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German Pages 140 Year 1848
Stehendes Heer
und
Volkswehr ,
ein Beitrag zu der
Bewaffnungsfrage
-
er Gegenwart
von
einem deutschen Offizier .
l/gfmöo V8t uns vstioa llgll « Is ua viov '. I/armvo «norlorno , sitüt qu ' ollo « esse ll ' otro on Auoi ' i'e , lloviol ^t ariivro
pouu
uno
8
, wenn sie eine Niederlage schon , ehe noch die Hussiten losschlugen , das viermal stärkere deutsche Kreuzheer zu fliehen begann ! Wir würden jetzt nicht Verurtheilt sein , auf drei Jahrhunderte voller Schmach und Hohn , auf eine empörende schandvolle Geschichte zurückblicken zu müssen , welche nur allein das Ueberwuchern des Adels und die Schwäche und Kurzsichtigkeit der deutschen Kaiser auf den deutschen Namen vererbt hat . Auch in den böhmischen Freiheitsschlachten sehen wir , daß ganz rohes ungeübtes Fußvolk selbst die ge¬ übteste Nationalreiterei , wie z . B . die ungrische bei Deutschbrod besiegte . Gewöhnlich standen die Böhmen hinter einer Verschanzung von Streitwagen , welche mit doppelten Ketten verbunden , Oeffnungen zum Ausfall ließen . Auf den Wagen selbst befanden sich Bogen und Armbrustschützen . War die erste Kraft des Angriffs gebrochen , so stürzten sie hinter der Wagenburg hervor , rissen die Reiter mit langen Hakenstangen aus dem Sattel und hieben sie mit dem eisernen Flegel , einer eigenthümlichen Waffe nieder , die sie in der Minute wohl 20 — 30 mal schwingen konnten , ohne nur ein einzigesmal ihr Ziel zu verfehlen . Zum Schluffe dieser Abhandlung wollen wir unS noch einmal zu jenem deutschen Stamme wenden, welcher uns die glänzendsten Beispiele für die Wahrheit hinter¬ lassen hat , daß die Bewaffnung eines Volkes nicht allein aus einem inneren Bedürfniß des Volkes selbst hervor¬ gehen , sondern auch in den einfachsten volksthümlichsten Formen gebildet sein muß und nur zu dem einzig wahren - Zwecke einer Volksbewaffnung, zum Schutze des Vater Schaden vergüten
erlitten
, in
würde
welcher gleich zu Anfang
41 landes , nicht zur Eroberung
fremden
Gutes
gebraucht
werden darf , wenn sie jene ächte eigenthümliche Weihe besitzen soll , welche ihr auch unter den ungünstigsten Umständen die großartigsten Erfolge verspricht . Rache zu nehmen an der grausamen Wortbrüchigkeit Karls des Kühnen von Burgund , welcher den tapfern Vertheidigern des von ihm belagerten Ortes Granson am Neuenburgersee einen freien Abzug versprochen hatte , statt dessen aber dieselben , 450 an der Zahl beim Aus¬ zuge ergreifen und theils aufhängen , theils ersäufen ließ , rückte ein Schweizerheer von 20 , 000 Mann dem Burgunderherzog entgegen , welcher bei jener Feste ein Heer von 70 , 000 kriegsgeübten , den Nachrichten zufolge prachtvoll ausgerüsteten Wehrmännern , die Blüthe des niederländischen und burgundischen Adels , englische , schottische , französische , deutsche und italienische Söldner und einen Artilleriepark vereinigt hatte , worin sich nur allein 160 Acht und vierzig Pfänder befanden . Im Angesichte einer solchen gewaltigen Artillerie rückte das Schweizervolk nach klug getroffenen Anordnungen aus einem Engpässe hervor und war im Stande dem mehr als dreifach stärkeren Heere des Burgunderfürsten , den man ,
als
er mit seinem Heere gegen die Schweiz
zog , das Schwert äomini 6t 6iä6vm8
)
des Herrn und Gideons , den Tapfersten der Männer
1säiu8 nannte ,
(§
eine solche nachdrückliche Niederlage beizubringen , daß das burgundische Heer 1000 Todte , 400 große Haupt¬ büchsen , Batteriestücke und Feldschlangen , 800 Haken¬ büchsen , 300 Tonnen Pulver , 27 Hauptbanner , 600 Fahnen und eine unzählige Menge Spieße , Streitäxte , Armbrüste und Harnische auf der Wahlstatt zurückließ .
Noch großartiger war der Sieg der Schweizer bei
42 Murten im Juni desselben Jahres ( 1476 ) . Mit einem Heere von 60 , 000 Mann rückte Karl von Bur¬ gund gen Murten , worin sich zur Vertheidigung 1600 Schweizer unter Adrian von Bubenberg befanden . Als das Heer des Herzogs vor der Feste sichtbar ward , versammelte Bubenberg die Besatzung und schwor öf¬ fentlich auf freiem Markte , daß er Jeden niederstechen würde , der nur ein kleinmüthiges Wort würde vernehmen lassen . Er schloß seine Rede mit den Worten : „ Kriegs¬ gesellen wachet ! An Murt -en hängt das Vater¬ land . Nur eine Vormauer hat das Vaterland : u/isern Muth . " Durch einige kleine glückliche Aus¬ fälle vermochte er den Muth . der Seinen so zu stählen , daß kein Widerspruch erfolgte , als er befahl „ die Thors der Festung
während
der Belagerung
nicht zu schließen ,
eine Maaßregel , der man bis auf den letzten Augenblick getreu blieb . " Achtzig große Büchsen begannen nun das Werk der Beschießung
und als
nach vier Tagen
ein großes Stück
der Festungsmauer niedergelegt worden war , unternahm Graf Romont einen Sturm . Nach einem achtstündigen äußerst hartnäckigen Gefechte mußten die Stürmenden weichen . 700 Burgunder lagen in der Bresche . Am 20 . Juni wurde der Sturm an mehreren Orten der fast allenthalben zerstörten oder beschädigten Mauern wiederholt . Drei Stunden dauerte der erbitterte Kampf und wiederum mußte Graf Romont von dem Angriffe abstehen , nachdem ihm die Schweizer mehrere Lausend Mann erschlagen hatten . Schon waren neun Tage seit dem ersten Angriffe verflossen und noch ersah das ein¬ geschloffene zusammengeschmolzene Häuflein keine Hoffnung des Entsatzes « Endlich am 21 . Juni erschien das eid -
43 genössische Heer . Dasselbe bestand aus 30 , 000 Mann Fußvolk , von welchen 27 , 000 mit blanker Wehr und 3000 mit Handbüchsen und Armbrüsten bewaffnet waren und 4000 Reitern aus Oestreich , Tyrsl und den rhei¬ nischen Städten , im Ganzen aus 35 , 000 Streitern . „ Der Entschluß , " sagt ein geachteter Militärgeschicht¬ schreiber unserer
Zeit ,
„
den ihre Führer
hier zum An¬
griff faßten , bleibt eben so schön , wie die Ausführung selbst , und ohne im Mindesten zu übertreiben , kann man diese Schlacht sowohl Leuctra und Mantinea , als auch sensten Treffen setzen . " Es
war Mittag
an
denen von den geprie -
unserer
Tage
die
geworden
und noch war
Seite unter den
gegenseitigen Anordnungen kein Schuß gefallen . Ein Regen , der seit sechs Stunden unaufhörlich niederstoß , hatte die Schlacht verzögert . Schon wollte Karl . von Burgund sein Heer einrücken lassen , als ihm gemeldet ward , daß die Schweizer aus dem Murtener Walde hervorbrachen . Zur nämlichen Zeit trat auch die Sonne plötzlich aus den Wolken hervor . Hans Hallwyl von Bern , welcher die Vorhut führte ( bei ihm war der vertriebene Herzog Renatus von Lothringen ) , ruft den Eidgenossen mit lauter Stimme zu : „ Biderbe Männer ! Gott will uns leuchten ; vorwärts ! — Gedenkt Eurer Weiber und Kinder ! " Die Schlacht begann . Bald war eine den rechten Flügel des Burgunderheeres deckende Schanze erstürmt . Nachdem sich das Heer auf ' s Neue geordnet hatte , wurde über die Höhen von Creffier eine zum Voraus bestimmte Abteilung entsendet , um dem Feinde den Weg nach Wistisburg , die einzige Rückzugslinie abzuschneiden und nun begann der Kampf sich längs
44 der ganzen Schlachtlinie zu verbreiten . Die gewaltigen burgundischen Ritterhaufen , anfangs im Vortheil gegen durch
die schwache Reiterei der Schweizer einen die letztere unterstützenden
wurde Haufen
Fußvolks geworfen . Zugleich stürmte der Kern des schweizerischen Fußvolks gegen die Burgunder an , fand hier aber einen so nachhaltigen kräftigen Wider¬ stand , daß erst als die Schweizer ihrerseits einen Angriff der feindlichen Reiterei rechte Flügel und das zu weichen begann . seinem kleinen Häuflein
muthig abgeschlagen hatten , der Centrum des Burgunderheeres Nun fiel auch Bubenberg mit , von Murten her , den linken
Flügel des Feindes an . Mit einem wahren Löwen muthe stritten hier die bewährten Helden Murtens , ohne jedoch einen Bortheil gegen die Uebermacht des Feindes Schaar diesem Schweizer
zu erringen . Bubenbergs todesverachtende wäre unfehlbar aufgerieben worden , wenn in Augenblick nicht das sieghafte Centrum der sich rechts gewendet
und diesen linken Flügel
in der Flanke angegriffen hätte . Gegen den Murtener See gedrängt , fanden 10 , 000 lombardische und italie¬ nische Söldner ihren Tod in seinen Fluchen . Noch stand Graf Nomont mit 12 , 000 unversehrten Streitern da , aber der Schweizer allgemeines Vorrücken war so kühn und sicher , ihr ganzes Unternehmen von so klarer Einsicht geleitet , daß Romont , ohne sich in ein Gefecht einzulaffen , eiligst den Rückzug antrat und sein Geschütz und Gepäck im Lager stehen ließ . 30 , 000 erschlagene Burgunder , unter ihnen 1500 Grafen und Ritter aus Burgund , England , Italien und den Niederlanden deckten den Boden , 200 Geschütze , 2000 Zelte und eine Menge Banner , wurden erbeutet . Noch bis zum
45 Jahre 1798 gab das Beinhaus von diesem unsterblichen Siege windlichen Eidgenossen .
zu Murten der damals
Zeugniß unüber¬
H . Das Neformationszeitalter
.
Nicht die Waffen , die Mensche » habe » sich verändert . Gustav Adolph .
Wir waren bei der Betrachtung der Volkskämpfe des Mittelalters absichtlich etwas weitläufiger , weil in ihnen die sprechendsten und erhabensten Beispiele von Volksheeren seit dem Sturze des römischen Welt¬ reiches enthalten sind , weil wir durch diese Erfolge der reinen natürlichen Kraft des Volkes , geleitet von freier klarer , durch stubenhockerische Gelehrsamkeit nicht ver¬ dorbener Einsicht , der Gegenwart das , was ihr Noch thut und das , was sie vermag , am verständlichsten dar¬ zustellen glaubten . Wer zwischen den Zeilen lesen will , dem werden auch ohne breiten und langweiligen Com mentar die einfachen , großen , durch den Gelehrtenkram aller Jahnhunderte nicht zu verschüttenden Wahrheiten klar und unwiderleglich entgegentreten . — Schreiten wir
weiter
in unseren
historischen Erörterungen
.
Nach den großartigen Erfolgen zu urtheilen , welche die Volksheere in den Freiheitskämpfen des 14 . und 15 . Jahrhunderts errungen hatten , glaubt man zu der Erwartung berechtigt zu sein , daß sich mit dem Anfänge des 16 . Jahrhunderts die Volksbewaffnung im Sinne
46
der früheren Volksheere , auf dem Wege einer fort¬ schreitenden Entwicklung allmählig zu einer allgültigen Erscheinung ausbilden werde . Diese Erwartung ge¬ winnt um so mehr Boden , als schon vor dem Beginn der Reformationsepoche sich das Streben nach einer festen geregelten Gestaltung der Heere aus nationalen Elementen erkennen läßt . So wurden in Frankreich vermöge der Ordonnanzen Karls VH . , welche derselbe im Jahre 1445 erließ , kurz nach den bitteren Er¬ fahrungen , welche derselbe mit den Armegecken gemacht hatte , die wilden Söldnerbanden durch kräftige Maaß regeln zerstreut und aus dem kriegslustigen Adel der Nation die berühmten 15 sogenannten Ordonnanz¬ compagnien , ein besoldetes stehendes Heer geschaffen , welches anfänglich nur aus 9 — 10 , 000 , später aus mehr denn 16 , 000 gerüsteten schweren Lanzenreitern ( komme « ä ' srmes ) , berittenen Schützen ( sreliers ) und leicht bewaffneten Reitern ( eoutilliers ) bestand . Auch in Deutschland bildete sich , aus einer , mit dem Frei¬
heitsstreben innig verwandten Waffenlust hervorgehend , wie in der Schweiz ein nationales Fußvolk aus dem kräftigsten Theile des Landvolkes , die sogenannten Landsknechte . Die Schlachten von Ravenna ( 1512 ) , Bicocca ( 1522 ) , Pavia ( 1525 ) , die Erstürmung von Rom ( 1528 ) und eine Menge anderer Schlachten und Gefechte zeugen von der gewaltigen Kraft , welche das erwachte Selbstbewußtsein , daS glimmende Nationalgefühl in das deutsche Landvolk gesenkt hatte . Die geübtesten tapfersten Heere damaliger Zeit zerschellten an der Felsenkraft deutscher Bauern und die Schweizer , welche seit dem Burgunderkriege sich zu dem schmählichsten Söldnerdienste herabgewürdigt hatten , um Gold ihre
47 Kraft an fremde Fürsten verkauften , wurden von den Deutschen in den beiden Hauptschlachten , bei Bicocca und Pavia so nachdrücklich geschlagen , daß man seit dem Jahre 1525 keinen Schweizersöldner mehr im offenen Felde sah . Zu Leibwachen herabgesunken , brüsteten sie sich an den Höfen großer Fürsten und schildern heute noch als Thürhüter an den Thoren der großen Herren . Das Fußvolk erhält allgemeine Geltung in Europa und durch Aufstellung in viereckigen , regelmäßig gegliederten Haufen , unter frei gewählten Anführern eine bestimmte Physiognomie . So scheint sich aus dem ziemlich ge¬ staltlosen wilden Waffendrange der vorhergegangenen Jahrhunderte , entsprechend der Reformation als der geistigen Blüthe mittelalterlichen Freiheitsstrebens , ein bestimmtes Resultat , eine wahre geregelte Volksbewaff¬ nung , gestützt auf die Erfahrungen der letzt vergangenen Jahrhunderte allmählig hervorzuringen , wie denn über¬ haupt nach dem langen Kampfe zwischen Fürftenmacht und Volksthum sich endlich das volkochümliche Wesen zu festen bestimmten Formen gestalten und eine klare Anschauung der ursprünglichen menschlichen Rechte und Freiheiten , ein kräftiges persönliches und Nationalbewußt¬ sein sich immer weiter zu verbreiten scheint . Dieß Alles scheint so zu kommen . Der Erfolg ent¬ spricht indeß keineswegs den Anfängen . Kaum aus der düstern Befangenheit des Mittelalters , aus der Nacht des Aberglaubens und der Knechtschaft , mit tausend¬ fältigen Wehen zu einigem Selbstbewußlsein erwacht , wäre es möglich gewesen , daß sich die Völker auf der begonnenen Bahn zum vollen Sonnenlichte geistiger Frei¬ heit und somit auch zu vollem kräftigem Natiönalbewußtsein emporgerungen hätten , wenn das Resultat der mittel -
48 alterlichen Freiheitskämpfe so allseitig und durchgreifend gewesen wäre , daß die Fürstengewalt , zurückweichend , den Ansprüchen der Völker hätte nachgeben und große umfassende Zugeständnisse hätte machen müssen . Dieß war aber nicht der Falt . Ueberdieß spielte sich nun der Kampf allmählig auf das Feld kirchlicher Reformen hin¬ über und im Vereine mit der Kirchenmacht schritt die Fürstengewalt , nachdem sich der erste Sturm der Re¬ formation etwas gelegt hatte , noch kräftiger denn zuvor
gegen die Bolksfreiheit an . Der Glaubensstreit ver¬ wirrte vollends die kaum erst zu einigem klaren Be¬ wußtsein gereiften Gemüther und Ln wilder düsterer Glaubenswuth , in dem Streit um leere Dogmen ver¬ siegte endlich der lebendige Freiheitsdrang , es verwelkte die Blüthe der Reformation und nach dem furchtbarsten aller Kämpfe , nach dem dreißigjährigen Krieg war das Volksleben so erschöpft und aufgerieben , daß es zu völ¬ liger Thatlosigkeit zusammensank und am Ende von selbst den erdrückenden Armen der triumphirenden Fürsten¬ macht anheimfiel . In diesem düsteren unerfreulichen Treiben konnte nun auch das Waffenwesen keine volkstümliche Rich¬ tung bekommen , oder besser gesagt , es konnte sich jene volkstümliche Richtung , deren Anfänge gegen den Schluß des 15 . und im Anfänge des 16 . Jahrhunderts zu er¬ kennen waren , nicht vollenden , so günstige Elemente dazu auch , namentlich in den germanischen Staaten , vorhan¬ den waren - Unverstanden und unbenutzt verkümmerte die herrliche Kraft des erwachten Volkes in dem Wider¬ streite tausendfältiger kleinlicher Interessen der Fürsten und des Adels , in den zahllosen Fehden und in den Alles zerfleischenden Glaubenskriegen . Die Söldner ei
49
bleibt nach wie vor der Grundzug der Heerverfassung ln den europäischen Staaten . Von nun an erst ent¬ wickelt sich eine sogenannte Kriegswissenschaft . Weil man sich von dem natürlichen Boden der Bewaffnung eines Volkes , von den inneren Bedürfnissen der Na¬ tionen , von ihren Rechten und Freiheiten entfernte , so mußte man in äußeren Formen und Institutionen die Kraft suchen , welche früher lebendig und frei , wie eine frische Quelle , aus dem Innersten des Volkslebens selbst entsprungen war . Immer mehr wurden die Heere mit zwängenden Formen , mit Vorschriften aller Art über¬ laden , je mehr in diesem Treiben der frische öebensquell versiegte , je matter der Geist der Völker wurde . Am Ende fand der unumschränkte Wille der Herrscher in der völlig willenlosen Masse weder äußeren noch inne¬ ren Widerstand gegen das Institut der stehenden Söldnerheere vor . Anderthalb Jahrhunderte , seit Ludwigs XIV . Gründung der Selbstherrschaft , lasten sie nun schon auf den Schultern der schwer gepeinigten Völker . Nur schwach klang beiden verflossenen
auch in den stehenden Heeren Jahrhunderte das allenthalben fast erstorbene Nationalgefühl hindurch . Man mußte daher neue Triebfedern erfinden um die Massen zu be¬ wegen , denn die Liebe zu dem angestammten Herrscher hatte für sich allein keine ausreichende Triebkraft . Diese sogenannte Liebe war meist nur eine durch strenge Zucht hervorgebrachte Ehrfurcht vor dem Gebieten über Leben und Tod , vor dem allmächtigsten Gebieter auf Erden , vor dem Herrscher „ von Gottes Gnaden . " Man erfand einen sogenannten Militärgeist . Diese Geburt der unumschränkten Fürstengewalt mußte den Nationalgeist der
4
50 ersetzen . Aus dieser herrlichen Erfindung und ihren Sprößlingen , dem ssprit äs eorps , und der neuen Militärehre , dem militairischen point ä ' Iiomisur , ent¬ sprangen die Großthaten jener zum schauderhaftesten
Mechanismus herabgewürdigten stehenden Heere deS Vorigen Jahrhunderts . Ohne Gedanken und Ueberlegung d' rein zu schlagen , wenn das Commandowort ertönte , ebenso gedankenlos sich zusammenschießen zu lassen , aus keinem anderen Grunde , als weil ' s befohlen war ; das war die Quintessenz des ächten Militärgeistes , dieß der geistige Gehalt der Heldenthaten der von Stock und Zopf beherrschten Kamafchensoldaten des vorigen Jahr¬ hunderts .
VLI . Die französische
Revolution
.
Unsere Äugen sahen die niederwerfende Kraft auf¬ geregter Begeisterung in fast ungeübten Heeren und Feldherren , welche ohne gelernte Krieger zu sein , Siege improviflrten . A. v. Möller .
