät.‘ Der ­Kaiser war sehr freundlich und herzlich. Die Kaiserin dagegen hat ihre Befriedigung über den Abgang Cz.’s kaum verhehlt. Czernin scheint glücklich zu sein, daß er ‚aus dieser Luft herausgekommen ist‘.2306

Gratz notierte an ­diesem Tag auch: Cz. zeigt mir ein Communiqué, das er während des Kronrates verfaßt hat. Der K ­ aiser hat verlangt, daß er eine Mitteilung ausgebe, laut welcher Cz. in das Concept des Briefes Einsicht genommen und sich davon überzeugt habe, daß das Concept so lautet, wie in der Antwort auf die Mitteilung Clemenceau’s behauptet wird (…). Cz. hält dies für überflüssig, da doch jedermann die Antwort darauf bereit haben wird, das Concept sei eben nachträglich angefertigt worden. Er hat aber zugestimmt, jedoch gleichzeitig einen Zusatz verlangt, worin erklärt wird, daß er seine Demission gegeben habe, weil er von ­diesem Brief keine Kenntnis hatte. Der ­Kaiser hat dem zugestimmt. (Das Communiqué ist übrigens nicht erschienen und das war auch gut.)2307

Demblin trug über den 14. April und den Kronrat in sein Tagebuch ein: Dieser Ministerrat, in dem unter Vorsitz des Kaisers die drei gemeinsamen Minister und die beiden Ministerpräsidenten teilnehmen, findet um 11 Uhr (…) statt; ich führe das Protokoll. Knapp vorher diktiert mir Wiesner telefonisch das eben eingelangte Communiqué (…) ‚Il y a 2306 Gratz TB-Eintr. 14. Apr. 1918, KA NL Gratz B/19 9. 2307 Ebd.

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des consciences pourries usw.‘ Ich bringe dasselbe Czernin, lese es dann vor ihm dem K ­ aiser und s­ päter auch noch der Kaiserin vor! Während des Ministerrates tritt eine Pause ein, der ­Kaiser und Czernin gehen ins Nebenzimmer, dann kommt der K ­ aiser allein heraus, während Czernin noch mit der Kaiserin zurückbleibt. Als auch Czernin wieder herauskommt und der Ministerrat seinen Fortgang nimmt, wirft mir Czernin einen Blick zu, setzt sich und macht mir ein Zeichen ­­ der Erleichterung. Ich glaube, er habe es durchgesetzt, daß der ­Kaiser sich zurückzieht (…) In Wirklichkeit hat Czernin, da alle seine Vorschläge zur Erleichterung der Lage abgelehnt wurden, seine Demission gegeben, die sofort angenommen wurde. Die Kaiserin wartete ja nur darauf und dürfte auch dem ­Kaiser eingeredet haben, daß ‚Czernin ihn vom Thron stoßen‘ wolle und daher seine sofortige Entlassung notwendig sei. (…) Die Entlassung Czernins, das schlechteste, was der ­Kaiser jetzt tun konnte, ist daher sein und der Kaiserin Werk, und er hat gelogen, als er mir gestern sagte, Czernin habe insistiert. Czernin teilt mir seine Demission gleich beim Verlassen des Konferenzzimmers mit, ich bin entsetzt (…).2308

Über das Gespräch ­zwischen dem Kaiserpaar und Czernin, der ihn darüber in Kenntnis gesetzt haben musste, schrieb Demblin 1920: Wollte man (…) an der Authentizität des vom ­Kaiser angegebenen Textes festhalten, so war nur noch eines denkbar, die Fälschung des Textes auf dem Wege von Laxenburg nach Paris. Die Kaiserin klammerte sich auch sofort an diesen Ausweg, und auf die Frage Czernins, wer denn den Brief gefälscht haben solle, meinte sie, jedes Wort betonend: ‚Der Fälscher muß sich eben finden.‘ Darauf aber ging Czernin nicht ein. (…) Hätte im Ernst jemand an die Fälschung geglaubt? Sie wäre ein Mittel gewesen, um nach außen hin, sozusagen offiziell, das Gesicht zu wahren, das Mißtrauen gegen den ­Kaiser und seine Umgebung wäre aber damit keineswegs beseitigt worden. Nein, Czernin sah (…) nur einen Weg, die Ausschaltung derjenigen, die das Mißtrauen erweckten, wer immer sie auch ­seien; und er blieb bei seinem Vorschlag. Dieser wurde nun nicht nur von der Kaiserin, sondern auch vom ­Kaiser abgelehnt. (…) – Die diesbezüglichen Unterredungen Czernins mit dem ­Kaiser und der Kaiserin fanden knapp vor (sic!) der Ministerberatung statt. Die Beratung (…), an der Czernin nur der Form halber noch teilnahm, (…) wurde vom K ­ aiser (…) in die Richtung gelenkt, daß prinzipiell die Kaiserin als zur Stellvertretung (…) berufen bezeichnet werde.2309

Czernin aber hielt fest: „Während ich beim ­Kaiser war, überbrachte Graf Demblin die letzte, soeben eingetroffene Antwort aus Paris. Ich las sie dem ­Kaiser vor,2310 welcher sehr impressioniert und nur schwer im Stande war, seine Haltung zu bewahren.“ 2311 2308 Demblin TB-Eintr. 14. Apr. 1918, Demblin Alex. 1997, 78 – 79. 2309 Demblin 1920, 30 – 31, Demblin Alex. 1997, 126 – 127. 2310 Demblin berichtete, wie oben referiert, er habe sie vorgelesen! 2311 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 219.

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Der Kaiserin erschien die Unterredung, wie ihrem Aperçu zu entnehmen, im Rückblick als die eines Psychodramas mit befreiendem Ausgang: „Furchtbare Szene mit (Czernin). Er versucht den ­Kaiser nochmals zum Rücktritt zu bewegen. Als das nicht gelingt bekommt er eine Crise de nerfs, weint und gibt plötzlich seine Demission, die S. M. sofort annimmt.“ 2312 Bei der „soeben eingetroffenen Antwort aus Paris“ handelte es sich um Clemenceaus Antwort auf das österreichisch-ungarische Communiqué vom 12. April. Ihr am folgenden Tag von den Zeitungen gebrachter deutscher Text lautete: Es gibt verrottete Gewissen. In der Unmöglichkeit, ein Mittel zu finden, um das Gesicht zu wahren, verfällt ­Kaiser Karl in das Stammeln eines in Verwirrung geratenen Menschen. Er ist nun darauf angewiesen, seinen Schwager der Fälschung zu beschuldigen, indem er mit eigener Hand einen lügenhaften Text des Dokumentes herstellt. (…) Der Prinz hat sich mit Ribot selbst in einer Weise unterhalten, ­welche keinen Sinn gehabt hätte, wenn der Text nicht jener gewesen wäre, der von der französischen Regierung veröffentlicht worden ist. Ist es nicht offensichtlich, daß eine Besprechung nicht hätte eingeleitet werden können und daß der Präsident der Republik den Prinzen nicht ein zweites Mal empfangen hätte, wenn dieser (…) der Ueberbringer eines Schriftstückes gewesen wäre, das unsere Rechte bestritt, statt sie zu bestätigen? Der Brief des Kaisers Karl, so wie wir ihn zitiert haben, ist vom Prinzen Sixtus selbst Regierungsoberhäuptern gezeigt worden.2313

Auf das neue französische Communiqué hin bestand ­Kaiser Karl darauf, der Öffentlichkeit eine weitere Version der Affäre zu präsentieren. Und zwar ließ er in einem vom 14. April datierten Communiqué behaupten, in Paris sei ein dem Prinzen „unterschobener“ falscher Brief überreicht worden: Die letzten Ausführungen Herrn Clemenceaus ändern nichts an der Wahrheit der bisherigen Erklärungen des k. u. k. Ministeriums des Aeußern. Prinz Sixtus (…), dessen Seiner (…) Majestät bekannter Charakter eine Fälschung ausschließt, wurde derselben ebensowenig beschuldigt wie irgend eine andere specielle Persönlichkeit, da vom (…) Ministerium des Aeußern nicht festgestellt werden kann, wo die Unterschiebung des falschen Briefes erfolgt ist. – Hiemit wird die Angelegenheit als beendet erklärt.2314

2312 Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 339 Dok. 87b. 2313 Frz. Communiqué 14. Apr. 1918, F-B A (15. Apr. 1918), 1, PL A (15. Apr. 1918), 1, Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 218, in anderer Übers.: NPZ A (15. Apr. 1918), 1. 2314 Ö.-u. Communiqué 14. Apr. 1918, NFP N (15. Apr. 1918), 1, PT A (15. Apr. 1918), 1, PL A (15. Apr. 1918), 1, NPZ A (15. Apr. 1918), 1, Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 218 – 219.

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Faksimile 2  Von Kaiserin Zita mit Bleistift geschriebene Vorlage für K ­ aiser Karls Telegramm vom 14. April 1918 an ­Kaiser Wilhelm: „Die Anschuldigungen Herrn Clemenceaus gegen mich sind so niedrig dass ich nicht mehr gesonnen bin mit Frankreich über die Sache ferner zu diskutieren. Unsere weitere Antwort sind meine Canonen im Westen. – In treuer Freundschaft – Carl.“2329

Dem deutschen K ­ aiser aber sandte K ­ aiser Karl am 14. April das Telegramm: „Die Anschuldigungen Herrn Clemenceaus gegen mich sind so niedrig, dass ich nicht mehr gesonnen bin mit Frankreich über die Sache ferner zu diskutieren. Unsere weitere Antwort sind meine Kanonen im Westen. – In treuer Frendschaft – Carl“ 2316 2315 Ksn. Zita, Tel.-Entw. o. D. (14. Apr. 1918), HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 36 – 36v; Ks. Karl an Wilhelm II., Hughes-Tel. o. Z., o. D. (14. Apr. 1918), ebd. fol. 30 2316 Ks. Karl an Wilhelm II., Hughes-Tel. o. Z., o. D. (14. Apr. 1918), HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 30, SG 4 1978, 109 – 110 Dok. 77 (mit Randbem. Ks. Wilhelms zu den Kanonen: „Die sind fort

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Der Text stammt ganz offenkundig von Kaiserin Zita. Der von ihr mit Bleistift geschriebene, mit dem abgesandten Text idente Entwurf des Telegramms ist nämlich erhalten. Auf der Rückseite des Entwurfes findet sich, ebenfalls von Zitas Hand und mit Bleistift geschrieben: „S. M. K. W.“ (Seiner Majestät ­Kaiser Wilhelm).2317 Die Öffentlichkeit erfuhr von dem Telegramm durch die Zeitungen des 15. April 1918. Noch vor dem Eintreffen des neuen österreichisch-ungarischen Communiqués und des kaiserlichen Telegramms in Berlin hatte Hohenlohe an Czernin depeschiert: „Dank dem Einflusse, der mit allen Mitteln auf die Presse genommen wurde, sprechen die heutigen Blätter über die Briefaffaire in sehr ruhigem Tone (…).“ Kühlmann habe ihm gesagt, die deutsche Regierung sei „fest davon überzeugt, daß Euer Exzellenz im Amt verbleibend sicherlich alles Menschenmögliche aufbieten würden, damit sich Vorgänge ähnlicher Art (…) nicht wiederholen“. Er, Hohenlohe, könne sich diesen Ausführungen „nur anschließen“.2318 Botschafter Wedel telegrafierte am 14. April, offenbar nach einem Gespräch mit ­Czernin, ans Auswärtige Amt: Graf Czernin hat heute Sr. Majestät seinen Abschied unterbreitet und bewilligt erhalten. Als Grund hat er angegeben, dass er die Verantwortung für die Politik nicht übernehmen könne, wenn Seine Majestät ohne sein Wissen politische Briefe schreibe und durch seine Verwandten befördere. Der Grund wird veröffentlicht werden.2319

Einen Bericht über den Eindruck, den der publik gemachte Brief an Sixtus auf ­Kaiser Wilhelm machte, gab Baernreither in seiner Tagebuchnotiz vom 19. April 1918 wieder: Max Egon Fürst zu Fürstenberg, Vizepräsident des österreichischen Herrenhauses und enger Freund Wilhelms II., sei direkt von d ­ iesem gekommen und habe „dort die ganze Tragödie mitgemacht. Dramatische Scenen, als die Telegramme kommen. Unter anderm: alle bei Tisch, ­Kaiser erhält ein Telegramm, befiehlt Verlesung, Inhalt war der Wortlaut des Kaiserbriefes. Ausbruch bei den Anwesenden, gehaltene aber furchtbare Empörung des Kaisers. Fürstenberg sucht durch Reden zu besänftigen wird durch den jungen (…) Diplomaten Grünau (…) unterstützt. Stimmung des d. Kaisers in den folgenden Tagen: Festhalten am Bündnis, aber Vernichtung des Vertrauens.“ 2320 und ohne Munition.“) 2317 Ksn. Zita, handschr. Entw. für Tel. Ks. Karls an Wilhelm II ., o. D. (14. Apr. 1918), HHS tA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 36 – 36v. 2318 Hohenlohe an Czernin, Tel. 238, 14. Apr. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 11 – 11v. 2319 Wedel an A. A., Tel. 270, 14. Apr. 1918, SG 4 1978, 110 Dok. 78. 2320 Baernreither TB-Eintr. 19. Apr. 1918, HHStA NL Baernreither 7, XIX fol. 28.

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Admiral Müller notierte am 14. April, K ­ aiser Wilhelm habe geäußert, aus einem Telegramm Cramons gehe hervor, dass in Wien, „namentlich in Offizierskreisen, der Brief des Kaisers Karl an seinen Schwager betreffs Elsaß-Lothringen den übelsten Eindruck“ mache. An das Dementi werde nicht geglaubt, man meine, (…) ­Kaiser Karl müsse schleunigst eine Entschuldigungsreise zu unserem ­Kaiser unternehmen und die Parma ausweisen. (…) Seine Majestät meinte, der ­Kaiser (…) würde möglicherweise weggejagt werden, stimmte mir aber darin zu, daß wir alles tun müßten, um die Sache ungeschehen zu machen. – Am Abend kam (…) die Nachricht, daß Graf Czernin (…) demissioniert habe. Se. Majestät äußerte sich mir gegenüber sehr ernst. Jetzt käme womöglich ein Ententefreund als Minister des Äußern.2321

Baernreither notierte am 15. April über das Telegramm K ­ aiser Karls an Wilhelm II. in sein Tagebuch: „Qui s’excuse, s’accuse.“ Zu der vom ­Kaiser als authentisch erklärten Passage des Briefes an Sixtus, die das Gegenteil der entsprechenden Stelle im französischen Communiqué besagte, notierte Baernreither: Wie ist diese Correctur damit zu vereinigen, dass K. Karl dem Grafen Czernin wie dieser mir sagt erklärt haben soll, dass er den Brief nicht geschrieben habe. Das behaupten auch alle Zeitungen (…) u. jetzt wird der Brief zugegeben u. nur eine Correctur vorgenommen?! Das macht den allerschlechtesten Eindruck. Die Correctur wird plump gefunden, passt gar nicht (… zum) Inhalt des Briefes, der ja gar keinen Sinn hätte wenn der Passus von Elsass-­ Lothringen nach der Correctur gelautet hätte. Deswegen hat der ­Kaiser den Sixtus wohl nicht zum Poincaré geschickt um ihm sagen zu lassen, dass er die Ansprüche Frankreichs (…) nicht für gerechtfertigt hält.2322

Über Czernins Demission vermerkte Baernreither: „Die Nachricht wirkte wie eine Bombe auf uns.“ Und über den 15. April notierte er: Früh zeitlich bei Czernin. Sehr formell erklärte er mir sofort: der ­Kaiser hat den Brief nicht geschrieben u. ist unschuldig wie ein neugeborenes Kind. Er scheide aus dem Amt, weil er seit einiger Zeit das Vertrauen des Kaisers nicht mehr besitze. Ich antwortete darauf, dass es in ganz Wien keinen Menschen gäbe, der nicht überzeugt sei, dass der Brief existiere. Nachdem er mir eine formelle, jede weitere Erörterung ablehnende Erklärung gegeben habe, muss ich sie acceptieren, aber meine Meinung nicht unterdrücken. Ich müsse ihm deswegen sagen, 2321 Müller TB-Eintr. 14. Apr. 1918, Görlitz 1959, 370. 2322 Baernreither TB-Eintr. 15. Apr. 1918, HHStA NL Baernreither 7, XIX fol. 18 – 21, s. auch: Kann 16 1963, 425 – 426 (nicht ohne Fehler).

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dass man ihm allseitig den Vorwurf mache, dass er demissioniert habe. Er hätte um jeden Preis ausharren müssen (…). Darauf antwortete er (…), er könne über die näheren Umstände seines Rücktrittes nichts anderes sagen, als dass er das Vertrauen nicht mehr besessen habe. (…) Im Übrigen umgab er sich (…) mit dem Stacheldraht seiner formellen Erklärung u. ich machte daher gar nicht den Versuch, weiter in ihn zu dringen. Ich erklärte ihm nur, dass sein Rücktritt gerade von dem Standp(unkt) den der K ­ aiser immer einnehme: Österreichs Stellung gegen D(eutschland) zu behaupten, ein grosser Fehler war. In vielen Berliner Kreisen werde man gar nicht sehr betrübt (…) sein, da seine starke Persönlichkeit den Plänen der Alldeutschen immer einen Damm entgegengesetzt habe – sein Nachfolger werde, schon um den fatalen Zwischenfall wett zu machen, nachgiebiger sein müssen. (…) Ebenso gross u. unheilvoll sei die Wirkung auf die inneren Verhältnisse. (…) Dann kamen wir auf seinen Nachfolger. Er weiss nichts. Ich sagte ihm, dass ich nur einen Ungarn für möglich halte. (…) Beim Abschied zeigte er doch etwas wie seelische Bewegung, aber (…) sein Hochmut liess sich nichts merken. Er gab mir lange die Hand u. hatte feuchte Augen.2323

Drei Wochen ­später notierte Baernreither: Der ­Kaiser sagte in einer Audienz zu Piniński, Czernin habe von der Verbindung mit Sixtus gewusst und diese (…) gebilligt. (…). Ernst (Silva-)Tarouca hat mit dem ­Kaiser vorgestern auch darüber gesprochen. Der K. sagte Czernin habe von der Verbindung mit Sixtus gewusst, sie selbst benützt – er wolle aber nicht behaupten, dass Czernin von dem Kaiserbrief gewusst hat. Darauf kommt es aber an. (…) Dasselbe soll er zu Mensdorff gesagt haben.2324

Graf Kessler notierte am 15. April über das österreichisch-ungarische Communiqué vom Vortag und das Telegramm an ­Kaiser Wilhelm: In der Briefgeschichte veröffentlichte Wien zwei kindliche Erklärungen (…). Der Eindruck ist (…) jämmerlich. Stefan Zweig (…) setzte stillschweigend die Echtheit des Briefes voraus, meinte, das Volk in Österreich werde vor Allem die Hof Camarilla, von der es durch den Zwischenfall erfahre, übelnehmen. Clericale Einflüsse s­ eien massgebend gewesen; auch die Furcht vor dem revolutionären Wind aus Russland.2325

Und Herron meinte am 16. April in einem Bericht an Hugh R. Wilson, die Publikation des Briefes durch Clemenceau zwinge K ­ aiser Karl „absolutely and abjectly, into the arms of Germany. It tends to the disgrace of the Emperor in the eyes of his peoples 2323 Ebd. 2324 Baernreither TB-Eintr. 9. Mai 1918, HHStA NL Baernreither 7, XIX fol. 38 – 39. 2325 Kessler TB-Eintr. 15. Apr. 1917, Riederer 6 2006, 357.

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(…).“ ­Außerdem bedeute sie das Ende für alle Pläne, Österreich-Ungarn von Deutschland zu lösen. Clemenceau habe die österreichischen Völker dem „beast the Allies are fighting“ ausgeliefert: „Germany owes Monsieur Clemenceau a statue in every market place (…).“ 2326 Botschafter Wedel legte am 15. April seine Sicht der Dinge in einer Depesche an ­Hertling dar, die dieser an ­Kaiser Wilhelm weiterleitete: Graf Czernin ist gestern offenbar nicht mit der (…) Absicht nach Baden gefahren, (…) sein Abschiedsgesuch zu unterbreiten. Er wollte sich aber davon überzeugen, ob er das Höchste Vertrauen noch besitze und hat anscheinend Garantien (Randbemerkung Ks. Wilhelms: ‚Aha.‘) für die Zukunft verlangt, die verweigert wurden. Graf Czernin hat von dem Brief (…) an Prinz Sixtus nichts geahnt, bis der ­Kaiser nach den Veröffentlichungen in der Agence Havas ihm davon Mitteilung machte; er hätte sonst, wie er mir (…) sagte, den Angriff auf Clemenceau unterlassen (Ks. W.: ‚Natürlich.‘). Im Laufe der gestrigen Audienz hat sich der Minister davon überzeugt, dass er das Kaiserliche Vertrauen nicht besitzt und dass Seine Majestät sich von ihm zu trennen wünscht. – Die Gründe sind verschiedener Art. (…) Das Haus Parma arbeitete schon längst gegen ihn. (…) In der nächsten Umgebung des Monarchen hat (…) auch das Telegramm K ­ aiser Karls an Seine Majestät verstimmt, für welches Graf Czernin verantwortlich gemacht wird. Es sei (…) ein Vasallentelegramm gewesen und habe der Stellung des Hauses Habsburg nicht entsprochen. (Ks. W.: ‚Der Verrath doch noch viel weniger.‘) (…) – Der ­Kaiser ist sich der Tragweite Seines Entschlusses, in ­diesem Augenblick den Minister gehen zu lassen, nicht bewusst. (…) – Die Kaiserin schwimmt in Tränen; sie fühlt es, dass die Rolle ihrer Familie keine rühmliche ist und wohl auch, dass die jüngsten Vorgänge für ihren hohen Gemahl schwerwiegender sind (…) als Er selbst zu erkennen scheint (Ks. W.: ‚!‘). – (…) Auch die Deutschen rufen nach einem magyarischen Parteiführer in dem Bewusstsein, dass ein solcher der Krone gegenüber eine stärkere Position hat und eher in der Lage ist, Nebenregierungen auszuschalten. Den ‚Parmesangeruch‘ (…) hat man gründlich satt.2327

Am Abend des 14. April 1918 trat ­Kaiser Karl die ursprünglich für den 12. April vorgesehene Fahrt nach Budapest an. Demblins Tagebuch ist darüber zu entnehmen: „Unter den Mitfahrenden diesmal auch Berchtold und (Konrad) Hohenlohe und Tisza. (…) Die Konsternation über Czernins Rücktritt ist allgemein.“ 2328 Berchtold notierte am 15. April in sein Tagebuch, Graf Hunyádi habe ihm auf der Fahrt gesagt, der ­Kaiser habe nach der Abschiedsaudienz Czernins geäußert: „Den habe ich nun weggejagt!“ Über die Vorgänge in Budapest notierte Berchtold: 2326 Herron an Hugh R. Wilson für State Department 16. Apr. 1918, Herron III A-1, 1999 XXXIII, 5 – 11. 2327 Wedel an Hertling, Tel. 127, 15. Apr. 1918 (mit Randbem. Ks. Wilhelms), SG 4 1978, 113 Dok. 81. 2328 Demblin TB-Eintr. 14. Apr. 1917, Demblin Alex. 1997, 80.

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Früh ½ 9 Uhr angekommen & mit S. M. in die Burg gefahren. – Auf dem Wege sagte mir der A. h. Herr, dem man keine Spur der bewegten Ereignisse (…) anmerkte, erhobenen Hauptes, er habe nun mit Clémenceau definitiv ‚abgerechnet‘ und werde nicht mehr weiter auf die Sache zurückkommen! Bezüglich des v. d. Agence Havas veröff. Briefes bemerkte er, zufällig das Concept gefunden zu haben. So weit er sich erinnere, stehe darin das Wort ‚justes‘ bei den französ. Revindikationen hinsichtl. Elsass-Lothringens; ‚justes‘ könne aber so oder so interpretiert werden.2329

Berchtolds Tagebucheintragung vom 20. April aber zeigt, dass der ­Kaiser auch weiter darauf beharrte, in seinem Brief habe nichts von „justes revendications“ gestanden: (Botschafter) Hohenlohe hat dem ­Kaiser sehr deutlich die Wahrheit gesagt. ­Kaiser habe ihn m(it) d. Phrase empfangen, dass er nie ein ‚bundesfreundlicheres‘ Dokument gefertigt habe wie jenen Kaiserbrief!!! Als ihm H. darauf entgegnete, dass die Auffassung in Berlin eine diametral entgegengesetzte sei, hätte S. M. gesagt, dass dies sich nur auf d. Fälschung Clemenceaus nicht aber auf seinen Text beziehen könne. Er habe das Konzept aufbewahrt & könne es zeigen.2330

Marterer notierte unter dem 17. April: Heute früh von Budapest rückgekehrt. Dort wurde Burián Min. d. Aeußern. Wie das kam weiß ich nicht, niemand konnte mir es sagen, allgemein wird das als schwerer Mißgriff angesehen. – Der K ­ aiser war ganz eigentümlich in den 2 Tagen. Er, der so fleißige, unermüdliche, der doch gekommen war um schwere Fragen zu lösen, war beide Nachmittage auf der Jagd in Gödöllö u. fuhr gestern n. m. (…) nach Alcsuth um Erzherzogin Clotilde einen ­kurzen Besuch zu machen. Vorher hatte es geheißen Tisza od. Pallavicini werde Minister, P(allavicini) war aus Konstantinopel teleg. berufen. Auf der Fahrt nach Alcsuth fuhr Burián mit u. als der K ­ aiser zurückkam, hieß es schon er sei ernannt. Die Tatsache schuf eine Krise in der ung. Regierung. Als der K ­ aiser abends verspätet aus Gödöllö kam empfing er Wekerle, der die Demission des Ministeriums brachte. (…) – Wo man hin hört, (…) vernichtende Kritiken. Der K ­ aiser scheint zu fühlen, daß er die Sache verhaut hat, er war gestern (…) sehr gedrückt.2331

In Berchtolds Tagebuch heißt es unter dem 16. April: „Das Unglaubliche (…) ist geschehen: Burián ist wieder Minister des Äußern! (…) Nun ist er, von dem mir einmal der ­Kaiser sagte ‚Das war wohl der dümmste Kerl am Ballplatz‘ vom selben Herrn auf diese verantwortungsvolle Stelle berufen!“ 2332 2329 Berchtold TB-Eintr. 15. Apr. 1918, HHStA NL Berchtold 5, 1. Jän.–3. Juni 1918 fol. 550. 2330 Berchtold TB-Eintr. 20. Apr. 1918, ebd. fol. 555. 2331 Marterer TB-Eintr. 17. Apr. 1918, KA NL Marterer B/16:V. 2332 Berchtold TB-Eintr. 16. Apr. 1918, HHStA NL Berchtold 5, 1. Jän.–3. Juni 1918 fol. 551.

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Ein Anonymus meinte 1919, Buriáns Berufung sei dadurch bemerkenswert, dass der ­ aiser ihn im Dezember 1916 „um jeden Preis hatte loswerden wollen und ihn mehreren K Personen gegenüber als einen Beamten bezeichnet hat, der zur Führung der Außenpolitik bei den erhöhten Ansprüchen der Gegenwart völlig unfähig und ungeeignet sei. Und nun rief derselbe ­Kaiser im allerkritischsten Augenblick denselben Burián zurück!“ 2333 Redlich notierte am 20. April: „Andrássy wollte der K ­ aiser nicht, ebensowenig Tisza. Burián will er, weil er ihn für bequemer für sich hält. (…) Das Traurige ist, daß sich in dieser Krise sein Charakter enthüllt hat: er ist absolut unverlässlich.“ 2334 Vor seiner Abreise nach Budapest hatte ­Kaiser Karl am 14. April Generalleutnant Cramon zu sich gerufen. Wedel berichtete darüber nach Berlin, der ­Kaiser habe „ihm Einsicht in das Concept des Briefes an Prinz Sixtus gewährt. (…) Cramon hat sich davon überzeugt, dass der Passus bezüglich Elsass-Lothringen wörtlich mit dem wiedergegebenen Dementi übereinstimmt. (…) Cramon hat von Sr. Mj. den Auftrag erhalten, ins Hauptquartier zu fahren und mündlich Bericht zu erstatten.“ 2335 Graf Trauttmansdorff, der Vertreter des Ministeriums des Äußern beim AOK, meldete dazu am 15. April aus Baden, Cramon habe ihm gesagt, er sei vom ­Kaiser „zu Sich befohlen worden, Allerhöchstwelcher ihn über die ganze Angelegenheit der Enthüllungen des französischen Ministerpräsidenten aufgeklärt und mit einer Message an ­Kaiser Wilhelm beauftragt hat“.2336 Edmund Glaise von Horstenau, damals Major im Referat für Presse und Politik des AOK, notierte: Cramon war natürlich, von Ludendorff angepeitscht, furchtbar aufgeregt. Aber nach einer Audienz (…), zu der er gerufen worden war, kehrte er beruhigt, ja fast glücklich zurück. ‚Seine Majestät hat alles aufgeklärt‘, sagte er mir, ‚er hat mir sein Ehrenwort gegeben, der von ­Clemenceau veröffentlichte Text ist gefälscht‘. Der (…) Passus von den ‚berechtigten Ansprüchen‘ Frankreichs (…) habe in Wirklichkeit rein konditional gelautet: ‚Österreich würde die Ansprüche Frankreichs unterstützen, wenn sie berechtigt wären.‘ Ich hatte keinen Grund, ­Cramons Vertrauen in die Kundgebungen des unglücklichen Allerhöchsten Herrn zu erschüttern. Zu (…) einigen Freunden aber meinte ich: ‚Wenn nur der Papa Cramon nicht angelogen wurde!‘ (…) Offenbar in der Kammer der hohen Frauen hatte sich ­Kaiser Karl (…) jenes Konzept herstellen lassen, das er Cramon als das richtige gezeigt hatte.2337 2333 Anonym 1984, 260. 2334 Redlich TB -Eintr. 20. Apr. 1918, Fellner Corradini 2 2011, 394. – Kovács meinte schlicht, Burián sei ernannt worden „da niemand Geeigneter zur Verfügung stand“. Kovács 1 2004, 404. 2335 Wedel an A. A., Tel. 272, 14. Apr. 1918, SG 4 1978, 110 Dok. 79. 2336 Trauttmansdorff an M. d. Ä., Tel.-Dep. 28735, 15. Apr. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 5. 2337 Broucek Glaise-Horstenau 1. 1980, 461 – 463.

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Cramon selbst schrieb 1920: Der ­Kaiser (…) sah sehr blass aus, machte einen sehr nervösen Eindruck und sagte: ‚Sie wissen, dass Sie mein volles Vertrauen haben. Wollen Sie einen neuen Beweis hierfür darin erblicken, dass ich Ihnen hiermit den Entwurf zu meinem ominösen Brief zu lesen gebe. Lesen Sie ihn aufmerksam durch und sagen Sie mir nachher Ihre Meinung‘. (…) Ich begann das in vorzüglichem Französisch geschriebene Briefkonzept zu lesen.2338 Leider hatte ich den Text der Verlautbarung Clemenceaus nicht vor mir. (…) Dagegen lautete der Satz über Elsaß-Lothringen so, wie ihn das Wiener Korrespondenzbureau mitgeteilt hatte: ‚Der ­Kaiser wäre gerne bereit, alles aufzubieten, französische Ansprüche auf Elsaß-Lothringen zu unterstützen, wenn sie gerecht wären.’ (…) Bevor ich noch (…) zu Ende gelesen hatte, erschien der ­Kaiser wieder und fragte mich, was ich zu ­diesem Entwurfe zu sagen hätte. Ich konnte natürlich nur die Übereinstimmung der Zeilen, die ich gelesen hatte, mit dem vom Ministerium des Äußern ausgegebenen Dementi feststellen. (…) Der K ­ aiser sprach sich dann sehr heftig über C ­ lemenceau aus: er wolle sich reinwaschen, weil er seinerzeit den Brief, der den Frieden anstrebte, dem Präsidenten vorenthalten hätte. ‚Sie wissen (…) wie ich darauf bedacht bin, meinen Völkern den Frieden wiederzugeben. Österreich-Ungarn braucht ihn wirklich notwendig und noch viel mehr als Deutschland. Mein Streben war ein aufrichtiges und gutes. Ich hätte aber vielleicht Ihrem K ­ aiser von meinem Schreiben Kenntnis geben sollen. Doch er wußte ja, daß ich mit meinen Schwägern brieflich verkehre, wußte auch von den wiederholten Angeboten Frankreichs; daher habe ich es unterlassen, gerade von d ­ iesem Briefe zu sprechen, der ja ein reines Privatschreiben war und nur dazu dienen sollte, meinem Schwager ein Leitmotiv zu geben. (…) Nun bitte ich Sie, fahren Sie zu Ihrem K ­ aiser, unterrichten Sie ihn über den Hergang der Sache und bringen Sie diese bedauerliche Angelegenheit wieder in Ordnung. (…) Ich habe mich nun auch von Czernin trennen müssen, denn er ist an allem schuld. (…) Er hat die ganze Sache ins Rollen gebracht, ist jetzt völlig nervös geworden und bekam bei mir einen Weinkrampf. Kurz ich sah, daß dieser Mann nicht mehr geeignet ist, das (…) Staatsschiff zu lenken, und da habe ich ihn entlassen.’2339

Cramon konnte also bestätigen, dass die Elsass-Lothringen betreffende Stelle des ihm vorgelegten „Briefkonzepts“ jener glich, die K ­ aiser Karl im amtlichen Communiqué vom 12. April publik machen ließ. Das zu bestätigen forderte der ­Kaiser am 14. April auch den in Audienz erschienenen Wekerle auf. Dieser erklärte danach dem Wiener Redakteur des Pesti Napló, er habe „den Wortlaut des richtigen Kaiserbriefes (…) gesehen“ 2338 Im Nachlass Cramons wird d ­ ieses „Briefkonzept“ wie folgt beschrieben: „Es waren mehrere ­Quartblätter die mit Bleistift (Tintenstift) von des Kaisers Hand in einem vorzüglichen Französisch geschrieben waren.“ Cramon Erinnerungen, KA NL Cramon B/1246 4. Fs. fol. 62. 2339 Cramon 1920, 154 – 156.

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und könne „betonen, daß der Brief nichts von (…) einer Anerkennung der französischen Rechtsansprüche von Elsaß-Lothringen“ enthalte. Auf die Frage des Redakteurs, ob Czernin Kenntnis von dem Brief gehabt habe, antwortete Wekerle: „Das ist eine Frage (…) worauf ich heute keine Antwort geben kann.“ 2340 Eine analoge Erklärung gab Wekerle eine Woche s­ päter im ungarischen Abgeordnetenhaus ab. Dort sagte er: „Ich hatte durch persönlichen Einblick (…) Gelegenheit mich zu überzeugen, daß (…) der vom Minister des Aeußern (durch das Communiqué vom 12. April) richtiggestellte Text der wirkliche Text ist.“ 2341 Cramon hielt das, was er nach der Audienz empfand und dachte, in seinen Erinnerungen fest: Ich kann nicht leugnen, daß ich sehr unter dem Eindruck dieser einzigartigen Audienz stand; einen Moment kam ja auch mir der Gedanke, sollte die ganze Sache vielleicht Mache und der mir gezeigte Entwurf vielleicht nachträglich angefertigt sein, aber ich wies diesen Gedanken nach der ganzen offenherzigen ja ich möchte sagen fast kindlich zutraulichen Art, in der der hohe Herr mit mir fast während einer Stunde gesprochen hatte, zurück und ging mit der Absicht von dannen, diese höchst unangenehme Sache, so weit es ging, wieder ins Gleiche zu bringen. Im (A)OK hatte sich die Nachricht von meiner Berufung zum ­Kaiser schon verbreitet und ich wurde mit wißbegierigen Blicken empfangen. Nachdem ich den Hergang erzählt hatte trafen mich fast mitleidige Blicke mancher der k. u. k. Offiziere und ich konnte sogar aus ihrem Munde erneut die Warnung hören doch diesen Schwindeleien nicht zu trauen, der Entwurf sei sicherlich falsch und Clemenceau würde unzweifelhaft recht haben.2342

Den Verlauf seiner Mission beim deutschen ­Kaiser beschrieb Cramon so: Kaiser Wilhelm war sehr ernst. Er empfing mich sehr bald und wir hatten eine etwa zweistündige Unterredung. (… Er) sagte mir: Ich bin mir jetzt über meinen angeblichen Freund den ­Kaiser Karl vollkommen klar. Sie haben vollkommen recht, wenn Sie mir raten, aus der Sache keine cause celebre zu machen und vor der Welt kann ich auch als Monarch zu Monarch nicht anders handeln als den mir im Auftrag des Kaisers von Ihnen überbrachten Bestellungen zu glauben, im Grunde meiner Seele glaube ich ihm aber kein Wort mehr. (… Er) erklärte sich mit meinen Vorschlägen durchweg einverstanden, sie gipfelten erstens darin, daß der K ­ aiser Karl einen Besuch bei K ­ aiser Wilhelm nachsuchen müßte um ihn um Entschuldigung zu bitten, daß er versprechen und dies unter Anwesenheit von Burián schriftlich niedrigen (sic!) müsse, fortan mit keiner Macht mehr ohne Wissen des Kaisers irgendwelche Fühlung zu nehmen, 2340 RP Mi (15. Apr. 1918), 2, ähnlich: PT M (16. Apr. 1918), 1, PL A (15. Apr. 1918), 1. 2341 NFP M (24. Apr. 1918), 3. 2342 Cramon Erinnerungen, KA NL Cramon B/1246 4. Fs. fol. 63 – 64.

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geschweige denn Anerbietungen an dieselbe zu machen, daß die Gebrüder Parma aus Frankreich zu entfernen wären ebenso vor Beendigung des Krieges nicht wieder nach Österreich dürften und daß endlich in bindender Form das Bündnis ­zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn vertieft und erweitert werden gleichzeitig auch die Bereitschaft zur Schließung einer sehr engen Militärkonvention ausgesprochen werden müßte.2343

Czernin war, ungeachtet vieler Verdächtigungen aus der unmittelbaren Umgebung des Kaisers, weiterhin sehr bemüht, nach außen hin den Anschein zu wahren, dass es sich bei dem von Clemenceau veröffentlichten Brieftext nicht um den wirklichen Text handelte. Deutlich wird dies aus einer Notiz im Fremden-Blatt vom 17. April in der es heißt: Wie wir (…) erfahren, hat Graf Czernin (…) ehrenwörtlich versichert, daß der von französischer Seite veröffentlichte Brief eine Fälschung, und zwar ein Meisterstück der Fälschungstechnik (…) ist. Der Brief wurde (…) gefälscht in der unverkennbaren Absicht, einen Keil ­zwischen Deutschland und Oesterreich zu treiben, eine Absicht, die jetzt glücklicherweise vollkommen vereitelt erscheint.2344

Im Ministerium des Äußern erachtete man diese Notiz für so wichtig, dass man sie zu den Akten nahm.2345 In Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung ist von einem kurz nach seiner Demission stattgefundenen „Versuch (…), welcher bezweckte, die Möglichkeit einer bei der Übersendung des Briefes stattgefundenen Fälschung zu konstatieren“, zu lesen. Und zwar heißt es dort: Am 17. April abends erschien Graf Erdődy bei mir und gab Folgendes zu Protokoll: – (Das Protokoll ist in meinem Besitze.) – ‚Ich melde, dass ich im Frühling vorigen Jahres mit Briefen Seiner Majestät, Ihrer Majestät und Ihrer königlichen Hoheiten der Prinzen von Parma in die Schweiz gesendet wurde, um diese Briefe den Prinzen Sixtus und Xaver (…) einzuhändigen, (dabei) ereignete sich folgende Begebenheit: – Ich musste in Biel den Zug wechseln und gab bei dieser Gelegenheit mein Gepäck, in welchem sich auch oben erwähnte Briefschaften befanden, ­welche ich ihres Umfanges wegen im Rocke nicht verwahren konnte, einem Träger

2343 Ebd. – Admiral Müller notierte unter dem 19. April: „Cramon kommt aus Wien zum Vortrag. Se. Majestät ruft Kabinettschefs zum Verlesen des schriftlichen Berichts von Cramon über den bösen ­Kaiser-Karl-Brief. (…) Cramon soll den ­Kaiser Karl in geeigneter Weise veranlassen, zu unserem ­Kaiser zu kommen, unter Gewährung einer gewissen Schonzeit.“ Müller TB-Eintr. 19. Apr. 1918, Görlitz 1959, 372. 2344 Zeitungsausschnitt F-B A (17. Apr. 1918), 1, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 7. 2345 Ebd.

Die Affäre

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zwecks Hinüberschaffung in den gegen Bern fahrenden Eilzug. Irrtümlicherweise legte der Träger die Tasche in den in derselben Richtung abgehenden Personenzug. Hiedurch wurde ich auf die Dauer von ca. 3 – 4 Stunden von meinem Gepäck getrennt, und konnte dasselbe daher nicht beaufsichtigen. Als ich (…) meine Reisetasche wieder erhielt, bemerkte ich, dass das daran befindliche Schloss (System Dose) gewaltsam geöffnet war. Von einem Fehlen eines Briefes oder einer Beschädigung an einem derselben habe ich damals nichts bemerkt doch wäre ein Austausch eines der Briefe durchaus nicht unmöglich gewesen. – Oben Angeführtes sage ich unter Diensteid aus.’2346

Czernin schrieb dazu, er habe Erdődys Wunsch, „ein neuerliches Communiqué mit dieser Erklärung zu veröffentlichen“, abgelehnt.2347 Ob es sich dabei um eine rein persönliche Aktion Erdődys handelte oder um eine mit dem Kaiserpaar akkordierte, ist ungewiss. Auf letzteres scheint aber der vom K ­ aiser am 12. April an Czernin gesandte Entwurf für die Erwiderung auf das an ­diesem Tag publizierte französische Communiqué hinzuweisen, in dem es hieß: „Wir wissen aber nun nicht, ob die Prinzen dem Clemenceau eventuell gar nichts gesagt haben und (…) ob nicht derselbe den Brief in der Schweiz gestohlen hat. (…) da aber doch die Handschrift erklärt werden muß, bin ich auf diesen Ausweg gekommen.“ 2348 Dass bei Hof der abstrusen Erklärung Erdődys entsprechende Reden geführt wurden, zeigt eine Stelle in Polzer-Hoditzs Lebenserinnerungen. Dort heißt es nämlich: „Ich erinnere mich an die große Aufregung, die im Laufe des Frühjahrs 1917 herrschte, als Erdődy bei der Rückkehr von einer Kurierreise in die Schweiz bekennen mußte, daß ihm die Aktentasche mit allen enthaltenen Papieren abhanden gekommen sei.“ 2349 Dass diese „große Aufregung“ über eine doch einigermaßen bedeutsame Sache einzig und allein in Polzer-Hoditzs Lebenserinnerungen ihren Niederschlag fand, nimmt Wunder. Und sollte die Aufregung vielleicht erst „im Laufe des Frühjahrs 1918“ geherrscht haben? Worüber „man“ in Wien von Erdődys Aktentasche sprach, war auch Henry ­Allizé unterrichtet, der darüber 1932 schrieb: „On ajoute, comme épilogue de l’affaire des lettres, que Czernin reçut du comte Erdödy, peu de jours après, une déclaration (…). Quelles puérilités!“ 2350 Allizés Darstellung entspricht bis ins Detail der oben zitierten in Czernins Aktenmäßiger Zusammenstellung enthaltener, sein Wissen darüber scheint also von dem gewesenen Minister herzurühren. 2346 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 220, s. auch: Demblin 1920, 31, Demblin Alex. 1997, 128. 2347 Ebd. 2348 Ks. Karl zur „Sixtusaffaire“ in der Antwort an Czernin, Apr. 1918, Kovács 2 2004, 341 – 342 Dok. 89.Vgl. oben S. 624. 2349 Polzer-Hoditz Lebenserinnerungen, KA NL Polzer-Hoditz B/1499 Bd. IV, V/319. 2350 Allizé 1932 8, 827 – 828.

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Die Sixtus-Affäre

Botschafter Wedel erstattete über die Situation in Wien am 22. April einen Bericht an Hertling, den dieser an ­Kaiser Wilhelm weiterleitete. Er lautete: Wer die letzten Monate in Österreich gelebt hat, muss sich über die Wirkung der Sixtus-Affaire auf die (…) öffentliche Meinung wundern. Man konnte (…) glauben, man sehne sich nach einem ‚Los von Deutschland‘. Nun aber, wo man eine ernste Gefährdung des Bündnisses befürchtet, geht ein Schrei der Bestürzung (…) durch die Lande. (…) Man hat es nie so deutlich gefühlt wie jetzt, dass die Monarchie, wenn überhaupt, nur noch unter dem Schutz des Deutschen Reiches fortleben kann (…). Heute sagen alle Deutschen, Czernin habe mit seinen (…) Erklärungen das Richtige getroffen und kein Lammasch hat bisher zu widersprechen gewagt. (…) ­Kaiser Karl hat den Deutschen und Magyaren die Augen geöffnet, einer Parma-Politik werden sie sich niemals mehr anvertrauen. – So kann es für uns nur eine Politik geben: ein starkes Österreich-Ungarn zu schaffen und zu erhalten, solange und so gut es eben geht. (handschriftlicher Kommentar ­Kaiser Wilhelms: ‚Da liegt der Haken.‘) Wir dürfen uns auch durch die Sixtus-Briefe nicht irre machen lassen. (…) die Unbesonnenheiten eines jungen Monarchen, dessen (…) Urteilsmangel von (…) intriganten fürstlichen Rastaquerfamilien 2351 (Ks. W.: ‚Bravo Wedel!‘), wie die ParmaBraganza-Sippe, missbraucht wurde, nicht mit dem Willen der (…) Monarchie verwechseln. Die Monarchie ist bündnistreu, solange wir siegen (Ks. W.: ‚Nur??‘) (…) Würden wir nicht siegen (…), dann wäre die erste Folge: ‚Finis Austriae‘ (Ks. W.: ‚Sehr gut.‘)2352

Unterstaatssekretär von dem Bussche notierte am 22. April: Prinz Hohenlohe suchte mich heute (…) auf und erzählte mir (… er) habe in einer langen Audienz (…) K ­ aiser Karl keinen Zweifel gelassen, dass er über den bekannten Brief an den Prinzen Sixtus (…) empört sei und in ihm einen schweren politischen Fehler erblicke. (…) Der ­Kaiser habe wie ein Schulbube gehandelt, der sich der Tragweite seiner Handlung in keiner Weise bewusst gewesen sei. Prinz Hohenlohe bemerkte, er habe es sich überlegt, ob er überhaupt noch als Botschafter in Berlin bleiben solle. Er sei aber zu dem Entschluss gekommen, dass dies ein Fehler sein würde, denn die Handlung des Kaisers zeige in keiner Weise, dass Österreich-Ungarn sich von dem Bündnis mit Deutschland loslösen wolle. (…) Hohenlohe erzählte, dass in allen Wiener Kreisen (…) die Empörung über die Handlungsweise des Kaisers eine ausserordentlich grosse sei. Ganz besonders richte sich die Wut gegen die Kaiserin Zita (…). Burián habe die Garantie dafür übernommen, dass derartige Vorkommnisse nicht wieder eintreten würden, und er zweifle nicht daran, dass er diese Garantie halten werde.2353 2351 Rastaquouère-Familien: Reiche Ausländer, die durch verschwenderische Geldausgaben wie durch Mangel an gutem Geschmack Aufsehen erregen. 2352 Wedel an Hertling (mit Anm. Ks. Wilhelms), Tel. 133, 22. Apr. 1918, SG 4 1978, 119 – 122 Dok. 86. 2353 Bussche Aufz., 22. Apr. 1918, SG 4 1978, 118 – 119 Dok. 85.

Die Affäre

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Am 23. April berichtete Graf Wedel an Hertling über eine am Vortag Burián erstattete Visite. Der Kanzler leitete den Bericht an ­Kaiser Wilhelm weiter, der ihn, wie gewohnt, mit Anmerkungen versah. Er lautete: Ich erklärte, wir ­seien überzeugt, dass unsere Bundesgenossen entschlossen ­seien, bis zum Kriegsende treu mit uns durchzuhalten, wir ­seien aber im unklaren, ­welche Politik Österreich-Ungarn nach dem Kriege einzuschlagen gedenke. Wir müssten daher die Frage stellen, ob die Monarchie zu einer Vertiefung und festen Verankerung des Bündnisses entschlossen sei. (…) Ich müsse ihm offen sagen, dass ein einfaches Ja nicht genüge, wir müssten eine (…) Wendung in der Politik sehen, (…) denn ich dürfe ihm nicht verhehlen, dass unser Vertrauen erschüttert sei. (…). Nach der leidigen Sixtus-Brief-Affaire könnten wir uns nicht mehr dem Eindruck verschliessen, dass sich unverantwortliche Einflüsse namentlich aus dem Schosse der romanischen Verwandtschaft auf den Monarchen geltend machten, die unseren guten Absichten direkt entgegenarbeiteten und die Monarchie in eine (…) Richtung zu leiten suchten, die ihr (…) eine Politik der offenen Tür ermögliche, so dass sie nach dem Kriege sich einer (…) uns feindlichen Mächtegruppe nähern könne. (…) Man solle hier endlich ein unbegründetes Misstrauen überwinden und im festen Bunde mit dem Deutschen Reiche zu erstarken suchen. (…) – Baron Burián erwiderte, er betrachte die Festigung des Bündnisses (…) als seine vornehmste Aufgabe (…), er würde sonst sein Amt nicht übernommen haben. (…) Die von mir erwähnten romanischen Einflüsse ­seien eine bedauerliche Episode, aber auch nicht mehr (…) (Ks. W.: ‚Hoffentlich.‘) (…) Er werde in seinem für heute befohlenen Vortrage im Sinne unserer Unterredung auf Seine Majestät einzuwirken suchen. – (…) Es mag sonderbar klingen, aber ich habe das Gefühl, dass ein Druck von unserer Seite gegenwärtig nicht ungern gesehen wird, um die eigene Zaghaftigkeit zu überwinden. Ich glaube daher, dass bei den bevorstehenden Erörterungen eine zwar wohlwollende, aber ernste und bestimmte Sprache am Platze ist.2354

Ebenfalls am 23. April depeschierte Demblin an Burián: Cramon ist heute früh (…) zurückgekehrt. – ­Kaiser Wilhelm soll (…) geäussert haben, dass er (…) sehr gewünscht hätte, wenn Seine Majestät ihm in einem Brief die Tatsache des Schreibens an Prinz Sixtus mitgeteilt und etwa hinzugefügt hätte, dass d ­ ieses (…) aus der seinerzeitigen Atmosphäre heraus verfasst worden sei, dass Seine Majestät aber nunmehr längst zur Ueberzeugung gekommen sei, dass nur das feste Durchhalten mit Deutschland zum Frieden führen könne. Hätte (…) Seine Majestät ihm in d ­ iesem Sinne geschrieben, so wäre die Sache erledigt (…). – Da aber die Wahrheit nur nach und nach und nur gezwungen herausgekommen sei, so müsse ­Kaiser Wilhelm, da er nicht das Vertrauen haben könne, dass Derartiges 2354 Wedel an Hertling (mit Randbem. Ks. Wilhelms), Tel. 135, 24. Apr. 1918, ebd. pp 122 – 124 Dok. 87.

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Die Sixtus-Affäre

sich nicht wiederhole, Garantien verlangen, dass Seine Majestät (…) nunmehr einen Kurs verfolgen werde, der nicht geeignet sei, Oesterreich-Ungarn von Deutschland zu trennen. Es scheint, dass K ­ aiser Wilhelm sich diese Garantie in der Weise vorstellt, dass Seine Majestät ihm mündlich entsprechende Erklärungen abgibt, die von Seinen verantwortlichen Ministern zu decken wären. – (…) Cramon wurde heute nachmittag von Seiner Majestät empfangen und dürfte im vorstehenden Sinne gesprochen haben.2355

Cramons Erinnerungen ist darüber zu entnehmen: Ich wurde dann vom K ­ aiser sehr lange empfangen und habe (…) ein ganz offenes Wort mit ihm gesprochen. (…) Der K ­ aiser sagte zu mir: ‚Seien Sie ganz offen ich will alles hören.‘ Ich habe dann mit ihm alle Folgen seiner Handlungsweise deduziert, ihm das Gefühl geschildert das den ­Kaiser Wilhelm angesichts dieser Erfahrungen beseelen müsste und ihm dringend geraten sobald wie möglich seinen Besuch in Spa zu machen und in einer offenen Aussprache das zu tilgen was sonst ­zwischen den beiden Monarchen die doch auf Tod und Leben auf einander angewiesen ­seien zurückbleiben müsse.2356

Über diese Audienz berichtete Cramon am 24. April dem deutschen K ­ aiser: Ich habe nicht verfehlt, Seiner Majestät offen und ehrlich die Lage zu schildern, wie sie ist, dabei aber, wie Euere Majestät mir aufgetragen hatten, betont, dass nach all’ den gegebenen Versicherungen das Dementi der Enthüllungen von Clemenceau von Euerer Majestät als eine abgetane Sache betrachtet werde. – Seine (…) Majestät machten diesmal einen entschieden bedrückten Eindruck und gaben mir rückhaltlos darin Recht, dass von nun an eine klare Politik nach sicheren Richtlinien zu führen sei, dass ein langjähriges Bündnis mit Deutschland abgeschlossen werden müsse und dass, um alle Missverständnisse und jedes Misstrauen aus der Welt zu schaffen, ein baldiger Besuch bei Euerer Majestät und eine von Vertrauen getragene Rücksprache das Beste wäre. – Seine (…) Majestät schlugen dementsprechend (…) vor: – Um den Frieden mit Rumänien möglichst bald unter Dach zu bringen, sollten Baron Burián und (…) Kühlmann zunächst nach Bukarest fahren und den Friedensvertrag unterzeichnen, danach sollte Baron Burián (…) zum Reichskanzler reisen, um sich dort vorzustellen und alle Vorbesprechungen abzuhalten, und schliesslich (…) mit dem Reichskanzler ins (…) Grosse Hauptquartier fahren, wohin Seine Majestät sich, falls Euere Majestät damit einverstanden wären, in Begleitung des Generaloberst von Arz gleichzeitig (…) begeben wollten. (…) – Nach meinen eigenen Beobachtungen und nach langen Rücksprachen mit (…) Botschafter Prinzen Hohenlohe, dem Generalobersten von Arz und (…) Graf Hunyadi – alles drei Persönlichkeiten, 2355 Demblin an Burián, Tel. 134, 23. Apr. 1918, ebd. fol. 3 – 3v, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2356 Cramon Erinnerungen, KA NL Cramon B/1246 4. Fs. fol. 64v.

Die Affäre

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­ elche sich in der (…) Angelegenheit geradezu hervorragend benommen haben (…), habe w ich den Eindruck gewonnen, dass Seine (…) Majestät gegenwärtig doch recht ernst gestimmt und (…) der Ansicht sind, dass auf dem betretenen Wege nicht mehr weiter gegangen werden könne. – Ich muss demnach die Gelegenheit, eine vertrauensvolle Besprechung herbeizuführen und endlich zu bindenden Abmachungen zu gelangen, als äusserst günstig bezeichnen. – (…) Hohenlohe hielt es aber für dringend wünschenswert, dass bei allen väterlichen und von gütigem Wohlwollen getragenen Ermahnungen Euerer Majestät doch der Ernst der Sache Seiner (…) Majestät nachdrücklichst zur Kenntnis gebracht würde, damit er auch nachhaltig wirken möchte, denn er liess mich darüber nicht im Zweifel, dass bei einer (…) Wieder­holung derartiger Vorkommnisse die Deutschen Österreichs und das Königreich Ungarn unzweifelhaft von dem derzeitigen Träger der Krone abrücken würden, was den Zerfall der Monarchie bedeuten würde. – In demselben Sinne äusserten sich (…) Arz wie (…) Hunyadi (…). – Dass die Umgebung Seiner (…) Majestät (…) an den verworrenen Verhältnissen nicht ganz unschuldig sei, darüber bestand bei den genannten drei Herren kein Zweifel. (…) Graf Wedel (…) teilte mir heute mit, dass er eine sehr vertrauensvolle Aussprache mit (…) Burián gehabt, dieser den besten Eindruck auf ihn gemacht und sich vollkommen zu unseren Ansichten bekannt habe. – Vielleicht wäre es ganz wünschenswert, dass auch die beiden Botschafter der Besprechung beiwohnten. – Ich schliesse (…) mit der alleruntertänigsten Meldung, dass mir (…) die Aussichten auf ein günstiges Resultat der Zusammenkunft als sehr gute erscheinen und dass (…) man der Hoffnung Raum geben kann, dass aus der an sich sehr unerquicklichen Angelegenheit vielleicht doch Gutes (…) erwächst.2357

Mit Bezug auf die Berichte Wedels und Cramons depeschierte Grünau im Auftrag K ­ aiser Wilhelms am 29. April an das Auswärtige Amt: Se. Majestät (…) wünscht, dass für Besprechungen mit ­Kaiser Karl und (…) Burián ­Richtlinien aufgestellt werden und dass in den Besprechungen ein festes Programm für weitere Vertiefung des Bündnisses vereinbart (…) wird. Se. Majestät ist der Ansicht, dass wir unter (…) Ausnutzung der durch die Briefaffaire geschaffenen günstigen Lage wenigstens in den grossen Linien alles das festlegen sollen, was wir an Wünschen gegenüber Österreich-Ungarn haben. Ferner bittet Se. Majestät um Äusserung zu der von (…) Cramon angeschnittenen Frage einer Garantie für das Wohlverhalten der Mitglieder des Hauses Parma (…).2358

Widergespiegelt findet sich die „Ansicht“ ­Kaiser Wilhelms in der Tagebuchnotiz Admiral Müllers vom 30. April 1918:

2357 Cramon an Wilhelm II., Schr. 6991, 24. Apr. 1918, SG 4 1978, 124 – 126 Dok. 88. 2358 Grünau an A. A., Tel. 236, 29. Apr. 1918, ebd. pp 134 – 135 Dok. 98.

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Die Sixtus-Affäre

Se. Majestät unterrichtet uns Kabinettschefs und Grünau (…) über die (…) Berichte des Botschafters in Wien und des Generals von Cramon betreffend die weitere Entwicklung der ­Kaiserbrief-Angelegenheit. Clemenceaus Veröffentlichung des Briefes stellt sich immer mehr als günstig für uns heraus, im Sinne der Klärung unseres Verhältnisses zu Österreich.2359

Josef Redlich schrieb darüber, wie er die Rolle des Kaisers sah, am 23. April an ­Hermann Bahr: Persönliches Regime ohne feste Persönlichkeit, ohne tiefen, ja grimmigen Ernst, ohne das Bewußtsein von der Notwendigkeit der Tragik in jedem großen Wollen: das ist das Gefährlichste, weil Unerträglichste. Man strebt ein richtiges Ziel an: aber man läßt sich von Einflüssen leiten, die ihre eigenen Ziele verfolgen, sehr eigene und eigenartige, wie die Wiederaufrichtung längst zerbrochener Throne.2360

Redlich spielte damit auf Träume des Prinzen Sixtus bzw. der Familie Parma von einer Restauration der Monarchie in Frankreich an. Bald darauf aber, am 3. Mai, scheint ­Redlich aufgrund ihm zuverlässig erscheinender Informationen sein Bild revidiert zu haben. Er schrieb nun an Bahr: Das schlimmste ist, wie dieser unerhörte Cz(ernin) sich in frevlerischem Hochmut an dem obersten Herrn vergangen hat. Er hat die fürchterlich klobigen Telegramme nach ‚draußen‘ selbst redigiert und abgesendet, ohne sie zu zeigen: ich weiß das aus allerbester Quelle. Er ‚kühlte sein Mütchen‘ an den Parma und ließ die Phantasmen über ‚Parma‘ verbreiten: er hat dem Erzhause in wenigen Tagen mehr Schaden zugefügt als alle Feinde, die es draußen hat!2361

Botschafter Wedel schrieb 1920 kritisch aber nachsichtig über die Materie: Ich möchte ihn (Kaiser Karl) mit einem Ehemann vergleichen, der der Verlockung nicht widerstehen könnend, trotz wiederholter Eskapaden doch ein guter Ehemann sein und bleiben will, und seine Seitensprünge, als unter unwiderstehlichem Zwange geschehen, milde beurteilend sich auch tatsächlich dafür (…) hält. Aus d ­ iesem Wesen des Kaisers erklärt sich auch jenes wenig würdige Hin- und Herleugnen, als der Frevel durch Clemenceaus Enthüllungen aufgedeckt wurde. Es glich eher dem verlegenen, linkischen Herausreden eines ertappten Schülers, als dem wohlbedachten Manövrieren eines bewußten Verräters.2362 2359 Müller TB-Eintr. 30. Apr. 1918, Görlitz 1959, 373. 2360 Redlich an Bahr, Brief 23. Apr. 1918, Fellner 1980, 330. 2361 Redlich an Bahr, Brief 3. Mai 1918, ebd. p 336. 2362 Wedel 1920 181, 293 – 294.

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Und einige Jahre ­später äußerte sich Wedel ebenso nachsichtig zu den Fragen, wer den Brief an Sixtus verfasst und ob Czernin von ihm gewusst habe: Man hat sich in Wien den Kopf zerbrochen, wer den bekannten Brief des Kaisers (…) aufgesetzt haben könnte. (…) es war niemand am Hofe und in der Umgebung des Kaisers, der die französische Sprache in so vollkommener Weise beherrschte (…) von allen, die in jener Zeit mit dem K ­ aiser in Berührung kamen, war Prinz Sixtus der einzige, bei dem diese Voraussetzung zutraf. Es ist kaum ein Zweifel möglich, daß er es selbst war, der den kaiserlichen Brief entworfen hat. Er dürfte dem K ­ aiser vorgeschlagen haben, an ihn einen Brief zu richten, den er zu streng vertraulicher Kenntnisnahme der französischen Regierung vorlegen könne (…). ­Kaiser Karl, der sehr gutmütig war und nach meiner Überzeugung nicht mit Bewußtsein die Absicht hatte, eine Treulosigkeit zu begehen, hat selbst die Initiative zu d ­ iesem Schritt schwerlich ergriffen. Er hat wohl ganz dem Rat des Schwagers vertraut und vielleicht, ohne viel zu prüfen und nachzudenken, dessen Entwurf angenommen. – (…) Hätte der Minister geahnt, daß Clemenceau mit ­diesem Brief eine ­solche Waffe in Händen hatte, so hätte er sich gehütet, Clemenceau herauszufordern, aber der ­Kaiser hatte die ersten Darlegungen Clemenceaus als ganz grundlos erklärt (…) erst in die Enge getrieben, gab er die Wahrheit zu. (…) Czernin hat die Existenz ­dieses Briefes nicht geahnt, daran ist (…) nicht zu zweifeln.2363

Kaiser Karl glaubte 1920 die Reaktion der Öffentlichkeit auf die Affäre so sehen zu können: (K)aum hat ein von seinen Völkern vergötterter Herrscher etwas getan, was der kurzsichtigen, von jüdischen Schmocks und sonstigem Gesindel beeinflußten öffentlichen Meinung nicht paßt, mag die Sache noch so sehr dem Volk zum Besten sein, so ist die ‚Liebe der Völker‘ verflogen. (…) Es ist merkwürdig, daß gerade damals die ‚Proletarier‘ für den ­Kaiser waren (…). Es kam in Favoriten zu Demonstrationen; Verlaß ist aber auf diese Bevölkerungsschichten nicht.2364

Was ihm wohl zur Gewissheit Anlass gab, die Proletarier hätten damals „für den ­Kaiser“ demonstriert?2365

2363 Wedel 1932, 2. 2364 Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 615 Dok. 213. 2365 Ebd.

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Die Sixtus-Affäre

Ministerielle Verantwortung

Nach Czernins Aufzeichnungen war es noch am 14. April 1918 zu einer Auseinandersetzung ­zwischen ihm und K ­ aiser Karl über die Frage der ministeriellen Verantwortung gekommen. Dies deshalb, weil der ­Kaiser den Standpunkt vertreten habe, „ein Minister müsse die kaiserlichen Handlungen decken“. Darüber schrieb Czernin: Ich bekämpfte diesen Standpunkt und betonte, die ministerielle Verantwortung bestehe darin, dass der Minister die von ihm gekannten und gebilligten Handlungen des Herrschers vertrete und decke, nicht aber die hinter seinem Rücken und gegen seinen Willen veranstalteten. Wäre seine – des Kaisers – Auffassung richtig, so wäre ein Minister verpflichtet, alle autokratischen Handlungen des Kaisers zu vertreten. Die ministerielle Verantwortung bezwecke, eigenmächtige Handlungen des Souveräns zu verhindern – nicht aber sie durch nachträgliche Legalisierung zu ermöglichen. (…) ein konstitutioneller Monarch dürfe eben Staatshandlungen ohne Zustimmung seines verantwortlichen Ministers nicht vornehmen.2366

Demblin war von Czernin gesagt worden, der ­Kaiser habe von der Veröffentlichung des Schriftstücks, das er als „Kopie“ des Briefes an Sixtus bezeichnete, „anfangs (…) nichts wissen“ wollen. Später habe er zugestimmt, aber verlangt, dass Czernin erkläre, der Brief sei „mit seinem Wissen geschrieben worden“, als Minister sei er verpflichtet, „die Handlungen des Monarchen auf sich zu nehmen“. Czernin habe dies, „soweit es sich auf Handlungen beziehe, die der Monarch ohne Vorwissen des verantwortlichen Ministers vornehme“, bestritten. Demblin kommentierte dazu: Abgesehen davon, daß Czernin (…) formell im Recht war, wäre es bei der damaligen Sachlage nicht mehr möglich gewesen, den Brief (…) als mit Vorwissen der verantwortlichen Regierung geschrieben auszugeben. Der Brief (…) war nach dem vom K ­ aiser selbst angegebenen Text als reiner Privatbrief aufzufassen, und es fehlte ja auch in ihm der im Clemenceauschen Text enthaltene Auftrag an den Prinzen, von dem Inhalt (…) dem Präsidenten der französischen Republik Mitteilung zu machen.2367

Um die Wahrung der in der Verfassung festgeschriebenen Grundsätze ging es auch in einer Rede, ­welche der Abgeordnete Philipp von Langenhan am selben 15. April 1918 vor dem kriegswirtschaftlichen Ausschuss des österreichischen Abgeordnetenhauses hielt. Er sprach, dem Prager Tagblatt zufolge, „daß wir ein Recht haben, zu wissen, ob und

2366 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 217 – 218. 2367 Demblin 1920, 23 – 24, Demblin Alex. 1997, 121 – 122.

Ministerielle Verantwortung

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von wem neben der offiziellen Politik noch eine andere gemacht wird“. Es entspreche dem Wesen der Monarchie, dass (…) der Träger der Krone verfassungsmäßig außerhalb der Verantwortung (stehe und) für alle Regierungsakte des Herrschers ein mit den erforderlichen Vollmachten ausgestatteter öffentlicher Funktionär die Verantwortung zu tragen (habe). Im vorliegenden Fall (…) wäre der Minister des Aeußern die im staatsrechtlichen Sinne verantwortliche Persönlichkeit gewesen. (…) Soll das Vertrauen in die Führung des Staates nicht schwinden, dann muß das Dunkel aufgehellt werden, in welches Czernins Abschied heute gehüllt ist.2368

Auf Langenhans Rede bezog sich auch ein Bericht des sächsischen Gesandten in Wien, Alfred Graf Graf Nostitz-Wallwitz, in dem es hieß: Der Rücktritt Czernins hat nun aber vollends niederschmetternd gewirkt. Ich darf (…) vor allem auf die Rede des deutschnationalen Abgeordneten von Langenhan verweisen, muß aber hinzufügen, daß man im Volke vielfach noch sehr viel bitterer zu urteilen und ganz rückhaltlos gegen den K ­ aiser Partei zu ergreifen scheint. An der Langenhanschen Rede ist namentlich auch die Schärfe charakteristisch, mit der sie sich gegen die Nebenregierung nicht verantwortlicher Stellen wendet – d. h. (…) des Hauses Parma, einschließlich ihrer Majestät der Kaiserin (…) das allgemeine Vertrauen, mit dem die junge Fürstin gleich ihrem kaiserlichen Gemahl noch vor kaum anderthalb Jahren begrüßt wurde, ist auf das schwerste erschüttert (…).2369

Um die in der Verfassung festgeschriebene Ministerverantwortlichkeit ging es auch vielen Mitgliedern des Herrenhauses. Darüber telegrafierte Demblin am 23. April an Burián: Wie ich erfahre, soll Graf Erwein Nostitz beabsichtigen, sich wegen einer von ihm im Namen einer Gruppe von Herrenhausmitgliedern bei S. M. zu unternehmenden Demarche mit E. E. in Verbindung zu setzen bzw. Hochderen Intervention zu erbitten. – Es würde sich um eine Aussprache z­ wischen S. M. und Graf Nostitz über die Haltung des Herrenhauses gegenüber den letzten Ereignissen handeln, eine Aussprache, die umso notwendiger erscheint, als Ministerpräsident von Seidler, um seine Stellung bangend, die Krone gegen das Herrenhaus und die deutschen Parteien des Abgeordnetenhauses systematisch verhetzt.2370

2368 PT M (16. Apr. 1918), 2. 2369 Nostitz-Wallwitz an Außenministerium Dresden 16. Apr. 1918, Opitz Adlgasser 1990, 137. 2370 Demblin an Burián, Tel. 133, 23. Apr. 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz.

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Die Sixtus-Affäre

Zu einer Aussprache mit dem ­Kaiser kam es nicht, wohl aber zu einer Anfrage der Verfassungs- und der Mittelpartei des Herrenhauses an Seidler. Über die Anfrage und ihre Beantwortung erfolgte eine amtliche Verlautbarung, die lautete: Wien, 25. April. Heute erschienen beim Ministerpräsidenten (…) die Herren Alois Freiherr v. Czedik, Max Egon Fürst zu Fürstenberg, Dr. Josef Maria Baernreither, Dr. Max Wladimir Freiherr v. Beck, Erwein Graf Nostitz und Dr. Ernst Freiherr v. Plener, um auf Grund eines Beschlusses der Mittelpartei und der Verfassungspartei (…) folgende Anfrage zu richten: – ‚(…) Wir bedauern den Rücktritt des Grafen Czernin, der ein starker, verläßlicher Pfeiler der Bundes­politik gewesen ist. (…) Wir haben aber seine Politik auch deswegen gebilligt, weil er allen reichs- und kaisertreuen Elementen (…) ein Rückhalt gewesen ist, dessen wir bedürfen mitten in dem schweren Kampf mit unseren Feinden, aber auch mitten in den (…) staatsfeindlichen Treibereien, die sich im Innern hervorwagen. (…) – Mit patriotischer Besorgnis verfolgen wir deswegen Ereignisse, die geeignet sind, den verfassungsmäßigen Schutz der geheiligten, unverletzlichen und unverantwortlichen Person des Kaisers in Frage zu stellen, weil sie jene Deckung und Mitwirkung vermissen lassen, die jede politische Aeußerung und jeder politische Akt des Kaisers (…) in der Person seines verantwortlichen Ministers finden muß. (…) – Wir müssen (…) von der Regierung eine Erklärung darüber verlangen, ob sie geneigt ist, anzuerkennen, und auch gewillt, danach zu handeln, daß die Verantwortlichkeit des Ministers sich nicht nur auf jene Regierungsakte beschränkt, die der Gegenzeichnung bedürfen, sondern auch (…) alle politischen Aeußerungen und Handlungen der Krone umfaßt.’ – Der Ministerpräsident gab zunächst einige Aufklärungen in der Richtung, daß von Einflüssen unverantwort­ licher Faktoren auf die Krone nicht die Rede sein könne, und (…) daß er als Ministerpräsident und als treuer Diener seines Herrn die volle Verantwortung für alle politische Handlungen Sr. Majestät übernehme, mögen die betreffenden Akte von ihm kontrasigniert sein oder nicht, mögen sie unmittelbar oder nur mittelbar in den Rahmen seines Wirkungskreises fallen. (…) – Der Ministerpräsident (…) bemerkte, daß nach seiner Meinung auch der Träger der Krone in einem konstitutionell regierten Staate das Recht der persönlichen Freiheit, also auch jenes der Meinungsäußerung, in Anspruch nehmen könne. (…) – Der Ministerpräsident fügte noch hinzu, daß er nach seiner Ueberzeugung durch die von ihm vertretene Auffassung auch den Intentionen Sr. Majestät entspreche.2371 2371 A-Z M (26. Apr. 1918), 2 – 3, NFP M (26. Apr. 1918), 2 – 3, RP M (26. Apr. 1918), 4 – 5. – Redlich trug dazu in sein Tagebuch ein: „Um ½ 5 Uhr kam Prof. Schumpeter zu Besuch. Er erzählt mir, dass die beiden ‚deutschen‘ Parteien des Herrenhauses zum K ­ aiser nicht gelangen konnten, vielmehr an den Ministerpräsidenten gewiesen wurden. (…) Seidler las ihnen, wie mir heute Weiskirchner erzählte, im Auftrage des Kaisers ein Schriftstück vor, wonach ‚alles‘ nicht wahr ist und Seidler für alles im Himmel und auf der Erde die ‚Verantwortung‘ übernimmt. Die greisen Herren beteuerten dann, dass sie gar nichts wider den ­Kaiser und Seidler hätten und erklärten die ‚Krise für beendigt‘. So sehen also unsere besten ‚Whig Lords‘ aus! (…)“. Redlich TB-Eintr. 26. Apr. 1918, Fellner Corradini 2. 2011, 397.

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In der Neuen Freien Presse erschien 1924 ein Artikel, in dem Seidler über diese Vorsprache der Vertreter berichtete. Sie hätten „die Notwendigkeit konstitutioneller Garantien für Regierungshandlungen des Kaisers betont“ und ihm die Frage vorgelegt, ob er „die Verantwortung für den vom Monarchen unternommenen Schritt zu tragen gesonnen sei“. Dazu führte Seidler aus: Ich hätte mich nun sehr leicht hinter der Tatsache verschanzen können, daß es sich hier um Dinge handelte, für die in erster Linie nicht ich kompetent war, sondern der Minister des Aeußern und die überdies lange vor Beginn meiner Amtstätigkeit sich vollzogen hatten. Eine derart diplomatisierende Haltung hätte jedoch weder meiner (…) Geschmacksrichtung noch meiner Auffassung der konstitutionellen Verantwortlichkeit entsprochen. (…) Ich antwortete daher sofort, daß ich selbstverständlich die volle Verantwortung für alle Regierungshandlungen des Kaisers auf mich nehme, mögen sie zur Zeit meiner Amtsführung oder wann immer sich zugetragen haben.2372

Seidler erwähnte auch die Kritik an seiner Haltung, die Czernin 1919 so zum Ausdruck gebracht hatte: Dr. Seidler erklärte damals, die volle Verantwortung für die ‚Briefaffäre‘ zu übernehmen. – Das war widersinnig. Dr. Seidler konnte die Verantwortung für Vorgänge, w ­ elche sich ein volles Jahr vorher abgespielt hatten – also zu einer Zeit, da er gar nicht Minister war – nicht übernehmen, abgesehen davon, daß er nachweislich (…) während seiner Ministerschaft von den einschlägigen Vorgängen gar nichts erfuhr, sondern erst nach meiner Demission die kaiserliche Auffassung der Sachlage kennenlernte. – Ebenso gut hätte er die Verantwortung für den Siebenjährigen Krieg oder die Schlacht von Königgrätz übernehmen können.2373

Dem hielt Seidler entgegen, er hätte „die Verantwortung für den Siebenjährigen Krieg oder die Schlacht von Königgrätz“ auch ohne Weiteres übernommen, „wenn es etwa jemandem eingefallen wäre, den regierenden K ­ aiser für die bezeichneten historischen Erscheinungen zur Rechenschaft zu ziehen“.2374 Der dem ­Kaiser nicht fern gestandene Werkmann meinte 1931 zur Beantwortung der Anfrage durch Seidler: (D)er Regierungschef erklärte, er übernehme die volle Verantwortung für alle Handlungen der Krone, ­seien sie von ihm kontrasigniert oder nicht, gehörten sie mittelbar oder unmittelbar in 2372 Seidler NFP M (9. Aug. 1924), 2 – 3. 2373 Czernin 1919, 74. 2374 Seidler NFP M (9. Aug. 1924), 2 – 3.

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seinen Wirkungskreis. Das war unsachlich und widerstritt dem Sinn der Verfassung, war aber doch endlich das Wort eines Mannes, der seine Pflicht gegenüber K ­ aiser und Reich kannte.2375

Glaise-Horstenau kommentierte Seidlers Bemühungen, „auch die Verantwortung für Dinge zu übernehmen, von denen er nichts wußte“, mit den Worten: „Ein solches Tun wäre aus den Kulissen heraus edel und recht gewesen, die nachträgliche Verkündung wirkte lächerlich. Für uns Junge gab es einen bedenklichen Riß gegenüber unserem ­Kaiser und Herrn.“ 2376 Czernin erklärte zur Ministerverantwortlichkeit 1919: „Da nach unserem Gesetze der ­Kaiser ‚über dem Gesetz stehend und unverantwortlich‘ war, so war der Grundsatz, daß er keine Regierungshandlung ohne Wissen und Gutheißen des verantwortlichen Ministers vornehmen dürfe, unbedingt notwendig (…).“ 2377 In der Neuen Freien Presse hielt Czernin, wie erwähnt, im August 1919 fest: Ich habe niemals geleugnet, daß ich Verhandlungen mit dem Prinzen Sixtus gebilligt, gewünscht und selbst geführt habe, und ich habe selbstverständlich die volle Verantwortung für alles das,

2375 Werkmann 1931, 253. – Kovács dagegen schrieb 2004, ganz befangen in durch die Entwicklung seit 1867 unberührten Vorstellungen: „Der Minister war dem ­Kaiser, nicht der K ­ aiser dem Minister verantwortlich“, die in der Aktenmäßigen Zusammenstellung enthaltenen Worte Czernins über die Ministerverantwortlichkeit ­seien „im Widerspruch zur österreichisch-ungarischen (sic!) Verfassung“ gestanden. Kovács 1 2004, 668 – 669. Seidler habe klargestellt, „daß Czernin von den Friedensbemühungen des Prinzen ­Sixtus gewußt, sie gebilligt, geleitet und jetzt seine Ministerverantwortlichkeit verletzt hatte“. Kovács 1 2004, 406. Höbelt pflichtete 2013 und 2015 diesen Vorstellungen bei, wenn er meinte, Czernin habe „ein weiteres Mal seine dialektische Version von Loyalität“ praktiziert und „die Formel der Ministerverantwortlichkeit auf den Kopf“ gestellt: „Nicht der Minister sollte den K ­ aiser decken, sondern umgekehrt (…).“ Höbelt 2013, 219, ähnlich: Höbelt 2015, 233 – 234. – Kovács gab sich davon überzeugt, dass ohne Wissen und Gutheißen des verantwortlichen Ministers erfolgte Regierungshandlungen des Kaisers auch nachträglich, und dies von Ministern in deren Kompetenz sie gar nicht fielen, hätten verantwortet werden können. Sie erklärte unter Berufung auf Geyr, Lorenz und Kosnetter (Geyr 1993, 411, Lorenz 1959, 457, ­Kosnetter 1963, 156 – 157), Seidler und Wekerle hätten den K ­ aiser gedeckt. Kovács 1 2004, 406. Liest man bei Geyr, Lorenz und Kosnetter nach, so finden sich dort keinerlei Hinweise auf eine Deckung oder gar „verfassungsrechtliche“ Deckung durch Wekerle. Geyr schrieb lediglich, Wekerle habe im Ungarischen Abgeordnetenhaus „bekannt, er habe den Brief, den Karl (…) geschrieben hatte, eingesehen und dabei nichts außer (…) Friedensbemühungen gefunden, die im Einklang mit den Interessen des Deutschen Reiches stünden (…)“. Kosnetter aber zitierte den Artikel Seidlers von 1924, in dem sich nichts von der Anschuldigung findet, die Kovács ihm in den Mund legte, dass nämlich Czernin „seine Ministerverantwortlichkeit verletzt“ habe. Seidler schrieb darin auch keineswegs, dass er „die Friedensversuche ­Kaiser Karls über Prinz Sixtus verfassungsrechtlich gedeckt“ habe, sondern es als seine Pflicht angesehen habe, die politische Verantwortung „für alle Regierungshandlungen des Kaisers“ zu übernehmen. 2376 Broucek Glaise-Horstenau 1. 1980, 463. 2377 Czernin 1919, 74.

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was ich selbst dem Prinzen gesagt, sowie für das, was ihm mit meinem Wissen von anderer Seite gesagt wurde, übernommen. Hingegen habe ich die Verantwortung für Mitteilungen und Zusagen (…), die ohne mein Wissen und hinter meinem Rücken erfolgt sind, abgelehnt.2378

Und nach der Publikation der Faksimiles der Kaiserbriefe in l’Illustration 2379 Anfang Jänner 1920 erklärte Czernin, wie ebenfalls bereits erwähnt: „Die jetzt veröffentlichten Kaiserbriefe und Noten spielten sich alle ohne Wissen der verantwortlichen Regierung ab.“ 2380 Sicherlich nicht ohne Allerhöchste Anregung nahm im Februar 1920 der damalige Generaldirektor der Habsburg-lothringischen Privatvermögensverwaltung Albin Schager-Eckartsau zu der Frage, ob der ­Kaiser sich bei seinen Gesprächen mit Sixtus und seinen Briefen als durch den verantwortlichen Minister gedeckt fühlen konnte, in einem Interview Stellung. Dabei wandte er sich mit „besonderer Heftigkeit (…) gegen die Lesart“, dass Czernin „nicht vom ganzen Umfang der Mission Sixtus gewusst“ hätte. Im Gegenteil, er habe, wie dies durch sein Schreiben an die Kaiserin vom 17. Februar 1917 zu beweisen sei, die Reise der Prinzen selbst angeregt. Czernin könne somit (…) die Verantwortung für die Berufung des Prinzen Sixtus nach Laxenburg und für die ­daraus resultierende Politik keineswegs von sich ab und auf die Schultern seines damaligen Kaisers wälzen. Daß der K ­ aiser dem Prinzen Sixtus auch einen Brief mitgegeben habe, um ihn für seine Mission gehörig zu beglaubigen, sei eine formale Nebensächlichkeit.2381

Bald darauf schrieb Schager, wahrscheinlich bereits damals, jedenfalls aber ab November 1920, Vertreter ­Kaiser Karls „in Wien in politischen Angelegenheiten“ 2382 bzw. „bei allen, die Restauration anstrebenden monarchistischen Organisationen und Elementen“,2383 der ­Kaiser sei bei der „Betrauung des Sixtus mit einem bestimmten Friedensschritt (…) durch Czernin voll gedeckt“ gewesen. Er habe an seinen Schwager geschrieben, „weil Sixtus seine Mission ohne gehörige Beglaubigung für aussichtslos gehalten haben dürfte“. Dies sei dem Minister allerdings verborgen geblieben: „Von dem Brief wußte Ottokar Czernin nicht.“ 2384 2378 2379 2380 2381 2382

NFP M (19. Aug. 1919), 7. Anonym (Sixtus) LI 3. Jän. 1920, 1, 7 u. 8. NFP M (13. Jän. 1920), 2, WZ (13. Jän. 1920), 8 – 9. Schager in N8UB 24. Feb. 1920, 2.

Ks. Karl Instruktionen u. Richtlinien zur Errichtung der Donaukonföderation o. D. (1920 erste Jahreshälfte), Kovács 2 2004, 558 Dok. 188. 2383 Ks. Karl an Schager 14. Nov. 1920, ebd. pp 705 – 707 Dok. 221. 2384 Schager in WSMZ (22. März 1920), 4.

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Graf Wedel urteilte 1920: Daß der ­Kaiser seine Anerbietungen ohne Wissen und hinter dem Rücken seines Ministers machte, werden die Alliierten kaum für möglich gehalten haben. Es ist nicht die Art moderner Monarchen Verantwortungen persönlich auf sich zu nehmen. Sie pflegen vielmehr auf ministerielle Deckung größtes Gewicht zu legen.2385

Ein Anonymus schrieb 1919 über ­Kaiser Karl, dass dieser (…) seine konstitutionellen Befugnisse und Rechte, ebenso aber auch die dadurch gegebenen Pflichten und Einschränkungen nahezu gar nicht kannte und mehr oder weniger einfach in dem Glauben lebte, daß in der Monarchie alles nach seinem Willen zu geschehen, er also nur anzuordnen habe. Seiner Umgebung kam es außerordentlich zustatten, ihn unbeirrt bei dieser grundfalschen Auffassung (…) zu belassen, weil dadurch naturgemäß auch ihre Macht ins Ungemessene wuchs, da ­Kaiser Karl seinen unmittelbaren Ratgebern in allem und jedem vorbehaltlos ausgeliefert war.2386

7.4

Eindämmung

Am 30. April 1918 erschien die Nachmittagsausgabe der christlich-sozialen Parteizeitung Reichspost mit einem Leitartikel „Mehr Takt!“, der kritisierte, dass den „durch die jüngsten Wiener politischen Ereignisse“ hervorgerufenen Artikeln „ein mitklingender Unterton eine Farbe und Tendenz“ gegeben habe, die bisher aus „der nichtrepublikanischen Presse Oesterreichs verbannt“ gewesen s­ eien. Es sei „mit allerlei geheimnisvollen Andeutungen und Wendungen nicht gespart worden“. In einem Teil der reichsdeutschen Presse werde, „was in der österreichischen Presse aus guten Gründen scheue Andeutung“ geblieben sei, „mit einer Unbekümmertheit breitgetreten, bei der die Pflicht, auf die österreichischen Gefühle Rücksicht zu nehmen, merklich zu kurz“ komme. So habe ein Artikel der Vossischen Zeitung „die jüngsten politischen Vorgänge in Wien, aber beinahe noch mehr die törichten Gerüchte, die darüber umliefen, einer Besprechung“ unterzogen, ­welche, „trotz des ersichtlichen Bestrebens zur objektiven Wertung (…) den Eindruck mangelnden Taktes nicht zu vermeiden“ vermochte.2387

2385 Wedel 1920 181, 291. 2386 Anonym 1984, 260. 2387 RP N (30. Apr. 1918), 1.

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In dem Artikel des Blattes, auf den sich der Leitartikler der Reichspost bezog, war davon die Rede gewesen, dass „gewisse Einflüsse am Kaiserhofe sich immer stärker bemerkbar“ machten, die (…) sich nicht scheuen, die Jugend und den guten Glauben des Kaisers zu mißbrauchen. (…). Als die Seele der Bewegung für eine besonders eifrige Friedensvermittlung gilt die HerzoginWitwe Maria Antonia von Parma (…). Man sagt ihr mancherlei Ehrgeiz nach. (…) Nun wird aber in Oesterreich behauptet, daß die Herzogin-Witwe (…) aus gewissen Familieninteressen heraus die Bündnistreue ihres kaiserlichen Schwiegersohnes hindernd empfindet. (…) Insbesondere soll sie für den Prinzen Xaver den französischen Königsthron ersehnen. (…) – Und man ist (…) geneigt, das eifrige Bemühen gewisser österreichischer Persönlichkeiten um Zugeständnisse an Frankreich bezüglich Elsaß-Lothringens so zu deuten, als ob durch ­solche Morgengabe dem prinzlichen Thronanwärter besondere Sympathien im französischen Volke hätten verschafft werden sollen. (…) die Oesterreicher haben jedenfalls ein paar Tage lang die schweren Sorgen über die ganze Angelegenheit in die Frage zusammengedrängt: Werden wir von Habsburg oder von Bourbon regiert?2388

Die betreffende Nummer der Vossischen Zeitung wurde in Österreich-Ungarn am 30. April 1918 beschlagnahmt.2389 Am nächsten Tag, dem 1. Mai 1918, enthielt die Reichspost einen Artikel „Die Verantwortlichkeit in der Verfassung – Einige Klarstellungen“. Er begann mit den Worten: Von unterrichteter Seite empfangen wir (…) nachfolgende zustimmende Auslassungen und tatsächliche Feststellungen. (Es widerspreche) sowohl dem österreichischen Herkommen als auch dem Wortlaute und Geiste der Verfassung, aus Anlaß eines Ministerwechsels, und mag dieser der weiteren Oeffentlichkeit noch so unerwartet kommen und von ihr noch so unbegriffen sein, die Krone unter den Druck von Erörterungen und Aktionen zu stellen, die geeignet erscheinen, alles Mißvergnügen gegen eine Stelle zu lenken, die als sakrosankt zu gelten (habe).2390

Weiter hieß es in dem Artikel, es müssten (…) alle jene Unternehmungen abgewiesen und verurteilt werden, ­welche sich (…) als Versuche darstellen, die Entschlußfreiheit der Krone einzuengen und ihr Entscheidungen zuzumuten, die sie kraft ihrer besseren Kenntnis der Dinge und umfassenderen Uebersicht über die Verhältnisse nicht für die zweckmäßigsten hält. (…) (Es sei) unfaßbar, wie ­Parlamentarier (…) 2388 VZ M (28. Apr. 1918), 1 – 2, Abschr.: HHStA PA I, 523 XLVII/12b fol. 274 – 276. 2389 Ministerialkommission im K. M. Präs. 13700/5, 30. Apr. 1918, ebd. fol. 277. 2390 RP M (1. Mai 1918), 3, s. Flotow an Burián, Tel. 569, 1. Mai 1918, HHStA PA I, 1086 o. Fz.

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und Preßorgane (…) achtlos auch an den zugänglichen Urkunden vorbeigehen, um törichten Gerüchten zum Opfer zu fallen. Solche zugängliche Urkunden sind doch außer dem schon erwähnten Handschreiben an den Grafen Czernin die zwei lapidaren Telegramme unseres Kaisers an K ­ aiser Wilhelm, die sie begleitenden Feststellungen des damals noch von Graf Czernin geleiteten Auswärtigen Amtes gegen die Behauptungen Clemenceaus und die Erklärung des Grafen Czernin bei seinem Rücktritt, daß er für die völlige Korrektheit der Kaiserbriefangelegenheit einstehe.2391

Es stehe fest, dass Czernin, (…) also der verantwortliche Minister, davon unterrichtet war, daß ‚Prinz Sixtus von B ­ ourbon im Frühjahr 1917 mit der Herbeiführung einer Annäherung der kriegführenden Staaten befaßt war’ und dies billigte. – Ja noch mehr: – Graf Czernin war es, der diese Fühlungnahme anregte, und er war es auch, der auf den Prinzen Sixtus (…) als die für diese Aufgabe geeignete Persönlichkeit hinwies und die Aktion tatsächlich leitete. – Es ist ferner (…) Tatsache, daß man auch an den zuständigen Stellen in Berlin von der Sache unterrichtet war und daß somit dort keineswegs Clemenceaus Enthüllungen, sondern höchstens seine verwegenen Textverfälschungen eine Ueberraschung bedeuteten.2392

Und: „Die Verfassung verlangt, daß der Minister die Krone zu decken hat, nicht umgekehrt.“ 2393 Welche Bestimmung welcher Verfassung dies „verlangte“, wurde dem Leser allerdings vorenthalten. Unmittelbar nach dem Erscheinen des Artikels telegrafierte Sektionschef Flotow an den bei den Friedensverhandlungen in Bukarest weilenden Außenminister Burián: Ministerpraesident von Seidler hat mich gestern um ½ 8 Uhr abends telefonisch aufgerufen und mir gesagt, er habe ‚mehreren Abgeordneten‘ gespraechsweise mitgeteilt, der Kaiserbrief an Prinz Sixtus sei dem Grafen Czernin allerdings nicht bekannt gewesen, dagegen haette Graf Czernin die ‚Fuehrung dieser Angelegenheit in der Hand gehabt (…) und sei sie ueberhaupt auf seine Anregung zurueckzufuehren’.2394

Seidler habe ihn darauf ersucht, dass „Artikel, w ­ elche auf Grund dieser seiner Mitteilung geschrieben werden sollen, erscheinen koennen“. Flotow habe erwidert, dass er 2391 RP M (1. Mai 1918), 3, s. Flotow an Burián, Tel. 569, 1. Mai 1918, HHStA PA I, 1086 o. Fz. 2392 Ebd. 2393 Ebd. 2394 Flotow an Burián, Tel. 572, 1. Mai 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz., s. auch: Flotow an Demblin, Tel. 89, 3. Mai 1918, HHStA PA XL, 262 o. Fz.

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eine ­solche Weisung an die Zensurbehörde nicht erteilen könne, ohne die Sache dem Minister zur Kenntnis gebracht und dessen Instruktion abgewartet zu haben. Seidler habe jedoch eine Entscheidung noch am selben Tag verlangt, „da betreffende Artikel schon morgen erscheinen sollten“. In Flotows Telegramm hieß es weiter, er habe ­Seidlers Wunsch nicht entsprochen, sich aber, um die Angelegenheit „mit ihm muendlich zu bereinigen“, abends zu ihm begeben. Er habe ihm dabei (…) eingehend auseinandergesetzt, dass es nicht ratsam scheine, diese Sache ohne vorherige genaue Ueberlegung neuerlich zur Sprache bringen zu lassen, da man gewaertigen muesse, dass Graf Czernin hierdurch zu einer Entgegnung veranlasst werden wuerde, woran sich dann eine unabsehbare Diskussion knuepfen wuerde, die sowohl fuer die Krone als auch fuer unsere Stellung in Deutschland und im uebrigen Auslande unerwuenschte Folgen zeitigen koennte. Der Herr Ministerpraesident hat meine Argumente als richtig erkannt und mir (…) zweimal erklaert, dass er die Sache bis zur Rueckkehr Euer Exzellenz ‚fallen lasse‘.2395

Trotz dieser Erklärungen Seidlers sei in der Reichspost „ein im Sinne seiner Ausfuehrungen gehaltener Artikel erschienen“, ­welchen die Zensur „unbegreiflicherweise“ unbeanstandet gelassen habe. Die betreffenden Beamten hätten behauptet, die Bedeutung des Artikels „nicht erkannt zu haben“, er habe aber den Eindruck, dass sie „einen Wink erhalten haben, diesen Artikel passieren zu lassen“. Flotow berichtete, er habe Seidler „heute vormittags“ seine Bedenken „gegen die Weiterverbreitung des Artikels (…) und Besprechungen desselben entwickelt, worauf er (Seidler) erklaerte, er werde dies durch die Zensur verbieten lassen“. Von wem das Blatt den Artikel hatte, sei nicht festzustellen gewesen. Ein Vertrauensmann Sektionsrat Wiesners habe mitgeteilt, dass „der Artikel nicht aus den offiziellen Kreisen der christlichsozialen Partei und des hohen Klerus stamme“ 2396 und Werkmann habe spontan erklärt, von ihm „nichts zu wissen“. Flotow bat schließlich um Weisung, „ob dem Grafen Czernin der Inhalt des Artikels zur Kenntnis zu bringen sei“ und wie er sich weiter verhalten solle; seines „unmassgeblichen Erachtens waere es unbedingt notwendig, dass eine Fortspinnung der Eroerte­ rung ­dieses Themas in der hiesigen Presse unterbleibe“.2397

2395 Ebd. 2396 Friedrich Wieser notierte am 10. Mai 1918 in sein Tagebuch, Musil habe ihm „im Vertrauen unter Handschlag“ erklärt, der RP-Artikel vom 1. Mai sei „von (Prälat) Hauser“. Wieser TB-Eintr. 10. Mai 1918, HHStA NL Wieser fol. 430. Der Wahrheitsgehalt dieser Musilschen Erklärung kann allerdings, angesichts anderer Eröffnungen aus seinem Munde, nur als höchst ungewiss gelten. 2397 Flotow an Burián, Tel. 572, 1. Mai 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz., s. auch: Flotow an Demblin, Tel. 89, 3. Mai 1918, HHStA PA XL, 262 o. Fz.

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Gegen eine Autorschaft Werkmanns an dem Artikel spricht ein Bericht, den ­Demblin über ein am 4. Mai im Hofzug auf der Fahrt des Kaisers nach Udine und Casarsa geführtes Gespräch an das Ministerium des Äußern sandte: Hauptmann Werkmann kam mir gegenüber spontan auf den Reichspost-Artikel zu reden. Er behauptete bestimmt zu wissen, der Artikel stamme aus den Kreisen der christlich-sozialen Partei selbst. – Im Laufe des Gesprächs erzählte Werkmann, als er am 29. April abends unmittel­ bar nach (…) Seidler in Audienz empfangen wurde (…) hätten beide Majestäten sofort und ganz augenscheinlich im Anschluss an das Gespräch mit (…) Seidler die Ansicht ausgesprochen, es müsse unbedingt in der Presse etwas unternommen werden, damit den ‚mehr oder minder versteckten Anschuldigungen Sr. M. in der Briefaffaire‘ Einhalt geboten werde. (…) Werkmann sagte mir, er hätte absolut den Eindruck gehabt, dass die Majestäten auch Seidler gegenüber von der Notwendigkeit einer Pressaktion gesprochen hätten und dass dieser es übernommen habe einen entsprechenden Artikel (…) in der Reichspost unterbringen zu lassen.2398

Im Telegramm Demblins heißt es weiter: Da S. M. wiederholt gesagt hatte, seiner Meinung nach sei es am besten, wenn man die Briefaffaire möglichst einschlafen lasse, so dürfte die Wiederaufnahme derselben durch den Reichspostartikel auf die Initiative Ihrer M. zurückzuführen sein. In dieser Ansicht werde ich durch den Umstand bestärkt, dass – wie ich von Gf. Esterházy 2399 weiss – I. M. sich letzterem gegenüber einige Tage vor Erscheinen des Artikels in ganz analoger Weise äusserte in dem sie mit Nachdruck und – wie ich glaube – mit dem Auftrag es möglichst zu verbreiten, betonte, dass die Vermittlungsaktion des Prinzen Sixtus von Graf Czernin selbst vorgeschlagen und in die Wege geleitet worden sei. – Demnach glaube ich (…), dass der bewusste Artikel auf Initiative (…) I. M. verfasst wurde, und dass Seidler die Aufgabe hatte, das Erscheinen des Artikels durch Hinwegräumung der Zensurhindernisse zu ermöglichen.2400

Auch Wiesner wandte sich in dieser Sache an Burián und depeschierte am 2. Mai: ‚Reichspost‘-Artikel hat in politischen und publizistischen Kreisen grosses Aufsehen erregt und heftige Misstimmung gegen Redakteur ­dieses Blattes erzeugt, dem man vorwirft, dass er sich, durch seine Hintermänner veranlasst, der Parole, die Demissionssache vorläufig ruhen zu lassen, nicht füge und damit stets wieder Unruhe erzeuge.2401 2398 2399 2400 2401

Demblin an M. d. Ä., Tel. 144, 4. Mai 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz. Alexander Gf. Esterházy, Obersthofmeister der Kaiserin. Demblin an M. d. Ä., Tel. 144, 4. Mai 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz. Wiesner an Burián, Tel. 583, 2. Mai 1918, HHSTA PA I, 1089 Nach Wien o. Fz.

Eindämmung

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Im Hinblick auf die Telegramme Flotows und Wiesners führte über Auftrag Buriáns noch am 2. Mai dessen ebenfalls in Bukarest befindlicher Kabinettschef Colloredo mit Wiesner ein „Gespräch“ am Hughes-Gerät. Colloredo erklärte, es müsse „unbedingt vermieden werden, dass eine Diskussion ueber die ‚Verteilung der Schuld‘ an den bewussten Ereignissen weitergesponnen werde, – eine ­solche würde (…) nur schädliche und unerwünschte Folgen zeitigen“. Burián bitte, „in d ­ iesem Sinne sowohl auf den k. k. Ministerpräsidenten einzuwirken – und zwar mit allem Nachdruck – als auch die in Betracht kommenden Zensurbehörden zu instruieren“. Sollte Czernin in dieser Sache anfragen, „so wolle er im Namen des Herrn Ministers dringendst gebeten werden, die Angelegenheit (…) in höherem Interesse nicht weiter zu verfolgen“. Mit der Sprache, die Flotow Seidler gegenüber angeschlagen habe und den von ihm vorgebrachten Argumenten sei Burián „sehr einverstanden“. Colloredo und Wiesner erachteten es als zweckmäßig, Demblin „entsprechend zu verständigen“. Einigkeit ­zwischen den beiden bestand auch darüber, dass, weil Seidler „bis zur Stunde“ an die Zensur noch keine Weisung gegeben habe, „welche den Nachdruck und die Besprechung des Reichspostartikels“ verbiete, eine ­solche Weisung urgiert oder aber von seiten des Ministeriums des Äußern entsprechende „Anordnungen“ getroffen werden müssten. Auf die Frage Wiesners: „Sie haben wohl keine Zweifel darüber woher die ganze Sache stammt?“, antwortete C ­ olloredo: „Es duerfte wohl derselbe Ursprung sein, aus dem der Artikel in der Reichspost stammt, welcher vor cirka einer Woche erschienen ist. Stimmt das?“ Worauf Wiesner bestätigte: „Ja, so ist es zweifellos.“ 2402 Mit dem „vor cirka einer Woche“ erschienenen Artikel meinte Colloredo den in der Reichspost vom 20. April 1918 enthaltenen Artikel „Überwundene Krisentage – Die Wahrheit über den Wechsel im Auswärtigen Amte – Von zuverlässig unterrichteter besonderer Seite“. In d ­ iesem Artikel war erklärt worden, die Ansicht, Czernin sei entlassen worden, sei „grundfalsch“. Sein Rücktritt sei ausschließlich deshalb erfolgt, weil er „in politischen Einzelfragen die Krone anderer Ansicht“ gewusst habe. Weiter hieß es, den Zeitpunkt des Rücktritts (…) mag außer einer gesteigerten persönlichen Indisposition der Umstand bestimmt haben, daß die endgültige Bereinigung von Fragen, über w ­ elche eine Meinungsverschiedenheit bestand, nicht länger aufgeschoben werden konnte. Daß dieser Zeitpunkt gerade mit dem Abschluß der Polemik mit Clemenceau zusammenfiel, war ein unglückliches Zusammentreffen, dessen Wirkung Graf Czernin durch eine sofortige Erklärung über die sachlichen Gründe seines Rücktritts sowie, daß er die ganze Angelegenheit des Kaiserbriefes kenne und sie persönlich als völlig korrekt decke, zu paralysieren trachtete. – Daran, sowie an die feierlichen Verwahrungen und Erklärungen des Kaisers sowie an die (…) amtlichen F ­ eststellungen hat 2402 Hughes-„Gespräch“ Colloredo mit Wiesner 2. Mai 1918, HHStA PA I, 1090 o. Fz.

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man sich zu halten. Es ist ganz unverständlich, daß angesichts solcher bestimmtester Erklärungen der Rücktritt (…) auch nur einen Augenblick lang manche zu Opfern der Pariser Fälschung machen konnte.2403

Botschafter Hohenlohe wurde offenbar angewiesen, Besprechungen des ReichspostArtikels in der Berliner Presse unter allen Umständen zu verhindern. Dies ist aus seinem am 2. Mai an Burián gerichteten Telegramm zu schließen, in wechem er berichete: Habe Herrn von der Bussche auftragsgemäss ersucht, Besprechungen des bewussten Artikels (…) zu verhindern. Außenamt war bereits durch Grafen Wedel über den Artikel informiert und wird alle Maßnahmen treffen, um eine Wiedergabe und Kommentierung zu verhindern (…).2404

Aus derselben Quelle wie der Artikel der Reichspost vom 1. Mai 1918 scheint eine bald darauf im Verlag des Katholischen Volksbundes anonym erschienene Broschüre zu stammen.2405 In ihr heißt es: Es steht heute fest, daß alle Friedensaktionen Österreich-Ungarns, insbesondere die, mit welcher Prinz Sixtus (…) betraut wurde, sich nicht nur unter der Leitung des verantwortlichen (…) Ministers Graf Czernin vollzogen, sondern in gleicher Weise Deutschland bekannt waren.2406

Der Kaiserbrief sei „von der französischen Regierung nur in ungenauer Gestalt veröffentlicht worden, was damit zusammenhängt, daß man in Frankreich nur eine nach dem Gehör aufgezeichnete, möglicherweise ungenaue Abschrift des Briefes besitzt“.2407 Das Schreiben sei ein Privatbrief gewesen und habe „bei den Verhandlungen durchaus nicht jene Rolle“ gespielt, „wie (…) vielfach angenommen. Die Verhandlungen wurden von Graf Czernin selbst geführt, der Brief ging nur so nebenher.“ 2408 Wenn in Wien auch eine Abschrift des Briefes nicht mehr vorhanden sei, „so ist doch in dem aufbewahrten Konzept von einer Preisgabe der deutschen Reichslande nicht die Rede und ­Kaiser Karl (…) stellt eine ­solche Zusage entschieden in Abrede“.2409

2403 RP N (20. Apr. 1918), 1. 2404 Hohenlohe an Burián, Tel. 283, 2. Mai 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Berlin o. Fz. 2405 Revertera bezeichnete sie in seiner Aufzeichnung über die Ereignisse des April 1918 als „angeblich aus kompetenter Feder stammende, jedoch keineswegs fehlerfreie Broschüre“. Revertera Aufz. o. D., Steglich 1984, 46 Dok. 2. 2406 Anonym 1918, 5 – 18. 2407 Ebd. 2408 Ebd. 2409 Ebd.

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Die französischen Machthaber besäßen lediglich „eine mit Bleistift geschriebene Abschrift des Originals, von welchem offenbar nur wieder auszugsweise Abschriften mehreren mitgeteilt wurden“. Der veröffentlichte Text habe „den wahren Sinn der Worte des Kaisers, welcher der französischen Regierung durch die mündlichen Erklärungen des Prinzen Sixtus wohl bekannt sein mußte, absichtlich verschleiert“. K ­ aiser Karl habe „zu einer Abtretung Elsaß-Lothringens (…) niemals die Hand geboten und niemals den Franzosen Hoffnung auf Erfüllung ihrer Wünsche gemacht“.2410 Die den tatsächlichen Begebenheiten wenig verhaftete Broschüre war offensichtlich Teil der – dem Kaiserpaar nicht unerwünschten – Bemühungen im Katholischen Volksbund tonangebender Personen, „feindlichen Ausstreuungen und Giftmischereien“ entgegenzuarbeiten. Diese Bemühungen gipfelten am 1. Juli 1918 in einer „Doppelversammlung des Volksbundes“ in der Volkshalle und im Arkadenhof des Wiener Rathauses. In der Reichspost vom 2. Juli stand über diese „vaterländische Massenkundgebung“ mit „mindestens 6000 Menschen“ zu lesen, sie habe „ein begeistertes Treuebekenntnis aller Schichten zu unserem Herrscherhause“ und „eine entschiedene Abweisung aller versteckten und offenen Ausstreuungen (…), die in der letzten Zeit täglich die Bevölkerung zu beunruhigen suchten“, dargestellt. In der Volkshalle habe Chefredakteur Friedrich Funder als erster Redner festgestellt: „Wer die Krone schützt, der schützt Oesterreich, wer die Krone anrührt, der rührt Oesterreich an, wer Liebe und Vertrauen zur Krone und Dynastie in Oesterreich zerstören könnte, der würde Oesterreich zerstören.“ 2411 Am nächsten Tag meldete die Reichspost, der Vorsitzende der Kundgebung habe den an ihr teilnehmenden Friedrich Gustav Kardinal Piffl ersucht, (…) folgende Entschließung (…) an die Stufen des Thrones gelangen zu lassen: ‚Das unter Führung des Volksbundes versammelte christliche Volk von Wien bittet Ihre Majestäten, die Gefühle unwandelbarer Treue und Ergebenheit in einer Stunde zu Füßen legen zu dürfen, in der feindliche Mächte sichtbar am Werk sind, das angestammte dynastische Gefühl der österreichischen Völker in beharrlicher Hetze zu untergraben.‘2412

Im Arkadenhof hätten auf der „machtvollen Volkskundgebung für K ­ aiser und Reich und standhaftes Ausharren“ der Generaldirektor des Volksbundes, der Geistliche Jakob Fried, sowie Chefredakteur Funder und Landesausschuss Leopold Kunschak gesprochen.2413 2410 Ebd. 2411 RP M (2. Juli 1918), 5. 2412 RP M (3. Juli 1918), 6. 2413 Ebd.

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Die Sixtus-Affäre

An allerhöchster Stelle war man nach der Beantwortung der Anfrage der Herrenhausmitglieder durch Ministerpräsident Seidler und den darauffolgenden Diskussionen darum bemüht, eine Debatte im Abgeordnetenhaus zu verhindern. Darüber telegrafierte Wiesner am 3. Mai 1918 an Burián. Er habe (…) von einem verlässlichen (…) Vertrauensmann erfahren, der k. k. Ministerpräsident hat den Auftrag zu verhindern, dass das Parlament jetzt zusammentritt, um die Diskussion über den Kaiserbrief und die Gründe der Demission des Grafen Czernin sowie über die Verordnung betreffs Gerichtsstand des Hauses Parma 2414 zu vermeiden. Zu ­diesem Zweck sollte Präsident des Abgeordnetenhauses einen Beschluss der Obmännerkonferenz auf Hinausschiebung des Zusammentritts des Hauses erreichen. Dr. Groß hat erklärt, Hinausschiebung (…) nur dann vorzunehmen, wenn ein einhelliger Beschluss der Obmännerkonferenz zustande­ kommt. Als sich zeigte, dass ein solcher nicht zu erreichen sei, versuchte Ministerpräsident deutsche Parteien dadurch der Regierung geneigt zu machen, dass er ihnen Einführung der Kreishauptmannschaften (in Böhmen) im Verordnungswege zusagte. Tschechen und südslawische Vertreter, ­welche von diesen Plänen Kenntnis erhielten, beschlossen hierauf, Obmännerkonferenz überhaupt nicht zu beschicken und gegen die Hinausschiebung (…) zu protestieren. Oesterreichische Regierung will nun, da einhelliger Beschluss auf Hinausschiebung nicht erreichbar, Haus vertagen. Sie instruiert die ihr zugängliche Presse dahin, dass das Verschulden an Zerschlagung des Parlaments slawische Parteien treffe. Was nach dem Gesagten nicht der Fall ist.2415

Am Nachmittag desselben Tages telegrafierten Flotow und Wiesner in dieser Sache nach Bukarest: Verlauf der heutigen Obmännerkonferenz (…) in der Debatte sprachen sich die Abgeordneten Waldner und Wolf für den Vorschlag des Ministerpräsidenten aus. Abgeordneter Dr. Adler sprach entschieden gegen die Vertagung, da die Debatte, die man jetzt befürchtet, in einem späteren Zeitpunkt auch nicht zu vermeiden sein werde.2416

Am 4. Mai 1918 wurde daraufhin der Reichsrat auf unbestimmte Zeit vertagt. In einem weiteren Telegramm wurde Außenminister Burián mitgeteilt, die Blätter hätten die Vertagung „mit gemischten Gefühlen aufgenommen“, aus einem „sehr scharfen“ Artikel der Arbeiter-Zeitung sei Folgendes gestrichen worden: 2414 Aufgrund der Verordnung 224 vom 19. Juli 1916, RGBl. 1916. 527, wurden Mitglieder des Hauses Bourbon-­ Parma per 1. Sept. 1916 der Gerichtsbarkeit des Obersthofmarschallamtes unterstellt. 2415 Wiesner an Burián, Tel. 605, 3. Mai 1918, HHStA PA I, 1086 o. Fz. 2416 Flotow u. Wiesner an Burián, Tel. 607, 3. Mai 1918, ebd. o. Fz.

Eindämmung

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Es ist der nackte Wahnsinn, was die Regierung Seidler treibt. Nachdem man die Begründung des Ministerpräsidenten in der Obmännerkonferenz vernommen hat und die Erklärung liest, mit der Herr von Seidler die Vertagung (…) rechtfertigen will, bleibt nichts übrig, als zu sagen, daß eine ähnliche politische Dummheit in Österreich noch nie verübt wurde. – Österreich ist nicht zu helfen (…), denn der Sumpf ist eben Österreichs Urelement.2417

Über die in den ihm vertrauten Wiener Kreisen nach der Vertagung des Reichsrates herrschende Stimmung berichtete der sächsische Gesandte Nostitz-Wallwitz am 8. Mai 1918 an das Dresdner Außenministerium: Die ungeheure Erregung, die die Kaiserbrief-Affäre (…) hervorgerufen hat, zittert noch immer nach. Sie bildet den Unterton für zum Teil sehr bittere Reden und Entschließungen. (…) sie drängt auf Entladung im Abgeordnetenhaus, wo man ohne die eben noch rechtzeitig verfügte Vertagung die unter der Regierung Stürgkh ohne gesetzliche Grundlage erfolgte Eximierung des Hauses Parma von den ordentlichen Gerichten zur Debatte gestellt und daran wahrscheinlich sehr peinliche Auseinandersetzungen geknüpft haben würde; und sie hat, was an maßgebender Stelle besonders unangenehm aufgefallen zu sein scheint, selbst die Mitglieder des Herrenhauses nicht unberührt gelassen. Dessen Mittel- und die Verfassungspartei haben (…) zunächst auf Einberufung einer Sitzung angetragen und nach der Weigerung des Präsidenten Fürsten (Alfred) Windisch-Graetz, ­diesem Antrag zu entsprechen, die (…) Anfrage an den Ministerpräsidenten gerichtet. (…) Ihren bedenklichsten Ausdruck aber findet die tiefgehende Verbitterung in den unzweideutigen Majestätsbeleidigungen, die jetzt in weiten Kreisen, unter hoch und niedrig, selbst unter Beamten und Offizieren, geradezu an der Tagesordnung sind. Das Vertrauen ist derart erschüttert, daß sogar die Wahrscheinlichkeit einer Fälschung des von Seiner Majestät (…) General von Cramon und anderen Würdenträgern vorgelegten Konzeptes, welches den strittigen Satz über Elsaß-Lothringen in der im ‚Fremdenblatt‘ veröffentlichten Fassung enthält, ganz offen diskutiert wird.2418

In Paris wurden in diesen Tagen Briand, Ribot, Painlevé und Clemenceau von den Commissions des Affaires extérieures et de la Guerre der Deputiertenkammer und des Senats über die Aktionen des Prinzen Sixtus und Armands befragt. Ob eine Meldung der Pariser Tageszeitung Le Matin darüber in der Presse Österreich-Ungarns erscheinen könne, fragte Wiesner am 2. Mai 1918 bei Burián an. Ribot habe „unter Zuhilfenahme von Beweisdokumenten“ klargestellt,

2417 Wiesner an Burián, Tel. 615, 4. Mai 1918, HHStA PA I, 1086 o. Fz., Artikel in: AZ M (4. Mai 1918), 1. 2418 Nostitz-Wallwitz an Außenministerium Dresden 8. Mai 1917, Opitz Adlgasser 1990, 146.

