StbG 1985: Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 9783704677150

Aktuelle Kommentierung zum Staatsbürgerschaftsgesetz In einer globalisierten Welt, in der Migration, persönliche Mobilit

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German Pages 846 [847] Year 2017

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Abschnitt I. Allgemeine Bestimmungen
§ 1
§ 2
§ 3
§ 4
§ 5
Abschnitt II. Erwerb der Staatsbürgerschaft
§ 6
§ 7 Abstammung
§ 7a Legitimation
§ 8
§ 9
§ 10 Verleihung
§ 10a
§ 11
§ 11a
§ 11b
§ 12
§ 13
§ 14
§ 15
§ 16
§ 17
§ 18
§ 19
§ 20
§ 21
§ 22
§ 23
§ 24
§ 25
Abschnitt III. Verlust der Staatsbürgerschaft
§ 26
§ 27 Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit
§ 28
§ 29
§ 30
§ 32 Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates
§ 33 Entziehung
§ 34
§ 35
§ 36
§ 37 Verzicht
§ 38
Abschnitt IV. Behörden und Verfahren
§ 39
§ 39a
§ 40
§ 41
§ 42
§ 43
§ 44
§ 46
§ 47
§ 48
Abschnitt V. Staatsbürgerschaftsevidenz
§ 49
§ 50
§ 51
§ 52
§ 53
§ 55
§ 56
Abschnitt Va. Zentrales Staatsbürgerschaftsregister (ZSR)
§ 56a
§ 56b
§ 56c
Abschnitt VI. Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige
§ 57
§ 58c
§ 59
Abschnitt VII. Schluss- und Übergangsbestimmungen
§ 60 Eingetragene Partnerschaften
§ 61
§ 62
§ 63 Einziehung von Personalpapieren
§ 63a Sprachliche Gleichbehandlung
§ 63b Verweisungen
§ 63c Verwaltungsübertretungen
§ 64 Unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen
§ 64a In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen
§ 66 Vollziehung
Anhang
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
Verzeichnis der Autoren
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StbG 1985: Staatsbürgerschaftsgesetz 1985
 9783704677150

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Julia Ecker Martin Kind Ivica Kvasina Johannes Peyrl

StbG 1985

Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 2017

Kommentar

Dr.in Julia Ecker Selbständige Rechtsanwältin in Wien mit den Schwerpunkten Fremdenund Asylrecht, Verfassungsrecht und Grundrechtsschutz

Univ.-Doz. Dr. Martin Kind Ministerialrat im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Mag. Ivica Kvasina Richter am Verwaltungsgericht Wien

Dr. Johannes Peyrl Arbeiterkammer Wien, Arbeitsmarkt und Integration Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch/wissenschaftlichen Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. © 2017 Verlag Österreich GmbH, Wien www.verlagoesterreich.at Gedruckt in Deutschland Satz: Grafik & Design, Claudia Gruber-Feigelmüller, 3580 Horn, Österreich Druck und Bindung: Strauss GmbH, 69509 Mörlenbach, Deutschland Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-7046-7715-0   Verlag Österreich

Vorwort Als das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in Kraft trat, war es im Wesentlichen eine Wiederverlautbarung des bis dahin fünfmal inhaltlich novellierten Staatsbürgerschafsgesetzes 1965. Hierbei stach rückblickend die um die Gleichstellung von Mann und Frau bemühte – seit der Neuordnung des Kindschaftsrechts 1977 fällige – Novelle 1983 hervor. „Neu“ war im Zusammenhang mit dem StbG 1985 insbesondere das – wiederholt (1986 und 2013) nachjustierte – Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985, das dem denkwürdigen Zeitraum zwischen 1938 und 1945 staatsbürgerschaftsbezogen Rechnung zu tragen versuchte. Insgesamt wurde das StbG 1985 bisher 21-mal „novelliert“, davon sechsmal durch Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs. Abgesehen von dem Bundesverfassungsbereinigungsgesetz 2008 lässt sich anhand der inhaltlichen Novellen ein „Zick-Zack-Kurs“ in der Gestaltung der Normen über den Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft ablesen. Besonders deutlich zeigt sich die dadurch zum Ausdruck kommende fehlende „klare Linie“ des häufig mehr Parteipolitik als Allgemeinwohl verpflichteten Gesetzgebers anhand eines Vergleichs der „integrationsfreundlichen“ Novelle 1998 mit der darauf folgenden auf die Rekordeinbürgerung 2003 reagierenden Novelle 2005. Auch wenn das StbG 1985 nur ein „einfaches“ Gesetz ist, zählt es zum „systemrelevanten Kern“ der österreichischen Rechtsordnung. An die Voraussetzung der „österreichischen Staatsbürgerschaft“ knüpfen zahlreiche Gesetze und Verordnungen Rechte und Pflichten. Darüber hinaus hängt damit das demokratische und republikanische Bauprinzip der Bundesverfassung zusammen; durch das Wahlrecht und die Wehrpflicht erhält die grundlegende Aussage des Artikels 1 B-VG über die Staats- und Regierungsform Gewicht und Bestand. Insofern könnten manche allzu „zeitgeistige“ Vorschriften des StbG 1985 zu einer „Feuerprobe“ der Verfassung werden. Der vorliegende Kommentar zum StbG 1985 knüpft an die bisher rund alle Vierteljahrhunderte erfolgte grundlegende Aufarbeitung des Staatsbürgerschaftsrechts in Österreich an. Wie seine „Vorgänger“ – namentlich der Kommentar von Goldemund/Ringhofer/Theuer (1969) V

Vorwort

und die Monografie von Thienel (1989/1990) – unterzieht das Werk diese Rechtsmaterie einer detaillierten und bisweilen kritischen Analyse. Dabei will es insbesondere den Bedürfnissen der Praxis gerecht werden, indem es Überblick verschafft, Hintergründe beleuchtet und auf Probleme hinweist. In der trockenen Sprache der Juristen heißt das: Gesetzgebung, Judikatur und Literatur wurden im Wesentlichen bis Oktober 2016 berücksichtigt. Unberücksichtigt blieb hingegen das aus der Kommentierung des StbG 1985 sich aufdrängende Resümee: Das StbG 1985 ist unseres Erachtens revisionsbedürftig. Gemeint sind damit nicht nur die zum Teil rechtstechnisch bedingten Schwachstellen und verfassungsrechtliche Fragen, sondern auch manche rechtspolitische Gestaltungsspielräume sowie die durch einen „leidigen“ (und landespolitisch ausgenutzten) Föderalismus geprägten Vollzugsunterschiede. Dem Verlag Österreich gebührt unser Dank für die Aufnahme des Kommentars in sein Verlagsprogramm. Frau Mag. Katja Sonner danken wir für die „Zusammenführung“ des Autorenteams und die anfängliche Betreuung; Frau Mag. Hanna Salicites danken wir für die professionell übernommene Fortführung und die wohlwollende und unkomplizierte Zusammenarbeit bei der Finalisierung des Buches. Herrn Peter Potesil (Bibliothekar) sei besonders gedankt für die – nicht zu unterschätzende – Hilfe im Zusammenhang mit der Recherche von (historischen) Rechtsquellen. Zu guter Letzt danken wir unseren Familien für all die Zeit, die sie uns gegeben (und wir uns genommen) haben, um den Kommentar zu manch unpassenden Zeiten zu verfassen. Es bleibt zu hoffen, dass sich unsere Mühe gelohnt hat und der StbG-Kommentar allen Interessenten die Orientierung auf einem – auf den ersten Blick überschaubaren, bei näherer Betrachtung aber komplizierten und umfangreichen – Rechtsgebiet erleichtert, ohne aber vorzugeben, dass es bloß des Nachschlagens bedürfte, um auf jede Frage eine eindeutige Antwort zu finden. Wien, Mai 2017

Julia Ecker Martin Kind Ivica Kvasina Johannes Peyrl

PS: Die am 1.10.2017 in Kraft tretenden Neuerungen der während der Drucklegung ergangenen Novelle BGBl I 2017/68 wurden in den §§ 10a und 64a – im Gesetzestext in eckiger Klammer kursiv – berücksichtigt. VI

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis........................................................................ XI Einleitung............................................................................................... 1 Abschnitt I Allgemeine Bestimmungen................................................................ 31 § 1 § 2 § 3 § 4 § 5

.................................................................................................... 31 .................................................................................................... 40 .................................................................................................... 45 .................................................................................................... 51 .................................................................................................... 58

Abschnitt II Erwerb der Staatsbürgerschaft.......................................................... 73 § 6 .................................................................................................... 73 § 7 Abstammung............................................................................. 77 § 7a Legitimation ............................................................................. 104 § 8 .................................................................................................... 120 § 9 .................................................................................................... 128 § 10 Verleihung.................................................................................. 134 § 10a .................................................................................................... 240 § 11 .................................................................................................... 269 § 11a .................................................................................................... 284 § 11b .................................................................................................... 321 § 12 .................................................................................................... 327 § 13 .................................................................................................... 349 § 14 .................................................................................................... 361 § 15 .................................................................................................... 371 § 16 .................................................................................................... 389 § 17 .................................................................................................... 399 § 18 .................................................................................................... 407 § 19 .................................................................................................... 410 § 20 .................................................................................................... 428 VII

Inhaltsverzeichnis

§ 21 § 22 § 23 § 24 § 25

.................................................................................................... 455 .................................................................................................... 460 .................................................................................................... 472 .................................................................................................... 481 .................................................................................................... 493

Abschnitt III Verlust der Staatsbürgerschaft ......................................................... 501 § 26 .................................................................................................... 501 § 27 Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit ............................ 504 § 28 .................................................................................................... 510 § 29 .................................................................................................... 520 § 30 .................................................................................................... 527 § 32 Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates................ 530 § 33 Entziehung................................................................................. 534 § 34 .................................................................................................... 540 § 35 .................................................................................................... 543 § 36 .................................................................................................... 545 § 37 Verzicht...................................................................................... 547 § 38 .................................................................................................... 554 Abschnitt IV Behörden und Verfahren.................................................................... 557 § 39 § 39a § 40 § 41 § 42 § 43 § 44 § 46 § 47 § 48

.................................................................................................... 557 .................................................................................................... 565 .................................................................................................... 580 .................................................................................................... 583 .................................................................................................... 595 .................................................................................................... 606 .................................................................................................... 612 .................................................................................................... 623 .................................................................................................... 628 .................................................................................................... 632

Abschnitt V Staatsbürgerschaftsevidenz................................................................ 639 § 49 .................................................................................................... 639 § 50 .................................................................................................... 645 § 51 .................................................................................................... 647 VIII

  § 52 § 53 § 55 § 56

Inhaltsverzeichnis

.................................................................................................... 652 .................................................................................................... 655 .................................................................................................... 666 .................................................................................................... 668

Abschnitt Va Zentrales Staatsbürgerschaftsregister (ZSR).................................. 671 § 56a .................................................................................................... 671 § 56b .................................................................................................... 681 § 56c .................................................................................................... 688 Abschnitt VI Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige............................... 693 § 57 .................................................................................................... 693 § 58c .................................................................................................... 698 § 59 .................................................................................................... 701 Abschnitt VII Schluss- und Übergangsbestimmungen........................................... 711 § 60 Eingetragene Partnerschaften................................................... 711 § 61 .................................................................................................... 714 § 62 .................................................................................................... 715 § 63 Einziehung von Personalpapieren........................................... 718 § 63a Sprachliche Gleichbehandlung................................................. 722 § 63b Verweisungen............................................................................. 724 § 63c Verwaltungsübertretungen....................................................... 725 § 64 Unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen 736 § 64a In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen..................... 738 § 66 Vollziehung................................................................................ 755 Anhang................................................................................................... 757 Literaturverzeichnis.............................................................................. 799 Sachverzeichnis...................................................................................... 815 Verzeichnis der Autoren ...................................................................... 829

IX

Abkürzungsverzeichnis aA andere Ansicht aaO am angegebenen Ort AB Ausschussbericht ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ABl Amtsblatt der Europäischen Union Abs Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union aF alte Fassung AMS Arbeitsmarktservice AnwBl Österreichisches Anwaltsblatt Anm Anmerkung arg argumento (folgt aus) Art Artikel ASoK Arbeits- und SozialsrechtsKartei ASVG Allgemeines Sozialversicherungsgesetz AsylG Asylgesetz 2005 AuslBG Ausländerbeschäftigungsgesetz AußStrG Außerstreitgesetz AVG Allgemeines Verwaltungsgesetz 1991 BAO Bundesabgabenordnung BDG Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl BFA-VG BFA-Verfahrensgesetz BG Bundesgesetz BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BH Bezirkshauptmannschaft BKA Bundeskanzleramt BlgNR Beilage(-n) zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates BM Bundesminister/Bundesministerin XI

Abkürzungsverzeichnis

BMEIA

Bundesminister/Bundesministerin für Europäische und Internationale Angelegenheiten BMF Bundesminister/Bundesministerin für Finanzen BMI Bundesminister/Bundesministerin für Justiz bspw beispielsweise BuH Bosnien und Herzegowina BVB Bezirksverwaltungsbehörde BVG Bundesverfassungsgesetz BVerwG Bundesverwaltungsgericht B-VG Bundes-Verfassungsgesetz BVRBG Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz bzw beziehungsweise dB der Beilage dh das heißt DRdA Das Recht der Arbeit dRGBl deutsches Reichsgesetzblatt DSB Datenschutzbehörde DSG Datenschutzgesetz dt deutsch E Erkenntnis EB Erläuternde Bemerkungen EFSlg Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen EF-Z Zeitschrift für Familien- und Erbrecht EG Europäische Gemeinschaft EGMR Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte E-GovG E-Government-Gesetz EPG Eingetragene Partnerschaft-Gesetz EMRK Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten Erl Erläuterungen etc et cetera EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift f folgende FamErbRÄG Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 XII

 

Abkürzungsverzeichnis

FamRZ FamZ

Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fachzeitschrift für interdisziplinäres Familienrecht ff fortfolgende FMedG Fortpflanzungsmedizingesetz Fn Fußnote FPG Fremdenpolzeigesetz 2005 FS Festschrift FSG Führerscheingesetz G Gesetz GBG Allgemeines Grundbuchsgesetz 1955 ggf gegebenenfalls GP Gesetzgebungsperiode GrekoG Grenzkontrollgesetz HKD Hofkanzleidekret hM herrschende Meinung HRG Heimatrechtsgesetz Hrsg Herausgeber/Herausgeberin idF in der Fassung (in der Folge) idgF in der geltenden Fassung idR in der Regel idS in diesem Sinn iFamZ Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht insb insbesondere IPRG Bundesgesetz über das internationale Privatrecht iS im Sinn iSd im Sinn des IntG Integrationsgesetz IV Integrationsvereinbarung iVm in Verbindung mit IV-V Verordnung zur Integrationsvereinbarung iZm im Zusammenhang mit JAB Justizausschußbericht JAP Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung JGS Justizgesetzsammlung XIII

Abkürzungsverzeichnis

JN Jurisdiktionsnorm JRP Journal für Rechtspolitik Jud Judikatur KAKuG

Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten KBGG Kinderbetreuungsgeldgesetz KindNamRÄG 2013 Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 KindRÄG 2001 Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 Krnt Kärnten leg cit legis citatae (der zitierten Vorschrift) LG Landesgesetz LGBl Landesgesetzblatt LGZ Landesgericht für Zivilrechtssachen LH Landeshauptmann lit litera (Buchstabe) LReg Landesregierung LVwG Landesverwaltungsgericht ME Ministerialentwurf mwH mit weiteren Hinweisen mwN mit weiteren Nachweisen nA NAG NAGDV

nach Ansicht Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung NÄG Namensänderungsgesetz NamRÄG Namensrechtsänderungsgesetz nF neue Fassung NO Notariatsordnung NÖ Niederösterreich Nr Nummer NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei OGH Oberster Gerichtshof ÖJZ Österreichische Juristen-Zeitung OÖ Oberösterreich ÖStA Österreichisches Standesamt (Fachzeitschrift) XIV

  PGS PStG

Abkürzungsverzeichnis

Politische Gesetzessammlung Personenstandsgesetz 2013

RA Rechtsanwalt RdA Recht der Arbeit RFG Recht & Finanzen für Gemeinden RGBl Reichsgesetzblatt Rn Randnummer Rs Rechtssache Rspr Rechtsprechung RV Regierungsvorlage Rz Randziffer RZ Österreichische Richterzeitung S Seite SchOG Schulorganisationsgesetz Slbg Salzburg Slg Sammlung SozSi Soziale Sicherheit (Zeitschrift für die Österreichische Sozialversicherung) SPG Sicherheitspolizeigesetz SRÜ Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen StAG (deutsches) Staatsangehörigkeitsgesetz StbG Staatsbürgerschaftsgesetz StbP-V Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung StbV Staatsbürgerschaftsverordnung StGB Strafgesetzbuch StGBl Staatsgesetzblatt StGG Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger Stmk Steiermark St-ÜG Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz StV Staatsvertrag SV Sozialversicherung SZ Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- und Justizverwaltungssachen, veröffentlicht von seinen Mitgliedern TEG Todeserklärungsgesetz Tir Tirol TP Tarifpost XV

Abkürzungsverzeichnis

ua unter anderem UAbs Unterabsatz uE unseres Erachtens UG Universitätsgesetz ÜG Übergangsgesetz uvam und vieles andere mehr UVG Unterhaltsvorschußgesetz va vor allem VfGH Verfassungsgerichtshof VfSlg Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes (amtliche Sammlung) vgl vergleiche Vlbg Vorarlberg VO Verordnung VStG Verwaltungsstrafgesetz VwGG Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGH Verwaltungsgerichtshof VwGVG Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwSlg Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes WKO Wirtschaftskammer Österreich WV Wiederverlautbarung Z Ziffer ZAR Zeitschrift für Ausländerrecht ZAS Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht zB zum Beispiel zfhr Zeitschrift für Hochschulrecht, Hochschulmanagement und Hochschulpolitik ZfV Zeitschrift für Verwaltung ZMR Zentrales Melderegister ZÖR Zeitschrift für öffentliches Recht ZP Zusatzprotokoll ZPO Zivilprozessordnung ZPR Zentrales Personenstandsregister ZSR Zentrales Staatsbürgerschaftsregister ZustG Zustellgesetz XVI

Einleitung Schrifttum: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Burger, Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden (2014); Burger/Wendelin, Die Restitution der Staatsbürgerschaft 1945 – 2003, in Forum Politische Bildung (Hrsg), Gedächtnis und Gegenwart (2003); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht (2006); Fritz/Vormeier (Hrsg), Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (2000); Hailbronner/Renner/ Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht (2010); Heindl-Langer/Saurer (Hrsg), Grenze und Staat (2000); Hilpold, Unionsbürgerschaft als Handelsware?, Die Presse vom 12.2.2014; Höffe, „Aristoteles“ (1999); Holley, Die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 im Überblick, JAP 2006/2007, 17 ff; Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Kotalakidis, Von der nationalen Staatsangehörigkeit zur Unionsbürgerschaft – die Person und das Gemeinwesen (2000); Marshal, Citizenship and Social Class (1992); Meyer, Theorie der Sozialen Demokratie (2011); Münch, Die deutsche Staatsangehörigkeit: Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft (2007); Niemann, Von der Unionsbürgerschaft zur Sozialunion? – Anmerkung zum Urteil des EuGH vom 23. März 2004, Rs. C-138/02 (Collins), EuR 2004, 946 ff; Reddig, Bürger jenseits des Staates? Unionsbürgerschaft als Mittel europäischer Integration (2005); Schätzel, Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht (1958); Statistik Austria, Demografisches Jahrbuch 2014 (2015); Statistik Austria, Migration und Integration (2016); Thedieck, Deutsche Staatsangehörigkeit im Bund und in den Ländern (1989); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft I (1989) und II (1990); Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Wollenschläger, Grundfreiheit ohne Markt. Die Herausbildung der Unionsbürgerschaft im unionsrechtlichen Freizügigkeitsregime (2007); Weill, „Zugang zur Staatsbürgerschaft. Ein Vergleich von 25 Staatsangehörigkeitsgesetzen“, in ­Kocka (Hrsg), Staatsbürgerschaft in Europa. Historische Erfahrungen und aktuelle Debatten (2001); Zeyringer/Mussger, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht (1985).

Bevölkerungsentwicklung und Einbürgerungen Im Jahr 1961 lebten in Österreich nur knapp über 100.000 auslän- 1 dische Staatsangehörige. Dies entsprach einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von rund 1,4%. In der zweiten Hälfte der 1960erund am Beginn der 1970er-Jahre erhöhte sich die Anzahl und der 1

Einleitung



Martin Kind

Anteil der ausländischen Bevölkerung aufgrund der gezielten Anwerbung von Arbeitskräften aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei relativ stark. Im Jahr 1974 wurde mit rund 311.700 ausländischen Staatsangehörigen (4,1% der damaligen Gesamtbevölkerung) ein vorläufiger Höhepunkt erreicht. Erst die starke Zuwanderungswelle Anfang der 1990er-Jahre sorgte für ein sprunghaftes Ansteigen des Ausländeranteils auf über 8%. Nach einem kurzen Stagnieren in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre kam es seit der Jahrtausendwende zu einer neuerlichen Zunahme der Anzahl ausländischer Staatsangehöriger in Österreich, wobei zu Jahresbeginn 2008 erstmals die 10%-Schwelle des Ausländeranteils überschritten wurde. Am 1.1.2016 lebten insgesamt 1.267.674 Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Österreich. Dies entsprach einem Anteil von rund 14,6% an der Gesamtbevölkerung Österreichs. Unter den nicht-österreichischen Staatsangehörigen stammte knapp die Hälfte (625.488 Personen) aus den EU- und EWR-Ländern sowie der Schweiz, davon insgesamt 176.463 Deutsche, die mit einem Anteil von knapp 14% die größte Ausländergruppe in Österreich bildeten. Insgesamt 642.186 Personen waren Drittstaatsangehörige, worunter Serben (116.626 Personen) die größte Nationalität vor Türken (116.026 Personen) ausmachten. 2 Die Zahl der Einbürgerungen lag in den 1980er Jahren bei rund 7.800 Personen pro Jahr. Mit der stark steigenden Zahl in Österreich lebender ausländischer Staatsangehöriger erhöhten sich ab Mitte der 1990er Jahre auch die Einbürgerungszahlen stark. So wurden 1997 knapp 16.000 in Österreich lebende Ausländer eingebürgert, 1999 rund 25.000 und im Jahr 2003 fast 45.000 (vgl dazu auch Holley aaO, 21). Seit dem Jahr 2004 ist die Zahl der Einbürgerungen rückläufig und fiel bis 2010 um mehr als vier Fünftel im Vergleich zum Höchstwert von 2003. Noch weniger Einbürgerungen als 2010 gab es in Österreich zuletzt Anfang der 1970er Jahre (wenn die Einbürgerungen von Personen mit Wohnsitz im Ausland mitgerechnet werden). Seit 2011 (6.754) ist wiederum ein Anstieg der Einbürgerungen festzustellen, der sich auch 2015 (8.265) weiter fortsetzte. Im ersten Halbjahr 2016 erhielten 4.285 Personen die österreichische Staatsbürgerschaft, darunter 46 Personen mit Wohnsitz im Ausland. Insgesamt gab es laut Statistik Austria um 305 bzw 7,7% Einbürgerungen mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres (3.980 Einbürgerungen). 2



  Einleitung

Bezieht man die Einbürgerungen auf die ausländische Bevölkerung (Einbürgerungsrate), so war zwischen 1991 und 2003 ein kontinuierlicher Anstieg auf mehr als das Doppelte zu verzeichnen. In den 1980er und 1990er Jahren entfielen auf 100 ausländische Staatsangehörige im Durchschnitt 2,4 Einbürgerungen, von 2000 bis 2005 lagen die Raten bei 5,0%. Seither sinkt die Einbürgerungsrate wieder und liegt 2015 auf dem gleichen Niveau der fünf vorangegangenen Jahre bei einem vorläufigen Wert von 0,7%. Allerdings war die Zahl der Einbürgerungen 2015 mit insgesamt 8.265 um 7,4% höher als im Vorjahr (7.693 Fälle). 121 der eingebürgerten Personen hatten ihren Wohnsitz im Ausland. Im Jahr 2015 wurden in allen Bundesländern mehr Personen eingebür- 3 gert als im Jahr 2014. Die Zuwächse fielen am deutlichsten in Kärnten (von 314 auf 383, +22%) bzw in Vorarlberg (444, +13,3%) Wien (2.967, +12,7%) sowie im Burgenland (169, +12,7%) aus. Geringere Zunahmen gegenüber dem Vorjahr ergaben sich in Salzburg (479, +6,2%), in Tirol (552, +4,2%), in Niederösterreich (1.187, +3%) sowie in der Steiermark (671, +0,8%) und in Oberösterreich (1.292, +0,7%). Anders in der ersten Hälft des Jahres 2016: In sechs Bundesländern wurden mehr Personen eingebürgert als von Jänner bis Juni 2015. Am deutlichsten fiel der Zuwachs in Oberösterreich aus (+45,2%). An zweiter Stelle lag Vorarlberg (+27,7%), gefolgt von der Steiermark (+20,7%), Tirol (+8,9%) und Wien (+7,2%). In Kärnten (-30,7%), im Burgenland (-26,8%) und in Niederösterreich (-20,3%) ging die Zahl der Einbürgerungen dagegen deutlich zurück. Mehr als die Hälfte aller Einbürgerungen [4.554 bzw 55,1% (1. Hälfte 4 2016: 2.364 oder 55,2%)] erfolgte auf Grund eines Rechtsanspruchs. Darunter wurden 2.561 Personen (1. Hälfte 2016: 1.482) nach mindestens sechsjährigem Wohnsitz in Österreich und aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen eingebürgert (zB Geburt in Österreich, EWR-Staatsangehörigkeit oder asylberechtigt, § 11a Abs 4), 386 Personen auf Grund eines mindestens 15-jährigen Wohnsitzes in Österreich und nachhaltiger Integration (§  12 Z  1) und 860 Personen (1. Hälfte 2016: 386 Personen) auf Grund der Ehe mit einem Österreicher bzw mit einer Österreicherin (§ 11a Abs 1 und Abs 2). Weitere 1.345 Personen erhielten die Staatsbürgerschaft im Ermessen [16,3% bzw in den ersten sechs Monaten 2016 insgesamt 653 Personen (15,2%)], darunter 1.292 Personen (1. Hälfte 2016: 624 Personen) nach mindestens zehnjährigem Wohnsitz (§ 10 Abs 1). Unter dem Titel „Erstreckung der Verleihung“ (§§ 16 f) wurden 261 Ehegatten (1. Hälfte 2016: 141 Ehegattin3

Einleitung



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nen bzw Ehegatten) sowie 2.105 Kinder (1. Hälfte 2016: 1.127) eingebürgert. 5 Nach dem Alter betrachtet waren 3.131 (37,9%) der Eingebürgerten unter 18 Jahre alt. Nach groben Altersgruppen war etwa ein Drittel der Neo-Österreicher bei der Einbürgerung zwischen 30 und 44 Jahre alt (2.948 Personen bzw 35,7%). An zweiter Stelle standen 2.560 minderjährige Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren (31,0%), gefolgt von 1.958 jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29 Jahren (23,7%) und 666 (8,1%) der Eingebürgerten zwischen 45 und 59 Jahren, sowie weiteren 133 Personen oder 1,6% im Alter von 60 und mehr Jahren. 6 Unter den insgesamt 132 Ländern der bisherigen Staatsangehörigkeit lagen Bosnien und Herzegowina mit 1.218 Personen (14,7%) an erster Stelle. Aus der Türkei kamen 998, aus Serbien 636, aus dem Kosovo 542, aus der Russischen Föderation sowie der Ukraine je 299 und aus Indien 233 eingebürgerte Personen. Damit teilt sich die Hälfte der Einbürgerungen des Jahres 2015 auf sieben Nationalitäten auf. Auch die Länder Mazedonien (224), Rumänien (221) und Ägypten (214) fallen unter die Top 10. Von den 1.119 Personen (13,5%) aus den 27 EUStaaten kamen die meisten Staatsbürger aus Rumänien (221), Deutschland (160) und Kroatien (143). 7 Bereits 2.944 oder 35,6% aller Eingebürgerten sind in Österreich geboren. Der Trend, dass mehr als ein Drittel eingebürgerten Personen bereits in Österreich geboren ist, setzte sich der in der ersten Hälfte des Jahres 2016 fort: 1.534 bzw 35,8%, mehr als die Hälfte waren Frauen (54,4%) und der Anteil der minderjährigen Kinder (unter 18 Jahre alt) betrug 37,4%. Bezogen auf das Jahr 2015 wurden von den 5.321 im Ausland geborenen eingebürgerten Personen die meisten Eingebürgerten in Bosnien und Herzegowina (662 bzw 12,4%) geboren, gefolgt von der Türkei (477), dem Kosovo (320), Serbien (293), der Russischen Föderation (270) sowie der Ukraine (245). 8 Die Statistik der Einbürgerungen basiert auf den Angaben aus den rechtskräftigen Bescheiden über die Verleihung der Staatsbürgerschaft der Ämter der Landesregierungen. Die Statistik der Einbürgerungen dokumentiert sämtliche durch Willenserklärung des Erwerbers und nachfolgendem Behördenakt bewirkte Arten des Erwerbs der Staatsbürgerschaft nach StbG idF BGBl 2013/136 (§§ 10 bis 17, 25, 57, 58c und 64a), nicht hingegen die automatischen Erwerbsarten wie Geburt oder Legitimation eines nichtehelichen Kindes. Die Einbürgerungssta4



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tistik umfasst sowohl Einbürgerungen von in Österreich als auch von im Ausland wohnhaften Personen. Die Ergebnisse für 2014 sind vorläufig, da gemäß besagter Novelle aus dem Jahr 2013 vor dem 1.9.1983 geborene minderjährige eheliche und legitimierte Kinder bis Ende April 2014 einen Antrag auf Erwerb der Staatsbürgerschaft nach § 64a Abs 18 stellen konnten. Zahlreiche dieser Verfahren sind noch nicht abgeschlossen, da für die betreffenden Personen noch Bestätigungen von ausländischen Botschaften vorgelegt werden müssen. Erst nach Abschluss dieser Verfahren kann eine endgültige Zahl der Einbürgerungen für 2014 ermittelt werden. Überdies ist § 64a Abs 18 verfassungsrechtlich umstritten.

Kompetenzrechtliche Grundlagen Art  11 Abs  1 Z  1 B-VG lautet seit BGBl 1988/685: „Staatsbürger- 9 schaft“. Dh, dass der Bund für die Gesetzgebung und die Länder für die Vollziehung staatsbürgerschaftsrechtlicher Angelegenheiten zuständig sind [vgl bereits die Kompetenz des Reichsrats zur Gesetzgebung in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten in § 11 lit g StGG über die Reichsvertretung (RGBl 1867/141)]. Durch die Kompetenzbestimmung wird die Staatsbürgerschaft nicht als rechtlicher Status begründet, sondern vielmehr vorausgesetzt (vgl Art 6 Abs 1 B-VG: „Für die Republik Österreich besteht eine einheitliche Staatsbürgerschaft“); die Regelung in Art 11 B-VG dient nur der Verteilung der Zuständigkeiten in dieser Sache. Der Begriff der „Staatsbürgerschaft“ ist weder im B-VG noch im StbG 10 (vgl § 2 Z 2) definiert. Im allgemeinen Sprachgebrauch kennzeichnet die Staatsbürgerschaft die sich aus der Staatsangehörigkeit ergebenden Rechte und Pflichten einer natürlichen Person in dem Staat, dem sie angehört. In diesem Sinn ist die Frage nach der Staatsangehörigkeit mit der Staatsbürgerschaft zu beantworten, der rechtlichen Zugehörigkeit zur Gemeinschaft (Rechtsgemeinschaft) von Bürgern eines Staates, den Staatsbürgern, die unabhängig von der Nationalität sein kann. Die Nationalität oder die ethnische Abstammung eines Staatsbürgers muss nicht unbedingt im unmittelbaren Bezug zu einem Staat stehen. Rechtshistorisch ist der Begriff der Staatsbürgerschaft überwiegend männlich konnotiert und dementsprechend existierte eine eigenständige, vom Vater oder Ehemann unabhängige Staatsbürgerschaft für Frauen noch bis weit in das 20. Jahrhundert gar nicht. 5

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Neben der rechtlichen Dimension hat Staatszugehörigkeit für die meisten Menschen einen identitären Aspekt, die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat ist für viele ein Teil ihrer Individualität und Persönlichkeit. Viele Menschen sehen in der Staatsangehörigkeit mehr als eine rein rechtliche Beziehung, sie fühlen sich mit dem jeweiligen Staat auch emotional verbunden. Diese spezifische Verbindung wird einerseits in den Schulsystemen aller Staaten gefördert (zB Geschichte des eigenen Landes im Unterricht hat Vorrang gegenüber der Geschichte anderer Länder); vgl auch mediale Nachrichtenschwerpunkte in nationalen Fernsehprogrammen. Staatsbürgerschaft ist für viele aber auch Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer Solidargemeinschaft, von der Hilfe im Notfall erwartet wird und deren Mitgliedern man selbst in einer Notsituation zu helfen bereit ist (vgl Karasz/Perchinig aaO, 12). 11 Das B-VG meint mit dem Begriff „Staatsbürgerschaft“ im formellen Sinn die rechtliche Zugehörigkeit von Menschen zum Bund, nicht eine Zugehörigkeit zu den Ländern (vgl Thienel aaO, 28). Im materiellen Sinn knüpfen uE an diesen Begriff „wesenmäßig“ damit verbundene Rechte und Pflichten. Entgegen der Auffassung, dass es sich bei der Staatsbürgerschaft um einen inhaltslosen bzw „inhaltsbeliebigen“ Status handelt, deren juristische Bedeutung nur darin bestehe, als Voraussetzung für die Zuerkennung von Rechten und Pflichten zu fungieren (vgl Thienel aaO, 27), sind uE dem Staatsbürgerschaftsbegriff des B-VG essentielle – und nicht nur „potentielle“ – Rechte und Pflichten immanent (vgl auch Art 6 Abs 3 B-VG idF BGBl 1925/268). 12 Den (durch die Grundwerte eines modernen demokratischen Rechtsstaates entwickelte) Kern dieser mit der Zugehörigkeit zur Republik Österreich gegebenen Rechte und Pflichten jedes Staatsbürgers bilden uE derzeit politische Grundrechte, die zur Mitwirkung an der Staatswillensbildung ermächtigen (Wahlrecht), und die Wehrpflicht (vgl auch VwSlg 14.310 A/1995), die als ein Ausdruck besonderer „Treuepflicht“ des Staatsbürgers angesehen werden kann. Diese Bürgerechte und -pflichten können uE – auch wenn sie durch Normierung bestimmter Voraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolgen eingeschränkt werden – nicht ersatzlos beseitigt werden, ohne dass damit nicht auch der formal-rechtliche Status der Mitgliedschaft zum Staat aufgehoben wäre. Entgegen Thienel aaO, 30 kann uE der im B-VG verwendete Begriff der „Staatsbürgerschaft“ keinesfalls „nur als Status verstanden werden, dh als eine von der österreichischen Verfassungsordnung (Art 6 6



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Abs 1 B-VG) konstituierte rechtliche Eigenschaft, die als Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen verwendet, von diesen aber zu unterscheiden ist“. Dass nicht erst das „positive Recht“ das Bestehen einer großen Zahl von Rechten und Pflichten davon abhängig macht, ob jemand Staatsbürger ist, und dass sich daher die rechtliche Eigenart der Staatsbürgerschaft nicht bloß darauf reduziert, seinem Besitzer die Fähigkeit zu vermitteln, überhaupt Träger bestimmter Rechte und Pflichten zu sein, ergibt sich uE aus dem Grundkonzept der österreichischen Bundesverfassung. Dementsprechend teilt das B-VG nicht nur die Staatsbürgerschaftskompetenz zwischen Bund und Ländern auf, sondern regelt auch – unabhängig von der Kompetenzverteilung – wesentliche mit der Staatsbürgerschaft verbundene Rechte (vgl Art  7 Abs 1, 23a Abs 1, 26 Abs 1, 117 Abs 2 und 149 Abs 1 B-VG) und Pflichten (vgl Art 9a Abs 3 B-VG). Bis zur Neufassung des Art 11 Abs 1 Z 1 im Jahr 1988 lautete die Kom- 13 petenzbestimmung: „Staatsbürgerschaft und Heimatrecht“. Der Entfall der Bundesgesetzgebungskompetenz hinsichtlich des Heimatrechts hat an dem Inhalt der Staatsbürgerschaftskompetenz nichts geändert. Folglich ist davon auszugehen, dass diesem Kompetenzbegriff dieselbe Bedeutung zukommt, die er auch schon bisher hatte. Zur Auslegung des Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG ist daher – iSd sogenannten „Versteinerungstheorie“ – auf die diesen Gegenstand regelnden einfachgesetzlichen Rechtsquellen im Zeitpunkt des erstmaligen Inkrafttretens dieser Kompetenzbestimmung (1.10.1925) zurückzugreifen. Die Staatsbürgerschaft war bis dahin im Wesentlichen in den §§ 28 ff ABGB sowie den dazu ergangenen zahlreichen Hofkanzleidekreten und -verordnungen (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 474 ff) geregelt, ferner im StbG 1918 (StGBl 1918/91), in verschiedenen StV und den hierzu ergangenen Durchführungsverordnungen. Überdies kommt – aufgrund des kodifikatorischen Charakters – dem StbG 1925, auch wenn dieses G im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzverteilung noch nicht in Geltung stand, eine „Indizfunktion“ bei der Kompetenzauslegung zu (vgl Thienel aaO, 15). Die Bundeskompetenz zur Regelung der Staatsbürgerschaft umfasst 14 nicht die Befugnis zur Regelung der Zugehörigkeit zu anderen Gebietskörperschaften. Insbesondere kann der Bund nicht als Gesetzgeber einen rechtlich relevanten Status der „Landesbürgerschaft“ einführen. Es kann hierbei uE dahingestellt bleiben, ob Art  6 und Art  11 Abs 1 B-VG 1920 bzw bis zur Novelle BGBl 1988/685 und § 14 Abs 2 7

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ÜG (idF BGBl 1925/368) hierfür einen Anknüpfungspunkt hätte bieten können (vgl auch VfSlg 1577 und 1782); denn aus Art  6 und 11 B-VG idgF und dem ÜG idgF kann jedenfalls keine Auffächerung des Begriffs „Staatsbürgerschaft“ in „Bundesbürgerschaft“ und „Landesbürgerschaft“ (bzw „Gemeindebürgerschaft“) abgeleitet werden (vgl auch VfGH 16.12.1952, Slg 2455). 15 Gegenstand des Kompetenztatbestands „Staatsbürgerschaft“ sind Regeln iZm der Zugehörigkeit zum Gesamtstaat [dh der Republik Österreich (Bund)]. Unklar ist der Umfang dieses Regelungsgegenstandes; hierbei ist nicht strittig, dass Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG die Regelung des Erwerbs und Verlusts der Staatsbürgerschaft und damit zusammenhängender organisatorischer und verfahrensrechtlicher Fragen erfasst. Hingegen ist fraglich, ob auch die Führung einer Staatsbürgerschafts­ evidenz bzw des ZSR von der Zuständigkeit nach Art 11 B-VG umfasst ist (bejahend Thienel aaO, 19; verneinend – und Thienel widerlegend – Rz  1 in §  56a). Gemessen an den für die Versteinerung relevanten Rechtsquellen besteht keine Zuständigkeit für (bindende) Regelungen des Bundes iZm der Staatenlosigkeit eines Menschen; diesbezüglich ist es Sache des jeweiligen Materiengesetzgebers festzulegen, unter welchen Voraussetzungen ein Fremder als staatenlos zu qualifizieren ist und welche Rechtsfolgen daran geknüpft werden sollen.

Einbürgerung und Unionsbürgerschaft 16 Die EU-Verträge belassen die Kompetenz zur Gestaltung des Staatsbürgerschaftsrechts in der Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Allerdings sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, bei der Gestaltung ihrer Einbürgerungspolitik die Interessen der anderen Mitgliedsstaaten, das Unionsrecht und insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mitzuberücksichtigen (vgl auch EuGH 7.7.1992, C-369/90, Micheletti und Andere gegen Delegacion del Gobierno en Catanbria; EuGH 2.3.2010, C-135/08, Rottmann gegen Freistaat Bayern). Dementsprechend sehen einige Mitgliedstaaten spezielle Bestimmungen für die erleichterte Einbürgerung von Staatsbürger eines anderen EU-Staates vor. Im Fall Rottmann stellte der EuGH zudem fest, dass ein Mitgliedsstaat dazu berechtigt sei, im Fall einer Einbürgerung aufgrund absichtlicher Täuschung die Staatsbürgerschaft zu entziehen, auch wenn dies zum Entzug der Unionsbürgerschaft und zur Staatenlosigkeit führe (vgl aber auch Art 15 Abs 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschen8



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rechte und des Europäischen Übereinkommens über die Staatsangehörigkeit niedergelegten allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz, wonach niemandem die Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen werden darf). Grundsätzlich herrscht die (politische) Meinung vor, dass das (nationa- 17 le) Staatsangehörigkeitsrecht für die Existenz der Mitgliedstaaten grundlegende Bedeutung hat. Demgegenüber scheint die Minderheitenposition, wonach die Anknüpfung der Unionsbürgerschaft an die Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedsstaat verlange, dass die Europäische Kommission Schritte hin zur Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Staatsbürgerschaftsrechts setze, seit dem deutlichen Anstieg der Migration in die EU im Jahr 2015 „ins Abseits“ zu geraten. Die Dominanz der Mitgliedsstaaten als Akteure in diesem Feld bestä- 18 tigt auch der Umgang der Europäischen Union mit dem restriktiven Staatsbürgerschaftsrecht Lettlands und der Situation der „Ausgelöschten“ in Slowenien. In Lettland, das der russischsprachigen Minderheit den Staatsbürgerstatus absprach und sie zu „Nicht-Bürgern“ erklärte, wurde im Beitrittsverfahren der Spielraum der EU, hier korrigierend zu wirken, nicht ausgenutzt. Die „Nicht-Bürger“ bekamen den Status lang­ansässiger Drittstaatsangehöriger, der keine politischen Rechte umfasst und auch aufenthaltsrechtlich schwächer ist. Auf die gleiche Art wurde auch die Situation der „Ausgelöschten“ in Slowenien – etwa 18.000 Bürger anderer jugoslawischer Teilrepubliken, die in Slowenien nach der Staatsgründung aus den Personenstandsregistern gelöscht worden waren – geregelt. Auch diese bekamen ohne Widerspruch der EU nicht den Staatsbürgerstatus, sondern den Status eines langansässigen Drittstaatsangehörigen. De facto wird also das Vorrecht der Mitgliedsstaaten bei der Gestaltung der Ein- und Ausbürgerungsbedingungen seitens der EU-Institutionen weitgehend unwidersprochen akzeptiert und der Status des „langansässigen Drittstaatsangehörigen“ als adäquater „Ersatz“ für die Staatsbürgerschaft wahrgenommen (vgl Karasz/Perchinig aaO, 9). Der Unionsbürgerstatus bestimmt dazu, der grundlegende Status der 19 Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein (vgl EuGH 20.9.2001, Grzelczyk, C‑184/99, Slg 2001, I‑6193, Rn 31). Hierzu verleiht Art 20 AEUV jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, den Status eines Unionsbürgers (vgl insbesondere EuGH 11.7.2002, D’Hoop, C‑224/98, Slg 2002, I‑6191, Rn 27; EuGH 2.10.2003, Garcia 9

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Avello, C‑148/02, Slg 2003, I‑11613, Rn 21; EuGH 8.3.2011, Ruiz Zambrano, C‑34/09, Slg 2011, I‑1177, Rn 40). Einerseits verleiht die Unionsbürgerschaft gemäß Art 21 AEUV jedem Bürger der Union das elementare und persönliche Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten (vgl EuGH 7.10.2010, Lassal, C‑162/09, Slg 2010, I‑9217, Rn 29; EuGH 5.5.2011, McCarthy, C‑434/09, Slg 2011, I‑3375, Rn 27). Andererseits ist das Unionsrecht im Lichte der relevanten Regeln des Völkerrechts auszulegen, das Bestandteil der Rechtsordnung der Union und für deren Organe bindend ist (vgl EuGH 3.9.2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg 2008, I‑6351, Rn 291). 20 Eine Verletzung des Unionsrechts liegt uE vor, wenn ein Mitgliedstaat die Staatsbürgerschaft in großem Stil an Drittstaatsangehörige verleiht, ohne dass ein besonderes – uE anhand von quantitativen und qualitativen Aspekten bestimmtes – Loyalitätsband gegeben ist. Die – wie im Fall von Malta, Bulgarien und Zypern (vgl aber auch § 10 Abs 6 StbG idgF) – entgeltliche Verleihung der Staatsbürgerschaft (und der Unionsbürgerschaft) steht im Gegensatz zu dem Grundgedanken, der der Einführung der Unionsbürgerschaft (Vertrag von Maastricht: Art  17 EG-Vertrag) zugrunde lag. Eine der Hauptursachen des „Handels mit Staatsbürgerschaften“ (Malta soll beispielsweise allein im Jahr 2015 rund 200 Millionen Euro mit dem Pass-Handel eingenommen haben) liegt darin, dass die Unionsbürgerschaft nicht autonom erworben werden kann, sondern an der Staatsbürgerschaft der Mitgliedstaaten hängt. Wie auch der EuGH betont, steht es traditionell den Staaten – und damit auch den EU-Mitgliedstaaten – frei, über die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Ein Bürger, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EU ist, ist dadurch seit 1992 automatisch zugleich Unionsbürger. Durch die Unionsbürgerschaft entsteht zwischen Bürger und Union ein Rechtsverhältnis, das Rechte und Pflichten beinhaltet. Allerdings sind Pflichten für die Bürger (etwa eine europäische Wehrpflicht) bislang nicht vorgesehen. Zu den Rechten gehören insbesondere Freizügigkeit, Diskriminierungsverbot, Kommunalwahlrecht am Wohnort, Wahlrecht zum Europäischen Parlament, diplomatischer und konsularischer Schutz, Petitions- und Beschwerderecht und das Recht, in einer der Amtssprachen der Europäischen Union mit der EU zu kommunizieren 10



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und in der gleichen Sprache eine Antwort zu erhalten. Praktisch ist es aber die mit der Unionsbürgerschaft verbundene Möglichkeit, im gesamten Gebiet der Union eine Arbeit aufzunehmen, und der Anspruch auf Sozialleistungen, weshalb mittlerweile schon der Vorwurf des „Arbeits- und Sozialtourismus“ laut geworden ist. EU-Bürger, die nicht erwerbstätig sind und nur zum Zweck eines Leistungsbezugs mobil sind (zugezogenen Pensionisten), können auf der Grundlage von Unionsrecht in Österreich keine Ansprüche auf Sozialleistungen wie die Ausgleichszulage geltend machen (vgl RS0130764).

Entwicklung des Staatsbürgerschaftsrechts Eine Bürgerschaft als dauerhafte Verknüpfung zwischen Staat und Per- 21 son bestand bereits zur Zeit der Polis im antiken Griechenland. In der attischen Demokratie hatten nur die freien (= von ihrem Besitz lebenden), in der Polis geborenen Männer Bürgerstatus und waren als solche Mitglieder der politischen Gemeinschaft mit dem Recht auf ein öffentliches Amt und der Teilnahme an politischen Debatten und Abstimmungen. Frauen, Sklaven, Fremden und Handwerkern war der Zugang zu diesem Status verwehrt. Bürgerschaft war dennoch schon damals der Kern der politischen Ordnung und der zentrale Schlüssel zur Teilhabe an der Polis, dem Gemeinwesen, das als Ort des „guten Lebens“ scharf vom Oikos, dem privaten Haushalt, aber auch dem Ort der Erzeugung von Waren und Dienstleistungen abgegrenzt war. Wer nur für sein Privatleben und seine Geschäfte lebte und keine politischen Rechte hatte, zählte zu den „idiotes“ – eine damals nicht abwertend gedachte Bezeichnung für all jene, die weder ein öffentliches Amt innehatten, noch sich am politischen Leben beteiligten. Da Freiheit in der klassischen griechischen Philosophie die Freiheit zur Teilnahme am politischen Leben bedeutete, galten all jene, die sich nicht am politischen Leben beteiligten oder beteiligen konnten, als unfrei (vgl Karasz/ Perchinig aaO, 5). Ausdifferenziert wurde der weiterhin beschränkte Zugang zur Bürgerschaft auf die freien, ein Haus besitzenden Männer, die von der Arbeit der Nicht-Bürger lebten, im Römischen Reich, wo das römische Bürgerrecht Voraussetzung für die Geschäftsfähigkeit oder Postulationsfähigkeit war und ein in sich geschlossenes Rechtssystem abgrenzte, das sich bis zum Corpus Iuris Civilis (Bürgerliche Recht) entwickelte, während das Ius gentium (Recht der Völker) die Beziehungen Roms zu anderen Ländern, Staaten, Völkern regelte und Vorläufer des 11

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heutigen internationalen Rechts (Völkerrechts) war. Der Bürgerstatus wurde jedoch im Verlauf der Zeit auf Plebejer und unterworfene Völker ausgedehnt. Damit einher ging die Verwandlung des Bürgerstatus von der Idee der aktiven Teilhabe an der Polis zu einem Rechtsstatus, der die Schutzrechte des Bürgers gegenüber dem Staat in Austausch zu politischer Loyalität festschrieb (Karasz/Perchinig aaO, 6). Im mittelalterlichen und im frühneuzeitlichen Staat bestand keine Staatsangehörigkeit im heutigen Sinn. Die Staatsbürgerschaft im modernen Sinn ist erst seit der Französischen Revolution durch das Aufkommen republikanischen Denkens entstanden. Seitdem wurde der Staat nicht nur als Territorialstaat oder personelle Zuordnung zur absolutistischen Monarchie, sondern auch als Personenverband von Bürgern verstanden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde daraufhin in den meisten Staaten die Staatsbürgerschaft eingeführt, und es wurden Staatsbürgerschaftsgesetze erlassen. Historisch-politisch betrachtet kann die Staatsangehörigkeit (auch) als eine „Institution des Nationalstaates“ betrachtet werden, wobei der Begriff des „Nationalstaates“ in Kontinentaleuropa durch eine mystisch aufgeladene Komponente der „Nation“ zunehmend vereinnahmt wurde, während sich im englischen „nation state“ der Aspekt des Staates als Organisationsform ohne diese Assoziation herausentwickelte. 22 In Österreich ist in den Anfängen (bis zum Ausgleich mit Ungarn im Jahr 1867) zwischen der Entwicklung des Staatsbürgerschaft und des Heimatrechts zu differenzieren. Erste Ansätze zur Regelung einer Staatsangehörigkeit fanden sich im „Codex Theresianus“, der – wie auch das „Josephinische Gesetzbuch“ – zwischen „Untertanen“ und „Fremden“ differenzierte. Beispielsweise waren nach dem im Jahre 1786 erlassenen ersten Teil des Gesetzbuches Untertanen jene Menschen, „die in den Erblanden unter der landesfürstlichen Gewalt vereinigt leben“; Regelungen über Erwerb und Verlust der Untertaneneigenschaft enthielt dieses Gesetz aber nicht. Die genannte Unterscheidung fand sich darüber hinaus in einer Reihe weiterer Gesetze [zB „Konskriptionspatent“ Maria Theresias aus dem Jahr 1779; in diesem Patent wurde – neben der Bestimmung von „Einheimischen“ (nämlich alle in dem Orte Geborene und alle, welche sich in dem Orte „nationalisirt“ haben) – auch geregelt, wie ein „Ausländer“ die Inländereigenschaft in einem Land erwerben konnte]. An diese Unterscheidung wurde auch im „Auswanderungspatent“ (1784) Josef II. angeknüpft. 12



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Der – als Vorläufer des ABGB – 1797 in Westgalizien in Geltung ge- 23 setzte Entwurf Martinis enthielt Regelungen iZm fremdenrechtlichen Bestimmungen: Darin waren Erwerbstatbestände bei Übernahme eines Amtes, Gewerbeantritt, Besitznehmung eines unbeweglichen Gutes, zehnjährigem Aufenthalt im Inland und sonstigen Handlungen, aus denen der unverkennbare Wille des bleibenden Aufenthalts deutlich wurde, enthalten. Für Juden und andere nichtchristliche Religionsangehörige waren Einschränkungen vorgesehen. Das im Jahr 1804 das „Konskriptionspatent“ ersetzende neue Patent Franz I. enthielt Bestimmungen darüber, wie ein Ausländer durch „Naturalisation“ die Eigenschaft eines Inländers in einem der Erblande erwerben konnte. Mit der Inländereigenschaft wurde zugleich auch die Untertaneneigenschaft begründet, die dann in verschiedenen Gesetzen als Differenzierungsmerkmal benutzt wurde. Aufbauend auf das Westgalizische Gesetzbuch und auf das (ursprüng- 24 lich auf die Wehrfähigkeit des Staates ausgerichtete) „Konskriptionspatent“ wurden im ABGB Bestimmungen über den Erwerb der Staatsbürgerschaft übernommen; hinsichtlich des Verlusts verwies §  32 auf die „Auswanderungsgesetze“ (vgl dazu das Auswanderungspatent von 1832). Die wesentliche Neuerung des am 1.12.1812 in Kraft getretenen ABGB lag in der Schaffung einer einheitlichen Staatsbürgerschaft, die nicht durch den Erwerb der Angehörigkeit in einem Land vermittelt wurde, sondern unmittelbar für alle Länder, in denen das ABGB galt (dh in den deutschen Erbländern, der Militärgrenze und Galizien), erworben werden konnte. Bemerkenswert war, dass – laut den Beratungen – die einschlägigen Bestimmungen deshalb ins ABGB aufzunehmen seien, „da der volle Genuß aller bürgerlichen Rechte den eigentlichen Staatsbürgern vorbehalten werde solle“. Zugleich erwogen die Redaktoren, die Regelung der Erwerbstatbestände „der politischen Gesetzgebung zu überlassen“, zumal Fremde „von den Staatslasten … keinen gleichen Antheil übernehmen“, weshalb man ihnen auch nicht „gleiche (von den politischen Gesetzen zugestandene) Vortheile“ wie den Inländern zubilligen könne. Die mit dem ABGB kodifizierte Staatsbürgerschaft markierte den Transformationsprozess von einer monarchischen Union von Ständestaaten hin zu einem einheitlichen Territorialstaat. Erstmals galten genaue Bestimmungen über die Aufnahme in die österreichische Staatsbürgerschaft; diese konnte entweder durch Abstammung erfolgen: „Die Staatsbürgerschaft ist Kindern eines österreichischen Staatsbürgers 13

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durch die Geburt eigen“ (§  28) oder durch bestimmte Handlungen (ipso facto) erfolgen: nämlich „durch einen in diesen Staaten vollendeten zehnjährigen ununterbrochenen Wohnsitz“ (die bloße Ersitzung), „durch Eintretung in einen öffentlichen Dienst“ oder „durch Antretung eines Gewerbes, dessen Betreibung die ordentliche Ansässigkeit im Lande notwendig macht“ (§ 29). § 30 ABGB bestimmte, dass auch „ohne Antretung eines Gewerbes oder Handwerkes und vor verlaufenen zehn Jahren … die Einbürgerung bei den politischen Behörden angesucht, und von denselben, nachdem das Vermögen, die Erwerbsfähigkeit und das sittliche Betragen des Ansuchenden“ geprüft worden waren, verliehen werden könne. Ausschließungen hinsichtlich des Standes, der Religion oder ethnischen Zugehörigkeiten fanden sich nicht in diesem naturrechtlich konnotierten Gesetzeswerk. Eine Besonderheit beinhaltete §  32 ABGB iVm dem Auswanderungspatent von 1832: Demnach wurde zwischen der „gesetzlichen“ und der „unbefugten“ Auswanderung unterschieden. Erlaubt war eine Auswanderung nur nach vorheriger Bewilligung der Entlassung aus dem Staatsverband. Der Verlust der Staatsbürgerschaft trat aber nur dann ein, wenn der Bewerber auch tatsächlich das Land verließ. Eine Auswanderung (wie auch das bloß vorübergehende Verlassen des Staatsgebietes) ohne die – zwingende – vorherige Bewilligung war unbefugt und strafbar. Eine diesbezügliche Verurteilung zog ebenfalls den Verlust der Staatsbürgerschaft nach sich; eine Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft war nur mehr gnadenhalber möglich. Durch Art  4 Abs  3 StGG (vgl unten Rz  28) verlor das Patent seine Wirkung; seitdem ist die Freiheit der Auswanderung nur durch die Wehrpflicht beschränkt. 25 Der Regelung der Untertaneneigenschaft durch das ABGB wurde – wie die damalige völkerrechtliche Vertragspraxis belegt – zunehmend Bedeutung beigemessen. So enthielten diverse Friedensverträge und in der Folge staatsvertragliche Abkommen (zB mit Italien) Optionsbestimmungen zur Regelung von staatsangehörigkeitsrechtlichen Fragen im Gefolge von Gebietsveränderungen. Ausgenommen von dieser Entwicklung blieben aber Ungarn und die damit verbundenen Länder; deren Eigenständigkeit bewirkte, dass es auch nach 1812 nicht eine einheitliche, sondern eine österreichische und eine davon unabhängige ungarische Staatsangehörigkeit gab. 26 Die Regelungen über Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft wurden in der Folge vielfach durch Hofkanzleidekrete, Erlässe und Ver14



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ordnungen geändert (vgl Thienel aaO, 37 Fn 44). Diese Rechtsakte ergingen iZm den §§ 28 ff ABGB; vielfach konkretisierten sie die im Rahmen der Praxis aufgetretenen Fragen iZm den einzelnen Einbürgerungsbestimmungen. So bestimmte zB iZm § 28 ABGB der Erlass des Ministeriums des Inneren vom 6.12.1850, Zl 25.418, dass im Fall, dass ein unehliches Kind durch Verehelichung des unehelichen, inländischen Vaters mit der ausländischen Mutter legitimiert und dadurch auch österreichischer Staatsbürger werde; iZm § 29 ABGB ordnete das Dekret vom 15.4.1828 an, dass unter dem öffentlichen Dienste, durch dessen Antretung Fremde die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben, „in Hinkunft bloß ein wirklicher Staatsdienst und keine provisorische oder andere öffentliche Dienstleistung zu verstehen sei“. Eine ex tunc betrachtet eigentümliche Färbung erhielt das österreichi- 27 sche Staatsbürgerschaftsrecht durch seine Verknüpfung mit einem anderen, viel älteren Rechtsinstitut, dem Heimatrecht. Das Heimatrecht (vor 1849 „politisches Domicil“) gehörte zu den Grundelementen altösterreichischer Staatlichkeit. Es war lange Zeit die erste und einzige normative Grundlage für die Unterscheidung von Einheimischen (Untertanen bzw Staatsbürgern) und Fremden. Zurück geht das Heimatrecht auf das Jahr 1552, als König Ferdinand (später Kaiser Ferdinand I.) mit einer Verordnung die Gemeinden für die Versorgung ihrer Armen verantwortlich machte. Seine staatsrechtliche Ausgestaltung erfuhr das Gemeindeprinzip in der Zeit des theresianisch-josephinischen Reformabsolutismus, als es im Interesse der Durchsetzung des aufkommenden Territorialstaates notwendig schien, „jedem Individuum seinen Platz“ zuzuweisen. In eine Vielzahl von Konskriptions-, Bettler- und Schubverordnungen flossen seit Mitte des 18. Jahrhunderts armenrechtliche, sozialfürsorgerische, polizeiliche, militärische und bevölkerungspo­ litische Ordnungsvorstellungen ein, die zu einer nie zuvor dagewesenen Disziplinierung und Territorialisierung der Bevölkerung führten. Sesshaftigkeit wurde zum Gebot, „fremde“ Bettler und Vaganten wurden erbarmungslos abgeschoben, einheimische versorgt. Dabei wurde die Gemeinde zum einzigen Ort, wo man heimisch (zuständig) war, von wo man nicht abgeschoben werden konnte und von dem man im Verarmungsfall erwarten durfte, erhalten zu werden (vgl Burger aaO, 70 f). Die ersten heimatrechtlichen Vorschriften im engeren Sinn enthielten das provisorische Gemeindegesetz 1849 sowie eine Reihe von Stadtstauten, an deren Stelle später das Reichsgemeindegesetz 1859 trat. 15

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Das Reichsgemeindegesetz 1862 enthielt nur mehr zwei allgemeine Bestimmungen über das Heimatrecht: nämlich dass jeder Staatsbürger in einer Gemeinde heimatberechtigt sein soll und dass über die Verleihung des Heimatrechts die Gemeinden entscheiden sollten. Die materiellen Bestimmungen über das Heimatrecht wurden im Heimatrechtsgesetz 1863 geregelt, wobei die älteren Bestimmungen weiterhin bedeutsam blieben (vgl § 49 HRG 1863). Das HRG 1863 baute im Wesentlichen auf dem Abstammungsprinzip auf; da sich dies aber wegen der zunehmenden Mobilität der Arbeitnehmer als unzweckmäßig erwies, wurde durch die Novelle RGBl 1896/222 ein Anspruch auf Verleihung des Heimatrechts nach zehnjährigem Wohnsitz in einer Gemeinde eingeführt. Unbedingte Voraussetzung der Erlangung eines Heimatrechts war die Staatsbürgerschaft; umgekehrt war angeordnet, dass jeder Staatsbürger ein Heimatrecht besitzen sollte. Das HRG 1863 sah zudem die Ausstellung von – eine Rechtsvermutung hinsichtlich des Besitzes des Heimatrechts begründenden – Heimatscheinen vor. 28 Eine grundlegende Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes brachte die Dezemberverfassung von 1867 mit sich. Artikel 1 des Staatsgrundgesetzes lautet: „Für alle Angehörigen der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder besteht ein allgemeines österreichisches Staatsbürgerrecht“. Bemerkenswert daran war, dass es aber keine einheitliche Reichsangehörigkeit, sondern eine österreichische und ungarische Staatsangehörigkeit gab, die voneinander verschieden waren. Österreicher und Ungarn galten in der jeweils anderen Reichshälfte als Ausländer. Lediglich im Verhältnis zu dritten Staaten wurde von einer einheitlichen „Reichsangehörigkeit“ ausgegangen, die aber im Verhältnis der beiden Reichshälften zueinander keine Bedeutung hatte. Auch nach 1867 wurde es für möglich gehalten, dass eine Person in beiden Reichshälften die Staatsbürgerschaft besitzen konnte; eine Verleihung der Staatsbürgerschaft durch einen der beiden Staaten an einen Angehörigen des anderen Staates war aber an dessen vorherigen Entlassung aus dem früheren Staatsverband geknüpft. 29 Eine Folge der durch das Staatsgrundgesetz gewährten Freizügigkeit (Artikel 6 StGG) war eine gewaltige Migrationsbewegung (Burger aaO, 83). Ein Motiv für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft lag im Art 3 des StGG, welcher den Eintritt in ein öffentliches Amt vom Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft abhängig machte. „Jeglicher Staatsdienst“ – sei er zivil oder militärisch – durfte nur mehr von Inländern bekleidet werden. Die Berufung an eine öster16



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reichische Hochschule etwa war jetzt notwendig mit der vorgängigen Aufnahme in den österreichischen Staatsverband verbunden. Für selbständig Tätige war hingegen die Staatsbürgerschaft zur Ausübung ihres Berufes grundsätzlich keine Voraussetzung. Im Jahr 1879 gab sich Ungarn in Ausübung seiner staatlichen Autono- 30 mie ein modernes Staatsbürgerschaftsgesetz, das sich in seinen Prinzipien eher am französischen Modell und teilweise am deutschen Gesetz über die Reichs- und Staatsangehörigkeit von 1870 orientierte als an den österreichischen Gesetzesbestimmungen. Der Dualismus (ABGB und Gesetzesartikel L: 1879 über den Erwerb und Verlust der ungarischen Staatsbürgerschaft) führte zu zahlreichen Ungereimtheiten und Kuriosa in der Praxis der Staatsbürgerschaftsgesetzgebung (vgl Burger aaO, 86). So ließ das ungarische Staatsbürgerschaftsgesetz im Gegensatz zum österreichischen (cisleithanischen) grundsätzlich Doppelstaatsbürgerschaften zu, sodass es für einen Ungarn möglich war, zugleich ungarischer und Staatsbürger „der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder“ zu sein, nicht aber umgekehrt. Allerdings gab es auch aufgrund der staatsrechtlichen Trennung der Monarchie in zwei wesensverschiedene Reichshälften einen Nationalitätenstaat mit acht im Prinzip gleichberechtigten „Volksstämmen“ (Cisleithanien) und einen Nationalstaat mit einem Staatsvolk (den Ungarn) und verschiedenen ethnischen Minderheiten (Transleithanien). Als die österreichisch-ungarische Monarchie am Ende des Ersten Welt- 31 krieges zusammenbrach, bedeutete das für Millionen von Menschen den Verlust ihrer Staatsbürgerschaft und endete in der Staatenlosigkeit. Seit damals ist Staatenlosigkeit zu einem Massenschicksal – als Folge von Flucht, Vertreibung, Exil – geworden. War das Staatsbürgerschaftsrecht der Monarchie – wie komplex und unübersichtlich es auch immer gewesen sein mag – vom Prinzip einer supra-ethnischen Neutralität geprägt gewesen, so folgten die Staatsbürgerschaftsrechte der neuen Republiken überwiegend einer nationalstaatlichen, ethnisch exklusiven Logik (Burger aaO, 132 f). Zwar fand die Frage der Staatsbürgerschaft ihre endgültige Regelung im Wesentlichen erst in den Staatsverträgen von St-Germain (1919) und Trianon (1920), doch alle Nachfolgestaaten versuchten, ihr Territorium (vgl StGBl 1918/40) sowie ihre Staatsbürger (vgl StGBl 1918/91) zunächst selbst zu bestimmen. Die am 12.11.1918 proklamiert „Republik Deutschösterreich“ erklärte 32 sich einige Tage später zum Souverän über „das geschlossene Siedlungs17

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gebiet der Deutschen innerhalb der bisher im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder“ – ein Gebiet, das mit „Deutschböhmen“ und „Deutsch-Südmähren“ weit über das Territorium der späteren Republik Österreich hinausreichte. Gleichzeitig erhob sie Ansprüche auf alle „Deutschen“ in den größeren Sprachinseln der Nachfolgestaaten Cisleithaniens und Westungarns. § 1 des Gesetzes über das deutschösterreichische Staatsbürgerrecht verkündete dementsprechend: „Deutschösterreichische Staatsbürger sind alle Personen, die zur Zeit der Kundmachung dieses Gesetzes in einer Gemeinde der Deutschösterreichischen Republik heimatberechtigt sind“. Doch auch Personen, „die ihren ordentlichen Wohnsitz erst nach dem 1. August 1914 nach Deutschösterreich verlegt haben“ (bzw in Zukunft verlegen würden), sollten, sofern sie in einer außerhalb der Republik Deutschösterreich gelegenen Gemeinde des bisherigen Österreich heimatberechtigt gewesen waren, die Möglichkeit haben, durch Erklärung Staatsbürger zu werden, mit Ausnahme allerdings – so die Regelung in § 2 Abs 2 des Gesetzes – Dalmatiens, Istriens und Galiziens. 33 Die dem Staatsbürgergesetz von 1918 (StGBl 1918/91) zugrundeliegenden Vorstellungen bildeten die Grundlage für die im Rahmen der Pariser Friedensverhandlungen vorgenommene Abwicklung der altösterreichischen Staatsbürgerschaft. Grundsätzlich sollte jeder Bürger der früheren österreichisch-ungarischen Monarchie jenem Staat angehören, in dem sich die Gemeinde befand, in der er heimatberechtigt gewesen war. Darüber hinaus jedoch sollten sowohl „die Bewohner der strittigen und einer Volksabstimmung unterworfenen Gebiete“ als auch „Personen fremder Rasse und Sprache“ jenen Staat durch Option zur Heimat wählen können, „dem sie nach Rasse und Sprache angehören“. Für alle Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen Monarchie galt gleichermaßen ein Optionsrecht nach „Rasse und Sprache“ [Anmerkung: Das Grundrecht auf Wahrung und Pflege von Nationalität und Sprache war mit Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes in den Verfassungsrang erhoben worden]; dementsprechend lautete der Artikel 80 des Vertrages von St-Germain-en-Laye vom 10.9.1919. Daneben sah Artikel 78 die Option Kraft früheren Heimatrechts und Artikel 70 die Option nach Volksabstimmung vor [vgl auch Vollzugsanweisung (StGBl 1920/397)]. Hinsichtlich der Durchführung der Option versprach der Brünner Vertrag vom 7.6.1920, diese „in liberaler Weise“ regeln zu wollen und insbesondere die Worte im französischen Originaltext „par la race et la langue“ derart deuten zu wollen, dass „hauptsächlich die 18



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Sprache als wichtigstes Kennzeichen der Volkszugehörigkeit in Betracht gezogen werde“ (vgl Burger aaO, 137). Artikel 64 machte den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft von zwei Voraussetzungen abhängig: Erstens von der Heimatberechtigung in einer österreichischen Gemeinde. Zweitens vom Nichtbesitz der Angehörigkeit „eines anderen Staates“. Ergänzend bestimmte der – „suppletorische“ (Thienel aaO, 57) – Artikel 65, dass die Staatsangehörigkeit durch die bloße Tatsache der Geburt im Staatsgebiet von Personen erworben werde, die nicht vermöge ihrer Geburt eine andere Staatsangehörigkeit geltend machen können. Die „Kehrseite“ der Staatsangehörigkeit regelte Art 70, wonach alle Personen, die in einer Gemeinde heimatberechtigt waren, welche nunmehr unter fremder Souveränität stand, „ohne weiteres und unter Ausschluss der österreichischen Staatsangehörigkeit“ die Angehörigkeit zu dem die Souveränität ausübenden Staat erwarben (vgl aber auch Art 71 bis 74, 76 und 77). Zu einer grundlegenden Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes kam 34 es durch die Bundesverfassung von 1920, mit der die Republik Österreich als ein Bundesstaat eingerichtet wurde. Artikel 6 B-VG 1920 unterschied zwischen einer Landes- und Bundesbürgerschaft, wobei jeder Landesbürger zugleich Bundesbürger sein sollte; eine Bundesbürgerschaft als solche – ohne zugleich Landesbürger zu sein – sah die Verfassung nicht vor. Das Übergangsgesetz 1920 erklärte jene gar nicht so seltenen Fälle „heimatloser Bundesbürger“, die entweder durch Erklärung nach § 2 des StbG 1918 oder durch Option nach dem Staatsvertrag von St-Germain Staatsbürger geworden waren, ohne dass sie vorher ein Heimatrecht in einer österreichischen Gemeinde erworben hatten, ausdrücklich zu Bundesbürgern. Das Jahr 1925 brachte grundlegende Änderungen der verfassungs- 35 rechtlichen Bestimmungen über die Staatsbürgerschaft. Das BVG 1925/272, wonach ein Ausländer durch Antritt eines öffentlichen Lehramtes an einer inländischen Hochschule die Landesbürgerschaft jenes Landes erwirbt, in welchem die Lehranstalt gelegen ist, und zugleich das Heimatrecht am Amtsort (vgl auch Art 6 Abs 4 B-VG idF BGBl 1925/268), derogierte den diesbezüglichen Erwerbstatbestand in §  29 ABGB. Gleichzeitig mit den verfassungsrechtlichen Änderungen wurde auch das Staatsbürgerschaftsgesetz 1925 [BGBl 1925/285 (vgl auch die Novellen BGBl 1927/236 und BGBl 1933/369)] beschlossen und damit den bis dahin geltenden Bestimmungen des ABGB über den Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft derogiert. Entsprechend dem 19

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Konzept des Artikels 6 B-VG regelte das Gesetz den Erwerb der Landesbürgerschaft, der automatisch den Erwerb der Bundesbürgerschaft nach sich zog (vgl §§  13 und 22 ff StbG 1925). Daneben enthielt das StbG 1925 auch noch vereinzelt Bestimmungen über den Erwerb des Heimatrechts und über die Ausstellung von Bescheinigungen über die Landes- und Bundesbürgerschaft (§§ 19 f StbG 1925). Zur Übergangsbestimmung vgl VfGH 24.2.2017, E 257/2017: keine automatische österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler. 36 Die Heimatrechtsnovelle des Jahres 1925 wollte die Zahl der noch immer heimatlosen Optanten (dh Personen, die die österreichische Staatsangehörigkeit, nicht aber ein Heimatrecht erworben hätten) verringern und das Prinzip durchzusetzen, wonach jeder Bundesbürger auch in jener Gemeinde seine rechtliche Heimat haben sollte, „in welcher er sich niedergelassen hat, lebt und wirkt“ (359 BlgNR II. GP). Konkret sollten heimatlose Bundesbürger, die ehemals in einer Gemeinde der österreichischen Monarchie heimatberechtigt gewesen waren, die Möglichkeit erhalten, das Heimatrecht in jener Gemeinde zu erlangen, „wo sie am 16. Juli 1920 (dem Tag des Inkrafttretens des Staatsvertrags von St-Germain) ihren ordentlichen Wohnsitz hatten“. Nach § 3 des Gesetzes hatten die „heimatlosen Bundesbürger“ nun die Möglichkeit, innerhalb dreier Monate „bei der Landesregierung eines Bundeslandes [zu] erklären, dass sie in diesem Bundeslande heimatberechtigt sein wollen“. Damit wurde laut Regierungsvorlage vor allem dem Wunsch jener Bundesländer Rechnung getragen, die durch den Staatsvertrag von StGermain Gebietsanteile verloren hatten und denen man mit diesem Gesetz die Chance geben wollte, sich ehemalige (deutsche) Landesangehörige zurückzuholen. 37 Die Verfassung vom 1.5.1934 (BGBl II 1934/1), die allerdings weder demokratisch legitimiert war, noch überhaupt jemals vollständig in Kraft trat, kehrte das Verhältnis von Landes- und Bundesbürgerschaft um. Mit der Bundesbürgerschaft sollte die Landesbürgerschaft des Landes erworben werden, in dem der Bundesbürger das Heimatrecht erwirbt (Art 15 Abs 1). Gesetzgebung und Vollziehung der „Staatsbürgerschaft“ besorgte der Bund (Art 34 Abs 1 Z 1). § 10 Abs 1 Verfassungsübergangsgesetz 1934 (BGBl II 1934/75) machte das Inkrafttreten von Art 15 Abs 1 (und 2) von einem entsprechenden BG abhängig; da es dazu bis zum Ende der Republik nicht mehr kam (das ÜG wurde durch Verfassungs-Überleitungsgesetz vom 1.5.1945, StGBl 1945/4 aufgehoben), blieb es bei den alten bundesverfassungsgesetzlichen und 20



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bundesgesetzlichen Bestimmungen, und zwar auch hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundes und der Länder zur Vollziehung. Seit dem Rücktritt der Regierung Schuschnigg (11.3.1938) und dem am 38 nächsten Tag erfolgten Einmarsch der deutschen Armee hatte Österreich als Staat aufgehört zu existieren. Mit dem Vollzug des „Anschlusses“ – offiziell damals als „Wiedervereinigung“ bezeichnet – Österreichs am 13.3.1938 und dem damit verbundenen rückwirkenden Inkrafttreten der „Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich“ vom 3.7.1938 (dt RGBl I S 790) gab es keine österreichische Staatsbürgerschaft mehr. Dennoch blieb allen Österreichern, die ipso jure im Wege der Sammeleinbürgerung unter dieselbe deutsche Staatsangehörigkeit fielen, die Reichsbürgerschaft formal verwehrt, weil das „vorläufige Reichsbürgerrecht“ im Land Österreich nicht eingeführt wurde; es stand nur jenen zu, die am 30.9.1935 im Besitz des Reichstagswahlrechts waren. Mit Wirkung vom 1.7.1939 wurde das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1913 mit den beiden Ergänzungen vom 5.2.1934 und 15.5.1935 auf die „Ostmark“ übertragen [Zweite Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich vom 30.6.1939 (dt RGBl I S 1072)]; zugleich wurden StbG und HRG aufgehoben. Mit der Verordnung über die Aberkennung der Staatsangehörigkeit und den Widerruf des Staatsangehörigkeitserwerbes in der Ostmark vom 11.7.1939 (dt RGBl I S 1235) wurde das entsprechende Reichsgesetz vom 14.7.1933 (dt RGBl I S 480) samt Durchführungsverordnung auf die „Ostmark“ übertragen. Die Aufhebung des Reichsbürgergesetzes samt allen seinen Verordnun- 39 gen (mit Wirkung: 27.4.1945) war eine der ersten Amtshandlungen der wiedererrichteten Republik Österreich unter ihrer „provisorischen Staatsregierung“ Karl Renner (vgl StGBl 1945/16). Mit Kundmachungen vom 13. und 29.5.1945 wurden alle durch das nationalsozialistische Reich getätigten Ausbürgerungen ausdrücklich aufgehoben. Mit dem Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz (StGBl 1945/59) und dem Staatsbürgerschaftsgesetz vom Juli 1945 (StGBl 1945/60) wurde ein Rechtszustand wiederhergestellt, wie er bis zum „Anschluss“ bestanden hatte, dh Staatsbürger der Zweiten Republik wurden zunächst all jene, die am 13.3.1938 die österreichische Bundesbürgerschaft besessen hatten. Aufgrund des Wiederinkrafttretens des B-VG am 19.12.1945 kam es 40 wegen des – bereits in § 5 der vorläufigen Verfassung (StGBl 1945/5) 21

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vorgesehenen und im StbG 1945 übernommenen – Konzepts der „einheitlichen österreichischen Staatsbürgerschaft“ zu einem „Verfassungskonflikt“ zwischen den staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestimmungen und den Art 6 und 11 B-VG. Eine Sanierung erfolgte erst durch das – in Verfassungsrang stehende – Nationalsozialistengesetz (BGBl 1947/25); danach sollten „bis zu einer anderslautenden bundesverfassungsgesetzlichen Regelung“ die Bestimmungen des StbG 1945 und des StÜG, soweit sie mit dem B-VG „in Widerspruch stehen, als Verfassungsbestimmungen“ gelten (vgl auch die uE die Unabhängigkeit bzw Neutralität des Verfassungsrechts in Frage stellende „Königsidee“ durch das Erkenntnis VfSlg 2455/1952). 41 Abgesehen von zahlreichen Novellen zum StbG und StÜG 1945, die zumeist der Verlängerung von Fristen für die Abgabe von Staatsbürgerschaftserklärungen dienten (vgl aber auch 2. StÜG-Novelle, durch die die Staatsbürgerschaftserklärung für Frauen eingeführt wurde), brachte erst das NSG eine erste größere Änderung des materiellen Staatsbürgerschaftsrechts (vgl III. Hauptstück des NSG): Das auch als „Verbotsgesetz 1947“ bezeichnete NSG schloss eine Reihe von Personen vom Erwerb und Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft aus (vgl Abschnitt II); dieser Ausschluss wurde zwar durch BGBl 1956/24 aufgehoben, hierdurch lebte aber die durch das NSG verlorene Staatsbürgerschaft bei diesen Personen nicht wieder auf. Betroffen davon waren insbesondere: (i) Personen, die zwischen dem 1.7.1933 und dem 13.3.1938 die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erworben hatten, (ii) alle deutschen Staatsangehörigen, die in diesem Zeitraum die österreichische Bundesbürgerschaft erworben hatten und Mitglieder der NSDAP oder einer ihrer Organisationen gewesen waren. 42 Wegen der – aufgrund von Novellierungen (vgl insbesondere BGBl 1949/142) verursachten – Unübersichtlichkeit wurde das StÜG und StbG 1945 durch das BGBl 1949/276 als Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 wiederverlautbart. Das StbG 1949 sah als Erwerbstatbestände Abstammung, Verehelichung, Verleihung, Wiedererlangung, Wiedererwerb („Beibehaltung“), Antritt eines öffentlichen Lehrsamts und Auffindung („Findlinge“) vor. Im Verleihungsfall wurden vier Arten unterschieden: Rechtsanspruch, 10-jähriger Wohnsitz, BMI-Bestätigung, Bundesregierungsentscheidung. § 7 StbG 1949 nannte als Verlusttatbestände „Verehelichung“ und „Ausbürgerung“ (vgl aber auch Thienel aaO, 91 ff). Vertriebene österreichische Staatsbürger konnten, wenn sie 22



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bis zum 19.1.1950 im Ausland eine fremde Staatsbürgerschaft erworben hatten, um die Staatsbürgerschaft innerhalb eines Jahres ansuchen, sofern „triftige Gründe“ für die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorlagen (§ 10 Abs 3 StbG 1949). Die nachfolgenden Novellen betrafen nur mehr die Verlängerung von Erklärungsfristen. Einen „Sonderfall“ bildeten die sogenannten „Volksdeutschen“ nach 43 1945. Darunter wurden Personen verstanden, die vor dem II. Weltkrieg Angehörige anderer Staaten als Österreich und Deutschland gewesen waren (vgl Thienel aaO, 74). Die – uE nur aus den damaligen Verhältnissen erklärbare – (menschenrechtswidrige) österreichische Praxis sah Volksdeutsche als Staatenlose oder als Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit an. Die vom deutschen Reich vorgenommenen Einbürgerungen der Volksdeutschen wurden als völkerrechtswidrig und damit für Österreich unbeachtlich qualifiziert. Die Staatsangehörigkeit dieser Personen sei nach dem Recht ihrer früheren Heimatstaaten zu beurteilen; waren sie von diesen – wie zB von der Tschechoslowakei – ausgebürgert worden, waren sie staatenlos, wurden sie – ohne formelle Ausbürgerung – faktisch nicht mehr als Staatsangehörige anerkannt, galten sie als Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit. Die Volksdeutschen konnten die österreichische Staatsbürgerschaft zunächst nur nach den allgemeinen Bestimmungen erwerben (eine Gleichbehandlung gab es nur bei den Berufen bzw im Sozialen: vgl BGBl 1952/166, BGBl 1952/172, BGBl 1952/171, BGBl 1952/209 idF BGBl 1954/41 bzw BGBl 1952/167 und BGBl 1951/70). Ein erleichterter Erwerb durch Abgabe einer Erklärung wurde erst durch das „Bundesgesetz betreffend den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Volksdeutsche“ (BGBl 1954/142) eingeführt; Volksdeutsche im Sinn dieses Gesetzes waren insbesondere Personen, die in ihrem Personalausweis (Ausländerausweis-Verordnung, BGBl 1946/33) die Eintragung „Volksdeutscher“ aufwiesen. Dieses Gesetz galt jedoch explizit nicht für Südtiroler und Canaltaler, 44 die während des II. Weltkrieges eine Option für Deutschland abgegeben hatten und in das Gebiet des späteren Österreich umgesiedelt waren (wurden). Durch das italienische Gesetzdekret vom 2.2.1948, Nr 23 über die Revision der Optionen (Gezetta Ufficiale vom 5.2.1948) wurde diesen Personen ein „Reoptionsrecht“ eingeräumt. Da diese Personen am 13.3.1938 die österreichische Bundesbürgerschaft nicht besaßen, fanden die Bestimmungen des StÜG keine Anwendung; um das Los dieser Umsiedler zu lindern, wurde deren administrative Gleich23

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stellung mit den österreichischen Staatsbürgern durch zahlreiche Beschlüsse und Erlässe verfügt (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 377 ff; VwSlg 14.310 A/1995). 45 Während den folgenden sechzehn Jahren nach der Wiederverlautbarung des die Restitution der Staatsbürgerschaft bezweckenden StbG und StÜG (samt zahlreichen Novellierungen) im Jahr 1949 gab es für ehemalige österreichische Staatsbürger keinerlei Möglichkeiten eines erleichterten Erwerbs der Staatsbürgerschaft mehr. In der Praxis allerdings wurden die zwischen 1945 und 1949 bestehenden Sondererwerbsmöglichkeiten für die Mehrheit der (insbesondere jüdischen) Vertriebenen gar nicht relevant, da österreichische Auslandsvertretungen, bei denen sich Emigranten hätten informieren können, zu diesem Zeitpunkt in vielen Ländern noch gar nicht errichtet waren und eine Rückkehr vielfach schon aufgrund der bestehenden verkehrstechnischen oder politischen Reisebeschränkungen nur eingeschränkt möglich war. Eines der Hauptprobleme der österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetzgebung bestand zudem darin, dass der endgültige Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht nach nationalsozialistischem, sondern nach genuin österreichischem Recht erfolgte. Während man nämlich auf Seiten der österreichischen Regierung mit der gewählten Form der Staatsbürgerschaftsüberleitung: Nichtigkeitserklärung aller während der NS-Zeit getätigten Ausbürgerungen plus der Rechtsfiktion eines Weiterbestehens früherer österreichischer Rechtsnormen in gewisser Weise versucht hatte, das Geschehene gleichsam ungeschehen zu machen, waren die vertriebenen österreichischen Juden mit den gar nicht fiktiven Folgen ihrer Ausbürgerung zu jedem Zeitpunkt konfrontiert. Wollten sie nicht staatenlos bleiben, sahen sie sich vielfach gezwungen, die Staatsbürgerschaft ihres Aufnahmestaates anzunehmen. Damit aber hatten sie (nach dem fiktiv geltenden StbG 1925) einen Verlusttatbestand gesetzt, der ihnen, kehrten sie erst nach 1950 zurück, zum Verhängnis wurde (Burger aaO, 169 f mwN); dieser Umstand und der durch die Ministerratsprotokolle der Jahre 1946 bis 1980 belegte politische Widerstand gegen eine Wiedereinbürgerung von vertriebenen österreichischen Juden erklären uE (auch) die Regelungen in § 58c und § 64a Abs 18 StbG idgF. 46 Am 15.7.1965 wurde das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (BGBl 1965/250) erlassen. Um die Staatsbürgerschaft erwerben zu können, musste nun seit mindestens 10 Jahren ein ordentlicher Wohnsitz im Gebiet der Republik bestehen. Es kam – wegen der UN-Konvention vom 24



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20.2.1957 über die Staatsbürgerschaft verheirateter Frauen – zu einer teilweisen Gleichstellung von Mann und Frau durch den Versuch einer Verselbständigung der Ehefrau in staatsbürgerlicher Hinsicht (vgl vor allem Novelle BGBl 1983/170). Der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für ehemalige Vertriebene des NS-Regimes wurde insofern erschwert, als von ihnen eine Aufgabe der neuen Staatsbürgerschaft verlangt wird. Den unmittelbaren Anlass für die grundlegende Neugestaltung des Staatsbürgerschaftsrechtes bildete jedoch die immer mehr hervortretende Notwendigkeit, an Stelle der alten Heimatrollen eine neue Staatsbürgerschaftsevidenz aufzubauen, die den praktischen Bedürfnissen der Bevölkerung und der Behörden Rechnung trägt. Unter Bedachtnahme auf die internationale Entwicklung auf dem Ge- 47 biete des Staatsbürgerschaftsrechtes (vgl UN-Konvention vom 30.8.1961 betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit und Europarat-Konvention vom 6.5.1963 über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und Militärdienstverpflichtung in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit) sah das StbG 1965 folgende materielle Änderungen in den Gründen für den Erwerb und Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft vor: – Das eheliche Kind einer österreichischen Staatbürgerin und eines Fremden erwarb auch dann die österreichische Staatsbürgerschaft nach seiner Mutter, wenn es sonst staatenlos sein würde, und zwar – im Gegensatz zur bisherigen Regelung – auch dann, wenn der Vater Angehöriger eines fremden Staates ist (§8 Abs 2 StbG 1965). – Eine Fremde erwarb durch die Eheschließung mit einem Staatsbürger nicht mehr zwangsläufig die österreichische Staatsbürgerschaft; sie hatte aber das Recht, die Staatsbürgerschaft durch einfache Erklärung zu erwerben (§ 10 StbG 1965). Umgekehrt trat aber der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach Maßgabe des § 27 StbG 1965 dann ein, wenn sie bei oder nach der Eheschließung aufgrund ihrer ausdrücklichen Willenserklärung die Staatsangehörigkeit ihres Ehegatten erwarb. – Die vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden aus Gründen des „Staatsinteresses“ (vgl § 5 Abs 1 Punkt 3 StbG 1949) war nur möglich, wenn die Bundesregierung bestätigt, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im Interesse der Republik liegt (§ 11 Abs 4 StbG 1965). 25

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– Die im StbG 1949 normierten „Anspruchsfälle“ (vgl § 5 Abs 3 sowie § 10 Abs 1 bis 3) wurden grosso modo übernommen und ausgebaut (§§ 12, 13, 14, 58 und 59 StbG 1965). – Der Kreis der Nachkommen des Fremden, der für eine Erstreckung der Verleihung in Betracht kommt, wurde vergrößert und die bisherige „Kann-Erstreckung“ in eine „Muss-Erstreckung“ umgewandelt (§ 17 StbG 1965). – Der Staatsbürgereid wurde wiedereingeführt, so wie er bis 1925 vor der Aushändigung der Verleihungsurkunde vom Fremden abzulegen war (§ 21 StbG 1965). – Der Antritt eines Lehramtes führte nicht nur bei den inländischen Hochschulen, sondern auch bei den inländischen Kunstakademien zum ex lege-Erwerb der Staatsbürgerschaft. – Der freiwillige Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit führte grundsätzlich zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft (§ 27 StbG 1965). Eine Beibehaltungsbewilligung war nur in besonderen Ausnahmefällen und, sofern in zwischenstaatlichen Verträgen vorgesehen, mit Zustimmung des anderen Staates möglich (§ 28 StbG 1965). – Der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit durch Legitimation wurde zu einem selbständigen Verlustgrund (§ 31 StbG 1965). – Abgesehen vom Militärdienst hatte der freiwillige Eintritt in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates nicht mehr den Verlust der Staatsbürgerschaft zur Folge (vgl aber auch §§ 33 und 59 StbG 1965). – Personen mit mehrfacher Staatsangehörigkeit konnten auf die österreichische Staatsbürgerschaft verzichten (§§  37 und 38 StbG 1965). – Personen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft durch Verleihung oder Erstreckung der Verleihung erworben haben, war diese wiederum zu entziehen, wenn sie aus Gründen, die sie selbst zu vertreten haben, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten haben (§ 34 StbG 1965). Bei den formalrechtlichen Änderungen sind die Änderung in der Zuständigkeit zur Ausstellung der Staatsbürgerschaftsnachweise und die Einführung der Staatsbürgerschaftsevidenz hervorzuheben. 48 Das StbG 1965 wurde in der Folge mehrmals novelliert (vgl insbesondere BGBl 1966/163, BGBl 1973/394, BGBl 1974/703, BGBl 1983/170, BGBl 1985/202) und im Jahr 1985 als „Staatsbürgerschaftsgesetz 26



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1985“ wiederverlautbart und seitdem wiederum häufig novelliert bzw vom VfGH „korrigiert“. Die Novellen waren zum Teil durch Erfahrungen bei der Vollziehung des Gesetzes motiviert; darüber hinaus erforderten Änderungen in anderen Rechtsgebieten die Anpassung der damit zusammenhängenden Vorschriften des StbG 1965 (vgl zB BGBl 1977/404 iZm der Neuregelung des Kindschaftsrechts). Und die Regelungen über die Staatsbürgerschaft wiesen (und weisen) wegen der damit verbundenen Folgen (zB Mindestsicherung, politische Rechte) eine eminente politische Bedeutung auf (vgl auch Rz  20), was ebenfalls Grund für Änderungen war bzw ist.

Ausblick Wenn es stimmt, dass Gesetze abstrahierende Spiegelbilder ihrer Zeit 49 sind, so ist das Staatsbürgerschaftsgesetz im Besonderen ein Abbild aktueller gesellschaftlicher Wertungen. Nach wie vor dominiert das Abstammungsprinzip das Statussystem, weiterhin ist die Staatsbürgerschaft ein Attribut nationaler Souveränität, doch zunehmend gerät die österreichische Rechtslage auf Grund „unbeherrschbarer“ Einflüsse – wie Unionsbürgerschaft und Migration – unter Druck. Ob und wie der Gesetzgeber hierauf reagiert, wird zeigen, in welche sozialpolitische Richtung wir uns bewegen.

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Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG) StF: BGBl Nr 311/1985 (WV) idF BGBl Nr 386/1986, BGBl Nr 685/1988, BGBl I Nr 124/1998, BGBl I Nr 37/2006, BGBl I Nr 2/2008 (1. BVRBG), BGBl I Nr 4/2008, BGBl I Nr 108/2008 (VfGH), BGBl I Nr 122/2009, BGBl I Nr 135/2009, BGBl I Nr 38/2011, BGBl I Nr 111/2011 (VfGH), BGBl I Nr 87/2012, BGBl I Nr 16/2013, BGBl I Nr 29/2013 (VfGH), BGBl I Nr 54/2013 (VfGH), BGBl I Nr 136/2013, BGBl I Nr 188/2013 (VfGH), BGBl I Nr 80/2014, BGBl I Nr 104/2014, BGBl I Nr 39/2017 (VfGH) und BGBl I Nr 68/2017

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Abschnitt I Allgemeine Bestimmungen § 1. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. Nr. 685/1988) EB zu BGBl 250/1965 Zu § 1: Artikel 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 sieht wohl neben der Bundesbürgerschaft für jedes Land eine eigene Landesbürgerschaft vor, deren Voraussetzung das Heimatrecht in einer Gemeinde des Landes ist. Das Heimatrecht wurde aber, wie bereits im Teil A der Erläuternden Bemerkungen erwähnt, während der Zeit der deutschen Besetzung abgeschafft und nach der Befreiung der Republik nicht wieder eingeführt. Auch die Landesbürgerschaft wurde nicht mehr reaktiviert; denn die Vorläufige Verfassung vom 1. Mai 1945 bestimmte in ihrem § 5 Abs. 1, daß für die Republik Österreich vorläufig eine einheitliche österreichische Staatsbürgerschaft besteht. Dementsprechend ist auch in den am 10. Juli 1945 von der Provisorischen Staatsregierung beschlossenen Gesetzen über die Überleitung in die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetz) und über den Erwerb und Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz) nur von einer (einheitlichen) Staatsbürgerschaft die Rede. Dieser Zustand blieb auch nach dem Wiederinkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 unverändert und wurde schließlich durch Abschnitt III des III. Hauptstückes des Nationalsozialistengesetzes durch die Verfügung saniert, daß „bis zu einer anders lautenden bundesverfassungsgesetzlichen Regelung“ die Bestimmungen dieser beiden Gesetze, soweit sie mit den Bestimmungen des BundesVerfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 in Widerspruch stehen, als Verfassungsbestimmungen zu gelten haben. Die Landesregierungen, denen der vorliegende Gesetzentwurf zur Stellungnahme übermittelt wurde, haben sich mit Ausnahme der Vorarlberger Landesregierung einhellig damit einverstanden erklärt, daß die Bundesbürgerschaft und die Landesbürgerschaft endgültig durch eine einheitliche österreichische Staatsbürgerschaft ersetzt werden; dies insbesondere im Hinblick darauf, daß nach Abs. 3 des in Rede stehenden Artikels 6 jeder Bundesbürger in jedem Land die gleichen Rechte und Pflichten wie die Bürger des Landes selbst hat und demnach – wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1952, Slg. Nr. 2455, hervorhob – die Landesbürgerschaft überhaupt keinen besonderen rechtlichen Inhalt hat. Trotzdem glaubt aber die Bundesregierung, daß diese für die bundesstaatliche Organisationsform Österreichs bedeutungsvolle Frage

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nicht vorzeitig und isoliert von anderen Problemen geregelt werden sollte. Es wurde daher eine Formulierung gewählt, die – ähnlich wie die zitierte Bestimmung des Nationalsozialistengesetzes – einer Entscheidung darüber, ob es später einmal endgültig bei einer einheitlichen Staatsbürgerschaft bleiben ober ob die im Art. 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes vorgesehene Unterteilung in eine Bundes- und Landesbürgerschaft wiederhergestellt werden soll in keiner Weise vorgreift. Schon jetzt kann aber vom Standpunkt der Bundesregierung gesagt werden, daß an eine Wiedereinführung des Heimatrechtes nicht gedacht werden kann, weil die Fürsorge für hilfsbedürftige Personen – und darin lag die Hauptbedeutung des Heimatrechtes – von den Gemeinden endgültig auf höhere und leistungsfähigere Verbände übergegangen ist. EB zu BGBl 685/1988 Zu Art. I Z 1, 4, 12 und Art. III (Staatsbürgerschaft): Punkt 27 des Forderungskataloges lautet: „Die Landesbürgerschaft im staatsbürgerschaftsrechtlichen Sinn soll wieder hergestellt werden.“ Als Begründung ist angeführt, daß durch die Verfassungsbestimmung des § 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 die Unterteilung in eine Bundes- und in eine Landesbürgerschaft in Aussicht genommen worden sei. Das Institut der Landesbürgerschaft, das ein typisches Merkmal des Bundesstaates darstelle, sollte daher dementsprechend wieder hergestellt werden. Der Forderung soll insoweit Rechnung getragen werden, als jene Staatsbürger, die in einem Land ihren ordentlichen Wohnsitz haben, bundesverfassungsrechtlich als dessen Landesbürger gelten sollen. Dagegen hält der vorliegende Entwurf an der einheitlichen Staatsbürgerschaft für die Republik Österreich fest. Die derzeit in §  1 zweiter Satz Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 enthaltene Promesse einer zukünftigen Teilung der Staatsbürgerschaft soll aufrechterhalten werden (Art. III Abs. 2). Abs. 1 entspricht inhaltlich dem §  1 erster Satz Staatsbürgerschaftsgesetz 1985. Diese Bestimmung wird daher entbehrlich und § 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 insoweit ersatzlos aufgehoben (Art. III Abs. 1). Abs. 2 sieht vor, daß jene Staatsbürger, die in einem Land ihren ordentlichen Wohnsitz haben, dessen Landesbürger sind. Der Bestimmung kommt deklaratorischer Charakter zu: Der Begriff „Landesbürger“ wird im soeben definierten Sinn bundesverfassungsrechtlich festgelegt. Für die Ausübung politischer Rechte im Lande stellt die Landesbürgerschaft ein zulässiges Differenzierungskriterium dar (vgl. insbesondere Art. 95 Abs. 1 B-VG); darüber hinausgehende Differenzierungen zwischen Landesbürgern und anderen Staatsbürgern werden auch künftig nur unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Rechtfertigung, wie er sich aus Art. 7 B-VG ergibt, zulässig sein. Mit der Aufhebung des § 1 Staatsbürgerschaftsgesetz wird auch die bislang in Judikatur und Lehre umstrittene Frage der Bedeutung des § 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (nunmehr: 1985) für die normative Geltung des Art. 6 B-VG (vgl. zB Koja, Das Verfassungsrecht der Österreichischen Bundesländer, 57 ff; Klecatsky – Morscher, Das Österreichische Bundesverfassungsrecht, 1982, 83 f; Walter – Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts 2, 68, dieselben,

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Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts 6, 78 f, und Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 1972, 138) bereinigt. Die Änderung des Art. 95 Abs. 1 B-VG (Art. I Z 12) berücksichtigt die mit Art. 6 Abs. 2 B-VG idF des vorliegenden Entwurfes geschaffene Terminologie der Landesbürgerschaft. Von der Aufnahme einer dem Art. 6 Abs. 4 B-VG in der geltenden Fassung entsprechenden Bestimmung wurde im Hinblick auf § 25 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 Abstand genommen. Danach ist mit dem Dienstantritt eines Fremden als Ordentlicher Universitäts(Hochschul)professor der Erwerb der Staatsbürgerschaft verbunden. In Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 B-VG idF des vorliegenden Entwurfes gilt der Betreffende in jenem Land, in dem er seinen Wohnsitz hat, als dessen Landesbürger. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Grundsatz der einheitlichen Staatsbürgerschaft.................................... 6 III. Landesbürgerschaft..................................................................................... 9 IV. Wahlrecht...................................................................................................... 11 Schrifttum zu § 1: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Kelsen/Froehlich/Merkl, Die Verfassungsgesetze der Republik Österreich, Fünfter Teil (1922); Pernthaler/Weber, Landesbürgerschaft und Bundesstaat (1983); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft I und II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Die im Verfassungsrang gestandene Vorschrift des § 1 StbG 1965 be- 1 stimmte in Satz 1, dass für die Republik Österreich eine Staatsbürgerschaft besteht. Gegenstand dieser Feststellung war nicht der Bestand einer Staatsbürgerschaft schlechthin, sondern der Bestand einer einheitlichen – entgegen dem Art 6 B-VG nicht in eine Bundes- und Landesbürgerschaft unterteilten – Staatsbürgerschaft (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 7 f und 39). Satz 2 behielt die Unterteilung der Staatsbürgerschaft in eine Bundes- und eine Landesbürgerschaft entsprechend Art 6 B-VG idF 1929 einer besonderen bundesverfassungsgesetzlichen Regelung vor. Der Grund, warum § 1 StbG 1965 eine Verfassungsbestimmung war, geht – verkürzt dargestellt – auf den Umstand zurück, dass § 5 der vorläufigen Verfassung (StGBl 1945/5) „eine einheitliche österreichische 33

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Staatsbürgerschaft“ vorsah und gestützt auf diese Bestimmung das StbG 1945 und das St-ÜG 1945 erging, die folgerichtig nur eine einheitliche Staatsbürgerschaft kannten. Am 19.12.1945 – dem Tag des Zusammentretens des ersten wieder frei gewählten Nationalrates – wurde das B-VG wieder wirksam und die vorläufige Verfassung trat außer Kraft. Damit entfiel auch die verfassungsrechtliche Grundlage der durch StbG 1945 und St-ÜG 1945 geregelten einheitlichen Staatsbürgerschaft. Dieser Mangel sollte Art III § 2 des Verfassungs-Übergangsgesetzes 1945 beheben; allerdings scheiterte diese Gesetzeswerdung am Veto des Alliierten Rates. Deshalb blieb der Widerspruch zwischen dem (alten) Art 6 B-VG, nach dem die Landesbürgerschaft den Vorrang hatte und die Vollziehung den Ländern oblag, und der einfachgesetzlichen Staatsbürgerschaftsregelung vorläufig bestehen. Er wurde erst durch das NSG dahingehend (uE fragwürdig und durch das Erkenntnis des VfGH 16.12.1952, VfSlg 2455 ins „Gegenteil“ verkehrend) behoben, das damit die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des NSG (am 18.2.1947) in Geltung gestandenen Staatsbürgerschaftsvorschriften „soweit sie mit den Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 in Widerspruch stehen … bis zu einer anders lautenden bundesverfassungsgesetzlichen Regelung … als Verfassungsbestimmungen“ gelten. Jedenfalls bedurfte es aus diesem Grund (dh um das Projekt eines vollkommen neuen StbG unter Beibehaltung des Instituts der einheitlichen Staatsbürgerschaft umsetzen zu können) der Verfassungsbestimmung des § 1 StbG 1965 (vgl auch Einleitung Rz 40). 2 Durch Art III Abs 1 der B-VG-Novelle BGBl 1988/685 wurde der im Jahr 1985 wiederverlautbarte § 1 aufgehoben; in Art III Abs 2 wurde jedoch die – bereits im Satz 2 des § 1 StbG 1965 enthaltene – „Promesse“ neuerlich statuiert, dass „eine Unterteilung der Staatsbürgerschaft in eine Bundes- und eine Landesbürgerschaft unter Beibehaltung der in Art. 6 B-VG in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 1/1930 festgelegten Zielsetzungen einer besonderen bundesverfassungsrechtlichen Regelung vorbehalten“ bleiben soll. IZm der Beibehaltung des als programmatisch qualifizierten Satzes 2 des § 1 durch Art III Abs 2 hielt der VA kryptisch fest: „Im Falle einer künftigen bundesverfassungsgesetzlichen Neuregelung der Staatsbürgerschaft im Sinne des Art 6 B-VG in seiner ursprünglichen Fassung, nämlich in jener der Kundmachung BGBl Nr. 1/1930 werden die Zielsetzungen dieser Regelung zu beachten sein“. Nach Thienel aaO, 28 sei daraus kein „Derogationsvorbehalt“ seitens des Verfassungsgesetzgebers ableitbar; vielmehr spreche 34

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der politisch bedeutsame aber normativ unmittelbar nicht bedeutsame „Programmsatz“ gegen die Intention, Art 6 B-VG in seiner ursprünglichen Fassung „irgendwie“ in Geltung zu belassen. Das Verhältnis des Art 6 B-VG zu Art III der Novelle 1988 wird – vgl 3 Thienel aaO, 23 ff – durch die Entstehungsgeschichte erkennbar. Erstens hielt die Bundesregierung – der Forderung der Länder (Einführung der Landesbürgerschaft als Voraussetzung für den Besitz der Bundesbürgerschaft) nicht entsprechend – an der einheitlichen Staatsbürgerschaft fest. Zweitens wurde mit Art  6 Abs  1 B-VG idF BGBl 1988/685 („Für die Republik Österreich besteht eine einheitliche Staatsbürgerschaft“) der inhaltliche Gleichklang mit §  1 Satz 1 StbG 1965 hergestellt. Drittens wurde der Länderforderung nur insofern Rechnung getragen, als die im Land wohnhaften Staatsbürger als dessen Landesbürger gelten sollen (vgl Art 6 Abs 2 B-VG). Der in Art  6 Abs  2 B-VG (indirekt) erwähnten Landesbürgerschaft kommt folglich derzeit keine (direkte) staatsbürgerschaftsrechtliche Bedeutung zu. Fraglich ist aber, welche normative Bedeutung Art III Abs 2 der B-VG Novelle 1988 in diesem Zusammenhang hat. Denn wenn der Verfassungsgesetzgeber von dem darin enthaltenen – und uE durch den Verweis auf die „Beibehaltung der in Art. 6 B-VG in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 1/1930 festgelegten Zielsetzungen“ determinierten – Vorbehalt der Einführung einer staatsbürgerrechtlich relevanten Landesbürgerschaft Gebrauch macht, wäre uE dadurch Art 6 Abs 1 B-VG idgF derogiert. Dh der Verfassungsgesetzgeber hat die Möglichkeit, vom geltenden Konzept der einheitlichen Staatsbürgerschaft durch Verfassungsgesetz (vgl aber auch Rz 4) wieder abzuweichen und das „historische“ Konzept des Primats der Landesbürgerschaft (und deren Abhängigkeit vom Heimatrecht in einer Gemeinde) zu reaktivieren. Art  III Abs  2 der B-VG Novelle 1988 kann uE – durch seinen Kompromisscharakter – auch als (unausgesprochener) „Umschiffungsversuch“ einer wesentlich umstritteneren Frage, nämlich die bis zur Novelle BGBl 1988/685 geführte Debatte über eine Gesamtänderung der Bundesverfassung durch Abschaffung der Landesbürgerschaft verstanden werden. In dem die Landesbürgerschaft dadurch nicht ersatzlos entfiel, sondern lediglich (bis zur Reaktivierung des Vorbehalts) suspendiert worden ist, sollte sich das ansonsten nur vom VfGH lösbare Problem einer (möglichen) Gesamtänderung der Bundesverfassung, dh einer Änderung, die einen der leitenden Grundsätze der Bundesver35

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fassung – wie etwa das demokratische Prinzip (Art1 B-VG) – berührt, von Vornherein nicht stellen. 4 Kritisch ist anzumerken, dass Art  III Abs  2 B-VG Novelle 1988 bei Berücksichtigung der Konstruktion der Abs  1 bis 3 des Art  6 B-VG 1920 (vgl dazu Kelsen/Froehlich/Merkl aaO, 70 f) „verfassungswidrig“ sein könnte. Art  III verfassungskonform interpretiert könnte uE nur heißen, dass die – laut EB beabsichtigte – „bereinigende“ Wirkung des durch Art III Abs 1 aufgehobenen § 1 „für die normative Geltung des Art. 6 B-VG“ durch das Festhalten an Art 6 B-VG 1920 in Art III Abs 2 nicht erreicht wird. Anderenfalls – dh bei Annahme einer „völligen“ bzw „endgültigen“ Aufhebung des Art 6 B-VG durch Art III – wäre die damit verbundene Abschaffung der ursprünglich für den (effektiv durch „Beitrittserklärungen“ der Länder zustande gekommenen) Bundesstaat bedeutsamen und bestimmenden Landesbürgerschaften eine Gesamtänderung iSd Art 44 Abs 3 B-VG. Doch auch der Versuch einer verfassungskonformen Auslegung könnte uE wegen des Vorbehalts „einer besonderen bundesverfassungsrechtlichen Regelung“ (und der damit verbundenen „Verfassungssuspendierung“ des Art 6 B-VG 1920) einen verfassungsrechtlich angreifbaren „Schönheitsfehler“ in sich bergen. An diesem kritischen Befund ändert uE der Umstand nichts, dass es die Kundmachung vom 29.5.1945 (StGBl Nr 16) unterließ, gemäß § 1 Abs 3 R-ÜG zu bestimmen, dass die durch sie seinerzeit aufgehobenen Heimatrechtsvorschriften wieder in Geltung treten und deshalb es seither kein Heimatrecht gab. Ein solches wäre zwar unerlässliche Voraussetzung für eine dem Art  6 B-VG entsprechende einfachgesetzliche Regelung; diese durch einfaches Gesetz jederzeit wieder herstellbare „Voraussetzung“ ändert uE aber nichts an der eigentlichen „Konstruktion“ – und damit an der das Wesen der Republik Österreich charakterisierenden Bedeutung – des Art 6 B-VG 1920 als Grundlage eines von der Landesbürgerschaft bestimmten Staatsbürgerschaftsrechts. Auch wenn die (zentralistische) Bundesregierung iZm §  1 StbG 1965 „an eine Wiedereinführung des Heimatrechtes nicht gedacht“ (497 der Beilagen X. GP) hat, hindert uE Art III B-VG Novelle 1988 nicht daran, die ursprünglichen (Macht-)Verhältnisse im (Bundes-)Staat wiederherzustellen. Der „Entscheidung darüber, ob es später einmal endgültig bei einer einheitlichen Staatsbürgerschaft bleiben ober ob die im Art. 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes vorgesehene Unterteilung in eine Bundes- und Landesbürgerschaft wiederhergestellt werden soll“, griff 36

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weder § 1 StbG 1965 noch (um eine Verfassungswidrigkeit zu „provozieren“) Art III Abs 2 B-VG Novelle 1988 vor. Allerdings ist uE fraglich, ob die durch den Vorbehalt einer „bundesverfassungsrechtlichen Regelung“ geschaffene Hürde in Art III Abs 2 nicht derart eingriffsintensiv ist, dass durch diese Verfassungsbestimmung das Bundesverfassungsrecht insgesamt und damit auch das B-VG und dessen leitende Prinzipien einschließlich der Bestimmung des Art 44 Abs 3 B-VG seine Maßgeblichkeit für Teilbereiche der Rechtsordnung (der Länder) verloren hat. UE kann – nach der geltenden Rechtslage (und unbeschadet der obigen 5 Überlegungen) – die Bundes- und Landesbürgerschaft derzeit als inhaltsgleich angesehen werden. Die Landesbürgerschaft hat wie auch die Bundesbürgerschaft keinen besonderen staatsbürgerrechtlichen Inhalt; aus beiden Bürgschaften ergeben sich auch keinerlei besonderen staatsbürgerrechtlichen Rechte und Pflichten. Aufgrund des Art  7 Abs  1 Satz 1 B-VG idgF („Alle Staatsbürger sind vor dem Gesetz gleich“) wäre ein besonderer rechtlicher Gehalt solcher Bürgerschaften verfassungswidrig. Insofern trifft es (bisher) zu, dass – wie der VfGH im Erkenntnis vom 16.12.1952, VfSlg 2455 iZm Art 6 B-VG 1920 konstatierte – in „Wahrheit überhaupt nur ein Rechtsverhältnis vor[liegt], nämlich das Verhältnis der Staatsbürgerschaft, das als Oberbegriff die beiden Seiten der Betrachtung – Landesbürgerschaft und Bundesbürgerschaft – in sich schließt“.

II.  Grundsatz der einheitlichen Staatsbürgerschaft Der Grundsatz der einheitlichen Staatsbürgerschaft wurde durch §  1 6 StbG 1965 eingeführt und durch die B-VG Novelle 1988 in den Art 6 Abs  1 übergeführt. Der Gesetzgeber war sich uE von Anfang an im Klaren, dass „diese für die bundesstaatliche Organisationsform Österreichs bedeutungsvolle Frage“, trotz beabsichtigtem „endgültigem“ Ersatz von Bundes- und Landesbürgerschaft durch eine einheitliche österreichische Staatsbürgerschaft (und eines – diese Absicht stützenden – uE wenig überzeugenden Erkenntnis des VfGH), nicht „vorzeitig und isoliert von anderen Problemen geregelt werden sollte“. Art III B-VG Novelle 1988 „zementierte“ zwar neuerlich den Grund- 7 satz der einheitlichen Staatsbürgerschaft, blieb aber eine „endgültige“ Lösung wegen den damit verbundenen tiefgreifenden Verfassungspro37

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blemen (vgl Rz 3 ff) schuldig. Offenbar war sich der Gesetzgeber im Jahr 1988 bewusst, dass das vom Gesetzgeber im Jahr 1964 (iZm §  1 StbG 1965) verfolgte Ansinnen, dass „die Landesbürgerschaft überhaupt keinen besonderen rechtlichen Inhalt hat“, rechtlichen und historischen Grundlagen nicht standzuhalten vermag. Aus diesem Grund kam es uE im Rahmen der B-VG Novelle 1988 zu einem „Spagat“ zwischen Aktivierung der einheitlichen Staatsbürgerschaft und Deaktivierung der Landesbürgerschaft, ohne den durch Art  6 B-VG 1920 bestandenen Zusammenhang aufzugeben. 8 Der Grundsatz der einheitlichen Staatsbürgerschaft verwehrt dem einfachen Bundesgesetzgeber eine Regelung nach dem Muster des Art 6 Abs  1 bis 3 B-VG 1920 (vgl Thienel aaO, 23). Dies kommt uE nicht durch die EB zum Ausdruck, sondern durch Art III Abs 2 B-VG Novelle 1988. Wegen des darin normierten bundesverfassungsrechtlichen Vorbehalts einer „Unterteilung der Staatsbürgerschaft in eine Bundesund eine Landesbürgerschaft“ ist (auch) eine staatsbürgerschaftsrechtlich bedeutsame Regelung einer Zugehörigkeit zu den Ländern ausgeschlossen (vgl auch Thienel aaO, 38 f und 41). Davon abgesehen können (und haben) die Länder in ihren Landesverfassungen Bestimmungen über die „Landesbürgerschaft“ aufgenommen bzw beibehalten und mit diesem Status – insbesondere „politische“ Rechte – verknüpft [zu weitgehend uE zB § 27 Oö Grundverkehrsgesetz 1994 (LGBl 1994/88 idF LGBl 2013/90)].

III.  Landesbürgerschaft 9 Nach Art 6 Abs 2 B-VG idgF sind jene Staatsbürger, die in einem Land den Hauptwohnsitz haben, dessen Landesbürger; die Landesgesetze können jedoch vorsehen, dass auch Staatsbürger, die in einem Land einen Wohnsitz, nicht aber den Hauptwohnsitz haben, dessen Landesbürger sind. Durch diese (deklaratorische) Regelung werden jene Menschen als „Landesbürger“ bezeichnet, die von besonderer Bedeutung für die Stellung der Länder sind, nämlich die zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung im Land berufenen „Aktivbürger“ des Landes. In den meisten Landesverfassungen wird das Landesvolk sinngemäß als die Gesamtheit der Landesbürger umschrieben [vgl zB Art 3 Abs  1 Oö Landes-Verfassungsgesetz (LGBl 1991/122 idF LGBl 2015/41)]. 38

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Schwerpunkt der B-VG Novelle 1988 war insbesondere „die bundes- 10 verfassungsrechtliche Regelung der Landesbürgerschaft“. Seither wird in Art  95 B-VG – bei der Umschreibung der Wahlberechtigten zum Landtag – nicht mehr auf die Kriterien „Bundesbürger“ und Wohnsitz im Land abgestellt, sondern auf die „Landesbürger“. Laut den EB (607 der Beilagen XVII. GP) trägt die Änderung des Art 95 Abs 1 B-VG der mit Art 6 Abs 2 B-VG geschaffenen Terminologie der Landesbürgerschaft Rechnung. Nach dem Willen des Bundesverfassungsgesetzgebers stellt die Landesbürgerschaft aber nur ein Differenzierungskriterium für die Ausübung „politischer Rechte“ im Lande dar, wobei uE nicht klar ist, welche Rechte konkret gemeint sind. Darüber hinausgehende Differenzierungen zwischen Landesbürgern und anderen Staatsbürgern soll „nur unter dem Gesichtspunkt der sachlichen Rechtfertigung, wie er sich aus Art. 7 B-VG ergibt, zulässig sein“.

IV.  Wahlrecht Die Voraussetzung der Staatsbürgerschaft ist als ausdrückliches Tatbe- 11 standselement in unterschiedlicher Form in den das wahlrechtliche Homogenitätsprinzip bildenden Bestimmungen der Bundesverfassung verankert. In Art  117 B-VG ist ausdrücklich von Staatsbürgern die Rede [vgl aber auch EG-Kommunalwahlrichtlinie (RL 94/80/EG geändert durch RL 96/30/EG)], in Art 95 B-VG zwar von Landesbürgern, wobei diese aber definitionsgemäß Staatsbürger gemäß Art  6 Abs  2 B-VG sind. Art 26 B-VG spricht in seinem Abs 1 vom „Bundesvolk“. Dieser Begriff knüpft an die Staatsbürgerschaft an (vgl dazu zB VfSlg 12.023/1989); auch eine Bedachtnahme auf Art 8 Abs 1 des Staatsvertrags von Wien [BGBl 1955/152 (gemäß Art  II Z  3 des BVG BGBl 1964/59 im Rang von Bundesverfassungsrecht)] macht deutlich, dass der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft das maßgebliche Kriterium für die Zugehörigkeit zum Bundesvolk darstellt. Die Staatsbürgerschaft als bundesverfassungsrechtlich determinierendes Tatbestandsmerkmal und Ausfluss des wahlrechtlichen Homogenitätsgebotes bindet somit die einfachen Gesetzgeber bei der Regelung wahlrechtlicher Bedingungen für allgemeine Vertretungskörper (vgl auch VfSlg 17.264/2004). Art 95 Abs 1 iVm Art 6 Abs 2 B-VG verbietet eine Ausdehnung des 12 allgemeinen Wahlrechts auf Nicht-Staatsbürger, zumal darin im Hinblick auf Art 44 Abs 3 B-VG ein Verstoß gegen die verfassungsrechtli39

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chen Grundprinzipien erblickt werden könnte, weil das allgemeine Wahlrecht als Ausdruck der Volkssouveränität betrachtet werden kann. Eine Ausdehnung auf alle der Gebietshoheit unterworfenen Personen (ohne Haupt- bzw Wohnsitz) würde die Volkssouveränität zu einem „Spielball“ der Politik machen und sie der Beliebigkeit der Aufenthaltsnahme bzw -aufgabe aussetzen. 13 Art 95 Abs2 B-VG bestimmt, dass die „Landtagswahlordnungen ... die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger ziehen [dürfen] als die Bundesverfassung für Wahlen zum Nationalrat“. Am Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft ändert – angesichts dessen ausdrücklicher Regelung – diese Bestimmung allerdings nichts. Dh: Eine allgemeine Vertretung, die aus allgemeinen Volkswahlen hervorgeht, muss nach dem Konzept der Bundesverfassung ausschließlich von österreichischen Staatsbürgern getragen sein.

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet:

1. Republik: die Republik Österreich; 2. Staatsbürgerschaft: die Staatsbürgerschaft der Republik Österreich (österreichische Staatsbürgerschaft); 3. Staatsbürger: ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt; 4. Fremder: ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt.

[idFBGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Zu § 2: Hiedurch soll zur Vermeidung von Irrtümern klargestellt werden, daß die in diesem Bundesgesetz immer wieder verwendeten Begriffe Staatsbürgerschaft, Staatsbürger und Republik sich stets auf Österreich beziehen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Republik................................................................................................... 4 B. Staatsbürgerschaft.................................................................................. 5 C. Staatsbürger............................................................................................. 7 D. Fremder..................................................................................................... 8

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Schrifttum zu § 2: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft I und II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Die §§ 2, 3 und 4 enthalten Legaldefinitionen. Der AB zu §  2 StbG 1 1965 führt dazu begründend aus, dass die Bestimmungen der §§  2, 3 und 4 Abs 2 der RV „aus Gründen der Übersicht und der Klarheit in einem einzigen Paragraphen zusammengefaßt und – ähnlich wie dies zum Beispiel im §  2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/60, geschehen ist – in einen Katalog der Begriffsbestimmungen umgewandelt“ wurde. § 1 StbG 1918 definierte den Begriff „deutschösterreichische Staatsbürger“; das StbG 1925 und das StbG 1949 erhielten keine Begriffsbestimmungen. Aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen Novellen wäre (wie nach dem „Vorbild“ der StVO 1960) eine Erweiterung der Begriffsbestimmungen notwendig, um die bisher aufgetretenen Verschiedenheiten in den Auffassungen zu bereinigen (vgl dazu die Begriffsbestimmungen bei der Kommentierung der einzelnen Paragrafen). Soweit das StbG keine eigenen Begriffsbestimmungen enthält, kann uE 2 bei der inhaltlichen Bestimmung eines Begriffes – wie zB „Aufenthalt“ in § 11a – auf die Bestimmung des Gesetzes oder der Gesetze zurückgegriffen werden, dessen oder deren Regelungszweck einen Nahebezug zu diesem Begriff aufweist bzw aufweisen [dh im Fall des Aufenthaltsbegriffes auf das NAG (und die dazu ergangene Rechtsprechung)]. Geben das StbG und die Materialien keine Hinweise zum näheren Begriffsinhalt, wird aber ausdrücklich auf ein anderes Gesetz verwiesen (zB verweist § 7 Abs 1 auf die §§ 143 und 144 ABGB), ist uE aufgrund des damit gegebenen sachlichen Zusammenhangs der beiden Gesetze für die Begriffsbestimmung im StbG – (in der Regel) ausschließlich – auf die Festlegung im verwiesenen Gesetz zurückzugreifen. Unbeschadet der Frage eines Rückgriffs auf andere gesetzliche Grundlagen zur Bestimmung eines Begriffes ist aber uE ein Begriff von der Legaldefinition abzukoppeln und zu erweitern, wenn dies dort aus verfassungsrechtlichen Gründen (zB zur Erzielung eines Art  8 EMRK entsprechenden Ergebnisses) erforderlich ist. Und ein im Rahmen von Begriffsbestimmungen festgelegtes Verständnis eines Termi41

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nus zwingt nicht in jedem Fall dazu, diesen innerhalb eines Gesetzes stets im Sinn der Legaldefinition auszulegen (VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230; VwGH 17.11.2011, 2010/21/0494). 3 Grundsätzlich ist ein kundgemachtes Gesetz aus sich selbst auszulegen. Andere Erkenntnisquellen über die Absicht des Gesetzgebers sind erst dann heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise des Gesetzgebers zweifelhaft ist (VwGH 4.11.1971, 2228/70, VwSlg 8101 A/1971). Ist der Wortlaut in diesem Sinn klar, kommt eine teleologische Interpretation einer Bestimmung bzw eines Begriffes nicht in Betracht. Im Übrigen gelten die allgemeinen Auslegungsregeln des bürgerlichen Rechts (insbesondere jene des § 6 ABGB), die der grammatikalischen die logische und teleologische Interpretation als (zumindest) gleichberechtigt zur Seite stellen, in uneingeschränktem Ausmaß auch für das öffentliche Recht (vgl VwSlg 5212 F/1978). Nach der Rechtsprechung des VwGH sind alle diese Auslegungsmethoden erlaubt; sie schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen einander (VwSlg 6422 F/1989). Ziel der Auslegung ist es, den objektiven Willen einer Vorschrift zu erfassen.

II.  Begriffe A.  Republik 4 Der Begriff „Republik“ meint das am 30.10.1918 entstandene „Staatswesen“ (vgl Thienel aaO, 103; Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 39); infolgedessen hat uE die „originäre Staatlichkeit“ der Bundesländer auch iZm Art III B-VG Novelle 1988 (vgl § 1) eine Relevanz. Hingegen kommt dem Umstand, dass die offizielle Bezeichnung bis zum Gesetz vom 21.10.1919, StGBl Nr 484 „Republik Deutschösterreich“ (vgl auch § 1 StbG 1918) und während der Geltung der Verfassung 1934 „Bundesstaat Österreich“ lautete, iZm § 2 Z 1 keine Bedeutung zu. Das StbG verwendet den Begriff „Republik“ nicht durchgehend einheitlich: Zum Teil ist nur von der „Republik“, zum Teil von der „Republik Österreich“ die Rede (vgl zB § 10 Abs 1); statt vom „Gebiet“ der Republik (vgl zB §  8) wird auch vom „Bundesgebiet“ gesprochen (vgl zB §  10 Abs 4; § 11a); vgl auch § 11a Rz 24.

B.  Staatsbürgerschaft 5 Gemeint ist mit dem Begriff der „Staatsbürgerschaft“ die Zugehörigkeit zu dem in Rz  4 genannten Staatswesen, ohne Rücksicht darauf, 42

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dass deren offizielle Bezeichnung bis zum Inkrafttreten des StbG 1945 „Bundesbürgerschaft“ lautete. Die Definition in § 2 Z 2 bezweckt eine terminologische Unterscheidung zwischen der Angehörigkeit zum Staat Österreich und der Angehörigkeit zu einem anderen Staat: Wenn es um Letzteren geht, spricht das StbG nicht von Staatsbürgerschaft, sondern von Staatsangehörigkeit (vgl §§ 3, 10, 11a, 13, 26, 27 ff, 34, 37, 41, 56a, 56b, 63, 64a). Hierbei geht Thienel aaO, 105 ff von der „äußeren“ Staatsangehörigkeit 6 – also jener im völkerrechtrechtlichen Sinn – aus. Dh es komme nicht auf den innerstaatlichen Bürgerstatus an [vgl auch EB zu § 58c (729 der Beilagen XIII. GP) iZm der Bürgerschaft Uruguays], sondern (nur) auf die völkerrechtlich relevante Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Staat. Dieser Auffassung ist vor dem Hintergrund der Reaktion der österreichischen Gesetzgebung auf die zwangsweisen Kollektiveinbürgerungen seitens des Dritten Reiches – beginnend mit dem StÜG, über das Volksdeutschengesetz (BGBl 1954/142) und der Behandlung der Südtiroler und Kanaltaler Optanten – Plausibilität zuzuerkennen (vgl auch VwSlg 14.310 A/1995). Ob aber die Überlegung, dass die Zwangseinbürgerungen seitens Deutschlands völkerrechtswidrig und daher für Österreich unbeachtlich waren, vorbehaltslos generalisiert werden kann, dass grundsätzlich nur solche Personen als Staatsangehörige anderer Staaten anzusehen sind, die von diesen unter Beachtung der völkerrechtlichen Schranken eingebürgert sind und bei Überschreitung dieser Grenzen der Betroffene nicht als Angehöriger des anderen Staates gilt, ist uE – angesichts von „Staaten“ wie zB Taiwan, Abchasien, Nordzypern, Südossetien, Kosovo, Syrien, Palästina sowie Libyen – fraglich. Mit anderen Worten haben sich uE die völkerrechtlichen Rahmenbedingungen zwischenzeitlich derart verändert, dass – auch wegen der mit Staatenlosigkeit im StbG verbundenen (Rechts-)Folgen – eine einzelfallbezogene Beurteilung und Berücksichtigung der von einem anderen „Staat“ verliehenen Staatsangehörigkeit für den Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts geboten sein kann. Abgesehen von diesem Vorbehalt kann gesagt werden: Wenn das StbG an eine fremde Staatsangehörigkeit anknüpft, sind damit in der Regel nur solche Menschen erfasst, die von einem anderen souveränen Staat unter Beachtung der völkerrechtlichen Schranken als Angehörige in Anspruch genommen werden. Der Verweis auf fremdes Staatsangehörigkeitsrecht steht somit unter dem Vorbehalt der (uE „relativen“) 43

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Völkerrechtskonformität. Die Behörden (§ 39) haben fremdes Staatsangehörigkeitsrecht daher nicht unreflektiert zu übernehmen, sondern zu prüfen, ob dieses völkerrechtskonform und damit beachtlich ist. Gerade in diesem Zusammenhang kann die Vermutung nach § 3 Bedeutung erlangen bzw an Brisanz gewinnen.

C.  Staatsbürger 7 Das Gemeinschaftsrecht knüpft zwar in einer Fülle von Rechtsvorschriften an das Vorliegen der Staatsbürgerschaft an, überlässt jedoch dem betreffenden Staat die Regelung der Frage, wer Angehöriger eines bestimmten Staates ist (vgl EuGH 20.2.1975, Airola/Kommission, Rs 21–74, Slg 1975). „Staatsbürger“ nach § 2 Z 3 ist, wer entweder aufgrund des StbG 1965 (1985) die Staatsbürgerschaft erworben hat oder wer diese im Zeitpunkt des Inkrafttretens des StbG 1965 (1.7.1966) aufgrund der bis dahin geltenden Bestimmungen besessen und sie seitdem nicht verloren hat. Aus § 2 Z 1, 2 und 3 ergibt sich nach Thienel aaO, 103, dass die älteren staatsbürgerrechtlichen Vorschriften – trotz ihrer ausdrücklichen „Aufhebung“ (§ 65 Abs 2 StbG 1965) – auch weiterhin maßgeblich sind (vgl auch VwGH 24.6.1998, 97/01/0874). Durch diese Aufhebung wurde lediglich ihr zeitlicher Bedingungsbereich beendet; sie „gelten“ aber immer noch (vgl zB auch § 7), das heißt sie sind Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung, beziehen sich ihrem Inhalt nach aber nur mehr auf Sachverhalte, die sich vor dem Zeitpunkt der „Aufhebung“ verwirklicht haben. Die – auch in Z 4 enthaltene – Wendung „ohne Unterschied des Geschlechtes“ ist angesichts der mittlerweile vollzogenen Gleichstellung von Mann und Frau im StbG überholt (vgl § 4 und auch § 63a).

D.  Fremder 8 Im StbG 1949 war nur von „Ausländern“ die Rede. Dieser Begriff ließ aber Zweifel daran aufkommen, ob darunter nur Personen, die eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen oder aber auch Staatenlose zu verstehen sind. Dementsprechend judizierte der VwGH, dass staatenlose Personen – da sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen – als „Ausländer“(iSd § 2 Abs 1 AuslBG) anzusehen sind. Als staatenlos sind solche Ausländer zu bezeichnen, die nach dem Recht keines Staates eine Staatsangehörigkeit besitzen (VwGH 7.4.1999, 97/09/0162). 44

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Die durch das StbG 1965 gewählte Formulierung des Fremden (nun: 9 § 2 Z 4), die an § 1 FPG (BGBl 1954/75) angelehnt war, soll „klarstellen, daß zu den ‚Fremden‘ im Sinne dieses Bundesgesetzes alle Personen gehören, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, also sowohl die Angehörigen fremder Staaten als auch die Staatenlosen“ [EB zu § 3 der RV (497 der Beilagen X. GP)]. Fremdenrechtliche Bestimmungen sind aber uE auch auf Staatenlose (vgl § 3) anzuwenden (vgl auch VwGH 15.6.1988, 87/01/0351).

§  3. Von den im §  8 geregelten Fällen abgesehen, ist eine Person, deren Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden kann, wie ein Staatenloser zu behandeln. [idFBGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Zu § 4: Durch diese Bestimmung soll die bereits seit langem geübte Praxis, daß Personen so lange als staatenlos zu gelten haben, als ihre staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse nicht geklärt werden können, ihre gesetzliche Grundlage erhalten; diese Rechtsvermutung wird daher nicht nur für den Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes selbst, sondern auch für andere Verwaltungsgebiete, auf denen die Staatenlosigkeit eine Rolle spielt, von Bedeutung sein. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Arten von Staatenlosigkeit......................................................................... 5 III. Rechtsprechung............................................................................................ 7 Schrifttum zu § 3: Achiron, Staatsangehörigkeit und Staatenlosigkeit (2007); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft I und II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Die Frage der Staatenlosigkeit entstand mit der Gründung von Natio- 1 nalstaaten im 19. Jahrhundert. Verschiedene Nationalstaaten gingen dazu über, gewissen Teilen der Bevölkerung auf ihrem Staatsgebiet die 45

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Staatsangehörigkeit zu verweigern oder zu entziehen („Ausbürgerung“). Die internationale Gemeinschaft reagierte in Folge des Ersten Weltkrieges auf diese Entwicklung. Parallel zu den Menschenrechten wurden Instrumente entwickelt, mit denen einerseits verhindert werden sollte, dass Personen staatenlos werden, anderseits sollten bereits staatenlose Personen wieder eine Staatsangehörigkeit erhalten (vgl § 20 Rz  13). Eine der Staatenlosigkeit ähnliche Problematik ist mit der Rechtsstellung von Flüchtlingen verbunden. 2 Staatenlosigkeit ist inzwischen zu einem weltweit vorkommenden Problem geworden. Derzeit gibt es laut UNHCR-Schätzungen über 12 Millionen Staatenlose auf der Erde. Davon sind besonders Kinder betroffen, die Schätzungen zufolge etwa die Hälfte aller Staatenlosen ausmachen, wobei ein großer Teil schon seit der Geburt staatenlos ist. So wird nach UN-Zahlen alle zehn Minuten ein staatenloses Kind geboren bzw sollen jedes Jahr mindestens 70.000 Kinder geboren werden, die keine Staatsangehörigkeit besitzen. Staatenlose sind nicht nur in Entwicklungsländern (zB Rohingyaals Fremde in ihrem Heimatland Myanmar), sondern auch in Industrieländern anzutreffen. Beispielsweise löste in Europa nicht nur der Zweite Weltkrieg (zB Sudetendeutsche), sondern auch der Zerfall der Sowjetunion oder Jugoslawien einen Anstieg der Staatenlosigkeit aus. 3 Ein allgemein anerkanntes Verfahren zur Feststellung von Staatenlosigkeit existiert nicht; das UN-Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 definiert nur, wer als staatenlos gilt, regelt jedoch nicht das Verfahren zur Feststellung der Staatenlosigkeit. Letzteres ist es Sache der Staaten, dh sie können Rechtsvorschriften erlassen, welche nähere Regelungen zur Feststellung von Staatenlosigkeit enthalten. In diesem Sinn normiert § 3 aber kein Verfahren zur Feststellung von Staatenlosigkeit, sondern statuiert eine Rechtsvermutung, dass eine Person mit ungeklärter Staatsangehörigkeit nicht als staatenlos gelten soll, sondern „wie“ ein Staatenloser zu behandeln ist. Wegen der fehlenden Möglichkeit zur Stellung eines Antrags zur Anerkennung der Staatenlosigkeit nach dem StbG (vgl dagegen zB Art  25 schweizerisches Verwaltungsverfahrensgesetz iVm dem UNÜbereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen) ist nicht bekannt, wie viele Staatenlose in Österreich leben (vgl VwSlg 14.310 A/1995: „die Frage, ob der Betreffende im österreichischen Rechtsbereich als staatenlos anzusehen ist, obliegt ausschließlich den österreichischen Behörden“). Statistisch werden sie unter der Gruppe „Herkunft 46

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unbekannt oder ungeklärt und staatenlos“ erfasst; das sollen laut UNHCR rund 12.000 Personen sein. Allerdings ist uE denkbar, dass auch in Österreich eine Person iSd §  3 aufgrund des anwendbaren UNÜbereinkommens (BGBl III 2008/81) iVm § 8 AVG die Feststellung der Zuerkennung der Staatenlosigkeit beantragen kann (vgl auch VwGH 22.11.2001, 2001/06/0133; VwGH 26.6.2014, 2013/06/0196). Voraussetzung hierfür und damit auch für die Parteistellung einer Person iSd § 3 ist das Bestehen eines konkreten Rechtsschutzinteresses (vgl dazu §§ 7 Abs 3, 10 Abs 4 Z 2, 14 Abs 1 Z 1, 20 Abs 1 Z 1, 24, 33 Abs 2). Die Staatenlosigkeit kann aber nicht Gegenstand einer Bescheinigung iSd § 41 oder einer bescheidmäßigen Feststellung iSd § 42 (arg – keine – „Angelegenheit der Staatsbürgerschaft“) sein. Bereits das StbG1949 wollte Fälle von Staatenlosigkeit nach Möglichkeit vermeiden; das ergab sich aus zahlreichen seiner Bestimmungen, insbesondere aus den §§  3, 9 Abs  2 und 16 StbG 1949. Diesem Ansatz folgend und im Geist des UN-Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 wies auch das StbG 1965 (und idF das StbG 1985) zahlreiche die Behandlung von Staatenlosen begünstigende Bestimmungen auf [vgl iZm der Verleihung der Staatsbürgerschaft die §§ 10 (ausgenommen die Fälle des Abs 4), 12, 58 und 59 sowie iZm der Erstreckung der Verleihung auf die minderjährigen ledigen Kinder den § 17 StbG 1965]. Die Anwendbarkeit des § 3 ist auf „Fremde“ iSd § 2 beschränkt (vgl dazu 4 Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 41). § 3 begründet keine Rechtsvermutung für den Nichtbesitz der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Vielmehr ist § 3 erst anwendbar, wenn bereits feststeht, dass der Betreffende nicht „Staatsbürger“, sondern „Fremder“ ist. § 3 soll nach der Absicht des Gesetzgebers (vgl auch die Rechtsprechung des VwGH) auch dann Anwendung finden, wenn Nichterwerb oder Verlust der Staatsbürgerschaft ansonsten aufgrund früher in Geltung gestandener Rechtsvorschriften beurteilt werden muss, weil der maßgebliche Sachverhalt vor dem Inkrafttreten des StbG 1965 am 1.7.1966 bzw des StbG 1985 am 1.8.1985 verwirklicht worden ist. Aus § 3 lässt sich schließlich der Grundsatz ableiten, dass eine Person nicht als Angehörige eines bestimmten fremden Staates behandelt werden darf, solange der Besitz dieser Staatsangehörigkeit nicht eindeutig festgestellt ist. Dieser Grundsatz ist von Bedeutung bei der Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens (§ 24), bei der Erstreckung des Verlusts (§ 29), bei der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§ 34) und beim Verzicht (§ 37 Abs 1 Z 1). 47

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II.  Arten von Staatenlosigkeit 5 Gemäß Art 1 Z 1 des UN-Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen ist eine Person staatenlos im Sinn dieses Übereinkommens, die kein Staat aufgrund seiner Gesetzgebung als seine Staatsangehörige betrachtet. Damit treten Kriterien wie Geburtsort, Abstammung, Ausbürgerung, Vertreibung sowie die Auflösung und Neugründung von Nationalstaaten für die Frage der Staatsangehörigkeit bzw die Staatenlosigkeit in den Vordergrund. Staatenlosigkeit kann aus vielen Gründen eintreten. Unter den wichtigsten sind die fehlende Registrierung bei der Geburt, Ausbürgerung, dh zwanghafte Entziehung der Staatsbürgerschaft, Vertreibung oder die Auflösung eines Staates zu nennen (vgl auch § 20 Rz 12 ff). Staatenlosigkeit bedeutet nach dieser Begriffsumschreibung das Fehlen der rechtlichen Zugehörigkeit zu einem Staate. Von dieser rechtlichen ist die im § 9 IPRG umschriebene faktische Staatenlosigkeit zu unterscheiden. Dabei handelt es sich um Personen, die zwar formell noch eine Staatsangehörigkeit besitzen, deren Heimatstaat sie aber faktisch nicht mehr anerkennt und sich weigert, ihnen Schutz zu gewähren. Desgleichen liegt eine tatsächliche Staatenlosigkeit vor bei Schriftenlosigkeit oder bei Abbruch der Beziehungen mit dem früheren Heimatstaat ohne formelle Ausbürgerung. Maßgebend iZm dem StbG ist jedoch uE einzig die rechtliche Staatenlosigkeit. Denn mit der Ratifizierung des UN-Übereinkommens (vgl BGBl III 2008/81) wurde eine rechtliche Besserstellung nur den „de iure“ Staatenlosen gewährt. 6 Personen, die ihre Staatsbürgerschaft freiwillig aufgegeben haben (Verlust der Staatsangehörigkeit durch Verzicht) oder sich ohne triftige Gründe weigern, diese wieder zu erwerben, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten, fallen nicht unter das UN-Übereinkommen. Andernfalls würde der Rechtsstatus der Staatenlosigkeit den ihr im UN-Übereinkommen zugedachten Auffang- und Schutzcharakter verlieren und würde zu einer Sache der persönlichen Präferenz (sofern eine freie Wahl zwischen dem Erwerb einer Staatsangehörigkeit und der Staatenlosigkeit besteht). Damit würden die Staatenlosen gegenüber den Flüchtlingen, deren Status sich nicht nach dem Willen der Betroffenen richtet, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen in deren Heimatland beurteilt wird, besser gestellt. Dies hingegen kann nicht Sinn und Zweck des fraglichen UN-Übereinkommens sein, zumal die Völkergemeinschaft seit langem versucht, die Zahl der Staatenlosen in der Welt 48

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zu reduzieren. Das UN-Übereinkommen wurde nicht geschaffen, damit Einzelne sich nach Belieben eine privilegierte Rechtsstellung erwirken können. Es dient in erster Linie der Hilfe gegenüber Menschen, die ohne ihr Zutun in eine Notlage geraten sind (vgl schweizerisches Bundesgericht 28.2.2008, 2C_1/2008/ROC/elo).

III.  Rechtsprechung Das StbG 1949 unterschied nicht zwischen verschiedenen Formen der 7 Staatenlosigkeit. Eine Person galt dann als staatenlos, wenn sie weder die österreichische Staatsbürgerschaft noch eine andere Staatsangehörigkeit besaß. Wer eine fremde Staatsangehörigkeit rechtswirksam (nach den Vorschriften des betreffenden Staates) erworben hatte, konnte nicht staatenlos sein. Lediglich völkerrechtswidrige Einbürgerungen wurden als unbeachtlich angesehen (vgl Thienel aaO, 107). Der Erwerb der australischen Staatsangehörigkeit durch einen vorher staatenlos gewesenen Vater des Fremden im Jahre 1945 entsprach nach Ansicht des VwGH 13.10.2006, 2003/01/0522 dem Völkerrecht. Er war daher im Zeitpunkt der Geburt des Fremden im Jahre 1958 nicht staatenlos, und zwar insbesondere auch nicht „iSd §  3 Abs.  1 zweiter Satz StbG 1949“, zumal die Vorstellungen des Gesetzgebers (vgl 901 BlgNR V. GP 6) klar erkennen lassen, dass diese Vorschrift den Zweck verfolgte, lediglich andernfalls staatenlosen Kindern – der Fremde hatte jedoch mit Geburt die australische Staatsangehörigkeit erworben – die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen (zum Fall einer polnischen Staatsangehörigkeit vgl VwGH 3.12.1997, 96/01/0511). Der Fremde wäre nur dann österreichischer Staatsbürger, wenn er die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt seiner Geburt durch Abstammung nach § 2 Z 1 iVm § 3 Abs 1 StbG 1949 erworben hätte (zur Maßgeblichkeit der genannten Regelungen ungeachtet der formellen Außerkraftsetzung des StbG 1949 per 30.6.1965 vgl VwGH 30.1.2001, 2000/01/0202). Die Staatenlosigkeit des Staatsbürgerschaftswerbers erfüllt die in der 8 (aktuellen) Aufzählung in dem das StbG betreffenden Bericht des Verfassungsausschusses (als Auslegungshilfe für den Begriff des „besonders berücksichtigungswürdigen Grundes“) enthaltene Voraussetzung des „sonstigen Fehlens des Schutzes des Heimatstaates“. Dass der Gesetzgeber die Staatenlosigkeit als Aspekt für eine positive Erledigung eines Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft angesehen hat, 49

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ergibt sich auch daraus, dass Staatenlose unter den Voraussetzungen des § 14 einen Rechtsanspruch auf Verleihung haben. Bei einer am ganzen Gesetz in seinem Regelungszusammenhang orientierten Auslegung ist ein „besonders berücksichtigungswürdiger Grund“ dann gegeben, wenn ähnliche oder vergleichbare Voraussetzungen wie für das Bestehen eines Rechtsanspruches auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegen (vgl VfGH 4.12.1995, G 68/95-7). Ein Staatenloser hat gemäß §  14 Abs  1 Z  1 ua nur dann einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, wenn er im Gebiet der Republik Österreich geboren und seit seiner Geburt staatenlos ist. Fehlt es an diesen Voraussetzungen so liegen schon deshalb keine ähnlichen oder vergleichbaren Voraussetzungen, wie sie im §  14 umschrieben sind, vor (VwGH 22.4.1998, 97/01/0223). 9 Mit der Annahme, die am 19.7.1949 in Kraft getretene Regelung des § 3 Abs 1 zweiter Satz StbG 1949 sei (unter der Voraussetzung der Minderjährigkeit am 19.7.1949) einerseits auch auf Geburtsfälle anzuwenden, die sich vor dem 19.7.1949 ereignet hätten, dies setze aber andererseits voraus, dass die Staatenlosigkeit des Vaters und die österreichische Staatsbürgerschaft der Mutter sowohl im Zeitpunkt der Geburt als auch am 19.7.1949 vorgelegen hätten, folgt die belangte Behörde der Sache nach dem rechtlich unverbindlichen Rundschreiben des BMI vom 8.3.1950. Darin wird trotz der Behauptung, die Regelung sei „lediglich auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt der Geburt des Kindes abgestellt“ gewesen, „im Wege einer extensiven Interpretation“ der von der belangten Behörde übernommene Standpunkt vertreten (VwGH 16.7.2003, 2001/01/0498). 10 Nicht schon allein wegen der Völkerrechtswidrigkeit (und damit Unwirksamkeit) des Erwerbs der deutschen Staatsbürgerschaft durch „Südtiroler Optanten“ aufgrund antragsbedürftiger Einbürgerung ist auch der damit verbundene antragsbedürftige, durch Entlassung erfolgte Verlust der italienischen Staatsangehörigkeit dieser Personen völkerrechtswidrig und unwirksam; vielmehr sind den Staaten bei der Entziehung ihrer Angehörigkeit keine Grenzen gesetzt. Im Beschwerdefall war daher von der Staatenlosigkeit eines Südtiroler Optanten auszugehen, weil die (hier) völkerrechtswidrige Einbürgerung für den österreichischen Rechtsbereich keine Rechtswirkungen nach sich gezogen hat, zumal gemäß Art 9 Abs 1 B-VG die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts als Bestandteile des Bundesrechts gelten (VwGH 6.9.1995, 94/01/0787). 50

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§  4. Soweit dieses Bundesgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes

bestimmt, kommt für seinen Bereich dem Geschlecht und dem Familienstand keine rechtliche Bedeutung zu. Fremde, die einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft eingebracht haben, sind jedoch verpflichtet, in diesen Verfahren ihre familiären Verhältnisse, die Mittelpunkte ihrer Lebensinteressen sowie ihre persönlichen Lebensumstände darzulegen.

[idF BGBl I 124/1998] EB zu BGBl 250/1965 Hiedurch soll klargestellt werden, daß dem Geschlecht und dem Familienstand keine rechtliche Bedeutung zukommt, soweit das geplante Staatsbürgerschaftsgesetz nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt. Dieser Klarstellung wird in der Praxis erhebliche Bedeutung zukommen: So kann zum Beispiel – eine bisher umstrittene Frage – einer verheirateten Fremden für ihre Person allein die Staatsbürgerschaft verliehen werden. Ebenso verliert eine Staatsbürgerin bei Erfüllung eines der vorgesehenen Verlusttatbestände auch dann ihre Staatsbürgerschaft, wenn sie in aufrechter Ehe mit einem Staatsbürger lebt und ihr Gatte im Staatsverband verbleibt. [Vgl Teil A.II. der EB unter Bezugnahme auf die UN-Konvention vom 20. Februar 1957 über die Staatsbürgerschaft verheirateter Frauen:] Die […] UN Konvention will die verheiratete Frau auf dem Gebiet der Staatsbürgerschaft vom Manne unabhängig machen. Insbesondere soll die Frau weder durch die Eheschließung noch die Auflösung ihrer Ehe und auch nicht durch den Staatsbürgerschaftswechsel ihres Gatten während der Ehe automatisch in ihrer Staatsbürgerschaft berührt werden. Dieses Abkommen trägt lediglich der in der überwiegenden Anzahl der fremden Staatsangehörigkeitsgesetze schon seit längerem zu beobachtenden Tendenz Rechnung, der Frau auch auf dem Gebiet der Staatsbürgerschaft die volle Selbständigkeit zu gewähren. EB zu BGBl I 124/1998 Die Anfügung des zweiten Satzes in § 4 soll die Fremden verpflichten, im Verfahren zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft der Behörde ihre persönlichen Lebensumstände und familiären Verhältnisse darzulegen. Die Behörde benötigt diese Angaben einerseits zur Feststellung des Mittelpunktes der Lebensinteressen, der sich im Bundesgebiet befinden soll (andernfalls fehlt es an dem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet) und andererseits um beurteilen zu können, welche Anforderungen an die Deutschkenntnisse des Fremden (gemäß seinen Lebensumständen) zu stellen sind. Damit wird ungeachtet des Umstandes, daß dem Geschlecht und dem Familienstand eines Fremden im Rahmen des staatsbürgerschaftlichen Verfahrens an sich keine rechtliche Bedeutung zukommt, im Rahmen der Mitwirkungsverpflichtung des Staatsbürgerschaftswerbers die Voraussetzung dafür geschaffen, daß der Hauptwohnsitz eines Fremden verläßlich festgestellt werden kann, und daß die der Behörde in § 11 im Rahmen

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der Ermessensübung aufgetragene Bedachtnahme auf das Ausmaß der Integra­ tion des Fremden möglich ist. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Mitwirkungspflicht...................................................................................... 11 Schrifttum zu § 4: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Bereits § 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 (BGBl 250/1965) hielt fest, dass in seinem Geltungsbereich dem Geschlecht und dem Familienstand grundsätzlich keine rechtliche Bedeutung zukommt, sofern nicht etwas anderes bestimmt ist. Hintergrund dieser Bestimmung war entsprechend den EB zu BGBl 250/1965 vor allem die staatsbürgerschaftsrechtliche Eigenständigkeit der Frau; eine verheiratete Fremde kann demnach alleine (unabhängig von ihrem Ehegatten) die Staatsbürgerschaft erhalten, aber auch eigenständig verlieren, sofern nur sie einen Verlusttatbestand erfüllt. 2 Die Regelung geht zurück auf die UN-Konvention vom 20. Februar 1957 über die Staatsbürgerschaft verheirateter Frauen, deren Ziel es war, die verheiratete Frau auf dem Gebiet der Staatsbürgerschaft vom Ehemann unabhängig zu machen. Damit wurde der damals schon international zu beobachtenden Tendenz Rechnung getragen, Frauen auch auf dem Gebiet der Staatsbürgerschaft Selbständigkeit zuzuerkennen. 3 Diese Regelung des § 4 StbG 1965 wurde dann auch in die Stammfassung des StbG 1985 ohne nähere Erläuterungen übernommen. 4 Mit BGBl I 124/1998 wurde ein zweiter Satz in §  4 StbG eingefügt; Einbürgerungswerber sind demnach verpflichtet, im Staatsbürgerschaftsverfahren ihre familiären Verhältnisse, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen sowie ihre persönlichen Lebensumstände darzule52

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gen. Die Einführung dieser Bestimmung dient nach den EB zu BGBl I 124/1998 primär dazu, das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen (entsprechend der damaligen Rechtslage) besser beurteilen zu können. Vor Novellierung des § 10 Abs 1 Z 1 StbG durch BGBl I 37/2006 war Grundvoraussetzung für den Standardfall der Inlandseinbürgerung das Bestehen eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet, der lediglich durch die Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen festgestellt werden konnte. Weiters richteten sich die Anforderungen an die Deutschkenntnisse des Einbürgerungswerbers entsprechend der alten Rechtslage nach seinen Lebensumständen (vgl §  10a StbG aF, BGBl 311/1985 idF BGBl I 124/1998). Ungeachtet dessen, dass dem Geschlecht und dem Familienstand eines 5 Fremden im Rahmen des Staatsbürgerschaftsverfahrens an sich keine rechtliche Bedeutung zukommt, sollte es durch die eingefügte Bestimmung einfacher werden, den Hauptwohnsitz eines Fremden verlässlich festzustellen und auf das Ausmaß seiner Integration auch im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 11 StbG Bedacht zu nehmen. Der Gesetzgeber versuchte damit offenkundig, inhaltlich einen Spagat 6 zwischen dem ersten und dem zweiten Satz des § 4 StbG zu schaffen, obwohl ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den beiden Regelungsgegenständen nur bedingt erkennbar ist. § 4 erster Satz StbG spielte in der bisherigen Judikatur keine Rolle. Eine 7 sachliche Nähe ist insbesondere zu jenen Regelungen erkennbar, die eine Schlechterstellung von Frauen (vgl §  13 StbG) und Benachteiligung lediger Kinder österreichischer Mütter durch die alte Rechtslage (vgl § 64 a Abs 18 Z 3 StbG) hintanhalten sollen. „Ausdrücklich anderes bestimmt» iSd § 4 Satz 1 ist insbesondere in den 8 § 7a (Legitimation), §§ 11a Abs 1, 12 Abs 2 und 13 (Erwerb durch Verleihung), §§ 16 und 17 (Erstreckung der Verleihung), § 29 (Erstreckung des Verlusts) und § 37 Abs 1 (Verzicht). Diese in Bezug auf § 4 im StbG vorgesehenen Ausnahmen vom Grundsatz der unterschiedslosen Behandlung von „Staatsbürgern“ in Bezug auf Geschlecht und Familienstand stehen uE nicht per se mit Art 7 B-VG im Widerspruch, weil bzw wenn eine unterschiedliche Behandlung in diesen Fällen als „sachlich gerechtfertigt“ anzusehen ist. Rspr gibt es demgegenüber zum zweiten Satz des §  4 StbG, der sich 9 jedoch von seinem ursprünglichen Regelungszweck weg entwickelt 53

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hat, spielen doch die Lebensumstände im Hinblick auf die erforderlichen Deutschkenntnisse nunmehr keine Rolle mehr und wird das Kriterium des Mittelpunkts der Lebensinteressen (vgl frühere Voraussetzung des Hauptwohnsitzes) nunmehr vom Erfordernis des rechtmäßigen und tatsächlichen Aufenthalts in Österreich überlagert (vgl §  10 Abs 1 Z 1 StbG und § 15 StbG). Auch die familiären Verhältnisse sind, sofern die Einbürgerung nicht maßgeblich auf das Bestehen eines gemeinsamen Ehelebens gestützt wird (vgl § 11a Abs 1 und § 16 Abs 1 Z 3 StbG), nicht von Bedeutung. 10 Ansonsten kommt den familiären Verhältnissen im Staatsbürgerschaftsgesetz neben Sondertatbeständen für Kinder vor allem Bedeutung bei der Unterhaltsberechnung zu; für die Unterhaltsberechnung ist eine Änderung der familiären Verhältnisse während des Staatsbürgerschaftsverfahrens jedoch uE nicht beachtlich, da hinsichtlich des gesicherten Unterhaltes auf das Einkommen in den Monaten vor der Antragsstellung abgestellt wird (vgl Kommentierung zu § 10 Abs 1 Z 7 und Abs 5 StbG).

II.  Mitwirkungspflicht 11 Ein Einbürgerungswerber ist nach §  4 StbG verpflichtet, im Verleihungsverfahren seine familiären Verhältnisse, die Mittelpunkte seiner Lebensinteressen sowie seine persönlichen Lebensumstände darzulegen (vgl dazu die EB zu BGBl I 124/1998 sowie VwGH 23.9.2009, 2008/01/0243 unter Hinweis auf VwGH 29.6.2004, 2003/01/0169). Diese Verpflichtung umfasst auch die Bekanntgabe von nicht unerheblichen Änderungen der familiären Verhältnisse und der persönlichen Lebensumstände während des Verfahrens. 12 In einem Fall, in dem die Verleihungsvoraussetzung eines gemeinsamen Haushaltes maßgeblich ist (so zB nach § 11a Abs 1 Z 1 StbG), ist zB die Aufgabe desselben, auch wenn eine rechtliche Unkenntnis über die Auslegung des Begriffes des gemeinsamen Haushaltes vorliegen sollte, jedenfalls eine nicht unerhebliche Änderung der persönlichen Lebensumstände, die der Staatsbürgerschaftsbehörde bekannt zu geben ist (VwGH 23.9.2009, 2008/01/0628; ebenso 23.9.2009, 2008/01/0243). 13 Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht kann im ungünstigsten Fall, bei nachträglichem Bekanntwerden nicht mitgeteilter maßgeblicher 54

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Umstände auch zu einer Wiederaufnahme des Staatsbürgerschaftsverfahrens nach § 69 AVG führen. Betreffend das Verhältnis der Mitwirkungspflicht des Einbürgerungs- 14 werbers nach §  4 StbG zur Ermittlungspflicht der Behörde hat der VwGH bereits ausgesprochen, dass ein Verschulden iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG an einer Nichterörterung der Tatsache der Scheidung der Ehe des Verleihungswerbers der Staatsbürgerschaftsbehörde nicht vorzuwerfen ist, wenn sie den Verleihungswerber ausdrücklich über seine Familienverhältnisse befragt hat. Ein konkreter Anhaltspunkt, über diese Befragung hinaus Ermittlungen anzustellen und nach einem den Angaben des Verleihungswerbers widersprechenden Sachverhalt zu forschen, bestand im konkreten Beschwerdefall für die Behörde nicht (VwGH 21.1.2010, 2007/01/1367 unter Hinweis auf VwGH 24.2.2004, 2002/01/0458 und 13.12.2005, 2003/01/0184). Die Verpflichtung zur Darlegung der persönlichen Lebensumstände 15 bezieht sich entsprechend der Judikatur wohl auch auf (anhängige) Straf- und Verwaltungsstrafverfahren (siehe auch Anmerkungen zu § 10 Abs 1 Z 2 und 3 sowie § 10 Abs 1 Z 6 und § 24 StbG). Dies steht entsprechend kritischer Stimmen aus der Literatur (siehe 16 Anm von Unterweger zu § 4 StbG) in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung. Gemäß § 49 AVG darf ein Zeuge die Aussage verweigern, wenn er dadurch sich oder bestimmte nahestehende Personen einem unmittelbaren Vermögensnachteil, der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung oder Unehre aussetzen würde. Im Sinne des Art 6 Abs 2 EMRK müsste dies konsequenter Weise auch für den Betroffenen selbst gelten, umso mehr als im Staatsbürgerschaftsverfahren an ihn mangels Zeugeneigenschaft keine so strengen Maßstäbe angelegt werden können. Aus der in Art 6 Abs 2 EMRK normierten Unschuldsvermutung wird 17 von Lehre und Rspr ein Verbot abgeleitet, eine Person zur Selbstbeschuldigung zu zwingen. Nach der Judikatur der VfGH wird auch aus Art 90 Abs 2 B-VG ein derartiges Verbot des Zwanges zur Selbstbezichtigung abgeleitet. Demnach wäre der Einbürgerungswerber nicht dazu verpflichtet, verwaltungs- und strafrechtliche Verfahren oder Verurteilungen, die der Behörde nicht bekannt sind, dieser mitzuteilen und auf entsprechende Fragen der Behörde zu antworten. Insbesondere allfällige strafrechtliche Verurteilungen, die in der Strafregisterauskunft nicht (mehr) aufscheinen, wären von dieser Ausnahme umfasst. 55

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Julia Ecker

Der VwGH hat in seiner Judikatur aber festgehalten, dass auch der Behörde nicht erkennbare Aspekte, die für die Beurteilung der Lebensumstände zu berücksichtigen sind, anzugeben sind. Der in §  4 StbG normierten Verpflichtung, seine persönlichen Lebensumstände vollständig darzulegen, kommt ein Einbürgerungswerber etwa dann nicht nach, wenn er ein in Italien anhängiges Strafverfahren verschweigt (VwGH 25.2.2014, 2012/01/0156 unter Hinweis auf VwGH 21.1.2010, 2007/01/1367); ein solcher Lebensumstand ist insoweit von wesentlicher Bedeutung, als bei der Beurteilung dieses Verleihungshindernisses nicht die rechtskräftige gerichtliche Verurteilung, sondern das (dem Strafverfahren zu Grunde liegende) Verhalten des Einbürgerungswerbers maßgeblich ist (vgl VwGH 30.8.2005, 2004/01/0444; 13.12.2005, 2003/01/0184; 21.11.2013, 2013/01/0002). 18 Anzumerken ist, dass der Einbürgerungswerber im Staatsbürgerschaftsverfahren auch ausdrücklich seine (verwaltungs-/strafrechtlich relevanten) „Lebensumstände“ im Rahmen einer Niederschrift durch seine Unterschrift bestätigen muss. 19 Für innerstaatliche Strafverfahren und Verwaltungsübertretungen hat die theoretische Frage nach dem Umfang der Mitwirkungspflicht in Bezug auf eine mögliche Gefährdung öffentlicher Interessen uE eine eher untergeordnete Bedeutung erlangt, da aufgrund zeitlich engmaschiger und inhaltlich umfangreicher Polizei- und Behördenanfragen kaum ein innerstaatliches Vergehen unbemerkt bleiben wird. Denkbar ist maximal, dass ein für das Staatsbürgerschaftsverfahren relevantes Fehlverhalten deshalb von der Staatsbürgerschaftsbehörde unbemerkt bleibt, weil es erst im Zeitraum zwischen Einlangen und Ablauf der Gültigkeit einer Polizeianfrage (diese ist sechs Monate gültig) registriert wurde oder eben im Ausland verfolgt wird bzw wurde. 20 Freilich läuft aber eine Person, die eingebürgert wurde und ein (anhängiges oder abgeschlossenes) Straf- oder Verwaltungsstrafverfahren im Staatsbürgerschaftsverfahren nicht angegeben hat, Gefahr, nachträglich einem Wiederaufnahmeverfahren nach § 69 AVG ausgesetzt zu werden (vgl dazu auch die Kommentierung zu § 24 StbG). 21 Auch zwischen Zusicherung und Verleihung der Staatsbürgerschaft hervorkommende, verschwiegene Umstände können im Übrigen maßgebliche Nachteile für den Einbürgerungswerber nach sich ziehen und im schlimmsten Falle sogar zu Staatenlosigkeit führen. 56

Allgemeine Bestimmungen

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Nach den Bestimmungen des Tilgungsgesetzes (BGBl 68/1972 zuletzt geändert durch BGBl I 29/2012, §  1 Abs  4) sind Personen aber grundsätzlich nicht verpflichtet, bereits getilgte Verurteilungen anzugeben. Dies gilt auch für Einbürgerungswerber. Infolge Änderung des Tilgungsgesetzes (durch BGBl I 37/2006) wurde 22 den Staatsbürgerschaftsbehörden ein direkter Zugriff auf das Strafregister gewährt. Getilgte Verurteilungen und Bestrafungen wegen relevanter Verwaltungsübertretungen (siehe § 55 Abs 1 VStG) haben uE aber völlig unberücksichtigt zu bleiben. Bedeutung kommt der Mitwirkungspflicht nach § 4 letztlich auch im 23 Kontext des Erfordernisses eines Hauptwohnsitzes im StbG (vgl § 10 Abs 4 Z 2, § 11a Abs 2 Z 3, § 12 Abs 1 Z 1 lit a, § 14 Abs 1 Z 2, § 15, § 22, § 37, § 39, § 41) zu. Eine autonome Beurteilung des „Hauptwohnsitzes“ erfolgt allein anhand der Kriterien des Art 6 Abs 3 B-VG – ohne Bindung an eine „Hauptwohnsitzmeldung“, zumal die in § 4 zweiter Satz StbG normierte Verpflichtung der Einbürgerungswerber zur Darlegung (ua) der „Mittelpunkte ihrer Lebensinteressen“ wenig Sinn ergäbe, wenn es im Rahmen des Staatsbürgerschaftsrechtes nicht auf den materiellen Gehalt des Hauptwohnsitzes iSd Art 6 Abs 3 B-VG ankäme (vgl VwGH 23.9.2009, 2006/01/0026 unter Hinweis auf VwGH 29.6.2004, 2003/01/0169). Das Fehlen einer polizeilichen Meldung schließt daher die Existenz eines Hauptwohnsitzes nicht aus, ihr kommt aber Indizwirkung zu (VwGH 25.5.2004, 2002/01/0496, mwN). Nach dem Wortlaut des § 12 Abs 1 Z 3 zweiter Satz StbG kommt die 24 Verleihung der Staatsbürgerschaft nur in Betracht, wenn der Behörde nachgewiesen wird (arg: „nachweislich“), dass der österreichische Vater des minderjährigen Verleihungswerbers seit mindestens zwölf Monaten (zurückgerechnet vom Entscheidungszeitpunkt) sowohl den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen als auch seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt im Ausland hat. Diesen Nachweis hat der Verleihungswerber (vgl auch dessen Mitwirkungspflicht gemäß §  4 StbG) bzw sein Vater zu erbringen (VwGH 18.6.2014, 2013/01/0151).

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§  5. (1) Gelingt es dem Fremden nicht, eine behauptete und auf Grund der bisher vorliegenden Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zweifelhafte Minderjährigkeit, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, kann die Behörde im Rahmen einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose (§ 2 Abs. 1 Z 25 AsylG 2005) auch die Vornahme radiologischer Untersuchungen, insbesondere Röntgenuntersuchungen, anordnen. Jede Untersuchungsmethode hat mit dem geringst möglichen Eingriff zu erfolgen. Die Mitwirkung des Fremden an einer radiologischen Untersuchung ist nicht mit Zwangsmittel durchsetzbar. Bestehen nach der Altersdiagnose weiterhin begründete Zweifel, so ist zu Gunsten des Fremden von seiner Minderjährigkeit auszugehen. (2) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm die Behörde auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. (3) Gelingt es dem Fremden nicht, seine Identität, auf die er sich in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so kann die Behörde die Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger anordnen. Die Weigerung des Fremden, an der Abnahme mitzuwirken, ist von der Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. [idF BGBl I 2009/122] EB zu BGBl I 122/2009 Zu Z 1 (§ 5): Mit dem neuen Abs. 1 soll die Möglichkeit radiologischer Untersuchungen im Rahmen einer mulitfaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose bei angezweifelter Minderjährigkeit eines Fremden eingeführt werden. Siehe

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auch die diesbezüglichen Änderungen im AsylG 2005, FPG und NAG. Es wird inhaltlich auf die Erläuterungen zu § 15 Abs. 1 Z 6 AsylG 2005 verwiesen. Zum Begriff der multifaktoriellen Untersuchungsmethodik siehe §  2 Abs. 1 Z  25 AsylG 2005. Mit Abs. 2 wird die Möglichkeit einer DNA-Analyse eingeführt. Es wird inhaltlich auf die Erläuterungen zu § 18 Abs. 2 AsylG 2005 verwiesen. Oft gelingt es Fremden in einem Verfahren nach diesem Bundesgesetz nicht ihre Identität durch unbedenkliche Urkunden nachzuweisen. Abs. 3 soll ausschließlich für diese Fälle den Behörden die Möglichkeit geben, die Papillarlinien­ abdrücke abzunehmen, da die Identität für die Verleihung der Staatsbürgerschaft zweifelsfrei feststehen soll. Eine Weigerung des Fremden hierbei mitzuwirken, ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigten. Siehe dazu auch die korrespondierenden Bestimmungen im § 39a und die Erschleichungstatbestände des § 64. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 3 A. Altersdiagnose......................................................................................... 3 B. DNA-Analyse.......................................................................................... 12 C. Papillarlinienabdrücke............................................................................ 14 III. Offizialmaxime............................................................................................. 19 IV. Mitwirkungspflicht...................................................................................... 26 Schrifttum zu § 5: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Franßen-de la Cerda, Die Verpflichtung des Ausländers zur Mitwirkung (§  82 AufenthG), ZAR 2010, 81; ­Haring, Zumutbare Diagnostik in der Begutachtung aus neurologischer Sicht, DAG 2014/33; Herbek, Die Rechtsprechung des AsylGH zur Altersfeststellung, FABL 3/2009-I, 86; Hoffmann, Aufenthaltsrechtliche Mitwirkungs- und Hinweispflichten, Asylmagazin 9/2005, 3; Kozak, Zumutbare Diagnostik in der Begutachtung aus urologischer Sicht, DAG 2014/45; Lukits/Lukits, Die Altersfeststellung im österreichischen Asylverfahren, migralex 2011, 17; Lukits/Lukits, Die medizinische Altersuntersuchung im österreichischen Asylrecht, EF-Z  2013/129; Lukits/Lukits, Grundrechtliche Vorgaben der medizinischen Altersuntersuchung im Asylverfahren, EF-Z 2014/34; Rand/Stoiber, Zumutbare Diagnostik in der Begutachtung aus radiologischer Sicht, DAG 2014/44; Reiter, Das Recht zu schweigen und sich nicht selbst beschuldigen zu müssen gemäß Art 6 EMRK („Nemotenetur se ipsumaccusare“), RZ 2010, 103; Rudolf, Medizinische Sachverständigenbegutachtung zur Alterseingrenzung im Rahmen von Asylverfahren unter Berücksichtigung der Verwendung von radiologischen Befunden, FABL 3/2009-I, 78; Rudolf, Medizinische Sachverständigenbegutachtung zur Volljährigkeitsfeststellung in Asylverfahren, Sachverständige 2009, 190; Rudolf, Altersunterscheidung in Strafverfahren unter Heranziehung des medizinischen Sachverständigenbeweises, ÖJZ 2015/34; Schmeling/Lockemann/Olze/

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Reisinger/Fuhrmann/Püschel/Geserick, Forensische Altersdiagnostik bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Deutsches Ärzteblatt 2004/18, 4; Szymanski, Das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 oder der Boulevard freut sich, doch das Recht ist für Rechtsanwender und Rechtsunterworfene schwer durchschaubar, migralex 2009, 99; Trentinaglia, Identitätsfeststellung durch amtliche Lichtbildausweise gemäß § 40 BWG, ÖBA 2015, 42; Weiland, Verfassungswidrigkeit des § 67 Abs 1 Satz 1 SPG (DNA-Analyse)?, Zugleich Besprechung von VfGH 12.3.2013, G 76/12-7, ÖJZ 2013/63.

I.  Allgemeines 1 Die Feststellung von Alter, Verwandtschaftsverhältnis und Identität eines Fremden sind rechtlich maßgebende Vorgaben für einen effizienten Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechts; die Geltendmachung einer angeblichen Minderjährigkeit kann beispielsweise finanzielle Belastungen verursachen. Unabhängig von der Prägung des Verfahrens durch diese öffentlichen Interessen und einer möglichst ökonomischen Verfahrensgestaltung, darf in diesem Zusammenhang jedoch die zwingende Pflicht zur amtswegigen Erforschung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht außer Acht gelassen werden. Aufgrund dieser Umstände und der damit verbundenen Tragweite spielt die Altersfeststellung etc im Verfahrensalltag der Behörden eine wesentliche Rolle. 2 §  5 idF BGBl 1965/250 [in der RV (497 der Beilagen X. GP) noch als § 6 vorgesehen] normierte den ordentlichen Wohnsitz, wobei dieser Begriff aus § 2 Abs 2 Wählerevidenzgesetz (BGBl 1960/243) übernommen wurde. §  5 erhielt durch BGBl 1983/170 einen Abs  2 für Ehegatten österreichischer Auslandsbeamter, die mit diesen am ausländischen Dienstort in Haushaltsgemeinschaft leben; für diese galt, wenn sie keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland haben, Wien als ordentlicher Wohnsitz. Durch die Novelle BGBl 1985/202 wurde klargestellt, dass sich die Wohnsitzfiktion in §  5 Abs  2 nur auf ausländische bzw staatenlose Ehepartner bezieht. § 5 idF BGBl 1985/202 wurde unverändert in das wiederverlautbarte StbG übernommen, entfiel iZm der „Umstellung des Gesamtsystems“ (AB) vom Hauptwohnsitz auf den rechtmäßig ununterbrochenen Aufenthalt (ersatzlos) durch die Novelle BGBl I 2006/37 (vgl auch § 11a) und wurde – mit gänzlich neuem Inhalt – durch die Novelle BGBl I 2009/122 „reaktiviert“. Systematisch ist uE die damit erfolgte „Lückenfüllung“ verfehlt, weil es sich bei §  5 um verfahrensrechtliche Bestimmungen handelt (vgl Abschnitt IV). 60

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II.  Begriffe A.  Altersdiagnose Ein wesentlicher Punkt der Novelle BGBl 2009/122 ist die Möglichkeit 3 einer radiologischen Untersuchung im Rahmen der multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose. Dies ist insbesondere deshalb von Bedeutung, da sich mitunter Fremde im Rahmen des Verfahrens zum Erwerb der Staatsbürgerschaft auf die privilegierte Stellung des Minderjährigen berufen, aber die behauptete Minderjährigkeit meist nicht durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige gleichwertige Bescheinigungsmittel nachgewiesen werden kann. Als multifaktorielle Untersuchungsmethodik ist dieser Begriff unter Berücksichtigung des derzeitigen Standes der Wissenschaft in § 2 Abs 1 Z 25 AsylG 2005 legal definiert. Die EB zur RV (330 der Beilagen XXIV. GP) weisen zudem auf § 15 4 Abs 1 Z 6 AsylG 2005 hin, der im Rahmen der Mitwirkungspflichten des Asylwerbers die Möglichkeit radiologischer Untersuchungen normiert. Diese Röntgenuntersuchungen sind ein Bestandteil der multifaktoriellen Untersuchungsmethodik, die sich durch die Vorgaben der Judikatur und in weiterer Folge durch die daraus ergebende Behördenpraxis entwickelt hat. Abgesehen von diesen Einflüssen beruht die gesetzliche Entwicklung auch auf der Empfehlung der interdisziplinären Arbeitsgemeinschaft für Forensische Altersdiagnostik der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin (vgl Haring aaO, 94). Demnach handelt es sich um ein Untersuchungsmodell, das für die Be- 5 gutachtungsgrundlagen der körperlichen Entwicklung, der Zahnentwicklung und des Knochenalters auf drei individuelle Untersuchungen, wie der körperlichen Untersuchung, der Röntgenuntersuchung und der Zahnuntersuchung aufbaut. Demzufolge ist eine radiologische Untersuchung alleine keinesfalls ausreichend. Vielmehr wird entsprechend der RV am bewährten und durch die überwiegende Judikatur anerkannten System der multifaktoriellen Untersuchung als Grundlage der Alterseinschätzung festgehalten. Aus dem Wortlaut des ersten Halbsatzes in Satz 1 des §  5 Abs  1 er- 6 gibt sich, dass die Anordnung einer radiologischen Untersuchung voraussetzt, dass einerseits der Fremde im Verfahren die behauptete Minderjährigkeit nicht durch Urkunden oder sonstige geeignete Be61

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scheinigungsmittel nachweisen kann und andererseits von der Behörde diese Behauptung samt Nachweise angezweifelt wird. Aus dieser Bestimmung lässt sich aber keinesfalls eine Beweislastumkehr oder ein Abgehen vom amtswegigen Ermittlungsgrundsatz ableiten (vgl Rz 19 ff). Die Untersuchung kann jedoch verbindlich angeordnet werden; die Verweigerung hat im Rahmen der Beweiswürdigung einzufließen. 7 § 5 Abs 1 eröffnet die Möglichkeit, im Rahmen der vormals (kostenintensiven) durchgeführten MRT-Untersuchung eine (verfahrensbeschleunigende) radiologische Untersuchung durchzuführen. Dadurch ist es möglich, im Zuge der Feststellung des Zahnstatus ein Panoramaschichtröntgen des Gebisses zu erstellen, was die Minimierung einer Fehleinschätzung zur Folge hat (vgl EB zur RV 330 der Beilagen XXIV. GP, Besonderer Teil). Denn Röntgenbilder sind zur Bestimmung des Knochenalters und eine Panoramaschichtaufnahme des Gebisses in Verbindung mit der körperlichen Untersuchung ein taugliches Mittel zur Altersschätzung, wobei auch auf die europäische Entwicklung auf diesem Gebiet zu verweisen ist (vgl Niederlande, Belgien, Litauen, Estland, Finnland, Frankreich, Schweden, Portugal und Schweiz). 8 Die Altersbegutachtungen sind nur bei Zweifel an der Minderjährigkeit und nur als „ultima ratio“ anzuordnen. Die Verpflichtung zur Duldung einer radiologischen Untersuchung ist wegen ihres Eingriffs in die körperliche Integrität (Art  8 EMRK) anhand eines strengen Maßstabes zu beurteilen. Legen Jugendliche Dokumente oder andere Bescheinigungsmittel vor, die ihr Alter belegen, so sind diese zunächst zu überprüfen; allenfalls ist Amtshilfe in Anspruch zu nehmen. Sollten die Ermittlungen und die Altersdiagnose nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen, so kann im Zweifel von der Richtigkeit der Angaben des Minderjährigen ausgegangen werden („in dubio pro minore“). 9 Gegen die multifaktorelle Alterseingrenzung gibt es methodische, rechtliche und ethische Bedenken; zudem bestehen auch Zweifel an der Validität der verwendeten Methoden (vgl §§ 2 Abs 11, 4 Abs 1 und 3 Strahlenschutzgesetz). Anlass für Kritik ist die durch ein Röntgen verursachte Strahlenbelastung durch ionisierende Strahlung und deren mögliche negative Auswirkung auf die Gesundheit der Betroffenen. In den Materialien der RV wurde dazu unter Berufung auf den Jahresbe62

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richt „Radioaktivität und Strahlung in Österreich“ festgestellt, dass die effektive Strahlendosis pro Person und Jahr aus natürlichen Quellen etwa drei Millisievert, was etwa 8,2 Microsievert am Tag entspricht, beträgt. Demgegenüber beträgt eine Röntgenuntersuchung der Hand 0,1 Microsievert oder die einer Röntgenaufnahme des Gebisses 26 Microsievert. Demgegenüber ist bei der Magnetresonanztomographie (MRT) keine Strahlenbelastung gegeben. Unter Berücksichtigung der umfangreichen Auswirkungen einer vor- 10 getäuschten Minderjährigkeit auf das Verfahren (und die mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft verbundenen Rechte) sowie unter Berücksichtigung der sehr geringen Strahlenbelastung kann uE eine Untersuchung iSd §  5 Abs  1 als verhältnismäßig angesehen werden. Diese Verhältnismäßigkeit setzt aber uE im Lichte der Grundrechtsprinzipien, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, voraus, dass bestimmte Auflagen von der Behörde beachtet werden. So ist vorzusehen, dass Minderjährige über die Untersuchungsmethode aufgeklärt werden, sie selbst und/oder ihr gesetzlicher Vertreter die Einwilligung dazu erteilen und über die etwaigen Folgen der Weigerung, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, informiert werden und sich die Ablehnung eines Antrags auf Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht ausschließlich auf eine diesbezügliche Weigerung begründen darf (vgl insbesondere letzter Halbsatz in §  5 Abs  1). Bei Beachtung dieser Auflagen scheinen die Einwände der Verletzung der körperlichen Integrität und Menschenwürde durch die (geringe) Strahlenbelastung entkräftet zu sein. Ordnet die Behörde aufgrund berechtigter Zweifel betreffend die Min- 11 derjährigkeit bei einem Staatsbürgerschaftswerber eine radiologische Untersuchung zur Altersdiagnose an, ist die Mitwirkung unter Hinblick auf die Wahrung der Menschenwürde und der körperlichen Integrität jedoch nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar. Dies geht insbesondere auch aus § 5 Abs 1 Satz 2 hervor. Entsprechend den allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen ist die Weigerung an der Mitwirkung dann im Rahmen der Beweiswürdigung – insbesondere in Bezug auf die Glaubwürdigkeit – durch die Behörde entsprechend zu berücksichtigen. Wesentlich ist jedoch, dass bei der Anordnung einer solchen radiologischen Untersuchung auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip und die gesundheitliche Verfassung des Antragstellers (zB Schwangerschaft) zu achten ist. 63

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B.  DNA-Analyse 12 Die Möglichkeit der freiwilligen Beibringung eines DNA-Abstammungsnachweises liegt im Interesse des Fremden. § 5 Abs 2 legt dem Fremden die Beibringung von Unterlagen im Aufenthaltsverfahren als Obliegenheit auf. Die Beweiskraft solcher Nachweise ist in jedem Einzelfall zu bewerten. Gegebenenfalls ist dabei auch auf mehrere inhaltlich übereinstimmende Nachweise abzustellen. Die Ergebnisse von medizinischen DNA-Analysen werden von den Behörden und Gerichten anerkannt und gelten auch in Verfahren nach dem StbG als zuverlässiger Nachweis der Abstammung bzw Verwandtschaft. 13 Der Nachweis ist uE in Fällen der rechtlich begründeten Verwandtschaft ungeeignet, zB nach ABGB im Fall der so genannten ehelichen Geburt oder bei einer Vaterschaftsanerkennung, der die Kindesmutter zugestimmt hat. In diesen Fällen kommt es auf die biologische Abstammung nicht an (so auch VfGH 14.12.2011, B 13/11; VfGH 11.10.2012, B 99/12); dies kann anders sein, wenn der Verdacht einer so genannten Scheinvaterschaft zur Verschaffung eines Titels besteht und die Vaterschaft angefochten wird. Im Übrigen können im Ausland erfolgte Vaterschaftsanerkennungen dann rechtlich unbeachtlich sein, wenn sie nach Kollisionsrecht gegen den österreichischen ordre public verstoßen (zB bei Umgehung der Adoptionsvorschriften).

C.  Papillarlinienabdrücke 14 § 5 Abs 3 ermächtigt die Behörde zur Abnahme der Papillarlinienabdrücke der Finger bei unklarer Identität des Fremden (zB bei Fehlen eines gültigen Lichtbildausweises). Der auf die Ermächtigung bezugnehmende Begriff der „Identität“ ist weder im StbG noch in anderen Bereichen der Rechtsordnung näher definiert. In der Sprachwissenschaft wird mit „Identität“ die „völlige Übereinstimmung einer Person mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird“ ausgedrückt (vgl Trentinaglia aaO, 43). Geläufiger und auch konkreter als der äußerst abstrakte Begriff der Identität ist der in der Rechtsordnung häufig anzutreffende Begriff der „Identitätsfeststellung“. 15 Das StbG verwendet den Begriff der Identität nur in abgewandelter Form („seine Identität … nachzuweisen“) und liefert – anders als die Identitätsfeststellung nach dem SPG und der StPO – keinen weiteren Anhaltspunkt. § 35 Abs 2 SPG, der als Veranschaulichung für das We64

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sen der Identitätsfeststellung dienen kann, bezeichnet die Identitätsfeststellung als „das Erfassen der Namen, des Geburtsdatums und der Wohnanschrift eines Menschen in dessen Anwesenheit“. Die Identitätsfeststellung ist somit ein mehrstufiger Prozess, dessen Ziel es ist, die sogenannten Identitätsdaten einer Person aufzunehmen, die zuvor anhand von Identitätsmerkmalen einer bestimmten Person zugeordnet werden. Identitätsdaten, umgangssprachlich auch „Personalien“ genannt, sind Daten, die eine Person individuell bezeichnen (zB Name, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft, Adresse etc); vgl § 39a Rz 8 f. Es handelt sich um keine äußerlichen oder innerlichen Merkmale einer Person, sondern Bezeichnungen und Daten, die der Person von der Gesellschaft zugewiesen wurden. Identitätsmerkmale hingegen beschreiben eine Person. Sie können sowohl Äußerlichkeiten, genetische Merkmale als auch zB Verhaltensweisen sein, solange sie der Person eigen sind und sie von anderen Personen unterscheiden. Die der Behörde bekanntgegebenen Identitätsdaten allein ermöglichen 16 es ihr nicht, diese Daten einer bestimmten physischen Person kognitiv zuzuordnen. Dazu ist ein weiterer Prozess, nämlich die Identitätsfeststellung, erforderlich. Die Rechtsordnung kennt hierfür im Wesentlichen zwei Methoden: Die Einsichtnahme in dafür geeignete Dokumente bzw Datenbanken oder die direkte oder indirekte Identifizierung durch Identitätszeugen (vgl zB § 55 Abs 1 Z 2 NO). Wenn, wie nach § 5 Abs 3, der Identitätsnachweis anhand von Dokumenten erfolgen soll, müssen diese Dokumente den Betrachter in die Lage versetzen, zu beurteilen, ob eine physisch anwesende Person Trägerin der dort angeführten Identitätsdaten ist. Dazu muss das Dokument Identitätsmerkmale enthalten (vgl Trentinaglia aaO, 44). Im Zuge des Identitätsnachweises dienen die Identitätsmerkmale dazu, 17 die (bereits bekannten) Identitätsdaten einer bestimmten Person konkret zuzuordnen. Der Reisepass bzw amtliche Lichtbildausweis enthält von allen Urkunden bzw Bescheinigungsmitteln die meisten Identitätsmerkmale [idR Lichtbild, Geburtsdatum, Unterschrift, Körpergröße, Papillarlinienabdrücke (Fingerabdrücke sind in österreichischen Reisepässen, die seit dem 30.3.2009 ausgestellt werden, für Personen ab dem 13. Lebensjahr gespeichert) von zwei Fingern und allenfalls besondere Kennzeichen]. Der VwGH hat zur Eignung abgelaufener Reisepässe zur Feststellung der Identität seines Inhabers Stellung genommen und auch alte, länger als fünf Jahre abgelaufene Reisepässe als zur Identi65

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tätsfeststellung geeignet befunden, sofern der Inhaber am Lichtbild noch eindeutig zu erkennen ist (VwGH 9.9.2013, 2011/17/0336). Verglichen mit dem Geburtsdatum, der Unterschrift und der Körpergröße ist das Lichtbild häufig das wichtigste im Reisepass enthaltene Identitätsmerkmal. Das Geburtsdatum erfüllt eine Doppelfunktion, weil es sowohl Identitätsdatum als auch Identitätsmerkmal ist. Das Geburtsdatum kann mit dem geschätzten Alter der zu identifizierenden (anwesenden) Person verglichen werden. Und von allen in einem amtlichen Lichtbildausweis enthaltenen Identitätsdaten ist das einzig gänzlich unverrückbare das Geburtsdatum. Je eindeutiger ein Identitätsmerkmal einer bestimmten Person zugeordnet werden kann, desto höher ist dessen Legitimationswirkung. Das trifft in besonderem Maße auf biometrische Daten (Fingerabdrücke, Erbinformationen etc) zu. 18 §  5 Abs  3 enthält keine Vorgaben, anhand welcher Dokumente ein Identitätsnachweis möglich ist. In der Praxis werden uE nur amtliche Lichtbildausweise (zB Führerschein) hierfür in Betracht kommen. Die Vorlage anderer amtlicher Dokumente (zB Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, Heiratsurkunde etc) scheinen in Ermangelung eines Lichtbildes oder anderer Identitätsmerkmale zur Identitätsfeststellung ungeeignet. Zwar ist die bloße Inhaberschaft eines solchen höchstpersönlichen Dokuments ein gewisses Indiz dafür, dass die das amtliche Dokument vorlegende Person auch tatsächlich die in der Urkunde bezeichnete Person ist, doch genügen uE solche Urkunden den Anforderungen für einen Nachweis der Identität iSd §  5 Abs  3 nicht. Ob die Vorlage eines derartigen amtlichen Dokuments in Verbindung mit Identitätszeugen als „geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel“ für den Identitätsnachweis ausreicht, ist uE fraglich.

III.  Offizialmaxime 19 Im Staatsbürgerschaftsverfahren gilt die Offizialmaxime des AVG: Danach ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und die Beweisanträge des Fremden ist sie nicht gebunden. Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für den Fremden günstigen Umstände zu berücksichtigen. 66

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Mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung korrespondiert im AVG die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen personenbezogenen Umständen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl Rz 26 ff). Der Fremde ist gemäß § 5 verpflichtet, am Verfahren mitzuwirken, die 20 seinen Antrag stützenden Umstände geltend zu machen und geeignete Nachweise vorzulegen. Das heißt, dass der Fremde seine Belange und für ihn günstige Umstände, soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind, unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse, sonstige erforderliche Bescheinigungen und Erlaubnisse sowie sonstige erforderliche Nachweise, die er erbringen kann, unverzüglich beizubringen hat (vgl auch Hoffmann aaO, 3). In den Fällen, in denen der rechtlich notwendige Nachweis der Ab- 21 stammung nicht durch verlässliche Urkunden erbracht werden kann und begründete Zweifel an der Identität, Abstammung oder Familienzugehörigkeit nicht anders ausgeräumt werden können, kann die Behörde das Verfahren nicht positiv abschließen. In diesen Einzelfällen, sind Fremde zu ihren Gunsten darauf hinzuweisen, dass sie die weitere Möglichkeit haben, mittels eines freiwilligen DNA-Tests die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nachzuweisen (§ 5 Abs 2). Dies kann darüber hinaus auch dann geschehen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der freiwillige Nachweis mittels DNA voraussichtlich schneller und kostengünstiger wäre als eine aufwändige Überprüfung der Echtheit und inhaltlichen Richtigkeit von vorgelegten Urkundennachweisen. Der Fremde ist von der Behörde sowohl auf seine Mitwirkungspflicht im Allgemeinen als auch – gegebenenfalls – im Besonderen auf die Möglichkeit eines freiwilligen DNA-Tests hinzuweisen und hinsichtlich der Modalitäten – selbständige Beauftragung eines Untersuchungslabors – eingehend zu beraten. Dies entspricht der behördlichen 67

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Manuduktionspflicht iSd AVG; sinngemäß gilt dies uE auch für §  5 Abs 1 und 3 (vgl auch Rz 34). Die Rechtsinstrumente der Europäischen Union im Bereich Asyl und Einwanderung legen keine Mindeststandards in Bezug auf die technischen oder wissenschaftlichen Verfahren der Mitgliedstaaten zur Altersbestimmung fest. Wie das NAG und das AsylG 2005 ermöglicht §  5 Abs  1 „auch“ radiologische Untersuchungen zur Schätzung des Knochenalters; insbesondere kommen zur Bestimmung des Alters von Minderjährigen aber alternative Methoden in Frage, wie Altersbestimmung anhand der Zähne, Messung von Körpergröße und -gewicht, Magnetresonanztomographie und Reifebeurteilung durch Psychologen. 22 § 5 ändert an der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und Art und Umfang dieser Ermittlungen zu bestimmen, nichts. Beruft sich aber im Verfahren der Fremde auf Umstände, die aus seiner Sicht „günstig“ sind, genügt nicht die schlichte Behauptung gegenüber der Behörde, dass diese Umstände vorlägen. Vielmehr ist der Fremde verpflichtet, günstige Umstände, welche der Behörde nicht ohnehin bekannt sind und deren mögliches Vorliegen sich auch nicht aufdrängen muss, mit nachprüfbaren Unterlagen zu untermauern. Erst wenn dies geschehen ist, setzt eine Verpflichtung der Behörde zur weiteren Sachverhaltsermittlung ein. 23 Die Verpflichtung des Fremden geht nach dem Willen des Gesetzgebers über eine schlichte Darlegungspflicht hinaus und fordert, dass nachprüfbare tatsächliche Umstände angegeben und Nachweise vorgelegt werden, deren Nachprüfung in Österreich möglich sein muss. Eine gesetzliche Verpflichtung der Behörde, Sachverhalte vom Inland aus aufzuklären, welche die persönlichen Verhältnisse eines Fremden im Ausland betreffen, besteht nicht. Selbstverständlich aber ist die Behörde verpflichtet, sobald ihr konkrete Anhaltspunkte vorliegen, ordnungsgemäß, unparteiisch und unter Beachtung aller verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (vgl Amtshilfe) ihre Ermittlungen durchzuführen. 24 Als der Behörde bekannt können alle Umstände vorausgesetzt werden, die bereits in Verwaltungsakten (ELAK) oder im ZSR vermerkt sind. Auch sonstige Kenntnisse, zB auf das jeweilige Herkunftsland bezogene Informationen, die der Behörde bereits vorliegen, gehören zu den bekannten Umständen – auch dann, wenn die Sachbearbeiter sie noch 68

Allgemeine Bestimmungen

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nicht persönlich zur Kenntnis genommen haben. Nicht bekannt können der Behörde Unterlagen sein, die im Besitz einer anderen Behörde oder Dritter sind. Derartige Informationen können ihr dann allenfalls mit Zustimmung des Fremden bekannt werden, indem beispielsweise eine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht abgegeben wird. Die Mitwirkung – insbesondere die Vorlage von Nachweisen – muss 25 dem Fremden zumutbar sein. Unzumutbar könnte die nicht sanktionierte Mitwirkungspflicht (vgl § 63c) sein, wenn beispielsweise bei Behörden des Herkunftslandes oder dessen Auslandsvertretung Unterlagen beschafft werden müssen, sich daraus aber ein Gefährdungspotential für den Fremden ergeben kann. In einem solchen Fall ist bei der Ermessensausübung eine besonders kritische Würdigung der Frage erforderlich, ob es zumutbar ist, einen solchen (schriftlichen) Nachweis zu fordern. Fraglich ist, ob auch finanzielle Erwägungen im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen sind; dies wird für den Fall des § 5 Abs 2 explizit verneint. Falls Urkunden in größerem Umfange aus dem Herkunftsstaat zunächst gegen erhebliche Gebühren beschafft und anschließend in Österreich übersetzt werden müssen, könnte uE die Behörde statt der Vorlage die Wiedergabe des Inhalts der Urkunden fordern und einer Plausibilitätsprüfung unterziehen.

IV.  Mitwirkungspflicht In §  5 kommen uE eine Verpflichtung und ein Gebot des Fremden 26 zum Ausdruck: Einerseits die Pflicht zur Darlegung aller für ihn günstigen Umstände und Tatsachen iZm Alter, Identität und Verwandtschaftsverhältnis, die der Behörde nicht von Amts wegen bekannt oder nicht als solche offenkundig sind, und andererseits die Pflicht zur Vorlage entsprechender Nachweise. Die ihm gesetzlich auferlegte Mitwirkung (arg „Gelingt es dem Fremden nicht“) hat der Fremde unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, zuverlässig und wahrheitsgemäß zu erfüllen; vgl auch § 39a Rz 22 ff. Der Fremde hat auf konkrete behördliche Anfrage zu reagieren. Vor- 27 aussetzung für das Entstehen dieser Verpflichtung ist, dass die behördlicherseits benötigten Angaben nebst Nachweisen für das betreffende Verwaltungsverfahren entscheidungserheblich sind, also konkret benötigt werden und dem betreffenden Fremden auch in zumutbarer 69

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Weise abverlangt werden können. Die Pflicht zur Darlegung kann sich sowohl auf seine persönlichen Verhältnisse (also Identität, Staatsangehörigkeit und Alter, verwandtschaftliche Beziehungen, gesundheitliche Situation, wirtschaftliche und berufliche Lebensumstände) als auch auf seine persönlichen Lebensumstände im Herkunftsstaat beziehen und die Vorlage deutscher Übersetzungen von (relevanten) ausländischen Dokumenten umfassen. 28 Die Pflicht zur Darlegung kann sich auch auf die Vorlage eines medizinischen Abstammungsgutachtens zwecks Nachweises fraglicher Verwandtschaftsverhältnisse erstrecken, das auf der Grundlage einer freiwillig in Auftrag gegebenen DNA-Analyse gefertigt worden ist. Die Vorlage eines solchen Gutachtens kann in Verleihungs- und Erstreckungsfällen von Fremden (vgl §§  11b und 17) insbesondere deshalb bedeutsam werden, weil es nicht wenige Herkunftsstaaten gibt, bei denen auf die Integrität staatlicher Urkunden nicht vertraut und damit auf die inhaltliche Richtigkeit des Urkundeninhalts nicht gebaut werden kann. 29 Andererseits sollte der Fremde uE auch, ohne dass es behördlicherseits von ihm verlangt wird, selbständig tätig werden (Gebot zum Agieren); dies gilt insbesondere, wenn der Fremde anwaltlich vertreten ist. Dieses Gebot greift immer dann, wenn der Fremde weiß oder hätte wissen können, dass seine Initiative und deren Ergebnisse für die behördliche Entscheidung von Relevanz sind. Hierfür kommt es maßgeblich darauf an, dass dem Fremden selbst eine nähere Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Solche Möglichkeiten hat er zu nutzen, gerade weil oft nur er selbst diese kennt und auch zur Initiierung der notwendigen Maßnahmen im Heimatland imstande ist [etwa die Beschaffung von Identitätsnachweisen im Herkunftsstaat über Dritte (insbesondere Verwandte), die Benennung von Zeugen oder die Angabe des Arbeitgebers, von Militärdienstzeiten etc]. 30 Wer die ihm nach §  5 auferlegten Mitwirkungsverpflichtungen nicht ordnungsgemäß erbringt bzw nicht belegen oder nachweisen kann, dass er diese ordnungsgemäß erbracht hat, muss nicht deren eigenständige Durchsetzung mit Zwangsmitteln durch die Behörde befürchten. IZm § 5 Abs 2 ergibt sich dies aus § 63c, in dem ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nicht als Verwaltungsübertretung angesehen ist. IZm § 5 Abs 1 und 3 ist der Ausschluss von Zwangsmitteln gesetzlich angeordnet. 70

Allgemeine Bestimmungen

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§ 5 ordnet keine Festsetzung einer Frist durch die Behörde an, inner- 31 halb der Unterlagen etc durch den Fremden beizuschaffen sind (und folglich kann der Fremde mit den geltend gemachten Umständen und beigebrachten Nachweisen nicht präkludiert sein). Die Mitwirkungsverpflichtung soll aber dazu dienen, die entscheidungserheblichen Umstände zeitgerecht in das Verwaltungsverfahren einzuführen. Für eine zwangsweise Erfüllung von Mitwirkungspflichten besteht daher kein Raum. Es kann zu Lasten des Fremden gehen, wenn die Behörde aufgrund 32 fehlender oder nicht ausreichender Mitwirkung des Fremden den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht (vollständig) ermitteln kann. Die Behörde kann sich hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung mit einem geringeren Grad an Gewissheit begnügen, wenn keine abweichenden Anhaltspunkte anderweitig greifbar sind. Sie braucht uE nicht näher spezifizierten oder ausreichend substantiierten Vorträgen des Fremden nicht nachzugehen. Ebenso muss sie nicht ohne weitere Hinweise des Fremden die Sachverhaltsermittlungen auf in der Sphäre des betroffenen Fremden liegende Umstände oder Belange erstrecken. Konsequenzen nicht ordnungsgemäßer Mitwirkung sind: Wider- 33 sprüchliche Angaben führen dazu, dass keine der Sachdarstellungen als glaubhaft gemacht angesehen werden kann (Ausnahme: Altersbestimmung bei Minderjährigen). Zudem können daraus Folgen für die Ausübung von – im Anwendungsbereich des StbG ohnedies weitem – behördlichem Ermessen resultieren. Überdies kann die nicht ordnungsgemäße Mitwirkung bei der Beweiswürdigung für den Fremden nachteilig berücksichtigt werden, sofern es nicht um die Klärung des Verwandtschaftsverhältnisses geht. Das heißt, dass die Behörde aus einem solchen Verhalten des Fremden ungünstige Schlüsse ziehen kann und der Fremde die sich daraus ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen hat. UE ist der Fremde aufgrund des § 13a AVG auf seine Pflichten nach § 5 34 und seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach dem StbG in verständlicher Form hinzuweisen (vgl Rz 21). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Adressaten des StbG häufig aus sprachlichen und sozialen Gründen, mangelnder Vertrautheit mit der österreichischen Behördenorganisation sowie der Komplexität der Rechtsmaterie Schwierigkeiten haben, ihre Rechte und Pflichten zu überblicken. § 5 normiert keine Einschränkung der im Verwaltungsverfahren zuläs71

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sigen Beweismittel, sondern nur allgemein eine Mitwirkungspflicht des Fremden. Die Behörde hat die angebotenen Beweise (Zeugenein­ vernahmen) aufzunehmen und selbst auf den Inhalt der ihr vorge­ legten  Urkunden einzugehen (andernfalls vgl VwGH 29.4.2010, 2008/21/0402). 35 Der fremdenrechtlichen Judikatur des VwGH ist zu entnehmen, dass die Parteien verpflichtet sind, „an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken“; unterlässt es eine Partei, im Verfahren „genügend mitzuwirken“ oder konkrete Beweisangebote vorzubringen, so handelt die Behörde im allgemeinen nicht rechtswidrig, wenn sie weitere Erhebungen unterlässt (vgl VwGH 17.2.1994, 92/16/0090). Die Behörde kann somit aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Beweiswürdigung für die Partei negative Schlüsse ziehen (LVwG Wien 20.3.2014, VGW-151/081/21313/2014; LVwG Wien 26.2.2015, VGW-151/023/34897/2014).

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Abschnitt II Erwerb der Staatsbürgerschaft § 6. Die Staatsbürgerschaft wird erworben durch

1. Abstammung (Legitimation) (§§  7, 7a und 8); (BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 2) 2. Verleihung (Erstreckung der Verleihung) (§§ 10 bis 24); 3. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009) 4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 122/2009) 5. Anzeige §§ 57, 58c und 59).

[idF BGBl I 136/2013] EB zu BGBl 250/1965 (Zu §  7 StbG 1965): Der Übersicht halber werden hier die zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führenden Tatbestände unter Zitierung der diesbezüglichen Paragraphen aufgezählt. EB zu BGBl 394/1973 Verweisung auf den neuen Erwerbstatbestand des § 25 Abs. 2 durch Erklärung. EB zu BGBl 170/1983 Damit soll die im § 6 StbG 1965 gegebene Übersicht der zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führenden Tatbestände unter Zitierung der diese behandelnden Gesetzesstellen den durch den Gesetzentwurf geänderten Verhältnissen angepaßt werden. EB zu BGBl 202/1985 § 6 StbG 1965 zählt die Erwerbstatbestände für die österreichische Staatsbürgerschaft auf. Der Erwerbstatbestand der Legitimation soll nunmehr im neuen § 7 a StbG 1965 geregelt werden. Dies ist im § 6 Z I. StbG 1965 zu berücksichtigen. EB zu BGBl 521/1993 Die terminologische Anpassung ergibt sich aus der Neufassung des § 58c. EB zu BGBlI 122/2009 Auf Grund des Entfalls des § 25 haben auch die darauf Bezug nehmenden Erwerbstatbestände des § 6 Z 3 und 4 zu entfallen. Im Hinblick auf die neue Regelung des § 59 Abs. 1 ist das Klammerzitat in Z 5 zu ergänzen.

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EB zu BGBl I 136/2013 Die Adaptierung hat aufgrund der Einführung der neuen Bestimmung des § 57 zu erfolgen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Erwerb durch Abstammung bzw Legitimation...................................... 3 III. Erwerb durch Verleihung........................................................................... 6 IV. Erwerb durch Anzeige................................................................................. 10 Schrifttum zu § 6: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Peyrl/Neu­ gschwendtner/Schmaus, Fremdenrecht5 (2015); Schmitt, Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2013, migraLex 2013, 38; Stern, Grenzen zur Demokratie. Die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, juridikum2006, 6; Stern, iuspecuniae – Staatsbürgerschaft zwischen ausreichemdem Lebensunterhalt, Mindestsicherung und Menschenwürde, in Dahlvik/Fassmann/Sievers (Hrsg), Migration und Integration – wissenschaftliche perspelktiven aus Österreich – Jahrbuch 2011, 55; Stern/Valchars, EUDO citizenship Observatory, Countra Report Austria (2013), http://eudo-citizenship.eu/admin/?p=file&appl=countryProfiles&f=2013-28Austria.pdf [17.11.2016]); Strasser, Vater werden ist nicht schwer? – Das Vaterschaftsanerkenntnis und seine abstammungs- und staatsbürgerschaftsrechtlichen Folgen im internationalen Kontext, iFamZ 2014, 203; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 6 regelt überschriftsartig die Möglichkeiten, die Staatsbürgerschaft zu erwerben. Nicht enthalten in der Aufzählung ist der Erwerb durch Inlandsgeburt, da das StbG kaum ius soli Elemente kennt (vgl aber § 8, wonach Kinder unter sechs Monate bei Auffinden im Inland – allerdings nur bis zum Beweis des Gegenteils – als Staatsbürger gelten; dabei handelt es aber um eine Sonderform der Staatsbürgerschaft durch Abstammung). 2 Bis 2010 kannte §  6 noch den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Dienstantritt als Universitätsprofessor und durch Erklärung von dessen Familienangehörigen: Bis 31.12.2007 erwarb ein Universitätspro74

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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fessor aufgrund der Verfassungsbestimmung des § 25 Z 1 StbG automatisch durch Dienstantritt in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis die österreichische Staatsbürgerschaft, ihr Ehegatte (seine Ehegattin) bzw Kinder konnten durch Erklärung ebenfalls die Staatsbürgerschaft erwerben. Diese Verfassungsbestimmung für Universitätsprofessoren wurde gemäß § 2 Abs 3 Z 11 Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz (BGBl I 2/2008) als nicht mehr geltend festgestellt. In der Folge wurden auch die daher seitdem gegenstandslosen § 6 Z 3 und 4 aufgehoben (BGBl I 122/2009).

II.  Erwerb durch Abstammung bzw Legitimation Das Prinzip des ius sanguinis ist das vorherrschende Prinzip der Wei- 3 tergabe der Staatsbürgerschaft. Kinder erwerben also die Staatsbürgerschaft, weil auch ihre Eltern bzw ein Elternteil österreichische Staatsbürger sind bzw waren. In mittlerweile seltenen Fällen wird auch durch Legitimation (= Heirat der Kindeseltern!) die Staatsbürgerschaft erworben. Erwerb durch Abstammung bzw Legitimation ist unabhängig davon, ob nicht allenfalls noch die Voraussetzungen für den Erwerb (im Fall der Legitimation uU auch Beibehaltung) einer anderen Staatsbürgerschaft vorliegen. In diesen Fällen sind also Doppel- bzw Mehrfachstaatsbürgerschaften möglich: Ein Kind aus einer binationalen Ehe kann daher neben der österreichischen Staatsbürgerschaft auch andere Staatsbürgerschaften besitzen, wenn das jeweilige Staatsbürgerschaftsrecht des Landes, dessen Staatsbürgerschaft Vater bzw Mutter besitzen, ebenfalls Erwerb durch Abstammung kennt. Eine weitere Möglichkeit, neben dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Abstammung eine andere Staatsbürgerschaft zu besitzen, ist der Erwerb durch Geburt in einem Land, das ius soli Elemente kennt. Zur Begriffsklärung ius soli bzw ius sanguinis siehe Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft – Konzepte. Aktuelle Situation, Reformoptionen (2013) https://media.arbeiterkammer.at/wien/PDF/studien/Studie_Staats­ buergerschaft.pdf (3.10.2016). Durch Annahme an Kindesstatt (Adoption) gemäß § 191ff ABG findet 4 kein Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung statt (arg: „zu diesem Zeitpunkt“ vgl §  7 Z  1). Siehe aber §  11b zur Verleihung an ­adoptierte Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Zur Verleihung an andere an Kindesstatt angenommene minderjährige Kinder vgl § 17 iVm § 12 Z 1 Z 3. 75

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5 Siehe näher zum Staatsbürgerschaftserwerb durch Abstammung Erl zu §§ 7 und 7a.

III.  Erwerb durch Verleihung 6 Die zweite in der Praxis wesentliche Möglichkeit, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben, ist durch Verleihung. Verleihung bedeutet, dass einer Person, die vorher nicht die Staatsbürgerschaft besessen hat, diese von der Behörde zuerkannt (verliehen) wird. Während die Staatsbürgerschaft durch Abstammung einen Erwerb ex lege darstellt, ist die Verleihung durch Bescheid ein Akt des hoheitlichen Verwaltungshandeln. 7 Der Verleihung der Staatsbürgerschaft geht idR ein Zusicherungsbescheid voraus, in dem nach Prüfung aller Voraussetzungen den Fremden zugesichert wird, dass ihnen die die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wird, wenn sie ihre „alte“ Staatsbürgerschaft zurücklegen oder jedenfalls alle zumutbaren Anstrengungen dafür unternehmen. Siehe dazu Erl zu § 20. Anders als bei Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung sind im Fall der Verleihung Doppel- bzw Mehrfachstaatsbürgerschaften daher nur möglich, wenn das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband unmöglich oder unzumutbar ist. 8 Die zentrale Bestimmung zur Verleihung der Staatsbürgerschaft ist §  10, in dem sowohl die nötige Aufenthaltsdauer (beachte aber auch § 11a, 12 und 14), als auch die wesentlichsten materiellen Voraussetzungen bzw Verleihungshindernisse geregelt werden. 9 Eine Sonderform der Verleihung ist die Erstreckung der Staatsbürgerschaft, bei der in Fällen, in denen Staatsbürgerschaft an Fremde verliehen wird, diese unter bestimmten Voraussetzungen gleichzeitig auch Ehegatten und Kindern verliehen werden kann, auch wenn sie nicht die für einen originären Erwerb nötige Aufenthalts- bzw Niederlassungsdauer aufweisen können. Siehe näher Erl zu §§ 16 und 17.

IV.  Erwerb durch Anzeige 10 In bestimmten Fällen können Personen, die „nur vermeintlich“ österreichische Staatsbürger sind bzw waren, die Staatsbürgerschaft durch Anzeige erwerben (§§ 57 und 59). § 58c enthält eine Bestimmung, wo76

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nach bestimmte Verfolgte des Nationalsozialismus durch Anzeige die Staatsbürgerschaft erwerben können. Siehe näher Erl zu § 57 ff.

Abstammung § 7. (1) Kinder erwerben die Staatsbürgerschaft mit dem Zeitpunkt der Geburt, wenn in diesem Zeitpunkt 1. die Mutter gemäß § 143 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches – ABGB, JGS 946/1811, Staatsbürgerin ist, 2. der Vater gemäß § 144 Abs. 1 Z 1 ABGB Staatsbürger ist, 3. der Vater Staatsbürger ist und dieser die Vaterschaft gemäß § 144 Abs. 1 Z 2 ABGB anerkannt hat, oder 4. der Vater Staatsbürger ist und dessen Vaterschaft gemäß § 144 Abs. 1 Z 3 ABGB gerichtlich festgestellt wurde. Vaterschaftsanerkenntnisse gemäß Z 3 oder gerichtliche Feststellungen der Vaterschaft gemäß Z 4, die innerhalb von acht Wochen nach Geburt des Kindes vorgenommen wurden, wirken für den Anwendungsbereich der Z 3 und 4 mit dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes. (2) Das Ableben eines Elternteiles, der die Voraussetzungen gemäß Abs. 1 Z 1 bis 4 vor der Geburt des Kindes erfüllt, hindert den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht, sofern dieser Elternteil am Tag seines Ablebens Staatsbürger war. (3) Unbeschadet des Abs. 1 erwerben im Ausland geborene Kinder die Staatsbürgerschaft, wenn 1. im Zeitpunkt der Geburt ein österreichischer Staatsbürger nach dem Recht des Geburtslandes Mutter oder Vater des Kindes ist, und 2. sie ansonsten staatenlos sein würden. [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl 250/1965 Zu § 8: Nach § 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 erwerben nicht eigenberechtigte eheliche oder legitimierte Kinder die Staatsbürgerschaft nach dem Vater und uneheliche Kinder die Staatsbürgerschaft nach der Mutter. Ist der Vater staatenlos, so erwirbt nach der geltenden, durch die Staatsbürgerschaftrechtsnovelle 1949 (BGBl. Nr. 142/1949) geschaffenen Rechtslage das Kind die Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter die Staatsbürgerschaft besitzt.

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Diese Abstammungsgrundsätze treten wohl zunächst bei der Geburt eines Kindes in Erscheinung; sie können aber auch dann wirksam werden, wenn der maßgebende Elternteil nach der Geburt des Kindes die österreichische Staatsbürgerschaft erwirbt und in der diesen Erwerbsfall regelnden Rechtsvorschrift keine ausdrückliche Bestimmung über die Rechtsnachfolge der Kinder getroffen ist. Dies trifft auf folgende Erwerbstatbestände zu: 1. Widerruf der Ausbürgerung nach §  4 Abs. 1 oder 2 des Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetzes 1949; 2. Legitimation einer nicht eigenberechtigten Person, die selbst bereits Kinder besitzt (§ 3 Abs. 1 letzter Satz des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949); 3. Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Verehelichung nach § 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 und 4. Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 bis 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949. §  4 des Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetzes 1949 ist nun insofern gegenstandslos geworden, als die Frist zur Einbringung des Widerrufsantrages endgültig am 31. Dezember 1958 abgelaufen ist. Die Verehelichung einer Fremden mit einem Staatsbürger soll, wie bereits erwähnt, in Hinkunft nicht mehr ipso iure den Erwerb der Staatsbürgerschaft zur Folge haben, sondern nur das Recht begründen, die Staatsbürgerschaft durch Erklärung zu erwerben (§ 10). In diesem Fall werden aber die Kinder unter den im § 12 lit. d festgesetzten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft haben. Die derzeit gemäß § 10 Abs. 1 und 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 mögliche Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft wurde durch Verleihungsansprüche ersetzt (§  12 lit. c und §  13). Für diese Fälle gelten demnach auch die Erstreckungsbestimmungen des § 17. Der für bestimmte österreichische Emigranten geschaffene Erwerbstatbestand des § 10 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 soll wohl reaktiviert, hiebei jedoch in einen Verleihungstatbestand umgewandelt werden (§ 58). Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die Grundsätze über den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung in Hinkunft, von der Legitimation abgesehen, nur mehr bei der Geburt eines Kindes von Bedeutung sein werden. Die Bundesregierung hält es daher für zweckmäßig, die Bestimmung des neuen § 8 ausschließlich auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen, soweit es sich um eheliche und uneheliche Kinder handelt. Im einzelnen ist zu bemerken: Zu Abs. 1 zweiter Halbsatz: Hier soll bei postum geborenen Kindern klargestellt werden, daß auch sie die Staatsbürgerschaft erwerben, wenn ihr Vater im Zeitpunkt seines Ablebens Staatsbürger war. Zu Abs. 2: Nach § 3 Abs. 1 zweiter Satz des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 erwirbt ein Kind die Staatsbürgerschaft, wenn der Vater staatenlos ist und die Mutter die Staatsbürgerschaft besitzt. Diese Bestimmung war durch die Staatsbürgerschafts-

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rechtsnovelle 1949 zu dem Zweck eingeführt worden, die Staatenlosigkeit von Kindern zu verhindern. Allerdings konnte dieser Zweck nicht voll erreicht werden, weil nach dem Staatsbürgerschaftsrecht verschiedener Staaten (zum Beispiel Großbritannien, Vereinigte Staaten und Jugoslawien) das Kind nicht unbedingt immer die Staatsbürgerschaft nach seinem ehelichen Vater erwirbt. Umgekehrt schaffte aber die bisherige Regelung dann Fälle von Doppelbürgerschaft, wenn das eheliche Kind einer Staatsbürgerin und eines Staatenlosen in einem Staat geboren wird, dessen Recht den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt auf dem Staatsgebiet vorsieht. Deshalb bestimmt auch die bereits erwähnte UNKonvention, betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit, in ihrem Artikel 1 Abs. 3, daß ein Kind, das ehelich auf dem Hoheitsgebiet eines vertragschließenden Staates geboren wird und dessen Mutter die Staatsbürgerschaft dieses Staates besitzt, die Staatsbürgerschaft durch Geburt erwirbt, wenn es anderenfalls staatenlos wäre. Der vorliegende Gesetzentwurf übernimmt aber nicht die Beschränkung auf das eigene Staatsgebiet. Denn es ist nicht einzusehen, warum nicht auch das im Ausland geborene eheliche Kind einer Staatsbürgerin die Staatsbürgerschaft erwerben soll, wenn es sonst staatenlos sein würde. Eine solche Regelung widerspricht nach Ansicht der Bundesregierung nicht der zitierten Konventionsbestimmung, weil die Konvention den vertragschließenden Staaten zur Verminderung der Staatenlosigkeit nur gewisse Mindes[t]verpflichtungen auferlegt, damit aber nicht freiwillige Mehrleistungen der Staaten ausschließen will. Zu Abs. 4: Nach §  8 Abs. 4 des vorliegenden Gesetzentwurfes sollen auch Kinder männlichen Geschlechtes die Staatsbürgerschaft durch Legitimation nur dann erwerben können, wenn sie noch ledig sind. Denn es ist nicht einzusehen, warum zum Beispiel ein minderjähriger Fremder, der bereits verheiratet ist und selbst eine Familie gegründet hat, von Rechts wegen nach seinem Vater die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben soll. Weiters will der vorliegende Gesetzentwurf im Sinne des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses vom 23. Mai 1952, Slg. Nr. 2548 A klarstellen, daß die erst nach dem Tode des Kindesvaters – durch eine Entschließung des Bundespräsidenten – bewirkte Legitimation eines minderjährigen Kindes den Erwerb der Staatsbürgerschaft zur Folge hat, wenn der Vater im Zeitpunkt seines Ablebens Staatsbürger war. Schließlich war noch, weil die Abs. 1 bis 3, wie bereits ausgeführt, lediglich auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes abgestellt sind, vorzusehen, daß sich der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation auf die Kinder der legitimierten Personen erstreckt. Hiebei war allerdings die Einschränkung zu machen, daß diese Rechtsnachfolge nur nach Personen weiblichen Geschlechtes eintritt. Denn nach der in Rede stehenden Bestimmung soll die Legitimation nur bei einem ledigen Fremden zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führen, so daß sich dieser Erwerb überhaupt nur auf uneheliche Kinder erstrecken kann. Es wäre nun ungerechtfertigt, den Erwerb der Staatsbürgerschaft bei der Legitimation von Personen männlichen Geschlechtes auf deren uneheliche Kinder zu erstrecken, weil ein uneheliches Kind auch dann nicht die Staatsbürgerschaft nach sei-

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nem Vater erwirbt, wenn dieser bereits im Zeitpunkt der Geburt des Kindes Staatsbürger war (Abs. 3). EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 3 (§ 7 Abs. 1) Nach geltendem Recht erwirbt ein eheliches Kind die Staatsbürgerschaft mit seiner Geburt, wenn sein Vater in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist oder die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt seines vor der Geburt des Kindes erfolgten Ablebens besessen hat. Die eheliche Mutter vermittelt derzeit ihrem Kind die Staatsbürgerschaft nur, wenn sie im Zeitpunkt seiner Geburt Staatsbürgerin ist und das Kind staatenlos wäre, weil sein Vater staatenlos oder Angehöriger eines Staates ist, nach dessen Rechtsvorschriften das eheliche Kind mit seiner Geburt dem Vater nicht die Staatsangehörigkeit folgt. Um dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Mann und Frau auch im Staatsbürgerschaftsrecht zum Durchbruch zu verhelfen, sollen durch die Änderung dieser Gesetzesstelle beide Elternteile bei der Weitergabe der österreichischen Staatsbürgerschaft an ihre ehelichen Kinder gleichgestellt werden. Damit wird bei Wertung der das Staatsbürgerschaftsrecht beherrschenden Grundsätze dem Prinzip der Gleichheit der Geschlechter der Vorrang gegenüber dem der möglichsten Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit eingeräumt. Eheliche Kinder sollen demnach künftig die österreichische Staatsbürgerschaft mit ihrer Geburt selbst dann erwerben, wenn die Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürgerin, der Vater aber Fremder ist und sie gleichzeitig nach dem Vater auch dessen fremde Staatsangehörigkeit erwerben. Bisher besteht die Möglichkeit, mit der Geburt kraft Gesetzes neben der österreichischen Staatsbürgerschaft eine fremde Staatsangehörigkeit zu erwerben, nur für eheliche Kinder, deren Vater österreichischer Staatsbürger und deren Mutter Angehörige eines Staates ist, der den kraft Gesetzes mit der Geburt eintretenden Erwerb der Staatsangehörigkeit auch nach der ehelichen Mutter vorsieht oder wenn das Kind auf dem Hoheitsgebiet eines Staates geboren wird, der an diesen Umstand den Erwerb seiner Staatsangehörigkeit knüpft. Das Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBI. Nr. 471/1975, steht der mit der vorgesehenen Gesetzesänderung in Kauf genommenen Möglichkeit der Entstehung mehrfacher Staatsangehörigkeit nicht entgegen. Artikel 1 dieses Übereinkommens sieht nämlich den Verlust und die Verweigerung der Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit prinzipiell nur für den Fall des freiwilligen Erwerbes der Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei durch Einbürgerung, Option oder Wiedererlangung vor. Zu Art. I Z 4 (§ 7 Abs. 2) Da nach § 7 Abs. 1 in der Fassung des Entwurfes das eheliche Kind, dessen Mutter im Zeitpunkt seiner Geburt die Staatsbürgerschaft besitzt, in jedem Falle die Staatsbürgerschaft mit seiner Geburt kraft Gesetzes in Rechtsnachfolge nach der Mutter erwerben soll, wird § 7 Abs. 2 StbG 1965 gegenstandslos und hätte daher zu entfallen.

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Von der sich durch die Aufhebung des Absatzes ergebenden Möglichkeit einer Umbenennung der bisherigen Absatzbezeichnungen 3 und 4 in 2 und 3 wäre aus Gründen der Rechtssicherheit Abstand zu nehmen, weil damit die Rechtskontinuität gestört und die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz erheblich erschwert würde. Zu Art. I Z 5 (§ 7 Abs. 3) Der bisherige Wortlaut des § 7 Abs. 3 StbG 1965 soll der Diktion des Absatzes 1 in der Fassung des Entwurfes angepaßt und das geschlechtsspezifisch gebrauchte Wort „Staatsbürgerin“ im Sinne der Legaldefinition des § 2 Z 3 StbG 1965 (Staatsbürger: ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt) durch „Staatsbürger“ ersetzt werden. EB zu BGBl 202/1985 Zu Art. I Z 3 (§ 7 Abs. 3): Während nach §  7 Abs. 1 StbG 1965 eheliche Kinder mit der Geburt die Staatsbürgerschaft erwerben, wenn in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist oder wenn ein vorher verstorbener Elternteil am Tage seines Ablebens Staatsbürger war, erwerben nach dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 StbG 1965 uneheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit der Geburt nur, wenn die Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist. Da es aus medizinischer Sicht möglich ist, daß eine bereits Tote noch eines lebenden Kindes entbunden wird (siehe: Rheindt, R., Der Kaiserschnitt an der Toten, Wien, klin. Wschr. 1942, 251 ff.; Weber, Ch. E., Postmonem cesarean section, Review of the literature and case reports, Amer. J. Obstet. Gynec. 1971, 110, 158 ff.), soll dies aus Gründen der Rechtssicherheit und in Angleichung an § 7 Abs. 1 StbG 1965 auch im § 7 Abs. 3 StbG1965 berücksichtigt werden. EB zu BGBl I 136/2013 Zu Z 2 bis 4, 18 bis 20 und 24, 26 bis 28 sowie 32 (§§ 7, 7a, 8 Abs. 2 und 3, 17 Abs. 1, 1a und 2, 29, 52 Abs. 2 und 3, 53 Z 3 lit. a und Z 5 lit. c und f sowie 59 Abs. 1): Die vorgeschlagenen Änderungen sollen die im gesamten Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 enthaltene Differenzierung betreffend die Ehelichkeit bzw. Unehelichkeit eines Kindes entfallen lassen, da diese Differenzierung vor dem Hintergrund der familienrechtlichen und familienpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ihre sachliche Rechtfertigung weitgehend eingebüßt hat und als nicht mehr zeitgemäß anzusehen ist (siehe dazu auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2012 zu G 66/12 und G 67/12 sowie die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom11. Oktober 2011 in der Rechtssache Genovese versus Malta (53124/09)). Daher wird vorgeschlagen, dass künftig für alle Sachverhalte, in denen zumindest ein Elternteil österreichischer Staatsbürger ist, das Abstammungsprinzip gilt, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind. Eine Unterscheidung entlang der Ehe- bzw. Unehelichkeit eines Kindes soll künftig nicht mehr vorgenommen werden.

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Zu § 7: Die Adaptierungen des § 7 einschließlich des damit einhergehenden Entfalles des bisherigen Abs. 3 dienen daher der Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern und bewirken, dass der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Abstammung ungeachtet des Bestehens einer Ehe und daher gleichsam von jedem des die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Elternteiles zum Zeitpunkt der Geburt erfolgen kann. In § 7 sind daher in einer taxativen Aufzählung jene Voraussetzungen normiert, die zu einem Staatsbürgerschaftserwerb kraft Abstammung führen. Dabei betreffen die vorgeschlagenen Z 3 und 4 uneheliche Kinder, bei denen nur der Vater die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Uneheliche Kinder einer österreichischen Mutter und eines Vaters, der nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind unter die Z  1 zu subsumieren und erwerben, wie schon bisher, die Staatsbürgerschaft kraft Abstammung. Wie schon bisher wird dabei weiterhin auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes als maßgeblichen Anknüpfungspunkt abgestellt. Lediglich für jene Fälle, in denen ein Kind von nichtverheirateten Eltern abstammt, aber nur der Vater die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und dieser die Vaterschaft nach der Geburt des Kindes gemäß § 144 Abs. 1 Z 2 ABGB anerkannt hat oder dessen Vaterschaft nach der Geburt des Kindes gemäß § 144 Abs. 1 Z 3 ABGB gerichtlich festgestellt wurde, wird in sachgerechter Weise eine Fiktion des maßgebenden Anknüpfungszeitpunktes erwirkt. Das Anerkenntnis oder die gerichtliche Feststellung muss längstens innerhalb von acht Wochen nach der Geburt des Kindes vorgenommen werden, um die Fiktion des Staatsbürgerschaftserwerbes kraft Abstammung mit dem Zeitpunkt der Geburt auszulösen. Die Praxis zeigt, dass die meisten Anerkenntnisse innerhalb von vier Wochen nach der Geburt eines Kindes vorgenommen werden, so dass eine Frist von acht Wochen als ausreichend und sachgerecht erscheint, um einerseits sehr schnell Rechtssicherheit für das Kind in der Frage der Staatsbürgerschaft herbeizuführen und andererseits einen praxisgerechten Vollzug des Staatsbürgerschaftsrechtes zu garantieren. Für jene Fälle, in denen erst nach diesem Zeitpunkt das Anerkenntnis vorgenommen wird oder die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft erfolgt, können die Kinder die Staatsbürgerschaft unter den erleichterten Bedingungen des § 12 Abs. 2 erwerben (Siehe dazu die Erläuternden Bemerkungen). Der Abs. 2 wurde der geltenden Rechtslage entnommen und soll wie bisher auch im Falle des Ablebens eines Elternteiles vor der Geburt des Kindes, der die österreichische Staatsbürgerschaft innehatte, ein Staatsbürgerschaftserwerb kraft Abstammung möglich sein. Der vorgeschlagene Abs. 3 nimmt Rücksicht auf jene Kinder, die nicht im Bundesgebiet geboren werden, ein österreichischer Staatsbürger jedoch Elternteil im Sinne des ausländischen Rechtes ist und das Kind staatenlos sein würde, sofern es nicht die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten würde. Um in diesen Fällen Staatenlosigkeit zu vermeiden, soll es den Kindern nicht verwehrt sein, die österreichische Staatsbürgerschaft kraft Abstammung zu erwerben.

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Inhaltsübersicht Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 10 A. Mutter....................................................................................................... 10 B. Vater.......................................................................................................... 16 C. Vaterschaftsanerkenntnis...................................................................... 20 D. Vaterschaftsfeststellung......................................................................... 23 E. Ableben..................................................................................................... 29 III. Abstammungsprinzip.................................................................................. 31 Schrifttum zu § 7: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Beck, Der biologische Vater und sein Kind, EF-Z 2015, 210; Brugger, Qualifiziertes („durchbrechendes“) Vaterschaftsanerkenntnis zu einem noch nicht geborenen Kind?, IndRME 2003; Dummett, United Kingdom, in: Bauböck/Ersboll/Groenendijk/Waldrauch (Hrsg), Acquisitionand Loss of Nationality. Policies and Trends in 15 European States (2006), Vol I., 551; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Fucik, Anerkennung ausländischer Abstammungsentscheidungen auch ohne Gegenseitigkeit und in Analogie zu § 91a AußStrG, iFamZ 2015, 144; Herndl, Die Abstammung des Kindes einer Leihmutter und ihre Auswirkungen im internationalen Erbrecht, NZ 2014/93, 253; Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Kurz, Anonyme Geburt: Wie kann die Mutter ihre Anonymität rechtlich aufheben?, iFamZ 2015, 167; Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht2 §  7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985; Schmitt, StaatsbürgerschaftsrechtsNovelle 2013, migraLex 2013, 38; Strasser, Vater werden ist nicht schwer? – Das Vaterschaftsanerkenntnis und seine abstammungs- und staatsbürgerschaftsrechtlichen Folgen im internationalen Kontext, iFamZ 2014, 203; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Weill, Zugang zur Staatsbürgerschaft. Ein Vergleich von 25 Staatsangehörigkeitsgesetzen, in: Conrad/Kocka (Hrsg), Staatsbürgerschaft in Europa. Historische Erfahrungen und aktuelle Debatten (2001), 92; Wukovits, Die soziale Familie: Vorrang vor dem biologischen Band zwischen Vater und Kind, EF-Z 2012/126, 211; Zemanek, Das erfolgreiche Abstammungsverfahren, iFamZ 2009, 337.

I.  Allgemeines Die Abstammung steht in der österreichischen Rechtsordnung wegen 1 des hohen (auch) öffentlichen Bedürfnisses nach materieller Richtigkeit nicht zur privatrechtlichen Disposition. § 7 verwendet bzw behält uE bewusst den Begriff „Abstammung“ bei; § 28 ABGB wurde durch die §§  7 ff materiell derogiert. Entscheidend ist, von wem ein Kind „ab83

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stammt“ und nicht von wem es „gezeugt“ ist. Dies entspricht auch dem überwiegenden Sprachgebrauch in den Bestimmungen des Abstammungsrechts und dient der Verdeutlichung, dass es nicht auf den Geschlechtsverkehr, sondern auf die für die Entstehung des menschlichen Lebens wesentliche Vereinigung von Samen und Eizellen ankommt. Der Begriff der Abstammung im StbG steht – auch historisch interpretiert – für Verwandtschaft oder Blutsverwandtschaft. Dabei wird nicht allein auf die biologische Elternschaft abgestellt, sondern in den auf das FMedG bezugnehmenden Bestimmungen des ABGB eine eigenständige rechtliche Regelung iSd familiären Herkunft getroffen, die in manchen Fällen von der biologischen Elternschaft abweichen kann. 2 § 7 ist in der Praxis der am häufigsten zur Anwendung kommende Erwerbstatbestand und spiegelt wesentliche Grundprinzipien des Staatsbürgerschaftsrechts wider. In erster Linie kommt in § 7 der Grundsatz des ius sanguinis zur Geltung, also der Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass der Staatsbürgerschaftserwerb anlässlich der Geburt von der Abstammung und nicht vom Geburtsort abhängt. Im Unterschied zu § 3 StbG 1949 enthält § 7 eine staatsbürgerschaftsrechtliche Verbindung zwischen dem Kind und einem (österreichischen) Elternteil nur iZm der Geburt. Die Erstreckung einer Verleihung auf Kinder erfolgt nur auf Antrag (§ 17 iVm § 19), sodass ein fremdes Kind, wenn es will, Fremder bleiben kann (vgl Thienel aaO, 124); vgl auch §  7a Abs 2. 3 §  7 Abs  3 setzt den völkerrechtlich verpflichtenden Grundsatz der Vermeidung der Staatenlosigkeit um. Seit der Novelle BGBl 1983/170 äußert sich der – uE den anderen dem §  7 immanenten Grundsätzen vorangehende – Grundsatz der Gleichstellung von Mann und Frau bezüglich der Staatsbürgerschaft ehelicher Kinder und seit der Novelle BGBl I 2013/136 ist auch die diesbezügliche Beschränkung auf uneheliche Kinder (weitgehend) entfallen (vgl aber auch § 52 lit d). Hingegen steht §  7 im Widerspruch zu dem sonst im StbG vorherrschenden Grundsatz der staatsbürgerschaftsrechtlichen Selbständigkeit, denn der Erwerb der Staatsbürgerschaft nach § 7 hängt nicht von einem Antrag des Betroffenen ab. Ebenso durchbricht § 7 den ansonsten im StbG bestehenden Grundsatz der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit. Schließlich besteht in § 7 der – im StbG 1949 noch bestimmende – Grundsatz der Familieneinheit (vgl VwGH 22.5.1996, 96/01/0091) in Ansätzen fort: demnach sollen alle Familienmitglieder möglichst dieselbe Angehörigkeit besitzen. 84

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Die „Vorläuferbestimmung“ des § 7 war – wie auch die EB zur RV (497 4 der Beilagen X. GP) betonen – §  3 StbG 1949, der uE aufgrund der Ungleichbehandlung von Mann und Frau einerseits und ehelichen und unehelichen Kindern andererseits – ex-ante betrachtet – als verfassungswidrig zu beurteilen ist. Nach § 3 StbG 1949 erwarben nicht eigenberechtigte eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft nach dem Vater. Diese Regelung ist rückblickend nur vor dem Hintergrund des damals geltenden Rechts verständlich, das Statusfragen des ehelichen Kindes grundsätzlich vom Vater ableitete (§  146 ABGB idF vor BGBl 1977/403). Dieser Grundsatz konnte zunächst bei der Geburt in Erscheinung treten. Das Kind erwarb bei seiner Geburt – dem Grundsatz der Abstammung folgend – die Staatsbürgerschaft, wenn der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes die Staatsbürgerschaft besaß oder besessen hätte, falls er noch am Leben wäre. Dieser Grundsatz konnte aber auch dann wirksam werden, wenn der Vater – nach der Geburt des Kindes – die Staatsbürgerschaft erwarb und in der diesem Erwerbsfall regelnden Vorschrift (vgl zB § 2 Abs 2 St-ÜG 1949 und §§ 5 Abs 7 und 6 StbG 1949) der Staatsbürgerschaftsgesetze keine ausdrückliche Bestimmung über die Rechtsnachfolge ehelicher Kinder getroffen war (vgl dazu neben den EB das bei Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 320 f abgedruckte Rundschreiben des BMI vom 8.3.1950, Zl 43.532 – 7/50). Diese Rechtslage wurde auch durch die Nachfolgeregelung des §  7 5 StbG 1965 aufrechterhalten. § 7 idF BGBl 1965/250 (in der RV noch als § 8 bezeichnet) regelte den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung (Abs 1 bis 3) und Legitimation (Abs 4). Eheliche Kinder eines österreichischen Vaters erwarben mit ihrer Geburt die Staatsbürgerschaft (Abs 1). War der Vater Fremder, so erwarb das eheliche Kind einer österreichischen Mutter mit seiner Geburt die Staatsbürgerschaft, wenn es sonst staatenlos gewesen wäre (Abs 2). Uneheliche Kinder erwarben mit ihrer Geburt die Staatsbürgerschaft, wenn ihre Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürgerin war (Abs 3). Abs 4 sah – wie § 7a idgF – einen Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation vor. Die Novelle BGBl 1983/173 stand im Zeichen der Gleichstellung der 6 ehelichen Mutter mit dem ehelichen Vater bei der Vermittlung der Staatsbürgerschaft an ihre Kinder im Gefolge der Neuordnung des Kindschaftsrechts (vgl BGBl 1977/403). Der damit einhergehenden und unerwünschten Vermehrung der Fälle von Mehrstaatigkeit wurde durch erleichterte Verzichtsmöglichkeit begegnet. Nach § 7 Abs 1 idF BGBl 1983/173 erwarben eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit 85

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Geburt, wenn in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger war. Uneheliche Kinder erwarben nach § 7 Abs 2 – wie grundsätzlich auch nach § 3 Abs1 StbG 1949 – die Staatsbürgerschaft durch Abstammung nach der Mutter. Das dabei auftretende Gleichbehandlungsproblem von vor und nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung geborenen Kindern erkannte der Gesetzgeber und trug ihm durch eine Übergangsregelung Rechnung. Dass der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Gleichstellung von unter die alte Rechtslage fallenden Tatbeständen mit der neuen Rechtslage aus Gründen der Rechtssicherheit zeitlich begrenzte, ist nach Ansicht des VfGH im Hinblick auf Art 8 iVm 14 EMRK gerechtfertigt (VfSlg19.745/2013). Der Gesetzgeber hatte auf diese Weise den Betroffenen eine angemessene Möglichkeit eröffnet, die in der Regelung des § 3 StbG 1949 aus heutiger Sicht gelegene Diskriminierung abzuwenden. Konkret konnten nach der in Art II StbG-Novelle 1983 vorgesehenen und durch Art II StbG-Novelle 1986 bis zum 31.12.1988 verlängerten Übergangsbestimmungen bis zu dem genannten Datum auch vor dem 1.9.1983 geborene eheliche Kinder unter bestimmten Voraussetzungen die Staatsbürgerschaft durch Abstammung auch nach der Mutter erwerben. Bei der Geltendmachung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch Abstammung nach der Mutter bestanden auch grundsätzlich keine Hindernisse, dies in einer bestimmten Frist geltend zu machen (einzelne nicht vorhersehbare Härtefälle sind in Abwägung mit dem Ziel der Rechtssicherheit hinzunehmen, vgl VfSlg 14.268/1995, 17.816/2006). 7 § 7 idF BGBl 1983/170 differenzierte zwischen ehelichen Kindern eines österreichischen „Elternteils“, die mit der Geburt die Staatsbürgerschaft erwarben (Abs 1), und unehelichen Kindern, die die Staatsbürgerschaft mit der Geburt erwarben, wenn ihre Mutter Staatsbürger ist oder war (vgl Novelle BGBl 1985/202). Folglich schloss § 7 Abs 3 uneheliche Kinder – anders als § 7 Abs 1 vergleichbare eheliche Kinder – eines österreichischen Vaters vom Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Abstammung nach dem Vater aus. Ein uneheliches Kind eines österreichischen Vaters und einer Mutter mit fremder Staatsangehörigkeit war daher für die Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf ein Verleihungsverfahren angewiesen. Hierbei waren im Wesentlichen allgemein für Fremde geltenden Voraussetzungen maßgebend; zudem forderte das Gesetz, dass dem österreichischen Vater Pflege und Erziehung des Kindes zustehen (vgl § 12 Z 3 iVm § 17 86

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Abs 1 Z 3 sowie § 10 Abs 1 Z 2 bis Z 8, Abs 2 und Abs 3 idF BGBl 1985/311). Da diese Regelung uneheliche Kinder gegenüber vergleichbaren ehelichen Kindern benachteiligte, hob der VfGH den § 7 Abs 3 sowie das Wort „Eheliche“ in § 7 Abs 1 idF BGBl 1985/311 auf (VfSlg 19.704/2012). Durch die Novelle BGBl I 2013/136 erfolgte im Lichte der höchstge- 8 richtlichen Judikatur die – allerdings durch § 64a Abs 20 stichtagsbezogene und insofern (mangels Rückwirkung) wiederum eine Ungleichbehandlung indizierende (dh uE verfassungsrechtlich bedenkliche) – Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern im Rahmen des Staatsbürgerschaftserwerbes durch Abstammung. Die Möglichkeit des Staatsbürgerschaftserwerbes durch Abstammung auch vom österreichischen Vater eines unehelichen Kindes bewirkt seither eine Gleichstellung für solche Väter und deren Kinder. Zugleich beseitigt diese Novelle eine weitere Ungleichbehandlung: Die unterschiedliche Behandlung von ehelichen und unehelichen Kindern gemäß § 8 Abs 2 idF vor der Novelle BGBl I 2013/136 verstieß – wie der VfGH betonte – aus denselben Gründen, die in VfSlg 19.704/2012 zur Aufhebung von Bestimmungen in §  7 idF vor der Novelle BGBl I 2013/136 geführt haben, gegen Art 14 iVm Art 8 EMRK (VfSlg 19.842/2014). Die Novelle BGBl I 2013/136 trug aber uE auch (unausgesprochen) den Erkenntnissen des VfGH zur Leihmutterschaft und der ansteigenden Zahl der Paare, die auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung zurückgreifen, Rechnung (vgl VfGH 14.12.2011, B 13/11; VfGH 11.10.2012, B 99/12). Im konkreten Fall stand die Wunschmutter laut (anwendbarem) US-amerikanischem Recht als Mutter im Rechtssinn fest; folglich hätten ihre Kinder gemäß § 7 Abs 1 lit a StbG aF die österreichische Staatsbürgerschaft erworben, weil vormals nur die bloße Abstammung von einer Österreicherin Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft ausschlaggebend war (und nicht eine Mutterschaft iSd Definition des § 143 ABGB) und es bei der Abstammung iSd § 7 nicht um die genetische, sondern die rechtliche Eigenschaft geht; vgl dazu Rz 10 ff. Nach der geltenden Rechtslage (§ 7 iVm § 64a Abs 20) erwerben ehe- 9 liche Kinder (seit dem 1.9.1983 geboren) mit Geburt automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Elternteil österreichischer Staatsbürger ist und zwar unabhängig davon, ob das Kind durch den anderen Elternteil oder durch das Geburtsortsprinzip („ius solis“) eine weitere Staatsangehörigkeit („Doppelstaatsbürgerschaft“) erwirbt. Nach österreichischem Recht muss sich 87

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das Kind mit Volljährigkeit nicht für eine Staatsangehörigkeit entscheiden – es kann jedoch sein, dass der andere Staat eine Entscheidung verlangt. Eheliche Kinder (vor dem 1.9.1983 geboren) erwerben die Staatsbürgerschaft durch Abstammung vom österreichischen Vater. Unehelich geborene Kinder erwerben die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn die Mutter zum Zeitpunkt der Geburt österreichische Staatsbürgerin ist (vgl zur fortbestehenden Maßgeblichkeit der alten Rechtslage auch Thienel aaO, 134 und 136 ff). Uneheliche Kinder von österreichischen Vätern, die am 1.8.2013 oder später geboren wurden, erhalten die Staatsbürgerschaft nunmehr bei Geburt durch Abstammung vom Vater, wenn dieser die Vaterschaft vor oder binnen acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkennt; sinngemäß gilt dies auch – zumindest theoretisch (vgl zu den verfassungsrechtlichen Bedenken Rz  28) – für die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft nach § 7 Abs 1 Z 4 (im letzteren Fall muss das Rechtskraftdatum innerhalb der achtwöchigen Frist liegen). Dies bedeutet nicht, dass die Vaterschaftsanerkennung innerhalb der genannten Frist bei der Behörde (bzw im Ausland: bei einer österreichischen Botschaft) einlangen muss. Entscheidend ist wegen der ex tunc Wirkung das Erklärungsdatum (= Beurkundungsdatum) für die Fristeinhaltung; somit ist unbeachtlich, ob das Anerkenntnis vielleicht außerhalb dieser Frist vom zuständigen Standesamt entgegengenommen worden ist (zur möglichen Änderung des Geburtsnamens iZm § 7 Abs 1 letzter Satz vgl Kutscher/Wildpert aaO, Anm 8). Sollte die Frist von acht Wochen verabsäumt worden sein, kann eine Beantragung auf vereinfachte Verleihung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes erfolgen. Schriften, die unmittelbar durch die Geburt eines Kindes veranlasst sind (Staatsbürgerschaftsnachweis), sofern sie innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt ausgestellt werden, sind von den Stempelgebühren und den Verwaltungsabgaben des Bundes befreit (vgl § 35 Abs 6 GebG). Der Verweis auf das ABGB bewirkt, dass für die Beurteilung der Abstammung als Voraussetzung für die Staatsbürgerschaft die Verweisungsnormen des IPRG idR außer Betracht zu bleiben haben. Der Staatsbürgerschaftserwerb wird nach materiellem österreichischen Recht begründet; auf die Abstammung vom österreichischen Elternteil nach dem Abstammungsstatut kommt es nicht mehr an. Die damit einhergehende Auflösung der (schwierigen) Wechselbeziehung zwischen § 7 und den §§ 21 und 25 IPRG erleichtert die Vollziehung, weil die Beurteilung des Staatsbürgerschaftserwerbs weder eine kollisionsrechtliche Prüfung noch die Ermittlung fremden Abstammungsrechts erfor88

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dert. Dennoch gibt es uE auch weiterhin Fälle, in denen das Staatsangehörigkeitsprinzip des IPRG für die Abstammung eine Rolle spielen kann (vgl Rz 14 und 21).

II.  Begriffe A.  Mutter § 7 Abs 1 Z 1 verweist iZm dem Begriff der „Mutter“, als Vorausset- 10 zung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung, auf § 143 ABGB idF BGBl I 2013/15 (vormals § 137b idF BGBl I 2004/58). Demnach ist (rechtliche) Mutter „die Frau, die das Kind geboren hat“. Da in Österreich eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur in einer Ehe, in einer eingetragenen Partnerschaft oder in einer Lebensgemeinschaft zulässig ist (vgl §  2 Abs  1 FMedG), wurde durch BGBl 1992/275 die Bestimmung der Mutter im ABGB eingeführt. Sie dient der statusrechtlichen Absicherung des Verbots der Leih- oder Ersatzmutterschaft, also dem „Leihen“ der Gebärmutter oder vielmehr der Fähigkeit, schwanger zu werden und bleiben zu können sowie ein Kind zu gebären, für die gesamte Dauer einer Schwangerschaft, um für eine andere Frau ein Kind zur Welt zu bringen. Die Mutterschaft besteht nach § 143 ABGB ex lege, bedarf also keiner Anerkennung oder Feststellung und kann auch nicht bestritten werden. Der Grundsatz, dass Mutter eines Kindes immer die Frau ist, die das 11 Kind geboren hat, gilt laut Rechtsprechung und Lehre auch dann, wenn unter Missachtung des Leihmutterverbots ein Kind auf die Welt kommt (OGH 23.7.1997, 7 Ob 212/97w; Herndl aaO, 253 mwN). Mutter im rechtlichen Sinn ist dann nicht die genetische Mutter, die Eizellenspenderin, sondern die Leihmutter, die das Kind geboren hat. Andere Rechtsordnungen hingegen erlauben das Austragen eines in vitro gezeugten Embryos durch eine andere Frau als die genetische Mutter und betrachten unter bestimmten Voraussetzungen die Spender, aus deren Eizelle und Samen der Embryo gezeugt wurde, als Eltern im Rechtssinn. Nach dem Recht dieser Staaten gelten sie als Kinder der genetischen Eltern (der Spender). Bei der Entscheidung über die Mutterschaft der genetischen oder der 12 biologischen Mutter im familienrechtlichen Sinn ist uE der Gesichtspunkt ausschlaggebend, dass nur die gebärende Frau während der Schwangerschaft sowie während und unmittelbar nach der Geburt eine 89

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körperliche und psychosoziale Beziehung zu dem Kind hat. Das von einer ausländischen Leihmutter geborene Kind erwirbt daher uE grundsätzlich nicht die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß §  7 von der österreichischen Bestellerin der Leihmutterschaft (aA – iZm § 7 idF vor BGBl I 2013/136 – VfGH 14.12.2011, B 13/11; VfGH 11.10.2012, B 99/12). Das Kind einer Leihmutter ist zunächst das Kind von ihr (und gegebenenfalls von ihrem Ehemann). Sind die Leihmutter (und ihr Mann) keine österreichischen Staatsbürger, hat das Kind keinen österreichischen Elternteil (vgl auch Herndl aaO, 260). 13 Nach Auffassung des VfGH (zu §  7 idF vor BGBl I 2013/136) sind Kinder, die im Ausland von einer (ausländischen) Leihmutter geboren wurden, unter Umständen als Kinder der Eizellenspenderin (= Österreicherin) anzusehen. In den Anlassfällen war zu klären, ob die für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft relevante Vorfrage der Abstammung nach dem Recht des Geburtsortes zu beurteilen war oder nach den einschlägigen österreichischen Normen. Denn das materielle Familienrecht Georgias und der Ukraine ordnet die Kinder rechtlich den Wunscheltern zu und ermöglicht damit eine Ableitung der Staatsbürgerschaft von diesen, während die österreichischen Sachnormen (§ 3 Abs 3 iVm § 1 FMedG und § 143 ABGB) die Abstammung von der Eizellenspenderin ausschließen. Der VfGH gelangte in beiden Erkenntnissen zu dem Ergebnis, dass die Kinder von ihren genetischen Eltern abstammen. Die ausländischen Regeln zur Leihmutterschaft verstoßen nicht gegen den österreichischen ordre public und beanspruchen unabhängig von der Staatsbürgerschaft der Involvierten Geltung für alle Sachverhalte, die sich in ihrem Staat ereignen. Entgegen dem VfGH können uE ausländische Regeln zur Leihmutterschaft den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widersprechen und daher gemäß § 6 IPRG nicht anwendbar sein. Der VfGH übersieht, dass insbesondere die Regelungen des FMedG nicht nur zwingend sind, sondern sie Ausdruck einer der Rechts- und Gesellschaftsordnung zugrunde liegenden, allgemein anerkannten Wertentscheidung sind und somit auch integraler Bestandteil der Grundrechtsordnung. Aus diesem Grund räumt das FMedG neben den verfassungsrechtlich verankerten Grundrechten [Recht auf Leben (Art 2 EMRK), dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK) und dem Recht auf Familiengründung (Art 12 EMRK)], auf die eigens in den EB zur RV des FMedG in der Stammfassung eingegangen wird, „vor allem der menschlichen Würde, dem Kindeswohl und dem Recht 90

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auf Fortpflanzung besondere Bedeutung ein“ (vgl 216 der Beilagen XVIII. GP). Vor diesem Hintergrund ist uE nicht nachvollziehbar, wenn der VfGH betont, dass die Beachtung des Kindeswohls im Kindschaftsrecht Teil des österreichischen ordre public derart sei, dass ausländische Normen, die die Leihmutterschaft erlauben und die Eizellenspenderin als Mutter im Rechtssinn ansehen, keine ordre public-Widrigkeit darstellen. Im Übrigen zählen – abgesehen von zentralen verfassungsrechtlichen Grundsätzen (wie etwa die persönliche Freiheit, der Schutz vor abstammungsmäßiger, rassischer und konfessioneller Diskriminierung und die Gleichberechtigung) – auch gesellschaftlich getragene Wertungen unseres Rechts auf einfachgesetzlicher Ebene wie die Einehe, das Verbot der Kinderehe und insbesondere die Beachtung des Kindeswohls im Kindschaftsrecht zum österreichischen ordre public. Ähnliche (weitere) Folgen (insbesondere Leistungen der öffentlichen 14 Hand, deren Gewährung an die österreichische Staatsbürgerschaft geknüpft ist) wie im Fall der Leihmutterschaft könnten sich (ausnahmsweise) dann ergeben, wenn eine ausländische Gerichtsentscheidung vorliegt, nach der die Wunscheltern die rechtliche Elternstellung innehaben, nicht aber die Leihmutter. Im Fall von einem kalifornischen Gericht, das ein deutsches verpartnertes schwules Paar als Eltern anerkannte, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH 10.12.2014, XII ZB 463/13), dass dieses US-amerikanische Gerichtsurteil anerkannt wird und das deutsche schwule Paar die volle rechtliche Elternstellung daher auch in Deutschland innehabe. Ob die vom BGH in seiner Entscheidung auf den Fall bezogene Eingrenzung, dass ein Wunschvater genetischer Erzeuger ist, die Eizelle hingegen nicht von der Leihmutter stammt, und letztere auch gar nicht die Mutterstellung einnehmen möchte, weshalb hierin noch kein Verstoß gegen den ordre public liege, Bedeutung im Staatsbürgerschaftsrecht entfalten kann, ist uE unklar. Abstammung ist nach Ansicht des OGH eine Angelegenheit des bür- 15 gerlichen Rechts. Bei Zweifel kann eine Frau die Feststellung der Mutterschaft zu einem Kind begehren; für dieses Begehren ist der außerstreitige Rechtsweg zulässig (RS0122957). Anonyme Geburt und die Weglegung des Kindes in einer „Babyklappe“ führen zu einer Situation entsprechend jener eines Findelkindes (vgl § 207 ABGB), machen das Kind aber nicht mutterlos; nach § 8 Abs 1 gilt dieses Kind, wenn es nicht älter als sechs Monate ist, bis zum Beweis des Gegenteils (DNA-Test) als Staatsbürger kraft Abstammung (vgl auch § 5 Abs 2 und Rz 18 f). 91

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B.  Vater 16 Vater kann nur sein, wer Mann im Rechtssinn ist oder zumindest zur Zeit der Geburt war. Wenn der (vermeintliche) Vater seine auf der Geburt in aufrechter Ehe gründende Vaterschaftsvermutung erfolgreich bekämpft, hat das Kind keinen rechtlichen Vater. § 144 Abs 1 Z 1 (vormals – seit dem FamErbRÄG 2004 – § 138) ABGB knüpft die Vaterschaft an die Geburt des Kindes während aufrechter Ehe an, setzt also eine wirksame Ehe voraus (vgl § 15 EheG). Nur bei Auflösung der Ehe durch Tod gilt der verstorbene Mann noch als Vater, sofern das Kind innerhalb der Frist von 300 Tagen geboren wird, wobei der Todestag gemäß § 902 Abs 1 ABGB nicht mitzählt. Nach §  140 (vormals 138a Abs  1) ABGB bleibt das nach §  144 ABGB begründete Abstammungsverhältnis solange bestehen, als es nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg beseitigt wird. Dies kann durch Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter nach §  151 (vormals §§  156) iVm §  148 (vormals §  163) ABGB oder – bei gerichtlich festgestellter Vaterschaft – auch durch einen Abänderungsantrag nach den §§  72 ff AußStrG geschehen. Damit scheint aber eine selbständige Beurteilung der – durch Anerkenntnis oder gerichtliche Feststellung begründeten – Abstammung oder Nichtabstammung im Rahmen einer Vorfragenprüfung ausgeschlossen zu sein. 17 Im Fall der Anknüpfung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft wegen Abstammung vom Vater iSd § 144 Abs 1 Z 2 ABGB ist die Frage ungeregelt, welche staatsbürgerschaftsrechtlichen Konsequenzen eine Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter (§ 151 iVm § 153 ABGB) und eine Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses (§  154 ABGB) haben (vgl Rz 37). Auch wenn es nicht möglich ist, über das Staatsbürgerschaftsrecht gesetzliche Abstammungsvermutungen zu beseitigen, so kommt uE den zwingenden Rechtsfolgen der §§  153 und 154 ABGB keine Bedeutung iZm einer erworbenen Staatsbürgerschaft iSd § 7 zu, wenn das Anerkenntnis der Vaterschaft nicht dazu diente, dem Kind die österreichische Staatsbürgerschaft zu vermitteln. Vielmehr kommt uE in solchen „irrtümlichen“ Fällen – insbesondere aus Gründen der Gleichbehandlung und des Kindeswohls – eine (analoge) Anwendung des § 59 in Betracht. Eine Analogie ist hier aber überhaupt nur erforderlich, wenn sich § 59, der sich in seiner Stammfassung (BGBl I 2009/122) auf Fälle einer im 92

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Nachhinein als unrichtig herausgestellten Vaterschaftsfeststellung bezog, nicht aufgrund der Novelle BGBl I 2013/136 mit der „Aktualisierung eines Verweises auf das ABGB“ [EB (gemeint nun §§ 145 ff statt vormals §  163 ABGB)] nun auf sämtliche durch die im Gefolge der §§  150, 153 oder 154 ABGB als fälschlicherweise herausstellenden Staatsbürgerschaften kraft Abstammung erstreckt [und der Wortlaut – „weil eine Feststellung der Vaterschaft“ (§  59 Abs  1) – daher nur ein Redaktionsversehen ist]. Insemination – die Einführung des Samens in die Gebärmutter – ist 18 nach dem FMedG mit dem Samen des Partners oder – seit der Novelle BGBl I 2015/35 – eines Dritten erlaubt. Die heterologe Insemination (Befruchtung einer Eizelle im Körper der Frau mit Fremdsamen) heißt, dass der Samen eines Dritten für die Methode der Insemination und für die in vitro durchgeführten Methoden der medizinisch unterstützten Fortpflanzung verwendet werden, wenn der Samen des Ehegatten oder Lebensgefährten nicht fortpflanzungsfähig ist (vgl §  3 Abs 2 FMedG). Die Spende erfolgt halbanonym, dh in der Samenbank liegen sämtliche Daten des Spenders (inklusive Name) auf. Es haben jedoch weder die Eltern das Recht, die Daten des Spenders zu erhalten, noch erfährt der Spender, an wen seine Samenspende gegangen ist. Das Kind hat ab 14 Jahren das Recht, den Namen seines biologischen Vaters zu erfahren. Allerdings haben weder das Kind noch der Spender irgendwelche Ansprüche; daher ist uE fraglich, ob § 7 Abs 3 anwendbar ist. Bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung mit dem Samen eines 19 Dritten ist der Mann als Vater festzustellen, der dieser in Form eines Notariatsaktes zugestimmt hat (§  148 Abs  3 ABGB). Der Nachweis, dass das Kind nicht durch diese medizinisch unterstützte Fortpflanzung gezeugt wurde, ist möglich. Der Samenspender selbst kann aber nicht als Vater festgestellt werden. Hat der Ehemann der Mutter einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten in Form eines Notariatsakts zugestimmt, so kann nicht die Feststellung begehrt werden, dass das mit dem Samen des Dritten gezeugte Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt (§  152 ABGB); in diesem Fall kann das Gericht das Anerkenntnis auch nicht für rechtsunwirksam erklären (§ 154 Abs 1 Z 2 ABGB). Ob ein Vaterschaftsanerkenntnis zulässig ist, wenn das Kind sonst rechtlich vaterlos (und staatenlos) wäre, ist uE fraglich; ebenso ob gegebenenfalls ein Widerspruchsrecht iSd § 146 ABGB zu bejahen ist. 93

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C.  Vaterschaftsanerkenntnis 20 § 7 Abs 1 Z 3 bezieht sich auf § 144 Abs 1 Z 2 ABGB. Nach § 145 Abs 1 ABGB wird die Vaterschaft durch persönliche Erklärung in inländischer öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde anerkannt. Das inhaltliche Mindesterfordernis eines rechtswirksamen Anerkenntnisses besteht in der ausdrücklichen, persönlichen Erklärung der Anerkennung der Vaterschaft eines bestimmten Mannes zu einem bestimmten Kind. Die Vaterschaft muss somit „durch persönliche Erklärung“ des Mannes anerkannt werden. Dies ist als höchstpersönlich zu verstehen (vgl § 53 Rz 13 f). Unzulässig ist damit sowohl jede gewillkürte als auch jede gesetzliche Vertretung. Ein von einem Bevollmächtigten abgegebenes Anerkenntnis ist daher ohne Feststellungswirkung. Wird gegen die Höchstpersönlichkeit der Erklärung verstoßen, liegt ein wirkungsloses Nichtanerkenntnis vor (OGH 15.12.2015, 10 Ob 71/15m). 21 Wenn ein österreichischer Staatsbürger die Vaterschaft zu einem im Ausland von einer ausländischen Mutter geborenen Kind binnen acht Wochen nach der Geburt anerkannt, kann es zu einem Zusammenspiel von § 7 Abs 1 und § 25 Abs 1 IPRG, der festlegt, nach welchem Recht die Voraussetzungen der Anerkennung der Vaterschaft zu beurteilen sind, kommen. Die Frage, ob das Kind durch das Vaterschaftsanerkenntnis nach österreichischem bzw ausländischem Recht österreichischer Staatsbürger wird und ob der Anerkennende als Vater anzusehen ist, stellt sich in den folgenden beiden Konstellationen: – Das Vaterschaftsanerkenntnis erfüllt die Voraussetzungen des österreichischen Rechts (§§ 144 ff ABGB), nicht aber die Voraussetzungen eines Vaterschaftsanerkenntnisses des Rechts des anderen Staates (1. Variante). – Das Vaterschaftsanerkenntnis erfüllt die Voraussetzungen eines Vaterschaftsanerkenntnisses des Rechts des anderen Staates, nicht aber des österreichischen Rechts (2. Variante). § 25 Abs 1 Satz 1 IPRG sieht vor, dass die Voraussetzungen der Feststellung und der Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nach dessen Personalstatut im Zeitpunkt der Geburt zu beurteilen sind. Ersatzweise kann auf ein späteres Personalstatut des Kindes abgestellt werden, wenn die Anerkennung nach diesem, nicht aber nach dem Personalstatut im Zeitpunkt der Geburt zulässig ist (vgl § 25 Abs 1 zweiter Satz IPRG).Von dieser Verweisung auf das Personalstatut sind „alle sachlichen Fragen in Zusammenhang mit der Vaterschaftsfeststel94

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lung, wie zB Zustimmungserfordernisse dritter Personen, Fristen, gesetzliche Vermutungen“ erfasst. Bei beiden Varianten des Ausgangsfalls hängt der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft davon ab, wie der in § 7 Abs 1 Z 3 enthaltene Verweis auf § 144 Abs 1 Z 2 ABGB verstanden wird. UE ist – entgegen Strasser aaO, 203 f – dieser als Verweisung auf (materielles) österreichisches Sachrecht (gemeint auf die §§ 145 bis 147 ABGB und den damit zusammenhängenden Grundwertungen des österreichischen Rechts iSd § 6 IPRG) zu verstehen. Folglich vermittelt der Anerkennende in der 1. Variante des Ausgangsfalls jedenfalls dem Kind die österreichische Staatsbürgerschaft (eine kollisionsrechtliche Anknüpfung nach § 25 Abs 1 IPRG kann unterbleiben), wohingegen in der 2. Variante das nach dem Recht des anderen Staates abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis (oder zB ein in Form eines Gerichtsbeschlusses beurkundeter Vergleich mit der Wirkung einer Vaterschaftsanerkennung) zum Staatsbürgerschaftserwerb kraft Abstammung führen kann (aber nicht muss). Entscheidend ist uE – allenfalls als Vorfrage durch die Behörde zu lösen – in der 2. Variante vielmehr, ob bzw inwieweit die ausländische Vaterschaftsanerkennung das Kindeswohl verletzt oder sonstige geschützte Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (vgl auch VfSlg19.596/2011; OGH 27.11.2014, 2 Ob 238/13h und OGH 24.3.2015, 8 Ob 28/15y). Nicht entscheidend ist uE in diesem Zusammenhang, ob (auch) das Personalstatut des Kindes im auf die Geburt rückwirkenden Fiktionsfall (§  7 Abs  1 letzter Satz) die Abstammung des Kindes vom Anerkennenden bewirkt oder – weil das Personalstatut des Kindes das Recht des Staates ist, dem es durch Abstammung von der Mutter oder durch den Ort seiner Geburt angehört – der Anerkennende nicht Vater des Kindes wird. Anmerkung: Nach ständiger Rechtsprechung ist wesentliche Voraus- 22 setzung für das Eingreifen der Vorbehaltsklausel (ordre public) des § 6 IPRG, dass das Ergebnis der Anwendung fremden Rechts inländische Grundwertungen verletzt, wozu auch eine ausreichende Inlandsbeziehung gehört (RS0110743). Als systemwidrige Ausnahme erfordert die ordre-public-Klausel sparsamsten Gebrauch (RS0077010). Eine schlichte Unbilligkeit des Ergebnisses genügt ebenso wenig wie der bloße Widerspruch zu zwingenden österreichischen Vorschriften (RS0110743, RS0002398). Das fremde Recht muss im Ergebnis vielmehr zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen 95

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der österreichischen Rechtsordnung führen (8 Ob 118/12d). Bei der ordre public-Prüfung besteht ein nach Ausmaß und Bedeutung des Inlandsbezugs abgestufter Prüfungsmaßstab („Relativität des ordre public“; RS0127278), wobei als stärkste Inlandsbeziehungen insbesondere die österreichische Staatsangehörigkeit und/oder der gewöhnliche Aufenthalt eines Beteiligten im Inland in Betracht kommen. Nur eine eklatante Gefährdung des Kindeswohls steht unter der Vorbehaltsklausel (OGH 28.8.2013, 6 Ob 138/13g).