In der französischen Revolution tauchte zum ersten Male wieder der Gedanke einer reinen Volksbewaffnung auf und wurde alsogleich auch zur lebendigen That . Ungeübte , nur vom begeisterten Patriotismus zusammen geschaarte und zufammengehaltene Haufen leisteten das Unglaubliche gegen die alten langgeübten kriegsgewohnten Heere aus der Schule des großen Friedrich . Es ge¬ lang ihnen nicht allein , den ihre Freiheit bedrohenden Feind
schmachvoll
von
ihren
Gränzen
zu
verjagen ,
51 sondern sie waren auch im Stande , ihren großen Führer zu den glänzendsten Siegen und Eroberungen zu tragen , welche die Geschichte des Abendlandes seit dem Umstürze des weströmischen Reiches kennt . Aber so wenig die Revolution die alten starren Monarchien alsogleich in volkschümlich regierte Staaten zu verwandeln vermochte , ebenso wenig gingen auch die alten stehenden Söldner¬ heere in reine Volksheere über . lauf der ersten Revolutions/ahre
Wir sehen nach Ver¬ zwar den durch die
Revolution gegebenen Impuls fortwirken , indem die Heere , statt durch Werbung , nun nach der Ansicht einer allseitigen Verpflichtung der Söhne des Vaterlandes zu seiner Vertheidigung ergänzt wurden , wir sehen das alte rohe Söldnerwesen verschwinden , welches den Krieger einer Waare gleich behandelte , aber die Heere bleiben nach wie vor , ihrer innersten Bedeutung nach , stehende Heere und die alte Fürstenmacht hatte über die noch nicht zum vollständigen Selbstbewußtsein erwachten Völker noch so viel Gewalt , daß sie den alten Gedanken , daß die Heere nicht des Vaterlandes , sondern des Fürsten wegen da seien , auch in den ConscriptionSheeren wieder zum Grundsätze erheben konnte . Mag der Menschenfreund diese Erscheinung auch als ein Unglück beklagen * ) — wir erkennen gerade in diesem allmähligen Wiedergestalten der Idee der Volksbewaffnung , daß uns dieses langersehnte Gut um so sicherer wird , — wir erkennen in den Conscriptions -
' ) „ In dem Conscriptionscodex ist alles vereint , waS die feinste und erfindungsreichste Tyrannei zur Qual und zum Verderben der Völker ersinnen mag ." / . A . Lhrtraubriauv .
52 Heeren eine Uebergangsbildung Wie wäre es mög¬ lich gewesen , daß die Völker nach dem fast 200jährigen todtenähnlichen Schlafe , aus welchem sie nun erwachten , urplötzlich wieder zu jener inneren gewaltigen und nach¬ haltigen Kraft hätten erstarken können , welche allein einer Volksbewaffnung Bestehen zu sichern vermag . Die Conscriptionsheere bilden ebenso wie die heutigen Con¬ stitutionen eine neue Zwischenstufe auf dem großen Entwicklungsgänge der Menschheit , ein neues bedeutendes Moment in dem alten , bereits seit einem Jahrtausend wüthenden Kampfe des Volksthums mit der Fürsten¬ gewalt . Wie stetig dabei , trotz dem furchtbaren Revo¬ lutionssturme , der alles Bestehende umzustürzen schien , die Ausbildung der Volksheere vorschreitet , erkennen wir darin , daß die alten Phantome wieder aufgefrischt werden konnten , daß noch einmal ein großartiger Auto¬ krat , dem die Wörter libsrts st patris unangenehm wurden , mit dem Worte § Ioirs die Völker blenden konnte , daß sie noch einmal , geistig gefangen von der selbstsüchtigen Gewalt der Fürsten , indem sie vermeinten großen nationalen Zwecken zu dienen , die Kriegsbahnen für die egoistischen Zwecke der Fürsten beschritten . Es war dieß indessen , ich sage es mit fester Über¬ zeugung , der letzte Versuch die Völker zu täuschen . Wir haben die Leidensschule der Reaktionsepoche hinter uns . Wir sind in dieser Zeit stiller innnerer Ent¬ wicklung nun an jener Bahn angelangt , auf welcher
*) Daher auch dienst ausgehobene zur Pflicht gemacht von freiwilligen zieren — Söldnern
ihre zwitterhafte Zusammensetzung : zum Kriegs¬ Mannschaft , welcher die Baterlandsvertheidigung wird , eine Art Landwehr unter dem Befehle , um Sold dienenden Offizieren und Unteroffi¬ .
53 Wir , wie die laut sprechenden Zeichen der Gegenwart unverkennbar lehren , dem Ziele wahrer Volksfreiheit und somit auch dem Ziele einer reinen Volksbewaffnung entgegenschrekten werden . Seit dem Ende der großen napoleonischen Kriege erbleicht der Schimmer des früher so allgewaltigen militärischen Selbstgefühls immer mehr . Man setzt nicht mehr den höchsten Ruhm hinein , ein ausgezeichneter Soldat zu sein und Heldenthaten auf¬ zählen zu können , wie handwerksmäßig gemachte Meister¬ stücke . Die Blendwerke verlieren allmählig ihren Glanz , der ächte Glanz der Freiheit und des Vaterlandes über¬ strahlt sie immer mehr und Großes wird in Zukunft nur aus diesen beiden Ideen , aus den Ideen entspringen , welche in der Gesammtheit Ganz unbemerkt und
der Nation wurzeln . , aber gerade deßhalb . um
still
so bedeutungsvoller , ächter und ursprünglicher sproßten aus der Tiefe des deutschen Volkes , welches einst durch seine Volksheere die herrlichsten Triumphe erkämpfte , die selbst den größten Heldenthaten des Alterthnms zur Seite gestellt werden dürfen , Vereine , in welchen Vater¬ landsliebe und Freiheit die Grundtöne bilden . Zuerst Sängervereine , in welchen man durch begeisternde Lieder jene Gedanken Pflegte , stärkte und zum festen Bewußtsein emporhob . Trotz den vielfältigsten Anfechtungen wurde bald der Gedanke zur lebendigen That . In allen deutschen Gauen erwachte das fast erstorbene Turnwesen zu nie gesehener Kraft und Allgemeinheit . Die Schützengilden , Ueberbleibsel aus jener Zeit , wo der Bürger und der Land¬ mann
ihren Heerd
selbst vertheidigten ,
erinnerten
sich
wieder ihrer alten Bedeutung . Alt und Jung griff wieder zu der fern und sicher treffenden Waffe und um den kräftigen Reigen zu schließen , den das deutsche
54 ,
Volk aus
allen den
anderen
Schutze
des
sogenannte ruht
Eigenthums
entfalten
wider
sie
auf
die
wird
,
Instituts
, dem
der
Heere
des
wesen
ich
, der
,
die Erde
nun
ein
und
zu
auch
dieser
Schrift
dieses zu
stellen werden ,
Einwürfen historischen
Zeit dieser
werde
,
in
Wege ,
gesucht auch
in
steht .
ferner
taktischer
Richtung welchen
welche Ent¬
historischem
begegnen
,
Bezug
genommen
Licht
in
Völkerleben
nur
in
klares
auf
neueren
haben
kann unternimmt
Fortbestehen
den
ebenfalls kann ,
es
gefangen das
noch
zu wecken ,
dieß
Menschheit
Theile
der
allgemeinen
lebendig
allgemeinen
machen
dargestellt zum
,
Flamme
Verbindungen
Machte
man
die
, in
wichtigeren
beleuchtet
ziehungen
daß
noch
sichern
Heeresverfassung
Hinsicht
recht
absichtlich
Heerwesens
möglicherweise
alle
gestalten ,
allein
vorangeschickten
wicklung
die
aber
welchen
, sobald
gelangen
zum
Volksbewaffnung sich
zu
welche
gründlich
diesem
wir
nun
von
stehenden und
diesen
einer sollten
geschehen ,
räuberische
allen
sich
Vereine
.
vollständig
Vorurtheile
man
und
die
In
Ueberzeugung
die
Zu
Gedanke
Gedanken
festen
dadurch
der wird
, bildeten
begann
umfassende
gegen .
verschwören
Diesen zur
große
Feuerwehren
sichtbar
sich
,
voranleuchtend
Bürgerschaften
die das
Be¬ Heer¬
.
SS
VII ». Geschichtliche Einwürfe . Lasset doch endlich Euch die Geschichte lehren , daß nie noch Schiefgeseheneü wahr wurde durch Mode¬ geschwätz
.
Alopstoch.
Wir haben es Ln den voranstehenden Kapiteln ver¬ , die innigen Beziehungen , Ln welchen das abend¬ ländische Heerwesen zu der allgemeinen Entwicklungs¬ geschichte des Abendlandes steht , festzustellcn . Es geschah dieß ganz besonders mit Vorbedacht jener Einwürfe, durch welche man dem Verlangen nach Volksbewaffnung gerade vermittelst historischer Belege zu begegnen sucht . Es sei unsere Aufgabe, Ln Folgendem den Gehalt solcher ELnwürfe zu prüfen . Die Einwürfe gegen volksthümliche Bewaffnung und ihre Unhaltbarkeit lassen sich hauptsächlich unter folgenden zwei Gesichtspunkten zusammenfassen . ELnes theils vergißt man bei Betrachtung von Beispielen deS Volkskampfes entweder absichtlich oder aus wirklichem Mangel an historischer Kritik die Untersuchung der Haupt¬ frage : Was ist Zweck und innere Bedeutung desselben ? Man wirft jeden beliebigen rohen Aufstand zusammen mit Erhebungen von großartiger nationaler Bedeu¬ tung . Anderntheils holt man geschichtliche Beispiele, welche gegen eine Volksbewaffnung sprechen aus einer Zeit her , in welcher das Volksleben so erschöpft war , daß , wenn nicht ganz besonders günstige vorsucht
56 bereitende Umstände
mitwirkten , wie
z.
B . in Frankreich
vor der französischen Revolution , jede nationale Erhe¬ bung der damals noch erdrückenden Herrschergewalt weichen samkeit heutigen so darf
mußte . Wenn historische Belege für die Wirk¬ einer eigentlichen Bewaffnung des Volkes im Sinne , im nationalen gegeben werden sollen , man bei der Auswahl derselben auch nur Rück¬
sicht auf solche Beispiele nehmen , welche der heutigen Bedeutung jenes Wortes am nächsten kommen . Man darf nur solche Thatsachen auswählen , in welchen sich das Gefühl gekränkter Nationalfreiheit ausspricht , Volks¬ kämpfe , bei welchen es darauf ankömmt , die Unteil¬ barkeit und angestammte Freiheit des Vaterlandes gegen die wittkührlichen Uebergriffe fremder eroberungssüchtiger Herrschergewalten zu wahren . Gehen wir z . B . alle eigentlichen Bauernaufstände des Mittelalters durch , so werden wir , wenn auch fremde äußere Gewalt im Spiele ist , stets nur den Gegensatz zwischen Standen , keinen nationalen Gegensatz erkennen . Die bevor¬ rechteten Stände , also im Mittelalter der Adel und die Priesterschaft , stehen einer Klasse von Menschen gegen¬ über , welche im Laufe der Jahrhunderte allmählig alle Rechte eingebüßt hatten und von den Bevorrechteten unbedingt unterjocht wurden — den Bauern . „ Der Stand der Freien ist , " wie Wachsmuth sagt : „ aus der Mitte zwischen jenen und diesen weggeschwunden , es gibt nur Ueberfreiheit und Unfreiheit , Vorrecht und Minderrecht
; wer
nicht die Waffenehre
oder Priester -
ryeihe hat , den drückt die Unehre des Bauernstandes . Es gibt also Stand gegen Stand . " Hier kömmt demnach , obwohl der widerrechtliche Druck große An¬ strengungen
Ln dem Bauernstands
hervorruft , die Ge -
57 sammtkraft der Nation nicht zur Thätigkeit . Tau¬ send einzelne Beziehungen der nebeneinander Lebenden von gleichen Vätern Abstammenden verhindern die volle Entfaltung der natürlichen Kraft des Landvolkes . Es fehlt aber auch die Gesammtintelligenz der Na¬ tion , was , wie wir in den Schweizerkämpfen anzu¬ deuten Gelegenheit
hatten , von nicht genug zu würdigender
Bedeutung ist . 3m wild emporschießenden Gefühle seines Rechts greift der Bauer zu den Waffen , nicht geleitet von der Einsicht der Besseren des Volkes , die , in freierer glücklicherer Stellung die Masse des Volks durch eine geistigere nachhaltigere Kraft zu beleben ver¬ mögen , als es selbst die gewaltigsten aus dem in gei¬ stigem und physischem Banne gehaltenen Bauernvolke hervorgehenden Charaktere im Stande sind . Unge¬ stüm rennt der Landmann auf seine Widersacher ein , während diese von höherer Einsicht geleitet und , wohl zu merken , mit gleicher physischer Kraft ausgerüstet — denn der Wahn , die Blindheit des Volkes , großentheils aus der Kirchenschwärmerei entspringend , stehen ihnen zur Seite — ihrem ungestümen Muthe leicht solche Vortheile abzugewinnen wissen , welche unfehlbare Nie¬ derlagen zur Folge haben . So kümmerlich wie der Aufstand der sächsischen Bauern , der Stellinga ( Her¬ steller ) , gegen sächsischen und fränkischen Lehnsdruck , der während des 9 . Jahrhunderts losbrach , versiegte , so ersterben fast alle Bauernaufstände des Mittelalters . Es
sind ohnmächtige
Regungen
in einer Zeit , wo der
Geist des Lehnswesens , der Dienstbarkeit , die ganze Gesellschaft unwiderstehlich durchdrang . Betrachten wir daneben die Kämpfe derselben Sachsen gegen die heid¬ nischen Normannen und Slaven , so werden wir erkennen ,
58
um wie viel höher die Kraftäußerungen dieses Volkes gesteigert waren , als es sich um Nationalinteressen handelte . Gegen Ende des 10 . Jahrhunderts erhoben sich die freien Landleute des Aar - und Thurgaues und kämpften
gegen
freien Gaben , Aebten , Grafen
adelige
und
geistliche Bedrücker .
Die
welche ' der Landmann den Bischöfen , und Herren für Schirm und Schutz
darbrachte , sollten in Zwangszinsen Die Herren waffneten sich und
verwandelt werden . obwohl die Bauern
wacker fochten , so wurden sie dennoch geschlagen und darauf zu gänzlicher Unfreiheit gebracht . Im 11 . Jahr¬ hundert sehen wir normannische Bauern gegen herzog¬ lichen und adeligen Bann ankämpfen . „ In geheimen Versammlungen reizten die Bauern einander auf ; ihr Vieh , klagten sie , werde ihnen genommen für Steuern , man biete sie täglich zu Frohn Diensten auf , nenne sie Hurensöhne ; sie seien Menschen so gut als die Herren ( Seigneurs ) , ihre Glieder nicht anders als jener , ihr Muth und ihre Rüstigkeit nicht geringer , gegen Einen Ritter seien dreißig bis vierzig Bauern auf¬ zubieten und ihre Keulen und Knittel , Bogen und Aerte nicht zu verachten . Darauf schworen sie einander zu , keinen Herrn mehr haben zu wollen , uud freuten sich der Aussicht , dann frei ins Holz gehen , Bäume nach Willkühr fällen , das Wild in den Forsten erlegen , die Fische in den Weihern fangen , und nach ihrem Willen leben zu können . " die Bauern dafür büßen . „ Ihr Muth hunderte gebrochen ; sie trugen wohl
in allem diesem Schwer mußten ward auf Jahr¬ noch schwereres
Joch als zuvor . " Dreimal erhoben sich während des 11 . und 12 . Jahrhunderts die Bauern im Jütland und Schonen gegen ihre geistlichen und weltlichen Zwing -
59 Herren . Die Leistungen des kirchlichen Zehntens , so wie die Frohndienste waren ihnen unerträglich geworden . Jedesmal wurden sie , zum Theil in bedeutenden Schlach¬
, trotz den größten Kraftanstrengungen m' edergeworfen . In zwei Treffen , am Flusse Dysia und an der Brücke Getunga , entschied allein der Umstand , daß die feind¬ lichen Reiter durch eine Furth setzten und den Hinter¬ treffen der Bauern in Seiten und Rücken fielen . Noch unvermeidlicher waren die Niederlagen der Bauern , als das Pabstthum seinen Höhepunkt erreicht hatte . Denn da gewöhnlich die Forderung des kirch¬ lichen Zehntens den ersten Anlaß zu derartigen Auf¬ ständen gab , oder doch wenigstens die Interessen der Kirche durch dieselben litten , so konnte es , als die Kirche fast unumschränktes Regiment im Abendlande aufge¬ richtet hatte , nicht ausbleiben , daß das Pabstthum ver¬ mittelst des Hebels der Kirchenschwärmerei jenes Zeit¬ alters Kräfte zur Bekämpfung der widerspenstigen Bauern aufbot , gegen welche auch die mannhafteste Tapferkeit nichts auszurichten vermochte . Zwanzig Jahre lang vertheidigten die Stedinger , ein friesischer VolkS stamm , ihre Freiheiten gegen die Bischöfe . Als aber Gregor IX . , einer der milchendsten Ketzerverfolger , einen Kreuzzug gegen sie veranlaßte , mußten sie trotz der männlichsten Gegenwehr erliegen . Wie den Schonen an der Dysia und bei der Brücke Getunga , so erging es auch dem zwar viermal schwächeren , aber äußerst muthigen Heere der Stedinger . Ein Flankenangriff der Reiterei, gegen welchen sie weder durch Fernwaffen , noch durch die Aufstellung eines Flankenschutzes ge¬ sichert waren , brachte das in wildem Ungestüm vor¬ wärts dringende Volksheer leicht in Unordnung . Sechs ten
60
tausend Stedinger blieben auf dem Platze . Auch Ln den späteren Aufständen der Bauern wirkten stets die hier angeführten Gründe mit und es erscheint daher überflüssig , noch weitere Anwendungen der ausgesprochenen Gründe an den Aufständen der französischen Bauern , im 13 . und 14 . Jahrhundert , der pgstoureaux und der ^ noquei ' io , so wie der englischen im Jahr 1381 unter Wat Tyler , Ball und Straw und der deut¬ schen im 16 . Jahrhundert zu machen . Jede einfache wahrheitsgetreue Darstellung dieser Volksbewegungen wird nach den eben gemachten Andeutungen dem Leser die Unmöglichkeit eines durchweg glücklichen Erfolgs klar Herausstellen . Jene Einwürfe , welche die Gegner der Bewaffnung des Volkes der neueren Geschichte entnehmen , sind noch minder stichhaltig , als die historischen Belege zu ihren Gegenbeweisen , welche der Geschichte der Bauernauf¬ stände des Mittelalters angehörcn . Jede Zeit hat ihre eigenen Bedürfnisse , ihre eigen thümlichen Forderungen , die sie trotz einzelner blenden¬ der Erscheinungen eigensinnig durchsetzt . Was denselben Widerspricht , erfreut sich nur vorübergehender Geltung . Wenn des Volkes innerste Kraft in einem Jahrhunderte dauernden zerfleischenden Kampfe aufgerieben worden ist , wie dieß der Fall nach Ablauf der Reformations¬ epoche war , wie kann in einer solchen Zeit an eine Volksbewaffnung gedacht werden ? Jede Kraftüberhe¬ bung hat bei Völkern wie bei einzelnen Menschen ihr Ziel . Es tritt ein Zeitpunkt äußerster Erschlaffung , eine Art Bewußtlosigkeit ein , unter deren Schleier sich die Kräfte wieder langsam sammeln . Ist die Zeit des ohnmachtähnlichen Schlafes vorüber , so kehren auch die
61 Kräfte wieder , aber es kostet immer eine geraume Zeit , um des Gebrauchs der Glieder wieder in vollem Maaße mächtig zu werden , um das Gefühl der aus langer Be¬ wegungslosigkeit entspringenden Stumpfheit durch all inählige Uebung aus dein Körper zu verbannen . Hat man aber einmal den vollen Gebrauch seiner Glieder wieder erreicht , so werden erst die wahren Früchte der früheren übergroßen Anstrengung zu Tage treten . Das ehemals , während des Kampfes , wild und ungeregelt dahinstürmende Kraftbewußtsein verwandelt sich , nachdem jene Entwicklungsphasen durchschritten worden sind , in ein ruhiges klares , aber energisches und unwiderstehliches Selbstbewußtsein . Weil nach dem dreißigjährigen Kriege das Volks¬ leben sich gänzlich erschöpft hatte , entstanden die stehen¬ den Heere und ihre ganze starre Disziplin . Als sich keine freiwirkende Thätigkeit mehr aus dem Volksleben entfaltete , als die Menschen knechtisch und wurden , konnten nur noch Formen helfen .
schwächlich Man war
genöthigt , den Mangel inneren Triebes durch eisernen Zwang zu ersetzen . Mit einem Worte , wo kein Volk ist , d . h . wo das eigentliche Volksleben erschöpft dar¬ nieder liegt , kann auch keine Volksbewaffnung gedacht werden . Wir stimmen daher mit den Gegnern volks¬ tümlicher Bewaffnung vollkommen überein , wenn sie sagen , daß ein Volksheer zur Zeit Ludwigs XIV . , Frie¬ drich Wilhelm I . oder Ludwigs XV . ein Unding gewesen sei und sehr komische Resultate geliefert hätte . Man denke sich Volksbewaffnung in der goldenen Zeit der Perrücken , Chignons und Zöpfe ! Wir widersprechen ihnen aber , wenn sie sagen , die Bewaffnung dos Volkes sei deßhalb
nicht unfehlbar , weil
z. B
. 25 , 000
Preußen
62 im Jahre 1787 den Aufstand der Niederländer gedämpft haben . Noch war der Geist der Völker allzusehr ge¬ drückt und Volkserhebungen wie die eben angeführte noch viel zu schwächlicher Natur , als daß ein Gelingen derselben möglich gewesen wäre , selbst bei minder schlech¬ ter Leitung Fall war .