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Die Sixtus-Affäre

(…) daß in der Zeit als der K ­ aiser von Oesterreich den Brief an (…) Sixtus schrieb, eine Verhandlungsmöglichkeit nicht ernstlich ins Auge zu fassen war. Der blosse Gedanken daran, hätte die ernstesten Folgen haben können. Ein Eingehen auf die Anregung des Kaisers (…) hätte die Gefahr heraufbeschworen, alle Bündnisse zu sprengen und sicher die Freundschaft zu Italien gefährdet.2419

Painlevé habe erklärt, der ­Kaiser wäre „vielleicht (…) in gutem Glauben“ gewesen; sicher sei aber, „daß Oesterreich nicht in der Lage gewesen wäre, die von ihm gewünschten Verhandlungen zu einem ersprießlichen Ende zu führen“. Wiesner meinte, die Meldung des Matin könnte gebracht werden, allerdings „mit Ausschluß des passus über die Erklärungen Painlevés“.2420 Burián ließ umgehend antworten, er sei mit einem solchen Vorgehen einverstanden.2421

7.5

Das Treffen in Spa – neuer Bündnisvertrag, Wirtschaftsabkommen und das polnische Problem

Wie bereits erwähnt, zeigte sich ­Kaiser Wilhelm am 19. April 1918 mit Generalleutnant Cramons Vorschlag einverstanden, dass ­Kaiser Karl sich persönlich entschuldigen und verbindlich zusagen müsse, das Bündnis zu vertreten sowie die Bereitschaft zum Abschluss einer Militärkonvention erklären müsse.2422 Die Einladung zu einem entsprechenden Besuch erhielt K ­ aiser Karl am 23. April.2423 Am selben Tag empfing der Monarch Cramon in Audienz und erklärte ­diesem, wie ebenfalls bereits erwähnt, dass zur Beseitigung aller Missverständnisse und zur Wiederherstellung des Vertrauens ein baldiger Besuch bei ­Kaiser Wilhelm notwendig sei. Zur geplanten Reise telegrafierte Demblin am 30. April an Burián: Um bei ­Kaiser Wilhelm keinesfalls den Eindruck aufkommen zu lassen als verzögere S. M. (…) den Besuch (…), würde S. M. wünschen, dass (…) Kühlmann seinem kaiserlichen Herrn über die Absicht S. M., möglichst bald an die Westfront zu fahren, die Unmöglichkeit jedoch, diese (…) schon in den nächsten Tagen auszuführen, Meldung erstatte (…).2424

2419 Wiesner an Burián, Tel. 592, 2. Mai 1918, HHStA PA I, 1088 o. Fz. 2420 Ebd. 2421 Colloredo an Wiesner, Tel. o. Z., 3. Mai 1918, HHStA PA I, 1089 Nach Wien o. Fz. 2422 Cramon Erinnerungen, KA NL Cramon B/1246 4. Fs. fol. 63 – 64. 2423 Demblin an Burián, Tel. 134, 23. Apr. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 3 – 3v, idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2424 Demblin an Burián, Tel. 112, 30. Apr. 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz., idem: HHStA PA XL, 263 o. Fz.

Das Treffen in Spa

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Am 2. Mai teilte Demblin dem Minister mit: „S. M. hofft, dass der Verlauf der Bukarester Verhandlungen ihm gestatten wird, nicht s­ päter als am 10. d. M. nach Spa zu reisen. (…) Besuch an der Front selbst müsste wegen Zeitmangel unterbleiben.“ 2425 Kühlmann, der sich wie Burián nach Bukarest begeben hatte, suchte Hertling für eine von ihm als angemessen erachtete Vorgangsweise bei dem Treffen der beiden K ­ aiser zu gewinnen. Dazu depeschierte er an den Kanzler: Ich habe gemäss mündlicher Weisung (…) des Kaisers seit meinem Aufenthalt in Spa die Gestaltung des deutsch-österreichischen Verhältnisses noch mehr als sonst in den Vordergrund meiner politischen Erwägungen gestellt. (…) Um die durch die Briefaffaire entstandenen Zweifel an der Stetigkeit der (…) österreichischen Politik (…) auszurotten erscheint es nötig, dass Österreich sofort durch einen langfristigen politischen Vertrag und militärische Abmachungen sein weiteres Schicksal (…) an das des Deutschen Reiches kette. – Baron Burián ist mit beidem einverstanden und hält mit mir die bevorstehende Monarchen-Zusammenkunft (…) für den geeigneten Augenblick zur (…) Festlegung in diesen beiden Hinsichten. (…) – Was die wirtschaftlichen Fragen betrifft, so steht Baron Burián auf dem Standpunkt (…), dass die (…) Beziehungen so eng als irgend möglich gestaltet werden sollen (…). Das polnische Problem ist mit den wirtschaftlichen Fragen in fast unlöslicher Weise verknüpft. (…) – Ob es schon möglich sein wird (…) bis zur ­Kaiser-Zusammenkunft (…) einen formulierten Bündnisentwurf fertigzustellen, scheint mir zweifelhaft. Die Grundzüge des neu abzuschliessenden Bündnisses könnten auf alle Fälle schon von den beiden Monarchen genehmigt werden. (…) – Psychologisch halten es alle Beteiligten für sehr erwünscht, dass (…) unser Allergnädigster Herr den K ­ aiser Karl die Schwere seiner Verfehlung nicht zu sehr fühlen lasse, dass dieser andererseits aber (…) nicht das Gefühl habe, nun sei alles vergeben und vergessen, sondern dauernd unter dem Eindruck bleibe, dass er Deutschland und (…) dem K ­ aiser gegenüber etwas gut zu machen habe. Ich werde auch Baron Burián gegenüber diese Note immer wieder durchklingen lassen.2426

Nach dem Abschluss des Friedensvertrages mit Rumänien wurde für den über Wien nach Berlin zurückkehrenden Staatssekretär für den 10. Mai eine Audienz bei K ­ aiser Karl vereinbart.2427 Kühlmann fasste am 9. Mai das ihm für das Monarchentreffen wichtig Erscheinende in einer Depesche an Hertling zusammen: Die beiden ­Kaiser vereinbaren, sie werden ihre leitenden Staatsmänner anweisen, unverhofft zu beraten und tunlichst bald abzuschliessen: ein enges politisches Bündnis auf 20 Jahre, einen 2425 Demblin an Burián, Tel. 114, glltd. Demblin an M. d. Ä., Tel. 143, 2. Mai 1918, ebd. 2426 Kühlmann an A. A. für Hertling, Tel. 399, 3. Mai 1918, SG 4 1978, 136 – 138 Dok. 100. 2427 Demblin an Burián, Tel. 119, 7. Mai 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz.

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Die Sixtus-Affäre

Heeresbund und einen wirtschaftlichen Bund, der alle den freien Handel (…) hemmende Schranken (…) beseitigen soll (…). – Über die Grundzüge des politischen Vertrags ist unverbindlich mit Burián gesprochen, ich darf darüber mündlich vortragen.2428

Folgt man den Aufzeichnungen Cramons, so bat ihn Burián in diesen Tagen, „privatim dafür zu sorgen, daß der ­Kaiser in Spa nicht vor den Kopf gestoßen würde, denn dann (…) sei es doch besser der Besuch unterbliebe ganz“. Cramon habe sich also entschlossen, „nach Potsdam (…) zu fahren, wo der K ­ aiser Wilhelm (…) sich aufhielt“, und diesen dort „noch immer in übelster Stimmung“ vorgefunden. Mit ihm sei er dann nach Spa gefahren, wobei er die Möglichkeit gehabt habe, „wieder einen zweistündigen Vortrag halten zu dürfen“.2429 Kaiser Karl reiste am Abend des 10. Mai in Begleitung von Burián, Arz und Hunyádi ins Große Hauptquartier ab. Über seine Ankunft in Spa notierte Cramon: Der Empfang wird mir unvergesslich sein. Es waren nur der ­Kaiser, Plessen, der diensttuende Flügeladjutant und ich auf dem Bahnhof. ­Kaiser Karl war kreidebleich als er ausstieg, dennoch erfolgte der übliche Monarchenkuß. (…) die beiden Monarchen sprachen sich dann gründlich aus und ich weiß daß unser K ­ aiser diesmal wenn auch in freundlicher Weise aber doch allen Ernstes alles gesagt hat, was er auf der Seele hatte (…).2430

Kaiser Karl schrieb 1920 über das Treffen: Gleich nach der Affaire Clemenceau fuhr ich nach Spa, da die Deutschen damals in Anbetracht der Seitensprünge Österreichs eine engere militärische und wirtschaftliche Bindung verlangten. Damals ist es uns gelungen, die überschlauen Preußen furchtbar hinein zu legen. Wir verfaßten (…) einen großen Staatsakt, worin die enge militärische und wirtschaftliche Bindung versprochen wurde, unter der einen Bedingung freilich, daß die Verhandlungen über Polen einen die beiden Vertragsteile befriedigenden Abschluß finden würden. Letzteres war natürlich unmöglich. Das hat der alte Burián doch vorzüglich gemacht! – Der Empfang in Spa war ziemlich kühl; der ­Kaiser wollte mir (…) eine Moralpauke halten, die ihm nicht glückte. Er fing über den Einfluß der Damen an zu reden, gemeint natürlich (die) Kaiserin, Erzherzogin Marie Therese, Herzogin (Maria Antonia) von Parma; ich erwiderte ihm, er hätte (…) ganz recht, und ich hätte mich seit meinem Regierungsantritt sehr bemüht, die einzige politisierende Dame der Verwandtschaft auszuschalten, jedoch sei ich bis zum heutigen Tag der Erzherzogin

2428 Kühlmann an A. A. für Hertling, Tel. 87, 9. Mai 1918, SG 4 1978, 149 Dok. 111. 2429 Cramon Erinnerungen, KA NL Cramon B/1246 4. Fs. fol. 66 – 66v. 2430 Ebd. fol. 66v.

Das Treffen in Spa

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Isabella noch nicht Herr geworden – tableaux!2431 Dann sagte er, was für einen Eindruck würde es auf seine Soldaten machen, wenn sie erfahren, daß die Schwäger des Kaisers von Österreich (…) auf der gegnerischen Seite kämpften; ich sollte trachten, die Prinzen ins neutrale Ausland zu bringen. Ich erwiderte ihm, sie wären keine Prinzen meines Hauses, ich hätte daher auf ihre Handlungen keine Ingerenz (…). – Es fand eine Besprechung mit dem (…) ­Kaiser, den Ministern und den Generälen Hindenburg, Ludendorff und Arz statt, bei der ich nochmals die leidige Clemenceau-Affaire in der offiziellen Darstellung streifte. Ich leugnete auch hier (…) das Bestehen des zweiten Briefes, den ich, auch wegen seiner geringeren Bedeutung, in dem Trubel dieser aufgeregten Zeit vollständig vergessen hatte.2432

Auf der Fahrt nach Spa hatte K ­ aiser Karl nämlich die Nachricht erreicht, in der britischen Presse sei von einem zweiten Brief an Sixtus die Rede. Sektionschef Flotow telegrafierte darüber an Burián: Pariser Korrespondent von Manchester Guardian meldet, zweiter Brief ­Kaiser Karls ist anscheinend wichtiger als erster. K ­ aiser erklärte sich im zweiten Brief überzeugt, dass er Deutschland bewegen könne, Frieden zu schliessen unter der Bedingung, dass Alliierte ihre territorialen Forderungen beschränken auf Elsass-Lothringen. Besetztes Gebiet sollte (…) geräumt und (…) Souveränität Belgiens wieder hergestellt werden. (…) K ­ aiser ersuchte, privaten C ­ harakter Briefes durchaus zu achten. Französische Regierung habe (…) auf Ehrenwort erklärt, ihn nicht verraten zu wollen.2433

Burián wies Flotow umgehend an: Die (…) Meldung ist nach deren Erscheinen in Deutschland auch bei uns freizugeben, doch ist (…) an dieselbe nachstehende Bemerkung zu knüpfen: – ‚Der im vorstehenden wiedergegebene angebliche Brief (…) existiert nicht und muss als ein neuerliches Machwerk der Entente bezeichnet werden.’ – Weiters ersuche ich (…) die Presse dahin zu instruieren, dass sie sich jedweder Erörterung der (…) Meldung zu enthalten hat.2434

Zwei Tage ­später erschien in einer Reihe österreichisch-ungarischer und deutscher Zeitungen eine Meldung gleichen Inhalts über den „zweiten Brief “. Die Blätter schrieben aber auch, Poincaré habe vorgeschlagen, 2431 Erzherzogin Isabella, Gattin von Feldmarschall Erzherzog Friedrich, war eine geborene Prinzessin Crey und die Schwiegermutter des Botschafters in Berlin, Prinz Gottfried Hohenlohe-Schillingsfürst. 2432 Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 618 – 619 Dok. 213. 2433 Flotow an Burián, Tel. 1, 11. Mai 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 88 – 89. 2434 Burián an Flotow, Tel. 1, 12. Mai 1918, ebd. fol. 85 – 87.

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Die Sixtus-Affäre

(…) daß die Monarchie im Tausch gegen Schlesien Triest und Trentino an Italien abtrete. Aber ­ aiser Karl antwortete, daß (…) die Monarchie Trentino besetzt halte, daß aber Frankreich K Schlesien nicht besetzt habe. Ribot antwortete auf die ihm durch den Ausschuß für Auswärtiges vorgelegten Fragen, daß man zu wählen hatte z­ wischen der Ablehnung des Vorschlages der Monarchie und dem Bruche mit Italien. Ribot gestand, daß Lloyd George erst nach langem Zögern der von Sonnino gewünschten ablehnenden Antwort beistimmte. Lloyd George hat also angeblich mehrmals die Wichtigkeit der österreichischen Vorschläge hervorgehoben und den Wunsch befürwortet, eine so schöne Gelegenheit, um Frieden zu schließen, nicht passieren zu lassen. Poincaré (…) jedoch (…) behauptete, daß der Krieg nur mittelst völligen militärischen Sieges der Entente beendigt werden könne. (…) – Wie das k. k. Telegraphen-Korrespondenz­ bureau von zuständiger Stelle erfährt, existiert der im vorstehenden Artikel wiedergegebene Brief des Kaisers nicht und muß als ein neuerliches Machwerk der Entente bezeichnet werden.“ 2435

Die Meldung des Manchester Guardian bestand also aus zwei Teilen: der Fantasie oder Gerüchten entsprossenen Angaben über den Inhalt eines „zweiten Briefes“ und einem, wenn auch nur rudimentären, Bericht über die Verhandlungen der Kommissionen der französischen Deputiertenkammer und des Senats, w ­ elche die Vorgänge, die zur Aktion des Prinzen Sixtus und zu den Kaiserbriefen geführt hatten, untersuchen sollten. Dass er einen derartigen „zweiten Brief “ geschrieben habe, leugnete ­Kaiser Karl also zu Recht. Seine Erklärung hingegen, überhaupt keinen zweiten Brief an Sixtus geschrieben zu haben, entsprach ebensowenig der Wahrheit wie dies für seine spätere Behauptung, er hätte auf diesen Brief „in dem Trubel dieser aufgeregten Zeit vollständig vergessen“, zutreffen konnte. Spa hatte die Nachricht von einem zweiten Brief K ­ aiser Karls schon am 11. Mai erreicht, worüber Admiral Müller seinem Tagebuch anvertraute: Beim Mittagessen erfahre ich, daß in einer englischen Zeitung ein neuer ­Kaiser-Karl-Brief an den Prinzen von Parma veröffentlicht ist, in welchem Abtretungen an Italien seitens Österreich, eines großen Teils von Elsaß-Lothringen an Frankreich und Teilen von Schlesien an Österreich erörtert werden. Natürlich muß die Echtheit des Briefes abgeleugnet werden. – Aber wie unangenehm, da morgen der ­Kaiser von Österreich hierherkommt.2436

Über dessen Empfang in Spa notierte Müller: „9 Uhr früh Ankunft des Kaisers (…). Er kam gleich auf dem Bahnhof auf General v. Plessen zu und redete ihn auf den neuen angeblichen Parma-Brief an, der natürlich ‚erlogen‘ sei.“ 2437 2435 F-B M (14. Mai 1918), 5, ähnlich: NFP M (14. Mai 1918), 1, PT M (14. Mai 1918), 1, PL M (14. Mai 1918), 4 – 5, VZ M (14. Mai 1918), 1. 2436 Müller TB-Eintr. 11. Mai 1918, Görlitz 1959, 373 – 375. 2437 Ebd.

Das Treffen in Spa

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Botschafter Wedel erinnerte sich 1920 so an das Kaisertreffen: Kaiser Wilhelm, obgleich innerlich tief verletzt, empfing den Bundesgenossen mit gewohnter Herzlichkeit. Er ließ sich nichts anmerken und machte dem Sünder die Beichte leicht. Diese fand in der Villa des Kaisers zunächst nur z­ wischen den Monarchen unter vier Augen statt. Dann wurden Graf Burián und Botschafter Prinz Hohenlohe, Graf Hertling, Herr von ­Kühlmann und meine Wenigkeit hereingerufen. K ­ aiser Karl gab vor uns in einer offenbar vorbedachten Rede eine gewundene Erklärung ab, die etwa mit der Versicherung endete, daß er es nicht wieder tun wolle. Sichtlich verlegen und bedrückt war K ­ aiser Karl in Spa angekommen, sichtlich erleichtert und von einem Alb befreit reiste er wieder ab, wie ein Sohn, dem der Vater die Schulden bezahlt hat.2438

Später, 1932, drückte sich Wedel ähnlich aus: Ich wohnte (…) dem Besuch bei, den ­Kaiser Karl in Spa machte. Er traf schweren Herzens dort ein. Aber K ­ aiser Wilhelm empfing ihn freundlich und verschonte ihn mit Vorwürfen. Er wollte ihn zurückgewinnen, wollte den Riß nicht vergrößern, sondern heilen, wollte das Vertrauen wieder herstellen und den Bund erneuern. Das ist ihm damals völlig gelungen. Vor der Abreise sprach mir ­Kaiser Karl seine hohe Befriedigung über den Empfang aus, sagte mir, ­Kaiser Wilhelm habe ihn freundschaftlich aufgenommen und ihm ihn ritterlicher Weise über die peinliche Situation hinweggeholfen, das werde er nicht vergessen.2439

Große Erleichterung lässt auch das Telegramm ­Kaiser Karls erkennen, das er auf der Rückfahrt von Spa an K ­ aiser Wilhelm richtete: In dem Augenblicke, da ich auf der Heimkehr den gesegneten Boden des Deutschen Reiches verlasse, ist es mir ein wahres Herzensbedürfnis, Dir mit nochmaligem wärmsten Gruß den herzlichsten Dank für die nicht nur so gütige, sondern auch wahrhaft freundschaftliche Aufnahme auszusprechen, die ich gestern bei Dir gefunden habe. Hochbefriedigt über unsere einverständliche Aussprache rufe ich Dir von Herzen und in treuer Freundschaft: Auf baldiges Wiedersehen! zu.2440

Rittmeister Karl Hertling, der Sohn des Kanzlers, der seinem fast erblindeten Vater in Spa, wie auch sonst, zur Seite stand, äußerte über seine dort gewonnenen Eindrücke:

2438 Wedel 181 1920, 294, idem: NFP M (4. Sept. 1920), 2 – 3. 2439 Wedel NFP M (7. Aug. 1932), 2. 2440 Kaiser Karl an Wilhelm II. 14. Mai 1918, F-B M (15. Mai 1918), 1, VZ A (15. Mai 1918), 1.

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Die Sixtus-Affäre

Der junge Monarch traf im Laufe des Vormittags mit zahlreichem Gefolge ein. (…) Ich bedaure sagen zu müssen, daß er mir keinen sehr günstigen Eindruck gemacht hat. (…) Die Gründe des Kaiserbesuchs waren dem österreichischen Gefolge wohl ebenso bekannt wie uns. Hätte ich der Begleitung des Herrschers der Donaumonarchie angehört, so wäre mir nicht recht festlich zumute gewesen. Den österreichischen Herren hat man derlei Gefühle (…) nicht ansehen können, sie trugen dieselbe freundliche Heiterkeit zur Schau, wie man sie etwa auf dem Hofball in der Stadt der ‚schönen blauen Donau‘ beobachtet hätte.2441

Das Ergebnis des Treffens war die Übereinkunft der Monarchen, (…) ihre Regierungen anzuweisen, mit aller Beschleunigung Vereinbarungen auszuarbeiten und abzuschließen, durch die nachstehende Ziele der Verwirklichung zugeführt werden. (…): – I. Herbeiführung eines langfristigen engen (…) politischen Bündnisses. – II. Bildung eines Waffenbundes. – III. Abschluß eines Zoll- und Wirtschaftsbündnisses (…) mit dem Endziel, einen vollständig zollfreien Verkehr ­zwischen den vertragschließenden Mächten anzubahnen.2442

Die Übereinkunft schloss mit den Worten: „Die hohen Kontrahenten sind sich d ­ arüber einig, daß eine endgültige Lösung der zu I – III bezeichneten Fragen eine Verständigung über die polnische Frage zur Voraussetzung hat.“ 2443 Darüber hinaus unterzeichneten Hindenburg und Arz eine „Grundlagen für den Waffenbund“ betitelte Absichtserklärung.2444 Burián hielt in seinen Erinnerungen fest, in Spa sei „vor allem das wiederhergestellte herzlichste Einvernehmen z­ wischen den beiden Monarchen konstatiert“ worden. Es herrschte (…) volle Übereinstimmung über das beiderseitige Bedürfnis, das Bündnisverhältnis im Sinne der seit seinem Bestande und insbesondere in der Erprobung durch den Krieg gemachten Wahrnehmungen auszubauen, ihm eine sich automatisch fortsetzende Verlängerung zu geben und seinen rein defensiven Charakter prägnant hervortreten zu lassen.2445

Bei den getroffenen Vereinbarungen habe es sich um ein „pactum de contrahendo“ gehandelt, also einen Vorvertrag mit der Verpflichtung der Beteiligten, einen Vertrag 2441 Hertling Karl 1919, 105 – 106. 2442 Monarchenvereinbarung 12. Mai 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (23) fol. 19 – 19v, Druck: Kovács 2 2004, 348 – 350 Dok. 93. 2443 Ebd. 2444 Dt. Vorschlag Grundlagen für den Waffenbund 12. Mai 1918, ebd. fol. 17 bzw. Dok. 93 Anm. 1. 2445 Burián 1923, 242 – 243.

Das Treffen in Spa

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über die genannten Gegenstände abzuschließen.2446 Ludendorff schrieb darüber: „Der Generalfeldmarschall und ich waren über die Unklarheit der (…) über Polen getroffenen Vereinbarungen wenig erbaut. Wir meinten, unter dem Eindruck der Veröffentlichung der Kaiserbriefe wären klare Festsetzungen zu erreichen gewesen.“ 2447 Um einer Realisierung der Vereinbarungen näherzukommen, wurde am 11. und 12. Juni 1918 in Berlin eine Konferenz abgehalten, an der unter Hertlings Vorsitz Burián, Hohenlohe und Legationsrat Colloredo sowie Kühlmann und Vertreter des Auswärtigen Amtes teilnahmen. Für den zu erneuernden Bündnisvertrag legte Burián einen Entwurf vor, in dessen Präambel es hieß, das Bündnis werde „fortab unter Ausschluss jedweder Angriffs- oder Eroberungsabsicht (…) lediglich der gegenseitigen Verteidigung gegen dritte Mächte zu dienen haben“. In Artikel 1 war festgehalten: Die Hohen Vertragschließenden werden bei allen auftauchenden politischen oder wirtschaftlichen Fragen allgemeiner Natur in einen Gedankenaustausch eintreten und einander Unterstützung in den Grenzen ihrer eigenen Interessen gewähren.2448

Artikel 2 sah vor: Sollte wider Verhoffen (…) eine der beiden Mächte ohne direkte Herausforderung von ihrer Seite von zwei oder mehreren anderen Mächten (…) angegriffen oder durch eine (…) Mobilmachung bedroht werden, so sind die (…) Vertragschließenden verpflichtet, einander mit ihrer gesamten Kriegsmacht beizustehen und (…) Waffenstillstand und Frieden nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen.2449

Weitere Punkte waren: Artikel 3. – Sollte einer der Hohen Vertragschließenden in anderen als in den in Artikel 2 vorgesehenen Fällen in einen bewaffneten Konflikt geraten, so ist der andere (…) mindestens zu wohlwollender Neutralität verpflichtet. – Artikel 4. – Gleichzeitig mit d ­ iesem Vertrag werden die Hohen Vertragschließenden einen besonderen Waffenbund abschließen. – Artikel 5. – Die Bestimmungen, die bisher das Bündnis (…) regelten, werden durch die Bestimmungen ­dieses Vertrages ersetzt (…). – Artikel 6. – Dieser Vertrag soll, um jede Mißdeutung seines

2446 Ebd. 2447 Ludendorff 1920, 394. 2448 Entw. Bündnisvertrag (…), HHStA PA I, 505 XLVII/3 (23) fol. 101 – 103, idem: HHStA PA I, 536 Ausbau fol. 74 – 92, fast gleichlautend: Projekt eines Bündnisvertrages (…) o. D., übergeben von Burián anlässlich der Konf. vom 11. u. 12. Juni 1918 in Berlin, SG 4 1978, 195 – 196 Dok. 128. 2449 Ebd.

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Die Sixtus-Affäre

friedlichen Charakters auszuschließen, bis auf weiteres geheim gehalten (…) werden. – Artikel 7. – Der Bündnisvertrag bleibt bis zum 1. Januar 1940 unverändert in Kraft. (…) – Artikel 8. – Dieser Vertrag soll ratifiziert und die Ratifizierungsurkunden sollen sobald wie möglich (…) ausgetauscht werden.2450

Über die in Spa vereinbarte „Bildung eines Waffenbundes“ war, ebenso wie über den „Abschluß eines Zoll- und Wirtschaftsbündnisses“, in Buriáns Entwurf nichts e­ nthalten. Seitens der deutschen Konferenzteilnehmer gab es, einem Bericht Kühlmanns an ­Grünau zufolge, dennoch kaum Einwände. In dem Bericht hieß es nämlich: Die Diskussion (…) führte zu einer prinzipiellen Einigung (…), dass wir bereits an die Textierung eines Vorentwurfes herangehen können, der nach Überprüfung in der morgigen Vormittagssitzung und eventuellen Genehmigung (…) alsbald S. M. unterbreitet werden kann.2451

Die von Burián initiierte Aussprache über die polnische Frage, wobei der Minister „mit Nachdruck und Verve für (…) – und wie er betonen müsse mit Genehmigung S. M. ­Kaiser Karls und mit Zustimmung der beiden Ministerpräsidenten (…) – eine Angliederung des territorial unbeschnittenen Kongresspolens an Österreich-Ungarn in Form der Personalunion als selbständigem Staat, jedoch mit gewissen Gemeinschaftlichkeiten (…) in der auswärtigen Politik und militärischen Angelegenheiten“ eintrat, bezeichnete Kühlmann hingegen als „mühsam und zum Teil unerquicklich“. Hertling und er hätten Burián nicht ihr „Befremden über (…) sein Eintreten für diese Lösung des polnischen Problems verhehlt, die wir nach den Besprechungen in Homburg und Spa und insbesondere nach der z­ wischen beiden Monarchen getroffenen Abmachung als abgetan hätten ansehen müssen“.2452 Der von Kühlmann erwähnte „Vorentwurf “ für den neuen Bündnisvertrag wurde umgehend auf der Basis des Buriánschen Entwurfes ausgearbeitet, sodass er bereits bei der Sitzung am 12. Juni vorgelegt werden konnte.2453 Im Protokoll dieser Sitzung heißt es eingangs: „Graf Burián nimmt den deutschen auf Grund der gestrigen Besprechung abgefassten Entwurf zum Bündnisvertrag entgegen und erklärt, denselben in Wien noch einer genaueren Prüfung unterziehen zu müssen.“ 2454 Für das Auswärtige Amt 2450 Ebd. 2451 Kühlmann an Grünau, Tel. 571, 11. Juni 1918, SG 4 1978, 193 – 195 Dok. 127. 2452 Kühlmann an Grünau, Tel. 571, 11. Juni 1918, SG 4 1978, 193 – 195 Dok. 127. 2453 Projekt eines Bündnisvertrages (…) Burián übergeben auf der Konf. vom 11. u. 12. Juni 1918 in Berlin, ebd. pp 196 – 197 Dok. 129. 2454 Aufz. über die am 11. u. 12. Juni 1918 z­ wischen Burián einerseits, Hertling u. Kühlmann andererseits stattgehabten Bespr., HHStA PA I, 505 XLVII/3 (23) fol. 139 u. 146 – 153v, idem: Prot. über die Bespr. vom 12. Juni 1918, SG 4 1978, 198 – 203 Dok. 130.

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habe Ministerialdirektor Dr. Paul von Koerner erklärt, dass „Deutschland einen baldmöglichen Abschluss eines Zollvereins“ wünsche und „die Aufrechterhaltung von Zwischenzöllen auf das Allernotwendigste beschränkt sehen“ wolle: „Die wirtschaft­liche Machtstellung beider Teile wird nach der Einigung viel grösser sein; Schädigungen einzelner Industrie­zweige müssen zunächst in Kauf genommen werden und dürften sich im Laufe der Zeit ausgleichen.“ 2455 Burián habe dazu geäußert, Verhandlungen über ein Wirtschaftsabkommen sollten „möglichst bald“ beginnen. Weiterer Erörterungen bedürfe die polnische Frage, Schwierigkeiten zeigten sich dabei in folgenden Punkten: 1. Grenzforderungen: Sie spielen sowohl im Norden und Westen als auch Südwesten eine Rolle. Deutschland schien geneigt, von seinen ursprünglichen Forderungen etwas abzulassen. (…) – 2. Handelspolitik: Die Hauptschwierigkeit bildet der deutsche Anspruch auf freien Verkehr durch Polen im Falle der austro-polnischen Lösung. (…) Es ist aber nicht denkbar, z­ wischen Galizien und der Monarchie ebensowenig wie z­ wischen Galizien und Polen eine Zollschranke bestehen zu lassen. Ein Ausweg würde sich wohl nur finden lassen auf dem Wege der allgemeinen Zollfreiheit (…). 3. Staatsschulden: Die Übernahme eines Teiles der Kriegsschuld durch die (…) befreiten Ostgebiete erscheint gerechtfertigt (…). – 4. Eisenbahnen: Deutschland macht Anspruch auf eine Entschädigung wegen seiner Aufwendungen für die polnischen Bahnen, das ist gerechtfertigt. Die polnischen Bahnen müssen alles Erdenkliche wegen des Transits zusichern. (…) – 5. Staatsdomänen: Es erscheint unbillig, die polnischen Krondomänen dem Lande wegzunehmen.2456

Weiter heißt es im Protokoll, Kühlmann habe im Hinblick auf die politischen Aspekte erklärt, „dass beide Teile (…) verschiedener Auffassung sind: Österreich-Ungarn hält fest an einer (…) Personalunion z­ wischen Polen und Österreich; Deutschland hält diese Lösung nicht für annehmbar, da Seine Majestät sich für die Kandidatenlösung entschieden hat, (…) bei welcher die Person des Herrschers (…) nicht identisch sein darf mit der Person eines der Herrscher der Nachbarreiche.“ 2457 Auf Hertlings Mitteilung, die Oberste Heeresleitung wünsche eine Militärkonvention ­zwischen Deutschland und Polen, habe Burián erklärt, diese könne „bei einer Lösung der Frage im österreichischen Sinne nicht in Betracht kommen“. Eine Zollunion erscheine Burián „nicht sofort durchführbar“, in Deutschland und auch in Österreich wünschten „viele Kreise eine Übergangszeit“; nach außen hin „könnte das Verhältnis (…) als Zollbündnis frisiert werden“, ein solches sei jedoch „von einer Österreich befriedigenden Lösung der polnischen Frage abhängig“.2458 2455 Ebd. 2456 Ebd. 2457 Ebd. 2458 Ebd.

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Die Sixtus-Affäre

An ­Kaiser Karl berichtete Burián am 13. Juni über die Berliner Konferenz: Die (…) Besprechungen (…) waren eine schwere Arbeit, die (…) vorerst erreicht hat, daß unser Standpunkt in der polnischen Frage klar (…) begründet und die Unannehmbarkeit und Gefährlichkeit der deutschen (…) Wünsche nachgewiesen werden konnte. – Die Formulierung des Textes eines neuen Bündnisvertrages, mit welcher begonnen wurde, sowie die Fassung der prinzipiellen Erklärung betreffend die Errichtung eines Zoll- und Handelsbündnisses boten keine Schwierigkeiten. – Hingegen kamen bei Erörterung der polnischen Frage starke Gegensätze zum Ausdruck. – Ich entwickelte die Notwendigkeit für die (…) Monarchie das Schicksal Polens derart entschieden zu sehen, daß daraus für uns (…) kein materieller und kein Prestige-Verlust, keine ständige Gefahr und Beunruhigung erwachse. Die von Deutschland (…) empfohlene (…) Schaffung eines aus dem stark beschnittenen Kongreßpolen bestehenden Pufferstaates mit einem von den Polen unter zwei ihnen vorgeschlagenen Kandidaten zu wählenden König entspreche obigen Voraussetzungen nicht. (…) – Alle berechtigten deutschen Interessen können gewährleistet werden bei Bestand eines unabhängigen polnischen Staates, der unter Anschluß Galiziens mit der (…) Monarchie in Personalunion vereinigt, in unser politisches, wirtschaftliches und militärisches Bündnis fest eingefügt wäre. – Das vollkommene Einvernehmen mit Deutschland, aber auch die Zustimmung der polnischen Nation vorausgesetzt, erblicken wir in einer solchen Gestaltung die einzige befriedigende Lösung des polnischen Problems.2459

Hindenburg dagegen ließ am 25. Juni an Hertling telegrafieren: Ich kann es nur dankbarst begrüssen, dass Euere Exzellenz den befremdenden Absichten, die Graf Burián betr. der Lösung der polnischen Frage ausgesprochen hat, so entschieden entgegengetreten sind, und die austro-polnische Lösung abgelehnt haben. Die Zusammenkunft der ­Kaiser in Spa wäre ganz zwecklos gewesen und ein voller Triumph Österreichs (…).2460

In Spa waren zum Zweck der Ausarbeitung eines Abkommens zur Herstellung enger wirtschaftlicher Beziehungen Besprechungen in Salzburg vereinbart worden. Für diese wurden deutscherseits folgende Richtlinien festgelegt: „Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes (…), Vereinheitlichung der wirtschaftlichen Gesetzgebung (…) sowie die einheitliche Gestaltung des Verkehrswesens (…), Beseitigung aller Zwischenzölle (…), Übereinstimmung der Aussenzölle“, schließlich: „Die Regelung unserer ­wirtschaftlichen

2459 Burián an Ks. Karl, Tel. 93, 13. Juni 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (23) fol. 30 – 31v, idem: HHStA PA XL, Pol. Tel. 177 o. Fz. 2460 Berckheim (Hindenburg) an A. A. (Hertling), Tel. 1525, 25. Juni 1918, SG 4 1978, 220 – 221 Dok. 141

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Beziehungen (…) kann nicht völlig losgelöst werden von der künftigen Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen ­zwischen den beiden Staaten und Polen.“ 2461 Botschafter Wedel wurde, wie er nach Berlin berichtete, am 3. Juli von Burián informiert, dass der Beginn der Besprechungen (…) auf den 8. Juli angesetzt werden kann. Im Sinne des Spa’er Abkommens wird das Programm darin bestehen, dass unter der Voraussetzung der befriedigenden Lösung der Polenfrage ein enges wirtschaftliches Verhältnis (…) angestrebt werde, wobei (…) Zwischen-Zölle insoweit aufrecht erhalten werden sollen als die wirtschaftlichen Verhältnisse diese unbedingt erfordern, mit der Absicht stufenweise einen (…) zollfreien Verkehr (…) anzubahnen.2462

Am 8. Juli meldete Wedel an Hertling, Burián habe der Hoffnung Ausdruck verliehen, den Kanzler (…) bald in Wien begrüssen zu können, um die polnische Frage definitiv zu entscheiden (…). Er habe seine Argumente, die für die austro-polnische Lösung sprächen, in Berlin eingehend vorgetragen, als Antwort habe er eine negative Willensmeinung gehört. (…) Ich habe dem Minister erwidert, (…) unser Hauptargument gegen die von ihm angestrebte Lösung liege auf dem Gebiete des Vertrauens (…); denn die Polen – und am allermeisten die österreichischen Polen – hätten jeden Rest des Vertrauens bei uns zerstört. Wir (…) fürchteten, dass Wien nicht die Kraft habe, die Polen im Zaume zu halten, könnten daher eine Verstärkung d ­ ieses uns feindlichen Elements nicht zulassen. Graf Burián suchte diese Einwände (…) zu widerlegen, die Polen würden, zufriedengestellt, treue Bundesgenossen auch für uns sein (…). – Ich würde (…) einen baldigen Besuch des Herrn Reichskanzlers für erwünscht halten und (…) empfehlen, dem Grafen Burián bei dieser Gelegenheit sehr bestimmt zu erklären, dass wir auf unserem Standpunkt verharren und eine Einigung (…) nicht möglich sei, wenn er nicht diese Lösung fallen lasse und bereit sei, eine andere mit uns zu suchen. (…) Wenn (…) eine rasche Lösung (…) gefunden werden soll, sehe ich keine andere Hoffnung als eine Entscheidung der diesseitigen Höchsten Stelle.2463

Burián sandte am 15. Juli 1918 einen Erlass an Hohenlohe, in dem es hieß: Anläßlich des (…) am 12. Mai l. J. in Spaa abgestatteten Besuches kam (…) eine von beiden Monar­ chen unterzeichnete Abmachung zustande, w ­ elche (…) den Ausbau des B ­ ündnisverhältnisses 2461 Note Grundlagen für die wirtschaftlichen Verhandlungen mit Ö.-U. (29. Juni 1918), ebd. pp 228 – 231 Dok. 147. 2462 Wedel an A. A., Tel. 438, 3. Juli 1918, ebd. p 237 Dok. 153. 2463 Wedel an Hertling, Dep. 197, 8. Juli 1918, ebd. pp 242 – 243 Dok. 159.

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Die Sixtus-Affäre

(…) unter der Voraussetzung einer Verständigung über die polnische Frage feststellte. Diese Abmachung enthielt auch die Anweisung an die (…) Regierungen, die diesfälligen ‚Vereinbarungen mit aller Beschleunigung auszuarbeiten und abzuschließen‘. – Im Sinne ­dieses (…) Auftrages habe ich die Vorarbeiten ungesäumt begonnen und lag es in meiner Absicht, anläßlich meines Antrittsbesuches bei dem (…) Reichskanzler die konkreten Unterhandlungen (…) aufzunehmen. – Es dürfte Euer Durchlaucht erinnerlich sein, daß man deutscherseits auf die Mitteilung dieser meiner Absicht geltend machte, die internen Besprechungen (…), speziell mit der Obersten Heeresleitung, hätten noch nicht stattfinden können, es müßten daher eingehendere Diskussionen (…) vorläufig zurückgestellt werden, zu einer allgemeinen politischen Aussprache (…) werde aber Gelegenheit geboten sein. – In der Tat hat (…) am 11. und 12. Juni l. J. eine derartige allgemeine Aussprache (…) stattgefunden, wobei (…) die von beiden Seiten vorbereiteten Entwürfe eines neuen Bündnisvertrages zur Erörterung gelangten. Auch diese Unterredung schloß deutscherseits mit der Zusage, nach Herstellung des Einvernehmens mit der Obersten Heeresleitung (…) zu den von mir entwickelten Gesichtspunkten Stellung zu nehmen. – Seither habe ich (…) einen modifizierten Entwurf (…), in welchem auf die deutschen Vorschläge weitgehende Rücksicht genommen war, mit dem Auftrag übermittelt, denselben der deutschen Regierung (…) mitzuteilen und um (…) Rückäußerung zu ersuchen. Eine ­solche ist mir bisher (…) nicht zugekommen. (…) Schließlich steht auch die Stellungnahme der deutschen Regierung (…) über die Behandlung (…) der polnischen Frage bisher noch aus. (…) – Ich (…) ersuche Euer Durchlaucht daher, (…) nachdrücklich dahin einzuwirken, daß er eine Fortsetzung (… der Verhandlungen) durch eine möglichst baldige Stellungnahme, speziell bezüglich des neuen Bündnisvertrages, ermögliche.2464

Offenbar auf entsprechende Vorstellungen Hohenlohes hin wies Hertling am 17. Juli Wedel an, Burián mitzuteilen: Um in polnischer Frage weiter zu kommen, halten wir folgenden Modus für praktisch: Wir teilen Warschau die Bedingungen mit, unter ­welchen wir bereit sind, den Ausbau des polnischen Staates durchzuführen. (…) Die wirtschaftlichen Forderungen, (…) die Eisenbahnkonvention, die Verpflichtung Polens an Kriegskosten teilzunehmen und die Grenzregulierung. (…) – Die (…) Bedingungen gelten für den Fall, dass die Polen einen bisher nicht regierenden Fürsten wählen. Sollten sie ein gekröntes Haupt wählen (…), so würde dadurch eine Lage geschaffen, die neue Verhandlungen (…) notwendig machen würde (…). Wenn Warschau annehmbare Bedingungen geboten werden, (…) so wird (es …) sich hüten, durch die Wahl eines gekrönten Hauptes neue Komplikationen zu schaffen. (…) Burián wird den Zweck der Demarche, die austro-polnische Lösung totzumachen, sofort erkennen und mit Einwendungen kommen. 2464 Burián an Hohenlohe, Erlass 3353, 15. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (23) fol. 118 – 118v, 121 – 121v u. 119 – 120.

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Gleichzeitig müsste daher (…) Cramon im Allerhöchsten Auftrage ­Kaiser Karl über unseren Vorschlag orientieren und hinzufügen, dass derselbe den (…) Besprechungen in Homburg und Spa vollkommen entspreche (…). Mein jetziger Vorschlag geht also dahin, eine Klärung der polnischen Frage (…) herbeizuführen, ohne Österreich durch die direkte Forderung der Aufgabe der (…) gewünschten Lösung zu brüskieren (…).2465

Wedel sprach daraufhin am 18. Juli mit Burián und berichtete nach Berlin: Nachdem ich (…) erklärt hatte, dass die von ihm verlangte Lösung Polenfrage für uns nicht annehmbar sei, machte ich ihm (…) die vorgeschriebene Mitteilung. Graf Burián gab sich Anschein als ob er nicht auf austro-polnische Lösung insistiert, sondern sich nur gegen deren Ausschaltung gewehrt. Er (…) hält Aufnahme der Verhandlungen mit Warschau für einen geeigneten Weg zu einer Klärung zu gelangen. Er könne uns noch keine meritorische Antwort geben, bevor er Seiner Majestät Vortrag gehalten habe (…). Der Minister liess die Bemerkung fallen, dass nach seinen Nachrichten Warschau noch für Verbindung mit Österreich sei. (…) Gleichzeitig hat General von Cramon Allerhöchsten Auftrag bei K ­ aiser Karl ausgerichtet. Wie er mir meldet hat K ­ aiser Karl die Mitteilung sympathisch aufgenommen (…). Definitive Antwort könne erst nach Rücksprache mit Graf Burián erfolgen.2466

Cramon überreichte dem ­Kaiser ein Aide-Mémoire, in dem es hieß, ­Kaiser Wilhelm gebe „sich der Hoffnung hin“, daß der deutsche Vorschlag „ganz im Sinne Seiner Apostolischen Majestät gehalten sei“. Man nehme deutscherseits übrigens an, „OesterreichUngarn werde (…) die Bedingung einschalten, daß Galizien selbstverständlich bei der Monarchie verbliebe“.2467 Burián telegrafierte am 21. Juli an Hohenlohe: Wedel hat mich (…) aufgesucht und mir neue Eröffnungen (…) in der polnischen Frage übermittelt. – (…) Hertling sei nicht mehr für eine austro-polnische Lösung. Seine (…) Ansichten hätten seit vorigem Jahre eine Wandlung durchgemacht. (…) Seit dieser Zeit habe sich bei uns manches geändert und (… er) empfinde gewisse Zweifel darüber, ob wir bei unserer (…) innerpolitischen Lage im Stande sein würden, eine so schwierige staatliche Aufgabe zu bewältigen, wie die Polen an unserer Seite (…) zu halten. (…) – Ich (machte …) ihn auf die merkwürdige Argumentierungsweise aufmerksam (…) daß unser Bundesgenosse, weil er uns in einer schwierigen Lage glaube, aus derselben abträgliche Konsequenzen für uns ziehe (…) 2465 Hertling an Wedel 17. Juli 1918 (wie Hertling an Grünau, Tel. o. Z., 15. Juli 1918, SG 4 1978, 247 – 248 Dok. 166, s. dort Anm. 3 u. 4). 2466 Wedel an A. A., Tel. 477, 18. Juli 1918, ebd. p 254 Dok. 172. 2467 Aide-Mémoire von Cramon Ks. Karl übergeben 19. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 318 – 318v.

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Die Sixtus-Affäre

und nahm hierauf (…) den neuen Vorschlag (…) zur Lösung der polnischen Frage entgegen. – Dieser Proposition zufolge, sollten das Wiener- und das Berliner-Kabinett gemeinsam an die polnische Regierung herantreten und (…) Bedingungen vereinbaren, unter denen die Verbündeten bereit wären, den Ausbau des polnischen Staates durchzuführen. Als s­ olche (…) würden deutscherseits vorgeschlagen: – 1.) Wirtschaftliche Abmachungen, die die Interessen beider Verbündeten wahren (…); – 2.) eine Eisenbahnkonvention; – 3.) die Verpflichtung Polens an den Kriegskosten teilzunehmen; – 4.) eine Grenzregulierung. – Wenn über diese 4 Punkte Einigung erzielt wäre, würden die Verbündeten den Polen die freie Königswahl gestatten. – (…) Sollten wider erwarten die Polen den Herrscher eines anderen Reiches wählen wollen (…), so müßten neue Verhandlungen (…) stattfinden (…). – Am Schlusse (…) betonte Graf Wedel, (…) K ­ aiser Wilhelm sei der Anschauung, daß der erwähnte (…) Vorschlag ganz im Geiste der Hohenburger (recte: Homburger) und Spaaer-Besprechungen (…) sei und somit auch den Beifall unseres Allergnädigsten Herrn finden dürfte. – Bei Allerhöchstdemselben war (…) ungefähr gleichzeitig (…) Cramon in Audienz erschienen und hatte (…) dasselbe vorgetragen. (…) – Ich habe (…) nur im Allgemeinen meine Bereitwilligkeit in Verhandlungen über den polnischen Staatsausbau zu treten ausgedrückt. Eine (…) eingehende Antwort stellte ich in Aussicht (…). – Vor allem begrüße ich (…) die Absicht die polnische Frage endlich der Lösung zuzuführen und sehe eine Annäherung der beiderseitigen Standpunkte darin, daß (…) auch die Wahl eines schon regierenden Herrschers, und demnach Seiner (…) Majestät, unter den in Erörterung gezogenen Eventualitäten figuriert. (…) Als ausgeschlossen müßte gelten, daß im Falle eines Anschlusses Polens an eine (…) bestehende Monarchie den Polen härtere Bedingungen, etwa größere (…) Abtretungen, zugemutet würden (…) dies wäre auch den Polen von vorneherein zu erklären. (…) – Jedenfalls müßte (…) unseren Besprechungen mit den Polen über die vier Punkte eine (…) Erörterung derselben (…) vorausgehen.2468

Kaiser Karl sandte in der Sache am 21. Juli an ­Kaiser Wilhelm einen Brief, in dem es hieß: Ich stimme mit Dir in dem Wunsche überein, die polnische Frage einer baldigen Entscheidung zuzuführen und begrüsse es lebhaft, dass Du ebenso wie Ich den Polen die freie Entscheidung über das künftige Schicksal ihres Landes anheimstellen willst. Nach wie vor stehe Ich auf dem Standpunkte, Mich in der polnischen Frage im bundesfreundlichen Ausgleiche mit den deutschen Interessen ausschliesslich von der Rücksicht auf (…) das Gedeihen Meiner Staaten und die Schaffung stabiler Verhältnisse in Polen leiten zu lassen.

Grünau sandte den Brief zur Kenntnisnahme auch an Hertling und Hindenburg 2469

2468 Burián an Hohenlohe, Erlaß 3441, 21. Juli 1918, ebd. fol. 324 – 328v. 2469 Grünau an A. A. (Ks. Karl an Wilhelm II.), Tel. 374, 21. Juli 1918, SG 4 1978, 259 – 260 Dok. 175.

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Hohenlohe konnte Buriáns Depesche am 23. Juli mit dem neuen Staatssekretär Paul von Hintze besprechen und berichtete: Ich habe Herrn von Hintze (…) den Standpunkt Euer Exzellenz zu den deutscherseits gemachten Vorschlägen in der polnischen Frage auseinandergesetzt und ihm eine schriftliche Aufzeichnung 2470 hierüber gelassen. (…) Hintze, der voraussichtlich Ende der Woche nach Spa fährt, versprach mir, bei dieser Gelegenheit (…) mit dem Reichskanzler Rücksprache zu nehmen und (…) eine diesbezügliche Antwort zukommen zu lassen.2471

Die Frage des neuen Bündnisvertrages hatte Hohenlohe am 22. Juli mit Hintze besprochen und darüber berichtet: „Der Staatssekretär, der über die ganze Angelegenheit begreiflicherweise noch nicht genau informiert war, zog Gesandten von Bergen als zuständigen Referenten (…) bei. Ich habe (…) unsere Wünsche eingehend dargelegt (…).“ 2472 Hintze schrieb zur polnischen Frage am 29. Juli an Friedrich Prinz zu Stolberg, der Wedel während dessen Urlaubs als Geschäftsträger in Wien vertrat: Die (…) Wedel seinerzeit erteilte Instruktion war nach Massgabe eines Beschlusses ergangen, der (…) bei Besprechungen z­ wischen dem Herrn Reichskanzler und der O. H. L. gefasst wurde; sie bezweckte (…) unsere endgültige Ablehnung der austro-polnischen Lösung und die Zweckmässigkeit einer Fortsetzung der Verhandlungen auf Grundlage der (…) Kandidaten­ lösung zum Ausdruck zu bringen. Wir haben (…) vermieden, unserer (…) Mitteilung die Fassung einer kategorischen Erklärung zu geben und (…) eine freundliche, etwas vage Form gewählt, um (…) Burián (…) den Rückzug dadurch zu erleichtern, dass (…) die Wahl des Kaisers Karl theoretisch als möglich, praktisch indes als nicht gut durchführbar hingestellt wurde. (…) Burián scheint die Brücke, die wir ihm gebaut haben, nicht benutzen zu wollen. Unter diesen Umständen drängt sich die Notwendigkeit auf (…) zu erkennen zu geben, dass wir nicht (…) gewillt sind, ihm fernerhin auf dem austro-polnischen Wege zu folgen. Euerer Durchlaucht überlasse ich die Wahl des (…) modus procedendi, bitte indes, bei (…) Burián folgende Gedanken zu verwerten: (…) Eine erste Analyse der Anregungen des Ministers hätte zu der Feststellung geführt, dass (…) eine prinzipielle (…) Einigung über die Person des Thronkandidaten den Ausgangspunkt für (…) Verhandlungen (…) bilde. Die wahren Wünsche der Polen ­seien schwer zu entschleiern; (…) Nachrichten aus den verschiedensten Lagern liessen indes immer deutlicher erkennen, dass den staatsaufbauenden (…) Elementen die Wahl eines eigenen, dauernd in Warschau residierenden Königs als die wünschenswerteste (…) erschiene. 2470 Note der ö.-u. Botschaft Berlin, 22. Juli 1918, ebd. pp 254 – 256 Dok. 173. 2471 Hohenlohe an Burián, Tel. 489, 23. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 317. 2472 Burián an Hohenlohe, Tel. 469, 27. Juli 1918, ebd. fol. 98 – 98v, 107 – 107v u. 105 – 105v.

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Die Sixtus-Affäre

Auch wir würden die Wahl eines Königs, der nicht (…) Herrscher eines anderen Landes wäre (…) begrüssen, da sie (…) die Lösung der noch zu erledigenden Fragen erleichtern und das Ausmass unserer Forderungen (…) wesentlich beeinflussen würde.2473

Stolberg hatte daraufhin eine Unterredung mit Burián, in der er ­diesem klar machte, „dass wir aus ihm bekannten Gründen ihm auf dem austro-polnischen Wege nicht weiter folgen könnten“. Der Minister habe erwidert, er bedaure lebhaft, (…) dass, nachdem wir die Überlassung der freien Königswahl an die Polen selbst vorgeschlagen hätten, unsere jetzige Mitteilung ­dieses Prinzip wieder einschränke (…). Er kam immer wieder auf diesen Punkt zurück und ich musste ihm öfters wiederholen, dass wir (…) uns genötigt sähen, (…) eine prinzipielle vertrauliche Einigung über die Person des Thronkandidaten, der als selbständiger König in Warschau residieren solle, als erforderlich zu betrachten. Eine präzise Antwort gab mir der Minister hierauf nicht, sagte aber, er lege selbst grössten Wert darauf, möglichst bald in (…) Besprechung mit uns einzutreten (…). Er versicherte (…), dass er sich gar nicht auf die austro-polnische Lösung versteife, sondern ihm hauptsächlich daran liege, im Einvernehmen mit uns eine Lösung zu finden, die auch die Polen befriedigt.2474

Burián telegrafierte über diese Besprechung am 5. August an Hohenlohe: Der deutsche Geschäftsträger hat mir (…) mitgeteilt, daß es der deutschen Regierung wünschenswert erscheine, vor Beginn der Besprechung mit den Polen (…) alle ­zwischen uns bestehenden Meinungsverschiedenheiten aus dem Wege zu räumen. Dazu würde (…) wesentlich beitragen, wenn (…) eine prinzipielle und vertrauliche Einigung über die Person des Thronkandidaten zustande käme (…). – Ich erwiderte (…), daß ich die Bereitwilligkeit (…), die Besprechung (…) wieder aufzunehmen, mit aufrichtiger Befriedigung vernehme (…). – Wenn die (… deutsche Regierung) glaube, daß die Stimmung in Polen der Wahl eines in Warschau residierenden Königs zuneige, so müsse ich (…) feststellen, daß nach unseren Beobachtungen (… die) Polen überwiegend dem näheren Anschlusse (…) an Oesterreich-Ungarn ­günstig sind. – Die Zweifel hierüber werden sich wohl nicht anders beheben lassen, als durch eine offene Befragung der repräsentativen Polen (…).2475

Zur Frage der deutschen Forderungen berichtete Legationsrat Kurt Freiherr von L ­ ersner am 10. August an das Auswärtige Amt, ­Kaiser Wilhelm habe ihm gesagt, er stehe „auf dem Standpunkt, keinenfalls mehr polnisches Gebiet zu Preussen zu schlagen, als die 2473 Hintze an Stolberg, Tel. 764, 29. Juli 1918, SG 4 1978, 264 – 265 Dok. 179, Hürter 1998, 455 – 456 Dok. 137. 2474 Stolberg an A. A., Tel. 510, 4. Aug. 1918, SG 4 1978, 271 – 272 Dok. 185. 2475 Burián an Hohenlohe, Tel. 482, 5. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 307 – 308v.

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Anfang Februar mit General Hoffmann (…) eingezeichnete Linie. Alle die von der O. H. L. verlangten Mehrforderungen (…) hielte er für völlig ausgeschlossen.“ 2476 Er wünsche dringend, „dass bei der jetzigen (recte: bevorstehenden) Anwesenheit des Kaisers Karl die austro-polnische Lösung endgültig fallen möchte und wir baldigst an die Regelung der polnischen Frage in unserem Sinne gehen“.2477 Er glaube, dass ­Kaiser Wilhelm bereit sei, „den ganzen polnischen Grenzstreifen bis auf geringe militärische Streifen fallen zu lassen“.2478 Am 15. und 16. August besuchte ­Kaiser Karl neuerlich in Begleitung von Burián und Arz das Große Hauptquartier in Spa. Burián schrieb 1923, er habe Hintze dort auf „die Dringlichkeit der Fortsetzung unserer Verhandlungen über Polen“ hingewiesen. Am Abend habe ihm Hertling „mit zufriedener Miene“ gesagt, „daß die polnische Frage nunmehr gelöst sei. Tags zuvor s­ eien Prinz J. Radziwill (…) und der Staatsrat Graf Ronikier in Spa gewesen und hätten K ­ aiser Wilhelm die Krone Polens für einen Hohenzollern angetragen. Der K ­ aiser habe abgelehnt und ihnen den Erzherzog Karl Stephan (…) empfohlen. Diese Anregung hätten die polnischen Abgesandten sehr beifällig aufgenommen.“ 2479 Burián habe mit Hertling vereinbart, dass „die Verhandlungen unverweilt fortgesetzt und der Reichskanzler und (…) Hintze zu d ­ iesem Zwecke nach Wien kommen würden“.2480 Hintze meldete am 15. August ans Auswärtige Amt: Oberste Heeresleitung hat sich betreffs Polens mit Militärkonvention, Wirtschaftsbündnis, BugNarewlinie, Vorgelände bei Thorn und Verschönerung gegenüber oberschlesischem Industrie­ gebiet einverstanden erklärt. – Polnische Delegierte haben (…) Erzherzog Karl Stephan als ihren Kandidaten genannt. Seine Majestät und Reichskanzler haben das akzeptiert.2481

Janusz Prinz Radziwiłł, im Kabinett von Ministerpräsident Jan Kanty Steczkowski für die Außenpolitik zuständig, und Adam Graf Ronikier, der die polnische Regierung in Berlin vertrat, waren am 12. und 13. August 1918 von Wilhelm II., Hertling, Hintze und ­Ludendorff empfangen worden.2482 Was der amerikanische Gesandte Alexander Pleasant Stovall in Bern durch einen „reliable Pole from persons who have just arrived from Berlin and who conferred with Polish delegates“ über deren Gespräche erfahren hatte, berichtete 2476 Lersner an A. A., Tel. 420, 10. Aug. 1918, SG 4 1978, 280 Dok. 191. 2477 Ebd. 2478 Ebd. 2479 Burián 1923, 261 – 262. 2480 Ebd. 2481 Hintze an A. A., Tel. 1888, 15. Aug. 1918, SG 4 1978, 285 Dok. 196, Hürter 1998, 488 – 489 Dok. 158. 2482 Aufz. Hintzes u. Stumms, 9. Aug. 1918, Hürter 1998, 475 – 477 Dok. 150 Anm. 6 – 8, Hintze an Lersner, Tel. 988, 28. Aug. 1918, ebd. pp 530 – 532 Dok. 178 Anm. 2.

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Die Sixtus-Affäre

er am 23. August an Lansing: Die Delegierten s­ eien beauftragt gewesen heraus­zufinden, was die Deutschen anstelle der austro-polnischen Lösung vorhätten. Diese hätten nichts Konkretes vorgeschlagen, aber erörtert, wie Polen, sollte die austro-polnische Lösung nicht zustande kommen und Galizien daher nicht Teil des polnischen Staates werden, kompensiert werden könnte. Die Deutschen hätten sich nicht festgelegt, „but discussed favorably Polish expansion toward east and guarantee of independent Poland with Danzig as free port“. Die Besetzung des polnischen Throns habe man von deutscher Seite nur „of secondary importance“ erachtet. Stovall bemerkte dazu: Attitude of Polish Government reported to be that although Austro-Polish solution still desired, renouncement (…) contemplated in return for vast territorial compensations in the east. P ­ olish Government believes that never again will similar opportunity arise to obtain German aid for expansion in Lithuania and Russia and desires to take advantage of occasion to enlarge its frontiers through alliance with Central Powers.2483

Am 20. August kamen Radziwiłł und Ronikier nach Wien. Über eine Unterredung mit dem ersteren schrieb Burián, er habe nach „Mitteilung des in Spa Vernommenen“ nicht umhingekonnt, „ihm zu bemerken, daß man sich in Spa allem Anscheine nach gegenseitig ziemlich gründlich mißverstanden habe“. Radziwiłł habe erklärt, nicht beabsichtigt zu haben, (…) Propositionen zu machen, Zusicherungen zu geben, Kandidaten für den Königsthron vorzuschlagen (…). Er wollte lediglich auf die große Dringlichkeit der Einrichtung des polnischen Staates hinweisen und Deutschland ersuchen (…) dazu ohne weiteren Aufschub die Hand zu bieten. Man möge den Polen die wesentlichen Voraussetzungen dafür mitteilen und sie insbesondere über die zukünftigen Grenzen des Landes orientieren.2484

Man habe ihm (…) keine Zweifel darüber gelassen, daß Deutschland die Vereinigung Polens mit ÖsterreichUngarn in eine Personalunion nicht wünsche. Diese wäre für Deutschland (…) schädlich, weil sie es von seinen östlichen Verbindungen abschnüre, und (…) das Bündnis mit Österreich-Ungarn in der Zukunft gefährde. Slawen und Magyaren würden (…) maßgebend in der Monarchie und könnten über kurz oder lang ein Abschwenken der letzteren herbeiführen. (…) Wähle Polen einen König, der in Warschau residiere, so ­seien keine bedeutenden Grenzrektifikationen im Westen des Landes nötig, das Gouvernement Cholm werde zurückgegeben, 2483 Stovall an Lansing, Tel. 4450, 23. Aug. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 874 – 875. 2484 Burián 1923, 262 – 263.

Das Treffen in Spa

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und Polen schließe mit Deutschland allein eine Militärkonvention ab. Wähle Polen K ­ aiser Karl zum König, so träten die gebotenen Rücksichten für die militärische Sicherung (…) in ihre Rechte. Polen müßte (…) namhafte territoriale und andere Opfer bringen.2485

Radziwiłł und Ronikier s­ eien gefragt worden, ob die Polen sich „auf einen Thronkandidaten geeinigt hätten“. Sie hätten dies verneint, es würden lediglich Kombinationen angestellt. „Kaiser Wilhelm habe den Namen des Erzherzogs Karl Stephan herausgegriffen und (…) wärmstens empfohlen.“ Ihm, Burián, habe Radziwiłł erklärt, für Polen wäre die Personalunion mit der Monarchie „die sympathischeste und (…) nützlichste Lösung“.2486 Kaiser Karl war von einer Kandidatur Erzherzog Karl Stephans alles andere als angetan und strebte nach wie vor die austro-polnische Lösung, die Personalunion mit Polen, an. Er sandte, wie Ministerialsekretär Eugen Marsovszky von Jablonfalva, der Nachfolger Demblins als Vertreter des Ministeriums des Äußern beim ­Kaiser, am 23. August Burián berichtete, nach den Gesprächen mit Radziwiłł und Ronikier offenbar ohne Konsultierung des Ministers folgende Depesche durch Cramon an ­Kaiser Wilhelm: Im Zusammenhange mit den jetzt hier stattfindenden aufklärenden Konversationen mit dem Prinzen Janusz Radziwill muß ich Dir (…) mitteilen, dass laut einer mir erstatteten Meldung Karl Stefan nicht gewillt wäre, die ihm (…) eventuell angebotene polnische Königskrone anzunehmen. – Auch ich wäre nicht in der Lage, hierzu meine (…) Einwilligung erteilen zu können. Karl Stefan käme als (…) König von Polen einerseits und Mitglied meines Hauses andererseits leicht in einen Konflikt (…). Er wäre sehr bald dahin gedrängt, seine Politik auf den Anschluß Galiziens ans Königreich Polen einzurichten, welches Bestreben nur zu einem Konflikt mit mir führen könnte.2487

Cramon teilte zu der Depesche mit: Seine (…) Majestät fügten mündlich hinzu, dass es (…) äusserst erwünscht wäre, wenn die Besprechungen z­ wischen den beiden Auswärtigen Ämtern (…) möglichst bald fortgesetzt und dabei die Bedingungen (…) festgesetzt und (…) den Polen mitgeteilt würden. Diese würden dann schnell zu einem Entschluss kommen, wie auch Prinz Radziwill zu verstehen gegeben hätte.2488 2485 Ebd. 2486 Ebd. 2487 Ks. Karl an Wilhelm II., Tel., 23. Aug. 1918, zit. in: Marsovszky an Burián, Tel. 184, 23. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 285, idem: Lersner an A. A. (Hintze), Tel. 466, 24. Aug. 1918, SG 4 1978, 304 – 305 Dok. 211. 2488 Beifügung Cramons zu Schr. Ks. Karls in: Lersner an A. A. (Hintze), Tel. 466, 24. Aug. 1918, SG 4 1978, 304 – 305 Dok. 211.

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Die Sixtus-Affäre

Lersner meldete Hintze: „Seine Majestät lässt bitten, (…) Radziwill umgehend zu befragen, was er in Wien gefragt und gehört habe. Der K ­ aiser bittet um Drahtnachricht, wie Euere Exzellenz Lage ansehen und ­welche Massnahmen zu treffen ­seien.“ 2489 Wedel berichtete in dieser Sache am 23. August nach Berlin: Kaiser Karl hat heute General von Cramon (…) empfangen um ihm mitzuteilen, dass er Kandidatur Erzherzogs Karl Stephan ablehnen müsse, da derselbe in gewisse Konflikte wegen Begehrlichkeit Polens auf Galizien geraten würde. Zugleich hat K ­ aiser Karl dringend um baldigen Besuch des Herrn Reichskanzlers bezw. des Herrn Staatssekretärs gebeten, um Bedingungen für verschiedene polnische Lösungen aufzustellen und dann mit den Polen in Verhandlungen einzutreten. (…) General von Cramon hat auf Wunsch Kaisers Karl Seiner Majestät Inhalt Audienz telegraphisch mitgeteilt. General hatte den Eindruck, dass an höchster Stelle sich Wage wieder zu Gunsten austro-polnischer Lösung geneigt hat. – Graf Burián, den ich soeben besuchte, hat die Audienz (…) mit keiner Silbe erwähnt, nur für baldigen Besuch plädiert, wobei er Friedensfrage ohne Erwähnung der Polen in den Vordergrund schob.2490

Unmittelbar darauf meldete Wedel: Aus Andeutungen des Prinzen Radziwill geht hervor, dass er ­Kaiser Karl (…) der austro-polnischen Lösung geneigt gefunden hat. (…) Ich hatte (…) Eindruck, dass die Polen bei gleichen Bedingungen unzweifelhaft für austro-polnische Lösung votieren werden (…). Zur Verhinderung derselben müsste diese Lösung durch Grenzberichtigungen belastet, Kleinpolen aber (…) durch Entgegenkommen mundgerecht gemacht werden. Um österreichische Empfindlichkeit zu schonen wäre als Begründung der nötigen Grenzberichtigungen wohl Misstrauen gegen die Vereinigung Polens nach unserer Erfahrung mit ihnen anzuführen, während bei kleinpolnischer Lösung und Militärkonvention diese Bedenken entfielen.2491

Hintze antwortete auf diese Telegramme: Habe heute Prinz Hohenlohe folgendes gesagt: Austro-polnische Lösung ist für uns unannehmbar. Im Falle einer solchen müssen wir auf weitgehende Grenzberichtigungen bestehen. Dadurch wird eine grosse Beunruhigung in der polnischen Bevölkerung entstehen. Dieses kann auch für Österreich-Ungarn nicht erwünscht sein. (…) – Ein Besuch des Herrn Reichskanzlers oder meinerseits in Wien erscheine mir zwecklos, bis eine Einigung über die (…) Frage erzielt sei.2492 2489 2490 2491 2492

Lersner an A. A. (Hintze), ebd. Wedel an A. A., Tel. 541, 23. Aug. 1918, SG 4 1978, 297 – 298 Dok. 205. Wedel an A. A., Tel. 542, 23. Aug. 1918, ebd. p 298 Dok. 206. Hintze an Wedel, Tel. 827, 24. Aug. 1918, ebd. pp 298 – 299 Dok. 207.

Das Treffen in Spa

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Am 26. August berichtete Hohenlohe, Hintze habe erklärt, eine „austro-polnische Lösung (…) könne deutscherseits nicht zugestanden werden“, und bemerkt: Sollten wir (…) auf dieser Lösung bestehen und die Polen (…) dieselbe verlangen, so werde die deutsche Regierung (…) gezwungen sein, gewisse ‚Grenzrektifikationen‘ vorzunehmen (…). Daß die Polen sich gegen Gebietsabtretungen in d ­ iesem Umfange auflehnen würden, sei wohl unvermeidlich (…).2493

Burián antwortete: Die Aeußerungen des Staatssekretärs (…) zeigen keinen Fortschritt auf dem Wege zur einvernehmlichen Lösung (…). Die Gründe für die deutschen Wünsche haben (…) die zwei Hauptmängel, daß sie ausschließlich auf die deutschen Interessen Bedacht nehmen (… und) für die Schaffung eines Zustandes eintreten, der (…) keine dauernde Beruhigung im Osten schüfe. (…) Dies gilt vor Allem von den ausgiebigen ‚Grenzrektifikationen‘ (…). Daß ­solche (…) die Konsequenzen der ‚austro-polnischen Lösung’ sein sollen, können wir (…) unter gar keinen Umständen zulassen. Wir fügen uns, wenn Polen (…) eine andere Lösung wählt. Wir beanspruchen aber, daß es auch die austro-polnische frei wählen könne, ohne dafür einer (…) Bestrafung ausgesetzt zu sein (…).2494

Wedel depeschierte am 27. August nach Berlin: Aus der Unterredung mit Botschafter v. Merey und General Cramon habe Eindruck, dass die Aufschiebung des Besuchs am Ballplatz und an höchster Stelle sehr empfunden wird. Man betont, dass die Forderung (…) Verzichts auf die hier gewünschte polnische Lösung mit unserem Vorschlag vom Juli, Bedingungen festzustellen und dann Polen die Wahl zu lassen, nicht im Einklang stehe und erwartet, dass Bedingungen durch Besprechung festgestellt werden. (…) Unter diesen Umständen halte ich neuerliche Aussprache für unvermeidlich und glaube, baldigen Besuch empfehlen zu sollen. Da zudem die Friedensfrage, Bündnisfrage, Wirtschaftsfragen zu besprechen sind, dürfte es sich empfehlen, den Besuch nicht zu kurz zu bemessen.2495

Über ein Gespräch mit Ronikier telegrafierte Hintze am 28. August an Lersner:

2493 Hohenlohe an Burián, Tel. 564, 26. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 280 – 281, Druck: Hürter 1998, 522 – 524 Dok. 176. 2494 Burián an Hohenlohe, Tel. 537, 29. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 278 – 279. 2495 Wedel an A. A., Tel. 546, 27. Aug. 1918, SG 4 1978, 306 – 307 Dok. 214.

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Die Sixtus-Affäre

Graf Ronikier sagt mir (…) im Auftrage des Prinzen Radziwill, (…) in Wien habe Graf Burián (…) seine Misstimmung zum Ausdruck gebracht, dass bei den Besprechungen im Grossen Hauptquartier die austro-polnische Lösung gar nicht mehr zur Sprache gekommen sei, sondern nur die (…) Thronkandidatur des Erzherzogs Karl Stephan. (…) Burián (habe) auf die austro-polnische Lösung bestanden und (…) eine Besprechung à trois z­ wischen Deutschland, Österreich und Polen vorgeschlagen. – Graf Ronikier wünscht nun klarere Auskunft über das, was wir den Polen im Falle der Kandidatenlösung bieten wollen. (…) – Ich habe Graf Ronikier nicht im Zweifel gelassen, dass wir im Falle der austro-polnischen Lösung auf weitgehende Grenzberichtigungen einschliesslich des ganzen polnischen Kohlenreviers bestehen müssten. (…) Auf meine Frage nach einem anderen Thronkandidaten nannte mir Ronikier, wenn auch mehr tastend, einen Prinzen von Sachsen, er will aber erst nach Rückkehr von Warschau endgültig Auskunft geben. – Zusammenfassend sagte Ronikier: Seine Freunde wünschen mich zu entscheiden über die Frage.2496

Am 3. September kam Hintze in Begleitung von Unterstaatssekretär Wilhelm Stumm zu einem dreitägigen Besuch nach Wien, bei dem die beabsichtigte Friedensdemarche, die Friedensziele und die polnische Frage erörtert wurden. Bezüglich der Friedensziele teilte Hintze bei einer Besprechung mit Burián am Vormittag des 5. September mit, dass darüber die Beratungen innerhalb der einschlägigen Berliner Ressorts noch nicht zum Abschluss gelangt ­seien. Er könne daher nur unverbindliche Angaben machen, die wesentlichen Punkte aber wären: „Integrität des Gebiets des Deutschen Reiches, Freiheit der Meere, keine Besitznahme Belgiens, doch dürfe dort auch keine andere Macht Vorzugsrecht haben, keine Annexionen.“ Burián nannte als die Ziele der Monarchie den Status quo ante bellum mit kleinen Gebietserweiterungen wie dem Lovćen und einem Grenzstreifen gegen Rumänien; im Fall, dass einer der Bundesgenossen gezwungen sein sollte, Gebiete abzutreten, müssten auch die anderen zu Abtretungen bereit sein.2497 Bei der Besprechung am Nachmittag des 5. September wurde im Beisein von Mérey und Wedel die polnische Frage behandelt. Im österreichisch-ungarischen Protokoll darüber heißt es: Oesterreich-ungarischerseits werde an dem Prinzipe der Kollaboration mit dem Polentum festgehalten; die Polen sollen sich ihren König frei wählen können. Deutscherseits (…) werde eine Lösung präkonisiert, w ­ elche (…) hinsichtlich der Königswahl nur eine bedingte 2496 Hintze an Lersner, Tel. 988, 28. Aug. 1918, Ludendorff 1920, 511 – 512 Dok. XXII A/6 (Ludendorff zufolge erging das Tel. auch an Hertling, Ludendorff, Beseler u. Wedel), idem: SG 4 1978, 311 – 312 Dok. 217, Hürter 1998, 530 – 532 Dok. 178. 2497 Bespr. ­zwischen Burián u. Hintze 5. Sept. 1918, WUA 4. Rh., 2. Abt. 12/1 1929. 224 Anl. 23.

Das Treffen in Spa

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Freiheit lasse. Sollte nämlich die Wahl auf die (…) Person Seiner k. u. k. (…) Majestät fallen (…) dann müßte Polen Opfer verschiedentlichster Art, vornehmlich territorialer Natur auf sich nehmen (…), diese Drohung den Polen gegenüber könne österreich-ungarischerseits unter keiner Bedingung akzeptiert werden. (…) In Anbetracht der Politik der Monarchie, ­welche auf eine Vertiefung des Bündnisses abzielt (…) sei es unbegreiflich und unbegründet, wieso Deutschland für den Fall der (…) austro-polnischen Lösung militärische Sicherungen verlangen könne. Sicherungen gegen wen? Den eigenen Bundesgenossen? (…) Das oberste Ziel sei die Beruhigung an unserer Ost-Grenze (…). Eine Beruhigung könne aber nur dann erhofft werden, wenn das Polentum einigermaßen befriedigt würde. Diese Befriedigung könne er (Burián) aber nur in der austro-polnischen Lösung erblicken. (…) Deutschland sollte daher in seinem ureigensten Interesse (…) die austro-polnische Lösung favorisieren. Auch sei nicht zu übersehen, daß sich die Entente allem Anscheine nach mit der austro-polnischen Lösung eher abfinden würde als mit irgend einer anderen. (…) Der Einwand einer slavischen Hypertrophie, w ­ elche die Politik der Monarchie leicht in ein deutschfeindliches Fahrwasser bringen könnte, müsse er entschieden in Abrede stellen. (…) Ein einigermaßen befriedigtes Polen würde bald seine derzeit zur Schau getragenen (…) Phantasmagorien fallen lassen und zu einem Grundpfeiler der Monarchie werden (…). – Im weiteren (…) kam Graf Burián auf die Frage der Deutschland (…) zu gewährenden Garantien zu sprechen und bemerkte, daß die (…) Interessen, ­welche Deutschland (…) in Polen besitze, leicht mit der austro-polnischen Lösung in Einklang gebracht werden können. – Schließlich schlägt Graf Burián vor, daß Oesterreich und Deutschland zwecks Bereinigung des ganzen Fragenkomplexes unverweilt in kommissarische Verhandlungen eintreten. – Herr von Hintze nimmt den Vorschlag (…) an und betont, daß die deutsche Regierung (…) ihre Bedenken gegen die austro-polnische Lösung aufrecht erhalten müsse. Seine Befürchtungen über die (…) Konsequenzen einer weiteren Slavisierung der Monarchie hätten die Ausführungen des Grafen Burián nicht zerstreut, infolgedessen müsse Deutschland auf seinen Forderungen nach Grenzrektifikation für den Fall (…) der austro-polnischen Lösung bestehen (…). Abgesehen hievon sei (… er) überzeugt, daß sich die Zentralmächte durch Schaffung eines großen Polen (…) einen gefährlichen und mächtigen Feind an ihrer Ostgrenze schaffen würden, welcher sich alsbald von Oe. U. loslösen und sodann sein Augenmerk auf Pola (recte: Posen) und Danzig richten würde.2498

Das deutsche Protokoll der Sitzung lautet ähnlich: Burián habe erklärt, die (…) einzige Möglichkeit, Polen in ein gutes Verhältnis zu Deutschland zu bringen, sei die Angliederung an Österreich-Ungarn. (…) Polen wolle durchaus die austro-polnische Lösung. Polen würde ein Pfeiler der Monarchie werden und die Polen würden zu dem a­ usgezeichneten 2498 Aufz. über am 5. Sept. 1918 (…) stattgehabte Bespr., HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 177 – 187.

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Die Sixtus-Affäre

­ erhältnis zu den Deutschen in Österreich zurückkehren. Was die Gefahr der Slavisierung beträfe, V so sei schon jetzt eine slavische Majorität in der Monarchie. Man müsse nicht sprechen von Slaven, sondern von Polen, Tschechen, Südslaven. (…) Es sei ein Axiom der Entente, dass nicht ein Zoll breit polnischen Gebietes annektiert werden dürfe, dagegen gehe aus vielen Äusserungen der Entente hervor, dass die austro-polnische Lösung nicht ganz abgelehnt werden würde.2499

Hintze habe unter anderem festgestellt: Durch die austro-polnische Lösung entstehe ein Reich von 20 000 000 Einwohnern an der Ostgrenze Deutschlands. (…) Polen würde sich auf dem Nährboden Österreichs grossziehen, dann von Österreich abfallen und Österreich sowie Deutschland würden einen starken Feind im Osten haben.2500

Die 5. September einvernehmlich beschlossenen weiteren Beratungen über die politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Errichtung des polnischen Staates fanden von 24. bis 28. September 1918 in Berlin statt. An ihnen nahmen für die Monar­chie der Delegierte beim Deutschen Generalgouvernement in Warschau, Gesandter Stephan von Ugron, und Ministerialrat Friedrich Boschan, deutscherseits Herzog Hermann von Hatzfeldt-Trachenberg und Legationsrat Arthur Seeliger teil. Die beiden letzteren legten über die „in sehr freundschaftlicher Weise“ geführten Gespräche am 30. September eine Aktennotiz an. Sie hätten versucht, 1. (…) ein möglichst genaues Bild über die österreichisch-ungarischen Pläne im Falle der austro-polnischen Lösung zu gewinnen; 2. der österreichisch-ungarischen Agitation möglichst wenig Material für ihre Tätigkeit gegen die von Deutschland gewünschte Bildung eines selbständigen polnischen Staates zu liefern.2501

Gleich zu Beginn der Verhandlungen habe es sich herausgestellt, „dass österreichischungarischerseits unbedingt an der austro-polnischen Lösung festgehalten wird“. Bald habe sich auch gezeigt, „dass der Wunsch, einen allgemeinen Rahmen zu schaffen, nicht ausführbar war, da die (…) Voraussetzungen für die Schaffung des polnischen Staates sich grundsätzlich verschieben, je nachdem die austro-polnische oder die Kandidatenlösung (Pufferstaatlösung) vereinbart wird“.2502 2499 Note non signée (Prot. über die) Bespr. in Wien am 5. Sept. 1918, 4 Uhr 30 nachmittags, SG 4 1978, 328 – 330 Dok. 231. 2500 Ebd. 2501 Note de Hatzfeldt et Seeliger, 30. Sept. 1918, ebd. pp 393 – 395 Dok. 286. 2502 Ebd.

Um die Interpretation des Bündnisvertrages

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Am Ende der Besprechungen über ein neues Wirtschaftsabkommen in Salzburg wurde vereinbart, (…) dass am 29. Oktober in Berlin die (…) Kommission zur zolltechnischen Durchsicht der (…) behandelten Zolltarife zusammentreten soll. Wie sich nunmehr herausstellt, sind die für diese Arbeit in Betracht kommenden (…) Herrn derzeit mit anderweitigen dringenden Arbeiten derart in Anspruch genommen, dass sie zu dem angegebenen Zeitpunkt in Berlin nicht erscheinen können. Wir sind daher genötigt, die Ausfeilung der Salzburger Ergebnisse (…) bis auf weiteres zu verschieben.2503

Über ein Wirtschaftsabkommen, ebenso wie über einen neuen Bündnisvertrag und die damit junktimierte polnische Frage, wurde also bis in den Herbst 1918 hinein verhandelt. Einer Einigung in diesen Materien kam der Zusammenbruch der verbündeten Reiche zuvor.

7.6

Um die Interpretation des Bündnisvertrages

Darum, wie der bestehende Bündnisvertrag bezüglich der aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten zu interpretieren sei, war seit dem Februar 1918 gerungen worden. Auf Czernins Initiative hin fand zur Erörterung der beim Gemeinsamen Ministerrat vom 22. Jänner 1918 behandelten Th ­ emen, insbesondere über das des weitere Vorgehen bei den Verhandlungen in Brest und die polnischen Frage, die Kriegsziele sowie der sich aus dem Bündnis ergebenden Pflichten, am 5. Februar 1918 in Berlin eine Besprechung mit den entscheidenden deutschen Faktoren statt. Die Dringlichkeit einer solchen Besprechung hatte nicht zuletzt ein Bericht Hohenlohes an Czernin vom 27. Jänner aufgezeigt. Darin hieß es: Herr von Kühlmann hat ein Telegramm erhalten, wonach die ukrainischen Abgeordneten (…) nach Brest zurückkehren, erwartet sich daher den baldigen Abschluss eines Friedens mit der Ukraine und knüpft hieran die Erwartung, dass auch Herr Trotzki unter ­diesem Drucke (…) Frieden wird schliessen müssen. Erfüllen sich diese vielleicht allzu optimistischen Auffassungen (…), so wäre uns der Abschluss eines Separatfriedens erspart (…). Dass wir nach einem solchen (…) im Stande sein sollten, unserer Oeffentlichkeit gegenüber die Entsendung von Truppen in den Westen zu vertreten, halte ich für ausgeschlossen. Der Separatfriede mit den Bolschewikis würde (…) einfach als das Ende unserer Waffenbrüder­ schaft mit Deutschland gedeutet werden. Da ich (…) darin nur einen Triumph Trotzkis 2503 Burián an Hohenlohe, Tel. 701, 18. Okt. 1918, HHStA PA XL, Hinausb. 153 o. Fz.

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Die Sixtus-Affäre

und weiterhin auch der Entente sehen kann, uns endlich doch langsam von Deutschland zu trennen, erlaube ich mir Euer Excellenz inständigst zu bitten, einen (…) derartigen Abschluss bis zur weiteren Klärung der Lage zu verschieben, um ihn dann eventuell doch noch aufgeben zu können.2504

Kühlmann berichtete am 30. Jänner an Hertling, er gebe sich große Mühe, (…) Czernin bei der Stange zu halten, der in Wien ausserordentlich ungünstige Eindrücke gewonnen hat. Seinen Mitteilungen nach hätten nicht nur weite Kreise des Volkes, sondern auch (…) Persönlichkeiten, wie (…) Graf Tisza, General von Arz und andere sich innerlich mehr und mehr von dem Bündnisgedanken abgewandt, da Österreich-Ungarn – besonders von deutscher militärischer Seite – schlecht und rücksichtslos behandelt würde. – Graf Czernin vertritt ungefähr den Standpunkt (…), dass er auch (…) nach den grossen Konzessionen an die Ukrainer die austro-polnische Lösung für möglich (…) hält, falls die (…) Grenzberichtigungen in Polen ganz fallen gelassen oder auf ein Minimum zurückgeschraubt würden, und falls die Wirtschaftsbedingungen für das stark beschnittene Polen nicht zu unerträglich würden. (…) Die Lage in Österreich ist nach allen Eindrücken doch eine recht kritische, und es wäre dringend wünschenswert, wenn man der Monarchie irgend etwas positives bieten könnte, um sie weiter bei der Stange zu halten. Die Tendenzen zu einem Sonderfrieden scheinen rasch um sich zu greifen. Auch Wilson ist offenbar geneigt, sein Glück in dieser Hinsicht zu versuchen..2505

Sektionschef Müller depeschierte am 31. Jänner an Czernin nach Brest: Der gegenwärtige Zustand, wonach man hier den Standpunkt eines (…) ‚Verteidigungskrieges‘ einnimmt, während deutscherseits (…) Annexionen ins Auge gefasst werden, sei (…) unhaltbar und könnte speziell bei uns zu schweren Konsequenzen führen. Diese Situation solle (…) Ludendorff klar vor Augen geführt werden. – Der Botschafter, welcher sich vornimmt, auch seinerseits in Berlin in d ­ iesem Sinne zu wirken, bemerkte, es fehle ihm nur eine authentische Information über jene (…) Erwerbungen oder Grenzkorrekturen, auf ­welche wir beim Friedensschluss rechnen. (…) – Ich erwiderte, dass ich eine authentische Kenntnis unserer (…) Kriegsziele gleichfalls nicht besitze (…). Soviel ich aber wüsste, dächten wir nirgends an Annexionen (…). Aeusserstenfalls, wenn uns dies (…) unsere Situation im Moment des Friedensschlusses erlaubt, würden wir gegenüber Italien ebenso wie gegenüber Rumänien und Serbien Grenzrektifikationen anstreben (…). Nur den Lovcen (…) wollten wir nicht wieder herausgeben. – Im weiteren Verlauf der Konversation kam bei Grafen Wedel eine tiefe Besorgnis darüber zu Tage, ob wir überhaupt durchhalten würden, (…) wenn etwa 2504 Hohenlohe an Czernin, Tel. o. Z., 27. Jän. 1918, HHStA PA I, 1081 Aus Wien 1918 fol. 1 – 2v. 2505 Kühlmann an Hertling, Tel. 16, 30. Jän. 1918, SG 3 1976, 311 – 313 Dok. 201.

Um die Interpretation des Bündnisvertrages

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via Wilson die italienischen Forderungen sich auf die Abtretung eines Teiles des Trentino beschränken würden.2506

Wedel selbst berichtete an ­diesem Tag ans Auswärtige Amt: Österreichs Kriegsziele: Erhaltung des alten Besitzstandes und bestenfalls geringfügige Grenzberichtigungen. Grosser Wert wird nur auf Lovcen gelegt. Auch auf (…) polnische Lösung würde man für raschen Frieden verzichten. (…) Ich glaube sogar, dass man sich zu bescheidenem territorialen Zugeständnis an Italien entschliessen würde, wenn Frieden davon abhinge. (…) Gefahr liegt vor allem darin, dass öffentliche Meinung (…) es ablehnt, für deutsche Eroberungen Krieg fortzusetzen und (…) oberster Stelle nicht viel Widerstandskraft zuzutrauen ist. Grund wachsender Spannung Unklarheit unserer Kriegsziele. Regierung widerstrebt unzweifelhaft, so weit sie kann, einem Sonderfrieden. (…) Wenn Präsident Wilson Österreich annehmbare Brücke baut und Italien zur Revision seiner nationalen Aspirationen zwingt, würde Regierung in sehr schwere Lage kommen. Halte Durchhalten für möglich auf Grundlage gemeinsamen Verteidigungskrieges.2507

An der Berliner Besprechung vom 5. Februar nahmen für die Monarchie neben Czernin und seinem Kabinettschef Colloredo Sektionschef Gratz, der Militärbevollmächtigte bei den Brester Verhandlungen General Maximilian Csicserics von Bacsány, der Vorsitzende des gemeinsamen Ernährungsausschusses Generalmajor Ottakar Landwehr von Pragenau, der stellvertretende Generalstabschef Generalmajor Waldstätten und Graf Demblin, für Deutschland Hertling, Vizekanzler Payer, die Staatssekretäre Kühlmann, Roedern und Stein, General Ludendorff und andere teil. Dem österreichisch-ungarischen Protokoll der Besprechung zufolge erklärte Czernin am Vormittag, er habe die Konferenz vorgeschlagen, um zu besprechen, (…) w ­ elche Taktik nunmehr bei den Brester Friedensverhandlungen zu verfolgen wäre und (…) wie das (…) Bundesverhältnis auszubauen wäre. (…) Was die (…) Verhandlungen mit der Ukraina betreffe, so müsse das Hauptgewicht auf die baldmöglichste Lieferung von Getreide (…) gelegt werden. Wenn der Cholmer Kreis abgetreten werden musste, so bedeutet dies für die Monarchie ein ausserordentlich grosses Opfer, weil hiedurch die austro-polnische Lösung gefährdet erscheint. Auch der Schaffung einer ukrainischen Provinz Ostgalizien komme eine eminente Tragweite zu, da (…) durch diese Massregel das ganze Problem (…) der Monarchie aufgerollt werde.2508

2506 Müller/Mérey an Czernin, Tel. 220, 31. Jän. 1918, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 611 – 612v, idem: HHStA PA I, 1081 Aus Wien 1918 fol. 54 – 54v. 2507 Wedel an A. A., Tel. 103, 31. Jän. 1918, SG 3 1976, 318 – 319 Dok. 206. 2508 (Ö.-u.) Prot. über die Berliner Bespr. vom 5. Feb. 1918 u. resümierende Aufz. über die Bespr. vom 6. (recte Nachmittag des 5.) Feb. 1918, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 589 – 600v bzw. 604 – 608.

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Die Sixtus-Affäre

Sie habe ­dieses Opfer bringen müssen, „weil die Zentralmächte bis zur neuen Ernte ohne die fremde Aushilfe durchzuhalten nicht imstande waren“. Kühlmann erklärte, „von Vorteil“ wäre ein Friedensschluss mit der bolschewistischen Regierung, auch wenn diese „keineswegs von Dauer sein dürfte und ihre Methoden in ihrer Rückwirkung auf unsere inneren Verhältnisse als gefahrdrohend bezeichnet werden müssten“. Ludendorff sprach sich für einen baldigen Frieden mit der Ukraine aus, denn „angesichts der kommenden Ereignisse im Westen müsse sich Deutschland tunlichst im Osten alle Gegner vom Halse schaffen“. Im weiteren Verlauf der Besprechung wurde das bestehende Bündnis der beiden Reiche ausführlich erörtert. Czernin führte dazu aus, „dass das Bündnis an Mangel an Klarheit leide, welcher Uebelstand (…) unbedingt beseitigt werden müsse“. Angesichts der schwierigen Lage, in ­welche die Monarchie „infolge von Ernährungsschwierigkeiten und subversiver nationalistischer Strömungen geraten sei“, sehe er sich gezwungen, die Frage zu stellen: „Bis zu welchem Punkte ist die (…) Monarchie verpflichtet an der Seite ihres deutschen Bundesgenossen im Kriege auszuharren, bzw. wann und unter w ­ elchen 2509 Umständen hat sie das Recht sich an den Verhandlungstisch zu setzen?“  Seiner Auffassung nach unterliege es „nicht dem geringsten Zweifel, dass die Monar­ chie nur insoweit verpflichtet ist den Krieg fortzuführen, als es sich um Sicherung des vorkriegerischen territorialen Besitzstandes handelt“. Keineswegs aber sei sie durch den Bündnisvertrag verpflichtet, „für deutsche Eroberungen den Krieg fortzuführen“. Ihm schwebe „die Verfassung eines interpretativen Dokuments vor, in welchem die zweifellosen Rechte und Pflichten der beiden Kompasziszenten in unzweideutiger Weise festgestellt würden“. Kühlmann erwiderte, er könne „dieser Auffassung nur beipflichten“, es sei jedoch „schwer (…) festzustellen, w ­ elche militärischen Massnahmen Eroberungszwecken dienen, und ­welche (…) zur Sicherung des eigenen Besitzstandes“. Czernin antwortete, die Frage müsse einfacher gestellt werden: „Wann hat Oesterreich-Ungarn das Recht in separate Verhandlungen einzutreten? (…) Wie lange sind wir absolut verpflichtet, die kriegerischen Operationen unseres Bundesgenossen mitzumachen?“ 2510 Ludendorff erklärte, er wolle „von einem Frieden, der bloss den territorialen Besitzstand vor dem Krieg sichern würde, nichts wissen, ein solcher (…) käme einer deutschen Niederlage gleich und würde zumal an der Westgrenze (…) eine militärisch unmögliche Situation schaffen“.2511 Wenn er „ein Hinausschieben der Grenze an (…) gefährlichen Punkten für unumgänglich halte, so sei dies bloss eine Forderung zur Sicherung des Bestehenden, keine Annexion“. Czernin erklärte darauf, dass „unter diesen Umständen 2509 Ebd. 2510 Ebd. 2511 Ebd.

Um die Interpretation des Bündnisvertrages

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ein Friede ausgeschlossen“ erscheine; in Ludendorffs Äußerungen spiegle sich „ein tiefgehender Widerspruch mit den wiederholten Enunziationen der deutschen Staatsmänner wider (…), w ­ elche klipp und klar die französischen Ansprüche auf Elsass-Lothringen als einziges Friedenshindernis bezeichnet hätten“.2512 Hohenlohe bemerkte, „dass die Monarchie nicht freiwillig, sozusagen zu ihrem Vergnügen, an die Beendigung des Krieges denke, sie handle unter dem Gebot des Zwanges, der ihr durch den Mangel an Lebensmitteln und die innere Gärung diktiert werde“.2513 Er wandte sich „sehr energisch gegen die von Ludendorff als Grenzsicherung bezeichneten Annexionsgelüste im Westen“. Kühlmann erklärte, seiner Ansicht nach „kämpfe auch Deutschland nicht für Eroberungen sondern um den status quo. Der von Grafen Czernin angenommene theoretische Fall, d. h. ein Eingehen der Entente auf einen status quo ante-Frieden,2514 erscheine ihm (…) höchst problematisch, denn weder Frankreich werde auf Elsass-Lothringen noch Italien auf das Trentino verzichten wollen.“ 2515 Am Nachmittag des 5. Februar präsentierte Czernin eine „interpretative Formulierung der durch den Bündnisvertrag festgelegten Rechte und Pflichten der beiden Kontrahenten“, die nicht ins österreichisch-ungarische Protokoll aufgenommen wurde. In d ­ iesem heißt es darüber lediglich: „Deutscherseits wird in materieller Hinsicht gegen diese Formulierung kein Einwand erhoben, die nähere detaillierte Textierung (…) jedoch weiteren Aussprachen z­ wischen Herrn von Kühlmann und dem Grafen Czernin vorbehalten.“ 2516 Czernins „interpretative Formulierung“ ist auch nicht im deutschen Protokoll enthalten,2517 wohl aber findet sie sich in den von Ludendorff publizierten Urkunden der Obersten Heeresleitung.2518 2512 Ebd. 2513 Ebd. 2514 Dem dt. Protokoll zufolge stellte Czernin die Frage: „Was sollen wir tun, wenn die Entente uns einen Frieden nach dem territorialen status quo, wie er vor dem Kriege war, anbietet?“ Verh.-Ber. über die Sitzungen (…) am 5. 2. 1918 (gekürzt), WUA 4. Rh., 2. Abt. 12/1 1929. 217 – 223 Anl. 21. 2515 (Ö.-u.) Prot. über die Berliner Bespr. vom 5. Feb. 1918 u. resümierende Aufz. über die Bespr. vom 6. (recte Nachmittag des 5.) Feb. 1918, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 589 – 600v bzw. 604 – 608. 2516 Ebd. 2517 Protokoll über die Verhandlungen ­zwischen den Vertretern Deutschlands und Österreich-Ungarns, 5. Feb. 1918, Chwostow 1. 1967, 353 – 375. 2518 Entw. für ein neues Bündnis-Dokument. Vorgelegt von Gf. Czernin 5. Feb. 1918, Ludendorff 1920, 469 – 470 Dok. XXI /2. Der Text entspricht inhaltlich einer Version, die Czernin am 15. Februar an Botschafter Hohenlohe übermittelte. Czernins Entwurf geht, wie aus dem Tagebuch von Sektionschef Gratz hervorgeht, auf eine von d ­ iesem angefertigte Aufzeichnung zurück. Gratz notierte nämlich: „Ich gehe ins Hotel zurück und setze in einer Viertelstunde ohne Auftrag auf, was als Ergebnis der heutigen Besprechung niedergelegt werden könnte. (…) Nach Tisch Czernin meinen Entwurf gezeigt. Er findet ihn gut, gibt ihn Kühlmann, dieser läßt ihn abschreiben.“ Gratz TB -Eintr. 5. Feb. 1918, KA NL Gratz B/19 6.

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Zur Politik gegenüber der russischen Delegation meinte Hertling, es müsse, falls diese „nicht in kürzester Zeit“ einlenke, „ein Abbruch der Verhandlungen (…) in Aussicht genommen werden“. Ludendorff äußerte, er würde einen solchen „freudig begrüssen“; die O. H. L. habe „die Absicht zu handeln, denn, wenn man (…) untätig bleibt, dann werden sowohl Finnland als auch die Ukraina von den Bolschewiki totgeschlagen“. Man müsse (…) trachten, so viel Truppen als möglich für den Westen freizubekommen. (…) Wir müssen bestrebt sein, nicht in Russland Eroberungen zu machen, sondern eine Regierung ans Ruder zu bringen, die dort die Ordnung wiederherstellt. (…) Anderenfalls müssten wir den Grenzschutz gegen das übergreifende Gift der Maximalisten aufrecht erhalten.“ 2519

Kühlmann konstatierte, Einigkeit herrsche darüber, zunächst zu einem „Abschluss mit der Ukraina“ zu gelangen; dann müsse „durch freundschaftliche Vermittlung ein Einlenken Trotzkis versucht werden“. Sollte dies „nichts fruchten, so würde es zum Abbruch, gegebenenfals zur Wiederaufnahme der kriegerischen Aktion gegen Nordrussland kommen“. Trotz alledem würde er einen Friedensschluss mit den Bolschewiki „für einen Vorteil halten. Ein solcher würde sowohl in den Entente-Ländern als auch im (…) eigenen Hinterlande gut wirken“. Czernin stimmte dem zu und hob „das moralische Element eines Friedensschlusses – auch wenn der Gegner Trotzki heisst – hervor“. In der Folge ging es um die polnische Frage. Czernin konstatierte, dass (…) in Anbetracht der deutscherseits gestellten Bedingungen (…) die austro-polnische Formel undurchführbar (sei). Die Monarchie müsse darauf bestehen, ein lebensfähiges Gebilde zu erhalten (…). Mit der austro-polnischen Lösung fallen aber auch alle mitteleuropäischen Vereinbarungen und, nachdem an eine Kompensation in Rumänien (…) nicht zu denken sei, wäre die Monarchie nolens volens gezwungen, nach dem Kriege ihren eigenen Weg zu gehen und sich (…) von Deutschland zu trennen. Denn unter den gegebenen Verhältnissen wäre eine Fortführung der Bundespolitik in Oesterreich-Ungarn nicht mehr durchzusetzen.2520

Gratz gab zu bedenken, dass die „wirtschaftliche Knebelung des Landes eine verfehlte Politik wäre“. Man einigte sich schließlich darauf, „dass eine nochmalige gründliche Durchbesprechung der polnischen Frage stattzufinden hätte“.2521 2519 (Ö.-u.) Prot. über die Berliner Bespr. vom 5. Feb. 1918 u. resümierende Aufz. über die Bespr. vom 6. (recte Nachmittag des 5.) Feb. 1918, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 589 – 600v bzw. 604 – 608. 2520 Ebd. 2521 Ebd., Druck (unvollst. u. mit Fehlern): John 1937, 131 – 135 bzw. 136 – 138.

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Hertling übersandte am Tag nach der Beratung Legationsrat Grünau „zum Vortrage bei Seiner Majestät“ eine Zusammenfassung des Besprochenen. In dieser heißt es unter anderem: Über das Vorgehen in Brest-Litowsk herrschte Übereinstimmung, dass zunächst mit allem Nachdruck der Friede mit der Ukraine herbeizuführen ist, dann aber die Verhandlungen mit Trotzki mit positivem oder negativem Erfolg zum Abschluss gebracht werden müssen. (…) – Graf Czernin brachte den Wunsch vor, eine authentische Interpretation der aus unserem Bündnisvertrag herzuleitenden Verpflichtungen zur Weiterführung des Krieges zu erhalten. Es handelt sich hierbei um die Feststellung, ob und inwieweit Österreich-Ungarn verpflichtet ist, an unserer Seite den Krieg weiterzuführen, wenn die territoriale Unverletzlichkeit unseres Gebietes von den Feinden anerkannt wird. Wir erweiterten diese Feststellung dahin, dass (…) auch unsere wirtschaftliche Sicherheit gewährleistet sein müsse durch Ausschaltung des Wirtschaftskrieges und (…) Wiederherstellung unserer überseeischen Beziehungen. In der Sache wurde Übereinstimmung erzielt. Die Ausarbeitung einer entsprechenden Interpretationsformel wurde dem Grafen Czernin und Herrn von Kühlmann übertragen. – Bei Besprechung der austro-polnischen Lösung stellte sich heraus, dass die dagegen geltend zu machenden Bedenken ausserordentlich zugenommen haben (… und) die Regelung der zukünftigen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse Polens (…) noch einer sehr gründlichen Klärung (…) bedürfen. (…) – Ich habe bei den österreichisch-ungarischen Herren eine gewisse, wohl durch die Schwierigkeiten der inneren Lage hervorgerufene Nervosität und einen vielleicht zur Verstärkung des Eindrucks etwas stark betonten Pessimismus gefunden; aber bei Graf Czernin doch das feste Bestreben, an Ausbau und Festigung des Bündnisverhältnisses mitzuarbeiten. Es ist mir zweifelhaft, ob bei den grossen prinzipiellen Differenzen die austro-polnische Lösung sich wird durchführen lassen. (…) – Eine baldige Lösung ist (…) nicht so dringlich, wenn es (…) gelingt, den Frieden mit der Ukraine und Rumänien herzustellen und mit den Bolschewikis klare Bahn zu schaffen. Dann können die Polen auf die definitive Gestaltung ihrer Zukunft noch getrost etwas warten.2522

Grünau antwortete: „Seine Majestät (…) hat sich mit dem (…) Ergebnis der Besprechungen (…) einverstanden erklärt.“ 2523 Czernin notierte über die Berliner Besprechungen in sein Tagebuch: Die wünschenswerte Klarheit ist, wenn auch noch nicht erreicht, doch jedenfalls im Zuge. Es handelt sich (…) darum, endlich einmal schriftlich festzulegen, daß wir nur für den vorkriegerischen Besitzstand Deutschlands zu kämpfen verpflichtet sind. Ludendorff opponierte heftig 2522 Hertling an Grünau Zum Vortrag bei S. M., Tel. o. Z., 6. Feb. 1918, SG 3 1976, 351 – 352 Dok. 228. 2523 Grünau an Hertling, 7. Feb. 1918, ebd. Anm. 2.

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und sagte: ‚Wenn Deutschland ohne Profit Frieden macht, so hat es den Krieg verloren.‘ – Als sich die Kontroverse immer mehr zuspitzte, stieß mich Hertling an und flüsterte mir zu: ‚Lassen Sie ihn, wir zwei werden das zusammen machen ohne Ludendorff.‘2524

Der Minister knüpfte an eine entsprechende Interpretation des Bündnisvertrages große Hoffnungen. Der Tagebucheintragung Gratzs vom 6. Februar zufolge äußerte er nämlich, eine ­solche Interpretation könne (…) gegebenenfalls eine starke Waffe in unserer Hand sein. Wenn die Entente sich uns nähert, können wir ihr sagen, sie solle uns die territoriale Integrität anbieten, damit wir freie Hand haben. (…) Geht die Entente darauf ein so können wir vor Deutschland hintreten und erklären, daß wir das Angebot auf territoriale Integrität besitzen und davon Gebrauch machen wollen. Unter dem doppelten Drucke, daß 1.) ein Frieden bei territorialer Integrität möglich ist und 2.) eine Nichtannahme d ­ ieses Angebots das dt.-öst.-ung. Bündnis gefährden würde, werde Deutschland gezwungen sein, den allgemeinen Frieden zu ermöglichen und L ­ udendorff wird den Kürzeren ziehen. Dabei könnte auch das Bündnis mit Deutschland gewahrt bleiben; vielleicht wird es allerdings nicht das Deutschland Ludendorff ’s, sondern ein neues Deutschland sein.2525

In Demblins Tagebuch ist unter dem 4. Februar 1918 vermerkt: „Zu mittag werde ich (…) dringend nach Laxenburg berufen. (…) Der K ­ aiser schickt mich nach Berlin, um dort mit Czernin zusammenzutreffen und dem K ­ aiser sodann über den Stand der schwebenden Frage zu berichten.“ 2526 2524 Czernin TB-Eintr. 5. Feb. 1918, Czernin 1919, 334. 2525 Gratz TB-Eintr. 6. Feb. 1918, KA NL Gratz B/19 6. 2526 Demblin TB -Eintr. 4. Feb. 1918, Demblin Alex. 1997, 66 – 67. – Kovács schrieb unter Berufung auf ­Demblins Tagebuch, er sei vom ­Kaiser „im Eiltempo nach Berlin“ entsandt worden, wo Czernin über die mögliche Auflösung des österreichisch-deutschen Kriegsbündnisses konferierte. Kovács 1 2004, 356. In Demblins Tagebuch findet sich jedoch kein Hinweis darauf, dass solches in Berlin erörtert worden wäre. Unter dem 5. Februar heißt es dort lediglich, man habe die „grosse Frage besprochen, wie weit wir nach dem Dreibundvertrage verpflichtet sind, Deutschland Gefolgschaft zu leisten, bezw. wo der Begriff des Defensivkrieges aufhört und der des Offensivkrieges beginnt“. Demblins Notiz: „Schliesslich einigt man sich auf folgende Formel: Österreich-Ungarn ist nicht verpflichtet, weiter zu kämpfen, falls die Entente bereit wäre, auf Grund des territorialen Status quo und des Programmes ‚kein Wirtschaftskrieg‘ Frieden zu schliessen, und Deutschland darauf nicht eingeht“ (Demblin TB-Eintr. 5. Feb. 1918, Demblin Alex. 1997, 67), entspricht dem Sachverhalt nicht: Über Czernins „interpretative Formulierung der durch den Bündnisvertrag festgelegten Rechte und Pflichten“ wurde nämlich, wie erwähnt, kein Beschluss gefasst. Kovács zitierte Demblins Notiz und meinte, „der diplomatische Ausweg aus der deutschen Dominanz schien mit der konfliktlösenden Formel (…) gefunden“. Kovács 1 2004, 356. – Kovács behauptete auch, Balfour sei von d ­ iesem Ergebnis der Berliner Gespräche „über den Geheimdienst informiert“ worden

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Der Berliner Botschaft wurde mitgeteilt: „Demblin kommt morgen früh an. Er hat keinen Auftrag von Seiner Majestät (…), soll sich nur hier bei S. E. dem Herrn Minister informieren und hierüber an AH Stelle berichten.“ 2527 Der Friedensvertrag mit der Ukraine wurde in den frühen Morgenstunden des 9. ­Februar 1918 unterzeichnet. Tags darauf meldete das k. k. Telegraphen-Korrespondenz-Bureau aus Brest-Litowsk, „daß Rußland unter Verzicht auf einen formellen Friedensvertrag den Kriegszustand für beendet erkläre und die völlige Demobilisierung der russischen Streitkräfte anordnet“.2528 Im Leitartikel des Fremden-Blattes vom 12. Februar hieß es dazu: Die große Bedeutung ­dieses Ereignisses fühlt jeder. Rußland war der furchtbarste unserer Feinde, ungeheure Menschenmassen hat es gegen uns entsendet, und in den Schlachten im Osten sind Tausende und Zehntausende unserer Söhne gefallen. (…) Eine der schrecklichsten Phasen der Geschichte geht damit zu Ende.2529

Als Czernin am 13. Februar von Brest kommend am Wiener Nordbahnhof eintraf, begrüßte ihn Bürgermeister Weiskirchner mit den Worten: „Sie bringen uns den ersehnten Frieden mit der (…) Ukraine, Sie bringen das Ende des Krieges mit Rußland, Sie bringen uns den Brotfrieden“, worauf der Minister entgegnete: „Das, was in Brest geschehen ist, ist noch nicht das Ende des Weltkrieges, aber es ist der Anfang vom Ende. Nicht nur politische Krankheiten sind ansteckend, auch politische Genesungen, und auch der Friede wird ansteckend wirken (…).“ 2530 Am selben Tag konnte Ludendorff bei K ­ aiser Wilhelm gegen den Widerstand H ­ ertlings, Payers und Kühlmanns die Wiederaufnahme von beschränkten militärischen Operationen im Osten durchsetzen, die am 18. Februar begannen. Österreich-Ungarn schloss sich nach der am 27. Februar erteilten Genehmigung K ­ aiser Karls, „in den Besitz der ukrainischen Bahnen zu gelangen“,2531 dem deutschen Vorgehen an.

und habe „dies sofort den Amerikanern“ signalisiert. Ebd. Sie berief sich dabei auf eine von Meckling zitierte Depesche an Colonel House, in der Balfour mitteilte: „We have received the following information from a source in touch with Count Czernin and there is every reason to believe that it has been communicated to us under instructions. – Count Czernin is understood to be in favor of a separate peace but wishes to find a pretext for breaking with Germany (…).“ Balfour an House, 7. Feb. 1918, Link PWW 46. 1984, 271 – 272. Meckling bezog, wie vor ihr Mamatey (Mamatey 1957, 222 – 223), diese „information“ jedoch nicht auf die Berliner Gespräche, sondern meinte, sie habe in London „die Darlegungen von Professor Lammasch glaubhaft erscheinen“ lassen. Meckling 1969, 329. 2527 Walterskirchen an Botschaft Berlin, Telefon 4. Feb. 1918, HHStA PA I, 536 Friedens-Fasc. fol. 36. 2528 F-B A (11. Feb. 1918), 1. 2529 Ebd. 2530 F-B M (14. Feb. 1918), 2. 2531 Arz an Czernin, Tel.-Dep. 27246, 27. Feb. 1918, HHStA PA I, 836 Krieg 3k fol. 66 – 66v.

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Die Sixtus-Affäre

Czernin legte Kühlmann bald nach der Berliner Zusammenkunft vom 5. Februar einen wesentlich erweiterten Entwurf für eine Vereinbarung zur Interpretation des Bündnisvertrages vor. Dies ergibt sich aus einem Telegramm, mit dem er Hohenlohe am 15. Februar anwies, beim Staatssekretär und „eventuell“ auch beim Kanzler alles daran­zusetzen, damit der Vertrag möglichst rasch zustande komme. Er habe Kühlmann folgenden Text übergeben: I. In authentischer Interpretierung zum Bündnisvertrage wird festgestellt, dass das Bündnis (…) – seinem defensiven Charakter entsprechend – keinem Teile Verpflichtungen auferlegt, die über die Wahrung des territorialen status quo ante bellum hinausgehen. – Sobald daher der territoriale Bestand vor dem Kriege für den einen Teil gesichert ist, ist der andere Teil zur Fortsetzung des Krieges auf Grund des Bündnisvertrages nicht weiter verpflichtet (auf Grund des Bündnisvertrages berechtigt, den Krieg einzustellen und Frieden zu schliessen.). – II. Bezüglich des Kolonialbesitzes Deutschlands ist die Wiederherstellung des Besitzstandes vor dem Kriege so zu verstehen, dass der Kolonialbesitz (…) nach dem Kriege im Grossen und Ganzen denselben wirtschaftlichen Wert repräsentieren muss, w ­ elchen (… er) vor dem Kriege hatte. – Sollte die Wiederherstellung (…) sich als unmöglich erweisen, so erklärt sich Oest.-Ungarn (…) bereit, dafür einzutreten, dass das Deutsche Reich durch Gebietserweiterungen an seiner Ostgrenze ein entsprechendes Aequivalent (…) erhalte. – III. Beide Teile erklären (…), dass keiner von ihnen einen Frieden schliessen wird, solange die Mächte, mit denen der Frieden geschlossen werden soll, sich nicht verpflichten, auf jede Fortsetzung des Wirtschaftskrieges zu verzichten. – IV . Beide Teile erklären, dass sie von ihrem Rechte, nach Erreichung der eben erwähnten Ziele unabhängig vom anderen Teile Frieden zu schliessen keinen Gebrauch machen werden, solange ihnen ihre inneren Verhältnisse diesen Entschluss nicht zwingend auferlegen. Solange dieser Fall nicht eintritt – was selbstverständlich jeder von ihnen allein zu entscheiden hat – werden sie den Krieg fortsetzen, bis ein Friede möglich ist, der ihnen eine Vermehrung ihrer politischen Sicherheiten und wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten gewährleistet. – V. Endlich verpflichten sich beide Teile, in den Friedensverhandlungen einander nachdrücklichst zu unterstützen in dem Bestreben, dass beide Teile in Bezug auf ihre wirtschaftliche Lage – besonders mit Rücksicht auf ihre Auslandsbeziehungen – womöglich dieselbe Position wiedererlangen, die sie vor dem Kriege besessen haben.