D.  Vaterschaftsfeststellung 23 § 148 (§ 163 idF BGBl I 2004/58) ABGB regelt die gerichtliche Feststellung der Abstammung eines Kindes. Von dem Mann, welcher der Mutter innerhalb eines Zeitraums von nicht mehr als 300 und nicht weniger als 180 Tagen vor der Entbindung beigewohnt hat, wird vermutet, dass er das Kind gezeugt hat (Zeugungsvermutung). Der Mann und das Kind haben die Möglichkeit, in einem gerichtlichen Verfahren die Feststellung zu erwirken, dass (ob) das Kind von ihm abstammt. Dies bedeutet in der Praxis, dass der Beweis (DNA-Untersuchungen) zu erbringen ist, dass das Kind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von dem Mann gezeugt wurde, der den Antrag stellt bzw gegen den sich der Antrag richtet. 24 Fragen der Vaterschaft sind grundsätzlich im Abstammungsverfahren nach §§ 81 ff AußStrG zu prüfen. Hier bestehen besondere Verfahrensgrundsätze, die die Richtigkeit der Feststellungen gewährleisten sollen (wie etwa Amtswegigkeit und Mitwirkungspflichten nach §  85 AußStrG). Die hier gefällten Entscheidungen wirken gegenüber jedermann (sogenannte erga-omnes-Wirkung). Sollen daher Rechte aus Abstammung oder Nichtabstammung mit Außenwirkung geltend gemacht werden, ist dies nur nach Maßgabe der entsprechenden Statusentscheidungen möglich; eine Vorfragenbeurteilung findet nicht statt (OGH 2.7.2015, 7 Ob 60/15x). 25 Entscheidungen ausländischer Gerichte begründen die Einrede der Rechtskraft, wenn sie im Inland anzuerkennen sind. In der Entscheidung 6 Ob 24/98t hatte der OGH die Bindungswirkung des Urteils eines bosnisch-herzegowinischen Grundgerichts, mit dem die Vaterschaft festgestellt worden war, im Rahmen eines Obsorge- und Unterhaltsverfahrens noch nach den Kriterien der §§  80 f EO geprüft und bejaht. Inzwischen zählen zu den kindschaftsrechtlichen Statussachen 96

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neben den Adoptionsverfahren (OGH 2.9.2003, 1 Ob 190/03b) auch die Abstammungsangelegenheiten. Dh wegen der deutlich größeren Sachnähe der §§ 91a ff AußStrG als die der §§ 80 f EO hält der OGH eine analoge Anwendung der §§ 91a ff AußStrG in Bezug auf die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über die Abstammung für geboten, sofern autonomes Recht Anwendung findet (OGH 27.11.2014, 2 Ob 238/13h: rechtskräftige Entscheidung eines kenianischen Gerichts). Folglich ist nicht nur die gerichtliche Vaterschaftsfeststellung, sondern auch ein unter behördlicher Mitwirkung erfolgtes Vaterschaftsanerkenntnis als ausländische „Entscheidung“ anerkennungsfähig. Verfahren über die Feststellung der Vaterschaft betreffen das Privatle- 26 ben des Mannes [Art  8 EMRK; EGMR 22.3.2012, Bsw23338/09 (Bsw45071/09)]. Die Vaterschaftsfeststellung kann nur vom Kind gegen den Mann oder von diesem gegen das Kind beantragt werden (§ 148 Abs 1 ABGB). Der biologische Vater eines Kindes, dessen Mutter mit einem anderen Mann verheiratet ist, dessen Vaterschaft vermutet wird, kann seine eigene Vaterschaft grundsätzlich nur dann „offiziell machen“, wenn auch die übrigen Betroffenen dem zustimmen („durchbrechendes“ Vaterschaftsanerkenntnis mit Zustimmung des Kindes und Mitwirkung der Mutter gemäß § 147Abs 2 ABGB), nicht jedoch einen Antrag nach §  148 ABGB auf Feststellung seiner Vaterschaft stellen. Anders wäre hingegen der Fall zu beurteilen, in dem eine schwangere Frau noch vor der Geburt des Kindes einen anderen Mann heiratet und so dem biologischen Vater grundsätzlich die Möglichkeit entzieht, seine Vaterschaft feststellen zu lassen bzw wirksam anzuerkennen (vgl dazu und zur – insofern bedingt (kritisch Beck aaO, 211) – verfassungskonformen Auslegung iSd Art  8 EMRK der Vaterschaftsfeststellung: OGH 26.6.2007, 1 Ob 98/07d). Ist die Mutter eines Kindes im Zeitpunkt seiner Geburt verheiratet, gilt 27 gemäß §  144 Abs  1 Z  1 ABGB ihr Ehemann als dessen Vater. Nach § 151 Abs 2 ABGB können sowohl das Kind als auch der Ehemann mit dem Antrag auf gerichtliche Feststellung, dass das Kind nicht von diesem abstamme, eine Beseitigung der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung erreichen. Die Bestimmung umschreibt den Kreis der Antragsberechtigten taxativ; die Mutter des Kindes sowie der biologische Vater bzw der mutmaßliche biologische Vater gehören nicht dazu. Allerdings kann uE die Frage, ob ein Kind von einem österreichischen Vater (biologisch) abstammt, die Behörde (§ 39) als Vorfrage iSd § 38 AVG selb97

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ständig beurteilen oder das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage (im Abstammungsverfahren) aussetzen. 28 § 7 Abs 1 letzter Satz begründet eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung (Fiktion). §  148 ABGB ist sowohl auf eheliche als auch auf uneheliche Kinder anwendbar und regelt die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft eines noch vaterlosen – daher unehelichen – Kindes, aber auch die Feststellung der ehelichen Vaterschaft. Gibt der mutmaßliche Vater nicht freiwillig ein Vaterschaftsanerkenntnis ab, so hat der gesetzliche Vertreter im Namen des Kindes die Feststellung seiner Vaterschaft zu beantragen (vgl § 149 Abs 1 ABGB). Allerdings stellt uE §  7 Abs  1 letzter Satz iZm gerichtlichen Abstammungsverfahren bei verfassungskonformer Interpretation „totes Recht“ dar, weil es praktisch ausgeschlossen ist, dass innerhalb von acht Wochen nach der Geburt durch gerichtlichen Beschluss das Verfahren beendet ist [ähnlich die Stellungnahme des BMJ (26/SN-472/ME XXIV. GP)]. UE bestehen aber auch Bedenken im Hinblick auf eine Vereinbarkeit des § 7 Abs 1 letzter Satz iVm Z 4 mit Art 6 EMRK und Art 7 B-VG (vgl auch Schmitt aaO, 40).

E.  Ableben 29 Beim Ableben einer Mutter oder eines Vaters, welche im Todeszeitpunkt österreichische Staatsbürger waren und eine der in § 7 Abs 1 Z 1–4 angeführten Voraussetzungen erfüllten, soll nach der Geburt das Kind auch die Staatsbürgerschaft durch Abstammung gemäß § 7 Abs 2 erwerben, weil dieses Kind mit seiner Geburt die in der erstgenannten Bestimmung umschriebene Berechtigung bereits erworben hätte. Der Verweis in § 7 Abs 2 auf „die Voraussetzungen gemäß Abs 1 Z 1 bis 4 vor der Geburt des Kindes“ ist irreführend, weil die Anerkennung und Feststellung der Vaterschaft – also die Voraussetzungen nach Abs 1 Z 3 und 4 – „vor“ der Geburt wegen des mit einer DNA-Probe verbundenen hohen Risikos (nach derzeitigem Stand der Wissenschaft) nicht möglich ist [vgl auch Stellungnahme des Amts der Tiroler Landesregierung (12/ SN-472/ME XXIV. GP) und des BKA (15/SN-472/ME XXIV. GP)]. Grundsätzlich endet mit dem Tod einer physischen Person deren Rechtsfähigkeit. Demgegenüber nimmt §  7 Abs  2 durch den Erwerb der Staatsbürgerschaft des als Waise zur Welt kommenden Kindes unter den dort näher umschriebenen Voraussetzungen Rücksicht auf das postmortale Persönlichkeitsrecht und trägt damit [iSd Kindeswohl 98

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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(§ 138 ABGB)] den nach dem Ableben des österreichischen Elternteils verbleibenden Interessen eines Neugeborenen in Österreich Rechnung (Achtung des Privat- und Familienlebens). § 7 Abs 2 spricht euphemistisch vom „Ableben“ eines Elternteils und 30 drückt damit uE die Schwierigkeit einer für Menschen gültigen Definition des Todes aus. IdR wird der Tod (nach dem Sterben) durch die unumkehrbare Desintegration lebensnotwendiger Organe wie des Herzkreislaufsystems und des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark), was wiederum durch das Absterben der einzelnen Zellen ausgelöst wird, zu verstehen sein. Im Fall von vermissten Personen gelten diese grundsätzlich so lange als lebend, bis ihr Tod im ZPR eingetragen bzw die gerichtliche Beweisführung des Todes oder die Todeserklärung erwirkt wurde. Aufgrund des in § 7 Abs 2 iZm dem „Ableben“ des österreichischen Elternteils gewährleisteten Erwerbs der Staatsbürgerschaft ist uE das Kind nach dem TEG legitimiert, die Todeserklärung zu beantragen, übt doch auf dessen Recht der Tod des Verschollenen Einfluss aus (vgl auch RS0006625).

III.  Abstammungsprinzip In Österreich ist durch §  7 das Abstammungsprinzip (ius sanguinis) 31 verwirklicht. Der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Geburt ist nur dann möglich, wenn zumindest ein Elternteil die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Kinder von ausländischen Eltern, die in Österreich geboren werden, können daher nur im Wege der Einbürgerung (§§ 10–24) die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen. Dasselbe trifft auch auf Kinder zu, deren Eltern selbst bereits im Inland geboren wurden (dritte Generation). In Österreich geborene Personen werden nur insofern begünstigt, als dass sie nach einer rechtmäßigen und ununterbrochenen Mindestaufenthaltsdauer von sechs Jahren eingebürgert werden können. Der Begriff der Abstammung wird in Österreich in den §§  140 ff 32 ABGB zur Definition der Verwandtschaft oder Blutsverwandtschaft verwendet. In Staaten, in denen die Staatsangehörigkeit gemäß dem ius sanguinis bestimmt wird, ist die Abstammung eines Menschen von einer Ethnie von entscheidender Bedeutung. Das Wort „Abstammung“ bezeichnete im StbG 1925 und StbG 1949 nicht bloß den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Geburt, sondern grundsätzlich – dh soweit 99

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nicht ausdrücklich anders bestimmt war – auch den Erwerb durch (spätere) Rechtsnachfolge. Demgegenüber ist seit dem StbG 1965 eine solche spätere Rechtsnachfolge – abgesehen von dem besonders geregelten Fall der Legitimation (§ 7a idgF) – nicht mehr vorgesehen. Daraus folgt, dass trotz des Fehlens einer dem § 11 StbG 1949 entsprechenden Bestimmung die Adoption nicht den Erwerb der Staatsbürgerschaft bewirkt (vgl auch Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 46; Thienel aaO, 156 ff; VwSlg 14253 A/1995); vgl aber § 11b, wonach Kindern bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, die von einem österreichischen Staatsbürger adoptiert wurden, die Staatsbürgerschaft durch eine stark vereinfachte und beschleunigte Verleihung erhalten [vgl hierzu auch Art 11 Abs 1 Europäisches Übereinkommen über die Adoption von Kindern (BGBl 1980/314 idF BGBl I 2015/143)]. Anders zB in Deutschland, wo Minderjährige bei der Adoption automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wenn einer der Annehmenden Deutscher ist (§ 6 dt StAG). Gegen eine (generelle) Gleichstellung adoptierter Kinder mit leiblichen könnte die latente „Umgehungsgefahr“ des geltenden Einbürgerungsrechts sprechen, etwa wenn (junge) Erwachsene adoptiert würden, um in Österreich bleiben zu dürfen. Abgesehen von der damit auch verbundenen Gefahr einer Geschäftemacherei mit der Adoption, scheint als „Ausweg“ nicht eine automatische Einbürgerung von Adoptivkleinkindern in Frage zu kommen, weil das den Gleichheitsgrundsatz verletzen würde. Außerdem könnten dadurch uneheliche Kinder von Österreichern schlechter gestellt sein, wenn die Mutter Ausländerin ist. Für diese Kinder muss nämlich auch erst eigens um die Staatsbürgerschaft angesucht werden. Und schließlich könnte dies zu Doppelstaatsbürgerschaften führen, die es grundsätzlich zu vermeiden gilt. 33 Theoretisch bestimmen zwei Paradigmen den Zugang zur Staatszugehörigkeit aufgrund der Geburt: Abstammung und Geburtsort – ius sanguinis und ius soli (Blutrecht bzw Bodenrecht). Das ius sanguinis definiert Staatszugehörigkeit quasi als genetisches Erbe – unabhängig vom Ort der Geburt erwirbt ein Kind die Staatsbürgerschaft der Eltern. Staatszugehörigkeit ist hier eine Funktion der biologischen Herkunft. Beim ius soli bestimmt der Geburtsort, also die territoriale Herkunft die Staatszugehörigkeit. In beiden Fällen regelt der Zufall der Geburt den Zugang zur Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen Rechten. Daran knüpft die migrationspolitische Kritik an den bestehenden Zugangsregeln an; 100

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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diese würden das öffentliche Gut „Staatsbürgerschaft“ aufgrund des Zufalls der Geburt zuteilen und damit dem feudalen Abstammungsprinzip folgen. Denn die Staatsbürgerschaft sei noch immer der Schlüssel zu wesentlichen Lebensressourcen – dem Aufenthaltsrecht – in einem bestimmten Staat und dem Zugang zu dessen Wirtschaft, Sozialleben und politischen System. Die bestehenden Regeln für den Zugang zur Staatsbürgerschaft bei der Geburt kämen de facto einer „Geburtslotterie“ gleich, die die globale Ungleichheit zementiere und den Staatsbürger des reichen Nordens Privilegien verschaffe, für die es keine haltbare „normative“ Begründung gebe. Ungeachtet begründeter realpolitischer Einwände gegenüber dieser (zT ideologisch befrachteten) Kritik ergibt sich daraus die (einer Globalisierung das Wort sprechende) Forderung, den Zugang zur Staatsbürgerschaft durch die Geburt durch ein „ius nexi“ zu ersetzen: Staatsbürgerrechte sollten all jenen gewährt werden, die „konkrete Bindungen“ zu einer bestimmten Gesellschaft aufweisen würden, allein aufgrund dieser Bindungen, und nicht wegen des Zufalls der Geburt. Die Verleihungstatbestände des StbG tragen diesem – an einem „dynamischen“ Nationsverständnis orientierten – Ansatz differenziert Rechnung. Historisch gesehen ist das ius sanguinis ein Kind der Französischen 34 Revolution, die mit der Zuordnung der Person zum Territorium der Feudalherren brach. Im Europa des 18. Jahrhunderts war das ius soli das dominante Zugehörigkeitskriterium in den beiden bedeutendsten Königreichen, England und Frankreich, und beinhaltete das Recht des Grundherrn, über die im eigenen Territorium geborenen Menschen zu verfügen. Die Bevölkerung war an den Herren gebunden, der das Land besaß, auf dem sie lebte, daher war auch der Ort der Geburt, und nicht die familiäre Abstammung das Kriterium für die Zugehörigkeit zum Staat. Die Französische Revolution brach mit dieser Tradition. Da das ius soli als Symbol der Feudalherrschaft galt, schrieb der Code Civil von 1804 gegen den Willen Napoleons ein patriarchales ius sanguinis als zentrales Zugehörigkeitskriterium fest: Nur ein Kind eines französischen Vaters sollte – unabhängig von seinem Geburtsort – die französische Staatsbürgerschaft erhalten. Das Prinzip der patriarchalen Familie ersetzte im nachrevolutionären Frankreich die feudale Untertänigkeit. Dieser Rückgriff auf das römische Recht wurde durch die Übernahme des Code Napoleon bald gängiges Recht in den meisten europäischen Ländern. Nach Österreich (1811) führten Belgien (1821), Spanien (1837), Preußen (1842), Russland (1864), Italien (1865), die 101

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Niederlande (1888), Norwegen (1892) und Schweden (1894) das ius sanguinis ein (Karasz/Perchinig aaO, 14). Allerdings führte das französische Staatsbürgerschaftsrecht von 1889 wieder das ius soli ein und machte in Frankreich geborene Kinder automatisch zu französischen – und im Fall der Söhne wehrpflichtigen – Staatsbürgern. 35 Demgegenüber ging die historische Wurzel des ius soli, die britische Tradition der subjecthood, der Unterwerfung des Einzelnen unter die Herrschaft der Krone, ungebrochen auf die Kolonien in Nordamerika (USA und Kanada), Europa (Irland), Afrika (Südafrika) und Australien über und beeinflusste auch Portugal und Dänemark. Erst mit der beginnenden Entkolonialisierung nach dem 2. Weltkrieg entstand mit dem British Nationality Act von 1948 eine kontinentaleuropäische Form der Staatsbürgerschaft, die alle Bewohner des neu geschaffenen Commonwealth einschloss und ihnen das Recht auf Niederlassung in Großbritannien und sämtliche Bürgerrechte, inklusive des Wahlrechts, zusprach. Seit den 1970ern wurde dieses Niederlassungsrecht sukzessive eingeschränkt, um die zunehmende Migration aus den ehemaligen Kolonien zu bremsen. Der British Nationality Act von 1981 und seine Folgegesetze reduzierten schließlich das ius soli auf in Großbritannien geborene Kinder mit britischen familiären oder kolonialen Wurzeln (Dummet aaO, 560 ff). 36 Der VfGH geht – wie auch der VwGH – mit der einschlägigen Rechtsprechung des EGMR (EGMR 11.10.11, Fall Genovese, Appl 53124/09) davon aus, dass die Frage der Erlangung der Staatsbürgerschaft, soweit sich diese auf die Abstammung von den Eltern gründet, in den Schutzbereich des Art  8 Abs  1 EMRK fällt. Staatliche Regelungen, die die Erlangung (Erwerb oder Verleihung) der Staatsbürgerschaft in solchen Fällen von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, müssen daher den Anforderungen des Art 8 Abs 2 EMRK entsprechen und müssen gemäß Art  14 EMRK so ausgestaltet sein, dass sie zu keiner Benachteiligung führen, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist (VfSlg 19.704/2012). 37 Der familienrechtliche Erwerbstatbestand des § 7 setzt voraus, dass zumindest ein Elternteil im Zeitpunkt der Geburt (ab dem 1.8.2013) – oder seines vorherigen Todes – Staatsbürger sein muss (arg „ist“) vgl 102

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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dazu LVwG Tirol 6.9.2016, LVwG-2016/30/0407-2: im Fall des ex lege Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft (durch Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft) haben die nach diesem Zeitpunkt geborenen Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft nicht durch Abstammung erworben. Ob jemand zu einem bestimmten Zeitpunkt Staatsbürger ist, heißt, dass sich vor diesem Zeitpunkt in Bezug auf seine Person ein Erwerbstatbestand verwirklicht und kein Verlusttatbestand eingetreten ist. Der Erwerb einer Staatsbürgerschaft durch Verleihung wird mit dem im Verleihungsbescheid genannten Zeitpunkt wirksam (§ 23 Abs 2). Ein vor diesem Zeitpunkt geborenes Kind kann daher nicht die Staatsbürgerschaft nach § 7 idgF erwerben, und zwar auch dann nicht, wenn die Landesregierung bereits den Beschluss auf Bewilligung der Verleihung gefasst hat (vgl aber § 12 Abs 2 und § 17 Abs 1). Im Fall einer rückwirkenden Beseitigung des Verleihungsbescheides durch Wiederaufnahme (vgl § 24) kann das Kind die Staatsbürgerschaft verlieren, wenn im Geburtszeitpunkt nur ein Elternteil Staatsbürger war und dessen Staatsbürgerschaft nunmehr ex tunc in Wegfall gerät (vgl Thienel aaO, 134; vgl auch RES0000075 und VwGH 17.4.2013, 2013/22/0054). § 7 Abs 3 stellt klar, dass dem Grundsatz der Vermeidung der Staaten- 38 losigkeit Vorrang vor dem Grundsatz der Vermeidung mehrerer Staatsangehörigkeiten zukommt. Allerdings kommt eine damit bedingte Überordnung uE nur im Ausnahmefall [arg „ansonsten“ (Z 2)] zum Tragen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob ein Elternteil staatenlos oder Angehöriger eines anderen Staates ist, sondern nur darauf, ob ein Elternteil österreichischer Staatsbürger „nach dem Recht des Geburtslandes“ (Z 1) ist und das Kind bei seiner Geburt ipso iure eine andere Staatsangehörigkeit (ius soli) erwirbt. Ist dies der Fall, so tritt kein Erwerb nach §  7 Abs  3 ein. Wenn hingegen der Erwerb einer anderen Angehörigkeit von der Setzung irgendwelcher – formeller oder materieller – Rechtsakte seitens des Kindes oder der Eltern (bzw eines Elternteils) abhängt, also nicht ipso iure, sondern erst durch diesen späteren Akt erfolgt, tritt der Erwerb nach §  7 Abs  3 ein, weil ein wichtiger Grund (nämlich Staatenlosigkeit zu vermeiden) dem Kindeswohl entspricht. Werden diese, auf den Erwerb einer anderen Angehörigkeit gerichteten Akte später gesetzt, kann dies den Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 27 bewirken. § 7 Abs 3 ist uE im Verhältnis zu Abs 1 subsidiär (arg „unbeschadet“); 39 dh: ist ein Kind im Ausland geboren und ist ein Elternteil im Zeitpunkt der Geburt nach dem StbG österreichischer Staatsbürger, so ist § 7 Abs 1 103

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anwendbar. Wenn hingegen Mutter und Vater eines im Ausland geborenen Kindes nach dem StbG nicht österreichischer Staatsbürger sind, scheidet eine Anwendung des Abs 1 aus und kann nur mehr Abs 3 in Frage kommen, vorausgesetzt dass vom Standpunkt der anderen Rechtsordnung ein Elternteil „ein österreichischer Staatsbürger … ist“ (Z 1) und wenn die – nach in- und ausländischem Recht zu beurteilende – potentielle Gefahr der Staatenlosigkeit (vgl § 3) für das Kind besteht (Z 2).

Legitimation § 7a. (1) Ein minderjähriger, lediger Fremder, der unehelich geboren wurde und die Staatsbürgerschaft nicht bereits gemäß §  7 erworben hat, erwirbt die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt der Eheschließung seiner Eltern oder im Zeitpunkt der Ehelicherklärung, wenn sein Vater in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist oder, falls er vorher verstorben ist, am Tag seines Ablebens Staatsbürger war. (2) Hat der minderjährige, ledige Fremde das 14. Lebensjahr bereits vollendet, so gilt Abs. 1 nur, wenn 1. er und sein gesetzlicher Vertreter dem Erwerb der Staatsbürgerschaft binnen drei Jahren ab Eheschließung oder Ehelicherklärung zustimmen, und 2. er im Zeitpunkt der Zustimmung noch ledig ist. Die Zustimmung ist der Evidenzstelle (§ 49 Abs. 2) schriftlich zu erklären. (3) Wird die Zustimmung gemäß Abs. 2 verweigert, so kann sie durch das Gericht ersetzt werden, wenn der Erwerb der Staatsbürgerschaft aus erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Gründen dem Wohl des mündigen Minderjährigen dient. Gleiches gilt, wenn der mündige Minderjährige keinen gesetzlichen Vertreter hat oder sein gesetzlicher Vertreter nicht erreichbar ist und die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters auf unüberwindliche Hindernisse stößt; gleiches gilt ferner, wenn der mündige Minderjährige unbekannten Aufenthaltes oder sonst nicht erreichbar ist. Zuständig ist jenes inländische Gericht, das als Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht einzuschreiten hätte, wenn der mündige Minderjährige die Staatsbürgerschaft besäße. Die Frist für die Abgabe der Zustimmung gilt als gewahrt, sofern das Gericht vor ihrem Ablauf angerufen wurde und der mündige Minderjährige noch ledig ist, wenn der Evidenzstelle die Entscheidung des Gerichtes zukommt. 104

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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(4) Der Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß Abs. 1 erstreckt sich auf uneheliche Kinder 1. der legitimierten Frau, oder 2. des legitimierten Mannes, sofern dieser die Voraussetzung gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 oder 4 erfüllt. Haben sie das 14. Lebensjahr bereits vollendet, so gelten die Abs. 2 und 3 sinngemäß. [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl 202/1985 Zu Art. I Z 4 (§ 7a): Der neue § 7 a StbG 1965 soll die durch die Aufhebung des § 7 Abs. 4 StbG 1965 entstandene Gesetzeslücke durch eine verfassungskonforme Regelung schließen. Hiebei mußte einerseits von den Erwägungen ausgegangen werden, die zur Aufhebung der genannten Bestimmung geführt haben; gleichzeitig war aber auch darauf Bedacht zu nehmen, daß die Gleichstellung des legitimierten mit dem ehelich geborenen Kind unangetastet bleibt und daß sich die Neuregelung zwanglos in das System des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts einfügt. Den rechtlichen Schlußfolgerungen des Verfassungsgerichtshofes ist zu entnehmen, daß er es mit Rücksicht auf die familienrechtliche Bedeutung der Legitimation als gerechtfertigt ansieht, wenn der Gesetzgeber grundsätzlich schon kraft Gesetzes den Erwerb der Staatsbürgerschaft des Vaters an die Legitimation knüpft, weil nur damit die Gleichstellung des legitimierten mit dem ehelich geborenen Kind auf dem Gebiet des Staatsbürgerschaftsrechts gesichert ist. Dies gelte insbesondere für den Regelfall, in dem die Zeitspanne zwischen Geburt des Kindes und Eheschließung der Eltern so gering sei, daß die mit der Geburt erworbene Staatsangehörigkeit noch keinen nachhaltigen Einfluß auf die Verhältnisse des Kindes gewonnen habe. Die Zielsetzung, das legitimierte Kind staatsbürgerschaftsrechtlich dem ehelich geborenen Kind gleichzustellen, rechtfertige es aber nicht, den Erwerb der Staatsbürgerschaft bis hin zur Volljährigkeit gleichermaßen zwingend vorzuschreiben. Ist zwischen Geburt und Legitimation bereits eine längere Zeit verstrichen – das Kind etwa gar schon mündig geworden –, so sei der Erwerb der Staatsbürgerschaft gegen den Willen aller Beteiligten jedenfalls dann nicht mehr sachlich, wenn die Mutter jene Staatsangehörigkeit beibehalten hat, die das Kind von ihr herleitet. Zu Abs. 1: Der Entwurf sieht vor, daß ein uneheliches Kind, welches nicht mit der Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat, weil die Mutter Ausländerin oder etwa staatenlos ist, mit der Legitimation grundsätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben soll, wenn es in diesem Zeitpunkt noch minderjährig und ledig ist und wenn der Vater im Zeitpunkt der Legitimation Staatsbürger ist oder an seinem Todestag Staatsbürger war, falls er vorher verstorben ist.

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Das Wesen dieses Erwerbstatbestandes liegt darin, daß nur die Staatsbürgerschaft des österreichischen Vaters erworben werden kann. Der gelegentlich vertretenen Ansicht, daß hierin ein Relikt des patriarchalischen Systems zu erblicken sei, kann nicht zugestimmt werden, weil der Erwerbstatbestand der Legitimation nur bei einem unehelichen Kind denkbar ist, dessen Mutter Fremde (Ausländerin oder Staatenlose) und dessen Vater Österreicher ist; das uneheliche Kind einer Österreicherin erwirbt nämlich gemäß § 7 Abs. 3 StbG 1965 bereits mit der Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft. Wie schon bisher soll sich der Erwerb der Staatsbürgerschaft auf die unehelichen Kinder der legitimierten Frau erstrecken. Zu Abs. 2: Die Legitimation eines Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, soll für sich allein keine staatsbürgerschaftsrechtlichen Wirkungen nach sich ziehen. In einem solchen Fall soll der Legitimierte die Staatsbürgerschaft nur erwerben, wenn sowohl er als auch sein gesetzlicher Vertreter dem Erwerb der Staatsbürgerschaft zustimmen. Ähnlich wie im § 162a ABGB, der die Namensänderung bei der Legitimation von der Zustimmung des mündigen Kindes abhängig macht, soll dem bereits mündigen Legitimierten auch in der Frage seiner Staatsbürgerschaft ein Mitwirkungsrecht eingeräumt werden. Anders als beim Namen soll der Erwerb der Staatsbürgerschaft aber auch an die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gebunden sein, weil sich an die Staatsbürgerschaft im Gegensatz zum Namen eine Reihe von Rechtsfolgen knüpft, die in ihren vollen Auswirkungen vom Minderjährigen allein oft nicht überblickt werden können. Da die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person gemäß § 12 IPR-Gesetz, BGBI. Nr. 304/1978, nach ihrem Personalstatut zu beurteilen ist, stellt die Bestimmung wegen der unterschiedlichen Altersgrenzen in den fremden Rechtsordnungen nicht auf die Mündigkeit schlechthin ab, sondern auf die absolute Altersgrenze, mit der die Mündigkeit nach österreichischem Recht eintritt. Wer gesetzlicher Vertreter des Legitimierten ist, richtet sich nach seinem Personalstatut (siehe oben § 12 IPR-Gesetz). Zu Abs. 3: Aus Gründen der Rechtssicherheit sollen die Zustimmungserklärungen nicht zurückwirken und ist ausschließlich die schriftliche Form vorgesehen. Die Staatsbürgerschaft wird mit dem Einlangen der letzten der erforderlichen Zustimmungserklärungen kraft Gesetzes erworben. Da kein besonderes Ermittlungsverfahren notwendig ist, kann die Zustimmung unmittelbar gegenüber der Evidenzstelle erklärt werden. Zu Abs. 4: Zur Wahrung der Rechtssicherheit soll die Zustimmung nicht zeitlich unbegrenzt abgegeben werden können. Der Entwurf sieht vor, daß eine Erklärung, die der Evidenzstelle nach Ablauf von drei Jahren nach der schriftlichen Belehrung [siehe Z 20 (§ 52 Abs.2) und die Erläuterungen hiezu] zukommt, unwirksam sein soll. Um Härtefälle zu vermeiden, soll aber eine Erklärung, die der Evi-

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denzstelle zwar innerhalb dieses Zeitraumes, jedoch erst nach Erreichung der Volljährigkeit des Legitimierten zukommt, zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führen. Im Gegensatz dazu soll aber ein Legitimierter, der vor dem Einlangen der letzten der erforderlichen Zustimmungserklärungen bei der Evidenzstelle die Ehe eingegangen ist, die Staatsbürgerschaft nicht erwerben können. Die rechtspolitischen Erwägungen, derentwegen schon im Stammgesetz der Erwerbstatbestand der Legitimation auf ledige Personen eingeschränkt war, haben nach wie vor Geltung: Es ist nämlich nicht einzusehen, daß ein Verheirateter, der selbst eine Familie gegründet hat, die Staatsbürgerschaft in Rechtsnachfolge nach seinem Vater erwerben soll. Zu Abs. 5: Schon bisher konnte die mangelnde Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an den nicht eigenberechtigten Fremden durch das inländische Gericht ersetzt werden, wenn die Verleihung der Staatsbürgerschaft aus erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Gründen dem Wohl des Fremden diente (§ 19 Abs 3 StbG 1965). Aus denselben Gründen soll das inländische Gericht auch die mangelnde Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zum Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation ersetzen können; um den Minderjährigen vor möglichen Rechtsnachteilen zu bewahren, soll aber auch seine mangelnde Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden können. Nur eine solche Regelung gewährleistet den umfassenden Schutz des Minderjährigen. Da die Dauer des Gerichtsverfahrens nicht vorhergesehen werden kann, gilt die für die Zustimmungserklärung vorgesehene Frist als gewahrt, wenn das Gericht noch vor ihrem Ablauf angerufen wurde. Zum Erfordernis, daß auch in diesem Fall nur der ledige Legitimierte die Staatsbürgerschaft erwerben kann, wird auf die Erläuterungen zu Abs. 4 verwiesen. EB zu BGBl I 136/2013 Zu § 7a: Da das ABGB in der Fassung des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013, BGBl. I Nr. 15/2013 ebenfalls die Gleichstellung unehelicher Kinder zum Ziel hatte und dahingehend eine Änderung erfahren hat, als das Rechtsinstitut der Legitimation durch nachfolgende Ehe aufgehoben wurde und das Rechtsinstitut der Ehelicherklärung durch das Staatsoberhaupt zum 1. Jänner 2016 außer Kraft tritt, ist es vor dem Hintergrund der speziellen Bedürfnisse im Rahmen des Staatsbürgerschaftsrechtes notwendig das Rechtsinstitut der Legitimation im Staatsbürgerschaftsrecht in sprachlich adaptierter Form fortzuführen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 6 A. Legitimation durch Eheschließung..................................................... 6 B. Legitimation durch Ehelicherklärung................................................. 7

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C. Gesetzlicher Vertreter............................................................................ 10 D. Zustimmung............................................................................................ 13 III. Legitimation.................................................................................................. 16 IV. Legitimationserstreckung........................................................................... 24 Schrifttum zu § 7a: Beclin, Neuerungen im Obsorge- und Kontaktrecht, iFamZ 2013, 6; Fucik, Verfahren in Ehe- und Kindschaftsangelegenheiten nach dem KindNamRÄG 2013, ÖJZ 2013/32, 297; Kathrein, Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013, ÖJZ  2013/23, 197; Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht2 §  7a Staatsbürgerschaftsgesetz 1985; Nademleinsky, Haager Kinderschutzübereinkommen in Kraft, EF-Z  2011/56, 85; Schmitt, Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2013, migraLex 2013, 38; Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 113 JN; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Verschraegen in Rummel ABGB3 § 22 IPRG; Wiener/Benndorf, Der neue Weg zur österreichischen Staatsbürgerschaft, SIAK-Journal 2013 H 4, 43.

I.  Allgemeines 1 § 7 Abs 4 Satz 1 StbG1965 sah – unter den gleichen Voraussetzungen wie nunmehr §  7a Abs  1 – den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation minderjähriger Fremder gegenüber ihrem österreichischen Vater vor, jedoch ohne Rücksicht auf das Alter des Legitimierten und der Erstreckung des Erwerbs auf die unehelichen Kinder der legitimierten Frau. Diese Bestimmung wurde vom VfGH – mit uE wenig überzeugender Begründung [arg „Der Gesetzgeber verkennt offenbar, daß die nachträgliche Gleichstellung des unehelich geborenen mit dem ehelichen Kind in ihrer Wirkung auf eine Ungleichbehandlung hinausläuft, deren Berechtigung rasch abnimmt“ (vgl dazu auch Thienel aaO, 191 f)] – wegen Verstoß gegen den Gleichheitssatz mit Wirkung per 31.5.1985 aufgehoben (vgl VfSlg 10.036/1984). Aus dem Erkenntnis des VfGH können folgende rechtliche (uE aber auch widerlegbare) Schlussfolgerungen gezogen werden: Grundsätzlich ist (auch) der Erwerb der Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes infolge Legitimation gerechtfertigt. Unzulässig ist es aber, diesen Erwerb bis hin zur Volljährigkeit gleicherweise zwingend vorzuschreiben. Insofern sei der rechtspolitische Gestaltungsspielraum eingeschränkt: „Ist zwischen Geburt und Legitimation bereits eine längere Zeit verstrichen – das Kind etwa gar schon mündig geworden –, so ist der Erwerb der Staatsbürgerschaft gegen den Willen aller Beteiligten jedenfalls dann 108

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nicht mehr sachlich, wenn die Mutter jene Staatsangehörigkeit beibehalten hat, die das Kind von ihr herleitet“. Mit der Novelle BGBl 1985/202 versuchte der Gesetzgeber die durch 2 die Aufhebung des § 7 Abs 4 StbG 1965 entstandene Lücke mit dem § 7a zu schließen. Die Legitimation für den (unmündigen) minderjährigen ledigen Fremden zieht wie schon vormals den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nach sich (Abs  1). Hingegen ist diese Rechtsfolge an die Legitimation eines bereits mündigen Minderjährigen nur dann geknüpft, wenn er und sein gesetzlicher Vertreter dem Erwerb der Staatsbürgerschaft zustimmen (Abs  2; vgl auch §  23 Satz 2 IPRG). In diesem Fall zeitigt also die Legitimation für sich allein noch keine staatsbürgerschaftsrechtlichen Wirkungen, weil – iSd VfGH – zwischenzeitig die mit der Geburt erworbene Staatsangehörigkeit möglicherweise bereits einen nachhaltigen Einfluss auf die Lebensverhältnisse des Legitimierten gewonnen hat. § 7a idF der RV (568 der Beilagen XVI. GP) sah noch in Abs 1 letzter 3 Satz die Erstreckung des Staatsbürgerschaftserwerbs durch Legitimation auf die unehelichen Kinder der legitimierten Frau vor. Im Rahmen der parlamentarischen Verhandlungen wurde dieser Satz – zwecks „Klarstellung“ [AB (618 der Beilagen XVI. GP)] – gestrichen und in einem neuen Abs 6 übernommen; zugleich wurde in einem 2. Satz die sinngemäße Geltung der Abs 2 bis 5 des § 7a fixiert, wenn diese Kinder das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben, um das Problem, das durch die Novelle gelöst werden soll, nicht bei den unehelichen Kindern der legitimierten Frau wieder auftreten zu lassen (vgl auch § 7a Abs 4 letzter Satz idgF). Die Novelle BGBl I 2013/136 passte die Änderungen bei der Legitima- 4 tion durch das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 den „speziellen Bedürfnisse[n]“ (EB) des Staatsbürgerschaftsrechts „in sprachlich adaptierter Form“ an. § 7a idgF stellt weiterhin die Legitimation der Abstammung gleich. Durch die Eheschließung der Eltern (nach der Geburt der Kinder) werden ihre bis dahin gemeinsamen unehelichen Kinder legitimiert, dh sie werden ehelich. Durch die Legitimation können diese Kinder bis zum 14. Geburtstag die österreichische Staatsbürgerschaft und den von den Eltern vereinbarten Familiennamen automatisch erwerben. Voraussetzung ist, dass spätestens im Zeitpunkt der Eheschließung der Vater Staatsbürger ist. In einem solchen Fall können Kinder Doppelstaatsbürger sein. Uneheliche Kinder zwi109

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schen dem vollendeten 14. und 18. Lebensjahr und ihre gesetzliche Vertreter haben diesem Erwerb ausdrücklich zuzustimmen. 5 UE kommt beim Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation § 14 TP 2 Abs 1 Z 3 GebG nicht zur Anwendung. Z 3 leg cit bezieht sich auf die „Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft“; lit d (der Z 3) bezieht sich (nur) auf „andere“ als in lit a bis c genannte Fällen einer Verleihung. Allerdings greift uE die Gebührenbefreiung des § 35 Abs 6 GebG explizit bloß im Fall des § 7a Abs 1, wenn zB der Staatsbürgerschaftsnachweis „innerhalb von zwei Jahren ab der Geburt ausgestellt“ wird. In allen anderen Fällen des § 7a – also wenn das Kind im Zeitpunkt der Eheschließung das 2. Lebensjahr vollendet hat – kommt entweder § 14 TP 1 Abs 1 Z 1 GebG, sofern zB der Staatsbürgerschaftsnachweis eine amtliche Abschrift ist, oder (uE) – bei verfassungskonformer Interpretation (Art 7 B-VG) – eine Analogie zu § 35 Abs 6 in Frage.

II.  Begriffe A.  Legitimation durch Eheschließung 6 Die Fälle der Legitimation eines fremden Kindes durch die Heirat des österreichischen Vaters mit der (ausländischen) Mutter (§ 7a Abs 1 erster Fall) haben uE auch nach Aufhebung des §  22 IPRG durch das ­KindRÄG 2001 (BGBl I 2000/135) mit Wirkung per 1.7.2002 nichts an ihrer Komplexität eingebüßt (vgl auch Thienel aaO, 148). Ausschließlich anwendbar ist seither das Europäische Übereinkommen über die Legitimation durch nachfolgende Ehe (BGBl 1976/102). Nach Art  1 Satz 1 dieses Übereinkommens ist eine Legitimation in den Vertragsstaaten wirksam, wenn nach den innerstaatlichen Bestimmungen des Heimatrechts des Vaters oder der Mutter deren Ehe die Legitimation eines vorehelichen Kindes zur Folge hat; vgl auch die Vorbehalte ­Österreichs zur Unwirksamkeit einer solchen Legitimation (insbesondere bei Ehenichtigkeit und -ungültigkeit; Ehebruchskinder sind aber als legitim zu behandeln, wenn das anwendbare Recht dies vorsieht). Maßgeblich ist das erste Heimatrecht (nicht das Personalstatut) eines Elternteiles (dh uE iZm Österreich: der Mutter) ab Eheschließung, dessen Sachnormen den Legitimationseintritt bejahen. Nicht nur mit der Heirat, sondern auch während der Ehe kann eine Legitimation eintreten (dann idR durch Staatsangehörigkeitswechsel eines Elternteils). 110

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Jedoch wird umgekehrt eine einmal erlangte Legitimation durch den Staatsangehörigkeitswechsel der Eltern oder eines Elternteils nicht berührt. Auf Rechtsordnungen, die eine Legitimation durch nachfolgende Ehe nicht kennen, kann ein Legitimationseintritt nicht gestützt werden. Für Mehrstaater fehlt eine Regelung im Übereinkommen. Die österreichische Staatsangehörigkeit geht nicht vor; ebenso nicht die effektive Staatsangehörigkeit. Bei Mehrstaatern ist entsprechend dem Günstigkeitsprinzip jedes Heimatrecht einschlägig; eine Legitimation durch nachfolgende Ehe tritt ein, wenn eines der Heimatrechte der Eltern eine solche Legitimation vorsieht. Eine Legitimation unter Berufung auf den ordre public kann nicht verneint werden (Art 3 des Übereinkommens). Vielmehr kann einem nach den Heimatrechten seiner Eltern nicht ehelichen Kind auch aus ordre-public-Erwägungen (§  6 IPRG) legitimer Status zuerkannt werden. Für Flüchtlinge und Staatenlose kommt es statt auf die Staatsangehörigkeit auf deren Personalstatut [regelmäßig gewöhnlicher Aufenthalt (vgl § 9 IPRG)] an.

B.  Legitimation durch Ehelicherklärung Legitimation ist das Ehelichwerden unehelicher Kinder. Das geschah 7 früher einerseits durch nachfolgende Eheschließung der Eltern (§ 161 ABGB aF), oder – selten – aufgrund Ehelicherklärung durch Gnadenakt des Bundespräsidenten (§ 162 ABGB aF iVm Art 65 Abs 2 lit d B-VG). Das KindNamRÄG 2013 hat die Unterscheidung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern als nicht mehr zeitgemäß aufgegeben. Damit entfallen seither die Begriffe der „Legitimation“ und der „Ehelicherklärung“ im Zivilrecht; ungeachtet dessen kann iSd §  7a Abs 1 zweiter Fall das Kind gegenüber dem (leiblichen) Vater die Stellung eines ehelichen Kindes erlangen. Historisch betrachtet zerfiel das Verfahren zur Legitimation außerehe- 8 licher Kinder nach § 162 ABGB aF in zwei Abschnitte; in das Verfahren zur Genehmigung des Ansuchens auf Ehelicherklärung und in das Verfahren um Bewilligung dieses Ansuchens. Das erstangeführte Verfahren war ein rein gerichtliches Verfahren, das dem Vormundschaftsgericht oblag, in dem nur vom vormundschaftsbehördlichen Standpunkte aus zu beurteilen war, ob überhaupt auch nur das Ansuchen um Ehelicherklärung gestattet werden soll. Das Gericht hatte sich bei der Bewilligung des Ansuchens um Ehelicherklärung auf die Überprüfung zu 111

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beschränken, ob die Bewilligung eines solchen Ansuchens für den Minderjährigen vorteilhaft oder nachteilig ist. Bei nicht pflegebefohlenen Personen, die per Rescriptum legitimiert werden sollen, entfiel der erste Teil des Verfahrens, da ein großjähriges, außereheliches Kind keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung zum Ansuchen bedurfte. Der zweite Teil des Verfahrens, das Verfahren um Bewilligung des gestatteten Ansuchens um Ehelicherklärung, war ursprünglich seinem Wesen nach ein Verwaltungsverfahren, wenn auch das Gesuch und die Weiterleitung dem Gerichte oblagen. Dieses Verfahren war in der Verordnung vom 27.1.1921, JABl Nr 6, einer Verwaltungsverordnung (Erlass), geordnet. Im Gegensatz dazu beruhte die Legitimation durch den Bundespräsidenten seit der Novelle BGBl I 2003/111 in den Jahren von 2005 bis 2016 auf einem Verfahren, welches kein Verwaltungsverfahren war, sondern beim zuständigen Pflegschaftsgericht durchgeführt wurde. Während noch Mitte des vorigen Jahrhunderts nach vergleichbaren ausländischen Gesetzen (zB Art  281 und 251 des italienischen ZGB 1942) Ehebruchskinder überhaupt nicht wirksam legitimiert werden konnten, solange die ehelichen Kinder des Kindesvaters die Großjährigkeit nicht erreicht haben, bzw (nach der französischen Ordonnance 1943) überhaupt nicht, wenn eheliche Kinder vorhanden sind, überließ es das einer älteren Rechtsperiode angehörige ABGB dem freien Ermessen des Staatsoberhauptes, ob es Ehebruchskinder legitimieren will oder nicht. In diesem Verfahren waren auch die Gattin und der aufzustellende Kurator der minderjährigen ehelichen Kinder zu hören. Auch stand es ihnen frei, durch eine Eingabe ihren Standpunkt klarzulegen, damit das Staatsoberhaupt die gegen die Bewilligung der Legitimation sprechenden Gründe würdigen konnte (vgl OGH 30.1.1952, 1  Ob 91/52; Thienel aaO, 151). 9 § 23 Satz 1 IPRG, wonach die Voraussetzungen der Legitimation eines unehelichen Kindes durch Ehelicherklärung nach dem Personalstatut des Vaters zu beurteilen sind, kommt iZm § 7a Abs 1 zweiter Fall zur Anwendung. UE kann – zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen – von einer analogen Anwendung des §  23 IPRG auch auf Ehelichkeitserklärungen zugunsten der Mutter ausgegangen werden. Wenn daher eine nach dem (ausländischen) Legitimationsstatut allenfalls erforderliche behördliche (gerichtliche) Entscheidung aufgrund inhaltlicher Kriterien zu erlangen ist, ist uE – ungeachtet des Entfalls des § 92 AußStrG alt – der außergerichtliche Rechtsweg zu beschreiten. Im 112

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Zweifel, wenn es also letztlich auf das Ermessen ankommt, ob durch eine ausländische Ehelicherklärung die Legitimation zustande kommt, wird uE das Gericht diese dem Bundespräsidenten zur Entschließung vorzulegen haben. Hingegen ist für eine Reskriptlegitimation durch Gnadenakt gemäß Art 65 Abs 2 lit d B-VG ausschließlich der Bundespräsident zuständig. Dieser Akt ist eine Ermessensentscheidung mit sofortiger Wirksamkeit, der nicht einmal der Zustellung bedarf und gegen den auch kein ordentliches Rechtsmittel möglich ist (vgl Thienel aaO, 152).

C.  Gesetzlicher Vertreter Wer gesetzlicher Vertreter des Minderjährigen ist, richtet sich – weil 10 nach § 7a Abs 2 Legitimation vor Zustimmung eintritt – gemäß § 24 IPRG nach dem Personalstatut des Kindes; bei Flüchtlingen und Staatenlosen gemäß § 9 Abs 3 IPRG ist es das Recht am Wohnsitz bzw des gewöhnlichen Aufenthalts. Die Anknüpfung an das Personalstatut des Kindes stimmt zwar mit jener der Handlungsfähigkeit (§ 12 IPRG) und der Unehelichkeitswirkungen (§ 25 Abs 2 IPRG) überein; dies garantiert jedoch nicht, dass sämtliche Fragen derselben Sachrechtsordnung unterliegen, weil jeweils Rück- und Weiterverweisungen zu beachten sind (§ 5 IPRG). IZm der Anerkennung einer ausländischen Zustimmungserklärung ist uE jedenfalls auf das Kindeswohl Bedacht zu nehmen. UE ist fraglich, ob iZm der Zustimmung nach § 7a Abs 2 der § 24 IPRG 11 durch das in Österreich seit 1.4.2011 in Kraft stehende Haager Kinderschutzübereinkommen 1996 überlagert wird. Einerseits spricht dafür, dass die „Ausübung und die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung sowie deren Übertragung“ (Art 3 lit a leg cit) eine Zustimmung iSd § 7a Abs 2 erfassen kann. Andererseits sollen abstammungsrechtliche Angelegenheit nicht davon erfasst werden (vgl Nademleinsky aaO, 86); allerdings bezieht sich Art 4 lit a nur „auf die Feststellung und Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses“, weshalb uE von einer Anwendbarkeit des Übereinkommens iZm der Abgabe einer Zustimmung ausgegangen werden kann. Ist nach § 9 IPRG österreichisches Recht maßgebend, so haben nach 12 §  167 Abs  2 ABGB beide Elternteile zuzustimmen. Dieses Einvernehmlichkeitsgebot wirkt aber nur im Innenverhältnis, sodass Vertretungshandlungen eines Elternteils – im Rahmen des § 167 ABGB – auch 113

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ohne Einvernehmen wirksam sind. Verweigert ein Elternteil seine Einwilligung, so kommt nicht eine Ersetzung derselben durch das Gericht gemäß § 181 ABGB in Frage, sondern nur unter den (im Vergleich zu § 181 ABGB weitergehenden) Voraussetzungen des § 7a Abs 3, der als lex specialis dem § 181 ABG vorgeht.

D.  Zustimmung 13 Die Zustimmung iSd § 7a Abs 2 – genauer: die Zustimmungen – ist bzw sind schriftlich bei der örtlich zuständigen Evidenzstelle (§ 49 Abs 2) zu erklären. Der Staatsbürgerschaftserwerb setzt voraus, dass alle erforderlichen Zustimmungserklärungen der Evidenzstelle zugekommen sind. Die Abgabe der Zustimmungen ist nach § 7a Abs 2 bzw Abs 3 letzter Satz befristet: Eine Zustimmung ist danach unwirksam, wenn sie später als drei Jahre nach Eheschließung oder Ehelichkeitserklärung abgegeben wird bzw das Gericht erst danach angerufen wird. Allerdings ist (aufgrund des Entfalls des §  7a Abs  3 idF BGBl 1985/202 durch BGBl I 2013/136) uE unklar, ob der Erwerb der Staatsbürgerschaft dann auf den Zeitpunkt der Legitimation zurückwirkt oder [aus Gründen der „Rechtssicherheit“ (EB)] die staatsbürgerschaftlichen Wirkungen der Legitimation in einem solchen Fall (weiterhin) erst eintreten, sobald der Evidenzstelle alle nach Abs 2 erforderlichen Zustimmungen zugekommen sind. 14 Art  1 des BVG über die Rechte von Kindern (BGBl I 2011/4) normiert nicht nur einen Bereich grundrechtlichen Schutzes, in den unter den Voraussetzungen des Art 7 BVG über die Rechte von Kindern eingegriffen werden darf, sondern auch einen Auftrag an die Gesetzgebung und – insbesondere im Rahmen seines zweiten Satzes – an die Vollziehung, das Kindeswohl vorrangig zu wahren. Das Kindeswohl genießt – ebenso wie der Anspruch auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung – nicht absoluten Vorrang, sondern steht unter dem Vorbehalt von nach Art 7 BVG über die Rechte von Kindern zulässigen Beschränkungen. Eine gesetzliche Regelung, die zu Maßnahmen ermächtigt, welche die Entwicklung und Entfaltung und mithin das Kindeswohl beeinträchtigen können, muss zur Erreichung der in Art  7 genannten Ziele notwendig sein, mithin einem dieser Ziele dienen und verhältnismäßig sein. Der Schutz des Kindeswohls war schon bisher auf einfachgesetzlicher Ebene ein Grundsatz des Kindschaftsrechts. Mit der Verankerung 114

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auf Verfassungsebene wird er nun auch zu einem Prüfungsmaßstab und zu einer Auslegungsleitlinie für die Berücksichtigung der Interessen von Kindern und Jugendlichen in der Rechtsordnung. Der Gesetzgeber verfügt bei der Regelung der Voraussetzungen des Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch Legitimation über einen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum. UE dient eine Nichtrückwirkung auf den Zeitpunkt der Legitimation einem legitimen Ziel iSd Art 7 BVG über die Rechte von Kindern. Es ist damit eine einfache und leicht handhabbare Regelung geschaffen worden, die Rechtssicherheit schafft. Das grundrechtliche Schutzgut der bestmöglichen Entwicklung und Entfaltung des Kindes fällt uE demgegenüber im vorliegenden Zusammenhang nicht – und zwar auch nicht über das Gebot der Berücksichtigung des Kindeswohls als vorrangige Erwägung in Art 1 letzter Satz BVG über die Rechte von Kindern – ins Gewicht. § 7a Abs 3 sieht die Ersetzung der erforderlichen Zustimmungen durch 15 das Gericht vor, wenn diese verweigert werden, kein gesetzlicher Vertreter bestellt ist oder dieser nicht erreichbar ist, oder wenn der Minderjährige nicht erreichbar ist. Die Regelung entspricht – wenn auch nicht wortwörtlich – jener des § 7a Abs 5 idF BGBl 1985/202; letztere Vorschrift orientierte sich wiederum an §  19 Abs  3, der durch BGBl I 2009/122 entfiel. Aus § 7a Abs 3 letzter Satz (arg „angerufen“) ist abzuleiten, dass das Gericht nur auf Antrag, nicht aber von Amts wegen einschreiten darf. NA von Thienel aaO, 155 handelt es sich bei der dreijährigen Frist um eine materiell-rechtliche Frist, sodass die Tage des Postlaufes einzurechnen sind; dh der Antrag muss vor Ablauf der Frist bei Gericht eingelangt sein.

III.  Legitimation Die „Legitimation“ des Kindes durch die seiner Geburt nachfolgende 16 Ehe (§ 161 ABGB idF bis BGBl I 2013/15) hat der Gesetzgeber von den zivilrechtlichen Wirkungen her beibehalten, zumal gemäß § 177 Abs 1 ABGB idgF den Eltern eines unehelichen Kindes ab dem Zeitpunkt der Eheschließung die Obsorge zukommt. Die in § 92 AußStrG alt enthaltenen verfahrensrechtlichen Grundlagen für die Legitimation durch den Bundespräsidenten traten aber gemäß § 207i Abs 2 AußStrG neu mit 1.1.2016 außer Kraft. Diese längere Legisvakanz bezweckte die Anpassung anderer Regelungsbereiche, in denen eheliche und uneheli115

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che Kinder noch unterschiedlich behandelt worden sind und deshalb ein Bedarf nach deren Gleichstellung durch die Legitimation des Bundespräsidenten bestehen konnte (vgl JAB 2087 BlgNR 24. GP 2). 17 Der Gesetzgeber hat im ABGB den Begriff des unehelichen Kindes beseitigt und das Institut der Legitimation des Kindes durch den Bundespräsidenten aus dem ABGB gestrichen. Insofern erscheint es inkonsequent, dass iZm der Novelle BGBl I 2013/136 die Überschrift nicht einer terminologischen Anpassung unterzogen wurde (zB „Eheschließung der Eltern“), weil der Erwerbstatbestand auch inhaltlich nicht mehr so sehr am Eintritt einer „Legitimation“, sondern vielmehr an der Eheschließung der Eltern zu hängen scheint. Allerdings hat diese Streichung an der verfassungsrechtlichen Befugnis des Bundespräsidenten nach Art  65 Abs  2 lit d B-VG nichts geändert. Folglich liegt es am Gericht, das die Legitimation durch den Bundespräsidenten weiterhin iSd § 92 AußStrG vorbereiten soll, mangels zivilrechtlicher Vorschrift den Sinn einer solchen Legitimation zu erforschen. Dazu sind in einem nach allgemeinen Regeln des AußStrG durchzuführenden Verfahren die Lebensverhältnisse von Kind und Eltern zu ermitteln und der Grund, warum die Eheschließung der Eltern unterblieben ist. Hierbei wird es auch an den Antragstellern liegen, das Rechtsschutzbedürfnis für ihren Legitimationsantrag konkret genug darzutun. 18 Aufgrund der Änderungen durch das KindNamRÄG 2013 verbleibt § 7a nun als einziges Überbleibsel des Instituts „Legitimation“ im österreichischen Recht. Nach wie vor müssen minderjährige Fremde und ihr gesetzlicher Vertreter ihre Zustimmung zu den staatsbürgerschaftsrechtlichen Wirkungen des § 7a binnen drei Jahren ab Eheschließung bzw Ehelicherklärung erklären und dies auch der Evidenzstelle schriftlich mitteilen (§ 7a Abs 2). Seit 1.8.2013 muss die Evidenzstelle nicht länger hinsichtlich der Notwendigkeit dieser Zustimmung belehren, sobald ihr eine Mitteilung (vgl § 53 Z 3 lit a und Z 5 lit c) über die Legitimation zukommt (nA von Kutscher/Wildpert aaO, §  7a Anm 10, komme aber bei mündigen Legitimierten dem Eheschließungsstandesamt der Eltern eine entsprechende Informations- und Aufklärungspflicht zu, zumal im Eheschließungsverfahren die gemeinsamen vorehelichen Kinder ebenso wie die Staatsangehörigkeiten der Eltern zu erheben sind). Eine Begründung für diese Änderung findet sich in den EB nicht. Sie könnte darin liegen, dass durch die Neufassung des § 7 und die Einführung des § 12 Abs 2 eine verringerte praktische Relevanz 116

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der Legitimation vermutet wird. Dass die Anforderungen des § 7a Personen, die diese Erwerbsart anstreben, bekannt sind, wird dadurch wahrscheinlicher und eine gesonderte Information durch die Evidenzstelle somit entbehrlich. Personen über 18 Jahren müssen den Weg über die allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 gehen; eine Legitimation ist dann ausgeschlossen. Für den Fall, dass die achtwöchige Frist nach § 7 Abs 1 versäumt wird, kommt als „Ausweg“ der § 12 Abs 2 in Frage. Dieser soll in jenen Fällen, die § 7 nicht erfasst, durch gesenkte Verleihungsvoraussetzungen Abhilfe schaffen. Gefordert werden hier eine rechtmäßige Niederlassung des Antragstellers im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Antragsstellung, eine entsprechende Abstammung sowie die Erfüllung der (idR keine Problem darstellenden) Voraussetzungen nach §  10 Abs  1 Z 5 und 6. Allerdings gilt § 12 Abs 2 nur für unmündige Minderjährige, also nur bis zum 14. Lebensjahr (§ 21 Abs 2 ABGB). Warten die Eltern länger zu, kann das Kind die Staatsbürgerschaft nur mehr nach § 7a, dh durch Legitimation (bis zum Erreichen der Volljährigkeit), oder gemäß § 10 erwerben. Insofern findet keine umfassende Gleichstellung ehelicher und unehelicher Kinder statt, sodass weitere Probleme und verfassungsrechtliche Bedenken nicht ausgeschlossen sind (vgl Schmitt aaO, 40). Verfassungsrechtliche Fragen iZm §  7a könnten sich bei sogenannten 19 „Regenbogenfamilien“ stellen; das sind Familien, bei denen Kinder bei zwei gleichgeschlechtlichen Partnern als eine Familie leben. Nach § 197 Abs 3 ABGB erlöschen die familienrechtlichen Beziehungen zur leiblichen Mutter, wenn das Wahlkind nur durch die Wahlmutter angenommen wird. Sind Mutter und Wahlmutter Ausländer und kommt es in der Folge zur Begründung einer eingetragenen Partnerschaft mit einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerin, ist uE fraglich, ob das minderjährige Kind unter dem vollendeten 14. Lebensjahr – ungeachtet einer möglichen Fremdkindadoption – die Staatsbürgerschaft nach §  7a Abs 1 erwirbt; vgl dazu auch § 11b. Wurde dem nicht verdrängten leiblichen Elternteil (Vater) gegenüber das Erlöschen nicht ausgesprochen, weil dieser dem nicht zustimmt, so könnte uE der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation davon abhängig sein, ob im Zeitpunkt der Begründung der Partnerschaft, der (leibliche) Vater (als Dritter) österreichischer Staatsbürger war. Hingegen fehlt bei Abgabe der Zustimmungserklärung wegen der damit verbundenen Wirkung der Adoption ein Vater, wenn 117

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danach die ausländische Wahlmutter eine eingetragene Partnerschaft mit einer österreichischen Lebenspartnerin begründet. Folglich scheint dann nur ein Erwerb der Staatsbürgerschaft nach § 7a Abs 2 iVm § 60 möglich zu sein (denn § 12 Abs 2 ist mangels Erwähnung in § 60 nicht anwendbar), was wiederum aus Gründen des Diskriminierungsverbots und des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens fraglich scheint. Da der § 60 den § 7a Abs 1 nicht beinhaltet, könnte uE eine durch Analogie zu schließende Lücke in Betracht kommen. Ansonsten würde das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbeziehen, auf welchen – unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers – eben dieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher – schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung – auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl VwGH 8.9.1998, 96/08/0207, mwN). Folglich ist uE davon auszugehen, dass bei einer Geburt des Kindes am 1.1.2015 oder später der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation auch im Fall einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung für gleichgeschlechtliche weibliche Paare in analoger Weise wie durch Legitimation unehelicher Kinder österreichischer Väter erfolgt. 20 Soweit österreichisches Recht für Beurteilung der Legitimation iSd § 7a Abs  1 erster Fall anwendbar ist, sind die Voraussetzungen: (i) der Fremde muss unehelich geboren sein; (ii) der Fremde darf im Zeitpunkt der Eheschließung das 14. Lebensjahr nicht vollendet haben; (iii) der minderjährige Fremde muss ledig sein; (iv) der Vater des Fremden muss im Zeitpunkt der Eheschließung – oder seines vorherigen Todes – Staatsbürger sein; (v) die Legitimation des Fremden erfolgt durch Heirat des österreichischen Vaters mit der Mutter. Im Fall des § 7a Abs 1 zweiter Fall müssen ebenfalls die Voraussetzungen (i) bis (iv) vorliegen; dazu kommt [statt (v)], dass die Legitimation durch behördlichen Akt herbeigeführt wird. 21 Die Eheschließung iSd § 7 Abs 1 erster Fall hat gültig zu sein. Da die Eheschließung im Inland nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen ist (§  16 Abs  1 IPRG), kommen §§  15 und 17 EheG iVm §§ 14 ff PStG 2013 zur Anwendung (vgl auch RS0055990). Diplomatische oder konsularische Eheschließungen werden – außer sie sind durch Staatsvertrag zugelassen – für den inländischen Rechtsbereich 118

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grundsätzlich nicht anerkannt. Die Ehelichkeit eines Kindes aus einer derartigen Ehe richtet sich nach dem Recht des Staates, dem der Vater zur Zeit der Geburt des Kindes angehört, oder, wenn er vor dessen Geburt verstorben ist, zuletzt angehört hat (vgl RS0055994). Die Form einer Eheschließung im Ausland ist dagegen nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung (§ 16 Abs 2 IPRG). Im Fall des § 7a Abs 2 haben der Minderjährige und sein gesetzlicher 22 Vertreter ihre Zustimmung nach erfolgter Legitimation abzugeben (vgl Thienel aaO, 152). Voraussetzung ist, dass der mündige Minderjährige handlungsfähig ist; bei Handlungsunfähigkeit (zB wegen Geisteszustand) kommt zwar ihm das Zustimmungsrecht nicht zu, dieses Recht behält aber in diesem Fall der gesetzliche Vertreter. Sinngemäß gilt dies auch – unbeschadet des § 12 IPRG – für fremde Minderjährige, weil durch den Erwerb der Staatsbürgerschaft für den Minderjährigen ein Statutenwechsel eintritt (§ 9 IPRG) und er damit jedenfalls mündig wird, auch wenn er dies nach seinem bisherigen Personalstatut noch nicht war. Analog zu § 7a Abs 2 Z 2 gilt auch iZm Abs 3, dass kein Erwerb ein- 23 tritt, wenn der Minderjährige heiratet, bevor der Zustimmungsbeschluss bei der Evidenzstelle einlangt. Im Übrigen tritt der Erwerb nach § 7a Abs 3 nach Rechtskraft des gerichtlichen Beschlusses – uE nicht rückwirkend – ein (vgl Rz 14). Wird der Legitimierte nach Anrufung des Gerichts volljährig, entfallen das Zustimmungsrecht des gesetzlichen Vertreters und die Möglichkeit der Ersetzung durch das Gericht. Das Gericht hat daher das Verfahren einzustellen; ob die Staatsbürgerschaft erworben wird, hängt davon ab, ob der Legitimierte noch vor Ablauf der Frist zugestimmt hat (Thienel aaO, 156). § 7a Abs 3 (arg „jenes inländische Gericht“) begründet eine internationale Zuständigkeit des innerstaatlichen Gerichts.

IV.  Legitimationserstreckung Nach § 7a Abs 4 erstreckt sich der Erwerb durch Legitimation auf die 24 unehelichen Kinder (bis zum vollendeten 14. Lebensjahr) der legitimierten Frau (Z  1) oder des legitimierten Mannes (Z  2). Der Erwerb tritt zugleich mit jenem durch die (legitimierte) Mutter bzw den (legitimierten) Mann ein. Die Beschränkung auf die unehelichen Kinder 119

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ergibt sich daraus, dass die Frau bzw der Mann selbst noch ledig sein müssen, um durch Legitimation die Staatsbürgerschaft erwerben zu können. Die vormals durch die ausschließlich auf die Frau bezogene – und damit verfassungsrechtlich bedenkliche – Erstreckung der Legitimation in § 7a Abs 6 entfiel durch BGBl I 2013/136. 25 Nach Abs 4 letzter Satz kommen die Zustimmungserfordernisse des Abs 2 und 3 „sinngemäß“ zur Anwendung, wenn die unehelichen Kinder der Frau bzw des Mannes das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben. In der Praxis dürfte diese Bestimmung (nahezu) keinen Anwendungsbereich haben: Wenn nämlich die legitimierte Mutter bzw der legitimierte Vater im Zeitpunkt der Legitimation selbst noch minderjährig sein muss, um dadurch die Staatsbürgerschaft erwerben zu können, scheint es schon aus biologischen Gründen kaum möglich, dass ihre bzw seine Kinder in diesem Zeitpunkt bereits das 14. Lebensjahr überschritten haben. In einzelnen Staaten beginnt die Volljährigkeit mit 16 Jahren, in den meisten Staaten mit 18 Jahren und in wenigen Staaten erst mit 21 Jahren; die Frau bzw der Mann müsste daher im Zeitpunkt der Geburt ihres bzw seines Kindes Mutter bzw Vater im Alter von 2 bis 7 Jahre sein.

§ 8. (1) Bis zum Beweis des Gegenteiles gilt als Staatsbürger kraft

Abstammung, wer im Alter unter sechs Monaten im Gebiet der Republik aufgefunden wird. (2) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 136/2013) (3) Abs. 1 gilt auch für Personen, die vor dem 1. September 1983 im Gebiet der Republik aufgefunden worden sind. (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 6)

[idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl 250/1965 Zu § 9: Zu Abs. 1: Derzeit bestimmt § 12 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, daß Personen, die im Gebiet der Republik aufgefunden werden (Findlinge), „bis zum Nachweise einer anderen Staatsangehörigkeit“ als Staatsbürger gelten. Diese Formulierung läßt zwei Fragen offen, nämlich: 1. Bis zu welcher Altersgrenze gilt eine aufgefundene Person noch als Findling?

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2. Gilt die Rechtsvermutung des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft auch dann weiter, wenn der Findling später in den öffentlichen Dienst oder Militärdienst eines fremden Staates tritt und damit in seiner Person ein Tatbestand eintritt, mit dem nach § 9 Abs. 1 Pkt. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 für einen Staatsbürger der Verlust der Staatsbürgerschaft verbunden ist? Die im vorliegenden Gesetzentwurf gewählte Formulierung wird nicht nur den Streit um die Altersgrenze beseitigen, sie bringt auch durch die Worte „Bis zum Beweis des Gegenteiles“ und „kraft Abstammung“ eindeutig zum Ausdruck, daß die Behandlung als österreichischer Staatsbürger entfällt, wenn der Findling später einen Verlusttatbestand des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechtes verwirklicht. Von verschiedener Seite wurde nun eingewendet, daß die Einführung der Altersgrenze von sechs Monaten bei Findlingen in der Praxis zu Schwierigkeiten führen könnte, weil eine genaue Feststellung des Alters bei solchen Kindern in der Regel nicht möglich sei. Demgegenüber ist aber auf § 25 des Personenstandsgesetzes vom 3. November 1937 (Deutsches RGBl. I S. 1146) zu verweisen, der bestimmt: „(1) Wer ein neugeborenes Kind findet, muß es spätestens am folgenden Tage der Ortspolizeibehörde anzeigen. Diese stellt die erforderlichen Ermittelungen an und benachrichtigt von dem Ergebnis alsbald die untere Verwaltungsbehörde. (2) Die untere Verwaltungsbehörde setzt nach Anhörung des Gesundheitsamtes den vermutlichen Ort und Tag der Geburt fest und bestimmt die Vornamen und den Familiennamen des Kindes. Auf ihr Ersuchen trägt der Standesbeamte dies in das Geburtenbuch ein.“ Wenn also nach der eben zitierten Gesetzesstelle die Bezirksverwaltungsbehörde nach Anhörung des Amtsarztes bei einem Findelkind den Ort und Tag seiner Geburt festgesetzt hat, so ist diese Festsetzung bis zum Beweis des Gegenteiles auch für die anderen Behörden und vor allem auch für die Staatsbürgerschaftsbehörden verbindlich. Es ist daher nicht einzusehen, aus welchen Gründen die Einführung einer Altersgrenze bei Findelkindern in der Praxis zu Schwierigkeiten führen sollte. Zu Abs. 2: Das im österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht herrschende Abstammungsprinzip bereitet in der Praxis den Staatsbürgerschaftsbehörden dann große Schwierigkeiten, wenn bei der Beurteilung der Staatsbürgerschaft einer bestimmten Person auf die staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse von Vorfahren höheren Grades zurückgegriffen werden muß, ein eindeutiger Beweis aber, ob diese die Staatsbürgerschaft überhaupt besaßen, nicht zu erbringen ist. Diese häufig auftretende Schwierigkeit will der zweite Absatz des § 9 wenigstens teilweise beseitigen. Auch bei diesen Personen entfällt natürlich ihre Behandlung als österreichische Staatsbürger, wenn sie einen Verlusttatbestand des Staatsbürgerschaftsrechtes verwirklichen. Die Rechtsvermutung, daß die in Abs. 1 und 2 genannten Personen österreichische Staatsbürger kraft Abstammung sind, äußert mittelbar ihre Wirkung auf

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Personen, welche die Staatsbürgerschaft von ihnen durch Abstammung, Legitimation, Verehelichung oder Erklärung (§ 10) ableiten. Zu Abs. 3: Diese Bestimmung will klarstellen, daß die Rechtsvermutung der Abs. 1 und 2 auch für Personen gilt, die vor dem Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1964 geboren worden sind. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 6 (§ 8 Abs. 2 und 3) Die ehelichen Kinder einer österreichischen Staatsbürgerin sollen nach Art. I Z 3 (§ 7 Abs. 1) des Gesetzentwurfes nunmehr uneingeschränkt mit ihrer Geburt die Staatsbürgerschaft kraft Abstammung auch nach der Mutter erwerben. Die Neufassung des § 8 StbG 1965 soll dieser geänderten Rechtslage Rechnung tragen. Da der im § 8 Abs. 2 lit. a für die Fiktion des Besitzes der Staatsbürgerschaft neu einbezogene Anknüpfungspunkt der Abstammung von der im Gebiet der Republik Österreich geborenen ehelichen Mutter nur für die Fälle Geltung haben soll, die ab dem Inkrafttreten der Novelle eintreten, wäre im Abs. 3 ausdrücklich festzustellen, daß sich die Bestimmung des Abs. 2 nur auf die vor dem Inkrafttreten der gegenständlichen Novelle geborenen Personen bezieht. EB zu BGBl I 136/2013 Zu §§ 8 Abs. 2 und 3 sowie 17 Abs. 2: Aufgrund dessen, dass eine Differenzierung zwischen ehelichen und unehelichen Kindern im gesamten Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 nunmehr entbehrlich ist, können die Bestimmungen des § 8 Abs. 2, der die Staatsbürgerschaft kraft Abstammung von bestimmten ehelichen und unehelichen Kindern in Angleichung an sogenannte Findelkinder normiert, sowie jeweils die Wortfolge in § 8 Abs. 3 und 17Abs. 2 entfallen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Findelkinder............................................................................................. 4 B. Beweis des Gegenteils.............................................................................. 8 III. Staatsbürgerschaftsvermutung................................................................. 12 IV. Rückwirkung................................................................................................ 13 Schrifttum zu § 8: Hintermüller, In die Staatsbürgerschaftsevidenz welcher Gemeinde ist ein in Österreich aufgefundenes Kind unbekannter Abstammung (Findelkind) aufzunehmen?, IndRME 1986; Höllwerth, Vom Blut als dem besonderen Saft bis zur sozialen Elternschaft – Grundwertungen im Abstammungsrecht, in Festschrift 200 Jahre ABGB; Kurz, Anonyme Geburt: Wie kann die Mutter ihre Anonymität

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rechtlich aufheben?, iFamZ  2015, 167; Pawlowsky, Mutter ledig – Vater Staat: Das Gebär- und Findelhaus in Wien 1784 – 1910 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 8 StbG 1965 (in der RV noch als § 9 bezeichnet) geht zurück auf § 14 1 StbG 1925, der ähnlich wie §  12 StbG 1949 keinen Erwerbstitel der Staatsbürgerschaft (bzw Landesbürgerschaft nach dem StbG 1925) enthielt, sondern nur die – jederzeit widerlegbare – Rechtsvermutung für deren Besitz. § 14 StbG 1925 ergänzte und erweiterte den Inhalt des Art 65 des Staatsvertrages von Saint-Germain (vgl dazu auch Art 5 des Brünner Vertrages). Die Rechtsvermutung entfiel, wenn (i) der (ursprüngliche) Besitz einer fremden Staatsangehörigkeit nachgewiesen wurde oder (ii) die begünstigte Person später einen Tatbestand verwirklichte, mit dem für einen Staatsbürger der Verlust der Staatsbürgerschaft verbunden war (vgl §§ 7 ff StbG 1949). Von Beginn an umstritten war die durch §  8 StbG 1965 eingeführte 2 Frist von sechs Monaten. Die EB (497 der Beilagen X. GP) begründen die Altersgrenze (uE nicht stichhaltig) mit Erwägungen der Rechtssicherheit; da bei einem Findelkind der genaue Geburtszeitpunkt nicht feststellbar ist, soll es nach Ansicht des Gesetzgebers auf jenen Zeitpunkt ankommen, der nach den personenstandsrechtlichen Vorschriften als Geburtszeitpunkt festgesetzt wird. Der hierbei als Grundlage für die Frist dienende § 25 PStG 1937 hatte aber durch § 20 Abs 3 PStG 1983 eine wesentliche Änderung erfahren: Erfolgte vormals die Festsetzung des Geburtstages durch die Bezirksverwaltungsbehörde rechtsverbindlich, so hatte seit dem PStG 1983 der Landeshauptmann „für den Zweck der Eintragung“ in das Geburtenbuch den wahrscheinlichen Geburtstag – normativ nicht verbindlich und jederzeit widerlegbar – zu bestimmen. Da auch nach §  34 Abs  2 und 3 PStG 2013 die Anzeige des Landeshauptmannes, in der der Tag der Geburt anzugeben ist, kein rechtsgestaltender Verwaltungsakt ist, jede Behörde somit den maßgeblichen Geburtszeitpunkt selbst zu ermitteln hat, geht uE der Verweis auf das PStG ins Leere. Aus diesem Grund sollte uE – wie auch Thienel aaO, 159 betont – von einer festen Altersgrenze wieder Abstand genommen werden und § 8 dem Art 2 des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit angepasst werden (vgl auch §  4 Abs 2 Satz 1 dtStAG). 123

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3 Verfassungsrechtlich problematisch ist uE, dass die Staatsbürgerschaft eines Findelkindes jederzeit beseitigt werden kann. Die der Behörde eingeräumte und nicht näher determinierte Befugnis, von Amts wegen ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Erwerbs der Staatsbürgerschaft iSd § 8 einzuleiten, kann geeignet sein, das Vertrauen in die Objektivität der Behörde und damit die Objektivität des Verfahrens insgesamt zu gefährden. Die (undifferenzierte) Verknüpfung der Geltung des Erwerbs nach § 8 mit dem unbefristeten Gegenbeweis könnte sich daher als unsachlich erweisen (ähnlich Thienel aaO, 164).

II.  Begriffe A.  Findelkinder 4 Findelkind (teilweise auch Fundkind oder Findling) ist eine Bezeichnung für ein aufgefundenes Kind, das zuvor von den Eltern (meistens der Mutter) ausgesetzt wurde. Diese Kinder im Säuglingsalter werden oft mit der Hoffnung zurückgelassen, dass sie jemand finden und aufnehmen möge. Bei erfolgloser Suche erfolgt in der Regel schnell eine Adoption des Kindes (vgl auch OGH 11.8.2006, 9 Ob 68/06z). Aus rechtlicher Sicht ist ein Findelkind ein Kind, dessen Familienstand nicht zu ermitteln ist und daher die zur Wahrung seines Wohles erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge durch den Jugendwohlfahrtsträger wahrgenommen werden; aus Sicht des StbG ergibt sich aus § 3, dass ein Findelkind iSd § 8 keinesfalls wie ein Staatenloser zu behandeln ist. Zur Zeit der Entstehung des ABGB waren Findelkinder hingegen ein Problem der Versorgung unehelich geborener Kinder, die gegen Bezahlung einer – den Frauen Geheimhaltung garantierenden – Findelhaustaxe in Findelanstalten Aufnahme fanden (vgl Höllwerth aaO, 1036). 5 Grundsätzlich obliegt die Anzeige der Geburt spätestens eine Woche nach der Geburt den in § 9 Abs 2 PStG 2013 genannten Personen. Wer ein neugeborenes Findelkind „findet“, hat daher als Finder iSd §  9 Abs 2 Z 5 PStG 2013 spätestens am siebenten Tag der Personenstandsbehörde am Ort der Geburt bzw uE am Auffindungsort anzuzeigen. Allerdings gilt nach § 34 PStG 2013 als Geburtsort nicht der Auffindungsort, sondern vielmehr die Sitzgemeinde der Personenstandsbehörde, in der der Findling seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; deshalb 124

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schreibt sich dieses Datum nicht automatisch aus dem ZPR in das ZSR durch. Unklar ist uE, ob die an sich nicht zur Disposition stehende Pflicht zur alsbaldigen Erfassung der Existenz eines Kindes durch Eintragung in das Personenstandsregister auch dann beim Finder die Obliegenheit auslöst, wenn es sich offensichtlich um kein neugeborenes Kind handelt; unbeschadet dessen kann ein „Verborgenhalten“ eines gefundenen Kindes strafrechtliche Folgen haben (vgl zB §§ 99, 104 und 195 StGB). Die Vorschrift des § 9 PStG 2013 gilt uE auch für Betreiber einer Babyklappe iZm in Babyklappen abgelegten Kindern. Dasselbe gilt auch, wenn Mütter anonym in einer Krankenanstalt ihr Kind gebären und danach ihre Elternschaft nicht ausüben wollen. Durch Art II des BG BGBl I 2001/19 wurde § 197 StGB, der das Ver- 6 lassen eines Unmündigen unter Strafe gestellt hatte, aufgehoben. Rechtlich wurde Frauen dadurch die anonyme Geburt und die Weglegung des Kindes nach der Geburt in so genannte „Babyklappen“ ermöglicht (vgl auch den Erlass des BMJ, JABl 2001/36). Nach den Gesetzesmaterialien (JAB 404 BlgNr 21. GP) sollen diese Frauen vor der Aufdeckung ihrer Identität sicher sein. Durch die Übergabe eines Kindes im Weg eines „Babynests“ oder durch eine Geburt, bei der die Mutter anonym bleibt, entsteht eine Situation, die derjenigen eines Findelkindes entspricht. Nach § 207 (vormals: § 211) ABGB obliegt die Obsorge für im Inland aufgefundene Kinder unbekannter Eltern dem Jugendwohlfahrtsträger (vgl auch LGZ Wien 20.1.2014, 43 R 37/14f). Nach dem – ohne gesetzliche Grundlage erlassenen – § 23 Abs 1 erster 7 Halbsatz StbV sind bei Personen nach § 8 Abs 1 der Ort der Auffindung und das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Auffindung in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken. Sofern der Standesbeamte bei der Eintragung der Geburt im ZPR „Findelkind“, „Anonyme Geburt“ oder „Babyklappe“ auswählt, legt das ZPR für die zuständige Evidenzstelle (immer Gemeinde Wien – vgl § 49 Abs 2 lit c) automatisch eine Staatsbürgerschaftsevidenz für das Kind im ZSR an (vgl auch § 35 Abs 6 PStG 2013).

B.  Beweis des Gegenteils Nach der Rechtsprechung des OGH zu § 8 StbG 1965 kann als Find- 8 ling iSd § 8 eine Person nur so lange angesehen werden, „als seine Mutter unbekannt ist“; aufgrund des § 7 Abs 1 setzt uE § 8 idgF voraus, dass 125

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beide Elternteile unbekannt sind. Bis zum Beweis des Gegenteils muss davon ausgegangen werden, dass ein in Österreich aufgefundenes Kind die Staatsbürgerschaft kraft Abstammung erwirbt bzw besitzt. Hierbei spielt keine Rolle, wo dieses Kind geboren wurde; dh dass die Geburt des Findelkindes auch außerhalb des Staatsgebietes gewesen sein kann. Das StbG sieht nicht vor, dass der „Beweis des Gegenteils“ in bestimmter qualifizierter Form, etwa durch Feststellungsbescheid der Verwaltungsbehörde zu erfolgen hätte; diese Frage kann als Vorfrage vom Gericht beurteilt werden (vgl OGH 14.3.1984, 1 Ob 537/84). 9 Wie der Beweis des Gegenteils zu erbringen ist, sagt §  8 nicht. Ausgangspunkt hat die Rechtsvermutung nach Abs 1 zu sein. Zur Widerlegung dieser Vermutung genügt uE seine Entkräftung durch den Nachweis einer anderen ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeit; eine solche muss wahrscheinlicher als die Vermutung sein. Ob der im §  8 vorbehaltene „Beweis des Gegenteils“ als erbracht oder nicht erbracht anzusehen ist, obliegt der Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 12.9.1972, 0708/72). In der Praxis kann uE der Beweis der Unrichtigkeit des Erwerbs der Staatsbürgerschaft nach § 8 insbesondere mittels Feststellung der Identität eines Elternteils geführt werden. Hingegen kann uE der Gegenbeweis nicht erbracht werden, wenn ein Verlusttatbestand vorliegt, weil dann die spezielleren Bestimmungen der §§ 26 ff greifen (aA Thienel aaO, 162). 10 Genau genommen normiert § 8 eine gesetzliche Vermutung, die das Beweisthema von der originär rechtserzeugenden Tatsache (Auffindung eines Säuglings in Österreich) auf eine leichter erweisbare Tatsache (Abstammung) verschiebt, aus der das Gesetz die originär rechtserzeugende Tatsache (Staatsbürger) ableitet (= Vermutungsbasis). Diese gesetzliche Vermutung ist allerdings widerlegbar (arg „Bis zum Beweis des Gegenteiles“). Die Konsequenz aus dieser Regelung ist aber keine Umkehr einer Beweislast, sondern eine Pflicht der Behörde, den Nichtbesitz bzw das Fehlen der Voraussetzungen für den Besitz der Staatsbürgerschaft dem Findling nachzuweisen. 11 Der Geburtszeitpunkt ist gemäß § 34 Abs 2 PStG 2013 vom Landeshauptmann zu erheben (amtsärztliches Gutachten) und dem Standesamt zur Eintragung im ZPR anzuzeigen. Weder diese Anzeige noch die Eintragung im ZPR entfalten konstitutive Wirkung, sodass das dieser Rechtsvermutung zugrunde gelegte Geburtsdatum jederzeit widerlegbar ist. § 8 Abs 1 und 3 legt sohin eine gesetzliche Vermutung (prae­ 126

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sumptio iuris) fest, welche idR nur von der Behörde widerlegbar ist; hierbei trifft uE dem Findling als Partei keine Mitwirkungspflicht zur Vorlage jener Beweismittel, die der Behörde nicht zugänglich sind. Eine diesbezügliche Untätigkeit des Betroffenen kann uE nicht ohne weiteres zu seinen Lasten ausgelegt werden; vielmehr kann ein solches Verhalten nur bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden (vgl auch Thienel aaO, 162).

III.  Staatsbürgerschaftsvermutung Die Staatsbürgerschaftsvermutung ist ein „Schulbeispiel“ der prae­ 12 sumptio iuris, bei der das Gesetz aus dem Vorliegen einer – höchstens tatbestandsnahen – Tatsache unmittelbar auf den Bestand eines Rechtsverhältnisses, welches zumindest allein aus dieser Tatsache noch nicht abgeleitet werden könnte, schließt. Da es bei einer Rechtsvermutung nicht um eine Beweislastregel gehen kann, bedeutet hier der „Beweis des Gegenteils“, dass diese durch den Beweis von Tatsachen entkräftet wird, aus denen sich das Nicht- oder Andersbestehen des vermuteten Rechtszustands ergeben soll. Wegen der Widerlegbarkeit der Vermutung liegt im Fall des § 8 keine Fiktion vor, auch wenn uE (zumindest heute: Kindeswohl) Gerechtigkeitsüberlegungen dafür sprechen, Kleinstkinder ehelich und unehelich geborenen Kindern iSd § 7 gleichzustellen.

IV.  Rückwirkung Die Vermutung nach § 8 Abs 1 gilt gemäß Abs 3 auch für Personen, die 13 vor Inkrafttreten des StbG 1965 (bzw der Novelle 1983) im „Gebiet der Republik Österreich“ aufgefunden worden sind. §  8 Abs  3 StbG 1965 schränkte aber noch nicht auf das Bundesgebiet ein; diese Einschränkung kam iZm der Wiederverlautbarung 1985. Aus gleichheitsrechtlichen Erwägungen kann uE daraus nicht geschlossen werden, dass es iZm früher verwirklichten Sachverhalten nicht darauf ankommt, wo das Findelkind gefunden wird. Aufgrund der durch § 8 Abs 3 normierten Rückwirkung des Abs 1, sind § 14 StbG 1925 und § 12 StbG 1949 materiell derogiert. Die Worte „gilt als Staatsbürger kraft Abstammung“ in Abs 1 zwingen iVm § 2 Z 2 und 3 jedoch zur Einschränkung, dass die in Rede stehende Rechtsvermutung nicht für Personen gilt, die vor der Gründung der Republik Österreich (30.10.1918) aufgefunden oder geboren wurden (vgl Thienel aaO, 160). 127

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Julia Ecker

§ 9. Der Aufenthalt von Fremden als Träger von Privilegien und Immunitäten (§ 95 FPG), gilt nicht als Niederlassung im Sinne dieses Bundesgesetzes.

[idF BGBl I 2009/122] EB zu BGBl 122/2009 Mit dieser Bestimmung wird klargestellt, dass die aufenthaltsrechtliche Fiktion der Niederlassung von Fremden, die Träger von Privilegien und Immunitäten sind, nicht auch als Niederlassung im Sinne des StbG zum Erwerb der Staatsbürgerschaft gilt und wird damit auch einer Anregung des BMeiA entsprochen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Legitimationskarten im NAG.................................................................... 6 III. Legitimationskarten im StbG.................................................................... 11 Schrifttum zu § 9: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 (2016); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 In der Stammfassung des StbG 1985 hatte dessen § 9 keinen Inhalt. Die Bestimmung lautete: „§ 9. (Entfällt samt Überschrift; BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 7)“. Die Erläuterungen zum Bundesgesetz vom 3. März 1983, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983) und das Gebührengesetz 1957 geändert werden, sahen vor, dass § 9 und dessen Überschrift „Erklärung“ zu entfallen haben. 2 Erst mit 1.1.2010 wurde § 9 dahingehend mit einem Regelungsgegenstand versehen, dass in Abweichung vom NAG der Aufenthalt von Fremden als Träger von Privilegien und Immunitäten nicht als Niederlassung im Sinne des StbG gilt. 3 Mit Trägern von Privilegien und Immunitäten sind Inhaber sogenannter „Legitimationskarten“, die vom Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres ausgestellt werden, gemeint. Sie werden 128

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Mitarbeitern internationaler Organisationen sowie ausländischer Vertretungsbehörden und deren Familienangehörigen erteilt. Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegen- 4 heiten kann gemäß § 95 FPG durch Verordnung für Angehörige jener Personengruppen, die in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages oder auf Grund des Bundesgesetzes über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl 677/1977, Privilegien und Immunitäten genießen, zum Zwecke der Legitimation Lichtbildausweise vorsehen, aus denen die Identität, die Staatsangehörigkeit und die Funktion des Inhabers zu ersehen sind (Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten). Anders als bei Aufenthaltstiteln und Dokumentationen nach dem 5 NAG ist ihre Ausstellung aus völkerrechtlichen Gründen nicht an ein komplexes Erteilungsverfahren geknüpft, sondern erfolgt sehr rasch und unkompliziert.

II.  Legitimationskarten im NAG Während sich im NAG gleich aus mehreren Bestimmungen ableiten 6 lässt, dass der Aufenthalt mit Legitimationskarte Niederlassungsqualität hat, wurde dies im StbG explizit ausgeschlossen (vgl dazu unten III.). Im NAG sind Personen mit Legitimationskarten gemäß § 21 Abs 2 Z 2 7 zur Antragstellung im Inland berechtigt und verfügen – im Gegensatz zu fast allen anderen Erstantragstellern – gemäß § 21 Abs 6 sogar über ein (über den erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalt hinausgehendes) Bleiberecht während der Dauer des Verfahrens (vgl auch VwGH 10.11.2010, 2010/22/0162). Der Aufenthalt zwischen dem Ablauf der zur Niederlassung in Österreich berechtigenden Legitimationskarte und der Erteilung des Aufenthaltstitels ist in Fällen der Antragstellung nach § 21 Abs 2 Z 2 NAG rechtmäßig, wobei ein Ausspruch hierüber gemäß § 20 Abs 2 NAG gesetzlich nicht vorgesehen ist (Verwaltungsgericht Wien 3.8.2015, VGW-151/082/6405/2015). Aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien vom 3.8.2015, 8 VGW-151/082/6405/2015 ergibt sich unter Hinweis auf VwGH 24.4.2014, Ro 2014/01/0003, dass ein Aufenthalt mit Legitimationskarte im Anwendungsbereich des NAG als Niederlassung zählt. 129

§ 9

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Nach § 44 Abs 2 NAG kann in den Ruhestand versetzten ehemaligen Trägern von Privilegien und Immunitäten eine „Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit“ erteilt werden, wodurch uE ebenfalls zum Ausdruck kommt, dass ihr Aufenthalt mit Diplomatenstatus als Niederlassung gilt, der durch die weitere Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung konsequent weiter geführt wird. 9 § 45 NAG regelt die Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“, der eine fünfjährige ununterbrochene Niederlassung erfordert. Obwohl sich dies dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnehmen lässt, besteht in der Praxis kein Zweifel daran, dass auch Legitimationskarteninhaber als niedergelassen iSd § 45 NAG gelten, sodass Diplomaten und deren Familienangehörige nach fünfjährigem ununterbrochenem Aufenthalt mit Legitimationskarten ein „Daueraufenthalt – EU“ ausgestellt wird, wenn sie die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des NAG erfüllen und einen Deutschnachweis auf dem Niveau B1 erbringen können. Die Erteilung des Daueraufenthaltstitels scheitert allerdings dort, wo die Legitimationskarten nicht unmittelbar anschließend aneinander ausgestellt wurden und daher Lücken in der Gültigkeitsdauer vorliegen (vgl dazu unter III.). 10 Letztlich ergibt sich auch aus den zitierten EB zu BGBl I 122/2009 zweifelsfrei, dass der Aufenthalt mit Legitimationskarte im NAG als Niederlassung gilt.

III.  Legitimationskarten im StbG 11 Demgegenüber gilt nach § 9 StbG der Aufenthalt mit Legitimationskarte in dessen Anwendungsbereich nicht als Niederlassung (vgl dazu auch die Kommentierung zu § 10, II.A.3.), wohl aber als rechtmäßiger Aufenthalt (zB VwGH 24.4.2014, Ro 2014/01/0003, s Kommentierung zu § 10, II.A.2.). 12 Legitimationskarteninhaber können sich daher nicht auf den Verleihungstatbestand des § 10 Abs 1 Z 1 StbG berufen, wenn sie nicht auch über Niederlassungszeiten in der Vergangenheit verfügen. In der Praxis weichen sie daher vielfach auf andere Tatbestände aus, wo keine Niederlassungszeit gefordert wird, so insbesondere § 11a Abs 6 StbG bzw liegen eventuell andere Verleihungstagbestände wie vor allem § 11a Abs 1 StbG (Ehe mit Österreicher) oder außerordentliche Leistungen (§ 10 Abs 6 StbG) vor. 130

Erwerb der Staatsbürgerschaft

§ 9

Für § 10 Abs 1 Z 1 StbG kann die Zeit mit Legitimationskarte hingegen nur für jene fünf von zehn Jahren, in denen keine Niederlassung nachgewiesen werden muss, berücksichtigt werden. Rspr zu § 9 StbG idgF gibt es bisher weder vom VwGH oder den Ver- 13 waltungsgerichten noch vom VfGH. Eine Judikaturrecherche lieferte lediglich falsch-positive Treffer zum alten § 9 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949. Judikatur zu Legitimationskarten gibt es zwar im Bereich des Staats- 14 bürgerschaftsrechts, jedoch wird dort nur mehrfach betont, dass der Aufenthalt als rechtmäßiger zählt und Lücken zu einer Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts führen können. Inhaber von Legitimationskarten haben trotz der herrschenden Praxis 15 des Außenministeriums, diese auch problemlos nach Ablauf der Gültigkeit der letzten Legitimationskarte auszustellen, darauf zu achten, dass es zu keinen Lücken in der Bescheinigung ihres rechtmäßigen Aufenthalts kommt, um dem Erfordernis des ununterbrochenen Aufenthalts iSd § 10 Abs 1 Z 1 zu entsprechen. Legitimationskarten können nicht mit rückwirkender Gültigkeitsdauer ausgestellt werden. Verspätete Ausstellungen führen daher zu einer Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Eine explizite Ausnahme besteht nur für Personen, die im Anschluss an eine Legitimationskarte rechtmäßig im Inland einen Aufenthaltstitel nach dem NAG beantragen (vgl § 21 Abs 2 Z 2 iVm Abs 6 NAG). Der Aufenthalt zwischen dem Ablauf der zur Niederlassung in Österreich legitimierenden Legitimationskarte und der Erteilung des Aufenthaltstitels ist in Fällen der Antragstellung nach § 21 Abs 2 Z 2 NAG rechtmäßig, wobei ein Ausspruch hierüber gemäß § 20 Abs 2 NAG gesetzlich aber nicht vorgesehen ist (Verwaltungsgericht Wien 3.8.2015, VGW-151/082/6405/2015). Unrechtmäßig ist der Aufenthalt hingegen, wenn keine Antragstellung 16 nach § 21 Abs 2 Z 2 NAG erfolgt. Auch aus dem Umstand, dass im Zeitraum zwischen Ablauf einer Legi- 17 timationskarte und Ausstellung einer weiteren bzw zwischen Ablauf der Karte und Ausstellung eines Visums aufenthaltsbeendigende Maßnahmen gegen den Einbürgerungswerber nicht gesetzt wurden, lässt sich nicht auf einen rechtmäßigen Aufenthalt schließen (VwGH 29.5.2013, 2012/01/0094 unter Hinweis auf VwGH 15.3.2010, 2008/01/0767, 16.12.2009, 2008/01/0131). Vgl dazu auch Verwaltungs131

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gericht Wien 3.8.2015, VGW-151/082/6405/2015, wonach einer analogen Anwendung des § 20 Abs 2 erster Satz NAG auf Legitimationskarten nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Wien entgegensteht, dass keine Gesetzeslücke für einen Analogieschluss vorliegt, weil dem Gesetzgeber das Bestehen anderer Rechte zum Aufenthalt im Bundesgebiet offensichtlich bewusst war, ohne dass diese in den § 20 Abs 2 NAG einbezogen wurden, während zugleich in § 21 Abs 2 Z 2 NAG eine auf diese Rechte zum Aufenthalt abstellende Regelung sehr wohl getroffen wurde. 18 Mangels Erfüllung der Ausnahme des § 29 FPG (bzw des § 1 Abs 2 Z 2 NAG) richtet sich die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Fremden im Bundesgebiet nach § 31 FPG, sodass der ehemals eine Legitimationskarte besitzende Fremde sich während dieses Zeitraumes nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (vgl VwGH 24.4.2014, Ro 2014/01/0003), es sei denn es besteht eine andere Grundlage für einen rechtmäßigen Aufenthalt, wie zB ein visumfreier Aufenthalt: nach Rechtsansicht der Europäischen Kommission gilt für Personen, die grundsätzlich zur visumfreien Einreise berechtigt sind, jedoch im Besitz eines Visums C oder D, aber auch eines Aufenthaltstitels waren, dass die visumfreie Frist innerhalb eines Halbjahres erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums bzw des Aufenthaltstitels zu laufen beginnt, da in solchen Fällen der grundsätzlich visumfreie Drittausländer die Visumfreiheit nicht konsumiert hat und der Aufenthalt auf Basis eines Visums oder eines Aufenthaltstitels nicht in die Berechnung der visumfreien Frist miteingerechnet werden darf. Dies hat uE auch für Legitimationskarteninhaber zu gelten. 19 Eine explizite Regelung, dass eine rechtzeitige Beantragung einer weiteren Legitimationskarte vor Ablauf der alten zu einem rechtmäßigen Aufenthalt führt, gibt es nicht. Daher sollte uE eine Analogie zu § 24 NAG und § 8 Abs 4 AsylG 2005 gezogen werden, da ein Betroffener, der rechtzeitig den Antrag auf Verlängerung stellt, selbst keinen Einfluss auf die Verfahrensdauer bei der Behörde hat und sein rechtmäßiger Aufenthalt damit ohne sein Verschulden plötzlich unrechtmäßig würde. Auch wäre eine Schlechterstellung völkerrechtlich privilegierter Personen gegenüber Aufenthaltsberechtigten nach dem NAG uE sachlich nicht nachvollziehbar. 20 Es ist kritisch zu hinterfragen, ob es sachlich gerechtfertigt ist, dem Aufenthalt mit Legitimationskarte die Niederlassungsqualität für den 132

Erwerb der Staatsbürgerschaft

§ 9

Bereich des StbG pauschal abzusprechen. Dies insbesondere, wenn man bedenkt, dass Träger von Privilegien und Immunitäten sich häufig für mehrere Jahre oder überhaupt bis ins Pensionsalter in Österreich niederlassen. Diese Form der tatsächlichen Niederlassung ist nicht mit einem etwa vorübergehenden Aufenthalt als Au-Pair, Sozialdienstleistender, Rotationsarbeiter oder Betriebsentsandter zu vergleichen. Ebenso wenig ist der Aufenthalt jenem als subsidiär Schutzberechtigten gleichzusetzen, wo der Betroffene unter dem permanenten Risiko des Wegfalls der Voraussetzungen für seinen Schutzstatus aufgrund einer Änderung der Umstände im Heimatstaat lebt. Vgl dazu auch die Kommentierung § 10 StbG, I.A.3. Auch rechtshistorisch ist die Einschränkung in § 9 StbG nicht argu- 21 mentierbar. Das BMeiA regte iZm der Novelle BGBl I 2006/37 an, einerseits in § 10 Abs 1 Z 1 den Zusatz „oder wenn er seit mindestens zehn Jahren die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Lichtbildausweises für Träger von Privilegien und Immunitäten (§ 95 FPG) erfüllt“ aufzunehmen und andererseits § 16 Abs 1 Z 2 lit c wie folgt zu formulieren: „dieser die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Lichtbildausweises für Träger von Privilegien und Immunitäten (§ 95 FPG) erfüllt“ [Stellungnahme (29/SN-340/ME XXII. GP)]. Dass vor diesem Hintergrund in den EB zu BGBl I 2009/122 ange- 22 merkt wird, § 9 entspreche „auch einer Anregung des BMeiA“, ist uE nicht nachvollziehbar. Gemäß § 16 Abs 1 Z 2 lit c StbG ist auch die Erstreckung der Staatsbür- 23 gerschaft auf Ehegatten möglich, die Inhaber von Legitimationskarten sind. IZm § 16, wonach die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden unter den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3 auf seinen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu erstrecken ist, wenn sich dieser nach Z 1 seit mindestens sechs Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält, stellt sich die Rechtsfrage, ob § 16 für Ehegatten von Inhabern eines Lichtbildausweises für Träger von Privilegien und Immunitäten praktisch keine Anwendung hat („totes Recht“) – dies vor dem Hintergrund von § 16 Abs 1 Z 2 und § 18, wonach die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden darf.

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Verleihung § 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn 1. er sich seit mindestens zehn Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war; 2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist; 3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist; 4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist; 5. durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden; 6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet; 7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann und 8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde. 134

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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(1a) Eine gemäß Abs. 1 Z  2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Eine gemäß Abs. 1 Z  2 oder 3 maßgebliche Verurteilung liegt vor, wenn sie wegen einer Jugendstraftat erfolgt. (1b) Nicht zu vertreten hat der Fremde seinen nicht gesicherten Lebensunterhalt insbesondere dann, wenn dieser auf einer Behinderung oder auf einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit beruht, wobei dies durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen ist. (2) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn 1. bestimmte Tatsachen gemäß §  53 Abs. 2 Z  2, 3, 5, 8, 9 und Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen; § 53 Abs. 5 FPG gilt; 2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen §  37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl.  I Nr.  120/1997, §  366 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§ 81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl.  I Nr.  100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr.  435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt; 3. gegen ihn ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist; 4. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht; 5. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht; 6. gegen ihn das mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG einhergehende Einreiseverbot weiterhin aufrecht ist oder gegen ihn in den letzten 18 Monaten eine Ausweisung gemäß § 66 FPG rechtskräftig erlassen wurde oder 135

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7. er ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. (3) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er 1. die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterläßt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind oder 2. auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt. (4) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z 1, dem Verleihungshindernis nach Abs. 2 Z 2 sowie in den Fällen der Z 2 auch des Abs. 3 ist abzusehen. 1. bei einem Fremden mit Aufenthalt im Bundesgebiet, der durch mindestens zehn Jahre die Staatsbürgerschaft ununterbrochen besessen und diese auf andere Weise als durch Entziehung (§§ 32 bis 34) verloren hat; 2. bei einem Fremden, der vor dem 9. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie hatte oder staatenlos war, seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatte und sich damals deshalb in das Ausland begeben hat, weil er Verfolgung durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Einsatzes für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche mit Grund zu befürchten hatte. (5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z  7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Ge136

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bietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des §  293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr.  189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in §  292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß §  291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes – KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert. (6) (Verfassungsbestimmung) Die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 7 sowie des Abs. 3 entfallen, wenn die Bundesregierung bestätigt, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt. (7) Die Bundesregierung kann über Vorschlag des Bundesministers für Inneres eine Verordnung erlassen, mit der nähere Bestimmungen über das Verfahren zur Erlangung einer Bestätigung der Bundesregierung in Verfahren gemäß Abs. 6 festgelegt werden. [idF BGBl I 2014/104] EB zu BGBl 250/1965 Zu § 11 [nunmehr § 10]: Die bisher gewonnenen Erfahrungen lassen es für notwendig erscheinen, die Bedingungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft auszubauen und zu verschärfen. Hiebei wurden – im Gegensatz zum geltenden Gesetzestext – übersichtshalber alle materiellrechtlichen Verleihungsbedingungen in zwei Absätzen zusammengefaßt. Diese Bedingungen müssen kumulativ erfüllt sein.

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Zu Abs 1 Z 6: Diese Bestimmung, die ihre Wurzeln im § 27 des Verbotsgesetzes 1947, weiters im §  4 Abs. 2 des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949 und schließlich im § 2 Abs. 1 lit. e des bereits erwähnten Bundesgesetzes vom 2. Juni 1954, BGBl. Nr. 142, betreffend den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Volksdeutsche, hat, will verhindern, daß die Staatsbürgerschaft Fremden verliehen wird, die zur Republik Österreich nicht bejahend eingestellt sind oder sogar eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilden. Die Landesregierungen, denen die Verleihung der Staatsbürgerschaft obliegt, werden aber die Einstellung zur Republik und die Frage, ob eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gegeben ist, im einzelnen Fall nach konkreten Tatsachen beurteilen müssen, wobei die zuständigen Sicherheitsbehörden wertvolle Amtshilfe leisten werden. Zu Abs 1 Z 8: Diese Bestimmung wurde im wesentlichen als bewährt dem § 5 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 entnommen. Neu ist aber, daß nicht nur – wie bisher – die Beziehungen des Verleihungsbewerbers zu seinem bisherigen oder früheren Heimatstaat, sondern seine Beziehungen zu fremden Staaten schlechthin für die Beurteilung seiner Einbürgerungswürdigkeit maßgebend sein sollen. Denn es ist nicht einzusehen, warum die für die Republik Österreich nachteiligen Beziehungen eines Fremden nur dann die Verleihung ausschließen sollen, wenn es sich um seinen bisherigen oder früheren Heimatstaat, nicht aber einen anderen fremden Staat handelt. Entscheidend kann doch nur sein, ob der Fremde mit einem fremden Staat in solchen Beziehungen steht, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigt. EB zu BGBl I 124/1998 Zu Z 3 (§ 10 und § 10a): Das Verleihungshindernis in Abs. 1 Z 2 wird insofern verschärft, als künftighin eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten zu – bedingter oder unbedingter – Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten ein Verleihungshindernis darstellen wird. Der letzte Halbsatz in Z 2 kann entfallen, die für Jugendstraftaten erforderliche Klarstellung findet sich im zweiten Satz des Abs. 2. Außerdem werden die Verleihungshindernisse in Abs. 1 Z 2 und 4 lit. a aneinander angeglichen: Durchwegs soll es auf die Verhängung oder Bedrohung mit Freiheitsstrafe ankommen. Das Verleihungshindernis des anhängigen Strafverfahrens gilt nur während der Dauer des Verfahrens. Die Behörde hat – wenn absehbar ist, daß das Verfahren einem Ende zugeführt wird – mit ihrer Entscheidung zuzuwarten. Wird der Betroffene freigesprochen oder das Verfahren eingestellt, fällt das Verleihungshindernis unverzüglich weg. Außerdem wurde die bisher in § 10 Abs. 1 Z 2 lit. a und b bestehende Differenzierung zwischen „allgemeinen“ Vorsatztaten und Finanzvergehen dadurch beseitigt, daß nunmehr auch eine Bestrafung wegen Finanzvergehens nur dann maßgeblich sein soll, wenn sie mit mehr als dreimonatiger Freiheitsstrafe erfolgt.

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Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Der Änderungsvorschlag in Abs. 1 Z 5 nimmt darauf Bedacht, daß nicht nur ein bestehendes Aufenthaltsverbot ein Verleihungshindernis darstellen soll. Die jeweilige Staatsbürgerschaftsbehörde hat auch ein anhängiges Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung (§§ 33 ff FrG) in Erfahrung zu bringen, und – sollte ein solches Verfahren anhängig sein – dieses Verleihungshindernis zu berücksichtigen. Es kann sich hiebei sowohl um ein Verfahren handeln, das mit einem Aufenthaltsverbot, als auch um ein solches handeln, das mit einer Ausweisung des Fremden endet. Ist das Aufenthaltsverbot durchsetzbar, steht der Verleihung der Staatsbürgerschaft Z  5 entgegen. Bei der Ausweisung kommt es darauf an, ob diese durchgesetzt wird. Wird die Ausweisung effektuiert, fällt eine der Verleihungsvoraussetzungen, nämlich der Hauptwohnsitz weg, es besteht sohin ein Verleihungshindernis. Wird die Ausweisung nicht durchgesetzt, stellt sie auch kein Verleihungshindernis dar. Ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung ist ab jenem Zeitpunkt anhängig, ab dem die Absicht der Behörde, es durchzuführen, in die Außenwelt tritt, etwa indem ein Ladungsbescheid ergeht oder eine Einvernahme (Partei oder Zeuge) erfolgt. Die Einfügung der lit. b in Abs. 1 Z 6 soll nicht bloß die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, sondern sämtliche Schutzgüter des Art. 8 Abs. 2 EMRK vor Gefährdung zu bewahren. Die Änderung der lit. a in „Öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ dient der Klarstellung, daß der gesamte Komplex der Sicherheitspolizei des Bundes (Art. 10 Abs. 1 Z  7 B-VG) umfaßt ist, gleichgültig, ob es sich im Einzelfall um eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit handelt. So wie bisher (Erk. des VwGH vom 20. 5. 1994, 92/01/953 = ZfVB 1438/1995) kann für die Beurteilung der Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit auch auf bereits getilgte Verurteilungen wegen einer Straftat zurückgegriffen werden. Demnach ändert in diesen Fällen an der Beurteilung des Sachverhaltes eine gnadenweise Tilgung nichts, weshalb sie insbesondere dann nicht erforderlich ist, wenn die Verurteilung keinen Rückschluß auf den Versagungstatbestand der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit trägt. Die Wortfolge „oder das Ansehen“ in Abs. 1 Z 8 kann entfallen, da die Gesamtinteressen der Republik bereits in Z  6 lit. b Berücksichtigung finden und Redundanz vermieden werden soll. Der neu eingefügte Abs. 2 nimmt auf die Bestimmungen des Tilgungsgesetzes, BGBl. Nr. 68/1972, insbesondere der §§ 1 und 6 Bedacht. Dies ist deshalb erforderlich, weil gerichtliche Verurteilungen von mehr als drei Monaten aber weniger als sechs Monaten Freiheitsstrafe gemäß § 6 Abs. 3 TilgG zunächst in jeglicher Strafregisterauskunft aufscheinen, nach Ablauf von drei Jahren aber der beschränkten Auskunft unterliegen. Die Staatsbürgerschaftsbehörde soll in Vollziehung des Abs. 1 Z 2 und 3 in keinem Fall gehalten sein, Nachforschungen über die Strafregisterauskunft hinaus anzustellen oder gar dem Staatsbürgerschaftswerber gnadenweise Tilgungen nahezulegen. Mit der Änderung in Abs. 3 soll der Behörde eine individuellere Vorgangsweise ermöglicht werden: Künftighin kann auch einem Asylberechtigten ein Zusicherungsbescheid erteilt werden, die Möglichkeit/Zumutbarkeit des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband soll das einzig maßgebliche Kriterium sein. Einem Asylberechtigten wird grundsätz-

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lich der Nachweis des Ausscheidens aus seinem bisherigen Staatsverband unzumutbar sein, da die Definition des Art. 1 lit. a Abs. 1 der Genfer Konvention von der Unmöglichkeit oder dem fehlenden Willen des Flüchtlings ausgeht, sich dem Schutz seines Herkunftsstaates auf Grund begründeter Furcht vor Verfolgung zu unterstellen. Es kommt jedoch immer wieder vor, daß Staatsbürgerschaftsverfahren mit Fremden zu führen sind, die zwar im Sinne des Gesetzes asylberechtigt sind, bei denen aber ein Endigungsgrund (Art. 1 Abschnitt C GFK) vorliegt. In einem solchen Fall mußte auf Grund der bisherigen Rechtslage dem Staatsbürgerschaftsverfahren ein Aberkennungsverfahren vorgeschaltet werden, um dem Fremden die zumutbare Verpflichtung aufzuerlegen, die für das Ausscheiden aus dem Staatsverband erforderlichen Handlungen zu setzen. In solchen Fällen kann nunmehr ohne Verfahren gemäß § 14 AsylG ein Zusicherungsbescheid ergehen. Einem Fremden kann die Staatsbürgerschaft auch ohne Zusicherungsbescheid (ohne zusätzliche zweijährige „Wartefrist“) verliehen werden, wenn er bereits alle ihm möglichen und zumutbaren Handlungen zum Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband gesetzt hat. Abs. 4 Z 1 schlägt vor, daß unbegleiteten Minderjährigen die Staatsbürgerschaft aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund bereits nach einer Wartefrist von vier Jahren verliehen werden kann. Der Hinweis auf die Unbegleitetheit der Minderjährigen ist deshalb von Relevanz, da bei den Bestimmungen zur Erstreckung der Staatsbürgerschaft von Eltern auf ihre Kinder (§ 17) durch den Novellierungsvorschlag keine Änderungen vorgenommen werden sollen. Eine Erstreckung von Eltern auf ihre minderjährigen Kinder wird nach wie vor unter den in §  17 genannten Voraussetzungen ohne Wartefrist möglich sein. Bei Erwachsenen beträgt die Mindestwartefrist für die Einbürgerung aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen grundsätzlich sechs Jahre, es sei denn, der Fremde fällt in eine der Ausnahmegruppen des Abs. 5 Z 4 und 5. Abs. 4 Z 2 nimmt Bedacht auf die spezifische Situation von Menschen, die als Nachfahren von Bürgern der Donaumonarchie vor 1945 zwar nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen, aber ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatten und auf Grund des Naziregimes ihre Heimat Österreich, deren Staatsbürger sie zu diesem Zeitpunkt nicht waren, verlassen mußten. Diesen Menschen kann die Staatsbürgerschaft ohne Einhaltung von Wartefristen auf Antrag verliehen werden. Der eingefügte Abs. 5 soll der einheitlichen Vollziehung des Gesetzes insofern dienlich sein, als nunmehr einzelne besonders berücksichtigungswürdige Gründe demonstrativ genannt werden. Diese berücksichtigungswürdigen Gründe können einerseits im – besonders integrationsgeneigten – Status des Fremden liegen (EWR-Staatsangehöriger, Asylberechtigung), andererseits in der bereits erfolgten Integration ihre Grundlage haben. Der Entwurf geht davon aus, daß bei einer Durchschnittsbetrachtung EWR-Bürger, die ihren Hauptwohnsitz seit vier Jahren im Bundesgebiet haben, auf Grund der sozialen und kulturellen Nähe im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses ein solches Maß an Integration erfolgt ist, daß damit keine Verletzung des sich aus dem Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr.

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390/1973, in Verbindung mit Art. 7 B-VG ergebenden Gleichbehandlungsgebotes erfolgt. Z 4 normiert, daß sowohl Asylberechtigten gemäß AsylG 1997 als auch all jenen, die in § 44 Abs. 6 Asylgesetz 1997 genannt sind, bereits nach einer Wartefrist von vier Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden kann. Nicht unter diese privilegierte Gruppe fallen jene Fremden, die eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß §  15 AsylG 1997 haben. Der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration wird dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (zB Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (zB unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist (zB Familie lebt mit dem Fremden in Österreich, Kinder besuchen die Schule usw.). Die Änderung in Abs. 6 (Verfassungsbestimmung) nimmt Bezug darauf, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft infolge Bestätigung der Bundesregierung nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erfolgen soll. Es wird daher vorgeschlagen, daß nunmehr die Verleihung im besonderen Interesse der Republik liegen muß. Eine – auch demonstrative – Aufzählung der Gebiete, in denen die Leistungen zu erbringen sind, erübrigt sich daher. Außerdem wird nunmehr als Voraussetzung gefordert, daß der Fremde bereits außerordentliche Leistungen erbracht hat und künftighin solche zu erwarten sind. Diese – sowohl in die Vergangenheit blickende als auch in die Zukunft gerichtete – Zielsetzung soll Erfahrungswerte und Prognose sicherstellen. […] EB zu BGBl I 37/2006 Zu Z 1 (§ 10 Abs. 1): Abs. 1 regelt, ab wann und unter welchen Voraussetzungen einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden kann (Verleihungsvoraussetzungen), während Abs. 2 absolute Verleihungshindernisse normiert. Bei Vorliegen eines der genannten Verleihungshindernisse darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden. Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 – mit Ausnahme der Frist nach Abs. 1 Z 1 und in manchen besonderen Fällen der Ausschlussgründe des Abs. 2 Z 2 – müssen bei jeder Verleihung der Staatsbürgerschaft gegeben sein. Sie bilden somit das systematische Grundgerüst, auf dem jede Staatsbürgerschaftsverleihung aufbaut. Ergänzt wird dieses Grundgerüst durch die Klarstellung, was unter hinreichender Sicherung des Lebensunterhalts zu verstehen ist, und die Nachweise nach § 10a. Nach Abs. 1 Z 1 muss der Staatsbürgerschaftswerber mindestens zehn Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und in dieser Zeit zumindest fünf Jahre niedergelassen sein. Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt siehe § 15. Es zählen dazu vor allem Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 NAG. Ob ein Staatsbürgerschaftswerber niedergelassen ist, ergibt sich aus den einschlägigen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, im Besonderen aus § 2 Abs. 2 NAG. So gelten die Zeiten des Aufenthalts auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung ausdrücklich nicht als

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Niederlassung (§ 2 Abs. 3 NAG). Zur Niederlassung benötigt der Staatsbürgerschaftswerber entweder einen Aufenthaltstitel nach dem 2. Teil 1. bis 3. Hauptstück des NAG oder er muss sich als EWR- oder Schweizer Bürger oder als Angehöriger eines freizügigkeitsberechtigten EWR- oder Schweizer Bürgers im Sinne der §§ 51 NAG rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen haben (2. Teil, 4. Hauptstück des NAG). Z 2 und Z 3 entsprechen den bisherigen Z 2 und 3, mit der Ausnahme, dass vorgeschlagen wird, jede gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe als Verleihungshindernis vorzusehen. Der Entwurf geht – unter Bedachtnahme auf die Möglichkeit einer diversionellen Erledigung oder einer Geldstrafe – davon aus, dass es nur dann zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe kommt, wenn es sich nicht um ein erstes Bagatelldelikt handelt. Hat der Staatsbürgerschaftswerber aber durch mehrere Delikte im Bereich der Kleinkriminalität oder durch schwerwiegendere Erstdelikte schädliche Neigungen erkennen lassen, so bedarf es weiterer Beobachtung vor dem Abschluss der Integration in die österreichische Rechtsgemeinschaft. Getilgte Strafen stehen einer Verleihung gemäß Abs. 1a nicht entgegen. Ausländische Verurteilungen stehen einer Verleihung nur dann entgegen, wenn die dem Urteil zu Grunde liegende Handlung auch nach österreichischem Recht gerichtlich – und sei es auch nach Nebenstrafrecht – strafbar ist und das Verfahren den Grundsätzen des Art. 6 EMRK genügt hat. Z 4 entspricht der bisherigen Z 4: Das Verleihungshindernis besteht nur für die Dauer des Verfahrens. Ist die Dauer des Verfahrens abzusehen, ist – wie schon bisher – mit der Entscheidung zuzuwarten. Z 5 soll Einbürgerungen hintanhalten, wenn dies zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich führt. Das Hindernis wird jedenfalls nicht vorliegen, wenn der Staatsbürgerschaftswerber lediglich sein Recht auf Meinungsfreiheit nach Art. 10 Abs. 1 EMRK ausgeübt hat. Hingegen kann Z 5 etwa zur Anwendung kommen, wenn es durch den Staatsbürgerschaftswerber zu einem Verstoß gegen § 317 StGB gekommen ist – der nicht mit einer Freiheitsstrafe geahndet wurde – und als dessen Folge die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich führen würde. Weiters unbeachtlich sind Tatsachen, die nicht in die Sphäre des Staatsbürgerschaftswerbers reichen, etwa wenn die Beziehungen zu einem Staat oder einer internationalen Organisation nur deshalb wesentlich beeinträchtigt werden würden, weil einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen wird, der einer bestimmten Volksgruppe, die der andere Staat verfolgt, angehört. Eine solche Auslegung verbietet sich schon alleine im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz vom 3. Juli 1973 zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung. Nach Z 6 ist die Verleihung nur zulässig, wenn das bisherige Verhalten des Staatsbürgerschaftswerbers Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit sowie keine Gefährdung für das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Gesundheit, der Moral oder der Rechte und Freiheiten anderer darstellt (vgl. Art. 8 Abs. 2 EMRK). Bei einem unbescholtenen Menschen wird im Regelfall

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davon auszugehen sein, dass er keine gegenständliche Gefahr darstellt; ansonsten wird die Gefahr nur dann gegeben sein, wenn zwar keine der in Abs. 2 genannten Hinderungsgründe und die in Abs. 1 genannten Erteilungsvoraussetzungen vorliegen, aber in mehreren Fällen die Verleihungshindernisse gerade nicht schlagend wurden. Ob die Voraussetzungen der Z  6 vorliegen, wird vor allem im Lichte des § 11 zu beurteilen sein. Zum hinreichend gesicherten Lebensunterhalt nach Z 7 siehe Abs. 5. Z  8 entspricht der bisherigen Z  8. Im Gegensatz zur Z  5 kommt es unter Umständen zu keiner oder keiner relevanten Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich. Allein die Interessen Österreichs stehen hier im Vordergrund. Zu Z 2 (§ 10 Abs. 1a und 2): Der bisherige Abs. 2 soll als Abs. 1a weiter gelten. Es kommt hier zu keiner inhaltlichen Veränderung. In Abs. 2 sind absolute Hinderungsgründe für die Verleihung der Staatsbürgerschaft normiert. Gemäß Abs. 2 Z 1 darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn bestimmte, taxativ aufgeführte Tatsachen vorliegen, die gemäß § 60 FPG die Annahme rechtfertigen, dass der durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft perpetuierte Aufenthalt des Staatsbürgerschaftswerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Diese Tatsachen sind in § 60 Abs. 2 Z 4 bis 6, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG angeführt. Selbst wenn ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden konnte, etwa weil es gegen Art. 8 EMRK verstoßen hätte, liegt ein Einbürgerungshindernis vor, wenn erwiesen ist, dass die „bestimmten Tatsachen“ im Sinne der genannten Bestimmungen vorliegen. Selbstverständlich sind getilgte Verurteilungen (siehe Tilgungsgesetz 1972) und getilgte Bestrafungen wegen relevanter Verwaltungsübertretungen (siehe § 55 Abs. 1 VStG) unbeachtlich. Ein Verleihungshindernis nach Abs. 2 Z 2 ist des Weiteren die mindestens zweimalige rechtskräftige – noch nicht getilgte – Bestrafung wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung. Die in Betracht kommenden Verwaltungsübertretungen sind im Entwurf demonstrativ aufgezählt, selbstverständlich kommen jedoch auch Verwaltungsübertretungen nach landesgesetzlichen Bestimmungen in Betracht, soweit es sich um schwerwiegende Übertretungen mit besonderem Unrechtsgehalt handelt. Der Unrechtsgehalt einer Tat besteht bei einem Vorsatzdelikt aus einem objektiven und einem subjektiven Tatbestand, bei einem Fahrlässigkeitsdelikt aus einem einheitlichen Tatbestand (siehe dazu etwa Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 [2003] Rz 725). Von einem besonderen Unrechtsgehalt wird also dann auszugehen sein, wenn die Tat nicht nur das verbotene Tun verwirklicht, sondern erheblich überschreitet. Ebenso wird diese Voraussetzung vorliegen, wenn die Tat unter besonders gefährlichen Umständen – etwa mit einer abstrakten Gefährdung mehrerer Personen einhergehend – erfolgt. Ist lediglich Fahrlässigkeit gefordert, wird eine besondere Rücksichtslosigkeit für das Vorliegen der Voraussetzung sprechen oder, wenn bedingter Vorsatz nötig ist, Absichtlichkeit.

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Ein anhängiges Verfahren der Aufenthaltsbeendigung steht gemäß Z 3 des Entwurfs bis zum Abschluss des Verfahrens der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegen; das Verleihungshindernis besteht nur für die Dauer des Verfahrens. Ist die Dauer des Verfahrens abzusehen, ist mit der Entscheidung zuzuwarten. Siehe zu einer ähnlichen Problematik Abs. 1 Z 4. Ein Aufenthaltsverbot nach Z 4 besteht von der Rechtskraft bis zu dessen Ablauf, also bis das Aufenthaltsverbot jegliche Wirkung verliert, bis zur Aufhebung nach § 68 AVG, bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 AVG oder bis zur Behebung durch ein Höchstgericht. Ein durchsetzbares, aber noch nicht rechtskräftiges Aufenthaltsverbot ist noch nicht als aufrechtes Aufenthaltsverbot zu verstehen; hier greift allerdings Z 3. Dem Aufenthaltsverbot nach § 60 FPG ist ein vor dem 1. Jänner 2006 verhängtes Aufenthaltsverbot – etwa nach dem FrG – gleichzuhalten (§ 125 Abs. 3 FPG). Diesem Ausschlussgrund steht eine Beschwerde bei einem Höchstgericht gegen ein solches Aufenthaltsverbotes entgegen, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung im FPG keine Deckung finden (§ 125 Abs. 4 FPG). Einem Staatsbürgerschaftswerber kann die Staatsbürgerschaft auch nicht verliehen werden, wenn gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWRStaates (Z 5) besteht oder gegen ihn in den letzten zwölf Monaten eine Ausweisung nach § 54 FPG rechtskräftig erlassen wurde (Z 6). Zum Bestehen des Aufenthaltsverbots siehe die Ausführungen zu Z 4. Z 7 orientiert sich an § 11 Abs. 4 Z 2 NAG. Im Bereich des Staatsbürgerschaftsgesetzes soll ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppe dann ein Hinderungsgrund von der Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellen, wenn extremistische oder terroristische Aktivitäten von der Gruppe nicht ausgeschlossen werden können, selbst dann, wenn der Staatsbürgerschaftswerber mit keiner konkreten Aktivität in Verbindung gebracht werden kann. Ein Naheverhältnis liegt bei Personen vor, die – neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen – (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind. Zu Z 3 (Einleitungssatz zu § 10 Abs. 4): Der Entwurf geht davon aus, dass ehemalige Österreicher, die die Staatsbürgerschaft anders als durch Entziehung verloren haben, eine bevorzugte Einbürgerung genießen sollen. Die Regelung soll vor allem Anwendung beim österreichischen Ehegatten eines oder einer Fremden finden, der nach der Hochzeit dessen oder deren Staatsangehörigkeit unter Verlust der österreichischen annimmt, und bei ehemaligen Österreichern (oder Staatsangehörige eines Nachfolgestaates der österreichisch-ungarischen Monarchie), die ihren Hauptwohnsitz in Österreich hatten und durch Organe des Dritten Reichs oder der NSDAP verfolgt wurde oder zumindest Verfolgung zu befürchten hatten und sich deshalb ins Ausland begeben haben. Diesen Menschen soll die (Wieder)Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft erleichtert werden, weshalb von der in der Regel sonst vorgesehenen Aufenthalts- und Niederlassungsdauer abgesehen werden kann. Diese Personengruppen bedürfen auch keines Nachweises über die

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Kenntnis der deutschen Sprache und der Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der Geschichte der Republik Österreich und des betroffenen Bundeslandes (siehe § 10a Abs. 2 Z 1 1. Fall). Ebenso scheint es in diesen besonders berücksichtigungswürdigen Fällen angezeigt, Verwaltungsübertretungen gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 außer Acht zu lassen. Zu Z 4 (§ 10 Abs. 4 Z 1): Z  1 soll Fremden, die mindestens zehn Jahre Österreicher waren und die Staatsbürgerschaft nicht durch Entziehung verloren haben, die Wiedereingliederung in den Staatsverband erleichtern, indem auf das bisherige Erfordernis einer Wartefrist von einem Jahr verzichtet wird. Um Auslandsverfahren zu vermeiden, wird auf den Aufenthalt in Österreich abgestellt. Ansonsten entspricht die vorgeschlagene Norm dem bisherigen § 12 Z 2. Zu Z 5 (§ 10 Abs. 5): Abs. 5 definiert den hinreichend gesicherten Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) durch feste und regelmäßige Einkünfte, die aus selbständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit, Vermögen oder anderen Quellen den Lebensunterhalt des Fremden hinreichend gesichert erscheinen lassen, sodass eine Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften nicht notwendig ist. Diese Einkünfte sind für die letzten drei Jahre nachzuweisen. EB zu BGBl I 122/2009 Die Änderungen in § 10 Abs. 5 folgen der korrespondierenden Bestimmung in § 11 Abs. 5 NAG. Siehe daher die Erläuterungen zu dieser Bestimmung. Zu Z 20 (§ 11 Abs. 5) [NAG]: Der vorgeschlagene Abs. 5 normiert wie bisher, unter welchen Voraussetzungen der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führt. Entsprechend der geltenden Rechtslage sind dabei Einkünfte in der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG nachzuweisen. Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass damit lediglich ein Referenzwert festgelegt wird, nicht jedoch müssen die Betreffenden bezugsberechtigt für den ASVG Richtsatz sein. Dabei ist wie bisher der je nach der zugrundeliegenden familiären Situation in Betracht kommende Richtsatz – der für Alleinstehende oder für Ehepaare, mit oder ohne Erhöhung des Satzes für Kinder etc. – heranzuziehen. Der Zweck des Verweises des § 11 Abs. 5 auf § 293 ASVG ist, einen ziffernmäßig bestimmten Betrag zu fixieren, bei dessen Erreichung von einer Deckung der üblicherweise notwendigen Kosten der Lebensführung ausgegangen werden kann. Nicht beinhaltet in diesen Betrag sind jedoch jene Kosten und Belastungen, die über die gewöhnliche Lebensführung im Einzelfall hinausgehen, womit unterschiedlichen Lebenssachverhalten Rechnung getragen wird. Um klar zu stellen, dass diese außergewöhnlichen Kosten dem gemäß §  293 ASVG erforderlichen Betrag hinzuzählen sind, soll der zweite Satz im Abs. 5 eingefügt und damit eine Präzisierung herbeigeführt werden. Durch die demonstrative Aufzählung von „Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und

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Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen“ soll verdeutlicht werden, dass die individuelle Situation des Antragstellers oder des im Falle einer Familienzusammenführung für ihn Aufkommenden, die Höhe der erforderlichen Unterhaltsmittel beeinflusst, weshalb die tatsächliche Höhe der Lebensführungskosten als relevanter Faktor mit zu berücksichtigen ist. Diese Ausgaben sind daher wie bisher vom (Netto)Einkommen in Abzug zu bringen. Dadurch bleibt gewährleistet, dass z.B. mit besonders hoher Miete belastete Fremde von vornherein nachweisen müssen, dass sie sich die von ihnen beabsichtigte Lebensführung im Hinblick auf ihr Einkommen auch tatsächlich leisten können. Dezidiert soll nun auch festgelegt werden, dass dabei, das heißt bei der Feststellung der über die gewöhnliche Lebensführung hinausgehenden Kosten, der „Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt“ zu bleiben hat und dass dieser Betrag „zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes“ des Abs. 5 führt. Diese in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG genannte Größe entspricht dem ziffernmäßigen Betrag der freien „Station“. In Folge dessen, dass nun Mietbelastungen als regelmäßige Aufwendung das feste und regelmäßige Einkommen des Antragstellers schmälern, hat der Wert der freien Station einmalig unberücksichtigt zu bleiben („Freibetrag“). Dies bedeutet, dass letztlich nur jene Mietbelastungen oder andere in der beispielhaften Aufzählung des zweiten Satzes des Abs. 5 genannte Posten, vom im Abs. 5 genannten Einkommen in Abzug zu bringen sind, welche über dem in § 292 Abs 3 zweiter Satz ASVG genannten (Frei)Betrag liegen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass der Betrag des § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG die notwendigen Unterhaltsmittel in Höhe der in Betracht kommenden Richtsätze des §  293 ASVG dann schmälert, wenn etwa gar kein Mietaufwand anfällt. Durch die Einfügung der Haftungs- und Patenschaftserklärung im letzten Satz des Abs. 5 wird der geltenden Praxis sowie der letzten Novelle des NAG, BGBl. I Nr. 29/2009, Rechnung getragen. EB zu BGBl I 38/2011 Zu Z 1 (§ 10 Abs. 2 Z 1): Aufgrund der Neuregelungen im Bereich des FPG, die der Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. L348 vom 24.12.2008 S. 98 ff. (RückführungsRL) dienen, hat eine terminologische Anpassung dieser Bestimmung zu erfolgen. Zu Z 2 (§ 10 Abs. 2 Z 4 bis 6): In den Z 4 bis 6 erfolgen entsprechende Anpassungen aufgrund der Umsetzung der RückführungsRL im FPG. Zu Z 3 (§ 10 Abs. 4 Z 1): Aufgrund der vorgenommenen Adaptierung des § 32, muss auch diese Bestimmung redaktionell angepasst werden. Siehe die Erläuterungen zu § 32.

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EB zu BGBl I 87/2012 Zu Z 1 (§ 10 Abs. 2 Z 4 und 15 Abs. 1 Z 1): Die vorgeschlagenen Änderungen der Verweise stellen eine redaktionelle Anpassung aufgrund des Entfalles der Bestimmung des Aufenthaltsverbotes gegen Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel im FPG dar. Zu Z 2 (§ 10 Abs. 2 Z 6): Die vorgeschlagenen Änderungen der Verweise stellen eine redaktionelle Anpassung aufgrund des Entfalles der Bestimmung des Aufenthaltsverbotes gegen Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel im FPG sowie der geänderten Systematik durch die Einrichtung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dar. EB zu BGBl I 136/2013 Zu Z 5 und 6 (§ 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 1b): Die Verleihungsvoraussetzung des Abs. 1 Z 7 in Form des Vorliegens eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes soll unter Berücksichtigung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vom 1. März 2013 zu G 106/12 und G 17/13 dahingehend adaptiert werden, dass Fremde, die ihren Lebensunterhalt aus tatsächlichen von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht oder nicht im ausreichendem Maße sichern können, von der Erfüllung der Verleihungsvoraussetzung zum Nachweis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes ausgenommen sind. Durch die demonstrative Aufzählung im neuen Abs. 1b soll klargestellt werden, wann solche Gründe vorliegen, die der Fremde nicht zu vertreten hat. Inwieweit der Grad der Behinderung die Möglichkeit einer aktiven Teilnahme am Erwerbsleben einschränkt oder gar ausschließt, ist durch ein Gutachten eines Arztes nachzuweisen. Im Falle einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit ist dies auch durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Durch diese Überprüfung im Einzelfall ist gewährleistet, dass nur Personen, die aufgrund ihres Behinderungsgrades oder Krankheitsbildes tatsächlich nicht oder nur eingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen können, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahmebestimmung gelangen, unabhängig davon, welchen Grad ihre Behinderung oder die Dauer und Schwere der Krankheit in einer formal abstrakten Betrachtung erreicht. Somit wird eine spezifische Ausnahmeregelung für Personengruppen geschaffen, denen aufgrund ihrer besonders berücksichtigungswürdigen Situation der Erwerb der Staatsbürgerschaft ebenfalls möglich sein soll. Die durch das Wort „insbesondere“ angezeigte Aufzählung von Tatbeständen führt dazu, dass auch noch andere Möglichkeiten zugelassen werden und die angeführten Beispiele der Behinderung oder der schwerwiegenden Krankheit nicht als erschöpfende Aufzählung anzusehen sind. Jedoch müssen alle weiteren, nicht explizit genannten Gründe von vergleichbarem Gewicht sein. Dies bedeutet, dass sowohl der Grund als auch die Nachweisbarkeit des Grundes den angeführten Tatbeständen in ihrer Bedeutung vergleichbar sein müssen. Zu Z 7 (§ 10 Abs. 5): Der bisherige Durchrechnungszeitraum in Abs. 5 wird dahingehend adaptiert, dass zukünftig Staatsbürgerschaftswerber den hinreichend gesicherten Le-

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bensunterhalt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt nachweisen müssen. Dies stellt eine Erleichterung dar und werden durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes mehr Möglichkeiten für den Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes als bisher geschaffen. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, Härtefälle im Rahmen der Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhaltes in sachgerechter Weise zu vermeiden. Mit dieser Adaptierung des Abs. 5 soll klargestellt werden, dass die geltend gemachten Monate aus den letzten sechs Jahren beliebig vom Fremden in diesem Durchrechnungszeitraum gewählt werden können, wobei die letzten sechs Monate des sechsjährigen Zeitraumes, also die sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt, jedenfalls vom Fremden geltend zu machen sind. ­Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass die eigenen Einkünfte des Fremden ihm lediglich in den 36 geltend gemachten Monaten eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu ermöglichen haben. Dies bedeutet, dass ein vorübergehender Sozialhilfebezug in der nicht geltend gemachten Zeit der letzten sechs Jahre der Erfüllung der Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 nicht entgegensteht. Mit dem neuen letzten Satz des Abs. 5 wird festgelegt, dass der Lebensunterhalt in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Entscheidungszeitpunkt jedenfalls als hinreichend gesichert gilt, wenn in diesem Zeitraum Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes bezogen wird. Zu Z 8 (§ 10 Abs. 7): Mit dieser Regelung wird normiert, dass die Bundesregierung auf Vorschlag des Bundesministers für Inneres eine Verordnung erlassen kann, mit der nähere Bestimmungen über das formale Verfahren zur Erlangung einer Bestätigung der Bundesregierung in Verfahren zur Verleihung einer Staatsbürgerschaft gemäß Abs. 6 festgelegt werden. Dies soll vor allem der Rechtsstaatlichkeit und der besseren Nachvollziehbarkeit der formalen Verfahrensschritte auf dem Weg zu einer Entscheidung gemäß Abs. 6 dienen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Verleihungsvoraussetzungen..................................................................... 4 A. Dauer und Qualität des Aufenthalts................................................... 4 1. Allgemeines.......................................................................................... 4 2. Rechtmäßigkeit................................................................................... 16 3. Niederlassung...................................................................................... 35 4. Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts......................... 52 5. Ausnahmen zu § 10 Abs 1 Z 1 StbG................................................. 81 B. Gesicherter Lebensunterhalt................................................................ 95 1. Allgemeines.......................................................................................... 95 2. Einkünfte.............................................................................................. 99 3. Berechnungszeitraum........................................................................ 113

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4. Regelmäßige Aufwendungen............................................................ 115 5. Richtsätze des § 293 ASVG................................................................ 120 6. Berechnung des gesicherten Lebensunterhaltes............................ 128 7. Nicht hinreichend gesicherter Lebensunterhalt auf Grund einer Behinderung oder Krankheit.................................................. 148 8. Berechnung des gesicherten Lebensunterhaltes in Verfahren welche vor 1.7.2011 anhängig waren („Altverfahren“)................. 151 III. Verleihungshindernisse............................................................................... 158 A. Freiheitsstrafen........................................................................................ 158 B. Finanzvergehen…………....................................................................... 164 C. Anhängige Strafverfahren.................................................................... 165 D. Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit........ 168 1. Allgemeines.......................................................................................... 168 2. Rechtsprechung................................................................................... 172 E. Wesentliche Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik ............................................................................................ 205 F. Schädigung der Interessen der Republik............................................. 208 G. Verleihungshindernisse gemäß Abs 2.................................................. 213 1. Bestimmte Tatsachen iSd § 53 Abs 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs 3 FPG............................................................................................. 215 2. Rechtskräftige Bestrafung wegen bestimmten Verwaltungs­ übertretungen...................................................................................... 223 3. Anhängiges Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung..................... 241 4. Durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67....................................... 250 5. Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz........................................................................................... 252 6. Aufrechtes Einreiseverbot oder Ausweisung in den letzten 28 Monaten........................................................................................... 253 7. Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung ....................................................................................... 255 IV. Unterlassen des Ausscheidens aus bisherigem Staatsverband.............. 258 V. Absehen von bestimmten Verleihungshindernissen............................... 264 VI. Verleihung im besonderen Interesse der Republik................................. 267 A. Allgemeines.............................................................................................. 267 B. Bestätigung der Bundesregierung........................................................ 271 C. Verfahren zur Einholung der Bestätigung der Bundesregierung.. 279 Schrifttum zu § 10: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 (2016); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016); Filzwieser/Taucher, Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht (2016); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Peyrl/Neugschwendtner/Schmaus, Fremden-

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recht5 (2015); Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht (2007); Schmitt, Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2013, migraLex 2013, 38; Stern, Grenzen zur Demokratie. Die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, juridikum2006, 6; Stern, ius pecuniae – Staatsbürgerschaft zwischen ausreichendem Lebensunterhalt, Mindestsicherung und Menschenwürde, in Dahlvik/Fassmann/Sievers (Hrsg), Migration und Integration – wissenschaftliche Perspektiven aus Österreich – Jahrbuch 2011, 55; Stern/Valchars, EUDO Citizenship Observatory, Country Report Austria, http://eudo-citizenship.eu/admin/?p=file&appl=countryProfiles &f=2013-28-Austria.pdf [17.11.2016]); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 10 ist die zentrale Bestimmung des StbG und beinhaltet – neben eigenen Verleihungstatbeständen nach Abs 1 Z 1, Abs 4 und Abs 6 – die allgemeinen Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft bzw Verleihungshindernisse für jeden Verleihungs- und Erstreckungswerber. §  10 ist in insgesamt 9 Absätze unterteilt: Abs  1 bestimmt die allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen (Z 2 bis 8), Abs 1a definiert den Begriff der Verurteilung der Z 2 und Z 3 des Abs 1 näher, Abs 1b bezieht sich, genauso wie Abs 5, auf den hinreichend gesicherten Lebensunterhalt gem Abs 1 Z 7, Abs 2 (Z 1 bis 7) zählt Verleihungshindernisse (taxativ) auf, Abs 3 bezieht sich auf das Verleihungshindernis des nicht erfolgten Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband, Abs 4 regelt den erleichterten Erwerb der Staatsbürgerschaft für ehemalige österreichische Staatsbürger und (einige) Opfer des NS-Re­ gimes, Abs 6 bietet Fremden, welche außerordentliche Leistungen im besonderen Republiksinteresse erbracht haben oder erbringen werden, ebenfalls einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft, Abs 7 enthält eine Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung zur Regelung des Verfahrens nach Abs 6. 2 Die Voraussetzungen der Abs  1 und 2 – mit Ausnahme der Frist nach Abs  1 Z  1 und in manchen besonderen Fällen der Ausschlussgründe des Abs  2 Z  2 – müssen bei jeder Verleihung der Staatsbürgerschaft gegeben sein. Sie bilden das systematische Grundgerüst, auf dem jede Staatsbürgerschaftsverleihung aufbaut (vgl EB zu BGBl I 37/2006). 3 Über das Ansuchen auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ist nach der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Rechtslage des StbG zu entscheiden (VwGH 18.6.2014, 2013/01/0151). 150

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II.  Verleihungsvoraussetzungen A.  Dauer und Qualität des Aufenthalts 1.  Allgemeines Grundsätzlich erfordert die Verleihung der österreichischen Staatsbür- 4 gerschaft (vgl § 10 Abs 1 Z 1; § 11a Abs 1 Z 1, Abs 4 Z 1 und Abs 6; § 12 Z 1 lit b; § 16 Abs 1 StbG) einen gewissen Zeitraum des rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers in Österreich. Neben der durchgehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl dazu II.A.2. und II.A.4.) ist auch die faktische Anwesenheit des Einbürgerungswerbers im Bundesgebiet über einen Mindestzeitraum von 80% der geltend gemachten Zeit erforderlich (vgl II.A.4 sowie die Kommentierung zu § 15 StbG). Ohne den Nachweis der erforderlichen Zeitspanne des tatsächlichen 5 und rechtmäßigen Aufenthalts in der gesetzlich vorgesehen Qualität kann, sofern kein besonderer Ausnahmetatbestand nach dem StbG (§ 10 Abs 4; § 10 Abs 6; § 11a Abs 2; § 11b; § 12 Abs 1 Z 3; § 12 Abs 2; § 13; § 57 StbG) erfüllt wird, die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden. Anders als die anderen zitierten Verleihungstatbestände des StbG ver- 6 mittelt § 10 Abs 1 Z 1 StbG keinen Rechtsanspruch auf die Einbürgerung, sondern sieht lediglich deren Möglichkeit vor, wobei die Behörde ihr Ermessen im Sinne des Gesetzes zu üben hat. Wenn kein Einbürgerungshindernis nach den Z 1 bis 8 vorliegt, steht die Verleihung zwar im Ermessen der Behörde, eine negative Entscheidung muss jedoch ausreichend iSd Art 130 Abs 2 B-VG begründet werden (vgl Fessler/Keller/ Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006) 66 unter Hinweis auf VwGH 1.9.1978, 876/78; 7.5.1986, 85/01/0337, VfSlg 14516/1996). Ob die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllt sind, liegt auch nicht im freien Ermessen der Behörde; Ermessensübung ist erst dann zulässig, wenn feststeht, dass alle bindend vorgeschriebenen Verleihungsvoraussetzungen gegeben sind (VwGH 23.4.1986, 84/01/0010; 18.9.1991, 91/01/0123; 21.4.1999, 97/01/1069; 25.5.2004, 2002/01/0568). Nach § 10 Abs 1 Z 1 StbG kommt es seit Inkrafttreten der Staatsbürger- 7 schaftsrechts-Novelle 2005 nicht mehr auf den ununterbrochenen Hauptwohnsitz, sondern auf den rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt an (VwGH 19.12.2012, 2012/01/0134; 16.12.2009, 151

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2007/01/1030; ähnlich auch 20.3.2013, 2012/01/0079; 17.11.2011, 2009/01/0020, mwH). 8 Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 StbG stellt die Aufenthaltsdauer auch den Kern des Verleihungstatbestands nach § 10 StbG dar. § 10 StbG regelt als zentrale Bestimmung des StbG den „Standard-Fall“ der Einbürgerung und normiert in Abs 1 Z 1 eine ununterbrochene Mindestdauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Ausmaß von zehn Jahren, wobei der Einbürgerungswerber davon zumindest fünf Jahre mit „Niederlassung“(vgl II.A.3.) nachweisen muss. Diese beiden Verleihungsvoraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (vgl VwGH 20.9.2011, 2009/01/0059; 23.9.2009, 2006/01/0943, mwN). 9 Nach dem Regelungsgehalt des StbG stellt die vorwiegend aus einem langjährigen Aufenthalt in Österreich ableitbare Integration einen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ganz wesentlich ins Gewicht fallenden Umstand dar. Dies ergibt sich nicht nur aus § 10 Abs 1 Z 1 StbG, sondern etwa auch aus den §§ 12 und 14 StbG (vgl VwGH 28.1.1998, 97/01/0193; 22.4.1998, 97/01/1147). 10 Der VwGH hat in seiner Rspr zu § 10 Abs 1 Z 1 StbG klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung („rechtmäßig und ununterbrochen“) Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber nicht nur bei der Antragstellung, sondern auch noch zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen durchgehenden („ununterbrochenen“) legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann. Dies gilt auch für § 11a Abs 1 Z 1 (VwGH 22.5.2014, 2013/01/0108) und Abs  4 Z  1 StbG (VwGH 18.12.2014, Ro 2014/01/0016 unter Hinweis auf VwGH 22.5.2014, 2013/01/0108, VwGH 20.6.2008, 2008/01/0316 und 19.2.2009, 2009/01/0001) sowie §  16 Abs  1 StbG (VwGH 20.9.2011, Zl 2009/01/0070). Gleiches ist – angesichts des identen Wortlautes („rechtmäßig und ununterbrochen“) – auch auf das Erfordernis des fünfzehnjährigen Aufenthaltes nach § 12 Z 1 lit b StbG übertragbar (vgl VwGH 18.6.2014, 2013/01/0128). 11 Es kommt also – auch bei einer langen Verfahrensdauer – darauf an, ob der Antragsteller die Verleihungsvoraussetzungen noch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Staatsbürgerschaftsbehörde (oder der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht) erfüllt (VwGH 18.12.2014, Ro 2014/01/0016 unter Verweis auf VwGH 18.6.2014, 2013/01/0157). Ob ihn an der Verfahrensdauer ein Verschulden trifft, 152

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ändert nichts am Zeitpunkt der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen. Das Erfordernis eines aktuellen Aufenthalts im Bundesgebiet ist aus 12 dem Wortlaut der Regelung nicht zwingend abzuleiten (arg: „aufgehalten hat“). Zu beachten ist allerdings die Möglichkeit einer Unterbrechung durch einen zu langen Auslandsaufenthalt gemäß § 15 Abs 1 Z 3 StbG (vgl die dortige Kommentierung). Da entscheidungsrelevanter Zeitpunkt jener der Bescheiderlassung ist, 13 ist entsprechend der Judikatur nicht auf jenen der Einbringung des Verleihungsansuchens abzustellen. Die Verwaltungsbehörden haben einem Bescheid grundsätzlich die Rechts- und Sachlage im Zeitpunkt seiner Erlassung zugrunde zu legen, es sei denn, es wäre anderes gesetzlich bestimmt oder es wäre darüber abzusprechen, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war (vgl für viele andere insbesondere das Erkenntnis des VwGH vom 28.11.1983, Slg Nr 11.237/A). Freilich besteht aber bei einer Antragstellung vor Erfüllung des Kriteriums der erforderlichen Aufenthaltszeit das Risiko, dass die Behörde den Antrag gar nicht erst annimmt oder ihn sofort abweist. Sollte sich hingegen erst im Verfahren herausstellen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die Mindestaufenthaltsdauer noch nicht erfüllt war, diese Voraussetzung zwischenzeitlich aber erfüllt sein, so liegt uE kein Grund für eine Abweisung vor. Unter Bescheid ist in diesem Kontext nicht nur jener über die Zusiche- 14 rung der Verleihung zu verstehen, sondern vielmehr der Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft, sodass auch eine Beendigung des tatsächlichen Aufenthalts bzw dessen Rechtmäßigkeit nach Zusicherung aber vor tatsächlicher Verleihung der Staatsbürgerschaft relevant ist. Im Verleihungszeitpunkt müssen überdies noch sämtliche Verleihungsvoraussetzungen – mit Ausnahme des gesicherten Lebensunterhalts, vgl dazu unten II.B. – gegeben sein. Letztlich hat § 10 Abs 1 Z 1 StbG auch für den Anwendungsbereich des 15 FPG bzw BFA-VG eine wichtige Bedeutung: Hat der Fremde vor Verwirklichung des für die Erlassung des Einreise- oder Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Sachverhalts, also dem strafbaren Verhalten, seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz bzw nach neuerer Rechtslage seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich, ist die Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen ihn nicht ohne weiteres zulässig (vgl § 9 Abs 4 Z 1 BFA-VG; VwGH 30.9.2014, 2012/22/0058). 153

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2. Rechtmäßigkeit 16 § 10 Abs 1 Z 1 StbG fordert einen ununterbrochenen – und seit der Novelle BGBl I Nr 37/2006 rechtmäßigen – zehnjährigen Aufenthalt im Sinne eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet sowie die Absicht, diesen Hauptwohnsitz zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen (VwGH 21.2.2012, 2011/23/0272; 22.7.2011, 2009/22/0179; 24.9.2009, 2007/18/0653). 17 Während in der früheren Fassung des § 10 Abs 1 Z 1 StbG noch einzig auf den Hauptwohnsitz abgestellt wurde und es daher eine Fülle an Judikatur zur Beurteilung des Hauptwohnsitzes gibt (vgl exemplarisch VwGH 31.8.2006, 2004/21/0110), wird seit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 ein durchgehender rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer, zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde, gefordert (vgl VwGH 26.1.2012, 2010/01/0003; 17.11.2011, 2009/01/0020 mwN). 18 Das Kriterium des Hauptwohnsitzes ist in § 10 Abs 1 Z 1 StbG nun nicht mehr wörtlich verankert, wird aber in der Praxis noch unter dem Aspekt der Mindestdauer des tatsächlichen Aufenthalts in die Beurteilung durch die Staatsbürgerschaftsbehörde miteinbezogen. 19 Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt (vgl grundlegend EB zu BGBl I 37/2006) zählen vor allem Zeiten des rechtmäßigen visumfreien Aufenthalts (aufgrund eines Sichtvermerksabkommens), des Aufenthalts mit Visum oder aufgrund einer Legitimationskarte, eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 NAG oder einer Dokumentation gemäß § 9 NAG (VwGH 24.4.2014, Ro 2014/01/0003 unter Hinweis auf 26.6.2013, 2011/01/0280 sowie VwGH 19.9.2012, Zl. 2010/01/0043, mwN). 20 Selbstverständlich halten sich auch EWR-Bürger und Schweizer Bürger in aller Regel rechtmäßig nach dem 4. Hauptstück des NAG in Österreich auf. Sofern es sich um neue EU-Bürger handelt, kann das Datum des EU-Beitritts als maßgeblich für die Begründung des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts angesehen werden (VwGH 23.3.2010, 2006/18/0326), wenn die Personen davor über kein Aufenthaltsrecht verfügten. Für EWR-Bürger gilt allerdings die Sonderbestimmung des § 11a Abs 4 Z 2 StbG, wonach nur ein sechsjähriger Aufenthalt in Österreich erforderlich ist. Sie werden sich daher in der Regel nicht auf 154

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§ 10 Abs 1 Z 1 StbG stützen, es sei denn, dass sie aufgrund zu langer Auslandsaufenthalte bei Anwendung des § 11a Abs 4 Z 2 StbG in Konflikt mit § 15 Abs 1 Z 3 StbG geraten würden. Bei Personen mit Dokumentationen gemäß § 9 NAG ist die Ausstel- 21 lung der Karte über die Aufenthaltsberechtigung nur deklaratorisch (vgl zur alten Rechtslage VwGH 25.2.2014, 2013/01/0116), das heißt, es kann uE bei einer Ausübung des Freizügigkeitsrechts durch den Unionsbürger schon ab dem Zeitpunkt der Niederlassung die Aufenthaltszeit berücksichtigt werden. Dies gilt dann auch für die Familienangehörigen iSd Unionsbürger-RL 2004/38/EG, die nach gemeinsamer Einwanderung nach Österreich mit dem EU-Bürger eine Aufenthaltskarte erhalten. Anders ist der Sachverhalt bei einer Begründung der Familienangehörigeneigenschaft zu einem freizügigkeitsberechtigten Österreicher, Schweizer oder EWR-Bürger erst in Österreich zu beurteilen. Hier muss die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Antragstellers vor Begründung der unionsrechtlich relevanten Familienangehörigeneigenschaft unabhängig vom EWR-Bürger oder Schweizer argumentiert werden. Familienangehörige von Österreichern außerhalb des Anwendungs- 22 bereiches des Unionsrechts sind nicht schon aufgrund ihrer Angehörigeneigenschaft aufenthaltsberechtigt, sondern benötigen einen Aufenthaltstitel (vgl VwGH 25.2.2014, 2013/01/0116 unter Hinweis auf VwGH 21.1.2010, 2008/01/0285; 22.9.2009, 2008/22/0064, mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur älteren Rspr betreffend „Freizügigkeitssachverhalte“). Alle Aufenthaltstitel gemäß §  8 NAG haben – ebenso wie Aufent- 23 haltsberechtigungen nach dem AsylG – eine konstitutive Wirkung, sie begründen daher das Aufenthaltsrecht, welches für die Gültigkeitsdauer der ausgefolgten Karte und in einem fristgerecht in Gang gesetzten Verlängerungsverfahren (vgl § 24 NAG) besteht. Für Aufenthaltszeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmä- 24 ßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des FrG 1997 oder des AufG nachgewiesen werden (vgl zB VwGH 11.10.2012, 2011/01/0270 und 2010/01/0058 unter Hinweis auf Fessler/ Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 [2006], 69). Für alte Aufenthaltstitel kann dabei die Korrespondenztabelle der 25 NAG-DV herangezogen werden. 155

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26 Selbstverständlich entspricht auch der rechtmäßige Aufenthalt nach Bestimmungen des AsylG 2005 oder AsylG 1997 (ältere asylrechtliche Regelungen werden für das StbG praktisch keine Rolle spielen) dem Erfordernis des rechtmäßigen Aufenthalts. 27 Für Asylberechtigte ist § 10 Abs 1 Z 1 StbG praktisch nicht von Relevanz, da für diese ein Rechtsanpruch auf Einbürgerung bereits nach sechs Jahren durchgehend rechtmäßigen Aufenthalts besteht (vgl § 11a Abs  4 Z  1 StbG). Bisher wurde durch die Rspr nicht geklärt, ob der Asylstatus als Niederlassung iSd StbG gilt; aufgrund der Bezugnahme der EB zu BGBl I 37/2006 bei § 10 Abs 1 Z 1 StbG auf §§ 8 f NAG fällt er prima facie nicht darunter. UE muss dies aufgrund des dauerhaften Aufenthaltsrechts in Österreich und der weitgehenden sozialrechtlichen Gleichstellung mit Österreichern, EWR-Bürgern und Daueraufenthaltsberechtigten jedoch hinterfragt werden. Abgesehen davon steht es einem Asylberechtigten im NAG auch frei, auf einen „Daueraufenthalt – EU“ umzusteigen, was ebenfalls für die Niederlassungsqualität spricht. 28 Für das Staatsbürgerschaftsverfahren stellt sich dann aber die Rechtsfrage, ob beim Umstieg vom Status des Asylberechtigten auf einen „Daueraufenthalt – EU“ noch die begünstigenden Regelungen für anerkannte Flüchtlinge anzuwenden sind. Dies muss uE bejaht werden, da der Status des Asylberechtigten nie aberkannt wurde und der Umstand der Ausstellung eines „Daueraufenthalt – EU“ (selbst in Verbindung mit der Ausstellung eines nationalen Reisepasses) per se keinerlei Aussagekraft über eine etwaige Normalisierung der Beziehung des Flüchtlings zu seinem Herkunftsland beinhaltet (vgl sinngemäß auf EB zu BGBl I 124/1998). 29 Eine praktische Rolle spielt § 10 Abs 1 Z 1 StbG für Asylberechtigte vor allem in Fällen, in denen diese sich aufgrund zu langer Abwesenheit vom Bundesgebiet auf die zehnjährige Aufenthaltsdauer stützen möchten. 30 Der rechtmäßige Aufenthalt nach dem Asylrecht kann freilich nur Berücksichtigung finden, wenn ein durchgehender rechtmäßiger Aufenthalt gegeben ist (vgl dazu unter II.A.4.). Keine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit liegt vor, wenn in einem Beschwerde- oder Revisionsverfahren vor dem VfGH bzw VwGH dem Asylwerber die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist. 156

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Eine neuerliche Asylantragstellung (nach Verlust des früheren Auf- 31 enthaltsrechts als Asylwerber) führt demgegenüber zu einer Lücke im rechtmäßigen Aufenthalt, sodass die Aufenthaltszeiten zweier auf einander folgender Asylverfahren nicht addiert werden können. Problematische Konstellationen treten hingegen in der Praxis insbeson- 32 dere bei der vorübergehenden Einstellung eines Asylverfahrens (§ 15 Abs 1 Z 4 StbG), bei der nicht fristgerechten Verlängerung des subsidiären Schutzes, aber auch bei der Erteilung eines „Bleiberechts“ auf (vgl dazu unten II.A.4). Neben Inhabern asylrechtlicher Aufenthaltsberechtigungen sind auf- 33 grund der teilweise laxen Praxis bei der Beantragung und Ausstellung vor allem Personen mit Legitimationskarten von Unterbrechungen in der Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts betroffen (vgl dazu unten ebenfalls II.A.4). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ist entspre- 34 chend den EB zu BGBl I 37/2006 auch § 15 StbG heranzuziehen, wonach es unter bestimmten Umständen zum Verlust der Rechtmäßigkeit bzw zur Unterbrechung des Fristenlaufs kommen kann (vgl die dortige Kommentierung sowie unten II.A.4.). 3. Niederlassung Nach den EB zu BGBl I 37/2006 normiert § 10 Abs 1 Z 1 StbG, dass der 35 Staatsbürgerschaftswerber mindestens zehn Jahre rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig und in dieser Zeit (arg: „davon“) zumindest fünf Jahre niedergelassen sein muss. Diese beiden Voraussetzungen müssen daher sowohl dem Wortlaut als auch den Materialien zufolge als Verleihungsvoraussetzungen kumulativ vorliegen (VwGH 20.6.2008, 2008/01/0316). Der Begriff „niedergelassen“ ist nach den erwähnten Erläuterungen bzw mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im StbG im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs 2 und 3 NAG zu verstehen (VwGH 4.9.2006, 2006/09/0070; 20.9.2011, 2010/01/0002); „Niederlassung“ ist demnach eine qualifizierte Form des Aufenthalts (vgl VwGH 26.1.2012, 2010/01/0008). Für ältere Aufenthaltstitel vgl auch § 7 Abs 3 Z 1 FrG 1997. Die fünf Jahre der Niederlassung müssen zwar innerhalb des zehnjäh- 36 rigen Rahmens liegen, aber nicht aneinander anschließen. Sie können auch zersplittert sein, so zB wenn jemand zunächst über eine Nieder157

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lassungsbewilligung verfügte, anschließend über eine Aufenthaltsbewilligung und nun über eine Rot-Weiß-Rot – Karte plus. Auch eine aktuelle Niederlassung zum Zeitpunkt der Antragstellung oder Entscheidung ist nicht notwendig, wenn insgesamt die erforderliche Niederlassungszeit nachgewiesen werden kann. 37 Es ist uE auch nicht erforderlich, dass die fünf Jahre der Niederlassung in den letzten zehn Jahren liegen. Es kann sich daher zB ein Künstler, der vor dem Fremdenrechtspaket 2005 noch über Niederlassungsbewilligungen verfügte und danach nur mehr Aufenthaltsbewilligungen erhielt, auf § 10 Abs 1 Z 1 StbG stützen, wenn er insgesamt in den vergangenen zB 17 Jahren durchgehend rechtmäßig in Österreich lebte (vgl § 15 StbG) und davon für fünf Jahre Niederlassungsbewilligungen besaß. Eine andere Auslegung wäre auch willkürlich; es würde sonst letztlich – anders als etwa die zu prüfende Gefährdung öffentlicher Interessen durch den Einbürgerungswerber – im alleinigen Einflussbereich der Behörde liegen, ob die Voraussetzung des § 10 Abs 1 Z 1 StbG erfüllt werden kann oder nicht, zumal die Behörde durch eine lange Verfahrensdauer den Rahmenzeitraum für die Beurteilung verschieben könnte. 38 Häufig wird sich ein Antragsteller mit derart langem Aufenthalt aber ohnehin auch auf § 11a Abs 6 StbG oder § 12 Abs 1 Z 2 StbG stützen können. 39 Ob ein Staatsbürgerschaftswerber niedergelassen ist, ergibt sich entsprechend den EB zu BGBl I 37/2006 aus den einschlägigen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, im Besonderen aus § 2 Abs 2 NAG. So gelten Zeiten des Aufenthalts aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung ausdrücklich nicht als Niederlassung (§  2 Abs  3 NAG). Zur Niederlassung benötigt der Staatsbürgerschaftswerber entweder einen Aufenthaltstitel nach dem 2. Teil, 1. bis 3. Hauptstück des NAG („Niederlassung von Drittstaatsangehörigen“: §§  41–46 NAG; „Familienangehörige und andere Angehörige von dauernd in Österreich wohnhaften Zusammenführenden“: §§  47–48 NAG; „Niederlassung von langfristig aufenthaltsberechtigten oder hochqualifizierten Drittstaatsangehörigen aus anderen Mitgliedstaaten und ihren Familienangehörigen“: §§ 49–50a NAG) oder er muss sich als EWR- oder Schweizer Bürger oder als Angehöriger eines freizügigkeitsberechtigten EWRoder Schweizer Bürgers im Sinne der §§ 51 NAG rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen haben (2. Teil, 4. Hauptstück des NAG). 158

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„Niedergelassen“ iSd § 10 Abs 1 Z 1 StbG ist demnach, wer – als Dritt- 40 staatsangehöriger – zu einem der in § 2 Abs 2 NAG genannten Zwecke auf der Grundlage eines entsprechenden Aufenthaltsrechts (Niederlassungsbewilligung im dargelegten Sinne) mindestens fünf Jahre in Österreich aufhältig ist. Ein bloßer tatsächlicher Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllt das Erfor- 41 dernis der Niederlassung nach § 10 Abs 1 Z 1 StbG nicht. Zwar definiert das NAG die Niederlassung als „tatsächlichen oder zukünftig beabsichtigten Aufenthalt im Bundesgebiet“ zu näher bezeichneten Zwecken (§ 2 Abs 2 NAG). Dies ändert aber nichts daran, dass die Niederlassung auch rechtmäßig sein muss, um die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 1 StbG zu erfüllen. So kann zB nach § 11 Abs 1 lit B Z 10 NAG-DV eine nach § 7 Abs 4 Z 4 Fremdengesetz 1997 erteilte „Aufenthaltserlaubnis Selbständig“, die (lediglich) als Aufenthalts-Reisevisum (Visum D+C) im Sinne des § 24 Fremdenpolizeigesetz 2005 weiter gilt, weder einen Aufenthaltstitel iSd NAG noch eine Niederlassung darstellen (VwGH 11.10.2012, 2011/01/0270 unter Hinweis auf 29.11.2006, 2006/18/0310; ebenso VwGH 19.9.2012, 2011/01/0198). Als Niederlassung im Sinne des StbG gelten daher die folgenden Auf- 42 enthaltstitel und Dokumentationen: – Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung oder ein Gutachten gemäß §§ 20d Abs 1 Z 1 bis 4 oder 24 AuslBG erstellt wurde, berechtigt (§  8 Abs  1 Z  1 NAG); – Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß §  17 AuslBG berechtigt (§ 8 Abs 1 Z 2 NAG); – Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß §  20d Abs  1 Z  5 AuslBG erstellt wurde, berechtigt (§ 8 Abs 1 Z 3 NAG); – „Niederlassungsbewilligung“, die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 8 Abs 1 Z 4 NAG); – „Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit“, die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt (§ 8 Abs 1 Z 5 NAG); 159

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– „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“, die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur aufgrund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt (§ 8 Abs 1 Z 6 NAG); – Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments (§ 8 Abs 1 Z 7 NAG); – Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ zu erhalten (§ 8 Abs 1 Z 8 NAG); – „Anmeldebescheinigung“ (§ 53) für EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten (§ 9 Abs 1 Z 1 NAG); – „Aufenthaltskarte“(§ 54) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind (§ 9 Abs 1 Z 2 NAG); – „Bescheinigung des Daueraufenthalts“ (§ 53a) für EWR-Bürger, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben (§  9 Abs  2 Z  1 NAG) – „Daueraufenthaltskarte“ (§  54a) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige eines EWR-Bürgers sind und das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben (§ 9 Abs 2 Z 2 NAG); – ältere Aufenthaltstitel, die nach der Korrespondenztabelle der NAG-DV einem der oben genannten Titel entsprechen. 43 Nicht als Niederlassung im Sinne des StbG gelten demnach: – „Aufenthaltsbewilligung“ für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§  8 Abs 1 Z 10 NAG; §§ 58 bis 69); – Legitimationskarte (vgl § 9 StbG); – Visumfreier Aufenthalt aufgrund eines Sichtvermerksabkommens (§ 31 FPG); – Aufenthalt mit Visum (§ 31 FPG); – Aufenthalt mit Aufenthaltstitel eines anderen EU-Mitgliedstaates (§ 31 FPG); – Status des Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005; vgl II.A.2.); – Status des subsidiär Schutzberechtigten (§§ 8 und 52 AsylG 2005); – Aufenthalt als Asylwerber mit Aufenthaltberechtigungskarte (§ 51 AsylG 2005); – Aufenthalt als Asylwerber mit Verfahrenskarte (§ 50 AsylG 2005); 160

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– „Aufenthaltsberechtigung plus“, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß §  17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl 218/1975 berechtigt (§ 54 Abs 1 Z 1 AsylG 2005); – „Aufenthaltsberechtigung“, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt (§  54 Abs  1 Z  2 AsylG 2005); – „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt (§ 54 Abs 1 Z 3 AsylG 2005); – Duldung (§ 46a FPG); – Ältere Aufenthaltstitel, die nach der Korrespondenz-Tabelle der NAG-DV nicht als Niederlassung gelten (vgl dazu bereits obige Aufzählung). Bis auf die Duldung und den Aufenthalt mit Verfahrenskarte („fakti- 44 scher Abschiebeschutz“) im Asylverfahren begründen aber alle aufgezählten Aufenthaltsvarianten einen rechtmäßigen Aufenthalt, der – wenn keine Unterbrechung vorliegt – neben der Niederlassungszeit berücksichtigt werden kann. Hervorzuheben ist, dass die Beurteilung der Qualität einer Niederlas- 45 sung im StbG in der Praxis nicht nach denselben Erwägungen wie im NAG erfolgt. Die Regelungen in § 45 NAG (betreffend das unbefristete Niederlassungsrecht „Daueraufenthalt – EU“) und die Judikatur zur genannten Bestimmung sind nicht ohne Weiteres auf §  10 Abs  1 Z  1 StbG übertragbar. Während Inhaber von Legitimationskarten als Niedergelassene nach dem NAG einen „Daueraufenthalt – EU“ erhalten können, zählt der Aufenthalt mit Legitimationskarte gemäß § 9 StbG ausdrücklich nicht als Niederlassungszeit iSd StbG, was durchaus kritisch zu sehen ist (vgl dazu die Kommentierung zu § 9 StbG). Eine Anrechnung der Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts des Einbür- 46 gerungswerbers als subsidiär Schutzberechtigter auf die fünfjährige Niederlassungsfrist des § 10 Abs 1 Z 1 StbG kommt ebenfalls nicht in Betracht (VwGH 29.5.2013, 2011/01/0183; 26.1.2012, 2010/01/0008; 161

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ausführlich dazu: VwGH 20.9.2011, 2010/01/0002 mwN). Gleiches gilt daher wohl auch für die gemäß § 45 Abs 12 NAG beachtliche Zeit mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung im Asylverfahren. 47 Für Asylberechtigte, die einen „Daueraufenthalt – EU“ nach dem NAG erhalten können, gibt es noch keine entsprechende Judikatur, jedoch sollte der Asylstatus uE als Niederlassung gewertet werden (vgl dazu bereits oben II.A.2.). 48 Für sonstige Personen mit Aufenthaltsbewilligungen stellt sich die Rechtsfrage, ob ihr Aufenthalt vor dem Hintergrund der EuGH-Judikatur zur Daueraufenthaltsrichtlinie (so zB EuGH Rs C-502/10, Rz 57) in bestimmten Fällen als Niederlassung gewertet werden kann. Für den Bereich des NAG wurde der Grundsatz, dass ein Aufenthalt mit Aufenthaltsbewilligung nie als Niederlassung gelten kann, bereits von der Judikatur aufgeweicht (so zB Verwaltungsgericht Wien 17.12.2015, VGW-151/068/11222/2014-15 zu Künstlern). 49 Im Hinblick darauf, dass das StbG nach dem Verständnis der Vollziehung allerdings einen autonomen Niederlassungsbegriff verwendet (vgl dazu oben und insbesondere § 9 StbG) und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Staatsbürgerschaftsrecht der Mitgliedstaaten nicht unionsrechtlich geregelt ist, stellt sich die Rechtsfrage, ob die zitierte europarechtliche Judikatur übertragen werden kann. UE wäre dies im Sinne des Verweises des StbG auf den Niederlassungsbegriff des NAG, wie er sich aus der Jud und den EB eindeutig ergibt, zu bejahen. 50 Betreffend Personen, die sich auf einen sehr langen inländischen Aufenthalt stützen können, hat der VwGH klargestellt, dass für Zeiten vor dem In-Kraft-Treten des NAG nicht nur die Rechtmäßigkeit mit Aufenthaltstiteln nach dem Fremdengesetz 1997 oder dem Aufenthaltsgesetz nachgewiesen werden kann, sondern auch die Rechtmäßigkeit der fünfjährigen Niederlassung für Zeiten vor dem In-Kraft-Treten des NAG nach den bis dahin geltenden maßgeblichen fremdenrechtlichen Vorschriften bzw der auf deren Grundlage ergangenen Niederlassungsberechtigungen zu beurteilen ist (VwGH 25.6.2009, 2006/01/0520). 51 Gerade aufgrund der dargelegten strengen Anforderungen, die §  10 Abs 1 Z 1 StbG an die Aufenthalts- und Niederlassungszeiten stellt, hat sich in der Praxis vielfach ein Ausweichen auf die Bestimmung des § 11a Abs 6 StbG ergeben, in der lediglich ein sechsjähriger durchgehend rechtmäßiger Aufenthalt ohne Niederlassungsqualität gefor162

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dert wird (vgl im Detail dort). So können insbesondere auch Studierende und andere Inhaber von Aufenthaltsbewilligungen sowie Inhaber von Legitimationskarten und sonstige Personen, die über keine Niederlassungszeiten iSd StbG verfügen, aber auch ehemalige subsidiär Schutzberechtigte und theoretisch auch Asylwerber nach einem sehr langen Verfahren die Staatsbürgerschaft nach § 11a Abs 6 StbG beantragen, wenn sie die sonstigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllen. 4. Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts Gemäß § 15 Abs 1 Z 1 StbG werden die Frist des rechtmäßigen und 52 ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz sowie der Lauf der Wohnsitzfristen nach den §§  12 Z  1 lit a und 14 Abs  1 Z  2 durch eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß §  52 FPG oder durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gemäß §  67 FPG unterbrochen. Eine Unterbrechung des Fristenlaufes gemäß Abs 1 Z 1 ist nach Abs 2 hingegen nicht zu beachten, wenn die Rückkehrentscheidung oder das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben wurde, weil sich seine Erlassung in der Folge als unbegründet erwiesen hat. Weiters kommt es zu einer solchen Unterbrechung bei einem mehr als 53 sechsmonatigen Aufenthalt in einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen, in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter des Inlandes oder diesen gleich zu wertenden Anstalten des Auslandes infolge Verurteilung wegen einer nach österreichischem Recht gerichtlich strafbaren Handlung; hierbei sind der Aufenthalt in einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen und die Zeit des Vollzuges einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme zusammenzurechnen. Den praktisch bedeutendsten Fall der Unterbrechung stellt § 15 Abs 1 54 Z 3 StbG dar, wenn sich der Fremde innerhalb der geltend gemachten Frist insgesamt länger als 20% der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat. In diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen. Letztlich führt im Fall des § 11a Abs 4 Z 1 StbG nach § 15 Abs 1 Z 4 55 auch die Einstellung eines Asylverfahrens, weil sich der Asylwerber dem Verfahren gemäß § 24 Abs 1 AsylG 2005 entzogen hat, zu einer Unterbrechung. 163

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56 Zu den Unterbrechungstatbeständen des § 15 StbG vgl ausführlich die dortige Kommentierung. 57 Der VwGH hat in seiner Rspr klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut der Bestimmungen des § 10 Abs 1 Z 1, des § 11a Abs 4 und des § 15 Abs 1 Z 3 StbG („rechtmäßig und ununterbrochen“) Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen – unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs 1 StbG – durchgehenden (eben „ununterbrochenen“) legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl VwGH 26.1.2012, 2010/01/0048; 19.10.2011, 2009/01/0063; 20.9.2011, 2009/01/0047). 58 Neben den genannten Fällen des § 15 StbG liegen Unterbrechungen des rechtmäßigen Aufenthalts vor allem dann vor, wenn der Einbürgerungswerber nicht durchgehend über Aufenthaltsberechtigungen verfügte. 59 An der Verleihungsvoraussetzung der erforderlichen Aufenthalts­ dauer ändert der Umstand, dass ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet in den im §  15 Abs  1 Z  1 bis 4 StbG aufgezählten Unterbrechungstatbeständen nicht angeführt wird, nichts (vgl VwGH 31.5.2012, 2009/01/0050). Eine andere Auslegung (dahingehend, dass es sich im §  15 Abs  1 StbG um eine abschließende Aufzählung der Unterbrechungstatbestände handle und daher wegen Fehlens eines ausdrücklichen Unterbrechungstatbestandes ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet die Frist nicht unterbreche, sondern vielmehr diverse, durch einen solchen unrechtmäßigen Aufenthalt unterbrochene Zeiten eines rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet zusammengerechnet werden könnten) würde zu dem sachlich nicht zu rechtfertigenden und im Übrigen auch nicht dem Gesetzgeber zu unterstellenden Ergebnis führen, dass ein Verleihungswerber, der sich insgesamt länger als 20% der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat und danach rechtmäßig eingereist ist, vom Gesetz (§  15 Abs  1 Z  3 StbG) schlechter gestellt würde als ein Verleihungswerber, der sich in demselben Ausmaß illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat (VwGH 20.6.2008, 2008/01/0316; ebenso 19.12.2012, 2012/01/0134). 60 Auch in § 10 Abs 1 Z 1 StbG kommt klar zum Ausdruck, dass jegliche Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts, mag sie auch nur für einen Tag bestanden haben, dazu führt, dass der geltend gemachte 164

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Zeitraum nicht zur Gänze, sondern erst ab Beendigung der Unterbrechung herangezogen werden kann. In der Praxis wird von der Staatsbürgerschaftsbehörde daher penibel 61 darauf geachtet, ob sämtliche vorgelegten Aufenthaltsberechtigungen und Verfahrensvorgänge eine lückenlose Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nachweisen. Probleme treten vor allem bei Personen auf, deren Bewilligungen nicht nahtlos aneinander anschlossen, wie dies zB beim Aufenthalt subsidiär Schutzberechtigter der Fall sein kann. Hier wird dann im Regelfall der Asylakt durch die Behörde beigeschafft, um abzuklären, ob die Verlängerung der Bewilligung fristgerecht beantragt wurde, sodass sich der Betroffene im Verlängerungsverfahren rechtmäßig aufhielt. Es kommt auch zu einer Unterbrechung der Rechtmäßigkeit, wenn die 62 Verlängerung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG nicht rechtzeitig vor Ablauf der Gültigkeitsdauer der Bewilligung beantragt worden ist. Im Fall der verspäteten Einbringung eines Antrages auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels verfügen Fremde während des Verfahrens über keinen rechtmäßigen Aufenthalt (vgl noch zur alten Rechtslage nach dem FrG VwGH 19.9.2012, 2012/01/0063). Es gibt in der Praxis auch Fälle, in denen ein Verlängerungsantrag zwar 63 rechtzeitig gestellt wurde, aber die Karte über das Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder AsylG erst deutlich später und nicht mit unmittelbar anschließendem Gültigkeitsdatum ausgefolgt wurde. Wenn die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltstitel nicht aneinander anschließen und daraus Lücken entstehen, sind diese Lücken als Zeiten mit rechtmäßigem Aufenthalt zu sehen, wenn die Antragstellung rechtzeitig erfolgte. Wenn die Antragstellung nicht rechtzeitig erfolgte, gilt diese Zeit als nicht rechtmäßiger Aufenthalt (vgl noch zur alten Rechtslage nach dem FrG VwGH 28.6.2000, 99/18/0436 sowie die dort auszugsweise zitierten Erläuterungen zu §  23 FrG; vgl auch VwGH 19.10.2011, 2009/01/0063). Gerade bei ehemaligen Asylwerbern können aufenthaltsrechtliche 64 Lücken bestehen. So zB wenn erst nach Beendigung des Asylverfahrens die Ausstellung einer Niederlassungsbewilligung erfolgt (VwGH 20.9.2011, 2009/01/0059; 20.9.2011, 2010/01/0020). Der Zeitraum zwischen Beendigung des Asylverfahrens und Ausstellung eines Aufenthaltstitels ist auch dann nicht rechtmäßig, wenn in dem Zeitraum aufenthaltsbeendigende Maßnahmen gegen den Einbürgerungswerber 165

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nicht gesetzt wurden (VwGH 24.10.2013, 2013/01/0137; 15.3.2010, 2008/01/0767). 65 Mit Zurückziehung einer Beschwerde (vor Einführung des Asylgerichtshofes und später des Bundesverwaltungsgerichts: Berufung) im Asylverfahren des Einbürgerungswerbers endet das anhängige Asylverfahren und das damit einhergehende vorläufige Aufenthaltsrecht (vgl VwGH 24.10.2013, 2013/01/0137; 29.11.2012, 2012/01/0133). 66 Der VwGH hat festgehalten, dass die bloße Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß den §§ 43 Abs 2 bzw 44 Abs 3 NAG aF („Bleiberecht“, nunmehr geregelt in §§ 55ff AsylG 2005) nicht zu einem rechtmäßigen Aufenthalt des Fremden im Sinne des § 10 Abs 1 Z 1 StbG führt. Auch die Ausstellung des Aufenthaltstitels kann den Aufenthalt nicht rückwirkend legalisieren (vgl VwGH 19.9.2012, 2011/01/0198, mwN fremdenrechtlicher Judikatur). Dies gilt umso mehr für einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels, worauf nach der bis 31.3.2009 geltenden Rechtslage des NAG kein Rechtsanspruch bestand (vgl VwGH 24.10.2013, 2013/01/0137; 30.8.2011, 2009/21/0295, mwN). 67 Seit Einführung der Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen stellen sich auch im Kontext mit deren Erteilung und „Verlängerung“ Fragen zur Anwendung des § 10 Abs 1 Z 1 StbG. 68 Nicht nur bei Anträgen auf Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigenden Gründen, sondern auch bei deren amtswegiger Erteilung können Lücken im rechtmäßigen Aufenthalt auftreten. Vgl dazu ausführlich Ecker, Schnittstellen zwischen AsylG 2005 und NAG unter besonderer Berücksichtigung von „Bleiberecht“ und Familienzusammenführung, in Filzwieser/Taucher, Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht (S 97 ff, 2016; Ausführungen teilweise hier übernommen). 69 Problematisch ist die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem AsylG 2005 (bzw früher dem NAG) vor allem dann, wenn sie nicht von unrechtmäßig aufhältigen Personen beantragt wurden, sondern in einem anhängigen Asylverfahren oder Rückkehrentscheidungsverfahren einer bisher rechtmäßig aufhältigen Person amtswegig geprüft wurden. 70 In diesem Fall konnte der Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs 1 AsylG 2005 zu erteilen ist, bisher zu einer Lücke in der nachweisbar rechtmäßigen Aufenthaltszeit führen und den Betrof166

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fenen beim Erhalt eines Daueraufenthaltsrechts (§ 45 NAG) oder eben im Verfahren zum Erhalt der österreichischen Staatsbürgerschaft, in dem ein ununterbrochener rechtmäßiger Aufenthalt gefordert wird, benachteiligen. Der VwGH hat mittlerweile mehrfach für Aufenthaltstitel aus beson- 71 ders berücksichtigungswürdigen Gründen bestätigt, dass die Verpflichtung eines Verwaltungsgerichts in der Sache selbst zu entscheiden, ungeachtet dessen, dass bei einer positiven Erledigung eines Antrags auf Titelerteilung durch die Verwaltungsbehörde der Aufenthaltstitel (früher gemäß § 1 NAG-DV 2005) als Karte ausgestellt wird (vgl zur Ausfolgung des Aufenthaltstitels als Karte durch die Verwaltungsbehörde VwGH 16.12.2014, 2012/22/0206), nur dahin verstanden werden kann, dass das Verwaltungsgericht, sieht es die positive Erledigung des Antrags als geboten an, die Rechtssache durch Erkenntnis, mit dem der beantragte Aufenthaltstitel erteilt wird, erledigt (VwGH 28.5.2015, Ra 2015/22/0001 unter Hinweis auf 26.2.2015, Ra 2014/22/0116). Dabei ist auch über den Zeitraum bzw die Dauer des Aufenthaltsrechts eindeutig bestimmbar abzusprechen. Bereits der Spruch hat festzulegen, für wie lange der Aufenthaltstitel erteilt wird. Die fehlende Bestimmtheit des Zeitraumes, für den der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werden sollte, belastet das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit (VwGH 28.5.2015, Ra 2015/22/0001; VwGH 4.6.2008, 2007/08/0165; 16.6.2004, 2001/08/0034). Andernfalls käme nach Ansicht des VwGH dem Aufenthaltstitel – in gesetzwidriger Weise – eine längere Gültigkeit als ein Jahr zu. Es wäre daher unrichtig, die konstitutive Wirkung der Titelerteilung erst mit Ausstellung der Karte durch die Behörde eintreten zu lassen (VwGH 15.12.2015, Ra 2015/22/0125 unter Hinweis auf VwGH 19.11.2014, Ra 2014/22/0010). Diese Rechtsansicht des VwGH bringt endlich auch Rechtssicherheit 72 für Fälle, in denen ein Aufenthaltstitel aufgrund von Art 8 EMRK in einem langjährigen Asylverfahren erteilt wird oder Personen bisher über subsidiären Schutz verfügten und ihnen dieser nicht verlängert, sondern die dauerhafte Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung festgestellt wird. Hier kam es in der Vergangenheit häufig zum Ausspruch der dauerhaf- 73 ten Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung mittels Bescheides oder Erkenntnisses, teilweise wurde auch bereits im Spruch der Aufenthalts167

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titel ohne Angabe der Gültigkeitsdauer erteilt, jedoch wurde die Karte über das Aufenthaltsrecht mit einem späteren Datum ausgestellt. Dies führt in der Praxis vor allem zu Problemen beim Verfahren zur Erteilung des „Daueraufenthalt – EU“ und Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, da der ununterbrochene rechtmäßige Aufenthalt von den Behörden und Verwaltungsgerichten bezweifelt wurde. 74 Aus der eben zitierten Rspr des VwGH zur Spruchpraxis, die unter anderem damit argumentiert, dass bei späterer Ausstellung einer Karte mit zwölf Monaten Gültigkeitsdauer dem Betroffenen in unzulässiger Weise ein längeres Aufenthaltsrecht zustehen würde, lässt sich uE klar ableiten, dass auch der Aufenthalt in etwaigen Zeiten einer „Lücke“ jedenfalls als rechtmäßig angesehen werden muss. Es wäre auch keine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich, den rechtmäßigen Aufenthalt etwa eines Asylwerbers mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung just mit dem Tag der Rechtskraft der Entscheidung über die dauerhafte Unzulässigkeit seiner Ausweisung/einer Rückkehrentscheidung gegen ihn zu beenden; so soll doch gerade mit dieser Entscheidung die Rechtmäßigkeit seines weiteren Aufenthalts in Österreich festgestellt werden. 75 Auch durch die Neuregelung des Bleiberechts im AsylG 2005 durch BGBl I 87/2012, wurden neue Rechtsfragen geschaffen. Zum einen hinsichtlich der Überleitung von Personen mit Aufenthaltstiteln nach dem AsylG 2005 ins NAG, zum anderen hinsichtlich der Überleitung von Personen mit Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz, die nach dem NAG erteilt wurden, die nun aber in das Regime des AsylG 2005 fallen. 76 Zwar ist einem im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen gemäß § 41a Abs 9 NAG 2005 (idF BGBl I 68/2013) ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn er ua für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß §  55 Abs  1 AsylG 2005 verfügt, allerdings führen die EB zu BGBl I 87/2012 aus, dass Anträge gemäß § 41a Abs 9 Z 1 oder 2 NAG 2005 als Erstanträge und nicht als Verlängerungsanträge gelten. Drittstaatsangehörige, die über einen Aufenthaltstitel nach dem AsylG 2005 verfügen und einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs 9 NAG 2005 beantragen, haben daher einen Erstantrag zu stellen (siehe EB zu BGBl I 87/2012, 74; vgl auch VwGH 23.6.2015, Ra 2014/22/0199). 168

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Diese Problematik kann auch bei Übergangsfällen auftreten: entspre- 77 chend der Übergangsbestimmung des § 81 Abs 31 NAG 2005 gilt ein vor dem 1.1.2014 erteilter Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs 9 NAG 2005 (idF vor der Novelle BGBl I Nr 87/2012) innerhalb seiner Gültigkeitsdauer und seines Berechtigungsumfanges als „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 55 Abs 1 AsylG 2005 weiter. Gemäß § 54 Abs 2 AsylG 2005 ist ein derartiger – für die Dauer von zwölf Monaten auszustellender – Aufenthaltstitel nicht verlängerbar. Es stellt sich damit auch in diesen Fällen die Rechtsfrage nach der 78 rechtlichen Qualität des Aufenthalts einer Person, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels nach dem AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel nach dem NAG erhält. Es kann uE nicht angenommen werden, dass dieser Aufenthalt zwischen dem Ablauf der einen und dem Beginn der Gültigkeit der nächsten Karte unrechtmäßig wäre. Vgl dazu die bereits oben zitierte jüngere Rspr des VwGH und die darauf fußende Argumentation gegen das Bestehen einer Lücke; bei Antragstellung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung können auch §  24 NAG und § 8 Abs 4 AsylG 2005 analog herangezogen werden. Die Bestimmung des §  45 Abs  2 NAG enthält für den Erwerb eines 79 „Daueraufenthalt – EU“ zudem die Möglichkeit der Anrechnung von Zeiten mit Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, Aufenthaltsberechtigung plus und Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005. UE muss dies als weiteres Argument dafür gewertet werden, dass auch allfällige Lücken in der Gültigkeitsdauer zwischen einem Aufenthaltstitel nach dem AsylG 2005 und Aufenthaltstiteln nach dem NAG als Zeiten des rechtmäßigen Aufenthalts anzurechnen sind, andernfalls die Regelung in § 45 Abs 2 NAG, bei welcher stets ein ununterbrochen rechtmäßiger Aufenthalt gefordert wird, keinen Anwendungsbereich hätte. Auch für Inhaber von Legitimationskarten tritt eine vergleichbare Lü- 80 ckenproblematik auf, auf die wegen des sachlichen Zusammenhangs bei § 9 StbG näher eingegangen wird. 5. Ausnahmen zu § 10 Abs 1 Z 1 StbG Wie dargelegt stellt die Einbürgerung nach zehn Jahren Aufenthalt 81 (§ 10 Abs 1 Z 1 StbG) den gesetzlich normierten Standardfall dar. Es gibt allerdings auch einige Ausnahmen von dieser Regel (insbesondere 169

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in § 11a StbG: sechs Jahre), auf welche an dieser Stelle hingewiesen werden soll und welche jeweils ausführlicher bei der Kommentierung der entsprechenden Bestimmungen behandelt werden; nur die Sonderregelungen in § 10 Abs 4 StbG werden hier näher dargelegt. 82 Zur bedeutendsten Ausnahme wurde § 11a Abs 6 StbG für die Einbürgerung besonders gut integrierter Personen nach sechsjährigem Aufenthalt (vgl aber auch weitere Tatbestände des § 11a). 83 § 12 StbG regelt in Abweichung von § 10 Abs 1 Z 1 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Personen mit mehr als 30 Jahren Hauptwohnsitz (Abs 1 Z 1 lit a leg cit) bzw mehr als 15 Jahren rechtmäßigem ununterbrochenem Aufenthalt (Abs 1 Z 1 lit b) in Österreich. 84 Für die Sonderverleihungstatbestände des § 12 Abs 1 Z 3 sowie Abs 2 betreffend Kinder von Österreichern ist eine aktuelle rechtmäßige Niederlassung Voraussetzung (von der allerdings abgesehen werden kann, wenn der Vater den Lebensmittelpunkt außerhalb Österreichs hat); für § 12 Abs 1 Z 2 reicht ein aktueller rechtmäßiger Aufenthalt des volljährig gewordenen ehemaligen Österreichers. 85 Nur in einzelnen, vom StbG privilegierten Tatbeständen wird lediglich ein aktueller Aufenthalt, der darüber hinaus nicht rechtmäßig sein muss und keine bestimmte Dauer aufweisen muss (§ 10 Abs 4 Z 1 StbG für ehemalige Österreicher; § 11b StbG für von Österreichern adoptierte Fremde unter 14) oder gar kein Aufenthalt (§ 10 Abs 4 Z 2 StbG für ehemalige Verfolgte des NSDAP-Regimes, § 10 Abs 6 StbG – „im besonderen Interesse der Republik“, § 57 StbG – „Putativösterreicher“) verlangt. 86 Die EB zu BGBl I 37/2006 führen zu § 10 Abs 4 StbG in Verquickung der beiden Tatbestände aus, dass ehemalige Österreicher eine bevorzugte Einbürgerung genießen sollen. Die Regelung soll vor allem Anwendung beim österreichischen Ehegatten eines oder einer Fremden finden, der nach der Hochzeit dessen oder deren Staatsangehörigkeit unter Verlust der österreichischen annimmt (Z  1, vgl dazu aber auch § 13 StbG) und bei ehemaligen Österreichern (oder Staatsangehörigen eines Nachfolgestaates der österreichisch-ungarischen Monarchie), die ihren Hauptwohnsitz in Österreich hatten und durch Organe des Dritten Reichs oder der NSDAP verfolgt wurden oder zumindest Verfolgung zu befürchten hatten und sich deshalb ins Ausland begeben haben (Z 2). 170

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Diesen Menschen soll die (Wieder)Erlangung der österreichischen 87 Staatsbürgerschaft erleichtert werden, weshalb von der in der Regel sonst vorgesehenen Aufenthalts- und Niederlassungsdauer abgesehen werden kann. Diese Personengruppen bedürfen auch keines Nachweises über die Kenntnis der deutschen Sprache und der Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der Geschichte der Republik Österreich und des betreffenden Bundeslandes (siehe § 10a Abs 2 Z 1 1. Fall). Ebenso scheint es aus Sicht des Gesetzgebers in diesen besonders berücksichtigungswürdigen Fällen angezeigt, Verwaltungsübertretungen gemäß § 10 Abs 2 Z 2 außer Acht zu lassen. Fremden, die mindestens zehn Jahre lang ununterbrochen Österrei- 88 cher waren und die Staatsbürgerschaft nicht durch Entziehung verloren haben, soll die Wiedereingliederung in den Staatsverband erleichtert werden. Erst mit BGBl I 37/2006 wurde die Regelung aus § 12 herausgelöst und findet sich nun in § 10 Abs 4 Z 1 StbG. Diese Bestimmung fand sich in der Stammfassung des StbG 1985 noch 89 in dessen § 12. Sie wurde entsprechend den EB zu BGBl 311/1985 eingefügt, um zu berücksichtigen, dass viele Österreicher ausschließlich wegen ihres besseren beruflichen Fortkommens im Ausland oder aus sonstigen erheblichen Gründen eine fremde Staatsangehörigkeit annehmen, obwohl sie sich Österreich nach wie vor verbunden fühlen. Sie sollen daher zur Vermeidung besonderer Härten bei der Wiedereinbürgerung nicht längere Zeit warten müssen; bis zur Novelle 1973 betrug die Wartezeit noch drei Jahre, später wurde sie auf ein Jahr reduziert. Nun gibt es keine Wartefrist mehr. Es wird, um Auslandsverfahren zu vermeiden, allein auf den faktischen, nicht zwingend rechtmäßigen, Aufenthalt in Österreich abgestellt (vgl EB zu BGBl I 37/2006). Die Anwendung des § 10 Abs 4 Z 1 StbG ist nur bei einem Verlust der 90 österreichischen Staatsbürgerschaft durch Entziehung ausgeschlossen; ein Verlust durch Verzicht schadet (anders als noch in § 12 StbG) hingegen nicht. Bei § 10 Abs 4 Z 2 StbG handelt es sich im Gegensatz zu § 58c StbG um 91 Personen, die nicht zwingend österreichische Staatsbürger, jedoch Staatsbürger eines Nachfolgestaates der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder staatenlos waren und ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatten. Aufgrund der Tatsache, dass sie vor der Flucht ihren Hauptwohnsitz in 92 Österreich hatten und das Land nur wegen politischer Verfolgung ver171

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lassen mussten, wird eine ausreichende Integration anzunehmen sein. Auch für diese Personen wurden vom Gesetzgeber keine Wartefristen eingeführt, da ein öffentliches Interesse an der raschen Einbürgerung besteht. 93 Ehemalige Verfolgte des NS-Regimes (Z 2) müssen anders als ehemalige Österreicher (Z 1) ihre andere Staatsbürgerschaft nicht ablegen. 94 Die praktische Relevanz der angeführten Ausnahmen des § 10 Abs 4 StbG ist eher gering. Für §  10 Abs  4 Z  2 StbG aufgrund der immer größer werdenden zeitlichen Distanz zum Zweiten Weltkrieg, für § 10 Abs 4 Z 1 aber auch, weil die Voraussetzung des früheren zehnjährigen Besitzes der Staatsbürgerschaft nicht so häufig erfüllt sein wird und die Annahme der österreichischen Staatsbürgerschaft die Aufgabe der bisher innegehabten voraussetzt.

B.  Gesicherter Lebensunterhalt 1. Allgemeines 95 Die Verleihungsvoraussetzung nach Abs  1 Z  7 sieht vor, dass für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft der Lebensunterhalt eines Verleihungswerbers hinreichend gesichert sein muss. Sofern dies nicht der Fall ist, muss der Verleihungswerber nachweisen, dass er seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft oder in nicht ausreichenden Maße sichern kann. Wann der Verleihungswerber seinen nicht gesicherten Lebensunterhalt nicht zu vertreten hat, ist näher in Abs 1b umschrieben. Abs 5 determiniert den Abs 1 Z 7 und definiert den Begriff „hinreichend gesicherter Lebensunterhalt“. 96 Die Prüfung ob der Lebensunterhalt eines Verleihungswerbers hinreichend gesichert ist, gestaltet sich mittlerweile für Praktiker in Behörden und Gerichten als eine große Herausforderung. Dabei muss die Höhe des Einkommens eines Verleihungswerbers anhand einer komplizierten Berechnungsmethode festgestellt und der Summe der – ebenfalls mühsam zu ermittelnden – Richtsätze des § 293 ASVG gegenübergestellt werden. Dazu kommt, dass sowohl die Ermittlung der Höhe der Einkünfte wie auch der Summe der Richtsätze seit Inkrafttreten der StbG-Novelle 2013 (BGBl I 2013/136) am 1.8.2013 ausschließlich die Zeiträume vor der Antragstellung betrifft. Die nach der Antragstellung eintretenden Änderungen der Höhe der Einkünfte haben auf das Verleihungsverfahren somit keinen Einfluss mehr. 172

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Der VwGH hat bereits klargestellt, dass mit der zwingenden Verlei- 97 hungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes der Gesetzgeber zu verstehen gab, dass er die Staatsbürgerschaft nur an Fremde verliehen wissen will, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein (VwGH 20.9.2011, 2010/01/0046). Die Beurteilung, ob die Verleihungsvoraussetzung gemäß Abs 1 Z 7 vorliegt, ist einer Ermessensübung im Sinn des § 11 vorgelagert und liegt nicht im (freien) Ermessen der Behörde (VwGH 30.8.2005, 2004/01/0578). Die – durchaus nicht immer nachvollziehbare und schwer verständliche 98 – Methode zur Berechnung des Lebensunterhaltes ist im Abs 5 geregelt. Sowohl der Wortlaut des Gesetzes als auch die dazu vorliegenden Materialien lassen erkennen, dass Abs 5 nicht bloß „demonstrativen Charakter“ hat, sondern damit eine „Definition“ der in Abs 1 Z 7 aufgestellten zwingenden Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts des Verleihungswerbers vorgenommen worden ist (VwGH 17.3.2011, 2009/01/0055). Die Bestimmung des Abs 5 baut inhaltlich auf § 11 Abs 5 NAG und weist Ähnlichkeiten im Hinblick auf die Prüfung ob der Aufenthalt eines Fremden zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft – und somit zur Versagung der Erteilung eines Aufenthaltstitels – führen könnte. Im Unterschied zum NAG, wo eine Zukunftsprognose über die finanzielle Situation eines Fremden und über eine mögliche finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft vorgenommen wird, muss ein Verleihungswerber nachweisen, dass sein Lebensunterhalt in der Vergangenheit – also schon vor der Antragstellung – bereits hinreichend gesichert war. Der größte Unterschied liegt jedoch in der Tatsache, dass das StbG keine Bestimmung wie die des § 11 Abs 3 NAG kennt und somit ein Nachsehen von den Voraussetzungen nach Abs 1 Z 7 aus Gründen des Art 8 EMRK (Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens) nicht möglich ist. Die Judikatur des VwGH zum § 11 Abs 5 NAG kann jedoch ohne Bedenken auf Abs 5 übertragen werden. 2. Einkünfte Gemäß Abs 5 ist der Lebensunterhalt eines Verleihungswerbers dann 99 hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder 173

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Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Die Einkünfte des Verleihungswerbers müssen ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des §  293 ASVG der letzten drei Jahre entsprechen. 100 Fest und regelmäßig sind die Einkünfte nur dann, wenn sie über einen längeren Zeitraum mit einer gewissen Kontinuität bezogen werden. Der nur einmalig erzielte Erlös aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung ist daher nicht als „regelmäßige Einkünfte“ anzusehen, es sei denn, der Verleihungswerber vermag nachzuweisen, dass er im maßgeblichen Beobachtungszeitraum aus diesem einmaligen Erlös regelmäßige Einkünfte (etwa aus Zinserträgnissen) erzielt habe (vgl VwGH 20.9.2011, 2010/01/0001). Bei selbsterhaltungsfähigen Verleihungswerbern muss es sich überdies um eigene Einkünfte (also solche die der Verleihungswerber selbst erwirtschaftet) handeln. 101 Die Einkünfte iSd Abs 5 verstehen sich als die Gesamtheit der Nettobeträge (dass bei der Prüfung des gesicherten Lebensunterhaltes auf das Nettoeinkommen abzustellen ist s VwGH 21.1.2010, 2007/01/0466), welche ein Verleihungswerber aus einer legalen selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen bezieht. Zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts können gem § 2 Abs 1 Z 5 Staatsbürgerschaftsverordnung insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Rentenoder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweise über den Bezug von Kinderbetreuungsgeld, des eigenen Vermögens in ausreichender Höhe und Nachweise der Leistungen durch Dritte vorgelegt werden. UU muss ein Verleihungswerber nachweisen, dass er seine selbständige bzw unselbständige Erwerbstätigkeit rechtmäßig ausübt, zB durch Vorlage von Gewerbeberechtigungen oder Nachweisen über Zugang zum Arbeitsmarkt (entsprechender Aufenthaltstitel, Arbeitsbewilligung). Zinserträge aus Spareinlagen, Kontoguthaben oder Immobilienverkäufen bzw Guthaben aus Wertpapierdepots sind als Einkünfte iSd Abs 5 zu berücksichtigen (vgl das zum NAG ergangene E des VwGH vom 10.9.2013, 2013/18/0046 und vom 19.9.2012, 2008/22/0322). 174

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Die Einkünfte aus Unterhaltsansprüchen können insofern berück- 102 sichtigt werden, als diese gesetzlich begründet sind. Daher sind Unterhaltsansprüche welche zB auf Grund einer Ehe, einer eingetragener Partnerschaft und aus dem Eltern-Kind Verhältnis entstehen, bei der Prüfung des Lebensunterhaltes zu berücksichtigen. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist gem Abs 5 vorletzter Satz zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a EO übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Abs 5 vorletzter Satz enthält diesbezüglich eine dem § 11 Abs 5 NAG nahezu inhaltsgleiche Regelung. Dies lässt sich dadurch erklären, dass der Gesetzgeber das StbG an das NAG anpassen wollte, um zu gewährleisten, dass es (Fremden gegenüber) zu keinen Wertungswidersprüchen kommt. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Regelung des § 11 Abs 5 NAG bereits festgehalten hat, ist bei einem gemeinsamen Haushalt unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den „Haushaltsrichtsatz“ nach §  293 Abs  1 ASVG erreicht (vgl VwGH 28.10.2009, 2007/01/0944). Die verpflichtende Berücksichtigung der gesetzlichen Unterhaltsansprüche führt daher dazu, dass bei unterhaltsberechtigten Verleihungswerbern auch die Einkünfte des im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (bzw eingetragenen Partners) zu berücksichtigen sind. Auf das Existenzminimum des §  291a EO ist in einer solchen Konstellation nicht Bedacht zu nehmen (vgl VwGH 3.4.2009, 2008/22/0711). Das so errechnete „Haushaltseinkommen“ wird dann der Summe der Richtsätze des § 293 ASVG („Haushaltsrichtsatz“) gegenübergestellt (vgl VwGH 15.3.2012, 2010/01/0028). Beispiel 1: Ein selbständig erwerbstätiger Verleihungswerber verheira- 103 tet und im gemeinsamen Haushalt lebend mit einer unselbständig erwerbstätigen Österreicherin – bei der Prüfung des Lebensunterhaltes werden Einkünfte aus der selbständigen Erwerbstätigkeit des Verleihungswerbers (Nettoerlöse) und der unselbständigen Tätigkeit der Ehegattin (Nettogehalt) zusammengerechnet und ergeben somit das Haushaltseinkommen welches als Einkünfte iSd Abs  5 herangezogen wird. Existenzminimum des § 291a EO bleibt unberücksichtigt. Dasselbe gilt für einen minderjährigen und gegenüber seinen Eltern 104 unterhaltsberechtigten Verleihungswerber (aber auch für einen unterhaltsberechtigten volljährigen Verleihungswerber iSd §  252 Abs  2 ASVG, zB noch nicht selbsterhaltungsfähige Verleihungswerber in Schul- oder Berufsausbildung) ohne eigenes Einkommen. In solchen 175

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Fällen sind für die Beurteilung des – auch für Minderjährige geltenden – Erfordernisses des gesicherten Lebensunterhaltes die Einkünfte der unterhaltspflichtigen Eltern des Verleihungswerbers (ohne Berücksichtigung des Existenzminimums des §  291a EO) als Haushaltseinkommen heranzuziehen (vgl VwGH 28.10.2009, 2007/01/0944; VwGH 16.12.2009, 2006/01/0888). 105 Einkünfte aus vertraglichen Unterhaltsansprüchen wie zB Unter­ haltsverträgen, gelten auf Grund der taxativen Aufzählung der Einkunftsarten nicht als Einkünfte iSd Abs  5. Freiwillige finanzielle Zuwendungen und bloße Geldgeschenke begründen ebenfalls keine gesetzliche Unterhaltspflicht und sind bei der Prüfung des gesicherten Lebensunterhaltes nicht zu berücksichtigen (vgl VGW 20.6.2016, VGW-151/071/14460/2015; VwGH 11.10.2016, Ra 2016/01/0169). 106 Pensionsbezüge sind eine Versicherungsleistung und somit als Einkünfte iSd Abs 5 zu werten. Das Gleiche gilt für den Bezug einer Ausgleichszulage. Die Ausgleichszulage mag eine Leistung mit Fürsorgecharakter und somit keine Versicherungsleistung im engeren Sinn sein, da sie das Existenzminimum des Pensionisten sichern soll (vgl OGH 21.7.2009, 10 ObS 116/09w), dies ändert aber nichts daran, dass die Ausgleichszulage vom Bestehen eines Pensionsanspruches abhängt (arg: der „Pensionsberechtigte“ in § 292 Abs 1 ASVG) und daher eine akzessorische Leistung darstellt, die zur Versicherungsleistung (Pensionsanspruch) hinzutritt. Auch wenn die Ausgleichszulage somit nicht durch eigene Beiträge abgedeckt sein mag, wird auf Grund eigener Versicherungsleistungen eine Anwartschaft auch auf die Ausgleichszulage begründet. Diese stellt somit eine Versicherungsleistung (wenn auch im weiteren Sinne) dar. Da Abs  5 pauschal von Versicherungsleistungen spricht, fällt auch die Ausgleichszulage unter diesen Begriff (VwGH 28.10.2009, 2007/01/0295). 107 Der vom Verleihungswerber nachgewiesene Bezug von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe ist als Versicherungsleistung gemäß Abs  5 zu berücksichtigen (VwGH 4.9.2008, 2008/01/0494). Die Notstandshilfe ist – insofern wie das Arbeitslosengeld – eine Leistung aus einer das Risiko der Einkommenslosigkeit infolge Verlustes der Beschäftigung deckenden Versicherung, die zwar – anders als das Arbeitslosengeld – wegen des Fehlens einer zeitlichen Begrenzung in näher geregelter Weise an die Voraussetzung des Fehlens eines zur Deckung der Lebensbedürfnisse ausreichenden Einkommens gebunden ist, da176

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durch aber nicht zur bloßen Fürsorge wird (VwGH 20.12.2000, 95/08/0107). Aus dem Zweck der Familienbeihilfe, wonach sie ausschließlich für 108 jene Personen zu verwenden ist, für die sie bezahlt wird, ergibt sich dann keine Einschränkung ihrer Berücksichtigung für das maßgebliche Einkommen gemäß Abs 5, wenn der hinreichend gesicherte Lebensunterhalt des Verleihungswerbers anhand des Einkommens jenes (desselben) Haushaltes zu beurteilen ist, in dem auch die Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird, leben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Familienbeihilfe vom (weiten) Begriff der eigenen Einkünfte in Abs 5 nicht umfasst wäre, beinhaltet diese Bestimmung doch eine ausdrückliche Einschränkung nur für die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften (vgl VwGH 20.6.2012, 2011/01/0217). Daher sind der Bezug der Familienbeihilfe und des akzessorischen Kinderabsetzbetrages als Einkünfte iSd Abs 5 zu werten. Der Bezug des Kinderbetreuungsgeldes ist bei der Berechnung des 109 Lebensunterhaltes zu berücksichtigen. Zielsetzung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG) ist die finanzielle Unterstützung der Eltern während der Betreuung ihres Kindes in den ersten Lebensjahren im Sinne einer Abgeltung der Betreuungsleistung oder der Ermöglichung der Inanspruchnahme außerhäuslicher Betreuung. Das Kinderbetreuungsgeld soll dabei nur jenen Eltern(teilen) gewährt werden, die bereit sind, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken oder gänzlich aufzugeben (VfGH 28.9.2009, G 9/09; VfGH 26.2.2009, G 128/08). Durch die mit dem KBGG (gegenüber der früheren Versicherungsleistung des Karenzgeldes) geschaffene Möglichkeit, einen Zuverdienst erwirtschaften zu können, soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht werden. In Anbetracht dessen ist nun nicht zu erkennen, weshalb das Kinderbetreuungsgeld ein Einkommensbestandteil sein sollte, der bei der Berechnung des „Haushaltseinkommens“ gemäß Abs  5 nicht zu berücksichtigen wäre (vgl VwGH 20.6.2012, 2011/01/0217; VwGH 18.2.2010, 2009/22/0026). Beispiel 2: Ein arbeitsloser Verleihungswerber welcher Notstandshilfe 110 und Familienbeihilfe für seine 2 Kinder bezieht – bei der Berechnung des Lebensunterhaltes (Haushaltseinkommen) werden sowohl der Bezug der Notstandshilfe wie auch die Familienbeihilfe berücksichtigt, aber nur wenn die Kinder im gemeinsamen Haushalt mit dem Verleihungswerber leben. 177

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111 Ob der Bezug des Pflegegeldes bei der Einkommensberechnung zu berücksichtigen ist, kann anhand der Judikatur nicht abschließend geklärt werden. Das Pflegegeld hat gem § 1 Bundespflegegesetz (BPGG) den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern, sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen. Der VwGH hat zur Bestimmung des §  11 Abs  5 NAG im E vom 16.12.2010, 2008/01/0604 im Ergebnis festgehalten, dass eine Hinzurechnung des Pflegegeldes zwecks Unterhalts­ gewährung in einem Nachzugsfall dann zulässig sei, wenn krankheitsbedingt kein besonderer Sachaufwand anfalle, mit dem Pflegegeld daher die erforderlichen persönlichen Pflegeleistungen abgegolten werden können und diese Leistungen nicht von Dritten, sondern durch den nachziehenden Angehörigen selbst erbracht werden. Dann stünde nämlich dieser Betrag dem Zusammenführenden gemeinsam mit den Nachziehenden zur Verfügung und könnte für die Bestreitung des Unterhalts des Nachziehenden verwendet werden (vgl VwGH 18.3.2010, 2008/22/0632). Diese Überlegungen sind auf die nahezu gleichlautende Rechtslage des Abs 5 zu übertragen. Dies bedeutet, dass nur im Fall wo das zuerkannte Pflegegeld eines Verleihungswerbers nicht für Leistungen von Dritten (wie zB Krankenpfleger) verwendet werde, und die Versorgung eines Verleihungswerbers entweder nicht notwendig oder im Familienverband erfolgt, das ausbezahlte Pflegegeld bei der Berechnung des Lebensunterhaltes herangezogen werden kann. 112 Der Bezug von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften, insbesondere der Bezug der Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung, der Mietbeihilfe, und der Leistungen aus der Grundversorgung im Berechnungszeitraum führt dazu, dass der Lebensunterhalt – abgesehen von Fällen des Abs 1b – nicht hinreichend gesichert ist und somit ein (absoluter) Versagungsgrund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft besteht. 3. Berechnungszeitraum 113 Den EB zu BGBl I 136/2013 ist zu entnehmen, dass der bisherige Durchrechnungszeitraum in Abs  5 dahingehend adaptiert wird, dass zukünftig Verleihungswerber den hinreichend gesicherten Lebensunterhalt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt nachweisen müssen. Dies stelle eine 178

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Erleichterung dar und werde durch die Verlängerung des Durchrechnungszeitraumes mehr Möglichkeiten für den Nachweis des gesicherten Lebensunterhaltes als bisher geschaffen. Damit soll ein Beitrag dazu geleistet werden, Härtefälle im Rahmen der Voraussetzung des gesicherten Lebensunterhaltes in sachgerechter Weise zu vermeiden. Mit dieser Adaptierung des Abs 5 soll klargestellt werden, dass die geltend gemachten Monate aus den letzten sechs Jahren beliebig vom Fremden in diesem Durchrechnungszeitraum gewählt werden können, wobei die letzten sechs Monate des sechsjährigen Zeitraumes, also die sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt, jedenfalls vom Verleihungswerbern geltend zu machen sind. Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass die eigenen Einkünfte des Verleihungswerbers ihm lediglich in den 36 geltend gemachten Monaten eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu ermöglichen haben. Dies bedeutet, dass ein vorübergehender Sozialhilfebezug in der nicht geltend gemachten Zeit der letzten sechs Jahre der Erfüllung der Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes gemäß Abs  1 Z 7 nicht entgegensteht. Mit dem letzten Satz des Abs 5 wird festgelegt, dass der Lebensunter- 114 halt in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Entscheidungszeitpunkt jedenfalls als hinreichend gesichert gilt, wenn in diesem Zeitraum Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des KBGG bezogen wird. 4. Regelmäßige Aufwendungen Gem Abs 5 dritter Satz (mit In-Kraft-Treten des BGBl I 122/2009 in 115 Abs  5 eingeführt) werden feste und regelmäßige eigene Einkünfte durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in §  292 Abs 3 ASVG festgelegten Höhe (sog „freie Station“) unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Wie den EB zu BGBl I 122/2009 zu entnehmen ist, folgen die Änderungen in Abs 5 der korrespondierenden Bestimmung in § 11 Abs 5 NAG, auf die in den Erläuterungen verwiesen wird. Demnach soll durch die demonstrative Aufzählung von Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen verdeutlicht werden, dass die 179

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individuelle Situation des Antragstellers oder des im Falle einer Familienzusammenführung für ihn Aufkommenden, die Höhe der erforderlichen Unterhaltsmittel beeinflusst, weshalb die tatsächliche Höhe der Lebensführungskosten als relevanter Faktor mit zu berücksichtigen ist; diese Ausgaben sind daher vom Nettoeinkommen in Abzug zu bringen. Dadurch bleibt gewährleistet, dass zB mit besonders hoher Miete belastete Fremde von vornherein nachweisen müssen, dass sie sich die von ihnen beabsichtigte Lebensführung im Hinblick auf ihr Einkommen auch tatsächlich leisten können. 116 Die in Abs 5  demonstrativ (arg „insbesondere“) aufgezählten Aufwendungen (Miete, Kredite, Pfändungen, Unterhaltszahlungen) sind als Abzüge zu berücksichtigen, wenn sie regelmäßig sind. Regelmäßig sind Aufwendungen nur dann, wenn sie über einen längeren Zeitraum mit einer gewissen Kontinuität erfolgen (vgl zur Regelmäßigkeit auch das E des VwGH vom 20.9.2011, 2010/01/0001). Des Weiteren bleibt der Wert der „vollen freien Station“ (§ 292 Abs 3 ASVG) einmalig unberücksichtigt und schmälert in diesem Sinne die in Abzug zu bringenden regelmäßigen Aufwendungen (vgl VwGH 19.10.2011, 2010/01/0057). 117 Im Ergebnis bedeutet das, dass diese regelmäßigen Aufwendungen nur ab jenen Betrag, der über diesen Wert liegt, die Gesamtsumme der benötigten Einkünfte erhöhen (Peyrl/Czech in Abermann/Czech/Kind/ Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 [2016], § 11 Rz 25).Wie den EB zu BGBl I 122/2009 zu entnehmen ist, bedeutet dies aber im Umkehrschluss nicht, dass der Betrag der freien Station die notwendigen Einkünfte in Höhe der in Betracht kommenden Richtsätze des §  293 ASVG dann schmälert, wenn etwa gar keine regelmäßige Aufwendungen anfallen. 118 Beispiel 3: Ein Verleihungswerber hat an regelmäßigen Aufwendungen für das Jahr 2013 nur die Miete für seine Wohnung in Höhe von EUR 180,– monatlich zu zahlen. Im Hinblick darauf, dass der Wert der freien Station im Jahr 2013 EUR 267,64 betrug und die Miethöhe um EUR 87,64 übersteigt, werden seine Einkünfte nicht geschmälert. Der Betrag von EUR 87,64 kann jedoch die Höhe der Einkünfte nicht schmälern. Im Ergebnis hat der Verleihungswerber keine regelmäßigen Aufwendungen zu tätigen. 119 Da die Arten der regelmäßigen Aufwendungen im Abs 5 demonstrativ aufgezählt sind, besteht kein Konsens in der Praxis der Staatsbürgerschaftsbehörden, welche Aufwendungen – abgesehen von Mietbelas180

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tungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte – von den Einkünften abzuziehen sind. Mietzinszahlungen gehören jedenfalls dazu, wobei es keinem Zweifel unterliegt, dass vom Begriff „Mietbelastungen“ nicht nur der Hauptmietzins, sondern auch die – im vereinbarten Pauschalmietzins enthaltenen – Betriebskosten umfasst sind (VwGH 26.1.2012, 2010/21/0346 zu § 11 Abs 5 NAG). 5. Richtsätze des § 293 ASVG Bei der Einkommensberechnung wird geprüft, ob die ermittelten Ein- 120 künfte eines Verleihungswerbers – geschmälert durch regelmäßige Aufwendungen – den Richtsätzen des §  293 ASVG (Ausgleichszulagenrichtsätze) der letzten drei Jahre entsprechen. Nach Meinung des Bundesministerium für Inneres (BMI) übt die Ausgleichszulage im österreichischen Pensionsrecht eine nahezu identische Funktion wie die einer Mindestpension aus (Peyrl/Czech in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 [2016], § 11 Rz 23). Die Heranziehung der Richtsätze des § 293 ASVG ist auch aus Sicht des VfGH zulässig (VfGH 13.10.2007, B 1462/06). Nicht eindeutig ist nach dem Wortlaut der Bestimmung und den nicht 121 aussagekräftigen EB jedoch, auf welchen Zeitraum der „letzten drei Jahre“ im zweiten Satz des Abs 5 hinsichtlich der Höhe der zu erreichenden Richtsätze des §  293 ASVG abgestellt wird. Stellt man nun dem allgemeinen Grundsatz folgend die Richtsätze gem § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor Entscheidung den geltend gemachten Einkünften vor Antragstellung gegenüber, so entsteht mit fortlaufender Verfahrensdauer und jährlicher Valorisierung der gesetzlichen Richtsätze eine zunehmende Differenz zwischen den einmal geltend gemachten ex post nicht mehr änderbaren Einkünften vor Antragstellung und den der Höhe nach steigenden Richtsätzen gemäß §  293 ASVG. Zudem entsprechen diesfalls die geltend gemachten Monate vor Antragstellung zunehmend nicht mehr den zum Vergleich herangezogenen Monaten vor dem Entscheidungszeitpunkt. Für die Verleihungswerber wäre somit zum Zeitpunkt der Antragstellung und initiativen eigenen Geltendmachung der (besten) Einkünfte aus den letzten sechs Jahren, nicht absehbar, ob damit die bis zum Abschluss des Verfahrens zukünftigen gesetzlichen Richtsätze erfüllt werden können. Diese insofern undifferenzierte Auslegung widerspricht uE dem Ver- 122 trauensschutz auf eine hinreichende gesetzliche Determination von Ein181

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bürgerungsbestimmungen und der Intention des Gesetzgebers mit der StbG-Novelle 2013 eine gewisse Erleichterung für Staatsbürgerschaftswerber zu schaffen, und insbesondere den wiederholten Nachweis des aktuell gesicherten Lebensunterhaltes bis zur Entscheidung über den Staatsbürgerschaftsantrag hintanzuhalten. Ausgehend von der vom Gesetzgeber sinngemäß formulierten Voraussetzung, dass gemäß Abs 5 der Lebensunterhalt im geltend gemachten Zeitraum ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen hinreichend gesichert sein muss und der Höhe nach den Richtsätzen des §  293 ASVG zu entsprechen hat, ist grundsätzlich auch ableitbar, dass der Gesetzgeber beabsichtigte die jeweils geltend gemachten Monatseinkünfte aus den sechs Jahren vor Antragstellung eben diesen gesetzlichen Richtsätzen aus den gleichen Monaten in den sechs Jahren vor Antragstellung gegenüberzustellen. 123 Die Wendung „der letzten drei Jahre“ im letzten Satzteil des Abs 5 hätte jedoch diesfalls keinen Anwendungsbereich, wolle man dem Gesetzgeber nicht ein legistisches Versehen unterstellen. Gegen die zuletzt dargelegte Interpretation spricht nicht nur der explizite Wortlaut des Abs  5, sondern auch eine teleologische Interpretation des StbG, wonach es im Interesse eines nachhaltig gesicherten Lebensunterhaltes bei Staatsbürgerschaftsverleihung regelmäßig geboten ist, die geltend gemachten Einkünfte den zum Antragszeitpunkt aktuellen und zeitnahen gesetzlichen Richtsätzen gegenüberzustellen. So hat auch die konkrete persönliche Lebenssituation der Verleihungswerbers wie Haushaltsgemeinschaft, Personenstand, Sorgepflichten im Antragszeitraum in die Berechnung einzufließen. 124 Es ist evident, dass dem Vergleich mit jahrelang überholten Richtsätzen hinsichtlich eines nachhaltig gesicherten Lebensunterhaltes und eines zukünftig nicht zu erwartenden Bezuges von Sozialhilfeleistungen keine Aussagekraft mehr zukommen kann. 125 Im Endergebnis ist daher die Auffassung zu vertreten, dass Abs  5 in der geltenden Fassung dahingehend zu verstehen ist, dass die geltend gemachten festen und regelmäßigen eigenen Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36  Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt – ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften – der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des §  293 ASVG der letzten drei Jahre vor Antragstellung ent182

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sprechen sollen (vgl VwGH 15.3.2016, Ro 2015/01/0014; VGW 5.10.2015, VGW-151/071/21571/2014). Wie bereits ausgeführt, ist bei einem gemeinsamen Haushalt unter Be- 126 rücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltseinkommen den Haushaltsrichtsatz nach § 293 Abs 1 ASVG erreicht (vgl VwGH 28.10.2009, 2007/01/0944; VwGH 16.12.2009, 2007/01/1276; VwGH 21.1.2010, 2007/01/1136). Ehegatten, eingetragene Partner und minderjährige (sowie volljährige, nicht selbsterhaltungsfähige) Kinder, die Unterhaltsansprüche gegen einen Verleihungswerber haben, sind bei Ermittlung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts zu berücksichtigen, wenn sie mit ihm im gemeinsamen Haushalt leben. Für Einzelpersonen ist der Einzelpersonenrichtsatz gem § 293 Abs 1 127 lit bb ASVG (2016: EUR 882,87), für Ehegatten der Ehegattenrichtsatz gem § 293 Abs 1 lit aa ASVG (2016: EUR 1.323,58) und für Kinder der Richtsatz gem § 293 Abs 1 letzter Satz ASVG (2016: EUR 136,21) heranzuziehen. Kinder können gem § 252 Abs 2 ASVG auch Personen sein, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, insbesondere weil sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, die ihre Arbeitskraft überwiegend beansprucht (vgl Peyrl/Czech in Abermann/Czech/Kind/ Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 [2016], § 11 Rz 23). Die Richtsätze werden jährlich valorisiert. 6. Berechnung des gesicherten Lebensunterhaltes Anhand eines Berechnungsbeispiels (betreffend einen einfachen Sach- 128 verhalt) soll die Komplexität der Berechnung des Lebensunterhaltes veranschaulicht werden: Der Verleihungswerber stellt einen Antrag auf die Verleihung der öster- 129 reichischen Staatsbürgerschaft am 28.8.2013. Er ist seit 3.7.2012 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet (davor lebte er mit ihr in einer Lebensgemeinschaft) und hat zwei Kinder, welche ebenfalls österreichische Staatsbürger sind (daher keine Erstreckungsanträge von diesen). Das erste Kind wurde am 1.6.2009, und das zweite Kind am 29.5.2013 geboren. Er lebt in gemeinsamen Haushalt mit der Ehegattin und den 2 Kindern in einer Eigentumswohnung. Bei der Berechnung des Durchschnitts der Einkünfte der 36 Monate sind 130 daher jedenfalls die 6 Monate vor der Antragstellung (März 2013 bis August 2013) zu berücksichtigen, die restlichen 30 Monate kann der Verlei183

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hungswerberaus dem Zeitraum September 2007 bis Februar 2013 (6 Jahre vor der Antragstellung bzw vor den jedenfalls zu prüfenden 6 Monate vor der Antragstellung) frei wählen. Der Verleihungswerber hat die Monate Dezember 2008, Dezember 2009, November und Dezember 2010, das ganze Jahr 2011 und 2012, sowie Jänner und Februar 2013 (insgesamt 30 Monate) für die Berechnung geltend gemacht und entsprechende Nachweise über Einkünfte und regelmäßige Aufwendungen vorgelegt. 131 Der Verleihungswerber hat im Berechnungszeitraum seinen Lebensunterhalt durch selbständige und unselbständige Erwerbstätigkeit, den Bezug des Arbeitslosengeldes, und den Bezug der Familienbeihilfe bestritten. Leistungen der Sozialhilfe hat er nie in Anspruch genommen. Er hat Unterhaltszahlungen an seine Ex-Ehegattin (Scheidung im Jahre 2005) in Höhe von 200,– € monatlich zu leisten. Die Ehegattin war mit Unterbrechungen beschäftigt und hat ab Juli 2013 Kinderbetreuungsgeld bezogen. Sie hat im März 2013, der Verleihungswerber im Jänner 2013 einen Kredit aufgenommen. 132 Zunächst ist die Summe der maßgeblichen Richtsätze („Haushaltsrichtsatz“ ab Heirat) des § 293 ASVG für die letzten drei Jahre vor der Antragstellung zu errechnen. Da der Verleihungswerber den Antrag am 28.8.2013 gestellt hat, ist die Summe der Richtsätze von September 2010 bis August 2013 zu errechnen. Da der Verleihungswerber am 3.7.2012 geheiratet hat, und in Mai 2013 das zweite Kind bekommen hat, ist von September 2010 bis Juli 2012 der Einzelpersonenrichtsatz und der Richtsatz für 1 Kind maßgeblich, von Juli 2012 bis Mai 2013 (Ende Mai wurde das 2. Kind geboren) ist der Ehegattenrichtsatz und der Richtsatz für 1 Kind maßgeblich, von Juni bis August 2013 ist der Ehegattenrichtsatz und der Richtsatz für 2 Kinder maßgeblich. Da die Höhe der Richtsätze jedes Jahr valorisiert wird, muss zunächst nach Jahren die Summe der Richtsätze ermittelt und dann zusammengezählt werden: 133 September bis Dezember 2010: Einzelpersonenrichtsatz und 1 Kind: 783,99 € + 82,16 € = 866,15 x 4 Monate (September bis Dezember 2010) = 3.464,60 € 2011: Einzelpersonenrichtsatz und 1 Kind: 793,40  € + 122,41  € = 915,81 x 12 Monate (Jänner bis Dezember 2011) = 10.989,72 € Jänner bis Juni 2012: Einzelpersonenrichtsatz und 1 Kind: 814,82 € + 125,72 € = 940,54 x 6 Monate (Jänner bis Juni 2012) = 5.643,24 € Juli bis Dezember 2012: Ehegattenrichtsatz und 1 Kind: 1.221,68 € + 125,72 € = 1.347,40 x 6 Monate (Juli bis Dezember 2012) = 8.084,40 € 184

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Jänner bis Mai 2013: Ehegattenrichtsatz und 1 Kind: 1.255,89 € + 129,24 € = 1.385,13 x 5 Monate (Jänner bis Mai 2013) = 6.925,65 € Juni bis August 2013: Ehegattenrichtsatz und 2 Kinder: 1.255,89 € + 129,24 € x 2 =1.514,37 x 3 Monate (Juni bis August 2013) = 4.543,11 € Die Summe der zu erreichenden Richtsätze in den 3 Jahren vor der Antragstellung beträgt daher 39.650,72 €. Nachdem die Summe der zu erreichenden Richtsätze ermittelt wurde, 134 ist die Berechnung der Einkünfte und der regelmäßigen Aufwendungen des Verleihungswerbers – unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station – vorzunehmen. Dabei sind die vom Verleihungswerber geltend gemachte Monate zu berücksichtigen: Einkünfte Dezember 2008: • Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit: 2.214,37 €

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Summe der Belastungen: 136 • Betriebskosten: 352,40 € • Unterhaltszahlungen an Ex-Ehegattin: 200,– € • Wert der freien Station gemäß § 292 ASVG für das Jahr 2008: 239,15 € monatlich Summe der Belastungen zusammengezählt: 552,40 € minus Wert der freien Station = 313,25 € Einkommen 2.214,37 € minus Belastungen 313,25 = 1.901,12 € Einkommen für Dezember 2008 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: 1.901,12 €. Einkünfte Dezember 2009: • Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit: 1.937,58 € • Familienbeihilfe für 1 Kind: 184,90 € Gesamt: 2.122,48 €

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Summe der Belastungen: 138 • Betriebskosten: 352,40 € • Unterhaltszahlungen an Ex-Ehegattin: 200,– € • Wert der freien Station gemäß § 292 ASVG für das Jahr 2009: 246,80 € monatlich Summe der Belastungen zusammengezählt: 552,40 € minus Wert der freien Station = 305,60 € Einkommen 2.122,48 € minus Belastungen 305,60 € = 1.816,90 € Einkommen für Dezember 2009 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: 1.816,90 €. 185

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139 Einkünfte November und Dezember 2010: • Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit: 1.209,56 € (2 Monate) • Familienbeihilfe für 1 Kind: 369,80 € (2 Monate) Gesamt: 1.579,36 € 140 Summe der Belastungen: • Betriebskosten: 352,40 € monatlich • Unterhaltszahlungen an Ex-Ehegattin: 200,– € monatlich • Wert der freien Station gemäß § 292 ASVG für das Jahr 2010: 250,50 € monatlich Summe der Belastungen zusammengezählt: 552,40 € monatlich ­minus Wert der freien Station = 301,60 € x 2 Monate = 603,80 € Einkommen 1.579,36 € minus Belastungen 603,80 € = 975,56 € Einkommen für November und Dezember 2010 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: 975,56 €. 141 Einkünfte Jänner bis Dezember 2011: • Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit: 4.433,65 € (12 Monate) • Arbeitslosengeld: 5.730,08 € (12 Monate) • Familienbeihilfe: 2.218,80 € (12 Monate) Gesamt: 12.382,53 € 142 Summe der Belastungen: • Betriebskosten: 352,40 € monatlich • Unterhaltszahlungen an Ex-Ehegattin: 200,– € monatlich • Wert der freien Station gemäß § 292 ASVG für das Jahr 2011: 253,51 € monatlich Summe der Belastungen zusammengezählt: 552,40 € monatlich ­minus Wert der freien Station = 298,89 € x 12 Monate = 3.586,68 € Einkommen 12.382,53 € minus Belastungen 3.586,68 € = 8.795,85 € Einkommen für das Jahr 2011 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: 8.795,85 €. 143 Einkünfte Jänner bis Dezember 2012: • Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit: 21.302,83 € (12 Monate) • Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit der Ehegattin (ab Juli 2012): 2.811,86 € insgesamt • Familienbeihilfe: 2.218,80 € (12 Monate) Gesamt: 26.333,49 € 186

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Summe der Belastungen: 144 • Betriebskosten: 352,40 € monatlich • Unterhaltszahlungen an Ex-Ehegattin: 200,– € monatlich • Wert der freien Station gemäß §  292 ASVG für das Jahr 2012: 260,36 € monatlich Summe der Belastungen zusammengezählt: 552,40 € monatlich minus Wert der freien Station = 292,04 € x 12 Monate = 3.504,48 € Einkommen 26.333,49 € minus Belastungen 3.504,48 € = 22.829,01 € Einkommen für das Jahr 2012 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: 22.829,01 €. Einkünfte Jänner bis August 2013: 145 • Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit: 12.506,36 € (8 Monate) • Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit der Ehegattin: 955,77 € • Familienbeihilfe: 2.588,60 € (ab Juni für 2 Kinder) • Kinderbetreuungsgeld für 1 Kind: 566,67 € (erst ab Juli 2013 zuerkannt) Gesamt: 16.617,40 € Summe der Belastungen: 146 • Betriebskosten: 352,40 € monatlich • Kreditrate des Verleihungswerbers: 642,40 € monatlich • Kreditrate der Ehegattin : 120,35 € monatlich • Unterhaltszahlungen an Ex-Ehegattin: 200,– € monatlich • Wert der freien Station gemäß §  292 ASVG für das Jahr 2013: 267,64 € monatlich Summe der Belastungen zusammengezählt: 1.315,15 € monatlich minus Wert der freien Station = 1.047,51 € x 8 Monate = 8.380,08 € Einkommen 16.617,40 € minus Belastungen 8.380,08 € = 8.237,32 € Einkommen für das Jahr 2013 abzüglich der Belastungen und unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station: 8.237,32 €. Insgesamt erzielte Einkünfte nach Abs 5: 44.555,76 € Daraus ergibt sich dass die Summe der vom Verleihungswerber erziel- 147 ten Einkünfte im Berechnungszeitraum in Höhe von 44.555,76 € die Summe der Richtsätze in Höhe von 39.650,02 € um 4.905,74 € übersteigt. Daher ist der Lebensunterhalt des Verleihungswerbers iSd Abs 1 Z 7 hinreichend gesichert. 187

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7. Nicht hinreichend gesicherter Lebensunterhalt auf Grund einer Behinderung oder Krankheit 148 Gemäß § 10 Abs 1b hat ein Verleihungswerber seinen nicht gesicherten Lebensunterhalt insbesondere dann nicht zu vertreten, wenn dieser auf einer Behinderung oder auf einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit beruht, wobei dies durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen ist. Bis zur StbG-Novelle 2013 kannte das StbG eine solche Bestimmung nicht, und mussten auch schwer kranke und behinderte Verleihungswerber den Nachweis des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes erbringen (vgl VwGH 22.8.2007, 2006/01/0686). 149 Den EB zu BGBl I 136/2013 ist zu entnehmen, das die Verleihungsvoraussetzung eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung der Judikatur des VfGH vom 1.3.2013 zu G 106/12 und G 17/13 dahingehend adaptiert wird, dass Verleihungswerber, die ihren Lebensunterhalt aus tatsächlichen von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht oder nicht im ausreichendem Maße sichern können, von der Erfüllung der Verleihungsvoraussetzung zum Nachweis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes ausgenommen sind. Durch die demonstrative Aufzählung im Abs 1b soll klargestellt werden, wann solche Gründe vorliegen, die der Verleihungswerber nicht zu vertreten hat. Inwieweit der Grad der Behinderung die Möglichkeit einer aktiven Teilnahme am Erwerbsleben einschränkt oder gar ausschließt, ist durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Im Falle einer dauerhaften schwerwiegenden Krankheit ist dies auch durch ein ärztliches Gutachten nachzuweisen. Durch diese Überprüfung im Einzelfall ist gewährleistet, dass nur Personen, die aufgrund ihres Behinderungsgrades oder Krankheitsbildes tatsächlich nicht oder nur eingeschränkt am Erwerbsleben teilnehmen können, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahmebestimmung gelangen, unabhängig davon, welchen Grad ihre Behinderung oder die Dauer und Schwere der Krankheit in einer formal abstrakten Betrachtung erreicht. 150 Somit wird eine spezifische Ausnahmeregelung für Personengruppen geschaffen, denen auf Grund ihrer besonders berücksichtigungswürdigen Situation der Erwerb der Staatsbürgerschaft ebenfalls möglich sein soll. Die durch das Wort „insbesondere“ angezeigte Aufzählung von Tatbeständen führt dazu, dass auch noch andere Möglichkeiten zugelassen werden und die angeführten Beispiele der Behinderung oder der schwerwiegenden Krankheit nicht als erschöpfende Aufzählung anzu188

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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sehen sind. Jedoch müssen alle weiteren, nicht explizit genannten Gründe von vergleichbarem Gewicht sein. Dies bedeutet, dass sowohl der Grund als auch die Nachweisbarkeit des Grundes den angeführten Tatbeständen in ihrer Bedeutung vergleichbar sein müssen. 8. Berechnung des gesicherten Lebensunterhaltes in Verfahren, welche vor 1.7.2011 anhängig waren („Altverfahren“) Mit E vom 1.3.2013 (G 106/12-7 und G 17/13-6), kundgemacht am 151 8.4.2013 in BGBl I Nr 54/2013, hat der VfGH § 10 Abs 1 Z 7 in der Fassung BGBl I Nr 37/2006 sowie Abs 5 leg cit in der Fassung BGBl I Nr 122/2009 als verfassungswidrig aufgehoben. Weiters hat der VfGH ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30.6.2014 in Kraft tritt, frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten und die aufgehobenen Gesetzesbestimmungen auch in den am 1.3.2013 beim VwGH anhängigen Fällen nicht mehr anzuwenden sind. Wie der VwGH unter anderem in seinem Erkenntnis vom 24.4.2013, 152 2012/01/0071 ausgesprochen hat, haben die Novellen BGBl I Nr 2/2008, BGBl I Nr 4/2008, BGBl I Nr 135/2009 und BGBl I Nr 38/2011 die Bestimmungen des § 10 Abs 1 Z 7 und Abs 5 unberührt gelassen. Von der Anlassfallwirkung waren bzw sind somit auch Fälle erfasst, in denen die Behörde § 10 in der Fassung BGBl I Nr 38/2011 anzuwenden hatte. Fest steht somit, dass die Aufhebung der genannten Bestimmungen alle vor dem 1.7.2011 anhängigen Verfahren betrifft, da diese Verfahren gemäß § 64a Abs 11 nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 38/2011 zu Ende zu führen sind. Da gemäß Art 140 Abs 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehör- 153 den an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden sind, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist, ist auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Fraglich war, ob bzw inwieweit die mit 30.6.2014 aufgehobenen Bestimmungen weiterhin anwendbar sind (ist), da die Frage, wann ein „verwirklichter Tatbestand“ im Sinne des Art 140 Abs 7 B-VG gegeben ist, nach der höchstgerichtlichen Judikatur im Allgemeinen vom anzuwendenden materiellen Recht abhängt. Nach der Rechtsprechung des VwGH nimmt Art 140 Abs 7 B-VG auf 154 die vor der Aufhebung „verwirklichten Tatbestände“ und damit auf 189

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den dem jeweiligen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt als Ausschnitt der Lebenswirklichkeit Bezug. Ein verwirklichter Tatbestand liegt dann vor, wenn der Sachverhalt (die „Lebenswirklichkeit“) den in einer gesetzlichen Vorschrift abstrakt umschriebenen Lebensverhältnissen (dem Tatbestand) entspricht. Ein verwirklichter Tatbestand im Sinn des Art  140 Abs  7 B-VG liegt nach der Rechtsprechung des VwGH insbesondere dann vor, wenn die vom VfGH aufgehobene Rechtsvorschrift durch einen unveränderbaren Tatbestand gekennzeichnet ist, das heißt, wenn ein Sachverhalt, der unveränderbar ist, verwirklicht wurde, auf den der Tatbestand einer vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Rechtsvorschrift sich bezieht (s OGH 19.3.2002, 10 ObS 23/02h und die dort zitierten E des VwGH). 155 Nach § 10 Abs 1 Z 7 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 38/2011, darf einem Fremden die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist. Nach der Legaldefinition des Abs 5 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 38/2011 ist der Lebensunterhalt unter anderem dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt der letzten drei Jahre nachgewiesen werden. 156 In allen „Altverfahren“, dh allen vor 1.7.2011 anhängig gewordenen Fällen, ist somit der Lebensunterhalt anhand der Einkünfte (samt Aufwendungen und einem allfälligen Sozialhilfebezug, der ein Verleihungshindernis darstellt) in den letzten drei Jahren vor dem Entscheidungszeitpunkt zu prüfen. Da das Gesetz ausdrücklich auf den Entscheidungszeitpunkt Bezug nimmt, handelt es sich zum einen um keinen „unveränderbaren“ Tatbestand, zum anderen geht es um Sachverhalte, die bei einem Entscheidungszeitpunkt nach dem 30.6.2014 (also) erst nach der Aufhebung verwirklicht werden. 157 Folgt man diesen Erwägungen, bedeutet dies, dass die genannten Bestimmungen in allen „Altverfahren“ ab 30.6.2014 nicht mehr anwendbar sind, sodass die Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhaltes in Verfahren welche vor 1.7.2011 anhängig waren, mangels Anwendbarkeit der §  10 Abs  1 Z  7 und Abs  5 StbG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I Nr 38/2011 nicht mehr zu prüfen ist. 190

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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III.  Verleihungshindernisse A.  Freiheitsstrafen § 10 Abs 1 Z 2 legt fest, dass die Staatsbürgerschaft einem Verleihungs- 158 werber nur dann verliehen werden kann, wenn er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Auch wenn es sich hierbei um eine Jugendstraftat handelt, liegt gemäß § 10 Abs 1a zweiter Satz ein Verleihungshindernis vor. In Fällen einer ausländischen Verurteilung müssen die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar, und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art 6 EMRK entsprechendem Verfahren ergangen sein. Die Regelung der Z 2 wurde mit StbG-Novelle 2005 (BGBl I 37/2006) 159 dahingehend adaptiert, dass jede gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ein Verleihungshindernis darstellt. Das StbG idF vor der StbG-Novelle 2005 sah noch vor, dass nur jenen Verleihungswerbern, welche zu einer drei Monate übersteigender Freiheitstrafe verurteilt wurden, die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu versagen war. Die EB zu BGBl I 37/2006 gehen – unter Bedachtnahme auf die Möglichkeit einer diversionellen Erledigung oder einer Geldstrafe – davon aus, dass es nur dann zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe kommt, wenn es sich nicht um ein erstes Bagatelldelikt handelt. Hat der Staatsbürgerschaftswerber aber durch mehrere Delikte im Bereich der Kleinkriminalität oder durch schwerwiegendere Erstdelikte schädliche Neigungen erkennen lassen, so bedarf es weiterer Beobachtung vor dem Abschluss der Integration in die österreichische Rechtsgemeinschaft. Getilgte Strafen stehen einer Verleihung nicht entgegen. Ausländische Verurteilungen stehen einer Verleihung nur dann entgegen, wenn die dem Urteil zu Grunde liegende Handlung auch nach österreichischem Recht gerichtlich – und sei es auch nach Nebenstrafrecht – strafbar ist und das Verfahren den Grundsätzen des Art 6 EMRK genügt hat. Nach dem klaren Wortlaut des Abs 1 Z 2 stellt jede wegen einer Vor- 160 satztat erfolgte rechtskräftige gerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe der Verleihung der Staatsbürgerschaft entgegen. Auf das Ausmaß der Freiheitsstrafe kommt es dabei – im Gegensatz zur Rechtslage vor Inkrafttreten der StbG-Novelle 2005 – nicht an (VwGH 191

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23.4.2009, 2006/01/0694). Auch bedingte rechtskräftige Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe sind vom Anwendungsbereich des Abs  1 Z  2 umfasst. Auf ein Wohlverhalten des Verleihungswerbers seit seiner Verurteilung kommt es bei der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzung nach Abs 1 Z 2 nicht an (VwGH 20.11.2007, 2005/01/0091). Die bedingte Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB berührt nur den Vollzug einer Verurteilung und ändert nichts an der Tatsache, dass eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt (vgl VwGH 14.10.1998, 98/01/0449). Die Beurteilung, ob das Verleihungshindernis nach Abs 1 Z 2 vorliegt, ist einer Ermessensübung nach § 11 vorgelagert und liegt nicht im (freien) Ermessen der Behörde (VwGH 25.11.2009, 2009/01/0057). Sofern eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe vorliegt, hat sich die Staatsbürgerschaftsbehörde mit der Behauptung des Verleihungswerbers, er sei unschuldig bzw zu Unrecht verurteilt worden, nicht auseinander zu setzen. Ein rechtskräftig abgeschlossenes gerichtliches Strafverfahren kann in einem Verfahren betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht neu aufgerollt werden (VwGH 3.12.2003, 2002/01/0291). 161 Nur solche Verurteilungen, die infolge Zeitablaufs der Tilgung nach dem TilgG 1972 unterliegen (also getilgt sind), stehen einer Verleihung nicht im Wege (VwGH 6.7.1999, 98/01/0603). Dasselbe gilt für ausländische Verurteilungen (vgl VwGH 13.2.1991, 90/01/0101), wobei zu prüfen ist, ob die im Auslandverhängte Verurteilung nach dem TilgG 1972 (und nicht nach maßgeblichen ausländischen Vorschriften – s auch § 7 TilgG) getilgt ist (VwGH 25.6.2009, 2006/01/0269). Die Tilgungsfrist beginnt gem § 2 TilgG, sobald alle Freiheits- oder Geldstrafen und die mit Freiheitsentzug verbundenen vorbeugenden Maßnahmen vollzogen sind, als vollzogen gelten, nachgesehen worden sind oder nicht mehr vollzogen werden dürfen. Verurteilungen zu lebenslanger Freiheitsstrafe werden gem § 5 TilgG nicht getilgt und schließen auch die Tilgung aller anderen Verurteilungen aus. 162 Gemäß Abs 1a erster Satz liegt eine gemäß Abs 1 Z 2 oder 3 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden darf. Gemäß § 6 Abs 1 Z 7 TilgG darf schon vor der Tilgung über Verurteilungen aus dem Strafregister bei Vorliegen der in den Abs 2 und 3 genannten Voraussetzungen lediglich Auskunft erteilt werden, unter anderem auch den Staatsbürgerschaftsbehörden zur Durchführung von Verfahren nach dem StbG. Gemäß § 6 Abs 2 Z 1 TilgG tritt die Beschränkung nach Abs 1 sofort 192

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mit Rechtskraft des Urteils ein, wenn keine strengere Strafe als eine höchstens dreimonatige Freiheitsstrafe verhängt worden ist. Daraus ergibt sich, dass alle Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe in Strafregisterauskünfte an die Staatsbürgerschaftsbehörden aufgenommen werden dürfen, und dass nur getilgte Verurteilungen nicht iSd Abs 1 Z 2 und 3 maßgeblich sind. Abs 1a erster Satz erscheint daher überholt. In der Praxis lassen sich die Staatsbürgerschaftsbehörden – abgesehen 163 von der Einsicht in den Strafregister – Berichte der jeweiligen Landespolizeidirektion vorlegen, aus welchen ersichtlich ist, ob ein Verleihungswerber verurteilt wurde, bzw ob ein Strafverfahren geführt wird. Im Hinblick auf mögliche ausländische Verurteilungen, wird seitens des Verleihungswerbers ein aktuelles Führungszeugnis aus seinem Heimatland vorzulegen sein. Manche Staatsbürgerschaftsbehörden (zB in Wien) verlangen von den Verleihungswerbern, aktuelle Führungszeugnisse aus allen Ländern in welchen der Verleihungswerber nach Vollendung des 14. Lebensjahres in den letzten 20 Jahren über 6 Monate gelebt hat, vorzulegen.