der
Angelegenheiten
,
als
dieß
hier
der
Nur scheinbar widersprechen die französischen Revo¬ lutionskriege diesen Behauptungen . Nirgends lagen damals die Gründe zu einer politischen Umgestaltung so massenhaft yorbereitet wie in Frankreich . Frankreich repräsentirt gleichsam die Quintessenz der ganzen Cor ruption damaliger Z eit . Hier war ungeheurer Brennstoff aufgehäuft , der , einmal entzündet , seine vulkanisch - zer¬ störende Wirkung auch in den Kriegen mit dem Auslande nicht verfehlen konnte . Wie wenig indessen anfänglich der wahre Geist volksthümlicher Bewaffnung auch selbst Ln den französischen Heeren lebte , dieß beweisen die er¬ sten Unternehmungen der Verbündeten , welche , wenn sie von besserer Einsicht geleitet gewesen wären , sich eines viel größeren Erfolgs zu erfreuen gehabt hätten , als dieß wirklich der Fall war . Wäre es überhaupt denkbar , daß die veraltete steife unbewegliche Taktik , wie sie in den Heeren der Verbündeten von Friedrich II . her als etwas Unübertreffliches , nicht zu Veränderndes herrschte , sich Plötzlich in eine bewegliche Kriegführung , ähnlich der französischen , hätte verwandeln können , ja , hätten nur einzelne wenige , von dem neuen Geiste be¬ seelte Männer an der Spitze gestanden — was jedoch mit jenen verknöcherten Zuständen eben so wenig zusam¬ men zu reimen welche
ist — so würden
die Verbündeten
errungen
die
ersten Vortheile ,
hatten ,
von
diesen
63
benutzt worden sein und die Folgen wären eben so momentan zum Nachtheil der neuen Freiheit aus¬ gefallen , als sie nachmals momentan zum Vortheil der¬ selben umschlugen . Die Revolutioneheere siegten und dennoch verschwand die Freiheit aus dem damaligen Herde der Freiheit , dennoch wich der Geist wahrer Volksbewaffnung aus Frankreich und wandelte sich um in ein Scheinwesen , welches , indem es dem Ruhme der Nation schmeichelte , doch nur dazu diente, um die ganze Kraft des Volkes dem Ehrgeize und den Launen eines
tyrannischen Herrschers dienstbar zu machen . Nichts zeigt deutlicher als dieß , wie wenig innere nachhaltige Kraft im eigentlichen Volksleben damals noch , selbst im französischen Volke herrschte , wie sehr es allenthalben noch an einem Hellen kräftigen Volksbewußtsein man¬ gelte — und wie sehr es noch der stillen inneren Entwicklung der folgenden Neaktionsepoche bedurfte , um den Völkern allmählig wieder die alte Kraft zu ver¬ leihen , die sie einst befähigte , die Wehr des Vaterlandes selbst zu führen
.
Wenn man es endlich als einen Gegenbeweis gel¬ ten lassen wollte bergschützen im
,
daß die geübten und kräftigen Tyroler
-
Jahre 1809 dem Andrange der fran¬
Heere hätten weichen müssen , so könnte man fast mit demselben Rechte den Einwurf machen , daß Leonidas mit seinen Spartanern der erdrückenden Gewalt des Perserkönigs erlegen sei , denn wie die Spartaner wurden die Tyroler nur durch Verrath und Uebergewalt bezwungen und von einer kräftigen durchgreifenden Lei¬ tung des Aufstandes war noch überdieß hier gar keine Rede . Was nun gar außereuropäische Ereignisse an¬ belangt, wie z . B . die Erfolge der Franzosen in Algier , zösischen
64 oder der Engländer in China , so kommen hier nicht allein die oben angedeuteten Gründe in Betracht , welche in dem gänzlichen Mangel nachhaltiger innerer Er¬ hebung , in einer geistigen Versunkenheit jener Völker¬ schaften beruhen , sondern , was noch mehr ist , die all¬ gemeinen , großen Kulturzustände der Europäer , gegen¬ über asiatischer , resp . chinesischer und arabischer , sind so himmelweit verschieden , daß es wohl schwerlich Jeman¬ den einfallen dürfte , in diesen Ereignissen Beweismittel gegen die volksthümliche Bewaffnung aufzusuchen . Wir glauben es nun dem Leser selbst überlassen zu können , aus dem Angeführten die entsprechenden Gründe für anderweitige ähnliche Thatsachen herauszulesen , oder nach den gegebenen neue zu bilden . Immer werden aber bei solchen Untersuchungen die beiden Hauptfragen vor¬ züglich maaßgebend bleiben müssen : Entspringen die Volkskämpfe aus Gründen von allgemeiner nationaler Bedeutung oder sind es bloß Kämpfe einzelner unter¬ drückter Klassen gegen Bevorrechtete , ist somit die Ge sammtkraft , die Gesammtintelligenz der Nation thätig oder nicht ? Ist der Geist der Zeit einer Entfaltung volksthümlicher Kräfte günstig , d . h . auf welcher Stufe der Entwicklung steht das Volksleben ?
65
IX
.
Taktische
Formen
.
Die Erfindung neuer Waffen Ist oft von viel geringerem Einfluß auf die Taktik gewesen , als die Beränderungen in den geselligen Verhältnissen der Völker . VZ. Die Einrichtung und Wirksamkeit eine guten Heeres beruht auf wenigen einfachen Grundsätzen , welches Moses , Homer , Epä minondas , Philipp , die mongolischen Chane , schon recht gut gekannt , und welche bei Ver¬ änderung der Waffen mit einigen Modi¬ fikationen dieselben geblieben . I . ». Müller .
Groß und tiefgreifend , wie wir gesehen haben , wa¬ ren die Resultate der riesenmäßkgen Volkskämpfe des Mittelalters : Verfall der gänzlich veralteten Ritterwehr , Erhebung der gemeinen Wehr , des Fußvolkes , zur ersten Waffe . Hiemit steht nun auch in taktischer Beziehung die Entwicklung
des Heerwesens
in genauer Verbindung .
Erst durch die vollständige Wiederherstellung des Fu߬ volks in der Reformation ist die allgemeine Anwendung des Handfeuergewehrs in Schlachten möglich geworden . von da an ist sein Einfluß von Entscheidung Ln Pen Schlachten und so ist es denn die Reformation , die Blüthe der Volkserhebung des Mittelalters , welche dem Feuergewehr eine weltgeschichtliche Bedeutung verlieh . Im Verlaufe des Neformationszeitalters wird seine An¬
- Erst
wendung kung
immer
immer
allgemeiner
bedeutender .
und somit auch seine Wir¬
66 dieser Wirkung in taktischer Beziehung liegt auf der Hand . Je größer die Anwendung des Feuergewehrs wurde , um so weniger genügten die alten schwerfälligen viereckigen Haufen des Fußvolkes , welche
DaS Resultat
nur auf das Gefecht mit Nahwaffen , mit Schwert, Hellebarde , Spieß rc . , auf den Widerstand gegen die Reiterei berechnet waren und sowohl eine ausgedehnte Anwendung der Handfeuerwaffen verhinderten , als auch dem feindlichen Geschütz eine allzubedeutende Wirkung erlaubten , als daß man nicht bald auf eine Umgestal¬ tung dieser Stellung hätte denken sollen . Die großen viereckigen Haufen von oft 30 — 40 Gliedertiefen wur¬ den immer dünner und somit auch immer länger und zur Zeit Gustav Adolphs standen die Infanteriebataillone nur noch 6 Glieder ( Reihen ) hoch und während des Feuers durch Einrücken der drei letzten Glieder nur auf drei Gliedern . . So scheint es , als sollte auf diesem Wege die volksthümliche Bewaffnung ihrem Ziele : einer natürlichen und vernunftgemäßen Kampfweise immer näher ge¬ bracht werden , indem eine höhere Beweglichkeit der tak¬ tischen Formen der Individualität des Einzelnen immer mehr Spielraum zu gönnen schien . Aber wie überhaupt während der Reformation die volksthümliche Richtung des Heerwesens stockte , welche die Völker seit den Frei¬ heitskämpfen begannen , wie überhaupt das fortwährende Söldnerwesen die aufkeimenden Volksheere in ihrer Ent¬ faltung wieder zurückdrängte , so sehen wir auch in taktischer Hinsicht einen Stillstand und endlich einen Völligen Rückschritt in der Beziehung auf eine natürliche und volksthümliche Kampfweise eintreten . Von unserem jetzigen Standpunkte aus gesehen ,
67 scheint es nämlich , um auf die Sache näher einzugehen , ganz nahe gelegen zu sein , daß man gegen Ende deS Krieges , nachdem sich die viereckigen dreißigsährigen plumpen Haufen in lange Linien verwandelt hatten , nun auch also gleich auf eine größere Beweglichkeit diesen Linien , durch Brechen derselben in mehrere Abtheilungen dieser Abtheilungen zum Zwecke und Hintereinanderstellen ge¬ und der Verteidigung des Angriffs von Infanterie gen Kavallerie gedacht hätte , daß man somit die Vor¬ theile der neuen Feuerstellung mit denen der alten festen viereckigen Stellung verbunden hätte . Es scheint, wenn Kriege übliche Kampfweise man die im dreißigjährigen von ge¬ betrachtet , wo Einzelne und ganze Schwärme schickten und kühnen Schützen aus ihren Haufen heraus gegen den Feind liefen und ihn mit ihren Kugeln an¬ sielen , sich ganz von selbst zu verstehen , daß man nutt durch eine Anwendung des Feuergewehrs die Wirkung des Feuergefechts in aufgelöster Ordnung erhöhen werde . Mit einem Worte , die große Beweglichkeit , welche eine ver¬ des Feuergewehrs richtige erfolgreiche Anwendung Schwär¬ flüchtigen in bald langt , indem man dem Feinde Verluste und auf große Entfernungen men nachjagt sammelt Gruppen dichten beibringt , bald sich zu großen Feinde , insbesondere und dem massenhaft eindringenden feiner Reiterei unnahbare Haufen entgegenstellt , welche nach allen Seiten die ferntreffenden Kugeln schleudern , diese für das Feuergefecht scheint auf eine natürliche zu führen . Sonderbarerweise die immer allgemeiner gewehrs
größere
nothwendige volkstümliche
Beweglichkeit Kampfweise
geschah dieß nicht . Anstatt daß werdende Anwendung des Feuer¬
Beweglichkeit
hervorgebracht
hätte ,
68
sie gerade das Gegentheil , eine immer der ganzen taktischen Bewegung . Steifigkeit Die langen Glieder der Schlachtordnungen , die Batail¬ lone , erstarren zu ungelenken feuerspeienden Maschinen . Wie aufgezogene Uhrwerke , so wollte es der Geist der Das Sol ab . Zeit , spielten sie ihre Paradestücklein datenhandwerk wurde zum allerhöchsten fürstlichen Plaisir . veranlaßt
- größere
'
ent¬ und allmählig mit den Truppen spielte Man jene wickelte sich der Begriff , daß die besten Soldaten bewegten . maschinenmäßig : seien , welche sich möglichst des frischen beweglichen dieser ganzen Erstarrung : Aus Kriegerlebens , welches allmählig zur fürstlichen Spiel¬ das gesammte Gleich maschine herabsank , entspringt machungswesen jener Zeit , die Uniformen , all die Spiele¬ rc . ; die reien mit Husaren , Uhlanen , Grenadieren auch wirklich : Paraden , türkische Musiken , welche damals ^ türkisch gekleidet waren , kurz der ganze lächerliche Unsinn und der Zopf das Leben . Ln jener Zeit , als die Perrücke beherrschten . einer Man hätte durch die allgemeine Einführung Fu߬ des Kampfweise entsprechenden Feuergewehr dem volks schon damals einen großen Theil der Kavallerie ganz entbehren können , indem die Nutzlosigkeit ^ allmählig gegenüber einer zahlreichen , gutbewaff Kavallerie - Vieler Infanterie , wie ehe. neten , beweglichen volksthümlichen
:
von selbst in die Augen gefallen wäre . Statt dessen that man gerade das Gegentheil , man vervielfältigte . Schon vor dem dreißigjährigen : die Reitergattungen Kriege bildeten sich , theils vermöge der höchst unzweck bei rmäßigen allgemeinen Anwendung des Feuergewehrs durch das Festhalten am Alther¬ - der Reiterei , theils aus : die Lanzen gebrachten , vier Neitergattungen . dem
69 reiter , die mit langen Pistolen bewaffneten sogenannten ! Küraßreiter , die mit einer Arquebuse oder einem leichten Feuerrohr versehenen Arquebusierreiter odev Reiterschützen und die Dragoner , Infanterieschützen ! zu Pferde . Später , anstatt die Niederlagen , welche die steif exerzierten Infanteriebataillone durch leichte Na¬ tionalreiter , Husaren , Kosacken , Kroaten , Panduren rc . erlitten , bei welchen das Gefecht zu Pferd nationale Kampfweise
war , durch die Ausbildung
des Feuergewehrs
und eines beweglicheren Gefechts zu Fuß , welches die nationale Kampfweise des Abendländers ist/ unmöglich zu machen , wurde im Gegentheil das Erer -r citium immer steifer und maschinenmäßiger . Man glaubte einen außerordentlichen Fortschritt zu machen , einen höchst: erfolgreichen
Gedanken
in Ausführung
zu bringen , wenn
man jene gefürchteten Nationalreiter in Dienst nahm/ wenn man ihre Kampfweise und was ganz besonders wichtig schien , auch ihre Bekleidung nachahmte , ohne zu bedenken , daß man mit der fremden Jacke , mit dev ganzen äußeren Gebärdung jener Nationaltruppen noch lange nicht jene eigenthümliche Kraft sich angeeignet habe , welche einer aus dem innersten Wesen und der Lebens¬ weise eines Volkes
hervorgegangenen
Kampfesart
ist
eigen
.
So
wurden
, einer
nationalen
wir denn seit dem
dreißigjährigen Kriege mit einer Menge von Reiters gattungen überschwemmt , die alle jener unglückseligen Befangenheit des Lebens und der erwähnten allgemein herrschenden Sucht der damaligen Herren der Erde , mit den Heeren
zu spielen , ihr
heute glaubt man die Notwendigkeit tungen
einen
Dasein
verdankten .
Noch
gerade durch die Reiterei und durch ihrer Zerspaltung in vielerlei Gat¬
schlagenden
Beweis
gegen
die
Volks -
70
bewaffnung zu führen . Gegenbeweis , welcher kämpfen
aller Zeiten
Abgesehen von dem praktischen in den Freiheits - und Volks¬
enthalten
ist
, so liegt schon in den
Fortschritten der Bewaffnung des Fußvolkes , welche in neuester Zeit gemacht wurden , wie wir später sehen werden , die ganze
Widerlegung
jener veralteten
Ansicht .
Kehren wir jedoch zu unserer ersten Untersuchung zurück . Die französische Revolution brach an , erfaßte den längst schon glimmenden Funken und schleuderte ihn in die empfängliche Masse ; die Völker richteten sich schlaf¬ trunken empor , sie erinnerten sich , wie eines längst ent¬ schwundenen Traumes , ihrer alten unveräußerlichen Rechte . Es entstand in Frankreich eine Volksbewaff¬ nung
und siehe
da
, das
in Waffen
ganz ungeübte Volk ,
Welches den Krieg nur vom Hörensagen kannte , fand ganz von selbst die natürlichere vernünftigere Kampfes sorm . Es erfand ganz einfache taktische Stellungen , die den größten Kriegführern der verflossenen Jahr¬ hunderte , einem Gustav Adolph , Prinz Eugen , Fried¬ rich II . nicht in den Sinn gekommen waren . Erst als die französischen Volksheere auftraten , kam man in Frankreich von selbst auf den Gedanken Kolonnen zu bilden . Die frische bewegliche Kraft eines Volksheeres ließ sich nicht in die langen starren und steifen Linien und geometrischen Figuren , welche immer ein maschinen¬ mäßiges Ererziren voraussetzen , bannen . Aber statt sich in einem unförmlichen Klumpen oder in einem vier¬ eckigen dichten Haufen wie ehemals zusammenzuschaaren , stellten sie sich , ganz einfach und Natürlich , in mehreren Abtheilungen hinter einander auf . und griffen so die langen steifen Linien der Verbündeten , welche immer noch an
71
ihrer alten maschinenmäßigen Kampfweife festhielten , mit dem Bajonnette an und nur selten ließen sich die geschlossenen Bataillone der Franzosen in das langwie¬ rige Liniengefecht ein . Ferner giengen die Kühnsten , Schnellsten Schwärmen
und Schießfertigsten den Bataillonslinien
einzeln oder Ln dichten auf den Leib und so
entstand neben dem Kolonnensystem ebenfalls ganz von selbst, rein aus dem Bedürfniß und der natürlichen Kampfweise des Volkes hervorgehend , eine neue Fecht¬ art , die Fechtart Ln aufgelöster Ordnung . Die Kolonne und der Schützenschwarm , dieß sind die beiden Formen , in welche das Volk bei seinem Wiedererwachen seinen Muth und seine Kriegsfreudig¬ keit goß . Trotz all den tausend und aber tausend Re¬ glements , Instruktionen , Vorschriften und Vorschriftelchen , mit welchen nun in der darauf folgenden Reaktions¬ epoche bis auf den heutigen Tag das Gerüst der Mili¬ tärhierarchie ausgepolstert wurde , damit es gehörig Zusammenhalte und nicht aus eigener innerer Schwäche auseinanderfalle , und welche die Gemüther unserer Vater landsvertheidiger zu beschäftigen und von anderen Din¬ gen abzuziehen berufen sind , kam man aus diesen beiden einfachen , dem Bedürfnisse des Volkes entsprungenen Formen nicht heraus . Man deutelte und düftelte an denselben herum , man machte , um die Menge zu blen¬ den , verwickelte Evolutionen u . dgl . , die vor dem Feinde von selbst in ihr Nichts zurücksinken , und die Hauptsache blieb nach wie vor bis auf den heutigen Tag immer dieselbe . Mögen auch Hunderte reichen Militärschriftstellern gefühls , als
Reorganisateurs
von unseren sogenannten geist¬ sich , voll hohen Selbst¬ , mit napoleonischer
Kraft
72 begabte
Reorgam
geeignete schaften der
' sateurs
zu
fehle
bethätigen
inneren
, so
taktischen
gesammten wird
,
wahre
Boden
spricht
nicht
jeder
in
aus ,
geeignet
,
allen
und
Wesens
von
unserer
zeugen
,
und
inneren
ihm
,
das
Halt
zu
.
ja
Heere
auf
der
ist
ge¬ einzig
seinem
erreicht
Ent¬
.
Dieß
seit
lebendig
und
ganz
den über¬
besonders
einer
Volks¬
Nutzlosigkeit
unwiderleglich
des zu
über¬
,
jenen
Selbstbewußtsein die
in
in
dieser
Möglichkeit
welchen
verleihen
X
, Stufe
kräftige
,
,
gänzlichen
stehenden
festen
besaßen
der
, daß
,
Volkskriegen
der
der
Eigen¬
Fortschritt
Volksleben
Ueberzeugung von
Heere
eigentlicher
feste
nur
hohen dennoch
der
Römerwelt
diese
Laien
bewaffnung
ihre
ihnen
eigentlichen der
und
den
ich
das
neue
Jahrhunderten
zeugend
welchen
um
Kriegsverfassung
eine
sich
sage
kein
wenn
wicklungsgänge
,
,
Organisation
Kriegskunst
macht
letzten
betrachten
Wirkungskreis
Volksheere
von
jeher
.
Das
Feuergewehr
.
Mir fehlt der Waffe fehlt .
Arm , wenn
mir
die
Schiller .
Der dem
Fußkampf
Wiedererwachen sich
ist
Abendländer
daher
des
Volkslebens
wie
wir
auch ,
volksthümlichen lehnten weise
, zu
schon
seit
eigenthümliche
den
im
gesehen
dem
Pferd
,
hohem
Seit
,
die
der
stammenden Maaße
geltend
die dem
machte Kraft
gegenüber
Morgcnlande Ln
Zeiten .
Abendlande
haben
Kampfweise aus
frühesten
Kampfweise
dieser ent¬ Kampf¬
.