Dem fügte Czernin hinzu: „Kühlmann hat noch keine endgiltige Antwort gegeben, jedoch den Text nach Berlin mit sich genommen und eine rasche Stellungnahme der (…) Regierung in Aussicht gestellt.“ 2532 Hohenlohe antwortete am nächsten Tag:

2532 Czernin an Hohenlohe, Tel. 69, 15. Feb. 1918, HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 41 – 43.

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Ich habe Herrn von Kühlmann, der heute Mittag hier angekommen ist, eben aufgesucht und ihm gesagt, Euer Exzellenz legten das allergrößte Gewicht darauf, daß der Interpretierungsvertrag (…) ehetunlichst unterzeichnet werde. (…) Der Staatssekretär sagte mir, Herr von Kriege prüfe momentan den Text vom juristischen Standpunkt aus, worauf ich eine diesbezügliche Besprechung mit Kriege vorschlug, die heute nachmittags stattfindet. Herr von Kühlmann (…) kann an derselben selbst nicht teilnehmen. Ich werde daher morgen vormittags nochmals eine Besprechung (…) mit Kühlmann haben und habe ihm (…) nahegelegt, daß ich bestimmt erwarte, der Vertrag würde dann unterschrieben werden können.2533

Über das Gespräch mit Kriege berichtete Hohenlohe, dieser habe Änderungen vorgeschlagen: Ad I°. Statt (…) ‚Interpretierung‘ ‚Auslegung‘. Das Wort ‚Territorium‘ am Schlusse des ersten Alineas sollte ganz wegfallen, da es sich ja um wirtschaftlichen Besitzstand handle. Im zweiten Alinea (…) sollten nach (…) ‚den einen Teil‘ die Worte ‚sämtlichen feindlichen Mächten gegenüber‘ eingefügt werden. Deutscherseits würde (…) ‚auf Grund des Bündnisvertrages nicht weiter verpflichtet‘ der (…) Fassung ‚auf Grund des Bündnisvertrages berechtigt, den Krieg einzustellen und Frieden zu schließen‘ vorgezogen werden. – Ad II°. Zum Schlusse des ersten Alineas sollte (…) angefügt werden: ‚ob diese Voraussetzung zutrifft, würde gegebenenfalls Deutschland zu entscheiden haben‘. Dagegen wird (…) gefordert, daß das zweite Alinea (…) wegfalle mit der Begründung, daß Deutschland seine Kolonien nicht feil ­seien und eine (…) Gebietserweiterung an seiner Ost(grenze) keinesfalls ein entsprechendes Aequivalent (…) bieten könne. – Ad V°. Dieser Punkt hätte nicht mit (…) ‚endlich‘ zu beginnen, sondern mit (…): ‚beide Teile verpflichten sich u. s. w.’ (…) – Deutscherseits wird noch ein Punkt VI vorgeschlagen (…): ‚Endlich verpflichten sich beide Teile, den Krieg fortzusetzen, bis die (…) mit der Türkei und mit Bulgarien (…) eingegangenen Verpflichtungen erfüllt sind.’ – Auf meine Einwendung, daß dieser Punkt VI wohl überflüssig sei, da es sich doch nur um eine Interpretation des ­zwischen Oesterreich-Ungarn und Deutschland bestehenden Bündnisses handle (…) antwortete man mir, daß der Inhalt doch einmal durchsickern könnte und dann in der Türkei und in Bulgarien einen sehr üblen Eindruck machen würde. – Da ich morgen (…) mit Herrn von Kühlmann (…) die entscheidende Besprechung haben werde und ich annehme, daß (… er) mit der mir (…) vorgeschlagenen Fassung einverstanden sein wird, bitte ich Euer Exzellenz um (…) eheste, wenn möglich telephonische Entscheidung (…).2534

Czernin gewann Krieges Vorschlägen wenig ab und depeschierte am 21. Februar an Hohenlohe: 2533 Hohenlohe an Czernin, Tel. 93, 16. Feb. 1918, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 579. 2534 Hohenlohe an Czernin, Tel. 94, 16. Feb. 1918, ebd. fol. 580 – 580v.

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Bitte der deutschen Regierung zu sagen, daß die (…) vorgeschlagene Fassung (…) mir nicht annehmbar erscheint, da sie in mehreren Punkten so unklar ist, daß sie nur zu neuen Diffe­ renzen Anlaß geben müßte. – Wenn eine Einigung nicht zu erzielen ist, so muß ich mich leider darauf beschränken, (…) ganz klar zu erklären, daß wir nur für die Verteidigung des vorkriegerischen (…) Besitzstandes Deutschlands, nicht aber für dessen Eroberungen weiter zu kämpfen bereit sind.2535

Hohenlohe antwortete, er habe das Telegramm von dem Bussche und Kriege mitgeteilt. Diesen sei es (…) nicht klar, ­welche Punkte Euer Exzellenz undeutlich finden (…). Inzwischen hat Dr. Kriege eine neue Fassung ausgearbeitet, w ­ elche inhaltlich zwar dieselbe ist, jedoch einige textuelle Aenderungen enthält.2536 (…) Dr. Kriege, welcher heute nach Rumänien reist, hält es für das zweckmäßigste, die Angelegenheit mit Euer Exzellenz (…) dort zu besprechen (…).2537

Am 22. Februar 1918 fand ein Treffen der beiden K ­ aiser in Homburg statt. Demblin hatte bereits am 13. Februar an Czernin nach Bukarest telegrafiert: „Es ist vielleicht nicht schlecht, wenn Seine Majestät durch einige Stunden eine scharfmacherische Tonart zu hören bekommt.“ 2538 Botschafter Wedel depeschierte im Hinblick auf das Treffen am 18. Februar an Hertling: Kaiser Karl scheint nur noch an Frieden und Versöhnung zu denken. Seit dem grossen Streik ist Sein Vertrauen noch mehr gesunken, die Sorge vor der Revolution, das Verlangen nach Frieden noch mehr gestiegen. Der ­Kaiser scheint zu glauben, dass für Thron und Reich die Gefahr überwunden ist, wenn der Friede da ist; wie er aussieht, ist Nebensache. (…) – ­Kaiser Karl wird am 22. in Homburg eintreffen. Er wird (…) Seine Sorgen zwar vorbringen, aber nicht erkennen lassen, wie sehr Er unter ihnen leidet und von ihnen beherrscht wird. – Der Hinweis auf unsere günstige militärische Lage (…) wird kaum einen grossen Eindruck auf ­Kaiser Karl machen. Er erschrickt ja vor deutscher Kühnheit und glaubt, dass unser ‚Übermut‘ auch Ihn und Seinen Staat dem Abgrund zuführt. (…) – K ­ aiser Karl ist schwer zu beeinflussen. Wenn Er aber Rat annimmt, dann dürfte es am ehesten von unserm Allergnädigsten Herrn sein. (…) Eine Warnung von dieser hohen Seite (…) vor der Gefahr eines schlechten Friedens dürfte (…) Eindruck machen.2539

2535 Czernin an Hohenlohe, Tel. 88, 21. Feb. 1918, ebd. fol. 577 – 577v („KOP. F. S.MAJ.“). 2536 Interpretationsvertrag (Bleistift: „Neue Fassg. Kriege’s übergeben am 22. Feb. 1918“), HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 17 – 19 (in Mappe Ber. 81/P v. 18. (Juli 1918)). 2537 Hohenlohe an Müller für Czernin, Tel. 116, 22. Feb. 1918, HHStA PA I, 504 XLVII/3 22 fol. 574. 2538 Demblin an Czernin, Tel. 56, 13. Feb. 1918, HHStA NL Flotow 3, 7/I fol. 68. 2539 Wedel an Hertling, Tel. 67, 18. Feb. 1918, SG 3 1976, 388 – 389 Dok. 259.

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Worüber die beiden Herrscher am 22. Februar sprachen, ist einer von Grünau für das Auswärtige Amt angefertigten Aufzeichnung zu entnehmen, in der es heißt: Seine Majestät (…) hat (…) folgende Angaben gemacht: – K ­ aiser Karl hat in der Hauptsache die polnische Frage angeschnitten und den Wunsch ausgesprochen, dass sie nach Abschluss des Friedens mit Rumänien mit grösster Beschleunigung (…) erörtert und dass eine Lösung gefunden werden sollte. (…) – Die österreichisch-polnische Lösung liegt ­Kaiser Karl nicht mehr, wie früher, am Herzen (… er) sieht aber in ihr immer noch die beste Lösung aus den gleichen Gründen wie früher, nämlich Entlastung der inneren österreichischen Politik (…) infolge Vereinigung Westgaliziens mit Polen und Ausscheidens der Polen aus dem Reichsrat, Wiederherstellung der (…) Stellung der Deutschen innerhalb der Monarchie und Vermeidung einer deutschen Irredenta. – (…) – Bei der Erörterung der Friedensziele betonte ­Kaiser Karl sehr stark das Friedensbedürfnis in Österreich-Ungarn und die Notwendigkeit, schnellstens zu einem Ende zu gelangen. Seine Majestät (…) wies ­Kaiser Karl darauf hin, dass (…) es darauf ankomme, einen guten Frieden zu schliessen (…), dass ein schlechter Frieden zwar für den Augenblick als Erleichterung aufgefasst, aber die Enttäuschung sehr bald sich herausstellen werde und dass dadurch eine sehr kritische Stimmung bei der Bevölkerung entstehen werde, die auch den Dynastien gefährlich werden könne. (…) Bezüglich der Ernährung würden wir (…) durch die Ukraine weiter entlastet (…). – Auf die Frage des Kaisers Karl, wie lange Deutschland noch den Krieg aushalten könne, erwiderte Seine Majestät, dass wir noch zwei bis drei Jahre Krieg führen könnten (…). K ­ aiser Karl soll durch die Zuversicht Seiner Majestät beeindruckt gewesen sein, sich aber über die Erfolge des Ubootkrieges skeptisch geäussert haben.2540

Kaiser Karl ließ Czernin über die Homburger Gespräche durch Demblin mitteilen: Stimmung hier leider mehr zerschmetternd denn je, besonders an Allerhöchster Stelle. Man will Belgien nicht ganz restituieren, denkt an Annexion Lüttichs, an deutschen Betrieb der belgischen Bahnen, eventuell Pachtung Zeebrügges à la Kiaotschau, will Esthland, Livland, Kurland, Lithauen an Deutschland angliedern. (…) Man will Krieg führen, bis England mit Friedensvorschlägen kommt. (…) – Das Neueste ist, (…) dass Belgien in einen vlämischen und einen wallonischen Teil geteilt werden soll, von denen ersterer (…) unter deutschen Einfluss kommen soll, letzterer unter französischen.2541

Demblin selbst berichtete dem Minister:

2540 Grünau an A. A., Aufz. 23. Feb. 1918, ebd. pp 410 – 412 Dok. 281. 2541 Demblin an Czernin, Tel. 60, 23. Feb. 1918, HHStA PA XL, 256 Varia interna 1917 fol. 669.

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Als S. M. mir (…) erzählte, dass K ­ aiser Wilhelm mehr denn je im Ludendorff ’schen Fahrwasser segle und noch von zwei bis drei Jahren Krieg spreche, fragte ich S. M., ob er denn nicht seinem Mitredner erklärt habe, dass die Verhältnisse bei uns es nicht gestatten, für deutsche Eroberungen den Krieg ins Uferlose fortzusetzen. S. M. meinte, es sei für ihn als den jüngeren sehr schwer, ­Kaiser Wilhelm gegenüber kategorisch aufzutreten. Am Abend bei der Fahrt zum Bahnhof hat nun S. M., wie er mir sagte, doch dem (…) deutschen ­Kaiser erklärt, dass wir keinen anderen als einen Verteidigungskrieg führen können und dass unsere Kriegsziele mit der Wiederherstellung des status quo erreicht ­s eien. ­Kaiser Wilhelm habe darauf nichts geantwortet. – Als charakteristisches Detail erzählte mir S. M., dass nach Tisch der Grossherzog von Hessen ihn in eine Ecke gezogen und, auf ­Kaiser Wilhelm deutend, gesagt habe: ‚Der weiss gar nichts, er lebt in den Wolken, die Wahrheit erfährt er nicht.‘2542

Tags darauf berichtete Demblin: „Seine Majestät ist unter dem Eindruck von (…) Aeusserungen K ­ aiser Wilhelms und Ludendorffs (…) wieder recht skeptisch bezüglich der Möglichkeit einer austro-polnischen Lösung. (…) Impressionable wie er ist, wollte (… er) gleich die Flinte ins Korn werfen und die austro-polnische Lösung (…) aufgeben.“ 2543 Zwei Wochen s­ päter berichtete Botschafter Wedel an Unterstaatssekretär von dem Bussche: Kaiser Karl hat neulich Frau Katharina Schratt empfangen. In Seiner natürlichen Art mit ihr plaudernd, hat Er von Homburg erzählt und dabei bemerkt, Er habe immer mehr die Überzeugung gewonnen, an (…) unserem Allergnädigsten Herrn einen treuen Freund zu besitzen. Im übrigen hat der ­Kaiser geäussert, Er würde zu einem Frieden mit Italien gern die Hand bieten, aber die verrückten Italiener verlangten immer noch Triest, das könne Er ihnen doch unmöglich geben. (…) der Abschluss in Brest und die Aussichten in Bukarest haben den Mut gehoben und den Geschmack an einem guten Frieden wieder erstehen lassen.2544

Eine nach den oben erwähnten deutschen Vorschlägen und „Verhandlungen, die in Brest, Berlin und Bukarest stattgefunden haben“ modifizierte vorläufig „letzte Fassung“ des Interpretationsvertrages sollte der undatierte österreichisch-ungarische Entwurf darstellen, auf dem mit Blaustift „Stand Ende April 1918“ vermerkt ist. Er lautet, abweichend vom früheren Entwurf: 2542 Demblin an Czernin, Tel. 66, 23. Feb. 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz. 2543 Demblin an Czernin, Tel. 4, 25. Feb. 1918, HHStA PA I, 1087 Aus Hofzug o. Fz. 2544 Wedel an Bussche, Brief, 11. März 1918, SG 4 1978, 22 – 23 Dok. 19. Bussche vermerkte auf dem Telegramm die Mitteilung des Inhalts an ­Kaiser Wilhelm. Ebd. Anm. 1.

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I. In authentischer Auslegung des Bündnisvertrages wird festgestellt, daß das Bündnis (…) – seinem defensiven Charakter entsprechend – keinem Teile Verpflichtungen auferlegt, die über die Wahrung ihres Besitzstandes vor dem Kriege hinausgehen. – II. Bezüglich des Kolonialbesitzes Deutschlands ist die Wiederherstellung des Besitzstandes (…) so zu verstehen, daß der Kolonialbesitz (…) nach dem Kriege im Großen und Ganzen denselben wirtschaftlichen Wert repräsentieren muß, w ­ elchen (…) und daß zum Ausgleich für untergeordnete (…) Besitzverluste in den Kolonien (…) auch etwaige deutsche Gebietserwerbungen in Europa mit in Betracht zu ziehen sein würden. (…) – III. In der Wahrung des wirtschaftlichen Besitzstandes werden beide Teile einander soweit unterstützen, als nötig ist, um gegen einen künftigen Wirtschaftskrieg geschützt zu sein. Infolgedessen erklären beide Teile, daß keiner von ihnen Frieden schließen wird, solange die Mächte, mit denen der Friede geschlossen werden soll, sich nicht verpflichten, auf jede Fortsetzung des Wirtschaftskrieges zu verzichten. – IV. Sobald der Besitzstand vor dem Kriege, wie er sich aus (…) I.-III. ergibt, für den einen Teil gegenüber allen feindlichen Mächten gesichert ist, ist der andere Teil zur Fortsetzung des Krieges (…) nicht weiter verpflichtet. – V. Beide Teile erklären, daß sie von ihrem Rechte, nach Erreichung der eben erwähnten Ziele unabhängig vom anderen Teile Frieden zu schließen, keinen Gebrauch machen werden, solange ihnen ihre inneren Verhältnisse diesen Entschluß nicht zwingend auferlegen. Solange dieser Fall nicht eintritt – was selbstverständlich jeder von ihnen allein zu entscheiden hat – werden sie den Krieg fortsetzen, bis ein Friede möglich ist, der ihnen eine Vermehrung ihrer politischen Sicherheiten und wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten gewährleistet. – VI. Beide Teile verpflichten sich endlich, in den Friedensverhandlungen einander nachdrücklichst zu unterstützen in dem Bestreben, daß sie in Beziehung auf ihre wirtschaftliche Lage (…) womöglich dieselbe Position wiedererlangen, die sie vor dem Kriege besessen haben.2545

Zu Punkt II des Entwurfs findet sich angemerkt: „Herr von Kühlmann hat sich mit dieser Fassung (…) einverstanden erklärt, jedoch bemerkt, er müsse sich noch mit Herrn Kriege ins Einvernehmen setzen“. Weiters ist angemerkt, über die Punkte III bis VI sei „das Einvernehmen hergestellt“ und: Deutscherseits wurde die Aufnahme einer weiteren Bestimmung angeregt, wonach durch den (…) Interpretierungsvertrag die Verträge mit der Türkei und Bulgarien unberührt bleiben. Unsererseits ist ­dieses Verlangen abgelehnt worden, 1.) weil diese Verträge in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit dem (…) Schließlich erklärte man auf deutscher Seite sich damit begnügen zu wollen, wenn die unversehrte Aufrechthaltung der Verträge mit der Türkei

2545 Entw. eines Interpretationsvertrages (Vermerk mit Blaustift: „Stand Ende Apr. 1918“), HHStA PA I, 504 XLVII/3 (22) fol. 567 – 567v, 570 – 570v u. 568 – 569v.

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und Bulgarien bloss im Begleitschreiben aufgenommen wird, mit welchem die unterfertigten Exemplare des Interpretierungsvertrages ausgewechselt werden.2546

Ein Einvernehmen über den Interpretationsvertrag wurde jedoch, möglicherweise infolge der durch das Bekanntwerden des Briefes ­Kaiser Karls an Sixtus ausgelösten deutschen Zweifel an der Bündnistreue des Monarchen, zunächst nicht erzielt. Bei der Zusammenkunft der beiden ­Kaiser in Spa am 12. Mai 1918 und bei der Berliner Konferenz vom 11. und 12. Juni 1918 wurde über diesen Vertrag nicht gesprochen. Kurz danach jedoch kam Burián auf das Projekt zurück und telegrafierte am 27. Juni an Graf Larisch, den Geschäftsträger der Botschaft in Berlin: Die Deutsche Oberste Heeresleitung hat kürzlich an das k. u. k. Armee-Oberkommando das Ersuchen gerichtet, ihr 6 (…) Infanterie-Divisionen zu überlassen, w ­ elche an der Westfront eingesetzt werden sollen. Im Hinblick auf die enge Waffenbrüderschaft (…) – Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß (…) der Einsatz österreichisch-ungarischer Truppen an der Westfront (…) vor unserer eigenen öffentlichen Meinung eine entsprechende Begründung erheischt. Um nämlich zu verhindern, daß die Mitwirkung unserer Truppen im Westen etwa als eine indirekte Förderung deutscher imperialistischer Kriegsziele hingestellt (…) werden könne, erscheint es geboten, unsere öffentliche Meinung (…) darüber aufzuklären, daß auch diese Maßnahme nur dem gemeinsamen Verteidigungszwecke diene, somit unsere Truppen (…) nicht für Eroberungen (…) zu kämpfen haben werden. – Um die sichere Grundlage für eine ­solche Orientierung zu gewinnen, empfiehlt es sich durchaus, einen schon von meinem Amtsvorgänger gefaßten Gedanken ehestens durchzuführen und (…) die Grenzen unserer wechselseitigen Bündnispflicht (…) genauer zu bestimmen. – In einem separaten Telegramme übermittle ich (…) den Entwurf d ­ ieses Abkommens, wobei ich bemerke, daß (…) wir nunmehr unseren Einwand gegen den Punkt IV fallen lassen, für den Punkt II aber eine neue Redaktion gewählt haben. – Ich ersuche (…) dem Herrn Staatssekretär (…) unter Uebergabe des Entwurfes (…) zu sagen, daß ich auf die rasche Perfektionierung des letzteren besonderen Wert legen würde. Ich bäte daher Herrn von Kühlmann, sich möglichst bald darüber zu äußern, ob er dem Entwurfe (…) endgiltig zustimme (…).2547

Der Text des Larisch übermittelten Entwurfs entsprach, von dem neu redigierten Punkt

II abgesehen, dem des Entwurfs „Stand Ende April 1918“. Der Punkt II sollte nun in sei-

nem zweiten Teil lauten: „Die sich bezüglich etwaiger Kompensierung von kolonialem Besitz durch europäische Gebietserwerbungen Deutschlands ergebenden Fragen würden

2546 Ebd. 2547 Burián an Larisch, Tel. 408, 27. Juni 1918, ebd. fol. 213 – 214v.

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im wechselseitigen Einvernehmen zu regeln sein.“ 2548 Larisch antwortete am 29. Juni: „Habe soeben mit (…) Kühlmann längere Unterredung (…) gehabt (…). Der Staatssekretär sagte mir zu, uns nach eingehender Prüfung (…) seine Vorschläge wissen zu lassen.“ 2549 Und am 2. Juli telegrafierte Larisch: Der Staatssekretär sagte mir, er hätte (…) die Rechtsabteilung zur Abgabe eines (…) Gutachtens aufgefordert, müsse aber (…) die Zustimmung des (…) Reichskanzlers einholen. Meine Einwendung, daß die Sache ja eigentlich schon vor Frühling im Prinzipe geregelt war (…) ließ Herr von Kühlmann nur teilweise gelten, ersuchte mich aber (…) zu melden, daß er (…) die Angelegenheit möglichst beschleunigen wolle. – Im Laufe unserer Unterredung betonte der Staatssekretär, daß man wohl nicht daran denken könne, die Interpretation für die Oeffentlichkeit zu verwerten; man könne ja (…) auf die Worte des Grafen Czernin verweisen, daß wir einen gemeinsamen Verteidigungskrieg führten und daß die Deutschen ebenso für die Türkei kämpften als wir für Straßburg.2550

Kühlmann bat am 2. Juli telegrafisch Wedel um seine Meinung: Auf Wunsch des Grafen Czernin haben (…) mehrfach Besprechungen über die Interpretation (…) der aus unserem Bündnisvertrage sich ergebenden Verpflichtungen stattgefunden. Das österreichische Räsonnement ging dahin, dass der ausschliesslich defensive Charakter des Bündnisses die gegenseitig zu gewährende Waffenhilfe lediglich für einen Defensivkrieg vorsehe. Der uns vorgelegte Protokollentwurf bestätigte die Vermutung, dass Wien nach einem Vertragstitel suchte, der die (…) Regierung zum Abschluss eines Sonderfriedens berechtigte, falls Deutschland nach ihrer einseitigen Feststellung (…) die Grenze des Verteidigungskrieges überschritt und den Kampf zu Eroberungszwecken fortsetzte. Eine Einigung ist (…) nicht erzielt worden und ich hielt die Frage durch die neuen Verhandlungen über den Ausbau (…) des Bündnisses für gegenstandslos geworden. Zu meinem Erstaunen hat Graf Burián jetzt die (…) erbetene Abgabe von sechs (…) Divisionen an unsere Westfront als Vorwand benutzt, um durch Graf Larisch auf eine baldige Unterzeichnung des Protokolls zu drängen, mit der Begründung, dass er ­dieses Dokumentes (…) bedürfe, um der im Innern zu gewärtigenden Beanstandung der ohne Zweifel unpopulären Massnahme mit dem Hinweis auf ihren defensiven Charakter entgegentreten zu können. Ich habe die Anregung bisher ausweichend beantwortet und trage nach den Erfahrungen mit der schwankenden Politik K ­ aiser Karls sowie in Hinblick auf das sichtliche Anwachsen der anti-deutschen Strömungen in Österreich die 2548 Burián an Larisch, Tel. 409, 27. Juni 1918, ebd. fol. 206 – 209, Entw.: HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 30 – 30v, idem: SG 4 1978, 235 – 236 Dok. 151. 2549 Larisch an Burián, Tel. 431, 29. Juni 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 23 fol. 205. 2550 Larisch an Burián, Tel. 434, 2. Juli 1918, ebd. fol. 204 – 204v.

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ernstesten Bedenken, ihr Rechnung zu tragen. Es wäre mir indes erwünscht, Euerer Exzellenz Auffassung hierüber kennen zu lernen. Ich stelle Ihnen anheim, die Frage (…) mit Graf Burián zu besprechen und hierbei einfliessen zu lassen, dass wir unsere (…) Unterstützung der österreichischen Operationen an der russischen, rumänischen und italienischen Front nie mit (…) Forderungen belastet hätten.2551

Wedel berichtete daraufhin am 3. Juli: Minister versichert Truppensendung stehe in keinem direkten Zusammenhang mit vorgeschlagenem Abkommen. Letzteres habe er vorgefunden und, da es hiesigen Verhältnissen gerecht werde, erneut zur Sprache gebracht. Über die meisten Punkte bestehe Einigkeit, nur gegen zwei Punkte habe Berlin Bedenken. Vielleicht könne man durch Abänderungsvorschlag übereinkommen. Sonst müsse er sich mit einseitiger Feststellung hiesigen Standpunktes begnügen.2552

Burián hatte inzwischen am 3. Juli an Larisch telegrafiert: „Die Entsendung unserer Truppen (…) würde ich, vollends wenn dieselbe eine Mißdeutung in unserer Öffentlichkeit erführe, (…) mit dem Hinweise auf den gemeinsam geführten Verteidigungskrieg motivieren; hiefür bietet (…) der Abschluß des Abkommens die Grundlage.“ 2553 Larisch antwortete: „Der Staatssekretär (…) sagte mir zu, die Angelegenheit im Großen Hauptquartier nach Möglichkeit zu betreiben.“ 2554 Und Hohenlohe depeschierte, nachdem er die Leitung der Botschaft wieder übernommen hatte, am 8. Juli: Da Herr von Kühlmann erst Mitte der Woche aus dem (…) Hauptquartier zurückkehrt, habe ich die Frage (…) heute nur mit Herrn von dem Bussche und Herrn von Stumm besprechen können, beide Herren jedoch ersucht, sie möchten (…) dafür sorgen, daß der Staatssekretär (…) sich für die (…) vorgeschlagene Interpretation (…) einsetze, nachdem unsererseits h ­ ierauf 2555 großer Wert gelegt werde.

Am 9. Juli erzwang die OHL den Rücktritt Kühlmanns. Hohenlohe berichtete am 12. Juli, Hertling habe sich über Kühlmann „eher gereizt“ geäußert; er, Hohenlohe, habe ­Hertling ersucht, ihm „baldigst eine Antwort bezüglich unseres Vorschlages zur Interpretation des Bündnisvertrages zu geben“. Der Kanzler habe ihn daraufhin gebeten, sich ­„hierüber 2551 2552 2553 2554 2555

Kühlmann an Wedel, Tel. 673, 2. (abgesandt 3.) Juli 1918, SG 4 1978, 236 Dok. 152. Wedel an A. A. (Kühlmann), Tel. 446, 8. Juli 1918, ebd. pp 238 – 239 Dok. 155. Burián an Larisch, Tel. 418, 3. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 23 fol. 202 – 203. Larisch an Burián, Tel. 446bis recte 447, 6. Juli 1918, ebd. fol. 201. Hohenlohe an Burián, Tel. 450, 8. Juli 1918, ebd. fol. 200.

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mit Herrn von dem Bussche, der jetzt die Geschäfte führt, und Dr. Kriege in Verbindung zu setzen“. Weiters berichtete Hohenlohe: Der Kanzler erging sich (…) auch noch in Betrachtungen sehr ernster Art über die Zustände in Oesterreich, die man hier mit großer Sorge verfolge. – Ich trachtete beruhigend und aufklärend zu wirken (…) kann aber nicht leugnen und muß es (…) berichten, daß die Einschätzung der Monarchie durch die leitenden deutschen Stellen in den letzten Wochen noch weiter zurückgegangen ist, was unsere Stellung (…) hier noch schwieriger gestaltet als bisher.2556

Hertlings Rat folgend sprach Hohenlohe am selben Tag mit Bussche und Kriege über die Sache des Interpretationsvertrages und berichtete: Beide Herren gaben zunächst ihrer Ansicht dahin Ausdruck, dass die deutsche Regierung erwartet habe, dass wir auf unserem Wunsch nach Abschluss eines solchen Abkommens überhaupt nicht bestehen würden, da ihrer Meinung nach eine Notwendigkeit hiefür nicht vorliege. Ich entgegnete im Sinne Euer Excellenz (…), dass ein derartiges Abkommen unumgänglich notwendig sei, da es die Grundlage bilde, auf welcher die k. u. k. Regierung überhaupt erst in der Lage wäre – selbstverständlich bei absoluter Geheimhaltung des (…) Abkommens – vor unserer Oeffentlichkeit, und (…) den bei Beginn der Reichsratssession zu erwartenden Interpellationen gegenüber, die Entsendung der sechs k. u. k. Divisionen (…) zu rechtfertigen. Auf die Einwendung (…), dass seinerzeit die Entsendung deutscher Truppen auf den serbischen und italienischen Kriegsschauplatz bedingungslos erfolgt sei, (…) erwiderte ich, d ­ ieses Argument sei absolut nicht stichhältig, nachdem der stärkere Bundesgenosse eine im eigenen Interesse gelegene Unterstützung wohl niemals an (…) Bedingungen zu knüpfen brauche. – Schliesslich erklärten die beiden Herren, dass die deutsche Regierung nur bei unveränderter Annahme des deutschen Vertragsentwurfes das (…) Abkommen zu schliessen bereit wäre.2557

Burián antwortete kurz darauf: Aus dem Bericht (…) habe ich mit Interesse die Einwendungen entnommen, ­welche (…) ­Bussche und (…) Kriege gegen unseren Entwurf (…) erhoben haben. – Angesichts der Wichtigkeit, ­welche ich ­diesem Abkommen beimesse, kann ich in der Diskussion mit diesen beiden Herren noch keineswegs die wesentliche Behandlung (…) erblicken, sondern muß (…) Wert darauf legen, daß die maßgebenden Faktoren der (…) Reichsleitung (…) sich persönlich mit der Angelegenheit befassen. – (…) – Der Grund, weshalb ich ernste Bedenken trage, der (…) 2556 Hohenlohe an Burián, Tel. 340, 12. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 23 fol.198 – 199. 2557 Hohenlohe an Burián, Ber. 78/P A-C, 12. Juli 1918, ebd. fol.192 – 192v u. 197 – 197v, Entw.: HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 28 – 29. Zu den deutschen Änderungsvorschlägen.

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vorgeschlagenen (…) Fassung des Artikels II zuzustimmen, ist darin gelegen, daß wir bei der Vielgestaltigkeit des deutschen Kolonialbesitzes (…) nicht die Pflicht zum Weiterkämpfen für den (…) Fall übernehmen können, als Deutschland zwar gewisse koloniale Verluste erleiden müßte, andererseits aber erhebliche Gebietserwerbungen in Europa machen würde. (…) – Die in unserem Entwurf befindliche Fassung des Artikels III, welcher die Anwendung der Bündnispflicht auf den wirtschaftlichen Besitzstand festsetzt, und wonach die Abwehr eines künftigen Wirtschaftskrieges (…) verpflichtend sein soll, entspringt einer Anregung Herrn Helfferichs. Bei den bisherigen Verhandlungen (…) war das Einvernehmen über diese Fassung (…) hergestellt. Es ist mir (…) nicht verständlich, wieso jetzt (…) Bedenken (…) bestehen und es ist mir überdies der (…) gewünschte Wortlaut ­dieses Artikels nicht bekannt.2558

Hohenlohe telegrafierte hierauf am 18. Juli: Ich habe Herrn von dem Bussche (…) neuerlich mitgeteilt, daß Euer Exzellenz im Einklange mit den in Spa am 12. Mai getroffenen Abmachungen nachdrücklichst auf eine Beantwortung der unsererseits gemachten Vorschläge bestehen müßten. – Der Unterstaatssekretär erwiderte, die (…) Verzögerung sei (…) in keiner Weise beabsichtigt, sondern durch die Krise im Staatssekretariate verschuldet. Er selbst (…) könne aber politische Fragen von solcher Tragweite nicht entscheiden (…). Er müsse daher bitten, diese Besprechung bis nach dem Amtsantritt des neuen Staatssekretärs zu verschieben.2559

Am selben Tag berichtete Hohenlohe, er habe die Sache mit Bussche und Kriege besprochen, wiewohl es klar sei, dass „die Entscheidung seitens des Kanzlers und des Staatssekretärs erfolgen müsse“. Es sei ihm daher richtig erschienen, den Amtsantritt Hintzes abzuwarten und „die ganze Frage mit ihm durchzusprechen und ihn womöglich zu bewegen, (…) auf unsere Wünsche einzugehen“. Zu Buriáns Weisungen vom 16. Juli bemerkte Hohenlohe: Auch in meiner (…) Besprechung mit Dr. Kriege habe ich darauf hingewiesen, dass die deutsche Fassung des Artikels II (…) eine zu weitgehende Bindung für uns darstelle. Ich werde daher weiterhin bemüht sein unseren Text durchzusetzen. – Was nun Artikel III anbelangt, so (…) liegt der Unterschied (…) hauptsächlich darin, dass (…) unsere Fassung die Worte enthält ‚die Mächte, mit denen der Frieden geschlossen werden soll (…)’, während die Deutschen sich des Ausdruckes ‚die feindlichen Mächte (…)’ bedienen. Dr. Kriege besteht auf der Annahme der deutschen Fassung, da der deutsche Wortlaut den (…) Gedanken, das Abkommen allen Mächten gegenüber zur Anwendung zu bringen, präziser ausdrücke (…). – Im Uebrigen kann ich (…) 2558 Burián an Hohenlohe, Erlaß 3368, 16. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 23 fol. 183 – 187, Entw.: HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 21 – 23 u. 25. 2559 Hohenlohe an Burián, Tel. 476, 18. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 23 fol. 115.

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darauf hinweisen, dass man deutscherseits überhaupt gegen den Abschluss des Interpretationsvertrages eingenommen ist, (…) es reime sich nicht recht zusammen, wenn man im Augen­ blicke, wo man (…) über die (…) Verlängerung und Vertiefung des Bündnisses verhandle, (…) einen kunstvollen Vertrag zur Interpretation des alten Bündnisses herzustellen bemüht sei.2560

Im Auswärtigen Amt notierte der Gesandte Diego von Bergen am 18. Juli auf ein mit „Deutscher Entwurf “ betiteltes Schriftstück: „Exz(ellenz) Kriege hat die Angelegenheit mit dem Prinzen Hohenlohe besprochen und hierbei gesagt, dass wir an unserem Entwurf festhalten müssen.“ Dieser „Deutsche Entwurf “ unterschied sich vom Wiener Entwurf „Stand Ende April“ in den erwähnten Punkten, die Artikel I und IV der Entwürfe waren ident.2561 Am 22. Juli konnte Hohenlohe mit dem neuen Staatssekretär nicht nur die Frage des Bündnisvertrages besprechen. Darüber depeschierte er an Burián: Ich habe mit Herrn von Hintze heute (…) auch über das (…) Interpretationsabkommen gesprochen. – So grosses Gewicht (… er) darauf zu legen erklärte, dass das Abkommen über den Ausbau unseres Bündnis ehetunlichst fertiggestellt werde, so wenig fand ich ihn bereit auf den Abschluss eines (…) Interpretationsabkommens einzugehen (…) es scheine ihm eigentlich überflüssig, dass wir unseren Bündnisvertrag (…) auch noch ‚interpretieren‘ müssten. (…) – Ich erwiderte (…), dass ich ihm hierin nicht ganz beistimmen könne und setzte ihm (…) auseinander, warum die k. u. k. Regierung auf dem Abschluss eines derartigen Abkommens bestände. – Herr von Hintze erwiderte, er sehe nicht recht ein, warum die k. u. k. Regierung, falls sie (…) anlässlich der Entsendung von Truppen an die Westfront interpelliert würde, ob wir uns denn verpflichtet hätten ‚für deutsche Eroberungen‘ zu kämpfen, nicht auch ohne den Abschluss eines (…) Interpretationsabkommens völlig berechtigterweise erklären könnte, dass dies nicht der Fall wäre. (…) – Ich entgegnete, dass ich beauftragt wäre, auf der Abfassung eines solchen Abkommens zu bestehen, worauf (…) Hintze bemerkte, er müsse (…) bitten, ihm zu gestatten sich mit all diesen Fragen noch etwas näher zu befassen.2562

Am 22. Juli telegrafierte Hintze über das Gespräch mit Hohenlohe an Stolberg: Bitte dem Minister mitzuteilen, dass es mir nicht zweckmässig erschiene, die (…) Verhandlungen über den Abschluss eines neuen Bündnisvertrages mit einer (…) Diskussion über

2560 Hohenlohe an Burián, Ber. 81/P-B, 18. Juli 1918, ebd. fol. 188 – 189 u. 191, Entw.: HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 14 – 14v u. 20 – 20v. 2561 Vereinbarung Auslegung der bestehenden Bündnisverträge o. D., SG 4 1978, 239 – 240 Dok. 156. 2562 Hohenlohe an Burián, Ber. 82/P-B, 22. Juli 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 23 fol. 181 – 182, Druck: H ­ ürter 1998, 446 – 447 Dok. 130, Entw.: HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 13 – 13v u. 27 – 27v.

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die Auslegung des bisherigen Vertrages zu belasten (…). Auch dürfte es unmöglich sein, alle Fälle, die einer verschiedenartigen Interpretation unterworfen sein könnten, vorauszusehen und in die Vereinbarung aufzunehmen (…). Unter diesen Umständen möchte ich dem Grafen Burián vorschlagen, von einer Vereinbarung wegen Auslegung des bestehenden Bündnisvertrages ––Abstand zu nehmen. Dahingegen hätte ich keine Bedenken, wenn der Minister bei einer etwa erforderlichen Rechtfertigung der Entsendung österreichischungarischer Truppen an die Westfront auf den defensiven Charakter unseres Bündnisses hinweisen würde.2563

Stolberg brachte den Inhalt der Depesche Burián zur Kenntnis 2564 und berichtete darüber an Hertling, der Außenminister habe erneut betont, (…) dass es ihm ganz fern liege, die (…) vorgeschlagene Vereinbarung zur Bedingung für die Entsendung österreichisch-ungarischer Truppen an die Westfront zu machen oder den Abschluss des neuen Bündnisvertrages damit zu belasten. Bei der hier herrschenden Stimmung müsse er sich aber auf etwas stützen können, das den Defensivcharakter des Krieges (…) feststelle. Sollten wir nach wie vor abgeneigt sein, eine ­solche Vereinbarung zu treffen, so könne man vielleicht einen Ausweg darin finden, dass er uns gegenüber seinen Standpunkt schriftlich niederlege (…). Er, Burián, sei keineswegs in Sorge, dass wir uns nicht (…) verständigen würden, denn es sei sein fester Wille, dass die Innigkeit des Bündnisses nicht unter dieser augenblicklichen Meinungsverschiedenheit leiden dürfe.2565

Auf dieser Depesche vermerkte Hintze: „Hohenlohe ist mit mir einig darin, dass eine eventuelle einseitige Erklärung zu vermeiden ist.“ 2566 Am 1. August sandte Burián einen Erlass an Hohenlohe, in dem es hieß: Die Argumente, derer sich die deutsche Regierung (…) bedient, sind zweifacher Natur. Einerseits wird eine (…) Abmachung über die Auslegung des (…) geltenden Bündnisvertrages als überflüssig bezeichnet, da der letztere ja durch den (…) neuen Bündnisvertrag ersetzt werden soll. Andererseits wird auf die Unmöglichkeit verwiesen, alle Eventualitäten, auf w ­ elche sich die Auslegung (…) erstrecken könnte, vorauszusehen und in das Abkommen aufzunehmen. – (…) Gegenüber dem ersten der obenerwähnten Einwände darf darauf hingewiesen werden, daß sowohl der (…) in Geltung befindliche, als auch der (…) künftige Bündnisvertrag (…) jene Umstände festsetzt, unter w ­ elchen die Bündnispflicht einzutreten hat, daß aber keiner dieser 2563 2564 2565 2566

Hintze an Stolberg, Tel. 747, 22. Juli 1918, SG 4 1978, 260 – 261 Dok. 176. Abschr. einer Notiz der dt. Botschaft A1708, Wien 24. Juli 1918, HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 8 – 8v. Stolberg an Hertling, Dep. 210, 25. Juli 1918, SG 4 1978, 261 Dok. 177. Ebd. Anm. 2.

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beiden Verträge Abmachungen darüber enthält, (…) für ­welche Kriegsziele des einen vertragsschließenden Teiles der andere (…) weiter zu kämpfen verpflichtet ist. (…) – Aus dem eben Ausgeführten ergibt sich (…) die Widerlegung des zweiten (…) Argumentes. Eben weil (…) nicht im voraus alle jene Eventualitäten (…) vorhergesehen und (…) die Grenzen der Bündnispflicht für jeden (…) dieser Fälle präzisiert werden können, wird es (…) notwendig sein, Vereinbarungen über die beiderseitigen Kriegsziele und über die Grenzen der Solidarität der (…) vertragsschließenden Teile hinsichtlich der Verwirklichung aller oder eines Teiles dieser Kriegsziele zu treffen. (…) – Ich ersuche Euer ./. daher, meine Ausführungen nachdrücklich bei Herrn von Hintze zu verwerten und auf den baldigen Abschluß des Abkommens tunlichst hinzuwirken. – Was den Text (…) anlangt, möchte ich (…) bemerken, daß wir an unserer Fassung des Artikels III schon aus dem Grunde festhalten zu müssen glauben, weil sonst der Widerstand eines einzigen Gegners genügen würde, um die Pflicht zur Fortsetzung des Krieges als gegeben erscheinen zu lassen.2567

Hohenlohe sprach daraufhin neuerlich mit dem Staatssekretär und berichtete am 3. August nach Wien: Der Staatssekretär erklärte, er bringe den Ausführungen (…) zwar volles Verständnis entgegen, müsse es aber trotzdem sehr bedauern, dass wir auf einem (…) Interpretationsabkommen beständen. (…) Wir hätten ja beiderseits oft genug den defensiven Charakter des Bündnisses hervorgehoben und (…) betont, dass eventuelle Differenzen in der Auffassung ‚im gegenseitigen Einvernehmen‘ zu regeln wären (…) – Ich entgegnete, ich hätte ihm unsere Gründe (…) bereits mehrmals entwickelt und müsse dieselben nach wie vor aufrecht halten. – Bei dieser Gelegenheit könne ich aber nicht umhin, ihn aufmerksam zu machen, (…) dass der Verkehr ­zwischen unseren beiden Kabinetten (…) einen erschreckend schleppenden Gang angenommen habe. (…) So s­ eien am 12. Mai d. J. die beiden Allerhöchsten Herren in Spaa übereingekommen, ihre Regierungen anzuweisen, ‚mit aller Beschleunigung‘ an den Ausbau des Bündnisses zu gehen, und heute, nach beinahe drei Monaten, sei man weder hierin noch in der (…) damit verknüpften polnischen Frage (…) weitergekommen. (…) – Im Uebrigen erklärte der Staatssekretär, all’ die bedauerlichen Verzögerungen (…) s­ eien zum grössten Teil auf den Wechsel im Auswärtigen Amte zurückzuführen; ich möge jedenfalls überzeugt sein, dass (… er) die Pflege der Beziehungen zur Monarchie als seine vornehmste Pflicht ansehe. Er werde daher auch die Gründe, die Euer Excellenz bewögen, auf dem Abschluss eines Interpretationsabkommens zu bestehen, nochmals eingehend erwägen (…).2568 2567 Burián an Hohenlohe, Erlass 3692, 1. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 23 fol. 176 – 176v, 180 – 180v u. 178 – 179, Entw.: HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 3 – 4v u. 10. 2568 Hohenlohe an Burián, Ber. 89/P A-F, 3. Aug. 1918, HHS tA PA I, 505 XLVII /3 23 fol. 171 – 171v u. 175, Entw.: HHStA PA I, 536 Interpr. fol. 2 – 2v u. 12 – 12v.

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Die Sixtus-Affäre

Zum Abschluss eines Interpretationsabkommens sollte es, ebenso wie zu dem eines neuen Bündnisvertrages, infolge der zusehends schlechter werdenden militärischen Lage und des schließlichen Untergangs der beiden Monarchien nicht mehr kommen.

7.7

Die Auswirkungen der Sixtus-Affäre auf die Haltung der Alliierten

Die Affäre rund um das Bekanntwerden des Briefes ­Kaiser Karls an Sixtus und die Erklärungen des Kaisers: „Ich hätte meinen ganzen persönlichen Einfluß zugunsten der französischen Rückforderungsansprüche bezüglich Elsaß-Lothringens eingesetzt, wenn diese Ansprüche gerecht wären“, sowie: „die Anschuldigungen Herrn C ­ lemenceaus gegen mich sind so niedrig, dass ich nicht mehr gesonnen bin mit Frankreich ueber die Sache ferner zu diskutieren“, bedeuteten das Ende der britischen, französischen und amerikanischen Hoffnungen, die Monarchie von ihrem deutschen Bundesgenossen lösen zu können und mit ihr zu einem Separatfrieden zu kommen. Lansing sah nun keine Möglichkeit und auch keinen Anlass mehr, die bisherige, auf ihre Erhaltung oder gar Stärkung gerichtete Politik weiterzuführen. Er schrieb am 10. Mai 1918 an Wilson: I feel that the time has arrived when it is wise to assume a definite policy in relation to the various nations which make up the Austro-Hungarian Empire. – The ill-considered disclosure of the ‘Sixtus letter’ by M. Clemenceau has compelled the Emperor and Government of Austria-­ Hungary to take a position in regard to Germany which makes further peace approaches to them well-nigh impossible (…) – In the present case it seems to me that the pertinent questions are the following: – 1. Is there anything to be gained by giving support to the conception of an Austria-Hungary with substantially the same boundaries as those now existing? – 2. Is there any peculiar advantage in encouraging the independence of the several nationalities such as the Czech, the Jugo-Slav, the Roumanian, &c, and if so, ought we not to sanction the national movements of these various elements? 3. Should we or should we not openly proclaim that the various nationalities subject to the Emperor of Austria and King of Hungary ought to have the privilege of self-determination as to their political affiliations? 4. In brief, should we or should we not favor the disintegration of the Austro-Hungarian Empire into its component parts and a union of these parts, or certain of them, based upon self-determination? (…) – Ought we or ought we not to encourage the movement by giving recognition to the nationalities which seek independence?2569

Bestärkt in seiner Geneigtheit, das Streben der Völker der Monarchie nach Selbstbestimmung zu fördern, wurde Lansing durch eine Depesche des Botschafters in Rom, Thomas 2569 Lansing an Wilson, 10. Mai 1918, PRFR LP 2 1940. 126 – 128, idem: Link PWW 47. 1984, 589 – 591.

Die Auswirkungen der Sixtus-Affäre auf die Haltung der Alliierten

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Nelson Page. Dieser berichtete am 18. Mai 1918 darüber, wie nach Ansicht Sonninos den nationalen Bestrebungen der Tschechen, Slowaken und Südslawen begegnet werden solle: He thinks that however favorable we may be towards these peoples it is unwise to make at this time new declarations which add to war aims and may add to discussion and even discussions (dissensions) among those now acting with us. He draws distinction between Allies’ relation to Jugo-Slav and Czecho-Slovak situation. The latter he thinks in a condition to be helpfully encouraged (…). The former on the contrary are divided, some wishing to be close to Austria-­ Hungary, others not. Very confidentially he evidently thinks a doubtful Jugo-Slav-Servian state would in the future (…) become serious rival to Italy and would certainly fall under Austrian influence. (…) – My own opinion is not very different (…) except on point touching Jugo-SlavServian state (…). – The Czecho-Slovaks appear to me to deserve all encouragement possible (…). It is believed here that what amounts to revolution is expected in Bohemia where the propaganda for liberty seems making progress.2570

Lansing leitete den Bericht an Wilson weiter und erklärte: To me it indicates that Italy is very willing to weaken Austria by exciting the Czecho-Slovaks with the hope of independence or at least of self-determination, but is unwilling to encourage the Jugo-Slavs because of their relations with the Serbs whose ambitions (…) over-lap those of Italy along the Adriatic. (…) – Should we, or should we not, listen to Italy (…) and give no encouragement to the Slavs of the south? Will the possible dissensions aroused in the Austrian Empire by awaking in those peoples the hope of an autonomous nationality be worth while even though it may not be in accord with the ambitious expectations of Italy as to the eastern shores of the Adriatic? (…) – From the standpoint of principle I think that the JugoSlavs and Serbs are entitled to support, but from the standpoint of winning the war a decision is more difficult. Nevertheless, I feel that a decision should be speedily reached, because, if the suppressed nationalities of Austria-Hungary are to be aroused, now seems to be the time.2571

Ebenso überzeugt davon, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, die Bestrebungen der nicht-deutschen und nicht-ungarischen Nationalitäten der Monarchie zu unterstützen, schrieb Balfour am 21. Mai 1918 unter dem Eindruck des Kaisertreffens in Spa an Lord Reading, den britischen Botschafter in Washington: Policy of trying to detach Austria from Germany at present time seems to us both inopportune and impracticable. Recent meeting of Emperors obviously led to bonds between the two 2570 Nelson Page an Lansing, Tel. 1635, 18. Mai 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 805 – 806. 2571 Lansing an Wilson 21. Mai 1918, PRFR LP 2 1940. 129 – 130, idem: Link PWW 48. 1985, 96 – 97.

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Die Sixtus-Affäre

empires being tightened. We think the best plan is to give all possible support to suppressed nationalities in Austria in the struggle against German-Magyar domination (…). Austria may thus be reduced to a reasonable frame of mind. American advances to Austria (…) will only afford encouragement to Central Powers and may give rise to misconceptions and misunderstandings between the Allies.2572

Am 29. Mai erklärte Lansing in einem allen Vertretern der USA in den alliierten und neutralen Staaten mitgeteilten Public Statement seine Unterstützung der nationalen Aspirationen der „unterdrückten“ Völker der Monarchie. Darin hieß es: The Secretary of State desires to announce that the proceedings of the Congress of Oppressed Races of Austria-Hungary, which was held in Rome in April, have been followed with great interest by the Government of the United States, and that the nationalistic aspirations of the Czecho-Slovaks and Jugo-Slavs for freedom have the earnest sympathy of this Government.2573

Nelson Page wurde von Lansing angewiesen: Explain confidentially and orally to the Italian Minister for Foreign Affairs that it was believed that this announcement would result in benefit both to the Czecho-Slovaks and Jugo-Slavs, to the cause of the Entente in general and to that of Italy in particular, since it was thought such an announcement would give great encouragement to the Czecho-Slovaks and Jugo-Slavs in the United States (…), would encourage and greatly increase enlistments in this country for the Czecho-Slav Legion now acting in Italy with Italian Army, and would encourage the Czecho-Slovaks and Jugo-Slavs in Austria in their efforts to hamper the Austrian military operations against Italy.2574

Am 30. Mai 1918, so schrieb Lansing 1935, habe er angesichts der durch die Vereinbarungen von Spa geschaffenen neuen Situation ein Memorandum verfasst, in dem es hieß: As the publication of the Sixtus letter ended any possibility of continuing unofficial relations with Austria looking toward peace, so this surrender of Karl removes all possibility of separating the two empires. – (…) When, therefore, the Emperor Karl showed that a separate peace was vain and when he became a vassal of Germany, a revision of policy became necessary. From that moment Austria-Hungary lost its right to exist as an Empire including these oppressed races. Karl at German Grand Headquarters signing away his birthright lost any sympathy which had 2572 Balfour an Lord Reading 21. Mai 1918, Rothwell 1971, 222, idem: Link PWW 48. 1985, 114 – 115. 2573 Lansing an Thomas Nelson Page, Tel. 1363, 29. Mai 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 808 – 809. 2574 Ebd.

Die Auswirkungen der Sixtus-Affäre auf die Haltung der Alliierten

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been felt for him before (…). – In view of the new state of affairs it seems to me that Austria-­ Hungary must be practically blotted out as an empire. It should be partitioned among the nationalities of which it is composed. (…) – It is my judgment that (…) we should encourage in every possible way (…) these peoples. (…) I would favor going so far as to promise them their independence (…) if that would induce them to revolt against German-owned Austria-­ Hungary. Stripped of these nationalities (…), Hungary would undoubtedly desire to become an independent kingdom and Austria would be merely an archduchy weak and insignificant as she should be. (…) – Such a result would be a destiny which Austria and the Hapsburg richly deserve. – To announce this policy (…) in the Austro-Hungarian Empire are the next steps in carrying out this policy.2575

Wiseman, der Leiter der britischen Intelligence Mission in den USA , berichtete am 30. Mai an Balfours Sekretär Drummond, Wilson habe ihm gesagt, es sei jammerschade, dass durch die Weise, auf die Clemenceau in der Affäre um den Kaiserbrief agierte, keine Chance mehr bestehe, zu einem Separatfrieden mit Österreich zu kommen. Man müsse nun den Weg wählen, den der Präsident „disliked most intensely“, und zwar den, die österreichischen Völker durch „plots and intrigues“ gegen ihre eigene Regierung aufzuwiegeln. Wilson sehe keinen anderen Weg als „to support the Czechs, Poles and Jugo-Slavs“.2576 Am 25. Juni schließlich übergab Lansing Präsident Wilson ein Memorandum zur Politik in Bezug auf die Monarchie, in dem es hieß: In the first place we should be perfectly frank with ourselves and admit that as long as there was a chance of entering into a separate peace with Austria-Hungary it was wise and expedient to attempt to do so, even though it was contrary to the just claims of the nationalities within that Empire (…), because the primary object of this Government was and is to win the war against Prussianized Germany (…). – When the informal negotiations were brought to an end by the unwise publication of the Prince Sixtus letter and the resulting declaration of the Emperor Karl of his loyalty to the German alliance (…) a new situation was presented. – Manifestly it would be useless to pursue further a policy which would be (…) in no way beneficial in winning the war. – As that was the only argument in favor of encouraging the (…) Monarchy in the belief that the United States and the Allies would support its continued existence within its present frontiers, and as the principle of ‘self-determination’ was hostile to the idea of holding in subjection to the imperial rule (…) the Poles, Czechs, Ruthenians, Rumanians, Italians and Jugo-Slavs composing so large a part of the population of the Empire, it would seem wise to 2575 Lansing Memorandum 30. Mai 1918, Lansing 1935, 267 – 269, idem: Kovács 2 2004, 350 – 352 Dok. 94. 2576 Wiseman an Drummond, Tel. CXP 629, 30. Mai 1918, Fowler 1969, 274 – 275, idem: Rothwell 1971, 225 – 226, Link PWW 48. 1984, 203 – 206.

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Die Sixtus-Affäre

abandon a policy which will contribute nothing to success in the war (…). – That would mean in effect the dismemberment of the (…) Empire into its original elements, leaving these (…) nationalities to form such separate states or federal states as they might themselves decide to form (…). – I believe that the announcement of this policy (…) would exert a decided, if not a decisive, influence in eliminating Austria-Hungary as a factor in the war. If the political and military results would be such as we may reasonably expect they would mean the defeat of Prussianized Germany (…) and the restoration of peace on a just and therefore on a firm basis. – If this is the wise policy to adopt, it should be done now when the political, military, and social conditions of Austria-Hungary are in the greatest confusion and when the spirit of revolution is rife. (…) The entire surrender of the Dual Monarchy to the German Empire should remove all sympathy and compassion for the Hapsburg rulers.2577

Am nächsten Tag nahm Wilson zu ­diesem Memorandum wie folgt Stellung: „I agree with you that we can no longer respect or regard the integrity of the artificial Austrian Empire.“ 2578

7.8

Die Sixtus-Affäre in der Literatur

Die Behandlung der Affäre in der Literatur erwies sich, wenig verwunderlicherweise, als sehr von den vorbestehenden Einstellungen der einzelnen Autoren bestimmt. Ludwig Windischgraetz schrieb 1920, ­Kaiser Karl habe ihm, als er am 11. April 1918 in Audienz gewesen sei, gesagt, er hätte von Czernin verlangt, er müsse „die deutsche Regierung dazu bringen, eine Erklärung abzugeben“, dass sein Brief an Sixtus „im gemeinsamen Einverständnis abgegangen sei“. Dies habe Czernin „um keinen Preis“ gewollt und erklärt, „die einzige Möglichkeit sei, nun alles glatt abzuleugnen“. Dazu habe der Monarch geäußert: „Mir war es unsympathisch, aber ich gab nach.“ Windischgraetz bezeichnete also in seiner mit den Fakten kontrastierenden Erzählung die Taktik, „alles glatt abzuleugnen“, als Czernins Idee. Er schrieb auch: „Aus der unmittelbaren Umgebung des Königs erfuhr ich (…) von der Absendung des (…) Telegramms an K ­ aiser Wilhelm, das in wenig geschickter Weise von den Kanonen an der Westfront sprach. Wie spätere Enthüllungen erwiesen, hatte (… es) Czernin verfaßt und abgeschickt.“ 2579 Welche „Enthüllungen“ dies gewesen ­seien, teilte er nicht mit.2580 2577 Lansing an Wilson 24. Juni 1918, Memorandum on the Policy (…) in Relation to the Nationalities included within the Austro-Hungarian Empire, Lansing 1935, 269 – 271, idem: Beil. 1 zu Wilson an Lansing 26. Juni 1918, Link PWW 48. 1985, 435 – 437, Kovács 2 2004, 356 – 358 Dok. 97. 2578 Wilson an Lansing 26. Juni 1918, Link PWW 48. 1985, 435. 2579 Windischgraetz 1920, 192 – 193. 2580 Ebd.

Die Sixtus-Affäre in der Literatur

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Mermeix (Gabriel Terrail) äußerte 1921 über das Agieren ­Kaiser Karls, dieser habe „pour s’échapper de sa première contre-vérité, trop invraisemblable“, nämlich der im österreichisch-ungarischen Communiqué vom 12. April 1918 präsentierten, sich eine zweite ausgedacht – die des Communiqués vom 14. April: Tant de virevoltes (salut à Guillaume II, salut à l’Entente), un langage si changeant (accusation témérairement portée contre le prince Sixte, suivie des excuses au prince Sixte), l’altération par lui-même d’un texte qui est son œuvre et l’imputation aux ministres français d’une falsification dont il est encore l’auteur, laissent voir chez Charles Ier tout autre chose qu’une inflexible ­droiture, mais elles décèlent (…) un jeune homme sans expérience, à qui tout à coup a incombé un fardeau qu’un grand homme lui-même n’aurait pas pu porter.2581

Das Handeln des Kaisers erkläre sich aus seiner durch den Durchbruch an der Isonzo­ front, die Friedensschlüsse von Brest und die deutsche Offensive im Westen gestärkten Hoffnung auf einen guten Kriegsausgang: „Charles Ier, qui croit avoir fait son jeu en 1917 sur le mauvais côté (…) se reporte brusquement du côté où maintenant il croit voir la chance et il le fait sans réserve (…). Il parle de ‚ses canons‘ (…).“ 2582 General Moritz Auffenberg-Komarów erklärte 1921, kaum ein Herrscherakt habe eine so einhellige Beurteilung erfahren wie K ­ aiser Karls Briefe an Sixtus: Die „wahrhaft kindlichen Ableugnungs- und Vertuschungsversuche“ ­seien es gewesen, die „selbst die naivsten und gläubigsten, in scheuester Ehrfurcht erzogenen Gemüter nicht zu täuschen vermochten“.2583 Im selben Jahr meinte General Alfred Krauß, bei dem „jungen, unerfahrenen, von seinem Berufe als Friedensbringer träumenden Monarchen“ sei das „Gefühl, etwas Unrechtes zu tun, (…) gar nicht“ aufgekommen: „Das Urteil, daß ­solche Schleichwege dem Harmlosen, Vertrauenden verderblich sein müssen“, habe ihm gefehlt.2584 Richard Kralik hielt 1923 unbeirrt an der vom ­Kaiser und seiner Umgebung im April 1918 vertretenen Behauptung fest, dass es sich bei dem von Clemenceau publizierten Brief um eine Fälschung handle: Als in Paris am 12. April der angebliche Text veröffentlicht wurde, habe man „von Wien aus die amtliche Feststellung“ getroffen, dass dieser „verfälscht“ sei. Der wirkliche Brief sei ein „rein persönlicher Privatbrief “ gewesen, die Elsass-Lothringen betreffende Stelle habe entsprechend der österreichisch-ungarischen Entgegnung gelautet. Dass Clemenceau sich im Unrecht fühlte, gehe aus seiner „eines Waschweibes würdigen unflätigen Grobheit“ hervor. Czernins „mehrdeutiges Vorgehen“ habe „die bis zu ­diesem Augenblick feststehende Popularität des Kaiserpaars in einer 2581 Mermeix 1921, 100 – 102. 2582 Ebd. 2583 Auffenberg 1921, 485. 2584 Krauß 1921, 297 – 298.

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Die Sixtus-Affäre

tragischen (…) Weise erschüttert“.2585 Auch 1926 erklärte Kralik, der erste Kaiserbrief habe „von den Aspirationen Frankreichs auf Elsaß-Lothringen nur gesprochen, sofern sie eben wirklich gerecht s­ eien“, und suchte in seinen Lesern den Glauben zu festigen, dass der von Clemenceau veröffentlichte Text „verfälscht“ gewesen sei. „Jedenfalls war sein Sinn verfälscht, wenn man daraus lesen wollte, daß K ­ aiser Karl damit die Rechtmäßigkeit der Rückforderungsansprüche unbedingt annehme und (…) dies ein Sonder­ friedensangebot bedeute.“ 2586 Die Situation sei dadurch verwirrt gewesen, „daß weder im Pariser noch im Wiener Archiv alle Dokumente aufgehoben waren, so daß beide Teile zum Teil nur aus dem Gedächtnis zitierten und polemisierten“. Kralik suchte nicht nur den Glauben an die „Verfälschtheit“ des von Clemenceau publizierten Brieftextes, sondern auch den an die Gerechtfertigtheit der kaiserlichen Reaktion zu vertiefen: „Jedenfalls hatte der K ­ aiser recht, wenn er (…) an K ­ aiser Wilhelm telegraphierte: ‚Die Anschuldigungen Herrn ­Clemenceaus gegen mich sind so niedrig (…) unsere weitere Antwort sind meine Kanonen im Westen.’“.2587 Michael Graf Károlyi resümierte 1924, die Person Karls sei „endgültig in den Staub gezogen (worden) durch die häßliche und unmännliche Art, in der er (…) alles leugnete, ja, sogar Czernin sein Wort zu geben wagte, daß der von Clemenceau veröffentlichte Text eine Fälschung sei“.2588 Czernin aber hätte ihn, „wenn das Malheur schon einmal geschehen war“, aus der Klemme ziehen müssen: „Es war seine häßlichste und treuloseste Handlung (…), daß er dem König gestattet hatte, öffentlich zu leugnen (…).“ 2589 Richard Fester behandelte 1925 die Affäre ausführlich. Der ­Kaiser habe, nachdem er zunächst bestritt, an Sixtus einen Brief geschrieben zu haben, einen solchen doch eingestehen müssen. Um Zeit zu gewinnen, habe er Czernin gesagt, „das Konzept zu jenem Brief augenblicklich nicht zur Hand“ zu haben, dann aber, nachdem ein solches „in der Fälscherwerkstatt des Hauses Parma hergestellt war“, es dem Minister zustellen lassen. Fester fuhr fort: Den Fälschern ist wie Schuljungen, die auf einer handgreiflichen Lüge ertappt sind, nicht viel eingefallen, als sie den ­Kaiser in dem Pseudokonzept sagen ließen: ‚Ich hätte meinen ganzen persönlichen Einfluß zugunsten der französischen Rückforderungsansprüche (…) eingesetzt, wenn diese (…) gerecht wären; aber sie sind es nicht.’2590

2585 Kralik 1923, 549 – 551. 2586 Kralik 1926, 11 – 19. 2587 Ebd. 2588 Károlyi 1924, 356 – 357. 2589 Ebd. 2590 Fester 1925, 241 – 242.

Die Sixtus-Affäre in der Literatur

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Als Czernin „mit seinen Zweifeln an der Echtheit d ­ ieses Machwerks nicht zurückhielt“, habe ihm der K ­ aiser sein Ehrenwort gegeben, „daß er so und nicht anders (…) geschrieben hätte“.2591 Zum Beginn der Affäre schrieb Fester 1938, Czernin habe gemeint, in seiner Rede der „deutschen Offensive zu Hilfe kommen zu sollen. (…) Indem er den französischen Ministerpräsidenten als einziges Friedenshindernis hinstellte, hoffte er ihn zu fällen (…)“.2592 Bertrand Auerbach meinte 1925 zu dem Czernin vom ­Kaiser als „Kopie“ seines Briefes an Sixtus übersandten Schriftstück, diese „trouvaille“ verwirrter Geister habe die Legitimität der Ansprüche Frankreichs auf Elsass-Lothringen rundweg bestritten. Diese Botschaft dem Präsidenten der Französischen Republik zu überbringen, hätte der Schwager des Kaisers beauftragt gewesen sein sollen? Wäre das der Inhalt des Briefes gewesen, so hätte der Prinz den Elyséepalast wohl nie betreten können.2593 Josef Redlich schrieb 1925, die Enthüllungen über K ­ aiser Karls „Sonderbestrebungen zum Frieden“ s­ eien „deutliche Anzeichen der sich vorbereitenden Ereignisse“ gewesen. Der ­Kaiser, „den man der Untreue gegen Deutschland – dem äußeren Scheine nach vielleicht nicht grundlos, in Wahrheit aber ohne jede Berechtigung – zieh“, habe „schon in d ­ iesem Zeitpunkte das Vertrauen der breiten Massen Deutschösterreichs verloren“ gehabt.2594 Tomáš Masaryk äußerte sich 1925 so zur Sixtus-Affäre: „Österreich log, der K ­ aiser (…) benahm sich unschön und feig (…). Für uns erlangte (…) diese Episode eine große Bedeutung, da sie die Unzuverlässigkeit und Falschheit Österreichs für die Alliierten in so eindringlicher Weise dokumentierte.“ 2595 Victor Naumann meinte 1928, das Streben des Kaisers und der Kaiserin nach Frieden sei „begreiflich und berechtigt“ gewesen. Von „den Konsequenzen ihrer Handlungen, die sie hinter dem Rücken des leitenden Staatsmannes (…) unternahmen“, hätten sie aber „gar keine Ahnung“ gehabt, sodass sie „wie Blinde in einen Abgrund hineinliefen“.2596 Edvard Beneš erklärte 1928, die ganze Welt habe erkennen können, dass es sich bei ­Kaiser Karls Behauptung, der durch Clemenceau veröffentlichte Brieftext sei verfälscht, um eine Lüge handelte und Czernin, „consciemment ou non“, seinem Herrn als Komplize diente. Für das Ansehen beider habe sich dies als Katastrophe ausgewirkt, in Frankreich hätten alle Austrophilen nun klar erkannt, „que tout espoir de sauver l’Autriche-­ Hongrie était perdu“.2597 2591 Ebd. 2592 Fester 1938, 150. 2593 Auerbach 1925, 486 – 487. 2594 Redlich 1925, 279. 2595 Masaryk 1925, 217. 2596 Naumann 1928, 486. 2597 Beneš 2 1929, 123 – 127.

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Die Sixtus-Affäre

Arthur Polzer-Hoditz schrieb 1929, Czernin habe, als (…) der ganze Wortlaut des ersten Kaiserbriefs veröffentlicht war, (…) vom ­Kaiser, der einen seinerzeit nicht verwendeten Briefentwurf für den richtigen gehalten hatte, unter allerhand (…) Drohungen die schriftliche ehrenwörtliche Erklärung (gefordert), daß die Clemen­ceau’sche Darstellung unrichtig sei. Daß Graf Czernin von den Briefen wußte, als sie K ­ aiser Karl schrieb, scheint mir unwahrscheinlich, (…) daß er den vollen Sachverhalt erkannte, als er den K ­ aiser zur (…) ehrenwörtlichen Versicherung des Gegenteils veranlaßte, scheint mir gewiß (…). Auch kann nicht daran gezweifelt werden, daß der K ­ aiser angesichts des veröffentlichten Textes erkannte, der Brief sei (…) nicht nach dem Entwurf, den er für den richtigen gehalten hatte, sondern nach einem andern geschrieben worden.2598

Er habe gewusst, dass Czernin „in voller Kenntnis war von der wahren Sachlage“, und habe in seiner „schriftlichen Erklärung nur eine Formalität (…) erblicken“ können.2599 Ähnlich hatte sich Polzer-Hoditz über Czernin in einer wahrscheinlich 1925 verfassten „Denkschrift“ geäußert: „Es ist (…) unmöglich anzunehmen, daß er die volle Wahrheit nicht kannte, als er den K ­ aiser eine (…) ehrenwörtliche Erklärung des Gegenteils unterschreiben ließ.“ 2600 Zu den Versuchen des Kaisers, den Brief an Sixtus als „verfälscht“ darzustellen, äußerte Polzer-Hoditz: Der ­Kaiser hätte erfahren sollen, daß Tausende und Abertausende (…) zu ihm gestanden wären, wenn er erklärt hätte: ‚Ja. Ich habe den Brief geschrieben, weil ich dem Blutvergießen ein Ende machen und den Völkern den Frieden geben wollte. (…).’ Wenn der K ­ aiser (…) nur einen Berater an seiner Seite gehabt hätte, der (…) für die Interessen Österreichs und dessen Krone in die Schanzen getreten wäre, (… er) hätte jenes Telegramm: ‚Meine Kanonen werden die Antwort geben‘ (…) gewiß nicht abgesendet.2601

Edmund Glaise-Horstenau erklärte 1929, nach der „Verlautbarung“ des Briefes an Sixtus durch das französische Communiqué sei Czernin auf das „in konstitutionellen Staaten sonst nicht übliche Mittel“ verfallen, sich vom K ­ aiser „mit einem schriftlichen (…) Ehrenworte bestätigen zu lassen, daß der Brief (…) zwar geschrieben, die (…) Textstelle über ElsaßLothringen aber ‚verfälscht‘ wiedergegeben worden sei. (…) Es war ein Netz von schweren Widersprüchen, in das sich der schlecht beratene Herrscher verwickelt hatte (…).“ 2602 2598 2599 2600 2601 2602

Polzer-Hoditz 1929, 549. Polzer-Hoditz 1929, 379 – 382. Anonym (Polzer-Hoditz) 1925(?), 3. Polzer-Hoditz 1929, 549. Glaise-Horstenau 1929. 210 – 211.

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Das Telegramm, in dem der ­Kaiser versicherte „unsere weitere Antwort sind meine Kanonen im Westen“, sei das „letzte amtliche Schriftstück, das Graf Czernin als Außenminister – wohl wider seine wirkliche Kenntnis der Dinge – entworfen und gegengezeichnet“ habe.2603 Was ihn sicher sein ließ, dass Czernin das Telegramm „entworfen und gegengezeichnet“ hatte, verriet Glaise-Horstenau nicht. François Charles-Roux schrieb 1929 über die Lage, in die sich der ­Kaiser manövriert hatte: Le meilleur moyen de se tirer de cette situation délicate eût peut-être été (…) de prendre nettement, en face de Berlin, position pour la paix avec l’Occident et pour les conditions qui en étaient la condition. Mais tout autre fut l’attitude qu’adopta l’infortuné et jeune empereur Charles. Il ne vit de salut pour lui qu’en multipliant envers les Allemands les gages de sa fidélité, pour ne pas dire de son repentir. Il commença donc par télégraphier (…) que les canons autrichiens répondraient (…) aux ‚calomnies‘ de M. Clemenceau. Puis il fit le pèlerinage de Spa (…) où (…) il trouva une sorte de Canossa laïque.2604

Karl Werkmann stellte 1931, wie bereits erwähnt, fest: „Sobald es einmal nichts mehr zu verschleiern gab (…), hat der K ­ aiser mit der Wahrheit über die Affäre gegenüber denjenigen nicht zurückgehalten, die ihn danach gefragt haben.“ 2605 Zu der Behauptung des Kaisers, sein Brief sei „gefälscht“ worden, erklärte Werkmann: „Heute ist zur Genüge bekannt, daß der Kaiserbrief überhaupt nicht gefälscht worden ist.“ Woher er die Sicherheit hatte, sich so dezidiert ausdrücken zu können, erläuterte er so: „In der Ruhe von Eckartsau und im Schloß Wartegg hat mich der K ­ aiser mit allen Details der Prinz-Sixtus-Angelegenheit vertraut gemacht. Seine Mitteilungen wurden ergänzt durch die des Prinzen Sixtus.“ 2606 Henry Allizé schrieb 1932 zur Frage, ob Czernin vom Kaiserbrief gewusst habe: Czernin (…) aurait été tenu dans l’ignorance (…) du contenu de la lettre (…). Cette ignorance (…) explique d’une façon plausible l’attitude (…) équivoque que le gouvernement de Vienne eut en face (… de) M. Clemenceau. (…) – On était donc persuadé (…) que si Czernin avait eu connaissance des termes mêmes des lettres (…) il se fût bien gardé d’évoquer l’affaire (…).2607

Worauf er seine Sichtweise gründete, gab Allizé nicht an, Demblins Broschüre dürfte ihm jedoch nicht unbekannt gewesen sein. 2603 Ebd. 2604 Anonym (Charles-Roux) 1929 53, 328. 2605 Werkmann 1931, 218, 250 – 257. 2606 Ebd. 2607 Allizé 8 1932, 816.

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Die Sixtus-Affäre

Bruno Brehm gab 1932 eine ausführliche Darstellung der Sixtus-Affäre, die die Stellung weiter Kreise des Offizierskorps der alten Armee und des deutschösterreichischen Bürgertums zu den Vorgängen zweifellos gut widerspiegelt und eine genaue Kenntnis der damals vorliegenden Literatur zeigt, so insbesondere der Bücher Sixtus’, Demblins und Windischgraetzs sowie auch der Zeitungsartikel Schagers aus dem Jahre 1920.2608 Margit Proszvimmer frug 1932: „Weshalb die klug ausgedachte, fein gesponnene Friedens­aktion im Sand verlaufen mußte, weshalb der schöne Wille reiner Menschen erfolglos blieb und (…) in den Kot gezerrt wurde, bleibt dem klaren Verstand ein Rätsel.“ 2609 Philippe Amiguet rang sich 1934 die Worte ab: „Quelles heures douloureuses pour ce jeune monarque quand il vit sa belle idée mutilée, piétinée par les événements et par les intrigues les plus louches. (…) Son télégramme à Guillaume IIe a été dicté, sans doute, dans les larmes (…).“ 2610 Über Czernin brach Amiguet den Stab: „Il n’aimait point la France (…).“ Die Zerstörung der Monarchie, „pays aristocratique, conservateur, et, chose plus grave, fidèle à la puissance papale“, sei in den „conseils secrets des loges européennes, dans les partis issus de l’idéologie de 1848“ beschlossen worden. Das noble Unterfangen des Prinzen Sixtus habe man auf den Wink der Freimaurer hin abgewürgt, verraten.2611 Albert Chatelle meinte 1936, man müsse sich fragen, ­welche wohl die französische Reaktion gewesen wäre, wenn ­Kaiser Karl, „mieux inspiré“, auf die Veröffentlichung seines Briefes durch Clemenceau geantwortet hätte: „Oui, j’ai voulu faire la paix (…). Oui, j’ai offert la paix séparée à la France, j’ai demandé ses conditions et je les ai acceptés, mais le gouvernement français, hésitant, a finalement repoussé mes propositions (…).“ 2612 Hugo Hantsch erklärte 1938, dass es „mit den Worten des Kaisers (…) keineswegs gesagt“ gewesen sei, „ob man das ganze Elsaß abtreten wollte oder nur den französischen Teil. Schließlich könnte man (…) ‚les justes revendications‘ auch deuten als ‚Ansprüche, soweit sie gerecht sind‘.“ Über das kaiserliche Ehrenwort äußerte Hantsch von einer moraltheologischen Warte aus, es sei (…) egoistisch, unklug und illoyal zugleich (gewesen …), vom K ­ aiser die schriftliche Versicherung zu verlangen, daß er einen Brief in dem von Clemenceau veröffentlichten Wortlaut niemals geschrieben habe. (…) Daß der K ­ aiser mit seiner Nachgiebigkeit gegenüber einem unwiderstehlichen Zwang einen großen Fehler beging, kann niemand leugnen, aber er handelte aus keinem unehrenhaften Motiv. (…) Wahrscheinlich hat ­Kaiser Karl diese Handlungsweise,

2608 Brehm 1952, 354 – 366. 2609 Proszvimmer 1932, 64 – 74. 2610 Amiguet 1934, 143 – 147. 2611 Ebd. 2612 Chatelle 1936, 151.

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die sicher seinem ganzen Wesen zuwiderlief, mit dem Argument zu rechtfertigen versucht, daß die Ehre, das Wohl der Monarchie mehr bedeuten müssen als selbst seine persönliche Ehre.2613

Dreißig Jahre s­ päter meinte Hantsch, dass der K ­ aiser den Brief „ohne vorherige Verständigung“ K ­ aiser Wilhelms geschrieben habe, sei „begreiflich, wissen wir ja auch sonst von zahlreichen Friedensfühlern, die von einem oder dem anderen Bundesgenossen ausgestreckt wurden, ohne daß der andere darüber informiert wurde“. Dass die Zusiche­ rung des Monarchen, er werde bei seinen Bundesgenossen „les justes revendications françaises, relatives à l’Alsace-Lorraine“ unterstützen, nicht „über reale Möglichkeiten“ hinausgegangen sei, bezeuge die Denkschrift Czernins über die polnische Frage, in der es heiße: „Wenn Deutschland Frankreich und Belgien herausgibt und noch etwas dazu, dann ist der Friede da.“ Czernin habe „offenbar nichts von dem persönlichen Friedensschritt ­Kaiser Karls“ gewusst. Dieses „Mißverständnis“ habe sich katastrophal ausgewirkt, „noch dazu als der in eine höchst peinliche Lage gebrachte ­Kaiser den Brief vergeblich zu leugnen versuchte“. Diesen vom Standpunkt der Moral eher als fragwürdig zu bewertenden Versuch verteidigte Hantsch damit, dass er versicherte, der K ­ aiser habe gebrannt „vor Begierde, sie (‚seine Völker‘’) glücklich zu machen. (…) das Bewußtsein der Verantwortung vor Gott war ihm eine lebendige Kraft, eine stets gegenwärtige Richtschnur seines Handelns. Schließlich war er durch und durch Österreicher. Was er wollte, war Österreich und nur Österreich.“ 2614 Hans Karl Zeßner-Spitzenberg ging in seinem 1953 publizierten Buch ausführlich auf die Ereignisse des 11. April 1918 ein. Als Czernin den K ­ aiser gebeten habe, ihm eine Kopie des Briefes an Sixtus zu übergeben, habe Karl sich nicht sofort zu entsinnen vermocht, „welches der genaue Text seines Briefes gewesen war, da keine Kopie (…), sondern nur verschiedene Konzepte existierten (…). Nach Durchsicht des Aktes übersandte der K ­ aiser (…) eine Abschrift jenes Entwurfes (…), den er schließlich irrtümlich für die Endfassung gehalten hatte.“ 2615 Das Ehrenwort habe er Czernin gegeben angesichts der (…) völlig absurden Tatsache, daß die zeitlich zurückliegenden und längst abgetanenen, für den ­ aiser jedenfalls höchst ehrenvollen Friedensbemühungen (…) nun plötzlich in völlig widerK sinniger und aufgebauschter Form an die Öffentlichkeit gezerrt (wurden….) eine genauere Betrachtung (ergebe …), daß der ­Kaiser bei der Abgabe seiner Erklärung bona fide gehandelt (habe …). Heute wird man sich wohl kaum mehr durch die reichlich komplizierten Begleitumstände verwirren lassen. Die Frage, ob der ­Kaiser diese oder jene Wendung in seinem Brief 2613 Hantsch 1938, 39 bzw. 54 – 56. 2614 Hantsch 2 1968, 523 – 532. 2615 Zeßner-Spitzenberg 1953, 167 – 173.

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(…) gebrauchte, ob seine Erklärung an Czernin den (…) Ereignissen entsprach oder ihnen nur nahe kam, ist letzten Endes bedeutungslos (…).2616

Denn für den K ­ aiser habe es nur eine Devise gegeben: „In Gottes Namen vorwärts und alle Folgen auf sich genommen!“ 2617 In einer 1959 (wieder?) publizierten Broschüre Zeßner-­Spitzenbergs steht zu lesen, „anfangs April 1918“ sei der „Friedensschritt bei Prinz Sixtus, aus dem Zusammenhang gerissen, in die Öffentlichkeit gebracht und irrtümlich (…) amtlich geleugnet“ worden. Der K ­ aiser habe sich „seines Friedensstrebens willen vor aller Welt wie ein Schwächling oder Lügner hingestellt“ gesehen. Von einem seiner nächsten Ratgeber vor qualvolle Entscheidungen gestellt, (… habe er) schwerstes Leid (…) erduldet, (… jedoch) in heroischer Selbstlosigkeit (…) lieber seine Ehre schmählichem Mißbrauch (preisgegeben …), als daß er das Wohl seiner Völker (gefährdet hätte …) sein Weg bleibt klar und seine Pflichttreue unerschüttert. Trotz Verdächtigungen und Vorwürfen bietet er dem Bundesgenossen in Spa (…) die versöhnliche Freundeshand.2618

Bertita Harding wusste 1939 zu berichten, dass die Briefe an Sixtus der deutschen Regierung nicht verheimlicht worden ­seien, im Gegenteil, diese sei dreimal eingeladen worden „to take part in mediation“. Czernin hingegen habe, „on being challenged by von Bethmann- Hollweg“, die Existenz der Briefe „flatly denied“ und sich um jede Verantwortung gedrückt, die Anderen aber „in turning against the monarch“ angeführt.2619 Berta Zuckerkandl komponierte 1944 eine belletristische Version der Affäre. ­Ludendorff habe, als ihm der Brief des Kaisers an Poincaré (sic!) bekannt geworden sei, einen „bluff monstre“ inszeniert. Er habe vorgegeben, an der österreichischen Grenze 30 Divisionen zu versammeln und angedroht, Wien plündern zu lassen. Um dies abzuwenden, sei Karl zurückgewichen und habe sich in Widersprüche verwickelt. Auch Italien habe einen Bluff angewendet und die Pläne der Entente sabotiert.2620 Was sie von dem „bluff monstre“ schreiben ließ und worum es sich bei Italiens Bluff handelte, verriet Zuckerkandl nicht. Abbé Joseph Delabays meinte 1945, Czernin habe den ­Kaiser terrorisiert und ihm eine Version des Briefes abgepresst, die anders lautete als die von Clemenceau veröffentlichte. ­Kaiser Wilhelm habe den ­Kaiser vor sein Tribunal zitiert und ihn so sehr mit Fragen gequält, dass er schließlich „ce regrettable télégramme, une aberration de 2616 Ebd. 2617 Ebd. 2618 Zeßner-Spitzenberg 1959, 11 – 12. 2619 Harding 1939, 104. 2620 Zuckerkandl 1944, 218.

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sa part“, abgeschickt habe, in dem es hieß, „unsere weitere Antwort sind meine Kanonen im Westen“.2621 Robert A. Kann meinte 1950, es sei „most unlikely that Czernin would have broached publicly the dangerous question of the secret peace negotiations if he had known of the (…) letter or its contents beforehand, as (…) Sixtus, a rather dubious witness on this point, asserted that he did“.2622 Der Brief sei „completely useless and actually damaging to Austria’s interests“ gewesen, weil der K ­ aiser nicht willens gewesen sei, „to back his words with action“. Von einer solchen sei er so weit entfernt gewesen „that he did not even dare to take his own responsible advisors into his confidence“.2623 Die Sixtus-Affäre sei, so schrieb Kann 1962, „das letzte Glied in der Kette der Ereignisse, das die Westmächte veranlasste, dem Druck Italiens und der Nationalitätenbewegungen hinsichtlich der Auflösung der Monarchie zu weichen“.2624 Friedrich Funder berichtete 1953, bei einem Besuch Czernins in seiner Redaktionsstube sei es darum gegangen, weshalb „der ­Kaiser dem von Clemenceau wörtlich zitierten Brief (…) in bezug auf die Rückgabe Elsaß-Lothringens (…) eine andere, stark abschwächende Textierung“ zuschrieb und „als echt beteuern“ musste.2625 Dass diese „Textierung“ die wirkliche ins Gegenteil verkehrte und Czernin vom ­Kaiser als „Kopie“ des Briefes übermittelt wurde, noch ehe dieser in Wien bekannt war, erwähnte Funder nicht. Reinhold Lorenz schrieb 1959, man könne „zur Erklärung der Handlungsweise des Kaisers anführen, er sei in der (…) Aufregung über Clemenceaus erste Andeutung (…) einer Gedächtnistäuschung unterlegen. Er habe daher in gutem Glauben für das Kommuniqué eine von den Textfassungen angegeben, die in Laxenburg zur Diskussion standen, aber zugunsten der (…) Schlußfassung des Briefes zurückgestellt“ worden ­seien.2626 Seine Worte basierte Lorenz offenbar auf ihm durch Emmy Gehrig, der er für „Einsicht in sonst schwer zugängliche Schriften“ dankte, vermittelte Erzählungen Zitas.2627 Hartmut Lehmann meinte 1963, Czernin hatte „in den (…) Tagen seines Abgangs nicht einmal mehr die menschliche Größe und das staatsmännische Verantwortungsgefühl, den Namen des Hauses Habsburg (…) aus den politischen Wirren herauszuhalten“.2628 Gerhard Ritter erachtete 1964 bzw. 1968 die Ableugnung des Briefes durch ­Kaiser Karl als einen „Akt von so peinlicher Verlogenheit (…), daß dadurch sein moralisches 2621 Delabays 1945, 139. 2622 Kann 2 1950, 273 – 274. 2623 Ebd. 2624 Kann 1962, 192. 2625 Funder 1953, 436. 2626 Lorenz 1959, 455. 2627 Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 763. 2628 Lehmann 1963, 58.

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Ansehen schwer erschüttert“ worden sei, er habe sich damit „vor der Öffentlichkeit unmöglich“ gemacht und „die Fundamente der Monarchie (…) ins Wanken gebracht“.2629 Arthur J. May schrieb 1966 wenig informiert über Clemenceaus Agieren und Zeitpunkt und Art der Publikation des Kaiserbriefes: „Clemenceau dramatically put the cat among the pigeons by printing in the L’Illustration the ‘Sixtus Letter’“.2630 Louis Cadars fasste 1967 die Rolle der Kaiserin in der Affäre mit den Worten zusammen: „On peut donc dire que l’âme de la négociation, son inspiratrice et son animatrice, a été l’impératrice Zita (…). C’était une femme (…) plus résolue dans ces desseins que son époux, mais que (…) son absence de maturité politique allaient gravement desservir.“ Über den Part des Kaisers schrieb er: (I)l abordait une partie redoutable, sans aucune préparation ni expérience (…). – Il ne disait à ses conseillers qu’une partie de la vérité (…) et s’empêtrait ainsi dans ses mensonges puérils, mais dont les conséquences furent dramatiques (…). Il est certain que l’empereur, tout en associant son chancelier (gemeint ist Czernin) à ces conversations avec son beau-frère, ne le mit jamais au courant des confidences essentielles qu’il lui avait faites (…).2631

Peter Feldl meinte 1968 mit fast denselben Worten wie Polzer-Hoditz, aber ohne diesen zu nennen, ­Kaiser Karl habe am 9. April 1918 bei seinem „Gespräch“ mit Czernin am „von deutschen Offizieren kontrollierten“ Hughes-Gerät in Bukarest „gar nichts anderes tun (können) als seinen Brief an Sixtus (…) einfach abzuleugnen“, überdies sei sein „Privatbrief “ für ihn kein „Schriftstück“ gewesen. „Auf diese unüberlegte Antwort des Kaisers baut Czernin den Fortgang seiner Aktion auf (…) wird er ihn einige Tage ­später erpressen.“ Czernin habe, entgegen dem Befehl des Kaisers vor seiner Rückkehr aus Bukarest „nichts zu unternehmen, keine neuen Erklärungen abzugeben“, ein Communiqué herausgegeben, nämlich jenes vom 10. April. Über das Telegramm an Wilhelm II. vom selben Tag äußerte Feldl kryptisch: „Es mag sein, daß es der K ­ aiser abgeschickt hat. (…) Es gibt aber auch Grund zu der Annahme, daß es (…) von Czernin eigenmächtig abgesandt wurde.“ Darüber, worin dieser „Grund zur Annahme“ bestehe, äußerte er sich nicht. Windischgraetzs Bericht über seine Audienz vom 11. April 2632 referierte Feldl sehr freizügig, indem er schrieb, der ­Kaiser habe sich Czernin gegenüber zu seinem Brief bekannt und von ihm verlangt, er „solle die Verantwortung für den Brief übernehmen“, was Czernin abgelehnt habe. Das Eingeständnis, den Brief geschrieben zu haben, habe bedeutet, dass der ­Kaiser „fast in der Lage eines (…) ‚Verräters‘“ erschien, „der hinter 2629 2630 2631 2632

Ritter 3. 1964, 461, Ritter 4. 1968, 278 – 279. May 2 1966, 631. Cadars 1967 71, 62. Windischgraetz 1920, 192 – 193.

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dem Rücken seines (…) ‚verantwortlichen‘ Außenministers Kontakte mit dem Feind“ hatte. „Unter dem Druck Czernins“ habe der ­Kaiser d ­ iesem die „Behauptung“ geliefert, der von Clemenceau publizierte Text „sei gefälscht“.2633 Gordon Brook-Shepherd gab 1968 eine ihm von Exkaiserin Zita gemachte Mitteilung so wieder: (D)er K ­ aiser (hatte) alle schriftlichen Unterlagen aus Sicherheitsgründen selbst in die Lade eines Schreibtisches in meinem Schlafzimmer eingesperrt. Als Clemenceau den Brief veröffentlichen ließ, begannen die Schwierigkeiten, denn, als die Schreibtischlade geöffnet wurde, fanden sich zwar (…) eine Anzahl verschiedener Entwürfe vor; es gab aber keinen Vermerk, aus dem hervorgegangen wäre, welcher dieser Entwürfe (…) jenem Brief entsprach, der (…) Sixtus ausgehändigt worden war. (…) ­Kaiser Karl wußte wohl, daß der Brief (…) einen Hinweis auf die französischen Ansprüche hinsichtlich Elsaß-Lothringens enthalten hatte, besaß aber keine Möglichkeit, nachzuprüfen, ob die von Clemenceau zitierten Worte (…) jene waren, die er in seinem Brief gebraucht hatte. Fälschungen, Irrtümer in der Übertragung, alles war möglich.2634

Diese Worte entsprachen also weitgehend der Aussage Zitas von 1950,2635 in der sie allerdings keine Schreibtischlade erwähnt hatte. Dieser Erzählung Zitas folgte Brook-Shepherd zunächst auch 1991, als er sie wie folgt zitierte: „The emperor had all the Sixtus documents locked up in a desk in my bedroom. (…) Several drafts had been made (…) and they were all preserved. But there was nothing to show us which of those drafts had actually been given to Prince Sixtus (…).“ 2636 Einer dieser Entwürfe sei dann durch Demblin an Czernin gesandt worden, eben jener, in dem es über die gerechtfertigten Ansprüche auf Elsass-Lothringen hieß: „Mais elles ne le sont pas.“ Zu d ­ iesem „Entwurf “ kommentierte Brook-Shepherd und ließ dabei erkennen, dass er sich nicht frei von Zweifeln an Zitas Darstellung fühlte: Why this draft, which would have immediately put paid to any hope of negotiating with Paris, was made in the first place is hard to explain. That it was the only one to survive turned out to be little short of a disaster for its authors. (The suggestion that Charles might have deliberately falsified the document to lead his foreign minister up the garden path does not convince. The emperor had not the dishonest guile for such a voluntary act of deception.)2637

2633 Feldl 1968, 176 – 181. 2634 Brook-Shepherd 1968, 178 – 179. 2635 Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 763. 2636 Brook-Shepherd 1991, 96 – 97. 2637 Ebd.

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Dann aber zitierte Brook-Shepherd die von ihm „diary“ genannten, als ein solches, wie oben gezeigt, jedoch nicht zu bezeichnenden und mit dem Aperçu 2638 identen Aufzeichnungen der Kaiserin: 11 April: In the morning Demblin asks for the draft of the (first) letter. I had placed the letters in a trunk underneath several other heavy ones in my bedroom. This because of the conspiracy. Accordingly, H. M. replies that he does not have the copy to hand, he will send it in the afternoon. I then search and find the earlier draft, but nothing else.2639

Brook-Shepherd versuchte die widersprüchlichen Angaben Zitas zu erklären, die ihm, wie in ihrer Aussage von 1950, davon sprach, in ihrem Schlafzimmer wären „several drafts“ vorhanden gewesen, in ihrem „diary“ beziehungsweise Aperçu aber festgehalten hatte, sie habe dort „the earlier draft, but nothing else“ gefunden. Und zwar glaubte er der „diary note which the empress made at the time“ mehr Gewicht beimessen zu können als ihrer Aussage „given from memory some years later“. Er schrieb daher: It matters little whether it (der ‚Entwurf ‘) was found locked up in her bedroom desk or, as the diary says, concealed in a trunk covered by other trunks. What is crucial is that this note is described as the only one found (…), for this draft (…) stands the real (…) letter of 24 March 1917 on its head as regards French claims to Alsace-Lorraine. It seems, therefore, that the ‘several versions’ mentioned by the empress did not, according to her written testimony at the time, exist in 1918.2640

Im Jahre 1997 dagegen gab Brook-Shepherd, so wie 1968, eine Erzählung Zitas wieder, die ihrer Aussage für den Seligsprechungsprozess entspricht: „The papers consisted of numerous jottings about the talk and several drafts, all jumbled together without any record regarding the final version (…).“ Das „diary“ erwähnte er wohl, ging aber darüber hinweg, dass d ­ iesem zufolge Zita in ihrem Schlafzimmer nur einen einzigen Entwurf des Briefes fand. Brook-Shepherd präsentierte seinen Lesern nun auch etwas völlig Neues, das weder in Zitas Aussagen noch in ihrem Aperçu bzw. „diary“ eine Entsprechung findet: Als das Kaiserpaar in Zitas Schlafzimmer nach dem Entwurf für den Brief gesucht habe, sei eine vom 9. Mai 1917 (sic!) datierte Version des Briefes aufgetaucht, in der es geheißen habe „that France’s claim on the disputed provinces was, alas, not justified“. Diese Version habe somit den Inhalt des von Clemenceau publizierten Briefes „flatly contradicted“.2641 2638 2639 2640 2641

Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 Dok. 87b. Brook-Shepherd 1991, 96 – 97. Ebd. p 97. Brook-Shepherd 1997, 193 – 207.

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Ingeborg Meckling meinte 1969, der ­Kaiser habe in seinem Brief nichts anderes getan als „ganz offen“ zu bekennen, dass die „französischen Ansprüche auf Elsaß-Lothringen (…) in der Donaumonarchie vielfach als gerecht empfunden“ würden.2642 Nach der Publikation des Briefes sei es zunächst darum gegangen, „in welcher Weise die österreichischungarische Regierung (…) reagieren sollte“. Czernin habe vorgeschlagen (Meckling berief sich dabei auf Demblins Buch 2643, in dem sich eine entsprechende Stelle allerdings nicht findet), „einen fingierten Brieftext zu veröffentlichen, der das von Paris mitgeteilte Dokument als Fälschung erscheinen“ lasse. Davon habe „Karl anfangs nichts wissen“ wollen. Dass es sich bei ­diesem „fingierten Brieftext“ um die vom K ­ aiser Czernin übersandte „Kopie“ des Briefes, also um den vom Monarchen als echt ausgegebenen Text handelte, ließ Meckling nicht erkennen. „Später“ ergeben sich „Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob Czernin für das Schreiben an Sixtus mitverantwortlich zeichnen müsse, obwohl er davon nichts gewußt hatte“.2644 Ernst Joseph Görlich und Felix Romanik schilderten die Affäre 1970 so: Als dieser Brief vom französischen Ministerpräsidenten (…) veröffentlicht wurde, führte dies zu einer Hetzkampagne gegen ­Kaiser Karl I., als ob er kein souveräner ­Kaiser, sondern der Untergebene der Hohenzollern wäre. (…) Czernin deckte den K ­ aiser nicht und behauptete, von ­diesem Brief nichts gewußt zu haben. Radikale deutschnationale Kreise forderten damals, daß man ­Kaiser Karl absetze und interniere. Diese Orgien des Hasses schienen der Entente den Beweis zu liefern, daß Österreich-Ungarn praktisch seine Handlungsfähigkeit verloren habe und zu einem Satellitenstaat des Deutschen Reiches herabgesunken sei.2645

Giuseppe Graf Dalla Torre erklärte 1972 unter Berufung auf die Akten des Seligsprechungsprozesses, ­Kaiser Karl habe, als die geheimen Verhandlungen bekannt wurden, nicht nur den Schmerz „di vedere naufragate ancora una volta tante speranze“, sondern auch die „dolorosi effetti“ einer hasserfüllten „campagna diffamatoria“ ertragen müssen. Verantwortlich für diese sei vor allem „l’organizzazione massonica internazionale“ gewesen, die schon seit Langem Pläne „per la caduta del religiosissimo Carlo e per la disfatta della cattolica Austria“ ausgeheckt habe. Am 13. April sei ein „scandalo“ dadurch entfacht worden, dass man den Vermittlungsversuch des Prinzen Sixtus, „ma distorto e falsato“, veröffentlichte. Von dieser „campagna denigratoria“ habe sich der K ­ aiser aber „con eroico disinteresse“ nicht beirren lassen und nur an das Wohl seiner Völker gedacht.2646 2642 2643 2644 2645 2646

Meckling 1969, 113. Demblin 1920. Meckling 1969, 349. Görlich Romanik. 1970, 477. Dalla Torre 1972, 58 – 62.

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David Robin Watson schrieb 1974, Czernins Erklärung vom 2. April 1918, „that France had approached Austria with the offer of a separate peace was a travesty of the truth. It allowed Clemenceau to expose both Czernin and the Emperor as liars and double-dealers, by the publication of the earlier approach from the Austrian side through Prince Sixte“.2647 Emilio Vasari (Emil Csonka) erklärte 1975, Clemenceau habe mit der Publikation des Kaiserbriefes dem „Friedensstreben Karls einen schweren Schlag“ versetzt. Als Czernin „die Pariser Ausführungen“ als „erlogen“ bezeichnete, habe sich ­Kaiser Karl gezwungen gesehen, „ein Telegramm an K ­ aiser Wilhelm zu richten, in dem er die Anerkennung der französischen Forderung auf Elsaß-Lothringen leugnete“. Zita zufolge habe Karl das ihm von Czernin abverlangte Ehrenwort erst „nach einem verzweifelten, inneren Kampf “ unterzeichnet und danach geäußert: „Ich habe, um das Vaterland zu retten, meine Ehre in die Hand eines Erpressers gegeben.“ Dies aber sei „wie eine Tragödie von Shakespeare“ gewesen.2648 Hellmut Andics schrieb 1976, im April 1918 sei es festgestanden, dass „Karl den Grafen hinters Licht geführt hatte“. Czernin aber habe dem ­Kaiser „eine Erklärung abgenötigt, von der er gewußt haben mußte, daß sie falsch war“.2649 Ludwig Jedlicka meinte 1975: „Die Hoffnungen des Kaisers (…) zerrannen, als (…) durch eine Reihe von Indiskretionen die geheimen Friedensfühler Österreich-Ungarns zu einem rhetorischen Duell ­zwischen (…) Czernin und (…) Clemenceau führten (…).“ 2650 Heinz Rieder schrieb 1981, Czernin habe mit seiner Rede vom 2. April 1918 „so recht“ gezeigt, dass er „unfähig“ gewesen sei, „die auf Erringung des Friedens zielenden Pläne und Gedankengänge seines Herrschers mitzumachen“. Vor der Rede habe er sich beim K ­ aiser (…) Rückendeckung verschaffen wollen, was aber offensichtlich nicht ernst gemeint war. Denn wir wissen aus den Erinnerungen Zitas, daß Czernin diese Rede (…) zwar dem K ­ aiser vorgelegt hatte, daß dieser darüber heftig erschrak, jedoch die Korrektur auf den nächsten Tag aufschob. Als der ­Kaiser (…) in Wien mit dem Hofzug ankam, war die Rede schon gehalten. (…) alle so fein gesponnenen Fäden der geheimen Friedensdiplomatie wurden mit roher Hand zerrissen.2651

Rieder bereicherte die Literatur auch um neue Aspekte: Nach Clemenceaus Publikation des Kaiserbriefes sei Czernin „auf den Ausweg“ verfallen, „eine eigene Version des ersten Briefes zu erfinden (…) und die Fassung, die in Händen Clemenceaus war, als Fälschung 2647 2648 2649 2650 2651

Watson 1974, 291. Vasari 1976, 88 – 91. Andics 2 1976, 260 – 261. Jedlicka 1975, 65. Rieder 1981, 193 – 203.

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zu erklären“. Diese seine Aussage stellte Rieder aber sogleich in Frage und fuhr fort: „Hatte sich Czernin diese Variante aus den Fingern gesogen? Nach dem Zeugnis Zitas fanden sich (…) einige Entwürfe zu dem Brief, doch Karl wußte nicht, aus welchem (…) die endgültige Fassung hervorgegangen war (…).“ 2652 Es sei möglich, „daß die Variante, die Czernin anführte, nicht seine Erfindung war, sondern einem dieser Entwürfe entstammte, der dann faktisch (…) Sixtus nicht mitgegeben wurde“. Diese „Variante“ sei, was Elsass-Lothringen betraf, „als offensichtlich zu wenig entgegenkommend“ verworfen worden. Der so ins Fantasieren gekommene Rieder fuhr nicht minder abstrus fort: Sei dem wie immer – was Clemenceau in Händen hielt, war die brisante Fassung, die Preisgabe Elsaß-Lothringens. Sie war schon vor ­diesem Zeitpunkt, in dem sie der (…) Ministerpräsident kennen und schätzen lernte, nicht so streng geheimgehalten worden (…) sogar König ­Ferdinand (…) wußte von ihr, er glaubte sogar, ­Kaiser Wilhelm sei mit ihr einverstanden gewesen.2653

Als Quelle für diese Aussagen gab Rieder eine Stelle im Buch von Lorenz 2654 an, an der sich solches aber nicht findet. ­Kaiser Karls Telegramm an ­Kaiser Wilhelm, das mit den Worten „unsere weitere Antwort sind meine Kanonen im Westen“ schloss, bezeichnete Rieder als „devot“. Der ­Kaiser habe sich „noch nie (…) selbst derart verleugnet. Ohne jeden Berater (…) hat er sich mit d ­ iesem Satz seinen Verderbern ausgeliefert (…).“ 2655 Ähnlich schrieb Rieder 2004: „Dann wurde natürlich der (…) Sixtus-Brief im Faksimile veröffentlicht und breitgetreten (…). K ­ aiser Karl musste (…) ein säbelrasselndes Telegramm ­schicken (…). Es konnte keinen ärgeren Gegensatz ­zwischen diesen Worten und der wahren Gesinnung des (…) Kaisers geben.“ 2656 Tamara Griesser-Pečar erklärte 1985, K ­ aiser Karl habe, von Czernin befragt, „unklug“ reagiert, als er die Existenz eines Schreibens mit politischem Inhalt wohl zugegeben, jedoch versichert habe, es beinhalte „keinen Passus über ‚gerechte Rückforderungsansprüche Frankreichs‘“, bei der „Publikation über die Agence Havas und in (…) l’Illustration“ 2657 handle es sich um eine Fälschung. Die Czernin zum Beweis übersandte „Abschrift“ sei „aus der Umgebung des Kaisers“ gekommen, nicht vom K ­ aiser. „Nur: Es handelte sich nicht um jenes Schreiben, das Sixtus mitgenommen hatte, sondern um eine andere Fassung, in der die explosive Passage über Elsaß-Lothringen fehlte.“ GriesserPečar behauptete, offenbar Rieder folgend: „Vieles spricht dafür, daß diese Variante 2652 Ebd. 2653 Ebd. 2654 Lorenz 1959. 2655 Rieder 1981, 193 – 203. 2656 Rieder 2004, 569. 2657 l’Illustration brachte die beiden Kaiserbriefe nicht im April 1918, sondern in Form von Faksimiles erst am 3. Jänner 1920.

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dem Hirn Czernins entsprungen war. Denn schwerlich kann das Gegenteil dessen, was ­später im echten Brief niedergelegt wurde, in einer vorangehenden Fassung gestanden haben.“ 2658 Darüber, was d ­ ieses „Viele“ sei und was sie annehmen ließ, die dem Minister übersandte „Fassung“ sei früher entstanden als der „echte Brief “, gab sie keine Auskunft. Auch darüber, auf ­welche Personen sie sich mit „Umgebung des Kaisers“ bezog (etwa auf die Kaiserin?), hüllte sich Griesser-Pečar in Schweigen. Immerhin aber ließ sie ihre Leser in dem Gefühl nicht allein, dass „die Erklärung, die Zita ­später immer wieder abgab: Karl habe sich einfach nicht mehr erinnert, aus welchem der Entwürfe – und es befanden sich mehrere in seiner Verwahrung – der echte ‚erste Kaiserbrief ‘ hervorgegangen war“, d. h. die Erklärung, die Zita in ihrer Aussage von 1950 gab und Brook-Shepherd überlieferte, „unwahrscheinlich“ sei. Es habe sich „wohl ganz anders“ verhalten: „Der ­Kaiser hatte sich zu einer Notlüge verstiegen, und gewiß war auch dieser eine eingehende Beratung mit Zita vorausgegangen.“ 2659 In ihrem Buch Mission Sixtus referierte Griesser-Pečar 1988 zunächst die Darstellung Brook-Shepherds, w ­ elche der Aussage der Kaiserin von 1950 entsprach, dann aber deren „Tagebuchnotizen (…), die immerhin eine logische Erklärung der verwirrenden Vorgänge jener Tage bieten“. Die in diesen gegebene Darstellung variierte Griesser-Pečar. Statt von der singulären „Kiste“, in der sich „das vorgewiesene Conzept, nichts anderes“ gefunden habe, schrieb sie: Die Unterlagen (…) waren in schweren Koffern verwahrt, diese mußten erst gehoben (…) werden, dann mußte der Brief erst aus anderen Akten herausgefischt werden. – Tatsächlich wurde nun das Konzept in ­diesem Koffer gefunden. Und da ist es durchaus glaubhaft, daß Karl, ohne sich den Text genau zu vergegenwärtigen, diesen Briefentwurf für den echten hielt und dem Minister (Clemenceau) weiterleitete.2660

Davon, dass dieser „Briefentwurf “ nicht vom K ­ aiser selbst, sondern aus dessen „Umgebung“ stamme und „Vieles“ dafürspreche, dass er „dem Hirn Czernins entsprungen“ sei, wie sie 1985 erklärt hatte, ließ Griesser-Pečar nunmehr nichts verlauten. Dagegen räumte sie ein: Ebenso freilich kann jene andere Version einleuchten, die bislang als einzig mögliche gegolten hat: Der ­Kaiser hatte Czernin bewußt ein falsches Konzept zugeleitet – im Vertrauen darauf, Clemenceau werde den Wortlaut des (…) Briefes ohnehin nicht parat haben und schon gar nicht beweisen können, da dieser ja (so war es schließlich (mit Sixtus) verabredet) den F ­ ranzosen 2658 Griesser-Pečar 1985, 138 – 139. 2659 Ebd. 2660 Ebd. pp 280 – 283.

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bloß vorgezeigt und danach vernichtet werden sollte. Nach der (…) Veröffentlichung des Briefes (…) jedoch mußte ­Kaiser Karl erkennen, daß mindestens eine bezeugte Abschrift wenn nicht gar das Original (…) existieren mußte – weshalb er schließlich die Echtheit des Textes zugab. – Beide Versionen sind möglich. Zunächst scheint für das letztere – nämlich daß der ­Kaiser gewissermaßen gefälscht hatte – der Umstand zu sprechen, daß Karl seinem Außenminister ja schon zuvor eine falsche Auskunft gegeben hatte, als er behauptete, von Clemenceau falsch zitiert worden zu sein. Doch lag eine s­ olche Selbstverteidigung (…) noch im Rahmen des taktisch Tragbaren, sofern keine Gegenbeweise (…) zu befürchten waren.2661

Leider hat Griesser-Pečar nicht kundgetan, zu welchem Zeitpunkt der ­Kaiser „schließlich die Echtheit des Textes zugab“. Sollte sie sich auf Werkmann bezogen haben? Dieser schrieb: „Sobald es einmal nichts mehr zu verschleiern gab (…) hat der K ­ aiser mit der Wahrheit (…) nicht zurückgehalten (…).“ 2662 Auf den von Griesser-Pečar sogenannten Tagebuchnotizen der Kaiserin, die, wie erwähnt, deren Aperçu entsprechen, fußt offenbar auch eine andere, wenn auch mit der Reservatio „glaubt man Zita“ versehene Darstellung der Autorin. Und zwar habe ­Czernin die Passage über Elsass-Lothringen in der ihm vom K ­ aiser übersandten „Kopie“ des Briefes im Kommuniqué vom 12. April „völlig eigenmächtig“ publizieren lassen. Das von Zita behauptete,2663 in Wirklichkeit aber keineswegs eigenmächtige Handeln ­Czernins glaubte Griesser-Pečar mit den Worten erklären zu können: Daß Graf Czernin mit seinem Verhalten so rücksichtslos den Vertrauensschwund beim K ­ aiser beschleunigte, hatte einen seiner Gründe wohl auch darin, daß er selbst nicht mehr an den zukünftigen Bestand der Monarchie und der Dynastie glaubte. (…) Er mußte – mit deutlicher Distanz zum angeblich versagenden Herrscher – als der große Staatsmann in die Geschichte eingehen.2664

E. H. P. Cordfunke schrieb 1986, Czernin habe behauptet, vom Brief an Sixtus nichts gewusst zu haben, vom ­Kaiser sei die Existenz eines solchen Briefes „auch“ geleugnet worden. Als der K ­ aiser nach dem Bekanntwerden des französischen Communiqués zugab, doch einen Brief an seinen Schwager geschrieben zu haben, hätte, „wie sich Kaiserin Zita erinnert“, das Problem darin bestanden, „daß es keine offizielle Kopie des Originalbriefes gab, sodaß keine Möglichkeit bestand, den von den Franzosen veröffentlichten Text auf seine Echtheit hin zu kontrollieren“.2665 2661 Ebd. 2662 Werkmann 1931, 218. 2663 Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 – 338 Dok. 87b. 2664 Griesser-Pečar 1988, 290 – 291. 2665 Cordfunke 1986, 104.

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Die Sixtus-Affäre

Anton Mayr-Harting erklärte 1988, dass Czernin seine Rede vom 2. April „so hätte gar nicht halten können, wenn er zumindest den wesentlichen Inhalt des Kaiserbriefes (…) gekannt oder von ihm gewußt hätte, und wenn der K ­ aiser nicht just die Clemenceau 2666 betreffende Stelle unbeanstandet gelassen hätte (…)“. Es sei verhängnisvoll gewesen, dass der Monarch im Hughes-„Gespräch“ vom 9. April seinen Minister „bewußt irreführte“ und die im französischen Communiqué enthaltenen Worte, er habe „mit eigener Hand seine Zustimmung ‚zu den gerechten Rückforderungsansprüchen Frankreichs mit Bezug auf Elsaß-Lothringen’“ gegeben, als „Lug und Trug“ bezeichnete.2667 Jean Bérenger zeichnete 1990 ein nicht nur mit den bisherigen Darstellungen, sondern auch mit der Realität einigermaßen kontrastierendes Bild. Czernin habe „am 2. April 1918“ angedeutet, Clemenceau hätte „angesichts der erfolgreichen Offensive von Ludendorff Österreich soeben ein Verhandlungsangebot gemacht“. Daraufhin habe Clemenceau den Brief veröffentlicht, „in dem der ­Kaiser ankündigt hatte, daß, sollte ‚Deutschland sich weigern, den Weg der Vernunft einzuschlagen, er sich gezwungen sähe, sein Bündnis aufzugeben und einen Separatfrieden (…) zu schließen’“.2668 Wolfdieter Bihl machte sich 1990 die von K ­ aiser Karl in seiner Not am 12. April 1918 Czernin und, im Communiqué ­dieses Tages, auch der Öffentlichkeit gegebene Darstellung zu eigen, dass er die französischen Forderungen nur insoweit unterstützen wollte, „où on pouvait les considérer comme justes“.2669 Bei seiner Beschreibung der Briefaffäre gab Bihl lange Passagen der vor allem auf den Erzählungen und den „Tagebuchnotizen“ der Kaiserin beruhenden Darstellung Griesser-Pečars 2670 wieder, ließ dabei aber zumeist nicht erkennen, was Zitat und Übersetzung oder Variation ihres Textes und was seine eigenen Worte waren. So schrieb er, die „Tagebuchnotizen“ der Kaiserin ­seien „pour la première fois dans cet ouvrage“ publiziert worden, ohne den Leser darüber aufzuklären, dass es sich bei „cet ouvrage“ nicht um sein Werk, sondern um dasjenige Griesser-Pečars handelte. Klar schien es Bihl, was die von ihm wenig treffend als „Mission de médiation“ bezeichnete Aktion der Prinzen zum Scheitern brachte, nämlich „l’arrivé de Ribot au pouvoir“ und die mit ihm zur Macht gelangte, den Untergang der Monarchie betreibende Freimaurerei. Im Prozess zur Seligsprechung des Kaisers s­ eien sämtliche Aussagen der an der Aktion Beteiligten dahin gegangen „pour accuser les franc-maçons français (Le Grand Orient) d’avoir empêché une pace cléricale austriaca“.2671 Inwieweit ein durch Sixtus’ Bemühungen zustande gekommener Separatfriede eine „pace cléricale austriaca“ hätte sein können, erklärte 2666 Mayr-Harting 1988, 862 – 864. 2667 Ebd. 2668 Bérenger 1995, 802 – 803. 2669 Bihl 1993, 43, 170, 46 (Vortrag 1990). 2670 Griesser-Pečar 1988, 279 – 294. 2671 Bihl 1993 43, 170, 65 – 72.