B.  Finanzvergehen Nach § 10 Abs 1 Z 3 darf die Staatsbürgerschaft ua nur dann verliehen 164 werden, wenn der Verleihungswerber nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Es soll dabei, wie in Z 2, auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe ankommen und stehen die Bestimmungen des Abs 1 Z 2 und Z 3 daher in einem „systematischen Zusammenhang“ (vgl VwGH 22.8.2006, 2004/01/0591). Es wird diesbezüglich auf die Ausführungen zu Z 2 verwiesen.

C.  Anhängige Strafverfahren § 10 Abs 1 Z 4 legt fest, dass die Staatsbürgerschaft einem Verleihungs- 165 werber nur dann verliehen werden kann, wenn gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist. Abs  1 Z  4 erfasst nicht nur solche Straftaten, die ausschließlich mit Freiheitsstrafe bedroht sind. Auch im Falle der alternativen gesetzlichen Androhung einer Freiheits- oder Geldstrafe kann das Gericht am Ende des Verfah193

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rens auf eine Freiheitsstrafe erkennen. Daher ist davon auszugehen, dass nach dem Wortlaut und der Zielsetzung des Gesetzes jedes anhängige Strafverfahren vor einem inländischen Gericht, das wegen des Verdachtes einer zumindest auch mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat geführt wird, gem Z  4 für die Dauer des Strafverfahrens ein (zwingendes) Verleihungshindernis darstellt (vgl VwGH 22.8.2006, 2004/01/0591). Die Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen des Z  4 ist einer Ermessensübung nach §  11 vorgelagert und liegt nicht im ­freien Ermessen der Behörde (vgl VwGH 21.4.1999, 97/01/1069). 166 Die gerichtliche Anhängigkeit ist ab dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem der Staatsanwalt die Anklage bei dem für das Hauptverfahren zuständigen Gericht iSd § 210 StPO einbringt. Vorerhebungen begründen hingegen noch keine gerichtliche Anhängigkeit, selbst wenn sie von einem Gericht geführt werden (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 172). Umso weniger können polizeiliche Ermittlungen ein Substrat für Prognoseentscheidungen gem § 10 darstellen, zumal nicht einmal bekannt ist, worauf sich der Verdacht konkret bezieht (VwGH 4.4.2001, 2000/01/0135). 167 Den EB zu BGBl I 124/1998 ist zu entnehmen, dass das Verleihungshindernis des anhängigen Strafverfahrens nur während der Dauer des Verfahrens gilt. Die Staatsbürgerschaftsbehörde hat – wenn absehbar ist, dass das Verfahren einem Ende zugeführt wird – mit ihrer Entscheidung zuzuwarten. Wird der Verleihungswerber freigesprochen oder das Verfahren eingestellt (bzw diversionell erledigt) fällt das Verleihungshindernis sofort weg.

D. Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit 1. Allgemeines 168 Nach § 10 Abs 1 Z 6 ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur dann zulässig, wenn der Verleihungswerber nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art 8 Abs 2 EMRK genannte öffentliche Interessen (nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Ge194

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sundheit und der Moral, Schutz der Rechte und Freiheiten) gefährdet. Die Prüfung der Z 6 stellt für Praktiker eine der am schwierigsten zu prüfende Verleihungsvoraussetzung dar. Die zum Teil nur sehr schwer zu erklärenden Begriffe wie „bejahende Einstellung zur Republik“, „Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ und „öffentliche Interessen“ lassen einen weiten Interpretationsspielraum zu. Dementsprechend ist die Rechtsprechung des VwGH zur Z 6 zahlreich und kasuistisch. Der VwGH hat in seinem E vom 12.3.1968, Zl 1274/67 ausgeführt, dass 169 der Kompetenztatbestand „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“ in der Weise umschrieben ist, dass er die Setzung und Vollziehung von Vorschriften, die in erster Linie der Abwehr und der Unterdrückung der allgemeinen Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung im Inneren dienen, umfasst. Bei der Beurteilung, ob eine Person mit Rücksicht auf von ihr begangene strafbare Handlungen eine Gefahr für öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit iSd Z 6 bildet, spielt keine Rolle ob sie Bundes- oder Landesgesetze übertreten hat, oder ob die Verstöße von den Gerichten oder von den Verwaltungsbehörden zu ahnden sind. Wesentlich erscheint lediglich, dass es sich um einen Rechtsbruch handelt, der den Schluss gerechtfertigt erscheinen lässt, ein Verleihungswerber werde auch in Zukunft wesentliche, zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Sicherheit, Gesundheit, öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1, [1969] S 78– 79). Zur Erstellung der Prognose in Bezug auf das künftige Verhalten des Staatsbürgerschaftswerbers iSd Z 6 kommt es auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung an (VwGH 20.10.1999, 99/01/0228). Es spielt keine Rolle, ob es sich bei den Verstößen um eine Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei oder einer speziellen Verwaltungspolizei handelt. Taten haben bei der nach Z  6 vorzunehmenden Beurteilung grundsätzlich dann weniger Gewicht, wenn sie weiter zurückliegen. Dabei ist auch der Zeitraum des Wohlverhaltens nach einer Straftat zu beachten (vgl VwGH 4.4.2001, 99/01/0369). Bei Prüfung der Frage, ob die Voraussetzungen der Z 6 vorliegen, ist 170 das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers zu berücksichtigen. Dieses wird wesentlich durch das Charakterbild bestimmt, welches sich aus den vom Verleihungswerber begangenen Straftaten ergibt. Handelt es sich bei diesen um einen Rechtsbruch, der den Schluss ge195

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rechtfertigt erscheinen lässt, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten, so ist die Gefahr im Sinne der Z 6 gegeben, wobei Schutzobjekt dieser Bestimmung auch die Normen des Staatsbürgerschaftsrechtes und Passrechtes (nunmehr Fremdenrechts) sind. Bei der Prüfung der Persönlichkeit des Verleihungswerbers im Sinne der Z 6 stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab. Es sind daher auch begangene Straftaten in die Beurteilung mit einzubeziehen, hinsichtlich derer die Verurteilung bereits getilgt ist (vgl VwGH 14.1.1987, 86/01/0280). 171 Die Beurteilung der zwingenden Verleihungsvoraussetzung der Z 6 ist einer Ermessensübung im Sinne des § 11 vorgelagert und liegt nicht im (freien) Ermessen der Behörde (VwGH 22.8.2007, 2005/01/0067). Zum Verhältnis der Z 6 zu § 11 s Kommentierung zu § 11. 2. Rechtsprechung 172 Hier wird ein kurzer Überblick über einige der wichtigsten Judikate des VwGH zu Z 6 geboten: Der Verleihungswerber ist nicht verpflichtet, seine Verurteilungen, welche unbestritten von der Beschränkung der Auskunft gemäß § 6 Tilgungsgesetz umfasst sind, im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft bekanntzugeben (VwGH 11.11.1997, 96/01/0967). 173 Zur Beurteilung des Gesamtverhaltens des Verleihungswerbers sind Feststellungen erforderlich über die Art und Schwere der den verwaltungsbehördlichen Bestrafungen (hier 18 in 3 Jahren) zugrundeliegenden Straftaten. Das Fehlen dieser Feststellungen bildet einen Verfahrensmangel und hindert den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht, der Beschwerdeführer stelle nach seinem bisherigen Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit dar (VwGH 11.11.1997, 96/01/1047; VwGH 22.4.1998, 97/01/0822; VwGH 11.3.1998, 97/01/0433). 174 Aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit solcher Verstöße kommt die – allenfalls – negative Einstellung des Betreffenden gegenüber den zur Hintanhaltung solcher Gefahren erlassenen Gesetzen deutlich zum Ausdruck (VwGH 11.11.1997, 96/01/1047; VwGH 11.3.1998, 196

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97/01/0898; VwGH 24.6.1998, 98/01/0099). Dies gilt auch für Verstöße gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen (VwGH 11.11.1997, 96/01/1047; 22.4.1998, 96/01/227). Das Abstellen eines Fahrzeuges ohne Kennzeichen auf einer öffentli- 175 chen Straße stellt keine für die hier anzustellende Prognose wesentliche Rechtsgutbeeinträchtigung dar. Die Behörde ist eine Begründung schuldig geblieben, aufgrund welcher besonderen Umstände die Körperverletzung, derentwegen der Beschwerdeführer zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt wurde, und das Überschreiten der auf der Autobahn zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 41 km/h für sich allein geeignet sei, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der in Wien geborene Beschwerdeführer seit dem Alter von sieben Monaten, sohin seit etwa 25 Jahren, ununterbrochen in Österreich aufhält, die Annahme zu tragen, der Beschwerdeführer biete trotz der langen Aufenthaltsdauer in Österreich nach seinem bisherigen Verhalten keine Gewähr dafür, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu bilden (VwGH 17.12.1997, 96/01/1138). Im Fall der Begehung von zwei Verwaltungsübertretungen, die bereits 176 fünf oder mehr Jahre zurückliegen, bei seitherigem Wohlverhalten eines Verleihungswerbers, ist es Aufgabe der Behörde, anzuführen, warum sie trotzdem zu dem Schluss gekommen ist, der Einbürgerungswerber werde im Sinne der Z 6 auch in Zukunft wesentliche in dieser Gesetzesstelle angeführte Vorschriften missachten (VwGH 9.9.1993, 92/01/0852). Die behördliche „Prognose“ fußt nämlich ausschließlich auf dem Fak- 177 tum, dass der Beschwerdeführer zweimal vorbestraft ist, was letztlich einer rein formalen Betrachtungsweise gleichkommt. Es bedarf aber einer materiellen Prüfung der Persönlichkeit des Einbürgerungswerbers. Eine solche Prüfung gebietet einen Rückgriff auf die den rechtskräftigen Verurteilungen zugrunde liegenden Taten, weil nur so ein Rückschluss auf das Charakterbild des Staatsbürgerschaftswerbers möglich ist. Im Einzelnen heißt das, dass die Behörde die maßgeblichen Tathandlungen (das können bei einer Verurteilung durchaus mehrere sein), die näheren Umstände und den Zeitpunkt der Tatbegehung zu ermitteln hat (VwGH 11.3.1998, 97/01/0433). Auch bei schwerer Körperverletzung (hier zwei Verurteilungen) sind 178 Umstände denkbar, die ausnahmsweise zu einem für den Verleihungswerber günstigen Ergebnis führen könnten. In Frage kämen etwa 197

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Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgründen nahe kommende Sachverhaltsvarianten oder – allgemein formuliert – Fallkonstellationen, die das zur Bestrafung führende Fehlverhalten nicht als Ausfluss einer spezifischen Persönlichkeitsstruktur erscheinen lassen. Auch die zeitliche Komponente ist in die Überlegungen miteinzubeziehen (VwGH 11.3.1998, 97/01/0433). 179 Das einer Verurteilung zugrundeliegende Fehlverhalten darf bei der Beurteilung des Vorliegens der Verleihungsvoraussetzung gemäß § 10 Abs 1 Z 6 StbG auch dann berücksichtigt werden, wenn die Verurteilung der Beschränkung der Auskunft gemäß § 6 Tilgungsgesetz unterliegt (VwGH 11.3.1998, 97/01/0898). 180 Es bedarf einer materiellen Prüfung der Persönlichkeit des Verleihungswerbers. Eine solche Prüfung gebietet einen Rückgriff auf die näheren Umstände der von ihm begangenen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung, weil nur so ein Rückschluss auf sein Charakterbild möglich ist (vgl VwGH 18.5.1988, 86/01/0182 sowie VwGH 11.3.1998, 97/01/0433). Mit dem bloßen Hinweis darauf, dass die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung schon mehr als vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Geschwindigkeitsüberschreitungen „massiv“ gewesen und im Ortsgebiet (Bereich Kindergarten) erfolgt seien – bezüglich der Übertretungen nach §  38 Abs  5 iVm §  38 lit a StVO fehlt jegliche Konkretisierung – ist es nicht getan. Richtig weist die Beschwerde darauf hin, dass es etwa auch darauf ankommt, zu welcher Uhrzeit und unter welchen Verhältnissen der Beschwerdeführer die Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen hat (VwGH 13.5.1998, 97/01/0242). 181 Im Falle der Begehung einer einzigen strafbaren Handlung, die deutlich unter der Schwelle des § 10 Abs 1 Z 2 StbG geahndet wurde, während eines über 20jährigen unbeanstandeten Aufenthalts in Österreich, wobei die Tathandlung bereits mehrere Jahre zurückliegt, wäre die belangte Behörde verhalten gewesen, anzuführen, warum sie trotzdem zu dem Schluss gekommen ist, der Verleihungswerber werde im Sinne des § 10 Abs 1 Z 6 StbG auch in Zukunft wesentliche Rechtsbrüche begehen (VwGH 13.5.1998, 97/01/1166). 182 Verstöße gegen die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienenden Schutznormen sind dann ein Ausschlussgrund, wenn aus der Art, der Schwere oder der Häufigkeit dieser Übertretungen erkennbar ist, dass der Verleihungswerber den zur Vermeidung von Gefahren 198

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für das Leben oder die Gesundheit von Menschen sowie der allgemeinen Sicherheit erlassenen Gesetzen gegenüber negativ eingestellt ist (VwGH 4.4.1990, 89/01/0430; VwGH 25.6.1997, 96/01/0694). Insbesondere gerichtlich strafbare Handlungen gegen die körperliche 183 Unversehrtheit rechtfertigen den Schluss, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung erlassene Vorschriften missachten (VwGH 11.3.1998, 97/01/1095). Auch aus einer Verwaltungsstrafe kann eine negative Prognose über 184 sein zukünftiges Verhalten nicht abgeleitet werden. Vielmehr stellt § 10 Abs 1 Z 6 StbG in keiner Weise darauf ab, ob gerichtliche Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen oder Strafen im Verwaltungsweg verhängt wurden, sodass für den Bereich dieser Gesetzesstelle von einer verwaltungsbehördlichen Geldstrafe grundsätzlich die gleichen Wirkungen wie von einer gerichtlichen Strafe ausgehen können Es sind auch solche Straftaten zu beurteilen, für welche der Fremde zu einer Strafe verurteilt wurde, die das in § 10 Abs 1 Z 2 StbG umschriebene Ausmaß nicht erreicht (VwGH 25.2.1998, 96/01/107). Auch wenn es sich bei der Mehrzahl der begangenen Verwaltungsüber- 185 tretungen um Verstöße gegen straßenpolizeiliche und kraftfahrrechtliche Vorschriften handelt, die mit der Berufsausübung des Einbürgerungswerbers als Taxifahrer iZ stehen, stellen diese Verwaltungsübertretungen ein Einbürgerungshindernis dar, da die gewerbsmäßige Beförderung fremder Personen ein erhöhtes Maß an Verantwortungsbewusstsein erfordert und die Übertretungen nicht allein mit der Profession des Einbürgerungswerbers oder damit gerechtfertigt werden können, dass sie sich auf einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken (VwGH 21.10.1987, 87/01/0141). Ein Bewerber um die österreichische Staatsbürgerschaft, der das Gast- 186 recht des ihn beherbergenden Landes wiederholt und gröblich durch Verstöße gegen strafrechtliche Bestimmungen verletzt hat, bietet, auch wenn er sich zwischenzeitlich durch etwas mehr als 2 Jahre wohlverhalten hat, keine ausreichende Gewähr dafür, dass er auch iSd § 10 Abs 1 Z 6 StbG in Zukunft keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstellen wird (VwGH 18.9.1991, 91/01/0048). Die beharrliche Ausübung des Gastgewerbes ohne Berechtigung hiezu, 187 in Verbindung mit der Verletzung von Vorschriften die der Volksge199

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sundheit dienen, nämlich des Bazillenausscheidergesetzes und des Lebensmittelgesetzes, stellt den Tatbestand des Einbürgerungshindernisses dar, weil durch dieses Verhalten die öffentliche Sicherheit gefährdet wird (VwGH 1.7.1992, 90/01/0055). 188 Ob auch österreichische Staatsbürger „immer wieder“ gegen straßenpolizeiliche Vorschriften verstoßen, ist bei der Frage, ob einem Fremden die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen ist, unmaßgeblich (VwGH 17.12.1996, 95/01/0261). 189 Gerade beim gewerbsmäßigen Handel mit Lebensmitteln ist mit besonderer Sorgfalt vorzugehen und alles vorzukehren, um gesundheitliche Gefahren für die Allgemeinheit hintanzuhalten. Daher kann auch in einem fahrlässigen Verhalten durch mangelnde Kontrolle der Mitarbeiter, dessentwegen der Staatsbürgerschaftswerber verurteilt wurde, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit liegen (VwGH 26.2.1997, 95/01/0215). 190 Auch getilgte Vorstrafen bzw Verwaltungsstrafvormerkungen sind zur Beurteilung der Zuverlässigkeit des Einbürgerungswerbers heranzuziehen. Der Umstand, dass etliche Verwaltungsübertretungen des Einbürgerungswerbers (hier: wiederholte Bestrafungen wegen Verstößen gegen die StVO und das KFG) aus der Zeit nach Stellung des Ansuchens um Verleihung der Staatsbürgerschaft resultieren, kann als Argument gegen die Annahme künftigen Wohlverhaltens miteinbezogen werden (VwGH 3.9.1997, 96/01/0810). 191 Gerade die Häufung von strafbaren Handlungen in der letzten Phase des Aufenthaltes des Einbürgerungswerbers rechtfertigt den Schluss, dieser werde nach seinem bisherigen Verhalten nicht die Gewähr dafür bieten, dass er in Hinkunft keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilde, weil er in Zukunft Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, nicht mehr missachten werde (VwGH 23.9.1998, 98/01/0050). 192 Bei der gemäß Z 6 gebotenen Persönlichkeitsprüfung ist es auch Aufgabe der Behörde, sich mit den näheren Umständen der vom Staatsbürgerschaftswerber begangenen Verstöße (hier: gegen das Kraftfahrgesetz und die Straßenverkehrsordnung) auseinander zu setzen (VwGH 8.3.1999, 98/01/0255). Bloße Hinweise auf das Vorliegen von Vorstrafen sind für die Beurteilung nach Z  6 nicht ausreichend (VwGH 21.4.1999, 97/01/1069). 200

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Die der rechtskräftigen Bestrafung wegen Übertretung des § 38 Abs 5 193 StVO iVm § 99 Abs 3 lit a StVO zugrundeliegende Tathandlung (Missachtung des Rotlichtes einer Verkehrslichtsignalanlage) betrifft die Verletzung einer Schutznorm, die der Sicherheit des Straßenverkehrs dient (Hinweis E 21.4.1999, 98/01/0335) und rechtfertigt die Verneinung des Wohlverhaltens iSd § 10 Abs 1 Z (VwGH 12.5.1999, 99/01/0008). Die wiederholten Verstöße gegen die Auskunftspflicht iSd § 103 Abs 2 194 KFG 1967 sind zwar durchaus beachtenswerte Verwaltungsübertretungen, eine ablehnende Einstellung zur Republik oder eine Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin kann daraus allerdings nicht abgeleitet werden. Beim Verstoß gegen die Kindersicherungspflicht iSd §  106 Abs  1b KFG 1967 handelt es sich um eine gravierende Rechtsverletzung (VwGH 4.4.2001, 2000/01/0501). Die nach Z 6 zunächst geforderte positive Einstellung zur Republik be- 195 zieht sich auf die politische Gesinnung des Einbürgerungswerbers und soll insbesondere Gewähr leisten, dass nicht Personen mit antidemokratischer Einstellung in den österreichischen Staatsverband aufgenommen werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist somit davon abhängig, ob – vom Gesamtverhalten des Verleihungswerbers her – auf eine grundsätzlich negative Einstellung zur Republik Österreich bzw deren grundlegenden Institutionen geschlossenen werden kann oder nicht. Ein Naheverhältnis des Verleihungswerbers zu extremistischen Gruppen kann den Tatbestand der Z 6 verwirklichen (VwGH 15.5.2003, 2001/01/0150). Der Verleihungswerber hat durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt 196 das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, erheblich beeinträchtigt. Für die gemäß § 10 Abs 1 Z 6 StbG vorzunehmende Beurteilung des Gesamtverhaltens ist es auch von Bedeutung, welche Zeiten sich der Einbürgerungswerber erlaubt oder unerlaubt in Österreich aufgehalten hat (VwGH 20.9.2006, 2005/01/0699). Die festgestellten Übertretungen wegen (zum Teil) erheblicher Über- 197 schreitungen der zulässigen Tageslenkzeit bzw Nichteinhaltung der vorgeschriebenen täglichen Ruhezeit wurden bei Prüfung der Voraussetzungen der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zutreffend als (besonders) schwerwiegende, ins Gewicht fallende Verstö201

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ße gegen Schutznormen gewertet, die der Gefahr des Lenkens von Schwerfahrzeugen in übermüdetem Zustand und damit der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vor folgenschweren Unfällen, die übermüdete Lenker dieser Fahrzeuge verursachen, begegnen. Auch die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einem Schwerfahrzeug und die Fahrerflucht des Einbürgerungswerbers beurteilte die Behörde zutreffend als gravierende Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung. Mit dem Hinweis, zahlreiche (der festgestellten) Verstöße ließen sich als Berufskraftfahrer nicht vermeiden, ist für den Einbürgerungswerber nichts zu gewinnen. Gerade von einem Berufsfahrer ist zu verlangen, bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften besondere Sorgfalt an den Tag zu legen (VwGH 27.2.2007, 2004/01/0046). 198 Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit fallen bei der gemäß § 10 Abs 1 Z 6 zu treffenden Prognose besonders ins Gewicht. Im Allgemeinen ist nach derartigen Straftaten ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens erforderlich, um eine positive Prognose gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Dass die strafgerichtlichen Verurteilungen im Strafregister nicht (mehr) aufscheinen, allenfalls einer beschränkten Auskunft (im Sinne von § 6 TilgG) unterliegen und damit keine maßgeblichen Verurteilungen gemäß § 10 Abs 1 Z 2 sind, ist bei Prüfung der Verleihungsvoraussetzung gemäß Z  6 nicht erheblich (VwGH 6.12.2007, 2005/01/0526). 199 Das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand stellt ein die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer im besonderen Maß gefährdendes Verhalten dar. Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass der Beschwerdeführer – auf Grund seines schwerwiegenden Fehlverhaltens im Straßenverkehr – die Verleihungsvoraussetzung nach Z 6 nicht erfüllt (VwGH 25.6.2009, 2006/01/0032). 200 Die Begehung von Straftaten gegen Ende des Aufenthaltes in Österreich nach langjährigem davor gelegenem Wohlverhalten indiziert, dass sich die Persönlichkeit des Antragstellers gegen Ende seines Aufenthaltes zum Schlechteren entwickelt hat. Es ist daher nicht rechtswidrig, dass die über die Verleihung der Staatsbürgerschaft entscheidende Behörde diesen Umstand negativ für den Verleihungswerber in ihre Beurteilung des Gesamtverhaltens einbezogen hat. Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich um ein die in Z 6 genannten öffentlichen Interessen besonders gefährdendes Fehlverhalten (VwGH 24.6.2010, 2008/01/0230). 202

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Die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit 201 – wie im Beschwerdefall die Überschreitung der im Ortsgebiet vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 bzw 42 km/h – ist als gravierender Verstoß gegen Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, zu werten. Im Hinblick auf das Vorbringen des Einbürgerungswerbers, er habe die Übertretungen im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Dienstnehmer begangen, ist darauf hinzuweisen, dass gerade von einem Berufs(kraft)fahrer zu verlangen ist, bei der Einhaltung der für die Sicherheit im Straßenverkehr erlassenen Vorschriften besondere Sorgfalt an den Tag zu legen. Erschwerend kommt im Beschwerdefall hinzu, dass dem Einbürgerungswerber auf Grund der ersten Verwaltungsübertretung die Lenkberechtigung für zwei Wochen entzogen wurde, was den Einbürgerungswerber aber nicht daran hinderte, die zulässige Höchstgeschwindigkeit (im Ortsgebiet) nochmals erheblich zu überschreiten. Derartige hohe Geschwindigkeitsübertretungen sind als schwerwiegende Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung zu werten und verwirklichen solcherart das Verleihungshindernis nach Z 6 (VwGH 18.2.2011, 2009/01/0029). Auch Taten, hinsichtlich derer es zur Verfahrenseinstellung (nach Di- 202 version) kommt, gehören zum Gesamtverhalten, von dem die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Prüfung auszugehen hat (VwGH 21.11.2013, 2013/01/0002). Das Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft bietet keinen 203 Raum, ein rechtskräftig abgeschlossenes Strafverfahren neu aufzurollen (VwGH 18.6.2014, 2013/01/0120). Eine von den Sicherheitsbehörden geleistete „Amtshilfe“ bzw im Ver- 204 leihungsverfahren abgegebene negative Stellungnahme entfaltet für die Verleihungsbehörde keine Bindung in ihrer Entscheidung. Sie entbindet die Staatsbürgerschaftsbehörde vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Einbürgerung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ihre Entscheidung entsprechend darzustellen. Die Verleihungsbehörde durfte sich somit nicht darauf beschränken, im Bescheid betreffend die Ablehnung des Verleihungsgesuches (nicht näher begründete und auch nicht konkretisierte) Bedenken der Sicherheitsbehörde referierend wiederzugeben und Verleihungshindernisse nach Z  6 und nach ohne (inhaltliche) Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen „als erwiesen“ annehmen (vgl VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035). 203

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E. Wesentliche Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik 205 § 10 Abs 1 Z 5 soll laut den EB zu BGBl I 37/2006 Verleihungen hintanhalten, wenn dies zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich führt. Das Hindernis wird jedenfalls nicht vorliegen, wenn der Verleihungswerber lediglich sein Recht auf Meinungsfreiheit nach Art 10 Abs 1 EMRK ausgeübt hat. Hingegen kann Z 5 etwa zur Anwendung kommen, wenn es durch den Verleihungswerber zu einem Verstoß gegen § 317 StGB (Herabwürdigung fremder Symbole) gekommen ist – der nicht mit einer Freiheitsstrafe geahndet wurde – und als dessen Folge die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich führen würde. Weiters unbeachtlich sind Tatsachen, die nicht in die Sphäre des Verleihungswerbers reichen, etwa wenn die Beziehungen zu einem Staat oder einer internationalen Organisation nur deshalb wesentlich beeinträchtigt werden würden, weil einem Verleihungswerber die Staatsbürgerschaft verliehen wird, der einer bestimmten Volksgruppe, die der andere Staat verfolgt, angehört. Eine solche Auslegung verbietet sich schon alleine im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz vom 3.7.1973 zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung (BGBl 390/1973). 206 Das Verleihungshindernis der Z 5 muss dahingehend interpretiert werden, dass es eines ursächlichen Verhaltens des Verleihungswerbers für die Beeinträchtigung der Beziehungen zu dem anderen Staat bedarf (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, [2006], S 27). 207 Die Prüfung ob das Verleihungshindernis des Z 5 vorliegt, obliegt der Staatsbürgerschaftsbehörde. Dabei ist eine Ermessensübung nach § 11 nicht zulässig (vgl VwGH 17.5.1995, 95/01/0005). Bei der Prüfung wäre die zuständige Staatsbürgerschaftsbehörde angehalten, eine diesbezügliche Äußerung des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) einzuholen.

F.  Schädigung der Interessen der Republik 208 Gem § 10 Abs 1 Z 8 darf die Staatsbürgerschaft nur dann verliehen werden, wenn der Verleihungswerber nicht mit fremden Staaten in sol204

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chen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde. Im Gegensatz zur Z  5 kommt es unter Umständen zu keiner oder keiner relevanten Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen der Republik Österreich. Allein die Interessen Österreichs stehen hier im Vordergrund (EB zu BGBl I 37/2006). Es ist dabei nicht maßgeblich, ob es sich um das bisherige Heimatland 209 des Verleihungswerbers handelt, sondern sollen die Beziehungen des Verleihungswerbers zu fremden Staaten schlechthin für die Beurteilung seiner Einbürgerungswürdigkeit maßgebend sein. Es ist nicht einzusehen, warum die für die Republik Österreich nachteiligen Beziehungen eines Verleihungswerbers nur dann die Verleihung ausschließen sollen, wenn es sich um seinen bisherigen oder früheren Heimatstaat, nicht aber einen anderen fremden Staat handelt. Entscheidend kann doch nur sein, ob der Fremde mit einem fremden Staat in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigt (vgl EB zu BGBl 250/1965). Die Bestimmung der Z  8 verlangt eine materielle Prüfung der Per- 210 sönlichkeit des Verleihungswerbers dahingehend, ob er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung die Interessen (und das Ansehen) der Republik schädigen würde, wobei der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte abstellt (vgl VwGH 11.5.1983, 83/01/0097; VwGH 13.11.1996, 94/01/0596). Eine Bescheidbegründung, die lediglich Bedenken der Sicherheitsbehörde wiedergibt, ist unzureichend. Erforderlich sind eigene Tatsachenfeststellungen der Staatsbürgerschaftsbehörde betreffend diejenigen Umstände, die nach derer Ansicht die Tatbestände der jeweils herangezogenen Verleihungshindernisse erfüllen (VwGH 4.4.1990, 89/01/0060). Eine von den Sicherheitsbehörden geleistete „Amtshilfe“ bzw im Verleihungsverfahren abgegebene negative Stellungnahme entfaltet für die Staatsbürgerschaftsbehörde keine Bindung in ihrer Entscheidung. Sie entbindet die Staatsbürgerschaftsbehörde vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Verleihung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ihre Entscheidung entsprechend darzustellen. Die Staatsbürgerschaftsbehörde darf sich somit nicht darauf beschränken, im Bescheid betreffend die Ablehnung des Verleihungsgesuches (nicht näher begründete und auch nicht konkretisierte) Bedenken der Sicherheitsbehörde referierend wiederzugeben und Verleihungshindernisse ohne (inhaltliche) Auseinandersetzung mit den 205

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Stellungnahmen „als erwiesen“ anzunehmen (VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035). 211 Unter dem Begriff der „Beziehung zu einem fremden Staat“ ist jede gegen einen anderen Staat gerichtete Handlung oder Unterlassung anzusehen, aufgrund der der Verleihungswerber mit diesem anderen Staat in Kontakt getreten ist (VwGH 23.9.1998, 98/01/0091). Verschweigt der Verleihungswerber im Verfahren seine Zugehörigkeit zu einer ausländischen Staatssicherheitseinrichtung (Nachrichtendienst), so liegt ein Verleihungshindernis im Sinne der Z  8 vor (VwGH 16.1.1985, 82/01/0118). Eine Tätigkeit in verschiedenen Vereinen (hier „Arabische Kulturgesellschaft“) stellt an sich weder eine Beziehung zu fremden Staaten dar, noch kann daraus – insb wenn es sich um in Österreich zugelassene Vereinigungen handelt – abgeleitet werden, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen (und das Ansehen) der Republik schädigen würde (vgl VwGH 15.10.1986, 85/01/0329). Durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine Person, gegen die ein Verfahren wegen Auslieferung zur Strafverfolgung wegen Steuerhinterziehung (hier von rund 7,5 Mio DM) und Urkundenfälschung an die Bundesrepublik Deutschland anhängig ist, könnte das Interesse der Republik Österreich geschädigt oder das Ansehen der Republik durch eine nicht auszuschließende Kritik an Österreich in der Öffentlichkeit negativ beeinträchtigt werden, weil einerseits mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft der Verhinderung einer Strafverfolgung Vorschub geleistet werden kann und andererseits der Eindruck entstehen würde, die Republik lege der Beachtung der Steuergesetzgebung Deutschlands keinen besonderen Wert bei. Es kommt dabei auch nicht darauf an, ob bereits gegen den Verleihungswerber in einem fremden Staat Anklage erhoben wurde (VwGH 16.3.1994, 93/01/0509). Infolge der steckbrieflichen Suche nach dem Verleihungswerber in seinem Heimatland und infolge der erhobenen Anklage wegen Steuerhinterziehung (hier 800.000 DM) ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft durchaus geeignet, die Interessen und das Ansehen der Republik zu schädigen, weil einerseits damit der Verhinderung einer Strafverfolgung Vorschub geleistet werden kann und andererseits das Verhalten des Verleihungswerbers allzu sehr bagatellisiert wird, sodass der Eindruck entstehen kann, die Republik lege der Beachtung der Steuergesetzgebung des Heimatstaates des Staatsbürgerschaftswerbers keinen besonderen Wert bei (VwGH 18.9.1991, 91/01/0082). Nahebeziehungen zu maßgeblichen Vertretern eines Staates, gegen die Resolution des Sicherheitsrates der 206

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UN bestehen (hier ein besonderen Naheverhältnisses zum libyschen Staat und der libyschen Botschaft in Wien im Hinblick auf die Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 731 aus 1992 vom 21.1.1992 und 748 aus 1992 vom 31.3.1992, BGBl 1992/221) können ein Verleihungshindernis iSd Z  8 darstellen (vgl VwGH1.7.1992, 90/01/0055; VwGH 11.5.1983, 83/01/0097). Eine Ermessensübung nach § 11 ist bei der Prüfung der Voraussetzung 212 nach Z 8 nicht zulässig (vgl VwGH 17.5.1995, 95/01/0005).

G. Verleihungshindernisse gemäß § 10 Abs 2 In § 10 Abs 2 und 3 sind weitere Verleihungshindernisse geregelt. Abs 2 213 enthält in insgesamt sieben Ziffern absolute Hindernisse, bei deren Vorliegen die Staatsbürgerschaft keinesfalls verliehen werden darf. Die Verleihungshindernisse des Abs 3 greifen naturgemäß nur in Fällen, in denen die Staatsbürgerschaftswerber eine fremde Staatsbürgerschaft besitzen, da Abs  3 die Beibehaltung der „alten“ Staatsbürgerschaft als Versagungsgrund normiert. Das Nichtvorliegen von Verleihungshindernissen gemäß Abs 2 und 3 ist 214 im Fall, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 16 ff auf Angehörige erstreckt werden soll, für jede Person gesondert zu prüfen. Eine Gesamtbetrachtung ist unzulässig (VwGH 21.4.1999, 97/01/1069). 1. Bestimmte Tatsachen iSd § 53 Abs 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs 3 FPG Die Staatsbürgerschaft darf Fremden nicht verliehen werden, wenn so- 215 genannte „bestimmte Tatsachen“ gemäß § 53 Abs 2 Z 2, 3, 5, 8, 9 und Abs  3 FPG vorliegen. Trotz des irreführenden Begriffs „bestimmte“ Tatsachen handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff. Im konkreten Einzelfall kann unklar sein, wann eine solche „bestimmte Tatsache“ anzunehmen ist. Die Behörde darf sich bei der Beurteilung des Begriffs „bestimmte Tatsachen“ nicht auf das bloße Vorliegen eines Sachverhalts beschränken, sondern muss aus dem Gesamtverhalten beurteilen, ob die Gefährdung eines Schutzguts des Art 8 Abs 2 EMRK ein Einreiseverbot rechtfertigen würde (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 10, 89). § 53 FPG regelt die Verhängung eines Einreiseverbots. Das österreichi- 216 sche Recht kennt mehrere „Stufen“ der Aufenthaltsbeendigung. Abgesehen von der hier nicht relevanten „Anordnung zur Außerlandesbrin207

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gung“ (relevant für die sogenannten „Dublin-III-Rückführungen“, vgl § 61 FPG iVm § 5 AsylG) sind die wesentlichen Instrumente zur Aufenthaltsbeendigung die Rückkehrentscheidung (§  52 FPG) und das Einreiseverbot gem § 53 FPG, das in bestimmten Fällen gemeinsam mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden kann. Während die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG lediglich eine Ausreiseverpflichtung normiert, wird mit einem – bei Vorliegen der Voraussetzungen gleichzeitig ausgesprochenen – Einreiseverbot auch ein Verbot einer Rückkehr nach Österreich für einen bestimmten Zeitraum ausgesprochen. Ein Einreiseverbot ist also jener „Teil“ einer Ausreiseverpflichtung, der die Rückkehr nach Österreich verbietet; dieser kann daher nie für sich selbst stehen, sondern wird immer nur in Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung ausgesprochen. 217 Die Rückkehrentscheidung inklusive Einreiseverbot ersetzt damit das alte Aufenthaltsverbot (vgl für den hier interessierenden Bereich der Verleihungshindernisse für die Staatsbürgerschaft §  10 Abs  2 idF vor 1.7.2011 (vor BGBl I 38/2011). 218 Nicht klar ist, was unter dem Begriff „bestimmte Tatsachen“ zu verstehen ist. Offensichtlich sollen nicht nur Personen von einer Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sein, solange ein Einreiseverbot in Kraft ist, sondern der Versagungsgrund setzt bereits dann an, wenn lediglich die materiellen Voraussetzungen für ein solches vorliegen. Da aber §  10 Abs 2 Z 1 nicht von Voraussetzungen, sondern von bestimmten Tatsachen spricht, ist auch dies genauer zu betrachten: Der Terminus lautet nicht etwa „wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass […]“, sondern „wenn bestimmte Taschen vorliegen“. Gemeint könnte daher sein, dass in allen Fällen, in denen die in § 10 Abs 2 Z 1 angeführten Voraussetzungen erfüllt sind, „bestimmte Tatsachen“ vorliegen. Allerdings würde in einem solchen Fall eine Staatsbürgerschaft in jedem Fall ausgeschlossen sein, selbst wenn zB eine Rückkehrentscheidung inklusive Einreiseverbot aufgrund §  9 BFA-VG (Aufenthaltsverfestigung) nicht verhängt werden dürfte. Trotz Vorliegen der Voraussetzungen ist daher nicht zwingend ein Einreiseverbot auszusprechen: Die Verhängung eines solchen ist gemäß § 53 Abs 1 FPG als Ermessensentscheidung konzipiert. Schon daraus wird deutlich, dass die Behörde eine Abwägung zu treffen hat, ob bzw wann sie trotz Erfüllung einer oder allenfalls mehrerer Voraussetzungen des § 53 FPG ein Einreiseverbot erteilt. Weiters ist möglich, dass aufgrund Aufenthaltsverfestigung (§ 9 Abs 4 und 5 BFA-VG) ein Einreiseverbot nicht 208

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verhängt werden darf. Zudem muss bei jeder Rückkehrentscheidung (die ja gemeinsam mit dem Einreiseverbot ausgesprochen wird) geprüft werden, ob Art 8 EMRK der Aufenthaltsbeendigung nicht entgegensteht. Es sind daher unterschiedliche Konstellationen denkbar und auch pra- 219 xisrelevant, in denen trotz Vorliegen der Voraussetzungen des §  53 Abs 2 kein Einreiseverbot verhängt wird. In einem solchen Sachverhalt kann aber trotzdem die Verleihung der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sein, wenn der Begriff „bestimmte Tatsachen“ erfüllt ist. Mit der Wortfolge „bestimmte Tatsachen“ sollte daher uE ausgedrückt werden, dass der vollziehenden Behörde bzw dem entsprechenden LVwG ein Ermessen eingeräumt ist, die Staatsbürgerschaft zu verleihen, obwohl im Einzelfall eine der angeführten Ziffern des § 53 Abs 2 FPG erfüllt ist, dies aber etwa aufgrund einer sehr langen Aufenthaltsdauer nicht unter den Terminus „bestimmte Tatsachen“ fällt. Es kommt aber jedenfalls nicht darauf an, ob tatsächlich ein Einreise- 220 verbot verhängt wurde (siehe dazu Abs  2 Z  6), dass der Versagungsgrund des Abs 2 Z 1 erfüllt ist. Damit erübrigt sich an dieser Stelle die Frage, ob allenfalls die Durchsetzbarkeit reicht oder ob das Einreiseverbot rechtskräftig sein muss (siehe dazu unten III.G.6 zu Abs 2 Z 4). Die einzelnen Bestimmungen des § 53 Abs 2 und 3: 221 • Rechtskräftige Bestrafung wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1.000  Euro oder primären ­Freiheitsstrafe (§ 53 Abs 2 Z 2 FPG); Bestimmte Delikte sind in dieser Bestimmung nicht aufgezählt, da schon in § 53 Abs 2 Z 1 FPG bestimmte Delikte unabhängig von ihrem Strafausmaß zu einem Einreiseverbot führen können. Es kommt hier weder auf einen allfälligen besonderen Unrechtsgehalt noch auf den Strafrahmen an. Entscheidend ist lediglich, dass eine entsprechende Strafe rechtskräftig verhängt wurde. Sind beide Ziffern des § 53 Abs 2 FPG erfüllt, kann ein Einreiseverbot auf beide Ziffern gestützt werden; gleiches gilt auch für die Versagung der Verleihung der Staatsbürgerschaft: § 10 Abs Z 2 sieht die Versagung der Verleihung bei Bestrafung (unabhängig vom Strafmaß) für bestimmte Delikte vor (siehe dazu gleich unten), auch hier können beide Versagungsgründe kumulativ erfüllt sein. • Rechtskräftige Bestrafung wegen einer Übertretung des FPG oder des NAG, sofern es sich nicht um eine in § 53 Abs 3 FPG genannte 209

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• •







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Übertretung handelt (§ 53 Abs 2 Z 3 FPG); Aufgrund des Verweises auf § 53 Abs 3 FPG ist klar, dass auch gerichtliche Strafen von dieser Bestimmung umfasst sind, da gemäß § 53 Abs 3 FPG Einreiseverbote für die Dauer von 10 Jahren bzw unbefristet erlassen werden können, wenn bestimmte gravierende Gefährdungen vorliegen. Verwaltungsübertretungen sind davon nicht umfasst. Soll der Verweis „sofern es sich nicht um eine in § 53 Abs 3 FPG genannte Übertretung handelt“ daher nicht ins Leere gehen, müssen unter dem Terminus „Übertretung“ auch gerichtlich strafbare Handlungen umfasst sein, wenn sie die in § 53 Abs 3 Z 1 FPG genannten Voraussetzungen nicht übersteigen. Rechtskräftige Bestrafung wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist (§  53 Abs  2 Z  5 FPG). Das Schließen einer Ehe oder die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft, wenn der Fremde sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art  8 EMRK nicht geführt hat (§ 53 Abs 2 Z 8). Annahme an Kindes statt, wenn die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat (§ 53 Abs 2 Z 9 FPG). Rechtskräftige Verurteilung von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen (§ 53 Abs 3 Z 1 FPG). Rechtskräftige Verurteilung von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat (§ 53 Abs 3 Z 2 FPG).

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• Rechtskräftige Verurteilung wegen Zuhälterei (§  53 Abs  3 Z  3 FPG). • Rechtskräftige Bestrafung oder Verurteilung wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne des FPG oder des NAG (§ 53 Abs 3 Z 4 FPG). • Rechtskräftige Verurteilung von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 53 Abs 3 Z 5 FPG). • Eine auf Grund bestimmter Tatsachen gerechtfertigte Annahme, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB) (§ 53 Abs 3 Z 6 FPG). Siehe dazu auch die Anm zum eigenen Verleihungshindernis des § 10 Abs 2 Z 7, Rz 255 ff. • Eine auf Grund bestimmter Tatsachen gerechtfertigte Annahme, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet (§ 53 Abs 3 Z 7 FPG). • Öffentliche Billigung (in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften) eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens, eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder terroristischer Taten von vergleichbarem Gewicht bzw Werbung dafür (§ 53 Abs 3 Z 8 FPG). Zu den Verleihungshindernissen, für die eine strafgerichtliche Verurtei- 222 lung Voraussetzung ist, ist anzumerken, dass eine solche nicht mehr relevant ist, wenn diese bereits getilgt ist. Siehe dazu das TilgungsG (Bundesgesetz vom 15.2.1972 über die Tilgung von Verurteilungen und die Beschränkung der Auskunft, BGBl 68/1972, zuletzt geändert BGBl I 87/2012). 2. Rechtskräftige Bestrafung wegen bestimmten Verwaltungsübertretungen In einigen Fällen können auch mehrere Bestrafungen wegen bloßen 223 Verwaltungsübertretungen ein Verleihungshindernis für die Erlangung 211

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der Staatsbürgerschaft sein. Wesentlich ist, dass es sich um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt handeln muss. Dabei handelt es sich um eine qualifizierte Form der Verwaltungsübertretung. 224 Aus den in §  10 Abs  2 Z  2 StbG demonstrativ aufgezählten Verwaltungsübertretungen ergibt sich als Richtschnur, dass der Gesetzgeber jeweils die mit strengsten Strafdrohungen versehenen Übertretungen eines Gesetzes als „schwerwiegende Verwaltungsübertretungen“ verstehen wollte, die auch eine mit den demonstrativ aufgezählten Delikten vergleichbare Strafdrohung beinhalten (VwGH 19.9.2012, 2010/01/0041). 225 Von einem besonderen Unrechtsgehalt ist nach der Judikatur des VwGH auszugehen, wenn die Tat nicht nur das verbotene Tun verwirklicht, sondern erheblich überschreitet. Ebenso wird diese Voraussetzung vorliegen, wenn die Tat unter besonders gefährlichen Umständen – etwa mit einer abstrakten Gefährdung mehrerer Personen einhergehend – erfolgt. Ist lediglich Fahrlässigkeit gefordert, wird eine besondere Rücksichtslosigkeit für das Vorliegen der Voraussetzung sprechen, oder, wenn bedingter Vorsatz nötig ist, Absichtlichkeit (ebenfalls VwGH 19.9.2012, 2010/01/0041, VwGH 20.9.2011, 2009/01/0051). Wird lediglich eine Strafe im unteren Drittel des Strafrahmens verhängt, ist das Kriterium des besonderen Unrechtsgehalts idR nicht erfüllt (VwGH 19.9.2012, 2010/01/0041). Die Behörde muss sich konkret mit den vorliegenden Verwaltungsübertretungen befassen und das Vorhandensein des besonderen Unrechtsgehalts im Einzelfall feststellen (VwGH 20.9.2011, 2009/01/0051). 226 Die Aufzählung der konkret in Frage kommenden Delikte ist demonstrativer Natur („insbesondere“). Es können daher auch mehrfache Bestrafungen wegen anderen Verwaltungsübertretungen ein Verleihungshindernis darstellen. Wesentlich ist aber, dass es sich um Strafen von mindestens der gleichen Qualität handeln muss und auch die beiden Kriterien „besonderer Unrechtsgehalt und „schwerwiegende Übertretung“ hinsichtlich aller Übertretungen vorliegen muss. Demonstrativ werden folgende Bestimmungen angeführt: § 99 Abs 1 bis 2 der StVO, § 37 Abs 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), § 366 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 GewO und §§ 81 bis 83 SPG (siehe Auflistung unten Rz 231 ff). 227 Der zweite Satzteil des § 10 Abs 2 Z 2 normiert ein eigenständiges Verleihungshindernis: 212

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Im Fall einer Bestrafung nach dem Fremdenpolizeigesetz (FPG), dem 228 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), dem Grenzkontrollgesetz (GrekoG) oder dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) ist eine einmalige Bestrafung wegen einer (noch nicht getilgten) Übertretung ausreichend, um von der Verleihung der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen zu sein. Diese Aufzählung ist (im Gegensatz zur demonstrativen Aufzählung des 1. Satzteils) taxativ. Die Übertretung muss zwar schwerwiegend sein, ein besonderer Unrechtsgehalt muss bei einer solchen Übertretung aber nicht gegeben sein (VwGH 26.1.2012, 2011/01/0153). Straferkenntnisse gelten gemäß § 55 Abs 1 VStG nach Ablauf von fünf 229 Jahren ab Rechtskraft als getilgt. Solcherart getilgte Verwaltungsübertretungen dürfen nicht zur Begründung der Verweigerung der Verleihung der Staatsbürgerschaft herangezogen werden. Nach der Judikatur des VwGH können aber auch bereits getilgte gerichtliche Strafen der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs 1 Z 6 (dazu oben Rz 168 ff) entgegenstehen (VwGH 24.6.2010, 2008/01/0230). Das gilt wohl ebenso für bereits getilgte Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen, wobei es nur schwer denkbar ist, dass in einem solchen Fall noch eine solch gravierende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegen wird. Die in § 10 Abs 2 Z 2 aufgezählten Verwaltungsstrafbestimmungen:

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§  99 Abs  1 und 2 StVO (BGBl 159/1960, zuletzt geändert BGBl I 231 39/2013): (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt, b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht, c) (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen. (1a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1200  Euro bis 4400  Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer 213

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ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt. (1b) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 800 Euro bis 3700 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt. (2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36  Euro bis 2  180  Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen, a) der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt, b) (Anm.: Aufgehoben durch Abs. 1 VfGH, BGBl. Nr. 228/1963.) c) wer als Lenker eines Fahrzeuges, zB beim Überholen, als Wartepflichtiger oder in Hinblick auf eine allgemeine oder durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung, unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen verstößt, sofern nicht eine Übertretung nach Abs. 2d oder 2e vorliegt, d) wer im Bereich von Fahrbahnkuppen oder von unübersichtlichen Kurven auf einem von den Lenkern herannahender Fahrzeuge zu benützenden Fahrstreifen oder auf Vorrangstraßen außerhalb des Ortsgebietes bei starkem Nebel oder bei sonstiger erheblicher Sichtbehinderung hält oder parkt (§ 24 Abs. 1) oder wer ein Verkehrshindernis nicht kennzeichnet (§ 89), e) wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden, f) wer ein Fahrzeug lenkt, obwohl ihm dies gemäß § 59 verboten ist. 214

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§  37 Abs  3 und 4 FSG (BGBl 120/1997, zuletzt geändert BGBl I 232 74/2015): […] (3) Eine Mindeststrafe von 363 Euro ist zu verhängen für das Lenken 1. eines Kraftfahrzeuges entgegen der Bestimmung des § 1 Abs. 3, sofern der Lenker überhaupt keine gültige Klasse von Lenkberechtigungen besitzt, 2. eines Kraftfahrzeuges, obwohl der Führerschein oder vorläufige Führerschein gemäß § 39 vorläufig abgenommen wurde oder 3. eines Kraftfahrzeuges der Klasse D entgegen der Bestimmung des § 20 Abs. 4, sofern nicht auch ein Verstoß gegen § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 vorliegt. (4) Eine Mindeststrafe von 726 Euro ist zu verhängen für das Lenken eines Kraftfahrzeuges, obwohl 1. die Lenkberechtigung entzogen wurde oder 2. gemäß § 30 Abs. 1 ein Lenkverbot ausgesprochen wurde. § 366 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 GewO (BGBl 194/1994 zuletzt geändert durch BGBl I 155/2015): (1) Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 3 600 € zu bestrafen ist, begeht, wer 1. ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben; […] (2) Abs. 1 Z 1 ist nicht anzuwenden, wenn eine Gewerbeberechtigung, die auf ein an einen Befähigungsnachweis gebundenes Gewerbe lautet, in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt wird; desgleichen ist Abs. 1 Z 1 nicht anzuwenden, wenn eine Gewerbeberechtigung, die auf ein in der Form eines Industriebetriebes ausgeübtes Gewerbe lautet, nicht in der Form eines Industriebetriebes ausgeübt wird, sofern in diesem Fall der Gewerbeinhaber den für diese Tätigkeit erforderlichen Befähigungsnachweis erbringt. §§ 81 SPG (BGBl 566/1991, zuletzt geändert BGBl I 61/2016): 233 (1) Wer durch ein Verhalten, das geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, die öffentliche Ordnung stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen, es sei denn, das Verhalten ist gerechtfertigt, insbesondere durch die Inanspruchnahme eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts. An215

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stelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. (2) Von der Festnahme eines Menschen, der bei einer Störung der öffentlichen Ordnung auf frischer Tat betreten wurde und der trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht (§ 35 Z 3 VStG), haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes abzusehen, wenn die Fortsetzung oder Wiederholung der Störung durch Anwendung eines oder beider gelinderer Mittel (Abs. 3) verhindert werden kann. (3) Als gelindere Mittel kommen folgende Maßnahmen der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt in Betracht: 1. die Wegweisung des Störers vom öffentlichen Ort; 2. das Sicherstellen von Sachen, die für die Wiederholung der Störung benötigt werden. (4) Sichergestellte Sachen sind auf Verlangen auszufolgen 1. dem auf frischer Tat Betretenen, sobald die Störung nicht mehr wiederholt werden kann, oder 2. einem anderen Menschen, der Eigentum oder rechtmäßigen Besitz an der Sache nachweist, sofern die Gewähr besteht, daß mit diesen Sachen die Störung nicht wiederholt wird. (5) Solange die Sachen noch nicht der Sicherheitsbehörde übergeben sind, kann der auf frischer Tat Betretene das Verlangen (Abs. 4) an die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes richten, die die Sache verwahren. (6) Wird ein Verlangen (Abs. 4) nicht binnen sechs Monaten gestellt oder unterläßt es der innerhalb dieser Zeit nachweislich hiezu aufgeforderte Berechtigte (Abs. 4 Z 1 oder 2), die Sachen von der Behörde abzuholen, so gelten sie als verfallen. Im übrigen ist § 43 Abs. 2 sinngemäß anzuwenden. 234 §§ 82 SPG (BGBl 566/1991, zuletzt geändert BGBl I 61/2016): (1) Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einem militärischen Organ im Wachdienst, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. 216

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(2) Eine Bestrafung nach Abs. 1 schließt eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 aus. §§ 83 SPG (BGBl 566/1991, zuletzt geändert BGBl I 61/2016): 235 (1) Wer sich in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt und in diesem Zustand eine Tat begeht, die ihm außer diesem Zustand als Verwaltungsübertretung zugerechnet würde, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 500 Euro zu bestrafen. (2) Bei Vorliegen erschwerender Umstände kann anstelle einer Geldstrafe eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen verhängt werden. Die Strafe darf jedoch nach Art und Maß nicht strenger sein, als sie das Gesetz für die im Rauschzustand begangene Tat (begangenen Taten) androht. § 28 AuslBG (BGBl 218/1975 (zuletzt geändert BGBl I 113/2015): 236 (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 28c), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, 1. wer a) entgegen §  3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde oder der keine für diese Beschäftigung gültige „Rot-Weiß-Rot – Karte“, „Blaue Karte EU“ oder „Aufenthaltsbewilligung – Künstler“ oder keine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, keine „Aufenthaltsberechtigung plus“, keinen Befreiungsschein (§  4c) oder keinen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ oder „Daueraufenthalt – EU“ besitzt, oder b) entgegen §  18 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem ausländischen Arbeitgeber ohne einen im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitz im Inland beschäftigt wird, in Anspruch nimmt, ohne dass für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung oder eine Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt wurde, oder c) entgegen der Untersagung gemäß § 32a Abs. 8 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigebestätigung oder eine Freizügigkeitsbestätigung ausgestellt wurde, 217

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bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2  000  Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro; 2. wer a) entgegen § 3 Abs. 4 einen Ausländer beschäftigt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice anzuzeigen, oder b) entgegen § 18 Abs. 5 oder 6 die Arbeitsleistungen eines Ausländers in Anspruch nimmt, ohne die Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice rechtzeitig anzuzeigen, oder c) seinen Verpflichtungen gemäß §  26 Abs.  1 nicht nachkommt oder d) entgegen § 26 Abs. 2 den im § 26 Abs. 1 genannten Behörden und Rechtsträgern den Zutritt zu den Betriebsstätten, Betriebsräumen, auswärtigen Arbeitsstellen und Aufenthaltsräumen der Arbeitnehmer oder das Befahren von Privatstraßen nicht gewährt, oder e) entgegen § 26 Abs. 3 die Durchführung der Amtshandlung beeinträchtigt oder f) entgegen dem § 26 Abs. 4 oder 4a die Durchführung der Amtshandlungen beeinträchtigt, mit Geldstrafe von 150 Euro bis 5 000 Euro, im Fall der lit. c bis f mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis 8 000 Euro; 3. wer a) entgegen § 3 Abs. 6 einen Ausländer beschäftigt, ohne die ihm nach diesem Bundesgesetz erteilten Bewilligungen oder Bestätigungen im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten, oder b) die im § 26 Abs. 5 vorgesehenen Meldungen nicht erstattet, mit Geldstrafe bis 2 000 Euro; 4. wer a) entgegen § 18 Abs. 12 als Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes einen Ausländer im Inland beschäftigt oder 218

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b) entgegen §  18 Abs.  12 die Arbeitsleistungen eines Ausländers, der von einem Unternehmen mit Betriebssitz in einem anderen Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, in Anspruch nimmt, obwohl § 18 Abs. 12 Z 1 oder 2 nicht erfüllt ist und – im Fall der lit. b – auch keine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde, bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 2  000  Euro bis 20 000 Euro, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 4 000 Euro bis 50 000 Euro; 5. wer entgegen § 32a Abs. 4 einen Ausländer, der gemäß § 32a Abs. 2 oder 3 unbeschränkten Arbeitsmarktzugang hat, ohne Freizügigkeitsbestätigung beschäftigt, mit Geldstrafe bis 1 000 Euro. (Anm.: Abs. 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 113/2015) (3) Die Eingänge aus den gemäß Abs.  1 verhängten Geldstrafen fließen dem Arbeitsmarktservice zu. (4) Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zuwiderhandlung vom Organ einer Gebietskörperschaft begangen worden ist. Besteht bei einer Bezirksverwaltungsbehörde der Verdacht einer Zuwiderhandlung durch ein solches Organ, so hat sie, wenn es sich um ein Organ des Bundes oder eines Landes handelt, eine Anzeige an das oberste Organ, dem das der Zuwiderhandlung verdächtige Organ untersteht (Art. 20 Abs. 1 erster Satz B-VG), zu erstatten, in allen anderen Fällen aber an die Aufsichtsbehörde. (5) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat bei Übertretungen nach Abs. 1 Z 1 die unberechtigte Beschäftigung eines Ausländers zu schlechteren Lohn- und Arbeitsbedingungen als sie die jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung vorsehen, bei der Strafbemessung als besonders erschwerend zu berücksichtigen. (6) Ein Unternehmen, welches die Erbringung einer Leistung an ein anderes Unternehmen ganz oder teilweise weitergibt, ist neben dem beauftragten Unternehmen gemäß Abs. 1 Z 1 zu bestrafen, wenn es 1. die Übertretung des von ihm unmittelbar beauftragten oder – im Fall der Auftragsweitergabe – jedes weiteren beauftragten Unternehmens bei der Auftragserfüllung wissentlich geduldet hat, oder 2. seiner Verpflichtung gemäß § 26 Abs. 6 nicht nachgekommen ist. 219

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(7) Wird ein Ausländer in Betriebsräumen, an Arbeitsplätzen oder auf auswärtigen Arbeitsstellen eines Unternehmens angetroffen, die im allgemeinen Betriebsfremden nicht zugänglich sind, ist das Vorliegen einer nach diesem Bundesgesetz unberechtigten Beschäftigung von der Bezirksverwaltungsbehörde ohne weiteres anzunehmen, wenn der Beschäftiger nicht glaubhaft macht, daß eine unberechtigte Beschäftigung nicht vorliegt. (8)  Bei Betriebsentsendung oder grenzüberschreitender Überlassung gilt die Verwaltungsübertretung als in dem Sprengel der Bezirksverwaltungsbehörde begangen, in dem der Arbeits(Einsatz)ort der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer liegt, bei wechselnden Arbeits(Einsatz)orten am Ort der Kontrolle. 237 § 120 FPG (BGBl I 100/2005, zuletzt geändert BGBl I 70/2015) (1) Wer als Fremder nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 100 Euro bis zu 1 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß §  50 VStG in der Höhe von bis zu 200 Euro geahndet werden. (1a) Wer als Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 500 Euro bis zu 2 500 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 2 500 Euro bis zu 7 500 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG in der Höhe von 500 Euro geahndet werden. 220

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(2) Wer als Fremder 1. in einem Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder eines Aufenthaltstitels vor der zur Ausstellung eines solchen Titels berufenen Behörde wissentlich falsche Angaben macht, um sich einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, oder 2. in einem Asylverfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht wissentlich falsche Angaben über seine Identität oder Herkunft macht, um die Duldung seiner Anwesenheit im Bundesgebiet oder einen, wenn auch nur vorübergehenden, rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. (3) Wer 1. wissentlich die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs fördert, oder 2. mit dem Vorsatz, das Verfahren zur Erlassung oder die Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen hintanzuhalten, einem Fremden den unbefugten Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union wissentlich erleichtert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. (4) Wer eine Tat nach Abs. 2 oder 3 begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 5 000 Euro bis zu 15 000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. (5) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1a liegt nicht vor, 1. wenn die Ausreise nur in ein Land möglich wäre, in das eine Abschiebung unzulässig (§ 50) ist; 2. solange der Fremde geduldet ist (§ 46a), 3. im Fall des Aufenthalts eines begünstigten Drittstaatsangehörigen ohne Visum, 4. solange dem Fremden die persönliche Freiheit entzogen ist oder 5. während der Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55. (6) Eine Bestrafung gemäß Abs. 1a schließt eine solche wegen der zugleich gemäß Abs. 1 begangenen Verwaltungsübertretung aus. 221

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(7) Eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 oder 1a liegt nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen. (8) Der Fremde, dem eine Tat nach Abs.  3 zu Gute kommt oder kommen sollte, ist wegen Anstiftung oder Beihilfe nicht strafbar. (9) Nach Abs. 3 ist nicht strafbar, wer die Tat in Bezug auf seinen Ehegatten, seinen eingetragenen Partner, seine Kinder oder seine Eltern begeht. (10) Der Versuch in den Fällen der Abs. 2 und 3 ist strafbar. 238 § 121 FPG(BGBl I 100/2005, zuletzt geändert BGBl I 70/2015) (1) Wer Auflagen, die ihm das Bundesamt gemäß §§ 46a Abs. 2, 56 Abs. 2 Z 1 bis 4 oder 71 erteilt hat, missachtet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 100 Euro bis zu 1 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. Dies gilt nicht, wenn ein Fall des §§ 56 Abs. 3 oder 71 Abs. 3 vorliegt. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß §  50 VStG in der Höhe von bis zu 200 Euro geahndet werden. (2) Wer sich als Fremder außerhalb des Gebietes, in dem er gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 geduldet ist, aufhält, oder eine Meldeverpflichtung gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG oder § 15a AsylG 2005 verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 100 Euro bis zu 1 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG in der Höhe von bis zu 200 Euro geahndet werden. (3) Wer 1. Auflagen, die ihm die Behörde bei Bewilligungen gemäß § 27a erteilt hat, missachtet oder 2. sein Reisedokument nicht mit sich führt oder gemäß § 32 Abs. 2 verwahrt; 222

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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3. trotz Aufforderung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes a) diesem ein für seine Aufenthaltsberechtigung maßgebliches Dokument nicht aushändigt oder b) sich nicht in dessen Begleitung an jene Stelle begibt, an der das Dokument verwahrt ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen. (4) Wer Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als Verantwortlicher nicht gemäß § 36 Abs. 1 oder § 37 Abs. 1 BFA-VG Zutritt zu Grundstücken, Betriebsstellen, Arbeitsstellen, Räumen oder Fahrzeugen gewährt oder das Nachschauhalten in Behältnissen gemäß §  36 Abs.  1a verhindert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. (5) Wer eine Tat nach Abs. 4 begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 5 000 Euro bis zu 15 000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. (6) Nach Abs. 1, 2, 3, 4 oder 5 oder § 120 Abs. 1, 1a, 2, 3 oder 4 verhängte Strafen sind samt den erforderlichen personenbezogenen Daten in der Verwaltungsstrafevidenz der Landespolizeidirektion (§ 60 SPG) zu verarbeiten. § 60 Abs. 2 und 3 SPG gilt. (7) Beim Verdacht des Vorliegens einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 120 oder 121 Abs. 1, 2 oder 4 können Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine vorläufige Sicherheit bis zu einem Betrag von 1 000 Euro festsetzen und einheben, im Wiederholungsfall bis zu einem Betrag von 5 000 Euro. § 77 NAG (BGBl I 100/2005, zuletzt geändert BGBl I 70/2015) 239 (1) Wer 1. eine Änderung des Aufenthaltszweckes während der Gültigkeit des Aufenthaltstitels der Behörde nicht ohne unnötigen Aufschub bekannt gibt (§  26) oder Handlungen setzt, die vom Zweckumfang nicht erfasst sind (§ 8 Abs. 4); 2. ein ungültiges, gegenstandsloses oder erloschenes Dokument nicht bei der Behörde abgibt; 3. zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet ist und den Nachweis zwei Jahre nach Erteilung des Aufenthalts223

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titels nach diesem Bundesgesetz aus Gründen, die ausschließlich ihm zuzurechnen sind, nicht erbringt, es sei denn, ihm wurde eine Verlängerung gemäß § 14a Abs. 2 gewährt; 4. eine Anmeldebescheinigung, eine Aufenthaltskarte oder eine Daueraufenthaltskarte nach §§ 53, 54 und 54a nicht rechtzeitig beantragt oder 5. seiner Meldepflicht gemäß §§ 19 Abs. 11, § 27 Abs. 4, 51 Abs. 3 oder 54 Abs. 6 nicht rechtzeitig nachkommt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen. (2) Wer 1. der Meldeverpflichtung gemäß § 70 Abs. 4 oder § 71 Abs. 4 nicht nachkommt; 2. eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) abgibt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass seine Leistungsfähigkeit zum Tragen der in Betracht kommenden Kosten nicht ausreicht und er daher seiner Verpflichtung aus der Haftungserklärung nicht nachkommen kann oder nicht nachkommen wird können; 3. während einer aufrechten Haftungserklärung (§  2 Abs.  1 Z  15) Handlungen setzt, von denen er weiß oder wissen müsste, dass sie zum Verlust seiner Leistungsfähigkeit führen; 4. Sprachdiplome oder Kurszeugnisse gemäß § 21a ausstellt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass der Drittstaatsangehörige nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt; 5. Nachweise gemäß § 14a Abs. 4 Z 1 oder 2 oder § 14b Abs. 2 Z 1 oder 2 ausstellt, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass der Drittstaatsangehörige nicht über die erforderlichen Kenntnisse verfügt oder 6. eine Aufnahmevereinbarung (§  68) abschließt, ohne im Einzelfall die erforderliche Qualifikation des Forschers ausreichend festgestellt zu haben begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. (3) Wer eine Tat nach Abs. 2 begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 5 000 Euro bis zu 15 000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. 224

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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§ 16 GreKoG (BGBl 435/1996 zuletzt geändert BGBl I 104/2014) 240 (1) Wer 1. eine der in § 5 vorgesehenen Tafeln unbefugt entfernt, verhüllt oder verändert oder 2. den Grenzübertritt entgegen der Vorschrift des § 10 vornimmt oder 3. sich als Grenzkontrollpflichtiger der Grenzkontrolle nicht stellt oder 4. einen der Grenzkontrolle unterliegenden Grenzübertritt vornehmen will oder vorgenommen hat und die für den Grenzübertritt vorgesehenen Verkehrswege nicht einhält oder 5. sich trotz Abmahnung weigert, darüber Auskunft zu erteilen, ob er einen Grenzübertritt vorgenommen hat oder vornehmen will oder diese Auskunft wahrheitswidrig erteilt oder 6. eine gemäß § 11 Abs. 3 Z 3 getroffene Anordnung trotz Abmahnung missachtet und hierdurch eine Störung der Grenzkontrolle oder eine Verspätung eines nach Fahrplan verkehrenden Verkehrsmittels verschuldet oder 7. trotz Vorliegen der Voraussetzungen des § 12a Abs. 6 Z 1 oder 2 den Grenzübertritt vornimmt, begeht, sofern die Tat nicht nach einer anderen Rechtsvorschrift mit einer strengeren oder gleich strengen Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Landespolizeidirektion mit Geldstrafe bis zu 2  180  Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Der Versuch ist außer in den Fällen der Z 5 und 6 strafbar. (2) Abs. 1 Z 5 gilt nicht, wenn der Auskunftspflichtige deswegen die Auskunft verweigert oder wahrheitswidrig erteilt, weil er sich sonst selbst einer strafbaren Handlung beschuldigen würde. 3.  Anhängiges Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung Die Staatsbürgerschaft darf auch nicht verliehen werden, wenn bzw so- 241 lange ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist. Unerheblich für das Verleihungshindernis ist, welches Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist. Das FPG kennt unterschiedliche Formen der Aufenthaltsbeendigung:

242

Rückkehrentscheidung gemäß §  52 FPG: Eine Rückkehrentschei- 243 dung verpflichtet im Fall der Rechtskraft (bzw in den Fällen des § 16 Abs 4 BFA-VG der bloßen Durchsetzbarkeit) gemäß § 52 Abs 8 FPG 225

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zur unverzüglichen Ausreise. Für das hier interessierende Verleihungshindernis der Anhängigkeit eines Aufenthaltsbeendigungsverfahrens ist unerheblich, ob auch die Voraussetzungen für die gleichzeitige Erlassung eines Einreiseverbots gemäß § 53 FPG vorliegen, da ein solches immer nur gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden kann und daher ein solches Verfahren nie für sich allein anhängig sein kann. 244 Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG: Diese wird insb im Zuge von sogenannten „Dublin-Verfahren“ (Prüfung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens gemäß den Bestimmungen der VO (EU) 604/2013, ABl L  2013/180, „Dublin-III-VO“) ausgesprochen. Es ist aber zumindest de facto auszuschließen, dass die anderen Voraussetzungen (insb Aufenthaltsdauer bzw nötige Unterhaltsmittel) für einen Erwerb der Staatsbürgerschaft vorliegen, gleichzeitig aber ein Verfahren zur Anordnung zur Außerlandesbringung anhängig ist. 245 Ausweisung bzw Aufenthaltsverbot gemäß §§ 66 f FPG: Eine Ausweisung gemäß § 66 FPG bzw ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG kann gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige erlassen werden. Begünstigte Drittstaatsangehörige sind gemäß §  2 Abs  2 Z  11 FPG Angehörige von EWR-Bürgern (Schweizer Bürgern) oder Österreichern, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben (zu letzteren siehe Abermann in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016), § 55, Rz 5 ff). Eine Ausweisung ist eine Anordnung, das Bundesgebiet zu verlassen, ein Aufenthaltsverbot beinhaltet darüber hinaus noch das Verbot, für einen bestimmten Zeitraum nach Österreich zurückzukehren. 246 Ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung wird natürlich niemals auf Antrag des Fremden eingeleitet. Daher kann für Betroffene unklar sein, wann ein solche anhängig ist. Zur Verwirklichung dieses Verleihungshindernisses muss uE zumindest die Aufnahme von Ermittlungsschritten nachvollziehbar dokumentiert sein. 247 Es muss sich auch um ein konkretes Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung gemäß den oa Bestimmungen handeln. Die Einleitung eines Verfahrens nach §  25 Abs  1 NAG (Feststellung von Versagungsgründen gemäß §  11 Abs  1 und 2 NAG im Verfahren zur Verlängerung eines 226

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Aufenthaltstitels durch die Aufenthaltsbehörde [Landeshauptmann oder von diesem ermächtigte Bezirksverwaltungsbehörde, vgl § 3 Abs 1 NAG]) stellt noch kein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung dar. Diesbezüglich können aber andere Verleihungshindernisse (zB §  10 Abs 2 Z 1 oder 2) verwirklicht sein. Nach Weiterleitung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (§ 5 Abs 1a Z 2 FPG iVm 3 Abs 1 Z 4 BFA-VG) kann dieses ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung einleiten. Ähnlich verhält es sich bei einer Einstellung des Verfahrens durch die Behörde: Auch hier kann für Betroffene unklar sein, wann das Verfahren eingestellt wurde, da in diesem Fall ja kein Bescheid ergeht. Ein einmal eingeleitetes Verfahren kann mit einer rechtskräftigen Ver- 248 hängung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls iVm einem Einreiseverbot), einer Anordnung zur Außerlandesbringung bzw einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbots enden. Nach solchem Abschluss eines Verfahrens liegt zwar das Verleihungshindernis der Z  3 nicht mehr vor, die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist aber aufgrund Abs 2 Z 4 ausgeschlossen (siehe dazu gleich unten). Neben Einstellung des Verfahrens bzw der bescheidmäßigen Verhän- 249 gung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann das Verfahren durch Erledigung einer Beschwerde gegen den entsprechenden Bescheid durch das zuständige LVwG beendet werden. Gemäß §  28 Abs  1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Die Verwaltungsgerichte haben in der Regel in der Sache selbst zu entscheiden (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), § 28, Anm 2 sprechen von „vornehmlich reformatorischer Entscheidungsbefugnis). 4. Durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Z 4 ist der begrifflich logische Anschluss an Z 3: Das Vorliegen einer 250 durchsetzbaren Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG stellt ein absolutes Verleihungshindernis dar. Zu den Begriffen der Rückkehrentscheidung bzw des Aufenthaltsverbots siehe oben Rz 243 ff. Die Behörde hat nicht zu prüfen, ob das Aufenthaltsverbot gemäß § 69 Abs 2 FPG aufzuheben wäre. Auch ein anhängiges Verfahren zur Aufhebung des Aufenthaltsverbots ist bezüglich dieses Verleihungshindernisses nach dem klaren 227

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Wortlaut der Bestimmung nicht relevant. Die Behörde kann aber in diesem Fall gemäß § 38 AVG das Verfahren aussetzen, da ein Aufhebungsverfahren jedenfalls eine relevante Vorfrage im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft darstellt. Auf eine Aussetzung besteht aber kein Rechtsanspruch (VwGH 15.12.2009, 2008/05/0143). Praxisrelevant sind diese Überlegungen lediglich für manche Formen der Erstreckung (vgl § 17), nach 30 Jahren Hauptwohnsitz (§ 12 Abs 1 Z 1 lit a) bzw Anzeige (§§ 57ff), da in den anderen Fällen der zuvor rechtmäßige Aufenthalt Voraussetzung ist. 251 Die Anordnung der Z 4 und 6 ist nicht schlüssig, da die Rückkehrentscheidung bzw die Ausweisung nur ein Verlassen des Bundesgebiets fordern, mit dem ein Einreiseverbot bzw Aufenthaltsverbot aber das Verbot einer Rückkehr ausgesprochen wird. De lege ferenda wäre es daher sinnvoll, die aufgrund des Zusammenhangs jeweils korrespondierenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung in einer Ziffer zu behandeln. 5. Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz 252 Auch bei aufrechter Rückführungsentscheidung eines anderen EWRStaates ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft zwingend zu versagen. Die Gründe für die ausländische Rückführungsentscheidung sind dabei nicht zu prüfen (VwGH 13.10.2011, 2011/22/0145 zu § 11 Abs 1 Z 2 NAG). Es ist auch nicht von Belang, dass etwa von diesem Mitgliedstaat die aufenthaltsbeendende Entscheidung aufgehoben werden müsste; daher beseitigt auch ein gestellter Aufhebungsantrag nicht das Erteilungshindernis des § 11 Abs 1 Z 2 NAG (VwGH 27.5.2010, 2007/21/0254 zu § 11 Abs 1 Z 2 NAG). Nach dem Wortlaut des § 10 Abs 2 Z 5 kommt es nicht auf eine Ausschreibung zur Einreiseverweigerung im Schengener Informationssystem SIS an, sondern allein auf das Bestehen einer Rückführungsentscheidung in einem anderen EWR-Staat. Auf welchem Weg die Behörde von einem solchen Kenntnis erlangt, ist nicht wesentlich (VwGH 29.4.2010, 2007/21/0314 ebenfalls zu § 11 Abs 1 Z 2 NAG). 6. Aufrechtes Einreiseverbot oder Ausweisung in den letzten 28 Monaten 253 Wenn die Voraussetzungen des § 53 FPG erfüllt sind, kann – gemeinsam mit einer Rückehrentscheidung – ein Einreiseverbot erlassen wer228

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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den. Neben der durch die Rückehrentscheidung bewirkten Verpflichtung zur Ausreise stellt das Einreiseverbot darüber hinaus das Verbot dar, für eine bestimmte Zeit (in den Fällen des § 53 Abs 3 Z 5 bis 8 FPG auch unbefristet) nach Österreich zurückzukehren. Zum Begriff der Ausweisung siehe oben Rz 245. Wie oben ausgeführt erscheinen die Z 4 und 6 nicht schlüssig, da die Rückkehrentscheidung bzw die Ausweisung nur ein Verlassen des Bundesgebiets fordern, mit dem Einreiseverbot bzw Aufenthaltsverbot aber das Verbot einer Rückkehr ausgesprochen wird. De lege ferenda wäre es daher sinnvoll, die aufgrund des Zusammenhangs jeweils korrespondierenden Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung in einer Ziffer zu behandeln. Ein gestellter Antrag auf Verkürzung oder Aufhebung des Einreisever- 254 bots gemäß § 60 FPG ist nicht relevant, erst nach einer erfolgten Aufhebung fällt das Verleihungshindernis des §  10 Abs  2 Z  6 weg (vgl VwGH 7.5.2014, Ro 2014/22/0011 zur Erteilung eines Aufenthaltstitels). Möglich, aber nicht zwingend wäre eine Aussetzung des Verfahrens gemäß §  38 AVG, auf eine Aussetzung besteht kein Rechtsanspruch (VwGH 15.12.2009, 2008/05/0143). Wie oben bei Z  4 ausgeführt sind diese Überlegungen lediglich für manche Formen der Erstreckung (vgl § 17), der Verleihung nach 30 Jahren Hauptwohnsitz (§ 12 Abs 1 Z 1 lit a) bzw der Anzeige (§§ 57 ff) von Bedeutung, da es in den anderen Fällen der zuvor rechtmäßige Aufenthalt Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist. 7. Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung Das Verleihungshindernis des § 10 Abs 2 Z 7 ist als eigenes, spezielles 255 Verleihungshindernis konzipiert und ist daher eine lex  specialis zu § 10 Abs 1 Z 6 StbG (Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit). Zur Begriffsklärung der Begriffe „terroristische Gruppierung“ bzw 256 „terroristische Aktivitäten“ kann uE auf die Definitionen des StGB zurückgegriffen werden: § 278b Abs 3 StGB definiert eine terroristische Vereinigung als einen auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d leg cit) betrieben wird. Gemäß § 278c Abs 1 StGB 229

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sind terroristische Straftaten bestimmte (näher bezeichnete) Delikte, wenn die Tat geeignet ist, eine schwere oder längere Zeit anhaltende Störung des öffentlichen Lebens oder eine schwere Schädigung des Wirtschaftslebens herbeizuführen, und mit dem Vorsatz begangen wird, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören. Zwar sind die Begriffe mit jenen des § 10 Abs 2 Z 7 nicht deckungsgleich (Gruppierung bzw Aktivitäten versus Vereinigung bzw Straftaten), aber doch geeignet, eine Orientierung darüber zu geben, was mit diesen Begriffen gemeint sein könnte. Erfasst soll nicht nur ein Naheverhältnis zu einer terroristischen Gruppierung sein, sondern auch ein solches zu einer extremistischen Gruppe, wobei unklar bleibt, in welcher Hinsicht eine solche Nähe anspruchsschädlich sein soll. Das bloße Diskutieren etwa von extremen politischen Meinungen (soweit sie nicht gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen) kann uE in einer Demokratie nicht vorwerfbar sein und ist auch durch Art 10 EMRK geschützt. 257 Für das Vorliegen dieses Verleihungshindernisses muss der Fremde nicht strafgerichtlich verurteilt worden sein, für das Vorliegen dieses Verleihungshindernisses reicht aus, dass der Verleihungswerber (wenn auch nicht öffentlich) bekennender Sympathisant, Geldgeber oder anderer Unterstützer einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung ist (VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035).

IV. Unterlassen des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband 258 Wie an vielen Stellen des StbG (§ 27 ff, § 20), kommt in § 10 Abs 3 klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber Fälle der Doppel- bzw Mehrfachstaatsbürgerschaft grundsätzlich hintanhalten bzw nach Möglichkeit vermeiden möchte (Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015), 6, Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 126). Daher darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn der Verleihungswerber die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterlässt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind (Abs 3 Z 1) oder auf Grund seines Antrages oder 230

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auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt (Abs 3 Z 2). Aus diesem Grund ist auch gemäß § 20 die Verleihung der Staatsbür- 259 gerschaft idR zunächst zuzusichern (siehe näher Erl zu § 20). Eine Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft iSd § 20 begründet für den Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (VwGH 16.7.2014, 2013/01/0038; VwGH 3.12.2003, 2002/01/0291). Zu beachten ist aber, dass die Zusicherung gemäß § 20 Abs 2 widerrufen werde muss, wenn der Fremde mit Ausnahme von §  10 Abs  1 Z  7 auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt (zur Ausnahme der Abs 1 Z 7 siehe VfGH 29.9.29011, G 154/10, wonach bei unverschuldeter Nichterfüllung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalt nicht automatisch die Zusicherung widerrufen werden darf: Auch nach der Änderung des § 20 in diesem Sinn bleiben ob der engen Ausnahmebestimmung Zweifel an der Sachlichkeit). Unternimmt er trotz Möglichkeit oder Zumutbarkeit nicht die not- 260 wendigen Schritte, um aus dem fremden Staatsverband entlassen zu werden, kann die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden. Der Nachweis des Ausscheidens des Staatsbürgerschaftswerbers aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates bzw der Nachweis nach Abs 3 kann durch alle möglichen Beweismittel erbracht werden; die Beweislast trifft den Bewerber (vgl VwGH 17.2.1999, 98/01/0485). Wird der Nachweis nach § 20 Abs 1 oder Abs 3 nicht erbracht, hat die 261 Behörde – ohne auf den vorangegangenen Zusicherungsbescheid eingehen zu müssen und unter Zugrundelegung des allenfalls in der Zwischenzeit geänderten Sachverhaltes – über den Verleihungsantrag zu entscheiden (vgl VwGH 17.2.1999, 98/01/0485; VwGH 29.3.1989, 88/01/0240); allenfalls hat die Behörde den Antrag auf Verleihung (Erstreckung) der Staatsbürgerschaft abzuweisen. Wenn das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband durch eigenes 262 Verhalten nicht bewirkt werden kann, sind die Handlungen gemäß Abs 3 nicht möglich. Der Begriff der Möglichkeit wird auf die rechtliche Möglichkeit bezogen (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 191). Ob mögliche Handlungen zumutbar sind, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht § 10, 100). 231

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Der Begriff der Zumutbarkeit bezieht sich auf die (Verzichts-)Handlung selbst und allenfalls ihre Folgen, nicht jedoch auf die Folgen, die der Verlust der fremden Angehörigkeit nach sich zieht. Nachteilige Folgen des Verlusts der fremden Staatsangehörigkeit müssen somit vom Staatsbürgerschaftswerber in Kauf genommen werden (VwGH 24.1.2013, 2010/01/0032). 263 Asylberechtigten wird in aller Regel der Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband unzumutbar sein, da sie in diesem asylrelevant verfolgt werden (Art  1 Abschnitt A Genfer Flüchtlingskonvention (GFK, für Österreich: BGBl 55/1955). Allerdings könnte man zu einem anderen Ergebnis gelangen, wenn ein Endigungsgrund gemäß Art 1 lit C GFK vorliegt (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/ Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht § 10, 101). Mit Blick auf § 7 Abs 3 AsylG, wonach eine Asylaberkennung auch nach mehr als fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist, wird die Staatsbürgerschaftsbehörde kaum selbständig das Vorliegen eine Endigungsgrundes annehmen können. Regelmäßig wird auch Subsidiär Schutzberechtigten, wenn diese sie sonstigen Voraussetzungen für die Erlangung der Staatsbürgerschaft erfüllen) das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband unzumutbar sein, wobei hier aber der Grund für die Erteilung des subsidiären Schutzes bedeutsam sein wird.

V. Absehen von bestimmten Verleihungs­ hindernissen 264 In bestimmten Fällen ist von der Voraussetzung der Aufenthalts- bzw Niederlassungsdauer (Abs 1 Z 1), dem Verleihungshindernis bei Bestrafung nach bestimmten Verwaltungsübertretungen (Abs 2 Z 2) und teilweise trotz Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft (nur in den Fällen des Abs 4 Z 2) abzusehen. 265 Gemäß Z 1 ist das der Fall bei Fremden mit Aufenthalt im Bundesgebiet, die durch mindestens zehn Jahre die Staatsbürgerschaft ununterbrochen besessen und diese auf andere Weise als durch Entziehung (siehe Erl zu §§ 32 bis 34) verloren haben. Vom Verleihungshindernis des Abs 3 ist in diesen Fällen aber nicht abzusehen. Andere Arten des Verlusts der Staatsbürgerschaft sind der automatische Verlust (allenfalls Erstreckung des Verlusts bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (§§ 27 und 29) und der Verzicht gemäß § 37. Der Hauptwohnsitzmel232

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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dung eines Einbürgerungswerbers kommt zwar Indizwirkung zu, eine Bindung der Staatsbürgerschaftsbehörde an eine solche besteht jedoch in keine Richtung (VwGH 15.3.2010, 2007/01/1415). Weiters abzusehen ist von diesen Voraussetzungen bei einem Fremden, 266 der vor dem 9. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit eines der Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie hatte oder staatenlos war, seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatte und sich damals deshalb in das Ausland begeben hat, weil er Verfolgung durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Einsatzes für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche mit Grund zu befürchten hatte. Wesentlich ist, dass der Einbürgerungswerber in diesem Fall vor 1945 nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben musste. Siehe zum Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige für Verfolgte des Nationalsozialismus Erl zu § 58c.

VI. Verleihung im besonderen Interesse der ­Republik A.  Allgemeines Die Bestimmung des Abs 6, welche im Verfassungsrang steht, sieht die 267 Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf Antrag vor, falls die Bundesregierung bestätigt, dass die Verleihung wegen der vom Verleihungswerber bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden „außerordentlichen Leistungen“ im besonderen Interesse der Republik liegt. Die Bestimmung ist insofern von grundlegender Bedeutung, als sie jenen Personen, die sich im besonderen Maß um Österreich verdient gemacht haben (und machen werden), einen erleichterten Zugang zur Staatsbürgerschaft gewährleistet. Da die Vollziehung der Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft gemäß 268 Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG Landessache ist, war die Erhebung des Abs 6 in den Verfassungsrang notwendig (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, [2006], S 106). Das Mitwirkungsrecht des Bundes hat seinen Grund darin, dass die Beurteilung der den Gesamtstaat berührenden Frage, ob die Verleihung im Interesse der Republik liegt – anders als die Verlei233

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hung nach § 11a Abs 4 Z 4 – der Bundesregierung vorbehalten bleiben soll (Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6, [2001], S 77). 269 Der Antrag auf Verleihung nach Abs 6 muss uE als solcher ausdrücklich bezeichnet werden, da sonst der Staatsbürgerschaftsbehörde keine Zuständigkeit für die Einholung einer Bestätigung der Bundesregierung zukommt. Verleihungswerber nach Abs 6 müssen die Voraussetzungen gem § 10 Abs 1 Z 1 (ununterbrochener und rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet) und Z 7 (hinreichend gesicherter Lebensunterhalt), sowie § 10 Abs 3 (Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband) nicht erfüllen. Daher kommt im Verfahren nach Abs 6 eine Zusicherung der Staatsbürgerschaft iSd § 20, sowie die Prüfung des Lebensunterhaltes und der Fristen des rechtmäßigen Aufenthaltes nicht in Betracht. Die Staatsbürgerschaftsbehörde hat jedoch noch vor der Einholung der Bestätigung der Bundesregierung zu prüfen, ob der Verleihungswerber die Voraussetzungen gem § 10 Abs 1 Z 2 bis 6 und Z 8, sowie § 10 Abs 2 (zu den Voraussetzungen s Kommentierung zum § 10 Abs 1 und 2) erfüllt. Sofern eines der Verleihungshindernisse gem § 10 Abs 1 Z 2 bis 6 und Z 8, sowie § 10 Abs 2 vorliegt, hat die Staatsbürgerschaftsbehörde, ohne Einholung der Bestätigung der Bundesregierung, den Antrag auf Verleihung mit Bescheid abzuweisen. Verleihungswerber nach Abs 6 sind weiters gem § 10a Abs 2 Z 1 von der Verpflichtung zur Vorlage der Nachweise über ausreichende Deutschkenntnisse, sowie der Ablegung der Staatsbürgerschaftsprüfung iSd § 10a Abs 1 ausgenommen. Es besteht kein Rechtsanspruch auf Verleihung nach Abs 6. Die Staatsbürgerschaftsbehörde kann uE daher im Rahmen einer Ermessensprüfung nach § 11 (wobei auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das gesamte Verhalten des Verleihungswerbers Rücksicht zu nehmen ist), trotz einer positiven Bestätigung der Bundesregierung, den Verleihungsantrag abweisen. Die Staatsbürgerschaftsbehörde hat jedoch, wenn sie trotz Vorliegens einer Bestätigung der Bundesregierung zu einer Abweisung des Verleihungsantrages gelangt, ihre Ermessensentscheidung zu begründen (vgl VwGH 17.4.1991, 91/01/0022). 270 Zusammenfassend betrachtet kann einem Verleihungswerber nach Abs 6 die Staatsbürgerschaft verliehen werden (vorausgesetzt die Bundesregierung bestätigt seine außerordentlichen Leistungen) selbst dann, wenn er nie in Österreich aufhältig war, keine Deutschkenntnisse hat, seine Einkommensverhältnisse unbekannt sind und er seine bisherige 234

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Staatsbürgerschaft beibehalten möchte. Einige der bekanntesten Fälle der Verleihung nach Abs 6 sind zB die russischstämmige Opernsängerin Anna Netrebko und der deutschstämmige Schauspieler Christoph Waltz.

B.  Bestätigung der Bundesregierung Die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach Abs 6 kann nur dann erfol- 271 gen, wenn die Bundesregierung bestätigt, dass die Verleihung wegen der vom Verleihungswerber bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt. Die Rechtsnatur dieser Bestätigung ist umstritten (vgl Thienel aaO, 214 ff). Eine positive Bestätigung der Bundesregierung bewirkt keinen automatischen Erwerb der Staatsbürgerschaft, diese kann nur mittels eines Verleihungsbescheides der zuständigen Staatsbürgerschaftsbehörde oder im Rahmen einer Säumnisbeschwerde gem § 8 VwGVG mittels eines Erkenntnisses des zuständigen Verwaltungsgerichtes verliehen werden. Die Erteilung oder Versagung einer Bestätigung nach Abs 6 fällt alleine in die Zuständigkeit der Bundesregierung. Die (vorgängige) ablehnende Äußerung eines Bundesministers reicht nicht aus, damit die Staatsbürgerschaftsbehörde die Einholung einer Bestätigung der Bundesregierung verweigert (vgl VwGH 19.2.1986, 84/01/0261). Das von Abs 6 geforderte Staatsinteresse ist allein von der dazu berufenen Bundesregierung und nicht von der Verleihungsbehörde zu prüfen. Ob daher ein Verleihungswerber außerordentliche Leistungen bereits erbracht hat oder ob solche von ihm noch zu erwarten sind, ist (ausschließlich) von der Bundesregierung in Form einer für die Verleihungsbehörde bindenden Bestätigung, zu beurteilen (vgl VwGH 17.4.1991, 91/01/0022). Die Bestätigung der Bundesregierung bewirkt, dass die für eine Verleihung nach § 10 Abs 1 Z 1 und 7 sowie Abs  3 erforderlichen weiteren Voraussetzungen dahinstehen können (vgl VwGH 3.5.2000, 98/01/0136). Laut den EB zu BGBl I 1998/124 soll die Verleihung der Staatsbürger- 272 schaft infolge der Bestätigung der Bundesregierung nur in ganz besonderen Ausnahmefällen erfolgen, und zwar nur dann, wenn die Verleihung im besonderen Interesse der Republik liegt. Es wurde jedoch absichtlich darauf verzichtet, eine Aufzählung der Gebiete, in denen die Leistungen zu erbringen sind, in Abs 6 aufzuzählen. Das Bundesministerium für Inneres (BMI) hat jedoch auf Grundlage der seit der Wieder235

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verlautbarung des StbG verliehenen Staatsbürgerschaften im besonderen Interesse der Republik und der diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Beurteilungen der Bundesregierung bestimmte Kriterien entwickelt. Diese werden als Maßstab für die Beurteilungen der Bundesregierung herangezogen und dienen in ihrer Gesamtheit als Orientierung zur sachlichen Einschätzung des Einzelfalles. Die Kriterien müssen nach Ansicht des BMI nicht kumulativ erfüllt werden, sondern ist ein punktuelles, aber überwiegendes Erfüllen der Kriterien im Einzelfall ausreichend, wenn diesen eine besondere Gewichtung in der Gesamtbetrachtung des Einzelfalles zukommt. 273 Die vom BMI erarbeiteten Kriterien (abrufbar unter http://www.bmi. gv.at/cms/BMI_Staatsbuergerschaft/verleihung/start.aspx) in den nachfolgenden Interessensbereichen gestalten sich wie folgt: 274 1.  bei wissenschaftlichen Leistungen: i. wissenschaftliche Tätigkeit auf Gebieten, die noch nicht erschlossen sind bzw die Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Gebieten; ii. überwiegend ständige Tätigkeit in Österreich bzw bei Tätigkeit im Ausland dann, wenn die wissenschaftliche Tätigkeit überwiegend für Österreich bzw in Österreich ansässige Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen erfolgte; iii. hohe Reputation in der internationalen scientific community bzw internationaler Bekanntheitsgrad; iv. nationale und internationale Publikationen; v. Wissenstransfer von im Ausland angeeignetem neuen Wissen nach Österreich (zB an Studierende und andere Wissenschaftler); vi. aktive anerkannte Forschungstätigkeiten; vii. Lehrtätigkeit an österreichischen Hochschulen; 275 2.  bei wirtschaftlichen Leistungen: i. Inhaber einer Firma oder leitende Funktion mit maßgeblichem Einfluss in einem Unternehmen; die Vorstandsmitgliedschaft für sich allein ist nicht ausreichend; ii. hohe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens; iii. Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen am österreichischen Arbeitsmarkt in einem relevanten Ausmaß, insbesondere auch in wirtschaftlich schwachen Regionen Österreichs; 236

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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iv. maßgebliche, insbesondere bereits getätigte Investitionen oder durchgeführte Projekte des Unternehmens in Österreich; bloße Geldflüsse sind nicht ausreichend; v. Bekanntheitsgrad des Unternehmens auch im Ausland; vi. Förderung der bi- und multilateralen Außenbeziehungen Österreichs auf dem Wirtschaftssektor; 3.  bei sportlichen Leistungen:

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i. es steht aktuell kein anderer, hinsichtlich des Leistungsniveaus vergleichbarer österreichischer Leistungssportler zur Verfügung, auch nicht aus dem Nachwuchsbereich; ii. die herausragenden sportlichen Leistungen wurden bereits über einen längeren Zeitraum, der mindestens ein Jahr beträgt, in Österreich erbracht; iii. Absehbarkeit, dass die aktive, erfolgreiche Laufbahn als Sportler, insbesondere unter Berücksichtigung seines Alters, noch länger andauern wird; iv. Beabsichtigung und formalrechtliche Möglichkeit der sofortigen Einsetzbarkeit in einem österreichischen Nationalteam; v. sehr gute Platzierungen bei nationalen oder internationalen Wettkämpfen als Einzelner oder mit der Mannschaft; 4.  bei künstlerischen Leistungen:

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i. die künstlerische Einzelleistung stellt einen wesentlichen Beitrag zum Kunstgeschehen Österreichs dar; ii. durch die außerordentlichen künstlerischen Qualifikationen werden wesentliche Leistungen im Bereich der Ausbildung an österreichischen Hochschulen erbracht; iii. Stärkung und Verbreitung des künstlerischen Renommees der Republik Österreich auf internationaler Ebene; iv. die herausragende künstlerische Leistung des Einzelnen zieht das Publikum an; v. Entwicklung einer eigenen Technik, Reaktivierung einer alten Kunsttechnik in neuer Verwendung oder Herausbildung einer neuen, modernen Kunstform. Verleihungen in anderen als den vier exemplarisch dargestellten Tätig- 278 keitsbereichen sollten ebenfalls möglich sein, soweit bei der Beurtei237

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lung des besonderen Interesses der Republik auf Kriterien von vergleichbarem Gewicht abgestellt wird, um auch in diesen Fällen dem besonderen Interesse der Republik ausreichend Rechnung zu tragen. Die aufgezeigten Tätigkeitsbereiche und ihre Kriterien sind somit nicht als erschöpfende Aufzählung anzusehen.

C. Verfahren zur Einholung der Bestätigung der Bundesregierung 279 Die Bundesregierung kann gemäß § 10 Abs 7 über Vorschlag des Bundesministers für Inneres eine Verordnung erlassen, mit der nähere Bestimmungen über das Verfahren zur Erlangung einer Bestätigung der Bundesregierung in Verfahren gem Abs 6 festgelegt werden. Die Bundesregierung hat erst mit der sog „Bestätigungsverordnung“ (Verordnung der Bundesregierung über das Verfahren zur Erlangung einer Bestätigung gemäß §  10 Abs  6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes, BGBl II Nr 39/2014), in Kraft getreten am 1.3.2014, eine Verordnung nach Abs 7 erlassen und somit die (in der Behördenpraxis seit Jahren etablierte) Vorgehensweise in Verfahren nach Abs 6 geregelt. Der Bundesminister für Inneres (BMI) spielt dabei eine zentrale Rolle. 280 Nach der Bestätigungsverordnung hat die Staatsbürgerschaftsbehörde (jeweilige Landesregierung) in einem Verfahren nach Abs  6 den Verwaltungsakt in Abschrift, geordnet und unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses ehestmöglich dem BMI vorzulegen. Die Vorlage des Verwaltungsaktes hat jedoch nur dann zu erfolgen, wenn die Staatsbürgerschaftsbehörde zum Schluss gekommen ist, dass keine Verleihungshindernisse gem § 10 Abs 1 Z 2 bis 6 und Z 8 sowie Abs 2 vorliegen und alle entscheidungsrelevanten Fakten erhoben wurden. Daraus ergibt sich, dass die Übermittlung des Verwaltungsaktes an den BMI erst dann erfolgen kann, wenn die Staatsbürgerschaftsbehörde sämtliche relevanten Behördenabfragen (wie zB an die LPD, das BFA, die Finanzstrafkartei usw) getätigt hat, und der Verleihungswerber Nachweise über seine Unbescholtenheit aus dem Ausland und Nachweise über seine außerordentlichen Leistungen vorgelegt hat. Daher wird oft in der Behördenpraxis der Verwaltungsakt erst mehrere Monate nach der Antragstellung dem BMI vorgelegt. 281 Nach der Vorlage des Aktes an den BMI hat dieser den Akt samt den dazugehörigen Nachweisen, je nach Art  der außerordentlichen Leistungen, an den zuständigen Bundesminister bzw die zuständigen 238

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Bundesminister zur Beurteilung weiterzuleiten. Falls der Verleihungswerber über keinen Hauptwohnsitz in Österreich verfügt, ist der Akt jedenfalls an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) zur Beurteilung weiterzuleiten. Der BMI hat jedoch, sofern sich aus dem Akt seine Zuständigkeit ergibt, eine Beurteilung ob die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt, selbst vorzunehmen. Die mit der Beurteilung befassten Bundesminister sind verpflichtet eine 282 begründete Stellungnahme zu verfassen und diese dem BMI zu übermitteln. Bei der Meinungsbildung zu jedem Einzelfall können die zuständigen Bundesminister fachliche Expertisen von Sachverständigen einholen. Gemäß § 2 Abs 4 der Bestätigungsverordnung hat die Stellungnahme „die wesentlichen Gründe der Beurteilung darzulegen, insbesondere im Hinblick auf die vorgenommene Wertung der bereits vom Fremden erbrachten und noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen und die Gründe, weshalb eine Verleihung der Staatsbürgerschaft im besonderen Interesse der Republik liegt.“ Aus der Stellungnahme muss ersichtlich sein, ob der jeweilige Bundesminister die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Fremden befürwortet oder nicht. Falls Aufklärungsbedarf besteht, kann der BMI die bereits befassten Bundesminister neuerlich befassen oder einen weiteren Bundesminister beiziehen. Nach Einlangen der begründeten Stellungnahmen der zuständigen Bundesminister hat der BMI den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der eingelangten Stellungnahmen beschlussreif aufzubereiten und eine für die Beschlussfassung der Bundesregierung begründete Empfehlung zu erstellen. Die Bundesregierung entscheidet regelmäßig, jedoch zumindest ein- 283 mal im Kalenderhalbjahr, über die Erteilung oder Nichterteilung einer Bestätigung gemäß Abs 6. Die Entscheidung der Bundesregierung über die Erteilung oder Nichterteilung einer Bestätigung nach Abs 6 ist vom BMI unverzüglich der jeweiligen Landesregierung zu übermitteln. Diese hat nach erfolgter Entscheidung den Verleihungsbescheid bzw den Bescheid über die Abweisung des Antrages auf Verleihung nach Abs 6 in Abschrift dem BMI zu übermitteln.

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§  10a. (1) Voraussetzung jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft ist weiters der Nachweis 1. über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 NAG [§ 7 Abs. 2 Z 2 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017] und 2. von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes. (2) Ausgenommen von den Nachweisen nach Abs. 1 sind: 1. Fälle der §§ 10 Abs. 4 und 6, 11a Abs. 2, 13, 57, 58c sowie 59; 2. Fremde, die zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündige Minderjährige sind; 3. Fremden, denen auf Grund ihres physisch oder psychisch dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes, insbesondere auch auf Grund von Sprach- oder Hörbehinderungen, die Erbringung der Nachweise nicht möglich ist und dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachgewiesen wird. 4. andere, nicht nur allein auf Grund ihres Alters selbst nicht handlungsfähige Fremde. (3) Die Nachweise nach Abs. 1 gelten als erbracht, wenn der Fremde zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig ist und 1. im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat oder 2. im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und a) der Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ in dem der Antragstellung vorangegangenen Schuljahr positiv beurteilt wurde oder die Schulnachricht am Ende des ersten Semesters des laufenden Schuljahres im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ eine positive Leistung ausweist oder b) der Antragsteller bis zum Entscheidungszeitpunkt die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist. (4) Der Nachweis nach Abs. 1 Z 1 gilt als erbracht, wenn 1. die deutsche Sprache die Muttersprache des Fremden ist oder 2. der Fremde das Modul 2 der Integrationsvereinbarung nach § 14b Abs. 2 NAG [§ 10 Abs. 2 IntG] erfüllt hat, auch wenn 240

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er nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz [nach dem Integrationsgesetz] dazu nicht verpflichtet ist, und einen entsprechenden Nachweis vorlegt. (4a) Der Nachweis nach Abs. 1 Z 2 gilt als erbracht, wenn der Fremde einen Schulabschluss im Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ zumindest auf dem Niveau des Lehrplans der Hauptschule für den Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ in der 4. Klasse gemäß Anlage 1 zu BGBl. II Nr. 134/2000, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 290/2008, nachweist. (5) Der Nachweis nach Abs. 1 Z 2 ist, soweit dieser nicht nach Abs. 3 oder 4a als erbracht gilt, durch eine von der zuständigen Landesregierung durchzuführende Prüfung zu erbringen. Das Nähere über die Durchführung der Prüfung ist nach Maßgabe der folgenden Grundsätze durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festzulegen: 1. Die Prüfung ist schriftlich abzuhalten, wobei vom Prüfungsteilnehmer unter mehreren vorgegebenen Antworten die richtige oder die richtigen erkannt werden müssen; 2. Der Prüfungserfolg ist mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen; 3. Wiederholungen von nicht bestandenen Prüfungen sind zulässig. (6) Das Nähere über die Inhalte der Prüfung im Bezug auf die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie die Geschichte Österreichs (Prüfungsstoffabgrenzung I) ist nach Maßgabe der folgenden Grundsätze durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festzulegen: 1. Die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich umfassen in Grundzügen den Aufbau und die Organisation der Republik Österreich und ihrer maßgeblichen Institutionen, der Grund- und Freiheitsrechte einschließlich der Rechtsschutzmöglichkeiten und des Wahlrechts auf dem Niveau des Lehrplans der Hauptschule für den Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ in der 4. Klasse gemäß Anlage 1 zu BGBl. II Nr. 134/2000, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 290/2008; 2. die Grundkenntnisse über die Geschichte Österreichs haben sich am Lehrstoff des Lehrplans der Hauptschule für den Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ in 241

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der 4. Klasse gemäß Anlage 1 zu BGBl. II Nr. 134/2000, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 290/2008, zu orientieren. (7) Das Nähere über die Inhalte der Prüfung im Bezug auf die Grundkenntnisse der Geschichte des jeweiligen Bundeslandes (Prüfungsstoffabgrenzung II) ist durch Verordnung der Landesregierung festzulegen. In dieser Verordnung kann die Landesregierung die Bezirksverwaltungsbehörden mit der Durchführung der Prüfungen im Namen der Landesregierung ermächtigen. [idF BGBl I 2013/136 und BGBl I 2017/68] EB zu BGBl I 124/1998 Der neu eingefügte § 10a soll den Intentionen des Integrationspaketes Rechnung tragen und vermitteln, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Schlußpunkt einer erfolgreichen Integration in Österreich darstellt. Ein wesentliches – aber nicht ausschließliches – Indiz hiefür sind sicherlich Sprachkenntnisse. Diese Sprachkenntnisse werden nicht in Form einer Prüfung unter Beweis zu stellen sein. Die Sprachkenntnisse sind jedoch von der Behörde nach den Lebensumständen des Betroffenen zu beleuchten. Die Deutschkenntnisse eines leitenden Angestellten werden sich in der Regel von jenen einer Fremden unterscheiden, die im Familienverband lebt und den Haushalt führt. Solche – den Lebensumständen angepaßte – Sprachkenntnisse sind für jegliche Verleihung, also auch für die privilegierten Verleihungen des § 10 Abs. 4 Z 2 und Abs. 6 erforderlich. Verfügen solche Fremden nicht über ausreichende Deutschkenntnisse, so kommt eine Verleihung auch in diesen Fällen nicht in Betracht. EB zu BGBl I 37/2006 Abs. 1 normiert als weitere Voraussetzung der Verleihung der Staatsbürgerschaft Kenntnisse der deutschen Sprache und Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes. Diese Kenntnisse müssen entsprechend nachgewiesen werden. Von diesem Erfordernis gänzlich ausgenommen sind lediglich Staatsbürgerschaftswerber, die die Staatsbürgerschaft nach §§ 10 Abs. 4, 11a Abs. 2 und 58c erhalten haben oder wenn im Rahmen des Verleihungsverfahrens eine Stellungnahme der Bundesregierung nach § 10 Abs. 6 ergangen ist. Ebenso keinen Nachweis nach Abs. 1 zu erbringen haben schulpflichtige Kleinkinder und Personen, denen auf Grund ihres hohen Alters oder dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes (z.B. schwer kranke oder gebrechliche oder an einer Behinderung leidende Menschen) die Erbringung des Nachweises nicht möglich ist. Letztere Voraussetzung muss mit einem amtsärztlichen Gutachten nachgewiesen werden. Schließlich sind Personen, die – etwa nach Bestellung eines Sachwalters – selbst nicht handlungsfähig sind, von der Beibringung eines entsprechenden Nachweises befreit. Die Handlungsunfähigkeit bloß wegen Minderjährigkeit ist hier nicht erfasst.

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Abs. 3 stellt eine unwiderlegliche Regelvermutung auf, wonach die Nachweise nach Abs. 1 – also der Sprachkenntnisnachweis und der Nachweis der Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes – für Pflichtschüler als erbracht gelten. Allein der Schulbesuch in einer Primarschule – also einer Volks- oder Sonderschule – soll für diese Altergruppe als Nachweis genügen. Besucht der Minderjährige im Rahmen der Schulpflicht eine Sekundarschule – wie etwa die Hauptschule, die Polytechnische Schule, die entsprechenden Stufen der Sonderschule oder die Unterstufe einer AHS –, gilt der Nachweis als erbracht, wenn der Betroffene im letzten Jahreszeugnis oder in der Schulnachricht zum letzten Schulhalbjahr eine positive Beurteilung im Gegenstand Deutsch vorzuweisen vermag. Als Nachweise kommen hier Schulbesuchsbestätigungen der Primarschule bzw. das von der betreffenden Sekundarschule ausgestellte Jahreszeugnis oder die Schulnachricht in Frage. Abs. 4 zeichnet die Möglichkeiten vor, die einem Staatsbürgerschaftswerber offen stehen, um den Nachweis der Kenntnisse der deutschen Sprache zu erbringen. Fremde mit deutscher Muttersprache sind von der Erbringung des Sprachkenntnisnachweises befreit (Z 1). Die Feststellung, ob die deutsche Sprache die Muttersprache des Fremden ist, obliegt der Entscheidung der Behörde. Fremde mit nichtdeutscher Muttersprache können den erforderlichen Sprachkenntnisnachweis nur durch die Erfüllung der Integrationsvereinbarung (§§ 14 ff. NAG) erbringen. Die verschiedenen Möglichkeiten, wie die Integrationsvereinbarung erfüllt werden kann, ergeben sich aus § 14 Abs. 5 NAG. Die Erfüllungsmöglichkeiten nach § 14 Abs. 5 Z 6 und 8 NAG sollen als Nachweis nicht genügen, da in diesen beiden Fällen ausreichende Deutschkenntnisse nicht erforderlich sind. Der Nachweis von Deutschkenntnissen (Abs. 1 Z  1) durch Staatsbürgerschaftswerber, die zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz nicht verpflichtet sind (insbesondere EWR- und Schweizer Bürger sowie deren Angehörige), kann von diesen ebenfalls nur durch die Erfüllung der Integrationsvereinbarung nach den genannten Möglichkeiten erbracht werden. So kann auch ein EWR-Bürger den Deutschkenntnisnachweis dadurch erbringen, dass er erfolgreich einen Deutsch-Integrationskurs bei einem vom Österreichischen Integrationsfonds zertifizierten Kursträger absolviert (§ 14 Abs. 5 Z 2 NAG) oder dass er den Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse mit einem anerkannten Sprachdiplom erbringt (§ 14 Abs. 5 Z 5 NAG). Soweit der Nachweis nach Abs. 1 Z 2 nicht nach Abs. 3 erbracht hat, ist der Staatsbürgerschaftswerber angehalten, vor der zuständigen Landesregierung eine schriftliche Prüfung über die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes abzulegen. Die Prüfung ist nach dem „Multiple-Choice-Verfahren“ zusammenzustellen und jeweils mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. Negativ beurteilte Prüfungen können vom Staatsbürgerschaftswerber beliebig oft wiederholt werden (Abs. 5). Der nach Abs. 6 festzulegende und von den Prüfungsteilnehmern zu beherrschende Prüfungsstoff hat sich in didaktischer Hinsicht am Ni-

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veau bzw. an den Inhalten des Lehrplans der 4. Klasse Hauptschule im Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ zu orientieren. Der gesamte Prüfungsstoff gliedert sich in zwei Teile: 1. die erforderlichen Inhalte für die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der Geschichte Österreichs (Prüfungsstoffabgrenzung I) und 2. Die erforderlichen Inhalte für die Grundkenntnisse der Geschichte des jeweiligen Bundeslandes (Prüfungsstoffabgrenzung II). Das Nähere über die Durchführung dieser Prüfungen und die erforderlichen Inhalte für die Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der Geschichte Österreichs ist durch Verordnung der Bundesministerin für Inneres festzulegen (Abs. 5 und 6). Die Grundkenntnisse der Geschichte des jeweiligen Bundeslandes sind durch Verordnung der Landesregierung festzulegen. In dieser Verordnung kann die Landesregierung die Bezirksverwaltungsbehörden mit der Durchführung der Prüfungen in ihrem Namen ermächtigen (Abs. 7). EB zu BGBl I 122/2009 (§ 10a Abs. 2 Z 1): §  10a Abs. 2 bestimmt jene Fälle, in denen Fremde vom Nachweis der Kenntnis der deutschen Sprache und von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung und Geschichte Österreichs (siehe dazu § 10a Abs. 1) ausgenommen sind. Abs. 2 Z 1 soll nunmehr um die Fälle des § 13 und des neuen § 59 erweitert werden. § 13 betrifft Personen, die bereits Österreicher waren und die Staatsbürgerschaft durch Heirat verloren haben. § 59 umfasst jene Fälle, in denen, bisweilen auch über einen langen Zeitraum, fälschlicherweise vom Vorhandensein der österreichischen Staatsbürgerschaft kraft Abstammung ausgegangen wurde. In beiden Fällen kann daher angenommen werden, dass die Kenntnisse des §  10 Abs. 1 vorliegen und wäre die Verpflichtung zum (nochmaligen) Nachweis dieser Kenntnisse nicht sachgerecht. Siehe auch die Erläuterungen zu § 59 (neu). (§ 10a Abs. 4a und 5): Gemäß § 10a Abs. 1 Z 2 ist als Voraussetzung jeglicher Verleihung der Staatsbürgerschaft der Nachweis von Grundkenntnissen der demokratischen Ordnung Österreichs sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes zu erbringen. Es ist sachgerecht, dass bei Vorliegen eines Schulabschlusses im Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ auf dem Niveau der 4. Klasse Hauptschule, der Nachweis nach Abs. 1 Z 2 als erbracht gilt. Durch die Schaffung des neuen § 10a Abs. 4a wird überdies eine redaktionelle Anpassung in Abs. 5 notwendig. EB zu BGBl I 38/2011 (§ 10a Abs. 1 Z 1): Diese Änderung folgt den Neuregelungen der §§ 14 ff. NAG. Für den Erwerb der Staatsbürgerschaft ist somit künftig auch der Nachweis von Deutschkenntnissen zur selbständigen Sprachverwendung – und damit das B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen – erforderlich. Siehe dazu auch die Erläuterungen zu §§ 14 und 14b NAG.

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(§ 10a Abs. 2 Z 3): Die Adaptierung dieser Ausnahmebestimmung wird auch im Hinblick auf die Änderungen in § 14b NAG vorgenommen. Es wird dabei klargestellt, dass Personen deren physischer oder psychischer Gesundheitszustand dauerhaft schlecht ist, von der Erfüllung der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 ausgenommen sind. Dies muss von Fremden durch ein amtsärztliches Gutachten nachgewiesen werden. (§ 10a Abs. 4 Z 2): Aufgrund der Neuregelungen der §§ 14 ff. NAG hat eine terminologische Anpassung dieser Bestimmung zu erfolgen. Siehe dazu die Erläuterungen zu § 10a Abs. 1 Z 1. EB zu BGBl I 136/2013 (§ 10a Abs. 1 Z 2 und Abs. 6): Mit der vorgeschlagenen Novellierung soll klargestellt werden, dass die Kenntnisse über die aus der Verfassung ableitbaren Grundprinzipien Österreichs zu den Prüfungsbestandteilen des Staatsbürgerschaftstestes zählen. Da der Staatsbürgerschaftstest einen wesentlichen Faktor für die Erlangung der Staatsbürgerschaft darstellt, wird ein neuer Zugang vorgeschlagen, wonach neben den bisherigen Inhalten (Geschichte und demokratische Ordnung Österreichs) auch die sich aus der Verfassungsrechtsordnung ergebenden Grundprinzipien im Fokus stehen sollen. In jeder Verfassung werden grundsätzliche Feststellungen über die Staatsform und die Regierungsform, den Aufbau des Staates und die Stellung und Rechte der Menschen im Staat getroffen. Man nennt diese auch Grundprinzipien einer Verfassung. Sie sind die Basis der Verfassung und der Demokratie, und sie sind daher besonders gegen Veränderungen geschützt. In Österreich bilden das demokratische, das republikanische, das bundesstaatliche und das rechtsstaatliche Prinzip die Grundlagen der Verfassung. Nicht ausdrücklich im B-VG normiert, aber aus verschiedenen Verfassungsvorschriften abzuleiten sind zudem das gewaltentrennende und das liberale Prinzip. Der künftige Verleihungswerber muss zeigen, dass er sich im Rahmen seines vorangegangen Integrationsprozesses ein Wissen über die österreichische Verfassung als Grundlage für die Gesetzgebung und für das gesellschaftliche Zusammenleben in Österreich angeeignet hat. Dieses Wissen ist die Basis eines geordneten Zusammenlebens in einer Gesellschaft. (§ 10a Abs. 2 Z 1): Auf Grund der Einfügung des neuen § 57, ist dieses Zitat zu adaptieren. (§ 10a Abs. 2 Z 2 und 3): Die Ausnahmebestimmung des Abs. 2 Z 2 soll auf Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres ausgeweitet werden. Die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1 werden im Inland von unmündigen Minderjährigen im Rahmen der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht erfüllt. Da dies für unmündige Minderjährige,

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die sich im Ausland aufhalten und keinen Wohnsitz in Österreich haben nicht möglich ist, wird diese Bestimmung gerade dieser Personengruppe Vorteile bringen. Ebenso soll Abs. 2 Z 3 eine Klarstellung dahingehend erfahren, dass insbesondere Fremde, die eine Sprach- oder Hörbehinderung aufweisen und daher nur bedingt den geforderten Nachweis erbringen können, unter diese Ausnahmeregelung fallen können (Vgl. auch Maßnahme Nr. 24 des Nationalen Aktionsplanes Behinderung 2012–2020). (§ 10a Abs. 5 Z 1): Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Adaptierung im Hinblick auf die Staatsbürgerschaftsprüfung. Damit wird für die Prüfung die Voraussetzung geschaffen die Fragen im Multiple-Choice-Modus zustellen, d.h. es werden Fragen gestellt und jeweils mehrere Antwortmöglichkeiten vorgegeben von denen wiederum mehrere Antworten richtig sein können. (§ 10a Abs. 6 Z 1 und 2): Es handelt sich dabei um eine Zitatanpassung in den Z 1 und 2 auf den aktuellen Lehrplan der Hauptschule im Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 7 A. Deutschkenntnisse.................................................................................. 7 B. Minderjährige.......................................................................................... 13 C. Handlungsunfähigkeit........................................................................... 18 D. Gesundheitszustand............................................................................... 23 E. Nachweis.................................................................................................. 29 III. Verleihungsvoraussetzungen..................................................................... 31 IV. Ausnahmen................................................................................................... 39 V. Schüler........................................................................................................... 44 VI. NAG/IntG .................................................................................................... 49 VII.Verordnungsermächtigungen.................................................................... 51 Schrifttum zu § 10a: Abermann, Deutsch vor Zuzug – europarechtskonform?, migralex 2012, 71; Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Bruckner, Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) – Die Neukodifikation des österreichischen Zuwanderungsrechts, migralex 2006, 3; Feik, Verpflichtende Integrationskurse in der EU, migralex 2003, 53; Hauer, Deutschkenntnisse als Kriterium der kommunalen Wohnungsvergabe, RFG 2011/7; Pöschl, Integrationsvereinbarung alt und neu, migralex 2006, 42; Szymanski, Deutschpflicht trotz EuGH möglich, Die Presse 23.2.2012; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

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I.  Allgemeines § 10a idF BGBl I 1998/124 forderte für jegliche Verleihung individuel- 1 le – sprich: von den Lebensumständen des Fremden (§ 2 Z 4) abhängige – Kenntnisse der deutschen Sprache. Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen (1283 der Beilagen XX. GP) hieß es nahezu wortgleich wie in §  10a (in der Stammfassung): „Jegliche Verleihung (Erstreckung der Verleihung) soll jedoch – auch dies als Anknüpfung an eine erfolgte Integration – von den persönlichen Umständen des Staatsbürgerschaftswerbers entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache abhängig sein“. § 10a wurde vier Mal novelliert, wobei insbesondere durch die Novelle 2 BGBl I 2006/37 das Niveau der erforderlichen Sprachkenntnisse und das Erfordernis von Grundkenntnissen über die demokratische Ordnung sowie die Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes standardisiert wurden. Die erforderlichen Sprachkenntnisse können vor allem durch die Erfüllung der Integrationsvereinbarung auf Grund des NAG (bzw IntG) – auch ohne hierzu verpflichtet zu sein – nachgewiesen werden. Letzteres steht allen EWR- und Schweizer Bürgern sowie deren Angehörigen offen (1254 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXII. GP und 1189 der Beilagen XXII. GP). Als Ausdruck einer Anpassung an das mit 1.1.2006 in Kraft getretenen 3 NAG – und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen – wurde in der RV der Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung, das entspricht dem Niveau B1 des europäischen Referenzrahmens für Sprachen, gefordert (§ 14 Abs 2 Z 2 iVm § 14b Abs 2 NAG). IdF BGBl I 2006/37 war noch von „der Kenntnis der deutschen Sprache“ in § 10a Abs 1 Z 1 die Rede. Erst seit der Novelle BGBl I 2011/38 (iZm den Änderungen in §  14 NAG) heißt es: „über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 NAG“. Formell besteht die „Voraussetzung“ für alle Verleihungen der Staats- 4 bürgerschaft aus zwei (gleichwertigen) Teilen (Z  1 und 2 des §  10a Abs 1), wobei uE – wie auch die Entstehungsgeschichte des § 10a belegt – den Deutschkenntnissen (Z 1) materiell bzw praktisch ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl auch nur auf den Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ abstellenden Abs 3 Z 2). Denn Sprache hat im Prozess der individuellen wie der gesellschaftlichen Integration einen herausge247

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hobenen Stellenwert, weil die Sprache sowohl Mittel der Kommunikation als auch eine Ressource, insbesondere bei der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt, ist. Sinngemäß spricht der VwGH vom „besonderen Wert, der damit vom Gesetzgeber Deutschkenntnissen als Integrationsmoment zugemessen wird“ (VwGH 11.10.2000, 2000/01/0277). 5 Systematisch differenziert der Gesetzgeber zwischen der „schulischen“ Nachweiserbringung nach Abs 3 für Minderjährige und der alternativen Möglichkeit nach Abs  4, 4a und 5. Schüler bedürfen demnach eines Schulbesuchs (und bei Sekundarschülern zusätzlich eines positiven Leistungsnachweises im Gegenstand „Deutsch“) um sowohl ausreichende Deutschkenntnisse als auch Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung (iSd Abs 1) nachzuweisen. Alle anderen Fremden, sofern nicht durch Abs 2 vom Nachweis nach Abs 1 „befreit“, haben idR durch Modul 2 der Integrationsvereinbarung die Deutschkenntnisse und durch eine Prüfung bei der jeweiligen Landesregierung die Demokratiekenntnisse nachzuweisen. Das heißt: Minderjährige Schüler haben es als Staatsbürgerschaftswerber wesentlich „einfacher“ als „Erwachsene“, weil de facto für sie der Nachweis nach Abs 1 Z 2 entfällt und sie quasi „automatisch“ mit dem Schulbesuch bzw der positiven Deutschnote die Voraussetzung nach Abs 1 erfüllen. 6 Im Vergleich zu § 10a idF BGBl I 1998/124 hat sich uE das Erfordernis der Sprachkenntnisse in §  10a seit BGBl I 2006/37 verschärft. Diese Verschärfung ist mit einer Vereinheitlichung des Standards zur Feststellung der Deutschkenntnisse einhergegangen und hat insofern zur Rechtssicherheit beigetragen. Die ursprüngliche – von Staatsbürgerschaftsbehörden unterschiedlich geübte – Praxis zur Beurteilung der Sprachkenntnisse des Staatsbürgerschaftswerbers (idR durch ein FrageAntwort-Schema) hat durch das nunmehr bestehende Erfordernis einer Vorlage der Integrationsvereinbarung eine Objektivierung erfahren.

II.  Begriffe A.  Deutschkenntnisse 7 § 10a Abs 1 Z 1 verweist iZm den geforderten „Deutschkenntnissen“ auf § 14 Abs 2 Z 2 NAG, der die „Grundbestimmung“ der Integrationsvereinbarung darstellt (vgl auch § 7 Abs 2 Z 2 IntG). Konkretisiert wird dieser Verweis in § 10a Abs 4 Z 2 durch die darin geforderte Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung nach §  14b Abs  2 248

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NAG (bis 1.7.2011: § 14 Abs 5 NAG; ab 1.10.2017: § 10 Abs 2 IntG). Die insofern mit BGBl I 2006/37 erfolgte Standardisierung des Nachweises der Sprachkenntnisse könnte uE durch BGBl I 2011/38 eine Relativierung erfahren haben, da es seither (ab 1.7.2011) nur mehr auf „ausreichende“ Deutschkenntnisse ankommt (vgl auch LVwG Wien 25.7.2015, VGW-151/071/32176/2014: Lehrabschlusszeugnis ist als Erfüllung der Voraussetzung nach § 10a Abs 1 Z 1 iVm Abs 4 Z 1 zu werten). Laut den EB zu BGBl I 2011/38 (§ 14 NAG) bestimmt das Modul 2 8 (§ 14 Abs 2 Z 2 NAG) „nun den Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung als neues Ziel der Inte­ grationsvereinbarung. Einem Drittstaatsangehörigen, der über Deutschkenntnisse auf diesem Niveau verfügt, ist eine selbständige Kommunikation im Alltag möglich, da er die wesentlichen Punkte verstehen und zusammenhängend mitteilen kann, soweit eine klare Standardsprache verwendet wird und es um vertraute Dinge aus alltäglichen Bereichen, wie z.B. Arbeit, Schule oder Freizeit geht. Die Praxis hat gezeigt, dass Sprachkenntnisse auf A2-Niveau für eine erfolgreiche, nachhaltige und der Qualifikation des Fremden entsprechende Integration, insbesondere am Arbeitsmarkt, oftmals nicht ausreichend sind“. Der VwGH erkannte in diesem Zusammenhang in seinem Erkenntnis vom 30.7.2014, 2013/22/0181, wie folgt: „Wie die Behörde zutreffend ausführte, sieht §  14a Abs. 5 Z  2 NAG eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Erfüllung des Modules 1 der Integrationsvereinbarung nur für den Fall vor, dass dem Drittstaatsangehörigen selbst auf Grund seines physischen oder psychischen Gesundheitszustandes die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht zugemutet werden kann. Schon aus diesem Grund war der Beschwerde der Erfolg zu versagen“; die Ausnahmebestimmung des § 14a Abs 5 Z 2 NAG bzw des § 10a Abs 2 Z 3 auf Fremde, die psychisch Kranke pflegen, ist nicht möglich: LVwG Oberösterreich 1.4.2016, LVwG-750333/14/ER. Unklar ist uE, welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Adjektiv „aus- 9 reichend“ in § 10a Abs 1 Z 1 iZm Deutschkenntnissen gem § 14 Abs 2 Z  2 NAG (§ 7 Abs 2 Z 2 IntG) beigemessen haben wollte. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des VwGH zu §  10a idF BGBl I 1998/124 und auf Grundlage der EB zu § 14 NAG (arg „selbständige Kommunikation im Alltag“) könnte geschlossen werden, dass die gesetzliche Anordnung in §  10a Abs  1 Z  1 nur so verstanden werden kann, dass die geforderten „ausreichenden“ Sprachkenntnisse – ent249

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sprechend den Verhältnissen des Fremden und angepasst an den jeweiligen Verleihungstatbestand – innerhalb seines sozialen Umfeldes eine Verständigung in Deutsch erlauben. Eine derartige iZm § 14b Abs 2 Z 2 NAG (§ 10 Abs 2 IntG) stehende Interpretation könnte uE der Behörde ein Ermessen bei der Beurteilung eines Vorliegens des Erfordernisses entsprechender Kenntnisse der deutschen Sprache einräumen [anders offenbar VwGH 14.1.2003, 2001/01/0121, der iZm §  10a (idF BGBl I 1998/124) von „gebundener“ Entscheidung spricht und insoweit ein Ermessen ablehnt]. „Ausreichend“ könnte demgemäß heißen, dass es nur um ein Mindestmaß an Sprachbeherrschung gehe, das – je nach den konkreten Lebensumständen des Betroffenen – erforderlich ist, um im Sinn der „Intentionen der Integrationsvereinbarung“ ein dauerhaftes „Miteinander“ im Alltagsleben zu ermöglichen (vgl auch VwGH 23.3.2004, 2003/01/0481). Praktisch könnte ein Ermessen zum Tragen kommen, wenn die Behörde einen „allgemein anerkannten Nachweis“ zu beurteilen hat, der weder vom Österreichischen Integrationsfonds (§  14b Abs  2 Z  1 NAG) noch von einem der in § 9 Abs 1 IV-V genannten Einrichtungen stammte. In diesem Fall könnte die Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung die aufgrund des vorgelegten Nachweises eines Bildungsinstituts festgestellten Deutschkenntnisse in Relation zu den Lebensumständen des Verleihungswerbers setzen (zu setzen haben), um festzustellen, ob dem Fremden innerhalb seines sozialen Umfelds eine „ausreichende“ Verständigung in deutscher Sprache möglich ist. Unterlässt die Behörde dies, könnte ein dennoch ergehender Bescheid einer nachvollziehbaren Begründung entbehren und deshalb mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet sein. Ebenso könnte (aufgrund der Wortinterpretation des § 10a Abs 1: arg „jeglicher Verleihung“) eine Ermessensübung (i) iZm den Erstreckungstatbeständen der Verleihung nach den §§ 16 und 17 (sofern nicht aufgrund der Wortinterpretation jegliche Erstreckung von § 10a ausgenommen ist) oder (ii) darüber hinaus aus systematischen Überlegungen (entgegen VwGH 3.5.2000, 99/01/0272 und VwGH 9.9.2003, 2002/01/0008) iZm denVerleihungstatbeständen der §§ 11a bis 14 eine Rolle spielen. Gegen ein relativierendes (sonstige Umstände des jeweiligen Falles berücksichtigendes) Erfordernis der Sprachkenntnis spricht aber uE, dass das Modul 2 der Integrationsvereinbarung iSd § 14b Abs 2 NAG (§  10 Abs  2 IntG) (nur) erfüllt ist, wenn der Fremde entweder einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse (Z 1) oder einen allgemein anerkannten Nachweis 250

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über ausreichende Deutschkenntnisse (Z 2) vorlegt. Die in Z 1 und 2 des § 14b Abs 2 NAG vorgesehenen Möglichkeiten zur Erfüllung von Modul 2 der Integrationsvereinbarung sind in Bezug auf die Anforderungen und das Niveau uE – um Wertungswidersprüche zu vermeiden – als „gleichwertig“ anzusehen (vgl Rz 50). IdR wird – von den Ausnahmen nach §  10a Abs  2 abgesehen – der 10 Nachweis durch Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung als erbracht anzusehen sein. Das Modul 2 ist entweder durch den Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse oder durch einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse (insbesondere von folgenden Einrichtungen: Österreichisches Sprachdiplom Deutsch, Goethe-Institut eV, Telc GmbH), erfüllt (vgl auch § 9 Abs 1 IV-V). Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse zur Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung gelten auch Zeugnisse des Österreichischen Integrationsfonds nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf B1Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (zur Abweichung – B2-Niveau – vgl § 11a Abs 6 Z 1). Die Aufzählung der Institute in § 9 Abs 1 IV-V ist aber bloß deklarativ (arg: „insbesondere“), sodass alle allgemein anerkannten Sprachdiplome oder Kurszeugnisse als Nachweis in Betracht kommen. Wann ein Zeugnis allgemein anerkannt ist, muss die Behörde in freier Beweiswürdigung selbst beurteilen. Letztendlich kann (und hat) hier jedes Bildungsinstitut im In- und Ausland in Betracht (zu) kommen (vgl die Förderung gem § 17 Abs 3 NAG und das Diskriminierungsverbot iZm der „Subventionsrechtsprechung“ des OGH: RS0049755; RS0018989; OGH 24.2.2003, 1 Ob 272/02k), bei dem davon ausgegangen werden kann, dass die erforderlichen Qualitätsstandards zumindest jenen der demonstrativ aufgezählten Einrichtungen entsprechen. Fraglich ist uE, ob bzw inwieweit sich die von Amts wegen mit Be- 11 scheid seitens der Behörde in einem Verfahren nach dem NAG getroffene Feststellung, dass trotz Vorliegen eines Nachweises der Fremde die Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse nicht erfüllt hat (vgl § 14b Abs 5 bzw § 10 Abs 4 IntG), auf ein Staatsbürgerschaftsverfahren auswirkt. Grundsätzlich hat uE ab der Rechtskraft dieses Bescheides jede andere Behörde (hier: § 39) bei der Entscheidung oder bei der Beurteilung von Vorfragen von der durch diesen Bescheid geschaffenen Rechtslage auszugehen. Folglich hätte die Behörde im Staatsbürgerschaftsverfahren im Hinblick auf die Tatbestandswirkung 251

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(und Bindung) nicht mehr zu überprüfen, ob Umstände vorliegen, die einen Mangel an erforderlichen Kenntnisse gemäß § 10a Abs 1 Z 1 begründen, ob also der Feststellungsbescheid nach §  14b Abs  5 NAG (§ 10 Abs 4 IntG) zu Recht erlassen wurde; sie hat nur mehr – wenn dies von der Partei substantiiert bestritten wird – zu prüfen, ob ein entsprechender Bescheid vorliegt, insbesondere also, ob der Bescheid, mit dem die Nichterfüllung der erforderlichen Deutschkenntnisse ausgesprochen wurde, durch wirksame Zustellung erlassen und sodann rechtskräftig wurde. Eine iSd § 14b Abs 5 NAG (§ 10 Abs 4 IntG) getroffene Feststellung ist uE einem Vollzug zugänglich. Mit dem Bescheid wird nämlich in einer jedenfalls die Behörden bindenden Art und Weise festgestellt, dass der Fremde trotz Vorliegens eines (formellen) Nachweises über die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung dieses Modul (materiell) nicht erfüllt. Besteht ein solcher rechtskräftiger Feststellungsbescheid, müssen die Verwaltungsbehörden (und damit die in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft zuständigen Landesregierungen) vom Inhalt dieser Feststellung ausgehen, selbst dann, wenn dieser Ausspruch rechtswidrig wäre. Werden die Wirkungen dieser Feststellung aber – durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung – sistiert, so müssen diese Behörden die Frage, ob es sich im konkreten Fall um einen Nachweis iSd § 10a Abs 1 Z 1 iVm Abs 4 Z 2 handelt oder nicht, im Rahmen einer Vorfragenprüfung aus Eigenem beurteilen, und könnten dabei auch zu anderen Ergebnissen kommen, ohne dass einer solchen Beurteilung die Bindungswirkung des angefochtenen Bescheides entgegen stünde. Sinngemäß gilt das auch, wenn der Bescheid der NAG-Behörde noch nicht rechtskräftig ist, weil dann die Behörde nach § 39 nicht daran gebunden ist, sondern in der Lage ist, die Vorfrage iSd § 38 AVG eigenständig zu lösen (vgl VwGH 5.3.1991, 89/08/0332 und VwGH 19.3.1991, 89/08/0186). 12 Einer Integrationsvereinbarung nach §  14 Abs  2 NAG (§ 7 IntG) kommt kein Bescheidcharakter zu. Entgegen der irreführenden Bezeichnung ist die Integrationsvereinbarung kein Vertrag (und löst daher auch eine Gebührenpflicht nicht aus), sondern lediglich eine (generelle) Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft. Sie ist aufgrund der Schriftform eine Urkunde und daher ein geeignetes Beweismittel (vgl auch RS0039889). Es ist aber Kraft Gesetz (§  14b Abs  5 NAG bzw § 10 Abs 4 IntG) der Beweis der Unrichtigkeit der in der Urkunde bezeugten Tatsache zulässig. 252

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B.  Minderjährige Der Gesetzgeber differenziert inkonsistent zwischen unmündigen 13 Minderjährigen (§  10a Abs  2 Z  2) und Minderjährigen (Abs  3). Unmündige Minderjährige sind von der Voraussetzung der Erbringung eines Nachweises nach § 10a Abs 1 ausgenommen. Demgegenüber sind unmündige und mündige Minderjährige nach Abs  3 vom Nachweis nach Abs  1 nicht ausgenommen, sondern es gilt dieser Nachweis bei Besuch einer Primarschule (Abs 3 Z 1) oder einer Sekundarschule mit positiver Beurteilung des Gegenstands „Deutsch“ (Abs  3 Z  2) als erbracht. Da Abs 2 (arg: „sind“) und Abs 3 (arg „ist“) der Behörde kein Ermessen einräumt, ist uE im Fall von unmündigen Minderjährigen unklar, welche Vorschrift gilt bzw welche im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft von der Behörde anzuwenden ist. Gemäß §  12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer 14 Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Gemäß §  9 Abs  1 leg cit ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung ist, wenn eine Person staatenlos ist oder ihre Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden kann, das Recht des Staates ihr Personalstatut, in dem sie den gewöhnlichen Aufenthalt hat. Minderjährig sind nach § 21 Abs 2 ABGB alle Personen, die das 18. Le- 15 bensjahr noch nicht vollendet haben (iZm § 2 Abs 11 AuslBG und § 2 Abs 4 NAG vgl VwGH 24.3.2011, 2010/09/0210). Anders als im NAG ist zur Beurteilung der Minderjährigkeit nicht auf den Entscheidungszeitpunkt, sondern auf das Alter zur Zeit der Antragstellung abzustellen (beachte aber auch §  10a Abs  3 Z  2 lit a: Nachweis der positiven Beurteilung „bis zum Entscheidungszeitpunkt“). Kinder, die ihren Antrag als Minderjährige vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze gestellt haben, und denen die Staatsbürgerschaft aufgrund der Dauer des Verfahrens erst zu einem Zeitpunkt erteilt wird, zu dem sie schon volljährig sind, sind uE bis zum Abschluss des Verfahrens als Minderjährige zu behandeln und kommen daher in den Genuss des Abs 2 Z 2 oder Abs 3. Es kommt im StbG auch nicht darauf an, ob ein Kind verheiratet oder unverheiratet ist. 253

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16 Im Zivilrecht (iZm der Geschäftsfähigkeit) sind vier Altersstufen zu unterscheiden: Personen unter 7 Jahren (Kinder), Personen zwischen 7 und 14 Jahren (unmündige Minderjährige), Personen zwischen 14 und 18 Jahren (mündige Minderjährige), Personen über 18 Jahre. Letztere haben grundsätzlich die volle Geschäftsfähigkeit. Das StbG unterscheidet nur zwischen Kinder bis zum vollendeten 14. Lebensjahr (unmündige Minderjährige iSd § 10a Abs 2 Z 2 und Abs 3 Z 1) und Jugendliche zwischen dem vollendeten 14. bzw 15. (und 18.) Lebensjahr (§  10a Abs 3 Z 2). 17 § 10a Abs 2 Z 2 idgF (BGBl I 2013/136) stellte in der ursprünglichen Fassung (BGBl I 2006/37) auf minderjährige Fremde ab, die „noch nicht der allgemeinen Schulpflicht unterliegen“. Das heißt, dass von der Ausnahme nach Abs 2 nur Kinder, für die noch nicht mit dem auf die Vollendung des 6. Lebensjahres folgenden 1. September die neunjährige Schulpflicht begann, erfasst waren. Auf Kosten der Konsistenz wurde durch BGBl I 2013/136 der Kreis der Begünstigten Minderjährigen auf Kinder unter 14 erweitert.

C.  Handlungsunfähigkeit 18 Das StbG definiert nicht den Begriff „handlungsfähig“. Das StbG nimmt auf die Handlungs(un)fähigkeit einer Person sowohl in der materiellrechtlichen Vorschrift des § 10a Abs 2 Z 4 als auch in der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 19 Abs 1 Satz 2 Bezug: Ist eine Partei nicht handlungsfähig, bedarf es eines gesetzlichen Vertreters iZm der Antragstellung. 19 Nicht handlungsfähige Fremde sind vom Nachweis der Deutschkenntnisse und der Grundkenntnisse iSd Abs 1 nur ausgenommen, wenn deren Handlungsfähigkeit „nicht nur allein auf Grund ihres Alters selbst“ besteht. In Abgrenzung insbesondere zu § 10a Abs 2 Z 3 sind uE darunter Fremde zu verstehen, die nicht (unmündig) minderjährig (vgl Abs 2 Z 2) und nicht (zwingend) auf Grund ihres geistigen Zustandes im Sinn des § 11 AVG als handlungsunfähig anzusehen sind und deswegen eines gesetzlichen Vertreters (Sachwalters) bedürfen. Vielmehr könnten uE unter die Ausnahme des §  10a Abs  2 Z  4 insbesondere (auch) ältere Menschen mit geringer oder keiner Schulbildung (zB Analphabeten oder geistig Schwache) fallen. 20 Ob es unsachlich wäre, diese Gruppe nicht als Ausnahme in Abs 2 zu berücksichtigen bzw bestimmte Fremde von Abs 2 Z 4 auszunehmen, 254

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erscheint uE fraglich. Art 7 Abs 1 Satz 3 B-VG zufolge darf „[n]iemand … wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Gemäß Art  7 Abs 1 Satz 4 B-VG bekennen sich Bund, Länder und Gemeinden dazu, die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten. Auch wenn der Begriff der „Behinderung“ weit zu verstehen ist und Auswirkungen einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen, körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht, umfasst, verfängt uE das Diskriminierungsverbot (Art 7 Abs 1 Satz 3 B-VG) nicht, soweit die Nichthandlungsfähigkeit eines Fremden nicht durch eine geistige Behinderung oder längerfristige bzw chronische Krankheit verursacht oder mit dem als Lernbehinderung bezeichneten Komplex verbunden ist. Der Verfassungsgesetzgeber hat mit der Aufnahme eines ausdrücklichen Verbots der Diskriminierung von Behinderten betont, dass staatliche Regelungen, die zu einer Benachteiligung behinderter Menschen führen, einer besonderen sachlichen Rechtfertigung bedürfen. Wenn aber beispielsweise der Analphabetismus (vgl dazu auch VwGH 23.3.2004, 2003/01/0481) nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder Minderbegabung beruht, sondern wie mangelnde Ausbildung oder fehlende Kenntnisse der Landessprache ein individuelles Defizit ist (vgl auch Urteil des Landessozialgerichts Berlin 22.7.2004, L 3 RJ 15/03), liegt uE keine Form einer Behinderung vor. Ob Nichthandlungsfähigkeit eines Fremden iSd Abs 2 Z 4 gegeben ist, hängt uE von der Ursache und vom Verschulden ab. Mit dem aus dem BVG (BGBl 1973/390) gegen alle Formen rassischer Diskriminierung abzuleitenden Sachlichkeitsgebot wäre es unvereinbar, wenn der Gesetzgeber die Erlangung der Staatsbürgerschaft – was grundsätzlich unter Sachlichkeitsaspekten nicht zu beanstanden ist (siehe VfSlg 19.516/2011) – von dem Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse der diese beantragenden Personen abhängig macht, dann aber keine Vorsorge dafür trifft, dass besondere Ausnahmesituationen unverschuldeter Umstände berücksichtigt werden können (vgl auch VfSlg 19.516/2011). Daher ist uE Abs  2 Z  4 – verfassungskonform interpretiert – als Auffangtatbestand (arg „andere“) zu verstehen, der – sofern nicht durch Z  1 bis 3 des Abs  2 geregelt – Fallkonstellationen erfasst, die Fremde vom Nachweis nach Abs  1 ausnehmen, wenn deren geistige Fähigkeiten (seit der Geburt oder aufgrund von Krankheit) derart beschränkt sind, dass die Erbringung eines Nachweises nach Abs 1 unver255

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hältnismäßig wäre und damit gegen das Sachlichkeitsgebot des BVG gegen alle Formen rassischer Diskriminierung verstoßen würde. Bei Analphabetismus ist daher uE im Einzelfall zu prüfen, aus welchen Gründen der Fremde bildungs- oder psychisch bedingte individuelle Defizite im Lesen oder Schreiben bis hin zu völligem Unvermögen in diesen Disziplinen hat; nicht entscheidend ist hierbei, ob es dadurch zu einer erheblichen Behinderung der persönlichen und sozialen Integration des Fremden kommt bzw gekommen ist. 21 Ein Anknüpfungspunkt zur Bestimmung der Nichthandlungsfähigkeit eines Fremden iSd Abs 2 Z 4 ist uE § 21 Abs 1 ABGB, da in § 10a Abs 2 nichts anderes bestimmt ist. § 21 Abs 1 ABGB enthält nicht bloß eine programmatische Erklärung, die erst ihrer Konkretisierung durch andere gesetzliche Bestimmungen bedürfte. Diese Bestimmung ist vielmehr eine Fürsorgemaßnehme für schutzbedürftige Personen (Geistesschwache oder Geisteskranke), die vor allem vor Übervorteilung im Geschäftsverkehr bewahrt werden sollen, und positiviert generell den hohen Rang des Schutzinteresses nicht voll handlungsfähiger Personen (vgl RS0009084). 22 Beruft sich der Fremde auf seine Handlungsunfähigkeit, liegt uE die Beweislast nicht nur bei der Behörde, sondern auch bei ihm, der einen Ausnahmetatbestand für sich in Anspruch nimmt. Den Fremden trifft die Darlegungs- und (objektive) Beweislast für den ihm günstigen Umstand, nicht bloß altersbedingt handlungsunfähig zu sein und damit weder Deutschkenntnisse noch Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung nachzuweisen (vgl auch § 19 Abs 2). Gelingt dies nicht, ist mangels Vorliegens des Ausnahmetatbestands von der Nachweispflicht nach Abs 1 auszugehen.

D.  Gesundheitszustand 23 Nach § 10a Abs 2 Z 3 kann der Gesundheitszustand des Fremden eine Ausnahme von der Nachweiserbringung nach Abs 1 sein. Voraussetzung ist, dass der gesundheitliche Zustand des Fremden physisch oder psychisch bedingt dauerhaft (das heißt: ständig bzw über einen idR mehrjährigen Zeitraum) schlecht ist, deshalb die Erbringung des Nachweises unmöglich ist und „dies“ durch Gutachten eines Amtsarztes belegt ist (vgl auch VwGH 22.8.2007, 2006/01/0586; LVwG NÖ 23.6.2016, LVwG-AV-374/001-2015; eingehend LVwG Salzburg 14.3.2017; 405-11/25/1/14-2017). Beispielhaft nennt das Gesetz als 256

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Rechtsfertigung für die Ausnahme nach § 10a Abs 2 Z 3 „Sprach- oder Hörbehinderungen“. § 10a Abs 2 Z 3 in der Stammfassung (BGBl I 2006/37) nahm Greise 24 (arg „Fremde, denen auf Grund ihres hohen Alters“) sowie (chronisch) Kranke (arg „dauerhaft schlechten Gesundheitszustandes“) von der Nachweiserbringung nach Abs 1 aus. Anders als in § 10a Abs 2 Z 3 idgF war Gegenstand des amtsärztlichen Gutachtens nur die Unmöglichkeit der Nachweiserbringung aus dem Grund des Alters bzw der Krankheit (arg „und Letzteres“). Die EB zu BGBl I 2011/38 begründen die Änderung des Abs 2 Z 3 mit Anpassung an das (gleichzeitig geänderte) NAG (vgl § 14b Abs 3 Z 2 leg cit). Der Ausnahmetatbestand des Abs 2 Z 3 stellt nicht auf die Handlungs- 25 fähigkeit des Fremden ab; entscheidend ist, dass der handlungsfähige oder -beeinträchtigte Fremde in einer derart schlechten körperlichen oder geistigen Verfassung ist, dass er in absehbarer Zeit nicht in der Lage ist, den Nachweis nach Abs 1 zu erbringen. „Dies“, das heißt, dass es dem Fremden nicht möglich ist, den Nachweis zu erbringen, hat der Amtsarzt im Gutachten – neben dem zu begutachtenden Gesundheitszustand – zu beurteilen. Dabei kommt es darauf an, dass eine Kausalität zwischen dem Gesundheitszustand und der Unmöglichkeit der Nachweiserbringung besteht. Die in Abs 2 Z 3 geforderte faktische Unmöglichkeit hängt auch nicht von einer Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit der Nachweiserbringung durch den Fremden ab. Die besondere Rücksichtnahme auf den (altersunabhängigen) Gesund- 26 heitszustand erfordert einen Nachweis durch amtsärztliches Gutachten, das quasi den Nachweis nach Abs 1 „ersetzt“. Mangels Fachwissen der Behörde kommt dem Sachverständigenbeweis insofern Bedeutung zu. Kritisch ist uE hierzu anzumerken, dass Amtsärzte idR Allgemeinmediziner sind und (unter anderem) dadurch (dh mangels einschlägiger fachärztlicher Kenntnisse) nur bedingt in der Lage sind, insbesondere einen psychisch schlechten Gesundheitszustand bzw Sprach- und Hörbehinderungen präzise zu attestieren. Der Hinweis auf „Sprach- oder Hörbehinderungen“ (eingefügt durch 27 BGBl I 2013/136) ist unscharf, weil es aus medizinischer Sicht zB mehrere Abstufungen bei der Hörbehinderung gibt, je nach durchschnittlichem Resthörvermögen, auch mittlerer Hörfrequenzbereich genannt. Daher ist fraglich, ob schon bei Schwerhörigkeit, worunter ein mittlerer Hörverlust bei etwa 50 Dezibel (dB) verstanden wird, 257

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wobei es in diesem Zusammenhang wiederum leichte Schwerhörigkeit (20 bis 40 dB Hörverlust) sowie hochgradige Schwerhörigkeit (60 bis 80 dB Hörverlust) gibt, oder erst bei Resthörigkeit bzw „an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit“ (Hörverlust ab etwa 90 Dezibel) oder gar erst bei Gehörlosigkeit bzw Taubheit (Hörverlust mehr als 120 dB) ein dauerhaft schlechter Gesundheitszustand des Fremden zu bejahen ist. Ähnlich wie mit dem Begriff der Hörbehinderung verhält es sich mit dem Begriff der Sprachbehinderung. Allgemein ist darunter die Beeinträchtigung der normalen Sprachentwicklung (der nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten ablaufende Erwerb von Sprachstrukturen) als Rückstand gegenüber der Altersnorm oder als strukturell inhaltliche Störung zu verstehen. Diese kann sich unter anderem als Dyslalie (Stammeln, Artikulationsstörung), Dysgrammatismus (Störung der Fähigkeit, Sprache den Regeln der Grammatik entsprechend zu produzieren), Sprachstörung, Sprachverständnisstörung und durch Wortschatzdefizite manifestieren. Da Sprachbehinderungen unterschiedliche Formen annehmen können, erscheint unklar, welche Schwierigkeiten bei der sprachlichen Kommunikation als schlechter Gesundheitszustand iSd § 10a Abs 2 Z 3 zu bewerten ist. 28 Kommt die amtsärztliche Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass dem Fremden aufgrund der stark reduzierten Sehkraft nur die Absolvierung eines Kurses für Sehbehinderte bzw der Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache „lediglich über Hören und Sprechen“ möglich ist, kommt die Erbringung eines Nachweises nach § 14 Abs 5 Z 2 NAG nur dann in Betracht, wenn sowohl entsprechende Kurse, die die in §§ 1 und 8 IV-V genannten Voraussetzungen erfüllen, angeboten würden, als auch in deren Rahmen die Absolvierung der erforderlichen Abschlussprüfung für Sehbehinderte bzw „über Hören und Sprechen“ möglich wäre. In diesem Fall hat die Staatsbürgerschaftsbehörde, wenn der Einbürgerungsantrag abgelehnt wird, Feststellungen dahin im Bescheid aufzunehmen, dass dies der Fall wäre bzw dass allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere der in §  9 Abs 1 Z 1 bis 3 IV-V genannten Einrichtungen, in denen eine schriftliche Bestätigung über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest auf A2-Niveau enthalten sind, von Sehbehinderten bzw Personen, denen insoweit der Spracherwerb nur „über Hören und Sprechen“ möglich ist, erworben werden können. Ohne derartige Feststellungen ist nicht beurteilbar, ob der Fremden die Erbringung des Nachweises der Kennt258

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nis der deutschen Sprache im Sinn des § 10a Abs 2 Z 3 „nicht möglich“ ist (vgl VwGH 27.2.2013, 2010/01/0030).

E.  Nachweis § 10a enthält iVm § 19 eine Beweislastregel. Nach dieser Bestimmung 29 haben der Antragsteller und die Behörde die Voraussetzungen nach § 10a Abs 1 Z 1 und 2 nachzuweisen. Wenn der Nachweis der Voraussetzungen dem Antragsteller und der Behörde auferlegt ist, dann müssen die von dieser formellen Beweislast Betroffenen eindeutig nachweisen (vgl auch §  19 Abs  2), dass die anspruchsbegründenden Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Dieser Nachweis kann nur durch die im Gesetz konkretisierten Urkunden (Abs 3 bis 7) erbracht werden. „Nachweisen“ heißt, ein behördliches Urteil über die Gewissheit des 30 Vorliegens einer entscheidungsrelevanten Tatsache (eben die „Überzeugung“ hiervon) herbeiführen. Es ist demnach Aufgabe des mitwirkenden Antragstellers, alle Beweismittel, die sich in seiner Hand befinden, der Behörde vorzulegen und im Übrigen die zur Nachweisung seines Vorbringens erforderlichen Beweisanträge zu stellen. Aus der klaren Beweislastregel folgt uE, dass ein allfälliger Beweisnotstand zu Lasten des Antragstellers geht.

III.  Verleihungsvoraussetzungen Bereits in der Stammfassung (BGBl I 1998/124) hatte § 10a nach seinem 31 Wortlaut für „jegliche Verleihung“ das Erfordernis der deutschen Sprache. Das StbG kennt nur einen einheitlichen Verleihungsbegriff; es fasst die einzelnen Verleihungstatbestände in seinen §§ 10 bis 24 zusammen und spricht in diesem Zusammenhang schlichtweg von „Verleihung“ (vgl § 6 Z 2). Lediglich die Erstreckung der Verleihung wird gesondert typisiert (vgl auch § 19 Abs 1 sowie § 20 Abs 5), gleichwohl jedoch als „Verleihung“ (siehe die Überschrift zu § 10 iVm § 6 Z 2) verstanden. Es handelt sich dabei um Verleihungstatbestände, die nur insoweit eine Besonderheit aufweisen, als eine der Verleihungsvoraussetzungen in der zeitgleichen Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine bestimmte andere Person besteht (vgl Thienel aaO, 246). Strukturell können die Verleihung nach Ermessen der Behörde, die 32 Verleihung auf Grund eines Rechtsanspruches und die schon erwähnte Erstreckung der Verleihung unterschieden werden (vgl dagegen §  4 259

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Abs  5 StbG 1925: „Ein Anspruch auf Verleihung der Landesbürgerschaft steht niemand zu“). Die „Ermessenstatbestände“ finden sich in § 10, die „Anspruchsfälle“ in den §§ 11a bis 14 und die Erstreckung der Verleihung in den §§ 16 und 17. Den Ermessenstatbeständen zuzuzählen ist § 11, welche Norm regelt, von welchen Erwägungen sich die Behörde bei Ausübung des ihr in §  10 eingeräumten freien Ermessens leiten zu lassen hat. § 10a ist mithin in das Regelungsgefüge der Ermessenstatbestände eingebettet. Systematische Erwägungen (wenn von § 11a Abs 6 Z 1 abgesehen wird) könnten daher das Ergebnis nahe legen, dass sich diese Norm entgegen dem allgemein gefassten Wortlaut auch allein darauf (und nicht auch auf die Anspruchsfälle) beziehe. In diese Richtung könnten auch die Erläuterungen zur RV zu § 10a (1283 BlgNR 20. GP, 8 f) verstanden werden. Die Betonung der privilegierten Verleihungen des §  10 Abs  4 Z  2 und Abs  6 ohne Erwähnung der Anspruchsfälle könnte isoliert betrachtet so gedeutet werden, dass das Erfordernis von Kenntnissen der deutschen Sprache auf die Ermessenstatbestände eingeschränkt sein soll. Dem steht allerdings die klar geäußerte Zielvorstellung im allgemeinen Teil der Erläuterungen zur RV (aaO, 6) entgegen, wo es im Anschluss an die grundsätzliche Darstellung einer Änderung im Rahmen der Anspruchsfälle heißt: „Jegliche Verleihung (Erstreckung der Verleihung) soll jedoch – auch dies als Anknüpfung an eine erfolgte Integration – von den persönlichen Umständen des Staatsbürgerschaftswerbers entsprechenden Kenntnissen der deutschen Sprache abhängig sein.“ Damit wird nach Ansicht des VwGH 3.5.2000, 99/01/0272 – unter Hinweis auf den Ausschussbericht (1320 BlgNR 20. GP, 1) – zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, dass § 10a für alle Verleihungsfälle (auch für die ausdrücklich genannte Verleihung durch Erstreckung) Anwendung finden soll: „Insgesamt lassen die Gesetzesmaterialien im Ergebnis daher keinen Zweifel daran, dass nach den Absichten des Gesetzgebers § 10a auch bei Verleihungen nach den §§ 11a bis 14 sowie 16 und 17 zu berücksichtigen sein soll“. Dass die einzelnen Verleihungstatbestände, die einen Rechtsanspruch auf Verleihung vorsehen, nicht gesondert auf § 10a Bezug nehmen, sondern neben den jeweils spezifischen Voraussetzungen bloß regelmäßig – aber nicht durchgehend (vgl § 13) – auf allgemeine Verleihungserfordernisse des § 10 abstellen, spricht nicht gegen die Ansicht des VwGH. Gerade wenn alle Verleihungen von § 10a umfasst werden, kann es als normökonomisch angesehen werden, das Erfordernis ent260

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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sprechender Kenntnisse der deutschen Sprache nicht gesondert bei jedem Verleihungstatbestand anzuführen. Nach Ansicht des VwGH bezieht sich §  10a auch auf die Erstreckung der Verleihung, weil diese letztlich nur als Unterfall der Verleihung und nicht als selbstständige Kategorie verstanden werden kann. Der nach Abs 1 idgF geforderte Nachweis ist – im Unterschied zu § 10a 33 idF BGBl I 1998/124 – formalisiert und delegiert; die Behörde hat die Sprachkenntnisse des Fremden nicht mehr zu ermitteln, sondern nur noch die Vorlage des Nachweises zu prüfen. § 10a ist nicht Grundlage für die Durchführung einer Prüfung – und sei es auch nur eines allgemein gehaltenen Gesprächs – zur Ermittlung der nach § 10a Abs 1 Z 1 maßgeblichen Voraussetzung. Mittelbar kann aber uE die Behörde – unbeschadet des § 10a – auf Grundlage des § 11 (arg „Ausmaß seiner Integration“) durch – beispielsweise – Fragen zu bestimmten (begrenzten) Themenbereichen (wie zu Politik, Recht und Wirtschaft) auch einen nachvollziehbaren Eindruck vom Ausmaß der Sprachbeherrschung des Einbürgerungswerbers gewinnen. Der Staatsbürgerschaftswerber hat – von Abs 3 abgesehen – zwei Mög- 34 lichkeiten zur Erbringung des Sprachnachweises nach § 10a Abs 1 Z 1: Entweder die deutsche Sprache ist (unabhängig von Nationalität) seine Muttersprache (Abs 4 Z 1) oder er erfüllt Modul 2 der Integrationsvereinbarung (Abs 4 Z 2). Als Muttersprache bezeichnet man die in der frühen Kindheit ohne formalen Unterricht erlernte Sprache. Muttersprache(n) wird (werden) weitgehend automatisiert beherrscht; vermutet wird, dass man bis zu drei Muttersprachen erlernen kann. Begrifflich ist die Muttersprache von der Erstsprache zu unterscheiden, worunter eine Sprache bezeichnet wird, die für einen Menschen in der Kindheit am prägendsten war. Oft sind zwar Mutter- und Erstsprache deckungsgleich, vor allem wenn die Sprache der Eltern oder Erzieher mit der Sprache des sprachlichen Umfelds übereinstimmt. Muttersprache und Erstsprache können jedoch auch auseinanderfallen, zB bei Migrantenfamilien, deren Kinder erfolgreich in die Gesellschaft des neuen Heimatlandes integriert sind. So erwerben solche Kinder zB häufig Sprachkompetenz vor allem in der Landessprache, während die Kompetenz in der Nutzung ihrer Muttersprache mit zunehmendem Alter immer mehr zurückbleiben kann. Vor diesem Hintergrund ist uE die sachlich nicht begründbare Unterscheidung zwischen Fremden mit Deutsch als Muttersprache und Fremden mit Deutsch als Erstsprache im Lichte des Art I Abs1 BVG-Rassendiskriminierung bedenklich. 261

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35 Ob Deutsch die Muttersprache ist, hat die Behörde zu ermitteln. Mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung korrespondiert die Pflicht des Fremden, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken (vgl auch §  19 Abs  2). Die Offizialmaxime entbindet daher den Staatsbürgerschaftswerber nicht davon, durch ein substanziiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen personenbezogenen Umständen der Fall ist, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (vgl auch VwGH 6.3.2008, 2007/09/0233, mwN). 36 Fremde mit nichtdeutscher Muttersprache können den erforderlichen Sprachkenntnisnachweis nur durch die verschiedenen Möglichkeiten der Erfüllung der Integrationsvereinbarung erbringen. Der Verweis in den EB auf die unzureichenden Erfüllungsmöglichkeiten nach §  14 Abs 5 Z 6 und 8 NAG idF vor BGBl I 2011/38 ist überholt, da beide Z nicht in § 14b Abs 2 NAG (§ 10 Abs 2 IntG) Eingang gefunden haben. Fremde, die zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung nach dem NAG nicht verpflichtet sind (insbesondere EWR-Bürger sowie deren Angehörige), können ebenfalls nur durch die Erfüllung der Integra­ tionsvereinbarung entsprechend den Möglichkeiten nach § 14b Abs 2 NAG (§ 10 Abs 2 IntG) den Nachweis erbringen. Schweizer fallen – entgegen den EB – (nur) unter § 10a Abs 4 Z 2, wenn ihre Muttersprache Französisch, Italienisch oder Rätoromanisch ist. 37 Neben Sprachkenntnissen hat der Fremde auch Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und die damit verbundenen Grundprinzipien sowie die Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes nachzuweisen (§ 10a Abs 1 Z 2). Dieser Demokratie- und Geschichtsnachweis kann – sofern Abs 3 nicht anwendbar ist – entweder durch Vorlage eines Schulabschlusses über den Gegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ auf dem Niveau der 4. Klasse Hauptschule erbracht werden (§ 10a Abs 4a idF BGBl I 2009/122). Oder der Fremde absolviert über die nach § 10a Abs 1 Z 2 geforderten Kenntnisse eine schriftliche Prüfung bei der zuständigen Landesregierung, wobei sich der Inhalt des Prüfungsstoffes aus den – auf § 10a Abs 6 und 7 gestützten – Prüfungsstoffabgrenzungsverordnungen des BMI (Abs  6) bzw der Landesregierung (Abs 7) ergibt. 262

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Nach dem Wortlaut des Abs 4a hat der Fremde einen Schulabschluss über 38 das Fach „Geschichte und Sozialkunde“ nachzuweisen, um den Nachweis nach Abs 1 Z 2 zu erbringen. UE kommt aber ein derartiger Schulabschluss nur bei positiver Beurteilung des Unterrichtsgegenstandes als Nachweis in Frage. Dafür spricht die in den EB angeführte Sachgerechtigkeit, womit auf Abs 3 implizit Bezug genommen wird. Anderenfalls – also bei bloßem (auch negativen) Abschluss der Schule durch den Fremden entsprechend dem Stundenplan im Gegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ – bestünde ein Wertungswiderspruch zu Abs 5. In Anlehnung an Abs 3 wurde durch BGBl I 2009/122 der Abs 4a in den § 10a eingefügt. Die Annahme des Vorliegens eines Nachweises nach Abs 1 Z 2 beruht auf der gesetzlichen Fiktion eines Schulabschlusses im Gegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ (arg „gilt als erbracht“). Missverständlich ist das Abstellen des Gesetzgebers auf (mindestens) Hauptschulniveau der 4. Klasse, weil laut Anlage 1 der Verordnung über die Lehrpläne der Hauptschulen [BGBl II 2000/134 idF BGBl II 2008/290 (zuletzt geändert durch BGBl II 2017/111)] der Unterricht dieser Klasse nur Einblick in die Geschichte vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart gibt. UE setzt das „Niveau“ der 4. Klasse Hauptschule voraus, dass dadurch auch Kenntnisse der 2. Klasse (Geschichte des Zeitraumes vom ersten Auftreten der Menschen bis zum Ende des Mittelalters) und der 3. Klasse (Geschichte vom Beginn der Neuzeit bis zum Ende des Ersten Weltkrieges) abgedeckt sind.

IV.  Ausnahmen Dem Entfall des Nachweises nach Abs 1 kommt Ausnahmecharakter 39 zu. Ausnahmen sind generell eng auszulegen. Die Behauptungslast dafür, dass die eine Ausnahme rechtfertigenden außergewöhnlichen Umstände vorliegen, trägt derjenige, der sich darauf berufen will. Dies hat der Fremde bei Anträgen auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zu berücksichtigen. Die Beweislast hat uE aufgrund der Offizialmaxime generell die Staatsbürgerschaftsbehörde; dem Fremden trifft aber eine Mitwirkungspflicht (vgl § 19). Speziell im Fall des § 10a Abs 2 Z 3 hat die Behörde durch Beiziehung eines Amtsarztes zu beweisen, dass aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Fremden der Nachweis nach Abs 1 nicht erbracht werden kann. Die Ausnahmen nach Abs 2 sind „absolut“; das heißt, ist einer der Tat- 40 bestände (Z 1 bis 4) erfüllt, so entfällt ersatzlos die Pflicht zum Nachweis nach § 10a Abs 1 Z 1 und 2. Demgegenüber sind die Ausnahmen 263

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in Abs 3 (und Abs 4a) „relativ“; die Nachweispflicht iSd Abs 1 besteht, allerdings sind die geforderten Kenntnisse der Z 1 und 2 des Abs 1 nicht durch Prüfung (vgl Abs 4 Z 2 und Abs 5) nachzuweisen, sondern – der Gesetzgeber bedient sich hierbei einer Fiktion (arg „gelten als erbracht“) – durch Schulbesuch bzw Leistungsnachweis (Schulzeugnis). 41 Die Ausnahmen in Abs 2 sind unterschiedlich konzipiert. Einerseits werden bestimmte Staatsbürgerschaftserwerbstatbestände (arg „Fälle“) vom Nachweis nach Abs 1 ausgenommen (Abs 2 Z 1); andererseits dienen bestimmte – in der Person des Staatsbürgerschaftswerbers liegende – Gründe als sachliche Rechtfertigung von Ausnahmen (Abs 2 Z 2 bis 4). Der Unterschied in der Konzeption ist uE verfahrensrechtlich relevant, weil nur bei Minderjährigkeit (Z 2), Krankheit (Z 3) und Handlungsunfähigkeit (Z 4) – anders als in den Fällen des Abs 2 Z 1 – Ermittlungen zur Sachverhaltsfeststellung erforderlich sind. 42 § 10 Abs 4 Z 1 – als erster in Abs 2 Z 1 genannter Fall – betrifft die Erleichterung der Wiedereingliederung von Fremden in den Staatsverband, wenn sie mindestens zehn Jahre Österreicher waren und die Staatsbürgerschaft nicht durch Entziehung verloren haben (Z  1). Im Gegensatz zu § 58c handelt es sich bei § 10 Abs 4 Z 2 um durch die NSDAP verfolgte Personen, die nicht österreichische Staatsbürger aber Staatsbürger eines Nachfolgestaates der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie oder staatenlos waren und ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatten. § 10 Abs 6 – als zweiter in Abs 2 Z 1 genannter Fall – betrifft die Verleihung der Staatsbürgerschaft im besonderen Interesse der Republik wegen außerordentlichen Leistungen. §  11a Abs  2 – als dritter in Abs 2 Z 1 genannter Fall – betrifft iVm § 10 Abs 4 Z 2 bzw § 58c die Förderung der Verleihung der Staatsbürgerschaft für Ehegatten von „Staatsbediensteten“ bzw von den von Nationalsozialisten verfolgten Fremden. § 13 – als vierter in Abs 2 Z 1 genannter Fall – betrifft die befristete Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft von Geschiedenen. § 57 und § 59 – als fünfter bzw siebenter in Abs 2 Z 1 genannter Fall – betreffen den Erwerb der Staatsbürgerschaft für fälschlich (irrtümlich) als Österreicher behandelte Fremde. 43 Fraglich ist, ob die Ausnahme in Abs 2 Z 1 für eingetragene Partner sinngemäß zu gelten hat. § 60 verweist unter anderem auf § 11a Abs 2 und §  13; insofern könnte die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 25.3.2014, 2012/04/0145) grundsätzlich 264

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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für zulässig erachtete Analogie herangezogen werden. UE liegt eine echte (dh planwidrige) Rechtslücke vor. Gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, wäre § 10a Abs 2 Z 1 unvollständig, also ergänzungsbedürftig, wenn eingetragene Partner nicht einbezogen werden, auf welche – unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers – eben dieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im § 10a Abs 2 Z 1 geregelten Fälle und auf die daher – schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung – auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen.

V.  Schüler Abs 3 differenziert im Wesentlichen zwischen Volksschülern (Z 1) und 44 Haupt- bzw Mittelschülern [Gymnasiasten (Z  2)]. Die Nachweise nach Abs  1 durch Primärschüler „reduzieren“ sich auf den Schulbesuch; auf sie ist Abs 3 Z 2 lit b nicht anwendbar, weil Abs 3 Z 1 auch die Fremden umfasst, die „im vorangegangenen Semester“ die Primarschule besucht haben. Abs 3 Z 2 fordert hingegen neben dem Besuch einer Sekundarschule die positive Beurteilung des Gegenstands Deutsch im Halbjahres- bzw Jahreszeugnis. Abs 3 Z 2 setzt voraus, dass der Fremde im Zeitpunkt der Antragstel- 45 lung minderjährig ist und „im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht“ eine Sekundarschule besucht. Nach §  3 Schulpflichtgesetz dauert die allgemeine Schulpflicht neun Schuljahre. Das heißt, dass bei Wortinterpretation des § 11a Abs 3 Z 2 idR nur Schüler bis zum vollendeten 15. Lebensjahr in den Genuss eines – im Vergleich zu Abs 4 Z 2 und 5 – erleichterten Nachweises nach Abs 1 kommen können (ebenso die EB). UE ist aber eine derartig einschränkende Auslegung des Abs 3 Z 2 weder verwaltungsökonomisch noch widerspruchsfrei: Wären nur Schüler bis 15 von Abs 3 Z 2 erfasst, so könnten praktisch – aufgrund der „absoluten“ Ausnahme in Abs 2 Z 2 – bloß diejenigen darunter fallen, die zwischen 14 und 15 Jahre alt sind. Zudem erscheint es nicht sachgerecht, wenn beispielsweise für einen Schüler der 10. oder 11. Schulstufe mit positiver Beurteilung des Unterrichtsgegenstandes „Deutsch“ (trotz – im Vergleich zur Unterstufe – erheblich höheren Anforderungen in diesem Gegenstand) Abs 3 Z 2 nicht gelten soll. Der Fremde hat im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig zu sein und eine Sekundarschule zu besuchen. Unter der Annahme, dass 265

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Abs 3 Z 2 nur für Schüler bis (praktisch) zum vollendeten 15. Lebensjahr gilt, können die Nachweise nach Abs 1 nicht mehr als erbracht gelten, wenn der Schüler bei der Stellung des Antrags zwar noch minderjährig (also unter 18) ist, aber nicht mehr eine Sekundarschule „besucht“ (obwohl er einen positiven Leistungsnachweis iSd Abs 3 Z 2 lit a hat oder iSd Abs 3 Z 2 lit b erbringen kann). Damit ist zB ein 16-jähriger, der die Polytechnische Schule (insbesondere im Gegenstand „Deutsch“) erfolgreich abgeschlossen hat und nun eine Lehre macht, uE wesentlich schlechter gestellt, als ein 15-jähriger Schüler, der noch die Schule besucht und eine negative Beurteilung in dem Fach „Deutsch“ im Antragszeitpunkt hat, aber aufgrund des Abs 3 Z 2 lit b die Möglichkeit hat, sich „bis zum Entscheidungszeitpunkt“ zu verbessern, indem er bis dahin eine positive Beurteilung nachweist. 46 Kann der schulpflichtige Staatsbürgerschaftswerber im Zeitpunkt der Antragstellung keine positive Deutschnote vorweisen, ist zwar die Verleihungsvoraussetzung nach § 10a Abs 3 Z 2 lit a nicht erfüllt, allerdings kann die Behörde die Abweisung des Antrags auf Verleihung der Staatsbürgerschaft auf § 10a Abs 1 nur stützen, wenn der Antragsteller auch „bis zum Entscheidungszeitpunkt“ die positive Note in Deutsch nicht nachweisen kann (Abs 3 Z 2 lit b). Die besonderen Umstände im Fall des § 10a Abs 3 Z 2 lit b – nämlich die damit quasi „zweite Chance“ des Antragstellers zum Nachweis der Kenntnisse nach Abs 1 – sind uE bei der Angemessenheit der Verfahrensdauer zu berücksichtigen (vgl VfSlg 16.385/2001,VfSlg 18.743/2009, VfSlg19.605/2011). Die Bedeutung der Sache für den Staatsbürgerschaftswerber rechtfertigt eine lange Verfahrensdauer; eine mit der Erstreckung des Nachweises bis zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Behörde einhergehende „Verzögerung“ scheint im Lichte des Art 6 Abs 1 EMRK unbedenklich. 47 Unklar iZm § 10a Abs 3 Z 2 lit b ist uE, ob der Antragsteller im Entscheidungszeitpunkt (i) ein schulpflichtiger Minderjähriger zu sein hat und (ii) eine Sekundarschule zu besuchen hat. Unklar könnte auch sein, welcher Entscheidungszeitpunkt gemeint ist, wenn die Verleihung iSd § 20 Abs 1 vorläufig nur zugesichert wird und somit der Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides und der des Verleihungsbescheides auseinanderfallen. Grundsätzlich ist der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt jener der Beschlussfassung über den den Antrag erledigenden Bescheid. UE ist aufgrund von VfGH 29.9.2011, G 154/10 und VwGH 16.7.2014, 2013/01/0038 im Fall der Erlassung eines Zusicherungsbescheides maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Verlei266

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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hungsvoraussetzungen und damit auch des §  10a Abs  3 Z  2 lit b der Zeitpunkt der Zusicherung der Verleihung. Die Mitwirkungspflicht des Antragstellers besteht im Fall des §  10a 48 Abs 3 Z 2 lit b vorab im Nachweis einer negativen Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“. „Wartet“ die Behörde in der Folge (im 2. Semester) nicht bis zum nächsten Jahreszeugnis oder (im 1. Semester) nicht bis zur nächsten Schulnachricht zu, kann uE dem Umstand, dass sie in der Lage gewesen wäre, ihre Entscheidung bis zum Ende des jeweiligen Semesters hinauszuzögern und damit zu einem späteren Zeitpunkt zu treffen und dadurch eine für den Staatsbürgerschaftswerber günstigere Gesetzeslage anzuwenden, für die Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit (Willkür) der Entscheidung eine Bedeutung zukommen.

VI.  NAG/IntG Das StbG verweist neben § 10a Abs 1 Z 1 und Abs 4 Z 2 auch in den 49 §§ 10 Abs 2 Z 2, 12 Abs 2 Z 1, 16 Abs 1 Z 2 lit a, 41 Abs 4 und 59 Abs 3 auf das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz. Im Fall des Verweises auf das NAG in § 10a geht es ausschließlich um die Integrationsvereinbarung als Nachweis für die „Deutschkenntnisse“, worunter iSd § 14 Abs 1 iVm Abs 2 Z 2 NAG vertiefte Kenntnisse (iS einer selbständigen Sprachverwendung) der deutschen Sprache des Fremden zum Zweck der Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu verstehen sind. Ab dem 1.10.2017 gilt der Verweis auf § 7 Abs 2 Z 2 IntG (statt: § 14 Abs 2 Z 2 NAG) und § 10 Abs 2 IntG (statt: § 14b Abs 2 NAG). Das Erfordernis von ausreichenden Sprachkenntnissen durch Erfül- 50 lung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung ist uE unbedenklich, sind doch derartige Kenntnisse für die Schaffung und Bestand von Bindungen mit der Republik Österreich als (neuer) Heimatstaat von Nutzen. Hierbei ist aber uE aufgrund des Zusammenhangs zwischen dem § 10a und den §§ 14 Abs 2 und 14b NAG (§§ 7 Abs 2 Z 2 und 10 Abs 2 IntG) auf die Rechtsprechung des EuGH 4.6.2015, C-579/13 und EuGH 9.7.2015, C-153/14 Bedacht zu nehmen. Dh dass bei den Modalitäten iZm der Integrationsvereinbarung insbesondere der für die erfolgreiche Ablegung der Prüfung geforderte Kenntnisstand, die Zugänglichkeit der Kurse und des zur Prüfungsvorbereitung erforderlichen Materials, die Höhe der Einschreibungsgebühren oder besondere individuelle Umstände, wie Alter, Analphabetismus oder Bildungsni267

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veau, zu berücksichtigen sind. Gemessen daran ist uE Modul 2 der Integrationsvereinbarung gemeinschaftsrechtlich bedenklich, weshalb im Staatsbürgerschaftsverfahren dieses Modul nur unter Berücksichtigung der individuellen Umstände und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (arg „ausreichende“) zulässig erscheint (vgl Rz 9).

VII.  Verordnungsermächtigungen 51 § 10a ist eine staatbürgerschaftliche Vorschrift. Dies gilt auch für die in ihrer Durchführung zu erlassende Verordnung der jeweiligen Landesregierung. Da in den Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft nur die Gesetzgebung Bundessache, die Vollziehung aber Landessache ist (vgl Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG), steht es mit der Kompetenzlage im Einklang, dass die Durchführungsverordnungen („Prüfungsabgrenzung II“), gestützt auf § 10a Abs 7 (iVm Abs 5), von der Landesregierung (und nicht vom Landeshauptmann) erlassen werden [vgl auch zu Art  11 Abs 1 Z 4 B-VG (Straßenpolizei) VfSlg11.493/1987]. 52 § 10a Abs 7 Satz 1 verpflichtet (arg „ist“) zur Festlegung des Inhalts der Prüfung über die Grundkenntnisse der „Geschichte“ des jeweiligen Bundeslandes. Dieser Verpflichtung sind alle Landesregierungen (formell) nachgekommen; vgl zu den Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnungen der Bundesländer: Bgld LGBl 2006/35, NÖ LGBl 4200/2-0, Krnt LGBl 2006/27; OÖ LGBl 2006/53, Slbg LGBl2006/77, Stmk LGBl 2013/159, Tir LGBl 2006/36, Vlbg LGBl 2006/25, Wr LGBl 2006/27; im Internet sind auf den Homepages einzelner Länder – unter anderem abrufbar über die Homepage des BMI – auch „Lernunterlagen“ beziehbar. Fraglich könnte sein, ob sich die bloße Angabe von abstrakten (uferlosen) Themenbereichen wie zB in Kärnten (im Unterschied zur Steiermark) mit dem Prüfungsgebiet 3 iSd §  2 Abs  1 Z  3 StbP-V deckt (Art 18 Abs 1 B-VG). 53 Die vom BMI aufgrund des § 10a Abs 5 und 6 erlassene Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung (BGBl II 2006/138 idF BGBl II 2013/260) regelt Prüfungstermin (§ 1), Prüfungsgebiete und Prüfungsstoff (§  2), Prüfungsbogen, Prüfungsfragen und Prüfungsart (§  3), Durchführung der Prüfung (§  4), Beurteilung und Prüfungszeugnis (§ 5) und Wiederholungsprüfungen (§ 6). Das in § 2 Abs 1 Z 3 StbP-V aufgelistete Prüfungsgebiet 3 (Grundkenntnisse über die Geschichte des Bundeslandes) bildet die Prüfungsstoffabgrenzung II (§ 10a Abs 7) 268

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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und umfasst die nach der Verordnung der jeweiligen Landesregierung festgelegten Themenbereiche. Die Novelle der StbP-V (BGBl II 2013/260) steht iZm der Novelle BGBl I 2013/136, durch die in § 10a Abs 6 das Prüfungsgebiet 1 (beachte auch Vorwort in Anlage 1 StbP-V) betreffend „Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich“ um „die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien“ erweitert wurde. Weder das StbG noch die StbP-V sehen ein Anfechtungs- oder Ein- 54 sichtsrecht vor. Dh den Prüfungsteilnehmern wird keine (unmittelbare) Einsicht in die Beurteilungsunterlagen (laut EB: Multiple-ChoiceFragen inklusive der jeweiligen Antwort-Items) gewährt. Mangels Sonderbestimmung (vgl zu §§ 124b und 79 UG auch VwGH 18.3.2015, Ro 2014/10/0062 und BVwG 23.2.2016, W224 2121832-1) kann daher uE diese Prüfung als Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaften im Rahmen des gemäß § 20 bzw § 21 mit Bescheid abzuschließenden Verleihungsverfahrens überprüft werden; die Einsicht in die Prüfungsunterlagen ist dann im Rahmen des Rechts auf Akteneinsicht zu gewähren. § 10a Abs 5 Z 1 lässt offen, welche Art von Multiple-Choice-Fragen 55 gestellt werden (arg „unter mehreren vorgegebenen Antworten die richtige oder die richtigen“). Es sind daher bei der Prüfung sowohl Fragen mit einer richtigen Antwort (dh die Teilnehmer müssen genau eine richtige Antwort auswählen) als auch mit mehreren richtigen Antworten (dh die Teilnehmer müssen alle richtigen Antworten auswählen) möglich. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des § 10a ist uE kritisch anzumerken, dass mit diesen Multiple-Choice-Tests – abgesehen von der solchen Tests immanenten Zufallswahrscheinlichkeit – dem Fremden wenig Möglichkeit zum Nachweis schriftlicher Ausdrucksfähigkeit geboten ist.

§  11. Bei Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz ist das Gesamtverhalten des Fremden im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration zu berücksichtigen. Zu dieser zählt insbesondere die Orientierung des Fremden am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie das Bekenntnis zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft. [idF BGBl I 2009/122]

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EB zu BGBl I 124/1998 Die Änderung soll verdeutlichen, daß die Behörde vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten hat. Es ist daher nicht erforderlich, auf das „Gesamtverhalten der Partei“ abzustellen, da dieses einerseits unter dem Aspekt der Rücksichten auf das öffentliche Wohl und der öffentlichen Interessen zu sehen ist und andererseits für die Beurteilung des Ausmaßes der Integration in Betracht kommt. Der bisherige zweite Satz des § 11 konnte entfallen, da auf die Besonderheit bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft an Flüchtlinge, bereits in § 10 Abs. 5 Z 4 Bedacht genommen wird. Diesen Fremden kann die Staatsbürgerschaft bereits nach vier Jahren verliehen werden. EB zu BGBl I 7/2006 § 11 wurde neu formuliert, um einerseits den überkommenen Begriff des „freien Ermessens“ zu beseitigen und andererseits auch auf Verfahren ohne Ermessensspielraum anwendbar zu sein. Die Regelung versteht sich vor allem als Interpretationsmaxime für § 10 Abs. 1 und 2. Die Behörde hat das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und die Integration des Fremden zu berücksichtigen. Integration im Sinne dieser Bestimmung stellt nicht auf Umstände des §  10a ab, sondern berücksichtigt seine Einbindung in das öffentliche Leben und seine Eingliederung in das soziale Umfeld. Die Formulierung des 2. Satzes lehnt sich an § 31 NAG an. Bei unbescholtenen Fremden wird in der Regel von einer entsprechenden Integration auszugehen sein, wenn er einer selbständigen oder unselbständigen Beschäftigung nachgeht und keine Hinweise auf fundamentalistisches, staatsfeindliches oder menschenverachtendes Gedankengut zu finden sind. EB zu BGBl I 122/2009 Der insbesondere als Interpretationsmaxime hinsichtlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 und 2 zu verstehende § 11 (vgl. dazu die ErläutRV 1189 BlgNR 20 GP) soll insofern adaptiert werden, als dabei die schon jetzt im Rahmen der Beurteilung der Integration zu berücksichtigende Orientierung des Fremden an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft, zu einem Bekenntnis aufgewertet und damit stärker betont werden soll. Inhaltlich wird sich die Behörde dabei wie bisher an den umfassenden Integrationsparametern zu orientieren haben. Dieses Bekenntnis soll sich auch im Gelöbnis nach § 21 widerspiegeln. Siehe dort. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 8 A. Gesamtverhalten..................................................................................... 8 B. Integration............................................................................................... 13 C. Allgemeinwohl......................................................................................... 19 D. Öffentliche Interessen............................................................................ 21 III. Ermessensübung.......................................................................................... 24 IV. NAG............................................................................................................... 29

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Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Schrifttum zu § 11: Holly, Die Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 im Überblick, JAP 2006/2007, 17 ff; Perchinig, Migration, Integration und Staatsbürgerschaft – was taugen die Begriffe noch?, in Langthaler (Hrsg), Integration in Österreich. Sozialwissenschaftliche Befunde (2010), 13 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Die Vorläuferbestimmung des § 11 war § 30 ABGB (JGS Nr 946/1811). 1 Demnach konnte „auch ohne Antretung eines Gewerbes oder Handwerkes, und vor verlaufenden zehn Jahren, die Einbürgerung bej den politischen Behörden angesucht [werden], und von denselben, nachdem das Vermögen, die Erwerbsfähigkeit und sittliche Betragen des Ansuchenden beschaffen sind, verliehen werden“. Laut Hofkanzleidekret vom 29.7.1813 war die Aufnahme eines Fremden in die österreichische Staatsbürgerschaft in einem solchen Fall eine bloße „Gnadensache“. § 11 in der Stammfassung (BGBl 1985/134) knüpfte an § 10 an und gab der Behörde „Leitlinien“ bei der Ausübung des ihr nach § 10 zukommenden „freien Ermessens“ vor. Die Kriterien allgemeines Wohl, öffentliche Interessen und Gesamtverhalten des Fremden spielten bereits in der ursprünglichen Fassung des § 11 eine Rolle iZm der Ermessensübung. Die Berücksichtigung des Integrationsausmaßes und der „Orientierung des Fremden“ am Leben in Österreich und an den Grundwerten fehlten in § 11 idF BGBl 1985/134; diese Entscheidungskriterien kamen erst durch BGBl I 2006/37 hinzu. Hingegen trug der Gesetzgeber der Behörde vormals auf, „gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling“ iSd UN-Konvention (BGBl 1955/55) oder des Protokolls (BGBl 1974/78) ist; vgl – die Flüchtlingseigenschaft betonend – VwGH 24.6.2003, 2001/01/0490. Die Neuformulierung des § 11 erfolgte im Wesentlichen durch BGBl I 2 2006/37; eine – eher „kosmetische“ – Korrektur erfuhr § 11 noch durch BGBl I 2009/122. Im Unterschied zu § 11 in der Stammfassung ist der Anwendungsbereich des § 11 idgF nicht auf § 10 beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle Arten des Erwerbs bzw der Verleihung der Staatsbürgerschaft (arg „Bei Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz“). Das „Gesamtverhalten des Fremden“ ist – entgegen § 11 in der Fassung BGBl 1985/134 – nicht mehr ein bei der Ermessensübung zu berücksichtigendes Kriterium, sondern der zentrale „Gegenstand“ bzw „An271

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knüpfungspunkt“, anhand dem die Kriterien Allgemeinwohl, öffentliches Interesse und Integration zu beurteilen sind (vgl auch Rz 26). Bei gesetzeskonformer Vollziehung ist demnach zuerst zu prüfen, ob die in § 10 Abs 1 Z 1 bis 8 aufgestellten Einbürgerungserfordernisse erfüllt sind. Steht dies fest, liegt es sodann in dem durch § 11 determinierten Ermessen der Behörde, dem Verleihungsansuchen zu entsprechen oder nicht. Liegt hingegen auch nur ein Einbürgerungserfordernis nicht vor, kommt eine Ermessensübung nach § 11 gar nicht in Betracht (vgl VwGH 11.10.2000, 98/01/0629). 3 Zwecks Abgrenzung zu § 10a betonen die EB (BGBl I 2006/37), dass die Integration iSd § 11 „nicht auf Umstände des § 10a ab[stellt]“, die Sprache als Schlüssel der Integration also iZm der Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Fremden nicht (direkt) eine ausschlaggebende Bedeutung hat (vgl aber auch § 10a Rz 33), sondern es in erster Linie auf seine „Einbettung“ im Alltagsleben in Österreich ankomme. Hierbei kommt es nicht nur auf „äußere“ Umstände – wie Verankerung in Österreich durch Wohnung und Arbeitsplatz – an, sondern auch auf die „innere“ Einstellung zu Staat und Gesellschaft (arg „Bekenntnis zu den Grundwerten“). 4 § 11 soll insbesondere als Ausdruck einer Interpretationsmaxime (vgl EB) konzipiert sein, wonach die iZm Verleihungen wesentlichen Normen des StbG so auszulegen sind, dass keine Entscheidung ohne Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Fremden ergeht. Fraglich ist uE, ob § 11 in der Praxis (nur) als eine (legitime) Klarheitsregel fungiert oder ob bzw inwieweit dadurch es (auch) zu einer – losgelöst von § 10 Abs 1 und Abs 2 – Ablehnung von Anträgen aus dem (schwer überprüfbaren) Grund des „Gesamtverhaltens“ kommt. Keinesfalls kann § 11 als im Wege der Ermessensübung stets – also auch bei Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen – auf besonders berücksichtigungswürdige Gründe Bezug nehmende Regelung verstanden werden (vgl VwGH 9.9.2003, 2002/01/0114). Der Sinn und Zweck des § 11 kann uE nur darin liegen, dass die Maxime keine Verleihungsvoraussetzung darstellt, sondern bloß als erkenntnisförderndes Mittel im Fall (bestehender) Zweifel über Gesinnung und Verhalten des Fremden ein anwendbares „Korrektiv“ ist, um zu verhindern, dass „jeder“ Fremde eingebürgert wird. Ob und inwieweit hierbei für die Beurteilung des Gesetzessinnes iSd Art 130 Abs 2 B-VG auch die dem StbG zugrundeliegenden „Prinzipien“ (vgl Thienel aaO, 205 und 123 ff) – wie ius sanguinis, Vermeidung der Staatenlosig272

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keit, Familieneinheit und Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit – herangezogen werden können, ist (unter anderem wegen des Wortlauts des § 11) uE fraglich. Im Rahmen der Gesetzwerdung im Jahr 2006 wurde insbesondere das 5 – aufgrund der unbestimmten Gesetzesbegriffe – fortbestehende weite Ermessen kritisiert (vgl zB Stellungnahme des Amts der Wiener Landesregierung vom 17.10.2005, MD-VD – 1565-1/05). Überdies wurden Einwände gegenüber der Praktikabilität des § 11 – insbesondere wie und wer die Orientierung eines Fremden am kulturellen und gesellschaftlichen Leben in Österreich vollständig und richtig in einer dem Wahrheitsgehalt des § 39 AVG entsprechenden Art und Weise ermitteln soll – erhoben (vgl Stellungnahme des ÖGB vom 13.10.2005 und Stellungnahme des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags vom 17.10.2005, Zl 13/1 05/188). §  11 ordnet die Prüfung des Gesamtverhaltens jedes Fremden – also 6 auch von Minderjährigen – an. Die Behörde hat (arg „ist“) unbeschadet des anzuwendenden Verleihungstatbestandes vor jeder Bescheiderlassung das Verhalten des Fremden anhand der drei im ersten Satz des § 11 angeführten Kriterien zu prüfen. Die Kriterien des allgemeinen Wohls und der öffentlichen Interessen können uE zwar unabhängig von dem Kriterium des Ausmaßes der Integration berücksichtigt werden, sie haben aber in einem Zusammenhang mit dem Gesamtverhalten des Fremden zu stehen und schließen somit eine (abstrakte) Berücksichtigung iZm Rasse, Religion oder Nation aus. Das (in einem Verwaltungsverfahren schwierig feststellbare) Kriterium 7 der Integration des Fremden wird durch den zweiten Satz des § 11 demonstrativ konkretisiert und in den diesbezüglichen EB durch eine (widerlegbare) Vermutung spezifiziert. Demnach sprechen Unbescholtenheit und Beschäftigung für eine ausreichende Orientierung des Fremden am Leben in Österreich und ein Bekenntnis zu den demokratischen Grundwerten, sofern „keine Hinweise auf fundamentalistisches, staatsfeindliches oder menschenverachtendes Gedankengut zu finden sind“.

II.  Begriffe A.  Gesamtverhalten Dem Begriff des „Gesamtverhaltens“ iSd § 11 kommt unter Zugrunde- 8 legung des allgemeinen Sprachgebrauchs inhaltlich die Bedeutung von 273

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einem einheitlichen Gesamtgeschehen zu. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten – wobei das Gesamtverhalten iZm Allgemeinwohl, öffentlichen Interessen und Integration zu würdigen ist – auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick (hier) auf die Bestimmungen des StbG obliegt. Das „Gesamtverhalten“ stellt kein eigenes Ermessenskriterium dar; die Behörde hat vielmehr bei der Berücksichtigung dieses Verhaltens ein Ermessen im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden zu üben (vgl auch VwGH 21.1.2004, 2001/01/0404) – mangelnder Studienerfolg oder mangelnde Arbeitsmoral sind hierbei uE nicht mehr als (wesentliche) Ermessenskriterien zu berücksichtigen (zur alten Rechtslage vgl VwGH 7.9.2000, 97/01/0112). 9 § 11 steht uE in engem Zusammenhang mit § 10 Abs 1 Z 6 (vgl zB auch VwGH 18.2.2003, 2002/01/0091), wonach einem Fremden die Staatsbürgerschaft verliehen werden kann, wenn er nach seinem „bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art  8 Abs  2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet“. Bei der Prüfung dieser Verleihungsvoraussetzung ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH auf das Gesamtverhalten des Verleihungswerbers Bedacht zu nehmen und es ist eine Prognose anzustellen, ob der Verleihungswerber Gewähr dafür bietet, keine Gefahr für die obgenannten öffentlichen Interessen darzustellen (vgl VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035). 10 Unklar ist, welche (selbständige) Funktion §  11 iZm Staatsbürgerschaftsverfahren hat (vgl oben Rz 4). Der Hinweis in den EB, dass § 11 „auch auf Verfahren ohne Ermessensspielraum anwendbar“ ist, verfängt nicht, weil auch für die „Anspruchsfälle“ (§§ 11a bis 14) und die „Erstreckungsfälle“ (§§ 16 und 17) die Voraussetzung des § 10 Abs 1 Z 6 gilt. Ebenso überzeugt uE nicht das in den EB zum Ausdruck kommende Verständnis des § 11 „als Interpretationsmaxime für § 10 Abs 1 und 2“, weil dem Gesetzgeber überflüssige Normierungen nicht unterstellt werden kann. Im Unterschied zu § 10 Abs 1 Z 6 geht es uE in § 11 um das gesamte Verhalten des Fremden und kommt es nicht (nur) auf vom Verleihungswerber begangene Straftaten an, sondern haben in diese Beurteilung sämtliche Umstände in seiner Person (arg „im Hinblick auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß seiner Integration“) einzufließen. 274

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In der Praxis wird § 11 idR iZm § 10 Abs 1 und 2 mitangewendet; aller- 11 dings schließt diese Mitanwendung uE nicht aus, dass § 11 auch ein eigenständiges Gewicht hat. § 11 stellt zwar kein Verleihungshindernis – wie etwa § 10 Abs 1 Z 6 – dar, sondern setzt das Vorliegen bzw Nichtvorliegen eines solchen Hindernisses voraus, um im Rahmen einer Ermessensübung (überholt VwSlg 16.267 A/2004 iZm §  11 idF BGBl I 1998/124) angewendet werden zu können. Hierbei aber – also bei der der Beurteilung von Einbürgerungshindernissen nachgelagerten Prüfung (vgl VwGH 19.9.2012, 2012/01/0110) – kann uE dem Ermessen iSd § 11 eine (insbesondere auch für Anspruchs- und Erstreckungsfälle wesentliche) Bedeutung zukommen. Insbesondere Bestrafungen ohne Relevanz in Richtung § 10 Abs 1 Z 6 – wie zB Geschwindigkeitsübertretungen und Weigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt nach der StVO – können unter den von §  11 vorgegebenen Gesichtspunkten des allgemeinen Wohls und der öffentlichen Interessen maßgeblich zu Lasten des Fremden gewichtet werden (vgl VwGH 25.3.2003, 2002/01/0460; VwGH 14.10.1998, 97/01/0268; LVwG 20.10.2015, VGW-151/071/520/2015). Allerdings ist eine Ermessensübung nach § 11 nicht möglich, wenn ein Verleihungshindernis iSd §  10 Abs  1 oder 2 vorliegt (vgl VwGH 20.9.2011, 2008/01/0382; VwGH 24.10.2013, 2013/01/0133). Kritisch ist anzumerken, dass dem §  11 aufgrund der funktionellen 12 Unklarheit und der praktischen Mitanwendung eine „Grauzone“ immanent ist. Die „vordergründig“ als Interpretationsmaxime und Korrektiv dienende Vorschrift des § 11 kann sich aufgrund des dadurch der Behörde eingeräumten weiten Ermessens „hintergründig“ als – den jeweiligen (innen)politischen Verhältnissen angepasste – „Policy“ der Behörde herausstellen. Um einen allfälligen verfassungswidrigen Gebrauch dieser Ermächtigung und eine mögliche Willkür hintanzuhalten, kommt uE der Frage des effizienten Rechtsschutzes iZm § 11 eine besondere Bedeutung zu.

B.  Integration Der Begriff der „Integration“ ist weder in der Politik noch in der Wis- 13 senschaft klar umrissen; je nach Interessenslage und politischer Orientierung stehen verschiedene Bedeutungen des Integrationsbegriffs im Vordergrund. Der wissenschaftliche Integrationsbegriff geht auf den Strukturfunktionalismus zurück, wonach Integration als Indikator für 275

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den Zusammenhalt und die Stabilität einer Gesellschaft und das Gegenteil von Anomie ist. Unterschieden wird zwischen Integration als Teilhabe an der Statusstruktur einer Gesellschaft und Assimilation als Angleichung an deren Kultur. Im deutschsprachigen Raum dominiert ein Verständnis, das zwischen einer strukturellen Ebene (Bildungsstand, Berufsposition, Einkommen, soziale Mobilität), einer sozialen Ebene (Kontakte, Partnerschaften, Teilhabe an Vereinen etc), einer kognitiven Ebene (Spracherwerb, Wissen um die Normen und Regeln einer Gesellschaft) und einer identifikatorischen Ebene (Zugehörigkeitsgefühl, Anerkennung) unterscheidet. 14 Während es in der wissenschaftlichen Literatur weitgehenden Konsens über die Notwendigkeit der gleichberechtigten Teilhabe an der Statusstruktur einer Gesellschaft gibt, fehlt dieser Konsens in der politischen Debatte. Je nach Couleur spannt sich der Bogen von „Integration“ als Prozess der Herstellung von Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit bis zum Integrationsbegriff als Bringschuld des Einzelnen, insbesondere als Chiffre für die Herkunft aus einem als christlich beschriebenen (europäischen) Kulturraum, die Bereitschaft zum Erlernen der deutschen Sprache und zur Beteiligung am Arbeitsmarkt. 15 Der Begriff der Integration kam in der Stammfassung des § 11 (BGBl 1985/311) nicht vor. Erst durch die Novelle BGBl I 1998/124 wurde das – dem Zeitgeist entsprechende – „Modewort“ Integration in § 11 aufgenommen (vgl auch VwGH 23.9.2009, 2006/01/0057: „die Integration des Fremden wurde als maßgebliches Kriterium für die Verleihung der Staatsbürgerschaft verankert“). Seither verwendet der Gesetzgeber mehrfach den unbestimmten Begriff der Integration im StbG, wodurch im Vollzug die Behörde alles Mögliche und Unmögliche in das Wort „hineinpacken“ und auch „herausziehen“ kann. Insofern läuft uE der Integrationsbegriff – ungeachtet einer grundsätzlich positiven Besetzung des Begriffes – Gefahr, zu einem zum Erkenntnisgewinn nicht beitragendem „Containerwort“ zu verkommen. Offenbar wegen der Schwammigkeit des Integrationsbegriffs hat der Gesetzgeber im zweiten Satz des § 11 eine nähere Verortung versucht. Unterschieden wird zwischen (i) gesellschaftlicher Integration, worunter die gleichberechtigte Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen verstanden werden kann, (ii) wirtschaftlicher Integration, worunter die Teilhabe am Wirtschaftsleben und (auch) der Zugang zu und Erwerb von Bildung subsumiert sein kann, sowie (iii) kultureller Integration, womit das Mitmachen am gesellschaftlichen Leben und 276

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die Orientierung an den gemeinsamen Grundwerten der Aufnahmegesellschaft gemeint sein kann. In diesem Sinn stellt nA des LVwG Wien Integration iSd § 11 nicht auf Umstände des § 10a ab, „sondern berücksichtigt die Einbindung des Staatsbürgerschaftswerbers in das öffentliche Leben und seine Eingliederung in das soziale Umfeld“ (LVwG Wien 27.2.2015, VGW-151/071/26111/2014). Adressat der vom Staatsbürgerschaftsgesetzgeber geforderten und sich 16 in der Regelung des § 11 (iVm § 10 bzw §§ 11a bis 17) widerspiegelnden Verpflichtung, eine Gesamtbetrachtung über das Ausmaß der Integration vorzunehmen, ist die Behörde. Sie hat bei der Beurteilung nach § 11 auf den Stand des Integrationsprozesses im Zeitpunkt der Entscheidung (Bescheiderlassung) abzustellen (vgl VwGH 23.9.2009, 2006/01/0057; zur Unklarheit von Entscheidungszeitpunkten vgl § 10a Rz 47). Daher kommt einer im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides nahezu zwölf Jahre zurückliegenden, im Strafregister seit neun Jahren gelöschten und bereits getilgten Verurteilung des Einbürgerungswerbers, die er (vor Begründung des Wohnsitzes im Bundesgebiet) in der Schweiz erlitten hatte, kein maßgebliches Gewicht mehr zu (VwGH 30.8.2005, 2003/01/0134). Dh aber nicht, dass getilgte gerichtliche Verurteilungen (von Straftaten) für eine Bewertung nach § 11 (überhaupt) nicht herangezogen werden können (vgl VwGH 5.11.2003, 2003/01/0543). Dem Kriterium der Integration wohnt iZm dessen Ausmaß (im Entscheidungszeitpunkt) ein zeitdauerbezogenes Moment inne; sie tritt regelmäßig nicht plötzlich und unvermittelt ein, sondern ist üblicher Weise Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, doch ist bei der Beurteilung nach § 11 auf den derzeitigen Stand dieses Entwicklungsprozesses Bedacht zu nehmen. Zeiten, die mehr als sieben Jahre zurückliegen, fallen bei einer darauf abzielenden Beurteilung nicht mehr maßgeblich ins Gewicht. Eine Betrachtungsweise dergestalt, die Beschäftigungszeiten eines Fremden seiner Gesamtaufenthaltsdauer im Inland gegenüberzustellen, erweist sich jedenfalls als verfehlt (VwGH 4.4.2001, 2000/01/0258). Die Entscheidung darüber, ob man zum Gruß die Hand reicht, bleibt bei einer „Orientierung am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich sowie an den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft“ stets dem Einzelnen überlassen. Objektiv willkürlich (Verstoß gegen das Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander) ist es daher, wenn 277

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das Verhalten eines Fremden beim Händereichen als alleinigen Indikator für die Beurteilung seiner (persönlichen) Integration herangezogen wird (vgl VfSlg 18.314/2007). Fraglich ist, ob und inwieweit interethnische Freund- und Partnerschaften ein Indikator für Integration sind. 17 Der VwGH hat iZm § 11 idF BGBl I 1998/124 als integrationsbegründende Umstände (kumulativ) Familie in Österreich, Geburt eines gemeinsamen Kindes in Österreich und etwa zweijähriges durchgehendes Arbeitsverhältnis angesehen (VwGH 9.9.2003, 2002/01/0185). Einem kindererziehenden Fremden kann nicht mangels Ausübung einer Erwerbstätigkeit eine relevante Integration abgesprochen werden (ähnlich iZm der Betreuung eines behinderten Kindes vgl VwGH 4.4.2001, 2000/01/0258); ebenso wenig kommt das bei jemandem in Betracht, der aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeitsfähig ist (vgl VwGH 25.3.2003, 2001/01/0607). UE ist seit der Neufassung des § 11 durch BGBl I 2006/37 fraglich, ob für § 11 weiterhin der (vom VwGH entworfene) Maßstab die „einfache“ Integration ist, für deren Vorliegen ein geringeres Ausmaß an Eingliederung durch den Fremden – im Vergleich zur Verneinung eines Ausschlussgrundes für die nachhaltige persönliche Integration eines Staatsbürgerschaftswerbers bei vorläufiger Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG – erforderlich sei. Unzureichend ist, wenn sich die Behörde mit der Integration eines Fremden nur insofern auseinandersetzt, als sie Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen als Ausdruck eines ins Gewicht fallenden Integrationsdefizites bewertet. Die Begehung strafbarer Handlungen besitzt bezüglich der Frage der Integration eines Einbürgerungswerbers – in der Regel – keine Aussagekraft (VwGH 13.12.2005, 2003/01/0303). Ebenso können Ungeschicklichkeiten im Straßenverkehr – ohne Hinweis auf aggressives Fahrverhalten, eine bewusste Missachtung von Schutzgesetzen oder gar das Imstichlassen eines Verletzten nach einem Unfall – bei der Entscheidung über den Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft im Regelfall kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden (vgl unter Betonung auf den Einzelfall VwGH 13.12.2006, 2003/01/0316). 18 Die Behörde hat sich mit der Integration des Einbürgerungswerbers (und dessen Ausmaß) hinreichend auseinanderzusetzen. Sie hat etwa den für die Integration des Einbürgerungswerbers maßgeblichen Sachverhalt nicht bloß als eine „Selbstverständlichkeit“ zu bezeichnen bzw abzutun (vgl VwGH 30.8.2005, 2003/01/0152). Eine Überbetonung des Gesichtspunktes der Sprachbeherrschung ist bei der Beurteilung der 278

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Integration nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht im Sinn des Gesetzes (VwGH 13.12.2005, 2003/01/0316; vgl auch VwGH 12.3.2002, 2001/01/0413). Allerdings ist es „höchst bedenklich“, wenn ein Fremder nach 15 Jahren rechtmäßigem Aufenthalt in Österreich der deutschen Sprache – trotz Ablegung einer Deutschprüfung auf A2-Niveau des GERS – nicht so weit mächtig ist, um einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – wenn auch nur in Ansätzen – zu folgen. Dies bezeugt nicht nur die mangelnde Integration des Fremden in die österreichische Gesellschaft, sondern zeugt auch von den Auswirkungen dieses Zustandes auf das Leben der Fremden in Österreich. So sind Fremde, welche die deutsche Sprache nicht erlernen oder nicht erlernen wollen, weder im Stande am sozialen Leben in Österreich teilzunehmen noch können sie über den Horizont ihrer jeweiligen Community hinausschauen. Dies trägt zur Schaffung einer „ghettoisierten Gesellschaft“ bei und kann sich im Hinblick auf die Zukunftsgestaltung eines Landes negativ auswirken (vgl LVwG Wien 27.2.2015, VGW-151/071/26111/2014).

C.  Allgemeinwohl Die Unterscheidung zwischen dem Begriff des allgemeinen Wohls und 19 dem der öffentlichen Interessen in §  11 erster Satz ist uE wenig aufschlussreich. Dass §  11 beide Begriffe iZm dem Gesamtverhalten des Fremden nennt, kann nichts daran ändern, dass eine Einbürgerung nur dann durch das allgemeine Wohl gerechtfertigt ist, wenn die (zwingenden) Verleihungsvoraussetzungen gegeben sind und der (konkrete) Erwerb der Staatsbürgerschaft auch im öffentlichen Interesse liegt. Dennoch bleibt der Begriff des allgemeinen Wohls unscharf, weshalb Klarstellungen oder genauere Zielbestimmungen durch den Gesetzgeber wünschenswert wären. Das „allgemeine Wohl“ bezeichnet das Wohl (das allgemeine Beste, den gemeinen Nutzen, die gemeine Wohlfahrt, das Gut) eines Gemeinwesens. Ein grundlegender Dissens besteht im Hinblick auf die Frage, ob man ein „Gemeinwohl a priori“ finden könne (wie die richtige Lösung einer Mathematikaufgabe) oder ob das, was der Allgemeinheit nützt, als Ergebnis einer Bestimmungsleistung von Betroffenen oder deren Vertretern, die sich in Verhandlungen um einen Interessenausgleich bemühen (Gemeinwohl a posteriori), zu betrachten sei. Allgemeinwohl kann als Gegenbegriff zu bloßen Einzel- oder Gruppeninteressen innerhalb einer Gemeinschaft verstanden werden. 279

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20 Nach Auffassung des VwGH kann der Umstand, dass ein Einbürgerungswerber Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, nicht als Verstoß gegen das allgemeine Wohl oder öffentliche Interessen angesehen werden (vgl VwSlg 16.267 A/2004). Der VwGH legt das Gemeinwohlkriterium als unbestimmten Gesetzesbegriff in verfassungskonformer Weise dahingehend aus, das er es an den „Gemeinwohlwerten“ des B-VG und StGG (sowie EMRK) wie den Grundrechten, dem Rechtsstaat- und Demokratieprinzip misst.

D.  Öffentliche Interessen 21 Die Begriffe „öffentliche Interessen“ und „Allgemeinwohl“ werden in der Praxis nicht getrennt angewendet. Sie entsprechen wohl eher dem Unterschied zwischen einem deontischen und einem utilitaristischen Ansatz in der sprachlichen Tiefenstruktur, als dass sie pragmatische Bedeutungsunterschiede transportieren. Ähnlich wie das „allgemeine Wohl“ sind auch die „öffentlichen Interessen“ von (den jeweils herrschenden) politischen Grundausrichtungen abhängig. 22 Die öffentlichen Interessen stehen mit schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit in Verbindung. IZm der Verleihung der Staatsbürgerschaft können diese Interessen insbesondere aus den positiven und negativen Verleihungsvoraussetzungen des Abs 1 und 2 in § 10 abgeleitet werden. Aus einer solchen Ableitung gewonnene Interessen – wie Rechtsstaat, Demokratie, Marktwirtschaft – stellen „Werte“ dar, anhand derer die Behörde zu beurteilen hat, ob Belange des öffentlichen Interesses berührt werden oder nicht. Es kommt insbesondere darauf an, ob eine bestimmte Situation die Allgemeinheit oder Öffentlichkeit (nachhaltig und nachteilig) betreffen kann; die (potentielle) Gefahr kann ausreichen. 23 Das öffentliche Interesse an einer Antragsabweisung kann nicht daraus abgeleitet werden, dass der Fremde – bei seitherigem Wohlverhalten – mehr als zehn Jahre zuvor (wegen eines von der belangten Behörde nicht näher festgestellten betrügerischen Verhaltens) eine bezirksgerichtliche Strafverfügung im untersten Bereich des strafrechtlichen Sanktionensystems (bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen) und in einem bei Erlassung des Bescheides betreffend die Ablehnung des Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ebenfalls schon mehr als sieben Jahre zurückliegenden Zeitraum zahlreiche Verwaltungsstrafen erlitten habe (VwGH 13.12.2005, 2003/01/0197). 280

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Unter dem Gesichtspunkt einer dem Gesetz entsprechenden Ermessensübung zur Abwehr von Beeinträchtigungen des allgemeinen Wohles und öffentlicher Interessen ist es nicht rechtswidrig, wenn die Behörde ihr Ermessen bei einem schwer wiegenden Fehlverhalten (der Fremde hat im Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern eine Person durch Versetzen eines ins Gesicht geführten Faustschlages und durch Fußtritte vorsätzlich am Körper schwer verletzt) und einem noch nicht fünf Jahre währenden Wohlverhalten danach nicht zum Vorteil des Fremden ausüben zu können glaubt. Dies gilt selbst für den Fall, dass der Fremde bei einer persönlichen Einvernahme erklärt hätte, er sei „auch in Zukunft gewillt, keinerlei strafbare Handlungen zu begehen“ (vgl VwGH 13.12.2005, 2003/01/0570). Ähnlich iZm der Missachtung von Vorschriften zum Schutz des Lebens und der Gesundheit anderer durch das Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholisiertem Zustand VwGH 13.12.2005, 2003/01/0620; vgl auch LVwG Tirol 28.4.2016, LVwG-2015/17/2631-1 iZm § 10 Abs 1 Z 6). Die Nichtanbringung einer den Vorschriften entsprechenden Begutachtungsplakette am Fahrzeug stellt einen gravierenden Verstoß gegen Schutznormen dar, die der Ordnung und der Sicherheit des Verkehrs dienen (vgl VwGH 16.7.2014, 2013/01/0115). Taten, hinsichtlich derer es zur Verfahrenseinstellung (nach Diversion) kommt, gehören zum Gesamtverhalten, von dem die Staatsbürgerschaftsbehörde bei ihrer Prüfung auszugehen hat (VwGH 21.11.2013, 2013/01/0002 ua). Entscheidend sind insbesondere die Zahl und Art der Übertretungen sowie die Zeitabstände zwischen den einzelnen Verurteilungen. Geprüft wird die Häufigkeit und Beharrlichkeit, mit der ein Fremder gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen hat; gefragt wird, ob daraus eine „Gleichgültigkeit“ gegenüber strafrechtlichen Normen deutlich zu erkennen ist und ob der Fremde bereit ist, künftig die in Österreich geltenden Rechtsvorschriften einzuhalten bzw ob ihn die (wiederholte) Bestrafung durch Verwaltungsbehörden zu einer grundlegenden Änderung seiner Einstellung bewegt hat (vgl auch LVwG Wien 29.6.2015, VGW-151/071/32948/2014).

III.  Ermessensübung Der Gesetzgeber hat auf eine abschließende Regelung bezüglich einer 24 staatsbürgerlichen Integrität verzichtet und die Verantwortung für die Sachrichtigkeit der Verleihung bzw Nichtverleihung der Staatsbürger281

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schaft auf die Behörde übertragen, weil sie offenbar den besonderen Umständen des Einzelfalls durch ihre Entscheidung am besten Rechnung tragen kann. Die Ermessensfreiheit unterliegt den in § 11 abschließend genannten Schranken des allgemeinen Wohls, der öffentlichen Interessen und der Integration, von denen sich die Behörde leiten zu lassen hat. Das heißt: Bei ihrer Entscheidung hat die Behörde eine (begründete) Interessenabwägung vorzunehmen. Die hierbei verwertbaren Ermessensgesichtspunkte lassen – zum Vor- und Nachteil – Rückschlüsse auf das Persönlichkeitsbild des Einbürgerungswerbers zu. 25 Bei der Ermessensübung ist iZm der Integration auch deren Ausmaß zu beachten; es bedarf daher einer Gesamtschau, wobei integrationsfördernde Umstände in einem Bereich hemmende Faktoren (Defizite) auf einem anderen Bereich auszugleichen vermögen (vgl VwGH 23.9.2009, 2006/01/0057; VwGH 30.8.2005, 2004/01/0442 mwN). Der Aspekt der Integration eines Einbürgerungswerbers ist nicht auf Fragen der beruflichen Verankerung im Inland beschränkt. Wesentlich ist vielmehr auch die persönlich-soziale Situation (VwGH 16.7.2003, 2002/01/0143). Insoweit die Behörde das Ermessen gemäß § 11 zu Lasten des Einbürgerungswerbers übt bzw ein Integrationsdefizit annimmt, weil er nur über ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 19 AsylG verfügt (und daher eine „geglückte Integration“ nicht vorliegt), entspricht diese Rechtsansicht nicht dem Gesetz (vgl VwGH 24.2.2004, 2002/01/0477; VwGH 20.9.2006, 2003/01/0518). Zur mangelhaften Ermessensübung iZm dem zu berücksichtigenden Ausmaß der Integration vgl VwGH 21.1.2004, 2002/01/0296); ein „hohes Maß an Integration“ iZm langjährigem Beschäftigungsverhältnis, dem gemeinsamen Leben mit Ehefrau und drei Kindern in Österreich und der westlichen Orientierung „auf Grund seiner Wohnungseinrichtung“ sowie (zwischenzeitigem) Erhalt der Staatsbürgerschaft durch Verwandte bejahend VwGH 16.7.2003, 2002/01/0186. 26 Der Hinweis in den EB zu BGBl I 2006/37, dass der vormals in § 11 enthaltene Begriff des „freien Ermessens“ beseitigt wurde, heißt nicht, dass seither die Behörde kein freies Ermessen ausüben kann. So ist der Behörde nicht verwehrt, Umstände, die bereits bei der Prüfung der Verleihungsvoraussetzungen gemäß § 10 zu beurteilen waren, im Rahmen der Ausübung des freien Ermessens gemäß §  11 heranzuziehen (vgl LVwGH Wien 20.10.2015, VGW-151/071/520/2015). Bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Fremden im Rahmen der Ausübung ihres freien Ermessens hat die belangte Behörde (auch) auf die 282

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vom Verleihungswerber begangenen strafbaren Handlungen Bedacht zu nehmen (vgl VwGH 7.6.2000, 98/01/0120 mwN), mögen einzelne strafbare Handlungen auch nicht in eine gerichtliche Verurteilung gemündet haben. Delikte gegen die körperliche Unversehrtheit fallen bei der Einschätzung der Persönlichkeit eines Verleihungswerbers besonders ins Gewicht (vgl VwGH 7.6.2000, 98/01/0120). Kritisch ist anzumerken, dass es sich – entgegen der weitläufigen Annahme (vgl Thienel aaO, 203 ff) – bei § 11 uE überhaupt nicht um eine Ermessensentscheidung handelt. Die Annahme, dass der Behörde nach § 11 freies Ermessen zukomme, scheint ein „Etikettenschwindel“ zu sein, der darauf beruht, dass § 11 in der Stammfassung vom freien Ermessen spricht, dieses Ermessen sich jedoch ausdrücklich auf §  10 bezog (arg „bei der Ausübung des ihr im § 10 eingeräumten freien Ermessens“). Abgesehen davon, dass § 11 idgF das Wort „kann“ nicht gebraucht, somit § 11 keinen Hinweis auf die Einräumung eines Ermessens enthält, geht aus der Entstehungsgeschichte und dem Wortlaut des § 11 uE eindeutig hervor, dass die von der Behörde zu treffende Entscheidung keine Ermessensentscheidung, sondern eine gebundene Entscheidung ist. Denn §  11 normiert alle Voraussetzungen, die den ganzen Bereich der Erwägungen, die für die Entscheidung maßgebend sein könnten, umfassen. Die Staatsbürgerschaftsbehörde kann die Begehung strafbarer Hand- 27 lungen (auch solche, die nur verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden sind) im Rahmen einer „Ermessensübung“ nach § 11 berücksichtigen und als Grund für die Ablehnung des Antrages heranziehen. Sie darf sich dabei allerdings nicht damit begnügen, die Bestrafungen als solche darzustellen, sondern hat vielmehr die den Bestrafungen (Verwaltungsstrafen) zu Grunde liegenden Tathandlungen zu ermitteln und hierüber Feststellungen zu treffen, die eine Beurteilung vor dem Hintergrund der Gesichtspunkte des §  11 erlauben (vgl VwGH 7.10.2003, 2002/01/0168; VwGH 30.8.2005, 2003/01/0152). Zur näheren Begründungspflicht vgl VwGH 16.7.2003, 2002/01/0245; insbesondere ist eine negative Zukunftsprognose (etwa wegen Verwaltungsübertretungen iZm der Errichtung einer Imbissstube sowie nach dem KFG und der StVO) zu begründen, wenn der Fremde bereits seit über 20 Jahren in Österreich lebt und hier mit der Familie integriert ist (vgl VwGH 9.4.1997, 95/01/0392). Indem die Behörde dem Staatsbürgerschaftswerber die Verleihung der 28 österreichischen Staatsbürgerschaft zusichert, bejaht die Behörde das 283

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Fehlen von Verleihungshindernissen und macht implizit von dem ihr in §  11 eingeräumten Ermessen Gebrauch. Die Behörde kann nach der Zusicherung (vgl § 20) – dh bei aufrechtem Zusicherungsbescheid – auf eingetretene, für den Fremden nachteilige Umstände von ihrem Ermessen nicht neuerlich – abweichend vom Zusicherungsbescheid – zu Lasten des Fremden Gebrauch machen (VwGH 7.9.2000, 98/01/0268).

IV.  NAG 29 Nach den EB zu BGBl I 2006/37 lehnt sich der zweite Satz des § 11 an § 31 NAG an. § 31 NAG legt „Rahmenbedingungen“ fest, die laut den EB zu BGBl I 2005/100 „das zu erwartende und gewünschte Verhalten der in Österreich befindlichen Fremden determinieren soll“. §  11 verknüpft diese Zielbestimmung (arg „Orientierung“) seit BGBl I 2009/122 mit einem – im Gelöbnis nach §  21 Abs  2 zum Ausdruck kommenden – „Bekenntnis“ zu den „Grundwerten“. Dieses äußere Bekenntnis schließt uE die innere Einstellung (Überzeugung) des Fremden gegenüber grundlegende staatliche und gesellschaftliche Prinzipien – wie Achtung der Menschenrechte, Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Regierungsverantwortlichkeit, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Unabhängigkeit der Gerichte und Mehrheitsprinzip – ein.

§ 11a. (1) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des §  10 Abs. 1 Z  2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist und bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm lebt; 2. die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist und 3. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§ 32 oder 33 Fremder ist. (2) Abs. 1 gilt auch für Fremde ohne Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn 1. sein Ehegatte Staatsbürger ist, der in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft steht und dessen Dienstort im Ausland liegt, 284

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2. sein Ehegatte Staatsbürger ist, der in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Körperschaft öffentlichen Rechts steht und dessen Dienstort im Ausland liegt, soweit die Tätigkeit dieser Körperschaft im Ausland im Interesse der Republik liegt, oder 3. der Ehegatte die Staatsbürgerschaft durch Verleihung gemäß § 10 Abs. 4 Z 2 oder durch Erklärung gemäß § 58c erworben hat und der Fremde seinen Hauptwohnsitz vor dem 9. Mai 1945 im Bundesgebiet hatte und sich damals gemeinsam mit seinem späteren Ehegatten ins Ausland begeben hat. § 10 Abs. 3 gilt diesfalls nicht. (3) Einem Fremden darf die Staatsbürgerschaft gemäß Abs. 1 oder 2 nicht verliehen werden, wenn er 1. mit dem Ehegatten das zweite Mal verheiratet ist und 2. diesem Ehegatten die Staatsbürgerschaft nach Scheidung der ersten gemeinsamen Ehe auf Grund der Heirat mit einem Staatsbürger verliehen wurde. (4) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesgebiet und unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. ihm der Status als Asylberechtigter zukommt, sofern das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf Anfrage mitteilt, dass weder ein Verfahren nach § 7 AsylG 2005 eingeleitet wurde, noch die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Verfahrens vorliegen; 2. er im Besitz der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen), BGBl. Nr. 909/1993, ist; 3. er im Bundesgebiet geboren wurde oder 4. die Verleihung auf Grund der vom Fremden bereits erbrachten und zu erwartenden außerordentlichen Leistungen auf wissenschaftlichem, wirtschaftlichem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet im Interesse der Republik liegt. (5) Eine Person, die an Bord eines die Seeflagge der Republik Österreich führenden Schiffes oder eines Luftfahrzeuges mit österreichischer Staatszugehörigkeit geboren wurde, gilt bei der Anwendung des Abs. 4 Z 3 als im Bundesgebiet geboren. (6) Einem Fremden ist nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren im Bundesge285

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biet unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. er, abweichend von §  10a Abs. 1 Z  1, einen Nachweis über Deutschkenntnisse gemäß dem B2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) erbringt, oder 2. er einen Nachweis gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 erbringt und seine nachhaltige persönliche Integration nachweist, insbesondere durch a) ein mindestens dreijähriges freiwilliges, ehrenamtliches Engagement in einer gemeinnützigen Organisation, die den Vorgaben des § 35 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 195/1961, entspricht, oder b) eine mindestens dreijährige Ausübung eines Berufes im Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitsbereich, sofern das daraus erzielte Einkommen durchgängig die monatliche Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG erreicht hat, oder c) die Bekleidung einer Funktion in einem Interessenverband oder einer Interessenvertretung für mindestens drei Jahre hindurch. Die Tätigkeit des Fremden, mit der die nachhaltige persönliche Integration nachgewiesen werden soll, muss dem Allgemeinwohl in besonderer Weise dienen und einen integrationsrelevanten Mehrwert für seine Integration in Österreich darstellen. Dies ist vom Fremden und der jeweiligen Institution jeweils im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme ausführlich zu begründen. [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl I 124/1998 (§§ 11a und 16 Abs. 1): Die Änderung in Abs. 1 ergibt sich aus den Vorschlägen zu § 10. Anregungen im Begutachtungsverfahren entsprechend wurde bei der Verleihung und der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an Ehegatten auf das Erfordernis eines gemeinsamen Haushaltes abgestellt. Der neu angefügte Abs. 2 dient der Komplettierung des „Scheinehenpaketes“ im Fremdengesetz 1997. Durch diesen Vorschlag soll verhindert werden, daß Menschen, die eine Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger nur zum Zwecke der Erlangung der Staatsbürgerschaft eingehen, nach Verleihung der Staatsbürgerschaft diese Ehe beenden, einen früheren (fremden) Ehegatten neuerlich heiraten und dieser dann die Benefizien der Erleichterungen der Verleihung als

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Ehegatte eines österreichischen Staatsbürgers (Abs. 1) für sich in Anspruch nehmen kann. Dieses Verleihungshindernis gilt nur für die Privilegien gemäß Abs. 1 und ist unabhängig von den generellen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 zu betrachten. Selbstverständlich wird dem jeweiligen Fremden – so die Voraussetzungen des § 10 gegeben sind – die Staatsbürgerschaft verliehen werden können. EB zu BGBl I 37/2006 Abweichend von § 10 Abs. 1 Z 1 ist einem Fremden bereits nach sechs Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er Ehegatte eines Österreichers ist und die Ehe bereits fünf Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gelebt wird, keine gerichtliche Scheidung vorliegt und der Staatsbürgerschaftswerber seine Staatsbürgerschaft nicht durch Entziehung verloren hat. Die Staatsbürgerschaft des Ehepartners muss zum Verleihungszeitpunkt bestehen. Diese Normen dienen der Umsetzung des Übereinkommens über die Staatsbürgerschaft der verheirateten Frau unter Beachtung des Bundesverfassungsgesetzes vom 3. Juli 1973 zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, das – nach der Rechtsprechung des VfGH – jegliche unsachliche Ungleichbehandlung unter Fremden verbietet. Aus diesem Grund ist es notwendig, nicht nur Ehegattinnen von Österreichern sondern auch Ehegatten von Österreicherinnen bevorzugt einzubürgern. Abs. 2 entspricht inhaltlich dem bisherigen §  11a Abs. 1 Z  2 und soll die Einheit der Staatsangehörigkeit bei dieser besonderen – von den Nationalsozialisten verfolgten – Gruppe fördern. Abs. 3 will Missbrauchsfällen vorbeugen und soll in folgenden Fällen Anwendung finden: Ein Ehepaar – beide Partner haben eine fremde Staatsangehörigkeit – lässt sich scheiden und ein Ehepartner heiratet zum Schein einen österreichischen Staatsbürger. Damit kommt er in den Genuss der erleichterten Voraussetzungen der Verleihung der Staatsbürgerschaft. Nach Erlangung der Staatsbürgerschaft lässt sich dieser Fremde wieder scheiden und kehrt zu seinem ersten Partner zurück, dem nun auch die erleichterte Verleihung der Staatsbürgerschaft offen steht. Die Regel ist konkret missbrauchsbezogen und daher sachlich gerechtfertigt. Abs. 4 nennt weitere Personengruppen, die zeitlich privilegiert, die Staatsbürgerschaft erhalten. Als Asylberechtigter nach dem AsylG 2005 gelten – unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 – alle Personen, denen der Status eines Asylberechtigten zuerkannt oder die als Asylberechtigte anerkannt wurden, gleichgültig wann und nach welcher Rechtsgrundlage, soweit dieser Status zwischenzeitlich nicht entzogen wurde. Die Bevorzugung von Asylwerbern ist notwendig, um einerseits dem Art. 34 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (GFK), BGBl. Nr. 55/1955 i.d.g.F., und andererseits Art 6. Abs. 4 des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 39/2000, Genüge zu tun. Da die Beurteilung der Frage, ob § 7 AsylG 2005 Anwendung findet, den Asylbehörden vorbehalten werden sollte, wird vorgeschla-

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gen, nur eine Verpflichtung zur Anfrage bei diesen durch die Staatsbürgerschaftsbehörden zu statuieren. Die Bevorzugung von Staatsangehörigen von Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums ist europarechtlich geboten, die Bevorzugung der in Österreich Geborenen und von Personen, die besondere Leistungen erbracht haben oder von denen diese zu erwarten sind, ist sachlich gerechtfertigt. Zum Unterschied von Verleihungen auf Grund einer Bestätigung der Bundesregierung nach § 10 Abs. 6 muss die Verleihung nach Z 4 nur „im Interesse“ und nicht – in zusätzlich qualifizierter Form – „im besonderen Interesse“ der Republik liegen. Abs. 5 stellt – im Hinblick auf Abs. 4 Z 3 – die Gültigkeit des Flaggenprinzips bei Schiffen und Flugzeugen unter österreichischer Flagge klar. EB zu BGBl I 122/2009 (§ 11a Abs. 1 Z 2): § 11a Abs. 1 regelt in den Z 1 und 2 die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern. Wiewohl die Voraussetzung der Z 2 den eherechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf das Nichtbestehen einer ehelichen Gemeinschaft entspricht, soll die Z 2 sprachlich an § 55a Abs. 1 Ehegesetz angeglichen werden, um gesetzliche Unschärfen zu vermeiden. Zu Z 10 (§ 11a Abs. 2): Der Entwurf sieht vor, den Abs. 2 zu erweitern und in drei Ziffern zu untergliedern. Die Fälle des bisherigen Abs. 2 finden sich nunmehr in Z 3 wieder. Die neuen Z 1 und 2 normieren Fälle, in denen im Hinblick auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft an Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern vom Erfordernis des Aufenthalts im Bundesgebiet gemäß Abs. 1 abgesehen werden kann. In Anlehnung an die mit BGBl. I Nr. 37/2006 aufgehobene Bestimmung des § 5 soll das Erfordernis des Aufenthalts in Österreich entfallen, wenn der österreichische Ehegatte im Dienste einer inländischen Gebietskörperschaft steht und seinen Dienstort im Ausland hat (Z 1), oder im Dienste einer inländischen Körperschaft öffentlichen Rechts steht und seinen Dienstort im Ausland hat (Z 2). In diesen Fällen muss die Tätigkeit dieser Körperschaft öffentlichen Rechts im Ausland, gemeint ist am Dienstort des Ehegatten, zudem im Interesse der Republik liegen. In den Fällen der Z 1 wird dies unwiderleglich vermutet. Die Privilegierung dieser Personengruppen ergibt sich in sachgerechter Weise aus dem Umstand, dass der geforderte Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet wegen der im Interesse Österreichs liegenden Tätigkeit des österreichischen Ehegatten im Ausland schon dem Grunde nach nicht oder nur ungebührlich schwer zu erfüllen sein wird. Die Z 1 umfasst demgemäß insbesondere Angehörige österreichischer Berufsvertretungsbehörden im Ausland (Botschaften, Konsulate), aber beispielsweise auch die vom Bundesministerium für Inneres ins Ausland entsandten polizeilichen Verbindungsbeamten und Angehörige von Verbindungsbüros der Länder zur Europäischen Union in Brüssel und dergleichen. Im Hinblick auf die inländischen Körperschaften öffentlichen Rechts (Z 2) wird insbesondere an die

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Angehörigen der Außenhandelsstellen der Wirtschaftskammer Österreich (siehe dazu auch § 5 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 37/2006) oder anderer beruflichen Interessenvertretungen zu denken sein. Die Voraussetzung, dass die jeweilige Tätigkeit dieser Körperschaft im Ausland im Interesse der Republik liegt, wird vor allem dann zu hinterfragen sein, wenn die Auslandsvertretung dieser Körperschaft ausschließlich eigenen Interessen dient oder die Tätigkeit der Körperschaft im Ausland in einer gesamtstaatlichen Betrachtung eine völlig untergeordnete Rolle spielt. EB zu BGBl I 38/2011 (§§ 11a Abs. 1 Z 3): Aufgrund der vorgenommenen Adaptierung des § 32 muss auch diese Bestimmung redaktionell angepasst werden. Siehe die Erläuterungen zu § 32. EB zu BGBl I 136/2013 (§ 11a Abs. 6): Der vorgeschlagene Abs. 6 soll einen neuen Tatbestand der Staatsbürgerschaftsverleihung einführen. Durch diesen soll es besonders gut integrierten Personen ermöglicht werden, nicht erst nach in der Regel zehn Jahren, sondern bereits nach einer auf sechs Jahre verkürzten Aufenthaltsdauer eingebürgert zu werden. Für diesen neuen Einbürgerungstatbestand sollen neben den allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 auch die in den Z 1 und 2 normierten speziellen Erfordernisse gelten, die der Verleihungswerber erfüllen muss, um in den Genuss der verkürzten Anwartszeit zu gelangen. Diese verkürzte Anwartszeit ist in jenen Fällen gerechtfertigt, in denen bestimmte Integrationsparameter vorhanden sind. Dabei wurden Indikatoren gewählt, an denen sich ein gelungener Integrationsprozess messen lässt, nämlich am Vorweisen eines bestimmten Sprachniveaus (Z 1) oder durch die Darlegung der nachhaltigen persönlichen Integration (Z 2). Die Z  1 verlangt das Vorhandensein von Sprachkenntnissen auf dem B2Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS). Da die Sprache ein entscheidender Faktor für eine gelungene Integration ist, soll das bereits vorhandene Stufensystem der Sprachkenntnisse des Niederlassungsund Aufenthaltsgesetzes (NAG) weitergeführt und im Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 durch die Möglichkeit früher als bisher die Staatsbürgerschaft erwerben zu können als Anreiz geschaffen werden, um auf ein erhöhtes Sprachniveau zu gelangen. Derzeit wird bereits im NAG ausgehend vom A1-Niveau über das A2Niveau und darauf aufbauend bis zum B1-Niveau, zur Erreichung des Rechtes auf Daueraufenthalt, als höchste Stufe eine selbständige Sprachverwendung der deutschen Sprache verlangt. Anknüpfend an das Stufensystem des NAG und an die allgemeine Voraussetzung des Staatsbürgerschaftsgesetzes, jedenfalls Kenntnisse der deutschen Sprache auf B1-Niveau vorzuweisen, soll nun die Staatsbürgerschaftsverleihung bereits nach sechs Jahren möglich sein, wenn das B2-Niveau des GERS erreicht wird. die Staatsbürgerschaftsverleihung nach sechs Jahren an besonders gut integrierte Fremde sein.

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Bei Kenntnis der deutschen Sprache auf dem B2-Niveau des GERS kann der Einzelne demnach die Hauptinhalte komplexer Texte zu konkreten und abstrakten Themen verstehen; er versteht im eigenen Spezialgebiet auch Fachdiskussionen. Er kann sich spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit einem Native Speaker ohne größere Anstrengungen auf beiden Seiten gut möglich ist. Er kann sich zu einem breiten Themenspektrum klar und detailliert ausdrücken, einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und die Vorund Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben. Die Z 2 stellt neben einen Nachweis gemäß § 10a Abs. 1 Z 1 StbG auf die spezielle, persönliche Integration des Verleihungswerbers als Kriterium ab. Für den Nachweis der vom Tatbestand verlangten besonderen Integration können die demonstrativ in den lit. a) bis c) aufgezählten Tätigkeiten angenommen werden. Gemäß der lit. a) kann die Ausübung eines Ehrenamtes die nachhaltige persönliche Integration eines Fremden zum Ausdruck bringen. Beispielhaft für ein ehrenamtliches Engagement, das eine gelungene Integration belegt, kann daher z.B. eine Tätigkeit bei einer Blaulichtorganisation genannt werden. Denn soziale Kontakte außerhalb der Familie, bzw. des eigenen Haushaltes, insbesondere zu österreichischen Staatsbürgern werden als positives Indiz für eine gelungene Integration verstanden. Der Fremde wird im Rahmen der lit. a) darlegen müssen, dass die Tätigkeit des Vereins den Vorgaben des §  35 Bundesabgabenordnung entspricht und der Fremde über die bloße Mitgliedschaft hinaus ein ehrenamtliches Engagement in dieser Hinsicht entfaltet. Vereine und Organisationen, deren Tätigkeiten mit Blick auf die österreichische Gesellschaft Elemente der Segregation in sich tragen und sohin desintegrativ wirken, können der Integration des Fremden im Sinne seiner Orientierung am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich (vgl. § 11 StbG) von vornherein nicht dienlich sein und sind daher nicht unter Abs. 6 Z 2 zu subsumieren. Des Weiteren sollte gemäß der lit. b) auch die berufliche Tätigkeit des Fremden nicht außer Acht gelassen werden, so dass eine mindestens dreijährige Berufsausübung im Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitsbereich bei der während des gesamten Zeitraumes die monatliche Grenze der Geringfügigkeit gemäß § 5 Abs. 2 ASVG erreicht wird und die dem Allgemeinwohl in besonders bedeutender Weise dient, zum einen Anhaltspunkt für die nachhaltige Integration sein kann und auch gleichzeitig einen integrationsrelevanten Mehrwert für den Fremden besitzen kann, da diese Tätigkeiten nicht nur für einzelne Menschen sondern für die gesamte Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind. Dies zeigt sich z.B. in einer Tätigkeit in Pflegeberufen, da insbesondere die dortigen Fachkräfte stets als Ziel haben, ihren Mitmenschen aus der Gesellschaft zu jeder Zeit ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Das gilt ganz besonders für Lebensabschnitte, in denen vorübergehend oder dauerhaft Pflegebedürftigkeit vorliegt. Auch eine berufliche Tätigkeit in der Kinderbetreuung oder in Lehrberufen kann dazu herangezogen werden. Darüber hinaus kann gemäß der lit. c) die Bekleidung einer Funktion in einem Interessensverband oder -vertretung ebenfalls als vergleichbares Tatbestandsmerkmal herangezogen werden, da dadurch der Fremde seinen Willen zur

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Mitbestimmung an gesellschaftlichen oder sonstigen Entscheidungen und Entwicklungen, die ihn betreffen, zeigt. Dazu zählen sowohl Tätigkeiten, die das Berufsleben betreffen, z.B. in einem Betriebsrat als auch im außerberuflichen Bereich, z.B. als Elternvereinssprecher. Für den Nachweis der nachhaltigen Integration wird für alle Tätigkeiten, die von der Z  2 umfasst sein sollen, ein Zeitraum von mindestens drei Jahren als Referenz angenommen. Der Verweis auf das Allgemeinwohl stellt sicher, dass die bloße Mitgliedschaft in einem beliebigen Verein, jegliche Tätigkeit im sozialen Bereich oder in einem Interessenverband oder einer Interessenvertretung für sich genommen nicht tatbestandsmäßig im Sinne des Abs. 6 Z 2 sein kann. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Tätigkeit des Fremden, mit der die nachhaltige persönliche Integration nachgewiesen werden soll, für den Einzelnen eine integrationsfördernde Komponente hat, wodurch gleichsam in einer Gesamtbetrachtung ein integrationsrelevanter Mehrwert für die österreichische Gesellschaft entsteht. Die Umstände aus denen sich die nachhaltige persönliche Integration und der integrationsrelevante Mehrwert ergeben, sind sowohl vom Fremden, als auch von der jeweiligen Institution, bei der der integrationsrelevante Mehrwert erzielt wird, jeweils durch eine schriftliche Stellungnahme ausführlich zu begründen. Wesentlich jedoch ist, dass bei jeder Bewertung, ob und inwieweit eine nachhaltige persönliche Integration des Fremden vorliegt, Männer und Frauen gleich behandelt werden müssen und Frauen keinesfalls aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert werden dürfen. Die durch das Wort „insbesondere“ angezeigte Aufzählung von Tatbeständen führt dazu, dass auch noch andere Möglichkeiten zugelassen werden und die angeführten Beispiele der lit. a) bis c) nicht als erschöpfende Aufzählung anzusehen sind. Jedoch müssen alle weiteren, nicht explizit genannten Tätigkeiten von vergleichbarem Gewicht und zeitlichem Umfang sein sowie jedenfalls dem Allgemeinwohl dienen. Dies bedeutet, dass alle über die lit. a) bis c) hinausgehenden Tätigkeiten den angeführten Tatbeständen in ihrer Bedeutung vergleichbar sein müssen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines.................................................................................................. 1 II. Begriffe......................................................................................................... 11 A. Aufenthalt............................................................................................... 11 B. Gemeinsamer Haushalt........................................................................ 16 C. Hauptwohnsitz...................................................................................... 20 D. Anfrage................................................................................................... 22 E. Bundesgebiet.......................................................................................... 24 F. Integrationsrelevanter Mehrwert....................................................... 25 III. Ehegattenstaatsbürgerschaft.................................................................... 28 IV. Privilegierte Personengruppen................................................................. 39 V. Missbrauchsfälle.......................................................................................... 47 VI. Flaggenprinzip............................................................................................ 49 VII. Besonders gut integrierte Personen......................................................... 51

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Schrifttum zu § 11a: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Höllwerth, in Gitschthaler/Höllwerth, EuPR (2011) § 23 EheG; Rah, Asylsuchende und Migranten auf See (2009); Thienel, Meldung und Hauptwohnsitz, JRP 1999, 124 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 11a in der Stammfassung (BGBl 1985/134) geht auf die Novelle BGBl 1983/170 zurück. Davor – also bis zum 1.9.1983 – sah § 9 StbG 1965 vor, dass eine Fremde, die mit einem Österreicher verheiratet war, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen durch bloße Erklärung die Staatsbürgerschaft erwerben konnte, ohne dass ein bescheidförmiger Abspruch darüber erforderlich war. § 9 Abs 1 StbG 1965 trug Art 1 und Art 3 Abs 1 der UN-Konvention vom 20.2.1957 über die Staatsbürgerschaft verheirateter Frauen (BGBl 1968/238) Rechnung [laut EB zu § 10 Abs 1 der RV (497 der Beilagen X. GP) als „Kompromiß zwischen der Forderung nach der Selbständigkeit der Frau auf dem staatsbürgerschaftsrechtlichen Gebiet und der Forderung nach Wahrung der Familieneinheit“] und beseitigte den bis dahin – aufgrund des § 4 Abs 1 StbG 1949 – gegoltenen ex lege-Erwerb kraft Eheschließung. 2 § 11a idF BGBl 1983/170 leitete einen – bis heute bestehenden – Paradigmenwechsel ein. Anlass hierfür war die Beseitigung der unterschiedlichen Behandlung zwischen Mann und Frau. Laut den EB zur RV (1272 der Beilagen XV. GP) galt es „den mit österreichischen Staatsbürgern verheirateten Fremden ohne Unterschied des Geschlechtes den erleichterten Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft unter denselben Bedingungen zu ermöglichen“. Seither sieht § 11a einen Rechtsanspruch für diese Personen auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vor, wenn sie unter anderem die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3 (ursprünglich: § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs 2 StbG 1965) erfüllen. 3 Im Unterschied zu § 11a Abs 1 Z 2 idgF durfte nach § 11a Abs 1 Z 2 idF BGBl 1983/170 die Ehe weder von Tisch und Bett noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes gerichtlich geschieden sein. Verglichen mit dem heute geltenden (mindestens) fünfjährigen Bestand der Ehe waren die in §  11a Abs  1 Z  4 idF BGBl 1983/170 geforderten Bedingungen einer bestimmten Mindestdauer des ununterbrochenen ordentlichen 292

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Wohnsitzes im Bundesgebiet und des Bestands der Ehe kasuistisch bzw kompliziert. Lit a und b der Z 4 sollten – laut den EB (1272 der Beilagen XV. GP) – „die Eingehung von bloßen Staatsangehörigkeitsehen erschweren und darüber hinaus bewirken, daß sich der fremde Ehegatte mit den österreichischen Lebensverhältnissen einigermaßen vertraut gemacht hat und sich in diese einzuordnen vermag“. Das Erfordernis, dass der Fremde nicht infolge der Entziehung der 4 Staatsbürgerschaft Fremder ist (§ 11a Abs 1 Z 3 idgF), bestand bereits nach § 9 Abs 1 Z 3 StbG 1965. Im Unterschied zu § 9 Abs 1 Z 3 StbG 1965 verweist aber § 11a Abs 1 Z 3 (seit BGBl I 2011/38) sowohl auf die Entziehungsbestimmung des § 33 (vormals: § 9 Abs 1 Z 2 StbG 1949) als auch auf den (ursprünglich als Verlustbestimmung konzipierten) § 32 (vormals: § 9 Abs 1 Z 2 StbG 1949). UE ist der Wortlaut der Z 3 – nach wie vor (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 66) – ungenau, weil die Entziehung der Staatsbürgerschaft den davon betroffenen Fremden nicht ständig, sondern nur solange von dem Anspruch nach §  11a ausschließt, als der Nichtbesitz der Staatsbürgerschaft auf die Entziehung zurückzuführen ist. Hat der Fremde also nach der Entziehung die Staatsbürgerschaft wieder erworben, jedoch in der Folgezeit neuerlich – und zwar anders als durch Entziehung – verloren, so steht ihm bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Erwerb nach § 11a Abs 1 offen. § 11a sieht einen Anspruch von (i) fremden Ehegatten eines österreichi- 5 schen Staatsbürgers auf Verleihung (Abs 1 und 2) und (ii) bestimmten privilegierten Personengruppen (Abs  4, 5 und 6) vor. Ein systematischer Zusammenhang zwischen diesen beiden Gruppen (und innerhalb der Gruppe des Abs 4) von Verleihungswerbern ist nicht zu erkennen. Abs 3 des § 11a beugt iZm Abs 1 und 2 „Staatsbürgerschaftsehen“ vor; wird entgegen Abs 3 – etwa aufgrund eines Irrtums der Behörde – einem Fremden die Staatsbürgerschaft dennoch verliehen, kommt uE die Wiederaufnahme nach § 69 Abs 1 AVG in Frage (vgl § 24). Die (allgemeinen) Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3 müssen bei allen Verleihungstatbeständen in § 11a vorliegen. § 11a Abs 2 idgF geht im Wesentlichen auf BGBl I 2009/122 zurück; 6 den Ansatz hierfür – nämlich Abs 2 Z 3 – schuf BGBl I 2006/37 (wobei die diesbezüglichen EB irrtümlich auf § 11a Abs 1 Z 2 verweisen) durch die Herauslösung der mit BGBl I 1998/124 eingeführten lit c aus § 11a Abs 1 Z 4 und Überführung in den Abs 2. Bemerkenswert ist, dass in 293

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der RV zu § 11a (1283 der Beilagen XX. GP) wie auch in dem AB (1320 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP) und (unter anderem) im Initiativantrag (301/A XX. GP) die Z 4 lit c in Abs 1 fehlte. Inhaltlich geht Z 4 lit c durch die Bezugnahme auf § 58c über § 10 Abs 4 Z 2 – Verleihung der Staatsbürgerschaft an verfolgte „Altösterreicher“ (vgl dazu auch VwGH 25.2.1981, 1106/79) ohne Wartefrist – hinaus. 7 § 11a Abs 2 Z 1 und 2 in der seit BGBl I 2009/122 geltenden Fassung scheint offenbar – in stark abgewandelter Form – die (reaktivierte) Nachfolgebestimmung des § 11a Abs 1 Z 4 lit b idF BGBl 1983/170 zu sein. Der vormalige (durch BGBl I 2006/37 entfallene) lit b (vgl § 11 Abs 1 Z 4 lit b idF BGBl I 1998/124), wonach die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht und der Ehegatte seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen Staatsbürger zu sein hatte, bezweckte den Erwerb der Staatsbürgerschaft von im Ausland lebenden Ehepartnern österreichischer Staatsbürger. Im Unterschied zur Vorgängerbestimmung sehen die auf bestimmte Dienstverhältnisse mit Dienstort im Ausland abstellenden Z 1 und 2 des § 11a Abs 2 idgF keine zeitliche Mindestdauer in Bezug auf eine aufrechte Ehe vor. 8 § 11a Abs 3 idgF geht auf Abs 2 idF BGBl I 1998/124 zurück. Die EB zu BGBl I 1998/124 verweisen auf das Fremdengesetz 1997 (BGBl I 1997/75); §  106 leg cit stellte die Vermittlung von Scheinehen unter Strafe – hingegen waren Fremde und Österreicher, deren Eheschließung vermittelt oder angebahnt wurden, nicht als Beteiligte (§ 12 StGB) zu bestrafen [vgl auch das Einreiseverbot nach § 53 Abs 2 Z 8 und das Eingehen und die Vermittlung von Aufenthaltsehen und Aufenthaltspartnerschaften nach §  117 Fremdenpolizeigesetz (BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2015/121)]. § 11a Abs 2 war sanktionslos (vgl den diesbezüglich maßgebenden § 64 idF BGBl 1985/311). Die EB zu § 11a Abs 2 idF BGBl I 1998/124 unterscheiden sich dem Wortlaut nach von den EB zu § 11a Abs 3 idF BGBl I 2006/37; inhaltlich ergeben sich uE aber – auch aufgrund der wortidenten Fassung im Gesetzestext – keine Unterschiede zwischen den beiden EB. „Substanziell“ könnte §  11 Abs 3 idgF durch § 63c idF BGBl I 2009/122 eine Änderung (iS einer Effizienzsteigerung) erfahren haben, sofern der Missbrauch einer Scheinehe iZm der Erschleichung der Staatsbürgerschaft steht. 9 § 11a Abs 4 (und Abs 5 als lex specialis des Abs 4 Z 3) idgF gehen auf BGBl I 2006/37 zurück. „Zeitlich privilegiert“ (EB) sind die Personen294

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gruppen in Abs 4 gegenüber den Staatsbürgerschaftswerbern nach § 10, weil nur sechs (statt: 10) Jahre Aufenthalt im Bundesgebiet (ohne eine bestimmte Dauer an Niederlassung) erforderlich ist. Ob und inwieweit die Bevorzugung von Asylberechtigten (Z 1), EWR-Staatsangehörigen (Z 2), Inlandgeborenen (Z 3) und bestimmten Wissenschaftlern, Künstlern, Sportlern bzw Unternehmern (Z 4) in Abs 4 sachlich gerechtfertigt ist, könnte uE umstritten sein. Die EB geben hierzu nur iZm Asylberechtigten „näheren“ Aufschluss, wobei sich diesbezüglich uE aus dem Wortlaut des Art  34 UN-Flüchtlingskonvention nicht zwingend eine Notwendigkeit zur Verkürzung der Wartefrist auf sechs Jahre ergibt [vgl auch den am 29.4.2014 eingebrachten IA (409/A XXV. GP) und den am 18.5.2016 eingebrachten IA (1683/A XXV. GP)]; vgl unten Rz 40. Abs 6 wurde durch BGBl I 2013/136 in § 11a eingefügt. Die Verkür- 10 zung der Aufenthaltsdauer auf sechs Jahre setzt bei diesem (neuen) Einbürgerungstatbestand voraus, dass sich der Fremde bereits in diesem Zeitraum derart intensiv durch Sprachbeherrschung (Z 1) oder Gesellschaftsengagement (Z  2) integriert hat, dass von der 10-Jahresfrist nach § 10 Abs 1 Z 1 abgesehen werden kann. § 11a Abs 6 lässt § 10a Abs  1 Z  2 (Demokratie- und Geschichtskenntnisse) unberührt. Eine „versteckte“ Ermessensbestimmung enthält uE der Hinweis auf das Erfordernis eines „integrationsrelevanten Mehrwerts“ der Tätigkeit des Fremden nach § 11a Abs 6 Z 2.