Hiemit
73
hängt
nun
ganz
natürlich
zusammen ,
daß
auch
die
Feuerwaffen seit jener Zeit im eigentlichen Sinne des Wortes volkstümlich geworden sind . Sie waren das einzige äußere Mittel , welches sich dem zu Fuß fechtenden Volke darbot , um der vernichtenden Schnellig¬ keit der Reiterei , der erdrückenden Wucht des gehar¬ nischten berittenen Ritters die Spitze zu bieten . Mit Liebe wurde von da an die Uebung in den Fernwaffen Lm Volke gepflegt , während der Ritter dieselbe , ebenso wie den Kampf zu Fuß , als unritterlich ständig ver¬ schmähte . Den wahren und ächten Schützen fand man damals und findet ihn heute noch nur im eigentlichen Volke . Jene stehende Heer gene
Uebung in den Fernwaffen , welche das dem Schützen gewährt , ist eine gezwun¬
äußerliche
mit der thümlicher schützen . So
Uebung
lebendigen , aus Waffenlust ist
denn
und
gar
entspringenden
auch
nicht zu
vergleichen
eigener , angeborener
seit
dem
, volks -
Fähigkeit des Volks¬ Wiedererwachen
des
Volkslebens im germanischen Europa jede große Epoche seiner Entwicklung durch eine neue und allgemeine An¬ wendung der Fernwaffen bezeichnet . In den ersten Kämpfen der Schweizerbauern mit den stolzen östrei chischen Rittern waren der kräftige Arm und ein aus der Ferne geschleuderter Stein ihre Hauptwaffen . Als sich im Laufe des l 4 . Jahrhunderts die Volksheere allgemein fester zu gestalten ansiengen und eine bestimm¬ tere Physiognomie annahmen , waren es Bogen und Pfeil , auch die Armbrust , welche alle ritterliche Kampf¬ weise zu Schanden machten . Die englisch - französischen Kriege geben davon das lebhafteste Zeugniß und in der Neformationsepoche
wurde , wie wir gesehen haben , das
74
Feuerrohr
die
bedingende
Waffe
des nun zur vollen
Geltung gelangten Fußvolks . Wir wollen damit nicht sagen , daß die Anwendung der Fernwaffen den Volksheeren allein das Uebergewicht über veraltete Kampfweise verliehen hätte . Denn wie wir schon mehrfach angedeutet haben , so krönte selbst nur allein bei den ungünstigsten Bewaffnungsverhältnissen der unbezwingliche Muth , welcher den Volksheeren eigen ist , die Kämpfe derselben mit den herrlichsten Siegen . Aber jene Erfahrung , welche aus der Beleuchtung der entspringt , führt uns auf eine früheren Volkskämpfe eigene Vergleichung derselben mit der Gegenwart . Unser Zeitalter , das Zeitalter der Revolution , scheint den Schlußstein des ganzen großen Kampfes , der schon das europäische Abendland seit einem halben Jahrtausend bewegt , bilden zu wollen . Die tiefe und allgemeine der Nacht der Geister , das Hinschwinden Bewegung und starrer Vorurtheile , der Drang des Aberglaubens Gestaltung , der Völker nach Freiheit und volkstümlicher , kurz Gebiete diesem auf die bedeutende Errungenschaft den auf deuten Gegenwart der eine Menge Zeichen endlichen Sieg der ursprünglichen Rechte und Freiheiten der Völker über tyrannische Willkühr und Knechtschaft einen zeigt unser Zeitalter hin . In gleichem Maaße der Industrie , ungewöhnlichen , nie gesehenen Schwung Art und der mannichfaltigsten es entstehen Erfindungen Bedeutung , ein merkwürdiger von der großartigsten der Masse zu möglichst freier , leichter , unge¬ Impuls hinderter Regung zeigt sich auch im Verkehr mit der der Kräfte Außenwelt , in der allseitigen Beherrschung scheint ein ganz raschen Schritten Mit der Natur . neuer
Zustand
die
Ueberbleibsel
der
letztverfloffenerr
75
trostlosen Jahrhunderte
vernichten zu wollen . Diesem Zeit¬
alter gehört nun , entsprechend den Erscheinungen früherer Zeiten , eine Erfindung im Gebiete des Waffenwesens an , deren große Bedeutung für den Krieg man bisher noch gar nicht würdigte , da sie umfassend noch gar nicht zur Anwendung kam , eine Erfindung , welche in Wahrheit aber eine ebenso hohe Bedeutung gewinnen Wird , wie ehemals Bogen , Armbrust und Feuerrohr und welche die Ausbildung der volksthümlichen taktischen Formen , welche das Fußvolk seit der Revolution anzu¬ nehmen begann , ohne Zweifel vollenden wird . Wir meinen das sogenannte Perkussionsgewehr . Damit man uns recht verstehe , wollen wir
die
Wirkung des alten Steinschloßgewehres , welches noch vor 10 — 12 Jahren allgemein im Gebrauche war , so wie wir selbst vielfältig Gelegenheit gehabt haben , es zu erfahren , dem Leser in Kürze darlegen und die¬ selben mit den Eigenthümlichkeiten des Perkussions¬ gewehres in Vergleichung ziehen . Das Steinschloßgewehr , mit welchem alle Schlachten seit dem Schluffe des 17 . Jahrhunderts bis auf den heutigen Tag geschlagen wurden , ist im Vergleiche mit dem Perkuffionsgewehr ein so unvollkommenes Wesen , daß der bekannte , aus den letzten großen Feldzügen stammende Scherz , es giengen so viel zwecklos ver¬ schossene Bleikugeln auf einen einzigen in der Schlacht Gefallenen , als man nöthig habe , um eine lebensgroße menschliche Figur aus Blei zu gießen , nichts weniger als übertrieben erscheint . Es ist zu begreifen , wie in allen Schlachten die Entscheidung so lange schwanken konnte , wenn man die Unvollkommenheit dieses Gewehres kennt , welches nie ein großartig
entscheidendes
Gewicht
76 Ln die Wagschaale des Sieges legen konnte . Aus einem Steinschloßgewehre , wenn es auch im besten Zustande ist , vermag man nacheinander kaum mehr als 6 — 7 Schüsse zu entsenden . Mit dem siebenten , achten Schüsse schon versagt das Gewehr seinen Dienst . Will man keinen anderen Stein aufschrauben , was sehr viel Zeit wegnimmt und in der Aufregung der Schlacht fast zur Unmöglichkeit wird , so muß man sich damit behelfen , den Pfannendeckel von dem Pulverrückstand zu reinigen und den Stein an der Schärfe mit einem Stück Eisen oder Stahl so lange zn behämmern , bis er wieder einige scharfe Ecken erhält . Nach dieser Manipulation ist es möglich , wieder einige wenige Schüsse , gewöhnlich nur zwei oder drei , abzugeben und so muß denn gar bald die nämliche Handthierung vollzogen werden wie das erstemal . Nach zwei - oder dreimaliger Wiederholung dieses Geschäfts ist man endlich genöthigt , einen andern Stein aufzuschrauben oder gänzlich auf das Feuern zu verzichten . Hiezu kömmt nun noch , daß vermöge des Ausschüttens des Pulvers aus der Patrone auf die Pfanne , was im Gefecht stets sehr unregelmäßig ge¬ schieht , von einem sicheren Schüsse kaum die Rede sein kann , daß ferner die Gewehre der Soldaten , wie dieß theilweise noch heutzutage der Fall ist , dem alten Götzen , der Parade zu Liebe sehr schlecht konstruirt waren . Vermöge dieser Konstruktion verursachten dieselben bei jedem Schüsse einen so starken Rückstoß , daß der Soldat sich wohl hütete , das Gewehr nahe an den Backen zu bringen . Die Gewehre mußten damals , weil durch den Ansatz des Pulverrückstandes , des sogenannten Pul¬ verschleims , bei langem Schießen sich der innere Raum verengerte , der Kugel einen viel größeren Spielraum
77 gönnen , als es sich mit den wahren Grundsätzen über die Anfertigung der Waffen verträgt . Dadurch wurden die Gewehre sehr schwer . Ebenso wurden die Zünd¬ löcher , welche sich während des Feuerns gar bald mit Pulverrückstand verstopften , um auf ein sicheres Losgehen rechnen zu können sehr häufig so groß gemacht , daß die Pulverflamme öfters zum großen Theile dem Zünd¬ loche entströmte . Kurz , es war Alles vereinigt , um dem Steinschloßgewehr zu verschaffen .
einen möglichst geringen
Fassen wir dagegen die Wirkung des gewehres und den Standpunkt überhaupt auf welchem wir heute in Bezug auf die der Waffen stehen , so werden wir von Nachtheilen auch nicht die mindeste Spur beim Perkuffionsgewehr vor der Versorgung
Erfolg
Perkuffions in ' s Auge , Konstruktion allen diesen finden . Da der Patrone
in den Lauf , kein Ausschütten des Pulvers ( wie beim Steinschloßgewehr auf die Pfanne ) nöthig ist , so kömmt bei demselben mit der Patrone stets das gleiche Quantum Pulver in das Rohr . Bei gut konstruirten Gewehren und bei einiger Uebung im Schießen ist daher zum Voraus ein sicherer Schuß gewährleistet . Das Aufsetzen des Zündhütchens geht viel schneller als die Manipulation des Pulveraufschüttens von statten und von einem Ver¬ sagen ist gar keine Rede , sobald man nur einigermaßen richtig ladet . Noch mehr ; wenn bei den früheren Stein¬ schloßgewehren nur der geringste Regen eintrat , so schwieg das Feuer längs der ganzen Schlachtlinie und eine muthige Reiterei konnte bei der durch das Feuern ohnehin stets entstehenden Auflockerung
und Auflösung
der langen
Feuerlinien dem Fußvolke eine völlige Niederlage beibringen , wenn nicht ungewöhnlicher Muth und große
78 Standhaftigkeit die Truppen beseelte . Unter anderem wurden in dem Gefecht bei Znaim am 11 . Juli 1809 aus diesem Grunde mehrere östreichische Grenadier¬ bataillone durch ein französisches Kürassierregiment fast gänzlich aufgerieben . Mit dem Perkussionsgewehr da¬ gegen vermag man auch bei starkem anhaltendem Negen , wenn nur der Patronenvorrath sich in wasserdichten Raumen befindet , einen ganzen Tag lang fortzufeuern und eine Wirkung zu erzielen , die noch weit über der Wir¬ kung des Steinschloßgewehres bei trockenem Wetter steht . Eine wenn auch nicht so in die Augen fallende Erfindung wie das Perkuffionsgewehr , aber von beinahe ebenso großer Bedeutung , ist eine Einrichtung , welche in neuester Zeit an dem gezogenen Gewehre , der Büchse , erdacht wurde . Der Hauptnachtheil der Büchse , deren ursprüngliche Anwendung in Schlachten rein aus der Volksbewaffnung hervorgieng , war , daß man dieselbe bei weitem nicht so schnell laden konnte wie das ge¬ wöhnliche , innen glatte Gewehr . Sollte ein sicherer Schuß mit der Büchse erzielt werden , so mußte das Laden
derselben
werden .
Die
sehr
langsam
Schwierigkeit
und
sorgfältig
des Ladens
besorgt
erhöhte
sich ,
Vermöge des sich ansetzenden Pulverrückstandes , des so¬ genannten Pulverschleims immer mehr , je öfter man aus der Büchse geschossen hatte , so daß es am Ende ohne das Ausputzen oder Auswaschen der Büchse rein unmöglich wurde , weiter zu feuern oder vielimhr weiter zu laden . Bei allem diesem hatte man dann doch nur auf eine kleinere Entfernung eine Gewährleistung des Treffens . Die Anwendung der Büchse war daher auch Ln den letzten europäischen Kriegen , wo sie nicht aus der Volksbewaffnung
selbst hervorgieng , wie
in Tprol
—
79
—
und im bayerischen Hochgebirge , von sehr untergeordneter Bedeutung . Vor nicht gar langer Zeit fand nun ein Schweizer , Wild , daß die Wirkung des Büchsenschusses Namens nicht nur nicht vermindert , sondern sogar , was die bedeutend erhöht Hauptsache ist, auf große Entfernungen werden könne , wenn man der Kugel in dem gezogenen gönnt denselben Spielraum Laufe der Büchse ungefähr wie sie die Kugel des innen glatten , nicht gezogenen derselben im besitzt , und das Festpreisen Jagdgewehrs Laufe mit dem einhüllenden Pflaster , was früher ein des Ladstockes und Eintreiben Hämmern langwieriges suche , daß man veranlaßte , dadurch hervorzubringen nach vollzogener Ladung einige Tropfen Wasser in den Lauf gießt . Durch das eingegossene Wasser wird näm¬ veranlaßt , lich eine solche Anschwellung des Pflasters daß die Kugel ebenso fest , ja noch fester in den Lauf eingepreßt ist als bei der früheren Büchse und bei der früheren schwerfälligen Weise des Ladens , welche über¬ dies die runde Form der Kugel gänzlich verdarb und dadurch einen unregelmäßigen , auf größere Entfernungen unsicheren Schuß hervorbrachte . Wildes , Ohne näher auf die übrigen Einrichtungen welche verbessernd auf die Büchse einwirkten und dieselbe in hohem Grade geeignet machten zum Feldgebrauch Gründe seines Verfahrens eingehen weiteren und auf die einzig auf den Erfolg Augenmerk unser — wollen zu gerichtet — heben wir nur folgendes dieser Erfindung hervor : Mit der sogenannten Wild ' schen Büchse kann nicht allein viel schneller als mit der früheren Büchse und beinahe eben so schnell wie mit dem gewöhnlichen
glatten
80 Gewehr
gefeuert
werden , sondern
der Pulverrückstand
wird bei jedem Schüsse durch das eingegossene Wasser entfernt , somit findet auch bei tagelangem Gebrauch keine erhöhte Schwierigkeit des Ladens statt und es ist auf Entfernungen noch auf ein ziemlich sicheres Treffen zu rechnen , auf welche mit der alten Büchse an ein solches gar nicht mehr zu denken war . Jenes unausbleiblichen Einflusses , welchen die Fort¬ schritte in den Naturwissenschaften in neuester Zeit auf alle Gebiete des Lebens gewonnen haben , konnte sich auch das alte , früher zunftmäßig gegen die Wissenschaft abgeschlossene Handwerk , die Artillerie , nicht erwehren . Auch diese . Waffe löste sich seit der französischen Revo¬ lution aus alten starren Vorurtheilen , aus den Spiele¬ reien der Feuerwerkerei
los ,
sie gab ,
wie
alle Hand¬
werke , dem Alles flüssig machenden Geist der Zeit nach , wurde leichter , beweglicher , zum Feldgebrauch geeigneter und in neuester Zeit ebenfalls mit wichtigen Erfindungen bereichert . Vermöge des allenthalben noch stattfindenden Mangels an praktischer Einfachheit liegt indessen der Vortheil dieser Erfindungen noch nicht so klar vor Augen , wie die des Perkussionsschloffes und der Wild ' schen Büchse . Man versucht seit längerer Zeit die Perkussions¬ einrichtung auch am Geschütze so anzubringen , daß sie nicht allein den zerstörenden Einflüssen der feindlichen Kugeln weniger ausgesetzt ist , sondern daß auch nach der Zerstörung derselben noch die Möglichkeit dargeboten ist , mit dem Lunten fortzufeuern . Der früher höchst unsichere Granätenwurf , welcher indessen auf tiefe Kol lonnen , besonders auf Kavallerie von sehr großer Wirk¬ samkeit ist, kann vermöge einer auf physikalischen Gründen beruhenden
neuen Weise des Einsetzens
der Granate
in
81 mit großer Sicherheit gethan das Geschütz gegenwärtig werden und in neuester Zeit will man bei einer ver¬ ( Granaten , besserten Anwendung der Granatenkartätschen gefüllt mit einer großen Anzahl Infanteriebleikugeln ) Resultate erzielt haben , die im Vergleiche mit früheren Erfolgen fast an ' s Unglaubliche gränzen u . s. w . nun bedenkt , daß es gar keinen man Wenn glatte unterliegt , ganz gewöhnliche B . die heutigen Infanteriegewehre mit den sogenannten Wildsschen Büchsenzügen zu versehen , wenn man bedenkt , um wie viel leichter und handlicher Schwierigkeiten Gewehre , wie
z.
, ohne den geringsten das heutige Infanteriegewehr Nachtheil gemacht werden kann , welche bedeutende Ver¬ demselben vermöge der gänzlichen Ent¬ vollkommnung Paradeunwesen der Rücksicht auf veraltetes fernung beigebracht werden kann , wie leicht es ist , die Zeit auch bei dem gezogenen Gewehr ersparende Patrone und daß bei nur einigem Nachdenken die anzuwenden auch dem Geschützwesen praktisch Perkuffionseinrichtung einzuverleiben ist u . s. w . , so wird man die hohe Be¬ ermessen können , welche die Feuer¬ ungefähr deutung waffe in den nächsten Kriegen zu erringen berufen ist und ich glaube das Weitere , hieher Bezügliche nun um so mehr dem Nachdenken des Lesers überlassen zu können , als es uns nicht um weitläufige waffenkünst¬ lerische Erörterungen , sondern zu thun ifk Volksbewaffnung
um die Begründung
6
einer
82 M Fassen wir das in den letzten Kapiteln Gesagte noch einmal zusammen . Durch die neuesten Erfindungen hat das Feuergewehr einen solchen gewaltigen offensiven Charakter erhalten , daß das ganze Unwesen des stehenden Heeres , welches bisher eine Volksbewaffnung zur Un¬ möglichkeit machte , die vielen Truppengattungen rc . von selbst in ihr Nichts zurücksinken müssen . Insbesondere gilt dieß von der Kavallerie . In der Reformation wurde durch das Handfeuergewehr des Fußsoldaten der alterthümliche Pomp ritterlichen Kriegs¬ wesens zu Grabe gelegt . Dieß war eines der bedeu¬ tendsten
Resultate
der Anwendung
des
Feuergewehrs
.
Aber gerade wie der mächtige Impuls , welchen das Leben mit der Reformation offenbart , aus oben ange¬ deuteten Gründen zu stocken anfieng und die Resultate , welche in dem Keime der Reformation , in den mittel¬ alterlichen Freiheitskämpsen schon alle vorbereitet lagen , nicht zur vollen Entfaltung kommen konnten , sondern zu verkrüppelten , widerlichen Gestalten auswuchsen , so ist es mit der verfehlten Richtung , welche die Anwen¬ dung des Feuergewehrs im Laufe der Reformations¬ epoche nahm . Anstatt daß eine immer größere Erkennt m' ß der eigenthümlichen Wirkung der Feuerwaffen eine vollendetere Ausbildung derselben für den
auf Jn -
fanteriegebrauch , auf entsprechende taktische Formen der Infanterie geführt hätte , wodurch die Reiterei in ihrer Wirkung bedeutend beschränkt worden wäre und die allmählige Verminderung derselben schon in der Reformation bego nnen hätte , so wurde — für uns unbegreiflicherweise — schon gegen Ende des 16 . Jahrhunderts die Reiterei fast durchweg mit dem Feuer¬ gewehr , mit einer , dem eigentlichen
Wesen
des Reiters
83 durchaus
widersprechenden Waffe ausgestattet und dem¬ gemäß eine Menge von Kavalleriegattungen erfunden , die gar keinen vernünftigen Grund hatten . Die Reiterei verließ ganz die Fechtweise mit der blanken Waffe , die ihr damals allein einen nennenswerthen Erfolg zu sichern vermochte und schoß sich nutzlos mit dem Feinde herum , während umgekehrt die Infanterie , anstatt den Vortheil und das Uebergewicht , welchen ihr das Feuer¬ gewehr gab , vollständig zu benutzen , die altertümliche Kampfweise mit dem Spieß und den übrigen Nahwaffen festhielt und nicht allein noch während des dreißigjährigen Krieges zur Hauptsache machte , sondern sogar erst mit dem Schluffe des 17 . Jahrhunderts völlig abschaffte . Aber auch von da an ist der Fortschritt , welchen das Feuergewehr machte , ein so geringer zu nennen und , wie wir gesehen haben , die Kampfweise des Fu߬ volks so unbeweglich und unpraktisch , daß die Kavallerie immer noch eine Hauptbedeutung in den Schlachten be¬ wahrte . Man war daher auch in den napoleonischen Kriegen noch genöthigt , der Reiterei wegen , deren Kraft auf jedem unebenen oder durchschnittenen Boden zer¬ bricht , ein möglichst ebenes Terrain für die Schlacht¬ felder zu wählen . Dadurch verringerte man die Wir¬ kung des Fußvolkes , welches schon damals , trotz seiner mangelhaften Bewaffnung , wenn man in den Aufstel¬ lungen nur stets auf Infanterie und Artillerie Rücksicht genommen hätte , die gänzliche Entbehrlichkeit der Rei¬ terei in ein Helles Licht gesetzt haben würde . Denn trotz der ganz unvollkommenen Einrichtung der Infan¬ teriewaffe , trotz des eben angedeuteten Bedürfnisses eines ebenen Bodens zur Enfaltung der großen Kavallerie¬ streitkräfte , welche man , noch befangen
im alten Glau -
84 Len , aus den verflossenen Jahrhunderten nachschleppte , trotz aller dieser Hindernisse der vollen Wirksamkeit des Fußvolks , ward dennoch das Fußvolk mehr als jle das eigentlich Schlachten . Wie
bedingende nun erst
dentlichen Fortschritten fen in neuester Zeit erst bei endlicher und volkstümlicher ren Bedeutung ?