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Bihl nicht. Den Terminus hatte Prinz Xavier in seiner Aussage für den Seligsprechungsprozess am 24. April 1950 gebraucht: Er habe 1942 „sotto il maresciallo Pétain“ aufgrund von „prove documentate prese dall’archivio della loggia del Grande Oriente“ – das VichyRegime beschlagnahmte deren Akten und verbot die Logen – feststellen können, dass die Logen den Sturz Briands und die Installierung Ribots beschlossen, um „una pace ‚clericale‘ austriaca“ zu verhindern. Daher wären die Verhandlungen, „giunte fino a 24 ore prima della proclamazione d’un armistizio“, trotz des guten Willens Poincarés und des englischen wie auch des belgischen Königs gescheitert.2672 Am 25. April 1950 hatte Xavier seine Aussage dahin gehend ergänzt, dass sich in dem beschlagnahmten Material ein Band befunden habe, in dem die Vernichtung des Kaisers und der „monarchia cattolica austro-ungherese“ sowie deren Zerstückelung in allen Einzelheiten ausgearbeitet gewesen ­seien. Die im Band enthaltene Landkarte habe exakt die Grenzen gezeigt, „che poi nei trattati di pace furono effettivamente stabiliti per gli Stati satelliti dell’Austria-­Ungheria“.2673 Bei dem erwähnten Band handelte es sich offenbar um das 1919 erschienene Buch Karl ­Heises und die in ihm enthaltene ganz lächerliche, kleinkindhaft gezeichnete Karte, von der Heise behauptete, sie gebe die „in den geheimen Zirkeln der englisch sprechenden Welt gedachte zukünftige, aus einem Weltkriege und seinen Folgen hervorgehende Gestaltung Europas“ wieder. Die Karte zeigt keine genaueren Grenzlinien und vor allem nicht s­ olche, die denen der „Stati satelliti“ nach den Verträgen von 1919 nahekämen.2674 Michel Dugast Rouillé schrieb 1991, Polzer-Hoditz folgend, ­Kaiser Karl habe den für Czernins Rede vom 2. April 1918 vorgesehenen Text erst am Abend zuvor zur Genehmigung erhalten und dies zu so ­später Stunde, dass er ihn nicht mehr „réellement“ habe studieren können. Überdies hätte der Text zuvor dem Minister für Inneres vorgelegt und von ­diesem gutgeheißen werden müssen. Nach der Veröffentlichung des französischen Communiqués vom 9. April sei dem von allen Seiten bedrängten K ­ aiser nichts übriggeblieben als zu versuchen, in seinen Papieren „copies des documents incriminés“ zu finden. Dabei habe er einen Entwurf seines Briefes gefunden, dessen „teneur“ sich allerdings von dem des im französischen Communiqué vom 12. April veröffentlichten Textes unterschieden habe, keine Spur jedoch von dem zweiten Brief. Einen Entwurf für diesen habe der ­Kaiser Czernin anvertraut gehabt. Der aber habe, „après s’être assuré“, dass der ­Kaiser sich daran nicht erinnern würde, den Entwurf bei sich behalten, wodurch es ihm leichtgefallen sei, die Existenz d ­ ieses Schriftstückes zu leugnen. Die Situation K ­ aiser Karls habe sich für den Fall zu verschlimmern gedroht, dass es Clemenceau gelingen sollte, die Authentizität des von ihm am 12. April durch Schuld Czernins publizierten Brieftextes zu beweisen. Um Clemenceau der Lüge zu überführen und „l’opinion allemande“ zu 2672 Prinz Xavier Aussage 24. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 770. 2673 Ebd. p 778. 2674 Heise 1919.

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beschwichtigen, habe Czernin den Monarchen aufgefordert, den Entwurf für den Brief zu publizieren, K ­ aiser Karl aber habe gezögert. Als der Entwurf durch das österreichischungarische Communiqué vom 12. April veröffentlicht wurde, sei ihm von niemandem Glauben geschenkt worden worden, weil man gewusst habe, dass Czernin damit lüge. Dieser habe sich nach seiner Entlassung zornentbrannt zurückgezogen und alle Dokumente über die Affäre und die Verhandlungen mit Sixtus mit sich genommen.2675 Auf bestimmte Quellen für seine mühevolle Komposition berief sich Dugast Rouillé nicht. Alles deutet jedoch darauf hin, dass diese in den Kreisen sprudelten, auf ­welche die „Note de l’éditeur“ zum Buch hinweist, nämlich in denen der „familles de Habsbourg et de Bourbon-Parme“. Im Besonderen wird in der „Note de l’éditeur“ mitgeteilt, dass der Autor sich „fréquemment avec l’impératrice Zita, ses fils Otto, Robert et Rodolphe, et sa fille Adélaïde“ habe unterhalten können. Im Vorwort zu Dugast Rouillés Buch heißt es gar, ­dieses reflektiere „la conviction intime de l’Empereur Charles, de l’impératrice Zita et du noyau des plus fidèles monarchistes austro-hongrois“.2676 Manfried Rauchensteiner stellte 1993 die Frage: Hätte Czernin „nicht im Interesse der Monarchie und eingedenk der Tatsache, daß er ja (…) auch Minister des kaiserlichen und königlichen Hauses war, die Verantwortung (…) auf sich nehmen müssen?“ 2677 Es sei allerdings „in Rechnung zu stellen, daß er z­ wischen der Loyalität gegenüber dem ­Kaiser und anderen Verantwortlichkeiten zu wählen hatte“, Kann habe nämlich darauf hingewiesen, dass er „nicht nur dem ­Kaiser, sondern auch dem Parlament verantwortlich“ gewesen sei.2678 Liest man bei Kann nach, so heißt es dort: Zwei Auffassungen sind hier möglich. Die eine ist die der Anhänger des Kaisers, (…) daß es (…) die vornehmste Pflicht eines Ministers sei, den ­Kaiser unter allen Umständen zu decken. (…) Die andere Ansicht geht (…) dahin, daß auf Grund des verfassungsmäßigen Prinzips der Ministerverantwortlichkeit ein Minister gar nicht berechtigt war, die Verantwortung für eine Privataktion des Kaisers auf sich zu nehmen.2679

Rauchensteiner erklärte, K ­ aiser Karl habe sich „mit lediglich formal richtigen Behauptungen zu ­schützen versucht, wonach nicht er der Schreiber des ersten Briefes gewesen sei. Damit mochte es auch seine Richtigkeit gehabt haben, denn der Schreiber war wohl der Hofkaplan Alois Musil (…).“ 2680 2675 2676 2677 2678 2679 2680

Dugast Rouillé 1991, 93 – 95. Ebd. pp 7 – 13. Rauchensteiner 1993, 555 – 556. Rauchensteiner 2013, 935 – 936. Kann 1963 16, 451 – 452, Kann 1966, 52. Rauchensteiner 1993, 556, Rauchensteiner 2013, 936, ähnlich: Rauchensteiner 1995, 164.

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Hat der ­Kaiser aber je behauptet, nicht der Schreiber gewesen zu sein? Die Mär von einer Involviertheit Musils wurde oben behandelt. Peter Broucek sah 1997 in der Veröffentlichung des Kaiserbriefes durch Clemenceau „eine politisch berechnende republikanisch-laizistische Aktion, um das Ansehen K ­ aiser Karls zu zerstören“. Czernin sei der Brief „dem Inhalt nach vollständig, dem Wortlaut nach möglicherweise nicht“ bekannt gewesen. Der Minister habe seine „Insuffizienz“ dadurch gezeigt, dass er von seinem Souverän „eine Art Verleugnung der entscheidenden Passage des Briefes (über Elsaß-Lothringen) (…) und eine Art Treuebekenntnis gegenüber K ­ aiser Wilhelm“ verlangt habe. Verständlicher als diese Worte ist dem Leser auch nicht, was Broucek mit dem folgenden Satz zum Ausdruck bringen wollte: ­„Czernin beließ die Kampagne auf dem vermeintlich ethischen Standpunkt, zu dem sie Clemenceau und er mit ordinären Methoden hingelenkt hatten, weg von der politischen Ebene.“ 2681 Den realen Vorgängen gerecht zu werden, darauf verzichtete Broucek auch 2004, wenn er schrieb: „Der Gemeinsame Ministerrat zwang Czernin zum Rücktritt (…).“ 2682 Egon Berger Waldenegg klagte in seinen 1998 edierten Memoiren, der „einzige“ vom ­Kaiser an Sixtus gerichtete Brief sei von der „antihabsburgischen Propaganda“ so dargestellt worden, „als hätte der K ­ aiser die Absicht gehabt, dem Bundesgenossen die Treue zu brechen“. In ein akutes Stadium sei die Kampagne getreten, als Czernin (…) sein Amt mit der Begründung zurücklegte, von der Absendung des Briefes keine Kenntnis gehabt zu haben. Formell war Graf Czernin vielleicht insofern im Recht, als ihm der ­Kaiser von dem Brief selbst nichts gesagt hatte. Aber (…) Seine Majestät hatte ihn in Reichenau explicitis verbis unterrichtet, daß er (…) nach der (…) mutwilligen Ablehnung der Friedensbedingungen durch Deutschland den Entschluß gefaßt habe, an den Abschluß eines Separatfriedens heranzutreten.2683

Aus dieser „wahren Geschichte des Sixtusbriefes“ gehe klar hervor, „daß die Haltung ­Kaiser Karls nicht allein vollkommen korrekt, sondern auch politisch überaus klug war (…)“.2684 Worauf er diese Ausagen gründete, gab Berger Waldenegg nicht kund. Wilhelm Brauneder erklärte 2000, von der vorliegenden Literatur unberührt, der „auch ‚Sixtusaffäre‘ genannte Vorfall“ habe darin bestanden, „daß ­Kaiser Karl über die Brüder seiner Gattin (…) der französischen Regierung das Angebot zu ­Friedensverhandlungen gemacht hatte, ­welche diese schließlich so verlautbarte, als ob der K ­ aiser sich darin für 2681 Broucek 1997, 146 – 147. 2682 Broucek 2004, 106. 2683 Berger Waldenegg 1998, 340 – 341. 2684 Ebd.

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die Abtretung Elsaß-Lothringens (…) an Frankreich eingesetzt hätte, was der K ­ aiser allerdings, möglicherweise zu Recht, dementierte“.2685 Patrick Germain publizierte 2002 eine weithin in Dialogform gehaltene sehr freie Nacherzählung der „wahrheitsgetreuesten“ (sic!) Schriften von Polzer-Hoditz, Werkmann und Otto von Habsburg sowie jener, „également (…) très fidèle“, von Brook-­Shepherd, Dugast Rouillé, Sévillia und Fejtö. Darin heißt es, Zita habe dem über Czernins Rede vom 2. April 1918 wütenden K ­ aiser erklärt, er sei vom Minister, einem von ihm unglücklicherweise in seinen Dienst berufenen „imbécile prétentieux“, betrogen worden: Czernin habe ihm gesagt, die Rede am Abend ­dieses Tages zu halten, und er habe ihm keine Zeit gelassen, seine Meinung über sie zu äußern. Als der Minister nach der Rede in Audienz gekommen sei, habe ihm der Monarch entgegengeschleudert: „Vous m’avez trahi! (…) Et en outre vous provoquez bien inutilement Clemenceau!“ Auf dessen Erklärung, der ­Kaiser habe „mit eigener Hand seine Zustimmung zu den gerechten Rückforderungs­ ansprüchen Frankreichs mit Bezug auf Elsaß-Lothringen bestätigt“, habe Czernin auf der Fahrt von Bukarest nach Wien eine Antwort diktiert, die vom Ministerium des Äußern noch vor seiner Ankunft in Wien publiziert worden sei. Nach Clemenceaus Publikation habe der K ­ aiser im Tresor seines Arbeitszimmers vergeblich nach seiner Kopie des Briefes gesucht, sich jedoch plötzlich erinnert, sie in Zitas Sekretär gelegt zu haben. In dessen Geheimfach habe er daraufhin mit der Kaiserin „fébrilement“ gesucht, aber nur Entwürfe gefunden. Welchen Text er Sixtus übergeben hatte, habe er sich nicht entsinnen können, Zita sei immerhin im Gedächtnis geblieben: „nous avons bien parlé de l’Alsace et de la Lorraine“. Alsbald sei Czernin gekommen, „les yeux exorbités, le souffle court, presque débraillé“. Er habe vom ­Kaiser brüllend verlangt, eine „déclaration sur l’honneur“ zu unterschreiben, nach welcher er an Sixtus nur einen Brief geschrieben und dieser nichts über Belgien und Elsaß-Lothringen enthalten habe. Auf die Weigerung des Kaisers hin habe der Minister „rouge de fureur“ erklärt, er werde sich sofort an Berlin wenden und das werde das Ende Österreichs sein. „Épuisé par ces cris“ habe der ­Kaiser schließlich die „déclaration“ unterfertigt. Czernin habe sie, trotz seiner Versicherung, sie geheim zu halten, publizieren lassen. Ihr Text – „die Anschuldigungen Herrn Clemenceaus gegen mich sind so niedrig, dass ich nicht mehr gesonnen bin mit Frankreich über die Sache ferner zu diskutieren. Unsere weitere Antwort sind meine Kanonen im Westen“ – habe Clemenceau zu der Äußerung veranlasst: „Bientôt nous n’entendrons plus parler de l’Autriche-Hongrie.“ Germain wandelte den Text des Ehrenworts also nicht nur höchst eigenwillig ab, sondern setzte ihn auch mit dem des kaiserlichen Telegramms an ­Kaiser Wilhelm gleich.2686

2685 Brauneder 2000, 158. 2686 Germain 2002, 268 – 275.

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Stephan Baier und Eva Demmerle schrieben 2002: „Die Sixtus-Mission fliegt auf, obwohl beide Beteiligten – Frankreich und ­Kaiser Karl – vereinbarten, im Falle einer Indiskretion zu leugnen.“ Nach der Veröffentlichung der „Sixtus-Korrespondenz“ durch „Staatspräsident (sic!) Clemenceau“ habe der K ­ aiser lediglich aufgrund dieser Vereinbarung „weiter“ geleugnet. Um den Text des Briefes sei eine „Konfusion“ entstanden: Sei Clemenceaus „Version“ oder „der Entwurf in Wien authentisch“? Zur Lösung dieser Frage äußerten sich Baier und Demmerle nicht, ließen den Leser aber vermuten, die darüber entstandene „Auseinandersetzung ­zwischen dem Kaiserpaar und Czernin“ habe schließlich zur Spaltung der Person des letzteren geführt. Sie schrieben nämlich: „(W) ährend der Außenminister noch mit einem Einmarsch der Deutschen droht und auch einen Selbstmord à trois vorschlägt, demissioniert Czernin.“ 2687 Eva Demmerle legte 2004 dar, nach Clemenceaus Publikation des Briefes sei „zwischen Paris und Wien ein Streit um die richtige Version“ des Briefes entstanden. In Wien habe es „keine Aufzeichnungen darüber“ gegeben, „welcher der Briefentwürfe (…) Sixtus übergeben worden war (…). Karl hatte seinen Außenminister zudem nur telefonisch über den Inhalt des (…) Briefes an Sixtus unterrichtet.“ 2688 Elisabeth Kovács hielt sich 2004, was die Art der Aufbewahrung des „Entwurfs“ oder der „Entwürfe“ des Briefes an Sixtus betrifft, so wie Brook-Shepherd 1991 und Griesser-Pečar 1988, an die Darstellung der Exkaiserin, und zwar an die jene in deren offenkundig aus den 1920er-Jahren stammendem Aperçu bzw. Diary und nicht an deren Aussage von 1950. Kovács schrieb jedoch, die „Kopie, die Kaiserin Zita in der bewußten Kiste gefunden“ habe, sei nicht eine „Abschrift des nach Paris übermittelten Autographs“, sondern ein „erster Entwurf “ gewesen. Woher sie wissen konnte, dass es sich um einen „ersten Entwurf “ handelte, gab sie nicht preis. Zita scheidet als Quelle aus, denn weder in ihrem Aperçu noch in ihrer Aussage von 1950 ist von einem solchen die Rede. Kovács fuhr fort: Am 12. April publizierte Clemenceau zum Beweis seiner Wahrheitsliebe den Originaltext des kaiserlichen Autographs. Dort war der fragliche Passus umformuliert: ‚daß ich mit allen Mitteln (…) die gerechten Rückforderungsansprüche Frankreichs mit Bezug auf Elsaß-Lothringen unterstützen werde (…).’ Der Text war mit Zusätzen über Belgien und Rußland erweitert.2689

Wollte Kovács zu verstehen geben, der K ­ aiser und die Kaiserin hätten sich des „fraglichen Passus“ des Sixtus überreichten Briefes wirklich nicht mehr erinnern können und daher den von Clemenceau publizierten „Originaltext“ als „umformuliert“ und ­„erweitert“ 2687 Baier Demmerle 2002, 72. 2688 Demmerle 2004, 151 – 153. 2689 Kovács 1 2004, 396 – 400.

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empfinden müssen? Zu K ­ aiser Karls Telegramm vom 14. April an K ­ aiser Wilhelm, dessen Entwurf von der Hand der Kaiserin, wie erwähnt, erhalten ist, schrieb Kovács: „In einem offenen Telegramm an (…) Wilhelm II . prangerte Czernin die Unwahrheiten Clemenceaus an und ließ K ­ aiser Karl seine vollständige Solidarität mit den deutschen Kriegszielen versichern.“ 2690 Erich Feigl meinte 2006, zu den zahllosen „unter dem dümmlichen Schlagwort ­‚Sixtus-Affaire’ veröffentlichten“ Schriften sei „heute nichts mehr zu sagen“, der „Skandal“ habe „weder K ­ aiser Karl noch (…) Sixtus und Xavier“ betroffen, sondern „ausschließlich die Kriegstreiber“. Im Jahre 1966 machte (…) eine Broschüre aus der Hand des an sich (!) angesehenen (…) Robert A. Kann Furore, selbstverständlich unter dem Titel Die Sixtusaffaire (…), die als ‚Sensation‘ Tagebuchaufzeichnungen des Ministers Josef Maria Baernreither brachte. Baernreither zweifellos ein Ehrenmann (…) aber eine Klatschbase sondergleichen (!). Was von den dort zitierten Äußerungen eines Ottokar Czernin zu halten ist, ergibt sich von selbst. Heute sind ­solche Publikationen (…) Makulatur (…).2691

Francis Roy Bridge schrieb 2006, Czernin habe den K ­ aiser im April 1918 gezwungen, seine „Angebote“ an Frankreich „abzuleugnen“. Dies verdeutliche, dass „die ewiggestrige deutsch-magyarische Elite, nicht der ­Kaiser, die Politik Österreich-Ungarns bestimmte“.2692 Pfarrer Friedrich Oberkofler erklärte 2006 unter Berufung vor allem auf die Seligsprechungsakten, ­Kaiser Karl sei „unter massivem Druck Czernins gezwungen“ gewesen, „seine geheimen Zusatzerklärungen, die sein Einverständnis für die Rückgabe von Elsass-Lothringen an Frankreich betrafen, offiziell zu dementieren“. In d ­ iesem „politischen Skandal“, dem „Musterbeispiel eines Verwirrspiels diplomatischer Intrigen“, der „begründeterweise ‚Czernin-Affäre’ heißen“ müsste, habe der Minister „eine undurchsichtige Rolle“ gespielt, „alle Geheimverhandlungen Karls mit den Ententemächten an die Presse“ kommen lassen und den K ­ aiser „genötigt, eine Erklärung zu unterschreiben, wissend, dass diese nicht der Wahrheit entsprach: Es habe nie Friedensverhandlungen gegeben.“ Clemenceau sei „ebenso wie die deutsche Heeresführung von einem Sieg-Frieden (…) überzeugt und fanatisch antimonarchisch, antiklerikal und antihabsburgisch“ gewesen und habe „die Friedensverhandlungen gewollt zum Scheitern“ gebracht. Der ­Kaiser habe sich jedoch „nicht beirren“ lassen „für den Frieden zu arbeiten“. Mit dem Papst habe er „intensive diplomatische Kontakte“ gepflegt, aus denen 2690 Ebd. 2691 Feigl 2006, 255 – 263. 2692 Bridge 2006, 55.

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„der ­Friedensappell des Papstes von 1917“ hervorgegangen sei. „Katholische Abgeordnete in Österreich und Deutschland unterstützten die Friedensvermittlung des Papstes und Karls und zogen sie der Initiative Wilsons vor, weil diese von den ‚Logen‘ beeinflusst war.“ 2693 Der ­Kaiser habe in Lammasch „als neuem Ministerpräsidenten (…) einen loyalen und konsequenten Befürworter des Friedens“ gefunden. Dieser habe Herron von „Karls Föderalismus-Reform (…), dessen Entschlossenheit, sich von Deutschland frei zu machen“ informiert, worüber Wilson „hocherfreut“ gewesen sei. Oberkofler resümierte: „Es ist bis heute nicht zu fassen, dass Karls radikaler Einsatz für den Frieden derart (…) verkannt, ja pervertiert wurde.“ Und: „Die zwei gefährlichsten Feinde des Friedens (…) waren der revolutionäre Sozialismus und die ‚Logen‘. Ihre erklärten Gegner waren die katholische ­Kirche und die katholische Habsburger-Monarchie mit ihrer Symbolfigur K ­ aiser Karl.“ 2694 Es s­ eien „übermenschliche Kräfte am Werk“ gewesen – mit diesen meinte Oberkofler wohl kaum die himmlischen Heerscharen –, „die das Werk des Friedens und der Erneuerung zunichtemachten“.2695 Bernard Charpentier ging 2009 auf die Affäre nur am Rande ein. Immerhin aber behauptete er, Kovács habe bestätigt, dass für den ersten Brief 14 Entwürfe gemacht, aber keine Kopie des Sixtus übergebenen Briefes angefertigt worden sei. Dies habe es unmöglich gemacht, mit Sicherheit zu sagen, ob der von Clemenceau publizierte Brief auch der gewesen sei, den K ­ aiser Karl „aux puissances de l’Entente“ abgeschickt 2696 hatte. Jean Sévillia erklärte 2009, von den „nach Elisabeth Kovács“14 Entwürfen des ersten Kaiserbriefes 2697 ­seien aus Sicherheitsgründen „mehrere“ im Zimmer der Kaiserin aufbewahrt worden. Einen dieser Entwürfe, in dem die französischen Rückforderungsansprüche auf Elsass-Lothringen zurückgewiesen wurden, habe „man“ Demblin übergeben. Czernin sei, „dans le seul but de préserver ses relations avec les Allemands“, darauf aus gewesen, den ­Kaiser zum Lügen zu bringen und habe ihn, „de la façon la moins crédible qui soit“, aufgefordert, ehrenwörtlich zu versichern, dass er in dem Brief auf die elsass-lothringische Frage in ganz anderer Weise eingegangen sei als von Clemenceau behauptet, nämlich so wie in dem ihm, Czernin, übermittelten „Entwurf “. Nur um den Minister loszuwerden, und aus Angst, dieser könnte, wie angedroht, sich an die Deutschen wenden, habe ihm der ­Kaiser das Ehrenwort gegeben. Aufgrund welcher Informationen Sévillia glaubte, schreiben zu können, ­Kaiser Karl habe, als Czernin ihm das Ehrenwort abverlangte, „l’authenticité du texte rendu p ­ ublic par 2693 Oberkofler 2006, 81 – 87. 2694 Ebd. 2695 Ebd. 2696 Charpentier 2009 103, 5 Ref. 14. 2697 Sévillia 2009, 97.

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Die Sixtus-Affäre

­ lemenceau“ eingestanden, ließ er nicht erkennen.2698 Erkennbar ist hingegen, dass er C sich mit seiner Darstellung vor allem auf die Aussagen und Erzählungen Zitas stützte. Dass es Sévillia an Enthusiasmus für die Person der letzteren nicht gebricht, kommt in seiner Funktion eines Präsidenten der Assoziation zur Seligsprechung Kaiserin Zitas zum Ausdruck. Ein Prozess zur Erreichung ­dieses Zieles wurde 2008 durch die vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse approbiert und im November 2009 eingeleitet.2699

2698 Ebd. pp 166, 317. 2699 kath.net 11. Feb. 2010.

8. Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge 8.1

Ist ein Verständigungsfriede noch möglich?

Das Scheitern der deutschen Julioffensive rief in Wien ernste Befürchtungen hervor, denn am 3. August berichtete Botschafter Prinz Stolberg an das Auswärtige Amt: General Cramon teilte mir mit, ­Kaiser Karl habe ihn gestern rufen lassen und ihm gesagt, dass er es angesichts der durch die letzten Ereignisse geschaffenen Lage für dringend erwünscht halte, in allernächster Zeit mit (…) K ­ aiser (Wilhelm) zusammenzukommen. Sollte Allerhöchstderselbe die Absicht haben, hierher zu kommen, so werde er sich sehr freuen, ihn in Laxenburg zu begrüssen; andernfalls sei er gern bereit, zu einer Besprechung nach Potsdam, Spa oder irgend einem dritten Ort zu kommen. In jedem Falle lege er aber grössten Wert ­darauf, dass Feldmarschall von Hindenburg und General Ludendorff oder wenigstens einer von beiden der Zusammenkunft beiwohne. – General von Arz, mit dem General Cramon darauf über die Gründe der (…) Zusammenkunft sprach, hat sich sehr pessimistisch über die Lage Österreich-Ungarns ausgesprochen (…), die Monarchie befinde sich auf dem Gebiet der industriellen, Bekleidungs- und Ernährungsfragen und des Mannschaftsersatzes im Zustande der Dekadenz, (…) über Frühjahr 1919 hinaus könne man mit Österreich-Ungarn als kampffähigem Bundesgenossen nicht mehr rechnen. Die Minister hätten den K ­ aiser in ernster Weise hierauf aufmerksam gemacht und er, Arz, habe (…) zustimmen müssen. Deshalb habe es K ­ aiser Karl für notwendig befunden, eine persönliche Begegnung anzuregen, um sich über die einzuschlagenden Wege klar zu werden.2700

In dieser Sache berichtete Lersner am 10. August an das Auswärtige Amt: Seine Majestät (…) geruhten mir (…) mitzuteilen, General von Cramon habe (…) gedrahtet, ­ aiser Karl wolle in Spa vorbringen, dass Österreich-Ungarn im Laufe des Jahres 1919 unter K allen Umständen Frieden haben müsse. Falls kein allgemeiner Frieden zustande käme, müsse er einen Sonderfrieden schliessen. Seine Majestät hat hierauf Feldmarschall und General Ludendorff erklärt, dass (…) vor Ankunft K ­ aiser Karls eine ungeschminkte Bilanz des Krieges gezogen werden müsse. Wir beabsichtigen (…) wohl noch im Laufe des Jahres durch den König von Spanien an die Entente heranzutreten. Hiervon wolle Seine Majestät dem K ­ aiser Karl (…)

2700 Stolberg an A. A., Tel. 516, 7. Aug. 1918, SG 4 1978, 274 – 275 Dok. 187.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Mitteilung machen und ihn dafür (…) zur höchsten Anspannung aller Kräfte verpflichten. Die Generale hätten sich mit diesen Plänen durchaus einverstanden erklärt.2701

Die „ungeschminkte Bilanz“ wurde am 14. August in einer Besprechung ­zwischen K ­ aiser Wilhelm, dem Kronprinzen, Hertling, Hintze, Hindenburg, Ludendorff und Berg in Spa gezogen. Dem Protokoll zufolge äußerte Hintze dort: Die Siegeszuversicht des Feindes und sein Kriegswille ­seien z.Zt. gehobener denn je. Der Grund ­seien zum Teil die letzten militärischen Erfolge im Westen; der Hauptgrund sei aber (…), daß die Alliierten mit ihren (…) unerschöpflichen Reserven an Menschen, Rohstoffen & Fabrikaten allein mit der Zeit die (…) Centralmächte zerschmettern müssten. (… Hindenburg) hat die (…) Situation dahin definirt, daß wir den Kriegswillen unserer Feinde durch unsere kriegerischen Handlungen nicht mehr zu brechen hoffen dürfen und daß unsere Kriegführung sich als Ziel setzen muss, durch eine strategische Defensive den Kriegswillen des Feindes mählich zu lähmen. (…). Die politische Leitung (…) ziehe daraus die (…) Consequenz, daß (… wir) gezwungen ­seien, dieser Kriegslage (…) hinfort Rechnung zu tragen.

Kaiser Wilhelm erklärte, „es müsse auf einen geeigneten Zeitpunkt geachtet werden, wo wir uns mit dem Feind zu verständigen haben.“ 2702 Am selben Tag traf K ­ aiser Karl in Begleitung von Burián und Arz in Spa ein. Burián schrieb darüber: Kaiser Karl hatte zunächst eine lange Unterredung mit ­Kaiser Wilhelm (…). Zu gleicher Zeit konferierte ich mit (…) Hintze in Gegenwart der Botschafter Graf Wedel und Prinz H ­ ohenlohe. Nach ungeschminkter Darlegung der Situation schlug ich vor, daß die Vierbund-Mächte an die Gegner die Einladung richten sollten, (…) an einen Ort des neutralen Auslandes über die Grundprinzipien eines Friedensschlusses ehestens Delegierte zu entsenden, die beauftragt wären, die Auffassungen ihrer Regierungen einander bekanntzugeben, (…) sowie vollständige und freimütige Aufklärungen über alle Fragen, die für die Schaffung des Friedenszustandes in Betracht kamen, einzuholen und zu erteilen. (…). – Ich hatte nach Tisch noch Gelegenheit, den Zweck unseres Kommens ­Kaiser Wilhelm vorzutragen. Sowohl die Auseinandersetzungen ­Kaiser Karls, der mir sein Gespräch mit dem Deutschen ­Kaiser noch am späten Abend schilderte, wie die meinigen gipfelten in der bestimmten Erklärung, daß Frieden geschlossen werden müsse und ein neuer Winterfeldzug, wenigstens für die österreichisch-ungarische Armee, unmöglich sei. (…). – K ­ aiser Wilhelm war stark impressioniert, behielt sich aber seine Stellungnahme für den nächsten Morgen vor, nachdem er mit dem Reichskanzler ­Rücksprache 2701 Lersner an A. A., Tel. 421, 10. Aug. 1918, ebd. pp 280 – 281 Dok. 192. 2702 Stellungnahmen Hintzes u. Ks. Wilhelms 14. Aug. 1918, Hürter 1998, 485 – 486 Dok. 155.

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gehalten haben würde. – Am Morgen des 15. August kam ich zu Graf Hertling, wo schon Hohenlohe und Wedel anwesend waren, und empfahl ihm dringend die Annahme meines Vorschlages, der die einzige (…) Möglichkeit bot, mit dem übermächtigen Feinde eine noch halbwegs auf gleichem Fuße geführte Aussprache anzubahnen. – Der Ernst der Lage wurde (…) nicht in Abrede gestellt, (…) doch wollte man die Sache noch etwas überlegen (…) denn die deutschen Truppen s­ eien im Rückzuge auf die Hindenburglinie, die lange gehalten werden könne. In der dann eintretenden Kampfpause wäre Raum für Verhandlungen. Ich warnte vor dem Aufschub, da jeder Tag (…) unsere Verhandlungsfähigkeit in den Augen der Feinde mindere. – Der baldigste Besuch des Reichskanzlers und Staatssekretärs in Wien wurde mir zugesagt. Es sollten dort die erforderlichen Entschlüsse gefaßt werden. – Vom Reichskanzler begab ich mich zu K ­ aiser Wilhelm (…). Ich fand den Monarchen (…) ganz friedensbereit. (…) Doch wünschte er noch (…) zu warten, bis die Rückzugsbewegung des (…) Heeres abgeschlossen und es in fester Stellung wieder den nötigen Nachdruck für unsere Eröffnungen bieten könne. Ich wieder­holte (…) die Dringlichkeit des Schrittes (…).2703

Arz schrieb 1924, er habe am 14. August mit Hindenburg und Ludendorff „die allgemeine Lage“ besprochen und seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass die Mittel­mächte nicht mehr in der Lage s­ eien, „den Feind so entscheidend zu schlagen, daß ihm der Friede diktiert werden könne“. Österreich-Ungarn könne den Krieg nur bis Dezember führen. Besonders habe er darauf aufmerksam gemacht, „daß der Kampf keinesfalls bis zur vollen Erschöpfung geführt werden dürfe, weil die Armee wohl auch nach dem Abschlusse des Friedens zur Regelung innen- und außenpolitischer Fragen und zur Aufrechterhaltung der Ordnung nötig sein werde“. Hindenburg und Ludendorff s­ eien mit ihm darüber einig gewesen, dass „der Friede bald gemacht werden müsse, (…) Schritte dazu sollten aber erst nach Festigung der deutschen Front unternommen werden“. ­Kaiser Karl sei befriedigt gewesen, „wenigstens die prinzipielle Zusage hinsichtlich der Aufnahme von Friedensschritten erreicht zu haben“.2704 Folgt man dem Bericht Pacellis an Gasparri vom 9. September über das, was ihm der Beichtvater Hertlings vom Besuch K ­ aiser Karls in Spa erzählte, so hatte der Monarch keinen guten Eindruck auf den Kanzler gemacht: Er sei ­diesem „eccessivamente pessimista, poco normale e sotto la completa influenza dell’Imperatrice Zita“ erschienen.2705 Hohenlohe telegrafierte am 20. August an Burián: Ich habe Herrn von Hintze heute gesagt, es schiene mir dringend erwünscht, daß die hiesige Regierung ehetunlichst ihre Stellungnahme zu den Vorschlägen Euer Exzellenz in der 2703 Burián 1923, 282. 2704 Arz 1924, 281 – 284. 2705 Pacelli an Gasparri, Ber. 9115, 9. Sept. 1918, Nunt.-Ber. 2010/2011 Dok. 3039.

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­ riedensdemarche bekannt gebe, zumal die allerdringlichste Notwendigkeit bestehe, daß diesF bezüglich etwas geschehe. – Der Staatssekretär gab dies zu indem er bemerkte, er hätte aus der Unterredung mit Seiner k. u. k. (…) Majestät die Ueberzeugung gewonnen, daß dies im Anbetracht der Verhältnisse bei uns allerdings dringend geboten sei, worauf ich erwiderte, daß (…) ich aus meiner Unterredung mit General Ludendorff und aus manchen übrigen Informationen den (…) Eindruck erhalten hätte, daß ein solcher Schritt auch angesichts der hiesigen Verhältnisse unbedingt erfolgen müsse.2706

Hintze habe weiters erklärt, Buriáns Vorschlag werde (…) eingehend erwogen; man verhehle sich aber nicht, daß der Schritt ein sehr ungewöhnlicher sei und (…) als eine Art Verzweiflungsakt (…) gedeutet werden könnte. (…) Man sei daher hier eher der Ansicht, diesen Schritt durch eine neutrale Macht machen zu lassen und zwar so, daß dieselbe dies scheinbar aus eigener Initiative unternehme. (…) Auf keinen Fall werde man hier etwas unternehmen, bevor man sich nicht mit dem Wiener Kabinett hierüber ins Einvernehmen gesetzt habe. (…) Sei man hier darüber schlüssig geworden, habe (… er) die Absicht, mit seinen diesbezüglichen Vorschlägen nach Wien zu kommen (…).2707

Den von Burián versprochenen genauen Entwurf eines Friedensvorschlages konnte Hohenlohe bereits am 23. August im Auswärtigen Amt überreichen. In ­diesem hieß es unter anderem: Die Enunziationen der Mittelmächte lassen keinen Zweifel darüber, dass sie nur einen Verteidigungskampf um die Unversehrtheit ihrer Gebiete führen. (…) – Für einen unbefangenen Beobachter kann kein Zweifel darüber bestehen, dass in allen kriegführenden Staaten (…) der Wunsch nach einem Frieden der Verständigung gewaltig erstarkt ist, dass sich immer mehr die Überzeugung Bahn bricht, eine weitere Fortsetzung des blutigen Ringens müsste Europa in eine Trümmerstätte verwandeln (…). – Soll also der Versuch unternommen werden zu prüfen, ob für eine Verständigung (…) die Grundlagen gegeben sind, so wäre eine (…) Methode zu wählen, die eine unmittelbare Erörterung z­ wischen den verantwortlichen Faktoren und nur ­zwischen ihnen ermöglicht. (…) – Die k. u. k. Regierung schlägt daher den Regierungen aller kriegführenden Staaten vor, zu einer vertraulichen und unverbindlichen Aussprache über die Grundprinzipien eines Friedensschlusses in einem Ort des neutralen Auslandes (…) zu einem nahen Zeitpunkt (…) Delegierte zu entsenden, die beauftragt wären, die Auffassung

2706 Hohenlohe an Burián, Tel. 545, 20. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 256 – 257, Druck: Hürter 1998, 496 – 497 Dok. 165. 2707 Ebd.

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ihrer Regierungen (…) einander bekanntzugeben (…) sowie Aufklärungen über (…) Punkte, die einer Präzisierung bedürfen, zu erbitten (…).2708

Über ein mit Hintze geführtes Gespräch berichtete Hohenlohe am 26. August an Burián: Der Staatssekretär teilt die Ansicht Euer Exzellenz, daß der zu unternehmende Schritt ein dringlicher sei, hält aber den gegenwärtigen Augenblick mit Rücksicht auf die militärische Lage nicht für geeignet. Nach (…) Mitteilungen der Obersten Heeresleitung sei jedoch anzunehmen, daß in der nächsten Zeit zumindest auf partiellen deutschen Erfolg zu zählen sei, wodurch sich eine weit bessere Atmosphäre (…) ergeben würde als im (…) Augenblick, wo jede ­solche Demarche als ein Symptom völligen Zusammenbruchs gedeutet werden müsse. Die Bedenken, die Euer Exzellenz dagegen erheben, daß eine neutrale Macht einen derartigen Schritt unternehme, wird der Staatssekretär (…) zur Kenntnis des Kanzlers (…) bringen. – Ich habe den Staatssekretär im Namen Euer Exzellenz nachdrücklichst ersucht, sich baldmöglichst mit dem Kanzler nach Wien zu begeben und beigefügt, daß falls die Gesundheit des Reichskanzlers ihm eine ­solche Reise nicht gestatte, es doch (…) erwünscht wäre, daß wenigstens Staatssekretär (…) nach Wien käme.2709

Am selben Tag telegrafierte Botschafter Bernstorff aus Konstantinopel an Hintze, ­Grosswesir Talaat Pascha und Außenminister Nessimi Bey hätten ihm von geplanten österreichisch-ungarischen Friedensdemarchen gesprochen: „Gf. Burián habe türkischen Botschafter und bulgarischen Gesandten zu sich berufen und ihnen (…) gesagt, dass er demnächst unseren Feinden vorschlagen werde, in Verhandlungen einzutreten. Deutsche Regierung sei mit ­diesem Schritt einverstanden, habe sich aber Zeitpunkt für die Demarche vorbehalten.“ 2710 Zu dieser Nachricht wurde offenbar die k. u. k. Botschaft in Berlin um Aufklärung gebeten, denn in einer von ihr für das Auswärtige Amt angefertigten Notiz heißt es: Graf Burián anerkennt ohne weiteres, dass der Schritt den er vorgeschlagen hat, ein ungewöhnlicher sei (…) – Graf Burián hält den Schritt (…) für sehr dringend. (…) Heute stehe unser Bund stark in Waffen da, die Jahreszeit schreite aber vor und wir müssen eine grössere Verhandlungszeit vor uns haben um noch eine Möglichkeit zur Vermeidung des Winterfeldzuges zu gewinnen. – (…) Graf Burián wäre dem Herrn Reichskanzler und dem Herrn Staatssekretär sehr dankbar für die unverweilte Ausführung ihrer ihm gegebenen Zusagen, nach Wien zu kommen.2711

2708 Erster Entwurf der öster.-ung. Friedensnote o. D. (21. Aug. 1918), SG 4 1978, 293 – 296 Dok. 203. 2709 Hohenlohe an Burián, Tel. 560, 26. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 242 – 242v, Druck: ­Hürter 1998, 521 – 522 Dok. 175. 2710 Bernstorff an A. A. (Hintze), Tel. 1378, 26. Aug. 1918, SG 4 1978, 306 Dok. 213. 2711 Note k. u. k. Botschaft Berlin an A. A., U. 519 Pol., 27. Aug. 1918, ebd. pp 307 – 308 Dok. 215.

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Hintze depeschierte in dieser Sache am 28. August an Wedel: Wie Euer Exz. bekannt, entspricht die Behauptung des Grafen Burián, wir hätten uns mit seinem Vorschlag einverstanden erklärt, nicht den Tatsachen. Wir haben lediglich eine Prüfung in Aussicht gestellt und betont, dass wir den gegenwärtigen Zeitpunkt für die angeregte Demarche (…) für verfrüht hielten. (…) Burián hat somit, indem er in der Frage an die Türkische und Bulgarische Regierung herangetreten ist (…) die Tradition verlassen (…) in bedeutsamen politischen Fragen an unsere Bundesgenossen nur nach gegenseitiger Abrede und auf Grund eines erzielten Einvernehmens heranzutreten. (…) Ew. Exz. wollen dem Minister sagen, dass ich (…) der Ansicht bin, dass (…) in spätestens einigen Wochen unsere Gegner das Vergebliche ihrer Durchbruchsversuche (…) erkannt haben werden, der (…) Moment zur Ausführung der Demarche gekommen sein wird (…). Bevor eine Ernüchterung unserer Gegner (…) eingetreten ist, kann (…) eine Friedensdemarche nur den Eindruck der Schwäche hervorrufen und dadurch kriegsverlängernd wirken. (…) – Wenn Graf Burián meint, unsere Gegner könnten eine Intervention der Neutralen als inhaltlos auffassen, so nehme ich an, dass diese vor Übernahme der (…) Mission verlangen würden, von uns über die Grundlagen unterrichtet zu werden, auf denen wir zum Friedensschluss bereit sein würden. Diesem Verlangen würden wir unter der Voraussetzung entsprechen können, dass auch seitens unserer Gegner eine Mitteilung ihrer Kriegsziele (…) erfolgt. Auf diese Weise würde der (…) Meinungsaustausch angebahnt werden, den Graf Burián erstrebt, aber ohne den Nachteil, dass wir als die Bittenden erscheinen.2712

Nachdem Wedel mit Burián gesprochen hatte, telegrafierte dieser am 29. August an Hohenlohe: Ich bitte dem Staatssekretär (…) zu sagen: – Mit aufrichtiger Befriedigung nehme ich zur Kenntnis, daß auch Herr von Hintze den (…) Schritt für dringlich hält. Er ist aber (…) so dringlich, daß (…) auch die (…) gegen den jetzigen Augenblick geltend gemachten Bedenken zurücktreten müßten. – Die militärische Lage ist nach zuständigem Urteil soweit ausgeglichen, daß (…) für die nächste Zeit kein (…) feindlicher oder deutscher Durchbruch zu gewärtigen ist. (…) – Eile tut not, denn die Zeit arbeitet leider (…) gegen uns. Ich halte eben deshalb unsere Demarche für unaufschiebbar, damit wir nicht (…) in einen Moment hineingeraten, wo sie mehr als jetzt als ‚Symptom des Zusammenbruchs‘ gedeutet werden könnte. (…) – Die Befassung einer neutralen Macht (…) wäre schwer erreichbar, mit großem Zeitverlust verbunden und aller Wahrscheinlichkeit nach erfolglos. (…) – Ich bin so sehr überzeugt, daß mein (…) Vorschlag nur jetzt von Nutzen sein kann (…), daß ich (…) erwäge, auch selbständig in der Sache vorzugehen (…). – Ich bringe den deutschen Bedenken die größte (…) Beachtung 2712 Hintze an Wedel, Tel. 843, 28. Aug. 1918, ebd. pp 313 – 314 Dok. 218, idem: Hürter 1998, 532 – 534 Dok. 179.

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­entgegen. Ich sehe aber zu klar und deutlich die Nachteile eines längeren Zuwartens und bitte den Reichskanzler und den Staatssekretär das Für und Wider (…) einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen.2713

Hohenlohe antwortete tags darauf: Wie bereits gemeldet, ist man auch hier der Ansicht, daß eine Demarche (…) dringlich sei, nichtsdestoweniger hält man den jetzigen Augenblick hiefür für durchaus ungeeignet. – Nach allen hier vorliegenden Mitteilungen (…) ist die Stimmung in Frankreich und in England dermalen eine so siegesbewußte (…), daß eine Ablehnung jedweder Friedensdemarche (…) zu erwarten. – Was die militärische Lage anbelangt, so (…) wolle (man) sich (…) auf eine (…) Linie zurückziehen, auf der man die Gewißheit habe, jedem weiteren gegnerischen Vordringen Halt zu gebieten. Erst dann werde eine Ernüchterung der Gegner eintreten und (…) mit der Möglichkeit des Gelingens einer Friedensdemarche zu rechnen (sein …). – Die Erwägung Euer Exzellenz, diesen Schritt eventuell auch allein zu unternehmen, habe ich (…) erwähnt (…). – Man erwiderte mir, daß (…) dies wohl das Ende unseres gemeinsamen Kampfes bedeuten dürfte. Die Entente würde eine ­solche Demarche mit der allergrößten Freude begrüßen und erklären, sie sei bereit, mit uns, nicht aber mit Deutschland, zu reden. (…) Hiedurch wäre die (…) Isolierung Deutschlands erreicht (…) wir müßten uns dann wohl bedingungslos den Wünschen der Entente, deren Wohlwollen der Monarchie gegenüber billigerweise bezweifelt werden müßte, fügen.2714

Einigermaßen alarmiert depeschierte Hertling am 30. August an Botschafter Wedel: Prinz Hohenlohe las mir heute ein Telegramm des Grafen Burián vor, das darauf hinauslief sein Friedensschritt sei dringlich und unaufschiebbar. Der Minister werde, wenn wir nicht mitmachten, ihn von sich aus unternehmen. (…) – Ich habe (…) geantwortet (…), Graf Burián werde durch sein eigenmächtiges Vorgehen nicht nur uns (…), sondern auch Österreich-Ungarn in Gefahr bringen. (…) Für den Fall eines österreichisch-ungarischen Sondervorgehens ist es fraglich ob die Türkei noch die nötige Widerstandskraft den Versuchungen gegenüber bewahren würde, die (…) bezüglich (…) eines Separat-Friedens an sie herantreten. (…) Dem Minister mag aber der Gedanke vorschweben, dass unsere Gegner sich zu einem Meinungsaustausch mit Österreich-Ungarn bereit erklären, einen solchen mit Deutschland aber ablehnen werden. In solchem Falle würde die österreichisch-ungarische Regierung unter dem Druck ihrer öffentlichen Meinung kaum in der Lage sein s­ olche Besprechungen abzulehnen, die dann auf die Anbahnung eines Separatfriedens (…) hinauslaufen würden. Wenn Graf Burián diesen 2713 Burián an Hohenlohe, Tel. 536, 29. Aug. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 239 – 240v. 2714 Hohenlohe an Burián, Tel. 572, 30. Aug. 1918, ebd. fol. 234 – 234v u. 237 – 237v.

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Hintergedanken hat (…) so weiss ich nicht ob er auch die Konsequenzen (…) vor Augen hat. Dass die (…) Monarchie selbst im günstigen Falle ihre italienisch sprechenden Landesteile an Italien, Galizien zu Gunsten des (…) Königreichs Polen sowie erhebliche Gebietsteile zu Gunsten Serbiens verlieren würde, darüber kann gar kein Zweifel bestehen. (…) Hiervon abgesehen aber würde Österreich-Ungarn das Ziel, seine Ernährungslage zu verbessern, in keiner Weise erreichen, denn es würde (…) vor die Alternative gestellt werden, sich entweder der Wirtschaftsblockade gegen Deutschland anzuschliessen oder (…) von den Absperrungsmassnahmen betroffen zu bleiben. Dass wir im ersteren Falle mit Gegenmassnahmen vorgehen müssten, liegt auf der Hand. (…). – Ich frage mich aber, ob es sich lohnt diese (…) Gedankengänge bei dem Minister zu verwerten oder ob es nicht den Vorzug verdient ­Kaiser Karl und (…) einflussreiche Politiker insbesondere (…) Tisza auf das gefährliche Treiben des Ministers aufmerksam zu machen. Es würde vielleicht eine Demarche Seiner Majestät (…) bei ­Kaiser Karl (…) in Frage kommen. Auch hatte (…) Hintze die Absicht, sich nach (…) Wien zu begeben. Die (…) Haltung des Grafen Burián lässt aber befürchten, dass keine Zeit zu verlieren und dass vielleicht sofortiges Vorgehen gegen den Minister geboten ist.2715

Wedel antwortete umgehend: Bulgarischer Gesandter erzählt mir, Graf Burián habe ihn und türkischen Botschafter (…) vertraulich über den Gedanken seiner Friedensnote orientiert und dabei betont, die Ausführung sei nur möglich, wenn Deutschland zustimme. (…) Baldigen Besuch Euerer Exzellenz und Herrn Staatssekretärs halte ich (…) für dringend geboten. Wenn ich auch Einigung in polnischer Frage (…) für sehr schwer halte, so sehe ich Besuch wegen Friedensfrage, Bündnisfrage usw. für sehr erwünscht an, halte ihn vor allem aber wegen öffentlicher Meinung für notwendig, die (…) ein Aufgeben des Bundesgenossen zu befürchten beginnt, da (…) Reisen nach Deutschland seit einiger Zeit nicht erwidert wurden.2716

Hohenlohe konnte am 2. September berichten: „Nachdem ich dem Grafen Hertling (…) nochmals die Dringlichkeit eines Besuches zumindest Herrn von Hintzes nahegelegt hatte, wurde gestern nachmittag beschlossen, daß Hintze heute abends nach Wien fahren solle (…).“ 2717 Über die Berliner Vorstellungen, auf w ­ elche Weise die Friedensdemarche unternommen werden solle, schrieb der Botschafter: Man steht hier nach wie vor auf dem Standpunkt, daß es durchaus nichts verderben würde, vorerst eine neutrale Macht zu sondieren, ob sie geneigt wäre, die Demarche zu machen und sagt 2715 Hertling an Wedel, Tel. 857, 30. Aug. 1918, SG 4 1978, 315 – 316 Dok. 220. 2716 Wedel an A. A. (Hertling), Tel. 552, 30. Aug. 1918, ebd. pp 316 – 317 Dok. 221. 2717 Hohenlohe an Burián, Tel. 575, 2. Sept. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 227 – 227v.

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sich, daß die bloße Bereitwilligkeit hier schon eine gewiße Garantie für ihren Erfolg bedeuten würde. Eine ausweichende oder gar abschlägige Antwort würde genügen, um von der Sache abzusehen, wobei man dann immer die Demarche Euer Exzellenz in Betracht ziehen könnte. Würde man jedoch (…) damit beginnen, so könnte man nachher unmöglich mehr an (…) eine andere neutrale Macht mit einer ähnlichen Sondierung herantreten.2718

Bei den Wiener Besprechungen mit Hintze und Unterstaatssekretär Wilhelm Stumm am 4. und 5. September schien Burián zunächst nicht auf seinem Vorhaben bestehen zu wollen. Hintze telegrafierte nämlich am 4. September an die OHL: Burián verhält sich nicht mehr gänzlich ablehnend gegenüber unserem Vorschlage, zunächst Vermittlung Hollands zu erreichen (…). Er will (…) dem ­Kaiser morgen Vortrag halten, drängt gegebenenfalls auf baldige Sondierung der Königin von Holland, wogegen ich (…) nur den Einwand vorgebracht habe, daß der Zeitpunkt des Hervortretens Hollands mit der Vermittlung von unserer militärischen Lage abhängig gemacht und von uns bestimmt werden müßte.2719

Im österreichisch-ungarischen Protokoll über die am Vormittag des 5. September stattgefundene Besprechung heißt es dagegen: Als erster ergreift der k. u. k. Minister des Aeußern das Wort und (…) gibt eine zusammenfassende Darstellung der derzeit zur Diskussion stehenden Vorschläge (…), d. i. der vom ­Wiener Kabinett zur Erwägung gestellte Aufruf an alle Kriegführenden und die deutscherseits vorgesehene Mediation durch eine neutrale Macht. (…) Es sei bekannt (…), daß sich unsere Feinde gegenüber (…) einer Mediation stets ablehnend verhalten haben; (…).Weit besser und aussichtsreicher (…) wäre die vom Wiener Kabinett präkonisierte (…) ­Aussprache – sie würde unseren Feinden keinerlei Handhabe bieten, (…) a priori abzulehnen. (…) Auch sei Graf Burián der Ansicht, daß der Vorschlag von uns ausgehen müßte und nicht den Zufällen einer neutralen Mediation überlassen bleiben dürfe. Wir können nicht warten, bis die gebratenen Friedenstauben uns in den Mund fliegen (…). – Zur weiteren Begründung der äußersten Dringlichkeit des vorgesehenen Schrittes legt Graf Burián die trostlose ökonomische Lage der Monarchie dar (…). Bei der herrschenden Knappheit an Lebensmitteln, Bekleidungsgegenständen, des Vieh- und Pferdestandes, Rohstoffen aller Art, der Schwierigkeiten beim Heeresersatz sei eine längere Fortführung des Krieges undenkbar. In Deutschland lägen die Dinge wohl etwas besser, aber rosig sei auch dort die Lage keineswegs. (…) – Graf Burián bittet daher die deutschen Staatsmänner (…) sich seinen Vorschlag zu eigen zu machen (…). 2718 Ebd. 2719 Hintze an OHL, 4. Sept. 1918, in: Darlegungen des St. S. (…) Hintze (…) 14. Aug. 1922, WUA 4. Rh., 1. Abt. 2 1928. 396 – 397 Anl. 15.

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Hierauf kommt (…) Staatssekretär von Hintze zu Wort (…). Die Gründe, warum dem deutschen Vorschlag der Vorzug zu geben sei, erblicke die deutsche Regierung darin, daß vorerst eine offiziöse Aufforderung einer neutralen Macht vorliege und (…) das Gebräuchliche (…) des Schrittes bei unseren Gegnern mehr Anklang finden dürfte. (…) Die neutrale Sondierung wird allerdings mehr Zeit erfordern (…), aber nach Tagen brauche man wohl nicht zu zählen. (…) Zur Kritik des Burián’schen Vorschlages übergehend, meint Herr von Hintze, daß er die Schwächen desselben vorerst in dessen Außergewöhnlichkeit erblicke. Auch von dessen Wirkung auf unsere Feinde verspreche er sich heute, wo dieselben wahre Orgien von Siegestaumel feiern, nicht viel.2720

Im Protokoll heißt es weiter, Burián sei auf ein ihm besonders wichtig erscheinendes Moment zu sprechen gekommen: Es würde in der Oeffentlichkeit sehr übel aufgenommen werden, wenn es durchsickern würde, daß Deutschland uns daran hindert, einen Friedensschritt zu unternehmen. (…) Dies könnte umso bedenklichere Konsequenzen zeitigen, als aus so manchen Köpfen in der Monarchie die Ansicht nicht auszumerzen sei, daß wiederholte Friedensgelegenheiten durch deutsche Intransingenz verpaßt worden ­seien.2721

Hintze habe erwidert, dass sich die militärische Lage wieder wenden könne. Er würde es als „Fehler betrachten, wenn der gegenwärtige Moment, wo sich die deutschen Heere vorübergehend auf dem Rückzug befänden und dem Gegner der Kamm gewachsen sei, zu einer Friedensenunzation gewählt würde“.2722 Nachdem sich „die (…) Bedenken vornehmlich gegen den ‚späteren Zeitpunkt‘ richten, zu welchem notgedrungen der deutsche Vorschlag ausgeführt werden könnte“, habe Hintze erklärt, „daß in etwa 5 Wochen die Sondierung durch eine neutrale Macht vorgenommen werden könnte, mißlinge diese, so könnte über weitere (…) Mittel beraten werden“. Burián habe hiezu bemerkt, dass (…) die Möglichkeit eines Kombinierens der beiden Vorschläge nur dann gegeben erscheine, wenn der österreichisch-ungarische Vorschlag zuerst vorgenommen und zu keinem Ergebnis geführt hätte – nicht aber umgekehrt. Zu vielen Experimenten sei aber keine Zeit, es müsse rasch gehandelt werden.2723

2720 Aufz. über am 5. Sept. 1918 stattgehabte Bespr., HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 177 – 193, Druck: Hürter 1998, 563 – 569 Dok. 198, s. auch: Note non signée, SG 4 1978, 324 – 328 Dok. 230. 2721 Ebd. 2722 Ebd. 2723 Ebd.

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Hohenlohe wurde am 6. September von Burián über die Ergebnisse der Besprechungen so informiert: Dem den deutschen Staatsmännern vorschwebenden Plan, die Mediation eines neutralen Staates in Anspruch zu nehmen, war ich (…) nicht in der Lage zuzustimmen. (…) Zu dem von mir ins Auge gefaßten und auch von der deutschen Regierung gebilligten Ziele (…) einer vertraulichen und unverbindlichen direkten Aussprache ­zwischen Vertretern aller kriegführenden Staaten bedarf es keiner Dazwischenkunft einer neutralen Regierung. (…) Die Mediation eines neutralen Staates wäre nur dann am Platze, wenn (…) wir gleichzeitig unsere Friedensbedingungen den Gegnern mitteilen wollten. (…) – Ich halte somit an meinem ursprüng­ lichen Vorschlage fest und muß der Ausführung desselben nach wie vor größte Dringlichkeit beimessen. Es könnte sich höchstens um einen ganz ­kurzen Aufschub bis zu dem Momente handeln, wo die deutsche Armee sich (…) festgesetzt haben wird. – Ich ersuche Euer Durchlaucht, sich zu dem Reichskanzler zu begeben und unter Hinweis darauf, daß die deutsche Regierung nunmehr über die Gründe und näheren Modalitäten meines Planes sowie über die Argumente, ­welche (…) gegen die Inanspruchnahme einer Mediation sprechen, eingehend orientiert ist, ihn dringend zu bitten, die Einwendungen gegen die (…) Ausführung meines Vorschlages fallen zu lassen (…).2724

Hintze telegrafierte über die Ergebnisse der Wiener Gespräche „zur vorläufigen Information (…) S. M.“ am 7. September: Die Besprechungen (…) haben kein Einvernehmen ergeben. Unsererseits wurde daran festgehalten dass derartiger Schritt inopportun sei. Burián vorbehielt sich jedoch den Schritt zu einer ihm geeigneten Zeit vorzunehmen unter Begründung, dass Oesterreich Ungarn am Ende seiner Kraft sei.2725

Hohenlohe berichtete am selben Tag: Hintze und (…) Stumm sind tief deprimiert von Wien zurückgekehrt mit der Ueberzeugung, daß wir uns der (…) Liquidierung unseres Bündnisses nähern. (…) – Der Eindruck, den beide (…) hatten, war der der vollkommensten Depression und weitgehendsten Mutlosigkeit sowie des unabänderlichen Willens, den Krieg sofort und um jeden Preis zu beendigen. (…) In Wien wolle man sich um keinen Preis auf eine eventuelle Vermittlung Hollands einlassen, sondern sei entschlossen, die in Aussicht genommene Démarche (…) unverzüglich durchzuführen. Ich habe den Eindruck, daß man hier annimmt, in Wien glaube man selbst auch nicht recht an den 2724 Burián an Hohenlohe, Tel. 558, 6. Sept. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 26 fol. 166 – 168. 2725 Hintze an Lersner, Tel. 1055, 7. Sept. 1918, Hürter 1998, 576 – 577 Dok. 203.

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(…) Erfolg dieser Démarche (…) wolle aber vor dem Zusammenbruch unserer Machtgruppe, den man als unabwendbar ansehe, unbedingt (…) als diejenige Macht hervortreten, die immer wieder den Frieden herbeizuführen getrachtet habe. – Daß es uns hiebei vor allem daran liege, gesondert von Deutschland vorzugehen, um (…) vor allem unsere (…) Interessen zu wahren, unbekümmert, ob dies mit jenen Deutschlands vereinbar sei oder nicht.2726

Burián antwortete am 9. September: Vor allem möchte ich feststellen, daß der Staatssekretär (…) und Herr von Stumm (…) die Eindrücke, ­welche sie in Wien gewonnen haben wollen, in äußerst übertriebener (…) Weise wieder­gegeben zu haben scheinen. Nur auf d ­ iesem Wege konnten sie zu der (…) Ansicht gelangen, daß wir uns der Lösung unseres Bündnisses nähern. – Daß in der Monarchie eine allgemeine Depression und Kriegsmüdigkeit herrscht, ist unleugbar. Hierin und in einer ­hievon nicht allzu verschiedenen Lage bei unseren Verbündeten – die Deutschen nicht ausgenommen – ist ja der Hauptgrund gelegen, der mich zu dem (…) Schritt bewegt. Eben deshalb wollen wir den Krieg (…) zu einem Zeitpunkt beenden, wo unser Zusammenbruch noch nicht erfolgt ist, also nicht erst in einem Momente, wo nur mehr der Frieden um jeden Preis übrig bliebe. – (…) wenn das eigentliche Ziel der Démarche, die Aussprache ­zwischen den Kriegführenden, nicht erreicht werden sollte, bliebe noch immer die Wirkung auf die friedenssehnsüchtigen Bevölkerungsschichten bei unseren Gegnern (…) als ein gewiß nicht zu unterschätzender Erfolg bestehen. (…) – Ich lege es Euer Durchlaucht ganz speziell ans Herz, die Zustimmung der deutschen Regierung zu dem gedachten Schritt wenn nur irgend möglich (…) umgehend herbeizuführen.2727

Der Botschafter kam Buriáns Weisung nach und berichtete am folgenden Tag: Alles was ich erreicht habe war, daß (…) Hintze erklärte, er werde die Sache dem ­Kaiser vorlegen (…) und um seine Entscheidung bitten. – Ich bin heute nochmals bei Herrn von Stumm (…) vorstellig geworden und habe ihm gesagt, Euer Exzellenz ­seien fest entschlossen, diesen Schritt gegebenenfalls auch ohne Zustimmung der deutschen Regierung zu machen, was ich ihn bäte, dem Grafen Hertling zu sagen (…). Ob ich damit einen Erfolg erzielen werde, muß ich leider bezweifeln.2728

Und am nächsten Tag meldete Hohenlohe: 2726 Hohenlohe an Burián, Tel. 583, 7. Sept. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 234 – 234v u. 150 – 151v, Druck: Hürter 1998, 573 – 575 Dok. 201. 2727 Burián an Hohenlohe, Tel. 573, 9. Sept. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 141 – 144v. 2728 Hohenlohe an Burián, Tel. 593, 10. Sept. 1918, ebd. fol. 132 – 132v.

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Herr von Stumm teilt mir soeben mit, daß (…) ­Kaiser Wilhelm (…) erklärt habe, er könne seine Zustimmung zu dem (…) Schritt nicht geben, nachdem er und seine Regierung sich nicht nur keinen Erfolg davon versprechen könnten, ein derartiger Schritt im jetzigen Augenblick unseren (…) Interessen vielmehr geradezu abträglich wäre.2729

Auf diese Telegramme hin teilte Burián Hohenlohe am 11. September mit, dass er den „besprochenen Schritt Samstag den 14. l. M. unternehmen werde. – (…) Majestät setzen hievon (…) den deutschen ­Kaiser in Kenntnis. – Euer Durchlaucht wollen das Datum (…), von welchem ich auch den hiesigen deutschen Botschafter verständigt habe, der deutschen Regierung vorläufig streng geheim mitteilen.“ 2730 Bereits tags zuvor hatte Wedel nach Berlin gemeldet: Graf Burián bat mich heute zu sich, um mir unter Wiederholung seiner uns bekannten Begründung gegen eine Mediation mitzuteilen, Regierung sei entschlossen, Friedensnote abzulassen, könne auch nicht länger zögern. – Ich (…) warnte dringend vor Übereilung und hob dabei Gefahren des falschen Augenblicks und Eindruck in Deutschland hervor. Mit Graf Burián liesse sich reden, doch ging klar hervor, dass ­Kaiser Karl treibende Kraft ist, der Minister nur schwachen Widerstand entgegensetzt. (…) – Habe Eindruck, dass Note schwerlich zu verhindern und höchstens kurzer Aufschub zu erreichen ist. Werde General Cramon sofort benachrichtigen mit Anheimstellen neuerlicher Demarche bei Seiner Majestät unter Darlegung militärischer Lage.2731

Bussche leitete Wedels Bericht an Lersner weiter mit dem Bemerken: Ich habe Graf Wedel weisungsgemäss zur Äusserung über die Nützlichkeit eines Telegramms S. M. (…) an K ­ aiser Karl aufgefordert. Gegebenenfalls empfiehlt es sich vielleicht, angesichts der furchtsamen Natur ­Kaiser Karl’s, in dem Telegramm (…) anzudeuten, dass die geplante einseitige Demarche (…) das Bündnis in Frage stelle und auf die hieraus für die Zukunft der Monarchie sich ergebenden verhängnisvollen Konsequenzen hinzuweisen.2732

Am 11. September telegrafierte Hintze aus Spa ans Auswärtige Amt: Seine Majestät und Oberste Heeresleitung sind mit sofortiger Einleitung Demarche bei Königin der Niederlande einverstanden. Bitte Botschafter Wien dies drahten mit Auftrag es der 2729 2730 2731 2732

Hohenlohe an Burián, Tel. 594, 11. Sept. 1918, ebd. fol. 131. Burián an Hohenlohe, Tel. 578, 11. Sept. 1918, ebd. fol. 95. Wedel an A. A., Tel. 581, 10. Sept. 1918, SG 4 1978, 332 – 333 Dok. 234. Ebd. Anm. 2.

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­österreichisch-ungarischen Regierung zu notifizieren und zum (…) Einverständnis aufzufordern, desgleichen Gesandten Sofia und Grafen Bernsdorff (…).2733

Bereits am Tag zuvor war nach Rücksprache mit Hintze ein Telegramm Hindenburgs an Cramon abgegangen, in welchem es hieß: Einer Absendung der beabsichtigten Note Österreich-Ungarns kann ich nicht zustimmen. Ich halte diesen Schritt für unsere Heere und Völker für verderblich. Dagegen könnte ich mich mit einer Vermittlung einer neutralen Macht zur Herbeiführung einer Aussprache ohne Aufschub einverstanden erklären.2734

Wedel berichtete am 11. September nach Berlin, Cramon sei von ­Kaiser Karl empfangen worden, wobei dieser „sich gegen Vermittlung durch neutrale Macht ablehnend verhalten und sich im übrigen seine Entschlüsse vorbehalten, ohne sich bestimmt zu äussern“.2735 Hohenlohe telegrafierte Burián am 12. September: Herr von Hintze (…) teilte mir mit, er habe die verbündeten Kabinette benachrichtigt, daß die deutsche Regierung die Absicht habe, an die holländische Regierung mit dem Ersuchen heranzutreten, eine Aussprache ­zwischen den kriegführenden Mächten zu vermitteln und genannte Kabinette ersucht, ­diesem Vorschlag zuzustimmen. Sobald eine ­solche Antwort erfolgt wäre, würde dieser Schritt unternommen werden. – Ich bemerkte, daß mir dies nicht ganz verständlich sei, nachdem man ja (…) wisse, daß Euer Exzellenz binnen weniger Tage den anderen Schritt durchführen wollten (…). – Hintze erwiderte, dies wisse man (…), ebenso sei aber die deutsche Regierung entschlossen, den von ihr vorgeschlagenen Schritt durchzuführen. – Ich verhehlte (…) meine Bedenken gegen eine s­ olche Parallelaktion in keiner Weise und fragte (…), was er denn dem Haager Kabinett zu antworten beabsichtige, falls es um die Angabe der deutschen Friedensbedingungen ersuchte. – Der Staatssekretär erwiderte, er trage keinen Augenblick Bedenken, dieselben (…) vertraulich bekannt zu geben (…). Hiebei wäre es ihm sehr erwünscht zu wissen, ob auch Euer Exzellenz (…) zu einem gleichen Vorgehen bereit wären.2736

Am selben Tag setzte Wedel Burián von dem geplanten deutschen Vorgehen in Kenntnis.2737 Burián berichtete darüber an Hohenlohe, er habe Wedel in Bezug auf eine 2733 Hintze an A. A., Tel. 2083, 11. Sept. 1918, Ludendorff 1920, 516 Dok. XXII A/9, SG 4 1978, 333 Dok. 235. 2734 Hindenburg an Cramon, Tel. 8. (?) Sept. 1918, in: Darlegungen Hintzes (…), 14. Aug. 1922, WUA 4. Rh., 1. Abt. 2 1928. 397, Hintze an A. A., Tel. 2070, 10. Sept. 1918, Hürter 1998, 583 Dok. 209. 2735 Wedel an A. A., Tel. 588, 11. Sept. 1918, SG 4 1978, 334 Dok. 236. 2736 Hohenlohe an Burián, Tel. 598, 12. Sept. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 100 – 101. 2737 Wedel an Burián, 12. Sept. 1918, ebd. fol. 119.

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„­ Démarche bei (…) der Königin der Niederlande“ erklärt, es dürfe auf die „eingehend entwickelten Gründe verwiesen werden, ­welche der k. u. k. Regierung gegen den (…) Plan zu sprechen scheinen und ihr den Beitritt zu demselben leider unmöglich“ machten.2738 Wedel aber depeschierte an ­diesem 12. September nach Berlin: Graf Burián schickt soeben seinen Kabinettschef (…) zu mir und liess mir mitteilen, dass er bewusste Friedensnote Sonnabend den 14. September abzulassen beabsichtige. Die Gründe, warum er an d ­ iesem modus festhalten zu müssen glaubt, s­ eien uns ja bekannt (…). – Graf Burián liess ferner bitten, auf unsere Presse einzuwirken, damit (…) Schritt nicht missverständlich gedeutet werde; (…) sollte sich dennoch eine Missdeutung hinsichtlich unseres gegenseitigen Verhältnisses zeigen, so garantiere er, diese innerhalb 24 Stunden zu zerstreuen (…). Schließlich liess der Minister bitten, dass die Kaiserl. Regierung möglichst bald zustimmend auf Note antworten möge, damit eventuellen Missdeutungen bei Gegner, als bedeute Aktion einen Separatschritt Österreich-Ungarns, der auf Uneinigkeit unter Bundesgenossen schliessen lasse, von vorn herein Spitze abgebrochen werde. Veröffentlichung der Note für Sonntag vormittag beabsichtigt. (…) Text der Note, der einige Verbesserungen gegen ursprünglichen Entwurf enthalten soll, folgt mit heutigem Feldjäger. Graf Burián wird mich heute (…) empfangen.2739

Hintze telegrafierte noch am selben Tag an Wedel: Bitte Graf Burián sogleich aufsuchen ihn nochmals vor seinem Friedensschritte warnen und ihm erneut zu erklären dass Eindruck in Deutschland sein würde: Österreich verrät uns! Wir sind ausser Stande, ­diesem Eindruck vorzubeugen (…). Bitte nochmals empfehlen (…) Schritt durch neutrale Macht vorzunehmen; wenn dieser versagen sollte so bleiben alle andern Wege offen (…). – Auch bitte ich Gen. Cramon anzuregen gleichlautende Erklärung K ­ aiser Karl vorzutragen.2740

Wedel kam der Weisung nach und berichtete tags darauf: Burián wiederholte seine (…) Gründe gegen Mediation und für sein Programm mit dem Hinzufügen, dass die Würfel gefallen s­ eien. (…) Er wiederhole seine Bitte einer raschen Zustimmung (…) und (…) glaube, dass durch rasche Zustimmung (…) Eindruck einer Divergenz (…) vermieden würde. (…) Cramon ist verständigt und erbittet Audienz. Ich habe d ­ ieses Graf Burián mitgeteilt, damit Erfolg derselben abgewartet wird.2741 2738 2739 2740 2741

Burián an Hohenlohe, Tel. 580, 13. Sept. 1918, ebd. fol. 120 – 121. Wedel an A. A., Tel. 591, 12. Sept. 1918, SG 4 1978, 334 – 335 Dok. 237. Hintze an Wedel, Tel. 937, 12. Sept. 1918, ebd. p 335 Dok. 238, Hürter 1998, 587 Dok. 213. Wedel an A. A., Tel. 594, 13. Sept. 1918, SG 4 1978, 336 Dok. 239.

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Darauf antwortete Hintze: E. E. bitte ich, Graf Burián nicht in Zweifel darüber zu lassen, dass er es ist, der (…) eine Divergenz unter den Bundesgenossen hervorruft (…). E. E. wollen sofort nochmals mit Nachdruck auf eine Vertagung der Demarche hinwirken (…). Auf Telegramm ­Kaiser Karls, worin dieser (…) um rasche Zustimmung S. M. zu österreichisch-ungarischer Demarche bittet, wird S. M. antworten. General von Klepsch hat bereits an K ­ aiser Karl telegraphiert, daß S. M. ihn bitten läßt, mit (…) Schritt (…) solange zu warten, bis die Allerhöchste Antwort eintrifft (…).2742

Das Telegramm ­Kaiser Karls, auf das Hintze Bezug nahm, lautete: Da General von Cramon mir gemeldet hat, dass nach der Meinung des Feldmarschalls von Hindenburg jetzt der Zeitpunkt für einen Schritt zur Anbahnung von Friedensverhandlungen geeignet wäre, habe ich meinen Minister des Äusseren beauftragt, den Dir bekannten Vorschlag am 14. d. M. (…) abgehen zu lassen. – Ich bin mir wohl bewusst, dass Du (…) die Anspruchnahme der Mediation der Königin von Holland vorgezogen hättest. (…) Es bedarf wohl keiner Versicherung, dass seitens meiner Regierung alles aufgeboten werden wird, um die enge Solidarität unseres Bundesverhältnisses in keiner Weise verdunkeln zu lassen (…). – Die Gefahr einer Beeinträchtigung unserer gemeinsamen Interessen kann ich bei dem von mir beabsichtigtem Schritt (…) nicht im höheren Masse erblicken als im Falle einer Mediation. Etwaigen Missdeutungen der Demarche entgegenzuwirken, wird die Aufgabe unserer beiden Regierungen sein. Gefährlich wäre meiner Überzeugung nach nur ein Aufschub der ganzen Aktion. – Ich bitte Dich somit um Deine rasche und warme Zustimmung, wodurch am besten unser inniges Zusammenhalten, auf das ich nach wie vor und vollends in so wichtigem Augenblick den grössten Wert lege, zum Ausdruck käme.2743

Hohenlohe berichtete am 13. September: Den mir (…) erteilten Auftrag habe ich (…) erhalten und Herrn von Hintze hievon sofort brieflich verständigt. – Da ich den Staatssekretär heute nicht sehen konnte, habe ich Herrn von Stumm diese Mitteilung mündlich wiederholt. (…) Stumm entgegnete, man käme hier durch unser Vorgehen in die allerschwierigste Lage; die Gründe, warum die deutsche Regierung dem Wiener Projekte nicht zustimmen könne, habe man von hier mehr als einmal (…) auseinandergesetzt, wie solle man denn nun der hiesigen Oeffentlichkeit gegenüber diesen Schritt gutheissen, falls die Presse sich dagegen ausspreche. – Ich erwiderte, die Hauptsache 2742 Ebd. Anm. 2; Hintze an Wedel, Tel. 941, 13. Sept. 1918, Hürter 1998, 588 – 589 Dok. 215. 2743 Ks. Karl an Ks. Wilhelm (13.?) Sept. 1918, in: Grünau an A. A., Tel. 538, 13. Sept. 1918, SG 4 1978, 336 – 337 Dok. 240.

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sei auf jeden Fall, daß unsere Gegner nicht in die Lage kämen, eine Dissension ­zwischen uns festzustellen und auszunützen (…).2744

Am 14. September telegrafierte Hohenlohe an Burián: Ich hatte eine lange Unterredung mit Grafen Hertling und Herrn von Hintze, die sich sehr bedrückt und sorgenvoll über den Effekt der (…) Démarche Euer Exzellenz aussprachen. Beide Herrn erwähnten, (…) der deutsche K ­ aiser habe Seine (…) Majestät ersucht, die Démarche aufzuschieben, bis Allerhöchstderselbe ein in Abfassung befindliches Telegramm K ­ aiser Wilhelms erhalten habe. – Ich entgegnete, daß mir hiervon nichts bekannt wäre, ich vielmehr annehme, daß die Absendung der Noten heute bereits erfolgt sei. – Gleichzeitig appellierte ich an beide Herrn, sie möchten (…) alles aufbieten, damit die Oeffentlichkeit und zwar sowohl hier als auch (…) bei unseren Gegnern darin nicht eine Divergenz ­zwischen uns sehe (…). Hintze erklärte, er müsse die Parteiführer und die Leute der Presse empfangen und sei in der größten Verlegenheit, wie er ihnen die Sache mitteilen solle (…). Er habe gewiß den besten Willen hiezu, aber man könne der deutschen Regierung doch nicht zumuten, daß sie sich plötzlich zum Anwalte eines Schrittes aufwerfe, den sie vom ersten Augenblick als (…) unzweckmäßig angesehen habe. Im gleichen Sinne sprach sich auch der Kanzler aus. – Ich wiederholte, daß ihre persönliche Ansicht (…) ziemlich gegenstandslos sei im Vergleich zu der ihnen nunmehr obliegenden Verpflichtung, jede unrichtige Schlußfolgerung (…) durch die (…) Oeffentlichkeit hintanzuhalten. – Nach einer (…) langen Diskussion sagten mir beide (…) zu, ihr Möglichstes (…) tun zu wollen (…). – Was die Mediation bei einer neutralen Macht anbelange, erklärten beide Herrn dieselbe fallen zu lassen, da sie (…) zur Ueberzeugung gelangt ­seien, daß auf den jetzt erfolgten Schritt dieselbe auf unbestimmte Zeit aufgeschoben werden müsse.2745

Die an die Regierungen aller kriegführenden Staaten gerichtete Note wurde in Wien am 14. September veröffentlicht. Gegenüber dem am 21. August dem Auswärtigen Amt mitgeteilten Entwurf 2746 wies ihr Text einige Änderungen auf, ihre Aussage war jedoch unverändert. Etwas verbindlicher als im Entwurf lauteten die abschließenden Worte: Nach unserer Überzeugung sind alle Kriegführenden es der Menschheit schuldig, gemeinsam zu untersuchen, ob es nicht jetzt, nach so vielen Jahren eines opfervollen, jedoch unentschiedenen Kampfes (…) möglich ist, dem schrecklichen Ringen ein Ende zu machen. – Die k. und k. Regierung möchte daher (…) vorschlagen, zu einer vertraulichen und unverbindlichen Aussprache 2744 Hohenlohe an Burián, Tel. 602, 13. Sept. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 94 – 94v u. 96. 2745 Hohenlohe an Burián, Tel. 607, 14. Sept. 1918, ebd. fol. 90 – 90v. 2746 Projet de note („Erster Entw. der ö.-u. Friedensnote (…)“), o. D. (21. Aug.) 1918, SG 4 1978, 293 – 296 Dok. 203.

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über die Grundprinzipien eines Friedensschlusses in einem Ort des neutralen Auslandes und zu einem nahen Zeitpunkt (…) Delegierte zu entsenden, die beauftragt wären, die Auffassung ihrer Regierungen über jene Prinzipien einander bekanntzugeben (…) sowie (…) freimütige Aufklärungen über alle jene Punkte, die einer Präzisierung bedürfen, zu erbitten (…).2747

Zu spät, um Absendung und Veröffentlichung der Note noch verhindern zu können, kam ein ­Kaiser Karl am 15. September von Cramon überreichtes Schreiben K ­ aiser W ­ ilhelms. In ­diesem hieß es: Feldmarschall von Hindenburg hat General von Cramon beauftragt, Dir zu melden, dass er sich mit einer Vermittelung einer neutralen Macht zur Herbeiführung einer Aussprache ohne Aufschub einverstanden erklären könne. Dagegen könne er der Absendung der von Deiner Regierung beabsichtigten Note nicht zustimmen. Er halte diesen Schritt für unsere Heere und unsere Völker für verderblich. – Ich kann (…) daher nicht umhin Dir mein Erstaunen und mein Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen, dass Du daran gedacht haben kannst, ungeachtet der Stellungnahme des Feldmarschalls und des Dir bekannten Standpunktes Meiner Regierung den geplanten Schritt zur Ausführung zu bringen. Unser Bundesverhältnis bedingt, dass wir in Fragen von so weittragender Bedeutung nur in voller Übereinstimmung vorgehen, andernfalls verliert das Bündnis (…) jede Bedeutung. – Deiner Ansicht, dass Dein Vorschlag kein Friedensangebot sei, vermag ich mich nicht anzuschliessen. Aber darauf kommt es auch nicht an, sondern darauf, wie es von unsern Gegnern aufgefasst werden wird. Sie werden darin zweifellos ein Friedensangebot erblicken (…). – Wird der Schritt den Deine Regierung plant (…) zurückgewiesen, so ist es vorderhand ausgeschlossen die Vermittlung eines Neutra­len in Anspruch zu nehmen. (…) Bedenke, dass Dein Schritt bei Deinen Völkern eine (…) vielleicht unüberwindliche Sehnsucht von sofortigem Frieden um jeden Preis und bei Deiner Armee Entmutigung auslösen wird. Ja ich sehe in ­diesem Falle die ernstesten Gefahren für Dich und Dein Haus voraus. – Die öffentliche Meinung in Deutschland darüber hinwegtäuschen zu wollen, dass Deine Regierung in dieser Frage ihre eigenen Wege gewandelt ist, 2747 Note der ö.-u. Reg. an alle kriegführenden Mächte 14. Sept. 1918, HHS tA PA I, 505 XLVII /3 (26) fol. 35 – 39, frz. Text fol. 41 – 44v, frz. u. dt. Text: WZ (15. Sept. 1918), 7 – 9, F-B M (15. Sept. 1918), 1 – 4, dt. Text: Ludendorff 1920, 517 – 520 Dok. XXII A/10, Kovács 2, 379 – 382 Dok. 106a, Übers. ins Engl.: PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 306 – 309). – Kovács meinte voll hagiographischen Eifers, die Note sei „als kaiser­ liches Gegenstück zum päpstlichen Friedensaufruf vom 1. August 1917 zu betrachten“. Sie glaubte auch eine Mitautorschaft des Kaisers postulieren zu können, denn „neben der komplizierten Diktion Buriáns und seines Ministeriums (springe) der einfache Stil ­Kaiser Karls ins Auge, seine nüchterne und pragmatische Beurteilung der Situation, der Hinweis auf das Interesse des Papstes (…)“. Kovács 1 2004, 441. Darüber, ­welche Stellen ihr als charakteristisch für den „einfachen Stil K ­ aiser Karls“ ins Auge gesprungen ­seien, schwieg sich Kovács leider aus. Ebenso äußerte sie sich nicht dazu, ­welche Passage sie als einen ­Kaiser Karl als Mitautor offenbarenden „Hinweis auf das Interesse des Papstes“ erachtete.

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würde ein vergebliches Bemühen sein. (…) Ich kann Dir daher nur wiederholen, dass wenn Du an Deinem Vorhaben festhalten solltest, eine sehr ernste Gefährdung unseres Bündnisses die Folge sein würde. Ich gebe mich aber der bestimmten Hoffnung hin, dass Du Dich (…) des Ernstes der Lage bewusst werden und Deine Regierung anweisen wirst auf die geplante Demarche zu verzichten.2748

Hintze versicherte am 15. September in einer Besprechung mit Vertretern der Mehrheitsparteien des deutschen Reichstages zur österreichisch-ungarischen Note, Wien habe erklärt, „daß die Bündnistreue durch diesen Schritt nicht angetastet werde. Wenn eine ­solche Beurteilung im Ausland aufkomme, werde Wien in kategorischer Form erklären, daß davon keine Rede sein könne.“ Zur Frage, wie die Note in der deutschen Öffentlichkeit behandelt werden solle, erklärte Hintze, das Auswärtige Amt habe folgende Richtlinien ausgegeben: 1. Das Bündnis werde durch den Schritt nicht getrübt. – 2. Deutschland anerkenne die Motive und begrüße den Schritt mit voller Sympathie. – 3. Deutschland sei kein Hindernis für das Zustandekommen des Friedens. – 4. Die Vergangenheit rechtfertige nicht die Hoffnung auf Erfolg des Schrittes.2749

Eine den von Hintze genannten Richtlinien folgende Note überreichte Wedel am 20. September Burián. In dieser hieß es: Die Aufforderung der K. u. K. Regierung an alle Kriegführenden (…) zu einer vertraulichen, unverbindlichen Aussprache (…) über die Grundprinzipien eines Friedensschlusses entspricht dem Geiste der Friedensbereitschaft und Versöhnlichkeit, den die verantwortlichen Staatsmänner des Vierbundes (…) immer wieder bekundet haben. Die Aufnahme, die frühere ähnliche Schritte bei unseren Gegnern fanden, ist nicht ermutigend. Die Kaiserliche Regierung begleitet aber den neuen Versuch, die Welt dem (…) Frieden näherzubringen, mit dem aufrichtigen und ernsten Wunsche, dass die von tiefem Verantwortungsgefühl (…) eingegebenen Darlegungen der K. u. K. Regierung diesmal den erhofften Wiederhall finden mögen. – Im Namen der Kaiserlichen Regierung hat der Unterzeichnete die Ehre zu erklären, dass Deutschland bereit ist, an dem vorgeschlagenen Gedankenaustausch teilzunehmen.2750

2748 Wilhelm II. an Ks. Karl 14. Sept. 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 126a–126b, Cramon 1920, 179 Entw. in: Hintze an Grünau, Tel. 1087, 14. Sept. 1918, SG 4 1978, 338 – 340 Dok. 242. 2749 Vertr. der Mehrheitsparteien bei Hertling 15. Sept. 1918, Matthias 2 1959, 596 – 601, SG 4 1978, 340 – 345 Dok. 244. 2750 Wedel an Burián, Schr. 20. Sept. 1918, HHStA PA I, 965 Krieg 31 fol. 65 – 65v, Stumm an Wedel, 18. Sept. 1918, Pièce jointe, SG 4 1978, 347 – 348 Dok. 246, s. auch ebd. Anm. 3.

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Wilson ließ Lansing auf die k. u. k. Note am 16. September antworten, (…) that the Government of the United States feels that there is only one reply which it can make to the suggestion of the (…) Austro-Hungarian Government. It has repeatedly (…) stated the terms upon which the United States would consider peace and can and will entertain no proposal for a conference upon a matter concerning which it has made its position and purpose so plain.2751

Diesen Text ließ Lansing am selben Tag veröffentlichen.2752 Balfour kommentierte die Note am 16. September in einer Rede so: I cannot bring myself to believe that this is an honest desire on the part of our enemies to arrive at an understanding with us on terms which it would be possible for us to accept. (…) This is not an attempt to make peace by understanding, but an attempt to weaken forces which are proving too strong for them in the field, by working upon those sentiments (…) which they believe to exist in all countries, and which they think capable of being turned to their purpose to work out their end.2753

Wilsons Antwort fand Balfour höchst befriedigend. Botschafter Page meldete darüber nach Washington: „Mr. Balfour tells me today (…) that your answer (…) so completely meets with his views that he will probably not follow the idea he had tentatively formed of concerting with our co-belligerents in forming a joint answer.“ 2754 Über das Echo, das die Note in der Monarchie fand, depeschierte Wedel am 20. September an Hertling: Kaiser Karl und sein Minister hatten erwartet, dass die Friedensnote (…) mit ungeteiltem Beifall begrüsst würde. Sie dürften enttäuscht sein (…). Zwar ist jeder Schritt zum Frieden hier an sich volkstümlich, aber die Methode und der Zeitpunkt, die Graf Burián gewählt hat, begegnen (…) zweifelnder Kritik, die auch in der hiesigen Presse, sogar in der sozialistischen, zum Ausdruck kommt. (…) Frieden um jeden Preis lautet hier die Parole, aber Buriáns Mittel zur Erreichung d ­ ieses Zieles wird für untauglich gehalten. – Man muss leider anerkennen, dass die Mutlosigkeit nicht unbegründet ist. Ich habe (…) immer betont, dass unsere Bundesgenossen mehr Widerstandskraft haben, als sie sich selbst zutrauen. (…) Dass aber jetzt das Ende des Könnens nahe ist, das kann auch der grösste Optimist nicht bezweifeln. (…) Die 2751 2752 2753 2754

Lansing an Ekengren, 17. Sept. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 309 – 310. VZ M (18. Sept. 1918), 1, A-Z M (19. Sept. 1918), 1, F-B M (19. Sept. 1918), 2, PL M (19. Sept. 1918), 1. Balfour Rede 16. Sept. 1918, Lloyd George WM 6. 1936, 3252 s. auch: F-B M (18. Sept. 1918), 2. Page an Lansing, Tel. 1950, 17. Sept. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 310.

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Stimmung der Armee ist im grossen und ganzen gut (…). Aber hier wird der Krieg (…) nicht an der Front entschieden, sondern in der Küche, in der Werkstatt, in der Fabrik. Die grösste Gefahr ist die Kohlennot (…) und das Hinterland ist dem Zusammenbruch nahe. Ein gewaltsamer (…) sozialer Ausbruch sieht dem Character des Österreichers nicht ähnlich, aber es gibt auch unblutige Revolutionen, und wir sind mitten darin. Die einzelnen Nationalitäten fassen Beschlüsse (…) die einen Verrat am Staate bedeuten, und die Regierung regt sich nicht, ihnen eine Lektion zu erteilen. Es ist dazu auch zu spät, sie würde einfach ausgelacht. (…) Es wäre denkbar, dass zunehmende wirtschaftliche Störungen zu Putschen führen, dass die Nationalitäten die Gelegenheit benutzen, ihre Selbständigkeit zu erklären (…), und dass die Zentralregierung dieser de facto-Auflösung machtlos gegenübersteht. (…) Unsere Freunde hatten ihre ganze (…) Hoffnung auf die Offensive in Frankreich gesetzt, die zu einem baldigen und guten Ende des Krieges führen sollte. (…) Die Hoffnung ist geschwunden und hat (…) Mutlosigkeit Platz gemacht. (…) – Alle glauben, dass die Mittelmächte den Krieg (…) verlieren werden, wenn nicht noch rechtzeitig ein Ausweg gefunden wird und sie fühlen, dass diese Monarchie nur noch kurze Zeit vor sich hat. – Was wird werden, wenn der Ausweg nicht rechtzeitig gefunden wird (…). Die Antwort ist verschieden, die der Tschechen und Südslaven hoffnungsfroh. In deutschbürgerlichen Kreisen aber gewinnt die Antwort an Boden: Dann (muss) die Vereinigung aller Deutschen in einem Reiche einen Ersatz für die Verluste bieten, die das Deutschtum in beiden erleidet. – Die Regierung sieht die Lage wohl nicht (…) schlechter an als sie ist (…) und bei Hofe ist die Sorge (…) aufs höchste gestiegen. (…) – Ich habe früher öfters betont: Wir können auf die Österreicher rechnen, solange wir siegen. Wir siegen nicht mehr (…) und ihre Loyalität hat ihre Grenze. Sie suchen nach einem Ausweg (…). Wenn ich auch keine Beweise habe, so kann ich doch nicht bezweifeln, (…) dass mit Wissen der Krone von nichtamtlichen Personen geheime Fäden gesponnen werden, um den Ausweg zu finden. Wird an die Bundestreue erinnert, so ist man beleidigt und schwört auf die Nibelungentreue. (…) Man wird immer ‚treu und loyal‘ sein, sich aber hinter dem ultra posse nemo obligatur verschanzen, womit sich eine Hintertür für Österreich öffnet. Ob sie sich öffnen wird, dürfte von den Ansprüchen Italiens abhängen.2755

Ein höchst interessantes Dokument aus dem Archiv des Pariser Ministeriums des Äußern publizierte Kovács 2004. Es handelt sich dabei um ein am 17. September 1918 von Émile Haguenin, damals Leiter des französischen Pressebüros in Bern, an Außenminister Pichon übersandtes „Friedensprojekt“, das ihm von Österreichern „en relation avec l’Empereur“ durch Vermittlung eines „homme politique suisse, francophile et discret“ 2756 zugegangen sei. Dieses Projekt sah vor: Österreich-Ungarn und Bulgarien scheiden aus dem 2755 Wedel an Hertling, Dep. 251, 20. Sept. 1918, SG 4 1978, 350 – 353 Dok. 250. 2756 Sollte es sich bei d ­ iesem um Maurice Boy de la Tour, nach Castex „secrétaire général de la Maison de Parme“ (Castex 1967, 261), gehandelt haben?

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Krieg aus und erklären ihre strikte Neutralität, die Ententemächte nehmen mit ihnen wirtschaftliche Beziehungen, wie sie mit der Schweiz bestehen, auf. Österreich-Ungarn wandelt sich sofort in eine demokratische Föderation freier Völker unter dem Szepter der angestammten Dynastie um, in welcher Polen, Tschecho-Slowaken und Jugoslawen den Deutschen und Ungarn vollkommen gleichberechtigt sind. Das österreichische Friaul und das Trentino werden, soweit sie von einer kompakten „italo-romanischen“ Bevölkerung bewohnt sind, der schweizerischen Bundesregierung unterstellt; frühestens sechs und spätestens zwölf Monate nach Ratifizierung des Friedensvertrages findet dort eine Abstimmung nach schweizerischem Modell statt, in der das Volk entscheidet, welchem Staat es in Zukunft angehören will; geht die Abstimmung zugunsten Italiens aus, so erhält Österreich-Ungarn von der Entente eine Entschädigung in Gold. Die Stadt Triest wird ein freier und neutraler Staat unter Garantie der Signatare des Friedensvertrages, bildet aber in Bezug auf Zölle und Verkehr mit Österreich ein Territorium und übernimmt ihren Anteil an der österreichischen Kriegsschuld. Serbien wird wiederhergestellt, mit Montenegro vereinigt und erhält Nordalbanien mit Durazzo; Österreich-Ungarn erklärt sein Desinteresse an Südalbanien. Die an Serbien grenzenden kompakt serbisch-orthodoxen Gebiete Bosniens können nach dem für das Trentino und Friaul vorgesehenen Prozedere an Serbien abgetreten werden. Wünscht Montenegro keine Vereinigung mit Serbien, so erhält es Skutari und Umgebung, der Lovćen bleibt in ­diesem Falle bei Österreich. Die Entente stimmt im Prinzip der austro-polnischen Lösung zu, die Festlegung der Grenzen Polens, das der österreichischen Föderation angehören wird, erfolgt nach Ende der Feindseligkeiten mit Deutschland durch die Friedenskonferenz. Österreich-Ungarn bzw. die es ersetzende Föderation und Bulgarien nehmen an der Friedenskonferenz und ihren Beschlüssen teil. Die beim Separatfrieden getroffenen Vereinbarungen sind definitiv, für ihre Anerkennung sorgen die Teilnehmer der Friedenskonferenz, die Verträge von Brest und Bukarest werden der Friedenskonferenz zur Revision vorgelegt. Bezüglich Völkerbund, Schiedsgerichtsbarkeit und Abrüstung erklären sich die Signatare des Separatfriedens eines Sinnes mit den von Wilson proklamierten Prinzipien. Um den allgemeinen Frieden zu erleichtern, erhält Deutschland für den Verzicht auf Elsass-Lothringen eventuell eine Kompensation aus kompakt deutsch besiedelten Gebieten Österreichs, wobei das für das Trentino und Friaul genannte Prozedere angewandt wird. Die Signatare des Separatfriedens erteilen Rumänien den dringenden Rat, in die Österreich-Ungarn ersetzende Föderation einzutreten, kompakt rumänische Gebiete Ungarns werden in d ­ iesem Falle mit Rumänien vereinigt; lehnt Rumänien einen Eintritt in die Föderation ab, tritt Österreich-Ungarn nichts ab. Die Alliierten gewähren Österreich-Ungarn und Bulgarien nach Abschluss des Separatfriedens besondere wirtschaftliche Vorteile.2757 2757 Haguenin an Pichon, Separatfriedensprojekt 18. Sept. 1918, Kovács 2 2004, 386 – 388 Dok. 108. – Kovács bezeichnete das Schriftstück als den „letzten Friedensvorschlag ­Kaiser Karls“ und schrieb: „Zu Beginn

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Als Preis für ein Ausscheiden der Monarchie und Bulgariens aus dem Krieg wären diese Bedingungen auch zu Zeiten eines militärischen Gleichgewichts z­ wischen den Mittelmächten und den Alliierten von den letzteren wohl kaum in Erwägung gezogen worden. Jetzt, da die deutschen Armeen zum Rückzug gezwungen waren, die k. u. k. Armee sich im Juni 1918 als unfähig erwiesen hatte, in Venetien auch nur bescheidene Erfolge zu erzielen, die Alliierten zum vernichtenden Schlag an der mazedonischen Front ausholten und die trostlose Ernährungslage sowie die innere Situation der Monarchie den Alliierten alles andere als verborgen geblieben waren, konnte ein solches „Friedensprojekt“ nur auf ungläubiges Staunen stoßen. Haguenin schrieb dazu in seinem Begleitbrief an Pichon unter anderem: L’impuissance radicale de l’Empereur et de son gouvernement, la terreur que leur inspire l’Allemagne, l’attitude décisive prise par l’Entente envers l’Autriche (…) empêchent de considérer le projet autrichien autrement que comme une manœuvre anachronique. Les conditions, d’ailleurs, en sont monstrueuses. Je l’ai fait observer à l’intermédiaire: ‚Oh! on en rabattra pas beaucoup‘ a-t-il répondu. Il assure que, si l’Entente ‚marquait le moindre intérêt pour ce projet‘, aussitôt l’Empereur (…) indiquerait qu’il acquiesce à un échange d’idées à ce sujet. (…) Je tâcherai de savoir (…) quelles personnes constituent le ‚groupe‘ auteur du projet. Les grandes lignes s’en rattachent à cette conception d’une Autriche ‚fédérative‘ dont (…) Foerster, Lammasch, Károlyi (…) nous ont entretenus. Ce qui m’a le plus intéressé dans cette fantaisie, c’est une certaine façon de concevoir les négociations, les modalités des échanges et les compensations territoriales.2758

Am 18. September erreichte Wedel ein Telegramm Hintzes, in welchem es hieß: Es besteht gute Aussicht unsere beabsichtigte durch Buriáns Vorgehen vereitelte holländische Mediation auf die Österreichische Demarche aufpfropfen zu können. Ich beabsichtige die Nieder­ ländische Regierung zu veranlassen als Ort der Versammlung der Bevollmächtigten (…) den Haag vorzuschlagen und ihre Gastfreundschaft und gegebenenfalls Vorsitz anzubieten. Ich will diesen Schritt in Übereinstimmung mit unseren Verbündeten tun. Es ist belanglos ob (… diese) parallel mit uns im Haag vorgehen wollen oder (…) collectiven Schritt vorziehen; im letzteren Falle würden wir bereit sein im Namen der 4 Verbündeten zu handeln. – Ew. Exc. bitte ich die dortige Regierung (…) in Kenntnis zu setzen und deren Stellung dazu sogleich zu eruieren.2759

der (alliierten) Offensive gegen Bulgarien wandte sich K ­ aiser Karl vertraulich an Pichon und lancierte das Projekt eines Separatfriedens z­ wischen Österreich-Ungarn, Bulgarien und der Entente.“ Kovács 1 2004, 442 – 444. 2758 Haguenin an Pichon, 18. Sept. 1918, Kovács 2 2004, 386 – 388 Dok. 108 Anm. 2. 2759 Hintze an Botschaften Wien u. Konstantinopel u. Gesandtschaft Sofia, Tel. 962, 1529 bzw. 570, 18. Sept. 1918, SG 4 1978, 348 Dok. 247.

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Am folgenden Tag depeschierte Hintze an Rosen, den deutschen Gesandten in Den Haag: Ich habe heute dem Niederländischen Gesandten (Gevers) eröffnet Kaiserl. Regierung stehe Österr. Anregung zu einer Aussprache über Friedenswege mit innigem Wunsche auf Erfolg gegenüber und anknüpfend an zwei Erklärungen des Baron Gevers betreffs Bereitwilligkeit der Reg. der Königin, zu Gunsten des Friedens einzugreifen wann nur immer geeignete Gelegenheit sich biete, vorzuschlagen: – Ihre Majestät (…) möge unseren Feinden ­mitteilen dass sie Ihre Residenz (…) anbiete (…) zu solcher (…) Aussprache. – Baron Gevers hat Vorschlag sehr sympathisch aufgenommen obgleich er die bisher vorliegenden Antworten als vernichtend für den Burián’schen Schritt bezeichnet. (…) – Ich habe dem (…) Gesandten gesagt, dass gemäss Wiener Ansuchen ich auch im Namen der Österr. Ungar. Regierung spräche, (…) die Türkei zugestimmt habe und (…) Bulgarien sich prinzipiell dafür ausgesprochen (…).2760

Hohenlohe berichtete Burián über Hintzes Gespräch mit Gevers und fügte hinzu: „Der Staatssekretär teilt ganz die ihm durch Grafen Wedel mitgeteilte Auffassung Euer Exzellenz, wonach der holländische Schritt soviel als nur irgend tunlich völlig spontan erfolgt erscheinen müsse.“ 2761 In derselben Sache sprach vier Tage darauf Prinz Stolberg bei Sektionschef Flotow vor und teilte im Auftrag Hintzes mit: Nach einer Meldung des deutschen Gesandten im Haag hat ihm holländischer Minister des Aeußern mitgeteilt, nach sorgfältiger Ueberlegung mit dem Ministerpräsidenten halte er es nicht für möglich, dass die von Deutschland gewünschte holländische Mitteilung als ein reiner Initiativschritt der Königin oder der holländischen Regierung in Erscheinung trete, ohne daß seitens der Mittelmächte eine Anregung dafür erfolgt sei. Falls wir kein Bedenken dagegen ­hätten, dass die Tatsache der Anregung bekannt werde (…) frage er sich, ob es nicht im Inte­ resse der Sache vorzuziehen sei, dass die Anfrage von Oesterreich-Ungarn ausgehe. (…) Sollte Graf Burián hiemit nicht einverstanden sei, so bittet Staatssekretär um eine Aeusserung darüber, ob er Bedenken haben würde, dass Holland gegebenenfalls den Vierbund (…) als die Stelle benennt, von der die Anregung ausgegangen ist. Um den Anschein einer Vermittlung zu vermeiden und der Königin (…) nicht jede Initiative zu nehmen, schlägt der deutsche Gesandte im Haag vor, (…) Initiative der österreichisch-ungarischen Regierung erst auf eine eventuelle Anfrage hin bekannt zu geben.2762

2760 Hintze an Rosen, Tel. 606, 19. Sept. 1918, ebd. p 349 Dok. 248. 2761 Hohenlohe an Burián, Tel. 625, 19. Sept. 1918, HHStA PA I, 965 Krieg 31 fol. 21. 2762 Demarche Stolberg bei Flotow, 23. Sept. 1918, ebd. fol. 18 – 18v.

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Burián ging sofort auf Hintzes Vorschlag ein und telegrafierte am 24. September an Franz Graf Calice, den Geschäftsträger im Haag: Im Anschlusse an unsere Démarche vom 14. d. M. hat mir das Berliner Kabinett vorgeschlagen, die k. u. k. Regierung möge bei der (…) holländischen Regierung die Anregung vorbringen, daß Ihre Majestät die Königin die Gastfreundschaft Ihres Landes für Besprechungen (…) zur Verfügung stelle. – Ich gebe gerne dieser Anregung (…) Folge. – Euer Hochgeboren wollen sich daher sogleich zum (…) Minister des Aeußern begeben und ihm sagen, daß wir es dankbar begrüßen würden, wenn Ihre Majestät (…) die Gnade hätte, Ihre Hauptstadt für die (…) Besprechungen, falls diese trotz der ablehnenden Haltung einiger kriegführender Mächte doch zustande kämen, zur Verfügung zu stellen. – Hiebei dürfen wir es der Weisheit der Königin überlassen, ob die holländische Regierung ­dieses Anerbieten spontan oder unter Berufung auf unsere Anregung machen will oder ob sie der letzteren nur dann Erwähnung tun wolle, falls eine diesbezügliche Anfrage seitens der West-Mächte erfolgte.2763

Calice konnte zwei Tage ­später nach Wien melden: Minister des Aeußern teilte mir heute ‚nach Beratung mit seinen Kollegen und Einholung der Ermächtigung Ihrer Majestät (…)’ folgendes mit: – ‚Le gouvernement des Pays Bas (…) eut le souci, dès le début de la guerre, de faire servir sa position de neutre à l’hospitalité envers les belligérants. – Conformément (…) le gouvernement (…) s’empresse de déclarer que Sa Majesté la Reine S’estimera toujours heureuse d’offrir l’hospitalité dès-à-présent dans Sa résidence en vue des réunions que les deux groupes en conflit voudraient y tenir.’2764

Kaiser Karl hatte inzwischen ein vom 19. September datiertes Handschreiben an ­Kaiser Wilhelm gesandt, das diesen am 22. September erreichte und wie folgt lautete: Dein Telegramm vom 14. September ist mir erst in einem Augenblicke zugekommen, wo nicht nur (…) der endgültige Entschluss zu unserer Demarche bei den kriegführenden Staaten schon gefasst war, sondern wo überdies die damit zusammenhängenden Veranlassungen bereits restlos getroffen waren. – Ich möchte aber doch nicht unterlassen, Dir vor allem zu sagen, mit wie tiefem Bedauern Ich aus Deinen Ausführungen entnehme, dass unser Vorgehen (…) bei Dir einen so unliebsamen Eindruck hervorgerufen hat. Mein Minister des Äussern hat sich in wiederholten langen Aussprachen mit Deiner Regierung alle Mühe gegeben, die dringenden Argumente, w ­ elche für unseren Vorschlag sprechen, auseinanderzusetzen und die Gefahren darzulegen, ­welche der Verzicht auf unseren Schritt oder dessen Ersatz durch die 2763 Burián an Calice, Tel. 191, 24. Sept. 1918, ebd. fol. 12 – 12v. 2764 Calice an Burián, Tel. 284, 26. Sept. 1918, ebd. fol. 93 – 93v.

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äusserst problematische Dazwischenkunft eines kleinen neutralen Staates heraufbeschwören konnte. Der zwar nicht hinsichtlich des Zeitpunktes, aber bezüglich der Form der Demarche abweichenden Ansicht Deiner Obersten Heeresleitung (…) kann sich aber, wenn es sich um die Modalitäten eines vorwiegend politischen Schrittes handelt, Meine Regierung doch nicht endgültig unterwerfen. (…) Nur kurz will Ich erwähnen, (…) dass das Mittel der Mediation eines neutralen Staates uns, falls der jetzige Schritt zu keinem Erfolge führt, in absehbarer Zeit noch immer zur Verfügung steht und dass – wie Ich vorhersah – unsere Aktion in der öffentlichen Meinung der Monarchie (…) völlige Zustimmung und Befriedigung hervorgerufen hat. Die Stimmung in Meiner Armee (…) kann am ehesten dadurch gehalten werden, dass sie sieht, es werde von Mir nichts unterlassen, was zum Frieden führen könnte. Was (…) die von Dir angedeuteten Gefahren für Mich und Mein Haus betrifft, so ist auch diese Seite der ganzen jetzigen Situation (…) wohl ernst genug, um nicht übersehen zu werden. Die blosse Erkenntnis dieser Gefahren ist aber nicht ausreichend, sondern es ergibt sich daraus das Gebot für alle Monarchen, sich dagegen zu ­schützen, vor allem durch gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten gegen ihren Völkern und Armeen, ­welche ihren Herrschern nichts mehr verübeln würden, als die Vernachlässigung irgend eines Mittels, welches uns dem Frieden näher zu bringen geeignet wäre. – (…) Jedenfalls kann Ich (…) betonen, dass Ich – vorausgesetzt dass auch deutscherseits alles dazu Nötige geschieht – eine Beeinträchtigung unseres Bundesverhältnisses infolge unserer Demarche als gänzlich ausgeschlossen betrachte (…). Für Mich bildet nach wie vor unser altbewährter Bund (…) die unverrückbare Basis unserer äusseren Politik. Über die Wege, w ­ elche zu den uns gemeinsam vorschwebenden Zielen führen, mögen sich ab und zu Meinungsverschiedenheiten einstellen, aber unser unlösbares Zusammenhalten (…) soll und darf hierdurch nicht erschüttert werden. In dieser Auffassung weiss Ich Mich trotz der diesmaligen Differenz unserer Anschauungen mit Dir eins.2765

Am 15. September hatte in Mazedonien eine Offensive der alliierten Orientarmee begonnen, die binnen Kurzem zum Zusammenbruch der bulgarischen Armee führte. König Ferdinand telegrafierte am 25. September an ­Kaiser Karl: Durch die Ereignisse (…) sehe ich mich genötigt, Dir mitzuteilen, daß die Widerstandskraft meiner Armee gebrochen ist und dieselbe der Auflösung entgegengeht. Es ist (…) nicht möglich, die (…) Front (…) länger zu halten, da große Teile einzelner Divisionen ihre Stellungen verlassen haben und auf Sofia marschieren, um den Frieden zu erzwingen. Die Regierung (…) sah sich daher genötigt, (…) an ein Waffenstillstands- nebst Friedensangebot (…) zu denken, welchem ich ganz machtlos gegenüberstehe.2766 2765 Ks. Karl an Ks. Wilhelm, 19. Sept. 1918, in: Grünau an Hertling, Dep. 211, 23. Sept. 1918, SG 4 1978, 360 – 361 Dok. 256. 2766 Kg. Ferdinand an Ks. Karl, Tel., 25. Sept. 1918, Arz 1924, 302.

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Kaiser Karl antwortete: Jetzt, wo die Katastrophe eingetreten ist (…) bleibt die Pflicht, den (…) Folgen d ­ ieses Ereignisses entgegenzuwirken. Jedenfalls bitte ich Dich, mich umgehend von den Modalitäten informieren zu lassen, unter ­welchen sich die Niederlegung der Waffen (…) vollzieht, ob ein Waffenstillstand mit Demarkationslinie abgeschlossen wird und ob Dein Friedensangebot ein bedingtes oder unbedingtes ist, eventuell mir die Bedingungen ungesäumt mitzuteilen, da meine weiteren Maßnahmen davon abhängen.2767

Hintze depeschierte am 25. September an den Gesandten in Sofia, Alfred Graf Oberndorff: General Gantschew hat im Auftrage des Königs Ferdinand der O. H. L. telegraphiert, dass Bulgarien um sofortigen Waffenstillstand bitten müsse. Der König scheint sein Land verlassen zu wollen. Die O. H. L. setzt alle Hebel in Bewegung, um beides zu verhindern. (…) Aus der Türkei, aus Rumänien, übers Schwarze Meer, von überall her ist deutsche Hilfe in Anmarsch. (…) Die Bulgarische Regierung und das bulgarische Volk müssen hieraus sehen, dass Deutschland seinen Bundesgenossen in der Not nicht im Stich lässt (…). Was für das bulgarische Volk und den König auf dem Spiele steht, wenn tatsächlich die (…) Bitte um Waffenstillstand zur Ausführung kommt, ist klar. Die Bitte (…) wäre der erste Schritt, dem die (…) bedingungslose Unterwerfung folgen müsste.2768

Oberndorff meldete am selben Tag, es ­seien „derartig beunruhigende Nachrichten von der Front eingetroffen, dass Fassung hier vollständig zu schwinden beginnt, und wenn wir nicht schleunig in grossem Masstab eingreifen, bulgarisches Spiel für uns verloren geht“.2769 Er habe Gantschew „auf unsere bereits unterwegs befindlichen Verstärkungen“ hingewiesen und ihm seine Entrüstung nicht verhehlt, „dass das Wort ‚Waffenstillstand‘ überhaupt gefallen sei“. Peter Gantschew, der Militärbevollmächtigte Bulgariens in Deutschland, habe ihm versichert, dass auch die Regierung nicht daran denke, mit den Feinden in Verbindung zu treten: „Es komme vor allem darauf an, die nächsten Tage durchzuhalten und zu lavieren, bis genügend zuverlässige Truppen namentlich auch für Sofia angekommen ­seien (…).“ 2770 Am selben Tag telegrafierte Oberndorff, Ministerpräsident Malinow sei „ganz verzweifelt“ und habe gebeten,

2767 Ks. Karl an Kg. Ferdinand, Tel., 26. Sept. 1918, ebd. pp 302 – 303. 2768 Hintze an Ges. Sofia, Tel. 589, 25. Sept. 1918, SG 4 1978, 362 – 363 Dok. 258, Hürter 1998, 629 – 630 Dok. 233. 2769 Oberndorff an A. A., Tel. 644, 25. Sept. 1918, SG 4 1978, 363 – 364 Dok. 259. 2770 Ebd.