II.  Begriffe A.  Aufenthalt Das StbG definiert nicht den Begriff des Aufenthalts. ISd Rechtspre- 11 chung des VwGH kann iZm dem Aufenthaltsbegriff auf das NAG zurückgegriffen werden. Das NAG unterscheidet – wie sich bereits aus dem Titel des Gesetzes ergibt – grundsätzlich zwischen „Aufenthalt“ und „Niederlassung“. Die „Niederlassung“ ist eine qualifizierte Form des rechtmäßigen Aufenthalts, die vor allem durch den Willen, sich für eine längere oder unbefristete Dauer in Österreich niederzulassen, gekennzeichnet ist (§  2 Abs  2 NAG). In diesem Zusammenhang wird auch von der „Dauerperspektive“ des Aufenthalts gesprochen. Dem Aufenthalt aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung wird vom Gesetzgeber diese Dauerperspektive vorab schon ausdrücklich abgesprochen, weshalb dieser Aufenthalt auch keine Niederlassung begründen kann. 295

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Das NAG selbst unterscheidet in seinen Formulierungen regelmäßig zwischen „niedergelassen“ oder „rechtmäßig aufhältig“. Während die Formulierung „niedergelassen“ den Aufenthalt auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung ausschließt, sind von der Formulierung „rechtmäßig (im Bundesgebiet) aufhältig“ alle Formen des legalen Aufenthalts einschließlich der Niederlassung umfasst. Ab einem ununterbrochenen legalen Aufenthalt von fünf Jahren spricht das Gesetz in Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben vom „Daueraufenthalt“ (zB §§  45 und 48 NAG). Dieser Daueraufenthalt stellt eine unbefristete Niederlassung dar (§ 20 Abs 3 NAG). 12 Nach dem Wortlaut der Bestimmungen in Abs  1, 4 und 6 des §  11a („nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von“) ist Verleihungsvoraussetzung, dass ein Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen – allenfalls unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs 1 – durchgehenden legalen Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer (von sechs Jahren) aufweisen kann (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/01/0020, mwN): Aus § 15 Abs 1 Z 3 ergibt sich, dass eine tatsächliche Anwesenheit des Fremden im Bundesgebiet im Umfang von mindestens vier Fünftel des Zeitraumes erforderlich ist [vgl LVwG Wien 11.4.2016, VGW-151/022/1998/2016: nur die Abwesenheit von mehr als 20 Prozent der Zeitspanne (438 Tage) unterbricht den durchgehenden Aufenthalt]. Der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 (BGBl I 2006/37), mit der auch die Bestimmungen des StbG über die Aufenthaltsfristen novelliert wurden, lag den EB zufolge unter anderem das Ziel zugrunde, das StbG an das NAG anzupassen, sodass es zu keinen Wertungswidersprüchen kommt. Zum Erfordernis des rechtmäßigen Aufenthalts verweisen die EB „vor allem“ auf Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder auf Grund einer Legitimationskarte oder einem Aufenthaltstitel gemäß § 8 NAG (EB aaO, 4). 13 Daneben muss der Nachweis des rechtmäßigen Aufenthalts eines Unionsbürgers aber auch aufgrund eines gemeinschafts- bzw unionsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts möglich sein, zumal bei Bestehen eines solchen kein Aufenthaltstitel gemäß §  8 NAG auszustellen ist. Aus den §§ 8 und 9 NAG geht nämlich deutlich hervor, dass der Gesetzgeber zwischen Aufenthaltstiteln und Dokumentationen von bereits auf gemeinschafts- bzw unionsrechtlicher Grundlage bestehenden Aufenthaltsrechten unterscheiden wollte (vgl dazu das einen Fami296

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lienangehörigen einer Unionsbürgerin betreffende Erkenntnis des VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Vor diesem Hintergrund vertritt der VwGH (VwSlg 18.336 A/2012) die Rechtsansicht, dass der Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts im Staatsbürgerschaftsrecht – übereinstimmend mit dem aufenthaltsrechtlichen Verständnis – so auszulegen ist, dass der Aufenthalt im Fall eines gemeinschafts- bzw unionsrechtlich begründeten Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers bereits mit dessen Bestehen, und nicht erst mit der Ausstellung einer – das Bestehen des Aufenthaltsrechts nur feststellenden – Anmeldebescheinigung rechtmäßig ist. Denn das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat ergibt sich unmittelbar aus dem Gemeinschafts- bzw Unionsrecht. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an einen Unionsbürger ist nicht als rechtsbegründende Handlung zu betrachten, sondern als Handlung eines Mitgliedstaats, die dazu dient, die individuelle Situation eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats im Hinblick auf die Bestimmungen des Gemeinschafts- bzw Unionsrechts festzustellen. Zu den Voraussetzungen für den rechtmäßigen Aufenthalt vgl §  31 14 Abs 1 FPG; zum Begriff des rechtmäßigen Aufenthalts vgl § 2 Abs 3 NAG. Der Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet hat „rechtmäßig“ und „ununterbrochen“ zu sein. Auch im Zeitpunkt der Einbürgerung muss der Ausländer seinen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (vgl aber auch § 11a Abs 2). Auf die Rechtmäßigkeit eines davor gelegenen Aufenthaltes (etwa nach dem FPG) kommt es dabei uE nicht an. Es macht insofern einen Unterschied, ob sich der Fremde „durchgehend“ in dieser Zeitspanne rechtmäßig in Österreich aufzuhalten hat (vgl § 20 Abs 1a und § 45 Abs 4 und 5 NAG) oder nur rechtmäßig für eine bestimmte Dauer. Nur „durchgehend“ heißt eben „ununterbrochener“ legaler Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl zu §§ 10 und 11a: VwGH 31.5.2012, 2009/01/0050). Bei der Berechnung der für eine Einbürgerung erforderlichen Aufent- 15 haltsdauer können nur Zeiten berücksichtigt werden, in denen der Einbürgerungswerber sich rechtmäßig im Inland aufgehalten hat. Durch einen mehrjährigen faktischen Aufenthalt (zB im Anschluss an ein Asylverfahren; beachte auch Urteil des dt BVerwG vom 29.3.2007 – 5 C 8.06) wird kein rechtmäßiger Aufenthalt begründet. Als rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich zählen insbesondere Zeiten mit einer Niederlassungsbewilligung nach dem NAG (Familienangehöriger, „RotWeiß-Rot – Karte“, „Rot-Weiß-Rot – Karte Plus“). Fraglich ist, ob der 297

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(wenn auch rechtmäßige) Aufenthalt nach dem AsylG 2005 als Asylwerber als rechtmäßiger Aufenthalt iZm §  11a Abs  4 zählt (vgl auch § 45 Abs 12 NAG).

B.  Gemeinsamer Haushalt 16 Nach § 11a Abs 1 Z 1 hat der Fremde mit dem österreichischen Ehegatten „bei fünfjähriger aufrechter Ehe im gemeinsamen Haushalt mit ihm“ zu leben. Der gemeinsame Haushalt hat uE auch noch im Zeitpunkt der Verleihung zu bestehen; er wird etwa durch gewisse durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzu lange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens (wie etwa Krankenhaus- und Erholungsaufenthalte) nicht beseitigt. Dazu kann auch die Dauer einer Untersuchungshaft gezählt werden. Ein weniger als drei Monate dauernder Krankenhausaufenthalt hat der VwGH als nur vorübergehenden Aufenthalt außerhalb einer gemeinsamen Wohnung angesehen (vgl VwGH 29.4.2013, 2011/16/0195). Ein gemeinsamer Haushalt setzt nach der Rechtsprechung jedenfalls eine auf längere Zeit berechnete Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl zB OGH 19.9.2003, 10 ObS 201/03m) und grundsätzlich voraus, dass die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden (vgl OGH 28.3.2002, 8 Ob 65/02w). Ein gemeinsamer Haushalt liegt insbesondere vor, wenn das Zusammenleben von Personen zu einer deutlichen Kostenersparnis gegenüber getrennten Haushalten führt. Ein gemeinsamer Haushalt in diesem Sinn liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Teil einer Wohneinheit (unter-) vermietet wird. Es kommt vielmehr darauf an, dass zumindest in Teilbereichen eine gemeinsame Wirtschaftsführung besteht (vgl VwGH 23.10.2012, 2012/10/0020). 17 Der Begriff des gemeinsamen Haushaltes ist durch die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 (BGBl I 1998/124) in § 11a Abs 1 Z 1 aufgenommen worden. Dem Gesetzgeber dieser Novelle ist es iZm §  11a darum gegangen, an dem integrationsverstärkenden Charakter eines „intakten Ehelebens“ mit einem österreichischen Staatsbürger anzuknüpfen. Davon ausgehend hat sich angeboten, das Tatbestandselement „Leben im gemeinsamen Haushalt“ etwa im Sinn der „häuslichen Gemeinschaft“ des §  55 EheG zu verstehen (vgl VwGH 30.8.2005, 2005/01/0113). Ein solches, an der zivilrechtlichen Judikatur orientiertes Begriffsverständnis findet jedoch im Wortlaut des § 11a Abs 1 Z 1 seine Grenze, der eindeutig auf das „Leben im gemeinsamen Haus298

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halt“ abstellt (vgl VwGH 6.5.2008, 2005/01/0368, wonach im Fall von sehr eingeschränkten Kontakten – lediglich gelegentliche Besuche der Ehefrau – das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes zu verneinen sei, auch wenn von der zivilrechtlichen Judikatur zu §  55 EheG das Vorliegen der häuslichen Gemeinschaft weiterhin angenommen werde, solange ein „einvernehmlicher Ehewille“ bestehe). Die Rechtsansicht, dass die gem § 92 Abs 2 ABGB unter bestimmten Bedingungen zulässige gesonderte Wohnsitznahme von Ehegatten durch § 11a Abs 1 Z 1 nicht verhindert werden dürfe, weshalb die letztgenannte Bestimmung iSd § 92 Abs 2 ABGB zu verstehen sei, ist laut VwGH verfehlt, da sie übersieht, dass sich die Behörde bei ihrer Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Anspruch grundsätzlich nicht auf zivilrechtliche Bestimmungen zu stützen hat, sondern auf die im StbG enthaltenen Regelungen. Überdies findet sich in §  92 Abs  2 ABGB keine Definition des Begriffes gemeinsamer Haushalt. §  11a Abs 1 Z 1 greift aber nicht in die – zivilrechtliche – Möglichkeit ein, dass Ehegatten ihr Zusammenleben gem §  92 Abs  2 ABGB gestalten können (vgl VwSlg 15.413 A/2000). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zum Begriff 18 des gemeinsamen Haushalts in § 11a Abs 1 Z 1) setzt der „gemeinsame Haushalt“ nach allgemeinem juristischen Verständnis, das sich insofern auch auf den Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts übertragen lässt, das Zusammenleben der Ehegatten in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, wobei kurzfristige Unterbrechungen dieses Zusammenlebens bei grundsätzlich aufrechtem gemeinsamen Wohnsitz und gemeinsamer Wirtschaftsführung für die Annahme eines Lebens im gemeinsamen Haushalt nicht schädlich sind (maßgebend ist die Beibehaltung des „animus domiciliandi“; vgl auch VwGH 17.5.2011, 2007/01/1144, mwN; VwGH 15.3.2012, 2010/01/0065). Die Nichtverrichtung von Haushaltstätigkeiten lässt uE nicht zwingend auf ein fehlenden gemeinsamen Haushalt schließen; ebenso wenig die Tatsache, dass sich ein Fremder – berufsbedingt – zeitweise in anderen Bundesländern aufhält. Bei der Prüfung, ob ein derartiger gemeinsamer Haushalt vorgelegen ist, 19 macht ein Ehescheidungsbeschluss nach § 55a EheG bzw die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung, die eheliche Lebensgemeinschaft sei seit mindestens einem halben Jahr aufgelöst, Ermittlungen darüber, ob der Einbürgerungswerber mit seinem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt lebte, nicht schlechterdings entbehrlich (VwGH 299

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15.3.2010, 2007/01/1415; VwGH 21.1.2010, 2008/01/0019). Fallbezogen bejaht der VwGH (vgl VwGH 3.5.2000, 99/01/0407; VwGH 30.8.2005, 2005/01/01 – verneinend: VwSlg 17.447 A/2008) den „gemeinsamen Haushalt“ im Sinn des § 11a Abs 1 Z 1 bei Ehegatten, die sich lediglich an den Wochenenden am gemeinsamen Hauptwohnsitz aufhalten und während der Woche berufsbedingt getrennt sind („Pendlerehe“).

C.  Hauptwohnsitz 20 § 11a Abs 2 Z 3 stellt auf den „Hauptwohnsitz“ des Fremden im Bundesgebiet vor Ende des Zweiten Weltkrieges ab. Der Gesetzgeber unterscheidet (seit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005) zwischen „rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten“ (§ 10 Abs 1 Z 1) sowie „nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von“ (§ 11a Abs 1) und „seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt“ (§ 12 Z 1 lit b) einerseits und – aufgrund des historischen Zusammenhangs in § 11a Abs 2 Z 3 – „Hauptwohnsitz“ andererseits. Die Unterscheidung ist wegen der iZm dem Aufenthalt maßgebenden Mindestdauer relevant. Der im StbG nicht definierte Begriff des Hauptwohnsitzes wird auch in § 10 Abs 4 Z 1, § 12 Abs 1 Z 1 lit a, § 14 Abs 1 Z 2, § 22, § 37 Abs 2, § 39 Abs 2 und § 41 Abs 2 verwendet. 21 Der Hauptwohnsitz eines Menschen iSd Meldegesetzes ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen, sodass für die Begründung des Hauptwohnsitzes einerseits der faktische Aufenthalt und andererseits der Wille erforderlich ist, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen. Hierbei ist die polizeiliche Meldung ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes, wenn auch nicht eine notwendige Voraussetzung (vgl zB VwGH 17.3.2009, 2008/21/0391). Allerdings ist uE bei der Beurteilung, ob die Voraussetzung des „Hauptwohnsitzes vor dem 9. Mai 1945 im Bundesgebiet“ vorliegt, die Meldung nach den bis dahin gegoltenen Rechtsvorschriften [vgl zuletzt Reichsmeldeverordnung (Gesetz über das Paß-, das Ausländerpolizei- und das Meldewesen sowie über das Ausweiswesen vom 11.5.1937, dRGBl I S 589 und Reichsmeldeverordnung vom 6.1.1938, dRGBl S 13)] aufgrund der damaligen Zwangslage des Werbers nicht von entscheidender Bedeutung. Der Hauptwohnsitz einer Person kann an dem Ort begründet sein, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen her300

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vorgehenden Absicht niedergelassen hat, da selbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Zu den Merkmalen eines solchen bleibenden Aufenthaltes zählt unter anderem der Umstand, dass der gewählte Aufenthaltsort bewusst und gewollt zum wirtschaftlichen und faktischen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen gemacht wird, wobei es auf die zu Grunde liegende Motivation nicht ankommt. Die Absicht muss nicht darauf gerichtet sein, für immer an diesem Ort zu bleiben, ein Wohnsitz kann auch für eine bestimmte Dauer begründet werden (vgl VwGH 11.5.1993, 91/08/0122).

D.  Anfrage Die EB weisen darauf hin, dass die Beurteilung der Frage, ob § 7 AsylG 22 2005 (Aberkennung des Status des Asylberechtigten) anwendbar ist, den Asylbehörden vorbehalten ist, weshalb nach § 11a Abs 4 Z 1 „nur eine Verpflichtung zur Anfrage bei diesen durch die Staatsbürgerschaftsbehörden“ besteht. Aufgrund dieser (uE formlosen) behördlichen Anfrage hat die Asylbehörde mitzuteilen, ob ein Verfahren nach § 7 AsylG 2005 oder die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Verfahrens vorliegen (vgl auch § 7 Abs 2 AsylG 2005). Unklar ist uE, ob § 11a Abs 4 Z 1 auch anwendbar ist, wenn nach § 7 23 Abs  3 Satz 1 AsylG 2005 das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs 3 AsylG 2005), den Status eines Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 nicht aberkennen kann, und daher das Bundesamt die zuständige Aufenthaltsbehörde nach dem NAG vom Sachverhalt verständigt und diese dem Bundesamt mitteilt, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, und daher einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten aberkannt werden kann. Die (nach mehr als fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgende) Aberkennung des Status als Asylberechtigten nach § 7 Abs 3 AsylG 2005 hätte dann zur Folge, dass dieser Fremde (staatsbürgerschaftsrechtlich) „schlechter“ gestellt sein könnte als asylberechtigte Fremde, denen kein Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt wird.

E.  Bundesgebiet Im Unterschied zur Rechtslage vor BGBl I 2006/37, die auf das „Gebiet 24 der Republik“ (vgl § 2 Z 1) abstellte, ist nunmehr vom „Bundesgebiet“ die Rede. Gemeint ist mit dem Begriff „Gebiet der Republik“ bzw „Bundesgebiet“ Österreich in seinen heutigen Grenzen (beachte iZm 301

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Südtirol VwGH 17.2.1982, 0709/80). ISd Art 3 Abs 1 B-VG umfassen die beiden Begriffe den Staat, der am 30.10.1918 originär entstanden ist (vgl Thienel aaO, 160; Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 4 ff); vgl insbesondere Art 27, 29, 49 und 50 des Staatsvertrags von Saint-Germain (StGBl 1920/303) und – gegenüber Ungarn – Venediger Protokoll (BGBl 1922/138). Für Personen, die an Bord eines Schiffes oder Flugzeuges geboren werden, wird für den Bereich des Staatsbürgerschaftsrechtes die Fiktion des Bundesgebietes aufgestellt (vgl § 11a Abs 5 letzter Halbsatz).

F.  Integrationsrelevanter Mehrwert 25 Die sachliche Rechtfertigung für die Privilegierung bestimmter Personenkreise (durch Verkürzung der Dauer des Mindestaufenthalts im Bundesgebiet) bezieht §  11a aus unterschiedlichen integrationssteigernden Umständen. Im Fall einer in der Person des Fremden gelegenen nachhaltigen Integration iSd § 11a Abs 6 Z 2 durch „ehrenamtliches Engagement“ (lit a), „Ausübung eines Berufes im Bildungs-, Sozialoder Gesundheitsbereich“ (lit b) oder „Funktion in einem Interessenverband“ (lit c) begnügt sich der Gesetzgeber nicht nur auf den Nachweis einer solchen Tätigkeit durch den Fremden samt Vorlage einer Begründung in einer schriftlichen Stellungnahme, sondern fordert darüber hinaus, dass die Tätigkeit „dem Allgemeinwohl in besonderer Weise dienen und einen integrationsrelevanten Mehrwert für seine Integration in Österreich darstellen“ muss; vgl Rz 51 ff. 26 Ob die Tätigkeit des Fremden iSd § 11a Abs 6 Z 2 lit a bis c tatsächlich besonders dem „Allgemeinwohl“ dient und einen „Mehrwert“ seiner Integration bedingt, hat die Behörde zu ermitteln. Was der Gesetzgeber unter dem Begriff „integrationsrelevanten Mehrwert“ versteht bzw verstehen will, ist mangels Definition dieses unbestimmten Gesetzesbegriffes und mangels einem aufschlussreichen Hinweis in den EB unklar, weshalb es in der Praxis der Behörde überlassen bleibt, einen solcher „Mehrwert“ festzustellen. Dadurch besteht die rechtsstaatlich bedenkliche Gefahr (vgl Art  18 B-VG) einer unterschiedlichen Rechts­ praxis, weil je nach Behörde und Bundesland – und je nach ideologischer Interpretation – die Voraussetzungen für die raschere Einbürgerung ganz unterschiedlich angenommen werden können. Aus dem Wortlaut könnte geschlossen werden, dass sich der „Mehrwert“ auf die Integration des Fremden beziehen soll. Zwingend 302

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ist dieser Schluss – aufgrund des nicht minder unklaren Begriffs der „Integration“ (und damit auch von „integrationsrelevanten“) – aber nicht (vgl auch § 11 Rz 13 ff). Ebenso könnte der „Mehrwert“ auch darüber hinaus eine allgemeine Bedeutung haben (vgl auch EB: „ein integrationsrelevanter Mehrwert für die österreichische Gesellschaft“), wobei in diesem Fall unklar ist, in welchem Umfang er diese Bedeutung haben soll (und wie die Behörde diese Bedeutung im Ermittlungsverfahren objektive erfassen soll). Die Ermittlung eines integrationsrelevanten Mehrwerts verschafft der 27 Behörde einen sehr weiten Spielraum. Diese Ermessensübung ist uE verfassungsrechtlich bedenklich, weil dadurch der in §  11a (theoretisch) statuierte Rechtsanspruch bei Vorliegen bestimmter Verleihungsvoraussetzungen (praktisch) in eine reine Ermessensentscheidung verkehrt wird, ohne dass die Behörde irgendeinen Anhaltspunkt hat, was der „Sinn des Gesetzes“ (Art 130 Abs 2 B-VG) ist. Verschärft wird dieses der Willkür ausgesetzte Ermessenspotential noch dadurch, dass die Tätigkeiten, die kausal für den „integrationsrelevanten Mehrwert“ sind, mit den allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs 1 in einer inhaltlichen Verbindung stehen.

III.  Ehegattenstaatsbürgerschaft Der Anspruchsfall des §  11a Abs  1 trägt dem Grundgedanken des 28 Staatsbürgerschaftsrechts Rechnung. Danach soll die Ehe mit einem österreichischen Ehepartner dort zu einer privilegierten Einbürgerung führen, wo ihr tatsächlich ein integrationsverstärkender Charakter zukommt. Davon kann – nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes – aber grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Verleihungswerber – ungeachtet von Ausnahmefällen – mit dem die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Ehegatten tatsächlich im gemeinsamen Haushalt lebt. Kein Leben im gemeinsamen Haushalt iSd § 11a Abs 1 Z 1 besteht beispielsweise bei einer räumlichen Trennung und einer von den Ehegatten praktizierten (weitgehend getrennten) Lebensführung samt seltenen Besuchen der Ehefrau des Fremden in Österreich und dem Desinteresse der Ehepartner an den persönlichen Verhältnissen des jeweils anderen (vgl VwSlg 17.447 A/2008); vgl auch oben Rz 16 ff. Auch bei den einzubürgernden Ehegatten werden grundsätzlich ausrei- 29 chende Kenntnisse der deutschen Sprache (vgl § 10a Abs 1 Z 1) vor303

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ausgesetzt. Ausgenommen davon (und von den Demokratie- und Geschichtskenntnissen nach § 10a Abs 1 Z 2) sind nach § 11a Abs 2 Ehegatten (i) von in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund, zu einem Land oder zu einer Gemeinde stehenden Beamten oder Vertragsbediensteten mit Dienstort außerhalb des Bundesgebietes (§ 11a Abs 2 Z 1) bzw vergleichbare Bedienstete bestimmter Körperschaften des öffentlichen Rechts (Z 2) und (ii) von „Altösterreichern“ (beachte auch VwGH 7.10.2003, 2002/01/0266) bzw vor dem 9.5.1945 politisch Verfolgten (Z 3). 30 Nach § 23 Abs 1 Ehegesetz (dRGBl I S 1938/807 idF BGBl I 2013/15) ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau die Führung des Familiennamens des Mannes oder den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne dass die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll (vgl § 53 Rz 5). Eine analoge Bestimmung betreffend die Nichtigkeit eingetragener Partnerschaften enthält §  19 Abs  2 Z  5 EPG (BGBl I 2009/135 idF BGBl I 2015/25). Im Unterschied zu § 28 Abs 1 Ehegesetz, wonach nur der Staatsanwalt die Nichtigkeitsklage erheben kann, wenn eine Ehe auf Grund des § 23 leg cit nichtig ist, kann nach §  19 Abs  3 EPG die Nichtigkeit jeder eingetragene Partner oder die Staatsanwaltschaft (bzw nach Auflösung der eingetragenen Partnerschaft nur mehr die Staatsanwaltschaft) durch Klage geltend machen. 31 Die Nichtigerklärung einer lediglich zur Erlangung der Staatsbürgerschaft geschlossenen Ehe verstößt laut OGH nicht gegen Art 8 EMRK, weil die Eheschließung nicht auf Gründung einer umfassenden Lebensgemeinschaft gerichtet ist (vgl RS0105093; OGH 30.7.1996, 7  Ob 2179/96h). § 23 Abs 1 (2. Fall) Ehegesetz setzt die Absicht voraus, eine eheliche Lebensgemeinschaft nicht zu begründen. Die (ehefeindliche) Absicht der Eheschließenden muss ausschließlich oder vorwiegend auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft gerichtet sein (vgl SZ  67/56). Hat hingegen nur ein Verlobter die vom Gesetz verpönte Absicht, ist die Ehe allenfalls nach den §§  37, 38 Ehegesetz aufhebbar (vgl OGH 20.12.2005, 5 Ob 284/05h). Das ist zB (auch) der Fall, wenn eine Fremde mit einem Österreicher die Ehe schließt, um der Fremden die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Österreich in einem Zeitpunkt zu bekommen, in dem ihr Asylantrag bereits (in erster Instanz) abgewiesen wurde. Damit sollte ihr auch die Möglichkeit gegeben werden, eine Anwartschaft auf einen späteren Erwerb der öster304

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reichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen (EFSlg 127.184 = EFSlg 127.185). Das Eingehen einer Scheinehe zur Umgehung der für Drittstaatsangehörige geltenden Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen stellt auch nach gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar (vgl VwGH 16.1.2007, 2006/18/0495 mit Hinweis auf Entschließung des Rates vom 4.12.1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen, ABl C 382). Nach dem Wortlaut des §  23 Abs  1 Ehegesetz ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau (die Führung des Familiennamens des Mannes oder) den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne dass die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Zur Zeit der Formulierung des Gesetzeswortlauts und auch noch zur Zeit der Rezeption des Ehegesetzes in den Rechtsbereich der zweiten Republik war nach den damals geltenden Staatsbürgerschaftsrechten nur ein Erwerb der Staatsbürgerschaft des Mannes durch die Frau, nicht auch umgekehrt, vorgesehen. Das hat sich mittlerweile geändert. Seit dem Inkrafttreten der StbG-Novelle 1983 ist die Eheschließung eines inländischen Staatsbürgers mit einer Person, die diese Staatsbürgerschaft nicht besitzt, für deren Staatsbürgerschaftserwerb nicht nur dann Tatbestandsmerkmal, wenn es sich bei dem Fremden um eine Frau handelt („Ausländerin“ in § 4 StbG 1949 oder „eine Fremde“ in § 9 StbG 1965), sondern auch dann, wenn der Fremde der männliche Ehepartner ist (der andere „Ehegatte“ geschlechtsneutral in §  11a idgF). Wie der Oberste Gerichtshof schon ausgeführt hat, trat mit dieser Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes in Ansehung des Nichtigkeitsgrundes nach dem zweiten Fall des §  23 Abs  1 Ehegesetz nachträglich eine unbeabsichtigte, systemwidrige Lücke auf, welche ungeachtet des §  20 Ehegesetz aus dem verfassungsgesetzlichen Gleichbehandlungsgebot im Sinn der Analogie zu schließen ist (SZ  61/262). Die geänderte staatsbürgerschaftsrechtliche Lage hat die Regelung nach dem zweiten Fall des §  23 Abs  1 Ehegesetz auch nicht deshalb gegenstandslos gemacht, weil nunmehr die Eheschließung nicht mehr kraft Gesetzes (§  4 StbG 1949) zum Erwerb der Staatsbürgerschaft führt, noch diese durch Erklärung des Fremden, der einen Inländer geheiratet hat, herbeigeführt wird (§ 9 StbG 1965), sondern nunmehr – bei Vorliegen weiterer gesetzlicher Voraussetzungen – einen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft (§  11a idgF) begründet (SZ 61/262; OGH 30.7.1996, 7 Ob 2179/96h). 305

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Auch der VwGH versteht unter nichtiger Ehe eine Ehe, die der Erlangung eines Aufenthaltstitels dient, ohne mit einem gemeinsamen Familienleben iSd Art 8 EMRK verbunden zu sein. Allerdings kommt nach Ansicht des VwGH einer lang zurückliegenden Scheinehe (zB wenn seit Schließung der zu beurteilenden Ehe bereits mehr als elf Jahre vergangen sind) keine maßgebliche Bedeutung zu (vgl § 11). Insbesondere stellt eine solche Ehe nicht mehr länger eine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung öffentlicher Interessen dar und es kann allein im Hinblick auf die Eheschließung, wenn sie bereits weit zurückliegt, auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Einbürgerungswerber eine negative Einstellung zur Rechtsordnung zeige (VwGH 18.2.2003, 2002/01/0014; VwGH 25.3.2003, 2001/01/0439; VwGH 5.11.2003, 2003/01/0212). Zwar wird das Gewicht des inländischen Aufenthaltes dadurch gemindert, wenn die Berechtigung hierzu teilweise auf die rechtsmissbräuchliche Eingehung einer Ehe zurückzuführen ist (VwGH 1.3.2001, 98/18/0118), allerdings bezieht sich diese Judikatur nur auf die der Eheschließung unmittelbar folgende Zeitspanne. Nach Ablauf von fünf Jahren hingegen nimmt der Verwaltungsgerichtshof keine weitere Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen mehr an (vgl VwGH 17.2.2000, 99/18/0252). 32 Die nachträgliche Scheidung oder Auflösung der Ehe hat auf eine einmal erlangte Staatsbürgschaft keine Auswirkungen. Ebenso bewirkt eine Nichtigerklärung – selbst im Fall des §  23 Ehegesetz bzw §  19 Abs 2 Z 5 EPG – nicht automatisch den Verlust der Staatsbürgerschaft, weil sie sich – mangels gesetzlicher Regelung – nicht auf die Rechtskraft des Verleihungsbescheides auswirkt. Ein Verlust kann nur derart eintreten, dass das Verleihungsverfahren (von Amts wegen) nach §  69 AVG wiederaufgenommen (vgl § 24) und das Ansuchen im neuen Verfahren abgewiesen wird (vgl Thienel aaO, 230 mwN). 33 Strittig könnte der Wiederaufnahmegrund sein. Thienel (aaO, 231 f) spricht sich gegen den Wiederaufnahmetatbestand des § 69 Abs 1 Z 1 AVG (und – aufgrund des Vorliegens der durch Gerichte als Hauptfrage zu entscheidenden Vorfrage des Vorliegens der Ehevoraussetzungen – für den Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs 1 Z 3 AVG – vgl auch VwGH 11.11.1966, 1465/66) aus: Eine Erschleichung liege nicht vor, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt sich nicht allein aus den Parteiangaben, sondern aus dem Ergebnis des amtswegigen Ermittlungsverfahrens ergebe. Daraus erhelle, dass das Eingehen einer Staatsbürgerschaftsehe nicht als Erschleichung der Staatsbürgerschaft gewer306

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tet werden könne. UE überzeugen die Überlegungen von Thienel mangels schutzwürdiger Belange der Betroffenen nicht; sie stimmen uE auch mit der Rechtsprechung des VwGH nicht überein. Zum ersten darf nicht die eindeutige gesetzliche Bestimmung des § 69 34 Abs  3 AVG übersehen werden, derzufolge die Wiederaufnahme des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Abs 1 leg cit von Amts wegen verfügt werden kann. Zum zweiten kann eine Wiederaufnahme von Amts wegen nicht nur aus den Gründen des § 69 Abs 1 Z 1 AVG erfolgen, sondern auch aus denen des § 69 Abs 1 Z 2 und 3 leg cit. Im Fall einer Scheinehe kann uE die Wiederaufnahme des Verfahrens insbesondere auf § 69 Abs 1 Z 2 AVG gestützt werden. Demgemäß kann das Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden (der Behörde) nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Das Urteil eines Bezirksgerichtes, mit welchem die Ehe zwischen dem 35 Fremden und einem österreichischen Staatsbürger für nichtig erklärt wird, weil es sich bei der Beziehung zwischen den Genannten um eine Scheinehe handelt, welche zum Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung rechtsmissbräuchlich geschlossen wurde, stellt zweifellos ein neues Beweismittel dar, welches einen anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Somit sind die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach §  69 Abs  3 AVG gegeben (vgl auch VwGH 27.9.1995, 95/21/0577). UE kann auch der Wiederaufnahmegrund des §  69 Abs  1 Z  1 AVG 36 in Frage kommen, weil es – entgegen Thienel (aaO, 231) – nicht nur darauf ankommt, dass sich der Fremde auf das Bestehen einer Ehe beruft und diese Angaben (bzw diese „Schutzbehauptung“) von der Behörde widerspruchslos – selbst wenn es sich um eine vernichtbare Ehe handelt – als richtig anzusehen sind. Gemäß § 69 Abs 1 Z 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist. 307

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Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt das „Erschleichen“ eines Bescheides vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sind, wobei die Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offen stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides im Sinn des § 69 Abs 1 Z 1 AVG zu werten (vgl VwGH 8.6.2006, 2004/01/0470). Zusammengefasst kann uE eine spätere Nichtigerklärung der Staatsbürgerschaftsehe (auch) die Wiederaufnahme nach § 69 Abs 1 Z 1 AVG (und damit auch nach Ablauf von drei Jahren nach Verleihung der Staatsbürgerschaft) rechtfertigen, wenn drei Voraussetzungen vorliegen (vgl § 24 Rz 10): 1. Objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung, 2. ein Kausalitätszusammenhang zwischen der unrichtigen Angabe der Partei und dem Entscheidungswillen der Behörde und 3. Irreführungsabsicht der Partei, nämlich eine Behauptung wider besseres Wissen in der Absicht, daraus einen Vorteil zu erlangen (vgl VwGH 15.3.2010, 2007/01/0674). 37 Die Verleihung der Staatsbürgschaft einem Ehegatten nach § 11a Abs 1 setzt (neben den Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3) kumulativ das Vorliegen der in den Z 1 bis 3 des § 11a Abs 1 aufgelisteten Tatbestände voraus. Durch eine bloß vorübergehende Abwesenheit aus der gemeinsamen Wohnung sowie ein zeitweiliges getrenntes Verbringen der Freizeit wird die eheliche Lebensgemeinschaft nicht aufgehoben. Andererseits können an der tatsächlichen Beendigung der Lebensgemeinschaft weiterbestehende gelegentliche und flüchtige (persönliche und telefonische) Kontakte nichts ändern (vgl RS0092250). 38 Nach § 11a Abs 1 Z 3 besteht kein Anspruch, wenn dem Fremden die Staatsbürgerschaft nach § 32 oder § 33 entzogen wurde. Z 3 berücksich308

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tigt nicht die Entziehung nach § 34, der sich auf jene Fälle bezieht, in denen das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatenverband Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs 3 ist. Laut den EB zur RV des StbG 1965 (497 der Beilagen X. GP) war die Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 34 (idF BGBl 1965/250) „folgerichtig nur für jene Fälle vorgesehen, in denen bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft oder der Erstreckung der Verleihung die Frage des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatenverband von rechtlicher Bedeutung war“. Damals war § 34 für den Erklärungsfall (§ 10 StbG 1965) ohne Belang; hingegen könnte heute – aufgrund des durch § 11a idF BGBl 1983/170 eingeleiteten Paradigmenwechsels (vgl Rz 2) – uE die Nichtberücksichtigung des § 34 iZm § 11a idgF im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes sachlich nicht gerechtfertigt sein.

IV.  Privilegierte Personengruppen Die Fremden, die über Abs 1 hinaus in § 11a bevorzugt werden, sind 39 zum einen die Gruppe der Personen, deren österreichische Ehegatten als Bundes-, Landes- oder Gemeindebedienstete bzw als Kammerbedienstete (oder dergleichen) im Ausland arbeiten oder als Opfer des Nationalsozialismus ins Ausland flüchteten (Abs 2), und zum anderen die – gemessen an den Gründen der Privilegierung sehr inhomogene – Gruppe von Personen, die zwar im Unterschied zu Abs 2 eine Inlandsmindestaufenthaltsdauer von sechs Jahren (wie im Fall des Abs 1) vorweisen müssen, die aber wegen völker- bzw gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen (Abs 4 Z 1 und 2) oder aus uE Billigkeitserwägungen (Abs 4 Z 3 und 4) oder aus integrationspolitischen Überlegungen (Abs 6) besser als die Staatsbürgerschaftswerber nach § 10 gestellt sein sollen. Den in § 11a genannten Personenkreisen kommt aufgrund unterschied- 40 licher Voraussetzungen eine „doppelte“ Privilegierung im Vergleich zu denen nach § 10 zu; einerseits haben sie bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft, andererseits ist die „Wartefrist“ um vier Jahre kürzer als die in §  10. Dem Gesetzgeber kommt ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum bei der Abgrenzung zu, welche Fremde einen „erleichterten“ Zugang zur Staatsbürgerschaft gemäß § 11a haben. Dieser rechtspolitische Gestaltungsspielraum wird nicht überschritten, wenn je nach der (besonderen) Art  der betreffenden Personengruppe Fremden ein vom Ermessen unabhängiges Recht auf Verleihung der Staatsbürger309

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schaft eingeräumt wird. Dieser dem Gesetzgeber grundsätzlich zustehende Gestaltungsspielraum wird aber durch das Gleichheitsgebot insofern beschränkt, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht besteht; ob hierbei – gemessen am Verhältnismäßigkeitsprinzip – die Privilegierung der einzelnen Personengruppen einer eingehenden Prüfung durch den VfGH standhält, ist offen (vgl oben Rz 9). 41 § 11a Abs 2 Z 2 privilegiert Fremde, die mit einem Österreicher verheiratet sind, der bei einer inländischen „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ mit Dienstort im Ausland beschäftigt ist, „soweit die Tätigkeit dieser Körperschaft im Ausland im Interesse der Republik liegt“. In Abgrenzung zu § 11a Abs 2 Z 1 können unter Z 2 nicht-territoriale Selbstverwaltungskörperschaften oder Personalkörperschaften wie die gesetzlichen Berufsvertretungen (Wirtschaftskammern, Kammern für Arbeiter und Angestellte, Landwirtschaftskammern), der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, die Österreichische Hochschülerschaft (VfSlg 14.299/1995) und die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften fallen. Fraglich ist, ob unter Z 2 auch Interessengemeinschaften, wie etwa Wasser- und Jagdgenossenschaften, fallen. Theoretisch sind auch Fachgruppen und Fachverbände gemäß §  3 Abs 1 Z 3 und 4 des Wirtschaftskammergesetzes (BGBl I 1998/103 idF BGBl I 2016/50) als Teil der Wirtschaftskammerorganisation Körperschaften des öffentlichen Rechts iSd § 11a Abs 2 Z 2. Demgegenüber sind zB Kapitalgesellschaften – insbesondere auch wenn der Eigentümer eine Gebietskörperschaft ist (verstaatlichte Industrie) – oder (uE unbegründet) der Österreichische Rundfunk (als Stiftung des öffentlichen Rechts) nicht unter Z 2 subsumierbar. 42 Unklar ist, ob die Wortinterpretation iVm der grammatikalischen Auslegung ergibt, dass die Begünstigung nach § 11a Abs 2 Z 3 nur jenen Personen nach dem 12.3.1938 und spätestens am 8.5.1945 eingeräumt wird, die selbst verfolgt wurden und ob darauf abgestellt wird, ob sie dieser Verfolgung im Gebiet der Republik Österreich oder in einem anderen Land ausgesetzt waren, sofern nur der (gemeinsame) Wohnsitz damals im Gebiet der Republik Österreich gelegen war. UE begünstigt diese Bestimmung – zumal die Bedeutung des § 11a Abs 2 Z 4 aufgrund der Demografie zunehmend abnimmt – alle vor dem 9.5.1945 in Österreich ansässig gewesenen Ehegatten, denen (persönlich) oder deren Partner nationalsozialistisches Unrecht im Gebiet der Republik Österreich oder in einem Drittland (zB im ehemaligen Deutschen Reich) zu310

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gefügt wurde (vgl auch VwGH 19.10.2011, 2011/08/0090; OGH 30.7.1996, 10 ObS 2139/96y; zur Fiktion nach § 2 Abs 1 und 3 St-ÜG 1949 vgl VwSlg 3695 A/1955). Der in § 11a Abs 4 Z 1 verwendete Begriff „Status als Asylberechtigter“ 43 ist im StbG nicht näher definiert. Es ist daher davon auszugehen, dass der Staatsbürgerschaftsgesetzgeber mit diesem Begriff an die – den „Status des Asylberechtigten“ regelnden – Bestimmungen der §§  2 Abs 1 Z 15 und 3 Abs 1 AsylG 2005 angeknüpft und deren Bedeutungsgehalt auch dem Staatsbürgerschaftsrecht zugrunde gelegt hat. Diese Auslegung gebietet nach Ansicht des VwGH schon der allgemeine Grundsatz, wonach nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber innerhalb eines Regelungskomplexes ein und demselben Begriff unterschiedliche Bedeutungen zumisst (vgl etwa VwGH 25.4.2005, 2005/17/0027). Hinzu kommt, dass § 11a Abs 4 Z 1 einen ausdrücklichen Verweis auf das AsylG 2005 enthält. Unter Berücksichtigung des dargelegten systematischen Zusammenhanges ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 11a Abs 4 Z 1, dass die darin enthaltene Begünstigung (durch zeitliche Verkürzung der Mindestaufenthaltsdauer; vgl dazu VwGH 10.4.2008, 2007/01/1394, mwN) ausschließlich jenen Fremden zu Gute kommt, denen seitens der Republik Österreich Asyl gewährt wurde (VwSlg 18.494 A/2012). Ein bloß auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung im Falle der Stellung eines Asylantrages rechtmäßiger Aufenthalt ist nicht mit einem auf Grund einer ausdrücklichen Bewilligung zur Niederlassung rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden gleichzusetzen (vgl auch LVwG Salzburg 11.5.2016, LVwG-11/185/20-2016). So vermittelt eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung einen unsicheren Rechtsstatus, dem bei der Abwägung iSd Art 8 EMRK ein geringerer Stellenwert zukommt als eine Bewilligung zur Niederlassung (VwGH 8.6.2010, 2007/18/0731). Nach den EB (RV 1189 BlgNR, 22. GP, 7 f) sind vom Begriff „Asylberechtigter“ alle Personen umfasst, denen der Status des Asylberechtigten nach AsylG 2005 zuerkannt wurde, oder die – unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmungen des AsylG 2005 (vgl § 75 AsylG 2005) – als Asylberechtigte gelten (soweit dieser Status in der Folge nicht aberkannt wurde). Die Begünstigung für anerkannte Flüchtlinge nach § 11a Abs 4 Z 1 liegt in einer zeitlichen Verkürzung der Mindestaufenthaltsdauer (vgl VwGH 22.8.2007, 2007/01/0695). §  11a Abs  4 setzt im Übrigen aber ausdrücklich voraus, dass auch das Erfordernis eines hinreichend gesicherten Lebensunterhalts nach § 10 Abs 1 Z 7 311

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(iVm Abs  5) erfüllt sein muss. Ist diese Voraussetzung nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von mindestens sechs Jahren nicht gegeben, so muss auch ein anerkannter Flüchtling bis zur Erfüllung dieser gesetzlichen Bedingung mit der Einbürgerung zuwarten. Insofern sind anerkannte Flüchtlinge nicht besser gestellt als andere Verleihungswerber. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft soll den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen, zu der nach der Wertung des Gesetzgebers auch gehört, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften bestreiten kann. Diese (allgemeine) Überlegung gilt auch für Personen, denen der Status als Asylberechtigter zukommt (VwGH 10.4.2008, 2007/01/1394). 44 § 11a Abs 4 Z 4 „kompensiert“ den Wegfall des Erfordernisses eines „besonderen öffentlichen Interesses“ (vgl § 10 Abs 6) sowie der „Bestätigung“ durch die Bundesregierung durch eine (mindestens) sechsjährige Aufenthaltsdauer des Fremden in Österreich. UE kann der „Anspruch“ des Fremden nach Abs 4 Z 4 vorliegen, wenn der Einbürgerungsbewerber durch die Einbürgerung für eine Tätigkeit im österreichischen Interesse, insbesondere im Bereich der Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Medien, des Sports (zB des Einsatzes in einer Nationalmannschaft und/oder bei langfristiger internationaler Perspektive) oder des öffentlichen Dienstes gewonnen oder erhalten werden soll. Der Anspruch kann uE auch gegeben sein bei Angehörigen international tätiger, auch ausländischer Unternehmen und Institutionen oder bei anderen Personen, die aus beruflichen oder geschäftlichen Gründen ihren Aufenthalt vorübergehend ins Ausland verlegen oder häufig dorthin reisen müssen. Das öffentliche Interesse iSd § 11a Abs 4 Z 4 ist uE von der Behörde [allenfalls unter Einholung von Stellungnahmen (zB der WKO)] im Einzelnen zu begründen. Das heißt, dass es zwar im Fall des §  11a Abs 4 Z 4 auch – wie im Fall des § 10 Abs 6 – auf das Vorliegen eines „Staatsinteresses“ ankommt; dass aber einerseits dieses Interesse ungeachtet der „außerordentlichen Leistungen“ des Fremden nur im „Interesse der Republik“ zu liegen hat und das andererseits das Vorliegen dieses (nicht besonderen) Interesses von der Behörde selbständig – uE aber nicht als Vorfrage iSd §  38 AVG (vgl zB VwGH 24.2.2016, Ra 2015/09/0128; VwGH 15.5.2009, 2007/09/0113) – zu beurteilen ist. 45 Fraglich ist, ob im Fall des § 11a Abs 4 Z 4 der Fremde Deutschkenntnisse und Demokratie- und Geschichtskenntnisse iSd § 10a Abs 1 nach312

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zuweisen hat. § 10a Abs 2 Z 1 nimmt nicht auf § 11a Abs 4 Bezug; allerdings wird darin auf § 10 Abs 6 verwiesen. § 10 Abs 6 (vgl dazu auch die „Vorläuferbestimmung“ im § 4 Abs 4 StbG 1925) ist uE die „originäre“ Norm und § 11a Abs 4 Z 4 die diesbezüglich „derivative“ Norm (vgl auch EB). Daraus könnte gefolgert werden, dass § 11a Abs 4 Z 4 iZm § 10a das „rechtliche Schicksal“ mit § 10 Abs 6 teilt und es insofern nur ein redaktionelles Versehen ist, dass darauf in § 10a Abs 2 Z 1 nicht Bezug genommen wird. Wer im Bundesgebiet geboren ist, der hat – unabhängig von Nationali- 46 tät – nach sechs Jahren Aufenthalt in Österreich Anspruch auf die österreichische Staatsbürgerschaft, sofern er die allgemeinen Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3 erfüllt (§ 11a Abs 4 Z 3). Der Gesetzgeber bedient sich der Fiktion des Bundesgebiets bei Geburten auf einem in Österreich registrierten Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig vom Standort des Schiffes oder Luftfahrzeuges (§  11a Abs 5); vgl unten Rz 49 f.

V.  Missbrauchsfälle Die privilegierte Einbürgerung bezieht sich nur auf die Ehe sowie die 47 eingetragene Partnerschaft (vgl §  60). Die Einbürgerung nach §  11a Abs 1 oder 2 darf bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nur ausnahmsweise versagt werden, wenn ein atypischer Fall vorliegt, in dem aus besonderen Gründen der Regelungszweck des § 11a (Herstellung einer einheitlichen österreichischen Staatsangehörigkeit in der Ehe bzw Lebenspartnerschaft) verfehlt würde. Ein solcher atypischer Fall ist nach § 11a Abs 3 dann gegeben, wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft zu einem anderen Zweck – nämlich dem in den Z 1 und 2 des Abs  3 umschriebenen Zweck – als dem der Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft oder partnerschaftlichen Lebensgemeinschaft begründet wurde (Scheinehe). Besteht hingegen eine Ehe bzw Partnerschaft noch formal, wird aber eine eheliche Lebensgemeinschaft oder partnerschaftliche Lebensgemeinschaft nicht oder nicht mehr geführt (gescheiterte Ehe oder gescheiterte Lebenspartnerschaft), liegt uE kein Verleihungshindernis iSd § 11a Abs 3 vor, sondern ist § 11a Abs 1 Z 2 entsprechend anzuwenden bzw zu prüfen. Die EB zu BGBl I 124/1998 verweisen auf das fremdenrechtliche 48 „Scheinehenpaket“; die EB zu BGBl I 2006/37 sprechen generell von 313

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„Missbrauchsfällen“. Allgemein kann unter dem in den EB aufgezeigten Beispielsfall ein rechtsmissbräuchliches Verhalten verstanden werden, das lediglich die (vorzeitige) Verleihung der Staatsbürgerschaft bezweckt, auf die anderenfalls kein Anspruch nach §  11a bestanden hätte. Bei einer Scheinehe ist uE – insbesondere aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten – eine positive Ausübung des Einbürgerungsermessens (vgl §  11) regelmäßig ausgeschlossen (vgl auch dt BVerwG 9.9.2003, 1 C 6.03). Im Fall einer Scheinehe iSd § 11a Abs 3 liegen besondere Umstände vor, die eine Einbürgerung nach Sinn und Zweck des Gesetzes unangemessen erscheinen lassen. Eine Scheinehe eines Nicht-EU-Bürgers mit einem EU-Bürger kann das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinn des Art 8 EMRK und die damit verbundenen aufenthaltsrechtlichen Folgen nicht auslösen (EuGH 23.9.2003, C-109/01).

VI.  Flaggenprinzip 49 § 11a Abs 5 wendet das im Strafrecht geltende Flaggenprinzip an. Ein an Bord von Schiffen oder Luftfahrzeugen geborener Fremder, unabhängig von einer Nationalität des Fremden, ist die österreichische Staatsbürgerschaft (unter den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3) zu verleihen, wenn das Schiff oder Luftfahrzeug die österreichische Flagge berechtigt führt. Rechtliche Grundlage der Fiktion in Abs 5 ist die Zuerkennung der Staatsangehörigkeit zu beweglichem Eigentum (vgl Rah aaO, 250). In diesem (sehr seltenen) Fall muss die im staatsfreien Raum stattgefundene Geburt als im Flaggenstaat verrichtet angesehen werden (Geburtsortprinzip); der Zeitraum am Schiff oder im Flugzeug ist dann bei der Bestimmung der Mindestdauer des Aufenthalts im Bundesgebiet entsprechend zu berücksichtigen. 50 Vor dem Hintergrund von Flüchtlingsbewegungen im Mittelmeer könnte sich die Frage stellen, welche Folgen aus der Rechtsnatur der Flaggenhoheit über das Schiff (zB ein unter österreichischer Flagge verkehrendes Handelsschiff) resultieren und ob sich daraus Folgerungen für die staatsbürgerrechtliche Behandlung von schwangeren Asylsuchenden und Migranten ableiten lassen. Eindeutig ist, dass derartige Fremde, die etwa aus Seenot von einem Schiff gerettet werden, sich ab diesem Zeitpunkt unter der Jurisdiktion des Flaggenstaates befinden. Der Gesetzgeber hat für diesen Fall keine zu Abs 5 iVm Abs 4 Z 3 des § 11a abweichende Vorschrift vorgesehen, weshalb – ungeachtet einer 314

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fehlenden Effektivität der Ausübung von Hoheitsgewalt auf Handelsschiffen (und ungeachtet des Art 89 SRÜ: kein Staat darf sich einen Teil der Hohen See „aneignen“) – uE davon auszugehen ist, dass auch für nach der Rettung am Schiff von schiffsbrüchigen Fremden (Asylsuchenden und Migranten) Geborene Abs 5 gilt.

VII.  Besonders gut integrierte Personen In dem – im Rahmen der Gesetzwerdung kritisierten – §  11a Abs  6 51 kommt es auf besonders integrationsbegründende Umstände an, die es rechtfertigen sollen, dem Fremden einen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft nach bereits sechsjährigem Aufenthalt in Österreich zu gewähren. Im Unterschied zu § 10 muss uE der Staatsbürgerschaftswerber im Fall des § 11a Abs 6 ein besonders hohes Maß an Integration vorweisen können, um den (aus den EB nicht klar ersichtlichen) Absichten des Gesetzgebers der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 2013 zu entsprechen. Es kommt also nicht nur darauf an, dass zB der Fremde seit längerer Zeit in einem Beschäftigungsverhältnis steht, dass eine Verständigung in deutscher Sprache mit ihm gut möglich ist, dass er sich weitgehend an die „österreichischen Verhältnisse“ angepasst hat und dass ein Ehegatte und allenfalls gemeinsame Kinder mit ihm seit geraumer Zeit in Österreich leben, sondern dass er darüber hinaus entweder die deutsche Sprache auf B2-Niveau des GERS beherrscht (§ 11a Abs  6 Z  1) oder – bei B1-Niveau – aufgrund bestimmter Tätigkeiten nachhaltig persönlich im Inland verankert ist (§ 11a Abs 6 Z 2). Nach Z 1 verkürzt eine selbstständige Sprachverwendung auf B2-Ni- 52 veau – also obere Mittelstufe – die Wartefrist auf sechs Jahre. Hierbei ist zwischen Verstehen, Sprechen und Schreiben zu unterscheiden. Beim Verstehen kann wieder zwischen Hören und Lesen unterschieden werden. B2-Niveau iZm Verstehen durch Hören heißt, der Fremde kann längere Redebeiträge und Vorträge verstehen und auch komplexer Argumentation folgen, wenn ihm das Thema einigermaßen vertraut ist. Er kann am Fernsehen die meisten Nachrichtensendungen und aktuellen Reportagen verstehen. Er kann die meisten Spielfilme verstehen, sofern Standardsprache gesprochen wird. B2-Niveau iZm Verstehen durch Lesen heißt, der Fremde kann Artikel und Berichte über Probleme der Gegenwart lesen und verstehen, in denen die Schreibenden eine bestimmte Haltung oder einen bestimmten Standpunkt vertreten. Er kann zeitgenössische literarische Prosatexte verstehen. 315

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B2-Niveau iZm Sprechen bezieht sich zum einen auf das Teilnehmen an Gesprächen; das heißt wiederum, der Fremde kann sich so spontan und fließend verständigen, dass ein normales Gespräch mit einem Muttersprachler recht gut möglich ist. Er kann sich in vertrauten Situationen aktiv an einer Diskussion beteiligen und seine Ansichten begründen und verteidigen. B2-Niveau iZm Sprechen bezieht sich zum anderen auf das Sprechen in Zusammenhängen: Der Fremde kann zu vielen Themen aus seinen Interessengebieten eine klare und detaillierte Darstellung geben. Er kann einen Standpunkt zu einer aktuellen Frage erläutern und Vor- und Nachteile verschiedener Möglichkeiten angeben. B2-Niveau iZm Schreiben setzt voraus, dass der Fremde über eine Vielzahl von Themen, die ihn interessieren, klare und detaillierte Texte schreiben kann. Er kann in einem Aufsatz oder Bericht Informationen wiedergeben oder Argumente und Gegenargumente für oder gegen einen bestimmten Standpunkt darlegen. Er kann Briefe schreiben und darin die persönliche Bedeutung von Ereignissen und Erfahrungen deutlich machen. Qualitative Aspekte des mündlichen Sprachgebrauchs auf B2-Niveau umfassen folgende Punkte: 1. Der Fremde verfügt über ein ausreichend breites Spektrum von Redemitteln, um in klaren Beschreibungen oder Berichten über die meisten Themen allgemeiner Art zu sprechen und eigene Standpunkte auszudrücken; sucht nicht auffällig nach Worten und verwendet einige komplexe Satzstrukturen. 2. Der Fremde zeigt eine recht gute Beherrschung der Grammatik. Macht keine Fehler, die zu Missverständnissen führen, und kann die meisten eigenen Fehler selbst korrigieren. 3. Der Fremde kann in recht gleichmäßigem Tempo sprechen. Auch wenn er eventuell zögert, um nach Strukturen oder Wörtern zu suchen, entstehen nur kaum auffällig lange Pausen. 4. Der Fremde kann Gespräche beginnen, die Sprecherrolle übernehmen, wenn es angemessen ist, und das Gespräch beenden, wenn er möchte, auch wenn das möglicherweise nicht immer elegant gelingt. Er kann auf vertrautem Gebiet zum Fortgang des Gesprächs beitragen, indem er das Verstehen bestätigt, andere zum Sprechen auffordert usw. 5. Der Fremde kann eine begrenzte Anzahl von Verknüpfungsmitteln verwenden, um seine Äußerungen zu einem klaren, zusammenhängenden Beitrag zu verbinden; längere Beiträge sind möglicherweise etwas sprunghaft. 53 Gleichwertig gegenüber Z 1 legt Z 2 iVm einer Sprachkenntnis auf B1Niveau Indizien für eine besonders nachhaltige persönliche Integration 316

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des Fremden fest. Offenbar will der Gesetzgeber mit den drei Fallvarianten in lit a bis c des § 11a Abs 6 Z 2 ein mehrjähriges soziales uneigennütziges Engagement des Fremden im Dienst der Gesellschaft fördern und durch die damit verbundene Möglichkeit der Verminderung der Wartezeit auf sechs Jahre auch „belohnen“. Allerdings wird dieser gesetzgeberische Wille durch das Erfordernis, dass diese Tätigkeit „dem Allgemeinwohl in besonderer Weise dienen und einen integrationsrelevanten Mehrwert“ darstellen soll, (stark) relativiert; vgl oben Rz 25 ff. UE wäre – zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit und -unklarheit – eine Quantifizierung (etwa durch Festlegung einer Mindeststundenanzahl an karitativer Tätigkeit als „Richtlinie“) für einen (einheitlichen) Vollzug zweckmäßig. Gemäß dem vorletzten Satz des Abs 6 sind sowohl die Umstände, aus 54 denen sich die „nachhaltige persönliche Integration“ ergibt, als auch die Umstände, aus denen sich der integrationspolitische Mehrwert der Tätigkeit ergibt, „ausführlich zu begründen“. Diese Anordnung ist jedenfalls (auch) insofern unklar, als jener Umstand, aus dem sich – dem ersten Satz des Schlussteils zur Z 2 zufolge – die „nachhaltige persönliche Integration“ im Sinn dieser Bestimmung ergibt, gerade die Tätigkeiten mit „Mehrwert für die Integration“ sind. Die Notwendigkeit einer Begründung des integrationspolitischen Mehrwertes in einer schriftlichen Stellungnahme kann sich wohl nur auf Tätigkeiten beziehen, die nicht bereits in der demonstrativen Aufzählung der lit a bis c genannt sind (vgl auch Stellungnahme des VD des BKA vom 5.3.2013, BKA601.283/0002-V/5/2013). Fraglich ist, ob eine nicht ausreichend begründete Stellungnahme iSd 55 § 11a Abs 6 letzter Satz ein verbesserungsfähiger Mangel gemäß § 13 Abs  3 AVG ist. Wenn eine solche Stellungnahme einer Verbesserung nicht zugänglich ist, die Behörde aber dennoch dem Fremden (etwa unter Abstellung auf die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach §  10) einen Verbesserungsauftrag erteilt, könnte eine Nichterfüllung dieses Verbesserungsauftrages von vornherein nicht die Antragszurückweisung zur Folge haben. Unstrittig ist uE, dass mit Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs 3 AVG vorzugehen ist, wenn der Fremde keine Stellungnahme (oder eine nicht begründete Stellungnahme) iSd § 11a Abs 6 letzter Satz vorgelegt hat; vgl § 19 Rz 25. Legen der Fremde (und die Institution) eine begründete Stellungnahme 56 vor, so ist im Fall einer mangelhaften „ausführlichen“ Begründung uE 317

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fraglich, ob § 13 Abs 3 AVG anwendbar ist. Bei den von § 13 Abs 3 AVG erfassten – materiellen oder formellen – Mängeln handelt es sich nur um das Fehlen von für die Partei erkennbaren Anforderungen an ein vollständiges und fehlerfreies Anbringen. Davon sind sonstige Unzulänglichkeiten zu unterscheiden, welche nicht die Vollständigkeit des Anbringens betreffen, sondern im Lichte der anzuwendenden Vorschriften seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen. Ob es sich bei einer im Gesetz umschriebenen Voraussetzung um einen (zur Zurückweisung des Antrags führenden) „Mangel“ iSd § 13 Abs 3 AVG, oder aber um das (zur Antragsabweisung führende) Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung handelt, ist durch die Auslegung der jeweiligen Bestimmung des Materiengesetzes zu ermitteln (vgl VwGH 29.4.2010, 2008/21/0302; VwGH 22.10.2013, 2012/10/0213). Nach § 11a Abs 6 ist die Staatsbürgerschaft einem Fremden zu verleihen, wenn er sich mindestens sechs Jahre rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich aufhält, die allgemeinen Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3 erfüllt und die spezielle Voraussetzung nach Z 1 oder lit a bis c der Z 2 des § 11a Abs 6 vorliegt. Wenn daher die Behörde einen Fremden zB auffordert, eine vorgelegte Stellungnahme „ausführlicher“ zu begründen, so könnte der den Gegenstand des Verbesserungsauftrages bildende Umstand eine unzulässige nachbessernde Erfolgsvoraussetzung darstellen. Umgekehrt könnte die Behörde mit dieser Aufforderung den Anforderungen nach §  13 Abs  3 AVG entsprechen – nämlich im Verbesserungsauftrag konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen (vgl VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079). UE sollte jedenfalls dann nach § 13 Abs 3 AVG vorgegangen werden, wenn der Inhalt der Begründung in der Stellungnahme unklar ist; in diesem Fall ist die Behörde verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (vgl VwGH 15.5.2013, 2011/08/0012). 57 Die mindestens dreijährige Tätigkeit in einem gemeinnützigen Sektor anerkennt der Gesetzgeber als „Anhaltspunkt für die nachhaltige Integration“ des Fremden (vgl EB). Einen Aufschluss über die Art  und Weise dieser Tätigkeit im oder außerhalb des Berufes des Fremden gibt unter anderem der Verweis auf § 35 BAO (vgl § 11a Abs 6 Z 2 lit a) und die hierzu ergangene Rechtsprechung des VwGH. Die Behörde hat nicht nur zu prüfen, ob die Organisation, der Arbeitgeber oder der Interessensverband die Vorgaben des Gesetzes erfüllt, sondern auch, ob diese Tätigkeit das „Allgemeinwohl“ unterstützt; hierbei können zB 318

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weitere Unterlagen [wie zB der Projektbericht betreffend „Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und -gruppen in Wien“ (2016)] herangezogen bzw berücksichtigt werden (vgl auch unten Rz 58). ­Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Förderung von Rechtssubjekten durch die öffentliche Hand nicht gegen die Annahme der Gemeinnützigkeit spricht, sondern in vielen Fällen als Indiz für das Vorliegen gemeinnütziger Zwecke angesehen werden kann (vgl VwGH 19.9.1990, 89/13/0177). Die Betätigung einer Körperschaft auf religiösem Gebiet wird nur 58 dann als gemeinnützig anzuerkennen sein, wenn sich die ideelle Zielsetzung der Aktivitäten von vornherein an die Allgemeinheit wendet, wobei in erster Linie sittliche, karitative und ethische Wertvorstellungen vermittelt werden (VwSlg 7692 F/2002); ablehnend im Fall des Vereins „Scientology Kirche Österreich“ VwGH 10.6.1991, 90/15/0021. Die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke müssen durch die Körperschaft selbst und unmittelbar gefördert werden. Wenn Idealziele gefördert werden sollen, diese Ziele aber über den Weg und mit Hilfe Dritter erreicht werden, dann wäre das Unmittelbarkeitsprinzip nicht erfüllt. Die zweite Seite des Unmittelbarkeitsprinzips ist die, dass die begünstigten Zwecke direkt und nicht über selbständige Rechtsträger oder Wirtschaftskörper gefördert werden dürfen (VwSlg 7126 F/1996). Die Förderung von Einrichtungen einer Gemeinschaftsverpflegung bewirkt direkt eine bessere Verköstigung der Verpflegten aber nur indirekt auch eine Förderung der Allgemeinheit (VwGH 11.4.1991, 90/13/0296). Maßgebend für die Beurteilung der Gemeinnützigkeit einer Betätigung ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nach ist das Streben nach Verwirklichung gemeinnütziger Satzungszwecke mit den statutengemäß dazu vorgesehenen Mitteln. Dabei muss bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgegangen werden, dass ein Verein seine Tätigkeit statutenkonform ausübt (VwGH 23.11.1990, 87/17/0359). Bleibt in Betrachtung der entfalteten Tätigkeit nur das Bild typischer gewerblicher Betätigung übrig, dann wird eine solche Betätigung nicht deswegen wieder gemeinnützig, weil sie in bestimmten Perioden ertraglos oder verlustreich geworden ist (VwGH 28.5.1997, 94/13/0219). Politische Parteien können nicht als gemeinnützig anerkannt werden. Zweck der politischen Parteien und politischen Vereine ist es nämlich, auf die Willensbildung bei Bund, Land und Gemeinde Einfluss zu nehmen. Auch wenn dadurch die einzelne Körperschaft, zB die Ge319

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meinde, veranlasst wird, gemeinnützige Aufgaben zu erfüllen, so fehlt es insoweit doch an der Unmittelbarkeit der Zweckverwirklichung; denn der gemeinnützige Zweck wird letztlich erst von der Körperschaft und nicht von dem politischen Verein erfüllt (VwSlg 7126 F/1996). Die Förderung einzelner, wenn auch in ihrer Anzahl nicht beschränkter Wirtschaftssubjekte, etwa durch die Übernahme von Bürgschaften oder auch die Förderung ganzer Wirtschaftszweige ist in erster Linie eine Förderung von Wirtschaftstreibenden, die nur mittelbar im Hinblick auf die innige Verflechtung der modernen Volkswirtschaft der Allgemeinheit zugute kommt (VwGH 20.10.1982, 13/1649/79, 13/1650/79). Im Fall der Besorgung von Aufgaben des Umweltschutzes kann diese Betätigung einen gemeinnützigen Zweck iSd BAO darstellen, wenn die Körperschaft nach ihrer Rechtsgrundlage (hier: Satzung) und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar der Förderung gemeinnütziger Zwecke dient. Scheint in der Satzung als Vereinszweck nicht nur der aktive Umweltschutz, sondern auch die Produktionsförderung, ein privatwirtschaftliches Ziel, auf, stellt dies keine Betätigung für gemeinnützige Zwecke iSd § 35 Abs 1 BAO dar (VwGH 11.4.1991, 90/13/0222). Der Betrieb einer Schule ist nicht unter den Begriff der Kinderfürsorge und Jugendfürsorge zu subsumieren. In §  35 Abs  2 BAO sind aber neben der Kinderfürsorge und Jugendfürsorge die Schulbildung, die Erziehung, die Volksbildung und die Berufsausbildung gesondert angeführt. Damit ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass es sich bei den Begriffen der Schulbildung einerseits und der Kinderfürsorge und Jugendfürsorge andererseits nicht um (partiell) deckungsgleiche Begriffe handelt. Auch in der Literatur werden zur Kinderfürsorge und Jugendfürsorge im Wesentlichen das Betreiben von Kindergärten, Kinderheimen und Studentenheimen gezählt (VwGH 20.9.1995, 95/13/0127). Nicht jede der Erwachsenenbildung dienende Lehraufgabe verfolgt einen wissenschaftlichen Zweck (VwGH 28.9.1994, 94/13/0143). Kleingartenvereine und Schrebergartenvereine erfüllen grundsätzlich nicht die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit iSd BAO, weil sie in der Regel nur die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, ohne die Allgemeinheit zu fördern. Besteht der Satzungszweck im Ziel einer vernünftigen Freizeitgestaltung der Vereinsmitglieder, stellt dies keine Förderung der Allgemeinheit dar, die dem Gemeinwohl auf geistigem, kulturellem, sittlichem oder materiellem Gebiet nützt (VwGH 26.1.1994, 92/13/0059). 320

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Von einer Mildtätigkeit iSd § 35 Abs 2 BAO kann keine Rede sein, wenn etwa eine enge Beziehung zwischen Vereinsmitgliedern und der unterstützten Person besteht bzw Förderer und Geförderte dem gleichen kleinen Personenkreis angehören; in solchen Fällen kann von einer Verfolgung rein selbstloser Zwecke nicht mehr gesprochen werden. Wenn zB ein Schwimmbad von einem Verein, dessen Mitglieder zu drei Vierteln der Anteile eigenwirtschaftlich am Fremdenverkehr interessiert sind, betrieben wird, dient es nicht ausschließlich dem gemeinnützigen Zweck der Förderung des Körpersports (VwGH 26.9.1973, 1650/72). Im Fall der Berufstätigkeit des Fremden iSd § 11a Abs 6 Z 2 lit b – etwa 59 bei Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz, Samariterbund und Volkshilfe – muss das dafür erhaltene Einkommen die Geringfügigkeitsgrenze „erreichen“. Die Geringfügigkeitsgrenze beträgt derzeit (2017) monatlich Euro 425,70; diesen Betrag muss der Fremde iZm einer Beschäftigung bei einer Bildungs-, Sozial- oder Gesundheitseinrichtung zumindest verdienen; § 10 Abs 1 Z 7 bleibt davon unberührt. § 11a Abs 6 Z 2 lit c definiert nicht die Begriffe „Interessenverband“ 60 und „Interessenvertretung“. Die EB erwähnen hierfür als uE etwas weit hergeholte Beispiele die Betätigung als Betriebsrat oder als Elternvereinssprecher. In Frage kommt beispielsweise auch ein Engagement in einer gesetzlichen beruflichen Interessenvertretung (etwa in einer berufsständigen Kammer) oder im Gewerkschaftsbund bzw in Berufsverbänden. Lit c umfasst (mangels entgegenstehendem Wortlaut) jede – auch noch so kleine – Interessenvertretungsorganisationen; vorausgesetzt sie ist im Rahmen einer demokratischen Ordnung geboten. Wegen der durch lit c – im Vergleich zu lit a und b – (sehr) weiten Tätigkeitsmöglichkeiten zum Nachweis der persönlichen Integration könnte dem damit im Zusammenhang stehenden Prüfungsmaßstab des Allgemeinwohls (vgl auch § 11 Rz 19 f) besondere Bedeutung zukommen.

§ 11b. (1) Einem im Bundesgebiet aufhältigen Kind, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, ist diese unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 5 und 6 auf Antrag zu verleihen, wenn es von einem Staatsbürger an Kindesstatt angenommen wurde. (2) Vom Erfordernis des Aufenthaltes gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn der maßgebliche Wahlelternteil nachweislich den Mittel321

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punkt der Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. (3) Die Verleihung ist von der Behörde binnen sechs Wochen ab Antragstellung vorzunehmen. [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl I 136/2013 Mit dem vorgeschlagenen § 11b soll die Einbürgerung von Adoptivkindern erleichtert werden. Mit Blick auf die besondere Situation von adoptierten Fremden im Kindesalter erscheint es sachgerecht, für diese Personengruppe ein erleichtertes und mit verkürzten Fristen ausgestattetes Verfahren zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu normieren. Der persönliche Anwendungsbereich dieser Norm erscheint vor dem Hintergrund des Sinnes und Zweckes dieser Norm als gerechtfertigt. So orientiert sich die Altersgrenze, die mit der Vollendung des 14. Lebensjahres festgelegt werden soll, daran, dass gerade bei diesen jungen Menschen der Prüfmaßstab im Rahmen eines Verleihungsverfahrens in sachgerechter Weise begrenzt werden kann. Denn gerade bei dieser Personengruppe liegen jene Verleihungsvoraussetzungen, auf deren Prüfung mit der vorgeschlagenen Regelung verzichtet wird, ohnehin regelmäßig vor. So wird z.B. das im regulären Verleihungsverfahren erforderliche Einkommen bei der hier gewählten Personengruppe regelmäßig von den Wahleltern ableitbar sein, da Kinder in diesem Alter in der Regel kein eigenes Einkommen haben und mit den Wahleltern in einem gemeinsamen Haushalt leben. Folge dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist schließlich, dass das Verleihungsverfahren regelmäßig in einem schnelleren Verfahren mündet und somit der Verleihungswerber und dessen Wahleltern schneller Kenntnis über den Ausgang des Verfahrens erhalten werden. Inhaltsübersicht

Rz I. Adoption unter 14-Jähriger durch Österreicher.................................... 1 II. Verleihungsvoraussetzungen..................................................................... 8 III. Verfahren....................................................................................................... 19 Schrifttum zu § 11b:

Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Adoption unter 14-Jähriger durch Österreicher 1 Durch §  11b StbG wurde mit 1.8.2013 eine Sonderregelung für unmündige minderjährige Adoptivkinder von Österreichern eingeführt. 322

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§ 11b normiert dabei einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft. Im Interesse des Kindeswohls sollte entsprechend den EB für diese Per- 2 sonengruppe ein vereinfachtes Einbürgerungsverfahren geschaffen werden. Aufgrund der Vereinfachung des Verfahrens durch Wegfall von sonst erforderlichen Verleihungsvoraussetzungen sei auch eine raschere Verfahrensführung möglich. Bei unter 14-Jährigen, die von einem oder zwei Österreichern adop- 3 tiert worden sind, sind in Abweichung von den allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG nur der Aufenthalt in Österreich bzw alternativ der dauerhafte Auslandsaufenthalt des Adoptivelternteils, das Fehlen einer wesentlichen Beeinträchtigung internationaler Beziehungen der Republik Österreich durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft und der Umstand, dass nach dem bisherigen Verhalten des unmündigen Minderjährigen Gewähr dafür geboten ist, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt, noch andere in Art  8 Abs  2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet, nachzuweisen. Im Detail zu diesen Verleihungsvoraussetzungen vgl im Folgenden II. Die Altersgrenze von 14 Jahren wurde nach den EB vom Gesetzgeber 4 bewusst gewählt, weil gerade bei derart jungen Einbürgerungswerbern der Prüfungsmaßstab begrenzt werden könne. Dies im Hinblick darauf, dass bei dieser Personengruppe jene Verleihungsvoraussetzungen, auf deren Prüfung in § 11b verzichtet wird, ohnehin regelmäßig vorliegen. So sei zB der geforderte Unterhaltsnachweis regelmäßig von den Wahleltern ableitbar, da Kinder in diesem Alter in der Regel kein eigenes Einkommen haben und mit den Wahleltern in einem gemeinsamen Haushalt leben. Entgegen den Ausführungen in den EB ist uE das Bestehen einer sach- 5 lichen Rechtfertigung für die Festsetzung der Altersgrenze mit 14 Jahren nicht zwingend anzunehmen. Tatsächlich besteht insbesondere die Schulpflicht bei Minderjährigen noch über das 14. Lebensjahr hinaus. Dies ergibt sich aus §§ 2 und 3 SchPflG 1985, wonach die allgemeine Schulpflicht für Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, mit dem auf die Vollendung des 6. Lebensjahres folgenden 1. September beginnt und neun Schuljahre dauert. 323

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Weiters sind auch Minderjährige im Alter zwischen 14 und 18 Jahren in aller Regel nicht selbsterhaltungsfähig und leben, auch wenn die EB Gegenteiliges nahelegen, meistens noch bei ihren Eltern, die auch eine Unterhaltspflicht gegenüber ihren minderjährigen Kindern trifft. 6 Gerade aufgrund des Umstandes, dass auch im Adoptionsverfahren das Bestehen eines tatsächlichen Naheverhältnisses zwischen Wahlkind und Eltern gefordert wird, ist als Regelfall davon auszugehen, dass bei einer erst kürzlich erfolgten Adoption auch eines über 14- aber unter 18-Jährigen dieselben Erwägungen zum Tragen kommen, welche die EB für die Privilegierung unter 14-Jähriger ins Treffen führt. 7 Auch im Hinblick auf das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern, welches uneingeschränkt für alle Minderjährigen in Österreich gilt, lässt sich uE ableiten, dass im Sinne der vorrangigen Berücksichtigung des Kindeswohls eine Ungleichbehandlung von mündigen und unmündigen Minderjährigen unzulässig ist.

II.  Verleihungsvoraussetzungen 8 Neben den Tatbestandsvoraussetzungen des § 11b, wonach das betroffene Kind unter 14 und seine rechtskräftige und in Österreich rechtsgültige Adoption durch einen Österreicher erfolgt sein muss, lassen sich aus § 11b Abs 1 und Abs 2 noch einige, in Relation zu den allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 StbG sehr wenige, Verleihungsvoraussetzungen entnehmen. Als Adoption im Sinn des § 11b StbG haben nicht nur Annahmen an Kindesstatt durch österreichische Gerichte, sondern auch solche durch ausländische Gerichte oder Behörden, sofern diesen (zB aufgrund des Haager Adoptionsübereinkommens, BGBl III 145/1999) Rechtsverbindlichkeit in Österreich zukommt, zu gelten. 9 § 11b verlangt auch nicht, dass nach Adoption bereits ein bestimmter Zeitraum vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft vergangen sein muss. Es kann daher sofort nach Erhalt der Rechtskraftbestätigung der Adoptionsentscheidung bzw des Nachweises über die Anerkennung der Adoption ein Antrag gemäß § 11b StbG gestellt werden, sofern die sonstigen Verleihungsvoraussetzungen erfüllt sind. 10 Grundsätzlich wird in § 11b Abs 1 gefordert, dass das adoptierte Kind sich in Österreich aufhalten muss. Ein rechtmäßiger Aufenthalt oder 324

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gar eine Niederlassung (vgl dazu die Kommentierung zu § 10 Abs 1 Z 1 StbG) wird vom Gesetz ausdrücklich nicht gefordert. Auch eine Mindestaufenthaltsdauer ist für diese Fälle der Einbürgerung in Abweichung vom Regelfall nicht vorgesehen. Alternativ kann vom Erfordernis des Aufenthalts in Österreich gemäß 11 Abs 2 leg cit sogar abgesehen werden, wenn der maßgebliche österreichische Adoptivelternteil nachweislich seinen Lebensmittelpunkt und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. Für die Beurteilung, wo der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Wahlelternteils gelegen ist, kann uE sinngemäß die Judikatur des VwGH zum Lebensmittelpunkt in Österreich herangezogen werden. Es ist also nicht allein auf eine polizeiliche Meldung (im Ausland) abzustellen. Ebenso wenig schaden kurzfristige Unterbrechungen der körperlichen Anwesenheit sowie Zeiten einer Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts (vgl VwGH 19.12.2006, 2003/21/0237 mwN). Eine polizeiliche Meldung (im Ausland) kann zwar ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines Hauptwohnsitzes sein, ist aber nicht notwendige Voraussetzung. Es geht vielmehr um den tatsächlichen Aufenthalt und die Absicht, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen. Maßgeblich ist der freiwillige, faktische Aufenthalt an einem bestimmten Ort mit der Absicht, an diesem den Mittelpunkt der wirtschaftlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Betätigung zu begründen (VwGH 9.9.2003, 2002/01/0398 unter Hinweis auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, S 114 mwN). Weiters können, auch wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen mit 12 der Hauptwohnsitzmeldung im Sinne des Meldegesetzes ident ist, die dortigen Parameter herangezogen werden. Gemäß § 1 Abs 8 MeldeG sind für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen sowie Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften. Abgesehen vom Aufenthalt des Kindes in Österreich oder dem nach- 13 weislichen Lebensmittelpunkt und Aufenthalt des Adoptivelternteils 325

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im Ausland, sind nur zwei weitere Verleihungsvoraussetzungen zu erfüllen, die gerade bei Minderjährigen meist keine Rolle spielen werden: § 10 Abs 1 Z 5, wonach durch die Verleihung der Staatsbürgerschaft die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt werden und Z 6, wonach der Einbürgerungswerber nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür zu bieten hat, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art 8 Abs 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Beides wird bei einem Minderjährigen, insbesondere bei einem unmündigen Minderjährigen in aller Regel kein praktisches Verleihungshindernis darstellen (vgl die Kommentierung der jeweiligen Bestimmungen). 14 Gerade die in der Praxis sehr wesentlichen allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen der Aufenthaltsdauer und Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bzw Niederlassung in Österreich sowie des gesicherten Lebensunterhalts müssen in Fällen des § 11b StbG nicht nachgewiesen werden, was eine weitgehende Erleichterung dieser Einbürgerungsvariante darstellt. 15 Schon aufgrund von § 10a Abs 2 Z 2 StbG haben junge Einbürgerungswerber aufgrund ihres Alters (zum Zeitpunkt der Antragstellung unmündige Minderjährige) auch keinen Deutschnachweis zu erbringen und selbstverständlich auch die Staatsbürgerschaftsprüfung nicht abzulegen. 16 Die sonstigen Verleihungshindernisse des §  10 StbG, von denen in § 11b StbG abgesehen wird, sollten im Übrigen für die Minderjährigen auch keine praktische Relevanz haben, zumal unmündige Minderjährige noch strafunmündig sind. 17 Dass § 11b explizit nur auf die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 5 und 6 Bezug nimmt und nicht auch auf § 10 Abs 3 kann uE dahingehend ausgelegt werden, dass bei Fällen der Einbürgerung gemäß § 11b eine Doppelstaatsbürgerschaft zulässig ist. Judikatur zu dieser Rechtsfrage gibt es bisher nicht. 18 Da es sich bei § 11b StbG um eine relativ junge Regelung eines neuen Verleihungstatbestandes handelt, existiert noch keine Judikatur zu dieser Bestimmung. Freilich wird auch der praktische Anwendungsbereich des § 11b StbG nicht besonders groß sein. 326

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III.  Verfahren Die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §  11b StbG ist von der 19 Behörde binnen sechs Wochen ab Antragstellung vorzunehmen. Dies scheint im Hinblick darauf, dass polizeiliche Erhebungen offenkundig nicht durchzuführen sind und auch die komplexe Unterhaltsberechnung nicht vorgenommen werden muss, realistisch und ist ein begrüßenswerter legistischer Ansatz. In der Praxis wird sich jedoch häufig das Problem stellen, dass die 20 Staatsbürgerschaftsbehörde, insbesondere jene in Wien, aufgrund des hohen Arbeitsanfalls überlastet ist, sodass auch durchaus mit längeren Bearbeitungszeiten gerechnet werden muss. Für den Fall, dass die Entscheidungsfrist von der Behörde missachtet wird, besteht die Möglichkeit einer Säumnisbeschwerde, über die das örtlich zuständige Verwaltungsgericht des jeweiligen Landes zu entscheiden hat.

§  12. (1) Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des §  10

Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er 1. nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 32 bis 34) oder des Verzichts auf die Staatsbürgerschaft (§  37) Fremder ist und entweder a) seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat oder b) seit mindestens 15 Jahren seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist; 2. die Staatsbürgerschaft zu einer Zeit, da er nicht eigenberechtigt war, auf andere Weise als durch Entziehung nach §§ 32 oder 33 verloren hat, seither Fremder ist, sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und die Verleihung der Staatsbürgerschaft binnen zwei Jahren nach Erlangung der Eigenberechtigung beantragt oder 3. die Staatsbürgerschaft nach § 17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben kann, weil der hierfür maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist und die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Z 2 vorliegen. 327

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Vom Erfordernis der Niederlassung nach § 16 Abs. 1 Z 2 lit. a ist abzusehen, wenn der maßgebliche Elternteil (Wahlelternteil) nachweislich den Mittelpunkt der Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. (2) Einem unmündigen minderjährigen Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 5 und 6 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. dieser zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig niedergelassen war (§ 2 Abs. 2 NAG), 2. dessen Vater zum Zeitpunkt der Geburt Staatsbürger ist, 3. dessen Vater die Vaterschaft gemäß § 144 Abs. 1 Z 2 ABGB anerkannt hat oder diese gemäß § 144 Abs. 1 Z 3 ABGB festgestellt wurde, und 4. ein Fall des § 7 nicht vorliegt. Vom Erfordernis der Niederlassung gemäß Z  1 ist abzusehen, wenn der Vater nachweislich den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. [idF BGBl I 136/2013/136] EB zu BGBl 311/1985 Mit dieser Bestimmung wird der Umstand berücksichtigt, daß viele Österreicher ausschließlich wegen ihres besseren beruflichen Fortkommens im Ausland oder aus sonstigen erheblichen Gründen eine fremde Staatsangehörigkeit annehmen, obwohl sie sich Österreich nach wie vor verbunden fühlen. Von diesen Personen wird es bei ihrer Rückkehr nach Österreich als besondere Härte empfunden, wenn sie bis zur Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft längere Zeit (bis zur Novelle 1973: 3 Jahre) warten müssen. Die minderjährigen ehelichen ledigen Kinder der Frau sollen nach dieser Bestimmung jenen des Mannes beim Erwerb der Staatsbürgerschaft vollkommen gleich gestellt werden, wenn nur der maßgebliche Elternteil österreichischer Staatsbürger ist. Auch den minderjährigen unehelichen ledigen Kindern, deren Vater österreichischer Staatsbürger ist, soll künftig unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft eingeräumt werden. Für diese Maßnahmen sprechen Gleichheitserwägungen und das Streben nach einer einheitlichen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie. Mit dieser Bestimmung soll auch die staatsbürgerschaftsrechtliche Stellung minderjähriger lediger Wahlkinder in Ansehung der im Europäischen Übereinkommen vom 24.4.1967 über die Adoption von Kindern, BGBl. Nr. 314/1980, festgelegten allgemeinen Grundsätze sowie der mit der Annahme an Kindes statt

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gemäß § 182 ABGB eintretenden familienrechtlichen Wirkungen und des zu berücksichtigenden Grundsatzes der Familieneinheit auf dem Gebiet der Staatsbürgerschaft verbessert werden. Den minderjährigen ledigen Wahlkindern soll ein Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft eingeräumt werden, wenn zumindest ein Wahlelternteil die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Aus denselben Erwägungen soll auch die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden unter bestimmten Voraussetzungen auf dessen minderjährige ledige Wahlkinder erstreckt werden können. Der Absicht, künftig auch bestimmten volljährigen behinderten Kindern österreichischer Staatsbürger einen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft einzuräumen, liegen gleichfalls familienrechtliche Erwägungen zugrunde. EB zu BGBl 124/1998 Nach geltendem Recht haben Fremde nach 30 Jahren den Rechtsanspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Diese Frist bleibt im Novellierungsvorschlag unangetastet. Die Einfügung der Z 5 ermöglicht dem Fremden jedoch bereits nach 15 Jahren diesen Rechtsanspruch auf Verleihung zu erheben, wenn er nachweist, daß er nachhaltig persönlich und beruflich in Österreich integriert ist. Die Nachweiserfordernisse sind dieselben wie die zuvor zu §  10 Abs 5 Z 3 genannten. EB zu BGBl 37/2006: Die vorgeschlagenen Normen regeln, wann ein Fremder weiters einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft hat. Besteht ein ununterbrochener Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, ist dem Fremden, unabhängig von seinem konkreten Aufenthaltsstatus, nach 30 Jahren jedenfalls die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn die im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegen (Z 1 lit. a). Die Änderung des Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet ist belanglos. Mit dieser Norm soll allen Personen – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus –, die bereits über diesen außerordentlich langen Zeitraum in Österreich leben, die Möglichkeit zur gänzlichen Integration gegeben werden. Nach 15 Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenen Aufenthalt – beispielsweise fünf Jahre als Asylwerber und anschließend zehn Jahre als subsidiär Schutzberechtigter – hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft. Zusätzlich zum legalen Aufenthalt hat der Betroffene jedoch seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachzuweisen (Z  1 lit. b). Es erscheint gerechtfertigt, dass Fremde, die nicht zur Niederlassung oder zum dauernden Aufenthalt, sondern nur zu einem befristeten Aufenthalt nach Österreich gekommen sind, eine längere Integrationszeit vor Erlangung der Staatsbürgerschaft hinter sich bringen müssen als Fremde, deren Zuwanderungsziel die dauernde Niederlassung war oder die als Flüchtlinge bevorzugt zu behandeln sind. Die letztgenannte Regelung entspricht der des bisherigen §  12 Abs. 1 Z 2. Die bisherige Z 2 entfällt, der Regelungsinhalt wurde in § 10 Abs. 4 Z 1 aufgenommen.

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Die bisherigen Z 3 und 4 finden sich in den vorgeschlagenen Z 2 und 3 wieder, wobei die Z 2 um die weitere Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts entsprechend der vorgeschlagenen Gesamtsystematik der Novelle ergänzt wird. EB zu BGB I 108/2008 In §  12 Z  3 des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG), BGBl. Nr. 311 idF BGBl. I Nr. 37/2006, wird die Wortfolge „und die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Z 2 vorliegen“ als verfassungswidrig aufgehoben. EB zu BGB I 122/2009 Mit dieser Bestimmung wird dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 2008 (G 16/08) entsprochen, mit welchem die Wortfolge „und die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Z 2 vorliegen“ in § 12 Z 3 StbG als verfassungswidrig aufgehoben wurde. Gemäß der aufgehobenen Bestimmung bedurfte die Verleihung der Staatsbürgerschaft an ein minderjähriges Adoptivkind einer vorherigen Niederlassung im Bundesgebiet. Der Verfassungsgerichtshof hat dies als unsachliche Differenzierung zwischen „Inlandsösterreichern“ und „Auslandsösterreichern“ gewertet. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2009 in Kraft. Mit der nunmehrigen Novellierung soll die aufgehobene Wortfolge weiterhin im Rechtsbestand verbleiben und eine Ausnahmebestimmung für „Auslands­ österreicher“ im Sinne des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes geschaffen werden. In Zukunft soll daher vom Erfordernis der Niederlassung in Österreich nach § 16 Abs. 1 Z 2 lit. a abgesehen werden, wenn der maßgebliche Elternteil nachweislich den Mittelpunkt der Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. Damit wird einerseits dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entsprochen und anderseits gewährleistet, dass Fälle eines „Schein-Auslandsösterreichers“ nicht in diese Regelung fallen. EB zu BGB I 38/2011 In §§ 12 Z 1 und 35 wird jeweils der Klammerausdruck „(§§33 und 34)“ durch den Klammerausdruck „(§§ 32 bis 34)“ ersetzt. Diese Änderung stellt eine redaktionelle Anpassung dar. EB zu BGB I 136/2013 Zu Z 17 (§ 12 Abs. 2) Mit dieser Regelung soll als Anschlussstück zu § 7 Z 3 und 4 für unmündige minderjährige Fremde, deren Vater Staatsbürger ist und dieser zu einem Zeitpunkt, der frühestens acht Wochen und einen Tag nach der Geburt liegt, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft ab dem genannten Zeitpunkt festgestellt wurde, ein Verleihungsverfahren unter erleichterten Bedingungen geschaffen werden. Im Lichte der Judikatur des EGMR in der Rechtssache Genovese versus Malta (53124/09) und der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes in den Verfahren G 66/12 und G 67/12 soll dieser Personengruppe die Staatsbür-

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gerschaft verliehen werden, wenn die Verleihung die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigt (§  10 Abs. 1 Z  5 StbG) und der Fremde keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 10 Abs. 1 Z 6 StbG) darstellt. Darüber hinaus muss der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen sein (§ 2 Abs. 2 NAG). Vom Erfordernis der Niederlassung in Österreich ist abzusehen, wenn der Vater nachweislich den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines.................................................................................................. 1 II. Zur Anwendung von § 12 Abs 1 StbG ................................................... 6 III. 30 Jahre Hauptwohnsitz in Österreich................................................... 12 IV. 15 Jahre rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt................. 23 V. Eigenberechtigt gewordene ehemalige Österreicher............................ 42 VI. Unmöglichkeit der Erstreckung............................................................... 45 VII. Unmündige minderjährige Fremde mit österreichischem Vater........ 62 Schrifttum zu § 12: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 (2016); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 12 Abs 1 StbG stellt eine lex specialis zur allgemeinen Einbürgerungs- 1 bestimmung des § 10 StbG dar und regelt verschiedene Konstellationen, in welchen von der üblichen Aufenthalts- und Niederlassungsdauer für die Einbürgerung (§ 10 Abs 1 Z 1 StbG) abgewichen wird und teilweise (vgl § 12 Z 3 StbG) Erleichterungen für die Einbürgerung bestehen. Die Bestimmung normiert anders als § 10 StbG einen Rechtsanspruch, bei Vorliegen aller Voraussetzungen muss daher die Staatsbürgerschaft verliehen werden. Durch den Verweis auf bestimmte Erteilungsvoraussetzungen des § 10 StbG ergibt sich aber ein beträchtlicher Beurteilungsspielraum, welcher jedoch nicht mit einem freien Ermessen gleich zu setzen wäre (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 [2006] 135 unter Hinweis auf VwGH 11.10.2000, 2000/01/0227; 12.3.2002, 2001/01/0228; 14.5.2002, 2000/01/0343; 9.9.2003, 2002/01/0017). 331

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2 Der Rechtsanspruch gemäß §  12 Abs  1 StbG besteht nur, wenn der Einbürgerungswerber nicht infolge Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 32 bis 34) oder Verzichts auf die Staatsbürgerschaft (§ 37) Fremder ist; in den genannten Fällen ist eine Einbürgerung zwar möglich, steht aber im Ermessen der Behörde. Bei mehrfachem Verlust der Staatsbürgerschaft in der Vergangenheit ist hinsichtlich der Beurteilung, ob ein Rechtsanspruch vorliegt, auf den zeitlich letzten Verlust abzustellen (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 [2006] 136). 3 Für folgende Fälle bestehen demnach Sonderbestimmungen: − 30 Jahre ununterbrochener Hauptwohnsitz in Österreich (Abs  1 Z 1 lit a); − mindestens 15 Jahre rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet sowie nachhaltige persönliche und berufliche Integration hier (Abs 1 Z 1 lit b); − eigenberechtigt gewordene ehemalige Österreicher bei Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft als nicht Eigenberechtigte (Abs 1 Z 2); − Unmöglichkeit der Erstreckung der Verleihung, weil der hierfür maßgebliche Elternteil bereits Staatsbürger ist (Abs 1 Z 3); − unmündige minderjährige Fremde mit österreichischem Vater (Abs 2). 4 § 12 StbG wurde bisher insgesamt sieben Mal novelliert, wobei insbesondere die Gliederung der Bestimmung (vgl EB zu BGBl 37/2006) in einer Weise verändert worden ist, dass die zu ihr ergangenen Entscheidungen nicht unter bloßer Bedachtnahme auf die Ziffer oder lit nachvollzogen werden können, sondern stets zu beachten ist, welche konkrete Fassung des StbG herangezogen wurde. 5 In der Stammfassung und noch bis ins Jahr 2006 enthielt § 12 (in seiner damaligen lit b, später Z 2) eine Sonderregelung für ehemalige Österreicher, die durch mindestens zehn Jahre ununterbrochen die Staatsbürgerschaft besessen und diese auf andere Weise als durch Entziehung oder Verzicht verloren haben; mit BGBl I 37/2006 wurde diese entfernt – sie findet sich nun in § 10 Abs 4 Z 1 StbG.

II.  Zur Anwendung von § 12 Abs 1 StbG 6 In allen Fällen der Einbürgerung gemäß § 12 Abs 1 StbG (nicht aber Abs  2 leg cit, vgl zur Sonderregelung unten) hat die Staatsbürger332

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schaftsbehörde zunächst zu prüfen, ob die allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs 2 StbG vorliegen. Sie bilden das systematische Grundgerüst, auf dem jede Staatsbürgerschaftsverleihung aufbaut. Diese Voraussetzungen müssen bei jeder Verleihung der Staatsbürgerschaft gegeben sein. Nur wenn dies der Fall ist, ist vom Ermessen im Sinne des § 11 leg cit Gebrauch zu machen (vgl Fessler/Keller/Pommerenig-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 [2006] 121 unter Hinweis auf die EB). Auch § 12 Abs 1 StbG setzt die Erfüllung des Erfordernisses eines hin- 7 reichend gesicherten Lebensunterhalts nach §  10 Abs  1 Z  7 (iVm Abs 5) StbG ausdrücklich voraus. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, haben auch Fremde, auf die § 12 Abs 1 StbG anzuwenden ist, keinen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft soll den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen, zu der nach der Wertung des Gesetzgebers auch gehört, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft bestreiten kann (vgl VwGH 20.9.2011, 2009/01/0024 sowie VwGH 10.4.2008, 2007/01/1394 zur insoweit vergleichbaren Problematik des § 11a Abs 4 Z 1 StbG). In diesem Sinn ist auch die Beurteilung, ob das Einbürgerungshindernis 8 gemäß § 10 Abs 1 Z 2 StbG vorliegt, einer Ermessensübung nach § 11 StbG vorgelagert und liegt nicht im (freien) Ermessen der Behörde (vgl VwGH 20.11.2007, 2005/01/0091 mwN). Ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §  12 Z  1 StbG besteht nur, wenn die dort verwiesenen Voraussetzungen ua des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 StbG erfüllt sind (vgl VwGH 23.4.2009, 2006/01/0694 unter Hinweis auf Fessler/Keller/Pommerenig-Schober/Szymanski, aaO, 135, ähnlich auch VwGH 13.12.2005, 2003/01/0586 zu § 12 Z 1 lit a iVm § 10 Abs 1 Z 6 StbG). Insbesondere kommt es darauf an, ob der Einbürgerungswerber nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art  8 Abs  2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet (§  10 Abs 1 Z 6 StbG 1985). Dabei handelt es sich um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung – bei der Beurteilung, ob sie vorliegt, ist der Behörde kein Ermessen eingeräumt (VwGH 25.5.2004, 2002/01/0568 unter Hinweis auf VwGH 6.3.2001, 99/01/0415). 333

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9 Auch bei Einbürgerungen gemäß § 12 StbG sind Deutschkenntnisse erforderlich. §  10a StbG 1985 bezieht sich nicht nur auf die Verleihungstatbestände des § 10 StbG 1985, sondern auch auf diejenigen der §§ 11a bis 14 StbG 1985 sowie auf die Erstreckung der Verleihung nach den §§ 16 und 17 StbG 1985 (vgl dazu VwGH 3.5.2000, 99/01/0272 und 9.9.2003, 2002/01/0008 mit ausführlicher rechtshistorischer und systematischer Begründung sowie Literaturhinweisen). 10 Auch im Anwendungsbereich des §  12 Abs  1 StbG ist zudem §  10 Abs 3 StbG anwendbar, wonach der Fremde für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft aus seinem bisherigen Staatsverband grundsätzlich ausscheiden muss. Eine (Zusicherung der) Verleihung ist daher nur nach Maßgabe des § 10 Abs 3 bzw § 20 StbG vorzunehmen (in diesem Sinne zur alten Rechtslage VwGH 21.3.1990, 89/01/0057). 11 Für § 12 Abs 2 StbG, der erst später ins Gesetz eingefügt wurde, muss diese Voraussetzung uE aber nicht erfüllt sein, da eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 10 StbG expliziert normiert ist. Hinzu kommt, dass Unmündige gemäß § 10a Abs 2 Z 2 StbG vom Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse etc ausgenommen sind.

III. 30 Jahre Hauptwohnsitz in Österreich (§ 12 Abs 1 Z 1 lit a StbG) 12 § 12 Abs 1 Z 1 StbG normiert, dass abweichend von der üblichen Aufenthalts- und Niederlassungsdauer im Ausmaß von zehn Jahren einem Fremden die Staatsbürgerschaft unter den allgemeinen Voraussetzungen zu erteilen ist, also ein Rechtsanspruch besteht, wenn er entweder seit mindestens 30 Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat oder seit mindestens 15 Jahren seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet hat und seine nachhaltige persönliche und berufliche Integration nachweist. 13 Die für beide Fälle bestehende Einschränkung, wonach der Einbürgerungswerber nicht durch Entziehung oder Verzicht auf die österreichische Staatsbürgerschaft Fremder geworden sein darf, wird aufgrund der seltenen Anwendung dieser Verlusttatbestände praktisch wohl keine große Rolle spielen. 14 § 12 Abs 1 Z 1 lit a StbG verlangt 30 Jahre Hauptwohnsitz im Bundesgebiet; ein bloß 30 Jahre dauernder Aufenthalt in Österreich entspricht 334

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dieser Voraussetzung nicht (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/ Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 135 unter Hinweis auf VwGH 9.3.1971, 934/70). Dass der Einbürgerungswerber während der gesamten 30 Jahre Fremder gewesen sein muss, ist nicht erforderlich (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 136).

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Der Hauptwohnsitz erfordert einerseits den tatsächlichen Aufenthalt an einem bestimmten Ort und andererseits die Absicht, diesen zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, nicht aber die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Ein Hauptwohnsitz kann auch bei Verletzung der Meldepflicht gemäß §  3 MeldeG gegeben sein (VwGH 22.5.2013, 2013/18/0054).

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Das bloße Erfordernis des Hauptwohnsitzes (in Z 1 lit a leg cit), welches vor der Staatsbürgerschaftsnovelle BGBl I 37/2006 den Regelfall darstellte, bietet nun ein, wohl praktisch nur selten anwendbares, Schlupfloch für Personen, die über keinerlei Aufenthaltsrecht in Österreich verfügen.

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Dies könnten zB Personen sein, die kein Aufenthaltsrecht besitzen, da aus materiell- oder verfahrensrechtlichen Gründen kein Aufenthaltstitel ausgestellt werden konnte bzw die ihr Aufenthaltsrecht verloren haben, aber auch Personen mit langer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und Unterbrechungen der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts.

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Änderungen des Hauptwohnsitzes innerhalb Österreichs während der 30 Jahre sind freilich nicht relevant (EB zu BGBl 37/2006). Unterbrechungen der Wohnsitzfrist nach § 15 StbG sind hingegen zu beachten.

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Da jedoch auch bei § 12 Abs 1 Z 1 StbG sämtliche Erteilungsvoraussetzungen des § 10 StbG bis auf die Aufenthaltsdauer zu beachten sind, wird auch eine Gefährdung öffentlicher Interessen oder das Fehlen eines gesicherten Lebensunterhalts, die zum Verlust oder zur Versagung eines Aufenthaltstitels führten, zum Fehlen der Voraussetzungen für die Verleihung führen.

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Einen tatsächlichen Anwendungsbereich findet §  12 Abs  1 Z  1 lit a StbG demnach etwa dort, wo eine österreichische Staatsbürgerschaft bereits einmal für eine kurze Zeit innegehabt wurde, aber durch Annahme einer fremden ex lege verloren gegangen ist (vgl §§ 27 ff StbG)

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und kein anderer Verleihungstatbestand erfüllt ist. Ebenso bei langjährig aufhältigen Fremden, die sich aufgrund einer Lücke in der Rechtmäßigkeit ihres Aufenthalts (zB durch nicht fristgerechte Verlängerung des Aufenthaltstitels) nicht auf § 10 Abs 1 Z 1 StbG oder einen anderen Verleihungstatbestand stützen können. 22 Eine Option kann §  12 Abs  1 Z  1 lit a auch dort darstellen, wo eine Unterbrechung der Aufenthaltsdauer aufgrund einer zu langen Gesamtdauer von Auslandsaufenthalten (durch welche die Wohnsitzqualität aber nicht verloren ging) besteht, sodass die sechs, zehn oder 15 Jahre nicht als Rahmen herangezogen werden können, die 30-jährige Frist jedoch durch die Abwesenheitsdauer nicht unterbrochen wurde. Für die Beurteilung des Vorliegens des Hauptwohnsitzes kann auf die umfangreiche ältere Judikatur des VwGH zu §  10 (idF vor BGBl I 37/2006) und §  15 StbG zurückgegriffen werden (so zB VwGH 11.6.2013, 2012/21/0088 mwN). Vgl zum Hauptwohnsitz auch die Kommentierung zu § 10 Abs 1 Z 1 und § 15 StbG.

IV. 15 Jahre rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt (§ 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG) 23 Der Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach 15 Jahren rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts wurde durch BGBl 124/1998 eingeführt, um für nachhaltig integrierte Fremde eine zusätzliche Einbürgerungsmöglichkeit zu schaffen. § 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG stellte nach Einführung des Niederlassungserfordernisses in § 10 Abs 1 Z 1 StbG und vor Einführung des § 11a Abs 6 StbG einen wichtigen Verleihungstatbestand für Personen mit Aufenthaltsbewilligungen oder Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz („subsidiärer Schutz“) dar. Gefordert wird dort keine Niederlassung, sondern nur ein rechtmäßiger Aufenthalt in mindestens 15-jähriger Dauer und eine nachhaltige Integration. 24 Für die Mindestdauer von 15 Jahren sind die letzten 15 Jahre maßgeblich, nicht eine etwaige unterbrochene Gesamtaufenthaltsdauer von mehr als 15 Jahren; der rechtmäßige und ununterbrochene Aufenthalt im Bundesgebiet muss im Ausmaß von vier Fünfteln zumindest über die gesamte gesetzlichen Mindestfrist von 15 Jahren gegeben sein. Maßgeblich für das Vorliegen dieser Dauer ist der Entscheidungszeitpunkt (Verwaltungsgericht Wien 15.9.2015, VGW-151/080/33363/2014). 336

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Nach der Intention des Gesetzes sollte § 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG zB auf ehemalige Asylwerber und subsidiär Schutzberechtigte Anwendung finden, wobei in den Materialien betont wird, dass der Integrationsanspruch an solche nicht niedergelassenen oder daueraufenthaltsberechtigten Personen ein höherer zu sein habe (EB zu BGBl 37/2006). Der Fremde kann sich bei langem Aufenthalt in Österreich nicht nur auf eine zehnjährige, sondern (alternativ) auch auf die 15-jährige Aufenthaltsdauer berufen (so VwGH 12.3.2002, 2001/01/0228 zur Wohnsitzfrist nach alter Rechtslage). In Zusammenhang mit einem 15-jährigen Wohnsitz und einem möglichen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestützt auf § 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG besteht eine besondere Ermittlungspflicht (vgl dazu zB VwGH 28.6.2005, 2004/01/0263 unter Hinweis auf − bezogen auf § 12 Z 1 lit a StbG 1985 – VwGH 12.3.2002, 2001/01/0413). Die Behörde ist verpflichtet, das Vorliegen auch solcher Verleihungsgründe (etwa jener des § 12 Abs 1 Z 1 lit b) zu prüfen, die im Verfahren zwar hervorgekommen sind, aber im Verleihungsantrag nicht ausdrücklich vorgebracht worden sind (VwGH 12.3.2002, 2000/01/0216; 12.3.2002, 2001/01/0228).

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Sofern nicht ohnehin eine Verleihung nach einem anderen Tatbestand möglich ist, hat sich die Behörde bei Indizien für eine besonders ausgeprägte Verankerung des Fremden in Österreich mit dem einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft vorsehenden Tatbestand des § 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG zu beschäftigen (Beispiele für die erwähnten Indizien: Empfehlungsschreiben österreichischer Staatsbürger, die dem Fremden „völlige Integration“ attestieren, das laut dem Scheidungsurteil aus der geschiedenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin entstammende minderjährige Kind und die festgestellten guten Deutschkenntnisse; vgl VwGH 3.12.2002, 2001/01/0228 unter Hinweis auf VwGH 11.10.2000, 2000/01/0277).

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Es kommt auch im Anwendungsbereich des § 12 Z 1 lit b StbG aufgrund des klaren Wortlauts („seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt“) seit der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 nicht mehr auf den Hauptwohnsitz, sondern auf den durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer, zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde, an (VwGH 26.1.2012, 2010/01/0003; 18.6.2014, 2013/01/0128). Aus § 15 Abs 1 Z 3 StbG ergibt sich, dass eine tatsächliche Anwesenheit des Fremden im Bundesgebiet im Umfang von min-

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destens vier Fünftel des Zeitraums erforderlich ist (vgl VwGH 17.11.2011, Zl. 2009/01/0020 mwN). 28 Der Aufenthalt muss jedenfalls ununterbrochen sein (vgl zB VwGH 24.4.2014, Ro 2014/01/0003; VwGH 19.9.2012, 2012/01/0063). Zur Beurteilung der Ununterbrochenheit des rechtmäßigen Aufenthalts sei auf die Ausführungen zu § 10 Abs 1 Z 1 (II.A.4.) sowie § 15 StbG in diesem Kommentar verwiesen. 29 Nach der Rechtsprechung des VwGH ist zur Beurteilung der Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs 1 Z 1 StbG hinsichtlich des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes im Bundesgebiet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde zurückzurechnen (vgl etwa VwGH 19.10.2011, 2009/01/0063, mwN). Gleiches gilt − angesichts des identen Wortlautes („rechtmäßig und ununterbrochen“) − auch für das Erfordernis des 15-jährigen Aufenthaltes nach § 12 Z 1 lit b StbG (VwGH 19.9.2012, 2012/01/0063, ebenso 15.3.2012, 2009/01/0036). Aktueller dazu auch noch VwGH 24.4.2014, Ro 2014/01/0003 unter Hinweis auf VwGH 19.9.2012, 2010/01/0043: Zum rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt zählen vor allem Zeiten des sichtvermerksfreien Aufenthalts, des Aufenthalts mit Visum oder aufgrund einer Legitimationskarte oder eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 NAG. Für Zeiten vor Inkrafttreten des NAG kann die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auch mit Aufenthaltstiteln nach den Vorschriften des Fremdengesetzes 1997 oder des Aufenthaltsgesetzes nachgewiesen werden. 30 Zum Erfordernis der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration gibt es zahlreiche Entscheidungen des VwGH, die einen Anhaltspunkt dafür bieten, wann eine solche angenommen werden kann. So zB VwGH 11.10.2000, 2000/01/0227 mwN und unter Hinweis auf die ältere Rechtslage in § 10 StbG: Der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration wird dann als erbracht gelten, wenn der Fremde sowohl beschäftigungsrechtlich (zB Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein) als auch fremdenrechtlich (zB unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung) eine bis auf weiteres gesicherte Position in Österreich hat und hier persönlich nachhaltig verankert ist (zB Familie lebt mit dem Fremden in Österreich, Kinder besuchen die Schule usw), ähnlich auch VwGH 30.8.2005, 2005/01/0216. Weitere Entscheidungen zur nachhaltigen persönlichen Integration sind etwa VwGH 16.7.2003, 2002/01/0186; 18.2.2003, 2002/01/0014). 338

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Das Vorliegen einer bloß vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG schließt eine nachhaltige persönliche Integration nicht aus, und auch daraus, dass in den genannten Erläuterungen der Regierungsvorlage als Beispiel einer „bis auf weiteres“ fremdenrechtlich gesicherten Position die unbefristete weitere Niederlassungsbewilligung genannt ist, ist nicht zu folgern, dass ausschließlich bei Vorliegen eines solchen Aufenthaltstitels von einer nachhaltigen persönlichen Integration ausgegangen werden kann (VwGH 30.11.2004, 2002/01/0498). Auch die Geburt eines Kindes und dessen Schulbesuch in Österreich können ein „Integrationsmerkmal“ darstellen (VwGH 12.3.2002, 2001/01/0413 unter Hinweis auf 11.10.2000, 2000/01/0015).

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Eine „nicht unbeträchtliche Beschäftigungsdauer im Inland“ stellt ebenfalls ein Integrationsmerkmal dar (VwGH 12.3.2002, 2001/01/0413). Auch eine Beschäftigung bei verschiedenen Arbeitgebern in verschiedenen Gewerben spricht nicht gegen die Annahme einer beruflichen Integration (VwGH 9.9.2003, 2002/01/0238 unter Hinweis auf 12.3.2002, Zl. 2000/01/0189 bzw frühere Rspr zur gleich zu haltenden nachhaltigen beruflichen Integration nach §  10 Abs  5 Z  3 StbG 1985 alte Rechtslage). Wechselnde Beschäftigungsverhältnisse bzw bloße Verweise auf Arbeitsunterbrechungen genügen jedenfalls für sich alleine nicht, um damit eine nachhaltige berufliche Integration des Einbürgerungswerbers zu vereinen (VwGH 30.11.2004, 2002/01/0498).

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Aus dem Fehlen von Kontakten zum Heimatstaat lässt sich noch nicht auf eine überdurchschnittliche Beziehung zu Österreich schließen (VwGH 23.9.1998, 98/01/0291).

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Der VwGH hat sich schon mehrfach damit auseinandergesetzt, wann ein in der Vergangenheit gelegenes Fehlverhalten der Annahme einer nachhaltigen Integration entgegensteht. Zur Unzulässigkeit einer negativen Prognose bei Verletzung der Unterhaltspflicht: 15.5.2003, 2001/01/0208. Zur Anpassung an die „österreichischen Verhältnisse“ iS einer nachhaltigen persönlichen Verankerung im Inland auch bei Vorliegen einer in der Vergangenheit geschlossenen Scheinehe (vor mehr als elf Jahren) vgl VwGH 18.2.2003, 2002/01/0014 mwN.

34

Dass ein Fremder mehrfach (zB im konkreten Beschwerdesachverhalt in den Jahren 1997 bis 1999 insgesamt zwölfmal) verwaltungsbehördlich (dort ausschließlich wegen „Verkehrsdelikten“) bestraft worden

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ist, schließt eine nachhaltige persönliche und berufliche Integration iSd § 12 Z 1 lit b StbG 1985 nicht aus. Das StbG 1985 berücksichtigt strafrechtliches Fehlverhalten und die allein damit allenfalls schon abstrakt verbundene Minderung einer Integration nämlich schon im Rahmen der allgemeinen Einbürgerungserfordernisse; einerseits über § 10 Abs 1 Z 2 StbG 1985, andererseits über § 10 Abs 1 Z 6 leg cit. Unterhalb der Schwelle des § 10 Abs 1 Z 2 bzw Z 6 StbG 1985 liegendes Fehlverhalten beeinträchtigt das Tatbestandsmerkmal „persönliche Integration“ nicht automatisch; aus der konkreten Tathandlung kann im Einzelfall das eine oder andere Mal spezifisch auf ein „Integrationsdefizit“ geschlossen werden (VwGH 11.10.2000, 2000/01/0227, ebenso VwGH 14.5.2002, 2000/01/0343). 36 Dies gilt auch für strafrechtliches Fehlverhalten unter der Schwelle des § 10 Abs 1 Z 2 bzw Z 6 StbG 1985 (VwGH 24.6.2003, 2002/01/0437 und 11.10.2000, 99/01/0385 unter Hinweis auf VwGH 7.9.2000, 2000/01/0081). Selbst lange zurückliegende strafbare Handlungen (hier im Jahre 1992 Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und Vergehen des Quälens oder Vernachlässigens unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen nach § 92 Abs 1 StGB) führen unter Berücksichtigung eines langjährigen (hier mehr als 26-jährigen) Inlandsaufenthalts von Fremden bei langjährigem Wohlverhalten nicht zwingend zu einem aktuell noch maßgeblichen „Integrationsdefizit“ (VwGH 14.5.2002, 2000/01/0343) 37 Selbst der Umstand, dass ein Fremder mehrfach verurteilt worden ist, schließt eine nachhaltige persönliche Integration nicht aus (VwGH 12.3.2002, 2001/01/0228 unter Hinweis auf VwGH 11.10.2000, 2000/01/0227). 38 Bei Miteinbeziehung eines untadeligen Vorlebens in den Begriff der persönlichen Integration würde die vom Gesetzgeber der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 durch Schaffung des Tatbestandes des §  12 Z  1 lit b StbG 1985 geplante Bevorzugung solcher Fremder, die den Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration erbringen und die sich schon 15 Jahre im Inland aufhalten, weitgehend leer laufen. Es wären nämlich kaum Fälle denkbar, in denen − bei Vorliegen eines so verstandenen Integrationsbegriffes − nach 15-jährigem ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet nicht ohnehin kraft Ermessens die Staatsbürgerschaft zuzuerkennen wäre; der Einräumung eines Rechtsanspruches auf Verleihung bedürfte es dann nicht 340

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(vgl VwGH 11.10.2000, 2000/01/0227 zur Auslegung des Begriffs der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration nach der alten Rechtslage). Demnach kommt uE dem Integrationsbegriff in §  12 Abs 1 Z 1 lit b eine eigenständige Bedeutung zu, die auch nicht etwa mit einer Integration gemäß §  11a Abs  6 StbG verglichen werden kann, möchte man § 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG einen Anwendungsbereich belassen. Die Bedeutung der Ausnahmeregelung des § 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG hat seit Einführung des § 11a Abs 6 StbG deutlich abgenommen, da gerade der Nachweis nach Z 1 leg cit (ÖSD-Sprachdiplom auf dem Niveau B2) schon nach sechs Jahren wesentlich einfacher erbracht werden kann als der Nachweis der nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration und bei gut integrierten Personen das Erreichen dieses Sprachniveaus häufig gegeben sein wird.

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Vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erfolgten mehrfachen Novellierung des § 10a StbG kann die frühere großzügige Rspr des VwGH zur nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration iSd §  12 Abs 1 Z 1 lit b StbG im Hinblick auf Sprachkenntnisse wohl nicht mehr uneingeschränkt aufrecht erhalten werden (vgl noch VwGH 9.9.2003, 2002/01/0017, wonach das Vorliegen einer nachhaltigen persönlichen und beruflichen Integration im Sinn des § 12 Z 1 lit b StbG ungeachtet der Sprachkenntnisse nicht ohne Weiteres in Abrede gestellt werden konnte). Freilich kann aber auch im Anwendungsbereich des § 12 Abs 1 StbG ein Ausnahmetatbestand des § 10a Abs 2 StbG erfüllt sein.

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§ 12 Abs 1 Z 1 lit b StbG bleibt damit primär anwendbar für sehr gut integrierte Staatsangehörige mit niedrigerer Sprachkompetenz im Deutschen als B2 und für Personen, die sich aufgrund langer Auslandsaufenthalte nicht auf den Beurteilungsrahmen von sechs oder zehn Jahren stützen können, jedoch schon mindestens 15 Jahre in Österreich rechtmäßig aufhältig sind und die zulässige Dauer des Auslandsaufenthalts für 15 Jahre nicht überschreiten.

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V. Eigenberechtigt gewordene ehemalige Österreicher (§ 12 Abs 1 Z 2 StbG) Die Eigenberechtigung richtet sich nach dem aufgrund des Personalstatuts zum Zeitpunkt des Verlusts maßgebenden Recht (§  12 IPRG). Wann Eigenberechtigung vorliegt, bestimmt im österreichischen Recht 341

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das ABGB. Grundsätzlich sind nicht eigenberechtigt Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 21 Abs 2 ABGB), zum anderen Personen, für die gemäß § 273 ABGB ein Sachwalter bestellt wurde (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 140 f). 43 Auch diese Personen, idR werden es solche sein, die durch die Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft die österreichische verloren haben, müssen für die Einbürgerung die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen mit Ausnahme der Mindestaufenthaltsdauer erfüllen. Gefordert wird lediglich ein rechtmäßiger Aufenthalt (bei Antragstellung und im Verleihungszeitpunkt vgl dazu die Kommentierung zu §  10 Abs 1 Z 1 StbG). Die bisher innegehabte Staatsbürgerschaft muss nach Maßgabe des § 10 Abs 3 StbG und § 20 StbG vor der Verleihung aufgegeben werden. 44 Auch wer die Staatsbürgerschaft als Minderjähriger auf andere Weise als durch Entziehung nach §§ 32 oder 33 StbG verloren hat und seither Fremder ist, sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und die Verleihung der Staatsbürgerschaft binnen zwei Jahren nach Erlangung der Eigenberechtigung beantragt, hat einen – freilich zeitlich stark limitierten – Anspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Eine Wiedereinsetzung in diese Zwei-Jahres-Frist ist nicht vorgesehen, es handelt sich um eine materielle Ausschlussfrist (VwSlg 2174 A/1951). Danach ist nur ein Erwerb gestützt auf andere Verleihungstatbestände wie § 10, § 11a Abs 6 oder § 12 Abs 1 Z 1 lit a und b StbG möglich.

VI. Unmöglichkeit der Erstreckung (§ 12 Abs 1 Z 3 StbG) 45 Gemäß § 12 Abs 1 Z 3 StbG besteht auch ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft, wenn minderjährige Fremde die Staatsbürgerschaft nach §  17 durch Erstreckung der Verleihung nur deshalb nicht erwerben können, weil der hierfür jeweils maßgebliche Elternteil (oder Wahlelternteil) bereits Staatsbürger ist und die Voraussetzungen nach § 16 Abs 1 Z 2 vorliegen. 46 Es soll damit ein Anspruch auf selbständige Verleihung der Staatsbürgerschaft in jenen Fällen eingeräumt werden, wo auch ein durch § 17 StbG erweiterter Rechtsanspruch auf Erstreckung der Verleihung be342

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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steht (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 140). Durch § 12 Abs 1 Z 3 StbG sollten die minderjährigen ehelichen ledigen Kinder der Frau jenen des Mannes beim Erwerb der Staatsbürgerschaft vollkommen gleich gestellt werden. Auch minderjährigen unehelichen ledigen Kindern, deren Vater österreichischer Staatsbürger ist, wurde so aus Gleichheitserwägungen und wegen des Strebens nach einer einheitlichen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie mit 31.7.1985 ein Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft eingeräumt. Ein praktisch wichtiger Anwendungsfall ist jener, wo ein Kind in eine binationale Beziehung geboren wird, mit Geburt die österreichische Staatsbürgerschaft erwirbt und durch Beantragung (nicht durch ex-lege-Erwerb) einer weiteren Staatsbürgerschaft die österreichische von Gesetzes wegen verliert.

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Weiters sollte auch die staatsbürgerschaftsrechtliche Stellung minderjähriger lediger Wahlkinder durch § 12 Abs 1 Z 3 StbG verbessert werden; dies aufgrund der im Europäischen Übereinkommen vom 24.4.1967 über die Adoption von Kindern, BGBl 314/1980, festgelegten allgemeinen Grundsätze sowie der mit der Annahme an Kindesstatt gemäß § 182 ABGB eintretenden familienrechtlichen Wirkungen und des zu berücksichtigenden Grundsatzes der Familieneinheit auf dem Gebiet der Staatsbürgerschaft. Minderjährigen ledigen Wahlkindern kommt ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zu, wenn zumindest ein Wahlelternteil die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt (EB zu BGBl 311/1985).

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Die Adoption eines (minderjährigen) Fremden durch eine Person, die bereits österreichischer Staatsbürger ist, bewirkt keinen Staatsbürgerschaftserwerb ex lege für das Wahlkind. Dieser Fall einer Annahme an Kindesstatt stellt vielmehr einen der begünstigten Verleihungstatbestände dar, der nicht dem Erwerbstatbestand der Abstammung (Legitimation) gem §  6 Z  1 StbG 1985 gleichzuhalten ist (VwGH 3.2.1976, 448/75, VwSlg 8979 A/1976; ebenso VwGH 16.10.1991, 91/01/0127; 7.10.1993, 93/01/0264, 17.5.1995, 94/01/0465).

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Bei der angestrebten selbständigen Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 12 Abs 1 Z 3 StbG (früher lit d bzw Z 4) sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 17 Abs 1 StbG zu prüfen, wozu ua auch die Minderjährigkeit des Kindes gehört (vgl VwGH 7.10.1993, 93/01/0264 und 17.5.1995, 94/01/0465, VwSlg 14253 A/1995). Die

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Minderjährigkeit des Einbürgerungswerbers muss auch noch im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorliegen, da die Behörde (das Verwaltungsgericht) die dann gegebene Sach- und Rechtslage heranzuziehen hat (vgl VwGH 22.8.2007, 2005/01/0779 unter Hinweis auf VwGH 19.3.1997, 95/01/0620). 51 § 12 Abs 1 Z 3 StbG verweist auf § 16 Abs 1 Z 2 StbG, wonach der Einbürgerungswerber zum Zeitpunkt der Antragstellung entweder rechtmäßig niedergelassen sein muss (lit a leg cit unter Verweis auf § 2 Abs 2 NAG), den Status des Asylberechtigten (lit b) oder Inhaber eines Lichtbildausweises für Träger von Privilegien und Immunitäten (dh einer Legitimationskarte, lit c unter Hinweis auf § 95 FPG) sein muss. 52 Vom Erfordernis der Niederlassung nach §  16 Abs  1 Z  2 (lit a) ist allerdings abzusehen, wenn der maßgebliche Elternteil (oder Wahlelternteil) nachweislich den Mittelpunkt der Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. Diese Ausnahme wurde erst nachträglich ins Gesetz eingefügt: Mit Erkenntnis vom 16.6.2008, G16/08, VfSlg 18465 hat der VfGH die Wortfolge „und die Voraussetzungen nach § 16 Abs 1 Z 2 vorliegen“ in § 12 Z 3 StbG (idF BGBl I 37/2006) mit Ablauf des 30.6.2009 als verfassungswidrig aufgehoben. Er hat damit die Gleichheitswidrigkeit des Erfordernisses der rechtmäßigen Niederlassung gemäß Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im Falle des Antrags auf Verleihung der Staatsbürgerschaft an ein mit einem Auslandsösterreicher im gemeinsamen Haushalt lebendes minderjähriges Wahlkind festgestellt. Unter Bedachtnahme auf die nicht zu vernachlässigende Gruppe von Auslandsösterreichern, die etwa aus beruflichen Gründen langfristig im Ausland leben, konnte der VfGH keine sachliche Rechtfertigung für die durch das Erfordernis der Niederlassung bewirkte Ungleichbehandlung von minderjährigen Wahlkindern, die im Familienverband mit im Ausland lebenden Österreichern leben, gegenüber solchen minderjährigen Wahlkindern von Österreichern, die in Österreich leben, erkennen (vgl dazu auch die Entscheidung im Anlassfall VfGH 25.6.2008, B1098/07 betreffend ein in Malaysia geborenes, mit den Eltern in Singapur lebendes Wahlkind eines Österreichers). 53 Aufgrund dieser Aufhebung der alten Bestimmung durch den VfGH wurde durch BGBl I 108/2008 eine Anpassung vorgenommen (vgl EB zu BGBl I 108/2008 und EB zu BGBl I 122/2009). 344

Erwerb der Staatsbürgerschaft

§ 12

Nach dem Wortlaut des § 12 Abs 1 Z 3 zweiter Satz StbG kommt die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur in Betracht, wenn der Behörde nachgewiesen wird (arg: „nachweislich“), dass der österreichische Elternteil des minderjährigen Verleihungswerbers seit mindestens zwölf Monaten (zurückgerechnet vom Entscheidungszeitpunkt) sowohl den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen als auch seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt im Ausland hat. Nach den EB zu BGBl I 122/2009 soll durch das Nachweiserfordernis gewährleistet werden, „dass Fälle eines ‚Schein-Auslandsösterreichers‘ nicht unter diese Regelung fallen.“ Diesen Nachweis hat der Verleihungswerber bzw sein Elternteil zu erbringen (VwGH 18.6.2014, 2013/01/0151 unter Hinweis auf die Mitwirkungspflicht gemäß § 4 StbG).

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Für die Verleihung durch Erstreckung der Verleihung an einen Verstorbenen bietet die Regelung des § 12 Abs 1 Z 3 StbG keine Rechtsgrundlage (VwGH 19.9.2013, 2011/01/0164).

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Auch für Verleihungen gemäß § 12 Abs 1 Z 3 StbG sind – so wie für alle Verleihungen nach §  12 Abs  1 StbG – die Voraussetzungen des §  10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und Abs 3 StbG nachzuweisen. Dazu zählt ua auch der gesicherte Lebensunterhalt.

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Nach der Rspr des VwGH, insb 28.10.2009, 2007/01/0944, ist für den gesicherten Lebensunterhalt eines im gemeinsamen Haushalt lebenden Unterhaltsberechtigten, der über gesetzliche Unterhaltsansprüche verfügt, das Einkommen der unterhaltspflichtigen Eltern maßgeblich. Auf die Einkommensverhältnisse des Minderjährigen selbst kommt es – mangels Erwerbsfähigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit – nicht an. Ein Minderjähriger kann daher die Verleihungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhaltes gemäß §  10 Abs  1 Z  7 StbG nicht anders als durch Unterhaltsansprüche gegenüber den Eltern, dh durch Heranziehung des Unterhalts und Einkommens der unterhaltspflichtigen Eltern, erfüllen (Verwaltungsgericht Wien 3.3.2015, VGW151/080/33041/2014; ebenso 27.2.2015, VGW-151/080/34242/2014).

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Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, dass er einerseits minderjährigen, nicht selbst erwerbsfähigen Kindern österreichischer Staatsbürger gemäß § 12 Abs 1 Z 3 StbG einen Rechtsanspruch auf die Staatsbürgerschaft einräumt, anderseits im Fall der unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit der Unterhaltspflichtigen gemäß §  10 Abs  1 b StbG Kinder dennoch auf Dauer, so jedenfalls mindestens bis zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit, von der österreichischen Staatsbürgerschaft

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ausschließen will. Bei einer solchen Auslegung käme grundsätzlich eine Verleihung oder Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an noch minderjährige Kinder österreichischer Eltern mit nicht zu vertretender Erwerbseinschränkung nicht in Betracht (Verwaltungsgericht Wien 3.3.2015, VGW-151/080/33041/2014; ebenso Verwaltungsgericht Wien 27.2.2015, VGW-151/080/34242/2014). 59 Wenn der nicht gesicherte Lebensunterhalt und der Bezug von Sozialhilfeleistungen eines Elternteils im gemeinsamen Haushalt nach der Rechtslage und Rechtsprechung die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs 1 Z 7 StbG an den minderjährigen Einbürgerungswerber ausschließen, ist aus Sicht des Verwaltungsgerichts Wien nicht schlüssig, dass umgekehrt eine den Elternteil hinsichtlich der Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 7 und Abs 5 StbG begünstigende Ausnahmebestimmung im Sinne des § 10 Abs 1b StbG bei der Prüfung eben dieser Einbürgerungsvoraussetzung beim minderjährigen Kind nicht zum Tragen kommen soll (Verwaltungsgericht Wien 3.3.2015, VGW151/080/33041/2014; ebenso 27.2.2015, VGW-151/080/34242/2014). 60 Art 4 Abs 3 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art  15a B-VG über eine bundesweite bedarfsorientierte Mindestsicherung, BGBl I 96/2010, sieht einen Rechtsanspruch auf Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung – die gemäß Art  2 Abs 1 leg cit der Sicherung des Lebensunterhalts dient – für Personen vor, die zum dauernden Aufenthalt im Inland berechtigt sind. Dazu gehören jedenfalls österreichische Staatsangehörige einschließlich ihrer Familienangehörigen sowie EU-Bürger und Asylberechtigte. Diese Personen haben somit unabhängig von der Verleihung der Staatsbürgerschaft gesetzlich geregelten Zugang zur bedarfsorientierten Mindestsicherung, sodass eine entsprechende finanzielle Belastung unabhängig von der Verleihung der Staatsbürgerschaft eintritt und keine Begründung für die Abweisung eines Staatsbürgerschaftsantrags darstellen kann (Verwaltungsgericht Wien 3.3.2015, VGW151/080/33041/2014; ebenso 27.2.2015, VGW-151/080/34242/2014). 61 Ein bei einem Elternteil festgestellter Ausnahmetatbestand im Sinne des § 10 Abs 1b StbG hat auch im Einbürgerungsverfahren des unterhaltsberechtigten Kindes Relevanz, wobei es bei der Prüfung der Erfüllung des „Haushaltsrichtsatzes“ iSd §  10 Abs  5 StbG für den unterhaltsberechtigten Minderjährigen auch nicht nachteilig sein kann, dass bloß ein Elternteil von beiden der Ausnahmeregelung des § 10 Abs 1b 346

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unterliegt (ausführlich zur Erfüllung des Unterhaltsnachweises auch bei Bezug der Mindestsicherung durch einen Elternteil: Verwaltungsgericht Wien 3.3.2015, VGW-151/080/33041/2014). Dies insbesondere auch, da auf die Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung unter den gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch besteht und dem Kind hinsichtlich des Bezuges von Sozialhilfeleistungen in Form der bedarfsorientierten Mindestsicherung in Bedarfsgemeinschaft mit dem Elternteil kein eigener Entscheidungsspielraum zukommt (Verwaltungsgericht Wien 27.2.2015, VGW-151/080/34242/2014).

VII. Unmündige minderjährige Fremde mit österreichischem Vater (§ 12 Abs 2 StbG) § 12 Abs 2 StbG kann dort Abhilfe schaffen, wo ein Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Abstammung aufgrund der verspäteten Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft (nach Ablauf der achtwöchigen Frist des § 7 Abs 1 StbG) nicht möglich war.

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Die Regelung des § 12 Abs 2 StbG wurde erst mit 1.8.2013 eingeführt um als „Anschlussstück zu § 7 Z 3 und 4“ ein Verleihungsverfahren unter erleichterten Bedingungen für unmündige minderjährige Fremde zu schaffen, deren Vater Staatsbürger ist und zu einem Zeitpunkt, der frühestens acht Wochen und einen Tag nach der Geburt liegt, die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft ab dem genannten Zeitpunkt festgestellt wurde (vgl EB zu BGBl I 136/2013).

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Für zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig niedergelassene unter vierzehnjährige Fremde besteht gemäß § 12 Abs 2 StbG ein Rechtsanspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, wenn der Vater zum Zeitpunkt der Geburt Staatsbürger war und die Vaterschaft später anerkannt hat bzw diese später festgestellt wurde und ein Staatsbürgerschaftserwerb durch Abstammung nicht stattfand.

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Gemäß Abs 2 Z 1 leg cit ist – ähnlich wie in § 12 Abs 1 Z 3 StbG − die rechtmäßige Niederlassung des Einbürgerungswerbers Voraussetzung für die Verleihung. Von diesem Erfordernis ist abzusehen, wenn der Vater nachweislich den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen und seinen ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt seit mindestens zwölf Monaten im Ausland hat. Dass es anders als in § 12 Abs 1 Z 3 StbG keinen Verweis auf § 16 Abs 1 Z 2 StbG gibt, erscheint sachlich nicht gerechtfer-

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tigt, da asylberechtigte Kinder oder Kinder mit Legitimationskarten, die einen österreichischen Vater haben, damit schlechter gestellt werden als niedergelassene Kinder österreichischer Väter. Diese Ungleichbehandlung kann auch nicht dadurch kompensiert werden, dass grundsätzlich die Ausstellung eines Aufenthaltstitels Familienangehöriger für Kinder österreichischer Väter möglich wäre, da diese – anders als § 12 Abs 2 StbG – gemäß § 11 NAG die Erfüllung der allgemeinen Voraussetzungen für Aufenthaltstitel, darunter zB auch einen gesicherten Lebensunterhalt, voraussetzt, was im Anwendungsbereich des § 12 Abs 2 StbG für die Einbürgerung nicht gefordert wird. 66 Als Versagungsgründe für Verleihungen gemäß § 12 Abs 2 StbG sind lediglich § 10 Abs 1 Z 5 und Z 6 StbG heranzuziehen; begründet wird dies in den EB zu BGBl I 136/2013 mit der Judikatur des EGMR in der Rechtssache Genovese versus Malta (53124/09) und der Judikatur des VfGH in den Verfahren G 66/12 und G 67/12. Da die Einbürgerung eines unmündigen Fremden in aller Regel die internationalen Beziehungen der Republik Österreich nicht wesentlich beeinträchtigen wird und dieser nach seinem bisherigen Verhalten meist auch dafür Gewähr bieten wird, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art 8 Abs 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet, liegen hier keine tatsächlichen Einbürgerungshürden vor. 67 Auch die Aufgabe der bisher innegehabten Staatsbürgerschaft (vgl § 10 Abs 3 StbG) wird, vermutlich aus Erwägungen des Kindeswohls, nicht verlangt. 68 Zu kritisieren ist jedenfalls die Einschränkung der Möglichkeit einer Einbürgerung nach § 12 Abs 2 StbG nur auf unmündige Minderjährige, da uE keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar ist, mündige minderjährige Kinder von Österreichern von dieser Möglichkeit der Einbürgerung auszuschließen. 69 § 12 Abs 2 StbG ist ein gutes Beispiel für die schlechte Lesbarkeit und Verständlichkeit des StbG: Voraussetzung für die Verleihung ist gemäß Z 1, dass der Einbürgerungswerber zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig niedergelassen war. Es stellt sich daher die Frage, ob ein späterer Wegfall der rechtmäßigen Niederlassung schädlich ist, was aufgrund der klaren Formulierung wohl verneint werden muss, auch wenn hier eine Systemwidrigkeit zum Grundsatz vorliegt, dass relevanter Zeitpunkt jener der Verleihung ist. 348

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Weiters verweist § 12 Abs 2 Z 1 StbG hinsichtlich des Niederlassungsbegriffs explizit auf § 2 Abs 2 NAG, während sich aus der Jud zu § 10 Abs 1 Z 1 und aus § 9 StbG ergibt, dass allgemein für Einbürgerungen ein autonomer Niederlassungsbegriff im StbG heranzuziehen ist (vgl die dortige Kommentierung).

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Für die Anwendung von § 12 Abs 2 StbG ist darüber hinaus erforderlich, dass der Vater zum Zeitpunkt der Geburt (gemeint wohl: des Verleihungswerbers) Staatsbürger ist. Obwohl die Geburt nahezu vierzehn Jahre zurückliegen kann, wird hier die Gegenwartsform verwendet. Da nur auf den Zeitpunkt der Geburt, nicht aber auf jenen der Einbürgerung abgestellt wird, muss es auch unerheblich sein, wenn der Vater inzwischen verstorben wäre oder die österreichische Staatsangehörigkeit verloren hätte. Insofern liegt auch eine Systemwidrigkeit im Vergleich zur Formulierung des § 64a Abs 18 Z 3 StbG vor, wo die Formulierung („die Mutter Staatsbürger ist“) nahe legt, dass die Mutter – trotz verfassungsrechtlicher Bedenken – zum Zeitpunkt der Anzeige noch leben müsste.

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§ 13. Einem Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn 1. er die Staatsbürgerschaft dadurch verloren hat, daß er a) einen Fremden geheiratet, b) gleichzeitig mit dem Ehegatten dieselbe fremde Staatsangehörigkeit erworben oder c) während der Ehe mit einem Fremden dessen Staatsangehörigkeit erworben hat; 2. er seither Fremder ist; 3. die Ehe durch den Tod des Ehegatten oder sonst dem Bande nach aufgelöst ist und 4. er die Verleihung der Staatsbürgerschaft binnen fünf Jahren nach Auflösung der Ehe beantragt. [idF BGBl I 2006/37] EB zu BGBl 250/1965 Nach §  10 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 besitzt eine Frau einen Rechtsanspruch auf die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft, wenn sie diese durch Verehelichung mit einem Ausländer verloren hat, binnen zweier Jahre nach Auflösung dieser Ehe durch den Tod des Ehegatten oder dem Bande nach um die Wiedererlangung ansucht und bestimmte Verlei-

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hungsvoraussetzungen erfüllt. Diese Vorschrift wurde in den Gesetzentwurf übernommen. Darüber hinaus soll ein Verleihungsanspruch auch Frauen gewährt werden, die die Staatsbürgerschaft dadurch verloren haben, daß sie entweder gleichzeitig mit ihrem Ehegatten eine fremde Staatsangehörigkeit erlangten oder während ihrer Ehe mit einem Fremden die Staatsangehörigkeit seines Heimatstaates erwarben. Hiebei kommen vor allem folgende Fälle in Betracht: 1. Der Ehegatte wurde in einem fremden Staat eingebürgert, die Einbürgerung erstreckte sich zwangsläufig auf die Frau (so zum Beispiel in Italien). Diese hat hiedurch gemäß § 9 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 die österreichische Staatsbürgerschaft mitverloren; 2. der Ehegatte wird in einem fremden Staat eingebürgert, die Einbürgerung mit Zustimmung der Frau auf diese erstreckt (so zum Beispiel in der Schweiz); 3. Mann und Frau werden gleichzeitig, jedoch jeder selbständig in einem fremden Staat eingebürgert (so zum Beispiel nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland); 4. eine österreichische Staatsbürgerin heiratet einen Fremden, erwirbt aber nicht unmittelbar durch die Eheschließung, sondern erst während der Ehe auf ihren Antrag die Staatsangehörigkeit ihres Gatten (so zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, in den USA und vielen anderen Staaten). Allen diesen Fällen ist gemeinsam, daß die Ehe zumindest den Anlaß für den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit und den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bildet. Es erscheint daher nur recht und billig, bei Auflösung einer solchen Ehe die Frau auf ihren Antrag wieder in den österreichischen Staatsverband aufzunehmen. EB zu BGBl 170/1983 Der nach Auflösung der Ehe eintretende, zeitlich befristete Rechtsanspruch auf Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Frauen, die die Staatsbürgerschaft dadurch verloren haben, daß sie einen Fremden geehelicht oder gleichzeitig mit ihrem Gatten dieselbe fremde Staatsangehörigkeit erworben oder während der Ehe mit einem Fremden dessen Staatsangehörigkeit erworben haben, soll in Hinkunft nur noch Frauen zustehen, bei denen einer dieser Verlustgründe vor dem Tage des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes eingetreten ist. Der ohne eigenen Willensakt der Frau ausschließlich durch die Tatsache der Eheschließung kraft Gesetzes eintretende Erwerb der Staatsangehörigkeit des Ehegatten führt schon seit dem 1. Juli 1966, dem Tage des Inkrafttretens des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, nicht mehr zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft. Bis zu diesem Zeitpunkt verlor eine Frau durch Verehelichung mit einem Ausländer die österreichische Staatsbürgerschaft, wenn nachgewiesen wurde, daß sie hiedurch nach den Gesetzen des Staates, dem der Ehegatte angehörte, die Staatsangehörigkeit dieses Staates erwarb (§ 8 Abs. 1 StbG 1949 bzw. § 9 Abs. 1 StbG 1925). Auch bei der Eheschließung verliert nunmehr die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG 1965 nur noch, wer

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auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt. Bei dem mit ausdrücklichem Willen des Betroffenen vollzogenen Staatsangehörigkeitswechsel durch einen oder beide Ehegatten während des aufrechten Bestandes der Ehe ist aber bei ernsthafter Befolgung des Gleichheitsgrundsatzes eine unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau nicht vertretbar. Es erscheint jedoch gerechtfertigt, den bisherigen Rechtsanspruch des § 13 StbG 1965 auf Verleihung der Staatsbürgerschaft für diejenigen Frauen zu belassen, die die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Ehegatten vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes verloren haben, weil der Staatsangehörigkeitswechsel möglicherweise nur im Vertrauen auf die nach geltendem Recht bei Auflösung der Ehe gegebene Möglichkeit einer begünstigten Wiedereinbürgerung vollzogen wurde. Nach der Definition des §  2 Z  4 StbG 1965 ist «Fremder» im Sinne des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 ohne Unterschied des Geschlechtes eine Person, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. In Übereinstimmung mit dieser Begriffsbestimmung soll durch Änderung der Formulierung das im Einleitungssatz und in Ziffer 2 für die fremde Frau bisher geschlechtsbezogen verwendete Wort «Fremde» vermieden werden. EB zu BGBl I 124/1998 Die Änderungen in § 13 sind auf Grund des Gleichheitsgrundsatzes geboten. Der Änderungsvorschlag in § 13 Z 4 soll Härtefälle vermeiden. In der Vergangenheit führten Verzögerungen in der vermögensrechtlichen Abwicklung nach Todesfällen oder nach Scheidungen dazu, daß die zwei Jahre, die zur Antragstellung offenstanden, verstrichen sind, ohne daß der oder die Betroffene die Möglichkeit zur Stellung eines rechtswirksamen Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft stellen konnte. Um künftighin diesem Problem besser begegnen zu können, wird vorgeschlagen, die Frist zur Antragstellung auf fünf Jahre nach Auflösung des Ehebandes zu erstrecken. EB zu BGBl I 37/2006 Es handelt sich um eine Anpassung der Zitate. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Verlust als Voraussetzung des Wiedererwerbs......................................... 10 III. Begünstigte der Wiederverleihung............................................................ 12 A. Verlust der Staatsbürgerschaft durch Eheschließung...................... 13 B. Gleichzeitiger Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit mit dem Ehegatten......................................................................................... 15 C. Erwerb der Staatsangehörigkeit des Ehegatten während der Ehe. 16 IV. Spezifische Erfordernisse für die Antragstellung.................................... 19 V. Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen................................................... 23 VI. Verhältnis zu anderen Erwerbstatbeständen im StbG........................... 27

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Schrifttum zu § 13: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Hengstschläger/Leeb, AVG I (2014); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 13 StbG regelt die neuerliche Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Fremde, die früher bereits Österreicher waren und ihre österreichische Staatsbürgerschaft in bestimmten gesetzlich genannten Konstellationen im Kontext einer Eheschließung verloren haben, wenn diese Ehe nun nicht mehr besteht. Die Bestimmung beinhaltet die materiellen Erfordernisse für die neuerliche Einbürgerung sowie die Frist für die Antragstellung. Für den Fall, dass sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind, besteht ein Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft. 2 Bereits im StbG 1949 gab es eine Regelung über die erleichterte Wiedereinbürgerung – allerdings nur – von Frauen, die ihre österreichische Staatsbürgerschaft automatisch durch die Eheschließung verloren hatten. 3 Eine entsprechende Regelung über die Wiederverleihung, jedoch ebenfalls lediglich auf Frauen beschränkt, wurde erweitert durch zusätzliche Tatbestände auch ins Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (StbG 1965, BGBl 250/1965) übernommen. Durch die Neuregelung in §  13 StbG 1965 wurde der Anwendungsbereich der Bestimmung dahingehend ausgedehnt, dass auch weitere Konstellationen des Erwerbs einer fremden Staatsbürgerschaft aufgrund einer Ehe aufgenommen wurden. Die dahinter stehende Idee war, jene Fälle, in denen die Ehe zumindest den Anlass für den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit und damit den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bildete, zu erfassen, da es „nur recht und billig“ sei, bei Auflösung einer solchen Ehe die Frau auf ihren Antrag wieder in den österreichischen Staatsverband aufzunehmen. In den Erläuterungen werden die Fälle beispielhaft näher skizziert (vgl EB zu BGBl 250/1965). 4 Anzumerken ist, dass nicht alle der vom Gesetzgeber im Gesetz sowie in den Erläuterungen zu BGBl 250/1965 zu § 13 StbG 1965, der § 13 StbG 1985 im Wesentlichen entspricht, angeführten Fälle heute tatsäch352

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lich noch in gleichem Maße relevant sind. Dies hängt mit der mehrfachen Novellierung des Staatsbürgerschaftsrechts in den letzten Jahrzehnten und der Entwicklung der Judikatur zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 27 StbG zusammen. Vgl dazu die dortige Kommentierung. In den EB zu BGBl 170/1983 wurde explizit unter Bezugnahme auf §  27 StbG darauf hingewiesen, dass ein automatischer Verlust der Staatsbürgerschaft allein durch eine Eheschließung nun zwar nicht mehr möglich ist, aber dass die Regelung dennoch im Rechtsbestand bleibt, um (damals weiterhin nur) Frauen, die zu einem früheren Zeitpunkt die Staatsbürgerschaft unmittelbar durch die Heirat verloren haben, die Wiedereinbürgerung zu ermöglichen. Dies insbesondere auch unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes. Gerade bei langen Ehen kann ein früherer ex lege eingetretener Verlust aufgrund der damaligen Rechtslage beachtlich sein und sollen Personen, die im Vertrauen auf die damals geltende Rechtslage eine andere Staatsbürgerschaft mit der Eheschließung annahmen, berücksichtigt werden. Die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, wonach § 13 StbG nur auf Frauen anwendbar war, wurde auch noch in das StbG 1985 übernommen. Dies geschah wohl unter der Annahme, dass die Staatsbürgerschaftsgesetze anderer Staaten in sexistischer Weise lediglich den automatischen Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Eheschließung für Frauen vorsehen würden und unter Verkennung des Umstandes, dass insbesondere die Tatbestände des § 13 Z 1 lit b und c auch von Männern erfüllt werden konnten.

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Erst mit BGBl I 124/1998 wurde in Hinblick auf den Gleichheitssatz die Regelung dahingehend novelliert, dass sie nunmehr auch auf Männer anzuwenden ist, die ihre österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund einer Eheschließung verloren haben. Mit derselben Novelle wurde auch die zweijährige Frist für die Beantragung der Wiedereinbürgerung auf fünf Jahre verlängert, um Härtefällen, in denen etwa die Abwicklung von vermögensrechtlichen Ansprüchen in Folge der Auflösung einer Ehe längere Zeit in Anspruch nimmt, gerecht zu werden (EB zu BGBl I 124/1998).

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Mit der letzten Novellierung durch BGBl I 37/2006 wurde aufgrund der Neuregelung und teilweisen Neunummerierung der Absätze des § 10 StbG eine Anpassung des Zitats, uE aber ohne inhaltliche Veränderung, vorgenommen.

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8 Gemäß § 60 StbG ist seit 1.1.2010 aufgrund von BGBl I 135/2009 § 13 StbG auch auf eingetragene Partnerschaften und eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden, wodurch der Anwendungsbereich des §  13 StbG ausgedehnt wurde. Anm: Alle Ausführungen in diesem Beitrag zum Verlust der Staatsbürgerschaft aufgrund einer Ehe beziehen sich ebenso auf den Verlust aufgrund einer eingetragenen Partnerschaft. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird diese allerdings nicht explizit an jeder Stelle erwähnt. 9 Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Kommentars gab es trotz des langjährigen Bestehens der Regelung über die Wiederverleihung keine einschlägige Judikatur der österreichischen Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts oder der Verwaltungsgerichte der Länder, die hier zitiert werden könnte. Sofern im Rechtsinformationssystem in der Datenbank des VwGH Entscheidungen zu § 13 StbG gefunden werden, handelt es sich dabei um Fehltreffer aufgrund irreführender Angabe der heranzuziehenden Normen. Dies ist wiederum primär darauf zurückzuführen, dass in einigen Verfahren entsprechend der Textierung im Bescheid der Staatsbürgerschaftsbehörde Verfahrensgegenstand die Abweisung eines Antrags nach „§§ 10, 11, 11a, 12, 13 und 14 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG)“ war. Tatsächlich konnte weder in der Judikatur des VfGH noch des VwGH oder der Verwaltungsgerichte eine Entscheidung gefunden werden, die sich inhaltlich mit den Voraussetzungen des §  13 StbG (oder mit der Vorgängerbestimmung in § 10 Abs 2 StbG 1945) auseinandersetzte. Dies deutet darauf hin, dass der Vollzug der Bestimmung in der Praxis keine faktischen Probleme oder Rechtsfragen aufwirft, die an Gerichte herangetragen werden oder dass Anwendungsfälle dieser Bestimmung sehr selten sind.

II.  Verlust als Voraussetzung des Wiedererwerbs 10 Die Voraussetzungen des § 13 Z 1 bis Z 4 StbG müssen kumulativ, jene der Z 1 lit a bis c alternativ erfüllt sein (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 141). Bevor die Anwendbarkeit des §  13 StbG geprüft wird, sollte zunächst in jedem Einzelfall der Frage nachgegangen werden, ob durch 354

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den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit überhaupt ein Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft eingetreten ist. § 13 Z 1 lit a StbG spricht uE seinem Wortlaut nach (arg „dadurch“, ebenso die EB zu BGBl 250/1965 „durch Verehelichung“) den automatischen Erwerb der Staatsbürgerschaft unmittelbar durch die Eheschließung an, während bei lit b und c leg cit sowohl ein „automatischer“ Erwerb ex lege aufgrund der fremden Rechtsordnung als auch ein nach § 27 StbG relevanter Erwerb aufgrund einer auf den Verlust der Staatsbürgerschaft gerichteten Willenserklärung erfasst sein kann. Nicht jeder Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit führt auch zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft. Gemäß § 27 Abs 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft nur, wer aufgrund seines Antrags, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. Vgl ausführlich dazu die Kommentierung zu § 27 StbG. Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen eine fremde Staats- 11 bürgerschaft erworben wurde, ohne dass ein Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft eingetreten ist. Dazu müssen jeweils die staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestimmungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Betroffene während der Ehe erworben hat und die Umstände der dortigen Einbürgerung erhoben werden. Gewissheit über einen möglichen Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft kann man durch Ausstellung eines Feststellungsbescheides (§ 42 StbG) erlangen. Sofern kein Verlust eingetreten ist, ist natürlich auch eine Antragstellung nach §  13 StbG nicht indiziert. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der Voraussetzung in § 13 Z 2 StbG, wonach der Antragsteller seit dem in Frage stehenden Erwerb der Staatsbürgerschaft Fremder sein muss. Daraus lässt sich uE aber auch ableiten, dass ein nicht direkt mit dem Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft eingetretener Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht zwingend unter §  13 StbG fallen muss. Nur für Fälle, wo der Verlust der Staatsbürgerschaft auf die in Z 1 umschriebene Weise erfolgte, besteht ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung. Sollte ein Fremder die Staatsbürgerschaft zunächst auf diese Weise verloren haben, dann aber wieder erworben und später nochmals verloren haben, besteht kein Verleihungsanspruch nach §  13 StbG 355

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mehr. Der Verleihungsanspruch nach §  13 StbG besteht zudem nur nach Auflösung der Ehe, in deren Zusammenhang die Staatsbürgerschaft auf die in Z  1 angeführte Art  verloren wurde, nicht aber nach Auflösung allfälliger weiterer Ehen, die der Fremde geschlossen hat (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 141).

III.  Begünstigte der Wiederverleihung 12 Eine neuerliche Einbürgerung gemäß § 13 StbG darf nur in Fällen erfolgen, in denen der Betroffene seine österreichische Staatsbürgerschaft dadurch verloren hat, dass er einen Fremden geheiratet hat, gleichzeitig mit dem Ehegatten dieselbe fremde Staatsangehörigkeit erworben hat oder während der Ehe mit einem Fremden dessen Staatsangehörigkeit erworben hat. Es werden damit nur Konstellationen des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit erfasst, die in sachlichem oder zeitlichem Zusammenhang mit einer erfolgten Eheschließung oder einem Leben in der ehelichen Gemeinschaft stehen.

A.  Verlust der Staatsbürgerschaft durch Eheschließung 13 Der Tatbestand des § 13 Z 1 lit a StbG erfasst den Fall, dass automatisch durch eine Eheschließung („dadurch […] dass er einen Fremden heiratet“) die Staatsangehörigkeit des Ehegatten erworben und dadurch ex lege die österreichische Staatsbürgerschaft verloren wurde. Wie bereits ausgeführt, sollte dies bei Eheschließungen ab dem 1.1.1966 (dh seit Inkrafttreten des StbG 1965) aufgrund von § 27 StbG nicht mehr möglich sein. 14 Es bleiben für lit a daher uE nur zwei Anwendungsfälle: jene Ehen, bei denen nach alter Rechtslage ein ex lege Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft eingetreten ist oder jene, bei denen gleichzeitig mit der Eheschließung oder im Vorfeld im Hinblick auf diese eine Willenserklärung abgegeben wurde und durch diese der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat. Sofern der Betroffene die fremde Staatsbürgerschaft durch eine Willenserklärung erworben hat, hat er sie bei strenger Auslegung nach dem Wortlaut (womöglich) nicht durch die Heirat erworben, sodass auch ein Anwendungsfall der lit c vorliegen könnte. Für Willenserklä356

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rungen nach der Eheschließung – und sei es auch nur eine logische Sekunde danach – ist uE jedenfalls lit c heranzuziehen. Bei Abgrenzungsfragen im Einzelfall müsste wohl hinterfragt werden, welche Willenserklärung zu welchem Zeitpunkt abgegeben wurde und was das Staatsbürgerschaftsgesetz der Rechtsordnung des betroffenen Fremden vorsieht. Im Ergebnis kommt der Unterscheidung allerdings eher theoretische Bedeutung zu, da beide Arten des Verlusts die Möglichkeit zur Beantragung der Wiederverleihung begründen.

B. Gleichzeitiger Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit mit dem Ehegatten § 13 Z 1 lit b bezieht sich auf den Fall, dass gleichzeitig mit dem Ehegat- 15 ten dieselbe fremde Staatsangehörigkeit erworben worden ist. Nach dem Wortlaut der Bestimmung kommt es dabei weder darauf an, welche Staatsbürgerschaft der andere Ehegatte vor Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit hatte noch auf die Art des Erwerbs (freiwillig oder ex lege). Im Gegensatz zu lit a und lit c ist bei lit b nicht erforderlich, dass der ehemalige Österreicher jene Staatsangehörigkeit erwirbt, die der Ehegatte schon bei der Eheschließung hatte. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass ein Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nur eintreten konnte, wenn der Betroffene auch selbst eine Willenserklärung abgegeben hat (vgl § 27 StbG) oder freiwillig auf die österreichische Staatsbürgerschaft verzichtet hat.

C. Erwerb der Staatsangehörigkeit des Ehegatten während der Ehe Die dritte Variante des § 13 Z 1 regelt in lit c den Fall, dass der Betrof- 16 fene während der Ehe mit einem Fremden dessen Staatsangehörigkeit erworben hat. Sofern es fremde Rechtsordnungen gibt, in denen ex lege und ohne eine gesonderte Willenserklärung, etwa nach einer bestimmten Dauer der Ehe, die Staatsbürgerschaft erworben wird, wäre ein solcher Erwerb unbeachtlich. Zum Verlust kann auch hier nur der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit führen, der aufgrund einer nach §  27 Abs 1 StbG relevanten Willenserklärung erfolgte. 357

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17 Zu berücksichtigen sind uE unter dem Aspekt der lit c aber auch der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 32 (Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates), 33 (Entziehung) und 37 StbG (Verzicht), wenn diese während aufrechter Ehe und im Kontext des Erwerbs der Staatsangehörigkeit des Ehegatten erfolgten. Dies lässt sich mit den EB zu BGBl 250/1965 begründen, wonach die Ehe zumindest den Anlass für den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit und den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft gebildet haben muss und dies in den meisten Konstellationen, in denen der fremde Staat iSd §§ 32 f StbG jener der Staatsangehörigkeit des Ehegatten ist, wohl der Fall sein wird. 18 Die Staatsbürgerschaft iSd lit c kann nur eine Staatsbürgerschaft sein, die der Ehegatte schon zu Beginn der Ehe hatte oder während dieser erworben hat, nicht etwa die fremde jenes Staates, in welchem der Betroffene gemeinsam mit dem Ehegatten lebte, aber dessen Staatsangehörigkeit er selbst nicht hatte.

IV. Spezifische Erfordernisse für die Antragstellung 19 Um sich nach dem Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft aufgrund einer Ehe mit einem Fremden für den Wiedererwerb selbiger zu qualifizieren, müssen einige weitere Voraussetzungen vorliegen: die Auflösung der Ehe, das Fehlen der österreichischen Staatsbürgerschaft und die fristgerechte Beantragung binnen fünf Jahren ab Auflösung der Ehe. 20 Die Ehe muss mittlerweile durch den Tod des Ehegatten oder sonst „dem Bande nach“ aufgelöst sein (Z 2). UE ist es dabei unerheblich, ob die Ehe durch Scheidung beendet oder das eheliche Band durch Nichtigerklärung beseitigt worden ist. Diese Ansicht lässt sich insbesondere mit dem Schutzzweck der Norm begründen, die es dem Betroffenen ermöglichen soll, nach Wegfall einer Ehe wieder die österreichische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Dem Tod des Ehegatten ist die Todeserklärung gleichzuhalten. Bei ausländischen Entscheidungen ist zu prüfen, ob sie für den österreichischen Rechtsbereich wirksam sind (vgl Fessler/Keller/PommereningSchober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 141 unter Bezugnahme auf § 12 TEG). Bei der Scheidung ist nur eine – auch ausländische und für den österreichischen Rechtsbereich wirksame – Entscheidung, mit der eine 358

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Ehe „dem Band nach“ aufgelöst wird, beachtlich; eine Scheidung „von Tisch und Bett“ oder eine sonstige Eheauflösung unter Aufrechterhaltung des Ehebandes reicht hingegen nicht aus (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 141). Eine neuerliche Beantragung der österreichischen Staatsbürgerschaft gestützt auf § 13 StbG während aufrechter Ehe mit demselben Partner, wegen dem sie verloren wurde, ist jedenfalls nicht möglich. Freilich bleibt es dem Betroffenen aber unbenommen, eine neuerliche Einbürgerung aufgrund anderer Bestimmungen zu beantragen. Vgl dazu VI. Der Betroffene muss weiters seit einem der in § 13 Z 1 StbG genannten 21 Ereignisse ununterbrochen Fremder sein (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 141). Sofern er erst nachträglich Fremder wurde und die Ehe dafür nicht Anlass war (EB zu BGBl 250/1965), kann § 13 StbG nicht herangezogen werden. Letztlich ist auch noch die fünfjährige Frist für die Antragstellung 22 nach Auflösung der Ehe zu beachten. Mit „Auflösung der Ehe“ ist uE der Todestag des Ehegatten oder die Rechtskraft jener Entscheidung, mit welcher die Ehe „dem Bande nach aufgelöst“ wurde, zu beachten. Ein Lauf der Frist, etwa im Falle einer Nichtigerklärung der Ehe, welche ex tunc wirkt, würde ebenfalls dem oben angesprochenen Schutzzweck der Norm zuwiderlaufen. Bei der Fünfjahresfrist des § 13 Z 4 StbG handelt es sich nicht um eine verfahrensrechtliche, sondern um eine materiellrechtliche Frist; sie wird erkennbar mit sonstigen staatsbürgerschaftsrechtlichen Fristen betreffend Geltendmachung eines Erwerbsanspruches gleichgesetzt. Solche Fristen finden sich neben § 13 StbG zB auch in § 12 Z 3 und in § 14 StbG 1985 (seinerzeit §§ 12 lit c, 13 und 14 StbG 1965), die durchgehend als materiellrechtliche Fristen verstanden werden (VwGH 16.4.2004, 2002/01/0474, RS 2 unter Hinweis auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II [1990], 234, 238 und 243 und VwSlg 2174 A/1951). Vgl dazu auch die Erwägungen des VwGH in 16.4.2004, 2002/01/0474 zu Art  I §  1 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985: „Noch deutlicher wird der Charakter der Frist des Art. I §  1 Abs. 2 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985, wenn man sich die zu ihrer Verlängerung durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986 führenden Erwägungen vor Augen hält, wonach diese Verlängerung der 359

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Vermeidung von Härtefällen dienen sollte; handelte es sich bei dieser Frist um eine verfahrensrechtliche (und daher restituierbare) Frist, so hätte es einer gesonderten Bedachtnahme auf ‚Härtefälle‘ nicht bedurft, oder es wäre zumindest ein Hinweis darauf zu erwarten gewesen, dass nicht nur Fälle des - nach damaliger Rechtslage: völligen - Fehlens eines Verschuldens an der Unkenntnis dieser Möglichkeit zum Erwerb der Staatsbürgerschaft erfasst werden sollten.“ – Diese Überlegungen sind auch auf die EB zu BGBl I 124/1998 übertragbar.

V.  Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen 23 Gemäß § 13 StbG sind für die neuerliche Einbürgerung einige materielle Erteilungsvoraussetzungen zu erfüllen. Dies sind zunächst sämtliche allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 10 Abs 1 StbG mit Ausnahme des Aufenthalts in Österreich. Die Antragstellung kann daher auch ohne Wohnsitz oder Aufenthalt in Österreich vom Ausland aus bei der zuständigen österreichischen Botschaft erfolgen. Der gesicherte Lebensunterhalt, welcher anhand der österreichischen ASVG-Richtsätze bemessen wird (vgl § 10 Abs 1 Z 7 StbG) ist aber jedenfalls nachzuweisen, sofern nicht Gründe iSd § 10 Abs 1 lit b StbG bestehen. 24 Ebenso darf keine maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen iSd § 10 Abs 1 Z 2-6, 8 und Abs 2 StbG vorliegen. 25 Letztlich erfordert der Verweis auf § 10 Abs 3 StbG grundsätzlich die Aufgabe der zum Zeitpunkt der Antragstellung vom Fremden innegehabten Staatsbürgerschaft, es sei denn das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatenverband wäre unmöglich oder unzumutbar. 26 Gemäß § 10a Abs 2 StbG gilt für ehemalige Österreicher, welche die Wiedereinbürgerung nach §  13 StbG beantragen, §  10a Abs  1 StbG nicht, sodass sie keinen Deutschnachweis erbringen müssen. Nähere Ausführungen zu den genannten Erteilungsvoraussetzungen finden sich bei der jeweiligen Kommentierung der zitierten Bestimmungen.

VI. Verhältnis zu anderen Erwerbstatbeständen im StbG 27 Die Anwendung anderer Erwerbstatbestände des StbG bleibt von § 13 StbG uE unberührt. So kann ein ehemaliger Österreicher natürlich 360

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auch eine Einbürgerung gemäß §§ 10, 11, 11a oder 12 StbG beantragen, aber beispielsweise ebenso unter die Regelung für „Putativösterreicher“ gemäß § 57 StbG fallen.

§ 14. (1) Einem Fremden ist die Staatsbürgerschaft ferner zu verleihen, wenn er 1. im Gebiet der Republik geboren und seit seiner Geburt staatenlos ist; 2. insgesamt mindestens zehn Jahre seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hatte, wobei ununterbrochen mindestens fünf Jahre unmittelbar vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft liegen müssen; 3. nicht von einem inländischen Gericht rechtskräftig nach einer der folgenden Gesetzesstellen verurteilt worden ist: a) §§ 103, 124, 242, 244, 246, 248, 252 bis 254, 256, 257 Abs. 2, 258, 259, 260, 269, 274 bis 276, 278a bis 278d, 279 bis 285 und 320 StGB, BGBl. Nr. 60/1974; b) §§ 277 und 278 StGB, soweit die Tat mit Beziehung auf eine nach §  103 StGB strafbare Handlung begangen worden ist; c) § 286 StGB, soweit die Tat mit Beziehung auf die in lit. a angeführten strafbaren Handlungen begangen worden ist; d) §§ 3a und 3b sowie 3d bis 3g des Verbotsgesetzes 1947; 4. weder von einem inländischen noch von einem ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf oder mehr Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach inländischem Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen ist und 5. die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach Vollendung des 18. Lebensjahres und spätestens zwei Jahre nach dem Eintritt der Volljährigkeit beantragt. (2) Eine Person, die an Bord eines die Seeflagge der Republik führenden Schiffes oder eines Luftfahrzeuges mit österreichischer 361

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Staatszugehörigkeit geboren wurde, gilt bei der Anwendung des Abs. 1 Z 1 als im Gebiet der Republik geboren. [idF BGBl I 2006/37] EB zu BGBl 163/1966 Zu Abs. l: Artikel 1 der bereits mehrfach erwähnten UN-Konvention, betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit, verpflichtet die vertragschließenden Staaten, entweder kraft Gesetzes oder auf Antrag durch einen individuellen Akt die Staatsangehörigkeit an alle Personen zu verleihen, die auf ihrem Hoheitsgebiet geboren und seit Geburt staatenlos sind. Jedoch können nach dem Absatz 2 dieses Artikels die Vertragsstaaten die Aufnahme solcher Personen in ihren Staatsverband von folgenden Bedingungen abhängig machen: […] Wie bereits im Teil A der Erläuternden Bemerkungen ausgeführt wurde, sollte sich auch Österreich an die UN-Konvention binden und damit den Kampf gegen die Staatenlosigkeit unterstützen. Der vorliegende Gesetzentwurf will daher den in Rede stehenden Staatenlosen im Sinne des obzitierten Artikels 1 der UN-Konvention einen Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft einräumen, soweit diese die in der Konvention als zulässig anerkannten Bedingungen erfüllen. Die Bundesregierung hält es jedoch nicht für zweckmäßig, den im Artikel 1 Abs. 2 lit. c der Konvention verwendeten Begriff «Verstoß gegen die nationale Sicherheit» unverändert in das geplante Staatsbürgerschaftsgesetz zu übernehmen. Denn hiebei handelt es sich um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung in der Praxis sicherlich Schwierigkeiten bereiten und zu verschiedenen Auslegungen führen würde. Der Gesetzentwurf will daher durch eine taxative Aufzählung für den österreichischen Rechtsbereich verbindlich klarstellen, welche Delikte als «Verstöße gegen die nationale Sicherheit» der Republik anzusehen sind. Zu Abs. 3: Diese Bestimmung wurde gleichfalls aus der in Rede stehenden UN-Konvention übernommen (Artikel 3). Sie gilt wohl für den gesamten Bereich der Konvention «zum Zweck der Festlegung der Verpflichtungen der vertragschließenden Staaten im Rahmen dieser Konvention». Im Rahmen der Konventionsverpflichtungen kommt aber der Fiktion des inländischen Geburtsortes nur hinsichtlich des § 14 Bedeutung zu. Die in Rede stehende Bestimmung wurde daher in diese Gesetzesstelle eingebaut. Das Recht zur Führung der Flagge der Republik Österreich ist im Seeflaggengesetz (BGBl Nr. 187/1957) in der Fassung der Novelle BGBL Nr. 133/1960 geregelt. Nach § 15 Abs. 1 des Luftfahrtgesetzes (BGBl Nr. 253/1957) besitzen Zivilluftfahrzeuge, die in das Luftfahrzeugregister eingetragen sind, sowie alle Militärluftfahrzeuge des Bundesheeres die österreichische «Staatszugehörigkeit». EB zu BGBl 394/1973 Die im § 14 Abs. 1 Z. 5 StbG 1965 für die Antragstellung festgesetzten Fristen gründen sich auf Art. 1 Abs. 2 lit. a der UN-Konvention vom 30. August 1961 betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit, wonach die Vertragsstaaten

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die Verpflichtung zur Aufnahme der auf ihrem Hoheitsgebiet geborenen und seit Geburt staatenlosen Personen u. a. von der nachstehenden Bedingung abhängig machen können: „a) Der Antrag wird während eines von dem vertragschließenden Staat festgesetzten Zeitraumes eingebracht, der nicht später als mit der Erreichung des 18. Lebensjahres beginnt und nicht früher als mit der Erreichung des 21. Lebensjahres endet, der es aber der betreffenden Person ermöglichen muß, innerhalb eines Zeitraumes von mindestens einem Jahr selbst den Antrag zu stellen, ohne vorher durch ein Gesetz dazu ermächtigt werden zu müssen.“ Mit Rücksicht auf die Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze auf 19 Jahre durch das Bundesgesetz vom 14. Feber 1973, mit dem Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit und die Ehemündigkeit geändert werden, BGBl Nr. 108, wurde der Wortlaut der Bestimmung des § 14 Abs. 1 Z. 5 StbG 1965 entsprechend geändert. Bei der Fassung des § 14 Abs. 1 Z. 5 des Stammgesetzes war die Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit maßgebend. Da die Geschäftsfähigkeit nicht in allen Fällen im Zeitpunkt der Erreichung der Großjährigkeit erlangt wurde, hat das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 nicht das Rechtsinstitut der Großjährigkeit, sondern das Erlöschen der väterlichen Gewalt oder der Vormundschaft für rechtlich erheblich erklärt. Nach dem oben zitierten Bundesgesetz vom 14. Feber 1973 fallen der Zeitpunkt der vollen Geschäftsfähigkeit und der des Eintrittes der Volljährigkeit zusammen. Zufolge dieser Rechtslage wird der Begriff „Erlöschen der väterlichen Gewalt oder Vormundschaft“ im §  14 Abs. 1 Z. 5 StbG 1965 durch den Begriff „Eintritt der Volljährigkeit“ ersetzt. Bezüglich der Bestimmung des § 14 Abs. 2 StbG 1965 wird auf die Erläuterungen zu Z. 2 und 3 verwiesen. EB zu 703/1974 Zur Z. 2: Nach Art. 1 Abs. 1 des von Österreich ratifizierten Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit verleiht jeder Vertragsstaat einer in seinem Hoheitsgebiet geborenen Person, die sonst staatenlos wäre, seine Staatsangehörigkeit, wobei die Verleihung von bestimmten im Übereinkommen festgelegten Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann. Eine dieser Voraussetzungen ist nach Art. 1 Abs. 2 lit. c des Übereinkommens, daß der Betroffene weder wegen einer strafbaren Handlung gegen die nationale Sicherheit noch wegen einer gemeinen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt worden ist. § 14 Abs. 1 Z. 3 führt die nach österreichischem Recht gegen die nationale Sicherheit gerichteten strafbaren Handlungen an. Diese Gesetzesstellen werden den neuen Bestimmungen des Strafgesetzbuches angepaßt. EB zu BGBl 311/1985 Diese Bestimmung wurde gleichfalls aus der UN-Konvention betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit übernommen (Text siehe III.5., Artikel 3). Sie gilt wohl für den gesamten Bereich der Konvention „zum Zweck der Festlegung der Verpflichtungen der vertragschließenden Staaten im Rahmen dieser Konvention“. Im Rahmen der Konventionsverpflichtungen kommt aber die Fiktion des

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inländischen Geburtsortes nur hinsichtlich des § 14 Bedeutung zu. Die in Rede stehende Bestimmung wurde daher in diese Gesetzesstelle eingebaut. Das Recht zur Führung der Flagge der Republik Österreich ist im Seeflaggengesetz geregelt. EB zu BGBl 505/1994 Artikel 1 der UN Konvention betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit, verpflichtet die vertragschließenden Staaten entweder kraft Gesetzes oder auf Antrag durch einen individuellen Akt die Staatsangehörigkeit an alle Personen zu verleihen, die auf ihrem Hoheitsgebiet geboren und seit Geburt staatenlos sind. Jedoch können nach dem Absatz 2 dieses Artikels die Vertragsstaaten die Aufnahmen solcher Personen in ihren Staatenverband von bestimmten Bedingungen abhängig machen (Text siehe III.5.) Der vorliegende Gesetzesentwurf will daher den in Rede stehenden Staatenlosen im Sinne des obzitierten Artikels 1 der UN-Konvention einen Rechtsanspruch auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft einräumen, soweit diese die in der Konvention als zulässig anerkannten Bedingungen erfüllen. Die Bundesregierung hält es jedoch nicht für zweckmäßig den im Artikel 1 Abs  2 lit c der Konvention verwendeten Begriff „Verstoß gegen die nationale Sicherheit“ unverändert in das geplante Staatsbürgerschaftsgesetz zu übernehmen. Denn hiebei handelt es sich um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung in der Praxis sicherlich Schwierigkeiten bereiten und zu verschiedenen Auslegungen führen würde. Der Gesetzesentwurf will daher durch eine taxative Aufzählung für den österreichischen Rechtsbereich verbindlich klarstellen, welche Delikte als „Verstöße gegen die nationale Sicherheit“ der Republik anzusehen sind. Bei der Fassung dieser Bestimmung war die Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit maßgebend. Nach dem Bundesgesetz vom 14.2.1973, mit dem die Bestimmungen über die Geschäftsfähigkeit und die Ehemündigkeit geändert wurden, BGBl. Nr. 108/1973 fallen der Zeitpunkt der vollen Geschäftsfähigkeit und der des Eintrittes der Volljährigkeit zusammen. EB zu BGBl I 37/2006 Zur Umsetzung des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl. Nr. 538/1974, ist es weiterhin notwendig, § 14 in der derzeitigen Fassung zu belassen. Allerdings erscheint es im Hinblick auf Art. 1 Abs. 2 lit. c leg. cit. vertretbar, die im Entwurf zusätzlich genannten schweren Straftaten als Verleihungshindernis für eine Verleihung nach § 14 zu normieren. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Verleihungsvoraussetzungen..................................................................... 10 III. Verleihungshindernisse............................................................................... 19

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Schrifttum zu § 14: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, ­Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Der Gesetzgeber sieht Staatenlosigkeit als Aspekt für eine positive Er- 1 ledigung eines Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft an (vgl VwGH 16.12.1998, 98/01/0105; 22.4.1998, 97/01/0223; 20.2.1998, 97/01/0272 uvm). §  14 StbG normiert daher, dass Personen, die von Geburt an staatenlos sind, einen Rechtsanspruch (vgl auch VwGH 22.4.1998, 97/01/0223) auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft haben, wenn sie in Österreich geboren worden sind, insgesamt mindestens zehn Jahre ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hatten, wobei ununterbrochen mindestens fünf Jahre unmittelbar vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft liegen müssen, wenn sie nicht von einem inländischen Gericht rechtskräftig nach bestimmten taxativ aufgezählten Straftatbeständen verurteilt worden sind bzw weder von einem inländischen noch von einem (unter bestimmten Voraussetzungen) ausländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von fünf oder mehr Jahren rechtskräftig verurteilt worden sind und wenn die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach Vollendung des 18. Lebensjahres und spätestens zwei Jahre nach dem Eintritt der Volljährigkeit beantragt wird. Weiters enthält § 14 Abs 2 eine Konkretisierung dahingehend, dass die 2 an Bord eines die Seeflagge der Republik Österreich führenden Schiffes oder eines Luftfahrzeuges mit österreichischer Staatszugehörigkeit geborene Person bei Anwendung dieser Sonderregelung für Staatenlose als im Bundesgebiet geboren gilt. Die Bestimmung des § 14 StbG wurde aufgrund der UN-Konvention 3 betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit in das österreichische Staatsbürgerschaftsgesetz übernommen (vgl EB zu BGBl 311/1985, vgl auch VwGH 22.4.1998, 97/01/0223). Art 1 der genannten Konvention verpflichtet die Vertragsstaaten entweder kraft Gesetzes oder auf Antrag durch einen individuellen Akt die Staatsangehörigkeit an alle Personen zu verleihen, die auf ihrem Hoheitsgebiet geboren und 365

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seit Geburt staatenlos sind, wobei die Vertragsstaaten die Aufnahme solcher Personen in ihren Staatenverband von bestimmten Bedingungen abhängig machen können. 4 Da anders als im Abkommen unbestimmte Rechtsbegriffe in § 14 StbG weitgehend vermieden werden, ist der Beurteilungsspielraum sehr gering (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 143). 5 Auch dass für die Anwendung der Bestimmung des § 14 die Erlangung der vollen Geschäftsfähigkeit erforderlich ist, ergibt sich aus der Vorgabe in der UN-Konvention (EB zu BGBl. 505/1994). Bei Staatenlosen ist die Volljährigkeit gemäß § 9 Abs 2 IPRG nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts zu beurteilen; im Hinblick auf § 14 Abs 1 Z 2 wird dies nahezu immer das österreichische Recht sein (vgl Fessler/Keller/ Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 144). 6 Österreich hat die Bestimmung so umgesetzt, dass ein Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft unter den zuvor genannten Bedingungen besteht, wobei der unbestimmte Konventionsbegriff „Verstoß gegen die nationale Sicherheit“ im Gesetz durch eine taxative Aufzählung konkretisiert wurde, um Auslegungsschwierigkeiten in der Praxis zu vermeiden (vgl EB zu BGBl 505/1994). 7 Durch BGBl 37/2006 wurden zusätzliche schwere Straftaten als Verleihungshindernis für die Verleihung nach §  14 StbG im Hinblick auf Art 1 Abs 2 lit c des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl 538/1974 eingefügt (vgl EB zu BGBl 37/2006). 8 Besonders viel Judikatur zu § 14 StbG gibt es aufgrund des offenkundig, vor allem zeitlich, stark eingeschränkten Anwendungsbereichs nicht. 9 Sofern die engen Voraussetzungen für den Rechtsanspruch nach § 14 StbG nicht erfüllt werden können, bleibt freilich die Möglichkeit auf einen anderen Verleihungstatbestand des StbG, insbesondere § 10 oder § 11a Abs 6 Z 1 StbG auszuweichen.

II.  Verleihungsvoraussetzungen 10 Erforderlich ist zunächst gemäß §  14 Abs  1 Z  1, dass der Einbürgerungswerber auf dem Bundesgebiet der Republik geboren wurde, 366

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wobei gemäß Abs 2 leg cit eine Person, die an Bord eines die Seeflagge der Republik führenden Schiffes oder eines Luftfahrzeuges mit österreichischer Staatszugehörigkeit geboren wurde, bei der Anwendung des Abs 1 Z 1 als im Gebiet der Republik geboren gilt. Weitere Voraussetzung ist, dass die Person seit ihrer Geburt bereits 11 staatenlos ist. Ein späterer selbst herbeigeführter oder unverschuldeter Eintritt der Staatenlosigkeit führt daher nicht zur Anwendbarkeit des § 14 StbG. Die zweijährige Frist des § 14 Abs 1 Z 5 StbG ist eine materiellrechtli- 12 che (VwGH 16.4.2004, 2002/01/0474 unter Hinweis auf sonstige staatsbürgerschaftsrechtliche Fristen betreffend Geltendmachung eines Erwerbsanspruches wie in § 12 Z 3 und § 13 StbG 1985 und Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II [1990], 234, 238 und 243; Hinweis: VwSlg 2174 A/1951). Es handelt sich somit nicht um eine verfahrensrechtliche (und daher restituierbare) Frist. Abweichend von § 10 Abs 1 Z 1 StbG (aF) wird in § 14 Abs 1 Z 2 ge- 13 fordert, dass der Einbürgerungswerber nicht nur mindestens zehn Jahre seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hatte, sondern dass dieser auch ununterbrochen mindestens fünf Jahre unmittelbar vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft im Gebiet der Republik liegen muss. Die Bedeutung des Hauptwohnsitzes ist mit der StbG-Novelle 2005 14 zurückgegangen, spielt aber ua in §§ 10 Abs 4, 12 und 14 StbG weiterhin eine Rolle. Der Begriff „Hauptwohnsitz“ ist in § 1 Abs 7 MeldeG definiert. Für Zeiten vor Inkrafttreten des Hauptwohnsitzgesetzes (BGBl I 505/1994) gilt für die Vollziehung des StbG als Hauptwohnsitz der ordentliche Wohnsitz, der in § 5 Abs 1 StbG (idF BGBl 311/1985) definiert war als der Ort, an dem sich eine Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen, wobei es unerheblich ist, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben (vgl Fessler/Keller/PommereningSchober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 48 ff; 143). Wie in der früheren Fassung des §  10 Abs  1 Z  1 StbG (vor BGBl I 15 37/2006) wird nicht auf einen rechtmäßigen Aufenthalt oder eine Niederlassung, sondern auf den Hauptwohnsitz in Österreich abgestellt. Es ist daher die umfangreiche ältere Judikatur zum Hauptwohnsitz in 367

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Österreich mit der Maßgabe heranzuziehen, dass mindestens fünf Jahre unmittelbar vor der Verleihung (also vor dem Entscheidungszeitpunkt) dieser in Österreich bestanden haben muss. 16 So zB VwGH 7.6.2000, 98/01/0081: Vor dem Hintergrund des §  1 Abs  7 MeldeG 1991 ist ein Hauptwohnsitz in Österreich begründet, wenn sich der Fremde in Österreich an einer Unterkunft in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hätte, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen. Ob ein Hauptwohnsitz vorliegt, hängt nur von der Erfüllung dieser zuletzt umschriebenen Voraussetzungen ab, nicht hingegen davon, ob der Aufenthalt des Fremden rechtmäßig ist. 17 Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des § 10 StbG werden von § 14 StbG als lex specialis verdrängt (vgl VwGH 27.9.2005, 2005/01/0562, wonach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 StbG in Fällen des § 14 StbG nicht erfüllt werden müssen). Es ist daher insbesondere kein Unterhaltsnachweis zu erbringen. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Einbürgerungswerber nicht von einem inländischen Gericht rechtskräftig nach bestimmten taxativ aufgezählten Straftatbeständen verurteilt worden sein darf. Vgl dazu Folgenden unter III. 18 §  10a StbG 1985, wonach Deutschkenntnisse und nunmehr auch Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung etc für die Einbürgerung erforderlich sind, bezieht sich demgegenüber nach Auffassung des VwGH nicht nur auf die Verleihungstatbestände des § 10 StbG 1985, sondern auch auf diejenigen der §§ 11a bis 14 StbG 1985 sowie auf die Erstreckung der Verleihung nach den §§  16 und 17 StbG 1985 (vgl VwGH 9.9.2003, 2002/01/0008 und 3.5.2000, 99/01/0272 mit ausführlicher rechtshistorischer und systematischer Begründung sowie Literaturhinweisen). Auch bei diesen – wenigen – Einbürgerungen nach § 14 StbG ist daher ein B1-Diplom einer zertifizierten Einrichtung vorzulegen und ein Staatsbürgerschaftstest zu bestehen.

III.  Verleihungshindernisse 19 Mit den in Z 3 angeführten Gesetzesstellen wird der im UNO-Übereinkommen verwendete Begriff „Verstoß gegen die nationale Sicherheit“ konkretisiert. Es handelt sich bei den Verleihungshindernissen gemäß § 14 Abs 1 Z 3 lit a um folgende Straftaten nach dem österreichischen Strafgesetzbuch (StGB): 368

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§ 103: Überlieferung an eine ausländische Macht; § 124: Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zu Gunsten des Auslands; § 242: Hochverrat; § 244: Vorbereitung eines Hochverrats; § 246: Staatsfeindliche Verbindungen; § 248: Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole; § 252: Verrat von Staatsgeheimnissen; § 253: Preisgabe von Staatsgeheimnissen; § 254: Ausspähung von Staatsgeheimnissen; § 256: Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs; § 57 Abs 2: Begünstigung feindlicher Streitkräfte; § 258: Landesverräterische Fälschung und Vernichtung von Beweisen; § 259: Beteiligung an militärischen strafbaren Handlungen; § 260: Wehrmittelsabotage; § 269: Widerstand gegen die Staatsgewalt; § 274: Schwere gemeinschaftliche Gewalt; § 275: Landzwang; (§ 276: entfallen – dieser Paragraph ist zwar in der Aufzählung gemäß § 14 Abs 1 Z § lit a StbG enthalten, findet sich aber nicht mehr im StGB); § 277: Verbrecherisches Komplott in Bezug auf § 103; § 278: Kriminelle Vereinigung in Bezug auf § 103; § 278a: Kriminelle Organisation; § 278b: Terroristische Vereinigung; § 278c: Terroristische Straftaten; § 278d: Terrorismusfinanzierung; § 279: Bewaffnete Verbindungen; § 280: Ansammeln von Kampfmitteln; (§ 281: Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze; außer Kraft seit 31.12.2015); §  282: Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen; § 282a: Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten; § 283: Verhetzung; § 284: Sprengung einer Versammlung; § 285: Verhinderung oder Störung einer Versammlung; 369

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− § 286: Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung in Bezug auf alle der (in lit a) angeführten Straftaten; − § 320: Verbotene Unterstützung von Parteien bewaffneter Konflikte. 20 Die rechtskräftige Verurteilung aufgrund eines dieser Straftatbestände führt zur Versagung des Rechtsanspruchs gemäß § 14 StbG. Daneben sind gemäß §  14 Abs  1 Z  3 lit b auch bestimmte taxativ aufgezählte Tatbestände des Verbotsgesetzes 1947 als Versagungsgrund erfasst: − §§ 3a und 3b sowie 3d bis 3g des Verbotsgesetzes 1947 21 Aus der Aufzählung des § 14 StbG ist klar ersichtlich, dass es sich dabei durchwegs um Straftaten mit politischem Hintergrund handelt, die sich gegen die öffentliche Sicherheit und den (gesellschaftlichen) Frieden Österreichs richten. 22 Aus § 14 Abs 1 Z 4 StbG ergibt sich zudem, dass der Einbürgerungswerber weder von einem inländischen noch von einem ausländischen Gericht aufgrund einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von fünf oder mehr Jahren rechtskräftig verurteilt worden sein darf, wobei ausländische Verurteilungen nur dann heranzuziehen sind, wenn die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrunde liegenden strafbaren Handlungen auch nach inländischem Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen ist. 23 Diese Regelung umfasst alle Straftaten, auch solche abseits der in lit a aufgezählten. Dem Wortlaut der Bestimmung nach ist es dabei auch unerheblich, ob die Freiheitsstrafe bloß bedingt oder teilbedingt ausgesprochen worden ist. Hinsichtlich ausländischer Strafurteile wird auf die Kommentierung zu § 10 Abs 1 Z 2 StbG verwiesen. 24 Selbstverständlich sind getilgte Verurteilungen (siehe Tilgungsgesetz 1972) unbeachtlich (EB zu BGBl 37/2006). Gemäß § 1 Abs 4 TilgG gelten Personen als unbescholten, wenn die Verurteilung getilgt ist. Sie sind daher auch nicht verpflichtet, die getilgte Verurteilung anzugeben. 25 Darüber hinaus bestehen unter bestimmten Voraussetzungen auch Auskunftsbeschränkungen nach § 6 TilgG. Gemäß § 6 Abs 2 TilgG tritt eine Beschränkung der Auskunft aus dem Strafregister sofort mit Rechtskraft des Urteiles bei höchstens dreimonatigen Freiheitsstrafen wegen Erwachsenenstraftaten und bei höchstens sechsmonatigen Freiheitsstrafen bei Jugendstraftaten sowie weiters bei Unterbringung in 370

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einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB ein. Nach § 6 Abs 3 TilgG tritt diese Beschränkung drei Jahre nach Beginn 26 der Tilgungsfrist bei höchstens sechsmonatigen Freiheitsstrafen wegen Erwachsenenstraftaten und bei höchstens zwölfmonatigen Freiheitsstrafen wegen Jugendstraftaten ein. Im Fall der Beschränkung der Auskunft dürfen die Staatsbürgerschafts- 27 behörden gemäß § 6 Abs 1 TilgG keine Auskunft über diese Straftaten aus dem Strafregister erhalten. Gemäß § 6 Abs 5 TilgG sind Verurteilte nicht verpflichtet, strafgericht- 28 liche Verurteilungen, die der beschränkten Auskunft unterliegen, den Staatsbürgerschaftsbehörden bekanntzugeben (siehe dazu auch die Kommentierung zu § 10 Abs 1 Z 2 und 3 und Abs 2). Für alte Verurteilungen (vor 1.1.1975) gibt es Sonderregelungen, vgl 29 Übergangsrecht anläßlich von Novellen zum Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 (Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985), StF: BGBl 311/1985; Artikel II zu § 14), die nun – mehr als 40 Jahre später – aber keine praktische Bedeutung mehr für die Einbürgerung gemäß §  14 Abs  1 Z  5 StbG haben können.

§ 15. (1) Die Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts nach diesem Bundesgesetz sowie der Lauf der Wohnsitzfristen nach den §§ 12 Z 1 lit. a und 14 Abs. 1 Z 2 werden unterbrochen 1. durch eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG; 2. durch einen mehr als sechsmonatigen Aufenthalt in einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen, in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter des Inlandes oder diesen gleich zu wertenden Anstalten des Auslandes infolge Verurteilung wegen einer nach österreichischem Recht gerichtlich strafbaren Handlung; hierbei sind der Aufenthalt in einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen und die Zeit des Vollzuges einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme zusammenzurechnen; 371

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3. wenn sich der Fremde innerhalb dieser Frist insgesamt länger als 20 v.H. der Zeitspanne außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat; in diesen Fällen beginnt die Frist ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen oder 4. wenn sich der Fremde im Fall des § 11a Abs. 4 Z 1 als Asylwerber dem Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 AsylG 2005 entzogen hat und das Verfahren eingestellt wurde. (2) Eine Unterbrechung des Fristenlaufes gemäß Abs. 1 Z 1 ist nicht zu beachten, wenn die Rückkehrentscheidung oder das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben wurde, weil sich seine Erlassung in der Folge als unbegründet erwiesen hat. [idF BGBl I 2012/87] EB zu BGBl 170/1983 Es kommt immer wieder vor, daß gegen Ausländer Anzeigen erstattet werden, die sich zwar in der Folge als unbegründet erweisen, jedoch zunächst zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führen. Nach der derzeitigen Rechtslage hat jedes Aufenthaltsverbot die Unterbrechung der für den Erwerb der Staatsbürgerschaft maßgeblichen Wohnsitzfristen zur Folge; diese beginnen erst nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes für den vollen Zeitraum, der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Wohnsitzfrist vorgesehen ist, aufs neue zu laufen. Die Staatsbürgerschaftsbehörden haben bei der Prüfung der Wohnsitzfrist keine Möglichkeit Unterbrechungen, die auf solchen Aufenthaltsverboten beruhen, außer Acht zu lassen. Da dieser Zustand für die betroffenen Staatsbürgerschaftswerber eine kaum zumutbare Härte darstellt, soll dem § 15 ein Abs 2 angefügt werden, der vorsieht, daß Aufenthaltsverbote, die deshalb aufgehoben werden, weil sich ihre Erlassung später als unbegründet herausstellt, den Lauf der Wohnsitzfristen nicht unterbrechen. EB zu BGBl 311/1985 § 15 Abs 1 umschreibt jene Umstände, die den Lauf der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen inländischen Wohnsitzfrist unterbrechen. So soll auch schon ein mehr als 6 monatiger Aufenthalt in einer der in § 15 Abs 1 lit b genannten Anstalten den für die Berechnung des inländischen Wohnsitzes erforderlichen Fristenlauf unterbrechen. EB zu BGBl I 124/1998 8. In § 15 Abs. 1 wird das Zitat „§ 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3“ durch das Zitat „§ 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4“ und das Zitat „§ 12 lit. a und b“ durch das Zitat „§ 12 Z 1 und 2“ ersetzt.

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Zu Z 8 bis 13: Die Änderungen der Zitate sind durch den vorgeschlagenen Text erforderlich. EB zu BGBl I 37/2006 Zu Z 12 (§ 15): § 15 regelt die Unterbrechung der Frist des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts. Nach einer Unterbrechung der Frist beginnt diese neu zu laufen (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 [2003] Rz 236). Die Z 3 des Abs. 1 stellt klar, dass sich der Fremde während des Zeitraums seines legalen Aufenthalts nicht mehr als ein Fünftel der Zeit außerhalb des Bundesgebiets aufhalten darf. Ebenso ist die Frist unterbrochen – und beginnt neu zu laufen – wenn der Staatsbürgerschaftswerber Asylwerber war und sein Verfahren einzustellen war, da er sich diesem entzogen hat. Abs. 2 stellt klar, dass ein rechtskräftiges, aber später aufgehobenes Aufenthaltsverbot keine Unterbrechung der Frist darstellt. EB zu BGBl I 38/2011 Zu Z 9 und 10 (§ 15 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2): Die vorgeschlagenen Änderungen stellen notwendige Anpassungen aufgrund der Umsetzung der RückführungsRL im FPG dar. EB zu BGBl I 87/2012 Zu Z 1 (§ 10 Abs. 2 Z 4 und 15 Abs. 1 Z 1): Die vorgeschlagenen Änderungen der Verweise stellen eine redaktionelle Anpassung aufgrund des Entfalles der Bestimmung des Aufenthaltsverbotes gegen Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel im FPG dar. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Rückkehrentscheidung und Aufenthaltsverbot..................................... 10 III. Aufenthalt in einer Anstalt......................................................................... 32 IV. Auslandsaufenthalt...................................................................................... 38 V. Einstellung des Asylverfahrens.................................................................. 67 Schrifttum zu § 15:

Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 (2016); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Filzwieser/Taucher, Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht (2016); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Putzer/Rohrböck, Leitfaden Asylrecht (2007); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

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I.  Allgemeines 1 Wie bereits zu § 10 Abs 1 Z 1 StbG ausführlich dargelegt, ist die Grundvoraussetzung jeglicher regulären Einbürgerung ein rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet, wobei die Dauer des geforderten Aufenthalts je nach dem herangezogenen Verleihungstatbestand auch variieren kann: gemäß § 10 Abs 1 Z 1 wird ein zehnjähriger rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt in Österreich gefordert, in § 11a ein sechsjähriger rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt, in § 12 Z 1 lit b ein 15-jähriger. 2 § 15 determiniert neben offenkundigen Unterbrechungen des durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalts, da es an unmittelbar aneinander anschließenden Aufenthaltsberechtigungen fehlt (vgl dazu bereits die Kommentierung zu §  10 Abs  1 Z  1 StbG, II.A.4 unter Hinweis auf VwGH 20.6.2008, 2008/01/0316; ebenso 19.12.2012, 2012/01/0134), verschiedene Konstellationen, in denen es trotz einer lückenlosen Historie von Aufenthaltstiteln (oder sonstigen Aufenthaltsrechten, vgl die Kommentierung zu §  10 Abs  1 Z  1 StbG) zu Unterbrechungen kommt. 3 Zudem wird in § 15 Abs 1 auch klargestellt, dass diese Regelung auch für die Unterbrechung von Wohnsitzfristen nach § 12 Z 1 lit a (30 Jahre Hauptwohnsitz im Bundesgebiet) und § 14 Abs 1 Z 2 (in Österreich gebürtige Staatenlose mit mindestens zehnjährigem Hauptwohnsitz in Österreich) gilt. 4 Zu einer Unterbrechung führen demnach folgende Konstellationen: – durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG; – rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG; – mehr als sechsmonatiger Aufenthalt in einer Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen; – mehr als sechsmonatiger Aufenthalt in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher; – mehr als sechsmonatiger Aufenthalt in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher; – mehr als sechsmonatiger Aufenthalt in einer Anstalt für gefährliche Rückfallstäter des Inlandes; – mehr als sechsmonatiger Aufenthalt in einer entsprechenden Anstalt eines anderen Staates (wegen einer auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbaren Handlung); 374

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– Auslandsaufenthalt während mehr als 20% der geltend gemachten Zeitspanne; – Einstellung des Asylverfahrens. § 15 regelt die Unterbrechung der Frist des rechtmäßigen und unun- 5 terbrochenen Aufenthalts bzw Wohnsitzes in Österreich. Nach einer Unterbrechung der Frist beginnt diese neu zu laufen (EB zu BGBl 37/2006). Eine § 15 StbG entsprechende Bestimmung gab es bereits vor Inkrafttreten des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1983. Nach dem klaren Wortlaut des §  10 Abs  1 Z  1 StbG (idF BGBl I 6 37/2006, „rechtmäßig und ununterbrochen“) ist Verleihungsvoraussetzung, dass der Einbürgerungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde einen − unter Berücksichtigung der Unterbrechungstatbestände des § 15 Abs 1 StbG − durchgehenden (eben „ununterbrochenen“) legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann (vgl zB VwGH 19.10.2011, 2009/01/0063 unter Hinweis auf VwGH 20.6.2008, 2008/01/0316; 19.2.2009, 2009/01/0001; 20.9.2011, 2010/01/0020; ebenso 20.3.2013, 2012/01/0079). An dieser Verleihungsvoraussetzung ändert der Umstand, dass ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet in den in § 15 Abs 1 Z 1 bis 4 StbG aufgezählten Unterbrechungstatbeständen nicht angeführt wird, nichts (VwGH 31.5.2012, 2009/01/0050 unter Hinweis auf VwGH 20.6.2008, 2008/01/0316). Dies gilt ua auch für §  11a Abs  4 StbG (so zB VwGH 26.1.2012, 2010/01/0048; 16.2.2012, 2009/01/0062 und 17.11.2011, 2009/01/0020). Es kommt darauf an, ob der Antragsteller die Verleihungsvorausset- 7 zungen im Zeitpunkt der Bescheiderlassung erfüllt. Ob ihn an der Verfahrensdauer ein Verschulden trifft bzw auch eine überlange Verfahrensdauer vermag am Zeitpunkt der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen nichts zu ändern (VwGH 18.6.2014, 2013/01/0157). Gemäß § 15 StbG 1985 werden nur die in dieser Gesetzesstelle aus- 8 drücklich genannten Wohnsitzfristen durch näher bezeichnete Umstände (wie zB ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot) unterbrochen. Aber auch für die gemäß § 10 Abs 1 Z 6 StbG 1985 vorzunehmende Beurteilung des Gesamtverhaltens des Einbürgerungswerbers ist von Bedeutung, welche Zeiten sich dieser erlaubt oder unerlaubt in Österreich aufgehalten hat. Da für die in diese Gesamtbeurteilung einzubeziehenden Zeiten jedoch nicht der Unterbrechungstatbestand des § 15 StbG 1985 zum Tragen kommt, sind etwa Zeiten erlaubten Aufenthal375

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tes vor der Verhängung eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes in die Bewertung des Gesamtverhaltens einzubeziehen (VwGH 24.11.1999, 99/01/0323). 9 Häufig werden Einbürgerungswerber von der Staatsbürgerschaftsbehörde darauf aufmerksam gemacht, dass ihrer Ansicht nach Unterbrechungen gemäß §  15 StbG bestehen und den Einbürgerungswerbern wird daraufhin dazu geraten, den Antrag zurückzuziehen (früher auch: ihn ruhen zu lassen) und erst dann die Einbürgerung zu beantragen, wenn der erforderliche Zeitraum lückenlos nachgewiesen werden kann. Aufgrund dieser Vorgangsweise in der Praxis der Behörden fehlt es teilweise an Judikatur. Insbesondere konnten bis Fertigstellung dieses Kommentars auch keine Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zu § 15 StbG gefunden werden.

II.  Rückkehrentscheidung und Aufenthaltsverbot 10 In § 15 Abs 1 Z 1 wird normiert, dass die Erlassung einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 FPG die für die Einbürgerung relevanten Aufenthalts- und Wohnsitzfristen unterbricht. Aufgrund der mehrfachen Novellierung des Fremdenrechts und insbesondere des Fremdenpolizeigesetzes in den vergangenen Jahren, fanden mehrfach redaktionelle Anpassungen im Gesetzestext statt. Bemerkenswert ist dabei, dass §  15 Abs  1 Z  1 seinem Wortlaut nach Ausweisungen (als aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer-Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige) gemäß § 66 FPG sowie Einreiseverbote (als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige) gemäß §  53 FPG ausschließt. Auch die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG ist vom Gesetzeswortlaut nicht umfasst. 11 Eine extensive Auslegung über den Wortlaut hinaus ist hier uE nicht zulässig, sodass Unterbrechungen durch Einreiseverbote (§ 53 FPG), Anordnungen zur Außerlandesbringung (§ 61 FPG) und Ausweisungen (§ 66 FPG) nicht angenommen werden können. Anzumerken ist in diesem Kontext allerdings, dass ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 1, 1. Satz FPG (dem Gesetzeswortlaut nach) immer mit einer Rückkehrentscheidung einherzugehen hat, sodass zumindest Einreiseverbote bei korrekter Anwendung des FPG aufgrund der zeitgleich erlassenen 376

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Rückkehrentscheidung ebenfalls zu einer Unterbrechung der Frist führen sollten (vgl zur Bedeutung fremdenpolizeilicher Maßnahmen im Einbürgerungsverfahren auch § 10 Abs 2 StbG). Eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG liegt dann 12 vor, wenn diese entweder bereits in Rechtskraft erwachsen ist oder wenn einem dagegen erhobenen Rechtsmittel (Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht) keine aufschiebende Wirkung zukommt. Gemäß § 52 Abs 8 FPG wird die Rückkehrentscheidung im Fall des § 16 Abs 4 BFA-VG (wenn der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zukommt) oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG ist dann rechtskräftig, wenn 13 ein ordentliches Rechtsmittel dagegen nicht mehr erhoben werden kann. Wenn allerdings einer Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG oder einer Revision gemäß Art 133 B-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist, gilt das Aufenthaltsverbot während der Dauer des höchstgerichtlichen Verfahrens nicht als rechtskräftig, sondern ist der Eintritt der Rechtskraft vom Ausgang desselben abhängig. §  15 Abs  1 Z  1 StbG meint ein nach den fremdenpolizeilichen Vor- 14 schriften verhängtes Aufenthaltsverbot. Es kommt nicht darauf an, dass das Aufenthaltsverbot vollstreckt und der Fremde tatsächlich abgeschoben wurde. Selbst wenn der Vollzug aufgeschoben wurde (zB durch „Duldung“, „Abschiebeaufschub“) und der Fremde sich daher faktisch weiterhin in Österreich aufhält, tritt eine Unterbrechung des rechtmäßigen Aufenthalts oder der Wohnsitzfrist in Österreich ein. Erforderlich ist nur, dass der das Aufenthaltsverbot verfügende Bescheid rechtskräftig ist (vgl VwGH 14.5.2002, 2000/01/0349 unter Hinweis auf Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft, Band II, S 194). Die vor dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes im Bundesgebiet ver- 15 brachten Zeiten haben unberücksichtigt zu bleiben und die Wohnsitzfrist kann erst mit dem Wegfall des Aufenthaltsverbotes neu zu laufen beginnen (VwGH 27.2.2007, 2004/01/0179). 377

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16 Gemäß §  15 StbG wird der Lauf der Wohnsitzfristen nur durch ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot, nicht aber durch ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung oder durch eine Ausweisung unterbrochen. 17 Ein anhängiges Strafverfahren zieht nach § 15 StbG keine automatische Unterbrechung der Wohnsitzfristen nach sich, es sind jedoch insbesondere § 10 Abs 1 Z 2 sowie § 10 Abs 2 Z 1 StbG zu beachten, sofern es zur Verurteilung kommt. Ein Aufenthalt in einer Strafanstalt (Untersuchungshaft) ist unbeachtlich, solange die sechs-Monats-Grenze nicht überschritten wird. 18 Hervorzuheben ist, dass von § 15 Abs 1 Z 1 – anders als in § 11 Abs 1 Z 2 NAG – Rückführungsentscheidungen eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz nicht umfasst sind. 19 Wenn es zu einer Unterbrechung der für den Erwerb der Staatsbürgerschaft maßgeblichen Wohnsitz- oder Aufenthaltsfristen kommt, beginnen diese erst nach Aufhebung des Aufenthaltsverbotes für den vollen Zeitraum, der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Wohnsitzfrist vorgesehen ist, aufs neue zu laufen (vgl EB zu BGBl 170/1983). 20 Durch die Einführung des StbG 1985 wurde die Regelung des §  15 Abs 2 eingefügt, wonach Aufenthaltsverbote, die deshalb aufgehoben werden, weil sich ihre Erlassung später als unbegründet herausstellte, den Lauf der Wohnsitzfristen nicht unterbrechen. Damit wurde von der früheren Regelung abgegangen, wonach jedes – auch ein nachträglich als nachweislich unbegründet aufgehobenes − Aufenthaltsverbot die Unterbrechung der für den Staatsbürgerschaftserwerb maßgeblichen Fristen zur Folge hatte. 21 § 15 Abs 2 StbG 1985 kann entsprechend verfassungskonformer Auslegung durch den VfGH so verstanden werden, dass eine Unterbrechung des Fristenlaufes nicht nur dann nicht eintritt, wenn das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben wurde, weil sich seine Erlassung in der Folge als unbegründet erwiesen hat, sondern auch dann nicht, wenn der Fall in der Gewichtung dem von dieser Bestimmung ausdrücklich Erwähnten gleichwertig ist. Eine solche Konstellation ist dann gegeben, wenn das Aufenthaltsverbot zwar seinerzeit rechtmäßig verhängt wurde, die Gründe hiefür aber in der Folge weggefallen sind und nunmehr keine negativen Auswirkungen auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft mehr haben (VfGH 13.12.1995, B 434/94; ebenso VfGH 17.9.2002, 2001/01/0352). 378

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Eine Unterbrechung des Fristenlaufes tritt daher nicht ein, wenn das 22 Aufenthaltsverbot gegen den Einbürgerungswerber nicht etwa deshalb verhängt worden ist, weil sich dieser einer strafbaren Handlung schuldig gemacht hätte, sondern weil er seinerzeit mittellos war und inzwischen über ein regelmäßiges Einkommen verfügt (VfGH 13.12.1995, B 434/94). Diese Rechtsansicht hat auch der VwGH (VwGH 13.1.1999, 98/01/0011 23 unter Hinweis auf VfGH 13.12.1995, B 434/94) ausdrücklich bekräftigt; es bedarf daher im Staatsbürgerschaftsverfahren Feststellungen über die Gründe für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes und über jene für dessen Aufhebung, andernfalls kann nicht beurteilt werden, ob die seinerzeit maßgeblichen Gründe nunmehr keine negativen Auswirkungen auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft mehr haben (vgl VwGH 17.9.2002, 2001/01/0352 mwN). Eine Gleichwertigkeit besteht nach Ansicht des VwGH dann, wenn der Wegfall durch amtswegige Aufhebung erfolgte und die für das Aufenthaltsverbot maßgeblichen Gründe „rückstandslos“ weggefallen sind, wie dies zwar bei nicht mehr bestehender Mittellosigkeit, nicht aber bei strafbaren Handlungen der Fall sei (VwGH 17.9.2002, 2002/01/0352). Ein Wegfall der „Gründe“ kann für die Unterbrechung des Laufes der 24 Wohnsitzfristen (Fristen des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts) im Sinne des § 15 Abs 2 StbG (idF BGBl I 124/1998 bzw BGBl I 38/2011) erheblich sein (so zuletzt VwGH in 29.1.2014, 2012/01/0064). Eine Anrechnung früherer Zeiträume auf die erforderliche Wohnsitz- 25 frist iSd §  10 Abs  1 Z  1 StbG kommt im Falle einer Aufhebung des Aufenthaltsverbots nach § 68 Abs 2 AVG mangels Rückwirkung nicht in Betracht (VwGH 17.6.1992, 91/01/0190 unter Hinweis auf 28.11.1972, 1275/72), wobei es überdies keine Rolle spielt, aus welchen Gründen der Einbürgerungswerber trotz des Aufenthaltsverbotes einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich beibehalten hat (vgl VwGH 15.6.1988, 87/01/0025). Bei Erlassung des angefochtenen Bescheids über die Verleihung der 26 Staatsbürgerschaft ist die Behörde daran gebunden, dass ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot gegen den Einbürgerungswerber bestanden hat. Dies auch dann, wenn der Einbürgerungswerber Flüchtling gewesen sein sollte. Dies bewirkt, dass die für die Verleihung relevanten 379

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Fristen erst nach Aufhebung des Aufenthaltsverbots wieder neu zu laufen beginnen (VwGH 17.6.1992, 91/01/0190). 27 Es ist dabei unerheblich, ob der Betroffene seinen Aufenthalt in Österreich aufgegeben hat. Es kommt allein auf die vom rechtskräftigen Aufenthaltsverbot selbst herbeigeführte Unterbrechungswirkung an. Diese Unterbrechungswirkung hindert auch die Hinzurechnung früherer Zeiträume (VwGH 15.6.1988, 87/01/0025 unter Hinweis auf 24.11.1970, 1549/70, VwSlg 7915 A/1970; ebenso VwGH 28.11.1972, 1275/72). 28 Bei einem unbefristeten Aufenthaltsverbot hat der Umstand, dass mittlerweile eine Tilgung der Strafe eingetreten ist, keinen Einfluss auf die bereits eingetretene Unterbrechungswirkung (vgl dazu bereits VwGH 25.1.1971, 1527/71). 29 Aufgrund des Fremdenrechtspakets 2011 ergab sich in Umsetzung der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG jedoch ua eine neue höchstzulässige Befristung der nationalen Einreiseverbote in § 53 FPG, die auch hinsichtlich bereits älterer bestehender Aufenthaltsverbote und damit für die Berechnung der Unterbrechungsfristen zu berücksichtigen ist (vgl dazu auch EB zu BGBl I 87/2012 sowie EB zu BGBl I 38/2011, ua zu § 10 Abs 2 Z 1 StbG). Es kann daher sein, dass ein ursprünglich für zehn Jahre verhängtes Aufenthaltsverbot infolge der Änderung der Rechtslage bereits nach fünf Jahren abgelaufen ist. 30 Zur Berechnung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes, welches nach alter Rechtslage mit Erlassung, nach neuerer Rechtslage aber erst mit der Ausreise aus dem Bundesgebiet zu laufen beginnt, kann im Zweifelsfall die Fremdenpolizeibehörde (im Wege einer Akteneinsicht) bzw eine Anfrage ans Schengener Informationssystem verbindliche Auskunft geben. 31 Durch die in der Vergangenheit erfolgte Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Einbürgerungswerber, gegen den eine aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, erfolgte zwar keine förmliche Aufhebung desselben, jedoch ist uE von einer Gegenstandslosigkeit auszugehen, welche die Unterbrechungswirkung des Aufenthaltsverbotes (Rückkehroder Einreiseverbotes) ab Erteilung des Aufenthaltsrechts beendet (vgl VwGH 14.5.2002, 2000/01/0349 zu Sichtvermerken). In diesem Sinne auch §  60 FPG, wonach die Rückkehrentscheidung gegenstandslos wird, wenn einem Drittstaatsangehörigen der Status des Asylberechtig380

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ten zuerkannt oder ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 erteilt wird.

III.  Aufenthalt in einer Anstalt §  15 Abs  1 Z  2 StbG umfasst Unterbrechungen des rechtmäßigen 32 Aufenthalts aufgrund von Verurteilungen zu einem Aufenthalt in Justizanstalten oder besonderen in Z  2 genannten Anstalten. Für frühere Verurteilungen (vor 1.1.1975) gibt es Sonderregelungen (Art II Abs 2 StbG-Nov 1974; Art III Stb-ÜR 1985 vgl Fessler/Keller/PommereningSchober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 146), die nun – mehr als 40 Jahre später – aufgrund der längsten Frist von 30 Jahren wohl nur mehr wenig praktische Bedeutung haben werden. Der Vollständigkeit halber seien sie aber trotzdem kurz angeführt: Übergangsrecht anläßlich von Novellen zum Staatsbürgerschaftsgesetz 33 1965 (Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985), StF: BGBl 311/1985: „Artikel III (Zu § 15) § 15 lit. b des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung vor dem 1. Jänner 1975 gilt entsprechend für den Aufenthalt in einem Arbeitshaus des In- oder Auslandes infolge Verurteilung wegen einer nach österreichischem Recht gerichtlich strafbaren Handlung vor dem 1. Jänner 1975. Jene Fassung lautet: ‚§ 15. Der Lauf der Fristen nach § 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 sowie § 12 lit. a und b letzter Halbsatz wird unterbrochen durch b) ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil, womit auf Landesverweisung oder Abschaffung aus dem gesamten Gebiet der Republik erkannt ist; (BGBl. Nr. 250/1965, § 15 lit. b)‘ (BGBl. Nr. 703/1974, Art. II Abs. 2)“ In § 15 Abs 1 werden jene Umstände, die den Lauf der Fristen unter- 34 brechen, umschrieben. Es soll – unabhängig von der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme iSd Fremdenpolizeigesetzes – auch schon ein mehr als sechsmonatiger Aufenthalt in einer der in §  15 Abs  1 lit b genannten Anstalten den für die Berechnung des inländischen Aufenthalts oder Wohnsitzes erforderlichen Fristenlauf unterbrechen (vgl EB zu BGBl 311/1985). 381

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35 Ein unter sechsmonatiger Aufenthalt in einer Anstalt ist demnach unbeachtlich (vgl auch VwGH 25.5.2004, 2002/01/0064). Der Aufenthalt in einer der genannten Anstalten muss zudem ununterbrochen mehr als sechs Monate dauern; zeitlich aneinander anschließende Aufenthalte in unterschiedlichen Anstalten sind aber zusammen zu rechnen (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 146). 36 Ein Aufenthalt in einer ausländischen Anstalt ist nur dann beachtlich, wenn die Verurteilung wegen einer nach dem österreichischen Recht strafbaren Handlung erfolgt ist (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 146). 37 Relevant für die Unterbrechung ist uE aufgrund des klaren Wortlauts der Regelung nicht das Strafurteil selbst, sondern der Aufenthalt in der Anstalt aufgrund der Verurteilung (Anm: nicht bloß Untersuchungshaft). Die Wohnsitzfrist wird daher nicht durch das Urteil unterbrochen, sondern durch Überschreitung des höchst zulässigen Aufenthalts und beginnt auch nicht nach Tilgung der Strafe, sondern nach Beendigung des Aufenthalts neu zu laufen, sofern nicht ein anderer Grund für eine Unterbrechung wie etwa ein Aufenthaltsverbot gegeben ist (aA offenbar Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 146).

IV.  Auslandsaufenthalt 38 § 15 Abs 1 Z 3 stellt klar, dass sich der Einbürgerungswerber während des Zeitraums seines legalen Aufenthalts bzw Hauptwohnsitzes in Österreich nicht mehr als ein Fünftel der Zeit außerhalb des Bundesgebiets aufhalten darf. 39 Allfällige Auslandsaufenthalte des Staatsbürgerschaftswerbers müssen keinesfalls zwingend die Unterbrechung des Hauptwohnsitzes zur Folge haben. Wie vom VwGH zB in 24.6.2003, 2002/01/0081 und 7.10.2003, 2001/01/0504, betont, geht der einmal an einem Ort begründete Hauptwohnsitz nicht durch jegliche Abwesenheit von diesem Ort wieder verloren. Entscheidend ist, ob der „Mittelpunktcharakter“ erhalten bleibt, was auch bei längeren Auslandsaufenthalten der Fall sein kann. 382

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In seinem Erkenntnis vom 25.5.2004, 2002/01/0064, hat der VwGH das 40 Vorbringen des dortigen Beschwerdeführers bestätigt, wonach durch das Hauptwohnsitzgesetz, BGBl 505/1994, die Bestimmung des §  15 Abs 1 lit b StbG 1985 (aF) unberührt blieb, wo angeordnet wird, dass die Wohnsitzfristen des StbG durch einen mehr als sechsmonatigen Aufenthalt (auch) in (ua) ausländischen Strafvollzugsanstalten unterbrochen werden, was die Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet über einen solchen Zeitraum ungeachtet eines Auslandsaufenthaltes voraussetzt. Die Hauptwohnsitzqualität kann nur anhand der tatsächlichen Lebensverhältnisse des Einbürgerungswerbers überprüft werden. Nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs 1 Z 1 („rechtmäßig und unun- 41 terbrochen im Bundesgebiet aufgehalten“), des § 11a Abs 4 StbG („nach einem rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt von“) und des § 12 Z 1 lit b StbG („seinen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt“) in der Fassung nach der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 kommt es nicht mehr auf den Hauptwohnsitz, sondern auf den durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet in der erforderlichen Mindestdauer, zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde, an. Aus § 15 Abs 1 Z 3 StbG ergibt sich, dass eine tatsächliche Anwesenheit des Fremden im Bundesgebiet im Umfang von mindestens vier Fünftel des Zeitraumes erforderlich ist (VwGH 17.11.2011, 2009/01/0020 und 26.1.2012, 2010/01/0003 unter Hinweis auf VwGH 21.1.2010, 2007/01/0065 sowie 16.12.2009, 2007/01/1030). Die Erteilungsvoraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts im erfor- 42 derlichen Ausmaß muss im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Staatsbürgerschaftsbehörde (oder der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht) erfüllt sein (VwGH 18.12.2014, Ro 2014/01/0016 unter Verweis auf VwGH 18.6.2014, 2013/01/0157). Ob den Einbürgerungswerber an der Verfahrensdauer ein Verschulden trifft, vermag am Zeitpunkt der Beurteilung der Verleihungsvoraussetzungen nichts zu ändern. Sollte daher zB ein Antragsteller während des Einbürgerungsverfah- 43 rens auswandern und so in Konflikt mit § 15 Abs 1 Z 3 StbG geraten, könnte sein Antrag mangels Aufenthalts abgewiesen werden. Sofern die 20%-Grenze der genannten Bestimmung hingegen nicht überschritten wurde und es demnach zu keiner Unterbrechung des Aufent383

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halts gekommen ist, liegt uE weiterhin die Erteilungsvoraussetzung des § 10 Abs 1 Z 1 StbG vor. Das Erfordernis eines aktuellen Aufenthalts ist aus dem Wortlaut der Regelung nicht zwingend abzuleiten (arg: „aufgehalten hat“). 44 Nach dem Verlassen des Bundesgebietes besteht aber aufgrund der langen Verfahrensdauer im Staatsbürgerschaftsverfahren ein hohes Risiko, dass es gemäß § 15 Abs 1 Z 3 StbG zu einer Unterbrechung kommt, weswegen es empfehlenswert erscheint, erst nach Verleihung der Staatsbürgerschaft einen längeren Auslandsaufenthalt zu nehmen. 45 Nach § 10 Abs 1 Z 1 StbG kommt es seit Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005 nicht mehr auf den ununterbrochenen Hauptwohnsitz, sondern auf den rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt an. Durch die Bestimmung des § 15 Abs 1 Z 3 StbG wird klargestellt, dass sich der Fremde im geforderten Aufenthaltszeitraum nicht mehr als ein Fünftel der Zeit außerhalb des Bundesgebietes aufhalten darf und die Erfüllung der Verleihungsvoraussetzung des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes nach § 10 Abs 1 Z 1 StbG die tatsächliche Anwesenheit des Fremden im Bundesgebiet im Umfang von mindestens vier Fünftel des Zeitraumes erfordert (VwGH 19.12.2012, 2012/01/0134; 16.12.2009, 2007/01/1030; ähnlich auch 20.3.2013, 2012/01/0079; 17.11.2011, 2009/01/0020, mwH). 46 Während es sich bei der Wohnsitzfrist um eine flexiblere Größe handelte, gibt § 15 Abs 1 Z 3 StbG eine starre 20%-Grenze für Auslandsaufenthalte vor. Liegt ein Auslandsaufenthalt im Ausmaß von mehr als 20% der geltend gemachten Zeit vor, beginnt die Frist neu zu laufen. 47 Die vor der Unterbrechung in Österreich verbrachte Zeit hat bei der Berechnung der Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs 1 Z 1 StbG vollkommen unberücksichtigt zu bleiben (vgl VwGH 28.1.1998, 97/01/0193 unter Hinweis auf die EB 497, BlgNR 10. GP, Seite 25, sowie VwGH 25.1.1972, Slg 8152/A und Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, Seite 194). 48 UE ist die Regelung, wonach bei einer Unterbrechung die Frist erst ab der letzten rechtmäßigen Einreise neuerlich zu laufen beginnt, bei strenger Auslegung zu unflexibel: tatsächlich kann sich aufgrund mehrfacher Auslandsaufenthalte in der Gesamtschau eine Überschreitung der zulässigen Zeitspanne ergeben. Jedoch verändert sich ja auch der Beurteilungszeitraum: so kann es zB sein, dass zurückgerechnet vom 384

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Antragszeitpunkt das Fünftel überschritten war, nach zweijähriger Verfahrensdauer beim Amt der Wiener Landesregierung, MA35, welche der derzeitigen Realität durchaus entspricht, sich das Verhältnis der Auslandsaufenthalte zum Inlandsaufenthalt aber wieder deutlich zu Gunsten des Einbürgerungswerbers verschoben hat. Dies entspricht im Übrigen auch der Berechnung des zulässigen visumfreien Aufenthalts, wo stets eine variable Berechnung vom jeweiligen Stichtag aus vorgenommen wird; auch Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 147, stellen auf den „Betrachtungszeitpunkt“ ab. UE hat dieser, da im StbG grundsätzlich auf den Entscheidungs- und nicht auf den Antragszeitpunkt abgestellt wird, variabel zu sein. Die alte Rspr zum Wohnsitz kann daher uE heute nur noch dort heran- 49 gezogen werden, wo der Aufenthalt an sich und die Absicht, sich weiterhin in Österreich aufzuhalten, in Frage gezogen werden. Dies kann etwa relevant sein, wenn ein Einbürgerungswerber während des Verfahrens aus Österreich auswandern möchte. Durch die Verlegung des Hauptwohnsitzes ins Ausland trat entspre- 50 chend der älteren Rspr eine Unterbrechung der Wohnsitzfrist des § 10 Abs  1 Z  1 StbG 1985 ein. Dies bedeutet, dass die vor der Unterbrechung in Österreich zugebrachten Zeiträume bei der Berechnung der Wohnsitzdauer gemäß § 10 Abs 1 Z 1 StbG 1985 vollkommen unberücksichtigt zu bleiben haben (vgl zB VwGH 28.1.1998, 97/01/0193 unter Hinweis auf 25.1.1972, VwSlg 8152 A/1972). Die Verlegung des Hauptwohnsitzes per se ist für § 10 Abs 1 Z 1 StbG 51 uE nicht beachtlich, da durch die Änderung des Gesetzeswortlauts mit der Novelle 2005 der Hauptwohnsitz nicht mehr ausschlaggebendes Kriterium ist. Es muss jedoch aus Sicht der Niederlassungsbehörden weiterhin auch zum Entscheidungszeitpunkt ein Aufenthalt in Österreich bestehen, wenn die Formulierung des § 10 Abs 1 Z 1 StbG („aufgehalten hat“) auch eine andere Auslegung möglich erscheinen lässt. Vgl dazu auch e contrario VwGH 28.1.1998, 97/01/0193 (unter Hinweis auf VwGH Slg 8152/A, sowie Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 194) zur alten Rechtslage, wo der Wortlaut des § 10 Abs 1 Z 1 StbG („wenn er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat“) explizit auf die Gegenwartsform abstellte, was unzweideutig zum Ausdruck brachte, dass das Erfordernis einer bestimmten ununterbrochenen Wohnsitzdauer vom 385

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Zeitpunkt der Entscheidung zurückzurechnen ist. Es genügt daher nach dem Gesetz nicht, wenn die erforderliche Wohnsitzdauer vor der Unterbrechung einmal gegeben war. 52 Da die Verfahrensdauer eines Staatsbürgerschaftsverfahrens schwer abzuschätzen ist und der Einbürgerungswerber so leicht Gefahr läuft, die zulässige Dauer des Auslandsaufenthalts zu überziehen, empfiehlt es sich jedenfalls nicht, während eines anhängigen Einbürgerungsverfahrens den Aufenthalt längerfristig im Ausland zu nehmen. 53 Es sollte, wenn eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs 1 Z 1 StbG angestrebt wird, nicht nur auf die zeitliche Einschränkung des § 15 Abs 1 Z 3 StbG Bedacht genommen werden, sondern auch berücksichtigt werden, dass die Qualität von Österreich als Mittelpunkt der Lebensbeziehungen iSd Judikatur erhalten bleibt. 54 Neben der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wird auch die faktische Anwesenheit des Antragstellers in der Praxis streng überprüft. Erstes Indiz dafür bildet der im Staatsbürgerschaftsverfahren vorzulegende Lebenslauf, aber auch sonstige im Verfahren erbrachte Antragsnachweise und insbesondere vorzulegende Reisepässe können dazu führen, dass die Behörde von einem zu langen Auslandsaufenthalt des Antragstellers ausgeht. 55 Besteht der Verdacht, dass der Betroffene sich zu lange außerhalb des Bundesgebietes aufgehalten hat, wird er aufgefordert, lückenlose Nachweise über seine Reiseaktivitäten einerseits und schlüssige Beweise für seinen Inlandsaufenthalt andererseits vorzulegen. 56 Es liegt dann am Antragsteller, den erforderlichen Mindestaufenthalt glaubwürdig zu bescheinigen. Der VwGH hat zu §  13a AVG schon wiederholt ausgeführt, dass die Behörden des Verwaltungsverfahrens nicht verhalten sind, Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, damit dem Antrag allenfalls stattgegeben werden kann (vgl VwGH 24.6. 1998, 98/01/0014). 57 Einer durchgehenden Meldung und durchgehenden Versicherungszeiten alleine kommt keine besondere Aussagekraft zu, da beides nicht zwingend den Aufenthalt im Inland voraussetzt. Die polizeiliche Meldung wird in der Praxis als wichtiges Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes gewertet, sie ist aber nicht notwendige Voraussetzung. Faktoren wie eine absolvierte Ausbildung oder die Erwerbstätigkeit im Inland, aber auch die dokumentierte persönliche In386

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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anspruchnahme von Leistungen (wie medizinischen Behandlungen etc) können Zweifel am tatsächlichen Inlandsaufenthalt ausräumen. Hier können uE auch Aspekte der älteren VwGH-Judikatur zum 58 Hauptwohnsitz eine Rolle spielen. Der Hauptwohnsitzmeldung eines Einbürgerungswerbers kommt 59 zwar Indizwirkung zu, eine Bindung der Staatsbürgerschaftsbehörde an eine solche besteht jedoch in keine Richtung, also weder in dem Sinne, dass das Fehlen einer polizeilichen Meldung die Existenz eines Hauptwohnsitzes ausschließt (vgl VwGH 25.5.2004, 2002/01/0064 und 2002/01/0496, jeweils mwN), noch dass aufgrund einer aufrechten Hauptwohnsitzmeldung in jedem Fall von einer tatsächlichen Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes durch den Verleihungswerber auszugehen ist (VwGH 15.3.2010, 2007/01/1415; 29.6.2004, 2003/01/0169). Unter Hauptwohnsitz iSd § 10 Abs 1 Z 1 StbG 1985 idF vor der No- 60 velle BGBl I 37/2006 ist einerseits der tatsächliche Aufenthalt an einem bestimmten Ort und andererseits die Absicht, diesen zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen, erforderlich (VwGH 10.4.2003, 2002/18/0292). Diese Voraussetzungen können auch bei Verletzung der Meldepflicht gegeben sein (VwGH 24.9.2009, 2007/18/0653). Das zwingende Erfordernis des ununterbrochenen Aufenthalts im 61 Bundesgebiet kollidiert uE mit den Anforderungen nach Flexibilität und Mobilität des modernen Lebens und heutiger Arbeitsrealitäten. Es wäre insbesondere im Hinblick auf die unionsrechtliche Mobilität wünschenswert, den Aufenthalt im Staatsgebiet von Mitgliedstaaten der Europäischen Union dem Aufenthalt im Bundesgebiet gleichzuhalten, insbesondere wenn ein tatsächlicher Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet bestehen bleibt. Praktisch stellt sich allerdings bei häufigen Aufenthalten des Einbür- 62 gerungswerbers in anderen EU-Staaten, die ein für § 15 Abs 1 Z 3 StbG grenzwertiges Ausmaß erreichen, die Frage, ob diese für die Behörde bei Erwerbstätigkeit oder Ausbildung in Österreich überhaupt nachvollziehbar sind, da sich Hinweise darauf den Antragsunterlagen vermutlich nicht entnehmen lassen werden. Dies insbesondere in Hinblick auf das Fehlen von Reisepassstempeln über die betroffenen Reisen. Aktenkundig wird ein längerer Aufenthalt in einem anderen Schengen- 63 Staat jedenfalls dann sein, wenn der Einbürgerungswerber dort einen 387

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Aufenthaltstitel (etwa zum Zweck der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) erhalten hat, da ein solcher aus den Daten im Schengener Informationssystem für die Staatsbürgerschaftsbehörde ersichtlich sein sollte. Hier liegt es dann am Antragsteller nachzuweisen, dass die Grenze des zulässigen Auslandsaufenthalts nicht überschritten wurde. 64 Die Verleihung der Staatsbürgerschaft wird hingegen uE durch eine Überschreitung des zulässigen Fünftels der Aufenthaltsdauer aufgrund der verpflichtenden Ableistung des Militärdiensts durch den Fremden in seiner Heimat nicht gehindert (vgl dazu VwGH 22.7.2011, 2009/22/0179 unter Hinweis auf VwGH 18.12.2000, 2000/18/0216). 65 Die Regelung des § 15 Abs 1 Z 3 StbG wurde in der Literatur uE zurecht kritisiert, so zB Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, 145: „Der Sinn der Regelung bleibt im Dunkeln. Praktische Fälle des täglichen Lebens (Pflege von Angehörigen, Auslandsstudium etc) bleiben somit unberücksichtigt. Ungeklärt bleibt, wie diese Regelung im Zusammenhang mit langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsbürgerinnen zu sehen ist. Diese haben aus europarechtlichen Gründen unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit, in einem anderen EU-Staat zu arbeiten. Die Inanspruchnahme dieser europarechtlich abgesicherter Mobilität wird dadurch untergraben.“ 66 Das Erfordernis des tatsächlichen Aufenthalts im Bundesgebiet kollidiert zwar mit den Anforderungen nach Flexibilität und Mobilität, sodass es wünschenswert wäre, zumindest den Aufenthalt im Staatsgebiet von Mitgliedstaaten der Europäischen Union dem Aufenthalt im Bundesgebiet gleichzuhalten, jedoch hat der VwGH bereits eine analoge Anwendung des §  45 Abs  4 NAG mit dem Ergebnis, dass Auslandsaufenthalte im Rahmen der beruflichen Tätigkeit des Einbürgerungswerbers in die im §  15 Abs  1 Z  3 StbG genannte Zeitspanne nicht einzurechnen seien, ausgeschlossen. Eine solche sei unzulässig, da sie sich über die vom Gesetzgeber (für die Erlangung der Staatsbürgerschaft) gewollte Beschränkung des maximal zulässigen, nach Motiv und Zweck nicht differenzierenden, Aufenthalts eines Verleihungswerbers im Ausland hinwegsetzt. Es ist nach Ansicht des VwGH nicht erkennbar, dass die Bestimmung des §  15 Abs  1 Z  3 StbG im Sinne der Behauptung des Einbürgerungswerbers unvollständig bzw ergänzungsbedürftig wäre, eine Gesetzeslücke liegt nicht vor (VwGH 19.9.2012, 2010/01/0047). 388

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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V.  Einstellung des Asylverfahrens Aus § 15 Abs 1 Z 4 ergibt sich, dass die Frist unterbrochen wird und 67 damit neu zu laufen beginnt, wenn der Einbürgerungswerber Asylwerber war und sein Verfahren einzustellen war, da er sich diesem entzogen hat (§ 24 Abs 1 AsylG 2005). Andere Gründe für eine Einstellung des Asylverfahrens sind demnach nicht relevant. Weiters nimmt § 15 Abs 1 Z 4 explizit nur auf § 11a Abs 4 Z 1 StbG 68 Bezug. Es stellt sich die Rechtsfrage, ob auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 11a Abs 4 Z 1 StbG der Einstellung des Asylverfahrens Relevanz zukommt. Im Hinblick darauf, dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber nichts Überflüssiges regelt, sollte uE die Anwendung dieses Unterbrechungstatbestandes tatsächlich nur auf den Fall des § 11a Abs 4 Z 1 StbG beschränkt sein, sodass nicht auch in anderen Konstellationen der Einbürgerung, so etwa nach §  10 Abs  1 Z 1 StbG oder § 11a Abs 6 StbG Einstellungen des Asylverfahrens beachtlich sind, sofern die Staatsbürgerschaftsbehörde von ihnen Kenntnis erlangt. Denkbar wäre etwa der Fall, dass ein Fremder zunächst in Österreich internationalen Schutz (früher Asyl) beantragt hat und sich als Asylwerber hier aufhielt, ihm in weiterer Folge subsidiärer Schutz erteilt worden ist und er dann einen „Daueraufenthalt – EU“ gemäß §  45 NAG erhalten hat, aufgrund dessen er eine Einbürgerung nach § 10 Abs 1 Z 1 StbG oder § 11a Abs 6 StbG beantragt. Da zum Aspekt der Einstellung des Asylverfahrens, das heißt §  15 69 Abs 1 Z 4 StbG keine Judikatur gefunden wurde, drängt sich die Vermutung auf, dass diesem Unterbrechungstatbestand ebenfalls keine überragende praktische Bedeutung zukommt.

§ 16. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 auf seinen mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu erstrecken, wenn 1. sich dieser seit mindestens sechs Jahren rechtmäßig und ununterbrochen im Bundesgebiet aufhält; 2. zum Zeitpunkt der Antragstellung a) dieser rechtmäßig niedergelassen war (§ 2 Abs. 2 NAG) oder b) ihm zum Zeitpunkt der Antragstellung der Status des Asylberechtigten zugekommen ist oder 389

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c) dieser Inhaber eines Lichtbildausweises für Träger von Privilegien und Immunitäten (§ 95 FPG) ist; 3. die eheliche Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht aufgehoben ist; 4. er nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§ 32 oder 33 Fremder ist und 5. die Ehe seit mindestens fünf Jahren aufrecht ist. (2) Das Fehlen der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 1, 2 und 5 und § 10 Abs. 3 steht der Erstreckung nicht entgegen, wenn die Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 6 verliehen wird. [idF BGBl I 2011/38] EB zu BGBl 71/1983 Im Sinne der Gleichberechtigung soll künftig die Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine Frau auch auf deren Ehemann erstreckt werden können und nicht bloß die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Mann auf seine Ehefrau möglich sein. Für die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden hat nach dem Gesetzentwurf der Ehegatte, auf den die Verleihung erstreckt werden soll, im wesentlichen dieselben Voraussetzungen zu erbringen, wie sie für den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch den Ehegatten eines Staatsbürgers nach Art. I Z 10 (§ 11 a) des Entwurfes verlangt werden. Da bei einer im Interesse der Republik Österreich liegenden Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 4 StbG 1965 neben dem Erfordernis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband auch das des inländischen Wohnsitzes von bestimmter Dauer entfällt, würde es als unbillige Erschwernis empfunden werden, wenn die Erstreckung einer solchen Verleihung auf den Ehegatten des Staatsbürgerschaftswerbers vom Nachweis der Erbringung dieser Erfordernisse oder einer bestimmten Dauer der Ehe abhängig gemacht würde. Das Fehlen der genannten Voraussetzungen soll daher bei einer Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG 1965 der Erstreckung der Verleihung auf den Ehegatten nicht entgegenstehen. Die dadurch allenfalls entstehenden Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit können in Anbetracht der relativ geringen Anzahl von Staatsbürgerschaftsverleihungen nach § 10 Abs. 4 StbG 1965 als vertretbar angesehen werden. EB zu BGBl I 37/2006 Abs. 1 regelt die Erstreckung der Verleihung auf den bereits in Österreich rechtmäßig aufhältigen Ehepartner eines Staatsbürgerschaftswerbers. Die Erstreckung ist nur zum Zeitpunkt der Verleihung möglich. Auch hier verlangt das Gesetz einen rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalt (siehe § 15) von mindestens sechs Jahren. Darüber hinaus muss der Staatsbürgerschaftswerber zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtmäßig niedergelassen sein (§ 2 Abs. 2 NAG), ihm muss der Status des Asylberechtigten zukommen (§ 3 AsylG 2005) oder er muss Inhaber einer Legitimationskarte sein, also Angehöriger jener Personengruppe,

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die in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags oder auf Grund des Bundesgesetzes über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, BGBl Nr. 677/1977, Privilegien und Immunitäten genießen. Eine gültige Ehe muss zum Zeitpunkt der Erstreckung bestehen. Sie darf weder von Tisch und Bett getrennt noch sonst ohne Auflösung des Ehebandes geschieden sein. Die Person, auf die die Verleihung zu erstrecken wäre, darf nicht auf Grund Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft Fremder sein und darüber hinaus muss die Ehe bereits seit fünf Jahren aufrecht sein. EB zu BGBl I 38/2011 Aufgrund der vorgenommenen Adaptierung des § 32 musste auch diese Bestimmung redaktionell angepasst werden. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Voraussetzungen.......................................................................................... 2 A. Berechtigte .............................................................................................. 3 B. Aufenthaltsdauer und Niederlassungserfordernis............................ 6 C. Asylberechtigte und Träger von Privilegien und Immunitäten...... 10 III. Erstreckungshindernisse............................................................................. 13 IV. Sonderfälle..................................................................................................... 16 Schrifttum zu § 16: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/ Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Abermann/Czech/ Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 (2016); Schrefler-König/ Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht (2005).

I.  Allgemeines § 16 regelt die Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staats- 1 bürgerschaft auf einen bereits in Österreich rechtmäßig aufhältigen – idR niedergelassenen – Ehepartner bzw eingetragenen Partner eines Verleihungswerbers. Obwohl Abs  1 nur Ehegatten erwähnt, umfasst der Anwendungsbereich des § 16 gem § 60 auch eingetragene Partner iSd EPG. Die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft darf zufolge § 18 nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden. Erst mit Inkrafttreten des § 16 idF StbG-Nov 1983 (BGBl 1983/170, vor der VW) am 1.9.1983 wurde auch dem Mann einer Fremden, der die 391

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Staatsbürgerschaft verliehen werden soll, ein Rechtsanspruch auf Erstreckung der Verleihung eingeräumt. Bis dahin konnte die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur von einem Mann an seine Ehegattin erstreckt werden. Die StbG-Nov 1998 (BGBl I 1998/124) hat in Abs 1 das Erfordernis des Lebens im gemeinsamen Haushalt eingefügt; die StbG-Nov 2006 (BGBl I 2006/37) führte das Erfordernis des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthaltes und schränkte den Anwendungsbereich des §  16 auf niedergelassene Ehegatten iSd NAG bzw Asylberechtigte und Träger von Privilegien und Immunitäten ein. Sofern keine gleichzeitige Einbürgerung beider Ehepartner bzw eingetragenen Partner erwünscht ist, besteht für den nicht eingebürgerten Ehepartner bzw eingetragenen Partner im Rahmen des § 11a Abs 1 die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt die Staatsbürgerschaft verliehen zu bekommen (s dazu die Ausführungen zu § 11a).

II.  Voraussetzungen 2 Die Entscheidung über die Erstreckung der Verleihung ist nach Abs 1 nicht als Ermessensentscheidung ausgestaltet („ist zu erstrecken“). Erstreckungswerber haben einen Rechtsanspruch auf die Erstreckung der Verleihung, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind (vgl VwGH 21.4.1999, 97/01/1069). Es müssen alle Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3 erfüllt sein (zu Voraussetzungen s Ausführungen zu §  10). Da sich §  10a nicht nur auf die Verleihungstatbestände des § 10, sondern auch auf die Erstreckung der Verleihung nach den §§ 16 und 17 bezieht, ist von den Erstreckungswerber der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 10a Abs 1 Z 1 zu erbringen und die Staatsbürgerschaftsprüfung gemäß § 10a Abs 1 Z 2 zu absolvieren (vgl VwGH 9.9.2003, 2002/01/0008). Dies betrifft auch Ehegatten und eingetragene Partner eines Verleihungsbewerbers, welchem die Staatsbürgerschaft auf Grund von außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik nach § 10 Abs 6 verliehen wird.

A.  Berechtigte 3 Als Erstreckungswerber nach Abs 1 kommen lediglich die mit Verleihungswerber im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten und 392

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eingetragenen Partner in Frage. Lebensgemeinschaften sind vom Anwendungsbereich des § 16 nicht umfasst. Die Eigenschaft als Ehegatte setzt das Bestehen einer formell gültigen, 4 also einer im Inland wirksam geschlossenen (§§ 15, 17 EheG) oder einer im Ausland geschlossenen, nach österreichischem Recht als gültig anzuerkennenden (§§ 16 Abs 2, 17 IPRG) Ehe (§ 44 ABGB) voraus. Die Eigenschaft als Ehegatte endet mit der Scheidung oder dem Tod des Ehepartners. Die Ehe muss gem Abs Z 5 seit mindestens 5 Jahren aufrecht sein. Die Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 16 auf homosexuelle Lebenspartner erfolgte mit der Einführung des Rechtsinstituts der eingetragenen Partnerschaft durch das EPG (BGBl I 135/2009) und die Wiedereinführung des §  60 in das StbG, welcher ausdrücklich regelt, dass § 16 auf eingetragene Partnerschaften sinngemäß anzuwenden ist. Die Erstreckung kann nur an Ehegatten bzw eingetragene Partner er- 5 folgen, welche zum Zeitpunkt der Verleihung und Erstreckung im gemeinsamen Haushalt mit dem Verleihungswerber leben. Das Tatbestandselement „Leben im gemeinsamen Haushalt“ bezieht sich nach der Rechtsprechung des VwGH und nach allgemeinem juristischen Verständnis – das sich insofern auch auf den Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts übertragen lässt – auf das Zusammenleben der Ehegatten (eingetragenen Partner) in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, wobei kurzfristige Unterbrechungen dieses Zusammenlebens bei grundsätzlich aufrechtem gemeinsamem Wohnsitz und gemeinsamer Wirtschaftsführung für die Annahme eines Lebens im gemeinsamen Haushalt nicht schädlich sind (vgl VwGH 17.5.2011, 2007/01/1144).

B.  Aufenthaltsdauer und Niederlassungserfordernis Die Erstreckungswerber müssen einen sechsjährigen rechtmäßigen 6 und ununterbrochenen Aufenthalt in Österreich vorweisen. Diese Erstreckungsvoraussetzung deckt sich mit jener des § 10 Abs 1 Z 1 und kann daher auf dortige Ausführungen verwiesen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung sowohl zu § 10 Abs 1 Z 1 als auch zu § 11a Abs 4 Z 1 StbG bereits klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen („rechtmäßig und ununterbrochen“) Verleihungsvoraussetzung ist, dass der Verleihungswerber zurückgerechnet vom Zeitpunkt der Entscheidung der Staatsbürger393

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schaftsbehörde einen durchgehenden (eben ununterbrochenen) legalen Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann. Gleiches gilt – angesichts des identen Wortlautes („rechtmäßig und ununterbrochen“) – auch für das Erfordernis des sechsjährigen Aufenthalts nach § 16 Abs 1 Z 1 StbG (VwGH 20.9.2011, 2009/01/0070). 7 Ebenso müssen Erstreckungswerber – ausgenommen Asylberechtigte und Träger von Privilegien und Immunitäten – zum Zeitpunkt der Antragstellung über rechtmäßige Niederlassung iSd § 2 Abs 2 NAG verfügen. Die Niederlassung ist eine qualifizierte Form des Aufenthalts und wird definiert als tatsächlicher oder zukünftig beabsichtigter Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht (Z 1), der Begründung eines Mittelpunktes der Lebensinteressen (Z 2) oder der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit (Z 3). Der Nachweis einer Niederlassung in Österreich kann idR durch die Vorlage eines Aufenthaltstitels erbracht werden. Dabei ist § 2 Abs 3 NAG zu beachten, welcher bestimmt, dass der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden in Österreich auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung gem § 8 Abs 1 Z 10 NAG nicht als Niederlassung iSd § 2 Abs 2 NAG gilt. Dies bedeutet, dass nur diejenigen Drittstaatsangehörigen, welche über einen Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs 1 Z 1 bis 8 verfügen, als Erstreckungswerber in Frage kommen. Daher erfüllen alle Erstreckungswerber, welche im Zeitpunkt der Antragstellung über die Aufenthaltstitel „Rot – Weiß – Rot – Karte“, „Rot – Weiß – Rot – Karte plus“, „Blaue Karte EU“, „Niederlassungsbewilligung“, „Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit“, „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“, „Daueraufenthalt – EU“ und „Aufenthaltstitel – Familienangehöriger“ verfügen das Niederlassungserfordernis nach Abs 2 Z 2 lit a. 8 Im Hinblick auf die häufige Novellierung des NAG kann in der Behördenpraxis oft vorkommen, dass Aufenthaltstitel vorgelegt werden, welche nicht mehr im Katalog des § 8 Abs 1 Z 1 bis 8 enthalten sind, aber ebenso ein Niederlassungsrecht zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweisen können. Diese sind insbesondere die Aufenthaltstitel „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“, „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“, „Daueraufenthalt –EG“, und „Daueraufenthalt – Familienangehöriger, sowie sog „humanitäre Aufenthaltstitel“ (Niederlassungsbewilligung und Rot-Weiß – Rot – Karte plus gemäß §  41a Abs 9 und § 43 Abs 3 NAG idF vor dem BGBl I 87/2012), welche seit 394

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1.7.2011 (Inkrafttreten des BGBl I 38/2011) bzw 1.1.2014 (Inkrafttreten des BGBl I 68/2013) nicht mehr erteilt werden. Diesbezüglich regeln die Übergangsbestimmungen des § 81 Abs 16 und Abs 29 bis 32 NAG wie diese Aufenthaltstitel weiter zu gelten haben. Die nach §§  54  ff AsylG erteilten Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“, und „Aufenthaltsberechtigung plus“ werden aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt und obwohl § 54 AsylG von „Aufenthalt“ spricht, ist anzunehmen, dass bei genannten Aufenthaltstiteln eine Niederlassung vorliegt, zumal diese die Kriterien des § 2 Abs 2 NAG erfüllen und die EB zu BGBl I 87/2012 klar ausführen, dass diese Aufenthaltstitel „nach dem Berechtigungsumfang“ den alten, sog „humanitären Aufenthaltstitel“ nach § 41a Abs 9 und § 43 Abs 3 NAG idF vor dem BGBl I 87/2012 entsprechen sollen. Fraglich ist, ob auch der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nach §  57 AsylG eine Niederlassung begründen kann. Dies ist insofern fraglich, da ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG einer „Aufenthaltsbewilligung besonderer Schutz“ nach § 69a NAG idF vor dem BGBl I 87/2012 entspricht und dieser keine Niederlassung im Bundesgebiet begründen konnte. Betreffend die Aufenthaltstitel, welche nach den Vorgängerbestimmungen erteilt wurden (Paßgesetz 1969, Aufenthaltsgesetz 1992, Fremdenrechtsgesetz 1997), sieht § 81 Abs 2 NAG vor, dass alle Niederlassungs- und Aufenthaltsberechtigungen, welche vor Inkrafttreten des NAG am 1.1.2006 erteilt wurden als Berechtigungen nach dem NAG weiter gelten. In diesem Zusammenhang ist § 11 NAG – DV zu beachten in dem jedem vor Geltungsbeginn des NAG erteilten Aufenthaltstitel ein konkreter Aufenthaltstitel des NAG zugeordnet wird. Die Aufenthaltsrechte von Unionsbürgern bzw EWR-Bürgern und de- 9 ren Angehörigen leiten sich unmittelbar aus dem primären und sekundären Unionsrecht ab. Nach welchen Voraussetzungen ein unionsrechtliches Aufenthalts- und Niederlassungsrecht besteht, richtet sich ausschließlich nach dem Unionsrecht, im Speziellen nach der RL 2004/38/EG. Da sich hier das Aufenthaltsrecht direkt aus dem Unionsrecht ergibt, werden keine Aufenthaltstitel rechtsbegründend erteilt, sondern vielmehr Dokumentationen ausgestellt. Zur Dokumentation dieses Aufenthalts- und Niederlassungsrechts sieht § 9 NAG eine „Anmeldebescheinigung“ für EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten, bzw eine „Bescheinigung des Daueraufenthaltes“ sowie eine „Aufenthaltskarte“ bzw eine „Daueraufenthaltskarte“ für Angehörige von EWR-Bürgern, welche Drittstaatsangehörige sind, 395

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vor. Dasselbe gilt für Schweizer Staatsbürger und ihre Angehörige sowie für Angehörige von Österreichern, welche ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in einem anderen Mitgliedsstaat in Anspruch genommen haben. Es handelt sich dabei um die rein deklaratorische Dokumentation („Bestätigung“) bereits bestehender unionsrechtlicher Aufenthalts- und Niederlassungsrechte (vgl VwGH 30.1.2007, 2006/21/0330; VwGH 16.12.2012, 2009/01/0062). Diese im § 9 NAG als „Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts“ bezeichneten Aufenthaltsarten stehen im Gegensatz zu den in §  8 NAG genannten und nicht auf Grund eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellten (konstitutiven) Aufenthaltstiteln. Die Vorlage einer Dokumentation kann daher nur als Indiz für das Vorhandensein einer Niederlassung betrachtet werden.

C. Asylberechtigte und Träger von Privilegien und Immunitäten 10 Obwohl nicht nach der Legaldefinition des § 2 Abs 2 NAG niedergelassen, kann auch auf die Personengruppe der Asylberechtigten und Träger von Privilegien und Immunitäten – trotz der Bestimmung des § 7, wonach der Aufenthalt von Trägern von Privilegien und Immunitäten nicht als Niederlassung im Sinne des StbG gilt – die Verleihung der Staatsbürgerschaft erstreckt werden, sofern alle anderen Erstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind. 11 Der Begriff des Asylberechtigten richtet sich nach §  3 Abs  1 AsylG 2005 (bzw dessen Vorgängerbestimmungen, dh AsylG 1997, AsylG 1991, AsylG 1968). Darunter fallen jedoch keine Fremden, denen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, oder Fremde, welche bloß einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben und deren Asylverfahren anhängig ist. § 3 Abs1 AsylG verweist auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde. Anhand dieses Maßstabes ist auch zu ermitteln, ob eine asylrelevante Verfolgung wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe glaubhaft ist (VwGH 24.6. 2010, 2007/01/1199). Die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten er396

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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folgt durch Bescheid des BFA oder durch Erkenntnis des BVwG, das berechtigt ist, eine allenfalls negative (abweisende) Entscheidung des BFA in jede Richtung hin abzuändern. Träger von Privilegien und Immunitäten („Legitimationskartenbesit- 12 zer“) sind Fremde, denen nach § 95 FPG ein Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten ausgestellt wurde. Nach dem klaren Wortlaut ergibt sich diese Eigenschaft nicht schon aus der Zugehörigkeit zu einer der Personengruppen, die Träger von Privilegien und Immunitäten sind, sondern erst aus der Ausstellung des Lichtbildausweises nach § 95 FPG (sog Legitimationskarte). Angehörige dieser Personengruppe sind somit nicht ex lege zum Aufenthalt berechtigt, sondern verpflichtet, sich um die Ausstellung einer Legitimationskarte zu kümmern. Ihr Aufenthalt ist ansonsten unrechtmäßig (VwGH 26.6.2013, 2011/01/0280). Die Ausstellung solcher Lichtbildausweise ist geregelt in der VO des Bundesministers für europäische und internationale Angelegenheiten (nunmehr BMEIA) über die Ausstellung von Lichtbildausweisen an Angehörige jener Personengruppen, die in Österreich Privilegien und Immunitäten genießen (BGBl II 137/2010). Die äußere Form regelt Anlage A zur VO BGBl II 137/2010. Ein solcher Lichtbildausweis ist vom BMEIA für Personen auszustellen, die in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrags oder aufgrund des BG über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen (BGBl 677/1977) oder des BG über die Rechtsstellung von Einrichtungen der OSZE in Österreich (BGBl 511/1993) Privilegien und Immunitäten genießen. In den Genuss solcher Privilegien und Immunitäten kommen insbesondere Botschafter, Berufs- und Honorarkonsuln, Mitarbeiter und Sachverständige internationaler Organisationen sowie deren dienstliches und privates Hauspersonal. Ein Lichtbildausweis nach § 95 FPG kann außerdem für die im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen der genannten Personengruppen ausgestellt werden (für eine Umschreibung der umfassten Familienangehörigen siehe § 3 Abs 2 der VO BGBl II 137/2010).

III.  Erstreckungshindernisse Die Erstreckung der Verleihung kann nicht an Ehegatten bzw eingetra- 13 gene Partner erfolgen, welche nur deswegen Fremde sind, weil ihnen in der Vergangenheit die österreichische Staatsbürgerschaft gem § 32 oder § 33 entzogen wurde. Dabei handelt es sich um insgesamt drei taxativ 397

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aufgezählte Entziehungstatbestände: 1. freiwilliger Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates (§ 32), 2. Verhalten eines im Dienst fremder Staaten stehenden Staatsbürgers, welches die Interessen oder das Ansehen Österreichs erheblich schädigt (§ 33 Abs 1) und 3. freiwillige Teilnahme für eine organisierte bewaffnete Gruppe an Kampfhandlungen in Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (§ 33 Abs 2). Erstreckungswerber, welchen die Staatsbürgerschaft in der Vergangenheit gem § 34 entzogen wurde (weil z.B. die frühere Staatsbürgerschaft beibehalten wurde) sind hingegen vom Anwendungsbereich des § 16 Abs 1 Z 4 nicht erfasst und kommen daher als Erstreckungswerber in Betracht. 14 Die Lebensgemeinschaft der Ehegatten bzw eingetragenen Partner darf gem Abs  2 Z  3 nicht aufgehoben sein. Nach §  55a EheG ist die Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft über mehr als sechs Monate Voraussetzung für die einvernehmliche Ehescheidung. Dieser Hinderungsgrund ist wohl im Zusammenhang mit Erfordernis des gemeinsamen Haushalts zu betrachten, da die Lebensgemeinschaft der Ehegatten wohl dann aufgehoben ist, wenn die Ehegatten zwar noch unter einem Dach wohnen, aber ihre Lebensbereiche derart getrennt sind, dass die persönliche Berührung weitgehend ausgeschaltet ist. Dies würde bedeuten, dass Ehegatten bzw eingetragene Partner, welche zwar im gemeinsamen Haushalt leben, dessen Lebensführung jedoch weitgehend getrennt erfolgt, als Erstreckungswerber nicht in Frage kommen. Die Staatsbürgerschaftsbehörden – zumindest in Wien – verlangen von dem Erstreckungswerber die Unterfertigung einer eidesstaatlichen Erklärung über das Vorhandensein eines gemeinsamen Haushaltes zum Zeitpunkt der Erstreckung der Verleihung. 15 Die Ehe bzw eingetragene Partnerschaft muss überdies seit mindestens fünf Jahren bestehen.