Element bei den
in den außeror¬
, welche die Feuerwaf¬ gemacht haben , wie nun
Ausbildung Kampfweise
der Volksheere in ihrer wah¬
XI . Der Bolksfchütze . Liebe Brüder und Söhne ! wir habe » einen prächtigen Feindt , aber sein Volk und Hauptleut haben wir vor allweg geschlagen und auch jetzt mit der hilff Gottes gewissen Sieg zu » erhoffen , ihr werdet thun wie frommen Deutschen wohl ansteht . Georg von Frniidsbtrg
Neben
der
inneren
vor pnvia .
Kraft , welche die wahrtz Na¬
tionalbewaffnung einem Volke verleiht , wird zukünftig das Hauptgewicht der Entscheidung der Schlachten in der Kugel des Fußvolks beruhen . Schießfertigkeit , eine , wie uns die tägliche Erfahrung lehrt , dem Volke viel leichter wie dem stehenden Heere beizubringende Eigen¬ schaft , diese wird in Zukunft das Hauptziel aller Kriegs¬ übungen bilden müssen , und der Gedanke der Bolks freiheit , welcher in der Revolution wiedererwachte und selbsttätig
die äußeren
taktischen Formen gestaltete , wird
85
auch in der endlichen Vollendung der volksthüm -r lichen taktischen Formen , die keines langwierigen geisttodtenden und den Menschen zur Maschine herab¬ würdigenden Ererzirens bedürfen , hindurchvn ' ngen . Frei
und
leicht
schwärmt
der mit
hohem
Selbste
gefühl und einem unbedingten Vertrauen auf seine Waffe begabte Volksschütze in zerstreuten , aber von dem Geiste des Heerführers in Verbindung fen über Berg und Thal , durch Wälder
gehaltenen Hau¬ und Schluchten ,
und sendet auf weite Entfernungen die vernichtende Kugel in die dichten Bataillone , Schwadronen und Batterieen des Feindes , der nicht im Stande ist , gegen die flüchtigen , leicht ausweichenden , rasch vordringenden , überall
einen
Halt - oder
Stützpunkt
findenden , gleich
lebendigen Bastionen einander gegenseitig unterstützen¬ den Haufen , die sich nach Umständen bald in zerstreute Linien auflösen , bald wieder sammeln , einen entscheiden¬ den Schlag
auszuführen
.
Denn
er ist überall behindert
durch seine schwerfällige taktische Organisation , durch die Organisation des stehenden Heeres , dessn Hauptstärke nur in starren tobten Maschinenmassen , nicht in einer möglichst freien Entwicklung aller individuellen Kräfte besteht . Vergebens
werden
die
Schützen
der
Jnfanterie
-
bataillone gegen uns anstürmen . Vermöge der taktischen Organisation des stehenden Heeres , vermöge der maschi¬ nenmäßigen Dressur desselben , welche dringend verlangen , daß der größte Thetl seiner Streitkräfte in geschloffenen Bataillonen vereinigt bleiben muß , können sie uns ver -^ hältnißmäßig nur eine geringe Anzahl zerstreut fechten ^ der Streiter entgegensenden . Wir umschwärmen und umzingeln sie auf allen Seiten und senden nicht allein
66 unsere mörderische Kugel in ihre dünnen Schützenreihen , sondern noch auf 800 — 1000 Schritte findet die Wild ' sche Büchsenkugel ein sicheres Ziel an den nachrückenden Ba unseres Niederlage Zur unfehlbaren taillonsmaffen . Gegners würde es führen , wollte er unsere gewandten , mit seinen ge¬ dichten , leicht ausweichenden Schwärme Fast jede unserer angreifen . schloffenen Bataillonen und wie das von einem Kugeln fände ihren Mann Schwarme Hornissen geplagte Pferd würde er am Ende in wilder Flucht sein Heil suchen müssen . Aber auch wenn er es unternähme , einen großen Theil seiner Jn auf ähnliche Weise zu entfalten wie fanteriestreitkräfte Volksheer , so fehlte seinen steif ererzirten Glieder¬ , puppen nicht allein die Uebung in diesem natürlichen Kampfe , sondern , was die Haupt¬ volkstümlichen sache ist , es fehlt die durch den Geist des stehenden Heeres ertödtete lebendige individuelle Kraft des Ein¬ zelnen , welche in unserem Volksheer zur vollen Ent¬ faltung kömmt , mit einem Worte , es fehlt der ganze frische , bewegliche und nachhaltige Geist eines Volks das
Heeres . Eben
halten . Stand so werden wir der Reiterei auf Mag sie auch in ähnlichen aufgelösten Schwärmen uns daher stürmen , so ergeht es ihr nicht besser wie des stehenden Heeres . Was durch einen der Infanterie wird , geht gewonnen an Schnelligkeit Reiterangriff durch die gegen Reiterei noch viel größere verloren Sicherheit des Treffens unserer Kugeln . Noch leichter Richtung daher¬ weichen wir dem in unveränderlicher stürmenden Pferde aus und senden ihm die Kugeln in Flanke und Rücken nach . Hier , dort , auf allen Seiten
sammeln
sich einzelne Schützen ,
Arm
an Arm , Rücken
87 an Rücken . Hat der Eine nicht geladen so feuert der Andere , bei jedem Schüsse stürzt ein Pferd und bald ist rings um sie der Boden mit todten Pferden und Menschen bedeckt . Doch immer dichter werden die Schwärme , immer zahlreicher drohen die Angriffe . Da rufen die Hörner — rasch sammeln sich die Häuffein um ihre Gemeindebanner zu einem undurchdringlichen , nach allen Seiten Front machenden Wall , aus welchem es . blitzt wie unaufhörliches Wetterleuchten , und bald ist der Boden rings um die Haufen auf einem weiten Umkreis so dicht von einem natürlichen Wall von todten Pferden und Menschen umgeben , daß dieser allein schon jeden ernstlichen Angriff dichter geschloffener Kavallerie¬ massen unmöglich machen würde , wenn nicht die mör¬ derische Kugel jede Annäherung verböte . Aber auch die Artillerie des Volksheeres
wird dem
stehenden Heere gegenüber von großer Bedeutung sein . Vermöge der nahen Berührung , in welcher bei einer Volksbewaffnung die Wissenschaften , Künste und Hand¬ werke mit dem Waffenwesen gebracht werden , nimmt die Artillerie des Volksheeres jeden wirklichen Fortschritt viel rascher auf als das stehende Heer , welches , seinem innersten Wesen gemäß , stets am Alten sestkleben wird . Nicht auf Künsteleien , sondern rein auf die praktische Wirkung im Felde , auf große Beweglichkeit und Schie߬ fertigkeit ist das Streben der Volksartillerie gerichtet . Sie besitzt , wie wir später sehen werden , vermöge der sie bildenden Elemente eine viel höhere praktische Tüchtigkeit als die Artillerie des stehenden Heeres , die nicht minder an dem Uebel steifer Ererzierplatzthätigkeit und geisttödtender maschinenmäßiger Uebungen krankt als die Infanterie
; was
aber
ganz besonders
zu berücksich -
88
tigen
ist ,
senen
Massen
Reiterei
die
Volksartillerie des
viel
größere
außerordentlich und
den
zahllosen
weisführung die ,
die
nie
in
mit
,
,
über
wo
es
,
be¬
prakti¬ des
das
Wie
Boden der
Glieder
des
jedem
unzählige würde
sein , welches
Was
stehenden
jeder Paß
Höhe ,
in
in
das so
drohen
unfehlbare
Herausforderung anzunehmen
wäre eines .
die
,
in
Schlucht
jedem
Gänzliche jenes
auf
denke
HauS Vernich¬
stehenden
solchem
förmlich Man
starren
vermögen
in jeder ja
?
Loos
tollkühn
,
zu behin¬
Schlacht¬
hier
,
alle
durchschnit¬
auszurichten
Wäldchen
Feuergewehre
Weise und
Thal
be¬
wird
vollständig
keiner
werden
jedem
jedem
wur¬
Boden
gewöhnlichen
Heeres ,
Wesen
möglich
unebenem , dem
,
des
Volksheeres
ebenen
Heere
auf
?
wurde
ist .
Strcitkräfte
Berglande
Volksheere
von
des
in
Volks¬
gepreßt
verkrüppelte
einen
Ge¬ Be¬
Handge¬ des
entschieden
Heer
aber
im
Kraft
ganze
stehenden
nun
auch
freien
die
keiner
das
stehende
, im
uns
wohl
Formen
organisirten
wo
ist .
Volksheeres
der zwar
höchst
Kraftäußerung
auf
dem
welche
nun
daß
vollends
Rücksicht
schwerfällig
wenn
,
anererzirte
Eigenthümlichkeiten
diese
hier
felde
den
mit
,
starre
Alle
tenem
die
die
Soldaten
entfalten
tung
,
Heeres
dert
an
an
durchsichtigen
es
der
stehenden
seine
an
bedürfen
maschinenmäßig
stehenden
trachtet
jenes
Schiitzenschwärmen
wird
Überlegenheit
wehrmanns
den
geschlos¬
Gegenstand
Beispielen
hat ,
mehr
menge
des
aber
großen
namentlich
als
erfassenden
hinterlassen
über
,
,
deckenden
schnell
den ,
.
Nach schichte
Zielpunkte
jeden
Blicke
Volksheeres
an
Heeres
zahlreichen
weglichen schem
hat
stehenden
Heeres
Kampfplatze
organisirten an
die
vielen
, ,
89 Erfolge nicht organisirter der französischen Revolution Fassen wir noch einmal
das Gesagte
in Kürze
die
Volksvertheidigung
seit
. zusammen , vergleichen äußeren
des Volksschützenheeres und des bleibt Folgendes als Resultat .
wir
Eigenchümlichkeiten
stehenden
Heeres , so
Unser Volksheer besitzt eine solche überwiegende Masse von Kugeln , von fern und sicher treffenden Ku¬ geln , daß unsere Feuerwirkung , abgesehen von dem ohnehin schon äußerst offensiven Wesen des Volksheeres , einen völlig offensiven Charakter erhält . Das stehende Heer zersplittert seine Kräfte in geschlossene Infanterie und Schützen , in schwere und leichte Kavallerie , schwere und leichte Artillerie . Es büßt dadurch eine außeror¬ dentliche Anzahl von Feuergewehren ein . Seine Feuern Waffen haben , vermöge der dargestellten Eigenthümlich keit der Gefechtsweise stehender Heere den Volksheeren gegenüber fast gar keine Wirkung , und die Hauptkraft des stehenden Heeres , die dichten , festgeschlossenen Massen , auf welche alle seine Einrichtungen berechnet sind, stehen schon so frühzeitig , auf so weiten Entfernungen in un¬ serer offensiven Feuerwirkung , wo ihnen noch gar keine Möglichkeit zu ihrer Entfaltung gegeben ist , sie sind so sehr von der Bildung des Bodens abhängig , daß sie , wenn sie zu ihrer eigentlichen Thätigkeit , zum Nahege¬ fecht kommen sollen , ihre ganze Eigenthümlichkeit , Zu¬ sammenhalt , Geschlossenheit , die dem maschinenmäßigen stehenden Heere allein einige Wirkung sicheren , längst eingebüßt haben und so in der gewaltig wirkenden Kraft unseres offensiven Elements , Ln den Kugeln merlich versiegen müssen .
küm¬
90
XII . Das
Exerzierwesen .
Durch die Künsteleien und Spielereien müßiger Imperatoren für die Parade , im langen Frieden , ist nie ein Reich behauptet worden . A . v . Müller .
Ich höre schon das Geschrei und das Hohngelächter der Anbeter des stehenden Heeres über die in dem vori¬ gen Kapitel ausgesprochenen Ansichten . Ordnung , Dis ciplin ! höre ich sie unaufhörlich rufen . Solches wildes, unsinniges , unordentliches Wesen , wie eure Volksschützen , schmettern wir nieder mit unseren streng disciplim ' rten , vortrefflich exerzierten , in scharfer Richtung , in Schwen¬ kung und zierlichen verwickelten Evolutionen gar wohl geübten Bataillonen , und dann , wenn wir erst unsere raffelnden Schwadronen einhauen lassen , wenn unsere Kugeln einschlagen und unsere Granaten zerspringen , dann zerstiebt euer Volksheer vollends Ln alle Winde . Dies ist die Empfänglichkeit unserer Herren Ge¬ schichtsmacher für die ernsten und mahnenden Worte, welche die unaufhaltsam fortschreitende Geschichte in ihre unveränderliche Bahn unverlöschbar eingezeichnet hat . Sie üb ertauben jeden aufkeimenden Skrupel mit sinn¬ losem Geschrei . Aber ich wende mich ab von ihnen zu jenen alten im Kriege ergrauten Männern , über deren Scheitel die Stürme welterschütternder Schlachten hin¬ gegangen sind und frage sie : Geht auf den Grund
91 eures Herzens und Heilt mir mit , was euch die Er¬ fahrung sagt ! Was ist an diesen so lärmend auspo¬ saunten Ansichten ? Ihr allein habt darüber zu ent¬ scheiden . Ich sehe sie lächeln . Ja , ja , ich verstehe euch . Ihr würdet ' s gerne sagen , wenn ihr nur dürstet . Ihr liebt die Ruhe und wollt den alten Sauerteig nicht aufrühren . Aber ich will euer Lächeln übersetzen , will aus all den kleinen Zügen , die ich in unbewachten Augenblicken euch abgelauscht habe , den Kern heraus¬ ziehen und ihn euch Vorhalten und ihr werdet , ich bin es überzeugt , zu euch selber sagen : er hat recht . Also Ordnung und Disciplin , das sind die gewal¬ tigen Triebfedern , welche die stehenden Heere zur Ver¬ nichtung der Volksheere befähigen ? Ja , es wäre schon recht , wenn jene herrlichen Dinge bei euern gepriesenen stehenden Heeren während der Schlacht nur auch wirk¬ lich vorhanden wären , wenn nur in jenen ernsten Augen¬ blicken , wo der Tod in hundertfältiger Gestaltung seine blutige Erndte hält , wo schmetternder Donner die Erde erbeben macht und ein schauerliches , ahnungsvolles Schwirren die Lüfte durchzittert , wenn in solchen Augen¬ blicken , sage ich , die Ererzierplatzruhe und die ganze strenge Folgsamkeit des stehenden Heeres bewahrt wer¬ den könnte . Im Gegentheil , die Erfahrung hat es gelehrt , die Geschichte zeigt es uns auf hundert Blat¬ tern , die Soldaten des stehenden Heeres , sehr häufig der Abschaum des Volkes , werden im Kriege zu räube¬ rischen , mordenden , sengenden und brennenden , unfolg¬ samen Banditen , die , wenn ihnen das Commandowort sehr ungelegen kommt , auch einmal die Flinte auf den Führer richten , Verschwörungen anzetteln u . dergl . , ohne sich dadurch ihr Gewissen sonderlich zu beschweren , die ,
92
—
von panischem Schrecken ergriffen , die Waffen wegwer¬ fen trotz aller begeisternder Anreden . Ist dieß in einem ächten Volksheere denkbar , wo glühende Vaterlands¬ und Freiheitsliebe , ein edler Stolz die inneren Binde¬ mittel sind , in welchen eine edle Gesittung jedes ge¬ meine und schlechte Vorhaben niederschlägt , wo Freunde , Brüder , Väter und Söhne nebeneinander fechten und lieber bis auf den letzten Blutstropfen sich schlagen , als daß sie ihre Gemeindebanner verlassen ? Betrachten wir uns das gewöhnlichste Friedens¬ manöver , welches auf unebenem , durchschnittenem Boden abgehalten wird . Es wird ausnahmsweise mit blinden Patronen gefeuert . Hier wird eine beliebig zusammen¬ geraffte Anzahl von Soldaten unter einem kriegsfreudi¬ gen Lieutenant entsendet , dort springt ein Korporal hinter ein Gebüsch , die Kanonen krachen , es wird Sturmmarsch geschlagen , an allen Ecken und Enden kracht es , den Offizieren brennen die Köpfe , wie wenn es auf Tod und Leben ginge und in wenig Minuten sind all die herrlichen Ererzierplatzkünsteleien , die lieb¬ lichen Erfindungen unserer Gencralstubensitzer in Rauch aufgegangen . Wie auf einem in dem Sturm der Jahr¬ tausende gebleichten Bilde kann man kaum die noth Vürftigsten Züge der von dem Reglement mit hoher und allerhöchster Approbation streng gebotenen Formen in den verwirrten Bataillonen erkennen , kaum ist man im Stande in dein regellos daherstürmenden Haufen sich das Bild einer Kolonne herauszubuchstabiren . Da , auf ßitimal , hört man Trompetenstöße , eine feindliche Ka vatterieabtheilung braust einher . Halt ! Feuer ! schreit in höchster Aufregung der dicke Herr Major , die dienst¬ pflichtigen
Herren
Kapitains
und
kriegsmuthigen
Lieu -
93
tenants rufen nach , auch die wohlweisen Herren Feld¬ webels und übrigen diensteifrigen Unteroffiziere lassen ihre Stimme los . Aus allen Ecken erschallt verwirrtes Geschrei , daß einem der Kopf schwindelt und „ zu scheu߬ lichen Klumpen geballt " stehen die Bataillone und knat¬ tern ihre Schüsse so lustig hinaus Ln die liebe blaue Luft , daß es eine wahre Herzensfreude wäre , wenn es einen nicht zu so innigem Erbarmen rührte . Alle die schönen , in der Stube ausgeheckten , von unseren Herren Stabsoffizieren und Generalen mit so hohem gewichti¬ gem Ernst auf dem Exerzierplatz einstudirten Sachen , die geraden Bataillenmärsche , die scharfen Richtungen , die genauen Abstände der sogenannten Guiden oder Führer , die exakten Handgriffe und die schönen Feuer , welche auf dem tausendgliedrigen Ungeheuer , dem Ba¬ taillon , so herrlich zusammenklappern und klatschen , das Fluchen und Sakramentiren , all die himmlischen Grob¬ heiten der höheren Offiziere , sie sind dahin und warum ? Weil der Boden nicht so eben ist , wie auf dem Exer¬ zierplatz und weil mit erbärmlichen Patronen gefeuert , weil mit Pulver gespielt wird ! Ist das Manöver zu Ende , so sind hie Herren Stabsofficiere so mild und . so sanft gestimmt , wie wenn sie kein Härchen auf dem Haupte ihrer Untergebenen krümmen könnten und mit gesenktem Haupte , den stillen Gedanken im Herzen : „ heute haben wir uns wieder einmal blamirt " ziehen sie nach Hause , lassen die jauch¬ zenden , ihrer menschlichen Gefühle einigermaßen sich bewußt werdenden Soldaten friedlich auseinander gehen und schwemmen dann im behaglichen Schooße der Fa¬ milie , in diesem oder jenem Gasthofe , die unangeneh¬ men krausen Gedanken mit ein Paar Flaschen Wein
94 hinunter . Am andern Morgen geht der alte Schlen¬ drian wieder an , es wird wieder ganz ernsthaft mit den Gewehren geklappert , gerichtet , geflucht , „ in ' s Loch gesteckt " und ohrerschütternd auf ' s Kalbfell gehauen , wie wenn gar nichts vorgefallen wäre , wie wenn man mit all den Spiegelfechtereien die Welt erobern könnte . Das ist die gepriesene Ordnung , dieß sind die herrlichen Ergebnisse der jahrelangen Ererzierübungen auf jener flachen gelben Sandfläche , dieß sind die Fortschritte , für die man Jahraus , Jahrein Millionen zum Fenster hinaus¬ wirst und , was noch mehr ist , für welche Hunderttau¬ sende von Familien darben müssen ! Was spricht aus dieser ganzen eigenthümlichen Er¬ scheinung ? Offenbar nichts Anderes , als der in un¬ serer Zeit ruhende Drang nach freierer Lebensentwick lung . Ehemals , als Stock und Zopf das furchtbarste Regiment führen durften , konnte man auch auf dem Manöverplatze , ja sogar auf dem Schlachtfelde den ganzen steifen Mechanismus des Friedens bewahren , so daß das jetzt rein Unmögliche damals möglich war . In der Schlacht von Mollwitz stand ein preußischer Major mit seinem Bataillon ganz in der Nähe des anrückenden Feindes . Er kommandiere : „ Schlagt an ! " Da jedoch nicht alle Gewehre zu gleicher Zeit in den Anschlag gebracht wurden , so ließ er absetzen , d . h . auf Commando die Gewehre , ohne zu feuern , wieder auf¬ richten und wiederholte das Ererzierplatzmanöver noch einmal . Heute , trotzdem daß man die Menschen auf dem Exerzierplatz noch in starre Formen Preßt , so ist es , wie wir gesehen haben , schon bei dem gewöhnlich¬ sten Friedensmanöver nicht mehr möglich , die steife Erer zierplatzordnung zu bewahren . Der rasche bewegliche