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(…) die Verbündeten möchten verzeihen, alles sei verloren, Bulgarien könne nicht weiter und müsse kapitulieren. Auch bisherige Widerstandsfähigkeit der Truppen begänne immer mehr sich zu zersetzen. Tausende marschierten bereits gegen Sofia, um die Regierung abzusetzen und den Frieden zu erzwingen. Auf ihnen entgegengesandte Truppen sei kein Verlass. Die Nachrichten würden stündlich schlechter. (…) Der stellvertretende Generalissimus ­Todoroff und zwei Armeeführer erklärten, wegen der vollständigen Demoralisation der Truppen, nicht länger kämpfen zu können und drängten auf sofortigen Waffenstillstand. Unter diesen Umständen sähe die Regierung sich gezwungen, (…) um einen 48stündigen Waffenstillstand zu bitten, dem eventuell Friedensverhandlungen folgen sollten.2771

Oberndorff habe Malinow vergebens vorgehalten, „dass d ­ ieses Vorgehen den Selbstmord Bulgariens bedeute, wo doch in wenigen Tagen schon das Eintreffen unserer Truppen die Lage retten könne (…)“. Der Ministerpräsident sei aber dabei geblieben, „die Katastrophe sei nicht mehr aufzuhalten. König und Ministerrat hätten den Entschluss gebilligt, wir möchten verzeihen.“ 2772 König Ferdinand telegrafierte am 25. oder 26. September an ­Kaiser Wilhelm: Die revolutionären Truppen bedrohen bereits Sofia überall mordend und brennend. Die Regierung (…) verlangt von mir Waffenstillstand und sofortigen Frieden. Ich habe meine Abdankung dem Ministerrat vorgelegt, dieselbe wurde vorläufig noch nicht angenommen. Ich bin noch am Leben, morgen vielleicht nicht mehr. Ich glaube, es ist besser, ich bleibe hier, um zu retten, was noch zu retten ist.2773

Der ­Kaiser antwortete: „Die von allen Seiten zugeführten deutschen und österreichischen Truppen werden Deiner Armee die erwünschte Hilfe bringen (…).“ 2774 Am 26. September berichtete Grünau ans Auswärtige Amt, die Auffassung K ­ aiser Wilhelms sei, „dass Bulgarien endgültig als verloren zu betrachten ist (…). In ähnlicher Weise werden nun auch die Türkei und Österreich-Ungarn sich fügen müssen.“ Er meine auch, „dass die versprochenen Truppen nun zurückgerufen werden sollten“. Er, Grünau, habe dagegen die Ansicht vertreten, „dass wir die Truppensendungen nicht suspendieren sollten, da wir, wie immer die Lage dort unten sich weiter entwickelt, Truppen gebrauchen würden“.2775 Darüber, wie die Lage in Wien gesehen wurde, berichtete Wedel am 26. September an Hintze: 2771 Oberndorff an A. A., Tel. 645, 25. Sept. 1918, ebd. pp 364 – 365 Dok. 261. 2772 Ebd. 2773 Grünau an A. A., Tel. 573, 26. Sept. 1918, ebd. pp 366 – 367 Dok. 264. 2774 Beide Tel. in: Grünau an A. A., Tel. 573, 26. Sept. 1918, ebd. pp 366 – 367 Dok. 264. 2775 Grünau an A. A., Tel. 576, 26. Sept. 1918, ebd. pp 368 – 369 Dok. 266.

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Graf Burián beurteilt die (…) neue Lage sehr ernst aber kaltblütig. Minister zustimmte meinen Worten, dass es darauf ankomme Ruhe zu bewahren und in (…) gemeinsamem entschlossenen Vorgehen den Schaden möglichst zu reparieren. 3 österreichische Divisionen sind unterwegs, (…) bis zu 12 (…) sollen folgen. (…) Graf Burián hat Sofia geraten (…) Bedingungen der Entente als zu hart abzulehnen, auf diese Weise Zeit zu gewinnen und, nachdem Verbündete Front hergestellt haben, sich anzuschliessen. (…) Der Minister befürchtet für hier namentlich Einwirkung auf Süd-Slawen. (…) Er fürchtet ferner Einwirkung auf Rumänien, plädiert für möglichst sofortige Ratifikation Bukarester Friedens (…). Der Minister schloss mit der Bemerkung, die Ereignisse bestärkten ihn in der Überzeugung, dass Mittelmächte alles daran setzen müssten, um vor Frühjahr Frieden zu erreichen. Hier werde man sonst bald in derselben traurigen Lage sein wie heute Bulgarien.2776

Hintze antwortete: Bitte (…) mitteilen, dass wir schon 5 Divisionen nach Bulgarien instradiert haben und darauf hinarbeiten, dass Sofia Zeit gewinnt. Bitte österreichische Nachrichten über Haltung Rumäniens in Erfahrung bringen und Notwendigkeit unterstreichen bei Anzeichen von Erhebung dort (…) einzurücken. (…) Wir sind bereit Bukarester Frieden zu ratifizieren, falls damit Rumänien zu halten ist (…). – Euere Exzellenz wollen österreichische etwaige Friedensabsichten genau verfolgen.2777

Am 27. und 28. September durchbrachen alliierte Divisionen die Siegfriedstellung und gefährdeten somit ernstlich die Stabilität der Westfront. Ludendorff sah sich dadurch zwei Tage ­später bewogen, für einen Waffenstillstand einzutreten. Delegierte der bulgarischen Regierung kamen am 27. September ins Hauptquartier der alliierten Orientarmee nach Saloniki und ersuchten um einen Waffenstillstand; die Verhandlungen darüber wurden am Abend des 29. September mit der Unterzeichnung der Waffenstillstandsbedingungen abgeschlossen.2778 Über die entstandene Lage telegrafierte Hintze am 1. Oktober an Lersner: Nach den letzten Nachrichten aus Bulgarien müssen wir das Spiel dort verloren geben. Vom politischen Standpunkt haben wir daher an der Belassung oder gar Verstärkung unserer dortigen Truppen kein Interesse mehr. Im Gegenteil wäre politisch eine baldige Räumung des eigentlichen Bulgarien erwünscht schon um die (…) Regierung nicht auf die feindliche Seite zu drängen. Eine politische Notwendigkeit zur Räumung Serbiens (…) liegt nicht vor. ­Vielmehr 2776 Wedel an A. A., Tel. 627, 26. Sept. 1918, ebd. pp 369 – 370 Dok. 267. 2777 Hintze an Wedel, 27. (?) Sept. 1918, in: Hintze an Lersner, Tel. 2326, 27. Sept. 1918, ebd. Anm. 1. 2778 PRFR 1919 Peace Conference 2 1942. 241 – 242; Maurice 1943, 15, 84 – 85.

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haben wir ein Interesse daran, dass die Ententestreitkräfte an einer direkten Bedrohung Ungarns verhindert und die Rumänen im Schach gehalten werden. – Was die Türkei anlangt, so ­müssen wir uns mit der Verbindung über Konstanza und Odessa begnügen. Sollte diese nicht ausreichen, so müssten wir uns schliesslich auch mit dem etwaigen Abfall der Türkei abfinden. (…) – Welche militärische Folgerungen (…) zu ziehen sind, darf dem Urteil der O. H. L. überlassen werden.2779

König Ferdinand dankte am 3. Oktober zugunsten seines Sohnes, des Kronprinzen Boris, ab. In Beantwortung der österreichisch-ungarischen Note an alle Kriegführenden richtete Papst Benedikt an einem nicht eruierbaren Tag z­ wischen dem 25. und 29. September ein Schreiben an K ­ aiser Karl, mit dem er ihm den „paterno consiglio“ erteilte, sich persönlich an Wilson zu wenden, allein dieser könne den Frieden durchsetzen. Im Anbetracht der Weigerung des Präsidenten, an den von der Monarchie vorgeschlagenen Besprechungen teilzunehmen, und seiner Erklärung, die Bedingungen für einen Frieden ­seien die von ihm am 8. Jänner 1918 genannten, könne der K ­ aiser sich geneigt zeigen, diese Bedingungen, von Details abgesehen, anzunehmen. Im Besonderen könne er erklären, dass er in Bezug auf Italien nicht nur die Worte Wilsons akzeptiere, sondern auch glaube, mit Italien eine Übereinkunft erreichen zu können; er nicht dagegen sei, den Völkern der Monarchie, vor allem den Südslawen und Tschecho-Slowaken, eine weitgehende Autonomie zu gewähren; er sich nicht dem entgegenstellen werde, was die Unabhängigkeit und Entwicklung der Völker des Balkans festigen könne; er sein Bestes tun werde, sogar durch Überlassung deutscher Bezirke an Deutschland, um d ­ ieses zur Abtretung ElsassLothringens zu bewegen; er einer Revision der Friedensverträge von Brest zustimme; er für die Unabhängigkeit und den Zugang Polens zum Meer eintrete und darauf vertraue, dass Wilson nichts gegen die von den Polen vorgezogene austro-polnische Lösung habe. Wenn der K ­ aiser imstande sei, in diesen und anderen Punkten Schwierigkeiten, die W ­ ilson als ­solche erscheinen könnten, zu beseitigen, gäbe es Grund zur Hoffnung, dass der Präsident auf seine Initiative eingehe. Hätte der Heilige Stuhl diplomatische Beziehungen mit den Vereinigten Staaten, so würde er seinen Vertreter damit beauftragen, Wilson die Vorschläge des Kaisers darzulegen. Andere Neutrale, insbesondere Spanien, wären aber sicherlich bereit, diese Aufgabe mit ganzem Einsatz zu übernehmen.2780 2779 Hintze an Lersner, Tel. 2417, 1. Okt. 1918, SG 4 1978, 400 – 401 Dok. 293, Hürter 1998, 646 – 647 Dok. 245. 2780 Benedikt XV . an Ks. Karl, 25. – 29. Sept. 1918., Rumi 1990, 41 – 42 Dok. 17, Kovács 2 2004, 389 – 390 Dok. 109. – Kovács erklärte dazu, der Papst hätte in d ­ iesem Schreiben mitgeteilt: „Italien wäre bereit, über nationale Autonomie in der Habsburgermonarchie zu diskutieren, es sei nicht gegen die Unabhängig­ keit der Balkanvölker. Im Fall der Abtretung von Elsaß-Lothringen (…) wäre Italien mit einer österreichischen Kompensation deutsch bewohnter Gebiete und mit der Revision des Friedensvertrages von Brest Litowsk einverstanden.“ Kovács 1 2004, 445. Dass der Papst nichts von einer italienischen B ­ ereitwilligkeit

Parlamentarisierung der deutschen Regierung

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Parlamentarisierung der deutschen Regierung

Welche Stunde es geschlagen hatte, wurde allen Verantwortlichen in Österreich-Ungarn und Deutschland durch die immer drückender werdende alliierte Übermacht an der Westfront, der Zusammenbruch Bulgariens, die Zerschlagung der türkischen Front in Palästina, die katastrophale Ernährungslage und nicht zuletzt die alliierte Zurückweisung des Burián’schen Friedensfühlers vom 14. September klar. Im Ministerrat für Gemeinsame Angelegenheiten vom 27. September erklärte ­Kaiser Karl dem Protokoll zufolge eingangs: „Im Zusammenhange mit der außenpolitischen Lage dränge sich die Notwendigkeit einer Rekonstruktion im Innern, namentlich im Hinblicke auf die südslawische Frage auf, w ­ elche Gegenstand der Erörterungen zu bilden hätte. Schließlich erscheine (…) eine Besprechung der Friedensfrage geboten.“ 2781 Burián äußerte konkreter: „Die bulgarische Katastrophe hat unsere Lage (…) ganz bedeutend verschlimmert.“ Und weiter: Die südslawische Gefahr rückt in ihrem ganzen Umfange in allernächste Nähe (…). Es müssen Entschlüsse gefaßt werden, wenn anders man vermeiden will, daß die Völker selbst ihr Schicksal in die Hand nehmen (…). Heute sind Lösungsmodalitäten (…) noch denkbar. Hat sich aber einmal der südslawische Staat aus freien Stücken konstituiert, dann wird die böhmische Frage zur Quadratur des Zirkels. (…) Oberstes Grundprinzip muß lauten: Beibehaltung der dualistischen Gestaltung der Monarchie. (…) In diplomatisch-politischer Hinsicht muß der Friedensfaden unbedingt fortgesponnen werden. Diesbezüglich wird es sich vielleicht als notwendig erweisen, ein konkretes Friedensangebot zu stellen, welches noch vor dem 15. Oktober zu lancieren wäre und (…) unsere Friedensbedingungen zu formulieren hätte. In dieser Hinsicht ist ein reger Gedankenaustausch mit der deutschen Regierung im Zuge. Dem (…) Botschafter in Berlin sind folgende Instruktionen erteilt worden: – 1. Der deutschen Regierung dringend nahezulegen, ihre inneren Verhältnisse so rasch als möglich in Ordnung zu bringen, denn ein Großteil des deutschen Volkes hat heute das Vertrauen in (…) das derzeit herrschende politische System eingebüßt. – 2. Das Berliner Kabinett zur Festlegung seiner Friedensbedingungen zu veranlassen. In dieser Hinsicht wird die deutsche Regierung darüber aufzuklären sein, daß unter Umständen (…) Opfer gebracht werden müssen. Das wirksamste Opfer (…) erblickt die k. u. k. Regierung in einer Revision der schrieb, ignorierte Kovács. Entschuldigen mag sie, dass sie sich bei der höchst eigenwilligen Exegese des päpstlichen Schreibens nicht auf ­dieses selbst, sondern auf dessen „deutsche Übersetzung“ durch ihren Mitarbeiter Pál Arató S. J. stützte. Ebd. Anm. 50. Aratós „Übersetzung“ führte sie zu der absurden Behauptung: „Wie aus ­diesem Dokument ersichtlich, hatte Benedikt XV. bereits grundsätzlich die italienische Zustimmung zu den Friedensbedingungen K ­ aiser Karls, die sich auch im Separatfriedensprojekt Österreich-Ungarns und Bulgariens an Frankreich (17. September 1918) finden, erreicht.“ Ebd. p 446. 2781 Komjáthy 1966, 680 – 687 Dok. 39.

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Besitzverhältnisse in Lothringen, schlimmsten Falles in einer zum mindesten partiellen Abtretung (…). – 3. Fortsetzung der Beratungen über die Regelung der polnischen Frage mit dem Endziel: Austro-polnische Lösung. – 4. Der deutschen Regierung (…) vor Augen zu führen, daß eine Fortführung des Krieges über das Jahr 1918 hinaus für die Monarchie ein Ding der Unmöglichkeit ist.2782

Der österreichische Ministerpräsident Maximilian Freiherr Hussarek von Heinlein sprach sich ebenfalls für die Erhaltung des Dualismus aus, doch gab er zu bedenken, daß „terri­ toriale Neuordnungen, z. B. die Angliederung Polens, in dieser Hinsicht gewisse Korrek­ turen notwendig machen könnten“. Im Weiteren bemerkte er, dass (…) namentlich in parlamentarischen Kreisen die Meinung obwaltet, daß sämtliche südslawische Landesteile als ein separates Ganzes vereinigt werden sollten – eine Meinung, der er (…) beipflichten möchte. (…) Was im speziellen Dalmatien anbetrifft, so liege eine Manifestation des (…) Landesausschusses und der dortigen Reichsratsabgeordneten vor, ­welche den Zusammenschluß Dalmatiens, Bosniens, der Herzegowina, Kroatiens und Slawoniens – aber unabhängig von Ungarn – fordert.2783

In Bezug auf die innenpolitischen Probleme werde zuerst „die Zweiteilung der böhmischen Landesverwaltung durchgeführt werden müssen, worauf die Regierung mit den Parteien in Verhandlungen über die Neugestaltung einzutreten“ gedenke.2784 ­Kaiser Karl resümierte die Sitzung in mehreren Punkten, unter anderem: „Rascheste Inangriffnahme der inneren Rekonstruktion (…). – Fortgesetzte Beratung der polnischen Frage unter Festhalten an der austro-polnischen Lösung. – Energischer Druck auf Deutschland in der Friedensfrage (…).“ 2785 Wilson erklärte am 27. September in der New Yorker Metropolitan Opera: We are all agreed that there can be no peace obtained by any kind of bargain or compromise with (…) the Central Empires, because we have dealt with them already and have seen them deal with other governments (…), at Brest-Litovsk and at Bucharest. They have convinced us that they are without honour and do not intend justice. They observe no covenants, accept no principle but force and their own interest. (…) The German people must (…) be fully aware that we cannot accept the word of those who forced this war upon us.2786

2782 Ebd. 2783 Ebd. 2784 Ebd. 2785 Komjáthy 1966, 680 – 687 Dok. 39. 2786 Wilson Rede 27. Sept. 1918, Link PWW 51. 1985, 127 – 133, dt. Übers.: Waffenstillstand 1. 1928, 9 – 10.

Parlamentarisierung der deutschen Regierung

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Er nannte fünf Punkte, w ­ elche die Auffassung der Regierung in Bezug auf den Frieden darstellten: First, the impartial justice (…) must be a justice that (…) knows no standard but the equal rights of the several peoples concerned; – Second, no special or separate interest of any single nation or any group of nations can be made the basis of any part of the settlement which is not consistent with the common interest of all; – Third, there can be no leagues or alliances (…) within the general and common family of the League of Nations; – Fourth, (…) there can be no special, selfish economic combinations (…) and no employment of (…) boycott or exclusion except as the power of economic penalty (…). – Fifth, all international agreements (…) must be made known in their entirety to the rest of the world.2787

Über die Situation in Wien berichtete Wedel am 28. September an Hintze: Die Stimmung uns gegenüber wird von Tag zu Tage schlechter. (…) Heute ist es Mode zu sagen: Das Bündnis habe sich überlebt, man müsse sich anders orientieren, nötigenfalls vor England und Amerika kapitulieren, es werde nicht zu schlimm kommen, und selbst im schlimmsten Falle sei eigentlich nichts verloren, denn so gehe man auch zugrunde. (…) Man wird hier nie einen offenen Verrat begehen, aber das Resultat ist für uns dasselbe, wenn man uns durch Kapitulation vor die Wahl stellt, den Kampf allein fortzusetzen oder einen schlechten Frieden zu schliessen. Solange unsere Offensive gut ging, hätte K ­ aiser Karl es nicht wagen können, mit grossen Abtretungen an Italien den Frieden zu erkaufen. Jetzt (…) würde er wohl dem heftigen Widerstande der Alpenlande begegnen, im Zentrum des Reichs aber (…) denkt man bei der völligen Mutlosigkeit ganz anders (…). Früher wies man eine Autonomie in den Küstenlanden weit von sich, da sie nur ein Vorläufer des Übergangs an Italien sei. Heute sagen die Leute, es lasse sich doch möglicherweise ein Arrangement treffen. (…) – Die Österreicher haben uns oft getäuscht. Sie haben immer übertrieben (…). K ­ aiser Karl ist im August nach Spa gekommen, um zu erklären, dass die Kräfte seines Reiches zu Ende gehen, dass er einen baldigen Frieden suchen müsse, er hat angedeutet, dass er zu Opfern bereit sei und dass auch wir uns zu Opfern entschliessen müssten. (…) Schon März 1917 sprachen der K ­ aiser und Czernin ebenso. Schon damals wollten sie Galizien einem an Deutschland anzulehnenden Polen überlassen, wenn wir um des Friedens willen Elsass-Lothringen preisgeben würden. Wir haben damals die nervöse Übertreibung erkannt und danach gehandelt. (…) Dieses Mal ist es Ernst. Die Verhältnisse sind desolat, und dennoch glaube ich, dass die Österreicher (…) noch sechs Monate oder noch länger aushalten könnten. Aber der gute Wille fehlt! Es müsste etwas geschehen, um den Willen zu heben (…). Wenn wir die Kriegskosten für drei Wochen (…) den Österreichern vorstrecken, so würde das hier eine sehr starke Wirkung ausüben (…). Meines Erachtens sollten 2787 Ebd.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

wir auch in der polnischen Frage soweit entgegenkommen, dass ihnen die Hoffnung auf ihre Lösung bleibt. (…) – Der Brief war fertig, als die (…) Nachrichten aus Sofia eintrafen (…). Ich werde alles tun, um hier den Rücken zu stärken und übereilten Kopflosigkeiten, die ich eher in Reichenau als am Ballplatz befürchte, entgegenzuarbeiten.2788

Hintze erachtete damals, wie er am 3. Jänner 1919 in einer Stellungnahme für das Auswärtige Amt festhielt, den Krieg als verloren. Als erforderlich habe er einen sofortigen Friedensschluss und eine „Revolution von oben“ angesehen, die „den unvermeidlich bei Übergang von Siegeszuversicht zur Niederlage eintretenden Choc von Reich, Monarchie, Dynastie ablenke“. Er schrieb: Auf Grund meiner Besorgnisse und von Nachrichten von (…) der Armee beschloss ich (…) am 27. September in’s Gr. H. Q. zu reisen, meine Auffassung darzulegen (…). Ich ging nach Spa mit einem fertig ausgearbeiteten schriftlichen Programm (…). Als ich dem R(eichs)K(anzler) meine Absichten meldete, hatte ich (…) den Eindruck, als ob er argwöhnisch war. (…) Der R. K. entschloss sich darauf, gleichfalls in’s Gr. H. Q. zu reisen – nach mir.2789

Von Hintzes Vorhaben informiert, berichtete Hohenlohe am 28. September an Burián: Da Herr von Hintze bereits heute Nachmittag ins Hauptquartier fährt, habe ich mich sofort nach meiner Ankunft (aus Wien)2790 zu ihm begeben. – Der Staatssekretär empfing mich sehr aufgeregt mit der Frage, ob es richtig sei, daß Oesterreich-Ungarn beschlossen habe, dem Beispiel Bulgariens zu folgen. Auf meine (…) Erwiderung, ich müsse, wenn er ­solche Fragen stelle, zu seiner Entschuldigung wohl annehmen, daß er völlig den Kopf verloren habe, antwortete mir Herr von Hintze, (…) eben habe Herr Erzberger im Hauptausschuß mitgeteilt, seine parlamentarischen Freunde aus Oesterreich hätten ihn verständigt, daß der österreichische Ministerpräsident erklärt habe, Oesterreich werde dem Beispiel Bulgariens folgen (…). – Ich erwiderte, dies sei eine Keckheit, (…) Herr Erzberger lüge (…). – Ich habe nun dem Staatssekretär in der eindringlichsten Weise Mitteilung von meiner gestrigen Audienz bei Seiner Majestät (…) und meiner Unterredung mit Euer Exzellenz gemacht, die ich nachfolgend kurz dahin resumieren möchte: – I.) Von einer Lachierung Deutschlands unsererseits sei nicht die Rede, darüber (…) weitere Worte zu verlieren, müsse ich als direkt beleidigend ablehnen. – II.) Wir würden alles

2788 Wedel an Hintze, Brief 28. Sept. 1918, SG 4 1978, 387 – 389 Dok. 281. 2789 Hintze an A. A., 3. Jän. 1919, Hürter 1998, 665 Dok. 254. 2790 Wie aus einem Wedel am 29. Okt. 1918 im M. d. Ä. überreichten Aide-Mémoire hervorgeht, war ­Hohenlohe „am 27. September nach Wien berufen und mit Instructionen versehen“ worden, die den von ­diesem im Folgenden angeführten Punkten I bis VI entsprachen. Aide-Mémoire 29. Okt. 1918 (Vermerk mit Rotstift: ‚Gf. Wedel‘), HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 54 – 54v u. 57.

Parlamentarisierung der deutschen Regierung

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aufbieten, um ein weiteres Vordringen der Entente in Bulgarien hintanzuhalten (…). – III.) Die Monarchie sei jedoch außerstande, den Krieg weiterzuführen und nur mit Anspannung aller Kräfte sei es ihr eventuell möglich, bis Ende Dezember auszuhalten. Dies sei aber ein Aushalten bis zum letzten Atemzuge, worauf man es (…) unter keinen Umständen ankommen lassen dürfe. – IV.) Euer Exzellenz hätten (…) die Absicht gehabt, im Oktober an die deutsche Regierung mit der Aufforderung heranzutreten, eine gemeinsame Basis festzustellen, auf der wir unseren Gegnern vorschlagen würden, in Verhandlungen zu treten. (…) – V.) Diese Verhandlungsbasis hat selbstverständlich nur dann Aussicht auf irgendwelchen Erfolg, wenn (…) gewisse unabwendbare Opfer gebracht werden. Zu den von deutscher Seite zu bringenden Opfern gehört nach Auffassung der k. u. k. Regierung unbedingt auch eine ehetunlichste Parlamentarisierung der (…) Regierung, eine Tatsache, die ich, so sehr wir es prinzipiell vermeiden, uns in deutsche innere Angelegenheiten zu mischen, in d ­ iesem Augenblick im Auftrag meiner Regierung unbedingt betonen müsse. – VI .) Ich bäte den Staatssekretär, diese Mitteilungen (…) als bittersten Ernst aufzufassen und in Spa als ­solche zu verwerten. – Herr von Hintze ersuchte mich, Euer Exzellenz (…) den wärmsten Dank (…) für die Worte warmer Bundestreue (…) auszusprechen. Alles, was ich beigefügt habe, realisiere er in der Weise, wie ich es von ihm gefordert habe. Auch die deutsche Regierung verschließe sich dem Ernst dieser entscheidenden Stunde in keiner Weise und schließe sich daher dem von mir (…) dargelegten Standpunkt an. – Eine eingehendere Antwort könne er mir erst nach Rücksprache mit (…) ­Kaiser Wilhelm in Spa geben, von wo er Montag früh zurückkehrt. – Ich glaube, es schwebt dem Staatssekretär vor, wir sollten (…) Wilson wissen lassen, wir ­seien bereit, auf seine vierzehn Punkte und Zusatzpunkte einzugehen und ihn ersuchen, auf dieser Basis Verhandlungen einzuleiten. Dieser Absicht dürfte der Gedanke zu Grunde liegen, daß Wilson, um nicht in Widerspruch mit sich selbst zu geraten, diese Basis annehmen und die (…) Ententemächte vor weitergehenden Forderungen abhalten müßte. (…) – Ich habe nichts unterlassen, um Herrn von Hintze den furchtbaren Ernst der Lage klarzumachen, und glaube, daß meine Ausführungen ihn in seiner (…) Auffassung noch bedeutend bestärkt haben. – Auch habe ich ihn nicht im Zweifel darüber gelassen, daß unser nunmehr bevorstehender (…) Friedensvorschlag unsere letzte Chance ist, den Krieg noch im Verhandlungswege zu beendigen; dieser Vorschlag müsse also derart sein, daß er die Möglichkeit in sich schließe, von unseren Gegnern (…) akzeptiert zu werden. (…) Hintze wiederholte, er sehe dies alles ein und werde in d ­ iesem 2791 Sinne im Hauptquartier sprechen.

Tags darauf berichtete Hohenlohe: Graf Hertling ist (…) abends ebenfalls ins Hauptquartier abgereist. – Soweit ich die Lage übersehen kann, scheint mir (…) ein Verbleiben Hertlings im Amte so gut wie a­ usgeschlossen. 2791 Hohenlohe an Burián, Tel. 656, 28. Sept. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 55 – 56.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Im Auswärtigen Amt erkennt man zweifellos die dringende Notwendigkeit, eine ­parlamentarisch-demokratische Regierung zu schaffen, ohne die es so gut wie ­ausgeschlossen sein dürfte, unsere Gegner zu Verhandlungen zu bewegen. Ich zweifle nicht, daß Herr von Hintze, mit der Absicht, dies durchzusetzen, ins Hauptquartier abgereist ist.2792

Am Morgen des 29. September kam Hintze in Spa an und besprach sich dort vorerst mit Hindenburg und Ludendorff. Darüber teilte er mit: Ich legte nicht nur die inneren, sondern auch die äusseren Schwierigkeiten dar: Abfall bezw. Zusammenbruch unserer Verbündeten, unsere eigene Notlage. Als Auswege entwickelte ich: Dictatur – doch diese an den Sieg geknüpft; – oder wenn OHL . den Sieg nicht in Aussicht stellen könnte: die Revolution von oben und Friede. Als ich geendet hatte, führte Gen. L. (…) aus: Sieg wäre ausgeschlossen, die Lage der Armee verlangte vielmehr sofortigen Waffenstillstand (…). Auf mein Drängen gingen daher der Feld-Marschall & Gen. L. mit mir (…) zum ­Kaiser. Seine Majestaet nahm zunächst meinen Vortrag über die äussere Lage entgegen (…). Er verlangte dann den Vortrag des Feld-Marschalls, der sich so aussprach wie Gen. L. vorher. Dann befahl Seine Majestaet meine Vorschläge, (…) die gipfelten in – liberale Reformen, Regierung aus Liberalen und Sozialisten, Friede und Waffen Stillstand. – S. M. billigten alle Vorschläge. Ich unterbreitete darauf (…) mein Abschiedsgesuch, weil ich nach dem von der Presse mir teilweise zugedichteten Ruf in die neue Regierung nicht passen würde. Am Nachmittag (…) kam R. K. an. Seine Majestaet (…) conferirte mit ihm (…). Erst nach etwa 1½ Stunden liess mich der ­Kaiser rufen und meinte (…): die Sache mit der Revolution wäre nach der Ansicht des R. K. nicht so schlimm, mit dem Systemwechsel und dem Frieden könnte daher gewartet werden, sie wollten sich erst ruhig 14 Tage (…) die Sache überlegen. – Ich legte erneut (…) meine – abweichende – Ansicht (…) dar; betreffs Waffen Stillstandes erinnerte ich (…) an die Meldung des Feld Marschalls, die eine Katastrophe in Aussicht stellte. Auf dem Tisch lag der Entwurf zu dem Erlass vom 30. Sept. Seine Majestaet hörte mich zwar an, wollte aber nicht recht Entscheidung treffen & ging zur Thür. Ich folgte (…) und meldete ihm erneut, dass die neue Regierung ein (…) dringendes Gebot der Stunde wäre, & (…) die Unterzeichnung der bezüglichen Ordre nicht hinausgeschoben werden dürfte. Seine Majestaet kehrten zurück und unterzeichneten. – Der Erlass ist unter dem 30. Sept. in etwas abgeschwächter Form herausgegeben worden (…). Mit der alten Regierung hatte der Feind (…) erklärt, nichts zu thun haben zu wollen. Auch die Dynastie und die Person des Monarchen waren als Hindernisse für einen Frieden bezeichnet worden. Ich hoffte mittels einer demokratischen Regierung, die der ­Kaiser sua sponte (…) einsetzte, – die gegen Seine Person (…) gerichteten Einwände zu entkräften. (…) Noch in der Nacht vom 29. (…) fuhr

2792 Hohenlohe an Burián, Tel. 661, 29. Sept. 1918, HHStA PA III, 174 fol. 276.

Parlamentarisierung der deutschen Regierung

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ich nach Berlin zwecks Inaugurierung der neuen Regierung und Angebot des Waffen Stillstandes durch sie.2793

Mit dem von ihm genannten Programm für eine „Revolution von oben“ bezog sich Hintze auf das von Stumm, Frederic (Hans) von Rosenberg und Bergen gezeichnete und vom 28. September 1918 datierte Schriftstück, in dem es heißt: Wichtigste Voraussetzung für die Einleitung des Friedens ist die sofortige Bildung einer neuen Regierung auf breiter nationaler Basis aus freier Initiative Seiner Majestät (…). Hierzu wäre erwünscht, dass möglichst schon morgen abend ein Telegramm in Berlin eintrifft, dass die Annahme der von Graf Hertling angebotenen Demission mitteilt und den Vizekanzler von Payer beauftragt, dem K ­ aiser sofort wegen der Person des neuen Kanzlers und der Zusammensetzung der neuen Regierung Vorschläge zu machen. Das neue Kabinett soll alle Kräfte des Volkes (…) zusammenfassen und der Verteidigung des Vaterlandes nutzbar machen. Um die Erreichung d ­ ieses Zieles zu sichern, soll der Vizekanzler auf ausdrücklichen Wunsch des Kaisers das Präsidium des Reichstages und die Parteiführer hören und im engsten Einvernehmen mit der Volksvertretung seine Vorschläge ausarbeiten. – Die auf diese Weise neu gebildete Regierung würde im gegebenen Moment an (…) Wilson heranzutreten haben mit dem Ersuchen, die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen und (…) allen kriegführenden Parteien die Entsendung von Bevollmächtigten (…) nach Washington vorzuschlagen. – Je nach den Wünschen unserer militärischen Stellen würde dem Präsidenten nahe zu legen sein, die Kriegführenden eventuell gleichzeitig zum Abschluss eines sofortigen Waffenstillstandes einzuladen. Unsere Aufforderung (…) wäre von der Erklärung zu begleiten, dass Deutschland (eventuell der Vierbund) die bekannten 14 Punkte (…) annimmt und auf dem Friedenskongress auch über Elsass-Lothringen zu sprechen bereit ist.2794

Hintze konnte, nachdem sein Programm – als solches bezeichnete er es 19222795 – die Zustimmung ­Kaiser Wilhelms, Hindenburgs und Ludendorffs erhalten hatte, dem Auswärtigen Amt mitteilen: Seine Majestaet hat soeben folgende Ordre ausgegeben (…): ‚Ich will, daß in dieser Schicksalstunde Deutschlands das deutsche Volk mehr als bisher an der Bestimmung der Geschicke des Vaterlandes mitwirkt. Es ist daher Mein Wille, daß in weiterem Umfange Männer, die vom Vertrauen des Volkes getragen sind, teilnehmen an den Pflichten und der Verantwortung der Regierung. Ew. 2793 Hintze an A. A. 3. Jän. 1919, Hürter 1998, 658 – 668 Dok. 254. 2794 Note Stumm, Rosenberg u. Bergen 28. Sept. 1918, Amtl. Urk. 1924, 47 Dok. 12, SG 4 1978, 386 – 387 Dok. 280. 2795 Hintze Aussage 14. Aug. 1922, WUA 4. Rh., 1. Abt. 2 1928. 407 Anl. 15.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Exzellenz haben Mir vorgetragen, daß Sie Sich unter den obwaltenden Umständen nicht in der Lage glauben, an der Spitze der Regierung verbleiben zu können. (…) Ich bitte Sie aber (…), daß Sie die Geschäfte weiterführen und die von Mir gewollten Maßnahmen in die Wege leiten, bis Ich den Nachfolger für Sie gefunden habe. (…).’ Diese Ordre wird seitens Reichskanzler an Presse so zeitig gegeben werden, dass sie gegen 3h nachmittags (des 30. September) dort veröffentlicht wird.2796

Die kaiserliche Ordre wurde noch umredigiert, sodass es in ihr schließlich hieß: „Ich wünsche, daß das deutsche Volk wirksamer als bisher an der Bestimmung der ­Geschicke des Vaterlandes mitarbeite.“ 2797 Hohenlohe teilte Burián am 30. September diese Entwicklung telefonisch mit 2798 und tags darauf meldete er: „Hintze teilt mir mit, er habe unter schweren Kämpfen (…) die Parlamentarisierung der Regierung durchgesetzt (…).“ 2799 Am 4. Oktober berichtete Hohenlohe, sicherlich aufgrund einer Mitteilung Hintzes, dass dieser (…) ganz allein mit einer durch nichts zu erschütternden Zähigkeit die Parlamentarisierung der Regierung durchsetzte, eine Massnahme, von der (…) K ­ aiser Wilhelm anfangs nichts wissen wollte und darin von der Obersten Heeresleitung, dem Chef des Zivilkabinetts von Berg, (…) Roedern u. a. (…) unterstützt wurde. In einer Besprechung war bereits der Beschluss gefasst worden, diese Aenderungen nicht durchzuführen, worauf der ­Kaiser die Sitzung aufhob und das Zimmer verliess; Hintze holte den K ­ aiser wieder zurück und setzte (…) die (…) M ­ assregeln schliesslich doch durch.2800

Hintze selbst schrieb Ende Oktober 1918 an Hauptmann Otto von Müller, den ­Adjutanten des Kronprinzen: Bei den Überlegungen, die zu der ‚Revolution von oben‘ (…) geführt haben, spielte die Rücksicht auf die Krone und die Dynastie die gebührende Rolle. Es war erforderlich, dem Deutschen Volke (…) zu sagen, dass es nicht zum Sieg, sondern, im besten Falle, zu einem opfervollen Frieden kommen wird. (…) Ich habe Seiner Majestät in Gegenwart von Hindenburg und Ludendorff vorgetragen, dass jetzt der Zeitpunkt für Ihn gekommen sei, ‚in die Bresche zu treten und die Initiative zu ergreifen‘. (…) Eine Revolution von unten hätte voraussichtlich die Dynastie hinweggeschwemmt; so wie jetzt verfahren, kann sie sich in der Verfassung und im Volke verankern.2801

2796 2797 2798 2799 2800 2801

Hintze an A. A., Tel. 585, 29. Sept. 1918, Hürter 1998, 640 – 642 Dok. 240. F-B M (1. Okt. 1918), 1, SSEG 1918/1 1922, 314. Hohenlohe an Burián, Tel.-Dep. 663, 30. Sept. 1918, HHStA PA III, 174 fol. 277. Hohenlohe an Burián, Tel. 666, 1. Okt. 1918, ebd. fol. 280 – 280v. Hohenlohe an Burián, Ber. 116/P-A-B, 4. Okt. 1918, ebd. fol. 289 – 291. Hintze an Hptm. v. Müller, Privatschr. 22. Okt. 1918, Hürter 1998, 653 – 654 Dok. 250.

Wilson soll die Herstellung des Friedens in die Hand nehmen

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Wilson soll die Herstellung des Friedens in die Hand nehmen

Hintze telegrafierte aus Spa noch am 29. September an Stumm: Bitte auf Grund Befehls Seiner Majestät und Zustimmung des Herrn Reichskanzlers in Wien (und) Konstantinopel vertraulich mitteilen, daß ich vorschlage, Präsident Wilson Frieden anzubieten auf Grund seiner 14 Punkte und ihn einzuladen, Friedenskonferenz nach Washington zu berufen unter Aufforderung zu sofortigem Waffenstillstand. (…) – Wenn unsere Verbündeten zustimmen, würde die (…) neue Reichsregierung den Vorschlag (…) an Präsident Wilson gelangen lassen (…).2802

Stumm setzte die Botschafter in Wien und Konstantinopel in Kenntnis und teilte ihnen mit: Neue Reichsregierung (…) soll bei Einleitung Friedensaktion im Amte sein. – (…) Hohenlohe hat erklärt, daß Oesterreich-Ungarn am Ende seiner Kräfte und Aussprache mit uns nötig sei. Rifaat Pascha hat (…) Friedensbedürfnis der Türkei durchblicken lassen. (…) – Schleunigste Zustimmung dringend erwünscht.2803

Wedel teilte Hintzes Vorschlag Burián mit, worüber dieser am 1. Oktober Hohenlohe informierte und hinzusetzte: „Mit Allerhöchster Ermächtigung (…) habe ich dem deutschen Botschafter unsere prinzipielle Annahme des (…) Vorschlages bekannt gegeben.“ 2804 Am 1. Oktober depeschierte Hintze an Wedel: Sobald die neue Regierung gebildet ist, soll der Ksl. Gesandte in Bern folgende Instruktion erhalten. – ‚Bitte dortiger Regierung sofort folgende Note zu übergeben: Der unterzeichnete (…) ist beauftragt (…) Eidgenössische Regierung zu ersuchen den Herrn Präsidenten (…) telegraphisch wissen zu lassen, dass die Kaiserliche Regierung (…) bittet, die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen und zu ­diesem Zwecke Bevollmächtigte aller kriegführenden Staaten nach Washington einzuladen. Die (…) Regierung verbindet damit die Anregung, den Kriegführenden den Abschluss eines sofortigen allgemeinen Waffenstillstandes (…) vorzuschlagen. Sie erklärt, dass sie die in der Botschaft des Präsidenten vom 8. Januar 1918 niedergelegten 14 Punkte und die in der Botschaft vom 11. Februar aufgestellten vier Leitsätze als Grundlage für die Friedensverhandlungen annimmt. (…).’ – Euer Exzellenz wollen Wortlaut Graf Burián 2802 Hintze an A. A. (Stumm), Tel. 29. Sept. 1918, Amtl. Urk. 1924, 48 Dok. 13. 2803 Stumm an Botschafter in Wien u. Konstantinopel, Tel. 1024 bzw. 1595, 29. Sept. 1918, ebd. p 49 Dok. 14, SG 4 1978, 390 – 391 Dok. 283. 2804 Burián an Hohenlohe, Tel. 636, 1. Okt. 1918, HHStA PA I, 965 Krieg 31 fol. 263 – 263v, 270 – 270v u. 264.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

unverzüglich mitteilen. Über Zeitpunkt der Ausführung unserer Demarche erhalten sie (…) Kenntnis, damit unser Schritt und der des Wiener Kabinetts möglichst gleichzeitig erfolgt.2805

Wer neuer Reichskanzler werden solle, war noch offen. Vizekanzler Friedrich von Payer bezeichnete am Abend des 30. September Oberst Hans von Haeften, dem Verbindungsoffizier der O. H. L. zum Kanzler, den badischen Thronfolger Prinz Max „als den einzigen (…) für die zu lösende Aufgabe der Herbeiführung des Friedens (…) geeigneten Kandidaten“. Haeften schrieb, er habe Payer daraufhin gebeten, Freiherrn von Berg, dem Chef des kaiserlichen Zivilkabinetts, „in ­diesem Sinne vortragen und ihm den Prinzen (…) vorschlagen zu dürfen“, Ludendorff habe sich, „zugleich im Namen des Feldmarschalls, mit der Wahl“ einverstanden erklärt.2806 Berg schlug dann am Morgen des 1. Oktober den Vorsitzenden der Mehrheitsparteien im deutschen Reichstag den Prinzen Max als Kanzler vor und stieß auf keinen Widerspruch.2807 Der in der Organisationsabteilung beim Generalstabschef eingeteilte Major Erich Freiherr von dem Bussche klärte den Prinzen Max am 1. Oktober im Auftrag der O. H. L. über die Notwendigkeit eines raschen Friedensschlusses auf. Die Lage habe sich in wenigen Tagen (…) grundlegend geändert. (…) Wir waren gezwungen, wollten wir der Entente nicht völlig freie Hand auf dem Balkan lassen (…) deutsche und für die Westfront bestimmte österreichisch-ungarische Divisionen einzusetzen. (…) Fast gleichzeitig (…) setzten gewaltige Angriffe im Westen ein. (…) In der Folge gelang es überall, den Feind da, wo er (…) in unsere Linie eingedrungen war, aufzuhalten. (…) Trotzdem mußte die Oberste Heeresleitung (…) erklären, daß nach menschlichem Ermessen keine Aussicht mehr besteht, dem Feinde den Frieden aufzuzwingen. (…) Greift der Gegner weiter an, so kann es die Lage fordern, daß wir auf großen Frontstrecken kämpfend ausweichen. Wir können auf diese Art den Krieg noch auf absehbare Zeit weiterführen (…) gewinnen können wir damit nicht mehr. – Diese Erkenntnisse (…) ließen in dem Herrn Generalfeldmarschall und General Ludendorff den Entschluß reifen, Seiner Majestät (…) vorzuschlagen, zu versuchen, den Kampf abzubrechen, um dem deutschen Volke und seinen Verbündeten weitere Opfer zu ersparen. – (…) Noch ist das deutsche Heer stark genug, um den Gegner monatelang aufzuhalten (…). Aber jeder Tag weiter bringt den Gegner seinem Ziel näher und wird ihn weniger geneigt machen, (…) einen für uns erträglichen Frieden zu schließen.2808

2805 Hintze an Wedel, Tel. 1037, 1. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 55 Dok. 20, SG 4 1978, 398 – 399 Dok. 290, Hürter 1998, 647 – 648 Dok. 246. 2806 Haeften über Unterredung mit Payer 30. Sept. 1918, Matthias 2 1959, 770 – 7 72 Dok. 253. 2807 Bespr. Berg mit Vertr. der Mehrheitsparteien 1. Okt. 1918, Matthias Morsey 1962, 15 – 17 Dok. 2 u. 2b. 2808 Mjr. v. dem Bussche 1. Okt. 1918, Max v. Baden 1968, 322 – 323.

Wilson soll die Herstellung des Friedens in die Hand nehmen

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Am 2. Oktober fanden in Berlin Beratungen über das Waffenstillstands- bzw. Friedensangebot und die neue Regierung statt, bei denen Hintze das Konzept für die Note an Wilson vorstellte. Am Rand des Konzepts merkte er an: „Am Mittag des 2.10. trafen ­Wilhelm II. und Hindenburg in Berlin ein. Es folgten bis in die Nacht hinein Besprechungen (…), dann (…) ein Kronrat mit Wilhelm II . und anschließend wieder bei Payer (…).“ 2809 Prinz Max habe erklärt, für ein Friedensangebot sei der Zeitpunkt „nicht günstig“, die Gegner würden ein solches „als Schwäche“ auslegen. Friedensbesprechungen sollten nicht nur mit Amerika, sondern mit allen Feinden geführt werden und mit der Demarche gewartet werden, bis die neue Regierung stehe. Ihm habe Hindenburg entgegnet: „Machen Sie schnell, damit wir nicht in eine Katastrophe zwar, aber in eine missliche Lage geraten; 8 Tage lang kann ich nicht voraussehen.“ 2810 Dazu schrieb der Prinz selbst: „Ich wehrte mich gegen das Drängen der Obersten Heeresleitung: Wenn die Lage so ernst wäre, dann sei sie durch ein Waffenstillstandsangebot nicht mehr zu retten (…); die Überstürzung des Friedens-, besonders aber des Waffenstillstandsangebots müsse furchtbare politische Folgen haben.“ 2811 Er scheue sich nicht vor dem Opfer, „aber es dürfe kein sinnloses Opfer sein, und das wäre es, wenn mein erster Schritt als Kanzler die Bitte an den Feind sein müsse“. Schließlich habe er sich entschieden, die Regierungsbildung zu versuchen, den Kampf gegen ein Waffenstillstandsangebot aber weiterzuführen.2812 Am 2. Oktober unterrichtete Major von dem Bussche auch die Führer der Parteien des Reichstags über die militärische Lage und die unbedingte Notwendigkeit eines raschen Friedensschlusses.2813 Über die Wirkung, die der Vortrag auf die Abgeordneten hatte, schrieb Prinz Max: „Die innere Front stand bis zu ­diesem Augenblick noch aufrecht. Eine übermächtige Suggestion hatte sie gehalten, die von den beiden Feldherrn ausgegangen war (…). – Jetzt sprang der Funke als Panik auf die Heimat über.“ 2814 In Wien fand am 2. Oktober unter dem Vorsitz Buriáns ein Gemeinsamer Ministerrat statt. Dem Protokoll zufolge erklärte der Minister: Längst vor dem Eintritt der bulgarischen Katastrophe (…) war es klar, daß wir den Krieg beendigen müssen. Wir wären wohl in der Lage, den Verteidigungskampf bis zum Jahresende fortzusetzen – von da an aber würde uns der (…) Niedergang unaufhaltsam bis zur vollständigen Erschöpfung führen. Wir würden uns dann einem Diktat unserer Feinde (…) u ­ nterwerfen

2809 Konzept der Friedensnote u. Aufz. Hintzes (2. ?) Okt. 1918, Hürter 1998, 649 – 651 Dok. 248. 2810 Ebd. 2811 Max v. Baden 1968, 323 – 325. 2812 Ebd. 2813 Mjr. v. dem Bussche vor den Parteiführern des RT 2. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 66 – 68 Dok. 28. 2814 Max v. Baden 1968, 329.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

müssen. In Deutschland mögen die Dinge etwas besser stehen. (…) Der schließliche Zusammenbruch wäre aber auch in Deutschland unabwendbar. (…) Heute stehen die Dinge so, daß Bulgarien (…) verloren sei und die Türkei Gefahr läuft, von ihren Verbündeten abgeschnitten zu werden. Es kann sich (…) die Notwendigkeit eines Friedensschlusses um jeden Preis ergeben. Waren wir also schon seit einiger Zeit entschlossen den Krieg zu beendigen, so (…) gilt es heute das Tempo unserer diesbezüglichen Aktion möglichst zu beschleunigen. (…) Deutschland habe selbst den Antrag gestellt, daß wir uns durch Vermittlung des Präsidenten Wilson mit einem Friedensvorschlag an die Entente wenden – und zwar auf Basis der bekannten vierzehn Punkte und der vier Additionalpunkte sowie unter Bezugnahme auf die letzte Rede Wilsons. Der österreichische und (der) ungarische Ministerpräsident hätten d ­ iesem modus procedendi bereits zugestimmt und auch Seine Majestät billige denselben.2815

Wekerle habe ausgeführt, er erblicke in den 14 Punkten (…) eine große Gefahr für die Monarchie und Ungarn. Er würde daher begrüßen, wenn ein Vorbehalt formuliert werden könnte dahingehend, daß die Monarchie die Regelung ihrer inneren Angelegenheiten selbst besorgen wolle. Würde dem Auslande eine Ingerenz (…) eingeräumt werden, so würde die Monarchie zum Range eines Staates wie die Türkei herabsinken (…).2816

Hussarek habe hingewiesen auf die (…) Schwierigkeiten, w ­ elche einer Versöhnung der Nationalitäten entgegenstehen. So stellten (…) die Tschechen zwei unvereinbare Petite, indem sie einerseits die Realisierung des böhmischen Staatsrechtes, andererseits (…) die Vereinigung sämtlicher Tschechen und Slowaken fordern. (…) Was die polnische Frage anbelange, so involviere (…) die Anwendung der Wilsonschen Prinzipien den glatten Verlust Galiziens.2817

Burián erklärte seine Entschlossenheit, „das Bündnis mit Deutschland nicht aufzugeben, doch sei es heute klüger, diesen Gedanken nicht zu sehr in den Vordergrund zu schieben und das Bündnis vorderhand nicht zu erneuern, weil dies unter den gegebenen Umständen (…) der Sache des Friedens schaden könnte“.2818 Er schlug in (…) Anbetracht des Umstandes, daß (…) der fortschreitende Gärungsprozeß im südslawischen Länderkomplex sowie (…) der (…) bulgarischen Katastrophe rasches Handeln unbedingt 2815 Komjáthy 1966, 688 – 696 Dok 40. 2816 Ebd. 2817 Ebd. 2818 Ebd.

Wilson soll die Herstellung des Friedens in die Hand nehmen

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erheischt (…) vor, daß Seine (…) Majestät an die beiden Ministerpräsidenten Handschreiben erlasse, in ­welchen (…) die Zusicherung gegeben würde, daß (…) gegen den Willen und das Votum der Volksvertretungen der (…) von Südslawen bewohnten Gebiete keinerlei Entscheidung zur Durchführung gebracht werden soll.2819

Hussarek meinte, (…) daß durch die Zusammenlegung Kroatien-Slawoniens mit Bosnien-Herzegowina und Dalmatien unter Ausschluß der (…) kroatischen und slowenischen Gebiete Österreichs den derzeitigen politischen Notwendigkeiten vollauf Rechnung getragen würde. (…) Im übrigen würde (… er es) begrüßen, wenn das Moment des Festhaltens am Dualismus, zu welchem sich seine Regierung rückhaltlos bekenne, im Handschreiben nicht zu sehr unterstrichen würde, weil er von einer derartigen Fassung eine Kompromittierung des angestrebten Effektes befürchte.2820

Der gemeinsame Finanzminister Spitzmüller, in dessen Ressort die Verwaltung Bosniens und der Herzegowina fiel, äußerte, „daß die subdualistische Lösung die Südslawen heute nicht mehr befriedigen werde und (…) eine Regelung im trialistischen Sinne ins Auge gefaßt werden müßte – schon mit Rücksicht auf den Punkt 10 des Wilsonschen Programmes“.2821 Wekerle sprach sich dagegen aus, (…) daß dem südslawischen Elemente in Anbetracht seiner loyalen Haltung quasi eine Belohnung versprochen werde. Ein solches Vorgehen, vollends der Hinweis auf trialistische Lösungsmodalitäten, würde in Ungarn (…) weitgehendste Mißstimmung hervorrufen. An einer subdualistischen Lösung müsse er also unbedingt festhalten.2822

Baernreither notierte am 10. Oktober in sein Tagebuch, K ­ aiser Karl habe am 2. Oktober geäußert, für ihn sei der Trialismus „unmöglich, weil mit dem ungarischen Krönungseid im Widerspruch“, es werde aber „schliesslich doch zum Trialismus kommen“.2823 Ähnliches berichtete Spitzmüller: Als er dem ­Kaiser am 4. Oktober dargelegt habe, „eine Verwässerung des trialistischen Programms in Sarajevo nicht vertreten“ zu können, habe dieser erklärt, „er wage es nicht, im gegebenen Zeitpunkt den Trialismus zu forcieren: Ungarn 2819 Ebd. 2820 Ebd. 2821 Ebd. 2822 Ebd. 2823 Baernreither TB-Eintr. 10. Okt. 1918, HHStA NL Baernreither 7, XIX fol. 115.

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würde in Aufruhr geraten“, vielleicht aber werde sich der Trialismus „schon in drei Wochen von selbst durchsetzen“.2824 Der vom Sinn einer sofortigen Friedensdemarche nicht überzeugte Prinz Max telegrafierte am 3. Oktober an Hindenburg: Bevor ich mich über die Einleitung der von der Obersten Heeresleitung gewünschten Friedens­aktion schlüssig mache, beehre ich mich, (…) um Stellungnahme zu folgenden Fragen zu bitten: – 1. Wie lange kann die Armee den Feind noch jenseits der deutschen Grenzen halten? – 2. Muß die Oberste Heeresleitung einen militärischen Zusammenbruch erwarten und bejahendenfalls in welcher Zeit? (…) – 3. Ist die militärische Lage so kritisch, daß sofort eine Aktion mit dem Ziel Waffenstillstand und Friede eingeleitet werden muß? – 4. Für den Fall, daß die Frage zu 3. bejaht wird, ist die Oberste Heeresleitung sich bewußt, daß die Einleitung einer Friedensaktion (…) zum Verlust deutscher Kolonien und deutschen Gebiets, namentlich Elsaß-Lothringens und rein polnischer Kreise der östlichen Provinzen führen kann?2825

Hindenburg beantwortete diese Fragen mündlich und schrieb überdies an den Kanzler: Die Oberste Heeresleitung bleibt auf ihrer (…) Forderung der sofortigen Herausgabe des Friedens­angebotes (…) bestehen. – Infolge des Zusammenbruchs der mazedonischen Front, der dadurch notwendig gewordenen Schwächung unserer Westreserven und infolge der Unmöglichkeit, die in den Schlachten der letzten Tage eingetretenen sehr erheblichen Verluste zu ergänzen, besteht (…) keine Aussicht mehr, dem Feinde den Frieden aufzuzwingen. (…) Unter diesen Umständen ist es geboten, den Kampf abzubrechen, um dem deutschen Volke und seinen Verbündeten nutzlose Opfer zu ersparen.2826

Schließlich kamen, wie Hintze notierte, Prinz Max, Payer und Hindenburg in folgenden Punkten überein: „1. Friedensangebot muss an England, Frankreich und Vereinigte Staaten (…) gerichtet werden; – 2. Es darf nichts enthalten als die Willigkeit zum Frieden und den Wunsch zum Waffenstillstand; – 3. Das Friedensangebot soll heute – 3. Oktober – oder morgen hinausgehen.“ 2827 Der Wortlaut des deutschen Friedensangebots wurde am Abend des 3. Oktober fertig­ gestellt. Prinz Max hielt in seinen Erinnerungen fest:

2824 2825 2826 2827

Spitzmüller 1955, 261. Max v. Baden an Hindenburg, Tel. 3. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 72 Dok. 32. Ebd. Anm. bzw. Hindenburg an Max v. Baden, Schr. 3. Okt. 1918, ebd. p 73 Dok. 33. Hintze, Notiz o. D. (3. Okt. 1918), SG 4 1978, 405 Dok. 298.

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Der Kampf gegen das Angebot war verloren. Auch wenn ich ablehnte, ging es hinaus. – Dann trug es die Unterschrift von Hindenburg oder Payer. Baten die Soldaten um Waffenstillstand, so war das die Kapitulation. (…) – Ein neuer Kanzler mußte (…) den unseligen Schritt mit seiner Verantwortung decken (…).2828

Abgesandt wurde das Angebot in der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober an den Gesandten in Bern, Romberg, in Form einer lediglich an Wilson gerichteten Note. Romberg wurde angewiesen die eidgenössische Regierung zu ersuchen, die Note „mit grösster Beschleunigung“ nach Washington zu übermitteln. Sie lautete: Die deutsche Regierung ersucht den Präsidenten (…), die Herstellung des Friedens in die Hand zu nehmen, alle kriegführenden Staaten von ­diesem Ersuchen in Kenntnis zu setzen und sie zur Entsendung von Bevollmächtigten zwecks Aufnahme der Verhandlungen einzuladen. Sie nimmt das von dem Präsidenten (…) in der Kongressbotschaft vom 8. Januar 1918 und in seinen späteren Kundgebungen, namentlich der Rede vom 27. September aufgestellte Programm als Grundlage für die Friedensverhandlungen an. – Um weiteres Blutvergiessen zu vermeiden, ersucht die Deutsche Regierung, den sofortigen Abschluss eines allgemeinen Waffenstillstandes zu Lande, zu Wasser und in der Luft herbeizuführen.2829

Die Note wurde am 6. Oktober vom schweizerischen Chargé d’affaires in Washington an Lansing übergeben. Am 4. Oktober ging von Wien an den Gesandten Hadik in Stockholm eine der deutschen entsprechende Note ab, in der es hieß: Die österreichisch-ungarische Monarchie, ­welche den Krieg stets nur als Verteidigungskampf geführt und wiederholt ihre Bereitwilligkeit bekundet hat, dem Blutvergießen ein Ende zu machen und zu einem gerechten und ehrenvollen Frieden zu gelangen, tritt hiemit an den Präsidenten (…) mit dem Antrage heran, mit ihm und seinen Verbündeten einen sofortigen Waffenstillstand (…) abzuschließen und im unmittelbaren Anschlusse hieran in ­Verhandlungen über einen Friedensschluß einzutreten (…).2830

2828 Max v. Baden 1968, 336 – 337. 2829 Dt. Reg. an Wilson (Max v. Baden an Gesandtschaft Bern, Tel. 1364 u. Hohenlohe an Burián, Tel. 672), 3. Okt. 1918, HHStA PA I, 965 Krieg 32 fol. 246 – 246v; F-B A (7. Okt. 1918), 1 – 2, Amtl. Urk. 1924, 74 Dok. 34, Waffenstillstand 1. 1928, 11, SG 4 1978, 406 – 407 Dok. 300, Übers. ins Engl.: Oederlin an ­Wilson, 6. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 337 – 338. Link PWW 51, 1982, 253. 2830 Ö.-u. Reg. an Wilson (Burián an Hadik, Tel. 413) 4. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 349 – 350, F-B A (5. Okt. 1918), 1, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 341 (übers. ins Engl.).

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Die Note wurde von der schwedischen Regierung an ihren Gesandten in Washington gesandt und von d ­ iesem Lansing überreicht, der sie an Wilson weiterleitete mit dem Kommentar: It seems to me that the offer (…) can only be considered after the Austro-Hungarian Government has accepted unconditionally the principles which you have laid down and after the sincerity of the offer (which ought to be ‘request’) is shown by withdrawal from all occupied territory, by denouncement of the treaties of Brest-Litovsk and Bucharest, and by a declaration that these acts will be performed regardless of the course pursued by Germany – that is on the basis of a separate peace.2831

Hadik berichtete am 8. Oktober, das schwedische Außenamt habe ihm mitgeteilt: „Herr Lansing sagte (…), daß er Zeitpunkt der Antwort nicht angeben könne, glaube jedoch ‚que la réponse ne sera pas encourageante‘“.2832 Hussarek verlas die Note an d ­ iesem Tag im österreichischen Abgeordnetenhaus und erklärte: Ich will nicht verkennen, daß die Annahme jener Verhandlungsgrundlage (…) eine Modifikation politischer Auffassungen bedingt, an denen die öffentliche Orientierung auf unserer Seite bisher festgehalten hat. (…) Eine Antwort der Gegner, die (…) einen rücksichtslosen Vernichtungswillen enthüllen würde, hätte auf Seite der verbündeten Mächte mit der unbeugsamen Entschlossenheit zu rechnen, Ehre und Bestand gemeinsam bis zum äußersten zu verteidigen.2833

Hohenlohe berichtete am 4. Oktober: Prinz Max (…) hat mich eben aufgesucht. – Morgen um 1 Uhr wird der neue Kanzler im Plenum des Reichstags sprechen, und zwar, wie er mich versichert, in einer Weise, die absolut keinen Zweifel an der Friedensbereitschaft Deutschlands zulassen wird (…). – Der Prinz erinnere sich an verschiedene unserer Gespräche (…), in denen wir beide immer hervorgehoben hatten, daß ein wirkliches Friedensangebot zu stellen war, bevor die letzte Karte ausgespielt sei, und beklagte sich bitter, daß man nie auf ihn gehört habe, ihn aber jetzt (…) nötigt, den verantwortungsvollsten Posten im Reiche zu übernehmen! Nachdem er aber nun einmal d ­ ieses Amt angetreten habe, sei er fest entschlossen, auch nicht den geringsten Zweifel an seiner Aufrichtigkeit aufkommen zu lassen und mit allem Vorbehalt und Zweideutigkeit ein für allemal zu brechen. – Was die Note an Wilson anbelangt (…) wäre ihm eigentlich sympathischer gewesen, dieselbe (…) an die kriegführenden Mächte überhaupt zu richten (…).2834 2831 2832 2833 2834

Lansing an Wilson, 7. Okt. 1918, PRFR LP 2 1940. 160. Hadik an Burián, Tel. 433, 8. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 304. Hussarek, Rede 8. Okt. 1918, Sten. Prot. AH XII. Leg.-Per., XXII. Sess. pp 4447 – 4448. Hohenlohe an Burián, Tel. 677, 4. Okt. 1918, HHStA PA III, 174 fol. 288 – 288v.

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Ebenfalls am 4. Oktober berichtete der Botschafter: Euer Exzellenz wissen (…), dass ich gegen die Ernennung des Prinzen Max (…) schwere Bedenken gehegt habe, weil der Prinz, der sehr nervös ist und viel an Kopfweh leidet, all’ den Anstrengungen ­dieses Postens kaum gewachsen sein dürfte. Ausserdem hätte ich es für angezeigter gehalten, dass die linken Parteien die volle Verantwortung für diese Regierung übernommen hätten, statt dass ihnen, falls sie nicht reussieren, die Möglichkeit geboten ist, sich auf die ‚Unfähigkeit eines an ihrer Spitze stehenden Prinzen‘ auszureden. (…) – Dass d ­ ieses System sich hier halten wird, erscheint mir (…) unwahrscheinlich, zumal ich mir nicht denken kann, dass das deutsche Volk über Nacht für ein parlamentarisch-demokratisches Regierungssystem reif geworden sein sollte.2835

Neuer Staatssekretär des Auswärtigen wurde Wilhelm Solf. Weitere Regierungsmitglieder waren Gustav Bauer (MSPD) als Staatssekretär im Reichsarbeitsamt und, ab 7. Oktober, Karl Trimborn (Zentrum) als Staatssekretär im Reichsamt des Innern. Staatssekretäre ohne Geschäftsbereich wurden Scheidemann (MSPD ), Erzberger und Gröber (beide Zentrum) sowie, ab dem 14. Oktober, Haußmann (FVP); Eduard David (MSPD) gehörte der Regierung als Unterstaatssekretär an. Die neuen Staatssekretäre bildeten mit dem Kanzler und Vizekanzler Payer das Kriegskabinett, das hinfort die Leitung der inneren und äußeren Politik innehatte. Vor dem Reichstag erklärte Prinz Max am 5. Oktober: Das Programm der Mehrheitsparteien, auf die ich mich stütze, enthält zunächst ein Bekenntnis zu der Antwort der früheren Reichsregierung auf die Note des Papstes vom 1. August 1917 und die bedingungslose Zustimmung zu der Entschließung des Reichstages vom 19. Juli desselben Jahres. (…) – Die Lösung der (…) belgischen Frage sieht es in der völligen Wiederherstellung Belgiens (…). Auch eine Verständigung über die Entschädigungsfrage soll angestrebt werden. – Die bisher geschlossenen Friedensverträge will das Programm zu keinem Hindernis für den allgemeinen Friedensschluß werden lassen. (…) Dank dem unvergleichlichen Heldentum unserer Armee (…) ist die Front ungebrochen. Dieses stolze Bewußtsein läßt uns mit Zuversicht in die Zukunft sehen. – Gerade weil wir von dieser Gesinnung (…) beseelt sind, ist es aber auch unsere Pflicht, Gewißheit darüber herbeizuführen, daß das opfervolle blutige Ringen nicht einen einzigen Tag über den Zeitpunkt hinaus geführt wird, wo uns ein Abschluß des Krieges möglich erscheint, der unsere Ehre nicht berührt. (…) Gestützt auf das Einverständnis aller dazu berufenen Stellen im Reich und (…) der gemeinsam mit uns handelnden Bundesgenossen habe ich (…) an den Präsidenten der Vereinigten Staaten (…) eine Note gerichtet, in der ich ihn bitte, die Herbeiführung des Friedens in die Hand zu nehmen und hierzu mit 2835 Hohenlohe an Burián, Ber. 116/P-A-B, 4. Okt. 1918, ebd. fol. 289 – 291v.

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allen kriegführenden Staaten in Verbindung zu treten. (…) Ich habe diesen Schritt (…) auch deshalb getan, weil ich glaube, daß die auf das künftige Glück der Völker gerichteten Gedanken, die Herr Wilson verkündet, sich völlig mit den (…) Vorstellungen im Einklang befinden, in denen sich auch die neue deutsche Regierung und mit ihr die weit überwiegende Mehrheit unseres Volkes bewegt. – (…) So sehe ich (…) dem Ergebnis der ersten Handlung entgegen, die ich als leitender Staatsmann (…) unternommen habe. – Wie ­dieses (…) auch ausfallen möge: ich weiß, daß es Deutschland (…) einig finden wird sowohl zu einem redlichen Frieden, (…) als auch zu dem Endkampf auf Leben und Tod, zu dem (… es) gezwungen wäre, wenn die Antwort (…) von dem Willen, uns zu vernichten, diktiert sein sollte. – (…) Ich hoffe aber (…), daß der Präsident (…) unser Angebot annimmt. Dann wäre die Tür zu einem baldigen ehrenvollen Frieden des Rechts und der Versöhnung (…) geöffnet.2836

Etwas anders sah Poincaré das „Angebot“. Er schrieb am 5. Oktober an Clemenceau: Il est impossible de discuter la possibilité d’un armistice tant que l’ennemi occupera une p ­ artie quelconque de notre territoire ou celui de la Belgique. Nous devrons (…) exiger avant tout armistice, que les troupes allemandes évacuent l’Alsace-Lorraine. Je crois qu’en posant ces conditions préalables (…) on faciliterait l’échec de la manœuvre ennemie.2837

Und Ribot notierte: L’Allemagne, l’Autriche et la Turquie demandent un armistice en offrant de négocier sur les bases indiquées par (…) Wilson: l’armistice sera certainement refusé (…). L’Autriche et la Turquie sont trop à bout de souffle pour ne pas être obligées de fausser bientôt compagnie à l’Allemagne, et alors tout s’écroulera. (…) – La guerre n’est pas finie, mais nous en voyons le terme assez près de nous pour dire qu’elle s’achève comme nous avons pu le souhaiter. Il dépend surtout du président Wilson de hâter ou de retarder le dénouement.2838

Die Antwort Wilsons auf die deutsche Note wurde am 8. Oktober dem schweizerischen Chargé d’affaires übergeben und erreichte Berlin am 9. Oktober. In ihr hieß es: Ehe er auf das Ansuchen der kaiserlichen deutschen Regierung antwortet (…) hält der Präsident (…) es für notwendig, sich des genauen Sinnes der Note (…) zu versichern. Meint der Reichskanzler, daß die (…) deutsche Regierung die Bedingungen, die vom Präsidenten in seiner Botschaft (…) vom 8. Jänner und in den folgenden Botschaften niedergelegt worden sind, 2836 Max v. Baden, Rede 5. Okt. 1918, Verh. RT. 13. Leg.-Per., 192. Sitzg. pp 6150 – 6153. 2837 Poincaré an Clemenceau, 5. Okt. 1918, Poincaré X 1933, 377. 2838 Ribot TB-Eintr. 6. Okt. 1918, Ribot 1936, 253.

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annimmt und daß der Zweck (…) der sein würde, sich über die praktischen Einzelheiten ihrer Anwendung zu verständigen? – Der Präsident fühlt sich verpflichtet (…) zu erklären, daß er sich nicht berechtigt fühlen würde, den Regierungen, mit denen die Regierung der Vereinigten Staaten (…) verbunden ist, einen Waffenstillstand vorzuschlagen, solange die Heere dieser Mächte auf ihrem Boden stehen. (…) Der Präsident glaubt auch zu der Frage berechtigt zu sein, ob der Kanzler nur für diejenigen Gewalten des Reiches spricht, die bisher den Krieg geführt haben. Er hält die Antwort auf diese Frage (…) für außerordentlich wichtig.2839

Im Wesentlichen bestand Wilson also auf einer Antwort auf die letztere Frage und auf der Räumung der besetzten Gebiete. Hohenlohe telegrafierte am 9. Oktober nach Wien: Der Staatssekretär verhehlt sich nicht die mit der Räumung (…) verbundenen Schwierigkeiten, hat mir jedoch erklärt, er habe aufgeatmet, als in der Wilson’schen Antwort weder die Frage der Dynastie noch die einer Räumung Elsaß-Lothringens berührt worden sei.2840

Am folgenden Tag berichtete der Botschafter: Nach einem Telegramm aus Washington soll eine Erwiderung der österreichisch-ungarischen Note dermalen nicht in Erwägung gezogen werden, was mir den unerfreulichen Eindruck machte, als ob die Entente im Einverständnis mit Herrn Wilson bereits über so viel Gebiet der Monarchie anderweitig verfügt hätte, dass sie mit derselben als solcher gar nicht mehr sprechen könne.2841

Daraufhin depeschierte Burián an Hohenlohe: Der (…) Umstand, daß laut eines (…) anscheinend offiziellen Communiqués aus Washington von der amerikanischen Regierung eine Antwort auf unseren Vorschlag im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erwogen wird, läßt die Möglichkeit als gegeben erscheinen, daß Präsident (…) versucht, Deutschland gegen uns auszuspielen, oder für die Eventualität, daß seine Forderungen von Deutschland abgelehnt werden, das umgekehrte Spiel im Auge hat. – Ich halte es daher für unbedingt geboten, daß die deutsche Regierung (…) in ihrer Antwort auf die Note Mr. Wilsons (…) die volle Solidarität mit ihren Verbündeten (…) zum Ausdruck bringe.

2839 Wilson an dt. Reg. (Lansing an Oederlin Nr. 282) 8. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 343; Link PWW 51. 1985, 268 – 269, ins Dt. übers.: F-B M (10. Okt. 1918), 1, Ludendorff 1920, 546 Dok. XXII B/11, Amtl. Urk. 1924, 85 Dok. 37, Waffenstillstand 1. 1928, 11 – 12. 2840 Hohenlohe an Burián, Tel. 692, 9. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 290. Staatssekretär des Auswärtigen Amtes an die neue Regierung Max von Baden von Wilhelm Solf. 2841 Hohenlohe an Burián, Tel. 695, 10. Okt. 1918, ebd. fol. 270 – 271.

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Euer Durchlaucht wollen daher bei dem Reichskanzler bzw. bei dem Staatssekretär (…) mit dem größten Nachdrucke dafür eintreten, daß in der deutschen Antwortnote (…) der nachstehende Gedanke zum Ausdruck komme: – ‚Im Hinblick auf die ihr durch ihre Bündnisverträge auferlegten Verpflichtungen kann die deutsche Regierung die Räumung der besetzten Gebiete (…) nur unter der Voraussetzung ins Auge fassen, daß auch ­zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten (…) und den Regierungen der mit Deutschland verbündeten Mächte eine Einigung über die Vorbedingungen (…) eines Waffenstillstandes zustande kommt.’2842

Am selben Tag erklärte der Minister: „Wir müssen anstreben, daß die Deutschen nur unter der Bedingung einen Waffenstillstand abschließen, daß auch wir einen solchen erhalten.“ 2843 Und am 11. Oktober telegrafierte Burián an Hohenlohe: Für den Fall, als die Entente es ablehnen sollte, die (…) Besprechungen über Waffenstillstand oder Friedensabschluß mit der (…) Monarchie als Ganzes zu führen, hätte Deutschland unter Berufung auf die Bestimmungen des Bündnisvertrages darauf zu bestehen, daß die Entente Oesterreich-Ungarn als einheitliches (…) Rechtssubjekt behandle.2844

In dem Telegramm teilte Burián auch seine Stellung zu den einzelnen der 14 Punkte Wilsons mit.2845 Am 11. Oktober übermittelte Hohenlohe den in Aussicht genommenen Text der deutschen Antwort an Wilson nach Wien und fügte hinzu: „Das Auswärtige Amt ersucht um eheste Rückäusserung, da es die Absicht habe, die Antwort so rasch als möglich abzusenden. (… Es) bedauert, dass ein weiteres Eingehen auf unsere Wünsche nicht möglich war.“ 2846 Und am 12. Oktober telegrafierteder Botschafter: Die (…) Zusammenstellung über unseren Standpunkt zu den Wilson’schen Punkten habe ich (…) übergeben (…). – Ich habe (…) ganz besonders nachdrücklich betont, daß wir es als (…) geboten ansähen, daß, sollte die Entente es ablehnen mit Oesterreich-Ungarn als Ganzes Besprechungen über einen Waffenstillstand oder Friedensabschluß zu führen, Deutschland (…) darauf zu bestehen hätte, daß Oesterreich-Ungarn ‚als einheitliches internationales Rechtssubjekt‘ behandelt würde. – Dies wurde mir selbstverständlich zugegeben, jedoch gleichzeitig angedeutet, daß die diesfällige Aufgabe Deutschlands wesentlich erleichtert würde (…), je stärker und deutlicher aus der Monarchie selbst der unerschütterliche Wille (…) zum Ausdruck

2842 Burián an Hohenlohe, Tel. 670 bzw. 366, 10. Okt. 1918, ebd. fol. 263 – 264. 2843 Burián an Hohenlohe, Dep. 671/Pol, 10. Okt. 1918, ebd. fol. 241. 2844 Burián an Hohenlohe, Tel. 676, 11. Okt. 1918, ebd. fol. 252 – 253. 2845 Ebd. 2846 Hohenlohe an Burián, Tel.-Dep. (16333), 11. Okt. 1918, ebd. fol. 238 – 238v.

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käme, Oesterreich-Ungarn in seiner heutigen Form zu erhalten (…). Immer wieder höre man nur von den centrifugalen Tendenzen, während von Maßnahmen, die darauf gerichtet wären, das Staatsgebäude (…) zu erhalten, nichts an die Oeffentlichkeit dringt.2847

Die deutsche Regierung antwortete Wilson am 12. Oktober. In der Note hieß es, man habe (…) die Sätze angenommen, die Präsident Wilson (…) als Grundlage eines dauernden Rechtsfriedens niedergelegt hat. Der Zweck der einzuleitenden Besprechungen wäre also (…), sich über praktische Einzelheiten ihrer Anwendung zu verständigen. – Die deutsche Regierung nimmt an, daß auch die (…) mit den Vereinigten Staaten verbundenen Mächte sich auf den Boden der Kundgebungen des Präsidenten (…) stellen. – Die deutsche Regierung erklärt sich im Einvernehmen mit der österreichisch-ungarischen (…) bereit, (…) den Räumungsvorschlägen des Präsidenten zu entsprechen. Sie stellt dem Präsidenten anheim, den Zusammentritt einer gemischten Kommission zu veranlassen, der es obliegen würde, die (…) erforderlichen Vereinbarungen zu treffen. – Die jetzige deutsche Regierung (…) ist gebildet (…) in Ueber­einstimmung mit der großen Mehrheit des Reichstages. In jeder seiner Handlungen (…) spricht der Reichskanzler im Namen der deutschen Regierung und des deutschen Volkes.2848

Wilson erwiderte zwei Tage darauf durch Lansing: Die uneingeschränkte Annahme der von dem Präsidenten (…) niedergelegten Bedingungen von Seiten der (…) deutschen Regierung und einer großen Mehrheit des (…) Reichstages berechtigen den Präsidenten, eine (…) Erklärung seines Entschlusses hinsichtlich der Mitteilungen der deutschen Regierung vom 5. und vom 12. Oktober abzugeben. Es muß Klarheit darüber bestehen, daß die Durchführung der Räumung und die Bedingungen eines Waffenstillstandes Angelegenheiten sind, die dem Urteil (…) der militärischen Berater der Regierung der Vereinigten Staaten und der alliierten Regierungen überlassen werden müssen und der Präsident fühlt sich verpflichtet zu erklären, daß keine Regelung (…) angenommen werden kann, die nicht für völlig befriedigende Sicherheiten und Bürgschaften der Fortdauer der (…) militärischen Ueberlegenheit der (…) Alliierten (…) Sorge trägt. (…) Der Präsident hält es auch für seine Pflicht hinzuzufügen, daß weder die Regierung (…) noch er (…) sicher ­seien, daß die Regierungen, mit denen die Vereinigten Staaten (…) assoziiert sind, einwilligen werden, einen Waffenstillstand in Erwägung zu ziehen solange die Streitkräfte Deutschlands fortfahren, die ungesetzlichen und unmenschlichen Praktiken auszuüben (…). – Zu derselben Zeit, wo die deutsche Regierung an die (…) Vereinigten Staaten mit Friedensvorschlägen herantritt, sind ihre U-Boote damit beschäftigt, 2847 Hohenlohe an Burián, Tel. 701, 12. Okt. 1918, ebd. fol. 227 – 228. 2848 Dt. Reg. an Wilson 12. Okt. 1918, F-B M (13. Okt. 1918), 1, Ludendorff 1920, 551 Dok. XXII B/13, Amtl. Urk. 1924, 106 Dok. 47, Waffenstillstand 1. 1928, 12, Übers. ins Engl.: PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 357 – 358.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

(…) Passagierschiffe zu versenken und (…) die Boote, in denen ihre Passagiere und Besatzungen sich in Sicherheit zu bringen versuchen. (…) Es kann nicht erwartet werden, daß die (…) assoziierten Nationen einem Waffenstillstand zustimmen (…), solange die unmenschlichen Handlungen, Plünderung und Verwüstung fortgesetzt werden (…). – Es ist (…) notwendig (…), daß der Präsident (…) die Aufmerksamkeit der Regierung Deutschlands auf die (…) Absicht einer der Friedensbedingungen lenkt, die die deutsche Regierung jetzt angenommen hat. (…) Sie lautete (…): – ‚Die Vernichtung jeder (…) Macht (…) die für sich, geheim und nach eigenem Belieben den Frieden der Welt stören kann, oder (…) mindestens ihre Herabminderung zu tatsächlichem Unvermögen.(…).’ – Der Präsident hält sich für verpflichtet zu erklären, daß die (…) Durchführung des Friedens (…) von dem (…) Charakter der Bürgschaften abhängen wird, die in dieser (…) Frage abgegeben werden können. (…) – Der Präsident wird eine besondere Antwort an die (…) Regierung von Oesterreich-Ungarn absenden.2849

Über die Aufnahme, die Wilsons Note in Berlin fand, berichtete Hohenlohe am 16. Oktober: Nicht so sehr der Inhalt als der Ton der Note hat hier erbittert und Enttäuschung hervorgerufen, da Wilson hiemit keinem der von ihm aufgestellten Grundsätze für einen gerechten Frieden Rechnung trägt, vielmehr als Diktator zu einem unterworfenen Volke spricht.2850

8.4

Umwandlung Österreichs in einen Bundesstaat? Das kaiserliche Manifest

Der österreichische Ministerpräsident Hussarek berichtete am 8. Oktober im Abgeordnetenhaus über die am 4. Oktober abgesandte Note an Wilson. Er rechne darauf, (…) daß das hohe Haus den neuerlichen Friedensschritt billigen und ihm dadurch namens der österreichischen Völker jenen Nachdruck verleihen wird, dessen er bedarf, um in einer Zeit, in der die mündigen Völker der Welt ihre Zukunft selbst bestimmen, (…) zum Durchbruch zu gelangen. Der Kraft dieser Idee wollen wir ja auch unsere innere Friedensgestaltung anvertrauen, hoffend, daß (…) aus der freien Selbstbestimmung der Völker ihr Zusammenwirken (…) hervorwachsen wird.2851

2849 Wilson an dt. Reg. 14. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 358 – 359, ins Dt. übers.: F-B M (16. Okt. 1918), 1, PL M (16. Okt. 1918), 4 – 5, Ludendorff 1920, 553 – 554 Dok. XXII B/15, Amtl. Urk. 1924, 109 – 110 Dok. 48, Waffenstillstand 1. 1928, 13 – 14. 2850 Hohenlohe an Burián, Tel. 708, 16. Okt. 1918, HHStA PA I, 965 Krieg 32 fol. 115 – 115v. 2851 Hussarek, Rede 8. Okt. 1918, Sten. Prot. AH XII. Leg.-Per., XXII. Sess. pp 4447 – 4448.

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Spitzmüller schrieb in seinen Erinnerungen, als er am 11. Oktober in Audienz gewesen sei, habe K ­ aiser Karl darüber geklagt, dass Hussarek seine Rede mit ihm nicht abgesprochen habe; er habe deswegen die Bildung einer neuen Regierung ins Auge gefasst, und zwar zunächst eine „unter dem Vorsitz des (…) Grafen Sylva-Tarouca“. Als der ­Kaiser ihn, Spitzmüller, sondierte, ob er diese Aufgabe übernehmen wolle, habe er sich „am 13. Oktober als Vermittler für eine Kabinettsbildung zur Verfügung“ gestellt, aber erklärt, er könne „eine s­ olche Funktion nur auf Grund eines festen, mit einer Parteienmajorität des Abgeordnetenhauses verabredeten Regierungsprogrammes und eines mindestens in den Umrissen feststehenden Planes bezüglich einer staatsrechtlichen Neuordnung (…) übernehmen“.2852 Zugleich habe er „um Abhaltung eines Ministerrates unter Allerhöchstem Vorsitz und unter Zuziehung der gemeinsamen Minister und des ungarischen Ministerpräsidenten“ gebeten, „da die südslawische Frage die Länder der ungarischen Krone in höherem Maße berühre als Österreich“. Tags darauf habe ihn ­Kaiser Karl am Telefon „mit ­­Zeichen der Ungeduld“ gefragt, wie weit er mit der Kabinettsbildung vorgeschritten sei. Er habe geantwortet, „daß die Abhaltung des Ministerrates der Kabinettsbildung vorangehen müsse“. Im Anschluss an ­dieses Telefonat habe ihm der ­Kaiser „den Entwurf eines Manifestes, betreffend die Konstituierung von Nationalräten sowie den Entwurf einer Bundesverfassung mit beiliegender Nationalitätenkarte“ zukommen lassen.2853 Am 15. Oktober fand unter dem Vorsitz des Kaisers ein Gemeinsamer Ministerrat statt, an dem Burián, Hussarek, Stöger-Steiner, Spitzmüller und Ernst Graf Silva-Tarouca teilnahmen; ein Protokoll ist nicht erhalten. Spitzmüller berichtete, am Vormittag habe der ­Kaiser bewegt erklärt, (…) daß ein furchtbares politisches Chaos eingetreten sei, welches die Machtbefugnisse der Krone de facto aufhebe. Insbesondere habe sich Böhmen dem Wirkungskreis der Zentrale (…) völlig entzogen. Er wolle aber ­Kaiser bleiben und werde von seinem Platz nicht weichen. Deshalb und um nicht in vollster Zerrüttung in die Friedensverhandlungen einzutreten, halte er die Erlassung eines Manifestes für unbedingt notwendig, welches die Umwandlung Österreichs in einen Bundesstaat auf verfassungsmäßigem Wege einleiten solle (…).2854

Nachdem Burián die Erlassung eines solchen Manifestes gebilligt habe, habe er, Spitzmüller, ein Referat gehalten, das darin gipfelte, „daß das Manifest mit den Parteien“ vereinbart werden und in Ungarn „eine analoge Enunziation (…), und zwar im Sinne der großkroatischen Lösung, (…) erfolgen müsse“. Ein paralleles Vorgehen in beiden Teilen 2852 Spitzmüller 1955, 262 – 264. 2853 Ebd. 2854 Ebd. pp 264 – 268.

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der Monarchie sei unerläßlich, da sonst Bosnien und die Herzegowina „ganz unberührt bleiben würden“. Er habe auch über „die unbedingt notwendige Propaganda im Sinne des Manifestes“ gesprochen. Die „Öffentlichkeit dürfe über die Ziele der Staatsführung nicht weiter im Unklaren gelassen werden und die (…) Schlagworte von der Selbstbestimmung der Völker müßten auf ihren (…) realisierbaren Kern geprüft werden“.2855 Burián habe sich mit seinen Ausführungen „im wesentlichen“ einverstanden erklärt, aber gemeint, „daß in Ungarn eine Regierungserklärung genügen würde“. Die übrigen Teilnehmer hätten in die Diskussion kaum eingegriffen. Der ­Kaiser habe sich „auffallender Weise fast ganz passiv“ verhalten und lediglich erklärt, dass „das vorgeschlagene parallele Vorgehen (…) mit dem (…) ungarischen Ministerpräsidenten zu erörtern sein werde“. Von seiner, Spitzmüllers, Vermittlung „für eine Kabinettsbildung“ habe der ­Kaiser nichts mehr verlauten lassen, weil Kardinal Piffl ihm auseinandergesetzt hätte, es sei „bei der herrschenden krisenhaften Lage von größter Bedeutung, daß ein Mann von so erprobter katholischer Gesinnung wie Baron Hussarek an der Spitze der (…) Regierung verbleibe“.2856 Über die Beratung am Nachmittag schrieb Spitzmüller, Wekerle habe „eine Regierungserklärung von ungarischer Seite“ in Aussicht gestellt, ohne „eine präzise Verpflichtung zu übernehmen, so daß das von mir (…) als unerläßlich bezeichnete parallele Vorgehen (…) unterblieb“. Wekerle habe verlangt, im Manifest zu erklären und dies mit der Drohung der Einstellung der Lebensmittelzufuhr aus Ungarn zu verbinden, „daß die ganze Regelung nur unbeschadet der Rechte der Länder der ungarischen Krone erfolge“.2857 Im österreichischen Ministerrat berichtete Hussarek am 15. Oktober über das geplante Manifest „über die innere Umgestaltung Oesterreichs“: Einerseits erscheine es wünschenswert, die künftigen Verhandlungen mit der Entente über die inneren Fragen Oesterreichs durch eine Initiative auf dem betreffenden Gebiete zu erleichtern, andererseits sei auch vom innenpolitischen Standpunkt ein Eingreifen geboten. Die Haltung verschiedener nationaler Parteien, insbesondere der Czechen, sei eine derartige, daß die Fortführung eines geordneten staatlichen Betriebes geradezu gefährdet sei. (…) Was den Inhalt anbelangt, so werde an eine Umgestaltung im bundesstaatlichen Sinne gedacht. Die Fragen der Thronfolge, der Herrscherrechte, der Vertretung nach Aussen und der Verteidigung des wirtschaftlichen Verhältnisses zum Auslande, des Eisenbahnwesens und der Wasserwege hätten gemeinsam zu bleiben, ebenso (…) natürlich die Liquidierung des Krieges mit allen ihren Konsequenzen (…). Innerhalb dieser Gemeinsamkeit könnten sich auf den nationalen Siedlungsgebieten selbständige Staatswesen aufbauen (…).2858 2855 Ebd. 2856 Ebd. 2857 Ebd. 2858 Ö. Min.-R. 15. Okt. 1918, AVA Min.-R.-Prot. MRZ 50 fol. 430v–434v.

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Das Manifest sei nur für Österreich gedacht, nicht für die Länder der ungarischen Krone. Wunsch der ungarischen Regierung sei es, dies „ausdrücklich festzustellen“. Ihm, Hussarek erscheine es notwendig, ­diesem Wunsch Rechnung zu tragen, „da man (…) auf die Bereitwilligkeit Ungarns zur Lebensmittellieferung angewiesen sei“. Das Protokoll hielt fest, Hussarek habe „den von ihm ausgearbeiteten Entwurf eines solchen Manifests zur Verlesung“ gebracht, der Ministerrat habe seinen Vorschlägen zugestimmt.2859 Am folgenden Tag, dem 16. Oktober 1918, wurde das kaiserliche Manifest erlassen. In ihm hieß es: Seitdem Ich den Thron bestiegen habe, ist es Mein unentwegtes Bestreben, allen Meinen Völkern den ersehnten Frieden zu erringen sowie (…) die Bahnen zu weisen, auf denen sie die Kraft ihres Volkstums (…) zur segensreichen Entfaltung bringen (…) können. – Das furchtbare Ringen des Weltkrieges hat das Friedenswerk bisher gehemmt. (…) – Nunmehr muß ohne Säumnis der Neuaufbau des Vaterlandes auf seinen natürlichen (…) Grundlagen in Angriff genommen werden. (…) Ich bin entschlossen, ­dieses Werk unter freier Mitwirkung Meiner Völker im Geiste jener Grundsätze durchzuführen, die sich die verbündeten Monarchen in ihrem Friedensanbote zu eigen gemacht haben. Österreich soll, dem Willen seiner Völker gemäß, zu einem Bundesstaate werden, in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedlungsgebiete sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet. Der Vereinigung der polnischen Gebiete Österreichs mit dem unabhängigen polnischen Staate wird hiedurch in keiner Weise vorgegriffen. Die Stadt Triest samt ihrem Gebiete erhält, den Wünschen ihrer Bevölkerung entsprechend, eine Sonderstellung. – Diese Neugestaltung, durch die die Integrität der Länder der ungarischen heiligen Krone in keiner Weise berührt wird, soll jedem nationalen Einzelstaate seine Selbständigkeit gewährleisten; sie wird aber auch gemeinsame Interessen wirksam s­ chützen und überall dort zur Geltung bringen, wo die Gemeinsamkeit ein Lebensbedürfnis der einzelnen Staatswesen ist. (…) An die Völker, auf deren Selbstbestimmung das neue Reich sich gründen wird, ergeht Mein Ruf, an dem großen Werke durch Nationalräte mitzuwirken, die – gebildet aus den Reichsratsabgeordneten jeder Nation – die Interessen der Völker zueinander sowie im Verkehre mit Meiner Regierung zur Geltung bringen sollen.2860

2859 Ebd. 2860 Manifest 16. Okt. 1918, WZ Extraausg. 17. Okt. 1918, 1, Kovács 2 2004, 395 – 396 Dok. 112, Übers. ins Engl.: PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 367 – 368. – Kovács behauptete, der Papst hätte ­Kaiser Karl zu dem Manifest geraten. Kovács 1 2004, 454. Als Quellen für diese Eröffnung führte sie zwei im Band 2 ihres Werkes veröffentlichte Dokumente und Rumplers Völkermanifest an. (Kovács 2 2004, 395 – 397 Dok. 112 u. ebd. pp 604 – 694 Dok. 213; Rumpler 1966, 37 – 38 u. 44 – 51) An keiner dieser Stellen findet sich jedoch ein Hinweis auf einen derartigen Rat des Papstes.

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Im Befehl des Kaisers an Armee und Flotte vom folgenden Tag hieß es: „Den Wünschen aller Völker Oesterreichs entsprechend, erfolgt ihr Zusammenschluß in nationale Staaten, vereint in einem Bundesstaat.“ 2861 Die Aufforderung zur Bildung von Nationalräten legalisierte, wie Otto Bauer 1923 bemerkte, „nur einen schon im Gange befindlichen Prozeß“.2862 Die tschechischen und südslawischen Mitglieder des Ausschusses für Äußeres der österreichischen Delegation hatten schon am 15. Oktober erklärt, darauf zu beharren, (…) daß die tschecho-slowakische und die südslawische als internationale Fragen nur auf dem allgemeinen Friedenskongresse einer befriedigenden Lösung zugeführt werden können. (…) in Anbetracht dessen, daß vor Bekanntwerden der Antwort des Präsidenten Wilson auf das österreichisch-ungarische Friedensangebot jede Erörterung der in dem beabsichtigten Kaisermanifest enthaltenen Vorschläge ohne praktischen Wert erscheint, lehnen wir jede diesbezügliche Diskussion als überflüssig ab.2863

An dieser Haltung änderte die Publikation des Manifests nichts. Die tschechischen Abgeordneten hatten bereits in der Eröffnungssitzung des Abgeordnetenhauses am 30. Mai 1917 erklärt, (…) die Verbindung aller Stämme des tschechoslowakischen Volkes zu einem demokratischen Staate an(zu)streben, wobei nicht außer acht gelassen werden kann jener tschechoslawische Stamm, welcher zusammenhängend an den historischen Grenzen unseres böhmischen Vaterlandes (– nämlich der Slowaken Oberungarns –) lebt.2864

Nun wurde am 19. Oktober 1918 in Prag ein Communiqué ausgegeben, in dem es hieß: Der ‚Národní výbor‘ (Nationalausschuss) und mit ihm das gesamte tschechische Volk, ohne Ausnahme, beharren unverbrüchlich auf dem Standpunkte, daß es mit Wien für das tschechische Volk keine Verhandlungen über seine Zukunft gibt. Die böhmische Frage hat aufgehört, eine Frage der inneren Regelung Oesterreich-Ungarns zu sein. Sie ist zu einer internationalen Frage geworden (…). Der ‚Národní výbor‘ hält es für seine Pflicht, im Namen des gesamten tschechischen Volkes loyal zu erklären, daß es für uns keine andere Lösung (…) gibt, als die absolute staatliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit des tschechoslowakischen Vaterlandes.2865

2861 2862 2863 2864 2865

Armee- u. Flottenbefehl 17. Okt. 1918, WZ (18. Okt. 1918), 3, Kovács 2 2004, 397 – 398 Dok. 113. Bauer 1923, 77. F-B M (18. Okt. 1918), 2. Sten. Prot. AH XII. Leg.-Per., XXII. Sess. 30. Mai 1917, 34. F-B A (21. Okt. 1918), 1.

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Aus Washington meldete am 19. Oktober die Agentur Reuter: „Der czecho-slowakische Nationalrat (Národní rada) erklärte formell die Unabhängigkeit der czecho-slowakischen Nation.“ 2866 Die britische Regierung hatte schon am 9. August 1918 erklärt, sie betrachte „the Czecho-Slovaks as an Allied nation“ und den in Paris etablierten Nationalrat „as the supreme organ of the Czecho-Slovak national interests, and as the (…) trustee of the future Czecho-Slovak Government“.2867 Von der amerikanischen Regierung war der Nationalrat am 3. September als De-facto-Regierung anerkannt worden,2868 die französische und die italienische Regierung hatten am 28. September bzw. 3. Oktober gleichartige Beschlüsse gefasst, der Nationalrat selbst hatte sich am 26. September als Provisorische Tschechoslowakische Regierung konstituiert.2869 Der polnische Regentschaftsrat hatte am 7. Oktober unter Berufung auf Wilsons Friedensprinzipien einen unabhängigen, alle polnischen Gebiete umfassenden Staat proklamiert.2870 Wekerle erklärte am 16. Oktober im ungarischen Abgeordnetenhaus im Hinblick auf das Manifest: „Es ist allgemein bekannt, daß Oesterreich seine inneren Angelegenheiten auf föderativer Grundlage zu regeln wünscht. Das läßt es als unerläßlich (…) erscheinen, daß wir uns auf die Grundlage der Personalunion (…) stellen (…).“ 2871 Das staatsrechtliche Verhältnis z­ wischen Österreich und Ungarn auf der Basis des „Ausgleichs“ von 1867 müsse ein Ende finden und die Gemeinsamkeit sich auf die Person des Monarchen beschränken. In derselben Sitzung sagte Graf Michael Károlyi: Wir haben den Krieg verloren. Es ist wichtig, daß wir den Frieden nicht verlieren. (…) Dies läßt sich nur erreichen, wenn wir eine (…) radikale Neuorientierung unserer inneren und auswärtigen Politik durchführen. (…) Wir dürfen nicht auch weiter diese reaktionäre deutschfreundliche Politik, die bisherige Nationalitätenpolitik treiben. Wir würden dadurch die territoriale Unversehrtheit Ungarns gefährden.2872

Am folgenden Tag erklärte Tisza im ungarischen Abgeordnetenhaus, die österreichischen Zustände hätten eine Wendung genommen, ­welche die „Aufrechterhaltung des Dualismus vollständig unmöglich“ mache, die Konsequenz könne „nur die Unabhängig­keit des ungarischen Staates, die Personalunion, sein“.2873 2866 NFP N (21. Okt. 1918), 2, s. Declaration of Independence of the Czechoslovak Nation, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 847 – 851. 2867 Erklärung 9. Aug. 1918 (Skinner an Lansing 14. Aug. 1918), PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 824. 2868 Lansing an Morris, 3. Sept. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 824 – 825. 2869 Masaryk, Beneš u. Štefánik an Lansing 14. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 846 – 847. 2870 F-B M (9. Okt. 1918), 5. 2871 Wekerle im ung. Abgeordnetenhaus 16. Okt. 1918, PL A (16. Okt. 1918), 2 – 3. 2872 Károlyi im ung. Abgeordnetenhaus 16. Okt. 1918, PL M (17. Okt. 1918), 4. 2873 Tisza im ung. Abgeordnetenhaus 17. Okt. 1918, PL A (17. Okt. 1918), 1 – 2.

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Vertreter der deutschen Parteien des österreichischen Abgeordnetenhauses fassten am 17. Oktober den Beschluss, am 21. Oktober im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landtags eine Versammlung aller deutschen Abgeordneten abzuhalten. Diese werde sich „aller Wahrscheinlichkeit nach als Nationalversammlung konstituieren“. Die Abgeordneten erklärten ausdrücklich, „daß diese Nationalversammlung unabhängig von dem kaiserlichen Manifest erfolgt. Die Deutschen konstituieren sich auf Grund ihres Selbstbestimmungsrechtes als Nation und warten alles übrige ab.“ 2874 Das Präsidum des Klubs der südslawischen Parteien des Abgeordnetenhauses erklärte am 18. Oktober: „Das Manifest (…) kann eine Aenderung in der Haltung des südslawischen Klubs nicht herbeiführen, da wir unverrückbar an dem Zusammenschluß aller Slowenen, Kroaten und Serben in einem souveränen Staat festhalten.“ 2875 Burián hielt in seinen Erinnerungen fest: Das Manifest hat einen starken, überall gleich ungünstigen Eindruck hervorgebracht, weil es ohne Vorbereitung eine Situation grell beleuchtete, die noch nicht voll ins (…) Bewußtsein gedrungen war. Allein das Manifest (…) war nicht als Vorstoß gedacht, sondern als Hemmung. In jenem Augenblicke war die Abfallbewegung in Böhmen bereits unverhüllt hervorgetreten und das slowenische Gebiet der (…) Aufwiegelung rettungslos verfallen. In dieser Lage griff die (…) Regierung zu der Maßnahme, von der sie hoffte, daß durch Anerkennung der nicht mehr zu verhindernden Selbständigkeit der (…) Völker der Begriff des Gesamtstaates Österreich (…) gerettet werden könnte. (…) Die Wirkung des Manifestes war katastrophal. Es durchriß alle Dämme.2876

Spitzmüller schrieb: „Das Manifest (…) brachte eine überaus ungünstige Wirkung hervor. Man sah in demselben nur das Trennende, las (…) nur heraus, daß der K ­ aiser den Völkern die Freiheit lasse, ihr Schicksal selbst zu bestimmen. Daß eine neue bundesstaatliche Regelung in Aussicht genommen sei, wurde kaum bemerkt.“ 2877 Graf Gyula Andrássy, der in der Hoffnung, Gespräche mit Vertretern der Entente anknüpfen zu können, im Oktober 1918 in die Schweiz entsandt worden war, schrieb 1920: In Bern erreichte mich und mehrere österreichisch-polnische und ungarische Politiker die Kunde, der ­Kaiser habe (…) ein Manifest erlassen, in dem er die Föderalisierung Österreichs anordnete. Diese Nachricht wirkte auf uns wie eine Bombenexplosion. (…) Wir, die wir gestern alle noch an einem Karren gezogen hatten, trennten uns (…) und jeden beschäftigte nur 2874 2875 2876 2877

NFP M (18. Okt. 1918), 2.

F-B M (19. Okt. 1918), 2. Burián 1923, 302. Spitzmüller 1955, 268.

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mehr der Gedanke, wo er für seinen Staat oder für sein Volk einen sicheren Hafen würde finden können.2878

Der ehemalige Außenminister Czernin erklärte am 24. Oktober 1918 im Herrenhaus: Das Manifest, welches (…) eines der unglücklichsten Werke in dieser ganzen Zeit war, hat den Völkern, denen die freie Selbstbestimmung (…) bereits eingeräumt war, die Autonomie zugesagt. Es war doch ganz klar, daß die Völker (…) eine s­ olche Autonomie als ganz ungenügend zurückweisen (…).2879

8.5

Wilsons Bedingungen; Andrássy und Lammasch

Hohenlohe übergab am 18. Oktober im Berliner Auswärtigen Amt folgende besorgte Notiz, die Staatssekretär Solf an den nun als Vertreter des Amtes bei der OHL fungierenden Hintze weiterleitete: Graf Burián möchte anläßlich der an Deutschland gerichteten Note des Präsidenten Wilson nochmals die Folgen einer etwaigen Ablehnung zur Erwägung stellen: – 1. Die Möglichkeit des Eingreifens Bulgariens und Rumäniens; – 2. Ausspringen der Türkei; – 3. Eingreifen der Ententeflotte im Schwarzen Meer; – 4. Einbrechen der Orientarmee der Entente in Bosnien und (…) Kroatien; – 5. (…) Offensive der Entente im Südwesten bei gleichzeitiger Aufrollung der Westfront. – (…) durch diese Umstände könnte es, wenn Deutschland es (…) auf einen weiteren Kampf ankommen ließe, (…) zu einer Katastrophe führen.2880

2878 Andrássy 1920, 278 – 280. 2879 Czernin, Rede 24. Okt. 1918, Sten. Prot. HH XII . Leg.-Per., XXII . Sess. p 1260. – Rumpler meinte zum Manifest, dass es „in erster Linie als Friedensschritt der Monarchie verstanden werden muß. (…) Aus dieser Intention erklärt sich letztlich die Tatsache, daß ­Kaiser und Regierung trotz der schweren Mängel des Verfassungsprojektes (…) an der raschestmöglichen Verkündigung des sachlich so unvollkommenen Dokumentes festhielten. Aus dieser Perspektive gesehen muß das Manifest (…) als Verzweiflungstat eines um die Zukunft seines Reiches besorgten Monarchen bewertet werden. In einer Atmosphäre der Unsicher­heit und Angst hat sich eine Unzahl von in sich widersprüchlichen Anregungen und Motiven in den Plänen der kaiserlichen ‚Privatpolitik‘ zu einem unentwirrbaren, in sich unlogischen und daher realpolitisch unsinnigen Projekt konkretisiert.“ Rumpler 1966, 62 – 63. Mayr-Harting aber bemerkte: „Das Manifest entsprang einem Denken, demzufolge es möglich erschien, Maßnahmen, deren Unterlassung zu einer Katastrophe geführt hatte, noch nach Eintritt einer solchen erfolgreich nachzuholen.“ Mayr-Harting 1988, 882. 2880 Solf an Hintze, Tel. 18. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 159 Dok. 60.

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Buriáns Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet, denn in der am 20. Oktober abgesandten Antwort an Wilson hieß es: Die Deutsche Regierung ist bei der Annahme des Vorschlages zur Räumung der besetzten Gebiete davon ausgegangen, daß das Verfahren bei dieser Räumung und die Bedingungen des Waffenstillstandes der Beurteilung militärischer Ratgeber zu überlassen sei und daß das gegenwärtige Kräfteverhältnis an den Fronten den Abmachungen zugrunde zu legen ist (…). Sie vertraut darauf, daß der Präsident (…) keine Forderungen gutheißen wird, die mit der Ehre des deutschen Volkes und (…) eines Friedens der Gerechtigkeit unvereinbar sein würden. – Die Deutsche Regierung legt Verwahrung ein gegen den Vorwurf ungesetzlicher und unmenschlicher Handlungen, der gegen die deutschen Land- und Seestreitkräfte (…) erhoben wird. – (…) Die Deutsche Regierung bestreitet auch, daß die deutsche Marine (…) Rettungsboote nebst ihren Insassen absichtlich vernichtet habe. – (…) Um alles zu verhüten, was das Friedenswerk erschweren könnte, sind (…) Befehle ergangen, die eine Torpedierung von Passagier­schiffen ausschließen (…). – Als grundlegende Bedingung für den Frieden bezeichnet der Präsident die Beseitigung jeder auf Willkür beruhenden Macht (…). Darauf antwortet die (…) Regierung: Im Deutschen Reich stand der Volksvertretung ein Einfluß auf die Bildung der Regierung bisher nicht zu. (…) Die neue Regierung ist in völliger Uebereinstimmung mit (…) der aus dem gleichen, allgemeinen, geheimen und direkten Wahlrecht hervorgegangenen Volksvertretung gebildet. (…) Die Verantwortung des Reichskanzlers gegenüber der Volksvertretung wird gesetzlich ausgebaut (…). – Die Frage des Präsidenten, mit wem er und die (…) verbündeten Regierungen es zu tun haben, wird (…) dahin beantwortet, daß das Friedens- und Waffenstillstandsangebot ausgeht von einer Regierung, die, frei von jedem willkürlichen und unverantwortlichen Einfluß, getragen wird von der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes.2881

In Konstantinopel war Botschafter Johann Markgraf von Pallavicini am 18. Oktober mitgeteilt worden, dass das Osmanische Reich die Entente um Waffenstillstand und Frieden ersucht hatte. Am 21. Oktober übermittelte die Wiener schwedische Gesandtschaft dem Ministerium des Äußern die Antwort Wilsons auf die österreichisch-ungarische Note vom 4. Oktober. Sie lautete in der Übersetzung der Agentur Reuter: Der Präsident hält es für seine Pflicht, der österreichisch-ungarischen Regierung mitzuteilen, daß er sich mit dem vorliegenden Vorschlag dieser Regierung nicht befassen kann, weil seit 2881 Dt. Reg. an Wilson (Solf an Lansing) 20. Okt. 1918, F-B M (22. Okt. 1918), 5, Ludendorff 1920, 574 – 575 Dok. XXII B/19, Amtl. Urk. 1924, 167 – 168 Dok. 64, Waffenstillstand 1. 1928, 14 – 15, Übers. ins Engl.: PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 380 – 381.

Wilsons Bedingungen; Andrássy und Lammasch

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seiner Botschaft vom 8. Jänner (…) Ereignisse größter Bedeutung eingetreten sind, die notwendiger Weise die Kompetenz und die Verantwortlichkeit der Regierung der Vereinigten Staaten geändert haben. Unter den 14 Bedingungen, die der Präsident damals formulierte, kam die folgende vor: ‚Den Völkern Oesterreich-Ungarns (…) soll die freieste Möglichkeit zu autonomer Entwicklung gewährt werden.’ Seit dieser Satz (…) ausgesprochen wurde, hat die Regierung der Vereinigten Staaten anerkannt, daß der Kriegszustand ­zwischen den TschechoSlowaken und dem deutschen sowie dem österreichisch-ungarischen Reiche besteht und daß der tschecho-slowakische Nationalrat eine de facto kriegführende Regierung ist (…). Sie hat auch in der weitgehendsten Weise die Gerechtigkeit der nationalen Freiheitsbestrebungen der Jugoslawen anerkannt. Der Präsident ist daher nicht mehr in der Lage, die bloße ‚Autonomie‘ dieser Völker als eine Grundlage für den Frieden anzuerkennen, sondern er ist gezwungen, darauf zu bestehen, daß sie und nicht er Richter darüber sein sollen, w ­ elche Aktion (…) der österreichisch-ungarischen Regierung die (…) Auffassung der Völker von ihren Rechten (…) befriedigen wird.2882

Auf die in der österreichisch-ungarischen Note erklärte Bereitschaft, einen „sofortigen Waffenstillstand (…) abzuschließen und im unmittelbaren Anschlusse hieran in Verhandlungen über einen Friedensschluß einzutreten“, ging Wilson gar nicht ein. Vergeblich um eine günstige Aufnahme der Note war der Vatikan bemüht gewesen. Kardinal James Gibbons hatte am 12. Oktober an den Präsidenten geschrieben: (…) I have just received a message from (…) the Pope (…) to commend to your benevolent consideration the request of the Austrian Government that an armistice be granted with a treaty for peace (…). The Holy Father asks me to inform you that in this step he is actuated solely by his most ardent desire to see ended (…) this disastrous war (…).2883

Wilson hatte am 18. Oktober entsprechend der am nächsten Tag ergangenen Antwort erwidert: „I have every inclination (…) to respond to the suggestion of His Holiness the Pope. (…) But the whole matter of dealing with Austria-Hungary concerning peace is complicated by the change of circumstances (…).“ 2884 Am 21. Oktober wurden die Grundlagen für den Staat der deutschen Bewohner der österreichischen Reichshälfte gelegt. Die Reichsratsabgeordneten der deutschen 2882 Wilson an ö.-u. Reg. (Lansing an Ekengren, No. 466) 19. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 368, Schwed. Gesandtschaft an Burián 21. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 183 – 183v, HHStA PA XL, 315 Interna fol. 1375, Druck: Kovács 2 2004, 398 – 399 Dok. 114; Entw. Wilsons: Link PWW 51. 1985, 383, Dt. Übers.: A-Z MI (21. Okt. 1918), 1; F-B A (21. Okt. 1918), 1. 2883 Gibbons an Wilson 12. Okt. 1918, Link WWP 51. 1985, 309. 2884 Wilson an Gibbons 18. Okt. 1918, ebd. p 374

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­ ahlbezirke konstituierten sich im Sitzungssaal des niederösterreichischen Landtages W einstimmig als „provisorische Nationalversammlung“ eines zu bildenden „selbständigen deutschösterreichischen Staates“. Ministerpräsident Hussarek dagegen nahm am 21. Oktober im Herrenhaus voller Zuversicht zur Note Wilsons Stellung: Gestern ist die Antwort Herrn Wilsons bekannt geworden und ich glaube (…), daß sie uns keineswegs Anlaß bietet, den (…) Gedankenaustausch als abgebrochen zu erachten. Wir werden vielmehr nach sorgfältiger Erwägung der in der Depesche enthaltenen Momente (…) an die Beantwortung der Note schreiten. Damit würden wir in eine Friedensdiskussion ­eintreten, von der wir aufrichtig hoffen, daß sie (…) die Welt (…) in nicht allzu ferner Zeit aus den unsäglichen Leiden des Krieges herausführen wird.2885

In Beantwortung einer Anfrage von zwölf tschechischen Angehörigen des Hauses, ob er bereit sei, „die Krone zu unterrichten, daß die Gangbarkeit des Weges, den die Regierung durch Erlassung des Manifestes (…) zu betreten versucht hat, von den unterzeichneten (…) als für zur Gänze ausgeschlossen betrachtet wird“, sagte Hussarek: Der Träger der Krone hat (…) seinen Entschluß angekündigt, dem in der Aussprache mit den feindlichen Mächten eingenommenen Standpunkt nunmehr auf dem Boden der inneren Neugestaltung restlos zum Durchbruch zu verhelfen. Die Grundlage dieser Neugestaltung sollen die von ihnen selbst (…) vertretenen, miteinander aber sorgfältig in Einklang gebrachten Interessen der österreichischen Völker bieten. (…) Wird das Gefüge des Staates verändert, so muß mit großer Klugheit und Umsicht vorgegangen werden, sollen nicht (…) vorteilhafte Verbindungen mutwillig zerstört werden (…).2886

Im Abgeordnetenhaus drückte sich Hussarek tags darauf ähnlich aus: „Manches an den Formen des alten Österreich hat sich überlebt. Unzerstörbar aber bleiben sein Wesen, seine geschichtliche Sendung, sein hohes Amt, den in ihm zusammengeschlossenen Völkern die Stätte segensvoller Entwicklung zu bilden.“ 2887 Offene Ohren fanden diese Worte bei der großen Mehrheit der Abgeordneten wohl kaum. Am 22. Oktober wurde die Note Wilsons im Gemeinsamen Ministerrat beraten. ­Kaiser Karl erklärte einleitend: „Was Österreich anbelange“, sei durch das Manifest „eine Grundlage geschaffen, die ein Fortspinnen der Konversation mit dem Präsidenten (…) ermögliche“. Er habe als König von Ungarn die Integrität und die Einheit des Königreiches zu wahren und sei „entschlossen, um dieser Prinzipien willen den Kampf bis zum ­Äußersten 2885 Hussarek, Rede 21. Okt. 1918, Sten. Prot. HH XII. Leg.-Per., XXII. Sess. pp 1173 – 1177. 2886 Ebd. 2887 Hussarek, Rede 22. Okt. 1918, Sten. Prot. AH XII. Leg.-Per. XXII. Sess. pp 4637 – 4640.