IV.  Sonderfälle 16 Ehegatten bzw eingetragene Partner von Verleihungswerbern, welchen die Staatsbürgerschaft im besonderen Republiksinteresse gem §  10 Abs 6 verliehen wird, müssen weder niedergelassen sein noch die Fristen des rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich aufweisen. Diese müssen – genau wie die Verleihungswerber – nicht aus ihrer früheren Staatsangehörigkeit ausscheiden und werden de facto Doppelstaatsbürger. Die Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs 2 müssen 398

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jedoch – genau wie die Voraussetzung nach § 10a Abs 1 (ausreichende Deutschkenntnisse und die Staatsbürgerschaftsprüfung), sofern kein Ausnahmetatbestand nach § 10a Abs 2 bis 4a vorliegt – auch von dieser Personengruppe erfüllt werden.

§ 17. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Vor-

aussetzungen der §§ 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 sowie 16 Abs. 1 Z 2 auf die Kinder des Fremden, sofern die Kinder minderjährig, ledig und nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§ 32 und 33 Fremde sind, zu erstrecken, wenn 1. der Mutter gemäß § 143 ABGB, oder 2. dem Vater gemäß § 144 Abs. 1 ABGB die Staatsbürgerschaft verliehen wird. (1a) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen der §§ 10 Abs. 1 Z 2 bis 8, Abs. 2 und 3 sowie 16 Abs. 1 Z 2 auf die Wahlkinder des Fremden, sofern die Kinder minderjährig, ledig und nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§ 32 und 33 Fremde sind, zu erstrecken. (2) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 3 weiters auf die unehelichen Kinder der im Abs. 1 genannten Nachkommen zu erstrecken, soweit die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf sie erstreckt wird. (3) Die Voraussetzung der Minderjährigkeit entfällt bei einem behinderten Kind, wenn die Behinderung erheblich ist und das Kind mit dem für die Erstreckung der Verleihung maßgebenden Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt oder diesem die Sorgepflicht für das Kind obliegt und er seiner Unterhaltspflicht nachkommt. Als erheblich behindert im Sinne dieser Bestimmung gelten Personen, die infolge eines Leidens oder Gebrechens in ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeit so wesentlich beeinträchtigt sind, dass sie einer besonderen Pflege oder eines besonderen Unterhaltsaufwandes bedürfen und voraussichtlich dauernd nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die erhebliche Behinderung ist durch ein Zeugnis eines inländischen Amtsarztes nachzuweisen. (4) Das Fehlen der Voraussetzung nach §  10 Abs. 3 und §  16 Abs. 1 Z 2 steht der Erstreckung nicht entgegen, wenn die Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 6 verliehen wird. [idF BGBl I 2013/136]

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EB zu BGBl 170/1983 Die Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine Frau soll nunmehr auch auf ihre ehelichen Kinder erstreckt werden können. Nach dem dieser Regelung zugrundeliegenden Gleichheitsgebot soll unter bestimmten Bedingungen auch das uneheliche Kind eines männlichen Verleihungswerbers die Staatsbürgerschaft nach dem Vater durch Erstreckung der Verleihung erlangen können. Voraussetzung hiefür ist, daß die Vaterschaft anerkannt oder festgestellt ist und dem Vater die Pflege und Erziehung des Kindes zusteht. […] Voraussetzung für die Erstreckung ist in allen diesen Fällen, daß die Kinder minderjährig, ledig und nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach § 33 StbG 1965 Fremde sind. Eine besondere Situation ergibt sich bei behinderten Personen, weil nicht nur die minderjährigen, sondern auch die volljährigen Behinderten entsprechend dem Grad ihrer Behinderung auf die Hilfe und Betreuung ihrer Angehörigen angewiesen sind. Erheblich Behinderte verbleiben in der Regel auch nach Erreichung der Volljährigkeit weiterhin in der angestammten Familiengemeinschaft. Es erscheint deshalb in Verfolgung des Grundsatzes der möglichsten Wahrung der Familien­einheit im Staatsbürgerschaftsrecht gerechtfertigt, die Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen Fremden unter bestimmten Voraussetzungen auch auf dessen volljährige behinderte Kinder zu erstrecken. Gleichzeitig soll damit aber auch ein Akzent gesetzt werden, der dem Geist der Proklamation der Vereinten Nationen, womit das Jahr 1981 zum „Jahr der Behinderten“ erklärt wurde, nachträglich Rechnung trägt. Der Behindertenbegriff dieser Bestimmung orientiert sich im wesentlichen an dem des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 und jenem der Behindertengesetze der Länder. Durch das Alternativerfordernis des gemeinsamen Haushaltes, bzw. der Ausübung der Sorgepflicht für den Behinderten sollen jene Fälle von der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft ausgenommen werden, bei welchen zwischen dem Verleihungswerber und seinem volljährigen behinderten Kind keine nähere familiäre Bindung oder sonstige wesentliche Beziehung besteht. Aus den in den Erläuterungen zu Art. I Z 16 (§ 16) dargelegten Erwägungen soll von der Erstreckungsvoraussetzung des § 10 Abs. 2 abgesehen werden, wenn dem für die Erstreckung maßgebenden Elternteil die Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG 1965 verliehen wird. Die Erstreckung der Verleihung ermöglicht die Herstellung einer einheitlichen Staatsbürgerschaft innerhalb der Familie. Sie dient ferner der Verwaltungsökonomie, weil für den betroffenen Personenkreis in der Folge kein gesondertes Einbürgerungsverfahren mehr abgeführt zu werden braucht. Besitzt der Elternteil, der im Falle der Erstreckung der Verleihung nach der gegenständlichen Gesetzesbestimmung maßgebend wäre, bereits die Staatsbürgerschaft, so soll den im § 17 StbG 1965 in der Fassung des Entwurfes (Art. I Z 17) angeführten Kindern unter denselben Voraussetzungen, wie sie für die Erstreckung gelten, ein Rechtsanspruch auf selbständige Verleihung der Staatsbürgerschaft zukommen. EB zu BGBl I 122/2009 § 17 regelt unter welchen Voraussetzungen die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf die Kinder des Fremden zu erstrecken ist. Wird die Staatsbürgerschaft an den Fremden auf Grund seiner außerordentlichen Leistungen gemäß § 10 Abs. 6 ver-

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liehen, so soll nunmehr eine Erstreckung auf Kinder auch dann möglich sein, wenn die Voraussetzungen nach § 16 Abs. 1 Z 2, also insbesondere eine rechtmäßige Niederlassung, nicht vorliegen. Damit wird die Regelung in sachgerechter Weise an die Bestimmungen zur Erstreckung auf die Ehegatten nach § 16 Abs. 2 angeglichen. EB zu BGBl I 38/2011 Aufgrund der vorgenommenen Adaptierung des § 32 musste auch diese Bestimmung redaktionell angepasst werden. EB zu BGBl I 136/2013 [siehe auch die Erl bei § 7 und § 8]: Die Adaptierungen der §§ 17 Abs. 1 und Abs. 1a sowie 29 haben zu erfolgen, da die angesprochene Differenzierung folgerichtig auch bei der Erstreckung der Verleihung und beim Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft keine Rolle spielen sollen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Voraussetzungen.......................................................................................... 4 A. Berechtigte .............................................................................................. 5 B. Ausnahmen vom Minderjährigkeitserfordernis................................ 9 III. Erstreckungshindernisse............................................................................. 11 IV. Sonderfälle..................................................................................................... 12 Schrifttum zu § 17: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/ Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Abermann/Czech/ Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz1 (2016); Schrefler-König/ Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht (2005).

I.  Allgemeines §  17 regelt die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an 1 Kinder, Wahlkinder und Enkelkinder eines Verleihungswerbers. Erst mit Inkrafttreten des § 17 idF StbG-Novelle 1983 (BGBl 1983/170, vor der VW) am 1.9.1983 wurde die Erstreckung der Verleihung auf die ehelichen Kinder der Frau und die unehelichen Kinder des Mannes, (unter der Voraussetzung, dass seine Vaterschaft festgestellt oder anerkannt wurde und ihm die Pflege und Erziehung der Kinder zustand), sowie Wahlkinder der Verleihungswerber ermöglicht. Bis dahin war 401

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eine Erstreckung der Verleihung nur auf eheliche Kinder des Mannes, eheliche Kinder der Frau (unter sehr einschränkenden Bedingungen) und die unehelichen Kinder der Frau möglich. Mit dem Inkrafttreten der StbG-Novelle 2005 (BGBl. I 2006/37) am 23.3.2006 wurde das Erfordernis der Erfüllung der Voraussetzungen nach § 16 Abs 1 Z 2 eingeführt (rechtmäßige Niederlassung im Bundesgebiet bzw Status als Legitimationskartenbesitzer oder Asylberechtigter zum Zeitpunkt der Antragstellung) und die Erstreckungsbedingungen – analog zu Ehegatten – deutlich erschwert. Diese Voraussetzung ist jedoch gemäß Abs 4 für Kinder von Verleihungswerbern, welchen die Staatsbürgerschaft auf Grund außerordentlicher Leistungen im besonderen Interesse der Republik nach § 10 Abs 6 verliehen wird, nicht erforderlich. 2 Die Neuformulierung des §  17 Abs  1 und 2 und die Einfügung des Abs  1a durch die am 1.8.2013 in Kraft getretene StbG-Novelle 2013 (BGBl I 2013/136), erfolgte als Notwendigkeit infolge der Adaptierung des § 7 und der beabsichtigten Gleichstellung von unehelichen und ehelichen Kindern. Nach den EB zu BGBl I 2013/136 sollen die Änderungen „die im gesamten StbG enthaltene Differenzierung betreffend die Ehelichkeit bzw. Unehelichkeit eines Kindes entfallen lassen, da diese Differenzierung vor dem Hintergrund der familienrechtlichen und familienpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ihre sachliche Rechtfertigung weitgehend eingebüßt hat und als nicht mehr zeitgemäß anzusehen ist.“ Es soll künftig „für alle Sachverhalte, in denen zumindest ein Elternteil österreichischer Staatsbürger ist, das Abstammungsprinzip gilt, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind. Eine Unterscheidung entlang der Ehe- bzw. Unehelichkeit eines Kindes soll künftig nicht mehr vorgenommen werden.“ 3 Die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf Wahlkinder von Verleihungswerbern berücksichtigt das – von Österreich ratifizierte – Europäische Übereinkommen über die Adoption von Kindern (BGBl 314/1980), welches in Art  11 die Vertragsstaaten verpflichtet, den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Wahlkinder zu erleichtern (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7, [2006], S 154).

II.  Voraussetzungen 4 Die Entscheidung über die Erstreckung der Verleihung ist nach Abs 1 nicht als Ermessensentscheidung ausgestaltet („ist zu erstrecken“). Er402

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streckungswerber haben einen Rechtsanspruch auf die Erstreckung der Verleihung sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind (vgl VwGH 21.4.1999, 97/01/1069). Die Erstreckung der Verleihung darf zufolge § 18 nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden. Es müssen nicht nur alle Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3, sondern auch die Voraussetzungen gemäß § 16 Abs 1 Z 2 erfüllt sein (zu Voraussetzungen s Ausführungen zu § 10 und § 16). Dies bedeutet, dass Kinder und Wahlkinder nach Abs 1 und Abs 1a (aber nicht die Erstreckungswerber nach Abs 2) zum Zeitpunkt der Antragstellung iSd § 2 Abs 2 niedergelassen oder Asylberechtigte bzw Träger von Privilegien und Immunitäten sein müssen. Da sich § 10a nicht nur auf die Verleihungstatbestände des § 10, sondern auch auf die Erstreckung der Verleihung nach den §§ 16 und 17 bezieht, ist von den Erstreckungswerbern der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 10a Abs 1 Z  1 zu erbringen und die Staatsbürgerschaftsprüfung gemäß §  10a Abs  1 Z  2 zu absolvieren (vgl VwGH 9.9.2003, 2002/01/0008). Dies betrifft auch Kinder und Wahlkinder eines Verleihungsbewerbers, welchem die Staatsbürgerschaft auf Grund von außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik nach § 10 Abs 6 verliehen wird.

A.  Berechtigte § 17 definiert drei Personengruppen, auf welche die Staatsbürgerschaft 5 iS dieser Bestimmung erstreckt werden kann. Diese sind zunächst minderjährige und ledige Kinder von einem Verleihungswerber, welche(r) entweder die Mutter nach § 143 ABGB oder Vater gemäß § 144 Abs 1 ABGB ist (Abs 1), weiters minderjährige und ledige Wahlkinder eines Verleihungswerbers (Abs  1a) und uneheliche Kinder eines Erstreckungswerbers nach Abs 1 – also Enkelkinder eines Verleihungswerbers (Abs  2). Minderjährige, aber bereits verheiratete (oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden) Kinder bzw Wahlkinder kommen als Erstreckungswerber nicht in Betracht. Gemäß §  143 ABGB ist Mutter die Frau, die das Kind geboren hat. 6 Daher kommen als Erstreckungswerber nach Abs 1 nur die Kinder einer Verleihungswerberin in Betracht, welche das Kind selbst geboren hat. Verleihungswerberinnen, welche die Elternschaft neben der leibli403

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chen Mutter über ein Kind gemäß § 144 Abs 2 ABGB erlangt haben, können daher die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf solche Kinder nicht erstrecken lassen. 7 Vater gemäß § 144 Abs 1 ABGB ist der Mann, der mit der Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist bzw als Ehemann der Mutter nicht früher als 300 Tage vor der Geburt des Kindes verstorben ist (Z 1), oder ein Mann der die Vaterschaft anerkannt hat (Z 2), oder ein Mann dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde (Z 3). Die Vaterschaftsanerkennung bzw die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft muss zum Zeitpunkt der Verleihung und der Erstreckung vorhanden sein. Den leiblichen Kindern sind die Wahlkinder seit der StbG-Novelle 1983 (BGBl 1983/170, vor der VW) gleichgestellt und können auch im Wege der Erstreckung die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben. Die Voraussetzungen für die Adoption („Annahme an Kindesstatt“) sind in §§  191 ABGB geregelt. Die Annahme an Kindesstatt kommt gemäß § 192 ABGB durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteiles zustande. Sie wird im Fall ihrer Bewilligung mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung wirksam. Sofern keine Bewilligung seitens des zuständigen Bezirksgerichtes zum Zeitpunkt der Verleihung vorliegt, kann auch keine Erstreckung iS des Abs 1a verfügt werden. Die Adoption eines (minderjährigen) Fremden durch eine Person, die bereits österreichischer Staatsbürger ist, bewirkt keinen Staatsbürgerschaftserwerb ex lege für das Wahlkind. Dieser Fall einer Annahme an Kindesstatt stellt vielmehr einen der begünstigten Verleihungstatbestände (gemäß § 12 Abs 1 Z 3) dar, der keinesfalls dem Erwerbstatbestand der Abstammung (Legitimation) gem § 6 Z 1 gleichzuhalten ist (vgl VwGH 17.5.1995, 94/01/0465). Die Staatsbürgerschaftsbehörden sind im Alltag oft mit ausländischen Adoptionen und ihren – im Vergleich zum österreichischen Adoptionsrecht – unterschiedlichen Auswirkungen konfrontiert. Viele ausländische Rechtsordnungen (so zB die Rechtsordnungen der ehemaligen jugoslawischen Republiken) kennen das Institut der sog „unvollkommenen Adoption“, in welchem die Wahlkinder nicht in Genuss gewisser Rechte – meist Erbrechte – kommen können. Es muss je nach Lage des Falles geprüft werden, ob eine solche ausländische Adoption einer österreichischen entspricht, und ob eine ausländische Adoption iS des § 194 ABGB tatsächlich dem Kindeswohl dient und eine dem Verhältnis zwischen leib404

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lichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ebenso muss geprüft werden, ob die jeweiligen Formvorschriften eingehalten wurden. Die Erstreckung der Verleihung an Kinder eines Erstreckungswerbers 8 war bis zur StbG-Novelle 2013 (BGBl I 2013/136) nur an Kinder „weiblichen Geschlechtes“ möglich. Die Novelle beendete die unsachliche und nicht nachvollziehbare Diskriminierung der männlichen Nachkommen eines Erstreckungswerbers. Dabei müssen laut Abs 2 die Voraussetzung des § 10 Abs 3 (Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband) erfüllt sein, aber nicht die Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs 2 sowie § 16 Abs 1 Z 2. Dies bringt Vorteile für minderjährige Erstreckungswerber welche bereits ein Kind haben, da diesen der Weg der Erlangung der Staatsbürgerschaft für ihre Kinder im Rahmen des § 12 Abs 1 Z 3 (und damit die Erfüllung des Niederlassungserfordernisses) erspart bleibt. Die Erstreckung kommt nur dann in Frage, wenn die Staatsbürgerschaft auch an die Eltern des Erstreckungswerbers erstreckt wird. Eine „direkte“ Erstreckung der Verleihung an Enkelkinder eines Verleihungswerbers – ohne Erstreckung an die Kinder des Verleihungswerbers – kommt daher nicht in Betracht. Ebenso ist eine Erstreckung an die Nachkommen eines Wahlkindes nicht möglich, da Abs 2 nur auf uneheliche Kinder der im Abs 1 genannten Nachkommen verweist.

B.  Ausnahmen vom Minderjährigkeitserfordernis Grundsätzlich kann die Staatsbürgerschaft nur an minderjährige – und 9 ausnahmslos – ledige Kinder bzw Wahlkinder und Enkelkinder erstreckt werden. Die Minderjährigkeit richtet sich jedoch gemäß §  12 IPRG nach dem Personalstatut des Erstreckungswerbers, dh nach dem Recht des Staates, dem die Person gehört. Daher wird es oft erforderlich sein, maßgebliche ausländische Bestimmungen über die Erlangung der Volljährigkeit zu ermitteln. Die meisten europäischen und außereuropäischen Rechtsordnungen sehen die Volljährigkeit ab der Vollendung des 18. Lebensjahres vor (wie auch das von Österreich unterzeichnete Übereinkommen über die Rechte des Kindes, BGBl Nr. 1993/7). Einige Rechtsordnungen sehen hingegen die Volljährigkeit ab der Vollendung des 16. Lebensjahres (zB zentralasiatische Staaten) bzw des 21. Lebensjahres (zB manche afrikanische Staaten) vor, und kann es daher uU vorkommen, dass ein Erstreckungswerber, welcher bereits 405

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das 18. Lebensjahr vollendet hat – und gemäß § 21 Abs 2 ABGB bereits volljährig ist – iSd § 17 noch immer als Minderjähriger zu gelten hat. Ausnahmen vom Minderjährigkeitserfordernis sind in Abs 3 geregelt und betreffen ausschließlich erheblich behinderte Erstreckungswerber. 10 Die Voraussetzung der Minderjährigkeit entfällt laut Abs 3 bei einem erheblich behinderten Kind, wenn das Kind mit dem für die Erstreckung maßgebenden Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt oder diesem die Sorgepflicht für das Kind obliegt und dieser Elternteil seiner Unterhaltspflicht nachkommt. Unklar bleibt, ob von der Ausnahme auch Erstreckungswerber nach Abs 2 erfasst sind, oder nur Kinder und Wahlkinder eines Verleihungswerbers. Abs  3 spricht nur von einem „Kind“ welches im gemeinsamen Haushalt „mit dem für die Erstreckung der Verleihung maßgebenden Elternteil“ lebt bzw vom Elternteil, welchem die Sorgepflicht für das Kind zukommt und dieser seiner Unterhaltspflicht nachkommt. Laut den EB zu BGBl 1983/170 soll durch das Alternativerfordernis des gemeinsamen Haushaltes oder der Ausübung der Sorgepflicht ein Erstreckungsanspruch ausgeschlossen werden, wenn zwischen dem Verleihungswerber und dem Behinderten keine nähere familiäre Bindung oder sonstige wesentliche Beziehung besteht. Der Begriff „erheblich Behinderte“ ist ebenfalls in Abs 3 abschließend geregelt und wird als „Personen die infolge eines Leidens oder Gebrechens in ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeit so wesentlich beeinträchtigt sind, dass sie einer besonderen Pflege oder eines besonderen Unterhaltsaufwandes bedürfen und voraussichtlich dauernd nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen“ definiert. Die erhebliche Behinderung muss durch ein inländisches amtsärztliches Gutachten nachgewiesen werden.

III.  Erstreckungshindernisse 11 Die Erstreckung der Verleihung kann nicht an Kinder (Abs  1) bzw Wahlkinder (Abs 1b) erfolgen, welche nur deswegen Fremde sind, weil ihnen in der Vergangenheit die österreichische Staatsbürgerschaft gem §  32 oder §  33 entzogen wurde. Dabei handelt es sich um insgesamt drei taxativ aufgezählte Entziehungstatbestände: 1. freiwilliger Eintritt in das Militärdienst eines fremden Staates (§ 32), 2. Verhalten eines im Dienst fremder Staaten stehenden Staatsbürgers, welches die Interessen oder das Ansehen Österreichs erheblich schädigt (§  33 Abs  1) und 3. 406

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freiwillige Teilnahme für eine organisierte bewaffnete Gruppe an Kampfhandlungen in Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (§ 33 Abs 2). Erstreckungswerber, welchen die Staatsbürgerschaft in der Vergangenheit gem § 34 entzogen wurde (weil zB die frühere Staatsbürgerschaft beibehalten wurde) kommen daher als Erstreckungswerber in Betracht.

IV.  Sonderfälle Kinder, Wahlkinder und Enkelkinder vom Verleihungswerbern, wel- 12 chen die Staatsbürgerschaft im besonderen Republiksinteresse gem § 10 Abs 6 verliehen wird, müssen weder niedergelassen sein noch die Fristen des rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich aufweisen. Diese müssen – genau wie die Verleihungswerber – nicht aus ihrer früheren Staatsangehörigkeit ausscheiden und werden de facto Doppelstaatsbürger. Die Voraussetzungen nach § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs 2 müssen jedoch – genau wie die Voraussetzung nach § 10a Abs 1 (ausreichende Deutschkenntnisse und die Staatsbürgerschaftsprüfung, sofern kein Ausnahmetatbestand nach § 10a Abs 2 bis 4a vorliegt) – auch von dieser Personengruppe erfüllt werden.

§ 18. Die Erstreckung der Verleihung darf nur gleichzeitig mit der

Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden.

[idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Im Interesse der Rechtssicherheit soll die Erstreckung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft (und nur mit demselben Erwerbungszeitpunkt) verfügt werden. Es soll daher nicht möglich sein, dass erst nach Abschluss des Verleihungsverfahrens und nach Aushändigung oder Zustellung des Verleihungsbescheides dieser gemäß §  68 Abs. 2 des AVG. 1950 abgeändert und die Verleihung auf bestimmte Familienangehörige erstreckt wird. Hiedurch werden kaum Härten entstehen, weil im Falle der Nichterstreckung der Verleihung die Ehegattin nach § 10 die Staatsbürgerschaft durch Erklärung erwerben kann und die minderjährigen Kinder nach Maßgabe des § 12 lit. d einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft erlangen.

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Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Rechtsprechung............................................................................................ 2 Schrifttum zu § 18: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Mussger/Fessler/Szymanski/ Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001).

I.  Allgemeines 1 Die Vorgabe, Erstreckungsverfahren gleichzeitig mit Verleihungsverfahren zu führen, wurde mit Inkrafttreten des StbG 1965 (BGBl 250/1965) am 1.7.1966 eingeführt. § 18 ist seither unverändert geblieben, obwohl sich die Erstreckungstatbestände, auf die sich die EB beziehen, geändert haben. Die EB sind insofern „überholt“; weder sind § 10 bzw – wie im Kommentar Goldmund/Ringhofer/Theuer aaO, 111 ausgeführt – §  9 StbG 1965 noch §  68 Abs  2 AVG 1950 maßgebend, sondern § 11a bzw § 16 und § 68 Abs 2 AVG 1991 idgF. UE scheint auch die einleitende Begründung in den EB, dass „im Interesse der Rechtssicherheit“ die Erstreckung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft verfügt werden darf, weder nachvollziehbar noch zeitgemäß. Das „Interesse der Rechtssicherheit“ sollte in einem Rechtsstaat wie Österreich selbstverständlich sein und keiner gesonderten Erwähnung – als „Worthülse“ – bedürfen. Wenn der Gesetzgeber daher im vorliegenden Zusammenhang dem Prinzip der Rechtssicherheit (offenbar) besondere Bedeutung beimessen will, um § 18 zu rechtfertigen, so sollte auch begründet werden, warum dieses Interesse – gegenüber welchen anderen Interessen – derart überwiegt, dass darin die sachliche Rechtfertigung für § 18 begründet ist. Nach dem Wortlaut des § 18 darf die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Zeitpunkt verfügt werden, weshalb Erstreckungsverfahren und Verleihungsverfahren unter einem abzuführen sind. Allerdings sieht das StbG keine Sanktion – insbesondere keine Nichtigkeit des Verfahrens – vor, wenn entgegen § 18 nicht gleichzeitig die Erstreckung der Verleihung mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft bzw nicht mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt wird. 408

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Für den Erstreckungsbewerber bedeutet dies, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft an ihn im selben Zeitpunkt wie die Verleihung an den Staatsbürgerschaftsbewerber erfolgen muss, und dass das Wirksamkeitsdatum der Verleihung gem § 23 Abs 2 gleichlautend sein muss. Wird der Antrag auf die Erstreckung nicht rechtzeitig (vor der Verleihung) gestellt, kann noch immer ein Antrag auf selbständige Verleihung gestellt werden. Die Zuständigkeit zur Erlassung der Bescheide nach § 18 richtet sich nach jener zur Verleihung (s die Kommentierung zu § 39 und Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6, [2001], S 100).

II.  Rechtsprechung Das Erstreckungs- und das Verleihungsverfahren sind unter einem zu 2 führen. Diese zwingende Verfahrensverbindung ändert aber nichts daran, dass bei allen Verleihungs- und Erstreckungswerbern die Voraussetzungen jeweils gesondert zu prüfen sind und eine pauschale familienbezogene Betrachtung mit dem Gesetz nicht in Einklang steht (vgl VwGH 21.4.1999, 97/01/1069). Demnach kommen unterschiedliche Ergebnisse der Prüfung der Voraussetzungen in Betracht. Davon ausgehend sind Bescheide über die Verleihung und Erstreckung der Staatsbürgerschaft selbständige Bescheide, die nur insofern in einem Zusammenhang stehen, als die Rechtmäßigkeit der Erstreckung eine gleichzeitige Verleihung voraussetzt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich der Verleihung führt notwendigerweise zur Wiederaufnahme auch des Verfahrens betreffend die Erstreckung wegen abweichender Vorfragenentscheidung. Umgekehrt hat die Wiederaufnahme eines Erstreckungsverfahrens auf das Verleihungsverfahren oder ein anderes Erstreckungsverfahren nicht automatisch Auswirkung; diese Verfahren müssen daher nicht notwendigerweise unter einem wieder aufgenommen werden (vgl VwGH 14.12.2011, 2009/01/0049). Unzulässig ist eine Gesamtbetrachtung bezüglich eines Staatsbürgerschaftswerbers, seines Ehepartners und ihrer Kinder (auf welche die Staatsbürgerschaft erstreckt werden soll). Demnach ist nämlich gesondert für die Person des Verleihungswerbers zu prüfen, ob er die jeweiligen Verleihungsvoraussetzungen erfüllt und ob gegebenenfalls eine positive Ermessensübung nach § 11 StbG 1985 in Frage kommt und – davon streng zu trennen – bei Bejahung dieser Voraussetzungen ebenso 409

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gesondert eine individuelle Beurteilung der Person des Erstreckungswerbers im Hinblick auf das Vorliegen der Kriterien des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8 und Abs  2 StbG 1985 vorzunehmen, wobei gegebenenfalls der Behörde kein Ermessen offen steht und sie verpflichtet ist, die Erstreckung zu verfügen (vgl VwGH 12.3.2002, 2000/01/0206).

§ 19. (1) Anträge auf Verleihung und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft sind persönlich bei der Behörde zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen. (2) Der Fremde hat am Verfahren mitzuwirken und der Behörde alle notwendigen Unterlagen und Beweismittel sowie ein Lichtbild zur Verfügung zu stellen. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Beweismittel jedenfalls vorzulegen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art der Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten. [idF BGBl I 2009/122] EB zu BGBl 250/1965 Zu § 19: Zu Abs. 1: Nach § 13 Abs. 1 des AVG. 1950 können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen, sofern in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder telegraphisch und, soweit es der Natur der Sache tunlich erscheint, auch mündlich eingebracht werden. Die Bewerbung um die österreichische Staatsbürgerschaft stellt nun eine derartig wichtige Handlung dar, daß es nicht tunlich erscheint, Verleihungsanträge auch mündlich einzubringen. So wurden auch in der Praxis bisher derartige Anträge fast ausschließlich schriftlich gestellt. Diese Vorgangsweise will nun der vorliegende Gesetzentwurf für alle Fälle zwingend vorschreiben. Es soll der Fremde die Gründe, die ihn veranlassen, sich um die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu bewerben, selbst darlegen und formulieren, damit erforderlichenfalls seinem bisherigen Heimatstaat gegenüber die auch nach dem Völkerrecht wesentliche Freiwilligkeit des Antrages nachgewiesen werden kann. Zu Abs. 2: Die Bestimmung, daß ein eigenberechtigter Fremder den Verleihungsantrag persönlich zu unterfertigen hat, soll sicherstellen, daß der Antrag tatsächlich von dem Fremden ausgeht. Das gleiche gilt für die Antragstellung durch den gesetzlichen Vertreter eines nicht eigenberechtigten Fremden. Keineswegs soll damit aber § 10 des AVG. 1950 eingeschränkt werden, wonach sich die Beteiligten und

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ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen (Abs. 1) und sich eines Rechtsbeistandes bedienen können (Abs. 5). Für einen nicht eigenberechtigten Fremden ist der Verleihungsantrag entweder vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von dem Fremden selbst oder einer dritten Person zu unterfertigen. Letzteres wird vor allem in den häufigen Fällen von praktischer Bedeutung, wo die Eltern des minderjährigen Fremden geschieden sind, der Minderjährige bei seiner Mutter in Österreich lebt und diese für ihn um die Verleihung der Staatsbürgerschaft ansucht. Denn oft ist nach den Erfahrungen der Praxis der Kindesvater aus den verschiedensten Gründen wohl bereit, einem Verleihungsantrag als gesetzlicher Vertreter zuzustimmen, nicht aber, einen solchen selbst zu stellen. Diese geplante Regelung bedeutet allerdings nicht, daß dem Antragsteller selbst Parteistellung zuerkannt werden soll. Vielmehr wird er lediglich im Namen des nicht eigenberechtigten Fremden und für ihn tätig. Diesem allein kommt daher im Verleihungsverfahren Parteistellung zu. Hiebei war auch zu überlegen, ob nicht in diesem Zusammenhang genau geregelt werden sollte, nach dem Recht welchen Staates sich die Vertretungsgewalt über einen nicht eigenberechtigten Verleihungsbewerber zu richten hat. Die Bundesregierung ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, daß man mit den diesbezüglichen Bestimmungen der Vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941 (Deutsches RGBl. I S. 654), weiters der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und schließlich der auf dem Gebiete des internationalen Privatrechtes bestehenden Judikatur und Lehre das Auslangen findet und eine detaillierte kollisionsrechtliche Sonderregelung im Staatsbürgerschaftsgesetz nur für andere Rechtsgebiete neue Probleme schaffen könnte. Zu Abs. 3: Hiemit wird einer Forderung der Praxis Rechnung getragen, nämlich einem nicht eigenberechtigten Fremden unter bestimmten Umständen auch ohne Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters die Staatsbürgerschaft verleihen zu können. Dies kann vor allem dann von Bedeutung sein, wenn die Ehe der Eltern geschieden ist, das Kind sich in der Pflege und Erziehung der Mutter befindet und der Vater seine Zustimmung zur Verleihung der Staatsbürgerschaft ohne gerechtfertigten Grund verweigert oder überhaupt nicht zu erreichen ist. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 18 (§ 19 Abs. 3 letzter Satz): Nach § 19 Abs. 2 StbG 1965 ist der Antrag eines nicht eigenberechtigten Fremden auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft entweder von seinem gesetzlichen Vertreter persönlich oder mit dessen schriftlicher Zustimmung von ihm selbst oder einer·dritten Person zu unterfertigen. Diese Zustimmung kann, wenn sie der gesetzliche Vertreter verweigert oder der Fremde keinen gesetzlichen Vertreter hat oder sein gesetzlicher Vertreter nicht erreichbar ist und die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters auf unüberwindliche Hindernisse stößt, unter bestimmten Voraussetzungen durch das Gericht ersetzt werden. „Zuständig ist jenes Gericht, das als Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht

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einzuschreiten hätte, wenn der Fremde die Staatsbürgerschaft besäße“. Diese Zuständigkeitsregelung läßt wegen ihrer nicht sehr klaren Ausdrucksweise jedoch auch die Auslegung zu, die darin enthaltene Fiktion führe in jenen Fällen, in denen nach einer zwischenstaatlichen Vereinbarung an sich die Vormundschaftsbzw. Pflegschaftsbehörden eines anderen Staates zuständig wären (zB Vormundschaftsabkommen zwischen der Republik Österreich und dem Deutschen Reich vom 5. Feber 1927, BGBI. Nr. 269, oder das Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, BGBl. Nr. 446/1975), zur Zuständigkeit eines ausländischen Gerichtes. Eine solche Auslegung steht aber im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers, der für diese Fälle bewußt eine österreichische Sondergerichtsbarkeit schaffen wollte. Um eine unerwünschte Auslegung des § 19 Abs. 3 letzter Satz StbG 1965 auszuschließen, soll durch die Einfügung des Wortes „inländische“ klargestellt werden, daß die Zustimmung zum Staatsbürgerschaftserwerb ausschließlich durch das österreichische Gericht zu erfolgen hat. EB zu BGBl 202/1985 Zu Art. I Z 8 (§ 19 Abs. 2 und 3): Im neuen § 7 a StbG 1965 wurde der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation unter anderem an die Zustimmung des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, geknüpft. Dieses Mitwirkungsrecht kann aber nicht auf den Erwerbstatbestand der Legitimation beschränkt bleiben, sondern muß den Minderjährigen dieser Altersstufe in jedem Fall eingeräumt werden, wenn sie die Staatsbürgerschaft erwerben sollen. Schon bisher konnte die mangelnde Zustimmung des gesetzlichen Vertreters zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an einen nicht eigenberechtigten Fremden durch das inländische Gericht ersetzt werden, wenn die Verleihung aus erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Gründen dem Wohl des Fremden diente. Da das Mitwirkungsrecht auf den Minderjährigen, der das14. Lebensjahr vollendet hat, ausgedehnt wird, soll auch dessen mangelnde Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden können, wenn die Verleihung in seinem Interesse liegt. Im übrigen wird auf den neuen § 7a StbG 1965 und die Erläuterungen hiezu verwiesen. EB zu BGBl I 124/1998 Der vorgeschlagene § 19 soll es mündigen Minderjährigen ermöglichen, den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft selbst einzubringen. Dies selbst dann, wenn ihr gesetzlicher Vertreter die Zustimmung hiezu nicht erteilt. Diese Zustimmung wird durch das Pflegschaftsgericht ersetzt, wenn es dem Wohl des Minderjährigen entspricht. Die Regelung für andere, nicht eigenberechtigte Fremde entspricht jener des geltenden Rechts. EB zu BGBl I 122/2009 Die Regelungen zur Antragstellung auf Verleihung und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft werden radikal vereinfacht und an die bewährte Bestimmung des NAG (§ 19 Abs. 1) angeglichen. Gemäß dem vorgeschlagenen § 19 Abs. 2 hat der Fremde am Verfahren mitzuwirken und der Behörde alle notwendigen Unterlagen und Beweismittel sowie

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ein Lichtbild zur Verfügung zu stellen. Zudem wird dem Bundesminister für Inneres eine Verordnungsermächtigung eingeräumt, die diesem im Interesse der Verfahrenökonomie die Möglichkeit einräumt anzuordnen, welche Urkunden und Beweismittel jedenfalls vorzulegen sind. Die Ausübung der Verordnungsermächtigung hat sich selbstverständlich am Sinn des Gesetzes zu orientieren und somit kann nur die Vorlage von Dokumenten vorgeschrieben werden, die in jedem Fall benötigt werden. Dem Erfordernis des § 13 Abs. 3 AVG wird durch diese Regelung genüge getan. Diese Bestimmung entspricht im Übrigen dem geltenden § 19 Abs. 3 NAG und hat sich dort bewährt. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 8 A. Gesetzlicher Vertreter............................................................................ 8 B. Beweismittel............................................................................................. 13 C. Lichtbild .................................................................................................. 16 III. Antragstellung.............................................................................................. 19 IV. Mitwirkungspflicht...................................................................................... 27 V. NAG............................................................................................................... 39 VI. Verordnungsermächtigung........................................................................ 41 Schrifttum zu § 19: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Franßen-de la Cerda, Die Verpflichtung des Ausländers zur Mitwirkung (§ 82 AufenthG), ZAR 2010, 81; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Hengstschläger/ Leeb, AVG I (2014); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 19 idgF ist die zentrale Verfahrensbestimmung im StbG für alle Ver- 1 leihungs- und Erstreckungsverfahren. Die Antragspflicht nach §  19 geht zurück auf die §§ 19 und 20 des StbG 1925; vgl auch Verordnung über die Bescheinigung und über die Form der Verleihungsurkunden und Entlassungsbescheinigungen (BGBl 1925/378). Die Handlungsfähigkeit spielte 1925 iZm der Verleihung (der Landesbürgerschaft) an Ausländer eine Rolle: Die Staatsbürgerschaft durfte nur an „Bewerber“ verliehen werden, die „nach den Gesetzen ihres bisherigen Heimatstaates handlungsfähig“ waren; die Handlungsfähigkeit konnte jedoch „durch Zustimmung des Vaters oder des Vormundes (Kurators) ersetzt werden“ (§ 4 Abs 1 Z 1 StbG 1925). Nach § 14 StbG 1949 war der Besitz der österreichischen Staatsbürger- 2 schaft „auf Antrag“ zu bescheinigen. Der Staatsbürger hatte demnach ei413

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nen Rechtsanspruch auf diese Beurkundung [Staatsbürgerschaftsnachweis – vgl dazu auch § 15 StbG 1949 und Staatsbürgerschaftsverordnung 1945 (BGBl 1946/28)]; auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft bestand aber – abgesehen von den in den §§ 5 Abs 3 und 10 Abs 1 und 2 StbG 1949 umschriebenen Fällen – kein Rechtsanspruch. Die Verleihung war vielmehr vollkommen im freien Ermessen der Behörde gestellt (vgl VwGH 12.7.1946, Slg 12 A). Ähnlich wie § 4 Abs 1 Z 1 StbG 1925 sah auch § 5 Abs 1 Z 1 StbG 1949 vor, dass der Fremde „eigenberechtigt“ war bzw im Fall eines Mangels der Eigenberechtigung die Zustimmung des „gesetzlichen Vertreters“ vorlag (vgl auch VwSlg 4515 A/1958). 3 Die dem § 19 idgF – dem Wesen (und der Struktur sowie dem Inhalt) nach – vergleichbare Vorgängerbestimmung des § 19 StbG 1965 betonte das Erfordernis der Schriftlichkeit der Antragstellung. Laut den EB zur RV (497 der Beilagen X. GP) stellt die Bewerbung um die österreichische Staatsbürgerschaft „eine derartig wichtige Handlung dar, daß es nicht tunlich ist, Verleihungsanträge auch mündlich einzubringen“. Der eigenberechtigte Fremde hatte den Antrag „persönlich zu unterfertigen“ (§ 19 Abs 2 StbG 1965); bei einem nicht eigenberechtigten Fremde war der Antrag vom gesetzlichen Vertreter persönlich oder mit dessen schriftlicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person zu unterfertigen (und im Verweigerungsfall konnte nach §  19 Abs  3 StbG 1965 das Gericht zustimmen). Nach den einzelnen Rechtsordnungen konnte die Eigenberechtigung – aufgrund vormundschaftsoder pflegschaftsbehördlicher Maßnahmen (zB Volljährigkeitserklärung) oder unter gewissen Voraussetzungen ex lege (zB nach dem Grundsatz „Heirat macht mündig“) vor Erreichung der Volljährigkeitsgrenze, aber auch später eintreten (zB bei Verlängerung der väterlichen Gewalt und bei Entmündigung). Das Recht zu derartigen Maßnahmen stand grundsätzlich dem Heimatstaat der betreffenden Person zu (Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 113 mwH). 4 § 19 idF BGBl 1985/311 geht auf die Novelle BGBl 1985/202 zurück, mit der die Abs 2 und 3 des § 19 StbG 1965 (idF BGBl 1983/170) neu gefasst wurden (vgl dazu auch VwGH 16.7.2003, 2002/01/0341). Demnach wurde die Mitwirkungspflicht (durch schriftliche Zustimmung) des mündigen minderjährigen Fremden iZm der Antragstellung durch dessen gesetzlichen Vertreter oder – mit dessen Zustimmung – durch einen Dritten eingeführt. Zugleich mit der Ausdehnung dieses Mitwirkungsrechts wurde auch klargestellt, dass dessen mangelnde Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden könne, wenn die Verleihung in 414

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seinem Interesse lag (vgl auch § 7a Abs 2 StbG 1965 idF BGBl 1983/170 – kritisch Thienel aaO, 138 ff). § 19 idF BGBl I 1998/124 hielt weiterhin an der Schriftlichkeit der An- 5 tragstellung fest, weichte aber das Erfordernis der Eigenberechtigung des Antragstellers auf. Minderjährige konnten den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft selber stellen; stimmte der gesetzliche Vertreter nicht zu, konnte diese Zustimmung vom Vormundschaftsgericht ersetzt werden. Anderen nicht eigenberechtigten Fremden kam wie bisher ein – gleichfalls durch das Vormundschaftsgericht ersetzbares – Einwilligungsrecht zu. Dennoch – weil die Eigenberechtigung für die Antragsstellung eine Rolle spielte – hatte die Behörde zu prüfen, ob die Eigenberechtigung des Antragstellers vorlag, andernfalls bedurfte es der Einwilligung (Zustimmung) des gesetzlichen Vertreters bzw des Pflegschaftsgerichts. Denn das Fehlen der Eigenberechtigung machte die Rechtshandlung in jedem Fall unwirksam. War demnach der Antragsteller nicht eigenberechtigt und fehlte die Einwilligung bzw Zustimmung, war der Antrag unwirksam. § 19 idgF (seit BGBl I 2009/122) ist das Ergebnis einer „Effizienzsteige- 6 rung“ (vgl 330 der Beilagen XXIV. GP der RV, 7) und einer Anpassung an das NAG. Sinngemäß entspricht § 19 Abs 1 dem § 19 Abs 1 NAG idF vor BGBl I 2015/70 (arg „persönlich“); statt der Schriftlichkeit der Antragstellung kommt nunmehr auch die Niederschrift in Frage (vgl § 3 StbV). § 19 Abs 2 erster Halbsatz entspricht § 29 Abs 1 NAG; die Pflicht der Bereitstellung von Unterlagen und Beweismittel ist vom § 19 Abs 4 NAG übernommen worden. Die Verordnungsermächtigung in § 19 Abs 2 Satz 2 und 3 korrespondiert mit der Verordnungsermächtigung des § 19 Abs 3 NAG. Nach den EB wird mit der Verordnungsermächtigung in § 19 Abs 2 § 13 Abs 3 AVG „genüge getan“. Eine Verbesserung eines Antrags auf Verleihung (oder Erstreckung der Verleihung) der Staatsbürgerschaft kommt nach § 13 Abs 3 AVG dann in Frage, wenn das Anbringen einen Mangel aufweist, also von für den Fremden erkennbaren Anforderungen der Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 oder des AVG an ein vollständiges fehlerfreies Anbringen abweicht (vgl Rz 25 f). Ein Vorgehen nach §  13 Abs  3 AVG ist – mangels Neuerungsverbot (vgl VwGH 17.12.2014, Ra 2014/10/0044) – auch im Verfahren vor einem Landesverwaltungsgericht zulässig (vgl VwGH 27.6.2013, 2013/07/0035). Bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft handelt es sich um einen an- 7 tragsgebundenen Verwaltungsakt. Es können daher vor dessen Erlas415

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sung an die mit dem Akt verliehene Rechtsposition anknüpfende rechtliche Regelungen – wie etwa § 93 Abs 4 Fremdenpolizeigesetz (BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2016/24) – nicht zum Tragen kommen (vgl VwGH 1.7.2004, 2001/18/0041: Die Behörde ist daher in einem fremdenrechtlichen Verfahren nicht gehalten, Ermittlungen über den Stand eines Einbürgerungsverfahrens anzustellen).

II.  Begriffe A.  Gesetzlicher Vertreter 8 Nach § 19 Abs 1 Satz 1 sind Anträge auf Verleihung und Erstreckung der Verleihung „persönlich“ bei der Behörde zu stellen. Ist der Antragsteller aber handlungsunfähig (vgl § 10a Rz 18 ff), so entfällt das Erfordernis der persönlichen Antragsstellung; in diesem Fall hat der gesetzliche Vertreter den Antrag aber nur einzubringen. Daher braucht im Unterschied zu § 19 Abs 1 NAG idgF der gesetzliche Vertreter uE nicht selber vor der Staatsbürgerschaftsbehörde zu erscheinen; er kann sich auch eines Bevollmächtigten zur Einbringung bedienen. Unbeschadet dessen beginnt die Frist für die Entscheidungspflicht der Behörde mit dem Einlangen des Antrages (vgl § 73 AVG). Ist ein Antrag mangelhaft, so beginnt die Entscheidungspflicht erst mit dem Einbringen des verbesserten Antrages zu laufen (vgl VwGH 23.2.2010, 2007/05/0200). 9 § 19 Abs 1 erster Satz, der die persönliche Antragstellung verlangt, begründet ein Formalerfordernis. Dessen Missachtung darf nicht zur sofortigen Zurückweisung (bzw Abweisung) führen, sondern ist einer Verbesserung nach § 13 Abs 3 AVG zugänglich, die in einer persönlichen Bestätigung der Antragstellung besteht (vgl VwGH 9.11.2010, 2008/21/0380, mwN zu § 19 Abs 1 NAG). Sinngemäß ist uE im Fall des Einschreitens eines gesetzlichen Vertreters vorzugehen: Wird der Antrag von ihm nicht persönlich bei der Behörde eingebracht, hat der Bevollmächtigte die Bevollmächtigung durch den gesetzlichen Vertreter des Antragstellers nachzuweisen; bis zu diesem Nachweis ist der Antrag dem einschreitenden (bevollmächtigten) Vertreter zuzurechnen, sodass der Mängelbehebungsauftrag an diesen zu richten und ihm zuzustellen ist. 10 Personen, die nicht prozessfähig sind (zB aufgrund ihres geistigen Zustandes iSd § 11 AVG als handlungsunfähig anzusehende und idF besachwaltete Personen), nehmen durch ihren gesetzlichen Vertreter (Sachwalter) am Verwaltungsverfahren teil. Wer gesetzlicher Vertreter 416

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ist, richtet sich gemäß § 9 AVG primär nach den Verwaltungsvorschriften und subsidiär nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (zB auch Zwangs- und Masseverwalter). Minderjährige werden grundsätzlich durch ihre Eltern oder den Obsorgebetrauten vertreten (vgl VwGH 23.9.2014, 2013/01/0179, mwN; VwGH 25.2.2016, Ra 2016/19/0007). Ist für einen tatsächlich Behinderten kein gesetzlicher Vertreter bestellt, so hat die Behörde die Prozessfähigkeit zu prüfen. Mangelnde Prozessfähigkeit führt zur Unwirksamkeit verfahrensrechtlicher Akte (RS0049576). Ist der materielle Empfänger nicht prozessfähig, ist sein gesetzlicher Vertreter als Empfänger zu bezeichnen und der Bescheid an diesen zuzustellen (vgl aber auch § 23 Abs 3 Satz 1). Wenn irrtümlich der Vertretene (Besachwalterte) als Empfänger bezeichnet wird, ist eine Zustellung an diesen nicht wirksam (vgl OGH 11.10.2012, 2 Ob 128/12f). Der obsorgeberechtigte Elternteil (zB die Mutter) kann als gesetzlicher Vertreter eines in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Antragstellers ohne Zustimmung des nicht obsorgeberechtigten Elternteiles (zB der Vater) und auch ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung den Antrag auf Verleihung bzw Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft bei der zuständigen Verwaltungsbehörde stellen (vgl VwGH 11.10.2012, 2009/01/0068). Dem Vater steht demnach lediglich ein Rechtsanspruch auf Äußerung im Staatsbürgerschaftsverfahren seines minderjährigen Kindes zu (vgl auch VwGH 24.2.2004, ­ 2002/01/0444 zu § 1 Abs 2 NÄG). Wird für einen Minderjährigen zur Erledigung eines bestimmten Geschäftes ein Kollisionskurator bestellt, so scheidet damit diese Angelegenheit aus dem Aufgabenkreis des gesetzlichen Vertreters aus und verliert dieser damit die Befugnis, für den Minderjährigen in dieser Angelegenheit einzuschreiten und ihn zu vertreten, solange der Kollisionskurator im Amt ist (RS0006257). Im Unterschied zu den Vorgängerbestimmungen (vgl zB § 19 idF BGBl 11 1985/202) und – beispielsweise – dem BFA-VG 2014 enthält § 19 idgF keine Regelung für jenen Fall, in dem die Interessen eines Minderjährigen bzw Handlungsunfähigen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden (können). Folglich können Verfahrenshandlungen eines Fremden, der zB die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit eines unter 16-jährigen aufweist und im Hinblick darauf eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht rechtswirksam gesetzt werden; selbst dann nicht, wenn diese Handlungen zum Vorteil des Handlungsunfähigen gesetzt werden und sein gesetzlicher Vertreter seine Interessen nicht wahrnehmen konnte. 417

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Die durch die Novelle BGBl I 2009/122 bezweckte „radikale“ Vereinfachung (vgl EB) ist iZm dem Wegfall eines Mitwirkungsrechts durch den Handlungsunfähigen uE ein Rückschritt gegenüber der 1985 vom Gesetzgeber erkannten „Tendenz, den mündigen Minderjährigen in Angelegenheiten, die ihn persönlich betreffen, mitbestimmen zu lassen“ (568 der Beilagen XVI. GP, 5). Wer nicht handlungsfähig ist, kann nach § 19 Abs 1 idgF im eigenen Namen keine Verfahrenshandlungen – auch nicht zum eigenen Vorteil – setzen (vgl aber auch RS0048756). Vor dem Hintergrund der den Nichthandlungsfähigen besonderen Schutz angedeihen lassenden Regelungen – wie § 10a Abs 2 – ist uE kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber des StbG diesen (vormalig gewährten) Schutz Minderjährigen und erwachsenen Fremden, die auf Grund ihres geistigen Zustandes nicht voll handlungsfähig sind, verfahrensrechtlich nun verweigern will. Ungeachtet dessen ist uE die Behörde – auch nach § 19 idgF – nicht davon entbunden, auch in Fällen, in denen der Fremde lediglich Prozesshandlungen zu seinen Gunsten gesetzt hat, aber wegen seiner mangelnden oder eingeschränkten Diskretions- und Dispositionsfähigkeit iSd §§ 9 und 11 AVG handlungsunfähig ist, nach § 11 AVG vorzugehen. 12 Unklar könnte sein, wer im Fall des Einbringens des Antrags durch einen gesetzlichen Vertreter eine Parteistellung im Verfahren (und eine Beschwerdelegitimation) hat. Die Höchstgerichte (vgl VwGH 7.7.2000, 2000/19/0025; VfGH 11.10.1988, B 1591/88-3) lehnen eine Parteistellung einer Person mit Interessen, die mit den Interessen der vom Gesetz zur Antragstellung legitimierten Person gleichgerichtet sind, ab; vgl aber auch VwGH 11.10.2012, 2009/01/0068 zu §  19 idF BGBl I 1998/124. UE ist aber der Schluss, dass andere Personen als der im Verfahren zur Verleihung einer Staatsbürgerschaft nach § 19 Abs 1 Satz 2 „antragslegitimierte“ Fremde (zB Vater als gesetzlicher Vertreter seiner Tochter) in diesem Verfahren keine Parteistellung haben (also zB die Tochter), nicht zwingend. Denn § 19 Abs 1 könnte auch so verstanden werden, dass dadurch der gesetzliche Vertreter nicht zur Antragstellung legitimiert wird, sondern nur zur Einbringung des Antrags für den Handlungsunfähigen (in diesem Sinn uE RS0118188).

B.  Beweismittel 13 § 19 iVm §§ 1 bis 3 StbV stellt uE hohe Anforderungen an den Nachweis von Berechtigungen sowie – iZm der Identitäts- und Sachverhaltsfeststellung – an die Vorlage von Beweismitteln. In diesem Zusammen418

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hang besteht auch neben der Offizialmaxime eine weitgehende Mitwirkungspflicht des Fremden. Zur Beweislastregel und zum Erfordernis des „Nachweises“ vgl § 10a Rz 29 f. Verstößt die Behörde bei ihren Ermittlungen gegen die datenschutz- 14 rechtliche Beschränkung, die ihr durch den §  39a Abs  1 (sowie das DSG) auferlegt wird, so kann sie die dadurch erlangten Beweise im Verfahren dennoch verwenden. Das AVG kennt keine Regel, wonach die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel unzulässig wäre. Nach der Judikatur ist die Berücksichtigung „auf gesetzwidriger Weise“ erlangter Beweisergebnisse bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nur unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder die Verwertung der Beweisergebnisse dem Zweck des durch die Gewinnung verletzten Verbots widerspricht (VwGH 29.3.2011, 2000/20/0458; VwSlg 11540 A/1984). Da sich im StbG weder ein ausdrückliches Verbot der Beweisverwertung findet noch davon auszugehen ist, dass diese dem Zweck eines durch die Gewinnung verletzten Verbots widerspricht, ist grundsätzlich von der Zulässigkeit der Verwertung von rechtswidrig erlangten Beweisen auszugehen. Mangels einer Einschränkung (der Zulässigkeit bestimmter Beweismit- 15 tel) im StbG gilt der Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel (§  46 AVG): Im Sinn des Grundsatzes der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel gilt alles als Beweismittel, was Beweis zu liefern, dh die Wahrheit zu ergründen, geeignet ist. In diesem Sinn darf die Behörde grundsätzlich auch das Ergebnis einer telefonischen Erhebung bei ihrer Entscheidung verwerten (vgl VwGH 28.3.2012, 2010/08/0170). Eine solche Eignung kommt auch den mittelbaren Beweismitteln, bei denen das Ergebnis im Wege der Schlussfolgerung aus anderen Tatsachen gewonnen wird (Indizienbeweis), zu (vgl VwGH 25.5.2005, 2004/08/0272).

C.  Lichtbild § 19 Abs 2 differenziert zwischen Unterlagen und Beweismittel sowie 16 Lichtbild. Die Verordnungsermächtigung umfasst wiederum „Urkunden“ und Beweismittel. Die Auflistung der Urkunden und Nachweise in der StbV umfasst ein „aktuelles Lichtbild“ (§ 2 Abs 1 Z 3 StbV) in der Größe von (mindestens) 3,5 x 4,5 cm bis (maximal) 4,0 x 5,0 cm. Entgegen dem Wortlaut des § 19 Abs 2 (arg „ein“) sind nach der StbV zwei 419

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Fotos der Behörde vorzulegen (vgl § 1 Abs 1 StbV: „jeweils im Original und in Kopie“). 17 Die Vorlage eines Lichtbildes bei Einbringung eines Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft ist seit der Novelle BGBl I 2009/122 gesetzlich gefordert. Die Staatsbürgerschaftsbehörde ist aber auch bei Vorlage eines Lichtbildes ihrer Verpflichtung nicht enthoben, sich von der Identität des Verleihungswerbers auf geeignete Weise zu überzeugen; vgl auch § 2 Abs 2 StbV iVm § 5 Abs 3 (und § 39a Abs 2). Ein vorgelegtes Lichtbild hat auf die Prüfung der materiellen Verleihungsvoraussetzungen keinen Einfluss. Allerdings kommt es wie bei einer (un)richtigen Namensangabe durch einen Verleihungswerber (vgl VwGH 8.6.2006, 2004/01/0470, wonach es nicht belanglos ist, auf welchen Namen ein Verleihungsbescheid ausgestellt wird) nunmehr – auch bei feststehender Identität des Verleihungswerbers – ausdrücklich auf dessen richtiges Bild bzw Aussehen an (vgl VwGH 20.9.2011, 2008/01/0777 zu § 19 Abs 2 idF BGBl I 1998/124). 18 Das Lichtbild muss uE kein Passfoto (biometrisches Portraitfoto) sein; vgl demgegenüber § 2a NAGDV. Ein Foto im staatsbürgerschaftlichen Verfahren dient nicht der Vermessung bestimmter Merkmale (biometrische Daten) innerhalb des Gesichtsfeldes (zB Augen, Nase, Mund) und deren Position zueinander, sondern – wie die historische Entwicklung des §  19 zeigt – der (erleichterten) Identitätsfeststellung. Die StbV konkretisiert die Anforderungen an das Foto durch Mindest- bzw Maximalgröße und Aktualität. UE ist der Sinn und Zweck eines aktuellen Lichtbildes des Fremden die Feststellung der einwandfreien Identität der abgebildeten Person. Daher bewirkt zB eine Veränderung der Haartracht (wie unterschiedliche Haarlänge) nicht automatisch, dass die betreffende Person auf einem Lichtbild aus der Zeit vor der Änderung nicht mehr einwandfrei zu erkennen ist. Diesbezüglich kann die Behörde nicht einwenden, dass das Lichtbild nicht „aktuell“ iSd §  2 Abs 1 Z 3 StbV sei, sondern hat selbst Feststellungen darüber zu treffen, ob das Lichtbild den gesetzlichen Erfordernissen entspricht (vgl auch VwGH 13.12.1989, 89/02/0103, 0104; VwGH 27.2.1992, 91/02/0056).

III.  Antragstellung 19 Grundsätzlich sind schriftliche und mündliche Anbringen in deutscher Sprache zu formulieren; ebenso wie bei unzulässigen kann auch bei fremdsprachigen Eingaben von der Behörde nach § 13 Abs 3 AVG vor420

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gegangen werden (vgl VwGH 22.11.2011, 2007/04/0096). Im Fall des Antrags um Verleihung bzw Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft steht ein deutschsprachiges Formular zur Verfügung. Das heißt aber uE nicht, dass zwingend dieses Formular vom Fremden zu verwenden ist (arg „insbesondere“ in § 3 StbV); daher darf sich die Behörde bei Nichtverwendung dieses Formulars nicht auf Art  8 Abs  1 B-VG berufen, wenn in einem derartigen Verfahren der Antrag zB in englischer Sprache eingebracht wird. Die Fassung in englischer Sprache eines (inhaltlich unschwer als Antrag erkennbaren) Schreibens eines Fremden ist uE allenfalls als verbesserungsfähiger Mangel zu behandeln; iZm der Übersetzung von Urkunden und Nachweisen vgl § 1 Abs 3 StbV. § 13 Abs 3 AVG dient – generell – dem Schutz der Parteien vor Rechts- 20 nachteilen, die ihnen aus Anbringen entstehen können, die aus Unkenntnis der Rechtslage oder infolge eines Versehens mangelhaft sind. Fehlt daher beispielsweise auf dem Antragsformular oder der Niederschrift eine (formelle) Angabe, wäre die beauftragte Angabenleistung eine Verbesserung iSd § 13 Abs 3 AVG und daher rechtens. Die Behörde kann folglich den Antrag des Fremden auf Verleihung der Staatsbürgerschaft zurückweisen, wenn er der aufgetragenen Verbesserung seiner Angabe nicht fristgerechte nachkommt. Auch wenn ein Antragsformular die Unterschrift vorsieht, bedürfen 21 schriftliche Anbringen nicht unbedingt einer Unterschrift (vgl Hengstschläger/Leeb aaO, § 13 Rz 7). Gemäß den Erläuterungen zu § 13 AVG idF der Novelle BGBl 1990/357 wird nunmehr festgelegt, dass das Fehlen einer Unterschrift kein Formgebrechen darstellt, sondern zwischen Fällen des Formgebrechens und des Fehlens einer Unterschrift differenziert wird (vgl RV 1089 BlgNR XVII. GP, 9). Bei Formgebrechen ist ein Mängelbehebungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG zu erteilen, bei fehlender Unterschrift hingegen nach § 13 Abs 4 AVG vorzugehen und eine Bestätigung aufzutragen (vgl VwGH 31.7.2014, 2012/08/0232). Ist ein Anbringen iSd § 13 Abs 3 AVG mangelhaft, so steht es im Er- 22 messen der Behörde, entweder einen förmlichen Verbesserungsauftrag zu erteilen oder aber die Behebung des Mangels auf andere Weise zu veranlassen (VwGH 27.9.2013, 2010/05/0166). Das heißt, dass die Behörde den Antragsteller auch bloß zu einer Präzisierung seines Antrages und zu entsprechenden Beweisanboten auffordern kann, die die Beurteilung ermöglicht, ob die Verleihung der Staatsbürgerschaft zu421

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treffend ist oder nicht. Die Formulierung, „um ihr Ansuchen positiv erledigen zu können, wird um Vorlage der fehlenden Unterlagen binnen einer Frist von vier Wochen ersucht“ stellt keinen ausreichenden Hinweis iSd § 13 iVm § 13a AVG auf die Folgen einer Nichtbefolgung des Verbesserungsauftrages gegenüber einer unvertretenen Partei dar (vgl VwGH 3.10.2013, 2012/06/0185); die Behörde hat über die Fristsetzung hinaus noch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf der bestimmten Frist nicht mehr berücksichtigt wird (vgl VwGH 18.12.2014, 2012/07/0200). Die Behörde hat im Verbesserungsauftrag auch konkret und unmissverständlich anzugeben, welche vom Gesetz geforderten Eigenschaften dem Anbringen fehlen (vgl VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079). 23 Erfolgt die Behebung eines nach § 13 Abs 3 AVG aufgetragenen Formgebrechens verspätet, jedoch vor Erlassung des Zurückweisungsbescheides, wirkt die Verbesserung zwar nicht zurück, führt aber nicht zur Zurückweisung des Anbringens, weil das ursprünglich fehlerhafte Anbringen mit der Behebung des Mangels als fehlerfrei eingebracht gilt (vgl auch VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079). Die Unterlassung eines erforderlichen Mängelbehebungsauftrages bildet eine Verletzung des Parteiengehörs (vgl VwGH 17.9.2014, Ro 2014/04/0055). 24 Die nach § 13 Abs 3 AVG gesetzte Frist dient zur Vorlage vorhandener, aber nicht zur Beschaffung fehlender Unterlagen (vgl VwGH 25.4.1996, 95/07/0228, mwN). Dies gilt iZm § 19 iVm der StbV, weil der Gesetzgeber zweifelsfrei und für den Antragsteller eindeutig erkennbar festlegt, welche Unterlagen erforderlich sind; zur Angemessenheit der Frist vgl VwSlg 18.459 A/2012. Der Behörde ist es nicht in die Hand gegeben, im Wege eines Auftrages nach § 13 Abs 3 AVG einen Antragsteller zu einer inhaltlichen Modifizierung seines Antrags – also zB Antrag auf Erstreckung statt Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft – zu verhalten, weil ein zu einer Änderung des Begehrens führender Auftrag nach § 13 Abs 3 AVG nicht in Betracht kommt. 25 § 13 Abs 3 AVG – auch in Verbindung mit § 13a AVG – verpflichtet die Behörde nicht dazu, der Partei Anleitungen dahingehend zu geben, mit welchem Antrag bzw welchen Unterlagen sie das von ihr angestrebte Ziel der Verleihung der Staatsbürgerschaft erreichen könnte. Daher hat der Fremde iZm § 2 Abs 1 Z 8 StbV den „Nachweis über eine entsprechende Tätigkeit“ iSd § 11a Abs 6 Z 2 zu erbringen; dieser Nachweis umfasst auch eine ausreichend begründete Stellungnahme (vgl letzter 422

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Satz des § 11a Abs 6). Fehlt die Stellungnahme oder ist die Begründung darin unzureichend, hat uE die Behörde dem Fremden die Nachreichung der Stellungnahme bzw die Verbesserung der Begründung aufzutragen (vgl § 11a Rz 55); der Behörde ist es aber verwehrt, den Fremden hierbei anzuleiten, wie er die Stellungnahme – inhaltlich – zu verbessern bzw zu begründen hat. Denn die begründete Stellungnahme iSd § 11a Abs 6 letzter Satz ist uE kein spezielles Erfordernis; die „speziellen Erfordernisse“ (EB) sind die in Z 1 und 2 des § 11a Abs 6 festgelegten Tatbestände. Ebenso begründet das Fehlen der Vorlage des gültigen Reisedokumentes (vgl Rz 40 und 43), der Geburtsurkunde und des Lichtbildes (§ 2 Abs 1 Z 1 bis 3 StbV) regelmäßig einen Mangel nach § 13 Abs 3 AVG (vgl VwGH 13.12.2011, 2010/22/0146 zum § 7 Abs 1 Z 1 NAGDV). Bei der Vorlage eines Nachweises des Lebensunterhalts iSd § 10 Abs 1 26 Z 7 iVm Abs 5 – wie Lohnzettel, Lohnbestätigung, Dienstvertrag, Vorvertrag, Pensions- oder Rentenbestätigung (vgl § 2 Abs 1 Z 5 StbV) – handelt es sich (im Unterschied zur Stellungnahme nach § 11a Abs 6) um eine allgemeine Verleihungsvoraussetzung. Das Fehlen derartiger Unterlagen ist somit nicht als ein dem Antrag anhaftender Mangel im Sinn des § 13 Abs 3 AVG, der zur Zurückweisung des Antrages führen könnte, zu werten (vgl sinngemäß VwGH 24.4.2012, 2009/22/0238); das heißt, dass der Antrag bei Fehlen eines Nachweises des Unterhalts abzuweisen ist. Nichts anderes würde für eine materielle Voraussetzung zur Verleihung der Staatsbürgerschaft gelten, wenn der Gesetzgeber dafür vorgesorgt hätte, dass der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachzuweisen hat; anders als §  11 Abs 2 Z 2 NAG verlangt aber das StbG einen solchen Nachweis nicht (vgl VwGH 23.2.2012, 2009/22/0144).

IV.  Mitwirkungspflicht Dem Wortlaut nach hat der Fremde am Verfahren einerseits „mitzuwir- 27 ken“ und andererseits „alle notwendigen Unterlagen und Beweismittel“ der Behörde zur Verfügung zu stellen (§ 19 Abs 2 Satz 1). IZm § 13 Abs  3 AVG könnte unklar sein, ob die Mitwirkungspflicht und die Vorlagepflicht in einem Zusammenhang stehen (oder der Fremde aufgrund der Mitwirkungspflicht darüber hinaus an der Aufklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts beizutragen hat). § 2 Abs 1 StbV legt (abschließend) fest, welche Urkunden und Nachweise dem Antrag 423

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anzuschließen sind. Daraus (vgl insbesondere Z 4 und 5 des § 2 Abs 1 StbV: arg „erforderlichenfalls“) und weil § 13 Abs 3 AVG der Behörde nicht die uneingeschränkte Ermächtigung gibt, unter allen Umständen alle Unterlagen, die einem Ansuchen nach dem Gesetz anzuschließen sind, zu verlangen, sondern nur diejenigen anzufordern erlaubt, die für die Entscheidung des Parteibegehrens notwendig sind (vgl VwGH 28.5.2013, 2013/05/0008), könnte abgeleitet werden, dass der Fremde nur iZm den zur Verfügung zu stellenden Unterlagen und Beweismitteln am Verfahren mitzuwirken hat. 28 UE entspricht eine auf die Vorlagepflicht beschränkte Mitwirkungspflicht weder den Vorgaben des Gesetzes noch den EB. Die EB beziehen sich lediglich iZm § 19 Abs 2 Satz 2 und 3 auf § 13 Abs 3 AVG. Demgegenüber unterscheidet Satz 1 des § 19 Abs 2 zwischen dem Mitwirken des Fremden am Verfahren und den vom Fremden „bei der Antragstellung“ (§ 1 Abs 1 StbV) vorzulegenden „notwendigen“ Unterlagen und Beweismittel. Letztere – nämlich die „erforderlichen Urkunden und Nachweise“ nach § 1 Abs 1 StbV – sind in § 2 StbV näher ausgeführt. Aufgrund der Unterscheidung zwischen der Mitwirkung am Verfahren „und“ der Vorlage von Dokumenten bei der Antragstellung ergibt sich uE, dass der Antragsteller während des Verfahrens die Behörde iZm dem zu ermittelnden Sachverhalt zu unterstützen hat bzw unterstützen kann. In § 19 kommen uE somit eine Verpflichtung und ein Gebot des Fremden zum Ausdruck: Einerseits die Pflicht zur Darlegung aller für ihn günstigen Umstände und Tatsachen, die der Behörde nicht von Amts wegen bekannt oder nicht als solche offenkundig sind, und andererseits die Pflicht zur Vorlage entsprechender Nachweise. 29 Die ihm gesetzlich auferlegte Mitwirkung hat der Fremde uE unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, zuverlässig und wahrheitsgemäß zu erfüllen. Der Fremde hat auf konkrete behördliche Anfrage zu reagieren. Voraussetzung für das Entstehen dieser Verpflichtung ist, dass die behördlicherseits benötigten Angaben nebst Nachweisen für das staatsbürgerschaftliche Verfahren entscheidungserheblich sind, also konkret benötigt werden und dem betreffenden Fremden auch in zumutbarer Weise abverlangt werden können (vgl auch § 2 Abs 2 bis 4 StbV). 30 Die Pflicht zur Darlegung kann sich sowohl auf seine persönlichen Verhältnisse [also Identität, Staatsangehörigkeit und Alter, verwandtschaftliche Beziehungen, gesundheitliche Situation (vgl LVwG Salzburg 14.3.2017, 405-11/25/1/14-2017), wirtschaftliche und berufliche 424

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Lebensumstände] als auch auf seine persönlichen Lebensumstände im Heimatstaat (etwa iZm § 20 Abs 1) beziehen und die Vorlage deutscher Übersetzungen von (relevanten) ausländischen Dokumenten umfassen (vgl § 1 Abs 3 StbV). Die Pflicht zur Darlegung kann sich auch auf die Vorlage einer medizini- 31 schen Altersdiagnostik bzw eines medizinischen Abstammungsgutachtens zwecks Nachweises fraglicher Minderjährigkeit bzw Verwandtschaftsverhältnisse erstrecken, das auf der Grundlage einer freiwillig in Auftrag gegebenen radiologischen Untersuchung bzw DNAAnalyse gefertigt worden ist (vgl § 5 Abs 1 und 2). Die Vorlage eines solchen Befundes bzw Gutachtens kann in Fällen der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an Fremde insbesondere deshalb bedeutsam werden, weil es nicht wenige Herkunftsstaaten gibt, bei denen auf die Integrität staatlicher Urkunden nicht vertraut und damit auf die inhaltliche Richtigkeit des Urkundeninhalts nicht gebaut werden kann. Andererseits sollte der Fremde uE auch, ohne dass es behördlicherseits 32 von ihm verlangt wird, selbständig tätig werden (Gebot zum Agieren); dies gilt insbesondere, wenn der Fremde anwaltlich vertreten ist. Dieses Gebot greift immer dann, wenn der Fremde weiß oder hätte wissen können, dass seine Initiative und deren Ergebnisse für die behördliche Entscheidung von Relevanz sind. Hierfür kommt es maßgeblich darauf an, dass dem Fremden selbst eine nähere Aufklärung des Sachverhalts möglich ist. Solche Möglichkeiten hat er zu nutzen, gerade weil oft nur er selbst diese kennt und auch zur Initiierung der notwendigen Maßnahmen im Heimatland imstande ist [etwa die Beschaffung von Identitätsnachweisen im Herkunftsstaat über Dritte (insbesondere Verwandte), die Benennung von Zeugen oder von Militärdienstzeiten etc]. Wer die ihm nach § 19 Abs 2 Satz 1 auferlegten Mitwirkungsverpflich- 33 tungen nicht ordnungsgemäß erbringt bzw nicht belegen oder nachweisen kann, dass er diese ordnungsgemäß erbracht hat, muss nicht deren eigenständige Durchsetzung mit Zwangsmitteln durch die Behörde befürchten (vgl auch § 5 Abs 1 und 2); dies ergibt sich auch aus § 63c, in dem ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nicht als Verwaltungsübertretung angesehen ist. § 19 ordnet keine Festsetzung einer Frist durch die Behörde an, inner- 34 halb der Unterlagen etc durch den Fremden beizuschaffen sind (und folglich kann der Fremde mit den geltend gemachten Umständen und beigebrachten Nachweisen nicht präkludiert sein). Die Mitwirkungs425

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verpflichtung soll aber dazu dienen, die entscheidungserheblichen Umstände zeitgerecht in das staatsbürgerschaftliche Verfahren einzuführen. Für eine zwangsweise Erfüllung von Mitwirkungspflichten besteht aber kein Raum. 35 Es kann zu Lasten des Fremden gehen, wenn die Behörde aufgrund fehlender oder nicht ausreichender Mitwirkung des Fremden den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht (vollständig) ermitteln kann. Die Behörde kann sich hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung mit einem geringeren Grad an Gewissheit begnügen, wenn keine abweichenden Anhaltspunkte anderweitig greifbar sind. Sie braucht nicht näher spezifizierten oder ausreichend substantiierten Vorträgen des Fremden nachzugehen. Ebenso muss sie nicht ohne weitere Hinweise des Fremden die Sachverhaltsermittlungen auf in der Sphäre des betroffenen Fremden liegende Umstände oder Belange erstrecken. 36 Konsequenzen nicht ordnungsgemäßer Mitwirkung sind insbesondere: Widersprüchliche Angaben führen dazu, dass keine der Sachdarstellungen als glaubhaft gemacht angesehen werden kann. Zudem können daraus Folgen für die Ausübung von – im Anwendungsbereich des StbG ohnedies weitem – behördlichem Ermessen resultieren. Überdies kann die nicht ordnungsgemäße Mitwirkung bei der Beweiswürdigung für den Fremden nachteilig berücksichtigt werden; insbesondere sofern es um die Klärung der Identität geht (vgl § 5 Abs 3 letzter Satz). Das heißt, dass die Behörde aus einem solchen Verhalten des Fremden ungünstige Schlüsse ziehen kann und der Fremde die sich daraus ergebenden Nachteile grundsätzlich hinzunehmen hat. 37 UE ist der Fremde aufgrund des § 13a AVG auf seine Pflichten nach §  19 und seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach dem StbG in verständlicher Form hinzuweisen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Adressaten des StbG häufig aus sprachlichen und sozialen Gründen, mangelnder Vertrautheit mit der österreichischen Behördenorganisation sowie der Komplexität der Rechtsmaterie Schwierigkeiten haben, ihre Rechte und Pflichten zu überblicken. 38 Der Judikatur des VwGH ist zu entnehmen, dass die Parteien verpflichtet sind, „an der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes mitzuwirken“; unterlässt es eine Partei, im Verfahren „genügend mitzuwirken“ oder konkrete Beweisangebote vorzubringen, so handelt die Behörde im allgemeinen nicht rechtswidrig, wenn sie weitere Erhebungen unterlässt (vgl VwGH 17.2.1994, 92/16/0090). Die Behörde kann 426

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somit aus einer Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Beweiswürdigung für die Partei negative Schlüsse ziehen (LVwG Wien 20.3.2014, VGW-151/081/21313/2014; LVwG Wien 26.2.2015, VGW151/023/34897/2014 zu § 19 Abs 2 NAG).

V.  NAG Die EB verweisen iZm § 19 auf die „bewährte Bestimmung“ des NAG. 39 Die vom Gesetzgeber intendierte Angleichung bezieht sich auf §  19 Abs 1 und 3 NAG; insofern kann uE die Rechtsprechung des VwGH zu § 19 NAG sinngemäß auf § 19 übertragen werden (vgl Kind in Abermann/Czech/Kind/Peyrl aaO, §  19). Im Übrigen unterscheidet sich § 19 vom „Vorbild“ des § 19 NAG erheblich. Dieser Unterschied wird uE insbesondere den Zielen und Zwecken der grundverschiedenen Regelungsmaterien geschuldet. Demgemäß sind die Verfahrensbestimmungen des NAG wesentlich „engmaschiger“ als die des StbG. So kann uE ein Fremder nach §  19 NAG mehrere Anträge bzw einen Haupt- und Eventualantrag gleichzeitig stellen. Vergleichbare Regelungen über die Ermittlung von erkennungsdienstlichen Daten (vgl §  19 Abs 4 und 5 und § 29 Abs 2 und 4 NAG), die Bekanntgabe einer Zu­ stell­adresse (§  19 Abs  6 NAG) und die Heilung eines Mangels (§  19 Abs 8 NAG) fehlen im StbG. Die Nichtvorlage (einer Kopie) des gültigen Reisedokumentes iSd § 2 40 Abs 1 Z 1 StbV ist regelmäßig ein „Mangel“ iSd § 13 Abs 3 AVG (vgl oben Rz 25 f). Die Behörde ist jedoch aufgrund des § 2 Abs 2 StbV verpflichtet zu prüfen, ob der Fremde gehindert ist, einen Reisepass vorzulegen. Ist die Vorlage eines Reisepasses nicht möglich oder (uE) nicht zumutbar, kann die Nichtvorlage nicht zu einer Zurückweisung des Antrags führen, sondern es hat sich die Behörde mit den Gründen für die Nichtvorlage des Reisedokuments und mit der Identität des Antragstellers auseinanderzusetzen, auf deren Feststellung die Vorlage eines Reisepasses wohl in erster Linie hinausläuft (vgl VwGH 22.10.2001, 2001/19/0014; VwGH 21.12.2001, 2001/19/0070 zu § 7 Abs 1 Z 1 NAGDV).

VI.  Verordnungsermächtigung § 19 Abs 2 Satz 2 und 3 enthalten eine Verordnungsermächtigung des 41 BM für Inneres. § 2 Abs 1 StbV listet taxativ die Urkunden und Nachweise auf, die einem Antrag auf Verleihung oder Erstreckung der Ver427

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leihung der Staatsbürgerschaft beizulegen sind. Nach Satz 3 des §  19 Abs 2 kann die Verordnung „auch Form und Art … zu verwendender Antragsformulare“ enthalten; §  3 StbV geht insofern ins Leere (arg „mittels von den Behörden aufgelegten Antragsformularen“). 42 Die StbV ist mit ihren Vorläufern nicht vergleichbar [vgl StbV 1983 (BGBl 1983/432), StbV 1966 (BGBl 1966/38 idF der StbV 1973, BGBl 1973/614)]. Die Stammfassung der den §  19 präzisierenden Bestimmungen (§§  1 bis 3 StbV) wurde durch BGBl II 2010/3 in die StbV (BGBl 1985/329) eingefügt; dabei (und auch in den folgenden Novellen) wurde eine Adaption der Promulgationsklausel verabsäumt. §  2 Abs 1 Z 4 und 5 wurde durch die Novelle BGBl II 2013/307 geändert; zugleich wurde in § 2 die Z 7 und 8 in Abs 1 und der Abs 3 eingefügt. Durch die Novelle BGBl II 2013/323 wurde in § 2 der Abs 4 eingefügt. 43 Der Verordnungsermächtigung des § 19 Abs 3 lässt sich nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit entnehmen, dass die Nichtvorlage jeder der für den jeweiligen Verleihungs- bzw Erstreckungstatbestand erforderlichen Urkunden und Nachweise zur Unzulässigkeit des Antrages führe und dessen Zurückweisung nach sich ziehe. Es ist daher eine Auslegung dieser Bestimmung bzw der dazu ergangenen Verordnung vorzunehmen. Das Fehlen von Unterlagen, die einem Antrag anzuschließen sind, kann grundsätzlich einen Mangel iSd § 13 Abs 3 AVG darstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Anschluss dieser Unterlagen vom Gesetz oder durch eine Verordnung, die in Ausübung einer vom Gesetz eingeräumten Ermächtigung ergangen ist, angeordnet wird (vgl auch VwGH 29.4.2010, 2008/21/0302 zu § 19 Abs 3 NAG). Auch für den Bereich der StbV scheidet daher eine Vorgangsweise nach § 13 Abs 3 AVG nicht von vornherein aus. Das Fehlen einer vorgeschriebenen Unterlage iSd §  19 Abs  2 iVm §§  2 StbV kann – muss aber nicht (vgl Rz 25 f) – das Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung darstellen (und zur inhaltlichen Abweisung des Antrags führen).

§ 20. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist einem Fremden zunächst für den Fall zuzusichern, daß er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn 1. er nicht staatenlos ist; 2. weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 Anwendung finden und 428

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3. ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte. (2) Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde mit Ausnahme von § 10 Abs. 1 Z 7 auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. (3) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, ist zu verleihen, sobald der Fremde 1. aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist oder 2. nachweist, daß ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren. (4) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, kann verliehen werden, sobald der Fremde glaubhaft macht, daß er für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband Zahlungen zu entrichten gehabt hätte, die für sich allein oder im Hinblick auf den für die gesamte Familie erforderlichen Aufwand zum Anlaß außer Verhältnis gestanden wären. (5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten auch für die Erstreckung der Verleihung. [idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl 250/1965 Wie bereits zu § 11 Abs. 2 ausgeführt wurde, kann nach dem Staatsangehörigkeitsrecht verschiedener Staaten (zum Beispiel Schweiz und Jugoslawien) ein Staatsangehöriger aus dem Staatsverband nur entlassen werden, wenn er bereits eine fremde Staatsbürgerschaft besitzt oder diese ihm zugesichert worden ist. Andere Staaten wiederum, insbesondere ein Großteil der Oststaaten, sehen wohl die Entlassung aus dem Staatsverband ohne diese Bedingung vor; doch dürfte es bei diesen Staaten vielfach das Ausscheiden des Verleihungsbewerbers aus dem Staatsverband erleichtern, wenn ihm die österreichische Staatsbürgerschaft bereits zugesichert ist. Zur Vermeidung von Streitfragen wird im Abs. 2 ausdrücklich ausgesprochen, daß die Zusicherung zu widerrufen ist, wenn auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorgesehenen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt ist. Es muß also die Landesregierung die Zusicherung widerrufen, wenn zum Beispiel der Verleihungsbewerber nach Erhalt der Zusicherung eine ein Verleihungshindernis bildende gerichtliche Verurteilung erleidet.

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EB zu BGBl 170/1983 Zur Einfügung der Worte „oder des Protokolls, BGBI. Nr. 78/1974“ im §  20 Abs. 1 Z 1 StbG 1965 siehe die Erläuterungen zu Art. I Z 9 (§§ 10 Abs. 2 lit. a und 11). Auch die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf den Ehegatten soll künftig nur unter der Voraussetzung des § 10 Abs. 2 StbG 1965 möglich sein. Lediglich bei einer Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG 1965 soll im Falle der Erstreckung der Verleihung auf den Ehegatten und die Kinder vom Nachweis der Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband abgesehen werden. Im § 20 Abs. 1 Z 2 wären daher auch § 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 4 anzuführen. EB zu BGBl I 124/1998 Der neu eingefügte Abs. 4 normiert, daß einem Fremden, dem die Staatsbürgerschaft zugesichert wurde, auch vor Ablauf der zweijährigen Wartefrist die Staatsbürgerschaft verliehen werden kann, wenn der Fremde glaubhaft macht, daß die Gebühren, die er für sich (und seine Familie) zahlen müßte, um aus seinem bisherigen Staatsverband entlassen zu werden, unverhältnismäßig hoch sind. Auch hier wird es der Ingerenz der Behörde obliegen, die Zumutbarkeit für den Fremden zu werten. Das jeweilige „außer Verhältnis stehen“ wird immer auch am tatsächlichen Familieneinkommen des Fremden zu messen sein. Andere, aus der Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband für den nunmehrigen Staatsbürger resultierenden Folgen, die zum Anlaß außer Verhältnis stehen, sind unter dem Kriterium des § 20 Abs. 3 StbG zu prüfen und werden in der Regel das Unzumutbarkeitskriterium erfüllen. EB zu BGBl I 16/2013 [Keine Erwähnung in EB] Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 9 A. Staatsverband.......................................................................................... 9 B. Staatenlose............................................................................................... 12 C. Ausscheiden.............................................................................................. 18 III. Zusicherung der Verleihung....................................................................... 20 IV. Widerruf......................................................................................................... 27 V. Ausnahmen................................................................................................... 35 VI. Erstreckung................................................................................................... 43 Schrifttum zu § 20: Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht (Loseblattausgabe); Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im

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Wandel (2015); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Hengstschläger/Leeb, AVG (2009); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Eine im Ansatz mit § 20 idgF (bzw idF BGBl 1965/250) vergleichbare 1 Vorschrift enthielt bereits das StbG 1925. Nach § 21 Abs 2 StbG 1925 konnte die zur Verleihung der Landesbürgerschaft zuständige Behörde den diese Bürgerschaft anstrebenden Ausländern „die Zusicherung zur Aufnahme in die Landesbürgerschaft erteilen, falls sie aus dem bisherigen Staatsverbande entlassen werden“. Diese Zusicherung hatte die „rechtliche Bedeutung einer bedingten Verleihung“ (Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 406); die Verleihung der Landesbürgerschaft hing nicht mehr von einem neuerlichen Beschluss der Landesregierung ab, sondern nur noch von dem – allerdings ohne Festlegung einer Frist – tatsächlichen Eintritt der gesetzlichen Bedingung. Dementsprechend hatte die Ausstellung einer Urkunde über die Verleihung einer Landesbürgerschaft nach Eintritt der Bedingung für den VwGH (VwSlg 16.191/1930) nicht mehr konstitutive, sondern nur mehr deklaratorische Bedeutung (als Beweismittel über die erfolgte Verleihung). § 16 Abs 2 StbG 1949 (vgl auch § 4 Abs 4 St-ÜG 1949) war im Wesent- 2 lich gleichlautend wie § 21 Abs 2 StbG 1925; zusätzlich legte § 16 Abs 1 StbG 1949 „umgekehrt“ fest, dass die Behörde auf Verlangen des eine fremde Staatsbürgerschaft anstrebenden Österreichers eine Bescheinigung erteilen konnte, dass er im Fall des Erwerbs der fremden Staatsbürgerschaft aus dem Staatsverband ausscheidet. Die Erfüllung der Zusicherungsbedingung (Ausscheiden aus dem fremden Staatsverband) gab dem Bewerber einen Rechtsanspruch auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, unabhängig davon, ob die Verleihung im Ermessen der Behörde lag. § 16 Abs 2 StbG 1949 enthielt (auch noch) keine Frist für den Nachweis der Entlassung aus dem bisherigen Staatsverband, sodass es im freien Ermessen der Landesregierung lag, ob sie eine Frist hierfür bzw eine allfällige Verlängerung dieser Frist festlegte (vgl auch zur Qualifikation der Zusicherung nach § 16 Abs 2 StbG 1949 als Bescheid den § 60 StbG 1965). Im Unterschied zur Kann-Bestimmung des § 16 Abs 2 StbG 1949 war 3 die Behörde seit dem StbG 1965 verpflichtet, bevor sie die Verleihung der Staatsbürgerschaft und gegebenenfalls die Erstreckung der Verlei431

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hung verfügte, „zunächst“ mit der Zusicherung vorzugehen, wenn die hierfür im § 20 Abs 1 Z 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen nicht vorlagen. Diese durch die WV übernommene und bis heute bestehende Verpflichtung soll der – auch in den EB durch Hinweis auf § 11 Abs 2 (nunmehr: § 10 Abs 3) erwähnten – Zielsetzung bzw -erreichung dienen, soweit wie möglich Doppelstaatsbürgerschaften zu vermeiden (vgl auch Thienel aaO, 126; VwSlg 15.414 A/2000), indem der Einbürgerungswerber im Fall der Verleihung der Staatsbürgerschaft aus seinem bisherigen Staatsverband ausscheidet. 4 Anders als die Vorgängerbestimmungen hat der Fremde seit dem StbG 1965 innerhalb einer Frist von zwei Jahren das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatenverband nachzuweisen. Lehre und Rechtsprechung gehen davon aus, dass es sich bei dieser Frist im Hinblick auf die Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht um eine verfahrensrechtliche Frist, sondern vielmehr um eine materiell-rechtliche Frist handelt, und zwar um eine Ausschlussfrist zur Geltendmachung des durch Zusicherung „in Aussicht gestellten“ Anspruches; ein Hinweis auf sonstigen Anspruchsverlust ist aber dem G nicht zu entnehmen (vgl VwGH 3.3.1950, 877/49, VwSlg 1291 A/1950; VwGH 24.6.1993, 93/06/0053: gesetzliche Regelungen, die eine Frist für eine Antragstellung „bei sonstigen Verlust“ oder „bei sonstigem Anspruchsverlust“ vorsehen, normieren materiell-rechtliche Fristen, auf welche die Vorschriften des AVG für die Fristberechnung nicht anzuwenden sind). Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 118 verweisen im Zusammenhang mit der Frist in § 20 Abs 1 StbG 1965 auf die Anm 10 in § 12 lit c StbG 1965; demnach soll es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handeln, weshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 71 AVG) gegen die Versäumung dieser Frist nicht möglich sei. Diese Anm enthält dazu den Hinweis auf § 3 St-ÜG 1949 (Goldemund/ Ringhofer/Theuer aaO, 306 ff); in der diesbezüglichen E 9 (VwSlg 2174/1951) geht der VwGH auf die Frist des § 71 AVG iZm § 3 St-ÜG 1949 ein und stellt diese Frist der Frist für die Vornahme rechtserheblicher Handlungen [„wie z.B. die für die Abgabe der Staatsbürgerschaftserklärung festgesetzte Frist (materielle Frist)“] gegenüber. Weder aus dem StbG 1965 noch aus dem St-ÜG 1949 lässt sich uE (zwingend) ableiten, dass es sich bei der zweijährigen Ausscheidenachweispflicht des § 20 Abs 1 um eine materiell-rechtliche Frist handelt. Historisch scheint § 3 St-ÜG 1949 die Vorlage für die Fristen in § 12 lit c und § 20 Abs 1 StbG 1965 gewesen zu sein. Nach § 3 St-ÜG 1949 432

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konnten bestimmte Personen (zB politisch Verfolgte) die Staatsbürgerschaftserklärung bis 31.12.1953 abgeben. Dieser mehrmals durch BG geänderte Zeitpunkt war ursprünglich eine Frist von sechs Monaten, die durch BG 1946/51 auf zwölf Monate (vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes am 15.7.1945) verlängert und idF ab dem BG 1946/148 durch einen Zeitpunkt (31.12.1946) ersetzt wurde (der zuletzt durch BG 1952/12 auf den 31.12.1953 erstreckt wurde). Die Frist des §  3 St-ÜG 1949 war keine materiell-rechtliche Frist; entstehungsgeschichtlich ist daher nicht (eindeutig) nachvollziehbar, warum die Frist in § 20 Abs 1, die mit § 3 St-ÜG 1949 „verwandt“ ist, nicht dasselbe rechtliche Schicksal wie die im St-ÜG 1949 teilen soll. Gegen eine Ausschlussfrist könnte auch sprechen, dass uE – entgegen der Lehre und Rechtsprechung – Zweifel an dem Bescheidcharakter der Zusicherung denkbar sind (vgl aber auch die Erwähnung von „Bescheiden“ in dem – durch BGBl 1983/170 entfallenen – § 60 StbG 1965 iZm § 16 Abs 2 StbG 1949). § 20 enthält jedenfalls keine nähere Bestimmung über die Form der Zusicherung; die über eine Staatsbürgerschaftserklärung ausgefertigte Bescheinigung gemäß §  3 Abs  2 ­St-ÜG 1949 war kein Bescheid, sondern eine Beurkundung und als solche der Rechtskraft nicht fähig (VwSlg 928/1949; VwGH 23.3.1953, 973/52; vgl unten Rz 24). Und iZm § 21 Abs 2 StbG 1925 (als Ur-Vorbild für §  20) steht die durch VwSlg 16.191/1930 als bedingte (nicht aber ausdrücklich als konstitutive) Verleihung qualifizierte Zusicherung im Widerspruch zu der späteren Rechtsprechung (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 406 E 3). § 20 idF BGBl 1965/250 wurde substanziell durch die Novellen BGBl 5 1983/170 und BGBl I 1998/124 geändert. Die Novelle BGBl 1983/170 sah iZm Flüchtlingen in Z 1 des Abs 1 eine Erweiterung der Ausnahme von der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft (durch Wegfall der Beschränkung der Flüchtlingseigenschaft auf Personen, die aufgrund von vor dem 1.1.1951 eingetretenen Ereignissen Flüchtlinge wurden) vor; zugleich wurde in Z 3 des Abs 1 die Ausnahme von der Zusicherung der Verleihung bei der Erstreckung der Verleihung auf die Ehegattin eingeschränkt auf den Fall der Verleihung der Staatsbürgerschaft im „Staatsinteresse“ (§ 10 Abs 4 idF BGBl 1973/394). § 20 idgF geht insbesondere auf BGBl I 1998/124 zurück. Abgesehen 6 von Zitatanpassungen in Abs 1 Z 2 und der Absonderung der vormals gemeinsam mit der Verleihung in Abs  1 geregelten Erstreckung der Verleihung in einem (neuen) Abs 5 wurden durch die Novelle BGBl I 433

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1998/124 die Abs 3 und 4 in § 20 eingefügt. Die EB erwähnen nur die in Abs 4 geregelte Unzumutbarkeit des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband wegen unverhältnismäßig hohen Aufwands (Kosten); Abs 3 Z 1 dient der Rechtsklarheit (iVm Abs 1) und Abs 3 Z 2 deckt quasi die „Alternativkonstellationen“ zu § 10 Abs 3 Z 1 ab. 7 Die Änderung des Abs  2 in §  20 durch BGBl I 2013/16 betrifft eine (weitere) Erleichterung iZm der Zusicherung, indem vom Widerruf der Zusicherung bei Nichterfüllung einer Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft der Tatbestand des § 10 Abs 1 Z 7 (hinreichend gesicherter Lebensunterhalt) ausgenommen wurde. Davor hatte der VfGH mit Erkenntnis vom 29.9.2011, G 154/10 den §  20 Abs  2 idF BGBl I 2006/37 wegen eines Verstoßes gegen Art I Abs 1 BVG-Rassendiskriminierung als verfassungswidrig aufgehoben (BGBl I 2011/111). Laut VfGH sei der ausnahmslose Widerruf der Zusicherung der Staatsbürgerschaft bei Wegfall einer Verleihungsvoraussetzung unsachlich; eine Differenzierung in Hinblick auf ein allfälliges Verschulden des Verleihungswerbers im Fall eines unverschuldeten Arbeitsplatzverlustes nach Zurücklegung der fremden Staatsangehörigkeit und vor Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei geboten. Zudem sei eine Gleichbehandlung schwerwiegender Straftaten einerseits und unverschuldeter Notsituationen andererseits bei Beseitigung des mit dem Zusicherungsbescheid bedingt erworbenen Rechtsanspruchs aus Sachlichkeitsgründen nicht zulässig. 8 Nach § 20 Abs 1 idgF „ist“ dem Fremden die Verleihung der Staatsbürgerschaft „befristet-bedingt“ zuzusichern, sofern die Zusicherung nicht von Vornherein gemäß Z 1 oder Z 2 des Abs 1 ausgeschlossen ist. Die auf zwei Jahre „befristete Bedingung“ (der antragslosen Zusicherung durch die Behörde) zielt auf die Vorlage eines Nachweises des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband des Fremden ab; für die Zusicherung fällt regelmäßig eine Landesverwaltungsabgabe und eine Bundesgebühr [vgl TP 6 (3b) des § 14 GebG] an. Gemäß § 20 Abs 2 ist die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu widerrufen, wenn der Fremde – mit Ausnahme des (un)gesicherten Lebensunterhalts – auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. UE könnte die undifferenzierte Ausnahme von § 10 Abs 1 Z 7 in § 20 Abs 2 – dh die fehlende Einschränkung auf eine nicht verschuldete Notsituation – (wiederum) verfassungsrechtlich problematisch sein. Ohne den Nachweis nach Abs 1 hat die Behörde die zugesicherte Staatsbürgerschaft zu verleihen, 434

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wenn der Fremde – abgesehen von dem Ausschluss der Zusicherung nach Abs 1 Z 1 oder 2 – tatsächlich aus dem fremden Staatsverband ausgeschieden (Abs  3 Z  1) oder ihm das Ausscheiden daraus unmöglich bzw unzumutbar (Abs 3 Z 2) ist. Als eine „lex specialis“ zu Abs 3 Z 2 ordnet Abs 4 an, dass es bei Unzumutbarkeit wegen unverhältnismäßig hohen Kosten iZm einem Ausscheiden aus dem fremden Staatsverband im Ermessen der Behörde liegt, die Staatsbürgerschaft ohne Nachweis iSd Abs 1 zu verleihen. Abs 5 stellt lediglich klar, was vormals durch Klammerausdruck in Abs 1 (idF BGBl 1965/250) bestand: die Zusicherung bzw die Ausnahmen vom Nachweis iSd Abs 1 und der Widerruf der Zusicherung gilt auch für den Fall der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft (vgl auch § 18).

II.  Begriffe A.  Staatsverband Der Gesetzgeber bedient sich iZm dem geforderten Ausscheiden 9 (sprich: der Entlassung) aus dem fremden Staatsverband als Voraussetzung der Verleihung der zugesicherten Staatsbürgerschaft einer umständlichen Terminologie: statt wie in der Literatur vom „Staatsverband“ des Fremden zu reden, ist in § 20 vom „Verband seines bisherigen Heimatstaates“ die Rede. UE ist – in Abgrenzung zum Begriff „Staatenverbund“ – damit insbesondere ein fremder Staat im völkerrechtlichen Sinn gemeint; daher im Fall von Bundesstaaten nicht deren Teilstaaten. Der „Heimatstaat“ eines Fremden hat demnach drei Merkmale zu erfüllen: eine Bevölkerung (Staatsvolk), einen geographisch abgrenzbaren Teil der Erdoberfläche (Staatsgebiet), eine (stabile) Regierung, die effektive Gewalt ausübt (Staatsgewalt). Zum Ausscheiden aus dem iranischen Staatsverband vgl VwGH 4.9.2008, 2008/01/0130; aus dem jugoslawischen Staatsverband vgl VwGH 3.7.2006, AW 2006/01/0203, VwGH 30.8.2005, 2003/01/0416; aus dem serbischen Staatsverband vgl LVwG Wien 25.7.2015, VGW151/071/32176/2014 und LVwG Salzburg 7.11.2016, 405-11/26/1/202016; aus dem pakistanischen Staatsverband vgl VwGH 13.12.2005, 2003/01/0541; aus dem russischen Staatsverband vgl VwGH 30.8.2005, 2004/01/0497, LVwG Salzburg 11.5.2016, LVwG-11/185/20-2016 und LVwG Wien 25.8.2015, VGW-151/071/21771/2014, VGW-151/071/ 21772/2014; aus dem mazedonischen Staatsverband vgl VwGH 5.11.2003, 2001/01/0356 und LVwG Wien 2.11.2015, VGW-151/022/ 435

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5708/2015; aus dem sudanesischen Staatsverband vgl VwGH 18.5.1995, 95/18/0412; aus dem ägyptischen Staatsverband vgl LVwG Wien 18.6.2015, VGW-151/071/1218/2015; aus dem ungarischen Staatsverband vgl VwGH 15.1.1986, 84/01/0332; aus dem ukrainischen Staatsverband vgl LVwG Wien 18.6.2015, VGW-151/080/893/2015; aus dem bulgarischen Staatsverband vgl LVwG Wien 14.4.2016, VGW-151/022/ 1998/2016; aus dem afghanistanischen Staatsverband vgl LVwG Wien 12.2.2016, VGW-151/022/11014/2015. 10 Schwierig kann die Bestimmung des Verbandes des „bisherigen“ Heimatstaates des Fremden im Fall einer Staatenauflösung bzw Staatennachfolge sein (zur Definition vgl Art 2 Abs 1 lit b des Wiener Übereinkommens über die Staatennachfolge in Verträge). Insbesondere bei der Dismembration – also bei dem Zerfall (zB Österreich-Ungarns) oder der Zerteilung (zB Jugoslawiens) – eines Staates (in toto) in zwei oder mehrere neue Staaten scheint unklar zu sein, ob iZm §  20 der „alte“ oder „neue“ Heimatstaat gemeint ist. Da der alte Staat im Gegensatz zur Sezession als Völkerrechtssubjekt nicht bestehen bleibt, sondern untergeht, während die entstehenden Staaten neue Völkerrechtssubjekte sind, die mit dem alten Staat nicht identisch sind, könnte im Fall der Auflösung eines Staates (zB Tschechoslowakei am 31.12.1992) die Unmöglichkeit des Nachweises (§ 20 Abs 3 Z 2) gegeben sein. 11 Im Fall der Staatennachfolge (wie zB bei den Nachfolgerepubliken der Sowjetunion) kann uE der Staat, der das Staatsgebiet oder den Teil eines zerfallenden oder sich verkleinernden Staates erwirbt oder auf dessen Territorium neu entsteht, in dem der Fremde zuletzt seinen rechtmäßigen und dauernden Aufenthalt hatte, als „bisheriger“ Heimatstaat iSd §  20 qualifiziert werden. Staatennachfolge bedeutet den Übergang der Verantwortung für die internationalen Beziehungen eines Gebietes von einem Staat auf einen anderen [Art 1 lit a des Übereinkommens des Europarates über die Vermeidung von Staatenlosigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge (BGBl III 2010/146 idF BGBl III 2012/79); vgl auch Kapitel VI des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit (BGBl III 2000/39) iVm der Kundmachung des Bundeskanzlers betreffend den Geltungsbereich des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit (BGBl III 2006/17)].

B.  Staatenlose 12 Als Staatenlose werden Menschen bezeichnet, die keine bzw keine anerkannte Staatsangehörigkeit besitzen. Art 1 Z 1 des Übereinkommens 436

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über die Rechtsstellung der Staatenlosen (BGBl III 2008/81 idF BGBl  III 2016/180) definiert als Staatenlosen „eine Person, die kein Staat aufgrund seines Rechtes als Staatsangehörigen ansieht“. Im Unterschied zu Staatenlosen bezeichnet der Begriff Heimatlose heute eine eher emotionale oder weltanschauliche Befindlichkeit; ursprünglich jedoch wurden darunter – in Abgrenzung zu Gemeindeglieder und Auswärtige – diejenigen verstanden, deren „Zuständigkeit zu einer bestimmten Gemeinde nicht zu ermitteln ist“ [§ 51 Gemeindegesetz 1859 (RGBl 1859/58) und § 18 Heimatrechtsgesetz (RGBl 1863/43)]. Daran angelehnt bestimmt §  3 dass „eine Person, deren Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden kann, wie ein Staatenloser zu behandeln [ist]“. Staatenlose sind nach dem Entstehen der Nationalstaaten im 19. Jahr- 13 hundert und der an diese gebundenen Staatsbürgerschaft seit dem Ersten Weltkrieg in Europa vermehrt in Erscheinung getreten. Der Gesetzgeber reagierte auf einzelne Ursachen der Staatenlosigkeit (wie Auswanderung und Vertreibung) mit unterschiedlichen Vorschriften: Beispielsweise legte § 9 des Auswanderungspatents vom 24.3.1832 (PGS Bd 60 Nr 34) den Verlust der Staatsbürgerschaft von tatsächlich Ausgewanderten (das waren Personen, die sich in das Ausland mit dem Vorsatz begaben, nicht wieder zurückzukehren, also den bleibenden Wohnsitz außerhalb Österreichs zu nehmen) fest (vgl auch den aufgehobenen § 32 ABGB). Das BG betreffend den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Volksdeutsche (BGBl 1954/142) ermöglichte Personen deutscher Sprachzugehörigkeit, die infolge des Zusammenbruchs des „Dritten Reiches“ ihre Heimat in der Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien, in den baltischen Staaten oder in Russland verlassen mussten und infolge der Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg staatenlos oder zumindest ungeklärter Staatsangehörigkeit wurden, durch einfache Erklärung den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, sofern sie auf dem Gebiet der Republik Österreich Aufnahme gefunden hatten. Vgl auch bezüglich der administrativen Gleichstellung von Südtirolern und Canaltalern die Beschlüsse der Provisorischen Staatsregierung aus dem Jahr 1945 und der Bundesregierung ab dem Jahr 1948 (in Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 377 ff). Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden eine Reihe völkerrecht- 14 licher Instrumente entwickelt, um das Problem der Staatenlosigkeit einzudämmen und die Situation der Betroffenen zu verbessern. Österreich hat das Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 im Jahr 2008 (BGBl III 2008/81 idF BGBl III 2016/180) und 437

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das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit von 1961 im Jahr 1972 (BGBl 1974/538 idF BGBl III 2016/179) ratifiziert. 15 Dass ein Mensch staatenlos ist kann viele Ursachen haben. So kann bereits ein neugeborenes Kind staatenlos sein, da nicht alle Länder Kinder bei der Geburt automatisch registrieren. Mitunter beginnen Kinder staatenloser Eltern ihr Leben ebenfalls als Staatenlose. Zusätzlich gibt es verschiedene Gründe, weshalb jemand eine vorhandene Staatsbürgerschaft verlieren kann: Staatsauflösungen, Gebietsabtretungen, „Treueverletzungen“ (vgl § 33 Abs 1) gegenüber dem Staat, manchmal sogar Heirat bzw Scheidung oder auch die willkürliche Entziehung der Staatsbürgerschaft (vgl Rz 28). Theoretisch kann auf eine Staatsbürgerschaft auch freiwillig verzichtet werden. 16 § 20 Abs 1 Z 1 „suspendiert“ vorab die Zusicherung im Fall der Staatenlosigkeit; wer staatenlos ist, bedarf keiner Zusicherung, weil ein Ausscheiden aus einem bisherigen Staatsverband als Verleihungsvoraussetzung denkunmöglich ist. Demgegenüber tritt eine „nachträgliche“ Suspendierung iSd Abs 1 Z 1 ein, wenn der Fremde, dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft zugesichert worden ist, während der zwei Jahre seit der Zusicherung staatenlos wird (vgl Abs  3 Z  2); vgl Rz 35. Wird von der Behörde (bzw im Fall eines Säumnisbeschwerdeverfahrens vom zuständigen LVwG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass der Fremde innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband nachweist, wendet sich der Fremde idR an die Vertretungsbehörde seines Heimatstaates, um die Entlassung zu erwirken. In der Folge sollte sich uE der Fremde – vor Ausstellung der Entlassungsurkunde – auch wieder an die Behörde wenden, damit diese alle notwendigen Erhebungen aktualisiert. Erst wenn diese Erhebungen, insbesondere die polizeilichen Ermittlungen, abgeschlossen sind und der tatsächlichen Verleihung der Staatsbürgerschaft nichts mehr im Wege steht, besteht uE die (sachlich gerechtfertigte und durch den Wortlaut wie dem Sinn und Zweck des § 20 begründete) Veranlassung, dass die Originalentlassungsurkunde abgeholt und samt Übersetzung durch einen gerichtlich beeideten Dolmetscher bei der Behörde vorgelegt wird. Sinngemäß gilt die beschriebene Vorgangsweise auch in Verfahren, wo keine direkte Verleihung möglich ist (wie etwa bei Iranern), sondern ein Zusicherungsbescheid erforderlich ist. Hintergrund ist insbesondere Art 8 EMRK und das BGBl 1974/538 idF BGBl III 2016/179, wodurch 438

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die Vermeidung (bzw Minimierung) einer Zeitspanne der Staatenlosigkeit zwischen Entlassung und Verleihung gewährleistet wird. UE hat die Behörde in diesem Zusammenhang keinen Ermessensspielraum. Insbesondere kann die Erlassung eines „Zusicherungsbescheides“ durch die Behörde oder durch das LVwG nicht zum Anlass genommen werden, mit der Aktualisierung der (erfahrungsgemäß mindestens mehrere Monate dauernden) behördlichen Ermittlungen solange zuzuwarten, bis die (rechtskräftige) und vom gerichtlich beeideten Dolmetscher übersetzte Entlassungsurkunde vorliegt. Ein solches Zuwarten der Behörde bis zum Vorliegen des Originalentlassungsbescheides des früheren Staatsverbandes könnte die Personen (zwingend) mehrere Wochen zwischen der Entlassung und der Verleihung staatenlos machen. Eine solche behördliche Praxis ist uE mit Art  8 EMRK nicht vereinbar und widerspricht §  20 Abs  1 Z  1: Wenn dadurch die Zusicherung im Fall von Staatenlosigkeit suspendiert wird, ist es ein Widerspruch, wenn die iVm der Zusicherung erforderliche Entlassung zu einer Staatenlosigkeit führen soll. Im Übrigen könnte diese Praxis einen Wertungswiderspruch zu § 20 Abs 3 Z 2 darstellen. In der (uE durch Art  34 UN-Flüchtlingskonvention gestützten) Praxis werden – nach wie vor – Flüchtlinge iSd UN-Flüchtlingskonvention wie Staatenlose behandelt; dh idR entfällt die Zusicherung bei Flüchtlingen und es wird ihnen sofort die Staatsbürgerschaft (vgl auch §  11a Abs  4 Z  1) verliehen; vgl LVwG NÖ 23.6.2016, LVwGAV-374/001-2015. Der Wortlaut des § 20 Abs 1 Z 1 deckt diese Vorgangsweise aber nicht, weil seit BGBl I 1998/124 die Z 1 nur mehr die Staatenlosigkeit enthält (und die bis dahin in Z 1 enthaltenen Flüchtlinge ersatzlos gestrichen wurden). §  20 idgF erfordert im Lichte des Art 18 B-VG bei Flüchtlingen auch eine Zusicherung iVm dem Erfordernis eines Nachweises des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband und idF allenfalls einen Nachweis der Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit iSd Abs 3 (vgl auch VwSlg 15.414 A/2000); vgl unten Rz 39. Die Staatenlosigkeit spielt im StbG – in unterschiedlichen Konstellatio- 17 nen – eine wesentliche Rolle. So sieht das StbG – neben § 20 Abs 1 Z 1 (vgl auch VwGH 26.1.2006, 2005/01/0815 iZm § 20 Abs 2) – den Erwerb der Staatsbürgerschaft bei ansonsten drohender Staatenlosigkeit (§  7 Abs 3 Z 2) bzw gegebener Staatenlosigkeit (§ 14 Abs 1 Z 1) vor. Verfahrensrechtlich steht der Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens bei neuen Tatsachen oder Beweismittel und abweichender Vorfragenent439

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scheidung eine hierdurch bewirkte Staatenlosigkeit entgegen (§ 24). Im Fall der Entziehung der Staatsbürgerschaft (§ 33) kann Staatenlosigkeit eintreten (Abs 1) bzw darf Staatenlosigkeit nicht eintreten (Abs 2); folglich kann einem Österreicher, der zB als Angehöriger einer radikalislamistischen Miliz an Kampfhandlungen in Syrien gegen die Regierung sowie Teile der Freien Syrischen Armee und kurdische Volksverteidigungseinrichtungen teilnimmt, die Staatsbürgerschaft nach dem StbG idgF nur entzogen werden, wenn er Doppelstaatsbürger ist.

C.  Ausscheiden 18 Im Allgemeinen erlaubt das StbG keine doppelten Staatsangehörigkeiten [vgl auch Übereinkommen des Europarates über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit (BGBl 1975/471)]. Eine Ausnahme bilden jedoch Fälle, wo jemand mehrfache Staatsangehörigkeiten durch Geburt erwirbt (zB erhält ein von in den USA lebenden österreichischen Eltern geborenes Kind bei Geburt die österreichische und die US-amerikanische Staatsangehörigkeit). In allen übrigen Fällen muss bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit die bisher bestandene Nationalität grundsätzlich aufgegeben werden (vgl aber auch die Ausnahme in § 28). 19 Die Staatsangehörigkeitsvorschriften (und die behördliche Praxis) der einzelnen fremden Staaten sind im Hinblick auf ein Ausscheiden, einen Verlust bzw einen Entzug (sehr) unterschiedlich (vgl für mehr als 150 Länder die einschlägigen – relativ aktuellen – Gesetzestexte zum Ehe- und Kindschaftsrecht mit Staatsangehörigkeitsrecht in Bergmann/Ferid/Henrich aaO). In Serbien ist ein Ausscheiden möglich (Art 28 des serbischen Staatsbürgerschaftsgesetzes); ebenso in Kroatien (Art  18 des kroatischen Staatsbürgerschaftsgesetzes). In BosnienHerzegowina führte der Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft bis 2013 ex lege zum Verlust (ex-Art  17 des BuH-StbG). Gemäß Art  19 Abs 1 BuH-StbG können Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, im Ausland leben und eine fremde Staatsangehörigkeit besitzen oder denen der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit zugesichert wurde, auf Antrag auf die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina verzichten. Art 21 BuH-StbG sieht darüber hinaus unter gewissen Bedingungen die Möglichkeit vor, auch bei Wohnsitz in Bosnien und Herzegowina auf An440

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trag aus der Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina entlassen zu werden. Gemäß Art 19 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit der Republik Mazedonien vom 27.10.1992 idF vom 25.6.2004 endet die Staatsangehörigkeit der Republik Mazedonien durch Entlassung und gemäß völkerrechtlichen Verträgen (vgl LVwG Wien 2.11.2015, VGW-151/022/5708/2015). In der Türkei kann nach Art  25 lit a des türkischen Staatsbürgerschaftsgesetzes die türkische Staatsangehörigkeit demjenigen aberkannt werden, der auf eigenen Wunsch die Staatsangehörigkeit eines fremden Staates erworben hat, ohne zuvor die Genehmigung zur Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit erhalten zu haben [Zusicherung-Ausscheidungsgenehmigung iS einer (Wechselgenehmigung)-Verleihung-Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft]. In der Russischen Föderation kann gemäß Art 18 und Art 19 iVm Art 20 des Bundesgesetzes Nr 62-FZ vom 31.5.2002 über die russische Staatsangehörigkeit ein russischer Staatsbürger auf die Staatsbürgerschaft verzichten, sofern er im Ausland lebt und ihm eine fremde Staatsbürgerschaft verliehen oder zugesichert wurde. Wie bei der Russischen Föderation sieht auch Israel die Möglichkeit des Ausscheidens vor: Gemäß Art 10 des Gesetzes 5712-1952 über die israelische Staatsangehörigkeit idF des Gesetzes Nr 3.3.58, 8.7.68 und 5.17.71 (vgl Bergmann/Ferid/Henrich aaO, 2008, 178. Lieferung, Israel) kann ein volljähriger, nicht in Israel wohnhafter Israeli aus der israelischen Staatsbürgerschaft durch Erklärung, welche vom zuständigen Minister für Inneres genehmigt werden muss, austreten. Gemäß Art 10 des Gesetzes Nr 26/1975 über die ägyptische Staatsangehörigkeit idF des Gesetzes Nr 154/2004 (vgl Bergmann/Ferid/Henrich aaO, 2008, 178. Lieferung, Ägypten) darf ein Ägypter eine fremde Staatsangehörigkeit nur annehmen, wenn er hierfür durch Dekret des Innenministers die Genehmigung erhalten hat. Andernfalls gilt er weiterhin in jeder Hinsicht als Ägypter, es sei denn, der Ministerrat erkennt ihm die Staatsangehörigkeit gemäß Art 16 dieses Gesetzes ab. Somit kann eine ägyptische Staatsangehörige auf Antrag die Genehmigung zum Austritt aus der ägyptischen Staatsangehörigkeit entlassen werden. Gemäß Art  20 des bulgarischen Gesetzes über die Staatsbürgerschaft vom 13.11.1998 kann ein bulgarischer Staatsangehöriger, der ständig im Ausland lebt, die Entlassung aus der bulgarischen Staatsangehörigkeit verlangen, wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit erworben hat oder wenn Angaben dafür vorhanden sind, dass ein Verfahren zum Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit eingeleitet worden ist (vgl LVwG Wien 11.4.2016, VGW-151/022/1998/2016). 441

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III.  Zusicherung der Verleihung 20 Der VwGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass eine Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft iSd §  20 für den Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft begründet (VwGH 16.7.2014, 2013/01/0038; VwGH 3.12.2003, 2002/01/0291). Der Umstand, dass Fremden die österreichische Staatsbürgerschaft zugesichert wird, bedeutet nicht, dass zB ein Anspruch nach dem UVG besteht, weil die mit der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft verbundenen Gestaltungswirkungen dahingehend, dass dem neuen Staatsbürger Rechte zukommen und ihn Pflichten treffen, noch nicht mit der Zusicherung gemäß §  20 Abs  1 eintreten (vgl LG Eisenstadt 12.7.2005, 20 R 71/05y). Durch eine solche Zusicherung wird einem auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gerichteten Ansuchen inhaltlich noch nicht zur Gänze entsprochen; der VwGH 30.8.2005, 2004/01/0497 hebt in diesem Zusammenhang die – für einen Bescheid erforderliche – mangelnde Begründung iSd § 58 Abs 2 AVG hervor. Jedoch entspricht diese Vorgangsweise in Fällen, in denen einem Fremden die Aufgabe seiner bisherigen Staatsangehörigkeit möglich und zumutbar ist, gemäß §  10 Abs 3 iVm § 20 Abs 1 dem Gesetz (VwGH 30.8.2005, 2004/01/0497). Unterlässt ein Staatsbürgerschaftswerber, dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft zugesichert wurde, die fristgerechte Erbringung des Nachweises über sein Ausscheiden aus dem fremden Staatsverband, so hat dies zur Folge, dass einerseits der aus dem „Zusicherungsbescheid“ erwachsene Rechtsanspruch des Staatsbürgerschaftswerbers erlischt und dass andererseits die Behörde an ihre Zusicherung nicht mehr gebunden ist. Die Abweisung des Verleihungsansuchens kann hiermit nicht begründet werden. Vielmehr bleibt es Aufgabe der Behörde, unter Zugrundelegung des allenfalls in der Zwischenzeit geänderten Sachverhaltes über das Verleihungsansuchen zu entscheiden (VwGH 29.3.1989, 88/01/0240). 21 Der „Zusicherungsbescheid“ tritt ohne weiteres mit Ablauf von zwei Jahren außer Geltung, wenn der Einbürgerungswerber nicht innerhalb dieser Frist das Ausscheiden aus dem Staatsverband des bisherigen Heimatstaates nachweist (VwGH 18.6.2014, 2013/01/0052). Der Lauf dieser Frist beginnt mit Rechtskraft des „Zusicherungsbescheides“. Es handelt sich laut VwGH um eine materiell-rechtliche, nicht erstreckba442

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re Frist (daher keine Wiedereinsetzung). Entscheidend ist, dass der Nachweis binnen zwei Jahren erbracht wird; in diesem Fall gilt der „Zusicherungsbescheid“ auch noch nach Ablauf der Frist (vgl VwGH 9.9.2003, 2002/01/0243; VwGH 7.9.2000, 98/01/0268; VwGH 17.2.1999, 98/01/0485). Der Behörde kann ab Erlassung des „Zusicherungsbescheides“ nicht mehr der Vorwurf gemacht werden, ihre Entscheidungspflicht verletzt zu haben, da sie aufgrund dieses „Bescheides“ berechtigt ist, mit ihrer endgültigen Entscheidung so lange zuzuwarten, bis der Antragsteller innerhalb der ihm eingeräumten Frist den betreffenden Nachweis erbringt (VwGH 6.5.1992, 92/01/0020). Der „Zusicherungsbescheid“ tritt ex lege (auch) außer Kraft, wenn der 22 Staatsbürgerschaftswerber den Nachweis der Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit dieses Ausscheidens erbringt. Dies ergibt sich aus der Systematik des – durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1998 (BGBl I 1998/124) eingefügten – § 20 Abs 3, wonach das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband und der Nachweis, dass die dafür erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar sind, gleichwertige Alternativen darstellen, nach denen die zugesicherte Staatsbürgerschaft zu verleihen ist (VwGH 18.6.2014, 2013/01/0052). Der Nachweis des Ausscheidens des Staatsbürgerschaftswerbers aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates bzw der Nachweis nach Abs  3 kann durch alle möglichen Beweismittel erbracht werden; die Beweislast trifft den Bewerber (vgl VwGH 17.2.1999, 98/01/0485). Wird der Nachweis nach § 20 Abs 1 oder Abs 3 nicht erbracht, hat die 23 Behörde – ohne auf den vorangegangenen „Zusicherungsbescheid“ eingehen zu müssen und unter Zugrundelegung des allenfalls in der Zwischenzeit geänderten Sachverhaltes – über den Verleihungsantrag zu entscheiden (vgl VwGH 17.2.1999, 98/01/0485; VwGH 29.3.1989, 88/01/0240); allenfalls hat die Behörde den Antrag auf Verleihung (Erstreckung) der Staatsbürgerschaft abzuweisen. Der „Zusicherungsbescheid“ kann durch eine solche Abweisung des Verleihungsansuchens auch ohne ausdrücklichen Widerruf gegenstandslos werden (vgl VwGH 23.4.2009, 2007/01/0260). Der Geltungsverlust des „Zusicherungsbescheides“ tritt aber dann nicht ein, wenn der Nachweis innerhalb der Frist von zwei Jahren erbracht wird; die in § 20 Abs 1 normierte Frist bezieht sich nämlich nur auf diesen Nachweis, nicht auf die Geltung des „Zusicherungsbescheides“. Dieser gilt auch noch nach Ablauf der Frist, wenn während dieser der Nachweis erbracht wurde (Thienel aaO, 271; VwSlg 16.152 A/2003). 443

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Eine Wahrnehmung von Ermessensgesichtspunkten zum Nachteil des Einbürgerungswerbers oder ein Aufgreifen schon im Zeitpunkt der Zusicherung vorgelegener (anderer) Verleihungshindernisse ist nach rechtskräftiger Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht mehr ohne Wiederaufnahme möglich. Mit dem Nachweis des Ausscheidens aus dem Verband des bisherigen Heimatstaates wird die letzte Rechtsbedingung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erfüllt. Nichts anderes kommt nach Ansicht des VwGH in der Formulierung in § 20 Abs 3 (arg „ist zu verleihen, sobald“) zum Ausdruck. Die Rechtskraft der Zusicherung erstreckt sich in diesem Sinn in Ermessensfällen auch auf Ermessensgesichtspunkte, die sich erst nach der Zusicherung ergeben (vgl VwGH 7.9.2000, 98/01/0268). In Bezug auf die bindend vorgeschriebenen Verleihungsvoraussetzungen steht ihr aber die besonders vorgesehene Möglichkeit des Widerrufes gegenüber. In Bezug auf diese Verleihungsvoraussetzungen gleicht daher die Position des Verleihungswerbers trotz der schon vorliegenden Zusicherung im Ergebnis derjenigen eines solchen Verleihungswerbers, der ohne vorherige Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft etwa durch einfache Erklärung aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausscheiden kann bzw konnte (VwGH 12.3.2002, 2001/01/0118); vgl unten Rz 27. 24 In der Praxis wird regelmäßig durch Bescheid zugesichert; der VwGH wertet die Zusicherung iSd § 20 (vage) als einen „vorgelagerten Verwaltungsakt“ (VwGH 20.6.2008, 2005/01/0084). Ein „Zusicherungsbescheid“ ist uE nicht zwingend erforderlich (bzw könnte einer ausreichenden Rechtsgrundlage entbehren), zumal dadurch ein Spannungsverhältnis zum (verfügendenden bzw abweisenden) Verleihungsbescheid begründet wird (vgl auch Thienel aaO, 271 f). Aus dem historischen Gesichtspunkt (vgl oben Rz 4) könnte das Zusichern der Behörde, dem Fremden die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er den Nachweis des Ausscheidens aus seinem bisherigen Staatsverband fristgerecht nachweist, auch als Bescheinigung angesehen bzw gehandhabt werden. Dadurch würde uE klar(er) der vorläufige Charakter der Berechtigung zum Ausdruck kommen; dergestalt könnte die Zusicherung eine öffentliche Urkunde sein, deren Beweiskraft nach § 47 AVG gemäß § 292 ZPO zu beurteilen wäre. §  292 ZPO sieht in Abs  1 vor, dass öffentliche Urkunden vollen Beweis dessen begründen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde bezeugt wird; gemäß § 292 Abs 2 444

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ZPO ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig. §  292 Abs  1 erster Satz ZPO gilt im Verwaltungsverfahren dem §  47 AVG zufolge mit der Maßgabe, dass inländische öffentliche Urkunden den Beweis auch über jene Tatsachen und Rechtsverhältnisse liefern, die die Voraussetzung für ihre Ausstellung bildeten und in der Urkunde ausdrücklich genannt sind; wenn die Behörde im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles dagegen Bedenken hat, dass die Urkunde diesen Beweis liefert, kann sie der Partei auftragen, den Beweis auf andere Weise zu führen. Wäre die über eine Zusicherung ausgefertigte Bescheinigung kein ver- 25 waltungsbehördlicher Bescheid, sondern eine der Rechtskraft nicht fähige Beurkundung, wäre das Problem einer materiellen Derogation zwischen Zusicherungs- und Verleihungsbescheid vermieden. Zusicherungsbescheid und Verleihungsbescheid unterscheiden sich uE inhaltlich nicht; die „Verleihung der Staatsbürgerschaft“, die Gegenstand beider Bescheide ist, wird im Fall des §  20 bloß vorläufig (arg „zunächst“) und nach Vorliegen des Nachweises endgültig (§ 23) angeordnet. Die Deutung wie von Thienel aaO, 272 favorisiert, dass „durch die Erlassung des endgültigen Bescheides der Zusicherungsbescheid außer Geltung tritt“ bzw dadurch „der Zusicherungsbescheid in Wegfall [gerät]“, ist daher mit dem StbG und dem AVG nicht vereinbar. Im Gegenteil: UE könnte ein „Zusicherungsbescheid“ mangels abweichender Bestimmungen im StbG nur nach § 68 AVG behoben werden (vgl auch Hengstschläger/Leeb aaO, § 68 Rz 49 f; vgl auch § 17 VwGVG). UE gebietet auch die inhaltliche „Nähe“ des § 20 zu § 10 Abs 3 – und damit zu einer Verleihungsvoraussetzung – die „Umdeutung“ des Charakters der Zusicherung als Bescheid in eine Bescheinigung. Dafür spricht (auch aus verwaltungsökonomischen Überlegungen), dass dem Zweck der Zusicherung – nämlich dem Fremden die Möglichkeit zur Einholung eines Nachweises des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband zu verschaffen bzw zu erleichtern – durch eine Bescheinigung ausreichend Genüge geleistet wäre. Zudem sieht der Gesetzgeber beim Wegfall bestimmter Voraussetzungen während der Zusicherung nicht eine Abänderung – wie für Bescheide typisch – vor, sondern einen – für Bescheide atypischen – Widerruf (§ 20 Abs 2). Der Gesetzgeber hat offenbar wegen der (uE fragwürdigen) Praxis 26 Übergangsbestimmungen iZm „Zusicherungsbescheiden“ erlassen (vgl § 64a Abs 4, 9 und 12). Allgemein wird dabei auf ein Verfahren „auf 445

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Grund eines“ vor dem In-Kraft-Treten der jeweiligen Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle (Abs 4: BGBl I 2006/37; Abs 9: BGBl I 2009/122; Abs 12: BGBl I 2011/38) erlassenen Zusicherungsbescheides abgestellt. Differenziert wird hierbei nicht weiter, ob es sich bei diesem Verfahren um ein zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Novelle anhängiges Verleihungsverfahren oder um ein nach In-Kraft-Treten der Novelle gemäß § 69 AVG wieder aufgenommenes Verfahren handelt. Wenn daher durch eine Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens ein – vor In-Kraft-Treten der jeweiligen Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle – erlassener Verleihungsbescheid außer Kraft tritt und das Verwaltungsverfahren in das Stadium vor Erlassung dieses Bescheides zurücktritt, ist damit auch ein (vor In-Kraft-Treten der jeweiligen Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle erlassener) „Zusicherungsbescheid“ wieder rechtswirksam geworden und kann idF die Behörde unter den Voraussetzungen des § 20 Abs 2 die Zusicherung widerrufen.

IV.  Widerruf 27 Der durch die Zusicherung gegebene bedingte Anspruch auf Verleihung ist gemäß § 20 Abs 2 zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderliche Voraussetzung (mit Ausnahme des § 10 Abs 1 Z 7) nicht mehr erfüllt. Wird der „Zusicherungsbescheid“ widerrufen, so ist der Verleihungsantrag – da eine Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs 1 Z 1–6 und 8 fehlt – abzuweisen. Widerruf der Zusicherung und Abweisung des Verleihungsantrages stellen laut VwGH eine notwendige Einheit dar. Das Gesetz geht in diesem Zusammenhang – ausgehend vom ursprünglichen Antrag auf Verleihung – nicht von verschiedenen Verfahren, sondern von einem einheitlichen Verleihungsverfahren aus. Deshalb ist auch die Abweisung des Verleihungsgesuches nach derselben (alten) Rechtslage zu beurteilen wie der Widerruf des „Zusicherungsbescheides“ (vgl insoweit VwGH 9.10.2008, 2008/01/0212). Bezüglich der anzuwendenden Rechtslage kann es nämlich nicht darauf ankommen, ob die Behörde, wie vom Verwaltungsgerichtshof gebilligt (vgl VwGH 4.9.2008, 2006/01/0740) von einem ausdrücklichen Widerruf der Zusicherung absieht, sondern unmittelbar mit der Abweisung des Antrages vorgeht, oder zuerst den Widerruf ausspricht. Der Wegfall der zwingenden Verleihungsvoraussetzungen ermöglicht einen Widerruf der Zusicherung nach §  20 Abs  2. Die Behörde kann aber nicht aufgrund von ihr angeführter, nach der Zusicherung 446

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eingetretener, für den Fremden nachteiliger Umstände von ihrem Ermessen neuerlich, und zwar abweichend vom „Zusicherungsbescheid“ zu Lasten des Fremden, Gebrauch machen (vgl Rz 23). Zu dieser erneuten Ermessensübung ist sie wegen des noch immer aufrechten „Zusicherungsbescheides“ nicht ermächtigt (vgl VwGH 7.9.2000, 98/01/0268). Ein Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft 28 kommt iSd VwGH 13.1.1999, 98/01/0011, nur in Frage, wenn eine der gesetzlichen Verleihungsvoraussetzungen außer §  10 Abs  1 Z  7 (vgl Rz 8), die zur Zeit der Zusicherung erfüllt waren, nachträglich weggefallen ist. Das Fehlen einer Verleihungsvoraussetzung, die auch im Zeitpunkt der Zusicherung nicht gegeben war, stellt hingegen keinen Widerrufsgrund dar (vgl VwGH 25.5.2004, 2002/01/0496; VwGH 25.6.2009, 2007/01/1051). Es ist der Behörde jedoch nicht verwehrt, bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Einbürgerungswerbers – neben dem beispielsweise nach der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 20 Abs 1 gesetzten Fehlverhalten, das für das Vorliegen eines Einbürgerungshindernisses gemäß § 10 Abs 1 Z 6 den Ausschlag gibt – auch vor der Zusicherung begangene Übertretungen heranzuziehen (vgl VwGH 21.4.1999, 98/01/0341, mwN). Wenn zB der Fremde bereits vor Erlassung des „Zusicherungsbeschei- 29 des“ gegen die StVO (wegen erheblichen Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit) verstoßen hat, kann die Behörde es als gravierenden Verstoß werten, dass der Einbürgerungswerber bereits einen Monat nach Zusicherung der Staatsbürgerschaft wiederum die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich (insbesondere im Ortsgebiet und in weit größerem Ausmaß als bei den vorangegangenen Tathandlungen) überschritten hat und davon ausgehend ihre vor Zusicherung getroffene Prognose revidiert (vgl VwGH 4.9.2008, 2006/01/0740; VwGH 20.6.2008, 2005/01/0778). Hingegen lässt eine 16 Monate vor Erlassung des Bescheides begangene Geschwindigkeitsübertretung selbst unter Berücksichtigung der vor Erlassung des Zusicherungsbescheides begangenen Verwaltungsübertretungen (Nichtanhalten vor Rotlicht einer Verkehrssignalanlage, Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h im Ortsgebiet um 18 km/h) kein ausreichendes Gewicht erkennen, um für sich betrachtet die negative Zukunftsprognose der Behörde zu tragen (vgl VwGH 25.3.2003, 2001/01/0427; VwGH 13.12.2005, 2003/01/0121). Wenn der Fremde nach erfolgter Zusicherung der Verleihung aber im Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung über sein Einbürgerungs447

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ansuchen eine Verleihungsvoraussetzung (hier: §  10 Abs  1 Z  2) nicht mehr erfüllt, hat die Behörde die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Abs 2 zwingend zu widerrufen (vgl VwGH 3.12.2003, 2002/01/0291; iZm §  10 Abs  1 Z  4 vgl VwGH 8.4.2003, 2003/01/0129). Ein Widerruf im Sinn des § 20 Abs 2 liegt nämlich nicht im Ermessen der Behörde und kann daher auch nicht auf Ermessenserwägungen oder typischerweise im Rahmen einer Ermessensübung zu berücksichtigende Gesichtspunkte gestützt werden (VwGH 13.12.2005, 2003/01/0121). Dieser Widerruf hat auch dann zu erfolgen, wenn der Wegfall der Verleihungsvoraussetzung nach dem Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband erfolgte (VwGH 20.6.2008, 2005/01/0084); der Gesetzgeber nimmt in diesen Fällen die Staatenlosigkeit von Personen in Kauf (VwGH 26.1.2006, 2005/01/0815). Der Hinderungsgrund des § 10 Abs 1 Z 6 knüpft nicht an die gerichtliche Verurteilung, sondern an das Verhalten des Einbürgerungswerbers an (vgl VwGH 30.8.2005, 2004/01/0444; VwGH 22.8.2006, 2005/01/0026, mwN). § 20 Abs 2 bietet daher keine Grundlage für den Widerruf der Zusicherung und die gleichzeitige Abweisung des Verleihungsantrages nach § 10 Abs 1 Z 6, wenn das maßgebliche Fehlverhalten im Zeitpunkt der Erlassung des „Zusicherungsbescheides“ bereits vorgelegen ist (VwGH 8.6.2006, 2005/01/0316, mit Verweis auf VwGH 30.8.2005, 2004/01/0444). Nur wenn der Fremde im Zeitpunkt der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft Gewähr bietet, in diesem Sinn keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit zu bilden, und dies zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr der Fall ist, kommt ein Widerruf der Zusicherung in Betracht (VwGH 13.1.1999, 98/01/0011). Gerade die Häufung von strafbaren Handlungen in der letzten Phase des Aufenthaltes des Einbürgerungswerbers rechtfertigt den Schluss, dieser werde nach seinem bisherigen Verhalten nicht die Gewähr dafür bieten, dass er in Hinkunft keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bilde, weil er in Zukunft zB Schutznormen, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienen, nicht mehr missachten werde (VwGH 23.9.1998, 98/01/0050). Dass der Behörde die Straftat bei Erlassung des „Zusicherungsbescheides“ nicht bekannt war, könnte unter den Voraussetzungen des § 69 Abs 1 und 3 AVG sowie unter Bedachtnahme auf § 24 lediglich Anlass zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens geben (vgl VwGH 8.6.2006, 2005/01/0316). 30

IZm § 10 Abs 1 Z 7 ist – im Unterschied zu den übrigen Fällen des § 10 Abs  1 iVm §  20 Abs  2 – der Zeitpunkt der Erlassung des „Zusiche448

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rungsbescheides“ für die Beurteilung des Vorliegens dieser Verleihungsvoraussetzung bestimmend (vgl aber auch die verfassungsrechtlichen Bedenken in Rz 8). Der Staatsbürgerschaftsbehörde soll es insofern verwehrt sein, nochmals über die bereits bejahte Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs 1 Z 7 abzusprechen; diesbezüglich soll sie bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft nur noch darüber abzusprechen haben, ob der Staatsbürgerschaftswerber die gemäß § 20 Abs 3 vorgesehenen Erfordernisse erfüllt. Zu den Verleihungsvoraussetzungen, deren Entfall zu einem Widerruf 31 der Zusicherung führen muss, gehört gemäß § 11a Abs 1 – neben der Erfüllung der Voraussetzungen des §  10 Abs  1 Z  2 bis 8 –, dass der Fremde im Zeitpunkt seiner Einbürgerung – unter den in § 11a Abs 1 Z  1 und 2 näher umschriebenen sonstigen Bedingungen – mit einem (österreichischen) Staatsbürger verehelicht ist, mit diesem im gemeinsamen Haushalt lebt und die Ehe insbesondere nicht gerichtlich geschieden ist. Für ein Interpretationsergebnis, wonach die im Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides gegebenen Voraussetzungen auch dann „perpetuiert“ seien, wenn danach eine rechtskräftige Scheidung vorgenommen worden ist, lassen sich weder in den Gesetzesmaterialien zu den anzuwendenden Bestimmungen Anhaltspunkte finden, noch entspricht diese Auslegung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl dazu VwGH 3.5.2000, 99/01/0407; VwGH 26.1.2006, 2005/01/0815). IZm dem Übergang vom Status der Minderjährigkeit auf den der Voll- 32 jährigkeit während der zweijährigen Frist nach § 20 Abs 1 ist das IPRG zur Bestimmung der Mündigkeit nach dem anzuwendenden Personalstatut zu berücksichtigen: Wenn zB einem (am 7.9.1980 geborenen) Fremden (und damit einem nach dem türkischen und österreichischen Recht im Jahr 1998 unstrittig Minderjährigen) die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Wege der Erstreckung mit Bescheid vom 16.2.1998 für den Fall zugesichert wurde, dass er binnen zwei Jahren aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates (Türkei) ausscheidet, der Fremde am 25.10.1999 von der Türkei in das Bundesgebiet zuzog, war er unter Zugrundelegung des nach § 9 Abs 2 IPRG maßgeblichen (türkischen) Personalstatuts des gewöhnlichen Aufenthaltes schon ab dem 7.9.1998 (durchgehend) nicht mehr minderjährig. Das Erreichen der Volljährigkeit machte aber den Zusicherungsbescheid vom 16.2.1998 nicht „gegenstandslos“; wäre ein Widerrufsgrund im Sinn des §  20 Abs  2 vorgelegen, hätte die Behörde wegen des nachträglichen 449

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Entfalles einer zwingenden Verleihungsvoraussetzung widerrufen können (vgl VwGH 3.9.1997, 96/01/0773; VwGH 7.9.2000, 98/01/0268). Dies ist aber generell nicht der Fall, wenn der Zeitpunkt, zu dem die Minderjährigkeit des Fremden enden würde, schon bei Erteilung der Zusicherung feststand und in Bezug auf den nach diesem Zeitpunkt liegenden Teil des von der Zusicherung erfassten Zeitraumes keinerlei nachträgliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist (vgl VwSlg 16.152 A/2003). 33 Bei Änderung der örtlichen Zuständigkeit geht die Befugnis zum Widerruf auf eine andere Behörde über (vgl § 39); zum Widerruf der Zusicherung ist dann nicht jene Landesregierung befugt, die diesen Bescheid erlassen hat (vgl VwGH 25.5.2004, 2002/01/0496; aA Goldemund/ Ringhofer/Theuer aaO, 119 f; Thienel aaO, 273). Der Widerruf der Zusicherung nach § 20 Abs 2 stellt keine Ausübung einer Kontrolltätigkeit im Sinn einer neuen Beurteilung von bereits Entschiedenem dar (vgl Art 19 Abs 1 B-VG), sondern ist nur die vom Gesetz vorgesehene Reaktion auf mittlerweile eingetretene Änderungen im entscheidungswesentlichen Sachverhalt, was nach Ansicht des VwGH insbesondere darin Ausdruck findet, dass Ermessensgesichtspunkte oder schon im Zeitpunkt der Zusicherung vorgelegene Verleihungshindernisse nicht zu ihrem Widerruf führen können (vgl VwGH 13.1.1999, 98/01/0011; VwGH 7.9.2000, 98/01/0268). 34 Das StbG sagt nichts über die Form des Widerrufs aus; die iZm der Zusicherung durch Bescheid erhobenen Bedenken gelten sinngemäß auch für den bescheidmäßigen Widerruf (vgl Rz 24 f). Der VwGH hat offenbar gegen Widerrufsbescheide keine Bedenken: Ein Bescheid über die Zusicherung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wird durch den mit einem Bescheid ausgesprochenen, unbekämpft gebliebenen Widerruf der darin ausgesprochenen Zusicherung gegenstandslos (vgl VwGH 3.9.1997, 96/01/0773; Thienel, 271 mwN) und kann damit keine Bindungswirkung mehr für ein späteres Verfahren entfalten (VwGH 18.4.2002, 2000/01/0523).

V.  Ausnahmen 35 Neben den eine Zusicherung von Anfang an ausschließenden Ausnahmen (§ 20 Abs 1 Z 1 und 2) enthalten die Abs 3 und 4 Tatbestände, deren Eintritt die (erteilte) Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft suspendiert. Ist der Fremde bereits vor der Zusicherung aus dem 450

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fremden Staatsverband ausgeschieden, ist er staatenlos und entfällt gemäß §  20 Abs  1 Z  1 die Zusicherung. Scheidet der Fremde hingegen nach der Zusicherung aus dem Staatsverband aus, hat die Behörde nach Abs 3 Z 1 vorzugehen und ihm die Staatsbürgerschaft umgehend (arg „sobald“) zu verleihen. Verschiedene ausländische Rechtsordnungen lassen zur Vermeidung 36 von Staatenlosigkeit ein Ausscheiden aus ihrem Staatsverband zunächst nicht zu. Andererseits verlangen sie dafür nicht erst den Erwerb der anderen (zB der österreichischen) Staatsbürgerschaft, sondern begnügen sich mitunter schon mit deren Zusicherung. Um auch in solchen Fällen ein Ausscheiden zu ermöglichen, sah bzw sieht das StbG in § 20 das Institut der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft vor. Ausgehend von diesem Zweck kommt ein „Zusicherungsbescheid“ nur dann in Betracht, wenn eine zunächst nicht (oder nur bedingt) mögliche oder nicht zumutbare Aufgabe der fremden Staatsangehörigkeit durch eben diesen „Zusicherungsbescheid“ möglich und zumutbar gemacht wird bzw erleichtert werden könnte. Steht das Gegenteil von vornherein fest, ist ein „Zusicherungsbescheid“ 37 hingegen rechtswidrig und hat die Staatsbürgerschaftsbehörde sofort einen Verleihungsbescheid zu erlassen. Stellt sich das erst später heraus, so greift § 20 Abs 3 Z 2, wonach die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, zu verleihen ist, sobald der Fremde nachweist, dass ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren. § 20 Abs 3 Z 2 kann jedoch nicht so verstanden werden, dass damit vor Erlassung eines „Zusicherungsbescheides“ jegliche Ermittlungen dahin unterbleiben könnten, ob die Erlassung eines solchen Bescheides ein Ausscheiden aus dem fremden Staatsverband möglich und zumutbar macht bzw erleichtern könnte (VwSlg 15.414 A/2000). Durch die Verwendung des Begriffes „sobald“ in § 20 Abs 3 und 4 ist 38 uE die Behörde abhängig von den Umständen des Einzelfalles gefordert, rasch im Fall des Abs 3 Z 2 und Abs 4 bzw unverzüglich im Fall des Abs  3 Z  1 (im Sinn von „ohne schuldhaftes Zögern“ bzw „ohne unnötigen Aufschub“) die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Die Verleihung durch die Behörde kann aber nicht sofort stattfinden, sondern nur „sobald“ das Vorliegen eines Nachweises iSd Abs 3 bzw einer Glaubhaftmachung iSd Abs 4 festgestellt ist. In diesem Zusammenhang hat der Fremde an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil es 451

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der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen. 39 § 20 Abs 3 Z 2 betrifft insbesondere Flüchtlinge. § 10 Abs 2 lit a idF vor BGBl I 1998/124 (nunmehr: § 10 Abs 3 Z 1) sah als quasi vertypten Fall der Unzumutbarkeit für die Vornahme von Handlungen zum Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband das Bestehen der Flüchtlingseigenschaft beim Einbürgerungswerber vor. Von dieser Vertypisierung wollte der Gesetzgeber der Novelle BGBl I 1998/124 nach den EB ausdrücklich Abstand nehmen. Die Staatsbürgerschaftsbehörde hat folglich ungeachtet §  20 Abs  3 Z  2 vor der Erlassung des „Zusicherungsbescheides“ zu prüfen, ob dem Einbürgerungswerber damit die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit möglich und zumutbar wird (vgl Rz 16). Der VwGH akzeptiert aber, dass bei Asylberechtigten regelmäßig von Unzumutbarkeit der Vornahme von Handlungen für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband ausgegangen werden kann und dass besondere Umstände vorliegen müssen, die es – ausnahmsweise – gerechtfertigt erscheinen lassen, von einem Einbürgerungswerber, der Flüchtling ist, die für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband notwendigen Handlungen zu fordern (vgl VwSlg 15.414 A/2000). 40 Wenn der Gesetzgeber von Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit spricht, bedeutet das, dass der Erbringung eines Nachweises des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht. Ein solches ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass der Nachweis iSd § 20 Abs 1 auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann. Besteht jedoch eine ernst zu nehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance, dass dieser Nachweis zumindest zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein wird, so liegt nicht Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit iSd Abs 3 und 4 vor. Zweifel über die Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Nachweiserbringung gehen aber jedenfalls zu Lasten des Fremden, trägt dieser doch die Beweislast für die Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit (arg „sobald der Fremde … nachweist“ bzw „sobald der Fremde glaubhaft macht“). 41 Art  4 Abs  3 StGG erlaubt „Abfahrtsgelder“ nur in „Anwendung der Reciprocität“; ansonsten ist die „Freiheit der Auswanderung“ von Staatswegen nur durch die Wehrpflicht beschränkt (Art 4 Abs 3 StGG). Nach Art 2 Abs 2 des 4. ZP EMRK steht es jedermann frei, jedes Land 452

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einschließlich seines eigenen zu verlassen. Bei „Abfahrtsgeldern“ handelt es sich um Steuern, die bei der Auswanderung vom mitgeführten Vermögen erhoben werden. Diesen gleichzuhalten ist wohl auch ein weitreichendes Verbot, bei der Auswanderung Wertgegenstände, Geldmittel usw mitzunehmen (OGH 23.10.2012, 10 ObS 144/12t). §  20 Abs  4 trägt dem Umstand Rechnung, dass die Freizügigkeit einer Person iZm der Auswanderung von Staats wegen durch eine Art „Abfahrtsgeld“ beschränkt sein kann. Der Fremde hat die hierfür maßgebenden Gründe glaubhaft zu machen; diese (initiative) Glaubhaftmachung muss insbesondere die persönlichen Umstände (tatsächliches Familieneinkommen) und die Zahlungen (Höhe der Gebühren für ein Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband) betreffen. Der Fremde kann sich, um seine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen (Bescheinigung), hierzu aller Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung bedienen; eine Beweisaufnahme, die sich nicht sofort ausführen lässt, eignet sich nicht zum Zwecke der Glaubhaftmachung [vgl auch iZm § 71 Abs 1 AVG (unter Hinweis auf § 274 Abs 1 ZPO) VwGH 27.5.2014, 2014/16/0003]. Die EB zu § 20 Abs 4 betonen die Ingerenz der Behörde bei der Wer- 42 tung der Zumutbarkeit der Glaubhaftmachung für den Fremden. Bei Vorliegen offenkundiger Gründe (vgl §  45 AVG) ist uE eine Mitwirkung des Fremden zur Glaubhaftmachung eines unverhältnismäßig hohen Aufwands an Zahlungen für das Ausscheiden aus einem fremden Staatsverband nicht erforderlich. Davon abgesehen liegt es aber beim Fremden, die Gründe, die für die finanzielle Unverhältnismäßigkeit und damit Unzumutbarkeit der Erbringung eines Nachweises in seinem Heimatstaat sprechen, konkret vorzubringen und glaubhaft zu machen.

VI.  Erstreckung § 20 Abs 5 bestimmt lapidar, dass die Bestimmungen des Abs 1 bis 4 43 auch für die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gelten. §  18 bezieht sich – mangels eines „Erwerbszeitpunkts“ – uE nicht (zwingend) auf § 20; die Zusicherung der Erstreckung der Verleihung muss daher nicht gleichzeitig erfolgen. Folglich kann die Zusicherung der Erstreckung getrennt von oder verbunden mit der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft angeordnet werden. Eine Zusicherung der Erstreckung ist nur möglich, wenn alle Verleihungsvorausset453

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zungen gegeben sind und zugleich auch alle Erstreckungsvoraussetzungen mit Ausnahme jener nach § 10 Abs 3. 44 Die Praxis steht einer gesonderten Zusicherung für den Erstreckungswerber eher ablehnend gegenüber. Wenn dem Verleihungswerber die Staatsbürgerschaft zugesichert wird und eine Zusicherung auch für den Erstreckungswerber möglich ist, dann wird beiden zugesichert und müssen beide aus dem früheren Staatsverband ausscheiden. Falls eine Ausscheidung für Erstreckungswerber nicht möglich ist (zB bei minderjährigen Kindern, wenn nicht beide Eltern ausscheiden), dann wird nur dem Verleihungswerber zugesichert. Wenn dieser Werber das Ausscheiden aus seinem Heimatstaat nachweist, wird auch an Erstreckungswerber verliehen und werden so de facto Doppelstaatsbürger kreiert. Dem kann wiederum entgegen gewirkt werden, indem unter der Bedingung des § 34 verliehen wird, wie zB für den Fall dass nur der Verleihungswerber aber nicht der Erstreckungswerber die Entlassungsurkunde erbringt oder wenn dem Verleihungswerber ein Ausscheiden nicht möglich bzw zumutbar ist, dem Erstreckungswerber aber schon (weil zB Verleihungs- und Erstreckungswerber unterschiedliche Staatsangehörigkeit haben). 45 Mit Bescheid sicherte die Behörde dem Vater des Beschwerdeführers gemäß § 20 Abs 1 die Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Nachweises seines Ausscheidens aus dem pakistanischen Staatsverband binnen zwei Jahren ab Zustellung des Bescheides, sofern er im Zeitpunkt dieses Nachweises noch alle Verleihungsvoraussetzungen erfülle, mit der Beifügung zu, die Verleihung werde sich „weiters“ gemäß § 17 „auf folgendes mj. Kind“ (den Beschwerdeführer) erstrecken. Auf den Nachweis eines Ausscheidens (auch) des Beschwerdeführers aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates wurde in Spruch und Begründung dieses Bescheides nicht Bezug genommen. Die im Zusicherungsbescheid gewählte Form der Ankündigung einer Erstreckung der zugesicherten Verleihung „auf folgendes mj. Kind“ ist (anders als im Fall des VwGH 9.9.2003, 2002/01/0243) nicht als rechtskraftfähiger Abspruch über das Vorliegen von Erstreckungsvoraussetzungen und über die Bedingung der Erstreckung der Verleihung durch ein Ausscheiden des Erstreckungswerbers aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates iSd § 20 Abs 1 bis 4 iVm Abs 5 deutbar. Es handelt sich in der vorliegenden Form – eingebettet zwischen den Spruch des Bescheides über die Zusicherung der Verleihung an den Vater des Beschwerdeführers einerseits sowie eine Belehrung über die Rechtsgrundlage der be454

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reits entrichteten Gebühr und die Begründung des Bescheides, in der auf eine Erstreckung der Verleihung nicht Bezug genommen wird, andererseits – um nicht mehr als eine rechtlich unverbindliche Kundgabe der Absicht, die zugesicherte Verleihung mit der beantragten Erstreckung zu verbinden (VwGH 13.12.2005, 2003/01/0541).

§ 21. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft hat in einem diesem Anlass angemessenen, feierlichen Rahmen zu erfolgen, dem durch das gemeinsame Absingen der Bundeshymne und das sichtbare Vorhandensein der Fahnen der Republik Österreich, des jeweiligen Bundeslandes, und der Europäischen Union Ausdruck verliehen wird. (2) Ein Fremder, der eigenberechtigt ist oder der das 18. Lebensjahr vollendet hat und nur infolge seines Alters nicht eigenberechtigt ist, hat vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) folgendes Gelöbnis abzulegen: „Ich gelobe, dass ich der Republik Österreich als getreuer Staatsbürger angehören, ihre Gesetze stets gewissenhaft beachten und alles unterlassen werde, was den Interessen und dem Ansehen der Republik abträglich sein könnte und bekenne mich zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft.“ [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl 250/1965 Die Bundesregierung hält es der Bedeutung der Verleihung für angemessen, den Staatsbürgereid in ähnlicher Form wieder einzuführen, wie er bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 285, über den Erwerb und den Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft von den Verleihungsbewerbern abzulegen war. Damit soll den Bewerbern nachdrücklich und in feierlicher Form zum Bewußtsein gebracht werden, daß sie mit ihrer Aufnahme in den österreichischen Staatsverband in ein Treueverhältnis zur Republik Österreich treten. Das Gelöbnis sollen nicht nur eigenberechtigte Fremde ablegen, sondern auch Fremde, die das 18. Lebensjahr bereits überschritten und nur wegen ihres Alters nicht eigenberechtigt sind. Ausgeschlossen vom Gelöbnis sollen daher Personen unter 18 Jahren und solche sein, die zum Beispiel wegen Entmündigung handlungsunfähig oder nur beschränkt handlungsfähig sind. Da die Erstreckung der Verleihung im wesentlichen nur eine begünstigte Verleihung selbst ist, will der Gesetzentwurf die Ablegung des Gelöbnisses mit den eben ausgeführten Einschränkungen auch Fremden vorschreiben, auf die die Verleihung der Staatsbürgerschaft erstreckt wird.

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EB zu BGBl I 122/2009 Die Gelöbnisformel des § 21 wird um ein Bekenntnis „zu den Grundwerten eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft“ erweitert. In Zusammenschau mit der korrespondierenden Adaptierung des § 11 (siehe dort) soll damit die Verbundenheit des „NeoÖsterreichers“ mit der Grundordnung Österreichs, als demokratischen europäischen Staat, und damit die Ablehnung jeglicher dieser Grundordnung widersprechenden radikaler, fundamentalistischer Strömungen stärker zum Ausdruck kommen. Die Erweiterung um das Bekenntnis bewirkt keine Änderung in der verfahrensrechtlichen Stellung des Gelöbnisses im Sinne eines formalen verfahrensrechtlichen Verleihungserfordernisses unter Anwendung der Regelungen des AVG. EB zu BGBl I 136/2013 (§ 21 Abs. 1 (neu)): Mit dieser Bestimmung soll der einer Staatsbürgerschaftsverleihung angemessene äußerliche Rahmen näher bestimmt werden, damit durch diesen dem besonderen Charakter der Verleihung Rechnung getragen wird. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Gelöbnis.................................................................................................... 4 B. Eigenberechtigung.................................................................................. 6 III. Verleihungsvoraussetzung......................................................................... 9 Schrifttum zu § 21: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Das Gelöbnis nach § 21 idgF war bis zum StbG 1925 als „Staatsbürger­ eid“ durch den Erlass des Staatsamtes für Inneres und Unterricht vom 18.6.1919 (Zl 12.223) vorgesehen. Dieser Erlass ersetzte den „Untertans­ eid“ des Hofkanzleidekrets vom 12.4.1816, welches noch den feierlichen Charakter „bei der wirklichen Aufnahme zum Staatsbürger“ wegen „ihm daselbst die Wichtigkeit der mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Vorzüge lebhaft vorgestellt“ betonte, und bezog sich auf die „(deutsch)österreichische Republik“. Das StbG 1925 und das StbG 1949 sahen ein solches Gelöbnis nicht mehr vor; erst das StbG 1965 führte den – im Vergleich zum Erlass aus dem Jahr 1919 geänderten bzw „modifizierten“ – Gelöbnistext wieder ein (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 485 f). 456

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Der Einleitungssatz des § 21 idF BGBl 1965/250 besteht unverändert in 2 § 21 Abs 2 idgF fort. Durch die Novelle BGBl I 2009/122 wurde lediglich – wortident mit § 11 – der Grundwertepassus in den Gelöbnistext des § 21 eingefügt. Strukturell neu gegliedert und inhaltlich erweitert wurde § 21 durch BGBl I 2013/136. Durch diese Novelle blieb zwar der bis dahin geltende § 21 unverändert, wurde aber zu Abs 2, dem ein neuer Abs 1 vorangestellt wurde. Da Abs 2 – zeitlich – dem Abs 1 vorangeht (arg „vor“), das Gelöbnis also vor der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu erfolgen hat, ist uE die durch die Novelle BGBl I 2013/136 hergestellte Systematik verfehlt. § 21 Abs 1 ist eine Selbstbindungsvorschrift und wird in den Bundes- 3 ländern unterschiedlich praktiziert. Aufgrund des großen Andrangs werden etwa in Wien – in Abkehr zum vormalig oft als rein bürokratisch empfundenen (und somit als emotionslos kritisierten) Akt – seit dem Jahr 2012 alle neuen Staatsbürger zu einem bestimmten Termin ins Wiener Rathaus geladen, um sie willkommen zu heißen. Als selbstbindende Norm kommt dem § 21 Abs 1 ausschließlich „Innennormcharakter“ zu. § 21 Abs 1 bindet also nur die Verwaltung selbst, wirkt aber nicht unmittelbar nach außen und statuiert keine Rechte und Pflichten der Rechtsunterworfenen. Insbesondere eine Unterlassung des „gemeinsamen Absingens“ der Bundeshymne hat uE keine Konsequenzen. § 21 Abs 2 verpflichtet den Fremden zur Ablegung des Gelöbnisses (arg „hat“). Das Gelöbnis ist (idR die zeitlich „letzte“) Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (vgl § 23 Abs 3). Wird es verweigert oder nicht in der in § 21 vorgesehenen Form abgegeben, darf die Verleihung (Erstreckung) nicht vorgenommen werden. Eine dennoch vorgenommene Verleihung wäre rechtswidrig und daher vom VwGH aufhebbar (vgl Thienel aaO, 199); allerdings wird eine Verleihung ohne bzw mit unrichtigem Gelöbnis nicht rechtsunwirksam, da infolge des bestehenden Fehlerkalküls auch inhaltlich rechtswidrige Bescheide gültig sind (vgl auch VwGH 19.12.2000, 2000/12/0045; VwGH 5.9.2008, 2005/12/0158).

II.  Begriffe A.  Gelöbnis Das Gelöbnis steht für ein Gelübde (von althochdeutsch gilubida: „ge- 4 loben“), worunter das feierlich abgelegte Versprechen zu verstehen ist, 457

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sich an Regeln zu halten verbunden mit dem Vorsatz, Interessen und Ansehen der Republik Österreich einschließlich der Grundwerte der Demokratie zu wahren. Der Begriff wird im säkularen Zusammenhang als eine Art Eid bzw Schwur – allerdings ohne symbolische Anrufung Gottes – verwendet. Der Sinn und Zweck eines Gelöbnisses liegt uE in der persönlichen Bekräftigung der durch § 21 Abs 2 normierten Aussage. § 21 Abs 2 impliziert die Verpflichtung zur Wahrheit und zum Tragen der Konsequenzen der Gelöbnisaussage (vgl § 63c Abs 1). 5 Vergleichbare Gelöbnisformeln enthalten zB Art 62 Abs 1 B-VG, wonach der Bundespräsident vor der Bundesversammlung gelobt, die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich zu beobachten und seine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen; dieses Gelöbnis kann er gemäß Abs  2 durch die Beifügung einer religiösen Beteuerung bekräftigen. Demgegenüber enthält Art 72 B-VG – obwohl darin die Beifügung einer religiösen Beteuerung ausdrücklich für zulässig erklärt wird – keinen Gelöbnistext für die vor Antritt ihres Amtes vom Bundespräsidenten anzugelobenden Mitglieder der Bundesregierung. Zum Gelöbnis iZm der Angelobung der Abgeordneten des NR vgl § 4 Abs 1 Geschäftsordnungsgesetz 1975 (BGBl 1975/410 idF BGBl I 2016/41).

B.  Eigenberechtigung 6 § 21 Abs 2 stellt auf die Eigenberechtigung des Staatsbürgerschaftswerbers ab. Der Gesetzgeber definiert weder im StbG (vgl § 12 Abs 1 Z 2, § 27 Abs 2, § 28 Abs 4, § 30 Abs 2) bzw AVG (vgl § 10 Abs 1 leg cit) noch im ABGB, was unter „eigenberechtigt“ zu verstehen ist. Die Eigenberechtigung ist eine Voraussetzung für das Ablegen des Gelöbnisses und idF für die Verleihung der Staatsbürgerschaft. Die Behörde hat daher beim Ablegen zu prüfen, ob die Eigenberechtigung des Staatsbürgerschaftswerbers vorliegt. Fraglich ist, ob andernfalls der gesetzliche Vertreter das Gelöbnis abzulegen hat; uE kann diese Frage wegen des Sinnes und Zwecks des Gelöbnisses verneint werden. Bejaht die Behörde diese Frage im Zeitpunkt des Ablegens des Gelöbnisses und stellt sich später heraus, dass die Eigenberechtigung für das Ablegen damals doch nicht vorgelegen ist, könnte auch uE die Verleihung nicht wirksam gewesen sein. Durch die Erlassung eines Bescheides über die Verleihung der Staatsbürgerschaft wird nicht auch bindend darüber abgesprochen, ob die Eigenberechtigung des Staats458

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bürgerschaftswerbers vorliegt. Bei der Eigenberechtigung handelt es sich nämlich um eine allgemeine Voraussetzung für wirksames rechtsgeschäftliches bzw rechtserhebliches Handeln, deren Vorliegen in Bezug auf die jeweilige Rechtshandlung zu beurteilen ist. Das Fehlen der Eigenberechtigung könnte die Rechtshandlung in jedem Fall unwirksam machen. War demnach der Werber nicht eigenberechtigt, könnte die Verleihung (Erstreckung) unwirksam sein. Ob der Fremde rechts- und handlungsfähig (eigenberechtigt) ist und er 7 daher in dieser Angelegenheit die Prozessfähigkeit hat und damit die Wirksamkeit des als verfahrensrechtlicher Akt (vgl EB zu BGBl I 2009/122) qualifizierbaren Gelöbnisses begründet, ist nach dem Personalstatut des Staates zu beurteilen, dem die Person angehört (§ 12 iVm § 9 Abs 1 IPRG; vgl auch § 10a Abs 2 und Thienel aaO, 139 f). Im Fall von Mehrstaater ist (vorab) zu prüfen, zu welchem Staat iSd § 9 Abs 1 IPRG die „stärkste Beziehung“ besteht; dabei können durchaus auch auf die Zukunft weisende Argumente von Bedeutung sein. Mit der Formulierung „stärkste Beziehung“ hat der Gesetzgeber bewusst eine Blankettnorm geschaffen, um eine elastische Handhabung der Bestimmung sowie die Rechtsfortbildung zu gewährleisten. Zur Bestimmung der „effektiven Staatsangehörigkeit“ müssen im Einzelfall alle in Betracht kommenden Umstände gewertet werden, die für die Lebensverhältnisse einer Person von maßgebender Bedeutung sind, wie Wohnsitz bzw gewöhnlicher Aufenthalt, Muttersprache, verwandtschaftliche oder gesellschaftliche Beziehung, nationale Einstellung (vgl OGH 28.1.2003, 1 Ob 2/03f). Effektiver ist die Angehörigkeit zu jenem Staat, mit dem die betreffende Person am engsten verbunden ist (RS0009229). Die Rechts- und Handlungsfähigkeit von nicht eigenberechtigten 8 Fremden über 18 Jahre richtet sich uE nach dem österreichischen Recht; mit der in § 21 Abs 2 enthaltenen Ausnahme bzw Klarstellung gelten auch Personen als eigenberechtigt, die nach dem Recht ihres Heimatstaates noch nicht volljährig wären bzw tatsächlich noch nicht die Volljährigkeit erlangt haben. Insofern kommt der Grundsatz der Anwendung österreichischen Rechtes zum Tragen; Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, aber nach dem Recht ihres Heimatstaates nicht volljährig wären, haben die Eigenberechtigung iSd § 21 Abs 2, sofern sie nicht entmündigt bzw handlungsunfähig sind. Somit sind von der Ablegung des Gelöbnisses nur Fremde unter 18  Jahre sowie (altersunabhängig) Personen, welche wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche voll oder beschränkt entmündigt sind, 459

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ausgenommen. Zu den Letzteren zählen (auch) psychisch kranke oder geistig behinderte Personen, wenn die psychische Krankheit oder geistige Behinderung zumindest von solcher Art  ist, dass deswegen zur Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen ein Sachwalter zu bestellen wäre.

III.  Verleihungsvoraussetzung 9 § 21 Abs 2 hat formellen Charakter; ein späterer „Bruch“ des Gelöbnisses hat – außer in den Fällen des § 32 und des § 33 – keine Entziehung der Staatsbürgerschaft zur Folge. Entgegen den EB zu BGBl 1965/250 hat der Bewerber nicht „in feierlicher Form“ zu geloben; der „feierliche Rahmen“ ist erst iZm der Verleihung der Staatsbürgerschaft (§  21 Abs  1) vorgesehen. §  21 Abs  2 schließt aber nicht aus, dass im Rahmen einer Zeremonie nach Abs 1 auch das Gelöbnis abgelegt wird. 10 IdR wird das Gelöbnis mündlich vor der zuständigen Behörde (vgl § 22 Abs 1 iVm § 39) abgelegt; diesbezüglich hat die Behörde eine Niederschrift zu erstellen und eine Kopie der Niederschrift dem Fremden zu überlassen (vgl § 4 StbV). Im Anschluss daran ist dem Fremden der Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft auszuhändigen (§ 23 Abs 3).

§ 22. (1) Hat der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik, so ist das Gelöbnis mündlich vor der nach § 39 zuständigen Behörde abzulegen. Diese kann jedoch die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich der Fremde seinen Hauptwohnsitz hat, zur Entgegennahme des Gelöbnisses ermächtigen. (2) Hat der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Ausland, so ist das Gelöbnis mündlich vor der österreichischen Vertretungsbehörde abzulegen, die von der nach § 39 zuständigen Behörde um die Entgegennahme des Gelöbnisses ersucht worden ist. Dies gilt nicht, wenn es dem Fremden wegen der Entfernung seines Wohnsitzes oder aus anderen wichtigen Gründen nicht zugemutet werden kann, sich zur Ablegung des Gelöbnisses bei der österreichischen Vertretungsbehörde einzufinden. (3) Hat der Fremde überhaupt keinen Hauptwohnsitz oder ist auf ihn Abs. 2 zweiter Satz anzuwenden, so ist das Gelöbnis schrift460

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lich der nach § 39 zuständigen Behörde zu übermitteln, sofern sich der Fremde nicht selbst zur mündlichen Ablegung des Gelöbnisses bei dieser Behörde einfindet. (4) Wird das Gelöbnis mündlich abgelegt, so ist hierüber eine Niederschrift aufzunehmen. [idF BGBl 1994/505] EB zu BGBl 250/1965 Durch diese Bestimmungen soll erreicht werden, daß das Gelöbnis soweit wie möglich mündlich abgelegt wird. Da die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland hiebei nur auf Ersuchen der Landesregierungen tätig werden sollen, diese Hilfeleistung aber durch Art. 22 des B.-VG. gedeckt ist, erscheint hiefür eine Verfassungsbestimmung nicht als erforderlich. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Hauptwohnsitz....................................................................................... 4 B. Vertretungsbehörde................................................................................ 11 III. Grundsatz der Mündlichkeit...................................................................... 13 IV. Ausnahmen................................................................................................... 17 V. Amtshilfe....................................................................................................... 21 VI. Niederschrift................................................................................................. 23 Schrifttum zu § 22: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Moritz, Amtshilfe und einfaches Gesetz, ÖGZ 11/1987, 2 ff; Schick/Wiederin, Landesbürgerschaft, Gemeindemitgliedschaft und Bundesverfassung – Überlegungen zum Wohnsitzbegriff des B-VG, ÖJZ 1998, 6 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Thienel, Meldung und Hauptwohnsitz, JRP 1999, 124 ff; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Das historische „Vorbild“ für die in § 22 seit BGBl 1965/250 festgelegte 1 Vorgangsweise beim Ablegen des Gelöbnisses ist das Hofkanzleidekret vom 12.4.1816 gewesen. Laut diesem HKD galten (im Hinblick auf § 22) folgende „Grundsätze zur genauesten Darnachachtung“ für die Behörden: Die Feierlichkeit – wie in § 21 Abs 1 vorgesehen – bezweckte, dem (neuen) Staatsbürger zu vermitteln, dass „ihm gleicher 461

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Schutz mit den Eingeborenen zugesichert“ und „derselbe an die nunmehrigen Pflichten als wirklicher Staatsuntertan erinnert“ werde und in diesem Zusammenhang der „Untertanseid“ abzunehmen sei – „alles dieses aber in ein eigenes … zu unterschreibendes Protokoll aufgenommen und letzterem [gemeint: dem neuen Staatsbürger] hierüber ein eigens Zertifikat ausgehändigt werde“. 2 §  22 idF BGBl 1965/250 wurde unverändert im StbG (BGBl 1985/311) wiederverlautbart. Aufgrund der Anpassungsbestimmung in Art VIII des Hauptwohnsitzgesetzes (BGBl 1994/505) wurde der Begriff „ordentlicher Wohnsitz“ durch den Begriff „Hauptwohnsitz“ ersetzt. Substanziell fiel diese Novellierung nicht ins Gewicht [vgl Rz 4 und § 5 StbG idF BGBl 1965/250 (dazu Goldemund/Ringhofer/ Theuer aaO, 43)], weil es nur einen Unterschied zwischen Wohnsitz und Hauptwohnsitz (nicht aber zwischen „ordentlichem“ Wohnsitz und Hauptwohnsitz) gab, der darin zu sehen war, dass für einen Wohnsitz bereits eine nicht besonders ins Gewicht fallende Lebensbeziehung maßgeblich sein konnte (zB Ferienwohnung), wogegen der Hauptwohnsitz nur an einem Anknüpfungspunkt von zentralen Lebensbeziehungen bestehen kann (vgl EB 1334 der Beilagen XVIII. GP). 3 §  22 – zu dem es bisher keine Rechtsprechung gibt – konkretisiert §  21, indem darin der Grundsatz der Mündlichkeit für das – durch Niederschrift zu beurkundende (§  22 Abs  4) – Ablegen des Gelöbnisses verankert wird. Dieser Grundsatz wird in Ausnahmefällen (Fremde ohne Hauptwohnsitz in Österreich bzw bei Unzumutbarkeit des Aufsuchens der Vertretungsbehörden im Ausland) durchbrochen und insofern die Schriftlichkeit angeordnet (§  22 Abs  3). Abweichend von § 39 kann das Gelöbnis – anstatt vor der Landesregierung – vor der dazu ermächtigten BVB abgelegt werden (§ 22 Abs 1). Diese „Ermächtigung“ stellt uE einen verfahrensleitenden Bescheid dar, der erst iZm der Erlassung des Bescheides nach §  23 Abs  1 angefochten werden kann; bei entsprechender Kundmachung könnte die Ermächtigung auch generell durch eine Verordnung gemäß Art 11 Abs  3 B-VG erteilt werden (vgl VfSlg 10.911/1986). In – zumindest in der Theorie (vgl Rz  11 f) – kompetenz- und damit verfassungswidriger Weise sieht § 22 Abs 2 auch die Möglichkeit der Delegation der Zuständigkeit zur Ablegung des Gelöbnisses vor österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland vor (vgl Thienel aaO, 200 ff und 275 f). 462

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II.  Begriffe A.  Hauptwohnsitz Als ordentlicher Wohnsitz ist nach der ständigen Rechtsprechung (vgl 4 VwGH 19.2.1988, 87/11/0238, VwSlg 12.648 A/1988) jener Ort anzusehen, an dem sich die betreffende Person in der erweislichen Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen; hierbei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben. Dieser Begriff nach § 66 Abs 1 JN und nach § 5 StbG 1965 war ursprünglich zur Auslegung der Bestimmung des § 22 heranzuziehen. Der Begriff des Wohnsitzes schloss demnach ein Zweifaches in sich, nämlich ein tatsächliches Moment – die Niederlassung an einem Ort – und ein psychisches, und zwar die Absicht, in dem Ort der Niederlassung bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Die Novelle BGBl 1994/505 änderte uE inhaltlich nichts an dem Er- 5 fordernis der Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes. Auch der Hauptwohnsitz (vgl auch Art  6 Abs  3 B-VG und VwGH 23.9.2009, 2006/01/0026) setzt einen tatsächlichen ununterbrochenen Aufenthalt an diesem Ort nicht voraus; vielmehr kann auch ein aus einem bestimmten Anlass zeitlich beschränkter Aufenthalt einen Wohnsitz begründen, wobei der polizeilichen Anmeldung kein entscheidendes Gewicht beizumessen ist (vgl VwGH 28.2.2013, 2010/10/0004: „Hiebei ist die polizeiliche Meldung ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes, wenn auch nicht eine notwendige Voraussetzung“). Aber auch eine „Abmeldung“ bei der Meldebehörde führt nicht – ungeachtet ihres Indizcharakters – jedenfalls dazu, dass ein bestehender Hauptwohnsitz erlischt (VwGH 11.5.2009, 2008/18/0522). Eine Person kann auch mehrere ordentliche Wohnsitze haben, wobei die Begründung eines neuen Wohnsitzes noch nicht bedeutet, dass der alte Wohnsitz aufgegeben werden muss (vgl VwGH 27.4.1982, 82/11/0054; VwGH 30. 11.1994, 94/03/0261). Für das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes im dargestellten Sinn ist es nicht maßgeblich, ob nach melderechtlichen Vorschriften einer von mehreren Wohnsitzen als „Hauptwohnsitz“ zu bezeichnen ist (vgl auch VwGH 17.10.2003, 99/17/0130). Maßgebend ist der nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu ermit- 6 telnde Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person; die Meldung 463

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nach dem Meldegesetz 1991 oder Vorgänge im Zusammenhang mit der Führung der Wählerevidenz sind in der Frage des Hauptwohnsitzes nicht von entscheidender Bedeutung (vgl VwGH 25.6.2002, 97/17/0161 mwN). Jedenfalls kann die Annahme, eine Person habe in einem bestimmten Ort ihren Hauptwohnsitz, weder auf den Umstand der Meldung in diesem Ort als Hauptwohnsitz allein gegründet noch durch den Hinweis auf die Meldung in einem anderen Ort allein widerlegt werden (vgl VwGH 16.12.2002, 2000/10/0192; VwGH 21.6.2007, 2004/10/0109). Liegen abgesehen vom Meldezettel keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Feststellung vor, der Fremde habe in einer bestimmten Gemeinde seinen Hauptwohnsitz, ist das Verfahren mangelhaft. Die Behörde hat nach § 22 zu ermitteln, wo für den Fremden der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen liegt. 7 Der gesetzliche Begriff des Hauptwohnsitzes stimmt in seinen Definitionselementen im Wesentlichen mit jenen des ordentlichen Wohnsitzes überein (vgl VwGH 26.5.1998, 97/07/0142). Einen ordentlichen Wohnsitz kann eine Person allerdings an mehr als einem Ort haben, wie sich dies schon aus dem Text der Bestimmung des § 1 Abs 7 Meldegesetz 1991 idF des Hauptwohnsitzgesetzes ergibt (vgl VwGH 26.5.1998, 97/07/0142), während dies für den „Hauptwohnsitz“ im Sinn des Gesetzes nicht zutrifft, weil dieser eben durch die Festlegung auf jenen mehrerer ordentlicher Wohnsitze bestimmt wird, zu dem tatsächlich das überwiegende Naheverhältnis besteht (vgl VwGH 25.4.2002, 99/07/0206). 8 Es kommt uE auf den aktuellen Hauptwohnsitz, also auf den Hauptwohnsitz im Zeitpunkt des Ablegens des Gelöbnisses an. Wie beim ordentlichen Wohnsitz ist auch beim Hauptwohnsitz auf jenen Ort abzustellen, an dem sich die betreffende Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, ihn bis auf weiteres zum Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu wählen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Absicht darauf gerichtet war, für immer an diesem Ort zu bleiben (vgl VwGH 26.5.1998, 97/07/0142; iZm Studienort vgl VwGH 1.12.1982, 81/03/0089); zum Hauptwohnsitz von Eheleuten siehe überdies beispielsweise VwGH 13.11.2001, 2001/05/0941, Slg 15.713/A. 9 Der einmal an einem Ort im Inland begründete Hauptwohnsitz geht nicht durch jeden Auslandsaufenthalt wieder verloren, sofern der Lebensmittelpunkt des Verleihungswerbers auch während dieser Zeit 464

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im Bundesgebiet erhalten bleibt (vgl dazu auch VwGH 18.12.2000, 2000/18/0216; VwGH 7.10.2003, 2001/01/0504; VwGH 25.5.2004, 2002/01/0064 und 2002/01/0496; VwGH 29.4.2004, 2003/01/0169). Ob Letzteres der Fall ist, lässt sich nur aus einer kombinierten Betrachtung von objektiven und subjektiven Kriterien beurteilen [vgl dazu etwa die insoweit auch für den Hauptwohnsitzbegriff des B-VG aussagekräftigen EB zum Hauptwohnsitzgesetz (1334 BlgNR 18. GP 11): „Die Festlegung des Hauptwohnsitzes soll aus einer Kombination von objektiven und subjektiven Kriterien erfolgen“; VwGH 21.3.2006, 2004/01/0266]. In subjektiver Hinsicht erfordert die Aufrechterhaltung des Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet die Beibehaltung des „animus domiciliandi“, also der Absicht des Verleihungswerbers, den Lebensmittelpunkt in Österreich zu haben. Wird ein solcher Wille aufgegeben, vermag auch das Fortbestehen von Lebensbeziehungen zu Österreich einen Hauptwohnsitz im Inland nicht aufrecht zu erhalten (vgl VwGH 28.6.2005, 2002/01/0597). Umgekehrt reicht der bloße Wille, seinen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet zu erhalten, oder die Absicht, (irgendwann) nach Österreich zurückzukehren, zur Beibehaltung eines Hauptwohnsitzes nicht aus, wenn objektive Anknüpfungspunkte für einen solchen in Österreich nicht (mehr) gegeben sind (vgl VwGH 28.6.2005, 2004/01/0503). In objektiver Hinsicht setzt das Fortbestehen eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet voraus, dass der Einbürgerungswerber Beziehungen zum Inland aufrecht erhält, die bei einer Gesamtbetrachtung seiner beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensumstände den Schluss rechtfertigen, er habe seinen Lebensmittelpunkt nach wie vor in Österreich. Ein bedeutsames Kriterium dieser Gesamtbetrachtung ist auch die Aufrechterhaltung einer Wohnmöglichkeit im Inland während der Zeit des Auslandsaufenthaltes (VwGH 11.6.2013, 2012/21/0088). Eine unter Sachwalterschaft (§ 273 ABGB) stehende Person hat – un- 10 abhängig vom Wirkungsbereich des Sachwalters – nicht etwa einen „abgeleiteten“ Hauptwohnsitz, der ähnlich wie der abgeleitete Gerichtsstand nach § 71 JN (nur) vom Hauptwohnsitz einer anderen Person abhinge (so etwa von jenem des Sachwalters), sondern vielmehr einen „eigenen“ Hauptwohnsitz (zu Minderjährigen vgl dazu VwGH 25.4.2002, 2002/05/0121; VwGH 18.2.2003, 2002/05/0992). Der Umstand, dass Minderjährige in den in § 2 Abs 3 Z 3 Meldegesetz 1991 genannten Fällen, so auch bei der Unterbringung in Jugendheimen, nicht 465

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zu melden sind, sofern sie schon anderswo gemeldet sind, bedeutet nicht, dass die Bestimmung des Hauptwohnsitzes nach dem Meldegesetz 1991 nach anderen Kriterien als den vorstehend dargelegten vorzunehmen wäre (VwGH 20.12.2004, 2001/10/0209).

B.  Vertretungsbehörde 11 Fremde mit „Hauptwohnsitz“ im Ausland haben nach §  22 Abs  2 Satz 1 das Gelöbnis vor der österreichischen Vertretungsbehörde abzulegen (vgl aber auch § 22 Abs 3). Liegt der Hauptwohnsitz dieser Person nicht im Gebiet der Republik, so soll das österreichische Berufskonsulat, wo jedoch ein solches nicht besteht, die österreichische diplomatische Vertretungsbehörde zuständig sein, in deren Bereich der Hauptwohnsitz liegt. Die Vertretungsbehörden haben hierbei nicht das AVG anzuwenden (vgl auch VfSlg 13.723/1994); allerdings besteht die Verpflichtung zur Aufnahme einer Niederschrift als Minimalanforderung, damit das Verfahren die Voraussetzungen, die die Bundesverfassung aus rechtsstaatlicher Sicht postuliert (vgl VfSlg 13.723/1994), erfüllt. Mangels Verfassungsrang (vgl §  41 Abs  2) ist uE §  22 Abs  2 Satz 1 (theoretisch) verfassungswidrig, da die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland organisatorisch nicht Landes-, sondern Bundesbehörden sind und daher nicht zur Vollziehung von Gesetzen, die aufgrund des Art 11 Abs 1 B-VG erlassen wurden, ermächtigt werden dürfen (vgl Rz 3 und 21). 12 Ob die Voraussetzungen nach § 22 Abs 2 Satz 2 vorliegen, hat uE nicht eine Vertretungsbehörde zu entscheiden. Das StbG gibt dieser „Behörde“ im Ausland nur vor, dass der Fremde – im Fall der Ermächtigung durch die jeweils zuständige Landesregierung – vor ihr das Gelöbnis mündlich abzulegen hat. Wenn hingegen dies – wegen Entfernung zwischen Wohnsitz des Fremden und Sitz der Vertretungsbehörde oder aus anderen wichtigen Gründen – nicht zugemutet werden kann, sieht § 22 Abs 3 vor, dass der Fremde der Landesregierung das Gelöbnis schriftlich übermittelt. Die Landesregierung hat idF zu ermitteln und festzustellen, ob § 22 Abs 2 Satz 2 anzuwenden ist; im Fall der Verneinung kann sie uE dem Fremden im Rahmen eines Verbesserungsauftrags (§ 13 Abs 3AVG) auftragen, das Gelöbnis iSd § 22 Abs 2 Satz 1 vor der Vertretungsbehörde abzulegen. Kommt der Fremde dem Auftrag nicht bzw nicht fristgerecht nach, fehlt eine Verleihungsvoraussetzung und ist der Antrag abzuweisen. 466

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III.  Grundsatz der Mündlichkeit Während dem Verwaltungsverfahren im Allgemeinen die Grundsätze 13 der Mündlichkeit (vgl aber §§ 40 ff VStG) und Unmittelbarkeit fremd sind, wird im Staatsbürgerschaftsverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit iZm der Ablegung des Gelöbnisses idR als unbedingt erforderlich erachtet. Mündlich heißt in diesem Zusammenhang, dass ein telefonisch (oder per „Sprachnachricht“ und dergleichen) abgelegtes Gelöbnis nicht in Betracht kommt. Einer telefonischen Ablegung des Gelöbnisses kommt daher (auch mangels Unmittelbarkeit) keine Rechtswirksamkeit zu und ändert daran auch der Umstand nichts, dass sich im Akt ein Vermerk der Behörde über das diesbezügliche Telefongespräch befindet. § 22 Abs 1 und 2 verlangt zur Gültigkeit des mündlich abgegebenen Gelöbnisses die Anwesenheit des Fremden „vor der … Behörde“. Das Ablegen des Gelöbnisses ist – abgesehen vom (verständlichen) 14 Aufsagen des in § 21 Abs 2 bestimmten Inhalts – grundsätzlich an keine Form gebunden. Es besteht uE ein subjektives Recht darauf, vor der Behörde mündlich das Gelöbnis abzulegen. Hat der Fremde das Gelöbnis mündlich als auch schriftlich abgegeben, liegt kein Mangel vor. Ein mündlich abgegebenes Gelöbnis erlangt sofort und nicht erst durch seine niederschriftliche Beurkundung Wirksamkeit (vgl auch § 23 Abs 3 Satz 1). In der durch § 22 Abs 4 vorgeschriebenen Niederschrift liegt nur eine vorschriftsmäßige Beurkundung der Erfüllung einer Voraussetzung – nämlich dass das Gelöbnis abgegeben wurde – für die Verleihung der Staatsbürgerschaft. Bei Taubstummen, Tauben oder Stummen kommt § 39a AVG in Be- 15 tracht. Nach Abs 1 dieser Norm ist dann, wenn eine Partei oder eine zu vernehmende Person der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, taubstumm, taub oder stumm ist, erforderlichenfalls der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen. Die §§ 52 Abs 2 und 53 AVG sind sinngemäß anzuwenden. Die Vorschrift des § 39a AVG kommt (nur) im Fall des mündlichen Gelöbnisses eines Fremden zur Anwendung. Ob ein abgelegtes Gelöbnis widerrufen werden kann, ist uE fraglich. 16 Mangels einer diesbezüglichen Regelung und angesichts §  13 Abs  1 AVG, wonach Anbringen in Verwaltungsverfahren grundsätzlich in den verschiedensten Formen schriftlich oder mündlich zulässig sind, 467

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könnte angenommen werden, dass auch ein mündlich oder schriftlich erfolgter Widerruf zulässig und damit wirksam ist. Ein Widerruf des Gelöbnisses im Staatsbürgerschaftsverfahren könnte in Ermangelung einer gegenteiligen gesetzlichen Regelung bis zum Eintritt der Rechtskraft der (antragsabweisenden) behördlichen Entscheidung von Bedeutung sein.

IV.  Ausnahmen 17 § 22 Abs 2 und 3 statuiert Ausnahmen von der Pflicht zur Ablegung des Gelöbnisses vor der zuständigen Behörde iSd §  39 bzw §  22 Abs  1 Satz 2. Fremde mit Hauptwohnsitz im Ausland können vor den österreichischen Vertretungsbehörden ebendort das Gelöbnis mündlich ablegen (Abs  2 Satz 1). Kann wegen der Entfernung zwischen dem Wohnsitz des Fremden und dem Sitz der Vertretungsbehörde eine Anreise zur Botschaft bzw zum Konsulat nicht zugemutet werden oder liegen andere „wichtige“ Gründe vor, weshalb dem Fremden das Aufsuchen der Vertretungsbehörde nicht zugemutet werden kann, gilt Abs 2 Satz 2 iVm § 22 Abs 3: Der Fremde muss nicht zur Vertretungsbehörde, sondern kann das schriftlich abgegebene Gelöbnis an die zuständige Landesregierung (§ 39) übermitteln. § 22 Abs 3 gilt auch für Fremde ohne (irgendeinen) Hauptwohnsitz. Der „Nachteil“ des schriftlichen Gelöbnisses kann in einem – im Vergleich zum mündlichen Gelöbnis – späteren Zeitpunkt des Erwerbs der Staatsbürgerschaft liegen (vgl § 23 Abs 3 Satz 2). 18 Unklar scheint, ob der Begriff „Wohnsitz“ in § 22 Abs 2 Satz 2 synonym mit dem Begriff „Hauptwohnsitz“ in Abs 2 Satz 1 ist. Da es sich hierbei – auch historisch (vgl § 22 Abs 2 Satz 2 idF BGBl 1965/250) – nicht um den Begriff „ordentlicher Wohnsitz“ handelt, sondern der Begriff „Wohnsitz“ (nur) beibehalten wurde, konnte die in Art  151 Abs  9 B-VG angeordnete Ersetzung des Begriffes durch den Begriff „Hauptwohnsitz“ mit 1.1.1996 nicht wirksam werden. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dass § 22 Abs 2 Satz 2 zum Tragen kommt, wenn einer der Wohnsitze des Fremden zu weit von der Vertretungsbehörde entfernt liege, ist uE nicht haltbar. Der Umstand, dass eine Person auch mehrere Wohnsitze haben kann, wenn sie an mehreren Orten gleichermaßen einen Mittelpunkt der Lebensinteressen aufweist, ändert nichts daran, dass sich die Ausnahme des Abs 2 Satz 2 nur auf den „Haupt468

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wohnsitz“ des Fremden im Ausland beziehen kann (vgl anderenfalls Abs 3). Da ein Mensch mehrere Wohnungen innehaben kann, sind gleichzeitig 19 auch mehrere Wohnsitze möglich. In einem solchen Fall kann der Fremde nach § 22 Abs 3 entweder das Gelöbnis schriftlich an die zuständige Landesregierung übermitteln oder mündlich vor dieser Behörde abgeben. Dieses Wahlrecht steht dem Fremden auch zu, wenn einer seiner Wohnsitze in der Nähe der österreichischen Vertretungsbehörde liegt. Die Behörde hat – ohne förmlichen Abspruch – festzustellen, ob diese Voraussetzung vorliegt; sinngemäß gilt dies auch für die Beurteilung der Vorlage einer der anderen Ausnahmen iSd Abs 2 und 3 (vgl auch Thienel aaO, 202). Unbestimmt sind die Voraussetzungen des § 22 Abs 2 Satz 2. Das Un- 20 zumutbarkeitskriterium der „Entfernung“ ist uE heute – verglichen mit den Möglichkeiten der Fortbewegung im Jahr 1965 – anders (das heißt: restriktiver) zu beurteilen. Was die „anderen wichtigen Gründen“ sein können, die es rechtfertigen, in Durchbrechung des Grundsatzes der Mündlichkeit ein Gelöbnis „schriftlich“ – das heißt: nicht eigenhändig bzw handschriftlich und auch nicht unterfertigt – abgeben zu können, kann uE nur anhand des Einzelfalles beurteilt werden (zB Krankheit, Bettlägerigkeit, Sicherheitslage).

V.  Amtshilfe Hat der Bewerber seinen Wohnsitz im Ausland, so hat die Landesregie- 21 rung, in deren Bereich die Evidenzstelle (§ 49 Abs 2) liegt, die örtlich zuständige Botschaft bzw das Konsulat um die Abnahme des Gelöbnisses zu ersuchen. Laut den EB sei diese „Hilfeleistung“ durch Art 22 Abs 1 B-VG gedeckt; das ist insofern richtig, weil Amtshilfe eine Hilfe im Einzelfall ist, die ausnahmslos ein konkretes Ersuchen voraussetzt (vgl VfSlg 17.102/2004). Wie aber Thienel aaO, 200 ff ausführt, verstößt § 22 Abs 2 gegen Art 11 Abs 1 B-VG und kann auch nicht durch Berufung auf Art 9 Abs 2 B-VG gerechtfertigt werden. Allerdings führt uE ein Verstoß gegen die verfassungsgesetzliche Verpflichtung zur Amtshilfe nicht zur Gesetzwidrigkeit der Erfüllung der Verleihungsvoraussetzung durch die Abnahme des Gelöbnisses über die ersuchte Vertretungsbehörde. Es besteht keine verfassungsrechtliche Regelung, die den Verfassungsgerichtshof ermächtigen würde, in einem solchen Fall 469

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über den behaupteten Verstoß gegen die Verpflichtung zur Amtshilfe gemäß Art 22 B-VG zu erkennen (vgl VfGH 3.10.2006, V 53/05 ua iZm einer VO; VfSlg 11.953/1989). § 22 kann uE verfassungskonform interpretiert werden, weil die im Art 22 B-VG grundgelegte gegenseitige Hilfeleistungspflicht der Bundesorgane, Länderorgane und Gemeindeorgane hier dazu dient, von österreichischen Vertretungsbehörden die Abnahme von Gelöbnissen zu „verlangen“, zu deren Vornahme sie gesetzlich nicht verpflichtet, sondern lediglich – bei Annahme des Ersuchens der zuständigen Landesregierung – ermächtigt bzw berechtigt ist. Ebenso wie in Fällen, in denen das Gesetz einen Anspruch auf Anhörung einräumt, ein solcher unter Berufung auf Art 22 B-VG geltend gemacht werden kann, ist es uE auch möglich, diese Bestimmung dazu zu verwenden, um den Kreis der für eine gesetzlich vorgesehene Anhörung vorgesehenen Behörden fakultativ zu erweitern (vgl Rz 3 und 11 f). 22 Eine von den Vertretungsbehörden geleistete Amtshilfe entfaltet für die Verleihungsbehörde keine Bindung in ihrer Entscheidung. Sie entbindet die Staatsbürgerschaftsbehörde vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Einbürgerung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ihre Entscheidung entsprechend darzustellen. IZm dem vor einer Vertretungsbehörde abgegebenen Gelöbnis beschränkt sich allerdings (aufgrund der Gelöbnisformel nach § 21 Abs 2) die Auseinandersetzung der Verleihungsbehörde idR auf die Prüfung der Niederschrift (§ 22 Abs 4), um die Ablegung des Gelöbnisses als erwiesen anzunehmen.

VI.  Niederschrift 23 §  22 Abs  4 ordnet bei mündlichen Gelöbnissen die Aufnahme einer Niederschrift „hierüber“ an. Die Niederschrift ist zwar wie der Aktenvermerk nur ein Beweismittel, hat aber strengere Formerfordernisse als der Aktenvermerk (iSd § 16) zu erfüllen (vgl § 14 AVG). Mit der Protokollierung des mündlichen Gelöbnisses ist dieses für das weitere Verfahren festgehalten. Die Behörde ist verpflichtet, das Gelöbnis niederschriftlich aufzunehmen. Wird von der Behörde keine Niederschrift aufgenommen, ist uE das mündliche Gelöbnis dennoch beachtlich. Die Nichtaufnahme einer Niederschrift verhindert also nicht das gültige Zustandekommen des – als Verleihungsvoraussetzung vorgesehenen – 470

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Gelöbnisses; die unterlassene Mitwirkung der Behörde ist insofern unbeachtlich. Unklar scheint, was die zuständige Landesregierung bzw die ermäch- 24 tigte Bezirksverwaltungsbehörde oder Vertretungsbehörde in der Niederschrift nach § 22 Abs 4 festzuhalten hat. Fraglich ist insbesondere, ob sie auch den Inhalt des Gelöbnisses schriftlich festzuhalten hat (womit der Unterschied zu einem schriftlichen Gelöbnis de facto aufgehoben wäre) oder nur die näheren Umstände (wie Ort, Datum, Personalien) iZm der Ablage des Gelöbnisses. UE ist – unbeschadet des Wortes „hierüber“ – nach § 14 Abs 1 und 2 AVG vorzugehen. Wenn eine Niederschrift Mängel (zB fehlende Behördenbezeichnung) 25 aufweist, verliert sie nicht jeglichen Beweischarakter, sie unterliegt aber gemäß §  45 Abs  2 AVG der freien Beweiswürdigung der Behörde. Ausgehend davon kann die Behörde auch dann, wenn eine Niederschrift nicht allen Erfordernissen des § 14 AVG entsprochen haben sollte, diese als Beweismittel heranziehen (VwGH 4.8.2015, 2013/06/0082). Es obliegt dann nicht der Partei, den Gegenbeweis für die Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zu führen; vielmehr hat in diesem Fall die Behörde durch geeignete Ermittlungen von Amts wegen den vollen Beweis über den Inhalt der Amtshandlung darzulegen (VwSlg 17.539 A/2008). Im Unterschied zu § 14 Abs 6 AVG legt § 4 StbV fest, dass dem Frem- 26 den „vor der Verleihung oder der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft eine Kopie der Niederschrift auszufolgen“ ist. Folglich könnte die Behörde ihrer Verpflichtung zur Wahrung des Parteiengehörs nur dadurch entsprechen, dass sie dem Fremden die Niederschrift in Kopie übermittelt bzw übergibt. UE ist allerdings die Behörde in Ermangelung einer gesetzlichen Grundlage für §  4 StbV nicht verpflichtet, dem Fremden die einen Bestandteil des Verwaltungsaktes bildende Niederschrift in Fotokopie zu übersenden bzw verletzt ein Verstoß gegen den (gesetzwidrigen) § 4 StbV nicht das Parteiengehör. Eine ordnungsgemäß aufgenommene Niederschrift ist eine öffentliche 27 Urkunde (VwGH 30.1.2007, 2006/05/0247). Sie liefert auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vollen Beweis dessen, was darin festgehalten wird, wobei allerdings der Beweis der unrichtigen Beurkundung (vgl §  15 zweiter Satz AVG) zulässig ist (VwGH 25.5.2011, 2008/08/0057). Hat der Fremde im Hinblick auf Richtigkeit bzw Vollständigkeit Bedenken, so hat er Einwendungen gegen die Niederschrift 471

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vor Unterfertigung derselben zu erheben, um zu verhindern, dass die Niederschrift vollen Beweis im Sinne des §  15 AVG liefert (vgl aber auch VwSlg 17.539 A/2008).

§ 23. (1) Der Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) ist schriftlich zu erlassen. (2) Die Staatsbürgerschaft wird mit dem im Bescheid angegebenen Zeitpunkt erworben. Dieser ist unter Bedachtnahme auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Aushändigung oder Zustellung des Bescheides nach der Kalenderzeit zu bestimmen. (3) Hat der Fremde, dem die Staatsbürgerschaft verliehen werden soll, das Gelöbnis mündlich abgelegt, so ist ihm der Bescheid im Anschluß daran auszuhändigen. Sonst ist der Bescheid derjenigen Person zuzustellen, die den Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestellt hat. [idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Nach §  62 Abs. 1 des AVG. 1950 können, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Bescheide sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden. Nach § 3 der Staatsbürgerschaftsverordnung vom 29. Oktober 1945, BGBl. Nr. 28/1946, konnten auch bisher Verleihungsbescheide nur schriftlich erlassen werden. Diese Regelung ist im Hinblick auf die Bedeutung, die der Verleihung auch dem Ausland gegenüber zukommt, gerechtfertigt und zweckmäßig und wurde daher auch in den vorliegenden Gesetzentwurf übernommen. Ebenso soll natürlich auch die Erstreckung der Verleihung nur in Schriftform erfolgen können. Da die Erstreckung der Verleihung nach § 18 nur gleichzeitig mit der Verleihung selbst verfügt werden kann, werden beide Maßnahmen mit ein und demselben Bescheid getroffen werden. Zu Abs. 2: Bisher war die Frage umstritten, ob die Verleihung der Staatsbürgerschaft rückwirkend mit dem Tage der Approbation des Verleihungsbescheides oder aber erst mit deren Aushändigung wirksam wird. Es ist daher notwendig, diese Frage auf gesetzlichem Wege zu klären. Hiebei hat wohl der überwiegende Teil der Landesregierungen vorgeschlagen, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft erst mit der Aushändigung des Bescheides wirksam werden soll. Dagegen ist aber folgendes einzuwenden: 1. In der Praxis vergeht oft geraume Zeit, bis der unterfertigte Verleihungsbescheid dem Bewerber tatsächlich ausgehändigt oder zugestellt wird. Es

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kann aber weder der entscheidungsbefugten Landesregierung noch dem Bewerber zugemutet werden, daß der Erwerbszeitpunkt mehr oder weniger durch untergeordnete Behörden oder sogar durch den Zufall bestimmt wird. 2. Wenn die Verleihung erst mit der Aushändigung des Bescheides wirksam werden soll, dann müßte der Zeitpunkt der Aushändigung auf dem Bescheid selbst ausdrücklich von einem amtlichen Organ vermerkt werden. Dies schafft aber in den Fällen Schwierigkeiten, wo der Fremde seinen Wohnsitz im Ausland hat und ihm gemäß § 23 Abs. 3 dieses Gesetzentwurfes der Verleihungsbescheid zuzustellen sein wird. In diesem Fall müßte der Verleihungsbewerber den Bescheid nach seinem Erhalt mit einer Bestätigung über den Zeitpunkt der Zustellung an das Amt der Landesregierung zurücksenden, damit diese den Zeitpunkt der Zustellung auf dem Bescheid vermerkt. Die Bundesregierung hält daher die Kompromißlösung für zweckmäßig, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft wohl mit dem hiefür im Bescheid angegebenen Zeitpunkt wirksam wird, bei dieser Festsetzung aber auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Aushändigung oder Zustellung des Bescheides Bedacht genommen werden soll. Selbstverständlich kann die Verleihung der Staatsbürgerschaft erst dann Wirkung erlangen, wenn der Verleihungsbescheid dem Fremden zugekommen ist. Er kann sich also so lange nicht auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft berufen, als ihm nicht der Verleihungsbescheid ausgehändigt oder zugestellt worden ist. Zu Abs. 3: Aus Gründen der Solennität scheint es geboten, daß einem Verleihungsbewerber, der das Gelöbnis mündlich ablegt, unmittelbar im Anschluß daran auch der Verleihungsbescheid ausgehändigt wird. Denn es würde befremden, wenn Personen, die im Verleihungsverfahren einen gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter haben, trotz mündlicher Ablegung des Gelöbnisses nicht selbst den Verleihungsbescheid erhalten, sondern dieser dem Vertreter zugestellt wird. §  21 sieht vor, daß auch Fremde, auf die die Verleihung der Staatsbürgerschaft erstreckt werden soll, das Staatsbürgergelöbnis abzulegen haben, wenn sie eigenberechtigt sind oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und nur infolge ihres Alters nicht eigenberechtigt sind. Soll also die Staatsbürgerschaft auf solche Personen erstreckt werden, so ergibt sich aus dem Zusammenhang der §§ 21 und 23 Abs. 2, daß der Verleihungsbewerber erst dann zum mündlichen Gelöbnis und damit zur Aushändigung des Verleihungsbescheides zugelassen werden kann, wenn die miteinzubürgernden gelöbnispflichtigen Familienangehörigen entweder gleichzeitig das Gelöbnis mündlich ablegen oder ihr Gelöbnis – sei es mündlich, sei es schriftlich – der Behörde bereits vorliegt. Ebenso darf in den Fällen, in denen der Verleihungsbewerber das Gelöbnis schriftlich ablegt oder dieses überhaupt entfällt, der Verleihungsbescheid erst zugestellt werden, wenn die miteinzubürgernden gelöbnispflichtigen Familienangehörigen das Staatsbürgergelöbnis bereits geleistet haben.

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Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 6 A. Aushändigung......................................................................................... 6 B. Zustellung................................................................................................ 12 III. Grundsatz der Schriftlichkeit..................................................................... 14 IV. Erwerbszeitpunkt......................................................................................... 16 Schrifttum zu § 23: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Reichel, Staatsbürgerschaft und Integration (2011); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Thienel, Meldung und Hauptwohnsitz, JRP 1999, 124 ff; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Mit der Bundesverfassung 1920 wurde der Bund für die Gesetzgebung in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten zuständig; die Vollziehung dieser Kompetenz war aber Länderaufgabe. Im Art  6 B-VG 1920 wurde der bisherige Zusammenhang zwischen Staatsbürgerschaft und Heimatrecht „umgedreht“: War bis 1920 noch die Staatsbürgerschaft Voraussetzung für das Heimatrecht, wurde durch die Bundesverfassung 1920 das Heimatrecht in einer Gemeinde eines Landes die Voraussetzung zur Landesbürgerschaft desselben Landes. Durch die Landesbürgerschaft wurde auch die Bundesbürgerschaft erworben. Diese Systematik wurde durch den Erlass des StbG 1925 einheitlich geregelt. 2 Gestützt auf die §§ 19, 20 und 25 StbG 1925 legte § 6 der Verordnung über die Bescheinigung der Landes- und Bundesbürgerschaft und über die Form der Verleihungsurkunden und Entlassungsbescheinigungen (BGBl 1925/378) fest, dass die Verleihung der Landesbürgerschaft mittels „Urkunde nach Muster Anlage 2 zu erfolgen“ hat. Die Verleihungsurkunde hatte – ebenso wie die Bescheinigung der Bundesund Landesbürgerschaft – „nicht konstitutiven, sondern bloß deklarativen Charakter“ (BGH 24.2.1938, Slg 1811 A). Allerdings wurde die Verleihung der Landesbürgerschaft nicht erst am Tag der Zustellung der Verleihungsurkunde als wirksam erachtet, sondern – wenn diese Zustellung erfolgte – (rückwirkend) an dem Tag, an dem die (rechtskräftige) Entscheidung (sprich: der Bescheid) gefällt wurde 474

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(BGH 12.11.1937, Slg 1651 A; VwSlg 2127 A/1951; VwSlg 11.044 A/1983). Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 328 lehnen – unter Hinweis auf VwGH 7.7.1948, Slg 484 A (und VwGH 11.11.1931, Slg 16.857 A) – die Auffassung des BGH, dass der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Verleihung zwar durch die Zustellung der Verleihungsurkunde bedingt ist, aber auf den Zeitpunkt der Unterfertigung der Urkunde bzw auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung durch die Landesregierung zurückwirkt, ab. Vielmehr sei für die Rechtswirkung der Zeitpunkt der Erlassung maßgebend; dieser sei entweder durch die Verkündung oder durch die schriftliche Zustellung bestimmt. Aus dem Datum, womit jeder Bescheid nach § 18 Abs 4 AVG zu versehen ist, sei lediglich zu entnehmen, wann das Verwaltungsorgan, mit dessen Unterschrift der Bescheid versehen ist, den Bescheid genehmigt habe, ansonsten sei es aber rechtlich bedeutungslos. Ähnlich wie §  6 der Verordnung (BGBl 1925/378) legte auch §  3 3 StbV 1945 (BGBl 1946/28) fest, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft „durch Aushändigung einer nach dem als Anlage 2 abgedruckten Muster ausgefertigten Urkunde zu vollziehen“ ist. In diesem Zusammenhang weisen Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 369 darauf hin, dass ungeachtet der Bezeichnung dieser Erledigung als „Urkunde“ ihre Ausstellung die Erlassung eines Bescheides impliziere; vgl dazu auch §  5 (arg „Beurkundung“) iVm §  6 StbV 1945 (arg „Bescheide“). Unbestritten ist, dass bis zum StbG 1965 der Erwerb der Staatsbürger- 4 schaft durch die Aushändigung der Verleihungsurkunde bedingt war. Hierbei hinderte das Fehlen der Bezeichnung als Bescheid die Qualifikation der „Urkunde“ als solchen nicht. Deutlich ist – uE bereits nach dem StbG 1925 iVm der Verordnung (BGBl 1925/378) – erkennbar gewesen, dass die Behörde den (objektiv erkennbaren) Willen hatte, gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung der Verwaltungsangelegenheit durch Verleihung der Landes- bzw Staatsbürgerschaft vorzunehmen. Wegen dieser deutlichen Erkennbarkeit war die ausdrückliche Bezeichnung der Erledigung als Bescheid nicht essentiell. An dem Gebot der Schriftlichkeit hielt auch §  23 StbG 1965 (bzw 5 der durch die WV unverändert gebliebene §  23 idgF) fest. Die EB nehmen hierbei auf §  3 StbV 1945 Bezug, sprechen aber nicht von 475

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„Urkunden“, sondern von „Verleihungsbescheiden“. § 23 Abs 1 StbG 1965 dient der Rechtsklarheit (vgl auch Thienel aaO, 274), indem einerseits die bis dahin fehlende Bescheidbezeichnung iZm der Verleihung und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft betont (vgl auch den dabei verwendeten Vordruck gemäß § 4 StbV 1966 iVm Anlage 2) und andererseits die bis dahin schon bestehende Schriftlichkeit – wegen der in §  62 Abs  1 AVG vorgesehenen Möglichkeit der schriftlichen oder mündlichen Bescheidverkündung – bestätigt wurde. Die durch die Rechtsprechung verursachte Divergenz über den Erwerbszeitpunkt der Staatsbürgerschaft (vgl Rz  2) wurde durch einen von der Bundesregierung gefassten „Kompromiss“ zwischen Politik und Praxis gelöst. Die „Kompromißlösung“ (EB) besteht darin, dass mit dem im Bescheid angegebenen Zeitpunkt die Staatsbürgerschaft wirksam erworben wird (§ 23 Abs 2 Satz 1), dieser aber „unter Bedachtnahme“ auf den „voraussichtlichen“ Zeitpunkt der Aushändigung oder Zustellung des Bescheides im Bescheid festzulegen ist (§  23 Abs  2 Satz 2), wobei mit dem Ausdruck „Bedachtnahme“ die Pflicht der Behörde zur Bestimmung des Zeitpunkts zu verstehen ist. § 23 Abs 3 Satz 1 steht iZm § 21 (und § 22 Abs 1 und Abs 2 Satz 1) und schreibt der Behörde vor, den Verleihungsbescheid im Anschluss an das mündlich abgelegte Gelöbnis dem Fremden auszuhändigen. Die EB begründen diese Aushändigung mit dem mit einem mündlichen Gelöbnis verbundenen „Pathos“ (arg „Solennität“). UE überzeugt diese (schwammige) Begründung nicht (zumal die Praxis der Verleihung im „feierlichen Rahmen“ unterschiedlich ist); insbesondere iZm Personen, die Vertreter haben, ist nicht nachvollziehbar, warum nach Abs 3 die gesetzlichen bzw vertraglichen Regelungen über die Vertretung nicht gelten sollen, wenn unmittelbar davor, der Fremde gelobt hat, die „Gesetze stets gewissenhaft [zu] beachten“ und im StbG die Ausführungen der EB keine Deckung finden. § 23 Abs 3 Satz 2 knüpft an die Fälle (i) der schriftlichen Übermittlung des Gelöbnisses iSd § 22 Abs 2 Satz 2 bzw Abs 3 und (ii) der Ausnahmen von der Ablegung des Gelöbnisses iSd § 21 Abs 2 an. Ist ein Gelöbnis von dem dazu verpflichteten Fremden nicht abgelegt worden und ist der Fremde eigenberechtigt bzw über 18 Jahre, darf der Verleihungsbescheid nicht ausgehändigt bzw zugestellt werden; die Staatsbürgerschaft darf in solchen Fällen mangels Vorliegen einer Verleihungsvoraussetzung (Gelöbnis) nicht verliehen werden (Goldemund/ Ringhofer/Theuer aaO, 124). 476

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II.  Begriffe A.  Aushändigung §  23 Abs  2 unterscheidet iZm der Übermittlung des Verleihungsbe- 6 scheides zwei Arten: die unmittelbare Ausfolgung iSd §  24 ZustG durch Aushändigung und die physische Zustellung iSd §§ 13 ff ZustG. Legt der Fremde das Gelöbnis mündlich vor der Landesregierung, der BVB oder der Vertretungsbehörde ab, so ist ihm unmittelbar danach der Bescheid auszuhändigen. Der Fremde erwirbt die Staatsbürgerschaft nicht mit der Aushändigung des Bescheides; wirksam wird die Staatsbürgerschaft durch den im Bescheid angegebenen Zeitpunkt. Der Aushändigung selbst kommt weder deklaratorische noch konstitutive Wirkung zu; der „Moment“ der Aushändigung dient lediglich der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Verleihung der Staatsbürgerschaft wirksam werden soll. Der Fremde hat im Fall des § 23 Abs 3 Satz 1 einen Anspruch auf Aus- 7 händigung des Verleihungsbescheides. Die Aushändigung lediglich einer Kopie einer Bescheidausfertigung ist keine rechtswirksame Zustellung iSd § 24 ZustG an die (einzige) Partei des Verfahrens, weil es sich nicht um die Ausfolgung eines bereits versandbereiten, gemäß einer behördlich erfolgten Zustellverfügung an eine bestimmte Person, den Empfänger, gerichtetes Schriftstück handelt. Es mangelt daher an einem Bescheid iSd Art 131 Abs 1 B-VG (vgl VwGH 27.5.1999, 99/02/0083). Das Fehlen einer schriftlichen Übernahmebestätigung berührt nur die 8 Frage des Nachweises der Bescheidausfolgung, führt jedoch nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Zustellung durch Ausfolgung (VwGH 25.2.1993, 92/18/0462). § 24 ZustG stellt bloß auf die tatsächliche Anwesenheit des Empfängers unmittelbar bei der übergebenden Dienststelle ab. Aus welchem Grund der Empfänger bei der Dienststelle anwesend ist, hat demnach für den Zustellvorgang keine rechtliche Bedeutung (VwSlg 15.746 A/2001); folglich ist nicht entscheidend, in welchem Rahmen der Fremde das Gelöbnis vor der Behörde abgibt. Die Ausfolgung hat durch jene Behörde zu erfolgen, vor der das Gelöb- 9 nis mündlich abgelegt wurde. Der Bescheid ist – vgl Thienel aaO, 275 – durch Intimation (durch die BVB oder die ersuchte Vertretungsbehörde) zu erlassen. Eine dadurch bewirkte Verfassungswidrigkeit in Bezug auf die Vertretungsbehörden im Ausland wegen Einräumung 477

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der Kompetenz zur Mitwirkung an der hoheitlichen Vollziehung des StbG, was wegen Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG unzulässig ist (vgl § 22 Rz 3 und 11 f), ist uE ohne Relevanz, weil auf Grundlage der verfassungskonformen Interpretation des § 22 (vgl § 22 Rz 21) die Ermächtigung zur Ausfolgung von Schriftstücken gemäß § 24 ZustG nicht auf die von der ausfolgenden Behörde zu erlassenden Bescheide beschränkt ist (vgl auch VwGH 25.4.1997, 95/19/0897). 10 Der Erwerbszeitpunkt der Staatsbürgerschaft ist im Voraus nach der „Kalenderzeit“ zu bestimmen. Was der Gesetzgeber darunter versteht ist unklar; Rechtsprechung zum Begriff „Kalenderzeit“ fehlt. UE stellt der Gesetzgeber damit auf Kalendertage, also offensichtlich auf die kalendarisch durchgehend aufeinanderfolgenden Tage eines Jahres ab, und nicht auf (international unterschiedliche) „Arbeitstage“ oder „Werktage“, was iZm den Vertretungsbehörden im Ausland zweckmäßig sein kann. 11 Entgegen Thienel aaO, 275 ist der Bescheid dem Fremden nicht auszuhändigen, wenn er noch nicht eigenberechtigt ist und im Verfahren durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten wurde. In diesem Fall kommt uE eine Aushändigung nicht in Frage, weil wegen des Fehlens der Eigenberechtigung das Ablegen eines mündlichen Gelöbnisses durch den Fremden unwirksam ist (vgl § 21 Rz 6). Nicht eigenberechtigten Fremden – insbesondere Minderjährigen (die EB nehmen davon nur nicht eigenberechtigte Personen über 18 Jahre aus) – kann der Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur schriftlich zugestellt werden.

B.  Zustellung 12 Wenn ein schriftliches Gelöbnis abgegeben wird (vgl § 22 Abs 3), ist der Verleihungsbescheid zuzustellen; der Fremde hat hierauf einen Rechtsanspruch. Ob eine Zustellung zu eigenen Handen iSd §  22 AVG zu bewirken ist (die Rechtsprechung ist diesbezüglich sehr restriktiv – vgl VwGH 29.10.2015, 2013/07/0102), weil besonders wichtige Gründe vorliegen (die EB heben die Bedeutung der Verleihung der Staatsbürgerschaft hervor), ist uE fraglich. Ist der Fremde nicht vertreten, so hat die Zustellung des Bescheids an dessen „Abgabestelle“ (insbesondere Wohnung bzw Unterkunft – vgl VwSlg 17.870 A/2010) zu erfolgen (vgl § 2 Z 4 ZustG). Ist der Fremde, für den der zuzustellende Bescheid in478

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haltlich bestimmt ist (Empfänger im materiellen Sinn), durch eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person vertreten, so ist deren Kanzlei ausschließliche Abgabestelle. In einer solchen Konstellation ist der berufsmäßige Parteienvertreter Empfänger (im formellen Sinn) nach § 2 Z 1 ZustG (vgl VwGH 7.3.2016, Ra 2015/02/0233). Hat der Fremde der Behörde eine unrichtige Abgabestelle angegeben, 13 hat er die ihm aus einer Zustellung an diese unrichtige Abgabestelle erwachsenden Rechtsnachteile selbst zu vertreten (vgl VwGH 14.8.1991, 90/17/0327, mwN). Theoretisch könnte auch eine Zustellung am Ort der Amtshandlung gemäß § 2 Z 4 ZustG erfolgen; diese setzt voraus, dass es sich zum einen um eine hoheitliche Amtshandlung handelt, in deren Verlauf zugestellt werden soll, und zum anderen, dass der Empfänger bei dieser Amtshandlung anwesend ist.

III.  Grundsatz der Schriftlichkeit § 23 Abs 1 sieht – abweichend von § 62 Abs 1 AVG – zwingend die 14 schriftliche Erlassung des Bescheides „über die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung)“ vor. Wie Thienel aaO, 274 unter Hinweis auf die EB und § 3 StbV 1945 ausführt, bezieht sich das Gebot der Schriftlichkeit des Bescheides nur auf die Verleihung, nicht aber auf deren Verweigerung. Das heißt, die Schriftform (vgl Anlagen 1 und 2 der StbV) ist für stattgebende, nicht aber für abweisende Bescheide vorgeschrieben. Abweisende Bescheide sind nach der allgemeinen Bestimmung des AVG zu erlassen. Da die schriftliche Form eines Bescheides ausdrücklich in § 23 Abs 1 15 vorgeschrieben ist, hat eine „Bescheiderlassung“ in anderer, etwa mündlicher Form, keine Rechtswirkungen und das Verfahren ist nicht durch Bescheid abgeschlossen. Hat sich die Behörde zB beim Namen des Fremden verschrieben (vgl VwGH 18.11.2003, 2001/05/0244; VwGH 13.11.1973, 781/73, VwSlg 8496 A/1973; VwGH 20.1.1992, 91/10/0095), liegt ein jederzeit berichtigungsfähiger „Schreibfehler“ iSd § 62 Abs 4 AVG vor; die Berichtigung der Parteienbezeichnung ist grundsätzlich zulässig (unzulässige ist das Auswechseln der Partei). Ebenso können Abschreibfehler (und Fehler, die auf derartigen berichtigungsfähigen Schreibfehlern beruhen) grundsätzlich einen berichtigungstauglichen Schreibfehler darstellen (vgl VwGH 28.2.1995, 94/14/0139). 479

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IV.  Erwerbszeitpunkt 16 Die Erlassung eines schriftlichen Bescheides hat dessen Zustellung (oder Ausfolgung gemäß §  24 ZustG) zur Voraussetzung. Erst wenn eine rechtswirksame Zustellung vorliegt, ist der Bescheid erlassen (VwGH 29.4.2010, 2008/21/0589). Wird der Bescheid vor dem darin angegebenen Zeitpunkt ausgehändigt oder zugestellt, so wird die Staatsbürgerschaft (erst) in dem bescheidmäßig festgesetzten Zeitpunkt erworben; wird er nach diesem Tag ausgehändigt oder zugestellt, so wird die Staatsbürgerschaft am Tag der Aushändigung (Zustellung) mit Rückwirkung auf den bescheidmäßig festgesetzten Zeitpunkt erworben (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 123). 17 „Erlassung“ eines Bescheides bedeutet Erzeugung einer Rechtsnorm bestimmter Art; als Norm rechtlich existent wird ein intendierter Bescheid daher nur und erst dann, wenn das Erzeugungsverfahren abgeschlossen, das heißt, wenn das zeitlich letzte Erzeugungstatbestandsmerkmal – das ist in der Regel die Mitteilung des behördlichen Willensaktes nach außen – verwirklicht worden ist. Ein (schriftlicher) Bescheid iSd § 23 ist erst mit der Zustellung bzw Ausfolgung seiner schriftlichen Ausfertigung an den Fremden als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (vgl VwGH 18.2.1988, 88/09/0002; VwGH 20.3.2001, 2000/11/0336). 18 Ein Berichtigungsbescheid gemäß §  62 Abs  4 AVG bildet mit dem von ihm berichtigten Bescheid eine Einheit. Fraglich könnte sein, ob es sich bei einem Verschreiben iZm dem Zeitpunkt iSd §  23 Abs  2 („Zahlendreher“) noch um einen offenkundigen Schreibfehler handelt (oder dieser Fehler nicht mehr bloß eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit ist), der gemäß § 62 Abs 4 AVG verbesserungsfähig ist (zur Grenze der Berichtigung vgl VwGH 21.2.2013, 2011/06/0161; allgemein zur klaren Erkennbarkeit eines Versehens vgl VwGH 29.4.2011, 2010/12/0115; zum Berichtigungsfall aus „EDV-Gründen“ vgl VwGH 9.9.2010, 2006/20/0446); uE kommt eine bescheidmäßige Verbesserung jedenfalls in Frage, wenn der Fehler erkennen lässt, was gemeint ist. UE erfolgt eine Berichtigung auch immer rückwirkend auf den Zeitpunkt der Erlassung des berichtigten Bescheides. Ein berichtigender Bescheid tritt – soweit sein Inhalt reicht – an die Stelle des berichtigten Bescheides. Ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der Formulierung im Bescheid um einen bloßen Schreibfehler handelt, der gemäß §  62 Abs  4 AVG berichtigungsfähig ist, ist der 480

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Bescheid schon vor der Berichtigung in der richtigen Fassung zu lesen. § 62 Abs 4 AVG ist eine Verfahrensvorschrift. § 62 Abs 4 AVG ge- 19 währt daher kein absolutes Recht, welches bereits dann verletzt ist, wenn ein Bescheid ergeht, der nicht den Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle entspricht; vielmehr stellt eine Verletzung des § 62 Abs 4 AVG nur dann eine Verletzung subjektiver Rechte einer Partei dar, wenn dadurch gleichzeitig in materielle Rechte der Partei eingegriffen wird (VwGH 13.4.2000, 99/07/0203). Gemäß §  62 Abs  4 AVG kann eine Berichtigung „jederzeit“, somit ohne zeitliche Beschränkung, erfolgen (VwGH 19.12.2013, 2013/07/0155). Wird ein Berichtigungsbescheid aufgehoben, entfaltet der berichtigte Bescheid wieder seine volle Rechtswirksamkeit (VwGH 21.2.2013, 2011/06/0162). Zur Berichtigung ist die Behörde zuständig, die den zu berichtigenden 20 Bescheid erlassen hat (vgl VwGH 25.3.1994, 92/17/0133). Da – unbeschadet vor welcher Behörde das Gelöbnis abgelegt wird und ob eine BVB oder eine dazu ersuchte Vertretungsbehörde den Bescheid aushändigt – nur die Landesregierung zur Bescheiderlassung zuständig sein kann (vgl §  39 Abs  1), können auch Berichtigungsbescheide nur von dieser Behörde erlassen werden.

§  24. Die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens darf aus den im § 69 Abs. 1 Z 2 und 3 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, genannten Gründen nur bewilligt oder verfügt werden, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird. [idF BGBl I 1998/124] EB zu BGBl 250/1965 Nach Artikel 8 Abs. 1 der UN-Konvention, betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit, dürfen die Vertragsstaaten einer Person grundsätzlich die Staatsbürgerschaft nicht aberkennen, wenn diese Person durch die Aberkennung staatenlos würde. Als Ausnahme von diesem Grundsatz ist jedoch unter anderem der Fall zugelassen, in dem „die Staatsbürgerschaft durch falsche Angaben oder Betrug erworben wurde“ (Artikel 8 Abs. 2 lit. b). Dieser Tatbestand entspricht im wesentlichen wohl der lit. a des § 69 Abs. 1 AVG. 1950 (Erschleichen eines Bescheides), nicht aber denen der lit. b (nachträgliches Hervorkommen neuer Tatsachen oder Beweismittel) und der lit. c (andere Entscheidung einer Vorfrage durch die hiefür zuständige Behörde). Da aber die Bewilligung oder die

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Verfügung der Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens „ex tunc“-Wirkung hat, wird der Verleihungsbescheid hiedurch rückwirkend aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat wohl in seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1947, Slg. Nr. 153 A, ausgesprochen, daß es sich im wiederaufgenommenen Verleihungsverfahren nicht um die Aberkennung der Staatsbürgerschaft, sondern um eine neuerliche Entscheidung über die Verleihung handelt. Vom Standpunkt der UNKonvention betrachtet muß aber der tatsächliche Effekt der Wiederaufnahme einer Entziehung der Staatsbürgerschaft gleichgestellt werden. Hiedurch kann aber der Betroffene staatenlos werden. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht daher zur Anpassung des innerstaatlichen Rechtes an die UN-Konvention vor, daß die Wiederaufnahme eines Verleihungsverfahrens aus den in §  69 Abs. 1 lit. b und  c des AVG. 1950 genannten Gründen nur bewilligt oder verfügt werden kann, wenn der Betroffene hiedurch nicht staatenlos wird. EB zu BGBl I 124/1998 [Keine Erwähnung in EB] Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Voraussetzungen.......................................................................................... 7 III. Wiederaufnahmegründe.............................................................................. 10 IV. Rechtswirkung............................................................................................. 13 Schrifttum zu § 24: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 69 (Stand 1.1.2014, rdb.at); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Bis zum StbG 1965 gab es keine – mit § 24 idgF vergleichbare – Regelung für ein „sanierungsbedürftiges“ Verfahren. § 17 Abs 1 StbG 1925 sah lediglich die (jederzeit durch Amtsbeschwerde an den VwGH geltend zu machende) Nichtigkeit von Bescheiden im Fall des Widerspruchs gegenüber „materiell-rechtlichen Bestimmungen dieses Gesetzes oder zwischenstaatlichen Verträgen“ vor. Auch der dem § 17 Abs 1 StbG 1925 nachempfundene § 13 Abs 3 StbG 1949 (idF BGBl 1949/142) beschränkte sich auf die – im Vergleich zu § 68 Abs 4 AVG speziellere – Nichtigerklärung von Bescheiden iZm der Staatsbürgerschaft (kritisch dazu Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 357 f); vgl auch die allgemeine Anwendung des §  69 iZm StbG 1945 bejahend VwSlg 827 A/1949. 482

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Da die UN-Konvention von 1954 [Übereinkommen zur Verminderung 2 der Staatenlosigkeit (BGBl 1974/538 idF BGBl 2016/179)] bis zur Ratifizierung im Jahr 2008 (vgl BGBl III 2008/81) in Österreich nicht in Rechtskraft und somit völkerrechtlich nicht gültig war, hätte der Gesetzgeber des StbG 1965 auf die § 69 Abs 1 AVG einschränkende Regelung des § 24 verzichten können. Ungeachtet der erst seit 2008 zu gewährleistenden innerstaatlichen Einhaltung haben das StbG 1965 und das (wiederverlautbarte) StbG idF BGBl 1985/311 (Stammfassung) Art 8 Abs 2 lit b der UN-Konvention umgesetzt, indem (i) § 69 Abs 1 Z 1 AVG ohne Einschränkung und (ii) § 69 Abs 1 Z 2 und 3 AVG mit der Einschränkung, dass der Fremde „hierdurch“ – sprich: durch die dadurch bedingte Entziehung – nicht staatenlos wird. Das im Rahmen des Europarates aufgelegte Europäische Übereinkommen über Staatsangehörigkeit (vgl BGBl III 2000/39) gestattet in Art 7 Abs 1 lit b einen Verlust der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates unter anderem für den Fall, dass diese in einer dem Antragsteller zurechenbaren Weise durch arglistiges Verhalten, falsche Angaben oder Verschleierung einer erheblichen Tatsache erworben wurde, erstreckt in Art 7 Abs 2 diese Verlustmöglichkeit auch auf Kinder des Antragstellers, und nimmt in Art 7 Abs 3 diese Fallkonstellation von dem Verbot eines Staatsangehörigkeitsverlusts, der zur Staatenlosigkeit führt, aus. Darin, dass Staatenlosigkeit in diesem Übereinkommen gerade für den Fall der Rücknahme erschlichener Einbürgerungen ausdrücklich hingenommen wird, liegt keine bloße Zufälligkeit des Völkerrechts, sondern ist Ausdruck der „Selbstbehauptung“ des Rechts. Schutz vor Staatenlosigkeit in §  24 knüpft uE entstehungsgeschichtlich an entsprechende Bestrebungen der internationalen Gemeinschaft an. Das bedeutet, dass dieser Schutz in seiner Reichweite von vornherein auf den diesbezüglichen Stand des Völkerrechts beschränkt ist. Für eine derart einschränkende Auslegung spricht der Umstand, dass das Anliegen, Staatenlosigkeit zu vermeiden, zur Zeit der Entstehung des § 24 im Jahr 1965 bereits völkerrechtliche Gestalt angenommen hatte, die einer solchen Auslegung zugrunde gelegt werden konnte (vgl auch EB). Die EB verweisen iZm § 69 Abs 1 AVG auf Art 8 Abs 2 lit b der UN- 3 Konvention. Demnach kann einer Person die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats entzogen werden, „wenn die Staatsangehörigkeit durch falsche Angaben oder betrügerische Handlungen erworben worden ist“. Nach dem Willen des Gesetzgebers entspricht Art  8 Abs  2 lit b der 483

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UN-Konvention „im wesentlichen“ lit a des § 69 Abs 1 AVG. Präzisierend für eine derartige – bei Vergleich der Wortlaute unscharfe – Entsprechung haben die EB zu § 69 Abs 1 AVG in Klammer das „Erschleichen eines Bescheides“ gesetzt. Art 8 Abs 2 lit b der UN-Konvention steht iZm dem Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit (Art 8 Abs 1 der UN-Konvention). Diesem Verbot steht die Rücknahme einer durch Täuschung erwirkten rechtswidrigen Einbürgerung nicht grundsätzlich entgegen. Der in Art 8 Abs 1 der UN-Konvention verankerte Schutz vor Staatenlosigkeit verbietet die Rücknahme einer solchen Einbürgerung nicht in jedem Fall, in dem der Betroffene durch eine gegen seinen Willen erfolgende Rücknahme staatenlos wird. 4 Die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 69 AVG) eröffnet die Möglichkeit, die Rechtskraft des Verleihungsbescheides zu beseitigen und das besondere Mängel anhaftende Verfahren neuerlich in Gang zu bringen, um in derselben Sache einen neuerlichen Bescheid zu erlassen. Die Wiedereröffnung kann aber nicht (mehr) erreicht werden, wenn der das Verfahren rechtskräftig abschließende Bescheid durch Erkenntnis des VwGH beseitigt wurde (vgl VwGH 4.12.1998, 95/19/1251). Faktisch wirkt damit die Wiederaufnahme wie eine (unfreiwillige) Entziehung der Staatsbürgerschaft (vgl auch Thienel aaO, 278). Das dem Institut der Wiederaufnahme zugrunde liegende und dieses rechtfertigende Ziel ist es, ein insgesamt rechtmäßiges Ergebnis zu erreichen (VfSlg 11.635/1988; 12.566/1990). Innerhalb der durch die Wiederaufnahmegründe abgesteckten Grenzen rangiert das Prinzip der Rechtsrichtigkeit vor der Rechtssicherheit. 5 Der Vorrang der Richtigkeit vor der Sicherheit kann uE durch den im „Erschleichen“ gelegenen – besonderen – Unwert gerechtfertigt werden. § 24 sorgt vor, dass die missbräuchlich erworbene Rechtsposition nicht belassen wird, ohne dadurch ein berechtigtes Vertrauen des Betroffenen und das Vertrauen Dritter, die sich im Verfahren ihrer Einbürgerung solche Missbräuche nicht haben zuschulden kommen lassen, zu beeinträchtigen bzw zu beschädigen. Auch eine Diskriminierung liegt angesichts des „guten“, vom Betroffenen selbst gesetzten Grundes für die Wiederaufnahme offensichtlich nicht vor. § 24 trägt somit der Rechtssicherheit und -klarheit genüge, kann doch ein Betroffener anhand dieser Vorschrift die Folge (Entziehung) voraussehen. In einem solchen Fall steht dem Täuschenden kein schützenwertes Vertrauen zu, sodass das rechtsstaatliche Interesse an der Wiederherstellung rechtmä484

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ßiger Zustände regelmäßig überwiegt. Es spricht uE Überwiegendes dafür, dass eine Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die Verlässlichkeit des mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft begründeten Zugehörigkeitsverhältnisses dann ausscheidet, wenn der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch bewusstes Fehlverhalten des Betroffenen erwirkt wurde. Die Wiederaufnahme nach §  24 bezieht sich auf „Verleihungsverfah- 6 ren“. Entscheidend ist, dass ein stattgebender oder abweisender Bescheid, mit dem das Verfahren abgeschlossen wurde, dessen Wiederaufnahme begehrt oder verfügt wird, in formelle Rechtskraft erwachsen ist (vgl VwGH 21.2.1995, 94/20/0015; VwGH 28.2.2008, 2007/06/0276; vgl auch VfSlg 4998/1965); es darf – wie es in §  69 Abs  1 erster Satz AVG heißt – „ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig“ sein (vgl VwGH 1.7.1992, 88/13/0068; VwGH 16.2.1994, 90/13/0011). Praktisch ist eine Wiederaufnahme iZm abweisenden Bescheiden ohne Bedeutung, weil durch die Abweisung kein Recht begründet wird, das durch die Wiederaufnahme wegfallen könnte (vgl Thienel aaO, 277). Die Abänderung von Bescheiden aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, ist nach § 68 Abs 2 AVG nicht an die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG gebunden (VwGH 12.3.2002, 2001/18/0119).

II.  Voraussetzungen Welche gesetzlichen Wiederaufnahmegründe durch einen konkreten 7 Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden sollen, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei, bei der Wiederaufnahme von Amts wegen die für die Entscheidung über die Wiederaufnahme zuständige Behörde. Liegt ein von einer BVB oder einer Vertretungsbehörde im Ausland an den Fremden ausgehändigter Bescheid vor, hat die Landesregierung (vgl auch VwGH 17.11.1982, 1096/79), der der Bescheid zuzurechnen ist, über die Wiederaufnahme zu entscheiden. Das (amtswegige) Wiederaufnahmeverfahren kommt zum Tragen, 8 wenn das maßgebliche Fehlverhalten des Fremden im Zeitpunkt der Erlassung des Zusicherungsbescheides bereits vorgelegen hatte. Der Umstand, dass der Staatsbürgerschaftsbehörde zB eine Straftat bei Erlassung des Zusicherungsbescheides nicht bekannt war, kann daher Anlass zu einer Wiederaufnahme des Zusicherungsverfahrens geben (nicht 485

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ausreichend: Unterlassung objektiv unrichtiger Angaben – vgl VwGH 28.10.2009, 2007/01/0990). Hingegen würde in einem solchen Fall § 20 Abs  2 keine Grundlage für den Widerruf einer Zusicherung und die gleichzeitige Abweisung eines Verleihungsantrages bieten (vgl VwGH 30.8.2005, 2004/01/0444). 9 Sämtliche Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens sind vom Wiederaufnahmswerber aus eigenem Antrieb in seinem Antrag konkretisiert und schlüssig darzulegen. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren. Nach dem Wortlaut des § 69 Abs 3 AVG kann die Wiederaufnahme nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs 1 Z 1 (wenn der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist) stattfinden. Es wird also klar auf die „Erlassung des Bescheides“ und nicht etwa auf den Eintritt der formellen Rechtskraft abgestellt.

III.  Wiederaufnahmegründe 10 Im Gegensatz zur gerichtlich strafbaren Handlung wird vom Erschleichen eines Bescheides iSd § 69 Abs 1 Z 1 AVG gesprochen, wenn der Bescheid seitens der Partei durch eine vorsätzliche (also schuldhafte), verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsunterlagen veranlasst wird (VwGH 8.9.1998, 98/08/0090; VwGH 7.9.2005, 2003/08/0171). Nach Ansicht des VwGH kann eine Erschleichung nur von der Partei oder ihrem Vertreter vorgenommen werden, da im Tatbestand „Erschleichen“ ein „Sichzuwenden“ liegt, wofür jedenfalls die Behörde (oder ein Dritter) nicht in Betracht kommt (VwGH 19.2.1992, 91/12/0296; VwGH 8.11.1995, 93/12/0178; VwGH 28.9.2000, 99/09/0063). Der VwGH rekurriert bei dieser Auslegung auf §  530 Abs  1 Z  3 ZPO, der von strafbaren Betrugshandlungen des Gegners oder eines Parteienvertreters spricht (VwGH 19.2.1992, 91/12/0296). Das „Erschleichen“ eines Bescheides liegt dann vor, wenn dieser in der Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei das Verschweigen wesentlicher 486

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Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offen stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides iSd § 69 Abs 1 Z 1 AVG zu werten (VwGH 28.10.2009, 2007/01/0990). Die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs 1 Z 1 AVG setzt nicht voraus, dass die Person, zu deren Gunsten sich die gefälschte Urkunde ausgewirkt hat, diese Fälschung veranlasst oder hiervon Kenntnis gehabt hat (VwGH 30.8.2005, 2003/01/0416). Der Tatbestand des § 69 Abs 1 Z 1 AVG kann iS eines Verschweigens nicht verwirklicht sein, wenn der Fremde bei einer Vernehmung bezüglich Straftaten nicht befragt wurde (vgl auch VwGH 22.4.1998, 97/01/0772); anders im Fall des Verschweigens der Zugehörigkeit zu einem ausländischen Nachrichtendienst vgl VwGH 16.1.1985, 82/01/0118 (vgl § 11a Rz 36). Wird das mit Bescheid abgeschlossene Staatsbürgerschaftsverfahren gemäß § 69 Abs 1 Z 1 iVm Abs 3 AVG zum Zeitpunkt vor Zusicherung der Verleihung wieder aufgenommen und das (alte) Ansuchen auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß „§  10 ff StbG“ abgewiesen, begründet der Zeitraum von sechs Jahren zwischen dem (ursprünglichen) Verleihungszeitpunkt und der Erlassung des abweisenden Bescheides für sich nicht die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme der Entziehung einer erschlichenen Staatsbürgerschaft (vgl Fasching aaO, 27; VwGH 17.12.2013, 2013/01/0138: diese zu einem Zeitraum von mehr als sieben Jahren; VwGH 15.12.2015, Ro 2015/01/0002). In Fällen, in denen Verlust oder Entzug der Staatsbürgerschaft Personen staatenlos macht, hat der Staat jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen seinem verfolgten Ziel und den Folgen für Betroffene zu wahren. Im Rahmen des Unionsrechts hat der EuGH im Fall Janko Rottman versus Freistaat Bayern entschieden, dass Entscheidungen, einer Person die Staatsbürgerschaft wegen Betrugs zu entziehen, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu genügen haben. Dabei ist unter anderem auf die Schwere des Verstoßes verglichen mit den Konsequenzen eines Entzugs der Staatsbürgerschaft im Hinblick auf den Verlust von Rechten, die Zeitspanne zwischen Einbürgerung und Ent487

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zug sowie die Möglichkeit des Wiedererwerbs der Staatsbürgerschaft Bedacht zu nehmen (vgl EuGH 2.3.2010, C-135/08). 11 Nach dem die Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens betreffenden § 69 Abs 1 Z 2 AVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) oder neu hervorgekommene Beweismittel – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhaltes in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen. Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467). Ein Abgehen von einem rechtskräftigen Bescheid außerhalb einer Wiederaufnahme rechtfertigt ein neu hervorgekommener, bereits bei Erlassung des rechtskräftigen Bescheides vorhandener Sachverhalt aber nicht (VwSlg 15.402 A/2000). „Tatsachen“ sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit „Beweismittel“ sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint. Eine gerichtliche Entscheidung ist weder eine Tatsache noch – für sich – ein Beweismittel iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG (vgl VwGH 29.1.2008, 2006/05/0232). Eine Wiederaufnahme nach §  69 Abs  1 Z  2 AVG setzt keine Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wieder aufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte (VwSlg 16.724 A/2005). Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft. Ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wieder aufgenommenen Verfahren zu entscheiden (vgl VwGH 13.12.2002, 2001/21/0031). Von einem in diesem Sinn wahrscheinlich anders lautenden Ergebnis kann ausgegangen werden, wenn die die Staatsbürgerschaft vorerst verleihende Behörde bei Kenntnis der genannten Tathandlungen (iZm Verbrechen nach §  209 StGB vgl VwSlg 16.724 A/2005) gemäß § 84 Abs 1 StPO zur Anzeige an eine Staatsanwaltschaft oder Sicherheitsbehörde verpflichtet gewesen wäre und diese Anzeige vermutlich die Einleitung eines gerichtlichen Strafverfahrens zur Folge gehabt hätte (vgl VwGH 4.4.2001, 2000/01/0135). 488

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Der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs 1 Z 3 AVG setzt Identität des 12 Rechtsfalles voraus (vgl VwGH 2.7.1948, 1049/47, VwSlg 475 A/1948). Der Vorfragentatbestand des § 69 Abs 1 Z 3 AVG ist nur dann erfüllt, wenn die Entscheidung der zuständigen Behörde (des Gerichtes) dieselbe Rechtsfrage betrifft, die von der Verwaltungsbehörde als Vorfrage beurteilt worden ist, diese Vorfrage nunmehr von der hierfür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden worden und außerdem gegenüber den Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens bindend geworden ist (vgl VwGH 14.9.2005, 2005/08/0148). Eine Vorfrage iSd §  38 AVG ist ein dem Sachverhalt angehöriges, vorweg zu klärendes rechtliches Element des konkreten zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles, dessen Beantwortung ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die zu treffende Entscheidung der Hauptfrage liefert (VwGH 2.7.1948, 1049/47, VwSlg 475 A/1948; VwGH 9.3.1949, 691/48, Slg 728 A/1949; VwGH 14.2.1956, 3050/54, VwSlg 3974 A/1956; VwSlg 7632 A/1969). § 69 Abs 1 Z 3 AVG ist nicht so auszulegen, dass das Hervorkommen einer Entscheidung eines innerstaatlichen Höchstgerichtes eine Berechtigung zur Wiederaufnahme all jener rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vermittelt, in denen die gleiche Rechtsfrage abweichend beantwortet worden ist (vgl VfGH 22.6.2009, G 5/09 ua, VfSlg 18.797; VwGH 12.9.2013, 2013/21/0106). Auch das Hervorkommen einer Entscheidung des EuGH vermittelt weder eine Berechtigung zur Wiederaufnahme von (rechtskräftig abgeschlossenen) Verfahren nach dem Neuerungstatbestand, noch aufgrund eines Vorfragentatbestandes (vgl VwGH 21.9.2009, 2008/16/0148; VwGH 22.12.2011, 2008/16/0012). Hat eine Verwaltungsbehörde die in ihrem Verfahren auftauchende Vorfrage selbst beurteilt und kommen neue Tatsachen oder Beweismittel iSd §  69 Abs  1 Z  2 AVG hervor, die voraussichtlich eine andere rechtliche Beurteilung der Vorfrage und als notwendige Grundlage für die Hauptfrage einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, so stellt dies ebenfalls einen Wiederaufnahmegrund gem § 69 Abs 1 Z 2 AVG dar, weil der Wiederaufnahmegrund der abweichenden Vorfragenentscheidung nach § 69 Abs 1 Z 3 AVG nur in Betracht kommt, wenn nach Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptfrage eine abweichende Entscheidung der Vorfrage als Hauptfrage durch die zuständige Behörde in wesentlichen Punkten ergangen ist (VwGH 30.6.1998, 98/05/0033). Weist zB eine Heiratsurkunde der Behörde A keine äußeren Mängel auf, dann kann die Behörde B (Staatsbürgerschaftsbehörde) in ih489

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rem Verfahren bei der von ihr zu klärenden Frage, deren Lösung von der Verbindlichkeit des Hoheitsaktes der Behörde A abhängt, zunächst vom Zutreffen der bezeugten Tatsache ausgehen. Daraus allein kann aber nicht auf eine (unbeschränkte) Bindungswirkung der Urkunde der Behörde A für die Behörde B geschlossen werden. Ist die Gesetzmäßigkeit oder Richtigkeit der Heiratsurkunde der Behörde A im Verfahren vor der Behörde B strittig, dann hat die Behörde B diese Frage grundsätzlich selbst zu beurteilen. Insoweit liegt aus der Sicht der Behörde B eine Vorfrage vor, bei der nach § 38 AVG vorzugehen ist: die endgültige zu treffende normative Entscheidung über das Zustandekommen bzw Bestehen einer Ehe hat freilich jene Behörde zu treffen, die den strittigen Hoheitsakt erlassen hat. Liegt eine normative rechtskräftige Entscheidung zu dieser Frage vor, sind alle anderen Behörden für ihre Verfahren daran gebunden. Davon abweichende frühere Beurteilungen der Vorfrage durch die Behörde B hat uE unter den Voraussetzungen des § 69 Abs 1 Z 3 AVG zur Wiederaufnahme des Verfahrens zu führen.

IV.  Rechtswirkung 13

Nach Ansicht des VwGH tritt durch die Wiederaufnahme des Verleihungsverfahrens der Verleihungsbescheid rückwirkend außer Kraft (vgl zur ex tunc-Wirkung einer Wiederaufnahmeverfügung zB VwGH 10.10.2012, 2009/18/0021, mwH) und wird durch den rechtskräftigen Bescheid im wiederaufgenommenen Verfahren mit der Wirkung ex tunc ersetzt (vgl VwGH 12.5.1949, 31 und 32/47, VwSlg 814 A/1949). Im Fall der darauf folgenden Abweisung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft kann der Fremde keine rechtmäßigen Aufenthaltszeiten aus dem Grund der ihm verliehenen, aber später rückwirkend aus dem Rechtsbestand getilgten österreichischen Staatsbürgerschaft geltend machen (VwGH 17.4.2013, 2013/22/0054; zu unrichtigen Angaben zum Vorliegen einer Verleihungsvoraussetzung vor dem Hintergrund der bereinigten Rechtslage vgl VwGH 16.7.2014, 2013/01/0038).

14 Fraglich könnte uE sein, ob die iZm § 69 AVG vorgesehene Rechtswirkung (vgl §  70 AVG) – nämlich das Außerkrafttreten des (im wieder aufzunehmenden Verfahren ergangenen) Bescheides mit der Bewilligung bzw Verfügung der Wiederaufnahme (vgl VwSlg 9277 A/1977; 490

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VwSlg 15.960 A/2002) – in der speziellen Konstellation des § 24 verfassungskonform ist. § 24 hat einen Entzug der Staatsbürgerschaft durch Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit zur Folge (vgl EB). Dadurch wird die behördliche Ermessensübung in eine Richtung gelenkt, die nicht nur die Rechtskraft des Verfügungsbescheides gegenstandslos macht, sondern auch den Bescheid selbst außer Kraft treten lässt. Diese ohne zeitliche oder vergleichbar wirkende sachliche Begrenzung (vgl §  69 Abs  3 AVG) bestehende ex tunc-Wirkung gegenüber begünstigenden Bescheiden iSd § 23 könnte im Lichte des Art 18 B-VG und des Gleichheitssatzes bedenklich sein, zumal die dadurch verbundenen Folgen – etwa für Familien- oder Erbrechtsverhältnisse, die Staatsangehörigkeit Dritter oder Verwaltungsrechtsbeziehungen (zB die Richtigkeit der Wählerverzeichnissen) – unüberschaubar bzw unüberbrückbar sein können. Wird eine Beschwerde betreffend Staatsbürgerschaftsverleihung noch 15 vor der Aufhebung des Verleihungsbescheides beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, der angefochtene Verleihungsbescheid nach Einleitung des Vorverfahrens durch die Wiederaufnahme des Verfahrens ex tunc beseitigt, fällt das rechtliche Interesse an einer meritorischen Erledigung der Beschwerde damit nach ihrer Erhebung weg. Damit ist ein Fall gegeben, in dem im Sinn der ständigen Rechtsprechung des VwGH das Verfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen ist (vgl VwGH 26.4.2010, 2007/01/1186, VwGH 22.2.2002, 2001/02/0140 und VwGH 23.7.2004, 2004/02/0106 jeweils eine „Amtsbeschwerde“ betreffend). Die Wiederaufnahme des Verfahrens bezüglich der Verleihung führt 16 notwendigerweise zur Wiederaufnahme auch des Verfahrens betreffend die Erstreckung wegen abweichender Vorfragenentscheidung. Umgekehrt hat die Wiederaufnahme eines Erstreckungsverfahrens auf das Verleihungsverfahren oder ein anderes Erstreckungsverfahren nicht automatisch Auswirkung; diese Verfahren müssen daher nicht notwendigerweise unter einem wieder aufgenommen werden (VwGH 19.9.2012, 2010/01/0041). Dadurch wird uE sachlich differenziert dem Recht „Nachdruck“ verliehen und eine Begünstigung von Rechtsverstößen vermieden (vgl auch VwGH 26.1.2006, 2005/16/0256). Wird der Antrag auf Wiederaufnahme in einer Angelegenheit der 17 Staatsbürgerschaft abgewiesen, kann dagegen Beschwerde beim VwGH erhoben werden. Die Gewährung einer aufschiebenden Wirkung 491

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kommt nur in Betracht, wenn der Bescheid einem Vollzug zugänglich ist oder die Ausübung einer Berechtigung einräumt. Die Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme eines Verwaltungsverfahrens ist keinem Vollzug zugänglich (vgl etwa VwGH 15.2.2006, AW 2005/10/0041, mwN; VwGH 28.6.2013, AW 2013/01/0029); hingegen ist der Bescheid, mit dem das mit Bescheid abgeschlossene Verleihungsverfahren vor Verleihung der Staatsbürgerschaft wieder aufgenommen und der Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wird, vollzugsfähig (VwGH 29.5.2012, AW 2012/01/0006). Hat der Fremde die Staatsbürgerschaft durch verschiedene Aliasidentitäten und Verschweigung wesentlicher Tatsachen erschlichen, stehen einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegen. 18 Unzureichend begründet ist ein Aufschiebungsantrag etwa mit dem Vorbringen, der Fremde sei seit seiner Geburt in Wien, er sei hier berufstätig und verheiratet; seine Kinder würden in Wien leben. Er sei sozial integriert. Ein solcher Antrag enthält keine Begründung (Konkretisierungsgebot: VwSlg 10.381 A/1981), dass mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Fremden ein unverhältnismäßiger Nachteil – wie eine unmittelbar drohende aufenthaltsbeendende Maßnahme – verbunden wäre. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stehen öffentliche Interessen entgegen, wenn feststeht, dass der Fremde im Staatsbürgerschaftsverleihungsverfahren eine Totalfälschung über seine Entlassung aus seinem Staatsverband vorlegte und ihm die Staatsbürgerschaft aufgrund dieser gefälschten Urkunde verliehen worden war (VwGH 3.7.2006, AW 2006/01/0203). 19 Gemäß § 70 Abs 3 AVG ist gegen die Bewilligung oder die Verfügung der Wiederaufnahme eine abgesonderte Berufung nicht zulässig. Obwohl die Bewilligung wie auch die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens in Form eines (verfahrensrechtlichen) Bescheides und nicht als bloße Verfahrensanordnung zu erfolgen hat, kann dieser Bescheid nicht gesondert mit Berufung angefochten werden [bzw eine dennoch dagegen erhobene Beschwerde wäre mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückzuweisen (VwGH 10.12.2008, 2008/22/0874)]. Eine Bekämpfung ist nur gleichzeitig mit der Bekämpfung des neuen, im wiederaufgenommenen Verfahren ergangenen Sachbescheides nach Maßgabe der gegen diesen Bescheid zulässigen Rechtsmittel im Verwaltungsweg zulässig (VwGH 10.11.2009, 2008/22/0854; VwGH 4.9.2003, 2003/21/0023). 492

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Die Bestimmung des § 70 Abs 3 zweiter Satz AVG, wonach gegen die 20 Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme „eine abgesonderte Berufung“ nicht zulässig ist, schließt die Erhebung einer Beschwerde gegen den im Administrativverfahren nicht anfechtbaren Wiederaufnahmebescheid nicht aus. Ein staatsbürgerschaftsrechtlicher – das heißt: letztinstanzlicher – Bescheid kann aufgrund des Zutreffens der Voraussetzung der Erschöpfung des Instanzenzuges gemäß Art  133 Abs 1 Z 1 B-VG mit Beschwerde an den VwGH bekämpft werden (vgl VwGH 23.3.1977, 1341/75, VwSlg 9277 A/1977). Wenn der Fremde daher den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid („iudicium rescindens“) unbekämpft gelassen und nur gegen die im wieder aufgenommenen Verfahren ergangene Entscheidung („iudicium rescissorium“) Beschwerde an den VwGH erhoben hat, ist der VwGH der Untersuchung der Frage enthoben, ob die mit dem Bescheid verfügte Wiederaufnahme zu Recht erfolgt ist (VwGH 15.5.2003, 98/01/0241; vgl betreffend eine Wiederaufnahme über Antrag VwGH 25.2.1952, 606/51, VwSlg 2455 A/1952).

§  25. Einem Fremden, der nicht mehr minderjährig ist, ist unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8, Abs. 2 und 3 die Staatsbürgerschaft zu verleihen, wenn er nie Staatsbürger war, zu Beginn seines rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich minderjährig war und sich seither zumindest 15 Jahre rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich aufhält sowie ein Anwendungsfall 1. des § 17 Abs. 1 vorlag und eine Erstreckung der Verleihung nicht vorgenommen wurde, oder 2. des § 12 Z 3 vorlag und eine Verleihung nicht vorgenommen wurde. [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl I 122/2009 (§ 25 samt Überschrift): Die Verfassungsbestimmung des Abs. 1, wonach Universitätsprofessoren die österreichische Staatsbürgerschaft bei Dienstantritt an einer inländischen Universität erwerben, wurde mit dem Bundesverfassungsgesetz zur Bereinigung des Bundesverfassungsrechts, BGBl. I Nr. 2/2008, aufgehoben. Damit wurde den verbliebenen Abs. 2 und 3, welche nicht im Verfassungsrang stehen und den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Angehörigen von Universitätsprofessoren regeln, der Anwendungsbereich entzogen, weshalb nunmehr der gesamte § 25 zu entfallen hat.