95 Geist der Zeit treibt die Elemente instinktmäßig zu freierer Bewegung . Es entsteht ein Widerspruch zwi¬ schen äußerer Anforderung und innerem Bedürfniß , — der Geist
des stehenden Heeres
verlangt
steife Formen
und beschränkt die Selbstthätigkeit des Einzelnen ; der Mann des Volkes , berührt von dem Hauche der Zeit , sucht freie Regung und verschafft sie sich , wo er Luft findet — ein Widerspruch , der den stehenden Heeren , Volksheeren oder volksthümlicheren Heeren gegenüber , fast immer zum Unheil ausschlagen muß . Statt daß man nun in Deutschland diesen Wider¬ spruch durch möglichste Befreiung des Soldaten von allem steifen Zwang , wie dieß in Frankreich der Fall ist , zu lösen sucht , trägt man sich noch immer mit der alten
unglückseligen
Idee ,
daß , je
strenger
man
im
Frieden auf Beobachtung der vorgeschriebenen Form , auf gerade Linie , Richtung , gleichmäßige , maschinen¬ mäßige Bewegung halte , um so weniger Durcheinander vor dem Feinde , wo die Unordnung unausbleiblich sei, stattfinden müsse . Diese Ansicht ist grundfalsch und in der Wirklichkeit gerade das Gegentheil der Fall . Die Unordnung ist in einem maschinenmäßig anerzogenen Heere viel gefährlicher als in einem , von vornenhexein an die nothwendige
Unordnung
des Krieges , oder
es recht zu sagen , an die natürliche
um
freie Bewegung ,
welche in der Schlacht zum Bedürfniß wird , gewohnten Heer . Der Soldat des stehenden Heeres verliert nicht allein alles Selbstgefühl , weil er sieht , daß ihm alles Erercieren im Augenblicke der Gefahr nichts nützt , weil alle Jahre lang einstudirten Friedenskünsteleien beim Donner der Kanonen in Rauch aufgehen und nur die einfachsten
Formen
übrig
bleiben
,
sondern
er
96 verliert auch in diesen ernsten Augenblicken seine ganze Besinnung , er weiß sich in dem ungewohnten Wirr¬ Anzeichen der warr , welchen er als die unfehlbaren betrachtet , nicht mehr zurecht zu finden , denn Niederlage und von Hause aus ist er an stete Bevormundung durch die Vorgesetzten , an maschinenmäßige Überwachung gewöhnt . So nach starrem Kommandorufe Bewegung wird es ihm schon frühzeitig durch eine ganz verfehlte , einer eines höchst unkriegerische Erziehung , vermöge rein Behandlungsweise unwürdigen freien Menschen unmöglich gemacht , im Getümmel der Schlacht Geistes¬ zu bewahren , selbstthä gegenwart und Selbstbewußtsein tig und energisch zu handeln . Ein kleines entschlossenes be¬ eines freien , mit hohem Kraftbewußtsein Häuflein wirft im entscheidenden Augenblicke gabten Volksheeres solcher unselbständiger zaghafter ganze Bataillonsmassen ebenso unwider¬ Knechte auch des geübtesten Heeres stehlich über den Haufen , wie einst die freien Volkheere die übermächtigsten und ausgezeichnetsten des Mittelalters niederwarfen * ) . Ritterheere sie Aber alle diese Wahrheiten , so überzeugend auch ausgesprochen werden mögen , sie helfen zu Nichts . aus dem Männer So sehr sich auch schon vernünftige schaudererregen¬ gegen den althergebrachten Militärstande angestemmt haben , es half zu Nichts . den Mechanismus müssen auch sie dem unwiderstehlichen Unwillkührlich Zuge
des Lebens , in
welchem
der Zopf
noch
wie ein
möge der Leser die Beantwortung ' ) In dieser ganzen Erörterung suchen , welche in Nro . S2. der deutschen Zeitung von auf die Frage des der Miltheilung derselben , bei Gelegenheit einem Correspondenten französischer die Manöver über Offiziers eines preußischen Urlheils gestellt wurde . im Lahre 1806 bei Berlin , an Sachverständige Kruppen
97 Gespenst umgeht , folgen . Wider Willen müssen sie den erbärmlichsten Unsinn fördern helfen . Denn wird man auch durch die alltägliche Erfahrung so zu sagen mit der Nase darauf geführt , daß der Ererzirplatz - Unsinn zu Nichts taugt , so heißt es doch höheren Orts : „ Der Herr Major N . N . ist ein ganz ausgezeichneter Soldat , sein Bataillon ererzirt vortrefflich , das geht Schlag auf Schlag rc . , " wenn er nur recht schwenken und marschiren lassen jeder Gelegenheit recht tüchtig und sein Bataillon , die am „
schön zusammenklappern , kann , wenn er nur bei flucht und sakramentirt egalsten " gepackten und
gehängten Tornister und Patrontaschen , das weißeste Lederzeug und die blanksten Knöpfe besitzt , wenn nur seine Leute , daß Gott erbarm , den Offizieren auf der Straße die schönsten „ Honneurs " machen können . Dazu noch ein recht bedientenmäßiger ein Schinder/
nach oben
Charakter , nach unten
ein Kratzfüßler
und Speichel¬
lecker , so ist der Mann
fertig , dessen Brust am meisten verdient , mit Orden behängt zu werden . Wie kann es da Wunder nehmen , wenn Alles , Hoch und Nieder , fort und fort an der alten Maschine stößt und treibt . Die wenigen Unbefangenen , welche es aufrichtig meinen und zu viel männlichen Stolz besitzen , um durch solche Dienstbarkeit eine Gunst zu erschnappen , gehen unter in der Menge . Um nicht Amerika später kommen werden ,
anzuführen , auf welches wir erinnern wir den Leser nur an
das stehende französische Heer . Es ist eine Errungen¬ schaft der Revolution , daß in Frankreich keine Spur von jenem widerwärtigen Schimpfen , jenem viehischen Herumfloßen , jenem abgeschmackten Ererzierwesen und jener knechtischen Unterwürfigkeit
anzutreffen
rst ,
7
wie noch
98 hie
und
so
wird
da
in
Deutschland
chm
Arreststrafe
ohne
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99
XIII . Militärische Disziplin . ävtnils äs moeurs od8vrvv8 äs mss z' öux , montrsnt , es gui nous rosts eneore äsrnorv et äs bnibsrv äsns moäerns äs oos t ' orßgniskltion touls srinses psrmnnsntss , aü t ' kammv äs ^ uspfv sst isslv äu citoxen , oü il vst msllisureux st fsnoes , p » rcs gu ' il sent 8 » coaäitlon m » uvsi8s st sbEäv . I . ks
Als « - de vlgny .
Was ist Disziplin ? Dieß könnt ihr manchen von den gestrengen Herren fragen , er wird euch keine De¬ finition von dem komischen Dinge geben können . In Wahrheit : Disziplin ist die völlige Ertödtung des Einzelwillens , das Streben zur gänzlichen Entmensch¬ lichung des Wesens , welches man einen Soldaten zu nennen pflegt . Der Mensch tritt mit seinem 20sten oder Listen Jahre in Reih und Glied , um ein Stück¬ lein Maschine in dem großen Getriebe zu werden , wel¬ ches man stehendes Heer benennt . So lange er sich im Dienste befindet , wird jeder Auswuchs einer freien natürlichen Regung mit möglichster Aufmerksamkeit hinein¬ gedrückt , hineingeklopft und Der ist der beste Soldat/ welcher sich am maschinenmäßigsten gebärdet , welcher nur in dem Willen der Vorgesetzten lebt, welcher gar nichts Anderes denkt , als was ihm vorgeschrieben ist, denn wenn er es thut , so ist er schon ungehorsam und strafbar , da es dann gar nicht ausbleiben kann , anderer
100
Meinung zu sein , als seine Vorgesetzten und die Vor¬ schriften es haben wollen . Das ist Disziplin . Also die selbstthätige freiwirkende Kraft des Men¬ schen , die nur allein im Stande ist , Großes zu schaffen , wird verkümmert und beschnitten durch die erbärmlichste Kleinigkeitskrämerei , durch Anforderungen , welche jedem freien und vernünftigen Manne zum Eckel werden muffen , die jedes
vernünftigen
Zweckes
entbehren .
Wie
ein
astatischer Sklave soll er fich beugen , wenn ein durch den Zufall der Geburt oder des Glücks über ihn ge¬ stellter Mensch an ihm vorübergeht , wenn ein solcher ungestraft ihn bei dem geringsten , erbärmlichsten Verstoß gegen die abgeschmackten Putzvorschriften , die eher einer Armee von parfümirten Gecken ziemen als Waffen¬ männern , mit den gemeinsten Schimpfwörtern übergießt , ihn auch gelegentlich herumstößt wie das Karrenvieh . Regt sich nun in dem Mißhandelten ein Funke mensch¬ lichen Stolzes , erlaubt er sich nur den geringsten Wider¬ spruch , irgend einen natürlichen äußeren Ausdruck liefen Kränkung , welche sein Inneres bewegt , so er die strengste Bestrafung verdient . Wenn es geht , so muß er Spießruthen laufen , er kömmt auf
der hat gut die
Latten oder er wird krumm geschlossen . Schlimmeren falls kömmt er ins Zuchthaus ! Und welcher Art sind zuweilen diese Vorgesetzten ? Es muß jeden ehrlichen und fleißigen Bürgersohn empören , so rohen , brutalen Menschen , wie man sie häufig unter den sehr schlecht bezahlten und verächtlich behandelten Unteroffizierscorps mancher Armeen antrifft , gehorchen zu müssen , Menschen , die ihre Autorität dergestalt mißbrauchen , daß sie die Behandlung von der Portion Branntwein abhängig machen ,
welche
ihnen
der
Soldat
im
Wirthshause
101 Vorsetzt ,
denen es vermöge des Kasernenunwesens mög¬ lich wird , diejenigen , welche ihren Ansprüchen nicht zu entsprechen geneigt sind , ungesehen und ungestraft zu mißhandeln . Jede Anzeige eines einzelnen Unteroffiziers , Wie überhaupt eines jeden Vorgesetzten hat als „ Mel¬ dung im Dienste " Bestrafung zur Folge , sei sie nun
erfunden oder beruhe sie auf wirklichen Vorfällen . Welches weite Feld für die gemeinsten und niederträch¬ tigsten Angebereien ! Wehe dem , welcher es wagt, Klage zu führen . Seine Klage hat gar keine Folge , wenn ihm bei dem Vorfälle nur ein einziges unerlaubtes Wort entschlüpft ist , oder wenn der Gegenstand der Klage von dem Vorgesetzten in Abrede gestellt wird . Im Gegentheil , der Untergebene erhält wegen unge¬ eigneter Beschwerdeftthrung eine strenge Arreststrafe , nach deren Erstehung ihn der Unteroffizier mit verdoppelter Quälerei verfolgt . Aber auch der bessere Theil des Unteroffizierstandes wird leicht zu Mißhandlungen ver¬ leitet . Denn er ist bei der geringsten Nachlässigkeit seiner eigenen Untergebenen den Vorwürfen und Bestrafungen von Seiten der höheren Vorgesetzten preisgegeben . Es ist dieß die sinnreiche Erfindung der Militärhierarchie um den fanatischen Eifer aller Untergebenen wach zu er¬ halten . Der Blitz , den die Majestät auf das Haupt der Ercellenz schleudert , zuckt hinunter bis auf den gemeinsten Mann des Heeres . Der Wehrmann soll gehorchen , aber wem soll er gehorchen ? Das ist die große Frage , an deren wirk¬ liche Lösung die durch die alltägliche Gewohnheit ver¬ düsterten Köpfe unserer Militärhierarchen vergebens ge¬ mahnt werden , deren wirkliche Lösung ihnen so lange unmöglich bleiben wird , als sie noch an die starren
102 Dogmen des stehenden Heeres glauben werden . Erst wenn das reine Evangelium der Volksbewaffnung in ihnen lebendig geworden sein wird , dessen Inhalt nun schon seit 50 Jahren der Gegenstand inbrünstiger Wünsche ist, dessen Züge aber schon seit Jahrtausenden in der Ge¬ schichte flammen , dann erst werden sie den wüsten Sumpf der Vorurtheile in seiner ganzen Häßlichkeit erkennen , in welchem sie Erziehung und Gewohnheit bisher festbannten . Der
Wehrmann
wehrmann , tyrannischen
, wie
ich ihn meine , der Volks¬
soll einem Gesetze gehorchen , nicht der Laune eines Einzelnen . Der Gehorsam
des Nationalstreiters knechtischer , sondern
ist
ein
,
wie freier
v
. Rotteck sagt : Gehorsam , aus
„
kein der
Idee der allgemeinen gesellschaftlichen Pflicht mit Be¬ ziehung auf Kriegsverhältniffe hervorgehend , und in dem Anführer den Stellvertreter des allgemeinen Willens erkennend . " Der Vorgesetzte soll nur der Träger des Gesetzes sein , keine geheiligte unantastbare bevorrech¬ tete Person . Selbst dann soll der Vorgesetzte Volks¬ wehrmann keine höheren Rechte als sein Mitbürger ge¬ nießen , wenn er auch dem Staate die ausgezeichnetsten Dienste geleistet hat . Er kann nur Ehren und Beloh¬ nungen vom Staate empfangen , keine höheren Rechte als sein Mitbürger , denn er bleibt , nach wie vor , ein Mensch und wird durch Heldenthaten nicht zum Halbgott . Der Bolkswehrmann soll einem Gesetze gehorchen , Welches ihm bei Androhung bürgerlicher Strafen bestehlt , an dem bestimmten Uebungstage auf dem Uebungs platze zu erscheinen und seine Waffen im vorschrifts¬ mäßigen Stande zu halten , welches ihm befiehlt , auf den Beschluß des Parlaments unter dem Gemeinde¬ banner
in ' s
Feld zu ziehen , welches ihm bei Androhung
103 des Verlustes der bürgerlichen Ehre , bei öffentlicher Brandmarkung und Schande verbietet , in der Schlacht zu fliehen , die Waffen wegzuwerfen , sich schimpflich zu ergeben oder Verrath zu üben . Nur in diesen wenigen Fällen treffe ihn diese höchste Strafe des Gesetzes in kriegsrechtlichen Angelegenheiten : Verlust der bürger¬ lichen Ehre und öffentliche Schande . Verweigert er dem Vorgesetzten den ihm durch das Gesetz vorgeschrie¬ benen Gehorsam im Dienste , so wird er bestraft, wie bei jeder anderen Uebertretung eines bürgerlichen Ge¬ Persönliche Beleidigung des Vorgesetzten , so¬ setzes . bald keine Verletzung der Dienstpflicht damit verbunden ist , unterliegt , wenn das bürgerliche Gesetz keine be¬ züglichen Bestimmungen enthält , keiner Strafe . Bevor wir weiter schreiten , wollen wir zuerst noch der Worte eines hochgeschätzten deutschen Geschicht¬ schreibers , des geistreichen von Raumer über die Volks¬ bewaffnung der Amerikaner gedenken , um auch durch die unläugbare Wirklichkeit die Wahrheit des Gesagten zu begründen . In seinem Buche über die vereinigten Staaten von Nordamerika sagt er : „ Ein jeder europäische Offizier wird 3 bis 4 Uebungstage im Jahre für ungenügend erklären , den bisweilen stattfindenden Mangel an Uniformen tadeln , die Verschiedenheit der Bewaffnung rügen , das Neben in Hemdärmeln für anstößig halten , und es für ein schreckliches Verbrechen erklären , daß die Landwehr¬ männer zu ihrer Gemüthsergötzungden vornstehenden Herren Offizieren auch wohl einmal ( so erzählt man) Papierstreifen anhängen oder ihnen Zöpfe andrehen ; oder daß , wenn die Strafen des Ausbleibens einge-
104 zogen werden sollen , der klagende Beamte durch das künstlich herbeigeführte Gedränge nicht zur Gerichtsstube Vordringen kann , und deßhalb nach Versäumniß der Fristen abgewiesen wird . Ja in der neuen Verfassung von Neuj 'ersey wird es ( wie ich höre ) sogar den un¬ veräußerlichen Menschenrechten beigezählt , keine Strafe sür das Wegbleiben am Uebungstage zu bezahlen . Die hier angedeutete lustige Seite erregt fast nicht weniger Theilnahme als die ernste und das Ganze wird abge¬ macht , ohne daß sich strenger Gehorsam und harte Be¬ strafung irgendwo und wie bemerklich macht . Es wäre , sagen die Amerikaner , die größte Thorheit und die nutzloseste Verschwendung von Zeit , Kraft und Geld , wenn wir unsere Landwehr wie ein europäisches Heer einüben wollten . Sie würde uns noch theurer zu stehen kommen und völlig nutzlos sein . Buckingham fand dessenungeachtet die Landwehr Georgiens übt und gekleidet , daß er sie der pariser gleich stellt ; in Neuorleans
zeigte sich
(
so gut einge¬ Nationalgarde
gutentheils
unter
den französischen Einwohnern ) eine Vorliebe für kriege¬ rische Uebungen und Aufzüge und ich selbst habe an mehreren Orten Uebungen von Landwehrmännern ge¬ sehen , die man von europäischen Soldaten nicht unter¬ scheiden konnte . " Trotz dieser scheinbar ganz ungenügenden Uebungs zeit , trotz diesem Mangel aller Strenge und alles mili¬ tärischen Pli ' s , wie er den stehenden Heeren Europas eigen ist , lernten dennoch die Amerikaner , wie die Preu¬ ßen im Jahre 1813 , in dem letzten Kriege mit den Engländern „ binnen äußerst kurzer Zeit , was das Kriegshandwerk erheischt , und ihre Begeisterung be¬ wirkte , was
keine
mechanische Zucht
je hervortreiben
105
unter Jackson und kann . Sie erfochten bei Neuorleans an der kanadischen Grenze die glänzendsten Siege , selbst und General Har ' s Veteranen über Wellington rilon sah sich genöthigt , besonders mit Bezug auf die aus Kentucky , den überraschenden Befehl zu Landwehr und bezähmen ihre Kühnheit erlassen : sie sollten ." ermäßigen Kriegseifer ihren unaufhaltsamen Wann wäre dieß je einmal bei einem stehenden Heere zur Nothwendigkeit geworden ? In jedem Kriege , der mit stehenden Heeren geführt wird , kostet es anfäng¬ viel Mühe , um die durch lich immer außerordentlich erdrückte moralische Kraft die starre Hülle der Disziplin und an Entsagungen zu wecken , um den Soldaten Entbehrungen , an Kaltblütigkeit in der Schlacht zu ge¬ müssen angewendet Die künstlichsten Mittel wöhnen . und hat sich der Soldat werden , um sie hervorzurufen des stehenden Heeres einmal in die neue Selbständig¬ keit hineingelebt , hat er einsehen gelernt , daß ohne seine freiwirkende Selbstthätigkeit , wenn er sich , wie ehedem im Frieden , als Schachstein gebärdet , nichts Großes geleistet werden kann , so artet diese Selbständigkeit auch alsobald in ein wildes soldatisches Räuberwesen und dessen Wirkungen aus , dessen Eigenthümlichkeiten wir in den letzten großen europäischen Kriegen genug¬ keine edle vater¬ Denn sam kennen gelernt haben . Gesittung ländische Begeisterung , keine bürgerfreundliche verleiht ihm einen inneren Halt , sondern es beseelt ihn und nur ein gemachter , leerer Schlachtenenthusiasmus der rohe barbarische Geist des stehenden Heeres , ent¬ der Friedensdis¬ Formen fesselt von den zwängenden ziplin , wirft sich nun das waffenlose Volk .