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fortzusetzen, bis zum endgültigen Zusammenbruch (…)“. Er müsse „indessen der ungarischen Regierung (…) zu bedenken geben, was (…) durch ein baldiges Einlenken noch erreicht und gerettet werden könne und ob eine Fortführung des Kampfes vor Gott und den Völkern verantwortet werden könne“. An Hussarek richtete er die Frage, „ob nicht der Augenblick gekommen sei, wo an die Bildung nationaler Regierungen gedacht werden sollte“. Burián meinte voll des Optimismus, die (…) Vorteile der Wilson’schen Antwort liegen vornehmlich in dem, was sie verschweigt; sie ist nicht ablehnend und ermöglicht ein Weiterspinnen des Friedensfadens. (…) Als ausgesprochen günstig für uns erscheint der Schlußsatz (…), nach dem der Präsident die Monarchie als existent anerkennt und uns zur Verständigung mit Tschechen und Südslawen den Weg direkter Aussprache und Verständigung weist.2888

Den schwierigsten Punkt bilde, wie auf Wilsons Haltung „in der tschecho-slowakischen und südslawischen Frage“ zu reagieren sei. Es werde (…) nicht zu umgehen sein, in der Antwortnote die Slowaken in einer Weise zu erwähnen, ­ elche (…) nicht allein den Bedürfnissen des ungarischen Staates Rechnung trägt. Was den w südslawischen Passus (…) anbelangt, so stehen wir vor der bedrückenden Frage: Was ist zu tun, um dem Weiterwuchern der großserbischen Propaganda Schranken zu setzen (…). Wie die Dinge heute liegen, kann nur mehr an eine Vereinigung aller Südslawen ‚im Rahmen der Monarchie (…)’ gedacht werden.2889

Wekerle betonte, die ungarische Regierung „habe erklärt, daß die Vereinigung der Südslawen von diesen (…) abhänge, allerdings dürfe sich diese Vereinigung nur unter der heiligen Stephanskrone vollziehen“. Hussarek meinte, die südslawische Frage werde „im Rahmen der Monarchie, (… durch) Vereinigung aller Südslawen exklusive Serbien und Montenegro in ein (…) Staatsgebilde gelöst“ werden. Zur „Bildung nationaler Regierungen“ glaube er, weil sich aus ihr „gefahrvolle Weiterungen entwickeln könnten, nicht einraten zu sollen“. Spitzmüller äußerte, Wilsons Note lege es (…) in unsere Hand, einen Ausgleich mit den Südslawen zu finden. (…) Das Aufgehen Sloweniens im südslawischen Länderkomplex (…) sei heute ein sauerer Apfel, in den man b ­ eißen müsse. Eine halbwegs ersprießliche Lösung des südslawischen Problems werde Ungarn bedeutende Opfer auferlegen, aber auch Österreich bringe große Opfer.

2888 Min.-R. für Gem. Ang. 22. Okt. 1918. Komjáthy 1966, 696 – 703 Dok. 41. 2889 Ebd.

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Eine Lösung der südslawischen Frage im Rahmen der Stephanskrone sei unmöglich. Arz beteuerte: „Wir müssen Frieden schließen um jeden Preis und so rasch als möglich. Bei den zentrifugalen Tendenzen, w ­ elche die Signatur der politischen Situation bilden, (… sei) ein weiteres (…) Standhalten unserer Truppen zum mindesten fraglich geworden (…).“ 2890 Wekerle erklärte, er müsse dem Budapester Abgeordnetenhaus einen von König und Regierung gutgeheißenen Gesetzesentwurf zur Proklamierung der Personalunion vorlegen. Auf Buriáns Rat, die Sache „hinauszuziehen, um nicht die kommenden Friedensverhandlungen mehr als nötig zu komplizieren“, versicherte Wekerle, „für eine tunlichst dilatorische Behandlung“ eintreten zu wollen. ­Kaiser Karl resümierte: 1. Die Friedensaktion ist so rasch als möglich durchzuführen. – 2. Die Antwort an den Präsidenten (…) ist derart zu fassen, daß hierdurch die Defensivkraft der Armee nicht gefährdet werde. – 3. Die k. k. und kgl. ung. Regierung wird aufgefordert (…) Maßregeln, namentlich in der südslawischen Frage, zu ergreifen, ­welche eine Weiterentwicklung in zentrifugalem Sinne hintanzuhalten geeignet scheinen.2891

Burián schrieb rückblickend, die Antwort Wilsons habe wie eine Bombe gewirkt, (…) die den Rahmen der Monarchie mit einem Schlage sprengte, nachdem dieser Rahmen Jahre hindurch Gegenstand systematischer Angriffe seitens (…) unserer Feinde gewesen war. Wilson hatte an dieser Minierarbeit keinen aktiven Anteil gehabt. Im Gegenteil. Selbst nachdem die Ententemächte in ihrer Antwort vom 10. Januar 1917 auf seine Friedensnote vom 18. Dezember 1916, in welcher er ‚für die territoriale Integrität der in den Krieg verwickelten Nationen‘ eintritt, die Befreiung aller Nationalitäten Österreich-Ungarns von der ‚Fremdherrschaft‘, das ist (…) die Auflösung der Monarchie, als Kriegsziel aufgestellt hatten, sprach der Präsident in seiner Botschaft (…) vom 20. Januar 1917 vom ‚Frieden ohne Sieg‘, also vom Verständigungsfrieden (…). – Und nun überraschte uns Wilson (…) mit einer formellen Absage desjenigen seiner 14 Punkte, der gerade uns anging, und unter dessen Garantie allein wir Anlaß haben konnten, unser Waffenstillstandsansuchen an ihn zu richten.2892

In Budapest kam es am 23. Oktober im Abgeordnetenhaus zu stürmischen Szenen. Minister­präsident Wekerle erklärte darauf, er werde „mit der Erklärung vor Se. Majestät“ hintreten, daß er sich „unter den gegebenen Verhältnissen zur Weiterführung der Geschäfte nicht für geeignet halte“.2893 2890 Ebd. 2891 Ebd. 2892 Burián 1923, 302. 2893 PL M (24. Okt. 1918), 1 – 4, F-B A (24. Okt. 1918) 1.

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Am 24. Oktober trat auch Außenminister Burián zurück, zu seinem Nachfolger ernannte der ­Kaiser Graf Andrássy.2894 Zuvor hatte Burián noch gehofft, die vom ­Kaiser genehmigte Fahrt einiger tschechischer Abgeordneter zu einem Treffen mit Vertretern des tschechoslowakischen Nationalrates in der Schweiz dazu benützen zu können, die Abordnung durch einem Auseinanderbrechen der Monarchie kritisch gegenüberstehende Ententeangehörige zu beeinflussen. So telegrafierte Flotow am 24. Oktober nach Bern: Ich ersuche (…) wenn irgend möglich die Ihnen zugänglichen Faktoren der Entente (…) zu veranlassen, auf die (…) Abordnung kalmierend einzuwirken und (…) etwa zu verstehen zu geben, daß eine separatistische Politik den Interessen der Westmächte zuwiderläuft.2895

Der US-Amerikanische Gesandte Stovall telegrafierte in Bezug auf die Abgeordneten an Lansing: In view of America’s clear recognition of Bohemian right of self-determination only two questions present themselves that these deputies might inquire about: – (1) (Will) America support the Czechs in view of all claims to historic Bohemia, which now includes several million Germans or only (…) indisputably Czech portions of the country? (2) What is America’s attitude toward the formation of a Danube confederation of independent states, including Bohemia, German Austria, Hungary, Yugo-Slavia, Roumania.2896

Am 26. Oktober demissionierte der österreichische Ministerpräsident Hussarek, der von ­Kaiser Karl schon zuvor mit der Nachfolge betraute Lammasch trat sein Amt am nächsten Tag an. Er hatte dem ­Kaiser am 23. Oktober folgendes Programm vorgelegt: 1. Die Nationalstaaten werden anerkannt und durch Einsetzung von Nationalregierungen konstituiert. – 2. Jeder dieser Staaten wird auf der Friedenskonferenz selbständig vertreten sein. – 3. Der Friedenskonferenz wird vorbehalten: – a) Die Entscheidung der einander widersprechenden territorialen Ansprüche (…), – b) Die Entscheidung (…), ob und in welcher Form sich diese Staaten zu einem Bund vereinigen. – 4. Die Nationalregierungen bilden ein Exekutivkomitee, dessen Aufgabe ist: Die ruhige Überführung der Zentralverwaltung in die 2894 Burián schrieb in seinen Erinnerungen, seine Stellung sei erschüttert gewesen „von dem Augenblick an, als Dr. Wekerle in Übereinstimmung mit allen Parteien, die Entwicklung (…) in Österreich als beginnende Zerbröckelung ­dieses Staates einschätzend, die Personalunion für Ungarn verlangte (…). Ich hielt pflichtgemäß auf meinem Posten, an dem mich nur mehr die Erwartung der Antwort Wilsons auf unser Waffenstillstandsansuchen festgehalten hatte, aus, solange ­Kaiser Karl es noch wünschte (…). Die Situation, die ich in Budapest (…) vorfand, erwies klar die Unhaltbarkeit meiner Stellung.“ Burián 1923, 309. 2895 Flotow an de Vaux, Tel. 593, 24. Okt. 1918, HHStA PA I, 1057 Krieg 72 o. Fz. 2896 Stovall an Lansing Tel. 5376, 24. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 857.

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(…) der ­Nationalstaaten. (…) Herbeiführung des sofortigen Waffenstillstandes. – 5. Durch ein solches Programm wird eine Atmosphäre (…) geschaffen, in welcher (…) die einzige Möglichkeit gelegen ist, daß die (…) Nationalitäten sich ihrer geschichtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge bewußt werden und (…) ­dieses Bewußtsein zur Grundlage eines neuen Österreich wird.2897

Lammaschs Verhandlungen mit tschechischen und südslawischen Politikern zur Konsti­ tuierung eines derartigen Exekutivkomitees waren jedoch von keinem Erfolg gekrönt. Den Führern der Parteien des Abgeordnetenhauses nannte Lammasch am 25. Oktober als seine Hauptaufgabe, „einem raschen Frieden den Weg zu ebnen, die Verwaltung aufrecht zu erhalten und sie (…) möglichst rasch den neugebildeten, beziehungsweise neu zu bildenden Nationalregierungen zu übergeben“.2898 ­Kaiser Karl schrieb s­ päter zu Lammaschs Ernennung: „Ich nahm (…) Lammasch zum Ministerpräsidenten, weil er der einzige Mann war, bei dem die Möglichkeit bestand, daß die Nationalitäten trotz ihrer Absage mit ihm sprechen würden. Aber all dies war schon zu spät (…).“ 2899 Lansing übergab am 23. Oktober dem schweizerischen Geschäftsträger in Washington die Antwort Wilsons auf die deutsche Note vom 20. Oktober. Darin hieß es: Nachdem der Präsident (…) die feierliche und deutliche Erklärung der deutschen Regierung erhalten hat, daß sie rückhaltlos die Vorbedingungen für den Frieden, ­welche er in seiner Botschaft vom 8. Januar 1918 (…) niedergelegt hat, sowie die Grundsätze (…) ­welche in seinen folgenden Botschaften (…) verkündet wurden, annimmt und (…) wünscht, über die einzuleitenden Schritte (…) Besprechungen zu eröffnen, und daß dieser Wunsch (…) nicht seitens derjenigen ausgesprochen wurde, die bisher Deutschlands Politik diktierten (…), sondern seitens eines Ministeriums, das für die Mehrheit des Reichstages und für eine überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes spricht, und (…) das weitere Versprechen (…) erhalten hat, daß die Gesetze der Menschheit und der zivilisierten Welt (…) durch die deutschen Streitkräfte (…) beachtet werden, empfindet der Präsident, daß er sich nicht mehr weigern könne, den Regierungen, mit denen die Vereinigten Staaten verbündet sind, mit der Frage eines Waffen­ stillstandes näher zu treten. – Er hält es aber für seine Pflicht, neuerdings zu erklären, daß der einzige Waffenstillstand (…) ein solcher wäre, (…) eine Wiederaufnahme der Feindseligkeiten seitens Deutschlands unmöglich zu machen. – Der Präsident hat infolgedessen seine Korrespondenz mit den gegenwärtigen deutschen Behörden den Regierungen, mit denen die

2897 Neck 1968, 68. 2898 F-B M (26. Okt. 1918), 2. Am 31. Okt. 1918 berichtete Karl Seitz dem d. ö. Staatsrat, Lammasch habe ihm „offiziell mitgeteilt (…), dass er vom K ­ aiser ermächtigt ist, der neugebildeten d. ö. Regierung die Geschäfte zu übergeben“. Dö. Staatsrat 13. Sitzg. 31. Okt. 1918, Enderle-Burcel Haas Mähner 1 2008, 106. 2899 Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 646 Dok. 213.

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Regierung der Vereinigten Staaten assoziiert ist, mit dem Vorschlag übermittelt (…) Bedingungen für einen Waffenstillstand zu unterbreiten (…). Die Annahme dieser Waffenstillstandsbedingungen durch Deutschland wird den (…) Beweis dafür bringen, daß es die (…) Grundsätze des Friedens annimmt, aus denen die ganze Aktion ersprießt. – (…) So bedeutungsvoll (…) die Verfassungsänderungen zu sein scheinen, von denen der deutsche Staatssekretär des Aeußern in seiner Note (…) spricht, so geht daraus doch nicht hervor, daß die Grundsätze einer dem (…) Volke verantwortlichen Regierung (…) vollständig angenommen sind, oder (…) die Systemänderung und die (…) Maßregeln, über die (…) Einigkeit erzielt worden ist, dauernd sein werden. (…) – In dem Gefühl, daß der (…) Weltfrieden jetzt davon abhängt, daß klar gesprochen (…) werde, betrachtet es der Präsident als seine Pflicht (…) auszusprechen, daß (…) die Regierung der Vereinigten Staaten mit keinen andern als mit den Vertretern des deutschen Volkes verhandeln kann (…).2900

Über die Aufnahme, die Wilsons Botschaft in Berlin fand, depeschierte Hohenlohe am 25. Oktober: Man schwankt, ob man vorerst gar nicht antworten und die Bekanntgabe der Waffenstillstandsbedingungen durch die Entente abwarten oder aber ob man Wilson eine Antwortnote ­schicken soll, dahingehend, er möge seinen Standpunkt endlich präzisieren, damit Deutschland wisse, woran es sei, nachdem vielleicht eine autokratische Regierung, niemals aber eine ­solche, hinter der das ganze Volk stehe, einen Frieden bedingungsloser Uebergabe schliessen könne. (…) – Andererseits steht die hiesige öffentliche Meinung ganz unter dem Eindruck, Wilson fordere die Abdankung des Kaisers und sei diese einmal erfolgt, so werde der Frieden rasch und unter günstigen Bedingungen zu schliessen sein.2901

Nicht wenige der entscheidenden Faktoren in Berlin waren aufgrund des Inhalts der Note Wilsons dafür, den Kontakt mit dem Präsidenten abzubrechen. Oberst von H ­ aeften hielt in seinen Erinnerungen fest, ihm ­seien die wesentlichen Punkte der Note am 24. Oktober durch Gustav Noske bekannt geworden, der dazu geäußert habe, sie sei „für Deutschland gar nicht so schlecht, nur müsse der ­Kaiser sofort abdanken. Wenn der ­Kaiser ginge, würden wir einen ganz erträglichen Frieden bekommen.“ Er sei daraufhin „zu dem an einer Grippe darniederliegenden Reichskanzler“ geeilt, um ihn „sowohl von dem Inhalt der Note als auch von der Äußerung Noskes zu unterrichten“. Er habe ihm vorgestellt, ­Kaiser Wilhelm 2900 Wilson an dt. Reg. (Lansing an Oederlin) 23. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 381 – 383, Entw.: Link PWW 51. 1985, 417 – 4 19, ins Dt. übers.: Ludendorff 1920, 576 – 577 Dok. XXII B/21, Amtl. Urk. 1924, 189 – 190 Dok. 76, Waffenstillstand 1. 1928, 16 – 17. 2901 Hohenlohe an Burián, Tel. 726, 25. Okt. 1918, HHStA PA I, 965 Krieg 32 fol. 30 – 30v.

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(…) sei jetzt vor eine Entscheidung von ungeheurer Tragweite gestellt: (…) Thronentsagung oder Kampf um seinen Thron. (…) Falls er sich (…) zum Kampfe um seinen Thron entschließen sollte, müsse zugleich mit der Wilsonnote auch der Entschluß zum Abbruch der Verhandlungen (…) bekanntgegeben werden.2902

Er, Haeften, habe Prinz Max beschworen, „sich für die letztere Lösung einzusetzen“, was der Prinz zugesagt habe. Daraufhin habe er Ludendorff in Spa angerufen, ihn über den Inhalt der Note unterrichtet und gebeten, „noch heute mit dem Generalfeldmarschall nach Berlin zu reisen, um die neue Lage mit dem Prinzen persönlich zu beraten“. Ludendorff habe sofort zugesagt und „die Forderungen Wilsons, vor Friedensverhandlungen erst den ­Kaiser fortzujagen und die Armee kampfunfähig zu machen, als eine ‚unerträgliche Demütigung‘“ bezeichnet. Es gebe „nur eine Lösung: Abbruch der Verhandlungen mit Wilson und Kampf bis zum Äußersten“.2903 In Haeftens Erinnerungen heißt es weiters, er habe Hindenburg und Ludendorff nach ihrem Eintreffen in Berlin am 25. Oktober auf „die Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung im Sinne des Abbruchs der Verhandlungen“ hingewiesen: Falls bei der für den Abend in Aussicht genommenen Besprechung mit dem Vizekanzler v. Payer (…) eine Entscheidung in ­diesem Sinne nicht erfolge, sei es notwendig, daß der General­ feldmarschall und General Ludendorff um ihre Entlassung bäten, um hierdurch den K ­ aiser zu einer schnellen und bestimmten Stellungnahme (…) zu veranlassen.2904

Er sei dabei von der Annahme ausgegangen, (…) daß der Oberste Kriegsherr bei der Wahl ­zwischen (…) Prinz Max, der trotz Wilsons Forderung der Abdankung (…) weiterverhandeln wollte, und den Männern der Obersten Heeresleitung, die bereit waren, für ihn (…) bis zum äußersten zu kämpfen, sich für die Auffassung der letzteren entscheiden werde.2905

Als Hindenburg und Ludendorff unmittelbar darauf ­Kaiser Wilhelm über die militärische Lage unterrichteten, hätten sie dafür plädiert, „die Verhandlungen mit Wilson abzubrechen“. Der K ­ aiser sei aber einer Entscheidung ausgewichen und habe sie an Prinz Max gewiesen. An dessen Stelle habe sie Payer empfangen, den sie für ihre Sicht 2902 Matthias Morsey 1962, 325 – 326 Dok. 86. 2903 Haeften über die Entstehung des Befehls an das Feldheer vom 24. Okt. 1918, Matthias Morsey 1962, 325 – 326 Dok. 86. 2904 Matthias Morsey 1962, 360 – 365 Dok. 95. 2905 Ebd.

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der Dinge nicht gewinnen konnten. Am Vormittag des nächsten Tages s­ eien sie zum ­ aiser gerufen worden, der erklärte, er habe „das Vertrauen zum Generalstab verloK ren“ und sei entschlossen, „in Zukunft mit der Sozialdemokratie zusammenzuarbeiten“. Die daraufhin erfolgte Bitte Ludendorffs um seine Entlassung habe der ­Kaiser mit den Worten genehmigt: „Na, wenn Sie durchaus gehen wollen, dann meinetwegen.“ Als Hindenburg gleichfalls um seine Entlassung gebeten habe, sei er beschieden worden: „Sie bleiben.“ 2906 Unmittelbarer Anlass für die Entscheidung ­Kaiser Wilhelms war ein Schreiben des Reichskanzlers gewesen, in dem es hieß: Soweit ich unterrichtet bin, ist in der Frage der Stellung der Obersten Heeresleitung zur gegenwärtigen Reichsregierung (…) noch keine Klarheit geschaffen worden. Einer solchen bedarf es aber, wenn ich die Geschäfte (…) weiter führen soll. Ich habe d ­ ieses Amt übernommen, um (…) den Frieden (…) in einer erträglichen Form zu erwirken und um Euer Majestät die Krone zu erhalten (…). Nach der letzten Note Wilsons ist beides nur möglich, wenn das Reich eine einheitliche parlamentarische Leitung erhält und wenn ein Personenwechsel in der Obersten Heeresleitung das Ende der Doppelregierung verbürgt. Noch heute hat die Oberste Heeresleitung durch ein Telegramm an das Kriegspresseamt 2907 in die Entscheidung der Lebensfrage der deutschen Nation (…) einzugreifen gesucht, ob die Note abzulehnen und das Volk zum Endkampf aufzurufen ist. Diese Frage habe ich mit den Mitgliedern der Regierung zu erwägen auf Grund sachverständiger Gutachten aller zuständigen Stellen (…). Aber militärisch genügt das Gutachten des Generalfeldmarschalls und des ersten Generalquartiermeisters nicht mehr; wir brauchen das ruhige Urteil anderer Heerführer (…). Dem widersetzen sich beide Herren. (…) Bleiben sie, so beweist eine kräftige Antwort den Feinden, daß die Regierung den militärischen Gewalten wieder erlegen ist. Damit ist jede Aussicht auf einen Verständigungsfrieden gescheitert und (…) Reich, Heer und Thron, ja die Dynastie auf das äußerste gefährdet. (…). – Euer Majestät bitte ich daher (…) mich in Gnaden aus meinem Amt zu entlassen, falls ein Wechsel in der Obersten Heeresleitung nicht möglich ist.2908

In der Nachfolge Ludendorffs bestellte der ­Kaiser einige Tage darauf Generalleutnant Wilhelm Groener zum E ­ rsten Generalquartiermeister.

2906 Ebd. 2907 Das am 25. Okt. vom Chef des Kriegspresseamts in dessen Pressekonferenz verlesene Tel. bezeichnete Wilsons Bedingungen als „für das Militär unannehmbar“, es bleibe „nichts übrig als Kampf bis zum Äußersten“. Aufz. Schmidthals 25. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 201 Dok. 80. 2908 Prinz Max an Ks. Wilhelm, eigenh. Schr. 25. Okt. 1918, Matthias Morsey 1962, 359 – 360 Dok. 94.

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Unterstaatssekretär von dem Bussche übermittelte Hintze am 27. Oktober ein Telegramm Botschafter Wedels, mit dem dieser berichtete: Wie mir Graf Andrassy sagte, sei seine Aufgabe die Liquidierung des Krieges. (…) Die Monar­ chie sei fertig, gehe der Revolution in Ungarn, Kroatien, Böhmen und auch in Wien rettungslos entgegen, wenn es ihr nicht gelinge, rasch Frieden zu schließen. ­Kaiser Karl werde Seiner Majestät entsprechend telegraphieren. (…) Auf meine Frage, ob er Sicherheiten aus der Schweiz mitgebracht habe, antwortete der Minister, zwar habe er Garantien nicht erhalten, es sei ihm aber gesagt worden, vielleicht könne die Monarchie erträgliche Bedingungen erhalten, wenn sie sich von Deutschland trenne.2909

Andrássy war, wie erwähnt, offenbar auf einen Bericht des Geschäftsträgers der Gesandtschaft in Bern Léon de Vaux hin, am 11. Oktober 1918 in die Schweiz gereist. De Vaux hatte kurz zuvor depeschiert: Herr Vályi, Herausgeber der ,Revue (politique) internationale’, sagte mir heute, es sei ihm von verschiedenen (Seiten), darunter von gewichtiger nicht journalistischer englischer Seite, nahegelegt worden sich dafür zu verwenden, daß Graf Andrássy in der allernächsten Zeit in die Schweiz komme und den ganzen Oktober hier verbringe. (…) Vor allem wünsche man englischerseits mit Graf Andrássy das polnische Problem (…) und in dessen Gefolge auch andere Fragen zu erörtern.2910

Andrássy selbst schrieb 1920, er sei nach Bern entsandt worden, nachdem ­Kaiser Karl die Nachricht erhalten hatte, „es wäre mir möglich, in der Schweiz über die Friedensbedingungen mit Ententediplomaten vertrauliche Besprechungen zu pflegen“. Zu dieser alsbald als aussichtslos abgebrochenen Mission erklärte er, die dem ­Kaiser zugekommene Nachricht sei „älteren Datums“ gewesen, es hätten inzwischen die „öffentlichen Verhandlungen mit Wilson (…) begonnen, so daß vertrauliche Besprechungen (…) unzeitgemäß gewesen wären. Die Ententediplomaten wären nun bloß (…) geneigt gewesen, mit mir zu reden, wenn ich zu den Verhandlungen und zur Schließung eines Abkommens amtlich ermächtigt gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall.“ 2911

2909 Bussche an Hintze, Tel. 27. Okt. 1918 (Wedel an A. A. 26. (?) Okt.), Amtl. Urk. 1924, 200 Dok. 79a. 2910 de Vaux an M. d. Ä., Tel. 654, 3. Okt. 1918, HHStA PA XXVII, 63 fol. 264. 2911 Andrássy 1920, 277. – Broucek glaubte, ohne eine Quelle anzugeben, schreiben zu können: „Jedenfalls scheint festzustehen, daß er dort, so äußerte sich jedenfalls K ­ aiser Wilhelm, mit einem Abgesandten des

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Die Initiative zur Reise Andrássys ging jedoch offenbar von ihm selbst aus, worauf zwei Tagebucheintragungen Berchtolds hindeuten. In der vom 11. Oktober 1918 heißt es nämlich: Ich sagte (…), dass ich vorläufig v. d. Andrássyschen Angelegenheit weder Burián noch S. M. Meldung erstatten & dieselbe als das was sie tatsächlich ist, nämlich als Privatsache betrachten & behandeln werde (…). – ½ 1 h zu Hunyady (…) Sondierte bei ihm, ob es notwendig, dass ich S. M. über meine Conversation mit Andrássy referiere. Hunyady zeigte mir eine auf seinem Schreibtisch liegende Notiz wonach der ­Kaiser bereits von der Reise Andrássys in die Schweiz Kenntnis habe, was mich beruhigte.2912

Und am 21. Oktober notierte Berchtold: „Nachmittag Promenade mit Duczi Andrássy, der von der Schweiz zurückgekehrt. Findet, dass er zu spät gekommen. War heute beim ­Kaiser & erhielt Vollmacht, die ihm bei seiner letzten Reise mangelte. Will noch einmal hinaus.“ 2913 Der Gesandte Stovall hatte in der Sache am 18. Oktober an Lansing berichtet: Andrássy has spent last few days in Switzerland and has endeavored through medium of Poles to obtain an audience with French Ambassador and British Minister. French Ambassador refused to receive him and British Minister did likewise (…). Andrássy saw only an unofficial agent of French Embassy to whom, as far as I know, he revealed nothing of urgent interest. He stated that he came on mission for Emperor Charles and (…) was ready to present Austro-Hungarian views and not strictly his Government’s.2914

Stovall berichtete Lansing weiters, wobei er sich auf einen Kontaktmann und einen ihm vorgelegten Brief Skrzyńskis berief: The Emperor has been prevented from making a separate peace heretofore from feeling of loyalty to Germany, his word of honor being pledged. He now feels (…) that Germany, although accepting President’s conditions, is endeavoring to evade the consequences thereof as far as Alsace-Lorraine and Posen are concerned, and thus Charles feels that he is released from further military obligation (…). Emperor desires to send someone (…) consistently opposed to Prussian policy (…), so has chosen Adam Tarnowski.

Königs von Italien verhandelt und namens des Kaisers das Trentino angeboten hat (…). Jedenfalls kehrte Andrássy zurück, ohne daß diese Verhandlungen abgeschlossen worden waren.“ Broucek 1997, 211. 2912 Berchtold TB-Eintr. 11., 21. Okt. 1918, HHStA NL Berchtold 5, 4. 6. 1918–Ende 1920 fol. 628, 633. 2913 Ebd. 2914 Stovall an Lansing, Tel. 5277, 18. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 369 – 370.

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Dazu meinte Stovall: I cannot escape the conviction that Andrássy’s and Tarnowski’s trips here are directly related and that former’s failure is reason for endeavor of latter (…). Austria is going rapidly to pieces and this may be last desperate effort to save prestige of Monarchy and prevent disintegration. I have strong impression that Austrians and Hungarians must be brought to realize that prompt unconditional and immediate capitulation is their only possible step.2915

Der letztlich nicht mehr ausgeführte Plan, den letzten österreichisch-ungarischen Botschafter in Washington, Tarnowski, in die Schweiz zu entsenden, war eine Idee Buriáns. Er telegrafierte am 16. Oktober an Musulin: Es schiene mir unter Umständen der Friedenssache förderlich, wenn mit den Vereinigten Staaten ein directer persönlicher Contact hergestellt werden könnte zum Zwecke der Aufklärung der dortigen öffentlichen Meinung über die tatsächlich hier bei uns herrschenden Verhältnisse. – Angesichts der freundschaftlichen Beziehungen, w ­ elche Graf Adam Tarnowski (…) mit den dortigen Staatsmännern unterhalten hat, schwebt mir der Gedanke vor, den Genannten (…) nach der Schweiz zu entsenden.2916

Bereits am 17.  Oktober ließ, von Musulin ins Bild gesetzt, Skrzyńskians M. d. Ä. telegrafieren: Da heute nur ­solche Kontakte Erfolg versprechend sein können, die unsere volle Unabhängigkeit von Berlin beweisen (…), wäre die Wahl des Grafen Tarnowski sehr glücklich. (…) ­Tarnowski müßte mit mehr oder weniger ausgedehnten (…) Vollmachten, um mit der Regierung der Vereinigten Staaten zu verhandeln, versehen werden (…). Es würde z. B. schon genügen, wenn er offiziell erklären dürfte, daß wir einen von Deutschland unabhängigen Weg einzuschlagen entschlossen sind.2917

Und am 19. Oktober ließ Skrzyński telegrafieren: Da (…) übermorgen der amerikanische Botschafter in London auf einige Zeit nach Bern kommt, habe ich streng privatim bei der amerikanischen Gesandtschaft das Terrain sondieren lassen, um eine Begegnung z­ wischen Mr. Davis und Grafen Tarnowski zu ermöglichen. – Meiner Mittelsperson sagte ich bloß, ich würde wünschen, daß ein Pole im Friedenswerke eine 2915 Ebd. 2916 Burián an Musulin, Tel. 566, 16. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 210 – 211. 2917 Weinzetl (Skrzyński) an M. d. Ä., Tel. 709, 17. Okt. 1918, ebd. fol. 205 – 205v.

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Rolle spiele und daß ich die Möglichkeit zu haben glaube, Tarnowskis Reise in die Schweiz zu erwirken. – In der amerikanischen Gesandtschaft (…) versprachen sie, Washington über diese (…) Anregung zu informieren und eventuelle Antwort mitzuteilen. Ich stellte das Ganze als Wunsch eines Polen dar.2918

Buriáns Hoffnungen wurden durch Wilsons Antwort auf die k. u. k. Note vom 4. Oktober einigermaßen gedämpft. So depeschierte er Minister am 21. Oktober an de Vaux: Im Hinblick auf (…) Antwort Wilsons (…) scheint mir Fühlungnahme mit einer amerikanischen Persönlichkeit weniger erfolgversprechend als vorher, dennoch würde ich das Zustande­ kommen der Begegnung mit Grafen Tarnowski (…) begrüßen. – Für dringend halte ich (…) eine Fühlungnahme mit den Westmächten, um die Stellungnahme letzterer zu den durch Wilsons Antwort aufgeworfenen Perspektiven kennen zu lernen.2919

Zu einer solchen „Fühlungnahme“ kam es jedoch ebensowenig wie zu einer Entsendung Tarnowskis. Skrzyńskis Bemühungen, die bestimmenden Wiener Faktoren für eine in seinen Augen der Monarchie förderliche Politik, nämlich die einer Distanzierung von Deutschland, zu gewinnen, wurden eingehend dargestellt.2920 Seine Berichte stützte Skrzyński auf nur wenige Quellen: auf ihm vom Repräsentanten des französischen Roten Kreuzes in der Schweiz Léon Patek zugetragene Äußerungen des E ­ rsten Sekretärs der französischen Botschaft in Bern sowie auf Eröffnungen des mit Ententevertretern in Verbindung stehenden Jan Perłowski, von Parodi und des Prinzen Tussun. Die Berichte gaben nicht zuletzt seine eigenen Obsessionen wieder, so etwa, wenn er Czernin am 13. Juli 1917 mitteilte: Der Teil der Staatsmänner der Entente, der eine Abkürzung des Krieges anstrebt, kehrt immer wieder zur Hoffnung von Separatfriedensverhandlungen mit uns zurück. (…) Es gibt aber auch in der Entente ganz entschiedene Gegner von Separatfriedensverhandlungen (…). ­Darunter alle, die (…) von der Verlängerung des Krieges eine radicale Republicanisierung Europas erwarten, in erster Linie der Freimaurerstab. (…) Die fernsten Wünsche zu denen die Freimaurer steuern, sind angeblich die zwei katholischen Monarchien Oesterreich-Ungarn und Spanien tödlich zu treffen und zur Bildung einer Republik Grossdeutschland beizutragen, um aus ihr einen Herd des Protestantismus zu machen. Ich frage mich, ob der Vatican es nicht merkt (…).2921 2918 2919 2920 2921

de Vaux (Skrzyński) an M. d. Ä., Tel. 721, 19. Okt. 1918, ebd. fol. 200 – 200v. Burián an de Vaux, Tel. 584, 21. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 180. Krizman 1970, 86 – 101. Musulin (Skrzyński) an Czernin, Ber. 112/P-G, 13. Juli 1917, HHStA PA XXVII, 58 fol. 257 – 260.

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Und am 14. Oktober 1918 berichtete Skrzyński: „Mein Gewährsmann (Patek), welcher in einem ständigen Verkehr mit dem Quai d’Orsay steht und mit französischem Botschafter befreundet ist, sagte mir angeblich von sich aus, aber mit Nachdruck (…): ‚N’oubliez pas que la franc-maçonnerie veut la dissolution de la Monarchie austro-hongroise (…).’“ Dazu schrieb er: Aus den ernstesten und aufrichtigsten Quellen höre ich, daß die Entente an einem Separatfrieden mit uns heute kein Interesse mehr zu haben glaubt, bloß eine Anzahl Entente-Staatsmänner erblicken in der Rettung der Monarchie ein Interesse für ihre Länder. Um diesen ihren Wunsch der Freimaurergruppe gegenüber vertreten zu wagen, müßten sie sich ehetunlichst auf eine ‚Sonderstellung der Monarchie‘ berufen können.2922

Das von Wedel angekündigte Telegramm ­Kaiser Karls an ­Kaiser Wilhelm ging noch am 26. Oktober zur Weiterleitung an Hohenlohe ab und lautete: Es ist Meine Pflicht, Dir, so schwer es mir auch fällt, zur Kenntnis zu bringen, daß Mein Volk weder im Stande noch willens ist, den Krieg weiter fortzusetzen. – Ich habe nicht das Recht, Mich d ­ iesem Willen zu widersetzen, da Ich nicht mehr die Hoffnung auf einen guten Ausgang hege (…). – Die Ordnung im Innern und das monarchische Prinzip sind in der ­ernstesten Gefahr, wenn wir dem Kampf nicht sofort ein Ende bereiten. – Selbst die innigsten bundesbrüderlichen und freundschaftlichsten Gefühle müssen vor der Erwägung zurückstehen, daß Ich den Bestand jener Staaten rette, deren Geschicke Mir die göttliche Vorsehung anvertraut hat. – Deshalb kündige Ich Dir an, daß Ich den unabänderlichen Entschluß gefaßt habe, innerhalb 24 Stunden um einen Separatfrieden und um einen sofortigen Waffenstillstand anzusuchen.2923

Hohenlohe überbrachte das Telegramm noch am 26. Oktober dem Reichskanzler. Dieser hielt in seinen Erinnerungen darüber fest: „Am Abend ließ sich (…) Hohenlohe bei mir melden. Er war ein gebrochener Mann. ‚Die Menschen werden vor mir ausspucken – ich kann mich in Berlin nicht mehr auf der Straße sehen lassen.’“ 2924 Der Botschafter selbst berichtete, wie das Telegramm von Staatssekretär Solf aufgenommen wurde:

2922 Musulin (Skrzyński) an M. d. Ä., Tel. 699, 14. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 218 – 219. 2923 Ks. Karl an Ks. Wilhelm (Andrássy an Hohenlohe, Tel. 718) 26. Okt. 1918, ebd. fol. 116 – 117v, Druck: Amtl. Urk. 1924, 205 Dok. 83, Kovács 2 2004, 403 – 404 Dok. 118. – Windischgraetz zufolge war das Telegramm von Andrássy konzipiert worden. Windischgraetz. 1920, 358. 2924 Max v. Baden. 1968, 478 – 479.

Österreichisch-ungarisches Sonderfriedensangebot

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Der Eindruck (…) war ein geradezu niederschmetternder. (…) Daß wir infolge unserer inneren Verhältnisse zum Friedensschluß gezwungen würden, wäre als verständlich erschienen, daß wir jedoch durch Betonung eines Separatfriedens (…) günstigere Bedingungen für uns zu erreichen trachten, hat hier tief verletzt. Abgesehen davon sagt man sich, daß wir die Deutsch-Oesterreicher mit Gewalt in die Arme Deutschlands treiben und darauf verzichten, anläßlich des Friedensschlusses gemeinsam die Durchsetzung günstigerer Bedingungen zu versuchen, als dies jedem einzelnen (…) möglich wäre. Daß die Entente uns (…) nur deshalb, weil wir zwei Wochen früher Frieden schließen, günstigere Bedingungen zugestehe, sei mehr als zweifelhaft.2925

Solf teilte das Telegramm ­Kaiser Karls am 27. Oktober dem deutschen Kriegskabinett mit. Dessen Protokoll zufolge berichtete er, Hohenlohe gebeten zu haben, „auf Beseitigung des Wortes ‚Separat‘ zu dringen“. Der Botschafter habe „sogleich nach Wien telephoniert, es sei aber (…) nicht gelungen, eine Änderung herbeizuführen“; mit Rücksicht auf diese Sachlage habe Solf es für richtig gehalten, die bereits ausgearbeitete Note an Wilson nicht abgehen zu lassen, sondern sie „dem Kriegskabinett zur erneuten Beschlußfassung vorzulegen“. Dieses sei sich darüber einig gewesen, dass die Note „sofort heraus“ müsse und habe es dem Auswärtigen Amt überlassen, „Form und Fassung der Note allein vorzunehmen“. Verhandelt wurde auch „über das Bittgesuch der Deutsch-Österreicher um Gewährung von Lebensmitteln“. Beschlossen wurde, „daß Wien und den Deutsch-­ Böhmen 10000 – 12000 Tonnen Getreide geliefert werden sollen“.2926 Hohenlohe empfand das kaiserliche Telegramm als Verrat am Bundesgenossen und ersuchte noch am selben Tag Andrássy um seine Entlassung.2927 Der Minister antwortete zwei Tage ­später, dass der ­Kaiser die Demission abgelehnt habe und er dies ausdrücklich begrüße: Ein Wechsel auf dem Berliner Botschafterposten (…) würde eine tiefgehende Beunruhigung unter den Deutschen Österreichs hervorrufen, ­welche geeignet wäre, das so schwierige Werk der Umgestaltung der Monarchie zu erschweren, wenn nicht unmöglich zu machen.2928

Hohenlohe fuhr daraufhin nach Wien und ließ sich von Andrássy dazu bewegen, nicht auf seiner Enthebung zu bestehen. Am 2. November traf er wieder in Berlin ein.2929 2925 Hohenlohe an Andrássy, Tel.-Dep. 18.487, 27. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 123 – 123v, idem: HHStA PA XL, Pol. Tel. 151 o. Fz. 2926 Sitzg. des Kriegskabinetts 27. Okt. 1918, Matthias Morsey 1962, 384 – 392 Dok. 99. 2927 Hohenlohe an Andrássy, Tel. 730, 26. Okt. 1918, HHStA PA XL, Pol. Tel. 151 o. Fz. 2928 Andrássy an Hohenlohe, Tel. 720, 28. Okt. 1918, HHStA PA XL, Hinausb. 153 fol. 278 – 278v. 2929 Vgl. HHStA AR F 4, 139 – 1 fol.40.

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Kaiser Wilhelm antwortete K ­ aiser Karl am 27. Oktober mit einem von Solf gegengezeichneten Telegramm: Die Ankündigung Deiner Absicht, unsern Gegnern einen Sonderfrieden anzubieten, hat Mich auf das schmerzlichste überrascht. Du würdest durch Ausführung d ­ ieses Gedankens dem Plan unserer Feinde freie Bahn öffnen, der darauf ausgeht, durch Trennung unserer Reiche unsere Länder leichter ihrem Willen zu unterwerfen und ihre antimonarchischen Ziele zu verwirklichen. (…). Die bisherige Zusammenarbeit (…) würde (…) auf das äußerste gefährdet (…). Schon die Bedingungen für den Waffenstillstand werden sehr viel schwerer werden, wenn unsere Gegner erfahren, daß unser Bund gesprengt ist. (…) Ich bitte Dich daher dringend, von jedem Schritt abzusehen, der den Eindruck erwecken muß, daß wir nicht mehr einig sind. (…) – Ich erwarte von Dir, daß Du Deine Regierung sofort veranlassen wirst, nur im vollen Einvernehmen mit der Meinigen die mit den Vereinigten Staaten eingeleiteten Verhandlungen fortzuführen.2930

Andrássy beantwortete am 27. Oktober Wilsons Note vom 19. Oktober. In der Antwort hieß es: (I)m Sinne des Entschlusses des Herrn Präsidenten, mit Oesterreich-Ungarn abgesondert über die Frage des Waffenstillstandes und des Friedens zu sprechen, beehrt sich die österreichisch-ungarische Regierung zu erklären, daß sie ebenso wie den früheren Kundgebungen des Herrn Präsidenten auch seiner in der letzten Note enthaltenen Auffassung über die Rechte der Völker Oesterreich-Ungarns, speziell über jene der Tschecho-Slowaken und der Jugoslawen, zustimmt. – Da sonach Oesterreich-Ungarn sämtliche Bedingungen angenommen hat, von ­welchen der Herr Präsident (…) Verhandlungen über den Waffenstillstand und den Frieden abhängig gemacht hat, steht nach Ansicht der österreichisch-ungarischen Regierung dem Beginne dieser Verhandlungen nichts mehr im Wege. – Die österreichisch-ungarische Regierung erklärt sich daher bereit, ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen abzuwarten, in Verhandlungen über einen Frieden (…) und über einen sofortigen Waffenstillstand (…) einzutreten, und bittet den Herrn Präsidenten Wilson, die diesfälligen Einleitungen treffen zu wollen.2931 2930 Wilhelm II. an Ks. Karl, Tel. 422, 27. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 119 – 121, Entw.: Solf an Grünau 27. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 206 – 207 Dok. 84. 2931 Ö.-u. Reg. an Wilson 28. Okt. 1918 (Andrássy an Hadik, Tel. 434, 27. Okt. 1918), HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 105 – 106; F-B A (28. Okt. 1918), 1, PL A (28. Okt. 1918), 1, Übers. ins Engl.: PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 404 – 405; Link PWW 51. 1985, 505 – 506, Kovács 2 2004, 404 Dok. 119. – Ignaz Seipel schrieb 1919: „Wir waren entsetzt über die Brutalität, mit der die Lossagung von Deutschland ausgesprochen wurde, die in ­diesem Augenblick, da doch der militärische Zusammenbruch (…) einen wirklichen Verständigungsfrieden unwahrscheinlich machte, ganz überflüssig war, die deutschösterreichische Bevölkerung aber sehr verstimmen mußte. (…) Das Andrassysche Sonderfriedensangebot war (…) nicht moralisch, sondern nur

Österreichisch-ungarisches Sonderfriedensangebot

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Die Antwort wurde auch der französischen, der britischen, der japanischen und der italienischen Regierung mitgeteilt, und dies mit der Bitte, „dem darin enthaltenen Vorschlag auch ihrerseits zuzustimmen und denselben bei dem Herrn Präsidenten Wilson zu unterstützen“.2932 Am 28. Oktober telegrafierte Andrássy überdies an Lansing: In voller Uebereinstimmung mit den Bestrebungen Herrn Wilsons (…) haben wir bereits Vorbereitungen getroffen, damit die Völker Oesterreichs und Ungarns ihre künftige Gestaltung nach eigenem Wunsche gänzlich unbehindert bestimmen und vollziehen können (…). – Ich wende mich deshalb direkt an Sie (…) mit der Bitte, bei dem Herrn Präsidenten (…) dahin wirken zu wollen, daß im Interesse der Humanität sowie im Interesse aller Völker, die in Oester­ reich und Ungarn leben, der sofortige Waffenstillstand an allen Fronten Oesterreich-Ungarns herbeigeführt werde und die Einleitung von Friedensverhandlungen erfolge.2933

Skrzyński hatte Andrássy am 27. Oktober entsprechend informiert: Euer Hochwohlgeboren wollen durch die Ihnen zur Verfügung stehenden Verbindungen (…) zu verstehen geben, daß es sich um die Einleitung eines Separatfriedens handelt, und daß die von uns gewählte Umschreibung nur eine Rücksicht auf die Gefühle unserer deutschen Bevölkerung darstellt, um den Ausbruch einer Bewegung für den Anschluß an Deutschland hintanzuhalten.2934

Der Gesandte Stovall hatte an ­diesem Tag an Lansing berichtet: The Vienna Government continues to lose in influence in proportion as the various nationalities gain assurance and improve their organization. (…) – It is reported that the special committee appointed by German-Austrian National Council has drafted a note to President Wilson regarding armistice and peace (…) – The leaders of Czech National Council have now arrived Switzerland. (…) – The Emperor has approved the proposition to establish an independent Hungary as far as concerns (foreign affairs?), army and economic agreements (…). Wekerle’s statement in Parliament that in the interest of the protection of the frontiers it was necessary to immediately bring back (…) Hungarian troops is of special importance.2935

2932 2933 2934 2935

politisch schlecht (…), weil es, ohne entsprechenden Gegenwert, den Schein eines moralischen Defektes hervorbrachte.“ Rennhofer 1978, 767 – 768 (Anh. I). A-Z M (29. Okt. 1918), 1, F-B M (29. Okt. 1918), 1. Andrássy an Lansing 28. Okt. 1918, F-B M (29. Okt. 1918), 1, Übers. ins Engl.: PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 429, Link PWW 51. 1985, 526 – 527. Andrássy an de Vaux für Skrzyński, Tel. 599, 27. Okt. 1918, HHStA PA XL, Pol. Tel. 178 o. Fz. Stovall an Lansing, Tel. 5448, 27. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 396 – 397.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Der deutschösterreichische Vollzugsausschuss erhob am 28. Oktober bei Andrássy dagegen Protest, dass er das Bündnis mit Deutschland gebrochen habe 2936, und die provisorische Nationalversammlung beschloss am 30. Oktober einstimmig die Erklärung: Die (…) Nationalversammlung (…) billigt den Versuch des Ministers des Äußern, so rasch wie möglich zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu gelangen, durch den dem sinnlosen Blutvergießen Einhalt getan wird. – Es war jedoch nicht (…) zulässig, diesen Versuch auf s­ olche Weise zu unternehmen, daß dadurch ­zwischen Deutschösterreich und dem Deutschen Reiche ein unheilbarer Riß entstehen kann (…). – Die provisorische Nationalversammlung (…) stellt fest, daß die Note (…) vom 27. Oktober verfaßt und abgesendet wurde, ohne daß mit den Vertretern des deutschösterreichischen Volkes (…) das Einvernehmen gepflogen worden wäre. (…) – Die Nationalversammlung erklärt, daß einzig und allein sie und ihre Organe befugt sind, das deutschösterreichische Volk in allen Angelegenheiten der äußeren Politik (…) zu vertreten.2937

In Prag proklamierte am 28. Oktober der Nationalausschuss den selbstständigen tschechoslowakischen Staat.2938 Tomáš Masaryk schrieb zur österreichisch-ungarischen Note vom 27. Oktober an Lansing: The note again reveals the Austro-Hungarian and Hapsburg meanness and duplicity. The note says that the (…) Government ‘adheres to the same point of view contained in the (President’s) last note’; that means that they accept some general views (…). But the President clearly stated that our National Council is a de facto government, clothed with proper authority to direct (…) the political affairs of the Czechoslovaks. That means that Austria-Hungary must negotiate with us. (…) Austria-Hungary apparently deserts Germany, but I am not quite sure whether this desertion is not made in Germany; at any rate even when we accept the services of a traitor, we do not respect him. The Hapsburgs betraying their Ally (…) will betray their opponents. – I do not see any other possibility than that you, Mr. Secretary, notify the Austro-Hungarian government that the President cannot enter into further parleys with them, giving the reasons. (…) – Finally, I must emphasize the fact that up to the present, Austria-Hungary was ruled in a quite absolute manner: if America cannot enter into negotiations with the absolute masters of Germany, she cannot enter into negotiations with the absolute masters of Austria-Hungary. (…) In case of Germany it means negotiation with representatives of the German people, in case of Austria-Hungary with representatives of the different peoples (…).2939

2936 Dö. Vollzugsausschuß, Prot. 9. Sitzg. 28. Okt. 1918 Vormittag, Enderle-Burcel Haas Mähner 1 2008, 44 – 45. 2937 Sten. Prot. Prov. NV DÖs (30. Okt. 1918). 22. 2938 PT M (29. Okt. 1918), 1, PiT (29. Okt. 1918), 1. 2939 Masaryk an Lansing, Beilage zu Lansing an Wilson 29. Okt. 1918, Link PWW 51. 1985, 506 – 507.

Österreichisch-ungarisches Sonderfriedensangebot

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Andrássy hielt 1920 fest, er habe, als er sein Amt antrat, nur „einen einzigen Ausweg“ aus der „bereits verloren“ erscheinenden Lage gesehen, nämlich „den raschen, den sofortigen Frieden (…), den Sonderfrieden“. Sich auch zwei Jahre danach noch in den Gärten der Illusion bewegend, meinte er: „Hinsichtlich der Zukunft lag es auch im Interesse der Deutschen, daß die Monarchie sich rette und sich der Entente nähere, um s­ päter ­zwischen Deutschland und der Entente vermitteln zu können.“ 2940 Wedel schrieb 1920 zur kaiserlichen Message vom 26. Oktober: Als ich nach meinem letzten Besuch den Minister (Andrássy) verließ, traf ich im Vorzimmer (…) Lammasch. Ich sagte ihm, das sei das Ende Oesterreichs. Mit ­diesem Schritt habe K ­ aiser Karls erster Berater selbst dem Thron die letzte Stütze geraubt. (…) ‚Auf wen soll sich denn der ­Kaiser noch stützen? Auf die Czechen vielleicht? Oder auf die Slowenen? Die Polen, einst Stützen des Thrones, haben das Interesse an Wien verloren und sich Warschau zugewandt, es bleibt als letzte tragfähige Säule (…) der deutsche Stamm in Oesterreich. Diese Säule wird durch den Sonderfriedensschritt zertrümmert.’ (…) Die Monarchie ist untergegangen, aber nicht in Ehren. Der Treubruch gegenüber einem Verbündeten, der 1914 auszog, um Oesterreich-Ungarn zu ­schützen (…), war ihre letzte Tat (…).2941

Eine Antwort Wilsons auf die österreichisch-ungarische Note vom 27. Oktober erfolgte nicht, lediglich eine mündliche Mitteilung Lansings an den schwedischen Gesandten. Über diese hielt der Staatsekretär am 31. Oktober fest: „I informed him that, after conferring with the President (…) that the communication would be submitted to the Governments with which this Government is associated in the war for their consideration (…).“ 2942 Am selben Tag teilte Colonel House, Wilsons Sondergesandter in Paris, Lansing mit, man habe über die Österreich-Ungarn zu stellenden Waffenstillstandsbedingungen Einigkeit erzielt. Die Bedingungen für einen Waffenstillstand mit Deutschland würden am nächsten Tag erörtert; sollte der Präsident den dabei gefassten Beschlüssen zustimmen, so könnte man Deutschland in Kenntnis setzen, dass Marschall Foch bereit sei, die Bedingungen deutschen Bevollmächtigten auszuhändigen.2943

2940 Andrássy 1920, 295 – 297. 2941 Wedel NFP M (11. Juli 1920), 2 – 3. 2942 Lansing, Memorandum 31. Okt. 1918 PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 429 – 430. 2943 House an Lansing, Tel. 23, 31. Okt. 1918, ebd. pp 430 – 431.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Waffenstillstand und Republik

Der deutsche Reichstag beschloss am 26. Oktober mit großer Mehrheit eine Reihe von Verfassungsänderungen. Der Reichskanzler bedürfe zu seiner Amtsführung von nun an des Vertrauens des Reichstags, sei d ­ iesem sowie dem Bundesrat verantwortlich und trage die Verantwortung für alle Handlungen von politischer Bedeutung, die der K ­ aiser in Ausübung der ihm nach der Verfassung zustehenden Befugnisse vornehme; die Zustimmung von Reichstag und Bundesrat sei erforderlich für eine Kriegserklärung, für Friedens­ verträge und auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung sich beziehende Verträge mit fremden Staaten.2944 Diese Änderungen wurden durch ein Memorandum unverzüglich der amerikanischen Regierung bekannt gemacht,2945 in Kraft gesetzt wurden sie nach erfolgter Zustimmung des Bundesrats am 28. Oktober durch ­Kaiser Wilhelm.2946 Am 27. Oktober erging folgende Note an Wilson: Der Präsident kennt die tiefgreifenden Wandlungen, die sich in dem deutschen Verfassungsleben vollzogen haben (…). Die Friedensverhandlungen werden von einer Volksregierung geführt, in deren Händen die entscheidenden Machtbefugnisse tatsächlich und verfassungsmäßig ruhen. Ihr sind auch die militärischen Gewalten unterstellt. – Die deutsche Regierung sieht nunmehr den Vorschlägen für einen Waffenstillstand entgegen, der einen Frieden der Gerechtigkeit einleitet, wie ihn der Präsident in seinen Kundgebungen gekennzeichnet hat.2947

Kaiser Wilhelm fuhr am Abend des 29. Oktober ins Große Hauptquartier, obwohl Prinz Max ihn gebeten hatte, die Reise aufzuschieben. Der Prinz hatte an d ­ iesem Tag ein Schreiben Philipp Scheidemanns erhalten, in dem es hieß: Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die große Mehrheit der Bevölkerung (…) die Überzeugung gewonnen hat, daß die Aussicht, zu erträglichen Bedingungen des Waffenstillstandes und des Friedens zu gelangen, durch das Verbleiben des Kaisers in seinem hohen Amte verschlechtert wird. (…) – Es kann weiter nicht bezweifelt werden, daß die Friedensverhandlungen beträchtlich günstigere Aussichten bieten, wenn die im (…) Reich vollzogene Änderung des Systems durch einen Wechsel an der höchsten Stelle (…) sichtbar gemacht wird. Die (…) Situation legt die Vermutung nahe, daß der (…) Schritt nur hinausgezögert, aber doch nicht

2944 Verh. RT. 13. Leg.-Per., 197. Sitzg. 26. Okt. 1918, 6275 – 6297. 2945 Mémoire der dt. Reg. 27. Okt. 1918 (Oederlin an Lansing 30. Okt. 1918), Link PWW. 1985 Encl. II. 2946 Gesetz zur Abänderung der Reichsverfassung vom 28. Okt. 1918, Dt. RGBl. 2 1918. 1274 – 1275. 2947 Dt. Reg. an Wilson 27. Okt. 1918, HHStA PA I, 536 Friedensdemarche fol. 5, Ludendorff 1920, 580 Dok. XXII B/24, Amtl. Urk. 1924, 208 Dok. 85; Waffenstillstand 1. 1928, 17 – 18, Engl.: PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 395 – 396.

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vermieden werden kann. Deshalb ist es besser, wenn der ­Kaiser (…) die Konsequenzen (…) so schnell als möglich zieht.2948

Auf Wilson setzten nicht nur die k. u. k. und die deutsche Regierung ihre ganze Hoffnung, sondern auch die provisorische deutschösterreichische Nationalversammlung. Ihre Hoffnungen bezogen sich auf den Frieden, aber auch auf die Sicherung der Rechte der Deutschen der österreichischen Reichshälfte. Den Text einer ihr vom Vollzugsausschuss vorgelegten, diese Anliegen zum Ausdruck bringenden Note hieß die Nationalversammlung am 30. Oktober einstimmig gut.2949 Eine durch den Staatsrat geringfügig modifizierte Form sandte die Versammlung an Flotow, der jetzt als Leiter des k. u. k. Ministerium des Äußeren fungierte, und an den Gesandten Hadik in Stockholm zur Weiterleitung an Präsident Wilson. In der Note hieß es: Am 21. Oktober 1918 haben (…) die aus dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht gewählten Abgeordneten aller deutschen Wahlbezirke (…) beschlossen: – erstens einen selbständigen deutschösterreichischen Staat zu bilden; – zweitens sich als provisorische Nationalversammlung ­dieses neuen Staates zu konstituieren (…); – drittens einen Vollzugsausschuß zu wählen, der (…) diesen Staat nach außen zu vertreten und die (…) Verwaltung im Innern zu organisieren hat. – (…) Der neue Staat beansprucht die Gebietshoheit über alle jene Gebiete des bisherigen Österreich, in denen die Deutschen die Mehrheit (…) bilden. Er nimmt das Recht auf völkerrechtliche Persönlichkeit für sich in Anspruch. (…) Der Vollzugsausschuß erklärt, daß niemand berechtigt ist, im Namen Deutschösterreichs über den Frieden zu verhandeln und Frieden zu schließen, als die von der (…) Nationalversammlung eingesetzte Vollzugsgewalt. – (… Er) bittet Sie daher (…) ihm Gelegenheit zu bieten, unverzüglich in direkte Verhandlungen mit den Vertretern aller kriegführenden Mächte über einen allgemeinen Frieden einzutreten (… und) verpflichtet sich zur Annahme der folgenden Grundsätze: – 1. Der Vollzugsausschuß nimmt vorbehaltlos die Grundsätze an, die Sie (…) festgesetzt haben. – 2. Der Vollzugsausschuß betrachtet (…) die tschecho-slovakische und die südslavische Nation als vollkommen unabhängige Staaten und (…) schlägt vor, alle Streitfragen ­zwischen dem deutschösterreichischen Staate einerseits und dem tschechischen und dem südslavischen Staate anderseits, soweit sie durch freie Vereinbarungen nicht bereinigt werden können, der Entscheidung eines Schiedsgerichtes zu unterwerfen (…). – 3. Der Vollzugsausschuß bittet Sie, (…) Ihre Aufmerksamkeit der Frage der deutschen Gebiete der Sudetenländer zuzuwenden. (…) Wir sind überzeugt, (…) daß Sie (…) es ablehnen werden, 3½ Millionen Deutsche gegen ihren Willen dem tschechischen Staate zu unterwerfen. (…) – Wir sind bereit, mit der 2948 Max v. Baden. 1968, 498 – 502. 2949 Vom Vollzugsausschuss vorgelegter Text einer Note an Wilson, Sten. Prot. Prov. NV DÖ (30. Okt. 1918). 20 – 21, Koch Rauscher Suppan 1 1993, 75 – 78.

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berufenen Vertretung der ­tschechischen Nation über die Abgrenzung unserer Gebiete zu verhandeln. Sollte es sich aber als unmöglich erweisen, die Grenzen einvernehmlich festzusetzen, so schlagen wir vor, daß die Bevölkerung der umstrittenen Gebiete berufen werden soll, (…) durch (…) Volksabstimmung zu entscheiden, zu welchem Staat sie gehören will. (…) In analoger Weise wären diese Grundsätze (…) gegenüber Italien und dem südslavischen Staat anzuwenden. – Sie, Herr Präsident, haben erklärt, daß Sie (…) Gerechtigkeit für alle Nationen (…) verwirklichen wollen. – Wir appellieren daher an Sie, Ihre Autorität für das Selbstbestimmungsrecht unserer Nation einzusetzen (… und dafür), daß sofortige (…) Waffenruhe auf allen Fronten eintrete und uns die Möglichkeit geboten werde, (…) in direkte Verhandlungen mit allen Nationen einzutreten, aus denen ein Friede hervorgehen soll, der jeder Nation ihre volle Freiheit gibt (…).2950

Eine Antwort auf die Note erfolgte nicht. An Seitz als „President of the Staatsrat“ erging lediglich vom Committee on Public Information of the United States in Bern ein Telegramm, in dem es in wenig geglücktem Deutsch hieß: Der Praesident der Vereinigten Staaten richtete an die konstituierten Voelkerschaften Oesterreich Ungarns, denen ja die Befreiung von dem Joch des oesterreichisch ungarischen Reiches nun gelungen ist, den (…) Aufruf: ‚Darf ich als Wortfuehrer der Massen eurer vielen aufrichtigsten Freunde sagen, dass es die ernsthafteste Hoffnung und Erwartung aller Freunde der Freiheit (…) und insbesondere jener ist, denen gegenwaertig die (…) Pflicht obliegt, den befreiten Voelkern (…) beizustehen in dem Werk des Ausbaus ihrer wahrhaften Freiheit, dasz also sowohl die Fuehrer wie die Bevoelkerung der unlaengst befreiten Laender danach trachten, die (…) Veraenderungen in der Ordnung mit Maeszigung mit Milde sowohl als mit Festigkeit durchzufuehren und Gewalttaetigkeit und Grausamkeit jeder Art zurueckzuhalten und zu verhindern, auf dass keinerlei Unmenschlichkeiten die Annalen des neuen Zeitalters einer vollkommenen Ordnung beflecken. Sie wiszen, dasz ­solche Vorkommnisze die groszen Dinge, die wir alle erstreben, nur verzoegern koennten und sie richten daher (…) an sie den Appel: sie moechten alle die Maechte binden ­welche die Fortschritte der Freiheit bedrohen oder in Misskredit bringen koennten. – Woodrow Wilson’.2951

Seitz verlas die Depesche am 8. November im Staatsrat offenbar ohne jeden Kommentar.2952 2950 Dö. Staatsrat an Wilson 30. Okt. 1918, ebd. fol. 28 – 31v, Kovács 2 2004, 409 – 413 Dok. 122, Enderle-­Burcel Haas Mähner 1 2008, 90 – 92. 2951 Wilson an die Völkerschaften Ö.-Us. (Committee on Public Information of the United States in Bern an Seitz), Tel. o. Z., 7. (?) Nov. 1918, AdR Staatskanzlei Zl. 47/1918 (Schreibweise bis auf Kapitalisation unverändert), textlich leicht abgewandelt: A-Z M (9. Nov. 1918), 1, WZ (9. Nov. 1918), 3. 2952 Dö. Staatsrat 26. Sitzg. 8. Nov. 1918, AdR Staatsratsprot. 1 fol. 37.

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Am 24. Oktober hatte an der Front um den Monte Grappa und in der Folge auch am Piave eine italienische bzw. alliierte Offensive begonnen, Gegenangriffe scheiterten, und dies zum Teil infolge des Abzugs ungarischer Einheiten und von Befehlsverweigerungen. Die k. u. k. Armee erlitt schwere Niederlagen, sodass ihre gesamte Frontlinie zusammenbrach. Kaum besser stand es an der Tiroler Front.2953 Am 27. Oktober telegrafierte der Vertreter des Ministeriums beim Militär-Generalgouvernement Belgrad: „Wie ich den Aeußerungen des Generalstabschefs entnehme, befinden sich unsere Truppen (…) in vollem Rückzuge. (…) – Als Ursache des Rückzuges wird mir geringes Vertrauen in Kampfwert unserer (…) Truppen angegeben.“ 2954 Das AOK sah sich aufgrund dieser Lage gezwungen, die Konsequenzen zu ziehen. In seinem Auftrag überschritt am 29. Oktober ein Offizier die Frontlinie und übermittelte dem italienischen Oberkommando die Bitte, eine um Waffenstillstand ersuchende Kommission zu empfangen. Dieser wurden am 1. November in der Villa Giusti bei Padua die Waffenstillstandsbedingungen überreicht und für ihre Annahme eine Frist bis zum 2. November 24 Uhr gesetzt. Grünau berichtete am 30. Oktober an das Auswärtige Amt, ­Kaiser Wilhelm habe folgenden Bericht Cramons erhalten: Seine Apostolische Majestät haben mir (…) befohlen, Euerer Majestät zu melden, wie sehr es Seine (…) Majestät bedauern, durch den hoffnungslosen Zustand der Truppen an der Südwestfront und die Besorgnisse vor bolschewistischen Ereignissen gezwungen gewesen zu sein, eigene Wege zu gehen.2955

Kaiser Karl selbst depeschierte an ­diesem Tag an ­Kaiser Wilhelm: Ich war heute früh genötigt, da die militärische Lage unhaltbar geworden ist, den Italienern einen Waffenstillstand anzutragen. Falls aber die Italiener die Bedingung stellen, daß die Bahnen (…) für den Durchzug der feindlichen Truppen gegen Deine Länder geöffnet werden sollten, so werde Ich Mich an die Spitze Meiner Deutsch-Oesterreicher stellen und den Durchzug mit Waffengewalt verhindern.2956

2953 2954 2955 2956

Marsovszky an M. d. Ä., Tel. 194, 26. Okt. 1918, HHStA PA XL, Pol. Tel. 151 o. Fz. Kuhn an M. d. Ä., Tel. 33, 27. Okt. 1918, ebd. o. Fz. Grünau an A. A., Tel. 30. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 223 Dok. 87. Ks. Karl an Ks. Wilhelm, 30. Okt. 1918, ebd. p 224 Dok. 88. – Ebenfalls am 30. Oktober wurde der Waffen­stillstand z­ wischen der Türkei und der Entente unterzeichnet und trat am folgenden Tag in Kraft. Maurice 1943, 22, 85 – 87.

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Frei von Illusionen zeigte sich K ­ aiser Karl also auch in dieser Situation nicht. K ­ aiser Wilhelm antwortete umgehend: „Ich bin überzeugt, daß Deine Deutsch-Oesterreicher, an der Spitze ihr Kaiserlicher Herr, sich wie ein Mann gegen schmachvolle ­Bedingungen erheben werden (…).“ 2957 Kaiser Karl lud am 2. November den deutschösterreichischen Staatsrat nach Schönbrunn ein, wo er versuchte, ihn „dazu zu bewegen, in patriotischem Geiste die Verantwortung für den Abschluß des Waffenstillstandes mitzutragen“.2958 Darüber schrieb Spitzmüller, der so wie Andrássy, Stöger-Steiner, Arz und Lammasch ebenfalls nach Schönbrunn berufen worden war: „Der Staatsrat (…) lehnte (…) diese Mitverantwortung mit der Begründung ab, daß jene Faktoren, w ­ elche den Krieg begonnen hätten, diesen auch allein beenden mögen (…).“ 2959 Am Abend fand in Schönbrunn ein Ministerrat der k. k. Regierung statt, dem auch Stöger-Steiner, Mensdorff, Flotow und, als Vertreter Deutschösterreichs, Staatsratspräsident Seitz, Staatsrat Simon Abram, die Staatssekretäre Victor Adler, Josef Mayer und Heinrich Mataja sowie die Abgeordneten Richard Marckhl und Atanas von Guggenberg zugezogen waren. Dabei erklärte Seitz: „Es gehe wohl nicht an, die deutsch-österreichische Regierung, die auf die bisherige Gestaltung der Dinge keinen Einfluß hatte, nun plötzlich vor die furchtbare Verantwortung des Augenblicks zu stellen, diese müßten andere Faktoren tragen.“ 2960 Adler äußerte sich im gleichen Sinne: „Finde man (…) die Annahme des Waffenstillstandes für schmählich, so sei es unzulässig, Deutsch-Oesterreich mit ­diesem Entschluße zu belasten.“ 2961 ­Kaiser Karl meinte 1920 zur Weigerung „dieser Gauner“, wie er befand: „Wir hatten aber doch nicht die Hoffnung verloren, den Staatsrat noch herum­ zukriegen.“ 2962 So wurde in der Nacht zum 3. November neuerlich versucht, ihn zur Mitverantwortung zu bewegen. Seitz berichtete darüber in der Staatsratssitzung ­dieses Tages, Lammasch und Arz hätten ihn um halb ein Uhr nachts aufgesucht und mitgeteilt, „dass eine Zusammenstellung der Berichte der Heerführer eingelangt sei, aus der der vollständige Zusammenbruch ersichtlich ist. Die einzige Möglichkeit bestehe darin, sofort den Waffenstillstand abzuschliessen. Alle Bedingungen müssten ohne Präjudiz für

2957 Ks. Wilhelm an Ks. Karl, Tel. 30. Okt. 1918, ebd. p 225 Dok. 89. 2958 Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 657 Dok. 213. 2959 Spitzmüller 1955, 296. 2960 Seitz u. Adler im Ö. Min.-R. 2. Nov. 1918 II, AVA Min.-R.-Prot. MRZ 71 fol. 16v–18v. 2961 Ebd. 2962 Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 657 – 658 Dok. 213. BrookShepherd glaubte in der Weigerung des Staatsrates einen „Akt schlauer Spitzfindigkeit oder auch einfacher moralischer Feigheit“ erkennen zu können. Brook-Shepherd 1968, 236. Broucek meinte, der Staatsrat habe sich „völlig passiv“ verhalten. Broucek 1997, 214.

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den Frieden angenommen werden (…)“.2963 Ihr Ersuchen um Zustimmung des Staatsrates habe er abgelehnt und erklärt, dass er „nur zur Entgegennahme (… des) Berichtes sich veranlasst sehe und denselben an den Staatsrat weiterleiten werde“. Im Protokoll der Sitzung heißt es: Dr. Bauer (…) ergänzte den Bericht dahin, dass um ½ 4 Uhr früh Arz angerufen habe, er habe dem ­Kaiser über den (…) Bescheid des Präsidenten berichtet. Der ­Kaiser könne sich jedoch trotz des Rates Arz’ nicht entschliessen, ohne Zustimmung des Staatsrates den Befehl zur Waffen­streckung hinauszugeben.2964

Arz habe gebeten, „die Entscheidung des Staatsrates gleich früh morgens vornehmen zu wollen“. Der Staatsrat beschloss jedoch: „Die Mitteilung (…) betreffs der Waffenstillstandsbedingungen wird nur entgegengenommen (…).“ 2965 Spitzmüller berichtete, Lammasch sei nach der Kontaktierung des Staatsrates (…) im Hinblick auf die vorgerückte Stunde und seine zerrüttete Gesundheit nach Hause, während Arz nach Schönbrunn zurückkehrte, um über die Ergebnisse seiner Vorsprache (…) zu berichten. Daraufhin begannen (…) unter dem Vorsitz des Kaisers neue Beratungen, ob man eine weitere Verzögerung der Annahme der Waffenstillstandsbedingungen verantworten könne.2966

Schließlich sei beschlossen worden, den verantwortlichen General zur Annahme der Bedingungen zu ermächtigen, ihn jedoch anzuweisen, folgende Erklärung zu überreichen: 2963 Dö. Staatsrat 16. Sitzg. 3. Nov. 1918; Koch Rauscher Suppan 1 1993, 89 – 96 Dok. 5, Enderle-Burcel Haas Mähner 1 2008, 145 – 150. 2964 Ebd. 2965 Ebd. – Im Fremden-Blatt vom 4. Nov. 1918 stand darüber zu lesen: „Die Einladung an die Präsidenten des Staatsrates sowie an die Staatssekretäre zum ­Kaiser war zu dem Zwecke erfolgt, ihnen die Waffenstillstandsbedingungen zur Kenntnis zu bringen und sie (…) zu veranlassen, auch die Verantwortlichkeit zu übernehmen. (… Sie) begnügten sich jedoch damit, diese Mitteilungen (…) entgegenzunehmen und lehnten damit stillschweigend jede Verantwortung für das Vorgehen der k. u. k. Organe ab.“ F-B A (4. Nov. 1918), 1. ­Kaiser Karl behauptete trotz der eindeutigen Sachlage 1920: „Die Hauptschuld für die Befehle und Gegenbefehle jener Nacht trug die deutschösterreichische Regierung, die immer einer klaren Stellungnahme auswich (…).“ Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 658 Dok. 213. Kovács schrieb über die „sinistre“ von Seitz und Bauer eingenommene Haltung: „Seit langem bestritten sie das Recht des Kaisers, Krieg zu erklären und Frieden zu schließen. Im übrigen lag das Waffenstillstandsgesuch des Staatsrates bereits Wilson vor.“ Kovács 1 2004, 478. Sie machte damit aus der an Wilson gerichteten Bitte des Staatsrates, seine „Autorität dafür einzusetzen, daß sofortige allgemeine Waffenruhe auf allen Fronten eintrete und uns die Möglichkeit geboten werde, (…) in direkte Verhandlungen mit allen Nationen einzutreten“, ein „Waffenstillstandsgesuch“. 2966 Spitzmüller 1955, 297 – 304, s. auch Arz 1924, 366 – 370.

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Man setzt voraus, daß der Punkt 4a nicht so zu verstehen ist, daß die feindliche Armee die freie Bewegung zu einem Angriff auf Süddeutschland benützen könne. Obwohl man einen solchen Vorgang nicht verhindern könnte, müßte doch entschiedener Protest gegen denselben erhoben werden.2967

Spitzmüller berichtete weiter: So entfernten wir uns um etwa 0.50 Uhr, wurden aber auf der Stiege zurückberufen. Der K ­ aiser ersuchte uns, noch (…) zu bleiben. (…) Man erfuhr schließlich (…), daß dem Monarchen neue Bedenken gekommen ­seien, den Konferenzbeschluß in Vollzug zu setzen, und zwar, wie es schien, unter dem Einfluß der Kaiserin und des Erzherzogs Max, die neue Vorwürfe gegen den ­Kaiser wegen ‚Verrates‘ des deutschen Bundesgenossen befürchteten, wenn der Waffenstillstand (…) ohne Zustimmung des (…) Staatsrates durchgeführt würde. Endlich (…) kam (…) Arz aus dem kaiserlichen Kabinett und schritt zum Telephon, ohne uns ein Wort zu sagen. (…) Arz rief den Chef der Operationsabteilung (…) ans Telephon und sagte (…): ‚Du, Waldstätten, hör gut zu! Seine Majestät befiehlt: Feindseligkeiten einstellen!’ (…). Aufgeregt wandte ich mich daher an Arz, und sagte: ‚Exzellenz, was soll das heißen: Feindseligkeiten einstellen? Bedeutet dies Kapitulation? Jetzt muß doch zuerst der Waffenstillstand abgeschlossen werden!’ – Die Erörterungen über den Zeitpunkt der Einstellung der Feindseligkeiten spielten sich offenbar nur innerhalb des Generalstabes, bzw. ­zwischen dem ­Kaiser und Arz ab (…). Dementsprechend wurde (…) an die Heereskommandanten eine Mitteilung hinausgegeben, daß alle Bedingungen (…) angenommen worden und daher die Feindseligkeiten einzustellen s­ eien. (…) Der Monarch kam nun ohne Zuziehung der wartenden Minister gegen 2 Uhr zu dem Entschluß, alle mit dem Waffenstillstand zusammenhängenden Befehle bis zu der für Vormittag erhofften Zustimmung des (…) Staatsrates zu sistieren,2968 was (…) aber zu spät kam. Der K ­ aiser (…) wurde nun offenbar vom Generalstab überzeugt, daß ein Widerruf der (…) Befehle über die sofortige Einstellung der Feindseligkeiten (…) nicht möglich sei, was dann wahrscheinlich zu der (…) Szene des Telephongespräches Arz-Waldstätten geführt hat. (… Es) hatte also offenbar den Sinn, daß der Befehl ‚Feindseligkeiten einstellen‘ nunmehr ein endgültiger sei (…).2969

Die Truppen stellten nach erhaltenem Befehl das Feuer ein. Den Waffenstillstand unterzeichnete der im Auftrag des AOK handelnde General Weber um 15 Uhr des 3. November, die damit vereinbarte Waffenruhe trat 24 Stunden ­später in Kraft.2970 In den 36 Stunden 2967 Ebd. 2968 Arz schrieb: „Der ­Kaiser beauftragte mich, den fraglichen Befehl dem Staatsrate zu überreichen und befahl, alle bereits getroffenen Verfügungen rückgängig zu machen.“ Arz 1924, 367 – 368. 2969 Spitzmüller 1955, 297 – 304, s. auch Arz 1924, 366 – 370. 2970 Ö.-U. Waffenstillstand. PRFR 1919 Peace Conference 2 1942. 175 – 182.

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z­ wischen Feuereinstellung und Inkrafttreten der Waffenruhe, d. h. des Waffenstillstandes, gerieten mehr als 350.000 Soldaten in italienische Gefangenschaft. Um nicht den Waffenstillstand unterzeichnen zu müssen, hatte K ­ aiser Karl um etwa 3 Uhr früh des 3. November das Armeeoberkommando Arz übergeben. Dieser nahm die Ernennung mit der Meldung entgegen, dass er „den Waffenstillstand unterschreiben werde“,2971 bat jedoch kurz darauf, den Kommandanten der aus Serbien nach Ungarn zurückgehenden Heeresgruppe und nun zum Nachfolger Erzherzog Josefs als Befehlshaber in Tirol ernannten Feldmarschall Kövess mit dem Oberkommando zu betrauen, was auch geschah.2972 Arz erhielt den Befehl, das Kommando bis zu dessen Übernahme durch Kövess zu führen. Dieser traf erst am 8. November abends in Wien ein, seine neue Funktion übernahm er drei Tage danach.2973 K ­ aiser Karl erklärte s­ päter wenig zutreffend, er habe das Armeeoberkommando niedergelegt, „da es ja keinen Krieg mehr gab“.2974 Wedel berichtete am 3. November an das Auswärtige Amt: „Regierung hat Waffenstillstandsbedingungen angenommen, dabei Hoffnung hinzugefügt, Entente werde Bahnen nicht zum Durchmarsch gegen Deutsches Reich benutzen. Dieser Zusatz wird auf Entente schwerlich Eindruck machen.“ 2975 Und an den Kanzler berichtete Wedel: Wie mir Staatssekretär Dr. Adler erzählt, hat der ­Kaiser dem Staatsrat die Waffenstillstandsbedingungen vorgelesen und dann (…) gesagt, dieselben verstießen gegen seine Ehre und ­s eien unannehmbar. (…) annehmen müsse man sie aber doch. Zweck der Berufung sei gewesen, die Zustimmung des Staatsrats zu erhalten, um denselben mitverantwortlich zu machen. Er (Adler) habe sich aber gehütet, in diese Falle zu gehen. – Die Bedingungen ­s eien eine reinliche Kapitulation und (…) formuliert, um Deutschland von dieser Seite angreifen zu können.2976

Die Wiener Zeitungen des 4. November enthielten die amtliche Verlautbarung: „Auf dem italienischen Kriegsschauplatz haben unsere Truppen auf Grund des ­abgeschlossenen 2971 Arz 1924, 368. – Werkmann schrieb dazu: „Der ­Kaiser war nicht einen Augenblick im Zweifel und hat auch keinen Zweifel gelassen, daß er die moralische Verantwortung für den Abschluß des Waffenstillstandes trage. Er wollte aber das (…) Dokument nicht paraphieren. Es war das eine Empfindlichkeit, die allen verständlich sein muß, die in d ­ iesem Waffenstillstande nach den vielen Niederlagen der Italiener eine geschichtliche Tücke sondergleichen sahen.“ Werkmann 1931, 345. 2972 M. d. Ä. an Trauttmansdorff, Tel.-Dep. 34.289, 3. Nov. 1918, HHStA PA I, 1071 fol. 650. 2973 Arz 1924, 368 – 369, Aufz. Nowak über Gespräch mit Kövess o. D., KA NL Nowak B/163, 3 a/3 fol. 59/4, Reichlin-Meldegg 2010, 236 – 239. 2974 Ks. Karl 8. Sept. 1920, Aufz. über 21. Nov. 1916 – 24. März 1919, Kovács 2 2004, 658 Dok. 213. 2975 Wedel an A. A., Tel. 3. Nov. 1918, Amtl. Urk. 1924, 227 Dok. 90. 2976 Wedel an Max v. Baden, Ber. 3. Nov. 1918, ebd. p 228 Dok. 91.

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Waffenstillstandes die Feindseligkeiten eingestellt.“ In einer weiteren amtlichen Verlautbarung wurden die „Bedingungen des Waffenstillstandes“ mitgeteilt.2977 In Budapest war es inzwischen zu einer stürmisch um sich greifenden revolutionären Bewegung gekommen, der sich viele Soldaten und Offiziere sowie große Teile der Polizei anschlossen; die führende Rolle übernahm der am 25. Oktober aus Vertretern der Károlyi-Partei, der Bürgerlich-Radikalen und der Sozialdemokraten gebildete Nationalrat. Der am folgenden Tag von König Karl zum Homo regius bestellte Erzherzog Josef betraute am 29. Oktober Graf János Hadik mit der Bildung einer neuen Regierung, Hadik legte den Auftrag jedoch am Morgen des 31. Oktober zurück. Daraufhin erklärte der Erzherzog im Namen des Königs Graf Michael Károlyi zum Ministerpräsidenten und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung. Am späten Nachmittag ­dieses Tages wurde Tisza von ihn der Mitschuld am Kriege bezichtigenden Soldaten ermordet. Erzherzog Josef erschien am 3. November mit seinem Sohn in Begleitung Károlyis vor dem Nationalrat. Die beiden Erzherzöge legten folgendes Gelöbnis ab: „Ich gelobe (…) auf meine Ehre, daß ich mich den Verfügungen des Nationalrates unbedingt unterwerfe und ihn in allen seinen Maßnahmen treu unterstütze.“ 2978 Angesichts der Entwicklung in Ungarn demissionierte am 2. November Außenminister Andrássy; ­Kaiser Karl betraute darauf Sektionschef Flotow mit der Leitung des Ministeriums des Äußern.2979 Andrássy schrieb dazu in seinen Memoiren: „Mein Unterfangen war gescheitert, weil verspätet. Ich hatte der Sache nichts mehr nützen können (…).“ 2980 Am 3. November reichte auch der gemeinsame Finanzminister Spitzmüller seine Demission ein, da, wie er in seinen Erinnerungen schrieb, „keine Möglichkeit mehr zu bestehen schien, wirksame Kräfte zugunsten der Erhaltung des Reiches zu mobilisieren“.2981 Andrássy und ­Kaiser Karl hatten am 31.  Oktober Sektionschef Ludwig Prinz ­Windischgraetz nach Bern entsandt, 2982 wobei der Prinz diese Mission 1957 und ebenso 1965 als „Sonderfriedensmission“ bezeichnete: Er hätte Ententevertretern 2977 WA (4. Nov. 1918), 1 – 2, F-B A (4. Nov. 1918), 1. Botschafter Fürstenberg telegrafierte dazu am 6. November an das Ministerium des Äußern: „Da ich unbedingt Anschein vermeiden will, als wenn ich unter solchen Hochverrätern, die durch ihre Umtriebe den (…) schimpflichen Waffenstillstand herbeigeführt haben, irgend etwas zu suchen hätte, ein Waffenstillstand, welcher die Ehre unseres heldenhaften Volksheeres auf das Schändlichste preisgibt, protestiere ich als treuer Diener meines Herrschers (…) gegen diese furchtbare Schmach. – (…) Was mich betrifft, so bitte ich (…) um sofortige Versetzung in Disponibilität.“ Fürstenberg an M. d. Ä., Tel. 540, 6. Nov. 1918, HHStA PA XL, Pol. Tel. 151 o. Fz. 2978 F-B M (3. Nov. 1918), 5 – 6. 2979 Flotow an alle Missionen, Tel. 3. Nov. 1918, HHStA PA XL, Hinausb. 153 fol. 344. 2980 Andrássy 1920, 318. 2981 Spitzmüller 1955, 294. 2982 Andrássy an de Vaux, Tel. 620, 2. Nov. 1918, HHSTA PA XL, Hinausb. 153 fol. 329v.

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„in der Hauptsache“ vorschlagen sollen, „in allen von Nationalitäten bewohnten Gebieten in Österreich und Ungarn Volksabstimmungen unter Aufsicht von durch die Alliierten entsendeten neutralen Kommissionen“ abzuhalten und dabei „Fragen über Staatszugehörigkeit und Regierungsform (also Monarchie oder Republik) vorzulegen“. Der K ­ aiser habe „die Einberufung eines Kongresses aller Kriegführenden“ vorgeschlagen, sich „für die Durchführung aller auf Grund der Verhandlungen vereinbarten Maßnahmen“ verbürgt und erklärt, „sich dem Votum der Abstimmungen im vorhinein zu fügen“.2983 In seinem 1920 erschienenen Buch schrieb Windischgraetz: „Die französische Botschaft hatte wissen lassen, daß sie nicht in Konversationen eintreten könne (…). Wenn wir einverstanden wären, müßte vorerst (…) in Paris angefragt werden, worauf sofort die Verhandlungen über den Sonderfrieden beginnen könnten.“ 2984 Am 4. November habe er ans Ministerium des Äußern telegrafiert: Gesandtschaft hat im Wege französischer Botschaft und englischer Gesandtschaft Autorisierung hiesiger Ententevertreter angesucht, um mit mir verhandeln zu können. Bisher keine Antwort (…), jedoch teilte französischer Botschafter mit, daß Sonderfriedensangebot Grafen A ­ ndrassys sympathisch aufgenommen wurde und prinzipielle Geneigtheit besteht, (…) in sofortige Verhandlungen einzutreten, deren Zweck ein kurzer Waffenstillstand und sofortige Einleitung der Verhandlungen zwecks Abschlusses eines formellen Friedens sei.2985

Aktenkundig ist, dass Windischgraetz an ­diesem Tag nach Wien depeschieren ließ: Zu Verhandlungen (…) unter allen Umständen persönliches Ermächtigungstelegramm notwendig. Erbitte (…) sofort (…) Telegramm Seiner Majestät zu erwirken, in welchem ich ermächtigt werde, im Sinne letzter Besprechung in Schönbrunn Verhandlungen mit Franzosen aufzunehmen.2986

2983 Windisch-Graetz 1957, 101 u. 117 – 119, ähnlich: Windisch-Graetz 1965, 138 – 143.Der Prinz schrieb nun aber nichts von Abstimmungen über „Staatszugehörigkeit und Regierungsform“, sondern: „Die dynastische Frage war nicht zu berühren“. 2984 Windischgraetz 1920, 417 – 419. 2985 Ebd. – Dagegen schrieb der Prinz 1957 und ebenso 1965: „Meine erste Begegnung mit (…) Dutasta, (…) Rumbold und dem Geschäftsträger der USA, Wilson, überzeugten mich, daß die ernste Absicht bestand, so rasch wie möglich in entscheidende Verhandlungen einzutreten. Diese sollten in der französischen Botschaft stattfinden und nächsten Tag, 3. November (…) beginnen.“ Er sei Paul-Arnaud Dutasta und Sir Horace Rumbold also schon am 2. November „begegnet“ und nicht nur ­diesem, sondern auch Hugh R. Wilson. Windisch-Graetz 1957, 121 – 122; Windisch-Graetz 1965, 143. 2986 Windischgraetz an M. d. Ä., Tel. 810, 4. Nov. 1918, HHStA PA I, 524 XLVII/13.4 fol. 74, idem: HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 527, HHStA PA XL, Hereinb. 241 p 333.

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Ob von Wien ein „Ermächtigungstelegramm“ abgesandt wurde, ließ sich nicht eruieren, im Aktenmaterial findet sich auf ein solches kein Hinweis. De Vaux telegrafierte am 5. November an Flotow, dass über den Empfang des Prinzen „heute Instruktionen aus Paris eintreffen dürften“.2987 Am 7. November berichtete Windischgraetz, seinem Buch von 1920 zufolge, ans Ministerium: Soeben (…) vom Gesandten Rumbold empfangen. Habe ihm (…) Verbalnote überreicht. In mehr als einstündiger Auseinandersetzung teilte ihm Situation in Monarchie mit, desgleichen (…) in Verbalnote festgelegten Standpunkt Seiner Majestät. Mein Eindruck, daß (…) Entente den ­Kaiser und König für die geeignetste Person hält, den Frieden z­ wischen den (…) Völkern der Donaumonarchie (…) herzustellen. Entente will rascheste Verhandlungen betreffs Feststellung nicht nur Waffenstillstandes, sondern Präliminarfriedensbedingungen.2988

In der „Verbalnote“ habe es geheißen: Sa Majesté m’a autorisé de constater si et dans quelle mesure le Gouvernement Français (…) serait disposé à entrer en négociations avec l’Empereur et Roi, qui – dans l’intérêt des peuples de la Monarchie – est prêt à offrir ses bons offices. – Sa Majesté ne tient en premier lieu ni à sa Couronne, ni à la Dynastie, Elle s’efforce surtout à rechercher les moyens par lesquels une harmonie entre les États indépendants naissants pourrait être établie. Si la France était disposé à négocier à ce sujet, ces négociations contribueraient certainement à assurer le sort des nouveaux États et aideraient à une liquidation ordonnée du passé.2989

Am selben Tag habe er nach Wien berichtet: Überreichte französischer Gesandtschaft gleichlautende Verbalnote und darlegte Situation in gleicher Weise. (…) gewonnener Eindruck besser als auf englischer Gesandtschaft. Frankreich scheint für Notwendigkeit sofortigen Friedensschlusses, finanzieller und materieller Unterstützung volles Verständnis zu besitzen. Person Seiner Majestät sympathisch, seine (…) Bemühungen für den Frieden werden voll gewürdigt. Besprach mit Botschafter (recte: Gesandtem), daß (…) Präliminarfriedensverhandlungen sofort eingegangen werden können, sobald Bevollmächtigung für mich oder Grafen Mensdorff eingetroffen (…).2990

Zu solchen Verhandlungen kam es nicht; Windischgraetz schrieb dazu: 2987 de Vaux an Flotow, Tel. 818, 5. Nov. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 518. 2988 Windischgraetz 1920, 417 – 421. 2989 Ebd. 2990 Ebd.

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Am 7. November abends wußte die Entente bereits, daß die (…) Monarchie zu existieren aufgehört hatte. – Die französische und englische Regierung (…) ließen nun erklären, nicht mehr in der Lage zu sein, mit einem Monarchen Abmachungen zu treffen, der sich freiwillig von den Regierungsgeschäften zurückgezogen und seine Macht freiwillig den Nationalstaaten übergeben hatte.2991

Für sich zog der Prinz aus der hoffnungslosen Lage die Konsequenz. De Vaux telegrafierte nämlich am 10. November an Flotow: „Sektionschef (…) Windischgraetz hat mich ersucht, Euer Exzellenz seine Bitte um Entlassung aus dem Verbande des Ministeriums des k. u. k. Hauses und des Aeussern zu unterbreiten.“ 2992 In den zugänglichen Dokumenten fand sich weder auf die von Windischgraetz erwähnte „Verbalnote“ noch auf von ihm geführten Gespräche irgendein Hinweis, wohl aber ein Telegramm des ebenfalls in die Schweiz entsandten Mensdorff, das dieser am 7. November nach Wien übermitteln ließ. Darin heißt es: Habe heute englischen Gesandten besucht, der mich hatte wissen lassen, dass er mich empfangen würde. – Das Hauptthema unserer Konversation war Ernährungsfrage. Schweizer Regierung hatte ihm offiziell noch gestern abends unser Ansuchen um Lebensmittelsendungen mitgeteilt, das er sofort nach London weitergab.2993

Von einem am selben Tag erfolgten Besuch Windischgraetz’ bei Rumbold erwähnte Mensdorff nichts. Sollte manches des vom Prinzen Geschilderten seiner auch sonst nicht selten manifestierten Fantasie entsprungen sein? Mensdorff notierte über seine Mission: Ein vollständiger Narrenthurm. (Einfügung: ‚Ich habe eine Unvorsichtigkeit L. Windischgrätz’s verhindern können.‘ (…)) Ich musste calmierend eingreifen u. ich glaube meine Ankunft hat einige Unvorsichtigkeiten verhindert, die vielleicht schwerwiegende Folgen gehabt hätten. (…) Gestern war ich bei Rumbolds. Ich sprach hauptsächlich von der Nothwendigkeit, uns Nahrungsmittel zu senden. Jedenfalls ist eine erste Verbindung mit der englischen Gesandtschaft angeknüpft.2994

Und am 13. November notierte Mensdorff: War vorgestern bei französ. Botschafter. Sprach hauptsächlich über Ernährungsfragen. Empfang liebenswürdig. (…) Ueber die Zukunft Ö. U. will er in keine rechte Conversation e­ ingehen; gab 2991 Ebd. 2992 de Vaux an Flotow, Tel. 841, 10. Nov. 1918, HHStA PA XL, Hereinb. 241 p 426. 2993 de Vaux (Mensdorff) an M. d. Ä., Tel. 825, 7. Nov. 1918, HHStA PA I, 524 XLVII/13.4 fol. 69. 2994 Mensdorff TB-Eintr. 4., 8. u. 13. Nov. 1918, HHStA NL Mensdorff TB 4 fol. 70 – 7 1v.

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mir aber nicht viel Hoffnung. (…) – Heute war ich beim amerikanischen Gesandten u. habe eindringlich (…) wegen Lebensmittelversorgung gesprochen. Er versprach meine Wünsche zu telegraphieren.2995

Graf Revertera hatte am 31. Oktober durch de Vaux an Andrássy depeschiert: Das französische Hauptnachrichtenbüro für die Schweiz habe den Dominikanerpater und Professor an der Freiburger katholischen Universität Marc de Munnynck „auf besonderen Wunsch von Clemenceau und Foch“ zu ihm kommen lassen, um (…) die Vermittlung einer (…) Persönlichkeit zu erbitten, w ­ elche autorisiert wäre, betreffs der Klarstellung nachstehender Punkte zum bereits feststehenden Friedensprogramme in Vorbesprechung einzutreten: – I. Feststellung des Maximums an Länder-Einbuße, das Oester­ reich-Ungarn ertragen könnte, ohne daß sein Zerfall drohen würde, wobei betont wird, daß in maßgebenden französischen Kreisen nicht die Neigung bestehe, Triest oder sonst viel Territorium an Italien zu überlassen. – II. Das Maximum dessen, was in Oesterreich-Ungarn innerpolitisch bewilligt werden könnte, ohne die Gefahr des Zerfalles heraufzubeschwören. – III. Die Sicherung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit von Oesterreich-Ungarn. – (…) Von derselben Seite wird (…) betont, daß die Stimmung für unsere Dynastie und uns in Frankreich günstig ist, selbst bei Radikalen.2996

Für den Minister antwortete Flotow noch am selben Tag, dass „wir jederzeit bereit sind, einen Vertreter behufs Rücksprache mit Delegierten der Entente zu entsenden“.2997 Zur erbetenen „Klarstellung“ telegrafierte Flotow am 2. November, dass bei (…) Ländereinbußen der Monarchie nicht nur auf deren Fortbestand und die Verhinderung ihres Zerfalls, sondern auch darauf Bedacht genommen werden müßte, daß weitgehende terri­ toriale Verluste auch in den (…) in Bildung befindlichen Einzelstaaten eine tiefe Erregung auslösen und einen Zustand schaffen würden, welcher weder für die Gegenwart eine Beruhigung noch für die Zukunft die Garantie einer Dauer bieten würde. Die voraussichtlichen Gebietsverluste an (…) Polen und gewisse Gebietsabtretungen an Italien wären somit wohl das Maximum (…). (Es könne darauf) hingewiesen werden, daß auf dem Gebiete der Monarchie (…) Nationalstaaten bereits in Bildung begriffen sind, ohne daß (…) von der Zentralregierung ein Widerstand erhoben wird.2998

2995 Ebd. 2996 de Vaux (Revertera) an Andrássy, Tel. 775, 31. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 407 – 407v. 2997 Flotow an de Vaux, Tel. 613, 31. Okt. 1918, ebd. fol. 415. 2998 Flotow an de Vaux, Tel. 618, 2. Nov. 1918, ebd. fol. 423.

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Zu Gesprächen kam es jedoch nicht. Sollte der „besondere Wunsch“ nach solchen von de Munnynck selbst oder ihm nahestehenden Personen und nicht von „Clemenceau und Foch“ ausgegangen sein? Am 6. November traf Wilsons Antwort auf die deutsche Note vom 27. Oktober in Berlin ein. Im Begleitschreiben Lansings an den schweizerischen Gesandten in Washington hieß es: „Die alliierten Regierungen haben den Notenwechsel (…) mit der deutschen Regierung sorgfältig in Erwägung gezogen. Mit den folgenden Einschränkungen erklären sie ihre Bereitschaft zum Friedensschlusse (…).“ 2999 Und weiter: „Der Präsident hat mich (…) beauftragt, Sie zu ersuchen, der deutschen Regierung mitzuteilen, daß Marschall Foch (…) ermächtigt worden ist, gehörig beglaubigte Vertreter der deutschen Regierung zu empfangen und sie von den Waffenstillstandsbedingungen in Kenntnis zu setzen.“ 3000 Der Note Wilsons folgend entschloss sich die deutsche Regierung Bevollmächtigte zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand zu entsenden.3001 Das Wolff ’sche Bureau meldete dazu am 8. November: Nachdem die deutsche Regierung (…) benachrichtigt worden ist, daß Marschall Foch ermächtigt ist, beglaubigte Vertreter (…) zu empfangen, um ihnen die Waffenstillstandsbedingungen mitzuteilen, sind folgende Bevollmächtigte ernannt worden: General der Infanterie v. Gündell, Staatssekretär Erzberger, Gesandter Graf Oberndorff, General v. Winterfeldt, Kapitän z. S. Vanselow. – Die Bevollmächtigten bitten um Mitteilung (…), wo sie mit Marschall Foch zusammentreffen können. (…) – Die deutsche Regierung (…) würde es im Interesse der Menschlichkeit begrüßen, wenn mit dem Eintreffen der deutschen Delegation an der Front (…) vorläufige Waffenruhe eintreten könnte.

Den deutschen Bevollmächtigten, aufgrund eines Vorschlags Lersners nunmehr unter der Leitung Erzbergers,3002 wurden am Morgen des 8. November im Wald bei Compiègne die Waffenstillstandsbedingungen überreicht, und zwar mit der Aufforderung an die deutsche Regierung, sie „binnen 72 Stunden, die Montag (11. November) vormittag, 11 Uhr, ablaufen, anzunehmen oder abzulehnen“.3003 Erzberger meldete dies, wie Hintze das Auswärtige Amt wissen ließ, dem Großen Hauptquartier mit den Worten:

2999 Wilson an dt. Reg. (Lansing an Sulzer No. 286) 5. Nov. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 468 – 469, Übers. ins Dt.: NFP M (7. Nov. 1918), 1, Ludendorff 1920, 580 – 581 Dok. XXII B/25. 3000 Ebd. 3001 NL Erzberger 27 bzw. 48, Matthias Morsey 1962, 547 – 557 Dok. 131b u. c. 3002 Matthias Morsey 1962:LXII. 3003 NFP A (9. Nov. 1918), 1.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Aus der Besprechung (…) ging hervor, daß übergebene Waffenstillstandsbedingungen bindende Verabredungen aller feindlichen Kriegsleitungen und Regierungen sind, Marschall Foch daher dringend erbetene (…) Frist (Verlängerung um 24 Stunden) ablehnen müsse, wie er auch (…) vorläufige Waffenruhe aus gleichem Grunde ablehnte. Nach bisherigem Eindruck ist nicht anzunehmen, daß über entscheidende Hauptpunkte Gegenvorschläge zur Erörterung zugelassen werden. Es soll trotzdem versucht werden, (…) Milderungen einzelner Punkte zu erreichen, um (…) Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Abwendung drohender Hungersnot zu erreichen. Hierzu wird versucht werden, Verlängerung der Fristen (…) zu erlangen. – Falls nicht Ablehnung beschlossen wird, erbitten ausdrückliche Ermächtigung zur sofortigen Unterzeichnung (…).3004

Tags darauf meldete Hintze die vorläufigen Waffenstillstandsbedingungen. „Kommission bittet um Ermächtigung zur Unterzeichnung (…), hofft Verlängerung der Fristen herausschlagen zu können.“ 3005 In Berlin wurde am Morgen des 9. November der Generalstreik ausgerufen, die Straßen waren voll von für die Beendigung des Krieges und eine politische Neuordnung Demonstrierenden. Prinz Max schrieb, er sei von Hintze um 9 Uhr 15 ­dieses Tages telefonisch verständigt worden, dass sich die OHL entschlossen habe, „Seiner Majestät zu melden, daß die (…) Streitkräfte im Falle eines Bürgerkriegs nicht hinter dem ­Kaiser stehen würden“. Arnold Wahnschaffe, der Chef der Reichskanzlei, habe mit den Worten: „unter diesen Umständen bliebe doch nichts übrig als die Abdankung“ keinen Widerspruch gefunden. Prinz Max schrieb weiter, er habe die Nachrichten, „große Arbeitermassen befänden sich bereits auf dem Wege (…) nach dem Innern der Stadt“ und „sich häufende Meldungen über versagende und meuternde Truppen“ nach Spa weitergegeben, von dort aber habe man ihn „immer aufs neue vertröstet: die Entscheidung stünde bevor (…)“. Nach 11 Uhr hätten die Nachrichten aus Spa bestimmter gelautet: „Der K ­ aiser habe sich zur Abdankung entschlossen. Wir würden in einer halben Stunde die Formulierung erhalten.“ 3006 Kurz darauf entschied der Kanzler, ohne eine entsprechende Vollmacht erhalten zu haben, bekanntgeben zu lassen: Der K ­ aiser und König hat sich entschlossen, dem Throne zu entsagen. – Der Reichskanzler bleibt noch so lange im Amte, bis die mit der Abdankung des Kaisers, dem Thronverzicht des Kronprinzen (…) und der Einsetzung der Regentschaft verbundenen Fragen geregelt sind. Er beabsichtigt, dem Regenten die Ernennung des Abgeordneten Ebert zum Reichskanzler und die Vorlage eines Gesetzentwurfes wegen der sofortigen Ausschreibung allgemeiner Wahlen 3004 Hintze an A. A., Tel. 8. Nov. 1918, Amtl. Urk. 1924, 258 Dok.103; Waffenstillstand 1. 1928, 58 – 59. 3005 Hintze an A. A., Tel. 9. Nov. 1918, Amtl. Urk. 1924, 260 – 261 Dok.105. 3006 Max v. Baden. 1968, 595 – 597.

Waffenstillstand und Republik

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für eine verfassunggebende deutsche Nationalversammlung vorzuschlagen, der es obliegen würde, die künftige Staatsform des deutschen Volkes einschließlich der Volksteile, die ihren Eintritt in die Reichsgrenzen wünschen sollten, endgültig festzustellen.3007

Aus Wien telegrafierte daraufhin der Staatsrat, einem einstimmig angenommenen Antrag Victor Adlers folgend, an Prinz Max: „Der (…) Staatsrat spricht die Hoffnung aus, daß an der Wahl der verfassunggebenden Nationalversammlung (…) auch das deutsche Volk in Oesterreich teilnehmen wird.“ 3008 Gegen 12 Uhr erschienen die Spitzen der Sozialdemokraten unter der Führung Eberts in der Reichskanzlei und forderten Prinz Max zur Übergabe der Regierungsgeschäfte auf. Der Prinz kam der Aufforderung nach einer k­ urzen Beratung mit Kabinettsmitgliedern nach und übertrug sein Amt auf Ebert.3009 Dieser wandte sich sogleich mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit, in der es hieß: „Die neue Regierung wird eine Volksregierung sein. Ihr Bestreben wird sein müssen, dem deutschen Volke den Frieden schnellstens zu bringen und die Freiheit, die es errungen hat, zu befestigen.“ 3010 Hohenlohe berichtete über den vollzogenen Wechsel nach Wien: „Ebert ist Reichskanzler und wird eine konsti­ tuierende Nationalversammlung zur Entscheidung der künftigen Staatsform Deutschlands einberufen. Die neue Regierung ist noch nicht gebildet.“ 3011 Erst nach 14 Uhr des 9. November erhielt die Reichskanzlei durch Hintze telefonisch Nachricht von der Entscheidung K ­ aiser Wilhelms. Prinz Max gab sie in seinen Erinnerungen so wieder, wie sie „Hintze am Telephon“ verlesen habe: 1. Seine Majestät sind damit einverstanden, wenn die deutsche Regierung die (…) Waffenstillstandskommission ermächtigt, sofort abzuschließen, auch ehe die Waffenstillstandsbedingungen hier bekannt geworden sind. – 2. Um Blutvergießen zu vermeiden, sind Seine Majestät bereit, als Deutscher ­Kaiser abzudanken, aber nicht als König von Preußen.3012

Das Letztere sah Prinz Max als „staatsrechtlichen Widersinn“ und schrieb: „Darin wurde die Reichsverfassung zerschlagen, deren Eckpfeiler der Artikel 11“ gewesen sei: „der Träger der Staatsgewalt in Preußen ist (…) immer zugleich der Träger der kaiserlichen Gewalt im Reich.“ 3013

3007 A-Z M (10. Nov. 1918), 1, RP M (10. Nov. 1918), 2. 3008 Dö. Staatsrat an Pr. Max v. Baden, ebd. fol. 27v, A-Z M 10. Nov. 1918, 4, RP M (10. Nov. 1918), 4. 3009 Aufz. über Vorgänge in der Reichskanzlei 9. Nov. 1918, Matthias Miller Potthoff 1 1969, 3 – 8 Dok. 1. 3010 A-Z M (10. Nov. 1918), 3, RP M (10. Nov. 1918), 2. 3011 Hohenlohe an Andrássy (recte Flotow), Ber. 703/pol, 9. Nov. 1918, HHStA PA III, 174 fol. 339. 3012 Max v. Baden. 1968, 606. 3013 Ebd.

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Kurz danach rief Scheidemann von einem Balkon des Reichstags die Republik aus. Später schrieb er, der 9. November sei der Tag gewesen, „an dem es eben nicht mehr weiterging“; nichts habe die „die innere Aushöhlung“ des alten Regimes und „das weltgeschichtliche Recht seiner Umstürzung“ besser bewiesen als „das stillschweigende Verschwinden aller, die bis dahin aus Herkunft und Beruf die (…) Stützen des Thrones gewesen waren. Nicht einer hat eine Hand gerührt.“ 3014 Kaiser Wilhelm übertrug am Morgen des 10. November den Oberbefehl über Heer und Marine Hindenburg und begab sich von Spa nach Holland, wo er erst Wochen ­später die Abdankungsurkunde unterzeichnete. Ludendorff floh unter falschem Namen mit einem finnischen Diplomatenausweis nach Schweden. Am selben Tag beriet die neue Regierung die Waffenstillstandsbedingungen. Nach der Verlesung eines Telegramms Hindenburgs, der ihre Annahme als absolut erforderlich bezeichnete, erklärte Ebert, es „bleibe leider kein anderer Weg“, als sie anzunehmen, „von einem Frieden des Rechts und der Gerechtigkeit“ könne keine Rede sein.3015 Hintze wurde angewiesen, die OHL zu veranlassen, Erzberger mitzuteilen: Euer pp. sind zur Zeichnung des Waffenstillstandes ermächtigt. – Sie wollen gleichzeitig (…) zu Protokoll geben: – ‚Die deutsche Regierung wird mit allen Kräften für die Durchführung der gestellten Bedingungen sorgen. Die Unterzeichneten halten es aber für ihre Pflicht, darauf hinzuweisen, daß die Durchführung einzelner Punkte dieser Bedingungen die Bevölkerung des nicht zu besetzenden Teils von Deutschland in Hungersnot stürzen muß. Die Belassung aller Vorräte in den zu räumenden Gebieten (…) machen die Ernährung und jede Organisation ihrer Verteilung unmöglich. – Die Unterzeichneten bitten daher, über (…) Abänderungen dieser Punkte (…) verhandeln zu dürfen.’3016

Kurz danach aber wurde Hintze angewiesen, der Friedensdelegation mitzuteilen, „daß die (…) Regierung die ihr (…) gestellten Waffenstillstandsbedingungen annimmt“.3017 Der Waffenstillstand wurde am 11. November 1918 in Fochs Salonwagen im Wald bei Compiègne unterzeichnet.3018 Als oberstes Organ der deutschen Republik war der Regierung Ebert inzwischen der Rat der Volksbeauftragten gefolgt. Er bestand aus je drei Vertretern der MSPD und der USPD, den Vorsitz führten mit gleichen Rechten Ebert und Haase. Ebert war für 3014 Scheidemann. 1921, 210 – 211. 3015 Beratung 10. Nov. 1918 mittags, Matthias Miller Potthoff 1 1969, 23 – 30 Dok. 5. 3016 Max v. Baden (recte Ebert) an Hintze, Tel. 10. Nov. 1918, Amtl. Urk. 1924, 264 Dok.108 bzw. p 265 Dok.109. 3017 Ebd. 3018 Waffenstillstand 1. 1928, 74 – 89, dt. Text pp 22 – 57.

Waffenstillstand und Republik

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I­ nneres und Militär zuständig, Haase für Äußeres, Justiz und Kolonien, Scheidemann für Finanzen. Am 12. November depeschierte der Rat an Wilson: Nachdem nunmehr der Waffenstillstand geschlossen ist, bittet die deutsche Regierung (…) Friedensverhandlungen in die Wege leiten zu wollen. Der Beschleunigung halber schlägt sie vor, zunächst den Abschluß eines Präliminarfriedens ins Auge zu fassen (…). – Wegen drohen­der Lebensmittelnot legt die (…) Regierung auf den unverzüglichen Beginn der Verhandlungen besonderen Wert.3019

Das k. u. k. Ministerium des Äußern ließ am 8. November 1918 die noch im Ausland bestehenden Vertretungen im Ausland wissen: Vorerst hat sich Ungarn für vollkommen selbständig erklärt, allerdings ohne pragmatische Sanktion aufzuheben und unter Vorbehalt der definitiven Staatsgesetzgebung durch eine einzuberufende Nationalversammlung. – Auf österreichischem Boden hat sich zunächst formelle Loslösung der polnischen Gebiete und deren Anschluß an das Königreich Polen vollzogen. Tschechen haben tschechoslovakischen Staat proklamiert und stehen in Widerspruch zu Deutschen Deutschösterreichs, ­welche die deutschen Teile Böhmens, Mährens und Schlesiens für sich in Anspruch nehmen (…). – Hiesige Auffassung geht dahin, daß diese Staatenbildungen von uns intern anerkannt werden müssen, daß damit jedoch Fortbestand der (…) Monarchie als international anerkanntes Rechtssubjekt zunächst nicht berührt ist. (…) Euer ./. repräsentieren bis auf weiteres österreichisch-ungarische Monarchie. (…) – Ministerium des Aeußern besteht als gemeinsame Behörde vorläufig mit bisherigem Wirkungskreise fort. Deutschösterreich hat Staatsamt des Aeußern errichtet, das (…) im Einvernehmen mit Ministerium des Aeußern vorgeht.3020

Dem deutsch-österreichischen Staatsrat wurde am 11. November eine provisorische Verfassung vorgelegt, in deren ersten beiden Artikeln es hieß: „Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volke eingesetzt“ und: „Deutschösterreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik.“ Der Staatsrat nahm die beiden Artikel mehrheitlich, alle übrigen Bestimmungen einstimmig an und beschloss den Entwurf am folgenden Tag der Nationalversammlung zur Beschlussfassung vorzulegen. Seitz, Renner und Sylvester wurden zu Ministerpräsident Lammasch entsandt, um ihm davon Mitteilung zu machen und „die gleichzeitige Verlautbarung der Beschlüsse des Staatsrats mit der Verzichterklärung des Kaisers zu bewirken“.3021 3019 F-B M (13. Nov. 1918), 1, NFP M (13. Nov. 1918), 6. 3020 M. d. Ä. an Hohenlohe Tel. 735, Pallavicini Tel. 533, Fürstenberg Madrid Tel. 399 usw., 8. Nov. 1918, HHStA PA XL, Hinausb. 153 o. Fz. 3021 Dö. Staatsrat 29. Sitzg. 11. Nov. 1918, Enderle-Burcel Haas Mähner 1 2008, 358 – 359.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Lammasch hatte den k. k. Ministerrat bereits von diesen Beschlüssen informiert, sie brächten „den Uebergang zu republikanischen Staatsformen mit sich“. Es sei daher notwendig, dass der ­Kaiser sie „im Voraus anerkenne und den Verzicht auf fernere Anteilnahme an den Staatsgeschäften ausspreche. Eine ­solche Kundgebung entspreche auch ganz den Intentionen Seiner Majestät. Allerhöchstderselbe sei entschlossen, der Selbstbestimmung der Völker, der er ja durch seine eigenen Akte die Bahn geebnet habe, in keiner Weise entgegenzutreten.“ Der Ministerrat kam überein, eine „solche Kundgebung“ dem ­Kaiser „alleruntertänigst zu empfehlen“.3022 Josef Redlich, im Kabinett Lammasch Finanzminister, hielt in seinem Tagebuch fest, die Proklamation sei in der Nacht vom 10. auf den 11. November im Ministerrat (…) in mühevollster Weise Wort für Wort besprochen und genehmigt worden. Der erste Teil beruht auf einem Entwurf Renners, den Lammasch mitgebracht hatte, der zweite Teil auf einem von Lammasch und (Robert Freiherr) Ehrhart (von Ehrhartstein) nach meinem vortägigen Entwurf gearbeiteten Vorschlag: die Mehrzahl der umstrittenen Sätze ist in der teils von Seipel, teils von mir vorgeschlagenen Wortsetzung angenommen worden.3023

Das Kabinett habe befürchtet, dass (…) die ‚Straße‘ die Republik proklamieren (…) oder die ‚Rote Garde‘ nach Schönbrunn kommen und den ­Kaiser zur Abdankung zwingen könnte. So wollten wir für alle Fälle den ­Kaiser vorbereitet haben und deshalb fuhren Sonntagabend Lammasch und (Edmund von) Gayer zum ­Kaiser hinaus und zeigten ihm den bis dahin vollendeten Teil der Proklamation. In der Nacht – nach dem Besuche Renners und Seitzens in der Herrengasse (im Ministerratspräsidium), wobei diesen unser Entwurf gezeigt und von ihnen für genügend befunden wurde (doch schlugen sie die Sätze vor, die jetzt den ersten Teil der Proklamation ausmachen) – ist dann die Abdankungsproklamation fertiggestellt und am Montag Früh von Lammasch dem K ­ aiser gebracht worden, der ein Exemplar – und zwar ein Brouillon – mit Bleistift unterschrieb.3024

In der kaiserlichen Proklamation hieß es: „Im voraus erkenne ich die Entscheidung an, die Deutschösterreich über seine Staatsform trifft. Das Volk hat durch seine Vertreter die Regierung übernommen. Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften.“ 3025 Einen Thronverzicht stellte diese Erklärung nicht dar, der Verzicht des Kaisers „auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften“ bedeutete aber mehr als einen Thronverzicht: 3022 Ö. Min.-R. 11. Nov. 1918, AVA Min.-R.-Prot. MRZ 77 fol. 66v–67. 3023 Redlich TB-Eintr. 12. Nov. 1918, Fellner Corradini 2 2011, 467 – 468. 3024 Ebd. 3025 WZ Extra-Ausg. (11. Nov. 1918), 1, NFP N (11. Nov. 1918), 1, F-B M (12. Nov. 1918), 1.