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§ 25

Martin Kind

EB zu BGBl I 136/2013 (§ 25): Mit dieser Regelung soll ein Anschlussstück zu §  17 Abs. 1 und §  12 Z  3 geschaffen werden. Die Personengruppe dieses neuen Staatsbürgerschaftsverleihungstatbestandes sind volljährige Fremde, die zu keiner Zeit über die österreichische Staatsbürgerschaft verfügten und deren rechtmäßiger und zumindest 15-jähriger ununterbrochener Aufenthalt in Österreich zu einem Zeitpunkt begann in dem der Fremde noch minderjährig war. Darüber hinaus muss jedenfalls ein Anwendungsfall der Erstreckung der Verleihung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Anwendungsfall der Verleihung gemäß § 12 Z 3 bereits in der Vergangenheit vorgelegen haben, ohne dass es jedoch zu einer Erstreckung der Verleihung bzw. eine Verleihung gekommen wäre. Ein Anwendungsfall einer dieser beiden Fallkonstellationen zu sein, bedeutet, dass der Fremde grundsätzlich der Zielgruppe des § 17 Abs. 1 oder des § 12 Z 3 angehörte; die jeweiligen Verleihungsvoraussetzungen müssen zum damaligen Zeitpunkt aber nicht vorgelegen haben. Zu denken wäre hier beispielsweise an Fälle, in denen der minderjährige Fremde durch Versäumnisse der Eltern die Erstreckung der Verleihung gemäß § 17 Abs. 1 oder die Verleihung des § 12 Z 3 nicht in Anspruch nehmen konnte. Diese Bestimmung dient demnach dazu, etwaige diesbezüglich auftretende Härtefälle, die der Staatsbürgerschaftswerber nicht zu vertreten hat, in sachgerechter Weise lösen zu können. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Erwerbsvoraussetzungen............................................................................ 8 III. Anwendungsfälle.......................................................................................... 11 Schrifttum zu § 25: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 25 regelte ursprünglich – das heißt: idF BGBl 1965/250 – den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft eines Fremden durch Dienstantritt als ordentlicher oder außerordentlicher Hochschul- bzw Universitätsprofessor. Formal stützte sich dieser Erwerbstatbestand auf den Umstand, dass die Bestellung zum Universitäts- oder Hochschulprofessor an einer österreichischen Universität oder Kunsthochschule in Österreich auch die Ernennung zum Beamten darstellte, weshalb ein ausländischer Staatsbürger allein mit seinem Dienstantritt gleichzeitig ohne Bescheid die österreichische Staatsbürgerschaft erwarb. Da § 25 494

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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über Art 6 Abs 4 B-VG [vgl auch BVG betreffend Erwerb der Landesbürgerschaft und des Heimatrechtes durch Antritt eines öffentlichen Hochschullehramtes (BGBl 1925/272)] hinausging, war die Vorschrift als Verfassungsbestimmung konzipiert (vgl dazu näher Thienel aaO 281 ff). Die Vorläuferbestimmung zu § 25 idF BGBl 1965/250 war § 6 StbG 2 1949. Einem Hochschul- bzw Universitätsprofessor folgten die nicht eigenberechtigten Kinder, solche weiblichen Geschlechtes nur dann, wenn sie ledig waren. Auch die Ehegattin folgte in diesen Fällen nach der Rechtslage bis zum Jahr 1965 ipso iure dem Ehegatten in die Staatsbürgerschaft, sofern die Ehe zu Recht bestand und nicht gerichtlich von Tisch und Bett geschieden war (vgl auch Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 336). Aufgrund des Art 1 der UN-Konvention über die Staatsbürgerschaft 3 verheirateter Frauen, wonach der Staatsbürgerschaftswechsel des Gatten während der Ehe nicht die Staatsbürgerschaft der Frau automatisch berühren darf, sah das StbG 1965 nicht mehr die unbedingte Rechtsfolge der Ehegattin in den Erwerb der Staatsbürgerschaft vor. Diese erwarb aber mit dem Augenblick, in dem ihr Gatte Staatsbürger wurde, gemäß §  10 das Recht, die Staatsbürgerschaft durch einfache Erklärung zu erwerben. Aber auch bezüglich der Kinder eines Hochschullehrers entfiel die bis dahin gegoltene automatische Rechtsfolge, weil die Kinder mit dem Erwerb der Staatsbürgerschaft durch ihren Vater oder ihre Mutter einen Verleihungsanspruch erlangten (§ 12 lit d StbG 1965). Aus versorgungsrechtlichen Gründen, aber auch zur möglichsten Wah- 4 rung einheitlicher staatsbürgerschaftsrechtlicher Verhältnisse innerhalb der Familie des berufenen Hochschul- bzw Universitätsprofessors sah die Novelle BGBl 1973/394 vor, dass seine minderjährigen Kinder durch Erklärung die Staatsbürgerschaft mit Wirkung ab dem Zeitpunkt eines Dienstantrittes erwarben, und wurde vom Nachweis des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband Abstand genommen. Da der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch die minderjährigen Kinder auf den Zeitpunkt des Dienstantrittes des Hochschul- bzw Universitätsprofessors zurückwirkte, bestand für die Abgabe der Erklärung eine Frist von sechs Monaten. Ein Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach Ablauf dieser Frist konnte nur nach § 12 lit d StbG 1965 behandelt werden. Für die minderjährigen Kinder der Hochschul- bzw Universitätsprofessoren, die vor dem 1.1. 1974 bereits 495

§ 25

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ihren Dienst angetreten hatten, wurde im Abs 3 eine Übergangsregelung geschaffen (vgl 729 der Beilagen XIII. GP – RV). 5 Durch Österreichs Beitritt zur EU, infolgedessen den Staatsangehörigen der Mitgliedsländer im Rahmen der europäischen Integration dieselben Rechte für den Berufszugang wie österreichischen Staatsbürgern gewährt werden, galt der automatische Staatsbürgerschaftserwerb iSd §  25 nur mehr für Nicht-EU-Bürger. Da ab 1.9.2001 Planstellen für Universitätsprofessoren jedoch ausschließlich für ein privatrechtliches Dienstverhältnis auszuschreiben sind, wurde §  25 Abs  1 durch den Wegfall des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses neuer Universitätslehrer obsolet und daher durch das Erste Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz (BGBl I 2008/2) als nicht mehr geltend festgestellt. 6 Im Unterschied zu der mit dem BGBl I 2008/2 verbundenen Aufhebung des § 25 Abs 1 konnten gemäß der damals weiter in Kraft gestandenen Abs 2 und 3 des § 25 der Ehegatte eines Universitäts- bzw Hochschulprofessors und seine Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft durch die Erklärung „der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen“ erwerben. In diesem – seit BGBl 1973/394 bestandenen – besonderen Einbürgerungsfall wurde eine doppelte Staatsbürgerschaft geduldet. Eine parlamentarische Anfrage zur Anzahl der auf diese Art eingebürgerten Personen ergab im Jahr 2009, dass hierzu keine Statistiken geführt wurden. 7 Aufgrund des 1. BVRBG entfiel §  25 durch die Novelle BGBl I 2009/122. Die dadurch entstandene „Lücke“ überdauerte sieben Novellen; erst durch die Novelle BGBl I 2013/136 nutzte der Gesetzgeber den „Platz“ für ein „Anschlussstück“ (EB) zu bestimmten Verleihungsbzw Erstreckungstatbeständen. Kritisch ist anzumerken, dass §  25 „versteckt“ nach den Verfahrensbestimmungen (§§ 19 ff) spezielle – an § 12 Abs 1 Z 3 und § 17 Abs 1 anknüpfende – Erwerbsfälle regelt. UE wäre eine derartige Regelung systematisch naheliegender im Anschluss an die einschlägigen Bestimmungen vorzusehen. Die praktische Relevanz der um die Lösung von „Härtefälle“ (EB) bemühten Regelung in § 25 scheint – gemessen an den fehlenden Äußerungen zu § 25 in den im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens abgegebenen Stellungnahmen zur Novelle BGBl I 2013/136 und an der bis dato fehlenden Rechtsprechung zu § 25 idgF – gering bzw vernachlässigbar zu sein. 496

Erwerb der Staatsbürgerschaft

§ 25

II.  Erwerbsvoraussetzungen § 25 zielt auf quasi „übergangene“ bzw „vernachlässigte“ Fremde. Min- 8 derjährige, die nicht in den Genuss der Verleihung bzw Erstreckung der Verleihung kamen, weil deren Eltern keinen entsprechenden Antrag stellten, können als Volljährige nachholen, was ihre Eltern – aus welchen Gründen immer – unterließen. Voraussetzung ist, dass der Fremde am Beginn seines rechtmäßigen Aufenthalts das 18. Lebensjahr nicht vollendet hatte und sich „seither“ – und damit von Beginn an – rechtmäßig und durchgehend in Österreich aufhält. Weiter muss der Fremde die allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen (§  10 Abs  1 Z  2 bis 8, Abs 2 und 3) erfüllen sowie entweder der Fall des § 17 Abs 1 oder der des § 12 Abs 1 Z 3 („theoretisch“) anwendbar sein. Angesichts des Anspruchs auf Erwerb der Staatsbürgerschaft (arg „ist“) 9 bei Vorliegen der in § 25 normierten Voraussetzungen sind auch die Tatbestände des § 12 Abs 1 Z 3 bzw § 17 Abs 1 mitanzunehmen bzw mit­ anzuwenden (arg „ein Anwendungsfall … vorlag und … nicht vorgenommen wurde“). Folglich erfordert uE – entgegen den (insofern widersprüchlichen) EB (arg „die jeweiligen Verleihungsvoraussetzungen müssen zum damaligen Zeitpunkt aber nicht vorgelegen haben“) – § 25 iVm § 17 Abs 1, dass zudem die Voraussetzung des § 16 Abs 1 Z 2 vorliegt; sinngemäß gilt dies auch im Fall des § 12 Abs 1 Z 3 Satz 1. Die besonderen Voraussetzungen des § 17 Abs 1 bzw § 12 Abs 1 Z 3 haben während der Minderjährigkeit des Fremden (bis zum Zeitpunkt der Verleihung bzw Erstreckung der Verleihung an den maßgebenden Elternteil) zu bestehen; ab der Volljährigkeit ist nur mehr erforderlich, dass sich der Fremde weiterhin rechtmäßig und ununterbrochen in Österreich aufhält und dieser Aufenthalt insgesamt mindestens 15 Jahre ist. Verfassungsrechtlich bedenklich (Gleichheitsgebot) ist uE, dass § 25 10 weder für Adoptivkinder (§ 17 Abs 1a) noch für uneheliche Kinder der in § 17 Abs 1 genannten Nachkommen (§ 17 Abs 2) – also uneheliche Enkeln des maßgebenden Großelternteils (weil ja der maßgebende Elternteil selbst noch ledig sein muss) – und behinderte Personen (§ 17 Abs  3) gilt. Die unterschiedliche Behandlung von Kindern iSd §  17 Abs 1 und Kindern iSd § 17 Abs 1a, 2 und 3 könnte gegen Art 14 iVm Art 8 EMRK verstoßen. Sachlich gerechtfertigt wäre uE, wenn § 25 den Intentionen der Novelle BGBl 1983/170 entspräche (vgl 1272 der Beilagen XV. GP) und damit (i) dem von Österreich ratifizierten Europäischen Übereinkommen über die Adoption von Kindern (vgl BGBl 497

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Martin Kind

1980/314), das für das Wahlkind erleichterte Bedingungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft seiner Wahleltern vorsieht, und (ii) der besonderen Lage der (auch volljährigen) Behinderten innerhalb der Gesellschaft (vgl auch Art 7 Abs 1 Satz 3 B-VG und Art I Abs 1 BVGRassendiskriminierung) dadurch Rechnung tragen würde, als in §  25 diese Fälle mitberücksichtigt wären und damit diesen Personen auch eine Möglichkeit zum erleichterten Staatsbürgerschaftserwerb zustehen würde.

III.  Anwendungsfälle 11 Der für eine Erstreckung der Verleihung nach § 25 in Frage kommende Anwendungsfall des §  17 Abs  1 legt fest, dass der Mutter oder dem Vater die Staatsbürgerschaft zu einem Zeitpunkt verliehen wurde, als der Fremde minderjährig war. Dieser Elternteil muss uE aber nicht danach (weiterhin) österreichischer Staatsbürger sein; insbesondere kann der die Staatsbürgerschaft während der Minderjährigkeit des Fremden erworbene Elternteil im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 25 eine andere (fremde) Staatsbürgerschaft besitzen. 12 Fraglich könnte sein, ob das Kind des Fremden nur bis zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Mutter bzw den Vater ledig sein musste oder darüber hinaus bis zum Erreichen der Volljährigkeit. Da sich § 25 auf den „Anwendungsfall“ des § 17 Abs 1 bezieht, ist uE entscheidend, dass der minderjährige Fremde bis zur Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Elternteil unverheiratet war. Da es in Österreich über Antrag bei Gericht möglich ist, bereits mit dem Alter von 16 Jahren zu heiraten, wenn der zukünftige Ehepartner volljährig ist, käme eine Auslegung des § 25 iVm § 17 Abs 1 dergestalt, dass der Fremde bis zum vollendeten 18. Lebensjahr ledig sein müsse, einem der Ehemündigkeit im Ehegesetz widersprechenden Verbot gleich. 13 Dass eine Erstreckung bzw Verleihung „nicht vorgenommen wurde“, heißt uE, dass keine entsprechenden Anträge gestellt und keine Verfahren durchgeführt worden sind. Wurde hingegen der beantragten Erstreckung bzw Verleihung nicht stattgegeben, so scheidet eine Anwendung des § 25 – wegen entschiedener Sache iSd § 68 Abs 1 AVG – aus. Gestützt wird dieses Ergebnis durch den Wortlaut des § 25 (arg „Anwendungsfall“), wodurch bestimmte Szenarien abstrahierend erfasst sind, die eingetreten wären, hätte der Fremde als Minderjähriger mit 498

Erwerb der Staatsbürgerschaft

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Hilfe seines gesetzlichen Vertreters einen Antrag nach §  19 gestellt. Dementsprechend verweisen die EB auf Versäumnisse der Eltern, weshalb die Erstreckung der Verleihung nach § 17 Abs 1 bzw die Verleihung nach §  12 Abs  1 Z  3 nicht „in Anspruch“ genommen werden konnte. Der zu § 17 Abs 1 subsidiäre Anwendungsfall des § 12 Abs 1 Z 3 – § 25 14 und die darauf Bezug nehmenden EB sprechen aufgrund eines offenbar iZm BGBl I 2013/136 dem Gesetzgeber unterlaufenen Redaktionsversehens (noch) von § 12 Z 3 – setzt wie § 17 Abs 1 neben den Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 8, Abs 2 und 3 voraus, dass der Fremde minderjährig und ledig war sowie nicht infolge der Entziehung der Staatsbürgerschaft nach §§  32 und 33 Fremder geworden ist. Zudem muss die Voraussetzung des § 16 Abs 1 Z 2 vorliegen, wobei das Kriterium der rechtmäßigen Niederlassung (lit a) entfallen kann, wenn sich der maßgebende Elternteil seit mindestens 12 Monaten im Ausland aufhält.

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Abschnitt III Verlust der Staatsbürgerschaft § 26. Die Staatsbürgerschaft wird verloren durch

1. Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (§§ 27 und 29); 2. Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates (§  32); (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 21) 3. Entziehung (§§ 33 bis 36); (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 21) 4. Verzicht (§§ 37 und 38). (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 21)

[idF BGBl 311/1985] EB zu BGBl 250/1965 Der Übersicht halber werden hier die zum Verlust der Staatsbürgerschaft führenden Tatbestände unter Zitierung der diesbezüglichen Paragraphen erschöpfend aufgezählt. EB zu BGBl 170/1983 Damit soll die im § 26 StbG 1965 gegebene Übersicht der zum Verlust der Staatsbürgerschaft führenden Tatbestände den durch den Gesetzentwurf geänderten Verhältnissen (Entfall des § 31 StbG 1965) angepaßt werden. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Verlust der Staatsbürgerschaft und Unionsrecht................................... 3 Schrifttum zu § 26: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

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§ 26

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I.  Allgemeines 1 § 26 enthält – lediglich in Überschriftsform – eine abschließende Auflistung der Tatbestände, die zum Verlust der Staatsbürgerschaft führen. Eine von den Folgebestimmungen losgelöste Bedeutung hat § 26 nicht. 2 Trotz der taxativen Aufzählung ist aber in materieller Hinsicht anzumerken, dass es andere Möglichkeiten gibt, die ebenfalls den Verlust der Staatsbürgerschaft zur Folge haben können: Insbesondere kann eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG faktisch ebenso dazu führen, dass eine Staatsbürgerschaft, die bereits verliehen wurde, gleichsam verlorengeht (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/ Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 26, 173). Zu beachten ist aber, dass eine Wiederaufnahme gemäß § 69 Abs 3 AVG nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheid nur aus den Gründen des § 69 Abs 1 Z 1 AVG verfügt werden kann. Die Wiederaufnahme aus den in §  69 Abs  1 Z  1 AVG bezeichneten Gründen (Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis, andere gerichtlich strafbare Handlungen oder Erschleichung) ist zeitlich unbefristet möglich. Eine Wiederaufnahme von Amts wegen kann nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten einer Partei verfügt werden (VwGH 25.5.1987/83/08/0066). Näher zu den Gründen für eine amtswegige Wiederaufnahme Hengstschläger/Leeb, AVG (2009), § 69, Rz 75 ff. Aus diesen Gründen ist die Aufzählung des § 26 jedenfalls in materieller Hinsicht nicht taxativ (zutreffend Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 295).

II.  Verlust der Staatsbürgerschaft und Unionsrecht 3 Der Erwerb und auch der Verlust der Staatsbürgerschaft ist grundsätzlich ausschließliche Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Trotz der Ausgestaltung der Unionsbürgerschaft als „grundlegender Status“ (vgl EuGH 20.9.2001, C184/99, Grzelczyk, Rz  31, weiters auch EuGH 11.7.2002, C-224/98, D’Hoop, Rz  28, EuGH 17.9.2002, C-413/99, Baumbast und R, Rz  82, EuGH 29.4.2004, C-148/02, Garcia Avello, Rz  22 uvam) wird die Frage, ob eine Person die Staatsangehörigkeit ­eines Mitgliedstaats besitzt, allein aufgrund innerstaatlichen Rechts des betreffenden Mitgliedstaats geregelt (vgl Europäischer Rat, Dänemark und der Vertrag über die Europäische Union, ABl C 1992/348, 2). Die Mitgliedstaaten können daher grundsätzlich ihr Staatsbürgerschaftsrecht nach eigenem Gutdünken gestalten (beachte aber die entspre502

Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 26

chenden völkerrechtlichen Abkommen, hier insbesondere das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl 538/1974). Aufgrund der großen Tragweite der Unionsbürgerschaft ist das uE erstaunlich, da die Unionsbürgerschaft an die jeweilige nationale Staatsbürgerschaft anknüpft (Art 20 AEUV, vgl Kolonovits in Mayer/Stöger (Hrsg), EUV/AEUV, Art 20 AEUV (2010), Rz 9). Daher fällt auch die Regelung über den Verlust der Staatsbürgerschaft grundsätzlich in die Kompetenz der Mitgliedstaaten (EuGH 7.7.1992, C-369/90, Micheletti, Rz 10). Bei der Staatsangehörigkeit handelt es sich daher nicht um einen autonomen Begriff des Unionsrechts (Kolonovits, Art  20 AEUV, Rz 10). Allerdings ist der Verlust bzw die Entziehung der Staatsbürgerschaft 4 – und damit uU auch der Verlust der Unionsbürgerschaft – nicht gänzlich losgelöst vom Europarecht zu betrachten: Nach der Judikatur des EuGH schließt nämlich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nicht aus, dass die betreffenden nationalen Vorschriften Unionsrecht beachten müssen, wenn eine Situation unter Unionsrecht fällt. Dabei „liegt auf der Hand“, dass der Verlust der Unionsbürgerschaft „ihrem Wesen und ihren Folgen nach“ unter das Unionsrecht fällt (EuGH 2.3.2010, C-135/08, Rottmann, Rz  41  f). Daher ist, wenn eine Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung zur Folge hat, dass der Betroffene neben der Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats der Einbürgerung die Unionsbürgerschaft verliert, zu prüfen, ob die Rücknahmeentscheidung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt, wobei diese Verhältnismäßigkeit anhand der Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, anhand der Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, und anhand der Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen, zu prüfen ist (EuGH Rottmann, Rz  56, vgl auch VwGH 26.1.2012, 2009/01/0060). Daher ist letztendlich bei jedem Verlust (auch in jenen Fällen, in denen die Staatsbürgerschaft ex lege verloren wird) zu prüfen, ob der Verlust der Unionsbürgerschaft verhältnismäßig ist. Ausgenommen von dieser Prüfung sind nur Fälle, in denen die Betroffenen die Unionsbürgerschaft nicht verlieren, weil sie entweder (auch) eine Staatsbürgerschaft eines anderen Mitgliedstaates besitzen oder diese zeitgleich (vgl § 27) erwerben. 503

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Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit § 27. (1) Die Staatsbürgerschaft verliert, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. (2) Ein nicht eigenberechtigter Staatsbürger verliert die Staatsbürgerschaft nur dann, wenn die auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete Willenserklärung (Abs.  1) für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person abgegeben wird. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters muß vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit vorliegen. Ist jemand anderer als die Eltern oder die Wahleltern gesetzlicher Vertreter, so tritt der Verlust der Staatsbürgerschaft überdies nur dann ein, wenn das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht die Willenserklärung (Zustimmung) des gesetzlichen Vertreters vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit genehmigt hat. (BGBl. Nr. 403/1977, Art. XIV Z 1) (3) Ein minderjähriger Staatsbürger, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, verliert die Staatsbürgerschaft außerdem nur, wenn er der auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Willenserklärung (Abs. 1) seines gesetzlichen Vertreters oder der dritten Person (Abs. 2) vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit ausdrücklich zugestimmt hat. (BGBl. Nr.  202/1985, Art.  I Z 13) [idF BGBl 311/1985] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 bestimmt derzeit im §  9 Abs. 1 Pkt. 1 ganz allgemein, daß die Staatsbürgerschaft verliert, wer eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber vor allem in seinem Erkenntnis vom 25. November 1957, Slg.Nr. 4484 A, die in Rede stehende Verlustbestimmung dahin einschränkend ausgelegt, daß nur der mit dem Willen des Erwerbenden erfolgte Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft führt, wobei das Vorliegen des Erwerbswillens nach österreichischem Recht zu beurteilen ist. Dieser Rechtsanschauung hat sich auch die Praxis der Staatsbürgerschaftsbehörden angeschlossen. Der vorliegende Gesetzentwurf geht nun noch einen Schritt weiter und schränkt ausdrücklich den Verlust der Staatsbürgerschaft auf die Fälle ein, wo die

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Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 27

fremde Staatsangehörigkeit auf Grund eines Antrages, einer Erklärung oder ausdrücklichen Zustimmung des betreffenden Staatsbürgers erworben wird. Der Verlust der Staatsbürgerschaft wird also nur eintreten, wenn der Staatsbürger auf Grund einer positiven Willenserklärung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt. Es soll also nicht genügen, daß die Staatsbürgerschaftsvorschriften des fremden Staates die Möglichkeit vorsehen, die fremde Staatsangehörigkeit auszuschlagen. Denn vielfach wird die Ausschlagungserklärung deshalb nicht abgegeben, weil der betreffende Staatsbürger keine Kenntnis von dieser Möglichkeit hat. Vielmehr soll auf jeden Fall vermieden werden, daß ein fremder Staat, der durch einseitigen Gesetzgebungsakt österreichische Staatsbürger ohne oder sogar gegen ihren Willen zu seinen Staatsangehörigen macht, diese Personen hiedurch der österreichischen Staatsbürgerschaft beraubt. Das Wort «Erklärung» wurde deshalb eigens in den Gesetzentwurf aufgenommen, weil die Staatsbürgerschaftsgesetze verschiedener Staaten (zum Beispiel das britische Staatsangehörigkeitsgesetz von 1948 und das deutsche Dritte Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit von 1957) den Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Erklärung vorsehen. Wenn man aber nur bestimmte, daß der auf Grund eines freiwilligen Antrages erfolgte Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit zum Verlust der Staatsbürgerschaft führt, so könnte in der Praxis die Frage strittig werden, ob der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit durch Erklärung dem durch Antrag erlangten gleichzusetzen ist. Ebenso soll durch die Worte «oder mit seiner ausdrücklichen Zustimmung» klargestellt werden, daß jedwede Form einer zugunsten einer fremden Staatsangehörigkeit abgegebenen positiven Willenserklärung den Verlust der Staatsbürgerschaft zur Folge hat. Zu Abs 2: Der vorliegende Gesetzentwurf will weiters klarstellen, daß nicht eigenberechtigte Staatsbürger mit dem Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit ihre Staatsbürgerschaft nur dann verlieren, wenn die auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtete Willenserklärung von dem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von dem nicht eigenberechtigten Bewerber selbst oder einer dritten Person (zum Beispiel seiner Mutter) abgegeben wird. Im Sinne des § 216 ABGB soll klargestellt werden, daß der gesetzliche Vertreter der gerichtlichen Einwilligung bedarf, wenn es sich nicht um den ehelichen Vater oder den Wahlvater handelt. Der vorliegende Gesetzentwurf hebt zur Vermeidung von Streitfragen und Zweifelsfällen hervor, daß die nach Abs. 2 erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder Einwilligung des Gerichtes nur rechtswirksam sind, wenn sie vor dem Erwerb der Staatsbürgerschaft erteilt werden. Werden also diese Zustimmung oder diese Einwilligung erst nach diesem Zeitpunkt erteilt, so verliert der nicht eigenberechtigte Staatsbürger auf keinen Fall durch den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit die österreichische Staatsbürgerschaft. Hiebei ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob das Staatsangehörigkeitsrecht des betreffenden fremden Staates überhaupt eine solche Zustimmung oder gerichtliche Genehmigung fordert oder etwa – wie zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland im

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Gesetz zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit vom 22. Feber 1955 – Personen über 18 Jahre den Großjährigen gleichstellt. Sind die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 erfüllt, so verliert ein minderjähriger Staatsbürger die Staatsbürgerschaft auch dann, wenn sein ehelicher Vater oder seine Mutter die Staatsbürgerschaft behält. Denn es ist nicht einzusehen, warum nicht auch ein nicht eigenberechtigter Staatsbürger, der auf Antrag (Erklärung) oder mit ausdrücklicher Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters und erforderlichenfalls überdies mit Einwilligung des zuständigen Gerichtes eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, nicht seine österreichische Staatsbürgerschaft verlieren soll. Diese Regelung entspricht der bereits erwähnten EuroparatKonvention über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und Militärdienstverpflichtung in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit (Artikel 1 Abs. 2).

EB zu BGBl 202/1985 Zu Abs 3: Nach den §§ 7 a und 19 StbG 1965 und den davon abgeleiteten Bestimmungen soll der Minderjährige, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, die Staatsbürgerschaft nicht mehr gegen seinen Willen erwerben. Gleichermaßen soll auch der minderjährige Österreicher dieser Altersstufe die Staatsbürgerschaft nicht mehr gegen seinen Willen verlieren. Der neue §  27 Abs. 3 StbG 1965 ordnet deshalb an, daß nur der mit seiner Zustimmung eingetretene Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft führt. Die Neuregelung wird zwar in gewissen Fällen zu Mehrstaatigkeit führen, und zwar immer dann, wenn nach den Rechtsvorschriften jenes Staates, dessen Staatsangehörigkeit erworben wird, das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nicht Verleihungsvoraussetzung ist. Mehrstaatigkeit ist zwar grundsätzlich unerwünscht, muß aber im Sinne eines umfassenden Minderjährigenschutzes in Kauf genommen werden. Die Regelung erweist sich auch deshalb als notwendig, weil sonst die Rechtsstellung österreichischer mündiger Minderjähriger gegenüber jener gleichaltriger fremder Minderjähriger schlechter wäre; darin müßte ein Wertungswiderspruch erblickt werden. Die neugeschaffene Bestimmung steht mit dem Wortlaut des von Österreich ratifizierten Übereinkommens über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl. Nr. 471/1975, nicht im Widerspruch.

Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale......................................................... 5 III. Minderjährige............................................................................................... 8 IV. Verlust und Verhältnismäßigkeit gemäß Unionsrecht.......................... 11

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Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 27

Schrifttum zu § 27: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 27 eröffnet die Reihe der Bestimmungen, die sich mit verschiedenen 1 Formen des Verlustes der Staatsbürgerschaft auseinandersetzen. Die Staatsbürgerschaft verliert ex lege, wer aktiv eine andere Staatsbürgerschaft erwirbt, soweit nicht eine der Ausnahmen zutrifft. Der Verlust der Staatsbürgerschaft tritt bei Erfüllung der in § 27 genannten Voraussetzungen ex lege ein (VwGH 28.6.2005, 2004/01/0014). Ein Bescheid der Behörde ist hier nicht erforderlich. Eine nachträgliche Bewilligung der Beibehaltung ist daher nicht möglich (zur Beibehaltung der Staatsbürgerschaft trotz Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft (Fessler/Kel­ ler/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 27, 174, siehe Erl zu § 28). Die Rechtsfolge des Verlusts tritt unabhängig davon ein, ob der Verlust 2 der Staatsbürgerschaft beabsichtigt war, es ist daher nicht relevant, ob der Betroffene die österreichische Staatsbürgerschaft beibehalten wollte. Auch ein Irrtum über die Auswirkungen des Erwerbs der fremden Staatsbürgerschaft ist unbeachtlich (VwGH 9.9.2014, Ra 2014/22/0031). In §  27 kommt deutlich hervor, dass der Gesetzgeber Doppel- und 3 Mehrfachstaatsbürgerschaften möglichst vermeiden möchte. Während in §§ 10 Abs 3 und 20 geregelt ist, dass Personen, die einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestellt haben, diese idR nur verliehen werden kann, wenn sie nachweisen, dass sie ihre „alte“ Staatsbürgerschaft zurückgelegt haben, ist §  27 die dazu gleichsam spiegelverkehrte Bestimmung: Die österreichische Staatsbürgerschaft geht durch Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft idR ex lege verloren (vgl Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015), 7). Mit § 27 erfüllt Österreich eine völkerrechtliche Verpflichtung (Art 1 4 Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und über die Militärdienstpflicht in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit, BGBl 471/1975). Rechtspoltisch ist anzumerken, 507

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dass viele EU-Staaten mittlerweile Mehrfachstaatsbürgerschaften aus integrationspolitischen Gründen akzeptieren (Karasz/Perchinig, Staatsbürgerschaft (2013), 53).

II.  Die einzelnen Tatbestandsmerkmale 5 Grundsätzlich verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt. Diese Bestimmung orientiert sich an der Judikatur zu § 9 Abs 1 StbG 1949 (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 296). Der Verlust der Staatsbürgerschaft tritt nur ein, wenn der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete „positive“ Willenserklärung abgibt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen („Antrag“, „Erklärung“, „ausdrückliche Zustimmung“) anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle des Erwerbs dieser Staatsbürgerschaft den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0192). Weiters muss die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt werden (VwGH 19.4.2012, 2010/01/0021). Wenn also – aus welchem Grund auch immer – die fremde Staatsbürgerschaft trotz einer entsprechenden Willenserklärung nicht erworben wird, hat dies nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft zur Folge. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es aber nicht an (VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0192). Der Verlust tritt auch ein, wenn diese auf andere Art  als durch eine solche förmliche Verleihung erworben wird. Die Willenserklärung muss als primären Zweck den Staatsbürgerschaftserwerb verfolgen. Eine primär auf ein anderes Ziel gerichtete Willenserklärung bewirkt nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft, auch wenn dem Betroffenen bekannt ist, dass damit der Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft verbunden ist (VwGH 19.2.2009, 2006/01/0884). Als Beispiel nennt der VwGH den Antritt eines Lehramtes an einer ausländischen Hochschule oder eine Eheschließung: Daher geht die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verloren, wenn dem Österreicher bekannt ist, dass er ex lege durch Heirat eine fremde Staatsbürgerschaft erwirbt, da in einem solchen Fall die Willenserklärung eben primär auf die Eheschließung und nicht auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft gerichtet ist. Ebenso wenig tritt der Verlust der Staatsbürgerschaft ein, 508

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wenn sich derjenige, der eine fremde Staatsbürgerschaft annimmt, in einer ernstlichen Zwangslage befindet (Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007), § 27, 145 f). Wenn es der Behörde rechtlich und faktisch unmöglich ist, personenbe- 6 zogene Daten eines anderen Staates (hier: Türkei) zu erhalten und das betreffende Staatsbürgerschaftsrecht einen Antrag verlangt, darf die Behörde davon ausgehen, dass dem Erwerb auch ein Antrag zugrunde gelegen hat, wenn der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht (hier: Vorlage von Aktenabschriften des türkischen Staatsbürgerschaftsverfahrens) nicht nachgekommen ist (VwGH 15.3.2012, 2010/01/0022). Das bloße Unterlassen einer „Ausschlagungserklärung“ bewirkt 7 grundsätzlich nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft (anders kann sich aber die Sachlage darstellen, wenn Anhaltspunkte einer „gezielten“ Unterlassung der Ausschlagungserklärung bestehen, VwGH 30.1.2001, 2000/01/0202).

III.  Minderjährige Gemäß Abs  2 verliert ein nicht eigenberechtigter Staatsbürger die 8 Staatsbürgerschaft nur dann, wenn die oa „positive Willenserklärung“ für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person abgegeben wird. Mit der Obsorge von Minderjährigen sind idR die Eltern oder ein Elternteil betraut (§ 177 ff ABGB). Pflege und Erziehung schließen gemäß §  158 Abs  1 ABGB idR die gesetzliche Vertretung ein (KoziolWelser/Klete­cˇ­ka, Bürgerliches Recht I14 (2014), Rz 1751). Gesetzliche Vertreter von aus anderen Gründen als ihrem Alter nicht eigenberechtigten Personen ist der Sachwalter nach Maßgabe des Wirkungsbereiches (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, aaO). Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters muss vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit vorliegen. Eine allfällige nachträglich erteilte Zustimmung des gesetzlichen Vertreters bewirkt nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft. Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Minderjährige die Staatsbürger- 9 schaft verliert, die Eltern aber mangels Erfüllung der Voraussetzungen des §  27 weiterhin österreichische Staatsbürger bleiben (zutreffend Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, aaO). 509

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10 Ein minderjähriger Staatsbürger, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, verliert die Staatsbürgerschaft nur, wenn er der auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Willenserklärung seines gesetzlichen Vertreters vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit ausdrücklich zugestimmt hat. Eine verweigerte Zustimmung bewirkt nicht den Verlust der Staatsbürgerschaft. Dabei ist nicht relevant, ob der Minderjährige die fremde Staatsbürgerschaft durch Erklärung des gesetzlichen Vertreters erwirbt oder nicht. Die Zustimmung muss vor der Willenserklärung des gesetzlichen Vertreters erteilt werden. „Ausdrücklich“ kann nur bedeuten, dass etwa eine konkludente Zustimmung oder allenfalls Verschweigen jedenfalls nicht ausreichend sind.

IV. Verlust und Verhältnismäßigkeit gemäß Unionsrecht 11 Wenn der Verlust der Staatsbürgerschaft zur Folge hat, dass der Betroffene neben der Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaats auch die Unionsbürgerschaft verliert, ist zu prüfen, ob der Verlust hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit standhält (siehe Erl zu § 26). Der Verlust wird aber in den Fällen des § 27 ex lege bewirkt, sodass es keines Bescheides der Behörde bedarf. Ein Antrag auf Beibehaltung (siehe dazu Erl zu § 28) kann aber uE in dem Fall, dass der Verlust der Unionsbürgerschaft unverhältnismäßig wäre, nicht verlangt werden. Es kann daher unklar sein, ob derjenige, der fremde Staatsbürgerschaft annimmt, noch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Diesfalls ist wohl die Ausstellung eines Feststellungsbescheides gemäß §  42 möglich, der sowohl von jener Person, die eine fremde Staatsbürgerschaft angenommen hat, als auch vom BMI beantragt werden kann. Ein solcher Feststellungsbescheid kann auch von Amts wegen erlassen werden. Siehe näher Erl zu § 42.

§  28. (1) Einem Staatsbürger ist für den Fall des Erwerbes einer

fremden Staatsangehörigkeit (§ 27) die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft zu bewilligen, wenn 1. sie wegen der von ihm bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden Leistungen oder aus einem besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Interesse der Republik

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liegt, und – soweit Gegenseitigkeit besteht – der fremde Staat, dessen Staatsangehörigkeit er anstrebt, der Beibehaltung zustimmt sowie die Voraussetzungen des §  10 Abs.  1 Z 2 bis 6 und 8 sinngemäß erfüllt sind, oder 2. es im Fall von Minderjährigen dem Kindeswohl entspricht. (2) Dasselbe gilt für Staatsbürger, wenn sie die Staatsbürgerschaft durch Abstammung erworben haben und in ihrem Privatund Familienleben ein für die Beibehaltung besonders berücksichtigungswürdiger Grund vorliegt. (3) Die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft darf nur auf schriftlichen Antrag und unter der Bedingung bewilligt werden, daß die fremde Staatsangehörigkeit binnen zwei Jahren erworben wird. (4) Der Antrag ist vom eigenberechtigten Staatsbürger persönlich zu unterfertigen. Ist der Staatsbürger nicht eigenberechtigt, so ist der Antrag für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter persönlich oder mit dessen schriftlicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person zu unterfertigen. Der vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen schriftlicher Zustimmung von einer dritten Person gestellte Antrag bedarf der schriftlichen Zustimmung des minderjährigen Staatsbürgers, sofern dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat. Ist jemand anderer als die Eltern oder die Wahleltern gesetzlicher Vertreter, so bedarf der Antrag oder die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters ferner der Genehmigung des Vormundschafts- oder Pflegschaftsgerichts. (5) Der Bescheid, mit dem die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt wird, ist schriftlich zu erlassen. [idF BGBl I 136/2013] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs 1: Die bei § 27 erwähnte Europarat-Konvention bestimmt in ihrem Artikel 1 Abs. 1 grundsätzlich: „Staatsbürger der Vertragschließenden Parteien, die großjährig sind und freiwillig durch Einbürgerung, Option oder Wiedererlangung die Staatsangehörigkeit einer anderen Partei erwerben, verlieren ihre frühere Staatsbürgerschaft. Die Beibehaltung ihrer früheren Staatsbürgerschaft wird ihnen nicht bewilligt.“ Nach Z. 3 des Annexes zu dieser Konvention kann sich wohl jede Vertragschließende Partei das Recht vorbehalten, einem Staatsbürger die Beibehaltung seiner Staatsbürgerschaft zu bewilligen, falls die Vertragschließende Partei, um dessen Staatsangehörigkeit er in der im Artikel 1 angeführten Weise ansucht, vorher ihre Zustimmung erteilt. Die Bundesregierung ist jedoch der Ansicht, daß Österreich

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zur Vermeidung neuer Fälle von Doppelbürgerschaft von dieser Möglichkeit nur in den Fällen Gebrauch machen sollte, in denen die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Staatsbürger bereits erbrachten oder noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im Interesse der Republik liegt. Denn die Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit bringen oft die Gefahr zwischenstaatlicher Konflikte und nicht zuletzt die Gefahr der Kollision der staatsbürgerlichen Pflichten der Betreffenden mit sich. Auch der Weltbund der Österreicher im Ausland hat sich grundsätzlich dafür ausgesprochen, daß die Beibehaltungsmöglichkeit weitestgehend beseitigt und dafür den nach Österreich zurückkehrenden ehemaligen Staatsbürgern der Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft erleichtert werden soll. Dem entspricht der vorliegende Gesetzentwurf mit dem § 12 lit. b und dem vorliegenden § 28. Zu Abs 2: In der Praxis des Bundesministeriums für Inneres werden schon seit langem die nach § 9 Abs. 1 Pkt. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 erteilten Beibehaltungsbewilligungen nur unter der Bedingung ereilt, daß die fremde Staatsangehörigkeit innerhalb einer bestimmten - meist zweijährigen - Frist erworben wird; dies aus der Erwägung, daß bei einer unbefristeten Beibehaltungsbewilligung die Gefahr besteht, daß der Staatsbürger erst nach vielen Jahren unter gänzlich geänderten Umständen die fremde Staatsbürgerschaft erwerben könnte, ohne hiedurch die österreichische Staatsbürgerschaft zu verlieren. Für die Regelung, daß die Beibehaltung nur auf schriftlichen Antrag bewilligt werden darf, waren dieselben Erwägungen maßgebend wie bei der Bestimmung des § 19 Abs. 1. Zu Abs. 3 und 4: Diese Bestimmungen wurden den § 19 Abs. 2, § 27 Abs .2 und § 23 Abs. 1 nachgebildet. Es sind daher auch die Erläuternden Bemerkungen zu jenen Stellen für die Abs. 3 und 4 des § 28 aufschlußreich. EB zu BGBl 394/1973 Die Bestimmungen des § 28 StbG 1965 betrifft Personen, die bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und für die der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft bei Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit unter Umständen eine besondere Härte bedeuten kann. Da die derzeitigen Beibehaltungsbestimmungen auf Härtefälle keine Rücksicht nehmen, sieht der Entwurf vor, daß die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu bewilligen ist, wenn sie wegen der vom österreichischen Staatsbürger bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden Leistungen oder aus einem besonders berücksichtigungswürdigen Grunde im Interesse der Republik liegt, sofern die weiteren im § 28 StbG 1965 normierten Voraussetzungen zutreffen. EB zu BGBl 202/1985 Zu Abs  3: Das Mitwirkungsrecht des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, ist auch auf die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft auszudehnen.

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Im übrigen wird auf die Z 8 und 10 (§§ 19 Abs. 2 und 27 Abs. 3) und die Erläuterungen hiezu verwiesen. EB zu BGBl I 124/1998 Die vorgeschlagene Einfügung eines neuen Abs. 2 soll Staatsbürgern die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft trotz Erwerb einer anderen dann ermöglichen, wenn ein für die Beibehaltung besonders berücksichtigungswürdiger persönlicher Grund vorliegt. Damit wird es möglich, extreme Beeinträchtigungen des Privat- und Familienlebens des Staatsbürgers zu vermeiden, die sich aus der Nichtannahme der Staatsangehörigkeit oder dem Verlust der Staatsbürgerschaft ergeben könnten. Zu EB BGBl I 37/2006 §  28 Abs. 1 beinhaltet weiterhin einen Rechtsanspruch auf Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Falle des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit nach § 27 und unterscheidet zwei Fälle. Zunächst handelt es sich um eine Person, bei der die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft auf Grund der bereits erbrachten oder von ihr noch zu erwartenden Leistungen oder aus einem besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Interesse der Republik liegt. Die bisherige Regelung ergänzend wird vorgeschlagen, dass die Zustimmung zur Beibehaltung durch den Staat, dessen Staatsbürgerschaft erwerben wird nur noch dann entscheidend sein soll, wenn zwischen Österreich und diesem Staat in diesem Punkt Gegenseitigkeit besteht (Z  1). Ebenso besteht ein Rechtanspruch auf die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft alleine aus dem Grund, dass es im Falle von Minderjährigen dem Kindeswohl entspricht. Damit sollen die Verpflichtungen Österreichs auf Grund der Kinderrechtskonvention umgesetzt werden (Z 2). EB zu BGBl I 136/2013 Abs 2: Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Anpassung. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Die Gründe für die Beibehaltung.............................................................. 4 A. Interesse der Republik............................................................................ 4 B. Kindeswohl............................................................................................... 11 C. Beibehaltung aus Gründen des Privat- und Familienlebens............ 12 III. Zusätzliche formelle Voraussetzungen und Formerfordernisse............ 16 A. Schriftlicher Antrag................................................................................ 16 B. Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft binnen zwei Jahren......... 17 C. Unterschriften bzw Zustimmungserfordernisse............................... 18 D. Schriftlicher Bescheid............................................................................. 19

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Schrifttum zu § 28: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 28 regelt die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft trotz nachfolgendem Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit. Die Beibehaltung ist extrem restriktiv geregelt, auch in dieser Bestimmung kommt klar zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber Fälle der Doppel- bzw Mehrfachstaatsbürgerschaft möglichst gering halten bzw nach Möglichkeit vermeiden will („Grundsatz der Vermeidung der mehrfachen Staatsbürgerschaft“, Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 126). Es gibt nur drei Anwendungsfälle, in denen die Beibehaltung bewilligt werden kann: Interesse der Republik an der Beibehaltung, Kindeswohl bei Minderjährigen und besonders berücksichtigungswürdigende Gründe. Letztere sind aber nur relevant, wenn die Staatsbürgerschaft durch Abstammung erworben wurde. Siehe zu diesen Gründen im Einzelnen gleich unten. 2 Da die Beibehaltung bewilligt werden muss, ist klar, dass es dafür eines Antrags des Staatsbürgers bedarf. Die Bewilligung der Beibehaltung der Staatsbürgerschaft nach § 28 StbG ist kein Ermessensakt, bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/01/0058, VwGH 20. 9.1.2011, 2009/01/0023). 3 Die Beibehaltung muss vor Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft bewilligt werden, da durch den Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft ex lege die Staatsbürgerschaft verloren wird (siehe Erl zu § 27). Es ist daher auch nicht ausreichend, wenn bloß der Antrag auf Beibehaltung vor dem Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gestellt wird. Ebenso wenig ist daher eine nachträgliche Bewilligung der Beibehaltung möglich (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 27, 174). Selbst eine nachträgliche Genehmigung der Beibehaltung ändert nichts am – bereits eingetretenen – Verlust (VwGH 28.6.2005, 2004/01/0014). 514

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II.  Die Gründe für die Beibehaltung A.  Interesse der Republik Die Wortfolge „bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden 4 Leistungen“ ist ident mit jener in § 10 Abs 6 und § 11a Abs 4 Z 4. Die Bestimmung des § 28 Abs 1 Z 1 bildet quasi die Ergänzung zu den beiden genannten Bestimmungen: Während in § 10 Abs 6 und § 11a Abs 4 Z 4 jeweils der Erwerb der Staatsbürgerschaft aus dem Grund des Interesses der Republik geregelt wird, wird in §  28 die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft geregelt, wenn ein Staatsbürger eine fremde Staatsbürgerschaft annehmen will, die Republik aber ein Interesse daran hat, dass derjenige trotz der Bestimmung des § 27 (idR ex lege Verlust der Staatsbürgerschaft) weiterhin Staatsbürger bleibt. Die Voraussetzung „noch zu erwartende Leistungen“ erfordert eine 5 Prognoseentscheidung. Eine solche Prognose ist dann möglich, wenn der Betreffende bisher zwar noch keine „Leistungen“ erbracht hat, aber aus seinem Verhalten und seinen Fähigkeiten (Ausbildung) auf künftige Leistungen geschlossen werden kann (VwGH 20.9.2011, 2009/01/0023). Das BMI hat zum Begriff des Interesses der Republik einen Kriterien- 6 katalog erarbeitet, der von der BReg angenommen wurde (BMI, http:// www.bmi.gv.at/cms/BMI_Staatsbuergerschaft/verleihung/start.aspx [13.10.2016]). Dieser Katalog kann aber für den Anwendungsbereich des § 28 nur ein unverbindlicher Leitfaden sein, da anders als in § 10 Abs 6 die Bundesregierung nicht an der Vollziehung des § 28 beteiligt ist. Aufgrund der wortgleichen Formulierung der entsprechenden Bestimmung ist diese Aufzählung aber jedenfalls nicht ohne Relevanz. Genauer zu diesem Katalog siehe Erl zu § 10, Rz 273 ff. Weiters ist die Beibehaltung auch dann zu bewilligen, wenn diese aus 7 einem besonders berücksichtigungswürdigenden Grund im Interesse der Republik liegt. Weder in § 10 Abs 6 noch in § 11a Abs 4 Z 4 findet sich eine vergleichbare Regelung. Diese Voraussetzung hat zwei Komponenten: Nötig ist ein berücksichtigungswürdigender Grund, der auch im Interesse der Republik liegen muss. Diese beiden Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, sind nur schwer gemeinsam zu erfüllen, da ein idR individuell dem Betroffenen zurechenbarer berücksichtigungswürdigender Grund eben auch im Interesse der Republik liegen muss. 515

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8 Ein Beibehaltungswerber, der vorbringt, dass er nach Abschluss eines akademischen Studiums durch einschlägige Berufstätigkeit im Ausland Erfahrungen sammeln werde, die er dann später in Österreich nützen könne, hat damit noch keine Umstände dargetan, die eine Beibehaltung der Staatsbürgerschaft im Interesse der Republik gelegen erscheinen lassen (VwGH 20.9.2011, 2009/01/0023). 9 Der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Staatsbürger erwerben möchte, muss der Beibehaltung zustimmen. Damit soll wohl sichergestellt werden, dass nicht erst eine Beibehaltung bewilligt wird, aufgrund derer der Staatsbürger dann aber die fremde Staatsbürgerschaft nicht verliehen bekommt, falls das jeweilige Staatsbürgerschaftsrecht eine dem § 10 Abs 3 iVm § 20 entsprechende Bestimmung kennt. Die Zustimmung zur Beibehaltung durch den Staat, dessen Staatsangehörigkeit erworben wird, ist nur dann ausschlaggebend, wenn zwischen Österreich und diesem Staat in diesem Punkt Gegenseitigkeit besteht (VwGH 20.9.2011, 2009/01/0023). 10 Außerdem müssen die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 6 und 8 sinngemäß erfüllt sein. Siehe dazu Erl zu § 10. Mit der bloß sinngemäßen Anwendung soll wohl dem Umstand Rechnung getragen werden, dass § 10 die Verleihung der Staatsbürgerschaft zum Inhalt hat, diese aber im hier relevanten Fall nicht verliehen werden soll. Faktisch müssen aber lediglich die Z 5 und 8 bloß sinngemäß angewendet werden, da diese wörtlich auf Verleihung abstellen, die anderen Ziffern können auch ihrem Wortlaut entsprechend angewendet werden.

B.  Kindeswohl 11 Weiters ist die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft zu bewilligen, wenn es im Fall von Minderjährigen dem Kindeswohl entspricht. In allen Fällen, in denen der Antragsteller unter 18 Jahre ist, ist von der Behörde als einzige Voraussetzung die Wahrung des Kindeswohls zu prüfen, Weitere Voraussetzungen, falls die Beibehaltung dem Kindeswohl entspricht, sind nicht vorgesehen. Umgekehrt können aber auch im Fall von Minderjährigen die Voraussetzungen des Abs 1 Z 1 oder Abs 2 erfüllt sein. Die Wendung „wenn es dem Kindeswohl entspricht“ ist offen formuliert. Berücksichtigt werden können alle Umstände, die für den Minderjährigen vorteilhaft sind. Unklar kann sein, ob „im Fall von“ bedeutet, dass der Antragsteller minderjährig sein muss. Im Hinblick auf den Zweck der Norm (Wahrung des Kindeswohls) ist das wohl 516

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nicht der Fall. So kann etwa auch die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft der Eltern oder anderer Obsorgeberechtigter ein Fall sein, der dem Kindeswohl entspricht.

C. Beibehaltung aus Gründen des Privat- und Familien­ lebens Eine Beibehaltung trotz Erwerbs einer anderen Staatsbürgerschaft ist 12 auch möglich, wenn kein besonderes Interesse der Republik gegeben ist. In diesem Fall muss aber für die Beibehaltung ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Privat- und Familienleben der Antragsteller vorliegen. Zwar deutet der Terminus „Privat- und Familienleben“ auf Art 8 EMRK hin, dieser wird aber nicht explizit erwähnt. In anderen Bestimmungen, hinsichtlich derer Art 8 EMRK wesentlich ist, wird er aber wörtlich angeführt: vgl zB § 11 Abs 3 NAG, § 9 BFA-VG, §  55 AsylG. Da in diesem Fall aber keine ausdrückliche Erwähnung erfolgt, wird trotz des ähnliches Wortlauts nicht nur in Fällen, die die Schwelle eines unzulässigen Eingriffs in Art  8 EMRK überschreiten, eine Beibehaltung möglich sein, sondern eine Beibehaltung muss auch in Fällen bewilligt werden, in denen diese Intensität noch nicht gegeben ist. Es muss zwar ein besonders berücksichtigungswürdigender Grund 13 vorliegen, die Beibehaltung muss aber nach dem klaren Wortlaut nicht zwingend erforderlich sein. Insbesondere kann uE in Fällen, in denen ein regelmäßiger Besuch etwa von Kindern oder Eltern wünschenswert ist, ein Grund für die Beibehaltung liegen. Denn auf ein Visum besteht kein Rechtsanspruch (vgl Art 32 VO 810/2009 [Visakodex] bzw §§ 20 ff FPG), ein Aufenthaltstitel gemäß NAG ist uU nicht möglich, wenn kein entsprechender Zweck vorhanden ist bzw nur ein sporadischer Aufenthalt geplant ist. Die Beibehaltung ist in diesem Fall aber nur möglich, wenn die Staats- 14 bürgerschaft durch Abstammung erworben wurde (siehe dazu Erl zu § 7). Sollte die Staatsbürgerschaft verliehen worden sein (§§ 10 ff), ist die Beibehaltung aus Gründen des Privat- und Familienlebens für volljährige Personen nicht möglich, im Fall von Minderjährigen kann die Beibehaltung dem Kindeswohl entsprechen siehe oben B). Das gilt auch dann, wenn die Staatsbürgerschaft bereits in sehr jungen Jahren durch Verleihung erworben wurde. De lege ferenda sollte überlegt werden, die Einschränkung auf Abstammung aufzugeben. Der offenkundi517

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ge Gesetzeszweck, dass nicht das Quasi-Verbot einer Mehrfachstaatsbürgerschaft bei Verleihung (siehe Erl zu § 10) umgangen werden soll, indem vor einem späteren Wiedererwerb der „alten“ Staatsbürgerschaft die Beibehaltung aus Gründen des Privat- und Familienlebens erwirkt wird, lässt sich uE durch andere, weniger einschneidende Maßnahmen erreichen. 15 Mit dieser Bestimmung sollen extreme Beeinträchtigungen vermieden werden, die sich sonst aus der Nichtannahme (der fremden) Staatsangehörigkeit bzw dem Verlust der Staatsbürgerschaft ergeben würden (VwGH 20.9.2001, 2009/01/0023). Die zu erwartenden Beeinträchtigungen müssen konkret sein (vgl Fessler/Keller/Pommerening-Schober/ Szymanski, 180). Der Verlust der „politischen Mitspracherechte“ in Österreich bewirkt keine Beeinträchtigung des Privat- und Familienlebens des Beibehaltungswerbers (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/01/0058). Der Verlust einer Aufenthaltsberechtigung eines anderen Staates kann ebenso wie die Pflegebedürftigkeit ein berücksichtigungswürdigender Grund sein. Die Gründe müssen aber konkret belegt werden (VwGH 20.9.2001, 2009/01/0023). Allenfalls zu überwindende Formalitäten zur Erlangung einer rechtmäßigen aufenthalts- und arbeitsmarktrechtlichen Stellung sind keine Beeinträchtigungen im Sinne des § 28 Abs 2. Auch der Wunsch, (eventuelle) Kinder „international aufzuziehen“, wird durch die Staatsangehörigkeit nicht berührt (VwGH 20.9.2011, 2009/01/0023).

III. Zusätzliche formelle Voraussetzungen und Formerfordernisse A.  Schriftlicher Antrag 16 Der Antrag auf Beibehaltung muss, abweichend von § 13 Abs 1 AVG, in schriftlicher Form eingebracht werden. Weitere Voraussetzungen wie etwa das Verwenden eines einheitlichen Formulars sieht Abs 3 aber nicht vor, sodass auch ein sehr einfach formulierter Antrag, etwa ein Satz oder auch nur eine Wortfolge ausreichend ist, um verfahrenseinleitend zu wirken. Mündliche Anträge dürfen aber uE von der Behörde nicht sofort zurückgewiesen werden, sondern es muss ein Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG ergehen. Erst wenn innerhalb der festgesetzten Frist der Antrag nicht schriftlich eingebracht wird, der Mangel also behoben wird, ist eine Zurückweisung möglich. 518

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B. Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft binnen zwei Jahren Die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft darf nur unter der auflösenden 17 Bedingung bewilligt werden, dass die fremde Staatsangehörigkeit binnen zwei Jahren erworben wird. Ist dies zwei Jahre nach Erlassung (uE nicht etwa Rechtskraft) des Bewilligungsbescheides (allenfalls des Erkenntnisses des LVwG, mit dem die Beibehaltung bewilligt wird) nicht der Fall, wird der Bewilligungsbescheid (das Erkenntnis) gegenstandslos, ohne dass es eines weiteren Aktes (insbesondere eines entsprechenden Bescheides) bedürfte. Der Sinn der Regelung kann nur in Schaffung von Rechtssicherheit liegen. Der Mehrwert für die Republik Österreich, keine Beibehaltung zuzulassen, wenn die andere Staatsbürgerschaft erst nach mehr als zwei Jahren nach Bewilligung der Beibehaltung erworben wird, ist allerdings nicht ersichtlich. Wenn zB Staatsbürgerschaftsverfahren in einem betreffenden Staat faktisch so lange dauern wie dies in Österreich der Fall ist (trotz Geltung des § 73 AVG kann ein solches mehrere Jahre in Anspruch nehmen), kann die Frist von zwei Jahren uU selbst dann nicht ausreichend sein, wenn der Antrag auf Beibehaltung zeitgleich mit dem Antrag auf Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gestellt wird. Fraglich kann weiters sein, ob diese Zweijahresfrist auch dann gewahrt wurde wenn innerhalb dieser die Staatsbürgerschaft gleichsam analog zu § 20 zugesichert wird. Trotz der Wortfolge „binnen zwei Jahren erworben wird“ wird dies uE ausreichend sein.

C.  Unterschriften bzw Zustimmungserfordernisse Der Antrag, der wie oben ausgeführt schriftlich eingebracht werden 18 muss (Abs 3), ist auch persönlich zu unterfertigen. Bezüglich eines Antrages, der zwar schriftlich, aber ohne Unterschrift gestellt wird, muss die Behörde einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG erlassen. Eine Zurückweisung ist nur möglich, wenn auch innerhalb der Frist zur Mangelbehebung keine Unterschrift geleistet wird. Wie beim Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung durch Legitimation ist die Zustimmung eines minderjährigen Antragstellers, der über 14 Jahre alt ist, erforderlich. Auch die fehlende Zustimmung ist ein verbesserungsfähiger Mangel. Das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht muss nur dann den Antrag auf Beibehaltung genehmigen, wenn die gesetzlichen Vertreter andere als die (leiblichen) Eltern oder Adoptivel519

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tern sind. So ist insbesondere im Fall von Pflegeeltern eine Genehmigung seitens des Gerichts nötig.

D.  Schriftlicher Bescheid 19 Abweichend von § 62 Abs 1 AVG müssen Bescheide über die Beibehaltung immer schriftlich erlassen werden. Die Bestimmung des §  28 Abs 5 bezieht sich aber nur auf Bescheide der Behörde. Bezüglich Erkenntnissen des LVwG ist daher § 29 VwGVG anzuwenden: Demnach sind diese im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Nach einer Verhandlung in Anwesenheit von Parteien hat das Verwaltungsgericht idR das Erkenntnis sogleich zu verkünden. Eine Verkündung des Erkenntnisses entfällt, wenn eine Verhandlung nicht durchgeführt wurde oder das Erkenntnis nicht sogleich nach Schluss der mündlichen Verhandlung gefasst werden kann. Zur unklaren Wendung „in der Regel“ siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 29 VwGVG, Anm 10.

§ 29. (1) Der Verlust der Staatsbürgerschaft gemäß § 27 erstreckt sich auf die Kinder des Fremden, sofern sie minderjährig und ledig sind und ihm von Rechts wegen in die fremde Staatsangehörigkeit folgen oder folgen würden, wenn sie diese nicht bereits besäßen, wenn 1. die Mutter gemäß § 143 ABGB, oder 2. der Vater gemäß § 144 Abs. 1 ABGB die Staatsbürgerschaft verliert, es sei denn der andere Elternteil ist weiterhin Staatsbürger. § 27 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. (2) Der Verlust der Staatsbürgerschaft ist auf die Wahlkinder des Fremden, sofern sie minderjährig und ledig sind und ihm von Rechts wegen in die fremde Staatsangehörigkeit folgen oder folgen würden, zu erstrecken, wenn der Wahlelternteil die Staatsbürgerschaft verliert, es sei denn der andere Elternteil oder Wahlelternteil ist weiterhin Staatsbürger. § 27 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. [idF BGBl I 136/2013] EB zu BGBl 250/1965 Nach § 9 Abs. 2 des derzeit geltenden Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 erstreckt sich der Verlust der Staatsbürgerschaft auf die Ehegattin, wenn sie gleichzeitig die fremde Staatsangehörigkeit erwirbt und die Ehe zu Recht besteht und nicht ge-

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richtlich von Tisch und Bett geschieden ist. Der Verlust der Staatsbürgerschaft erstreckt sich nach der geltenden Rechtslage weiters auf die nicht eigenberechtigten Kinder, wenn sie gleichzeitig die fremde Staatsbürgerschaft erwerben, auf Kinder weiblichen Geschlechtes nur dann, wenn sie ledig sind. Im Hinblick auf die bereits mehrfach erwähnte UN-Konvention über die Staatsbürgerschaft verheirateter Frauen soll sich nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf der Verlust der Staatsbürgerschaft überhaupt nicht mehr ex lege auf die Ehegattin erstrecken. Was nun die nicht eigenberechtigten Kinder betrifft, so sollen nach der bereits mehrfach erwähnten Europarat-Konvention über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und Militärdienstverpflichtung in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit minderjährige Kinder (mit Ausnahme derjenigen, die verheiratet sind oder waren) ihre bisherige Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie die Staatsbürgerschaft eines anderen Vertragsstaates ipso iure durch Rechtsnachfolge infolge Einbürgerung, Option oder Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft seitens ihrer Eltern erwerben (Artikel 1 Abs. 3.). Verliert nur ein Elternteil seine bisherige Staatsbürgerschaft, so bleibt es jedoch der innerstaatlichen Gesetzgebung dieses Staates überlassen zu bestimmen, von welchem Elternteil der Minderjährige die Staatsbürgerschaft ableitet. Hiebei kann die innerstaatliche Gesetzgebung den Verlust der Staatsbürgerschaft von der vorherigen Zustimmung des anderen Elternteiles oder des Vormundes zum Erwerb der neuen Staatsbürgerschaft abhängig machen. Nach Artikel 1 Abs. 4 der Konvention richtet sich die Frage Großjährigkeit, der Geschäftsfähigkeit und der Vertretungsgewalt nach den Gesetzen des bisherigen Heimatstaates der betreffenden Person. Mit Rücksicht auf diese Regelung war daher die Ausdehnung des Verlustes auf die minderjährigen Kinder beizubehalten, ja sogar unter bestimmten Voraussetzungen die Verlustfolge auch nach der ehelichen Mutter zu statuieren. § 29 behandelt nur solche Fälle, wo der Miterwerb der fremden Staatsangehörigkeit „von Rechts wegen“, also ohne weiteres Dazutun, eintritt. Ist für den Miterwerb nach dem betreffenden fremden Recht die Zustimmung oder der Antrag des Minderjährigen oder seines gesetzlichen Vertreters erforderlich, so fällt dieser Erwerb unter § 27. Allerdings empfiehlt es sich, bei Rechtsnachfolge nach der Mutter den Verlust der Staatsbürgerschaft - ebenso wie im § 27 Abs. 2 - von der ausdrücklichen und vorherigen Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und erforderlichenfalls auch von der Einwilligung des Vormundschaftsgerichtes abhängig zu machen. Nach der bisher geltenden Regelung war es umstritten, ob sich der Verlust der Staatsbürgerschaft auf das Kind auch dann erstreckt, wenn dieses die fremde Staatsangehörigkeit nicht gleichzeitig mit dem Vater erwirbt, sondern die fremde Staatsangehörigkeit schon früher aus irgendeinem Grunde erworben hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Frage in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1960, Zahl 2439/57, dahin entschieden, daß in derartigen Fällen der Verlust der Staatsbürgerschaft eintritt, weil die lediglich den Schutz vor Staatenlosigkeit bezweckende Klausel des Gesetzes bezüglich des „gleichzeitigen“ Erwerbs der fremden Staatsangehörigkeit unter diesen Umständen hinfällig sei. Diesem Erkenntnis trägt der vorliegende Gesetzentwurf Rechnung, indem ausdrücklich

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gesagt wird, dass der Verlust der Staatsbürgerschaft auch bei denjenigen Kindern eintritt, die die fremde Staatsbürgerschaft bereits besitzen. Allerdings ist diese Regelung nur bei Rechtsnachfolge nach dem ehelichen Vater möglich. Denn in den anderen Fällen soll, wie bereits ausgeführt, die Erstreckung des Staatsbürgerschaftsverlustes davon abhängig gemacht werden, daß der gesetzliche Vertreter und erforderlichenfalls auch das Gericht dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit vorher zustimmt. EB zu BGBl 170/1983 In Hinkunft soll sich beim ehelichen Kind der mit der Geburt kraft Gesetzes eintretende Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mehr ausschließlich vom Vater, sondern im gleichen Maße auch von der Mutter ableiten (Art. I Z 3). Analog dazu soll sich auch der Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 27 StbG 1965 als Folge des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit nicht nur auf die minderjährigen ledigen ehelichen Kinder des Mannes, sondern auch auf jene der Frau erstrecken, wenn sie von Rechts wegen in die fremde Staatsangehörigkeit folgen oder folgen würden, wenn sie diese nicht bereits besäßen. Die Erstreckung des Verlustes der Staatsbürgerschaft auf das eheliche Kind ist als Konsequenz der Rechtsnachfolge in den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gedacht, weshalb diese Gesetzesstelle in der Praxis schon bisher einschränkend dahingehend ausgelegt wurde, daß ein Kind, das die fremde Staatsangehörigkeit bereits besitzt, nicht in jedem Fall, sondern nur dann vom Verlust der Staatsbürgerschaft betroffen wird, wenn es dem Vater einzig und allein deshalb nicht in den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft folgt, weil es diese bereits besitzt. Die Änderung der Worte „oder diese bereits besitzen“ in „oder folgen würden, wenn sie diese nicht bereits besäßen“ sollen dies deutlicher zum Ausdruck bringen. Dem Grundsatz der Gleichheit von Mann und Frau in der Vermittlung der Staatsbürgerschaft auf ihre minderjährigen ehelichen ledigen Kinder soll auch dadurch Rechnung getragen werden, daß sich der Verlust der Staatsbürgerschaft durch einen Elternteil auf diese Kinder dann nicht erstreckt, wenn der andere Elternteil weiterhin Staatsbürger bleibt. Nach §  29 Abs. 2StbG 1965 erstreckt sich bei einer Frau der gemäß §  27 leg. cit eintretende Verlust der Staatsbürgerschaft auf ihre minderjährigen ledigen Kinder, wenn ihr diese von Rechts wegen in die fremde Staatsangehörigkeit folgen und der gesetzliche Vertreter dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit vorher ausdrücklich zugestimmt hat. Dieser Bestimmung wurde durch das Bundesgesetz vom 30. Juni 1977 über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBI. Nr; 403, materiell derogiert. Die Mutter ist nunmehr gleichermaßen wie der Vater ipso iure gesetzlicher Vertreter der ehelichen Kinder. Die Einschränkung des Zustimmungserfordernisses des gesetzlichen Vertreters auf die unehelichen Kinder der Frau stellt somit eine Anpassung an die geänderte Rechtslage dar. Die vorgesehene Gleichstellung der minderjährigen ledigen Wahlkinder mit den ehelichen Kindern österreichischer Staatsbürger beim Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft sowie die Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft auch

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im Wege der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Wahleltern zu erlangen, rechtfertigen, daß sich auch der die Wahleltern treffende Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 27 StbG 1965 unter den angeführten Bedingungen auf deren minderjährige ledige Wahlkinder erstrecken soll. Es wäre nicht sinnvoll und stünde im Widerspruch zu den Grundsätzen der möglichsten Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit und einer einheitlichen Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie, würde das minderjährige Wahlkind im Falle des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft durch die Wahleltern diese isoliert und für sich allein weiterbehalten. Dieselben Erwägungen gelten auch für die Erstreckung des Verlustes der Staatsbürgerschaft auf die minderjährigen ledigen unehelichen Kinder eines männlichen Staatsbürgers. EB zu BGBl 202/1985 Zufolge der in den Erläuterungen zu Z 10 (§ 27 Abs. 3) festgehaltenen Erwägungen soll sich der Verlust der Staatsbürgerschaft eines Elternteils infolge des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit nur mehr dann auf den Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, erstrecken, wenn er dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit zugestimmt hat. EB zu BGBl I 136/2013 Die vorgeschlagenen Änderungen sollen die im gesamten Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 enthaltene Differenzierung betreffend die Ehelichkeit bzw. Unehelichkeit eines Kindes entfallen lassen, da diese Differenzierung vor dem Hintergrund der familienrechtlichen und familienpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ihre sachliche Rechtfertigung weitgehend eingebüßt hat und als nicht mehr zeitgemäß anzusehen ist (siehe dazu auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2012 zu G  66/12 und G  67/12 sowie die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 11.  Oktober 2011 in der Rechtssache Genovese versus Malta (53124/09)). Daher wird vorgeschlagen, dass künftig für alle Sachverhalte, in denen zumindest ein Elternteil österreichischer Staatsbürger ist, das Abstammungsprinzip gilt, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind. Eine Unterscheidung entlang der Ehe- bzw. Unehelichkeit eines Kindes soll künftig nicht mehr vorgenommen werden. Zu §§ 17 Abs. 1 und 1a sowie 29: Die Adaptierungen der §§ 17 Abs. 1 und Abs. 1a sowie 29 haben zu erfolgen, da die angesprochene Differenzierung folgerichtig auch bei der Erstreckung der Verleihung und beim Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft keine Rolle spielen sollen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Voraussetzungen der Erstreckung des Verlusts der Staatsbürgerschaft ............................................................................................................. 4

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Schrifttum zu § 29: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Gemäß § 27 verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist. Siehe dazu näher Erl zu § 27. § 29 ist die im Negativen korrespondierende Bestimmung zu § 16 f (Erstreckung der Verleihung): Wie die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf minderjährige Kinder erstreckt werden kann (siehe näher Erl zu § 17), kann sich unter bestimmten Voraussetzungen auch der Verlust der Staatsbürgerschaft auf die Kinder erstrecken. 2 Der VfGH hat 2013 § 29 idF BGBl 311/1985 als verfassungswidrig aufgehoben, da § 29 Abs 1 StbG aF die Voraussetzungen für die Erstreckung des Verlusts der Staatsbürgerschaft für eheliche Kinder teilweise abweichend von den Voraussetzungen geregelt hat, die für die Erstreckung des Verlusts auf uneheliche Kinder galten. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung gab es nach diesem Erk nicht (VfGH 27.6.29013 G 68/2012 ua). Der in Art 7 Abs 1 B-VG österreichischen Staatsbürgern gewährleistete Gleichheitsgrundsatz ist nach der st Rspr des VfGH auch auf Fallkonstellationen, in denen es um die rechtliche Klärung des Status der österreichischen Staatsbürgerschaft für bestimmte Personen geht, anwendbar (VfGH 29.11.2012, G 66/12). Interessant ist, dass der VfGH die Bestimmung offenbar aus reinen innerstaatlichen Sachlichkeitserwägungen aufgehoben hat. Auf die uE zutreffenden Bedenken des VwGH bezüglich einer Verletzung des Art  8 EMRK mit Blick auf das EGMR Urteil Genovese (EGMR 11.10.2011, 53124/09) ist der VfGH daher nicht eingegangen. Ebenso hat der VfGH judiziert, dass § 29 StbG 1965 (BGBl 250/1965) verfassungswidrig war (VfGH 27.6.2013, G 64/2012). Mit BGBl I 136/2013 (Inkrafttreten am 1.8.2013) wurde die Differenzierung betreffend Ehelichkeit bzw Unehelichkeit beseitigt (Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015), 11). 524

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Die Verfassungskonformität dieser Bestimmung ist unter Sachlichkeitsgesichtspunkten zweifelhaft, postuliert sie doch quasi eine Sippenhaftung: Der Verlust der Staatsbürgerschaft zumindest eines Elternteils zieht ipso iure den Verlust der Staatsbürgerschaft der minderjährigen Kinder nach sich. Zwar setzt der Verlust gemäß § 27 voraus, dass die fremde Staatsbürgerschaft durch eine positive Willenserklärung erworben wurde (vgl Erl zu §  27). Diese Willenserklärung muss sich aber nicht auf die Kinder beziehen. Auch unionsrechtlich ist diese Bestimmung nicht unproblematisch: 3 Verlieren die Kinder mit der österreichischen Staatsbürgerschaft zugleich die Unionsbürgerschaft, muss die Verhältnismäßigkeit des Verlusts geprüft werden. Diese ist uE bei der bloßen Erstreckung des Verlusts kaum gegeben.

II. Voraussetzungen der Erstreckung des Verlusts der Staatsbürgerschaft Wesentlichste Voraussetzung der Erstreckung des Verlusts der Staats- 4 bürgerschaft ist der Verlust der Staatsbürgerschaft zumindest eines Elternteils durch Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft. Dieser Verlust tritt bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 27 ex lege ein, wenn nicht die Beibehaltung (siehe Erl zu § 28) vorher bewilligt worden ist. Zum Begriff der Mutter (§ 143 Abs 1 AGGB) bzw Vater (§ 144 Abs 1 5 ABGB) siehe Erl zu § 7. Die Erstreckung des Verlusts tritt weiters nur ein, wenn entweder beide Elternteile die Staatsbürgerschaft gemäß § 27 verlieren oder der andere Elternteil nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Bleibt hingegen der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger, behalten auch die minderjährigen Kinder die Staatsbürgerschaft. Weiters ist Voraussetzung, dass auch die Kinder die jeweilige fremde 6 Staatsbürgerschaft erwerben („ihm von Rechts wegen in die fremde Staatsbürgerschaft folgen“). Eine eigene Erklärung, wie für den Verlust gemäß § 27 verlangt bzw in der dazu ergangenen Judikatur präzisiert wird (siehe Erl zu § 27) ist für die Kinder nicht vorgesehen. Selbst wenn das Staatsbürgerschaftsrecht des jeweiligen Staates, dessen Staatsbürgerschaft der Elternteil annimmt, eine automatische Erstreckung auf die Kinder kennt, soll die Rechtsfolge des Verlusts eintreten. Auch aus 525

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diesem Grund bleiben aufgrund Sachlichkeitsgesichtspunkten verfassungsgesetzliche Zweifel. 7 Der Verlust tritt auch ein, wenn die Minderjährigen nur aus dem Grund nicht die fremde Staatsbürgerschaft erwerben, weil sie diese bereits besitzen. In diesem Fall geht die Doppelstaatsbürgerschaft (bzw allenfalls Mehrfachstaatsbürgerschaft) verloren. Der Fall, dass Minderjährige staatenlos werden, kann nicht eintreten, da es nur dann zur Erstreckung des Verlusts der österreichischen Staatsbürgerschaft kommt, wenn die Minderjährigen entweder ebenso die fremde Staatsbürgerschaft erwerben oder diese bereits besitzen. 8 Eine Beibehaltung gemäß § 28 ist bezüglich der Erstreckung des Verlusts nicht vorgesehen. Auch in dem Fall, dass die Voraussetzungen des § 28 (siehe dazu Erl zu § 28) in Bezug auf die Minderjährigen erfüllt wären, kommt nach dem Wortlaut des § 28 eine Beibehaltung nicht in Betracht. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum eine solche unter den – ohnehin sehr engen – Voraussetzungen der Möglichkeit der Beibehaltung nicht zulässig sein sollten. Diesbezüglich liegt daher trotz des klaren Verweises in § 28 lediglich auf § 27 eine Lücke vor, sodass auch die Beibehaltung bewilligt werden kann, wenn die Staatsbürgerschaft lediglich durch Erstreckung des Verlusts verloren würde (vgl dazu auch VfGH 27.6.2013 mit Verweis auf VwGH 4.4.1990, 89/01/0119). 9 Eine Mitwirkung des Gerichts (vgl § 7a), etwa aus erzieherischen Gesichtspunkten, ist nicht vorgesehen. Allerdings verlieren Minderjährige, die das vierzehnte Lebensjahr bereits vollendet haben, die Staatsbürgerschaft nur, wenn sie der auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichteten Willenserklärung (Abs 1) ihres gesetzlichen Vertreters oder der dritten Person (Abs 2) vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit ausdrücklich zugestimmt haben (sinngemäße Anwendung des § 27 Abs 3). Diese ausdrückliche Zustimmung muss aber nicht auf den Verlust der eigenen Staatsbürgerschaft gerichtet (diese tritt ja ex lege ein), sondern die über 14-jährigen Minderjährigen müssen dem Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft durch den betreffenden Elternteil zugestimmt haben. Dabei kann unklar sein, welche rechtliche Qualität diese Zustimmung haben muss. Aufgrund des klaren Wortlauts muss die Zustimmung „ausdrücklich“ sein, also eine konkrete Erklärung, dessen Erklärungswillen keinen Zweifel offen lässt. Eine konkludente Erklärung kommt aus diesem Grund nicht in 526

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Betracht. Auch Schweigen kann nicht als Zustimmungserklärung gewertet werden, auch eine bloße Billigung der Annahme der fremden Staatsbürgerschaft durch den jeweiligen Elternteil ist nicht ausreichend. Für die Form dieser Erklärung sind aber keine besonderen Formvorschriften vorgesehen. Sie muss also nicht notwendigerweise schriftlich erfolgen, auch eine – eindeutige – mündliche Erklärung kann ausreichend für die Erstreckung des Verlusts sein. Aufgrund der Bedeutung dieser Erklärung (Verlust der Staatsbürgerschaft und uU damit auch der Unionsbürgerschaft) wird aber an diese Erklärung ein strenger Maßstab anzulegen sein, sowohl was den Erklärungswert betrifft, als auch was die Dokumentation dieser Erklärung betrifft. Nur wenn keine Zweifel offen bleiben, dass der Minderjährige dem Staatsbürgerschaftserwerb des Elternteils ausdrücklich zugestimmt hat und diese Erklärung auch ohne Zweifel aufgrund freien Willens dem Jugendlichen zugerechnet werden kann, kann die Rechtsfolge des § 29 Abs 1 eintreten. Abs 2 sieht eine Erstreckung des Verlusts auch auf die adoptierten Kin- 10 der des Fremden vor, der die Staatsbürgerschaft durch Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft verliert. Die Rechtsfolge kann aber nicht eintreten, wenn der Wahlelternteil die österreichische Staatsbürgerschaft nicht verliert, weil er gar nicht Staatsbürger war (arg: Verlust „erstreckt sich“).

§  30. (1) Strebt ein Staatsbürger eine fremde Staatsangehörigkeit

an und ist ihm die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft nicht bewilligt worden, so hat ihm die Behörde auf seinen Antrag zu bestätigen, daß er im Falle des Erwerbes der fremden Staatsangehörigkeit aus dem österreichischen Staatsverband ausscheidet. In dieser Bestätigung sind auf seinen Antrag gegebenenfalls auch die minderjährigen Kinder anzuführen, auf die sich der Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 29 erstreckt. (BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 23) (2) Für einen nicht eigenberechtigten Staatsbürger darf die Bestätigung nach Abs. 1 nur ausgestellt oder er in dieser nur angeführt werden, wenn die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, und gegebenenfalls die Genehmigung des Gerichtes (§ 27 Abs. 2 und § 29 Abs. 2) bereits vorliegen. (BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 17) [idF BGBl 311/1985]

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EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs 1: Die bisherige‘ „Kann-Bestimmung“ (§ 16 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949) soll in eine „Muß-Bestimmung“ umgewandelt werden. Denn es ist nicht einzusehen, warum der Staatsbürger, der eine fremde Staatsangehörigkeit anstrebt, bei Vorliegen der im § 30 geforderten Voraussetzungen keinen Rechtsanspruch auf die – von ihm zur Vorlage bei der ausländischen Einbürgerungsbehörde oft dringend benötigte - Urkunde über das Ausscheiden aus dem österreichischen Staatsverband haben soll. Zu Abs 2: Da der Verlust der Staatsbürgerschaft bei nicht eigenberechtigten Personen gemäß § 27 Abs. 2 davon abhängig ist, daß der gesetzliche Vertreter dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit vorher zustimmt und erforderlichenfalls auch das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht einwilligt, soll in diesen Fällen die Bescheinigung über das Ausscheiden aus dem österreichischen Staatsverband erst dann ausgestellt werden, wenn die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und erforderlichenfalls auch die gerichtliche Einwilligung bereits vorliegt. Ähnliches soll im Hinblick auf § 29 auch für die Anführung minderjähriger Kinder in dieser Bescheinigung gelten. EB zu BGBl 170/1983 Die von der Behörde auszustellende Urkunde ist eine öffentliche Urkunde und damit ein besonders qualifiziertes Beweismittel. Da das Wort „bescheinigen“ im Verfahrensrecht einen besonderen Sinn hat, der weniger bedeutet als das Wort beweisen, sollen die im Gesetzestext verwendeten Worte „bescheinigen“ und „Bescheinigung“ jeweils durch „bestätigen“ und „Bestätigung“ ersetzt werden. EB zu BGBl 202/1985 Abs 2: Da der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht mehr gegen den Willen des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, eintreten soll, darf die Bestätigung über das Ausscheiden aus dem österreichischen Staatsverband im Falle des Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit nur ausgestellt werden, wenn auch er dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit zugestimmt hat. Durch die Ersetzung des Wortes „Einwilligung“ durch den Ausdruck „Genehmigung“ wird der Gesetzestext dem durch Art. XIV des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1977 über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBl. Nr.403, geänderten Wortlaut der §§ 27 Abs. 2 und 28 Abs. 3 StbG 1965 angepaßt. Schrifttum zu § 30: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft

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(2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

§ 30 sieht vor, dass in Fällen, in denen österreichische Staatsbürger eine 1 andere Staatsbürgerschaft annehmen wollen, ihnen eine Bestätigung über den ex lege eintretenden Verlust der Staatsbürgerschaft (siehe Erl zu § 27) auszustellen ist, wenn nicht die Beibehaltung zuvor bewilligt worden ist (siehe Erl zu § 28). Diese Bestätigung ist nur auf Antrag des Betroffenen auszustellen. Auf Ausstellung dieser Bestätigung besteht ein Rechtsanspruch. Diese Bestätigung dient wohl insbesondere zur Vorlage bei der Behör- 2 de des Staates, dessen Staatsbürgerschaft der (noch) österreichische Staatsbürger anstrebt, wenn das Staatsbürgerschaftsrecht dieses Staates eine dem §  20 StbG entsprechende Bestimmung (idR Verbot einer Doppelstaatsbürgerschaft) kennt. Eine Zurücklegung der österreichischen Staatsbürgerschaft erübrigt sich, da der Verlust in diesem Fall ex lege eintritt (§ 27). Mangels einer Norm, die dies ausschließen würde, kann der Antrag auf 3 Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 30 auch gestellt werden, wenn ein Antrag auf Beibehaltung gemäß § 28 anhängig ist. Wird in einem solchen Fall die Beibehaltung bewilligt, muss der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß §  30 zurückgewiesen werden, falls er nicht zurückgezogen wird. Auf der Bestätigung sind auch die minderjährigen Kinder anzuführen, 4 auf die sich der Verlust erstreckt (zur Erstreckung des Verlusts siehe Erl zu § 29). Ein Antrag auf Ausstellung einer „eigenen“ Bestätigung für die minderjährigen Kinder, die durch Erstreckung die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren, ist nicht vorgesehen. Der Verlust der Staatsbürgerschaft ist aber unabhängig von einer Bestä- 5 tigung gemäß § 30. So tritt trotz Bestätigung der Verlust nicht ein, wenn die Voraussetzungen gemäß § 27 nicht erfüllt sind, es ist aber auch der umgekehrte Fall denkbar (Verlust trotz Fehlens einer Bestätigung); dies ist auch dann möglich, wenn der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung mit Bescheid abgewiesen wurde (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 310). Beachte aber für den letzten Fall den möglichen Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige gemäß § 57 Abs 1 (fälschliche Behandlung als Staatsbürger durch Behörden). 529

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Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates § 32. Einem Staatsbürger, der freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates tritt, ist die Staatsbürgerschaft zu entziehen. § 27 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden. [idF BGBl I 38/2011] EB zu BGBl 250/1965 Diese Bestimmung wurde aus § 9 Abs. 1 Pkt. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 übernommen. Die in Rede stehende Verlustbestimmung widerspricht nach Ansicht der Bundesregierung nicht der mehrfach erwähnten UN-Konvention, betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit. Denn nach dieser Konvention ist die Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei Personen, die hiedurch staatenlos würden, unter anderem dann zulässig, wenn sie „unter Mißachtung eines ausdrücklichen Verbotes des vertragschließenden Staates einem anderen Staat Dienste geleistet oder diese Dienstleistungen fortgesetzt haben“ (Art. 8 Abs. 3 lit. a Punkt i der Konvention). Ein solches ausdrückliches Verbot ist aber in der in Rede stehenden Verlustbestimmung zu erblicken. EB zu BGBl I 38/2011 Vor dem Hintergrund des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit aus dem Jahr 1961 und aufgrund einer Anregung von UNHCR wird die Regelung des § 32 StbG in Einklang mit dem Übereinkommen von 1961 gebracht und zu einem Entziehungstatbestand ausgeformt, statt wie bisher einen Verlusttatbestand abzubilden. In Art. 8 Abs. 3 des Übereinkommens von 1961 ist ein Ausbürgerungsgrund im Falle des freiwilligen Eintritts in den Militärdienst eines fremden Staates vorgesehen, der jedoch nur für die Entziehung der Staatsangehörigkeit, nicht für deren Verlust gilt. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Freiwilliger Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates........... 4 III. Minderjährige............................................................................................... 7 Schrifttum zu § 32: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

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Verlust der Staatsbürgerschaft

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I.  Allgemeines Tritt ein Staatsbürger in den Militärdienst eines fremden Staates ein, ist 1 die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Der Verlust tritt daher nicht bereits durch Eintritt in den Militärdienst (wie zT bei Erwerb einer fremden Staatsbürgerschaft) ein, sondern die Staatsbürgerschaft muss in einem förmlichen Verfahren durch Bescheid entzogen werden. Die Rechtsfolge (Verlust der Staatsbürgerschaft) tritt daher erst mit Rechtskraft (allenfalls Durchsetzbarkeit, sofern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde ausgeschlossen wurde) des Bescheides bzw des Erkenntnisses ein. Bis 30.6.2011 verloren Staatsbürger, die freiwillig in den Militärdienst 2 eines fremden Staates eintraten, idR ex lege die Staatsbürgerschaft. Mit BGBl I 38/2011 wurde anstelle des automatischen Verlusts der vorliegende Entziehungstatbestand eingeführt. Nach den EB war der Grund für diese Neuregelung das Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit (EB RV 1078 dB 24.GP zu § 32 StbG). Tatsächlich hat Österreich zu Art 8 Abs 3 dieses Abkommens die Erklärung abgegeben, sich das Recht vorzubehalten, einer Person die Staatsbürgerschaft zu entziehen, die freiwillig in den Militärdienst eines fremden Staates eintritt (vgl Art 8 Abs 3 des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit samt Erklärungen der Republik Österreich, BGBl 538/1974). Aus dem Wortlaut der Erklärung geht also klar hervor, dass von diesem Vorbehalt die Möglichkeit einer Entziehung, nicht aber ein Verlust ex lege abgedeckt ist. Wenn die Entziehung zur Folge hat, dass der Betroffene neben der ös- 3 terreichischen Staatsangehörigkeit auch die Unionsbürgerschaft verliert, ist zu prüfen, ob diese Entziehung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit standhält (siehe Erl zu § 26).

II. Freiwilliger Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates Tritt ein österreichischer Staatsbürger freiwillig in den Militärdienst ei- 4 nes fremden Staates ein, muss die Behörde die Staatsbürgerschaft entziehen, dabei handelt sich nicht um eine Ermessensentscheidung. Es muss sich um einen freiwilligen Eintritt handeln, Fälle von asylrelevanten Zwangsrekrutierungen etc (vgl etwa BVwG 13.4.2016, W214 531

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1259190-3) bewirken daher nicht die Entziehung der Staatsbürgerschaft. Freiwilligkeit kann auch nicht angenommen werden, wenn der Betroffene zum Eintritt in den Militärdienst durch die Rechtsordnung des anderen Staates verpflichtet wird (VwGH 15.3.2010, 2007/01/0482). Weiters kann die Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden, wenn zur Beseitigung einer (nicht selbst verschuldeten) Notlage nur der Eintritt in den Militärdienst als Lösung offen steht (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 32, 185). Für die Frage des Verlustes der Staatsbürgerschaft kommt es allein auf den freiwilligen Weiterverbleib im Militärdienst eines fremden Staates an, der auch dann vorliegt, wenn der Betroffene sich freiwillig einer umfangreicheren Militärpflicht unterwirft, ohne dazu nach der fremden Rechtsordnung verpflichtet zu sein (VwGH 11.10.2012, 2011/01/0263). Es muss sich um einen Militärdienst handeln, es ist dabei aber nicht relevant ob das Dienstverhältnis eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Grundlage hat. Unter Militär ist unter Rückgriff auf das WehrG eine bewaffnete Macht zu verstehen, der die militärische Landesverteidigung obliegt (§ 1 Abs 1 und § 2 Abs 1 lit a WehrG). 5 Der Eintritt in einen anderen Dienst, selbst wenn dieser der Aufrechterhaltung der Sicherheit jenes Staates zuzurechnen ist, erfüllt diesen Terminus nicht. Beachte aber § 33 Abs 1, wonach einem Staatsbürger, der im Dienst eines fremden Staates steht (falls nicht bereits gemäß § 32 eine Entziehung zwingend vorgesehen ist), die Staatsbürgerschaft zu entziehen ist, wenn dieser durch sein Verhalten die Interessen oder das Ansehen der Republik erheblich schädigt. Siehe näher Erl zu § 33. Weiters muss es sich um den Militärdienst eines fremden Staates handeln, andere bewaffnete Gruppen (etwa Terrororganisationen) erfüllen diesen Begriff nicht. Beachte aber § 33 Abs 2. 6 Im Fall des Eintritts in einen fremden Militärdienst muss die Staatsbürgerschaft ohne Rücksicht darauf entzogen werden, ob der Staatsbürger dadurch staatenlos wird oder nicht. Eine solche Staatenlosigkeit wird in diesem Fall bewusst in Kauf genommen.

III.  Minderjährige 7 Grundsätzlich ist auch Minderjährigen die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn sie freiwillig in den Militärdienst eines anderen Staates eintreten. 532

Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 32

Nicht eigenberechtigte Personen können nicht freiwillig in den Militär- 8 dienst eines fremden Staates eintreten (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 313). Gemäß § 32 Satz 2 ist § 27 Abs 2 sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 32 iVm § 27 Abs 2 ist daher einem nicht eigenberechtigten Staatsbürger die Staatsbürgerschaft nur dann zu entziehen, wenn die auf den Eintritt gerichtete Willenserklärung für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person abgegeben wird. Mit der Obsorge von Minderjährigen sind idR die Eltern oder ein Elternteil betraut (§ 177ff ABGB). Pflege und Erziehung schließen gemäß § 158 Abs 1 ABGB idR die gesetzliche Vertretung ein (Koziol-Welser/Kletecˇ­ ka, Bürgerliches Recht I14 (2014), Rz 1751). Die auf freiwilligen Eintritt in den fremden Militärdienst gerichtete Willenserklärung kann für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter oder mit dessen ausdrücklicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person abgegeben werden. Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters muss vor dem Eintritt abgegeben werden (Thienel, aaO bezeichnet dies als unklar). Ist jemand anderer als die Eltern oder die Wahleltern gesetzlicher Vertreter, so tritt der Verlust der Staatsbürgerschaft überdies nur dann ein, wenn das Vormundschafts- oder Pflegschaftsgericht die Willenserklärung (Zustimmung) des gesetzlichen Vertreters vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit genehmigt hat. Nach dem Wortlaut des § 32 wird nur auf § 27 Abs 2, nicht aber auf 9 Abs 3 verwiesen. Es ist nach dem Wortlaut denkbar, dass auch eine Person, die das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, letztlich gegen ihren erklärten Willen zum Militärdienst verhalten wird und daher deren Staatsbürgerschaft zu entziehen wäre. In einem solchen Fall liegt uE (trotz Minderjährigkeit) Freiwilligkeit nicht vor. Um ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden (vgl Thienel aaO, 314) kann eine planwidrige Lücke angenommen werden und diese durch Analogie zu § 37 Abs 3 geschlossen werden. Eine weitere Grenze der Entziehung liegt jedenfalls im odre public, da ein Eintritt von Kindern in einen Militärdienst selbst mit Zustimmung der Eltern uE jedenfalls gegen diesen verstößt.

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§ 33

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Entziehung § 33. (1) Einem Staatsbürger, der im Dienst eines fremden Staates steht, ist, sofern nicht schon § 32 anzuwenden ist, die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn er durch sein Verhalten die Interessen oder das Ansehen der Republik erheblich schädigt. (2) Einem Staatsbürger, der freiwillig für eine organisierte bewaffnete Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnimmt, ist die Staatsbürgerschaft zu entziehen, wenn er dadurch nicht staatenlos wird. [idF BGB I 104/2014] EB zu BGBl 250/1965 Nach § 9 Abs 1 Pkt. 2 des geltenden Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 verliert die Staatsbürgerschaft auch, wer freiwillig in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates tritt. Eine Ausnahme ist lediglich für Personen statuiert, welche die Stelle eines Hochschullehrers im Ausland antreten, hiedurch aber die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates nicht erwerben. Da jedoch viele Staatsbürger gezwungen sind, zur Sicherung ihrer Existenz oder zu ihrer beruflichen Fortbildung eine ausländische Staatsstelle anzunehmen, bedeutet der unbedingte Verlust der Staatsbürgerschaft im Einzelfall oft eine unbillige Härte oder sogar eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen. Denn vielfach haben die Betroffenen die Absicht, nur vorübergehend im Dienst eines fremden Staates tätig zu sein und dann wieder in die Heimat zurückzukehren. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Tätigkeitsbericht über das Jahr 1959 auf den Umstand verwiesen, daß Künstler und Fachkräfte, aber auch andere Personen teilweise auch zur Einschulung und zu Studienzwecken im Auslande arbeiten. Mit Rücksicht auf die umfassenden Verstaatlichungen sei auf die naheliegende Gefahr Bedacht zu nehmen, daß bei einer derartigen Beschäftigung die österreichische Staatsbürgerschaft verloren geht. Der Verwaltungsgerichtshof hält es daher für dringend geboten, solchen Personen die Möglichkeit zur Beibehaltung der Staatsbürgerschaft zu eröffnen. Eine solche Regelung würde aber nach Ansicht der Bundesregierung nicht nur zusätzliche Verwaltungsmehrarbeit bewirken, sondern auch die Gefahr heraufbeschwören, daß ein Staatsbürger, dem die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Eintrittes in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates bewilligt wurde, später in diesem Dienst zum Nachteil Österreichs tätig ist, ohne daß etwas dagegen unternommen werden könnte. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, daß der Eintritt in den Dienst eines fremden Staates - vom Militärdienst abgesehen - nicht mehr den ex lege-Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach sich zieht, diese aber in besonders krassen Fällen entzogen werden muß; nämlich dann, wenn ein Staatsbürger, der im Dienst eines fremden Staates steht, durch sein Verhalten die Interessen oder das Ansehen der Republik „erheblich“ schädigt. Hiebei soll es rechtlich ohne Bedeutung bleiben, ob dieses schädigende Verhalten mit dem Dienst im fremden Staat in einem Zusammenhang steht oder nicht.

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Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 33

Nach der geltenden Rechtslage führt nur der Eintritt in den „öffentlichen Dienst“ zum Verlust der Staatsbürgerschaft. Unter dem Begriff „öffentlicher Dienst“ ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur die Tätigkeit in der Hoheitsverwaltung, nicht aber die in der Privatwirtschaftsverwaltung zu verstehen (so vor allem das Erkenntnis vom 27. April 1954, Slg.Nr. 3386 A). Nun haben sich aber im modernen Wirtschaftsstaat die Grenzen zwischen diesen beiden überlieferten Gruppen der Verwaltung längst verwischt. Dazu kommt noch daß auch die Tätigkeit in der Privatwirtschaftsverwaltung eines fremden Staates den Interessen Österreichs zuwiderlaufen kann. Der Gesetzentwurf spricht daher nur mehr vom Dienst eines fremden Staates schlechthin und will damit sowohl die Hoheits- als auch die Privatwirtschaftsverwaltung erfassen. Der Begriff „Dienst“ darf hiebei nicht eng ausgelegt werden: Es soll darunter nicht nur ein pragmatisches Dienstverhältnis fallen, sondern jedwede – auch privatrechtliche – Bindung an einen fremden Staat. So wird zum Beispiel auch das die Interessen oder das Ansehen der Republik schädigende Verhalten eines Staatsbürgers, der für einen fremden Staat als Konsulent tätig ist, einen Entziehungsgrund bilden. Eine Ausdehnung des in Rede stehenden Verlusttatbestandes auf andere öffentlich-rechtliche Körperschaften des Auslandes (zum Beispiel auf ausländische Gemeinden) wäre an sich zweckmäßig, würde aber der bereits erwähnten Bestimmung des Artikels 8 Abs. 3 lit. a Punkt i der UN-Konvention, betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit, widersprechen. Zu EB BGBl I 104/2014 Mit Abs. 2 soll ein eigener Entziehungstatbestand eingeführt werden, der vorsieht, dass einem österreichischen Staatsbürger die Staatsbürgerschaft durch die Behörde zu entziehen ist, wenn dieser freiwillig außerhalb Österreichs als Teil einer organisierten bewaffneten Gruppe aktiv an Kampfhandlungen im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes teilnimmt. Die „freiwillige“ Teilnahme setzt eine bewusste und auf eine Kampfhandlung gerichtete Willenshandlung, die frei von jeglichem Zwang erfolgt, voraus. Die Teilnahme an Kampfhandlungen aufgrund einer wie immer gearteten „Zwangsrekrutierung“ oder „Zwangsverpflichtung“ (sei es im Rahmen einer Mobilmachung, einer Wehrdienstleistung oder Ähnliches), die demnach nicht auf Freiwilligkeit beruht, ist daher nicht tatbestandlich. Der Betreffende muss „für eine organisierte bewaffnete Gruppe“ tätig werden. Dieser Umstand des Tätigwerdens wird weit auszulegen sein. Umfasst sind neben jeder Form der „Mitgliedschaft“, des „Anschlusses“, oder des „im Dienst stehen“ auch jene Situationen, in denen der Betroffene sonst im Auftrag der bewaffneten Gruppe tätig wird. Dies kann neben einer Anordnung der Handlung auch eine bloße Duldung durch die Gruppe beinhalten (vgl. dazu auch die std. Rspr. der Ad-hoc Tribunale, vgl. u.a. RStGH, Urteil vom 1. Juni 2001 (Akayesu, AC) paras. 425 ff.). Im Hinblick auf den weiten Begriff der „bewaffneten Gruppe“ sind auch sog. „Private Military Companies (PMC)“, die im Ausland im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes an Kampfhandlungen teilnehmen (z.B. in Irak od. Libyen), vom gegenständlichen Entziehungstatbestand umfasst. „Aktive Teilnahme an

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§ 33

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Kampfhandlungen“ meint eine aktive, physische Handlung, die entweder selbst unmittelbar gewaltsam ist oder in einem engen örtlichen, zeitlichen und kausalen Zusammenhang mit im Rahmen des bewaffneten Konflikts stattfindenden gewaltsamen Handlungen steht. Deutlich wird die Voraussetzung der körperlichen Anwesenheit auch durch das Tatbestandsmerkmal „im Ausland“. Die Teilnahme an den Kampfhandlungen muss „im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes“ erfolgen. Zwar gibt es im humanitären Völkerrecht keine abschließende Definition des „bewaffneten Konflikts“, doch werden darunter die Anwendung von Waffengewalt zwischen Staaten oder ausgedehnte bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen innerhalb eines Staates verstanden. Das humanitäre Völkerrecht unterscheidet zwischen „internationalen bewaffneten Konflikten“, die zwischen mindestens zwei Staaten ausgetragen werden, und „nicht internationalen bewaffneten Konflikten“, in denen die Streitkräfte eines Staates (vgl. Art. 43 Zusatzprotokoll I) gegen organisierte bewaffnete Gruppen oder in denen solche Gruppen untereinander kämpfen, sofern die Kampfhandlungen von einer gewissen Dauer und Intensität sind. Nicht erfasst sind demnach Fälle innerer Unruhen und Spannungen, Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen (vgl. Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls II: „Danach gelten als nicht-internationale bewaffnete Konflikte solche, „die im Hoheitsgebiet einer [...] Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der [...] Vertragspartei ausüben, daß sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll [Anm: ZP II] anzuwenden vermögen“.) Entscheidend ist nicht das Ausmaß der Unruhen, sondern sind die strukturellen Eigenschaften des Konfliktes maßgebend. Diese zeigen sich in einer einheitlichen Führung, einem operativen Zusammenhang der Kampfhandlung und der Kontrolle von Gebiets­ teilen (Stadlmeier in Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Reinisch (Hg.), S. 666, Rn. 2637 f.). Durch das Tatbestandsmerkmal „für eine organisierte bewaffnete Gruppe“ wird auch deutlich, dass selbstverständlich die Teilnahme an Einsätzen im Rahmen des Bundesverfassungsgesetzes vom 21. April 1997 über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG), BGBl. I Nr. 38/1997 idF BGBl. I Nr. 35/1998, (DFB) oder die Entsendung österreichischer Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen anderer Missionen (zB. Frontex) vom gegenständlichen Entziehungstatbestand nicht umfasst sein kann, da es sich hierbei nicht um bewaffnete Gruppen handelt (vgl. dazu das KSE-BVG). Folglich sollen insbesondere Einsätze österreichischer Soldaten oder Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Rahmen von Missionen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa oder der Europäischen Union oder der Vereinten Nationen oder sonstigen Friedensmissionen, wie z.B. im Rahmen von friedensunterstützenden Operationen der NATO-Partnerschaft für den Frieden („Partnership for Peace“/ PfP), nicht umfasst sein.

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Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 33

Die Teilnahme an Kampfhandlungen, die dem Tatbild der gegenständlichen Bestimmung entsprechen, im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes stellt schon per se eine Schädigung der Interessen und des Ansehens der Republik dar. Dieses, den internationalen und völkerrechtlichen Interessen Österreichs in schwerwiegender Weise abträgliche Verhalten steht deutlich im Widerspruch zur Treuepflicht eines jeden Staatsbürgers gegenüber der Republik Österreich, insbesondere aufgrund ihrer Eigenschaft als neutraler Staat. Anders als im bisherigen § 33 (Abs.  1 neu) ist dieser Umstand dem vorgeschlagenen Entziehungstatbestand von vornherein immanent und muss daher im einzelnen Verfahren nicht mehr festgestellt werden. Unter Beachtung des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit, BGBl. Nr.  583/1974 idF BGBl.  III Nr.  125/2014, und des Europäischen Übereinkommens über Staatsangehörigkeit, BGBl. III Nr. 39/2000, der diesbezüglich abgegebenen Vorbehalte und Erklärungen zu Artikel 8 Abs. 3 lit. a Punkte i und ii im erstgenannten Übereinkommen und zu Artikel 6 bis 9 sowie 21 und 22 des zweitgenannten Übereinkommens sowie unter Beachtung von Art. 8 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes, BGBl. Nr. 7/1993, kommt eine Entziehung dann nicht in Frage, wenn der Betroffene durch den Entzug der österreichischen Staatsbürgerschaft staatenlos wird. Der Erwerb und der Verlust der Staatsangehörigkeit fallen nach dem Völkerrecht zwar grundsätzlich in die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten, von diesen ist aber „unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts Gebrauch zu machen“ (EuGH Urteile C-369/90 Micheletti u. a, Rn. 10, C-179/98, Mesbah Slg. 1999, I-7955, Rn. 29, C-200/02 Zhu und Chen Slg. 2004 I-9925, Rn. 37, C-135/08 Rottmann Rn. 39). Ein Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft könnte aus unionsrechtlicher Sicht daher problematisch sein, wenn damit automatisch die Unionsbürgerschaft, die zur Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaats hinzutritt (s. Art. 20 Abs. 1 AEUV), verloren ginge; wenn es sich also nicht um einen Doppelstaatsbürger mit österreichischer und einer weiteren Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedstaats handelt. Im Lichte der primärrechtlich verbürgten Rechte aus dieser Unionsbürgerschaft und der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH ist in solchen Fällen im Staatsbürgerschaftsentziehungsverfahren der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Für den Fall, dass die Entziehung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu einem Verlust der Unionsbürgerschaft führt, ist im Lichte dieser Rechtsprechung (Urteil Rottmann Rn. 56) im Entziehungsverfahren eine Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Schädigung der Interessen oder des Ansehens der Republik................ 3 III. Freiwillige Teilnahme an Kampfhandlungen........................................... 4

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§ 33

Johannes Peyrl

Schrifttum zu § 33: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 33 ergänzt die in § 32 vorgesehene Entziehung bei freiwilligem Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates (siehe dazu Erl zu § 32). Sind die Voraussetzungen des §  32 erfüllt, hat die Behörde auch die Staatsbürgerschaft gemäß § 32 zu entziehen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kann eine Entziehung gemäß § 33 in Betracht kommen. § 33 kommt daher zur Anwendung, wenn § 32 nicht anwendbar ist, der Staatsbürger aber trotzdem „im Dienst“ des fremden Staates steht. Nach dem Wortlaut könnte das auch ein Militärdienst sein, wenn derjenige nicht freiwillig in diesen eingetreten ist, da in diesem Fall § 32 nicht anzuwenden ist. Da aber bereits in § 32 ausdrücklich bestimmt wird, dass in diesem Fall die Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden soll und § 32 eine lex specialis zu § 33 darstellt, ist bei unfreiwilligem Eintritt in den Militärdienst die Staatsbürgerschaft auch gemäß §  33 nicht zu entziehen. Wie in § 32 ist ohne Belang, ob der Dienst eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Grundlage hat. Als „fremder Staat“ kommen nach Thienel nur ausländische Rechtsträger in Frage, die in ihrer Organisationsform dem entsprechen, was das B-VG als „staatlich“ qualifiziert, also über die dem Bund bzw den Ländern vergleichbare Kompetenzen verfügen (Thienel, Österreichische Staats­ bürgerschaft II, 316). 2 Im Anwendungsbereich des Abs 1 kann als Folge der Entziehung Staatenlosigkeit eintreten. Wenn die Entziehung zur Folge hat, dass der Betroffene neben der österreichischen Staatsangehörigkeit auch die Unionsbürgerschaft verliert, ist zu prüfen, ob diese Entziehung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit standhält (siehe Erl zu §  26). Nach dem Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit darf grundsätzlich kein Vertragsstaat einer Person seine Staatsangehörigkeit entziehen, wenn diese Entziehung sie staatenlos machen würde. Österreich hat aber zu Art 8 Abs 3 erklärt, sich das Recht vorzubehalten, 538

Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 33

einer Person die Staatsbürgerschaft zu entziehen, die im Dienst eines fremden Staates steht, wenn sie durch ihr Verhalten die Interessen oder das Ansehen der Republik Österreich erheblich schädigt (vgl Erklärung Österreichs zu Art 8, Abs 3 lit a Punkte i und ii des Übereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit samt Erklärungen der Republik Österreich, BGBl 538/1974).

II. Schädigung der Interessen oder des Ansehens der Republik Nicht jeder Dienst eines fremden Staates hat eine Entziehung der 3 Staatsbürgerschaft zur Folge: Durch das konkrete Verhalten muss das Ansehen oder ein Interesse der Republik (vgl § 2 Z 1: Österreich) geschädigt werden. Dieses schädigende Verhalten muss uE unmittelbar in Ausübung des Dienstes gesetzt werden (Thienel, aaO, 317, aA Fessler/ Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 32, 186). Das schädigende Verhalten muss auch zum Zeitpunkt der Entziehung andauern bzw aufrecht sein (arg: „schädigt“, zutreffend Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski aaO). Geschädigt werden muss das Ansehen oder die Interessen der Republik, eine Schädigung etwa des Ansehens und/oder der Interessen der Europäischen Union sind nur dann ein Grund zur Entziehung der Staatsbürgerschaft, wenn damit gleichzeitig auch eine Schädigung der Interessen bzw des Ansehens Österreichs verbunden ist. Gleiches gilt für die Schädigung der Interessen eines Bundeslands bzw einer anderen Gebietskörperschaft (arg: „Republik“).

III.  Freiwillige Teilnahme an Kampfhandlungen Abs 2 wurde durch BGBI I 104/2014 eingefügt und ist am 1.1.2015 in 4 Kraft getreten. Davor war gemäß §§ 32 und 33 lediglich die Staatsbürgerschaft jenen Personen zu entziehen, die freiwillig in den Militärdienst eines anderen Staates eingetreten sind oder im Dienst eines fremden Staates standen. Nicht umfasst waren vor 1.1.2015 aber Handlungen, die nicht im (Militär)dienst eines anderen Staates, sondern für bzw in einer anderen Gruppe absolviert wurden. Durch die Wendung „im Ausland“ ist klar, dass dieser bewaffnete Kon- 5 flikt nicht in Österreich stattfinden darf. Nicht ausgeschlossen ist aber 539

§ 34

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die Entziehung bei Teilnahme an einem bewaffneten Konflikt in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Nach den EB soll die Wortfolge „für eine organisierte bewaffnete Gruppe“ weit auszulegen sein (EB RV 251 d.B. 25. GP zu § 33 StbG). Für eine solcherart gewünschte weite Auslegung gibt es aber uE keine Anhaltspunkte. Zu folgen ist aber den Ausführungen der EB, dass „aktive Teilnahme an Kampfhandlungen“ ein aktives, physisches Tun verlangt, das auch im Ausland stattfinden muss. Unterstützende Maßnahmen dieser Gruppe in Österreich können ebenso wenig eine Entziehung rechtfertigen wie etwa die Teilnahme an Demonstrationen. 6 Der Behörde ist – wie bei Vollziehung des Abs 1 – kein Ermessen eingeräumt. Sind die Voraussetzungen erfüllt ist die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Der Eintritt von Staatenlosigkeit ist ausgeschlossen, da von einer Entziehung abzusehen ist, wenn deren Folge Staatenlosigkeit wäre.

§  34. (1) Einem Staatsbürger ist die Staatsbürgerschaft ferner zu

entziehen, wenn 1. er sie vor mehr als zwei Jahren durch Verleihung oder durch die Erstreckung der Verleihung nach diesem Bundesgesetz erworben hat, 2. hiebei weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 angewendet worden sind, 3. er trotz des Erwerbes der Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat.

(BGBl. Nr. 170/1983, Art. I Z 25)

(2) Der betroffene Staatsbürger ist mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung der Staatsbürgerschaft über die Bestimmung des Abs. 1 zu belehren. (3) Die Entziehung ist nach Ablauf der im Abs. 1 Z 1 genannten Frist ohne unnötigen Aufschub schriftlich zu verfügen. Nach Ablauf von sechs Jahren nach der Verleihung (Erstreckung der Verleihung) ist die Entziehung nicht mehr zulässig. [idF BGBl 124/1998] EB zu BGBl 250/1965 Diese Bestimmung stellt eine notwendige Ergänzung zu § 11 Abs. 2 dar und will gleichfalls die Fälle mehrfacher Staatsbürgerschaften bekämpfen. Denn der Er-

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Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 34

werb einer fremden Staatsangehörigkeit hat in vielen Staaten nicht das ipso iureAusscheiden aus dem Staatsverband zur Folge, sondern bildet nach den Gesetzen oder der Praxis dieser Staaten nur die Voraussetzung für die Entlassung aus dem Staatsverband oder den Verzicht auf die Staatsangehörigkeit. Die Entziehung der Staatsbürgerschaft ist folgerichtig nur für die Fälle vorgesehen, in denen bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft oder der Erstreckung der Verleihung die Frage des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband von rechtlicher Bedeutung war (§ 11 Abs. 1 und 3 sowie §§ 12, 13, 17, 58 und 59). Es soll weiters die Staatsbürgerschaft auch nur solchen Mehrstaatern entzogen werden, die sie bereits auf Grund des neuen Staatsbürgerschaftsgesetzes erworben haben (Abs. 1 Z. 1). EB zu BGBl 170/1983 §  16 StbG 1965 soll durch den Gesetzentwurf (Art. I Z  16) dahin abgeändert werden, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Verleihung der Staatsbürgerschaft auf den Ehepartner ohne Unterschied des Geschlechtes zu erstrecken ist. Eines der Erstreckungserfordernisse ist hiebei das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nach § 10 Abs. 2 StbG 1965, von dem jedoch abgesehen werden soll, wenn die Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG 1965 verliehen wird. Das gleiche soll auch bei der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft auf minderjährige ledige Kinder nach Art. I Z 17 des Entwurfes gelten. § 34 Abs. 1 Z 2 StbG 1965 soll deshalb der geänderten Rechtslage dadurch angepaßt werden, daß statt auf § 16 StbG 1965 (in der derzeitigen Fassung) auf § 16 Abs. 2 sowie auf § 17 Abs. 4 idF des Entwurfes verwiesen wird. Zur Einfügung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBI. Nr. 78/1974 im §  34 Abs. 1 Z  3 StbG 1965 siehe die Erläuterung zu Art. I.Z 9 (§ 10 Abs.2 lit. a und § 11). Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Belehrung durch die Behörde..................................................................... 5 Schrifttum zu § 34: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 34 sieht neben den in §§ 32 und 33 genannten einen weiteren Entzie- 1 hungstatbestand vor: Im Fall der rechtswidrigen Beibehaltung der bis541

§ 34

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herigen Staatsbürgerschaft ist die bereits verliehene österreichische Staatsbürgerschaft zu entziehen. Auch in § 34 wird der Behörde kein Ermessen eingeräumt. Liegen die Voraussetzungen vor, hat die Behörde die Staatsbürgerschaft zu entziehen. 2 Wenn die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs 6, § 16 Abs 1 bzw § 17 Abs  4 verliehen (bzw durch Erstreckung der Verleihung erworben) wurde, ist die Staatsbürgerschaft trotz Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht zu entziehen. Dabei handelt es sich um die Verleihung an Personen wegen außerordentlicher Leistungen im Interesse der Republik (§ 10 Abs 6) bzw die Erstreckung der Verleihung an dessen Ehegatten und minderjährige Kinder (§§  16 Abs  2 und §  17 Abs 4). Grund dafür ist, dass in diesen Fällen das Verleihungshindernis des § 10 Abs 3 nicht angewendet wird. 3 Bei der Auslegung der Bestimmung des § 34 Abs 1 ist § 10 Abs 3 heranzuziehen, nach dessen Z  1 die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden darf, wenn der Fremde die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterlässt, obwohl sie ihm möglich und zumutbar sind (VwGH 24.6.2010, 2008/01/0779). Eine Entziehung der Staatsbürgerschaft kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn nach der Verleihung der Staatsbürgerschaft die für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen aus Gründen, die diese Person selbst zu vertreten hat, unterlassen werden (VwGH 26.1.202, 2009/0060). Daher ist aus §  34 eine Handlungspflicht des Betreffenden abzuleiten, die allerdings ihre Grenze in der (rechtlichen und faktischen) Möglichkeit und Zumutbarkeit derartiger Handlungen findet (VwGH 24.6.2010, 2008/01/0779, VwGH 6.9.1995, 95/01/0038). Aus welchen Beweggründen der Staatsbürger der „Bemühungspflicht“ zur Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit nicht entsprochen hat, ist ohne Belang (Fessler/Keller/ Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), §  34, 188). Die Vertretbarkeit bezieht sich auf Handlungen nach der Verleihung. Kann die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft aus Gründen, die vor der Verleihung liegen, nicht bewirkt werden, kann die Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 319). 4 Wenn die Entziehung zur Folge hat, dass der Betroffene neben der österreichischen Staatsangehörigkeit auch die Unionsbürgerschaft verliert, ist zu prüfen, ob diese Entziehung hinsichtlich ihrer Auswirkun542

Verlust der Staatsbürgerschaft

§ 35

gen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit standhält (siehe Erl zu § 26).

II.  Belehrung durch die Behörde Hat die Behörde die Absicht, nach Abs 1 vorzugehen und die Staats- 5 bürgerschaft zu entziehen, muss sie den Staatsbürger mindestens sechs Monate vor der beabsichtigten Entziehung „über die Bestimmung des Abs 1“ belehren. Eine Entziehung ohne vorangegangene Belehrung gemäß § 34 Abs 2 ist daher rechtswidrig. Die Angabe eines Termins, an dem die Staatsbürgerschaft entzogen werden soll, ist dabei nicht erforderlich (VwGH 29.1.1997, 96/01/0900). Der Bescheid, mit dem die Entziehung ausgesprochen wird, ist schrift- 6 lich und ohne unnötigen Aufschub zu erlassen. Eine bestimmte Frist (abgesehen von der absoluten Unmöglichkeit der Entziehung aus diesem Grund nach sechs Jahren) findet sich in der Bestimmung nicht. Soweit man dieser Wortfolge nicht unterstellt, dass sie ohne rechtliche Relevanz ist (dafür gibt es uE keine Anhaltspunkte), wird man annehmen müssen, dass in Fällen, in denen die Behörde die Entziehung nicht ohne unnötigen Aufschub durchführt, der Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet ist. Wann ein solcher Bescheid nicht mehr ohne unnötigen Aufschub erlassen wurde, wird aber nur im Einzelfall festgestellt werden können.

§ 35. Die Entziehung der Staatsbürgerschaft (§§ 32 bis 34) oder die

Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG hat von Amts wegen oder auf Antrag des Bundesministers für Inneres zu erfolgen. Der Bundesminister für Inneres hat in dem auf seinen Antrag einzuleitenden Verfahren Parteistellung.

[idF BGBl I 38/2011] EB zu BGBl 250/1965 Da der Bund vielfach ein Interesse daran haben wird, daß bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Entziehung der Staatsbürgerschaft ausgesprochen wird, will der vorliegende Gesetzentwurf dem Bundesministerium für Inneres ein Antragsrecht und die Parteistellung einräumen. Da sohin dem Bundesministerium für Inneres nicht behördliche Funktionen, also keine Aufgaben der Vollziehung eingeräumt werden sollen, sondern ihm bloß Parteistellung in einem

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§ 35

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Verwaltungsverfahren zukommen soll, besteht nach Ansicht der Bundesregierung kein Grund, die Bestimmung zur Verfassungsbestimmung zu erklären. EB zu BGBl 170/1983 Unter dem Begriff „Bundesministerium“ ist ausschließlich der dem jeweiligen Bundesminister zur Verfügung stehende Hilfsapparat zu verstehen. Im § 35 StbG 1965, der die Zuständigkeit zur Erlassung von Rechtsakten regelt sowie Partei­ stellung einräumt, soll der Ausdruck „Bundesministerium für Inneres“ daher jeweils durch „Bundesminister für Inneres“ ersetzt werden. EB zu BGBl I 37/2006 Dem Bundesminister für Inneres werden immer wieder Sachverhalte zur Kenntnis gebracht, nach denen eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 1 AVG wegen Fälschung von Urkunden oder Zeugnissen oder wegen Erschleichens angebracht wäre. Dem Bundesminister für Inneres kommt im Staatsbürgerschaftsrecht weder ein Aufsichtsrecht noch ein Kontrollrecht zu. Im Lichte gesamtstaatlicher Interessen scheint es zweckmäßig, dass etwa in Fällen der Erschleichung der Staatsbürgerschaft neben den Landesbehörden auch dem Bundesminister für Inneres die Möglichkeit offen steht, ein Verleihungsverfahren neu aufrollen zu lassen. Schrifttum zu § 26: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

1 Bereits aus dem klaren Wortlaut der §§ 32 bis 34 ergibt sich, dass die Entziehung der Staatsbürgerschaft gemäß diesen Bestimmungen von Amts wegen durchgeführt werden kann (jeweils: „ist zu entziehen“). Ebenso unproblematisch ist, dass die zuständige Behörde auch ein Verfahren zur Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 69 AVG einleiten darf. Zuständig ist gemäß § 69 Abs 3 und 4 AVG iVm § 39 StbG die LReg. 2 Antragslegitimiert ist aber zudem auch der Bundesminister für Inneres. Dies gilt für einen Antrag auf Entziehung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 32 bis 34 ebenso wie für einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Dem BMI ist aber nur ein Antrag gemäß § 69 Abs 1 Z 1 AVG möglich: Demnach ist einem Antrag auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn der Bescheid 544

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durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist. In den Anwendungsfällen des § 69 Abs 1 Z 2–4 AVG darf der BMI keinen entsprechenden Antrag stellen. Auch für den BMI gilt die Zweiwochenfrist der Einbringung ab Kenntnis des Wiederaufnahmegrundes. Nach Ablauf von drei Jahren nach der Verleihung kann der BMI keinen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellen (§ 69 Abs 3 AVG). Eine Weisungsbefugnis des BMI an die Behörde besteht nicht, da das StbG in Vollziehung Landessache ist (Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG). Zurecht orten Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski Probleme mit dem Sachlichkeitsgebot, da unklar ist, wieso es gerade in diesem Fall nicht ausreichen soll, wenn die Behörde nach einer Weiterleitung des entsprechenden Sachverhaltes durch den BMI von Amts wegen ein Verfahren zur Wiederaufnahme des Verfahrens führt (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 35, 189). Ein „Erschleichen“ eines Bescheides liegt dann vor, wenn dieser in der 3 Art zustande gekommen ist, dass bei der Behörde von der Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht wurden und diese Angaben dann dem Bescheid zugrunde gelegt worden sind, wobei Verschweigung wesentlicher Umstände dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen ist. Die Behörde muss auf die Angaben der Partei angewiesen sein; wenn es die Behörde verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offenstehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Parteiangaben als ein Erschleichen des Bescheides iSd §  69 Abs 1 Z 1 AVG zu werten (VwGH 20.9.2011, 2008/01/0777).

§ 36. Hält sich derjenige, dem die Staatsbürgerschaft entzogen wer-

den soll, im Ausland auf und wurde eine Zustellung an ihn bereits erfolglos versucht, so ist § 11 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, auch dann anzuwenden, wenn sein Aufenthalt bekannt ist.

[idF BGBl 124/1998] EB zu BGBl 250/1965 Die Entziehung der Staatsbürgerschaft ist mit Bescheid zu verfügen. Die Zustellung des Bescheides kann aber im Auslande auf Schwierigkeiten stoßen, weil es

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dort nicht immer möglich sein wird, die Bestimmungen der §§  21 bis 27 des AVG. 1950 über die Zustellung einzuhalten. Eine unmittelbare Anwendung des § 11 des AVG. 1950 ist aber dann nicht möglich, wenn der Aufenthalt der betroffenen Person – und dies wird auf den überwiegenden Teil der Fälle zutreffen – der Behörde bekannt ist. Schrifttum zu § 26: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

1 § 11 AVG lautet: „Soll von Amts wegen oder auf Antrag gegen einen handlungsunfähigen Beteiligten, der eines gesetzlichen Vertreters entbehrt, oder gegen eine Person, deren Aufenthalt unbekannt ist, eine Amtshandlung vorgenommen werden, so kann die Behörde, wenn die Wichtigkeit der Sache es erfordert, die Betrauung einer Person mit der Obsorge oder die Bestellung eines Sachwalters oder Kurators beim zuständigen Gericht (§ 109 JN) veranlassen“ (BGBl 51/1991 idF BGBl I 5/2008). 2 Gemäß § 11 Abs 1 ZustellG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen. Als internationale Vereinbarung in diesem Sinn kommt insbesondere das Europäische Übereinkommen über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland (BGBl 67/1983) in Betracht. Die erfolglose Zustellung muss nachweislich vorgenommen werden, da sonst kaum nachvollziehbar ist, ob die Zustellung bereits erfolglos versucht wurde. 3

§ 36 gilt nur in Bezug auf die Entziehung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 32 bis 34. In allen anderen Fällen ist nach den sonst geltenden Regeln vorzugehen, dh ein Kurator kann lediglich dann bestellt werden, wenn der Aufenthalt der Person unbekannt ist. Sobald die betreffende Person sich wieder in Österreich (dh nicht mehr im Ausland) aufhält oder eine Zustellung möglich ist (idR, wenn die Person eine Zustelladresse bekannt gibt, an die eine Zustellung bewirkt werden kann), muss das Ver546

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fahren mit dieser Person selbst fortgesetzt werden (Fessler/Keller/ Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 36, 191).

Verzicht § 37. (1) Ein Staatsbürger kann auf die Staatsbürgerschaft verzich-

ten, wenn 1. er eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt; 2. gegen ihn im Inland wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist, ein Strafverfahren oder eine Strafvollstreckung nicht anhängig ist und 3. er kein Angehöriger des Bundesheeres ist und, sofern männlichen Geschlechtes, a) das 16. Lebensjahr noch nicht oder das 36. Lebensjahr bereits vollendet hat, b) den Grundwehrdienst oder den ordentlichen Zivildienst geleistet hat, c) von der Stellungskommission als untauglich oder vom zuständigen Amtsarzt als dauernd unfähig zu jedem Zivildienst festgestellt worden ist, d) wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche von der Einberufung in das Bundesheer ausgeschlossen ist oder e) seine Militärdienstpflicht oder eine an deren Stelle tretende Dienstverpflichtung in einem anderen Staat, dessen Angehöriger er ist, erfüllt hat und deshalb auf Grund eines zwischenstaatlichen Vertrages oder eines internationalen Übereinkommens von der Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes oder ordentlichen Zivildienstes befreit ist. (2) Die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 2 und 3 entfallen, wenn der Verzichtende seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz außerhalb des Gebietes der Republik hat.

[idF BGBl I 136/2013] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Nach der geltenden Rechtslage kann die Staatsbürgerschaft originär nur durch Verehelichung, durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit oder durch den freiwilligen Eintritt in den öffentlichen Dienst oder Militärdienst eines

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fremden Staates verloren werden. Dies ist in der Praxis insofern mißlich, als manche Auslandsösterreicher überhaupt nicht mehr den Wunsch oder ein Interesse daran haben, österreichische Staatsbürger zu bleiben. Es leuchtet ein, daß Österreich selbst mit solchen Personen nicht gedient ist. Nun sieht die bereits erwähnte Europarat-Konvention über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit in ihrem Artikel 2 Abs. 1 und 2 folgendes vor: ,,(1) Eine Person, welche die Staatsbürgerschaft zweier oder mehrerer Vertragschließender Parteien besitzt, kann auf eine oder mehrere dieser Staatsbürgerschaften verzichten, wenn die Vertragschließende Partei, auf deren Staatsbürgerschaft sie zu verzichten wünscht, zustimmt. (2) Eine solche Zustimmung darf die Vertragschließende Partei, deren Staatsbürgerschaft ein Großjähriger ipso iure besitzt, nicht verweigern, wenn dieser während der letzten 10 Jahre seinen ordentlichen Wohnsitz außerhalb des Gebietes dieser Partei hatte und wenn er ferner seinen ordentlichen Wohnsitz in dem Gebiet jener Vertragschließenden Partei hat, deren Staatsbürgerschaft er zu behalten beabsichtigt. Die Zustimmung darf eine Vertragschließende Partei auch nicht im Falle von Minderjährigen verweigern, welche die im vorhergehenden Absatz festgelegten Bedingungen erfüllen, wenn ihr innerstaatliches Recht es ihnen erlaubt, die Staatsbürgerschaft durch eine einfache Erklärung aufzugeben, und wenn sie ferner gehörig ermächtigt oder vertreten waren.“ Auf einhelligen Wunsch aller Landesregierungen verzichtet jedoch der vorliegende Gesetzentwurf in allen Fällen darauf, den Verzicht an eine im freien Ermessen der Behörde liegende Bewilligung zu binden. Im Interesse der österreichischen Strafrechtspflege sollen jedoch Personen von der Verzichtserklärung ausgeschlossen werden, gegen die im Inland wegen eines Verbrechens, Vergehens oder Finanzvergehens (mit Ausnahme der Finanzordnungswidrigkeiten) ein Strafverfahren oder eine Strafvollstreckung anhängig ist. Der Gesetzentwurf berücksichtigt weiters die Belange der Landesverteidigung, indem er für Personen männlichen Geschlechtes gewisse Mehrerfordernisse aufstellt. Hiebei wurde auf die Bestimmungen des § 1 Abs. 3, § 21 Abs. 2, § 28 Abs. 4 und § 29 Abs. 1 lit. c des Wehrgesetzes (BGBl. Nr. 18111955) in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 310/1960 und 22111962 Bedacht genommen. Der Verzicht auf die Staatsbürgerschaft ist ein einseitiger Akt des Verzichtenden, der bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen kraft Gesetzes den Verlust der Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt des Einlangens des Verzichtes beim zuständigen Amt der Landesregierung nach sich zieht. Allerdings ist der Eintritt dieser ex lege-Wirkung nach § 38 Abs. 2 von der bescheidmäßigen Feststellung abhängig, daß die gesetzlichen Bedingungen erfüllt sind. Aus dem rechtsbegründenden Charakter des Staatsbürgerschaftsverzichtes folgt weiters, daß die für seine Wirksamkeit geforderten Bedingungen - von den im § 38 Abs. 1 geregelten Ausnahmen abgesehen - kumulativ bereits in dem Zeitpunkt erfüllt sein müssen, in dem der Verzicht beim zuständigen Amt der Landesregierung einlangt. Zu Abs. 2: Die in Abs. 1 vorgesehenen Einschränkungen sollen im Sinne der genannten Europarat-Konvention entfallen, wenn der Staatsbürger ununterbrochen seit

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mindestens zehn Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz außerhalb des Gebietes der Republik hat. Hiebei wurde auf Wunsch aller Landesregierungen auf die – nach der gegenständlichen Konvention zulässige – Bedingung verzichtet, daß der Verzichtende seinen Wohnsitz auf dem Gebiet seines anderen Heimatstaates haben muß, ebenso auch auf die gleichfalls zulässige Bedingung, daß er die Staatsangehörigkeit, auf die er verzichten will, seinerzeit ipso iure, also nicht auf Grund einer freiwilligen und positiven Willenserklärung, erworben hat. EB zu BGBl 703/1974 Nach Art. VIII Abs. 5 Z. 5 der Regierungsvorlage eines Strafrechtsanpassungsgesetzes hat es, wenn in Bundesgesetzen auf gerichtlich strafbare Handlungen hingewiesen wird, statt bisher „Verbrechen und Vergehen“ künftig „gerichtlich strafbare Handlungen, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht sind“ zu lauten. Die Bestimmung des § 37 Abs.1 Z. 2 wird dieser Regelung angepaßt. Nach der geltenden Fassung des § 37 Abs. 1 Z. 2 StbG 1965 kann ein Staatsbürger, gegen den im Inland wegen eines Finanzvergehens (mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit) ein Strafverfahren oder eine Strafvollstreckung anhängig ist, auf die Staatsbürgerschaft nicht verzichten. Im Hinblick auf die Zielsetzung des neuen Strafgesetzbuches wird es nicht mehr für erforderlich erachtet, diese Rechtsfolge an verwaltungsbehördlich zu ahndende Finanzvergehen zu knüpfen. Soweit Finanzvergehen von Gerichten geahndet werden, fallen sie unter die Formulierung des § 37 Abs. 1 Z. 2 des Entwurfes „gerichtlich strafbaren Handlung, die mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedroht ist“, und bleibt ein Verzicht auf die Staatsbürgerschaft ausgeschlossen. EB zu BGBl 170/1983 Zu Abs 1 Z 3: Im §  37 Abs. 1 Z  3 StbG 1965 werden aus Rücksicht auf die Belange der Landesverteidigung dem Staatsbürger männlichen Geschlechts für den Verzicht auf die Staatsbürgerschaft alternative Mehrerfordernisse auferlegt. Um den Grundsätzen der Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und der Gleichbehandlung der Geschlechter im Staatsbürgerschaftsrecht auch hier zum Durchbruch zu verhelfen, soll unter weitgehender Wahrung der wehrrechtlichen Interessen durch Änderung der Verzichtsbedingung des § 37 Abs. 1 Z  3 lit. a StbG 1965 auch dem minderjährigen männlichen Staatsbürger, der das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, die Möglichkeit gegeben werden, auf die Staatsbürgerschaft zu verzichten. Es erscheint nicht gerechtfertigt, ihm die Möglichkeit des Verzichtes auf die Staatsbürgerschaft durch Auflagen zu verwehren, die er erst in späteren Jahren erfüllen kann. Die im Gesetzentwurf vorgesehene noch vor dem Eintritt der Wehrdienstpflicht liegende Altersgrenze von 16 Jahren soll die Abgabe von Verzichtserklärungen hintanhalten, die ausschließlich den Zweck verfolgen, sich der in absehbarer Zeit eintretenden Verpflichtung zur Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes zu entziehen. Die Altersgrenzen sollen durch Abstellung auf das vollendete Lebensjahr eindeutig bestimmt werden.

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In Ergänzung der in der Ziffer 3 angeführten Bedingungen soll ein männlicher Staatsbürger bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann auf die Staatsbürgerschaft verzichten können, wenn er den ordentlichen Zivildienst nach den Bestimmungen des am 1. Jäner 1975 in Kraft getretenen Zivildienstgesetzes, BGBI. Nr. 187/1974, geleistet hat (lit. b) oder seine dauernde Unfähigkeit zur Leistung desselben festgestellt wurde (lit. c); weiters, wenn auf Grund eines zwischenstaatlichen Vertrages wegen der Ableistung der Militärdienstpflicht oder einer an deren Stelle tretenden Dienstverpflichtung in einem anderen Staat, dessen Staatsangehörigkeit er ebenfalls besitzt, von der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes (Zivildienstes) befreit ist (lit. e). Zu Abs 2: Mit der im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes vorzunehmenden Änderung des § 7 StbG 1965 geht eine unerwünschte Vermehrung der Fälle von Mehrstaatigkeit einher, der durch erleichterte Verzichtsmöglichkeit begegnet werden soll. Die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 2 und 3 sollen daher nicht wie bisher erst bei einem mindestens zehnjährigen, sondern bereits bei einem fünfjährigen ununterbrochenen ordentlichen Wohnsitz des Wehrpflichtigen im Ausland entfallen. EB zu BGBl I 136/2013 Zu Abs. 1 Z 3 lit. b: Es handelt sich dabei um eine redaktionelle Anpassung. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Keine Staatenlosigkeit als Folge des Verzichts......................................... 2 III. Kein anhängiges Strafverfahren bzw keine anhängige Strafvoll­ streckung ...................................................................................................... 3 IV. Angehörige des Bundesheeres bzw Grundwehr- oder Zivildienstpflicht ............................................................................................................ 6 Schrifttum zu § 37:

Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Der Verzicht auf die Staatsbürgerschaft ist grundsätzlich möglich, aber an verschiedene Voraussetzungen geknüpft. In keinem Fall ist ein Verzicht möglich, wenn dadurch Staatenlosigkeit eintreten würde (Abs 1 Z  1). Soweit der Staatsbürger nicht seit mehr als fünf Jahren seinen 550

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Hauptwohnsitz außerhalb Österreichs hat, sind weitere Voraussetzungen (siehe II. und III.) zu erfüllen.

II.  Keine Staatenlosigkeit als Folge des Verzichts Wichtigste und absolute Voraussetzung ist, dass diejenigen, die auf die 2 österreichische Staatsbürgerschaft verzichten wollen, mindestens eine andere (= fremde) Staatsangehörigkeit besitzen. Es ist daher rechtlich unmöglich, auf die Staatsbürgerschaft zu verzichten, wenn dadurch Staatenlosigkeit eintreten würde. Das ist Ausfluss des Abkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit, da gemäß Art 7 Abs 1 dieses Abkommens ein Verzicht nur dann den Verlust der Staatsangehörigkeit nach sich zieht, wenn der Betroffene eine andere Staatsangehörigkeit besitzt oder erwirbt (Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit samt Erklärungen der Republik Österreich, BGBl 538/1974). Das Vorhandensein einer fremden Staatsangehörigkeit ist gleichzeitig die einzige Voraussetzung, deren Nichtvorliegen eine absolute Unmöglichkeit der Zurücklegung der Staatsbürgerschaft bedeutet.

III. Kein anhängiges Strafverfahren bzw keine anhängige Strafvollstreckung Durch Verzicht auf die Staatsbürgerschaft soll die Möglichkeit der 3 Strafverfolgung bzw Vollstreckung einer Strafe „im Interesse der österreichischen Strafrechtspflege“ (vgl EB RV 497 d.B., 10 GP) nicht erschwert werden. Zwar setzt eine Strafverfolgung nicht die österreichische Staatsbürgerschaft voraus, diese könnte aber allenfalls durch einen Verzicht erschwert werden. Ein Strafverfahren wird durch Verfügung des Staatsanwalts anhängig, Ermittlungen der Sicherheitsbehörden (vgl § 91 Abs 2 StPO) sind nicht ausreichend (Fessler/Keller/PommereningSchober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), §  37, 192). Der Begriff der Strafverfolgung knüpft an die Überschrift des 19. Hauptstücks der StPO (§§§ 396 ff, Vollstreckung der Urteile) an (Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, aaO). Diese Voraussetzung entfällt aber, wenn der Verzichtende seit mindes- 4 tens fünf Jahren seinen Hauptwohnsitz außerhalb der Republik (§  2 Z 1) hat. Damit soll offenbar der Tatsache Rechnung getragen werden, dass eine Beziehung des Verzichtenden zu Österreich nicht oder zu551

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mindest nicht mehr in einem Ausmaß besteht, das diese Voraussetzung als Bedingung für die Verzichtsmöglichkeit rechtfertigen würde. Diese Bestimmung ist mit Blick darauf, dass ja ein Strafverfahren (oder eine Strafvollstreckung) in Österreich („im Inland“) anhängig sein muss, in rechtspolitischer Hinsicht nicht nachvollziehbar: Es ist fragwürdig, warum letztlich das Interesse an einem Strafverfahren bzw Strafvollzug in Österreich sein soll, wenn der (Noch-)Staatsbürger seinen Hauptwohnsitz bereits längere Zeit nicht mehr in Österreich hat. 5 Gemäß § 1 Abs 7 MeldeG (BGBl 9/1992 idF BGBl I 16/2013) gilt als Hauptwohnsitz jene Unterkunft, an der sich eine Person in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen. Wenn diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zutrifft, ist jener Wohnsitz der Hauptwohnsitz, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat. Für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen sind gemäß Abs 8 leg cit insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften. Liegt der so ermittelte Hauptwohnsitz des betreffenden Staatsbürgers bereits seit mehr als fünf Jahren nicht in Österreich, ist im Ergebnis ein Verzicht auf die Staatsbürgerschaft möglich, wenn dadurch keine Staatenlosigkeit eintritt. Andere Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen. Die Behörde hat daher von Amts wegen festzustellen, ob sich der Hauptwohnsitz tatsächlich mindestens seit fünf Jahren nicht mehr in Österreich befindet und andernfalls (wenn die Voraussetzung des Abs 1 Z 2 nicht erfüllt ist) die Bestätigung gemäß § 38 zu versagen und auszusprechen, dass die Erklärung (§ 38) rechtsunwirksam ist (siehe Erl zu § 38).

IV. Angehörige des Bundesheeres bzw Grundwehroder Zivildienstpflicht 6 Der Staatsbürger, der auf seine Staatsbürgerschaft verzichten möchte, darf kein Angehöriger des Bundesheeres sein. Nach dem Wortlaut gilt 552

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das für Männer und Frauen. Frauen sind zwar gemäß § 10 Abs 2 WehrG nicht wehrpflichtig, können aber Wehrdienst leisten (vgl § 1 Abs 2 Z 3 WehrG). Der Einschub „sofern männlichen Geschlechts“ in Abs 1 Z 3 bezieht sich auf die lit a bis e, nicht aber auf den ersten Halbsatz „er kein Angehöriger des Bundeheeres ist“. Die maskuline Formulierung „er“ ist insofern ohne Belang, weil das gesamte Gesetz lediglich die männliche Schreibweise verwendet und idR Frauen mitumfasst sind. Vgl §  2 Z  3, wonach unter Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts eine Person zu verstehen ist, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Angehörige des Bundesheeres sind wohl jene Personen, die gemäß § 1 7 Abs 3 WehrG dem Präsenzstand angehören (zutreffend Fessler/Keller/ Pommerening-Schober/Szymanski, aaO). Dem Präsenzstand gehören folgende Personengruppen an: Personen, die zum Präsenzdienst oder zum Ausbildungsdienst einberufen sind, vom Beginn des Tages, für den sie einberufen worden sind, bis zum Ablauf des Tages, mit dem sie entlassen werden (§ 1 Abs 3 Z 1 WehrG), Personen, die dem Bundesheer auf Grund eines Dienstverhältnisses angehören (§ 1 Abs 3 Z 2 WehrG); das sind Militärpersonen des Dienststandes, Berufsoffiziere des Dienststandes, Beamte und Vertragsbedienstete, die zur Ausübung einer Unteroffiziersfunktion herangezogen werden, für die Dauer dieser Heranziehung und Vertragsbedienstete des Bundes in einer militärischen Verwendung im Vollziehungsbereich der Bundesministerin oder des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport mit einem Sondervertrag nach § 36 VBG oder im Auslandseinsatz nach § 15 Abs 7 AZHG. Die lit a bis e beziehen sich nur auf männliche Staatsbürger; diese Be- 8 stimmungen haben den Zweck, dass es nicht möglich sein soll, sich durch Verzicht auf die Staatsbürgerschaft faktisch der Wehrpflicht oder allenfalls dem Zivildienst zu entziehen. Auch die Voraussetzung des Abs 1 Z 3 entfällt, wenn der Verzichtende 9 seit mindestens fünf Jahren seinen Hauptwohnsitz außerhalb der Republik (§ 2 Z 1) hat. Siehe dazu oben Rz 5. In diesem Fall erscheint es offenbar angebracht, trotz allenfalls nicht erfüllter Voraussetzungen des Abs 1 Z 3 lit a bis e einen Verzicht zuzulassen. Liegt bereits seit mehr als fünf Jahren der Hauptwohnsitz der betreffenden Staatsbürger nicht in Österreich, ist im Ergebnis ein Verzicht auf die Staatsbürgerschaft möglich, wenn dadurch keine Staatenlosigkeit eintritt. Andere Voraussetzungen sind nicht zu erfüllen. 553

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§  38. (1) Die Verzichtserklärung ist in schriftlicher Form bei der

nach § 39 zuständigen Behörde abzugeben. § 28 Abs. 4 ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, oder die Genehmigung des Gerichtes auch nach der Abgabe der Verzichtserklärung erteilt werden kann. (BGBl. Nr. 202/1985, Art. I Z 18) (2) Die Behörde (§ 39) hat festzustellen, ob die für den Verzicht vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind. Bejahendenfalls hat sie auszusprechen, daß der Verzichtende die Staatsbürgerschaft in dem Zeitpunkt, in dem der Verzicht bei ihr eingelangt ist, verloren hat. (3) Der Bescheid, mit dem der Verlust der Staatsbürgerschaft infolge Verzichtes festgestellt wird, ist schriftlich zu erlassen. [idF BGBl I 124/1998] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Aus Gründen der Rechtssicherheit ist für die Verzichtserklärung ausschließlich die schriftliche Form vorgesehen. Nicht eigenberechtigte Staatsbürger sollen hiebei in gleicher Weise an die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und die Einwilligung des Gerichtes gebunden sein wie bei der Beibehaltungsbewilligung (§ 28 Abs. 3). Zur Vermeidung überflüssiger Verwaltungsarbeit sollen aber die allenfalls erforderliche Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder die Einwilligung des Gerichtes auch noch im Verfahren nachgebracht werden können, solange der Feststellungsbescheid noch nicht erlassen ist. Zu Abs. 2: Im Interesse der Rechtssicherheit und Klarheit soll die Wirkung der Verzichtserklärung davon abhängig gemacht werden, daß die zuständige Landesregierung in jedem einzelnen Fall mit Bescheid feststellt, daß der Verzichtende die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt des Einlangens seines Verzichtes beim zuständigen Amt der Landesregierung verloren hat. EB zu BGBl 202/1985 Ebenso wie beim Erwerb und dem Verlust der Staatsbürgerschaft soll dem Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, auch beim Verzicht auf die Staatsbürgerschaft ein Mitwirkungsrecht eingeräumt werden. Bezüglich der Ersetzung des Wortes „Einwilligung“ durch „Genehmigung“ wird auf den letzten Absatz der Erläuterungen zu Z 14 verwiesen. Schrifttum zu § 38: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische

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Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

§ 38 regelt die Formalerfordernisse für die Verzichtserklärung gemäß 1 § 37. Zuständige Behörde ist gemäß § 39 Abs 1 die Landesregierung. Als Formerfordernis für die Rechtswirksamkeit der Verzichtserklärung ist in § 38 Abs 1 die Schriftform vorgesehen, eine mündliche Erklärung ist daher nicht ausreichend. Fraglich ist, ob die Behörde einen Verbesserungsauftrag erteilen muss, falls lediglich mündlich eine Erklärung abgegeben wird. Aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs „Anbringen“ in §  13 AVG, der auch Anzeigen umfasst (Hengstschläger/ Leeb, AVG § 13 Rz 26) ist dies uE zu bejahen (durch Verweis auf § 13 AVG offenbar ebenfalls bejahend Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 38, 194). Der Verlust der Staatsbürgerschaft wird bereits durch die wirksam abgegebene Verzichtserklärung bewirkt, der Bescheid bestätigt lediglich diesen Verzicht. Es handelt sich daher um einen Feststellungsbescheid. Tage des Postenlaufs werden nach dem klaren Wortlaut des § 38 Abs 2 letzter Satz nicht mitgerechnet. Die Behörde hat von Amts wegen festzustellen, ob der Staatsbürger 2 eine andere Staatsbürgerschaft besitzt (§  37 Abs  1 Z  1) und sich der Hauptwohnsitz tatsächlich seit mindestens fünf Jahren nicht mehr in Österreich befindet bzw die Voraussetzungen des Abs 1 Z 2 und 3 (keine Anhängigkeit eines Strafverfahren oder einer Strafvollstreckung (Z 2) bzw kein Verzicht wegen Ableistung des Grundwehr- oder Zivildienstes) vorliegen und andernfalls die Bestätigung gemäß § 38 zu versagen und auszusprechen, dass die Erklärung (§ 38) rechtsunwirksam ist (siehe Erl zu § 38). Abweichend von § 62 Abs 1 AVG müssen Bescheide über die Beibehal- 3 tung immer schriftlich erlassen werden. Die Bestimmung des §  28 Abs 5 bezieht sich aber nur auf Bescheide der Behörde. Bezüglich Erkenntnissen des LVwG ist daher § 29 VwGVG anzuwenden: Demnach sind diese im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Nach einer Verhandlung in Anwesenheit von Parteien hat das Verwaltungsgericht idR das Erkenntnis sogleich zu verkünden. Eine Verkündung des Erkenntnisses entfällt, wenn eine Verhandlung nicht durchgeführt wurde oder das Erkenntnis nicht sogleich nach Schluss der münd555

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lichen Verhandlung gefasst werden kann. Zur unklaren Wendung „in der Regel“ siehe Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 29 VwGVG, Anm 10.

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Abschnitt IV Behörden und Verfahren §  39. (1) Zur Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ist unbeschadet des § 41 die Landesregierung zuständig. (2) Örtlich zuständig ist jene Landesregierung, in deren Bereich die Person, auf die sich der Bescheid bezieht, ihren Hauptwohnsitz hat, sonst die Landesregierung, in deren Bereich die Evidenzstelle (§  49 Abs. 2) liegt. Die Zuständigkeit zur Erstreckung der Verleihung richtet sich nach der Zuständigkeit zur Verleihung der Staatsbürgerschaft.

[idF BGBl 1994/505] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Die bestehende Regelung, daß – von der Verweigerung einer Staatsbürgerschaftsbescheinigung abgesehen – ausschließlich die Landesregierungen zur Erlassung staatsbürgerschaftsrechtlicher Bescheide berufen sind, wurde als bewährt übernommen. Zu Abs. 2: Nach § 13 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 ist soweit jenes Gesetz nicht anderes bestimmt, zur Behandlung und Erlassung des Bescheides in Fragen der Staatsbürgerschaft das nach dem AVG. 1950 örtlich zuständige Amt der Landesregierung berufen. Ist eine örtliche Zuständigkeit demnach nicht gegeben, so geht sie auf den Magistrat der Stadt Wien als Amt der Landesregierung über. Sohin ergibt sich derzeit folgende Zuständigkeitsreihung: 1. der ordentliche Wohnsitz im Gebiet der Republik; 2. der Aufenthalt im Inland; 3. der letzte inländische Wohnsitz und schließlich 4. die subsidiäre Zuständigkeit der Wiener Landesregierung. Der zweitgenannte Zuständigkeitsgrund (Aufenthalt im Gebiet der Republik) führt aber in der Praxis dann zu Schwierigkeiten, wenn das Verleihungs- oder Feststellungsverfahren länger dauert, als der Aufenthalt der betreffenden Person selbst. Nicht weniger Schwierigkeiten bereitet aber oft der Zuständigkeitsgrund des letzten inländischen Wohnsitzes. Denn oft ist die Frage, wo die betreffende

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§ 39

Martin Kind

Person ihren letzten Wohnsitz hatte, nicht leicht und eindeutig zu klären. Es kann dann vorkommen, daß die Entscheidung dieser Vorfrage mehr Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert als die Durchführung des Verleihungs- oder Feststellungsverfahrens selbst. Außer diesen praktischen Erfahrungen war noch zu berücksichtigen, daß nach dem vorliegenden Gesetzentwurf hinsichtlich der Bestimmung der Zuständigkeit dem Geburtsort auch bei der Ausstellung von staatsbürgerschaftsrechtlichen Bescheinigungen (§  41 Abs. 3 des Entwurfes), vor allem aber bei der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz (§  49 Abs. 2) Bedeutung zukommt. Denn es ist zweckmäßig, wenn die Gemeinde (Gemeindeverband), die im konkreten Fall zur Ausstellung oder Verweigerung einer staatsbürgerschaftsrechtlichen Bescheinigung oder zur Evidenthaltung staatsbürgerschaftsrechtlich wichtiger Umstände zuständig ist, im Bereich der entscheidungsbefugten Landesregierung liegt und diese daher auch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des AVG 1950 ist. Dementsprechend sieht der Gesetzentwurf bei der Bestimmung, welche Landesregierung örtlich zuständig ist, folgende Reihung vor: 1. Wie bisher primär die Landesregierung, in deren Bereich der ordentliche Wohnsitz der betreffenden Person liegt, 2. die Landesregierung, in deren Amtsbereich die zuständige Evidenzstelle liegt, schließlich 3. die Wiener Landesregierung. EB zu BGBl 703/1974 Durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1973, BGBL Nr. 394, wurden die Erwerbstatbestände der §§ 25 Abs. 2 und 58 c neu geschaffen und die Landesregierung zur Ausstellung der Bescheinigungen über den Erwerb der Staatsbürgerschaft hinsichtlich dieser Erwerbsgründe für zuständig erklärt. Die Kompetenzbestimmungen der §§ 39 und 41 werden entsprechend dieser Änderung ergänzt. EB zu BGBl 170/1983 (§ 39 Abs. 1): Die Bestimmung über die Bestätigung des Staatsbürgerschaftserwerbes durch Erklärung nach § 25 Abs. 2 StbG 1965 findet sich nach dem Gesetzentwurf nunmehr im § 25 Abs. 3; ,,§ 25 Abs. 2“ wäre daher durch ,,§ 25 Abs. 3“ zu ersetzen. Die Änderung des Ausdruckes „Bescheinigung“ in „Bestätigung“ hätte im Sinne der Erläuterung zu Art. I Z 23 (§ 30) zu erfolgen. EB zu BGBl 202/1985 Anstelle von Bestätigungen über den Erwerb der Staatsbürgerschaft sollen Feststellungsbescheide erlassen werden. Der Wortlaut der angeführten Bestimmungen ist der geänderten Rechtslage anzupassen. Siehe Z 9 und 25 (§§ 25 Abs. 3 und 58 c Abs. 2) und die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen.

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Behörden und Verfahren

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Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 3 A. Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft............................................ 3 B. Zuständigkeit........................................................................................... 5 III. Zuständigkeitsreihung................................................................................ 8 Schrifttum zu § 39: Eder/Matschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013); Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren (2013); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Zluwa, Über die Qualität des Amtes der Landesregierung als Behörde, JBl 1972, 178 ff und 252 ff.

I.  Allgemeines § 13 Abs 1 und 2 StbG 1949 entsprach grosso modo § 39 Abs 1 und 2 1 (iVm §  49 Abs  2) StbG 1965, der unverändert durch BGBl 1985/311 wiederverlautbart wurde. Nach § 13 Abs 1 StbG 1949 war – zu Unrecht (vgl aber auch VfSlg 2496/1953) – das örtlich zuständige „Amt der Landesregierung“ (dh ein Organ des jeweiligen Landes) zur Bescheiderlassung zuständig. Die Zuständigkeit zur Ausstellung des Staatsbürgerschaftsnachweises war der BVB, der diplomatischen Vertretungsbehörde bzw dem Wiener Magistrat vorbehalten (§ 2 Abs 2 StbV 1945). § 39 StbG 1965 trug dem Umstand Rechnung, dass die Ämter der Landesregierungen keine mit selbständiger Entscheidungsgewalt ausgestatteten Behörden sind, sondern Hilfsorgane der Landesregierung (vgl auch VfSlg 9141/1981), indem zur Erlassung von Staatsbürgerschaftsbescheiden die Landesregierung sachlich und örtlich für zuständig erklärt wurde. Abweichende Zuständigkeiten bestimmte das StbG 1949 iZm §  9 2 Abs 1 Z 1 (Bewilligung der Beibehaltung der Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit: BMI im Einvernehmen mit dem BKA) und § 14 (Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung über den Besitz der Staatsbürgerschaft: die durch V zu bestimmende Behörde). § 14 StbG 1949 wurde durch den Verweis auf § 41 in § 39 Abs 1 StbG 1965 sinngemäß übernommen, indem die Gemeinde, Vertretungsbehörde bzw Evidenzstelle zur Ausstellung von Bestätigungen bzw Entscheidung über derartige Anträge für zuständig erklärt werden. § 10 Abs 6 ändert an der „for559

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mellen“ Zuständigkeit der Landesregierung nichts; materiell aber greift die Bestätigung der Bundesregierung uE in § 39 ein.

II.  Begriffe A.  Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft 3 §  39 Abs  1 spricht von „Angelegenheiten“ der Staatsbürgerschaft. Demgegenüber verwendete § 13 Abs 1 StbG 1949 den Begriff „in Fragen der Staatsbürgerschaft“. Mit Ausnahme der Bestätigung iSd § 41 ist die Landesregierung für alle Aufgaben iZm der Vollziehung der Staatsbürgerschaft zuständig. Für die Regelung der Zuständigkeit wird der im Gesetzgebungsbereich des Bundes gelegene Kompetenztatbestand „Staatsbürgerschaft“ (Art 11 Abs 1 Z 1 B-VG) in Anspruch genommen. Bei der Landesregierung nach § 39 handelt es sich um keine Behörde iSd § 2 Abs 1 VwGbk-ÜG 2013; die in § 2 Abs 2 VwGbk-ÜG 2013 normierte Zustellfiktion greift nicht, die eine Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes mit Revision gemäß § 4 Abs 1 erster Satz VwGbkÜG 2013 ermöglichen würde (vgl VwGH 15.3.2016, Ro 2014/01/0020). 4 Der Wortinterpretation des Begriffes „unbeschadet“ in § 39 Abs 1 ist umgangssprachlich die Bedeutung „ohne zu berühren“ zugrunde zu legen. Die zitierte Regelung ist danach in dem Sinn zu verstehen, dass § 41 von der in § 39 Abs 1 angeordneten Zuständigkeit unberührt bleibt, das heißt (im Ergebnis) die letztzitierte Vorschrift „verdrängt“, wenn die jeweils angeordneten Tatbestandsvoraussetzungen („Ausstellung von Bestätigungen“ und „Entscheidung über derartige Anträge“) vorliegen. Mit § 39 wird somit eine von §  41 abweichende, den §  41 unberührt lassende Regelung über die sachliche und örtliche Zuständigkeit für alle Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft – mit Ausnahme der Bestätigungsausstellung bzw diesbezüglicher Antragsentscheidung – getroffen.

B.  Zuständigkeit 5 Die örtliche Zuständigkeit in einem Verfahren auf Erlassung von Bescheiden in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten richtet sich gemäß § 39 Abs 2 nach dem vom Fremden im Inland begründeten Hauptwohnsitz iSd § 1 Abs 7 Meldegesetz, in Ermangelung eines solchen nach der Geburtsgemeinde des Fremden bzw der Wohnortgemeinde der Mutter des Fremden (im Zeitpunkt der Geburt des Fremden) im Bundesgebiet (vgl § 22 Rz 4 ff). Hat dieser keine Geburtsgemeinde in Österreich bzw 560

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lag die Wohngemeinde der Mutter im Ausland, besteht die Zuständigkeit der Gemeinde Wien gemäß § 49 Abs 2 lit c. Die Behörden haben ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit gemäß 6 § 6 Abs 1 AVG von Amts wegen wahrzunehmen. Dies bedeutet grundsätzlich, dass Änderungen der Zuständigkeitsvorschriften während des Verwaltungsverfahrens bis zur Erlassung des Bescheides, also bis zur Beendigung des jeweiligen behördlichen Handelns, stets zu beachten sind. Für die örtliche Zuständigkeit iSd § 39 Abs 2 ist der Hauptwohnsitz bzw Sitz der Evidenzstelle nach § 49 Abs 2 zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgeblich [vgl VwGH 27.6.2013, 2012/12/0115; VwGH 30.9.1998, 98/20/0220, (VwSlg 14.982 A/1998), beide mwH]. Im Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Laufe des Verfahrens, das heißt vor Erlassung des Bescheides, welche eine Änderung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde bewirkt, ist das Verfahren von der nach der neuen Situation zuständigen Behörde weiter zu führen, weil dem Verwaltungsverfahren – anders als nach § 29 JN für das zivilgerichtliche Verfahren – eine „perpetuatio fori“ fremd ist (vgl VwGH 28.8.2012, 2012/21/0092; VwGH 26.6.2001, 2000/04/0202, beide mwH). Dass sich durch die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl Rz 10) an dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwas geändert hätte, ist mit Blick auf § 3 VwGVG nicht erkennbar (vgl LVwG NÖ 10.8.2015, LVwG-AV-843/001-2015). Ändern sich in der Zeit zwischen der Entscheidung und der Entscheidung 7 über die Wiederaufnahme (vgl § 24) bloß die Kriterien für die örtliche Zuständigkeit – etwa durch Änderung des Wohnsitzes –, bleibt dennoch für die Wiederaufnahme jene Behörde zuständig, die den im wiederaufzunehmenden Verfahren ergangenen Bescheid erlassen hat (vgl VwGH 24.4.2012, 2012/22/0013; beachte auch VwGH 17.11.1982, 1096/79). Hingegen ist kein derart enger Zusammenhang zwischen der Zusicherung und ihrem Widerruf anzunehmen, dass die Landesregierung, die den Zusicherungsbescheid erlassen hat, gegebenenfalls auch den Widerruf nach § 20 Abs 2 vorzunehmen habe, wenn der Hauptwohnsitz des Einbürgerungswerbers nach der Zusicherung in ein anderes Bundesland verlegt wird (vgl auch § 20 Rz 33 und VwSlg 16.366 A/2004).

III.  Zuständigkeitsreihung Wie in jedem anderen Verwaltungsverfahren gilt auch im Staatsbürger- 8 schaftsverfahren das System der festen Zuständigkeitsverteilung. 561

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Dies bedeutet, dass die zur Erlassung eines Rechtsaktes berufene Behörde durch das Gesetz bestimmt sein muss. Die Übertragung einer Kompetenz durch einen Willensakt des primär zuständigen Organes auf ein anderes Organ sowie jede andere Form einer Änderung der Zuständigkeit ist nur zulässig, wenn sie im Gesetz vorgesehen ist (vgl VwGH 29.3.2000, 94/12/0180). Eine derartige Kompetenz zur Übertragung der Zuständigkeit sieht das StbG nur iZm der Ausstellung von Staatsbürgerschaftsbestätigungen vor. 9 Die EB begründen die Zuständigkeitsreihung – primär: Landesregierung iZm Wohnsitz des Fremden, sekundär: Landesregierung iZm Amtsbereich der zuständigen Evidenzstelle, tertiär: Wiener Landesregierung – mit nicht näher ausgeführten (technisch bzw historisch nachvollziehbaren) Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Im „elektronischen“ Zeitalter (Internet) könnte aber uE – auch aus verwaltungsökonomischer Sicht – überlegt werden, ob eine (mit einer Verfassungsreform zu verbindende) „Zentralisierung“ (Vereinfachung) effizienter ist (und die geltende – einem Föderalismus geschuldete – „Kaskade“ an Zuständigkeiten iSd § 39 iVm § 49 entfallen sollte). Eine vergleichbare Zuständigkeitsreihung enthält § 35 Abs 5 (bzw § 68 Abs 4) Personenstandsgesetz (BGBl I Nr 2013/16 idF BGBl I 2016/120) betreffend die Eintragung des Personenstandsfalles (bzw Entgegennahme und Eintragung von Erklärungen). 10 Eine gegen einen Bescheid der Landesregierung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft erhobene Berufung an ein Bundesministerium ist von der Landesregierung als unzulässig zurückzuweisen (vgl VwSlg 403 A/1948; VwGH 11.10.1927, A 39/27, VwSlg 14.948 A/1927; VwGH 10.1.1928, VwSlg 15.059 A/1928; VwGH 3.5.1933 A 23/33; vgl auch zur Rechtslage vor dem VwGVG: VwGH 23.9.2009, 2006/01/0943). Über Beschwerden nach Art 130 Abs 1 B-VG gegen Bescheide (bzw Straferkenntnisse) iSd § 39 (iVm § 63c) wegen Rechtswidrigkeit iSd Art 131 Abs 1 Z 1 B-VG erkennen nach der diesbezüglich gleichsam als Generalklausel fungierenden Anordnung des Art 131 Abs 1 B-VG (bzw mangels lex specialis des Art 131 Abs 2 B-VG) die Verwaltungsgerichte der Länder. 11 Auch auf nach Anhängigwerden einer Verwaltungssache bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eintretende Änderungen ist in den für die Zuständigkeit maßgebenden Umständen Bedacht zu nehmen und das Verfahren von der danach zuständig gewordenen Behörde weiter zu führen. Mit der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides 562

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aber ist die Zuständigkeit der Berufungsbehörde fixiert; nach diesem Zeitpunkt eintretende Änderungen in für die Zuständigkeit der Erstbehörde relevanten Umständen vermögen an der einmal gegebenen funktionellen Zuständigkeit der Rechtsmittelbehörde nichts mehr zu ändern (vgl VwGH 28.8.2012, 2012/21/0092; VwGH 26.6.2001, 2000/04/0202, ua; LVwG NÖ 10.8.2015, LVwG-AV-843/001-2015). Gemäß § 8 Abs 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung 12 der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat; das StbG sieht keine davon abweichende Entscheidungsfrist vor. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist. Die Verzögerung der Entscheidung ist dann ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen, wenn diese Verzögerung weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde (VwGH 28.1.1992, 91/04/0125 ua). Ein „Verschulden“ der Partei ist dann anzunehmen, wenn die Gründe für die Verzögerung in ihrer Person liegen (vgl VwGH 18.11.2003, 2003/05/0115). Ihr Verhalten muss für die Verzögerung kausal und zusätzlich schuldhaft sein (VwGH 12.4.2005, 2005/01/0003). Ist die Säumnis sowohl durch ein Versäumnis der Behörde wie auch durch ein schuldhaftes Verhalten der Partei verursacht, ist abzuwägen, wem die Verzögerung überwiegend anzulasten ist. Geht – infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder Ablauf der Nachfrist des §  16 Abs  1 VwGVG – die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über, hat es allein in der Verwaltungssache zu entscheiden (VwGH 27.5.2015, Ra 2015/19/0075; LVwG Wien 11.4.2016, VGW-151/022/1998/2016). Die Frist von sechs Monaten gemäß § 73 Abs 1 AVG bzw § 8 Abs 1 VwGVG ist gewahrt, wenn bis zu deren Ablauf gegenüber der Partei ein die Verwaltungssache (meritorisch oder prozessual) gänzlich erledigender Bescheid erlassen wurde, wobei auch der Bescheid einer unzuständigen Behörde (zB Vertretungsbehörde im Ausland) die Entscheidungspflicht erfüllt. Eine Voraussetzung für die Berechtigung des Verlangens iSd § 73 Abs 1 AVG ist somit, dass gegenüber der Partei kein die Sache er563

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ledigender Bescheid erlassen wurde (VwGH 23.6.2015, Ro 2015/05/0011). Gemäß § 28 Abs 7 VwGVG kann im Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei es auch das sonst der Behörde zustehende Ermessen handhabt. Traf die Behörde seit über 34 Monaten die Entscheidungspflicht und war sie seit über 28 Monaten säumig (gemessen vom Zeitpunkt des Einbringens der Säumnisbeschwerde), ist zu prüfen, ob ein dem Beschwerdeführer zurechenbarer Grund für diese Verzögerung vorlag oder ein anderes unüberwindbares Hindernis ersichtlich ist. Im Fall der Verneinung ist die Verzögerung auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen. Folglich ist der Antrag auf Säumnisbeschwerde zulässig und begründet, weshalb mit Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache auf dieses übergeht (vgl LVwG Wien 12.2.2016, VGW-151/022/11014/2015). Wird ein Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gestellt, setzt erst fünf Monate nach Antragstellung die Behörde die nächsten Verfahrensschritte und wird erst nach über einem Jahr dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt, die Prüfung der Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung Österreichs sowie der Geschichte Österreichs und Wiens abzulegen, liegt Säumigkeit vor, wenn in der Folge die Behörde zwar weitere Verfahrensschritte setzt, aber das Verfahren nicht mit Bescheid abschließt (LVwG Wien 2.11.2015, VGW151/022/5708/2015: Behörde traf seit mehr als 17 Monaten die Entscheidungspflicht und war seit mehr als elf Monaten säumig). Ähnlich wenn der Akt über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten augenscheinlich ohne ersichtlichen Grund nicht bearbeitet wird, obwohl sämtliche Anfragen seitens der zuständigen Behörden beantwortet sind, der Antragsteller alle verfahrensdienliche Unterlagen vorgelegt hat und der Antrag entscheidungsreif ist; das Verfahren war seit mehr als 1,5 Jahre offen (LVwG Wien 6.10.2015, VGW-151/071/1/2015 ua; LVwG Wien 25.8.2015, VGW-151/071/21771/2014 ua: 7 Jahre; LVwG 3.7.2015, VGW-151/071/33354/2014 ua: Nichtbearbeitung des Akts 564

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über 14 Monate; LVwG Wien 18.6.2015, VGW-151/071/1218/2015: 7 Monate). Wird der Bescheid, mit dem der erste Antrag auf Verleihung der öster- 13 reichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vom VwGH aufgehoben, ist über den ursprünglichen Verleihungsantrag neu zu entscheiden. Das hat zur Folge, dass selbst im Fall einer Behebung des Bescheides ein zweiter – zurückgewiesener – Antrag keine selbständige meritorische Erledigung erfahren kann; er geht vielmehr zwangsläufig im ersten Verleihungsantrag auf (vgl VwGH 11.3.1998, 97/01/0481). Von da her hat ein Antragsteller aber bereits jetzt jene Rechtsstellung inne, die er bei einem positiven Ergebnis des gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erlangen könnte, weshalb eine (weitere) Beschwerde für gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren über diese Beschwerde einzustellen wäre (vgl VwGH 15.5.2003, 2002/01/0475).

§  39a. (1) Die Behörden nach diesem Bundesgesetz dürfen perso-

nenbezogene Daten nur verwenden und speichern, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich ist. (2) Die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Berufsvertretungsbehörden sind ermächtigt, Fremde, die die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen, gemäß § 5 Abs. 3 erkennungsdienstlich zu behandeln. (3) Die §§ 64 Abs. 1 bis 5, 65 Abs. 4 und 5 erster Satz sowie § 73 Abs. 7 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, gelten. (4) Die Behörde hat einen Fremden, den sie einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen hat, unter Bekanntgabe des maßgeblichen Grundes formlos hiezu aufzufordern. Kommt der Betroffene der Aufforderung nicht nach, ist er schriftlich, unter Hinweis auf die Folgen einer mangelnden Mitwirkung, ein weiteres Mal zur Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung aufzufordern. (5) Die Behörden des Bundes, der Länder und Gemeinden, die Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, sowie die Träger der Sozialversicherung, die rechtmäßig über Daten verfügen, sind ermächtigt und auf Anfrage verpflichtet, der Staatsbürgerschaftsbehörde diese Daten zu übermitteln, sofern diese für ein Verfahren zur Erteilung oder dem Verlust der Staatsbürgerschaft benötigt werden. Eine 565

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Verweigerung der Auskunft ist nicht zulässig. Die Daten sind unverzüglich zu löschen, wenn sie für die Erfüllung des konkreten Zwecks nicht mehr benötigt werden. (6) Die Behörden nach diesem Bundesgesetz sind verpflichtet, personenbezogene Daten dem Bundesminister für Inneres im Einzelfall auf begründete Anfrage zur Verfügung zu stellen, soweit diese zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlich sind. (7) Erkennungsdienstliche Daten (§ 5 Abs. 3) sind von Amts wegen zu löschen, wenn 1. der Tod des Betroffenen bekannt wird, oder 2. seit der Verleihung der Staatsbürgerschaft sechs Jahre vergangen sind. [idF BGBl I 2009/122] EB zu BGBl I 37/2006 Die Bestimmung soll sicherstellen, dass die Staatsbürgerschaftsbehörden alle notwendigen Daten ermitteln können und übermittelt bekommen können, die sie in den Verfahren nach diesem Bundesgesetz benötigen. Nach dem Entwurf obliegt die Beurteilung, welche Daten benötigt werden, alleine den Staatsbürgerschaftsbehörden, die dann aber auch die Verantwortung für die rechtliche Zulässigkeit der weiteren Verarbeitung tragen. EB zu BGBl I 122/2009 Der bisherige Regelungsinhalt des § 39a ist mit der vorgeschlagenen Änderung inhaltlich unverändert nun in Abs. 5 enthalten. Bei den einzelnen neuen Bestimmungen handelt es sich vornehmlich um die Übernahme von Standardbestimmungen aus dem NAG bzw. FPG, die an die Regelungsinhalte des StBG angepasst werden. Der vorgeschlagene Abs. 1 entspricht den bereits geltenden Datenbestimmungen des § 34 Abs. 1 NAG und § 98 Abs. 1 FPG und stellt klar, dass Behörden nach diesem Bundesgesetz personenbezogene Daten nur verwenden dürfen, soweit dies zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erforderlich ist. Abs. 2 soll den Behörden die erforderliche erkennungsdienstliche Behandlung ermöglichen und entspricht dem geltenden § 35 Abs. 1 NAG. Abs. 3 übernimmt die Normen des Sicherheitspolizeigesetzes für den Erkennungsdienst und entspricht im Wesentlichen dem geltenden § 35 Abs. 2 NAG, wobei Einschränkungen vorgenommen werden. § 64 Abs. 1 bis 5 SPG stellt die Begriffsbestimmungen für den Erkennungsdienst dar. § 65 Abs. 4 SPG stellt klar, dass Fremde, die erkennungsdienstlich zu behandeln sind, an dieser Behandlung mitwirken müssen und Abs. 5 erster Satz, dass die Behörde dabei gewisse Informationspflichten trifft. § 73 Abs. 7 SPG enthält eine besondere Löschungsbestimmung, wenn die physische Löschung erkennungsdienstlicher Daten wirtschaftlich nur zu bestimmten Zeitpunkten wahrgenommen werden kann.

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Abs. 4 regelt die Mitwirkungspflicht des Antragstellers bei der erkennungsdienstlichen Behandlung nach Aufforderung und bei Unterbleiben der Mitwirkung, die Pflicht der Behörde, die Aufforderung einmal zu wiederholen. Abs. 4 entspricht dem geltenden § 35 Abs. 2 NAG. Abs. 6 normiert die Verpflichtung der Behörde, personenbezogene Daten dem Bundesminister für Inneres im Einzelfall auf begründete Anfrage zur Verfügung zu stellen, soweit diese Daten zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben erforderlich sind. Dies steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der durch Art. 131 Abs. 1 Z 2 B-VG eingeräumten Möglichkeit des Bundesministers für Inneres Amtsbeschwerde gegen Staatsbürgerschaftsverleihungen zu erheben, bzw. als Amtspartei seine Aufgaben in Bezug auf § 35 wahrnehmen zu können. Weiters ist damit auch klargestellt, dass auch in anderen Verfahren, in denen der Bundesminister für Inneres gesetzliche Aufgaben zu erfüllen hat (vgl. etwa als Rechtmittelinstanz im NAG oder PassG), die Behörde diese Daten zur Verfügung zu stellen hat. Abs. 7 stellt ausdrücklich klar, wann erkennungsdienstliche Daten im Sinne des § 5 Abs. 3 zu löschen sind und orientiert sich dabei an der Systematik des § 99 Abs. 3 FPG. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................ 1 II. Begriffe........................................................................................................ 4 A. Personenbezogene Daten.................................................................... 4 B. Erkennungsdienstliche Behandlung................................................. 7 C. Datenübermittlung und -überlassung............................................. 11 III. Verwendung und Speicherung von Daten............................................ 16 IV. Ermächtigung............................................................................................ 20 V. Mitwirkungspflicht................................................................................... 22 VI. Kooperationsprinzip................................................................................. 25 VII. BMI.............................................................................................................. 29 VIII. Löschung.................................................................................................... 30 Schrifttum zu § 39a:

Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG online (17. Lfg 2014); Ennöckl, Der Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Datenverarbeitung (2014); Flendrovsky, Datenverwendung und Datenschutz in der allgemeinen Sicherheitspolizei, in: Bauer/Reimer (Hrsg), Handbuch Datenschutzrecht (2009) 345; Grois, Die Mitwirkungspflicht an der erkennungsdienstlichen Behandlung – im Lichte des Verbots des Zwangs zur Selbstbezichtigung, ZfV 2000, 1304; Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz4 (2011); Jahnel, Handbuch Datenschutzrecht (2010); Kimm, Rechtsschutz im Datenschutz, in: Bauer/Reimer (Hrsg), Handbuch Datenschutzrecht (2009) 153; Lepuschitz, Das österreichische Sicherheitspolizeigesetz6 (2012); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

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I.  Allgemeines 1 Die Durchführung eines Verfahrens über die Verleihung (Erstreckung) oder Entziehung der Staatsbürgerschaft setzt notwendigerweise die Verwendung und Speicherung personenbezogener Daten der betroffenen Person (und gegebenenfalls auch weiterer Personen wie etwa ihrer Familienangehörigen) voraus. Unter welchen Voraussetzungen eine Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten im Rahmen von Verfahren nach dem StbG zulässig ist, regelt § 39a (vgl zum ZSR auch §§ 56a ff). § 39a steht in engem Zusammenhang mit dem DSG, das in seinem §  1 ein Grundrecht auf Datenschutz normiert und regelt, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten verwendet werden dürfen. Die Bestimmungen des § 39a verdrängen das DSG nicht, sondern präzisieren dessen Vorgaben und bieten die von diesem geforderten rechtlichen Grundlagen für unterschiedliche Datenverwendungen. Bei der Auslegung und Anwendung des § 39a ist daher auf das DSG zurückzugreifen. Mit § 39a vergleichbare Bestimmungen finden sich im NAG (§§ 34 bis 40); vgl auch BFA-VG (§ 23) und FPG (§ 98). 2 Verstößt die Behörde bei ihren Ermittlungen gegen die datenschutzrechtlichen Beschränkungen, die ihr durch § 39a sowie das DSG auferlegt werden, so kann sie die dadurch erlangten Beweise im Verfahren dennoch verwenden. Das AVG kennt keine Regel, wonach die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel unzulässig wäre (vgl §  19 Rz 14). Nach der Judikatur ist die Berücksichtigung „auf gesetzwidriger Weise“ erlangter Beweisergebnisse bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nur unzulässig, wenn das Gesetz dies anordnet oder die Verwertung der Beweisergebnisse dem Zweck des durch die Gewinnung verletzten Verbots widerspricht (VwGH 29.3.2011, 2000/20/0458; VwSlg 11540 A/1984). Da sich im StbG weder ein ausdrückliches Verbot der Beweisverwertung findet noch davon auszugehen ist, dass diese dem Zweck des durch die Gewinnung verletzten Verbots widerspricht, ist grundsätzlich von der Zulässigkeit der Verwertung der durch rechtswidrige Datenverarbeitungen erlangten Beweise auszugehen (beachte aber auch § 5 Abs 2 letzter Satz). Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten in einem Verfahren nach dem StbG können mit Beschwerde an die Datenschutzbehörde bekämpft werden (§  31 DSG); vgl auch VwGH 22.4.2015, Ra 2014/04/0046; VwGH 28.1.2013, 2012/12/0050. Da Verstöße gegen die 568

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Bestimmungen über die Datenverwendung (§  39a) idR nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheids der Staatsbürgerschaftsbehörde führen, können sie grundsätzlich nicht mit einer Beschwerde an das LVwG geltend gemacht werden. § 39a Abs 1 gibt den Zweckbindungs- bzw Verhältnismäßigkeitsgrund- 3 satz nach § 1 Abs 2 DSG wieder, der auch in § 6 Abs 1 Z 3 DSG einfachgesetzlich präzisiert ist. Der iZm dem im staatsbürgerrechtlichen Verfahren anwendbare Datenschutz orientiert sich am Oberbegriff „personenbezogene Daten“ nach Abs 1. Daran anknüpfend normiert §  39a Abs  2 eine Ermächtigung zur erkennungsdienstlichen Behandlung von Fremden. Dementsprechend können durch erkennungsdienstliche Maßnahmen erkennungsdienstliche Daten (vgl auch § 5 Abs 3) ermittelt werden. Abs 2 ist eine Ermessensbestimmung, die sich – im Unterschied zu den übrigen Absätzen in §  39a – auf Behörden iSd §  39 und „Berufsvertretungsbehörden“ bezieht. § 39a Abs 3 enthält einen pauschalen Verweis auf § 64 Abs 1 bis 5 SPG; § 64 Abs 6 (§ 65 Abs 1 bis 3, Abs 5 zweiter Satz und Abs 6) SPG ist iZm der Verwendung von Daten nach dem StbG nicht davon erfasst, da er auf gefährliche Angriffe abstellt, die mit dem StbG nichts zu tun haben. Durch den Verweis auf § 5 Abs 3 in Abs 2 iVm Abs 3 wird die relative Unbestimmtheit der Wortfolge „erkennungsdienstliche Daten“ klärend eingeschränkt auf Papillarlinienabdrücke (und wohl auch auf Lichtbilder). Allerdings ist nicht in allen Fällen eine „erkennungsdienstliche“ Behandlung erforderlich (nämlich va wenn schon zuvor aus anderen Gründen eine solche stattfand). Abs 3 verdeutlicht zudem die Notwendigkeit, generell die Datensicherheitsmaßnahmen für erkennungsdienstliche Datensammlungen im SPG zu verbessern. Es sollte klargestellt werden, wo die erkennungsdienstlichen Daten, die im Rahmen des StbG erhoben werden, abzulegen sind [AFIS-Teilbereich (Automated Fingerprint Identification Systems) bzw davon getrennte Sammlung von Lichtbildern]. Eine Verschlüsselung der biometrischen Daten ist nicht vorgesehen; ebenso ist keine Ablegung der biometrischen Daten physisch getrennt von alphanumerischen Daten (in verschlüsselter Form) vorgesehen. § 39a Abs 4 regelt – wie § 35 Abs 3 NAG – die Mitwirkungspflicht des Fremden bei der erkennungsdienstlichen Behandlung. Nach erfolgloser formloser erster Aufforderung hat die Behörde ein weiteres Mal 569

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den Fremden förmlich aufzufordern, an dieser Behandlung mitzuwirken; eine zwangsweise Durchsetzung dieser Mitwirkungspflicht ist nicht vorgesehen. Nach § 39a Abs 5 (ursprünglich: § 39a idF BGBl I 2006/37) sind uE Daten nur zu übermitteln, sofern diese für ein Verfahren zur Erteilung oder den Verlust der Staatsbürgerschaft benötigt werden. Aufgrund des § 1 Abs 2 DSG und des Art 8 Abs 2 EMRK ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund über eine Verpflichtung zur Datenübermittlung hinausgehend, eine Ermächtigung der genannten Behörden erforderlich erscheint; eine derartige (pauschale) Ermächtigung zur Datenübermittlung (ohne Ersuchen) ist verfassungsrechtlich bedenklich. Im Hinblick auf die Verpflichtung zur Datenübermittlung ist auf Art 22 B-VG sowie § 8 Abs 3 Z 2 DSG und die kompetenzrechtliche Problematik hinzuweisen. Abs 5 letzter Satz enthält eine spezifische Löschungsanordnung, deren Zweck aber unklar ist, da sich diese bereits aus § 6 Abs 1 Z 5 DSG ergibt. § 39a Abs 6 verpflichtet die Staatsbürgerschaftsbehörden – also in erster Linie die Landesregierungen – dem BMI bei begründeter Anfrage personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen. Diese Regelung steht iVm Art 132 Abs 1 Z 2 und Abs 5 B-VG: Im Rahmen einer Amtsbeschwerde und als Amtspartei (vgl § 35) – aber auch iZm dem NAG und dem Passgesetz) haben die Behörden dem BMI diese Daten „zur Verfügung zu stellen“. § 39a Abs 7 „orientiert“ (EB) sich an § 99 Abs 3 FPG, wonach erkennungsdienstliche Daten ua dann zu löschen sind, wenn der Tod des Betroffenen bekannt wird und seither fünf Jahre verstrichen sind (Z 1) oder dem Betroffenen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wird (Z 8). Entgegen § 99 Abs 3 Z 8 FPG sind aber nach § 39a Abs 7 Z 2 erkennungsdienstliche Daten erst zu löschen, wenn seit der Verleihung sechs Jahre vergangen sind; hingegen sieht Z 1 bei Bekanntwerden des Todes keine Frist bis zur Löschung vor.

II.  Begriffe A.  Personenbezogene Daten 4 § 39a Abs 1 bezieht sich auf „personenbezogene Daten“; in § 5 Abs 3 ist von „erkennungsdienstliche[n] Daten“ die Rede (vgl auch § 39a Abs 7). Demgegenüber bezieht sich Abs 5 des § 39a nur auf „Daten“, was im Hinblick auf das Determinierungsgebot nach Art 18 B-VG auf Beden570

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ken stößt. UE umfasst § 39a Abs 5 nur bestimmte „personenbezogene“ Daten, zumal andere Daten kaum einen Beitrag im Ermittlungsverfahren zur Verleihung oder zum Verlust der Staatsbürgerschaft leisten können. Im Lichte des Art 8 Abs 2 EMRK und § 1 Abs 2 DSG (vgl VwGH 27.9.2013, 2012/05/0213; VfGH 29.9.2012, B 54/12 ua) scheint geboten, den Datenbegriff in § 39a Abs 5 auf solche personenbezogene bzw sensible Daten zu beschränken, die im Staatsbürgerschaftsverfahren objektiv von Relevanz sein können. Allerdings kann in einem ansonsten gerechtfertigten Zusammenhang mit der eigenen Person bzw eigenen personenbezogenen Daten (zB bei der Frage von Unterhaltspflichten) die Verwendung fremder personenbezogener Daten iZm § 39a Abs 5 zulässig sein (vgl VwGH 27.4.2012, 2012/17/0115; VwGH 25.4.2006, 2003/06/0133). Das StbG enthält keine Legaldefinition des Begriffs „personenbezoge- 5 ne Daten“. Eine solche findet sich in § 4 Z 1 DSG, der personenbezogene Daten mit „Angaben über Betroffene, deren Identität bestimmt oder bestimmbar ist“ definiert. Der weit auszulegende Begriff umfasst alle Arten von Informationen über Personen unabhängig davon, auf welchen Lebensbereich sie sich beziehen. Als personenbezogene Daten sind daher ua alle Angaben zu qualifizieren, die eine Identifizierung des Betroffenen ermöglichen (zB Name, Geburtsdatum, Lichtbild, Fingerabdrücke, genetische Merkmale, Sozialversicherungsnummer, ZMRNummer). Auch sonstige im StbG-Verfahren relevante Informationen wie solche über die familiären Verhältnisse, Unterkunft, Sprachkenntnisse, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Erwerbstätigkeit, Daten über den Leumund einer Person (vgl VwGH 27.6.2007, 2007/04/0105) usw sind personenbezogene Daten. In Verfahren nach dem StbG werden regelmäßig auch sensible Daten 6 iSd § 4 Z 2 DSG verwendet. Dazu zählen etwa Angaben über Nationalität bzw ethnische Herkunft, Religionszugehörigkeit oder Gesundheitszustand. Sensible Daten genießen besonderen Schutz (vgl §  9 DSG). Werden Daten über gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbare Handlungen oder Unterlassungen verwendet, sind die zusätzlichen Vorgaben des § 8 Abs 4 DSG zu beachten.

B.  Erkennungsdienstliche Behandlung § 39a Abs 2, 3 und 4 (und Abs 7) regeln die erkennungsdienstliche Be- 7 handlung iZm § 5 Abs 3 (Papillarlinienabdrücke zur Identitätsfeststel571

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lung). Die EB verweisen auf die gleichartige Bestimmung in § 35 NAG. Die Ermächtigung zur erkennungsdienstlichen Behandlung steht iZm dem Erfordernis der persönlichen Antragstellung (§  19 Abs  1), die dazu dient, die Identität des Antragstellers zweifelsfrei festzustellen. Dementsprechend normiert § 2 StbV, dass einem Antrag ua Reisedokument, Geburtsurkunde und Lichtbild anzuschließen sind; zudem hat der Antragsteller wenn nötig an der Ermittlung und Überprüfung dieser Daten mitzuwirken (vgl § 19 Abs 2). 8 § 39a enthält in Abs 2 eine Ermächtigung der Staatsbürgerschaftsbehörden und der Berufsvertretungsbehörden, die erkennungsdienstlichen Daten iSd § 5 Abs 3 zu ermitteln und zu verarbeiten. Abs 3 verweist auf einige Detailregelungen des SPG und Abs 4 bestimmt, in welcher Form die Behörde den betroffenen Fremden zur erkennungsdienstlichen Behandlung auffordern muss. 9 Was unter erkennungsdienstlicher Behandlung im staatsbürgerschaftlichen Verfahren zu verstehen ist, ergibt sich aus § 5 Abs 3 iVm § 64 SPG, auf den § 39a Abs 3 verweist. Es handelt sich dabei um das Ermitteln bestimmter personenbezogener Daten zur Feststellung der Identität anhand von persönlichen Merkmalen durch Maßnahmen, an denen die betroffene Person mitzuwirken hat. § 64 Abs 2 nennt – wie § 5 Abs 3 – die Abnahme der Fingerabdrücke; ob darüber hinaus auch zB die Vornahme von Mundhöhlenabstrichen zur DNA-Analyse, das Fotografieren oder die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale durch § 39a gedeckt ist, scheint unklar. Aufgrund des Verweises auf § 5 Abs 3 ist uE davon auszugehen, dass – abgesehen von dem Fall des §  39a Abs 5 – die Behörden (§ 39 und Berufsvertretungsbehörden) nur die zur Identitätsfeststellung geeigneten bzw erforderlichen Daten (wie Fotos und Fingerabdrücke) ermitteln dürfen. 10 Die Staatsbürgerschaftsbehörde bzw Berufsvertretungsbehörde treffen bestimmte Informationspflichten vor einer erkennungsdienstlichen Behandlung, die sich aus dem Verweis auf § 65 Abs 5 SPG und aus § 39a Abs 4 ergeben. Gemäß § 65 Abs 5 Satz 1 SPG ist jede Person vor ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung schriftlich darüber zu informieren, wie lange die dadurch erlangten Informationen aufbewahrt werden und unter welchen Voraussetzungen eine vorzeitige Löschung beantragt werden kann (§  74 SPG) bzw von Amts wegen zu erfolgen hat (§ 73 SPG iVm § 39a Abs 7). 572

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C.  Datenübermittlung und -überlassung §  39a wurde durch BGBl I 2006/37 eingefügt. §  39a bis zur Fassung 11 BGBl I 2009/122 verpflichtete die Gebietskörperschaften, die AMSGeschäftsstellen und die Sozialversicherungsträger, den Staatsbürgerschaftsbehörden auf deren Anfrage alle jene Daten zu übermitteln, die diese in den Verfahren nach dem StbG benötigen. Nach den – sich im Gesetzestext nicht widerspiegelnden – EB obliegt die Beurteilung, welche Daten benötigt werden, alleine den Staatsbürgerschaftsbehörden. „die dann aber auch die Verantwortung für die rechtliche Zulässigkeit der Übermittlung tragen“. Auch wenn die Prüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit pri- 12 mär dem BKA obliegt, ist kritisch hinzuzufügen, dass im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft idR keine Notwendigkeit einer Datenübermittlung zwischen den Behörden besteht. Die benötigten Daten (zB konkreter Versicherungsverlauf und Beitragsgrundlagen als Einkommensnachweis iSd § 10 Abs 1 Z 7) können mühelos vom Betroffenen selbst im Wege der Einholung eines Versicherungsdatenauszuges beigebracht werden. Der Betroffene bringt diese Daten – im eigenen Interesse – regelmäßig bei; zudem kann die Behörde bei Mängel iZm den Daten mit Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG vorgehen. Datenschutzrechtlich ist stets das „gelindeste zur Verfügung stehende 13 Mittel“ (§ 7 Abs 3 DSG) anzuwenden. Die fehlende Notwendigkeit der Verwendung von Daten (wozu deren Übermittlung zählt) könnte auch die verfassungsrechtliche Zulässigkeit als solche zweifelhaft erscheinen lassen. Vor diesem Hintergrund sind uE – bei verfassungs- und gesetzeskonformer Interpretation – die in §  39a idF BGBl I 2006/37 bzw § 39a Abs 5 idgF „benötigten“ (personenbezogenen) Daten restriktiv zu beurteilen; zB in Verfahren zum Verlust der Staatsbürgerschaft (§§ 26 ff) werden SV-Daten nicht bzw nur in begründeten Ausnahmefällen von Bedeutung iSd § 39a sein können. Die Anordnung in § 39a Abs 5 Satz 2, dass die „Verweigerung der Aus- 14 kunft unzulässig“ ist, steht nicht nur in einem Widerspruch zu Satz 1 (da dort explizit eine entsprechende Verpflichtung statuiert ist), sondern auch im Spannungsverhältnis zu § 7 Abs 2 Z 2 DSG (und der Amtsverschwiegenheit nach Art 20 Abs 3 und 4 B-VG): Demnach dürfen Daten nur übermittelt werden, wenn der Empfänger (also die 573

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Staatsbürgerschaftsbehörde) dem Übermittelnden (also die in §  39a Abs 5 idgF genannten Behörden und Einrichtungen) seine ausreichende gesetzliche Zuständigkeit oder rechtliche Befugnis – soweit diese nicht außer Zweifel steht – im Hinblick auf den Übermittlungszweck glaubhaft gemacht hat. Das bedeutet, dass der Auftraggeber iSd § 4 Z 4 DSG (das sind im konkreten Fall jene Stellen, welche über die erforderlichen Daten verfügen) zu prüfen hat, ob der Empfänger über eine entsprechende gesetzliche Zuständigkeit für die Übermittlung der konkret angeforderten Daten verfügt. Ergibt diese Prüfung, dass die gesetzliche Zuständigkeit nicht gegeben ist, ist die Übermittlung der Daten nach § 7 Abs 2 Z 1 DSG unzulässig und nach den §§ 51 f DSG strafbar. 15 Problematisch ist, dass nach dem Wortlaut des § 39a Abs 5 eine Übermittlung von Daten durch die darin genannten Behörden und Institutionen auch ohne konkrete Anfrage von Seite der Staatsbürgerschaftsbehörde zulässig sein kann (arg: „[d]ie Behörden … sind ermächtigt“). Aufgrund der datenschutzrechtlichen Zweckbindung gewährleistet diese Ermächtigung nicht, dass nur die für den konkreten Zweck unbedingt erforderlichen Daten übermittelt werden.

III.  Verwendung und Speicherung von Daten 16 §  39a Abs  1 erlaubt das zweckgebundene Verwenden und Speichern von Daten. Der Begriff „Verwenden von Daten“ umfasst sowohl das Verarbeiten (Speichern bzw Aufzeichnen) als auch das Übermitteln von Daten (vgl §  4 Z  8 iVm Z  9 und Z  12 DSG). Hierbei gelten die Grundsätze der Verwendung von Daten nach Treue und Glauben (§ 6 Abs 1 DSG). Die Staatsbürgerschaftsbehörden tragen bei jeder ihrer Datenanwendungen die Verantwortung für die Einhaltung dieser Grundsätze; dies gilt auch dann, wenn sie für die Datenanwendung Dienstleister heranziehen. 17 Ob Daten im Sinn des §  6 Abs  1 Z  1 DSG „auf rechtmäßige Weise“ verwendet bzw im Rahmen rechtlicher Befugnisse ausgeübt werden, ist nicht nur an Hand der Bestimmungen des DSG selbst, sondern auch unter Beachtung von Verboten einer Datenverwendung zu prüfen, die sich aus gesetzlichen Bestimmungen – hier: (insb) § 39a – außerhalb des DSG ergeben. Dies bedeutet fallbezogen, dass auch die Verletzung dienstrechtlicher Normen, welche (ua) eine bestimmte Art der Verarbeitung und damit der Verwendung von Daten für den Bereich des Be574

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amtendienstrechtes untersagen (wie etwa § 79e Abs 1 BDG), zu einem Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 1 DSG bzw mangels „Zuständigkeit oder rechtlicher Befugnis“ gegen § 7 Abs 1 DSG und damit zu einem Recht des Auftraggebers auf Löschung gemäß § 27 Abs 1 DSG führt, welches mit Löschungsantrag und Datenschutzbeschwerde nach §  31 Abs  2 DSG verfolgt werden kann (vgl auch VwGH 28.1.2013, 2012/12/0050). Die Prüfung, ob ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse vorliegt (§  7 Abs  1 DSG), entfällt aufgrund des letzten Halbsatzes des §  39a Abs 1. Aufgrund dieser gesetzlichen Grundlage kann die Staatsbürgerschaftsbehörde einschreiten; der Gesetzgeber hat insofern bereits die Interessenabwägung vorgenommen. Ungeachtet dessen dürfen Daten nur verarbeitet werden, soweit Zweck und Inhalt der Datenanwendung von den gesetzlichen Zuständigkeiten oder rechtlichen Befugnissen des jeweiligen Auftraggebers gedeckt sind und die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen nicht verletzen. Durch eine Datenverwendung darf nur im erforderlichen Ausmaß und mit den gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln in das Grundrecht auf Datenschutz sowie unter Einhaltung der Grundsätze des § 6 DSG eingegriffen werden.

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§ 8 (§ 9) DSG nennt die Voraussetzungen, unter denen bei nichtsensiblen (sensiblen) Daten wie zB Zulassungsdaten (vgl VwSlg 17.287 A/2007) eine Verletzung schutzwürdiger Interessen nicht anzunehmen ist. Darunter fällt nach § 9 Z 3 DSG „die Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung aus gesetzlichen Vorschriften“, soweit diese der Wahrung eines wichtigen öffentlichen Interesses dienen, was – ungeachtet des Fehlens eines diesbezüglichen Hinweises in den EB – aufgrund der weitreichenden Konsequenzen, die mit dem Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft verbunden sind, anzunehmen ist.

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IV.  Ermächtigung §  39a unterscheidet zwischen der Ermächtigung der Behörden des StbG und der Vertretungsbehörden (Abs  2) sowie der Ermächtigung der Behörden der Gebietskörperschaften, der AMS-Geschäftsstellen und der SV-Träger. Die Befugnis zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach Abs 2 soll neben den durch den Antragsteller vorzulegenden Urkunden insbesondere dem Nachweis der Antragsvoraussetzungen gemäß § 10 Abs 1 dienen. 575

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21 Die verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Rz 3) iZm der Ermächtigung nach §  39a Abs  5 gründen darauf, dass die Verwendung von Daten durch die Bundes-, Landes- und Gemeindebehörden etc an keine Voraussetzungen gebunden ist. Die iZm einer Anfrage für die Staatsbürgerschaftsbehörde geltende Einschränkung, „sofern diese für ein Verfahren zur Erteilung oder dem Verlust der Staatsbürgerschaft benötigt werden“, gilt keinesfalls für die ermächtigten Behörden. Der insofern uferlos weit gefassten Ermächtigung steht andererseits – mangels Bestimmung des konkreten Normadressaten im letzten Satz des Abs 5 – nicht die Verpflichtung gegenüber, diese Daten von Amts wegen durch diese Behörden zu löschen.

V.  Mitwirkungspflicht 22 Durch den Verweis auf § 65 Abs 4 SPG in § 39a Abs 3 gilt grundsätzlich eine Pflicht der betroffenen Person, an den für die erkennungsdienstliche Behandlung erforderlichen Handlungen mitzuwirken. Welche Rechtsfolgen eine Verletzung dieser Mitwirkungspflicht hat, ergibt sich weder aus dem StbG noch aus jenen Normen des SPG, die durch den Verweis in § 39a Abs 3 von den Staatsbürgerschaftsbehörden anzuwenden sind, sondern aus § 5 Abs 3 letzter Satz. Rechtsfolge einer Verletzung der Mitwirkungspflicht ist demnach die Berücksichtigung im Rahmen der Beweiswürdigung. 23 Bevor die Behörde die Weigerung des Fremden bei der Beweiswürdigung berücksichtigen darf, muss sie die betroffene Person nach deren erstmaligem Versäumnis, an der erkennungsdienstlichen Behandlung mitzuwirken, zumindest ein weiteres Mal unter Hinweis auf diese Konsequenzen zur Mitwirkung aufgefordert haben (§ 39a Abs 4). Anders als im Bereich der Sicherheitspolizei ist in Vollziehung des StbG eine Durchsetzung der erkennungsdienstlichen Behandlung durch unmittelbare Zwangsgewalt nicht zulässig. Dies ergibt sich daraus, dass in § 39a Abs 3 ein Verweis auf diese Befugnis in § 78 SPG fehlt. Dass es sich dabei um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers handelt, zeigt ein Vergleich mit § 100 Abs 3 FPG und § 25 Abs 3 BFA-VG, die die Geltung des § 78 SPG ausdrücklich anordnen. Auch eine Vorführung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ist aus denselben Gründen nicht zulässig (vgl § 100 Abs 2 FPG, § 25 Abs 2 ­BFA-VG). Eine Vorführung verbietet sich zudem durch das Bundesverfassungsgesetz 576

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über den Schutz der persönlichen Freiheit (BGBl 684/1988 idF BGBl I 2/2008). Die subjektive Annahme einer Gehorsamspflicht ändert noch nichts 24 am Charakter einer Aufforderung zum freiwilligen Mitwirken (vgl VfGH 26.6.1997, B 1565/96, VfSlg 14.887/1997, das eine erkennungsdienstliche Behandlung in der Form betroffen hat, dass die minderjährige Beschwerdeführerin der Aufforderung zur Abnahme der Fingerabdrücke und zur Erstellung von Fotografien gefolgt ist, weil sie annahm, sie sei dazu verpflichtet). Als unverzichtbares Merkmal eines Verwaltungsaktes in der Form eines Befehls gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion angedroht wird (vgl VwSlg 17.006 A/2006).

VI.  Kooperationsprinzip Eigenen hoheitlichen Ermittlungen der Staatsbürgerschaftsbehörden 25 im Herkunftsstaat des Fremden stehen allgemeine Prinzipien des Völkerrechts entgegen. Danach sind Staaten grundsätzlich verpflichtet, in fremden Hoheitsräumen keine Amtshandlungen ohne Genehmigung des Territorialstaates vorzunehmen. Dieser Grundsatz wird meist streng gehandhabt und gestattet nicht einmal eine hoheitliche Tätigkeit, die keine unmittelbare Auswirkung im Territorialstaat hat, zB polizeiliche Erhebungen oder amtliche Vorladungen. Ermittlungen, die diesen Prinzipien widersprechen, sind von den Ermittlungspflichten daher nicht umfasst und den Behörden (auch nicht mit Hilfe der Vertretungsbehörden) nicht erlaubt. Davon zu unterscheiden sind jedoch zulässige allgemein gehaltene Auskünfte, die von den Staatsbürgerschaftsbehörden im Wege österreichischer Vertretungsbehörden im Heimatland eines Fremden eingeholt werden, zumal sie keine hoheitliche Tätigkeit im fremden Staat mit sich bringen. An solchen Erhebungen im Rahmen der Amtshilfe sind die Staatsbürgerschaftsbehörden nicht gehindert (VwGH  15.12.2015, Ra 2015/18/0100; vgl auch EuGH 1.3.2012, C-467/10). § 39a Abs 5 unterscheidet zwischen der Ermächtigung (vgl Rz 20 f) und 26 der Verpflichtung zur Zusammenarbeit. Sind die in Abs  5 genannten Behörden dazu „ermächtigt“, ergibt sich daraus eine merkwürdige und verfassungsrechtlich bedenkliche Durchbrechung der Zweckbindung 577

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und Verhältnismäßigkeit (vgl § 1 DSG). Die Behörden können unbeschadet einer Notwendigkeit der Daten für eine Verleihung oder einen Verlust der Staatsbürgerschaft – das heißt: unabhängig von einem Anlassfall – mit den Staatsbürgerschaftsbehörden auf die in §  39a Abs  5 gebotene Weise zusammenarbeiten. Die Ermächtigung der Behörden, auf die ohne Anlassfall gebotene Weise mit den Staatsbürgerschaftsbehörden datenbezogen zusammenzuarbeiten, inkludiert die Verpflichtung dieser Behörden, selbst zu beurteilen, welche Daten die für die Kooperation mit den Staatsbürgerschaftsbehörden geeigneten wären. Für dieses, inhaltlich und zeitlich in keiner Weise limitierte Handeln der Behörden in Kooperation mit den Staatsbürgerschaftsbehörden fehlt im Übrigen jegliche gesetzliche Grundlage, damit aber auch jede gesetzliche Determinierung. UE liegt der Verdacht nahe, dass dem Gesetzgeber die Überschreitung der Grenzen des Kompetenzbereichs der Behörden bewusst war. Jede determinierende Regelung an dieser Stelle hätte auch Folgen für die Behörden gehabt und damit die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die umfassende Datenübermittlung evident gemacht (vgl auch VfSlg 17.102/2004). 27 Eine von den Sicherheitsbehörden geleistete „Amtshilfe“ bzw im Verleihungsverfahren abgegebene negative Stellungnahme entfaltet für die Verleihungsbehörde keine Bindung in ihrer Entscheidung. Sie entbindet die Staatsbürgerschaftsbehörde vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Einbürgerung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen und ihre Entscheidung entsprechend darzustellen. Die Verleihungsbehörde kann sich somit nicht darauf beschränken, im Bescheid betreffend die Ablehnung des Verleihungsgesuches (nicht näher begründete und auch nicht konkretisierte) Bedenken der Sicherheitsbehörde referierend wiederzugeben und Verleihungshindernisse ohne (inhaltliche) Auseinandersetzung mit den Stellungnahmen „als erwiesen“ annehmen (VwGH 26.5.2015, Ro 2014/01/0035; VwGH 20.6.2008, 2005/01/0005). 28 Art 22 B-VG ist unmittelbar anwendbar, steht aber der näheren Ausgestaltung durch § 39a nicht entgegen (vgl VfSlg 5415/1966, 10.715/1985). Die im Art  22 B-VG grundgelegte gegenseitige Hilfeleistungspflicht der Bundesorgane, Länderorgane und Gemeindeorgane dient nicht dazu, von einer Behörde Handlungen zu verlangen, zu deren Vornahme sie gesetzlich nicht verpflichtet ist (vgl VwSlg 7288 A/1968). Art 22 B-VG gewährt kein subjektives öffentliches Recht; aber ein einem solchen Recht ähnlicher Anspruch wird durch die Verpflichtung in § 39a Abs 5 der Staatsbürgerschaftsbehörde eingeräumt. 578

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VII.  BMI Während Abs 5 das Auskunftsrecht der Staatsbürgerschaftsbehörde re- 29 gelt, legt § 39a Abs 6 fest, dass diese Behörde dem BMI nur im Anlassfall und auf „begründete“ Anfrage hin personenbezogene Daten formlos „zur Verfügung zu stellen“ hat, soweit diese Daten für den BMI zB iZm einer Amtsbeschwerde oder als Amtspartei (§  35) erforderlich sind. Da dem BMI nicht nur in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten Aufgaben übertragen sind, sondern auch in anderen (fremdenrechtlichen) Materien (vgl auch Zentrales Personenstandsregister), stellen die EB klar, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde dem BMI diese Daten auch für solche Aufgaben zu übermitteln hat.

VIII.  Löschung Abs 5 und 7 des § 39a regeln – ohne Berücksichtigung anderer gesetz- 30 licher Aufbewahrungsfristen (vgl auch § 6 Abs 1 Z 5 DSG) – eine Löschungsverpflichtung. Im Unterschied zu dem (auf erkennungsdienstliche Daten Bezug nehmenden) Abs 7 sind die Daten nach Abs 5 „unverzüglich“ zu löschen, sobald sie für den konkreten Zweck nicht mehr benötigt werden. Abgesehen von allenfalls bestehenden besonderen archivrechtlichen Vorschriften, kann eine sofortige Löschung gegen Abschnitt V (Staatsbürgerschaftsevidenz) verstoßen und dem Erfordernis der nachträglichen Überprüfbarkeit durch die Höchstgerichte entgegenstehen. Die Löschungsverpflichtungen in § 39a Abs 5 und 7 lassen im Unkla- 31 ren, wen diese Verpflichtung trifft. Dass Abs  7 im Unterschied zu Abs 5 anordnet, dass „von Amts wegen“ zu löschen ist, ändert nichts an der vom Gesetzgeber unbeantworteten Frage, ob nur die Staatsbürgerschaftsbehörde die ihr übermittelten Daten zu löschen hat oder ob auch die die Daten übermittelnden Stellen eine Verpflichtung trifft. Im letzteren Fall könnte eine unverzügliche Löschung aber § 26 Abs 7 DSG widersprechen, wonach ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von einem Auskunftsverlangen der Auftraggeber Daten über den Auskunftswerber innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten und im Fall der Erhebung einer Beschwerde gemäß § 31 DSG an die Datenschutzbehörde bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nicht vernichten darf. 579

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32 § 39a Abs 5 enthält keine Verpflichtung zur Löschung (aller) personenbezogenen Daten. Eine Löschungsverpflichtung ergibt sich allerdings schon aus § 39a Abs 1, der die Verwendung personenbezogener Daten nur erlaubt, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben der Behörde erforderlich ist. Da auch die Speicherung von Daten eine Verwendung darstellt, folgt aus dieser Zweckbindung, dass die Daten zu löschen sind, sobald ihre Aufbewahrung nicht länger zur Erfüllung der Aufgaben der Behörde erforderlich ist. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz des § 6 Abs 1 Z 5 DSG, wonach Daten gelöscht werden müssen, wenn sie für die Erreichung des Verarbeitungszwecks nicht mehr benötigt werden. 33 Da es sich bei den durch eine erkennungsdienstliche Behandlung ermittelten Daten um personenbezogene Daten handelt, gilt nach Maßgabe des §  39a Abs  7 die allgemeine Löschungsverpflichtung des §  39a Abs 1 iVm § 6 Abs 1 Z 5 DSG. Demnach dürfen die Daten nur solange gespeichert werden, als dies zur Erfüllung der Aufgaben der Niederlassungsbehörde notwendig ist und der Betroffene nicht gestorben ist (vgl auch Todeserklärungsgesetz) oder seit der Verleihung (uE auch seit der Erstreckung der Verleihung) der Staatsbürgerschaft nicht sechs Jahre vergangen sind. 34 Eine technische Modifikation der Löschungspflicht enthält § 73 Abs 7 SPG, der gemäß § 39a Abs 3 von der Staatsbürgerschaftsbehörde anzuwenden ist. Demnach ist dann, wenn die physische Löschung von Daten, die auf automationsunterstützt lesbaren Datenträgern (insbesondere digitalen Speichermedien) gespeichert sind, nur zu bestimmten Zeitpunkten möglich ist, vorerst eine „logische“ Löschung vorzunehmen. Damit ist gemeint, dass zunächst – also im Zeitpunkt des Eintritts der Löschungspflicht – durch programmtechnische Maßnahmen der Zugriff auf die Daten verhindert wird („logische Löschung“) und erst zu einem späteren Zeitpunkt, wenn dies technisch möglich ist, die physische Löschung der Daten im Sinne ihrer tatsächlichen Vernichtung erfolgt.

§ 40. (Verfassungsbestimmung) Der Antrag gemäß § 28 kann auch

bei der gemäß § 41 Abs. 2 zuständigen Vertretungsbehörde eingebracht werden, die sie an die Behörde weiterzuleiten hat.

[idF BGBl I 1998/124]

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EB zu BGBl I 124/1998 [Keine Erwähnung in EB] Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Weiterleitung................................................................................................. 5 Schrifttum zu § 40: Hengstschläger/Leeb, AVG I (2004); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Ursprünglich sah § 40 StbG 1965 durch die Ausnahme von den Be- 1 schränkungen der Auskunftserteilung in bestimmten Jugendstrafsachen (§ 48 Jugendgerichtsgesetz 1961) eine Auskunftsberechtigung der Staatsbürgerschaftsbehörden vor. Da gemäß § 9 Abs 2 Z 2 des Tilgungsgesetzes 1972 die Bestimmung des § 48 des Jugendgerichtsgesetzes 1961 ab 1.1.1974 unwirksam war, wurde durch BGBl 1973/394 der § 40 aufgehoben. Die seither bestandene (und auch durch die Wiederverlautbarung übernommene) „Lücke“ – das heißt: der fehlende § 40 – wurde durch die Novelle BGBl I 1998/124 wieder gefüllt. Die RV (1283 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des 2 Nationalrates XX. GP) zu BGBl I 1998/124 beinhaltete noch keinen § 40. Erst im Rahmen der parlamentarischen Beratungen – vgl Antrag 301/A – wurde im Ausschuss für innere Angelegenheiten (1320 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XX. GP) der § 40 aufgenommen. Die Motive des Gesetzgebers für die Aufnahme einer Verfassungsbestimmung in § 40 gehen weder aus den – auf die RV bezugnehmenden – EB noch aus dem Ausschussbericht hervor. Inhaltlich bestimmt § 40 das Recht der Einbringung des Antrags auf 3 Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit (§  28) beim österreichischen Konsulat oder bei der österreichischen Botschaft in dem Land, in dem die Person ihren „Hauptwohnsitz“ (außerhalb Österreichs) hat. Dieses Recht impliziert uE die Pflicht der örtlich zuständigen Vertretungsbehörde (vgl auch § 3 AVG) zur Annahme des eingebrachten Antrags bzw – bei Unzuständigkeit – zur Abtretung an die zuständige Stelle oder Verweisung des Antragstellers an diese (§ 6 Abs 1 AVG). IdF 581

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hat die Behörde den Antrag an die Wiener Landesregierung weiterzuleiten (§ 39 Abs 2 Satz 1 iVm § 49 Abs 2 lit c). 4 Formell ist § 40 – wie § 41 Abs 2 – als Verfassungsbestimmung konzipiert. Das heißt: Im Unterschied zu § 22 Abs 2 werden die österreichischen Vertretungsbehörden iZm der Antragstellung nach § 28 iVm § 40 nicht im Rahmen einer „Hilfeleistung“ tätig, sondern werden als Bundesbehörde in die landesbehördliche Vollziehung des StbG (Art  11 Abs  1 B-VG) eingebunden. UE haben die Vertretungsbehörden iZm der Annahme bzw Abtretung (Verweisung) und Weiterleitung des Antrags das AVG anzuwenden, weil § 40 auf den gesamten § 41 Abs 2 – und nicht bloß auf den ersten Satz des § 41 Abs 2 – verweist und somit explizit eine Rechtsvorschrift existiert, der zufolge diese Behörde nach dem AVG vorzugehen hat.

II.  Weiterleitung 5 Die österreichische Vertretungsbehörde ist nur zur Weiterleitung des Antrags nach § 28 verpflichtet; sie ist nicht zur Entscheidung über diesen Antrag zuständig. Die Verletzung der Pflicht zur Weiterleitung stellt keine Verletzung der Entscheidungspflicht dar, die mittels Fristsetzungsantrags durchsetzbar wäre; ein Fristsetzungsantrag wäre daher zurückzuweisen. Die Weiterleitung erfolgt durch formlose Verfügung; eine entsprechende Mitteilung an den Fremden ist kein Bescheid (vgl Hengstschläger/Leeb aaO, § 6 Rz 12). Die zu § 6 Abs 1 AVG vertretene Ansicht des VwGH (VwSlg 13.734 A/1992; VwGH 17.11.2000, 2000/02/0031; VwGH 14.11.2012, 2010/12/0196), dass lediglich eine objektive Pflicht besteht, aber kein subjektives Recht auf Weiterleitung, kann auf § 40 übertragen werden: eine Unterlassung der Weiterleitung kann daher nicht mit Devolutionsantrag oder mit Säumnisbeschwerde durchgesetzt werden. 6 Die Weiterleitung bewirkt, dass mit dem Einlangen des weiterzuleitenden Antrags bei der Landesregierung diese die Entscheidungspflicht nach § 73 AVG trifft. Die Entscheidungspflicht der nach § 39 zuständigen Behörde beginnt bei postalischer Einbringung eines Antrages nicht schon mit dem Tag der Postaufgabe, sondern erst mit dem Tag des Einlangens bei dieser Behörde, zumal das StbG keine dem § 73 Abs 1 AVG widersprechende Anordnung enthält. Letzteres folgt hier schon daraus, dass der verfahrenseinleitende Antrag auf bescheidmäßige Bewilligung der Beibehaltung der Staatsbürgerschaft prozessual nicht befristet ist. 582

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§ 41. (1) Von Fällen des Abs. 2 abgesehen, ist zur Ausstellung von

Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und zur Entscheidung über derartige Anträge jene Gemeinde (Gemeindeverband) zuständig, an die (den) sich der Antragsteller im Inland wendet. (2) (Verfassungsbestimmung) Liegt der Hauptwohnsitz dieser Person nicht im Gebiet der Republik, so ist das österreichische Berufskonsulat, wo jedoch ein solches nicht besteht, die österreichische diplomatische Vertretungsbehörde zuständig, in deren Bereich der Hauptwohnsitz liegt. Die Vertretungsbehörden haben hiebei das AVG, BGBl. Nr. 51/1991, anzuwenden; über die Berufung gegen einen Bescheid, womit der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung abgewiesen wird, entscheidet die Landesregierung. (3) Ergibt sich auch aus Abs. 2 erster Satz keine örtliche Zuständigkeit, so ist die Evidenzstelle (§ 49 Abs. 2) zuständig. (4) Erwirbt ein im Bundesgebiet aufhältiger Fremder die Staatsbürgerschaft anders als durch Abstammung, so hat die Behörde (§ 39) hievon das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 zuständige Landespolizeidirektion und die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zuständige Aufenthaltsbehörde in Kenntnis zu setzen (§ 30 Abs. 6 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, § 105 Abs. 4 FPG und § 37 Abs. 2 NAG). Die Behörde hat hiebei den Namen, Geschlecht, Geburtsdatum, Geburtsort, Adresse und bisherige Staatsangehörigkeit des Betroffenen anzuführen und das Datum des Erwerbs der Staatsbürgerschaft mitzuteilen. [idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Nach § 2 Abs. 2 der Staatsbürgerschaftsverordnung vom 29. Oktober 1945, BGBl. Nr. 28/ 1946, obliegt derzeit die Ausstellung der formellen Staatsbürgerschaftsnachweise im Inland den Bezirksverwaltungsbehörden und im Ausland den diplomatischen Vertretungsbehörden. Die Ausstellung anderer staatsbürgerschaftsrechtlicher Bescheinigungen (zum Beispiel über den Nichtbesitz der österreichischen Staatsbürgerschaft) wird in analoger Anwendung des § 13 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 von den Landesregierungen vorgenommen. Diese Regelung stößt aber in der Praxis oft auf Schwierigkeiten und oft auch auf völliges Unverständnis. Denn es ist nicht einzusehen, warum die zur Ausstellung der wichtigsten Staatsbürgerschaftsbescheinigung, nämlich des Staatsbürgerschaftsnachweises, berechtigte Behörde nicht auch andere staatsbürgerschafts-

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rechtliche Bescheinigungen ausstellen soll, zumal diese gegebenenfalls jederzeit durch einen Gegenbeweis oder durch einen Feststellungsbescheid der zuständigen Landesregierung entkräftet werden können. Der Gesetzentwurf will daher die Ausstellung jedweder Bescheinigung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ein und denselben Behörden übertragen. Aus welchen Gründen mit derartigen Aufgaben die Gemeinden und die vorgesehenen Gemeindeverbände betraut werden sollen, wurde bereits im Teil A der Erläuternden Bemerkungen in bezug auf die Staatsbürgerschaftsnachweise dargelegt. Bei der Ausstellung von Staatsbürgerschaftsbescheinigungen an Auslands­ österreicher hat sich in der Praxis die Notwendigkeit herausgestellt, hiemit in erster Linie die österreichischen Berufskonsulate und nur subsidiär die diplomatischen Vertretungsbehörden zu betrauen. Die Landesregierungen haben wohl zum überwiegenden Teil vorgeschlagen, der Evidenzstelle auch die Ausstellung der Staatsbürgerschaftsnachweise zu übertragen, weil sie über das entsprechende staatsbürgerschaftsrechtliche Material verfügt und sich daher Rückfragen erübrigen. Nach Ansicht der Bundesregierung wird jedoch dieser Vorteil in den Fällen, in denen der Antragsteller nicht in seinem Geburtsort oder in dessen Nähe wohnt, durch den Nachteil mehr als wettgemacht, daß der Antrag entweder schriftlich oder im Wege der Wohnsitzgemeinde eingebracht werden muß. Das Fehlen der Unmittelbarkeit wird aber nach den Erfahrungen der Praxis vielfach zu wiederholten Rückfragen der Behörde und damit zu vermehrter Verwaltungsarbeit führen. Dazu kommen noch die Schwierigkeiten, die sich bei der Einhebung der Verwaltungsabgabe ergeben, wenn der Wohnort des Antragstellers und die zuständige Evidenzstelle nicht in demselben Bundesland liegen. Sobald allerdings die Staatsbürgerschaftsevidenz einigermaßen aufgebaut und eingerichtet ist, werden die Gemeinden und Gemeindeverbände in den Fällen, in denen sie nicht selbst Evidenzstelle sind, vorher bei dieser anzufragen haben, was über den Antragsteller verzeichnet ist. Dasselbe wird natürlich auch für die österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland gelten, soweit sie nach Abs. 2 zur Ausstellung staatsbürgerschaftsrechtlicher Bescheinigungen berufen sind. Zu Abs. 2: Da die Vollziehung in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten nach Artikel 11 Abs. 1 Z. 1 des B.-VG. in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fällt, die Mitwirkung von Bundesorganen aber im B.-VG. für Staatsbürgerschaftsangelegenheiten nicht vorgesehen ist, können die österreichischen Vertretungsbehörden nur durch eine Verfassungsbestimmung mit der Ausstellung von Staatsbürgerschaftsbescheinigungen betraut werden. Hiebei ist auch der Berufungsweg zu regeln. Zu Abs. 3: Für Antragsteller, die einen ordentlichen Wohnsitz weder im Inland noch im Bereich einer österreichischen Vertretungsbehörde haben, soll zur Ausstellung der Staatsbürgerschaftsbescheinigungen dieselbe Stelle berufen sein, die auch über diese Personen die Evidenz zu führen hat (§ 49 Abs. 2).

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EB zu BGBl 394/1973 Zur Ausstellung von staatsbürgerschaftsrechtlichen Bescheinigungen für Verstorbene ist nach der derzeitigen Rechtslage ausschließlich die Evidenzstelle zuständig. Wenn die Gemeinde des letzten Wohnsitzes der verstorbenen Person und die Evidenzstelle nicht ident sind, bedeutet dies in der Praxis eine Erschwernis. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und im Interesse der Parteien wird daher bestimmt, daß zur Ausstellung von solchen Bescheinigungen die Gemeinde (Gemeindeverband) zuständig ist, in der diese Person im Zeitpunkt ihres Todes den ordentlichen Wohnsitz hatte. EB zu BGBl 703/1974 Durch die Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1973, BGBl Nr. 394, wurden die Erwerbstatbestände der §§ 25 Abs. 2 und 58c neu geschaffen und die Landesregierung zur Ausstellung der Bescheinigungen über den Erwerb der Staatsbürgerschaft hinsichtlich dieser Erwerbsgründe für zuständig erklärt. Die Kompetenzbestimmungen der §§ 39 und 41 werden entsprechend dieser Änderung ergänzt. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 31 (§ 41 Abs. 1 und 2 (Verfassungsbestimmung) Siehe die Erläuterung zu Art. I Z 23 (§ 30). Zu Art. I Z 23 (§ 30) Die von der Behörde auszustellende Urkunde ist eine öffentliche Urkunde und damit ein besonders qualifiziertes Beweismittel. Da das Wort „bescheinigen“ im Verfahrensrecht einen besonderen Sinn hat, der weniger bedeutet als das Wort beweisen, sollen die im Gesetzestext verwendeten Worte „bescheinigen“ und „Bescheinigung“ jeweils durch „bestätigen“ und „Bestätigung“ ersetzt werden. Zu Art. I Z 32 (§ 41 Abs. 4) § 41 Abs. 4 StbG 1965 regelt die örtliche Zuständigkeit der Behörde für die Abgabe der Erklärung nach § 9 StbG 1965 am Tage der Eheschließung. Da nach dem Gesetzentwurf an die Stelle des Staatsbürgerschaftserwerbes durch Erklärung ein Anspruch der Ehegatten auf Verleihung der Staatsbürgerschaft treten soll, ist diese Bestimmung gegenstandslos geworden. EB zu BGBl 202/1985 Zu Art. I Z 16, 17 und 18 (§ 39 Abs. 1 und 2 und § 41 Abs. 1): Anstelle von Bestätigungen über den Erwerb der Staatsbürgerschaft sollen Feststellungsbescheide erlassen werden. Der Wortlaut der angeführten Bestimmungen ist der geänderten Rechtslage anzupassen. Siehe Z 9 und 25 (§§ 25 Abs. 3 und 58c Abs. 2) und die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen.

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EB zu BGBl I 124/1998 Zu Z 21 (§ 41 Abs. 4): Diese Bestimmung wurde eingefügt, um die bislang nicht durchwegs funktionierende Kommunikation der Staatsbürgerschaftsbehörden mit den Fremdenpolizei/Einwanderungsbehörden in den Fällen des Erwerbs der Staatsangehörigkeit anders als durch Abstammung zu sichern und diesen Behörden in solchen Fällen eine Bereinigung ihrer Register zu ermöglichen. EB zu BGBl I 87/2012 Zu Z 4 (§ 41 Abs. 4) Die vorgeschlagenen Adaptierungen stellen lediglich eine terminologische Anpassung aufgrund der Einrichtung eines Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie der Schaffung der Landespolizeidirektionen dar. EB zu BGBl I 16/2013 Zu Z 1 (§ 41 Abs. 1): Mit Einführung des Zentralen Staatsbürgerschaftsregisters (ZSR) soll die Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft unabhängig vom Wohnort begehrt werden können. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 9 A. Bestätigungen.......................................................................................... 9 B. Gemeinde(verband)................................................................................ 11 C. Berufskonsulat......................................................................................... 12 D. Aufenthalt................................................................................................ 13 III. Zuständigkeiten............................................................................................ 14 IV. Rechtsmittel.................................................................................................. 18 V. Datenweiterleitung...................................................................................... 20 Schrifttum zu § 41: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Die dem § 41 als „Vorlage“ dienende Bestimmung des § 2 Abs 2 StbV 1945 sah die Wohnsitz- bzw Aufenthalts-Bezirksverwaltungsbehörde des Antragstellers als örtlich und sachlich zuständige Behörde zur Ausstellung des Staatsbürgerschaftsnachweises vor. Die EB zu BGBl 1965/250 wiesen im Allgemeinen Teil auf den damit verbundenen 586

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Nachteil hin, dass „die Beschaffung der Staatsbürgerschaftsnachweise den nicht am Sitz der Bezirksverwaltungsbehörde wohnenden Staatsbürgern vielfach erhebliche Zeit- und Arbeitsversäumnis und Reisekosten verursacht“. Die bereits im Jahr 1955 vom BMI angestellte Überlegung, die Gemeinden zur Ausstellung der Staatsbürgerschaftsnachweise heranzuziehen, wurde aber zunächst von den Ämtern der Landesregierungen – mit Ausnahme von Kärnten – abgelehnt, weil „vor 1938 schlechte Erfahrungen mit der Ausstellung der Heimatscheine durch die Gemeinden gemacht wurden“ und befürchtet wurde, dass kleinere Gemeinden diese Aufgabe personell und fachlich nicht befriedigend besorgen könnten. IZm der Diskussion über die Einführung einer Staatsbürgerschaftsevi- 2 denz setzte sich bei den Landesregierungen die Überzeugung durch, dass (auch) die Ausstellung der Staatsbürgerschaftsnachweise den Gemeinden – allenfalls unter der Bedingung der Zuweisung dieser Aufgabe an die Standesbeamten – übertragen werden könne. Die Bundesregierung reagierte darauf mit einer verfassungskonformen „Kompromisslösung“: Da es nicht möglich war, die der Gemeinde zukommenden Aufgaben durch das StbG selbst unmittelbar dem Standesbeamten zu übertragen, weil hierdurch in verfassungsgesetzlich unzulässiger Weise in die innere Organisation der Gemeinde eingegriffen worden wäre, wurde die Bildung von Gemeindeverbänden vorgesehen. Dahinter stand die Überlegung, dass Gemeinden, die zwecks Besorgung von Personenstandsangelegenheiten zu einem Standesamtsbezirk zusammengeschlossen sind, in der Praxis schon aus Zweckmäßigkeitsgründen den Standesbeamten auch mit der Ausstellung der Staatsbürgerschaftsbescheinigungen und mit der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz betrauen werden, wenn sie gleichzeitig kraft Gesetzes in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten einen Gemeindeverband bilden können. § 41 idF BGBl 1965/250 ordnete die Zuständigkeit zur Ausstellung von 3 Staatsbürgerschaftsnachweisen neu: Anstelle der bis dahin zuständigen BVB traten die Gemeinden bzw die Gemeindeverbände, in denen eine davon betroffene Person ihren ordentlichen Wohnsitz hatte (Abs 1); bis 31.12.1966 bestand aufgrund der Novelle BGBl 1966/163 eine Doppelzuständigkeit (auch der BVB; vgl dazu Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 160). In Anlehnung an § 2 Abs 2 Satz 2 StbV 1945 sah – und sinngemäß sieht – § 41 Abs 2 vor, dass primär die Berufskonsulate [vgl auch Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (BGBl 1969/318)] und sekundär die diplomatischen Vertretungsbehörden [vgl 587

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auch Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (BGBl 1966/66)] für die Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen an Auslandsösterreich zuständig sein sollen. Im Unterschied zu § 22 Abs 1 erkannte der Gesetzgeber iZm § 41 Abs 2 die durch Art 11 Abs 1 B-VG gegebene kompetenzrechtliche Problematik und löste sie durch eine Verfassungsbestimmung auf. § 41 Abs 3 idF BGBl 1965/250 verwies – und Abs 3 verweist – auf § 49 Abs 2. Im Unterschied zu dem unverändert gebliebenen Verweis in Abs 3 hat sich der Inhalt des § 49 Abs 2 zwischenzeitig (geringfügig) geändert. Diese Änderungen beziehen sich nicht auf die Anhaltspunkte zur Begründung der Zuständigkeit einer Evidenzstelle; unverändert ist seit dem StbG 1965, dass die Gemeinden bzw Gemeindeverbände für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz zuständig sind. Der in der RV noch nicht enthaltene Abs 4, der anstelle des ordentlichen Wohnsitzes den Ort der Eheschließung vorgesehen hatte, entfiel durch BGBl 1983/170. 4 Durch die Novelle BGBl 1973/394 wurde dem § 41 Abs 1 ein zweiter Satz angefügt, in dem – aus verwaltungsökonomischen Gründen – bestimmt wurde, dass eine staatsbürgerschaftliche Bescheinigung für Verstorbene von der Gemeinde (Gemeindeverband) auszustellen ist, in der die Person im Todeszeitpunkt den ordentlichen Wohnsitz hatte. Diese – durch die Wiederverlautbarung des StbG übernommene – Bestimmung entfiel durch die Novelle BGBl I 2013/16: Aufgrund des – zusammen mit dem Zentralen Personenstandsregister – am 1.11.2014 bundesweit in Betrieb genommenen Zentralen Staatsbürgerschaftsregisters (ZSR) hat (vor dem Hintergrund von Verwaltungsvereinfachungen und der Verbesserung des Bürgerservices) nicht mehr die Notwendigkeit einer eigenen Zuständigkeitsregel iZm Staatsbürgerschaftsbestätigungen für Verstorbene bestanden. 5 Die Novelle BGBl 1974/703 diente der Rechtsklarheit iZm der Novelle BGBl 1973/394, durch die § 25 Abs 2 (Bescheinigung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft der Kinder von Hochschulprofessoren durch die „Behörde“) und § 58c (Bescheinigung des wiedererlangten Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch die „Behörde“) eingeführt wurden. Die Novelle BGBl 1985/202 (Erlassung von Feststellungsbescheiden statt Bestätigungen) änderte an der durch BGBl 1974/703 begründeten Aufsplitterung der Zuständigkeit iZm der Bestätigung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft zwischen Gemeinde (Gemeindeverband) und Landesregierung substanziell nichts; statt aber in § 41 auf § 39 (iZm § 25 Abs 2 und § 58c Abs 2) Bezug zu nehmen, übernahm der Gesetzgeber 588

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wieder § 41 Abs 1 idF BGBl 1965/250 iVm BGBl 1983/170 und verwies iZm den Erwerbstatbeständen in § 25 Abs 3 (bis BGBl I 2009/122) und § 58c Abs 2 explizit auf die Behördenzuständigkeit nach § 39. Der Gesetzgeber des AVG hat den Begriff der Glaubhaftmachung (Be- 6 scheinigung) iSd ZPO verstanden. Danach kann sich, wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat (Bescheinigung), hierzu aller Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung der Parteien bedienen; eine Beweisaufnahme, die sich nicht sofort ausführen lässt, eignet sich nicht zum Zwecke der Glaubhaftmachung; vgl auch § 20 Rz 24. Da ein derartiges Begriffsverständnis nicht mit dem Sinn und Zweck des §  41 übereinstimmte, wurden durch die Novelle BGBl 1983/170 die Worte „Bescheinigungen“ und „Bescheinigung“ durch die Begriffe „Bestätigungen“ und „Bestätigung“ ersetzt und damit klargestellt, dass es sich um eine öffentliche Urkunde handelt, für die sowohl die Regelung des § 47 AVG als auch die Regelung des § 292 ZPO zur Anwendung gelangt. Eine solche Urkunde begründet gemäß § 292 Abs 1 ZPO einen vollen Beweis dessen, was amtlich verfügt oder was darin bezeugt wurde, sie begründet also die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit (vgl VwGH 30.1.2014, 2012/03/0018; VwGH 26.3.2014, 2012/03/0055). § 41 Abs 4 idF BGBl I 1998/124 – der lediglich aufgrund der Umbenen- 7 nung bzw Zuständigkeitsänderung der Fremdenpolizeibehörde und Bundespolizeidirektion (Einwanderungsbehörde) durch BGBl I 2012/87 in „Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl“ und „Landespolizeidirektion“ sowie „Aufenthaltsbehörde“ geändert wurde – soll iSd Amtshilfe die Kommunikation zwischen Staatsbürgerschafts- und Fremdenbehörde verbessern. UE ist Abs 4 idgF systemwidrig, weil die Mitteilungspflicht der Landesregierung (und nicht der Gemeinde bzw des Gemeindeverbandes) keinen Bezug zum Regelungsgegenstand des § 41 aufweist. Auch wenn der Terminus „in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft“ 8 unscharf scheint, ist uE nach Sinn und Zweck des § 41 davon auszugehen, dass Gegenstand der Bestätigung weder eine fremde Staatsbürgerschaft noch die Staatenlosigkeit sein kann (vgl auch §  2 Z  2 und §  3: nach allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts steht dem nationalen Gesetzgeber bzw den Behörden nicht zu, verbindlich festzustellen, ob eine bestimmte Person staatenlos ist). Im Fall, dass die Behörde die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung einer Bestätigung, insbesondere nicht das Hindernis des § 43 Abs 3 als gegeben erachtet, be589

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steht praktisch kein Anlass, neben der faktischen Ausstellung der gewünschten Urkunde auch noch einen förmlichen Bescheid, womit dem Parteiantrag stattgegeben wird, zu erlassen. Die Ausstellung der Bestätigung selbst involviert diese Entscheidung (vgl zB VwGH 16.9.1960 Slg 5361 A). Lediglich dann, wenn die Behörde diese Voraussetzungen nicht als gegeben erachtet, hat die Abweisung des Parteiantrages durch förmlichen Bescheid zu erfolgen (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 160). Die österreichische diplomatische Vertretungsbehörde ist weder zur Entscheidung über die Verleihung bzw Erstreckung der Staatsbürgerschaft noch zur Feststellung über das Bestehen der Staatsbürgerschaft noch zur Erlassung eines Bescheides, mit dem ein Staatsbürgerschaftsnachweis entzogen und der Betreffende aufgefordert wird, den Nachweis der Botschaft vorzulegen, zuständig. Denn in keinem dieser Fälle handelt es sich um die Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und um eine Entscheidung über derartige Anträge (VwGH 22.3.2000, 99/01/0338).

II.  Begriffe A.  Bestätigungen 9 Seit der Novelle BGBl 1983/170 ist in § 41 von „Bestätigungen“ (Abs 1) bzw „Bestätigung“ (Abs 2) die Rede. Nach den EB ist die – umgangssprachlich als Staatsbürgerschaftsnachweis bekannte – Bestätigung als eine öffentliche Urkunde iSd § 47 AVG anzusehen, da sie von einer österreichischen öffentlichen Behörde innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises errichtet wird. Eine solche Urkunde begründet gemäß §  292 Abs  1 ZPO vollen Beweis dessen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder was darin bezeugt wurde; sie begründet also die Vermutung der inhaltlichen Richtigkeit (vgl VwGH 24.3.2011, 2009/07/0160). Diese Vermutung ist widerlegbar, wobei die Behauptung der Unrichtigkeit des Beurkundeten entsprechend zu begründen ist und Beweise dafür anzuführen sind, die geeignet sind, die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen (vgl VwGH 28.10.2008, 2007/05/0205). 10 Öffentliche Urkunden begründen die Echtheits- und Richtigkeitsvermutung (§§ 292 Abs 1, 310 ZPO; § 47 AVG) und eine Beweislastumkehr zu Lasten dessen, der die Echtheit und Richtigkeit bestreitet. 590

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­ arüber hinaus genießen sie einen gesteigerten strafrechtlichen Schutz D (§§  224 ff StGB). Zudem verfolgen die Formvorschriften in Grundbuchsangelegenheiten, die häufig einer öffentlichen Urkunde bedürfen, besondere Zwecke (insbesondere Schutz vor Übereilung), die im Hinblick auf die zu ihrer Erstellung berufenen Personen durch ihre Mitwirkung verwirklicht werden sollen (vgl VwGH 15.10.2003, 2002/12/0064). Wenn eine Behörde also im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles dagegen Bedenken hat, dass eine ausgestellte Staatsbürgerschaftsbetätigung diesen Beweis liefert, kann sie der Person auftragen, den Beweis auf andere Weise zu führen.

B.  Gemeinde(verband) Die Regelung der Organisation der Gemeindeverbände obliegt seit 11 1.12.1985 der Landesgesetzgebung (Art  116a B-VG idF BGBl 1984/490); davor galt Art 116 Abs 4 B-VG. Mit Ausnahme von Wien haben alle Länder Gemeindeverbändegesetze erlassen oder in den Gemeindeordnungen die Gemeindeverbände geregelt. Die in § 47 Abs 1 vorgesehene Bildung von (gesetzlichen) Gemeindeverbänden (Zuständigkeit gemäß Art 116a Abs 2 iVm Art 11 Abs 1 B-VG) setzt uE den Bestand von Standesamtsverbänden iSd § 5 PStG 2013 voraus. § 47 verweist auf § 41 und stützt sich uE auf den Kompetenztatbestand „Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens“ (Art  10 Abs  1 Z  7 B-VG). Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens werden von den Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes (Art  119 B-VG) besorgt (vgl §  59 Abs  1 PStG), in Angelegenheiten der eingetragenen Partnerschaft werden die BVB im übertragenen Wirkungsbereich tätig (vgl § 59a PStG). Die Landesgrenzen überschreitende Bildung von Gemeindeverbänden ermöglicht Gemeindekooperationen insbesondere im grenznahen Bereich (vgl aber auch Art 119a Abs 10 iVm Abs 3 B-VG). Die Bindung von Staatsbürgerschaftsverbänden an Standesamtsverbände dient der Verwaltungsvereinfachung und der Kostenersparnis, da eine „parallele“ Führung der Verbände mit einem entsprechenden administrativ-organisatorischen Aufwand verbunden ist.

C.  Berufskonsulat Das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen regelt 12 im Kapitel II die Berufskonsuln. Art 5 lit f leg cit deckt die in § 41 Abs 2 591

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normierte konsularische Aufgabe ab. Nach Art 36 Abs 1 lit a dieses Übereinkommens steht es den Konsuln und den Angehörigen des Entsendestaates frei, miteinander zu verkehren. Der Passus „wo jedoch ein solches nicht besteht“ ist iZm dem Bestand bzw Nichtbestand eines Konsularbezirks iSd Art 4 Abs 2 leg cit zu lesen (vgl auch Art 6 leg cit). Zur Vollziehung der ihnen nach § 41 Abs 2 übertragenen Aufgaben sind die österreichischen Berufskonsulate (und österreichischen diplomatischen Vertretungsbehörden) berechtigt, die im ZSR verarbeiteten Daten zu ermitteln und für diese Zwecke weiterzuverarbeiten (§  56b Abs 1).

D.  Aufenthalt 13 Zum Begriff „Aufenthalt“ vgl § 11a Rz 11 ff und Rz 43. § 41 Abs 4 regelt iZm in Österreich „aufhältigen“ Fremden spezielle Behördenpflichten. Betroffen von der Datenmitteilung sind Fremde, die die Staatsbürgerschaft „anders als durch Abstammung“ erwerben. Gemeint ist somit der Erwerb durch Verleihung (Erstreckung der Verleihung) und Anzeige (vgl § 6). IZm § 59 (und § 57 und § 58c) ergibt sich hierbei ein Spannungsfeld, weil der Fremde die Anzeige, Staatsbürger kraft Abstammung nur vermeintlich (das heißt: wegen nachträglicher Widerlegung der Vaterschaftsfeststellung iSd § 7 oder § 7a) gewesen zu sein, „auch bei der örtlich zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland (§ 41 Abs. 2)“ einbringen kann [§ 59 Abs 4 (vgl auch §§ 57 Abs 4 und 58c Abs 3)]. UE kommt in diesem Fall § 41 Abs 4 nicht zur Anwendung, weil der Fremde nicht im Bundesgebiet aufhältig ist. Im Lichte des grundrechtlich geschützten Datenschutzes und des Art 8 EMRK ist uE die dadurch gegebene „Besserstellung“ von die Staatsbürgerschaft erwerbenden – nicht aber in Österreich „aufhältigen“ – Fremden gegenüber denjenigen, die beim Erwerb durch Anzeige nach § 59 in Österreich aufhältig sind, sachlich nicht gerechtfertigt.

III.  Zuständigkeiten 14 Der mit 1.11.2013 (vgl § 64a Abs 17 idF BGBl I 2013/16) in Kraft getretene §  41 Abs  1 (idgF) erlaubt die Antragstellung „unabhängig vom Wohnort“ (EB). Gemeint ist damit, dass sich aufgrund des ZSR der Antragsteller iZm der Ausstellung von Bestätigungen an irgendeine Ge592

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meinde (irgendeinen Gemeindeverband) in Österreich wenden kann. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der Antragsteller in Österreich einen Hauptwohnsitz hat (argumentum e contrario zu §  41 Abs  2 Satz  1). ISd technischen Fortschrittes und der Verwaltungsvereinfachung sollen in einer weiteren Ausbauphase des ZSR Bürger von zu Hause aus Staatsbürgerschaftsnachweise via Bürgerkarte ausdrucken können. Die Verwaltungsbehörden haben nach §  6 Abs  1 AVG ihre sachliche 15 und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Die Verletzung der Behördenzuständigkeit ist auch ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektiv-öffentlicher Rechte von Amts wegen wahrzunehmen (vgl VwGH 12.12.1997, 96/19/3388). Die Unzuständigkeit ist daher von Amts wegen in jeder Phase des Verfahrens wahrzunehmen. Folglich hat die Inlandsbehörde an das österreichische Berufskonsulat (bzw Botschaft) Anträge nach Abs 1 „ohne unnötigen Aufschub“ weiterzuleiten oder Antragsteller an diese zu verweisen, wenn kein Hauptwohnsitz in Österreich (aber ein solcher im Ausland) gegeben ist. Ist für einen Antrag keine andere Behörde iSd Abs 2 zuständig, hat die (unzuständige) Behörde, an die der Antrag gestellt wurde, diesen aber nicht wegen Unzuständigkeit gemäß § 6 Abs 1 AVG zurückzuweisen, sondern nach § 41 Abs 3 an die Evidenzstelle gemäß § 49 Abs 2 weiterzuleiten bzw den Antragsteller an diese Stelle zu weisen. Die Behörden haben Änderungen während eines Verfahrens nach § 41 16 bis zur Ausstellung von Bestätigungen bzw Erlassung von Bescheiden, also bis zur Beendigung des jeweiligen behördlichen Handelns (zB Zusammenlegung von Vertretungsbehörden oder Auflassung eines Konsularbezirks) – wegen der von Amts wegen wahrzunehmenden Zuständigkeitsvorschriften – stets zu beachten. Sowohl für die Behörden erster Instanz als auch für die Berufungsbehörden gilt, dass maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung des jeweiligen Bescheides die im Zeitpunkt der Erlassung geltende Rechtslage ist [vgl VwGH 27.6.2013, 2012/12/0115; VwGH 30.9.1998, 98/20/0220, (VwSlg 14.982 A/1998)]. Im Falle einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Laufe des Verfahrens, das heißt vor Ausstellung bzw Erlassung des Bescheides, welche eine Änderung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde bewirkt, ist das Verfahren von der nach der neuen Situation zuständigen Behörde weiter zu führen (vgl VwGH 28.8.2012, 2012/21/0092; VwGH 26.6.2001, 2000/04/0202). 593

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17 Anträge zur Ausstellung von Bestätigungen müssen uE nicht persönlich gestellt werden; § 19 Abs 1 bezieht sich nur auf Verleihungs- und Erstreckungsanträge. „Wendet“ sich der Antragsteller an eine österreichische Gemeinde (einen österreichischen Gemeindeverband), so ist für die Behörde die Frage der Zuständigkeit eine präjudizielle Rechtsfrage (aber keine Vorfrage iSd § 38 AVG). Ist die Gemeinde (der Gemeindeverband) zuständig, erfolgt eine Sachentscheidung (Abs 1); im Fall der Unzuständigkeit, ist der Antrag zurückzuweisen bzw – wenn der Hauptwohnsitz im Ausland bekannt ist – an das zuständige Berufskonsulat (die zuständige Botschaft) weiterzuleiten (Abs  2). Ist der Hauptwohnsitz unbekannt, kommt uE nur eine Zurückweisung in Betracht, weil nicht feststeht, ob die Zuständigkeit nach Abs 2 oder Abs 3 gegeben ist. Steht hingegen fest, dass der Antragsteller keinen Hauptwohnsitz im Ausland hat, ist die Evidenzstelle iSd § 49 Abs 2 Z 1 bis 3 zuständig.

IV.  Rechtsmittel 18 Gemeinde und Gemeindeverbände werden iZm § 41 Abs 1 im übertragenen Wirkungsbereich tätig (vgl auch Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 160). Der Umstand, dass in Abs 1 – zum Unterschied von Abs 2 – eine Berufungsmöglichkeit nicht ausdrücklich angeführt ist, besagt nicht, dass gegen Bescheide der Gemeinde (des Gemeindeverbandes) eine Berufung unzulässig sei. Vielmehr gilt auch hier, im Bereich der Landesverwaltung, der für die mittelbare Bundesverwaltung im Art 103 Abs  4 B-VG ausdrücklich ausgesprochene Grundsatz, dass – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes angeordnet ist – der Instanzenzug bis zur organisatorisch höchsten Behörde, das ist die Landesregierung (Art  101 Abs  1 B-VG) geht (vgl auch VwGH 6.5.1981, 81/03/0049; VwGH 21.11.2008, 2008/02/0266). Das B-VG enthält keine allgemeinen Regelungen über den Instanzenzug in der Verwaltung, insbesondere auch in der Landesverwaltung. Art 101 Abs 1 B-VG, wonach die Vollziehung jedes Landes eine vom Landtag zu wählende Landesregierung ausübt, schließt nicht aus, dass durch eine ausdrückliche landesgesetzliche Vorschrift der Instanzenzug abgekürzt wird (VfSlg 2421, 3054, 3144 und 5674). Auch ergibt sich aus Art 83 Abs 2 B-VG („Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden“) weder ein Recht auf Zuständigkeit einer bestimmten Behörde noch auf eine bestimmte Anzahl von Instanzen (VfSlg 4327, 4788 und 5396; VwGH 25.9.1989, 89/12/0163). 594

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Aufsichtsbehörde (aber keine Oberbehörde – vgl VwSlg 9590 A/1978) 19 in Angelegenheiten der Landesvollziehung ist nach den meisten Gemeindeordnungen und Stadtrechten die Landesregierung (vgl zB § 96 Kärntner Allgemeine Gemeindeordnung). Im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis kann jedoch die Landesregierung – ähnlich wie nach dem Bundes-Gemeindeaufsichtsgesetz (BGBl 1967/123 idF BGBl I 2013/161) – die Bezirkshauptmannschaft zur Ausübung des Aufsichtsrechts im Namen der Landesregierung ermächtigen (zB per VO). Manche Gemeindeordnungen bestimmen iZm der Aufsicht über Gemeindeverbände ausdrücklich, dass die Aufsichtsbehörde die Landesregierung ist (vgl zB § 86 Abs 3 Bgld Gemeindeordnung).

V.  Datenweiterleitung § 41 Abs 4 verpflichtet die Behörde (§ 39) zur Weitergabe personenbe- 20 zogener Daten an bestimmte andere fremdenpolizeiliche Behörden. Der Sinn des Abs 4 ist ein einseitiger Informationsaustausch zwecks Registerbereinigung (vgl beispielsweise das Niederlassungsregister nach § 40 NAG und das Zentrale Fremdenregister als Informationsverbundsystem nach § 26 BFA-VG). Aufgrund des Erwerbs der Staatsbürgerschaft werden anhängige Verfahren über die Erteilung bzw Verlängerung eines Aufenthaltstitels gegenstandslos; ebenso die Verarbeitung personenbezogener Daten eines Fremden nach § 34 Abs 1 NAG. Deshalb ordnet nicht nur § 41 Abs 4, sondern auch § 37 Abs 2 NAG an, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde die Niederlassungsbehörde zu informieren hat, die idF diese Daten zu löschen hat.

§ 42. (1) Außer den in den §§ 38 und 58c besonders geregelten Fällen

ist ein Feststellungsbescheid in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft zu erlassen, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Feststellung hat. (2) Ein Feststellungsbescheid ist weiters zu erlassen, wenn dies der Bundesminister für Inneres beantragt. In diesem Fall hat der Bundesminister für Inneres im Verfahren Parteistellung. (3) Ein Feststellungsbescheid kann von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht.