in seiner
ganzen Brutalität
auf
106 Seit Entstehung der Söldnerheere und so lange stehende Heere die Welt bedrücken , hören wir jedesmal wieder den Nothschrei bis auf ' s Blut gepeinigter Völker, sobald die Drangsale des Krieges sich über sie ergießen . Werden sie sich noch länger peinigen lassen ? Ich glaube es nicht . Alle Zeichen der Gegenwart geben mir stille Kunde von der Zukunft . Der erste Kanonendonner , welcher wieder aus den Feuerschlünden der stehenden Heere zu gegenseitiger Vernichtung dröhnt ist der Weckruf der Völker , der begeisternde Weckruf zur — Selbstbewaff¬ nung . werden
Die rohen Faustschläge der stehenden Heere , wie ehedem die scheußliche Brutalität der Söldnerheere , aus der Masse den zündenden Funken schlagen , der zur Volksbewaffnung aufflammen wird . „ Ein amerikanischer Matrose , der zu englischem Dienste gepreßt ward , hieb sich eine Hand ab , um sich unfähig zu machen den Feinden seines Vaterlandes zu dienen , und sagte : reicht dies nicht aus , so habe ich noch eine Hand , um mir den Fuß abzuhauen . Die römische Gesinnung dieses Matrosen , welche nicht ( wie die des Mucius Scävola ) mit einem Verbrechen Ln Verbindung stand , der begeisterte Muth jener Landwehr , läßt sich keineswegs durch das Drillen auf dem Uebungs platze beibringen , und aus der rechten Erkenntniß und Würdigung des unschätzbaren Friedens schlägt die Flamme echter Tapferkeit weit reiner und wirksamer hervor, als aus der Vorliebe für lange verwüstende Kriege . Auf ihren Seereisen und dem gefahrvollen Missisippi, bei den Kämpfen und Entbehrungen in Sümpfen und Wäldern , bedürfen die Amerikaner eines nachhaltigen Muthes des Willens und Charakters , der sich seltener findet und seltener anerkannt wird , als die bloße Krieges -
107 tapferkeit . Sie sind die größten friedlichen welche die Geschichte kennt . Ueberhaupt da der löblichste , edelste Muth , wo man
Eroberer , offenbart sich ( von höheren Ansichten über die Bestimmung des Einzelnen und der Völker durchdrungen , von würdigeren Ueberzeugungen gestützt ) es wagt , den eitlen Ruhm , die ^ loirs des krie¬ gerischen Eroberns und Zerstörens zu verschmähen . Diese Friedenstapferkeit überbietet alle mit Ueberreizung verbundene Kriegestapferkeit , und was das germanische Nordamerika verherrlicht , hat Südamerika noch nicht sich anzueignen gewußt . Und nun gar Europa , wo des redlichen Pestalozzi Wort nur zu wahr ist : „ Viele haben an der Paradestellung müßiggängerischer Soldaten mehr Freude , wissen ihr Dekorum und ihren Prunk besser zu beurtheilen , und schätzen es höher , als den Werth des Bürgerfleißes und der Bürgerehre . " Um auch die Gegenwart nicht zu vergessen , so wolle sich der Leser noch an die ihm wohl bekannten Ereignisse des gegenwärtigen amerikanisch - mexikanischen Krieges erinnern , an die Schlacht von Matamoras , an Buena Vista , in welcher 5000 meist freiwillige Amerikaner ( unter Taylor ' s Heer befanden sich nur 7 Compagnieen regulärer Truppen ) ein wohldisziplinirtes mexikanisches Heer von 23 , 000 Mann regulärer Truppen unter dem unmittelbaren Befehle Santa Anna ' s in die Flucht schlugen , an Monterey , welches von 14 , 000 Mexikanern des stehenden Heeres vertheidigt , durch 5 , 000 frei¬ willige Amerikaner erstürmt wurde u . s . w . Und doch hat dieser Krieg keine allgemeine nationale Be¬ deutung , ja in Neu - England , so wie auch in New - Aork , Pensylvanien und selbst in mehreren westlichen Staaten ist dieser Krieg sogar höchst unpopulär , weßhalb denn
108 auch die Armee der vereinigten Staaten zum großen Theil aus ganz ungeübten Freiwilligen , die noch vor 8 — 10 Monaten hinter dem Pfluge einherschritten oder in den Urwäldern nach Raub und Jagd streiften , wildes undisziplinirtes Volk , nicht aus einer im Frieden zu¬ sammengesetzten und geübten , von der Begeisterung für ' s Vaterland durchdrungenen aufopfernden Landwehr besteht . Unsere gedankenreiche Gegenwart unterläßt hiebei nicht , in demselben Kriege , nach Verlauf weniger Mo¬ nate den Beweis zu führen , daß , sobald die Nation Ln einem Kriege aufgestachelt wird , selbst ein Volk wie das amerikanische , Heerinstitutionen wie die amerikanischen , nicht mehr unfehlbar sind . Nur so lange als das stehende Heer der Mexikaner den Amerikanern gegen¬ überstund , war das amerikanische , freiwillige , ge¬ worbene Heer glücklich . Als sich aber das National¬ gefühl der Mexikaner zu regen begann , als sich allent¬ halben Guerillabanden bildeten , da trafen die Amerikaner auf stärkeren Widerstand . Jeder Eroberungskrieg ist ungerecht und jeder Angriffskrieg zu verwerfen , sobald die Existenz der Nation nicht gefährdet ist . Ist dieß aber in Wirklichkeit der Fall und eine Wahrung der Nationalintereffen
auf keine andere Weise mehr möglich
als durch einen Angriffskrieg , dann sollte auch stets die Nation in Person auftreten und keine geworbenen Söldner schicken wie es gegenwärtig Amerika thut . So großartig und nachahmungswürdig die Nordamerikaner in ihren Freiheitskämpfen sich bewiesen , so verabscheuungswürdig sind die Erscheinungen , welche das amerikanische Heer in dem gegenwärtigen mexikanischen Kriege darbietet , welcher nicht mit dem edeln zeitgemäßen Institute der Landwehr unternommen werden durfte , sondern mit
109
wilden , in die Cadres des kleinen stehenden Heeres eingeschachtelten Söldnerbanden geführt werden muß . Nach wenigen Monaten traten in dem amerikanischen Heere — die bezüglichen Berichte werden unfern Lesern noch wohl im Gedächtniß stehen — neben den barba¬ rischen Rohheiten eines stehenden Heeres * ) , die ein solches , mag es nun beschaffen sein wie es will , im Kriege immer produziren wird , alle Scheußlichkeiten roher , zusammengeraffter Sölvnerhaufen zu Tage . Welche unbezwingliche Kraft könnte man in Deutsch¬ land erwecken , wenn man es verstünde oder vielmehr eS verstehen wollte , durch eine vernünftige Volksbe¬ waffnung , durch zeitgemäße Institutionen Jedem , auch dem Geringsten des Volkes jenes Gefühl von Selbst¬ ständigkeit , jene freie Männlichkeit einzuflößen , welche der freie , hauptsächlich aus England und Deutschland stammende Amerikaner besitzt !
XLV
Militärische Bildung . WaS man nicht weiß , das eben brauchte man . Und was man weiß , kann man nicht brauchen . Göthr .
Nur Europa
ein stehendes Heer , nach den gegenwärtig Ln herrschenden Begriffen bedarf ständige Offiziere
' ) Nordamerika besitzt bekanntlich neben der Landwehr noch ein kleines stehendes Heer , das sich jedoch trotz des ungeheuer » Umfang der Freistaaten , während des Friedens kaum auf ? — övvO Man » beläuft .
110 und Unteroffiziere , welche ausschließlich zum Kriegs¬ handwerk erzogen werden , weil nur in einem solchen der ganze unnütze Ballast von ausgedehnten GarnisonS und Dienstreglements , Militärcomplimentirbüchern , In¬ struktionen für jede auch die unbedeutendste Verrichtung , das ganze hohle nichtssagende Tabettenwesen nachge¬ schleppt wird oder vielmehr nachgeschkeppt werden muß , um den Glauben an die stehenden Heere aufrecht zu erhalten . Wollte man in einem stehenden Heere alle Einrichtungen nichts übrig eigentlichen
so umwandeln , daß in den Vorschriften bliebe , als was in Wahrheit mit dem Zwecke des Soldatenstandes
,
Brauchbarkeit
im Kriege , vereinbar ist, so würde die Menge alsobald und ohne viel darüber Nachdenken zu müssen , auf den Gedanken gerathen , daß zu solchen Dingen eben nicht viel Gelehrsamkeit gehöre , und man könnte die Ent¬ behrlichkeit der stehenden Heere , die Möglichkeit einer Volksbewaffnung , nicht überzeugender demonstriren als durch eine solche Maaßregel . Um dieß zu verhüten , verschanzt man sich nun in jenem Bollwerk von Vor¬ schriften , gegen welche der gesunde Menschenverstand bisher vergebens angestrebt hat . Jedes Jahr wird eine ueue Verschanzung angelegt , jedes Jahr ein neues System , eine neue Ererzirvorschrift oder dgl . , erfunden , in dessen verwickelten Fäden fangen weiß . Man
man alle Gegengründe geschickt zu erschafft Hunderte von Commissionen ,
die ein unverantwortliches Geld kosten , zur Untersuchung von Gegenständen , die zum Heil des Vaterlandes besser ununtersucht blieben . Dian macht sich nach allen Seiten hin breit und thut so unendlich liche Meinung , wenn täubt
stille schweigt
wichtig , daß die öffent¬
auch nicht überzeugt , doch über und
man
die alte Maschine , daö
111 stehende Heer , ihr lächerlich altmodisches Geklapper wider Willen forttreiben lassen muß . Die wichtigste Folgerung solcher Maaßregeln ist, wie bereits angedeutet wurde , das Bedürfniß einer großen Anzahl von geübten Unteroffizieren und insbe¬ sondere eines eigenen Standes von Offizieren , welche zum Kriege erzogen werden und den Krieg zu ihrem Lebenslauf machen . Die Offiziere der stehenden Heere sind die Grund - und Strebepfeiler der ganzen Militär¬ hierarchie . Kastenmäßige Abschließung vom Bürgerstande , unterstützt durch eingeimpfte Standesvorurtheile , durch Ungleichheit vor dem Gesetze und eine alles allgemeine erleuchtende Wissen ausschließende Erziehung , soll mög¬ lichst verhüten , daß in das stehende Heer nicht jene gefährlichen reformatorischen Säfte eindringen können , welche unausbleiblich eine völlige Umgestaltung des Körpers herbeiführen müssen . Der große Strom der Zeit wühlt indeß so mächtig , daß er bereits auch einen Theil der Strebepfeiler jenes alten Gebäudes locker gemacht hat und schon ist es möglich geworden , daß das Auge der öffentlichen Meinung etwas weiter hinunter¬ blicken kann durch die Ritzen und Spalten jenes Baues auf sein leichtes Fundament Stoff . Wenn mir nun einzelne
von gänzlich
unhaltbarem
Militärhierarchen vielleicht auch zugeben , daß der Stand der Unteroffiziere so wie der Dienststand im Allgemeinen ohne Nachtheil verkleinert werden könne , so sagen sie aber unfehlbar : Ein großes ständiges , in den Kriegswiffenschaften bewandertes Of¬ fizierskorps müssen wir durchaus besitzen , sie sind die Träger der Kriegswissenschaft und ohne einen solchen Stand würde ja an eine Fortbildung der Wissenschaft
112 gar nicht zu denken sein . Der Leser wird aus einigen früheren Kapiteln ungefähr entnommen haben , was von Wir werden zu halten ist . einer solchen Aeußerung übrigens noch näher darauf eingehen . des Krieges betrifft , Auch was die Wissenschaft mit einem entgegne ich , hat uns die Militärhierarchie um¬ Gespinnst von Vorurtheilen fast undurchdringlichen zogen . In den langen Ruhezeiten , welche ihnen der Frieden gönnte , haben die stehenden Heere die soge¬ in eine solche Menge von nannte Kriegswissenschaft Fächern gespalten und zu einer solchen scheinbaren Be¬ deutung gehoben , daß man es heutzutage geradezu für unmöglich erklärt , neben dem Offizier noch etwas Anderes sein zu können als Soldat , noch etwas Anderes treiben Ohne historisch zu können als Militärwissenschaften . Nachweisen zu wollen , wie sich dieses Friedensbedürfniß allmählig gebildet hat , wollen wir nur untersuchen , was denn eigentlich zu einem guten Feldoffizier gehört , um beweisen zu können , daß man auch in einem Volksheere gute und noch bessere Führer haben könne , .wie in den stehenden Heeren . oder Feldherren , dieß lehrt die Strategen Große Geschichte aller Zeiten und die tägliche Erfahrung , und auf Ln Kadettenhäusern werden am allerwenigsten Kriegsschulen gebildet . Dieß ist schon so oft gesagt und dargethan worden , daß es mir unnöthig erscheint , die Wahrheit dieses Satzes an diesem Orte zu beweisen . Aber auch gute Taktiker , dieß will man nicht allenthalben gelten lassen , werden wahrlich nicht Ln den Militär¬ schulen gebildet . Alles was auf unseren Militäranstalten gelehrt wird , nützt dem Offizier in dieser Beziehung für den Krieg ebensoviel oder so wenig als dem Jäger -
113 Spiranten eine Vorlesung über die Gebrauchsweise der Büchse zum Sichertreffen verhilft . Gerade so , wie man
«
ohne ursprüngliche natürliche Anlagen kein guter Jäger werden kann , so ist es auch rein unmöglich , ohne solche Anlagen ein guter Taktiker zu werden und hätte man alle Lehrbücher und Systeme seit Erschaffung der Welt im Kopfe . Der Taktiker ist der Jäger im Großen . Er hat ganz dieselben Grundeigenschaften wie dieser . Ein richtiger scharfer Blick verräth ihm die Anlagen und inneren Schwächen seines Feindes . Er besitzt Schlauheit zur Täuschung desselben und weiß seine Waffe , das ist , den ihm anvertrauten Truppentheil mit natürlichem angeborenem Geschick zu führen , welches nur geringer Uebung bedarf , um den Besitzer zur Vir¬ tuosität gelangen zu lassen . Aber wie man nur durch den
wirklichen
Gebrauch
der
Büchse
auf
der
Jagd
ein guter Jäger werden kann , so wird man auch nur im Felde ein guter Taktiker , wenn anders die natür¬ lichen Anlagen dazu vorhanden sind . Auch der vor¬ trefflichste Scheibenschütze kann , wenn er mit dem schlauen und vorsichtigen Wild zu thun hat ein sehr hölzernes , untaugliches Geschöpf sein , und ein ausgezeichneter Ge birgsschütze von ganz gewöhnlicher Bildung , der bei einem gesunden Menschenverstände mit den allgemeinen Formen der Bewaffnung vertraut ist und eine klare Anschauung von dem inneren Getriebe einer Schlacht¬ ordnung besitzt , kann den studirtesten Taktiker aus dem Felde schlagen und wüßte dieser auch durch Beispiele aus allen Schlachten , die seit Cäsar ' s Zeiten geschlagen wurden , höchst scharfsinnig darzuthun , wie man sich in diesem oder jenem Falle , bei dieser oder jener Terrain¬ beschaffenheit aufstellen , welche Anordnungen
man treffen 6
114
müsse , um unfehlbar zu siegen . Die Erfahrung der letzten Feldzüge hat es gelehrt , daß Unteroffiziere von ganz gemeiner Herkunft , die nichts besaßen , als einen praktischen Blick und einen natürlichen Verstand gewöhn¬ lich viel bessere Dienste leisteten als die superklugen Herrchen aus dem Kadettenhause . Nicht selten kam es daher auch vor , daß man da , wo es einen schwierigen Posten , eine sehr gefährliche und wichtige Feldwache u . dgl . zu besetzen galt , den Befehl Unteroffizieren übergab , trotz den Bestimmungen des Dienstreglements , welches verlangt , daß solche Posten Offizieren anvertraut werden sollen .
Aber Befestigungskunst , Belagerungskunst , Artillerie¬ wesen , Geschützkunde , Waffenwesen ? wird man mich fragen . Ich antworte ganz einfach : Ein Volksheer braucht keine Festungen *) , wenigstens hat es nicht nöthig , Festungen zu bauen und zu vertheidigen . Jede männliche Brust im Volksheer ist ein Wall für ' s Vater¬ land . Was die Belagerungen feindlicher Festungen an¬ belangt , so ist dieß nur im Eroberungskriege der Fall , der dem Wesen und der Bestimmung eines Volksheeres durchaus zuwider ist . Bei einer Wiedereroberung ge¬ raubter Länderstrecken würde es bei der Ueberzahl des Volksheeres leicht auszuführen sein , vor jeder Festung ein starkes Blokadecorps stehen zu lassen und dennoch mit der übrigen Armee das offene Land zu erobern . Sobald das offene Land in unserem Besitze ist , insbe¬ sondere wenn die Einwohnerschaft mit uns spmpathisirt , ' ) D - h . keine Festungen im gewöhnlichen Sinne dieses Wortes Daß man Gebirgspasse u . dgl . auch bei einer Volksbewaffnung mit starken Feldverschanzungen versteht , versteht sich wohl von selbst . Wik haben dieß in dem letzten Kapitel dieses Buchs ange deutet .
115 kann sich kerne Festung mehr halten . Was die Her und rkchtung der Feldverschanzungen , die Anfertigung der Feldgeschütze so wie das Waffenwesen Bedienung anbelangt , so werden wir in dem letzten überhaupt Kapitel das Nähere auseinandersetzen . Ganz anders verhält es sich in Bezug auf eine Eine . Bildung wissenschaftliche allgemeine unentbehrlich , Truppenführer solche ist dem höheren wenn er seine Stelle in jeder Beziehung ausfüllen will . in Bezug auf Sie ist ganz besonders von Bedeutung dessen , was eine richtige Auffassung und Verarbeitung von jungen Hunderte gehört . zum Kriegführen aus dem Civilstande beschäftigen sich , ohne Männern mit irgend einen Zweck , aus eigenem innerem Berufe allgemeine eine sie Besitzen . den Kriegswissenschaften wissenschaftliche Bildung , so gelangen sie vermöge einer praktischen Idee vom Kriege , die Jedem , allgemeinen hat , eingeboren ist , schnell auf den der Kriegsberuf Kern der Sache , zu dem eigentlichen Punkt , auf welchen es vorzüglich ankömmt , indem sie alles unnütze be fangende Wissen , mit dem uns der Geist früherer Jahr¬ hunderte beschwert hat , von einem richtigen Gefühl ge¬ Die unreifen jungen leitet , auszuscheiden vermögen Leute hingegen , wie man sie heutzutage zu Offizieren macht , müssen sich v ^ möge der aus der Militärschule mitgebrachten Befangenheit , mühsam durch einen Wust
») Daß es uns nicht einfallen kann , die Pflege der Militärwissen¬ zu von jungen Leuten , dem DillelantismuS schaft bl «s der Liebhaberei überlassen , versteht sich wohl von selbst . Das , was wir hier sagen , wissenschaftlichen einer allgemeinen bezieht sich mehr auf den Werth als auf die Kriegskunst der höheren kür das Verstandniß Bildung des VolksheereS über das Erziehungswesen An erziehung . Andeutungen werden . sollen weiter unten mitgetheilt
116 von überflüssigen
gemachten
Lehren , durch
einen
be¬
täubenden Wissensqualm hindurch arbeiten , um endlich bei vorgerückten Jahren besten Falls einzusehen , daß Alles , was sie gelernt haben , nichts als unnützer Ballast ist, der ihnen vor dem Feinde gerade so viel , wenigstens nicht viel mehr hilft als hätten sie Collegia über Juris¬ prudenz gehört . So haben denn unsere vielen und theuern Militärschulen ihrer gegenwärtigen Ein¬ richtung nach gar keinen vernünftigen Zweck . Anstatt einen wirklichen nachhaltigen Nutzen zu gewähren , ver¬ derben und verpfuschen sie durch die Pflege einer ganz falschen , durch die Brille der Gelehrsamkeit erzeugten Ansicht vom Kriege jeglichen guten Stoff , der vielleicht in den jungen , sich dem Kriegsdienste widmenden Män¬ nern vorhanden ist . In dem Berichte der zur Prüfung der amerikanischen Offizierschule in Westpoint aufgestellten Commission vom Jahre 1842 heißt es sehr weise : „ Der Cadet soll so erzogen werden , daß er Liebe und Geschmack gewinnt für alle freien Studien , und daß ihn der Wunsch durch¬ dringt , jeden Augenblick der Muße zu benutzen für die Veredlung seines Geistes und die Verbreitung einer höheren Bildung . " Hören wir ferner was Raumer von der Beschäfti¬ gung der Offiziere des kleinen Fehenden , aus lauter Freiwilligen zusammengesetzten amerikanischen Heeres sagt , dessen Stärke , trotz des ungeheuer » Umfangs der nordamerikanischen Staaten * ) sich währenddes Friedens nach mittleren Angaben auf 7 — 8000 Mann , also kaum so hoch als das stehende Heer eines der kleineren *)
Ungefähr
l 12, 000 Quadratmeilen
.