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Gemäß der Verfassung von 1867 waren Monarch und Volk gemeinsam Träger der Souveränität, auf seinen Anteil hatte er nun verzichtet.3026 Seine Erklärung hinderte ihn jedoch, als er am 24. März 1919 in die Schweiz fuhr, nicht daran, Protest zu erheben gegen die „jahrhundertealte Herrscherrechte verletzenden Maßnahmen, die die Regierung, die provisorische und die konstituierende Nationalversammlung Deutschösterreichs vom 11. November 1918 an getroffen haben“. Der Staatsrat habe mit dem „Antrag auf Proklamierung Deutschösterreichs zur Republik“ einer Entscheidung vorgegriffen, die gemäß seiner, Karls, Erklärung „nur das gesamte deutschösterreichische Volk treffen sollte. (…) Was die deutschösterreichische Regierung, provisorische und konstituierende Nationalversammlung (…) in diesen Belangen beschlossen und verfügt haben und weiter­hin resolvieren werden, ist demnach für Mich und Mein Haus null und nichtig.“ 3027 Eine seiner Proklamation vom 11. November entsprechende Erklärung für Ungarn unterzeichnete Karl am 13. November. In ihr hieß es: „Ich will nicht, daß meine Person der Entwicklung der ungarischen Nation als Hindernis diene (…). Darum verzichte ich auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften und erkenne im voraus die Entscheidung an, in der Ungarn seine künftige Staatsform feststellt.“ 3028 Am 16. November 1918 wurde die Ungarische Republik proklamiert. Das österreichische Abgeordnetenhaus hielt am 12. November seine letzte Sitzung ab, zu der fast nur deutsche Abgeordnete erschienen. Präsident Groß erklärte: Das Haus hat heute wohl keine Aufgaben mehr zu erfüllen. An seine Stelle sind die verschiedenen Nationalversammlungen getreten, insbesondere hier für uns Deutschösterreicher die provisorische Deutsche Nationalversammlung (…). Ihr obliegt die große, mächtige Aufgabe, Deutschösterreich aus der konstitutionellen Monarchie hinüberzuführen zur Republik (…), für eine bessere Zukunft unseres Volkes zu sorgen. (…) Ich erlaube mir daher, den Antrag zu stellen, das hohe Haus wolle beschließen, die heutige Sitzung aufzuheben und keinen Tag für die nächste Sitzung zu bestimmen.3029

Der Antrag wurde angenommen.3030 3026 Brauneder 2000, 154. – Kann erklärte 1978 dazu: „Unmittelbar hat er zunächst auf den Anteil an den Regierungsgeschäften verzichtet (…). Darüber hinaus hat er erklärt, er billigt die Staatsform, die sich Österreich geben wird, d. h. auch die Republik. Damit aber stimmt er nicht nur der Abdankung, sondern sogar der Absetzung zu.“ Kann 1986, 273. 3027 Ks. Karl, Feldkircher Manifest 24. März 1919, Werkmann 1923, 35 – 38, Kovács 2 2004, 460 – 462 Dok. 142. – Werkmann teilte mit: Der Protest wurde „nicht der Öffentlichkeit übergeben, sondern in die Hände einiger befreundeter Staatsoberhäupter gelegt“. Werkmann 1923, 38. 3028 PL M (15. Nov. 1918), 1. 3029 Sten. Prot. AH XII. Leg.-Per., XXII. Sess. 12. Nov. 1918. 4701. 3030 Ebd.

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Die Niederlage zeichnet sich ab – Zusammenbruch und neue Anfänge

Die Provisorische Nationalversammlung für Deutschösterreich nahm am 12. November 1918 die ihr am Vortag vom Staatsrat vorgelegte provisorische Verfassung einstimmig an.3031 Darin hieß es: Artikel 1. Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volk eingesetzt. – Artikel 2. Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik. (…) – Artikel 3. Alle Rechte, w ­ elche nach der Verfassung der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder dem K ­ aiser zustanden, gehen einstweilen, bis die konstituierende Nationalversammlung die endgiltige Verfassung festgesetzt hat, auf den deutschösterreichischen Staatsrat über. – Artikel 4. Die k. u. k. Ministerien und die k. k. Ministerien werden aufgelöst. Ihre Aufträge und Vollmachten auf dem Staatsgebiet von Deutschösterreich gehen auf die deutschösterreichischen Staatsämter über.3032

Das Ende der Monarchie war damit besiegelt.

3031 Sten. Prot. Prov. NV DÖ, (3. Sitzg., 12. Nov. 1918). 65 – 68, F-B M (13. Nov. 1918), 2 – 3. 3032 StGBl. Nr. 5, Gesetz vom 12. Nov. 1918 über die Staats- u. Regierungsform, StGBl 1918. 4 – 5.

9. Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit versuchte, in den letzten Jahren des E ­ rsten Weltkrieges unternommene, bisher unzulänglich oder nicht bearbeitete bzw. unbekannt gebliebene Bemühungen Österreich-Ungarns und Deutschlands, dem Frieden näherzukommen, an Hand der verfügbaren Quellen sichtbar zu machen. Dabei zeigte es sich, dass eine Reihe bisheriger Darstellungen einer kritischen Betrachtung nicht standzuhalten vermag. Zu den bearbeiteten Materien zählen die Entstehung des Friedensangebots der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916, seine Zurückweisung durch die Entente sowie der Weg zum uneingeschränkten U-Bootkrieg und zur Kriegserklärung der Vereinigten Staaten an Deutschland. Was die Stellung Österreich-Ungarns zum verschärften U-Bootkrieg betrifft, erwies sich bisher Publiziertes und Tradiertes in wesentlichen Punkten als Legende. Ihren Ursprung hatten diese Legenden vor allem in Erklärungen von Personen der unmittelbaren Umgebung ­Kaiser Karls. So sagte Exkaiserin Zita im Seligsprechungsprozess für ihren Gemahl aus, dieser sei „completamente“ gegen den grausamen U-Bootkrieg gewesen, Deutschland habe ihn ohne die Zustimmung Österreich-Ungarns begonnen.3033 Nicht weniger unfundiert waren Werkmanns Aussage, der ­Kaiser habe bis zum letzten Moment gegen diese Art der Kriegführung gekämpft, bei unzähligen Konferenzen im deutschen und im österreichisch-ungarischen Hauptquartier sei es darüber nie zu einer Einigung gekommen, sowie Polzer-Hoditz’ Behauptung, K ­ aiser Karl habe sich „grundsätzlich und kategorisch“ geweigert, dem verschärften U-Bootkrieg zuzustimmen, es sei ihm aber schließlich „nichts anderes übrig (geblieben), als unter empörtem Protest seine Einwilligung zu geben“.3034 Von diesen Aussagen beeindruckte Autoren schrieben, Deutschland habe „mutwillig und provokativ, gegen den erbitterten Widerstand K ­ aiser Karls, den U-Bootkrieg begonnen“ oder gar, Feldmarschall Conrad habe „den Deutschen die österreichische Teilnahme am U-Boot-Krieg zugesagt, das diesbezügliche Votum im Kronrat herbeigeführt und damit den ­Kaiser überstimmt“.3035 Es erklärte jedoch nicht nur Österreich-Ungarn durch seinen Minister des Äußern die Teilnahme am uneingeschränkten U-Bootkrieg,3036 sondern auch K ­ aiser Karl als Person: Er versicherte ­Kaiser Wilhelm in einem selbst entworfenen Telegramm:

3033 3034 3035 3036

Zita Aussage 31. Dez. 1949, Congregatio 1. 1994, 535, 760. Werkmann Aussage 31. Dez. 1949, ebd. p 460, Polzer-Hoditz 1929, 272 – 274. Feigl 2004, 164, Kovács 2007, 128. Czernin an die Vertr. in den neutralen Staaten Europas, 28. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 15 – 18v, Czernin an Penfield, Note 508, 31. Jän. 1917, ebd. fol. 130 – 133v.

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Zusammenfassung

„Es freut mich sehr Dir nun erklären zu können, daß auch ich mit der Verschärfung des Ubootkrieges einverstanden bin.“ 3037 Die USA brachen nach der Erklärung des uneingeschränkten U-Bootkrieges durch Deutschland ihre diplomatischen Beziehungen mit d ­ iesem ab. Wilson suchte die Beziehungen mit Österreich-Ungarn, trotz dessen Teilnahme am uneingeschränkten U-Bootkrieg, aufrechtzuerhalten, wenn er es auch ablehnte, den designierten Botschafter der Monarchie zur Akkreditierung zu empfangen. Wilsons unterschiedliche Haltung gegenüber den beiden Mächten lag darin begründet, dass er hoffte, ihr Bündnis sprengen zu können. Wie wenig realistisch ­solche Hoffnungen waren, zeigt ein an den US-Botschafter in Wien gerichtetes Memorandum Czernins, in dem er erklärte, er sei zu auf eine Beendigung des Krieges abzielenden Gesprächen bereit, dies aber nur, wenn es dabei um einen allgemeinen Frieden gehe, es sei „absolutely out of the question to separate Austria-Hungary from her allies“.3038 Klar zeigen dies auch der von der Monarchie erklärte Abbruch der diploma­ tischen Beziehungen mit den USA nach deren Kriegserklärung an Deutschland und die Weisungen, die der zur Notifikation der Thronbesteigung ­Kaiser Karls an die skandinavischen Höfe entsandte Graf Mensdorff für mit englischen Diplomaten anzustrebende Kontakte erhielt. Der erste Punkt dieser Weisungen lautete nämlich: „Ausdrücklichste Betonung der Unerschütterlichkeit unserer Bündnisse, die absolute Unmöglichkeit, uns jemals von Deutschland zu trennen, mit besonderer Betonung, daß wir auch den U-Bootkrieg gleich Deutschland bis zum Aeußersten durchführen werden.“ 3039 Hoffnungen, Österreich-Ungarn aus seinem Bündnis mit Deutschland lösen zu können, hegte man auch in Paris; sie fanden ihren Ausdruck in der Aktion des Prinzen Sixtus von Bourbon-Parma. Mit den von französischer Seite gestellten Bedingungen für einen Separatfrieden mit der Monarchie zeigte sich K ­ aiser Karl rasch einverstanden. Nach Gesprächen mit dem nach Wien gekommenen Prinzen übergab er d ­ iesem einen eigenhändigen Brief, in dem er ihn bat, Präsident Poincaré mitzuteilen, dass er die gerechten Forderungen Frankreichs bezüglich Elsass-Lothringens bei seinen Verbündeten mit allen Mitteln und seinem ganzen persönlichen Einfluss unterstützen werde, dass Belgien wiederhergestellt werden müsse und ebenso Serbien, und dass er bereit sei, ­diesem einen Zugang zum Meer zuzusichern. Zu dem französischerseits ebenfalls geforderten Eintritt in Verhandlungen mit Russland auf der Basis der Erklärung eines „désintéressement“ an Konstantinopel und den Meerengen wollte K ­ aiser Karl sich angesichts der revolutionären Entwicklung in Russland erst s­ päter äußern. Außenminister Czernin war vom Gegenstand der Gespräche des Kaiserpaars mit dem Prinzen nur zum geringen Teil informiert. Darauf, dass er über den Brief an Sixtus und dessen Inhalt informiert gewesen wäre, konnten wir keinen 3037 Ks. Karl an Ks. Wilhelm, Tel. o. Z., 22. Jän. 1917, HHStA PA I, 503 XLVII/3 (15) fol. 328 – 330. 3038 Penfield an Lansing, Tel. 1757, 13. März 1917, PRFR 1917 Suppl. 1 1931. 65 – 66. 3039 Czernin an Hohenlohe für Mensdorff, Tel. 77, 14. Feb. 1917, HHStA PA III, 175 Weisungen 1917 fol. 33 – 33v.

Zusammenfassung

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­ inweis finden, und dies trotz vieler gegenteiliger Behauptungen, die auf das Verhalten H des Kaisers nach der Veröffentlichung des Briefes im April 1918, auf Sixtus’ Darstellung und nicht zuletzt auf Erklärungen Zitas gründeten. Dazu erfolgte klare Aussagen sowohl des Kaisers selbst als auch des ihm sehr nahestehenden Werkmann blieben von der Literatur weitgehend ignoriert bzw. unbekannt. Karl schrieb nach 1918: „Da durch die Lange­ weile Czernins die Verhandlungen, die er in meinem Beisein mit ihnen (den Prinzen) führte, zu keinem Resultat zu führen schienen, verfaßte ich ohne Kenntnis Czernins den gewissen Brief.“ 3040 Und Werkmann teilte 1931 mit: „Der ­Kaiser hat niemandem je gesagt, daß Graf Czernin um den kritischen Brief gewußt habe. Sobald es einmal nichts mehr zu verschleiern gab (…) hat der ­Kaiser mit der Wahrheit (…) gegenüber denjenigen nicht zurückgehalten, die ihn danach gefragt haben.“ 3041 Die negative Aufnahme, die der Brief an Sixtus bei der Entente fand, war in erster Linie dadurch bedingt, dass Karl sich bezüglich der Forderungen Italiens in Schweigen hüllte. Der Versuch Czernins, die leitenden Männer Deutschlands bei dem Treffen in Berlin Ende März 1917 dadurch für eine „partielle Abtretung von Elsaß-Lothringen“ zu gewinnen, dass Österreich-Ungarn ihm, Deutschland, Polen „verkaufe“,3042 schlug fehl, ebenso ein nochmaliger Versuch beim Treffen der beiden ­Kaiser in Homburg Anfang April 1917.3043 Um den Ernst der Stunde, auch im Hinblick auf die revolutionäre Entwicklung in Russland und die amerikanische Kriegserklärung an Deutschland, deutlich zu machen, verfasste Czernin nach dem Homburger Treffen eine Denkschrift, in der er riet, einen „detaillierten Friedensvorschlag“ zu machen und „eventl. große, schwere Opfer zu bringen“.3044 Er überreichte die Denkschrift ­Kaiser Karl am 12. April 1917 mit dem Ersuchen, sie auch ­Kaiser Wilhelm zu übermitteln. Den erhofften Eindruck machte sie weder auf die beiden ­Kaiser und Reichskanzler Bethmann Hollweg noch auf Staatsekretär Zimmermann und die deutsche Oberste Heeresleitung. Was die Berichte über ein Ende März 1917 erfolgtes italienisches Angebot eines Separatfriedens mit Österreich-Ungarn betrifft, so deutet nichts darauf hin, dass es ein solches tatsächlich gegeben hat. Bei den vagen diesbezüglichen Eröffnungen eines Kontaktmannes in Bern, die von Czernin und ­Kaiser Karl für bare Münze genommen wurden und das Kaiserpaar Anfang Mai 1917 veranlassten, Sixtus einzuladen, erneut nach Wien zu kommen, scheint es sich um nicht mehr als eine sondierende Aktion der italienischen Geheimdienste gehandelt zu haben. Der dem Prinzen übergebene zweite Brief ­Kaiser Karls ging somit von nicht existenten Prämissen aus. Dass dieser völlig im Unbestimmten 3040 3041 3042 3043 3044

Kaiser Karl „Vineta-Fragment“, o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 333 Dok. 87a. Werkmann 1931, 218. Prot. Konf. in Berlin 26. März 1917, SG 2 1966, 50 – 60 Dok. 33. Czernin Aufz. über pol. Konversationen (…) 3. Apr. 1917, HHStA PA I, 504 XLVII/3 (18) fol. 24 – 25. Czernin 12. Apr. 1917, ebd. fol. 981 – 986.

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bleibende und in Worten des Dankes und Preises für sich, Sixtus und das Haus Bourbon ausklingende Brief des Kaisers sowie das von ihm beigefügte Aide-Mémoire Czernins und sogar dessen verfälschende „Übersetzung“ durch den Prinzen bei der Entente keine positive Resonanz fanden, ist nicht verwunderlich. Ausführlich eingegangen wurde auf die Darstellungen der Kaiserbriefe in der Literatur. Die auf eine opportunistische Behauptung Alois Musils zurückgehende und von etlichen Autoren tradierte Legende, dieser habe die Kaiserbriefe konzipiert, redigiert oder verfasst,3045 erwies sich als nichts als eine Legende. Die intensiven Bemühungen Czernins, nach der Erklärung der russischen Provisorischen Regierung vom 9. April 1917, das freie Russland wolle „einen dauerhaften Frieden auf Grund des Rechtes der Völker, ihr Schicksal selbst zu bestimmen“, die deutsche Führung für einen Verzicht auf Annexionen zu gewinnen und damit den Weg zu einem Separatfrieden mit Russland zu öffnen, blieben erfolglos. Diesen Bemühungen standen nicht nur die deutschen Bestrebungen entgegen, die militärische Schwäche des revolutionären Russlands auszunützen, sondern auch die ­zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland am 17. und 18. Mai 1917 in Kreuznach akkordierten Pläne bezüglich der Zukunft Polens, Rumäniens und des Balkans. Erfolglos blieb auch der von deutscher Seite unternommene Versuch, eine Reise des schweizerischen, sozialdemokratischen Nationalrates Robert Grimm nach Petersburg zu benützen, um Kontakte mit der Provisorischen Regierung anzuknüpfen. Einem Bekanntwerden der Denkschrift Czernins vom 12. April 1917 bei der Entente, wie etwa Steglich und Meckling annahmen,3046 wurde von ihrem Verfasser und auch dem Berliner Auswärtigen Amt große Bedeutung beigemessen: Die Haltung der Entente gegenüber den Mittelmächten habe sich dadurch verhärtet, sodass deren Friedensvorschläge nur auf Ablehnung gestoßen s­ eien. Auf w ­ elche Weise die Denkschrift durch ­Kaiser Karl in die Hände Matthias Erzbergers kam, wie der K ­ aiser sein Vorgehen zunächst bestritt, schließlich aber eingestehen musste, und nichts darauf hinweist, dass die Schrift zur Kenntnis der Entente gelangte, konnte gezeigt werden. Dargestellt wurde auch der nach dem November 1918 entstandene Disput um die Denkschrift, die Rolle, die sie bei der Entstehung der Friedensresolution des deutschen Reichstags vom Juli 1917 gespielt haben könnte, und ihre Behandlung in der Literatur. In dieser wurde vielfach, zumeist Aussagen Zitas folgend, dem ­Kaiser eine Mit-, wenn nicht die Alleinautorschaft zugeschrieben,3047 eine Autorin postulierte sogar eine Mitautorschaft Zitas.3048 3045 Bauer 1984 f., Bihl 1993, 2010, Rauchensteiner 1993, 1995, 2013, Broucek 1997, 2004, Kovács 1 2004, Griesser-Pečar 2004, Rumpler 2007. 3046 Steglich 1 1964, 163, 227, Meckling 1969, 140, Steglich 1970, 7. 3047 Schager WSMZ 22. März 1920, 4 – 5, Polzer 1929, Vivian 1935, Harding 1939, Zeßner-Spitzenberg 1953, Gehrig 1962, Brook-Shepherd 1968, Vasari 1976, Feigl 1977, Bogle Bogle 1990, Bihl 1993, Broucek 1997, Oberkofler 2006. 3048 Griesser-Pečar 1985, 132.

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Dargestellt wurden auch die österreichisch-ungarischen und deutschen Überlegungen, auf ­welche Weise der Friedensappell Papst Benedikts XV. vom 1. August 1917 beantwortet werden solle und ob, den Forderungen Czernins und der Mehrheit im Siebener-Ausschuss des deutschen Reichstags und Bundesrats wie auch dem Drängen Kardinalstaatssekretär Gasparris entsprechend, die Antwort eine Erklärung über die volle Selbständigkeit Belgiens beinhalten solle. Gezeigt wurde, wie die Mehrheit im Siebener-Ausschuss des Reichstages sich schließlich mit der Erklärung zufriedengab, die deutsche Regierung sei bestrebt, im Einklang mit den Wünschen des Papstes und der am 19. Juli 1917 gefassten Friedensresolution des Reichstags Grundlagen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu finden. Die österreichisch-ungarische Antwort blieb ebenso im Allgemeinen. Dargestellt werden konnte auch die im Dezember 1917 durch eine Äußerung ­Nuntius Pacellis in ­Kaiser Karl geweckte, aber fruchtlos gebliebene Idee, sich persönlich an den Papst zu wenden. Als der ­Kaiser sein Vorhaben in Angriff nahm, ließ er an Czernin telegrafieren: Erfahre eben (…), daß Reichskanzler und König von Bulgarien beabsichtigen, dem Hlg. Vater ihre Kriegsziele respektive Friedensbedingungen (…) bekannt zu geben. Da wir aber als die einzige katholische Großmacht uns nicht (…) übertrumpfen lassen können, werde Ich (…) außer einigen (…) unpolitischen Phrasen sagen, daß wir (…) dem Hlg. Vater (…) unsere Friedensbedingungen sagen wollen. Hiedurch glaubt der Hlg. Vater, der von den Schritten der beiden anderen nichts weiß, daß wir die Initiative hiezu gegeben haben.3049

Die Schritte ­Kaiser Karls, Reichskanzler Hertling durch eine Vertrauensperson für sein Vorhaben zu gewinnen, und seine Pacelli zur Mitteilung an den Papst anvertrauten, keine Zweifel am Sieg verratenden Friedensbedingungen können nur als skurril bezeichnet werden; gleichermaßen gilt dies für die Hoffnungen, w ­ elche in Gasparri diese Aktion des Kaisers und zur selben Zeit mit Finanzminister Francesco Nitti und Ministerpräsident Vittorio Orlando gepflogene Kontakte weckten. Im April 1918 gestellte Anfragen ­Pacellis nach Vorschlägen für Gespräche mit Italien beantwortete K ­ aiser Karl auf nur vage Weise. Später erklärte er, er habe versucht, „durch den Heiligen Vater Verhandlungen anzuknüpfen, indem ich einige Freundlichkeiten für Italien sagte (unbedingte I­ ntegrität der Monarchie, jedoch beiderseitige Grenzkorrekturen nicht ausgeschlossen)“.3050 Italien erschien dem K ­ aiser damals als geschlagen und ein Separatfrieden mit d ­ iesem, wenn nicht, angesichts der zunächst erfolgreichen deutschen Offensive im Westen, ein Sieg der Mittelmächte überhaupt, als durchaus im Bereich des Möglichen. Auch Ende August 1918, als die Niederlage sich immer deutlicher abzuzeichnen begann, konnte 3049 Ks. Karl (eigenh.) an Czernin, Tel.-Entw. o. D., HHStA PA I, 1092 2 o. Fz. 3050 Ks. Karl „Vineta-Fragment“ o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 333 Dok. 87a.

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­ aiser Karl vom Vatikan ausgehenden Vorschlägen zu einer Abtretung italienischspraK chiger Gebiete gegen anderweitige, z. B. koloniale, Kompensationen wenig abgewinnen. Er erklärte Pacelli zwar, zu einem solchen Schritt bereit zu sein, redete sich aber darauf aus, dass die anderen bzw. die Umstände die Ausführung seiner Absicht nicht zuließen. Um wen es sich bei der von ­Kaiser Karl, Pacelli, Gasparri, Erzberger und Zita als ­solche bezeichneten „Vertrauensperson“ handelte, wurde kurz dargestellt. Bei der eingehend beschriebenen Fortführung der Genfer Gespräche z­ wischen ­Mensdorff und General Smuts vom Dezember 1917 durch Legationsrat Skrzyński und Philipp Henry Kerr ging es für die britische Seite, wie schon bei den Gesprächen zuvor, einzig um die Herauslösung der Monarchie aus dem deutschen Bündnis. Skrzyński berichtete am 14. März 1918, die britische Regierung erachte nach den „très beaux discours“ Czernins vom Dezember 1917 bzw. Jänner 1918 die Basis für Gespräche als gegeben; sie könnten einen Schritt zum Frieden darstellen, für diesen müssten aber Italien territoriale Zugeständnisse nach dem Nationalitätsprinzip gemacht werden. Czernin teilte dies am 19. März K ­ aiser Karl mit und antwortete Skrzyński, er sei bereit zu einem Gespräch über den Frieden, für den er „das einzige Hindernis in den annexionistischen Wünschen Frankreichs und Italiens“ erblicke. Der nach Czernins Entlassung wieder zum Außenminister ernannte Burián entschied, offenbar in Anbetracht des durch das Bekanntwerden des Kaiserbriefes belasteten Verhältnisses zum deutschen Partner und der eine siegreiche Beendigung des Krieges in greifbare Nähe zu rücken scheinenden Erfolge im Westen, die Berner Kontakte vorerst nicht weiter zu verfolgen. Nichts deutet darauf hin, dass der ­Kaiser auf eine Fortführung gedrängt hätte. Die ebenfalls Anfang 1918 in der Schweiz geführten Gespräche Lammaschs mit H ­ erron, bei denen es sich um eine mit Wissen ­Kaiser Karls unternommene private Aktion handelte, wurden erstmals 1962 beschrieben; unsere Darstellung berücksichtigt auch seither zugänglich gewordene Quellen. Gekennzeichnet waren die Gespräche durch Lammaschs wenig realitätsnahe Vorstellungen bzw. die Wiedergabe ihm vom ­Kaiser und/oder der Kaiserin zum Ausdruck gebrachter Intentionen. Bei Außenminister Lansing ließen Herrons Berichte über diese Gespräche, zusammen mit von märchenhaften Passagen strotzenden Mitteilungen eines Informanten, das Bild eines von denselben „ideals of democracy“ wie Wilson beseelten Monarchen entstehen und damit neue Hoffnungen, die Monarchie aus dem deutschen Bündnis lösen zu können. Der Identität des Informanten wurde nachgegangen. Lammaschs Erwartung, ­Kaiser Karl werde seinem Plan „to integrate, to put together, all the different peoples of Austria, each in separate states“, den die USA unterstützen sollten, in einer Proklamation zustimmen, wurde enttäuscht. Er hatte die Entschlusskraft des Kaisers weit überschätzt. Ausführlich dargestellt wurde die mit großen Hoffnungen verbundene Korrespondenz ­Kaiser Karls bzw. Czernins mit Wilson in den ersten Monaten des Jahres 1918, die von den Reden Czernins und Hertlings vom 24. Jänner ausging, in denen sie sich

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zu Wilsons 14 Punkten äußerten. Czernin erklärte, er sehe in diesen „eine bedeutende Annäherung an den österreichisch-ungarischen Standpunkt (…). Die Differenzen (…) scheinen mir nicht so groß zu sein, daß eine Aussprache (…) nicht zur (…) Annäherung führen könnte.“ 3051 Der Präsident bezeichnete die Rede als Basis „for a more detailed discussion“ und nannte vier Prinzipien, nach denen vorzugehen sei.3052 Czernin suchte Wilsons Wohlwollen durch eine Stellungnahme zu diesen Prinzipien zu festigen. Der Präsident zeigte sich davon befriedigt. Als Wilson zu erfahren wünschte, wie ­Kaiser Karl die „national aspirations of the Slavic peoples“ befriedigen würde und ­welche Konzessionen er bereit sei, Italien zu machen,3053 hob die von Czernin entworfene Antwort hervor, dass die anstehenden Fragen „am besten in einer direkten muendlichen Aussprache“ zu lösen wären und dass die Befriedigung der gerechten Aspirationen der „slavischen Voelkerschaften“ der „aufrichtige Wunsch“ des Kaisers sei; was Italien betreffe, sei es jedoch nicht möglich, „irgendwelche Zugestaendnisse als gerecht anzusehen“. Es gebe „nur mehr ein Friedenshindernis, (…) die Eroberungslust Italiens und Frankreichs“.3054 ­Kaiser Karl verlangte, von einigen unwesentlichen Passagen abgesehen, keinerlei Änderungen ­dieses Textes, schrieb aber nach 1918: „Czernin hat (…) wie leider so oft, gute friedliebende Sätze, die ich hineingeben wollte, derart herabgemindert und verklausuliert, daß die Sache wirkungslos verpuffte.“ 3055 Nach dem Bekanntwerden des Briefes an Sixtus und der dadurch erschütterten Beziehungen zum deutschen Verbündeten wurden die Bemühungen um Wilson nicht fortgesetzt. Im Zuge der ebenfalls dargestellten neuerlichen Gespräche ­zwischen Revertera und Armand in den ersten Wochen des Jahres 1918 ließ der letztere mitteilen, die französische Regierung wünsche Vorschläge zu ihren Eröffnungen vom August 1917. Damals hatte sie der Monarchie für ein Ausscheiden aus dem deutschen Bündnis und die Abtretung des Trentino und Triests das preußische Schlesien sowie den Eintritt Bayerns und Polens in eine „Fédération des États que l’empereur (…) exprime l’intention de former“ verheißen, ein Angebot, das der ­Kaiser zurückwies.3056 Czernin antwortete nun: „Sowie Frankreich auf seine Eroberungsabsichten verzichtet, ist ein Gespräch mit Aussicht auf Erfolg möglich, ohne dem halte ich es für aussichtslos.“ 3057 3051 24. Jän. 1918, 1 – 4. 3052 Wilson, Rede vor dem Kongress 11. Feb. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 108 – 113, idem: Link PWW 46. 1984, 318 – 324. 3053 Wilson an Alfons XIII. bzw. Ks. Karl (Fürstenberg an M. d. Ä.), Tel. 104 – 107, 5. März 1918), HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 83 – 84v. 3054 Mittag an M. d. Ä., Tel. 208, 15. März 1918, HHStA PA I, 964 Krieg 29 Dir. Verh. fol. 29 – 39. 3055 Ks. Karl „Vineta-Fragment“ o. D. (nach Nov. 1918), Kovács 2 2004, 327 Dok. 87a. 3056 Steglich 1984, 17 Dok. 1. 3057 Czernin an Musulin für Revertera, Tel. 95, 22. Feb. 1918, HHStA PA I, 523 XLVII/12e Tätigkeit R ­ everteras fol. 97.

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Kaiser Karl fand Czernins Antwort adäquat und bat ihn, sie „den Deutschen gegenüber möglichst auszuschlachten“.3058 Clemenceau aber ließ wissen, weitere Kontakte ­seien somit „derzeit zwecklos“. Nach dem Scheitern der Gespräche Reverteras mit Armand beschlossen der K ­ aiser und Czernin, dieser solle öffentlich erklären, „dass das französische Postulat nach der Eroberung von Elsass-Lothringen uns verhindere, die Pourparlers fortzusetzen, (…) dass die Bündnistreue Karls der Grund der abgebrochenen Verhandlungen sei“.3059 Eine ­solche Erklärung wollte Czernin vor einer Abordnung des Wiener Gemeinderates am 2. April 1918 abgeben. Am 31. März erschien er beim K ­ aiser in Audienz, wobei es ihm sicher möglich war, seine bevorstehende Rede zu besprechen; ihren Text ließ er dem Monarchen am nächsten Tag „zur Kenntnisnahme und Genehmigung“ vorlegen.3060 Auf dem Schriftstück findet sich eine Reihe von Markierungen, der Passus „Herr ­Clemenceau hat (…) angefragt, ob ich zu Verhandlungen bereit sei (…). – Ich habe (…) geantwortet, daß ich hiezu bereit sei und (…) kein Friedenshindernis erblicken könne, als den Wunsch Frankreichs nach Elsaß-Lothringen“, ist durch nichts hervorgehoben.3061 Entgegen ­diesem Sachverhalt und dem Bericht Demblins, der ­Kaiser sei den Text in seiner Anwesenheit „nochmals“ durchgegangen und habe „an dem Passus über Frankreich (…) nichts auszusetzen“ gehabt, sowie entgegen Czernins Erklärung: „Der K ­ aiser kontrollierte (…) den genauen Text (…) und sanktionierte denselben“,3062 suchte K ­ aiser Karl nach 1918 seine Zustimmung in einem anderen Licht erscheinen zu lassen: Er habe „kein Veto gegen diese unheilvolle Ansprache“ eingelegt, obwohl er „mit deren provokatorischen Ausdrücken nicht ganz einverstanden“ gewesen sei; zudem sei ihm ihr Text „nach einem sehr anstrengenden Tage abends, während der Fahrt zur Front überreicht“ worden.3063 Die Fahrt, auf die allein er sich beziehen konnte, begann allerdings erst, als die Rede längst gehalten war und ging nicht „zur Front“. Der Verlauf der Sixtus-Affäre wurde eingehend bearbeitet. Das Vorgehen des Kaisers, zunächst zu behaupten, in einem Brief an Sixtus sei „niemals etwas Politisches gestanden“, was Clemenceau sage, sei „Lug und Trug“,3064 dann aber zu erklären, „er habe doch einen politischen Brief an seinen Schwager geschrieben, jedoch sei derselbe ganz unverfänglicher Natur“, und schließlich Czernin eine „Kopie“ des Briefes zuzusenden, in der die kritische Aussage in ihr Gegenteil verkehrt war. Weshalb der K ­ aiser 3058 Demblin an Czernin, Tel. 41, 12. März 1918, HHStA PA XL, 263 o. Fz. 3059 Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 206. 3060 S. Czernin an Demblin, Hughes-Tel. 4361/27a, 4. Apr. 1918, HHS tA PA I, 523 XLVII /12e Tätigkeit ­Reverteras fol. 71 – 7 1v u. 74. 3061 Czernin Konzept „Für SM“, HHStA PA I, 1092a 2 o. Fz. 3062 Demblin 1920, 17, Demblin Alex. 1997, 116, Czernin Aktenm. Z., HHStA PA I, 1092a 1 fol. 206. 3063 Kovács 2 2004, 334 Dok. 87a. 3064 HHStA PA I, 1092a 1 fol. 211 – 212.

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diese „Kopie“ Czernin nicht gleich vorweisen konnte, suchte Zita ­später in zwei divergierenden Stellungnahmen zu erklären.3065 Die vielen Ungereimtheiten und Widersprüche in Zitas Aufzeichnungen, Aussagen und Erzählungen wurden, ebenso wie auf ihnen gründende Darstellungen, umfassend behandelt. Gezeigt wurde auch, zu w ­ elchen Ausflüchten der K ­ aiser greifen zu müssen glaubte. Dem deutschen K ­ aiser aber sandte er am 14. April 1918 das wohlbekannte Telegramm, in dem es hieß: „Die Anschuldigungen Herrn ­Clemenceaus gegen mich sind so niedrig, dass ich nicht mehr gesonnen bin mit Frankreich ueber die Sache ferner zu diskutieren. Unsere weitere Antwort sind meine Kanonen im Westen.“ 3066 Dieses Telegramm ist augenscheinlich nicht ohne Mitwirkung Kaiserin Zitas entstanden; seine von ihrer Hand mit Bleistift geschriebene und mit dem abgesandten Text idente Vorlage ist nämlich erhalten.3067 Behandelt wurde auch die Frage, ob es Czernins Pflicht gewesen wäre, die Verantwortung für den ohne sein Wissen geschriebenen Kaiserbrief zu übernehmen, sowie die Anstrengungen „Liebe und Vertrauen zu Krone und Dynastie“ fördern wollender Kreise, die ausgelöste Krise einzudämmen. ­Kaiser Wilhelm zeigte sich mit dem Vorschlag, die Krise dadurch zu beheben, dass ­Kaiser Karl „ihn um Entschuldigung bitten“ und „versprechen (…) müsse, fortan mit keiner Macht mehr“ ohne sein Wissen „irgendwelche Fühlung zu nehmen“, einverstanden.3068 Über das darauf am 12. Mai erfolgte Treffen in Spa schrieb Botschafter Wedel, ­Kaiser Karl habe „eine gewundene Erklärung ab(gegeben), die etwa mit der Versicherung endete, daß er es nicht wieder tun wolle“.3069 Ergebnis des Treffens war die Übereinkunft der Monarchen, „ihre Regierungen anzuweisen, mit aller Beschleunigung Vereinbarungen“ zur Verwirklichung folgender Ziele zu treffen: „I. Herbeiführung eines langfristigen engen (…) politischen Bündnisses. – II . Bildung eines Waffenbundes. – III . Abschluß eines Zollund Wirtschaftsbündnisses (…).“ 3070 Die Realisierung der Vereinbarungen sollte eine Verständigung über die polnische Frage zur Voraussetzung haben.3071 Über ein Wirtschaftsabkommen und einen neuen Bündnisvertrag wurde, ebenso wie über die polnische Frage, bis in den Oktober 1918 hinein verhandelt; zu einer Einigung kam es nicht mehr. Dasselbe gilt für ein Abkommen über die Interpretation der im bestehenden Bündnisvertrag festgelegten Pflichten.3072 3065 Zita Aussage 22. Apr. 1950, Congregatio 1. 1994, 763; Zita Aperçu o. D., Kovács 2 2004, 337 Dok. 87b. 3066 Ks. Karl an Wilhelm II., Hughes-Tel. o. Z., o. D. (14. Apr. 1918), HHStA PA I, 523 XLVII/12e Angebl. Brief fol. 30. 3067 Ksn. Zita, handschr. Entw. für Tel. Ks. Karls an Wilhelm II., o. D. (14. Apr. 1918), ebd. fol. 36 – 36v. 3068 Cramon Erinnerungen, KA NL Cramon B/1246 4. Fs. fol. 63 – 64. 3069 Wedel, NFP M 4. Sept. 1920, 2 – 3. 3070 Monarchenvereinbarung 12. Mai 1918, HHStA PA I, 505 XLVII/3 (23) fol. 19 – 19v. 3071 Ebd. 3072 Ebd.

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Das Bekanntwerden des Kaiserbriefes bedeutete das Ende der alliierten Hoffnungen, die Monarchie von ihrem deutschen Bundesgenossen lösen und zu einem Separatfrieden kommen zu können. Lansing, Balfour und in der Folge auch Wilson erachteten nun eine auf die Erhaltung Österreich-Ungarns gerichtete Politik für nicht mehr sinnvoll und unterstützten von da an die Bestrebungen der nicht-deutschen und nicht-ungarischen Völker der Monarchie nach vollständiger Selbstständigkeit. Die Behandlung der Sixtus-Affäre in der Literatur erwies sich vielfach als sehr von den offensichtlichen Intentionen der einzelnen Autoren bestimmt. Die umfangreiche, mehr oder weniger belletristische Literatur zur Verteidigung bzw. zum Lobpreis ­Kaiser Karls erwies sich als dominiert von den die Geschehnisse umdichtenden Aussagen Exkaiserin Zitas sowie ihren als „private Tagebuch-Notizen“, „Diary“ oder „Aperçu“ bezeichneten, jedoch zweifellos erst nach dem Ende der Monarchie angefertigten, Aufzeichnungen. Dargestellt wurde auch, wie K ­ aiser Karl angesichts des Scheiterns der deutschen Offensive im Westen und der fatalen inneren Lage der Monarchie auf eine Zusammenkunft mit ­Kaiser Wilhelm drängte, die dann am 14. und 15. August 1918 in Spa erfolgte. Außenminister Graf Burián schlug dort vor, die Gegner zu Gesprächen einzuladen, um „die Auffassungen ihrer Regierungen einander bekanntzugeben“, denn es müsse Frieden geschlossen werden, ein neuer Winterfeldzug sei unmöglich. Deutscherseits erklärte man, „die Sache noch etwas überlegen“ zu wollen. In gleicher Weise erklärte Staatsekretär Hintze am 4. September in Wien, er würde es als „Fehler betrachten, wenn der gegenwärtige Moment, wo (…) dem Gegner der Kamm gewachsen sei, zu einer Friedens­ enunzation gewählt würde“.3073 In der Folge kam es zu einem Alleingang der Wiener Regierung, die am 14. September allen kriegführenden Staaten eine „Aussprache über die Grundprinzipien eines Friedensschlusses“ vorschlug.3074 Präsident Wilson lehnte unverzüglich ab: Seine Regierung habe wiederholt die Bedingungen genannt, „upon which the United States would consider peace“.3075 Inzwischen hatten die alliierten Offensiven begonnen, die binnen Kurzem zum Zusammenbruch der bulgarischen Armee sowie zum Wanken der gesamten deutschen Westfront führten. General Ludendorff sah sich dadurch veranlasst, für einen Waffenstillstand einzutreten. Dargestellt wurde in der vorliegenden Arbeit auch die von Hintze mit Zustimmung ­Kaiser Wilhelms, Hindenburgs und Ludendorffs Ende September 1918 eingeleitete, augenscheinlich durch ein Aide-Mémoire Buriáns geforderte deutsche „Revolution von oben“, die zur Entlassung Hertlings, zur Kanzlerschaft des Prinzen Max von Baden und zu einer Umgestaltung der Verfassung im Sinne einer Parlamentarisierung führte. Am 4. Oktober 1918 wurden, nach eingehenden Diskussionen, eine österreichisch-ungarische und 3073 Aufz. über am 5. Sept. 1918 stattgehabte Bespr., HHStA PA I, 505 XLVII/3 (26) fol. 177 – 193. 3074 Note 14. Sept. 1918, ebd. fol. 35 – 39. 3075 Lansing an Ekengren, 17. Sept. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 309 – 310.

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eine deutsche Note an Wilson abgesandt. In der ersteren erklärte die Monarchie sich zu einem sofortigen Waffenstillstand bereit „und im unmittelbaren Anschlusse hieran in Verhandlungen über einen Friedensschluß einzutreten“.3076 Der folgende Notenwechsel ­zwischen Wilson und der deutschen Regierung wurde ebenso dargelegt wie das wenig glückliche Manifest K ­ aiser Karls vom 16. Oktober 1918 und seine Folgen. In der am 21. Oktober in Wien eingelangten Antwort Wilsons auf die österreichisch-ungarische Note vom 4. Oktober erklärte der Präsident, er könne sich mit der Note nicht befassen, weil die Regierung der Vereinigten Staaten inzwischen den tschechoslowakischen Nationalrat in Paris als „eine de facto kriegführende Regierung“ und ebenso „die Gerechtigkeit der nationalen Freiheitsbestrebungen der Jugoslawen“ anerkannt habe. Er sei „nicht der Richter darüber“, wie die „Auffassung der Völker von ihren Rechten zu befriedigen“ sei; diese selbst hätten darüber zu befinden.3077 Burián meinte im Gemeinsamen Ministerrat vom 22. Oktober, die Note ermögliche trotzdem „ein Weiterspinnen des Friedensfadens“, sie anerkenne „die Monarchie als existent“ und weise „zur Verständigung mit Tschechen und Südslawen den Weg direkter Aussprache und Verständigung“.3078 Zwei Tage ­später aber, nach dem Rücktritt des ungarischen Kabinetts Wekerle, demissionierte auch Burián; zu seinem Nachfolger berief der ­Kaiser Graf Gyula Andrássy. Am 26. Oktober trat auch der österreichische Ministerpräsident Hussarek zurück. Dessen Nachfolger Lammasch sah sich nur mehr als Masseverwalter und nannte als seine Hauptaufgabe, „einem raschen Frieden den Weg zu ebnen“ und die Verwaltung „möglichst rasch den (…) Nationalregierungen zu übergeben“.3079 Andrássy beantwortete am 27. Oktober Wilsons Note: Die k. u. k. Regierung pflichte der Auffassung des Präsidenten „über die Rechte der Völker Oesterreich-Ungarns“ bei. Damit ­seien die Bedingungen erfüllt, von denen Wilson „Verhandlungen über den Waffenstillstand und den Frieden abhängig gemacht hat“, und somit stünde „dem Beginne dieser Verhandlungen nichts mehr im Wege“.3080 Am selben Tag telegrafierte K ­ aiser Karl an K ­ aiser Wilhelm: Es ist meine Pflicht, Dir (…) zur Kenntnis zu bringen, daß Mein Volk weder im Stande noch willens ist, den Krieg weiter fortzusetzen. (…) – Deshalb kündige ich Dir an, daß ich den unabänderlichen Entschluß gefaßt habe, innerhalb 24 Stunden um einen Separatfrieden und (…) sofortigen Waffenstillstand anzusuchen.3081 3076 Ö.-u. Reg. an Wilson 4. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 349 – 350. 3077 Wilson an ö.-u. Reg. 19. Okt. 1918, PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933. 368, Schwed. Gesandtschaft an Burián 21. Okt. 1918, HHStA PA I, 966 fol. 183 – 183v. 3078 Min.-R. für Gem. Ang. 22. Okt. 1918. Komjáthy, 696 – 703. 3079 F-B M 26. Okt. 1918, 2. 3080 Ö.-u. Reg. an Wilson 28. Okt. 1918 (Andrássy an Hadik, Tel. 434, 27. (!) Okt. 1918), HHStA PA I, 966 Krieg 33 fol. 105 – 106. 3081 Ks. Karl an Ks. Wilhelm (Andrássy an Hohenlohe Tel. 718) 26. Okt. 1918, ebd. fol. 116 – 117v.

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Und am 30. Oktober depeschierte er an den deutschen ­Kaiser, er sei, „da die militärische Lage unhaltbar geworden ist“, genötigt gewesen, „den Italienern einen Waffenstillstand anzutragen“. Voll der Illusionen versicherte er jedoch, sollten die Italiener „die Bedingung stellen, daß die Bahnen durch Tirol und Kärnten (…) für den Durchzug der feindlichen Truppen gegen Deine Länder geöffnet werden“, so werde er sich an die Spitze seiner „Deutsch-Oesterreicher stellen und den Durchzug mit Waffengewalt verhindern“.3082 Gezeigt wurde, wie nicht nur die k. u. k. und die deutsche Regierung ihre ganze Hoffnung auf Wilson setzten, sondern auch die provisorische deutschösterreichische Nationalversammlung. Ihre Hoffnungen bezogen sich auf die Vermittlung des Friedens und auf die Sicherung der Rechte der deutschen Bewohner der österreichischen Reichshälfte. Der deutschösterreichische Staatsrat bat Wilson am 30. Oktober, seine Autorität „für das Selbstbestimmungsrecht unserer Nation einzusetzen“ sowie dafür, „daß sofortige allgemeine Waffenruhe auf allen Fronten eintrete und uns die Möglichkeit geboten werde, (…) in direkte Verhandlungen mit allen Nationen einzutreten, aus denen ein Friede hervorgehen soll, der jeder Nation ihre volle Freiheit gibt“.3083 Geschildert wurde ­Kaiser Karls Versuch, den Staatsrat für eine Zustimmung zur Annahme der italienischen Waffenstillstandsbedingungen und damit zum Mittragen der Verantwortung zu gewinnen, doch dieser wies das Ansinnen zurück. Um als Armeeoberkommandant nicht den Waffenstillstand unterzeichnen zu müssen, gab der ­Kaiser schließlich am 3. November den Oberbefehl ab. Nach der am 9. November erfolgten Ausrufung der Republik in Deutschland legte der Staatsrat der provisorischen Nationalversammlung einen Gesetzesentwurf vor, „wodurch Deutschösterreich für eine Republik und als Bestandteil der deutschen Republik erklärt wird“. K ­ aiser Karl konnte am 11. November zu der bekannten Erklärung bewegt werden, in der es unter anderem hieß: „Im voraus erkenne ich die Entscheidung an, die Deutschösterreich über seine Staatsform trifft. (…) Ich verzichte auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften.“ 3084 Tags darauf beschloss die Nationalversammlung einstimmig den Gesetzesentwurf, in dem es hieß: „Deutschösterreich ist eine demokratische Republik. Alle öffentlichen Gewalten werden vom Volk eingesetzt.“ 3085 Das Ende der altehrwürdigen Monarchie war damit besiegelt.

3082 Ks. Karl an Wilhelm II., Tel. 30. Okt. 1918, Amtl. Urk. 1924, 224 Dok. 88. 3083 Dö. Staatsrat an Wilson 30. Okt. 1918, HHStA PA I, 1057 Krieg 74 fol. 28 – 31v. 3084 WZ Extra-Ausgabe 11. Nov. 1918,1. 3085 StGBl. Nr. 5, Gesetz vom 12. Nov. 1918 über die Staats- u. Regierungsform, StGBl 1918. 4 – 5.

Abkürzungen

A. A. (deutsches) Auswärtiges Amt Abg. Abgeordneter Abschr. Abschrift Abt. Abteilung Adj. Adjutant AdR ÖStA, Abt. Archiv der Republik Ah., A. H. Allerhöchst Aktenm. Z. (Czernins) Aktenmäßige Zusammenstellung amerik. US-amerikanisch alban. albanisch Ang. Angelegenheit(en) Anh. Anhang Anl. Anlage Anm. Anmerkung AOK k. u. k. Armee-Oberkommando AR Administrative Registratur im HHStA Aufl. Auflage Aufz. Aufzeichnung Ausg. Ausgabe A.- u. S.-Rat Arbeiter- und Soldatenrat bayer. bayerisch Bd., Bde. Band, Bände Bearb. Bearbeiter/bearbeitet Beil. Beilage beigeschl. beigeschlossen Ber. Bericht Bespr. Besprechung(en) Bevollm. Bevollmächtigter/bevollmächtigt BHStA Bayerisches Hauptstaatsarchiv München brit. britisch bulg. bulgarisch cs. christlichsozial dän. dänisch Del. Delegation Dep. Depesche

906 Dept., Dépt. Department, Département diplomat. diplomatisch Dir. Direktor / direkt d. J. dieses Jahres DKP Deutschkonservative Partei d. M., d.Mts., ds.Mts. dieses Monats DÖ, dö. Deutschösterreich, deutschösterreichisch Dok., Doc. Dokument Doz. Dozent dt. deutsch durchges. durchgesehen DVLP Deutsche Vaterlandspartei E. ~, Euer ./., Euer … Euer (jeweiliges Ehrenprädikat) E. D. Euer Durchlaucht E. E., Ew. Exc. Euer(e) Exzellenz Ehzg(n). Erzherzog(in) eidgen. eidgenössisch eigenh. eigenhändig E. M. Euer(e) Majestät Encl. Enclosure engl. englisch Entw. Entwurf erg. ergänzt erw. erweitert Erzb. Erzbischof etc., &c et cetera ev., evtl., ev.tl., eventl. eventuell FM Feldmarschall FML, FMLt Feldmarschallleutnant fol. folio Frh. Freiherr Friedensbed. Friedensbedingungen Friedensenunz. Friedensenunziation Friedensgespr. Friedensgespräche Friedensverh. Friedensverhandlungen Friedensverm. Friedensvermittlung frz. französisch Fs. Fortsetzung FVP (dt.) Fortschrittliche Volkspartei

Abkürzungen

Abkürzungen

907

G. d. I. General der Infanterie Gen. General GenFeldm Generalfeldmarschall GenLt Generalleutnant GenMjr Generalmajor GenOberst Generaloberst Ges. Gesandter Gf., Gfn. Graf, Gräfin Gr. H. Q. (dt.) Großes Hauptquartier glltd. gleichlautend GM Generalmajor GMRPZ Gemeinsamer Ministerrat Protokoll-Zahl GO Generaloberst Gr. Graf HA HHStA, Abt. Hofarchive, Privat- u. Familienfonde h. a. hieramtlich Handschr. Handschreiben, handschriftlich HAPAG Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hamburg-Amerika Linie) Hg. Herausgeber, herausgegeben, Herausgabe HGr Heeresgruppe HHStA ÖStA, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv hl., hlg., h. heilig H. M. His Majesty(’s) h. o. hierorts, hierortig Hptm Hauptmann Hr., H. Herr Hzg(n). Herzog(in) I. M. Ihre Majestät Interpr. Interpretation ital. italienisch K. Kaiser bzw. Kanzler KA ÖStA, Abt. Kriegsarchiv Kab. Kabinett Kab.-A. HHStA, Kabinettsarchiv kath. katholisch kath.net Katholische Nachrichten (http://kath.net/news/cat) KD Konstitutionell-Demokratische Partei (Kadetten) K. d. M. Kabinett des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern

908

Abkürzungen

Kdt. Kommandant Kg., kgl. König, königlich k. k. kaiserlich königlich KKSM Kabinettskanzlei Seiner Majestät KM (ö.-u. bzw. preuß.) Kriegsministerium Konf. Konferenz Kop. Kopie Korr. Korrespondenz, Korrespondent Ks(n). Kaiser(in) k. u. k. ung., königlich ungarisch k. u. k. kaiserlich und königlich KZ kurrente Zahl Leg.-Per. Legislaturperiode Leg.-R. Legationsrat Leg.-Sekr. Legationssekretär l. J. laufenden Jahres l. M. laufenden Monats Ltr. Leiter Maj. Majestät MbayLT Mitglied des bayerischen Landtags M. d. Ä. k. u. k. Ministerium des Äußern MdR Mitglied des (deutschen) Reichstages m. E. meines Erachtens; mit Erlaubnis Mgr., Msg., Msgr. Monsignore Mil. Militär, militärisch Min. Minister, Ministerium Min.-Präs. Ministerpräsident Min.-R. Ministerrat; Ministerialrat Min.-R. für Gem. Ang. Ministerrat für Gemeinsame Angelegenheiten Mitgl. Mitglied Mitt. Mitteilung Mjr Major MKSM Militärkanzlei Seiner Majestät MöAH Mitglied des österreichischen Abgeordnetenhauses MöHH Mitglied des österreichischen Herrenhauses MP Member of Parliament MprAH Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses MprHH Mitglied des preußischen Herrenhauses MSPD Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands

Abkürzungen

MSzDP

909

Magyarországi Szociáldemokrata Párt (Ungarländische Sozialdemokratische Partei) MuAH Mitglied des ungarischen Abgeordnetenhauses MuMH Mitglied des ungarischen Magnatenhauses n. e. nicht eruiert NL Nachlass NLP (dt.) Nationalliberale Partei OB Oberbefehlshaber o. D. ohne Datum Ö. Österreich, österreichisch ÖBL Österreichisches Biographisches Lexikon OFMCap Ordo Fratrum Minorum Capucinorum (Kapuzinerorden) Ö.-U., ÖU., Oe.-U., Österreich-Ungarn, österreichisch-ungarisch Österr.-Ung. o. Fz. ohne Foliozahl O. H. L., O.Hl. (deutsche) Oberste Heeresleitung OMeA HHStA, Obersthofmeisteramt o. P. ohne Portefeuille OSB Ordo Sancti Benedicti (Benediktinerorden) osman. osmanisch ÖStA Österreichisches Staatsarchiv, Wien o. Z. ohne Zahl p pagina P. Pater PA Politisches Archiv päpstl. päpstlich p. d. pro domo Pers. Personalia persönl. persönlich pol. politisch poln. polnisch pp paginae; per procurationem; perge perge (= etc.) Pr(n). Prinz(essin) Präs(n). Präsident(in) preuß. preußisch Privatschr. Privatschreiben Prot. Protokoll, Protocole prov. provisorisch PSI Partito Socialista Italiano

910

Abkürzungen

publ. publiziert Randbem. Randbemerkung Red. Redakteur, Redaktion Ref. Referat, Referent Reg. Regierung Rh. Reihe R. K. Reichskanzler R. P. Reverendissime Pater RT Reichstag RT-HA Hauptausschuss des Reichstages rumän. rumänisch russ. russisch sächs. sächsisch SAG (dt.) Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft SCh, Sekt.-Chef Sektionschef Schr. Schreiben schwed. schwedisch S. D. Seine Durchlaucht SDAP Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Österreichs) SDAPR (B) Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (Bolschewiki) S. E. Seine Exzellenz Sekr., Secr. Sekretär serb. serbisch Sess. Session SFIO Section française de l’Internationale ouvrière Sitzg. Sitzung SJ Societas Jesu (Jesuitenorden) slowak. slowakisch S. M., S.Maj., S.Mj. Seine Majestät span. spanisch SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands SPS Sozialdemokratische Partei der Schweiz SR (russ. Partei der) Sozialrevolutionäre Sr. Seiner StS, St.Secr. Staatssekretär Stv. Stellvertreter Suppl. Supplement SVD Societas Verbi Divini (Gesellschaft des Göttlichen Wortes (Steyler Missionare))

Abkürzungen

911

s. z. seinerzeit(ig) TB Tagesbericht; Tagebuch TB-Eintr. Tagebucheintragung Tel. Telegramm Tel.-Dep. Telefondepesche Tel.-Korr.-Bureau Telegraphen-Korrespondenz-Bureau tschech. tschechisch türk. türkisch UA Untersuchungsausschuss U-Boot, Uboot, U. B. Unterseeboot überarb. überarbeitet Übers. Übersetzung, übersetzt ukr. ukrainisch ung., ungar. ungarisch UnterA Unterausschuss des Untersuchungsausschusses USPD Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands UStS Unterstaatssekretär v verso v. vom/von verb. verbessert(e) Verh. Verhandlungen Vertr. Vertreter, Vertretung v. J. vorigen Jahres vm vormittags v. M., v.Mts. vorigen Monats Vol. Volume(n) vollst. vollständig Vors. Vorsitz, Vorsitzender Weiterltg. Weiterleitung zit. zitiert z. S. zur See

Verwendete Quellen und Literatur

1. Archivalische Quellen 1.1 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv (Wien) 1.1.1 Politisches Archiv

PA I, 378 Einlaufbuch 1917, 6001 – 8000, 28. Juni–21. Aug. 1917 PA I, 502 XLVII /3 (12) Verh. über die Zukunft Polens PA I, 503 XLVII /3 (15) Korr. aus dem Komplexe der Verh. während des Krieges /3 (16) Besuch (…) Buriáns in Berlin 15. & 16. Nov. 1916 PA I, 504 XLVII /3 (17) Besuch Gf. Czernins in Pless u. Berlin Jän. 1917 /3 (18) Besuch des RK in Wien 16. u. 17. März; Czernins in Berlin 26. u. 27. März 1917; Ihrer Majestäten in Homburg 3. Apr. 1917; des RK in Wien 13. Mai, des Min. in Kreuznach 17. – 19. Mai 1917 /3 (20) Besuch des RK in Wien Anfang Aug. 1917 u. Gegenbesuch des Min. in Kreuznach – Berlin Mitte Aug. 1917; Abmachungen vom 22.X.17 /3 (22) Diverse Geheimverh. Graf Czernins mit Deutschland Jän.–Apr. 1918 PA I, 505 XLVII /3 (23) Geheimverh. mit Deutschland Apr.–Sept. 1918; Besuch S. M. in Spaa 12. Mai 1918, Buriáns in Berlin 12. Juni 1918; Neuer Bündnisvertrag (…) Verh. Mai–Sept. 1918; Verh. über Interpr.-Abkommen zum Bündnisvertrag Juni–Anfang Aug. 1918 /3 (26) Vorverh. bezüglich unserer „Friedensdemarche“ am 14. Sept. 1918 PA I, 511 XLVII /5g Anregungen, sich mit Italien auf Grund unserer Mai-Angebote zu verständigen (…) PA I, 523 XLVII /12b Geheimer Stimmungsber. aus Berlin März–Juli 1918 /12e Tätigkeit Reverteras Aug.–Okt. 1917 u. Jän.–Apr. 1918; Angebl. Brief des Kaisers PA I, 524 XLVII /13.1 Verh. mit den Verbündeten über die Friedensbed. 1. Teil. Nov. 1916–Jän. 1917 /13.2 Verh. mit den Verbündeten über die Friedensbed. 2. Teil. März–Okt. 1917 /13.3 Diverses über Friedensverh. u. Friedensbed. 1917–Sept. 1918 /13.4 Sekretierte Korr.-Stücke über Friedensverh. seit Okt. 1918

Verwendete Quellen und Literatur

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PA I, 536 Botschaftsarchiv Berlin, Friedens-Fasc.; Ausbau des Bündnisses; Interpr. des Bündnisvertrages; Friedensdemarche an Präs. Wilson 1918 PA I, 583 Delegationsakten 1917 – 1918 PA I, 593 K. d. M. 1916 – 1918, Protokolle 1915 – 18 PA I, 601 K. d. M. I/1 Allerhöchstes Kaiserhaus, h PA I, 606 K. d. M. I/2 Fremde Höfe d 81 – 139 PA I, 762 K. d. M. Generalia X/41, Intensivere Kultuspolitik im Nahen Osten 1915 – 1918 PA I, 802 Personalia II/421 – 435 PA I, 805 Personalia II/464 – 475 PA I, 809 Personalia III/36 – 50 PA I, 836 Krieg 3k Rußland PA I, 841 Krieg 4a Deutschland Allgemeines 1918; 4i Das Problem Elsaß-Lothringen Okt. 1917–Sept. 1918 4k Das Problem Belgien seit Oktober 1917 PA I, 844 Krieg 5a Italien 1915 PA I, 869 Krieg 5l Organisierung unseres Nachrichtendienstes in der Schweiz 1915 – 1918, 6) PA I, 948 Krieg 24 Mission Musil nach Syrien, Arabien etc. Okt. 1914–Juli 1915 PA I, 951 Krieg 25a Friedensverh. 1914 – 1918, Allgemeines 1917 – 1918; Allgemeines 1918 & Schluss PA I, 954 Krieg 25p Friedensenunz. vom 12. Dez. 1916 PA I, 955 Krieg 25p Friedensenunz. Nov. 1916 bis zur (…) Friedensnote vom 12. Dez. 1916 PA I, 956 Krieg 25s Italiens Sondierung in Madrid (…) Friedensaktion der Frau Grebner (…) 25t Waffenstillstand mit Russland PA I, 957 Krieg 25w Jän. u. Feb. 1917 Sauerwein, Haguenin; März u. Anfang Apr. 1917, Mission Gf. ­Mensdorff ’s; März u. Anfang Apr. 1917, Weiller-Rostworowski 25x Unsere u. dt. Erklärungen über ‚Friede ohne Annexionen u. Kriegsentschädigung‘ 23. Apr.–Mai 1917; Diverse Erklärungen bezüglich der Friedensverh. 1917 PA I, 958 Krieg 25z Friedensverh. PA I, 959 Krieg

914

Verwendete Quellen und Literatur

25z Friedensverh. PA I, 962 Krieg 25/26 Päpstl. Friedensvermittlungsvorschlag Mitte Juli 1917 – 1918 PA I, 963 Krieg 27α Nicht zu Stande gekommene Entsendung Mensdorffs nach dem Haag (…) 27β Von Skrzyński (u. Tussun) vermittelte Zusammenkunft Mensdorff-Smuts (…) 27δ Skrzyński’sche Vermittlung vom März 1918 PA I, 964 Krieg 29 Wilsons Senatsbotschaft vom 8. Jän. 1918 mit den 14 Punkten, Rede Czernin’s (u. Hertling’s) vom 24. Jän. 1918; Dir. Verh. mit Wilson (durch Vermittlung des Königs v. Spanien) Feb.–Apr. 1918; Erklärungen Czernin’s 2. Apr. 1918 (…) PA I, 965 Krieg 31 Unsere Friedensverh.-Enunziation 14. Sept. 1918 32 Friedensverh.-Begehren Deutschlands, Österreich-Ungarns u. der Türkei 4.X.1918 u. die daran sich schließenden Verh. Deutschlands bis zu dessen Waffenstillstand PA I, 966 Krieg 33 Friedensverh. (…) Okt.–Nov. 1918 (Waffenstillstand mit Italien vom 4. Nov. 1918) PA I, 1047 Krieg 61a U-Boot Krieg PA I, 1048 Krieg 61a Doubletten der Tel. von u. nach Washington, Feb.–Mai 1917, Hinaus; Herein März – Mai; Verschärfung des Uboot-Krieges 1. Feb.–Juni 1917 PA I, 1050 Krieg 66a Frontpropaganda gegenüber der russ. Armee Apr.–Nov. 1917 PA I, 1057 Krieg 74 Der deutschösterreichische Staat Okt.–Nov. 1918 PA I, 1059 Prot. Vertr. des M. d. Ä. beim AOC 1917 – 18; Tel. Hinaus an Vertr. beim AOC 1917 PA I, 1067 Vertr. des M. d. Ä. beim AOK 1916 f.(Baden), Hinaus PA I, 1071 Vertr. des M. d. Ä. beim AOK Baden 1918, Sept.–Nov. 1918 PA I, 1077 Brester Kanzlei 1917 – 1918, Nach Wien 100 bis 200; Aus Wien PA I, 1078 Brester Kanzlei 1917 – 1918, Hinaus-Tel. nach div. Stellen Dez. 1917 PA I, 1079 Brester Kanzlei 1917 – 1918, Aus Bern PA I, 1080 Brester Kanzlei 1917 – 1918 PA I, 1081 Brester Kanzlei 1917 – 1918, Aus Wien 1918 PA I, 1083 Brester Kanzlei, NL des Ges. v. Wiesner PA I, 1084 Friedensdel. Bukarest PA I, 1085 Friedensdel. Bukarest PA I, 1086 Friedensdel. Bukarest

Verwendete Quellen und Literatur

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PA I, 1087 Friedensdel. Bukarest, Aus Berlin; Aus Bern; Aus Wien; Aus Hofzug (Baden) PA I, 1088 Friedensdel. Bukarest PA I, 1089 Friedensdel. Bukarest, Nach Wien 1 – 100; Nach Hofzug (Baden) PA I, 1090 Friedensdel. Bukarest PA I, 1092a, 1, NL Czernin; 2, NL Demblin PA III, 173 Preußen Ber. 1917 PA III, 174 Preußen Ber. Jän.–Nov. 1918 PA III, 175 Preußen, Weisungen 1917; Varia 1917; Weisungen 1918; Varia 1918 PA XI, 255 Vatikan Korr. PA XII, 315 Türkei XXXIV, 11 – 13 Kultusprotektorat PA XII, 466 Türkei LII/1 Abschaffung der Kapitulationen u. Kündigung diverser Verträge PA XX, 67 Spanien Ber. 1918 PA XXVII, 58 Schweiz, Ber. Mai–Aug. 1917 PA XXVII, 61 Schweiz Ber. Jän.–Apr. 1918 PA XXVII, 63 Schweiz, Ber. Okt.–Nov. 1918, Weisungen, Varia 1918 III PA XL, 57 Interna, Vertr. des M. d. Ä. bei S. M.; Tagesber. des M. d. Ä. Dez. 1916–Apr. 1917 PA XL, 256 Interna, Varia interna 1917; Diverses ex 1917/18 PA XL, 257 Interna, Varia interna 1918 PA XL, 261 Interna, Korr. des Ministers (mit dem Ministerium) 1911 – 1918 PA XL, 262 Interna, Tel. an Demblin 1917 – 1918 PA XL, 263 Interna, Tel. von Demblin 1917 – 1918 PA XL, 313 Interna, Gemeinsame Ministerrats-Prot. 1916–März 1917 PA XL, 314 Interna, Gemeinsame Ministerrats-Prot. Mai–Dez. 1917 PA XL, 315 Interna, Gemeinsame Ministerrats-Prot. 1918 PA XL, Annexe Pol. Tel. 111, 6. – 15. (16.!) Apr. 1917 PA XL, Annexe Pol. Tel. 112, 17. – 30. Apr. 1917 PA XL, Annexe Pol. Tel. 113, 1. – 13. Mai 1917 PA XL, Annexe Pol. Tel. 129, 19. – 31. Jän. 1918 PA XL, Annexe Pol. Tel. 151, 26. Okt.–8. Nov. 1918 PA XL, Annexe Pol. Tel. 177 Hinaus 1918 Jän.–Sept. PA XL, Annexe Pol. Tel. 178 Hinaus 1918 Okt.–Nov. PA XL, Annexe Hinausbuch 153 vom 11. Okt.–11. Nov. 1918 PA XL, Annexe Hereinbuch 241 vom 23. Okt.–14. Nov. 1918 1.1.2 Kabinettsarchiv

Dir.-Akten 1915 – 1917, Karton 21

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Verwendete Quellen und Literatur

1.1.3 Administrative Registratur

Personalia F 4, 64 Czernin F 4, 139 – 1 Hohenlohe Gottfried Ord(ens) Angelegenheiten F 46, 231 1, 2 Öst. Ungarn 1.1.4 Hofarchive, Privat- u. Familienfonde

Obersthofmeisteramt 2236 Akten, Rubrik 65 1.1.5 Nachlässe

NL Joseph Maria Baernreither 7, TB, Bücher XVII–XIX 54, Material zur Hg. der Lebenserinnerungen NL Leopold Berchtold 5, TB 5. Aug. 1916 – 1942 NL Ludwig von Flotow 3, 1913 – 1920 NL Albert Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein 1, Mission nach Schweden, Norwegen, Dänemark (…) März–Apr. 1917 2, Begegnung mit Gen. Smuts in Genf Dez. 1917; Friedensgespr. Frühjahr 1918 4, TB 1905 – 1923 NL Friedrich Wieser TB 1. Mai–11. Dez. 1918 1.2 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Kriegsarchiv (Wien) 1.2.1 Militärkanzlei Seiner Majestät (MKSM)

MKSM 69 – 5 bis 69 – 9/30 1917 1.2.2 Nachlässe

NL Aug. v. Cramon B/1246 Unvollst. Niederschr. seiner Erinnerungen o. D. (ca 1924), 4. Fs. NL Gustav Gratz B/19, 6, TB-Eintr. 3. – 10. Feb. 1918; NL Gustav Gratz B/19, 9, TB-Eintr. 9. Apr.–14. Mai 1918 NL Ferdinand Marterer B/16, V, TB-Eintr. 11. Jän.–12. Sept. 1917, 11. Apr.–11. Juli 1918 NL Karl Friedrich Nowak B/163, Kartons 1 – 9 u. 13 – 15 NL Arthur Polzer-Hoditz B/1499, Lebenserinnerungen Bd. IV, V/148 – 338

Verwendete Quellen und Literatur

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1.3 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Archiv der Republik (Wien)

Staatsratsprotokolle 1, Sitzungen 1 – 35, 21. Okt.–16. Nov. 1918 Kabinettsratsprotokolle 5, 31. Okt. 1918 – 30. Jän. 1919 Staatskanzlei Akt Tel. Zl. 47/1918 1.4 Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Allgemeines Verwaltungsarchiv (Wien)

Ministerratsprotokolle 1918, 50 – 58

1.5 Bayerisches Hauptstaatsarchiv (München) 1.5.1 Ministerium des Kgl. Hauses u. des Äußern

MA 947, Matthias Erzberger; Briefe, Ber. 1914 – 18 MA 948, Pater Cölestin Ber. u. Korr. mit dem Staatsminister des Äußern MA 957b, Diplomat. Korr. Gf. Lerchenfelds mit Gf. Hertling MA 964, Reise des Gfn. Hertling nach Wien 1. 5. 1917

2. Dokumentenpublikationen 2.1 Offizielle Publikationen

Amtl. Urk. 1924 = Amtliche Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes 1918. Auf Grund der Akten der Reichskanzlei, des Auswärtigen Amtes und des Reichsarchivs hg. vom Auswärtigen Amt und vom Reichsministerium des Innern. 2., verm. Aufl. Berlin 1924 (1. Aufl. 1919). Chwostow 1 1967 = Chwostow W. M., Doernberg S., Fischer O., et al. (Redaktionskollegium, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR). Deutsch-sowjetische Beziehungen von den Verhandlungen in Brest-Litowsk bis zum Abschluß des Rapallovertrages. Dokumentensammlung Bd. 1, 1917 – 1918. Berlin 1967. Congregatio 1 1994 = Congregatio de Causis Sanctorum P. N.622 Vindobonen. Beatifica­ tionis et Canonizationis Servi Dei Caroli de Domo Austriae (…). Positio Super Virtu­ tibus et Fama Sanctitatis Vol. I. Roma 1994. Congregatio 2 1994 = Congregatio de Causis Sanctorum P. N.622 Vindobonen. Beatifica­ tionis et Canonizationis Servi Dei Caroli de Domo Austriae (…). Positio Super Virtu­ tibus et Fama Sanctitatis Vol. II. Roma 1994. DDS 6 1981 = Documents diplomatiques suisses 1848 – 1945. Commission Nationale pour la publication de documents diplomatiques suisses, préparé par Jacques Freymond, Isabelle Graf-Junod, Alison Browning. Vol. 6. 29 juin 1914 – 11 novembre 1918. Bern 1981.

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Verwendete Quellen und Literatur

DNV 1919 Sten. Ber. 15. A 1919 = Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919. Stenographische Berichte über die öffentlichen Verhandlungen des Untersuchungsausschusses, 15. Ausschuß. Berlin 1919. DNV 1919/20 Beil. Sten. Ber. 2. UnterA 1920 Beil. 1 = Die Deutsche Nationalversammlung im Jahre 1919/20. Beilagen zu den Stenographischen Berichten über die öffentlichen Verhandlungen des Untersuchungsausschusses. Zweiter Unterausschuß. Beilage 1. Aktenstücke zur Friedensaktion Wilsons 1916/17, Teile I bis VIII. Berlin 1920. DNV 1919/20 Sten. Ber.  15. UA, 2 1920 = Die Deutsche Nationalversammlung 1919/20. Stenographische Berichte über die öffentlichen Verhandlungen des 15. ­Untersuchungsausschusses der Verfassunggebenden Nationalversammlung nebst Beilagen. Bd. 2. 12. bis 15. Sitzung, Bericht des 2. Unterausschusses, Beilagen hierzu. Berlin 1920. Dok. russ. Geh.-Arch. 1918 = Dokumente aus den russischen Geheimarchiven, soweit sie bis zum 1. Juli 1918 eingegangen sind. Berlin Auswärtiges Amt 1918. Dt. RGBl. 1918 = Deutsches Reichs-Gesetzblatt 1918. Hansard = Hansard, the Official Report of Debates in Parliament, Commons Sittings (http://www.parliament.uk). Ö.-u. Rotbuch 1915 = Österreichisch-ungarisches Rotbuch. Diplomatische Aktenstücke betreffend die Beziehungen Österreich-Ungarns zu Italien in der Zeit vom 20. Juli 1914 bis 23. Mai 1915. Wien 1915. PRFR 1916 Suppl. 1929 = Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1916. Suppl. Washington DC 1929. PRFR 1917 Suppl. 1 und 2/1 1931 u. 1932 = Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1917 Suppl. 1 The World War. Washington DC 1931. PRFR 1918 Suppl. 1/1 1933 = Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1918 Suppl. 1 Vol. 1 The World War. Washington DC 1933. PRFR 1918 Russia 1 1931 = Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1918 Russia Vol. 1 The World War. Washington DC 1931. PRFR 1919 Peace Conference 2 1942 = Papers Relating to the Foreign Relations of the United States 1919 The Paris Peace Conference Vol. 2. Washington DC 1942. PRFR LP 1 1939 = Papers Relating to the Foreign Relations of the United States The ­Lansing Papers 1914 – 1920 Vol. 1. Washington DC 1939. PRFR LP 2 1940 = Papers Relating to the Foreign Relations of the United States The Lansing Papers 1914 – 1920 Vol. 2. Washington DC 1940. Proc. CAÉS 69 S 265 = Procès-verbaux de la Commission des Affaires étrangères du Sénat Série 69, S 265 (http://www.senat.fr/histoire/1914 – 1918). RGBl. 1867 = Reichs-Gesetz-Blatt für das Kaiserthum Oesterreich Jg. 1867 (http://alex. onb.ac.at).

Verwendete Quellen und Literatur

919

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Amdocs = Amdocs, Documents for the Study of American History (http://www.vlib. us/amdocs). Anonym 1937 = Anonym. Die Friedensgespräche der Grafen Mensdorff und Revertera im Dezember 1917 und Februar 1918 nach ihren Berichten an den Grafen Czernin. Berliner Monatshefte 1937 15. 401 – 419. Balabanoff 1928 = Angelica Balabanoff. Die Zimmerwalder Bewegung 1914 – 1919. Leipzig 1928. Benedikt 1962 = Heinrich Benedikt. Die Friedensaktion der Meinlgruppe 1917/18. Graz/ Köln 1962. Bernstorff 1920 = Johann-Heinrich Graf Bernstorff. Deutschland und Amerika Erinnerungen aus dem fünfjährigen Kriege. Berlin 1920. Birnbaum 1958 = Karl E. Birnbaum. Peace Moves and U-boat Warfare A Study of Imperial Germany’s Policy towards the United States April 18. 1916–January 9. 1917. Stockholm 1958. Czernin 1919 = Ottokar Czernin. Im Weltkriege. 2. Aufl. Berlin/Wien 1919. Demblin 1920 = August Demblin. Czernin und die Sixtus-Affaire. München 1920. Deuerlein 1954/1955 = Ernst Deuerlein. Zur Friedensaktion Papst Benedikts XV. (1917). Stimmen der Zeit 1954/1955 155, 241 – 256.

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Verwendete Quellen und Literatur

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Zeßner-Spitzenberg 1953 = Hans Karl Zeßner-Spitzenberg. ­Kaiser Karl. Aus dem Nachlaß hg. v. Erich Thanner. Salzburg 1953. Zeßner-Spitzenberg 1959 = Hans Karl Zeßner-Spitzenberg. Karl von Österreich. Ein christliches Lebensbild in Erinnerungstagen. Volksausg. 3. Aufl. Wien 1959. Zuckerkandl 1944 = Berthe Zuckerkandl Szeps. Clemenceau tel que je l’ai connu. Algier, 1944.

Personenregister Abbas II. Hilmi Pascha 1874 – 1944. Khedive von Ägypten, rief nach Kriegsausbruch 1914 zum Kampf gegen die Briten auf, von diesen abgesetzt Dez. 1914 ​ 518 Ackerman Carl William 1890 – 1970. United Press u. Zeitungs-Korr. in der Schweiz ​ 568 Addison Christopher 1869 – 1951. Brit. Min. für Munition 1916, für Wiederaufbau 1917 – 1919 ​ 513 Adler Victor 1852 – 1918. Vors. der SDAP, MöAH 1905 – 1918, dö. StS für Äußeres 30.10. – 11. 11. 1918 ​ 299 f., 303, 350, 712, 876, 879, 887 Ador Gustave 1845 – 1928. Schweizerischer Nationalrat (Lib. Partei) 1889 – 1917, Bundesrat u. Vorsteher des Pol. Dept. 26. 6. 1917 – Ende 1917, danach des Dept. des Innern ​ 355 Albert I. Sachsen-Coburg u. Gotha 1875 – 1934. Kg. der Belgier 1909 – 1934 ​ 11, 24 f., 27, 36, 44, 202, 472 Albertini Luigi 1871 – 1941. Historiker, Dir. des Corriere della Sera 1900 – 1926, Senator 1914 ​ 11, 236, 932 Alby Henri Marie 1858 – 1935. Frz. Gen., stv. Generalstabschef Okt. 1917 – Dez. 1918 ​ 545 Aldrovandi Marescotti Luigi Conte 1876 – 1935. Kabinettschef Sonninos 5. 11. 1914 – 1918 ​ 11, 236, 925 Alexejew Michail Wassiljewitsch 1857 – 1918. Russ. Generalstabschef 1915, OB Sept. 1917 ​ 341 Alfons XIII 1886 – 1941. Kg. von Spanien 1886 – 1931 (Regentschaft seiner Mutter bis 1902) ​ 594, 596, 605 f., 608 f., 622, 631 f. Allizé Henry 1860 – 1930. Frz. Ges. in Den Haag 1914 – 1918 f.zunächst Hochkommissar dann (Apr. 1919 – Feb. 1920) Geschäftsträger der Gesandtschaft in Wien ​ 10, 399, 691, 771, 932 Ambrózy de Séden e Remete Ludwig Gf. 1868 – 1945. Ltr. des Ref. III des M. d. Ä., MuMH ​ 634 Amiguet Philippe 1891 – 1974. Schweizer Journalist an L’Ordre u. der Revue Hebdomadaire des antiparlamentarischen Redressement français, Biograph des Pr. Sixtus ​ 10, 245, 772, 932 Andersen Hans Niels 1852 – 1937. Dän. Etatsrat, Freund der dän. kgl. Familie, lernte durch diese

Kg. Georg V., Ks. Wilhelm II. u. Zar Nikolaus II. kennen ​ 146 – 148 Andics Hellmut 1922 – 1998. Ö. Journalist, Publizist u. Drehbuchautor ​ 257, 780, 932 Andlau Carl Maria Gf. 1865 – 1935. Provinzial der ö. Provinz der SJ, Beichtvater Ks. Karls ​ 504 – 506 Andrássy v. Csík-Szent-Király u. Kraszna-Horka Julius Gf. jun 1860 – 1929. MuAH 1885 – 1918, k. u. k. Min. des Äußern 27.10. – 2. 11. 1918, Schwiegervater Károlyis ​ 687, 850 f., 857, 862 – 864, 867 – 871, 876, 880 f., 884, 903, 928 Andrian zu Werburg Leopold Frh. 1875 – 1951. Vertr. des M. d. Ä. beim dt. Gen.-Gouvernement Warschau 1915, Referent für poln. Angelegenheiten im M. d. Ä.  1917 ​ 20 Anm. 52 Appuhn Charles 1862 – 1942. Frz. Historiker10 ​ 238 f., 932 Arató Pál SJ 1914 – 1993. Prof. an der Pontificia Università Gregoriana der SJ in Rom ​ 922 Armand Abel Gf. 1863 – 1919. Frz. Major, Chef der Section des renseignements généraux im 2e bureau des Generalstabs der Armee ​ 12, 530, 536 – 539, 543 – 557, 635, 641, 644, 647 – 651, 713, 899 f., 933 – 935 Arz v. Straussenburg Artur Baron 1857 – 1935. K. u. k. G. d. I./GO, Chef des Generalstabes der gesamten bewaffneten Macht 1. 3. 1917, Armeeoberkdt. i. V.  3. – 11. 11. 1918 ​ 181, 204, 207, 326 f., 329 f., 332, 341 f., 469 f., 561, 563, 675, 694 f., 716 f., 720, 731, 740, 747, 793 – 795, 856, 876 – 879, 928 Asquith Herbert Henry 1852 – 1928. Brit. Premiermin. 1908 – Dez.  1916 ​ 19, 148, 171, 431 Auchincloss Gordon 1886 – 1943. Assistent Polks 1917/18, Schwiegersohn von Col. House ​ 592, 597 Auerbach Bertrand 1856 – 1942. Frz. Historiker, Geograph, Prof. an Univ. Nancy 1892 – 1926 ​ 10, 240, 394, 769, 932 Auffenberg-Komarów Moritz Frh. 1852 – 1928. G. d. I., siegte als OB der k. u. k. 4. Armee 26.8. – 2. 9. 1914 bei Komarów, abgesetzt 30. 9. 1914 nach Niederlage bei Rawa Russka ​ 393 f., 767, 928

946 Avarna Giuseppe, duca di Gualtieri 1843 – 1916. Ital. Botschafter in Wien 1904 – 23. 5. 1915 ​ 46, 273, 498 Aversa Giuseppe 1862 – 1917. Tit.-Erzb. v. Sardes, Nuntius in München 17.1. – 12. 4. 1917 ​ 307 Bachem Karl 1858 – 1945. MdR (Zentrum) 1890 – 1906, MprAH 1893 – 1904 ​ 358 f., 928 Baden Max Pr. v. 1867 – 1929. Bad. Thronfolger, RK u. preuß. Min.-Präs. 4.10. – 9. 11. 1918 ​ 12 f., 65, 70, 83, 902, 923, 930 Bąder Stanisław Ltr. des vom k. u. k. KM u. später dem Poln. Min.-Präsidium eingerichteten Poln. Pressbureaus in Bern ​ 161 f., 173 Baernreither Joseph Maria 1845 – 1925. MöHH (Verfassungspartei) 1907 – 1918, Präs. der ö. Del. 1910, Min. o. P. im Kab. Clam-Martinic 20. 12. 1916 – 23. 6. 1917, Obmann des Ausschusses für Äußeres der ö. Del. 1918 ​ 12 f., 186, 204, 242, 280, 381, 410, 559, 635 f., 674, 682 – 684, 700, 790, 835, 916, 922, 926 Bahr Hermann 1863 – 1934. Ö. kath. Publizist, Theaterund Literaturkritiker ​ 696, 923, 926 Baier Stephan 1956 – . Dt. kath. Theologe, Pressesprecher Otto v. Habsburgs 1994 – 1999 ​ 269, 789, 932 Balabanoff Angelica 1875 – 1965. Emigration aus Russland 1897, Studium in Brüssel, Leipzig u. Rom, Red. des Avanti, im Vors. des PSI, Apr. 1915 in die Schweiz, Teiln. an der Zimmerwalder Konf., Mitgl. der I. S. K., Mai 1917 bzw. nach Okt. 1917 in Russland ​ 350, 920 Balfour Arthur James 1848 – 1930. Brit. Außenminister 10. 12. 1916 – 23. 10. 1919 ​ 112, 133, 145, 147 f., 423, 425, 429, 461 f., 511, 513, 516, 521, 524 f., 527, 531, 533 – 535, 591 f., 603 – 606, 608, 763, 765, 812, 902 Ballin Albert 1857 – 1918. Vors. des Direktoriums der HAPAG, verkehrte privat mit Wilhelm II. ​ 147 Bam Oscar Korr. der Reichspost in Stockholm, Informant Czernins ​ 350 Barrère Camille Eugène Pierre 1851 – 1940. Frz. Botschafter in Rom 1897 – 1924 ​ 194, 196 f., 221, 232, 234 f., 271 f., 424, 928 Barton Alix Mrs., geb. Lady Peel Verwandte Balfours u. Lord Robert Cecils ​ 171 – 174, 176 – 178, 181

Personenregister Bauer Gustav Adolf 1870 – 1944. MdR (SPD) 1912 – 1918, Mitgl. des RT-HA seit 1915, StS des Reichsarbeitsamtes 4. 10. 1918 – 13. 2. 1919 ​ 839 Bauer Karl Johannes ​ 268, 280, 285 – 288, 929, 932 Bauer Otto 1881 – 1938. MöAH (SDAP, Klubsekr.) 1907 – 1918 (kriegsgefangen 1914 – Sept. 1917), UStS im dö. Staatsamt für Äußeres 30. 10. 1918, StS für Äußeres 11. 11. 1918 ​ 848, 877, 932 Beau (Jean-Baptiste) Paul 1857 – 1926. Frz. Botschafter in Bern 1911 – Feb. 1918 ​ 174 Beck Max Vladimir Frh. 1854 – 1943. K. k. Min.-Präs. 1906 – 1908, MöHH (Mittelpartei) 1907 – 1918, Präs. des k. k. Obersten Rechnungshofes 3. 12. 1915 ​ 700 Bell Edward 1882 – 1924. 2. Sekr. der amerik. Botschaft in London ​ 133 Bell Johannes 1868 – 1949. MdR (Zentrum) 1912 – 1933 ​ 360 Beneckendorff u. v. Hindenburg Herbert 1872 – 1956. Im Stab der dt. Gesandtschaft Bern 13. 12. 1915 – 12. 12. 1919, a. o. Ges. u. bevollm. Min.  4. 5. 1918 ​ 519 Benedikt Heinrich 1886 – 1981. Ö. Historiker, Doz./o. Prof. an der Univ. Wien 1946 – 1959 ​ 402, 587, 920 Benedikt XV. (Giacomo Marchese della Chiesa) 1854 – 1922. Papst 1914 – 1922 ​ 272, 414, 462, 464 f., 479 f., 482 f., 499, 508, 822, 897, 920, 925, 934, 939 Beneš Edvard 1884 – 1948. Gen.-Sekr. des Tschechoslow. Nationalrates in Paris seit 1916 ​ 397, 769, 929, 932 Berchtold Leopold Gf., Frh. v. u. zu Ungarschitz, Fratting u. Pullitz 1863 – 1942. Min. d. Ä.  1912 – 13. 1. 1915, 2. Obersthofmeister 23. 11. 1916, Oberstkämmerer 5. 2. 1917 ​ 84, 314, 316 f., 319, 332, 645, 650, 655, 685 f., 863, 916 Bérenger Jean 1934 – . Frz. Historiker, Prof. an der Sorbonne ​ 265, 279, 784, 932 Berg Friedrich Frh. 1868 – 1939. Chef des Zivilkabinetts Ks. Wilhelms Jän. – Nov.  1918 ​ 830, 832 Bergen Diego v. 1872 – 1944. Dirigent in der Pol. Abt. des A. A.  1911 – 1919 ​ 216, 364, 366 f., 369 – 371, 380, 383 f., 387, 396, 402, 414, 431 f., 444, 447 – 450, 453, 456, 508, 729, 759, 829 Berger v. Waldenegg Egon Frh. 1880 – 1960. Im k u. k. diplomat. Dienst 1907 – 1918, seit 1929 in Steirischem Heimatschutz bzw. Heimwehr, ö. Min. des Äußern 3. 8. 1934 – 14. 5. 1936 ​ 268, 787

Personenregister Bernstorff Johann Heinrich Gf. 1862 – 1939. Dt. Botschafter in Washington 1908 – 4. 2. 1917, Botschafter in Konstantinopel 15. 9. 1917 – Nov. 1918 ​ 41 f., 90 – 99, 105, 131 – 134, 169, 583, 797, 920, 925 Berthelot Philippe-Joseph 1866 – 1934. Ltr. des diplomat. Kab. von Min.-Präs. Briand ​ 176 Bertie Francis, Baron Bertie of Thame 1844 – 1919. Brit. Botschafter in Paris 1905 – Apr. 1918 ​ 425 Berzeviczy de Berzevicze et Kakaslomnicz Béla 1870 – 1922. K. u. k. GM; MuMH (Partei der nationalen Arbeit), Mitgl. der ung. Del.; ung. Generalstabschef 15. 3. 1920 – 4. 1. 1922 ​ 637 f. Beseler Hans Hartwig v. 1850 – 1921. Preuß. Gen./ GenOberst; Generalgouverneur in Warschau 25. 8. 1915 – 18.11.1918  736 Anm. 2496 Bethmann Hollweg Theobald v. 1856 – 1921. RK u. preuß. Min.-Präs. 1909 – 13. 7. 1917 ​ 9, 17, 19 – 23, 25, 27 – 30, 32 f., 35 – 37, 51, 55 f., 58 f., 61 – 66, 92 f., 95, 125, 131, 147, 162 – 169, 199 – 202, 206 f., 211 – 213, 216 f., 227 – 230, 242, 250, 255, 260, 269, 271, 274, 291 – 295, 297 f., 301, 305, 307, 310 f., 313, 315 f., 319 – 322, 324 f., 327, 330, 332, 335 – 339, 342, 351 f., 362, 376 f., 380, 382, 402 – 404, 406, 408, 467, 503, 774, 895, 925, 929, 941 Bibl Viktor 1870 – 1947. Ö. Historiker, Doz./o. Prof. an der Univ. Wien 1905 – 1945 ​ 399 f., 932 f. Bihl Wolfdieter 1937 – . Ö. Historiker, Doz./a. o. Prof. an der Univ. Wien 1977 – 2002 ​ 14, 264 f., 285 f., 411, 784 f., 933 Bisleti Marchese Gaetano 1856 – 1935. Kurienkardinal 1911, traute 1911 Ks. Karl u. Zita ​ 272 f., 452 Bogle James Brit. Rechtsanwalt, Präs. der traditionalistisch-kath. Vereinigung Una voce ​ 263 f., 268, 411, 933 Bogle Joanna Brit. traditionalistisch-kath. Journalistin, Gattin James Bogles ​ 263 f., 268, 411, 933 Boschan Friedrich 1872 – 1921. Min.-Rat im k. u. k. Finanzministerium ​ 738 Boselli Paolo 1838 – 1932. Ital. Min.-Präs. 19. 6. 1916 – 27. 10. 1917 ​ 195, 197 f. Bourbon-Parma Maria Antonia Hzgn., geb. Prn. v. Bragança 1862 – 1959. Gattin Hzg. Roberts v. Parma (1848 – 1907), Mutter Ksn. Zitas u. der Pr. Sixtus u. Xavier ​ 152 f., 158, 277, 381, 504 – 506, 548 – 550, 705, 716

947 Bourbon-Parma Sixtus Pr. 1886 – 1934 ​ 9 f., 12, 14, 16, 144, 146, 148, 151 – 158, 160, 172, 174, 183 – 191, 193 f., 196 – 198, 209, 215, 220 – 227, 229, 231 – 238, 240 – 264, 266 – 271, 274 – 280, 284 – 286, 332, 374, 388 f., 400, 509, 522, 544 f., 547, 549, 554, 590, 621, 632 f., 650, 655, 658 – 660, 662, 664, 666 – 671, 676, 680, 682 – 685, 687, 690, 692 f., 696 – 698, 702 f., 706, 708, 710 f., 713 f., 717 f., 754, 762, 764 – 777, 779, 781 – 784, 786 – 792, 894 – 896, 899 f., 920, 922, 925, 931, 935 f., 941 f. Bourbon-Parma Xavier Pr. 1889 – 1977 ​ 14, 155 f., 160, 172, 183, 186 f., 247 f., 257 f., 260, 266 f., 270, 278 f., 785, 790, 933 Bourgne Marc 1967 – . Frz. Comicautor und -zeichner ​ 278, 933 Boy de la Tour Maurice 1862 – 1930. Forstingenieur in Neuchâtel ​ 264, 931 Brandis Ferdinand Gf. u. Herr zu 1876 – 1918. Leg.-R. an der k. u. k. Gesandtschaft Bern ​ 238 Branting Karl Hjalmar 1860 – 1925. Vors. der Sozialdem. Arbeiterpartei Schwedens, RT-Abg ​ 347, 354 Braun Carl Frh. 1859 – 1940. K. u. k. Ges. in Dresden u. thüring. Hzgtümern 1913 – Nov. 1918 ​ 374, 630 Brauneder Wilhelm 1943 – . Ö. Jurist, Doz./o. Prof. an der Univ. Wien 1971 – 2011 ​ 787, 933 Brehm Bruno 1892 – 1974. Ö. Schriftsteller ​ 772, 933 Briand Aristide 1862 – 1932. Frz. Min.-Präs. u. Außenmin. 29. 10. 1915 – 20. 3. 1917 ​ 46, 152, 157 f., 163 f., 174, 257, 266, 278, 713, 785, 931 Bridge Francis R 1941 – . Engl. Historiker ​ 278, 790, 933 Brockdorff-Rantzau Ulrich Gf. 1869 – 1928. Dt. Ges. in Kopenhagen 25. 6. 1912 – 27. 12. 1918 ​ 146 Brook-Shepherd Gordon 1918 – 2004. Engl. Journalist, Korrespondent u. später stv. Hg. von The Sunday Telegraph ​ 13 f., 186, 251 – 254, 259 – 261, 263 f., 267, 269 f., 404 f., 408 f., 621 f., 640, 658, 665, 777 f., 782, 788 f., 933 f. Broucek Peter 1938 – . Ö. Historiker u. bis 2003 Archivar am KA Wien ​ 268, 270, 287, 412, 787, 929, 934 Brusselle-Schaubeck Felix Gf. 1874 – 1943. Geschäftstr. der ö.-u. Gesandtschaft in München ​ 452, 465 Buchanan Sir George 1854 – 1924. Brit. Botschafter in Petersburg 1910 – Jän.  1918 ​ 353

948 Bülow Bernhard Fürst v. 1849 – 1929. Dt. RK 1900 – 1909, Sonderbotschafter in Rom 18. 12. 1914 – 24. 5. 1915, zeitweilig mit der Leitung der Botschaft beauftragt ​ 503, 505, 507, 930 Bullitt William Christian 1891 – 1967. Journalist; interviewte 1916 ö.-u. u. dt. Reg.-Vertr. für den Philadelphia Public Ledger, Kontakte mit House u. anderen Mitarbeitern Wilsons ​ 570, 592, 600 f. Burián v. Rajecz Stephan Baron, seit 9. 5. 1918 Gf. 1851 – 1922. K. u. k. Min. d. Ä.  13. 1. 1915 – 22. 12. 1916, k. u. k. Finanzmin. 22. 12. 1916 – 16. 4. 1918 (weiter mit Leitung des Min. betraut bis 7. 9. 1918), Min. d. Ä. 16.4. – 24. 10. 1918 ​ 17 – 24, 26 – 31, 33, 35 f., 39 f., 46, 78, 80, 181, 273, 283, 374, 498, 500, 502 f., 505 f., 535, 561, 590, 632 – 634, 658, 678, 686 – 689, 692 – 695, 699, 706, 708 – 710, 712 – 717, 719 – 727, 729 – 737, 754 – 760, 794 – 809, 811 f., 815 – 817, 821, 823, 826, 830 f., 833 f., 841 f., 845 f., 850 – 852, 855 – 857, 863 – 865, 989, 902 f., 912, 929 Bussche-Haddenhausen Hilmar Frh. v. dem 1867 – 1939. UStS im AA 27. 11. 1916 – 1. 1. 1919 ​ 692, 710, 750, 752, 756 – 758, 805, 832, 862 Bussche-Ippenburg Erich Frh. v. dem 1878 – 1957. Preuß. Mjr in der Organisationsabt. beim Chef des Generalstabes des Feldheeres seit 1. 1. 1917 ​ 832 f. Cadars Louis 1897 – 1969. Frz. Historiker ​ 85, 251, 404, 776, 934 Cadorna Luigi Conte 1850 – 1928. Ital. Generalstabschef 27. 7. 1914 – 8. 11. 1917, danach bis März 1918 Vertr. Italiens im Obersten Kriegsrat der Alliierten ​ 217, 219 f., 231 f., 235 – 237, 241, 244, 246 f., 249, 252 f., 261 – 263, 266 – 268, 270 f., 274, 298 Caillaux Joseph Marie Auguste 1863 – 1944. Frz. Min.Präs. 1911/12, von Clemenceau 1917 beschuldigt, gemeinsame Sache mit Deutschland zu machen, verhaftet Jän. 1918 ​ 178 Calice Franz Gf. 1875 – 1935. K. u. k. Ges. in Stuttgart 1902, seit 9. 6. 1918 Geschäftsträger ad interim in Den Haag ​ 817 Callenberg Ludwig v. (Frh. 10. 11. 1918) 1866 – 1945. Sekt.-Chef, Ltr. des Ref. II im M. d. Ä. ​ 418 Cambon (Pierre) Paul 1843 – 1924. Frz. Botschafter in London 1898 – 1920 ​ 646, 926

Personenregister Cambon Jules-Martin 1845 – 1935. Frz. Botschafter in Berlin 1907 – 1914, Gen.-Sekr. des Außenmin. 1915 – 1919 ​ 152 f., 160 f., 163, 174, 191, 194, 198, 233 Campbell Ronald Hugh 1883 – 1953. Privatsekr. Lord Hardinges of Penshurst ​ 516 Anm. 1796 Capelle Eduard v. 1855 – 1931. Dt. Admiral; StS des Reichsmarineamtes 1916 – 1918 ​ 335, 436 f. Cecil Lord Robert 1864 – 1958. M. P. (Konserv. Partei) 1906 – 1923, Parliamentary Under-Secr. of State for Foreign Affairs 1915 – 1919, dazu 23. 2. 1916 – 18. 7. 1918 Min. of Blockade ​ 41, 47, 145, 424 f. Charles-Roux François 1879 – 1961. Frz. Diplomat; im Stab der Botschaft in Rom 1916 – 1924 ​ 10, 209, 243, 398, 771, 929, 932 Charpentier Bernard Luxemburgischer Jurist, Sekr. der Ligue de prière Empereur Charles ​ 278 ff., 413, 791, 934 Chatelle Albert 1885 – 1973. Frz. Historiker10, 772, 934 Christensen Axel Dän. Kaufmann ​ 144, 148 Clam-Martinic Heinrich Gf. v. u. zu 1863 – 1932. Erbl. MöHH (Rechte) 1902 – 1918, k. k. Min.-Präs. 20. 12. 1916 – 23. 6. 1917 ​ 71, 75, 78, 181 Clemenceau Georges 1841 – 1929. Frz. Min.-Präs. 17. 11. 1917 – 18. 1. 1920 ​ 181, 189 f., 263, 269, 277, 288, 513, 518, 526, 544 – 546, 551 f., 557 f., 639, 641, 646 – 658, 660 f., 664, 666 – 672, 674 – 678, 680 f., 684 – 691, 694, 696 – 698, 706, 709, 713, 716 f., 762, 765, 767 – 772, 774 – 778, 780 – 785, 787 – 792, 840, 884 f., 900, 943 f. Coaloa Roberto 1971 – . Ital. Historiker u. Journalist ​ 279, 934 Cölestin siehe Schwaighofer ​ 371, 374, 392, 479 f., 483, 485 – 487, 489, 491, 500, 503 – 508, 510, 917 Colloredo-Mannsfeld Ferdinand Gf. zu 1878 – 1967. Ö.-u. Diplomat, Legationsrat, Stv. Chef des Kab. des Min. des Äußern 25. 12. 1916, Chef des K. d. M.  12. 1. 1917 – 11. 11. 1918 ​ 71 f., 165, 520, 561, 581, 585, 626, 709, 721, 741 Colloredo-Mannsfeld Hieronymus Gf. zu 1870 – 1942. K. u. k. Fregattenkapitän, Marineattaché in Berlin ​ 70, 73 – 75 Conrad v. Hötzendorf Franz Frh. (Gf. 1918) 1852 – 1925. K. u. k. G. d. I./GO, Generalstabschef 1906 – 1911 und 12. 12. 1912 – 1. 3. 1917, FM 25. 11. 1916, OB HGr

Personenregister Conrad in Tirol 11. 3. 1917 – 14. 7. 1918 ​ 52 f., 71, 75, 77 f., 87, 269, 657, 893, 929, 937 Conrad v. Hötzendorf Gina (Virginie) Gfn. 1879 – 1961. Gattin Conrad v. Hötzendorfs ​ 929 Cordfunke E. H. P. 1934 – . Niederländ. Autor ​ 783, 934 Cramon Aug. v. 1861 – 1940. Preuß. GenLt, bevollm. dt. Gen. beim k. u. k. AOK 1915 – 1918 ​ 9, 11, 53, 83, 87, 203, 207, 304 f., 325, 329, 367, 371 – 373, 386, 396, 400, 403, 467, 469 – 472, 484 f., 658, 661, 673, 675, 683, 687 – 689, 693 – 696, 713 f., 716, 727 f., 733 – 735, 793, 805 – 808, 810, 875, 916, 929 Csernoch János 1852 – 1927. Erzb. von Gran, Fürstprimas von Ungarn 1912, Kardinal 1914  505 Csicserics v. Bacsány Maximilian 1865 – 1948. K. u. k. FML, Mil.-Bevollm. bei den Friedensverh. in Brest-Litowsk, G. d. I.  1. 2. 1918 ​ 741 Curzon George Nathaniel, The Earl Curzon of Kedleston. 1859 – 1925. Leader des brit. Oberhauses; im War Cabinet 1916 – 1924, Präs. des Air Board 1916/17  112 Czech(-Jochberg) Erich 1890 – 1966. Ö. Journalist ​ 400 Czedik Alois Frh. v. Bründelsberg u. Eysenberg 1830 – 1924. MöHH (Mittelpartei) 1883 – 1918 ​ 700 Czernin v. u. zu Chudenitz Otto Gf. 1875 – 1962. K. u. k. Ges. in Sofia Jän. 1917 – 4. 11. 1918, betraut mit den Funktionen des 1. Sekt.-Chefs im M. d. Ä.  4. 11. 1918 ​ 10, 12 Czernin v. u. zu Chudenitz Ottokar Gf. 1872 – 1932. MöHH (Verfassungspartei) 1912 – 1918, Ges. in Bukarest 1913 – 1916, Min. des Äußern 22. 12. 1916 – 14. 4. 1918 ​ 9, 12 f., 15 f., 40, 42 f., 49 – 57, 60, 66 f., 69, 71 – 77, 80, 82, 84, 87, 89 f., 92, 95, 99, 101 – 111, 113 – 116, 118 – 130, 135, 138 – 141, 143 – 145, 151, 154 – 162, 164 f., 167 f., 170 – 173, 175 f., 178 – 181, 185 f., 188 – 191, 195, 199 – 216, 218 f., 222 – 225, 227 – 234, 238 – 262, 264, 266 – 271, 274 – 276, 278 f., 288 f., 292 – 321, 325 f., 328 – 332, 334 – 337, 340 – 345, 350, 354, 358 – 370, 373 – 422, 429 f., 435, 443 f., 454 – 457, 461 – 471, 473 – 478, 480 – 485, 489 f., 492 f., 508, 511, 514, 516 – 536, 539 – 544, 548, 550, 552 – 565, 567 – 576, 579, 581, 584 – 586, 588 – 594, 596, 600, 608, 610 f., 614 – 616, 618 – 632, 634 – 642, 644 – 680, 682 – 685, 688 – 692, 697 – 703, 706 – 710, 712, 739 – 752, 755, 766 – 825,

949 851, 865, 894 – 901, 912, 914 – 916, 920, 922, 926, 931, 935, 937 – 939, 942 f. Dalla Torre di Sanguinetto Giuseppe Gf. 1885 – 1967. Ital. Journalist, Chefred. des Osservatore Romano 1920 – 1960 ​ 257, 779, 934 Dandl Otto Ritter v. 1868 – 1942. Kab.-Chef Ludwigs III. v. Bayern 1912, Vors. im bayer. Min.Rat u. Ltr. des Staatsmin. des kgl. Hauses u. des Äußern 10. 11. 1917 – 8. 11. 1918 ​ 483, 485, 487 D’Annunzio Gabriele 1863 – 1938. Dichter, für Kriegseintritt Italiens ​ 506 David Eduard 1863 – 1930. MdR (SPD) 1903 – 1918, Wegbereiter der Burgfriedenspolitik ​ 134, 338, 839 Davies Norman 1939 – . Brit. Historiker, Prof. an der Univ. of London 1985 – 1996 ​ 268, 934 de Jong van Beek en Donk Jonkheer Benjamin 1881 – 1948. Mitgl. des Exekutivkomitees der Zentralorganisation für einen dauernden Frieden ​ 571, 573, 579, 581, 586 – 589, 602, 625 de Margerie Pierre 1861 – 1942. Directeur des Affaires politiques et commerciales im frz. Außenmin. 1914 – 1918 ​ 513 Delabays Joseph 1878 – 1950. Augustiner-Chorherr in St-Maurice (Wallis) ​ 246, 401, 774, 934 Demblin Marquis de Ville August Gf. 1883 – 1938. Im K. d. M. seit 8. 1. 1917, Vertr. des M. d. Ä. bei Ks. Karl 10. 9. 1917 – April 1918, Ltr. der Vertr. des M. d. Ä. in Bukarest Mai 1918 ​ 9, 381, 462 f., 470 f., 474 f., 477 f., 481 – 484, 492 – 494, 526, 530, 557 f., 561, 596, 608, 611 – 616, 618 – 620, 625 f., 630, 638 f., 646, 648 – 650, 654 f., 658, 662, 667, 672, 678 f., 685, 693, 698 f., 708 f., 714 f., 733, 746 f., 750 – 752, 771 f., 777 – 779, 791, 900, 915, 920, 926 Demblin Alexander n. e. Hg. des Tagebuchs August Gf. Demblins ​ 926 Demmerle Eva 1967 – . Pressesprecherin Otto v. Habsburgs 1995 – 2011 ​ 269 f., 789, 932, 934 de Munnynck Marc 1871 – 1945. Dominikaner, Prof. für Philosophie an der Univ. Fribourg ​ 884 f. de Vaux Léon Frh. 1870 – 1944. Geschäftsträger der k. u. k. Gesandtschaft Bern ​ 171 – 174, 176 f., 862, 865, 882 – 884 Deschanel Paul 1855 – 1922. Präs. der frz. Abg.-Kammer 1898 – 1902 u.  1912 – 1920 ​ 180 f.