[idF BGBl I 2009/122]

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EB zu BGBl 250/1965 Die Landesregierungen haben schon bisher, allerdings ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung, von Amts wegen oder auf Parteiantrag förmliche Verwaltungsverfahren zur bescheidmäßigen Feststellung durchgeführt, ob jemand die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder in einem bestimmten Zeitpunkt besessen oder diese verloren hat. Diese seit langem geübte Praxis soll nunmehr zur Vermeidung von Zweifelsfällen und Streitfragen ihre ausdrückliche gesetzliche Grundlage erhalten. Als Neuerung sieht allerdings der vorliegende Gesetzentwurf die Möglichkeit vor, daß auch das Bundesministerium für Inneres die bescheidmäßige Feststellung in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten bei der zuständigen Landesregierung beantragen kann. Hiefür war die Erwägung maßgehend, daß in vielen Fällen oft auch der Bund ein großes Interesse an einer eindeutigen und allseits verbindlichen Feststellung hat, ob jemand die österreichische Staatsbürgerschaft in einem bestimmten Zeitpunkt besitzt oder nicht. Im übrigen wird auf die diesbezüglichen Erläuterungen zu § 35 (letzter Satz) verwiesen. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 33 (§ 42 Abs. 2): Siehe die Erläuterung zu Art. I Z 26 (§ 35). Zu Art. I Z 26 (§ 35): Unter dem Begriff „Bundesministerium“ ist ausschließlich der dem jeweiligen Bundesminister zur Verfügung stehende Hilfsapparat zu verstehen. Im § 35 StbG 1965, der die Zuständigkeit zur Erlassung von Rechtsakten regelt sowie Parteistellung einräumt, soll der Ausdruck „Bundesministerium für Inneres“ daher jeweils durch „Bundesminister für Inneres“ ersetzt werden. EB zu BGBl 202/1985 Zu Art. I Z 19 (§ 42 Abs. 1): Der Gesetzestext nimmt darauf Bedacht, daß Feststellungsbescheide jedenfalls über den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung (§ 25 Abs. 3), den Verzicht auf die österreichische Staatsbürgerschaft (§  38) und den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige der Wohnsitzbegründung (§ 58c) zu erlassen sind. Siehe im übrigen die Erläuterungen zu Z 9. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 6 A. Feststellungsbescheid.............................................................................. 6 B. Parteistellung........................................................................................... 14 C. Legalparteien........................................................................................... 16 III. Rechtsmittel.................................................................................................. 18

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Schrifttum zu § 42: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Hengstschläger/Leeb, AVG, 2. Teilband (2005); Lukits, Der Einfluss des Unionsrechts auf das Staatsbürgerschaftsrecht der Mitgliedstaaten, migraLex 2014, 14; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Das StbG 1949 sah nicht explizit Feststellungsbescheide vor, sondern 1 lediglich – vergleichbar mit der Ausstellung von Bestätigungen nach § 41 – die Bescheinigung des Besitzes der Staatsbürgerschaft (§ 14). Allerdings wurden gestützt auf §  13 StbG 1949 Feststellungsbescheide erlassen (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 356 ff). § 42 regelt die Erlassung von Feststellungsbescheiden auf Antrag einer Partei (Abs 1 und 2) bzw von Amts wegen (Abs 3). Diese Regelung wurde durch die Stammfassung (BGBl 1965/250) eingeführt und ist seither inhaltlich nur marginal dreimal – zuletzt durch BGBl I 2009/122 – novelliert worden. Neben dieser „zentralen“ Kompetenz der Staatsbürgerschaftsbehörde, Feststellungsbescheide zu erlassen, trägt das StbG auch in § 38 Abs 2, § 57 Abs 1, § 58c Abs 2, § 59 Abs 1, § 64a Abs 18 und 19 der Behörde auf, mit Bescheid festzustellen. § 42 Abs 1 verweist auf die „in den §§ 38 und 58c besonders geregelten 2 Fällen“, die nach den EB zu BGBl 202/1985 „jedenfalls“ Gegenstand von Feststellungsbescheiden sind. In der Stammfassung (BGBl 1965/250) war nur von dem „im §  38 besonders geregelten Fall“ die Rede; die §§ 57 ff betrafen (damals) Schluss- und Übergangsbestimmungen. § 59 Abs 1 letzter Satz idgF wurde durch BGBl I 2009/122 eingeführt; § 57 Abs  1 letzter Satz, §  64a Abs  18 und 19 idgF wurden durch BGBl I 2013/136 eingeführt. Im Zusammenhang mit diesen Novellen wurde die Anpassung des § 42 offenbar (redaktionell) „übersehen“. Unklar ist uE, ob für Fälle des § 57 Abs 1, § 59 Abs 1 und § 64a Abs 18 3 und 19 mangels ausdrücklicher Erwähnung § 42 Abs 1 erster Halbsatz gilt oder in diesen Fällen – im Unterschied zu den Fällen der §§ 38 und 58c – doch auch ein rechtliches Interesse des Antragstellers erforderlich ist. Nach dem ausdrücklichen und eindeutigen Wortlaut des § 42 Abs 1 könnte der erste Halbsatz auf andere Bestimmungen des StbG, und somit auch der hier in Rede stehenden §§ 57 Abs 1, 59 Abs 1, 64a Abs 18 597

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und 19, nicht anzuwenden sein. Eine analoge Heranziehung des ersten Halbsatzes des § 42 Abs 1 in anderen als die Fälle der §§ 38 und 58c betreffenden Verfahren könnte schon deswegen nicht in Betracht kommen, weil es im Hinblick auf diese ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers an einer zu schließenden Lücke mangelt. Eine unterbleibende Einbeziehung der in den §§ 57 Abs 1, 59 Abs 1, 64a Abs 18 und 19 geregelten Konstellationen könnte aber auch (umgekehrt) als planwidrige Lücke angesehen werden, die – bei verfassungskonformer Interpretation – durch Analogie zu schließen ist. 4 Gegenstand eines Feststellungsbescheides nach § 42 Abs 1 sind „Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft“; in diesem Zusammenhang kann aber nicht über abstrakte Rechtsfragen (zB Bestehen bzw Geltung einer bestimmten Rechtslage) im Spruch entschieden werden. Voraussetzung zur Erlassung eines solchen Bescheides ist ein rechtliches Interesse des Antragstellers. Ausgenommen davon – das heißt: auch ohne rechtliches Interesse – ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides iZm dem Verlust der Staatsbürgerschaft infolge Verzichts (§  38 Abs  3) und dem Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft (§  58c Abs  2). Nach § 42 Abs 3 ist „weiters“ ein Feststellungsbescheid auf Antrag des BMI zu erlassen. Unklar ist, ob der BMI in allen Staatsbürgerschaftsangelegenheiten beantragen kann, mit Bescheid den Erwerb oder Verlust festzustellen, oder ob davon die §§ 38 und 58c (bzw §§ 57 Abs 1, 59 Abs 1, 64a Abs 18 und 19) ausgenommen sind. Da die Behörde in den Fällen der §§  38 und 58c ex lege Feststellungsbescheide zu erlassen hat, könnte der BMI durch seinen Antrag nur zeitlich dieser Erlassung „zuvorkommen“. 5 Die Rechtsfrage, ob eine Person die österreichische Staatsbürgerschaft verloren hat, ist nach den staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, die zum betreffenden Zeitpunkt in Geltung standen. Es obliegt der Beurteilung der Behörde, was an dem Tag, an dem die Person die fremde Staatsbürgerschaft erwirbt (hier: die britische), in Ansehung der österreichischen Staatsbürgerschaft rechtens war (VwGH 22.6.1994, 93/01/0016 iZm § 9 Abs 1 Z 1 und 2 StbG 1949). Dies ergibt die Auslegung der hierfür maßgeblichen Rechtsvorschrift (vergleiche die allgemeinen Ausführungen dazu, welche Sachlage und Rechtslage bei Erlassung eines Bescheides anzuwenden ist, in VwSlg 11.237 A/1983). 598

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II.  Begriffe A.  Feststellungsbescheid § 42 dient der verbindlichen Klarstellung, ob ein strittiges Recht(sver­ 6 hältnis) iZm „Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft“ besteht oder nicht. Der Feststellungsbescheid nach § 42 enthält also keine Anordnung, die zu einer rechtlichen Sanktion führen könnte – der Bescheid ist daher (wie ein Rechtsgestaltungsbescheid) nicht vollstreckbar, aber (dennoch) verbindlich. Andere Behörden, für welche die betreffende Rechts- eine Vorfrage darstellt, haben diese Entscheidung ihrem Bescheid daher jedenfalls, also unabhängig von ihrer (vermeintlichen) Richtigkeit, zugrunde zu legen. Mit einem Feststellungsbescheid nach § 42 wird auch kein Schuld- oder Strafausspruch getroffen. Ein solcher Feststellungsbescheid kann daher auch nicht gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Art 4 des 7. ZP MRK verstoßen. Ein Bescheid, mit welchem festgestellt wurde, dass die österreichische Staatsbürgerschaft wegen Wiedererwerbs einer anderen Staatsbürgerschaft verloren sei, ist einem „Vollzug“ iSd § 30 Abs  2 erster Satz VwGG insofern zugänglich, als er bindend über die Frage des Verlustes und des Nichtbestehens der österreichischen Staatsbürgerschaft abspricht und damit für den Bescheidadressaten einen (erheblichen) Rechtsverlust mit sich bringt (vgl VwGH 26.11.1999, AW 99/01/0240; VwGH 24.2.2011, AW 2010/01/0013). Ungeachtet dieses insofern konstitutiven Charakters des Feststellungsbescheides ist seine unmittelbare Umsetzung in die Wirklichkeit durch die Behörde, das heißt eine Vollstreckung, nicht möglich (vgl VwGH 26.11.1999, AW 99/01/0240). Demgegenüber stellen – im Unterschied zu den bescheidmäßigen Feststellungen nach § 42 – Staatsbürgerschaftsnachweise bloß behördliche Bestätigungen über nicht bestrittene Rechtsverhältnisse dar, die – weil öffentliche Urkunden – durch den Beweis des Gegenteils entkräftet werden können. Im Fall des § 42 Abs 1 ist ein „rechtliches Interesse“ gegeben, wenn die 7 Feststellung für die Partei im Einzelfall ein notwendiges Mittel zweckentsprechender „Rechtsverteidigung“ bzw „Rechtsverfolgung“ darstellt. Dies setzt voraus, dass der Feststellung in concreto die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen bzw aktuelle oder zukünftige Rechtsgefährdungen zu beseitigen. Liegen die Voraussetzungen für eine Feststellung auf Antrag nicht vor, 599

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so ist dieser als unzulässig zurückzuweisen. Ein zulässiger, aber unbegründeter Feststellungsantrag ist abzuweisen. Fraglich ist, ob die Abweisung eine Feststellungswirkung (etwa dahingehend, dass das Gegenteil des Beantragten nunmehr bindend festgestellt wird) entfaltet (ablehnend VwSlg 5567 A/1961 und VwGH 25.2.2004, 2003/12/0105; ausführlich Hengstschläger/Leeb aaO, § 56 Rz 76). Weist die Behörde rechtswidrig den (zulässigen) Feststellungsantrag zurück (bzw bei Bestätigung im Instanzenzug), wäre der Bescheid als gesetzwidrig vom VwGH aufzuheben und wegen Verstoß gegen Art 83 Abs 2 B-VG vom VfGH zu kassieren. 8 § 42 Abs 3 ermächtigt die Behörde (§ 39) zur Erlassung eines Feststellungsbescheides bei Bestehen eines öffentlichen Interesses (vgl LVwG Tirol 12.7.2016, LVwG-2016/30/0704-2). Diese Regelung „bestätigt“ nur die Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts, wonach die Behörden – nach „allgemeinen Verfahrensgrundsätzen“ (VwGH 1.7.1992, 92/01/0043) – aus einem in privatem oder – in Analogie zu § 228 ZPO – im öffentlichen Interesse begründeten Anlass auch ohne ausdrückliche Ermächtigung Recht(sverhältnisse) bescheidmäßig feststellen können, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen. Abs  3 sieht ausdrücklich die amtswegige Erlassung von Feststellungsbescheiden vor, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Der Gesetzgeber bezweckt damit, bei ungeklärter Rechtslage die Gefahr von Nachteilen für die Allgemeinheit abzuwenden (zB könnte §  42 Abs  3 iZm §  11a Abs  4 Z  1 künftig eine Rolle spielen). Erlässt die Behörde zu Unrecht von Amts wegen einen Feststellungsbescheid, verletzt sie nicht nur das einfache Gesetz (vgl aber auch VwGH 29.6.2000, 2000/07/0018), sondern auch das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter gemäß Art  83 Abs  2 B-VG (VfSlg 3925/1961). 9 Gemäß § 42 Abs 3 kann mit Bescheid festgestellt werden, dass eine bestimmte Person die österreichische Staatsbürgerschaft weder kraft Abstammung mit Geburt, noch auf andere Weise erworben hat. Nach der Rechtsprechung ergibt sich das öffentliche Interesse an der amtswegigen Feststellung in einem Fall wie diesem schon aus dem Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob eine bestimmte Person Staatsangehöriger ist oder nicht (vgl VwGH 15.3.2010, 2007/01/0482; VwGH 25.6.1997, 96/01/1170). Im Streit, ob ein Antragsteller die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder nicht, ist schon auf Grund 600

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der sich aus dem Besitz der Staatsbürgerschaft ergebenden Rechte und Pflichten (zB Wehrdienstleistung) offenkundig ein öffentliches Interesse an der Feststellung zu erkennen und daher die Berechtigung zur amtswegigen Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 42 Abs 3 gegeben (VwGH 22.3.2000, 99/01/0338). Aus einer gerichtlichen Anfrage über den Verlust der Staatsbürgerschaft ergibt sich zwingend das öffentliche Interesse an der Feststellung der Staatsbürgerschaft (VwGH 10.2.1988, 87/01/0282). Der Feststellungsbescheid dient ganz allgemein der Rechtsklarheit und 10 -sicherheit. Als subsidiärer Rechtsbehelf scheidet der Feststellungsbescheid nach der Rechtsprechung des VwGH jedoch jedenfalls dann aus, wenn die für die Feststellung maßgebliche Rechtsfrage im Rahmen eines anderen (Verwaltungs-)Verfahrens (mit einem das rechtliche Interesse abdeckenden Ergebnis) zu entscheiden ist (zB VwGH 29.9.1993, 92/12/0125; VwGH 30.9.1997, 97/05/0190; 5.9.2008, 2005/12/0048). Der VfGH hat in seiner Rechtsprechung wiederholt den Standpunkt eingenommen, die rechtliche Möglichkeit, einen Feststellungsbescheid zu erlangen, beseitige die Zulässigkeit des Individualantrages nach Art 140 Abs 1 B-VG dann nicht, wenn der einzige Zweck des Feststellungsbescheides darin bestünde, damit ein Mittel zu gewinnen, um die gegen ein Gesetz bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken an den Gerichtshof heranzutragen (VfSlg 12.227/1989, 13.576/1993, 13.738/1994, 13.743/1994, 14.591/1996; kritisch Hengstschläger/Leeb aaO, § 56 Rz 82). Verfassungsrechtlich problematisch ist, wenn eine Landesregierung mit 11 Bescheid feststellt, dass eine Person nicht mehr österreichischer Staatsbürger ist, dieser Bescheid rechtskräftig wird und gerade er Gegenstand eines Verfahrens vor dem VfGH wird, in dessen Verlauf seine Verfassungsmäßigkeit, also die Frage zu untersuchen ist, ob die Feststellung der Behörde, die Person besitzt nicht mehr die österreichische Staatsbürgerschaft, verfassungswidrig sein könnte. Das Problem liegt darin, dass das Gleichheitsrecht nur österreichischen Staatsbürgern, nicht aber Ausländern gewährleistet ist (vgl die ständige Judikatur des VfGH, zB Slg 6240/1970, 6585/1971, 7138/1973, 7307/1974). Sollte die Verfassungswidrigkeit zu Recht bestehen, so könnte die Person zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides und auch heute noch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen. In diesem Fall wäre es möglich, dass die Behörde die Person als österreichischen Staatsbürger im Gleichheitsrecht verletzt hat. Der VfGH 16.3.1977, B 38/76 hat daher 601

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in diesem Ausnahmefall anerkannt, dass dieses Grundrecht einen Maßstab für die Prüfung des Bescheides bildet (vgl VfSlg 7161/1973). 12 Die Ablehnung der Bindung an einen negativen Feststellungsbescheid bedeutet, dass der VfGH die Staatsbürgerschaft – als Vorfrage – selbst zu beurteilen hat; eine positive Beantwortung dieser Vorfrage muss aber nicht notwendig zur Aufhebung des negativen – inzident rechtswidrigen – Feststellungsbescheides führen, weil nicht jede Gesetzwidrigkeit auch schon eine Verletzung des Gleichheitssatzes darstellt (vgl Thienel aaO, 66). Der Feststellung der österreichischen Staatsbürgerschaft einer ausländischen Behörde kann eine bindende Wirkung im Geltungsbereich österreichischen Rechts nicht zukommen (VwGH 13.5.1929, 31/28, VwSlg 15.658 A/1929). Ist die Staatsbürgerschaft weder aufgrund Abstammung noch durch Einbürgerung gegeben, so vermag daran weder der Hinweis auf Staatsbürgerschaftsnachweise noch auf diesen fußende Urkunden oder Bescheide (etwa: Einberufung zum österreichischen Bundesheer) etwas zu ändern, weil nur Feststellungsbescheiden gemäß § 42 eine Bindungswirkung dergestalt zukommt, dass mit deren Rechtskraft das Bestehen oder Nichtbestehen der österreichischen Staatsbürgerschaft zum Zeitpunkt der Feststellung unverrückbar festgestellt ist (VwGH 30.9.1997, 97/01/0144). Bei der Erlassung eines Feststellungsbescheides nach §  42 Abs  2 dürfen Rechte oder Rechtsverhältnisse, die bereits rechtskräftig gestaltet oder festgestellt sind, nicht neuerlich zur Diskussion gestellt und gegebenenfalls umgestoßen werden. Die Behörde ist daher an einen unanfechtbaren und formell rechtskräftigen Bescheid, gleichgültig, ob dieser inhaltlich rechtswidrig ist oder nicht, gebunden (VwGH 26.11.1968, 0377/68). 13 Beruht der Bescheid auf einer gleichheitswidrigen Bestimmung des StbG, kann durch seine Anfechtung bei VwGH oder VfGH auch die Einleitung eines Normprüfungsverfahrens initiiert werden. Fraglich könnte sein, ob die Gleichheitswidrigkeit einer gesetzlichen Reglung, durch die ein automatischer Staatsbürgerschaftsverlust vorgesehen ist, durch Individualanfechtung des Gesetzes nach Art  140 Abs  1 B-VG geltend gemacht werden kann (vgl Thienel aaO, 66 f). Nach der Judikatur des VfGH ist ein Individualantrag nur zulässig, wenn ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung nicht zur Verfügung steht, wobei auch die Erlangung eines Feststellungsbescheides als solcher zumutbarer Weg angesehen wird (VfSlg 8978, 9048). Ein solcher Antrag 602

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auf Erlassung eines Feststellungsbescheides kann aber dann nicht als ein zumutbarer Weg angesehen werden, wenn der einzige Zweck eines solchen Feststellungsbescheides darin bestünde, damit ein Mittel zu gewinnen, um die gegen die bekämpften gesetzlichen Bestimmungen bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken an den VfGH heranzutragen. In einem solchen Fall ist die Zulässigkeit eines (Individual-)Antrages nicht ausgeschlossen (vgl VfSlg 13.738/1994; vgl aber auch VfSlg 16.302/2001).

B.  Parteistellung § 42 Abs 1 setzt – außer in den Fällen der §§ 38 und 58c – ein hinrei- 14 chendes privates rechtliches Interesse an einer bescheidförmigen Feststellung voraus. Ein die Parteistellung im Feststellungsverfahren vermittelndes rechtliches Interesse (§ 8 AVG) kann der Antragsteller unter Umständen auch dann haben, wenn die staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse einer anderen Person festgestellt werden sollen. Beispielsweise hat ein Erbe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Staatsbürgerschaft eines Verstorbenen (VwGH 11.5.1960, Slg 5292 A; VwGH 13.2.2013, 2013/01/0023). Allerdings ist ein die Antragslegitimation begründendes rechtliches Interesse nicht allein schon deswegen anzunehmen, weil die staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse des Antragstellers Gegenstand der Feststellung sein sollen. IdR wird die Person Partei im Verfahren nach § 42 Abs 1 sein, deren 15 (fragliche) Staatsbürgerschaft festgestellt werden soll (Goldemund/ Ringhofer/Theuer aaO, 163). Demjenigen, dessen staatsbürgerschaftsrechtliche Verhältnisse Gegenstand der Feststellung sind, kommt ohne Rücksicht darauf, wie das Verfahren eingeleitet wurde, jedenfalls Parteistellung zu. Der Antrag hat dementsprechend nach seinem objektiven Erklärungswert auf die bescheidmäßige Feststellung bestimmter Rechte bzw Rechtsverhältnisse gerichtet zu sein. Ein Feststellungsantrag, der nur die Auslegung eines rechtskräftigen Bescheides anstrebt, ist unzulässig. Welche Rechtsfolgen sich aus dem Bescheid der Behörde ergeben, muss in dem Verfahren geklärt werden, das zur Durchsetzung subjektiver Ansprüche der Parteien, die sich aus diesem Bescheid ergeben, vorgesehen ist. An der Erlassung eines Feststellungsbescheides besteht daher in einem solchen Fall weder ein öffentliches Interesse noch ein Interesse einer Partei (vgl VwGH 14.12.1988, 88/03/0092; VwGH 17.12.1992, 92/06/0219). Daraus folgt, dass auch die amtswegige Erlassung eines Feststellungsbescheides, der 603

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nur die Auslegung eines rechtskräftigen Bescheides und eine Klarstellung der aus ihm nach Auffassung der Behörde entspringenden Rechtsfolgen anstrebt, unzulässig ist (VwGH 29.4.2002, 98/03/0261).

C.  Legalparteien 16 Nach § 42 Abs 2 kommt dem BMI in Feststellungsverfahren kraft subjektiven Rechts eine Antrags- und Parteistellung zu. Im Unterschied zur Partei nach Abs  1 ist uE dessen Rolle im Verwaltungsverfahren nicht die Vertretung „eigener“ materieller subjektiver Rechte. Vielmehr soll (im Lichte des Art 18 B-VG) – wie im Fall des § 42 Abs 3 – die objektive Rechtmäßigkeit durch den das Verfahren abschließenden Bescheid bzw die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Interessen (zB Sicherheit) in diesem Zusammenhang wahrgenommen werden. Der BMI kann daher durch § 42 Abs 2 (nur) ein rechtliches (öffentliches) Interesse in der Sache selbst geltend machen. Der BMI hat uE keine Parteistellung im Verfahren nach § 42 Abs 1 und Abs 3. 17 Wird der BMI nach § 42 Abs 2 oder die Behörde nach § 42 Abs 3 tätig, so kommt uE der Person, die Gegenstand dieses Feststellungsverfahrens ist, Parteistellung in den Verfahren nach Abs 2 und 3 zu. Die wesentliche Konsequenz für Personen, denen als Antragsteller (Abs  1) oder Betroffene (Abs 2 und 3) Parteistellung zukommt, besteht darin, dass sie – im Unterschied zu dem BMI (Abs 2) bzw der Behörde (Abs 3) – durch den Spruch des Bescheides in ihren materiellen Rechten (zB auf Erteilung oder Versagung der beantragten Staatsbürgerschaft) beeinträchtigt werden können. Der BMI bzw die Behörde, die von Amts wegen einen Bescheid erlässt, kann sich hingegen uE nicht auf eine dafür erforderliche eigene, gegen sich (sprich: den Staat als Träger der Hoheitsgewalt) gerichtete Interessensphäre berufen (vgl auch VwSlg 10.511 A/1981; VwGH 13.12.2000, 2000/04/0163).

III.  Rechtsmittel 18 Die Staatsbürgerschaft ist ein Status der unmittelbar an seinen Träger als Rechtssubjekt gebunden ist (vgl VwGH 13.2.2013, 2013/01/0023: die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft ist ein „höchstpersönliches Recht“). ISd Schutzzwecks der Normen des StbG besteht uE demnach ein subjektives Recht derjenigen, die als Partei iSd §  42 604

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Abs 1 in Frage kommen. Diesen Personen kommt damit auch eine Befugnis zur Rechtsverfolgung iZm Feststellungsbescheiden zu, die nach § 42 Abs 2 oder 3 erlassen wurden. Zur Erhebung einer Parteibeschwerde nach Art  132 Abs  1 Z  1 B-VG (vgl auch Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) gegenüber einem subjektive Rechte belastenden Feststellungsbescheid ist legitimiert, wer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein; zu den subjektiven Rechten, deren mögliche Verletzung die Beschwerdelegitimation begründen, zählen sowohl einfachgesetzlich wie auch verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte. Die Beschwerdelegitimation setzt neben der Rechtspersönlichkeit des Beschwerdeführers voraus, dass eine solche Rechtsverletzung möglich ist; ob dies der Fall ist, ist nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zu bestimmen (VwGH 11.1.2016, Ra 2015/16/0132). Die Beschwerdelegitimation von Amtsparteien [in casu BMI (vgl aber 19 auch Rz  20) und Landesregierung] kann gemäß Art  132 Abs  1 Z  1 und Art  144 Abs  1 B-VG vom einfachen Gesetzgeber nicht dadurch begründet werden, dass er ihnen ausdrücklich aufträgt, die Wahrung von öffentlichen Interessen „als subjektives Recht“ im Verfahren geltend zu machen. „Echte“ subjektive Rechte, die für die Annahme einer solchen Rechtssphäre und Beschwerdelegitimation verfassungsrechtlich notwendig sind, ergeben sich nur aus Regelungen, mit denen vom Gesetzgeber zusätzlich zum Schutz der Allgemeinheit auch private Interessen bestimmter, spezifisch betroffener Einzelner geschützt werden (VfSlg 17.220/2004 unter Bezugnahme auf die Schutznormtheorie). Fraglich ist aber, ob dies nach Auffassung des VfGH auch für die prozessualen „Rechte“ der Formal- bzw Organparteien gilt. Der VwGH bejaht diese Frage: Die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte stellen danach subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung die Organpartei in einer Beschwerde gemäß Art 132 Abs 1 Z 1 B-VG unter dem Gesichtspunkt der Relevanz vor dem VwGH geltend machen kann (VwGH 27.2.2013, 2012/17/0430). An diesem Konzept hat die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 20 (BGBl I 2012/51) inhaltlich nichts geändert. Gegen einen Bescheid nach § 42 kann der BMI gemäß Art 132 Abs 1 Z 2 B-VG Amtsbeschwerde beim zuständigen Verwaltungsgericht erheben. Gegen das Erkenntnis 605

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eines Verwaltungsgerichts kann der BMI Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit beim VwGH erheben (Art 133 Abs 6 Z 3 B-VG). Ob dem BMI – wegen der unterschiedlichen Formulierung von Abs 2 und 3 (und wegen möglicher unterschiedlicher Intention der beiden Absätze) – im Unterschied zur Behörde doch auch subjektiv-öffentliche Rechte des materiellen Rechts zustehen, kann uE nicht ausgeschlossen werden (vgl VwSlg 15.183 A/1999). Die Landesregierung kann, wenn sie belangte Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht war, aus demselben Grund wie der BMI gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts Revision beim VwGH erheben (Art 133 Abs 6 Z 2 B-VG).

§  43. (1) Außer den in diesem Bundesgesetz besonders geregelten Fällen ist eine Bestätigung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft auszustellen, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Ausstellung der Bestätigung glaubhaft macht. (2) Eine Bestätigung kann von Amts wegen ausgestellt werden, wenn ein öffentliches Interesse daran besteht. (3) Eine Bestätigung darf nicht ausgestellt werden, wenn begründete Zweifel daran bestehen, ob sie der Sach- und Rechtslage entspricht. [idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl I 250/1965 Das Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 und die bereits zitierte Staatsbürgerschaftsverordnung vom 29. Oktober 1945 sehen nur die Ausstellung des „Staatsbürgerschaftsnachweises“ vor, also der förmlichen Bescheinigung, daß eine bestimmte Person die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. In der Praxis ergab sich aber immer wieder die Notwendigkeit, auch andere Bescheinigungen in Fragen der Staatsbürgerschaft auszustellen, so zum Beispiel darüber, daß eine Person die österreichische Staatsbürgerschaft in einem bestimmten Zeitpunkt erworben, besessen oder verloren hat oder daß jemand nie österreichischer Staatsbürger war. Diese Praxis soll nunmehr ihre gesetzliche Grundlage erhalten. Selbstverständlich darf dem Antrag auf Ausstellung einer bestimmten Bescheinigung nur stattgegeben werden, wenn auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen hiefür gegeben sind. Der Inhalt der beantragten Bescheinigung muß also der tatsächlichen Sach- und Rechtslage entsprechen. Weiters können nach der geltenden Rechtslage Staatsbürgerschaftsnachweise nur auf Antrag der Person, um deren Staatsbürgerschaft es sich handelt, ausgestellt werden. In der Praxis hat sich aber des öfteren die Notwendigkeit ergeben, Staatsbürgerschaftsnachweise auch von Amts wegen oder auf Antrag anderer Personen auszustellen. Dies gilt vor allem

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für Staatsbürger, die im Ausland interniert und daher nicht in der Lage sind, selbst einen diesbezüglichen Antrag einzubringen. Auch diese Praxis soll nunmehr ausdrücklich saniert werden. Hiebei war auch klarzustellen, welche Personen ein Antragsrecht haben und unter welchen Voraussetzungen eine staatsbürgerschaftsrechtliche Bescheinigung auch von Amts wegen ausgestellt werden kann. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 34 (§ 43): Siehe die Erläuterung zu Art. I Z 23 (§ 30). Zu Art. I Z 23 (§ 30): Die von der Behörde auszustellende Urkunde ist eine öffentliche Urkunde und damit ein besonders qualifiziertes Beweismittel. Da das Wort „bescheinigen“ im Verfahrensrecht einen besonderen Sinn· hat, der weniger bedeutet als das Wort beweisen, sollen die im Gesetzestext verwendeten Worte „bescheinigen“ und „Bescheinigung“ jeweils durch „bestätigen“ und „Bestätigung“ ersetzt werden. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 5 A. Bestätigung.............................................................................................. 5 B. Glaubhaftmachung................................................................................ 6 III. Bestätigung auf Antrag.............................................................................. 9 IV. Bestätigung von Amts wegen.................................................................... 11 V. Bestätigungsverbot...................................................................................... 13 Schrifttum zu § 43: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 14 StbG 1949 räumte dem Staatsbürger das Recht ein, sich den „Be- 1 sitz der Staatsbürgerschaft“ auf Antrag bescheinigen zu lassen. Die Behördenzuständigkeit ergab sich aus § 2 StbV 1945. Ähnliche Vorgaben enthielten § 19 StbG 1925 und § 4 StbV 1925. Diesem Nachweis kam keine rechtsbegründende, sondern nur rechtsbezeugende Kraft zu. Die Staatsbürgerschaftsbescheinigung löste den Heimatschein bzw Auszug aus der Heimatrolle ab. 607

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2 Die EB sprechen iZm § 43 idF BGBl 1965/250 einerseits von der Ausstellung einer Bescheinigung und andererseits von der Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises. Letzterer ist (begrifflich) Teil der Bescheinigung bzw „Bestätigung“ iSd §  43 idF BGBl 1985/170. Das Antragsrecht und die Voraussetzungen zur amtswegigen Ausstellung nach § 43 gelten für alle Arten von Bescheinigungen bzw Bestätigungen. Zudem sah § 44 StbG idF BGBl 1965/250 bis 31.10.2013 (vgl § 64a Abs 17 idF BGBl I 2013/16) speziell für den Staatsbürgerschaftsnachweis eine Verordnungsermächtigung betreffend die Bestimmung des Musters vor. Zur Verhinderung des Missbrauchs unrichtiger Staatsbürgerschaftsbescheinigungen bzw -bestätigungen ordnete § 45, der durch BGBl I 2013/16 entfiel, die Ablieferung solcher Bescheinigungen bzw Bestätigungen an. Die Nichtbeachtung dieser Aufforderung bildete eine Verwaltungsübertretung (vgl § 64 Abs 3 idF BGBl 1965/250 bzw § 63c idF BGBl I 2009/122). Demgegenüber sanktioniert § 63c Abs 1 idgF die „wissentlich falschen Angaben“ im Ausstellungsverfahren nach § 43 mit Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe. 3 Die in § 43 Abs 1 erwähnten „besonders geregelten Fälle“ betrafen ursprünglich den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung (§  9 Abs 1 StbG idF BGBl 1965/250), das (bedingte) Ausscheiden aus dem österreichischen Staatsverband (§  30 Abs  1 idF BGBl 1965/250) und den Besitz der Staatsbürgerschaft (§ 44 Abs 1 idF BGBl 1965/250). IdgF beziehen sich die Sonderfälle iSd § 43 Abs 1 uE auf § 10 Abs 6 (Bestätigung der Bundesregierung) und § 30 Abs 1. Diese Fälle sind insofern „besonders“, als – im Unterschied zu § 43 Abs 1 – eine „Glaubhaftmachung“ eines rechtlichen Interesses nicht Voraussetzung für die Ausstellung derartiger Bestätigungen ist; denn eine Glaubhaftmachung ist nur in den vom Gesetz ausdrücklich erwähnten Fällen zulässig (vgl auch RS0040302). 4 Der Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG bzw die Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG bietet nur einen Rechtsschutz gegen die Säumnis einer Behörde bei Bescheiderlassung. Devolutionsantrag bzw Säumnisbeschwerde sind jedoch nicht dazu geeignet, die Ausstellung einer Urkunde (Bestätigung) zu begehren. Dies führt jedoch uE nicht zur Unzulässigkeit des von einer Person gestellten Devolutionsantrags bzw Säumnisbeschwerde, der bzw die die Ausstellung einer Bestätigung iSd § 43 zum Gegenstand hat. Wird die Behörde (vgl § 41) mit der Ausstellung einer nicht als Bescheid zu qualifizierenden Urkunde säumig, hat nämlich die Behörde bzw das im Devolutionsweg angerufene Gericht 608

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(Säumnisbeschwerde gemäß § 8 VwGVG) – falls es den Anspruch als gegeben erachtet – mit Bescheid festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Bestätigungsausstellung gegeben sind (vgl auch VwSlg 16.154 A/2003).

II.  Begriffe A.  Bestätigung Bei einer staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestätigung (vormals: Beschei- 5 nigung) gemäß § 43, die nach den in der Anlage zur StbV enthaltenen Muster ausgestellt ist, handelt es sich um eine öffentliche Urkunde, deren Beweiskraft nach § 47 AVG gemäß § 292 ZPO zu beurteilen ist (vgl auch § 41 Rz 9 f). Letztgenannte Bestimmung sieht in ihrem Abs 1 vor, dass öffentliche Urkunden vollen Beweis dessen begründen, was darin von der Behörde amtlich verfügt oder erklärt oder von der Behörde bezeugt wird; gemäß § 292 Abs 2 ZPO ist der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig. § 292 Abs 1 erster Satz ZPO gilt im Verwaltungsverfahren dem § 47 AVG zufolge mit der Maßgabe, dass inländische öffentliche Urkunden den Beweis auch über jene Tatsachen und Rechtsverhältnisse liefern, die die Voraussetzung für ihre Ausstellung bildeten und in der Urkunde ausdrücklich genannt sind; wenn die Behörde im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles dagegen Bedenken hat, dass die Urkunde diesen Beweis liefert, kann sie der Partei auftragen, den Beweis auf andere Weise zu führen (vgl aber auch § 43 Abs 3).

B.  Glaubhaftmachung Die Glaubhaftmachung ist eine besondere Form der Tatsachenfeststel- 6 lung, wobei ein geringerer Grad der Überzeugung der Behörde von der Richtigkeit der Tatsachenbehauptung genügt (vgl auch RS0040276). Für die Glaubhaftmachung reicht der Nachweis einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der zu bescheinigenden Tatsache (vgl RS0114896). Die Frage, ob diese Glaubhaftmachung dem Antragsteller gelungen ist oder nicht, stellt das Ergebnis einer Beweiswürdigung im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und keine rechtliche Beurteilung dar. Diese Frage ist daher vor dem VwGH nicht revisibel (vgl auch § 20 Rz 41 f). 609

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7 Die Glaubhaftmachung unterscheidet sich vom Beweis sowohl im geforderten Ergebnis (Überzeugungskraft) als auch im Verfahren. Aufgrund der Einschränkung im letzten Halbsatz des §  43 Abs  1 – der Antragsteller hat (s)ein rechtliches Interesse bloß glaubhaft zu machen – ist es uE nicht möglich, eine Glaubhaftmachung der wesentlichen Umstände zunächst als erbracht anzusehen und dann dennoch mangels Beweis eines solchen Umstands den Antrag abzuweisen. Die Glaubhaftmachung in § 43 ist auch nicht etwa eine sachliche Voraussetzung für das Ausstellen einer Bestätigung (eine solche Erfolgsvoraussetzung wäre zB der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft); sie ist vielmehr eine formelle Antragsvoraussetzung: Gelingt dem Antragsteller die Glaubhaftmachung nämlich nicht, ist sein Antrag uE mangelhaft und kann nach erfolglosem Verbesserungsauftrag (§ 13 Abs 3 AVG) zurückgewiesen werden. 8 Bei der Glaubhaftmachung können auch Ergebnisse in anderen Gerichts- oder Behördenakten zur Bescheinigung herangezogen werden; weitere weitläufige Erhebungen sind – da geringerer Grad der Überzeugung ausreicht – von der Behörde idR nicht erforderlich. Fraglich könnte sein, wie die Behörde vorzugehen hat, wenn es an jeglicher Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses mangelt; nach dem Wortlaut des § 13 Abs 3 AVG wird die Behörde nicht ohne vorherige Aufforderung an den Antragsteller zur Vorlage von Bescheinigungsmittel den Antrag zurück- bzw abweisen können.

III.  Bestätigung auf Antrag 9 Gegenstand der Bestätigung nach § 43 Abs 1 sind „Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft“; dieser Terminus wird (materiell) auch in den §§ 39 Abs 1, 41 Abs 1, 42 Abs 1, 53 Z 1 und Z 4 sowie 63c Abs 1 verwendet. Eine nähere Bestimmung von Staatsbürgerschaftsangelegenheiten enthält aber keine dieser Vorschriften. ISd § 2 kann darunter alles iZm der Zugehörigkeit zu dem am 30.10.1918 entstandenen Staatswesen „Republik Österreich“ – ohne Rücksicht darauf, dass dessen Bezeichnung bis zum Gesetz vom 21.10.1919 (StGBl Nr 484) „Republik Deutschösterreich“ und während der Geltung der Verfassung 1934 „Bundesstaat Österreich“ lautete – verstanden werden (vgl Goldemund/Ringhofer/ Theuer aaO, 39). 10 Zuständig für die Ausstellung von Bestätigungen iSd § 43 – und damit auch für die nach § 10 Abs 6 und § 30 Abs 1 – sind die Behörden nach 610

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§ 41 (Gemeinde bzw Gemeindeverband, Berufskonsulat bzw diplomatische Vertretungsbehörde oder Evidenzstelle iSd § 49 Abs 2). Fraglich ist uE die Zuständigkeit bei amtswegiger Ausstellung einer Bestätigung iSd § 43 Abs 2; § 41 Abs 1 (arg „über derartige Anträge“) regelt uE nur die Zuständigkeit im Fall einer Antragstellung iSd Abs 1.

IV.  Bestätigung von Amts wegen Im Unterschied zum Anspruch auf Ausstellung einer Bestätigung nach 11 § 43 Abs 1 (arg „ist“), liegt es nach Abs 2 im Ermessen der Behörde, eine Bestätigung auszustellen. In diesem Zusammenhang sah § 44 Abs 2 idF BGBl 1965/250 iZm Staatsbürgerschaftsnachweisen vor, dass solche Nachweise, die „lediglich zum Amtsgebrauch einer Behörde oder einer anderen öffentlichen Dienststelle ausgestellt“ werden, von der Stelle, für die der Nachweis bestimmt ist, einzubehalten ist. Wie § 42 Abs 1 und 3 unterscheidet auch § 43 zwischen dem „rechtli- 12 chen Interesse“ des Antragstellers (Abs 1) und dem „öffentlichen Interesse“ der Behörde (Abs  2). Der vereinzelt (das heißt: im Einzelfall) durch die Rechtsprechung iZm § 42 spezifizierte Begriff des öffentlichen Interesses (vgl § 42 Rz 9) kann auf § 43 übertragen werden. Der Begriff öffentliches Interesse umfasst jedenfalls mehr als das rein staatsbürgerschafsbezogen gesehene rechtliche Interesse des Antragstellers nach Abs  1; den Begriff „öffentliches Interesse“ kann uE die Bedeutung „Zweckmäßigkeit“, insbesondere an der Rechtsklarheit und -sicherheit in Bezug auf den staatsbürgerschaftsrelevanten Status einer Person beigemessen werden. Der Begriff „öffentliches Interesse“ ist jedenfalls ein unbestimmter Rechtsbegriff, dem Inhalt zu geben der Auslegung obliegt, die aber nicht dazu führen kann, dass unter diesem schwammigen Begriff auch der Schutz der Einzelinteressen zu subsumieren wäre. Denn das öffentliche Interesse umfasst nur den Schutz der Allgemeinheit bzw das Schutzbedürfnis der Allgemeinheit (vgl auch VwGH 17.12.1957, 4501 A/1957, VwGH 8.11.1954, VwSlg 3555 A/1957; VwSlg 3316 F/1965).

V.  Bestätigungsverbot Hat der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Ausstellung einer 13 Bestätigung glaubhaft gemacht und besteht keinerlei Zweifel daran, 611

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dass die von ihm beantragte Bestätigung der Sach- und Rechtslage entspricht (§ 43 Abs 3), so kommt ihm ein Anspruch auf Ausstellung der Bestätigung zu. Fehlt eine dieser (Erfolgs-)Voraussetzungen, so hat die Behörde, wenn der Antragsteller eine förmliche Entscheidung begehrt, den Antrag bescheidmäßig zurück- bzw abzuweisen. In diesem Fall ist die Durchführung eines förmlichen Feststellungsverfahrens gemäß § 42 geboten. 14 Das Abstellen auf „begründete Zweifel“ in § 43 Abs 3 macht deutlich, dass nicht ohne weiteres – generell – unterstellt werden darf, dass ein Antragsteller unter Missachtung der Sach- und Rechtslage die Ausstellung einer Bestätigung beantragt. Es wird daher konkreter Anhaltspunkte in diese Richtung bedürfen, und die Behörde kann die Versagung einer Bestätigung nicht gleichsam mit einem „Generalverdacht“ zu Lasten bestimmter Antragsteller (zB Asylberechtigter) begründen. Regelmäßig wird daher, wenn nicht gegenteilige Indizien bekannt sind, davon auszugehen sein, dass der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der Ausstellung einer Bestätigung haben wird. Solche gegenteiligen Indizien können uE insbesondere ein bisheriges fremdenrechtlich relevantes Fehlverhalten oder konkrete Anhaltspunkte für ein solches sein. 15 Es versteht sich von selbst, dass es sich dabei um objektiv begründete Zweifel (zB aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung) handeln muss, aber auch dass diese Zweifel dem Antragsteller gegenüber konkretisiert werden müssen, einerseits, damit auch ihm gegenüber klargestellt ist, dass ein Fall des § 43 Abs 3 eingetreten ist und daher nunmehr die Verpflichtung zur Unterlassung der Ausstellung einer Bescheinigung besteht, ihm andererseits im Sinne des § 37 iVm § 45 Abs 3 AVG allenfalls Gelegenheit gegeben wird, diese Zweifel zB durch Vorlage bereits vorhandener geeigneter Beweismittel zu zerstreuen. Nur so wird das Parteiengehör gewahrt und (in letzter Konsequenz) dem VwGH die Möglichkeit eröffnet, das Verhalten der Behörde auf seine Rechtmäßigkeit nachzuprüfen.

§ 44. (1) Bestätigungen, dass eine bestimmte Person die Staatsbürgerschaft besitzt (Staatsbürgerschaftsnachweise), sowie staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen sind Auszüge aus dem Zentralen Staatsbürgerschaftsregister – ZSR (§ 56a). (2) Auf Antrag ist ein Staatsbürgerschaftsnachweis mit bestimmten förmlichen Gestaltungsmerkmalen auszustellen, dessen 612

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Erscheinungsbild durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festzulegen ist. (3) Nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten kann ein Staatsbürgerschaftsnachweis auch im Datenfernverkehr aus dem ZSR nach § 56a Abs. 1 unter Verwendung der Funktion Bürgerkarte (§§  4 ff des E-Government-Gesetzes – E-GovG, BGBl. I Nr. 10/2004) beantragt und ausgestellt werden. (4) Staatsbürgerschaftsnachweise sind mit der Amtssignatur des Betreibers des ZSR zu versehen. [idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Von den im § 43 erwähnten staatsbürgerschaftsrechtlichen Bescheinigungen ist wegen ihrer Bedeutung und Häufigkeit die Bescheinigung, daß eine bestimmte Person die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, besonders hervorzuheben: Diese Bescheinigung - der bereits mehrfach erwähnte Staatsbürgerschaftsnachweis - soll der Einheitlichkeit halber ausschließlich nach dem durch Verordnung des Bundesministeriums für Inneres festzulegenden Muster (§  46 Abs  1) ausgestellt werden. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 35 (§ 44 Abs. 1) . Siehe die Erläuterung zu Art. I Z 23 (§ 30) und Z 26 (§ 35). Zu Art. I Z 23 (§ 30) Die von der Behörde auszustellende Urkunde ist eine öffentliche Urkunde und damit ein besonders qualifiziertes Beweismittel. Da das Wort „bescheinigen“ im Verfahrensrecht einen besonderen Sinn· hat, der weniger bedeutet als das Wort beweisen, sollen die im Gesetzestext verwendeten Worte „bescheinigen“ und „Bescheinigung“ jeweils durch „bestätigen“ und „Bestätigung“ ersetzt werden. Zu Art. I Z 26 (§ 35) Unter dem Begriff „Bundesministerium“ ist ausschließlich der dem jeweiligen Bundesminister zur Verfügung stehende Hilfsapparat zu verstehen. Im § 35 StbG 1965, der die Zuständigkeit zur Erlassung von Rechtsakten regelt sowie Parteistellung einräumt, soll der Ausdruck „Bundesministerium für Inneres“ daher jeweils durch „Bundesminister für Inneres“ ersetzt werden. EB zu BGBl I 16/2013 Mit § 44 sollen Staatsbürgerschaftsnachweise und staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen nunmehr aus dem ZSR ausgestellt werden. In einer weiteren Umsetzungsphase soll es dem Bürger auch ermöglicht werden, via E-Card einen sol-

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chen Nachweis auszudrucken. Mit Abs. 4 wird vorgesehen, dass Auszüge mit der Amtssignatur des Betreibers des ZSR versehen werden müssen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Staatsbürgerschaftsnachweis................................................................ 4 B. Bürgerkarte.............................................................................................. 6 C. Amtssignatur........................................................................................... 8 III. Bestätigungen als Auszüge......................................................................... 12 IV. Förmlicher Staatsbürgerschaftsnachweis................................................. 13 V. Datenfernverkehr......................................................................................... 15 Schrifttum zu § 44: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 44 Abs 1 idF BGBl 1965/250 verwies auf die StbV 1965, deren Anlage 6 zu § 4 leg cit das Muster für Staatsbürgerschaftsnachweise beinhaltete. Inhaltlich erfuhr § 44 durch die Novelle BGBl I 16/2013 wesentliche Änderungen. Einerseits verweist § 44 Abs 1 idgF nicht mehr auf das in der StbV abgedruckte Muster, sondern definiert insbesondere Staatsbürgerschaftsnachweise als Auszüge aus dem ZSR; sinngemäß wurden die Vorgaben des §  44 Abs  1 idF BGBl 1965/250 in §  44 Abs  2 idgF übernommen [vgl auch Anlage 6 zu § 8 Abs 1 und 2 (letzter Satz) StbV]. Andererseits entfiel die Einbehaltungspflicht von Behörden iZm den für den (internen) Gebrauch ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweisen nach § 44 Abs 2 idF BGBl 1965/250; stattdessen wurde dem technischen Fortschritt entsprechend durch das virtuelle Bürgerkartenkonzept eine alternative Möglichkeit der Beantragung und Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen geschaffen (§ 44 Abs 3 und 4 idF BGBl I 2013/16). 2 Zentraler Regelungsgegenstand des §  44 sind Staatsbürgerschaftsnachweise. Im Unterschied zu § 44 idF BGBl 1965/250 regelt aber § 44 Abs 1 seit der Novelle BGBl I 2013/16 auch „staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen“. UE knüpft damit § 44 Abs 1 an die Bestätigungen des § 43 (als Oberbegriff) an und qualifiziert diese, zu denen auch Staatsbürgerschaftsnachweise gehören, als „Auszüge“ des ZSR iSd § 56a. Ab614

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gesehen davon, dass der Inhalt der Regelung des § 44 Abs 1 systematisch dem § 43 zuzuordnen ist, bleibt iZm der Qualifikation uE der rechtliche Charakter von solchen Auszügen unklar (vgl unten Rz 12). § 44 Abs 1 ordnet an, dass Staatsbürgerschaftsnachweise und staatsbür- 3 gerschaftsrechtliche Bestätigungen nunmehr unabhängig vom Wohnsitz aus dem ZSR ausgestellt werden können. Auf Behördenebene entfällt damit im Staatsbürgerschaftswesen – ähnlich wie im Personenstandswesen – die aufwändige Mitteilungspflicht in Papierform und wird durch die virtuelle Datenverwaltung ersetzt. Um aber einen Staatsbürgerschaftsnachweis „mit bestimmten förmlichen Gestaltungsmerkmalen“ ausgestellt zu bekommen, ist ein Antrag nach § 44 Abs 2 erforderlich. § 44 Abs 3 baut insofern vor (arg „nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten“), dass in einer weiteren Ausbauphase der Bürger auch via E-Card einen solchen Nachweis ausdrucken können soll. Die Wendung „nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten“ in § 44 Abs 3 normiert iZm dem Wort „kann“ ein Ermessen der Behörde über die Frage, ob im Datenfernverkehr mittels Bürgerkartenkonzept ein Staatsbürgerschaftsnachweis angefertigt werden soll oder nicht. Es wird damit nicht nur die Voraussetzung der technischen Machbarkeit normiert; kurz gesagt: der Antragsteller hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass ein Staatsbürgerschaftsnachweis nach § 44 Abs 3 angefertigt wird. Unbeschadet davon sind Staatsbürgerschaftsnachweise – nicht aber (was uE sachlich nicht nachvollziehbar ist) auch andere staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen – mit einer Amtssignatur zu kennzeichnen (§ 44 Abs 4); vgl auch § 18 Abs 4 Satz 2 AVG. § 46 Abs 1 enthält die Ermächtigung des BMI, die Form der gemäß §  44 auszufertigenden Urkunden durch Verordnung zu bestimmen. § 61 Abs 1 legt als spezielle Übergangsbestimmung iZm § 44 fest, dass die nach dem Muster der Anlage 1 zur StbV 1945 ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweise als Staatsbürgerschaftsnachweise iSd § 44 gelten. Staatsbürgerschaftsnachweise und andere staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen, die vor dem 1.11.2013 ausgestellt wurden, gelten auch danach weiter (§ 61 Abs 2); vgl auch § 64a Abs 20.

II.  Begriffe A.  Staatsbürgerschaftsnachweis Der Staatsbürgerschaftsnachweis ist ein Beweismittel mit der Beweis- 4 kraft einer öffentlichen Urkunde. Die Bestätigung spielt als ein – zB im 615

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Grundverkehrs- und Familienrecht zur Anwendung kommendes – Dokument zum Nachweis des rechtmäßigen Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft eine (im Rechtsverkehr wesentliche) Rolle (vgl § 7 Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, § 76 Abs 2 lit b Schulunterrichtsgesetz; Grundbuchs- und Grunderwerbsrecht). Durch einen Feststellungsbescheid (vgl § 42) kann jederzeit die Ungültigkeit eines Staatsbürgerschaftsnachweises ausgesprochen werden (VwGH 4.11.1959, 609/58). 5 Die Tatsache der inländischen Staatsbürgerschaft ist dem Grundbuchgericht durch Vorlage einer sie bestätigenden öffentlichen Urkunde nachzuweisen (5 Ob 114/02d; 5 Ob 90/10m). Dazu hat der OGH zuletzt in der Entscheidung 5 Ob 110/13v ausgesprochen, dass die in der öffentlichen Urkunde „Reisepass“ enthaltene Feststellung der Tatsache der österreichischen Staatsbürgerschaft auf öffentlichen Urkunden über den Besitz der Staatsbürgerschaft beruht, sodass ihr auch insoweit Beweiskraft zukommt. Ein österreichischer Reisepass ist daher zum Nachweis der Tatsache der Staatsbürgerschaft geeignet. Der nach den Grundverkehrsgesetzen der Länder geforderte Nachweis der Staatsangehörigkeit kann daher sowohl durch einen Staatsbürgerschaftsnachweis als auch durch einen Reisepass erfolgen. Diese Urkunden zählen zu den sogenannten Bewilligungsurkunden, auf die sich das in §  87 Abs 1 GBG normierte Erfordernis der Vorlage im Original nicht bezieht. Es ist aber erforderlich, dass solche Urkunden in beglaubigter Abschrift vorgelegt werden (5 Ob 2109/96z; 5 Ob 15/11h; 5 Ob 162/13d). An diesem Erfordernis hält der OGH auch für den Fall einer elektronischen Einbringung von Grundbuchsanträgen fest (vgl 5 Ob 162/13d).

B.  Bürgerkarte 6 § 44 Abs 3 nimmt iZm „weiteren Umsetzungsphase[n]“ (EB zu BGBl I 2013/16) auf die Bürgerkarte Bezug und verweist in diesem Zusammenhang auf die §§ 4 ff E-GovG. § 2 E-GovG definiert die „Bürgerkarte“ als eine logische Einheit, die unabhängig von ihrer technischen Umsetzung eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 2 Z 3a des Signaturgesetzes) mit einer Personenbindung (§ 4 Abs 2 E-GovG) und den zugehörigen Sicherheitsdaten und -funktionen sowie allenfalls mit Vollmachtsdaten verbindet. IZm dem durch §  44 Abs  3 bezweckten „virtuellen“ Zugang zum Staatsbürgerschaftsnachweis bedeutet uE der 616

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Terminus „unter Verwendung der Funktion Bürgerkarte“ in § 44 Abs 3, dass es sich hierbei nicht um eine neue E-Card handelt, sondern dadurch vielmehr einem virtuellen Konzept mit bestimmten Funktionalitäten, vor allem der Identifizierung und Authentifizierung, die mittels unterschiedlicher technischer Medien (zB Mobiltelefon) in Anspruch genommen werden können, der gesetzliche Weg geebnet wird. Die Beantragung bzw Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen 7 im Datenfernverkehr mittels Bürgerkarte kann nur „nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten“ erfolgen. Da hierauf – das heißt: auf ein Vorgehen nach § 44 Abs 3 – der Antragsteller keinen Rechtsanspruch hat (vgl oben Rz  3), könnte uE eine solche Regelung dem in Art  18 Abs 1 B-VG verankerten Legalitätsprinzip und anderen bundesverfassungsgesetzlichen Regelungen nicht zuwiderlaufen. Allerdings könnte eine derartige „Technikklausel“ uU (insbesondere wenn aufgrund technischer Möglichkeiten ein Rechtsanspruch doch bejaht wird) auch nicht als dem Bestimmtheitsgebot entsprechend anzusehen sein, weil der Gesetzgeber nicht dafür sorgt, dass die Vollziehung von qualifizierten technischem Sachverstand getragen ist, der Gesetzgeber also nicht anordnet, dass und welche sachverständigen Kriterien beizuziehen sind und welches konkret determinierte Verfahren dabei Anwendung findet. Der Begriff „technische Möglichkeiten“ könnte auch für sich allein deswegen nicht hinreichend aussagekräftig sein, weil es auf den Standpunkt ankommt, unter dem die „technischen Möglichkeiten“ betrachtet werden, ob es sich dabei zB um Entwicklungen handelt, die gerade in Österreich möglich sind oder ob dabei auch die Machbarkeit zu berücksichtigen ist.

C.  Amtssignatur Die in § 44 Abs 4 geforderte Darstellung der Amtssignatur dokumen- 8 tiert die Urheberschaft der Behörde. Nach § 19 Abs 1 E-GovG ist die Amtssignatur eine fortgeschrittene elektronische Signatur im Sinn des Signaturgesetzes, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat ausgewiesen wird. Nach den EB zu BGBl I 2008/7 (290 Blg 23. GP, 6) ist für die Darstellung der Amtssignatur zwingend „nur noch eine Bildmarke, die der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs als die seine im Internet veröffentlicht hat, und ein Hinweis, dass das Dokument amtssigniert wurde, nötig. Während die Bildmarke zur leichteren Erkennbarkeit der Herkunft des Dokumentes 617

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dient, bildet der zusätzliche Hinweis vor allem im Fall des Ausdrucks des amtssignierten Dokuments ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu Papierausfertigungen, die auf andere Art  und Weise gefertigt wurden. Die Anforderung des Hinweises wird etwa schon dadurch erfüllt, dass am Schluss des Dokuments das Wort ‚amtssigniert‘ angefügt wird. Es sei darauf hingewiesen, dass dies auch der barrierefreien Gestaltung dient, für welche die bloße Darstellung der Bildmarke nicht förderlich wäre“. 9 §  18 Abs  3 zweiter Halbsatz AVG sieht anstelle der Unterschrift die Möglichkeit eines Verfahrens zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Inhalts der Erledigung vor, wenn die Erledigung elektronisch erstellt wurde. Zu diesem Zweck kann auch eine Amtssignatur verwendet werden, was den Vorteil hat, dass elektronische Ausfertigungen diese ebenfalls enthalten und Papierausfertigungen keiner Unterschrift oder Beglaubigung mehr bedürfen. (Gemäß § 82a AVG idF BGBl I 2008/5 bedurften schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Erledigungen und schriftliche Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten bis zum Ablauf des 31.12.2010 keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur). 10 Im Bereich des elektronischen Aktes tritt die in diesem vorgenommene Genehmigung an die Stelle der Unterschrift auf einer papierenen Urschrift. Auch auf diese Weise bleibt einerseits die Zurechenbarkeit der Erledigung zu einer bestimmten natürlichen Person gewahrt und es ist andererseits sichergestellt, dass der Inhalt des behördlichen Akts (hier: Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen) vom Willen des Or­ ganwalters getragen ist. Einer (weiteren) physischen Unterschrift des Genehmigenden auf einem dafür herzustellenden Ausdruck bedarf es in diesem Fall nicht. Dies auch dann nicht, wenn zur Vorlage an Gerichte oder Behörden wegen der (noch) fehlenden Möglichkeit einer unmittelbaren Vorlage eines elektronischen Akts aus diesem ein Ausdruck angefertigt wird (vgl auch VwGH 10.9.2015, Ra 2015/09/0043). 11 Dass die (korrekte) Anbringung der Bildmarke ein Gültigkeitserfordernis der Erledigung sein soll, wird damit nicht zum Ausdruck gebracht. Dementsprechend hat der VwGH im Anschluss an die Entscheidung vom 25.11.2015, Ra 2015/16/0102, auch bereits ausgesprochen, dass es etwa ausreicht, wenn sich die Bildmarke zwar nicht am Ende, aber auf der ersten Seite des Erkenntnisses findet und dabei – 618

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anders als das veröffentlichte Original – nicht in Farbe, sondern in schwarz-weiß gehalten ist (vgl VwGH vom 27.1.2016, Ra 2015/03/0068). Gleiches gilt, wenn eine Stelle mehrere – jeweils iSd § 19 Abs 3 E-GovG gesichert veröffentlichte – Bildmarken verwendet, sofern auch bezüglich der einen im konkreten Fall verwendeten Bildmarke eine Rückführung bzw Verifizierung iSd § 20 E-GovG sichergestellt ist (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/03/0017). Enthalten die den Parteien zugestellten Ausfertigungen keine Bildmarke iSd § 19 E-GovG, liegt kein Ausdruck eines elektronischen Dokuments mit Amtssignatur vor (VwGH 25.11.2015, Ra 2015/16/0102).

III.  Bestätigungen als Auszüge UE kommt den Auszügen aus dem ZSR – ähnlich wie zB Auszügen 12 aus dem Gewerberegister (vgl VwGH 16.12.2015, Ra 2015/04/0062; VwSlg 16.721 A/2005) – nicht Bescheidqualität zu. Gemäß § 44 Abs 1 iVm §  43 handelt es sich bei einer Bestätigung um einen Auszug aus dem ZSR, der von der Behörde (§ 41) auszustellen ist. Mangels normativen Charakters einer derartigen Beurkundung handelt es sich dabei nicht um einen Bescheid, sondern uE um eine amtliche Bescheinigung. Diese Bescheinigung hat uE bloß deklaratorische Wirkung und stellt eine mit öffentlichem Glauben ausgestattete öffentliche Urkunde dar.

IV.  Förmlicher Staatsbürgerschaftsnachweis Gemäß § 44 Abs 2 handelt es sich bei einem Staatsbürgerschaftsnach- 13 weis lediglich um die Bestätigung, dass eine bestimmte Person die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, und nicht um die Verleihung oder Feststellung des Bestehens derselben (vgl aber auch §  57 Abs  1 Satz 2 und § 64a Abs 19). Auch die gem § 53 Z 4 von der österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland erfolgte Mitteilung an die Evidenzstelle ist kein Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft, sondern eine bloße Mitteilung über die von der österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ausgestellte Bestätigung (vgl VwGH 22.3.2000, 99/01/0338). Der Staatsbürgerschaftsnachweis ist lediglich eine beurkundende Bescheinigung. Seine Ausfolgung ersetzt nicht einen fehlenden Erwerbstitel (VwGH 28.4.1982, 81/01/0046). 619

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14 Aufgrund des (ersatzlosen) Entfalls des § 45 durch die Novelle BGBl I 2013/16 ist uE nach der geltenden Rechtslage unklar, wie vorzugehen ist, wenn zB eine österreichische Vertretungsbehörde im Ausland aufgrund einer Adoptionsurkunde unrichtige staatsbürgerschaftsrechtliche Verhältnisse beurkundet (in dem sie etwa einen Staatsbürgerschaftsnachweis an ein uneheliches Kind ausstellt). Bis 1.11.2013 setzte in einem solchen Fall – allenfalls über Ersuchen der (hierüber informierten) zuständigen Landesregierung – die zuständige Botschaft den Betroffenen über den Nichterwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft in Kenntnis und konnte – durch Aufforderung gemäß § 45 – den für ihn zu Unrecht ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweis einziehen, indem sie auftrug, diesen Nachweis unverzüglich der österreichischen Botschaft vorzulegen. Zwar entfaltet ein Staatsbürgerschaftsnachweis keine Bindungswirkung dahingehend, dass damit über die Zuerkennung oder das Bestehen der Staatsbürgerschaft eine Aussage getroffen worden wäre (vgl VfGH 23.6.1999, B 257/99), und folglich bedeutet der Entzug eines Staatsbürgerschaftsnachweises auch nicht (zwingend) den Verlust der Staatsbürgerschaft; allerdings besteht uE nunmehr (durch den Wegfall der Entzugsmöglichkeit nach § 45) kein effizientes Mittel zur Vermeidung von Missbrauch unrichtiger Staatsbürgerschaftsnachweise (vgl aber oben Rz 4).

V.  Datenfernverkehr 15 Aus dem Grundsatz, dass ein Identitätsnachweis nur dort verlangt werden darf, wo die Kenntnis der Identität eines Anbringers notwendig ist, ergibt sich, dass beim online-Zugang zu öffentlichen Registern der Einsatz der Bürgerkarte grundsätzlich nicht erforderlich sein kann [EB zu § 4 E-GovG (252 der Beilagen XXII. GP)]. Das ZSR ist – im Unterschied zum ZPR (vgl § 44 Abs 2 PStG 2013) – kein öffentliches Register; folglich sieht § 44 Abs 3 als geeignetes Mittel das Erfordernis der Bürgerkarte zum elektronischen Nachweis von Nämlichkeit und Echtheit vor. Wenn sich eine Person an die Behörde wegen Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises wendet, ist die Kenntnis ihrer Identität für die Behörde wesentlich. Die bloße Identitätsbestimmung wäre hierfür nicht ausreichend – es muss vielmehr auch die Authentizität des elektronisch gestellten Anbringens geprüft werden, das heißt, ob die Person, die hinter dem Anbringen steht, tatsächlich jene ist, die sie zu 620

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sein behauptet. Bei persönlichem Erscheinen vor der Behörde wird dies zB durch Vorlage eines Lichtbildausweises geprüft; bei schriftlichen Anbringen übernimmt diese Funktion traditionellerweise die eigenhändige Unterschrift; bei elektronischen Kommunikationen erbringt die sichere elektronische Signatur den Nachweis der Authentizität. Die als „Bürgerkarte“ bezeichnete Funktionalität ist nicht an eine be- 16 stimmte Chip-Karte als Trägermedium gebunden; diese Funktionalität kann vielmehr mit allen Trägermedien verbunden werden, die für eine sichere elektronische Signatur in Frage kommen. Eine wichtige Rolle können in diesem Zusammenhang etwa Mobiltelefone spielen, da das Verfahren ihrer Anmeldung und ihre technische Funktionsweise genügend Parallelen zur Verfahrensweise bei Erwerb einer Signatur auf Chipkarte aufweisen, um nutzbar gemacht werden zu können. Die EB (252 der Beilagen XXII. GP) betonen zudem, „dass eine Umsetzung der Bürgerkartenfunktion in technisch zusammenhängender Form (auf einund demselben Trägermedium) nicht erforderlich ist, es muss nur der logische Zusammenhang in sicherer Form gegeben sein“. § 44 Abs 3 verweist beim Datenfernverkehr nicht nur auf § 4 E-GovG, 17 sondern auch auf die damit im Zusammenhang stehenden Vorschriften des E-GovG. Wird der Antrag auf Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises nicht persönlich, sondern durch den gesetzlichen Vertreter gestellt, sieht § 5 Abs 1 E-GovG vor, dass durch das elektronische Signieren einer Vollmachtserteilung im Rahmen der Bürgerkartenfunktion in der Bürgerkarte des Bevollmächtigten die Stammzahl des Vollmachtgebers der Stammzahl des Bevollmächtigten für das Vertretungsverhältnis zugeordnet wird. Die Eintragung des notwendigen Hinweises auf die Vollmachtserteilung in der Bürgerkarte wird von der Stammzahlregisterbehörde (= Datenschutzkommission gemäß §  7 Abs 1 E-GovG) oder von ihr beauftragten Stellen vorgenommen. Die Berechtigung zur Empfangnahme von Dokumenten gemäß § 35 Abs 3 Satz 2 des Zustellgesetzes muss gesondert eingetragen werden. In der Bürgerkarte erfolgt die eindeutige Identifikation von Betroffe- 18 nen durch ihre Stammzahl; für die Bildung der Stammzahl ist nur das Faktum der Eintragung im ZMR entscheidend. Für natürliche Personen, die im ZMR eingetragen sind, wird die Stammzahl durch eine mit starker Verschlüsselung gesicherte Ableitung aus ihrer ZMR-Zahl (§ 16 Abs 1 Meldegesetz) gebildet. Für alle anderen natürlichen Personen ist ihre Ordnungsnummer im Ergänzungsregister (§ 6 Abs 4 E-GovG) für 621

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die Ableitung der Stammzahl heranzuziehen. Die Benützung der ZMR-Zahl zur Bildung der Stammzahl ist keine Verwendung von Daten des Zentralen Melderegisters iSd § 16a Meldegesetz. Gemäß § 16a Abs 4 Meldegesetz ist der BMI ermächtigt, Organen von Gemeinden und Gemeindeverbänden auf deren Verlangen eine Abfrage im Zentralen Melderegister in der Weise zu eröffnen, dass sie, soweit dies zur Verarbeitung im ZSR erforderlich ist, den Gesamtdatensatz bestimmter Menschen im Datenfernverkehr ermitteln können (vgl auch §§  12 ff Bildungsdokumentationsverordnung). 19 Um der Forderung nach entsprechenden datenschutzrechtlichen Garantien gerecht zu werden, sollen nach den EB zu § 8 E-GovG (252 der Beilagen XXII. GP) im österreichischen E-Government-Konzept keine einheitlichen, flächendeckend geltenden Personenkennzeichen verwendet werden. Im Einsatzbereich der Bürgerkarte kommen in den einzelnen Bereichen staatlicher Tätigkeit unterschiedliche Personenkennzeichen zum Einsatz, die aus der Stammzahl des Betroffenen, soweit es sich um natürliche Personen handelt, abgeleitet werden. Bei diesen Ableitungen handelt es sich um kryptographische Einwegableitungen, also nicht-umkehrbare Ableitungen: Aus einer Stammzahl können zwar alle Ableitungen errechnet werden, nicht aber aus einer Ableitung die Stammzahl und auch nicht aus einer Ableitung die Ableitung für einen anderen Bereich. Dass nicht überhaupt beliebige unterschiedliche Personenkennzeichen verwendet werden, hat seinen Grund darin, dass in ganz bestimmten, gesetzlich geregelten Situationen Daten über dieselbe Person aus verschiedenen Bereichen zusammengeführt werden müssen: Es muss nach wie vor möglich sein, bei Vorliegen der gesetzlichen – insbesondere datenschutzrechtlichen – Voraussetzungen, Amtshilfe zu leisten. 20 Auf Papier ausgedruckte elektronische Dokumente einer Behörde haben laut den EB zu §  20 E-GovG (290 der Beilagen XXIII. GP) die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde, wenn das dem Ausdruck zugrundeliegende elektronische Dokument mit einer Amtssignatur versehen wurde – dies gilt klarerweise auch für eine Kopie des Ausdrucks. Bis zur Novelle BGBl I 2008/7 idF BGBl I 2008/59 war die „Vermutung der Echtheit“ davon abhängig, ob zusätzlich die Prüfbarkeit der Signatur auch in der ausgedruckten Form durch Rückführbarkeit in das elektronische Dokument gegeben war. Diese Voraussetzung, um als öffentliche Urkunde anerkannt zu sein, stieß in der Praxis immer wieder auf Unklarheiten sowie Unstimmigkeiten und entfiel deshalb. Ferner 622

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muss die Amtssignatur durch Rückführung des Dokuments aus der ausgedruckten in die elektronische Form prüfbar oder das Dokument muss durch andere Vorkehrungen der Behörde verifizierbar sein. Die Verifizierung eröffnet mehr Möglichkeiten zur Feststellung der Echtheit des Dokuments als die Prüfung durch Rückführung. So könnten etwa die Erledigungen online über ein Archiv abrufbar gemacht werden. Freilich müsste durch besondere Vorkehrungen gewährleistet werden, dass die so elektronisch bereitgestellten Daten hinreichend gesichert (verschlüsselt) gespeichert und nur berechtigten Personen oder Stellen zur Verfügung gestellt werden. Eine Möglichkeit bestünde etwa in dem Erfordernis, den Zugang zu einem bestimmten Dokument nur nach Identifikation mit Hilfe einer Bürgerkarte zu ermöglichen. Verifizierung kann aber beispielsweise auch durch Angabe einer Telefonnummer gegeben sein, sofern diese Maßnahme, etwa durch Nachfrage bei der ausstellenden Behörde, die Feststellung ermöglicht, dass dieses Dokument die von der Behörde ausgestellte öffentliche Urkunde darstellt.

§ 46. (1) Die Form der gemäß §§ 23 Abs. 1, 28 Abs. 5, 30 Abs. 1, 38 Abs. 3, 44 und 58c Abs. 2 auszufertigenden Urkunden wird durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Hiebei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß diese Urkunden ein zweckentsprechendes Ausmaß und ein ihrer Bedeutung angemessenes Aussehen erhalten und daß ihre Nachmachung oder Verfälschung nach Möglichkeit verhindert wird. (2) Der Bundesminister für Inneres kann im Interesse der einheitlichen Ausgestaltung der im Abs. 1 genannten Urkunden und zur Verhinderung ihrer Nachmachung oder Verfälschung anordnen, daß für die Ausfertigung dieser Urkunden nur solche Vordrucke verwendet werden dürfen, die in den vom Bundesminister für Inneres bestimmten Druckereien hergestellt worden sind. [idF BGBl I 2009/122] EB zu BGBl 250/1965 Die Bescheinigungen über den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung (§ 10 Abs. 3), weiters die Verleihungsbescheide (§ 23 Abs. 1), die Beibehaltungsbescheide (§  28 Abs. 4), ferner die Bescheinigungen über das Ausscheiden aus dem österreichischen Staatsverband (§  30 Abs. 1), die über den Staatsbürgerschaftsverzicht erlassenen Feststellungsbescheide (§  38 Abs. 3) und schließlich

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die Staatsbürgerschaftsnachweise (§ 44) stellen für die Inhaber und in deren Verhältnis zu in- und ausländischen Behörden überaus wichtige Dokumente dar. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht daher zur Wahrung ihrer Bedeutung sowie im Interesse der Rechtssicherheit und Einheitlichkeit vor, daß die Form dieser Urkunden vom Bundesministerium für Inneres bestimmt wird. In Verfolg desselben Zweckes kann dieses hiebei auch anordnen, daß für die Ausfertigung der in Rede stehenden Urkunden nur die in bestimmten Druckereien hergestellten Vordrucke verwendet werden dürfen. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 37 (§ 46 Abs. 1 erster Satz): Die Änderung in der Aufzählung der Urkunden, deren Form durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt werden soll (Entfall des „§  9 Abs. 3“ und Einfügung des „§  25 Abs. 3“ und „§  58c Abs. 2“ im §  46 Abs. 1 erster Satz StbG 1965 entspricht der Rechtslage, wie sie durch den Gesetzentwurf geschaffen werden soll. Zu Art. I Z 38 (§ 46 Abs. 2): Die pleonastische Ausdrucksform „ausschließlich nur“ im derzeitigen Gesetzestext soll aus sprachlichen Gründen durch Entfall des Wortes „ausschließlich“ beseitigt werden. Ansonsten siehe die Erläuterung zu Art. I Z 26 (§ 35). Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 2 A. Nachmachung und Verfälschung........................................................ 2 B. Vordrucke................................................................................................. 5 III. Verordnungsermächtigung........................................................................ 8 Schrifttum zu § 46: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Seit dem StbG 1965 ist in § 46 eine Verordnungsermächtigung des BMI betreffend die Urkundenform von Bescheiden und Bestätigungen normiert. Diese Ermächtigung bezweckt – zur Rechtssicherheit – das Hintanhalten von widerrechtlichen Nachahmungen und Veränderungen der Urkunden. § 46 idgF [durch BGBl I 2009/122 wurde § 25 Abs 3 (Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung der Ehefrau bzw Kinder eines Universitäts- bzw Hochschulprofessors) in der Aufzählung 624

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des §  46 Abs  1 gestrichen] ermächtigt insbesondere zur näheren Bestimmung von Ausmaß (Format) und Aussehen. Dementsprechend enthält die StbV in Anlage 1 bis 8a Muster für Bescheide über die Verleihung der Staatsbürgerschaft ohne Erstreckung der Verleihung (§ 23 Abs 1), Bescheide über die Verleihung der Staatsbürgerschaft mit Erstreckung der Verleihung (§ 23 Abs 1), Bescheide, mit dem einem Staatsbürger für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt wird (§ 28), Bestätigungen über das Ausscheiden aus dem österreichischen Staatsverband im Falle des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit (§  30 Abs  1), Bescheide über den Verlust der Staatsbürgerschaft infolge Verzichtes (§  38 Abs  3), Staatsbürgerschaftsnachweis (§ 44), Bescheide über den Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige (§ 58c Abs 2) und Bescheide über den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige, sofern nicht ein anderes Bescheidmuster gemäß dieser Verordnung anwendbar ist.

II.  Begriffe A.  Nachmachung und Verfälschung Bei den Tatbeständen der Verfälschung und Nachmachung handelt es 2 sich um eine Manipulation an der Urkunde. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen durch die Muster nachmachungs- bzw fälschungssichere Urkunden hergestellt und verwendet werden. Widerrechtlich ist eine Nachmachung bzw Verfälschung, wenn sie ohne Wissen und Willen der Behörde erfolgt und somit nicht „legalisiert“ ist. Das StbG enthält – soweit die Verfälschung und Nachmachung von im StbG erwähnten Urkunden in Betracht kommt – keinen Sondertatbestand gegenüber dem allgemeinen Tatbestand des § 224 StGB. § 63c bezieht sich nur auf die Erschleichung (durch wissentlich falsche Angaben) von Urkunden. Die Fälschung inländischer öffentlicher Urkunden ist gemäß §  224 3 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren sanktioniert (vgl auch § 227 StGB betreffend die Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Urkunden). Verfälscht im strafrechtlichen Sinn wird eine echte Urkunde, wenn der Täter ihren gedanklichen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme der jetzige Inhalt vom Aussteller. Maßgebend für die Verfälschung einer Urkunde sind daher im 625

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Regelfall die vorsätzliche Änderung des gedanklichen Inhalts und die Verschleierung der Identität des Ausstellers durch die Inanspruchnahme des Ausstelleranscheins. Ob die inhaltliche Änderung wesentlich ist oder nicht oder ob damit entgegen einem unrichtigen (oder unrichtig gewordenen) Urkundeninhalt Wahres beurkundet werden soll, bleibt unerheblich (RS0095494). Hiervon zu unterscheiden ist die Herstellung echter Urkunden mit unwahrem Inhalt, die sogenannte Falschbeurkundung (bei entsprechendem Vorsatz kommt aber § 293 StGB in Betracht). 4 Eine unbeglaubigte Fotokopie einer Urkunde fällt nicht unter § 74 Z 7 StGB. Die Verfälschung einer derartigen Fotokopie ist keine Urkundenfälschung nach §  223 StGB (RS0093198). Hingegen sind Durchschriften (Zweischriften) Exemplare ein- und derselben schriftlichen Erklärung und mithin ebenfalls Urkunden, sofern der Aussteller erkennbar ist, wofür genügt, dass der Aussteller im Kopf des Schreibens genannt wird (OGH 17.5.1983, 12 Os 121/82). Die Verfälschung der mittels Einscannen der Urkunde angefertigten Kopie durch den Einsatz eines digitalen Zeichenprogramms lässt an eine Strafbarkeitslücke denken (OGH 26.8.2014, 11 Os 59/14g).

B.  Vordrucke 5 § 46 Abs 2 ermächtigt den BMI zur Verhinderung von Manipulationen an den Urkunden, anzuordnen, dass nur solche Vordrucke verwendet werden dürfen, die in den vom BMI bestimmten Druckereien hergestellt worden sind. Eine vergleichbare Anordnung enthält § 53 Abs 3 Zollrechts-Durchführungsgesetz betreffend österreichische Präferenznachweise. IZm Anlage 2 der StbV ändert uE die Zusammenfassung mehrerer Bescheide auf einem Vordruck nichts daran, dass jeder einzelne der solcherart zusammengefassten Bescheide (auf Verleihung bzw auf Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft) selbständig im Rechtsmittelweg anfechtbar ist und unabhängig von den anderen selbständig in Rechtskraft erwachsen kann (vgl auch VwGH 12.2.1975, 1930/74). 6 Fraglich scheint der rechtliche Charakter einer „Anordnung“ des BMI nach § 46 Abs 2 zu sein. Der Begriff der Anordnung ist weder in Art 20 Abs 1 B-VG noch in § 46 definiert, sondern begrifflich vorausgesetzt. Sollte unter einer Anordnung eine von einem Verwaltungsorgan (BMI) erlassene normative „Weisung“ (Auftrag) an ein nachgeordnetes Organ 626

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(Landesregierung, Gemeinden) verstanden werden können, wäre – organisatorisch gesehen – § 46 Abs 2 verfassungsrechtlich bedenklich. Gegenstand der Anordnung ist nach dem Wortlaut des § 46 Abs 2 offenkundig das Verhalten eines nachgeordneten Organs; dementsprechend ordnet der BMI – offenbar in Umsetzung des § 46 Abs 2 – in § 8 Abs 1 und 2 StbV ein bestimmtes Tun bzw Unterlassen an. Im Unterschied zu vergleichbaren Regelungen in anderen Vorschriften 7 legt nicht das Gesetz fest, dass amtliche Vordrucke zu verwenden sind, wenn sie vorgesehen sind. Es liegt vielmehr im Ermessen des BMI, ob und wie er von der „Anordnungsermächtigung“ iSd §  46 Abs  2 Gebrauch macht. Bedenklich (iSd Bundesvergabegesetzes 2006) erscheint uE in diesem Zusammenhang auch der Umfang der Anordnungsbefugnis; dieser umfasst nicht nur die Verwendung bestimmter Vordrucke (siehe Anlagen zur StbV), sondern auch den Vorbehalt der Herstellung dieser Vordrucke in vom BMI „bestimmten“ Druckereien.

III.  Verordnungsermächtigung § 46 ermächtigt dem klaren Wortlaut nach die Erlassung von Gestal- 8 tungsvorschriften für die nach den „§§ 23 Abs 1, 28 Abs 5, 30 Abs 1, 38 Abs 3, 44 und 58c Abs 2 auszufertigenden Urkunden“. Demgegenüber legen die Anlagen 1 bis 3, 5, 8 und 8a der StbV Muster für Bescheide fest, obwohl § 8 Abs 1 StbV in diesem Zusammenhang von „staatsbürgerschaftsrechtlichen Urkunden“ spricht. UE stellt sich daher die Frage, ob die Bescheidmuster in den Anlagen zur StbV ihre gesetzliche Grundlage in der Verordnungsermächtigung des § 46 haben. Der Begriff „Urkunde“ iSd § 46 ist uE so auszulegen, dass es sich dabei um eine vom Gesetz mit öffentlichem Glauben ausgestattete öffentliche Bescheinigung über eine Angelegenheit der Staatsbürgerschaft handelt. Mangels im StbG verankerten Grundsätzen und Zielen kommt uE dem Verordnungsgeber auch kein Gestaltungsspielraum zu, weshalb die Anlagen 1 bis 3, 5, 8 und 8a der StbV im Lichte des Art 18 Abs 2 B-VG gesetzwidrig sein könnten. Die Bescheidmuster in den Anlagen zur StbV entsprechen nicht den 9 gesetzlichen Vorgaben über den Inhalt von Bescheiden (vgl §§  58 ff AVG). Allerdings ist nach der Judikatur des VfGH dem einfachen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der „Prozessform“ (VwSlg 9458 A/1977) Bescheid ein gewisser Gestaltungsspielraum eingeräumt 627

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(VfSlg 11.590/1987). Der Bescheidbegriff des B-VG selbst enthält nämlich keine bestimmten für den einfachen Gesetzgeber unabdingbaren Formmerkmale, „geschweige denn, dass er sich auf die historisch überkommenen, vom AVG oder anderen Verfahrensgesetzen geforderten Formkriterien reduzieren lässt“ (VfSlg 11.590/1987). Folglich entsprechen uE die Muster der Anlagen 1 bis 3, 5, 8 und 8a der StbV dem Bescheidbegriff iSd Art 144 B-VG; an einer Gesetzwidrigkeit dieser Anlagen ändert aber die Bescheidqualität uE nichts.

§  47. (1) Gemeinden, die zu einem Standesamtsverband vereinigt sind (§ 5 des Personenstandsgesetzes 2013 – PStG 2013, BGBl. I Nr. 16/2013)), bilden kraft Gesetzes zur Durchführung der in den §§ 41, 49 bis 52 und 53 Z 5 genannten Aufgaben einen Gemeindeverband. (2) Sitz des Gemeindeverbandes ist jene Gemeinde, in der der Standesamtsverband seinen Sitz hat. (3) Der Gemeindeverband führt die Bezeichnung „Staatsbürgerschaftsverband“; ihr ist jener Zusatz beizufügen, mit dem auch der Standesamtsverband näher bezeichnet wird. (4) Ein Staatsbürgerschaftsverband kann im Rahmen eines Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbandes gemäß § 5 Abs. 5 PStG 2013 geführt werden. [idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl 250/1965 Zu Abs. 1: Nach § 52 Abs. 1 des Personenstandsgesetzes vom 3. November 1937 bildet grundsätzlich jede Gemeinde einen Standesamtsbezirk. Doch kann nach Abs. 2 die „höhere Verwaltungsbehörde“, also heute der Landeshauptmann, für mehrere Gemeinden den Auftrag einer von ihnen erteilen oder eine Gemeinde in mehrere Standesamtsbezirke aufteilen. Auf Grund dieser letzten Bestimmung bestehen heute 1507 Standesamtsbezirke (bei 3987 Gemeinden). Im Teil A der gegenständlichen Erläuternden Bemerkungen wurde bereits festgehalten, daß der überwiegende Teil der Landesregierungen und der Österreichische Gemeindebund dafür eingetreten sind, bei kleineren Gemeinden den Standesbeamten die Ausstellung der Staatsbürgerschaftsbescheinigungen und die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz zu übertragen. Dieses Ziel kann, wie gleichfalls dort ausgeführt wurde, in der Praxis dadurch erreicht werden, daß die Gemeinden eines Standesamtsbezirkes stets auch zur Besorgung der ihnen nach dem geplanten Staatsbürgerschaftsgesetz kraft Gesetzes zu einem Gemeindeverband zusammengeschlossen sind. Da jedoch im Durchschnitt auf jeden Standesamtsbezirk nicht einmal drei Gemeinden fallen, wird es nach Ansicht der Bun-

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desregierung zur Schaffung leistungsfähiger Verbände notwendig sein, von der durch den erwähnten § 52 Abs. 2 des Personenstandsgesetzes gegebenen Möglichkeit, Gemeinden zu Standesamtsbezirken zusammenzuschließen, in Hinkunft verstärkten Gebrauch zu machen. EB zu BGBl 386/1986 Das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 ordnet in dem durch Art. I Z  15 der Novelle zum Bundes-Verfassungsgesetz, BGBI. Nr. 490/1984, eingefügten Art. 116 a Abs. 4 an, daß die Organisation der Gemeindeverbände durch die Landesgesetzgebung zu regeln sei. Für die Besorgung bestimmter Aufgaben auf dem Gebiet des Staatsbürgerschaftsrechts sind Gemeindeverbände eingerichtet. § 47 Abs. 1 sieht vor, daß die im Bereich des Personenstandsgesetzes, BGBI. Nr. 60/1983, eingerichteten Standesamtsverbände kraft Gesetzes Gemeindeverbände zur Durchführung bestimmter staatsbürgerschaftsrechtlicher Aufgaben bilden. § 47 Abs. 1 bedeutet keine inhaltliche Änderung, sondern stellt lediglich in seinem Wortlaut auf das Personenstandsgesetz ab. Die bisherigen Abs. 2 und 3 enthalten Organisationsvorschriften und haben deshalb zu entfallen. Das derzeit geltende Recht trifft keine ausdrückliche Aussage über den Sitz des Staatsbürgerschaftsverbandes. Wo sich der Verbandssitz befindet, soll nun ausdrücklich festgelegt werden. Sitz des Staatsbürgerschaftsverbandes soll – wie im Regelfall auch schon bisher – stets jene Gemeinde sein, in der auch der Standesamtsverband seinen Sitz hat. Abs. 3 regelt – wie bisher Abs. 4 – die Bezeichnung des Gemeindeverbandes. Da der Staatsbürgerschaftsverband auch sonst an die Einrichtung des Standesamtsverbandes anknüpft, soll sichergestellt werden, daß die beiden Verbände auch in ihrer Bezeichnung stets übereinstimmen. EB zu BGBl I 16/2013 Abs. 4 dient nicht nur der Verwaltungsvereinfachung, sondern auch der Kostenersparnis, da nunmehr eine „parallele“ Führung der Verbände mit dem entsprechenden administrativ-organisatorischen Aufwand vermieden werden soll. Der Paragraphenverweis in Abs. 1 wird angepasst. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 3 A. Standesamtsverband............................................................................... 3 B. Staatsbürgerschaftsverband.................................................................. 5 III. Aufgaben der Gemeindeverbände.............................................................. 6 Schrifttum zu § 47: Pesendorfer, Die Einführung des zentralen Personenstandsregisters und des zentralen Staatsbürgerschaftsregisters. Ergänzendes aus familienrechtlicher Sicht

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zum Erlass des BMJ, iFamZ  2014, 284; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Bis zur Novelle BGBl I 2013/16 wurden Staatsbürgerschaftsdaten über lokale Verarbeitungen (Buchform und elektronisch) geführt und Mitteilungen zwischen den Behörden in Papierform versandt. Durch die mangelnde technische Vernetzung der Behörden war dies weder zeitgemäß noch bürgerfreundlich bzw serviceorientiert. Der Gesetzgeber erkannte, dass dies zu einem im Lichte der technischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts nicht mehr notwendigen Verwaltungsaufwand führte, zumal damit auch eine nicht mehr notwendige Verlangsamung des Informationsflusses zwischen Bürger und Behörden bestand. 2 Mit BGBl I 2013/16 wurden nicht nur die Rechtsgrundlagen für ein ZPR und ein ZSR geschaffen, sondern zugleich auch die damit zusammenhängenden organisatorischen Rahmenbedingungen an die Anforderungen an eine moderne und effizientere Verwaltung angepasst. Wie die §§ 56a ff dient auch § 47 der Reduktion von Verwaltungsaufwand und der Effizienzsteigerung im staatsbürgerschaftsrechtlichen Bereich. Die damit einhergehende Vereinfachung des Behördenzugangs und die Vermeidung von Behördenwegen haben auch finanzielle (budgetentlastende) Auswirkungen.

II.  Begriffe A.  Standesamtsverband 3 § 5 PStG 2013 sieht die Möglichkeit einer Gemeindeverbandsbildung (= „Zwangsverbände“ nach Art 116a Abs 2 B-VG) vor, die sich in ihrer Entstehung vom freiwilligen Zusammenschluss der Gemeinden nach Art 116a Abs 1 B-VG unterscheidet. Ein Standesamtsverband nach § 5 Abs 1 PStG 2013 und ein Staatsbürgerschaftsverband nach § 47 Abs 1 und 3 können im Rahmen eines zusammengeschlossenen Standesamtsund Staatsbürgerschaftsverbandes geführt werden. Dieser führt die Bezeichnung Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverband unter Hinweis auf seinen Sitz (vgl § 47 Abs 2). 4 Mit der Einführung des ZPR und ZSR wird das Naheverhältnis dieser Materien im Vollzug weiter gestärkt und auch rechtlich noch mehr be630

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rücksichtigt, dass die Personenstands- und Staatsbürgerschaftsbehörden auf Gemeindeebene idR nicht nur dieselben Organe haben, sondern – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch die Staatsbürgerschaftsevidenzen (§§ 49 ff) von denselben Bediensteten geführt werden, die auch am Standesamt tätig sind. In diesem Lichte ist auch die Möglichkeit zu sehen, Standesamtsverbände und Staatsbürgerschaftsverbände im Rahmen eines zusammengeschlossenen Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbandes zu führen. Ein solcher Zusammenschluss soll der Verwaltungsvereinfachung und auch der Kostenersparnis dienen, weil damit Doppelgleisigkeiten bei Sitzungen sowie bei der Erstellung von Voranschlägen und Rechnungsabschlüssen eingespart werden können. Technisch umzusetzen ist der Zusammenschluss jedenfalls durch eine Verordnung des LH (Abs  1), die allenfalls durch eine gleichlaufende organisationsrechtliche Verordnung der Landesregierung kompetenzrechtlich abgesichert werden kann [vgl zB Umsetzung in NÖ durch LGBl 4250/1-16 (NÖ Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbands-Verordnung 2015 des LH) und LGBl 1620/1-3 (organisationsrechtliche Verordnung der Landesregierung über die Geschäftsordnung der Standesamts- und Staatsbürgerschaftsverbände)].

B.  Staatsbürgerschaftsverband Werden Gemeinden zu einem Standesamtsverband vereinigt, so bilden 5 sie ex lege einen Gemeindeverband (§ 47 Abs 1) mit der Bezeichnung „Staatsbürgerschaftsverband“ samt einem den Standesamtsverband konkretisierenden Zusatz (§ 47 Abs 3). Nach der Rechtsprechung des VfGH enthält die Bundesverfassung zwar eine Bestandsgarantie für die Gemeinde als Institution (vgl Art 116 Abs 1 B-VG). Das schließt nicht aus, dass der Gesetzgeber funktionale Verflechtungen wie im Fall des § 47 anordnet, weil dadurch ohne Gefährdung der Funktion von Gemeinden der Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit von Strukturänderungsmaßnahmen entsprochen wird. Art 116a Abs 2 B-VG ermächtigt demgemäß den Gesetzgeber zur Bildung derartiger Gemeindeverbände ausdrücklich.

III.  Aufgaben der Gemeindeverbände § 47 überträgt durch den Verweis auf die §§ 41, 49 bis 52 und 53 Z 5 nur 6 bestimmte Aufgaben auf Gemeindeverbände. Diese Verbände sind 631

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folglich für die Ausstellung von staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestätigungen bzw Entscheidungen hierüber (§ 41 Abs 1) und die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz (§ 49) nach Maßgabe der §§ 50 bis 52 und 53 Z 5 (betreffend Mitteilung der Legitimation, der Änderung oder Berichtigung des Familiennamens, des Ablebens eines Staatsbürgers und eines durchbrechenden Vaterschaftserkenntnis) zuständig. Darüber hinaus besteht – auch wenn hierauf in § 47 Abs 1 nicht verwiesen wird – eine (subsidiäre) Mitteilungspflicht von Gemeindeverbänden nach § 55 und eine Auskunftspflicht nach § 56.

§ 48. (1) Die Gemeinden (Gemeindeverbände) haben die Kosten, die ihnen aus der Durchführung der ihnen nach diesem Bundesgesetz obliegenden Aufgaben erwachsen, selbst zu tragen. Das Land hat jedoch den Gemeinden (Gemeindeverbänden) jene Kosten zu ersetzen, die ihnen aus der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz (§ 49) erwachsen. (2) Der Kostenersatz nach Abs. 1 hat jährlich in Bauschbeträgen zu erfolgen. Diese sind durch Verordnung der Landesregierung für jedes begonnene Hundert der in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichneten Personen festzusetzen. Für die Berechnung des Kostenersatzes ist die Anzahl der Personen maßgebend, die am Ende des jeweiligen Rechnungsjahres in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichnet waren. (3) Die Gemeinden (Gemeindeverbände) haben den Anspruch auf Ersatz der Kosten binnen drei Monaten nach Ablauf des Rechnungsjahres bei sonstigem Verlust bei der Landesregierung geltend zu machen. (4) Über Streitigkeiten, die sich auf Ersatzansprüche nach Abs. 1 beziehen, entscheidet die Landesregierung. [idF BGBl 1986/386] EB zu BGBl 250/1965 Die Regelung der Kostenfrage wurde dem §  12 des Wählerevidenzgesetzes, BGBl. Nr. 243/1960, nachgebildet. Da es sich jedoch bei der Ausstellung der Staatsbürgerschaftsbescheinigungen und der Führung der Staatsbürgerschafts­ evidenz um einen vom Land übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde handelt, soll nicht wie bei der Wählerevidenz der Bund, sondern das Land zum teilweisen Kostenersatz verpflichtet werden. Nicht ersatzfähig werden jedoch Kosten sein, die den Gemeinden (Gemeindeverbänden) auch dann erwachsen wären,

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wenn sie die genannten staatsbürgerschaftsrechtlichen Aufgaben nicht besorgen müßten. EB zu BGBl 394/1973 Die Feststellung der für die Berechnung des Kostenersatzes an die Gemeinden für deren Evidenzführung maßgeblichen Anzahl der in der Staatsbürgerschafts­ evidenz verzeichneten Personen soll nicht mehr wie bisher in der Mitte, sondern am Ende des jeweiligen Rechnungsjahres erfolgen. Dies deshalb, weil dieser Vorgang für die Gemeinden im Rahmen der sonstigen Abschlußarbeiten für das vergangene Kalenderjahr eine Vereinfachung darstellt. EB zu BGBl 386/1986 (§ 48 Abs. 4): Die Regelung über die Umlage der vom Staatsbürgerschaftsverband selbst zu tragenden Kosten auf die verbandsangehörigen Gemeinden (bisher §  47 Abs. 2 lit. b und Abs. 3) obliegt nunmehr, weil es sich hiebei um eine Angelegenheit der Verbandsorganisation handelt, dem Landesgesetzgeber. Bestimmungen über allfällige Rechtsmittel gegen Entscheidungen betreffend die Umlage sind daher vom Landesgesetzgeber zu erlassen. Die Bestimmung, wonach die Landesregierung über Berufungen der Gemeinden gegen Entscheidungen des Verbandsausschusses entscheidet, ist deshalb aus dem Gesetzestext zu eliminieren. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Bauschbeträge......................................................................................... 4 B. Streitigkeiten........................................................................................... 6 III. „Verjährung“................................................................................................ 7 Schrifttum zu § 48: Fuschlberger, Kostenersatz für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz, ÖGZ  1978, 46 ff; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 48 regelt die Kostenfrage. Mit Ausnahme der vom Land (pauschal) 1 zu tragenden Kosten für die „Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz“, worunter nicht nur die laufende Fortführung, sondern auch die erstmalige Einrichtung (bzw Umstellung) der Evidenz zu verstehen ist, tragen die Gemeinden (Gemeindeverbände) die Kosten für die Erfüllung der in § 47 Abs 1 aufgelisteten Aufgaben. Die Verwaltungsabgabengesetze 633

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der Länder (vgl auch § 78 Abs 3 AVG) enthalten dementsprechend Tarife für die Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen und sonstigen staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestätigungen (§  41) und andererseits für die Bekanntgabe von Mitteilungen und Erteilung von Auskünften (§ 53 Z 5 und §§ 55 und 56). 2 Die Höhe der Abgaben und der Gegenstand der Abgaben fallen im Bundesländervergleich zum Teil sehr unterschiedlich aus. In Wien beispielsweise beträgt die Verwaltungsabgabe für schriftliche, fernschriftliche oder telegrafische Auskünfte aus Beständen der Staatsbürgerschaftsevidenzstelle 30 Euro, die Ausstellung einer Bescheinigung oder einer Bestätigung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung bzw die Bestätigung des Erwerbes der Staatsbürgerschaft durch Wohnsitzbegründung 76 Euro, die Ausstellung einer Bestätigung über das Ausscheiden aus dem Staatsverband im Falle des Erwerbes einer fremden Staatsbürgerschaft 19 Euro, die Ausstellung einer sonstigen Bescheinigung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft (wobei bei Ausstellung für ein Kind keine Abgabe anfällt, sofern diese erstmals und innerhalb von zwei Jahren ab Geburt des Kindes erfolgt) bzw bei Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises oder Auszuges aus der Heimatrolle 8 Euro [VO der Wiener Landesregierung über Verwaltungsabgaben und Kommissionsgebühren (LGBl 2001/104 idF LGBl 2014/32)]. Demgegenüber beträgt etwa die Verwaltungsabgabe in Salzburg (LGBl 2015/107) für alle „Bescheinigungen, Legitimationen, Zeugnisse und sonstige Bestätigungen“ 13,90 Euro. In der Steiermark fallen für die Ausstellung einer Bescheinigung über das Ausscheiden aus dem Staatsverband 54,80 Euro und für die Ausstellung, Änderung und Berichtigung eines Staatsbürgerschaftsnachweises und einer sonstigen Bescheinigung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft 14,10  Euro an Abgaben an [Landes-Verwaltungsabgabenverordnung 2016 (LGBl 2016/73)]; ähnlich in Oberösterreich (LGBl 2011/118 idF LGBl 2015/136). 3 § 48 Abs 2 iVm Abs 1 Satz 2 schreibt einen Kostenersatz aufgrund einer Summierung und Mittelwertberechnung vor (statt der Feststellung der Kosten jeder evidenzführenden Verwaltungseinrichtung einzeln). Das heißt, es kommt für die Kostentragung durch das Land nicht auf den tatsächlichen Personal- und Sachaufwand der Gemeinden bzw Gemeindeverbände an, weil – uE aus Gründen der Praktikabilität – die (mit relativ hohem Verwaltungsaufwand nur feststellbaren) konkreten Verwaltungskosten im Einzelfall irrelevant sind. Verfassungsrechtlich 634

Behörden und Verfahren

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unbedenklich ist, dass die Gesetzeslage (vgl auch unten Rz 5) eine gröbere, gewisse Ungenauigkeiten durchaus zulassende Schätzung erlaubt, wenn – wie in § 48 Abs 2 Satz 2 gefordert – dem Erfordernis einer Anpassung des Bauschbetrages an die Kostenentwicklung Rechnung getragen wird (vgl dazu VfSlg 6774/1972). Ursprünglich äußerte der Verfassungsausschuss iZm der Einrichtung und Fortführung der Staatsbürgerschaftsevidenz Bedenken wegen der damit einhergehenden finanziellen Mehrbelastung für die Gemeinden (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 172 ff). Der VA schlug daher iZm dem StbG 1965 vor, dass die Landesregierungen „bei der Festsetzung der Bauschbeträge jedenfalls darauf Bedacht nehmen [werden] müssen, daß den Gemeinden aus der Errichtung und Fortführung der Staatsbürgerschaftsevidenz keine finanzielle Mehrbelastung entsteht“. Der Zusammenschluss von Gemeinden zu Gemeindeverbänden iSd § 47 samt Synergieeffekte (ZPR) und die „Digitalisierung“ des ZSR durch die Novelle BGBl I 2013/16 tragen uE dazu bei, dass eine (allfällige) Differenz zwischen den tatsächlich entstandenen Kosten und dem zu gewährenden Ersatzbetrag verhältnismäßig gering ist bzw sein wird.

II.  Begriffe A.  Bauschbeträge § 48 Abs 2 ist Rechtsgrundlage des in Form von Bauschbeträgen festzu- 4 setzenden jährlichen Kostenersatzes für die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz durch Gemeinden bzw Gemeindeverbände. In Verordnungen legen die Landesregierungen (vgl zB NÖ LGBl 4200/1-0 idF LGBl 4200/1-1; Bgld LGBl 2002/58; Krnt LGBl 2007/37; OÖ LGBl 2011/80; Slbg LGBl 1999/106; Stmk GZ  Nr 486/2001; Tirol LGBl 2016/50; Vlbg LGBl 2015/32) für jedes begonnene Hundert, der in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichneten Personen, einen ziffernmäßigen Betrag fest (vgl Art 11 Abs 3 B-VG). Laut VfGH weist der – bis zur Novelle BGBl I 2008/5 auch in §  77 5 Abs 2 AVG anzutreffende, in ihrem Rahmen aber durch den gebräuchlicheren Begriff „Pauschalbetrag“ (§  73 Abs  3 AVG idgF) ersetzte – Ausdruck „Bauschbetrag“ nach seinem spezifischen Begriffsinhalt darauf hin, dass „es nicht auf ins Detail gehende Ermittlungen, sondern auf eine gröbere, gewisse Ungenauigkeiten durchaus zulassende Schätzung 635

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und Durchschnittswertung nach allgemeinen Erfahrungssätzen ankommt“ (VfSlg 10.707/1985). Der Bauschbetrag wird nach den Verordnungen für sämtliche evidenzführenden Gemeinden und Gemeindeverbände eines Bundeslandes, also einheitlich festgelegt. Der vom Gesetzgeber gewählte Maßstab, das ist die (nach Teilung durch Hundert aufgerundete) Personenzahl in der Evidenz, zeigt, dass nicht von einer exakten Kostenermittlung, sondern von einer bloßen Schätzung des durchschnittlichen Aufwandes auszugehen ist.

B.  Streitigkeiten 6 Eine Streitzuständigkeitsregel wie die in § 48 Abs 4 idF BGBl 1986/386 enthalten keine anderen Gesetze bzw Verordnungen der österreichischen Rechtsordnung. Inhaltlich ist im Lichte des F-VG der § 48 Abs 4 insofern bedenklich, als nicht ein (unabhängiger) „Dritter“ entscheidet, sondern de facto die Partei (Land bzw Landesregierung), die die streitbezogenen Kosten ersetzen soll. Da § 48 Abs 4 nicht in Verfassungsrang steht, könnte sie gegen Art  137 B-VG verstoßen. Streitigkeiten iZm Ersatzansprüchen sind idR „vermögensrechtliche Ansprüche“ iSd Art 137 B-VG; als Streitparteien nach § 48 Abs 4 kommen Gemeinde (Gemeindeverband) versus Land in Frage (zur Zulässigkeit der Aktivlegitimation einer Stadtgemeinde gegenüber dem Land vgl VfSlg 14.168/1995). Wendet zB eine Gemeinde ein, dass der Kostenersatz zu gering ist (und damit gegen § 4 F-VG verstoße), so macht sie einen vermögensrechtlichen Anspruch gegen das Land geltend, dessen Wurzel im öffentlichen Recht, nämlich in § 2 F-VG und in § 48 Abs 1 und 2 liegt. Der Anspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, weil weder ein Gesetz die ordentlichen Gerichte ausdrücklich zur Entscheidung darüber beruft, noch sich deren Zuständigkeit aus § 1 JN herleiten lässt. Der Anspruch ist aber uE auch nicht durch Bescheid einer „Verwaltungsbehörde“ zu erledigen, weil keine gesetzliche Bestimmung besteht, die in solchen Fällen eine Verwaltungsbehörde zur Entscheidung beruft. Die Landesregierung ist ein „Organ“ des Landes (Art 19 Abs 1 und Art 101 B-VG). Regelmäßig findet sich in den Gemeindeordnungen der Länder nur ein Hinweis, dass über Streitigkeiten aus einem Verbandsverhältnis zwischen verbandsangehörigen Gemeinden untereinander oder mit dem Gemeindeverband die Landesregierung zu entscheiden hat. 636

Behörden und Verfahren

§ 48

III.  „Verjährung“ § 48 Abs 3 enthält eine (kurze) Frist von drei Monaten zur Geltendma- 7 chung von Ersatzansprüchen der Gemeinden (Gemeindeverbände) gegenüber dem Land bei der Landesregierung. Hierbei handelt es sich um eine nicht verlängerbare Frist, weshalb – mangels in §  48 und einer anderen Vorschrift des StbG ausdrücklich vorgesehenen Verjährungsbestimmung – nicht unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB ergänzungsweise auf die Verjährungsvorschriften des ABGB zurückgegriffen werden darf (vgl auch VfGH 10.12.2015, A4/2014; VwSlg 9476 A/1978). Dass § 48 Abs 4 den Ersatz der Kosten für die Führung der Staatsbür- 8 gerschaftsevidenz vorsieht, welcher Anspruch bei sonstigem Verlust nur bei Einhaltung der in dieser Bestimmung normierten materiellrechtlichen Frist geltend gemacht werden kann, scheint verfassungsrechtlich unbedenklich zu sein. Allerdings ist hierbei nicht nachvollziehbar, dass zunächst die Gemeinden den Aufwand zu tragen haben, also in Vorlage treten, und ihnen danach bei Einbringung der Holschulden einen im Verhältnis zu den Fristen zur Geltendmachung anderer Ansprüche beschränkter Zeitraum zur Verfügung steht. Zudem ist unklar, wann diese Frist beginnt, weil § 48 Abs 4 offen lässt, um welches Rechnungsjahr – nämlich um das des Landes oder um das der jeweiligen Gemeinde – es sich handelt. Gegen die Versäumung dieser Frist, innerhalb der ein materiellrechtli- 9 cher Anspruch bei sonstigem Verlust des diesem zugrunde liegenden Rechtes geltend gemacht werden muss, ist Wiedereinsetzung (§  71 AVG) nicht zulässig. Auf die materiellrechtliche Frist des § 48 Abs 3 sind die Vorschriften des AVG für die Fristberechnung nicht anzuwenden (vgl VwGH 3.3.1950, 877/49, VwSlg 1291 A/1950; VwGH 24.6.1993, 93/06/0053).

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Abschnitt V Staatsbürgerschaftsevidenz § 49. (1) Die Gemeinden (Gemeindeverbände) haben nach Maßgabe dieses Abschnittes ein ständiges Verzeichnis der Staatsbürger (Staatsbürgerschaftsevidenz) zu führen. (2) Evidenzstelle ist a) für Personen, die vor dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind: die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband); b) für Personen, die ab dem 1. Juli 1966 im Gebiet der Republik geboren sind: die Gemeinde (Gemeindeverband), in der die Mutter im Zeitpunkt der Geburt der zu verzeichnenden Person laut Eintragung im Geburtenbuch ihren Wohnort hatte, wenn dieser aber im Ausland liegt, die Geburtsgemeinde (Gemeindeverband) der zu verzeichnenden Person; c) für Personen, die im Ausland geboren sind oder bei denen sich nach lit. a oder b keine Zuständigkeit feststellen läßt: die Gemeinde Wien. [idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Die Gründe, aus denen die Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz den Gemeinden und den vorgesehenen Gemeindeverbänden übertragen werden soll, wurden bereits im Teil A dargelegt. Wie gleichfalls dort bereits ausgeführt wurde, will der Gesetzentwurf die Staatsbürgerschaftsevidenz nach einem festen Anhaltspunkt, nämlich nach dem Ort, in dem die Geburt der betreffenden Person beurkundet ist, einrichten. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß bei einer Entbindung während einer Fahrt nach der „Dienstanweisung für Standesbeamte“ des ehemaligen Reichsministers des Innern der Ort als Geburtsort gilt, „wo die Entbundene den Krankenwagen, den Eisenbahnzug, das Binnenschiff, das Luftschiff usw. verlassen hat“ (§ 164 Abs. 2), und dementsprechend in der Praxis die Beurkundung der Geburt durchgeführt wird. Die Doppelstellung der Stadt Wien als Gemeinde und selbständiges Land und die große Anzahl der in Wien wohnenden Staatsbürger brachte es naturgemäß mit sich, daß der Magistrat der Stadt Wien schon jetzt über eine entspre-

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chend große Staatsbürgerschaftsabteilung und über entsprechende Evidenzbehelfe verfügt. Es ist daher naheliegend, der Stadt Wien die Evidenthaltung der im Ausland geborenen Personen zu übertragen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 5 A. Evidenzstelle............................................................................................ 5 B. Geburtenbuch......................................................................................... 6 III. Zuständigkeiten............................................................................................ 7 Schrifttum zu § 49: Bernat, Das Recht der Fortpflanzungsmedizin im Wandel. Eckpunkte des Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetzes 2015, JAP 2015/2016, 45 ff; Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Kurnik, Von der Heimatrolle zur Staatsbürgerschaftsevidenz. Zur Entwicklung des Staatsbürgerschaftsrechts, in Festschrift 50 Jahre Fachverband der österreichischen Standesbeamten (1997), 190 ff; Mauernböck, Das neue Fortpflanzungsmedizinrecht. Eine erste Auseinandersetzung mit den wesentlichen Änderungen, ZTR 2015, 107 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 62 Satz 1 verpflichtet die Gemeinden, die angelegten Heimatrollen und die sonstigen heimatrechtlichen Unterlagen, wie insbesondere Heimatmatriken und Heimatscheinverzeichnisse, aufzubewahren. § 62 Satz 2 in der RV zum StbG 1965 sah eine Verordnungsermächtigung des BMI zur Übergabe dieser Unterlagen an die Evidenzstelle vor. § 62 Satz 2 idF BGBl 1965/250 präzisierte vor dem Hintergrund der Gemeinderechtsnovelle (BGBl 1962/205) das in §  49 verankerte Prinzip der Evidenzführung dahingehend, dass diese Ermächtigung nur Gemeinden betrifft, die einem Gemeindeverband (§  47) angehören (vgl zur Begründung der Änderung des zweiten Satzes während den parlamentarischen Beratungen den Ausschussbericht des Verfassungsausschusses in Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 195). 2 Welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Abschnitt V (§§ 49 ff) beigemessen hat, ergibt sich aus dem Teil A, auf den die EB zur RV (BGBl 1965/250) verweisen. „Den unmittelbaren Anlaß für die grundlegende Neugestaltung des Staatsbürgerschaftsrechtes bildete jedoch die immer mehr hervortretende Notwendigkeit, an Stelle der alten Heimatrollen 640

Staatsbürgerschaftsevidenz

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eine neue Staatsbürgerschaftsevidenz aufzubauen, die den praktischen Bedürfnissen der Bevölkerung und der Behörden Rechnung trägt. Da die Regelung einer solchen Staatsbürgerschaftsevidenz natürlich auf die anderen staatsbürgerschaftsrechtlichen Vorschriften, insbesondere auf die Bestimmungen über den Erwerb und den Verlust der Staatsbürgerschaft abgestimmt sein muß, macht jede wesentliche Änderung dieser Bestimmungen in der Regel auch eine Anpassung der Evidenzhaltungsvorschriften erforderlich. Es sollen daher die Änderungen, die seit der letzten Novellierung des Staatsbürgerschaftsgesetzes (durch die Staatsbürgerrechtsnovelle 1949, BGBl. Nr. 142) bei den Erwerbs- und den Verlustgründen sich als notwendig ergeben haben, gleichzeitig mit der – diese Änderungen schon berücksichtigenden – Regelung der Staatsbürgerschaftsevidenz vorgenommen werden“. Was die Staatsbürgerschaftsevidenz selbst betrifft, so dienten bis 1938 3 die in den einzelnen Gemeinden geführten Heimatrollen gleichzeitig auch als Staatsbürgerverzeichnisse. Das Heimatrecht wurde aber während der deutschen Besetzung durch die Zweite Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich vom 30.6.1939 (dt RGBl I S 1072) abgeschafft und auch nach der Befreiung der Republik nicht wieder eingeführt. Obwohl zwischen der Abschaffung des Heimatrechtes und dem StbG 1965 mehr als 25 Jahre vergangen waren, bildete die Heimatrolle auch im Jahr 1965 noch eine bedeutende Grundlage für die Evidenthaltung staatsbürgerschaftsrechtlicher Verhältnisse. Diese Grundlage war aber lückenhaft, was allein die Tatsache bewies, dass von den damals rund 6,8 Millionen Inlands- und Auslandsösterreichern über 2,5 Millionen jünger als 26 Jahre waren und daher schon aus diesem Grund an dem nach § 1 des Staatsbürgerschaftsüberleitungsgesetzes 1949 maßgebenden Stichtag (13.3.1938) in einer österreichischen Heimatrolle nicht eingetragen sein konnten. Naturgemäß wurde daher der Nachweis des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft kraft Abstammung umso schwieriger, je später der betreffende Staatsbürger nach dem Stichtag (13.3.1938) geboren wurde. Denn vielfach musste für einen einwandfreien Staatsbürgerschaftsnachweis auf das Heimatrecht der Großeltern zurückgegriffen werden, da nicht einmal mehr die Eltern in einer Heimatrolle eingetragen waren. Dazu kamen seit 1945 über eine halbe Million Ausländer (einschließlich Familienangehörige), die die österreichische Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung, Widerruf der Ausbürgerung oder durch Erklärung er641

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worben hatten. Auch diese Personen waren nicht in den Heimatrollen verzeichnet. 4 Vor diesem Hintergrund wurde von verschiedenen Stellen vorgeschlagen, die Heimatrollen wieder zu reaktivieren, und zwar lediglich zum Zweck der Evidenthaltung der Staatsbürger. Nach Ansicht des Gesetzgebers wäre jedoch damit ein großer Verwaltungsaufwand erforderlich gewesen, um wieder an den Zustand des Jahres 1938 anzuknüpfen und die Heimatrollen auf den heutigen Stand zu bringen. Davon abgesehen, wäre es nicht zweckmäßig gewesen, nur für die Evidenthaltung der Staatsbürger die reichlich komplizierten Erwerbs- und Verlusttatbestände des alten Heimatrechtes wieder einzuführen. Es wurde daher für notwendig erachtet, die künftige Staatsbürgerschaftsevidenz auf einer völlig neuen, den „modernen“ Verhältnissen entsprechenden Grundlage einzurichten und zu führen.

II.  Begriffe A.  Evidenzstelle 5 Die Staatsbürgerschaftsevidenz dient behördeninternen Zwecken. In dieser Evidenz können die in § 56a Abs 1 Z 1 bis 10 aufgelisteten Daten verarbeitet werden. Entgegen dem Wortlaut können uE in der Staatsbürgerschaftsevidenz nicht nur Staatsbürger erfasst werden (vgl EB zu § 50: „Die Evidenz einer jeden Gemeinde soll aber aus einer einzigen Kartei bestehen, und zwar gleichgültig, ob die erfaßten Personen die Staatsbürgerschaft besitzen oder nicht“). Das Gesetz knüpft daran, dass bestimmte Umstände in ihr verzeichnet oder nicht verzeichnet sind, nach außen hin keinerlei Rechtswirkungen. Demgemäß steht auch niemandem ein Anspruch auf (Nicht-)Verzeichnung zu (Goldemund/ Ringhofer/Theuer aaO, 175 f); daran ändert uE auch die nunmehrige „Berechtigung“ der Evidenzstellen, „Auskünfte daraus zu erteilen“ (§  56b Abs  1), nichts (vgl auch die Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit gemäß Art 20 Abs 3 B-VG).

B.  Geburtenbuch 6 Das Geburtenbuch war das bis zum 31.12.2008 geführte Verzeichnis eines Standesamtes über die in dessen Zuständigkeitsbereich geborenen Kinder. Die Eintragungen im Geburtenbuch waren Grundlage für die Erteilung der Geburtsurkunde. Das Geburtenbuch diente der Beur642

Staatsbürgerschaftsevidenz

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kundung der Lebendgeburt eines Kindes (§ 1 PStG idF BGBl 1983/60 iVm § 19 PStG idF BGBl 1995/25); vgl nun § 11 PStG 2013. Geburtsurkunden stellten einen Auszug aus dem Geburtenbuch dar (vgl RS0129941). Aufgrund der Personenstandsrechtsreform werden die Geburtenbücher seit dem 1.1.2009 Geburtenregister genannt. Grundsätzlich sind diese in elektronischer Form zu führen (§ 3 Abs 2 PStG). Während einer Übergangszeit vom 1.1.2009 bis zum 31.12.2013 war weiterhin eine Führung in Papierform möglich.

III.  Zuständigkeiten Seit dem StbG 1965 bekennt sich der Gesetzgeber zum Prinzip der Evi- 7 denzführung nach einem festen Anhaltspunkt, und zwar dem Geburtsort. Jeder Staatsbürger oder ehemalige Staatsbürger soll in dem Bereich verzeichnet werden, in dem er geboren bzw seine Geburt beurkundet ist. Für alle anderen Personen, vor allem für die im Ausland geborenen, soll die Stadt Wien diese Aufgabe übernehmen. Dieses Prinzip hatte im Jahr 1965 den Vorteil, dass im konkreten Fall die Evidenzstelle leicht zu finden war, weil ja der Geburtsort meist bekannt war, während bei einer Evidenthaltung nach dem jeweiligen Wohnsitz wegen des damaligen Fehlens einer zentralen Meldeevidenz für Österreich vielfach langwierige Nachforschungen nach dem derzeitigen oder letzten inländischen Wohnsitz geführt hätten werden müssen. Dazu kommt – uE auch heute noch – bei einer nach dem jeweiligen Wohnsitz beweglich geführten Evidenz die Gefahr, dass eine bereits erfasste Person wieder außer Evidenz der Staatsbürgerschaftsbehörde gerät, wenn sie sich bei Verlegung ihres Wohnsitzes – sei es absichtlich, sei es aus Nachlässigkeit – überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß in ihrer letzten Wohnsitzgemeinde abmeldet. Allerdings ist fraglich, ob diese Gefahr und damit verbundenen langwierigen Nachforschungen nach der letzten Wohnsitzgemeinde nach der Einführung des ZSR im Abschnitt Va (§§ 56a ff) durch BGBl I 2013/16 noch als Argument für eine dezentrale Führung durch die Gemeinden (Gemeindeverbände) dienen kann. Praktisch ermöglicht das ZSR eine zentrale „Suchkartei“ über alle von den Evidenzstellen erfassten Personen. Im Jahr 1965 sprach gegen eine solche Zentralisierung, dass damit „der Vorteil, welchen die Führung einer beweglichen Staatsbürgerschaftsevidenz allenfalls infolge Ausschaltung oder Verringerung des Schriftwechsels mit der erfaßten oder zu erfassenden Person böte, 643

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durch den Nachteil mehr als wettgemacht [würde], daß in allen Fällen bei der zentralen Suchkartei angefragt und unter Umständen auch zusätzlich noch mit der früheren Evidenzstelle des Betreffenden korrespondiert werden müßte“ (Teil A der EB zur RV). 8 Die Zuständigkeitsregel des § 49 Abs 2 beruht auf dem Umstand, dass die Zahl der Hausgeburten nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr abnahm. Im Jahr 1965 erfolgten bereits mehr als 80 % der Geburten in Spitälern; im Jahr 2012 fanden 98,5 % der Geburten in Krankenhäusern statt und nur mehr 1,2 % (bzw 931 Geburten) waren Hausgeburten und der „Rest“ in einem Entbindungsheim (196) oder in der Wohnung der Hebamme (0,2 % bzw 20 Geburten). Dieser Tatsache schenkte der Gesetzgeber insofern Rechnung, als er (nur) in Bezug auf die Personen, die vor dem Inkrafttreten des StbG 1965 geboren sind, jene Gemeinde als Evidenzstelle normiert, in der die zu verzeichnende Person geboren ist (§ 49 Abs 2 lit a). Hingegen stellt er in Bezug auf die nach dem Inkrafttreten des StbG 1965 geborenen Personen auf die Gemeinde als Evidenzstelle ab, in der die Mutter der zu verzeichnenden Person im Zeitpunkt der Geburt des Kindes laut Eintragung im Geburtenbuch ihren Wohnort hatte (§ 49 Abs 2 lit b). Durch eine solche Regelung sollte vermieden werden, dass es zu einer Konzentration der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz in den (wenigen) „Spitalsgemeinden“ kommt und die übrigen Gemeinden von der Evidenzführung ausgeschlossen sind. Der ursprünglich neben dem Ziel einer gleichmäßigen Aufteilung der Staatsbürgerschaftsevidenz auf alle Gemeinden verfolgte Synergieeffekt iZm der Zuständigkeit zur Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises oder einer sonstigen staatsbürgerschaftsrechtlichen Bescheinigung (§ 41 Abs 1 StbG 1965 idF BGBl 1965/250) durch die Gemeinde, die auch nach §  49 Abs  2 lit b zuständig ist, entfiel durch BGBl I 2013/16; seither kommt es iZm § 41 nicht mehr auf den Wohnsitz des Antragstellers an (vgl § 41 Rz 14). 9 Der „Auffangtatbestand“ des § 49 Abs 2 lit c umfasst die in der Vergangenheit seltenen Fälle, in denen zwar feststeht, dass eine Person im Gebiet der Republik Österreich geboren ist, aber zB – im Fall der lit a – die Geburtsgemeinde unbekannt ist oder – im Fall der lit b – der Wohnort der Mutter im Zeitpunkt der Entbindung aus dem Geburtenbuch nicht zu entnehmen ist. Aufgrund des technischen Fortschritts (vgl Fortpflanzungsmedizin) stellt sich uE iZm dem zuletzt genannten Anknüpfungspunkt (Wohnort der Mutter) die Frage, ob die Zuständigkeitsre644

Staatsbürgerschaftsevidenz

§ 50

gel des § 49 Abs 2 lit b und c auch im Verhältnis biologische MutterCo-Mutter-Kind (zB im Fall eines von einem Österreicher und einer Österreicherin abstammenden, aber von einer ausländischen Leihmutter im Ausland ausgetragenen und im Inland geborenen Kinds) entsprechend zur Anwendung kommt. Im Lichte des Art 8 EMRK und der entscheidenden Bedeutung, die im Rahmen der Abwägung dem Wohl des Kindes zukommt (vgl VfSlg 12.103/1989 und VfGH 11.10.2012, B 99/12), ist uE bei derartigen Konstellationen – im Ergebnis – davon auszugehen, dass der Wohnort der biologischen Mutter als Mutter im Rechtssinn entscheidend ist (und nicht die Leihmutter in die Mutterrolle iSd § 49 Abs 2 lit b gezwungen werden kann).

§ 50. Die Staatsbürgerschaftsevidenz ist für jede Gemeinde gesondert im Rahmen des ZSR (§ 56a) zu führen.

[idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl 250/1965 Die Staatsbürgerschaftsevidenz soll modernen Verwaltungsgrundsätzen entsprechend in Form einer Kartei geführt werden. Hiebei soll nach Ansicht der Bundesregierung im Hinblick auf den geplanten Zusammenschluß der Gemeinden eines Standesamtsbezirkes die Evidenz für jede Gemeinde gesondert geführt werden. Andernfalls würde nämlich die Änderung eines Standesamtsbezirkes und damit auch die Änderung des Staatsbürgerschaftsverbandes die Neuordnung der Evidenz sehr erschweren. Die Evidenz einer jeden Gemeinde soll aber aus einer e i n z i g e n Kartei bestehen, und zwar gleichgültig, ob die erfaßten Personen die Staatsbürgerschaft besitzen oder nicht. Denn die Führung der Evidenz in mehreren, nach bestimmten Personengruppengen geordneten Karteien hätte den Nachteil, daß man in jedem konkreten Fall vorsichtshalber in allen Karteien nachschauen müßte. Die Umständlichkeit dieser Prozedur würde erfahrungsgemäß in manchen Fällen dazu verleiten, den Namen der betreffenden Person nicht in allen Karteien zu suchen. Damit könnten aber dem Evidenzbeamten Umstände entgehen, die als staatsbürgerschaftsrechtlich wesentlich in der Kartei verzeichnet sind. Die Führung der Kartei in einer anderen Form, zum Beispiel in Buchform wie die Personenstandsbücher, scheidet schon deshalb aus, weil ja immer wieder neu erfaßte Personen hinzukommen und alphabetisch in die Evidenz eingeordnet werden müssen. EB zu BGBl I 16/2013 Die Staatsbürgerschaftsevidenz ist nunmehr im Rahmen des ZSR zu führen.

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§ 50

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Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Gemeindezusammenlegungen................................................................... 3 Schrifttum zu § 50: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 §  50 normiert lediglich eine Selbstbindung im Rahmen der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz (§ 49 Abs 1) und räumt keine Ansprüche ein. Die Gemeinden können sich der ihrer gesetzlichen Selbstbindung entsprechenden Pflicht zum gesonderten Führen der Evidenz nicht entziehen. Die Staatsbürgerschaftsevidenz ist zwar nach wie vor für jede Gemeinde zu führen, aber nicht mehr in Form einer (Karten-) Kartei. Seit dem StbG 1965 bis zur Novelle BGBl I 2013/16 konnte der BMI durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Ausgestaltung der Kartei und Einrichtung derselben treffen. Seit dem Jahr 1983 (BGBl 1983/170) war auch die automationsunterstützte Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz zulässig (§ 50 Abs 1 und 2). 2 §  50 wurde durch BGBl I 2013/16 insofern geändert, als seither die Schranke des Verwaltungshandelns durch das ZSR vorgegeben ist (arg „im Rahmen“). Die Bezugnahme auf § 56a in § 50 ist uE missverständlich, weil dadurch der Anordnung einer „gesonderten“ Führung der Evidenz die Ermächtigung einer „gemeinsamen“ Verarbeitung bestimmter Daten von Staatsbürgern gegenüber steht. UE wäre es iZm der Einführung des ZSR konsequent und verwaltungsökonomisch zweckmäßig gewesen, wenn der Gesetzgeber durch die Zentralisierung der Staatsbürgerschaftsevidenz beim BMI die Gemeinden eindeutig (vgl § 56a Rz 6 f und § 64a Abs 15, 16 und 22) entlastet hätte. Das in der Praxis bewehrte ZMR bahnt dem – der Datensicherheit zuträglichen – One-Stop-Shop-Prinzip auch bei einer zentralen Staatsbürgerschaftsevidenz (iSd verfassungsrechtlichen Gebots der Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit) den Weg.

II.  Gemeindezusammenlegungen 3 § 50 iVm § 49 Abs 1 richtet sich an die Gemeinden und insbesondere an die Gemeindeverbände (arg „für“) und steht im Einklang mit §  48 646

Staatsbürgerschaftsevidenz

§ 51

Abs 1 Satz 2. Auch wenn Gemeindeverbände iSd § 47 Abs 1 – aufgrund des Fehlens des Klammerausdrucks nach dem Wort „Gemeinde“ – in § 50 nicht erwähnt sind, besteht die Pflicht zum Führen einer Staatsbürgerschaftsevidenz für Gemeindeverbände, wenn sich Gemeinden zu einem Standesamtsverband verbunden haben. Aus dem Wortlaut des §  50 ergibt sich, dass nicht jede Gemeinde gesondert die Evidenz zu führen hat, sondern dass „für“ jede Gemeinde die Evidenz zu führen ist – diese Regelung macht folglich (aufgrund des Territorialitätsprinzips) nur iZm Gemeindeverbänden Sinn. Kommt es zur – grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässigen – Zu- 4 sammenlegung von Gemeinden, so geht mit dieser Vereinigung der Verlust der Rechtspersönlichkeit der zusammengelegten Gemeinden einher. Ein solcher Untergang von Gemeinden als Rechtssubjekte hat uE iZm §  50 iVm §  49 Abs  1 keine Auswirkungen, da zugleich eine „neue“ Gemeinde entsteht und damit die Rechtsnachfolge (idR Kraft Gesetz) gegeben ist. Normadressat des § 50 bleibt insbesondere der Gemeindeverband; nach einer Gemeindezusammenlegung besteht dieser Verband uU aber aus weniger (vereinigten) Gemeinden.

§ 51. Die Evidenzstelle hat einen Staatsbürger in der Staatsbürgerschaftsevidenz zu verzeichnen und die den Staatsbürgerschaftserwerb begründenden Umstände anzumerken, sobald sie durch eine Mitteilung nach den §§ 53 bis 55 oder auf andere Art davon Kenntnis erhält, auf welche Weise er die Staatsbürgerschaft erworben hat. Die Evidenzstelle hat, soweit dies ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist, von Amts wegen jede Gelegenheit wahrzunehmen, um sich diese Kenntnis zu verschaffen. In die Staatsbürgerschaftsevidenz sind Verstorbene, die dort noch nicht verzeichnet sind, nur dann aufzunehmen, wenn die den Staatsbürgerschaftserwerb begründenden Umstände bekannt sind und keiner weiteren Ermittlungen bedürfen oder ein Feststellungsbescheid nach § 42 erlassen oder eine Bestätigung nach § 43 ausgestellt worden ist. [idF BGBl 1985/311]

EB zu BGBl 250/1965 Wie bereits im Teil A der Erläuternden Bemerkungen ausgeführt wurde, sieht der vorliegende Gesetzentwurf nicht eine sofortige und allgemeine Erfassung der Staatsbürger, sondern den allmählichen Aufbau der Staatsbürgerschaftsevidenz

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vor: Die Evidenzstelle soll daher keine arbeits- und zeitraubenden Erfassungsverfahren durchführen, sondern einen Staatsbürger erst dann in ihre Evidenz aufnehmen, wenn sie durch eine Mitteilung nach den §§ 53, 54 oder 55 oder auf andere Weise (zum Beispiel anläßlich der Ausstellung eines Reisepasses oder Gewerbescheines) amtlich genaue Kenntnis davon erhält, auf welche Art die betreffende Person die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat. Es werden daher die Städte mit eigenem Statut nicht verpflichtet sein, die in ihrer Wähler­ evidenz erfaßten wahlberechtigten Staatsbürger auch in die Staatsbürgerschafts­ evidenz einzutragen, solange sie nicht aus sicherer Quelle über den Staatsbürgerschafts-Erwerbsgrund informiert sind. Im Interesse eines raschen Aufbaues der Staatsbürgerschaftsevidenzen sollen die Evidenzstellen verpflichtet sein, jede Gelegenheit, die sich ihnen bietet, wahrzunehmen, um sich von Amts wegen diese Kenntnis zu verschaffen, soweit dies ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand geschehen kann. Diese Gelegenheit wird insbesondere dann gegeben sein, wenn ein Staatsbürger bei der Gemeinde in einer Angelegenheit zu tun hat, bei welcher der Besitz der Staatsbürgerschaft von Bedeutung ist. Hiebei wird es die wichtigste Aufgabe der Gemeinde (Gemeindeverband) sein, alle gebürtigen Staatsbürger zu erfassen, wenn die Geburt nach Inkrafttreten des neuen Staatsbürgerschaftsgesetzes in ihrem Bereich beurkundet wird. EB zu BGBl 170/1983 Die Staatsbürgerschaftsbehörden sollen von nicht unbedingt erforderlichen Erhebungen in jenen Fällen entlastet werden, die verstorbene Staatsbürger betreffen, bei deren die staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse nicht von vornherein klar sind und an deren Ermittlung kein besonderes rechtliches Interesse besteht. Wenngleich der Grundsatz einer möglichst lückenlosen Verzeichnung der Staatsbürger besteht, ist diese Einschränkung vertretbar, weil damit auch der Umfang der Staatsbürgerschaftsevidenz zugunsten der Übersichtlichkeit in Grenzen gehalten werden soll. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Umstände................................................................................................. 4 B. Verwaltungsaufwand............................................................................. 5 C. Verstorbene.............................................................................................. 6 III. Pflichten der Evidenzstelle.......................................................................... 8 Schrifttum zu § 51: Novak, Grenzen und Möglichkeiten des Legalitätsprinzips, ÖVA 1970, 1 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

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I.  Allgemeines § 51 regelt selbstbindend (vgl im Einzelnen zu Selbstbindungsgesetzen 1 und Fiskalgeltung der Grundrechte grundlegend OGH 24.2.2003, 1 Ob 272/02k) für die Evidenzstelle das Verzeichnen von Staatsbürgern und die Anmerkung der den Erwerb begründenden Umstände. Diese Dokumentationspflicht steht – was die Gründe des Staatsbürgerschaftserwerbs betrifft – iZm den §§ 53 und 55. Überdies hat die Evidenzstelle aber auch von sich aus iZm staatsbürgerschaftsrelevanten Daten tätig zu werden. Gegenüber (noch nicht verzeichneten) Verstorbenen trifft die Evidenzstelle diese Pflicht nur in Bezug auf die bekannten bzw feststehenden – den Staatsbürgerschaftserwerb begründenden – Umstände. §  51 letzter Satz idF der Regierungsvorlage zum StbG 1965 (497 der 2 Beilagen X. GP) sah vor, dass insbesondere alle Staatsbürger, welche die Staatsbürgerschaft kraft Abstammung besitzen, erfasst werden sollen, wenn die Geburt nach dem Inkrafttreten des StbG 1965 beurkundet wird. Dieser Satz wurde aber – ohne nähere Begründung – nicht in den § 51 idF BGBl 1965/250 übernommen. Die seither unverändert gebliebenen beiden Sätze des §  51 wurden durch den Satz 3 idF BGBl 1983/170 ergänzt. Die §§ 18 bis 24 StbV enthalten nähere Regelungen zu § 51. Insbeson- 3 dere sind darin die einzelnen Umstände bzw Daten festgelegt, die die Evidenzstelle etwa bei Abstammung (Legitimation) vor dem 1.7.1966 (§ 18 Abs 1 Z 4), zwischen dem 1.7.1966 und 31.8.1983 (Z 5), zwischen 1.9.1983 und 31.5.1985 (Z 6), nach dem 31.5.1985 (Z 7) sowie nach dem 31.7.2013 (Z  26 bis Z  30) anzumerken hat. UE könnten die Ausführungsbestimmungen zu § 51 in der StbV verfassungswidrig sein, weil nach der Bundesverfassung (Art  18 Abs  2 B-VG) Verordnungen nur „auf Grund der Gesetze“ zu erlassen sind und der Behörde weder in §  51 noch an anderer Stelle im StbG eine Ermächtigung zum Erlass präzisierender Regelungen im Verordnungsweg eingeräumt ist. Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen daraus alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmung des Verordnungsinhaltes durch das Gesetz: VfSlg 4644/1964, 4662/1964, 5373/1966, 7945/1976); eine bloße formalgesetzliche Delegation, die der Verwaltungsbehörde eine den Gesetzgeber supplierende Aufgabe zuweist, steht uE mit Art  18 Abs  1 (und 2) B-VG ebenso in Wider649

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spruch (vgl zB VfSlg 4072/1961, 14.512/1996, 16.902/2003 sowie VfSlg 17.476/2005), wie das gänzliche Fehlen einer formalen Ermächtigung (und damit an der gemäß Art 18 Abs 2 B-VG notwendigen gesetzlichen Grundlage) an eine Behörde, die im Gesetz vorgezeichneten Konturen detaillierter zu regeln.

II.  Begriffe A.  Umstände 4 § 51 Satz 1 und Satz 3 spricht von jenen – zu erfassenden – Umständen, die ursächlich für den Staatsbürgerschaftserwerb sind. Welche Umstände anzumerken sind, hängt davon ab, aufgrund welcher Gesetzesstelle die verzeichnete Person die Staatsbürgerschaft erworben hat. Dementsprechend kasuistisch listen die Z 1 bis 33 des § 18 Abs 1 StbV die Angaben – wie zB die Personaldaten der Eltern – auf, die in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken sind; dazu kommen noch die besonderen Umstände der §§ 52 bis 55. Grundlage für die Eintragung können auch Personenstandsurkunden – wie Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Partnerschaftsurkunden, Urkunden über Todesfälle – sein (vgl §  19 StbV); darunter sind Auszüge aus dem ZPR zu verstehen (vgl §  53 Abs  PStG 2013). Eine Anmerkung der Umstände iSd §  51 kann bei Personen mit vor dem 1.7.1966 ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweisen entfallen (§  20 StbV). Nach § 21 StbV kann die Angabe der Umstände und Unterlagen, durch welche der Nachweis erbracht worden ist, dass eine Person die Staatsbürgerschaft besitzt, die Anmerkung der Umstände nach §  18 StbV ersetzen. Weitere – seltene – Ausnahmen sind in den §§ 23 und 24 StbV geregelt.

B.  Verwaltungsaufwand 5 Im Unterschied zu Satz 1 und Satz 3 schränkt Satz 2 des § 51 ein Tätigwerden der Behörde zur Verschaffung von Kenntnis über die Umstände iSd § 51 Satz 1 ein. Demnach hat die Evidenzstelle nur insoweit alles zu tun, um die anzumerkenden Umstände in Erfahrung zu bringen, als dies nicht mit „übermäßigem Verwaltungsaufwand“ verbunden ist. UE sollen damit von der Behörde nicht Erhebungen gefordert werden, die im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand ihrerseits geeignet wären, die Erfüllung der übrigen Aufgaben zu beeinträchtigen. Insbe650

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sondere iZm § 21 StbV sind uE aber allgemeine Feststellungen über die Vorgangsweise bei der Nachforschung nach den Daten, die Gegenstand des Nachweises sind, und den Umfang des vorhandenen Datenmaterials für die ordnungsgemäße Anmerkung erforderlich.

C.  Verstorbene Nach dem Wortlaut des § 51 Satz 1 könnte angenommen werden, dass 6 sich die Verzeichnungs- und Anmerkungspflicht der Evidenzstelle auf jeden – lebenden wie toten – Staatsbürger bezieht. Von dieser Annahme ausgehend scheint es nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber durch BGBl 1983/170 eine Ausnahme statuiert, indem er bezüglich noch nicht verzeichneten Verstorbenen eine Aufnahme in die Staatsbürgerschaftsevidenz nur vorsieht, wenn die Sachlage – wegen Kenntnis der staatbürgerschaftsbegründenden Umstände oder wegen Vorlage eines Feststellungsbescheides bzw einer Bestätigung – klar ist. Allerdings ist die Staatsbürgerschaft ein Status, der unmittelbar an sei- 7 nen Träger als Rechtssubjekt gebunden ist (vgl VwGH 13.2.2013, 2013/01/0023: Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei ein „höchstpersönliches Recht“ des Verstorbenen). Nach dem Untergang des Rechtssubjekts kann der Status von diesem losgelöst nicht fortbestehen. Folglich bezieht sich uE § 51 Satz 1 ausschließlich auf lebende Staatsbürger; §  51 Satz 3 erweitert die in Satz 1 der Behörde übertragene Verpflichtung auch auf Personen, deren Staatsbürgerschaft mit deren Tod erloschen ist.

III.  Pflichten der Evidenzstelle §  51 verpflichtet (sanktionslos) die Evidenzstelle unter bestimmten 8 Vor­aussetzungen einen Staatsbürger in die Evidenz aufzunehmen (dh darin zu verzeichnen und die Umstände des Staatsbürgerschaftserwerbs nach den Vorgaben der StbV anzumerken). Diese Verpflichtung geht unmittelbar (arg „sobald“) mit dem Erhalt der Kenntnis hierüber einher, wobei nicht entscheidend ist, wie die Behörde davon Kenntnis erhalten hat (arg „oder auf andere Art“). IdR sind es behördliche bzw gerichtliche Mitteilungen iSd §§  53 und 55, die einen Eintrag in der Evidenz auslösen. Die anzumerkenden Umstände können uE Aufschluss über die Bevölkerungsentwicklung und Grundlage für die Erklärung von längerfristigen Veränderungen der Bevölkerungszusammensetzung geben. 651

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§ 52. Die Evidenzstelle hat weiters, sobald sie durch eine Mitteilung

nach den §§ 53 bis 55 oder auf andere Art Kenntnis erhält, anzumerken a) Umstände, die auf den Verlust der Staatsbürgerschaft hinweisen; b) die bescheidmäßige Feststellung, daß eine Person niemals die Staatsbürgerschaft besessen hat; c) die Nichtigerklärung einer Ehe, wenn dadurch die Frau oder ein Kind aus dieser Ehe nicht mehr als Staatsbürger gilt; d) die Feststellung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes, wenn dadurch das Kind nicht mehr als Staatsbürger gilt; e) die Änderung oder Berichtigung des Familiennamens oder Vornamens eines Staatsbürgers oder einer bereits verzeichneten Person und f) das Ableben eines Staatsbürgers oder einer bereits verzeichneten Person.

[idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl 250/1965 Die Staatsbürgerschaftsevidenz soll nach dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht nur der Erfassung der Personen dienen, die zweifelsfrei im Besitze der Staatsbürgerschaft sind; sie soll den Behörden auch wertvolle Hinweise über die staatsbürgerschaftsrechtlichen Verhältnisse anderer Personen liefern. Hiebei sind folgende sechs Gruppen zu unterscheiden: a) Vor allem sollen Personen erfaßt werden, welche die Staatsbürgerschaft aus irgendeinem Grund verloren haben. Da der Besitz der Staatsbürgerschaft in vielen Belangen von entscheidender Bedeutung ist, besteht ein eminentes Interesse daran, auch den Staatsbürgerschaftsverlust in Evidenz zu halten. Denn vielfach ist erst dann eine einwandfreie Überprüfung möglich, ob eine bestimmte Person die Staatsbürgerschaft tatsächlich besitzt. Das gleiche gilt für Personen, bei denen aus irgendwelchen Gründen, zum Beispiel weil sie im Dienst eines fremden Staates tätig waren, Zweifel daran bestehen, ob sie noch die Staatsbürgerschaft besitzen. Denn die Durchführung eines behördlichen Feststellungsverfahrens stößt oft auf Schwierigkeiten, insbesondere dann, wenn der Betroffene nicht zu erreichen und daher seine persönliche Einvernahme nicht möglich ist. b) Weiters empfiehlt es sich auch, diejenigen Personen in Evidenz zu halten, bei denen die Landesregierung bescheidmäßig festgestellt hat, daß sie die österreichische Staatsbürgerschaft niemals besaßen. Denn sonst könnte es bei einem Wohnsitzwechsel und Verschweigen der Partei vorkommen, daß sich eine andere Landesregierung wiederum mit der Feststellung der Staatsbürgerschaft befaßt und womöglich zu einem anderen Ergebnis kommt. c) Nach § 4 Abs. 1 des geltenden Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 erwirbt eine Ausländerin durch die Verehelichung mit einem österreichischen Staatsbür-

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ger ipso iure die österreichische Staatsbürgerschaft. Nach § 10 des geplanten neuen, Staatsbürgerschaftsgesetzes soll eine mit einem Staatsbürger in aufrechter Ehe lebende Frau durch eine einfache Erklärung die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben können. Wenn nun ein Gericht eine solche Ehe für nichtig erklärt, kann die Frau nicht mehr als Staatsbürgerin angesehen werden. Auch diese Fälle müssen in einer ordnungsgemäß geführten Evidenz festgehalten werden, damit vor allem die Ausstellung unrichtiger Staatsbürgerschaftsbescheinigungen verhindert wird. d) Sowohl nach dem geltenden Staatsbürgerschaftsgesetz als auch nach dem geplanten neuen Gesetz spielt der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Abstammung und damit die Frage der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes eine große Rolle. Es sollen daher diesbezügliche gerichtliche Feststellungen in der Staatsbürgerschaftsevidenz angemerkt werden, wenn das Kind auf Grund des Gerichtsurteiles nicht mehr als Staatsbürger gilt. Dies wird zum Beispiel dann der Fall sein, wenn das Gericht feststellt, daß das Kind einer mit einem österreichischen Staatsbürger verheirateten Ausländerin unehelich ist. e) Die einwandfreie Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz erfordert es auch, Änderungen oder Berichtigungen des Familien- oder Vornamens der bereits verzeichneten Personen zu vermerken. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß solche Personen außer Evidenz geraten. f) Für die ordnungsgemäße Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz wird es auch von praktischer Bedeutung sein, das Ableben eines Staatsbürgers oder einer bereits verzeichneten Person anzumerken; einerseits kann hiedurch verhindert werden, daß für bereits verstorbene Personen mißbräuchlich Staatsbürgerschaftsbescheinigungen erschlichen werden. Anderseits wird hiedurch die allfällige spätere Regelung ermöglicht und vorbereitet, künftighin einmal Personen, die bereits vor geraumer Zeit verstorben sind und an deren Evidenthaltung daher kein praktisches Interesse mehr besteht, aus der Staatsbürgerschaftsevidenz zu streichen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Anmerkungsumstände................................................................................ 3 Schrifttum zu § 52: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 52 idgF entspricht § 52 idF BGBl 1965/250. Zwischenzeitig – nämlich 1 durch die Novellen BGBl 1985/252 und BGBl I 2013/16 – wurde der Evidenzstelle durch Abs 2 für den Fall der Legitimation eines Minder653

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jährigen (§  7a) „aus Gründen der Rechtssicherheit“ (568 der Beilagen XVI. GP) eine Belehrungspflicht auferlegt und durch Abs 3 für die Fälle des § 35 Abs 6 PStG 2013 die sinngemäße Geltung des Abs 2 für die Personenstandsbehörden angeordnet. § 52 Abs 2 und 3 wurden durch die Novelle BGBl I 2013/136 als „Folgewirkungen“ (2303 der Beilagen XXIV. GP) der Stärkung des Abstammungsprinzips iZm dem Erwerb der Staatsbürgerschaft ersatzlos gestrichen. 2 Die den § 52 näher bestimmenden §§ 25 ff, 28, 29, 30 und 32 StbV sind uE verfassungsrechtlich bedenklich (vgl § 51 Rz 3 f). Voraussetzung der Qualifikation der §§ 25–32 StbV als Verordnung ist eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung. Eine solche Ermächtigung enthält das Gesetz nicht. Hätte der Gesetzgeber eine Ermächtigung zur Erlassung einer Verordnung intendiert, so hätte er – im Lichte der zu unterstellenden Absicht verfassungskonformen Vorgehens – im Rahmen einer ausdrücklichen Verordnungsermächtigung zum Erlass von datenschutzrechtlich relevanten Anmerkungen betreffenden Vorschriften ermächtigt. Dadurch, dass er die Evidenzstelle aber (bloß) verpflichtet hat, für die Anmerkung bestimmter Umstände Sorge zu tragen, kann ihm nicht die Anordnung unterstellt werden, dass diesbezüglich eine Rechtsverordnung zu erlassen ist bzw in der StbV hierüber nähere Bestimmungen zu erlassen. Die §§  25 ff StbV haben uE mithin keinen Verordnungscharakter iSd Art 139 B-VG.

II.  Anmerkungsumstände 3 Im Fall des Verlusts der Staatsbürgerschaft (§ 52 lit a) hat die Evidenzstelle, soweit die Daten nicht bereits im ZSR erfasst sind, in der Staatsbürgerschaftsevidenz festzuhalten, wodurch die betroffene Person die Staatsbürgerschaft verloren hat oder doch verloren haben könnte (zu anmerkungsrelevanten Umständen bei einzelnen Verlustgründen vgl § 25 StbV). Wurde – im öffentlichen Interesse (vgl § 42 Abs 2 und 3) – gegenüber einem Fremden ein Feststellungsbescheid über den Nichtbesitz der Staatsbürgerschaft erlassen (§ 52 lit b), sind in der Staatsbürgerschaftsevidenz die bescheidmäßig feststellende Landesregierung sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bescheides anzumerken (§  28 StbV). Im Fall des Verlusts der Staatsbürgschaft iZm der Nichtigerklärung einer Ehe (§ 52 lit c) oder der Feststellung des familiären Status eines Kindes (§ 52 lit d; vgl auch § 7 Rz 3) sind uE zum Teil dem Zweck der 654

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Evidenz nicht entsprechende Daten anzumerken (wie zB „der wesentliche Inhalt des Urteils“, „die Personaldaten derjenigen Person, von der bisher der Besitz der Staatsbürgerschaft zu Unrecht abgeleitet worden ist“) und zum Teil ist die Legitimation zur Anmerkungsermächtigung zu unbestimmt (zB „die nach den §§ 18 bis 21 sowie 23 über diese Person erforderlichen Angaben“). Im Fall der Namensberichtigung (§ 52 lit e) können auch damit (sachlich uE nicht immer eindeutig) im Zusammenhang stehende Daten angemerkt werden (vgl §  30 Abs  1 Z  1 bis 5 StbV). Im Fall des Todes eines Staatsbürgers oder einer verzeichneten Person (§ 52 lit f) ist der (allenfalls vom Gericht festgestellte) Todestag anzumerken (§ 32 Abs 1 StbV); vgl auch – abweichend von § 52 lit f – die unbestimmte Anmerkungsermächtigung in § 32 Abs 2 StbV (iVm § 51 Satz 3).

§ 53. Der Evidenzstelle ist nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten in elektronisch weiterverarbeitbarer Form unverzüglich mitzuteilen 1. vom Amt der Landesregierung: jeder von der Landesregierung in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft erlassene Bescheid; 2. vom Gericht: a) die Genehmigung nach § 27 Abs. 2 und § 29 Abs. 2; b) die Nichtigerklärung einer Ehe, wenn bloß einer der Ehegatten am Tag der Eheschließung Staatsbürger war oder wenn am Tag der Nichtigerklärung mindestens einer der Ehegatten Staatsbürger ist oder bis dahin als solcher gegolten hat; c) die Feststellung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes, wenn im Zeitpunkt seiner Geburt zumindest ein Elternteil Staatsbürger war, und d) der Beschluß, womit ein Staatsbürger für tot erklärt oder der Beweis seines Todes als hergestellt erkannt wird; 3. vom Bundesministerium für Justiz: a) die Legitimation eines minderjährigen ledigen Fremden durch Entschließung des Bundespräsidenten; hat das legitimierte Kind uneheliche Kinder, so sind gegebenenfalls auch diese bekanntzugeben, und 655

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b) die Anerkennung eines ausländischen Urteiles, das eine Ehe für nichtig erklärt, wenn die Voraussetzungen der Z 2 lit. b vorliegen; 4. von der österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland: jede von ihr in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft ausgestellte Bestätigung; 5. von der Gemeinde (Gemeindeverband): a) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 16/2013) b) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 16/2013) c) die Legitimation eines minderjährigen ledigen Fremden durch die beurkundete Eheschließung seiner Eltern, wenn der Vater des Kindes Staatsbürger ist; hat das legitimierte Kind uneheliche Kinder, so sind gegebenenfalls auch diese bekanntzugeben; d) die in ihrem Bereich beurkundete Änderung oder Berichtigung des Familiennamens oder Vornamens eines Staatsbürgers, sofern die Änderung oder Berichtigung nicht durch die Entscheidung einer inländischen Behörde bewirkt wurde, und e) das in ihrem Bereich beurkundete Ableben eines Staatsbürgers; f) ein durchbrechendes Vaterschaftsanerkenntnis gemäß § 147 ABGB. 6. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 38/2011) [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl 250/1965 Durch die detaillierten Bestimmungen dieses Paragraphen soll sichergestellt werden, daß alle staatsbürgerschaftsrechtlichen wichtigen Maßnahmen österreichischer Stellen der Evidenzstelle zur Kenntnis gelangen. Die Bundesregierung ist hiebei der Ansicht, daß zur Verwaltungsvereinfachung derartige Mitteilungen womöglich u n m i t t e l b a r an die zuständige Evidenzstelle übersendet werden sollten. EB zu BGBl 703/1974 Nach § 53 Z. 5 lit. e sind die Gemeinden (Gemeindeverband) verpflichtet, die in ihrem Bereich beurkundete Eheschließung einer Staatsbürgerin der Evidenzstelle mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht besteht wegen der für die Frau damit eingetretenen Änderung des Familiennamens. Da bereits derzeit bei Mischehen zwischen österreichischen Staatsbürgerinnen und Fremden die Möglichkeit einer Namenswahl besteht und nach der Re-

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gierungsvorlage eines Bundesgesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe auch der Ehegatte die Möglichkeit haben wird, den Familiennamen der Frau anläßlich der Eheschließung anzunehmen, müssen die Mitteilungen der Gemeinden an die Evidenzstelle in Hinkunft alle Eheschließungen umfassen, bei welchen durch die Ehe die Änderung des Familiennamens eines österreichischen Staatsbürgers eintritt. EB zu BGBl 170/1983 § 53 Z 1 StbG 1965 soll durch die Aussage ergänzt werden, daß vom Amt der Landesregierung nicht nur jeder von ihr in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft erlassene Bescheid, sondern auch jede von ihr ausgestellte Bestätigung über den Staatsbürgerschaftserwerb durch Erklärung nach § 25 Abs. 3 StbG 1965 idF des Entwurfes (Art. I Z  20) und durch Anzeige der Wohnsitzbegründung nach § 58c StbG 1965 unverzüglich mitzuteilen ist. Da nunmehr auch ein Mann die Staatsbürgerschaft nach seiner Ehegattin unter erleichterten Bedingungen erlangen soll, bedarf die Mitteilungspflicht der Gerichte an die Evidenzstelle bezüglich der Nichtigerklärung einer Ehe einer entsprechenden Modifikation. Z  2 lit. b wäre daher entsprechend zu ändern. Nach Aufhebung des § 29 EheG und Neufassung des § 138 Abs. 1 erster Satz ABGB durch das Bundesgesetz vom 30. Juni 1977 über die Neuordnung· des Kindschaftsrechts, BGBI. Nr. 403, streitet die gesetzliche Vermutung auch für die eheliche Geburt des aus einer für nichtig erklärten Namens- oder Staatsangehörigkeitsehe stammenden Kindes (§ 23 EheG). Die Mitteilungspflicht des Gerichtes nach Z 2 lit. c hätte daher zu entfallen; die bisherigen lit. d und e dieser Ziffer wären als c und d zu bezeichnen. In Z 3 lit. b soll die Verweisung auf die aufzuhebende Z 2 lit. c in der bisherigen Fassung des Gesetzes unter gleichzeitiger stilistischer Verbesserung des sonstigen Textes entfallen. Die Mitteilungspflicht der Gemeinde hinsichtlich der Legitimation eines minderjährigen ledigen Fremden und eines Staatsbürgers durch die Eheschließung der Eltern sollte an Stelle jener Gemeinde, in deren Bereich die Eheschließung beurkundet wurde, der Gemeinde auferlegt werden, die das Geburtenbuch des Kindes führt, weil letzterem auch alle sonstigen in diesem Zusammenhang entstehenden Mitteilungspflichten obliegen. Dies soll durch Weglassen der Worte „in ihrem Bereich“ bei Z 5 lit. c und d bewirkt werden. Die Änderung der Z 6 entspricht der seit dem Inkrafttreten des UniversitätsOrganisationsgesetzes, BGBI. Nr. 258/1975, bestehenden Rechtslage. Siehe auch die Erläuterung zu Art. I Z 20 (§ 25). Bezüglich der Ersetzung des Ausdruckes „Bescheinigung“ durch „Bestätigung“ in Z 4 und 5 lit. b siehe die Erläuterung zu Art. I Z 23 (§ 30). EB zu BGBl 202/1985 Zu Art. I Z 21 (§ 53 Z 1): Siehe die Erläuterungen zu Z 16, 17 und 18.

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Zu Art. I Z 16, 17 und 18 (§ 39 Abs. 1 und 2 und § 41 Abs. 1): Anstelle von Bestätigungen über den Erwerb der Staatsbürgerschaft sollen Feststellungsbescheide erlassen werden. Der Wortlaut der angeführten Bestimmungen ist der geänderten Rechtslage anzupassen. Siehe Z 9 und 25 (§§ 25 Abs. 3 und 58c Abs. 2) und die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen. Zu Art. I Z 22 (§ 53 Z 2 lit. a): Siehe den letzten Absatz der Erläuterungen zu Z 14. Zu Art. I Z 14 (§ 30 Abs. 2): […] Durch die Ersetzung des Wortes „Einwilligung“ durch den Ausdruck „Genehmigung“ wird der Gesetzestext dem durch Art. XIV des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1977 über die Neuordnung des Kindschaftsrechts, BGBl. Nr. 403, geänderten Wortlaut der §§ 27 Abs. 2 und 28 Abs. 3 StbG 1965 angepaßt. Zu Art. I Z 23 (§ 53 Z 3 lit. a): Die Legitimation eines Staatsbürgers ist für die Evidenzstelle nur wegen ihrer namensrechtlichen Wirkungen von Bedeutung. Durch die Neufassung der Z 5 ist in lit. d Vorsorge getroffen, daß der Evidenzstelle unter anderem sämtliche Namensänderungen mitgeteilt werden. Die Mitteilung über die Legitimation eines Staatsbürgers ist deshalb entbehrlich geworden. Zu Art. I Z 24 (§ 53 Z 5): So wie schon bisher ist die Gemeinde verpflichtet, der Evidenzstelle die Geburt eines Staatsbürgers (lit. a), die Ausstellung staatsbürgerschaftsrechtlicher Bestätigungen (lit. b), die Legitimation eines minderjährigen ledigen Fremden durch die nachfolgende Eheschließung seiner Eltern (lit. c) und das Ableben eines Staatsbürgers (lit. e, bisher lit. f) mitzuteilen. In der neuen lit. d wird der Gemeinde aufgetragen, der Evidenzstelle jede Änderung oder Berichtigung des Familiennamens oder Vornamens eines Staatsbürgers mitzuteilen. Dies stellt keine Erweiterung der diesbezüglichen Mitteilungspflichten, sondern nur deren Präzisierung dar, weil die gleichen Pflichten sich derzeit aus dem Zusammenhang von § 52 lit. e einerseits, § 53 Z 3 lit. a, § 53 Z 5 lit. d und e sowie § 55 andererseits ergeben. Die Mitteilungspflicht nach § 54 soll unberührt bleiben. EB zu BGBl I 38/2011 Zu Z 12 (§ 53 Z 6): Aufgrund des Außerkrafttretens der Bestimmungen betreffend Universitätsprofessoren (§ 25) hat die Z 6 zu entfallen. EB zu BGBl I 16/2013 Zu Z 7 (§ 53): § 53 soll an die technischen Möglichkeiten durch Einführung des ZSR angepasst werden. Weiters wird das durchbrechende Vaterschaftsanerkenntnis gemäß § 163e ABGB in den Katalog der Evidenzstelle mitzuteilenden Daten aufgenommen.

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EB zu BGBl I 136/2013 Zu §§ 52, 53 und 59: Die Adaptierungen in §§ 52, 53 und 59 sind Folgewirkungen der dargelegten Änderungen und handelt es sich dabei zum einen um Anpassungen aufgrund der vorgenommenen Änderungen zur Erzielung der Gleichstellung sowie der Adaptierung der Bestimmung der Legitimation und zum anderen um eine Aktualisierung eines Verweises auf das ABGB, da die dortigen Novellen bisher im StbG unberücksichtigt geblieben sind. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 4 A. Mitteilung................................................................................................. 4 B. Nichtigerklärung der Ehe..................................................................... 5 C. Feststellung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes......... 7 D. Todeserklärung und Todesbeweis......................................................... 10 E. Namensänderung oder -berichtigung................................................. 11 F. Vaterschaftsanerkenntnis...................................................................... 13 III. Katalog der der Evidenzstelle mitzuteilenden Daten............................. 15 Schrifttum zu § 53: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Kletečka/ Schauer, ABGB-ON1.03 § 140 ABGB und § 147 ABGB (Stand 1.3.2015, rdb.at); Kutscher/Wildpert, Personenstandsrecht2 § 2 TEG (Stand: 1.7.2015, rdb.at); Moritz, Amtshilfe und einfaches Gesetz, ÖGZ 11/1987, 2 ff; Pesendorfer, Das neue Namensrecht im Überblick, iFamZ 2013, 34 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007); Wagner-Reitinger, Änderungen im Namensrecht für Ehegatten und Kinder nach dem KindNamRÄG 2013, ÖJZ 2013, 245 ff.

I.  Allgemeines § 53 regelt die Mitteilungspflicht bestimmter Behörden an die Evidenz- 1 stelle; iZm der Gemeinde (Gemeindeverband) nach § 53 Z 5 ist damit jede Gemeinde angesprochen, die nicht die in Bezug auf lit c – f zuständige Evidenzstelle ist. § 53 steht iVm § 51. Die Mitteilung bestimmter Daten bzw Umstände iSd §  53 kann die Anmerkung durch die Evidenzstelle zur Folge haben. Eine von den in Z 1 bis 5 des § 53 aufgelisteten Behörden gemachte Mitteilung entfaltet für die Evidenzstelle uE keine Bindung iZm einer Anmerkung iSd § 51. Sie entbindet die Evidenzstelle uE vor allem nicht davon, die Voraussetzungen der Anmerkung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen (arg „die 659

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den Staatsbürgerschaftserwerb begründenden Umstände“ in § 51 Satz 1 und 3) und ihre Anmerkung entsprechend auszuführen (vgl auch Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 184: „Die Mitteilung hat selbst dann zu erfolgen, wenn sich aus ihr nach Ansicht der mitteilenden Stelle im konkreten Fall ausnahmsweise keine Umstände ergeben, die nach §§ 51 oder 52 in der Staatsbürgerschaftsevidenz zu verzeichnen sind; ob sich aus der Mitteilung solche Umstände ergeben oder nicht, hat vielmehr die Evidenzstelle zu beurteilen“). 2 § 53 kann uE nicht als eine Art „sondergesetzliche Amtshilfe“ qualifiziert werden. Auch wenn Art  22 B-VG unmittelbar anwendbar und eine nähere Ausgestaltung durch den Gesetzgeber möglich ist (vgl ­VfSlg 5415/1966, 10.715/1985), macht uE die Regelung des § 53 die ohnehin gemäß Art  22 B-VG bestehende Verpflichtung zur Amtshilfe nicht deutlich, weil Amtshilfe eine Hilfe im Einzelfall ist, die ausnahmslos ein Ersuchen voraussetzt (VfSlg 17.102/2004). Die durch die Mitteilung der Behörden in § 53 bewirkte „Zusammenarbeit“ ist von einem konkreten Ersuchen im Einzelfall unabhängig (vgl demgegenüber § 56 – arg „verlangten“). Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer derartigen gesetzlichen Regelung, die die Mitteilung von Behörden im Rahmen der Vollziehung von Gesetzen einer anderen Gesetzgebungs- bzw Vollziehungsautorität normiert, ist uE – mangels Stütze durch die Amtshilfe gemäß Art  22 B-VG (vgl auch VwGH 3.5.2011, 2009/05/0337) – bedenklich. 3 § 53 idgF geht im Wesentlichen auf § 53 idF BGBl 1965/250 zurück. Im Unterschied zur Stammfassung umfasst §  53 idgF – seit der Novelle BGBl I 2013/16 – keine Mitteilungspflicht der „Geburtsgemeinde“ (Z 5 lit a) und der „Bescheinigungsgemeinde“ (Z 5 lit b). Die ursprüngliche Differenzierung der Mitteilung iZm der Nichtigerklärung einer Ehe in § 53 Z 2 lit b und c (idF BGBl 1965/250) entfiel durch die – der Gleichbehandlung der Geschlechter und der Verbesserung der Stellung der unehelichen Kinder Rechnung tragenden – Novelle BGBl 1983/170. Die ursprüngliche Mitteilungspflicht der Gemeinden über die in ihrem Bereich beurkundeten Eheschließungen (§ 53 Z 5 lit e), die durch die Novelle BGBl 1974/703 auf namensändernde Eheschließungen beschränkt wurde, entfiel durch BGBl 1985/202. Die durch die Novelle BGBl 1983/170 erweiterte Mitteilungspflicht des Amts der Landesregierung auf von ihr ausgestellte Bestätigungen des Erwerbs der Staatsbürgerschaft nach § 25 Abs 3 oder § 58c Abs 2 (idF BGBl 1983/170) nahm der Gesetzgeber bereits mit der No660

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velle BGBl 1985/202 wieder zurück. Weiter erhielt § 53 Z 5 lit d durch die Novelle BGBl 1985/202 eine (im Spannungsverhältnis zum damals noch geltenden § 54 stehende) „Präzisierung“ (568 der Beilagen XVI. GP). Die folgenden Novellen zu § 53 (BGBl I 2011/38: Aufhebung des § 53 Z 6; BGBl I 2013/16: Anpassung an das ZSR und Erweiterung der Mitteilungspflicht der Gemeinde durch Einfügung der lit f in Z  5; BGBl I 2013/136: Anpassung an die Gleichstellung von ehelichen und unehelichen Kindern in Z 3 lit a und Z 5 lit c) stellten uE – gemessen an den nach § 53 mitzuteilenden Daten – marginale Änderungen dar.

II.  Begriffe A.  Mitteilung Nach dem Einleitungssatz des § 53 haben die Behörden (Z 1 bis 5) der 4 Evidenzstelle staatsbürgerschaftsrechtlich relevante Umstände „mitzuteilen“. In welcher Form diese Mitteilungen zu erfolgen haben, insbesondere ob ausschließlich in schriftlicher Form mitzuteilen ist, kann dem § 53 nicht entnommen werden. In Anlehnung an § 13 Abs 1 AVG, wonach – soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist – Mitteilungen (von Beteiligten) bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden können, und in Anbetracht des Umstands, dass Mitteilungen nach §  53 nicht an eine Frist gebunden sind, sondern lediglich „unverzüglich“ der Evidenzstelle zu erstatten sind, ist uE nicht ausgeschlossen, dass Mitteilungen nicht nur schriftlich, sondern in jeder technischen Form erfolgen können. Einer Mitteilung iSd § 53 kommt uE nicht Bescheidcharakter zu.

B.  Nichtigerklärung der Ehe Eine Ehe ist nur in den in den §§ 21 bis 25 EheG aufgelisteten Fällen 5 nichtig (vgl auch § 11a Rz 30 f). Demnach kommen als Nichtigkeitsgründe in Frage: Mangel der Form (§ 21 EheG); Mangel der Geschäftsoder Urteilsfähigkeit (§  22 EheG); Namensehe und Staatsangehörigkeitsehe (§  23 EheG); Doppelehe (§  24 EheG); Verwandtschaft (§  25 EheG). Der Rat der Europäischen Union hat unter Punkt 2 seiner Entschließung vom 5.12.1997 über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen (97/C382/01) Faktoren aufgezählt, die vermuten lassen können, dass es sich bei einer Ehe um eine Scheinehe handelt. Die Nichtigerklärung einer lediglich zur Erlangung der Staatsbürgerschaft 661

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geschlossenen Ehe (Scheinehe) verstößt nicht gegen Art 8 EMRK. Der Hinweis in Art 8 Abs 2 EMRK auf das Prinzip der Demokratie, aber auch der Begriff der Notwendigkeit müssen aber zu einer einschränkenden Auslegung der das Grundrecht begrenzenden Normen führen (vgl auch RS0102982; OGH 30.7.1996, 7 Ob 2179/96h; OGH 2.3.2005, 7 Ob 312/04i). 6 § 53 Z 2 lit b steht in einem Spannungsverhältnis zu § 23 EheG (vgl auch § 11a Rz 31). Nach § 23 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau „den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll“. Demgegenüber berücksichtigt § 53 Z 2 lit b die Gleichstellung von Mann und Frau (arg „einer der Ehegatten“). § 23 Abs 1 EheG ist in seinem zweiten Regelungsfall daher uE in einem geschlechtsneutralen Sinn zu lesen (vgl auch OGH 24.11.1988, 6 Ob 720/88).

C. Feststellung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes 7 Die gerichtliche Mitteilung der Feststellung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes (§  53 Z  2 lit c) idgF geht auf die Novelle BGBl 1983/170 zurück; davor hing die Feststellung davon ab, ob ein „Eheteil“ im Zeitpunkt der Geburt des Kindes Staatsbürger war. Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 184 kritisierten zutreffend, dass der AB zu §  53 [Anmerkung: §  53 idF der RV (497 der Beilagen X. GP) sah – wie § 53 idgF – den „Elternteil“ vor] nicht darauf Bedacht nahm, dass die in dem Wort „Eheteil“ angesprochene Ehe im Zeitpunkt der Geburt des Kindes bereits aufgelöst sein kann. Vgl auch §  52 lit d. 8 Das Abstammungsrecht wurde durch das KindNamRÄG 2013 in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst und durch eine neue Gliederung übersichtlicher. Die Bestimmungen über die Ehelichkeit des Kindes (§§ 138c und 138d ABGB aF) konnten entfallen, weil die Einteilung in eheliche und uneheliche Kinder aufgegeben wurde; insofern ist uE § 53 Z 2 lit c überholt. Im Übrigen sind die inhaltlichen Änderungen im ABGB durch BGBl I 2013/15 gering. Gemäß § 140 ABGB wirkt das Statusverhältnis gegenüber jedermann. Eine rechtlich bestehende Abstammung gilt solange, bis sie auf die gesetzlich vorgesehene Weise beseitigt wird. Letzteres ist nur für die 662

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Vaterschaft, nicht aber für die Mutterschaft möglich (vgl § 143 ABGB). Die Vaterschaft kraft Ehe der Mutter wird durch Feststellung der Nichtabstammung (§  151 ABGB) aufgehoben, das Vaterschaftsanerkenntnis durch Unwirksamerklärung (§ 154 ABGB) und die gerichtlich festgestellte Vaterschaft durch einen Abänderungsantrag im außerstreitigen Verfahren. Darüber hinaus kann jede nach § 144 ABGB bestehende Vaterschaft durch das wirksame Anerkenntnis eines anderen Mannes gemäß § 147 Abs 2 ABGB oder im Wege eines „Vätertauschverfahrens“ nach § 150 ABGB beseitigt werden (vgl auch § 7 Rz 16 ff). Die von §  140 ABGB erwähnte „Feststellung der Nichtabstammung“ ist nur ein Fall, in dem eine gesetzlich begründete Vaterschaft aufgehoben wird. Eine selbständige Beurteilung der Abstammung oder Nichtabstammung als Vorfrage im Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren ist nach hM unzulässig [Fischer-Czermak in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 140 ABGB (Stand 1.3.2015, rdb.at)]. Mit der grundlegenden Änderung des Abstammungsrechts durch das FamErbRÄG 2004 wurde auch die Beseitigung der Vaterschaft des Ehemannes der Kindesmutter neu geregelt. Die Überschrift lautet nicht mehr „Bestreitung der Ehelichkeit“, sondern „Feststellung der Nichtabstammung ...“, weil das Abstammungsverfahren mit dem AußStrG 2003 generell in das außerstreitige Verfahren (§§ 82–85 AußStrG) überstellt wurde. Die §§ 151–153 ABGB gelten nur für die Vaterschaft kraft Ehe mit der Mutter (§ 144 Abs 1 Z 1 ABGB), die von Gesetzes wegen besteht, wenn das Kind während der Ehe seiner Mutter oder vor Ablauf von 300 Tagen nach dem Tod ihres Ehemannes geboren wird. Die Feststellung nach § 151 ABGB bewirkt regelmäßig, dass das Kind vaterlos ist. Eine Ausnahme besteht aber, wenn es innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des früheren Ehemannes der Mutter geboren wird. Nach dem bis zum 31.3.2013 in Kraft gewesenen §  138c Abs  1 9 ABGB war ein Kind ehelich, wenn es während der Ehe der Mutter mit seinem Vater oder, wenn die Ehe durch den Tod des Ehemanns aufgelöst wurde, innerhalb von 300 Tagen danach geboren wurde; sonst war das Kind unehelich. Wurde ein Kind innerhalb von 300 Tagen nach Scheidung oder Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe geboren, so wurde es ehelich, wenn der frühere Ehemann der Mutter die Vaterschaft anerkannte oder durch das Gericht als Vater festgestellt wurde [§  138d Abs  1 ABGB idF BGBl I 2004/58 (Fam­ ErbRÄG 2004)]. 663

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D.  Todeserklärung und Todesbeweis 10 Die Todeserklärung begründet die Vermutung, dass der Verschollene in dem im Beschluss festgestellten Zeitpunkt gestorben ist (§ 9 Abs 1 TEG). Die Vermutung nach § 9 Abs 1 TEG erbringt den vollen Beweis für den Todeszeitpunkt (RS0075748). Der Ausspruch eines Gerichtes, dass der Beweis des Todes eines Verschollenen hergestellt sei, ersetzt eine öffentliche Urkunde über den Tod (vgl § 21 Abs 1 TEG). Der Beweis, der für tot zu Erklärende sei schon vorher gestorben, kann mit absoluter Wirkung, dh mit Wirkung für und gegen alle, im Wege eines Berichtigungsverfahrens geführt werden, er kann aber auch mit relativer Wirkung, dh mit Wirkung nur für und wider die Beteiligten, auch in jedem anderen Verfahren erbracht werden (RS0075792).

E.  Namensänderung oder -berichtigung 11 Namensänderungen bzw Änderungen des Personenstandes (Familienstandes) aufgrund einer Eheschließung bzw Verpartnerung vor einem österreichischen Standesamt bzw Behörde oder aufgrund eines Namensänderungsbescheides einer österreichischen Standesbehörde werden automatisch im ZMR verdatet; die Möglichkeit der Verdatung in der Staatsbürgerschaftsevidenz wird über § 53 Z 5 lit d hergestellt. Zu unterscheiden ist zwischen der Bestimmung des Familiennamens und der verwaltungsbehördlichen Namensänderung. Erstere ist grundsätzlich nur einmalig zulässig (§ 93b ABGB) und dem Standesbeamten gegenüber in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde abzugeben. Verwaltungsbehördliche Namensänderungen sind unter bestimmten Voraussetzungen (auch mehrmals) möglich (§ 2 NÄG); zuständig dafür ist die Bezirksverwaltungsbehörde. Bezüglich eingetragenen Partnern vgl Pesendorfer aaO, 35. 12 Mit dem KindNamRÄG 2013, das im Wesentlichen mit 1.2.2013 in Kraft getreten ist, wurde ua das Namensrecht von Ehegatten und Kindern neu geregelt (§§ 93–93c ABGB); bezüglich Zeitpunkt der Anwendung der neuen Rechtslage vgl § 1503 Z 2, 4 und 5 ABGB. Gemäß § 181 Abs 1 Satz 3 ABGB kann das Gericht (mit Beschluss) im Einzelfall eine gesetzliche – wie etwa gemäß § 167 Abs 2 ABGB für die Änderung des Familiennamens des Kindes – erforderliche Einwilligung oder Zustimmung des (eines) obsorgeberechtigten Elternteils ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen (vgl auch OGH 18.11.2015, 3 Ob 211/15y). Ein derartiger Gerichtsbeschluss ist uE – 664

Staatsbürgerschaftsevidenz

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mangels Aufzählung in § 53 Z 2 – nicht an die Evidenzstelle mitzuteilen.

F.  Vaterschaftsanerkenntnis Wird ein Vaterschaftsanerkenntnis abgegeben, obwohl die Vaterschaft 13 eines anderen Mannes bereits feststeht, so ist das Anerkenntnis nicht ungültig, sondern schwebend rechtsunwirksam. Ein dennoch abgegebenes Anerkenntnis kann bei folgenden Konstellationen wirksam werden: (i) die bisher bestehende Vaterschaft wird im Weg eines Abänderungsverfahrens nach den §§ 72 ff AußStrG beseitigt (vgl § 140 ABGB); (ii) die Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter gemäß §  151 ABGB wurde festgestellt; (iii) das Gericht hat das Anerkenntnis gemäß § 154 ABGB für rechtsunwirksam erklärt und (iv) die Voraussetzungen des durchbrechenden Vaterschaftsanerkenntnisses nach §  147 ABGB liegen vor. Das „durchbrechende Vaterschaftsanerkenntnis“ besteht seit dem 14 Kind­ RÄG 2001 [näher dazu: Deixler-Hübner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 147 ABGB (Stand 01.03.2015, rdb.at)]. Diese in § 145 ABGB (§ 163c idF vor dem KindNamRÄG 2013) vorgenommene Gesetzesänderung verfolgt den Zweck, die Anerkennung der Vaterschaft zu einem Kind, von dem allgemein bekannt ist, dass es nicht vom „GiltVater“ abstammt, für alle Beteiligten möglichst zu vereinfachen. Bis zum KindRÄG 2001 musste nämlich bei vermuteter Ehelichkeit zunächst vom (Ex-)Ehemann ein Verfahren auf Ehelichkeitsbestreitung angestrengt werden und erst dann, wenn die Nichtabstammung feststand, konnte der biologische Vater ein Anerkenntnis zu seinem Kind abgeben. Das Vaterschaftsanerkenntnis wirkt nach Abs 1 auf den Zeitpunkt der Anerkenntniserklärung zurück, das ist jener Zeitpunkt, zu dem diese Erklärung beim zuständigen Standesbeamten einlangt (vgl § 145 ABGB; § 7 Rz 20 ff).

III. Katalog aller der Evidenzstelle mitzuteilenden Daten Der Evidenzstelle (§ 49) sind die – taxativ in § 53 aufgelisteten – Daten 15 unverzüglich in technisch möglicher Form (zB Fax, E-Mail, Post) mitzuteilen (dh zu übermitteln). Die StbV konkretisiert (ohne Ermächtigung hierzu – vgl § 52 Rz 2 und § 51 Rz 3 f) einzelne Tatbestände des 665

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§ 53 Z 1 bis 5 (vgl § 34 StbV zu § 53 Z 1; § 35 StbV zu § 53 Z 3 lit a; § 36 StbV zu § 53; § 37 StbV zu § 53 Z 5 lit c bis f). Die Konkretisierung in der StbV ist allerdings uE – aus datenschutzrechtlicher (und damit grundrechtsrelevanter) Sicht – zum Teil unbestimmt (vgl zB § 37 – arg „soweit wie möglich alle Angaben zu enthalten“). § 53 Z 1 gilt gegenüber § 56b Abs 7 subsidiär (arg „sofern“ in § 34 Abs 1 StbV). Soweit es sich um der Rechtskraft zugängliche Rechtsakte handelt (wie Bescheide, gerichtliche Entscheidungen), beschränkt sich uE die Mitteilungspflicht nur auf rechtskräftige Akte.

§ 55. Erhält das Amt der Landesregierung, die Bezirksverwaltungsbehörde, die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland, die Gemeinde oder der Gemeindeverband (§ 47) Kenntnis von Umständen, die in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken und die nicht schon nach den §§ 53 oder 54 mitzuteilen sind, so sind sie der Evidenzstelle mitzuteilen, wenn anzunehmen ist, daß sie ihr noch nicht bekannt sind. [idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Diese Bestimmung will den Aufbau der Staatsbürgerschaftsevidenz beschleunigen: Werden Umstände, die in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken sind, einem Amt der Landesregierung, einer Bezirksverwaltungsbehörde, einer österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband bekannt, so ist unverzüglich die Evidenzstelle zu verständigen. Diese Verständigungspflicht soll natürlich nur insoweit bestehen, als anzunehmen ist, daß die staatsbürgerschaftsrechtlich bedeutsamen Umstände der Evidenzstelle noch nicht bekannt sind. Im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sollten nach Ansicht der Bundesregierung die in Rede stehenden Mitteilungen u n m i t t e l b a r an die Evidenzstellen übersendet werden. Auch in den Fällen, in denen Gemeinden gemäß § 47 zu Gemeindeverbänden zusammengeschlossen sind, trifft die Mitteilungspflicht nach §  55 unmittelbar die Gemeinde und nicht den Gemeindeverband, dem sie angehört. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Verständigungspflicht................................................................................. 2

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Staatsbürgerschaftsevidenz

§ 55

Schrifttum zu § 55: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 55 idgF geht unverändert auf BGBl 1965/250 zurück. Laut den EB 1 zur RV (497 der Beilagen X. GP) bezweckt(e) § 55 die Beschleunigung des Aufbaus der Staatsbürgerschaftsevidenz. Dieser Zweck ist uE überholt und vermag daher – insbesondere seit der Einführung des ZSR (BGBl I 2013/16) – unter den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit die mit einem Verwaltungsaufwand verbundenen Handlungspflichten nach § 55 nicht mehr sachlich zu rechtfertigen. Der Verweis auf den durch BGBl I 2013/16 entfallenen § 54 ist obsolet. Allerdings kann uE der Entfall des § 54 zur Folge haben, dass die Behörden bzw Stellen nach § 55 jede Entscheidung iSd § 54 mitzuteilen haben, die den Familien- oder Vornamen einer Person beeinflusst, sofern sie davon Kenntnis erlangt. Die §§ 51 und 52 verweisen auf Mitteilungen nach § 55. Nach § 38 StbV hat die Mitteilung soweit wie möglich alle Angaben zu enthalten, welche die Evidenzstelle nach §  39a Abs  1 und den §§  18 bis 32 jeweils für die Anmerkung benötigt (vgl aber auch § 53 Rz 15, § 52 Rz 2 und § 51 Rz 3 f). Die Verständigungspflicht gilt – im Unterschied zu § 53 Z 2 – nicht für Gerichte.

II.  Verständigungspflicht § 55 verpflichtet bestimmte Behörden und Ämter nur zur Mitteilung, 2 wenn ihnen aus Anlass einer konkreten Amtshandlung mitzuteilende Umstände bekannt werden (ebenso Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 187). Im Unterschied zu § 53 haben die Behörden nach § 55 (entgegen der EB) nicht unverzüglich die Evidenzstelle über Umstände zu informieren; zudem kann sich – aus verwaltungsökonomischer Sicht – die Verständigungspflicht nach § 55 nur auf solche Daten beziehen, die nicht ohnedies Gegenstand des § 53 Z 1, 3, 4 und 5 sind; dh § 53 geht § 55 vor. Weitere Voraussetzung der Verständigung nach § 55 ist, dass die darin aufgelisteten Stellen tatsächlich Kenntnis über anmerkungsrelevante Umstände haben und objektiv die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass die Evidenzstelle diese Umstände noch nicht kennt. 667

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§ 56. Alle natürlichen Personen, alle Behörden und Ämter und die für die wirtschaftlichen, administrativen und technischen Angelegenheiten verantwortlichen Leiter der Krankenanstalten sind verpflichtet, den Gemeinden (Gemeindeverbänden) die von diesen verlangten, für die Staatsbürgerschaftsevidenz erforderlichen Auskünfte, wenn notwendig an Hand von amtlichen Urkunden, vollständig und wahrheitsgetreu zu erteilen.

[idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl I 250/1965 Die Gemeinden und die Gemeindeverbände werden unter Umständen vor allem von der zu erfassenden oder erfaßten Person entsprechende Auskünfte oder Unterlagen verlangen müssen, wenn sie die Staatsbürgerschaftsevidenz ordnungsgemäß und zweckentsprechend führen und die ihnen im § 53 Z. 5 auferlegten Verständigungspflichten voll erfüllen sollen. Auch auf staatsbürgerschaftsrechtliche Auskünfte der Behörden und Ämter und der administrativen Leiter der Krankenanstalten werden sie oft angewiesen sein. Der Gesetzentwurf sieht daher für die in Betracht kommenden Personen, Behörden und Ämter eine gesetzliche Pflicht zur Auskunftserteilung und Vorlage staatsbürgerschaftsrechtlieh wichtiger Dokumente vor. Diese Verpflichtung kann sich natürlich nur auf Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder sich im Gebiet der Republik Österreich aufhalten, und auch nur auf österreichische Ämter und Behörden beziehen. Unter dem Begriff „Krankenanstalten“ sind die in den §§ 1 und 2 des Krankenanstaltengesetzes, BGBl. Nr. 1/1957, angeführten Heil- und Pflegeanstalten zu verstehen. Dazu gehören vor allem die allgemeinen Krankenanstalten, aber auch die Sünderheilanstalten (zum Beispiel für Geisteskrankheiten), und zwar gleichgültig, ob es sich um öffentliche oder private Anstalten handelt. Die Sanktion für die Erteilung der erforderlichen Auskünfte oder der erforderlichen Urkunden enthält die Strafbestimmung des § 64 Abs. 3. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Auskunftserteilungspflicht......................................................................... 3 Schrifttum zu § 56: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 § 56 ergänzt und erweitert die Verständigungspflichten nach § 53 und §  55, indem eine allgemeine Auskunftspflicht normiert wird. Die 668

Staatsbürgerschaftsevidenz

§ 56

Nichterfüllung dieser Verpflichtung bildete gemäß § 64 Abs 3 eine Verwaltungsübertretung. §  64 wurde durch §  63c (BGBl I 2009/122) ersetzt; der Tatbestand des § 64 Abs 3 (Nichtnachkommen der nach § 56 obliegenden Verpflichtung) ist seither in § 63c Abs 2 geregelt. Kommen natürliche Personen, Behörden und Ämter sowie Krankenanstaltenleiter (vgl § 9 KAKuG) nicht der Auskunftspflicht nach, droht ihnen ein Verwaltungsstrafverfahren. Die noch auf § 64 bezugnehmenden Vorschriften in § 39 StbV können uE gesetzeskonform (iS einer Bezugnahme auf § 63c) interpretiert werden; allerdings ist uE Abs 2 des § 39 StbV wegen des Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art  4 Abs 1 des 7. ZPEMRK (ne bis in idem) verfassungswidrig. § 56 verpflichtet zur Auskunft gegenüber Gemeinden; die EB rechtfer- 2 tigen diese Verpflichtung mit der vollständigen und richtigen Führung der Staatsbürgerschaftsevidenz. Empfänger der Auskünfte sind nach §  56 die Gemeinden bzw Gemeindeverbände. Gemeint sind offenbar im Zusammenhalt mit § 53 Z 5 (vgl EB) die Gemeinden, die gegenüber der Evidenzstelle nach § 49 Abs 2 mitteilungspflichtig sind. Die Pflicht zur Auskunftserteilung setzt ein Verlangen – also eine Aufforderung – durch eine Gemeinde voraus. Eine Einschränkung der Auskunftspflicht nach § 56 kann sich bei natürlichen Personen etwa aus Art  XVIII des Konkordats (BGBl 1934/2) ergeben; ob auch Vorschriften über die Verschwiegenheitspflicht iZm bestimmten Berufe [zB RA (vgl RS0119488), Ärzte (vgl aber § 54 Abs 2 Z 4 Ärztegesetz 1998), Steuerberater – sofern nicht „in eigener Sache“ (vgl RS0127872)] § 56 einschränken, ist uE fraglich (vgl Rz 4). Die Verschwiegenheitspflichten schützen in aller Regel denjenigen, dessen Umstände (Informationen) vertraulich bleiben sollen. Eine Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht ist möglich; vertragliche Verschwiegenheitspflichten sind iZm § 56 nicht relevant.

II.  Auskunftserteilungspflicht § 56 ist uE (zu) weit gefasst: Einerseits sind Adressaten der Verpflich- 3 tung, Gemeinden auf deren Verlangen Auskünfte zu erteilen, „alle natürlichen Personen“, andererseits umfasst die Auskunftspflicht alle für die Staatsbürgerschaftsevidenz notwendigen Informationen (arg „erforderlichen Auskünfte“ bzw „vollständig“). Soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht, könnte uE (bei Vorliegen eines Kollisionsfalls) die Erteilung von Auskünften verweigert werden. Die 669

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Befugnis der Gemeinden, von jedermann Auskünfte über evidenzrelevante Umstände zu verlangen, entspricht einer Verpflichtung der um Auskunft angegangenen Person, die Auskunft zu erteilen; eine vergleichbare Vorschrift findet sich zB in §  44 Nationalbankgesetz (vgl auch VwSlg 1909 F/1958). Die Verweigerung einer solchen Auskunft oder die Unterlassung der Erteilung durch natürliche Personen oder Krankenanstaltenleiter ist nach § 63c Abs 2 Satz 1 strafbar. 4 Als gesetzliche Verschwiegenheitspflicht in diesem Sinn kann uE auch die in Art 20 Abs 3 B-VG umschriebene Amtsverschwiegenheit und – eigenständig – die in § 1 Abs 1 und 2 DSG 2000 umschriebene Pflicht zur Geheimhaltung personenbezogener Daten in Betracht kommen (vgl auch VwGH 23.10.2013, 2013/03/0109), sofern Geheimhaltung geboten ist (zum Sonderfall eines Finanzvergehens vgl VwSlg 7190 F/1997). Die Berufung auf die Haushaltsordnung der Wirtschaftskammer stellt keine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dar (vgl VwSlg 17.160 A/2007). IZm der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 54 Ärztegesetz 1998 (iVm § 64) ist uE fraglich, ob dieser Pflicht die Erfüllung der Obliegenheit eines Dritten zur Verständigung der auskunftsbegehrenden Gemeinde nicht entgegensteht, weil diese Pflicht gemäß §  54 Abs  2 Z  2 leg cit nicht besteht, wenn Mitteilungen oder Befunde des Arztes an die Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten oder sonstigen Kostenträger in dem Umfang, als er für den Empfänger zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bildet, erforderlich sind. Die eine Verschwiegenheitspflicht verletzende Auskunftserteilung begründet für auskunftsberechtigte Gemeinden kein Beweismittelverwertungsverbot und steht daher auch einer Anmerkung in der Staatsbürgerschaftsevidenz nicht entgegen. Die Verschwiegenheitspflicht gemäß § 46 Abs 1 BDG besteht nicht gegenüber den Personen, denen eine amtliche Mitteilung zu machen ist. Derartige Mitteilungspflichten bestehen im Rahmen der Unterstützungspflicht gegenüber den Vorgesetzten (vgl VwGH 29.11.2000, 2000/09/0079). Eine Verschwiegenheitspflicht besteht grundsätzlich auch gegenüber Personen, denen selbst wieder eine Verschwiegenheitspflicht obliegt (VwSlg 6780 F/1993).

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Abschnitt Va Zentrales Staatsbürgerschaftsregister (ZSR) § 56a. (1) Die Evidenzstellen sind ermächtigt, zu Staatsbürgern

 1. Namen;  2. Geburtsdaten;  3. Geschlecht;  4. den Umstand, dass jemand Staatsbürger ist, und weitere Staatsangehörigkeiten;   5. Datum des Erwerbs und entsprechender Erwerbsgrund;   6. Datum des Verlusts und entsprechender Verlustgrund;  7. Todesdaten;  8. bereichsspezifische Personenkennzeichen (bPK, §§  9  ff E-GovG);   9. akademische Grade und Standesbezeichnungen sowie 10. sonstige Umstände, die für den Erwerb, Verlust oder die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft erforderlich sind, in einem Informationsverbundsystem (§ 4 Z 13 des Datenschutzgesetzes 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999) gemeinsam zu verarbeiten (Zentrales Staatsbürgerschaftsregister). (2) Der Bundesminister für Inneres übt sowohl die Funktion des Betreibers gemäß § 50 DSG 2000 als auch die eines Dienstleisters im Sinne des § 4 Z 5 DSG 2000 für diese Datenanwendung aus. In dieser Funktion hat er datenqualitätssichernde Maßnahmen zu setzen, wie insbesondere Hinweise auf eine mögliche Identität zweier ähnlicher Datensätze oder die Schreibweise von Adressen zu geben. Staatsbürgerschaftsbehörden haben dem Bundesminister für Inneres für die Zwecke des ZSR ihre Staatsbürgerschaftsdaten zu überlassen. [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl I 16/2013 Zu Z 8 (§§ 56a ff): §  56a Abs. 1 nennt jene Daten, die zukünftig zentral gespeichert werden dürfen. Z 5 stellt auf Rechtsgrundlagen zum Erwerb der Staatsbürgerschaft ab, so bspw durch Abstammung oder Legitimation. Vorgesehen wird, dass das ZSR als

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§ 56a

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Informationsverbundsystem geführt wird, in dem Daten mehrerer Auftraggeber gemeinsam in einer Datenverarbeitung verarbeitet und verwendet werden. Z 10 soll die Bearbeitung von Fällen ermöglichen, in welchen etwa eine Entscheidung der Landesregierung vorliegt, dass die Staatsbürgerschaft beibehalten werden kann, obwohl eine fremde Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Zu Abs. 2: Das ZSR wird als Informationenverbundsystem vom BMI betrieben. Dieser wird Dienstleister mit in den §§ 56a ff gesetzlich festgelegten Pflichten und Aufgaben. Die Datenverantwortlichkeit liegt aber bei den Staatsbürgerschaftsbehörden. Mit Abs. 2 wird weiters ausgedrückt, dass der Betreiber sicherstellt, dass in jenen Fällen, in welchen die Behörden unterschiedliche Datensätze anlegen, im System nur ein Datensatz vorhanden ist. Der Betreiber übernimmt damit die Funktion der „Datenpflege“ im Informationsverbund. […] EB zu BGBl I 136/2013 Zu Z 29 (§ 56a Abs. 2): Es handelt sich dabei um die Bereinigung eines Redaktionsversehens. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 9 A. Informationsverbundsystem................................................................. 9 B. Betreiber................................................................................................... 11 C. Dienstleister............................................................................................. 12 D. Datenqualitätssichernde Maßnahmen................................................ 15 E. Bereichsspezifische Personenkennzeichen........................................... 16 III. Daten des ZSR.............................................................................................. 19 Schrifttum zu § 56a: Haidinger, Was sind personenbezogene Daten?, Dako 2014, 17 ff; HinghoferSzalkay, E-Government für Bürger und Behörden im Personenstands- und Staatsbürgerschaftswesen, SIAK-Journal 2013 H 1, 55; Suda, Grundrechtswidrigkeit allgemeiner verwaltungsstrafrechtlicher Evidenzen, Dako 2015, 86 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II.

I.  Allgemeines 1 § 56a steht iVm § 50. Wie § 49 zählt auch § 56a nicht zum Kern des Kompetenztatbestandes „Staatsbürgerschaft“ nach Art 11 B-VG. Fraglich ist uE, ob die Führung einer Staatsbürgerschaftsevidenz und die Verarbeitung im ZSR eine Maßnahme iZm dem Erwerb und Verlust der Staatsbürgerschaft, der Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen und damit zusammenhängenden verfahrens- und organisationsrechtli672

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chen Regelungen ist. Die heimatrechtlichen Vorschriften enthielten im maßgeblichen Versteinerungszeitpunkt keine Bestimmungen über die Führung von Evidenzen; die Führung von Heimatrollen wurde erst durch BGBl 1928/355 angeordnet. Eine „Matrikel“ über „Gemeindemitglieder“ war nur in einzelnen Gemeindeordnungen in ganz anderem Zusammenhang vorgesehen (vgl Thienel aaO, 18). Ob ein systematischer Ansatz für die Zugehörigkeit der §§  49  ff und §§ 56a ff zum Kompetenzbereich der Staatsbürgerschaft durch § 12 der in Durchführung des StV von St. Germain ergangenen Vollzugsanweisung (StGBl 1920/397) und § 7 der in Durchführung des Brünner Vertrages ergangenen VO (BGBl 1921/297) hergestellt werden kann (bejahend Thienel aaO, 19), ist uE fraglich, weil die in diesen Vorschriften vorgesehene Übermittlung von Verzeichnissen durch die Staatsbürgerschaftsbehörden an den BMI im Versteinerungszeitpunkt praktisch nicht mehr angewendet wurden (vgl §§ 1 und 2 Vollzugsanweisung: 15.7.1921 bzw 15.1.1921; §  1 VO: 9.3.1922) und der Regelungsgegenstand „Nachweisungen über die Optionen auf Grund des Heimatrechtes“ bzw „Periodische Verzeichnisse über die Optionen“ sich auf dem BMI vorzulegende Daten bezieht, nicht aber auf die Führung einer Staatsbürgerschaftsevidenz bzw eines ZSR (vgl auch Einleitung Rz 15). Das ZSR ist dem ZPR „nachgebildet“. Letzteres wird gemäß § 44 PStG 2 2013 als Informationsverbundsystem vom BMI geführt, in dem die Personenstandsdaten (§ 2 PStG 2013) verarbeitet und verwendet werden. Die Datenspeicherung der Evidenzstellen ist als Informationsverbundsystem organisiert (§ 56a Abs 1), bei welcher das BMI die Betreiberfunktion ausübt. Der BMI ist dabei Dienstleister (§ 56a Abs 2) der Evidenzstellen, eine seiner Aufgaben ist die Führung einer zentralen Anlage, in der allerdings hauptsächlich nur die Identitätsdaten und Erwerbs-, Verlust- und Beibehaltungsumstände gespeichert sind. Auftraggeber für die Speicherung von Staatsbürger-Daten bleiben die Evidenzstellen jeweils für sich; diese treffen auch die Datenverantwortlichkeit (vgl aber auch § 56b Abs 7). In dem ZSR werden der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft 3 (Abstammung/Verleihung) und deren Verlust erfasst. Weiter sind im ZSR die ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweise ersichtlich. Das ZSR verleitet zur Aussage, dass „das so beim BMI gespeichert“ oder Ähnliches ist; datenschutzrechtlich ist das falsch, mag sie auch (technisch, hinsichtlich des Orts der Datenspeicherung beim Dienstleister) 673

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richtig sein. Auf Anfragen nach § 26 DSG hat uE der BMI mitzuteilen, welche Evidenzstelle für eine Auskunft in Frage kommt (§ 50 DSG). Das BMI selbst erteilt solche Auskünfte nicht, es verfügt als Dienstleister nicht über die üblicherweise notwendigen Detailunterlagen. 4 UE verstößt die Führung des ZSR nicht gegen das unter Gesetzesvorbehalt stehende Grundrecht auf Datenschutz (vgl §  1 Abs  2 DSG 2000). Die vom VfGH geforderte konkretisierte und begrenzte, ausreichend präzise, vorhersehbare und materienspezifische Regelung für behördliche Eingriffe in das Grundrecht auf Datenschutz (vgl VfGH 23.6.2014, G 90/2013), scheint durch die §§ 56a ff gegeben zu sein. Die Kriterien des VfGH könnten aufgrund der Bestimmungen zum Umfang der zu verarbeitenden Daten (§  56a), zu den Verwendungszwecken (§ 56b) mit Ausnahme des Satzes 2 in Abs 3 (vgl § 56b Rz 5 ff) und zu den gesetzlich legitimierten Übermittlungsempfängern (§  56c) erfüllt sein. 5 § 51 folgt dem Grundsatz, dass jeder Staatsbürger in die Staatsbürgerschaftsevidenz einzutragen ist. Die Eintragung erfolgt im Fall der Geburt am Wohnort der Mutter oder am Ort der Geburt oder bei der Gemeinde Wien (§ 49 Abs 2), im (ungeregelten) Todesfall uE dort, wo entweder die Eintragung begehrt wurde (analog § 29 PStG 2013) oder nach § 49 Abs 2 (iVm § 52 lit f und §§ 53 bis 55). Die Zuständigkeiten der Evidenzstellen nach § 49 gelten uE sinngemäß auch für die Verarbeitungszuständigkeiten nach § 56a (vgl aber auch § 56b Abs 7). Auch vor der Verarbeitung im ZSR muss uE der maßgebliche Sachverhalt ermittelt werden (vgl auch § 39a Abs 2 StbV); treten dennoch Zweifel an der Richtigkeit der im ZSR verarbeiteten Daten auf, hat jede abfrageberechtigte Behörde die (zuständige) Evidenzstelle über das ZSR unverzüglich zu verständigen (vgl § 56c Abs 2). 6 Mit § 64a Abs 15 [vgl auch RV (1907 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des NR XXIV. GP)] wird klargestellt, dass ab 1.4.2013 das ZSR „im Rahmen eines Aufbaubetriebes“ geführt werden soll (vgl auch § 64a Abs 17). Unklar ist uE, ob der Gesetzgeber damit beabsichtigt hat, dass mit Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2013/16 (ausnahmslos) keine weitere Buchführung erfolgen und „nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten“ nur mehr (dh ausschließlich) mit dem ZSR gearbeitet werden soll. Das Gesetz schweigt insbesondere über das „Schicksal“ der Staatsbürgerschaftsevidenzen (vgl auch § 50): Die weiterhin geltenden umfassenden Mittei674

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lungs- und Auskunftspflichten nach den §§ 53 ff, die sich nicht 1:1 mit den Daten nach § 56a Abs 1 decken, sowie eine bislang fehlende Vorschrift über das Außerkrafttreten des §  51 könnten für eine Fortführung (zumindest von Teilen) der Evidenzen sprechen; die Möglichkeit einer maximal einjährigen Anordnung der Weiterführung der Staatsbürgerschaftsevidenzen nach § 64a Abs 16 Satz 1 und eine verfassungskonforme Interpretation des §  50 sowie der Wille des Gesetzgebers iZm der ZSR-Einführung könnten dagegen sprechen. An der unklaren Rechtslage iZm einer weiteren Führung oder Auflassung der Evidenzen ändert uE auch der mit 1.11.2014 in Kraft getretene § 64a Abs 22 nichts (vgl § 64a Abs 23). Nach dieser – auf einen Initiativantrag (612/A XXV. GP) zurückgehenden – Bestimmung, wird für den Fall, dass das ZSR in der Zeit bis 1.6.2015 „aus technischen Gründen bundesweit nicht nur kurzfristig nicht zur Verfügung“ steht und auf Grund der den Behörden zur Verfügung stehenden Informationen Verfahren nicht mehr ordnungsgemäß bearbeitet oder Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft nicht ausgestellt werden können, der BMI ermächtigt, durch Verordnung anzuordnen, dass die Staatsbürgerschaftsevidenzen fortzuführen sind. Eine solche für einen „Totalausfall“ als „vorrätig“ angedachte VO (vgl Begründung im IA), die bis zur Herstellung der vollen Betriebsfähigkeit des ZSR gelten soll, wurde bisher aber nicht erlassen. Mit Stand Mitte Oktober 2014 haben 1.289 von den 1.374 Standesämtern bzw Standesamtsverbänden in Österreich Daten migriert [Anfragebeantwortung der BMI (2293/AB XXV. GP)]. Mangels einer VO nach §  64a Abs  22 und einer VO nach §  64a Abs 16 Satz 1 einerseits und einer Vorschrift über das außer Kraft treten des §  51 andererseits kann uE – unbeschadet des §  50 – nicht ausgeschlossen werden, dass parallel zum Betrieb des ZSR die Führung von Staatsbürgerschaftsevidenzen zu erfolgen hat, wenn die Evidenzstellen aus technischen oder organisatorischen Gründen nicht in der Lage sind, die Daten dem BMI zu übertragen (vgl § 64a Abs 15). Es de facto abhängig zu machen, ob und wie vollständig die Daten aus den (lokalen) Staatsbürgerschaftsevidenzen bereits in das ZSR überspielt (migriert) wurden, es also jeder Behörde selbst zu überlassen, wann die Daten im ZSR erfasst sind, ist uE wegen des damit verbundenen (doppelten) Aufwands mit den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Gebarung kaum vereinbar. Der Gesetzgeber versteht die Gebarung als ein über das bloße Hantieren mit finanziellen Mitteln (Tätigen von Ausgaben und Einnahmen, 675

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Verwalten von Vermögensbeständen) hinausgehendes Verhalten, nämlich als jedes Verhalten, das finanzielle Auswirkungen (Auswirkungen auf Ausgaben, Einnahmen und Vermögensbestände) hat. Insofern erfordert uE das aus dem Gleichheitsgebot erfließende Sachlichkeitsgebot eine an den Kriterien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit orientierte – hier fragliche – effiziente Verwaltungstätigkeit. 7 Unbeschadet einer Fortführung oder Einstellung der Staatsbürgerschaftsevidenzen sind uE die bisher geführten Evidenzen bei den Evidenzstellen (unbefristet) aufzubewahren; dies ergibt sich aus §  64a Abs 16 Satz 2, wonach Daten, die nicht bereits im Rahmen des Aufbaubetriebes im ZSR erfasst wurden, anlassbezogen (dh jederzeit in der Zukunft) im ZSR nachzuerfassen sind, wenn diese in einem Verfahren erforderlich sind (vgl auch Satz 3). Anders als bei ZSR-Daten (vgl § 56b Abs 4) ist eine Löschung bzw Vernichtung der Staatsbürgerschaftsevidenzen nicht vorgesehen. Im Unterschied zu den Daten im ZSR können Staatsbürgerschaftsdaten – mangels gesetzlicher Regelung – auch nicht aus den Büchern beauskunftet werden (vgl § 56b Abs 1). 8 Staatsbürgerschaftsnachweise und staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen können nunmehr unabhängig vom Wohnsitz aus dem ZSR ausgestellt werden (vgl § 41 und § 44 Abs 1). Ähnlich wie im Fall des ZPR soll auch mit dem ZSR nach einer weiteren Ausbauphase und mittels Bürgerkartenkonzept eine neue Serviceleistung für Bürger entstehen und soll es möglich sein, von zu Hause aus Staatsbürgerschaftsnachweise via Bürgerkarte auszudrucken (vgl § 44 Abs 3 PStG 2013). Auf Behördenebene entfällt im Staatsbürgerschaftswesen „nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten“ (§ 53 erster Halbsatz) die aufwändige Mitteilungspflicht in Papierform und wird durch die virtuelle Datenverwaltung ersetzt.

II.  Begriffe A.  Informationsverbundsystem 9 Ein Informationsverbundsystem ist in § 4 Z 13 DSG 2000 definiert als Datenanwendung, die von mehreren Auftraggebern so genützt wird, dass die Daten eines Auftraggebers auch für alle übrigen Auftraggeber zur Verfügung stehen. Das ZSR, das undifferenziert über Zuständigkeiten von Evidenzstellen (§  49 Abs  2) hinweg in Österreich eingesetzt 676

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wird, stellt ein Informationsverbundsystem dar, da die Daten von anderen (für die Verarbeitung unzuständigen) Evidenzstellen sowie Konsulaten und Botschaften eingesehen werden können. Jeder Systemteilnehmer hat dabei Zugriff auf sämtliche Daten, die in das System eingespeist wurden, nicht nur auf jene, die er selbst zur Verfügung gestellt hat. § 56a Abs 1 ordnet an, dass das ZSR ein Informationsverbundsystem 10 ist; folglich sind – uE um den Vorgaben des § 1 DSG 2000 und des Art 8 EMRK zu entsprechen – eine Reihe spezieller Auflagen zu erfüllen (vgl § 50 DSG 2000), bei deren Nichtbeachtung entsprechende Sanktionen drohen (§ 52 Abs 2 und 4 DSG 2000). Die datenschutzrechtlichen Erfordernisse und Pflichten, die für das Unterhalten eines Informationsverbundsystems notwendig sind, umfassen: (i) Vorabkontrolle durch die DSB (§ 18 Abs Z 4 DSG 2000); (ii) Bestellung eines Betreibers, der als Adressat für Betroffenenrechte und als Verantwortlicher für Datensicherheit zur Verfügung steht. Das BMI als Betreiber trifft zusätzlich noch die Verpflichtung, Betroffenen Auskünfte über den für die Verarbeitung ihrer Daten verantwortlichen Auftraggeber zu erteilen.

B.  Betreiber Aufgrund der Tatsache, dass eine Vielzahl von Auftraggebern an dem 11 Informationsverbundsystem beteiligt ist, kann die Wahrnehmung der im DSG 2000 vorgesehenen Betroffenenrechte erschwert sein. Um Betroffenen die Durchsetzung ihrer Rechte zu erleichtern, muss für jedes Informationsverbundsystem ein Betreiber benannt werden (§ 50 DSG 2000). Dieser hat für den Fall, dass der eigentliche Auftraggeber nicht bekannt ist, innerhalb von 12 Wochen Auskunft darüber zu geben, durch welchen Auftraggeber Daten des Betroffenen in das System eingespeist wurden. Nach der Bekanntgabe des Auftraggebers kann der Betroffene seine Rechte direkt dem Auftraggeber gegenüber geltend machen. Ferner trägt der Betreiber die Verantwortung für die notwendigen Maßnahmen der Datensicherheit im Informationsverbundsystem.

C.  Dienstleister Unter dem Begriff „Dienstleister“ versteht § 56a Abs 1 den BMI bzw dessen Hilfsapparat, das bzw der von den Evidenzstellen als Auftragge677

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ber überlassene Daten im Rahmen der Herstellung eines Werkes verwendet, wobei der „Verwendungsbegriff“ der Z 8 des § 4 DSG 2000 sowohl das „Verarbeiten“ (Z 9) als auch das „Übermitteln“ (Z 12) umfasst. Überdies können Daten, die das BMI ermittelt, um das Werk fertig stellen zu können, vom Dienstleistungsbegriff auch umfasst sein (vgl § 56b Abs 2 und 3). IZm § 56b Abs 3 verliert allerdings uE der BMI die Eigenschaft als Dienstleister, dh er wird zum Auftraggeber, wenn er die Daten verschiedener Auftraggeber verknüpft. 13 Vom Dienstleisterbegriff sind zB auch der Transport von Datenträgern, die Zurverfügungstellung von Rechnerkapazitäten usw erfasst, weil der Dienstleister nicht nur mit dem „Verarbeiten“ im engeren Sinn des § 4 Z  9 DSG 2000 (wie zB Erfassen, Speichern, Verknüpfen, Ausgeben usw) betraut ist, sondern auch „jede andere Art der Handhabung von Daten“ durchführen kann. Zu den gesetzlichen Pflichten des Dienstleisters bei der Verwendung von Daten für den Auftraggeber – wie zB alle gemäß § 14 DSG 2000 erforderlichen Datensicherheitsmaßnahmen zu treffen (§ 56c Abs 3) – vgl § 11 DSG 2000. 14 Aus den Vorschriften des § 11 Abs 1 Z 5, 6 und Abs 2 DSG 2000 kann iZm einer Verpflichtung, auch Auskunft über allenfalls beim Dienstleister (noch) vorhandene Daten über die vom seinerzeitigen Auftrag an den Dienstleister erfassten Personen zu erteilen, geschlossen werden, dass den Auftraggeber jedenfalls eine Erkundigungspflicht hinsichtlich solcher Daten trifft und er die ihm vom Dienstleister übermittelten Informationen an die Auskunftswerber weiterzuleiten hat. Auch wenn der Dienstleister nach § 11 Abs 1 Z 5 DSG 2000 zur Vernichtung jener „Verarbeitungsergebnisse“ und „Unterlagen, die Daten enthalten“ verpflichtet war, die nicht an den Auftraggeber „übergeben“ wurden, besteht für den Fall der rechtswidrigen Nichterfüllung dieser Verpflichtung durch den Dienstleister die Auskunftspflicht hinsichtlich solcher Daten für den Auftraggeber (vgl auch VwGH 15.11.2012, 2008/17/0096).

D.  Datenqualitätssichernde Maßnahmen 15 Ein fortschreitender Umgang mit dem ZSR erhöht die Anforderungen an die Stammdatenqualität. Als Dienstleister obliegt es dem BMI, iZm der Datenmenge, Geschwindigkeit des Datenstroms und Vielfalt der Datenquellen für die Datenqualität zu sorgen (vgl zB auch §  16 Abs 7 MeldeG und § 44 Abs 3 PStG 2013). § 56a Abs 2 Satz 2 konkre678

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tisiert diese die Richtigkeit der Daten bezweckende Obliegenheit. Auch noch so viele Daten sind ohne das Erkennen von Zusammenhängen, Bedeutungen und Mustern wertlos. Vor diesem Hintergrund ist uE die Überprüfung einer möglichen Identität zweier Datensätze oder die Schreibweisen von Adressen zweckmäßig. Der Einsatz von Verarbeitungs- und Analysemethoden kann nur dann einen „Mehrwert“ aus dem ZSR generieren, wenn die Daten „stimmen“. Auswertungen oder Planungen sind fehleranfällig, wenn sie nicht auf vollständigen, eindeutigen und „richtigen“ Daten basieren. Daher bildet das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Daten eines Staatsbürgers eine essentielle Voraussetzung, um daran anknüpfenden Rechten und Pflichten (zB Wehrpflicht oder Grundverkehr) zum Durchbruch zu verhelfen.

E.  Bereichsspezifische Personenkennzeichen Um den Datenschutz zu wahren, werden im österreichischen E- 16 Government keine einheitlichen Personenkennzeichen in Verfahren verwendet. Daher ziehen Behörden unterschiedliche Personenkennzeichen heran, die sich aus der Stammzahl (= verschlüsselte ZMR-Zahl) der betroffenen natürlichen Person für den jeweiligen Verfahrensbereich ableitet. Diese kryptografischen Einwegableitungen sind nicht umkehrbar. Das bedeutet, dass von der abgeleiteten Zahl nicht mehr auf die Stammzahl zurückgerechnet werden kann. Aus einer vorhandenen Ableitung (dem bereichsspezifischen Personenkennzeichen) kann daher auch keine Ableitung für einen anderen Bereich berechnet werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen Behörden die Stammzahl 17 natürlicher Personen keinesfalls als Identitätsmerkmal speichern. Wird die Bürgerkarte zum Signieren eines elektronischen Anbringens verwendet, so wird nach der Überprüfung der Signatur die Stammzahl aus der Bürgerkarte ausgelesen und in eine gesicherte Bürgerkartenumgebung übertragen, in der automatisch ein bereichsspezifisches Personenkennzeichen (bPK) abgeleitet und die Stammzahl gelöscht wird. Das erzeugte bPK wird aus der Stammzahl für den spezifischen Verfahrensbereich der Behörde berechnet. Die Behörde verfügt nach dem Anbringen mit der Bürgerkarte lediglich über das für ihren Tätigkeitsbereich relevante bPK der betroffenen Person. Das bPK wird in zwei Schritten ermittelt: Im ersten wird aus Stammzahl und Verfahrensbe679

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reich eine Zeichenkette gebildet. Im zweiten berechnet ein bestimmter Hash-Algorithmus aus dieser Zeichenkette eine sichere kryptografische Einwegableitung. Aus Gründen der Darstellbarkeit, zB im Falle eines Papierausdrucks, wird das bPK mit dem Base64-Standard kodiert. 18 Benötigt eine Behörde zur Identifikation einer Person ein bereichsspezifisches Personenkennzeichen aus einem anderen Verfahrensbereich (vgl § 56c Abs 1), darf diese die Stammzahlenregisterbehörde berechnen. Dienstleister der Stammzahlenregisterbehörde ist der BMI, der für die technische Umsetzung der Berechnung der Stammzahlen und deren Ableitungen sorgt. Die Stammzahlregisterbehörde übermittelt dieses bPK ausschließlich verschlüsselt an die anfragende Behörde. Das verschlüsselte bPK (vbPK) entschlüsseln und verarbeiten kann so nur jene Behörde, die für den Fremd-Verfahrensbereich zuständig ist, für den das bPK gebildet worden ist. Die Berechnung der verschlüsselten bPK muss so erfolgen, dass nicht auf die Person geschlossen werden kann. Die Verschlüsselung beruht auf dem RSA Verfahren mit einer Schlüssellänge von mindestens 1024 Bit.

III.  Daten des ZSR 19 § 56a Abs 1 Z 1 bis 10 listet taxativ die Daten iZm einem Staatsbürger auf, die im ZSR verarbeitet werden sollen. Wenn auch die Formulierung in § 50 uE Anlass zu Missverständnis gibt (vgl § 50 Rz 2), soll – ungeachtet der nicht minder missverständlichen Übergangs- und InKraft-Treten-Bestimmungen in §  64a Abs  15, 16 und 22 – nunmehr statt der Führung von Staatsbürgerschaftsevidenzen offenbar nur mehr die Eintragung im ZSR erfolgen. Die ZSR-Daten gemäß § 56a Abs 1 Z 1, 2 und Z 10 werden uE in § 39a Abs 1 Z 1, 2 und 3 iVm § 10 lit a StbV näher geregelt; eine Verordnungsermächtigung hierzu ist im StbG nicht vorgesehen (vgl § 55 Rz 1, § 53 Rz 15, § 52 Rz 2 und § 51 Rz 3 f). Die in § 39a Abs 1 Z 4 StbV geregelten Eintragungen iZm Staatsbürgerschaftsnachweisen entbehrt darüber hinaus der Grundlage in §  56a Abs 1.

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§ 56b. (1) Die Evidenzstellen sind berechtigt, die im ZSR verarbeiteten Daten zu verwenden und Auskünfte daraus zu erteilen. Zur Vollziehung der ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben sind die österreichischen Berufskonsulate und österreichischen diplomatischen Vertretungsbehörden berechtigt, die im ZSR verarbeiteten Daten zu ermitteln und für diese Zwecke weiterzuverarbeiten. (2) Der Bundesminister für Inneres hat die ihm überlassenen Staatsbürgerschaftsdaten weiter zu verarbeiten und deren Auswählbarkeit aus der gesamten Menge der gespeicherten Daten nach Namen der Eingetragenen oder nach dem Namen in Kombination mit einem weiteren Datum nach § 56a Abs. 1 vorzusehen. (3) Für Zwecke der ordnungsgemäßen Führung der Daten kann die Auswählbarkeit auch nach anderen Kriterien vorgenommen werden. Für Zwecke der Sicherheitspolizei und Strafrechtspflege oder, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist, kann die Auswählbarkeit aus der gesamten Menge aller im ZSR verarbeiteten Daten auch nach anderen als in Abs. 2 genannten Kriterien vorgesehen werden (Verknüpfungsanfrage). (4) Staatsbürgerschaftsdaten, die im ZSR verarbeitet werden, sind 120 Jahre nach dem eingetragenen Sterbedatum des Betroffenen zu löschen. Danach sind sie dem Österreichischen Staatsarchiv zu übergeben. (5) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt vorzusehen, dass die Echtheit der aus dem ZSR ausgestellten Urkunden mit Hilfe eines Codes überprüft werden kann. (6) Daten zur und die Änderung der Staatsangehörigkeit im ZSR werden automatisch dem ZPR zur Verfügung gestellt und aktualisiert. (7) Anstelle einer Mitteilung gemäß § 53 Z 1 kann das Amt der Landesregierung anlässlich des Erwerbs, des Verlusts, des Verzichts oder der Feststellung, der Beibehaltung und Entziehung der Staatsbürgerschaft für die zuständige Evidenzstelle die Daten gemäß § 56a Abs. 1 in das ZSR eintragen. [idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl I 16/2013 […]

Mit § 56b Abs. 1 sollen die Staatsbürgerschaftsbehörden ermächtigt werden, die im ZSR gespeicherten Daten zu verwenden und Auskünfte daraus zu erteilen.

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Weiters sollen die österreichischen Berufskonsulate und die österreichischen diplomatische Vertretungsbehörden Daten für die Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen ermitteln und weiterverarbeiten können. Abs. 2 normiert den Mindeststandard für die Funktionalität des ZSR und sieht die Auswählbarkeit aus der Gesamtmenge der im ZSR verarbeiteten Daten jedenfalls nach Namen der Eingetragenen im ZSR vor. Zur Einschränkung der Suchmenge kann auch eine Kombination mit einem anderen Kriterium eingegeben werden. Abs. 3 regelt die so genannte Verknüpfungsanfrage. Diese ermöglicht eine Abfrage aus den Datensätzen des ZSR. Eine solche Abfrage soll für Zwecke der Sicherheitspolizei, der Strafrechtspflege oder sonstige gesetzlich vorgesehene Fälle vorgesehen werden. Mit Abs. 4 soll sichergestellt werden, dass Daten gelöscht werden, jedoch erst dann, wenn sie tatsächlich nicht mehr benötigt werden; insofern wird auf den Zeitraum zweier Generationen abgestellt. Abs. 5 stellt sicher, dass bei Vorlage der Urkunden diese auf Richtigkeit überprüft werden können. Auf den entsprechenden Ausdrucken wird daher ein Code aufgebracht, mit dem das Dokument im Original aufgerufen werden kann. Abs. 6 ermöglicht ein Datenupdate der eigenen Applikation von ZSR und ZPR und garantiert, dass die Behörden mit den jeweils aktuellen Daten der Register arbeiten. Abs. 7: Nunmehr soll das Amt der Landesregierung einen Zugriff auf das ZSR erhalten und selbst Daten eingeben können. […] Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 3 A. Datenverarbeitung................................................................................. 3 B. Verknüpfungsanfrage............................................................................ 5 III. Datenverwendung....................................................................................... 8 IV. Datenupdate.................................................................................................. 9 V. Datenlöschung.............................................................................................. 10 Schrifttum zu § 56b: Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 § 4 (Stand: 26.11.2015, rdb.at); Sonntag, Risiko- und Auffälligkeitsanalyse-Tool: Die Sozialversicherung zwischen Betrugsbekämpfung und Big Brother, ecolex 2015, 990 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II.

I.  Allgemeines 1 Die Verwendungsberechtigung von ZSR-Daten ist in den §§ 56b f geregelt. Das als „eines der größten Verwaltungsinnovationsprojekte der 682

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letzten Jahrzehnte“ [Anfragebeantwortung der BMI (2293/AB XXV. GP)] dargestellte ZSR ist eine Datenbank, in der „vieles“ an persönlichen Daten über viele Staatsbürger enthalten ist. Damit geht die (zumindest technisch mögliche) Gefahr einher, den kompletten evidenzstellenbezogenen Datenbestand eines bzw mehrerer Menschen durch rechtswidriges Handeln zu erhalten. Demgegenüber steht der Vorteil, dass durch ein zentrales Datenregister wie dem ZSR die Beantwortung mancher Anfragen, Auswertungen, Prognosen über zukünftige Entwicklungen oder wissenschaftliche Forschungsprojekte erleichtert wird. UE wird dadurch und durch die Möglichkeit langfristiger Kosten­einsparung der mit einer Zentralspeicherung verbundene Nachteil (weitgehend) aufgehoben, zumal auch die vormalige automatisationsunterstützte Staatsbürgerschaftsevidenz nicht wirklich sicher sein konnte. § 56b Abs 1 sieht die umfassende Möglichkeit einer Auskunftserteilung 2 über ZSR-Daten vor (vgl auch § 26 DSG 2000). Schutzwürdige Interessen, die einer solchen Auskunftserteilung entgegenstehen können, spielen uE iZm den §§ 8 f DSG 2000 eine Rolle. Eine Auskunft nach § 56b Abs 1 kann uE von jedermann iSd § 8 AVG begehrt werden, also nicht nur von Personen, auf die sich die Eintragung bezieht und sonstigen Personen, deren Staatsangehörigkeit durch die Eintragung berührt wird, sondern auch von Personen, die ein rechtliches Interesse an einer solchen Auskunft glaubhaft machen (zB Erben). § 56b Abs 2 sieht hierbei die Möglichkeit der Suche anhand des Namens – allenfalls iVm einem Datum (vgl § 56a Abs 1 Z 5, 6 und 7) – vor. Gemäß § 56b Abs 3 ist vorgesehen, die Auswählbarkeit aus der gesamten Menge aller im ZSR verarbeiteten Daten auch nach anderen als dem Namen (vgl § 56b Abs 2) des Eingetragenen vorzusehen. Eine solche Abfrage der Daten ist eine Verknüpfungsanfrage. Da eine derartige Abfrage im Besonderen für die Erfüllung der Aufgaben der Polizei und Justiz von Bedeutung ist, wird dies für die Zwecke der Sicherheitspolizei und Strafrechtspflege vorgesehen. Durch Abs  3 wird zudem dem BMI ermöglicht, einen Zugriff zum ZSR auch nach anderen Kriterien als dem Namen zu gestalten. Die Löschung von Staatsbürgerschaftsdaten nach Abs  4 bezieht sich auf im ZSR verarbeitete (abgespeicherte) Daten. Diesen Daten liegen Daten zugrunde, die den Evidenzstellen durch Mitteilung oder auf andere Weise (vgl §  51) zur Kenntnis gekommen sind. Letztere sind dem Staatsarchiv 120 Jahre nach dem Tod des Betroffenen zu überge683

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ben. Abs 5 stellt sicher, dass Dritte (zB ausländische Behörden) bei Vorlage der Urkunde diese auf Echtheit überprüfen können. Zu diesem Zweck wird auf den entsprechenden Ausdrucken ein Code angebracht und somit die Möglichkeit geschaffen, das Dokument im Original zu betrachten. Als kostengünstiges Merkmal kann der sogenannte QRCode („quick response“ = „schnelle Antwort“) somit die Dokumentensicherheit erhöhen.

II.  Begriffe A.  Datenverarbeitung 3 Jede Art der Handhabung der Daten – mit Ausnahme des „Übermittelns“ – fällt unter die Legaldefinition „Verarbeiten“ in § 4 Z 9 DSG 2000. Nach § 56b Abs 2 hat der BMI die ihm überlassenen Staatsbürgerschaftsdaten weiter zu verarbeiten und benutzerfreundlich aufzubereiten. Der BMI kann daher uE iZm den überlassenen Daten im Rahmen der Weiterverarbeitung auch andere Daten ermitteln, sofern die ermittelten Daten der Erreichung eines bestimmten Ergebnisses (Zweck) iSd § 4 Z 7 DSG 2000, worunter uE auch die Überprüfung der Staatsbürgerschaftsdaten auf Richtigkeit und Vollständigkeit fallen könnte, dienen. Als Grundlage für eine berechtigte Ermittlung von personenbezogenen Daten für eine Datenanwendung sind die §§ 6 und 7 DSG 2000 maßgeblich. 4 Unter „Erfassen“ und „Speichern“ als Teil des Verarbeitens wird iSd DSG die Aufnahme von Daten auf einen Datenträger zu ihrer weiteren Verwendung verstanden, wobei es unwesentlich ist, von welchen Unterlagen diese Daten kommen, welche technische Form der Datenerfassung gewählt wird und welche Art von maschinlesbaren Datenträgern Verwendung findet. Die Datenweiterverarbeitung umfasst ferner: (i) das „Aufbewahren“, worunter das Sammeln von Daten und Behalten über einen bestimmten Zeitraum zu verstehen ist; (ii) das „Ordnen“, das mit dem in der Informatik üblichen Begriff „Sortieren“ gleichzusetzen ist; (iii) das „Vergleichen“ von Daten, (iv) das „Verändern“ und „Verknüpfen“, also das – einen anderen (uU zusätzlichen) Aussagewert indizierende – inhaltliche Umgestalten der gespeicherten Daten; (v) das „Vervielfältigen“ (Kopieren) von maschinell lesbaren Daten; (vi) das „Abfragen“ bestimmter Daten nach Vorgabe von Suchkriterien: (vii) das „Ausgeben“ von Daten (zB durch Ausdruck der Ergebnisse, Aus684

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gabe auf dem Bildschirm, Ausgabe auf Magnetdatenträgern, aber auch durch eine Abfragemöglichkeit im Internet usw); (viii) das „Benützen“ (dh Gebrauchen und Verarbeiten) der Daten für die vorgesehenen Zwecke; (ix) das „Überlassen“ an die Evidenzstellen (vgl auch § 4 Z 11 DSG 2000); (x) das „Sperren“ durch organisatorische oder technische Maßnahmen, die verhindern, dass die gesperrten Daten im Rahmen einer Datenanwendung verwendet werden können; (xi) das „Löschen“, wo­ runter die Unkenntlichmachung von Daten in der Art zu verstehen ist, dass sie der Datenanwendung unwiderruflich entzogen werden; (xii) das „Vernichten“ iSd Zerstörens eines Datenträgers.

B.  Verknüpfungsanfrage Zur Einschränkung der Suchmenge kann eine Kombination mit einem 5 oder mehreren anderen Kriterien iSd § 56a Abs 1 eingegeben werden. Weiter regelt § 56b Abs 3 die sogenannte Verknüpfungsanfrage. Diese ermöglicht eine Abfrage aus den Datensätzen des ZSR für Zwecke der Sicherheitspolizei, der Strafrechtspflege oder sonstige gesetzlich vorgesehene Fälle. Vergleichbare Regelungen enthält §  16a Abs  3 MeldeG und § 46 Abs 3 PStG 2013. Ein derartige Verwendung von Daten ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dh in das Recht des Einzelnen grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welchen Grenzen dessen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, umstritten. Im Unterschied zu Behörden, die grundsätzlich nur Namen abfragen 6 dürfen (vgl § 56c Abs 1), darf die Polizei „zum Zweck der Sicherheitspolizei und der Strafrechtspflege“ auch nach anderen Kriterien Verknüpfungsabfragen stellen. Durch die Verknüpfung mehrerer Datenfelder bei Abfragen aus dem ZSR ist es möglich, Informationen über Dritte (zB Geschwister oder ehemalige Ehepartner und wiederum deren Familien) ausfindig zu machen. Im Lichte des Rechtsschutzes ist uE bedenklich, dass es in diesem Zusammenhang weder eine zustimmungspflichtige Genehmigung noch eine Verständigung der Betroffenen gibt. Derartige Verarbeitungen wären in der StPO ein „automationsunterstützter Datenabgleich“ (Rasterfahndung) und nur in sehr engen Grenzen zulässig. Aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen scheint uE fraglich, ob die geschaffene Eingriffsmöglichkeit im Vergleich zu anderen Instrumenten der Rechtsordnung verhältnismäßig bzw die 685

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Schwere der Eingriffsmöglichkeit sachlich gerechtfertigt ist. Zu bedenken ist, dass in der StPO an den automationsgestützten Datenabgleich erheblich strengere Voraussetzungen angelegt werden als an die Verknüpfungsanfrage nach § 56b Abs 3; diese Ermittlungsmethode ist nur im Einzelfall zulässig und jedenfalls an eine richterliche Bewilligung gebunden. Demgegenüber ermöglicht die Verknüpfungsanfrage nach § 56b Abs 3 (ständig) den Zugriff zu allen vom ZSR umfasste Daten, egal ob ein Verdachtsmoment vorliegt und unabhängig von der potenziellen Schwere eines Verbrechens bzw Vergehens. Dieses Ungleichgewicht ist sachlich schwer begründbar und jedenfalls bei der Abwägung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs mit zu berücksichtigen. Im Ergebnis stützt dieser Vergleich die Zweifel an der verfassungskonformen Ausgestaltung des § 56b Abs 3. 7 Das Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 B-VG verlangt, dass die wesentlichen Inhalte einer Regelung im Gesetz selbst festzulegen sind. Im Fall des § 56b Abs 3 Satz 2 überlässt es aber der Gesetzgeber der Polizei, Daten „auch nach anderen als in Abs. 2 genannten Kriterien“ zu verknüpfen, um daraus Rückschlüsse auf die Schädigungsgeneigtheit des dahinter liegenden Verhaltens zu ermöglichen. Nach dem Bestimmtheitsgebot sollte aber dieser logische Prozess bereits im Gesetz festgeschrieben sein, andernfalls fehlt der wesentliche Inhalt. In weiterer Folge ist auch ein Konflikt mit § 49 DSG 2000 denkbar.

III.  Datenverwendung 8 Der Begriff „Verwendung von Daten“ (vgl §§ 6 ff DSG 2000) umfasst sowohl das Verarbeiten als auch das Übermitteln von Daten. Die Daten dürfen nur nach Treue und Glauben und auf rechtmäßige Weise verwendet werden. Der Zweck der Datenverwendung durch Evidenzstellen, Konsulate und Botschaften ist uE die ordnungsgemäße Bearbeitung von Staatsbürgerschaftsverfahren und Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft; eine Weiterverwendung in einer mit dem Zweck unvereinbaren Weise ist unzulässig. Die Daten müssen für diesen Zweck wesentlich sein und dürfen im Umfang nicht über den Zweck hinausgehen. Sie müssen sachlich richtig sein und, soweit notwendig, auf den neuesten Stand gebracht werden und dürfen nicht länger als in § 56b Abs 4 vorgesehen gespeichert werden. 686

Zentrales Staatsbürgerschaftsregister (ZSR)

§ 56b

IV.  Datenupdate § 56b Abs 6 entspricht § 48 Abs 11 PStG 2013. Der Gesetzgeber ermög- 9 licht damit ein Datenupdate der jeweils eigenen Applikation von ZPR und ZSR und garantiert, dass den Behörden die jeweils aktuellen Daten der Register zur Verfügung stehen. Faktisch schreiben die personenstandsrechtlichen Verfahren in das ZSR durch bzw können dort zumindest abgefragt werden. Dieses automatische Datenupdate funktioniert ohne Zutun des Benutzers; Abs  6 sieht ein (aus technischen oder anderen Gründen erforderliches) manuelles Einspielen eines Updates nicht vor.

V.  Datenlöschung Mit der Löschungsbestimmung in § 56b Abs 4 Satz 1 soll sichergestellt 10 werden, dass die Daten jedenfalls gelöscht (dh aber nicht vernichtet) werden, jedoch erst dann, wenn sie für die gesetzlich vorgegebene Vollzugsarbeit tatsächlich nicht mehr benötigt werden. Der Verweis auf die archivgesetzlichen Regelungen umfassen zum einen die Bestimmungen des Bundesarchivgesetzes (BGBl I 1999/162) und zum anderen die Bestimmungen landesgesetzlicher Vorschriften und stellen „klar“, dass die Daten zu einer Person weiterhin verfügbar sind. §  27 DSG 2000 (Recht auf Richtigstellung oder Löschung) bleibt uE 11 von § 56b Abs 4 unberührt. § 27 Abs 1 DSG 2000 sieht die Verpflichtung jedes Auftraggebers vor, unrichtige oder entgegen den Bestimmungen des DSG 2000 verarbeitete Daten richtig zu stellen oder zu löschen. Eine Beschwerde gemäß § 31 Abs 2 DSG 2000 wegen Verletzung des Rechtes auf Löschung hat ausschließlich zum Ziel, dem Beschwerdeführer erforderlichenfalls durch eine Entscheidung der Datenschutzkommission und ihrer „Vollstreckung“ (vgl dazu § 40 Abs 4 DSG 2000) zur Durchsetzung des Rechts auf Löschung zu verhelfen (vgl auch VwGH 25.11.2008, 2005/06/0302; VwSlg 17.215 A/2007). Sofern ein „Löschen“ erforderlich ist, reicht ein bloß „logisches Lö- 12 schen“ nicht aus. Um das Löschungsgebot zu erfüllen, genügt es daher nicht, die Datenorganisation so zu verändern, dass ein „gezielter Zugriff“ auf die betreffenden Daten ausgeschlossen ist (RS0125838). Die Daten im ZSR sind 120 Jahre nach dem Todesdatum des Betroffenen physisch zu löschen, also so unkenntlich zu machen, dass eine Rekon687

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struktion nicht mehr möglich ist. Eine Archivierung dieser Daten im Staatsarchiv oder in einer physisch komplett getrennten und auf eigenen Rechnern gespeicherten anderen Datenbank reicht uE nicht aus. Maßgeblich ist, ob der Auftraggeber auf die Daten wieder zugreifen und diese rekonstruieren kann.

§ 56c. (1) Die Staatsbürgerschaftsdaten gemäß § 56a Abs. 1 stehen, soweit dies zur Besorgung einer gesetzlich übertragenen Aufgabe erforderlich ist, jeder Behörde im Wege des Datenfernverkehrs zur Verfügung, wenn sie die betroffene Person nach dem Namen und allenfalls einem weiteren Merkmal bestimmen kann. Sofern in einem Verfahren zur Staatsbürgerschaft maßgeblich, sind die Daten im ZSR zu prüfen. Der Bundesminister für Inneres hat der Bundesanstalt Statistik Österreich unter Verwendung des verschlüsselten bereichsspezifischen Personenkennzeichens „Amtliche Statistik“ (bPK-AS) Daten gemäß § 56a Abs. 1 für die Erstellung der Statistik ohne Namen der Betroffenen zur Verfügung zu stellen. (2) Treten bei einer Abfrage Zweifel an der Richtigkeit der im ZSR verarbeiteten Daten auf, ist jeder gemäß Abs. 1 Abfrageberechtigte verpflichtet, die Evidenzstelle unverzüglich im Wege des ZSR darüber in Kenntnis zu setzen. (3) Für Abfragen aus dem ZSR ist seitens des Abfragenden sicherzustellen, dass 1. in seinem Bereich ausdrücklich festgelegt wird, wer unter welchen Voraussetzungen eine Abfrage durchführen darf, 2. abfrageberechtigte Mitarbeiter über ihre nach Datenschutzvorschriften bestehenden Pflichten belehrt werden, 3. entsprechende Regelungen über die Abfrageberechtigungen und den Schutz vor Einsicht und Verwendung der Staatsbürgerschaftsdaten durch Unbefugte getroffen werden, 4. durch technische oder programmgesteuerte Vorkehrungen Maßnahmen gegen unbefugte Abfragen ergriffen werden, 5. Aufzeichnungen geführt werden, damit tatsächlich durchgeführte Verwendungsvorgänge im Hinblick auf ihre Zulässigkeit im notwendigen Ausmaß nachvollzogen werden können, 6. Maßnahmen zum Schutz vor unberechtigtem Zutritt zu Räumlichkeiten, von denen aus Abfragen durchgeführt werden können, ergriffen werden und 688

Zentrales Staatsbürgerschaftsregister (ZSR)

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7. eine Dokumentation über die nach Z 1 bis 6 getroffenen Maßnahmen geführt wird. [idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl I 16/2013 […]

§ 56c Abs. 1 regelt, dass die Daten einer Behörde immer dann zur Verfügung stehen sollen, wenn dies zur Besorgung einer gesetzlich übertragenen Aufgabe erforderlich ist und sie nach dem Namen oder anderen Merkmalen das bPK einer Person bestimmen kann. Bei § 56c Abs. 2 handelt es sich um eine Maßnahme zur Sicherstellung der Datenrichtigkeit, bei jenen in Abs. 3 um Maßnahmen der Datensicherheit. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Datensicherheit............................................................................................. 3 Schrifttum zu § 56c: Dohr/Pollirer/Weiss/Knyrim, DSG2 §  14 (Stand: 26.11.2015, rdb.at); Kutscher/ Wildpert, Personenstandsrecht2 § 47 PStG 2013 (Stand: 1.7.2015, rdb.at).

I.  Allgemeines Mit dem Ziel, einen einfacheren und kostengünstigeren (sowie uE ra- 1 scheren) Verwaltungsablauf sicherzustellen, wird Behörden auf allen Ebenen die Möglichkeit zu einem Online-Zugriff auf das ZSR eingeräumt. Um den entsprechenden Schutz der Daten zu gewährleisten (vgl in diesem Kontext insbesondere §§  1, 4, 14 und 50 DSG 2000), wird insbesondere vorgesehen, dass für Abfragen aus dem ZSR sicherzustellen ist, dass Maßnahmen im Bereich des Abfragenden getroffen werden (vgl auch § 14 DSG 2000). § 56c Abs 1 berechtigt jede Behörde, sich bei seinen Ermittlungen der 2 Staatsbürgerschaftsdaten gemäß § 56a Abs 1 zu bedienen, die im ZSR verarbeitet sind. Diese Berechtigung umfasst uE aber nicht die Möglichkeit, die Evidenzstellen um die Sammlung von – über die §§ 52 ff – verfügbaren Informationen und die Auswertung von vorhandenen oder zu sammelnden Informationen zu einer bestimmten Frage im Wege des Datenfernverkehrs (Amtshilfe) zu ersuchen; diese Bestimmung kann demnach nicht dazu verwendet werden, den Umfang der im §  56c vorgesehenen Mitteilungsverpflichtung bzw Verfügungsbe689

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rechtigung zu erweitern. Die Evidenzstellen haben einem Ersuchen zu entsprechen, wenn zumindest der Name bekannt ist. § 56c Abs 2 trägt der „Datenrichtigkeit“ (EB) Rechnung, indem die nach Abs 1 berechtigten Behörden die jeweils zuständige Evidenzstelle über zweifelhafte ZSR-Daten ohne Aufschub zu informieren hat. Wenn solcherart (objektive) Zweifel an der Richtigkeit der Staatsbürgerschaftsdaten (§ 56a Abs 1) konkretisiert werden, ist uE die zuständige Evidenzstelle verpflichtet, den tatsächlichen Sachverhalt zu ermitteln. Eine spezielle – von Abs  2 unabhängige – Prüfungspflicht „im ZSR“ statuiert zudem § 56c Abs 1 Satz 2 für Staatsbürgerschaftsverfahren. Im Bereich des „Abfragenden“ legt § 56c Abs 3 ausdrücklich fest, wer unter welchen Voraussetzungen eine Abfrage durchführen darf. Weiter ist in Abs 3 normiert, dass abfrageberechtigte Mitarbeiter über ihre nach Datenschutzvorschriften bestehenden Pflichten belehrt werden müssen, entsprechende Regelungen über die Abfrageberechtigungen und den Schutz vor Einsicht und Verwendung der Staatsbürgerschaftsdaten durch Unbefugte zu treffen sind und durch technische oder programmgesteuerte Vorkehrungen Maßnahmen gegen unbefugte Abfragen ergriffen werden müssen. Zudem sind Aufzeichnungen zu führen, damit tatsächlich durchgeführte Verwendungsvorgänge im Hinblick auf ihre Zulässigkeit im notwendigen Ausmaß nachvollzogen werden können. Ferner müssen Maßnahmen zum Schutz vor unberechtigtem Zutritt zu Räumlichkeiten, von denen aus Abfragen durchgeführt werden können, ergriffen und eine Dokumentation über alle erwähnten Maßnahmen geführt werden. Schließlich soll die Transparenz der Behördenaktivitäten durch die genaue Dokumentation jeder Abfrage im System gewährleistet sein. § 56c bezweckt die Sicherung der Qualität, Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität der Daten (vgl §  56b Abs  6) sowie die leichte Auffindbarkeit von Staatsbürgerschaftsfällen durch Schaffung eindeutiger Staatsbürgerschaftsdatensätze (§ 56c Abs 3). Ebenso soll in diesem Rahmen sichergestellt werden, dass die Daten jedenfalls gelöscht werden, jedoch erst dann, wenn sie für die gesetzlich vorgegebene Vollzugsarbeit tatsächlich nicht mehr benötigt werden (vgl § 56b Abs 4).

II.  Datensicherheit 3 Für das Treffen der Datensicherheitsmaßnahmen ist nach §  14 DSG 2000 der Auftraggeber oder der Dienstleister verantwortlich; §  56c 690

Zentrales Staatsbürgerschaftsregister (ZSR)

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Abs  3 überträgt diese Verantwortung dem „Abfragenden“. Technische und organisatorische Datensicherheitsmaßnahmen sind somit von Abfrageberechtigten – dh uE den Evidenzstellen – umzusetzen. Ziel des Abs 3 ist die „Datensicherheit“ (EB). In der angewandten Informatik umfasst der Begriff Datensicherheit drei Komponenten, und zwar (i) Vertraulichkeit (dh nur befugte Personen sollten Zugriff auf bestimmte Daten haben); (ii) Integrität (dh die verwendeten Daten sollten richtig, vollständig und aktuell sein) und (iii) Verfügbarkeit (dh die entsprechenden Betriebsmittel – idR die IT-Systeme – sollten für die Benutzer verfügbar sein). § 56c Abs 3 konkretisiert die vom jeweiligen Abfragenden zu treffen- 4 den organisatorischen, personellen und technischen Sicherheitsmaßnahmen; der taxative Katalog in Z 1 bis 7 des Abs 3 führt automatisch auch zum Schutz der iSd DSG schutzwürdigen Daten. Diese Maßnahmen bezwecken (i) eine Schadensminderung bei Eintritt von Schadensfällen, die durch Katastrophen (höhere Gewalt), organisatorische Mängel, menschliche Fehlhandlungen (fahrlässige Handlungen), technisches Versagen und vorsätzliche Handlungen (Missbrauch) entstehen können; (ii) eine Möglichkeit zur Rekonstruktion von Daten; (iii) eine Risikominderung der Manipulation an Daten und Programmen sowie der Abhängigkeit von IT-Personal und (iv) eine Vorsorge gegen die Risiken des täglichen Betriebes, wie: Stammdatenfehler, fehlerhafte, unvollständige oder mehrfach erfasste Bewegungsdaten, allgemeine Bedienungsfehler.

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Abschnitt VI Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige § 57. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10

Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, dass er zumindest in den letzten 15 Jahren von einer österreichischen Behörde fälschlich als Staatsbürger behandelt wurde und dies nicht zu vertreten hat. Als Staatsbürger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Die Behörde hat die fälschliche Behandlung als Staatsbürger dem Fremden schriftlich zur Kenntnis zu bringen und ihn über die Frist zur Anzeige gemäß Abs.  2 zu belehren. Den Erwerb durch Anzeige hat die Behörde rückwirkend mit dem Tag, an dem der Fremde das erste Mal von einer österreichischen Behörde fälschlich als Staatsbürger behandelt wurde, mit Bescheid festzustellen. (2) Die Anzeige ist binnen sechs Monaten ab Kenntnis der fälschlichen Behandlung gemäß Abs. 1 einzubringen. (3) Die Frist gemäß Abs. 1 entfällt, wenn der Fremde den Grundwehr- oder Ausbildungsdienst oder den ordentlichen Zivildienst geleistet hat. (4) Eine Anzeige gemäß Abs. 1 kann auch bei der örtlich zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland (§  41 Abs.  2) eingebracht werden. Diese hat die Anzeige an die zuständige Behörde weiterzuleiten. (5) Anzeigen und Bescheide gemäß Abs. 1 und im Verfahren beizubringende Dokumente, insbesondere Zeugnisse, Personenstandsurkunden und Übersetzungen, sind gebührenfrei. [idF BGBl I 136/2013] EB zu BGBl I 136/2013 Mit dem vorgeschlagenen §  57 wird, neben dem geltenden §  59, eine weitere Regelung für sogenannte „Putativösterreicher“ geschaffen. Dabei handelt es sich um Personen, die – oft jahrelang – von österreichischen Behörden als österreichi-

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sche Staatsbürger behandelt wurden, bei denen sich jedoch nachträglich herausstellt, dass sie nie die österreichische Staatsbürgerschaft innehatten. Nach der geltenden Rechtslage kann in diesen Fällen der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft nur bei Vorliegen der allgemeinen Verleihungsvoraussetzungen erfolgen. Auch wenn es sich dabei nur um sehr wenige Einzelfälle handelt, so erscheint es doch sachgerecht, für diese Personen, die – bisweilen über Jahrzehnte – als „Staatsbürger“ gelebt haben, Leistungen für die Republik erbracht haben und sich im Allgemeinen ausschließlich als Österreicher oder Österreicherin fühlen, eine spezifische Sonderregelung zu treffen. So soll für diesen Personenkreis eine sach- und zeitgemäße Lösung herbeigeführt werden, die unsachgemäße Ergebnisse vermeiden lässt. Folglich soll für jene Fälle, die von einer österreichischen Behörde fälschlich für einen Zeitraum von mindestens 15  Jahren als österreichischer Staatsbürger behandelt wurden, ein erleichterter Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige erfolgen können. Die fälschliche Behandlung durch die österreichischen Behörden darf der Fremde nicht zu vertreten haben. Die vorgeschlagene Bestimmung kann daher beispielweise nicht zur Anwendung gelangen, wenn der Fremde etwa durch Vorspiegeln falscher oder Verschweigen von wesentlichen Tatsachen, die Behörde getäuscht hat. Der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft erfolgt dabei ex tunc, das heißt rückwirkend mit dem Zeitpunkt, an dem die betreffende Person erstmalig von einer österreichischen Behörde fälschlicherweise als österreichischer Staatsbürger behandelt wurde. Den Erwerb durch Anzeige hat die Behörde mittels Bescheid festzustellen. Aufgrund des besonderen Vertrauensschutzes, den diese kleine Personengruppe genießt, sind die an sich für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorgesehenen Voraussetzungen nur eingeschränkt anwendbar. Demnach hat diese Personengruppe lediglich seine Unbescholtenheit, die sich jedoch nicht auch auf bloße Verwaltungsstrafen bezieht, nachzuweisen. Nicht nachzuweisen hat die betreffende Person etwa das Niveau der Deutschkenntnisse, die Absolvierung des Staatsbürgerschaftstestes, die Unterhaltsmittel oder Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet. Dass der Fremde gemäß Absatz 2 die Anzeige nur binnen sechs Monaten ab Kenntnis von der fälschlichen Behandlung bei der Behörde einbringen kann, dient der Rechtssicherheit. Es erscheint des Weiteren angezeigt, keinen Automatismus durch eine Verleihung von Amts wegen beim Erwerb der Staatsbürgschaft für diese Fälle vorzusehen, sondern soll es dem Willen des Betroffenen obliegen, ob er die österreichische Staatsbürgerschaft innehaben möchte. Der in Absatz  3 normierte Entfall der 15-jährigen Frist erscheint sachgerecht, da es sich hierbei um Personen handelt, die einer zentralen Verpflichtung, die sich aus der österreichischen Staatsbürgerschaft ableitet, nachgekommen sind. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Voraussetzungen des Erwerbs.................................................................... 4 III. Belehrung durch die Behörde..................................................................... 8

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Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige

§ 57

Schrifttum zu § 57: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Peyrl/Neu­ gschwendtner/Schmaus, Fremdenrecht5 (2015); Schmitt, Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2013, migraLex 2013, 38; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Die §§ 57 und 59 umfassen Fälle der sogenannten Putativstaatsbürger- 1 schaft. Während in §  59 die Konstellation behandelt wird, dass eine Staatsbürgerschaft durch Abstammung entgegen der bisherigen Annahme doch nicht vorliegt (siehe Erl zu § 59), wird in § 57 der Fall geregelt, dass die Behörde selbst Personen fälschlicherweise als Staatsbürger behandelt. In Abs 1 wird demonstrativ aufgezählt, dass ein solcher Fall insbesondere dann vorliegen soll, wenn ein Staatsbürgerschaftsnachweis, ein Reisepass oder ein Personalausweis ausgestellt wurde, es kommt aber jede – fälschliche – Behandlung als Staatsbürger in Betracht. Diese Behandlung muss von einer österreichischen Behörde ausgehen; eine fälschliche Behandlung als österreichischer Staatsbürger durch eine Behörde eines anderen Staates (egal ob es sich um eine Behörde eines anderen Mitgliedstaates der EU oder eines Drittstaats handelt) ist ohne Belang. Nicht verlangt ist, dass diese fälschliche Behandlung im Inland stattgefunden hat; auch Vertretungsbehörden (insbesondere österreichische Botschaften) sind österreichische Behörde iSd § 57. Die fälschliche Behandlung als Staatsbürger durch eine österreichische Botschaft ist also ausreichend für den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige. Es ist völlig ohne Belang, aus welchen Gründen diese Behörde die be- 2 treffenden Personen als Staatsbürger behandelt hat; verlangt wird lediglich, dass die Person dies nicht zu vertreten haben darf. Dieses Vertreten kann in einem Tun oder einem Unterlassen liegen. Zu vertreten haben bedeutet nach den EB, falsche Tatschen vorzuspiegeln oder wesentliche Umstände zu verschweigen (EB RV 2303 d.B. 24. GP zu §  57). Zu Recht vertritt Schmitt die Ansicht, dass ein schädliches Vertreten-müssen nicht vorliegen kann, wenn dem Betroffenen der Fehler der Behör695

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de lediglich auffallen hätte müssen (Schmitt, Staatsbürgerschafts-Novelle 2013, migraLex 2013, 38). Nicht relevant ist weiters, aus welchen Gründen die konkreten Personen nicht Staatsbürger sind, ob sie es nie waren oder ob sie etwa die Staatsbürgerschaft gemäß den §§ 26 ff verloren haben, diese entzogen wurde oder sie darauf verzichtet haben (aA Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015), 16, der offenbar davon ausgeht, dass die betreffenden Personen nie die Staatsbürgerschaft besessen haben dürfen). Zu beachten ist aber natürlich, dass die Personen diese fälschliche Behandlung nicht zu vertreten haben dürfen. 3 Der Erwerb der Staatsbürgerschaft erfolgt ex tunc (Fasching, aaO, 17), die Behörde hat dies durch Bescheid festzustellen. Dabei handelt es sich um einen bloßen Feststellungsbescheid, die Staatsbürgerschaft wird durch die rechtswirksame Anzeige erworben.

II.  Voraussetzungen des Erwerbes 4 Als Formerfordernis für die Anzeige bei der Behörde (gemäß §  39: LReg) ist gemäß Abs 1 die Schriftform vorgesehen, eine mündliche Anzeige ist daher nicht ausreichend. Fraglich ist, ob die Behörde einen Verbesserungsauftrag erteilen muss, falls die Anzeige lediglich mündlich abgegeben wird. Aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs „Anbringen“ in §  13 AVG, der auch Anzeigen umfasst (Hengstschläger/ Leeb, AVG § 13 Rz 26) ist dies uE zu bejahen (zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 38 durch Verweis auf § 13 AVG offenbar ebenfalls bejahend Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht7 (2006), § 38, 194). 5 Gemäß Abs 2 ist die Anzeige binnen sechs Monaten ab Kenntnis der fälschlichen Behandlung als Staatsbürger einzubringen. Dies setzt auch voraus, dass dieser Person (nunmehr) bekannt ist, dass sie eben nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Eine spätere Anzeige hat damit nicht den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige zur Folge. Zum Begriff der Kenntnis kann uE auf die Bestimmungen der §§ 69 bzw 71 AVG (Wiederaufnahme des Verfahrens bzw Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zurückgegriffen werden, die jeweils eine Frist zur Antragstellung ab Kenntnis des Wiedereinsetzungs- oder Wiederaufnahmegrundes enthalten (siehe dazu Hengstschläger/Leeb AVG (2009), § 69, Rz 59 ff sowie § 71, Rz 96 ff). 696

Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige

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Diese fälschliche Behandlung muss zumindest 15 Jahre angedauert ha- 6 ben. Aus Abs 1 letzter Satz lässt sich ableiten, dass diese Frist mit dem Tag beginnt, an dem diese Person das erste Mal fälschlich als Staatsbürger behandelt wurde. IdR werden Personen nicht täglich mit der Fragestellung konfrontiert, welche Staatsbürgerschaft sie besitzen. Fälschlich als Staatsbürger werden Menschen jedenfalls dann behandelt, wenn ihnen etwa ein Staatsbürgerschaftsnachweis ausgestellt oder sich im Behördenkontakt niemals die Frage nach einer Notwendigkeit eines Aufenthaltstitels, einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (vgl §§ 7 und 8 NAG) oder einer Berechtigung zum Aufenthalt nach dem AsylG bzw FPG gestellt hat. Diese 15-Jahresfrist entfällt, wenn der Fremde den Grundwehr- oder Ausbildungsdienst bzw den ordentlichen Zivildienst geleistet hat. Zu Recht konstatiert Schmitt ein eklatantes Sachlichkeitsproblem, da durch diese Bestimmung insbesondere Frauen benachteiligt werden, die zum Ableisten eines solches Dienstes keine Verpflichtung trifft (Schmitt, aaO). Die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs 2 Z 1 und 7 3 bis 7 müssen erfüllt sein. Siehe dazu im Einzelnen Erl zu § 10. Nicht erfüllt werden müssen daher die Voraussetzungen des Abs  1 Z  1 (10 Jahre Aufenthalt bzw Niederlassung) und Abs 1 Z 7 (gesicherter Lebensunterhalt), weiters ist das Vorhandensein von Verwaltungsübertretungen gemäß § 10 Abs 2 Z 2 kein Verleihungshindernis. Deutsch- und Landeskenntnisse gemäß §  10a müssen nicht erbracht werden, da es sich beim Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß § 57 nicht um eine Verleihung (vgl § 10a Abs 1) handelt. Aus diesem Grund ist die explizite Ausnahme in § 10a Abs 2 Z 1 uE als Klarstellung zu sehen. Das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband gemäß § 10 Abs 3 ist nicht Voraussetzung.

III.  Belehrung durch die Behörde Die Behörde hat gemäß Abs 1 die fälschliche Behandlung als Staatsbür- 8 ger dem Fremden schriftlich zur Kenntnis zu bringen und ihn über die Frist zur Anzeige gemäß Abs 2 zu belehren. Binnen sechs Monaten „ab Kenntnis der fälschlichen Behandlung“ muss dann die Anzeige eingebracht werden. Unklar ist, ob die sechsmonatige Präklusivfrist des Abs  2 immer erst durch die schriftliche Benachrichtigung der Behörde in Gang gesetzt wird oder ob das Vorhandensein einer Kenntnis (aus welchen 697

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Gründen auch immer) dafür ausreicht. Der Verweis auf Abs 1 lässt beide Möglichkeiten offen. Auch die EB geben hier keinen endgültigen Aufschluss (vgl EB RV 2303 d.B., 24.GP zu § 57); da sich § 57 auf einen Behördenfehler bezieht, wird die Frist zur Möglichkeit der Anzeige uE erst dann zu laufen beginnen, wenn die Behörde dies erkennt und den Fremden schriftlich benachrichtigt. Dafür spricht auch die explizite Anordnung an die Behörde, in der schriftlichen Benachrichtigung die betreffende Person über die Sechsmonatsfrist zu belehren. Unterlässt die Behörde diese Belehrung, kann die Anzeige uE auch nach Verstreichen dieser sechsmonatigen Frist die Staatsbürgerschaft durch Anzeige erwerben. Es ist ausreichend, wenn die Anzeige binnen sechs Monaten bei der zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland (§ 41 Abs 2) eingebracht wird. Die Zeit der Übermittlung an die zuständige Behörde ist dabei nicht relevant, da es sich bei der Einbringung bei der Vertretungsbehörde nicht um eine unzuständige Behörde iSd § 6 Abs 1 AVG handelt.