117 deutschen Bundesstaaten beläuft . „ Es »st merkwürdig und charakteristisch , daß man in Europa die Besetzung der Städte , insbesondere der größeren , zur Erhaltung der Ordnung und des Gehorsams für schlechterdings nothwendig hält ; während in Amerika gar keine Soldaten in die Städte gelegt , sondern alle an den Gränzen und in den Wäldern vertheilt sind . In diesen , zum Theil gegen die Indianer befestigten Standquartieren bleibt den Offizieren neben mancher Anstrengung doch noch Muße genug , an 80 Stellen vielen wissenschaftlichen , meist physikalischen Aufträgen Genüge zu leisten , und Beobachtungen anzustellen mit Barometern , Thermome¬ tern , Hygrometern u . dgl . Die erfreulichen Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Thätigkeit der gut unterrichteten Offiziere haben viele Dinge für Nordamerika in ' s Klare gebracht , wozu es in Europa an Beobachtern ähnlicher Art mangelt . " In den laufenden Ausgabeposten für das stehende Heer der Amerikaner befinden sich 587 , 000 Dollars , für Wegebesserung , 71 , 000 für Vermessungen , 116 , 000 für Leuchtthürme , 1 , 713 , 000 für Ströme und Häfen . s. w . Man wird mir beistimmen , wenn ich sage , daß solche Beschäftigungen ersprießlicher sind , als wenn man die Zeit nutzlos mit den Erbärmlichkeiten des u
Ererzirplatzes und der Kaserne , mit den tagdiebischen Beschäftigungen des Garnisonsdienstes hinbringt . Für ein solches stehendes Heer müßte jedes Volk seinem Fürsten dankbar sein . Statt dessen unterhält die östreichische Monarchie allein , auf einem Flächenraume von 12 , 156 Quadratmeilen , eine stehende Landmacht von
271 , 404
sammtzahl
Streitern
.
des preußischen
Rechnet
man
hiezu
stehenden Heeres
die Ge -
und die der
118 übrigen deutschen Armeen , so resultirt ( die Landwehr uneingerechneO eine Anzahl von 562 , 638 Mann stehender Truppen auf einer Fläche von 21 , 766 Quadratmeilen , also auf einem 5mal kleineren Raum als Nordamerika eine fast lOOmal größere stehende Heeresmacht als sie Nordamerika besitzt , eine Menschenkraft , die zu gar nichts anderem benutzt wird als zu nutzlosem maschinen¬ mäßigem Drillen , zu Garnisonsspielereien , Schildwache¬ stehen und zu ähnlichen lichen Dingen .
unersprießlichen
und
unerquick¬
Sind jene natürlichen Anlagen durch eine solche allgemeine , veredelte und praktische Bildung , die allen unnützen gelehrten Plunder über Bord wirft , gehoben , dann bedarf es keiner Belehrung mehr , um noch Vor¬ züglicheres zu leisten , als die aus den niedersten Ver¬ hältnissen in ganz kurzer Zeit emporgewachsenen , nur durch die Schlacht gebildeten Marschälle und Generale Napoleons ; vann ist auch der moralische Einfluß , der Truppenführer , den man in unseren stehenden Heeren so wenig gelten lassen will , der aber von der höchsten Bedeutung im Kriege ist , zum Voraus gesichert . Man sehe nur um sich in unserem gesegneten deutschen Vaterlande . Wer sich nur einigermaßen mit den inneren Zuständen unserer stehenden Heere vertraut gemacht hat , dem wird gar bald dieser faule Fleck sichtbar werden . Ueberall Mißmuth der Subalternen über rohe ungebildete Vorgesetzte , die , weil sie nichts besitzen , der Bildung ihrer Untergebenen die Wagschaale zu halten und einen moralischen Einfluß auf sie zu gewinnen , sich an den starren Formen des Dienstes , als dem letzten Noth anker festklammern Vernunft und alles
und mit ihrer Hülfe alle gesunde frische Leben todtschlagen . In der
119
höchsten Vollendung des ihrer Beschränktheit allein zu¬ gänglichen Kamaschendienstes , in dessen alltäglichem Einerlei sie sich bereits seit einem halben Jahrhundert Herumgetrieben haben , der ihnen Alles ersetzen muß , was ihnen an lebendigem praktischen Sinn für die Führung ihrer Abtheilung im Felde abgeht , suchen und finden sie leider auch ihre einzige Rettung . Was soll unter solchen Verhältnissen , wo der Vor¬ gesetzte weder taktische Fähigkeit , noch allgemeine Bil¬ dung , nichts als .eine bis in ' s Abgeschmackteste gehende Kenntniß von den lächerlichen Formen des Garnisons¬ dienstes , den Plackereien des Kasernenlebens und all den Erbärmlichkeiten des Putzens , Wichsens und La kirens besitzt , deren Werth sie nicht genug erheben können , weil sie wohl wissen , daß wenn dieses Blendwerk von den Augen der Menschheit genommen sein wird , ihr letzter Stern für immer untersinkt , was soll unter sol¬ chen Umständen , sage ich , Großes von einer Truppe geschehen ? Abgesehen von der Wirkung solcher Ver¬ hältnisse ' im Felde wird schon im Frieden Alles nur mit Widerwillen gethan , was der Vorgesetzte befiehlt . Der Untergebene ist glücklich , wenn er an seinem Vor¬ gesetzten irgend eine Schwäche entdeckt, wenn sich derselbe Ln irgend einer Angelegenheit , die etwas mehr als den gewöhnlichen Verstand und die gewöhnliche Bildung in Anspruch nimmt , lächerlich macht , denn dieß ist fast seine einzige Genugrhuung , welche er sich für den von oben geduldeten , ja gerne gesehenen Druck , für die tausendfältigen unerträglichen Gemeinheiten , für die Herabwürdigungen seines inneren Menschen verschaffen kann , die sich sein Vorgesetzter im Dienste und unter den Waffen ungestraft erlauben darf . Es nährt sich in den
120
besseren Gemächern ein stiller Unmuch , eine stille Wider¬ spenstigkeit , welche durch den festen Zusammenhalt , den gleiche Leiden bewirken , noch erhöht wird , welche all mählig zu einem nicht mehr auszumerzenden Oppositions¬ geiste , zu einem , dem Geiste des stehenden Heeres ganz widersprechenden revolutionären Sinn ausartet . So wirkt denn in unseren deutschen stehenden Heeren Alles zusammen , um ihnen auch die letzte Kraft zu rau¬ ben , welche sie gegenwärtig noch bei einer durchgreifen¬ den zeitgemäßen Umbildung , ähnlich dem französischen Heere haben könnten und die Geschichte wird nicht
unterlassen , die Lehren zu vervollständigen , welche uns die französische Revolution und die Kaiserkriege hinter¬ lassen haben . Möge es dann , wir wünschen es zum Heile unserer Fürsten , nicht zu spät sein , den unzäh¬ ligen Mahnungen , Wünschen und Lehren , welche nun seit dreißig Jahren ein williges Gehör
vergebens an zu schenken .
sie gerichtet
werden ,
Soll ich nun , nachdem wir gesehen haben , daß das stehende Heer eine ganz unfähige Schutzwehr gegen den Andrang eines von der frei wirkenden Kraft und dem Muthe , welchen Freiheitsliebe und Nationalbewußtsein verleihen , gehobenen Volksheeres ist, nachdem wir die völ¬ lige Nutzlosigkeit der veralteten Formen des stehenden Heeres nachgewiesen haben , nachdem wir bewiesen haben , daß mit der fortschreitenden Entwicklung des Volkslebens , mit den Erfindungen der Gegenwart , eine volksthümliche Kampfweise im nächsten Bezug steht , daß sogar eine ganz erbärmliche
Friedensspielerei
die mit so großer Sorgfalt
121 gehegte und gepflegte Friedensdressur und Disziplin um¬ zuwerfen im Stande ist , daß die sogenannte militärische Disziplin , anstatt den Geist des Kriegers zu heben und zu stärken , ihn herabdrückt und jeden Aufschwung zür großen begeisterten That im ernsten Augenblicke rein unmöglich macht u . s. w . , soll ich nun nach allem diesem noch mehr zur Begründung des Verlangens nach Wehrhaftmachung des Volkes sagen ? Soll ich nun noch jene halbver¬ klungenen Geschichten nacherzählen , welche ich dem Munde der alten , im Sturme der Schlachten ergrauten Männer mit den ernsten ehrfurchtgebietenden , von der Sonne Spaniens und von dem eisigen Hauche der russischen Schneefelder gefurchten Gesichtern ablauschte ? Ich glaube kaum , daß es nöthig sein wird . Aber meine Entrüstung über die schmähliche Täuschung kann ich nicht verhehlen , in der man vorzugsweise in Deutschland selbst die Ge¬ bildetsten hält , indem man ihnen die Notwendigkeit unserer heutigen Soldatenspielereien so eindringlich dar¬ stellt , daß sie keine Gegenrede wagen . Es ist an der Zeit , daß die Männer , welche den Beruf dazu in sich tragen , endlich mit Ernst auf eine Volksbewaffnung dringen , daß sie mit klarer Ueberzeugung die Notwendigkeit einer Verminderung der stehenden Heere beweisen , noch schär¬ fer und bestimmter , als ich es zu thun vermochte , die Nutzlosigkeit eines solchen und seines ganzen altmodischen langgehegten Krams darstellen . Es ist aber auch an der Zeit , daß man sich nicht mehr wie früher durch Vorschläge sogenannter Volksbewaffnungssysteme über¬ tölpeln lasse , welche , weit entfernt einen Schritt weiter auf dem Wege zur Volksbewaffnung zu bringen , nur eine Erhöhung des stehenden Heeres bezwecken . Lasse man lieber den ganzen
Gedanken
an
eine Volksbewaff -
122
nung fahren , als daß man sich zu einer solchen Maaß regel verstünde . Die Zeit wird nicht ausbleiben , wo geleitet , Deutschland , von einer schmählichen Politik eroberungs¬ und kriegslustiger den Anfällen wieder süchtiger Nachbarn ausgesetzt sein wird . Wenn unsere stehenden Heere fast allenthalben geschlagen sein werden , dann wird das erwachte Volk aufstehen und aus eige¬ nem Antriebe die Waffen ergreifen . Dann wird es den führen , für eine Volksbewaffnung praktischen Beweis trotz aller Anmahnungen welchen unsere Negierungen wollten . Um Schützen - und Turn¬ nicht anerkennen schaaren sich der Feuerwehren fahnen , um die Banner von der des Rettung zur dann die ächten Wehrmänner altklugen Weisheit der Herren vom stehenden Heere im Stiche gelassenen Vaterlandes . Aus der Blut - und Feuer¬ taufe der Schlachten wird dann das Volksheer einem gewappneten Riesen gleich hervorschreiten , und die Jahr¬ hunderte lang unterdrückte Wahrheit von seinem ehernen Schilde so glänzend widerstrahlen , daß der ganze ver¬ der stehenden Heere wie Theater¬ blendende Flittertand putz am Sonnenschein erbleichen und der Welt in seiner ganzen Hohlheit und Nichtigkeit erscheinen wird .
irr
XV . Das Bolkshcer . Hochwachten stellet aus auf euren Bergen , Daß sich der Bund zum Bunde rasch versammle . Schiller .
Die wahre zeitgemäße Form einer Volksbewaffnung , wissen , nur vom Volke selbst gefunden wer¬ den , sie muß gleichsam auö demselben hervorwachsen . Ausführliche Volksbewaffnungssysteme haben daher im¬ mer etwas Unpraktisches , sobald sie etwas vorschreiben , was nicht auf bereits vorhandenen volksthümlichen Formen beruht . Nur bei Benutzung des gegebenen Volksthümlichen lassen sich praktische Vorschläge machen . Wir werden uns deßhalb in diesem letzten Kapitel nur bestreben , die gewonnenen Resultate zur Darstellung eines einfachen , natürlichen , eines volksthümlichen Bildes , nicht zu weitläufigen Gesetzesvorschlägen zu benutzen . Dieses Bild soll nur Winke geben und die Ueberzeugung von der Möglichkeit einer Volksbewaffnung noch fester in dem Leser gestalten . Des Abendländers volkSthümliche Kampfweise ist die Kampfweise zu Fuß . Erst durch die Nachahmung volks¬ tümlicher asiatischer Kampfweise entstand die Reiterei im Abendlande , zuerst die griechische und römische Rei¬ terei . Die späteren Römer hatten in ihren stehenden Heeren die beste Reiterei von der Welt , nicht allein einheimische , sondern auch geworbene asiatische National¬ reiterei , und dennoch gieng Rom zu Grunde bei dem kann wie wir
124
Andrange der schlechtbewaffneten , schlechtgekleideten , zu Fuß fechtenden Germanen . „ Kein imposanteres Schauspiel Ln der Geschichte , " sagt Notteck , „ als der Fall des weltbeherrschenden Rom . Hundert Nationen , unter seinem Scepter zu einem fest verbundenen und wohlgeordneten Ganzen vereinbatt ; die Hülfsquetten und Streilkräfte der schönsten , reichsten , bestverwahrten Länder dreier Erdtheile ; alle Verfeinerung der erfah¬ rensten Staatekunst , alle Vortheile des gelehrten und festorganisirten Kriegswesens ; eine stehende Heersmacht dreimal größer als jene , womit Nom einstens die Welt bezwungen — Alles das überwältigt , erdrückt , zerstört durch die Schlachthaufen armer , barbarischer , unter einander nur lose verbundener , doch mit voller ungeschwächter Naturkraft , und in Nation almassett streitender Stämme " . Infanterie , Fußvolk , und zwar mit vorzüglichen Ge¬ wehren und Büchsen bewaffnetes , schießfertigcs Fußvolk ist daher die eigentliche Kraft des heutigen Volksheeres . Ein abendländisches Volksheer bedarf keiner Reiterei , denn die Reiterei des stehenden Heeres ist ohnedieß unserem Volksschützen gegenüber schon verloren . Reiterei nützt dem Volksheere daher zu nichts , im Gegentheil sie wird die eigenthümliche natürliche Kraft desselben schwächen . In pferdereichen Gegenden indessen mögen sich immer¬ hin freiwillige Reitercompagnieen unter selbst gewählten Anführern bilden . Sie dienen im Kriege zu Kundschaf¬ tern und Ueberbringern von Befehlen ( Adjutanten ) . Zum eigentlichen Kämpfen taugen sie nicht . Das Volksheer hat nur Feldartillerie , leichte Geschütze , deren Anzahl nicht allzugroß sein darf . Be¬ lagerungsgeschütz
ist im Volksheere
eben
so unnöthig
125 wie die Reiterei . Millionen Festungen hinausgeworfen .
werden Besäßen
in Deutschland für wir eine wahre
Greift Volksbewaffnung , man könnte sie sparen . * ) uns der Feind an , so ist das ganze Land eine lebendige Festungsmauer . Eine zahllose Reihe von Festungen zie¬ hen sich längs der Gränze hin , decken auf kurzen Zwi¬ schenräumen das ganze Land , denn in jeder Stadt , in jedem Dorf , in jedem Thal , auf jeder Höhe weht ein Bevölkerung Banner , um das sich die waffenfähige mit dem auf¬ schaart und unter erfahrenen Anführern opferndsten Muthe jede Scholle des gefährdeten Eigen¬ thums vertheidigt . Solche Festungen sind stärker als jene Ungeheuern gemauerten geldkostenden Bastionen , die vom Feinde besten Falls in vier Wochen genommen wer¬ den und durch die derselbe überdies nicht gehindert wer¬ den kann mit dem Gros seiner Armee weiter in das Volks¬ des Artillerie vorzudringen . Die zum größten Theile aus den Ge¬ entspringt heeres , aus den Büchsen¬ wehr - und Geschützfabriken die erhält Sie . Städte der macherinnungen wichtigsten , zu besetzenden Punkte schon während des bezeichnet , um bei anbrechendem Kampfe sich Friedens alsogleich an Ort und Stelle begeben zu können . Das Uebung als die keine größere Feldgeschütz erfordert Büchse . Auf eigenen Schießplätzen halten die Büchsen¬ Land
meister mit ihren Gesellen die Uebungen ab , bei welchen stets sowohl die nöthige Feldbespannung , die Pferde wie wird zugegen sein müssen . Niemals die Pferdeführer , Uebung jeder bei muß Auch . anders als scharf gefeuert
sei es gesagt , wir meinen *) Nochmals im engeren Sinne des Wortes . Aestungen
in dieser Beziehung
nur
126 insbesondere Feld
für ' s
Protzen darf
bei Uebungsfahrten bestimmte Vorrath
und Munitionökarren
wohl keiner weiteren
im Gebirge , der ganze an Munition in den vorhanden
sein .
Auseinandersetzung
Es
be¬
, daß das
Waffenwesen des Volksheeres , vom Staate geleitet , am zweckmäßigsten der Volksartillerie anvertraut wird . Eine gewisse Anzahl von Architekten und Baumeistern bilden mit einer ihnen zugetheilten Anzahl von Zimmer¬ leuten , Maurern und Taglöhnern das Feldverschan zungskorps . Die Feldverschanzungen sind der Har¬ nisch, welchen das Volksheer um sich legt . Sie dürfen sich nicht auf wenige Punkte beschränken , sondern längs der ganzen Gränze müssen unsere Stellungen an schwa¬ chen Punkten je nach Umständen mit stärkeren oder schwächeren , mit größeren verstärkt ,
oder kleineren Verschanzungen
die Widerstandsfähigkeit
der
starken
namentlich Gebirgsstellungen , Gebirgspässe mehrfach hintereinander gelegte Abschnitte
Punkte ,
. dgl . durch noch erhöht
u
werden . Indem diese einzelnen Verschanzungen sich selbst und unsere natürlichen Festen gegenseitig unter¬ stützend angelegt sind , bilden sie eine zusammenhängende Vormauer des Vaterlandes . Die Führer der verschie¬ denen Abtheilungen dieses Korps wissen ebenfalls genau die Punkte , wo die Berschanzungen angelegt werden sollen . Genaue Grundrisse und Profile werden den Baumeistern schon während des Friedens von der Ober¬ befehlshaberstelle
des
Volksheeres
zugefertigt .
Ebenso
bei jedesmaliger , Veränderung des Planes . Die Haupt¬ punkte der Vertheidigungslinie werden bereits schon im Frieden von den betreffenden Verschanzungskorps her¬ gerichtet . Die größten , stärksten und an den geeignetsten Punkten liegenden Verschanzungen dienen zugleich zur
127 Aufbewahrung
von
Mundvorräthen
und
Kriegsbedürf¬
nissen .
Die Uferbewohner der größeren Flüsse bilden das Brückenkorps . An den bedeutendsten Uebergangspunk ten befinden sich die Niederlagen der Brückenschiffe ( Pontons ) und der Wagen zum Fortschaffen dieses und des übrigen Materials . Die Ober - und Unterbefehls¬ haberstellen des Brückenkorps werden durch höhere und niedere Wasser - und Straßenbaubeamte besetzt . In ihren Stationsorten führen sie die Leitung des Kriegs¬ brückenschiffwesens und an gewissen Tagen im Jahre halten sie die Kriegsübungen ab . Bei der steten Be¬ schäftigung mit ähnlichen Arbeiten und bei der großen Vertrautheit mit dem Wasser werden nur wenige Kriegs¬ übungen nöthig sein . Diese dienen deßhalb hauptsächlich nur dazu , damit sich jeder Einzelne in dem ganzen Organismus des Brückenschlagens zurecht finde , seine Obliegenheiten , seine ihm angewiesene Stelle und die regelmäßige Folge der Geschäfte bei dem Bau der Kriegsbrücken kennen lerne . Der eigentliche Kern des Volksheeres sind die Volks¬ schützen . Ihre ersten Grundlagen sind die Schützen¬ gilden der Städte , Dörfer und Landschaften . Nach der Anzahl der waffenfähigen Mannschaft bildet man Züge , Fähnlein ( Compagnien ) und Banner ( Bataillone ) . Je¬ der Waffenfähige , der nicht einem der bereits bezeichneten Corps
angehört , ist Volköschütze .
Die Schießübungen
*)
*) Um einen Begriff von der Wirksamkeit der Volksschützcn zu ge¬ ben , wollen wir in Nachstehendem die Resultate der Schießübungen in der eidgenössischen Scharfschützenschule zu Thun vom Jahre ISZl mit Iheilen , wobei wohl zu beachten ist , daß in dem genannten Jahre , die oben angedeuteten Fortschritte in der Bewaffnung , sowohl was die
126 werden auf dem Ln jedem größeren Orte befindlichen Schießplätze abgehalten . Die Mannschaft sehr kleiner Schnelligkeit des Ladens , die Sicherheit des Losgehens , so wie die Conllruktion der Waffen betrifft , noch nicht zur Anwendung gebracht worden waren . Sie mögen zugleich als ein Muster für größere Schie߬ übungen eines Volksheeres dienen . „ Die Uebungen begannen den 12- Oktober . Die Mannschaft war ohne Tornister , die Witterung gut , die Luft still , das Terrain eben , die Schußrichtung nach Südwest , das Ziel also Vormittags von der Sonne beleuchtet , Gehölz machte den Hintergrund . Man hatte 19 Scheiben aufgestellt , Parallelogramme von 6 Fuß Höhe , 2H« Fuß Breite , auf jeder derselben war ein Mann abgebildet . Die Mannschaft formirte eine Plänklerlinie , die Entfernung der Scheiben mußte sie stets selbst schätzen ; auf jede Scheibe kamen im Durchschnitt zwei Plänkerrotten (4 Mann ) . Im Ganzen schossen 79 Mann auf jede Entfernung wurden 4 Schuß gethan . Die erste Entfernung betrug Ast Schritte czu 2' französ .»; von 316 Schüssen giengen 169 in die Scheiben ; auf der zweiten Ent ' er nung l350 Schr . ) trafen 7k» Kugeln . Bevor auf die dritte Entfernung