950 Di Pauli Leo Frh. 1881 – 1949. Vertr. des M. d. Ä. beim AOK 25. 12. 1917 – 28. 2. 1918 ​ 281 Dragomirow Abram Michailowitsch 1868 – 1955. Russ. Gen., OB der Nordfront 1917 ​ 339 – 341 Drummond Sir Eric 1876 – 1951. Privatsekr. Balfours seit 1916 ​ 534, 591, 597, 765 Dugast Rouillé Michel 1919 – 1987. Frz. Arzt u. Historiker, Vertrauter der Familien HabsburgLothringen u. Bourbon-Parma ​ 85, 266, 411, 785 f., 788, 934 Dutasta Paul-Arnaud 1873 – 1925. Frz. Botschafter in Bern 1918 – 1920 ​ 881 Anm. 2985 d’Uzès Marie Adrienne Anne de Rochechouart de Mortemart Hzgn. 1847 – 1933 ​ 175 Dvořák Rudolf 1860 – 1920. Prof. der oriental. Philologie an Tschech. Univ. Prag 1890 – 1920 ​ 280 – 282, 284 – 286 Ebert Friedrich 1871 – 1925. MdR (SPD) 1911 – 1918, SPD-Vors. 1913, RK 9. 11. 1918 ​ 348, 426 – 428, 433, 435, 886 – 888 Eckardt Heinrich v. 1861 – 1944. Dt. Ges. in Mexiko 1914 – 1918 ​ 131 – 133 Ehrhart v. Ehrhartstein Robert Frh. 1870 – 1956. Sekt.Chef im k. k. Min.-R.-Präsidium ​ 247 f., 250, 890, 929 Eichhorn Hermann v. 1848 – 1918. Preuß. GenFeldm, OB HGr Eichhorn 30. 7. 1916 – 31. 3. 1918, OB HGr Eichhorn-Kiew 5. 3. 1918, fiel 30. 7. 1918 einem Attentat zum Opfer ​ 337 Eichmann Fritz v. 1866 – 1918. Oberregierungsrat in der dt. Reichskanzlei ​ 457, 460 Einem William v. 1871 – 1944. K. u. k. Oberst d. G./ GM, Mil.-Attaché in Bern 1914 – 1918 ​ 161, 238 Ellenbogen Wilhelm 1863 – 1951. MöAH (SDAP) 1901 – 1918 ​ 350 Ekengren August 1861 – 1920. Schwed. Ges. in Washington 1912 – 1920 ​ 812, 853 Anm. 2751, 2882 Engel-Jánosi Friedrich 1893 – 1978. Ö. Historiker, 1939 Emigration England u. USA, an Johns HopkinsUniv. u. Kath. Univ. Washington, Honorarprof. Univ. Wien 1959 – 1969 ​ 12, 250, 259, 264, 270, 404, 921, 934 f. Enver İsmail Pascha 1881 – 1922. Osman. Kriegsmin. 1914 – 14. 10. 1918 ​ 283

Personenregister Epstein Klaus Werner 1927 – 1967. Amerik. Historiker, Prof. an der Brown Univ., Providence, RI, 1963, Gastprof. an den Univ. Hamburg, Köln u. Bonn ​ 402 – 404, 406, 408, 935 Erdődy de Monyorókerék et Monoszló Tamás Gf. 1868 – 1931. Rittmeister i. d. Res., Spielgefährte u. Vertrauter Ks. Karls ​ 152 – 156, 158, 160, 183, 185 f. – 188, 192, 220 – 222, 226, 231, 246 f., 260, 264, 267, 270 f., 274 f., 667, 669, 690 f., 931 Erzberger Matthias 1875 – 1921. MdR (Zentrum, in Fraktionsführung seit 1912) 1903 – 1918. Ltr. der Zentralstelle für den Auslandsdienst (Propaganda) u. des Nachrichtenbüros des Reichsmarineamtes 1914, StS o. P. im Kab. Max v. Baden ​ 9, 16, 79, 219 f., 282, 297, 358 – 369, 371 – 384, 386 – 404, 406 – 412, 426 – 429, 433, 435, 457, 459, 461, 480, 485, 487, 503 – 507, 510, 520, 526, 839, 885, 888, 898, 917, 921 f., 929, 935 f. Eschenburg Theodor 1904 – 1999. Dt. Politikwissenschaftler, Staatsrechtler u. Publizist ​ 406, 935 Esterházy Alexander Baron zu Galántha, Erbgraf v. Forchtenstein (Fraknó) 1868 – 1925. Obersthofmeister der Ksn. 11. 12. 1916 ​ 549, 708 Falkenhausen Ludwig Frh. 1844 – 1936. Preuß. GenOberst, OB der dt. 6. Armee 28. 9. 1916 – 22. 4. 1917, Generalgouverneur in Brüssel 22. 4. 1917 – 30. 11. 1918 ​ 437 Falkenhayn Erich v. 1861 – 1922. Preuß. Gen., Chef des Generalstabs des Feldheeres 14. 9. 1914 – 29. 8. 1916, OB 9. Armee 1916/17, OB 10. Armee (Russland) 4. 3. 1918 ​ 439 Fehrenbach Constantin 1852 – 1926. MdR (Zentrum) 1903 – 1918, Vors. des RT-HA, RT-Präs. Juni 1918 – 1920 ​ 426 Feigl Erich 1931 – 2007. Ö. Journalist, Schriftsteller u. Dokumentarfilmer ​ 257 f., 267 – 269, 407 f., 790, 921, 935 Fejtö François 1909 – 2008. Ung./frz. Journalist, Kommentator für Agence France-Presse ​ 14, 262, 279, 788, 935 Feldl Peter 1920–. Ö. Autor ​ 13, 251, 776, 935 Ferdinand I. Sachsen-Coburg u. Gotha 1861 – 1948. Kg. von Bulgarien 1886 – 1918, heiratete 1893 Marie Louise v. Bourbon-Parma (1870 – 1899),

Personenregister Halbschwester Ksn. Zitas ​ 33, 35, 483, 486, 781, 818 – 820, 822 Fest Wilfried 1943–. Dt. Historiker ​ 146, 258, 511, 518, 524, 528, 935 Fester Richard 1860 – 1945. Dt. Historiker, Prof. an der Univ. Halle 1908 – 1926 ​ 10 f., 160, 240 f., 395 – 397, 400, 547, 550, 554, 768 f., 935, 942 Findlay Sir Mansfeldt de Cardonnel 1861 – 1932. Brit. Ges. in Christiania 1911 – 1923 ​ 144, 146 Fleck Paul Preuß n. e. Mjr; dt. Verbindungsoffz. beim AOK seit 6. 5. 1917 ​ 87, 372, 403, 494, 929 Fleischmann v. Theißruck Moritz 1882–. K. u. k. Mjr d. G., Mil.-Bevollm. in Kiew 11. 3. 1918 ​ 342 Fleuriau Aimé Joseph de 1870 – 1938. Chargé d’affaires der frz. Botschaft in London ​ 423 – 425 Flotow Ludwig Frh. 1867 – 1948. 2. Sekt.-Chef im M. d. Ä.  4. 1. 1917 – 20. 6. 1918, 28.3. provisor. auch 1. Sekt.-Chef definitiv 21. 6. 1918, Ltr. des M. d. Ä.  2. – 11. 11. 1918, danach Ltr. des M. d. Ä. in Liquidation bis 8. 11. 1920 ​ 67 – 70, 72 f., 101, 418, 473, 542 f., 619, 622, 638, 656, 706 f., 709, 712, 717, 816, 857, 873, 876, 880, 882 – 884, 916 Foch Ferdinand 1851 – 1929. Frz. Gen., Generalstabschef u. Mitgl. des Obersten Kriegsrates 1917, Marschall u. OB der gesamten Westfront 3. 4. 1918 ​ 545, 871, 884 – 886, 888 Foerster Friedrich Wilhelm 1869 – 1966. Priv.-Doz. Philosophie u. Moralpädagogik an ETH u. Univ. Zürich 1898 – 1912, a. o. Prof. Univ. Wien 1913, o. Prof. München 1914 – 1920 ​ 815, 923 Franz Otto Frh. 1871 – 1930. Diplomat an der k. u. k. Gesandtschaft Kopenhagen 25. 1. 1914 – 8. 10. 1918, Geschäftsträger 23. 11. 1917 – 19. 7. 1918 ​ 144, 146 Francis David R 1850 – 1927. Botschafter der USA in Petersburg 1916 – 1917 ​ 344 Frenzel Heinrich 1859–n. e. Angestellter der (dt.) NLP ​ 388 f., 936 Freyberg-Eisenberg-Allmendingen Albrecht Frh.  1876 – 1943. Dt. Korvettenkapitän; Marineattaché in Wien 1912 – 1918 ​ 75 Freycinet Charles-Louis de Saulce de 1828 – 1923. Min. o. P. im Kab. Briand 1915–Dez. 1916 ​ 152 Fried Jakob 1885 – 1967. Ö. Priester, Gen.-Dir. des Katholischen Volksbundes 1915 ​ 711

951 Friedjung Heinrich 1851 – 1920. Ö. Historiker u. Publizist; Mitarbeiter der Vossischen Zeitung ​ 626 – 629 Funder Friedrich 1872 – 1959. Red. der Reichspost 1896, Chefred. 1902, Hg. 1905 – 1938 ​ 11, 711, 775, 936 Fürstenberg Emil Pr. zu 1876 – 1964. Der k. u. k. Gesandtschaft in Stockholm zugeteilt am 9. 5. 1917 zur Beobachtung der Friedenskonferenz; Chargé d’affaires in Kiew 1918 ​ 350, 353 Fürstenberg Karl Emil Pr. zu 1867 – 1945. K. u. k. Botschafter in Madrid 1913 – 1918 ​ 594, 596, 606 – 609, 622 f., 631 – 633 Fürstenberg Max(imilian) Egon II. Fürst zu 1863 – 1941. Erbl. MöHH (Verfassungspartei) 1897 – 1918, Erbl. MprHH, Mitgl. der württembergischen Kammer der Standesherren u. der badischen Ersten Kammer; Freund Ks. Wilhelms ​ 661, 682, 700 Gagern Maximilian Frh. 1858 – 1942. K. u. k. Ges. in Bern bis 24. 1. 1917 ​ 160 f., 217 Gantscheff (Gantschew) Peter 1874 – 1952. Bulg. Oberst i. G., GenMjr 1918, Mil.-Bevollm. beim Dt. Ks. u. im Gr. H. Q. 1915 – 1918, Flügeladj. Kg. Ferdinands ​ 819 Garami Ernő (Ernst) 1876 – 1935. Mitgl. des Vorstandes der MSzDP, Chefred. ihres Zentralorgans Népszava (Volksstimme) ​ 299 f. Garrett John W 1872 – 1942. Ges. der USA in den Niederlanden 1917 – 1919 ​ Anm. 1961, S. 567 Gasparri Pietro 1852 – 1934. Kardinal 1907, Kardinalstaatssekretär 1914 – 1930 ​ 13, 42, 44, 46, 374, 414, 421, 423 – 425, 428 – 432, 444 – 446, 448, 450 f., 453, 458, 474, 489 – 491, 496 – 500, 502 f., 795, 897 f. Gayer Edmund v. 1860 – 1952. Polizeipräs. v. Wien 1917, k. k. Innenmin. 11.6. – 11. 11. 1918 ​ 890 Gehrig Emmy 1893 – 1974. Mitgl. des Komittees der Kaiser Karl-Gebetsliga bis 1938, in deren Präsidium 1947, geschäftsführende Präs. 1956 – 1974 ​ 402, 775, 936 Georg V., Kg. von Großbritannien u. Irland 1865 – 1936. Kg.  1910 – 1936 ​ 940 Gerard James W. 1867 – 1951 Botschafter der USA in Berlin 1913–Feb. 1917 ​ 40, 58, 91, 97, 100 Gerlach Rudolf v. 1886 – 1946. Berater Benedikts XV.  1914, Cameriere segreto participante di Sua

952 Santità; musste Jän. 1917 wegen Verwicklung in Spionageaffäre Rom verlassen ​ 44, 507 – 510 Gessmann Albert 1852 – 1920. Bibliothekar, Mitgründer der ö.-cs. Partei, MöAH 1891 – 1911, Obmann des Cs. Verbandes 1910, MöHH 1917 – 1918 ​ 505 Gevers Willem Alexander Baron 1856 – 1927. Niederländ. Ges. in Berlin 1906 – 1927 ​ 816 Gibbons James 1834 – 1921. Erzb. von Baltimore 1877 – 1921, Kardinal 1886 ​ 853 Giolitti Giovanni 1842 – 1928. Mehrmals ital. Min.Präs. (Liberale Partei), im Frühjahr 1915 wegen unzureichender Vorbereitung der Armee für Neutralität ​ 226, 237, 244 f., 252, 263, 271 f., 274, 278, 280, 929 Glaise v. Horstenau Edmund 1882 – 1946. K. u. k. Hptm/Mjr d. G., im Ref. für Presse u. Politik des AOK 1915 ​ 10, 398, 401, 687, 702, 770 f., 929 Görlich Ernst Joseph 1905 – 1973. Ö. Gymnasiallehrer (Deutsch, Geschichte), Schriftsteller ​ 248, 277, 779, 936 Gonda Imre 1914 – 1984. Ungar. Historiker ​ 408, 936 Goubet Antoine 1867–n. e. Frz. Oberstlt, Chef des 2e bureau des Generalstabs Mai 1917 ​ 544 – 546 Graevenitz Hans Joachim v 1874 – 1938. UStS im Kab. Michaelis u. Chef der Reichskanzlei ​ 427 Gratz Gustav 1875 – 1946. MuAH (Arbeitspartei) 1910, Ltr. der Handelspol. Sekt. des M. d. Ä. 25. 2. 1917, k. u. Fin.-Min. 15.6. – 16. 9. 1917, dann Sekt.-Chef im M. d. Ä. bis 1. 11. 1918 ​ 366, 561, 563, 565, 651 f., 655, 677 f., 741, 743 f., 746, 916 Grebner Maria, geb. Antoldi Di Canneto 1882–n. e. Informantin Erzbergers sowie des ital. (u. frz.?) Geheimdienstes ​ 913 Grew Joseph C. 1880 – 1965. Botschaftsrat an der USBotschaft in Berlin bis 5. 2. 1917, Botschaftsrat in Wien ab 16. 2. 1917, Chargé d’Affaires ad interim 28.3. – 8. 4. 1917 ​ 36, 38, 119, 140, 929 Grey Sir Edward 1862 – 1933. Brit. Außenmin. 1905 – 11. 12. 1916 ​ 148, 171 Griesser-Pečar Tamara 1947–. Slowen. Historikerin ​ 14, 259 – 265, 269 f., 274 f., 287, 408 – 411, 658, 781 – 784, 789, 936 Grimm Robert 1881 – 1958. Schweizer Buchdrucker u. Typograf, Chefred. der soz.-dem. Berner Tagwacht 1909, organisierte Konf. von Zimmerwald 1915 u. Kienthal 1916 ​ 347 – 357, 896

Personenregister Gröber Adolf 1854 – 1919. MdR (Zentrum, Fraktionsführer 1917) 1887 – 1918 ​ 839 Groener Wilhelm 1867 – 1939. Württemb. GenLt; Erster Gen.-Quartiermeister 26. 10. 1918 ​ 861 Groß Gustav 1856 – 1935. Priv.-Doz. für Nationalökonomie an der Univ. Wien, Ltr. des Dt. Schulvereins 1885; MöAH (dt.-liberal) 1889 – 1918, Präs. des öAH seit 30. 5. 1917 ​ 712, 891 Grünau Werner Frh. 1874 – 1957. Vertr. des RK u. des A. A. im Ah. Gefolge u. im Gr. H. Q 9. 10. 1916 – 11. 11. 1918 ​ 24, 27, 32, 34 f., 100, 211, 213, 227 f., 291 ff., 322 – 325, 330, 334, 338, 367, 661, 676, 682, 695 f., 722, 728, 745, 751, 820, 875 Gündell Erich v. 1854 – 1924. Preuß. Gen., OB der Armeeabt. B 3. 9. 1916 – 23. 12. 1918 ​ 885 Guttmann Bernhard 1869 – 1959. Red. der Frankfurter Zeitung 1899 – 1930 ​ 466 Anm. 1633 Haase Hugo 1863 – 1919. MdR (SPD) 1897 – 1907 u. (SPD bzw. USPD) 1912 – 1918. Einer der beiden Vors. der SPD 1911 – 1916, stimmte gegen die Kriegskredite, Mitbegründer von SAG u. USPD. Mitgl. des Rates der Volksbeauftragten Nov. 1918 ​ 348, 888 f. Habrman (Habermann) Gustav 1864 – 1932. MöAH (tschech. Sozialdem., ab 1916 Tschech. Verband) 1907 – 1918, Mitgl. der ö. Del., seit 1915 für Politik Masaryks ​ 645 Habsburg-Lothringen Clotilde Ehzgn., geb. Prn. v. Sachsen-Coburg u. Gotha 1846 – 1927 ​ 686 Habsburg-Lothringen Eugen Ehzg. 1863 – 1936. FM, OB Südwestfront 23. 11. 1916 – 11. 1. 1918 ​ 673 f., 677 Habsburg-Lothringen Franz Joseph 1830 – 1916. Ks. v. Österreich 1848, Kg. v. Ungarn 1867 ​ 18, 22, 26, 32, 279, 475, 504, 928, 930 Habsburg-Lothringen Hubert Salvator Ehzg. 1894 – 1971 ​ 281 f., 284 Habsburg-Lothringen Isabella Ehzgn., geb. Prn. CroÿDülmen 1856 – 1931. Gattin Ehzg. Friedrichs ​ 717 Habsburg-Lothringen Josef Ehzg. 1872 – 1962. GO 1916, OB der Heeresfront Ehzg. Josef in Nordostsiebenbürgen 2. 12. 1916 – 15. 1. 1918, dann OB 6. Armee bzw. HGr Ehzg. Josef in Tirol bis 26. 10. 1918, FM 20. 10. 1918, Homo regius in Ungarn 26. 10. 1918 ​ 340, 366, 880

Personenregister Habsburg-Lothringen Karl Ludwig Stephan Ehzg. 1860 – 1933. Admiral 1911, lebte in Saybusch (Galizien), Töchter verh. mit Pr. Hieronymus Radziwiłł bzw. Pr. Olgierd Czartoryski ​ 208, 731, 733 f., 736 Habsburg-Lothringen Maria Theresia Ehzgn., geb. Prn. Bragança 1855 – 1944. Schwester Hzgn. Maria Antonias v. Bourbon-Parma, dritte Frau Ehzg. Karl Ludwigs (1833 – 1896) ​ 504 f. Habsburg-Lothringen Max Ehzg. 1895 – 1952. Bruder Kaiser Karls ​ 878 Habsburg-Lothringen Otto Ehzg. 1912 – 2011. Sohn des Kaiserpaares (Kronprinz) ​ 250, 263 264, 267, 788, 932, 934, 936 Habsburg-Lothringen Zita, geb. Prn. Bourbon-Parma 1892 – 1989. Ksn. u. Kgn.  1916 – 1918 ​ 14, 85, 151, 154, 203, 220, 246, 249, 253, 259, 261, 263, 267, 272 f., 281, 286, 373, 381 f., 386, 392 – 394, 404 f., 407 – 411, 414, 452, 503, 505, 508, 548 f., 622, 640, 658 f., 662 – 665, 670, 673, 681 f., 776 – 778, 780, 782 f., 786, 788 f., 893, 898, 901, 921, 933 f., 936 f., 941, 941 – 943 Hadik v. Futak János Gf. 1863 – 1933. MuMH 1894 – 1901, MuAH (Liberale Partei) 1901 – 1918. k. u. Ernährungsminister 1917. Ungar. Min.-Präs. 30. – 31. 10. 1918 ​ 880 Hadik v. Futak Maximilian Gf. 1868 – 1921. K. u. k. Ges. in Stockholm 1912 – 1918 ​ 107, 568, 837 f., 873 Haeften Hans v 1870 – 1937. Preuß. Oberst, Ltr. der Mil.-Stelle des A. A. 1916, zur besonderen Verfügung des RK (Verbindungsoffz. des Generalstabschefs) Aug. 1918 ​ 832, 859 f. Haguenin Emile 1872 – 1925. A. o. Prof. für Frz. Literatur an der Univ. Berlin 1900 – 1914, Ltr. des frz. Pressebüros in Bern 1914 – 1918 ​ 161 – 164, 173, 177, 813, 815, 913 Hahlweg Werner 1912 – 1989. Dt. Historiker, Prof. an der Univ. Münster 1957 – 1978 ​ 921 Håkon VII. 1872 – 1957. Kg. von Norwegen 1905 – 1957 ​ 151 Hammarskjöld Knut Hjalmar 1862 – 1953. Schwed. Staatsmin. (Min.-Präs.) 1914 – 30. 3. 1917 ​ 149 f. Hankey Sir Maurice Pascal Alers 1877 – 1963. Sekr. des War Council Nov. 1914, Sekr. des Imperial War Cabinet 1917 ​ 527, 929

953 Hanssen Hans Peter 1862 – 1936. MdR (Nordschleswigscher Wählerverein bzw. fraktionslos) 1907 – 1918, Sprecher der dän. Volksgruppe ​ 134, 926 Hantsch P. Hugo OSB 1895 – 1972. Pfarrer 1939 – 1946, o. Prof. Univ. Graz 1935, KZ-Haft 1938 – 39, Prof. für Neuere Geschichte an Univ. Graz u. Wien 1946 – 1965 ​ 11, 404, 772 f., 926, 937 Harding Bertita Carla Camille, geb. Leonarz 1902 – 1971. Dt.-mexikan. Schriftstellerin ​ 245, 401, 774, 937 Hardinge Charles, 1st Baron Hardinge of Penshurst 1858 – 1944. Vizekg. v. Indien 1910 – 1916, Permanent Under-Secretary im Foreign Office 1916 – 1918 ​ 246, 929 Hartmann Felix v. 1851 – 1919. Erzb. von Köln 1912, Kardinal 1914, MprHH 1916 – 1918 ​ 440 Hartmann Ludo 1865 – 1924. Ö. Historiker, Doz./a. o. Prof. an Univ. Wien, Mitgl. der SDAP ​ 350, 627, 629 f. Hatzfeldt Hermann Fürst v., Hzg. zu Trachenberg 1848 – 1933. Erbl. MprHH 1878 – 1918 ​ 738 Haus Anton 1851 – 1917. K. u. k. Großadmiral, FlottenKdt.  1913 – 8. 2. 1917 ​ 69, 75 – 77 Hauser Johann Nepomuk 1866 – 1927. Prälat, Landeshptm. von Ö. ob der Enns 1908 – 1918, MöAH (Klubobmann der cs. Vereinigung) 1909 – 1918, Präs. der ö. Del. 13. 11. 1917, einer der drei Präs. der dö. Prov. NV 30. 10. 1918, Mitgl. des dö. Staatsrates ​ 645 Haußmann Conrad 1857 – 1922. MdR (FVP) 1890 – 1918, StS o. P. im Kab. Max v. Baden ​ 466 – 470, 839 Helfferich Karl 1872 – 1924. StS im dt. Reichsamt des Innern 22. 5. 1916 – 23. 10. 1917, Vizekanzler 22. 5. 1916 – 9. 11. 1917, diplomat. Vertr. bei der russ. Reg.  22. 7. 1918 ​ 9, 60, 63 f., 95, 359, 361, 375 f., 378 – 380, 382, 386 f., 392, 403, 427, 437, 442, 758, 921 f., 930, 758 Hendrick Burton J. 1870 – 1949. Amerik. Journalist u. Autor ​ 922 Hennet Leopold Frh. 1876 – 1950. An der k. u. k. Gesandtschaft Bern 1914 – 8. 10. 1918, Adj. des Mil.Attachés 1914 – 1917 ​ 173 Herron George D(avis) 1862 – 1925. Ehem. amerik. kongregationalistischer Pastor; lieferte Berichte

954 u. Analysen an US-Gesandtschaft Bern, brit. War Office u. Foreign Office ​ 16, 548, 571, 573 f. – 582, 586 – 590, 602, 604, 625, 684, 791, 898, 922 f. Hertling Georg Gf. 1843 – 1919. O. Prof. Univ. München, Vors. im bayer. Min.-Rat u. Ltr. des bayer. Staatsmin. des kgl. Hauses u. des Äußern 1912 – 2. 11. 1917, RK 1. 11. 1917 – 30. 9. 1918 ​ 13, 67, 306 – 311, 313 – 317, 428, 435, 449, 474 f., 477, 480, 483, 485 – 488, 504 f., 551 f., 558, 560 f., 566 – 572, 591 – 593, 598 – 603, 608, 624, 641, 685, 692 f., 715, 719, 721 – 728, 731, 740 – 747, 750, 756 f., 760, 794 f., 799 f., 804, 809, 812, 827, 829, 897 f., 902, 917, 921 Hertling Karl Gf. 1878 – 1963. Bayer. Rittmeister; Sohn u. Begleiter Georg Gf. Hertlings ​ 930 Herz Ludwig 1863 – 1942. Richter, Geschäftsführer des Untersuchungsausschusses des RT. ​ 361 Herzfeld Hans 1892 – 1982. Dt.-jüd. Historiker, a. o. Prof. Univ. Halle 1929 – 1938, Mitgl. von DNVP, Stahlhelm u. SA, auf Fürsprache Festers 1938 – 1943 an Heeresgeschichtlicher Forschungsanstalt Potsdam, 1946 a. o. Prof. Univ. Freiburg, 1958 o. Prof. FU Berlin ​ 254, 404, 937 Hessen-Darmstadt Ernst Ludwig v. Hessen u. bei Rhein 1868 – 1937. Großhzg. 1892 – 1918 ​ 93, 752 Hilmi Hussein Pascha 1855 – 1922. Osman. Botschafter in Wien 1912 – 1918 ​ 518 Hindenburg Paul v. Beneckendorff u. v. 1847 – 1934. Preuß. GenOberst/GenFeldm, 22. 8. 1914 OB 8. Armee, Chef des Gen.-Stabes des Feldheeres 29. 8. 1916 – 3. 7. 1919 ​ 21, 24 f., 27, 32, 34 f., 58 – 64, 93, 204, 207, 211, 228, 266, 301, 320, 322 f., 325, 332, 335, 437, 440 – 442, 469, 488, 568, 675, 717, 720, 724, 728, 793 – 795, 806, 808, 810, 828 – 830, 833, 836, 860 f., 888, 902 Hintze Paul Wilhelm Carl v. 1864 – 1941. Dt. Admiral, Ges. in Norwegen Juni 1917–Juli 1918, StS des A. A. 16.7. – 7. 10. 1918, dann Vertr. des A. A. bei der OHL bis 5. 12. 1918 ​ 13, 729, 731, 734 – 738, 758 – 761, 794 – 798, 800 – 809, 811, 815 – 817, 819 – 821, 825 – 833, 836, 851, 862, 885 – 888, 902, 922 Hlaváč Bedřich 1868 – 1936. Böhm. Journalist, WienKorrespondent von in Prag erscheinenden Blättern   303 Anm. 1061 Hochstetter Friedrich 1870 – 1935. Evang. Pfarrer in Neunkirchen/NÖ (1904 – 1917) u. Berlin ​ 394, 937

Personenregister Höbelt Lothar 1956–. Ö. Historiker, a. o. Prof. für Neuere Geschichte an Univ. Wien ​ 937 Hoffmann Arthur 1857 – 1927. Bundesrat, Chef des Eidgen. Pol. Dept. 1914 – 19. 6. 1917 ​ 347 – 349, 351 – 357 Hoffmann Max 1869 – 1927. Preuß. GenMjr, Generalstabschef beim OB der Ostfront Okt. 1917, Bevollm. der OHL bei den Friedensverh. in BrestLitowsk ​ 731 Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst Gottfried Pr. zu 1867 – 1932. K. u. k. Botschafter in Berlin 4. 8. 1914 – 22. 11. 1918 ​ 21, 31, 33, 49 – 51, 53 – 56, 66 – 69, 72 – 75, 80, 92, 96, 104 – 107, 115, 118, 124 f., 135, 143, 162, 165, 173, 178 – 180, 199, 202 f., 207 f., 218 f., 239, 289 f., 294, 299 – 306, 309 f., 312 – 314, 316 – 320, 326 f., 330, 332, 358, 360 – 366, 370, 381 f., 384, 396, 400, 410, 418 – 422, 426, 444, 456, 461, 466 – 468, 471 f., 485, 539 – 542, 553, 560 f., 598, 600, 630, 646, 653, 661, 672, 682, 685 f., 692, 694 f., 710, 719, 721, 725 – 727, 729 f., 734 f., 739, 743, 748 – 750, 756 – 761, 794 – 800, 803 – 806, 808 f., 816, 826 f., 830 f., 838, 841 f., 844, 851, 859, 866 f., 887, 916, 937 Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst Konrad Pr. zu 1863 – 1918. K. k. Min. des Innern 1915 – 16, MöHH (keine Gr.) 1916 – 1918, Erster Obersthofmeister 2. 12. 1916 – 9. 5. 1918 ​ 937 Hohenzollern Friedrich Wilhelm Pr. v. Preußen 1882 – 1951. Dt. u. preuß. Kronprinz ​ 437, 794, 886 Holtzendorff Henning v. 1853 – 1919. Dt. Admiral, Chef des Admiralstabs 4. 9. 1915 – 31. 7. 1918 ​ 58, 60, 62, 64, 70, 73 – 77, 84 – 86, 125 f., 213, 301, 313 – 317, 319, 324 f., 335, 437, 439 f. Hopwood Sir Francis (1. 11. 1917 Lord Southborough) 1860 – 1947. Mitgl. des Privy Council, Brit. Sonderges. in Christiania, Kopenhagen u. Stockholm Feb. 1917  145 – 148, 151 Hopwood Robert Frank 1929 – 2006 amerikan. Historiker ​ 12, 403, 937 Horstmann Alfred v. 1879 – 1947. Dt. Diplomat, Mitarbeiter des Generalgouverneurs in Brüssel 1916, der dt. Militärverwaltung in Rumänien 1917  653 Hotowetz Rudolf 1865 – 1945. Tschechoslowak. Handelsmin. 1920 – 1921 ​ 285

Personenregister House Edward Mandell 1858 – 1938. „Colonel“; persönlicher u. pol. Vertrauter Wilsons; Chef der amerik. Mission bei der Interalliierten Konferenz in Paris Dez. 1917  11, 41 f., 48, 90, 92, 95 f., 98, 105, 513 f., 516, 521 f., 531, 534, 568, 570, 591 f., 597 f., 600, 603 f., 606, 871, 922, 924 Hoyos Alexander Gf. 1876 – 1937. K. u. k. Leg.-R., Chef des K. d. M.  22. 4. 1912 – 12. 1. 1917, Geschäftsträger der Gesandtschaft in Christiania 12.1. – 19. 10. 1918 ​ 67 Hudal Alois Tit.-Erzb 1885 – 1963. Prof. für Altes Testament der Univ. Graz 1923, Koadjutor bzw. Rektor des Collegio Teutonico di Santa Maria dell’Anima in Rom 1923 – 1952 ​ 401, 937 Hueber Anton 1861 – 1935. Sekr. der Reichsgewerkschaftskommission in Cisleithanien ​ 350 Hürter Johannes 1963–. Historiker, a. o. Prof. an der Univ. Mainz ​ 13, 922 Hunyádi v. Kéthely József Gf. 1873 – 1942. K. u. k. Mjr i. d. Res., Flügeladj. 17. 4. 1917, Erster Obersthofmeister 9. 5. 1918 ​ 685, 694 f., 716 Hussarek v. Heinlein Max Frh. 1865 – 1935. A. o. Prof. für Kirchenrecht an der Univ. Wien; k. k. Unterrichtsmin. 1911 – 1917, Min.-Präs. 25.7. – 27. 10. 1918 ​ 824, 834 f., 838, 844 – 847, 854 f., 857, 903 Ibn Raschid (Eben Rasîd) 1900?–1920. Emir der Schammar in Arabien, unterstützt von der osman. Reg.; ermordet 1920  283 f. Ibn Saud (Eben Sa’ûd) Abd al-Aziz 1880 – 1953. Sohn des Imams der Wahhabiten, Imam 1902, im Kampf mit dem Osman. Reich seit 1904, Bündnis mit England Dez. 1915  283 f. Iring Kunz (Karl Itzinger) 1888 – 1948. Ö. Journalist u. Zeitungsverleger ​ 400, 937 Isaacs Rufus Daniel Earl of Reading 1860 – 1935. MP (Liberal Party) 1904 – 1913, Solicitor General u. Attorney-General im Kab. Asquith, Botschafter in den USA Jän. 1918  597, 606, 763 Jagow Gottlieb v. 1863 – 1935. StS des A. A.  11. 1. 1913 – 22. 11. 1916 ​ 21, 29, 507 Jedlicka Ludwig 1916 – 1977. Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte Univ. Wien 1966 – 1977 ​ 780, 937

955 Joos Joseph 1878 – 1965. MdR (Zentrum) 1911 – 1933 ​ 360 Jusserand Jean Jules 1855 – 1932. Frz. Botschafter in Washington 1902 – 1925 ​ 606 Kaempf Johannes 1842 – 1918. MdR (FVP) 1903 – 1918, RT-Präs. 1912 – 1918 ​ 427 Kann Robert A. 1906 – 1981. Historiker, Prof. an der State Univ. of New Jersey (Rutgers) 1956, Gastprof. an der Univ. Wien 1974/75  12, 381, 410, 775, 786, 790, 922, 937 f. Karl I. 1887 – 1922. Ks. v. Österreich u. Kg. v. Ungarn (Karl IV.) 1916 – 1918 ​ 9 – 11, 13 – 16, 32, 35, 44, 51, 53 – 55, 69 f., 77 – 80, 82, 84 – 86, 106, 143 f., 148, 151 f., 154 f., 157 f., 163, 168 f., 174, 181, 183, 185, 187 – 191, 193, 196, 203 – 205, 207 – 212, 214 f., 220 – 222, 226 – 228, 233, 236 f., 239 – 243, 245 – 250, 252, 254 – 263, 265 – 270, 273 – 282, 284 – 287, 320, 334, 336, 343, 345, 360 – 362, 364, 366, 369, 371 – 374, 376 – 379, 381 f., 384 – 385, 387 – 389, 391, 394 – 396, 398 – 409, 411 – 414, 416 f., 421, 430, 444, 451, 454, 462, 464 f., 467, 469 f., 474 f., 477 – 485, 487 – 492, 496, 499, 501 – 506, 508 – 510, 528, 530, 537, 539, 545 – 547, 549, 558, 560, 563, 571 f., 574, 579, 582 – 587, 590, 594, 596 f., 607 f., 610 f., 619, 621 f., 625, 630, 632 f., 635, 638 f., 651 – 654, 656 – 661,664 – 666, 668 – 670, 674 – 676, 680 f., 683 – 685, 687 – 689, 692, 695 – 698, 704, 710 f., 714 – 719, 722, 724, 727 – 729, 731, 733 f., 747, 750 – 752, 754 f., 762, 764 – 770, 772 – 777, 779 – 784, 786 f., 789 – 791, 793 – 800, 805 f., 808, 810, 812, 817 – 819, 822 – 825, 835, 845, 854, 856 – 858, 862, 866 – 868, 871, 875 f., 879 f., 891, 893 – 904, 921 f., 926, 929 – 944 Károlyi de Nagykároly Michael Gf. 1875 – 1955. MuAH (Vereinigte Unabhängigkeits- u. 48er Partei) 1910 – 1918, Mitgl. der ung. Del., ung. Min.-Präs. 31. 10. 1918 – 11. 1. 1919 ​ 394, 768, 815, 849, 880, 930 Kautsky Karl 1854 – 1938. Mitbegründer der USPD 1917, UStS im A. A. 10. 11. 1918 ​ 348 Kernek Sterling J. 1943–. Amerik. Historiker, Prof. an der Western Illinois Univ.  39, 922 Kerr Philip Henry 1882 – 1940. Privatsekr. Lloyd Georges 1916 – 1920 ​ 511, 513, 524, 527 – 536, 898

956 Kessler Harry Gf. v. 1868 – 1937. Ltr. der Abt. für Kulturpropaganda an der dt. Gesandtschaft Bern 19. 11. 1916 – 26. 10. 1918 ​ 163 f., 684, 687, 927 Kinsky v. Wchinitz u. Tettau Franz Gf. 1875 – 1935. Ö.u. Diplomat ​ 226 f., 264, 275 Klepsch-Kloth v. Roden Alois 1863 – 1957. K. u. k. GM/ FML, bevollm. Gen. bei der dt. OHL  808 Köhler Henning 1938–. Dt. Historiker, bis 2005 Prof. an der Freien Univ. Berlin ​ 938 Koerner Paul v. 1849 – 1930. Min.-Dir. im dt. A. A., Teiln. an den Verh. in Brest u. Bukarest sowie an den Verh. über ein neues Wirtschaftsabkommen mit Ö.-U. 1918  723 Kövess von Kövessháza Hermann Baron 1854 – 1924. K. u. k. GO/FM, OB HGr Westl. Balkan Okt. 1918, Armeeoberkdt. 3. 11. 1918 (Funktion angetreten 11. 11. 1918)  879, 941 Komjáthy Miklós 1909 – 1993. Ungar. Historiker ​ 922 Kovács Elisabeth 1930 – 2013. A. o. Prof. am Institut für Kirchengeschichte der Kath.-Theol. Fakultät u. für Neuere Geschichte der Philosoph. Fakultät der Univ. Wien ​ 13, 15, 154, 190 f., 256, 270 – 276, 279, 287 f., 412, 491, 650, 658, 668, 670, 789 – 791, 813, 922, 938 Kralik v. Meyrswalden Richard 1852 – 1934. Ö. Schriftsteller, Leitartikler der Reichspost. Nach 1918 Vize-Präs. des legitimistischen Reichsbundes der Österreicher ​ 241, 397, 767 f., 938 f. Krauß Alfred 1862 – 1938. K. u. k. Gen., OB der k. u. k. Ostarmee (Ukraine) Mai–Nov. 1918  389 f., 398, 767, 930 Kray Stefan Baron 1887 – 1963. Der MKSM zugeteilt seit Nov. 1914  400, 930 Kriege Johannes 1859 – 1937. Ltr. der Rechtsabt. des dt. A. A. Sept. 1911–-Nov. 1918  749 f., 753, 757 – 759 Krobatin Alexander Frh. 1849 – 1933 K. u. k. GO, Kriegsmin. 1912 – 10. 4. 1917, MöHH (Mittelpartei), FM 5. 11. 1917, OB der 10. Armee (Tirol) Apr.  1917 – 26. 10. 1918 ​ 78, 181 Kühlmann Richard v. 1873 – 1948. Dt. Ges. in Den Haag 1915, Botschafter in Konstantinopel 26. 10. 1916, StS  des A. A.  6. 8. 1917 – 9. 7. 1918 ​ 360 – 362, 367, 369, 371, 386, 395 f., 406, 412, 416, 422, 427 – 439, 441 f., 444, 446, 451, 455 – 457, 459 – 462, 466 – 469, 471 f., 476, 488, 518, 539 – 542, 550 – 552, 560 – 562, 598, 608, 618, 625, 633 f., 638,

Personenregister 661, 672, 676, 682, 694, 714 f., 719, 721 – 723, 739 – 745, 747 – 749, 753 – 756, 930 Kuhn v. Kuhnenfeld Otto Frh. 1859–n. e. Vertr. des M. d. Ä. beim Mil.-Gen.-Gouvmt. Belgrad ​ 875 Anm. 2954 Kunschak Leopold 1871 – 1953. Mitgl. des Wiener GR (cs.) 1904 – 1934, MöAH 1907 – 1911 ​ 711 Lama Friedrich Georg Ritter v. 1876 – 1944 Journalist, Reichspost-Korr. in Rom, abeitete seit 1916 für den Nachrichtendienst von k. u. k. Marine u. Heer ​ 926, 939 Lammasch Heinrich 1853 – 1920. O. Prof. für Straf- u. Völkerrecht Univ. Wien, MöHH 1899 – 1918, Mitgl. des Internat. Schiedsgerichtshofes, k. k. Min.-Präs. 27.10. – 11. 11. 1918 ​ 16, 511, 571 – 583, 586 – 590, 604 f., 623 – 631, 654, 658, 674, 692, 698, 791, 815, 851, 857 f., 871, 876 f., 889 f., 903, 923, 930 Landwehr v. Pragenau Ottokar 1868 – 1944. K. u. k. GM, Vors. des Gem. Ernährungsausschusses 27. 2. 1917 – 11. 11. 1918 ​ 741 Lange Christian 1869 – 1938. Gen.-Sekr. der Union Interparlementaire 1909 – 1933  590 Anm. 2032 Langenhan Philipp v. 1878 – 1960. MöAH (Dt. Nationalverband) 1911 – 1918, Mitgl. der ö. Del. Lansing Robert 1864 – 1928. Amerik. Secretary of State 24. 6. 1915 – 13. 2. 1920 ​ 698 f. Larisch-Moennich Friedrich Gf. 1875 – 1963. Geschäftsträger der k. u. k. Botschaft Berlin ​ 102, 104, 436, 443 f., 454, 755 f. Launay Jacques de (Pseudonym für Jacques Forment) 1924–. Frz. Historiker ​ 248 f., 939 Ledebour Georg 1850 – 1947. MdR (SPD bzw. USPD) 1900 – 1918, gegen die Kriegskredite 1914, Teilnahme an den Konferenzen in Zimmerwald u. Kienthal ​ 134 Ledóchowski Josef Gf. 1867 – 1941. K. u. k. Hptm, wegen Duellverweigerung Verlust der Charge 1900, gnadenweise Rittmeister 1917, Flügeladj. 1917– Nov. 1918  211, 386, 393, 399, 401, 405, 407, 409 Ledóchowski Wladimir Gf. 1868 – 1942. Generalsuperior der SJ 1915 – 1942 ​ 235 Lehmann Hartmut. 1936–. Dt. Historiker, Prof. an der Univ. Kiel 1969 – 2004 ​ 12, 402, 775, 939 Lenin (Uljanow) Wladimir Iljitsch 1870 – 1924. Bildete 1903 die Fraktion der Bolschewiki in der SDAPR,

Personenregister Nov. 1917 Vors. des Rats der Volkskommissare ​ 346 – 350, 643, 921, 924 Leopold Pr. v. Bayern 1846 – 1930. Bruder Kg. Ludwigs III., GenFeldm, OB der Ostfront 29. 8. 1916 – 11. 1. 1919 ​ 338 Lerchenfeld auf Köfering u. Schönberg Hugo Gf. von u. zu 1843 – 1925. Bayer. Ges. in Berlin u. stimmführender Vertr. Bayerns im Bundesrat 1880 – 1918 ​ 13, 428, 435, 451, 505, 917, 921 Lersner Kurt Frh. 1883 – 1954. Leg.-R., Vertr. von RK u. A. A. im Gr. H. Q.  2. 2. 1917 – 11. 10. 1918, Mitgl. der dt. Del. bei den Verh. in Brest-Litowsk ​ 40, 69, 328, 330, 337, 730, 734 f., 793, 805, 821, 885 Lichem (v. Löwenbourg) Heinz 1941 – 2007. Ö. Journalist u. Militärhistoriker ​ 267, 939 Liechtenstein Aloys Pr. von u. zu 1846 – 1920. MöHH (Mittelpartei) 1911 – 1918, Landmarschall des niederösterr. Landtags 1906 – 1918, Obmann der cs. Partei 1910 – 1918 ​ 505 Liechtenstein Elisabeth Prn. v. u. zu 1922 – 1993. Tochter Ks. Karls u. Zitas  664 Anm. 2268 Link Arthur S(tanley) 1920 – 1998. Amerikan. Historiker, Prof. an der Princeton u. der Northwestern Univ.  12, 37, 923 Linsingen Alexander Adolf v. 1850 – 1935. Preuß. Gen./GenOberst, OB HGr Linsingen 18. 9. 1915 – 31. 3. 1918, OB in den Marken u. Gouverneur von Berlin 1.6. – 17. 11. 1918 ​ 471 Anm. 1648 Lloyd George David 1863 – 1945. Premiermin. der brit. Koalitionsreg. 7. 12. 1916 – 22. 10. 1920 ​ 11, 46, 108 f., 111, 135, 146 – 148, 151, 157, 192 – 194, 196 – 198, 221, 232 – 237, 243, 249, 255, 268, 274, 431, 453, 496, 511, 513 f., 516 – 519, 522, 524 f., 527 f., 530 f., 536, 561, 646, 718, 930 Lorenz Reinhold 1898 – 1975. Historiker, a. o. Prof. an der Univ. Wien 1935 – 1945 ​ 11, 248, 401, 775, 781, 926, 939 Luckwald Erich v. 1884 – 1969. Diplomat im A.A.  450 Ludendorff Erich 1865 – 1937. Preuß. GenLt/Gen., Stabschef der dt. 8. Armee 22. 8. 1914, Erster Generalquartiermeister 29. 8. 1916 – 26. 10. 1918 ​ 9, 21, 60, 62, 64 f., 93, 207, 213, 228, 266, 269, 292, 301, 305 f., 311 – 313, 315, 317, 319, 325 f., 328 – 330, 335, 337 – 339, 373, 403, 437, 440 – 443, 470, 488, 553, 563, 622, 675, 687, 717, 731, 740 – 747, 752, 774, 784,

957 792, 794 – 796, 821, 828 – 830, 832, 860 f., 888, 902, 923, 930 Ludwig III. 1845 – 1921. Kg. von Bayern 1913 – 7. 11. 1918 ​ 45, 502 Lutz Heinrich 1922 – 1986. Dt. Historiker, Prof. an den Univ. Passau, Saarbrücken u. Wien ​ 923 Lwow (Lwoff) Georgij Jewgenjewitsch Fürst 1861 – 1925. Duma-Abg. (KD) 1905 – 1917, Min.-Präs. u. Innenmin. der Prov. Reg.  16.3. – 21. 7. 1917, inhaftiert Feb. 1918, Flucht ​ 293, 296 Lyncker Moriz Frh. 1853 – 1932. Preuß. Gen./ GenOberst, seit 1908 Vortragender Generaladj., Chef des Mil.-Kab. u. enger Vertrauter Wilhelms II. ​ 93 Macchio Karl Frh. 1859 – 1945. Erster Sekt.-Chef im M. d. Ä. 1912 – 4. 1. 1917, mit Führung der Geschäfte der Botschaft in Rom betraut 11. 8. 1914 – 24. 5. 1915 ​ 930 Magenschab Hans. 1939–. Ö. Journalist, Autor populärhistorischer Bücher ​ 262, 939 Malinow Aleksandar Pawlow 1867 – 1938. Bulg. Min.Präs. 21.6. – 28. 11. 1918 ​ 819 f. Mamatey Victor Samuel 1917 – 2007. Historiker an Florida State Univ. u. Univ. of Georgia ​ 11, 247, 401, 583, 631, 939 Manteyer Georges Pinet de 1867 – 1948. Historiker, Erzieher u. Vertrauter Pr. Sixtus’ ​ 9, 220 f., 224 f., 234, 237, 256, 389, 923 Marchetti-Selvaggiani Francesco Mgr. 1871 – 1951. Apostol. Delegat in Bern 1915 – 1918 ​ 453, 490, 492, 494 Margiotta Broglio Massucci Francesco. Prof. für Geschichte an der Univ. Florenz 1971 – 2013 ​ 923 Marsovszky de Jablonfalva et Marsófalva Eugen 1884– n. e. Min.-Sekr. im K. d. M., Vertr. des M. d. Ä. bei Ks. Karl Apr.–Nov. 1918 ​ 653, 733 Marterer Ferdinand Frh. 1862 – 1919. Stv. Ltr. der MKSM 1910, FML 1914, Ltr. der MKSM u. 2. Gen.-Adjutant 8.1.17, G. d. I.  20. 8. 1917, enthoben 10. 5. 1918 ​ 71, 78, 80, 168 f., 181, 203, 205, 219, 507, 663, 686, 916, 926 Martin William Prot.-Chef im frz. Ministère des Affaires étrangères 1908 – 1920 ​ 153, 220 f., 226, 233, 274 f.

958 Martin William 1888 – 1934. Genfer Journalist u. Historiker ​ 243, 939 Masaryk Tomáš Garrigue 1850 – 1937. MöAH (tschech. Vereinigung unabh. fortschr. Abg.) 1907 – 1917, Herbst 1914 nach Holland u. in die Schweiz, 1915 nach London, 1916 Vors. des tschechoslowak. Nationalrates (Národní rada) in Paris ​ 280, 285, 644, 769, 870, 930 Maurig v. Sarnfeld Ernst Ritter 1860 – 1919. K. u. k. Gen.-Konsul in Zürich 1911 – 1919 ​ 218, 238 May Arthur J. 1899 – 1968. Amerik. Historiker, Prof. an der Univ. of Rochester, NY ​ 776, 939 Mayer Rudolf 1861 – 1936. K. u. k. Linienschiffskapitän, am Konsulat in Zürich betraut mit Spionageaufgaben ​ 218 Mayr-Harting Anton 1904 – 1995. Ö. Diplomat ​ 14, 784, 939 Meckling Ingeborg n. e. ​ 12, 254, 406, 510, 583, 779, 896, 939 Mehring Franz 1846 – 1919. Dt. Publizist u. Historiker, MprAH (SPD) 1917 – 1918, mit Karl Liebknecht u. Rosa Luxemburg führend in Spartakusbund u. USPD ​ 348 Meinl Julius 1869 – 1944. Ö. Industrieller, Mitinitiator der Österreichischen Politischen Gesellschaft, der Heinrich Lammasch u. Josef Redlich angehörten ​ 571 f., 579 – 581, 586 – 588, 590, 674, 920 Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein Albert Gf. 1861 – 1945. K. u. k. Botschafter in London 1904 – 1914, MöHH (Mittelpartei) 1917 – 1918 ​ 16, 143 – 146, 148 – 151, 155, 166, 170 – 181, 199 f., 496, 511 f., 514 f., 518, 520 f., 523, 525, 527, 530, 535, 585 f., 649, 684, 876, 882 – 884, 898, 913 f., 916, 920 Mercante Vincenzo 1936–. Ital. kath. Priester u. Autor ​ 279, 940 Mérey v. Kapos-Mére Kajetán 1861 – 1931. K. u. k. Ges. in Rom 1910, Geschäfte an Macchio übergeben 10. 8. 1914, Ltr. Ref. IV des M. d. Ä. 1915, Bevollm. bei den Verh. in Brest ​ 72, 163 – 165, 180, 309, 506, 520, 530, 559, 735 Mermeix (Gabriel Terrail) 1859 – 1930. Frz. Publizist ​ 10, 239, 767, 940 Michael Alexandrowitsch Romanow Großfürst 1878 – 1918. Bruder Zar Nikolaus II., der ihm am 15. 3. 1917 den Thron übergab, erklärte am 16. 3. 1917 in einem Schreiben an das russ. Volk,

Personenregister seine Machtbefugnisse gingen an die Prov. Reg. Über ​ 165 Michaelis Georg 1857 – 1936. RK u. preuß. Min.-Präs. 14.7. – 31. 10. 1917 ​ 266, 414 – 418, 420 f., 426, 428, 430 f., 434, 437 – 440, 442, 448, 458 – 460, 465, 470, 540 f., 923, 930, 939 Miljukow Pawel Nikolajewitsch 1858 – 1943. Außenmin. der russ. Prov. Reg. März–Mai 1917, sicherte den Alliierten am 18. 4. 1917 die Fortsetzung des Krieges zu ​ 290 f. Mitscha v. Märheim Hermann Ritter v. 1865 – 1927 Leg.-R., Vertr. des M. d. Ä. im Kriegsüberwachungsamt, zuletzt Ltr. der Interministeriellen Kommission beim KM.  169 Anm.  535 f. Mittag v. Lenkheym Rudolf Frh. 1873 – 1946. Ltr. des Ref. I des M. d. Ä.  618, 899 Anm. 2099, 3054 Möller Wilhelm n. e.–1955. Telegraphist im k. u. k. Hofzug ​ 940 Molisch Paul 1889 – 1946. Ö. Historiker, Bibliothekar an der Univ.-Bibliothek Wien ​ 11, 399, 940 Monticone Alberto 1931–. Historiker an den Univ. Messina, Perugia u. Rom; Präs. der kath. Aktion 1980 – 1986, Abg. in der ital. Kammer (Partito Popolare/Margherita) 1994 – 2006 ​ 923 940 Morawski Zdzisłav Ritter v. 1859 – 1928. LandsmannMin. für Galizien 26. 12. 1912 – 31. 10. 1916 ​ 505 Morris Ira Nelson 1875 – 1942. Ges. der USA in Stockholm 1914 – 1923 ​ 585 Morstyn Ludwik Gf. 1886 – 1966. Fähnrich der poln. Legionen 1916, Hilfsorgan Gf. Rostworowskis in Bern ​ 177 Moysset Henry 1875 – 1949. Frz. Historiker, Mitgl. der Conférence des frz. M. d. Ä.  162, 170 Mühlberg Otto v. 1845 – 1934. Preuß. Ges. beim Heiligen Stuhl 11. 11. 1907 – 14. 4. 1919 ​ 44, 507 Muehlon Johann Wilhelm 1875 – 1944. Einer der 5 Dir. der Fried. Krupp AG 1913 – 1915, tätig 1915 – 16 für das A. A. („Kommissar der Reichsverwaltung für die Balkanstaaten“) u. 1916 – Feb. 1917 für dt. Gesandtschaft in Bern, danach Kritiker der dt. Politik ​ 587 Müller Adolf 1865 – 1943. Stv. Vors. der SPD in Bayern, MbayLT 1899 – 1919 ​ 602 Müller Georg Alexander v. 1854 – 1940. Dt. Admiral, Flügeladj. Ks. Wilhelms II. 1902, Chef des Ksl.

Personenregister Marinekab. seit 1906, Generaladj. 1907 – 28. 10. 1918 ​ 12, 49, 62, 64, 69, 77, 93, 207, 317, 325, 439, 508, 683, 695, 718, 926 Müller Otto v. 1875 – 1976. Preuß. Mjr, persönl. Adj. von Kronpr. Wilhelm ​ 830 Müller v. Szentgyörgy Ladislaus Baron 1855 – 1942. Erster Sekt.-Chef des M. d. Ä.  4. 1. 1917 – 21. 6. 1918 (beurlaubt 28. 3. 1918)  444, 462 f., 489, 523, 526, 530, 596, 619 f., 622 f., 637 f., 740 Murray Arthur Cecil Murray 1879 – 1962. MP (Liberal Party) 1908 – 1923, Oberstlt, Assistant Military Attaché in Washington 1917 – 1918  582 Anm. 1998 Musil Alois 1868 – 1944. Prof. der biblischen Hilfswissenschaften u. der arab. Sprache an der Univ. Wien 1909 – 1920, Mitgl. der Akademie der Wissenschaften, Titular-Hofkaplan ​ 190 f., 280 – 288, 786 f., 896, 913, 929, 931 f., 935 Musulin v. Gomirje Alexander Baron 1868 – 1947. K. u. k. Ges. in Bern 24. 1. 1917–Nov. 1918  67, 79, 161, 170 – 173, 175, 181, 217 f., 253, 297 f., 349, 354, 518 – 524, 527 f., 533, 535, 555, 864, 930 Naumann Friedrich 1860 – 1919. Dt. Pfarrer u. Publizist, MdR (FVP) 1907 – 1912 u. 1913 – 1918 ​ 629 Naumann Victor 1865 – 1927. Dt. Journalist, von Hertling mit vertraulichen Missionen betraut ​ 11, 67, 307, 394, 457, 460, 769, 923 Nicolson Harold George 1886 – 1968. Second Secretary im brit. Foreign Office ​ 940 Nikolaus II. 1868 – 1918. Russ. Zar 1894 – 15. 3. 1917 ​ 165, 177 Nitti Francesco Saverio 1868 – 1953. Doz. an Univ. Neapel; Min. für Landwirtschaft, Industrie u. Handel im Kab. Giolitti 1911 – 1914, Finanzmin. im Kab. Orlando 1917 – 1919 ​ 496 – 500, 897, 923 Noske Gustav 1868 – 1946. Red. der Chemnitzer Volksstimme, MdR (SPD) 1906 – 1918, Vors. des Kieler A.- u. S.-Rates Nov. 1918  859 Nostitz-Rieneck Erwein Gf. 1863 – 1931. Erbl. MöHH (Mittelpartei) 1891 – 1918 ​ 699 f. Nostitz-Wallwitz Alfred Gf. 1870 – 1953. Sächs. Ges. in Wien 1. 6. 1916 – 22. 10. 1918 ​ 274, 699, 713 Novotny Alexander 1906 – 1986. Ö. Historiker, ao./o. Prof. an der Univ. Graz 1959 – 1976 ​ 940

959 Nowak Karl Friedrich 1882 – 1932. Ö. Journalist; im k. u. k. Kriegspressequartier 1914 – 1918, ab 1919 Ltr. des Verlages für Kulturpolitik ​ 9, 367, 390 – 393, 405, 916, 924 Oberkofler Friedrich 1943–. Kath. Pfarrer in München Ramersdorf-Perlach, Pastoraltheologe ​ 277 f., 413, 790 f., 940 Oberndorff Alfred Gf. 1870 – 1963. Dt. Ges. in Sofia 20. 2. 1916 – 11. 10. 1918, Vertr. des A. A. in der Waffenstillstandskommission 23. 10. 1918 ​ 819 f., 885 Odell George Talbot n. e. Berlin- u. Washington-Korr. der New York Evening Mail  583 – 586 Odier Édouard 1844 – 1919. Schweizerischer Ges. in Petersburg 1906-Ende 1917  351, 355 f. Oederlin-Ziegler Friedrich 1880 – 1968. Chargé d’affaires der schweizerischen Gesandtschaft in Washington  837, 841, 859, 872 Anm. 2829, 2839, 2900, 2945 Orlando Vittorio Emanuele 1860 – 1952. Ital. Min.Präs. u. Innenmin. Okt. 1917–Juni 1919  46, 274, 496 – 499, 513, 897 Pacelli Eugenio 1876 – 1958. Ltr. der pol. Abt. des päpstl. Staatssekretariats 1914 – 1917, Nuntius in München 20. 4. 1917, Tit.-Erzb. von Sardes 13. 5. 1917, Papst 2. 3. 1939 – 9. 10. 1958 ​ 13, 371, 414, 420 f., 428 – 432, 443 – 453, 457 – 460, 465, 474, 477, 479 – 484, 488 – 491, 496, 499 – 503, 795, 897 f., 921, 924 Page Thomas Nelson 1853 – 1922. Schriftsteller, Botschafter der USA in Rom 1913 – 1919 ​ 46, 763 f. Page Walter Hines 1855 – 1918. Zeitungs-Hg., USBotschafter in London 1913–Aug. 1918  47, 108, 111 f., 133, 425, 461, 568, 598, 603, 631, 812, 922 Painlevé Paul 1863 – 1933. Min. für Instruction publique im Kab. Briand 1915 – 16, Kriegsmin. im Kab. Ribot 20.3. – 7. 9. 1917, Min.-Präs. 12.9. – 13. 11. 1917 ​ 178, 180 f., 277, 537 f., 540 f., 545 – 547, 549, 552, 713 f. Paléologue Maurice Georges 1859 – 1944. Frz. Botschafter in Petersburg 1914 – 1917 ​ 184 Anm. 576

960 Pálffy ab Erdőd Moritz Gf. 1869 – 1948. Geschäftsträger der k. u. k. Botschaft beim Heiligen Stuhl 1909 – 22. 2. 1917 ​ 508 Pallavicini Johann Markgraf 1848 – 1941. K. u. k. Botschafter in Konstantinopel 1906 – 1918 ​ 283, 369, 686, 852 Panafieu Hector André de 1865 – 1926. Frz. Ges. in Sofia 1912 – 1915 ​ 174 Parodi Humbert Denis 1878–n. e. Engl.-ägypt. Beamter, Chef der Mission scolaire egyptienne 1914 – 1918 u. Mitarb. des brit. Mil.-Attachés in der Schweiz ​ 515, 517 f., 522 – 525, 527 f., 530, 532 – 536, 865 Pasqualucci Paolo. Prof. für Rechtsphilosophie an der Univ. Perugia ​ 279 f., 940 Patek de Prawdzic Léon Gf. 1857 – 1928. Poln.-frz.schweizerischer Uhrenindustrieller, Repräsentant des frz. Roten Kreuzes in der Schweiz ​ 865 f. Patin Wilhelm 1879 – 1945 (1949?). Kath. Priester, Referent für Katholische Aktion im Sicherheitsdienst (SD) 1933, Kirchenaustritt ​ 1938 371, 924 Payer Friedrich v. 1847 – 1931. MdR (FVP) 1890 – 1918, Vizekanzler 9. 11. 1917 – 9. 11. 1918 ​ 426, 741, 747, 829, 832 f., 836 f., 839, 860 Penfield Frederic C. 1855 – 1922. Botschafter der USA in Wien 1913 – 28. 3. 1917 ​ 39, 58, 89, 99 – 101, 103, 105 f., 110 – 116, 118, 120 – 124, 126 – 131, 138 – 140 Perłowski Jan 1872 – 1942. Dir. der Ententefreundlichen Agence polonaise centrale in Lausanne bis ca. Nov. 1917, danach auch Vertrauensmann der ö.-u. Gesandtschaft ​ 865 Phillips William 1878 – 1968. UStS im amerik. Dept. of State 1917 – 1920 ​ 109 Pichon Stéphane 1857 – 1933. Außenmin. im Kab. Clemenceau 17. 11. 1917 – 18. 1. 1920 ​ 233, 513, 813, 815 Piffl Friedrich Gustav 1864 – 1932. Fürsterzb. von Wien 1913 – 1932, Kardinal 1914 ​ 282, 504 – 506, 711, 846 Pingaud Albert 1869 – 1951. Frz. Historiker ​ 246, 401, 940 Piniński Gf. Léo(n) 1857 – 1938. MöHH (Rechte) 1903 – 1918 ​ 684 Platten Fritz 1883 – 1942. Schweizer Sozialdemokrat, Teiln. an den Konf. in Zimmerwald u. Kienthal,

Personenregister organisierte die Rückreise Lenins nach Russland ​ 924 Plener Ernst Frh. 1841 – 1923. Präs. des k. u. k. Gem. Obersten Rechnungshofes 1895 – 1918, MöHH (Verfassungspartei) 1900 – 1918, Mitgl. des Schiedsgerichtshofes in Den Haag ​ 700 Plessen Hans v. 1841 – 1929. Preuß. GenOberst, Generaladj. u. Kdt. des Ksl. HQ ​ 716, 718 Pogatscher Rudolf 1859 – 1945. Sekt.-Chef im M. d. Ä. ​ 418 Poincaré Raymond 1860 – 1934. Frz. Außenmin.1912/13, Präs. der Republik 1913 – 1920 ​ 11, 152 f., 156 – 158, 174, 188, 191 f., 194 – 198, 220 f., 225, 231 – 237, 239, 243, 246, 248 – 250, 254, 257, 265 f., 268, 274, 278, 296, 513, 546, 660, 662 f., 717 f., 774, 785, 840, 894, 926 Pokrovski Nikolai Nikolajewitsch 1865 – 1930. Russ. Außenmin. 1916–Feb. 1917 184  Anm. 576 Polk Frank L(yon) 1871 – 1943. Counselor des amerik. Dept. of State 1915 – 1919 ​ 600 Polzer-Hoditz u. Wolframitz Arthur Ritter v., Gf. 11. 10. 1917. 1870 – 1945. Dir. der KKSM 7.2. – 25. 11. 1917, Senatspräs. des k. k. Verwaltungsgerichtshofes 23.8.–Ende 1918  10, 84 f., 151, 154 f., 205, 208, 240 – 243, 250 f., 255, 259, 264 – 267, 397, 405, 508 f., 588, 629, 640, 654, 691, 770, 776, 785, 788, 893, 916, 928, 931 Pomiankowski Josef 1866 – 1929. K. u. k. Mil.-Attaché in Konstantinopel 1909 – 1914, Mil.-Bevollm. im Osman. Reich 1914 – 1918, GM 1914, FML 1917  281 – 283, 931 Porro Carlo 1854 – 1939. Ital. Gen., stv. Gen.-Stabschef 24. 5. 1915 – 8. 11. 1917, Senator 1916  232, 236 f. Práznovszky de Zarkafalva et Práznócz Iván 1883 – n. e. Vize-Chef des Pressdept. im M. d. Ä.  86 Anm. 240 Přibram Alfred Francis 1859 – 1942. Ö. Historiker, Prof. an der Univ. Wien 1894 – 1930 ​ 240, 394, 940 Priester Eva 1910 – 1982. Ö. Schriftstellerin u. Publizistin; Redn. der Volksstimme 1949 – 1975 ​ 401, 941 Prittwitz u. Gaffron Friedrich v. 1884 – 1955. Adj. der RK Michaelis, Hertling u. Max v. Baden ​ 427 Quidde Ludwig 1858 – 1941. Historiker, MbayLT (Volkspartei/FVP) 1907 – 1918, organisierte

Personenregister 16. Weltfriedenskongress 1907, Vors. der Dt. Friedensgesellschaft 1914 – 1929  582 Anm. 1998

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Rieder Heinz 1911 – 1995. Wiener Historiker u. Schriftsteller ​ 14, 258, 780 f., 941 Rifa(a)t Mehmed Pascha 1861 – 1925. Osman. Radoslawow Wassil Christow 1854 – 1929. Bulg. Min.Botschafter in Berlin 1918 – 1919 ​ 831 Präs. 1913 – 21. 6. 1918 ​ 36 Ritter Gerhard 1888 – 1967. Dt. Historiker, 1924 – 1956 Radziwiłł Janusz Pr. v. 1880 – 1967. Führer der Prof. an den Univ. Hamburg u. Freiburg im poln. Nationalkons. Partei, Dir. des Pol. Breisgau ​ 12, 249, 402 f., 511, 513 f., 775, 941 Dept. (Außenpolitik) im Kab. Steczkowski Ritter Friedrich v. Wiesner 1871 – 1951. Sektionsrat im 4.4. – 26. 9. 1918 ​ 731 – 733 M. d. Ä.  418 Rauchensteiner Manfried 1942–. Ö. Historiker, Ritter zu Groenesteyn Otto Frh. 1864 – 1940. Bayer. Ges. beim Heiligen Stuhl 1909 – 1934 ​ 45 Doz. an den Univ. Wien u. Innsbruck, Dir. des Heeresgeschichtlichen Museums Wien 1992 – 2005 ​ Robertson Sir William Robert 1860 – 1933. Brit. GenLt/ 14, 266 f., 286, 411, 786, 941 Gen, Gen.-Stabschef 1915 – 11. 2. 1918 ​ 145 Reading s. Isaacs Rufus Daniel Earl of Reading ​ 597, Roedern Siegfried Gf. 1870 – 1954. StS des 606 f., 763 Reichsschatzamtes 22. 5. 1916 – 14. 11. 1918 ​ 376, 437, Redier Antoine 1873 – 1954. Frz. Schriftsteller, 741, 830 Romancier u. Herausgeber ​ 10, 244, 399, 941 Rolland Romain1866 – 1944. Frz. Literat, entschloss Redlich Josef 1869 – 1936. Prof. für Verfassungs- u. sich 1914 in der Schweiz zu bleiben, schrieb gegen Verwaltungsrecht an TH Wien, MöAH (Dt. den Krieg, engagierte sich beim Roten Kreuz, Nationalverbd.) 1907 – 1918, Fin.-Min. im Kab. Nobelpreis 1915  942 Lammasch 27.10. – 11. 11. 1918 ​ 588, 675, 687, 696, Romanik Felix 1909 – 1976. Ö. Beamter u. Honorar769, 890, 926, 941 Doz. an der Hochschule für Welthandel ​ 779, 936 Reischach Hugo Frh. 1854 – 1934. Oberhofmarschall Ks. Romberg Konrad-Gisbert Frh. 1866 – 1939. Dt. Ges. Wilhelms 1914 – 1918 ​ 65, 931 in Bern 1912 – 1919 ​ 163 f., 175, 180, 215 – 217, 219, Renner Karl 1870 – 1950. MöAH (SDAP) 1907 – 1918, 347 – 349, 351, 507, 601 f., 837 Mitgl. des dö. Vollzugsausschusses 21. Okt. 1918, Ronikier z Korytnicy Adam Feliks Gf. 1881 – 1952. Leiter der Kanzlei des dö. Staatsrates Führer der poln. Nationalpartei, für (Staatskanzler) 31. 10. 1918 ​ 299 f., 350, 889 f. Zusammenarbeit mit den Mittelmächten, 1918 Renouvin Pierre 1893 – 1974. Frz. Historiker; Prof. an Vertr. der poln. Reg. in Berlin ​ 731 – 733, 735 f. der Sorbonne ​ 245, 926, 941 Rosen Friedrich 1856 – 1935. Dt. Ges. in Lissabon Revertera di Salandra Nikolaus („Colly“) 1912 – 1916, Ges. in Den Haag ab 25. 10. 1916 ​ 816 Gf. 1866 – 1951. K. u. k. Diplomat ​ 12, 16, 269, Rosenberg Frederic (Hans) v. 1874 – 1937. Mitgl. dt. 511, 530, 536 – 539, 542 – 557, 535 – 538, 641, 542, 644, Del. bei den Verh. in Brest u. Bukarest ​ 338, 829 546 f., 549, 555, 557, 647 – 651, 656, 884, 899 f., 912, Rostworowski z Rostworowa h. Nałęcz Michael 920, 933 – 935, 941 Gf. 1864 – 1940. Prof. d. Univ. Krakau, 1916 v. Revertera di Salandra Olimpia Gfn. 1868-–1928. Polenklub des Abg.-Hauses nach Bern entsandt, Gattin Gf. Nikolaus Reverteras, Tochter der dort Präs. des Poln. Nat.-Komittees ​ 162 f., 170, Donna Françoise Aldobrandini Principessa di 176 f., 913 Sarsina  548 – 550 Rothwell Victor 1945–. Historiker an der Univ. Reymond Henri 1878 – 1936. Otolaryngologe in Edinburgh ​ 257, 942 Fribourg ​ 536, 542 – 550, 557 Roulet Louis-Edouard 1917 – 1996. Schweizer Ribot Alexandr 1842 – 1923. Frz. Min.-Präs. Historiker, Prof. an der Univ. Neuchâtel ​ 264, 931 20.3. – 7. 9. 1917, Min. d. Ä.  13.9. – 23. 10. 1917 ​ 11, Ruge Wolfgang 1917 – 2007. Dt. Historiker, an der 174, 178, 181, 191 – 199, 220 f., 231 – 237, 239, 243 f., Akad. der Wissenschaften in Berlin (DDR)  406, 250, 255, 262, 266 – 268, 271 f., 274, 277, 423 – 425, 942 660, 680, 713, 718, 784 f., 840, 926, 931

962 Rumbold Sir Horace George Montagu 1869 – 1941. Brit. Ges. in Bern 1916 – 1919 ​ 517 – 519, 522 – 525, 528, 533 – 535, 548, 882 f. Rumely Edward Aloysius 1882 – 1964. Eigentümer u. Hg. der New York Evening Mail  583 f. Rumpler Helmut 1935–. Ö. Historiker, Prof. an Univ. Klagenfurt 1975, Obm. der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie der Ö. Akad. der Wissenschaften ​ 14, 254 – 256, 287 f., 406, 940, 942 Runciman Walter, Baronet 1847 – 1937. MP (Liberal Party) 1914 – 1918 ​ 598 f.

Personenregister

Schioppa Lorenzo Msgr. 1871 – 1935. Uditore der päpstl. Nuntiatur in München 1916  491, 499 Anm. 1713, 1736 Schmid v. Grüneck Georg 1851 – 1932. Bischof von Chur 1908 – 1932 ​ 509 Schmidt P. Wilhelm SVD 1868 – 1954. Geistlicher, Ethnologe, k. u. k. Feldkurat  385 Anm. 1304 Schober Johann 1874 – 1932. Polizeipräs. von Wien 25. 6. 1918 – 19. 8. 1932  385 Anm. 1300 Schönburg-Hartenstein Aloys Fürst v. 1858 – 1944. K. u. k. Gen/GO, OB IV. Korps 22. 8. 1917 bzw. 15. 3. 1918, OB 6. Armee 16. 7. 1918, erbl. MöHH (Mittelpartei) 1903 – 1918 ​ 625 Sachsen-Coburg u. Gotha Boris Pr. v. 1894 – 1943. Schönburg-Hartenstein Johannes Pr. v. 1864 – 1937. Bulgar. Kronpr.; Sohn Kg. Ferdinands, bestieg K. u. k. Botschafter beim Vatikan 1911–Nov. 1918 nach dessen Abdankung als Boris III. den Thron ​ (seit Ende Mai 1915 Dienstsitz Lugano)  219 f., 822 297, 453, 457, 477, 480, 490, 492, 494, 500, 502, Salandra Antonio 1853 – 1931. Ital. Min.-Präs. 509, 676 1914 – 1916, 1915 für Kriegseintritt ​ 245 Schonta v. Seedank Emmerich Frh. 1878 – 1945. K. Salis Sir John, 7th Count de 1864 – 1939. Brit. Ges. u. k. Korvettenkapitän, ab 3. 1. 1917 in der MKSM, beim Hl. Stuhl 1916 – 1923 ​ 423 – 425, 429, 431, 453 Flügeladj. 1918  396, 656 Salm-Dyck Alfred Fürst u. Altgraf 1863 – 1924. MdR Schratt Katharina 1855 – 1940. Schauspielerin, Ks. (Zentrum) 1912 – 1918 ​ 297 Franz Joseph angetraut (1910?)  506, 752 Sauerwein Jules-Auguste 1880 – 1967. Sekr. der frz. Schulthess Edmund 1868 – 1944. Schweizerischer Botschaft in Wien 1905 – 1908, Dir. der Services Bundesrat (FDP) u. Chef des Volkswirtschaftsdept. étrangers der Pariser Tageszeitung Le Matin 1912 – 1935, Bundespräs. 1917  176, 348, 925 1914 – 1931 ​ 160, 913 Schulze-Gaevernitz Gerhart v. 1864 – 1943. Prof. für Scavenius Erik v. 1877 – 1962. Dän. Min. d. Ä.  Volkswirtschaft an der Univ. Freiburg im Breisgau, 1913 – 1920 ​ 146 – 149, 151 MdR (FVP) 1912 – 1918  585 Anm. 2007 Scavenius Knud. Dän. Kaufmann, Kousin von Erik Schumpeter Joseph 1883 – 1950. Prof. für Pol. Scavenius ​ 144 Ökonomie an der Univ. Graz 1911 – 1921  700 Schäfer Dietrich 1845 – 1929. Dt. Historiker, Prof. an Anm. 2371 der Univ. Berlin 1903 – 1921, Vize-Präs. der DVLP Schwaighofer P. Cölestin OFMCap 1863 – 1934. 1918, Sachverständiger des 2. UnterA des UA  397, Beichtvater Kg. Ludwigs III., Ks. Karls 931 u. Ksrin. Zitas, Konsultor mehrerer Schager Albin (Frh. v. Eckartsau 10. 11. 1918) Kardinalskongregationen ​ 371, 479 f., 483, 491, 1877 – 1941. K. u. k. Militärauditor, Priv.-Doz. an 503, 506 der Univ. Innsbruck, in der MKSM 1917 – 1918, Seeliger Arthur 1870 – 1938. Vertr. des A. A. für Gen.-Dir. der Habsburg-lothringischen Handelsfragen in Konstantinopel 1917  738 Privatvermögensverwaltung Nov.  1918 – 1923 ​ Seidler v. Feuchtenegg Ernst 1862 – 1931. 384 – 386, 398 f., 401 f., 405, 666, 703, 772 K. k. Ackerbaumin. 1. – 23. 6. 1917, Min.Scheidemann Philipp 1865 – 1939. MdR (SPD), RTPräs. 23. 6. 1917 – 22. 7. 1918, Dir. der KKSM Vize-Präs. 1912 – 1918, mit Ebert Vors. der MSPD, 25.7. – 9. 11. 1918 ​ 738, 561 f., 589, 614, 645, 699 ff., setzte Freilassung Karl Liebknechts durch, StS im 706 – 709, 712 f., 938 Kab. Max v. Baden ​ 298, 348, 426 f., 433, 435, 459, Seipel Ignaz 1876 – 1932. Kath. Priester, Prof. für 468 f., 839, 872, 888 f. Moraltheologie in Salzburg 1909 – 1917, danach an

Personenregister der Univ. Wien, Min. für soziale Fürsorge im Kab. Lammasch ​ 890, 941 Seippel Paul 1858 – 1926. Prof. für frz. Lit. u. Sprache ETH Zürich, Freund Romain Rollands  572 Anm. 1974 Seitz Karl 1869 – 1950. MöAH (SDAP) 1901 – 1918, Vize-Präs. des öAH, Mitgl. der ö. Del., einer der drei Präs. der Prov. NV für DÖ, Mitgl. des Vollzugsausschusses 21. 10. 1918 ​ 299 f., 350, 874, 876, 889 f. Sévillia Jean. 1952–. Frz. Journalist (Figaro Magazine), Präs. der Assoziation zur Seligsprechung ExKaiserin Zitas ​ 267 f., 278, 788, 791 f., 942 Seydl Ernst 1872 – 1952. Hof- u. Burgpfarrer, Tit.Bischof von Eucarpia u. Hofbischof 1918  504 Seymour Charles 1885 – 1963. Historiker an Yale Univ. New Haven, Connecticut, 1911 – 1937 ​ 11, 48, 922, 924 Shanafelt Gary W. Amerik. Historiker, Prof. an der McMurry-Univ. Abilene, Texas ​ 14, 262, 408, 942 Sharp William G. 1859 – 1922. Botschafter der USA in Paris 1914 – 1919 ​ 46, 48 Silj Cesare 1862 – 1943. Senatore del Regno d’Italia 1914, Kousin Kardinal Gasparris ​ 46, 496, 498 Silva-Tarouca Ernst Gf. 1860 – 1936. MöHH (Rechte) 1907 – 1918, k. k. Ackerbaumin 30. 8. 1917 – 11. 11. 1918, Präs. der Zentralstelle aller nichtpol. (i. e. kath.) Vereine 1905 – 1910 ​ 684, 845 Sil-Vara (Géza Silberer) 1876 – 1938. London-Korr. der NFP 1914, Frontsoldat, Ref. der lit. Gruppe des Kriegspressequartiers, Presseref. an Gesandtschaft Stockholm 1917 – 18  584 – 586, 942 Simson Hermann Paul Eduard v. 1880 – 1951. Handelsbevollm. der Fried. Krupp AG, während des Krieges an der dt. Gesandtschaft Bern (Nachrichtendienst)  215 – 219 Singer Ladislaus 1898–n. e. Ö. Journalist u. Autor, Emigration 1935, Rückkehr 1949  12, 249, 403, 942 Sked Alan 1947–. Brit. Historiker, Prof. an der London School of Economics ​ 263, 942 Skrzynno-Skrzyński Ladislaus Ritter v. 1873 – 1937. Leg.-R. an der k. u. k. Gesandtschaft Bern 1916 – 1918  175 Anm. 553

963 Smuts Jan Christiaan 1870 – 1950. Brit. GenLt, Mitgl. des War Cabinet 1917 – 1919 ​ 269, 496, 511 – 516, 518 – 521, 524 f., 527, 530, 535, 649, 898, 914, 916 Solf Wilhelm 1862 – 1936. StS des A. A. 4.10. – 13. 12. 1918 ​ 376, 839, 851, 866 – 868 Sonnino Sidney Baron 1847 – 1922. Ital. Außenmin. 21. 3. 1914 – 22. 6. 1919 ​ 11, 44, 46, 193 – 198, 220, 226, 231 f., 235 – 237, 244, 246, 252, 255 f., 261 – 263, 265, 267 f., 271 f., 489, 513, 718, 763 Soutou Georges-Henri 1943–. Politikwissenschaftler an der Univ. Paris IV (Sorbonne) 1988  942 Spitzmüller-Harmersbach Alexander Frh. 1882 – 1953. Vors. Dir. der Creditanstalt 1910 – 1915, k. k. Finanzmin. 20. 12. 1916 – 23. 6. 1917, k. u. k. Finanzmin. 11.9. – 4. 11. 1918 ​ 835, 845 f., 850, 855, 876 – 878, 880, 931 Sprecher v. Bernegg Theophil v. 1850 – 1927. Schweizer Oberst, Generalstabschef 1914  161 f. Spring-Rice Sir Cecil Arthur 1859 – 1918. Brit. Botschafter in Washington 1913–Feb. 1918  41 Srbik Heinrich Ritter v. 1878 – 1951. Ö. Historiker, o. Prof. an der Univ. Wien 1917 – 1945 ​ 10, 942 Staněk František 1867 – 1936. MöAH (Klub der tschech. Agrarier) 1907 – 1918 ​ 645 Steczkowski Jan Kanty 1862 – 1929. Premiermin. des Kgr. Polen 4.4. – 23. 10. 1918 ​ 731 Steglich Wolfgang 1927 – 2004. Dt. Historiker, o. Prof. an der Freien Univ. Berlin 1970 – 1995 ​ 12, 249, 262, 361, 369, 403, 466, 510, 513 f., 536 f., 547 – 549, 896, 925, 942 Stein zu Nord- u. Ostheim Hans Karl Frh. 1867 – 1942. StS  im Reichswirtschaftsamt 20. 11. 1917 – 8. 11. 1918 ​ 741 Steklow („Stecklow“) Wladimir Andrejewitsch 1864 – 1926. Prof. an der Univ. Petersburg  337 f. Stępski-Doliwa Julius Ritter v. 1871 – 1947. Ö.-u. Honorarkonsul für Graubünden seit 1916 510 Sternberg Adalbert Gf. 1868 – 1930. K. u. k. Rittmeister i. d. Res., MöAH1904 – 1911 (unabh.)  364 f. Anm. 1237 Stockhammern Franz Xaver v. 1869 – 1928. Leg.-Rat an der bayer. Gesandtschaft Bern (Nachrichtendienst) Juli 1915–Juli 1917, enge Beziehungen zu Erzberger, Bülow u. Marchetti-Selvaggiani, ab Aug. 1917 im A. A., StS Erzberger zugeteilt Okt. 1918  460, 506 f.

964 Stöger-Steiner v. Steinstätten Rudolf Frh. 1861 – 1921. K. u. k. G. d. I., Kriegsmin. April 1917 – 11. 11. 1918, GO 11. 5. 1918 ​ 561, 678, 845, 876 Stolberg-Wernigerode (Friedrich) Wilhelm Pr. zu 1870 – 1931. Sekr. der dt. Botschaft Wien 1912 – 1919, Geschäftsträger 1915 – 1918 ​ 20, 22 – 24, 26, 57, 729 f., 760, 793, 816 Storck Wilhelm Ritter v. 1868 – 1928. Vertr. des M. d. Ä. beim AOK 18.2.–Okt. 1917  354, 361 Stovall Pleasant Alexander 1857 – 1935. Amerik. Ges. in Bern 1913 – 1919 ​ 589, 630 f., 731 f., 863 f., 869 Stresemann Gustav 1878 – 1929. MdR (NLP) 1907, Partei- u. Fraktionsvors. 1917  426 f., 460 Stumm Wilhelm Frh. 1869 – 1935. UStS des A. A., Ltr. der Abt. IA (Nachrichten) 22. 11. 1916 ​ 19 – 24, 33, 53, 56, 92, 165, 167 f., 199, 218, 292 – 295, 298, 302 f., 310 f., 382, 736, 756, 801, 803- 805, 808, 829, 831 Stürgkh Karl Gf. 1859 – 1916. K. k. Min.-Präs. 3. 11. 1911 – 21. 10. 1916 ​ 713 Südekum Albert 1871 – 1944. MdR (SPD/MSPD) 1900 – 1918, Red. des Vorwärts u. a.  376 Sulzer Hans 1876 – 1959. Schweizerischer Ges. in Washington 1917 – 1920  885 Anm. 2999 Sylvester Julius 1854 – 1944. MöAH (Dt.-fortschr. Partei) 1897 – 1918, Präs. des öAH 1911 – 1917, Mitgl. des dö. Vollzugsausschusses 21. 10. 1918 ​ 889 Széchényi de Sárvár et Felső-Vidék Dionys Gf. 1866 – 1936. K. u. k. Ges. in Kopenhagen u. Christiania 1908 – 23. 11. 1917 ​ 144 – 146 Széchényi de Sárvár et Felső-Vidék Ludwig Gf. 1868 – 1919. K. u. k. Ges. in Den Haag u. in Luxemburg 24. 1. 1917, 2. Sekt.-Chef im M. d. Ä.  9.6. – 11. 11. 1918 ​ 567 Szemere Paul 1785 – 1861. Mitverfasser der Memoiren des Grafen Tamás von Erdödy ​ 400, 931 Szeps Julius 1867 – 1924. Chefred. des Fremden-Blattes 1909 – 1918  180 Anm. 568 Szterényi József Baron 1861 – 1941. MuAH 1906 – 1918 (Verfassungspartei), K. u. Handelsmin. 25.1. – 31. 10. 1918 ​ 931

Personenregister

Tarnowski v. Tarnów Adam Gf. 1866 – 1946. K. u. k. Ges. in Sofia 30. 4. 1911 – 9. 11. 1916, designierter Botschafter in Washington 9. 11. 1916 – 8. 4. 1917 ​ 98 – 103, 105 – 107, 109 – 112, 114 f., 117 – 119, 121, 126 – 131, 136, 138 – 142, 863 – 865 Tauer Felix 1893 – 1981. Tschech. Orientalist, Historiker u. Philologe; Prof. an der Univ. Prag ​ 285, 931 Thanner Erich 1912 – 1981. Ö. Journalist, Legitimist, Schwiegersohn Zeßner-Spitzenbergs ​ 944 Thomas Albert 1878 – 1932. Abg. frz. Kammer (SFIO), Munitionsmin. Dez. 1916–Sept. 1917  549 Thurn u. Valsássina-Como-Vercelli Johann Duglas Gf. 1864 – 1939. Vertr. des M. d. Ä. beim AOK bis 24. 1. 1917, danach Ltr. der Gesandtschaft München ​ 456, 500 – 503 Tirpitz Alfred v. 1849 – 1930. Dt. Großadmiral, MprHH 1908 – 1918, Vors. der DVLP 1917/1918  320 Tisza de Borosjenő et Szeged István Gf. 1861 – 1918. MuAH (Liberale Partei, ab 1910 Arbeitspartei) 1886 – 1918, k. u. Min.-Präs. 1913 – 15. 6. 1917, Mitgl. der ung. Del.  71 f., 75 – 77, 80, 118 f., 181, 401, 506, 677, 685 – 687, 740, 800, 849, 880, 927, 943 Tittoni Tomaso 1855 – 1931. Ital. Botschafter in Paris 1910 – 1916 ​ 226, 237, 245, 252, 261, 263, 271, 274 Tosi Luciano 1946–. Ital. Historiker, Prof. an der Univ. Perugia ​ 265, 943 Trauttmansdorff-Weinsberg Karl Gf. zu 1872 – 1951. Geschäftsträger der k. u. k. Botschaft in Konstantinopel, 1918 Vertr. des M. d. Ä. beim AOK  140, 687 Treutler Karl Georg v. 1858 – 1933. Preuß. Ges. in München 1911 – 1918 ​ 307, 448 – 451 Trimborn Karl 1854 – 1921. MdR u. MprAH (Zentrum) 1896 – 1918, StS im Reichsamt des Innern 6.10. – 9. 11. 1918 ​ 839 Trotzki (Trotzkij) Leo Dawidowitsch 1879 – 1940. Vors. des Petrograder A.- u. S.-Rates Sept. 1917, Volkskommissar für äußere Ang. Nov. 1917, Ltr. der Del. in Brest Jänner 1918, Volkskommissar für Tacchi-Venturi Pietro SJ. 1861 – 1956. Generalsekr. der Kriegswesen 14. 3. 1918, Initiator der Roten Armee ​ SJ 1914 – 1921 ​ 235 561 – 563, 739, 744 f. Talaat Mehmed Pascha 1874 – 1921. Großwesir Tschcheïdse Nikolai Semionowitsch 1864 – 1926. 5. 2. 1917 – 8. 10. 1918 Mitgl. der türk. Del. in Brest ​ Vors. der Menschewiki in der Duma, des 797

Personenregister Exekutivkomitees des Petrograder A.- u. S.-Rates u. der Allruss. Rätekonferenz ​ 337 Tschirschky u. Bögendorff Heinrich v. 1858 – 1916. Dt. Botschafter in Wien 1907 – 1916 ​ 505 Tuchman Barbara W(ertheim) 1912 – 1989. Amerik. Historikerin u. Zeitungskorrespondentin ​ 943 Tusar Vlastimil 1880 – 1924. Red., MöAH 1911 – 1918 (tschech. Sozialdemokr.)  645 Tussun (Toussoun) Djemil Pascha (Pr.) 1874 – 1933. Kousin des Khediven Abbas II. Hilmi von Ägypten, Vertrauensmann der brit. Gesandtschaft 518 – 520, 522 – 524, 535, 865, 914 in Bern ​

965

Wahnschaffe Arnold 1865 – 1941. UStS in der dt. Reichskanzlei 1907 – 5. 8. 1917, Chef der dt. Reichskanzlei 11. 10. 1918 ​ 886 Waldner Viktor 1882 – 1924. MöAH (Dt. Agrarpartei) 1907 – 1918 ​ 712 Waldstätten Alfred Frh. 1872 – 1952. K. u. k. GM, Chef der Operationsabt. des AOK 2. 3. 1917, stv. Chef des Generalstabes Jän.–Nov. 1918  741, 878 Wallenberg Knut Agathon 1853 – 1938. Schwed. Außenmin. 17. 2. 1914 – 29. 3. 1917 ​ 150 Walterskirchen Joseph Frh. zu Wolfsthal 1879 – 1968. K. u. k. Diplomat, 1917/18 im KdM ​ 581 Wassilko (Vasyl’ko) Nykolaj Ritter v. 1868 – 1924. Uderzo Marcel 1933–. Comiczeichner, Bruder von Gutsbesitzer, MöAH (1907 – 1918) (ruthen.-nat. Albert Uderzo ​ 278, 933 Demokrat, Bukowinaer ukr. Klub), Mitgl. der ö. Ugron de Ábránfalva Stephan v. 1862 – 1948. Ges. im Del. ​ 429 Anm. 1510 M. d. Ä., dessen Del. beim dt. Gen.-Gouvernement Watson David R. Brit. Historiker am Dept. of Modern Warschau 15. 1. 1917 – 1918 ​ 738 History, Univ. of Dundee ​ 780, 943 Weber Edler v. Webenau Viktor 1861 – 1932. K. u. k. Valentini Rudolf v. 1855 – 1925. Chef des Geh. Zivilkab. G. d. I., Kdt. VI. Korps Juli – Okt. 1918 ​ 878 Ks. Wilhelms 1908 – 17. 1. 1918 ​ 63, 93, 927 Wedel Botho Gf. 1862 – 1943. Dt. Botschafter in Valfrè di Bonzo Teodoro Gf. 1853 – 1922. Tit.-Erzb., Wien 27. 11. 1916 – 13. 7. 1919 ​ 11, 32 f., 35 f., 39, Apost. Nuntius in Wien 31. 10. 1916 – 1919 ​ 42 f., 43 f., 49 – 51, 57, 72 f., 90, 95, 103, 106 f., 116, 125, 46, 414, 416, 446, 451 f., 473 f., 477 ff., 509, 938 140, 163, 165, 168, 179 f., 204 f., 208, 212, 218, Valiani Leo 1909 – 1999. Ital. Politiker, Journalist, 229, 295, 303 – 305, 309, 315 – 317, 320, 326 f., 331, inhaftiert 1928, Flucht nach Frankreich bzw. 335 – 337, 342, 345, 354, 361, 367, 369, 375, 377 f., Mexiko, Abg. zur Assemblea Costituente (Partito 381 f., 386, 388 – 400, 415 – 418, 420 – 422, 454 f., d’Azione) 1946, Senatore 1980  250, 404, 943 468, 475, 477, 657, 676, 682, 685, 687, 692 f., Vályi Félix n. e. Dir. der Revue politique internationale 695, 697, 704, 710, 719, 725 – 729, 734 – 736, (Lausanne), Vertrauter Andrássys ​ 862 740 f., 750, 752, 755 f., 794 f., 798 – 800, 805 – 807, Várady Árpád Lipót 1865 – 1923. Erzb. von Kalocsa 811 – 812, 815 f., 820, 825, 831, 862, 866, 871, 879, 1914 – 1923 ​ 506 901, 931 Vasari Emilio (Emil Csonka) 1923 – 1982. Mitarb. des Weil Hermann 1868 – 1927. Dt. Getreidehändler; US-amerik. Senders Radio Freies Europa ​ 14, 269, schrieb 1917 – 18 Berichte für Ks. Wilhelm II. ​ 334 406, 780, 943 Weiller („Weyller“) Lazar 1858 – 1928. Abg. in der frz. Vermes Gábor 1933 – 2014. Historiker, Prof. an der Kammer (gemäßigte Linke) ​ 173, 176 f., 913 State Univ. of New Jersey (Rutgers)  408, 943 Weiskirchner Richard 1861 – 1926. MöAH 1897 – 1911, Viktor Emanuel III. 1869 – 1947. Kg. von Italien (cs.) Bürgermeister von Wien 1912 – 1919, MöHH 1900 – 1946 ​ 233, 237, 244, 252, 271 f., 274 (Mittelpartei) 1917 – 18. Mitgl. der ö. Del. ​ 637 f., Villalobar Rodrigo de Saavedra y Vinent Marqués 641, 747 de. 1864 – 1926. Span. Ges. in Brüssel 1913 – 1926 ​ Wekerle Alexander 1848 – 1921. MuAH (Liberale 437 f., 456, 461 f. bzw. 48er-Verfassungspartei) 1887 – 1918, mehrmals Vivian Herbert 1865 – 1940. Engl. Schriftsteller ​ 399, k. u. Min.-Präs., zuletzt 20. 8. 1917 – 23.(30.)10.1918 ​ 943 465, 561 – 563, 678, 686, 688 f., 834 – 836, 849, 855 f., 869, 903, 936

966 Weltner Jakob 1876 – 1936. Tischler, Mitgl. des Vorstandes der MSzDP, Red. der Népszava ​ 299 f. Werkmann Karl Frh. v. Hohensalzburg (20. 10. 1918) 1878 – 1952. K. k. Hptm d. Res., Ltr. des Pressedienstes für die allerhöchsten Herrschaften ab 15. 1. 1917 ​ 10, 85 f., 188, 203 f., 240, 244, 334, 374, 390 – 393, 396, 399 f., 403, 405, 409 f., 621, 666, 701, 707 f., 771, 783, 788, 893, 895, 922, 931, 942 f. Westarp Kuno Gf. 1864 – 1945. MdR (DKP) 1912 – 1918, Fraktionsvors. 1913 – 1918 ​ 426 f. Wes(z)tfried Ern(e)st. 1878 – 1970. Ö.-u. Finanz- u. Geschäftsmann ​ 144 – 146 Whyte Sir Alexander Frederick 1883 – 1970. MP (Liberal Party) 1910 – 1918 ​ 521 Whittall Sir Hugh n. e. Ltr. des Nachrichtendienstes des Foreign Office in der Schweiz ​ 548 Wiemer Otto 1868 – 1931. MdR u. MprAH (FVP) 1898 – 1918 ​ 426 Wieser Friedrich Ritter v. 1851 – 1926. O. Prof. der pol. Ökonomie an Univ. Wien 1903, MöHH (Verfassungspartei) 1917 – 18, k. k. Handelsmin. u. Min. für öffentl. Arbeiten 1917 – 18 ​ 190, 287 f., 916 Wiesner Friedrich Ritter v. 1871 – 1951. Ltr. des Pressdept. des M. d. Ä.  18. 2. 1917 – 11. 11. 1918, Vize-Präs. des legitimistischen Reichsbundes der Österreicher 1925 ​ 52, 340, 418, 454, 463, 618, 626 – 637, 653, 655, 677 f., 707 – 709, 712 – 714, 914 Wilhelm II. 1859 – 1941. Dt. Ks. u. Kg. von Preußen 1888 – 1918 ​ 12, 24, 26 f., 32, 37, 40, 45, 49 – 55, 62 – 65, 70, 77, 79 f., 83 f., 125 f., 147, 189, 196, 204, 207 – 209, 211, 214, 227 – 230, 239, 246, 257 f., 267, 291 f., 295, 314, 319, 332 – 334, 343 – 345, 363, 371 – 373, 382, 385, 393, 395, 397, 400 – 406, 408 – 411, 413 f., 420 f., 431, 436 – 440, 469 – 472, 475, 484, 488, 508, 646, 652, 654 – 657, 661, 674, 676 f., 681 – 685, 687, 689, 692 – 695, 706, 714, 716, 719, 727 f., 730 f., 733, 747, 752, 766, 768, 773 f., 776, 780 f., 787 f., 790, 793 – 795, 801, 805, 809 f., 817, 820, 827, 829 f., 833, 859 – 861, 866, 868, 872, 875 f., 887 f., 893, 895, 901 – 903, 931 Wilhelmina 1880 – 1962. Kgn. der Niederlande 1890 – 1948 ​ 801, 805, 807 f., 816 f. Wilson Hugh Robert 1885 – 1946. Geschäftsträger der amerik. Gesandtschaft in Bern ​ 548, 568, 671, 572, 575, 578 – 581, 587, 684

Personenregister Wilson Thomas Woodrow 1856 – 1924. Prof. der Rechtswissenschaft u. Nationalökonomie an der Princeton Univ. 1890, Präs. der USA 1913 – 1921 ​ 11 – 13, 16, 37 – 42, 46 – 48, 54, 56 – 58, 60 f., 66, 68, 87, 90 – 99, 101 – 109, 111 – 114, 116, 120, 122, 124 – 127, 129 – 131, 133 – 137, 147, 150, 290, 344 f., 423425, 458, 461, 492 f., 501, 511, 513 f., 516 f., 522, 526, 529, 558, 560 f., 564 – 566, 568 – 570, 572 – 576, 578 f., 583 – 586, 588, 591 – 594, 596 – 603, 605 – 608, 610 – 622, 624, 629, 631 – 634, 641, 740 f., 762 f., 765 f., 791, 812, 814, 822, 824, 827, 829, 831, 833 – 835, 837 f., 840 – 844, 849, 851 – 856, 858 – 862, 865, 867 – 869, 871 – 874, 885, 889, 894, 898 f., 902 – 904, 913 f., 918, 921 – 923, 928 Windisch-Graetz Alfred Fürst 1851 – 1927. Erbl. MöHH (Rechte), Präs. des öHH 1897 – 1918 ​ 713 Windisch-Graetz Ludwig (Lajos) Pr. 1882 – 1968. MuMH (Reg.-Partei), Mitgl. ung. Del., Chef des ung. Ernährungsamtes u. Min. o. P.  25.1. – 25. 10. 1918, SCh im M. d. Ä.  18. 10. 1918 ​ 247, 590 f., 674, 766, 772, 776, 880 – 883, 931 Winterfeldt (Hans Karl) Detlof v. 1867 – 1940. Preuß. Oberst/GenMjr, Mil.-Attaché in Paris 1909 – 1914, Vertr. der OHL beim RK 1917/18 ​ 338, 427, 885 Wiseman Sir William 1885 – 1962. Brit. Oberstlt; Chef des Secret Intelligence Service in den USA; Verbindungsmann zwischen Wilson u. der brit. Reg. ​ 98, 534, 591, 597, 606, 765, 921 Wortmann Karl Preuß. Oberstlt a. D., phil. Diss. (Geschichte) an der Univ. Halle 1925 ​ 10, 241, 398, 943 Zarnow Gottfried (Ewald Moritz) 1878 – 1966. Dt. Publizist ​ 11, 400, 943 Zeidler-Daublebsky v. Sterneck Egon Frh. 1870 – 1919. K. u. k. Oberst/GM in der MKSM ab 26. 11. 1916, deren stv. Chef 20. 1. 1917, ihr Vorstand 18. 5. 1918, Generaladj. 8. 5. 1918 ​ 385 Anm. 1300 Zeman Z(byněk) A(nthony) B(ohuslav) 1928 – 2011. Brit./tschech. Historiker, Prof. an den Univ. St. Andrews, Lancaster, Oxford u. Prag ​ 146, 256 f., 925 Zeßner-Spitzenberg Hans Karl 1885 – 1938, Prof. an der Hochschule für Bodenkultur Wien 1931, Haft im KZ Dachau, Vize-Präs. des legitimistischen Reichsbundes der Österreicher, Ltr. der Liga für

Personenregister die Seligsprechung Ks. Karls ​ 246 f., 401, 406, 773 f., 944 Zichy de Zich et Vásonkeő Aladár Gf. 1864 – 1937. MuMH (kath. Volkspartei), k. ung. Min. für Kroatien u. Slawonien 13. 6. 1917 – 27. 10. 1918, Min. am Ah. Hoflager 18.8. – 23. 10. 1918 ​ 655 Zimmermann Arthur 1864 – 1940. UnterStS des A. A.  1911, StS  22. 11. 1916 – 6. 8. 1917 ​ 29, 32, 38 – 42, 49 f., 54 – 56, 60 f., 68, 70, 72 – 75, 77, 84, 90 – 93, 95, 100, 103 f., 106 f., 115, 121, 124 f., 131 – 135, 137, 139 f., 147, 163 f., 169, 178 – 180, 199 f., 208, 211 – 213,

967 215 – 217, 219, 227, 298, 301, 303, 310, 314, 319, 325 – 329, 332 f., 335, 342, 348, 351 f., 360, 362, 369, 377, 380, 387, 395, 402, 406, 508, 895, 936, 943 Zuckerkandl Berta (Berthe) geb. Szeps 1864 – 1945. Ö. Schriftstellerin u. Journalistin ​ 774, 935, 944 Zweig Stefan 1882 – 1942. Dichter u. Übersetzer, nach Kriegsbeginn im KA Wien, seit 1917 Korr. für Neue Freie Presse u. Pester Lloyd in Zürich ​ 684 Zwiedinek v. Südenhorst Erich Frh. 1870–n. e. Geschäftsträger der k. u. k. Botschaft in Washington Nov.  1915 – 8. 4. 1917 ​ 107, 140

Ortsregister 3104 Abbazia (kroat. Opatja)  664 Anm. 2266 Afiun Karahissar (Afyonkarahisar) ​ 282 Alcsuth (ung. Alcsút), Schloss ​ 686 Aleppo (arab. Ḥalab) ​ 281 f. Altötting ​ 507 Antivari (serb.-montenegrin. Bar) ​ 183 177 Antwerpen ​ Aquileja, „Aquila“ (ital. Aquiléia) ​ 227, 247, 253, 263, 267, 278, 498 Arlon ​ 324 Baden (bei Wien) ​ 70, 83, 316, 325, 366, 396, 645, 649, 653, 655, 657, 666 f., 672, 677 f., 685, 687, 914 f. Bagdad ​ 283 Bar-le-Duc ​ 243 Belgrad ​ 18, 24, 875 Berlin ​ 13, 20, 27 f., 31, 33, 36, 38 – 40, 43 f., 49 – 51, 53 f., 56, 58, 60 f., 67 – 69, 72 – 75, 80, 90 ff., 97 – 99, 101 – 103, 105 f., 116, 122, 125, 132 f., 138, 141, 144 – 147, 161 – 164, 168, 172 f., 177 – 181, 195 f., 199, 203, 205, 207 – 209, 215, 218 f., 242, 255, 268, 271, 278, 289, 295 f., 298 f., 302, 304 f., 308 – 312, 314 – 317, 319, 323, 326 f., 335, 351, 358, 360, 362 – 364, 368, 370, 376, 382, 384, 387, 392, 395, 399, 407, 415 – 417, 422, 432, 435 f., 441 – 443, 446, 450, 454 f., 457 f., 464, 468, 480, 483, 487, 505 f., 508, 517, 520, 529, 536 f., 539 f., 542, 552 – 554, 556, 560, 568 f., 573, 583, 590, 598, 602, 604, 630, 639, 641, 646, 648, 651 f., 657, 660, 662, 672, 676, 682, 684, 686 f., 692, 706, 710, 715, 721, 724 f., 727 f., 731, 734 – 736, 738, 748, 752, 754, 756, 771, 788, 797, 800, 805 – 807, 817, 823, 829, 833, 840, 844, 851, 859 f., 864, 866 f., 885 f., 895 f., 912 f., 915, 917 – 933, 935, 937 – 940, 942 f. Bern ​ 79, 160 – 163, 166, 168, 170 f., 174, 178 f., 201, 1 216 f., 219, 221, 226, 230 – 238, 252 f., 263, 267, 271, 274, 297, 348 f., 351, 355, 361 f., 370, 395, 403, 490, 517, 519, 525 f., 539, 548, 555, 569, 573, 581, 588 ff., 601, 604, 630, 691, 731, 813, 831, 837, 850, 857, 862, 864 f., 874, 880, 895, 898, 914 f., 917, 924

Bex ​ 172 Bozen ​ 46, 391, 444, 497 f., 933 Branzoll ​ 497 Brenner ​ 610, 617 Brest, Brest-Litowsk ​ 25, 481, 520, 522 f., 542, 558 f., 561 f., 564, 569, 582, 599, 625, 739 – 741, 745, 747, 752, 767, 814, 822, 824, 835, 914, 937 Briey ​ 24 f., 27, 30 f., 164, 167, 202, 205, 324, 333, 415, 441 Brügge ​ 324, 415 Brüssel ​ 437 Budapest ​ 44, 463 – 465, 573, 638, 663, 677, 685 – 687, 856, 880, 922, 927, 930 f., 936 Bukarest ​ 35 f., 189, 366, 492, 523, 538, 589, 608, 610, 618, 638, 651, 653, 665, 677, 694, 706, 709, 712, 715, 750, 752, 776, 788, 814, 821, 914 f. Calais ​ 442 Caporetto s. Karfreit ​ 498, 932 Casarsa (della Delizia)  708 Cernavoda (rumän. Cernavodă) ​ 336 Cholm (poln. Chełm) ​ 559 f., 562, 732, 741 Christiania (Kristiania; seit 1924 Oslo) ​ 143 – 146, 151 Chur ​ 509 f. Como ​ 227 Compiègne ​ 885, 888, 919 Constanza (rumän. Constanţa) ​ 336 Cormòns ​ 498 Cospoli (ital.-levantinisch für Konstantinopel) ​ 435 281 f. Damaskus (arab. Dimaschq) ​ Danzig (heute poln. Gdansk) ​ 732, 737 Den Haag ​ 816 Doberdò (slowen. Doberdob) ​ 498 Dombrowa, „Dombrowo“, „Dombrovic“ (poln. Dąbrowa, heute Dąbrowa Górnicza) ​ 563 Dresden ​ 374 Dünaburg (lett. Daugavpils) ​ 340 Durazzo (alban. Durrës) ​ 30, 814

3104 Im Ortsregister werden die in den Dokumenten und Literaturstellen vorkommenden Formen der Ortsnamen (verballhornte Formen kursiv) angeführt, der heutige Name steht in Klammern.

969

Ortsregister Eckartsau, Schloss bei Wien ​ 384, 771 Feldkirch ​ 587, 589 Fiume (kroat. Rijeka) ​ 30 Flitsch (slowen. Bovec) ​ 247, 473, 498 Folgaria (Vielgereuth) ​ 494 Folkestone ​ 192 f., 196 Frankfurt am Main ​ 358 – 360, 369, 380, 384, 394 f., 400, 403, 924, 926, 93, 937, 942 Franzensfeste ​ 390 f. Fribourg (Freiburg im Üechtland) ​ 536, 538, 548 – 550 Genf (frz. Genève) ​ 160, 243, 496, 511, 514, 517, 519, 523, 525, 535, 581, 898, 916 Gibraltar ​ 333 Gödöllő ​ 686 Görz, „Goritz“ (ital. Gorizia, slowen. Gorica) ​ 46, 226, 498, 509, 640 Gradisca (ital. Gradisca d’Isonzo, slowen. Gradisce ob Soci) ​ 498 Gümligen, „Gümmenen“, „Günungen“ ​ 587 Haag (Den Haag) ​ 300, 438, 471 f., 558, 567, 806, 815 – 817, 914 Hadersleben (dän. Haderslev) ​ 134 Halifax ​ 142, 584 Hamburg ​ 46, 377, 386, 574, 907, 928, 935, 942 Homburg (Bad Homburg vor der Höhe) ​ 179, 203 – 205, 207 – 209, 212, 219, 242 f., 251, 262, 265, 385, 398, 401 – 404, 406 – 408, 411 f., 722, 727 f., 750 – 752, 895, 912 Jerusalem ​ 281 f. Kalocsa ​ 506 Kaltern ​ 498 Karfreit (slowen. Kobarid, ital. Caporetto) ​ 498, 932 Kavalla (griechisch Kavála) ​ 25 Klausen ​ 498 Köln ​ 920, 922, 926, 928 f., 932 – 935, 937 – 939, 941 f. Konstantinopel (türk. İstanbul) ​ 37, 40, 138, 140, 153, 277, 281 – 284, 296, 329, 339, 420, 435 f., 443, 471, 686, 797, 831, 852, 894 Konstanza (rumän. Constanța) ​ 822 Kopenhagen ​ 132, 143 – 146, 148, 151, 299 f.

Krakau (poln. Kraków) ​ 333 Kreuznach (seit 1924 Bad Kreuznach) ​ 211, 228, 265, 301, 316, 320, 324, 326, 330, 332 – 336, 342, 385 f., 393, 399, 401, 405, 409, 415, 471, 896, 912 Laibach (slowen. Ljubljana) ​ 610, 617, 619 f. l’Aquilée, frz. für Aquileja ​ 227, 247, 253, 267, 278, 498 Laxenburg, Schloss bei Wien ​ 84, 154, 168, 181, 183, 185 – 187, 203, 205, 221, 252, 261, 264, 270, 363 f., 410, 475, 561, 621, 665, 679, 703, 746, 775, 793 Lemberg (ukr. Lwiw, poln. Lwów) ​ 476 London ​ 41, 46 – 48, 108, 132 f., 142 f., 154, 147, 157, 194, 198, 227, 233, 246, 249, 278, 384, 389, 423 – 425, 438, 461, 471 f., 496, 511, 517, 519, 522, 525, 535, 585, 591, 625, 646, 648 f., 864, 883, 922 – 926, 928 – 930, 933 – 936, 940, 942 f. Longwy ​ 24 f., 27, 30 f., 164, 167, 324, 333, 415, 441 Lublin ​ 71, 167, 182 Lüttich (frz. Liège) ​ 24 f., 27, 30, 324, 415, 439 f. – 442, 471, 470, 484 Lugano ​ 44, 499, 507 f. Luxemburg ​ 25, 27, 31, 85, 324, 538, 601 Madrid ​ 462, 594, 597, 604, 632, 913 Meran ​ 498 Metz ​ 121 Mexiko City (span. Ciudad Mexico) ​ 132 f. Mitau (lett. Jelgava) ​ 338 Monfalcone ​ 226, 498 Montiggl ​ 497 Montreux ​ 525, 536 Mülhausen (im Elsaß; frz. Mulhouse) ​ 324 13, 307, 314, 369, 371, 414, 436, 446, 448, München ​ 450, 452, 455 – 457, 477 f., 480, 487, 490 f., 499 – 502, 508, 905, 917, 920 – 925, 927 – 937, 939 – 943 Neuchâtel (Neuenburg) ​ 152, 154, 156, 240, 220 – 222, 226, 231, 264 f., 267, 271, 274 f., 411, 931, 933, 943 Neumarkt (an der Etsch) ​ 498 New York ​ 169, 583 f., 824, 923 – 925, 928, 930, 934, 937 – 939, 942 f. Odessa ​ 822 Ostende (fläm. Oostende) ​ 333

970 Padua ​ 875 Paris ​ 46, 144, 152 f., 155 f., 158 – 160, 172, 175, 177, 180 f., 196, 220, 224, 231, 235 f., 243, 247 – 249, 255, 174, 361 f., 371, 424 f., 522, 535, 539, 543, 550 f., 555, 557, 625, 641, 647, 649 f., 611, 672, 676, 679 f., 710, 713, 717, 767 f., 777, 779 f., 789, 813, 849, 871, 881 f., 884, 903, 918, 922, 925 – 927, 929, 931 – 935, 939 – 943 Petrograd (St. Petersburg, Leningrad) ​ 157, 165, 289 – 291, 293 f., 298, 306, 337, 341 – 343, 347 – 354, 599 Pilsen (tschech. Plzeň) ​ 927 Pleß (poln. Pszczyna) ​ 17 f., 50 f., 53 – 55, 58, 60 – 63, 66, 69, 74, 76 f., 82, 92, 508 Posen (poln. Poznań) ​ 737, 863 Potsdam ​ 716, 793 Prag ​ 280, 285, 627, 698, 848, 870, 927 Prangins ​ 664 Anm. 2268 Preßburg (ung. Pozsony; slowak. Prešporok, seit ​ 1919 Bratislava) Pristina (alban. Prishtina/Prishtinë, serb. Priština) ​ 336 Prizren (alban. Prizreni) ​ 336 Proßnitz (tschech. Prostějov) ​ 303 Anm. 1061 Quarto (dei Mille) ​ 506 f. Ragusa (kroat. Dubrovnik) ​ 498 Reichenau (Schloss/Villa Wartholz) ​ 367 f., 371, 414, 430 f., 462, 541, 674, 787, 826 Riga ​ 25, 338 Rom ​ 13, 46, 157, 194, 220, 234 f., 391, 419 f., 436, 439, 443, 449 f., 456 f., 477, 479 f., 482, 484, 486 f., 489 – 491, 499, 503, 506 f., 509, 648 f., 762, 930, 937 Šabac ​ 318 Anm. 47 Saint-Jean-de-Maurienne ​ 195 – 198, 237, 255, 257 Saloniki (griech. Thessaloniki) ​ 275, 821 Salzburg ​ 391, 626, 724, 739, 926 f., 938 f., 944 Salurn ​ 46, 273, 498 Sarajewo (serbo-kroat. Sarajevo) ​ 113, 144, 835 Schönbrunn, Schloss in Wien ​ 876 f., 881, 890 Schwarzau (am Steinfeld), Schloss in Niederösterreich ​ 381, 414, 486 Seebrügge s. Zeebrügge ​ 333, 438, 751

Ortsregister  Semmering ​ 471 Skutari (alban. Shkodra/Shkodër, ital. Scutari) ​ 814 Smyrna (türk. İzmir) ​ 193 f., 197, 281 f. Sofia ​ 20, 37, 40, 138, 174, 296, 420, 435 f., 443, 471, 806, 818 – 821, 826 Sonderburg (dän. Sønderborg) ​ 134 Spa, „Spaa“ ​ 661, 664, 694, 714 – 720, 722, 724 f., 727 – 729, 731 f., 754, 758, 761, 763 f., 771, 774, 793 – 795, 805, 825 – 828, 831, 860, 886, 888, 901 f., 912 498 Spalato (kroat. Split) ​ St. Petersburg (s. Petrograd) ​ 157, 165, 290 f., 293 f., 306, 337, 343, 347 – 354, 599, 896 Stockholm ​ 107, 132, 143, 145 – 147, ​149, 297, 300, 325, 347 f., 350, 354 f., 362, 558, 567 f., 584 f., 837, 873, 920 Straßburg ​ 476, 621, 623, 675, 755 Temesvár (rumän. Timişoara) ​ 655 Teschen (poln. Cieszyn, tschech. Těšín) ​ 35, 52 Tetschen (tschech. Děčín) ​ 300 Thorn (poln. Toruń) ​ 731 Tolmein (slowen. Tolmin, ital. Tolmino) ​ 247, 473 Tramin ​ 498 Trient (ital. Trento) ​ 177, 215 f., 271, 273, 417, 444, 621 f. Triest (ital. Trieste, slowen. Trst) ​ 30, 43, 177 f., 192 f., 235, 256, 476, 492, 498, 534, 536 – 538, 577, 579, 610, 617, 619 – 621, 623, 675, 718, 752, 814, 847, 884 Udine ​ 237, 708 Valona, „Vallona“; alban. Vlora/Vlorë ​ 25, 30, 46, 215, 336, 491, 498 544 Vincennes ​ Warschau ​ 208, 726 f., 729 f., 732, 736, 738, 871 Wartegg, Schloss am Bodensee ​ 510, 771 Wartholz, Schloss/Villa bei Reichenau ​ 367, 674 Washington ​ 41, 47, 49, 90, 93, 96, 99, 103, 106 f., 111, 114, 119, 121, 123, 125, 127, 130 – 134, 138 f., 142, 548, 558, 567 f., 573, 575, 583 – 585, 594, 596 f., 607, 625, 632 f., 648 f., 763, 812, 829, 831, 837 f., 841, 849, 858, 864 f., 885, 914, 918 f. Weimar ​ 921 f., 926, 929, 932 – 934, 937 f., 941

Ortsregister Wien ​ 10 f., 13, 19 f., 26 f., 32 f., 35 – 37, 39, 44, 50 f., 55, 58, 67 – 70, 72 – 74, 77, 79, 90, 96, 99, 102, 105, 107, 110, 112, 119, 122 f., 125, 130, 137, 139 – 141, 144, 146, 148 f., 151, 160, 163, 165, 170, 172, 176, 180 f., 183, 186, 190, 199, 201 f., 205, 212, 215 – 221, 225 – 228, 230 f., 242 f., 247 f., 253, 266, 271, 274, 276 – 278, 280, 282, 284 f., 289, 291 f., 294, 296, 298, 300, 302 – 312, 314 – 317, 319 f., 326 f., 331 f., 342, 349 f., 353 f., 360 – 364, 367, 369 – 371, 375 – 377, 381 – 388, 391, 393 f. – 396, 400, 402 f., 406, 408 f., 416, 430 f., 433, 444, 446, 457, 466 – 468, 472, 477, 479, 483, 490, 496, 498, 503 – 509, 519, 523, 534 – 536, 539, 541, 555, 557 – 560, 573, 580, 585, 587, 589, 598, 606 f., 611 f., 626 f., 631 – 633, 635 – 638, 640, 651 – 656, 663, 667 f., 674, 683 f., 688, 691 f., 696 f., 699 f., 703 f., 710 f., 713, 715, 722, 725, 728 f., 731 f., 734, 736, 740, 747, 755, 759, 761, 767 f., 774 f., 780, 788 f., 793, 795 – 797, 800 f., 803 – 805, 808 f., 811, 816 f., 820, 825, 526, 831 – 833, 837, 841 f., 848, 852, 862, 865, 867, 871, 879, 881 – 883, 887, 894 f., 900, 902 f., 909, 912, 914 – 944 Wilna ​ 25

971 Zara (kroat. Zadar) ​ 498 Zeebrügge (fläm. Zeebrugge) ​ 438, 751 Zimmerwald ​ 920, 922 Zürich ​ 217 f., 238, 300, 349, 499, 571, 925, 931, 933, 937, 943