§ 58c. (1) Ein Fremder erwirbt unter den Voraussetzungen des § 10

Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde (§  39) unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, sich als Staatsbürger vor dem 9. Mai 1945 in das Ausland begeben zu haben, weil er Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatte oder erlitten hat oder weil er wegen seines Eintretens für die demokratische Republik Österreich Verfolgungen ausgesetzt war oder solche zu befürchten hatte. (2) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 vor, so hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid festzustellen, daß der Einschreiter die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Anzeige bei der Behörde (§ 39) wiedererworben hat. (3) Die Anzeige (Abs.  1) kann auch bei der gemäß §  41 Abs.  2 zuständigen Vertretungsbehörde eingebracht werden, die sie an die Behörde weiterzuleiten hat. (4) Die Anzeige (Abs. 1), der Bescheid (Abs. 2) und im Verfahren beizubringende Unterlagen wie insbesondere Zeugnisse, Personenstandsurkunden und Übersetzungen sind von den Stempelgebühren befreit. [idF BGBl I 2/2008]

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Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige

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EB zu BGBl 394/1973 […] Durch die Bestimmung des § 58 c soll einem bestimmten Personenkreis, der die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit verloren hat, bei Vorliegen der normierten Voraussetzungen ein Anspruch auf die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft eingeräumt werden. Es sind dies Personen, die ihren inländischen Wohnsitz nach dem 13. März 1938 aufgegeben haben, weil sie nach diesem Zeitpunkt Verfolgungen durch Organe der NSDAP oder der Behörden des Dritten Reiches mit Grund zu befürchten hatten oder erlitten haben, sowie Personen, die zwischen dem 5. März 1933 und dem 13. März 1938 ihren Wohnsitz aufgeben mußten, weil sie wegen ihres Eintretens für die demokratische Republik Osterreich Verfolgungen ausgesetzt waren oder solche zu befürchten hatten. Im Hinblick darauf, daß diese Personen gezwungen waren, Österreich zu verlassen und zu dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie angenommen haben, in der Regel enge familiäre und wirtschaftliche Beziehungen unterhalten und sich die Aufgabe ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit für sie daher nachteilig auswirken würde, genügt für die Wiedererlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft die Anzeige der Begründung des ordentlichen Wohnsitzes im Inland nach Erhalt der unbeschränkten Aufenthaltsberechtigung in Österreich. In diesen Fällen wird von den Erfordernissen eines förmlichen Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband Abstand genommen. EB zu BGBl 170/1983 Siehe die Erläuterung zu Art. I Z 23 (§ 30). (Zu § 30: Die von der Behörde auszustellende Urkunde ist eine öffentliche Urkunde und damit ein besonders qualifiziertes Beweismittel. Da das Wort „bescheinigen“ im Verfahrensrecht einen besonderen Sinn hat, der weniger bedeutet als das Wort beweisen, sollen die im Gesetzestext verwendeten Worte „bescheinigen“ und „Bescheinigung“ jeweils durch „bestätigen“ und „Bestätigung“ ersetzt werden.) EB zu BGBl 202/1985 Aus den in den Erläuterungen zu Z 9 dargelegten Erwägungen soll die Behörde den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige der Wohnsitzbegründung nicht mehr bestätigen, sondern mit schriftlichem Bescheid feststellen. EB zu BGBl 521/1993 Gegenüber der bisherigen Rechtslage sieht Abs. 1 eine erleichterte Wiedereinbürgerung auch ohne Wohnsitzbegründung in Österreich vor. Weiters entfällt das Erfordernis des zehnjährigen Besitzes der Staatsbürgerschaft. Während die allgemeinen Einbürgerungsvoraussetzungen des §  10 Abs. 1 weiterhin gelten, wird von der Voraussetzung der gesicherten Existenz Abstand genommen. In Entsprechung einer im Begutachtungsverfahren erhobenen Forderung werden nunmehr die Beweggründe, die ein Verlassen des Staatsgebietes in jenen

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Jahren bewirkten, angeführt. Im Sinne einer möglichst weitgehenden Wiedergutmachung sollen dabei sämtliche Fälle politischer, rassischer und sonstiger Verfolgung bis 9. Mai 1945 erfaßt werden. Gemäß Abs. 2 hat die Behörde das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Sinne des § 37 AVF zu prüfen und sodann mit schriftlichem Bescheid zu entscheiden. Da lang zurückliegende Sachverhalte angesprochen sind, bedarf es eines entsprechenden Mitwirkens der Partei. Abs. 3 sieht zur Erleichterung des Zugangs zu diesem Verfahren die Möglichkeit der Einbringung der schriftlichen Anzeige bei der zuständigen Vertretungsbehörde vor. Da die Vollziehung in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten nach Art. 11 Abs. 1 Z B-VG in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fällt, die Mitwirkung von Bundesorganen aber im B-VG für Staatsbürgerschaftsangelegenheiten nicht vorgesehen ist, bedarf die Einbindung der österreichischen Vertretungsbehörden in das Verfahren einer Verfassungsbestimmung. EB zu BGBl I 2/2008 (Zu § 5 1. BundesverfassungsrechtsbereinigungsG) […] Der Verfassungsrang der in § 5 genannten Bestimmungen ist schon nach geltender Verfassungsrechtslage entbehrlich (Abs. 1) […]. Schrifttum zu § 58c: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Kolonovits, Rechtsfragen des Wiedererwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Opfer des Nationalsozialsimus (Vertriebene) nach österreichischem Staatsbürgerschaftsrecht, in Österreichische Historikerkommission (Hrsg), Staatsbürgerschaft und Vertreibung (2004), 7; Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Schumacher/Peyrl, Fremdenrecht3 (2007); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

1 Personen, die auf Grund von nationalsozialistischer Verfolgung aus Österreich fliehen mussten, können die Staatsbürgerschaft durch bloße Anzeige wieder erlangen. Als Formerfordernis für die Anzeige bei der Behörde (gemäß § 39: LReg) ist gemäß Abs 1 die Schriftform vorgesehen, eine mündliche Anzeige ist daher nicht ausreichend. Fraglich ist, ob die Behörde einen Verbesserungsauftrag erteilen muss, falls die Anzeige lediglich mündlich abgegeben wird. Aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs „Anbringen“ in §  13 AVG, der auch Anzeigen umfasst (Hengstschläger/ Leeb, AVG § 13 Rz 26) ist dies uE zu bejahen (zur insofern vergleichbaren Bestimmung des § 38 durch Verweis auf § 13 AVG offenbar ebenfalls bejahend Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staats700

Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige

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bürgerschaftsrecht7 (2006), § 38, 194). Die Wortfolge „unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz“ muss uE weit ausgelegt werden und umfasst alle Fälle, in denen diese Personen zu verstehen geben, wieder österreichische Staatsbürger werden zu wollen. Ein korrekter Verweis auf das Bundesgesetz über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 – StbG) darf nicht verlangt werden. Die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs 2 Z 1 und 2 3 bis 7 müssen erfüllt sein. Siehe dazu im Einzelnen Erl zu § 10. Nicht erfüllt müssen daher die Voraussetzungen des Abs 1 Z 1 (10 Jahre Aufenthalt bzw Niederlassung) und Abs 1 Z 7 (gesicherter Lebensunterhalt) sein, weiters ist das Vorhandensein von Verwaltungsübertretungen gemäß §  10 Abs  2 Z  2 kein Verleihungshindernis. Deutsch- und Landeskenntnisse gemäß §  10a müssen nicht erbracht werden, da es sich beim Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß § 57 nicht um eine Verleihung (vgl § 10a Abs 1) handelt. Aus diesem Grund ist die explizite Ausnahme in § 10a Abs 2 Z 1 uE als Klarstellung zu sehen. Das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband gemäß § 10 Abs 3 ist nicht Voraussetzung. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft erfolgt durch Anzeige, die Behörde 3 hat dies durch Bescheid festzustellen. Dabei handelt es sich um einen bloßen Feststellungsbescheid, die Staatsbürgerschaft wird durch die rechtswirksame Anzeige mit dem Tage des Einlangens der Anzeige erworben. Nach dem Wortlaut des Abs  2 (Verweis auf §  39) erwerben diese Personen auch in Fällen, in denen die Anzeige zulässigerweise bei der gemäß §  41 Abs  2 zuständigen Vertretungsbehörde eingebracht wurde, die Staatsbürgerschaft erst mit dem Tag des Einlangens bei der zuständigen LReg. Durch §  5 Erstes BundesverfassungsrechtsbereinigungsG (BGBl I 4 2/2008) wurde aus der Verfassungsbestimmung des Abs 3 eine einfachgesetzliche Regelung.

59. (1) Ein Fremder, der der Behörde unter Bezugnahme auf dieses

Bundesgesetz schriftlich anzeigt, Staatsbürger kraft Abstammung gemäß § 7 oder § 7a nur vermeintlich gewesen zu sein, weil eine Feststellung der Vaterschaft gemäß §§ 145 ff. ABGB nachträglich ergeben hat, dass ein Fall des §  7 oder §  7a nicht vorlag, erwirbt die Staatsbürgerschaft rückwirkend mit dem Tag der Geburt (§ 7) oder 701

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dem Tag der Legitimation (§ 7a). Dies hat die Behörde mit Bescheid festzustellen. (2) Ein Fall des Abs. 1 liegt nicht vor, wenn die Erschleichung der Staatsbürgerschaft beabsichtigt war. Darüber ist bescheidmäßig abzusprechen. (3) Bis zur Rechtskraft einer Entscheidung gemäß Abs. 1 oder 2 gilt der Aufenthalt des Fremden als rechtmäßige Niederlassung (§ 31 Abs. 1 Z 2 FPG). Liegt ein Fall des Abs. 2 vor, gelten die §§ 41a Abs. 8, 45 Abs. 10 und 48 Abs. 5 NAG. (4) Eine Anzeige gemäß Abs. 1 kann auch bei der örtlich zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland (§  41 Abs.  2) eingebracht werden. Diese hat die Anzeige an die zuständige Behörde weiterzuleiten. (5) Anzeigen gemäß Abs. 1, Bescheide gemäß Abs. 2 und im Verfahren beizubringende Dokumente, insbesondere Zeugnisse, Personenstandsurkunden und Übersetzungen, sind gebührenfrei. [idF BGBl I 136/2013] EB zu BGBl I 122/2009 Mit dem neuen § 59 sollen jene Fälle geregelt werden in denen nach einer Vaterschaftsfeststellung gemäß § 163 ABGB hervorkommt, dass (oft jahrzehntelang) fälschlicherweise von einer Staatsbürgerschaft kraft Abstammung (§§ 7 und 7a) ausgegangen wurde, diese aber tatsächlich nicht besteht. Diesen „vermeintlichen Österreichern“ soll nun die Möglichkeit gegeben werden, der Behörde diesen Umstand anzuzeigen, wodurch sie die Staatsbürgerschaft rückwirkend mit dem Tag der Geburt (§ 7) oder dem Tag der Legitimation (§ 7a) erwerben. Die Behörde hat dies mit Bescheid festzustellen (Abs. 1). Gemäß Abs. 2 kommt es zu keinem rückwirkenden Erwerb der Staatsbürgerschaft, wenn deren Erschleichung – vornehmlich wohl durch falsche Angaben zur Vaterschaft – beabsichtigt war. Dies ist wiederum mit Bescheid festzustellen. Der Betroffene wäre in diesem Fall Fremder und unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Da die vorliegende Bestimmung von der Grundannahme ausgeht, dass es sich bei dem Betroffenen um ein schützenswertes „Opfer“ handelt und er die unrichtigen Angaben Desjenigen, von dem seine Staatsbürgerschaft vermeintlich abgeleitet wurde, nicht zu verantworten hat, soll dem Betroffenen auch in diesen Fällen ein gesichertes Aufenthaltsrecht zukommen. Der zweite Satz des Abs. 3 verweist daher auf die entsprechenden Anschlussbestimmungen im NAG, wonach je nach Voraussetzungen eine „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ (§ 43 Abs. 7), ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ (§ 45 Abs. 7) oder ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – Familienangehöriger (§ 48 Abs. 4) auszustellen ist (siehe auch die Erläuterungen zu diesen Bestimmungen). Abs. 3 erster Satz sichert den Aufenthalt des Betroffenen im Zeitraum bis zur Entscheidung der Behörde rechtlich ab und bestimmt, dass es sich dabei um eine rechtmäßige Nie-

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derlassung handelt. Damit wird zudem sichergestellt, dass diese Zeit für die Frist zur Erlangung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EG“ und der Staatsbürgerschaft anzurechnen ist. Da es auch vorkommen kann, dass sich der Betroffene zum Zeitpunkt des Hervorkommens der nicht vorhandenen Staatsbürgerschaft im Ausland befindet und ihm „als Fremder“ eine Einreise nach Österreich unter Umständen zu verwehren wäre, sieht Abs. 4 die Möglichkeit vor, dass eine Anzeige gemäß Abs. 1 auch bei der zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland eingebracht werden kann. Diese hat die Anzeige an die zuständige Behörde weiterzuleiten. Abs. 5 bestimmt weiters, dass Verfahren nach § 59 samt allen beizubringenden Dokumenten gebührenbefreit sind. EB zu BGBl I 38/2011 Abs 3: Die vorgeschlagenen Änderungen stellen notwendige Anpassungen aufgrund der adaptierten Systematik der Aufenthaltstitel im NAG dar. EB zu BGBl I 136/2013 Die vorgeschlagenen Änderungen sollen die im gesamten Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 enthaltene Differenzierung betreffend die Ehelichkeit bzw. Unehelichkeit eines Kindes entfallen lassen, da diese Differenzierung vor dem Hintergrund der familienrechtlichen und familienpolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ihre sachliche Rechtfertigung weitgehend eingebüßt hat und als nicht mehr zeitgemäß anzusehen ist (siehe dazu auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2012 zu G 66/12 und G 67/12 sowie die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 11. Oktober 2011 in der Rechtssache Genovese versus Malta (53124/09)). Daher wird vorgeschlagen, dass künftig für alle Sachverhalte, in denen zumindest ein Elternteil österreichischer Staatsbürger ist, das Abstammungsprinzip gilt, unabhängig davon, ob die Eltern verheiratet sind. Eine Unterscheidung entlang der Ehe- bzw. Unehelichkeit eines Kindes soll künftig nicht mehr vorgenommen werden. Die Adaptierungen in §§ 52, 53 und 59 sind Folgewirkungen der dargelegten Änderungen und handelt es sich dabei zum einen um Anpassungen aufgrund der vorgenommenen Änderungen zur Erzielung der Gleichstellung sowie der Adaptierung der Bestimmung der Legitimation und zum anderen um eine Aktualisierung eines Verweises auf das ABGB, da die dortigen Novellen bisher im StbG unberücksichtigt geblieben sind. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Voraussetzungen des Erwerbs durch Anzeige........................................ 3 III. Kein Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige bei Erschleichung .............................................................................................. 6 IV. Aufenthaltsrecht in Fällen der Erschleichung......................................... 10

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Schrifttum zu § 59: Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Das neue österreichische Staatsbürgerschaftsrecht7; Fasching, Staatsbürgerschaftsrecht im Wandel (2015); Goldemund/Ringhofer/Theuer, Das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht1 (1969); Karasz/Perchinig, Studie Staatsbürgerschaft (2013); Mussger/Fessler/Szymanski/Keller, Österreichisches Staatsbürgerschaftsrecht6 (2001); Peyrl/Neu­ gschwendtner/Schmaus, Fremdenrecht5 (2015); Schmitt, Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2013, migraLex 2013, 38; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines 1 Neben § 57 ist § 59 die zweite Bestimmung, die sich mit Fällen befasst, in denen Personen nur vermeintlich Staatsbürger waren. Auch im Anwendungsbereich des §  59 können die betreffenden Personen uU die Staatsbürgerschaft durch Anzeige erwerben. Ausgangslage der in § 59 geregelten Konstellation ist, dass weder Mutter noch (tatsächlicher) Vater Staatsbürger sind, aber (ob aus Unkenntnis oder in Erschleichungsabsicht) eine andere Person, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, die Vaterschaft anerkannt hat oder diese gerichtlich festgestellt wurde. Gleiches gilt, wenn die betreffenden Personen die Staatsbürgerschaft durch Abstammung nach Legitimation (§ 7a) erworben haben. 2 Soweit die Erschleichung nicht beabsichtigt war (dazu unten III.), ist Erwerb durch schriftliche Anzeige rückwirkend mit der Geburt (bzw Legitimation) möglich. Andernfalls ist uU der Erwerb durch Anzeige gemäß § 57 denkbar oder es wird ein Aufenthaltstitel erteilt (siehe unten IV). Die Behörde hat dies gemäß Abs 1 letzter Satz mit Bescheid festzustellen. Dabei handelt es sich uE um einen bloßen Feststellungsbescheid, die Staatsbürgerschaft wird durch die rechtswirksame Anzeige erworben. Das ergibt sich uE daraus, dass die Überschrift des Abschnitt VI „Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige“ lautet. Dagegen könnte allerdings sprechen, dass gemäß Abs  3 der Aufenthalt „bis zur Rechtskraft einer Entscheidung gemäß Abs 1 oder 2“ als rechtmäßige Niederlassung iSd § 31 Abs 1 Z 2 FPG gilt. Eine solche Bestimmung ist zwar notwendig, da sonst unmittelbar nach Bekanntwerden, dass diese Person nicht die Staatsbürgerschaft besitzt, ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß §  52 FPG eingeleitet werden müsste (das wäre nach Art 6 Abs 1 RL 2008/115/EG [Rückfüh704

Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige

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rungsRL], ABl L 2008/358 grundsätzlich zwingend; das gilt natürlich nur, wenn diese Person drittstaatszugehörig ist). Der Wortlaut von Abs 3 „bis zur Rechtskraft einer Entscheidung“ könnte darauf hindeuten, dass es sich doch um einen Rechtsgestaltungsbescheid handeln könnte. Im Ergebnis erwerben aber uE aufgrund der oa Argumente diese Personen die Staatsbürgerschaft durch Anzeige. Wenn nun gemäß Abs  2 aus dieser Anzeige kein Staatsbürgerschaftserwerb hervorgeht, hat die Behörde dies (trotz des Begriffs „absprechen“) bescheidmäßig festzustellen (siehe auch RV EB 330 d.B. 35 GP, zu § 59, die auch dafür das Wort „feststellen“ benutzen). Ein solches Feststellungsverfahren muss unmittelbar nach Einlangen einer Anzeige von Amts wegen eingeleitet werden. Solange ein solcher Bescheid (allenfalls Entscheidung des LVwG) nicht rechtskräftig ist, liegt eine rechtmäßige Niederlassung iSd § 31 Abs 2 Z 1 FPG vor.

II.  Voraussetzungen des Erwerbs durch Anzeige Grundsätzlich erwerben Kinder die Staatsbürgerschaft mit dem Zeit- 3 punkt der Geburt, wenn (im Fall der Ableitung vom Vater) in diesem Zeitpunkt der Vater gemäß § 144 Abs 1 Z 1 ABGB Staatsbürger ist, der Vater Staatsbürger ist und dieser die Vaterschaft gemäß § 144 Abs 1 Z 2 ABGB anerkannt hat, oder der Vater Staatsbürger ist und dessen Vaterschaft gemäß §  144 Abs  1 Z  3 ABGB gerichtlich festgestellt wurde. § 144 Abs 1 Z 1 ABGB knüpft die Vaterschaft an die Geburt des Kindes während aufrechter Ehe an, setzt also eine wirksame Ehe voraus (vgl §  15 EheG). Wenn der (vermeintliche) Vater seine auf der Geburt in aufrechter Ehe gründende Vaterschaftsvermutung erfolgreich bekämpft, hat das Kind keinen rechtlichen Vater (vgl Erl zu § 7, Rz 16). Uneheliche Kinder von österreichischen Vätern, die am 1.8.2013 oder später geboren wurden, erhalten die Staatsbürgerschaft bei Geburt durch Abstammung vom Vater, wenn dieser die Vaterschaft vor oder binnen acht Wochen nach der Geburt des Kindes anerkennt oder diese gerichtlich festgestellt wird; im letzteren Fall muss das Rechtskraftdatum innerhalb der achtwöchigen Frist liegen (zu den verfassungsrechtlichen Bedenken siehe Erl zu § 7 Rz 28). Sollte die Frist von acht Wochen verabsäumt worden sein, kann eine Beantragung auf vereinfachte Verleihung bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes erfolgen; dabei handelt es sich aber nicht um einen Erwerb durch Abstammung. Minderjährige ledige Fremde, die unehelich geboren wurden 705

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Johannes Peyrl

und die Staatsbürgerschaft nicht bereits gemäß §  7 erworben haben, erwerben gemäß §  7a Abs  1 die Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt der Eheschließung ihrer Eltern, wenn der Vater in diesem Zeitpunkt Staatsbürger ist (siehe Erl zu § 7a). 4 Für den Anwendungsfall des §  59 ist die Feststellung gemäß §  145 Abs 1 ABGB, dass derjenige, der bislang vermeintlich als Vater angesehen wurde, eben nicht Vater ist, zwingend (siehe Wortlaut Abs 1). Weitere Voraussetzungen (insbesondere jene des § 10) müssen nicht erfüllt werden. Auch Deutsch- und Landeskenntnisse gemäß §  10a müssen nicht erbracht werden, da es sich beim Erwerb der Staatsbürgerschaft gemäß §  57 nicht um eine Verleihung (vgl §  10a Abs  1) handelt. Aus diesem Grund ist die explizite Ausnahme in §  10a Abs  2 Z  1 uE als Klarstellung zu sehen. 5 Eine entsprechende Anzeige kann auch bei der zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland (§ 41 Abs 2) eingebracht werden. Die Übermittlung an die zuständige Behörde erfolgt dabei nicht auf Gefahr des Einschreiters, da es sich bei der Einbringung bei der Vertretungsbehörde nicht um eine unzuständige Behörde iSd § 6 Abs 1 AVG handelt.

III. Kein Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige bei Erschleichung 6 Der rückwirkende Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige ist nicht möglich, wenn die „Erschleichung der Staatsbürgerschaft beabsichtigt“ war. Gemeint kann nur sein, dass die Erschleichung der Staatsbürgerschaft durch Mutter bzw vermeintlichen Vater beabsichtigt war. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung ist auch in den Fällen des § 7 Abs 1 Z 3 und 4 binnen acht Wochen möglich, danach ist Erwerb durch Abstammung nicht möglich (siehe oben II. bzw Erl zu § 7). Nach dem klaren Wortlaut des Abs 1 treten aber die Rechtsfolgen des § 59 nur nach der Anzeige einer vermeintlichen Staatsbürgerschaft durch Abstammung ein. 7 In nahezu allen Fällen, in denen die der vermeintliche Erwerb entweder bei Geburt oder zumindest binnen acht Wochen nach Geburt erfolgt, kann diesen Personen klarerweise selbst keine Erschleichung unterstellt werden (so auch die EB, die von „schützenswerten Opfern“ sprechen (EB RV 330 d.B., 24. GP zu § 59). Lediglich in Fällen des Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch Legitimation (vgl §  7a), für die hinsichtlich 706

Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige

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des Alters lediglich Minderjährigkeit Voraussetzung ist, ist denkbar, das auch der bloß vermeintliche Staatsbürger Kenntnis von der Erschleichung hatte. Rechtspolitisch erscheint es daher uE nicht sachgerecht, diese Personen, die oft ihr ganzes bisheriges Leben davon ausgehen durften, Staatsbürger zu sein, dahingehend materiell zu benachteiligen, dass diese nicht rückwirkend die Staatsbürgerschaft erwerben können. Dies gilt umso mehr, als selbst die EB anführen, dass „vorliegende Bestimmung von der Grundannahme ausgeht, dass es sich bei dem Betroffenen um ein schützenswertes „Opfer“ handelt und er die unrichtigen Angaben Desjenigen, von dem seine Staatsbürgerschaft vermeintlich abgeleitet wurde, nicht zu verantworten hat […]“ (EB RV 330 d.B., 24. GP, zu § 59). Selbst wenn die Erschleichung beabsichtigt war, ist aber wie oben aus- 8 geführt sehr wahrscheinlich, dass der vermeintliche Staatsbürger selbst diese Erschleichung nicht iSd § 57 zu vertreten hat. Wenn die fälschliche Behandlung mindestens 15 Jahre angedauert hat, ist daher in diesen Fällen ein Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige gemäß §  57 möglich. Siehe dazu näher Erl zu § 57. Der Erwerb und auch der Verlust der Staatsbürgerschaft ist grundsätz- 9 lich ausschließliche Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Aufgrund der großen Tragweite der Unionsbürgerschaft ist das uE erstaunlich, da die Unionsbürgerschaft an die jeweilige nationale Staatsbürgerschaft anknüpft (Art 20 AEUV, vgl Kolonovits in Mayer/Stöger (Hrsg), EUV/ AEUV, Art 20 AEUV (2010), Rz 9; siehe näher dazu Erl zu § 26). Der Verlust bzw die Entziehung der Staatsbürgerschaft – und damit uU auch der Verlust der Unionsbürgerschaft – sind aber nicht gänzlich losgelöst von Europarecht zu betrachten: Nach der Judikatur des EuGH schließt nämlich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nicht aus, dass die betreffenden nationalen Vorschriften Unionsrecht beachten müssen, wenn eine Situation unter Unionsrecht fällt. Dabei „liegt auf der Hand“, dass der Verlust der Unionsbürgerschaft „ihrem Wesen und ihren Folgen nach“ unter das Unionsrecht fällt (EuGH 2.3.2010, C135/08, Rottmann, Rz 41 f). Im vorliegenden Fall wurden Personen idR ihr ganzes Leben als UnionsbürgerInnen behandelt und haben uU auch von den – UnionsbürgerInnen zustehenden – Freizügigkeitsrechten Gebrauch gemacht. Selbst wenn ein Aufenthaltsrecht für Österreich erteilt wird (siehe dazu unten IV.) „verlieren“ diese Personen ihre Freizügigkeitsrechte. Daher ist auch die Frage des Erwerbs durch An707

§ 59

Johannes Peyrl

zeige im Anwendungsfall des § 59 Abs 2 nicht losgelöst von Unionsrecht zu betrachten und daher eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, ob nicht der Erwerb durch Anzeige trotz Erschleichung iSd Abs 2 aus diesem Grund geboten ist.

IV.  Aufenthaltsrecht in Fällen der Erschleichung 10 Gemäß § 45 Abs 10 NAG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen auf Antrag ohne weiteres ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ zu erteilen, wenn ein Fall des § 59 Abs 2 StbG vorliegt und sie in den letzten fünf Jahren zur Niederlassung berechtigt waren. Der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ berechtigt Drittstaatsangehörige zum unbefristeten Aufenthalt in Österreich. Gemäß § 17 Z 2 AuslBG haben „Personen mit Daueraufenthalt – EU“ freien Arbeitsmarktzugang und weitere garantierte Rechte gemäß Art 11 RL 2003/109/EG, ABl L 2004/16 idF RL 2011/51/EU (ABl L 2011/132). Siehe dazu näher Peyrl in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016), § 45, Rz 14. Weiters genießen sie gemäß § 52 Abs 5 iVm § 53 Abs 3 FPG erhöhten Schutz vor Aufenthaltsbeendigung. 11 Liegen keine fünf Jahre Niederlassung in Österreich vor, ist diesen Personen gemäß § 41a Abs 8 NAG auf Antrag ohne weiteres ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen. Ein solcher Aufenthaltstitel ist zwar befristet, berechtigt aber ebenfalls zum freien Arbeitsmarktzugang (§ 17 Z 1 AuslBG). In beiden Anwendungsfällen ist der Aufenthaltstitel („Daueraufenthalt – EU“ oder „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“) ohne weiteres zu erteilen: Es müssen daher keine weiteren Voraussetzungen erbracht werden, insbesondere müssen die allgemeinen Voraussetzungen des 1. Teils des NAG (insbesondere § 11 NAG: ua nötige Unterhaltsmittel, Krankenversicherungsschutz, ortsübliche Unterkunft) nicht erfüllt werden. Aus gleichem Grund sind auch weder Modul 1 noch Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§§ 14 ff NAG) zu erfüllen. 12 Zu beachten ist aber, dass diese Aufenthaltstitel nur dann zu erteilen sind, wenn die Personen in Österreich aufhältig sind. Weiters erlischt idR gemäß § 20 Abs 4 NAG ein Titel „Daueraufenthalt – EU“, wenn der langfristig niedergelassene Drittstaatsangehörige sich seit mehr als zwölf Monaten außerhalb des EWR aufhält bzw wird gemäß § 10 Abs 3 Z 4 NAG gegenstandslos, wenn dieser seit mehr als sechs Jahren nicht 708

Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige

§ 59

in Österreich niedergelassen ist. Eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ wird ungültig, wenn die Behörde (vgl § 3 NAG) bescheidmäßig festgestellt hat, dass der Drittstaatsangehörige nicht mehr in Österreich niedergelassen ist (§ 10 Abs 2 NAG) bzw kann diese ohne Niederlassung nicht verlängert werden. Die oben angeführte Verhältnismäßigkeitsprüfung ist daher uE gerade in Fällen besonders wesentlich, in denen die vermeintlichen Staatsbürger nicht in Österreich leben. Nicht geregelt ist in § 59 der Fall, dass diese Personen tatsächlich Uni- 13 onsbürger sind. Wenn diese mehr als fünf Jahre niedergelassen waren, müssen sie idR schon deshalb eine „Bescheinigung des Daueraufenthalts“ gemäß § 53a NAG erhalten, da sie iSd Art 16 RL 2004/28/EG (ABl L 2004/58) ein Daueraufenthaltsrecht erworben haben. In anderen Fällen dürfen sie aber als UnionsbürgerInnen uE nicht schlechter gestellt werden als Drittstaatsangehörige. Selbst wenn sie etwa die Voraussetzungen des Art 7 RL 2004/38/EG nie erfüllt haben, ist ihnen eine „Bescheinigung des Daueraufenthalts“ bzw (falls sie weniger als fünf Jahre niedergelassen waren) zumindest eine Anmeldebescheinigung gemäß § 53 NAG ohne entsprechende Voraussetzungen des § 51 ff NAG auszustellen.

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Abschnitt VII Schluss- und Übergangsbestimmungen Eingetragene Partnerschaften § 60. Die §§ 7a Abs. 2, 11a Abs. 1 Z 1 und 2 und Abs. 2 und 3, 13, 16,

52 Abs. 1 lit. c, 53 Z 2 lit. b und Z 3 lit. b, sind auf eingetragene Partnerschaften und eingetragene Partner sinngemäß anzuwenden.

[idF BGBl I 2009/135] EB zu BGBl I 135/2009 Zu Z 1 und 2 (§§ 16 Abs. 1 Z 3 und 60 samt Überschrift): Im Hinblick auf die mit der Erlassung des EPG vorgesehene Einführung des Instituts der eingetragenen Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare in die österreichische Rechtsordnung werden die erforderlichen Anpassungen im Staatsbürgerschaftsgesetz vorgenommen. Durch die angeführten Bestimmungen erfolgt eine gleichförmige Behandlung von eingetragenen Partnern mit Ehegatten. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 3 A. Eingetragene Partnerschaften.............................................................. 3 III. Anwendungsbereich.................................................................................... 4 Schrifttum zu § 60: Benke, Keine Ehe, aber ein Stück Familie, FamZ 2010, 244; Benke/Klausberger/ Nausner/Tritremmel, Wie das Kindeswohl die Familie neu aufstellt, iFamZ 2015, 154 ff; Czech, Das Recht homosexueller Paare auf Anerkennung und Schutz ihrer Beziehung, EF-Z  2016, 181 ff; Deixler-Hübner, Gesetzliche Änderungen bzw Neuerungen im Ehe- und Partnerschaftsrecht, iFamZ  2015, 103 ff; Gitschthaler/Höllwerth (Hrsg), Kommentar zum Ehe- und Partnerschaftsrecht (2011); Gröger, Das Eingetragene Partnerschaft-Gesetz (EPG), ÖJZ 2010, 197 ff; Neuwirth/Baierl, Entwicklung der Familienformen in Österreich, WiPol 2/2012, Jugend, Familie und Generationen; Schoditsch, Die gemeinsame Adoption homosexueller Personen, iFamZ 2015, 161 ff; Zartler, Regelungsbedarf für nicht­ eheliche Lebensgemeinschaften?, iFamZ 2012, 201 ff.

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§ 60

Martin Kind

I.  Allgemeines 1 Homosexuelle Paare genießen den grundrechtlichen Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art  8 Abs  1 EMRK [vgl EGMR 24.7.2003, 40016/98, Karner gegen Österreich, ÖJZ 2004/2 (MRK)]. Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Paare unterliegt darüber hinaus einer Dynamik, die durch die Rechtsprechung des EGMR und des VfGH vorangetrieben wird. So bejahte der EGMR 2015 erstmals eine staatliche Verpflichtung, eine eingetragene Partnerschaft einzuführen, [EGMR 21.7.2015, 18.766/11 und 36.030/11, Oliari ua/Italien (GK) NLMR 2015, 338] und mit der vom VfGH erwirkten Öffnung von Adoption (VfGH 11.12.2014, G 119 – 120/2014) und assistierter Reproduktion (VfGH 10.12.2013, G 16/2013, G 44/2013) wurden zwei wesentliche Ungleichbehandlungen beseitigt. Dabei gewährt der EGMR den Mitgliedstaaten bei der Form der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen einen großen Spielraum, während er Ungleichbehandlungen aufgrund der sexuellen Orientierung nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe akzeptiert. 2 IZm der Erlassung des EPG durch BGBl I 2009/135 wurden auch die Regelungen im StbG, die auf verheiratete Personen Bezug nehmen, dahin angepasst, dass sie ab dem 1.1.2010 (vgl § 64a Abs 10) auch auf Personen in eingetragener Partnerschaft anwendbar sind. Durch § 60 soll die Übersichtlichkeit und die Lesbarkeit des StbG gewährleistet (bzw nicht weiter gemindert) werden, indem unter Verweis auf die das Rechtsinstitut der Ehe Bedacht nehmenden Vorschriften im StbG die Rechtsstellung eingetragener Partner an diejenige von verheirateten Personen angeglichen wird. Diese Angleichung wurde aber uE vom Gesetzgeber nicht konsequent durchgezogen; Ausdruck des verbleibenden Unterschieds zu einer Ehe wäre die Verwendung des Ausdruckes Nachname an Stelle der Bezeichnung Familienname in § 52 lit e und § 53 Z 5 lit d; vgl aber auch § 40 Abs 3 StbV.

II.  Begriffe A.  Eingetragene Partnerschaften 3 Das Wesen der eingetragenen Partnerschaft besteht in der Begründung einer Partnerschaft aus zwei Personen gleichen Geschlechts (eingetragene Partner). Sie verbinden sich damit zu einer Lebensgemeinschaft 712

Schluss- und Übergangsbestimmungen

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auf Dauer mit gegenseitigen Rechten und Pflichten (§  2 EPG). Das EPG anerkennt eingetragene Partnerschaften und sieht einen Schutz in Form von für eine stabile Beziehung maßgeblichen Kernrechten vor. Dieser Kern besteht in einer Regulierung der gegenseitigen Rechte und Pflichten einschließlich der moralischen und materiellen Unterstützung, Unterhaltspflichten und Erbrechte. Wie die Ehe unterscheiden sich auch eingetragene Partnerschaften, die Paare ausdrücklich und bewusst eingehen, durch ihre rechtlichen Konsequenzen von anderen Formen des Zusammenlebens. Entscheidend ist dabei weniger die Dauer oder die unterstützende Natur der Beziehung, als das Bestehen einer öffentlichen Verpflichtung, die Rechte und Pflichten vertragsrechtlicher Art mit sich bringt. Der Wesenskern der Verbindung zwischen Geschwistern besteht in der Blutsverwandtschaft, während ein charakteristisches Merkmal der Ehe oder eingetragenen Lebensgemeinschaft darin besteht, dass sie engen Verwandten verboten ist. Zusammenlebende Schwestern können daher in Hinblick auf Art 14 EMRK nicht mit verheirateten oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebenden Paaren verglichen werden (RS0126726).

III.  Anwendungsbereich § 60 listet taxativ die Vorschriften auf, die „sinngemäß“ auch für einge- 4 tragene Partnerschaften und eingetragene Partner gelten. Unklar und im Licht des Gleichheitsgrundsatzes uE fraglich ist, warum für eingetragene Partnerschaften § 7a Abs 1 und § 53 Z 5 lit c nicht gilt. Dem Ansatz folgend, wonach Differenzierungen zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft eine nur schwer zu rechtfertigende Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung darstellt, ist uE nicht nachvollziehbar, dass unehelich geborene Kinder unter dem vollendeten 14. Lebensjahr die Staatsbürgerschaft durch Legitimation im Zeitpunkt der Begründung der eingetragenen Partnerschaft nicht erwerben können. Zumal auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Adoption des leiblichen Kindes eines Partners durch den anderen Teil möglich ist (vgl OGH 14.11.2013, 2 Ob 220/12k). §  60 trägt den Änderungen der sozialen und familiären Verhältnisse 5 durch die Anerkennung von Lebensgemeinschaften (noch) nicht Rechnung. Während beispielsweise das FamRÄG 2009 und das KindNamRÄG 2013 auf die Vielfalt der Lebensverhältnisse, in denen Kinder im 21. Jahrhundert aufwachsen, durch neue Regelungen für „Patch713

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work-Familien“ Bedacht nehmen, „hinkt“ das StbG diesbezüglich nach. Unter dem Aspekt des – (auch in der Rechtsprechung) viel zitierten – „Kindeswohls“ könnte uE ein (zunehmender) Regelungsbedarf für nichteheliche Lebensgemeinschaften iZm dem StbG bestehen. Vor dem Hintergrund der (nachhaltigen) Änderungen in der Gesellschaft könnte in diesem Zusammenhang der Umstand, dass den verschiedengeschlechtlichen Paaren (nur) das Rechtsinstitut der Ehe offensteht, als Ungleichbehandlung verschiedengeschlechtlicher Paare gegenüber gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften gewertet werden. IZm dem „Sonderfall“ einer geschlechtsumwandelnden Operation aufgrund von Transsexualität eines Ehepartner gewährt der EGMR den Staaten einen gewissen Ermessensspielraum (vgl EGMR 16.7.2014, Bsw 37359/09): Nach österreichischem Recht ist eine Ehe nur zwischen Personen verschiedenen Geschlechts erlaubt; die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare sind durch die Möglichkeit einer eingetragenen Partnerschaft geschützt.

§  61. (1) Die nach dem Muster der Anlage 1 zur Staatsbürgerschaftsverordnung vom 29. Oktober 1945, BGBl. Nr. 28/1946, ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweise gelten als Staatsbürgerschaftsnachweise im Sinne des § 44. (2) Staatsbürgerschaftsnachweise und andere staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen, die vor dem 1. November 2013 ausgestellt wurden, behalten auch nach diesem Zeitpunkt ihre Gültigkeit. [idF BGBl I 2013/136] EB zu BGBl 250/1965 Die bisher ausgestellten Staatsbürgerschaftsnachweise sollen ihre Gültigkeit behalten und so behandelt werden, wie die nach der geplanten Neuregelung auszustellenden Staatsbürgerschaftsnachweise. Auf diese alten Staatsbürgerschaftsnachweise werden daher insbesondere § 44 Abs. 2 und § 45 des Gesetzentwurfes Anwendung finden. EB zu BGBl I 136/2013 Zu Z 35 (§ 61 Abs. 2): Diese Bestimmung regelt, dass auch Staatsbürgerschaftsnachweise und andere staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen, die vor dem Inkrafttreten des Zentralen Staatsbürgerschaftsregisters ausgestellt wurden, auch nach diesem Zeitpunkt ihre Gültigkeit behalten.

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Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 62

Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 Schrifttum zu § 61: Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Der Regelungsgegenstand des § 61 Abs 1 betrifft Staatsbürgerschafts- 1 nachweise; der des Abs  2 umfasst zudem auch „andere staatsbürgerschaftsrechtliche Bestätigungen“ (vgl dazu §  44). §  61 idF BGBl I 2013/136 ist seit dem 1.8.2013 in Kraft (§ 64a Abs 20). Der Betroffene gilt – bis zum Beweis des Gegenteils – als Staatsbürger, dh er ist von allen Behörden – daher auch von den Evidenzstellen – als Staatsbürger zu behandeln (Thienel aaO, 162). Einen Staatsbürgerschaftsnachweis hatte die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich primär der Antragsteller seinen Wohnsitz hatte (vgl § 2 Abs 2 StbV 1945), auszustellen. Staatsbürgerschaftsnachweise beurkunden – daher „gelten als“ (§  61 Abs  2) – den Besitz der Staatsbürgerschaft. Seit dem 1.11.2014 besteht uE eine Regelungslücke iZm §  61 Abs  2 aufgrund des §  64a Abs 22.

§ 62. Die Gemeinden sind verpflichtet, die auf Grund der Heimat-

rechtsnovelle 1928, BGBl. Nr. 355, angelegten Heimatrollen und die sonstigen heimatrechtlichen Unterlagen, wie insbesondere Heimatmatriken und Heimatscheinverzeichnisse, aufzubewahren. Der Bundesminister für Inneres kann durch Verordnung bestimmen, daß die Gemeinden, die einem Gemeindeverband angehören (§ 47), ihre heimatrechtlichen Unterlagen diesem Gemeindeverband zu übergeben haben.

[idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Die Heimatrollen, das sind die Verzeichnisse über die in einer Gemeinde heimatberechtigten Personen, wurden seinerzeit auf Grund der Heimatrechtsnovelle 1928, BGBl. Nr. 355, angelegt. Nach der Okkupation Österreichs durch das Deutsche Reich hat jedoch die Zweite Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit im Lande Österreich vom 30. Juni 1939 (Deutsches RGBl. I S. 1072)

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das Gesetz vom 3. Dezember 1863, RGBl. Nr. 105, betreffend die Regelung der Heimatverhältnisse, und seine Nachtragsgesetze mit Wirkung vom 30. Juni 1939 außer Kraft gesetzt (§ 3) und die Gemeinden verpflichtet, die nach dem Stande von 30. Juni 1939 abgeschlossenen Heimatrollen aufzubewahren (§ 4). Nach der Befreiung Österreichs wurde wohl mit Kundmachung der Provisorischen Staatsregierung vom 29. Mai 1945, StGBl. Nr. 16, festgestellt, daß alle Gesetze und Verordnungen des Deutschen Reiches über die deutsche Staatsangehörigkeit für den Bereich der Republik Österreich mit 27. April 1945 außer Kraft getreten sind. Jedoch wurde das Heimatrecht nicht mehr eingeführt und daher die mit 30. Juni 1939 abgeschlossenen Heimatrollen nicht wieder reaktiviert. Obwohl seither 25 Jahre vergangen sind, bilden diese Heimatrollen auch heute noch eine bedeutende Grundlage für die Feststellung, ob die vor diesem Stichtag geborenen Personen die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen oder nicht. Die Gemeinden sollen daher verpflichtet werden, diese Heimatrollen trotz Einführung einer Staatsbürgerschaftsevidenz auch weiterhin aufzubewahren. Auch die übrigen heimatrechtlichen Unterlagen der Gemeinden, wie etwa alte Heimatmatriken, Heimatscheinverzeichnisse u. dgl., sollen weiterhin aufbewahrt werden, weil diese Unterlagen in der Praxis der Staatsbürgerschaftsbehörden von unschätzbarem Wert sind. Sie sind manchmal aufschlußreicher als die Heimatrollen selbst, weil bei deren Anlegung Personen, die in der Gemeinde wohl das Heimatrecht, aber keinen Wohnsitz hatten, häufig nicht eingetragen wurden. Der Gesetzentwurf sieht weiters für das Bundesministerium für Inneres die Ermächtigung vor, durch Verordnung zu bestimmen, daß diese Unterlagen der Evidenzstelle zu übergeben sind. Damit ist die Möglichkeit gewahrt, später einmal erforderlichenfalls die heimatrechtlichen Unterlagen den Evidenzstellen zur entsprechenden Auswertung zu übergeben. EB zu BGBl 170/1983 Zu Art. I Z 45 und 46 (§§ 62 und 66 Z 1) Siehe die Erläuterung zu Art. I Z 26 (§ 35). Zu Art. I Z 26 (§ 35) Unter dem Begriff „Bundesministerium“ ist ausschließlich der dem jeweiligen Bundesminister zur Verfügung stehende Hilfsapparat zu verstehen. Im § 35 StbG 1965, der die Zuständigkeit zur Erlassung von Rechtsakten regelt sowie Parteistellung einräumt, soll der Ausdruck „Bundesministerium für Inneres“ daher jeweils durch „Bundesminister für Inneres“ ersetzt werden. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 Schrifttum zu § 62: Kurnik, Von der Heimatrolle zur Staatsbürgerschaftsevidenz. Zur Entwicklung des Staatsbürgerschaftsrechts, IndRME 1997; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II.

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Schluss- und Übergangsbestimmungen

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I.  Allgemeines Nach der Abschaffung der Grundherrschaften im Jahre 1848 wurde mit 1 dem provisorischen Gemeindegesetz von 1849 das Heimatrecht eingeführt, dass mit dem Reichsgesetz vom 3.12.1863 (Heimatrechtsgesetz) dann auch die Führung einer „Heimatmatrikel“ zwingend für jede Gemeinde vorschrieb. In die sogenannte Heimatrolle wurden alle Heimatberechtigten einer Gemeinde eingetragen. Die Heimatrolle dokumentierte die Zuständigkeit (ähnlich der heutigen Staatsbürgerschaft) eines Bürgers zur Gemeinde. Sie diente ua der Administration von wehrpflichtigen Männern. Das österreichische Heimatrecht trat 1939 gesetzlich außer Kraft. Österreichische Staatsangehörigkeitsurkunden iSd Vereinbarung 2 zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den Austausch von Mitteilungen in Staatsangehörigkeitssachen (BGBl 1959/45 idF BGBl III 2008/170) sind Staatsbürgerschaftsnachweise, Heimatscheine und Auszüge aus der Heimatrolle. Zur Sicherung der – für die Beurteilung des Erwerbes und Besitzes der Staatsbürgerschaft wesentlichen – Altdaten wird in § 62 bestimmt, dass die Gemeinden die angelegten Heimatrollen und sonstige heimatrechtliche Unterlagen aufzubewahren haben. Der BMI hat von der VO-Ermächtigung nach Satz 2 des § 62 keinen Gebrauch gemacht. Mit der am 1.1.1929 in Kraft getreten Heimatrechtsnovelle 1928 wur- 3 de ua die Verpflichtung über die Führung der Heimatrolle und die Mitteilungsverpflichtung neu geregelt. Artikel V der Heimatrechtsnovelle 1928 verpflichtete die Gemeinden, über ihre Heimatberechtigten ein Verzeichnis (Heimatrolle) zu führen und bei der Führung der Heimatrolle anderer Gemeinden mitzuwirken. Die Matrikenführer hatten jede Matrikeneintragung, die heimatrechtlich von Belang war, jeweils sogleich den beteiligten Heimatgemeinden mitzuteilen. Die Bundesländer hatten den Matrikenämtern die für diese Mitteilungen erforderlichen Drucksorten unentgeltlich beizustellen. Alle Stellen des Bundes, der Länder und Gemeinden sowie der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften hatten von jenen ihrer Personalverfügungen, die heimatrechtliche Wirkung hatten und nicht Gegenstand einer Matrikeneintragung waren, die beteiligten Heimatgemeinden zu verständigen. Die im Ausland wohnenden Bundesbürger waren verpflichtet, Änderungen in ihrem Familienstande dem zuständigen österreichischen 717

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Konsulat unter Vorlage der diesbezüglichen amtlichen Urkunden anzuzeigen. 4 Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und Führung der Heimatrollen, die Mitwirkung der Gemeinden, Behörden und sonstigen Amtsstellen und die Anzeigen der im Ausland wohnenden Bundesbürger wurde durch Verordnung vom 4.7.1929 (BGBl 1929/218) geregelt. Demnach waren die Gemeinden verpflichtet, bis 30.6.1930 ein Verzeichnis ihrer Heimatberechtigten anzulegen und fortlaufend zu führen. Dieses Verzeichnis (Heimatrolle) hatte mindestens zu enthalten: 1. die Personenstandsdaten; 2. den Beruf; 3. den Wohnort; 4. die Abstammung; 5. die Begründung des Heimatrechtes; 6. den Erwerbstag des Heimatrechtes (vgl 1 Abs 2 VO). In der Heimatrolle waren auch Zeitpunkt, Ursache und Gründe des Verlustes der Staatsbürgerschaft, insbesondere einer verfügten Ausbürgerung festzuhalten.

Einziehung von Personalpapieren §  63. (1) In zwischenstaatlichen Verträgen kann zur Hintanhal-

tung des Mißbrauches ausländischer Ausweispapiere vereinbart werden, daß Reisepässe, Staatsangehörigkeitsurkunden und sonstige Personalpapiere, die eine Person als Angehörigen eines fremden Staates ausweisen, einzuziehen sind, wenn diese Person die fremde Staatsangehörigkeit durch den Erwerb der Staatsbürgerschaft verliert. (2) (Verfassungsbestimmung) Liegt eine Vereinbarung nach Abs. 1 vor, so hat erforderlichenfalls die Landesregierung die Einziehung der unter diese Vereinbarung fallenden Ausweispapiere zu verfügen.

[idF BGBl 1985/311] EB zu BGBl 250/1965 Diese Bestimmung ist gegen den Mißbrauch ausländischer Personaldokumente gerichtet, die dadurch unrichtig geworden sind, daß ihr Inhaber infolge Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft aus dem Verband des ausstellenden Staates ausgeschieden ist. Sie wird es erleichtern, mit anderen Staaten Abkommen über die Einziehung der in Rede stehenden Personaldokumente nach Artikel 66 Abs. 2 des B.-VG. in Verbindung mit der Entschließung des Bundespräsidenten vom 31. Dezember 1920, BGBl. Nr. 49/1921, lediglich in Form einfacher Regierungs-, Ressort- oder Verwaltungsübereinkommen abzuschließen.

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Schluss- und Übergangsbestimmungen

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Da vor allem die Einziehung ausländischer Reisepässe als Angelegenheit des Paßwesens nach Artikel 10 Abs. 1 Z. 3 des B.-VG. Bundessache auch in der Vollziehung ist, bedarf es einer Verfassungsbestimmung, um die Landesregierung mit der Einziehung solcher ausländischer Dokumente zu betrauen. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Begriffe........................................................................................................... 3 A. Personalpapiere........................................................................................ 3 B. Einziehung............................................................................................... 4 III. Missbrauchsvermeidungsvereinbarung................................................... 8 Schrifttum zu § 63: Goldemund/Ringhofer/Theuer, Staatsbürgerschaftsrecht (1969); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Die Einziehung nach §  63 kommt in Fällen unbefugten Besitzes von 1 (ausländischen) Personalpapieren in Frage. Bei diesen Papieren ist nach deren besonderer Beschaffenheit die Einziehung geboten, um der Begehung strafbarer Handlungen (Missbrauchsgefahr) entgegenzuwirken. Unrichtigen Personaldokumenten wohnt eine spezifische kriminelle Gefährlichkeit inne, weshalb der (historische) Gesetzgeber in §  63 Abs  1 den erleichterten Abschluss von Vereinbarungen mit anderen Staaten vorgesehen hat; in der Praxis wurden nur wenige solche Verträge abgeschlossen (vgl unten Rz 7) – dennoch wurde § 63 iZm der Wiederverlautbarung rezipiert. Nach Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 196 soll § 63 bewirken, dass 2 dem Inhalt einer entsprechenden zwischenstaatlichen Vereinbarung weder gesetzesändernder noch gesetzesergänzender Charakter zukommt. Dadurch wird die parlamentarische Genehmigung solcher Vereinbarungen entbehrlich und ist die Anwendung der (verfassungsrechtlich zulässigen) Entschließung des Bundespräsidenten (Delegierung der Kompetenz zum Abschluss von Staatsverträgen gem Art 66 Abs 2 B-VG an die Bundesregierung und an einzelne ihrer Mitglieder) gewährleistet. Ein vergleichbares Rechtsinstitut ist zB in §  10 Abs  5 NAG (vgl auch § 37 Abs 2 leg cit) vorgesehen. 719

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II.  Begriffe A.  Personalpapiere 3 § 63 bezieht sich allgemein auf „Personalpapiere“ bzw „Ausweispapiere“ und nennt in diesem Zusammenhang auch explizit in Abs 1 „Reisepässe“ und „Staatsangehörigkeitsurkunden“. Gemeint sind amtliche (legale) Papiere, die keinen selbständigen Vermögenswert darstellen und Aufschluss über die Identität der Person geben, auf dessen Namen sie ausgestellt wurden. Insbesondere fallen unter dem Personalpapierbegriff iSd § 63 – neben den Genannten – die in Deutschland und Österreich üblichen Personalausweise (= amtliche Lichtbildausweise als Identitätsnachweis) bzw die schweizerischen Identitätskarten. Entscheidend ist, dass es sich bei einem Personaldokument um ein von einer staatlichen Stelle ausgegebenen Identitätsnachweis in Form eines amtlichen Lichtbildausweises handelt. Personalausweise werden auch gemäß Art 27 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen von den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen an Staatenlose (BGBl III 2008/81 idF BGBl III 2016/90) ausgestellt, die keinen gültigen Reiseausweis besitzen.

B.  Einziehung 4 Die Einziehung ist der dauernde Entzug der Verfügungsmacht über die Papiere. Die Einziehung nach § 63 ist unabhängig von einer Bestrafung vorgesehen und stellt nach den EB eine missbrauchsvermeidende Sicherungsmaßnahme und keine Strafe dar. Allerdings ist die Einziehung nach § 63 insofern sanktioniert, als die Nichtfolgeleistung einer Einziehungsverfügung das Tatbild gemäß § 63c Abs 2 verwirklicht. Die Einziehung zielt als Sicherungsmittel (vorbeugende Maßnahme) darauf ab, der Gefährlichkeit von bestimmten Sachen für die Allgemeinheit entgegenzuwirken, wodurch sie sich vom Verfall unterscheidet. Während der Verfall schuldabhängige Nebenstrafe ist, ist die Einziehung eine schuldunabhängige sachbezogene Unrechtsfolge. 5 UE hat die Behörde (Landesregierung) in der Verfügung nach §  63 Abs 2 für den Fall der Nichtfolgeleistung der angeordneten Einziehung der Ausweispapiere die Begehung einer Verwaltungsübertretung (iS einer Manuduktionspflicht nach § 13a AVG) anzudrohen. Dabei handelt es sich gemäß § 63c Abs 2 um eine kraft Gesetzes unmittelbar an die Verfügung anknüpfende Rechtsfolge. Voraussetzung hierfür ist ein bi720

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oder multilateraler Vertrag, der für den Fall, dass ein Fremder, der die österreichische Staatsbürgerschaft erwirbt, die fremde Staatsangehörigkeit verliert, die Möglichkeit der Einziehung der Personalpapiere des fremden Staates durch die inländischen Behörden vorsieht. Unter welchen Voraussetzungen eine Einziehung erfolgen kann, ist in den Verträgen nach § 63 Abs 1 (vgl Rz 7) nicht geregelt. Unter welchen Voraussetzungen ein von einem anderen Staat ausgestelltes Dokument entzogen werden kann, richtet sich vielmehr ausschließlich nach der österreichischen Rechtsordnung. Folglich ist die Zulässigkeit der Maßnahme nach § 63 Abs 2 nur daran zu messen, ob auf Grundlage eines Vertrags der objektive Tatbestand nach § 63 Abs 1 hergestellt ist. Ist das der Fall, so „hat“ die Landesregierung die Einziehung zu verfügen. Die Behörde hat insofern nicht die (vermeintliche – arg „erforderlichenfalls“) Ermessensfrage zu lösen, ob die Einziehung nach der besonderen Beschaffenheit der Papiere geboten ist, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken. Die Verfügung hat in Bescheidform zu erfolgen; die Nichtbeachtung 6 bildet eine Verwaltungsübertretung (§ 63c Abs 2). Der VwGH hat, aufbauend auf dem Erkenntnis des VfGH 11.10.2003, B 1031/02, bereits wiederholt ausgesprochen, dass eine als Sicherungsmaßnahme zu qualifizierende Einziehung keinen Strafcharakter hat. Schon deshalb kann kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot iZm § 63c vorliegen. Da es sich bei der Einziehung ausländischer Dokumente nicht um eine 7 Angelegenheit der „Staatsbürgerschaft“ handelt, bedarf es einerseits einer Verfassungsbestimmung, weil insbesondere die Einziehung ausländischer Reisepässe als Angelegenheit des Passwesens nach Art 10 Abs 1 Z 3 B-VG Bundessache auch in der Vollziehung ist. Andererseits stellt sich – deshalb – die Verfügung der Landesregierung nicht als Bescheid in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft iSd § 39 Abs 1 dar, weshalb hier die Zuständigkeitsvorschriften des § 3 Z 3 AVG (Hauptwohnsitz) Anwendung finden (vgl Goldemund/Ringhofer/Theuer aaO, 196).

III.  Missbrauchsvermeidungsvereinbarung Zwischenstaatliche Verträge iSd §  63 Abs  1 hat Österreich zB mit 8 Deutschland (vgl Z I Nr 3 der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Bundesrepublik Deutschland über den Austausch von Mitteilungen in Staatsangehö721

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rigkeitssachen, BGBl 1959/45 idF BGBl III 2008/170: „Reisepässe, Staatsangehörigkeitsurkunden und sonstige Personalpapiere, die den Eingebürgerten als Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates ausgewiesen haben und durch die Einbürgerung ungültig geworden sind, werden bei der Einbürgerung eingezogen und der Regierung des anderen Vertragsstaates zusammen mit der Mitteilung zugestellt“) und Dänemark (vgl Z 3 der Vereinbarung zwischen der Österreichischen Bundesregierung und der Königlich Dänischen Regierung über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen, BGBl 1964/40) abgeschlossen.

Sprachliche Gleichbehandlung § 63a. Soweit in diesem Bundesgesetz auf natürliche Personen be-

zogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung der Bezeichnung auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

[idF BGBl I 2006/37] EB zu BGBl I 37/2006 [Keine Erwähnung in EB] Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Rechtsgrundlage.......................................................................................... 4 Schrifttum zu § 63a: Hopf, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch. Eine Ergänzung zu der in der RZ  2002, 99 (Heft 4) erschienenen Rezension des Werkes von Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz (2001), RZ 2002, 139; Ondrej, „Unterlässt er/sie dies, so vermag ihn/sie ...“, Die Presse 2010/50/01; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz (2001); proLibris, Bundes-Gleichbehandlungsgesetz3 (2013); Stuefer, Von der Notwendigkeit einer geschlechtergerechten Sprache, juridikum 2011, 130; Stuefer, Gleichbehandlung im Gesetzestext: Psychologische Wirkung ist wichtig, Die Presse vom 3.2.2011.

I.  Allgemeines 1 Theoretisch sollten Gesetze (emotionslos) so formuliert sein, dass sie ohne juristische Vorkenntnisse gelesen und verstanden werden können. 722

Schluss- und Übergangsbestimmungen

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Die – insbesondere bei den Normadressaten des StbG (sprich: bei mit der deutschen Amtssprache nicht oder wenig vertrauten Fremden) berechtigte – Forderung nach Verständlichkeit von Vorschriften steht auch im Zusammenhang mit dem Rechtsgrundsatz „ignorantia legis non excusat“ (vgl § 2 ABGB), wonach sich niemand allein mit Gesetzesunkenntnis entschuldigen kann. Praktisch sind („moderne“) Gesetze – und hier ist das StbG keine Aus- 2 nahme – für den Laien weder leserlich noch verständlich formuliert. Neben einer (im Fall des StbG uE nicht gegebenen) Komplexität der Regelungsmaterie und einer durch Novellierungen verursachten Verkomplizierung des Regelwerks sind ein weiterer Grund hierfür die geschlechtergerechten Formulierungen in Rechtstexten (vgl zB „ArbeitnehmerInnenschutzgesetz“). Können derartige sprachliche Ungetüme gewährleisten, dass sich Frauen und Männer in gleicher Weise angesprochen fühlen? Die Gesetzgebung wie offenbar auch kurzfristig die Rechtsprechung (vgl VwSlg 17467 A/2008) haben sich diesem Trend der Gleichstellungspolitik in unterschiedlichem Ausmaß unterworfen. Um der Herstellung der Gleichberechtigung zwischen Frau und Mann 3 durch sprachliche Gleichbehandlung Rechnung zu tragen und die Verständlichkeit des Gesetzestexts durch Geschlechtergerechtigkeit in der Formulierung jeder einzelnen Vorschrift nicht (unnötig) noch mehr in Mitleidenschaft zu ziehen, „bekennt“ sich der Gesetzgeber in § 63a zur sprachlichen Gleichbehandlung. Darüber hinaus hat er sich durch die (weitgehend) „personenneutrale“ Formulierung des Begriffs „Fremder“ – statt: „Ausländer“ – das „Dilemma“ der Formulierung eines geschlechtergerechten [und damit politisch (über-)korrekten] Gesetzestextes erspart.

II.  Rechtsgrundlage Durch § 63a wird dem Gleichheitsgrundsatz des Art 2 StGG (Gleich- 4 heit von Mann und Frau; vgl auch Art 7 B-VG, Art 20, 21 und 23 GRC, Art 14 EMRK), der – nach ständiger Rechtsprechung – auch den Gesetzgeber bindet, formell Rechnung getragen; ein Vorrang des Geschlechts ist jedenfalls ausgeschlossen. UE kann es vor diesem Hintergrund und im Lichte einer Verständlichkeit von Gesetzestexten dahingestellt bleiben, ob durch § 63a auch dem Erfordernis der sprachlichen Gleichbehandlung von Mann und Frau iSd Handbuchs der Rechtset723

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zungstechnik, Teil 1: Legistische Richtlinien 1990, Punkt 10 entsprochen wird. 5 Art  3 Abs  3 EUV und Art  8 AEUV definieren die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern als Ziel der EU. Dieser Handlungsauftrag, der über Art 4 Abs 3 EUV in gewisser Weise auch innerstaatliche Organe (zB bei der Umsetzung von EU-Rechtsakten) bindet, erstreckt sich auf alle Politikfelder der Union und verwirklicht so das Konzept des sogenannten „Gender Mainstreaming“. Vgl ferner den unter Erfüllungsvorbehalt (Art 50 Abs 2 B-VG) stehenden Art 2 lit a UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (BGBl 1982/443) sowie das Gleichbehandlungsgesetz (BGBl I 2004/66 idF BGBl I 2015/34).

Verweisungen § 63b. Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden. [idF BGBl I 2006/37] EB zu BGBl I 37/2006 [Keine Erwähnung in EB] Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 Schrifttum zu § 63b: Hengstschläger/Leeb, AVG2 (2014) § 80 Rz 1 ff; Schäffer, Über Wert und Wirkungsmöglichkeiten von Legistischen Richtlinien. Überlegungen anläßlich der neuen „Legistischen Richtlinien 1990“, ÖJZ 1991, 1.

I.  Allgemeines 1 Nach dem Vorbild der Richtlinie 62 der Legistischen Richtlinien 1990 ist mit § 63b eine generelle Verweisungsbestimmung ins StbG eingefügt worden. Nach dieser Richtlinie „empfiehlt es sich“, eine solche Verweisungsbestimmung in „die Rechtsvorschrift“ aufzunehmen, wenn ein Gesetz eine größere Zahl von dynamischen Verweisungen „auf ver724

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schiedene Rechtsvorschriften“ enthält. Dementsprechend ordnet § 63b an, dass Bestimmungen anderer Bundesgesetze (zB ABGB, FPG, FSG, SPG, NAG, GrekoG, AuslBG, VStG, ASVG, KBGG, SchOG, StGB, E-GovG, PStG 2013, DSG 2000), auf die im StbG verwiesen wird, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden sind. Es ist daher die Fassung des Bundesgesetzes, auf welches das StbG verweist, heranzuziehen, die für jenen Zeitpunkt in Geltung steht bzw stand, der für die anzuwendende Rechtslage maßgeblich ist. Von dieser allgemeinen Regel sind uE die Verweisungen auf im Zeit- 2 punkt des Inkrafttretens von § 63b (dh gemäß Art 49 Abs 1 B-VG: am 23.3.2006) bereits außer Kraft stehende Gesetze und Verordnungen [zB StbV 1945 und Heimatrechtsnovelle 1928 (vgl §  61 Abs  1 und §  62)] nicht erfasst. In diesen Fällen erübrigt sich auch eine Notwendigkeit zu einer verfassungskonformen Deutung als statische „Verweisung“, also dahingehend, dass die angesprochenen Rechtsakte nur in der im Zeitpunkt der Erlassung der betreffenden Vorschrift des StbG geltenden Fassung maßgeblich sind (vgl auch Art 79 aus BGBl I 2009/135 zu den §§ 16 und 60).

Verwaltungsübertretungen § 63c. (1) Wer in einem Verfahren zum Erwerb der Staatsbürgerschaft oder in einem Verfahren zur Ausstellung von Bestätigungen oder sonstigen Urkunden vor der zuständigen Behörde wissentlich falsche Angaben macht, um sich die Staatsbürgerschaft oder die Ausstellung einer Bestätigung oder sonstigen Urkunde in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft zu erschleichen, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. Wer diese Tat begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 5 000 Euro bis zu 15 000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar. (2) Wer einer Verfügung nach § 63 Abs. 2 keine Folge leistet oder der ihm nach § 56 obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 50 Euro bis zu 250 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Frei725

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heitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen. Dies gilt nicht für Organe der inländischen Gebietskörperschaften. [idF BGBl I 2013/16] EB zu BGBl 250/1965 Zu § 64: Zu den Abs. 1 und 2: Die bisherigen Erfahrungen der Praxis haben gezeigt, daß man in Staatsbürgerschaftsangelegenheiten mit den allgemeinen Strafbestimmungen des österreichischen Strafgesetzes 1945, A. Slg. Nr. 2, nicht das Auslangen findet. So war es zum Beispiel in den wenigsten Fällen, wo eine Verleihungsurkunde oder ein Staatsbürgerschaftsnachweis gefälscht oder mißbräuchlich verwendet wurde, möglich, die Schuldigen wegen Mißbrauches der Amtsgewalt (§§  101 und 102 StG.) oder wegen Betruges (§§ 197 und 199 lit. d StG.) zur Verantwortung zu ziehen, weil die Absicht, ein konkretes Recht zu schädigen, nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Diesem Mangel sollen nunmehr die dem § 23 des Paßgesetzes 1951, BGBl Nr. 57, nachgebildeten subsidiären Strafbestimmungen abhelfen. Im Gegensatz zu der zitierten Strafbestimmung des Paßgesetzes handelt es sich hier um ein Formaldelikt, zu dem Vorsätzlichkeit und daher – anders als bei der Übertretung nach § 320 StG. – die Absicht, die öffentliche Aufsicht irrezuführen, nicht erforderlich ist. Lediglich die Anfertigung einer Urkunde mit falschem Inhalt soll nur dann strafbar sein, wenn sie „wissentlich“ erfolgt, damit nicht die irrtümliche Ausstellung einer Urkunde mit falschem Inhalt durch ein Vollzugsorgan zu dessen gerichtlicher Bestrafung führt. Die Bundesregierung hält die Einführung einer überwiegend formalrechtlichen Strafbestimmung deshalb für erforderlich, weil nach den Erfahrungen der Praxis die Schädigungs- oder Täuschungsabsicht bei unbefugten Manipulationen mit Staatsbürgerschaftsurkunden oft nicht eindeutig nachweisbar ist und deshalb solche Manipulationen nicht mit Erfolg bekämpft werden können. Zu Abs. 3: Diese Bestimmung soll die Sanktion für die Einhaltung der in den §§ 45, 56 und 63 normierten Verpflichtungen schaffen. Die Strafmittel und der Strafsatz ergeben sich aus der subsidiären Bestimmung des Art. VII EGVG. 1950. EB zu BGBl I 122/2009 Zu Z 18 (§ 63c samt Überschrift): Mit dem neu geschaffenen § 63c sollen Verwaltungsübertretungen normiert werden. Durch § 63c Abs. 1 wird die Erschleichung der Staatsbürgerschaft und die Erschleichung der Ausstellung von Bestätigungen und sonstiger Urkunden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft als verwaltungsrechtlich strafbare Handlung normiert. Diese Bestimmung folgt im Wesentlichen der in §  120 Abs. 2 FPG (neu) enthaltenen Strafbestimmung zur Erschleichung eines Einrei-

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se- und Aufenthaltstitels, bzw. eines Aufenthaltsrechts nach dem AsylG 2005. Konsequenterweise soll damit auch die Erschleichung der Staatsbürgerschaft einer verwaltungsrechtlichen Strafsanktion unterstellt werden, da im Vergleich zu einem Aufenthaltsrecht in diesen Fällen sogar das „stärkere“ Recht erschlichen wird. Der Strafrahmen orientiert sich auch hier nach der neuen Systematik der Verwaltungsübertretungen im Fremdenrecht. Siehe dazu näher auch §§ 120 und 121 FPG. Für Wiederholungstäter wird auch hier eine strengere Strafbarkeit vorgeschlagen. Im Wiederholungsfall kann der Täter mit Geldstrafe von 5 000 Euro bis zu 15 000 Euro oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft werden. Siehe dazu näher § 120 Abs. 4 FPG. Die bisher in § 64 geregelte Verwaltungsstrafbestimmung ist auf Grund der Einführung eines gerichtlichen Straftatbestandes (siehe dazu §  64 [neu]) nunmehr im neuen § 63c Abs. 2 vorgesehen. Die Bestimmung bleibt inhaltlich unverändert, das Strafmaß wird in Anlehnung an die neue Systematik der Verwaltungsübertretungen im Fremdenrecht explizit festgeschrieben. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Straftatbestände........................................................................................... 15 A. Abs 1.......................................................................................................... 15 B. Abs 2.......................................................................................................... 19 III. Versuch.......................................................................................................... 20 Schrifttum zu § 63c: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Die §§ 63c und 64 sind die Strafbestimmungen des StbG. Ähnlich wie 1 zB im Außenhandelsrecht unterscheidet der Gesetzgeber auch hier zwischen Verwaltungsübertretungen und Strafdelikt. Diese Unterscheidung trägt uE der Schwere bzw dem Unwert und der (volkswirtschaftlichen) Tragweite des jeweiligen Verhaltens angemessen Rechnung. ISd §  11 VStG sieht §  63c Abs  1 bei Widerholungstätern eine Freiheitsstrafe vor; in diesem Fall unterscheiden sich die Sanktionen nach den §§ 63c f nicht mehr nach der Strafart, sondern nur noch – abgesehen vom Strafsatz – durch die Zuständigkeiten und das damit verbundene Verfahrensrecht. § 63c entsprach in der „Urfassung“ § 64 (BGBl 1965/250). Durch BGBl 2 1974/703 entfielen ersatzlos die Abs 1 und 2 des § 64 StbG 1965; übrig 727

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blieb der ursprüngliche Abs 3 (heute sinngemäß: § 63c Abs 2). Die EB zur RV (1134 der Beilagen XIII. GP) begründeten diesen Entfall damit, dass „die im § 64 Abs. 1 und 2 angeführten Delikte den in den §§ 223 bis 228 und 231 des Strafgesetzbuches behandelten strafbaren Handlungen [entsprechen], sodaß sich eigene strafrechtliche Bestimmungen im Staatsbürgerschaftsgesetz erübrigen“. Der durch die Wiederverlautbarung unverändert in das StbG überführte § 64 wurde – in Anlehnung an § 120 FPG – durch BGBl I 2009/122 neu gefasst; hierbei wurden die ehemaligen (und durch BGBl 1974/703 aufgehobenen) Abs 1 und 2 des § 64 StbG 1965 in veränderter Form wieder eingeführt. Schließlich entfiel aufgrund des Wegfalls des § 45 der darauf sich beziehende Verweis in § 63c Abs 2 durch BGBl I 2013/16. 3 §  63c ist dadurch geprägt, dass die Durchsetzbarkeit von Verhaltensnormen durch strafrechtliche Sanktionen gesichert wird. § 63c schützt uE das Recht des Staates auf (i) Kontrolle iZm Staatsbürgerschaftsverfahren (vgl OGH 9.12.1969, 10 Os 53/69) und (ii) Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (vgl VwGH 9.6.2005, 2002/21/0076; VwGH 10.10.2002, 2002/18/0051). Der Gesetzgeber bedient sich zur Umschreibung der Tatbilder einer Art „Blankettstrafnorm“ als Rechtstechnik. Dabei wird das Tatbild nicht in der Rechtsvorschrift formuliert, die die Strafbarkeit begründet (zB Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse gemäß § 10a), sondern es kommt in diesem Zusammenhang die spezielle Regelung des Verhaltens in §  63c – also einer anderen Vorschrift – zum Tragen. 4 Das im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Kumulationsprinzip (§ 22 Abs 1 VStG – vgl VwGH 25.5.1966, 739/65; VwGH 29.6.1992, 90/04/0174), kommt uE allenfalls „innerhalb“ des Abs 1 oder 2 in § 63c [nicht aber im Verhältnis zwischen Abs 1 und 2 (vgl Rz 19)] zur Anwendung. Allgemein bedeutet dieses Prinzip, dass für jedes Delikt eine eigene Strafe, somit nebeneinander mehrere Strafen zu verhängen sind. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob der Täter durch verschiedene Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat – sei es solche gleicher oder verschiedener Art – (gleichartige oder ungleichartige Realkonkurrenz) oder durch ein und dieselbe Tat mehrere verschiedene Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz). 5 In Abs 1 und 2 des § 63c werden zwei Gruppen von Verwaltungsübertretungen nach ihrem Unrechtsgehalt unterschieden und demgemäß mit verschieden hohen Höchststrafen bedroht. In der Regel wird je728

Schluss- und Übergangsbestimmungen

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weils der Fremde verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen sein. In Ansehung der darin umschriebenen Tatbestände kommt er (insbesondere) als unmittelbarer Täter in Betracht. Daneben können auch andere Personen (zB Vertreter) strafbar sein, die das Tatbild nicht selbst oder nicht zur Gänze verwirklicht haben. Nach § 7 VStG ist strafbar, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer 6 eine Verwaltungsübertretung begeht (Anstiftung), oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert (Beihilfe; vgl OGH 9.12.1969, 10 Os 53/69), ohne dass dabei Ausführungshandlungen gesetzt werden. Folglich erfordert im Fall des § 63c Abs 1 die Verwirklichung eines der beiden Tatbestände zunächst das Vorliegen einer vorsätzlichen Täuschung durch wissentlich falsche Angaben über die dort genannten Umstände; bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Die im § 63c Abs 1 normierten, mit verwaltungsstrafrechtlichen Sank- 7 tionen belegten Pflichten können uE auch juristische Personen treffen (vgl §  11a Abs  6 letzter Satz: „Institution“). Diese sind jedoch nicht verschuldensfähig. Daher sind für die Einhaltung der von diesen Unternehmen zu beachtenden Vorschriften grundsätzlich – da das StbG nicht anderes bestimmt – jene Organe verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, die das Unternehmen nach außen vertreten (§ 9 Abs 1 VStG). Da das Verwaltungsstrafrecht als Schuldstrafrecht konzipiert ist, setzt 8 jede Bestrafung persönliches Verschulden einer physischen Person ­voraus. Die Schuld wird im VStG (§ 5) als Vorsatz und Fahrlässigkeit typisiert. Für die Verwirklichung der in § 63c Abs 1 aufgelisteten Delikte ist vorsätzliches Verhalten erforderlich. Vorsätzliches Verhalten besteht in der Absicht oder in dem Bewusstsein, das rechtswidrige, objektive Verhalten zur Verwirklichung der in § 63c aufgelisteten Delikte zu setzen. Für die Verwirklichung der in § 63c Abs 2 aufgelisteten Delikte genügt hingegen fahrlässiges Verhalten. Fahrlässig handelt, wer einen Sachverhalt, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht, unter Außerachtlassung der ihm möglichen Sorgfalt verwirklicht. Aus der Formulierung des § 63c Abs 1 („Wer in einem Verfahren … 9 wissentlich falsche Angaben macht, um sich die Staatsbürgerschaft oder die Ausstellung einer Bestätigung … zu erschleichen“) geht uE – entgegen RS0127813 iZm § 114 FPG, dessen Tatbestand sich nach Wortlaut, Telos und Entstehungsgeschichte einerseits als abstraktes Gefährdungsdelikt, andererseits als Tätigkeitsdelikt darstelle – unmissver729

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ständlich hervor, dass die Strafbarkeit vom Eintritt eines Erfolges, nämlich dem Erwerb der Staatsbürgerschaft oder der Ausstellung einer Bestätigung abhängig ist. Wesentlich für die rechtliche Qualifizierung eines Deliktes als Erfolgsdelikt ist, dass der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung gehört (vgl VwGH 12.11.1992, 91/19/0160). Das Tatbild nach § 63c Abs 1 ist dabei auf die Herbeiführung eines Erfolges, der Erschleichung der Staatsbürgerschaft bzw einer Bestätigung durch ein aktives Tun (arg „falsche Angaben macht“) gerichtet; damit verbunden ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Mit der Erschleichung ist der Erfolg eingetreten, das Delikt nach § 63c Abs 1 vollendet. Wenn hingegen falsche Angaben gemacht werden, die in einem Kausalzusammenhang mit der Erschleichung stehen, der Erfolg aber nicht eintritt, kommt uE nur der Versuch iSd § 63c Abs 1 Satz 3 in Betracht. Die Behörde hat nicht nur die objektiven Tatbestandsmerkmale der Übertretung festzustellen, sondern dem Täter auch das Verschulden nachzuweisen (vgl VwGH 19.3.1990, 89/10/0208). §  63c Abs  2 umfasst Verwaltungsübertretungen, deren Tatbild in einem bloßen Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder in der Nichtbefolgung eines Gebotes besteht und das keinen Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr vorsieht (Ungehorsamsdelikte). Strafbarkeit wird angenommen, wenn der Täter iSd §  5 Abs  1 VStG nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Verschuldensvermutung). Damit wird das Verschulden widerleglich vermutet, wobei – zum Unterschied vom Beweis – die Herbeiführung eines Urteiles über die Wahrscheinlichkeit einer Tatsache genügt; das heißt, die Glaubhaftmachung dessen, dass kein Verschulden gegeben sei, anstelle einer Beweisführung ausreicht (vgl VwGH 30.10.1991, 91/09/0060; VwGH 30.4.1992, 91/10/0253). 10 Schuldausschließungsgründe – wie Notstand (§ 6 VStG) und unverschuldete Unkenntnis von Verwaltungsvorschriften (§ 5 Abs 2 VStG) – kommen uE iZm § 63c Abs 1 praktisch nicht bzw kaum in Frage. IZm §  63c Abs  2 sind Schuldausschließungsgründe uE (eher) denkbar. Sie bewirken den Wegfall des Verschuldens, sodass der Täter trotz Verwirklichung des (objektiven) Straftatbestandes nicht strafbar ist. In der Praxis ist der Berufung auf das Vorliegen von Schuldausschließungsgründen (wenngleich häufig vorgebracht) aber nur selten Erfolg beschieden. 730

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 63c

Die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschriften nicht einsehen konnte. Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein. Die bloße Argumentation mit einer – allenfalls sogar plausiblen – Rechtsauffassung allein vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht auszuschließen, es bedarf vielmehr einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen, die nicht nur bei den Behörden, sondern auch bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person eingeholt werden kann. Hat zB der Fremde (von einem Rechtsanwalt) eine falsche Auskunft erhalten, so liegt ein schuldausschließender Irrtum dann nicht vor, wenn er Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft hätte haben müssen (vgl VwGH 22.2.2006, 2005/17/0195). Im Fall von Zweifeln am Umfang eines behördlichen Auftrages kommt „insbesondere die Einholung einer Auskunft der bescheiderlassenden Behörde“ in Betracht (vgl VwGH 4.7.2008, 2008/17/0075). Der Umstand, dass Rechtsanwälte im Interesse ihrer Auftraggeber tätig werden, schließt nicht von vornherein aus, dass eine objektiv unrichtige Auskunft eines Rechtsanwalts einen schuldausschließenden Irrtum begründet (VwGH 12.8.2014, 2013/10/0203). Eine unrichtige Auskunft von einem Organ der zuständigen Behörde vermag die Straflosigkeit nach § 5 Abs 2 VStG jedenfalls zu bewirken (VwGH 19.11.2002, 2002/91/0096). Das StbG sieht für Übertretungen in den Abs 1 und 2 (primär) Geld- 11 strafen mit unterschiedlich hohen absoluten Obergrenzen vor. Entsprechend § 16 VStG ist iZm § 63c Abs 2 für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, die eine Woche nicht übersteigen darf. IZm § 63c Abs 1 ist hingegen zu unterscheiden: Eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu drei Wochen kommt nur bei „Ersttäter“ in Betracht (Satz 1); bei „Wiederholungstäter“ – dh bei bereits rechtskräftiger Bestrafung wegen einer Tat nach Satz 1 – ist eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen vorgesehen (Satz 2). Durch die Möglichkeit, eine primäre Freiheitsstrafe zu verhängen, wird der Unrechtsgehalt der Übertretung verdeutlicht und diesem Nachdruck verliehen [vgl auch EB zur RV zu § 120 FPG (330 der Beilagen XXIV. GP)]. Aus §  16 VStG ergibt sich, dass die Verhängung einer Geldstrafe auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Bestrafte kein Einkommen be731

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zieht. Die Geldstrafe ist daher auch dann zu verhängen, wenn die Vermögensverhältnisse und Einkommensverhältnisse des Bestraften es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass er nicht in der Lage sein wird, sie zu bezahlen (VwGH 15.10.2002, 2001/21/0087). 12 Die Strafbemessung innerhalb dieser gesetzlichen Strafrahmen ist eine Ermessensentscheidung. Die Höhe der Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe ist nach den Regeln des §  19 VStG auszumessen und zu begründen; ein fixer Umrechnungsschlüssel für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe ist nicht vorgesehen. Nach §  19 VStG ist im Strafverfahren bei der Strafbemessung und somit auch bei der Festsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe – neben dem objektiven Unrechtsgehalt (Beeinträchtigung der Schutzinteressen, nachteilige Folgen) – besonders auf das Ausmaß des Verschuldens Bedacht zu nehmen (vgl auch Erschwerungs- und Milderungsgründe gemäß §§ 32 bis 35 StGB). Hingegen sind die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters nur bei der Bemessung der Geldstrafe, nicht aber der Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend (vgl VwGH 28.4.2011, 2009/16/0099). 13 Die örtliche Zuständigkeit nach § 39 Abs 2 gilt uE nicht für Verwaltungsstrafverfahren. Die Zuständigkeit zur Führung von Strafverfahren wegen Übertretungen der im StbG enthaltenen Strafbestimmungen (§ 63c) bestimmt sich nach § 27 Abs 1 VStG. Zuständig ist jene Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen wurde. Ausschlaggebend ist demnach nicht der Wohnort, sondern der Tatort. Lässt sich nicht mit Gewissheit feststellen, in welchem Sprengel die Übertretung begangen wurde, so ist nach § 27 Abs 2 VStG jene Behörde allein zuständig, die zuerst eine Verfolgungshandlung gesetzt hat. 14 Grundsätzlich sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 2 Abs 1 VStG nur strafbar, wenn sie im Inland begangen wurden; da aber nach § 41 Abs 2 auch eine örtliche Zuständigkeit für österreichische Vertretungsbehörden im Ausland zur Ausstellung von Bestätigungen besteht (vgl auch § 53 Z 4), stellt sich die Frage nach der Zuständigkeit für im Ausland begangene Verwaltungsstraftaten (vgl dazu VwSlg 17.405 A/2008). IZm § 63c Abs 1 ist uE der dritte Fall des § 2 Abs 2 VStG maßgebend, der sogenannte Erfolgsdelikte betrifft, also Delikte, bei denen der Eintritt des Erfolges Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen des vollendeten Delikts ist. 732

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 63c

II.  Straftatbestände A.  Abs 1 Im Zusammenhang mit einem Staatsbürgerschaftsverfahren legt das 15 StbG in §  63c bestimmte schuldhafte Verhaltensweisen als Verwaltungsstraftatbestände fest. In der Praxis erzielen die Strafbestimmungen offenbar kaum eine präventive Wirkung, weshalb der mit dem Vollzug dieser Bestimmungen verbundene Aufwand ein (fragwürdiges) Schlaglicht auf die Effizienz des Gesetzes wirft. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang uE auch das – aus (formal) rechtsstaatlichen Gesichtspunkten zutreffende – Erkenntnis des VwGH 16.7.2014, 2013/01/0038 iZm der bereinigten Rechtslage infolge Aufhebung des § 20 Abs 2 durch das Erkenntnis des VfGH 29.9.2011, G 154/10: „Selbst wenn die Einbürgerungswerberin unrichtige Angaben zum Vorliegen einer Verleihungsvoraussetzung gemacht hat, kann darin vor dem Hintergrund der bereinigten Rechtslage keine Erschleichung in Bezug auf den Verleihungsbescheid erblickt werden“. Nach §  63c Abs  1 Satz 1 (Titelerschleichung) begeht eine Verwal- 16 tungsübertretung, wer – in einem Verfahren zum Erwerb der Staatsbürgerschaft [Abstammung (Legitimation) (§§ 7, 7a und 8); Verleihung (Erstreckung der Verleihung) (§§ 10 bis 24); Anzeige (§§ 57, 58c und 59)] oder – in einem Verfahren zur Ausstellung von Bestätigungen oder sonstigen Urkunden [Feststellungsbescheid (§ 42), Bestätigungen (§ 43); Staatsbürgerschaftsnachweise (§ 44)] – vor der zuständigen Behörde [Landesregierung (§  39); Gemeinde bzw Gemeindeverband (§ 41 Abs 1); Vertretungsbehörde im Ausland (§ 41 Abs 2)] – wissentlich und gewollt falsche Angaben macht, – um sich eine (idF materielle) Rechtsposition (Staatsbürgerschaft oder Bestätigung oder sonstige Urkunde in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft) zu erschleichen, die einem in Wahrheit nicht zusteht. Zum Begriff der „Erschleichung“ einer im § 23 Abs 2 PaßG 1951 vor- 17 gesehenen Urkunde vgl OGH 9.12.1969, 10 Os 53/69. Daraus erhellt, dass der, der durch falsche Angaben über sich oder Dritte die Behörde etwa zur Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises veranlasst, Haupttäter ist. Dieses Vorgehen stellt eine dem Begriff der „Erschlei733

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chung“ iSd § 63c Abs 1 entsprechende Täuschungshandlung dar; dies umso mehr, wenn sie eine Irreführung der Behörde bewirkt, welche für dessen Entscheidung wesentlich ist. Es ist daher in derartigen Fällen zu prüfen, ob die Behörde bei Angabe der richtigen Personaldaten einen oder keinen Nachweis ausgestellt hätte. Vgl auch zur Erschleichung der Staatsbürgerschaft durch Aliasidentitäten und Verschweigung wesentlicher Tatsachen VwGH 29.5.2012, AW 2012/01/0006. Zum Tatbestand der Erschleichung vgl weiter § 69 Abs 1 Z 1 AVG; dieser setzt voraus, dass der Bescheid auf eine solche Art zu Stande gekommen ist, dass die Partei der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung für den Sachausgang in Irreführungsabsicht gemacht hatte und diese Angaben, denen das Verschweigen rechtserheblicher Umstände gleichzusetzen ist, dem Bescheid zu Grunde gelegt wurden (vgl VwGH 12.9.1985, 85/06/0109, ua). Von einem „Erschleichen“ kann jedoch nicht gesprochen werden, wenn falsche Angaben gemacht werden, die die Behörde im Zuge eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens als solche hätte erkennen können. Eine „Erschleichung“ kann nur von einer Partei oder ihrem Vertreter vorgenommen werden, da in dem Tatbestand „Erschleichen“ ein Sichzuwenden liegt, wofür jedenfalls nicht die Behörde in Betracht kommt (vgl VwGH 16.12.1992, 91/12/0065). In diesem Sinn liegt eine „Erschleichung“ der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht vor, wenn zwar der Bewerber im Ansuchen behauptet hat, gegen ihn sei kein Strafverfahren anhängig, obwohl ihm bekannt war, dass gegen ihn ein ausländischer Haftbefehl durch ein Gericht erlassen worden war, die Behörde aber keine amtswegigen Ermittlungen darüber geführt hat, ob gegen den Einbürgerungswerber ein ausländisches Strafverfahren anhängig war (VwGH 9.3.1983, 83/01/0002). 18 § 63c Abs 1 Satz 2 verschärft im Vergleich zu Satz 1 die Strafe. Voraussetzung ist, dass ein und dieselbe Tat nochmals begangen wird. Die Strafverschärfung wird durch den in der Wiederholung gelegenen besonderen Unrechts- und Schuldgehalt legitimiert. Voraussetzung ist eine Identität des Sachverhalts; das bedeutet, dass es sich um dieselbe Tat (zu unterschiedlichen Zeitpunkten) handeln muss, nicht jedoch, dass sich die entsprechenden Sachverhaltselemente vollständig decken müssen. Fraglich (bzw im Lichte von Art 7 EMRK und Art 18 B-VG unbestimmt) könnte sein, ob nach § 63c Abs 1 Satz 2 nur ein und dieselbe Handlung verfolgt und bestraft werden darf, wenn also diese Handlung bereits davor Gegenstand eines (rechtskräftig entschiede734

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 63c

nen) Strafverfahrens war; oder Satz 2 auch dann herangezogen werden kann, wenn der Täter zuerst wegen Erschleichung iZm dem Erwerb der Staatsbürgerschaft bestraft wurde und nun (wieder) iZm der Ausstellung einer Bestätigung falsche Angaben macht.

B.  Abs 2 Im Unterschied zu § 63c Abs 1 handelt es sich bei dem Straftatbestand 19 nach Abs 2 um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 VStG. Dieses Delikt tritt uE hinter das Erfolgsdelikt der Erschleichung iSd Abs  1 als subsidiär zurück. Das Delikt ist in dem Zeitpunkt vollendet, in dem einer Einziehungsverfügung nach § 63 Abs 2 keine Folge geleistet oder keine Auskunft nach § 56 erteilt wurde. Zur Strafbarkeit genügt fahrlässiges Verhalten. Der Täter muss, um straflos zu bleiben, seine Unschuld glaubhaft machen (vgl Rz 8 und 9).

III.  Versuch Im Fall der „Titelerschleichung“ nach § 63c Abs 1 ist auch der Versuch 20 strafbar (vgl letzter Satz). Zu einem Versuch gehört nach §  8 VStG zweierlei: Vorsatz und eine zur wirklichen Ausübung führende Handlung. Zum Vorsatz gehört das Bewusstsein aller Tatumstände, die nach dem Gesetz erforderlich sind (vgl auch VwSlg 11.940 A/1985). Kenntnis der Rechtsvorschriften ist dagegen für den Vorsatz nicht notwendig (VwGH 3.10.1932, 0364/32; vgl auch VwGH 23.5.1966, 0949/65 und VwSlg 9789 A/1979). Damit ein Verhalten als strafbarer Versuch eines Deliktes angesehen werden kann, muss es zur Durchführung der Straftat hinleiten, also eine Ausführungshandlung sein, die den Anfang des Deliktes bildet (VwSlg 8449 A/1973). Denn der Versuch erfasst nur solche Handlungen, die an sich geeignet sind, die Vollendung des strafbaren Tatbestandes zu bewirken (VwGH 23.5.1966, 949/65). Zur maßgebenden Rechtslage und zum maßgebenden Sachverhalt sowie zur Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise iZm dem Versuch vgl VwGH 15.12.1994, 93/18/0128.

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§ 64

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Unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen § 64. Wer sich unter Berufung auf eine gemäß § 63c Abs. 1 erschli-

chene Staatsbürgerschaft, Bestätigung oder Urkunde soziale Leistungen, insbesondere Leistungen einer Kranken-, Unfall- oder Pensionsversicherung oder Leistungen aus dem Titel der Sozialhilfe, in Anspruch genommen hat, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Wer soziale Leistungen in Anspruch genommen hat, deren Wert 3 000 Euro übersteigt, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

[idF BGBl I 2009/122] EB zu BGBl I 122/2009 Zu Z 19 (§ 64 samt Überschrift): Die durch §  64 sanktionierte unrechtmäßige Inanspruchnahme sozialer Leistungen entspricht dem neuen § 119 FPG; siehe daher die Erläuterungen zu dieser Bestimmung. Zu Z 57 (§ 119 samt Überschrift): Der bisherige Inhalt des § 119 ist nunmehr als Verwaltungsstrafbestand normiert (siehe § 120 Abs. 2). Der neue §  119 normiert die unrechtmäßige Inanspruchnahme sozialer Leistungen als gerichtlichen Straftatbestand. Dementsprechend soll auch ­ die Überschrift des § 119 an den nunmehr neuen Inhalt der Norm angepasst werden. Der Fremde muss sich auf ein gemäß § 120 Abs. 2 erschlichenes Einreiseoder Aufenthaltsrecht berufen, um den Tatbestand des § 119 zu erfüllen. Siehe dazu auch die Subsidiaritätsbestimmung des § 122. Die Tat ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Übersteigen die zu Unrecht in Anspruch genommenen sozialen Leistungen einen Wert von 3 000 Euro, erhöht sich der Strafrahmen der Freiheitsstrafe auf bis zu drei Jahre. Diese Bestimmung folgt der Erfahrung, dass durch Fremde, die sich ein Aufenthaltsrecht in Österreich erschleichen und aus dieser Rechtsstellung soziale, unfall-, pensions- oder krankenversicherungsrechtliche Ansprüche ableiten können, ein nicht unwesentlicher volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Voraussetzung jeglicher Strafbarkeit nach dieser Norm ist daher der Umstand, dass der Fremde die Leistungen ohne das erschlichene Recht nicht in Anspruch nehmen hätte können. Die bestehenden rechtlichen Sanktionsmöglichkeiten, insbesondere auch die Betrugstatbestände des Strafgesetzbuches, haben sich in der Praxis als nicht geeignet erwiesen, diese Formen des „Sozialbetrugs“ hintanzuhalten.

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Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 64

Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Doppelbestrafung......................................................................................... 4 Schrifttum zu § 64: Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG (2016); Reindl-Krauskopf, Sozialbetrug aus strafrechtlicher Sicht, DRdA 2008, 389 ff; Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines Durch die Novelle BGBl I 2009/122 wurden nicht nur die Verwal- 1 tungsübertretungen (vgl § 63c) adaptiert und erweitert, sondern auch in Anlehnung an § 119 FPG ein gerichtlicher Straftatbestand für die unrechtmäßige Inanspruchnahme sozialer Leistungen nach Erschleichung der Staatsbürgerschaft eingeführt. § 64 knüpft an § 63c Abs 1 an, setzt eine (vollendete) Titelerschleichung voraus und schließt – ungeachtet des § 153d StGB – eine aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten bestehende Strafbarkeitslücke. Übersteigen die sozialen Leistungen die Wertgrenze von 3000 Euro, ist 2 nach § 64 Satz 2 eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu verhängen. Zur Klarstellung ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass hierbei uE der Zusammenrechnungsgrundsatz des § 29 StGB gilt und bei der wertqualifizierten Inanspruchnahme von sozialen Leistungen das Überschreiten der Wertgrenze keineswegs schon im Zeitpunkt der ersten Tat vom Vorsatz umfasst sein muss. Erschwerend könnte uE bei der Strafzumessung der Umstand sein, dass die Wertgrenze des § 64 Satz 2 durch die unrechtmäßige Inanspruchnahme von sozialen Leistungen mehrfach überschritten wird, da jede größere Schädigung gemäß § 32 Abs 3 StGB straferhöhend wirkt. UE ist § 64 ein „Sonderbetrugsdelikt“. Wie im Fall des „klassischen“ 3 Betrugs im Sinn des § 146 StGB ist auch bei § 64 der Ausgangspunkt für die Inanspruchnahme von sozialen Leistungen eine Täuschung, die zu einem Irrtum beim Getäuschten führt. Im Unterschied zum Betrug tätigt der Getäuschte – sprich: die (verleihende bzw ausstellende) Behörde – aufgrund dieses Irrtums sodann aber nicht (direkt) eine Vermögensverfügung, sondern der Täuschende erwirkt über die erschlichene Staatsbürgerschaft, Bestätigung oder Urkunde soziale Leistungen, die andere am Vermögen schädigen. Da aber die schädigende Vermögens737

§ 64a

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verfügung im Fall des § 64 nicht entscheidend (direkt) auf einer Täuschung beruht, kann es infolge Fehlens eines Kausalzusammenhangs zwischen Täuschung und Vermögensschaden bei solchen Fällen der Konsumierung von Sozialleistungen nicht zur Strafbarkeit nach §§ 146 ff StGB kommen. Die Sozialversicherung erbringt ihre Leistungen nämlich aufgrund ihrer gesetzlichen Leistungspflicht; dies freilich unter der Voraussetzung, dass tatsächlich der Versicherte die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt (vgl §§ 226, 228, 234 und 502 ASVG).

II.  Doppelbestrafung 4 UE bestehen iZm § 63c und § 64 keine Bedenken in Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot des Art 4 Abs 1 des 7. ZPEMRK. Der VfGH hat sich in mehreren Gesetzesprüfungsverfahren mit dem Doppelbestrafungsverbot befasst und ausgesprochen, dass eine Regelung, wonach eine Tat, durch die mehrere Delikte verwirklicht werden (Idealkonkurrenz), nicht dem Verbot der Doppelbestrafung widerspricht (vgl VfSlg 14.696/1996, 15.128/1998, 15.199/1998, 15.293/1998). Der VfGH hat nach Ergehen der Entscheidung des EGMR im Fall Zolotukhin seine Rechtsprechung zum Doppelbestrafungsverbot des Art 4 des 7. ZPMRK unter Berücksichtigung dieses Urteiles des EGMR 2.7.2009, Slg Nr 18.833, dahingehend präzisiert, dass eine Verfolgung wegen ein und desselben tatsächlichen Verhaltens nach zwei verschiedenen Straftatbeständen dann zulässig ist, wenn sich die Straftatbestände in ihren wesentlichen Elementen unterscheiden (vgl auch VwGH 24.2.2011, 2007/09/0361; VwGH 30.10.2003, 2003/02/0118).

In-Kraft-Treten und Übergangsbestimmungen § 64a. (1) § 37 Abs. 1 Z 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 30/1998 tritt mit 1. Jänner 1998 in Kraft. (2) Die §§ 4, 5, 10 Abs. 1 bis 5, 10a, 11, 11a, 12, 13, 15, 16, 17, 19, 20, 24, 28, 34, 36, 38, 41, 46 und 66 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 124/1998 treten mit 1. Jänner 1999 in Kraft. (3) (Anm.: Durch Art. 2 § 2 Abs. 2 Z 20, BGBl. I Nr. 2/2008, als nicht mehr geltend festgestellt) (4) Verfahren auf Grund eines vor dem In-Kraft-Treten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 37/2006 erlassenen Zusicherungsbe-

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Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 64a

scheides nach § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der vor der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006 geänderten Fassung zu Ende zu führen. (5) Für Staatsbürgerschaftswerber, die vor dem 1. Jänner 2006 die Integrationsvereinbarung nach § 50a FrG 1997 eingegangen sind und diese entsprechend § 50c Abs. 1 FrG 1997, in der am 31. Dezember 2005 geltenden Fassung erfüllt haben, gilt der Nachweis nach § 10a Abs. 1 Z 1 als erbracht. (6) § 11a Abs. 4 Z 1, § 16 Abs. 1 Z 2 lit. c, § 16 Abs. 2 und § 41 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/2008 treten mit 1. Juli 2008 in Kraft. (7) Die §§ 5, 6 Z 5, 9, 10 Abs. 5, 10a Abs. 2 Z 1, Abs. 4a und 5, §§ 11, 11a Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, 12 Z 3, 17 Abs. 4, 19, 21, 39a, 46 Abs. 1, 59, 63c samt Überschrift, 64 samt Überschrift, 64a Abs. 8 und 9 sowie 66 Z  1 lit. c in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 treten mit 1. Jänner 2010 in Kraft. Die §§ 6 Z 3 und 4 sowie 25 samt Überschrift treten mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft. (8) § 64 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 4/2008 gilt für strafbare Handlungen, die vor dem 1. Jänner 2010 begangen wurden, weiter. (9) Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten des ­Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 122/2009 erlassenen Zusicherungsbescheides nach § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in der am 31. Dezember 2009 gültigen Fassung zu Ende zu führen. (10) Die §§ 16 Abs. 1 Z 3 und 60 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009 treten mit 1. Jänner 2010 in Kraft. (11) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl.  I Nr. 38/2011 anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 38/2011 zu Ende zu führen. (12) Verfahren auf Grund eines vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassenen Zusicherungsbescheides gemäß § 20 Abs. 1 sind nach den Bestimmungen in der am 30. Juni 2011 gültigen Fassung zu Ende zu führen. (13) Die §§ 10 Abs. 2 Z 1, 4 bis 6 und Abs. 4 Z 1, 10a Abs. 1 Z 1, Abs. 2 Z 3 und Abs. 4 Z 2, 11a Abs. 1 Z 3, 12 Z 1 und 2, 15 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 16 Abs. 1 Z 4, 17 Abs. 1, 32, 35, 53 Z 5 lit. e, 59 Abs. 3 und 64a Abs. 11 und 12 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 739

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38/2011 treten mit 1. Juli 2011 in Kraft. Der § 53 Z 6 tritt mit Ablauf des 30. Juni 2011 außer Kraft. (14) Die §§ 10 Abs. 2 Z 4 und 6, 11a Abs. 4 Z 1, 15 Abs. 1 Z 1 und 41 Abs. 4 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft. (15) Ab 1. April 2013 wird das ZSR im Rahmen eines Aufbaubetriebes geführt. Die Evidenzstellen können nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten Staatsbürgerschaftsdaten dem Bundeminister für Inneres überlassen. (16) Soweit dies für eine ordnungsgemäße Überleitung von der Führung der Staatsbürgerschaftsevidenzen hin zur ausschließlich automationsunterstützten Verarbeitung von Staatsbürgerschaftsdaten erforderlich ist, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung anordnen, dass die Staatsbürgerschaftsevidenzen für einen bestimmten, ein Jahr nicht übersteigenden Zeitraum weiter nach den Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 – StbG, BGBl. Nr. 311/1985, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 zu führen sind. Soweit Daten nicht bereits im Rahmen des Aufbaubetriebes im ZSR erfasst wurden, sind sie anlassbezogen im ZSR nachzuerfassen, wenn diese in einem Verfahren erforderlich sind. Darüber hinaus kann unabhängig von einem Anlassfall eine Nacherfassung erfolgen, sofern ein Staatsbürger diese verlangt. Soweit dies insbesondere im Hinblick auf einen einheitlichen Abschluss der Nacherfassung erforderlich ist, kann der Bundesminister für Inneres Näheres über die Vorgangsweise, den Umfang und den endgültigen oder vorläufigen Abschluss der Nacherfassung durch Verordnung festlegen. Die im ZSR nacherfassten Daten sind nach Abschluss der Nacherfassung mit den Daten des Zentralen Melderegisters (ZMR) gemäß § 16 des Meldegesetzes 1991 – MeldeG, BGBl. Nr. 9/1992, automatisch abzugleichen. Erforderlichenfalls sind die Angaben zur Staatsangehörigkeit zu ändern. (17) § 64a Abs. 15 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I. Nr. 16/2013 tritt mit 1. April 2013 in Kraft; § 20 Abs. 2 tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Die §§ 41 Abs. 1, 44, 47 Abs. 1, 50, 52 Abs. 3, 53, Abschnitt Va, 63c Abs. 2, 64a Abs. 16 und § 66 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2013 treten mit Ausnahme von §  47 Abs. 4 mit 1. November 2013 in Kraft; gleichzeitig treten §§ 45, 53 Z 5 lit. a und b und 54 außer Kraft. § 47 Abs. 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2013 tritt mit 1. Jänner 2013 in Kraft. Ab dem auf die Kundmachung dieses 740

Schluss- und Übergangsbestimmungen

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Bundesgesetzes folgenden Tag kann ein Testbetrieb für das ZSR eingerichtet werden. Die hiezu verwendeten Daten sind mit Aufnahme des Echtbetriebes zu löschen. (18) Vor dem 1. September 1983 geborene eheliche und legitimierte Kinder erwerben unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 die Staatsbürgerschaft durch Anzeige, der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen, wenn 1. sie am 1. September 1983 ledig waren und das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, 2. sie nie Staatsbürger waren oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren haben und 3. die Mutter die Staatsbürgerschaft am Tag der Geburt des Kindes besessen hat. Die Anzeige ist binnen neun Monaten ab Inkrafttreten dieser Bestimmung schriftlich bei der Behörde abzugeben. Die Behörde hat mit Bescheid festzustellen, dass die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Anzeige bei der Behörde erworben wurde. Dieser Erwerb der Staatsbürgerschaft ist gebührenfrei. (19) Unbeschadet des § 57 erwirbt ein Fremder unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 und Abs. 2 Z 1 und 3 bis 7 die Staatsbürgerschaft, wenn er der Behörde unter Bezugnahme auf dieses Bundesgesetz schriftlich anzeigt, dass er vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 zumindest 15 Jahre von einer österreichischen Behörde fälschlich als Staatsbürger behandelt wurde und dies nicht zu vertreten hatte. Als Staatsbürger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsbürgerschaftsnachweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Fremde hat die fälschliche Behandlung als Staatsbürger der Behörde glaubhaft zu machen. Den Erwerb durch Anzeige hat die Behörde rückwirkend mit dem Tag, an dem der Fremde das erste Mal von einer österreichischen Behörde fälschlich als Staatsbürger behandelt wurde, mit Bescheid festzustellen. Die Anzeige ist binnen sechs Monaten ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 einzubringen. § 57 Abs. 3 bis 5 gilt sinngemäß. (20) Die §§ 6 Z 5, 7 und 7a samt Überschriften, 8 Abs. 3, 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 1b, 5 und 7, 10a Abs. 1 Z 2, Abs. 2 Z 1 bis 3, Abs. 5 Z 1 und Abs. 6, 11a Abs. 6, 11b, 12, 17 Abs. 1 bis 2, 21, 25, 28 Abs. 2, 29, 37 Abs. 1 Z 3, 52, 53 Z 3 lit. a und Z 5 lit. c, die Überschrift des Abschnit741

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tes VI, §§ 57, 59 Abs. 1, die Überschrift des Abschnittes VII, die §§ 60, 64a Abs. 18 und 19 sowie 66 Z  1 lit. b in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 treten mit 1. August 2013 in Kraft. Die §§ 53 Z 5 lit. f, 56a Abs. 2 und 61 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 treten mit 1. November 2013 in Kraft. Die §§ 8 Abs. 2, 52 Abs. 2 und § 66 Z 1 lit. d in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 136/2013 treten mit Ablauf des 31. Juli 2013 außer Kraft. § 52 Abs. 3 in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 136/2013 tritt am 1. November 2013 außer Kraft. (21) Die Anordnungen des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 136/2013 sind so zu verstehen, dass sie sich auf jene Fassung dieses Bundesgesetzes beziehen, die es durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 16/2013 erhalten würde. (22) Steht das ZSR in der Zeit bis 1. Juni 2015 aus technischen Gründen bundesweit nicht nur kurzfristig nicht zur Verfügung und können auf Grund der den Behörden zur Verfügung stehenden Informationen Verfahren nach diesem Bundesgesetz nicht mehr ordnungsgemäß bearbeitet oder Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft nicht ausgestellt werden, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung anordnen, dass die Staatsbürgerschaftsevidenzen nach den Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes, BGBL. Nr. 311/1985, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 zu führen sind. Diese Verordnung ist aufzuheben, sobald die volle Betriebsfähigkeit des ZSR wieder hergestellt ist. Die in der Zeit der Geltung einer solchen Verordnung entstandenen Daten zu Staatsbürgerschaften sind danach dem Betreiber zur weiteren Verarbeitung im ZSR zu überlassen. Soweit Daten vor der Geltung der Verordnung dem Betreiber überlassen wurden und für die Erledigung eines aktuellen Verfahrens benötigt werden, können diese im Anlassfall vom Betreiber angefordert werden. (23) Abs. 22 tritt am 1. November 2014 in Kraft. (22) [(24)] §  33 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 104/2014 tritt mit 1. Jänner 2015 in Kraft. [(25) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 anhängige Verfahren sind nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 zu Ende zu führen. (26) § 10a Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 tritt mit 1. Oktober 2017 in Kraft.] [idF BGBl I 2017/39 und BGBl I 2017/68]

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Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 64a

EB zu BGBl I 37/2006 Zu Z 21 (§ 64a): Die Übergangsbestimmungen im Hinblick auf erlassene Zusicherungsbescheide wurden aus Sachlichkeitserwägungen und um dem Vertrauensschutz Genüge zu tun aufgenommen. Ansonsten ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung anzuwenden. Der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens ergibt sich aus Art 49 B-VG. EB zu BGBl I 122/2009 Zu Z 20 (§ 64a Abs. 7 und 8): Abs. 7 regelt das In-Kraft-Treten. In Abs. 8 wird auf Grund der Neuregelung des Verwaltungsstraftatbestandes in § 63c Abs. 2 normiert, dass § 64 in der Fassung BGBl. I Nr. 108/2008 für strafbare Handlungen, die vor dem 1. Jänner 2010 begangen wurden, weiterhin gilt. EB zu BGBl I 135/2009 Zu Z 3 (§ 64a Abs. 10): Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. EB zu BGBl I 38/2011 Zu Z 14 (§ 64a Abs. 11 bis 13) Diese Bestimmung beinhaltet Übergangsbestimmungen (Abs. 11 und 12) und regelt das Inkrafttreten (Abs. 13). EB zu BGBl I 87/2012 Zu Z 5 (§ 64a Abs. 14) Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten. EB zu BGBl I 16/2013 Zu Z 9 (§ 64a): Mit Abs. 15 dieser Bestimmung soll klargestellt werden, dass die Behörden eine sachgerechte Nacherfassung anlassfallbezogen, also bspw bei Erwerb der Staatsbürgerschaft des Ehegatten, vorzunehmen haben. Weiters kann nach Möglichkeit ohne Anlassfall nacherfasst werden. Abs. 16: Diese Bestimmung regelt das Inkrafttreten und sieht weiters die Möglichkeit eines Testbetriebes ab dem auf die Kundmachung des Bundesgesetzes folgenden Tag vor. Daten, die hierfür verwendet werden, sind spätestens mit der Aufnahme des Echtbetriebes zu löschen. EB zu BGBl I 136/2013 Zu Z 36 (§ 64a Abs. 18 bis 21): Der vorgeschlagene Abs. 18 entspricht im Wesentlichen dem Artikel I des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechtes 1985. Eheliche Kinder, die vor dem 1. September 1983 von einer österreichischen Mutter geboren wurden, konnten die österreichische Staatsbürgerschaft nicht

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von der Mutter ableiten. Seit dem Jahr 1983 erwerben eheliche Kinder die österreichische Staatsbürgerschaft auch von der Mutter. Bis Ende 1988 bestand mit dem Art. I des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechtes 1985 eine Übergangsbestimmung, wonach auch eheliche minderjährige Kinder, die vor dem 1. September 1983 geboren wurden, die österreichische Staatsbürgerschaft von der Mutter erwarben, wenn diese eine entsprechende Erklärung abgab. Diese Übergangsregelung ist durch den zwischenzeitlichen Fristablauf gegenstandslos geworden. Seit dem Fristablauf der Übergangsbestimmung sind einige wenige Härtefälle entstanden, die nun mit einem kurzfristigen Aufleben der seinerzeitigen Übergangsbestimmung saniert werden sollen. Für einen kurzen Zeitraum von neun Monaten ab Inkrafttreten des Abs. 18 sollen vor dem 1. September 1983 geborene Kinder unter gewissen Voraussetzungen, die österreichische Staatsbürgerschaft von der Mutter erwerben. Mit dem vorgeschlagenen Abs. 19 soll eine Übergangsbestimmung für den neu eingefügten § 57 geschaffen werden, um auch Fremden, die bereits vor Inkrafttreten des §  57 zumindest 15 Jahre von einer österreichischen Behörde fälschlich als Staatsbürger behandelt wurden und dies nicht zu vertreten hatten, eine Möglichkeit zu bieten, durch schriftliche Anzeige bei der Behörde die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Der Fremde hat die fälschliche Behandlung als Staatsbürger glaubhaft zu machen. Die Anzeige ist binnen sechs Monaten ab Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes bei der Behörde einzubringen. Siehe auch die Erläuterungen zu § 57. Abs. 20 regelt das Inkrafttreten. Mit Abs. 21 soll klargestellt werden, dass die für das Inkrafttreten am 1. November 2013 maßgebliche Fassung, jene des vorliegenden Entwurfes sein soll. Die mit diesem Bundesgesetz für die §§ 52 Abs. 3, 53 Z 5 lit. f, 56a Abs. 2 und 61 vorgeschlagenen Änderungen sollen, wie auch die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 16/2013 beschlossenen Änderungen des StbG, mit 1. November 2013 in Kraft treten. Somit bedurfte es dieser Anordnung, damit deutlich wird, dass eine später beschlossene Fassung der Bestimmungen gegenüber der früher beschlossenen Fassung der Bestimmungen, die zum selben Zeitpunkt in Kraft tritt, Vorrang hat. EB zu BGBl I 104/2014 Zu Z 2 (§ 64a Abs. 22) Abs. 22 regelt das Inkrafttreten. Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 II. Übergangsbestimmungen........................................................................... 3 III. Inkrafttretenbestimmungen....................................................................... 8 IV. Einzelne Bestimmungen............................................................................. 13 Schrifttum zu § 64a: Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (1996); Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff (1982); Hengstschläger/Leeb, AVG2 (2014)

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Schluss- und Übergangsbestimmungen

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§ 82; Kofler, Rückwirkung und Vertrauensschutz im Abgabenrecht, GES 2014, 182; Korinek, Verständlichkeit von Rechtsnormen als Gebot der Rechtsordnung Versicherungswissenschaftliches Symposion in Graz, VR 2007/1-2, 18; Laurer, Neues vom Bundesgesetzblatt – Oder: ein Blatt, in dem man nicht blättern kann, ÖJZ 2004/33; Schäfer, Konzept einer Rechtsbereinigung, SozSi 1979, 117; Stelzer, Verfassungsrechtliche Grenzen des Eingriffs in Rechte oder Vertragsverhältnisse, RdA 2001, 508; Szymanski, Fremdenrechtspaket 2005, migralex 2005, 68; Thienel, Art 49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereiches von Bundesgesetzen, ÖJZ  1990, 161; Thienel, Sanierung von Kundmachungsmängeln von Bundesgesetzen, ÖJZ 2001, 861; Unterweger, Staatsbürgerschaftsgesetz (2007).

I.  Allgemeines § 64a beinhaltet sowohl Inkrafttretenbestimmungen (Abs 1, 2, 6, 7, 10, 1 13, 14, 17, 20, 23, 24 und 26) als auch Übergangsbestimmungen (Abs 4, 5, 8, 9, 11, 12, 15, 16, 17 Satz 4 und 5, 18, 19, 21, 22 und 25). Insbesondere (fehlende) Übergangsregelungen sind – aufgrund des Vergleichs der Vorschriften vor und nach einer Änderung der Rechtslage – wiederholt Gegenstand einer Überprüfung durch den VfGH; idR geht es hierbei um die Frage von Ungleichbehandlungen (zB zwischen ehelichen und unehelichen Kindern – vgl VfSlg 19.842/2014) bzw dabei auftretende Gleichbehandlungsprobleme vor und nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung (vgl VfSlg 19.745/2013; VfGH 30.11.2006, B 1096/06). Das StbG 1965 regelte in § 65 das Inkrafttreten und die Aufhebung. Da 2 das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht durch die Wiederverlautbarung des StbG im Jahr 1985 nicht von Grund auf in materiell- und formalrechtlicher Hinsicht neu gestaltet wurde, war – abgesehen von der im Zuge der Neuordnung des Kindschaftsrechts (vgl BGBl 1977/403) erfolgten Beseitigung der als diskriminierend erkannten Ungleichbehandlung von Mann und Frau in Bezug auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft ehelicher Kinder durch die StbG-Novelle 1983 (vgl Art I) – anfangs nur eine punktuelle Übergangsregelung erforderlich (vgl Art II und III des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985). Diese Regelungstechnik sah der Gesetzgeber auch noch in der StbG-Novelle 1986 vor [Art II (Übergangsbestimmung) und III (Inkrafttreten)]. Insofern ist nicht nachvollziehbar, wie es im Zuge der (nachfolgenden) Novelle BGBl I 1998/124 dazu kam, dass ein (bis dahin nicht bestehender) §  64a die Absatzbezeichnung „(1)“ erhielt und ein Abs  2 und 3 angefügt wurde. IdF kamen jedenfalls im § 64a sukzessive neue Übergangsregeln hinzu; betroffen waren davon 10 von den insgesamt seither ergangenen 21 Novellen. 745

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II.  Übergangsbestimmungen 3 Das Ziel von Übergangsbestimmungen ist, Änderungen der Rechtslage nicht schlagartig eintreten zu lassen. Abstrakt können zwei Arten von Übergangsbestimmungen unterschieden werden: Der erste Typ legt insgesamt eine Legisvakanz fest, um den Akteuren eine erforderliche Vorbereitungs- oder Umstellungszeit einzuräumen. Der zweite Typ normiert für bestimmte Regelungen [zB Erfüllung der Integrationsvereinbarung (vgl § 64a Abs 5)] oder Fallgruppen [zB anhängige Verfahren (vgl §  64a Abs  4, 9 und 11)] einer Novelle differenzierte (abgestufte) Inkrafttretentermine; diese Differenzierung kann – gemessen am Gleichheitsgrundsatz – verfassungsrechtlich problematisch sein (vgl oben Rz 1 und zuletzt VfGH 8.3.2017, G 399/2016-8). 4 Der VfGH gesteht dem Gesetzgeber grundsätzlich bei der Regelung von Übergangsvorschriften einen rechtspolitischen Gestaltungsfreiraum zu (vgl VfGH 30.9.1995, B 1535/94; VfSlg 13.299/1992; VfSlg 12.652/1991). Nur bei gravierenden Rechtsänderungen können Übergangsbestimmungen im Hinblick auf den Vertrauensschutz auch verfassungsrechtlich geboten sein. Auch kann sich die Frage stellen, ob ein durch eine zeitliche Abstufung entstehender unterschiedlicher Schutz von bestimmten Gruppen von Fremden vor den Auswirkungen einer Novelle zum StbG trotz gleichem Schutzbedürfnis dem Gleichheitsgrundsatz entspricht. Aus dem Gleichheitssatz folgt, dass sich die Normunterworfenen bei ihren Dispositionen grundsätzlich an der geltenden Rechtslage orientieren können. Verfassungswidrig wäre es, wenn der Gesetzgeber einen unverhältnismäßig schwerwiegenden und plötzlich eintretenden Eingriff in erworbene Rechtspositionen vornimmt, auf deren Bestand der Rechtsunterworfene mit guten Gründen vertrauen durfte (vgl VfSlg 12732/1991, 15269/1998, 15936/2000 ua und VfGH 29.9.2001, B 611/00). Die – gerade aus Gründen des Vertrauensschutzes und damit des Gebotes der (Un-)Gleichbehandlung erforderlichen – Übergangsbestimmungen haben uE insbesondere für Eingriffe in Fremden durch erteilte Zusicherung (vgl § 20) gewährten Rechte Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl daher § 64a Abs 4). §  64a kann wegen der – im rechtsstaatlichen Sinn – geforderten Übergangsgerechtigkeit im Zusammenhang mit Art 8 EMRK dahingehend präzisiert werden, dass bei der konkreten Ausgestaltung solcher Übergangsbestimmungen insbesondere darauf abzustellen ist, in746

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wieweit Betroffene auf den Fortbestand ihrer subjektiven Rechte vertrauen dürfen. Der Gesetzgeber kann aber zB iZm der Verleihung der Staatsbürgerschaft nach §  11a Abs  4 die Voraussetzungen (Anwartschaften) jederzeit ändern, indem etwa die Dauer des rechtmäßigen Mindestaufenthalts verlängert wird oder andere (zusätzliche) Voraussetzungen geschaffen werden. Die Verwaltungsbehörden, so auch die Rechtsmittelbehörden, haben 5 im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden (vgl Abs 1). Eine andere Betrachtungsweise kann dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass „auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist“ (vgl Abs 4, 9, 11 und 12). Das heißt, dass die Behörde im Allgemeinen – sofern nicht der Gesetzgeber etwas anderes, so etwa in einer Übergangsbestimmung, anordnet – die Sach- und Rechtslage, die im Zeitpunkt ihrer Entscheidung (Zustellung oder Ausfolgung bzw mündliche Verkündung) vorliegt, ihrer Entscheidungsfindung zu Grunde zu legen hat. Ändert sich der Vollzugsbereich nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, so ist auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des unterbehördlichen Bescheides abzustellen (vgl auch Rz 15). Kritisch ist uE anzumerken, dass es über die Jahre zu einer Vielzahl 6 von zeitlichen Einzelsegmenten des Gesetzesrahmens gekommen ist. Daher muss immer zunächst ermittelt werden, welche dieser Zeitschichten des StbG für die zu lösende Frage jeweils heranzuziehen ist. Diesem Zweck dienen die zahlreichen Übergangsbestimmungen im StbG, die allerdings nicht immer zu gänzlich zweifelsfreien Lösungen führen. Es versteht sich von selbst, dass die Notwendigkeit, regelmäßig die Anwendbarkeit früherer Rechtsschichten zu prüfen und gegebenenfalls die in casu zutreffende Rechtslage aus früheren Zeiten zu erforschen und anzuwenden, die Handhabung des StbG insgesamt sehr erschwert. Als „Leseprobe“ für besonders schwere Verständlichkeit kann so man- 7 che „Perle“ des Übergangsrechts dienen (zB Abs 15 und 16 iVm 17 und 22); vgl iZm Abs 16 auch § 39b StbV. Zudem ist zB Abs 21 missverständlich (arg „so zu verstehen“) und bewirkt einen Eingriff in die Rechtskraft von Bescheiden. Die mit jeder Novelle zum StbG weiter um sich greifende „Unsitte“, den schon bestehenden Anwendungsschichten nur noch eine zusätzliche hinzuzufügen und der schon gege747

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benen Komplexität noch eins draufzusetzen, erhöht uE den Druck zur Rechtsbereinigung. Im Fall einer uE erforderlichen Reform könnte durch rechtsbereinigende Übergangsbestimmungen die Weitergeltung des bisherigen Rechts im Rahmen des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums mit einem Ablaufdatum versehen werden.

III.  Inkrafttretenbestimmungen 8 Allgemein bezeichnet das Inkrafttreten den Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs eines Gesetzes, das Außerkrafttreten sein Ende, womit in der Regel (nur) das Ende des zeitlichen Bedingungsbereichs, nicht aber des zeitlichen Rechtsfolgenbereichs gemeint ist (vgl Hengstschläger/ Leeb aaO, Rz 2). Mit dem Inkrafttreten (Außerkrafttreten) eines Gesetzes ist damit jener Zeitpunkt fixiert, ab welchem es für sich verwirklichende Sachverhalte (nicht mehr) maßgeblich ist, die – abgesehen von der zeitlichen Komponente – unter den betreffenden Tatbestand fallen. 9 § 64a betrifft nicht die Geltung der jeweiligen Normen (also ihre Existenz im Bereich des Normativen); die Normen gelten unabhängig davon, auf welchen Zeitraum sie sich ihrem Inhalt nach beziehen. Jede Norm kann auch dann gelten (das heißt: Bestandteil der Rechtsordnung sein), wenn ihr zeitlicher Geltungsbereich noch nicht begonnen hat (Legisvakanz), aber auch, wenn ihr zeitlicher Geltungsbereich bereits beendet ist. Der Umstand, dass sich der Geltungsbereich einer Norm erledigt hat – sich also keine Sachverhalte mehr verwirklichen werden, auf die sie sich beziehen kann – berührt nicht ihre Existenz (vgl Thienel aaO). 10 Gemäß Art 49a Abs 3 B-VG sind das wiederverlautbarte Bundesgesetz und die sonstigen in der Kundmachung enthaltenen Anordnungen mit Ablauf des Kundmachungstages in Kraft getreten. Somit sind seit dem 31.7.1985 alle Gerichte und Verwaltungsbehörden für die danach verwirklichten Tatbestände an den wiederverlautbarten Text des StbG in der Stammfassung gebunden gewesen. Durch die Novellen kamen weitere Zeitpunkte des Inkrafttretens iZm den novellierten Vorschriften hinzu. Für eine Reihe von Vorschriften sind zudem Zeitpunkte für das Außerkrafttreten festgelegt worden (vgl Abs 7, 13, 17 und 20). 11 Die Vorschrift wurde (und wird) mit jeder Novellierung des StbG geändert, zuletzt durch BGBl I 2017/68. Soweit keine Inkrafttretenbestimmung festgelegt ist (vgl zB BGBl I 2014/80), ist eine Novellierung 748

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am Tag nach der Kundmachung im Bundesgesetzblatt zu beachten (vgl Art 49 Abs 1 B-VG). Der normative Sinn der in § 64a zusammengefassten Bestimmungen über das Inkrafttreten der Novellen zum StbG besteht insofern insbesondere darin, im Sinn des Art 49 Abs 1 B-VG ausdrücklich einen anderen, in der Regel späteren Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Änderungen bzw für das Außerkrafttreten früherer Anordnungen festzulegen. „Originell“ ist uE, wie der Gesetzgeber Abs 21 verstanden wissen will 12 (vgl Rz 7); aufgrund der Formulierung im Konjunktiv kann dieser Bestimmung – entgegen den EB – keine klarstellende Bedeutung zugestanden werden. Insbesondere ist unklar, welche „Anordnungen“ konkret gemeint sind. Darüber hinaus ist – abgesehen von der in Abs 21 enthaltenen Voraussetzung in der Möglichkeitsform – bemerkenswert, dass vom „verstehen“ die Rede ist.

IV.  Einzelne Bestimmungen Zu Art II StbG-Novelle 1986: Die Regelung des § 3 Abs 1 Satz 1 StbG 13 1949, der zufolge eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft (nur) nach dem Vater erwerben, ist nicht verfassungswidrig. Diese die Differenzierung zwischen ehelicher und unehelicher Geburt bei Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Abstammung betreffende Bestimmung stellt angesichts der in den StbG-Novellen 1983 und 1986 vorgesehenen Übergangsbestimmungen keine unzulässige Diskriminierung dar. Eine zeitliche Begrenzung der Möglichkeit einer Gleichstellung von unter die alte Rechtslage fallenden Tatbeständen mit der neuen Rechtslage aus Gründen der Rechtssicherheit ist gerechtfertigt. Es liegt im Wesen von Übergangsvorschriften, dass sie bestimmte Fälle aus der alten Rechtslage in die neue überführen, um Auswirkungen der neuen Rechtslage abzumildern oder, wie hier, Vorteile der neuen Rechtslage auch in bestimmter Weise auf Fallkonstellationen der alten Rechtslage zu übertragen (VfSlg 19.745/2013; ähnlich VfSlg 19.746/2013 zu § 7 Abs 2 und 3 StbG 1965). Hingegen verstößt die unterschiedliche Behandlung von ehelichen und unehelichen Kindern gemäß § 8 Abs 2 StbG idF vor der Novelle BGBl I 2013/136 aus denselben Gründen, die in VfSlg 19.704/2012 zur Aufhebung von Bestimmungen in § 7 in der damals geltenden Fassung vor der Novelle BGBl I 136/2013 geführt haben, gegen Art 14 iVm Art 8 EMRK. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen der Regelung des § 7 und jener des § 8 fehlt eine sachliche Rechtfertigung dafür, ehe749

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lichen Kindern, die vor dem 1.9.1983 geboren wurden, derartige Übergangsregelungen gänzlich vorzuenthalten. Folglich besteht eine Unsachlichkeit der Vorschriften mangels bestehender Übergangsregelungen und daher ein Verstoß gegen Art 7 Abs 1 B-VG (VfSlg 19.842/2014). 14 Zu § 64a Abs 4: Die Anknüpfung in § 64a Abs 4 an das Vorliegen eines Zusicherungsbescheides gemäß § 20 Abs 1 ist nicht unsachlich und erweckt auch im Lichte des Art 18 B-VG keine Bedenken (vgl in diesem Zusammenhang auch VwGH 27.2.2004, 2003/11/0253 mwH, wonach es sich beim Zusicherungsbescheid um einen Verwaltungsakt handelt, der für den Fremden einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft begründet, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft auch die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind); VfGH 30.11.2006, B 1096/06. 15 Zu § 64a Abs 11: Gemäß § 64a Abs 11 sind zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I 2011/38, mithin dem 1.7.2011, anhängige Verfahren nach den Bestimmungen in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 2011/38 zu Ende zu führen. Der VfGH hat § 10 Abs 1 Z 7 idF BGBl I 2006/37 sowie Abs 5 idF BGBl I 2009/122 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30.6.2014 in Kraft tritt, frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten und die aufgehobenen Gesetzesbestimmungen auch in den am 1.3.2013 beim VwGH anhängigen Fällen nicht mehr anzuwenden sind (vgl VfGH 1.3.2013, G 106/12-7, G 17/13-6). Somit betrifft die Aufhebung der genannten Bestimmungen alle vor dem 1.7.2011 anhängigen Verfahren, da diese Verfahren gemäß §  64a Abs 11 nach den Bestimmungen idF vor dem BGBl I 2011/38 zu Ende zu führen sind. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des VfGH gebunden, wenn ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden ist. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles ist das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der VfGH nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Die Frage, ob bzw inwieweit die mit 30.6.2014 aufgehobenen Bestimmungen weiterhin anwendbar sind, da die Frage, wann ein „verwirklichter Tatbestand“ im Sinne des Art 140 Abs 7 B-VG gegeben ist, nach der höchstgerichtlichen Judikatur im allgemeinen vom materiellen Recht abhängt, um dessen Anwen750

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 64a

dung es geht, beantwortet das LVwG Wien 27.2.2015, VGW151/071/26111/2014 (unter Hinweis auf (OGH 19.3.2002, 10 ObS 23/02h) wie folgt: „Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nimmt Art 140 Abs 7 B-VG auf die vor der Aufhebung „verwirklichten Tatbestände“ und damit auf den dem jeweiligen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalt als Ausschnitt der Lebenswirklichkeit Bezug. Ein verwirklichter Tatbestand liegt dann vor, wenn der Sachverhalt (die Lebenswirklichkeit) den in einer gesetzlichen Vorschrift abstrakt umschriebenen Lebensverhältnissen (dem Tatbestand) entspricht. Ein verwirklichter Tatbestand im Sinn des Art 140 Abs 7 B-VG liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Rechtsvorschrift durch einen unveränderbaren Tatbestand gekennzeichnet ist, das heißt wenn ein Sachverhalt, der unveränderbar ist, verwirklicht wurde, auf den der Tatbestand einer vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Rechtsvorschrift sich bezieht“; zu dieser Altverfahrensproblematik vgl ua auch LVwG Wien 3.7.2015, VGW-151/071/33354/2014, VGW-151/V/071/33356/ 2014; LVwG Wien 18.6.2015, VGW-151/071/1218/2015. Zu § 64a Abs 18 (idF BGBl I 2013/136): UE besteht – entgegen LVwG 16 Wien 10.12.2015, VGW-151/022/8604/2015 (vgl auch LVwG Wien 3.6.2016, VGW-151/080/1853/2016: stattgebende Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art  130 Abs  1 Z  3 iVm Art 132 Abs 3 B-VG und Ausspruch des Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Anzeige gemäß § 64a Abs 18) – kein nachvollziehbarer Anknüpfungspunkt dafür, dass (eheliche) Kinder, deren österreichischer Elternteil zum Zeitpunkt der Anzeige nicht mehr lebt, anders behandelt werden können, als solche, deren Elternteil noch lebt. Anders als eine echte Ausschlussfrist, wie sie beispielsweise aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in Hinblick auf die Regelung zum Stichtag 1.9.1983 eingeführt wurde, ist die Frage, ob der Elternteil zum Zeitpunkt der Anzeige lebt oder nicht, dem reinen Zufall, konkret dem Schicksal unterworfen. Sonstige Gründe, die es als gerechtfertigt erscheinen lassen, daran anzuknüpfen, ob der Elternteil zum Zeitpunkt der Anzeige noch lebt, sind nicht ersichtlich (ebenso VfGH 8.3.2017, G 399/2016-8). Mit der Anzeige über die Staatsbürgerschaft wird ein bereits gegebener Sachverhalt, nämlich die kraft Abstammung [also gemäß §  7 durch Geburt des Kindes, wenn in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger ist (oder ein Elternteil, der vorher verstorben ist, am Tag 751

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des Ablebens Staatsbürger war)] bestehende Staatsbürgerschaft, lediglich zur Anzeige gebracht. Es kann uE nicht erkannt werden, welchen Umstand es in Hinblick auf die staatsbürgerliche Anzeige machen soll, ob der Elternteil zum Zeitpunkt der Anzeige noch lebt oder nicht. Im Übrigen ist uE – sowie der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung nach Artikel II von den Stempelgebühren gemäß § 14 TP 2 GebG befreit ist – auch der Erwerb gemäß § 64a Abs 18 gebührenbefreit. Die Z 3 erster Tatbestand („die Mutter Staatsbürger ist“) des § 64a Abs 18 in der ursprünglichen Fassung heißt uE nicht, dass die Mutter im Zeitpunkt der Anzeige noch leben muss, um dem § 64a Abs 18 Z 3 zu entsprechen; eine derartige Auslegung widerspricht Sinn und Zweck der Übergangsbestimmung und wäre Willkür. Das Gesetz erlaubt aber uE eine andere (verfassungskonforme) Auslegung: §  64a Abs  18 Z  3, wodurch die bis zum 31.12.1988 gegoltene gleichlautende Übergangsbestimmung ab 1.8.2013 (bis 30.4.2014) auflebte, kann nämlich auch so verstanden werden, dass es darauf ankommt, ob damals – wäre im Rahmen der letzten Übergangsbestimmung (also bis Ende 1988) die Anzeige nicht versäumt worden – die Mutter lebte und österreichische Staatsbürgerin war. Kann diese Frage bejaht werden, liegt eine Konstellation vor, die bei verfassungskonformer Interpretation das Kriterium in § 64a Abs 18 Z 3 jedenfalls erfüllt. Es ist uE unsachlich, den Erwerb der Staatsbürgerschaft von der Abstammung von einer österreichischen Mutter derart abhängig zu machen, dass die Mutter die Staatsbürgerschaft am Tag der Geburt besessen und – anders als bei der Abstammung nach § 7 – im Zeitpunkt der Anzeige hat (arg „die Mutter Staatsbürger ist“). Bestünde die undifferenzierte Voraussetzung, dass die Mutter auch noch zum Zeitpunkt der Anzeige – also zB mehr als 30 Jahre nach dessen Geburt – noch leben muss, so wäre dies uE unverhältnismäßig und sachlich nicht zu rechtfertigen. Dem § 64a Abs 18 Z 3 StbG im Abstammungsfall einen derartigen Inhalt zu unterstellen, ist uE verfassungswidrig und würde die gesetzliche Regelung selbst mit Verfassungswidrigkeit belasten und einen betroffenen Fremden in seinen Rechten verletzen. Der Sanierungsgedanke des Gesetzgebers iZm § 64a Abs 18 ist auf Härtefälle bezogen, die die Frist der letzten Übergangsbestimmung versäumt haben (vgl auch Landesverwaltungsgericht Salzburg 20.10.2014, LVwG-11/153/2-2014). Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, jenen Personen, die zum Zeitpunkt ihrer Geburt aufgrund der gesetzlichen Regelungen nicht die Möglichkeit besaßen, die österreichische Staatsbürgerschaft von der Mutter abzuleiten, dies durch 752

Schluss- und Übergangsbestimmungen

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Anzeige gemäß §  64a Abs  18 StbG nachzuholen. Würde der Übergangsbestimmung ein Inhalt unterstellt werden, dass mit der Anzeige jedenfalls auch gleichzeitig das Erfordernis bestünde, wonach der jeweilige Elternteil noch leben müsse, so entstünden damit weitere bzw neue Härtefälle. Damit würde die eigentliche Intention der Übergangsbestimmung – nämlich die Sanierung der seit 1989 entstandenen Härtefälle – ins Gegenteil verkehrt werden. Im Übrigen würde §  64a Abs  18 bei nicht verfassungskonformer Interpretation eine unzulässige Diskriminierung ehelicher Kinder, die vor 1983 geboren sind und deren Mütter im Zeitpunkt der Geburt österreichische Staatsbürger waren und die zwischenzeitig – insbesondere nach 1988 – verstorben sind, bedeuten. Die Übergangsbestimmung, durch die laut den EB zur RV kurzzeitig die seinerzeitige Übergangsbestimmung (Art  I §  1 Abs  2 Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985 und Art II Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986) aufleben soll, würde dadurch, dass seit der am 31.12.1988 abgelaufenen Übergangsbestimmung (Art II Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1986) mehr als 24 Jahre verstrichen sind, diese Kinder gegenüber (ehelichen) Kindern österreichischer Mütter, die nach 1988 verstorben sind, die aber die letzte Übergangsbestimmung nicht versäumten, also aufgrund einer Anzeige vor dem 31.12.1988 die österreichische Staatsbürgerschaft erwarben, benachteiligen. Im Fall der § 7-Abstammung erwerben eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit Geburt, wenn nach der StbG-Novelle 1983 in diesem Zeitpunkt ein Elternteil Staatsbürger war bzw bei Ableben eines Elternteils vor der Geburt dieser am Tag seines Ablebens Staatsbürger war. Nichts anderes kann uE in dem daran anknüpfenden Fall der § 64a Abs  18-Anzeige gelten, denn ansonsten würden nur eheliche Kinder die Staatsbürgerschaft mit Geburt (ex nunc) erwerben, wenn die Mutter in diesem Zeitpunkt Staatsbürger war und im Zeitpunkt der Abgabe der Anzeige. Dadurch würde der Lösung des durch die Übergangsbestimmung in § 64a Abs 18 (wieder)erkannten Gleichbehandlungsproblems von vor und nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung (ursprünglich Art II StbG-Novelle 1983) geborenen Kindern nicht angemessen Rechnung getragen. Der Anknüpfungspunkt bei einer §  64a Abs 18-Anzeige kann unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes und des Diskriminierungsverbots nur ein sich vom Kreis der in § 7 erfassten Personen durch zeitliche Begrenzung und weitere (persönliche) Voraussetzungen abgegrenzter davon aber deckender Kreis der erfassten Personen sein. 753

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Wenn hingegen der Kreis der durch § 64a Abs 18 erfassten Personen darüber hinaus an die weitere Voraussetzung des Besitzes der österreichischen Staatsbürgerschaft im Zeitpunkt der Anzeige geknüpft wird, wäre die dadurch begründete Abgrenzung zu dem Kreis der von §  7 erfassten Personen unsachlich. Die gleichheitsrelevante Unsachlichkeit besteht bzw bestand vor VfGH 8.3.2017, G 399/2016-8 uE darin, dass durch die weitere (nicht persönliche) Voraussetzung in § 64a Abs 18 die mit der StbG-Novelle 1983 in § 7 herbeigeführte Gleichbehandlung der Geschlechter im Staatbürgerschaftsrecht in einer unsachlichen Weise ins Gegenteil verkehrt wird. Der Kreis der erfassten Personen in § 64a Abs 18 deckt sich aufgrund dieser weiteren (unsachlichen und unverhältnismäßigen) Voraussetzung nicht mit dem Kreis der in § 7 erfassten Personen. § 64a Abs 18 ist daher iSd Art 14 EMRK nicht eindeutig so ausgestaltet, dass er zu keiner Benachteiligung im Geschlecht (der Frau) und in der Geburt (des Kindes) führt. 17 Im Falle einer Anzeige gemäß § 64a Abs 18 besteht keine Zuständigkeit der österreichischen diplomatischen Vertretungsbehörden – auch nicht zur Entgegennahme der Anzeige. Anders als § 57 Abs 4, § 58c Abs 3 und § 59 Abs 4 sieht § 64a keine Möglichkeit vor, die Anzeige bei der örtlich zuständigen Vertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Vielmehr sieht § 64a Abs 18 ausdrücklich vor, dass die Anzeige schriftlich bei der (gemäß § 39 Abs 1 zuständigen) Behörde abzugeben ist. Für eine analoge Anwendung der genannten Bestimmungen gibt es mangels Vorliegen einer Lücke keine Grundlage. Die Handlung (die Anzeige), für die § 64a Abs 18 eine Frist vorsieht, ist nur auf den Eintritt materieller Rechtswirkungen, nämlich den Erwerb der Staatsbürgerschaft, gerichtet, weshalb es sich bei der in §  64a Abs 18 vorgesehenen Frist um eine materiell-rechtliche Frist handelt. Die vom VwGH zum vergleichbaren Art 1 § 1 Abs 1 Staatsbürgerschaft-Übergangsrecht 1985 ergangene Rechtsprechung unterstreicht dieses Ergebnis (vgl VwGH 16.4.2004, 2002/01/0474). Dass Art I § 1 Abs 4 leg cit die Erlassung eines Feststellungsbescheides vorsieht, ändert daran nichts, weil der Staatsbürgerschaftserwerb ex lege mit dem Zeitpunkt eintritt, in dem alle Voraussetzungen vorliegen; die Geltendmachung der Staatsbürgerschaft hängt damit nicht von der vorherigen Erlassung des Bescheides ab (vgl Thienel aaO, 142); LVwG Wien 10.2.2017, VGW-152/022/1323/2017 ua: Nichtanwendung der Zweifelsregel zugunsten einer verfahrensrechtlichen Frist (vgl VwGH 16.12.1998, 98/12/0240). 754

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§ 66

Vollziehung § 66. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind betraut:

1. soweit sie dem Bund zukommt, hinsichtlich a) des § 10 Abs. 6 die Bundesregierung; b) des § 7a Abs. 3, § 19 Abs. 3, § 27 Abs. 2 letzter Satz, § 28 Abs. 4 letzter Satz, § 29 Abs. 2 letzter Satz sowie § 53 Z 2 und 3 der Bundesminister für Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres; c) der §§  39a Abs. 2, 41 Abs. 2, 53 Z 4, 56b Abs. 1 zweiter Satz sowie § 58c Abs. 3 der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres; d) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 136/2013) e) des § 58c Abs. 4 der Bundesminister für Finanzen; f) der übrigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes der Bundesminister für Inneres; 2. soweit die Vollziehung dem Land zukommt, die Landesregierung.

[idF BGBl I 2014/104] EB zu BGBl 250/1965 Bei der Formulierung der Vollzugsklausel war darauf Bedacht zu nehmen, daß folgende Gesetzesstellen nicht nur den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Inneres, sondern auch andere Bundesstellen berühren: § 11 Abs. 3 das Bundeskanzleramt, § 11 Abs. 4 die Bundesregierung, § 19 Abs. 3, § 27 Abs. 2, § 28 Abs. 3 sowie § 53 Z. 2 und 3 das Bundesministerium für Justiz, § 41 Abs. 2 das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten. EB zu BGBl I 104/2014 [Keine Erwähnung in EB] Inhaltsübersicht

Rz I. Allgemeines................................................................................................... 1 Schrifttum zu § 66: Aichlreiter, Österreichisches Verordnungsrecht. Bd I (1988); Barfuß, Ressortzuständigkeit und Vollzugsklausel (1968); Schwartz/Muzak, Die sachliche Zuständigkeit zur Verordnungserlassung, ZÖR 1997, 159; Walter, Vorarbeiten zu einer Reform der Legistischen Richtlinien 1979 (1985) 24.

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I.  Allgemeines 1 § 66 ist die übliche (uE selbstbindende) „Vollzugsklausel“. Seit der Wiederverlautbarung des StbG wurde §  66 durch BGBl I 1998/124 (Z  1 lit a), BGBl I 2009/122 (Z 1 lit c), BGBl I 2013/16 (Z 1 lit c), BGBl I 2013/136 (Z 1 lit b) und BGBl I 2014/104 (Z 1 lit c) ohne nennenswerte Ausführungen in den EB novelliert. Diese Klausel listet die Zuständigkeiten der Bundesminister für den Vollzug des StbG auf; die jeweils sachlich zuständigen BM sind oberste Vollzugsorgane der (mittelbaren) Bundesverwaltung. Die Klausel hat praktisch deklaratorischen Charakter. Entsprechend dem BMG ist auf der Bundesebene der BMI federführend. 2 Aus Z  1 lit a folgt, dass die Bundesregierung in Ermangelung einer gegenteiligen Anordnung zur Bestätigung des besonderen Interesses der Republik an der Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen außerordentlichen Leistungen des Fremden berufen ist. Hingegen ist §  11a Abs 4 Z 4 – der die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen außerordentlichen Leistungen des Fremden auf den Gebieten der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Kunst oder des Sports regelt – nicht der Vollziehung der Bundesregierung vorenthalten (vgl § 66 Z 2). Die Bundesregierung ist insofern nicht zur „Vollziehung“ des StbG berufen, als es um die Durchführung von konkreten Verwaltungsverfahren durch die Behörden geht. 3 Die Vollzugsklausel indiziert im Allgemeinen „für das betreffende Gesetz“ die letzte Instanz im administrativen Instanzenzug (VwSlg 7392 F/1999). Die Vollziehung der in § 66 Z 1 lit b und c aufgelisteten Vorschriften durch den BMI im Einvernehmen mit dem BMJ bzw BMEIA trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei den diesbezüglichen Regelungen nicht nur um Staatsbürgerschaftsrecht (Art 11 Abs 1 B-VG) handelt, sondern auch um eine zivilrechtlich bzw außenpolitisch wirksame Maßnahme. Der Verweis auf § 19 Abs 3 in § 66 Z 1 lit b ist (seit BGBl I 2009/122) obsolet (bzw hätte sich uE auf § 19 Abs 1 Satz 2 zu beziehen). Im Fall des § 66 Z 1 lit e handelt es sich um eine budgetwirksame Maßnahme, weshalb der BMF für die Vollziehung zuständig ist. Zum Verhältnis von Vollzugsklauseln und Ressortzuständigkeit vgl Aichlreiter aaO, 574 f; Barfuß aaO, 82 ff. Die Landesregierung als Organ des Landes (Art 19 Abs 1 und Art 101 B-VG) ist mit der Vollziehung des StbG auf Landesebene betraut (§ 66 Z 2). 756

Anhang Übergangsrecht anläßlich von Novellen zum Staatsbür­ gerschaftsgesetz 1965 (Staatsbürgerschafts-Übergangsrecht 1985) StF: BGBl Nr 311/1985 (WV) idF BGBl Nr 386/1986 und BGBl Nr 505/1994 Artikel I § 1. (1) Vor dem 1. September 1983 geborene eheliche und legitimierte Kinder erwerben unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 die Staatsbürgerschaft durch die Erklärung, der Republik als getreue Staatsbürger angehören zu wollen, wenn 1. sie ledig sind und am 1. September 1983 das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. sie nie Staatsbürger waren oder die mit der Geburt erworbene Staatsbürgerschaft durch Legitimation verloren haben und 3. die Mutter Staatsbürger ist und die Staatsbürgerschaft auch am Tag der Geburt des Kindes besessen hat. (2) Die Erklärung ist bis 31. Dezember 1988 schriftlich bei der nach § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 zuständigen Behörde abzugeben. § 19 Abs. 2 und 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 ist sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters und des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, oder die Genehmigung des Gerichtes auch nach der Abgabe der Erklärung erteilt werden kann. (3) Ist das Kind nicht eigenberechtigt, im Gebiet der Republik geboren und hat es in diesem seit der Geburt ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz, so kann die Erklärung auch von der Mutter kraft eigenen Rechtes abgegeben werden. Die Erklärung bedarf der schriftlichen Zustimmung des Minderjährigen, der das 14. Lebensjahr vollendet hat. (4) Liegen die in den Abs. 1 bis 3 angeführten Voraussetzungen vor, so hat die Behörde mit schriftlichem Bescheid festzustellen, daß die Staatsbürgerschaft mit dem Tag des Einlangens der Erklärung bei der zuständigen Behörde erworben wurde. Die Form des Bescheides wird durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. § 46 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 gilt sinngemäß. § 2. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung nach § 1 ist von den Stempelgebühren gemäß § 14 TP 2 des Gebührengesetzes 1957 befreit. (BGBl. Nr. 170/1983, Art. III lit. A)

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Anhang  Artikel II (Zu § 14) Ist ein Fremder nach den im § 14 Abs. 1 Z 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung vor dem 1. Jänner 1975 angeführten Gesetzesstellen rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 14 Abs. 1 Z 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung vor dem 1. Jänner 1975 weiterhin anzuwenden; sie lautet: „§ 14. (1) Einem Fremden ist die Staatsbürgerschaft ferner zu verleihen, wenn er 3. nicht von einem inländischen Gericht rechtskräftig nach einer der folgenden Gesetzesstellen verurteilt worden ist: §§ 58, 60, 61, 65, 67, 68, 69, 73, 76, 78, 80, 81, 90 und 92 des Österreichischen Strafgesetzes 1945, ASlg. Nr. 2, §§ 1, 2, 4, 5, 10, 11 und 17 des Bundesgesetzes zum Schutz des Staates (Staatsschutzgesetz), BGBl. Nr. 223/1936, § 1 des Bundesgesetzes zur Bekämpfung staatsfeindlicher Druckwerke, BGBl. Nr. 33/1935, §§ 3a und 3b sowie 3d bis 3g des Verbotsgesetzes 1947; (BGBl. Nr. 250/1965, § 14 Abs. 1 Z 3)“ (BGBl. Nr. 703/1974, Art. II Abs. 1) Artikel III (Zu § 15) § 15 lit. b des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung vor dem 1. Jänner 1975 gilt entsprechend für den Aufenthalt in einem Arbeitshaus des In- oder Auslandes infolge Verurteilung wegen einer nach österreichischem Recht gerichtlich strafbaren Handlung vor dem 1. Jänner 1975. Jene Fassung lautet: „§ 15. Der Lauf der Fristen nach § 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 sowie § 12 lit. a und b letzter Halbsatz wird unterbrochen durch b) ein rechtskräftiges gerichtliches Urteil, womit auf Landesverweisung oder Abschaffung aus dem gesamten Gebiet der Republik erkannt ist; (BGBl. Nr. 250/1965, § 15 lit. b)“ (BGBl. Nr. 703/1974, Art. II Abs. 2) Artikel IV Mit der Vollziehung der Art. I bis III sind betraut: 1. soweit sie dem Bund zukommt, hinsichtlich a) des Art. I § 2 der Bundesminister für Finanzen, sonst b) der Bundesminister für Inneres; 2. soweit sie dem Land zukommt, die Landesregierung. (BGBl. Nr. 703/1974, Art. IV; BGBl. Nr. 170/1983, Art. V Z I lit. d und e sowie Z 2 ; BGBl. Nr. 202/1985, Art. IV)

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985

Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1985 zur Durchführung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (Staatsbürgerschaftsverordnung 1985) StF: BGBl Nr 329/1985 idF BGBl Nr 660/1993, BGBl Nr 982/1994, BGBl II Nr 3/2010, BGBl II Nr 184/2011, BGBl II Nr 307/2013, BGBl II Nr 323/2013 und BGBl II Nr 87/2017 Präambel/Promulgationsklausel Auf Grund des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, wird – hinsichtlich der §§ 2 und 32 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten, hinsichtlich des § 31 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz, hinsichtlich des § 33 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung – verordnet: Zu § 19 StbG § 1. (1) Die bei der Antragstellung auf Verleihung oder Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Urkunden und Nachweise sind der Behörde jeweils im Original und in Kopie vorzulegen. (2) Die Behörde prüft die vorgelegten, dem Antrag anzuschließenden Kopien auf ihre vollständige Übereinstimmung mit dem Original und bestätigt dies mit einem Vermerk auf der Kopie. (3) Urkunden und Nachweise, die nicht in deutscher Sprache verfasst sind, sind auf Verlangen der Behörde zusätzlich in einer Übersetzung ins Deutsche vorzulegen. (4) Urkunden und Nachweise sind auf Verlangen der Behörde nach den jeweils geltenden Vorschriften in beglaubigter Form vorzulegen. § 2. (1) Dem Antrag auf Verleihung oder Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft sind folgende Urkunden und Nachweise anzuschließen: 1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 4 Z 4 und 5 FPG); 2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument; 3. aktuelles Lichtbild des Antragstellers (von 3,5 x 4,5 cm bis 4,0 x 5,0 cm); 4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschaftsurkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Nachweis über die Anerkennung oder gerichtliche Feststellung der Vaterschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde, Nachweis über Namensänderung; 5. erforderlichenfalls Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts, insbesondere Lohnzettel, Lohnbestätigungen, Dienstverträge, arbeitsrechtliche Vorverträge, Bestätigungen über Pensions-, Renten- oder sonstige Versicherungsleistungen, Nachweis über den Bezug von Kinderbetreuungsgeld und Nachweis eigenen Vermögens in ausreichender Höhe. Diese Nachweise sind für die gemäß § 10 Abs. 5 StbG geltend gemachten

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Anhang  Monate beizubringen. Beruft sich der Antragsteller auf Leistungen eines verpflichteten Dritten, so ist jeweils ein Nachweis dieser Leistung durch den Dritten anzuschließen; 6. In den Fällen des § 11a Abs. 2 Z 1 und 2 StbG ein Nachweis des Dienstverhältnisses und des Dienstortes des österreichischen Staatsbürgers, insbesondere Dienstvertrag; 7. In den Fällen des § 11a Abs. 6 Z 1 StbG ein Nachweis über Deutschkenntnisse zumindest auf dem B2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GERS) in Form eines allgemein anerkannten Sprachdiplomes oder Kurszeugnisses, insbesondere von folgenden Einrichtungen: a) Österreichisches Sprachdiplom Deutsch; b) Goethe-Institut e.V.; c) Telc GmbH; d) Österreichischer Integrationsfonds; Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GERS) zumindest auf dem B2-Niveau verfügt; 8. In den Fällen des § 11a Abs. 6 Z 2 StbG ein Nachweis über eine entsprechende Tätigkeit. (2) Von der Vorlage von Urkunden und Nachweisen gemäß Abs. 1 Z 1, 2 und 4 kann abgesehen werden, wenn deren Beschaffung nachweislich nicht möglich ist und die Identität des Antragstellers anhand anderer unbedenklicher Dokumente festgestellt werden kann, wobei zur Beurteilung der Unbedenklichkeit insbesondere Verfahren gemäß § 5 StbG herangezogen werden können. (3) Im Fall des Antrages eines Kindes auf Verleihung oder Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft binnen sechs Monaten nach der Geburt entfällt, sofern das Kind noch nicht über ein gültiges Reisedokument verfügt, das Erfordernis der Vorlage des gültigen Reisedokumentes gemäß Abs. 1 Z 1. (4) Eine Pflicht zur Vorlage von Urkunden nach Abs. 1 besteht nicht, wenn die zu beweisenden Tatsachen oder Rechtsverhältnisse durch Einsicht in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister (ZSR, § 56a StbG), oder in andere den Behörden zur Verfügung stehende Register festgestellt werden können. § 3. Anträge auf Verleihung und Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 19 StbG sind bei der Behörde schriftlich oder niederschriftlich, insbesondere mittels von den Behörden aufgelegten Antragsformularen, zu stellen. Zu den §§ 22 und 23 StbG § 4. Im Fall des § 22 Abs. 4 StbG ist dem Fremden vor der Verleihung oder der Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft eine Kopie der Niederschrift auszufolgen.

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985

Zu § 34 StbG § 5. Die Landesregierung hat die Personen, bei denen nach § 34 StbG eine Entziehung der Staatsbürgerschaft in Betracht kommen könnte, in Evidenz zu halten und hievon im Fall eines Wechsels in der örtlichen Zuständigkeit die nunmehr zuständige Landesregierung zu verständigen. Zu § 46 StbG § 8. (1) Die angeführten staatsbürgerschaftsrechtlichen Urkunden sind nach den Mustern der folgenden Anlagen auszufertigen: 1. Anlage 1: Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft ohne Erstreckung der Verleihung (§ 23 Abs. 1 StbG); 2. Anlage 2: Bescheid über die Verleihung der Staatsbürgerschaft mit Erstreckung der Verleihung (§ 23 Abs. 1 StbG); 3. Anlage 3: Bescheid, mit dem einem Staatsbürger für den Fall des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt wird (§ 28 StbG); 4. Anlage 4: Bestätigung über das Ausscheiden aus dem österreichischen Staatsverband im Falle des Erwerbes einer fremden Staatsangehörigkeit (§ 30 Abs. 1 StbG); 5. Anlage 5: Bescheid über den Verlust der Staatsbürgerschaft infolge Verzichtes (§ 38 Abs. 3 StbG); 6. Anlage 6: Staatsbürgerschaftsnachweis (§ 44 StbG); 7. Anlage 8: Bescheid über den Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige (§ 58c Abs. 2 StbG); 8. Anlage 8a: Bescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Anzeige, sofern nicht ein anderes Bescheidmuster gemäß dieser Verordnung anwendbar ist; (2) Für die Ausfertigung der Urkunden nach dem Muster der Anlagen 1, 2, 3, 5, 7, 8 und 8a dürfen nur durch einen Dienstleister hergestellte Vordrucke auf Sicherheitspapier (Anlage 13) verwendet werden. Die Vordrucke sind von den Behörden streng zu verrechnen. Die Anlagen 4 und 6 sind auf weißem Papier mit Mindestgewicht 100g/m2 auszustellen. (3) Umfaßt die Ausfertigung auch den Text einer Anlage, so kann die Behörde bei Bescheiden über die Verleihung der Staatsbürgerschaft (mit Erstreckung der Verleihung) sowie bei Bestätigungen über das Ausscheiden aus dem Staatsverband abweichend von den Anlagen 2 und 4 wie folgt vorgehen: 1. bei Erstreckung der Verleihung nur auf den Ehegatten oder eingetragenen Partner: Entfall der Wortfolge „und gemäß § 17 auf folgende(s) Kind(er):“ und der für die Kinder vorgesehenen Zeilen; 2. bei Erstreckung der Verleihung auf den Ehegatten oder eingetragenen Partner und ein Kind: Ersatz der Wortfolge „und gemäß § 17 auf folgende(s) Kind(er):“ durch die Wortfolge „und gemäß § 17 Abs .... Z ... auf das Kind:“ und Entfall der nachfolgenden Ziffer „1.“ sowie der für weitere Kinder vorgesehenen Zeilen;

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Anhang  3. bei Erstreckung der Verleihung nur auf Kinder: Entfall der Wortfolge „Diese Verleihung wird erstreckt gemäß § 16 auf den Ehegatten/eingetragenen Partner“ und der dafür vorgesehenen Zeilen, a) bei einem Kind ist der in der Anlage für den Ehegatten oder eingetragenen Partner vorgesehene Raum für dieses Kind mit der einleitenden Wortfolge „Diese Verleihung wird erstreckt gemäß § 17 Abs. ... Z ... auf das Kind“ zu wählen; b) bei mehreren Kindern ist unabhängig von deren Anzahl (mehr oder weniger als vier) bei Mitverwendung des in Anlage 2 für den Ehegatten oder eingetragenen Partner vorgesehenen Raumes die einleitende Wortfolge „Diese Verleihung wird erstreckt gemäß § 17 auf folgende Kinder:“ zu wählen; 4. bei Erstreckung des Ausscheidens aus dem Staatsverband auf ein Kind: Verwendung der einleitenden Wortfolge „Der Verlust erstreckt sich nach § 29 auf das minderjährige Kind:“ und Entfall der nachfolgenden Ziffer „1.“ sowie der für weitere Kinder vorgesehenen Zeilen. (4) Bei Ausfertigungen gemäß Abs. 3 müssen bei Bescheiden über die Verleihung der Staatsbürgerschaft (mit Erstreckung der Verleihung) die Rechtsmittelbelehrung und bei Bestätigungen über das Ausscheiden aus dem Staatsverband die Ausstellungsdaten so angeordnet werden, daß kein Raum für unbefugte Eintragungen frei bleibt. § 10. Im Sinne dieser Verordnung bedeuten a) Personaldaten: die Vornamen, den Familiennamen, das Geburtsdatum und den Geburtsort der betreffenden Person sowie jene Stelle, bei der ihre Geburt eingetragen wurde; b) Evidenzgemeinde: diejenige Gemeinde, die nach § 49 Abs. 2 StbG Evidenzstelle ist oder dies wäre, wenn sie nicht nach § 47 Abs. 1 StbG einem Gemeindeverband angehörte. § 14. Die Anmerkungen im ZSR haben in knapper und möglichst schlagwortartiger Darstellung zu erfolgen. Allgemein verständliche Abkürzungen sind zulässig. § 16. Karteikarten, Hinweisblätter und Anschlußblätter sind bis zum Abschluss der Nacherfassung (§ 64a Abs. 16 StbG) unter Verschluss zu halten. Danach sind sie entweder von Amts wegen zu vernichten oder unter Verschluss zu archivieren. § 17. Tritt ein Wechsel in der Evidenzstelle ein (zB weil eine Gemeinde einem Gemeindeverband angeschlossen wird oder aus einem solchen ausscheidet), so sind die hievon betroffenen Karteiblätter samt den dazugehörenden Unterlagen der nunmehr nach § 49 Abs. 2 StbG zuständigen Evidenzstelle zu übergeben. Zu § 51 StbG § 18. (1) Die Evidenzstelle hat unbeschadet der Bestimmungen der §§ 20 und 21 in der Staatsbürgerschaftsevidenz festzuhalten, auf Grund welcher Gesetzesstelle

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die verzeichnete Person die Staatsbürgerschaft erworben hat. Überdies ist im einzelnen anzumerken: 1. Besitz der österreichischen Bundesbürgerschaft am 13. März 1938 (§ 1 lit. a des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276): die Gemeinde, in welcher die verzeichnete Person am 13. März 1938 das Heimatrecht besessen hat, wenn ein solches aber im Gebiet der Republik nicht bestanden hat oder nicht festzustellen ist, die Art, auf welche die verzeichnete Person vor dem genannten Stichtag die Staats(Bundes)bürgerschaft erworben hat; 2. Rechtsnachfolge nach einem österreichischen Bundesbürger (Abstammung, Legitimation, Ehe) in der Zeit vom 13. März 1938 bis 27. April 1945 (§ 1 lit. b des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949): die Personaldaten desjenigen Eltern- oder Eheteiles, von dem der Besitz der Staatsbürgerschaft abgeleitet ist; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der maßgebende Eltern- oder Eheteil bei Weitergeltung des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 285, über den Erwerb und den Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft in der am 13. März 1938 geltenden Fassung die österreichische Bundesbürgerschaft im Zeitpunkt der Geburt, Legitimation oder Eheschließung der verzeichneten Person besessen hätte; bei der Legitimation und der Verehelichung überdies der Tag der maßgebenden Eheschließung und die Eintragungsstelle; 3. Amtsantritt eines Ausgebürgerten als Mitglied der Provisorischen Staatsregierung, als Landeshauptmann (Stellvertreter) oder als Mitglied eines provisorischen Landesausschusses (§ 5 des StaatsbürgerschaftsÜberleitungsgesetzes, StGBl. Nr. 59/1945): das Amt und womöglich der Tag des Amtsantrittes; 4. Abstammung (Legitimation) vor dem 1. Juli 1966: a) Erwerb nach dem ehelichen Vater (§ 3 Abs. 1 erster Satz des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276): die Personaldaten des Vaters; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der Vater im maßgebenden Zeitpunkt Staatsbürger gewesen ist; b) Legitimation (§ 3 Abs. 1 letzter Satz des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949): die Personaldaten des Vaters; der Tag der Eheschließung der Eltern und die Eintragungsstelle, sofern aber das Kind mit Entschließung des Bundespräsidenten für ehelich erklärt worden ist, das Datum dieser Entschließung; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der Vater im Zeitpunkt der Legitimation des Kindes oder im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens die Staatsbürgerschaft besessen hat;

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Anhang  c) Erwerb nach der ehelichen Mutter (§ 3 Abs. 1 zweiter Satz des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949): die Personaldaten der Eltern; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß zur maßgebenden Zeit die Mutter Staatsbürger, der Vater aber staatenlos gewesen ist; d) Erwerb nach der unehelichen Mutter (§ 3 Abs. 1 dritter Satz des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949): die Personaldaten der Mutter; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß die Mutter im maßgebenden Zeitpunkt Staatsbürger gewesen ist; 5. Abstammung (Legitimation) in der Zeit vom 1. Juli 1966 bis 31. August 1983: a) Erwerb nach dem ehelichen Vater (§ 7 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 250): die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Vaters; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der Vater im maßgebenden Zeitpunkt Staatsbürger gewesen ist; b) Legitimation (§ 7 Abs. 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung): die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Vaters; die nach der Z 4 lit. b erforderlichen Angaben; bei Personen, auf die sich der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation gemäß § 7 Abs. 4 StbG 1965 erstreckt hat, sind dieser Umstand, weiters die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der unehelichen Mutter, die Evidenzgemeinde des Großvaters sowie die nach der Z 4 lit. b erforderlichen Angaben über die Großeltern anzumerken; c) Erwerb nach der ehelichen Mutter (§ 7 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung): die Personaldaten der Eltern; die Evidenzgemeinde der Mutter; die Staatsangehörigkeit oder Staatenlosigkeit des Vaters; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes Staatsbürger gewesen ist und das Kind nicht mit seiner Geburt eine fremde Staatsangehörigkeit erworben hat; d) Erwerb nach der unehelichen Mutter (§ 7 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung): die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes Staatsbürger gewesen ist; 6. Abstammung (Legitimation) in der Zeit vom 1. September 1983 bis 31. Mai 1985:

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 a) Erwerb nach einem ehelichen Elternteil (§ 7 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der StaatsbürgerschaftsgesetzNovelle 1983, BGBl. Nr. 170): die Personaldaten der Eltern und die Evidenzgemeinde des Elternteiles, der Staatsbürger ist; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß ein Elternteil im maßgebenden Zeitpunkt Staatsbürger gewesen ist; die Anmerkung hat für beide Elternteile zu erfolgen, wenn Vater und Mutter Staatsbürger sind; b) Legitimation (§ 7 Abs. 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung): die Angaben wie bei Z 5 lit. b; c) Erwerb nach der unehelichen Mutter (§ 7 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der StaatsbürgerschaftsgesetzNovelle 1983): die Angaben wie bei Z 5 lit. d; 7. Abstammung nach dem 31. Mai 1985: a) Erwerb nach einem ehelichen Elternteil (§ 7 Abs. 1 des Staats­ bürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983 und § 7 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985): die Angaben wie bei Z 6 lit. a; b) Erwerb nach der unehelichen Mutter (§ 7 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der StaatsbürgerschaftsgesetzNovelle 1983 und der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1985, BGBl. Nr. 202, und § 7 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985): die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß die Mutter im maßgebenden Zeitpunkt Staatsbürger gewesen ist; 8. Legitimation nach dem 31. Mai 1985 (§ 7a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1985 und § 7a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985): a) Legitimation eines minderjährigen ledigen Fremden, der das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Vaters; die nach der Z 4 lit. b erforderlichen Angaben; bei Personen, auf die sich der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation gemäß § 7a Abs. 6 StbG erstreckt hat, sind dieser Umstand, weiters die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der unehelichen Mutter, die Evidenzgemeinde des Großvaters sowie die nach der Z 4 lit. b erforderlichen Angaben über die Großeltern anzumerken; b) Legitimation eines minderjährigen ledigen Fremden, der das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat: die Angaben wie bei lit. a;

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Anhang 

die erforderlichen Zustimmungserklärungen samt dem Datum ihres Einlangens bei der Evidenzstelle; gegebenenfalls das Gericht, welches eine Zustimmungserklärung ersetzt hat, das Datum und die Geschäftszahl der Entscheidung des Gerichtes sowie das Datum ihres Einlangens bei der Evidenzstelle; die Umstände, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der Legitimierte bzw. das uneheliche Kind der legitimierten Frau im Zeitpunkt des Einlangens der letzten der erforderlichen Zustimmungserklärungen noch ledig war; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbs; 9. Erwerb der Staatsbürgerschaft durch einen minderjährigen, seit Geburt staatenlosen Fremden (§ 57 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung): die Personaldaten der ehelichen Mutter; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß die verzeichnete Person von ihrer Geburt bis zum 1. Juli 1966 staatenlos gewesen ist, ihre Mutter aber in diesem Zeitraum ununterbrochen die Staatsbürgerschaft besessen hat; 10. Verehelichung von Frauen vor dem 1. Juli 1966 (§ 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949): die Personaldaten des Ehemannes; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der Mann im Zeitpunkt der Eheschließung die Staatsbürgerschaft besessen hat; 11. Dienstantritt eines öffentlichen Lehramtes an einer inländischen Universität (Hochschule) oder an einer inländischen Kunstakademie (§ 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, § 25 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung, § 25 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1973, BGBl. Nr. 394, und der Novellen 1983 und 1985 und § 25 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985): der Tag des Dienstantrittes, die Dienststellung und die Lehranstalt; 12. Rechtsnachfolge der Ehefrau und der nicht eigenberechtigten Kinder in den Erwerb der Staatsbürgerschaft nach § 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949: die Personaldaten des Ehemannes sowie der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle beziehungsweise die Personaldaten des maßgebenden Elternteiles; die nach der Z 11 erforderlichen Angaben über den maßgebenden Eheoder Elternteil; 13. Erklärung des Ehegatten beziehungsweise der Kinder des Universitäts(Hochschul )Professors: a) in der Zeit vom 1. Jänner 1974 bis 31. August 1983 bzw. vom 1. September 1983 bis 31. Mai 1985 (§ 25 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsge-

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 setzes 1965 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novellen 1973 und 1983): die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Universitäts(Hochschul )Professors; der Tag des Dienstantrittes, die Dienststellung und die Lehranstalt; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; die Landesregierung, welche die Bestätigung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft ausgestellt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl dieser Bestätigung; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; b) nach dem 31. Mai 1985 (§ 25 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1985 und § 25 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985): die Landesregierung, welche den Feststellungsbescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bescheides; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; 14. Erklärung von Fremden mit einem inländischen Wohnsitz seit 1. Jänner 1915 (beziehungsweise 1919) sowie Rechtsnachfolge der Ehefrau und der nicht eigenberechtigten Kinder in den Erwerb durch Erklärung (§ 2 des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949): die Landesregierung (Landeshauptmannschaft), welche die Bescheinigung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft ausgestellt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl dieser Bescheinigung; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; bei Rechtsnachfolge überdies die Personaldaten des Ehemannes sowie der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle beziehungsweise die Personaldaten des maßgebenden Elternteiles, sofern die Rechtsnachfolger nicht in der Bescheinigung angeführt sind; 15. Erklärung von Frauen, die infolge Verehelichung zwischen dem 13. März 1938 und 27. April 1945 Fremde waren, sowie Rechtsnachfolge der nicht eigenberechtigten Kinder in den Erwerb durch Erklärung (§ 2a des StaatsbürgerschaftsÜberleitungsgesetzes 1949): die nach der Z 14 erforderlichen Angaben; 16. Erklärung von Volksdeutschen (§ 1 des Bundesgesetzes vom 2. Juni 1954, BGBl. Nr. 142, betreffend den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Volksdeutsche) sowie Rechtsnachfolge der Ehefrau und der nicht eigenberechtigten Kinder in den Erwerb durch Erklärung (§ 4 des zitierten Bundesgesetzes): die Landesregierung, welche den Feststellungsbescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl dieses Bescheides; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; 17. Erklärung einer Fremden, deren Ehemann Staatsbürger ist (§ 9 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung): die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Ehemannes; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle;

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Anhang 

die Gemeinde (Gemeindeverband) oder die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland, welche die Bescheinigung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft ausgestellt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl dieser Bescheinigung; 18. Verleihung der Staatsbürgerschaft (§ 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, §§ 10, 11a, 12 bis 14, 58 und 59 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung und in der nach den Staatsbürgerschaftsgesetz-Novellen 1973, 1974, 1983 und 1985 jeweils geltenden Fassung und §§ 10, 11a und 12 bis 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985) sowie Erstreckung der Verleihung auf den Ehegatten (die Ehefrau) und die nicht eigenberechtigten beziehungsweise minderjährigen oder erheblich behinderten volljährigen Kinder (§ 5 Abs. 7 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 sowie §§ 16 und 17 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Stammfassung und in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983 sowie §§ 16 und 17 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985): die Landesregierung (Landeshauptmannschaft), welche die Staatsbürgerschaft verliehen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Verleihungsbescheides; bei Erstreckung der Verleihung auf die Ehefrau nach § 5 Abs. 7 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 überdies die Personaldaten des Ehemannes sowie der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; 19. Widerruf der Ausbürgerung (§ 4 Abs. 1 und 2 des StaatsbürgerschaftsÜberleitungsgesetzes 1949 und § 58b des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1973): die Behörde, welche die Ausbürgerung widerrufen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Widerrufbescheides; beim Widerruf nach § 4 Abs. 2 des Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetzes 1949 womöglich auch der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; 20. Nachträgliche Bewilligung zur Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft trotz Verehelichung mit einem Fremden (§ 8 Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949): die Landesregierung, welche die Bewilligung erteilt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bewilligungsbescheides; 21. Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 bis 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949: die Landesregierung (Landeshauptmannschaft), welche die Wiedererlangung der Staatsbürgerschaft verfügt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl dieses Bescheides; 22. Feststellung, daß der Verlust der Staatsbürgerschaft durch den Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit nicht eingetreten ist (§ 58a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der StaatsbürgerschaftsgesetzNovelle 1973): die Landesregierung, welche den Bescheid über den nicht eingetretenen Verlust der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl dieses Bescheides;

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 23. Anzeige der Wohnsitzbegründung: a) in der Zeit vom 1. Jänner 1974 bis 31. Mai 1985 (§ 58c des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der StaatsbürgerschaftsgesetzNovellen 1973 und 1983): die Landesregierung, welche den Erwerb der Staatsbürgerschaft bestätigt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl dieser Bestätigung; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; b) nach dem 31. Mai 1985 (§ 58c des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1985 und § 58c des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985): die Landesregierung, welche den Feststellungsbescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bescheides; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; 24. Anzeige gem. § 58c Abs. 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1993: die Landesregierung, welche den Feststellungsbescheid über den Wiedererwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bescheides; der Tag des Wiedererwerbes der Staatsbürgerschaft; 25. Anzeige gemäß § 59 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009: die Landesregierung, welche den Feststellungsbescheid über den rückwirkenden Erwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl; der Tag des rückwirkenden Erwerbes der Staatsbürgerschaft; 26. Abstammung von Mutter und Vater nach dem 31. Juli 2013: a) Erwerb nach der Mutter gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 und Erwerb nach dem Vater gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter und des Vaters; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass die Mutter und der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt ihres vorher erfolgten Ablebens jeweils die Staatsbürgerschaft besessen haben; b) Erwerb nach der Mutter gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 und Erwerb nach dem Vater gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter und des Vaters; das Datum des Vaterschaftsanerkenntnisses; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass die Mutter und der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens jeweils die Staatsbürgerschaft besessen haben;

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Anhang  c) Erwerb nach der Mutter gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 und Erwerb nach dem Vater gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter und des Vaters; das Datum und die Geschäftszahl der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass die Mutter und der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens jeweils die Staatsbürgerschaft besessen haben; 27. Abstammung von der Mutter nach dem 31. Juli 2013: a) Erwerb nach der verheirateten Mutter gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter; die Personaldaten des Vaters; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt ihres vorher erfolgten Ablebens die Staatsbürgerschaft besessen hat; b) Erwerb nach der unverheirateten Mutter gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass die Mutter im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt ihres vorher erfolgten Ablebens die Staatsbürgerschaft besessen hat; 28. Abstammung von dem Vater nach dem 31. Juli 2013: a) Erwerb nach dem Vater gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Vaters; die Personaldaten der Mutter; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens die Staatsbürgerschaft besessen hat; b) Erwerb nach dem Vater gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Vaters; das Datum des Vaterschaftsanerkenntnisses; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens die Staatsbürgerschaft besessen hat; c) Erwerb nach dem Vater gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Vaters; das Datum und die Geschäftszahl der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft; die Unterlagen,

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens die Staatsbürgerschaft besessen hat; 29. Abstammung nach dem 31. Juli 2013 durch Erwerb gemäß § 7 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass das Kind im Ausland geboren wurde; die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter oder des Vaters; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass ein österreichischer Staatsbürger nach dem Recht des Geburtslandes Mutter oder Vater des Kindes ist; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass das Kind bei Nichterwerb der Staatsbürgerschaft staatenlos sein würde; 30. Legitimation nach dem 31. Juli 2013 gemäß § 7a des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: a) Legitimation eines minderjährigen, ledigen Fremden, der das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat: die Personaldaten und die Evidenzgemeinde des Vaters; der Tag der Eheschließung der Eltern und die Eintragungsstelle, sofern aber das Kind mit Entschließung des Bundespräsidenten für ehelich erklärt worden ist, das Datum dieser Entschließung; die Unterlagen, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass der Vater im Zeitpunkt der Geburt des Kindes oder im Zeitpunkt seines vorher erfolgten Ablebens die Staatsbürgerschaft besessen hat; b) Legitimation eines minderjährigen, ledigen Fremden, der das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat: die gemäß lit. a) erforderlichen Angaben; die erforderlichen Zustimmungserklärungen samt dem Datum ihres Einlangens bei der Evidenzstelle; gegebenenfalls das Gericht, welches eine Zustimmungserklärung ersetzt hat, das Datum und die Geschäftszahl der Entscheidung des Gerichtes sowie das Datum ihres Einlangens bei der Evidenzstelle; die Umstände, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass der Legitimierte im Zeitpunkt des Einlangens der letzten der erforderlichen Zustimmungserklärungen noch ledig war; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; c) Erstreckung der Legitimation auf uneheliche Kinder: der Umstand, dass sich die Staatsbürgerschaft gemäß § 7a Abs. 4 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 erstreckt hat; die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der legitimierten Frau oder des legitimierten Mannes, die Evidenzgemeinde des Großvaters; die gemäß lit. a) und b) erforderlichen Angaben über die Großeltern; die Umstände, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass das uneheliche Kind der legitimierten Frau oder des legitimierten Mannes im Zeitpunkt des Einlangens der letzten der erforderlichen Zustimmungserklärungen noch ledig war;

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Anhang  31. Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß §§ 11a Abs. 6, 11b Abs. 1, 12 Abs. 2 und 25 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013 sowie die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 und 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Landesregierung, welche die Staatsbürgerschaft verliehen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Verleihungsbescheides; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes; 32. Anzeige gemäß §§ 57 Abs. 1 oder 64a Abs. 19 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Landesregierung, welche den Feststellungsbescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl; der Tag des rückwirkenden Erwerbes der Staatsbürgerschaft; 33. Anzeige gemäß § 64a Abs. 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Landesregierung, welche den Feststellungsbescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl; die Personaldaten und die Evidenzgemeinde der Mutter; die Umstände, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, dass das Kind vor dem 1. September 1983 geboren wurde und zu diesem Zeitpunkt ledig war und das 19. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes. (2) Ist ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes für den Erwerb der Staatsbürgerschaft relevant, so hat die Evidenzstelle das Landesverwaltungsgericht, welches das Erkenntnis erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl in der Staatsbürgerschaftsevidenz festzuhalten. § 19. Soweit eine Personenstandsurkunde als Grundlage für eine Eintragung nach § 18 herangezogen wurde, sind auch die Stelle, welche die Urkunde ausgefertigt hat, sowie die Nummer der Eintragung, soweit es sich um andere öffentliche Urkunden handelt, die Stelle, welche die Urkunde ausgefertigt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl der Urkunde anzumerken. § 20. Liegt der Evidenzstelle über die zu verzeichnende Person ein vor dem 1. Juli 1966 ausgestellter Staatsbürgerschaftsnachweis vor, so genügt es, die darin über den Erwerbsgrund enthaltenen Angaben in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken, wenn weitere nach § 18 erforderliche Feststellungen nicht ohne weiteres getroffen werden können. § 21. Ist nachgewiesen, daß die zu verzeichnende Person die Staatsbürgerschaft besitzt, nicht aber, wodurch sie diese erworben hat, so genügt es, wenn weitere nach § 18 erforderliche Feststellungen nicht ohne größeren Verwaltungsaufwand getroffen werden können, in der Staatsbürgerschaftsevidenz die Umstände und Unterlagen festzuhalten, durch welche dieser Nachweis erbracht worden ist. § 22. Die Evidenzstelle hat der Landesregierung die Verzeichnung einer Person nach § 18 Z 8 lit. b samt den maßgebenden Umständen bekanntzugeben.

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985

§ 23. (1) Bei Personen, die nach § 8 StbG bis zum Beweis des Gegenteiles als Staatsbürger kraft Abstammung gelten, sind in den Fällen des Abs. 1 der zitierten Gesetzesstelle der Ort der Auffindung und das Alter des Kindes im Zeitpunkt der Auffindung, in den Fällen des Abs. 2 die Personaldaten des maßgebenden ehelichen Elternteiles oder der unehelichen Mutter in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken. Überdies sind die Gründe anzumerken, aus denen der Beweis des Gegenteiles nicht erbracht werden konnte. (2) Die Evidenzstelle hat der Landesregierung die Verzeichnung einer Person nach Abs. 1 samt den maßgebenden Umständen bekanntzugeben. § 24. Erhält die Evidenzstelle Kenntnis von einem Bescheid, mit dem der Erwerb oder Besitz der Staatsbürgerschaft festgestellt worden ist, oder von einem Bescheid, mit dem nach § 8 Abs. 1 oder § 9 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949 oder § 28 StbG die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist und sind die Daten nicht bereits im ZSR erfasst, so hat sie die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, sowie das Datum, die Geschäftszahl und den wesentlichen Inhalt des Bescheides in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken. Gleiches gilt für Bestätigungen über den Erwerb oder den Besitz der Staatsbürgerschaft. Zu § 52 lit. a StbG § 25. (1) Die Evidenzstelle hat, soweit die Daten nicht bereits im ZSR erfasst sind, in der Staatsbürgerschaftsevidenz festzuhalten, wodurch die betroffene Person die Staatsbürgerschaft verloren hat oder doch verloren haben könnte. Insbesondere ist bei folgenden Verlustgründen anzumerken: 1. Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit: die fremde Staatsangehörigkeit und womöglich der Erwerbsgrund und der Erwerbstag; gegebenenfalls die Umstände, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der Minderjährige, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit diesem ausdrücklich zugestimmt hat; 2. Erstreckung des in der Z 1 genannten Verlustes: die Personaldaten des Ehemannes beziehungsweise des maßgebenden ehelichen Elternteiles (Wahlelternteiles), der unehelichen Mutter oder gegebenenfalls des unehelichen Vaters; die nach der Z 1 erforderlichen Angaben über den maßgebenden Eheoder Elternteil (Wahlelternteil); gegebenenfalls die Umstände, auf Grund deren die Evidenzstelle als erwiesen angenommen hat, daß der Minderjährige, der das 14. Lebensjahr vollendet hat, vor dem Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit diesem ausdrücklich zugestimmt hat; 3. Eintritt in den öffentlichen Dienst eines fremden Staates vor dem 1. Juli 1966 und Eintritt in den Militärdienst eines fremden Staates vor dem 1. Juli 2011: der fremde Staat und womöglich der Eintrittstag sowie die fremde Dienststelle;

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Anhang  4. 5. 6.

Legitimation vor dem 1. September 1983: die Personaldaten und die Staatsangehörigkeit des Vaters; der Tag der Eheschließung der Eltern und die Eintragungsstelle; Verehelichung von Frauen vor dem 1. Juli 1966: die Personaldaten und die Staatsangehörigkeit des Ehemannes; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; Entziehung und Verzicht: die Landesregierung, die den Bescheid erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bescheides; der Tag des Staatsbürgerschaftsverlustes; 7. Erstreckung des Verlustes der Staatsbürgerschaft gemäß § 29 Abs. 1 und 2 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2013: die Landesregierung, welche die Bestätigung über das Ausscheiden aus dem Staatsverband ausgestellt hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl der Bestätigung; der Tag des Ausscheidens aus dem Staatsverband. (2) Bei Eintragungen nach Abs. 1 Z 1 bis 5 ist weiters festzuhalten, auf Grund welcher Unterlagen die Anmerkung über die fremde Staatsangehörigkeit oder über den öffentlichen Dienst oder Militärdienst eines fremden Staates vorgenommen worden ist. § 19 gilt sinngemäß. (3) Wird eine Eintragung nach Abs. 1 durchgeführt, so ist bei der Anmerkung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft der Datensatz deutlich erkennbar zu kennzeichnen. § 26. Ist der Betroffene noch nicht in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichnet, so sind überdies soweit wie möglich die nach den §§ 18 bis 21 sowie 23 erforderlichen Anmerkungen vorzunehmen. § 27. Erhält die Evidenzstelle Kenntnis von einem Feststellungsbescheid über den Verlust der Staatsbürgerschaft oder von einer diesbezüglichen Bestätigung, so hat sie die Behörde, die den Bescheid erlassen oder die Bestätigung ausgestellt hat, sowie das Datum, die Geschäftszahl und den wesentlichen Inhalt der Urkunde in der Staatsbürgerschaftsevidenz anzumerken. Zu § 52 lit. b StbG § 28. In der Staatsbürgerschaftsevidenz sind die Landesregierung, die festgestellt hat, daß die betreffende Person niemals die Staatsbürgerschaft besessen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bescheides anzumerken. Zu § 52 lit. c und d StbG § 29. (1) In der Staatsbürgerschaftsevidenz sind anzumerken: das Gericht, welches das Urteil gefällt hat, sowie das Datum, die Geschäftszahl und der wesentliche Inhalt des Urteils; die Personaldaten derjenigen Person, von der bisher der Besitz der Staatsbürgerschaft zu Unrecht abgeleitet worden ist; die nach den §§ 18 bis 21 sowie 23 über diese Person erforderlichen Angaben;

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985

bei der betroffenen Frau oder dem vor dem 1. Jänner 1978 geborenen Kind aus nichtiger Ehe womöglich die Staatsangehörigkeit, welche die betroffene Frau im Zeitpunkt der maßgebenden Verehelichung besessen hat. (2) Ist die betroffene Frau oder das betroffene Kind bereits als Staatsbürger verzeichnet, so ist bei der Anmerkung über den Erwerb der Staatsbürgerschaft ein deutlich erkennbarer Hinweis anzubringen. Zu § 52 lit. e StbG § 30. (1) Die Evidenzstelle hat in der Staatsbürgerschaftsevidenz den nunmehr geltenden Familiennamen oder Vornamen des Staatsbürgers oder der bereits verzeichneten Person anzumerken und festzuhalten, wodurch bei der betroffenen Person eine Änderung des Familiennamens oder Vornamens eingetreten ist. Überdies ist soweit wie möglich im einzelnen anzumerken: 1. Legitimation: die Personaldaten und die Staatsangehörigkeit des Vaters; ist der Vater Staatsbürger, auch seine Evidenzgemeinde; der Tag der Eheschließung der Eltern sowie die Eintragungsstelle beziehungsweise das Datum der Entschließung, mit welchem der Bundespräsident das Kind für ehelich erklärt hat; 2. Verehelichung eines Staatsbürgers: die Personaldaten und die Staatsangehörigkeit des Ehegatten; ist der Ehegatte Staatsbürger, auch seine Evidenzgemeinde; der Tag der Eheschließung und die Eintragungsstelle; 3. Annahme an Kindes Statt: der Eintritt der Wirksamkeit der Annahme an Kindes Statt; 4. Namensgebung, Wiederannahme eines früheren Namens und Untersagung der Namensführung: der Zeitpunkt der Wirksamkeit; 5. Behördliche Namensänderung, Feststellung, Festsetzung und Berichtigung des Namens: der Zeitpunkt der Wirksamkeit. (2) Ist der Staatsbürger noch nicht in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichnet, so sind überdies die nach den §§ 18 bis 21 sowie 23 erforderlichen Anmerkungen vorzunehmen. Zu § 52 lit. f StbG § 32. (1) In der Staatsbürgerschaftsevidenz sind der Todestag des Staatsbürgers oder der bereits verzeichneten Person und die Eintragungsstelle anzumerken. Liegt ein Gerichtsbeschluß vor, mit dem die betreffende Person für tot erklärt oder der Beweis ihres Todes als hergestellt erkannt worden ist, so sind das Gericht, welches den Beschluß gefaßt hat, das Datum und die Geschäftszahl des Beschlusses sowie der vom Gericht festgestellte Todestag anzumerken. (2) Ist der verstorbene Staatsbürger noch nicht in der Staatsbürgerschaftsevidenz verzeichnet und gemäß § 51 letzter Satz StbG in diese aufzunehmen, so sind überdies die nach den §§ 18 bis 21 sowie 23 erforderlichen Anmerkungen vorzunehmen. (Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch BGBl. II Nr. 323/2013)

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Anhang  Zu § 53 Z 1 StbG § 34. (1) Sofern das Amt der Landesregierung keine Eintragung nach § 56b Abs. 7 StbG vornimmt, hat sie das Datum, die Geschäftszahl und den wesentlichen Inhalt jedes von der Landesregierung in einer Angelegenheit der Staatsbürgerschaft erlassenen Bescheides sowie die nach § 39a Abs. 1 Z 1 bis 3 erforderlichen Angaben über die betreffende Person der Evidenzstelle zur Eintragung in der Staatsbürgerschaftsevidenz mitzuteilen. Bei Bescheiden, mit denen die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt oder die Staatsbürgerschaft entzogen wird, ist überdies der Tag der Zustellung oder Aushändigung des Bescheides bekanntzugeben. Betrifft der Bescheid mehrere Personen, so hat gegebenenfalls die Mitteilung an jede der Evidenzstellen zu ergehen. (2) Die Mitteilung nach Abs. 1 kann auch in der Weise erfolgen, daß der Evidenzstelle eine Ausfertigung oder Abschrift des Bescheides samt den nach § 39a Abs. 1 Z 1 bis 3 erforderlichen Angaben übersendet wird. (3) Wird ein Bescheid vom Verfassungsgerichtshof oder vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben oder auf sonstigem Wege aus dem Rechtsbestand entfernt, so hat dies die Landesregierung der Evidenzstelle mitzuteilen, wenn kein neuer Bescheid erlassen wird. Zu § 53 Z 3 lit. a StbG § 35. Die Mitteilung über die Legitimation eines minderjährigen ledigen Fremden hat, falls dieser das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, die Anschrift des Legitimierten und seines gesetzlichen Vertreters zu enthalten. Zu § 53 StbG § 36. Wird ein Staatsbürgerschaftsnachweis oder eine sonstige Bestätigung über den Erwerb oder den Besitz der Staatsbürgerschaft ausgestellt, sind die Daten gemäß § 39a Abs. 1, sofern nicht bereits im ZSR vorhanden, der Evidenzstelle mitzuteilen. Zu § 53 Z 5 lit. c bis f StbG § 37. Die Mitteilung hat soweit wie möglich alle Angaben zu enthalten, welche die Evidenzstelle nach § 39a Abs. 1 und – je nach der Art der Mitteilung – nach den im Folgenden genannten Verordnungsstellen benötigt, und zwar bei einer Mitteilung gemäß § 53 Z 5 lit. c StbG nach § 18 Z 8 lit. a oder lit. b; die Angaben nach § 18 Z 8 lit. b haben außerdem die Anschrift des Legitimierten und seines gesetzlichen Vertreters zu enthalten; § 53 Z 5 lit. d StbG nach § 30 Abs. 1 Z 1 bis 4 und Abs. 2; § 53 Z 5 lit. e StbG nach § 32. Zu § 55 StbG § 38. Die Mitteilung hat soweit wie möglich alle Angaben zu enthalten, welche die Evidenzstelle nach § 39a Abs. 1 und den §§ 18 bis 32 jeweils für die Anmerkung benötigt.

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985

Zu § 56 StbG § 39. (1) Kommt eine natürliche Person oder der für die wirtschaftlichen, administrativen und technischen Angelegenheiten verantwortliche Leiter einer inländischen Krankenanstalt, der nicht Organ einer Gebietskörperschaft ist, der im § 56 StbG festgelegten Verpflichtung nicht nach, so hat die Gemeinde (der Gemeindeverband) die nach § 27 VStG 1950 zuständige Bezirksverwaltungsbehörde unter Hinweis auf § 64 StbG zu verständigen. (2) Verweigert der Verpflichtete die Auskunft trotz erfolgter Bestrafung wiederum, ist neuerlich nach Abs. 1 vorzugehen. Zu § 56a StbG § 39a. (1) In das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister (ZSR, § 56a StbG) sind jedenfalls einzutragen: 1. Personaldaten gemäß § 10; 2. frühere Namen und Namen, die bei Vorliegen anderer Staatsbürgerschaften aufgrund ausländischer Rechtsvorschriften rechtmäßig geführt werden; 3. Anmerkungen, die sich auf den Erwerb, Verlust, Besitz oder Nichtbesitz der Staatsbürgerschaft beziehen und 4. Eintragungen, welche die Ausstellung, Berichtigung, Ablieferung oder Übersendung eines Staatsbürgerschaftsnachweises betreffen. (2) Eine Eintragung darf nur auf Grund des Zentralen Personenstandsregisters (ZPR; § 44 Personenstandsgesetz 2013 – PStG 2013, BGBl. I Nr. 16/2013), öffentlicher Urkunden oder auf Grund amtlicher Erhebungen oder Mitteilungen vorgenommen werden. (3) Die Eintragung ist durch Freigabe im ZSR abzuschließen. Zu § 64a Abs. 16 StbG § 39b. (1) Sofern die Person im ZPR erfasst ist, sind Daten gemäß § 39a Abs. 1 in das ZSR zu übernehmen und sind der Erwerbs- und Verlustgrund sowie früher ausgestellte Staatsbürgerschaftsnachweise zu ergänzen. Ist die Person nicht im ZPR erfasst, sind die in § 39a Abs. 1 genannten Daten im ZSR nachzuerfassen. (2) Nachzuerfassen ist jedenfalls anlässlich des Erwerbs und Verlusts der Staatsbürgerschaft, sowie der Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen und staatsbürgerschaftsrechtlichen Bestätigungen. Schlußbestimmung § 40. (1) Die Staatsbürgerschaftsverordnung 1983, BGBl. Nr. 432, tritt außer Kraft. (2) Durch einen Dienstleister hergestellte Vordrucke auf Sicherheitspapier gemäß § 8 Abs. 2 (Anlage 13) sind spätestens ab dem 1. April 2010 zu verwenden. (Anm.: Abs. 3 aufgehoben durch Art. 6 Z 1, BGBl. II Nr. 87/2017) (4) § 2 Abs. 1 Z 4, 5, 7 und 8 sowie Abs. 3, §§ 4, 8 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 2, die Überschriften zu den §§ 25, 28, 29, 30 und 32 und § 25 Abs. 1 Z 6 und 7 sowie die Anlage 8b in der Fassung der Verordnung der Bundesministerin für Inneres

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Anhang  BGBl. II Nr. 307/2013 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieser Verordnung in Kraft. Die §§ 4 Abs. 2 und 33 samt Überschrift sowie die Anlagen 7 und 11 in der Fassung vor der Verordnung der Bundesministerin für Inneres BGBl. II Nr. 307/2013 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieser Verordnung außer Kraft. Die Anlagen 1 bis 3, 5, 8 und 8a in der Fassung der Verordnung der Bundesministerin für Inneres BGBl. II Nr. 307/2013 treten mit 1. Jänner 2014 in Kraft. § 8 Abs. 1 Z 9 und die Anlage 8b in der Fassung der Verordnung der Bundesministerin für Inneres BGBl. II Nr. 307/2013 treten mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft. (5) Die Staatsbürgerschaftsevidenzen sind gemäß § 64a Abs. 16 StbG zwischen dem 1. November 2013 und dem 1. November 2014 weiterzuführen. Die §§ 8 Abs. 2, 14, 16, 19, 24, 25 Abs. 1 und 3, 34, 36 samt Überschrift, 37 und 38 samt Überschriften, 39a und 39b samt Überschriften sowie die Anlagen 4 und 6 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 323/2013 treten mit 1. November 2014 in Kraft; gleichzeitig treten die §§ 6 und 7 samt Überschrift, 9, 11, 12, 13, 15, 31, 32 Abs. 3 und die Anlagen 9 und 10 außer Kraft. (6) Die Anlagen 4 und 6 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 87/2017 treten mit 1. April 2017 in Kraft. Gleichzeitig tritt § 40 Abs. 3 außer Kraft. Sprachliche Gleichbehandlung § 41. Soweit in dieser Verordnung auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung der Bezeichnung auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden.

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 Anlage 1

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Anhang  Anlage 2

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 Anlage 3

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Anhang  Anlage 4

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 Anlage 5

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Anhang  Anlage 6

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 Anlage 8

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Anhang  Anlage 8a

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Staatsbürgerschaftsverordnung 1985 Anlage 12

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Anhang  Anlage 13

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Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung

Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die Prüfung zum Nachweis der Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung sowie der Geschichte Österreichs und des jeweiligen Bundeslandes (Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung – StbP-V) StF: BGBl II Nr 138/2006 idF BGBl II Nr 260/2013 Präambel/Promulgationsklausel Auf Grund des § 10a Abs. 5 und 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 37/2006, wird verordnet: Prüfungstermin § 1. (1) Prüfungen sind von der Landesregierung nach Bedarf, jedenfalls aber mindestens einmal im Kalenderhalbjahr abzuhalten. (2) Der Fremde, der die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft beantragt hat (Staatsbürgerschaftswerber), ist mindestens acht Wochen vor dem Prüfungstermin über die Zeit und den Ort der Prüfung sowie über die Abgrenzung des Prüfungsstoffs (§ 2) nachweislich in Kenntnis zu setzen. (3) Abweichend von den Abs. 1 und 2 kann die Landesregierung im Einvernehmen mit dem Staatsbürgerschaftswerber auch einen anderen Prüfungstermin festlegen. Sie hat ihn über diese Möglichkeit zu informieren. Im Fall der einvernehmlichen Festlegung des Prüfungstermins hat sie dem Staatsbürgerschaftswerber die Abgrenzung des Prüfungsstoffs (§ 2) und den Ort der Prüfung bekannt zu geben. Prüfungsgebiete und Prüfungsstoff § 2. (1) Die einzelnen Prüfungsfragen sind aus den folgenden Prüfungsgebieten zu entnehmen und auf dem Prüfungsbogen entsprechend erkennbar zu machen: 1. Prüfungsgebiet 1: Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien; 2. Prüfungsgebiet 2: Grundkenntnisse über die Geschichte Österreichs; 3. Prüfungsgebiet 3: Grundkenntnisse über die Geschichte des Bundeslandes. (2) Die Prüfungsgebiete 1 und 2 bilden die Prüfungsstoffabgrenzung I (§ 10a Abs. 6 StbG) und umfassen die in der Anlage A festgelegten Themenbereiche. (3) Das Prüfungsgebiet 3 bildet die Prüfungsstoffabgrenzung II (§ 10a Abs. 7 StbG) und umfasst die nach der Verordnung der jeweiligen Landesregierung festgelegten Themenbereiche. Prüfungsbogen, Prüfungsfragen und Prüfungsart § 3. (1) Der Prüfungsbogen hat insgesamt 18 Fragen zu umfassen, wobei aus jedem Prüfungsgebiet (§ 2 Abs. 1) sechs Prüfungsfragen mit jeweils vier vorgege-

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Anhang  benen Antwortmöglichkeiten, von denen jedenfalls eine, höchstens jedoch drei richtig sind, zusammenzustellen sind. (2) Die Prüfungsfragen und -antworten sind so zu formulieren, dass vom Prüfungsteilnehmer unter den vier vorgegebenen Antwortmöglichkeiten die jeweils richtige Antwort oder die jeweils richtigen Antworten erkannt werden müssen. Hat der Prüfungsteilnehmer die Prüfungsfrage vollständig richtig beantwortet, erhält er dafür einen Punkt, bei nur teilweise richtiger Beantwortung im Falle mehrfacher richtiger Antwortmöglichkeiten, erhält er die entsprechenden Teilpunkte. Hat der Prüfungsteilnehmer eine falsche Antwort ausgewählt, wird die Prüfungsfrage mit null Punkten bewertet. (3) Um die selbständige Beantwortung der Fragen durch die einzelnen Prüfungsteilnehmer zu gewährleisten, können für den jeweiligen Prüfungstermin auch mehrere unterschiedliche Prüfungsbögen verwendet werden. (4) Bei der Zusammenstellung der Prüfungsfragen ist darauf Bedacht zu nehmen, dass den Prüfungsteilnehmern für die Beantwortung ein Zeitraum von zwei Stunden zur Verfügung steht (§ 4 Abs. 2). Durchführung der Prüfung § 4. (1) Für die Durchführung der Prüfung sind die geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die Prüfungen sind nicht öffentlich. (2) Die Dauer der Prüfung hat zwei Stunden zu betragen. (3) Jeder Prüfungsteilnehmer hat die Prüfungsfragen selbständig und ohne Verwendung von Hilfsmitteln zu beantworten. (4) Aufsichtsorgane in der erforderlichen Zahl haben für den geordneten Ablauf der Prüfung zu sorgen. Das leitende Aufsichtsorgan hat ein Prüfungsprotokoll zu führen, in das der Ort und die Zeit der Prüfung, die Namen der Aufsichtsorgane, die Namen der Prüfungsteilnehmer, die gestellten Prüfungsfragen, die Anzahl der abgegebenen oder bei automationsunterstützter Beantwortung, die Anzahl der übermittelten Prüfungsbögen sowie allfällige besondere Vorkommnisse aufzunehmen sind. (5) Die Prüfungsbögen sind spätestens nach Ablauf der Prüfungsdauer (Abs. 2) an die Aufsichtsorgane zu übergeben oder bei automationsunterstützter Beantwortung an diese zu übermitteln. (6) Die Beantwortung der Prüfungsfragen durch den Prüfungsteilnehmer mit fremder Hilfe oder unter Verwendung von Hilfsmitteln sowie eine verspätete Abgabe oder Übermittlung des Prüfungsbogens sind im Prüfungsprotokoll zu vermerken. Beurteilung und Prüfungszeugnis § 5. (1) Die abgegebenen Prüfungsarbeiten sind ohne unnötige Verzögerung zu korrigieren und mit „Bestanden“ oder „Nicht bestanden“ zu beurteilen. (2) Mit „Bestanden“ sind alle Prüfungsarbeiten zu beurteilen, die 1. in jedem Prüfungsgebiet (§ 2 Abs. 1) zumindest die Hälfte der vorgesehenen Punkte oder 2. in Summe zumindest zwei Drittel der zu erreichenden Punkteanzahl

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Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung

aufweisen. Alle übrigen Prüfungsarbeiten einschließlich derer, die mit fremder Hilfe oder unter Verwendung von Hilfsmitteln angefertigt worden sind, und jener, die verspätet abgegeben worden sind, sind mit „Nicht bestanden“ zu beurteilen. (3) Den Prüfungsteilnehmern, deren Prüfungsarbeiten mit „Bestanden“ beurteilt worden sind, ist jeweils ein dem Muster der Anlage B entsprechendes Prüfungszeugnis auszustellen und zu übermitteln. Prüfungsteilnehmer, deren Prüfungsarbeiten mit „Nicht bestanden“ beurteilt worden sind, sind darüber in Kenntnis zu setzen und auf die Möglichkeit von Wiederholungsprüfungen (§ 6) hinzuweisen. Wiederholungsprüfungen § 6. (1) Prüfungen, die mit „Nicht bestanden“ beurteilt worden sind, können beliebig oft wiederholt werden. (2) Die Landesregierung hat den Termin der Wiederholungsprüfung im Einvernehmen mit dem Staatsbürgerschaftswerber festzulegen und ihm den Ort der Prüfung bekannt zu geben. (3) Für die Durchführung von Wiederholungsprüfungen gelten die §§ 2 bis 5 sinngemäß. (4) Der Ablauf der Frist gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, zur Entscheidung über die Verleihung der Staatsbürgerschaft wird durch nicht bestandene Prüfungen und Wiederholungsprüfungen gemäß Abs. 1 nicht gehemmt. Sprachliche Gleichbehandlung § 7. Soweit in dieser Verordnung auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung der Bezeichnung auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden. Übergangsbestimmungen § 8. Prüfungen, die zwischen dem 1. September und dem 31. Oktober 2013 mit „Nicht bestanden“ beurteilt worden sind, können bis zum 31. Dezember 2013 nach den Bestimmungen der Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 138/2006 wiederholt werden. Darüber hinaus bleibt die Möglichkeit zur Ablegung von Wiederholungsprüfungen gemäß § 6 in der Fassung BGBl. II Nr. 260/2013 unberührt. Inkrafttreten § 9. Die §§ 2 Abs. 1 Z 1, 3 Abs.1 und 2, 4 Abs. 4 bis 6, 5 Abs. 2 Z 2 und der Schlusssatz, § 6 Abs. 1 und 1a sowie § 8 in der Fassung BGBl. II Nr. 260/2013 treten mit 1. November 2013 in Kraft. § 6 Abs. 1a in der Fassung BGBl. II Nr. 260/2013 tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2013 außer Kraft. § 6 Abs. 4 in der Fassung BGBl. II Nr. 260/2013 tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

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Anhang  Anlage A Prüfungsstoffabgrenzung I nach § 10a Abs. 6 StbG Vorwort Die Prüfungsstoffabgrenzung I dient als Leitfaden für die inhaltliche und methodische Vermittlung der Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung und der sich daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie der Geschichte Österreichs. Sie hat sich inhaltlich am Niveau des Lehrplanes der 4. Klasse Hauptschule für den Unterrichtsgegenstand „Geschichte und Sozialkunde“ zu orientieren. Das erworbene Wissen des Staatsbürgerschaftswerbers soll jedoch keinen Abschluss einer Schulausbildung im genannten Unterrichtsfach im herkömmlichen Sinn ersetzen, sondern dazu beitragen, dem Staatsbürgerschaftswerber die politischen und staatlichen Institutionen, die Rechte und Pflichten der Staatsbürger als Grundlagen für ein gedeihliches und geordnetes Zusammenleben sowie die Grundzüge der Geschichte Österreichs näher zu bringen. Die Ablegung der Prüfung dient im Hinblick auf den erfolgreichen Abschluss seiner Integration in Österreich vor allem dazu, festzustellen, ob sich der Staatsbürgerschaftswerber mit den genannten Themenbereichen ausreichend auseinandergesetzt und sich das zugrundeliegende Wissen angeeignet hat. Bei der Prüfung ist dem Staatsbürgerschaftswerber die Gelegenheit zu geben, seine erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten über die betreffenden Themenbereiche nachzuweisen. A. Prüfungsgebiet 1 Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung der Republik Österreich und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien Themenbereiche: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

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Die Menschenwürde Österreich als liberaler Staat Österreich als Rechtsstaat Österreich als Demokratie Österreich als Republik Österreich als Bundesstaat Gewaltenteilung in Österreich Österreich als Mitglied der Europäischen Union



Staatsbürgerschaftsprüfungs-Verordnung B. Prüfungsgebiet 2 Grundkenntnisse über die Geschichte Österreichs

Themenbereiche: 1. Frühe Siedler 2. Die Herrschaft der Habsburger und die Auswirkungen auf das heutige Österreich 3. Umbrüche im 19. Jahrhundert 4. Der Aufstieg der Nationalstaaten und das Ende der Habsburger-Monarchie 5. 1918-1938: das Ende der Monarchie, die Erste Republik und der Ständestaat 6. Der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg 7. Die Zweite Republik: ein Neuanfang 8. Das Moderne Österreich 9. Aufbruch nach Europa

C. Methodische und didaktische Grundsätze Bei den genannten Themenbereichen handelt es sich um sehr umfangreiche Wissensgebiete, sodass im Hinblick auf den Zweck der Prüfung bei der Zusammenstellung der Prüfungsfragen ausschließlich auf den Erwerb von Grundkenntnissen Rücksicht zu nehmen ist. Der Staatsbürgerschaftswerber soll lediglich über einen Überblick über die demokratische Ordnung und die sich daraus ableitbaren Grundprinzipien sowie die Geschichte Österreichs verfügen. Der inhaltliche Schwerpunkt wäre hier auf die Zweite Republik, das bestehende politische System, die außenpolitische Orientierung Österreichs und die Möglichkeit der politischen Mitbestimmung und Mitverantwortung des einzelnen Staatsbürgers zu legen. Darüber hinaus sollte der Staatsbürgerschaftswerber einen Überblick über die Europäische Integration, insbesondere über die Mitgliedschaft Österreichs in der Europäischen Union, und die Grundwerte eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft erhalten.

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Anhang  Anlage B

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Staatsbürgerschaftsrechts-Übergangsrechts-Verordnung

Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 31. Juli 1985 zur Durchführung des Art. I des StaatsbürgerschaftsÜbergangsrechts 1985 StF: BGBl Nr 330/1985 Präambel/Promulgationsklausel Auf Grund des Art. I des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985, BGBl. Nr. 311, wird verordnet: § 1. (1) Der Bescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Erklärung (Art. I § 1 Abs. 4 des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985) ist nach dem Muster der Anlage auszufertigen. (2) Für die Ausfertigung des Bescheides darf nur ein von der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellter Vordruck verwendet werden. Die Vordruckexemplare sind von den ausstellenden Behörden streng zu verrechnen. § 2. Die Evidenzstelle hat festzuhalten, daß die verzeichnete Person die Staatsbürgerschaft auf Grund des Art. I des Staatsbürgerschafts-Übergangsrechts 1985 erworben hat. Weiters sind anzumerken: die Landesregierung, welche den Bescheid über den Erwerb der Staatsbürgerschaft erlassen hat, sowie das Datum und die Geschäftszahl des Bescheides; der Tag des Staatsbürgerschaftserwerbes. § 3. (1) Die Verordnung des Bundesministers für Inneres vom 2. August 1983 zur Durchführung des Artikels II der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1983, BGBl. Nr. 433, tritt außer Kraft. (2) Restbestände an Drucksorten, die auf Grund der aufgehobenen Verordnung angefertigt wurden, können weiterverwendet werden, wenn sie durch Änderung des Textes dem Muster der Anlage der geltenden Verordnung angepaßt werden; hiebei ist auf Schriftbeständigkeit Bedacht zu nehmen.

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Anhang  Anlage

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Bestätigungsverordnung

Verordnung der Bundesregierung über das Verfahren zur Erlangung einer Bestätigung gemäß § 10 Abs. 6 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 StF: BGBl II Nr 39/2014 Auf Grund des § 10 Abs. 7 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 136/2013 und die Kundmachung BGBl. I Nr. 188/2013, wird verordnet: Vorlagepflicht § 1. (1) Die Landesregierung hat in einem Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 6 StbG zum Zweck der Einholung einer Bestätigung der Bundesregierung den Verwaltungsakt in Abschrift, geordnet und unter Anschluss eines Aktenverzeichnisses, ehestmöglich dem Bundesminister für Inneres vorzulegen. (2) Die Vorlage des Verwaltungsaktes hat nur dann zu erfolgen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 bis 6 und 8 sowie Abs. 2 StbG vorliegen und die entscheidungsrelevanten Umstände erhoben worden sind. Einholung von Stellungnahmen § 2. (1) Der Bundesminister für Inneres hat eine Abschrift des begründeten Antrages des Fremden auf Verleihung der Staatsbürgerschaft samt den dazugehörigen Nachweisen zur Beurteilung, ob die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt, an den zuständigen Bundesminister oder gegebenenfalls an die zuständigen Bundesminister weiterzuleiten. (2) Ergibt sich aus dem Verwaltungsakt eine Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres, so hat dieser die Beurteilung gemäß Abs. 1 selbst vorzunehmen. (3) Verfügt ein Fremder, der einen Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 6 StbG gestellt hat, über keinen Hauptwohnsitz in Österreich, so sind die Aktenteile gemäß Abs. 1 durch das Bundesministerium für Inneres auch an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres zur Beurteilung gemäß Abs. 1 weiterzuleiten. (4) Die mit der Beurteilung befassten Bundesminister haben für den jeweiligen Einzelfall eine begründete Stellungnahme zu verfassen und diese dem Bundesminister für Inneres zu übermitteln. Die Stellungnahme hat die wesentlichen Gründe der Beurteilung darzulegen, insbesondere im Hinblick auf die vorgenommene Wertung der bereits vom Fremden erbrachten und noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen und die Gründe, weshalb eine Verleihung der Staatsbürgerschaft im besonderen Interesse der Republik liegt. Des Weiteren muss aus der Stellungnahme ersichtlich sein, ob der jeweilige Bundesminister die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Fremden befürwortet oder nicht. Besteht weiterer Abklärungsbedarf kann der Bundesminister für Inneres den be-

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Anhang  reits befassten Bundesminister neuerlich oder einen weiteren Bundesminister befassen. (5) Die mit der Beurteilung befassten Bundesminister können zur Meinungsbildung zu jedem Einzelfall auch fachliche Expertisen von Sachverständigen im jeweiligen Themenfeld einholen. Aufbereitung der Verwaltungsakten § 3. Der Bundesminister für Inneres bereitet den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der eingelangten Stellungnahmen gemäß § 2 Abs. 4 beschlussreif auf und erstellt für die Beschlussfassung der Bundesregierung eine entsprechend begründete Empfehlung. Entscheidung der Bundesregierung § 4. Die Bundesregierung entscheidet regelmäßig, jedenfalls einmal im Kalenderhalbjahr über die Erteilung oder die Nichterteilung einer Bestätigung gemäß § 10 Abs. 6 StbG in den gemäß § 3 beschlussreif aufbereiteten Einzelfällen. Übermittlungen der Entscheidungen §   5 .   (1) Die Entscheidung der Bundesregierung über die Erteilung oder die Nichterteilung einer Bestätigung ist vom Bundesminister für Inneres unverzüglich der jeweiligen Landesregierung zu übermitteln. (2) Die jeweilige Landesregierung hat eine Abschrift der verfahrenserledigenden Entscheidung an den Bundesminister für Inneres zu übermitteln. Sprachliche Gleichbehandlung § 6. Soweit in dieser Verordnung auf natürliche Personen bezogene Bezeichnungen in männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich auf Frauen und Männer in gleicher Weise. Bei der Anwendung der Bezeichnung auf bestimmte natürliche Personen ist die jeweils geschlechtsspezifische Form zu verwenden. Inkrafttreten § 7. Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft. Faymann Spindelegger Hundstorfer Kurz Stöger Mikl-Leitner Brandstetter Rupprechter Klug Heinisch-Hosek Ostermayer Bures Mitterlehner Karmasin

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814

Sachverzeichnis In Fettdruck gehaltene Markierungen beziehen sich auf den verwiesenen Paragrafen bzw der Großbuchstabe E auf die Einleitung, in Normaldruck gehaltene Markierungen beziehen sich auf die jeweilige Randzahl des verwiesenen Paragrafen. Die bloße Nennung von Paragrafenzahlen verweist auf den Gesetzestext oder die Erläuternden Bemerkungen. A A2-Niveau 10a 28; 11 18 ABGB E 24; 5 13; 7 10, 16; 7a 12; 8 6; 10a 21; 11a 17; 22 10; 53 8; 59 3 Abfahrtsgelder 20 41 Ableben 7 29 f; 7a; 47 6 Abstammung 6 3; 7; 57 1 Abstammung, Begriff 7 1, 32 Abstammungsprinzip E 27; 7 31 Adoption 7 32; 11b 1, 6, 8 f; 12 48; 25 10; 60 1, 4 – unter 14-Jähriger 11b 1, 6 Adoptivkinder 11b 1 Akteneinsicht, Recht auf 10a 54 Aktenvermerk 22 23 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte E 16 allgemeinen Voraussetzungen 10 Allgemeinwohl 11, 19; 11a, 26, 52, 56 Altersdiagnose 5, 3 Altösterreicher E 33; 11a 5, 29 Altverfahren 10 151, 156 f Amtshilfe 5 23; 22 21; 39a 27; 44 19; 53 2; 56c 2 Amtsparteien 42 19 Amtssignatur 44, 8, 20 Analogie 7a 19, 23; 10a 43; 11a 31; 42 3, 8

Analphabeten 10a 19 Änderung 4 11 Anmerkungsumstände, Evidenzstelle 52 3 Annahme an Kindes statt 6 4; 10 221; 11b; 12 49 Anordnung zur Außerlandesbringung 10 216, 244, 248; 15 10 f Anstalt 15 4, 32, 35 ff Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher 15 4 Anstalt für gefährliche Rückfalls­ täter 15 4 Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher 15 4 Anstalt zum Vollzug von Freiheitsstrafen 15 4 Antragsformulare 19, 21, 41 Antragsteller 19 Antragstellung, persönliche 19 9, 19 Anwesenheit im Bundesgebiet 15 41, 45, 54 Anzeige 6 10; 57 1; 58c 1; 59 1; 64a Arbeitslosengeld 10 107, 141 Arbeitsmarktservice 39a Arbeits- und Sozialtourismus E 20 Art 6 EMRK 10 158 ASVG 11a Asyl 10 23, 26, 43, 55, 63, 68 ff, 75 ff 815

Sachverzeichnis

Asylberechtigter 10 29, 47; 11a, 9, 22, 43; 42 8 AsylG 2005 5 21; 11 25; 11a 15, 22, 43 Asylverfahren 10 31, 44, 46, 65, 69, 72 – Einstellung 15 4, 67 ff Asylwerber 10 30 f, 43, 51, 55; 12 24; 15; 16 67 f Aufenthalt 9 2, 6 ff, 14 ff; 10 4 f, 7 ff, 12, 15 ff, 19 f, 26 f, 30 f, 38, 41, 43 ff, 48, 50 ff, 57 ff, 61 ff, 66, 70, 73 f, 78 f, 81 ff, 89, 98, 196, 269; 11a 11, 31; 36 1; 41 13 – rechtmäßiger 10 4, 10, 17, 26 f, 51, 59, 63, 79 – rechtmäßiger und ununterbrochener 12 12, 27, 29; 15 1, 8, 24, 41, 45 Aufenthaltsbeendigung 10 216, 218, 241 f, 246 f, 251, 253 Aufenthaltsbewilligung 10 37, 48, 51 Aufenthaltsdauer 10 8, 29, 59, 175; 11a 10 Aufenthaltstitel 10 22 f, 25, 35, 39, 41 ff, 63, 67 f, 70 ff, 76 ff, 101; 11a 12, 23 Aufenthaltsverbot 10 52, 217, 245, 250 f, 253; 15 4, 8, 10, 13 f, 16, 20 ff, 26 ff, 37 Aufenthaltsverfestigung 10 218 Aufwendungen, regelmäßige 10 115, 117, 120, 130 Aufsichtsbehörde 41 19 Ausbürgerung 3 1 Ausgleichszulage 10 106, 120 Aushändigung 23 6 Auskunftspflicht, allgemeine 56 1 Ausland 10 86, 89, 161, 274 f, 280; 11b 11, 13; 12 52, 54, 65 Ausländer 2 8 ausländische Verurteilungen 10 161, 163 816

Auslandsaufenthalt 10 12; 15 4, 39, 44, 46, 52, 54, 63; 22 9 Auslandsösterreicher 12 52 AuslBG 10 42 f, 228, 236 Auslegungsregeln 2 3 Ausscheiden 10 258, 262 f, 269 Ausscheidenachweispflicht 20 4 Auswanderung E 24 Auswanderungspatent von 1832 E 24; 20 13 Ausweispapiere 63 außerordentlicher Leistungen 34 2 AußStrG 7a 16 Ausweisung 10 74, 245, 248, 251, 253; 15 10 AVG 11 5; 11a 5, 33, 54; 19 6, 37; 20 25; 22 11, 15; 23 5, 14, 19; 40 3; 41 9; 42 14; 44 3, 9; 48 9; 56b 2; 63 4; 63c 17 B B1-Niveau 10a 3, 10; 11a 50, 52 B2-Niveau 11a, 50 Babyklappe 7 15; 8 5 Bagatelldelikt 10 159 Bauschbeträge 48, 4 Beeinträchtigung der internationalen Beziehungen 10 205, 208 Begriffsbestimmungen 2 1 Behandlung, erkennungsdienstliche 39a, 7 Behinderung 10 148 ff Beibehaltung 28 1; 29 1; 34 1 Belehrung 35 1; 57 8 Berichtigungsbescheid 23 18 Berufskonsulat Siehe Konsulat Berufsvertretungsbehörden 39a Bescheid, Verleihung 23 Bescheidcharakter 10a 12; 20 4; 53 4 Bescheiderlassung 10 3, 11, 13, 169, 180 Bescheidmuster Siehe Muster



Bescheidqualität 44 12; 46 9; 63 6 Bescheinigung 20 24 f; 43 2; 44 12 Bescheinigungsmittel, gleichwertige 5 Beschwerdelegitimation 42 18 Bestätigung 30 1; 41 9, 17; 43, 2, 5; 44 13 Bestätigung als Auszug 44 12 Bestätigung auf Antrag 43 9 Bestätigung von Amts wegen 43 11 Bestätigungsverbot 43 13 Bestätigungsverordnung 10 279, 282 Betreiber, DSG 56a 11 Bettler E 27 Bevölkerungsentwicklung E 1 Beweis des Gegenteils 8, 8; 61 1 Beweiskraft 5 12; 44 20; 20 24; 43 5; 44 4, 20 Beweislast 10a 22, 29, 39; 19 13; 20 22, 40 Beweismittel 10a 12; 11a 35; 19, 13; 20 22; 22 23; 44 4 Beweismittel, Verwertung rechtswidrig erlangter 19 14; 39a 2 Beweiswürdigung 5, 6, 33, 35; 6 35; 8 9; 10a 9; 19 36, 38; 22 25; 39a 23; 43 6 Bezirksverwaltungsbehörde 22, 24; 41 1; 53 11; 55; 61 1 Bindungswirkung, Amtshilfe 22 22 Bindungswirkung, Bescheid 10a 11; 42 12 Bindungswirkung, Mitteilung 53 1 Bindungswirkung, Stellungnahme 39a 27 Bindungswirkung, Urteil 7 25 Bleiberecht 10 32, 66, 68, 75 Blutsverwandtschaft 7 1 BMEIA 66 BMF 66 BMI 10 272 f, 279 ff; 10a, 37, 53; 19, 41; 39a, 29; 42, 16; 44; 46; 56a; 56b; 56c; 62; 64a; 66

Sachverzeichnis

BMJ 53 Bosnien E 6 Brünner Vertrag E 33; 8 1; 56a 1 Bundesabgabenordnung 11a, 57 Bundesbürger E 34 Bundesbürger, heimatlose E 36 Bundesbürgerschaft 1 5 Bundesgebiet 10 4, 10, 12, 16 f, 29, 35, 39, 41, 43, 57, 59, 76, 91, 269; 11a 24, 46; 12 3, 12, 14, 18, 24, 27, 29, 38, 44 Bundesheer 37 6 Bundeshymne, Absingen der 21 Bundesminister für Inneres 10 279 Bundespräsident 7a 9, 16 Bundesregierung 10 267 ff, 279, 282 f; 11a 44; 43 3; 66 Bundesrepublik Deutschland 63 8 Bundesstaat 1 4 Bundesverfassung von 1920 E 34 Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz 25 5 Bundesvolk 1 11 Bürgerkarte 44, 6, 16; 56a 8 BVG gegen alle Formen rassischer Diskriminierung 10a 20 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit 39a 23 BVG über die Rechte von Kindern 7a 14 C Canaltaler E 44; 2 6; 20 13 Charta der Grundrechte der Europäischen Union 5 10 Codex Theresianus E 22 D Dänemark 63 8 Daten, biometrische 39a 3 Daten, personenbezogene 39a, 4; 56 4 Daten, sensible 39a 6 817

Sachverzeichnis

Datenfernverkehr 44, 15; 56c Datenlöschung 56b 10 Datenrichtigkeit 56c 2 Datenschutzbehörde 56a 10 Datenschutzbehörde, Beschwerde an 39a 2 Datenschutzkommission 44 17 Datensicherheitsmaßnahmen 56c 3 Datenspeicherung 39a 16 Datenüberlassung 39a 11 Datenübermittlung 39a 11 Datenupdate 56b 9 Datenverarbeitung 56b 3 Datenverwendung 39a 16; 56b 8 Datenweiterleitung 41 20 Datenweiterverarbeitung 56b 4 Daueraufenthalt 10 27 f, 42, 45, 47, 73, 79 Daueraufenthalt – EU 59 10 Derogation 1 3 Deutschkenntnisse 10 269 f; 10a, 7, 29, 49; 11a, 29; 16 16; 17 12 Deutschnote, positive 10a 46 Deutschösterreich E 32 Dezemberverfassung von 1867 E 28 Dienst 33 1 Dienstleister, DSG 56a 12 Dienstverhältnis, inländische Gebietskörperschaft 11a Dienstverhältnis, inländische Körperschaft öffentlichen Rechts 11a Diplomatenstatus 9 8 Diskriminierungsverbot 10a 10, 20 DNA-Analyse 5, 12, 28; 7 15; 19 31; 39a 9 Dokumentation 10 19, 42 Dolmetscher 22 15 Doppelbestrafungsverbot 56 1; 64 4; 64a 4 Doppelstaatsbürgerschaft 7 9, 32; 7a 4; 20 3, 18, 44; 25 6; 30 2 Drittstaatsangehörige 10 42, 76, 221, 238, 245 818

DSG 19 14; 39a 3; 56a, 9; 56b 2; 56c 1 Dualismus E 30 E E-GovG 44 17 Ehe 10 102, 221; 13 1, 3, 6, 8, 11 f, 16 ff – Auflösung 13 20, 22 Ehebruchskinder 7a 6, 8 EheG 11a 19, 30; 25 12; 53 5 Ehegatte 11a; 13 12 f, 15 ff, 22; 16 16 – Tod 13 20 Ehegattenrichtsatz 10 127, 132 f Ehegattenstaatsbürgerschaft 11a 28 Eheleben, gemeinsames 4 9 Ehelicherklärung 7a Eheschließung 7a, 21; 13 1 f, 4 ff, 10, 12 ff; 59 3 Eigenberechtigung 12 3, 42, 44; 19 5; 21 6; 23 11 Einbürgerungen E 1 f Einbürgerungsrate E 2 eingetragene Partner 13 8; 16 16 Einkommensverhältnisse 10 270 Einkünfte 10 96, 99 ff, 108, 113, 115, 117 f, 120 f, 123, 125, 130, 134 f, 137, 139, 141, 143, 145 ff, 155 f Einreiseverbot 10 215 ff, 248, 251, 253; 15 10 f, 29 Einziehung, Personalpapiere 63 4 Enkelkinder 18 12 Entscheidung, gebundene 11 26 Entscheidungspflicht, Verletzung der 39 12 Entscheidungszeitpunkt 10a 47; 11 16 Entschließung über Maßnahmen zur Bekämpfung von Scheinehen 53 5 Entziehung 10 88, 90, 265; 10a 42; 11a; 12 2, 5, 13, 44; 32 2; 33 1; 35 2 f



Entziehungstatbestand 34 1 EPG 60 2 erga-omnes-Wirkung 7 24 Erkundigungspflicht, DSG 56a 14 Ermessen 5 33; 7a 8 f; 10 6, 97, 160, 165, 171; 10a 9, 32; 11 1, 5, 24; 11a 10, 27, 40; 20 8, 27; 39a 3; 43 11; 44 3; 46 7; 60 5; 61 5 Ermessensentscheidung 10 218, 269 Ermessensprüfung 10 269 Ermessensübung 4 5 Ermittlungspflicht 4 14 Erschleichung 11a 36; 36 3; 59 6 Erstreckung 18 2; 20 43; 29 1 – Unmöglichkeit 12 3, 45 Erstreckung der Verleihung 12 3, 9, 45 f, 55, 58 Erstreckungsverfahren 18 2 Erstreckungswerber 10 1 Erwerbstätigkeit 10 42 f, 101, 103, 131, 133, 139, 141, 143, 145 Erwerbszeitpunkt, Staatsbürgerschaft 23 16; 41 Europäisches Übereinkommen über die Adoption von Kindern 7 32 Europäisches Übereinkommen über die Legitimation durch nachfolgende Ehe 7a 6 Europäisches Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit E 16; 20 11; 24 2 Europarat-Konvention über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit und Militärdienstverpflichtung in Fällen mehrfacher Staatsangehörigkeit E 47 Eventualantrag 19 39 Evidenzstelle 7a, 23; 39; 41, 15; 43 10; 49, 5; 51; 52; 53; 55; 56a 2; 56b; 56c; 64a Siehe auch Staatsbürgerschaftsevidenz

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Evidenzstelle, Pflichten der 51 8 EWR-Bürger 10 20 f, 27, 39, 42, 245; 10a 36; 11a 9 F Fahrlässigkeit 10 225 familiäre Verhältnisse 4 4, 9 ff Familienbeihilfe 10 108, 110, 131, 137, 139, 141, 143, 145 Familienstand 4 1, 5 Feststellung der Ehelichkeit oder Unehelichkeit eines Kindes 53 7 Feststellung der Nichtabstammung vom Ehemann der Mutter 7 17 Feststellungsbescheid 3 3; 8 8; 10a 11; 42, 6; 44 4; 51; 57 3; 58c 3; 59 3 Fiktion 7 28; 8 12; 10a 38; 11a 24, 42, 46, 49 Finanzvergehen 10 164 Findelkinder 7 15; 8 4 Flaggenprinzip 11a 49 Flüchtlinge 20 5, 16, 39 FMedG 7 13 Fortpflanzung, medizinisch unterstützte 7 8, 10, 18; 7a 19 Fotokopie 46 4 Französische Revolution E 21; 7 34 Frau 4 1, 2 freie Station 10 115 Freiheitsentziehung 15 Freiheitsstrafe 10 158 ff, 164 f, 205, 221, 231, 233 ff, 237 ff; 64 Fremdkindadoption 7a 19 Freizügigkeit 10 21, 39 Fremder, Begriff 2 8 Frist 20 4, 23; 48 7 Führerschein Siehe Lichtbildausweis, amtlicher F-VG 48 6 G Gebietskörperschaften 39a 11 Gebührenbefreiung 7 9; 7a 5 819

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Geburt, anonyme 8 5 Geburt in Österreich 14 10 Geburt, Zufall der 7 33 Geburtenbuch 49 6 Geburtsdatum 5 17; 39a 5; 41 Geburtenregister 49 6 Geburtsgemeinde 49 Geburtsort 49 7 Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit 10 168 Gegenstandslosigkeit 15 31 Geheimhaltungsinteresse, Daten 39a 18 Geisteskranke 10a 21; 21 8 Geistesschwache 10a 21 Geldstrafe 10 159, 165, 175, 184, 221, 231, 233 ff, 236 ff Gelöbnis 21, 4; 22; 23 Gelöbnis, Ausnahmen 22 17 Gemeinde 41, 11; 43 10; 47; 48; 49; 50; 53; 55; 56; 56a; 62 Gemeinde Wien 49 Gemeindegesetz 1849, provisorisches E 27 Gemeinden, Versorgung ihrer Armen E 27 Gemeindeordnungen 41 19; 48 6; 56a 1 Gemeindeverband 41, 11; 43 10; 47, 6; 48; 49; 53; 55; 56; 62 Gemeindezusammenlegungen 50 3 Gemeinnützigkeit 11a 56 f Geringfügigkeitsgrenze 11a, 58 Gesamtänderung der Bundesverfassung 1 3 Gesamtverhalten 10 170, 195, 202, 215; 11, 8 Geschäftsfähigkeit 10a 16 Geschichte und Sozialkunde 10a Geschlecht 4 1, 5 Gesetzesbegriff, unbestimmter 11a 26 Gesundheitszustand 10a 23, 39 820

Glaubhaftmachung 20 38, 41; 43 3, 6 Gleichbehandlung, sprachliche 63a Gleichheitsgrundsatz 7 32; 7a 1, 19; 10a 20, 43; 11a 31, 38, 40; 20 7; 25 10; 42 11, 13; 56a 6; 56b 6; 60 1, 4; 63a 4; 64a 1, 4, 16 GrekoG 10 228 Großbritannien 7 35 Gruppierung, terroristische 10 256 Gründe, berücksichtigungswürdigende 28 1 Grundbuchgericht 44 4 Grundkenntnisse der demokratischen Ordnung 10a Grundrecht auf Datenschutz 39a 1; 56a 4 Grundsatz der einheitlichen Staatsbürgerschaft 1 6 Grundsatz der Familieneinheit 7 3 Grundsatz der Gleichstellung von Mann und Frau 7 3 Grundsatz der Mündlichkeit 22 3, 13 Grundsatz der Schriftlichkeit 23 14 Grundsatz der staatsbürgerschaftsrechtlichen Selbständigkeit 7 3 Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel 19 15 Grundsatz der Vermeidung der Staatenlosigkeit 7 3, 38 Grundsatz der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeit 73 Grundwerte 11a 29 Günstigkeitsprinzip 7a 6 Gutachten, (amts)ärztliches 10 149; 10a, 26 H Haager Kinderschutzübereinkommen 1996 7a 11 Handlungsfähigkeit 7a 9; 10a 14, 25; 19; 21 8



Handlungsunfähigkeit 7a 22; 10a 18, 41; 19 10; 21 8 Händereichen 11 16 Härtefälle 64a 16 Hauptwohnsitz 1 9, 4 4 f, 9, 23; 10 7, 15 ff, 83, 86, 91 f, 281; 10a 42; 11a, 20; 12 3, 12, 14, 16, 27, 38; 14 1, 13 ff; 22, 5; 37 1, 9; 39; 41, 14; 63 7 Hauptwohnsitzgesetz 22 2 Hauptwohnsitzmeldung 15 59 Hausgeburten 49 8 Haushalt, gemeinsamer 4 12; 10 102 f, 110, 115, 126; 11a 16 Haushalt, getrennter 11a 16 Haushaltseinkommen 10 102 ff, 109 f, 126 Haushaltsrichtsatz 10 102, 126, 132 Heirat 13 12 Heiratsurkunde 24 12 Heimatlose 20 12 Heimatmatriken 49 1; 62 Heimatrecht E 27 Heimatrechtsgesetz 1863 E 27 Heimatrechtsnovelle 1925 E 36 Heimatrechtsnovelle 1928 62, 3 Heimatrollen 49 1 Heimatschein E 27 Heimatscheinverzeichnisse 62 Heimatstaat 19 3, 30; 20, 9, 16 Herkunftsstaat 39a 25 Herzegowina E 6 Hindernisse, unüberwindliche 7a Hochschulprofessor 25 1 Hofkanzleidekret(e) E 26; 11 1; 21 1; 22 1 Homogenitätsprinzip 1 9 I Identitätsdaten 5 15 Identitätsfeststellung 5 15 Identitätsmerkmale 5 15 in dubio pro minore 5 8

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Informationsverbundsystem 56a, 9 In-Kraft-Treten 3 4; 64a Insemination 7 18 Integration 11 2, 13, 25; 11a 43 Integration, nachhaltige persönliche und berufliche 12 3, 12, 30, 35, 38 ff Integrationsvereinbarung 10a 9, 34, 49; 64a Interesse, rechtliches 42 7, 14; 43, 13 Interessen (besondere) der Republik 10 85, 208, 267, 271 f, 278, 281 f; 28 1 Interessen, öffentliche 11, 21; 11a 31, 44; 42, 8 f, 19; 43, 12 Interessenabwägung 11 24; 39a 18 Interessensverband 11a 56 Interpretationsmaxime 11 4 IPRG 3 5; 7 9, 13, 21; 7a 6, 9, 21; 21 7 Irreführungsabsicht 11a 36; 24 10 ius sanguinis 7 2, 32 ius soli 7 9, 33, 38 J Jahre 10 83; 12 3, 12, 15, 19, 22 ff, 38, 41 – fünf 10 5, 35 ff, 40, 180 – sechs 10 20, 51 – zehn 10 8, 15, 35, 37, 81, 88 JN 48 6 Josephinische Gesetzbuch E 22 Juden E 45 Jugendstraftat 10 158 K Kampfhandlungen 33 4 Kind 11b 8; 12 26, 47, 59, 61; 17 12; 18 2 Kinderabsetzbetrag 10 108 Kinder, Ausland geboren 7 Kinderbetreuungsgeld 10 109 821

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Kinder, eheliche 7 7 Kinder, uneheliche 7 7 Kinderfürsorge 11a 57 Kindeswohl 7 13, 38; 7a 9, 14; 28 1, 11 Kindschafts- und NamensrechtsÄnderungsgesetz 2013 7a 4; 53 8, 12; 60 5 Kollisionskurator 19 10 Kompetenztatbestand, Staatsbürgerschaft E 13; 39 3; 56a 1 – Gegenstand E 15 Konskriptionspatent E 22 Konsulat 40 3; 41 3, 12; 43 10; 56b Kostenersatz 48, 3 Krankenanstalten, Leiter der 56 Krankenhausaufenthalt 11a 16 Krankheit 10 148, 149, 150 L Landesbürger E 34 Landesbürgerschaft 1 3, 5, 9; 20 1; 23 1 Landeshauptmann 10 247 Landesregierung 10a 37, 51; 20 33; 22 24; 24 7; 39; 39a 3; 41, 18; 48; 53; 55; 56b; 63, 5; 66 Landesverfassungen 1 8 Landesverwaltungsgerichte 39 10; 39a 2 Landtagswahlordnungen 1 13 Lebensgemeinschaft, (eheliche) 7 10; 11a, 30, 37, 47 Lebensumstände, persönliche 19 30 Lebensunterhalt 10 1, 95 ff, 108, 112 ff, 122, 131, 147 ff, 155 f, 259, 269 Legaldefinitionen 2 1 Legalitätsprinzip 11a 26; 44 7; 46 8; 51 3; 56b 7 Legalparteien 42 16 Legitimation 6 3; 7a 2, 16; 12 49; 53; 64a 822

Legitimation durch Ehelicherklärung 7a 7 Legitimation durch Eheschließung 7a 6 Legitimationserstreckung 7a 24 Legitimationskarte 9 3, 6 ff, 14 f, 17 ff, 23; 10 19, 33, 43, 45, 51, 80; 11a 12 Leihmutter 7 8, 11, 13; 49 9 Leistungen, außerordentliche 10a 42; 11a, 44 Leistungen, künstlerische 10 277 Leistungen, sportliche 10 276 Leistungen, wirtschaftliche 10 275 Leistungen, wissenschaftliche 10 274 Lettland E 18 Lichtbild 5 17; 19, 16; 39a 3 Lichtbildausweis, amtlicher 5 17; 9 4 Löschung, Daten 39a 30 Lücke 9 9, 14 f; 10 63 f, 68, 79; 12 21; 15 2, 9 Luftfahrzeug 11a, 46, 49 M Malta E 20 Manuduktionspflicht, behördliche 5 21 Maßnahmen, datenqualitäts­ sichernde 56a 15 Mehrfachstaatsbürgerschaft (Mehrstaater) 7a 6; 10a 14; 21 7; 29 7 Mehrwert, integrationsrelevanter 11a, 25, 52 Meinungsfreiheit 10 205 Meldegesetz 11a 21; 44 18; 56b 5; 64a Meldung 4 23 Mietbeihilfe 10 112 Mietbelastungen 10 115, 119 Migranten 11a 50 Militärdienst 15 64; 32 1; 33 1



Minderjähriger 11b 3, 5, 7, 13, 16; 25 8; 27 8, 10; 32 7 Minderjähriger, mündiger 7a Minderjähriger, unmündiger 10a, 13 Minderjährigkeit, zweifelhaft 5 Mindestaufenthaltsdauer 11a 43 Mindestdauer 10 8, 17 f Mindestsicherung, bedarfsorientierte 10 112 Missbrauchsfälle 11a 47 Missbrauchsgefahr 63 1 Mitteilungspflicht bestimmter Behörden 53 1; 55 2 Mittelpunkt der Lebensinteressen 4 4, 23; 11b 11 f; 12 52 Mitwirkungspflicht 4 13 f, 19, 23 f; 5 19, 25 f; 10a 48; 19 27; 27 6; 39a 3, 22 MRT-Untersuchung 5 7 Multiple-Choice-Test 10a 55; 11 55 Muster 46 1, 9; 61 Mutter 7, 10; 29 5; 59 1; 64a Muttersprache 10a, 34; 21 7 N Nachmachung, Urkunden 46 2 Nachweis des Ausscheidens aus fremdem Staatsverband 20 20 NAG 5 21; 9 2, 5 ff, 15 ff; 10 19 ff, 23, 25, 27, 35, 39 ff, 45 ff, 62 f, 66, 68 ff, 75 ff, 98, 101 f, 111, 115, 119, 221, 228, 239, 245, 247, 252; 10a, 3, 9, 28, 49; 11 29; 11a 29; 19 6, 39; 39a 1; 41; 63 2 Nahebeziehungen 10 211 Namensänderung 53 11 Namensberichtigung 53 11 Nationalsozialismus 10 266 Nationalsozialistengesetz E 40; 1 1 Nationalstaat E 21; 3 1; 20 13 Naturalisation E 23 Nichtigerklärung, Ehe 11a 31; 53 5

Sachverzeichnis

Niederlassung 9 2, 6 ff, 15, 20; 10 8, 21, 27, 35 ff, 39, 41 ff, 45, 47 f, 50, 84 – keine 10 43; 12 23 Niederschrift 22 10; 21 10; 22, 23 Notariatsakt 7 19 Notsituation, unverschuldete 20 7 Notstandshilfe 10 107, 110 NSDAP 10a 42; 11a 42 O öffentliche Interessen 10 168 Offizialmaxime 5 19; 10a 35, 39; 19 13 ordre public 5 13; 7 13, 22; 7a 6 Organisation, gemeinnützige 11a Österreicher, ehemaliger 10 84 ff, 93; 12 27; 13 27 P Papillarlinienabdrücke 5, 14, 17; 39a 3 Parteien, politische 11a 57 Parteiengehör 19 23; 22 26 Parteistellung 19 12; 42, 14 Partnerschaft, eingetragene 7 10; 11a 30, 47; 60, 3 Passfoto 19 18 Patchwork-Familien 60 5; 61 5 Pendlerehe 11a 19 Pensionisten E 20 Pensionsbezüge 10 106 Personalausweis 57 1 Personalpapiere 63 3 Personalpapiere, Einziehung von 63 Personalstatut des Kindes 7 21; 7a 10; 10a 14 Personalstatut des Vaters 7a 9 Personen, besonders gut integrierte 11a 51 Personengruppen, privilegierte 11a 39 823

Sachverzeichnis

Personenkennzeichen, bereichsspezifische 56a, 16; 56c Personenstandsurkunden 51 4 persönliche Lebensumstände 4 4, 11, 15, 17 Pflegegeld 10 111 Pflegschaftsgericht 7a Polis E 21 Polizeianfrage 4 19 Primarschule 10a 13, 44 Privat- und Familienleben 28 12 Prozessfähigkeit 19 10 Prüfungsstoffabgrenzung I 10a Prüfungsstoffabgrenzung II 10a, 51 PStG 2013 7a 21; 8 2, 5; 51 4; 56a 2, 8; 56b 5, 9 Putativösterreicher 13 27, 14 27 Putativstaatsbürgerschaft 57 1 Q QR-Code 56b 2 R Rasterfahndung 56b 6 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens 7 13 Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter 42 8 Recht auf Familiengründung 7 13 Recht auf Leben 7 13 Rechte, politische 1 10 Rechtmäßigkeit 9 14 f, 17 ff; 10 4, 14, 16, 21, 24, 30, 33 f, 50, 60 ff, 74 Rechtsanspruch 10 6, 66, 269; 11a 2; 12 1 f, 8, 12, 23, 25 f, 45 f, 48, 60, 64; 13 1, 11; 14 1, 6, 9; 20 20 Rechtslücke, echte 10a 43 Rechtsmittel 41 18; 42 18 Rechtssicherheit 7a 14; 10a 6; 24 5; 42 10; 46 1; 52 1 Rechtsunwirksamerklärung des Vaterschaftsanerkenntnisses 7 17 824

Rechtsvermutung E 27; 3 4; 8 1, 11 f; 11 7 Redaktionsversehen 7 17; 25 14; 42 2 Regenbogenfamilie 7a 19 Reichsangehörigkeit E 28 Reichsbürgerschaft E 38 Reichsgemeindegesetz 1862 E 27 Reisepass 5 17; 19 40; 44 5; 57 1; 63; 64a Reoptionsrecht E 44 Republik, Begriff 2 4 Richtsätze 10 96, 99, 101, 117, 120 f, 125, 127, 132 ff, 137 Röntgenuntersuchung 5, 5 Rückführungsentscheidung 10 252 Rückkehrentscheidung 10 52, 70, 72 ff, 216 ff, 243, 248, 250 f, 253; 15 4, 10 ff, 31 Rückwirkung 8 13 S Sachverständigenbeweis 10a 26 Sachwalterschaft 22 10 Säumnisbeschwerde 20 16; 39 12; 43 4 Scheidung 4 14; 11a, 19, 24; 13 20; 20 15 Scheinehe 11a 8, 31 f, 35, 47; 53 5 Scheinvaterschaft 5 13 Schiff 11a, 24, 46, 49 Schreibfehler 23 14 Schriftform 23 14; 38 1; 57 4; 58c 1 Schuldausschließungsgründe 63c 10 Schüler 10a 44 Schulorganisationsgesetz 10a Schulpflicht 10a 17 Schulpflicht, allgemeine 10a, 45 Schutzberechtigte, subsidiär 10 32; 12 24 Schwangerschaft 7 10 Schweigepflicht, ärztliche 5 24 Schweizer Bürger 10 20 f, 39, 245; 10a 36



Sehbehinderung 10a 28 Sekundarschule 10a 13, 44 Selbstbindungsvorschrift 21 3; 50 1; 51 1 Selbstbezichtigung 4 17 Selbstverwaltungskörperschaften 11a 41 Sicherheitspolizei 56b Sicherheitspolizeigesetz 39a Sicherungsmaßnahme 63 4 Slowenien E 18 Sonderbetrugsdelikt 64 3 Sozialhilfe 64 Sozialhilfebezug 10 113, 156 Sozialhilfeleistungen 10 97, 99, 108, 112 f, 122, 124 f Sozialleistungen, unrechtmäßige Inanspruchnahme von 64 Sozialversicherungsträger 39a 11 Sprachbeherrschung 11 18 Sprach- oder Hörbehinderungen 10a, 23 Staatsangehörigkeitsurkunden 62 2; 63 Staatenauflösung 20 10 Staatenlosigkeit E 16, 31, 43; 3 2, 5; 7 39; 14 1, 3, 7, 11; 20, 12, 17, 29; 24; 33 2; 37 1 Staatennachfolge 20 11 Staatsangehörigkeit, Begriff 2 5 Staatsangehörigkeit, fremde 13 3, 10, 12, 15 ff Staatsangehörigkeitswechsel 7a 6 Staatsbürger, Begriff 2 7 Staatsbürgerschaft 16 16; 18 12 Staatsbürgerschaft, Begriff 2 5 Staatsbürgerschaftsbehörden 10 119, 162 f Staatsbürgerschaftsdaten 56b; 56c; 64a Staatsbürgerschaftsehe 11a 5, 31, 36 Staatsbürgerschaftsevidenz 47 6; 48, 8; 49, 3; 50; 51; 55; 56; 64a

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Staatsbürgerschaftsverband 47, 5 Staatsbürgergesetz von 1918 E 33 Staatsbürgerschaft, Begriff E 10 Staatsbürger kraft Abstammung 8 Staatsbürgerschaftsgesetz 1925 E 35 Staatsbürgerschaftsgesetz 1945 E 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1949 E 42 Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 E 46 Staatsbürgerschaftsnachweis 7a 5; 41 9; 43 2; 44, 4, 13; 56a 19; 57 1; 61; 64a Staatsbürgerschaftsnachweis, Entzug 44 14 Staatsbürgerschaftsprüfung 10 269; 17; 18 12 Staatsbürgerschaftsverordnung 8 7; 10 101; 10a 53; 19 27; 21 10; 22 10, 26; 23 14; 44 1; 46 1; 51 3; 52 2; 53 15; 56 1; 56a 19; 61 Staatsgrundgesetz E 28 Staatsverband 20 9 Staatsvertrag von Wien 1 11 Stammdaten 56a 15 Stammzahl 44 18; 56a 16 Standesamtsverbände 41 11; 47, 3 Statistik Österreich 56c Steuerhinterziehung 10 211 StGB 46 3 Strafbemessung 63c 12 Strafe, getilgte 10 159 Strafnachsicht, bedingte 10 160 Strafrechtspflege 56b Straftatbestände 63c 15 ff Straftaten 14 7, 19, 21, 23, 27 Strafverfahren 4 17; 10 160, 163, 165, 203; 15 Strafverschärfung 63c 18 StPO 56b 6 StVO 11 11; 20 29 Südtiroler E 44; 2 6; 3 10; 20 13 825

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T Tarife 48 1 Tatort 63c 13 Territorialstaat E 21 Terrorismus, Aktivitäten 10 256; 14 Siehe auch Gruppierung, terroristische Tilgung 4 21 f Titelerschleichung 63c 16 Tod 7 29; 39a Todeserklärung 53 10 Todesfall, Eintragung in Staatsbürgerschaftsevidenz 56a 5 Träger von Privilegien und Immunitäten 9 2, 4, 20 f, 23 U Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 3 3; 20 14 Übereinkommens über die Vermeidung von Staatenlosigkeit in Zusammenhang mit Staatennachfolge 20 11 Übereinkommen über die Verminderung der Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit 20 18; 27 4 Übergangsbestimmungen 20 26; 42 2; 44 3; 56a 6; 61 1; 64a, 3 Übergangsgesetz 1920 E 34 Ukraine 7 13 Umstände, Staatsbürgerschaft begründende 51 4 Umweltschutz 11a 57 Ungarn E 28, 30 Unionsbürgerschaft E 16; 11a 13, 48; 26 3 f; 28 11; 29 3; 59 9 Unionsrecht, Verletzung des E 20 Universitätsprofessor 25 1 UN-Flüchtlingskonvention 11a 9; 20 16 UN-Konvention betreffend die Verminderung der Staatenlosigkeit E 47; 20 14; 24 2 826

UN-Konvention über die Staatsbürgerschaft verheirateter Frauen E 46; 11a 1 Unmündiger minderjähriger Fremder 12 62 Unrechtsgehalt 10 221, 223, 225 f, 228 Unschuldsvermutung 4 17 Unterbrechung 9 14 f; 10 12, 30, 33 f, 44, 52 ff, 58, 60, 62, 131; 15 3 ff, 8, 11, 14, 16 f, 19 ff, 24, 33, 37, 39 f, 43 f, 47 f, 50 f, 67 Unterhalt 4 10; 10 95 ff Unterhaltsansprüche 10 99, 101 f, 105, 125, 155 Unterschrift 5 17 Untersuchungshaft 15 77 Untersuchungsmethodik, multifaktorielle 5 Untertaneneigenschaft E 25 Urkunden 10a 12; 19, 31 Urkundenfälschung 10 211 Urkunden, öffentliche 20 24; 22 27; 41 9 f; 43 5; 44 4, 20; 46, 3 Urkunden, unbedenkliche 5 USA 7 35 V Vater 7, 16; 29 5; 59 1, 3 Vaterschaft 12 62 ff Vaterschaftsanerkenntnis 7, 20; 12 62; 53 13 Vaterschaftsanerkenntnis, durchbrechendes 7 26; 53 14 Vaterschaftsfeststellung 7, 23 Verbesserungsauftrag 11a 54; 19 6, 22 Verbot der Entziehung der Staatsangehörigkeit 24 3 Verfahrensdauer 10a 46 Verfahrensverbindung 18 2 Verfälschung, Urkunden 46 2 Verfassung 1934 E 37



Verfassungsbestimmung 1 1, 4; 40; 48 6; 63 Verfassungsübergangsgesetz 1934 E 37 Verfolgte des NS-Regimes 10 93; 58c 1 Verhältnismäßigkeitsprinzip 5 11; 11a 40; 24 10; 39a 3 Verjährung 48 7 Verknüpfungsanfrage 56b, 5 Verleihung 6 6; 18 2 Verleihungshindernisse 10 1, 158, 204, 210, 213, 217, 247, 269, 280; 11 11 Verleihungsverfahren 18 2 Verleihungsvoraussetzung, Deutschkenntnisse 10a 31 Verleihungsvoraussetzung, rechtmäßiger Aufenthalt 11a 12 Verleihungswerber 16 16; 17 12 Verlust 13 1 ff, 6, 8, 10 ff, 19 f; 26 1; 27 1, 5; 29 1 Verordnungsermächtigung 19 41; 43 2; 44; 46, 8; 51 3; 52 2; 56a 19; 62; 64a Versagungsgrund 10 112, 213, 218 Verschuldensvermutung 63c 9 Verschwiegenheitspflicht 56 2, 4 Versicherungsleistung 10 106 f, 109 Verständigungspflicht 55 2 Siehe auch Mitteilungspflicht bestimmter Behörden Versteinerungstheorie 56a 1 Siehe auch Kompetenztatbestand Verstorbene 51 6 Versuch, strafbar 63c 20 Vertrag von St-Germain-en-Laye E 33 Vertragspraxis, völkerrechtliche E 25 Verträge, zwischenstaatliche 63 8 Vertrauensschutz 64a 4 Vertreter, gesetzlicher 7a, 9; 19, 8

Sachverzeichnis

Vertretungsbehörden 22, 11; 39a 8; 40; 41; 43 10; 44 13; 53; 57 1; 55; 56b Vertriebene E 42, 45 Verurteilung 10 1, 53, 158 ff, 170, 177, 179, 221 f; 15 17, 33, 36 f Verwaltungsabgaben 7 9 Verwaltungsabgabengesetze der Länder 48 1 Verwaltungsaufwand, übermäßiger 51, 5 Verwaltungsvereinfachung 41 14; 47 2, 4; 50 2; 56a 6 Verwaltungsübertretung 4 19, 22; 5 30; 10 201, 221, 223, 231 ff; 11 17; 19 33; 43 2; 63c Verwandtschaftsverhältnis 5 Verweisungen 63b Verzicht 12 5, 13; 37 1 Verzichtserklärung 38 1 Visum 10 19, 41, 43 visumfrei 10 43 Völkerrecht E 19, 21; 2 6; 24 2; 39a 25 Volljährigkeit 20 32; 25 8 Vollziehung 66 Vollzug von Freiheitsstrafen 15 Vordrucke 46 5 Siehe auch Muster Vorfrage 7 21; 8 8; 11a 44; 24 12; 42 12; 53 8 Vorlagepflicht 19 27 Vormundschaftsgericht 19 5 Vorsatztat 10 160, 165, 221 Volksdeutsche E 43 VStG 63c 1 W Wahlkinder 17 12 Wahlrecht 1 11 Wartefrist 10 89 Wehrpflicht E 24 Weiterleitung des Antrags 40 5 Widerruf 20 25, 27; 39 7 827

Sachverzeichnis

Widerruf, Änderung der örtlichen Zuständigkeit 20 33 Widerruf, Gelöbnis 22 16 Widerrufsbescheid 20 34 Widerrufsgrund 20 28 Wiederaufnahme 35 1 Wiederaufnahmebescheid 24 20 Wiederaufnahmegründe 24 7, 10 Wiederaufnahme des Verfahrens 4 13, 20; 11a 5, 33; 18 2; 20 23; 24, 4 Wiederaufnahme eines Erstreckungsverfahrens 18 2 Wiederaufnahme, aufschiebende Wirkung 24 17 Wiederaufnahme, Rechtswirkung 24 13 Wiederaufnahme, Verleihungsverfahren 3 4 Wiedereinbürgerung 10 89; 13 2, 4, 6, 26 Wiedereinsetzung 48 9 Wiedererwerb 13 10, 19 Wiederverleihung 13 3, 9, 12, 14 Wirkung, aufschiebende 15 12 f Wirtschaftskammergesetz 11a 41 Wohlverhalten 10 160, 176, 200 Wohnsitz 15 19, 25, 49; 22 4; 49; 61 1 Wohnsitzfrist 15 3, 8, 10, 16 f, 20, 24, 40

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Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft 11a 16 Z Zahnuntersuchung 5 5 Zentrales Staatsbürgerschaftsregister 44, 15; 50; 56a; 56b 1; 64a Zinserträge 10 101 ZPO 41 9; 42 8; 43 5 ZSR Siehe Zentrales Staatsbürgerschaftsregister ZSR-Daten 56c, 2 Zukunftsprognose 11 27 Zumutbarkeit 10 260, 262 Zurücklegung 37 2 Zusicherung 10 14, 259, 269; 20, 20 Zusicherung, Ausnahmen 20 35 Zusicherung, Rechtskraft der 20 23 Zusicherungsbescheid 6 7; 10 261; 20 21, 24; 64a Zuständigkeit, Evidenzstelle 49 7 Zuständigkeit, örtliche 39 5 Zuständigkeitsverteilung, System der festen 39 8 Zustelladresse 36 3 Zustellung 23 6, 12 ZustG 23 6 Zustimmung 7a 13, 21 Zwangseinbürgerungen 2 6 Zwangsmittel 5, 30; 39a 23

© Michael Rausch-Schott

Verzeichnis der Autoren Dr.in Julia Ecker ist selbständige Rechtsanwältin in Wien mit den Schwerpunkten Fremden- und Asylrecht, Staatsbürgerschaftsrecht, Verfassungsrecht und Grundrechtsschutz sowie Mitglied im Netzwerk Asylanwalt. Neben ihrer Dissertation im Fremdenrecht verfasst sie zahlreiche Publikationen zu diesem Rechtsbereich und ist als Vortragende zu fremdenund asylrechtlichen Themen tätig.

Univ.-Doz. Dr. Martin Kind Studium der Rechtswissenschaften, Habilitation im öffentlichen Recht (1999), RA (2003). Er hält Lehrveranstaltungen an der Universität Wien und hatte im Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit langjährig mit der fremdenrechtlichen Beratung und Vertretung von Mandanten zu tun. Seit Jahrzehnten ist er Fachautor im Bereich des Verfassungs- und Verwaltungsrechts mit internationaler Erfahrung in Gesetzgebung, Forschung und Lehre.

Mag. Ivica Kvasina ist seit 2014 als einer der auf Fremden- und Staatsbürgerschaftsrecht spezialisierten Richter am Verwaltungsgericht Wien tätig. Davon war er Leiter des Competence Center Recht der Wiener Staatsbürgerschaftsbehörde (MA 35).

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Verzeichnis der Autoren

Dr. Johannes Peyrl ist Experte für österreichisches und europäisches Migrationsrecht. Er hat zahlreiche Publikationen zum Fremden-, Ausländerbeschäftigungs- und Arbeitsmarktrecht verfasst, ist Mitglied in diversen Gremien bzw Ausschüssen auf nationaler und EUEbene und hält Lehrveranstaltungen, Vorträge und Seminare zu migrationsrechtlichen Fragestellungen.

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